Springer-Lehrbuch
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Bernd Hecker
Europäisches Strafrecht Dritte, aktualisierte und erweiterte Auflage
1C
Professor Dr. Bernd Hecker Universität Trier FB V - Rechtswissenschaft 54286 Trier Deutschland
[email protected] ISSN 0937-7433 ISBN 978-3-642-13126-4 e-ISBN 978-3-642-13127-1 DOI 10.1007/978-3-642-13127-1 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005, 2007, 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort zur 3. Auflage
Am I. Dezember 2009 trat nach einem stockend verlaufenden Ratifizierungsprozess der von den Staats- und Regierungschefs der EU am 13. Dezember 2007 unterzeichnete Vertrag von Lissabon in Kraft . Durch ihn gründen die Vertragsparteien untereinander eine Europäische Union ("Union") , der die Mitgliedstaaten Zuständigkeiten zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Ziele übertragen. Die Union ist an die Stelle der EG getreten, deren Rechtsn achfolgerin sie ist. Die bisherige sog . "dritte Säule " der EU (PJZS) wurde in den supranationalen Bereich überführt . Freilich erfindet der Vertrag von Lissabon das Europäische Strafrecht nicht neu. Bereits auf dem Boden der früheren europäischen Vertr äge (EUV, EGV) hat sich innerhalb der EU ein integriertes System europäischer Strafrechtspflege entwickelt, das von den Strukturelementen Kooperation, Koordination, Assimilierung und Harmoni sierung geprägt ist. Erklärtes Ziel der Union bleibt die Schaffung eines Raum s der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen. Die europ äische Rechtssetzung ist dabei an die nunmehr rechtverbindlichen Gew ährleistungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gebunden. Europäisches Strafrecht ist nicht als statischer Recht szustand , sondern als Prozess der Europäisierung des Strafrechts und der Strafrechtspflege zu begreifen. Die 3. Auflage des Lehrbuches ist daher bemüht, die behandelten Sachthemen jeweils in ihrem historischen Kontext zu vermitteln, der die wesentlichen Entwicklungsschritte bis " Lissabon" nachzeichnet. Im Übrigen bleibt das Lehrbuch den bereits im Vorwort zur I. Auflage beschriebenen Zielen und Zielgruppen verpflichtet. Um den Fußnotenapparat überschaubar zu halten , musste eine subjektive Auswahl einschlägiger Nachweise getroffen werden . Ein fachliches " Unwerturteil" über nicht zitierte Beiträge ist damit selbstverständlich nicht verbunden . Allen Rezensenten und sonstigen Lesern danke ich für erteiltes Lob eben so wie für wertvolle Kritik und Hinweise. Konstruktive Anregungen nehme ich weiterhin gerne entgegen. Für tatkräftige Unter stützung danke ich - in Erinnerung an unsere angenehme Zusammenarbeit an der JLU Gießen - meinen ehemaligen wissenschaftli chen Mitarbeitern Dominique Dahlmanns, Nils Knobloch, Mathias H ütwohl, Isabel Schmieta und Kaja Lehr. Rechtsprechung, Literatur und Gesetzesmaterialien befinden sich auf dem Stand von Juni 2010 . Trier, im Oktober 20 I0
Bernd Hecker
Vorwort zur 1. Auflage
Europäisches Strafrecht ist eine junge, in dynamischer Entwicklung begriffene Rechtsdisziplin. Der Zugang zu dieser Rechtsmaterie ist dadurch erschwert, dass der einschlägige Rechts stoff supranationalen, völkerrechtlichen und innerstaatlichen Rechtsquellen verschiedener Hierarchien entstammt. Zu denken ist etwa an Gemeinschaftsprimärrecht, EG-Verordnungen, Richtlinien, völkerrechtliche Übereinkommen, Rahmenbeschlüsse sowie an nationale Gesetze und Rechtsverordnungen. Zwar existiert bereits eine recht stattliche Anzahl an Monographien, Zeitschriftenbeiträgen sowie Entscheidungen nationaler und europ äischer Gerichte (EuGH und EGMR), die sich mit Fragen des Europäischen Strafrechts befassen. Diese sind jedoch regelm äßig auf die Erörterung bestimmter Themenausschnitte bzw . spezieller Einzelprobleme fokussiert. Auch ist die Lektüre tiefschürfender Dissertationen, Habilitationsschriften und sonstiger wissen schaftlicher Monographien eine recht "schwere Kost", die sich kaum für Leser eignet, die sich in ein für sie neues, noch weitgehend unbekanntes Rechtsgebiet einarbeiten wollen . Für diesen Kreis von Interessenten bietet sich das Studium von Lern- und Übersichtbeiträgen an, die - mit unter schiedlicher Problemgewichtung - in bestimmte Themen des Europäischen Strafrechts einführen. Schon aufgrund der in Zeitschriften üblichen Seitenbegrenzungen vermögen diese Aufsätze freilich keine primär didaktisch ausgerichtete Gesamtdarstellung des Europäischen Strafrechts zu ersetzen, die - im Idealfall - den Rechtsstoff vollständig und systematisch aufarbeitet, fachliche und methodische Grundkenntnisse des Rechtsgebietes vermittelt, praxisnahe Vertiefungsschwerpunkte setzt , Anleitungen für die Lösung konkreter Fälle gibt , zentrale Thesen und Erkenntnisse einprägsam zusammenfasst, wichtige Literaturbeiträge und aktuelle Rechtsprechung nachwei st, dogmatisches und kriminalpolitisches Problembewusstsein weckt, zum Lernen und Weiterdenken anregt sowie nicht zuletzt - einen Kanon "abfragbaren Wissens" präsentiert. Ob und wie gut dies dem vorliegenden Lehrbuch gelungen ist, mögen die Leser entscheiden. Für konstruktive Kritik und Verbess erungsvorschläge j eder Art ist der Verfasser offen und dankbar. Das vorliegende Lehrbuch richtet sich in erster Linie an Studierende der Rechtswissenschaften sowie Absolventen von Polizeifachhochschulen, die sich in das Europäische Strafrecht einarbeiten, ihr Wissen festigen und erweitern oder auch nur Prüfungs stoff repetieren wollen . Insbesondere Studierenden, die Strafrecht oder Europarecht als Vertiefungs- bzw . Schwerpunktfach gewählt haben, möge das Lehrbuch nützliche Dienste erweisen. Aber auch Rechtspraktikern, die z. 8. als Richter , Staat sanwalt, Strafverteidiger oder Kriminalbeamter mit der Be-
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Vorwort zur I. Auflage
arbeitung grenzüberschreitender oder europarechtsbezüglicher Strafrechtsfälle befasst sind , soll der "Einstieg" in die Materie erleichtert und ein rascher Zugang zu den breit verstreuten Rechtsbestimmungen sowie zu problemvertiefender Rechtsprechung und Literatur ermöglicht werden . Schließlich möge das Lehrbuch den in Wissenschaft und Lehre tätigen Kollegen Anregungen für Vorträge und Lehrveranstaltungen sowie Inspiration für die weitere Erforschung eines in rasanter Entwicklung befindlichen Rechtsgebietes bieten. Eine gewinnbringende Nutzung dieses Lehrbuches setzt ein gewisses Maß an fachlichem Vorwissen auf Seiten des Lesers voraus . Dieser sollte über fortgeschrittene Kenntnisse des deutschen Straf- und Strafprozessrechts sowie zumindest über Basiswissen in den Bereichen Verfassungs-, Europa- und Völkerrecht verfügen . Studierende der Rechtswissenschaften oder Absolventen von Polizeifachhochschulen dürften diese Voraussetzungen spätestens ab dem 4. Studiensemester mitbringen. Es erscheint sinnvoll, dargebotene Beispielsfälle zunächst selbständig zu durchdenken und sodann mit den Lösungshinweisen zu vergleichen . Zur Vertiefung bestimmter Einzelprobleme oder Themenkomplexe empfiehlt sich das Studium der angegebenen Literatur und Rechtsprechung. Dem eiligen oder um Vororientierung bemühten Leser sei die Lektüre der am Ende jedes Kapitels befindlichen Zusammenfassungen empfohlen. Auf den nachfolgend genannten Internetseiten findet der Leser Informationen über aktuelle europapolitische Themen und rechtliche Entwicklungen auf europäischer Ebene . Über http://www.coe.int gelangt man auf die Homepage des Europarates und über http://www.europa.eu.int auf die der Europ äischen Union . Der Zugriff auf die Datenbank CELEX (Recht der EU) erfolgt über http://europa.eu.int/celex. Für wertvolle Diskussionen, Anregungen, FundsteIlenrecherchen und sonstige tatkräftige Unterstützung in der Entstehungsphase dieses Buches danke ich Herrn Richter Dr. Lars Witteck sowie meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Herrn Markus Benner, Frau Melanie Berkl, Herrn Dominique Dahlmanns , Frau Anja Dohmen und Herrn Andreas Glaser.
Gießen, im Januar 2005
Bernd Hecker
Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis
XXVII
Abgekürzt zitierte Literatur
XXXV
Europäische Integration: Wichtige Daten und Ereignisse im Überblick
XLIX
Teil I: Einführung § I Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts § 2 Strafrechtliche Spezialmaterien mit grenzüberschreitenden Bezügen
3 .25
Teil 11: Träger des Europäischen Strafrechts und ihre Handlungsformen § 3 Europarat. § 4 Europäische Union
77 117
§ 5 EU-Mitgliedstaaten im Netzwerk globaler, europäischer oder bilateraler Kooperation in Strafsachen
§ 6 Zusammenarbeit zwischen EuGH und nationaler Strafgerichtsbarkeit
I59 209
Teil 111: Strafrechtsrelevante Europäisierungsfaktoren § 7 Assimilierungsprinzip
227
§ 8 Strafrechtliche Annexkompetenz der EU
265
§ 9 Vorrang des Unionsrechts
301
§ 10 Unionsrechtskonforme Auslegung
329
§ I I Originäre Kompetenz der EU zur Strafrechtsharmonisierung
367
§ 12 Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen
.4 I9
§ 13 Transnationales Doppelbestrafungsverbot...
457
X
Inhaltsübersicht
Teil IV: Strafrechtlicher Schutz der EU-Finanzinteressen § 14 Betrugsbekämpfung durch Europäisches Strafrecht...
.495
Stichwortverzeichnis
519
Inhaltsverzeichnis
Abkü rzu ngsverzeich nis
XXVII
Abgekürzt zitierte Literatur
XXXV
Europäische Integration : Wichtige Daten und Ereignisse im Überblick
XLIX
Teil I: Einführung
§ I Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts 3 A. Einleitung 3 B. Was ist "E uropäisches Strafrecht"? 5 I. Europäisches Strafrecht als strafrechtliche Rechtsm aterie sui generis 5 I. Gemeinsames rechtskulturelles Erbe der europ äischen Staaten 5 2. Europäisches Strafrecht und Europäisierung des Strafrechts 5 11. Europäisches Strafrecht als rechtswissenschaftliche Querschnittsmaterie 7 I. Kriminalpolitik 7 2. Strafrechtsdogmatik 9 3. Strafverfahrensrecht. 10 4. Kriminologie 11 5. Europarecht. 11 12 6. Verfassungs- und Völkerrecht 111. Praktische Bedeutung des Europäischen Strafrechts 12 I . Strafre chtsbegrenzende Europäisierungseffekte 13 2. Stärkung strafprozessualer Rechtspos itionen 15 3. Strafrechtsausdehnende Europäisierungseffekte 17 a) Europa als .Jcriminalgeographischer Raum" 17 b) Europäisches Strafrecht als Antwort auf grenzüberschreitende Kriminalität 18 c. Literaturhinweise 21 D. Rechtsprechungshinweise 23 E. Zusammenfassung von § I 23 § 2 Strafrechtliche Spezialmaterien mit grenzüberschreitenden Bezügen A. Internationales Strafrecht I. Begriff und Funktion des internationalen Strafrechts
25 25 25
XII
Inhaltsverzeichnis
11 . Schutzbereich deutscher Straftatbestände 27 111. Völkerrechtliche Grundlagen des internationalen Strafrechts 29 IV. Prinzipien des internationalen Strafrechts 3I I . Territorialitätsprinzip 3I a) Inlandsbegriff 3I b) Ubiquitätsprinzip 32 aa) Anwendungsbeispiele 33 bb) Abtreibungstourismus 34 c) Distanzdelikte 37 aa) Internetkriminalität 37 bb) Grenzüberschreitende Umweltdelikte 39 2. Flaggenprinzip 42 3. Aktives Personalitätsprinzip 42 4. Passives Personalitätsprinzip 43 5. Schutzprinzip 43 6. Weltrechtsprinzip 44 7. Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege 46 8. Kompetenzverteilungsprinzip 49 9. Prozessuale Aspekte der Verfolgung von Auslandstaten 50 V. Literaturhinweise 50 VI. Rechtsprechungshinweise 51 B. Transnationales Strafrecht 51 I. Begriffund Funktion des transnationalen Strafrechts 5I 11. Rechtshilfe in Strafsachen am Beispiel der Auslieferung 54 I . Rechtliche Grundlagen des Auslieferungsverkehrs 54 2. Grundprinzipien und allgemeine Voraussetzungen der Auslieferung 55 a) Grundsatz der Gegenseitigkeit... 55 b) Beiderseitige Straf- und Verfolgbarkeit 56 c) Grundsatz der Spezialität... 56 d) Auslieferungshindernisse 57 3. Auslieferungsverfahren 59 a) Verfahrensweise nach einem Fahndungserfolg in Deutschland .. 59 b) Förmliches Auslieferungsverfahren in Deutschland 60 111 . Literaturhinweise 62 IV. Rechtsprechungshinweise 62 c. Völkerstrafrecht 63 I. Begriffund Funktion des Völkerstrafrechts 63 11. Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) 64 111. Durchsetzung des Völkerstrafrechts 66 IV. Deutsches Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) 68 I. Strafanwendungsrecht des VStG B 68 2. Allgemeiner Teil des VStGB 69 3. Besonderer Teil des VStGB 69 4. Zusammenfassende Bewertung - Vorbildcharakter des VStGB 70 V. Literaturhinweise 7I
Inhaltsverzeichnis D. Zusammenfassung von § 2
XIII 72
Teil 11: Träger des Europäischen Strafrechts und ihre Handlungsformen
§ 3 Europarat A. Strukturen und Ziele des Europarates I. Rechtsnatur des Europarates 11 . Organe des Europarates 111 . Arbeitsprogramm des Europarates B. Strafrechtsrelevante Aktivitäten des Europarates I. European Commitee on Crime Problems 11. Strafrechtsrelevante Konventionen I. Übersicht. 2. Praktische Bedeutung der Konventionen 111. Europarat als Forum paneuropäischer Kooperation IV. Literaturhinweise C. Bedeutung der EMRK für die europäische Strafrechtspflege I. System des Menschenrechtsschutzes I . Konventionsorgane 2. Verfahrensgang nach Einlegung einer Individualbeschwerde 3. Wirkung rechtskräftiger Urteile des Gerichtshofs 4. Innerstaatliche Umsetzung von Urteilen des Gerichtshofs 11. Anwendungsbereiche strafrechtsrelevanter Konventionsrechte I. Autonome Auslegung der Konventionsrechte 2. Konventionsgarantien als Auslieferungshindernis a) Drohende Todesstrafe und unmenschliche Behandlung b) Rechtschutzdefizit und "drakonische" Strafe 3. Strafprozessuale Verfahrensgarantien a) Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten b) Einsatz von Lockspitzeln c) Widerruf der Bewährung d) Frage- und Konfrontationsrecht des Beschuldigten e) Überlange Verfahrensdauer 4. Freiheitsrechte und strafprozessuale Untersuchungshaft 5. Einfluss von Konventionsrechten auf das materielle Strafrecht 111 . Bindung der EU an die EMRK D. Literaturhinweise E. Rechtsprechungshinweise F. Zusammenfassung von § 3
§ 4 Europäische Union A. Union als Rechtsnachfolgerin der EG I. Rechtsnatur der EU 11 . Organe der EU und ihre Funktionen I. Europäischer Rat
77 77 77 79 79 80 80 81 81 83 84 85 85 87 88 89 90 91 92 92 94 95 97 100 100 101 102 103 104 106 108 110 111 113 113 117 117 117 118 118
XIV
Inhaltsverzeichnis
2. Rat der Europäischen Union 118 a) Allgemeines 118 b) Aufgaben des Rates 119 c) Strafrechtsrelevante Aktivitäten des Rates 120 3. Kommission der Europäischen Union 122 a) Allgemeines 122 b) Aufgaben der Kommission 124 c) Strafrechtsrelevante Aktivitäten der Kommission 125 d) Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) 126 4. Europäisches Parlament... 129 a) Allgemeines 129 b) Aufgaben des Europäischen Parlaments 130 c) Strafrechtsrelevante Aktivitäten des Europäischen Parlaments .. 132 5. Gerichtshof der Europäischen Union 133 a) Allgemeines 133 b) Aufgaben des Gerichthofes 133 c) Klage- und Verfahrensarten 134 aa) Vorabentscheidungsverfahren (Art . 267 AEUV) 134 bb) Vertragsverletzungsklagen (Art . 258, 259 AEUV) 134 cc) Nichtigkeitsklagen (Art . 263 , 264 AEUV) 135 dd) Untätigkeitsklagen (Art . 265 AEUV) 135 d) Strafrechtsrelevante Aktivitäten des EuG H 136 6. Europäischer Rechnungshof.. 136 a) Allgemeines 136 b) Aufgaben des Rechnungshofes 137 c) Strafrechtsrelevante Aktivitäten des Rechnungshofs 137 111. Rechtsquellen und Charakteristika der Unionsrechtsordnung 138 I . Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 138 2. Primäres Unionsrecht 139 3. Sekundäres Unionsrecht 140 a) Verordnungen (Art . 288 UA 2 AEUV) 140 b) Richtlinien (Art . 288 UA 3 AEUV) 140 c) Beschlüsse (Art . 288 UA 4 AEUV) 141 d) Empfehlungen und Stellungnahmen (Art . 288 UA 5 AEUV) 141 e) Sonstige Rechtsakte 142 B. Kompetenzen der Union zur Strafgesetzgebung 142 1. Strafrecht als autonom zu bestimmender Begriff des Unionsrechts .. 143 I . Untauglichkeit einer formalen Begriffsbestimmung 143 2. Begriffsbestimmung anhand materieller Kriterien 144 3. Abgrenzung zwischen Kriminalstrafrecht und Strafrecht i. w. S 145 4. Zuordnung einzelner Sanktionstypen des Unionsrechts 145 a) Geldbußen 146 b) Zwangsgeld und Strafgeld 146 c) Sanktionen im Agrar- und Fischereirecht.. 147 11. Diskussion einer etwaigen Strafgesetzgebungsbefugnis der EU 147 I . Judikatur des EuGH und deutscher Gerichte 148
Inhaltsverzeichn is
2. Literaturansichten 3. Vertiefende Diskussion zentraler Gesichtspunkte a) Kompetenzproblem und Legitimationsfrage b) Wortlaut potentieller Ermächtigungsnormen und systematische Aspekte c) Kriminalstrafrecht als Gegenstand der früheren 3. Säule d) Überführung der 3. Säule in den Rahmen des Unionsrechts e) Bedeutung des Art . 325 IV AEUV 4 . Ergebnis C. Literaturhinweise D. Rechtsprechungshinweise E. Zusammenfassung von § 4
§ 5 EU-Mitgliedstaaten im Netzwerk globaler, europäischer oder bilateraler Kooperation in Strafsachen
XV
150 151 151 152 153 153 154 155 156 156 157
159
A. EU-Mitgliedstaaten als Träger des Europäischen Strafrechts 159 B. Strafrechtsrelevante Kooperationsformen 160 I. Einführung 160 11 . Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) 160 III. Vereinte Nationen (UN) 161 I. Bekämpfung der Geldwäsche und Betäubungsmittelkriminalität 162 2. Bekämpfung illegaler grenzüberschreitender Abfallverbringung .. 163 3. Bekämpfung der transnationalen Kriminalität.. 163 IV. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 164 1. Bekämpfung von Korruption und Bestechung 164 2. Bekämpfung der Geldwäsche 166 V. Gipfelkonferenz der G7/G8-Staaten 167 VI. Zusammenarbeit im Europarat.. 167 I. Bekämpfung der Geldwäsche und Betäubungsmittelkriminalität 167 2. Bekämpfung der Korruption 168 168 3. Bekämpfung der Cyber-Kriminalität 4 . Bedeutung der Zusammenarbeit im Europarat 169 C. Zusammenarbeit in der EU 169 I. Informelle Kooperation 170 1. TREVI-Arbeitsgruppen 170 2. CELAD 171 11 . Kooperation im Rahmen der Schengener Abkommen 171 171 1. Sehengen I und Sehengen 11 (SDÜ) 2. Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit auf der Basis des SDÜ 173 a) Überblick 173 b) Polizeilicher Informationsaustausch (Art. 39 SDÜ) 173 c) Grenzüberschreitende Observation (Art. 40 SDÜ) 175 d) Grenzüberschreitende Nacheile (Art. 41 SDÜ) 176
XVI
Inhaltsverzeichnis
e) Gleichstellung der Beamten (Art . 42 SDÜ) und Schadensersatz (Art. 43 SDÜ) f) Das Schengener Informationssystem (Art. 92-119 SDÜ) 111. Die frühere 3. Säule der EU I. Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI) 2. European Drug Unit (EDU) 3. Europol a) Organisatorische Strukturen und Kontrolle von Europol b) Aufgaben von Europol c) Datenschutz 4 . Europäisches Justizielles Netz (EJN) 5. Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen 6. Eurojust a) Organisatorische Strukturen von Eurojust.. b) Aufgaben von Eurojust... IV. PJZS in dem einheitlichen Rahmen des Unionsrechts D. Bilaterale Zusammenarbeit I. Wesentlicher Inhalt des deutsch-schweizerischen Polizeivertrages I. Überblick 2. Observation (Art. 14, 15) 3. Nacheile (Art. 16) 4 . Verdeckte Ermittlungen (Art. 17, 18) 5. Kontrollierte Lieferungen (Art. 19) 6. Datenschutz (Art . 26-28) 7. Amtshandlungen im anderen Vertragsstaat 11. Würdigung des Polizeivertrages E. Rechtsschutz gegen grenzüberschreitende Strafverfolgung F. Literaturhinweise G. Zusammenfassung von § 5
177 178 180 180 181 182 182 184 186 187 187 189 189 190 191 192 193 193 194 196 197 198 199 199 200 20 I 205 206
§ 6 Zusammenarbeit zwischen EuCH und nationaler Strafgerichtsbarkeit A. Integration des Vorabentscheidungsverfahrens in das Strafverfahren I. Funktion und Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens I. Sicherung des Auslegungs- und Verwerfungsmonopols des EuGH 2. Individualschutzfunktion 11. Vorlagebefugnis und Vorlagepflicht 111. Fallgruppen von Vorlagen im Strafprozess IV. Wirkungen der Vorabentscheidung B. Vorabentscheidungsverfahren und strafprozessuale Maximen I. Vorabentscheidung im Haupt- und Zwischen verfahren I. Zu lässigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens 2. Vorlageermessen und Ermittlungsgrundsatz 11. Vorabentscheidung im Ermittlungsverfahren I. Zu lässigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens
209 209 209 209 210 21 I 212 216 217 217 217 217 218 218
Inhaltsverzeichnis 2. Konflikt zwischen Vorlage und Funktion des Ermittlungsverfahrens 111. Auswirkung vorlagebedingter Verfahrensverzögerungen c. Literaturhinweise D. Rechtsprechungshinweise E. Zusammenfassung von § 6
XVII
219 221 221 221 222
Teil 111: Die strafrechtsrelevanten Europäisierungsfaktoren
§ 7 Assimilierungsprinzip A. Mitgliedstaatliches Strafrecht im Dienste des Unionsrechts B. Assimilierung durch supranationale Verweisungen I. Primärrechtliche Verweisung auf nationale Straftatbestände I . Aussagedelikte 2. Verletzung von Geheimhaltungsptlichten 11 . Sekundärrechtliche Verweisung auf nationale Straftatbestände C. Assimilierung als Ausprägung der Schutzverpflichtung aus Art . 4 111 EUV I. Befugnis der Mitgliedstaaten zur Sanktionierung von Verstößen gegen Unionsrecht 11. Pflicht der Mitgliedstaaten zur Sanktionierung von Verstößen gegen Unionsrecht I. Mindestanforderungen an Sanktionsnormen im Dienste des Unionsrechts 2. Gleichstellungserfordernis und Mindesttrias a) Der Fall "Griechischer Mais" - ein .Jeading case" des Europäischen Strafrechts b) Bedeutung des "Mais-Urteils" 3. Gegenstand der strafrechtlichen Schutzverptlichtung 111. Unionsrechtlicher Rahmen für Strafgesetze im Dienste des Unionsrechts I. Unionsrechtlich festgelegte Untergrenze 2. Präzisierung der Untergrenze der Sanktionierungspflicht 3. Unionsrechtlich festgelegte Obergrenze 4 . Präzisierung der Obergrenze strafrechtlicher Sanktionen 5. Inhaltsbestimmung der unionsrechtlichen Rahmenbegriffe a) Konkretisierungsspielraum der Mitgliedstaaten b) Gleichstellungserfordernis c) Wirksamkeits- und Abschreckungserfordernis d) Verhältnismäßigkeit (Angemessenheit) der Sanktion D. Ausprägungen des Assimilierungsprinzips im deutschen Strafrecht I. Schutzbereichsausdehnung durch Gleichstellungsvorschriften I. Gleichstellungsbestimmung des § 264 VII Nr. 2 StGB 2. Gleichstellungsbestimmung des EUBestG 11. Verweisung auf Unionsrecht durch Blankettstrafgesetze I. Unionsrechtsakzessorisches Blankettstrafrecht
227 227 228 228 229 230 231 231 231 233 233 234 234 235 237 239 239 240 241 243 244 244 245 246 248 249 249 249 250 252 252
XVIII
Inhaltsverzeichnis
2. Grundtypen unionsrechtsakzessorischer Blankettstrafgesetze 254 a) Zuwiderhandlungen gegen bestimmte Ver- oder Gebote einer EU-Verordnung 254 b) Strafbarkeitslücken durch Austausch des Verweisungsobjekts .. 256 c) Strafbewehrung von Unionsrecht durch Festlegungen des deutschen Verordnungsgebers 258 3. Zusammenfassende Würdigung 261 E. Literaturhinweise 261 F. Rechtsprechungshinweise 262 263 G. Zusammenfassung von § 7
§ 8 Strafrechtliche Annexkompetenz der EU
265 A. Strafrechtsharmonisierung durch Richtlinien 265 I. Anweisungskompetenz vor und nach "Lissabon" 266 11. Entwicklung der Harmonisierungspolitik 269 I . Geldwäschestrafrecht 270 2. Strafrechtlicher Schutz des Euro 275 3. Umweltstrafrecht 276 a) Konvention des Europarates zum Schutz der Umwelt durch Strafrecht 276 b) Richtlinienvorschlag der Kommission v. 13. März 200 I 277 c) Rahmenbeschluss über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt 277 d) Urteile des EuGH zur Anweisungskompetenz der EG 278 e) Richtlinie 2008 /99/EG über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt 280 B. Strafrechtsangleichung in harmonisierten Politikbereichen 283 I. Grundlagen und Funktionen der Strafrechtsangleichung nach Art. 83 II AEUV 283 11. Strafrechtsrelevante Harmonisierungsbefugnisse im AEUV 285 I. Spezielle und allgemeine Harmonisierungsbefugnisse 285 2. Spezialermächtigungen im Bereich der gemeinsamen Politiken 285 a) Gemeinsame Agrarpolitik (Art . 38-44 AEUV) 285 286 b) Gemeinsame Verkehrspolitik (Art . 90-100 AEUV) 286 c) Umweltschutz (Art. 191 -193 AEUV) d) Schutz der EU-Finanzinteressen (Art . 325 IV AEUV) 287 3. Allgemeine Harmonisierungsbefugnisse (Art. 114, 115 AEUV) .. 288 III. Grenzen der strafrechtlichen Anweisungskompetenz 289 I . Subsidiaritätsprinzip 290 2. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 292 3. Reichweite der strafrechtlichen Anweisungsbefugnis der EU 293 294 IV. Verfahrensrechtliche "Notbremse" (Art. 83 III AEUV) c. Literaturhinweise 295 D. Rechtsprechungshinweise 297 297 E. Zusammenfassung von § 8
Inhaltsverzeichn is
§9
Vorrang des Unionsrechts A. Unionsrecht und nationales Recht I. Grundlagen 11 . Vorranggrundsatz I . EuGH - Unbeschränkter Vorrang des Unionsrechts 2. BVerfG - Begrenzter Vorrang des Unionsrechts 3. Anwendungs- versus Geltungsvorrang B. Anwendungsvorrang und nationales Strafrecht 1. Neutralisierung mitgliedstaatlicher Strafvorschriften 11. Überlagerung strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen 111 . Kollisionskonstellationen I . Echte und unechte (scheinbare) Kollision 2. Direkte und indirekte Kollision IV. Fallbeispiele aus Praxis und Literatur I . Unbefugte Ausübung einer veterin ärmedizin ischen Tätigkeit ("Auer") 2. Verstoß gegen nationale Kennz eichnungsvorschriften ("Ratti") 3. Grenzüberschreitende Veran staltung einer Lotterie oder Werbung hierfür 4. Übertreibende Produktanpreisung in grenzüberschreitender Werbekampagne 5. Abtreibungstourismus a) Unionsrechtsbezug des Falles b) Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbote c) Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote d) Schutz des ungeborenen Lebens als zwingender Grund des Allgemeininteresses e) Strafbarkeit der Schwangeren und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz t) Strafbarkeit des Arztes und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 6. Lebenslange Ausweisung als strafrechtliche Nebenfolge ("Calfa") C. Literaturhinweise D. Rechtsprechungshinweise E. Zusammenfassung von § 9
§ 10 Unionsrechtskonforme Auslegung A. Das Rechtsinstitut der unionsrechtskonformen Auslegung 1. Bedeutung der unionsrechtskonformen Ausl egung 11. Begründung und Inhalt der Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung I. Leitentscheidungen des EuGH ("von Coison und Kamann" ; " Harz") 2. Unionsrechtliche Grundlagen des Auslegungsgebotes 3. Nationale Recht sgrundlagen einer unionsrechtsfreundlichen Auslegung
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301 30 I 30 I 302 302 302 304 305 305 307 308 308 311 313 3 13 314 315 317 319 319 320 321 321 322 323 324 325 326 327
329 329 329 330 330 331 333
XX
Inhaltsverzeichn is
III. Gegenstand der unionsrechtskonformen Auslegung I . Umsetzungsrecht und sonstiges nationales Recht ("Marleasing") 2. Richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts ohne vorangegangene Transformationsgesetzgebung a) Richtlinie und nationales Recht b) Fallbeispiel "Nostalgiewerbung" für Lebensmittel IV. Richtlinienkonforme Auslegung als mehrphasiger Interpretationsakt V. Verhältnis der unionsrechtskonformen Auslegung zu nationalen Auslegungsmethoden VI. Beginn der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung VII. Grenzen des Gebots unionsrechtskonformer Auslegung B. Unionsrechtskonforme Auslegung im Strafrecht.. I. Aussagen des EuG H I . Strafrechtliche Verantwortlichkeit und Richtlinienrecht im Falle einer zum Tatzeitpunkt nicht umgesetzten Richtlinie ("Kolpinghuis Nijmegen") 2. Strafrechtliche Verantwortlichkeit und Richtlinienrecht im Falle einer zum Tatzeitpunkt fehlerhaft umgesetzten Richtlinie ("Arcaro") 3. Erfordernis der Bestimmtheit von Richtlinie und Strafgesetz ("Telecom Italia") 11. Aussagen des BGH ("Pyrolyse-Urteil") 111. Zur sog. "strafbarkeitserweiternden" Auslegung IV. Anwendungsfelder der unionsrechtskonformen Auslegung im Strafrecht I . Amtsanmaßung (§ 132 StGB) 2. Verwahrungsbruch (§ 133 StGB) 3. Urkundendelikte (§§ 267 , 271 , 274 , 348 StGB) 4. Umweltdelikte (§§ 324 a I, 325 I, 11,325 a I, 11 StGB) 5. Fahrlässigkeitsdelikte V. Rahmenbeschlusskonforme Auslegung nationalen Strafrechts c. Literaturhinweise D. Rechtsprechungshinweise E. Zusammenfassung von § I0
§ 11 Originäre Kompetenz der EU zur Strafrechtsharmonisierung A. Einführung I. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts 11. Strafrechtsangleichung vor und nach "Lissabon" B. Angleichung des materiellen Strafrechts im Rahmen der JZS I. Rechtlicher Rahmen der Strafrechtsangleichung I. Harmonisierungsfähige Kriminalitätsbereiche 2. Gemeinsame Definitionen 3. Festlegung von Strafen 11. Grenzen der Strafrechtsangleichung
334 . 334 335 335 337 339 340 342 344 346 346
346
348 349 351 353 355 355 356 357 358 359 360 363 364 365 367 367 367 368 370 370 370 371 371 372
Inhaltsverzeichn is
XXI
C. Felder der Strafrechtsangleichung in der Union 372 I. Überblick: Rahmenbeschlüsse mit materie11strafrechtlichem Bezug 372 11 . Terrorismus 374 I . Anwendungsbereich 374 2. Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung 374 a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses 375 b) Wesentlicher Inhalt 375 c) Deutsches Strafrecht 378 III. Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern 379 I. Anwendungsbereich 379 2. Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des Menschenhandels 380 a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses 380 b) Wesentlicher Inhalt 380 382 c) Reformbestrebungen auf Unionsebene d) Deutsches Strafrecht 383 3. Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der Kinderpornographie 383 a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses 383 b) Wesentlicher Inhalt 384 c) Reformbestrebungen auf Unionsebene 386 d) Deutsches Strafrecht 386 IV. Illegaler Drogenhandel. 387 I . Anwendungsbereich 387 2. Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels .. 388 a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses 388 b) Wesentlicher Inhalt 389 c) Deutsches Strafrecht 391 V. Geldwäsche 392 I. Anwendungsbereich 392 2. Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der Geldwäsche 392 a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses 393 b) Wesentlicher Inhalt 393 c) Deutsches Strafrecht 394 VI. Korruption 395 I . Anwendungbereich 395 2. Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor 396 a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses 396 b) Wesentlicher Inhalt 396 c) Deutsches Strafrecht 397 VII. Fälschung von Zahlungsmitteln 398 I . Anwendungbereich 398 2. Rahmenbeschluss I zum strafrechtlichen Schutz des Euro 398 a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses 398 b) Wesentlicher Inhalt 399 c) Deutsches Strafrecht 399
XXII
Inhaltsverzeichnis
3. Rahmenbeschluss 11 und Beschluss über den Schutz des Euro vor Fälschungen 4. Rahmenbeschluss zum strafrechtlichen Schutz bargeldloser Zahlungsmittel a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses b) Wesentlicher Inhalt c) Deutsches Strafrecht VIII . Computerkriminalität I. Anwendungbereich 2. Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses b) Wesentlicher Inhalt c) Deutsches Strafrecht IX. Organisierte Kriminalität I. Anwendungsbereich 2. Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses b) Wesentlicher Inhalt c) Deutsches Strafrecht.. 3. Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität.. a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses b) Wesentlicher Inhalt c) Deutsches Strafrecht X. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit... I . Anwendungsbereich 2. Rahmenbeschluss zur Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit a) Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses b) Wesentlicher Inhalt c) Deutsches Strafrecht D. Literaturhinweise E. Zusammenfassung von § I I
§ 12 Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen A. Einführung B. Erleichterung der Zusammenarbeit.. I. Vermeidung von Kompetenzkonflikten 11. Instrumente des Rechtshilfeverkehrs in Europa I . Europäisches Rechtshilfeübereinkommen des Europarates 2. Rechtshilfekooperation nach Art . 48 ff. SDÜ 3. EU-Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (EURÜ) 4. Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung 111. Instrumente des Vollstreckungshilfeverkehrs in Europa C. Erleichterung der Auslieferung
400 400 400 40 I 402 403 403 404 404 404 407 408 408 408 409 409 410 410 411 411 412 412 412 413 413 413 414 415 416 419
419 420 420 422 422 423 423 424 426 427
Inhaltsverzeichnis I.
Instrumente des Auslieferungsverkehrs in Europa I . Europäisches Auslieferungsübereinkommen des Europarates 2. Erleichterung des Auslieferungsverkehrs durch Art. 59 ff. SDÜ 3. EU-Übereinkommen über das vereinfachte Auslieferungsverfahren 4. EU-Auslieferungsübereinkommen (EUAÜ) 11. Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl I. Einführung 2. Regelungsgegenstand und Ziel des Rahmenbeschlusses 3. Wesentlicher Inhalt des Rahmenbeschlusses a) Verfahrensrechtliche Regelungen b) Materielle Bestimmungen 4. Bewertung und Ausblick 111. Umsetzung des Rahmenbeschlusses in Deutschland I . Nichtigerklärung des ersten Umsetzungsgesetzes 2. Das Europäische Haftbefehlsgesetz vom 20. Juli 2006 a) Abkehr vom Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit... b) Gesetzliches Prüfprogramm bei Auslieferung Deutscher. c) Gerichtliche Überprüfung der Bewilligungsentscheidung D. Gegenseitige Anerkennung justizieller Entscheidungen I. Anwendungsfelder I. Gegenseitige Anerkennung als zentrales Strukturprinzip 2. Angleichung strafprozessualer Verfahrensgarantien 3. Gegenseitige Anerkennung von Sanktionen 4. Gegenseitige Anerkennung der Wirkung von Verurteilungen 5. Informationsaustausch über Strafregistereinträge 6. Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur U-Haft 7. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 11. Unionsrechtlicher Hintergrund des Prinzips 111 . Tragfähigkeit des Prinzips beim transnationalen Beweistransfer. IV. Lösungsmöglichkeiten de lege ferenda E. Literaturhinweise F. Rechtsprechungshinweise G. Zusammenfassung von § 12
§ 13 Transnationales Doppelbestrafungsverbot A. Einführung B. Auslegung und Anwendungsbereich des Art. 54 SDÜ I. Vorabentscheidungskompetenz des EuGH 11. Das Merkmal "rechtskräftige Aburteilung" I . Belgisehe "transactie" 2. Österreichisches Straferkenntnis 3. Niederländische "transactie" und staatsanwaltliehe Verfahrenseinstellung gern. § 153 a StPO 4. Vertiefende Diskussion a) Wortlautinterpretation
XXIII .427 427 429 429 429 430 430 431 431 431 432 436 439 439 440 441 441 443 443 443 443 .444 .445 .445 446 .447 .447 448 449 452 453 454 455 457 457 465 465 .466 467 468 469 470 471
XXIV
Inhalt sverzeichnis
b) Systematische Interpretation c) Teleologische Interpretation d) Definition des Merkmals "rechtskräftige Aburteilung" III. Vollstreckungselemente des Art . 54 SDÜ I . Erstes Vollsteckungselement 2. Zweites Vollstreckungselement 3. Drittes Vollstreckungselement a) Wortlautauslegung b) Teleologische Auslegung IV. Tatbegriff und Reichweite der materiellen Rechtskraft I. Deutscher Strafbefehl und Art. 54 SDÜ 2. Einstellung des Verfahrens nach Erfüllung einer Auflage V. Anwendbarkeit des Art. 54 SDÜ auf Entscheidungen im Bußgeldverfahren I . Verurteilung zu einer Bußgeldzahlung 2. Erledigungswirkung eines rechtskräftigen Bußgeldbescheids VI. Zur Frage der Weitergeltung mitgliedstaatlicher Erklärungen und Vorbehalte nach der Überführung des SDÜ in den Rahmen der EU c. Ausblick D. Literaturhinweise E. Rechtsprechungshinweise F. Zusammenfassung von § 13
472 473 475 476 478 478 479 481 481 482 485 485 486 486 487 .. 488 488 489 490 491
Teil IV: Strafrechtlicher Schutz der EU-Finanzinteressen
§ 14 Betrugsbekämpfung durch Europäisches Strafrecht A. Unionsfinanzen als Angriffsfläche für kriminelle Praktiken I. Einführung 11 . Unionsfinanzen I . Eigenmittel der EU 2. Ausgaben der EU III. Deliktsformen und Täterstrukturen I. Erscheinungsformen der EU-Betrügereien a) Hinterziehung von Abgaben bei der Wareneinfuhr b) Erschleichung von Erstattungen bei der Warenausfuhr c) Abgabenhinterziehung und Subventionserschleichung innerhalb der EU 2. Täterstrukturen und Schadensschätzungen IV. Präventionsstrategien B. EU-Finanzinteressen als Schutzobjekt des Europäischen Strafrechts I. Mitgliedstaatliche Schutzverpflichtung II. Rechtszersplitterung als Hindernis für eine effektive Betrugsbekämpfung III. Wege zur Überwindung der Rechtszersplitterung in Europa IV. Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der EG
495 495 495 497 497 497 498 498 499 499 500 500 50 I 502 502 502 504 504
Inhaltsverzeichnis
I. Wesentlicher Inhalt der PIF-Konvention 2. Umsetzung in Deutschland C. Modelle für die künftige Entwicklung des Europäischen Strafrechts I. Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutze der finanziellen Interessen der EU I. Wesentlicher Inhalt des Corpus Juris 2. Bedeutung des Corpus Juris 11 . Grünbuch der Kommission I. Wesentlicher Inhalt des Grünbuchs 2. Kritische Würdigung 111 . Supranationales Betrugsstrafrecht.. D. Literaturhinweise E. Zusammenfassung von § 14 Stichwortverzeichnis
XXV
504 507 507 507 508 509 510 510 512 515 516 517 519
Abkürzungsverzeichnis
a.A. aaO abI. ABlEG Abs . AE AEUV a.F. AG AIDP Alt. AMG Anm . AO AöR Art. AT ATS Aufl . AuslG BAG BAGE BayObLG BayObLGSt BB betr. Bd. BGB BGBI. BGH BGHSt BGHStGrS
anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Alternativentwurf Europäische Strafverfolgung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Amtsgericht Association internationale de droit penal Alternative Arzneimittelgesetz Anmerkung Abgabenordnung Archiv für öffentliches Recht Artikel Allgemeiner Teil Österreichische Schilling Auflage Ausländergesetz Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Betriebs-Berater betreffend Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (Teil , Seite) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Großen Senats des Bundesgerichtshofes in Strafsachen
XXVIII
Abkürzungsverzeichnis
bzw .
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskriminalamt Bundesnaturschutzgesetz Bundesrepublik Deutschland Bundesratsdrucksache Besonderer Teil Bundestags-Drucksache Betäubungsmittelgesetz Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfalle und ihrer Entsorgung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise
CDPC ChemG CELAD CJ C.SIS
European Commitee on Crime Problems Chemikaliengesetz Comite Europeen de la Lutte Antidrogue Corpus Juris Central Sehengen Information System
d. ders . d.h. dies . Diss . DM DÖV DRiZ DVBI
der , des derselbe das heißt dieselben Dissertation Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richter Zeitung Deutsches Verwaltungsblatt
EAG EAGV
Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft Europäische Beweisanordnung European Currency Unit European Drug Unit Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
BGHZ BKA BNatSchG BRD BR-Drs. BT BT-Drs. BtMG BÜ
BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE
EBA ECU EDU EG EGKS EGMR
Abkürzungsverzeichnis
EGV EJN ELR EKMR EMRK endg . EP ER ETS EU EuAIÜbk EUAÜ EUBestG EuG EuGH EuGHE EUR EuR Euratom EuRhÜbk EURÜ EUV EuZ EuZW evtl. EWG exempl. EZB
f. FATF FCKW ff. FS GA GASP
GD
gem .
XXIX
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäisches Justizielles Netz European Law Review Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention endgültige Fassung Europäisches Parlament Europäischer Rat European Treaty Series Europäische Union Europäisches Auslieferungsübereinkommen Auslieferungsübereinkommen der Mitgliedstaaten der EU EU-Bestechungsgesetz Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Euro Europarecht (Zeitschrift) siehe EAG Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU Vertrag über die Europäische Union Zeitschrift für Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft exemplarisch Europäische Zentralbank folgende(r) Financial Action Task Force on Money Laundering Fluorchlorkohlenwasserstoff fortfolgende Festschri ft Goltdammerss Archiv für Strafrecht Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Generaldirektion(en) gemäß
XXX
Abkürzungsverzeichnis
GG GKG GMBI. GRCh GRECO GRUR GwG
h.A. h.L. h.M. HRRS Hrsg.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gerichtskostengesetz Gemeinsames Ministerialblatt Charta der Grundrechte der EU Gruppe der Staaten gegen Korruption Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Geldwäschegesetz herrschende Ansicht herrschende Lehre herrschende Meinung Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Herausgeber
LV.m. Lw.S.
International and Comparative Law Quarterly in der Regel in der Fassung im engeren Sinn im Sinne der (s) im weiteren Sinn Internationaler Gerichtshof Internationale Kriminalpolizeiliehe Kommission International Mitlitary Tribunal Gesetz über die Bekämpfung des Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte Internationales Privatrecht Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen Internationale Rechtshilfe in Strafsachen Internationaler Strafgerichtshof in Verbindung mit im weiteren Sinn
JA jew. JI JIT JR JURA JuS
Juristische Arbeitsblätter jeweils Justiz und Inneres Joint Investigation Teams Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung
ICLQ d. R. d. F. e. S. S. d. w. S. GH IKPK IMT IntBestG
IPBPR IPR IRG IRhSt IStGH
Abkürzungsverzeichnis
XXXI
JZ JZS
Juristenzeitung Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen
Kap . KfZ KG kg KK KOM KorrBG krit. KritV
Kapitel Kraftfahrzeug Kammergericht Kilogramm Karlsruher Kommentar Europäische Kommission Korruptionsbekämpfungsgesetz kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
KSZE
LFGB LG lit. LK LKA LMBG LRE
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht litera (Buchstabe) Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Landeskrim inalamt Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz Sammlung lebensmittelrechtlicher Entscheidungen
m. MarkenG MDR MedR MoU MüKoStGB m.w.N.
mit Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht Memorandum of Understanding Münchner Kommentar zum Strafgesetzbuch mit weiteren Nachweisen
NATO n.F. NJOZ NJW NK NL NLG Nr. N .SIS NStZ NStZ-RR NuR
North Atlantic Treaty Organization neue Fassung Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch Niederlande Niederländische Gulden Nummer National Sehengen Information System Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ Rechtsprechungsreport Strafrecht Natur und Recht
XXXII
Abkürzungsverzeichnis
NVwZ NZV
Neue Zeitschri ft für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht
OECD
Organisation for Economic Cooperation and Development Organisierte Kriminalität Office europeen de Lutte Anti-Fraude Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität Ordnungswidrigkeitengesetz Protection des interets financiers Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Partiya Karkeren Kurdistan Personenkraftwagen
OK OLAF ÖJZ OLG OLGSt OrgKG
OWiG PIF PJZS PKK PKW RabelsZ RIDP RIW RL Rn. Rspr . Rz.
s. S. SchwZStrR SDÜ SIRENE SIS SK sog . StA StÄG StGB StPO str. StraFo
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue Internationale de Droit Penal Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Rechtsprechung Randziffer siehe Satz, Seite Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Schengener Durchführungsübereinkommen Supplementary Information Request at the National Entry Schengener Informationssystem Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch sogenannte(r) Staatsanwaltschaft Strafrechtsänderungsgesetz Stratbesetzbuch Strafprozessordnung streitig Strafverteidiger Forum
Abkürzungsverzeichnis
XXXIII
StV StVJ
Strafverteidiger Steuerliche Vierteljahreszeitschrift
UA u.a. ÜbK UCLAF UKG
Unterabsatz unter anderem , und andere Übereinkommen Unite de Coordination de la Lutte Anti-Fraude Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität Umwelt- und Planungsrecht United Nations Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Bekämpfung transnationaler Kriminalität United States of America und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
UPR UN UN-TransKrimÜbK USA usw. u.U. UWG v. v. a. VereinsG VG vgl.
va
Vol.% Vorbem . VRS VStGB WeinG WiKG wistra WKD WM WpHG WRP WuR WuW WVK ZaöRV ZBJI
vom, von vor allem Vereinsgesetz Verwaltungsgericht vergleiche Verordnung Volumenprozent Vorbemerkung Verkehrsrechts-Sammlung Völkerstrafgesetzbuch Weingesetz Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wirtschaftskontro Ildienst Wertpapiermitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Vertragsrechtskonvention Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres
XXXIV
z.8.
ZeuS ZfRY ZfZ ZHR ZIS ZLR ZP ZRP ZStW ZUM zust. zutr.
Abkürzungsverzeichnis
zum Beispiel Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für Rechtsvergleichung, internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Zölle und Yerbrauchssteuern Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zusatzprotokoll Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zustimmend zutreffend
Abgekürzt zitierte Literatur
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XXXVI
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XXXVIII
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Abgekürzt zitierte Literatur
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Europäische Integration: Wichtige Daten und Ereignisse im Überblick
5. Mai 1949 Gründung des Europarates 4. November 1950 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 18. April 1951 Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS/Montanunion). Gründungsmitglieder: Frankreich, BRD , Italien , Luxemburg und Niederlande. Der Vertrag trat am 23 . Juli 1952 in Kraft 25. März 1957 Römische Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG bzw. Euratom). Gründungsmitglieder: Frankreich, BRD, Italien, Benelux-Staaten. Die römischen Verträge traten am I. Januar 1958 in Kraft 8. April 1965 Fusionsvertrag trat am I. Juli 1967 in Kraft: EGKS , EWG und EAG bilden zusammen die Europäischen Gemeinschaften mit gemeinsamen Organen 1970 EG-Finanzreform (System der Eigenfinanzierung der EG) 1973 EG-Erweiterung durch den Beitritt Großbritanniens, Dänemarks und Irlands 1979 Erste Direktwahlen zum Europäischen Parlament (EP) 1981 EG-Erweiterung durch den Beitritt Griechenlands 14. Juni 1985 Schengen-Übereinkommen zwischen Belgien, BRD , Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden über den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen zum I. Januar 1990 (Schengen I) 1986 EG-Erweiterung durch den Beitritt Portugals und Spaniens 17.128. Februar 1986 Einheitliche Europäische Akte (EEA): Erweiterung der Kompetenzen der Gemeinschaften. Festschreibung des Zieles, bis Ende 1992 den europäischen Binnenmarkt zu realisieren 19. Juni 1990 Übereinkommen zur Durchführung des Schengen-Übereinkommens über den völligen Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Binnengrenzen, deren Verlegung an die Außengrenzen und eine Reduzierung der Kontrollen im Warenverkehr ab I. Januar 1993 - SDÜ - (Schengen 11). Das SDÜ trat am 26 . März 1995 in Kraft 7. Februar 1992 Vertrag von Maastricht über die Europäische Union (EUV), der am I . November 1993 in Kraft trat: Gründung der EU mit dem Ziel weite-
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Europäische Integrat ion : Wichtige Daten und Ereignis se im Überblick
rer politischer, sozialer und wirtschaftlicher Integration ("Drei-SäulenArchitektur") . Er bildet die Grundlage für die Vollendung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion bis 1999 sowie für weitere politische Integrationsschritte, insbesondere eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und eine Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI). Aus der EWG wird die EG 1995 EG/EU-Erweiterung durch den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens 26. Juli 1995 Europol-Übereinkommen: Errichtung eines europäischen Polizeiamtes in Den Haag, das am I. Juli 1999 seine Arbeit aufgenommen hat 2. Oktober 1997 Vertrag von Amsterdam, der am I. Mai 1999 in Kraft trat: Er sieht u. a. neue Handlungsformen für die Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) vor. Der sog . Sehengen-Besitzstand wird in die dritte Säule des EUV überführt 29. Juni 1998 Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes (EJN) auf der Grundlage einer Gemeinsamen Maßnahme des Europäischen Rates, die am 7. August 1998 in Kraft trat 14. Dezember 2000 Einrichtung einer vorläufigen Stelle zur justiziellen Zusammenarbeit (Pro-Eurojust), die am I. März 200 I ihre Arbeit in Brüssel aufgenommen hat 7.18. Dezember 2001 Vertrag von Nizza, der am I. Februar 2003 in Kraft trat. Außerhalb einer förmlichen Vertragsänderung wurde feierlich die Charta der Grundrechte der Europäischen Union proklamiert 28. Februar 2002 Einrichtung der Koordinierungsstelle Eurojust mit Sitz in Den Haag 1. Mai 2004 Beitritt von zehn süd- und osteuropäischen Staaten zur EG/EU , die damit auf 25 Mitgliedstaaten anwächst. Beitrittsländer sind Malta , Zypern, Slowenien, Ungarn , Slowakei, Tschechien, Polen , Litauen , Lettland und Estland 29. Oktober 2004 Unterzeichnung des Vertrags über eine Verfassung für Europa durch die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Mitgliedstaaten. 2005 Ablehnende Referenden in den Niederlanden und Frankreich bringen den Ratifizierungsprozess ins Stocken ("EU-Verfassungskrise") 1. Januar 2007 EG/EU-Erweiterung auf 27 Mitgliedstaaten durch den Beitritt von Rumänien und Bulgarien 13. Dezember 2007 Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon durch die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten. Stockender Ratifizierungsprozess (u. a. wegen zwei Referenden in Irland ; Verfassungsklagen) - 1. Dezember 2009 Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon . Auflösung der bisherigen Dreisäulenstruktur der EU. Die EU ("Union") tritt an die Stelle der EG, deren Rechtsnachfolgerin sie ist, und erlangt Rechtspersönlichkeit. Die Charta der Grundrechte der EU erlangt Rechtsverbindlichkeit (Art. 6 I EUV), jedoch nicht für das Vereinigte Königreich und Polen (Protokoll Nr. 30)
Teil I Einführung
§ 1 Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts
A. Einleitung Die Strafrechtssysteme der der EU-Mitgliedstaaten befinden sich in einem regelrechten .Europäisierungssog". Europäisches Strafrecht lässt sich nicht als statischer Rechtszustand, sondern vielmehr als dynamisch ablaufender Prozess der Europäisierung des Strafrechts und der Strafrechtsptlege begreifen. Dabei wird die Strafrechtsentwicklung von zahlreichen und vielschichtigen Europäisierungsfaktoren allgemeiner und bereichsspezifischer Natur geprägt, die mit dem Phänomen der "unionsrechtlichen Überlagerung des Strafrechts" keineswegs abschließend beschrieben sind . Man denke nur an die Rolle der EMRK oder an die international-arbeitsteilige Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Aufbau und das didaktische Konzept 2 dieses Lehrbuches, das den Blick des Lesers nach einer Einführung in die Grundlagen des Europäischen Strafrechts und sonstiger international ausgerichteter Strafrechtsdisziplinen (Teil I) zunächst auf die Träger des Europäischen Strafrechts lenkt (Teil 11), die als institutionelle Akteure die rechtstatsächlichen Impulse für die Europäisierung der Strafrechtssysteme setzen und - in den ihnen jeweils eigenen Handlungsformen - entsprechende Maßnahmen treffen (z. B. Konventionen, Erlass von Richtlinien, Umsetzung europäischer Rechtsakte in nationales Strafrecht). Sodann werden die zentralen Europäisierungsfaktoren im Einzelnen beleuchtet, insbesondere ihre rechtliche Ableitung, ihr Geltungsanspruch und ihre Wirkungsweise erläutert (Teil 111). Abschließend wird eine besonders praxisrelevante Spezial materie des Europäischen Strafrechts dargestellt der strafrechtliche Schutz der EU-Finanzinteressen (Teil IV). Die Behandlung dieser Thematik in einem eigenen Abschnitt ist schon deshalb geboten, weil die im Grundsatz allseits anerkannte Notwendigkeit eines effektiven strafrechtlichen Schutzes des EU-Finanzhaushaltes inzwischen unter maßgeblicher Beteiligung der EuGH-Judikatur ("Mais-Rechtsprechung") zur Herausbildung eines unionsweiten strafrechtlichen Mindestschutzstandards geführt hat, der Modellcharakter für andere Kriminalitätsbereiche haben könnte . Auch wird die Reformdiskussion - etwa über die Einführung eines Europäischen Finanzstrafgesetzbuches oder die Einsetzung eines Europäischen Staatsanwaltes - zumeist im Zusammenhang mit dem strafrechtlichen Schutz der EU-Finanzinteressen geführt.
B. Hecker, Europäisches Strafrecht, DOI 10.1007/978-3-642-13127-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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§ 1 Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts
3 Nach dem Scheitern des in den Jahren 2002 /2003 erarbeiteten "Vertrags über eine Verfassung für Europa" infolge ablehnender Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden Mitte 2005 einigte sich der Europäische Rat unter deutscher Präsidentschaft am 23 . Juni 2007 darauf, eine Regierungskonferenz zur Ausarbeitung eines EU-Reformvertrages einzuberufen, die schließlich am 23 . Juli 2007 offiziell durch die Außenminister der EU eröffnet wurde. Noch am gleichen Tag legte die portugiesische Ratspräsidentschaft einen ersten Gesamtentwurf für einen neuen Reformvertrag vor. Am 5. Oktober 2007 veröffentlichte die portugiesische Ratspräsidentschaft einen revidierten Vertragsentwurf, der Grundlage der Einigung der Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel vom 18.119. Oktober 2007 war. Der endgültige Vertragstext wurde am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet. Bis Ende 2008 sollte der Vertrag von Lissabon durch alle 27 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert sein , so dass er am I. Januar 2009 hätte in Kraft treten können . Jedoch geriet der Ratifizierungsprozess zunächst ins Stocken, nachdem die irische Bevölkerung den Reformvertrag am 12. Juni 2008 in einem Referendum abgelehnt hat. Im Dezember 2008 einigten sich die Staatsund Regierungschefs der EU darauf, dass das Vertragswerk bis Ende 2009 in Kraft treten soll. Bei einer in Irland am 3. Oktober 2009 durchgeführten zweiten Volksabstimmung sprach sich eine deutliche Mehrheit für den Reformvertrag aus . In Deutschland waren Verfassungsklagen gegen die endgültige Ratifizierung des Vertrages beim BVerfG anhängig, die den Bundespräsidenten dazu veranlasst haben , die Unterzeichnung der Ratifikationsurkunde bis zum Abschluss des Verfahrens aufzuschieben. Mit seinem - die Klagen zurückweisenden - Urteil v. 30 . Juni 2009 machte das BVerfG schließlich den Weg für die Unterzeichnung des deutschen Zustimmungsgesetzes frei.' Am 13. November 2009 wurde mit der tschechischen Ratifikationsurkunde die letzte der 27 Urkunden bei der italienischen Regierung in Rom hinterlegt. Der Vertrag von Lissabon trat am I. Dezember 2009 in Kraft . Durch ihn gründen die Vertragsparteien untereinander eine Europäi sche Union ("Union") , der die Mitgliedstaaten Zuständigkeiten zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Ziele übertragen . Die bisherige Drei-SäulenArchitektur der EU wurde aufgelöst. Die Union tritt an die Stelle der EG, deren Rechtsnachfolgerin sie ist (Art. I UA 3 S. 3 EUV) . Die bisherige dritte Säule der EU (Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) wurde in den supranationalen Bereich überführt. Die Europäische Atomgemeinschaft (EAG) wurde aus dem ehemaligen Dachverband der EU ausgegliedert und besteht abgesehen von einer institutionellen Verbundenheit mit der EU - als unabh ängige internationale Organisation fort . Primärrechtliche Grundlage der Union sind der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der den bisherigen EGV ersetzt .? ßVerfG NJW 2009, 2267 = EuZ W 2009 , 552 ; vgl. hierzu Ambos/Rackow, ZIS 2009 , 397; Böse, Z IS 201 0, 76; Kubiciel, GA 2010, 99; Meyer, NStZ 2009 , 657 . Vgl. konsolidierte Passung der europ äischen Vert räge auf der Grundl age des Vert rags von Lissabon in ABIE U 2008 Nr . C 115, S. I; vgl. hierzu den Überblicksbeitrag von Maye r, JuS 2010 , 189.
B. Was ist " Europäisches Strafrecht"?
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B. Was ist "Europäisches Strafrecht"? I. Europäisches Strafrecht als strafrechtliche Rechtsmaterie sui generis 1. Gemeinsames rechtskulturelles Erbe der europäischen Staaten Die europäischen Staaten können durchaus auf ein gemeinsames rechtskulturelles 4 Erbe zurückblicken, das sich in ihren jeweiligen Strafrechtsordnungen widerspiegelt ". Dieses Erbe wurzelt im römischen Recht der Antike, in der Ethik-Lehre des Christentums, der Philosophie der Aufklärung und dem außerordentlich lebhaften Informations- und Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet des Strafrechts und der Kriminalpolitik seit dem Ende des 19. Jahrhunderts". Die internationale wissenschaftliche Diskussion war vor allem das Werk der großen strafrechtlichen Vereinigungen, zu denen die im Jahre 1889 gegründete Internationale Kriminalistische Vereinigung gehörte. Diese wurde im Jahre 1924 als Association Internationale de Droit Penal (AIOP) in Paris wiedergegründet. Auf dem XIV . Internationalen Strafrechtskongress im Jahre 1989 in Wien hat die AIOP im Rückblick auf ihre Geschichte den durch sie geschaffenen weltweiten, über Europa hinausgehenden Zusammenhang der Strafrechtswissenschaft gew ürdigt'' , Als gemeineuropäische Charakteristika auf dem Gebiet des Strafrechts sind das Rechtsstaatsprinzip, vor allem in Gestalt des Gesetzlichkeitsprinzips, das Schuldprinzip, das Prinzip des " fair trial " im Strafprozess und das Humanitätsprinzip zu nennen, das vor allem für den Strafvollzug von Bedeutung ist.
2. Europäisches Strafrecht und Europäisierung des Strafrechts Trotz dieses gemeinsamen europäischen Erbes sind die Strafrechtsordnungen der 5 Staaten Europas höchst unterschiedlich ausgestaltet. Von einem europäischen Rechtsraum , in dem die nationalen Strafrechtssysteme vereinheitlicht sind bzw. eine supranationale Strafgewalt mit eigenen Justizorganen aufgrund eines genuin europäischen Straf- und Strafverfahrensrechts tätig ist, sind wir derzeit noch weit entfernt. Dennoch hat sich die Rede vom "Europäischen Strafrecht" inzwischen als allgemein anerkannter Sammelbegriff für einen eigenständigen strafrechtlichen Forschungsgegenstand durchgesetzt. Es handelt sich dabei um eine Rechtsmaterie eigener Art, die sowohl strafrechtsrelevantes Unionsrecht, regionales Völkerrecht als auch das hiervon beeinflusste nationale Strafrecht umfasst". Im Blickfeld des Europäischen Strafrechts stehen somit zum einen alle das Straf- und Strafverfahrensrecht der europäischen Staaten (europäische Strafrechtsptlege im weiteren Sinne) unmittelbar oder mittelbar betreffenden Normen des Union srechts (EUV, AEUV, GRCh), regionalen Völkerrechts (EMRK, Konventionen) und SeVogel, GA 2010, S. 1,4 ff: Jescheck, Jhong-Won Kim-FS, S. 947, 949. Jescheck, RIDP 1990, S. 59 ff. Ambos, IntStR, § 9 Rn. 13 ff; S/S/W-Satzger, Vor § 1 Rn. 10; ders., IntStR, § 2 Rn. 3.
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§ 1 Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts
kundärrechts (Richtlinien, Verordnungen, Rahmenbeschlüsse, Übereinkommen) der supranationalen und internationalen Organisationen Europas (namentlich EU, EAG, Europarat, OECD) . Zum anderen umfasst das Europäische Strafrecht die durch Primär- und Sekundärrecht in vielfältiger Weise überlagerten Vorschriften des innerstaatlichen Strafrechts. 6 Die nationalen Strafrechtssysteme der europäischen Staaten sind in einen dynamisch verlaufenden Prozess der Europäisierung eingebunden, der sich vor allem auf die Aktivitäten des Europarates und der EU, auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten sowie auf die Tätigkeit der europäischen Gerichtshöfe in Straßburg (EGMR) und Luxemburg (EuGH) zurückfuhren lässt. So werden die Strafrechtsordnungen nicht nur durch die EMRK und die diesbezügliche Judikatur des EGMR auf übernational verbindliche Grundrechtsstandards festgelegt. Darüber hinaus sind die Strafrechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten vielfältigen Einflüssen der Unionspolitiken ausgesetzt. Bereits auf dem Boden der früheren Verträge (EGV und EUV) hat sich innerhalb der EU ein integriertes System europäischer Strafrechtspflege entwickelt, das im Wesentlichen von den Strukturelementen Kooperation, Koordination, Assimilierung und Harmonisierung geprägt ist. Der Vertrag von Lissabon (Rn. 3) schreibt diese Koordinaten fort und schafft die Grundlagen für eine kontinuierliche Fortentwicklung.? 7 Der Ausbau der internationalen Zusammenarbeit lässt die grenzüberschreitende Strafrechtspflege über den status quo der auf den Europaratskonventionen beruhenden Rechtshilfekooperationen hinauswachsen. Das Assimilierungsprinzip fuhrt zu einer " Indienststellung" der mitgliedstaatliehen Strafrechtsordnungen zum Schutze supranationaler Rechtsgüter, auf welche die EU mangels eigener kriminalstrafrechtlicher Rechtssetzungskompetenz angewiesen ist. So legt das aus Art. 4 111 EUV (ex-I 0 EGV) abzuleitende unionsrechtliche Rahmensystem Unterund Obergrenzen für mitgliedstaatliches Strafrecht im Dienste des Unionsrechts fest, die nicht unter- bzw . überschritten werden dürfen . Strafnormen dürfen nicht angewendet werden , soweit sie mit unionsrechtlich garantierten Grundfreiheiten kollidieren. Eine Neutralisierung mitgliedstaatlicher Straftatbestände ist allerdings immer nur die letzte Möglichkeit, Widersprüche zwischen nationalem Strafrecht und Unionsrecht aufzulösen. Kollisionen lassen sich zumeist schon durch eine unionsrechtskonforme Auslegung vermeiden. Im Übrigen ist das nationale Strafrecht nicht erst durch die vom Reformvertrag eingeführten Kompetenznormen des Art. 83 I, 11 AEUV einer Harmonisierung in Form einer Mindestangleichung zugänglich. Ein erheblicher Harmonisierungsschub wurde in den letzten Jahren bereits durch Richtlinienanweisungen der EG sowie durch intergouvernementale Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten (Rahmenbeschlüsse und Übereinkommen) ausgelöst. Der in den Abschnitt .Betrugsbekämpfung" eingefugte Art. 325 IV AEUV lässt sogar die Schaffung unmittelbar geltender europäischer Straftatbestände in Form einer Verordnung zu. Das lange Zeit als "Reservat" bzw. als "letzte Bastion " staatlicher Souveränität geltende Strafrecht folgt - wie
Hecker, Iurratio 2009 , 81 ff. ; Heger, ZIS 2009 , 406 ff.; Zöller, ZIS 2009 , 340 ff.
B. Was ist " Europäisches Strafrecht"?
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der Freiburger Strafrechtler Tiedemann treffend formuliert hat" - mit "genuiner Verspätung" der Europäisierung anderer Teilgebiete des Rechts . Die Entwicklung des Europäischen Strafrechts ist untrennbar mit der Ge- 8 schichte des europäischen Integrationsprozesses verbunden, ja geradezu ein Indikator für dessen Fortschreiten. Nachdem das Ziel der Schaffung eines europäischen Binnenmarkts erreicht und die Personenkontrollen an den Binnengrenzen im Zuge des Sehengenprozesses abgeschafft wurden, wächst Europa politisch und rechtlich immer stärker zusammen, wenn auch die EU von einem Bundesstaat nach wie vor weit entfernt ist. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am I. Dezember 2009 hat die politische Integration Europas einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen bleibt erklärtes Ziel der Union (Art . 3 11 EUV) . Von besonderer Bedeutung für das Europäische Strafrecht ist, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union? (GRCh) vom 7. Dezember 2000 in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten Fassung nunmehr rechtverbindlich ist (Art . 6 I EUV)1o. Jede Rechtssetzung auf der Ebene der EU muss daher die Gewährleistungen der Grundrechte-Charta beachten11 .
11. Europäisches Strafrecht als rechtswissenschaftliche Querschnittsmaterie Als Wissenschaftsdisziplin stellt das Europäische Strafrecht eine rechtswissen- 9 schaftliehe Querschnittsmaterie dar , die zahlreiche, sich teilweise überschneidende Probleme aus den Bereichen Kriminalpolitik, Strafrechtsdogmatik, Strafverfahrensrecht, Kriminologie, Europarecht sowie Verfassungs- und Völkerrecht jeweils unter Einbeziehung rechtsvergleichender Forschung - aufwirft". Nachfolgend sollen exemplarisch einige für das Europäische Strafrecht zentrale Themen aus diesen Wissenschaftsfeldern aufgeführt werden.
1. Kriminalpo/itik Europäische Kriminalpolitik umfasst den Inbegriff der Aussagen darüber, was 10 in Europa strafrechtlich gelten soll , also die europäische lex criminalis desiderata'". Sie fragt danach, ob und inwieweit es notwendig und sinnvoll ist, in be-
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Tiedemann , Europäi sierung, S. 134. ABlEU 2007 Nr . C 303, S. I. Vgl. hierzu Pache/Rosch, EuR 2009 ,769 ff. Vgl. hierzu exemplarisch die Kommentierung der Art. 47 ff. GRCh (Justi zielle Recht e) von Eser, in: Meyer (I-Irsg.), GRCh . Dannecker, JZ 1996,869 ff.; Vogel, GA 2002 , 517. Zu den Sachfragen der europäischen Krimin alpolitik Jescheck, Eser-FS , S. 991 , 996 ff.; Kubic iel, GA 20 I0, 99, 111 ff .,: Perron , Küper-FS, S. 429 ff.; Schün emann , AE, S. 81,82 ff.; Sieber, ZStW 121 (2009), I ff.; Vogel, GA 2002 , 517, 522 ff.
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§ 1 Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts
stimmten Bereichen strafrechtliche Instrumente einzusetzen." Zu denken ist etwa an die Bekämpfung von Terrorisrnus'", grenzüberschreitender bzw . organisierter Kriminalität" und Angriffen auf Rechtsgüter der EU17, aber z. 8. auch an einen europäisch abgestimmten Umgang mit Jugenddelinquenz" und Fragen des Opferschutzes'". In strafprozessualer Hinsicht ist z. 8. über die Entwicklung gemeinsamer Standards im Bereich der Verfahrensgarantien-", aber auch über die Begrenzung der Untersuchungshaft" zu diskutieren. Weitere zentrale Fragen lauten : Wie kann die demokratische Legitimation des Europäischen Strafrechts gewährleistet werden'F' - Wie erfolgt die verfassungsrechtliche und gerichtliche Kontrolle seiner Akteure'F'' - Ist ein supranationales Strafrecht erstrebenswertv-" - Soll lediglich eine Mindestharmonisierung des mitgliedstaatliehen Strafrechts erfolgen oder soll auf solche Maßnahmen gänzlich verzichtet werden?25 - Besteht Bedarf für die Schaffung einer " Europäischen StaatsanwaltschaftF" - Empfiehlt sich die europaweite Einführung kriminalstrafrechtlicher Verbandssanktionen'F? 11 Aufgrund der rasanten Entwicklung des noch in seinen Anfängen steckenden Europäischen Strafrechts verdient die kriminalpolitische Frage, in welche Richtung die Entwicklung gehen so1l28, mindestens ebensoviel Beachtung wie die strafrechtsdogmatische Analyse des bereits geltenden Europäischen Strafrechts. Die Strafrechtswissenschaft ist dazu aufgerufen, ihren Sachverstand in diese Debatte einzubringen und die europäische Kriminalpolitik mit konstruktiven Beiträgen zu unterstützen . Als herausragendes Beispiel für konstruktive Mitwirkung der Wissenschaft ist zunächst die Arbeit der seit 1995 im Auftrag des Europäischen 14
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Vgl. hier zu die Mitteilung der Komm ission - Das Haager Programm : zehn Prioritäten für die nächsten fünf Jahre, KOM (2005), 184 endg. Vgl. hierzu Weber , Europäische Terrorismusbekämpfung, S. 131 ff und passim; Zimmermann, ZIS 2009, I ff. Vgl. hierzu Sieber , ZStW 121 (2009), S. 1,2 ff. Vgl. hierzu Fromm, Finanzinteressen der EG, 29 ff.; Rosenau , ZIS 2008, 9 ff. Vgl. hierzu Bochmann, Europäisches Jugendstrafrecht , S. 71 ff. und pass im. Vgl. hierzu Eckstein, Schroeder-FS , S. 777 1'[ Vgl. hierzu Vogel/Matt, StV 2007, 206. Vgl. hierzu Esser, Untersuchungshaft, S. 233 , 244 ff Böse, GA 2006,211 ,216 ff.; Kaiafa-Gbandi, ZIS 2006,521 ff.; Schünemann, ZStW 116 (2004), S. 376 , 390 ; ders ., AE, S. 81, 97 ff.; Sieber , ZStW 121 (2009), 1,50 ff.; Voge l, ZStW 116 (2004), S. 400 Ir Vgl. hier zu Satz ger. KritV 2008 , 17,29 Ir Vgl. hierzu Schwarzburg/J-lamdorf, NStZ 2002, 617 . Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU /CS U-Fraktion " Strafverfo lgung in einem zusammenwach senden Europ a" BT-Drs. 14/4991 , S. 1 ff. So der Vo rschlag der Kommi ssion in ihrem Grünbuch vom 11. Dezember 2001 ; KOM (2001) 715 endg.; vgl. hierzu Hecker , Kreu zer-FG, S. 181 Ir ; Radtke, GA 2004, 1 1'[; Satz ger. StV 2003, 137 ff.; Weertz, Europäische StA, S. 29 ff., 126 ff. und passim. Vgl. hierzu Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit, passim; Fromm, Z IS 2007, 279 ff.; Heine, Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 121 ff. Kreß , ZStW 116 (2004), S. 445 ff., Schünemann, AE, S. 81 ff.; de rs. (Hrsg.), Ge samtkonzept, passim; Zieschang, Akzeptanz , S. 39, 46 ff.
B. Was ist " Europäisches Strafrecht"?
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Parlaments tätigen internationalen Expertengruppe unter Leitung der französischen Strafrechtswissenschaftlerin Mireille Delmas-Marty zu nennen , die ein aus Vorschriften des materiellen Strafrechts und Strafverfahrensrechts bestehendes "Corpus Juris" speziell für den Schutz der EU-Finanzinteressen entworfen hat (§ 14 Rn. 28 ff.).29 Beachtung verdienen des Weiteren von Strafrechtswissenschaftlern ausgearbeitete Vorschläge, wie der .Altemativentwurf Europäische Strafverfolgung'', aber auch an die Herausbildung europarechtsakzessorischer Umweltdelikte'". Es ist eine Aufgabe der Strafrechtsdogmatik, die europarechtlichen Einwirkungen aufzudecken und ihre strafrechtlichen Auswirkungen aufzuzeigen'". Vorhaben, die auf eine Vereinheitlichung oder auch nur Angleichung des mate- 13 riellen Strafrechts abzielen, werden nur dann auf allgerneine politische Akzeptanz in den betroffenen Staaten stoßen und von dauerhaftem Erfolg gekrönt sein, wenn es gelingt, die wesentlichen Wertungsfragen des Strafrechts auf einer abstrakten
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Vgl. hierzu Hube r (Hrsg.), Corpus Juris, passim; Sieber, Corpus Juris , S. 2 ff. Schünemann , ZStW 116 (2004), S. 376 ff.; ders., AE, S. 81 Ir; krit. Militello, ZStW 116 (2004), S. 436 ff.; Vogel, ZStW 116 (2004), S. 400 Ir Schünemann (Hrsg.), Gesamtkon zept , passim; vgl. hierzu Hauer, Z IS 2007, 12 ff Vgl. den Text des Manifeste s mit Erläuterungen in ZIS 2009, 697 . Zu den Sachfragen der europäischen Strafrechtsdogmatik Dannecker, JZ 1996, 869 , 870; Kühne, GA 2005 , 195 ff.; Vogel, GA 2002, 517 , 519 ff., 529 ff. Hecker, Produktwerbung, S. 33 ff., 282 ff.; S/S/W-Satzger, § 263 Rn. 67; SchaumannWerder, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 88 ff.; Soyka, wistra 2007 , 127, 131 Ir; Vergho, Verbraucherschutzstrafrecht, S. 37 ff., 101 ff. Heger, Europäisierung, S. 275 ff.; S/S-Hein e, § 330 d Rn. 19 a. Grundlegend Satzger, Europ äisierung, passim ; Schroder , Richtlinien, passim.
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§ I Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts
Ebene in einer für alle Strafrechtssystem gültigen Weise zu formulieren" . Insoweit kommt der Strafrechtsvergleichung eine herausragende Bedeutung ZU 38 •
3. Strafverfahrensrecht 14 Auch jenseits der durch die EMRK festgelegten und durch die Judikatur des EGMR fortentwickelten Minde ststandards, die in den Mitgliedstaaten des Europarates bereits eine Art paneuropäisches Strafverfahrensrecht begründet haben?', schreitet die Europäisierung des Strafverfahrensrechts voran". Vor diesem Hintergrund stellt sich für den strafprozessualen Zweig der Strafrechtswissenschaft zum einen die Aufgabe , die unionsrechtliche Instrumentalisierung des nationalen Strafproze ssrechts und insbesondere das Zusammenspiel zwischen nationaler und supranationaler Gerichtsbarkeit - etwa im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens - zu beleuchten" . Zum anderen gilt es, die europarechtlichen Einflussfaktoren auf die mitgliedstaatliehen Strafverfahrensordnungen sichtbar zu machen , dogmatisch aufzuarbeiten und die Konsequenzen für die praktische Rechtsanwendung aufzuzeigen. Zu denken ist etwa an den Europäischen Haftbefehl, der inzwischen von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht transformiert wurde'F , an den grenzüberschreitenden Informationsaustausch durch Polizei und Justiz" sowie Fragen der Bewelssicherung". Zukunftsprojekte wie ein "europäisches Ermittlungsverfahren" sind - falls politisch gewollt - nur auf der Grundlage gründlicher rechtswissenschaftlicher Vorarbeiten realisierbar, wobei auch hier die Rechtsvergleichung eine besondere Rolle spielt". Diffizile strafprozessuale Grundlagenprobleme wirft ferner das von der Kommi ssion angedachte GrünbuchKonzept" eines "europaweit verkehrsfähigen Beweises" auf, wonach die mitgliedstaatliehen Gerichte verpflichtet werden sollen, jedes Beweismittel zuzulassen, das nach dem nationalen Recht eines anderen Mitgliedstaates rechtm äßig erhoben wurde.". Von herausragender Bedeutung ist in einem europäischen Straf37 38
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Vgl. hierzu Fuchs, ZStW 116 (2004) , S. 368 ; Perron, ZStW 109 (1997) , S. 281, 300 ff. Heger , Europäisierung, S. 63 Ir ; zur Method ik der Rechtsvergleichung Haase l'Fax, JA 2005, 232 ff. Vgl. hierzu Esser, Europäisches Strafverfahren srecht, passim; Krüßm ann . Transnationales Strafprozessrecht, passim. Vgl. hierzu Jok isch , Gemei nschaftsrecht und Strafverfahren , passim; Kühn e, Strafprozessrecht, Rn. 43 ff.; Tiedemann, Eser-FS, S. 889 fe ; Vogel/Matt, StV 2007 , 206 Ir Vgl. hierzu Dannecker, Europäischer Rechtsschutz, § 38 Rn. 34-81 ; Jok isch, Gemeinschaftsrecht und Strafverfahren, S. 171 Ir Vgl. hierzu v. Heint schel-HeineggtRohljJ, GA 2003, 44 ff. ; RohljJ, EuHb, passim; Tinkl , Rechtsstellung des Einzelnen nach RBEuHb , passim. Vgl. hierzu Böse, Grund satz der Verftigbarkeit, passim. Vgl. hierzu Heger, ZIS 2007, 547 ff. Perron, ZStW 112 (2000) , S. 202 ff. KOM (2001) 715 endg. Vgl. hierzu Fuchs, ZStW 116 (2004) , S. 368 ; Gieß , ZStW 115 (2003), S. 131, 143 f.; Nes tler , ZStW 116 (2004) , S. 332, 335 ff.; Perr on, ZStW 112 (2000) , S. 202, 211 ff.; Radtke, GA 2004 , 118; Weertz, Europäische StA, S. 290 ff.
B. Was ist "E uropäisches Strafrecht"?
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rechtsraum schließlich das transnationale Doppelbestrafungsverbot, das Im Lichte der Rechtsprechung des EuGH konkret auszuformen ist.
4. Kriminologie Rationale Kriminalpolitik erfordert die Bereitst ellung umfassenden und aussage- 15 kräftigen empirischen Materials": Die Kriminologie muss z. B. Aussagen treffen über typische Deliktsgestaltungen und Täterprofile etwa im Zusammenhang mit Angriffen auf den El.l-Finanzhaushalr'", Bei diesen Betrugs- , Korruptions-, Steuer- und Zolldelikten handelt es sich um besondere Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität, deren Strukturen es aufzudecken gilt. Gleiches gilt etwa für das komplexe Phänomen der Geldwäschekriminalität, die eine Gefahr für die Funktion sfähigkeit der Wirtschaft innerhalb des europäischen Binnenmarktes darstellt/" Ein weiterer Bereich, der Kriminologie und Europ äische s Strafrecht verbindet, ist die Justizforschung, die sich etwa mit der Frage befasst, ob europarechtliehe Vorgaben in der Strafjustiz der Mitgliedstaaten gehörig umgesetzt werden .
5. Europarecht Das Europarecht ist in erheblichem Maße mit dem Straf- und Strafprozessrecht 16 recht verschränkt. Zentrale Probleme des Europäischen Strafrechts sind an der Schnittstelle zwischen nationalem Strafrecht und supranationalem Unionsrecht angesiedelt" . Das Zusammenspiel zweier getrennter, neben einander stehender, aber verflochtener Rechtsordnungen wirft neuartige Fragen auf, die im innerstaatlichen Rechtssystem keine Entsprechung finden'< . Aufgrund dieser Entwicklung versteht es sich von selbst, dass die Beschäftigung mit Europäischem Strafrecht spezifisch europarechtliches Wissen voraussetzt. Die Auseinandersetzung mit der Europäisierung des Strafrechts und der international-arbeitsteiligen Strafrechtspflege erfordert eine gründliche Durchdringung des europarechtlichen Normengeflechts unter besonderer Berück sichtigung der Rechtsprechung der europäischen Gerichtshöfe in Straßburg (EGMR) und Luxemburg (EuGH). Die Europarechtswissenschaft ist daher neben der Völker- und Verfassungsrechtswissenschaft eine zentrale Bezugswissenschaft für das Europäische Strafrecht. Das Gelingen der europäischen Integration auf dem Gebiet der Strafrechtspflege hängt in nicht unerheblichem Maße davon ab, inwieweit nationale Strafrechtspraktiker das Europarecht ebenso selbstverständlich und sicher anwenden wie die innerstaatlichen Rechtsnormen.
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Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
hierzu Dannecker, JZ 1996,869,870 ff.; Schneider, JR 2010,8 ff. hierzu Dannecker, ZStW 108 (1996), S. 577 , 579 ff. hierzu S/S-Stree/Hecker, § 261 Rn. 1 m. w. N . hierzu AmboslRackow, ZIS 2009, 397 ff.; Garditz, Kategorien, S. 192 ff. hierzu bereits Nettesheim, AöR 119 (1994), S. 261 ff.; Zuleeg, JZ 1992, 761 ff
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§ I Grundbegriffe und Grundfragen des Europ äischen Strafrechts
17 Im Hinblick auf die durch den Vertrag von Lissabon (Rn . 3) erfolgte Gründung einer mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Union als Rechtsna chfolgerin der EG (Art. I EUV) kommt dem Europäischen Verfassungsrecht wachsende Bedeutung ZU53 . Aus Sicht des Europäischen Strafrechts ist vor allem die Ausdeutung derjenigen Verfassungsbestimmungen von unmittelbarem Interesse, die sich mit dem " Raum der Freiheit , der Sicherheit und des Rechts" (Art . 3 11 EUV, Art. 67 ff. AEUV), den justiziellen Rechten (Art . 47 ff. GRCh 54 ) , der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit in Strafsachen (Art . 82 ff., 87 ff. AEUV) sowie mit den Harmonisierungskompetenzen der Union befassen (Art . 83 AEUV) .
6. Verfassungs- und Völkerrecht 18 Das nationale Verfassungsrecht normiert ebenso wie das Völkerrecht fundamentale Grund- und Menschenrechte sowie Verfahrensgarantien, die von den nationalen Gesetzgebern und Strafverfolgungsbehörden zu beachten sind. Zu denken ist nur an Bestimmtheitsgrundsatz, Rückwirkungsverbot, Schuldgrundsatz und Ultima-Ratio-Prinzip/" Es gilt, die Bezüge zwischen den verfassungs- und völkerrechtlichen Prinzipien sowie dem Europäischen Strafrecht herzustellen . Inwieweit werden dem Europäischen Strafrecht hierdurch Schranken gesetzt? Wo liegen die Grenzen der unionsrechtskonformen Auslegung von Straftatbeständen? - Genügen die vom deutschen Gesetzgeber verwendeten Blankettgesetzgebungstechniken dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Parlamentsvorb ehalt? Wie ist die Rechtsstellung des Beschuldigten in einem international-arbeitsteiligen Strafverfahren institutionell und verfahrensrechtlich ausgestaltet v'"
111. Praktische Bedeutung des Europäischen Strafrechts 19 Nachdem oben die wissenschaftlichen Herausforderungen des Europäischen Strafrechts beleuchtet wurden , soll es im Folgend en darum gehen , anhand einiger Beispiele und Fragenkomplexe die Praxisrelevanz dieses neuartigen Rechtsgebietes aufzuzeigen. Im materiellen Strafrecht lassen sich sowohl strafrechtsbegrenzende als auch strafrechtsausdehnende Europäisierungseffekte nachweisen . Auch in strafprozessualer Hinsicht verläuft die Europäisierung in zwei Richtungen . Zum einen werden bestimmte strafprozessuale Rechtspositionen von Beschuldigten und Opfern durch europarechtliche Vorgaben gestärkt. Zum anderen wird - vor dem 53
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Vgl. hierzu BVerfG NJW 2009, 2267 = EuZW 2009, 552 ; Amb os/Ra ckow , ZIS 2009, 397 ; Meyer, NStZ 2009, 657 sowie die europaverfassungsrechtlichen Grundlagenbeiträge in: v. Bogdandy (Hr sg.), Europ äische s Verfassungsrecht. Vgl. hierzu die Komm ent ierun g der Art. 47 ff. GRCh von Eser, in: Meyer (Hrs g.), GRCh . Vgl. hierzu S/S- Eser/Hecker, Rn. 30 ff. vor § 1 m. w. N. Vgl. hierzu Nestler, ZStW 116 (2004), S. 332 ff.; Sch ünem ann, ZStW 116 (2004), S. 376 , 382 ff.; Tinkl, Rechtsstellung des Einzelnen nach RbEuHbf, S. 38 ff. und passim; Vogel, ZStW 116 (2004), S. 400 , 404 f.; LK-Werle/Jeßb erger, Vo r § 3 Rn. 45 ff.
B. Was ist " Europäisches Strafrecht" ?
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Hintergrund tran snationaler Kriminalitätsphänomene (" Europa als kriminalgeographis cher Raum") - die international-arbeitsteilige Strafverfolgung in Europa ausgebaut und intensivi ert. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der europ äischen Kriminalpolitik, für eine gerechte Balance zwischen den Belangen einer effektiven Strafrechtspflege einers eits und der rechtsstaatlich gebotenen Wahrung von Bürgerrechten andererseits zu sorgen .
1. Strafrechtsbegrenzende Europäisierungseffekte Kein Strafrechtspraktiker kann sich der europäischen Dimension seines Arbeits- 20 gebietes mehr entziehen. Überholt sind heute Vorgänge, in denen sich die Praxis dem damaligen Gemeinschaftsrecht gegenüber zuweilen geradezu ignorant verhielt, wie jener steuerstrafrechtliche Fall, den das LG Bonn Ende der 1980er Jahre zu entscheiden hatte . Ein Steuerpflichtiger war vor diesem Gericht u. a. wegen fortgesetzter Umsatzsteuerhinterziehung angeklagt worden , weil er keine monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben hatte . Gegen diesen Vorwurf verteidigte sich der Angeklagte mit dem Einwand, dass zumindest seine Umsätze aus Kreditvermittlung nicht umsatzsteuerpflichtig gewesen seien . Dies ergebe sich aus einer EG-Richtlinie. Das LG Bonn wischte die europarechtlichen Einwände des Angeklagten mit der folgenden Bemerkung vom Tisch : "Die Kammer glaubt dem Angeklagten nicht, dass er bei seinen steuerlichen Fachkenntnissen auch nur im Entferntesten davon ausging, dass die deutsche Steuerges etzgebung durch europäische Richtlinien außer Kraft gesetzt wird. " Der BGH hob dieses Urteil im Revisionsverfahren auf und stellte unter Hinwei s auf die ständige Rechtsprechung des EuGH zutreffend fest, dass sich ein einzelner Marktbürger auf die Bestimmung einer nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinie berufen darf, wenn diese so klar umrissen ist, dass sie auch ohne Durchführungsmaßnahmen des nationalen Gesetzgebers angewendet werden kann'" . Der BGH war bereits seit den I960er Jahren mit dem Verhältnis von Gemein- 21 schaftsrecht und nationalem Strafrecht befasst ". Dabei haben die obersten Strafrichter von Anfang an eine rein nationale Ausrichtung ihrer Rechtsprechung vermieden und es ist ihnen stets gelungen, den supranationalen Vorgaben Rechnung zu tragen. Insbesondere darf die Anwendung strafrechtlicher Rechtsvorschriften weder zu einer Diskriminierung von Personen fuhren, denen das Unionsrecht einen Anspruch auf Gleichbehandlung verleiht (Art. 18 AEUV ; ex-Art. 12 EGV), noch dürfen die vom Unionsrecht garantierten Grundfreiheiten missachtet werden'". Neben dem Diskriminierungsverbot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat der EuGH weitere strafrechtsrelevante Garantien wie den Grundsatz "N ullum crimen sine lege" mit seinen Auswirkungen des Rückwirkungsverbots und des Bestimmtheitsgrundsatzes, den Lex-Mitior-Grundsatz sowie bestimmte Ausprägungen des ne bis in idem-Grundsatzes als allgemeine Rechtsgrundsätze des 57
ßG HSt 37, 168 ff. = NJW 1991, 1622; vgl. hierzu Schröder, Richtlinien, S. 13 I:
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Dannecker, BGH-FG, S. 339, 346 ff.
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EuGHE 1989, 195, 222; 1993, 1663; 1996, 929; 1999, 11, 29; Heise, Gemeinschaftsrecht und Strafrecht, S. 19 ff., 27 ff.; Stiebig, EuR 2005, 466, 471.
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Gerneinschaftsrechts'? (ex-Art. 6 11 EUV) anerkannt, die heute als Unionsrecht fortgelten (Art . 6 11I EUV) . 22 Die nationalen Strafverfolgungsbehörden müssen den Grundsatz des Vorrangs des unmittelbar anwendbaren Unionsrechts beachten, was z. B. auf dem Feld des Gl ücksspielstrafrechtsv' (§ 284 StGB) praxisrelevant wird62 . Anlass für eine Überprüfung nationaler Stratbestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit Unionsrecht besteht insbesondere immer dann , wenn die Anwendung des Straftatbestandes in den Schutzbereich unionsrechtlich garantierter Grundfreiheiten eingreift'". Beispielsweise wird die strafrechtliche Produkthaftung in Fällen grenzüberschreitender Produktvermarktung durch die vom EuGH konkretisierten Vorgaben der Warenverkehrsfreiheit begrenzt". Infolge des Anwendungsvorranges des Unionsrechts sind die nationalen Stell en daran gehindert, Strafrechtsnormen anzuwenden, soweit diese nicht im Einklang mit demselben stehen (§ 9 Rn. 10 ff.). So wurde z. B. die von einem griechischen Gericht gegen die italienische Touristin Calfa wegen illegalen Betäubungsmittelbesitzes verhängte Strafmaßnahm e der lebenslangen Ausweisung aus Griechenland vom EuGH als mit Primärrecht (passive Dienstleistungsfreiheit) unvereinbare Maßnahme eingestuft'" (§ 9 Rn. 49 0. Neben den primärrechtlichen Grundfreiheiten entfalten - wie bereits der eingangs geschilderte Fall aus dem Bereich des Steuerstrafrechts zeigt - nicht selten auch Sekundärrechtsdirektiven strafrechtsbegrenzende Wirkungen'". Die Berufung auf eine unmittelbar anwendbare begünstigende Richtlinie schützte z. B. den vor einem französischen Gericht Angeklagten Auer vor Bestrafung, der im Besitz eines italienischen, aber eben nicht eines französischen veterinärmedizinischen Diploms in Frankreich die Tätigkeit eines Tierarztes ausübte (§ 9 Rn. 24)67. 23 Reichhaltiges Anschauungsmaterial für die Überlagerung des nationalen Strafrechts durch Unionsrecht liefert das Lebensmittelstrafrecht, das in erheblichem Umfang von Verordnungen und Richtlinien durchdrungen ist68 • Sekundärrecht determiniert nicht nur die für alle Fahrlässigkeitstatbestände maßgeblichen Sorgfaltsanforderungen, sondern legt die Mitgliedstaaten im Bereich des Täuschungsschutzes auf ein europäisches Verbraucherleitbild fest, was in einigen Mitgliedstaaten (darunter Deutschland) zu einer Neubestimmung des Verbraucherschutzstandards im Sinne einer Liberalisierung der Lebensmittelvermarktung führt (§ 10
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Vgl. zur Anwendbarkeit der recht sstaatliehen Garantien des Gemein schaftsrechts auf europäisie rtes Strafrecht Satzger, Europäisie rung, S. 177 Ir ; Heine, Glückssp iel, S. I ff.; ders ., Amelun g- FS, S. 413 ff. EuGI-I NJW 2007 , 1515, 1519; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 372 ; OLG Hamburg, BeckRS 2009 , 20809; OLG München NJW 2006 , 3588. OLG München BeckRS 2009 , 11745 [Verstoß gege n A WGl Schaumann-Werder, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 210 ff. EuGI-IE 1999, 11. Sch räder , Richtlin ien, 13 f., 250 Ir EuGI-IE 1983, 2727; vgl. hierzu Hanf, JZ 1999, 785. Dann ecker, ZStW 117 (2005), S. 697 , 704 ff., 725 ff.; Hecker, Produktwerbung, S. 58 ff., 65 ff., 78 ff.; Schröde r, Leben smittel strafrecht, S. 79 ff.; Vergho, Verb rauche rschutzstrafrecht, S. 220 ff.
B. Was ist " Europäisches Strafrecht"?
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Rn. 17 ff.). Beispielsweise darf - um einen etwas skurrilen Fall aus der deutschen bußgeldrechtlichen Praxis'" aufzugreifen - den inländischen Anbietern importi erter Lebensmittel nicht die Vornahme einer ausschließlich deuts chsprachigen Kennzeichnung abverlangt werden, wenn es sich um europa- oder weltweit vermarktete Erzeugnisse mit hohem Bekanntheitsgrad in Deutschland handelt. Die Vermarktung dieser Produkte in ihrer Originalverpackung mit fremdsprachiger Etikettierung darf nicht als ordnungswidriger Kennzeichnungsverstoß geahndet werden . Folglich müssen die Liebhaber englischen Lebensstils nicht darauf verzichten, einen " Ha uch von Harrods" zu verspüren, wenn sie in Deutschland ein Fachgeschäft für Originalerzeugnisse aus Großbritannien aufsuchen. Es bleibt Aufgabe aller nationalen Strafverfolgungsbehörden, den unionsrecht- 24 liehen Einflüssen bei der Anwendung von Strafgesetzen Rechnung zu tragen. Gerichte, deren Entscheidung nicht mehr mit innerstaatlichen Rechtsmitteln angefochten werden können , müssen gern. Art . 267 111 AEUV (ex-Art. 234 111 EGV) die Frage nach der Auslegung und Gültigkeit von entscheidungserheblichem Unionsrecht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen (§ 6 Rn. 7).
2. Stärkung strafprozessualer Rechtspositionen Zwar kennt das Rechtssystem der EU (noch) kein eigenes supranationales Straf- 25 verfahrensrecht, doch haben einige Urteile des EuGH deutlich gemacht, dass die unionsrechtliche Überlagerung sich keineswegs auf das materielle Strafrecht beschränkt" . Dass das Unionsrecht zu einer Ausweitung strafprozessualer Rechtspositionen führen kann , zeigen folgende Fallbeispiele aus der Praxis : (I) In dem vor einem italienischen Gericht geführten Strafverfahren gegen Bickel 26 und Franz hat der EuGH das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV ; ex-Art. 12 EGV) ausdrücklich auch aufstrafprozessuale Regelungen bezogen" . Personen, die sich in einer unionsrechtlich ger egelten Situation in einem anderen Mitgliedstaat befinden, müssen vor dessen Gerichten genauso behandelt werden wie dessen Angehörige. Dies bedeutet im konkreten Fall, dass eine verfahrensrechtliche Regelung, die der deutschsprachigen Bevölkerung in Bozen das Recht auf eine Gerichtsverhandlung in deutscher Sprache einräumt, auch zugunsten von Angeklagten deutscher und österreichischer Staatsangehörigkeit anzuwenden ist. (2) In der Rechtssache" Cowan " 72 ging es um einen britischen Touristen, der 27 bei einem Aufenthalt in Paris tätlich angegriffen und schwer verletzt wurde . Das französische Strafverfahrensrecht sah einen Entschädigungsanspruch des Opfers gegen den Staat nur unter der Voraussetzung vor, dass das Opfer französischer 69 70
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AG Köln, Z LR 2002 , 525 m. Anm. Hecker , Z LR 2002 , 527 . Vgl. hierzu Esser, StV 2004, 221 ff.; Jokisch , Gem ein schaftsrecht und Strafver fahren, S. 143 f.; Karsai, Gemein schaftsrecht und Strafrecht, S. 9 ff.; Kühne , Strafprozessrecht , Rn. 56. EuG H EuZW 1999 , 82; vgl. hierzu Esser, ZEuS 2004 , 290 , 296 . EuGHE 1989, 195 ff.
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Staatsangehöriger, Inhaber einer Fremdenkarte oder Angehöriger eines Staates ist, der mit Frankreich ein Gegenseitigkeitsabkommen für die Anwendung der einschlägigen Vorschrift geschlossen hat. Diese Voraussetzungen lagen in dem konkreten Fall nicht vor. Der EuGH erblickte in der französischen Regelung eine unionsrechtswidrige Ungleichbehandlung" . 28 (3) In einer Vorabentscheidung, um die das AG Schleswig ersucht hatte , postulierte der EuGH ein unionsrechtliches Beweisverwertungsverbot, welches der Berücksichtigung eines auf staatlich veranlassten Probenahmen beruhenden AnaIysegutachtens in einem nationalen Ordnungswidrigkeitenverfahren entgegensteht" . Dem Verantwortlichen eines Lebensmittelunternehmens wurde in einem Bußgeldverfahren vor einem deutschen Gericht vorgeworfen, unzutreffend deklarierte Wursterzeugnisse fahrlässig in den Verkehr gebracht zu haben . Die Lebensmittelbehörden hatten zuvor in mehreren Einzelhandelsgeschäften Proben von Erzeugnissen des Unternehmens genommen und von jeder Probe eine Zweitprobe in den Gesch äften zurückgelassen. Aus ungeklärten Gründen hatten weder der Betroffene noch das Unternehmen Kenntnis von den staatlich veranlassten Probenentnahmen erlangt, so dass sie nicht in der Lage waren , ein (möglicherweise entlastendes) Gegengutachten einzuholen. Der EuGH stellte fest, dass sich ein Lebensmittelhersteller nach Art. 7 der Richtlinie 89/397 /EWG über die amtliche Lebensmittelüberwachung gegenüber den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates auf ein Recht zur Einholung eines Gegengutachtens berufen kann, wenn diese Behörden aufgrund einer Analyse von im Einzelhandel entnommenen Proben seiner Erzeugnisse die Auffassung vertreten, dass diese nicht den nationalen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen genügen. Analysegutachten, die auf nationaler Ebene entgegen diesen Richtlinienvorgaben erhoben worden sind und von der durch die Überwachung betroffenen Person nicht mehr unter Berücksichtigung der Grunds ätze eines fairen , kontradiktorischen Verfahrens angegriffen werden können , unterliegen einem Beweisverwertungsverbot. Der Ausschluss des Gutachtens als Beweismittel steht also nicht im Ermessen des nationalen Gerichts, sondern ist nach Ansicht des Gerichtshofs zwingend geboten, wenn sich die Fairness des Verfahrens bei Verwertung des Gutachtens nicht mehr gewährleisten lässt. Das AG Schleswig zog aus dieser Vorabentscheidung des EuGH die Konsequenz, das Bußgeldverfahren einzustellen. 29 (4) Von erheblicher praktischer Bedeutung ist schließlich das in Art. 54 SDÜ sowie Art. 50 GRCh verankerte grenzüberschreitende Doppelbestrafungsverbot (§ 13). Nach der Rechtsprechung des EuGH führen nicht nur rechtskräftige Gerichtsurteile, sondern auch gern. § 153 a StPO erfolgende staatsanwaltliehe Verfahrenseinstellungen zu einem transnationalen Strafklageverbrauch" .
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Inzwischen wurde das Entschädigungsrecht durch die Richtlin ie 2004 /80 des Rates zur Entschädigung der Opfer von Straftat en v. 29. April 2004 harmonisiert (AßlEG N r. L 261, S. 15). EuGHE 2003 , 3735 m. Anm . v. Schaller; vgl. hierzu die ausführliche Besprechung von Esser, StV 2004 , 221 ff.; ders., ZEuS 2004 , 290 , 296 . EuGH NJW 2003 , 1173.
B. Was ist "Europäisches Strafrecht"?
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Als überaus bedeutsame, die Rechtsposition von Beschuldigten ausbauende Euro- 30 päisierungsfaktoren erw eisen sich nicht zuletzt die in der EMRK verbrieften und vom EGMR ausgeformten Verfahrensgarantien, die zum Teil über die Gewährleistungen des nationalen Rechts hinausgehen. Dieser Befund sollte vor allem Strafverteidiger zu einer vertieften Beschäftigung mit der Konvention veranlassen?". Mit der Individualbeschwerde (§ 3 Rn. 26 ff.), die nach Ausschöpfung des nationalen Rechtsweges beim EGMR in Straßburg erhoben werden kann , steht dem strafrechtlich Verfolgten ein mächtiges Rechtsinstrument zur Verfügung, mit dem z. B. Auslieferungshindernisse geltend gemacht, die Einhaltung bestimmter Verfahrensrechte eingefordert, der staatliche Einsatz von Lockspitzeln gerügt oder eine überlange Untersuchungshaft- oder Verfahrensdauer beanstandet werden können (§ 3 Rn. 33 ff.).
3. Strafrechtsausdehnende Europäisierungseffekte Die nachfolgend zu behandelnden strafrechtsausdehnenden Europäisierungseffek- 31 te sind vor dem Hintergrund der Kriminalitätsentwicklung in Europa zu betrachten .
a) Europa als .krirninalqeoqraphischer Raum" Bis Ende der 1990er Jahre spielte die Kriminalitätsbekämpfung im Vergleich zu 32 anderen Politikfeldern der Gemeinschaft eine eher untergeordnete Rolle . Die europäische Integration sollte vor allem auf ökonomischem Gebiet vorangebracht werden , also in einem Bereich, in dem die Mitgliedstaaten am ehesten zu einem Verzicht auf nationale Souveränitätsvorbehalte bereit zu sein schienen. Dass das Strafrecht in der Folgezeit immer stärker in den Fokus der Unionspolitik geriet, hängt mit der besorgniserregenden Kriminalitätsentwicklung zusammen, die der ehemalige Präsident des BKA in folgendem Zitat auf den Punkt brachte: .Europa ist kriminalgeographisch schon längst eine Einheit. "77 Der gravi erende Anstieg grenzüberschreitender Kriminalität ließ die Befürchtung zur Gewissheit werden , dass nicht nur unbescholtene Bürger vom Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen und der Freizügigkeit des Personen-, Dienstleistungs- und Waren verkehrs profiti eren . Die Zentren der Wohlstandsgesellschaften der EU-Mitgliedstaaten stellen begehrte Absatzmärkte für illegale Produkte und Dienstleistungen aller Art dar. Sie bilden eine Ziel scheibe für kriminelle Angriffe auf geordnete Finanz-, Wirtschafts-, und Wettbewerbsabläufe. Auch dürfen die Augen nicht davor verschlossen werden , dass das gesamteuropäische Haus vom Virus der Korruption und mafioser Strukturen durchsetzt ist. Hinzu kommt die latente Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Die Einsicht, dass auf sich allein gestellte nationale Strafverfolgungssysteme der Globalisierung der Kriminalität und ihres vielfältigen Bedrohungspotentials weithin hilflos gegenüberstehen, erzeugte einen massiven kriminalpolitischen Handlungsdruck, der nationale Souveränitätsvorbehalte immer stärker zurückdrängte , das Europäische Strafrecht zu einem bedeu76 77
Jung, StV 1990, 509 ff.; Weigend, StV 2000, 384 ff Zachert, in: Sieber (Hrsg.), Europäische Einigung, S. 61, 76.
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§ I Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts
tenden Pfeiler europäischer Integrationspolitik aufwertete und die transnationale Strafverfolgung revolutionierte. Vor allem folgende Kriminalitätsphänomene stehen im Mittelpunkt transnationaler Kriminalität, die nicht selten einen hohen Organisationsgrad aufweist": -
Terrorismus, Waffen- und Rauschgifthandel, Schleuserkriminalität, Menschenhandel, Organhandel, Kfz-Verschiebungen, Illegaler Abfallexport ("M ülltourismus"), Verstöße gegen Lebensmittel- und Arzneimittelrecht, Illegaler Technologietransfer, Illegaler Handel mit radioaktiven und nuklearen Substanzen Produktpiraterie, Arten schutzkriminalität, Illegale Zuwanderung, illegale Arbeitnehmerbeschäftigung, Computerkriminalität (Angriffe auf Informationssysteme), Geldwäsche, Angriffe auf die Finanzinteressen der EU, Angriffe auf die europäische Währung Euro (Falschgelddelikte).
33 Begünstigt wird die transnationale Kriminalität dadurch, dass die Einfuhrkontrollen nach der Öffnung der Binnengrenzen und der Abschaffung der Personenkontrollen im Rahmen des Schengener Abkommens ("Schengen I") nur noch an den Außengrenzen erfolgen, dort aber ausschließlich nach den Gesetzen des jeweils zuständigen Staates, der über Umfang und Intensität der Kontrollen entscheidet (§ 5 Rn. 29 ff.). Das nicht unbeträchtliche Entdeckungsrisiko, dem sich Straftäter früher beim Grenzübertritt ausgesetzt sahen, ist in Wegfall geraten. Der damit einhergehende Verlust an Sicherheit gibt dringend Anlass , über polizei- und strafrechtliche Ausgleichsmaßnahmen nachzudenken.
b) Europäisches Strafrecht als Antwort auf grenzüberschreitende Kriminalität 34 Die Globalisierung der organisierten Kriminalität und der en Hineinwirken in den Rechtsraum der EU-Mitgliedstaaten stellen neue Herausforderungen für die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Europa dar. Es liegt im gemeinsamen Interesse aller Mitgliedstaaten, der transnationalen Kriminalität unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze möglichst wirkungsvoll entgegenzutreten. Gleiches gilt im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Angriffen auf den EU-Finanzhaushalt durch betrügerisch agierende Marktteilnehmer (zu denken ist vor allem an die Erlangung ungerechtfertigter Vorteile durch Subven78
Vgl. hierzu v. BubnojJ, ZEuS 2001, 165 ff. ; Dann ecker, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Kap. Rn. 17 ff. ; v. Duyn e, Grenzüberschreitende Kriminalität, S. 259 ff. ; Hecker, JA 2002,723 ff. ; Zachert, in: Sieber (Hrsg.), Europäische Einigung, S. 61 ff.
B. Was ist "E uropäisches Strafrecht"?
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tionsbetrug und Abgabenhinterziehung) oder korrupte Amtsträger. Fraglich ist, ob es hierzu supranationaler strafrechtlicher Konz eptionen (bis hin zur Schaffung eines europäischen Strafgesetzbuches) bedarf oder ob schon ein auf Rechtsangleichung abzielender Ausbau der mitgliedstaatliehen Strafrechtssysteme sowie eine Verbesserung (Erleichterung, Intensivierung) der internationalen polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit ausreichen . Die Mitgliedstaaten als " Herren der Verträge " haben der Union - mit einer Ausnahme (Art. 325 IV AEUV; vgl. § 4 Rn. 81; § 14 Rn. 44) - keine Kompetenz zur Setzung kriminalstrafrechtlicher Normen übertragen (§ 4 Rn. 82) . Bei realistischer Betrachtung der politischen Gegebenheiten lässt sich die Vision eines supranationalen Strafrechts"? jedenfalls in absehbarer Zeit nicht realisieren, zumal auch das EP und der Europäische Rat derzeit keine Supranationalisierung des Strafrechts anstreben". Bereits nach früherer Rechtslage waren die Mitgliedstaaten zur strafrechtli- 35 ehen Verfolgung von Angriffen auf Rechtsgüter der Gemeinschaft verpflichtet (§ 7 Rn. 27 ff.). Aus den in Art . 4 111 EUV, 325 I, 11 AEUV (ex-Art. 10,280 I, 11 EGV) verankerten Loyalitätsgeboten folgt eine strafrechtliche Schutzverpflichtung der Mitgliedstaaten gegenüber der Union" . Verstöße gegen das Unionsrecht sind nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln zu verfolgen, wie nach Art und Schwere vergleichbare Zuwiderhandlungen gegen nationales Recht, wobei die angedrohten Sanktionen wirk sam , verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Bei der Verfolgung solcher Straftaten ist das Einstellungsermessen der nationalen Strafverfolgungsbehörden (Opportunitätsprinzip) unionsrechtlich begrenzt und kann im Einzelfall sogar auf Null reduziert seinv . Im Übrigen wird der Grundsatz der verfahrensmäßigen Autonomie der Mitgliedstaaten durch den Vorranganspruch des Unionsrechts eingeschränkt" . Beispielsweise entfällt die Vorlagepflicht nach § 121 11 GVG , wenn ein OLG in Übernahme der Judikatur des EuGH von der Rechtsprechung eines anderen OLG abweichen will '". Während die kriminalpolitischen Bestrebungen der EU in den 1990er Jahren 36 noch in erster Linie darauf gerichtet war , die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten zu verbessern, ist seit Beginn dieses Jahrhunderts die Harmonisierung des materiellen Strafrechts in den Fokus europäischer Kriminalpolitik ger ückt", In seinen bahnbrechenden Urteilen
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Vgl. hierzu Perron, Strafrechtsvereinh eitlichung, S.135 ; ders., ZStW 112 (2000), S. 202 , 210; Sieber, Z LR 1991,451 ,475 ff.; ders., ZStW 121 (2009), S. 1,22,44 ff. Vgl. die Entschließung de s EP zu den Strafverfahren im Rahm en der EU (Corpus Juris), BR-Drs. 276/99 sowie die Mitteilungen über die Empfehlung des Europäischen Rate s bet reffend " Unionsweite Kriminalitätsbek ämpfung", NlW 2000, 339 . Vgl. hierzu Hecker, lurratio 2009, 81 , 82 f. Vgl. hierzu Jokisch, Gem einschaftsrecht und Stra fverfahren, S. 149 ff Kühne, Strafprozessrecht , Rn. 58. ßGHSt 36, 92 ; Ambos , IntStR , § 11 Rn. 40; Dannecker, Europä ische r Recht sschutz, § 38 Rn. 68; Seitz, in: Göhler, OW iG, § 79 Rn. 38 . Hecker, lA 2007, 561 ff.; Perron, Küper-FS, 429 , 430 ff.; Schreiber, Strafrechtsharmon isierung, passim ; Vogel, GA 2003 , 314 ff.
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§ I Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts
v. 13. September 2005 86 und v. 23 . Oktober 2007 87 erkannte der EuGH der EG die Befugnis für die Aufstellung strafrechtlicher Mindestvorgaben zu, soweit diese zur Erreichung der im EGV genannten Ziele als erforderlich angesehen werden" . Der durch den Vertrag von Lissabon (Rn . 3) neu geschaffene Art. 83 11 AEUV knüpft an diese strafrechtliche Annexkompetenz an (§ 8 Rn. 36 ff.)" . Im Rahmen der 3. Säule der EU wurden auf der Grundlage der ex-Art. 29 , 31 lit. e EUV zahlreiche Rechtsakte (in der Regel Rahmenbeschlüsse) erlassen, die auf eine Mindestangleichung des materiellen Strafrechts der Mitgliedstaaten abzielen und ein breites Kriminalitätsspektrum betreffen, namentlich Terrorismus, Organisierte Kriminalität , illegaler Drogenhandel, Falschgelddelikte, Menschenhandel, Schleuserkriminalität, Kinderpornographie, Korruption im privaten Sektor, rassistisch oder fremdenfeindlich motivierte Straftaten sowie Angriffe auf Informationssysteme. Diese Harmonisierungspolitik wird nach dem Inkrafttreten des Reformvertrags nach Maßgabe des Art . 83 I AEUV fortgesetzt, welcher der Union eine originäre Strafrechtsangleichungskompetenz verleiht?" (§ II Rn. 3 ff.). 37 Den Strafrechtsaktivitäten der Union haftet eine expansive Tendenz an, die in der Fachdiskussion mitunter auf dezidierte Ablehnung stoßen?'. Auch wenn man die teilweise nicht ganz frei von Polemik vorgetragene Fundamentalopposition gegen die EU-Kriminalpolitik nicht unterstützt, kann man sich einigen fachlichen Bedenken gegen eine unreflektierte Strafrechtsexpansion nicht verschließen?' : Dies gilt z. B. für die berechtigte Kritik an der Übertragung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung auf den Bereich des Beweisrechts (§ 12 Rn. 59 ff.) . Auch sollte die europäische Kriminalpolitik darauf achten, dass die gewachsenen Strafrechtskulturen der Mitgliedstaaten nicht ohne Not zerschlagen oder zersetzt werden. Dem strafrechtsspezifischen Schonungsgebot?' ist bestmöglich Rechnung zu tragen, handelt es sich bei den nationalen Strafrechtsordnungen doch um hochkomplexe und dynamische Systeme, die durch ein breites Ensemble materiellrechtlicher und prozessualer Normen, dogmatischer Maximen und nationalspezifischer Praktiken der Rechtsdurchsetzung gekennzeichnet sind?' . Auch ist mit einer Vereinheitlichung des materiellen Strafrechts noch nicht das Problem gelöst, dass in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Verfahrensordnungen und Strafver-
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EuGH JZ 2006, 307 ff. = ZIS 2006, 179 ff EuGI-I NStZ 2008, 703. Vgl. hierzu Eisele, JZ 2008, 248 ff.; Kubiciel, NStZ 2007, 136 ff; Satzger , KritV 2008, 17, 22f[; Zimmermann, NStZ 2008, 662 f[ Vgl. hierzu Heger, ZIS 2009, 406, 412 f.; Zimmermann, Jura 2009,844,847. Vgl. hierzu Heger, ZIS 2009, 406, 411 f.; Zimmermann, Jura 2009,844,846 ff. Exemplarisch hierfür stehen die Beiträge von Albrecht, ZRP 2004, 1; Braum, StV 2003, 576; ders., Strafgesetzlichkeit, passim; Hassemer, ZStW 116 (2004); S. 304; Nestler, ZStW 116 (2004), S. 332; Schünemann, ZIS 2007, 528 ff. Zu zentralen Kritikpunkten vgl. Gieß, IRhSt, Vor 111 Rn. 94 ff.; Satzger, KritV 2008, 17,34ff. Satzger, Europäisierung, S. 166 ff. Perron, ZStW 109 (1997), S. 281, 288, 299; Weigend, ZStW 105 (1993), S. 774, 789.
C. Literaturhinweise
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folgun gsinten sitäten bestehen". Erfahrene Rechtsvergleicher wei sen scho n se it j eher darauf hin, dass Rechtsangleic hung auf einem Gebiet wie de m Strafrecht ein kom ple xes, de likates und müh seliges Unterfangen dar stellt " . Nichtsdestotrotz dürfe n die Augen vor dem kriminalpoliti schen Hand lungsbe- 38 darf n ich t verschlossen werden . Der durch den Beitr itt ost- und südeuropä ischer Länder auf derze it 27 Mitgl iedstaaten ang ewac hsen e ,.kriminalgeographische Raum Europa'' stellt ei n geme insames - alle EU-Mitgliedstaaten al s solche und die EU als po litische Organi sation betreffendes - kriminalpolitisch es Problem ersten Ranges dar. Da dieser Herausforderung nicht durch natio nale Allei ngä nge ei nze lner Mitgl iedstaaten, sonde rn nur durch ein e möglichst reibu ngslos aufei nand er abge st immte Polizei - und Strafverfolg ungsarbeit aller Mitgliedstaat en begegnet werden kann, besteht nach hier vertretener Auffassung keine sinnvo lle Alternativ e zu einer an rechtsstaa tlieh en Prinzi pien orientierten Weiter entw ickl ung des Europä ischen Strafrechts. Der die nationalen Str afrech tsord nun gen nach w ie vor bestimmende Territorialbez ug vermag den grenzübergreifende n Kriminal itätsform en nicht durch weg adäq uat zu begegnen. Eine Effe ktivie rung der zwischenstaatl ichen Kooperationsform en erscheint unabdin gbar, da sich das tradierte Rech tshilfesystem nach den Erfahrungen der Stra fverfo lgun gspra xis vielfac h als zu schwerfällig und ineffi zient erwiese n hat" . Daher führt kein Weg an einer bere ichsspezi fischen Ang leicheng des materiellen und formellen Strafrech ts und einer Verbesser ung der institutionell-organisatori schen Rahmenbed ingun gen für eine grenzü berschreitend e Strafverfolgung vorbe i. Allerd ings sollte der notwend ige Au sba u der inter nat iona l-arbeitsteili ge n Stra frechtsp flege nich t nur e insei tig an den Belangen und w ünsc hen der Strafverfolgungssei te orienti ert se in, sondern bei allem berec htigten Stre ben nac h Effe ktivität stets auch die rechtsstaatlich ge bote ne Wahrun g der BUrgerrechte im Auge behalten. Derze it eilt die Praxis des Europäischen Strafrechts der Wissenschaft vora us. Es ge hört indes zu den vorne hmste n A ufgaben der Strafrechtswissenscha ft. den Europäls lerungsprozess unter den vorgenannte n Aspekten konstruktiv-kritisch zu beglelren" .
c. Literaturhinweise Ambos. rr ucrnanonates Strafrecht. 2. Aufl.. 200K, § 9 Ambos/Rackow. Erste Überlegungen zu den Konsequenzen des Lissabon-Urteils des
u v ern t für das Europäische Strafrecht. ZIS 2009. 397 Böse, Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon und ihre Bedeutung 1111' die Europäisierung des Strafrechts. ZIS 20I O. 76 Braum, Europäische Strafgesetzlichkeit. 2003. passim Perron. Straff-echtsvercinhcitlichung. S. 135. 145. Jung/Schroth, GA 19&3. 241. 24K, Vgl. v. Bidmoff: ZEuS 2000. 185. 188 L Lige n; Strafrecht in der EU. S. 21; Perron. Strafrechtsvereinheitlichung. S. 135. 147 1T.: Wasmeier, ZStW 116 (2004). S. 320 f. Klip . ZStW 11 7 (2005). S. 889: Kühl. Söllncr-FS. S. 6 13: Vog el. GA 2002. 5 17: Zieschang, ZStW 1[] (20ül) . S. 255.
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§ I Grundbegriffe und Grundfragen de s Europäischen Stra frechts
Dannecke r, Das Euro päische Strafrecht in der Rechtsprechung des BG H in Strafsachen , in: BGH-FG aus der Wissen sch aft, Bd . IV, 2000, S. 339 ders., Die Dyn amik de s materiellen Strafrechts unter dem Einfluss europ äischer und internationaler Entwicklunge n, ZStW 117 (2005), S. 697 ders., Das mat er ielle Strafrecht im Spannungsfeld des Recht s der EU, JURA 2006, 95 , 173 ders., Die Entwi cklung des Wirt schaftsstrafrecht s unter dem Einfluss des Europarechts, in: Wabn itzlJ ano vsky (Hrsg.), Wirtsch .- und Steuerstra frecht, 3. Aufl ., 2007, 2. Kapitel Esser , Auf dem Weg zu einem europäischen Stra fverfahrensr echt, 2002, passim Hecker, Europäisches Strafrecht als Antwort auf tra ns nationa le Krimin alität", JA 2002, 723 ders., Sind die nat ional en Gren zen des Strafrecht s überwindbar", JA 2007, 561 ders., Der Vertrag von Lissabon und das Europäi sche Strafrecht , lurratio 2009, 81 Heger , Perspektiven des Europäische n Strafrechts nach dem Vertrag von Lissabon, Z IS 2009,406 Kühn e, Strafprozess recht, 8. Aufl ., 2010, Rn . 43-100.4 Krüßmann, Tran snation ale s Strafprozessrecht, 2009, passim Kub iciel, Das .Lissabonv-U rteil und das Europäische Strafrecht , GA 2010, 99 Mayer, Der Vertrag von Lissabon im Übe rblick, JuS 2010,189 Meye r, Die Lissabon-E ntsche idung des BVe rfG und da s Strafrecht , N StZ 2009, 657 Perr on, Sind die nation ale n Grenzen de s Stra frechts überwi ndbar" , ZStW 109 (1997), S. 281 ders., Perspektiven der Europäis chen Strafrechtsintegration, K üper-F S, 2007, 429 Rosenau, Z ur Europäisie rung im Strafrecht - Vom Schutz finan ziell er Interessen der EG zu eine m gem eineuropäisch en Strafgeset zbu ch?, Z IS 2008, 9 Satzge r. Die Europäi sie rung des Strafrechts , 2001 , pas sim ders., Das Strafrecht als Gegenstand europäischer Gesetzgebungs tätigkeit, KritV 2008, 17 Schneider , Die gegenwä rtige Situation der internationa len Kriminologie - ihre Fort sch ritte im ersten Jahrzehnt de s 21 . Jahrhunderts, JR 20 I0, 8 Sch roder, Europäische Richtlinien und deut sch es Strafrecht , 2002, pas sim Sieber, Die Zukunft des Euro päische n Strafrechts , ZStW 121 (2009), 1 Suhr , Die PJZS in Strafsachen nach dem .Lissabonv-U rtei l des BVerfG , ZE uS 2009, 687 Tiedemann, Die Europäisierun g de s Stra frechts, in: Kreuzer/Scheuing/Sieber (Hrsg.), Die Europäisieru ng der mitgl ied staatl iehen Rechtsordnungen in der EU, 1997, S. 134 ders., EG und EU als Rechtsquellen de s Strafrechts, Roxi n-F S, 2001 , S. 1401 ders., Geg enwart und Zukunft des Europäi sche n Strafrechts , ZStW 116 (2004), S. 945 ders., Bemerkunge n zur Z ukunft des euro päische n Strafprozess es, Ese r-F S, 2005 , S. 889 Vogel, Europäis che Kriminalpolitik - europäische Strafrcchtsdogrnatik, GA 2002, 517 ders., Harm on isierung de s Strafrechts in der EU, GA 2003,314. ders., Tran skulturelles Stra frecht, GA 2010, I ders./Matt, Gemeinsa me Stan da rds für Strafverfahren in der EU, StV 2007, 206 Weigend, Die Europäische Men sch enr echt skon vention als deut sches Recht - Koll isionen und ihre Lös ung, StV 2000, 384 Zieschang, Chance n und Risiken der Europäisierung des Strafrechts , ZStW 113 (2001), 255 ders., Der Einflu ss der EU auf das deutsche Stra frecht, Tiedemann-FS, 2008, 1303 Zimmermann, Tendenzen der Stra frechtsang leichung in der EU, ZI S 2009, I ders., Die Au slegung künftiger EU-Strafrechtskompetenzen nach dem Lissabon-Urteil de s BVe rfG, Jura 2009,844 Zäller, Europäis che Strafgeset zgebung, Z IS 2009, 340
E. Zusammenfassung von § I
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D. Rechtsprechungshinweise EuGHE 1989, 195 (Rechtssache Cowan - Opferent schädigun gsanspruch und Diskriminierungs verbot ) EuGI-IE 1999, 11 (Stra fverfahren gege n Calfa wegen unerlaubten Betäubungsmittebes itzes) EuGI-I EuZW 1999, 82 (Strafverfahren gegen Bickel und Franz - Anspruch auf Gleichbehandlung im Strafverfahren) EuGH NJW 2003 , 1173 (transnationale s Doppelbestrafung sverbot) EuGHE 2003 , 3735 (Bußgeldverfahren gegen Steffe nsen - Beweisverwertungsverbot) EuGI-I ZIS 2006 , 179 (Strafrechtliche Harmon isierungskomp etenz der EG - Umwe ltpolitik) EuGI-I NJW 2007 , 1515 (Strafverfahren gege n Placanica u. a. - Glückssp ielstrafrecht und Dienstl eistungsfreiheit) EuGH N StZ 2008 , 703 (Strafrechtliche Harmoni sieru ngskompetenz der EG - Verkehr spolitik) BVerfG NJW 2009 , 2267 = EuZW 2009 ,552 (Vert rag von Lissabon)
E. Zusammenfassung von § 1 Obwohl die europäischen Staaten über ein gemein sames rechtskulturelles Erbe 39 verfugen , das sich in fundamentalen Prinzipien ihrer Strafrechtsordnungen widerspiegelt , ist ihr Strafrecht höchst unterschiedlich ausgestaltet. Ein echte s Europastrafrecht - etwa in Gestalt eines europäi schen Strafgesetzbuche s oder einer europäischen Strafprozessordnung - existiert derzeit nicht. Dennoch hat sich in der Strafrechtswissenschaft die Rede vom Europäischen Strafrecht inzwischen als allgemein anerkannter Sammelbegriff für einen eigenst ändigen strafrechtlichen Forschungsgegenstand durchgesetzt. Er beschreibt eine Rechtsmaterie eigener Art, die sowohl strafrechtsrelevantes Unionsrecht, regionales Völkerrecht als auch das hiervon beeinflusste nationale Strafrecht umfasst. Als Wissenschaftsdisziplin stellt das Europäische Strafrecht eine rechtswissenschaftliche Querschnitt smaterie dar, die zahlreiche, sich teilweise überschneidende Probleme aus den Bereichen Kriminalpolitik, Strafrechtsdogmatik, Strafverfahrensrecht, Kriminologie, Europarecht sowie Verfassungs- und Völkerrecht - jeweils unter Einbeziehung rechtsvergleichender Forschung - aufwirft . Die Globalisierung der Kriminalit ät und deren Hineinwirken in den "kriminal- 40 geographischen Raum" Europa stellen die europ äische Kriminalpolitik vor große Herausforderungen. Die nationalen Strafrechtssysteme sind vor diesem Hintergrund in einen dynami sch verlaufenden Prozess der Europäisierung eingebunden, der sich vor allem auf die Aktivitäten des Europarates, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten sowie auf den Einfluss des Unionsrechts zurückfuhren lässt. Als zentrale Europäisierungsfaktoren erweisen sich die vom EGMR ausgeformten Garantien der EMRK, die vom EuGH konkretisi erten Prinzipien des Unionsrechts (Assim ilierung , Vorrangprinzip, unionsrechtskonforme Auslegung) sowie die breit gefächerte Harmonisierungspolitik der Union.
§ 2 Strafrechtliche Spezialmaterien mit grenzü bersch reitenden Bezügen
Um strafrechtliche Spezialgebiete mit grenzüberschreitenden Bezügen handelt es sich beim internationalen Strafrecht, transnationalen Strafrecht und Völkerstrafrecht. Es geht hierbei um eigenständige Strafrechtsmaterien mit jeweils spezifischen Funktionen und Strukturprinzipien. Insbesondere das internationale und das transnationale Strafrecht werden in nicht unerheblichem Maße von rechtlichen Vorgaben des Unionsrechts beeinflusst' . Insoweit können die betroffenen Regelungskomplexe zugleich dem Besitzstand des Europäischen Strafrechts zugerechnet werden . Das Völkerstrafrecht als supranationales Strafrecht mit weltweitem Geltungsanspruch könnte in mancherlei Hinsicht Vorbild für die Weiterentwicklung des Europäischen Strafrechts zu einem echten Europastrafrecht sein.
A. Internationales Strafrecht I. Begriff und Funktion des internationalen Strafrechts Die in der deutschen Rechtsterminologie gebräuchliche Bezeichnung "interna- 2 tionales Strafrecht" ist insoweit irreführend, als sie suggeriert, es gehe hierbei um einen Katalog supranationaler Strafrechtsnormen mit weltweitem Geltungsanspruch . Dem ist freilich nicht so. Echtes supranationales Strafrecht ist nur das Völkerstrafrecht (Rn. 81 ff.). Bei den in §§ 3-7, 9 StGB normierten Bestimmungen des internationalen Strafrechts handelt es sich indes schlicht um innerstaatliches Strafanwendungs-, Strafgewalts- bzw, Geltungsbereichsrecht-, Die Regelungen des internationalen Strafrechts geben Auskunft darüber, ob auf einen bestimmten Lebenssachverhalt, der sich im Ausland abspielt oder an dem ausländische Täter und/oder Opfer beteiligt sind, deutsche Strafnormen Anwendung finden. Das Strafanwendungsrecht ist innerstaatliches Recht, durch das die Staaten den Umfang und die Grenzen ihrer nationalen Strafgewalt einseitig festlegen , ohne hierdurch einen etwa koexistierenden ausländischen Strafanspruch auszuschließen. Im Gegensatz zu den Kollisionsnormen des IPR, die sich mit der KoorVgl. hierzu nur LK-WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. 51 ff MüKoStGBIAmbos, Vor §§ 3-7 Rn. 2; ders., IntStR , § 2 Rn. 4; SSW-Satzger, Vor §§ 3-7 Rn. 1; ders., Jura 2010 , 108, 109; LK-WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. I. B. Hecker, Europäisches Strafrecht, DOI 10.1007/978-3-642-13127-1_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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§ 2 Strafrechtliche Spezi alm ater ien mit grenzüberschreitenden Bezü gen
dinierung kollidierender Geltungsansprüche konkurrierender Rechtsordnungen befassen, indem sie festlegen , welches nationale (inländische oder ausländische) Recht bei der konkreten Sachents cheidung zugrunde zu legen ist, wenden deutsche Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte ausschließlich deutsches Strafrecht an-. Eine sog. Fremdrechtsanwendung im Sinne einer unmittelbaren Anwendung ausländischer Strafnormen ist im geltenden deutschen Strafanwendungsrecht nicht vorgesehen . Dementsprechend kann sich die Strafverfolgung durch deutsche Strafverfolgungsbehörden lediglich auf solche Taten beziehen, die nach innerstaatlichem Recht strafbar sind. Allerding s müssen sich die Rechtsanwender im Rahmen der Tatortklausel des § 7 StGB (Rn. 46, 58) mit der Frage befassen , ob die in Rede stehende Tat nach ausländischem Strafrecht strafbar ist' . Auch kann die Auslegung von Blankettstrafuormen, verwaltungsakzessorischen Straftatbeständen oder normativen Tatbest andsmerkmalen von nach ausländischem Recht zu beurteil enden Rechtsfragen abh ängen' . 3 Die Regelungen der §§ 3-7, 9 StGB sind konstitutiver Bestandteil der primären Strafrechtsnormen, indem sie den Anwendungsbereich beschreiben, für den sich das deutsche Strafrecht einen Bewertungsanspruch zuerkennt. Die Anwendbark eit deutschen Strafrechts ist freilich kein Tatbestandselement, sondern objektive Bedingung der Strafbarkeit, auf die sich der Vorsat z des Täters nicht erstrecken muss". Lassen die Regelungen des internationalen Strafrechts die Ausübung deutscher Strafgewalt im Einzelfall nicht zu, so stellt dies nach deutscher Rechtspraxis ein Prozesshindernis dar, das zur Einstellung des Verfahrens führt ". Die Erstreckung des innerstaatlichen Strafrechts auf Lebenssachverh alte mit Auslands- bzw. Ausländerb ezug birgt die Gefahr in sich, dass ein Täter wegen derselben Tat von mehreren Staaten gleichzeitig oder nacheinander verfolgt wird" . Das Nebeneinander mehrerer nationaler Strafansprüche wirft die Frage auf, ob bzw. inwieweit der Täter vor einer mehrfachen Verfolgung und Bestrafung geschützt ist. Hierauf wird im Rahmen des transnationalen Doppelbestrafungsverbots innerhalb der EU ("ne bis in idern") näher einzugehen sein (§ 13).
MüKoStG ß IAmbos, Vor §§ 3- 7 Rn. 2; ders. , IntStR, § 1 Rn. 5; Satzger, IntStR, § 3 Rn. 4; LK-Werle/Jeß berger, Vor § 3 Rn. 8, 330 ; dies., JuS 2001 , 35, 36. Fü r Fremdrechtsan wendung innerhalb der EU de lege ferenda Deiters, Z IS 2006 , 472 Ir OL G Celle NJW 2001 , 2734; MüKo StGB IAmbos, § 7 Rn. 5 ff.; ders ., IntStR, § 3 Rn. 49 ff.; Satzger, IntStR, § 3 Rn. 5; LK-WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. 332 , § 7 Rn. 21 ff. Walter, Ju S 2006, 870 ; LK-WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. 333 ff. Ambos, IntStR, § 1 Rn. 9; Fischer, Vor §§ 3-7 Rn. 30; Satzger. Jura 201 0, 108, 111; Werlel.Ießberge r, Vor § 3 Rn. 452; a. A. Böse, Ma iwald- FS, S. 61, 69 Ir ; Pawlik, Z IS 2006, 274 , 283 ("Ta tbestand smerkmale") . BGH St 34,1 ,3 f.; BGH NJW 1995, 1844, 1845; NS tZ 1997 , 119; MüKo StGBIAmbos, Vor §§ 3- 7 Rn. 4; LK- WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. 10. Satzger , IntStR, § 3 Rn. 6; LK-WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. 45 ff., 340 .
A. Internationales Strafrecht
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11. Schutzbereich deutscher Straftatbestände Bei Sachverhalten mit Auslands- bzw. Ausländerbezug stellt sich unabhängig von 4 der Frage des Geltungsbereichs deutschen Strafrechts das jeweils gesondert zu erörternde Problem , ob der einschlägige deutsche Straftatbestand überhaupt den Schutz ausländischer Rechtsgüter und Interessen umfasst oder ob er eine tatbestandsimmanente Beschränkung auf einen rein inländischen Rechtsgüterschutz aufweist". Bei der Beantwortung dieser Frage kann nicht etwa auf die geografische Lage des Tatobjekts oder die Staatsangehörigkeit von Täter und Opfer, also gerade nicht auf internationalstrafrechtliche Kriterien abgestellt werden . Vielmehr ist durch eine umfassende Normauslegung die Reichweite des von ihr intendierten Rechtsgüterschutzes zu ermitteln. Beispielsweise bezwecken die Staatsschutzdelikte (§§ 80 ff. StGB) nur den 5 Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor Angriffen auf ihre innere und äußere Sicherheit. Es ist nicht Aufgabe des deutschen Strafrechts, ausländische Staaten gegen Angriffe auf ihre Staatsgewalt und Souveränität zu schützen 10. Ebenso ist eine Widerstandshandlung, die ein deutscher Hooligan gegenüber einem ausländischen Polizeibeamten im Ausland verübt, keine nach § 113 I StGB strafbare Handlung, da diese Bestimmung nur der Durchsetzung innerstaatlicher Vollstreckungsakte zu dienen bestimmt ist und demgemäß nur Amtsträger geschützt werden, denen nach deutschem Recht eine bestimmte hoheitliche Funktion obliegt (vgl. auch § II I Nr. 2 Iit. a-c StGB)l1. Im Übrigen erschließt sich der Schutzbereich von Straftatbeständen im Hinblick auf die Einbeziehung nichtdeutseher Rechtsgüter bzw. Interessen nicht immer so eindeutig aus der tatbestandliehen Umschreibung wie bei den Staatsschutz- oder Widerstandsdelikten. So unterfallt z. B. die Verletzung einer nach ausländischem Recht begründeten Unterhaltspflicht durch einen im Inland lebenden Ausländer oder auch eines Deutschen gegenüber einem im Ausland lebenden Ausländer nicht dem Tatbestand des § 170 I StGB , da diese Bestimmung nicht den Schutz ausländischer Sozialbehörden vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme bezweckt". Ist dagegen ein im Ausland lebender Deutscher als Unterhaltsberechtigter betroffen, bleibt für § 170 I StGB Raum 13. Individualrechtsgüter wie Leben (§§ 211 ff. StGB), Gesundheit (§§ 223 ff. StGB), Eigentum (§§ 242 ff. StGB), Vermögen (§§ 263, 266 StGB) sowie Fortbewegungs- und Willensfreiheit (§§ 239 , 240 StGB) werden auch dann von
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Ambos, IntStR , § I Rn. 31 ff:; Satzger , IntStR, § 3 Rn. 8 f., § 6 Rn. I Ir. Nach h. M. geht die Frage nach dem tatbestandl iehen Schutzbereich der Geltungsfrage " logisch" vor ; vgl. hierzu MüKoStGB/Ambos , Vor §§ 3-7 Rn. 89; SSW-Satzger, Vo r §§ 3-7 Rn. 7; LK-Werle/Jeßberger, Vo r § 3 Rn. 273 . Vgl. zu Aufb aufragen in der Fallbearbeitung Satzger, Jura 20 I0, 108, 111 ; Rengier, AT, § 6 Rn. 3 ff.; Walter, JuS 2006 , 870 ff. ßGHSt 22, 282 , 285 ; 29,73,75 ff.; MüKoStGI3 /Ambos, Vor §§ 3-7 Rn. 81; Fischer, Vor § 3 Rn. 9; SSW-Satzger, Vor §§ 3-7 Rn. 9; LK-WerlelJeßberger, Vor § 3 Rn. 277, 294 ff SSW-Satzger, Vor §§ 3-7 Rn. 9; LK-WerlelJeßberger, Vor § 3 Rn. 295 . BGHSt 29,85,89; BayObLG NJW 1982 1243; LK-Werle/Jeßberger , Vor § 3 Rn. 307 . KG JR 1985, 516 ; Fischer, § 170 Rn. 3 a.
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§ 2 Strafrechtliche Spezi almaterien mit grenzüberschreitenden Bezügen
den einschlägigen deutschen Straftatbeständen geschützt, wenn der von einer Inlandstat betroffene Rechtsgutsträger Ausländer ist!' . Der von einem Deutschen im Ausland begangene Landfriedensbruch unterliegt gern. § 7 11 Nr. I StGB der deutschen Strafgewalt, da es sich bei § 125 StGB um einen Tatbestand handelt , der besonders gefährliche, die öffentliche Sicherheit in hohem Maße beeinträchtigende Angriffe auf Individualrechtsgüter mit Strafe bedroht". Verkehrsdelikte (namentlich §§ 3 16, 315 c, 142 StGB , § 21 StVG) , die von einem Deutschen im ausländischen Straßenverkehr begangen werden , sind nach Maßgabe des § 6 Nr. 9 bzw . § 7 I Nr. I, 11 Nr. 1 StGB nach deutschem Strafrecht verfolgbar, soweit durch diese Taten (auch) dem Individualrechtsgüterschutz dienende Tatbestände verwirklicht werden 16 . 6 Der Schutzbereich deutscher Strafrechtsnormen kann auch durch unionsrechtliche Faktoren, namentlich durch das Assimilierungsprinzip, dergestalt überlagert sein, dass er sich auch auf supranationale Rechtsgüter bzw. Unionsinteressen erstreckt (§ 7 Rn. 31) 17. Typische Beispiele hierfür bilden zum einen der Tatbestand des Meineids (§ 154 StGB) , der kraft einer primärrechtlichen Assimilierungsbestimmung auch auf Angriffe gegen die supranationale Gerichtsbarkeit des EuGH anzuwenden ist (§ 7 Rn. 9), zum anderen der Subventionsbetrug (§ 264 I StGB), der sich im Lichte des durch die "Mais-Rechtsprechung" des EuGH konkretisierten Loyalitätsgebotes (Art . 4 III UA 2, 3 EUV; ex-Art. 10 EGV) auf den Schutz des EU-Finanzhaushalts zu erstrecken hat (§ 7 Rn. 69 ff.). Wenn eine "Gleichstellungsklausel" nach dem Vorbild der §§ 162 I, 264 VII Nr. 2 StGB fehlt, kann insbesondere die unionsrechtskonforme Auslegung zu einer Schutzbereichsausdehnung nationaler Straftatbestände auf supranationale Rechtsgüter führen 18. 7 Ein höchst praxisrelevantes, jedoch wissenschaftlich noch wenig geklärtes Diskussionsfeld für die Frage der Europäisierung des Schutzbereichs nationaler Straftatbestände bietet das Umweltstrafrecht im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen' ", In der Literatur wird vorgeschlagen, die deutschen Umweltdelikte, die auf eine "Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten " abstellen (§§ 324 a, 325 , 325 a StGB) , im Lichte des aus Art. 4 III EUV abzuleitenden Assimilierungsgebotes als europarechtsakzessorische Tatbestände zu interpretieren (§ 10 Rn. 73). Diesem Auslegungsvorschlag zufolge umfassen die nach der Legaldefinition des § 330 d Nr. 4 lit. a StGB tatbestandsrelevanten Rechtsvorschriften nicht nur deutsche Umweltgesetze, sondern auch EU-Verordnungen sowie das gesamte harmonisierte Umweltrecht des EU-Mitgliedstaats, auf
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BGHSt 29,85,88; Fischer, Vor §§ 3-7 Rn. 8; LK-WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. 274 . OLG Celle NJW 2001 , 2734 , 2735 ; Fischer, § 125 Rn. 2. ßGHSt 20,45,51 f.; ßayObLG VRS 26, 100, 101; MüKoStGßIAmbos, Vor §§ 3-7 Rn. 91; Fischer, Vor §§ 3-7 Rn. 11; LK-WerlelJeßberger, Vor § 3 Rn. 311 . SSW-Satzger, Vor §§ 3-7 Rn. 11; LK-WerlelJeßberger, Vor § 3 Rn. 280 Ir Vormbaum , Schutz der Recht sgüte r, S. 94 ff. ; LK-WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. 285 . S/S-Eser, Vor §§ 3-7 Rn. 42; S/S-Heine, Vor §§ 324 ff. Rn. 7 e; Dann eckerfStr einz , EUDUR, § 8 Rn. 47 m. w. N.
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dessen Gebiet die tatbestandsmäßige Handlung vorgenommen wird" . Der Schutzbereich der §§ 324 ff. StGB erstreckt sich demnach auch auf die Umweltgüter in den anderen Elf -Mitgliedstaaten" . Die hiermit unver einbare frühere Judikatur des BGH22, nach welcher das deuts che Abfallstrafrecht nur inländische Umweltgüter schütze, ist ohnehin überholt, seitdem die Beschränkung des Gewässerbegriffs in § 330 d Nr. I StGB a. F. auf Tatobjekte " im räumlichen Geltungsbereich diese s Gesetzes" durch das 2. UKG23 aufgehoben wurde . Deutsches Umweltstrafrecht ist somit prinzipiell auch auf Fälle mit grenzüberschreitender Dimension anw endbar. Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass die §§ 3-7, 9 StGB die Ausdehnung deutscher Strafgewalt im konkreten Einzelfall gestatten (Rn . 37 ff.). Die Staat en können schließlich aufgrund von völkerrechtlichen Vereinbarun- 8 gen verpflichtet sein, ihren Strafrechtsschutz auch fremd- oder übersta atlichen Kollektivrechtsgütern angedeihen zu lassen> . So hat die Bundesrepublik Deutschland den Schutzbereich bestimmt er Strafvorschriften (§§ 93 ff., 109 d ff., 113 ff., 333,334 StGB) zugunsten der NATO- Vertragspartner erweitert. 111. Völkerrechtliche Grundlagen des internationalen Strafrechts Es besteht Einigkeit darüber, dass eine unbegrenzte Ausd ehnung der nationalen 9 Strafgewalt unzul ässig ist" . In welch em Umfang ein Staat seine Strafgewalt in Anspruch nehmen und ausdehnen darf, wird durch das Völkerrecht bestimmt, das in allen Fällen mit Auslandsberührung die Geltendmachung eines legitimierenden Anknüpfungspunkts ("g enuine link") verlangt, der im Einzelfall einen unmittelbaren Bezug zur Strafverfolgung im Inland herstellt" . Aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten folgt , dass diese ihre Strafgewalt jedenfalls auf das eigene Territorium und die eigenen Staatsangehörigen erstrecken dürfen . Die Ausdehnung der Strafgewalt über das eigene Staatsgebiet darf nur erfolgen, wenn kein völkerrechtliches Verbot entgegensteht. Eine willkürliche Ausdehnung
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Hecker, Z StW 115 (2003), S. 880, 898 ff. ; S/S -Heine, § 330 d Rn . 12; S/S -Heine , Vor §§ 324 ff. Rn. 7 e, § 330 d Rn. 3; DanneckerlStreinz, EUD UR , § 8 Rn. 47 ; Vormbaum. Schutz der Rechtsg üter, S. 155 Ir BGH St 40, 79 (zu § 326 I Nr. 3 StG B a. F.); hiergegen zutr. Reng ier. JR 1996,34 ff. Z weites Gesetz zur Bekä mp fung der Umweltkrimi nalität v. 27. Ju ni 1994 (BG B!. I 1994, 1440). S/S -Eser , Vor §§ 3-7 Rn . 3; Fischer, Vor § 3 Rn . 5; SS W -Sa tzger , Vor §§ 3-7 Rn. 10; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn . 51 ff. Vgl. hierzu den ber ühmten Lotus-F all des IG H v. 7. Sept ember 1927 (P CIl Ser. A Nr. 10); MüKoStG BIAmbos, Vor §§ 3- 7 Rn. 17; ders., IntStR, § 2 Rn. I ff.; Rath , JA 2006 ,435 ; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 19 f[ IGH ICJ-Rep. 1955, 24 ff. ("Nottebohm") ; IGH ICJ-Rep. 1970, I ff. ("B arcelona Tract ion ") ; BVerfGE 63, 343, 369; 92, 277, 320 f.; BGH St 34, 334, 336; 45, 64 , 66; 46,212,225 ; BayObLG NJW 1998,393 ; MüKo StGB IAmb os, Vor §§ 3- 7 Rn. 21 ff.
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der staatlichen Strafgewalt, die einem "Strafrechtsimperialismus" gleichkäme, verstieße gegen das völkerrechtliche Nichteinmischungsgebotv . 10 Bei der Prüfung , ob eine extraterritoriale Strafgewaltserstreckung mit dem Nichteinmischungsgebot vereinbar ist, muss auf einer ersten Stufe festgestellt werden , ob der strafrechtsrelevante Lebenssachverhalt eine besondere Nähebeziehung zu dem Staat aufweist, der die Ausübung der Strafgewalt beansprucht. Wenn diese vorliegt, spricht eine Vermutung für die völkerrechtliche Unbedenklichkeit der Strafgewaltsausdehnung. Auf einer zweiten Stufe ist sodann zu prüfen , ob der Ausübung extraterritorialer Strafgewalt im konkreten Fall gleichwohl ein völkerrechtliches Verbot entgegensteht, wobei insoweit nur das Willkür- und das Rechtsmissbrauchsverbot in Betracht kommen " . Im Rahmen dieser materiellvölkerrechtlichen Prüfung ist unter Abwägung der betroffenen Staaten- und Souveränitätsinteressen darüber zu befinden , ob der abstrakt-generelle Anknüpfungspunkt auch die konkrete Hoheitsausübung legitimiert. Dabei gilt die Maxime , dass jeder Staat seine Strafgewalt soweit als möglich, aber im Verhältnis zu anderen Staaten nur soweit als nötig ausdehnen darf, um deren Interessen nicht ungebührlich zu verletzen". Von einer ungebührlichen Verletzung der fremdstaatlichen Souveränität ist auszugehen, wenn sich die Strafgewaltsausdehnung im konkreten Fall als unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen Staates darstellt. 11 Als völkerrechtlich legitimierende Anknüpfungspunkte kommen insbesondere der Begehungsort einer Tat (Territorialitätsprinzip ) 30, die Staatsangehörigkeit des Täters bzw. Opfers (aktives und passives Personalitätsprinzip)!' , der Schutz bestimmter inländischer Rechtsgüter (Schutzprinzipjv bzw. von Interessen universellen Charakters (Weltrechtsgrundsatz)" , das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege" sowie das Kompetenzverteilungsprinzip> in Betracht. Im deutschen Strafanwendungsrecht (§§ 3-7, 9 StGB) finden alle genannten Prinzipien - zumeist in kombinierter Form - ihren spezifischen Ausdruck, freilich mit unterschiedlicher Gewichtung. Aus völkerrechtlicher Sicht sind sie jedoch nur insoweit als verbindlich hinzunehmen, als sie mit dem Nichteinmischungsgebot (das als allgemeine Regel des Völkerrechts gern. Art. 25 GG den innerstaatlichen einfachen Gesetzen vorgeht) vereinbar sind" .
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MüKoStGßIAmbos, Vor §§ 3-7 Rn. 19 ff.; ders., IntStR, § 2 Rn. 2 ff.; Ligeti , Strafrecht in der EU, S. 70 ff.; Kasper , MDR 1994, 545. MüKoStGBIAmbos, Vor §§ 3-7 Rn. 22 m. w. N . MüKoStGBIAmbos , Vor §§ 3-7 Rn. 23 m. w. N . Ambos, IntStR, § 3 Rn. 4 ff.; LK-WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. 222 ff. Ambos, IntStR, § 3 Rn. 39 Ir , 71 f f.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 228 ff., 232 ff. Ambos, IntStR , § 3 Rn. 68 Ir ; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 225 ff. Ambos, IntStR, § 3 Rn. 93 Ir ; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 237 ff. Ambos, IntStR, § 3 Rn. 116 ff.; LK-Werle/Jeßberger, Vo r § 3 Rn. 248 f. Ambos, IntStR, § 3 Rn. 128; LK-WerleIJeßberger, Vor § 3 Rn. 255 f. BGHSt 27,30,31 f.; MüKoStGBIAmbos, Vo r §§ 3-7 Rn. 24.
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IV. Prinzipien des internationalen Strafrechts
1. Territorialitätsprinzip a) Inlandsbegriff Nach § 3 StGB gilt deutsches Strafrecht für alle im Inland begangenen Taten. 12 Der Begriff des " Inlands" umfasst das gesamte Staatsgebiet, in dem deutsches Strafrecht aufgrund hoheitlicher Strafgewalt seine Ordnungsfunktion geltend macht" . Seit dem Beitritt der DDR umfasst das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland die in der Präambel des GG genannten 16 Bundesl änder (staatsrechtlicher Inlandsbegriff). Zum Inland gehören neben dem deutschen Landgebiet (einschließlich deutscher Exklaven, Zollgebiete und Freihäfen) auch die Eigengewässer, das Küstenmeer und der Luftraum über dem Staatsgebiet, nicht jedoch der Festlandsockel" : In welchem Raum ein Staat seine Strafgewalt ausüben darf, ist im Übrigen vielfach Gegenstand völkerrechtlicher Vereinbarungen" ; Bsw. findet nach einem deutsch-schweizerischen Abkommen auf Straftaten, die bei einer vorgeschobenen deutschen Grenzabfertigungsstelle in der Schwei z aus Anlas s der Grenzkontrolle begangen werden (z. 8. Trunkenheitsfahrt bei der beab sichtigten Einreise) deutsches Strafrecht Anwendung" : Fall 1: Die Botschaft e ines ausl änd isch en Staat es in Berlin wird von Demonstranten be- 13 setzt. Bei eine m Handgemenge im Eingan gsbereich de s Bot sch aftsgel ände s löst sich durch Una chtsa mkeit ein Schuss aus der Dien stw affe de s deutschen Polizeibeamten P, wodurch der Demonstrant D - ein ausländis cher Staatsan gehör iger - zu Tode kommt. Kann P wegen dieses Vorfalles in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden?"
Lösungshinweise Fall I : P kann in Deutschland wegen Verdachts der fahrlässi- 14 gen Tötung (§ 222 StGB) gem . § 3 StGB strafrechtlich verfolgt werden , wenn der Eingangsbereich der ausländi schen Botschaft zum deutschen Staat sgebiet gehört. Nach h. M. gelten auch die Dienst- und Wohngebäude diplomatischer und konsularischer Vertretungen als Inland" . Das Territorialitätsprinzip ermöglicht somit die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts und legitimiert die Ausübung innerstaatlicher Strafgewalt.
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BGH St 30, 1; 32, 297; S/S-Eser, Vor § 3-7 Rn. 47. Amb os, IntStR , § 3 Rn. 14 ff.; SS W -Satzge r, § 3 Rn. 6; Rath, JA 2007, 26, 29; Walter, JuS 2006, 870, 871; LK-WerlelJeßberger , § 3 Rn. 24. LK-WerlelJeß berger, § 3 Rn. 26 Ir O LG Karl sruh e N StZ-RR 2006, 87; vgl. au ch BGH St 31,2 I 6. Werlel.Ießberger, Ju S 2001, 35, 38. RGSt 69, 54, 55; OL G Köln StV 1982,471 ; MüKoStGB IAmbos, § 3 Rn. 10; LKWerlel.Ießberger, § 3 Rn. 68.
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§ 2 Strafrechtliche Spezi alm aterien mit grenzüberschreitenden Bezügen
15 Besondere Bedeutung hat das Territorialitätsprinzip im Recht der Ordnungswidrigkeiten, da die Regelungen des OWiG grundsätzlich nur auf Inlandstaten Anwendung finden (§§ 5, 7 OWiG)43. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen (Rn . 12) verwiesen werden . Als Inlandstaten gelten im Ordnungswidrigkeitenrecht auch Handlungen, die auf einem Schiff oder Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu fuhren . § 5 OWiG lässt ferner eine Ausdehnung der deutschen Bußgeldgewalt auf Handlungen außerhalb des räumlichen Geltungbereichs des OWiG für den Fall zu, dass dies durch Gesetz bestimmt wird . Bei diesen sog . .V orbehaltsklauseln'' kann es sich um originäre innerstaatliche Bestimmungen oder um Regelungen aufgrund ratifizierter internationaler Abkommen handeln".
b) Ubiquitätsprinzip 16 Das in § 3 StGB verankerte Territorialitätsprinzip wird ergänzt durch das in § 9 StGB normierten Ubiquitätsprinzip. Begangen ist die Tat demnach an jedem Ort , an dem der Täter gehandelt hat (§ 9 I, I . Var. StGB) oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen (§ 9 1,2. Var . StGB) oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist (§ 9 I, 3. Var. StGB) oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte (§ 9 I, 4. Var . StGB). Einen tatortbegründenden Erfolg bewirkt auch der Eintritt der schweren Folge eines erfolgsqualifizierten Delikts" (z. B. Tod des Opfers im Rahmen der §§ 227 1,251 StGB) bzw . der objektiven Bedingung der Strafbarkeit" (vgl. §§ 231 I, 283 I, 323 a I StGB) im Inland . Sobald ein Mittäter (§ 25 11 StGB) im Inland handelt, wird dies den anderen Mittätern zugerechnet, so dass auch deren Tatbeiträge als im Inland begangen betrachtet werden" . Ebenso wird dem mittelbaren Täter (§ 25 I S. I, 2. Var. StGB) die Handlung seines Tatwerkzeugs zugerechnet. Handlungsort des mittelbaren Täters ist folglich der Ort, an dem er selbst oder sein Tatmittler eine tatbestandsmäßige Aktivität entfaltet hat". Die Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe) ist sowohl am Ort der Haupttat (§ 911 S. 1,1. Var . StGB) als auch an jedem Ort begangen, an dem der Teilnehmer gehandelt hat (§ 9 11 S. 1,2. Var . StGB) oder 43 44 45
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KKOWiG/Bohn ert, Einle itung Rn. 181; KKOWiG/Rogall , § 5 Rn. 6 ff. KKOWiG/Rogall, § 5 Rn. 31 ff. MüKoStGB/Amb os/Ru egenberg , § 9 Rn. 21; LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 35; Rath, JA 2006, 435 , 438 . ßGHSt 42 ,235, 242 ; ßGI-I StV 1997,23; MüKoStGß/Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 21; S/S- Eser, § 9 Rn. 6 a; Hilgendorj, ZStW 113 (200 I) , S. 662; Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 37 ; a. A. Gottwald, JA 1998, 343 ; Rath, JA 2006, 435 , 438 ; Satzger, NStZ 1998, 117; ders., Jura 2010 , 108, 113; ders., IntStR, § 5 Rn. 29 ff. BGHSt 39, 88, 90; BGH NJW 2002, 3486, 3487 ; NStZ-RR 2009, 197; MüKoStGß/Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 10; Rengier. AT, § 6 Rn. 10; Rotsch , Z IS 2010 , 168,172 ff.; Satzge r. IntStR, § 5 Rn. 19; ders ., Jura 2010 ,108,114; Werlel.Ießberger, § 9 Rn. 13; a. A. SK /Hoyer , § 9 Rn. 5. BGH wistra 1991 , 135; MüKoStGB/Amb os/Ru egenberg , § 9 Rn. 10; Rath, JA 2007, 26, 27 ; Rengier, AT, § 6 Rn. 10; Satzger, IntStR, § 5 Rn. 20 ; ders., Jura 2010, 108, 114; Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 14; a. A. SK /Hoyer, § 9 Rn. 5.
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im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen (§ 9 11 S. 1, 3. Var. StGB) oder an dem nach seiner Vorstellung die Haupttat begangen werden sollte (§ 9 11 S. 1,4. Var. StGB). Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist (§ 9 11 S. 2 StGB). aa) Anwendungsbeispiele
(1) Täter handelt im Inland : T schießt im Bereich des deutsch-schweizerischen 17 Grenzüberganges von Konstanz (0) aus mit Tötungsvorsatz auf sein nur wenige hundert Meter entferntes, in Kreuzlingen (CH) stehendes Opfer O. Deutsches Strafrecht (§ 212 StGB bzw. §§ 212, 22 StGB ; ggf. §§ 223, 224 I Nr. 2, Nr. 5 StGB) findet auf diesen Fall - unabhängig von einem nach Schweizer Recht begründeten Strafanspruch - gem . §§ 3, 9 I, I. Var. StGB Anwendung. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt hierfür ist der deutsche Handlungsort. (2) Eingetretener oder vorgestellter Erfolgsort im Inland: T schießt im Be- 18 reich des deutsch-schweizerischen Grenzüberganges von Kreuzlingen (CH) aus mit Tötungsvorsatz auf sein nur wenige hundert Meter entferntes, in Konstanz (0) stehendes Opfer O. In dieser Fallkonstellation ist deutsches Strafrecht im Hinblick auf den in Deutschland gelegenen Erfolgsort anwendbar, falls 0 verletzt oder getötet wird (§§ 3, 9 1,3 . Var. StGB) . Verfehlt die Kugel den 0 , ist der Tötungsversuch nach deutschem Strafrecht verfolgbar, weil der tatbestandliehe Erfolg nach der Vorstellung des T auf deutschem Territorium eintreten sollte (§§ 3, 9 1,4. Var. StGB). Fallvariante: Angenommen, T schießt in Kreuzlingen auf 0 , der sich sodann schwer verletzt über die Grenze nach Konstanz retten kann , wo er später den Folgen der Schussverletzung erliegt, so findet auch auf diese Fallvariante wegen Erfolgseintritts in Deutschland das deutsche StGB Anwendung" : Falls die Konstanzer Ärzte das Leben des 0 retten können und das Tötungsdelikt des T damit im Versuchsstadium stecken bleibt, kann die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts jedenfalls nicht auf das Territorialitätsprinzip gestützt werden. Denn T hat im Ausland gehandelt, der Erfolg des Körperverletzungsdelikts ist im Ausland eingetreten und der Erfolg des Tötungsdelikts sollte nach der Vorstellung des T ebenfalls im Ausland eintreten. (3) Inländischer Handlungs- oder Erfolgsort bei Unterlassungsdelikt: 19 Sachverhalt wie in den Beispielsfällen (I) und (2) jeweils mit dem Zusatz, dass der Bruder B des 0 neben T steht , als dieser sich gerade anschickt, auf 0 zu schießen. Obwohl B zutreffend erfasst, was T vorhat und dies verhindern könnte, bleibt er untätig, weil ihm der Tod des 0 aufgrund eigener Interessen gelegen kommt. In Beispielsfall (I) ist auf die Unterlassungstat des B (§§ 212, 13 StGB) deutsches Strafrecht anwendbar, weil er die Erfolgsabwendung in Konstanz - also auf deutschem Gebiet - hätte vornehmen müssen (§§ 3, 9 1,2. Var . StGB)50. In Beispielsfall (2) ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts daraus, dass der zum Tatbestand (des unechten Unterlassungsdelikts) gehörende Erfolg in Deutschland 49
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Vgl. hierzu die Parallelfälle von Rath, JA 2006, 435, 436 und WerlelJeßberger, JuS 2001, 35, 39. Ratsch, ZIS 2010,168,172 Ratsch, ZIS 2010,168,172
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Deutschland eingetreten ist (§§ 3, 9 I, 3. Var. StGB) bzw . nach der Vorstellung des B in Deutschland eintreten sollte (§§ 3,9 1,4. Var . StGB). (4) Teilnehmer an einer Inlandstat handelt im Ausland : Sachverhalt wie in den Beispielsfällen (1) und (2) jeweils mit dem Zusatz, dass A den T vom Ausland aus telefonisch zur Tötung des 0 bestimmt hat. In beiden Fallkonstellationen ist A wegen Anstiftung zum (versuchten) Tötungsdelikt nach deutschem Strafrecht verfolgbar. Denn nach § 9 11 S. I, I. Var. StGB ist die Teilnahme an dem Ort begangen , an dem die Haupttat begangen ist. Die Haupttat des T ist als Inlandstat zu werten, wobei entweder auf den Handlungs- oder den Erfolgsort abzustellen ist. (5) Teilnehmer an einer Auslandstat handelt im Inland : G übergibt T in Kenntnis und mit Billigung von dessen Tötungsvorhaben in Konstanz (0) die Waffe, mit welcher T kurze Zeit später in Kreuzlingen (Cl-l) den 0 erschießt. Die Erstreckung deutscher Strafgewalt auf die in der Schweiz spielende Haupttat lässt sich nicht auf § 3 StGB stützen, da kein inländischer Handlungs- oder Erfolgsort vorliegt. Ob die Haupttat des T gem . § 7 I, 11 StGB nach deutschem Strafrecht aburteilbar ist, hängt u. a. von der Staatsangehörigkeit von Täter und Opfer ab . Dessen ungeachtet findet jedenfalls auf den in Deutschland erbrachten Tatbeitrag des G deutsches Strafrecht (§§ 211, 212, 27 StGB) Anwendung, weil G im Inland gehandelt hat (§§ 3, 911 S. 1,2. Var. StGB)5'. (6) Versuch der Beteiligung: A hat den Berufskiller T im Ausland mit der Ermordung des 0 in Deutschland beauftragt. Noch bevor der hierzu bereite T zur Tatdurchführung schreiten kann , wird er verhaftet. Sowohl die nach §§ 30 11, 211, 212 StGB strafbare Bereiterklärung des T, einen Mord zu begehen als auch die von A begangene versuchte Anstiftung zum Mord (§§ 30 1,211 ,212 StGB) sind nach deutschem Strafrecht verfolgbar, weil der tatbestandsmäßige Erfolg (Tod des 0) nach der Vorstellung beider Beteiligen in Deutschland eintreten sollte (§ 9 11 S. 1,4. Var. StGB). Deutsches Strafrecht findet auch Anwendung, wenn der Versuch der Beteiligung im Inland begangen ist (§ 9 11 S. 1,2. Var. StGB)52. (7) Beteiligung im Inland an einer Auslandstat, die nach Tatortrecht nicht mit Strafe bedroht ist : Um diese Konstellation geht es insbesondere beim sog . "Abtreibungstourismus", der im Folgenden etwas ausführlicher behandelt werden soll (Fall 2). Mit dem genannten Schlagwort werden Fälle umschrieben, in denen sich eine Schwangere ins Ausland begibt, um dort von einem Arzt eine nach Tatortrecht legale Abtreibung ihrer Leibesfrucht vornehmen zu lassen .
bb) Abtreibungstourismus 24 Fall 2: In der 16. Woche ihrer Schwangerschaft entschließt sich S, in e iner niederländischen Klinik eine Abtreibung ihrer Leibes frucht vorn ehm en zu lassen. Ihr Freund F, der nicht der Kind svater ist, fährt die S in Kenntni s und mit Billigung ihres Vo rhaben s in eine niederländische Stadt , wo S bei dem dort praktizierenden Arzt A den Eingriff nach Maßga be niederländi schen Rechts legal durchführen lässt. Bei Sund F handelt es sich um deutsche Staatsbü rger , die ihren ständigen Wohn sitz in Deutschland haben . Strafbarke it von S und F?
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Vgl. hierzu OLG Schleswig NStZ-RR 1998,313 . MüKoStGBIAmbos/Ru egenberg , § 9 Rn. 37.
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Lösungshinweise Fall 2 (Strafbarkeit der S) : In Deutschland wurde das Abtrei- 25 bungsstrafrecht zwar insofern liberalisiert, als das frühere Modell einer Indikationenlösung im Jahre 1995 durch ein Modell der Fristenlösung mit Beratungspflicht ersetzt wurde" . Die Schwangere unterliegt indes der Strafandrohung des § 218 111 StGB, wenn sie eine Abtreibung an sich vornehmen lässt, die nicht nach Maßgabe des § 218 a StGB von der Strafbarkeit ausgenommen ist. So liegt der Fall hier. Der von S veranlasste und geduldete Schwangerschaftsabbruch in der 16. Woche ihrer Schwangerschaft erfüllt in objektiver und subjektiver Hinsicht den Straftatbestand der Abtreibung gern . § 218 I StGB. Die in § 218 a I StGB normierten Voraussetzungen für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch sind nicht gegeben , da der Eingriff außerhalb der Zwölfwochenfrist ohne die gesetzlich vorgeschriebene Pflichtberatung (§ 219 StGB) vorgenommen wurde. Eine den Schwangerschaftsabbruch rechtfertigende Indikation nach § 218 a 11 bzw . 111 StGB liegt nicht vor. Auch der persönliche Strafausschließungsgrund des § 218 a IV I StGB, der die Schwangere straflos stellt, wenn der Abbruch von einem Arzt vor Verstreichen der 22 . Schwangerschaftswoche vorgenommen wird, greift nicht ein, da es an der vorgeschriebenen Beratung fehlte >', Da der Schwangerschaftsabbruch im Ausland vorgenommen wurde, ist weiter 26 zu prüfen, ob auf den in Rede stehenden Sachverhalt überhaupt deutsches Strafrecht Anwendung findet. Im vorliegenden Fall ist § 5 Nr. 9 StGB einschlägig, der durch das Anknüpfen an die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters dem sog . "aktiven Personalitätsprinzip" (Rn . 43 f.) Ausdruck verleiht'". Danach gilt deutsches Strafrecht für im Ausland begangene Taten i. S. d. § 218 I StGB, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im Geltungsbereich des StGB, also in Deutschland, hat. Entgegen einer in der Bevölkerung weit verbreiteten Ansicht können sich demnach Schwangere deutscher Staatsangehörigkeit durch das Ausweichen in eine fremde Rechtsordnung, in der der Schwangerschaftsabbruch weitergehend straffrei gestellt ist als im Recht ihres Heimatstaates, dem deutschen Strafrecht nicht entziehen. Gegen S besteht mithin ein deutscher Strafanspruch gern . §§ 218 I, 111, 5 Nr. 9 StGB (zur Vereinbarkeit mit Unionsrecht vgl. § 9 Rn. 37 ff.) . Lösungshinweise Fall 2 (Strafbarkeit des F) : Eine Strafbarkeit des F als Mit- 27 täter einer Abtreibung gern . §§ 218 1,25 11 StGB kann nicht bejaht werden, da seinem lediglich im Vorfeld des Schwangerschaftsabbruches erbrachten Tatbeitrag nicht das für eine Mittäterschaft notwendige Gewicht zukommt. Das Ob und Wie der Tatbestandserfüllung lag objektiv und nach dem Willen des F vom Fahrtantritt bis zur Vornahme des Eingriffes stets in den Händen der S. Nach allen Täterlehren, also unabhängig davon, ob man maßgeblich auf die Tatherrschaft oder auf den Täterwillen abstellt, muss eine Mittäterschaft des F abgelehnt werden. Auch eine Unterlassungstäterschaft des F gern . §§ 218 I, 13 StGB scheidet aus . Da er 53
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Vgl. Art. 8 Ges. zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten i. d. F. des ÄndG v. 2 I. August 1995 (BGBI. I 1995, 1050), in Kraft getr. am I. Oktober 1995; vgl. hierzu MüKoStGB/Gropp, Vor §§ 218 ff. Rn. 1-10. S/S-Eser, § 218 a Rn. 71; MüKoStGB/Gropp , § 218 Rn. 80. MüKoStGBIAmbos , Vor §§ 3-7 Rn. 35, § 5 Rn. 28; LK-WerleIJeßb erger, § 9 Rn. 136.
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§ 2 Strafrechtliche Spezialmaterien mit grenzüberschreitenden Bezügen
nicht der leibliche Vater des Kindes der S ist, existiert keine GarantensteIlung, aus der eine Pflicht zur Verhinderung eines verbotenen Schwangerschaftsabbruches abgeleitet werden könnte' . Jurisdiktionskonflikte dieser Art lassen sich nur vermeiden, wenn es gelingt, durch völkerrechtliche Vereinbarungen eine Rangfolge (Hierarchie) der legitimierenden Anknüpfungspunkte zu fixieren und möglicherweise auf verfahrensrechtlicher Ebene eine Instanz zu schaffen, die im Konfliktfall über die Verfolgungszuständigkeit ent scheidet. Dass eine solche Lösung möglich ist, zeigt die Regelung in Art. 27 UN-SeerechtsÜber einko m men '>, die der Strafgewalt des Flaggenstaates (Staat, unter dessen Flagge ein Schifffahrt) Vorrang vor der des Küstenstaates einräumt! " . Gewisse Fortschritte sind insoweit im Rechtsraum der EU zu ver zeichnen 126. 59 Am 15. Dezember 2009 ist der Rahmenbeschluss zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren"? in Kraft getreten, der direkte Konsultationen der betroffenen Strafverfolgungsbehörden vorschreibt, um "effiziente Lösung" herbeiführen zu können, bei der die nachteiligen Folgen von parallel geführten Verfahren verm ieden werden (§ 12 Rn. 4) . Au ch Art . 9 11 des am 23 . Juni 2002 in Kraft getretenen Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung!" und Art . 10 IV des am 16. März 2005 in Kraft getretenen Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme F? normieren eine Koordinierungspflicht, wenn mehrere Staaten für die Strafverfolgung zuständ ig sind. Die in Art . 54 SDÜ getroffene Regelung über das transnationale Doppelbestrafung sverbot innerhalb des EU-Rechtsraumes (§ 13) beinhaltet zwar keine Festle121 122
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Vgl. hierzu Ambos, IntStR, § 4 Rn. I ff.; LK -WerlelJeß berger, Vo r § 3 Rn. 45 f[ Ambos, IntStR, § 3 Rn. 128; LK-WerlelJeß berger, Vor § 3 Rn. 255 r. Vgl. zu die sem Fall MüKoStGBIAmbos, Vor §§ 3- 7 Rn . 62; ders. , Int StR, § 4 Rn . 8 ff. BGBI. 11 1994, 1799; 1995, 602. Vgl. hierzu MüKo StGB IAmbos, Vor §§ 3-7 Rn. 34, 64, § 3 Rn . 13, § 4 Rn . 17; ders. , IntS tR, § 4 Rn. 14. MüKoStG ß IAmbos, Vor §§ 3- 7 Rn. 61; LK-WerlelJeßberger, Vo r § 3 Rn. 48 Ir ABIEU 2009 Nr. L 328, S. 42; vgl. hi erzu Anagnostopoulos, Hasse me r-F S, S. I 12 I, 1137 ff ABIEU 2002 , N r. L 164, S. 3; vg l. hierzu LK-WerlelJeßberger, Vor § 3 Rn. 149. ABIEU 2005 N r. L 69, S. 67.
50
§ 2 Stra frechtliche Spezialmaterien mit grenzüberschreitenden Bezü gen
gung der Strafverfolgungszuständigkeit bei konkurrierenden Strafansprüchen . Sie sorgt aber - nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung verfahrensabschließend er Erledigungen ("re chtskräftige Aburteilun g") - für einen grenzüberschreitenden Strafklageverbrauch nach Maßgabe der Rechtskr aftbestimmungen des Erstverfolgerstaates und schließt dadurch die erneute Aburt eilung derselben Tat in allen anderen Mitgliedstaat en aus.
9. Prozessuale Aspekte der Verfolgung von Auslandstaten 60 Für die Verfolgung von Auslandstaten gilt generell das Opportunitätsprinzip (§ 153 c I Nr. 1 StPO), d. h. die Staatsanwalt schaft kann ohne Zustimmung des Gerichts das Verfahren einstellen . Bei Taten i. S. d. § 5 Nr. 2-6 StGB kommt ein Absehen von der Verfolgung aus politischen Gründen in Betracht (§ 153 d I StPO i. V. m. § 74 a I Nr. 2-6 GVG sowie § 120 I Nr. 2-7 GVG). Zu beachten ist aber, dass das Einstellungsermessen der Staatsanwaltschaft erheblich oder sogar auf Null reduziert sein kann, wenn es um die Verfolgung von Auslandstaten geht, die sich gegen strafrechtlich zu schützende Interessen der EU richten 130 . So kann sich etwa die Einstellung eines wegen Verdachts eines im Ausland zum Nachteil der EU begangenen Subventionsbetruges (§§ 6 Nr. 8, 264 I, VII Nr. 2 StGB) geführten Strafverfahr ens als Verstoß gegen Art. 325 I AEUV darstellen und im Wege eines von der Kommission anzustrengenden Vertrag sverletzungsverfahren s durch den EuGH festgestellt werden .
V. Literaturhinweise Am bos, Intern ation ales Stra frecht, 2. Autl ., 2008 , §§ 1--4 Böse, Die Stellun g des sog . Interna tional en Stra frechts im Delikt saufbau und ihre Konsequenzen für den Tatbes tandsirrtum, Maiwald-F S, 20 I0, S. 61 Cornils, Der Begehungsort von Äußer ungsdelikten im Internet, JZ 1999, 394, 396 Eser, Das " Internationale Stra frecht" in der Recht spre chu ng des BOH, in: Roxin/W idmaier (Hrsg.), 50 Jahre Bunde sger ichtshof, Festga be aus der Wissenschaft, Bd. IV, 2000 , S. 3 Hecker, Orenzüb erscheitend e Luftve runre inigungen, ZStW 115 (200 3), S. 880 Heinrich, Der Erfolgsort beim abstrakten Gefährdungsdelikt. OA 1999, 72 Hilgendorj, Über legungen zur strafrechtlichen Interpr etation des Ubiquitätsprinzips im Ze italte r des Internet, NJW 1997, 1873 Koch, Nationa les Strafrecht und glob ale Internet-Kriminalität. Zur Reform des Stra fanwendun gsrechts bei Kommunikationsdelikten im Internet, OA 2002 , 703 Mitsc h, Mitwirkung am versuchten Schwangerschaftsabbruch (an) einer N ichtschwangeren im Au sland , JU RA 1989, 193 Rath, Internat ionales Strafrecht (§§ 3 ff. StO B) - Pr üfungsschema, Ausla ndsbezug, Tatortbe stimrnung, JA 200 6, 435 und JA 200 7, 26 Rotsch, Der Handlu ngsort i. S. d. § 9 I StO B - Zur Anwendung deut schen Stra frechts im Falle des Unterlassens und der Mittäter schaft, ZIS 20 I0, 168 130
Vgl. hierzu Jok isch, Gemeinschaftsrecht und Strafverfahr en, S. 166 ff.
B. Transnationales Strafrecht
51
Satzger. Die Anwendung des deutschen Strafrechts auf gren züberschreitende Gefährdungsdel ikte , NStZ 1998 , 112 ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, 4. Aufl ., 2010, §§ 3-6 ders ., Das deutsche Strafanwendungsrecht (§§ 3 Ir StGI3), Jura 2010, 108; 190 Sieber, Internationales Strafrecht im Internet - Das Territorialitätsprinz ip der §§ 3, 9 StGB im globalen Cyberspace, NJW 1999, 2065 Vormbaum, Schutz der Rechtsgüter von EU-St aaten durch das deutsche Strafrecht, 2005 , S.4-33 Walter, Einführung in das internation ale Strafrecht, JuS 2006, 870 ff.; 967 ff. Werlel.leßberger, Grundfalle zum Strafanwendungsrecht, JuS 2001 , 35; 14 I
VI. Rechtsprechungshinweise BVerfGE 63 , 343 (legitimierender Anknüpfungspunkt) BVerfGE 92 , 277 (legitimierender Anknüpfungspunkt) BGI-ISt 22,282 (Schutzbereich der Staatsschutzdelikte) BGI-ISt 29, 73 (Sc hut zbere ich der Staatsschutzdelikte) BGI-ISt 29, 85 (Sch utzbereich des § 170 StGB) BG H NJW 1992 , 2775 (Prinzip der stellvertretenden Strafrechtsptlege) BG HSt 42 , 279 (Erfordernis der Tatortstrafbarkeit) BG HSt 45 ,64 (Weltrechtsprinzip; zu § 6 Nr . I StGB a.F.) BGI-ISt 46 , 2 I 2 (Er folgsbegriff des § 9 StGB) BGI-ISt 46,292 (Weltrechtsprinzip bei der Verfolgung internationaler Verbrechen) OLG Düs seldorfMDR 1992, 1161 (Amnestie im Tatortstaat und § 711 Nr. 2 StGB)
B. Transnationales Strafrecht I. Begriff und Funktion des transnationalen Strafrechts Der Begriff " tra ns na tio na les Strafrecht" bezeichnet eine Rechtsmaterie, die sich 6 1 im weitesten Sinne mit dem rechtlic hen, institutionell-organisatorischen und verfahrenstechnisc hen Instru mentarium der (intemational-arbeitsteiligen) grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Strafsachen sowie damit zusammenhängender Rechtsschutzprobleme befasst. Funktional zielt das transnationale Strafrecht auf die Bewältigung strafrechtsrelevanter Lebenssachverhalte ab, die nicht ausschließlich auf nationale materie ll- und verfahrensrechtliche Problemlösungen gestützt werden k önnen!" . Vor dem Hintergrund einer zunehmenden "Transnationalisierung der Verbrechensbegehung"!" in einer ökonomisch, informationstechnisch und politisch immer enger verflochtenen Welt 133 hat sich inzwischen die Einsicht
131 132
133
Schomburg/Lagodny/Gleß/f1ackner , IRhSt, Einleitung Rn. 15 Ir Ziegenhahn, Men schenrechte, S. 36 . Zu Globalisierung und Strafrecht vgl. Hilgendorf, in: Dre ier/Forke l/Laubenthal (Hrsg.), Festschrift 600 Jahre Würzburger Ju ristenfakult ät. 2002, S. 333 , 338 ff.
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§ 2 Stra frec htliche Spezialmaterien mit grenzü berschreitenden Bez ügen
durchgesetzt, dass den neuen globalen Herausforderungen der internationalen Kriminalität nur durch das Zusamme nwirken der Staatengemeinschaft und durch eine international koordinierte Strafverfolgung begegnet werden kann . Namentli ch der die innere Sicherh eit der Staaten bedrohende internationale Terrorismus sowie bestimmte Erscheinungsformen der schweren und organisierten Kriminalität (u. a. Menschenhandel, Drogen- und Waffenhandel, illegaler Technologietransfer, Cybercrime, Umweltkriminalität) stellen Herausforderungen dar, die auf rein nationaler Ebene nicht angemessen zu bewältigen sind . 62 Ein Bereich , in dem die transnationale Zusammenarbeit eine lange Tradition besitzt, ist die internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Hierunter versteht man jedwede Unterstützung, die vom ersuchten Staat für ein ausl ändi sche s Strafverfahren (des ersuchenden Staates) gewährt wird . Traditionelle Bereiche der Rechtshilfe sind der zwischenstaatliche Auslieferungsverkehr '>', die Unterstützung bei der Vollstreckung strafrechtlicher Sankt ionen (Vollstreckungshilfe)!" und die sog. "kleine" oder sonstige Rechtshilfe!" , bei der es um alle denkbaren Unterstützungsh andlungen geht, die nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht des ersuchten Staates zulässig sind. Hierzu geh ören z. B. die Zust ellung von Ladungen und Urte ilen, die Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten oder Beschlagnahme und Herausgabe von Beweismitteln!" , aber auch die Durchführung grenzüberschreitender operativer Maßnahmen wie Überwachung des Fernrneldeverkehrs! " , Einsatz von verdeckten Ermittlern sowie Observation oder kontrollierte Lieferungen . Vgl. hierzu folgend en 63 Beispielsfall: Die deut sch e Staat sanwalt schaft er mittelt gegen den türk isch en Staatsbürger A wegen des dringenden Ve rdacht s, in Deut schl and eine n Auftragsm ord begangen zu haben. Noc h bevor A in Untersuch ungs haft genommen werde n kann , hat er sich nach Frankreich abgesetzt. Zw ar kann A nach Abschluss der staatsa nwa ltliehen Ermitt lung en auch dann in Deutschl and angeklagt werden, we nn er abwes end ist. Die Haupt verhandlung vor einem deutsch en Gericht kann aber nur in Anwesenheit des A stattfi nde n (§ 230 I StPO). Mit Rücksicht au f d ie völke rrechtliche Sou veränität Frankreic hs dürfen deut sche Staatsorgane nicht ein fac h nach Frankreich fahre n und den mit international em Haftbe fehl ges uchten A festnehmen, um ihn nach Deutschland zu verbringe n. Vie lmehr muss der Recht shilfeweg beschritten werd en. Die deut sche Regierung wird die fran zösische daru m ersuche n, den Aufenthaltsort des A in Frankreich zu erm itteln , ihn festzunehmen und an Deut schl and aus zuliefern. Die Auslieferung gesta ltet sich ggf. so, dass A an der Grenze den deutschen Behörde n übergeben wird. Innerh alb der EU wird anstelle des klassische n Auslieferungs verfa hrens ein wesent lich vereinfach tes Übergabev erfahren prakt iziert (" E ur opä ischer Haftbefehl" ; vgl. § 12 Rn. 20 ff.), wenn es sich - wie hier - um eine sog. .Katalogtat" (umschrieben als "v orsätzliche Tö tung" ) handelt.
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Vgl. hierzu Hackner u. G. , Leitfaden , Rn. 54 ff. und die instruktiven Einführungen von Schaefer, NJW -Spezi al 2008, 536 und Weigend, Ju S 2000, 105. Vgl. hie rzu Hackner u. a., Leitfade n, Rn. 133 ff. Vgl. hierzu Hackner u. a., Leit fade n, Rn. 171 ff. Vgl. hierzu OLG Köln StV 200 6, 229 und die Bespre chu ng von GleßiSpencer, StV 200 6, 269 ff. Vgl. hierzu Schuster, NS tZ 2006 , 657 ff.
B. Transnationales Strafrecht
53
Die Pflege der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist seit jeher ein zentrales 64 Anliegen des Europarates, der mit derzeit 47 Mitgliedstaaten größten Staatenvereinigung Europas . Die Europaratskonventionen im Bereich der Rechtshilfe fungieren als "Mutterkonventionen" des europäischen Rechtshilfeverkehrs, auf denen zahlreiche bilaterale oder multilaterale Ergänzungsverträge sowie deliktsbezogene Übereinkommen aufbauen . Zu einer Erleichterung der Rechtshilfekooperation innerhalb der EU führen die Art. 48 ff., 59 ff. SDÜ, die als sog. "Schengenbesitzstand" in die frühere 3. Säule der EU überfuhrt wurden! " : Die internationale Kooperation der 27 EU-Mitgliedstaaten vollzieht sich heute jedoch nicht mehr ausschließlich in den Formen des traditionellen Rechtshilfeverkehrs. Innerhalb der Union erlangen neuartige Formen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in Strafsachen wachsende Bedeutung, die sich von den Mechanismen der klassischen Rechtshilfe lösen!" , So handelt es sich z. B. in bestimmten Fällen der "SchengenKooperation", namentlich bei der grenzüberschreitenden Observation und Nacheile (Art . 40 , 41 SDÜ) nicht mehr um Rechtshilfe im engeren Sinne, weil den observierenden bzw. nacheil enden ausländischen Polizeibeamten eine - freilich eng umgrenzte - Mitnahme von Hoheitsgewalt zugestanden wird (§ 5 Rn. 36, 108). In Eilfällen wird sogar auf ein zuvor gestelltes Ersuchen verzichtet. Zu weiteren Erleichterungen fuhren Bestimmungen wie Art. 52 SDÜ, wonach die unmittelbare Übersendung justizieller Urkunden an Personen gestattet ist, die sich in einem Vertragsstaat aufhalten. Auch erfolgt die gesamte .Europol-Kooperation" außerhalb des klassischen Rechtshilfeverkehrs (§ 5 Rn. 62) . Der Europäische Haftbefehl stellt den Auslieferungsverkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten auf eine neue rechtliche Grundlage und markiert zugleich einen grundlegenden Paradigmenwechsel (§ 12 Rn. 20 ff.). Durch die Schaffung eines unionsweit vollstreckbaren Festnahme- und ÜbersteIlungsbefehls rückt das an die Stelle des klassischen Auslieferungsverfahrens tretende unionsinterne Übergabeverfahren bereits in die Nähe einer innerstaatlichen Zusammenarbeit. Der weitere Ausbau und die Effektivierung der polizeilichen und justiziellen 65 Zusammenarbeit stellen herausragende Ziele auf dem Weg zu einem " Raum der Freiheit , der Sicherheit und des Rechts" (Art . 3 " EUV, 67 I AEUV; ex-Art. 29 EUV) dar, zu deren Verwirklichung alle Mitgliedstaaten der EU verpflichtet sind. Die Errichtung des Schengener Informationssystems (SIS) , Europäischen Polizeiamtes (Europo\), Europäischen Justiziellen Netze s (EJN) und der supranationalen ClearingsteIle Eurojust sowie zahlreiche Übereinkommen und Rechtsakte zur polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit (§ 12 Rn. 5 ff.) zeugen von der fortschreitenden Europäisierung der international-arbeitsteiligen Verbrechensbekämpfung . Transnationales Strafrecht stellt insoweit eine Spezialmaterie des Europäischen Strafrechts dar. Begleitet werden die von Europarat und EU ausgehenden Aktivitäten zur Ver- 66 besserung der zwischen staatlichen Kooperation von zahlreichen Initiativen auf globaler Ebene, die zur Erarbeitung völkerrechtlicher Übereinkommen im Rahmen der UN (§ 5 Rn. 5 ff.), zur Schaffung weltweiter Netze des Informationsaus139 140
Vgl. hierzu Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 82 ff.; Vogel, JZ 2001,937,938 ff Vgl. Hackner u. a., Leitfaden, Rn. 3; Vogel, JZ 2001, 937, 938 ff.
54
§ 2 Strafrechtliche Spezialmaterien mit grenzüberschreitenden Bezügen
tauschs sowie zur Ausweitung der formellen und informellen Zusammenarb eit im Kampf gegen internationale Kriminalität beitragen141 . 11. Rechtshilfe in Strafsachen am Beispiel der Auslieferung 67 In ihrem Kern wird die grenzüberschreit ende Zusammenarbeit in Strafsachen auch weiterhin von der traditionellen , durch Ersuchen gekennzeichneten Rechtshilfe geprägt. Ein wegen seiner völkerrechtlichen und politischen Aspekte mitunter höchst brisanter Teilbereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen ist die Auslieferung' ' . Zwar wird der Idealzustand, die im IStGH-Statut normierten Völkerstraftaten möglichst vollständig der deutschen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, vom VStGB nicht vollständig erreicht. Die verbleibenden Deckungslücken werden aber nur in seltenen Ausnahmefällen zu einer Übernahme von Verfahren durch den IStGH führen und erscheinen daher hinnehmbar. Das VStGB ist in vorbildlicher Weise um eine klare und systematische Ausgestaltung des deutschen Völkerstrafrechts bemüht und mag insoweit anderen Staaten wertvolle Anregungen für die Anpassung ihrer Rechtsordnung an das IStGH-Statut liefern . 97 Möglicherweise kann der Vorbildcharakter des VStGB sogar das künftige Europäische Strafrecht beeinflussen. In der Literatur ist mit gewichtigen Gründen der Vorschlag unterbreitet worden, die Schaffung eines EU-Finanzstrafgesetzbuches nach dem Vorbild des VStGB anzustreben-F. Hier wie dort bietet die Existenz einer gesonderten Kodifikation folgende Vorteile: Kompakte ZusammenfLihrung und Präzisierung des komplexen und teilweise unübersichtlichen Rechtsstoffes, größere Rechtsklarheit, bessere praktische Handhabbarkeit, Vergleichbarkeit nationaler und internationaler Rechtsprechung bei gleichzeitiger Internationalisierung der Debatte, erhöhter Symbolwert einer Kodifikation . 228
Ambos, in: Kirsch (Hrsg.), Int. Strafgerichtshöfe, S. 139 ff.; Werfe , Völkerstrafrecht,
23 1
Rn. 658 Ir Kreß , IStGI -1 Vor 111 26 Rn. 46 , 374. Satzger, NStZ 2002, 125, 132. Vgl. zur bisherigen Anwendungspr ax is Werle, V ölkerstr afrecht, Rn . 315 .
232
Schwarzburg/Hamdo rf, NStZ 2002,617,623.
229 230
C. Völkerstrafrecht
71
v. Literaturhinweise Ambos, 14 examensrelevante Fragen zum neuen internationalen Strafgerichtshof JA 1998, 988 ders., Z ur Rechtsgrundlage des Internationalen Strafgerichtshof Z St WIll (1999), 175 ders., Der Allgemeine Teil des V ölker strafrechts. 2002 ders., Die völkerstrafrechtlichen Kern verbrechen, in: Kirsch (Hrsg.), Internationale Strafgerichtsh öfe, 2005 , S. 139 ders., Internation ale s Strafrecht, 2. A ufl., 2008, §§ 5-8 Sommer, Strafzwecke im V ölkerstrafrecht, in: M ünk (Hrsg.), Die Vereinen Nationen sechs Jahrzehnte nach ihrer Gründung, 2008, S. 29 Eser, Das Rom-Statut de s Internationalen Strafgerichtshofs al s Herausforderung für die nationale Strafrechtspfleg e, in: Burgstaller-ES, 2004, S. 355 Eser/Kr eicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Bd. 1, 2003 Fastenrath , Der Internationale Str afgerichtshof JuS 1999 ,632 Fixs on, Der Internationale Strafgericht shof: Seine Ent stehung und seine Stellung im Völkerrecht, in: Kirsch (Hrsg.), Internationale Strafgerichtsh öfe, 2005, S. 207 Kreß , Völk erstrafrecht in Deutschland, N StZ 2000,617 ders., Vom N utze n ein es deutschen V ölkerstralgeset zbuch es, 2000 ders., Vorbemerkungen zu dem Römi schen Statut de s Internationalen Str afgericht shofes, in: Grü tzner/ Pötz (Hrsg.), Internationale r Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Internation aler Str afgericht shof 2003 , Vo r 111 26 Rn. 1-364 Kreß/Wannek, Von den beiden internationalen Ad-Hoc-Tribunalen zum Internationalen Strafgerichtshof in: Kirsch (Hrsg.), Internationale Strafgerichtsh öfe, 2005, S. 231 Lago dny, Legi timatio n und Bedeutung des ständigen Internationalen Strafger ichtshofes, Z StW 113 (2001), S. 800 Satzger, Das neue Völkerstrafgesetzbuch - eine kriti sche Wü rdigung, NStZ 2002, 125 ders., Die Internationali sierung de s Str afrechts als Herau sfo rderung für den stra frechtlichen Bestimmtheitsgrundsat z, JuS 2004, 943 ders., Internationales und Europä isches Strafrecht, 4. Aufl. , 2010, §§ 12-17 Schomburg, International e Strafger ichtsbarkeit - Eine Einführung, in: Kirsch (Hrsg.), Intern at ion ale Str afgerichtsh öfe, 2005, S. 9 Werte, Konturen eine s deutschen V ölke rstr afrechts, JZ 200 1,885 ders., V ölkerstr afrecht, 2. Aufl ., 2007 Werle l.Ießberger, Das V ölkerstrafgesetzbuch, JZ 2002 , 725 Zimmermann, Au f dem Weg zu eine m deutschen V ölkcrstrafgesetzbuch, Z RP 2002,97 ders., Bestrafung völkerrechtlicher Verbrechen durch deutsch e Gerichte nach In-KraftTreten de s V ölkerstrafgesetzbuches, NJW 2002,3068
72
§ 2 Strafrechtliche Spezialmaterien mit grenzüberschreitenden Bezügen
D. Zusammenfassung von § 2 98 In diesem Kapitel werden drei strafrechtliche Spezialgebiete mit grenzüberschreitenden Bezügen vorgestellt, die teilweise enge Berührungs- bzw. Überschneidungspunkte mit dem Europäischen Strafrechts aufweisen : Internationales Strafrecht, transnationales Strafrecht und Völkerstrafrecht. 99 Bei den in §§ 3-7, 9 StGB normierten Bestimmungen des internationalen Strafrechts handelt es sich um innerstaatliches Strafanwendungs-, Strafgewalts- bzw. Geltungsbereichsrecht. Die Regeln des internationalen Strafrechts geben Auskunft darüber, ob auf einen bestimmten Lebenssachverhalt, der sich im Ausland abspielt oder an dem ausländische Täter und/oder Opfer beteiligt sind, deutsche Strafuormen Anwendung finden . Falls die Auslegung der Strafuorm ergibt, dass sich ihr Schutzbereich auch auf ausländische oder supranationale Schutzgüter erstreckt, ist anhand der Bestimmungen des internationalen Strafrechts zu prüfen, ob eine Ausdehnung der nationalen Strafgewalt zulässig ist. In welchem Umfang ein Staat seine Strafgewalt in Anspruch nehmen und ausdehnen darf, wird durch das Völkerrecht bestimmt, das in allen Fällen mit Auslandsberührung die Geltendmachung eines legitimierenden Anknüpfungspunkts verlangt, der im Einzelfall einen unmittelbaren Bezug zur Strafverfolgung im Inland herstellt . Als völkerrechtlich legitimierende Anknüpfungspunkte kommen insbesondere der Begehungsort einer Tat (Territorialitätsprinzip), die Staatsangehörigkeit des Täters oder des Opfers (aktives und passives Personalitätsprinzip), der Schutz bestimmter inländischer Rechtsgüter (Schutzprinzip) bzw. von Interessen universellen Charakters (Weltrechtsprinzip), das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege sowie das Kompetenzverteilungsprinzip in Betracht. Alle genannten Prinzipien finden im deutschen Strafanwendungrecht - zumeist in kombinierter Form - ihren spezifischen Ausdruck . In der Praxis wirft insbesondere die Auslegung des durch den Ubiquitätsgrundsatz konkretisierten Territorialitätsprinzips (§§ 3, 9 StGB) Probleme auf, namentlich wenn es um sog. .Distanzdelikte" (z. 8. Äußerungsdelikte im Internet, grenzüberschreitende Umweltdelikte) geht. Transnationales Strafrecht ist eine Rechtsmaterie, die sich im weitesten Sin100 ne mit dem rechtlichen, institutionell-organisatorischen und verfahrenstechnischen Instrumentarium der (international-arbeitsteiligen) grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Strafsachen sowie damit zusammenhängender Rechtsschutzprobleme befasst. Das transnationale Strafrecht zielt auf die Bewältigung strafrechtsrelevanter Lebenssachverhalte ab, die nicht ausschließlich auf nationale materiell- und verfahrensrechtliche Problemlösungen gestützt werden können . Ein Bereich , in dem die transnationale Zusammenarbeit in Strafsachen schon eine lange Tradition besitzt , ist die internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Hierunter versteht man jede Unterstützung, die vom ersuchten Staat für ein ausländisches Strafverfahren gewährt wird. Traditionelle Bereiche der Rechtshilfe sind der zwischenstaatliche Auslieferungsverkehr, die Unterstützung bei der Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen (Vollstreckungshilfe) und die sonstige Rechtshilfe, bei der es um alle denkbaren Unterstützungshandlungen geht, die nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht des ersuchten Staates zulässig sind .
D. Zusammenfassung von § 2
73
Pflege und Entwicklung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sind seit 101 jeher ein zentrales Anliegen des Europarates. Die von den Mitgliedstaaten ratifizierten Rechtshilfekonventionen des Europarates fungieren als "Mutterkonventionen" des europäischen Rechtshilfeverkehrs, auf denen zahlreiche bilaterale oder multilaterale Ergänzungsverträge sowie deliktsbezogene Übereinkommen aufbauen. Innerhalb der EU erlangen neuartige Formen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in Strafsachen wachsende Bedeutung, die sich von den Mechanismen der klassischen Rechtshilfe lösen. Zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel im Auslieferungsverkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten führt das neue Instrumentarium des Europäischen Haftbefehls. Um echtes supranationales Strafrecht handelt es sich beim Völkerstrafrecht. 102 Nach einer pragmatischen Definition sind dem Völkerstrafrecht alle universell geltenden Normen zuzuordnen, die eine unmittelbare strafrechtliche Verantwortung von Individuen durch Völkerrecht konstituieren. Anerkannte Völkerrechtsverbrechen sind die Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und das Aggressionsverbrechen. Solange die Völkergemeinschaft nicht über eine eigene Strafgerichtsbarkeit verfügte, erfolgte die Durchsetzung des Völkerstrafrechts im wesentlichen durch die nationalen Organe der Staaten, die ihre Zuständigkeit zur Strafverfolgung durch Annahme eines entsprechenden innerstaatlichen Rechtsakts erklärt haben . Eine Strafverfolgung durch internationale Organe fand bislang nur in historischen Ausnahmesituationen statt. Zu denken ist etwa an die Internationalen Kriegsverbrechertribunale von Nürnberg und Tokio ("International Military Tribunals" - IMT) oder an die Einrichtung von Internationalen Ad-hoc-Strafgerichtshöfen zur Verfolgung schwerer Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (1993) bzw. in Ruanda (1995) . Die Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) mit Sitz in Den Haag, der am 11. März 2003 seine Arbeit aufgenommen hat, bedeutet einen Quantensprung in der Entwicklung einer Völkerstrafgerichtsbarkeit. Der IStGH ist als "WeItstrafgerichtshof" zuständig für die Aburteilung von Verbrechen des Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Aggression , die seit dem I. Juli 2002 auf dem Gebiet eines Vertragsstaates oder durch Angehörige eines Vertragsstaates begangen worden sind. Das IStGH-Statut weist dem IStGH die Aburteilungskompetenz zu, sofern der Tatortstaat oder der Heimatstaat des Täters das Statut ratifiziert haben . Folglich unterfallen auch Staatsangehörige von Nichtvertragsstaaten unter das Zuständigkeitsregime des IStGH, wenn sie eine Völkerstraftat auf dem Gebiet eines Vertragsstaates begangen haben . Das allgemeine Zuständigkeitsregime wird durch die sog. "sicherheitsratsgestützte Zuständigkeit" nach Art. 12, 13 IStGH-Statut überlagert und erweitert. Das IStGH-Statut geht von einer zweifachen Durchsetzungsmöglichkeit des 103 Völkerstrafrechts aus. Zum einen eröffnet es den Weg für eine Aburteilung völkerstrafrechtlicher Verbrechen auf internationaler Ebene durch den IStGH. Zum anderen gestattet es die Durchsetzung des Völkerstrafrechts durch die Vertragsstaaten . Erreicht wird dies durch die Festschreibung des Grundsatzes der Komplementarität, wonach die nationale Strafgerichtsbarkeit Vorrang vor der des IStGH genießt. Der Gerichtshof darf seine Gerichtsbarkeit erst ausüben , wenn ein Vertragsstaat nicht fähig oder willens ist, die Strafverfolgung ernsthaft zu betrei-
74
§ 2 Strafrechtliche Spezialmaterien mit grenzüberschreitenden Bezügen
ben . Mit dem am 30 . Juni 2002 in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) vom 26. Juni 2002 wurde das nationale Strafrecht an die Bestimmungen des IStGH-Statuts angepasst und damit zugleich ein "deutsches Völkerstrafrecht" begründet. Die Implementierung von Völkerstraftaten in deutsches Strafrecht versetzt Deutschland in die Lage, die in die Zuständigkeit des IStGH fallenden Verbrechen selbst verfolgen zu können .
Teil 11 Träger des Europäischen Strafrechts und ihre Handlungsformen
§ 3 Europarat
A. Strukturen und Ziele des Europarates Betrachtet man die Entwicklung des Europäischen Strafrechts im Spieg el internationaler Organisationen und Institutionen, so fällt der Blick zunächst auf den Europarat. Von ihm gehen schon seit Jahr zehnt en die verschiedensten Initiativen in den Bereichen Strafrecht, Kriminalpolitik, Verfassungsrecht und Menschenrechtsschutz mit dem Ziel der Rechtsv ereinh eitlichung und der Förderung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit aus".
I. Rechtsnatur des Europarates Der Europarat ist eine am 5. Mai 1949 gegründete internationale Organisation 2 "klassischen Zuschnitts" mit Sitz in Straßburg (Europa-Palaisj-. Seine Aufgabe ist es, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern zum Schutze und zur Förderung der Ideale und Grund sätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden , herzustellen und ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern (vgl. Art. I lit. a Europaratssatzung). Erfüllt werden soll diese Aufgabe durch Beratung von Fragen von gemeinsamen Interesse, durch den Abschluss von Abkommen, durch gemeinschaftl iches Vorgehen sowohl auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet als auch in den Bereichen des Rechts und der Verwaltung sowie durch den Schutz und die Fortentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten (vgl. Art. I lit. b Europaratssatzung). Derzeit gehören dem Europarat 47 Mitgliedstaaten an, darunter auch alle 27 EU-Mitg liedstaaten.
Jung, JuS 2000, 417, 418 f.; ders., StV 1990, 509, 511; Ligeti, Strafr echt in der EU, S. 51 ff.; Vogler, JURA 1992,586. Vgl. zur Einführun g Ambos, IntStR, § 10 Rn. 1 ff. ; Herdegen, Europarecht, § 2; zur Vertiefun g die Beiträge in: Holtz (Hrsg.), 50 Jahre Europarat, 2000 und Klebes, Die Rechtsstruktu r des Europarats und der Parlamentarischen Versammlun g, 1996. B. Hecker, Europäisches Strafrecht, DOI 10.1007/978-3-642-13127-1_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
7R
§ 3 Europarat
3 Übersicht: nie 47 Mitgliedstaaten des Europarates (Bcit rittsda tenf Alba nien ( 13. Juli 199 5)
Ando rra ( 10. Oktober 1994)
Armenien (25. Ja nuar 2001 )
Ase rbcklschan (25. Januar 2001)
Belgien (5. Mai 1949)
Bosnien und Herzego wina (24 . April 2002 )
Bulgarien (7. Mai 1992 )
Dänemark (5. Mai 1949 )
Deut schland ( 13. Juli 1950)
Estland (14. Mai 1993 )
Finnland (5. Mai 1989)
Frankreich (5. Mai 1949 )
Gee rgien (2 7. Apri l 1999 )
Griechenland (9. August 1949)
Irland (5. Mai 1949 )
Island (9. M ärz 1950)
Italien (5. Mai 1949)
Kroatien (6 . No~ em b . Fall 4: Der An geklagte wurde vom Landge richt wegen Sexualdelikt en zum N achteil sei ne r 59 Tochter zu eine r Gesam tfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Urte il stützt sich im Wesentlichen auf die Au ssage des als Ze uge ve rnommene n Ermittlungs richters, nachd em die Gesch ädigte in der Hauptverhandlung von ihrem Ze ugnisve rweige rungsrecht Gebrauch gema cht hatte . Bei der ermittlungsrichterlichen Vernehmung der Geschädig ten wurde dem noch nicht verte idigten Angeklagten wegen Gefä hrdung de s Unters uchungs erfolgs kein An wes enheitsr echt einger äumt (§ 168 c 1Il StPO). Auch wurde kein Verteidiger bestellt, so dass im Ergebnis weder eine unm ittelbare Befragung durch den Angeklagten noch durch
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Lacknerl Kühl~ § 56 f Rn. 3; Ne ubacher, GA 2004, 402, 417; Peglau , ZRP 2003, 242, 243. EGM R (Unterp ertin ger/A) EuG RZ 1987, 147; vgl. h ierzu Beulke, Riess- FS, S. 3, 9 ff. Vgl. hierzu Gaede, StV 2006, 599, 602 ff.; Grote/Marauhn /Grab enw arterlPabel, EM RKlGG, Kap . 14 Rn . 145 ff. EGMR (KostovskiINL) StV 1990, 481; vgl. aber auch EGMR (Jorgic/D) , NJOZ 2008, 3605,3610 zur kon vention skonformen Ablehn ung von Bewe isant rägen .
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§ 3 Europarat
einen Verteidiger ermöglicht wurde! ". Frage: Wie ist die unterlassene Verteidigerbestellung im Lichte des Art. 6 IIIlit. d EMRK zu beurteilen?
60 Lösungshinweise zu Fall 4: Der Angeklagte durfte gern. § 168 c III StPO wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung der Geschädigten ausgeschlossen werden . Dieser Ausschluss stellt als solcher noch keine Verletzung des Art. 6 III lit. d EMRK dar, da bei bestimmten Konstellationen auf eine Konfrontation des Zeugen mit dem Angeklagten verzichtet werden darf, etwa aus Gründen des Zeugenschutzes oder wenn zu befürchten ist, dass der Zeuge in Anwesenheit des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen werde. Allerdings wäre es ohne weiteres möglich gewesen, gern. § 141 III StPO einen Verteidiger zu bestellen und diesen zu dem ermittlungsrichterlichen Vernehmungstermin zu laden . Auf diese Weise hätte wenigstens der Verteidiger Gelegenheit gehabt, unmittelbar Fragen an die Geschädigte zu richten . Die konventionskonforme Auslegung des § 141 III StPO gebietet, dass in Fällen der vorliegenden Art dem noch nicht verteidigten Beschuldigten vor der ermittlungsrichterlichen Vernehmung eines wichtigen Belastungszeugen ein Verteidiger bestel1t wird . Das Ermessen der deutschen Strafverfolgungsbehörden bei der Frage der Verteidigerbestellung reduziert sich unter den gegebenen Umständen im Lichte des Art . 6 III Iit. d EMRK auf Null. Folglich verletzt die unterlassene Verteidigerbestellung das von der Konvention garantierte Recht des Angeklagten, Fragen an den Zeugen stellen zu lassen 141 .
e) Überlange Verfahrensdauer 61 Immer komplexer werdende Strafverfahren und rigorose Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand haben dazu beigetragen, dass Verzögerungen bei der Erledigung von Strafverfahren leider nichts Ungewöhnliches mehr sind!" . Beschwerden wegen überlanger Dauer der nationalen Strafverfahren bilden daher den Großteil der ansteigenden Klagetlut vor dem EGMR. Mit Urteil v. 31. Mai 200 I stellte der Gerichtshof fest, dass die Bundesrepublik Deutschland wegen wesentlicher Überschreitung einer angemessenen Verfahrensdauer gegen ihre Konventionsptlichten aus Art . 6 I EMRK verstoßen hat!". Der Zeitraum, der im Hinblick auf Art . 6 I EMRK berücksichtigt werden muss , beginnt nach Auffassung des Gerichtshofs, sobald eine Person formell angeschuldigt wird oder der gegen sie gerichtete Verdacht aufgrund behördlicher Strafverfolgungsmaßnahmen ernsthafte Auswirkungen auf ihre Situation hat. Von der ersten Information des Beschwerdeführers, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Umweltdelikts eingeleitet wurde , bis zur letztinstanzliehen Entscheidung waren mehr als neun Jahre vergangen . Eine VerfahrenseinsteIlung wegen Verletzung des Art . 6 I EMRK wurde von den deutschen Gerichten abgelehnt. Der BGH vertrat die Auffassung, dass der überlangen 140 141 142
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Fall nach ßGHSt 46,93. Zu den revisionsrechtlichen Folgen vgl. ßGHSt 46, 93, 103 ff. Krehl , StV 2006 , 408 ; Krehl/Eidam , NStZ 2006 , 1 ff. EGMR (Metzger/D) NJW 2002 , 2856 ; vgl. auch EGMR (Eckle /D) EuGRZ 1983,371 (Verfahrensdauer von 17 bzw. 10 Jahren) .
C. Bedeut ung der EMRK für die europäisch e Strafrechtsptlege
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Verfahr ensdau er auf der Strafzumessungsseite (Strafmilderungsgrund) ausreichend Rechnung getragen werden könne!" . Demgegenüber rief der EGMR seine ständige Rechtsprechung in Erinnerung, wonach die Konventionsstaaten dazu verpflichtet seien, ihre Justizsysteme so zu organisieren, dass die Instanzgerichte in der Lage seien, ihre Verfahren in angemessener Zeit abzuschließen! " . Als besonders schwerwiegende Verzögerungen stufte der Gerichtshof die Dauer von 15 Monaten zwischen Abschluss der polizeilichen Ermittlungen und Anklageerhebung ein, aber auch den Umstand , dass es zwei Jahre und drei Monate bis zur Aufhebung des landgerichtliehen Urteils durch den BGH dauerte , weil das LG das Urteil nicht in der gesetzlich geforderten Frist weitergeleitet hatte. Neben der Feststellung einer Konventionsverletzung sprach der Gerichtshof dem Beschwerdeführer eine Entschädigung für den erlitten en immateriellen Schaden in Höhe von DM 10000.- sowie für Gerichts- und Anwalt skosten in Höhe von DM 15000.- ZU 146 • Die Möglichkeit, wegen rechtsstaatswidriger Verfahren sverzögerung ein Ver- 62 fahrenshinderni s anzunehmen, wurde vom BGH bislang nur in "ganz außergewöhnlichen Einzelfällen" anerkannt!" . Nach der Rechtsprechung des EGMR vermag die Herabsetzung einer Strafe wegen überlanger Verfahrensdauer die Opfereigenschaft des Betroffenen nur zu beseitigen , wenn das Gericht die Konventionsverletzung anerkennt und angemessene Wiedergutmachung leistet!" . Die Strafzumessungslösung des BGH versagt daher, wenn das Gesetz - wie bei § 211 StGB - keine Möglichkeit eröffnet, das Tatunrecht und die darin zum Ausdruck kommende Schuld des Täters zu relativieren. So kann bei einem Schuld spruch wegen Mordes von der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe in aller Regel nicht deswegen abgesehen werden, weil die Beendigung des Strafverfahrens von den Strafverfolgungsorganen in einer Weise verzögert wurde , die beim Ausspruch von zeitiger Freiheitsstrafe oder von Geldstrafe eine Kompensat ion zugunsten des Angeklagten auf der Rechtsfolgenseite gebieten würde!" . Auch darf im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Gerichte (Art . 20 111 GG) kein Strafabschlag gewährt werden , durch den die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe unterschritten würde . Vor diesem Hintergrund vollzog der der Große Senat des BGH in seiner Grundsatzentscheidung v. 17. Januar 2008 150 einen Systemwechsel von der Strafzumessungslösung zum Vollstreckungsmodell: Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden , dass dies bei der
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ß GH N StZ 1997, 189. Vgl. hierzu Grote/Marauhn /Grabenw arterlPabel, EMRK/GG, Kap. 14 Rn. 103 ff. Z u dem Recht auf Entschädigung wegen kon vent ions widriger Freihei tsentziehung vgl. Grote/MarauhnlDä rr, EMRK/GG , Kap . 13 Rn. 102 ff. BGHSt 46, 159, 171; vg l. hierzu Beulke, Stra fprozessr echt, Rn. 26. EGMR (Dzelili/D) NVwZ-RR 2006 , 513, 515 ff. ß GH NJW 2006, 1529 m. krit. Anm. v. Hoffman n-Holland, ZIS 2006 , 539 f[ und Krehl, StV 2006 , 408 Ir ; nicht beanstandet von BVerfG NStZ 2006, 680 . Der EGMR wertet dies als Verstoß gege n Art. 13 EMRK (HRRS 2009 Nr. 808). BGHGrSSt 52, 124 = NJW 2008 , 860 ; vgl. hierzu Kraatz , JR 2008 , 189 ff.; Maier/Percic, NStZ-RR 2009 , 297 ff., 329 ff.; Reichenbach, NStZ 2009 , 120; Roxin I., StV 2008 , 14; Satzger , IntStR, § 11 Rn. 66 .
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§ 3 Europarat
Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist der Angeklagte gleichwohl zu der nach § 46 StGB angemessenen Strafe zu verurteilen. Zugleich ist in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
4. Freiheitsrechte und strafprozessuale Untersuchungshaft 63 Art . 5 I EMRK garantiert das Recht der persönlichen Freiheit. Er schützt die Bürger vor willkürlicher Inhaftierung, indem er abschließend die Voraussetzungen aufzählt, unter denen die nationalen Gesetze eine Freiheitsentziehung anordnen dürfen . In Art . 5 11 - IV EMRK sind spezifische Verfahrensgarantien des Inhaftierten festgeschrieben , wie z. B. seine Rechte, unverzüglich in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme informiert sowie unverzüglich einem Richter zum Zwecke der Haftkontrolle vorgeführt zu werden!" . Den Garantien des Art . 5 EMRK kommt eine zentrale Bedeutung für das strafprozessuale Institut der Untersuchungshaft zu, welches darauf abzielt, die Durchführung eines Strafverfahrens zu sichern' >. Die besondere Problematik der Untersuchungshaft liegt zum einen darin , dass auch für einen Untersuchungsgefangenen bis zum ges etzlichen Nachweis seiner Schuld die Unschuldsvermutung gilt. Er ist ledigli ch einer Straftat verdächtig. Zum anderen ist er in der Untersuchungshaft stärkeren Einschränkungen (z . B. Kontaktsperren, Einzelhaft, Reglementierungen des Brief- und Fernmeldeverkehrs) ausgesetzt als im Regelstrafvollzug und muss im Gegensatz zu Strafgefangenen das zusätzliche Leid der Ungewissheit der ihn erwartenden Haftdauer ertragen. 64 Die EMRK trägt der besonderen Interessen lage des Untersuchungsgefangenen Rechnung, indem sie in Art. 5 111 S. 2 EMRK einen Anspruch auf gerichtliche Aburteilung innerhalb einer ang emessenen Frist oder auf Haftentlassung während des Verfahrens normiert. Bestimmungen des nationalen Strafprozessrechts, die bei bestimmten Tatvorwürfen die Möglichkeit einer Haftverschonung bzw. die Aussetzung der Untersuchungshaft gegen eine Sicherheit generell ausschließen, sind mit Art . 5 111 S. 2 EMRK ebenso wenig vereinbar wie eine Regelung, die für bestimmte Taten oder im Hinblick auf eine zu erwartende Strafhöhe zwingend die Anordnung von Untersuchungshaft vorschreibt' >. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es in erster Linie Aufgabe der staatlichen Gerichte, sicherzustellen, dass die Untersuchungshaft eines Beschuldigten eine angemessene Dauer nicht überschreitet. Dabei müssen die Gerichte unter gebührender Beachtung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung alle Umstände prüfen, die für und gegen das Bestehen eines zwingenden öffentlichen Interesses an der Fortdauer der Untersuchungshaft sprechen. Nach einer Untersuchungshaftdauer von zwei Jahren ist das Recht des Beschuldigten auf Aburteilung innerhalb angemessener Frist verletzt, 151 152
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Vgl. hierzu EGMR NJW 2001,51. Vgl. hierzu Grote/M arauhn/Dö rr, EMRK/GG, Kap. 13 Rn. 57 ff. ; Kühn e/Esser, StV 2002, 383 ff. Grote/M arauhn/Dö rr, EMRK/GG, Kap. 13 Rn. 178; Kühn e/Esser, StV 2002, 383, 388.
C. Bedeutung der EMRK für die europ äische Strafrechtsptlege
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wenn die Justizbehörden nicht besondere Sorgfalt beim Betreiben des Verfahrens angewendet haben' >'. Fall 5: Der in Frankreich als politischer Flüchtling anerkannte Beschwerdeführer, der türki- 65 sehe Staat sangehörige E, wurde in Deutschland festgenommen, da er im Verdacht stand, Mitgli ed der terrori stischen Vere inigung PKK zu sein und Urkundsdelikte begang en zu haben (§§ 129 a, 267 StGB). Die gegen ihn angeordnete und vollzogene Untersuchungshaft dauerte insgesamt fünf Jahre und elf Monate. Sie wurde in sieben Haftprüfungsentscheidungen wiederholt mit der Schwere des Tatvorwurfes, der Höhe der dem E drohenden Strafe und mit Fluchtgefahr des E begründet, der in Deut schland über keinen Wohn sitz und keine persönlichen Bindungen verfügte. E wurde schließlich wegen Mitgliedschaft in einer terrori stischen Vereinigung (§ 129 a StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilti ss. Frage: Hat Deutschland gegen Art. 5 111 S. 2 EMRK verstoß en?
Lösungshinweise Fall 5: Bereits aus Art. 6 I S. I EMRK lässt sich ein Beschleu- 66 nigungsverbot als allgemeine Verfahrensgarantie ableiten . Im Hinblick auf die besondere Interessenlage von Untersuchungsgefangenen statuiert Art. 5 111 S. 2 EMRK jedoch ausdrücklich einen Anspruch des Festgenommenen auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist. Das in Deutschland durchgeführte Verfahren gegen E ist somit an Art. 5 111 S. 2 EMRK zu messen. In seinem Urteil" Erdem/Deutschland" bejahte der EGMR eine Konventions- 67 verletzung durch die Bundesrepublik Deutschland wegen überlanger Untersuchungshaft. Zwar bestanden Tatverdacht und Fluchtgefahr (§ 112 I StPO) während der gesamten Haftzeit fort, doch reichen diese Gründe nach Auffa ssung des Gerichtshofs nach einer Haftdauer von fünf Jahren und elf Monaten nicht mehr aus, um letztlich eine Untersuchungshaftdauer zu rechtfertigen, die praktisch identisch mit der später verhängten Freiheitsstrafe war. Der EGMR verlangt von den nationalen Behörden, dass sie Fortgang und Abschluss des Verfahrens besonders fordern , damit sich die gegenüber der normalen Strathaft mit besonderen Belastungen verbundene Untersuchungshaft nicht unnötig lange hinzieht. Es reicht nach Auffassung des EGMR nicht aus, die Haftfortdauer durch fast gleichlautende Standardformulierungen anzuordnen. Das Urteil ist von erheblicher Bedeutung, weil es unverhohlen Kritik an der - leider verbreiteten - Praxis übt, die Haftfortdauer gern. §§ 121, 122 StPO gleichsam automatisch und mit standardisierter Begründung anzuordnen . Es stellt klar, dass sich die Begründungslast der Justizbehörden mit zunehmender Haftdauer vergrößert und jeder Haftfortdauerbeschluss neu begründet werden muss!" .
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EGMR (Kudl alPL) NJW 2001 , 2694 ; EGMR (Cevizovic /D), NJW 2005 , 3125 , 3126 ff.; EGMR (Kala shniko v/Rußland) NVwZ 2005 , 303, 305 ; EGMR (Dzelili/D) NVwZ -RR 2006 , 513, 515 ; vgl. hierzu Grote/Marauhn/Dö rr, EMRK/GG, Kap. 13 Rn. 60 ; Leipold, NJW-Spez ial NJW 2005 ,567. EGMR (Erdem/D) EuGRZ 2001 , 391 ; vgl. hierzu Ambos, NStZ 2003 ,14,15. Vgl. hierzu auch BVerfG StV 2006 , 703 ff.; Grote/Marauhn/D örr, EMRK/GG, Kap. 13 Rn. 66; Kühne/Esser, StV 2002 , 383, 388 m. w. N .
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§ 3 Europarat
5. Einfluss von Konventionsrechten auf das materielle Strafrecht 68 Die Relevanz von Konventionsgarantien für das materielle Strafrecht" ? wird in Deutschland seit langem anhand der Frage diskutiert, ob sich Art. 2 II lit. a EMRK auf die Auslegung des Notwehrrechts (§ 32 StGB) auswirkt. Art. 2 11 Iit. a EMRK (Recht auf Leben) lautet: " Oie Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, we nn sie sich aus einer unb edingt erforde rlichen Gewaltanwendu ng ergi bt, um die Verteidi gun g eines Menschen gegenüber rechtswidrige r Gewaltan wendu ng sicher zustellen." 69 Fall 6: Dieb 0 flieht mit den von ihm erbeuteten wert voll en Schmuckstücken aus dem Juwelierges chä ft des J. Die einzige erfolgverspre chende Möglichkeit, den Schmuck zu retten, besteht für J da rin, den 0 durch einen gezielten Schu ss in die Beine niederzustrecken. So geschi eht es. 0 wird dab ei so schwe r getro ffen, das s er - was J zur Rettun g sein er Schmuckstücke auch bill igend in Kauf genommen hat - an den Folgen der erlittenen Schussverletzung stirbt. Frage: Wie ist die Rechtslage im Lichte des Art. 2 11 lit. a EMRK zu beurteilen ?
70 Lösungshinweise zu Fall 6: J ist nicht wegen eines Tötungsdelikts (§ 212 StGB) strafbar, wenn sein Handeln durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt ist. Der Schuss auf 0 war nach Lage der Dinge erforderlich, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf das Eigentum des J zu beenden. Die Höherrangigkeit des durch die Verteidigungshandlung verletzten Rechtsgutes (Leben des 0) gegenüber dem angegriffenen Rechtsgut (Eigentum des J) begründet nach ganz h. M. keine Einschränkung des Notwehrrechts . Eine Notwehrbeschränkung wird nur in Fällen krasser Disproportionalität zwischen Angriff und Abwehrmaßnahme bejaht! " . 71 Von einigen Autoren wird nun aber die These vertreten , Art. 2 II lit. a EMRK, der die Tötung von Menschen nur zur Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung gestattet, wirke unmittelbar unter den Staatsbürgern und beschr änke daher ihr Notwehrrecht' >? Nach dieser Auffassung ist die Tötung eines Menschen zur Verteidigung von Sachgütern schlechthin verboten . Die Bundesrepublik Deutschland sei demnach verpflichtet, dass in § 32 StGB geregelte Notwehrrecht durch eine engere Auslegung oder durch eine Gesetzesänderung den Vorgaben des Art. 2 II lit. a EMRK anzupassen. 72 Eine andere Gruppe von Autoren teilt zwar im Ausgangspunkt die These , dass Art. 2 II lit. a EMRK zumindest eine mittelbare Wirkung auch unter Privaten entfalte . Das in § 32 StGB normierte Notwehrrecht und seine sozialethisch orientierte Auslegung in der deutschen Rechtspraxis stünde aber in völligem Einklang mit 157
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Zu dem (rel ativ begrenzten) Einfluss der EMRK auf das deut sche materielle Strafrecht vgl. Diehm, Men schenrechte, 135 ff., 325 ff., 345 ff.; Kühl, ZStW 100 (1988), S. 601 , 624 ff. W esselslB eulke, AT, Rn. 343 ; M üKoStG BIErb , § 32 Rn. 192; S/S-Len ckn erIPerron, § 32 Rn. 50; Rengie r. AT, § 18 Rn. 57 ff. Bisson, Verteidigung von Ver mögen swerten, S. 149 ff., 210 ; Fris ter, GA 1985 , 553 , 564 ; Koriath , in: Ranieri (Hrsg.), Europäisierung der Rechtsw issen sch aft, 2002, S. 47, 52 ff.; S/S -Lenc knerIPerron, § 32 Rn. 64 ; L ührmann, Eigentumsv erteidigung, S. 281 f.
C. Bedeutung der EMRK für die europäische Strafrechtsptlege
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den Vorgaben der Konvention . Diese verbiete nur absichtliche, nicht aber ungewollte oder bedingt vorsätzliche Tötungshandlungen, die zur Abwendung von Angriffen auf das Eigentum vorgenommen werden!", Damit verliere das aufgeworfene Problem seine praktische Bedeutung, da eine mit direktem Vorsatz oder Absicht ausgeführte Tötung kaum jemals erforderlich sein dürfte , um einen Angriff auf Sachwerte abzuwehren. Die überzeugende h. L. steht auf dem Standpunkt, dass § 32 StGB durch die 73 EMRK nicht modifiziert werde, weil diese nicht die Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander betreffe, sondern nur Übergriffe des Staates in die Rechtssphäre des Einzelnen verhindern wolle!". Aus ihrer Sicht besteht daher keine aus Art. 2 11 lit. a EMRK abzuleitende Pflicht, durch eine Neuinterpretation des § 32 StGB oder eine Gesetzesänderung dafür sorgen, dass Tötungshandlungen zur Abwehr von Angriffen auf Sachwerte dem Anwendungsbereich des Notwehrrechts entzogen werden . Der Staat sei für den Schutz der Bürger vor Drittbeeinträchtigungen nur zuständig, soweit es um Übergriffe gehe, gegen die sich der Einzelne ohne Hilfe der Obrigkeit nicht problemlos selbst zu schützen vermag . Die im vorliegenden Zusammenhang einschlägige Gefahr, Opfer von Notwehrmaßnahmen zu werden , könne der Betroffene aber ebenso leicht vermeiden wie andere selbst gewählte Risiken - indem er seinen eigenen rechtswidrigen Angriff unterlasse' ' . Schließlich wird das auf europäischer Ebene bestehende Demokratiedefizit als weiterer Einwand gegen die Annahme einer entsprechenden Rechtsetzungsbefugnis angeführt (Rn .
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Eine literarische Minderheitsmeinung bejaht im Grundsatz eine Kompetenz der früheren EG zur Schaffung supranationaler Strafnormenr". Sie stützt sich hierbei zum einen auf den Wortlaut der prim ärrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen, denen sich keine Begrenzung auf nicht-strafrechtliche oder punitive Sanktionen entnehmen lasse . Unter Berufung auf die Lehre von den .J mplied powers'v'V, wonach die geschriebenen Kompetenznormen immer auch die Befugnis zur Setzung not132
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Vgl. hierzu exempl. MüKo StGB IAntbos, Vo r §§ 3-7 Rn. 9; ders., IntStR, § 11 Rn. 4; Dannecker, Jur a 2006, 95, 96 ff.; Deutscher, Kompetenzen, S. 309 ff.; Eisele, JA 2000, 896 ff.; ; Ju ng , JuS 2000 , 417, 419; Kudli ch, JA 1999, 525 ; Moll , ß1ankettstrafgesetzgebung, S. 4 ff.; Musil, NStZ 2000, 68, 69 ; Duo , Jura 2000 , 98 ; Rosenau, Z IS 2008 ,9, 14 ff.; Satzge r. IntStR, § 8 Rn. 18 ff.; Schr öder, Richtl inien, S. 105 ff., 161; Tiedemann , ZStW 116 (2004), S. 945 , 947 ; Zöller, ZIS 2009 , 340 , 342 . Dannecker, Jur a 1998, 79, 80; Satzger. IntStR, § 8 Rn. 22 . Zöller, ZIS 2009, 340 , 343 . Braum, GA 2005 , 681 , 688 ff.; Deutscher , Komp eten zen , S. 335 ff.; Eisele, JA 2000, 896,897; Hilgendorf, in: FS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, 2002 , S. 333 , 341 ; Luderssen. GA 2003, 71 (84) ; Rosenau, Z IS 2008 , 9, 14 ff.; Sieb er, ZStW 103 (1991), 957,970; Streinz, Demokratische Legitimation, S. 219 , 220 ff.; Vogel, GA 2002,517, 525 ; Weigend, ZStW 105 (1993), S. 774, 800 ; ders., StV 2001 , 63, 67 ; ausführ l. hierzu Meyer, Demokratieprinz ip, S. 113 ff. und passim. Appe l, Komp etenzen, S. 183; Böse, Strafen und Sanktion en, S. 56, 61 ff., 94 ; ders. , GA 2006, 211, 220 Ir ; Heitzer , Punit ive Sanktionen, S. 136 ff.; Pache, Schutz der finanziellen Interessen der EG, S. 341; ders., EuR 1993, 173, 178 r. Deutscher, Kompetenzen, S. 206 f.; Gro blinghoff, Verpflichtung des Strafge setzgebers, S. 94 . Diese Doktrin entspr icht weitgehend der im deut schen Staatsrecht anerkannten .Bundeskompetenz kraft Sachzusa mmenhangs".
B. Kompetenzen der Union zur Strafgesetzgebung
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wendigerweise mitzuregelnder Tatbestände beinhalten, wird argumentiert, mit jeder Kompetenznorm sei die uneingeschränkte normative Zuständigkeit auf die Gemeinschaft übergegangen . Dies impliziere auch die Befugnis, kriminalstrafrechtliche Sanktionsnormen zu schaffen. Die Minderheitsmeinung beruft sich dabei auch auf Aussagen des EuGH , in denen davon gesprochen wird, dass Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht von den Mitgliedstaaten unter Strafe zu stellen sind, "soweit das Gemeinschaftsrecht selbst keine Sanktionen vorsieht" (Rn . 68) . Die im Hinblick auf die unzureichende demokratische Legitimation einer supranationalen Strafgesetzgebung bestehenden Bedenken werden von der Minderheitsmeinung zwar als rechtspolitische Kritik ernst genommen, in rechtlicher Hinsicht jedoch nicht für durchgreifend erachtetr" Ein grundsätzlicher Ausschluss des Kriminalstrafrechts aus der supranationalen Rechtsetzungskompetenz könne somit nicht festgestellt werden. Allerdings sollen europäische Strafvorschriften auch nach Auffassung der Minderheitsmeinung die Ausnahme bleiben. Denn der Erlass von Strafrechtsnormen werde durch die sachlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlagen sowie durch die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Art . 5 111, IV EUV ; ex-Art. 5 EGV) beschränktl '" .
3. Vertiefende Diskussion zentraler Gesichtspunkte a) Kompetenzproblem und Legitimationsfrage Der entscheidende Punkt in der Kompetenzdiskussion ist nicht , ob eine etwaige 74 EU-Strafgesetzgebung beim derzeitigen Stand der Unionsverfassung in hinreichender Weise demokratisch legitimiert wäre , sondern die Frage , ob die Mitgliedstaaten der Union die Befugnis zur Setzung kriminalstrafrechtlicher Normen übertragen haben . Wie Schröder überzeugend aufgezeigt hat, vermag es schon aus systematischen Gründen nicht zu überzeugen, das Kompetenzproblem allein anhand des Legitimationskriteriums lösen zu wollen 140 . Dies kann in dem folgenden Gedankenexperiment demonstriert werden , bei dem unterstellt wird, das EP erhielte aufgrund einer Änderung der Vertr äge Legislativbefugnisse, die denen der nationalen Parlamente entsprechen. Wollte man die Strafgesetzgebungsbefugnis rein demokratietheoretisch diskutieren und an dem Grundsatz "nulla poena sine lege parlamentaria" ausrichten, müsste das Kompetenzproblem nunmehr erledigt sein . Dies ist aber nicht der Fall. Denn auch wenn das EP zu einem echten Legislativorgan ausgebaut worden ist, bleibt nach wie vor klärungsbedürftig, ob die Mitgliedstaaten die Recht ssetzungszuständigkeit auf dem Gebiet des Kriminalstrafrechts auf den Unionsgesetzgeber übertragen haben . Wenn eine Analyse des Primärrechts ergibt, dass dies nicht geschehen ist, dann springt die Rechtssetzungsbefugnis auch nicht etwa als Folge des Ausbaus des EP zu einem echten Legislativorgan auf dieses über. Somit kommt der im Lichte des Prinzips der begrenzten EinzeIermächtigung zu diskutierenden Frage einer etwaigen Kompetenzübertragung die ausschlaggebende Bedeutung für die Lösung der Kompetenzfrage zu. 138 139 140
Appel, Kompetenzen, S. 185; Böse, Strafen und Sanktionen, S. 91. Appel, Kompetenzen, S. 192; Böse, Strafen und Sanktionen, S. 94 f. Schröder, Richtlin ien, S. 132 ff.
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§ 4 Europäische Union
b) Wortlaut potentieller Ermächtigungsnormen und systematische Aspekte 75 Der Wortl aut potentiell er Ermächtigungsnormen des Primärrechts (z. B. Art . 40 11, 43 11, 79 11 lit. d, 91 I lit. c, d, 325 IV AEUV) steht der Annahme einer bereichsspezifischen Befugnis der Union , kriminalstrafrechtliche Normen zu setzen, nicht entgegen 141 . So erscheint es nach der sprachlichen Fassung etwa des Art . 91 I lit. c AEUV nicht ausgeschlossen, dass EP und Rat zwecks " Verbesserung der Verkehrssicherheit" auch kriminalstrafrechtliche Maßnahmen ergreifen. Die reine Wortlautauslegung erlaubt aber kein abschließendes Urteil darüber, ob die von den Ermächt igungsnormen jeweils funktional umschriebenen Union sbefugnisse auch die Setzung kriminalstrafrechtlicher Normen ein schließen. Gegen eine Strafgesetzgebungsbefugnis der Union sprechen folgende systematische Überlegungen : 76 Wenn es zutreffen sollte , dass der Union - unter Heranziehung der Lehre von den " im plied powers" (Rn . 73) - mit der Zuweisung einer bestimmten Sachkompeten z immer zugleich auch eine - lediglich durch das Subsidiaritätsprinzip und den Verh ältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkte - Befugnis zur Setzung supranationaler Sanktionsnormen übertragen wurde, dann ergibt die in Art. 103 11 lit. a AEUV verankerte Bußgeldkompetenz auf dem Gebiet des europäischen Karteilrecht s keinen rechten Sinn . Es fragt sich, warum der Vertrag eine im Vergleich mit dem Kriminalstrafrecht weniger gewichtige Bußgeldkompetenz ausdrücklich regelt, wenn derartige Rechtsetzungsbefugnisse ohnehin aus der Sachkompetenz folgen sollen. Der Sinn der dort getroffenen Kompetenzzuweisung erschließt sich nur vor dem Hintergrund bestehender Kompetenzvorbehalte auf dem Gebiet des Kriminalstrafrechts 142. 77 Ein weiteres Argument, das gegen eine Übertragung kriminalstrafrechtlicher Recht setzungsbefugnisse auf die EG sprechen, ergibt sich aus einer wertenden Betrachtung derjenigen Teilbereiche des Primärrechts, in denen von Anfang an nicht auf kriminalstrafrechtliche Regelungen verzichtet werden konnte. So verwei st das primäre Unionsrecht in Art . 30 der Satzung des Gerichtshofs für den Fall einer Eidesv erletzung von Zeugen und Sachverständigen auf das Strafrecht der Mitgliedstaat en>". Danach behandelt "j eder Mitgliedstaat die Eidesverletzungen eines Zeugen oder Sachverständigen wie eine vor seinen eigenen in Zivilsachen zuständigen Gerichten begangene Straftat. AufAnzeige des Gerichtshofs verfolgt er den Täter vor seinen zuständigen Gerichten Die Verweisung des Primärrechts auf das nationale Strafrecht ist Ausdruck des sog. Assimilierungsprinzips (§ 7). Mit seiner Hilfe wird der für notwendig erachtete Schutz eine s bestimmten Union sinteresses gew ährleistet, ohne die Rechtsetzungs- und Verfolgungszuständigkeit der Mitgliedstaaten anzutasten . Es spricht gegen eine Übertragung kriminalstrafrechtH .
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Vgl. hierzu Böse, Strafen und Sanktionen, S 61 ff.; Fromm, Finanzinteressen der EG, S. 107 ff.; ders., EG-Rechtssetzungsbefugnis, S. 64 ff.; Satzger, Europäisierung, S. 99 ff.; Schröder, Richtlinien, S. 118 ff Schröder, Richtlinien, S. 120; a. A. Böse, GA 2006 , 211, 220, der in ex-Art. 83 11 lit. a EGV nur die Konkretisierung einer Regelungsptlicht vor dem Hintergrund einer bereits bestehenden Ermächtigung der EG zum Erlass von Stratbestimmungen sieht. Protokoll Nr. 3 über die Satzung des Gerichtshofes der Europäischen Union (ABIEU 2008 Nr. C 215, S. 210) .
B. Kompetenzen der Union zur Strafgesetzgebung
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licher Rechtsetzungskompetenzen auf die Union , dass die genannte Bestimmung nicht etwa den EU-Organen, sondern allein den Mitgliedstaaten die Aufgabe zuweist , die europäische Rechtspflege mit dem für notwendig erachteten Strafrechtsschutz zu versehent'".
c) Kriminalstrafrecht als Gegenstand der früheren 3. Säule Durch den Vertrag von Maastricht (1992) wurde die Zusammenarbeit der Mit- 78 gliedstaaten in Strafsachen nicht in den Rahmen des ex-EGV einbezogen, sondern als "Angelegenheit von gemeinsamem Interes se" der sog. 3. Säule der EU zugewiesen . Es wurde also gerade keine EG-Rechtsetzungskompetenz auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung begründet, sondern vielmehr das Modell einer intergouvernementalen Kooperation gewählt. Die Fortentwicklung des Unionsrechts durch den Vertrag von Amsterdam (1997) änderte hieran nichts , sondern bestätigte im Gegenteil sogar die Sonderrolle des Strafrechts im Hinblick auf die Zust ändigkeitsverteilungr". So wurde die Bekämpfung der in ex-Art. 29 S. 2 EUV aufgeführten Kriminalitätsfelder gerade nicht als Gemeinschaftsangelegenheit, sondern ausdrücklich als eine den Mitgliedstaaten obliegende Aufgabe begriffen. Dass keine Vergemeinschaftung des Strafrechts erfolgt war, bestätigte auch exArt. 42 EUV, der es dem Rat gestattete, durch einstimmigen Beschluss Maßnahmen aus dem Anwendungsbereich des ex-Art. 29 EUV dem Titel IV des ex-EGV zu unterstellen' lag folgender Sachverhalt zugrunde: 12
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BGHSt 17, 121; Dannecker, BGH-FG, S. 339, 350; Johannes, EuR 1968,69 ff., 81; Tiedemann, ZStW 116 (2004), S. 945, 950. Ambos, IntStR, § 11 Rn. 23; Dannecker, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Kap. Rn. 105; ders., JURA 2006, 95, 100; GräblinghojJ, Verpfl ichtung des Strafgesetzgebers, S. 57 f.; Satzger, Europäisierung, S. 206 ff.; Tiedemann, NJW 1993, 23, 25. EuGI-IE 1977, 137 ff.; 1977, 1495; 1994,2479; 1996,4345 ; GräblinghojJ, Verpflichtung des Strafgesetzgebers, S. 9 ff.; Satzger, Europäisierung, S. 210 ff., 331 Ir EuGHE 1977, 137.
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§ 7 Assimilierungsprinzip
17 Fall 2: Die Niederlande haben eine nationale Ausführungsverordnung erlassen, in welche r Übertretungen gegen die in versch iedene n EG-Vero rdnungen normierten Bestimmungen über die geme insame Marktorgani sation für lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels mit Strafe bedroht werden. Im Vorabentsche idungsverfahren vor dem EuGH stellte sich die zentr ale Frage, ob die Mitglied staaten auch ohne besonde re Ermächtigung durch eine EG-Verordnung berecht igt sind, Stra fnormen zu erlassen, um die Anwendun g von Gemein schafts- bzw. national em AusfLihrungsrccht zu sichern. Die Kläger in des Ausgangsverfahrens, die Fa. Amsterdam Bulb , bestritt dies. Sie stellte sich au f den Standpunkt, mit der Stratbewehrung würde der Regelungsgehalt der EG-Verordnung in unzulässiger Weise erwe itert und - entgegen dem Harmoni sieru ngsziel der Verordnu ng - eine Ung leichheit der Recht sanwendung in den Mitglied staaten gefördert.
18 Lösungshinweise zu Fall 2: Generalanwalt Capotorti führte demgegenüber aus, dass die nationale Strafandrohung die Tragweite einer EG-Verordnung nicht ändere" . Etwas anderes könne nur gelten , wenn der materiellrechtliche Inhalt der Verordnung durch nationales Recht abge ändert und damit verfälscht würde . Die Gefahr, dass Gemein schaftsregelungen in den Mitgliedstaaten unterschiedlich streng angewandt würden , weil einige Mitgliedstaaten Strafnormen einführten, andere nicht, sei hinzunehmen, da Art. 5 EGV (Vorl äuferbestimmung von ex-Art . 10 EGV; aktuell : Art. 4 11I EUV) es den Mitgliedstaaten überlasse , diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die sie für sinnvoll erachteten, um die Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Der EuGH schloss sich dieser Argumentation an : " Art. 5 EGV, der den Mitgliedstaaten aufg ibt, alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen zu treff en, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben, überlässt dem einzelnen Staat auch die Wahl der sachgerechten Maßnahmen einschließ lich der Wahl der - auch strafrec htlichen - Sanktionen. Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, dass die Mitgliedstaaten dann, wenn die Gemeinschaft sregelung keine Vorschrift enthält, die für den Fall ihrer Verletzung durch den einzelnen bestimmte Sanktionen vorsieht, befugt sind, die Sanktionen zu wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen. " 17 19 Der Leitgedanke dieser auch heute noch maßgeblichen Rechtsprechung lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die Befugni s der Mitgliedstaaten zur Strafbewehrung unionsrechtlicher Ver- und Gebote nur dann begrenzt ist, wenn die unionsrechtliche Regelung abschließenden Charakter hat". Ob dies der Fall ist, muss j eweils durch Auslegung des einschlägigen Unionsrechtsaktes ermittelt werden. Regelmäßig wird - im Lichte des Prinzips der Unionstreue (Art . 4 11I UA 2, 3 EUV) - davon auszugehen sein, dass den Mitgliedstaaten die Befugn is zum Erlass von Stratbestimmungen selbst dann zusteht, wenn bereits der Unionsrechtsakt punitiv e Sanktionen (§ 4 Rn. 61) vorsieht. So steht bspw . eine EU-Verordnung, die das Erschleichen von Subventionen mit einer Subventionssperre sanktioni ert, dem 16
17 18
Generalanwalt Capotorti, EuGI-IE 1977, 137, 152, 155. EuGI-IE 1977, 137, 150. Vgl. hierzu EuGHE 1999, 4883 ff.; Groblinghof]; Verpfl ichtun g des Stra fgesetzgebers. S. 21; Satzger, Europ äisierun g, S. 212.
C. Assimilierung als Ausprägung der Schutzverptlichtung aus Art . 4 III EUV
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Erlass und der Anwendung nationaler Sanktionsnormen nicht entgegen, die dieses Verhalten mit Kriminalstrafe bedrohen. Die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Sanktionierung von Verstößen gegen Unionsrecht besteht im Übrigen auch insoweit , als es um die Strafbewehrung von Ver- und Geboten geht , die aus Richtlinien abzuleiten sind! ",
11. Pflicht der Mitgliedstaaten zur Sanktionierung von Verstößen gegen Unionsrecht 1. Mindestanforderungen an Sanktionsnormen im Dienste des Unionsrechts Während in der Rechtssache "Amsterdam Bulb " noch die mitgliedstaatliche Be- 20 fugnis zur Sanktionierung von Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht) im Vordergrund stand und die Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten in Bezug auf Erlass und Ausgestaltung nationaler Sanktionsbestimmungen betont wurde , kam es in der Folgezeit zu einer bedeutsamen Relativierung dieser Rechtsprechung. Der EuGH stellte klar, dass die Mitgliedstaaten nicht nur befugt sind, supranationale Intere ssen strafrechtlich abzusichern . Sie sind hierzu auch verpflichtet und müssen dabei bestimmte gemeinschaftsrechtliche (unionsrechtliche) Mindestanforderungen einhalten . Am Ausgangspunkt dieser Judikatur steht das Urteil des EuGH in der Rechtssache " von Colson und Kamann "?", in dem es allerding s nur um Sanktionen zivilrechtlicher Natur ging : Fall 3: Im Rahm en eines Vorab entsch eidungsverfahrens stellt e sich die Frage , ob das deut- 21 sehe Recht mit den Vorgab en der Richtlini e 76/207/EWG zur Verw irkli chung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männ ern und Frauen hins ichtlich des Z ugangs zur Besch äftigung zur Beru fsbildung und zum beruflichen Au fstieg sowie in Bezug auf Arb eitsbed ingungen/" in Einklang stand. Die Kläge rinnen des Ausgangsv erfahrens waren wegen ihres Geschlechts bei der Besetzung von SozialarbeitersteIlen von einem öffe ntlichen Arbeitgeber richtlinienwid rig nicht berück sichti gt worden . Sie klagten deshalb vor dem zuständigen Arbeitsgericht auf Einstellung, hilfswei se Schade nsersatz . Nach der damaligen Fassung des § 611 a 11 BGB konnte im Fall von Diskrimin ierung bei der Einstellung nur der Vertrau ensschad en, also nur die Fahrt- und Bewerbun gskost en der Kläger innen, ersetzt werden.
Lösungshinweise zu Fall 3: Dem Vorbringen der Bundesregierung, dass die Be- 22 stimmung und Ausge staltung von Sanktionen im freien Ermessen der Mitgliedstaaten stehe, vermochte sich der EuGH nicht uneingeschränkt anzu schließen. Wie im Fall "Amsterdam Bulb " bestätigte der EuGH zwar im Grund satz ein legislatives Wahl- und Ausge staltungsermessen der Mitgliedstaaten, wenn es um den Erlass von Sanktionsnormen im Dienste des Gem einschaftsrechts (Unionsrechts) 19 20
EuGI-IE 1977, 1495; Satzger, Europäisierung, S. 332. EuGI-IE 1984, 1891; bestätigt durch EuGI-IE 1984, 1921 ; 1990, 3941; 1993, 4367;
1997,2195. 21
ABl EG 1976 Nr. L 39, S. 40.
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§ 7 Assimilierungsprinzip
geht. Jedoch stellte er - freilich recht weite - Kriterien auf, denen diese Sanktionsnormen genügen müss en. Zwar überlasse es die hier in Rede stehende Richtlinie den Mitgliedstaaten, unter den gegebenen Möglichkeiten die Sanktion für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot auszuwählen, die zur Verwirklichung der Ziele der Richtlin ie geeignet sind. Entscheide sich ein Mitgliedstaat jedoch dafür , als Sanktion für einen Verstoß gegen diese s Verbot eine Entschädigung zu gew ähren , so müsse diese jedenfalls, damit ihre Wirksamkeit und ihre abschreckende Wirkung gew ährleistet sind, in einem angemessenen Verhältnis stehen und somit über einen rein symboli schen Schadensersatz hinau sgehen . § 611 all BGB genüge diesen Mindestanforderungen nicht. 23 Die Judikatur des EuGH ist dahing ehend zu interpretieren, dass der Freiraum der Mitgliedstaaten bei der Wahl und Ausg estaltung der Sanktionsnormen zwar groß , aber keineswegs unbegrenzt ist. Zwar steht den Mitgliedstaaten ein breiter Beurteilungsspielraum zu, mit welchen rechtlichen Maßnahmen ein bestimmtes unionsrechtliches Interesse - wie der Schutz der Bewerber vor Diskriminierung durchzusetzen ist. Sanktionsnormen, welche die Einhaltung unionsrechtlicher Geund Verbot e sicherstellen sollen , müss en aber jedenfalls - unabhängig davon , ob sie zivil-, verwaltungs- oder strafrechtlicher Natur sind - eine hinreichende Abschreckungswirkung entfalten-".
2. Gleichstellungserfordernis und Mindesttrias a) Der Fall "Griechischer Mais" - ein .leadinq case " des Europäischen Strafrechts 24 In einer für die Entwicklung des Europäischen Strafrechts richtungsweisenden Entscheidung im Fall " Griechischer Mais "23 leitete der EuGH aus dem in Art. 4 111 UA 2,3 EUV (ex-Art. 10 EGV) verankerten Loyalitätsprinzip weitere wichtige und prägend e Grundsätze über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten ab, ihr nationales Strafrecht in den Dienst der effektiven Durchs etzung gemeins chaftsrechtlicher (unionsrechtlicher) Interes sen zu stellen. Zum Sachverhalt: 25 Fall 4: Die Kommi ssion gelangte Ende 1986 zu der Überzeugung, dass zwei Schiffsladungen Mais, die im Mai 1986 durc h die Fa ITCO über die griechi schen Häfen Saloniki und Kevala nach Belgien ausgefüh rt und von den griechi schen Behörden offiziell als "g riechischer Mais" beze ichnet wurden, in Wirklic hke it aus dem Drittstaat Jugoslawien eingeführt worden waren. Aufgrund der offiziellen Angaben der griechischen Behö rden, welche die Echtheit und Richtigkeit der amtlich en Urkunden bestätigten, wurde n von den belg ischen Behörd en keine Agrarabsch öp fungen au f den "Nicht-EG-Mais" erhoben und der Mais in den freien Verkehr übe rführt. Nach Erkenntnisse n der Komm ission war diese Abgabenhinterziehung unter Mitwirkun g von griechischen Beamten begangen und später von mehreren hohen Beamte n durch falsche Urkunden und Erklärungen zu verschle iern versucht worden. Na ch Aufdeckung der Tatu mstände durc h die Komm ission ersuchte diese die griechi sche 22
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Gräblinghoff, Verpfl ichtun g des Stra fgesetzgebers, S. 11; Satzger, Europäisie rung, S.334. EuGI-IE 1989, 2965 = EuZ W 1990, 99 mit Anm. v. Bleckmann, WuR 1991, 285 und Tiedemann, EuZW 1990, 100.
C. Assimilierung als Ausprägung der Schutzverptlichtung aus Art. 4 III EUV
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Regierung ohne Erfolg, die Agrarabschöpfungen für die Einführung von jugoslawischem Mais mit Verzug szinsen zu zahlen, die unterschlagenen Summen bei den betreffenden Tätern einzuziehen sowie Straf- und Disziplinarve rfahren gegen alle Beteiligten einzuleiten. Die griechi sche Republik reichte in der ihr eingeräumten Frist keinen Schriftsatz ein. Daraufhin leitete die Kommission im Jahre 1987 ein Vertragsverletzung sverfahren ein.
Lösungshinweise zu Fall 4: Der EuGH stellte mit Urteil v. 21. September 1989 26 fest, dass die Griechische Republik gegen den in Art. 5 EGV (Vorläuferbestimmung von ex-Art . 10 EGV; aktuell : Art. 4 11I UA 2, 3 EUV) verankerten Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Unionstreue) verstoßen hat, weil sie keine strafoder disziplinarrechtliehen Verfahren gegen die Personen eingeleitet hat, die an der Durchführung und Verschleierung der Abschöpfungshinterziehung beteiligt waren>'. Die Mitgliedstaaten haben nach Ansicht des EuGH Verstöß e gegen das Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht) nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln zu verfolgen wie nach Art und Schwere vergleichbare Zuwid erhandlungen gegen nationales Recht (Gleichstellungserfordernis). Zwar verbleibe den Mitgliedstaaten die Wahl der Sanktionen . Die nationalen Stellen müssten aber bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht) mit derselben Sorgfalt vorgehen, die sie bei der Anwendung der entsprechenden nationalen Vorschriften walten ließen. Darüber hinaus müssten die angedrohten Sanktionen jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ("Mindesttrias") sein. Diesen Anforderungen habe die Griechische Republik nicht Genüge getan, da die Verantwortlichen von den griechischen Behörden weder straf- noch disziplinarrechtlieh verfolgt worden seien. b) Bedeutung des "Mais-Urteils" Das " Mais-Urteil" stellt eine bedeutende Weiterentwicklung der EuGH-Recht- 27 sprechung zum strafrechtlichen Schutz der supranationalen Interessen der früheren EG (heute : EU) dar. In der Rechtssache " Amsterdam Bulb " (Rn. 17) hatte der Gerichtshof den Mitgliedstaaten noch ein uneingeschränktes Ermessen bei der Wahl der sachgerechten Maßnahmen zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts eingeräumt. Auch das in der Sache "von Colson und Kamann" (Rn. 21) aufgestellte Erfordernis der abschreckenden Wirkung von Sanktionsnormen im Dienste des Gemeinschaftsrechts überließ es dem freien Auswahlermessen der nationalen Gesetzgeber, ob sie sich hierbei zivil-, verwaltungs- oder strafrechtlicher Instrumente bedienen . Demgegenüber wandelt sich die in der vorangegangenen Rechtsprechung betonte Befugni s der Mitgliedstaaten, Sanktionen für Gemeinschaftsrechtsverletzungen vorzusehen, mit dem "Mais-Urteil" in eine Verpflichtung zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts (Unionsrechts) durch Ahndung von Verstößen hiergegen , wobei der verbleibende Ausgestaltungsspielraum für legislative Maßnahmen durch die aufgestellten Mindestanforderungen (justiziable Kriterien) deutlich eingegrenzt wird . Der EuGH leitet aus dem in Art. 4 11I UA 2, 3 EUV (ex-Art . 10 EGV) verankerten Prinzip der Gemeinschafstreue (Unionstreue) eine GarantensteIlung der Mitgliedstaaten ab, aus der sich die Pflicht ergibt , na24
EuGHE 1989,2965 ff. = EuZW 1990,99.
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§ 7 Assimilierung sprinzip
tionales Strafrecht zum Schutze der Interessen und zur Durchsetzung der Ziele der EG (Union) zu funktionalisi eren . 28 Innovativ ist zum einen die Forderung, dass Verstöße gegen Unionsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden müssen wie nach Art und Schw ere vergleichbare Verstöße gegen nationales Recht. Dieses Gleich stellungsgebot ist Ausdruck des Assimilierungsprinzips, denn es zielt darauf ab, den strafrechtlichen Schutz, den die mitgli edstaatliehen Rechtsordnungen für nationale Schutzgüter vorsehen, auf vergleichbare Schutzgüter der Union zu erstrecken> , Neu ist des Weiteren die Ausweitung der Erfordernisse Wirk samk eit, Verhältni smäßigk eit und abschreckenden Wirkung auf jede Sanktionsnorm, die Verstöße gegen Union srecht ahnden soll. Dies bedeutet zum einen , dass sich bestehende strafrechtliche Norm en an diesen Beurteilungskriterien messen lassen müss en. Zum anderen könn en sich die vom EuGH konkr etisierten Vorgaben im Einze lfall zu einer Pflicht zum Tätigw erden der national en Strafgesetzgeber, also zu einem Pönalisierungsgebot, verdichten" . Der Sache nach hand elt es sich bei dem Gleichstellungserfordernis und bei der Mind esttrias um besondere Ausprägungen des Diskriminierungsverbots bzw. des Effizienzgebots-". Die Einschätzungsfreiheit der Mitgliedstaaten, ob überhaupt eine strafrechtliche Regelung in den Dienst des Union srechts gestellt werden soll und wie die se ggf. inhaltlich auszugestalten ist, wird damit einge schränkt. 29 Das über das Gleichbehandlungserfordernis funktionalisierte Assimilierungsprinzip erm öglicht es den Mitgliedstaaten, neu zu scha ffende Tatbestände zum Schutze des Union srechts harmoni sch in die innerstaatliche Strafrecht sordnung einzufügen bzw. bestehende Tatbestände im Einklang mit der nationalen Dogmatik unionsrechtskonform zu interpretieren. Die Strafrechtssysteme werden auf diese Weise - ganz im Sinne des strafrechtsspezifischen Schonungsgebctes-" - vor Fremdkörpern bzw . System brüchen bewahrt. Freilich bewirkt das Assimilierungsprinzip noch keine wirkl iche Harmonisierung, sondern lediglich eine Europäisierung der mitgliedstaatliehen Strafrechtsordnungen. Denn die Assimilierung kann lediglich dazu beizutragen, das strafre chtliche Schutzgefälle zwischen nationalen und vergleichbaren unionsrechtlichen Interessen abzubauen, nicht aber einen unionsweit einh eitlichen Strafrechtsschutz hervorbringen . Immerhin entfaltet die das Gleich stellungsgebot ergän zende Forderung nach wirksamen , angemessenen und abschreckenden Sanktionen aber einen gewissen Druck auf die Mitgliedstaaten, einen bestimmten strafrechtl ichen Minde ststandard zum Schutze union srechtlicher Interessen zu etablieren. Eine weitergehende Harmonisierung des materiellen Strafrechts lässt sich nur auf der Grundlage der in Art . 83 I, " AEUV normierten Recht sangl eichungskompetenzen erzielen (§ 8; § I I). 25 26
27 28
Tiedemann , NJW 1993,23,25 ; ders., Roxin-FS, S. 1401, 1405. Bleckmann , WuR 1991, 285; GröblinghojJ, Verpflichtung des Strafgesetzgebers, S. 14; Satzger , Europäisierung, S. 336; Tiedemann, EuZW 1990, 100; Zuleeg, JZ 1992, 76 1, 767. Hugger, Strafrechtliche Anweisungen, S. 31; Satzger, Europäisierung, S. 342. Satzger, Europäisier ung, S. 166 Ir ; ders., IntStR, § 9 Rn. 9, 27. Das Schonungsgebot wird auch von BVerfG NJW 2009, 2267, 2274 aufgegriffen (Böse, ZIS 2010,76, 85).
C. Assimilierung als Ausprägung der Schutzverpflichtung aus Art. 4 III EUV
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3. Gegenstand der strafrechtlichen Schutzverpflichtung Die Jud ikatur des EuGH im Fall "Griechischer Mais " (Rn. 24 ff.) spiegelt sich in 30 den durch den Vertrag von Maastricht (1992) eingeführten (deklaratorischen) Regelungen des Art . 209 a EGV (ex-Art. 280 EGV; aktuell : Art. 325 AEUV) über die Bekämpfung von Betrügereien und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaft/Union gerichteten rechtswidrigen Handlungen wieder-". Das Effizienzgebot gelangt in Art . 325 I, 111, IV AEUV , das Gleichstellungsgebot in Art . 325 11 AEUV zum Ausdruck. Sämtliche Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung zu ex-Art. 10 EGV lassen sich auf Art. 325 EGV übertragen, was namentlich bei der Frage einer aus Art. 325 IV AEUV (ex-Art. 280 IV S. I EGV) abzuleitenden strafrechtlichen Harmonisierungskompetenz der Union Bedeutung erlangt (§ 4 Rn. 81). Die "Mais-Judikatur" wirkte als Impuls für eine globale Betrugsbekämpfungsstrategie der Kommission, welche zu zahlreichen Gesetzgebungsinitiativen auf dem Gebiet des Straf- und Verwaltungsrechts führte . Die Bedeutung des Urteil s liegt nicht zuletzt in der darin zum Ausdruck gelan- 31 genden Anerkennung der strafrechtlichen Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit unionsrechtlicher Interessen, dem die Mitgliedstaaten Rechnung tragen müssen . Nach zutreffender h. L. beschränkt sich die Aufgabe und Ptlicht der Mitglied staaten, ihr nationales Strafrecht in den Dienst der Union zu stellen, nicht auf den Schutz der El.I-Finanzinteressen' ". Die aus dem Grundsatz der Unionstreue abzuleitende Schutzverptlichtung der Mitgliedstaaten erstreckt sich vielmehr auf alle Rechtsgüter und rechtlich geschützten Interessen der Union, die für ihre Existenz und Funktionsfähigkeit sowie für die Durchsetzung ihrer Politiken von Bedeutung sind. Als Schutzgüter der Union kommen neben dem Finanzhaushalt vor allem die Unbestechlichkeit ihrer Beamten, Wahrung von Dienstgeheimnissen, europäische Rechtsptlege, Realisierung der Grundfreiheiten, aber auch die Durchsetzung der Unionspolitiken etwa auf den Gebieten Marktorganisation, Wettbewerb, Verbraucherschutz und Umweltschutz in Betracht. Man kann insoweit von supra nationa len europäischen Schutzgütern sprechen. In dem Fall " Französische Landwirte " 31 bestätigte der EuGH diese weit gezogene 32 strafrechtl iche Schutzverptlichtung der Mitgliedstaaten. Dem gegen die Französische Republik geführten Vertragsverletzungsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
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Fromm, Finanzinteressen der EG, S. 287 ff. ; Groblinghoff Verpflichtung des Strafgesetzgebers, S. 151; Satzger , Europäisierung, S. 339 ; ders ., IntStR, § 9 Rn. 30. Amb os, IntStR, § 11 Rn. 34; Böse, Strafen und Sanktionen, S. 416 ; Dannecker, ZStW 117 (2005) , S. 697, 721 ff.; ders., JURA 2006, 95, 99 ff.; GröblinghofJ, Verpflichtung des Strafgesetzgebers, S. 38 ff.; Hugge r, Strafrechtl iche Anweisungen, S. 33; Satzger. Europäisierung, S. 347 ff.; Tiedemann, NJW 1993,23,27. EuGHE 1997,6959.
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§ 7 Assimilierungsprinzip
33 Fall 5 : Seit dem Jahre 1985 kam es in Frankreich immer wieder zu gewalttätigen Protestaktionen franzö sischer Landwirte gegen die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus anderen EG-Mitgliedstaaten . So wurden z. B. Lastwagenfahrer, die solche Güter tran sportierten, am Weiterfahren gehindert, bedroht oder sogar tätlich angegriffen. Teilweise wurde ihre Ladungen zerstört oder beschädigt. Auch wurden Drohungen ausgesprochen gegen französische Supermarktketten, die in ihrem Sortiment Obst und Gemüse aus anderen Mitgliedstaaten anboten. Wegen dieser Aktionen gingen zahlreiche Beschwerden bei der Kommission ein, mit denen die Untätigkeit der französischen Behörden bzw. deren unzulängliches Vorgehen gerügt wurden. Von Seiten der Kommission wurden die französischen Polizei- und Justizorgane mehrfach aufgefordert, die erforderl ichen prävent iven und repressiven Maßnahmen zu ergreifen, um gegen Gewaltakte und Vandalismus vorzugehen. Da diese Aktionen aber trotz entsprechender Zusagen der französischen Regierung, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen , fortdauerten , erhob die Kommis sion im Jahre 1995 Klage gegen die Franzö sische Republik . Die franzö sische Regierung machte geltend, dass alle polizeilichen und justi ziellen Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien. Es sei nicht möglich, jegliches Risiko von Gewaltanwendungen auszuschließen. Es müsse den Polizeikräften im Einzelfall überlassen bleiben, darüber zu entscheiden, ob ein polizeiliches Eingreifen erforderlich sei oder nicht. Die französische Regierung wies ferner darauf hin, dass der Unmut der franzö sischen Bauern vor allem auf den Umstand zurückzuführen sei, dass verstärkt spanische Erzeugnisse zu Dumpingpreisen auf dem franzö sischem Markt angeboten würden .
34 Lösungshinweise zu Fall 5: Der EuGH stellte durch Urteil v. 9. Dezember 1997 fest, dass die Französische Republik gegen die ihr obliegenden gemeinschaftsrechtlichen Pflichten verstoßen habe . Es seien nicht alle erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriffen worden, um sicherzustellen, dass der freie Warenverkehr nicht durch Handlungen Privater im Rahmen von Agrarblockaden behindert wird . In seiner Urteilsbegründung führte der EuGH aus, dass ex-Art. 28 EGV (aktuell : Art. 34 AEUV) den Mitgliedstaaten nicht nur die Vornahme eigener (hoheitlicher) Handlungen (etwa durch einen Akt der Gesetzgebung oder der Verwaltung) verbietet, die zu einem Handelshemmnis führen können , sondern sie in Verbindung mit ex-Art. 10 EGV (aktuell: Art . 4 III UA 2 EUV) auch dazu verpflichtet, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um auf ihrem Gebiet die Beachtung der Warenverkehrsfreiheit sicherzustellen. Zwar räumt der EuGH den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen bei der Entscheidung darüber ein, welche Maßnahmen sie zu diesem Zweck zu ergreifen haben . Es sei jedoch Sache des Gerichthofes, unter Berücksichtigung dieses Ermessens zu prüfen, ob ein Mitgliedstaat die zur Sicherstellung des ungehinderten grenzüberschreitenden Warenverkehrs geeigneten und erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe . Im Ausgangsfall gelangte der EuGH zu der Ansicht, dass die Maßnahmen der französischen Behörden angesichts der Häufigkeit und Schwere der von der Kommission aufgeführten Vorfälle offenkundig nicht ausreichten, um den freien innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen in ihrem Gebiet dadurch zu gewährleisten, dass sie die Urheber der fraglichen Zuwiderhandlungen wirksam an deren Begehung und Wiederholung hinderten und sie davon abschreckten. Der Gerichtshof zog damit die Konsequenzen aus dem Befund, dass die von französischen Landwirten ausgehenden gewalttätigen Aktionen sich schon seit mehr als zehn Jahren fortsetzten und aus der Feststellung, dass die französi-
C. Assimilierung als Ausprägungder Schutzverptlichtung aus Art. 4 III EUV
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sehe Polizei in einer Vielzahl von Fällen nicht zur Stelle war oder gegen gewaltsame Protestaktionen nicht eingeschritten ist. Obwohl einige Aktivisten den Justizbehörden namentlich bekannt waren , fand keine Strafverfolgung statt . In einer weiteren Entscheidung v. 12. Juni 2003 32, in der es um die Frage ging , ob 35 die Republik Österreich gegen die Grundfreiheit des freien Waren verkehrs verstoßen habe , weil sie eine 30-stündige Brennerblockade durch Umweltaktivisten nicht untersagt und damit Spediteure an der Überquerung der Alpen gehindert habe, bekräftigte der EuGH die aus ex-Art. 10 EGV (aktuell : Art . 4 111 UA 2 EUV) abzuleitende Pflicht der Mitgliedstaaten, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen für die Durchsetzung der Grundfreiheiten zu ergreifen. Er führte aus, dass das Nichteinschreiten gegen Private eine staatliche Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkung (Art . 34 AEUV ; ex-Art. 28 EGV) darstellen kann. Im Ergebnis wurde jedoch eine Vertragsverletzung der Republik Österreich verneint, weil der Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses - hier : die von Österreich zu beachtenden Grundrechte der Demonstranten - gerechtfertigt war.
111. Unionsrechtlicher Rahmen für Strafgesetze im Dienste des Unionsrechts
1. Unionsrechtlich festgelegte Untergrenze Das zum Schutze von Unionsinteressen funktionalisierte Strafrecht der Mitglied- 36 staaten ist in einen unionsrechtlichen Rahmen eingebunden. Solange sich die mitgliedstaatliche Strafgesetzgebung und Judikatur innerhalb dieses Rahmens bewegt , ist sie hinsichtlich der Setzung, inhaltlichen Ausgestaltung und Anwendung strafrechtlicher Normen frei und nur den innerstaatlichen Vorgaben des Verfassungsrechts und der Strafrechtsdogmatik unterworfen . Die Untergrenze diese s Rahmensystems ergibt sich aus den in der "Mais-Rechtsprechung" (Rn . 24 ff.) entwickelten Mindestvorgaben (Gleichstellungserfordemis und Mindestrias), die für die mitgliedstaatliehen Strafgesetzgeber bei der EinfLihrung und Ausgestaltung von Sanktionsnormen im Dienste des Unionsrechts sowie für die nationalen Gerichte bei der Auslegung einschlägiger Tatbestände verbindlich sind und nicht unterschritten werden dürfen . Das Unterschreiten der Untergrenze stellt eine Vertragsverletzung in Form eines Verstoßes gegen das Handlungsgebot des Art . 4 111 UA 2 EUV dar.
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EuGH NJW 2003, 3185 = EuZW 2003, 592.
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§ 7 Assimilierungsprinzip
2. Präzisierung der Untergrenze der Sanktionierungspflicht 37 Zu einer weiteren Klärung der Reichweite der gesetzgeberischen Ermessensbin-
dung im Sinne einer unionsrechtlich vorgegebenen Untergrenze der Sanktionierungspflicht trägt das Urteil des EuGH in der Rechtssache "Strafverfahren gegen Paul Vandevenne u. a."33 bei, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt: 38 Fall 6: Der LKW-F ahrer Vandevenn e wurde überführt, die in einer EG-Verordnung vorgeschr iebenen Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten zu hab en. Nach belgischem Recht konnt en nur der Fahrer und im Betrieb verantwortliche Person en strafrechtli ch haften, nicht j edo ch das Unternehmen, in dessen Auftra g der dort angestellte LKW-Fahrer fährt. Denn die belgisehe Rechtsordnung kennt (wie die deutsch e) keine strafrechtliche Verantwortlichkeit j uristischer Personen . In der ein schlägigen EG-Verordnung war bestimmt, dass "die Unternehmen" für die Einhaltung der vorgeschriebenen Lenk- und Ruheze iten zu sorgen haben . Das belgisehe Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob sich aus der betreffenden Vero rdnung eine Verpflichtung zur Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen oder zu einer (verschuld ensunabh ängigen) obj ektiven strafrechtlichen Verant wortlichkeit ergebe.
39 Lösungshinweise zu Fall 6: Die Einhaltung der in einer Verordnung festgelegten
Lenk- und Ruhezeiten stellt ein unionsrechtliches Interesse dar, zu dessen Durchsetzung und Schut z die Mitgliedstaaten verpflichtet sind. Aus der Verordnung selbst (diese überlässt es den Mitglied staaten , die notwendigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Verordnung zu erlassen) und aus dem Loyalitätsgebot des Art. 4 111 UA 2, 3 EUV (ex-Art. 10 EGV) ergibt sich die grundsätzliche Verpfli chtung der Mitgliedstaaten, Zuwiderhandlungen gegen das sekund ärrechtlich begründete Gebot mit Sanktionsnormen zu begegnen , soweit dies zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts geboten ist. Der EuGH verweist in diesem Zusammenhang auf seine ständige Rechtsprechung , wonach den Mitgliedstaaten ein Ermessen hinsichtlich der Wahl der Sanktionen zusteht. Zugleich zitiert er sinngem äß die Passagen des " Mais-Urteils" zum Gleich stellungserfordernis und zur Minde sttrias, die dieses Ermessen einschränken . Eine Pflicht der Mitgliedstaaten, die Strafbarkeit juristischer Personen oder eine objektive strafrechtliche Verantwortlichkeit einzuführen, folge hieraus aber nicht. 40 Der EuGH präzisiert in der Entscheidung " Vandevenne " die Mindestanforderungen an mitglied staatliche Sanktionen zum Schutze unionsrechtlicher Interessen. Diesen werde ausreichend Rechnung getragen, wenn Zuwiderhandlungen gegen Unionsrecht durch die Anwendung von Bestimmungen des nationalen Rechts bestraft werden können , die mit den Grundprinzipien des nationalen Strafrechts in Einklang stehen, sofern die sich darau s ergebenden Sanktionen nur wirksam, verhältnism äßig und abschreckend sind. Damit stellt der EuGH - ganz im Sinne des strafrechtsspezifischen Schonungsgebotes (Rn . 29) - in begrüßenswerter Deutlichkeit klar, dass die Union Rücksicht zu nehmen hat auf die identitätspr ägenden Eigenheiten und Besonderheiten der nationalen Strafrechtsordnungen, wie sie in den gewachsenen Rechtsstrukturen zum Ausdruck gelangen.
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EuGHE 1991 ,43 71.
C. Assimilierung als Ausprägung der Schutzverptlichtung aus Art . 4 III EUV
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3. Unionsrechtlich festgelegte Obergrenze Die Obergrenze des unionsrechtlichen Rahmensystems wird durch die allgemei- 41 nen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts und die Grundfreiheiten abgesteckt". Nationales Strafrecht muss namentlich mit dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot (Diskriminierungsverbot) vereinbar sein und darf die Marktbürger nicht an der Inanspruchnahme einer primärrechtlichen Garantie hindern . Beispiele: (I) Im Fall "Casati"35 führte der EuGH aus, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz administrativen und strafrechtlichen Maßnahmen entgegenstehe, die über den Rahmen des unbedingt Erforderlichen hinausgehen. Insbesondere dürften an eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts (Unionsrechts) keine Sanktionen geknüpft sein, die so außer Verhältnis zur Schwere der Tat stehen , dass sie sich als Behinderung einer Marktfreiheit erweisen. (2) In der Rechtssache .Drexl r'" hatte der EuGH über die Vereinbarkeit einer italienischen Sanktionsnorm mit dem Diskriminierungsverbot zu entscheiden. Die einschlägige Bestimmung sah für Verstöße gegen Vorschriften über die Mehrwertsteuer bei der Einfuhr von Waren erheblich empfindlichere Strafen vor als dies für vergleichbare Verstöße im Inlandsverkehr der Fall war. Der EuGH stufte diese Ungleichbehandlung vergleichbarer Verstöße als diskriminierende Maßnahme ein, die zu einer Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs führe . (3) Um die Vereinbarkeit einer Vorschrift des französischen Strafverfahrensrechts mit dem Diskriminierungsverbot ging es in der Rechtssache " Cowan "37. Ein britischer Tourist war bei einem Aufenthalt in Paris tätlich angegriffen und schwer verletzt worden . Das franzö sische Strafverfahrensrecht gewährte für solche Fälle einen Entschädigungsanspruch des Opfers gegen den Staat, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Opfer franzö sischer Staatsangehöriger, Inhaber einer Fremdenkarte oder Angehöriger eine s Staates ist, der mit Frankreich ein Gegen seitigkeitsabkommen geschlossen hat. Diese Vorau ssetzungen lagen im konkreten Fall nicht vor. Der EuGH erblickte in der französischen Regelung eine gemeinschaftsrechtswidrige Ungleichbehandlung: " Derartige Regelungen dürfen weder zu einer Diskriminierung von Personen führen, denen das Gemeinschaftsrecht einen Anspruch auf Gleichbehandlung verleiht, noch die vom Gemeinschafts recht garant ierten Grundfreiheiten beschränk en. "38 (4) Die strafbarkeitsbegrenzende Funktion des Unionsrechts wird auch in dem Fall " Skanavi "39 deutlich . In Deutschland wurde eine griechische Staatsbürgerin wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 I Nr. I StVG) strafrechtlich verfolgt, 34
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Gräblingho./J, Verpflichtung des St rafgesetzgebers. S. 16 1'.; Satzger, Europäisierung, S. 295 1'1'., 360 , 373 ; ders., IntStR, § 9 Rn. 11 1'1'. EuG HE 1981, 2595 1'1'. ; vg l. auch EuG HE 1976, 1921 ff. ("Don ckerwolcke") . EuG HE 1988, 12131'1'. EuGI-I E 1989, 195 ff EuGI-I E 1989, 195, 222 ; vgl. auch EuGHE 1999, 11,29; 1988, 1213, 1235; 1981, 2595 , 2618 ; Heise, Gem einschaftsrecht und Strafrecht , S. 19 Ir , 27 1'[ EuG HE 1996, 929 ff.; vgl. hierzu Satzger, Int StR, § 9 Rn. 11, 18 f.
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§ 7 Assimilierungsprinzip
weil sie auf deutschen Straßen ein Fahrzeug geführt habe , ohne im Besitz eines deutschen Führerscheins zu sein . Die Angeklagte hatte es versäumt, ihren in Griechenland ausgestellten Führerschein in der vom innerstaatlichen Recht vorgesehenen Frist in einen deutschen umzutauscherr'". Der EuGH entschied, dass die Umtauschpflicht lediglich verwaltungstechnischen Erfordernissen entspreche und keine konstitutive Wirkung bezüglich der Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs entfalte. Die gemeinschaftsweite Anerkennung der in einem Mitgliedstaat rechtmäßig erworbenen Fahrerlaubnis folge bereits aus den Vorschriften über die Freizügigkeit. Der Inhaber einer in Griechenland erteilten Fahrerlaubnis, der lediglich seiner Umtauschpflicht nicht nachgekommen und daher nicht im Besitz eines deutschen Führerscheins ist, dürfe mithin in Deutschland - im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips - nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafrechtlich verfolgt werden . Die sanktionsrechtliche Gleichstellung der bloßen Verletzung der Führerscheinumtauschpflicht mit dem unberechtigten Führen eines Kfz stehe nicht in Einklang mit Gemeinschaftsrecht. Demgegenüber liegt nach Auffassung des EuGH kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor, wenn infolge fehlenden Führerscheinumtausches die Strafverfolgung eines Drittstaatsangehörigen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Rede steht. Da in einem solchen Fall der Anwendungsbereich der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten nicht eröffnet sei, entfalte die Ausstellung des nationalen Führerscheins konstitutive Wirkung" . 46 (5) Nationale Sanktionsnormen sind infolge des Anwendungsvorranges des Unionsrechts unanwendbar, wenn sie mit einer primärrechtlich gewährten Grundfreiheit kollidieren (§ 9 Rn. 9 ff.). Da der EuGH mittlerweile alle Grundfreiheiten nicht nur als Diskriminierungs-, sondern auch als Beschränkungsverbote auffasst , ist eine Behinderung der Marktfreiheiten durch mitgliedstaatliche Sanktionsregelungen nur noch in den vom Primärrecht gezogenen Grenzen zul ässig'< . Nationale Sanktionsregelungen, die die Ausübung einer Marktfreiheit behindern, sind nur dann europarechtskonform, wenn sie aus zwingenden Gründen des AIIgemeininteresses gerechtfertigt sind und das Diskriminierungsverbot sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet werderr". 47 Die unionsrechtliche Obergrenze bildet mithin eine Schranke, die von nationalen Strafnormen nicht überschritten werden darf. Jede unionsrechtswidrige Setzung , Aufrechterhaltung oder Anwendung nationalen Strafrechts stellt eine Vertragsverletzung in Form eines Verstoßes gegen das unionsrechtliche Loyalitätsgebot - in diesem Fall gegen das Unterlassungsgebot des Art . 4 111 UA 3 EUV - dar.
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Seit dem I. Juli 1996 entfallt die Umtauschpflicht, da durch die I. FührerscheinRL 9 1/439/EG des Rates v. 29. Juli 1991 der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von in einem Mitgliedstaat rechtmäßig ausgestellten Füh rersche inen gilt. Dieser Grundsatz ist mittlerweile in der 3. FührerscheinRL 20061126 (EG) des EP und des Rate s v. 20. Janu ar 2006 (ABIEU 2006 Nr. L 403 , S. 18) verankert. EuGI-1E 1998,6781; vgl. hierzu Gieß, NZ V 1999,410,413. Vgl. hierzu die berühmte " Cassis-Rechtsprechung " zur Waren verkehrsfreiheit seit EuGI-1E 1979, 649; lehrreich hierzu Schütz, JURA 1998, 631. EuGHE 1995,4165 ff. (,.Gebhard "); Satzger, IntStR , § 9 Rn. 21.
C. Assimilierung als Ausprägung der Schutzverptlichtung aus Art. 4 III EUV
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4. Präzisierung der Obergrenze strafrechtlicher Sanktionen Zu einer weiteren Klärung der vom Unionsrecht abgesteckten Obergrenze für mit- 48 gliedstaatliche Sanktionsbestimmungen trägt das Urteil des EuGH in der Rechtssache " Hansen "44 bei : Fall 7: Die dän ische Fa. Hansen wurde von nationalen Behörden mit einer Geldbuße be- 49 legt, weil einer ihrer Fahrer die durch eine EG-Verordnung festgelegte tägliche Lenkzeit überschritten hatte . Dem Arbeitgeber fiel nach den getro ffenen Feststellungen weder Vorsatz noch Fahrläss igkeit zur Last. Jedoch haftet er nach den einschlägigen dänischen Sanktionsbestimmungen verschuldensunabhängig. Die Fa. Hansen machte zum einen geltend, die nationale Regelung würde die EG-Verordnung erweitern (also inhaltlich abändern). Zum anderen würden durch die däni schen Sankt ionsbest immungen in Dänem ark angesiedelte Unternehmen in höherem Maße der Gefahr einer Bestrafung ausgesetzt als in anderen Mitgliedstaaten angesiedelte Konkurrenten, da nur Dänemark eine objektive Strafhaftung eingeführt habe . Dies führe zu einer Verzerrung des freien Wettbewerb s innerhalb des Gemeinsamen Markt es, was den Z ielen der einschlägigen Verordnung zuwiderlaufe. Das zuständige Gericht legte dem EuG H die Frage vor, ob die im dänischen Recht vorgesehene objektive strafrechtliche Verantwortlichkeit gegen Gemein schaftsrecht verstößt.
Lösungshinweise zu Fall 7: Mit ihrem Vorbringen, die dänischen Sanktionsbe- 50 stimmungen würden den Inhalt der Lenkzeitenverordnung in unzulässiger Weise erweitern, vermochte die Firma Hansen beim EuGH nicht durchzudringen . Bereits in der Sache " Amsterdam Bulb" (Rn . 16 ff.) hatte der Gerichtshof entschieden, dass den nationalen Gesetzgebern die Befugnis zusteht, Sanktionsbestimmungen zu erlassen, um die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts zu sichern . Auch die weiteren Argumente der Firma Hansen, mit denen der EuGH davon überzeugt werden sollte , dass die dänischen Bestimmungen zu streng seien und damit gleichsam eine gemeinschaftsrechtliche Höchstgrenze für Sanktionsnormen im Dienste des Gemeinschaftsrechts überschritten worden sei, teilte der Senat nicht. Die Einführung einer verschuldensunabhängigen Strafbarkeit stelle nicht ohne weiteres eine gemeinschaftsrechtswidrige Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen dar. Der EuGH griff jedoch das Verhältnismäßigkeitskriterium als Obergrenze 51 auf, indem er ausführte: "Außerdem liegt die Verkehrssicherheit, die ...eines der Ziele der Verordnung ist, im Interesse der Allgemeinheit, das die Festsetzung einer objektiven strafrechtlichen Verantwortlichkeit rechtfertigen kann. Eine solche Sanktion, die der in Art. 5 EGV (aktuell: Art. 4 III EUV) verankerten Pflicht zur loyalen Zusamm enarbeit entspricht, ist deshalb gegenüber dem angestrebten Ziel nicht unverhältnismäß ig. " 45 Damit folgte der Gerichtshof im Ergebnis dem Schlussantrag von Generalanwalt van Gerven, welcher - noch deutlicher als der EuGH - dargelegt hatte , dass der Grundsatz "nuHa poena sine culpa" (keine Strafe ohne Schuld) im Gemeinschaftsrecht keine absolute Geltung beanspruchen, sondern unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips eing eschränkt werden könne (hier : Durchsetzung wichtiger Interessen des Allgemeinwohls und keine Androhung außergewöhnlich hoher Strafen). 44 4S
EuGI-I E 1990, 2911. EuGHE 1990,2911 (Rz. 19).
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§ 7 Assimilierungsprinzip
5. Inhaltsbestimmung der unionsrechtlichen Rahmenbegriffe a) Konkretisierungsspielraum der Mitgliedstaaten 52 Die Zusammenschau der Rechtssachen" Vandevenne " (Rn. 37 ff.) zur Untergrenze der aus dem Loyalitätsgebot abgeleiteten strafrechtlichen Schutzverptlichtung und" Hansen " (Rn . 48 ff.) zur Obergrenze für innerstaatliche Sanktionsbestimmungen zum Schutze des Unionsrechts macht Folgendes deutlich : Einerseits sind die Mitgliedstaaten nicht zur Einführung einer Strafbarkeit juristischer Personen oder zur Schaffung einer verschuldensunabhängigen (objektiven) strafrechtlichen Verantwortlichkeit verpflichtet. Andererseits steht es ihnen frei, auf nationaler Ebene gerade diese strafrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen. Der unionsrechtliche Rahmen , in den das mitgliedstaatliche Strafrecht eingebunden ist, belässt den Mitgliedstaaten also einen relativ breiten Spielraum für die inhaltliche Ausgestaltung von Sanktionsnormen im Dienste des Unionsrechts. 53 Bei den das unionsrechtliche Rahmensystem nach unten und oben eingrenzenden Schrankenbestimmungen handelt es sich um Termini des Unionsrechts, die der autonomen Interpretation des EuGH unterliegen". Die Zuständigkeit der supranationalen Gerichtsbarkeit stellt sicher, dass es nicht zu einer völlig uneinheitlichen Handhabung der Mindesterfordernisse und Obergrenzenkriterien in den Mitgliedstaaten kommt - eine Gefahr, die vorprogrammiert wäre , wenn jeder Mitgliedstaat nach eigenem Belieben den Rahmen für seine legislative Tätigkeit zum Schutze des Unionsrechts festlegen könnte . Andererseits betont der EuGH, dass den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Wahl der Sanktionen zusteht". Den mitgliedstaatliehen Strafgesetzgebern und Gerichten verbleibt mithin bei der Auslegung und Anwendung der unionsrechtlichen Rahmenkriterien ein gewisser Konkretisierungsspielraum , dessen unionsrechtskonforme Ausübung jedoch einer Vertretbarkeitskontrolle durch den EuGH unterliegt. 54 Im Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) judiziert der Gerichtshof ohnehin nur über die Auslegung von Unionsrecht, nicht aber über den konkreten Sachverhalt des Ausgangsverfahrens oder die Anwendbarkeit einer nationalen Sanktionsnorm (§ 6 Rn. 10). Seine Aufgabe beschränkt sich vielmehr darauf, dem für die Entscheidung des Ausgangsfalles zuständigen Gericht erläuternde Hinweise hinsichtlich der Vorgaben des Unionsrechts zu geben , um diesem eine Beurteilung zu ermöglichen, ob die einschlägige Sanktionsnorm unionsrechtlichen Anforderungen genügt. Im Vertragsverletzungsverfahren (Art . 258 AEUV) ist der EuGH dazu berufen , festzustellen , ob eine konkrete mitgliedstaatliche Regelung mit Unionsrecht vereinbar ist. Aber auch in diesem Verfahren respektiert der EuGH aufgrund des von ihm in der Sache anerkannten strafrechtsspezifischen Schonungsgebotes (Rn . 29) den Einschätzungs- und Konkretisierungsspielraum der Mitgliedstaaten und beschränkt sich demgemäß auf eine Vertretbarkeitskontrolle". 46 47
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Satzger, Europäisierung, S. 361 ff., 373 ff. EuGI-IE 1989,2965 (Rz. 24); 1990,2911 (Rz. 17); 1991,4371 (Rz. 11); 1994,2435 (Rz. 55); 1995,3573 (Rz. 20); 1997, 1111 (Rz. 35); EuGI-I EuZW 2010, 227 (Rz. 71). Satzger, Europäisierung, S. 375.
C. Assimilierung als Ausprägung der Schutzverptlichtung aus Art. 4 III EUV
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b) Gleichstellungserfordernis Die Mitgliedstaaten sind aufgrund des Loyalitätsgebotes (Art. 4 111 UA 2, 3 EUV) verpflichtet, Verstöße gegen das Unionsrecht (Angriffe auf Unionsinteressen) durch ihr innerstaatliches Recht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln zu ahnden wie nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationale Schutzgüter (Rn . 26) . Das Gleichbehandlungserfordernis erstreckt sich auf die Setzung und Anwendung sowohl des materiellen Sanktionenrechts (Strafund Ordnungswidrigkeitenrecht) als auch des zu seiner Durchsetzung bestimmten Prozessrechts (Straf- und Bußgeldverfahrensrecht). In verfahrensrechtlicher Hinsicht müssen die mitgliedstaatliehen Stellen gegenüber Unionsrechtsverstößen mit derselben Sorgfalt vorgehen , die sie bei der Anwendung der entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften walten lassen . Das Gleichstellungsgebot gelangt nur zur Anwendung, wenn es sich bei dem festgestellten Unionsrechtsverstoß um einen solchen handelt, der nach Art und Schwere einer Zuwiderhandlung gegen nationales Recht gleicht. Ob ein "gleichartiger" Verstoß vorliegt, ist anhand eines von dem nationalen Gesetzgeber oder Rechtsanwender (Gerichte und sonstige Behörden) vorzunehmenden Wertungsaktes zu beurteilen, welcher seinerseits lediglich einer Vertretbarkeitskontrolle durch den EuGH unterliegt (Rn . 53). "Gleicher Art" sind Verstöße dann, wenn sie identische oder zumindest vergleichbare Interessen ber ührerr'". Dies ist der Fall, wenn eine Norm des Unionsrechts verletzt wird, die dasselbe oder ein funktionell gleichwertiges Rechtsgut wie eine nationale Strafnorm schützt. Zu denken ist etwa an einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Luftreinhalterecht, durch den das gleiche Rechtsgut (Reinheit der Luft in ihrer Funktion als natürliche Lebensgrundlage des Menschen) angegriffen wird, das auch der deutschen Stratbestimmung des § 325 StGB zugrunde liegt'". Als weitere Beispiele für Verstöße, die sich aus der Perspektive des Unionsrechts und des nationalen Strafrechts gegen vergleichbare Interessen richten , sind zu nennen : Angriffe auf den EU-Finanzhaushalt (z. B. in Form des Subventionsbetruges oder der Abgabenhinterziehung) sowie auf die Lauterkeit der Amtsführung von EU-Beamten. Der Finanzhaushalt eines Mitgliedstaates und die Lauterkeit der Amtsführung des nationalen öffentlichen Dienstes stellen funktional vergleichbare Interessen dar, die vom innerstaatlichen Strafrecht geschützt werden . Hieraus folgt in Anwendung des Gleichstellungsgebotes, dass die Mitgliedstaaten den genannten Unionsinteressen den gleichen materiellrechtlichen und prozessualen Schutz angedeihen lassen müssen wie den funktionsidentischen nationalen Interessen. Für den Schutz des EU-Finanzhaushalts wird das Gleichstellungserfordernis durch Art. 325 11 AEUV deklaratorisch festgeschrieben (Rn . 30). Von "gleicher Schwere" sind Verstöße gegen Unionsrecht, wenn der darin liegende Angriff auf das einschlägige Unionsinteresse eine Intensität aufweist, die vom nationalen Recht - unterstellt, es läge ein Angriff auf ein vergleichbares nati49
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Gräblinghoff, Verpflichtung des Strafgesetzgebers, S. 23; Satzger, Europäisierung, S.365. Vgl. hierzu Hecker, ZStW 115 (2003), S. 800, 895 1'1'.
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onales Rechtsgut vor - als strafbare (oder mit sonstigen repressiven Sanktionen belegbare) Handlung erfasst wird'" . Der nationale Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Rechtsgüterschutzes einen breiten Ausgestaltungsspielraum. Er kann Kriminalstrafrecht oder sonstiges Sanktionenrecht (Bußgeldrecht, Verwaltungssanktionen) einsetzen. Die Schutzintensität wird des Weiteren dadurch bestimmt, ob z. B. nur die Schädigung (Erfolgsdelikte) oder bereits die Gefährdung des Rechtsgutes strafbar ist (konkrete und abstrakte Gefährdungsdelikte). Weitere Faktoren der Schutzintensität bilden etwaige Qualifikationen, Strafzumessungsregeln (besonders schwere Fälle) sowie Schuldkomponenten (Vorsatz, Fahrlässigkeit, objektive strafrechtliche Verantwortlichkeit). Schließlich hängt der strafrechtliche Schutzstandard auch davon ab, ob und inwieweit bereits der Versuch oder bestimmte Vorbereitungshandlungen mit Strafe bedroht sind . 59 Das Gleichstellungserfordernis wäre z. B. verletzt, wenn das nationale Recht einen Verstoß gegen Unionsrecht lediglich im Falle der Schädigung des supranationalen Rechtsgutes (oder bei vorsätzlichem Handeln) mit Strafe bedroht, während das gleichartige nationale Schutzgut bereits vor einer bloßen Gefährdung (oder vor fahrlässigem Handeln) strafrechtlich geschützt wird . Unionsrechtswidrig wäre es auch, den Versuch der Bestechung nationaler Amtsträger im innerstaatlichen Recht unter Strafe zu stellen, bezüglich der Bestechung von EU-Beamten eine Strafandrohung aber nur für die vollendete Tat vorzusehen. Das Gleichstellungsgebot legt die Strafrechtsordnungen der Mitgliedstaaten auf die Gewährleistung eines innerstaatlich gleichen Schutzstandards für Unionsinteressen und funktional vergleichbare nationale Schutzgüter fest.
c) Wirksamkeits- und Abschreckungserfordernis 60 Das aus dem Gleichbehandlungserfordernis abzuleitende Ptlicht der Mitgliedstaaten , Unionsinteressen im Wesentlichen den gleichen strafrechtlichen Schutz angedeihen zu lassen wie vergleichbaren nationalen Rechtsgütern, liefe gleichsam "ins Leere", wenn sich für ein schutzwürdiges Unionsinteresse kein nationales Äquivalent ausmachen oder in der innerstaatlichen Rechtsordnung kein vergleichbar schwerer Angriff feststellen ließe . Denkbar ist auch , dass ein Mitgliedstaat ein bestimmtes Rechtsgut strafrechtlich nicht oder nur unzureichend schützt. In diesen Fällen übernimmt die Mindesttrias als Substitut für das unanwendbare Gleichbehandlungsgebot die Funktion der unionsrechtlichen Untergrenze der strafrechtlichen Sanktionierungsverptlichtung und stellt sicher, dass das supranationale Rechtsgut in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht (weitgehend) schutzlos gestellt ist. Die Bedeutung der Mindesttrias erschöpft sich aber nicht in dieser Auffangfunktion . Unabhängig davon , ob ein dem Unionsinteresse vergleichbares nationales Schutzgut existiert und ob sich ein gleichartiger Verstoß gegen nationales Recht ermitteln lässt, sind die vom EuGH aufgestellten Mindesterfordernisse einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktion von den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. 51
Gräblinghoff, Verpflichtung des Strafgeset zgebers, S. 24; Satzger, Europäisierung, S.366.
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Auch wenn der EuGH im Zusammenhang mit der Mindesttrias stets von " Sankti- 61 onen" spricht, so bedeutet dies nicht etwa, dass nur die Rechtsfolgen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Unter "Sanktion" ist die gesamte Strafnorm, bestehend aus Tatbestand und Rechtsfolge zu verstehen'. In der schließlich am 10. Juni 1991 erlassenen 1. GeldwRL (Rn . I) wurde den Mitgliedstaaten in Art . 2 lediglich die recht vage formulierte Verpflichtung auferlegt, dafür zu sorgen, dass Geldwäsche im Sinne dieser Richtlinie untersagt wird. Wenn den Mitgliedstaaten in Art . 14 vorgegeben wird , "gee ignete Maßn ahmen" zu treffen, um die vollständige Anwendung aller Bestimmungen dieser Richtlinie sicherzustellen und insbe sondere festzulegen, wie Ver stöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften " zu ahnden" sind , so brachte dies allenfalls eine politische Empfeh lung zum Ausdruck, die den Mitgliedstaaten nahe legt, kriminalstrafrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche zu ergreifen. Eine notfalls im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens (§ 4 Rn. 38) durchsetzbare Verpflichtung zur Schaffung bestimmter Straftatbestände wurde damit jedoch nicht begründet.
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ABlEG 1990 Nr. C 332, S. 86, 87 f. ABlEG 1990 Nr. C 319, S. 9. ABlEG 1990 Nr. C 324, S. 257, 259. Fülbier, wistra 1996, 49 (Fn. 5). BR-Drs. 288 /90 , S. 1 f.
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§ 8 Strafrechtliche Annexkompetenz der EU
14 Zwar waren sich die im Rat vereinigten Regierungsvertreter darüber einig, dass Geldwäsche trotz der allgem ein gehaltenen Formulierung der Richtlinie mit strafrechtlichen Mitteln bekämpft werden sollte>'. Ihre diesbezügliche Übereinstimmung durft e aber nicht dahingehend interpretiert werden, dass sie eine entsprechende Verpflichtung kraft Sekundärrechtsanweisung akzeptiert hätten". Vielmehr ergab sich eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung eines Kriminalstraftatbestandes bereits aus Art. 3 Nr. I und 4 lit. ades Ubl-Suchtstoffübk und aus Art. 6 Nr. I des GeldwÜbK des Europarates (Rn . 11). Der später durch das OrgKG v. 15. Juli 1992 (Rn . 11) geschaffene § 261 StGB beruhte somit zwar auch , aber eben nicht ausschließlich auf der I. GeldwRL2 6. Daher ist es zwar einerseit s zutreffend, darauf hin zuwei sen, das s § 261 StG B auf eine Gemeinschaftsinitiativ e zurückzufLihren ist. Es ist aber andererseits verfehlt, § 261 StGB als Beispiel für originär gemeinschaftsrechtsgezeugtes Strafrecht anzufLihren. 15 Lösungshinweise zu Frage 2 : Die in Art . 14 der I . GeldwRL enthaltenen Anweisung (Rn . I) ist komp etenzrechtlich unbedenklich, da sie lediglich eine aus dem Treueg ebot (Art . 4 111 UA 2 EUV; ex-Art. 10 EGV) abzuleitende Sanktionierungsverpflichtung konkretisiert (§ 7 Rn. 26 ff.).
16 Bereits durch die 2. GeldwRL27 wurde die I. GeldwRL mit dem Ziel geändert, einen weiterhin hohen Schutzstandard bei der Bekämpfung der Geldwäsche zu etablieren-" . Mit der Neufassung sollte der Finan zsektor so weit wie möglich in den Anwendungsbereich der Richtlinie einb ezogen werden. Darüber hinaus wurde der Vortatenkatalog auf ein über Drogenstraftaten deutlich hinausgehendes Deliktsspektrum ausgedehnt. Zudem wurden auch Not are , Rechtsanwälte-", Abschlussprüfer, externe Buchprüfer, Steuerberater und Immobilienmakler, Spielkasinobetreiber sowie Händler hochw ertiger Güter und Versteigerer grundsätzlich in den Adressatenkreis der von der Richtlinie statuierten Pflichten einbezogen, wobei den Mitgliedstaaten jedoch ein relativ breiter Umsetzungsspielraum verb lieb. Noch detailliertere strafrechtl iche Vorgaben enthält die 3. Geld wRL (Rn . I) . Das spezifi24
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Vgl. den Wortlaut ihrer Erklärung in A BlEG 1991 Nr. L 166, S. 77, 83. Hugger, Strafrechtliche Anweisun gen , S. 45 f. Amb os, ZStW 114 (2002), S. 236 ff.; Hugger, Stra frec htliche Anweisungen, S. 43 ff.; MüK oStGB INeuheuser, 2003 , § 261 Rn. 22 ; Satzger , Europäisierung, S. 398 ; Vogel, ZStW 109 (199 7), S. 335 , 337; Schroderl'Iextor, GwG, Vor § 261 StG B Rn. 16 ff. RL 200 1l97/EG des EP und des Rates v. 4. Dezemb er 2001 zur Ände rung der RL 9 11308/EWG (ABl EG 2001 Nr. L 344 , S. 76 ft). Vgl. hierzu Ambos, ZStW 114 (2002), S. 236 , 238 . Zur Disku ssion über eine etwa erforderliche tele olo gische Reduktion des § 261 StG B in Fällen einer Annahme von Strafverteidigerhonora ren, die aus einer Katalogt at des Mandanten herr ühr en vgl. Fischer, § 261 Rn. 32 ff. Der BG H ist diesen Vor schl äge n nicht gefo lgt (BGI-ISt 47,68). Das BVerfG hat j edo ch am 30 . Mä rz 2004 entschieden, dass § 261 11 Nr. 1 StG B nur dann mit der Ver fassun g vere inbar ist, wenn der Strafverteidiger bei Annahm e des Hono rars sichere Kenntnis von dessen illegaler Herkunft aus einer Katalogtat habe (BVerfG E 110, 226 = NJW 2004 , 1305; vg l. auch BVerfG NJ W 2005 , 1707) .
A. Strafrechtsharmonisierung durch Richtlinien
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sehe Gefahrdungspotential der Geldwäsche ergibt sich aus einem Täusch ungselement, nämlich dem Einsch leusen inkriminierter Gegenstände in den lega len Wirtschaftskreislauf als diesem entstammend. Diesen Ansatz aufgreifend, normiert Art. I 11 lit. a-c der 3. GeldwRL drei sich teilweise überschneidende Tatbe stände (Verschleierungs-, Absichts- und Vermögenshehlereitatbestand), in denen das geldwäschespezifische Täuschungselement in objektiver oder subjektiver Ausprägung in Erscheinung tritt". In dem Kata log des Art. 3 Nr. 5 lit. a-f führt die 3. GeldwRL diejenigen Handlungen auf, die von den Mitgliedstaaten zwingend als geldwäscherelevante Vortaten einz ustufen sind?' . Ergänzt wird die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche durch den auf ex-Art . 31 lit. a, c und e EUV gestützten Rahmenbeschluss des Rates v. 26. Juni 200 I über Geldwäsche sowie Ermittlung, Einfrieren, Besch lagnahme und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten'", der die Mitg liedstaaten verpflichtet, eine Wertersatzstrafe sowie für schwere Straftaten Mindesthöchststrafen von vier Jahren Freiheitsstrafe einzuführen'". Lösungsh inweise zu Frage 3: Die Frage, ob gegen detai llierte Anweisungen zur 17 Tatbestandsausgestaltung nach dem Muster des Art. I der 3. GeldwRL v. 26. Oktober 2005 (Rn . 1) kompetenzrechtliche Bedenken bestehen, ist im Lichte der einschlägigen primärrechtlichen Befugnisnormen zu beantworten. Gestützt wird die 3. GeldwRL auf zwei Kompetenzgrundlagen, deren Bezug zum Geldwäschestrafrecht nicht ohne weiteres zu erkennen ist, nämlich zum einen auf ex-Art. 47 11 EGV (Art. 53 I AEUV) , der die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten zum Gegenstand hat, und zum anderen auf ex-Art . 95 EGV (Art . 114 AEUV) , wonach das EP und der Rat die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu erlassen haben , welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben . Die herangezogenen Kompetenzgrundlagen eröffnen der EG/EU einen weiten 18 Harmonisierungsspielraum. Nach ex-Art . 47 11 EGV (Art . 53 I AEUV) dürfen Maßnahmen getroffen werden , die speziell die Ausübung des Finanzgewerbes betreffen, während ex-Art . 95 EGV (Art . 114 AEUV) eine Grundlage für alle Maßnahmen bildet , die zum Schutz des Binnenmarktes erforderlich sind. Der von den genannten Kompetenzgrundlagen jeweils umfasste Regelungsbereich wird ganz offensichtlich von Geldwäschehandlungen betroffen, wenn man sich die Gefahrdungspotentiale der Geldwäsche (Rn . 11) vergegenwärtigt>'.
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Hecker, Kreuzer-FS, S. 216, 217 ff., Vogel, ZStW 109, S. 335, 339 ff. Vgl. hierzu BGHSt 50, 347, 355; Schroderl'Textor, GwG, Vor § 261 StGB Rn. 26, 30. ABlEG 2001 Nr. L 182, S. I. Nach Auffassung der Kommission muss dieser Rechtsakt im Lichte des Urteils des EuGI-I v. 13. September 2005 (EuGI-IE 2005, 7879 = JZ 2006, 307 = ZIS 2006, 179) auf eine primärrechtliche Kompetenzgrundlage (exArt. 47 11, 95 EGV) gestützt werden; vgl. KOM (2005) 583 endg., S. 7 (Anhang) . Gentzik, Europäisierung des Geldwäschestrafrechts , S. 47.
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§ 8 Strafrechtliche Annexkompetenz der EU
19 Durch Einschleusung "schmutziger" Gelder in den Finanzkreislauf könnten kriminelle Vereinigungen wirtschaftliche Einflussrnacht und Kontrolle über Finanz institute und deren Gesch äftspolitik gewinnen. Zum Schutz des Finanzgewerbes erscheint daher eine Koordini erung der Geldwäschebekämpfung unerlässlich. Auch sind ungleiche Wettbewerbsbedingungen zu befürchten, wenn die Mitgli edstaaten den Finanzinstituten national divergierende Überwachungs- und Kontrollaufgaben vorschreiben. Finanzinstitute in Staaten mit hohem Schutzstandard müssten dann erhebliche Mehrkosten tragen , was zu Wettbewerbsverzerrungen und somit zur Gefahrdung des Binnenmarktzieles führen würde. Die 3. GeldwRL ist somit wie bereits ihre Vorl äuferrichtlinien als eine dem Schutz der legalen Wirtschaft und des Binnenmarkts dienende Maßnahme zu versteh en". 20 Art . I der 3. GeldwRL belässt den Mitgliedstaaten einen eigenständigen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung. Die hier in Rede steh ende Anwe isung stellt keine unzulässige Umgehung der fehlenden Rechtssetzungskompetenz der EG/E U im Bereich des Kriminalstrafrechts dar . (Rn. 7-8) . Dennoch ist fraglich , ob die genannten Kompetenzgrundlagen auch derart umfangreiche und detailli erte Vorgaben zur Ausgestaltung nationaler Geldwäschetatbestände , wie sie in Art . I der 3. GeldwRL enthalten sind, zulassen" . Hierfür spricht vor allem der Effektivitätsgedanke . Eine wirkungsvolle Bekämpfung des gren züberschreitenden Phänomens Geldwäsche erfordert nicht nur eine union sweite Koordinierung der Geldwäschebekämpfung, sondern auch gemeinsame strafrechtliche Minde ststandards. Divergierende einzelstaatliche Regelungen zur Geldwäschebekämpfung sind nicht nur weniger geeignet, die vom Primärrecht vorgegebenen Ziele zu erreichen . Sie begründen sogar die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen und konterkarieren damit geradezu das Binnenmarktziel. Die aus dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art . 5 I, 111, IV EUV; ex-Art. 5 11, 111 EGV) abzuleitenden Kompetenzausübungsschranken (Rn . 48 ff.) standen und stehen daher nicht der Befugnis der EG bzw. EU entgegen, die Mitgliedstaaten im Wege einer Richtlinie anzuweisen, effektive Maßnahmen gegen Geldwäsche unter Einschluss kriminalstrafrechtlicher Mittel zu ergreifen'" . Hinweis: Der Vertrag von Lissabon überträgt der Union in Art . 83 I AEUV nunmehr eine originäre Strafrechtsangleichungskompetenz im Bereich der Geldwäsche (§ II Rn.3 f., 64) .
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Dannecker, JZ 1996, 869, 874 . Vgl. hierzu SchräderlTextor, GwG, Vor § 261 StG B Rn. 24 m. w. N . Gentzik, Europäisierung des Geldwäschestrafrechts, S. 50; Hecker, Kreuze r-FS, S. 216,218 ff.; Vogel, ZStW 109 (1997) , S. 335 ,343,349. Dies wird auch zugestanden , wenn gle ich kritisiert von SchräderlTextor, GwG, Vor § 261 StGB Rn. 26.
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2. Strafrechtlicher Schutz des Euro Die Kommission legte am 18. Dezember 1996 einen Vorschlag für den Erlass 21 einer Verordnung über die Einführung des Euro" vor, der in Art. 12 die Anweisung enthielt: "Die teilnehmenden Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachahmungen und Fälschungen von Banknoten und Münzen angemessen bestraft werden."
In den Erwägungsgründen der Verordnung sollte festgehalten werden , dass Bank- 22 noten und Münzen eines "angemessenen Schutzes vor Fälschungen" bedürfen . Vor diesem Hintergrund sollte nach dem Willen der Kommission eine ausdrückliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Schaffung entsprechender Strafbestimmungen statuiert werden . Die Verordnung (EG) Nr, 974/98 des Rates über die Einführung des Euro v. 3. Mai 199839 entsprach dem Vorschlag der Kommission aber nur insoweit , als in den Erwägungsgründen auf die Notwendigkeit eines "angeme ssenen Schutzes vor Fälschungen " hingewie sen wurde . Als Sanktionsregelung enthält die Verordnung gerade keine ausdrückliche strafrechtliche Anweisung, sondern begnügt sich in Art. 12 mit der "weichen" Formulierung: "Die teilnehmenden Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es angemessene Sanktionen für Nachahmungen und Fälschungen von Euro-Banknoten und Euro-Münzen gibt."
Die Verordnung überlässt es mithin den Mitgliedstaaten, wie sie den strafrechtli- 23 chen Schutz des Euro sicherstellen. Den Erlass spezifisch kriminal strafrechtlicher Maßnahmen legt die Verordnung zwar nahe, schreibt sie aber nicht explizit vor. Letzteres wäre kompetenzrechtlich unbedenklich gewesen , da sich eine strafrechtliche Schutzverpflichtung der Mitgliedstaaten aus dem Loyalitätsgebot (Art. 4 111 UA 2 EUV; ex- Art. 10 EGV) ergibr'", Dass selbst eine rein deklaratorische Sanktionsverpflichtung keinen Eingang in die später erlassene Verordnung fand, bestätigt die Entschlossenheit der Mitgliedstaaten, ihre Souveränität auf dem Gebiet der Strafgesetzgebung zu verteidigen . Am 29. Mai 2000 verabschiedete der Rat außerhalb des Gemeinschaftsrechts , 24 nämlich auf der Grundlage des ex-Art . 31 lit. e EUV, einen Rahmenbeschluss über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro, der am 30. Mai 2000 in Kraft getreten isr" . Durch diesen im Rahmen der früheren 3. Säule der EU erlassenen Rechtsakt werden alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, Fälschungshandlungen einschließlich des (grenzüberschreitenden) Inverkehrbringens strafrechtlich zu erfassen . Hinweis: Art. 83 I AEUV überträgt der Union nunmehr eine originäre Strafrechtsangleichungskompetenz im Bereich der Fälschung von Zahlungsmitteln (§ II Rn. 3). 38
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ABlEG 1996 Nr. C 369, S. 10. ABlEG 1998 Nr. L 139, S. 1; vgl. hierzu Kilb, JuS 1999, 10 ff. Borries/Repplinger-Hach , NJW 1996, 3111, 3116 ; C. Schroder, NJW 1998, 3179 f. ABlEG 2000 Nr. L 140, S. I.
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3. Umweltstrafrecht 25 Vor dem Hintergrund regionaler und globaler Umweltprobleme hat sich in vielen Staaten der Welt die Einsicht durchgesetzt, dass die Umwelt nicht allein durch den Einsatz des Privat- und Verwaltungsrechts, sondern auch mit dem Instrument strafrechtlicher Repression zu schützen ist42 • Wie die rechtsvergleichende Forschung lehrt, gibt es heute in Europa keine Rechtsordnung mehr, die auf das Strafrecht als Mittel des Umweltschutzes gänzlich verzichtet". Von einem einheitlichen europäischen Umweltschutzstandard kann allerdings nicht die Rede sein. Angesichts der erheblichen juristischen und praktischen Probleme, vor die sich die Strafverfolger vor allem in Fällen grenzüberschreitender Umweltkriminalität gestellt seherr", erscheint die Forderung unabweisbar, einheitliche umweltstrafrechtliche Standards in den europäischen Staaten zu schaffen". Nur ein vereinheitlichtes europäisches Umweltstrafrecht vermag der Einsicht Rechnung zu tragen, dass die Bewahrung einer intakten Umwelt im Sinne der Erhaltung und des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen schon per se ein universelles und nicht nur ein nationales Interesse darstellt". Hinzu kommt , dass divergierende umweltstrafrechtliche Standards in den Mitgliedstaaten ein Strafrechtsgefälle schaffen , dass zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann und damit das Binnenmarktziel konterkariert".
a) Konvention des Europarates zum Schutz der Umwelt durch Strafrecht 26 Das Ziel der Harmonisierung des Umweltstrafrechts in Europa wird bereits von der Konvention des Europarates zum Schutz der Umwelt durch Strafrecht v. 4. November 1998 verfolgt". In diesem - bisher nur von Estland ratifizierten Übereinkommen werden umweltstrafrechtliche Tatbestände formuliert , die von den beitretenden Staaten in nationales Recht umzusetzen sind . Bisher ist jedoch noch nicht einmal die für das Inkrafttreten der Konvention erforderliche Mindestzahl von 3 Ratifikationen zustande gekommen. Es besteht jedoch die begründete Aussicht, dass es in absehbarer Zeit gelingen wird, wenigstens in den 27 Mitgliedstaaten der EU einen einheitlichen umweltstrafrechtlichen Mindeststandard zu etablieren. 42 43
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Heine, UPR 1987,281 ; ders., ZStW 101 (1989), S. 722 , 724 f[ Heine, Umweltstrafrecht in mittel- und südeuropäischen Ländern, 1997, pas sim ; Corni/siHeine, Umweltstrafrecht in den nordischen Ländern, 1994, pass im; EserlHeine (Hrsg.), Umweltstrafrecht in England und den USA , 1994, passim ; Knaut, Europäisierung de s Umweltstrafrechts, S. 145-238. Hecker, ZStW 115 (2003), S. 880 ff. m. w. N . Fromm, Z fW 2009, 157. Eisele, Harmon isierung des Umweltstrafrechts, S. 134, 140 f.; Höpfel, Triffterer-FS, 1996, S. 425 , 426 r. Dannecker/Streinz, EUDUR, § 8 Rn . 51 ff.; Knaut , Europäisierung des Umweltstrafrechts, S. 306 ; krit. hierzu Heger, Europäisierung, S. 93 ff. ETS Nr . 172. Vgl. hierzu Knaut, Europäisierung de s Umweltstrafrechts, S. 243-295 .
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b) Richtlinienvorschlag der Kommission v. 13. März 2001 Die Kommission legte am 13. März 200 I einen auf ex-Art. 175 EGV gestützten 27 Richtlinienvorschlag über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt vor'", Nach Auffassung der Kommission reichen die bestehenden Sanktionen der Mitgliedstaaten nicht aus, um die vollständige Einhaltung des gemeinschaftlichen Umweltrechts zu gewährleisten . Nach wie vor komme es oft zu ernsten Verstößen, die nicht mit hinreichend wirksamen und abschreckenden Sanktionen geahndet würden. Art. 3 des Richtlinienvorschlages sah deshalb eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen , um bestimmte Tätigkeiten unter Strafandrohung zu stellen , wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen werden und die im einzelnen aufgelisteten Umweltschutzvorschriften der Gemein schaft und/oder Vorschriften der Mitgliedstaaten zur Umsetzung solcher Vorschriften der Gemeinschaft verletzen. In Art. 4 des Richtlinienvorschlages wurde den Mitgliedstaaten aufgegeben, sicherstellen, dass bei Straftaten gemäß Art. 3 sowie Beihilfe und Anstiftung zu diesen Straftaten wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen verhängt werden können . Genauere Vorgaben zur Ausgestaltung des Allgemeinen und des Besonderen Teils des Umweltstrafrechts sowie zur Rechtsfolgenseite enthielt der Richtlinienvorschlag nicht. Hinsichtlich natürlicher Personen sollten die Mitgliedstaaten strafrechtliche Sanktionen vorsehen, einschließlich des Freiheitsentzuges in schwerwiegenden Fällen . Juristische Personen sollten in angemessenen Fällen mit dem Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder Hilfen, vorübergehenden oder ständigen Verboten von Handelstätigkeiten oder mit richterlicher Aufsicht beziehungsweise einer richterlich angeordneten Auflö sung bedroht werden . Der Richtlinienvorschlag überließ es den Justizbehörden der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob die Straftaten nach Art. 3 in jedem Fall zu verfolgen sind, oder ob sie Möglichkeiten zum Absehen von Strafe in Fällen von geringer Bedeutung vorsehen, in denen die Auswirkungen auf die Umwelt vernachl ässigt werden können .
c) Rahmenbeschluss über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt Bereits in der Vergangenheit haben die im Rat vertretenen Mitgliedstaaten unter 28 Berufung auf ihre nationale Souveränität Richtlinienvorschläge mit kriminalstrafrechtlichen Anweisungen zurückgewiesen (Rn . 7 ff.). So auch in diesem Fall. Aufgrund bestehender Kompetenzvorbehalte der Mitglied staaten lehnte der Rat mit überwältigender Mehrheit die Annahme der von der Kommis sion vorge schlagenen Richtlinie ab . Stattdessen aktivierten die Mitgliedstaaten nach langen Verhandlungen das Instrumentarium der PJZS (§ 5 Rn. 67 ff.). Am 27. Januar 2003 verabschiedete der Rat der Europäischen Union einen Rahmenbeschluss über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht, der am 6. Februar 2003 in Kraft
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KOM (2001) 139 endg. (ABlEG 2001 Nr. C 180 E, S. 238). Vgl. hierzu Eis ele, Harmonisierung des Umweltstrafrechts, S. 134, 142 ff.; Schmalenberg, Europäisches Umweltstrafrecht, passim.
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getreten ist 50 • Auch nach Auffassung der Mitgliedstaaten ist die Bekämpfung der Umweltkriminalität eine staatenübergreifende Angelegenheit, die abgestimmte strafrechtliche Maßnahmen erfordert. Der Rahmenbeschluss stellte unter Berücksichtigung des Richtlinienvorschlags der Kommission und der Europaratskonvention einen Katalog umweltkrimineller Handlungen auf, die - wenn sie vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig begangen werden - mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafen zu bedrohen sind . Inhaltlich lehnte er sich weitgehend an das Übereinkommen des Europarates (Rn . 21) an, dessen Umsetzung in deutsches Recht im Hinblick auf die Verhandlungen auf EU-Ebene zurückgestellt worden war. Bemerkenswert sind vor allem die in dem Rahmenbeschluss vorgesehenen Eignungsdelikte im Bereich des Gewässer-, Luft- und Bodenschutzes sowie des Abfallstrafrechts. 29 Die Kommission stellte sich indes auf den Standpunkt, dass ein gemeinschaftsrechtlicher Besitzstand bei Umweltkriminalität nur durch das Gemeinschaftsrecht festgelegt werden könne und müsse. Dies gelte insbesondere für die Definition der umweltbelastenden Tätigkeiten, die strafbar sein sollen und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, strafrechtliche Sanktionen vorzusehen. Insoweit bestehe kein Raum für die Annahme eines Rechtsaktes nach ex-Art. 34 EUV. Die Kommission reichte daher eine Klage auf Nichtigerklärung des Rahmenbeschlusses beim EuGH ein . Damit bestand für den EuGH Gelegenheit, erstmalig über die Frage der Existenz einer kriminalstrafrechtlichen Anweisungskompetenz zu entscheiden. Eine aus ex-Art. 29, 47 EUV abzuleitende Befugnis der Mitgliedstaaten, Maßnahmen im Rahmen der 3. Säule zu treffen, kommt nur in Betracht, wenn hierdurch nicht unzulässig eine Gemeinschaftskompetenz - hier in Form einer strafrechtlichen Anweisungsbefugnis - beschnitten wird'" .
d) Urteile des EuGH zur Anweisungskompetenz der EG 30 Mit Urteil v. 13. September 2005 erklärte der EuGH - dem Schlussantrag von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer folgend - den Rahmenbeschluss über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht für nichtig 52 • Der EuGH hob hervor, dass die Kompetenzen der Gemeinschaft nach ex-Art. 29, 47 EUV durch die Bestimmungen des EUV unberührt bleiben, wie insbesondere im Wortlaut" Unbeschadet der Befugnisse der Europäischen Gemeinschaft " zum Ausdruck gelange. Der Umweltschutz sei eines der wesentlichen Ziele der Gemeinschaft. In Art . 2 EGV (Art. 3 111 UA I EUV) werde die Aufgabe der Gemeinschaft beschrieben, " ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität " zu för50
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ABlEG 2003 Nr. L 29, S. 55; vgl. hierzu Eisele, Harmoni sierung des Umweltstrafrechts, S. 134, 146 ff. ; Knaut , Europäisierung des Umweltstrafrechts, S. 340 ff.; Mansdörfer , Jura 2004, 297 Ir vgl. hierzu Heger, Europäisierung , S. 118 ff.; Hugger, Strafrechtliche Anweisungen, S. 92 f.; Streinz, Otto-FS, 1029, 1040; Pohl, Z IS 2006, 213, 216 f. EuGHE 2005, 7879 = JZ 2006, 307 = ZIS 2006, 179; vgl. hierzu Böse, GA 2006, 211; Hefendehl, ZIS 2006, 161; Heger, JZ 2006, 310; Kubiciel , NStZ 2007, 136; Pohl, ZIS 2006 ,213; Schäfer, JA 2006, 342.
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dem und Art . 3 I lit. I EGV (Art. 4 11 lit. e AEUV) sehe zu diesem Zweck " eine Politik auf dem Gebiet der Umwelt " vor. Darüber hinaus müssten nach Art . 6 EGV (Art. II AEUV) " die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung
und Durchführung der Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen einbezogen werden ", was den Querschnittscharakter und die grundlegende Bedeutung dieses Zieles verdeutliche. Die Art . 174-176 EGV (Art. 191-193 AEUV) stellen - so der EuGH - grundsätzlich den Rahmen dar, in dem die gemeinschaftliche Umweltpolitik durchzuführen sei . Art . 174 EGV (Art. 191 AEUV) führe die Ziele der Umweltpolitik auf und Art . 175 EGV (Art. 192 AEUV) lege das Verfahren zur Erreichung dieser Ziele fest. Grundsätzlich falle das Strafrecht ebenso wie das Strafprozessrecht nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft. Dies könne den Gemeinschaftsgesetzgeb er jedoch nicht daran hindern , Maßnahmen in Bezug auf das Strafrecht der Mitgliedstaaten zu ergreifen, die erforderlich sind , um die volle Wirksamkeit der von ihm zum Schutz der Umwelt erlassenen Rechtsnormen zu gewährleisten, wenn die Anwendung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen durch die zuständigen nationalen Behörden eine zur Bekämpfung schwerer Beeinträchtigungen der Umwelt unerlässliche Maßnahme darstellt. Die in ex-Art. 135 S. 2 EGV bzw . ex-Art. 280 IV S. 2 EGV enthaltenen Vorbehaltsklauseln (" Die Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten und ihre Strafrechtspflege bleiben unberührt. ") stünden der Annahme einer strafrechtlichen Anweisungskompetenz der EG jedenfalls im Bereich der Umweltpolitik nicht entgegen. Nach die sen Darlegungen des EuGH stand somit fest , dass der Rahmenbeschluss des Rates über den Schutz der Umwelt durch Strafrecht in unzul ässiger Weise in die Kompetenz der EG übergreift und daher für nichtig zu erklären war. Von einigen Stimmen ist die Entscheidung des EuGH sehr kritisch bewertet 31 worden'P, was angesichts der schon seit jeher geäußerten Vorbehalte gegen Strafrechtskompetenzen der EG kaum zu überraschen vermag. Nach hier vertretener Ansicht verdient das Urteil im Ergeb nis Beifall>. Der EuG H bestätigte die überzeugende h. L., da ss sich aus den Kompetenzgrundlagen des ex- EGV (hier: exArt . 175 EGV) ungeachtet der fehlenden Zuständigkeit der EG auf dem Gebiet des Kriminalstrafrechts eine Rechtsangleichungsbefugnis in Form einer strafrechtlichen Anweisungskompetenz ableiten lässt'" . Der Wortlaut der primärrechtlichen Harmonisierungsgrundlagen schließt ihre Heranziehung zur Begründung strafrechtlicher Anweisungskompetenzen nicht aus 56 • Zudem wurde in der Lite53
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f-Ief endehl, ZIS 2006, 161 ff.; Heger, JZ 2006, 310 ff.; Kaiafa-Gb andi , ZIS 2006, 521, 523 ff.; Pohl, ZIS 2006, 213 ff.; WegeneriGreena walt, ZUR 2005, 585 ff. Zust. auch Diehm, wistra 2006, 366, 368 ff.; Kubiciel, NStZ 2007, 136 ff.; Schäfer, JA 2006, 342 ff. und Böse, GA 2006, 211 ff., der weitergehend als EuGH und h. L. sogar eine Strafrechtsetzungsbefugnis der EG bejaht. Ambos, IntStR, § 11 Rn. 30 Ir ; Böse, Strafen und Sanktionen, S. 61 ff.; Dannecker, Jura 2006,95,97 f.; ders. , Jura 1998, 79, 81 ff.; GröblinghoJJ, Verpflichtun g des Strafgesetzgebers, S. 91 ff.; Hugger, Strafrechtliche Anweisungen, S. 54; 62 ff.; Satzger , Europäisierung, S. 407 ff. Böse, Strafen und Sanktionen, S. 78; Satzger, Europäisierung, S. 470.
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ratur'" überzeugend nachgewiesen, dass sich aus Gemeinschaftsrecht kein ungeschriebener Rechtsgrundsatz ableiten lässt, nach dem das Strafrecht dem Anwendungsbereich der primärrechtlichen Harmonisierungsgrundlagen von vornherein entzogen wäre . Auch wenn allein die Mitgliedstaaten zur Setzung von Kriminalstrafrecht befugt sind , so bedingt doch die final und dynamisch konzipierte sowie auf Effektivität angelegte Kompetenzverteilung zwischen EG und Mitgliedstaaten, dass kein Bereich des nationalen Rechts von vornherein den Harmonisierungsbefugnissen der EG entzogen sein kann . Das Strafrecht befindet sich somit nicht in einer gemeinschaftsrechtlichen Tabuzone. Bekräftigt wurde dieser Standpunkt durch das Urteil des EuGH v. 23. Oktober 2007 58 , mit welcher der Rahmenbeschluss des Rates vom 12. Juli 2005 zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens zur Bekämpfung der Versehrnutzung durch Schiffe'" für nichtig erklärt wurde. Nach Ansicht des EuGH hätten die Vorschriften des Rahmenbeschlusses auf der Grundlage der Bestimmungen über die gemeinsame Verkehrspolitik (ex-Art. 70 ff. EGV ; Art . 90 ff. AEUV) erlassen werden können. Es handelt sich bei den vorgenannten Urteilen um Grundsatzentscheidungen, die nicht nur auf die konkret behandelten Bereiche des Umweltschutzes bzw . der Verkehrspolitik, sondern darüber hinaus auch auf alle sonstigen Gemeinschaftspolitiken und Grundfreiheiten ausstrahlen. Die nicht ganz frei von Polemik geäußerte Befürchtung, hiermit werde der Weg für eine "Tota lharmonisierung des Strafrechts'"? geebnet und der nationale Gesetzgeber zum .Brüsseler Lakaien?" degradiert, ging an der Rechtswirklichkeit vorbei und übersah die vom Gemeinschaftsrecht (Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) abgesteckten Grenzen, die der Angleichung mitgliedstaatliehen Strafrechts bereits im Rahmen der früheren I. Säule gesetzt waren und nach Inkrafttreten des Reformvertrags fortgelten (Rn . 49 ff.).
e) Richtlinie 2008/99/EG über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt 32 Unter dem Eindruck des Urteils des EuGH v. 13. September 2005 zog die Kommission ihren ursprünglichen Richtlinienvorschlag (Rn . 24) zurück und legte am 9. Februar 2007 einen neuen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt vor62 • Nach jahrelangen Kompetenzstreitigkeiten trat schließlich am 26 . Dezember 2008 die Richtlinie 2008/99/EG des EP und des Rates v. 19. November 2008 über 57
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f-1ugger , Strafrechtliche Anw eisungen, S. 54; 62 ff.; ihm folgend Böse, Strafen und Sanktionen , S. 81,94 und Satzger, Europ äisierung, S. 470 . EuGHE 2007 , 9097 = N StZ 2008 , 703 ; vgl. hierzu Eisele, JZ 2008 , 248 ff.; Fromm , Z UR 2008 , 301 ff.; Kubiciel , NStZ 2007 , 136 ff; Satzger, KritV 2008 ,17,22 ff.; Zimmermann, NStZ 2008, 662 ff.; Zöller, Z IS 2009 , 340 , 345 I: AB IEU 2005 Nr. L 255, S. 164. Hefendehl, Z IS 2006 , 161, 166, 167 ("Brüsseler Krake "); Wegener/Greenawalt, ZU R 2005 , 585, 588 . Hefendehl, ZIS 2006 , 161, 167 im An schlu ss an Schiinemann , StV 2003 , 531 . KOM (2007), 51 endg .; vgl. hierzu Heger, Harmonisierung, S. 275 ff.
A Srrafrechtsharmonisie rung durc h Richtlinien
2RI
d en st r a f r ec h tl ic he n Sc h u t z d er U m w e lt 63 in Kra ft . D ie au f e x-A n . 175 J EGV (A rt. J9J AEUV) gest ützte Richtlin ie legt st ra fre cht liche M aß na h men fest , d ie e ine m wirksa me re n U m w e ltsc h utz dienen so llen. Di e M itg lied sta a te n w er de n ve rp fli chtet, in ihre n na t io na le n Rech tsvorsc hri fte n strafre c ht liche Sa nkt io ne n für sch we re Ve rstöße gegen d as ge mei nsc haftliche Um weltsch ut zrec ht vo rzuse he n. Z u di e sem Zwec k listet Art. 3 in e ine m Ka tal og fo lge nd e um w e ltsc häd lic he recht sw id r ige (R n. 3 0) Ha nd lung en auf, d ie unt er Stra fe ge ste llt w erden m üs se n, w en n s ie vorsätzl ich od e r zu m ind e st gro b fah r läss ig begange n we rd e n: (a) die Einle itung. Abgabe oder Einbringung einer Menge von Stoffen oder ionisie render Strahlung in die Lul1. de n Boden oder das Was ser, die den Tod oder eine schwere Körpcrvcrlctvung von Personen oder crhchlic hc Sch äden hinsichtlich der 1.1I1l. , Hod en. oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann; (b) die Sammlung. Beförderung. Verwertu ng und Beseitigung von Abfälle n. einsc hließlieh der betriebli chen Überwachung dieser Verfahren und der Nachsorge von Bese itigu ngsanlagen sow ie der Hand lungen, die von Händlern oder Maklern übernommen werden (Bewirtsc haftung von Abfa ll). die den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Lutt-. Boden- ode r Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann; (c) d ie Verbring ung von Abfä llen. so fern diese Tätigkeit unter Artikel 2 Nummer 35 der Verordnung (EG) NT. 101312006 des EP und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abl1lllen64 fäl lt und in nicht unerheblicher Menge erfolgt, unabhängig davon. ob es sich bei der Verbringung um eine e inzige Verbringung oder um mehrere. o lle nsichtlich zusam menhänge nde Vcrbringungcn handelt (d) der Betrieb einer Anlage. in der e ine gefähr liche Tätigkeit ausgeübt wird oder in der gefährl iche Stoffe oder Zube reitu ngen gelage rt oder verwendet werden, wodurch außerhalb dieser Anlage der Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhe bliche Schäden hinsichtlich der LuH-, Boden- oder Wasserqual ität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht werden oder verursacht werden können: {e] die Herstellung, Bearbeitung, Handhabung, Verwendu ng, der Besitz. d ie Lagerung, der Transpo rt, die Einfuhr, Ausfu hr oder Beseitigung von Kernmarerial oder andere n gcfährfich cn radioakt iven Stoffen. die den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Persone n oder erheblic he Schäden hinsichtlic h der l.uü-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanze n verursacht oder verursachen kann; (I) die Tötung. die Zerstörung, der Besitz oder die Entnahme von Exemplaren geschützter. wildlebender T ier- oder Pflanzenarten. mit Ausnahme der Fälle, in denen die Handlung eine unerhebliche Menge d ieser Exemplare betr ifll und unerhebliche Auswirkungen auf den Erha ltungszusta nd der Art hat: (g) der Handel mit gesch ützten wildlebenden Tier- ode r Pflanzenarten. Teilen ode r Erzeugnissen davon, mit Ausnahme der Fälle. in denen d ie I landlung eine uner hebliche Menge dieser Exemplare betrifft und unerhebl iche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art hat: (h}jedes Verhalten. das eine erhebliche Schädigung eines Lebensraums innerhalb eines gesc hützten Gebiets verursac ht: ( i) die Produkt ion. Einfuhr. Ausfuhr, das Invcrkchrbringcn oder die Verwendung von Stoffen, d ie zum Abbau der Ozonsc hicht beitragen. ABi EU 2008 NI'. L 328, S. 2R. vgl. hierzu Fromm, ZIW 2009, 157 Ir : Zimmermann, Z R!' 2009, 74 Ir ABiE U 2006 NI'. L 190, S. I.
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§ RStrafrechtliche Annexkompetenz der EU
33 Als "rechtsw idrig" definiert Art . 2 lit. a Verstöße gegen d ie in Anhang A aufgeführten Rechtsak te der Gemeinscha ft" oder gege n nat ional e Gesetze , ver waltungs rechtliche Vorschriften oder Entsc heidunge n ei ner zustä ndigen Behörde e ines Mitgliedstaat s, d ie der Umsetzun g der vorgenan nte n Rech tsakt e d ienen. Die Richtl inie bringt damit d ie euro parechtsakzessorische Tatbestandsstrukt ur des europä isc hen Umweltstra frecht s zum Ausdruck" . 3~ Art . 4 ordnet an, dass Anstift ung und Beihi lfe zu de n in Art. 3 genannte n vor sätzl ichen Hand lungen unter Strafandro hung ges te llt werde n. Art . 5 verlangt den Mitgliedstaat en d ie Einfü hrun g w irksam er, angemessener und absch reckend er Sanktionen ab. Hierd urch werden led iglich d ie nach den Rechtvo rschriften der Mitgliedstaat en anw endb aren Strafen einander angenähert, nicht aber die tatsächlieh zu verhängend en Strafen (vg L hierzu 10. Erwäg ungsgru nd) . Insoweit sind der Rechtsangleichu ng d urch das Prinz ip der Tat- und Sch uldangem essenheit der Strafe und aufgrund der Unabhäng igke it der Gerichte von vom herein Grenzen gesetzt. Ano rdnun gen über d ie Haftung juristischer Per sonen (Art. 2 lit. d) ergeben sich aus Art . 6 und 7, wobe i auch die Androhung nic htkriminalstrafrecht licher Sa nktionen als ausreichend erachtet w ird. Mitgl iedstaat en, die in ihre r Rechtsord nung die strafrechtl iche Verantwortlic hkeit j uristischer Personen nicht anerkennen, sind also nicht verpflichtet, ihr nationales System zu ände m'". 35 Da die Mitgl iedstaat en verp flicht et sind, die Richtlinie bis zum 26. Dezem ber 20 10 in natio nale s Recht umzuset zen (Art. 8 I), ste llt sich fllr den de utschen Gesetzge ber die Aufga be, einen etwaige n legislatorischen Anpa ssungsbedarf zu prüfen 68 .
. '
Diese betreffen namentlich die Bereiche Gcwässcr-, Luft- und Bodenreinhaltung. Abfallbescitigung. Artenschutz, Schutz der Ozonschicht und umwehrelevamer Anlagenbetrieb [vgl. ABI 2008 Nr. L 328. S. 32 11:). Heger. Europäislcrung.S. 296 11: Fromm. ZIW 2009. 157. 161: Zimmermann: ZRP 2009.74.75. Vgl. hierzu Heger; Europäisierung, S. 275 11: : S/S/lleine. Rn. 7 e vor §* 324 11 : Zimmermann. ZR!' 2009. 74. 7611:
B. Strafrechtsangleichung in harmonisierten Politikbereichen
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B. Strafrechtsangleichung in harmonisierten Politikbereichen I. Grundlagen und Funktionen der Strafrechtsangleichung nach Art. 83 11 AEUV Die Befugnis zur Strafrechtsangleichung im Bereich der 1. Säule der EU war - 36 wie gezeigt - bereits vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon aus den allgemeinen oder speziellen Harmonisierungsgrundlagen abzuleiten, die nunmehr im AEUV enthalten sind. Der neu geschaffene Art. 83 11 AEUV knüpft an die strafrechtliche Annexkompetenz an, die diesen Harmonisierungsgrundlagen immanent ist, wobei er als zwingende Voraussetzung für ihre Ausübung festlegt , dass sich die Angleichung strafrechtlicher Rechtsvorschriften als unerl ässlich'" für die wirksame Durchführung der Unionspolitik auf einem Gebiet erweist, auf dem Harmonisierungsmaßnahmen erfolgt sind (Rn. 48). Bemerkenswert ist, dass nach Art. 83 11 AEUV nicht nur die Stratbarkeitsvoraussetzungen, sondern auch die Strafen einer Mindestangleichung zugänglich sind". Die früher im Bereich der Strafrechtsangleichung praktizierte "doppeigleisige" Gesetzgebung (Richtlinie der EG plus Rahmenbeschluss des Rates) gehört damit der Vergangenheit an. Wenn von einer Harmonisierung des Strafrechts gesprochen wird, so ist damit 37 die inhaltliche Angleichung nationaler Strafrechtsnormen auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite auf der Grundlage unionsrechtlich definierter und verbindlicher Standards gemeint?" . Von der Strafrechtsangleichung strikt zu trennen ist die Schaffung supranationaler Straftatbestände, für die - mit einer Ausnahme (§ 4 Rn. 81) - auch der Vertrag von Lissabon keine Kompetenztitel bereitstellt. Angesichts der begrenzten Reichweite strafrechtsrelevanter Kompetenzzuschreibungen im AEUV (Rn. 40 ff.) bewirkt die Strafrechtsharmonisierung innerhalb der Union keine Totalvereinheitlichung mitgliedstaatlicher Strafrechtsnormen, sondern wie auch Art. 83 11 AEUV zu entnehmen ist - lediglich eine Mindestangleichung. Zu den Maßnahmen, die auf eine Angleichung des materiellen Strafrechts der 38 Mitgliedstaaten in harmonisierten Politikbereichen abzielen , gehört der Erlass von Mindestvorschriften zur Ausgestaltung der einschlägigen Tatbestände des Besonderen Teils . Diese können in einer gemeinsamen Definition enthalten sein, in welcher die zentralen objektiven und subjektiven Merkmale der zu inkriminierenden Handlung beschrieben werden , z. B. "Geldwäsche" (Rn. I), "kriminelle Tätigkeit" (Rn . I) bzw . " umweltschädliche Handlung" (Rn . 32), und durch die detailliertere oder weitergehende Begriffsbestimmungen des nationalen Rechts 69
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Vgl. zu diesem Kriterium I3VerfG NJW 2009, 2267, 2288; Böse, ZIS 2010, 76, 87; Kretschmer, EVV, Art. 111-271 Rn. 21; Kubiciel, GA 2010, 99, 105; ReilingiReschke, wistra 2010,47,49 f.; Zimmermann, NStZ 2008, 662, 664; ders., Jura 2009,844,847. Anders noch EuGHE 2007, 9097 = NStZ 2008, 703 hins. der Anweisungskompetenz der EG; vgl. hierzu Heger, ZIS 2009, 406, 413; Zimmermann , NStZ 2008, 662, 665. Hecker, JA 2007,561 ,562; Vogel, GA 2003,314,315 f.
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nicht ausgeschlossen werden . Den Mitgliedstaaten steht es demnach frei, darüber hinaus auch weitere Verhaltensweisen unter Strafandrohung zu stellen . Es ist ihnen jedoch verwehrt, die Mindestvorschriften der in einer Richtlinie definierten strafbaren Handlung zu unterschreiten, indem sie zusätzliche Strafbarkeitsvoraussetzungen aufstellen. Die strafrechtliche Annexkompetenz umfasst auch Maßnahmen, die sich auf die Anwendung von Bestimmungen des Allgemeinen Teils beziehen, soweit dies für eine wirksame Bekämpfung der jeweiligen Kriminalitätsbereiche erforderlich ist und hierdurch nicht in die Grundstruktur der nationalen Strafrechtssysteme eingegriffen wird . Unproblematisch sind z. 8. bereichsspezifische Vorgaben, durch die sichergestellt werden soll, dass der Versuch einer bestimmten Straftat und die Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe) mit Strafe bedroht werden (Rn . 34) . Nicht gestattet sind jedoch über die Festlegung von Mindestvorschriften hinausgehende Definitionen des Versuchs, der Täterschaft und Teilnahme oder sonstiger Elemente des Allgemeinen Teils . Regelungsvorgaben zur Verantwortlichkeit juristischer Personen sind nur zulässig, wenn den Mitgliedstaaten ein weiter Umsetzungsspielraum belassen wird, der auch die Möglichkeit einer Beschränkung auf nichtstrafrechtliche Sanktionen zulässt. Einer Mindestangleichung zugänglich sind schließlich die Strafen, die z. 8. in Form von Mindesthöchststrafen vorgegeben werden können. Letztere legen das Mindestmaß einer im nationalen Strafrecht vorzusehenden Höchststrafandrohung fest. Zu beachten ist, dass hierdurch lediglich die nach den Rechtvorschriften der Mitgliedstaaten anwendbaren Strafen einander angeglichen werden , nicht aber die tatsächlich zu verhängenden Strafen. Insoweit sind der Rechtsangleichung durch das Prinzip der Tat- und Schuldangemessenheit der Strafe und aufgrund der Unabhängigkeit der Gerichte Grenzen gesetzt. Auch Regelungsvorgaben über erschwerende bzw . strafmildernde Umstände können auf Art. 83 11 AEUV gestützt werden . 39 Der Strafrechtsangleichung nach Art. 83 11 AEUV kommt zentrale Bedeutung für einen gleichmäßigen Schutz der Rechtsgüter der Union und eine effektive Durchsetzung der Unionspolitiken zu. Unterschiede zwischen den nationalen Strafrechtsordnungen - zu denken ist etwa an das Wirtschafts-, Umwelt- und Lebensmittelstrafrecht - können nachteilige Auswirkungen auf den Binnenmarkt entfalten" . Werden gleichartige Wettbewerbshandlungen in einem Mitgliedstaat mit Kriminalstrafe bedroht, in einem anderen als bloßes Ordnungsunrecht eingestuft und im dritten als nicht sanktionierbare Tätigkeit gewertet, so entsteht hierdurch ein Strafrechtsgefälle, das territorial unterschiedliche Zugangsbedingungen für die Marktteilnehmer schafft. Hieraus können sich dysfunktionale Folgen für die internationale Wettbewerbssituation ergeben, die das Unionsziel der Herstellung eines einheitlichen Binnenmarktes (Art. 26 AEUV) konterkarieren".
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Böse, Strafen und Sanktionen, S. 71; Gröblinghoff, Verpflichtung des Strafgesetzgebers, S. 99 Ir; Hecker, Produktwerbung, S. 424 ; Kerl, Lebensmittelstrafrecht, S. 482 ; Knaul , Europäisierung des Umweltstrafrecht s, S. 322. Vgl. hierzu Dannecker, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Kap. Rn 197; ders., Jura 2006 ,95,97; Sieber, JZ 1997,369,374.
B. Strafrecht sangleichung in harmonisierten Politikbereichen
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11. Strafrechtsrelevante Harmonisierungsbefugnisse im AEUV 1. Spezielle und allgemeine Harmonisierungsbefugnisse Art. 83 II AEUV normiert die Voraussetzungen und die Reichweite der in den 40 Harmonisierungsgrundlagen des AEUV angelegten Befugnis der Union zur Angleichung mitgliedstaatliehen Strafrechts, soweit dieses sich als Annex zu einem bereits harmonisierten Politikbereich darstellt. Die Tätigkeitsbereiche der Union sind in Art. 3, 6 AEUV (ausschließliche Zuständigkeit) und Art. 4, 5 AEUV (geteilte Zuständigkeit) im Einzelnen festgeschrieben . Zur Verwirklichung dieser Aufgaben stellt der AEUV eine Reihe spezieller Kompetenzvorschriften bereit , die eine sachbereichsspezifische Rechtsangleichung ermöglichen (Rn. 41--46). Daneben enthält der Vertrag allgemeine Kompetenzgrundlagen (Rn. 47), die nicht auf bestimmte sachliche Materien begrenzt sind, sondern die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben . Für das Verhältnis dieser Kompetenzgrundlagen zueinander gilt grundsätzlich, dass die Spezialermächtigungen den allgemeinen Befugnisnormen vorgehen. Soweit eine Harmonisierungsmaßnahme nicht auf erstere gestützt werden kann, ist die allgemeine Befugnisnorm des Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) zu prüfen , welche wiederum gegenüber Art. 115 AEUV (ex-Art. 94 EGV) vorrangig zur Anwendung gelangt. Höchst subsidiär ist Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) anwendbar, nämlich nur dann, wenn ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich erscheint, um eines ihrer Ziele zu verwirklichen, jedoch die hierfür erforderlichen Befugnisse in den Verträgen nicht vorgesehen sind. Im Folgenden soll der Blick auf einige exemplarisch ausgewählte Politikbereiche gerichtet werden , in denen strafrechtliche Rechtsangleichungsmaßnahmen nach Maßgabe des Art. 83 II AEUV in Betracht kommen . Im Anschluss daran sind die unionsrechtlichen Grenzen aufzuzeigen, die jeder Harmonisierung im Bereich der Strafen und Sanktionen gesetzt sind. Diese Schranken stecken zugleich die Reichweite der strafrechtlichen Annexkompetenz ab.
2. Spezialermächtigungen im Bereich der gemeinsamen Politiken
a) Gemeinsame Agrarpolitik (Art. 38-44 AEUV) Im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, deren Ziele in Art. 39 AEUV (ex-Art. 41 33 EGV) beschrieben werden , sind nach Art. 40 I AEUV (ex-Art. 34 I EGV) gemeinsame Marktorganisationen zu errichten. Nach Art. 40 II AEUV (ex-Art. 34 II EGV) schließt die gemeinsame Marktorganisation alle zur Durchführung des Art. 39 AEUV "erforderlichen" Maßnahmen ein. Wie die Erfahrung der vergangenen Jahre lehrt, ist der Agrarsektor für Betrügereien und Unregelmäßigkeiten besonders anfällig (§ 14 Rn. 8 ff.)?", Vorfälle dieser Art konterkarieren die Maßnahmen der Union zur Stabilisierung der Agrarmärkte, Stützung der Lebenshaltung der Landwirte, Preispolitik und zum Verbraucherschutz. Daher dient die Bekämpfung dieser Betrügereien und Unregelmäßigkeiten auch der Verfol74
Dannecker, ZStW 108 (1996), S. 577 ff.
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gung der in Art. 39 AEUV genannten Ziele": Vor diesem Hintergrund ist die Kompetenznorm des Art. 40 Abs . 2 AEUV dahingehend auszulegen, dass sie der Union auch die Befugnis verleiht, die Mitgliedstaaten anzuweisen, Verstöße gegen Gemeinschaftsmaßnahmen, welche die effektive Durchführung der gemeinsamen Marktorganisation behindern, mit strafrechtlichen Sanktionen zu ahnden . Für die Erforderlichkeit einer richtliniengesteuerten Harmonisierung des mitgliedstaatlichen Strafrechts spricht auch , dass divergierende mitgliedstaatliche Maßnahmen zu Wettbewerbsverzerrungen fuhren , welche die in Art. 39 AEUV genannten Ziele gefahrden (Rn . 38). Zu beachten ist, dass Art. 83 11 AEUV die Wahrnehmung der in Art. 40 11 AEUV angelegten strafrechtliche Annexkompetenz unter die Voraussetzung stellt, dass sie sich als unerlässlich für die wirksame Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik erweist (Rn . 48).
b) Gemeinsame Verkehrspolitik (Art. 90-100 AEUV) 42 Art. 91 I lit. c AEUV (ex-Art. 71 Abs. I lit. c EGV) verleiht der Union im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik die Befugnis, " Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit" zu erlassen. Das Ziel der Verbesserung der Verkehrsicherheit steht somit nicht nur im Zusammenhang mit der Realisierung wirtschaftpolitischer (binnenmarktbezogener) Ziele , sondern stellt ein eigenständiges Unionsinteresse dar . Die Befugnisnorm des Art. 91 I Iit. c AEUV ermächtigt z. B. zum Erlass von Rechtsakten über die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Gefahrguttransporten sowie Maßnahmen zur Regelung des Verhaltens von Verkehrsteilnehmern (z. B. Gurtanlegeptlicht; Lenkzeiten). Damit ist die Möglichkeit, weite Teile des Straßenverkehrsrechts und der damit zusammen hängenden Straf- und Bußgeldbestimmungen zu harmonisieren, prinzipiell eröffnet". Zu denken wäre etwa an eine einheitliche Ausgestaltung der Trunkenheitsdelikte" (vgl. aber Rn. 51). Ein praktisches Anwendungsbeispiel für strafrechtliche Harmonisierungsmaßnahmen im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik bildet die Anweisung zur EinfLihrung strafrechtlicher Sanktionen zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch Schiffe." (Art . 10011 AEUV ; ex-Art. 80 11 EGV) . c) Umweltschutz (Art. 191-193 AEUV) 43 Bereits seit Anfang der 1970er Jahre setzte die frühere Gemeinschaft europäisches Umweltrecht auf der Grundlage einer dynamischen Handhabung des Vertrages, insbesondere einer extensiven Interpretation der in ex-Art. 94 EGV und ex-Art. 308 EGV enthaltenen Harmonisierungskompetenzen. Eine bedeutsame Aufwertung erfuhr der gemeinschaftliche Umweltschutz mit dem Inkrafttreten der EEA im Jahre 1987 durch EinfLigung eines besonderen Umweltkapitels in den ex-EGV , 75 76
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Böse, Strafen und Sanktionen, S. 63; Satzger, Europäisierung, S. 471. Böse, Strafen und Sanktionen, S. 66; Gröblinghoff, Verpflichtung des Strafgesetzgebers, S. 93; Satzger, Europäisierung, S. 413 f. Bislang existiert nur eine Empfehlung der Kommission betr. den für Kraftfah rzeugfahrer höchsten zulässigen Blutalkoholgehalt (ABlEG 200 I Nr. L 43) . RL 2009!123 /EG v. 21. Oktober 2009 (ABlEU 2009 Nr. L 280, S. 52).
B. Strafrechtsangleichung in harmonisierten Politikbereichen
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welches später durch die Verträge von Maastricht und Amsterdam weiterentwickelt wurde . Auch heute wird der Umweltschutz maßgeblich durch die Umweltpolitik der Union geprägt. Diese dient nach der Zielsetzung des Art. 191 I AEUV (ex-Art. 174 I EGV) der Erhaltung und dem Schutz der Umwelt sowie einer Verbesserung ihrer Qualität, dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der umsichtigen und rationellen Verwendung der natürlichen Ressourcen und der Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme. Sie hat sich an einem "hohen Schutzniveau" zu orientieren (Art. 191 11 AEUV ; ex-Art. 174 11 EGV) . Schwerpunkte der bisherigen Harmonisierungsaktivitäten bildeten die Bereiche Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung, Abfallwirtschaft, Chemikaliensicherheit, Gewässer-, Natur- und Klimaschutz. Damit ist bereits vorgezeichnet, welche Bestimmungen des mitgliedstaatliehen Strafrechts von einer Rechtsangleichung nach Maßgabe des Art. 83 11 AEUV erfasst sein können . Zu denken ist in diesem Zusammenhang vor allem auch an die Lösung der bei grenzüberschreitenden Umweltverst ößen auftretenden Rechtsprobleme". Art. 192 I AEUV (ex-Art. 175 I EGV) bietet eine Kompetenzgrundlage, die es der Union gestattet, die Mitgliedstaaten zur Ergreifung strafrechtlicher Maßnahmen gegen gravierende Umweltrechtsverstöße zu verpflichten und damit zu einem wirksamen Schutz der Umwelt beizutragen. Ergänzend kann auf Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) rekurriert werden , da divergierende umweltstrafrechtliche Standards in den Mitgliedstaaten zu Wettbewerbsverzerrungen führen können (Rn. 25) . Auf die am 26. Dezember 2008 in Kraft getretene Richtlinie 2008/99/EG des EP und des Rates v. 19. November 2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt wurde bereits hingewiesen (Rn . 32 ff.).
d) Schutz der EU-Finanzinteressen (Art. 325 IV AEUV) Fall 2: Die Kommission nahm bereits vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon eine 44 strafrechtliche Anweisungskompetenz der EG in Anspruch, wie in dem von ihr vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie des EP und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft v. 23. Mai 2001 80 zum Ausdruck gelangt'" . Rechtspolitischer Hintergrund dieses Richtlinienvorschlags war die aus Sicht der Kommi ssion allzu zögerliche Ratifikation des im Rahmen der 3. Säule geschlossenen Übereinkommens über den Schutz der finanz iellen Intere ssen der Gemein schaften v. 26. Jul i 1995 nebst den beiden Zusatzprotokollen. Die Kommi ssion erblickte in ex-Art. 280 IV EGV eine passende Recht sgrundlage für die Annäherung des materiellen Strafrechts in Bezug auf die Definition von Betrug, Korruption und Geldwäsche zum Nachteil der Gemeinschaft sowie die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Strafen . Nach dem Willen der Kommission sollen in der Richtlinie definitorische Vorgaben zu bestimmten, von den Mitgliedstaaten zu erlassenden Straftatbeständen gemacht werden . Ferner sollen die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden , dass die den Vorgaben entsprechenden Handlungen (Straftaten) durch wirksame, angemessene und abschreckende Strafen geahndet werden können , die zumindest in schweren Betrugsfällen auch Freiheitsstrafen umfassen . Die vorge schlagenen Be79 80 81
Vgl. hierzu Hecker, ZStW 115 (2003) , S. 880, 901 ff: KOM (200 I) 272 endg . Vgl. die überarbeitete Fassung des Richtlinienvorschlags v. 16. Oktober 2002 ; KOM (2002), 577 endg .
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stimmungen gehen also deutlich über eine bloße Konkret isierung der bereits aus ex-Art . 10 EGV abzuleitenden Sanktionierungsgebote zum Schutz der finanziellen Interessen hinaus. Frage I : War der Richtlinienvorschlag von ex-Art. 280 IV EGV gedeckt? (Vgl. Rn. 45) Frage 2: Kann ein entsprechender Richtlinienvorschlag auf Art. 325 IV AEUV i. V. m. Art. 83 11 AEUV gestützt werden? (Vgl. Rn. 46)
45 Lösungshinweise zu Frage I : Der durch den Amsterdamer Vertrag geschaffene ex-Art. 280 IV EGV wurde schon bei der Diskussion einer etwaigen Strafrechtssetzungskompetenz der früheren EG einer näheren Betrachtung unterzogen (§ 4 Rn. 80 f.). Nach hier vertretener, aber umstrittener Ansicht ließ sich aus ex-Art. 280 IV S. 1 EGV zwar keine supranationale Strafgesetzgebungskompetenz, wohl aber eine Befugnis zur Angleichung mitgliedstaatliehen Strafrechts ableiten, soweit dies zur Erreichung des spezifischen Schutzzwecks (Bekämpfung von Betrügereien zum Nachteil der EG) erforderlich war (§ 4 Rn. 81). Allerdings fiel nach Auffassung des EuGH82 (Rn. 31) die Bestimmung von Art und Maß der anzuwendenden strafrechtlichen Sanktionen nicht in die Zuständigkeit der EG, sodass der Richtlinienvorschlag der Kommission bezüglich der Anweisung, in schweren Fällen auch Freiheitsstrafen vorzusehen, nicht von ex-Art. 280 IV EGV gedeckt war . 46 Lösungshinweise zu Frage 2: Der durch den Vertrag von Lissabon neu gefasste Art . 325 IV AEUV verzichtet auf die in ex-Art. 280 IV S. 2 EGV enthaltene Vorbehaltsklausel (" Die Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten und ihre Strafrechtspflege bleibt unberührt. H), wodurch streiterledigend klargestellt wird , dass im Bereich des Schutzes der EU-Finanzinteressen eine Strafrechtsharmonisierung durch Richtlinien nach Maßgabe des an diese Annexkompetenz anknüpfenden Art . 83 " AEUV möglich ist83. Angleichungsfähig sind sowohl die Straftaten (Tatbestandsmerkmale) als auch die Strafen (Rechtsfolgen). Auf die gestellte Frage ist daher zu antworten, dass der Erlass einer Richtlinie zur strafrechtlichen Bekämpfung des EU-Betrugs, wie ihn der Kommissionsvorschlag v. 23 . Mai 2001 vorsah , auf Art . 325 IV AEUV i. V. m. Art . 83 " AEUV gestützt werden kann . Allerdings müssen - wie in allen Fällen der Ausübung einer strafrechtlichen Annexkompetenz - die vom Unionsrecht abgesteckten Harmonisierungsgrenzen (Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) beachtet werden (Rn . 48 ff.).
3. Allgemeine Harmonisierungsbefugnisse (Art. 114, 115 AEUV) 47 Die Harmonisierungsbefugnisse der Art . 114, 115 AEUV (ex-Art. 95 , 94 EGV) sind nicht auf bestimmte Sachbereiche begrenzt, sondern funktional (zielgerichtet) konzipiert'". Harmonisierungsmaßnahmen können auf Art . 115 AEUV (ex-Art. 94 EGV) nur gestützt werden, wenn sie sich auf Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen, die sich auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken. Der Binnenmarkt beschränkt sich aber nicht auf die ausdrücklich in Art . 26" AEUV (ex-Art. 14" EGV) genannten Elemente, 82 83 84
EuGHE 2007, 9097 = NStZ 2008, 703. Satzger, KritV 2008, 25 ff.; ders., IntStR, § 9 Rn. 50. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EU-lEG-Vertrag, Art. 94 EGV Rn. 3.
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sondern erstreckt sich im Rahmen der Grundfreiheiten auf ein System unverfälschten Wettbewerbs. Im Anwendungsbereich des Art . 114 AEUV liegen somit grundsätzlich alle Vorschriften - einschließlich Sanktionsbestimmungen - , die den freien Wettbewerb im Binnenmarkt beeinträchtigen können und deren Harmonisierung der Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen dient". Art . 114 AEUV ermächtigt z. B. zu strafrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen in den Bereichen Geldwäsche (Rn . 17 ff.), Insiderhandel'" und Schutz des geistigen Eigentums'". Auch die früher im Rahmen der PJZS ergriffenen Maßnahmen (Rahmenbeschlüsse) zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln'", Bestechung im privaten Sektor'" und Angriffen auf Informationssysteme'" können auf Art . 114 AEUV i. V. m. Art . 83 Abs . 2 AEUV gestützt werden.
111. Grenzen der strafrechtlichen Anweisungskompetenz Die Kompetenzausübungsbefugnis der Union wird durch die Grundsätze der Sub- 48 sidiarität (Art. 5 I S. 2, III UA 1 EUV) und Verhältnismäßigkeit (Art. 5 I S. 2, IV UA 1 EUV) begrenzt?" . Art . 83 II AEUV bestimmt, dass die Union von ihrer auf Annexkompetenz beruhenden strafrechtlichen Anweisungsbefugnis nur Gebrauch machen darf, wenn sich die Angleichung strafrechtlicher Rechtsvorschriften für die wirksame Durchführung der Unionspolitik in einem harmonisierten Bereich als "unerlässlich" erweist. Dieses der Judikatur des EuGH zur strafrechtlichen Anweisungskompetenz der EG (Rn . 30, 31) entstammende Kriterium ist als Ausprägung des Subsidiaritätsgrundsatzes (Rn . 49 ff.) zu begreifen. Problematisch erscheint die Ausdeutung, nach der das Unerlässlichkeitserfordernis den Beurteilungsspielraum des europäischen Gesetzgebers dahingehend einschränke, dass eine Strafrechtsangleichung erstens nur bei (empirischem) Nachweis eines gravierenden Vollzugsdefizits erfolgen dürfe, welches zweitens nur durch Strafandrohung beseitigt werden k önne'". Dem Unionsgesetzgeber kann nicht abver-
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Kahl, in: Call iess/Ruffert (Hrsg.), EU-lEG-Vertrag, Art . 94 EGV Rn. 17. Vgl. RL 2003 /6/EG des EP und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipul ation v. 28. Januar 2003 (ABlEU 2003 Nr . L 96, S. 16; zuletzt geändert durch Art . 1 RL 2008 /26 /EG v. 11. Mär z 2008 (AB IEU 2008 Nr. L 81, S. 42); vgl. hierzu Park, NStZ 2007,369 ff. Vgl. den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des EP und des Rates über strafrechtliche Maßnahmen zur Durch setzung der Rechte des ge istigen Eigentums v. 26. Juni 2006 (KOM [2006] 168 endg .). ABIEU 2001 Nr . L 149, S. I. AB IEU 2003 Nr. L 192, S. 54. AB IEU 2005 Nr. L 69, S. 67. Vgl. hierzu Kubiciel, NStZ 2007 , 136, 138 ff., der zutreffend auf die freiheitssichernde Dimen sion der kompetenzrechtlichen Regulative hinwe ist. So aber BVerfG NJW 2009,2267,2288; zust. Satzger, IntStR, § 9 Rn. 41; Zimmermann, Jura 2009 , 844 , 850 .
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langt werden, was auch auf nationaler Ebene kaum jemals zu leisten ist93 . Wegen des Vorrangs des Unionsrechts (§ 9 Rn. 2) können sich die rechtlichen Grenzen, die der Strafrechtsangleichung in harmonisierten Politikbereichen ges etzt sind , nur aus dem Unionsrecht selbst ergeben. Aus unionsrechtlicher Sicht dient die an bereits harmonisierte Politikbereiche anknüpfende strafrechtliche Annexkompetenz dem Schutz von Unionsinteressen und der effektiven Durch setzung des Unionsrecht s?' . Dieser aus dem Prinzip der Union streue (Art. 4 III UA 2 EUV) abzuleitende Schutzauftrag (§ 7 Rn. 2, 24 ff.) darf - ungeachtet der Anerkennung eines strafrechtl ichen Schonungsgebotes (Rn . 55) - nicht durch die Errichtung einer zu restriktiven Kompetenzausübungsschranke konterkariert werd en'". Bei funktionaler Betrachtung ist den nation alen Souveränit ätsinteressen im Anwendungsfeld der Strafrechtsharmonisierung aufgrund Ann exkompetenz grundsätzlich ein geringeres Gewicht beizumessen als bei der Strafrechtsangleichung nach Art . 83 I AEUV (§ 11), zuma l die Harmonisierung i. R. d. Art . 83 11 AEUV in der Regel Bereiche betrifft, die weniger stark von nationalen Wertvorstellungen geprägt sind'". Verfehlt ist daher auch der Vorschlag, die strafrechtliche Annexkompetenz in Analogie zu Art. 83 I AEUV auf den Bereich schwerer Kriminalität zu beschränken '" .
1. Subsidiaritätsprinzip 49 Eine Komp etenzausübungsschranke ergibt sich zunächst aus dem in Art . 5 I S. 2, III UA I EUV verankerten Subsidiarit ätsprinzip, wonach die Union in den Bereichen , die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen , nur tätig werd en darf, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßn ahm en von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können , sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Union seben e besser zu verwirklichen sind. Das Sub sidiaritätsprinzip soll einer ausufernden Inanspruchnahme der unionsrechtlichen Regelungsgewalt entgegenwirken. Es handelt sich dabei nicht um einen bloß en Programmsatz, sond ern um eine rechtlich verbindliche und justiziable Komp etenzausübungsregel. Nach Art . 3 AEUV gehören zur ausschließlichen Zust ändigkeit der Union lediglich die Politikbereiche Zollunion, Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln, Währungspolitik in der Eurozone, Erhaltung der biologischen Meeresschätze und Handelspolitik. Im Regelfall besteht also lediglich eine geteilte Zust änd igkeit der Union (Art . 4 11 AEUV) mit der Folge , dass strafrechtliche Harmonisierungsmaßnahmen nur unter strikter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zulässig sind.
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Kubiciel, GA 2010, 99, 105; krit. auch Reiling/Resch ke, wistra 2010,47,50 I: Meyer, NStZ 2009, 657, 662. Mansdörf er, I-IRRS 2010, 11, 18. Böse, ZIS 2010, 76, 87. So aber Bacigalup o, ZStW 116 (2004), 326, 329; Walter, ZStW 117 (2005), 912, 929; dagegen zutr. Böse, ZIS 2010, 76, 87.
B. Strafrechtsangleichung in harmonisierten Politikbereichen
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Die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips liegt vor allem darin, dass es den an der 50 Rechtsetzung auf Unionsebene beteiligten Organen besondere Rechtfertigungsund Begründungslasten auferlegt, die vor dem Ergreifen von Maßnahmen zu prüfen sind'". Die Organe der Union wenden das Subsidiaritätsprinzip nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an (Art . 5 11I UA 2 S. 1 EUV), in dem die aus Art. 5 11I UA 1 EUV abzuleitenden Kriterien der Subsidiaritätsprüfung konkretisiert werden . Mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sind im Ergebnis nur Maßnahmen, die das Erforderlichkeits- und das Effizienzkriterium erfüllen'". Die Erforderlichkeit ist zu bejahen, wenn ein Unionsziel nur durch das Tätigwerden der Union erreicht werden kann. Kann dieses Ziel bereits durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten in ausreichender Weise verwirklicht werden, so steht dieser Befund der Erforderlichkeit einer Unionsmaßnahme entgegen. Bei der Prognose , ob die Mitgliedstaaten in der Lage sind, das Ziel bereits durch Maßnahmen auf nationaler Ebene in ausreichender Weise zu erreichen, sind deren wirtschaftliche und organisatorische Leistungsfähigkeit sowie deren rechtliche Handlungsmöglichkeiten einer Gesamtbewertung zu unterziehen. Die Erforderlichkeit von Harmonisierungsmaßnahmen wird am ehesten in grenzüberschreitenden Bereichen der gemeinsamen Politiken (z. B. Umwelt, Verbraucherschutz, Wettbewerb) zu bejahen sein, in denen die Verwirklichung der Unionsziele die Überwindung divergierender nationaler Schutzstandards und Wettbewerbsbedingungen erfordert. Erst recht ist ein Tätigwerden der Union erforderlich, wenn zumindest ein Mitgliedstaat " von sich aus" voraussichtlich keine hinreichenden Aktivit äten zur Erreichung des Unionsziels entfalten wird 10o • Nachdem die Erforderlichkeit einer Unionsmaßnahme bejaht wurde , bleibt für das Effizienzkriterium ("Mehrwert-Test") nur noch ein geringer Anwendungsspielraum. Nur wenn die EU ebenso wenig wie die Mitgliedstaaten in der Lage ist, ausreichende Maßnahmen zur Zielerreichung zu treffen , steht dies der Ausübung einer Unionskompetenz entgegen'?' . Nach alledem dürfte das Subsidiaritätsprinzip der Ausübung strafrechtli- 51 cher Harmonisierungsbefugnisse auf den Gebieten der Gemeinsamen Politiken in weiten Bereichen entgegenstehen, da die Mitgliedstaaten regelmäßig in der Lage sein dürften , hinreichende strafrechtliche Maßnahmen zu ergreifen , um die Realisierung der gemeinsamen Politiken zu gewährleisten. Dies trifft vor allem auf das Verkehrsstrafrecht zu. Das Unionsziel der Verkehrssicherheit (Art. 91 Abs. I lit. c AEUV ; Rn. 42) erfordert zwar effektive Sanktionen gegen gravierende Verkehrsverstöße wie z. B. Trunkenheitsfahrten. Diese Maßnahmen können jedoch bereits auf mitgliedstaatlicher Ebene wirkungsvoll ergriffen werden . Anders ist im Bereich des Umweltstrafrechts zu entscheiden. Nach zutreffender und auch vom EuGH (Rn. 30) bestätigter Auffassung ist die Erforderlichkeit einer Angleichung umweltstrafrechtlicher Haftungsprinzipien und die Schaffung eines 98 99
Vgl. hier zu Satzger , Europäisierung, S. 441, 445. Groblinghof]. Verptlichtung des Strafgesetzgebers, S. 138 f.; Satzger, Europäisierung, S. 446 f.
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101
Satzger, Europäisierung, S. 447 . Satzger, Europäisierung, S. 447 f.
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§ 8 Strafrechtliche Annexkompetenz der EU
umweltstrafrechtlichen Mindeststandards zu bejahen , weil nur so das Phänomen der grenzüberschreitenden Umweltkriminalität wirksam bekämpft und das Unionszi el eines effektiven Umweltschutzes realisiert werden kann 102 • Das Subsidiaritätsprinzip steht auch strafre chtlichen Anweisungen nach Art. 325 IV AEUV, die auf den Schutz der EU-Finanzinteressen abzielen, nicht entgegen, da sich gerade die Uneinheitlichkeit des mitgliedstaatliehen Strafrechtsschutzes als Hindernis für eine wirksame Bekämpfung von Betrügereien und Unregelmäßigkeiten zu Lasten des EU-Haushalts erweist. Auch den im Anwendungsfeld der allgemeinen Harmonisierungsbefugnisse (Art . 114, 115 AEUV) liegenden Maßnahmen zur Realisierung des Binnenmarktes - ein Beispiel hierfür ist die Geldwäschebekämpfung - steht das Subsidiaritätsprinzip nicht entgegen, soweit ihre transnationale Dimension die Erforderlichkeit supranationalen Handeins indiziert 103 •
2. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 52 Flankiert wird das Subsidiaritätsprinzip von dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der durch Art. 5 IV UA I EUV auf das Verhältnis der Union zu den Mitgliedstaaten ausgedehnt wird . Die Mitglied staaten werden im Kontext dieser Norm wie belastete Einzelne betrachtet, denen gegenüber eine Maßnahme nur dann als rechtmäßig erscheint, wenn sie zur Erreichung des mit ihr angestrebten Unionsziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Als denkbare Belastungen für die Mitgliedstaaten können sich z. B. die in der Maßnahme vorge sehene Regelungsdichte, ihre finanziellen Auswirkungen, die von ihr erzwungene Abkehr von eingespielten Verfahren oder die systemwidrige Durchbre chung nationaler Rechtsstrukturen erweisen . Die Organe der Union wend en den Grund satz der Verhältnismäßigk eit nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an (Art . 5 IV UA 2 EUV). 53 Beispiel für eine unverhältnismäßige Anweisung: Würde den Mitgliedstaaten von einer Richtlini e vorgeschri eben , den (in der Richtlinie näher definierten) Kapitalanlagebetrug mit einer erhöhten Minde ststrafe zu bedrohen, so führte dies zu erheblichen Friktionen mit bestehenden national en Stratbestimmungen, die den Kapitalanlagebetrug als Vorfeldtatbestand gegenüber dem " klassischen" Betrug ausgestaltet haben . So entstünde bei einer Umsetzung dieser Vorgabe in deutsches Recht ein systemimmanenter Wertungswiderspruch , weil § 264 a StGB als gegenüber § 263 StGB subsidiärer Tatbestand eine höhere Mindeststrafe aufweisen würde als für eine Tat nach § 263 StGB vorgesehen ist. Die gleichzeitige Anhebung des Mindeststrafrahmens beim Betrugstatbestand würde zwar den Wertungswiderspruch zwischen § 263 StGB und § 264 a StGB beseitigen, j edoch neue
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Hecker, ZStW 115 (2003), S. 880, 901 Ir ; Dannecker, JZ 1996,869,879; ders., Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Kap. Rn. 199; Knaut, Europäisierung des Umweltstrafrechts, S. 320 ff. Dannecker, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Kap. Rn. 195 ff. ; Satzger, Europäisierung, S. 449.
B. Strafrechtsa ngleichung in harmoni sierten Politikbereichen
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Friktion en mit § 242 StGB hervorrufen, welcher bislang den selben Strafrahmen aufwei st wie § 263 StGB104. Wenn mehrere geeignete Unionsmaßnahmen für die Zielerreichung zur Aus- 54 wahl stehen, muss die für die Mitgliedstaaten am wenigsten belastende gewählt werden. Ferner müssen die auferl egten Belastung en in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebt en Zielen stehen. Art. 5 IV UA 1 EUV betrifft im Gegen satz zu Art. 5 111 UA 1 EUV nicht das "Ob" , sondern das "Wie" der Kompetenzausübung der Union und gilt auch für Maßnahmen, die in deren ausschli eßlichen Zuständigkeitsbereich fallen . In den Fällen , in denen nicht bereits das Subsidiarit ätsprin zip der Ausüb ung einer strafrechtlichen Harmonisierungskompetenz der EU entgegensteht, bewirkt der Verhältnismäßigk eitsgrundsatz, dass die Unionsmaßnahme nicht über das zur Zielerreichung notwendige Interventionsminimum hinausg eht.
3. Reichweite der strafrechtlichen Anweisungsbefugnis der EU In der Zusammenschau der nach Art . 4 11 EUV zu achtenden nation alen Identit ät 55 der Mitgliedstaaten sowi e der in Art . 5 EUV verank erten Kompetenzausübung sschranken lässt sich - wie bereits im früheren Gemeinschaftsrecht - ein strafrechtsspezifisches Schonungsgebot'?" postulieren . Danach sind die Harmonisierungsbefugnisse der Union im Rahm en ihrer originären Strafrechtsangl eichungskompetenz (Art . 83 I AE UV; vgl. hierzu § 11) und hinsichtlich der Anne xkompetenz (Art . 83 11 AEUV) nach Maßgab e folgend er Grundsätze beschränkt: (1) Die Union darf keine unmittelbar anwendbaren Strafnormen - auch nicht im Gewande einer Harmonisierungsmaßnahme - erlassen. (2) Richtlinien dürfen die von den Mitgliedstaaten zu erlassende(n) Sanktionsnorm(en) weder auf der Tatbestands- noch auf der Rechtsfolgenseite detailliert vorgeben. Es ist also unzulässig, in einer Richtlinie den Erlass konkret ausformulierter Straftatbestände - wie sie sich z. B. im deutschen StGB finden - vorzuschreiben. (3) Die Richtlinie mu ss den Mitgliedstaaten so viel Umsetz ungsspielr a um bela ssen , dass es die sen möglich ist, die zu schaffende(n) Sanktionsnorm(en) unter Wahrung der Koh ärenz ihres Sa nkt ionensyste ms in die nationale Rechtsordnung zu integrieren 106. Dem nationalen Gesetzgeber mu ss deshalb eine Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren a nnä her nd gleichwertigen Umsetzu ngsmaß na h men eingeräumt werden.
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Eisele , JZ 2001 , 1157, 1163. Böse, ZIS 2010 , 76,85; Eiseie, JZ 2001 , 1157, 1163; Satzger, Europäis ierung, S. 166 ff.; ders., IntStR, § 9 Rn. 9, 27. Vgl. zu dem Aspek t, die au f europäischer Ebene bestehenden Einzelermächtigungen in eine r die mitgliedstaatlieh en Zuständigkeiten schonenden Weise wahrzunehmen BVerfG NJW 200 9, 2267, 2280 . Auch die Kommission hebt das Kohärenzgebot als zentrales Element der Strafrechtspoliti k der Union hervor; vgl. KOM (2005) 583 endg., S. 5.
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§ 8 Strafrechtliche Annexkompetenz der EU
IV. Verfahrensrechtliche Notbremse (Art. 83 111 AEUV) 56 Der Vertrag von Lissabon hat eine verfahrensrechtliche "Notbremse" eingeführt, die - wenn der ein Veto einlegende Mitgli edstaat nicht umgestimmt werden kann - einer Angleichung strafrechtlicher Rechtsvorschrift en nach Art . 83 I oder 11 AEUV entgegensteht'?". Art . 83 111 AEUV bestimmt: "Ist ein Mitglied des Rates der Auffassung, dass der Entwurf einer Richtlinie nach den Abs ätzen I oder 2 grundlegende Aspekte seiner Strafrechtsordnung berühren würde, so kann es beantragen, dass der Europäische Rat befasst wird. In diesem Fall wird das ordentliche Gesetzgebungsverfahren ausgesetzt. Nach einer Aussprache verweist der Europäische Rat im Falle eines Einvernehmens den Entwurf binnen vier Monaten nach Aussetzung des Verfahrens an den Rat zurück, wodurch die Aussetzung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens beendet wird. Sofern kein Einvernehmen erzielt wird, mindestens neun Mitgliedstaaten aber eine Verstärkte Zusammenarbeit auf der Grundlage des betreffenden Entwurfs einer Richtlinie begründen möchten, teilen diese Mitgliedstaaten dies binnen derselben Frist dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission mit. In diesem Fall gilt die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit nach Artikel 20 Absatz 2 EUV und Artikel 329 Absatz I dieses Vertrags als erteilt, und die Bestimmungen über die Verstärkte Zusammenarbeit finden Anwendung."
57 Ein Mitgliedstaat, der durch den Erlass einer der Strafrechtsharmon isierung dienenden Richtlinie grundlegende Aspekte se iner Strafrecht sordnung berührt sieht, kann nach Art . 83 111 AEUV das ordentliche Gesetzgebungsverfahren (§ 4 Rn. 7) blocki eren und sich einer Recht sangl eichung entz iehen. Die übrigen Mitgli edstaaten können die Richtlin ie jedoch im Wege einer Verstärkten Zusammenarbeit erlassen, so dass sie nur ihnen gegenüber Wirkung entfaltet. "Grundlegende Aspekte der Strafrechtsordnung", die nicht nur aus deuts cher Sicht geg en den Erlass einer Richtlin ie geltend gemacht werd en könnten, sind Z.B. in folgenden verfassungsrechtlichen, strafrechtsdogmatischen und kriminalpolitischen Zusammenhängen denkbarl'": Rechtsgutsprin zip, Schuldprinzip Rückw irkun gsve rbot Bestimmtheitsgebot (Wortlautschranke) Ultima-Ratio-Prinzip Strafbarkeit juristischer Personen Fahrlässigkeitshaftung bei Eigentums- und Vermögensdelikten
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Vgl. hierzu Heger, ZIS 2009, 406, 413 ff.; Mansdörfer, I-IRRS 2010, 11,20; Satzger, KritV 2008, 17,26 f., 37; ders., IntStR, § 9 Rn. 46 ; Sieber, ZStW 121 (2009), 1,56; Zimmermann, Jura 2009, 844, 848. Heger, ZIS 2009, 406, 414 f.; vgl. hierzu auch Satzger, KritV 2008, 17,34 ff sowie das von der internationalen Wissenschaftlergruppe .European Criminal Policy Initiative" erarbeitete Manifest zur Europäischen Kriminalpolitik , ZIS 2009 , 697 ff.
C. Literat urhinweise
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Stimmigkeit der Strafrahmen und Strafzumessungskonzepte Bereichsspezifische AT-Vorgaben zum Umwelt- und Wirtschaftsstrafrecht Täterschaft und Teilnahme, Vorsatzkonzeptionen, Rücktritt, tätige Reue Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht Abgrenzung von Verwaltungssanktionen und Kriminalstrafrecht Drogenpolitik, Sterbehilfe'?", Abtreibung Dass andere Mitgliedstaaten oder Unionsorgane die Auffa ssung des Veto einle- 58 genden Staates teilen , ist nicht erforderlich. Art. 83 III AEUV gesteht diesem eine nicht überprüfbare Einschätzungsprärogative zu. Auch ein ohne nachvollziehbare Begründung eingelegtes Veto bringt daher grunds ätzlich einen von der erforderlichen Mehrheit im Rat getragenen Rechtsakt auf dem Gebiet des Strafrechts zu Fall. Etwas anderes dürfte nur gelten , wenn der betreffende Staat sein Veto missbräuchlich , d. h. allein aus anderen als den in Art. 83 III AEUV genannten Gründen einlegt'!". Da hierin eine Verletzung der Treuepflicht (Art . 4 III EUV) zu sehen ist, steht zu erwarten, dass die Kommi ssion das Vertragsverletzungsverfahren (§ 4 Rn. 38) als Instrument der Missbrauchskontrolle nutzen wird!" .
C. Literaturhinweise Ambos, Intern ationales Strafrecht, 2. Aufl., 2008, § 11 Rn. 30-32 a Böse, Strafen und Sanktionen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1996, S. 6 I- 78 ders., Die Zuständigkeit der EG für das Strafrecht, GA 2006 , 21 I ders., Die Entscheidung des BVerfG zum Vertrag von Lissabon und ihre Bedeutung für die Europäisie rung des Strafrechts, ZIS 2010, 76 Dannec ker, Strafrecht in der EG, JZ 1996, 869, 873 ders., Die Entwicklung des Strafrechts unter dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts, Jura 1998,79 ders., Das materielle Strafrecht im Spannungsfeld des Rechts der Europäischen Union, Jura 2006,95 ders., in: Wabnitz/Jano vsky (I-Irsg.), Handbuch des Wirtschaft s- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl ., 2007, Kap. 2 Rn. 70-72, 194-199 Diehm, Die "sa fe-harbour"-Verordnung und das Urteil des EuGH zum Rahmenbeschlu ss über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht - Erste Konturen einer europ äischen Strafrechtskompetenz? -, wistra 2006 , 366 Eiseie, Einflussnahme auf nationales Strafrecht durch Richtliniengebung der Europäischen Gemeinscha ft, JZ 2001, 1157 ders., Harmonisierung des Umweltstrafrechts in der Europäischen Union, in: Pache (Hrsg.), Die Europäische Union - ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts?, 2005 , S. 134 109
110 111
Vgl. hierzu Hilgendorf, Sterbehilfe in Europa, in: Joerden/Swarc z (Hrsg.), Europäisierung des Strafrechts in Deutschland und Polen, 2007, S. 173 ff. Heger, ZIS 2009, 406, 414 . Zimmermann, Jura 2009, 844, 848.
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§ 8 Strafrechtliche Annexkompetenz der EU
Frenz/Wübbenhorst, Die Europäisie rung des Strafrechts nach der Lissabon-E ntsche idung des BVe rfG, wistra 2009,449 Groblinghoff Die Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers zum Schutz der Intere ssen der Europäischen Gemein schaften, 1996, S. 83-142 Hecker, Europäisches Strafrecht als Ant wort auftransnat ional e Kriminalität", JA 2002 , 723 ders., Sind d ie nat ional en Gren zen des Strafrecht s überw indbar? - Die Harmonisierun g des materiellen Strafrechts in der Europäis chen Union, JA 2007 , 561 ders., Die gemeinsch aftsrechtlichen Strukturen der Geldwäsche strafbarkeit, Kreuzer-F S, 2008 , S.216 Hefendehl, Europäischer Umwe ltschutz: Demokratiespritze für Europa oder Brüsse ler Puts ch?, Z IS 2006, 161 Heger, Anm erkun g zu EuGH v. 13. Septemb er 2005 , JZ 2006,310 ders., Perspektiven des Eur opäischen Stra frec hts nach dem Vertrag von Lissabon , ZI S 2009,406 Hugger, Strafrechtliche Anweisun gen der EG, 2000, passim Kaiafa-Gb andi , Aktu elle Strafrechtsentwicklun g in der EU und rechts staatl iche Defi zite, Z IS 2006 , 521 Kerl, Lebe nsmittelstra fre cht in Spannungsfeld des Gem einschaftsrechts, 2004 , S. 488 ff. Knaul, Die Europ äisierung des Umweltstra frechts, 2005 , S. 320 ff. Kubiciel, Grund und Grenze n strafrechtlicher Anweis ungs kompetenz der EG, NStZ 2007 , 136 ders., Das .Lissabonv-Urte il und sein e Folge n für das Europäische Strafrecht , GA 20 I0,99 Mansdorfer, Das Europäische Strafrecht nach dem Vert rag von Lissabon - oder Europäisierung des Strafrechts unter national staatliche r M itverantwortung, HRRS 20 I0, 11 Meye r, Die Lissabon- Ent scheidung des BVerfG und das Stra frecht, NS tZ 2009 , 657 Pohl , Ve rfassungsvertrag durch Richterspruch - Die Ent sche idun g des EuG H zu Kompetenzen der Geme insch aft im Umweltstra frecht, ZI S 2006, 213 Reili ng/Reschke, Die Auswirkun gen der Lissabon-Entscheidun g des ßVerfG auf die Europäisierun g des Umwe ltstrafrechts, wistra 20 I0,47 Rosenau , Z ur Europäisie rung im Strafrecht - Vom Schutz finan zieller Interessen der EG zu einem gem eineuropäis chen Strafgesetzbuch?, ZI S 2008, 9 Satzger . Die Europäisierun g des Strafrechts, 200 I, S. 393--473 ders., Intern ationale s und Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., 20 I0, § 9 Rn. 31-53 Schm alenberg , Europäisches Urnwcltstra frecht, 2004 , passim Schräder, Europäische Richtlini en und deutsches Strafrecht , 2002 , S. 179-196 Spannowsky , Wettbewerbsverzerrende Defizite des gem einschaftsrechtl ichen San ktion sund Voll strec kun gssystem s, JZ 1994, 326 Vogel, Wege zu europäisch-e inheitlichen Regelungen im Allgemeinen Teil des Stra frechts, JZ 1995,331 ders., Geldwäsche - ein europaweit harmoni siert er Straftatbestand?, ZStW 109 (1997), S. 335 Wegener/Greenawalt, (Umwelt- )Strafrecht in europäischer Komp eten z - zugleich eine Anmerkung zu EuG H, Urteil v. 13. September 2005 , ZUR 2005 ,585 Zimmermann, Die Aus legung künft iger EU-Strafrechtskompetenzen nach dem Lissabo nUrteil des BVe rfG, Jura 2009,844 Zäller, Europäische Strafgesetzgebung, Z IS 2009, 340
E. Zu sammenfassung von § 8
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D. Rechtsprechungshinweise EuGHE 2005 , 7879 = JZ 2006 , 307 = ZIS 2006, 179 (Anwe isung sko mpete nz der EG auf dem Gebiet des UmweItstrafrechts) EuGI-I 2007 , 9097 = NStZ 2008 , 703 (An weisungs kompetenz der EG auf dem Geb iet des Verkehrsstrafr echts - Meeresverschmutzung dur ch Schiffsverkehr) BVerfG NJW 2009 , 2267 (Re striktive Interp retation der strafrechtlichen Annexkompetenz)
E. Zusammenfassung von § 8 Die Bedeutung der nunmehr in Art. 83 11 AEUV verank erten strafrechtlichen 59 Annexkompetenz der Union in harmonisierten Politikbereichen erschließt sich nur vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der EG-Harmonisierungspolitik auf dem Gebiet des Strafrechts. Diese war - wie am Beispiel des Geldw äsche-, Geldfäl schungs- und Umweltstrafrechts aufge zeigt werden kann - zunächst geprägt von dem Widerstand der im Rat versammelten Regierungsvertreter gegen alle Versuche der Kommis sion, spezifisch kriminal strafrechtliche Anweisungen sekundärrechtlich festzuschreiben. Einen einschneidenden Wendepunkt für die Strafrechtsharmonisierung im Rahmen der früheren I. Säule der EU markieren die beiden Grundsatzurteile des EuGH aus den Jahren 2005 (Umweltstrafrecht) und 2007 (strafrechtlicher Schutz des Meeres vor Verschmutzung durch Schiffe) . Der EuGH bestätigte, dass das Kriminalstrafrecht grundsätzlich einer Rechtsangleichung nach Maßgabe der im ex-EGV enthaltenen Harmonisierungsbefugnisse zugänglich ist. In dem durch den Reformvertrag von Lissabon geschaffenen Art. 83 11 AEUV 60 wird die vom EuGH bereits zuvor anerkannte Kompetenz der Union, die Mitgliedstaaten durch Richtlinien zum Erlass oder zur Änderung von Strafvorschriften anzuweisen, auf eine eindeutige Rechtsgrundlage gestellt . Zentrale Vorau ssetzung für die Begründung einer strafrechtl ichen Anweisungskompetenz und einer damit korrelierenden Verpflichtung der Mitglied staaten ist - ausgehend von dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (§ 4 Rn. 45) - der Nach weis einer entsprechenden Harmon isierungsbefugnis im Primärrech t. Dieses Erfordernis besteht auch nach Schaffung des Art . 83 11 AEUV fort, da eine Annexkompetenz zur Strafrechtsangleichung nur angenommen werden kann, wenn sie bereits in einer den betreffenden Politikbereich regelnden Vertragsbestimmung enthalten ist. Potentielle Felder für strafrechtliche Rechtsangleichungsmaßnahmen sind die Bereiche Binnenmarkt, Verbraucherschutz , Umweltschutz, Verkehr, Lebensmittelsicherheit sowie Schut z der EU-Finanzinteressen. Art. 83 11 AEUV knüpft an bestehende Harmoni sierungsbefugnisse der EU (strafrechtliche Annexkompetenzen) an und formt diese konkret aus. Angleichungsfähig sind sowohl die Straftaten (Tatbe standsmerkmale) als auch die Strafen (Rechtsfolgen). Art. 83 11 AEUV bestimmt, dass die Union von ihrer strafrechtlichen Annexkompetenz nur Gebrauch machen darf, wenn sich die Angl eichung strafrechtli cher Rechtsvorschriften für die wirksame DurchfLihrung der Unionspolitik in einem harmonisierten Bereich
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§ 8 Strafrechtliche Annexkompetenz der EU
als "unerlässlich" erweist. Dieses der Judikatur des EuGH zur strafrechtlichen Anweisungskompetenz der EG entstammende Kriterium ist als Ausprägung des Subsidiaritätsgrundsatzes (Art . 5 I S. 2, 111 UA I EUV) zu begreifen. 61 Das als Kompetenzausübungsschranke wirkende Subsidiaritätsprinzip bestimmt, dass die Union in den nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallenden Bereichen nur tätig werden darf, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können , sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Die Organe der Union wenden das Subsidiaritätsprinzip nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an (Art . 5 111 UA 2 S. I EUV), in dem die aus Art. 5 111 UA I EUV abzuleitenden Kriterien der Subsidiaritätsprüfung konkretisiert werden . Die Erforderlichkeit von Harmonisierungsmaßnahmen wird am ehesten in grenzüberschreitenden Bereichen der gemeinsamen Politiken (z. B. Umwelt, Verbraucherschutz, Wettbewerb) zu bejahen sein, in denen die Verwirklichung der Unionsziele die Überwindung divergierender nationaler Schutzstandards und Wettbewerbsbedingungen erfordert. 62 Flankiert wird das Subsidiaritätsprinzip von dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der durch Art. 5 IV UA I EUV auf das Verhältnis der Union zu den Mitgliedstaaten ausgedehnt wird. Die Mitgliedstaaten werden im Kontext dieser Vertragsbestimmung wie belastete Einzelne betrachtet, denen gegenüber eine Maßnahme nur dann als rechtmäßig erscheint, wenn sie zur Erreichung des mit ihr angestrebten Unionsziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Als denkbare Belastungen für die Mitgliedstaaten können sich z. B. die in der Maßnahme vorgesehene Regelungsdichte, ihre finanziellen Auswirkungen, die von ihr erzwungene Abkehr von eingespielten Verfahren oder die systemwidrige Durchbrechung nationaler Rechtsstrukturen erweisen. Die Organe der Union wenden den Grundsatz der Verhäitnismäßigkeit nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an (Art . 5 IV UA 2 EUV) . Art. 5 IV UA I EUV betrifft im Gegensatz zu Art. 5 111 UA I EUV nicht das "Ob", sondern das " Wie" der Kompetenzausübung der Union und gilt auch für Maßnahmen, die in deren ausschließlichen Zuständigkeitsbereich fallen . In den Fällen, in denen nicht bereits das Subsidiaritätsprinzip der Ausübung einer strafrechtlichen Harmonisierungskompetenz der EU entgegensteht, bewirkt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die Unionsmaßnahme nicht über das zur Zielerreichung notwendige Interventionsminimum hinausgeht. In der Zusammenschau der nach Art. 4 11 EUV zu achtenden nationalen Identität der Mitgliedstaaten sowie der in Art. 5 EUV verankerten Kompetenzausübungsschranken lässt sich ein strafrechtsspezifisches Schonungsgebot postulieren, das die Harmonisierungsbefugnisse der Union beschränkt. 63 Im Übrigen hat der Reformvertrag eine verfahrensrechtliche "Notbremse" eingeführt, die - wenn der ein Veto einlegende Mitgliedstaat nicht umgestimmt werden kann - einer Angleichung strafrechtlicher Rechtsvorschriften nach Art. 83 I oder 11 AEUV entgegensteht. Ein Mitgliedstaat, der durch den Erlass einer Richtlinie grundlegende Aspekte seiner Strafrechtsordnung berührt sieht, kann nach
E. Zusammenfassung von § 8
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Art. 83 111 AEUV das ordentliche Gesetzgebungsverfahren blockieren. Die übrigen Mitgliedstaaten können die Richtlinie jedoch im Wege einer Verstärkten Zusammenarbeit erlassen, so dass sie nur ihnen gegenüber Wirkung entfaltet. Falls ein Staat sein Veto missbräuchlich, d. h. allein aus anderen als den in Art. 83 111 AEUV genannten Gründen einlegt, kann die Kommi ssion die hierin liegende Verletzung des Art. 4 111 EUV im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens rügen .
§ 9 Vorrang des Unionsrechts
A. Unionsrecht und nationales Recht I. Grundlagen Das Verhältnis des Unionsrechts zum nationalen Recht der Mitgliedstaaten ist auch für das Europäische Strafrecht von zentraler Bedeutung. Der EuGH stellte in der Entscheidung der Rechtssache "Costai EN EL"1 klar, dass mit der Unterzeichnung und Ratifikation der römischen Verträge eine supranationale Organisation mit einer eigenständigen Rechtsordnung entstanden ist, gegen die die Mitgliedstaaten nachträglich keine einseitigen - die Geltung des Gemeinschaftsrechts in Frage stellenden - Maßnahmen treffen dürften . Das heutige Unionsrecht bildet wie das frühere Gemeinschaftsrecht eine autonome Rechtsordnung, die kraft ihrer Eigenständigkeit Geltung beansprucht (§ 4 Rn. 45). Aufgrund der in den europäischen Verträgen (EUV/AEUV) getroffenen Kompetenzabgrenzung steht sie neben den mitgliedstaatliehen Rechtsordnungen, wobei jeder Rechtskreis seinen eigenen Anwendungsbereich hat. Verletzt daher ein Mitgliedstaat die ihm durch Sekundärrecht auferlegte Umsetzungspflicht, indem er z. B. eine Richtlinie nicht, nicht gehörig oder nicht rechtzeitig in nationales Recht transformiert, so verstößt er zwar gegen seine vertraglichen Pflichten und setzt sich dem Risiko eines Vertragsverletzungsverfahrens aus (§ 4 Rn. 38) . Die innerstaatliche Rechtslage bleibt hiervon aber bis zur erfolgten Umsetzung unberührt. Insbesondere sind die nationalen Gerichte und Behörden an das innerstaatliche Recht trotz fehlender Übereinstimmung desselben mit Unionsrecht gebunden. Die Situation ändert sich jedoch grundlegend, wenn das Unionsrecht unmittel- 2 bare Geltung in den Mitgliedstaaten beansprucht, wie dies bei primärem Unionsrecht (§ 4 Rn. 48) , Verordnungen (§ 4 Rn. 51) und unter bestimmten Voraussetzungen sogar bei Richtlinien (§ 4 Rn. 53) der Fall ist. Sofern unmittelbar geltendes Unionsrecht und nationales Recht denselben Lebenssachverhalt unterschiedlich regeln, kommt es zu einem Konflikt zwischen zwei nebeneinander stehenden Rechtsordnungen. Die Lösung dieses Kollisionsfalles muss dem Geltungsanspruch beider Rechtsordnungen Rechnung tragen, d. h. sie muss einerseits sicherstellen, dass dem unmittelbar anwendbaren Unionsrecht zur Durchsetzung verholfen wird, ohne andererseits das nationale Rechtssystem über das erforderliche Maß hinaus zu beeinträchtigen. Im Grundsatz ist unbestritten, dass bei Kollisionslagen von einem Vorrang des Unionsrechts gegenüber dem nationalen Recht auszugehen ist. EuGHE 1964, 1251, 1270. B. Hecker, Europäisches Strafrecht, DOI 10.1007/978-3-642-13127-1_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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§ 9 Vorrang des Unionsrechts
11. Vorranggrundsatz 1. EuGH - Unbeschränkter Vorrang des Unionsrechts 3 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH setzt sich unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt gegen entgegenstehendes nationales Recht, sogar gegen Verfassungsrecht, durchs , Dieser Vorranggrundsatz besteht nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon fort und ist demgemäß auf das Verhältnis des Unionsrechts zum nationalen Recht übertragbar. Das Primat des Unionsrechts resultiert aus dem Befund, dass durch die europäischen Verträge eine eigenständige supranationale Rechtsordnung geschaffen wurde und die Mitgliedstaaten durch Übertragung von Hoheitsrechten auf die Union ihre Souveränität beschränkt haben . Hinzu kommt , dass Art. 4 III UA 2,3 EUV (ex-Art. 10 EGV) die Mitgliedstaaten zu unionstreuern Verhalten und somit zur loyalen Mitwirkung bei der Durchsetzung des Unionsrechts verpflichtet''. In der bereits erwähnten Entscheidung "Costa/ENEL" (Rn . I) führte der Gerichtshof aus, " ... dass dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht... keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden soll. "4 4 Diese Aussage des EuGH gilt auch im reformierten Unionsrecht. Der Geltungsanspruch des Unionsrechts würde konterkariert, wenn sich ein Mitgliedstaat außerhalb einer besonderen vertraglichen Ermächtigung auf abweichendes nationales Recht berufen könnte . Auch stehen die unionsrechtlichen Pflichten der Mitgliedstaaten unter keinem Vorbehalt zugunsten der nationalen Rechtsordnungen .
2. BVerfG - Begrenzter Vorrang des Unionsrechts 5 Das BVerfG hat sich bereits im Jahre 1971 für den uneingeschränkten Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem einfachen Gesetzesrecht ausgesprochenund dies in ständiger Rechtsprechung bestätigt. Indessen erkannte das BVerfG dem Gemeinschaftsrecht lediglich einen begrenzten Vorrang zu, wenn dessen Vereinbarkeit mit deutschem Verfassungs recht in Frage stand . In seiner .Lissabon"-Entscheidung führte das BVerfG aus, dass an diesem Grundsatz auch im Verhältnis zum Unionsrecht festzuhalten sei".
Wegweisend insoweit EuGHE 1964, 1251, 1269 ff:; 1978,629 Ir ; 1979,2729 Ir ; vgl. hierzu Kreis, Grundfreiheiten, S. 13 Ir; Satzger, Europäisierung, S. 42 Ir EuGI-IE 1990, 2433. EuGHE 1964, 1251, 1270. BVerfGE 31, 145, 173 ff.; bestätigt von BVerfGE 52, 187; 75, 223, 240 f. BVerfG NJW 2009 , 2267 , 2284 ff
A. Unionsrecht und nationales Recht
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In seinem sog. "Sola nge I- Beschlu ss" ? bejahte das BVerfG die verfassungsge- 6 richtliche Überprüfbarkeit von unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltendem Gemeinschaftsrecht am Maßstab der deutsc hen Grundrechte im Rahmen eines Normenkontro llverfahrens nach Art. 100 GG, indem es EG-Verordnungen nachkonstitutionellen Gesetzen gleichste llte. Sola nge der Integrationsprozess der Gemeinschaft nicht so weit fortgeschritten sei, dass das Gemeinschaftsrecht auch einen vom Parlament beschlossenen und in Gelt ung stehenden formulierten Katalog von Grundrechten enthalte, der dem Grundrechtskatalog des GG adäquat sei, sei eine Überprüfung des Gemeinschaftsrechts auf seine Vereinbarkeit mit den Grundrechten des Grundgesetzes möglich . Nach zwei vorbereitenden Besch lüssen" ge langte das BVerfG schließlich im "Sola nge Il-Besch luss''? zu einer Umkehrung der "Solange I-Formel" bei gleichzeitiger Abschwächung ihrer Voraussetzungen. Wenn der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz hinsichtlich der Hoheitsgewalt einer zwischenstaatlichen Einrichtung entfallen solle, so müsse statt dessen eine Grundrechtsgeltung gewährleistet sein, die nach Inhalt und Wirksamkeit dem Grundrechtsschutz, wie er nach dem Grundgesetz unabdingbar sei, im Wesentlichen gleichkomme. Auf die Voraussetzung eines dem Grundgesetz adäquaten Grundrechtskatalogs hat das BVerfG ebenso verzichtet wie auf dessen Kodifikation und demokratische Legitimation durch Parlamentsbeschluss. Diese (gegenüber "Solange-I") verminderten Voraussetzungen sah das BVerfG mittler weile als erfüllt an : " ... solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das BVerfG seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht ... nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen; entsprechende Vorlagen nach Art. / 00 / GG sind somit unzulässig. " 10 Das BVerfG zieht sich somit auf eine "genereIle Gewährleistung des unabding- 7 baren Grundrechtsstandards" zur ück" und akzeptiert ein .Kooperationsverhältnis" zum EuGH, dem vorrangig die Aufgabe zukommt, den Grundrechtsschutz für das gesamte Gebiet der EG zu garantieren. Hierin liegt kein völlige Aufgabe, sondern nur eine Zurücknahme der Überprüfungskompetenz des BVerfG . Die latent weiter bestehende Überprüfungskompetenz des BVerfG könnte dann wieder aktuell werden, wenn die Rechtsprechung des EuGH in einem wichtigen Grundrechtssektor von dem aus deutscher Sicht unabdingbaren Grundrechtsstandard dramatisch abweichen sollte . Nationaler Grundrechtsschutz wird demnach nur in Ausnahrnefäl-
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BVerfGE 37, 271. ßVerfGE 52,187; ßVerfG NJW 1983, 1258. ßVerfGE 73, 223, 339 = NJW 1987,577; bestätigt in ßVerfGE 89, 155, 174 f.; 102, 162,164. BVerfGE 73, 339, 387 = NJW 1987,577. BVerfGE 89, 155, 175 = NJW 1993,3047; BVerfGE 102, 147, 162 f. = NJW 2000, 3124; BVerfGE 118, 79 = NVwZ 2007, 937; BVerfG NJW 2009,2267,2285 .
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§ 9 Vorrang des Unionsrechts
len erforderlich. Die Position des BVerfG zur Vorrangfrage lässt sich zusammenfassend dahingehend charakterisieren, dass ein beschränkter, nach den obigen Grundsätzen relativierter Vorrang des Unionsrechts gegenüber nationalem Verfassungsrecht anerkannt wirdt-. Im Hinblick auf den mittlerweile erreichten Grundrechtsstandard auf Unionsebene, über dessen Einhaltung der EuGH wacht, steht freilich nicht zu erwarten, dass den verfassungsrechtlichen Vorbehalten des BVerfG große praktische Bedeutung zukommen wird .
3. Anwendungs- versus Geltungsvorrang 8 Die radikalste Schlussfolgerung, die aus dem Vorrang des Unionsrechts gegenüber dem mitgliedstaatliehen Recht gezogen werden könnte, wäre das Brechen des nationalen Rechts im föderalen Sinne (vgl. Art . 31 GG) mit der Folge der Nichtigkeit des nachrangigen Rechts". Der Gerichthof hat sich indessen für einen behutsameren Umgang mit dem nationalen Recht entschieden. Nach Auffassung des EuGH14 sowie der deutschen Rechtsprechung", die in der Sache mit der h. L.16 übereinstimmt, genießt das Unionsrecht wie das frühere Gemeinschaftsrecht gegenüber dem nationalen Recht keinen Geltungsvorrang, sondern lediglich einen Anwendungsvorrang. In besonders deutlicher Weise führte der EuGH aus :
"Darüber hinaus haben nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane in ihrem Verhältnis zum internen Recht der Mitgliedstaaten nicht nur zur Folge, dass allein durch ihr Inkrafttretenjede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird, sondern auch - da diese Bestimmungen vorrangiger Bestandteil der im Gebiet eines jeden Mitgliedstaates bestehenden Rechtsordnung sind -, dass ein wirksames Zustandekommen neuer staatlicher Gesetzgebungsakte insoweit verhindert wird, als diese mit Gemeinschaftsnormen unvereinbar wären... "17 9
Dem mit Unionsrecht kollidierenden nationalen Recht wird also nicht die Wirksamkeit abgesprochen - es ist lediglich unanwendbar. Demgegenüber würde bei Annahme der Geltungsvorrangregel jede Kollision des nationalen Rechts mit entgegenstehendem Unionsrecht automatisch zur Nichtigkeit der betroffenen Rechtsvorschrift fuhren . Die Gründe, die für eine Kollisionsregel sprechen, weiche lediglich die Unanwendbarkeit unionsrechtswidriger Rechtsvorschriften vorsieht , sind überzeugend. Neben dem rechtspolitischen Argument der Rücksicht12 13
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Vgl. hierzu BVerfG NJW 2009, 2267, 2285 . Dies war u. a. der Vorschlag von Grabitz , Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht , 1966, S. 98 1'1'., I 13 1'1'. EuGHE 1978,629 ff.; 1984,483 ; 1991,297,321 ; NJW 1999,2355; NJW 2007 ,1515. BVerfGE 75, 223, 244 ; 85,191,204; NJW 2009, 2267, 2284 f.; 13GHSt 37,168,175; 46,380 II; BVerwGE 87,15 ; OLG München NJW 2006,3588,3591; 2008 , 3151 f.; BeckRS 2009, 11745. Ambos , IntStR, § 11 Rn. 37 ; Dannecker, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Kap. Rn. 109 ff.; Kreis, Grundfreiheiten, S. 181'1'. ; Satzger, IntStR , § 9 Rn. 77. EuGHE 1978, 629, 644 ("SimmenthallI").
B. Anwendungsvorrang und nationales Strafrecht
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nahme auf nationale Empfindlichkeiten sind es vor allem kompetenzrechtliche Erwägungen, die gegen die Geltungsvorrangthese sprechen": Durch die Anordnung der Nichtigkeitsfolge würde die Union die ihr von den europäischen Verträgen zugeschriebenen Kompet enzen überschreiten, soweit hierdurch die Normgeltung in rein innerstaatlichen Regelungszusammenhängen berührt würde . Im Übrigen ist die Annahme eines Geltungsvorranges auch gar nicht erforderlich, um dem Unionsrecht gegenüber kollidierendem nationalen Recht zur Durchsetzung zu verhelfen . Dem Primat des Unionsrechts wird bereits dadurch Genüge getan , dass kollidierende nationale Rechtsvorschriften schlicht unangewendet bleiben , ohne deren Geltung (Wirksamkeit) im rein innerstaatlichen Bereich in Frage zu stellen.
B. Anwendungsvorrang und nationales Strafrecht I. Neutralisierung mitgliedstaatlicher Strafvorschriften Das Strafrecht kann nicht etwa eine Sonderrolle für sich in Anspruch nehmen , die 10 eine Durchbrechung der allgemeinen Grundsätze zum Verhältnis zwischen Unionsrecht und nationalem Recht rechtfertigen könnte". Gesetzgeber, Gerichte und Behörden der Mitgliedstaaten müssen dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts auch im Bereich des Strafrechts Rechnung tragen . Kollidiert eine Strafnorm mit unmittelbar anwendbarem Unionsrecht, so darf sie nicht angewendet werden. Derartige Kollisionskonstellationen können sich ergeben , wenn nationales Recht Verhaltensweisen unter Strafandrohung stellt, die vom Primärrecht, einer Verordnung oder einer Richtlinienbestimmung gestattet sind, soweit letztere (ausnahmsweise) unmittelbare Wirkung entfaltet (§ 4 Rn. 53). Im Falle einer (echten) Kollision zwischen mitgliedstaatlichem Strafrecht und unmittelbar geltendem Union srecht bewirkt die Vorrangregel eine Neutralisierung der Sanktionsvorschrift-". Infolge der sich aus der Vorrangregel ergebenden Neutralisierungswirkung sind II die nationalen Strafverfolgungsorgane daran gehindert, eine Strafrechtsnorm anzuwenden, die ein vom Unionsrecht erlaubtes Verhalten pönalisiert. Wie der vom Unionsrecht geforderte Anwendungsvorrang erreicht wird, bestimmt das nationale Recht. Fraglich ist, mit welcher dogmatischen Rechtsfigur die Unanwendbarkeit einer deutschen Strafnorm begründet werden kann . Diese Frage ist relativ einfach zu beantworten bei Blankettstrafgesetzen, die an eine innerstaatliche Ausfüllungsnorm anknüpfen, indem sie auf die Zuwiderhandlung gegen ein außerstrafrechtliches Ge- oder Verbot abstellen (§ 7 Rn. 77). Aufgrund dieser besonderen
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Vgl. hierzu auch BVerfG NJW 2009 ,2267,2284 f. Vgl. hierzu nur Satzger . Europäisierung, S. 492 unter Hinweis auf EuGI-I E 1977, 1495 (Koll ision von Strafb estimmungen des AuslG mit dem Freizügigkeitsrecht). OLG Münch en NJW 2006 , 3588 , 3591 ; 2008 , 3151 1'.; ßeckRS 2009,11745 ; Ambos, IntStR , § 11 Rn. 37 f.; Dannecker, JURA 2006 , 173 f.; Heise, Gemeinschaftsrecht und Strafrecht , S. 12 II ; Kreis, Grundfreiheiten, S. 89; Satzger, Europ äisierung, S. 478 ; ders., IntStR , § 9 Rn. 77.
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§ 9 Vor rang des Unionsrechts
Tatbestandskonstruktion ist bereits eine Tatbestandserfüllung ausge schlo ssen, wenn das vom Strafbl ankett in Bezug genommene Ge- oder Verbot infolge des Anwendungsvorranges des Unionsre chts unanwendbar ist" . Nach zutreffender Ansicht bewirkt der Neutralisierungseffekt der Vorrangregel aber auch bei einem vollständigen Strafgesetz den Ausschluss des objektiven Tatbestandes> . Begründen lässt sich dies damit , dass jedem Strafgesetz eine (geschriebene oder ungeschriebene) Verhaltensnorm in Form eines Ge- oder Verbots zugrunde liegt-". Ein Verstoß gegen diese Verhaltensnorm ist mithin unabdingbare Vorau ssetzung j eder Bestrafung. Kollidiert die Verhalt ensnorm mit Unionsrecht, so darf sie im konkr eten Fall nicht angewandt werden . Damit steht zugle ich fest, dass das im obj ektiven Tatb estand des j eweiligen Strafgesetzes vertypte Unrecht nicht verwirklicht werden kann>'. 12 Ein Teil der Literatur zieht die Möglichkeit in Betracht, aus unmitt elbar anwendbaren Rechtssätzen des Union srecht s strafrechtliche Rechtfertigungsgründe abzuleiten > . Gegen die Bildung unionsrecht sgezeugter Rechtfertigungsgründe spricht aber, dass jedenfalls nach deutscher Strafrechtsdogmatik jeder Rechtfertigungsgrund ein subj ektives Rechtfertigungselement vorauss etzt, um seine rechtfertig ende Wirkung voll entfalten zu können-". Damit hinge die Straflosigkeit eines Täters , dessen Verhalten durch ein vom Unionsrecht gew ährtes subj ektives Recht gebill igt wird, davon ab, dass er in Kenntn is und unter bewusster Inanspruchnahme dieses Rechts handelte. Dies aber wäre mit dem Vorranganspruch des Unionsrechts nicht vereinbar, das sich unabhängig vom Willen des Einzelnen in jedem Fall einer Kollision durchsetzen muss" . 13 Reichhaltiges Anschauungsmaterial für die Neutral isierung von Strafnormen findet sich im Lebensmittelstrafrecht" . Ein (n icht gesundheitsschädliches) Lebensmittel , das in einem Mitgliedstaat rechtmäß ig hergest ellt wurd e, darf im lichte der Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV ; ex21
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Vgl. hierzu Garcia Marqui s, Gemeinschaftstreue, S. 174 ff.; Kert, Leben smittelstrafrecht, S. 274 Ir ; Satzger, Europäisierung, S. 225 . Garcia Marquis, Gemeinschaftstreue, S. 184 f f.; Kert, Lebensmitte lstrafrecht, S. 274 ff:; Satzger, Europäisie rung, S. 506 Ir ; ders., IntStR, § 9 Rn. 77; Schroder, Richtli nien, S. 287 . Vgl. hierzu die normtheoretischen Ausfüh rungen von Satzger , Europäisieru ng, S. 220 ff., 489 ff. m. w , N . Z u der noch wenig gek lärten Frage, wie sich ein Irrtum des Täters über die strafbefreiende Wirkung des Unions rechts auswirkt vgl. Kert, Lebe nsmitte lstrafrecht, S. 278 ff.; Kreis, Grund freiheiten, S. 91 ff: Kreis, Grundfre iheiten, S. 170 ff. ; Weigend, ZStW 105 (1993), 774, 78 1. W essels/Beulke, AT, Rn. 275 ff. ; Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, Vor §§ 32 Rn. 13 ff.; Roxin , AT Teil I, § 14 Rn. 96 ff. Garcia Marqui s, Gemeinscha ftstreue, S. 187; Kert, Lebensmittelstrafrec ht, S. 278 ; Satzger, Europäisierung, S. 509 . Zu den Gründen, die gege n eine Einordnung der Ne utralisie rung als Strafausschließungsgrund spreche n vgl. Sehroder. Richtlin ien, S. 279 ff. Zur Europäisi erung des deut schen bzw. österreichischen Lebensmittelstrafrechts vgl. Hecker, Produktwerbung, S. 58 ff. bzw. Kert, Leben smittelstrafrecht, S. 119 ff.
B. Anwendungsvorrang und nationale s Strafrecht
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Art. 28 ff. EGV) auch in jedem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden , selbst wenn es in seiner stofflichen Zusammensetzung oder äußeren Darbietung nicht den innerstaatlichen Bestimmungen des Lebensmittelrechts (und damit der nationalen Verbrauchererwartung) entspricht-", Es gilt also das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. So darf z. B. bei entsprechender Kennzeichnung (Etikettierung) in Deutschland Bier in Verkehr gebracht werden , das nicht nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wurde". Das gleiche gilt für Saucen, die nicht den deutschen Rezepturen entsprechen'" . Der italienische Gesetzgeber darf nicht die Vermarktung von Essig untersagen, der innerstaatlichen Rezeptur- bzw . Bezeichnungsvorstellungen nicht entspricht'