W. Paulus · J. M. Schröder (Hrsg.) Pathologie Neuropathologie
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Herausgegeben von G. Klöppel · H. H. Kreipe · W. Remmele
Pathologie Begründet von W. Remmele Dritte, neubearbeitete Auflage
Neuropathologie Bandherausgeber W. Paulus · J. M. Schröder
123
Werkherausgeber
Bandherausgeber
Prof. em. Dr. Günter Klöppel TU München, Institut für Pathologie Konsultationszentrum für Pankreas- und Endokrine Tumore Ismaninger Straße 22 81675 München
[email protected] Univ.-Prof. Dr. Werner Paulus Direktor des Instituts für Neuropathologie Universitätsklinikum Münster Domagkstraße 19 48149 Münster
[email protected] Prof. Dr. Hans H. Kreipe Medizinische Hochschule Hannover (MHH) Zentrum Pathologie und Rechtsmedizin Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
[email protected] Univ.-Prof. em. Dr. J. Michael Schröder Em. Direktor des Instituts für Neuropathologie Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen Pauwelsstraße 30 52074 Aachen
[email protected] [email protected] Prof. em. Dr. Wolfgang Remmele Institut für Pathologie Kliniken der Landeshauptstadt Ludwig-Erhard-Straße 100 65199 Wiesbaden
[email protected] ISBN 978-3-642-02323-1 DOI
e-ISBN 978-3-642-02324-8
10.1007/978-3-642-02324-8
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Vorwort der Werkherausgeber
Der vorliegende neubearbeitete Band zur Neuropathologie und zur Pathologie der Muskulatur, der in letzter Auflage 2002 (Herausgeber: J. Peiffer, J. M. Schröder und W. Paulus) erschien, ist in die dritte Auflage des Gesamtwerks „Pathologie“ integriert worden. Werner Paulus und J. Michael Schröder haben die Neuauflage wieder konzipiert, wobei Herr Paulus die Neubearbeitung der Pathologie des zentralen Nervensystems zusammen mit einer Reihe anderer gut bekannter Autoren übernommen hat und die Pathologie des peripheren Nervensystems und der Muskulatur von Herrn Schröder gestaltet wurde. Dabei kam es zu keiner Hinzunahme neuer Themen, aber zu ihrer Vertiefung und Neugestaltung, wo immer es nötig war. Dies betraf vor allem die Integration neuer molekulargenetischer Daten, die insbesondere bei den neoplastischen und hereditären Erkrankungen inzwischen zur Verfügung stehen und zum pathogenetischen Verständnis und zur Präzisierung der diagnostischen Aussage wesentlich beitragen. Dadurch hat das Buch eine neue Dimension bekommen und seine Position als Standardwerk zur Neuropathologie und zur Pathologie der Muskulatur in der deutschsprachigen Literatur gestärkt. Der vorliegende Band umfasst in seinem ersten und zweiten Teil die Pathologie des zentralen und peripheren Nervensystems. In seinem dritten Teil kommt die Patho-
logie der Muskulatur zur Sprache. Überall finden sich grundlegende Informationen zur Genese der Erkrankungen und zu ihrer Diagnostik. Natürlich werden in allen Bereichen Akzente gesetzt, die sich an der Praxis orientieren. So wurde zum Beispiel der Pathologie der ZNS-Tumoren und der Biopsie-Diagnostik peripherer Neuropathien und Myopathien besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Unser Dank gilt den Autoren des vorliegenden Bandes. Sie haben mit viel Mühe, Zeitaufwand und Sorgfalt das Zustandekommen des Gesamtwerks ermöglicht. Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Werner Paulus, der für die ZNS-Neuropathologie die Zusammenstellung der verschiedenen Kapitel und ihre Durchsicht auf sich genommen, und Herrn Michael Schröder, der die gesamte Pathologie des peripheren Nervensystems und der Skelettmuskulatur dargestellt hat. Danken möchten wir außerdem für ihre tatkräftige Mithilfe bei der Begleitung und Drucklegung des Bandes Frau Martha Berg, Frau Ellen Blasig und Frau Gabriele Schröder als Mitarbeiterinnen des Springer-Verlags. München Hannover Wiesbaden im Oktober 2011
Günter Klöppel Hans H. Kreipe Wolfgang Remmele
Vorwort zur Neuauflage
Die letzte Auflage des vorliegenden Bandes stammt aus dem Jahr 2002. Wie in anderen Wissensgebieten, so steigen unsere Kenntnisse auch in der Neuropathologie offenbar exponentiell an. Das gilt insbesondere für die neuen Erkenntnisse der Molekulargenetik. Viele Diagnosen lassen sich heute molekulargenetisch präzisieren, wobei manche klinisch-pathologisch definierten Entitäten ihren angestammten Platz in der Klassifikation einbüßen und jetzt bestimmte Phänotypen auf unterschiedliche Genotypen zurückzuführen sind. Andererseits sind überraschenderweise wieder bestimmte Genotypen mit unterschiedlichen Phänotypen verbunden, so dass die alte klinisch-pathologische Klassifikation nicht überflüssig wird, sondern nur auf neue Weise geordnet werden muss. Im vorliegenden Band sind die wichtigsten Erkrankungen des Nervensystems und der Muskulatur mehr oder weniger ausführlich dargestellt und möglichst in jedem Fall mit einzelnen Literaturhinweisen versehen, die den Zugang zu weiteren Informationen eröffnen. Dabei wurde versucht, den Stoff sinnvoll zu gliedern, so dass eine Klassifikation der Erkrankungen verfügbar ist, mit deren Hilfe man sich in der Literaturfülle zurechtfinden kann. Der webbasierte Zugang zu den Literaturdatenbanken ist heute zwar problemlos möglich, aber die Stofffülle ist auf dem Bildschirm nicht übersehbar; es fehlt die synoptische Übersicht über die Zusammenhänge, was in einem Buch gewährleistet ist. Andererseits erübrigen die verfügbaren Datenbanken in einem zusammenfassenden „Handbuch“artigen „Lehr- und Nachschlagewerk“ wie dem vorliegenden den Zwang zur Vollständigkeit des Zitierens der zu einem Thema erschienenen Literatur. In diesem Sinne war es eines der Hauptanliegen des vorliegenden Werkes, möglichst umfassend Stichworte und Begriffe zum Thema der Pathologie des Nervensystems und der Muskulatur in einer gegliederten Form zu liefern, die den Zugang zur Spezialliteratur erleichtert. Das zweite Hauptanliegen besteht in einer Bilddokumentation dieser Erkrankungen, die in den bisher vorliegenden elektronischen Datenbanken nicht in gleicher Qualität verfügbar ist.
Eine wichtige Neuerung ist die gleichzeitige Verfügbarkeit einer elektronischen Textversion, so dass jeder Suchbegriff im Text, wo immer er geschrieben steht, auffindbar ist. Wir freuen uns, dass bei zunehmender Spezialisierung auch in der Neuropathologie einige neue, sehr kompetente Autoren gewonnen werden konnten. Allen, die an der Entstehung dieses Werkes Anteil haben, sei an dieser Stelle gedankt. Das gilt ganz besonders für die Autoren, die trotz zahlreicher anderweitiger Verpflichtungen, die auch in der Neuropathologie ebenfalls exponentiell anzuwachsen scheinen, die Mühe des Schreibens auf sich genommen und die Deadline eingehalten haben. Dankbar sind wir für die technische Hilfe am Institut für Neuropathologie in Aachen, namentlich Frau Elke Beck, Frau Astrid Knischewski, Frau Hannelore Mader und Frau Hannelore Wiederholt, aber auch für die Hilfe bei der Literaturbeschaffung, Textgestaltung und Schreibarbeit, namentlich Frau Ingrid Schmitt, Frau Doris Dahmen, Frau Heidi Nowack und Frau Marita Krott. Herr Ralf Mersmann vom Institut für Neuropathologie in Münster war für die Durchsicht der Kapitel unter technischen Gesichtspunkten und bei der Optimierung von Abbildungen eine unschätzbare Unterstützung. Den Kollegen, die über viele Jahre interessante Biopsie- und Autopsiepräparate zur Beurteilung übersandt haben, danken wir ebenfalls. Der Zitationsweise in PubMed sind einige Umlaute und Sonderzeichen zum Opfer gefallen. Wir bitten die betroffenen Autoren um Nachsicht. Den Buchserie-Herausgebern, insbesondere Herrn Prof. Dr. med. G. Klöppel, danken wir für die Geduld, die sie bis zur Einreichung der Manuskripte aufgebracht haben, und dem Springer Verlag mit seinem Team, insbesondere den Damen Martha Berg, Ellen Blasig und Gabriele Schröder, für die gute Betreuung während der vergangenen Jahre und während der endgültigen Gestaltung des vorliegenden Bandes in den letzten beiden Jahren. Aachen Münster Oktober 2011
J. Michael Schröder Werner Paulus
Vorworte zur zweiten Auflage und zu den Sonderausgaben von 2002 und 1995
Vorwort zur zweiten Auflage Das Gesamtwerk Pathologie wird gegenüber der ersten Auflage zwei Bände mehr umfassen, also in 6 Bänden erscheinen. Der hier vorliegende Band 6, der weitgehend dem Band 4 der ersten Auflage entspricht, enthält die Pathologie des zentralen und peripheren Nervensystems, der Muskulatur und der Sinnesorgane. Herr Professor Peiffer (Tübingen), der in der ersten Auflage das umfangreiche Kapitel „Pathologie des Zentralnervensystems“ noch allein bearbeitet hatte, entschloß sich, die Bearbeitung dieses Themas in der 2. Auflage auf zahlreiche, seiner Schule entstammende Autoren aufzuteilen, um so der Fülle neuer Daten gerecht werden zu können. Dieses Vorgehen wird sich auch in weiteren Bänden der 2. Auflage wiederfinden. Die Pathologie des peripheren Nervensystems wurde wesentlich erweitert. Der Autor, Herr Professor Schröder (Aachen) ist Mitherausgeber der Neuauflage. Die Kapitel „Pathologie der Skelettmuskulatur“, „Auge“ und „Ohr“ wurden ebenfalls auf den neuesten Stand gebracht. Dies gilt auch für den neuropathologischen Teil des Kapitels „Angeborene Stoffwechselkrankheiten“; dagegen wurde auf die Neubearbeitung des allgemeinpathologischen Abschnittes (Autor in der Erstauflage H. E. Schaefer/Freiburg i. Br.) verzichtet, da sonst die Thematik und der Rahmen des Bandes gesprengt worden wären. Der dennoch größere Umfang dieses Bandes zeigt, wie sehr sich unser Wissen auf dem Gebiet der Neuropathologie erweitert hat.
Gegenüber der Erstauflage gibt es noch eine weitere Neuerung. Der vorliegende Band 6 des Gesamtwerkes Pathologie erscheint zusätzlich als Einzelband unter dem Titel „Neuropathologie“. Er soll damit einem speziellen Leserkreis zugänglich gemacht werden, für den allein die Neuropathologie von besonderem Interesse ist (Neuropathologen, verwandte klinische Fächer einschließlich Augen und HNO Heilkunde). Als Herausgeber des Gesamtwerkes Pathologie bin ich zunächst den beiden Herausgebern des vorliegenden Bandes zu großem Dank verpflichtet, daß sie ihn von Anfang an betreut und seiner Aufnahme in das Gesamtwerk zugestimmt haben. Mein Dank gilt weiterhin allen Autoren für ihre wertvolle Mitarbeit. Herrn Dr. Thiekötter, Frau Montenbruck und Herrn Schwind vom SpringerVerlag danke ich dafür, daß sie die Planung und Gestaltung des Bandes in jeder Phase mit Tatkraft und Sachverstand begleitet haben. Der Neuauflage der „Neuropathologie“ wünsche ich, daß sie unter der ärztlichen Leserschaft – sei es als Band 6 des Gesamtwerkes, sei es als eigenständiger Einzelband – den gleichen Anklang finden wird, wie die Erstauflage vor 11 Jahren. Wiesbaden, im Februar 1995
Wolfgang Remmele
Vorwort zur Sonderausgabe 2002 Die fünf Jahre seit dem letzten Erscheinen unserer Neuropathologie, damals der 2. Auflage des Bandes 4 des von W. Remmele herausgegebenen Lehr- und Nachschlagewerkes Pathologie, brachten in der Hirnforschung wie auch in der Forschung auf dem Gebiet der Muskel-, Nerven- und Stoffwechselerkrankungen wesentliche Fortschritte, die vor allem den Methoden der Molekularbiologie zu verdanken sind. Ob in der Pathologie der Tumoren des Nervengewebes, ob bei den degenerativen und metabolischen Hirnerkrankungen oder bei den Epilepsien, – überall eröffnete die Molekulargenetik völlig neue Einblicke in die pathophysiologischen Grundlagen
der Krankheiten. Die neuen Methoden erlaubten es, die Diagnostik wesentlich zu verfeinern und der Therapie neue Wege zu erschließen, machten es aber auch notwendig, althergebrachte Klassifikationen zu revidieren. Diese Erkenntnisse mussten in der Neuauflage Berücksichtigung finden. Dies forderte unvermeidbar eine Ausweitung des rein neuropathologischen Anteiles. Dank des Entgegenkommens von Herrn Prof. Remmele und des Springer-Verlages gelang dies dadurch, dass die den beiden Sinnesorganen Auge und Ohr gewidmeten Abschnitte in andere Bände des Gesamtwerkes verlagert wurden.
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Vorworte zur zweiten Auflage und zu den Sonderausgaben
Das Ziel des Bandes blieb gleich, nämlich dem in Weiterbildung befindlichen Neuropathologen das nötige Rüstzeug anzubieten, darüber hinaus aber auch dem Neurologen, Neuropädiater, Neurochirurgen und Psychiater die morphologischen Grundlagen der Krankheiten des Nerven- und Muskelsystems zu vermitteln und eine Brücke zur Neurobiologie und Neurochemie zu schlagen. Die Praxisbezogenheit sollte erhalten bleiben. Sie wurde sogar verstärkt durch Erfahrungen aus der Gutachterpraxis, deutlich in den Beiträgen des Rechtsmediziners Prof. Dr. M. Oehmichen und dessen Mitarbeiter, Dr. H.G. König. Stärker als in den beiden vorangegangenen Auflagen sind pathophysiologische und neurobiologische Grundlagen eingearbeitet worden. Das Eingangskapitel von Herrn Prof. Dr. H. Wolburg erfuhr deswegen eine wesentliche Ausweitung. Thematische Überschneidungen ließen sich nicht immer ausschließen, wurden manchmal auch bewusst vorgenommen, wenn es darum ging, zu starke Spezialisierung zu vermeiden und den Blick auch auf differentialdiagnostisch wichtige andere Kapitel zu lenken. Da der Umfang des Buches beschränkt bleiben musste, waren die Autoren ohnehin genötigt, nicht allzu sehr auf spezielle Problemstellungen einzugehen. Dies gilt insbesondere für das umfangreiche Kapitel über die Stoffwechselkrankheiten, bei denen die Fortschritte in der Neurochemie und Molekulargenetik zu einer starken Ausdifferenzierung der Krankheiten führten. Unter den Autoren fand ein altersbedingter Wechsel statt: Mein langjähriger Mitarbeiter, Herr Priv.-Doz. Dr.
J. W. Boellaard, bat darum, seinen Beitrag über die übertragbaren spongiformen Enzephalopathien, unter denen er sich intensiv mit der Gerstmann-Sträußler-Krankheit befasst hatte, abgeben zu können. Es gelang hier, in Herrn Prof. Dr. H. A. Kretzschmar den auf dem Gebiet der prionenbedingten Krankheiten kompetentesten deutschen Wissenschaftler zu gewinnen, damit aber auch den Kreis der bisherigen Mitarbeiter, die mit Ausnahme von Herrn Prof. J. M. Schröder dem Tübinger Arbeitskreis verbunden waren, auszuweiten. Herr Primarius Doz. Dr. C. Bancher, jetzt zuständig für die Altersdemenzen, hatte in Wien bei Prof. Jellinger zeitweise mit Herrn Prof. Dr. W. Paulus zusammengearbeitet, der seinen Münsteraner Mitarbeiter, Herrn Priv.-Doz. Dr. C. H. Rickert, einbrachte. Mein Beitrag über die Neuropathologie der Psychosen wurde von meinem früheren Mitarbeiter, Herrn Priv.-Doz. Dr. A. Stevens übernommen, das Alkohol-Kapitel von Herrn Prof. Dr. M. Oehmichen. Alle Autoren tragen wie bisher die Verantwortung für die Richtigkeit der Zahlenangaben und Literaturverweise in ihren Kapiteln. Meinen beiden Mitherausgebern und ihren Mitarbeitern danke ich für wertvolle Hinweise, dem Springer-Verlag für seine verständnisvolle Mithilfe bei der Gestaltung dieses Bandes, wobei mein besonderer Dank den Herren R. M. Zolk und K. Schwind gilt. Tübingen, im Frühjahr 2002
Jürgen Peiffer
Vorwort zur Sonderausgabe 1995 In den 10 Jahren seit dem Abschluss des Manuskriptes für den Band 4 des von W. Remmele herausgegebenen Lehrund Nachschlagebuches „Pathologie“ haben sich die Neurowissenschaften und darunter auch die Neuropathologie wie kaum ein anderes medizinisches Fach weiterentwickelt. Immunologische, molekularbiologische und -genetische Methoden sowie die Möglichkeiten computerisierter bildgebender Verfahren haben dabei zu einer Fülle neuer Erkenntnisse für die Neuropathologie geführt. Diese machten es notwendig, alle Kapitel des Abschnittes I (Zentralnervensystem) neu zu schreiben. Während die Beiträge zur Pathologie des Nervensystems in der 1. Auflage noch von mir allein verfasst worden waren, habe ich nun angesichts der raschen Weiterentwicklung des Faches eine Reihe von Kapiteln an hierfür jeweils besonders qualifizierte ehemalige Mitarbeiter abgegeben. Ich hoffe, dass dadurch die Einheitlichkeit der Darstellung nicht gelitten hat, zumal alle Autoren dieses Abschnitts einer gemeinsamen Schule entstammen. Als Mitherausgeber des Bandes konnte J. M. Schröder gewonnen werden. Die Pathologie des peripheren Nervensystems wurde zusätzlich zur Pathologie der Skelettmuskulatur von J. M. Schröder übernommen, während für die
Pathologie des Auges weierhin J. Gärtner, für die des Ohres W. Schätzle und A. Koch verantwortlich zeichnen. Die klinische, diagnostisch orientierte Neuropathologie steht nach wie vor im Vordergrund, doch wurden – soweit der beschränkte Raum dies zuließ – zum Verständnis der pathogenetischen Abläufe bedeutungsvolle Ergebnisse der Grundlagenforschung eingebaut. Hieraus ergab sich allerdings die Notwendigkeit, entsprechende Literaturhinweise zu geben, um dem Leser die Möglichkeit zu eröffnen, sich dort eingehender zu informieren als die Darstellung es hier erlaubte. Bei den Hinweisen auf die Literatur wurde vielfach auf die Erstbeschreibungen bestimmter Krankheiten oder Methoden verzichtet zugunsten von Arbeiten, die eine Übersicht und eine aktuelle Problemdiskussion bieten. Die Großzügigkeit von W. Remmele und des Springer-Verlages erlaubte es, den Leserkreis des vorliegenden Bandes dadurch zu erweitern, dass er nicht nur als nunmehr 6. Band des von W. Remmele herausgegebenen Werkes „Pathologie“ erscheint, vielmehr auch gesondert als eigenes Lehrbuch der diagnostischen Neuropathologie im weiteren Sinne. Wir waren bemüht, alles, was der Neuropathologe, der an den morphologischen Grund-
Vorworte zur zweiten Auflage und zu den Sonderausgaben
lagen interessierte Neurologe, der Neuroradiologe und -chirurg, der Pädiater und Neuropädiater, der Psychiater, der Augen- und Ohrenarzt sowie der Pathologe an Rüstzeug zur Diagnose und zum Verständnis der Pathogenese der zentral- und periphernervösen Krankheiten einschließlich der Tumoren, der Skelettmuskelerkrankungen und der Krankheiten der Sinnesorgane benötigt, zusammenzufassen. Die Autoren hoffen, dass der Band – griffbereit in der Nähe des Mikroskopes oder des Untersuchungsbettes – eine gern genutzte Hilfe bieten
XI
wird, geeignet auch, die Verbindung zwischen den verwandten klinischen und morphologischen Fächern zu stärken. Gedankt sei Frau Albrecht vom Institut für Hirnforschung der Universität Tübingen für ihre stets bereitwillige Hilfe bei der Bearbeitung der Abbildungen des Abschnittes über das Zentralnervensystem. Soweit nicht anders angegeben, wurden diese von mir aufgenommen. Tübingen, im Februar 1995
J. Peiffer
Vorwort zur ersten Auflage
Der abschließende Band 4 der „Pathologie“ hat seinen Schwerpunkt in der Neuropathologie, also in der Pathologie des zentralen und peripheren Nervensystems. Die engen Beziehungen dieses Themas zur Pathologie der Sinnesorgane Auge und Ohr liegen auf der Hand; die gemeinsame Abhandlung aller drei Kapitel in einem Band entspricht dem üblichen Vorgehen. Da zahlreiche Muskelerkrankungen in das Grenzgebiet zur Neuropathologie fallen, erschien es sinnvoll, die Muskelpathologie nicht gemeinsam mit den übrigen Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates in Band 3, sondern vielmehr im gleichen Band wie die Neuropathologie darzustellen. Das Kapitel „angeborene Stoffwechselkrankheiten“ knüpft in seinem ersten Teil unmittelbar an das Neuropathologie-Kapitel an, während der zweite Teil weitere Stoffwechselkrankheiten enthält, die ihren Schwerpunkt in anderen Organen und Organsystemen als dem Nervensystem besitzen. Dieses Kapitel faßt die zahlreichen Einzelbefunde bei angeborenen Stoffwechselkrankheiten
zusammen, die in anderen Lehrbüchern der Pathologie gewöhnlich auf die einzelnen Organkaptiel verstreut sind. Die Autorenkonferenz im Oktober 1979 beschloß einmütig, diesen Krankheiten wegen ihrer praktischen Bedeutung und angesichts der beträchtlichen Fortschritte, die sich bei der Aufklärung ihrer biochemischen Grundlagen ergeben haben, ein besonderes Kapitel zu widmen. Daß sich dieser Abschnitt vor allem in seinem allgemeinpathologischen Teil auf eine Auswahl besonders wichtiger und interessanter Krankheiten beschränkt, hat rein räumliche Gründe. Herr Professor Dr. D. Götze und die mit der Herstellung des Gesamtwerkes betrauten Mitarbeiter des Springer-Verlages, an erster Stelle die Herren Matthies und Sydor, haben auch die Arbeiten an diesem Band zu jedem Zeitpunkt tatkräftig und mit wertvollen Ratschlägen unterstützt. Namens aller Autoren möchte ich ihnen dafür unseren aufrichtigen Dank sagen. Wiesbaden, im Juli 1984
Wolfgang Remmele
Inhalt
I
14 Intoxikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 M. Oehmichen
Zentrales Nervensystem 1 Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen . . . . . . . . . . . K. Kuchelmeister
3
15 Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 M. Oehmichen, H. G. König
2 Zytologie des Liquor cerebrospinalis . . . . . 29 W. Feiden
16 Epilepsien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 I. Blümcke
3 Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . 43 A. Hori
17 Psychiatrische Erkrankungen . . . . . . . . . . 467 S. Weis
4 Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 C. H. Rickert
18 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 W. Paulus, M. Hasselblatt
5 Prä- und Perinatalschäden . . . . . . . . . . . 97 V. H. J. Hans
II Periphere Nerven J. M. Schröder
6 Neurometabolische Krankheiten mit neuropathologischen Befunden . . . . . . 117 H. H. Goebel
19 Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Nervenbiopsie . . . . . . . . 553
7 Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D. R. Thal
20 Physikalische Schäden peripherer Nerven . . 565
8 Nicht-Alzheimer-Demenzen . . . . . . . . . . 209 M. Neumann
22 Neuropathien bei systemischen Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
9 Systematrophien . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 M. Tolnay, W. Paulus
23 Hereditäre Neuropathien . . . . . . . . . . . . 597
10 Kreislaufstörungen des ZNS . . . . . . . . . . 251 W. Roggendorf 11 Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . 303 M. Deckert 12 Prionkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 H. Kretzschmar
21 Nutritive und toxische Neuropathien . . . . . 577
24 Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 25 Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . 653 26 Tumoren des peripheren Nervensystems . . . 661 27 Paraneoplastische Neuropathien . . . . . . . . 665
13 Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 T. Kuhlmann
XVI
Inhalt
III Skelettmuskulatur J. M. Schröder 28 Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Gewebsentnahme . . . . . . 675
35 Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 36 Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 37 Entzündliche Myopathien . . . . . . . . . . . . 793
29 Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen und allgemeine Reaktionen . . 685 30 Muskeldystrophien . . . . . . . . . . . . . . . . 689
38 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 39 Erkrankungen der motorischen Endplatten und Muskelspindeln . . . . . . . . . . . . . . . 813
31 Kongenitale Myopathien . . . . . . . . . . . . 719 32 Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 33 Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 34 Myoglobinurien, Myositis ossificans, nutritiv-toxische und paraneoplastische Myopathien, Amyloidosen . . . . . . . . . . . 777
40 Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . 823
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 839
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Ingmar Blümcke Neuropathologisches Institut Universitätsklinikum Erlangen Schwabachanlage 6 91054 Erlangen E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Martina Deckert Abteilung für Neuropathologie Universitätsklinikum Köln Joseph-Stelzmann-Straße 9 50937 Köln E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Wolfgang Feiden Medizinisches Versorgungszentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik Wissenschaftspark Trier Max-Planck-Straße 18 + 20 54296 Trier E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Dr. Hans Hilmar Goebel Abteilung für Neuropathologie Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Langenbeckstraße 1 55131 Mainz E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. Volkmar H. J. Hans Institut für Neuropathologie Evangelisches Krankenhaus Bielefeld gGmbH Remterweg 2 33617 Bielefeld E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Martin Hasselblatt Institut für Neuropathologie Universitätsklinikum Münster Domagkstraße 19 48129 Münster E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Akira Hori Research Institute for Longevity Medicine Fukushimura Hospital Noyori-Yamanaka 19–14 Toyohashi 441-8124 Japan E-Mail:
[email protected] Dr. Hans Günter König Eberhardstraße 4 72138 Kirchentellinsfurt Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Kretzschmar, FRCPath Institut für Neuropathologie Nationales Referenzzentrum für humane TSE Feodor-Lynen-Straße 23 81377 München E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Klaus Kuchelmeister Institut für Neuropathologie Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Straße 25 53105 Bonn E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Tanja Kuhlmann Institut für Neuropathologie Universitätskrankenhaus Münster Domagkstraße 19 48149 Münster E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. Manuela Neumann Institut für Neuropathologie Universitäts-Spital Zürich Schmelzbergstrasse 12 8091 Zürich Schweiz E-Mail:
[email protected] XVIII
Autorenverzeichnis
Prof. em. Dr. Manfred Oehmichen Im Brandebaumer Feld 39 23564 Lübeck E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Werner Paulus Institut für Neuropathologie Universitätsklinikum Münster Domagkstraße 19 48129 Münster E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. Christian H. Rickert, FRCPath Vivantes Klinikum Neukölln Fachbereich Pathologie Abteilung für Neuropathologie und Paidopathologie Rudower Straße 48 12351 Berlin E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Wolfgang Roggendorf Pathologisches Institut – Neuropathologie Josef-Schneider-Straße 2 97080 Würzburg E-Mail:
[email protected] Univ.-Prof. em. Dr. J. Michael Schröder Institut für Neuropathologie Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen Pauwelsstraße 30 52074 Aachen E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Dietmar Rudolf Thal Institut für Pathologie – Labor für Neuropathologie Universitätsklinikum Ulm Albert-Einstein-Allee 11 89081 Ulm E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Markus Tolnay Institut für Pathologie Universität Basel Schönbeinstrasse 40 4031 Basel Schweiz E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Serge Weis Labor für Neuropathologie Institut für Klinische Pathologie und Neuropathologie Landesnervenklinik Wagner-Jauregg Wagner-Jauregg-Weg 15 4020 Linz Österreich E-Mail:
[email protected] Zentrales Nervensystem
1
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen . . . . . . . . . . K.Kuchelmeister
3
10 Kreislaufstörungen des ZNS . . . . . . . . . 251 W. Roggendorf
29
11 Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . 303 M. Deckert
2
Zytologie des Liquor cerebrospinalis . . . . W. Feiden
3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . A. Hori
43
Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen . . . . . . . . C.H. Rickert
87
4
5
6
Prä- und Perinatalschäden . . . . . . . . . . V.H.J. Hans
12 Prionkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . 331 H. Kretzschmar 13 Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen. . . . . . . . 353 T. Kuhlmann 14 Intoxikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 M. Oehmichen 97
Neurometabolische Krankheiten mit neuropathologischen Befunden . . . . 117 H.H. Goebel
7
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns . . . . . 193 D.R. Thal
8
Nicht-Alzheimer-Demenzen . . . . . . . . 209 M. Neumann
9
Systematrophien . . . . . . . . . . . . . . . 223 M. Tolnay, W. Paulus
15 Trauma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 M. Oehmichen, H.G. König 16 Epilepsien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 I. Blümcke 17 Psychiatrische Erkrankungen . . . . . . . . 467 S. Weis 18 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 W. Paulus, M. Hasselblatt
I
Kapitel 1
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
1
K. Kuchelmeister
Inhalt Nervenzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Reaktionsformen der Ependymzellen . . . . . . . .
19
Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . . .
4
Tanyzyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
Reaktionsformen der Nervenzellen . . . . . . . . . .
7
Epithelzellen des Plexus choroideus . . . . . . . . . .
21
Gliazellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
21
Astrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Reaktionsformen der Epithelzellen des Plexus choroideus . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
11 NG2-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Reaktionsformen der Astrozyten . . . . . . . . . . .
13 Mikrogliazellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Oligodendrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
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Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
17 Reaktionsformen der Mikrogliazellen . . . . . . . .
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Reaktionsformen der Oligodendrozyten . . . . . . .
18 Meningen, Blutgefäße, zirkumventrikuläre Organe . . .
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Ependymzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
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W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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Kapitel 1
Die das Zentralnervensystem (ZNS) charakterisierenden Zellen sind die Nervenzellen oder Neurone (griech.: neuron = Nerv) und die zentralen Gliazellen (griech.: glia = Kitt, Leim). Die Gliazellen des ZNS werden unterteilt in Astrozyten, Oligodendrozyten, Ependymzellen (mit den Epithelzellen des Plexus choroideus und den Tanyzyten als spezialisierten Ependymzellen) und Mikrogliazellen [3, 23, 25, 32, 34, 36]. Astrozyten, Oligodendrozyten und Ependymzellen werden als Neuroglia bezeichnet [11]. Man schätzt, dass das adulte menschliche Gehirn etwa 100 Milliarden (1011) Neurone besitzt [39] und eine 10bis 50-mal höhere Zahl von Neurogliazellen [35]. Alle Gliazellen zusammen nehmen fast die Hälfte des ZNSVolumens ein. Die komplexen Gehirnfunktionen des Menschen verbrauchen etwa 15% des Gesamtenergiebedarfs des Körpers [30]. Dabei macht das Gehirn etwa 2–3% des Körpergewichts aus [normales Gehirngewicht: Frau: 1245 g (1200–1370 g), Mann: 1375 g (1350–1550 g)]. 100 g Gehirn werden in Ruhe pro Minute von ca. 50 ml Blut versorgt und verbrauchen dabei ca. 3 ml Sauerstoff zur Glukoseoxidation [30]. Durchblutung und O2-Verbrauch sind in der grauen Gehirnsubstanz in Ruhe etwa 3- bis 4fach höher als in der weißen. Das Gehirn verbraucht ca. 5–6 g Glukose pro Stunde (≈ 50–60% des Gesamtglukoseverbrauchs des Körpers in Ruhe) und arbeitet hocheffizient mit weniger Energie als eine Kühlschrankbeleuchtung [1]. Die Neurone sind funktionell am wichtigsten und benötigen bis zu über 90% der Energie der normalen Gehirntätigkeit [35]. Das zunehmende Wissen um die Breite des glialen Funktionsspektrums und um die Bedeutung der glial-neuronalen Interaktion erlaubt aber keine „hierarchische“ Betrachtung der ZNS-Zellen mehr. Die Wichtigkeit der Glia zeigt sich auch darin, dass bei immer mehr ZNS-Erkrankungen krankheitsrelevante Gliazellveränderungen erkannt werden. Des Weiteren wird auf die Zellen des ZNS und ihre Reaktionsformen eingegangen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Zellen funktionelle Einheiten bilden und eine Betrachtung einzelner Zelltypen immer nur eine verkürzte Sicht komplexer Vorgänge erlaubt. Trotz unterschiedlicher auf das ZNS einwirkender Noxen sind die Zellschädigungsmechanismen begrenzt und umfassen vorwiegend traumatische Zerreißung, Membranschädigung durch Lipidperoxidation oder freie Radikale, funktionelle Membranschädigung, Stoffwechselstörung durch Mangelzustände und Unterbrechungen von Stoffwechselwegen [15].
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
Nervenzellen Morphologie und Funktion Die Nervenzellen (Neurone) sind die ZNS-Zellen, die nervale Erregungen aufnehmen, erzeugen, verarbeiten und als elektrochemische Impulse transportieren. Sie übernehmen so die zentrale Rolle im Gehirn als Kommunikations- und Steuerorgan und Organ für die höheren Funktionen, wie Denken, Lernen, Fühlen, Wahrnehmen und Interpretieren des Wahrgenommenen und Verhalten [34]. Die meisten Neurone (etwa die Hälfte des Gesamtgehirns) weist das Kleinhirn auf (obwohl es nur ca. 10% des gesamten Gehirngewichts wiegt), da es wegen seiner vielen regulatorischen Funktionen eine hohe Neuronendichte besitzt [32]. Obwohl Neurone nur etwa 5% der Zellen der zerebralen grauen Substanz ausmachen, verbrauchen sie über 90% der Energie des Gehirns und sind die empfindlichsten ZNS-Zellen bei einer (z. B. hypoxisch-ischämischen) Mangelsituation [35]. Ab dem 20. Lebensjahr kommt es im Gehirn zu einem physiologischen Untergang von täglich mindestens 1000 Neuronen [39], nach anderen Schätzungen sogar von einer Nervenzelle pro Sekunde, also von über 85.000 Neuronen pro Tag. Während der Gehirnentwicklung soll es durch programmierten Zelltod zu einem 50%igen Neuronenverlust kommen [15]. Die höchste Neuronenzahl des Gehirns liegt also intrauterin vor; der Hauptteil der Synapsen wird allerdings in den ersten Lebensjahren ausgebildet [32]. Die reifen Neurone als postmitotische Zellen haben nur eingeschränkte Regenerationsmöglichkeiten. Jedoch wird möglicherweise die Plastizität des Gehirns, die besonders im sich entwickelnden Organ sehr wichtig ist, beim Erwachsenen noch unterschätzt. Das Vorhandensein von neuralen Stammzellen im Gehirn ist erwiesen. Ihre physiologische Fähigkeit, geschädigte oder zugrunde gegangene Neurone zu ersetzen, ist aber offenbar sehr begrenzt [35]. Nervenzellen stellen sich im HE-Schnitt sehr unterschiedlich dar. Ihr Aussehen variiert von kleinen lymphozytenähnlichen Körnerzellneuronen des Kleinhirns mit chromatindichten Kernen und ohne erkennbares Zytoplasma über zytoplasmaarme, Gliazellen ähnelnde, kortikale Interneurone bis zu größeren Nervenzellen mit einer sog. Ganglienzellmorphologie (leicht eosinophiles Zytoplasma mit basophiler Nissl-Substanz, vesikuläre Kerne mit großem Nukleolus und meist deutlicher Kernmembran) [5, 23, 35]. Diese Vielfalt drückt sich auch in Bezeichnungen wie Pyramidenzellen (dreieckiger Zellleib), Sternzellen (kurze gleichmäßig verteilte Fortsätze), Körnerzellen (im Routinepräparat nur Zellkerne erkennbar) aus [36]. Die neuronalen Zellkörper (Soma, Perikaryon) besitzen Fortsätze, die aber im HE-Schnitt normalerweise
Nervenzellen
nicht oder nur unvollständig sichtbar sind. Die Fortsätze, die Erregungen aufnehmen und die nervalen Impulse zum Zellkörper leiten, werden als Dendriten (griech.: dendron = Baum) bezeichnet. Der einzelne Zellfortsatz, der die nervalen Impulse weg vom Nervenzellkörper zur Peripherie transportiert, ist das Axon (Neurit) [32, 34]. Die angloamerikanische Literatur verwendet „neurites“ häufig fälschlicherweise für axonale sowie dendritische Fortsätze. Axone und Dendriten können beim Menschen länger als ein Meter werden. Die Axonlänge bestimmt den Durchmesser des Nervenzellkörpers, da bei langem Axon mehr Organellen und ein komplexeres Zytoskelett für die Axonfunktion benötigt werden (Durchmesser des Zellkörpers von zerebellären Körnerzellen ca. 5 μm, von motorischen Vorderhornzellen ca. 135 μm) [35]. Das Fasernetz von Axonen, Dendriten und glialen Fortsätzen zwischen den Nervenzellkörpern der grauen ZNS-Substanz wird als Neuropil bezeichnet [25]. Eine gängige morphologische Neuronenklassifikation richtet sich nach den Zellfortsätzen [25, 32, 34, 35]: Unipolare Neurone (z. B. Sinneszellen des Auges, Neurone der Riechschleimhaut) weisen nur ihr Axon auf. Die pseudounipolaren Neurone entstehen aus ursprünglich bipolaren Neuronen durch Verschmelzung der beiden Zellfortsätze und zeigen einen aus dem Zellkörper abgehenden Stammfortsatz, der sich bald aufteilt in einen zentralen („zentrales Axon“) und einen peripheren Fortsatz („dendritisches oder peripheres Axon“: entspricht nach der Erregungsrichtung einem Dendriten, im Aufbau weitgehend einem Axon). Pseudounipolare Nervenzellen als primäre sensorische Neurone liegen in sensiblen Ganglien von Spinal- und Hirnnerven vor, im Gehirn aber nur im mesenzephalen Kern des Nervus trigeminus (große, auffallend runde Neurone lateral des periaquäduktalen Höhlengraus) [12]. Bipolare Neurone (z. B. Retina, Ganglion cochleare, Ganglion vestibulare) besitzen zwei gegenüberliegende Fortsätze, einen Neuriten und einen Dendriten. Am häufigsten sind aber die multipolaren Neurone mit einem Neuriten und multiplen Dendriten. Sie werden unterteilt in Golgi-Typ-1-Zellen mit langem Axon und großem Perikaryon (funktionell Projektionsneurone, die Erregungen in andere, oft weit entfernte Regionen übertragen, z. B. isokortikale Pyramidenzellen) und die deutlich zahlreicheren Golgi-Typ-2Zellen mit kurzem Axon und kleinem Perikaryon mit wenig, oft nicht erkennbarem Zytoplasma (funktionell Interneurone, deren Axone Neurone innerhalb einer Region verbinden, z. B. zerebrale und zerebelläre Stern- und Korbzellen und zerebelläre Körnerzellen). Für die Routinediagnostik genügt es aber meist, in der Großhirnrinde große Pyramidenzellen und kleine, runde, nichtpyramidale Neurone zu unterscheiden [5]. Im HE-Schnitt werden die Nervenzellfortsätze normalerweise nicht oder unvollständig dargestellt. Hier sind Zellkerne und Nissl-Substanz am wichtigsten für die Identifikation von Nervenzellen. Dies betrifft vorwiegend die
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auch als Ganglienzellen bezeichneten größeren Neurone mit rundlichen, vesikulär aufgelockerten, großen Kernen mit deutlichem Nukleolus und meist gut sichtbarer Kernmembran und mit basophiler Nissl-Substanz im leicht eosinophilen Zytoplasma. Der große Nukleolus ist Ausdruck der hohen Proteinsynthese zur Erneuerung von Zytoplasmabestandteilen. Der Proteingehalt des Gehirns (40% seiner Trockenmasse) wird innerhalb von ca. 2 Wochen komplett erneuert [23]. Daher weisen Neurone auch einen hohen Gehalt an rauem endoplasmatischem Retikulum auf, das in parallelen Stapeln angeordnet ist und den lichtmikroskopisch sichtbaren Nissl-Schollen entspricht. Weiter finden sich zytoplasmatisch auch freie Ribosomengruppen (Polyribosomen, Polysomen), die mit den Nissl-Schollen zusammen die Nissl-Substanz (Tigroidsubstanz; griech.: tigroides = gefleckt) bilden. Nissl-Substanz ist in den Ganglienzellen unterschiedlich grob oder fein verteilt und ist bei entsprechender Ausprägung in der HE-Färbung basophil (hoher RNA-Gehalt) zu erkennen [35]. Besonders deutlich wird sie mit Kresylviolett (Nissl-Färbung) dargestellt. Nissl-Substanz kommt auch in proximalen Dendritenabschnitten vor, aber nicht im Axon und nicht im Axonhügel (Ursprungskegel) des Zellkörpers, wo das Axon beginnt und der durch dieses Fehlen von Nissl-Substanz erkennbar sein kann [23, 25, 34]. Nissl-Substanz ist äußerst wichtig bei der Identifikation von Ganglienzellen in konventionellen Färbungen, da auch nichtneuronale Zellen meist aufgrund ihrer Kernmorphologie (vesikulär mit Nukleolus) „ganglioid“ aussehen können (z. B. neoplastische oder reaktive Astrozyten, histiozytäre Zellen). Allerdings zeigen manchmal auch dysplastische Ganglienzellen (in Ganglienzelltumoren oder kortikalen Dysplasien) keine eindeutige Nissl-Substanz. Oft ist sie hier jedoch verstärkt, unregelmäßig angeordnet und aggregiert. Dunkelbraunes Neuromelanin als Nebenprodukt der Katecholaminsynthese findet sich in den dopaminergen Neuronen der Substantia nigra, den noradrenergen Neuronen des Locus coeruleus und in weiteren katecholaminergen Hirnstammneuronen. Vor dem siebten Lebensjahr liegt Neuromelanin aber kaum in relevantem Ausmaß vor [35]. Bestimmte Kerngebiete, wie der Nucleus ruber des Mittelhirns, weisen einen besonders hohen zytoplasmatischen Gehalt an Eisenverbindungen auf. Nahezu regelhaft werden auch gelblich-braune, PAS-positive intraneuronale Lipofuszingranula gesehen (Abb. 1.1a). Sie sind regional unterschiedlich ausgeprägt, so dass sogar zytoarchitektonische Untersuchungen anhand dieser Pigmente durchgeführt werden können [23]. Ultrastrukturell zeigen Nervenzellen im Zytoplasma viele Mitochondrien und einen oft stark entwickelten Golgi-Apparat sowie neuronale Zytoskelettbestandteile (Neurofilamente, Neurotubuli und Mikrofilamente), der Zellkern lässt zwei Zytomembranen erkennen mit Poren zum bidirektionalen Substanzaustausch [23, 35]. Um lichtmikroskopisch neuronale Fortsätze genauer zu identifizieren, benötigt man Spezialfärbungen, wie
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Kapitel 1
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
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Abb. 1.1 a PAS-positive Lipofuszinablagerungen in Neuronen des Nucleus olivaris inferior. PAS-Färbung. b Eosinophile Ganglienzellnekrosen mit Zellschrumpfung, starker Zytoplasmaeosinophilie und Verlust der Nissl-Substanz und pyknotischen, z. T. dreiecksförmigen Zellkernen ohne Nucleolus. HE-Färbung. c Progressive multifokale
Leukoenzephalopathie (PML) mit infizierten cerebellären Körnerzellneuronen, deren Kerne vergrößert und weniger chromatindicht sind (links) als die normaler, Lmphozyten ähnelnder Körnerzellen (rechts). HE-Färbung. d Geschwollenes Axon („Torpedo“, Pfeil) einer PurkinjeZelle in der Körnerzellschicht der Kleinhirnrinde. HE-Färbung
Versilberungen (z. B. Golgi-Technik für Axone und Dendriten, Bielschowsky modifiziert oder Bodian jeweils überwiegend für Axone), eventuell Markscheidenfärbungen und die Immunhistochemie, besonders mit Antikörpern gegen Bestandteile des neuronalen Zytoskeletts, die überhaupt für die Identifikation von Neuronen sehr wichtig sind. Das Zytoskelett dient der mechanischen Stabilisierung der neuronalen Fortsätze und dem Transport von Organellen und Proteinen [25, 34]. Der axonale Transport ist notwendig, weil im Axon keine Proteinsynthese stattfindet [25]. Man unterscheidet einen langsamen anterograden axonalen Transport für im Axoplasma gelöste Proteine und einen schnellen anterograden Transport für Mitochondrien, Vesikel (z. B. mit Neurotransmittern) und membrangebundene Stoffe sowie einen retrograden Transport für abgenutzte Membranen und Organellen (jeweils in autophagischen Vakuolen) und neurotrophe Faktoren [25]. Das neuronale Zytoskelett besteht aus Neurofilamenten (den für Neurone spezifischen Intermediärfilamen-
ten), Mikrotubuli (Neurotubuli) und Mikrofilamenten (Aktinfilamenten). Schneller anterograder und retrograder axonaler Transport laufen über die Neurotubuli mit den Motorproteinen Kinesin und Dynein. Die Mikrotubuli werden durch Mikrotubulus-assoziierte Proteine (MAPs) stabilisiert, versteift und untereinander und mit Neuround Mikrofilamenten zu einem dichten Netzwerk verknüpft, wobei unterschiedliche MAPs in Dendriten und Neuriten vorliegen [25]. So zeigen Antikörper gegen das MAP2 eine somatodendritische Markierung, während Tau(τ)-Protein besonders in Axonen nachzuweisen ist (Veränderungen dieses MAP spielen z. B. eine wichtige Rolle beim Morbus Alzheimer). Allerdings werden mit MAP-Antikörpern auch nichtneuronale Zellen markiert. Das Markierungsmuster von Antikörpern gegen Neurofilament-Polypeptide hängt vom Molekulargewicht und vom Phosphorylierungszustand des Polypeptids ab. Neurofilamente weisen drei Polypeptiduntereinheiten auf mit niedrigem (68 kDa), mittlerem (160 kDa) und
Nervenzellen
hohem (200 kDa) Molekulargewicht. Antikörper gegen das 200-kDa-Polypeptid markieren besonders deutlich Axone. Antikörper gegen phosphorylierte Neurofilament-Polypeptide stellen vorwiegend Axone, Antikörper gegen nichtphosphorylierte Neurofilament-Polypeptide besonders Dendriten und Zellkörper dar [35]. Die Immunhistochemie ist heute das wichtigste, den HE-Schnitt ergänzende Verfahren zur lichtmikroskopischen Identifikation und Typisierung von Neuronen. Wichtig hierfür sind z. B. auch Antikörper gegen das neuronale Kernprotein NeuN oder das präsynaptische Vesikelprotein Synaptophysin. Bestimmte Antikörper (z. B. gegen kalziumbindende Proteine wie Calretinin, Parvalbumin, Calbindin) können neuronale Subpopulationen markieren. Die Neurone stehen untereinander in Verbindung über lichtmikroskopisch nicht erkennbare, Neurotransmitter ausschüttende, chemische Synapsen (griech.: synapsis = Verbindung) [25, 32, 34, 36]. Elektrische Synapsen, die Zellkontakten vom Typ der „gap junctions“ entsprechen, sind beim Menschen sehr selten (Kleinhirnrinde, Retina und Innenohr). Das Axon kann zwar schon proximal Kollateralen abgeben, aber präterminal verzweigt es sich in viele kleine Äste (griech.: telodendron = Endbäumchen), die mit einem kolbenartigen Endknopf (Bouton) enden. Je nach Lage des präsynaptischen Endknopfes am postsynaptischen Neuron kann man axodendritische, axosomatische und axoaxonale Synapsen unterscheiden. Die axodendritischen sind die häufigsten Synapsen des ZNS (vor den axosomatischen und den axoaxonalen) und finden sich zwischen Axonende und Dendritenschaft oder als Dornsynapsen zwischen Axonende und dendritischen Dornen („spines“), die z. B. Pyramidenzellen der Großhirnrinde und Purkinje-Zellen aufweisen. Weiter kommen noch seltene Synapsentypen vor (somatodendritisch, dendrosomatisch, somatosomatisch, dendrodendritisch, synaptische Glomeruli, komplexe Synapsen etc.). Durchschnittlich besitzt jedes Neuron des ZNS etwa 1000 synaptische Kontakte, wobei im Gehirn die Synapsendichte am höchsten ist und ein Neuron bis zu über 20.000 synaptische Kontakte aufweisen kann [32]. Es soll im humanen ZNS etwa 100 Billionen (1014) Synapsen geben. Durch die zahlreichen Synapsen können sich Aktionspotentiale in verbundenen Neuronenketten nach dem Divergenz- (Aktionspotential wird bei hinreichender Bahnung über alle angekoppelten Neuronenketten weitergegeben) und Konvergenzprinzip (bei niedrigem Bahnungsniveau wird die Erregung erst weitergeleitet, wenn mehrere Aktionspotentiale auf ein Neuron zulaufen und durch räumliche Summation ein überschwelliges exzitatorisches postsynaptisches Potential hervorrufen) ausbreiten [30]. Das einzelne Neuron muss die unterschiedlichen, hemmenden und erregenden, synaptischen Impulse verrechnen. Die Neubildung oder Veränderung von Synapsen läuft lebenslang ab und ist wohl der wichtigste Vorgang bei der Reifung des kind-
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lichen zum erwachsenen Gehirn (die meisten Synapsen werden in den ersten Lebensjahren gebildet) und stellt auch die Grundlage für Lernvorgänge dar [32]. Der pathologische Synapsenverlust ist ein wichtiger Pathogenesefaktor, z. B. beim M. Alzheimer. Lichtmikroskopisch lassen sich Informationen über die Synapsendichte nur immunhistochemisch mit Antikörpern gegen Moleküle, die sich an der Synapse anreichern (z. B. präsynaptische Vesikelproteine wie Synaptophysin und Synapsin, Neurotransmitter-synthetisierende Enzyme, Neurotransmitter und Transmitterrezeptoren) gewinnen [11]. Es werden verschiedene Neurotransmitter an den Synapsen übertragen (Acetylcholin, Noradrenalin, Glutamat, GABA, Dopamin u. a.). Ihr großer Energieverbrauch macht die Neurone zur empfindlichsten Zellpopulation des ZNS gegenüber Störungen der Blut-, Sauerstoff- und Glukosezufuhr und sie können mikroskopisch zahlreiche morphologische Veränderungen zeigen.
Reaktionsformen der Nervenzellen Vor der Darstellung der neuronalen Reaktionsformen gegenüber Schädigungen sei nochmals betont, dass Noxen auf die Neurone als Teile interagierender funktioneller Systeme aus unterschiedlichen Zellen einwirken. So finden sich morphologische Veränderungen meist nicht nur in einer Zellpopulation. Alterationen eines Zelltyps können daher durch (morphologisch fassbare oder nicht sichtbare) Veränderungen verschiedener Zellen (mit)bedingt sein. Eine der wichtigsten reaktiven Veränderungen der Neurone stellt die ischämische Ganglienzellveränderung (eosinophile Ganglienzellnekrose, neuronale Eosinophilie, eosinophile Degeneration der Neurone) dar [6, 11]. Sie ist Folge eines Mangels des Neurons an Sauerstoff/ Blut oder Glukose, der zum Energiedefizit und zur Schädigung von Zellmembran und perizellulärem Mikromilieu führt [35]. Schließlich resultiert eine neuronale Nekrose mit Kalziumüberflutung der Zelle. Die eosinophile Ganglienzellnekrose ist am besten bei Pyramidenzellen von Großhirnrinde und Hippokampus und den Purkinje-Zellen (Letztere können aber auch eine „homogenisierende Zellerkrankung“ zeigen) zu erkennen [11]. Sie wird frühestens ca. 8 Stunden nach Schädigung sichtbar [35]. Bei schnell tödlichen Ereignissen findet man sie also nicht. Ihre Ausbildung ist energieabhängig, d. h., nach Eintritt des intravitalen Hirntodes kann sie nicht mehr auftreten, sondern weist hier auf vorangegangene Schädigungen hin [15]. Die Nervenzelle schrumpft, verliert ihre basophile Nissl-Substanz durch Auflösung des rauen endoplasmatischen Retikulums und ihr Zytoplasma wird homogen eosinophil, leuchtend rot. Der Zellkern wird pyknotisch oft mit einer Dreiecksform mit kondensiertem Chromatin und verliert seinen Nukleolus (Abb. 1.1b). Es werden verschiedene morphologische Veränderungen
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bei der eosinophilen Ganglienzellnekrose berichtet, die aber nicht stadienhaft auftreten müssen [6]. Einige kommen bevorzugt in bestimmten ZNS-Arealen vor und manche sind fast nur im Tierexperiment zu erkennen. Beschrieben sind: Die offenbar noch reversible Tigrolyse oder Chromatolyse mit staubförmigem Zerfall der NisslSchollen, folgender leichter Zellblähung und oft Abblassung der Kernmembran und Trübung des Kerninhalts [6]. Es folgt eine leichte Schrumpfung von Zytoplasma und Kern, die Zelle erscheint insgesamt dunkler und kann perizelluläre Schrumpfräume aufweisen. Es kommt zu einer oft nur transienten Zellvakuolisierung offenbar durch Schwellungen von Mitochondrien und endoplasmatischem Retikulum [15]. Durch fortschreitende Schrumpfung kann sich eine Inkrustation der Ganglienzellen (nicht verwechseln mit Eiseninkrustierung!) zeigen mit kleinen dichten Granula auf oder nahe der Zelloberfläche. Die Zellschrumpfung führt nämlich zu einer strang- und bandartigen Retraktion von Zytoplasmaanteilen und die kleinen peripheren Granula entsprechen elektronendichten Zytoplasmafragmenten. Sie heben sich von helleren Bezirken ab und liegen in Ausstülpungen der durch geschwollene Astrozytenfortsätze imprimierten Zelloberfläche [6]. Die Inkrustation ist ein sicheres Zeichen für eine intravitale, nichtartefizielle Nervenzellschädigung [15]. Eine differente Morphologie der hypoxisch-ischämischen Veränderungen findet sich besonders bei Purkinje-Zellen oder Neuronen des Nucleus dentatus und des unteren Olivenkerns. Hier kann eine homogenisierende Zellerkrankung (homogenisierende Zellveränderung) auftreten [6, 15]. Der Zellleib ist kaum geschrumpft, manchmal sogar geschwollen und abgerundet. Das Zytoplasma erscheint blass, glasig-homogen und wird eosinophil, der Zellkern schrumpft, seine Membran zerfällt und Chromatingranula verklumpen sich um den blasseren und leicht geschwollenen Nukleolus. Meist sind nekrotische Ganglienzellen nach etwa 14 Tagen resorbiert, allerdings ist die Dauer im Einzelfall sehr variabel [6]. Manchmal ist mikroskopisch eine Neuronophagie zu erkennen, bei der Mikrogliazellen/Makrophagen irreversibel geschädigte Neurone umgeben und schließlich abbauen. Eine Neuronophagie tritt meist auf, wenn Nervenzellen schnell absterben (z. B. bei manchen Virusinfektionen) [15]. „Ghost cells“ sind nekrotische Neurone, von denen nur noch ein geschrumpfter, pyknotischer und fragmentierter Kern zu sehen ist [15]. Bisweilen werden tote Nervenzellen (manchmal aber auch nichtnekrotische Neurone und auch Gliazellen) mit Eisen- und Kalksalzen imprägniert und bleiben quasi „mumifiziert“ sichtbar: Eiseninkrustierung (Ferrugination, Mineralisation) [6, 28]. Sie tritt besonders im Randbereich alter, meist hämorrhagischer Infarkte oder alter Traumaherde auf sowie im hypoxisch-ischämisch geschädigten Säuglingsgehirn [12, 28]. Zu einem langsamen Tod der Neurone führende Schädigungen (z. B. neurodegenerative Krankheiten, trans-
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
synaptische Degeneration) können das Bild einer Nervenzellatrophie verursachen mit retrahiertem Zellkörper, diffuser Zytoplasmabasophilie und pyknotischem, hyperchromatischem Kern [28]. Irreversible Schädigungen führen letztlich zum Neuronenverlust bestimmter ZNS-Areale. Dieser Zellausfall ist mikroskopisch ohne spezielle morphometrische Untersuchungen oft nicht zu erkennen, wenn er nicht eine deutliche reaktive Gliose verursacht oder stark ausgeprägt ist. Er soll erst sichtbar werden, wenn etwa 30% der Neurone verschwunden sind (wobei auch Schnittdicke des Histopräparats und lokale Zytoarchitektur eine Rolle spielen) [28]. In bestimmten ZNS-Regionen kann man aber sogar den Verlust einzelner Neurone erkennen: So bleibt in der Substantia nigra das Neuromelanin aus dem Zytoplasma zugrunde gegangener Nervenzellen quasi als „Grabstein“ noch einige Zeit frei im Gewebe liegen („Pigmentstreuung“), bevor es phagozytiert wird. Sind im Kleinhirn Purkinje-Zellen zugrunde gegangen, so sieht man bei einer (z. B. immunhistochemischen) Darstellung der Korbzellaxone, die die Perikaryen der Purkinje-Zellen korbartig umgeben, „leere Körbe“ [11]. Eosinophile Ganglienzellnekrose und Nervenzellatrophie darf man nicht verwechseln mit „dark neurons“, die besonders in bioptischem Gehirngewebe zu sehen sind. Sie stellen reversible Zellveränderungen mit Zytoplasmakondensation, aber ohne Zerstörung zellulärer Substrukturen und letztlich wohl ein Artefakt durch das Entnahmetrauma dar. Die Neurone zeigen hier ein geschrumpftes, in der HE-Färbung dunkleres, basophiles Zytoplasma, stark basophile Kerne und oft typische „korkenzieherartige“ Axone und Dendriten [12, 15, 28, 35]. Autolyseveränderungen (besonders bei Autopsiegewebe) sollten ebenfalls nicht als intravitale Schädigungen fehlinterpretiert werden. Die autolytischen Nervenzellen erscheinen leicht kontrahiert und basophil, die Kerne etwas kondensiert. Man sieht perineuronale und perivasale Vakuolisierungen durch Schwellungen von Neurone und Blutgefäße umgebenden Astrozytenfortsätzen [12]. Im Einzelfall können sie schwer von agonalen hypoxisch-ischämischen Veränderungen zu unterscheiden sein. Bei diesen sind die Zellkontraktionen allerdings meist ausgeprägter, die perivasalen und perineuronalen Räume deutlicher erweitert durch eine stärkere, ödembedingte Wasseraufnahme der Astrozytenfortsätze [12] und es werden evtl. Inkrustationen der Neurone gesehen [15]. Besonders deutlich sind autolytische Veränderungen in der zerebellären Körnerzellschicht mit „verwaschen“ erscheinenden, sich auflösenden Körnerzellneuronen wahrscheinlich durch frühe postmortale enzymatische Schädigung. Dieses Artefakt wird mit z. T. irreführenden Namen bezeichnet, wie „Ödem der Körnerzellschicht“, „toxische Körnerzellnekrose“ oder „etat glacé“ [35]. Beim intravitalen Hirntod (intravitale Autolyse), einer permanenten globalen Ischämie des Gehirns bei instrumentell aufrechterhaltener Atem- und Kreislauffunktion
Nervenzellen
(„respirator brain“), findet sich autoptisch eine relativ typische Makromorphologie (grau-schmutzige Gewebsdiskoloration, verwaschene Grenze zwischen grauer und weißer Hirnsubstanz, Gewebsdesintegration, schlechte Formalinhärtung mit pastöser Gewebskonsistenz). Die Mikroskopie ist dagegen wenig eindrucksvoll: Das Gewebe weist eine verminderte Anfärbbarkeit in der HE-Färbung auf und die Neurone zeigen große, blasse Kerne mit undeutlichem Nukleolus und ein oft vakuolisiertes Zytoplasma (hydropische Zellveränderung) [15]. Potentiell reversibel ist die axonale Reaktion oder retrograde Zellveränderung, die besonders in motorischen Vorderhornzellen und in Neuronen motorischer Hirnnervenkerne zu beobachten ist als reparative Reaktion auf eine schwere Axonschädigung [11, 20, 28]. Es kommt zur Schwellung und Abrundung des Zellkörpers und zum Verschwinden der Nissl-Substanz in zentralen (zentrale Chromatolyse) oder peripheren Zytoplasmaarealen (periphere Chromatolyse), wobei zentrale und periphere Chromatolyse wahrscheinlich verschiedene Phasen desselben Prozesses zur Axonregeneration darstellen [35]. Weiter tritt eine Abflachung und randliche Verlagerung des Zellkerns auf, der manchmal nierenförmig deformiert ist, aber wie sein bisweilen vergrößerter Nukleolus intakt bleibt. Es kommt nicht zur verstärkten Zytoplasmaeosinophilie [11]. Diese Veränderungen können Wochen und Monate persistieren [15]. Das Neuron kann sich erholen oder zugrunde gehen (letzteres oft dann, wenn die Axonregeneration nicht gelingt). Das Bild einer zentralen Chromatolyse kann aber auch bei metabolischen Störungen ohne primäre Axonschädigung auftreten (z. B. Wernicke-Enzephalopathie) [28]. Sie darf nicht fehldiagnostiziert werden, wenn Nervenzellen physiologisch randliche Nissl-Substanz zeigen, wie bestimmte hypothalamische (Nucleus supraopticus und Nucleus paraventricularis) und spinale Neurone [Nucleus thoracicus posterior (Stilling-Clarke)] oder bei Neuronen mit peripher verlagerter Nissl-Substanz z. B. durch Lipofuszinakkumulation [12]. Die transsynaptische Degeneration kann bei Deafferenzierung von Neuronen auftreten, d. h. bei Ausfall auf sie projizierender Afferenzen [10]. Beispiele sind Nervenzellen in Kernen des Pons, die bei Unterbrechung absteigender frontopontiner Bahnen degenerieren oder Neurone des Corpus geniculatum laterale, die bei Entfernung eines Auges degenerieren (je nach Lage des entfernten Auges zum untersuchten Corpus geniculatum laterale degenerieren wegen verschiedener Axonprojektionen unterschiedliche Nervenzellen: ipsilaterales Corpus geniculatum laterale – betroffene Neurone in Schicht 2, 3 und 5; kontralateral: Degeneration der Schichten 1, 4 und 6) [10, 35]. Eine besondere, ursächlich nicht ganz geklärte Form der transsynaptischen Degeneration tritt im Nucleus olivaris inferior (und accessorius) auf, die Olivenhypertrophie [10]: Es kommt zur vollständigen oder partiellen Verbreiterung des Olivenbandes. Die einzelnen
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Neurone und ihre Kerne sind vergrößert mit einer manchmal ausgeprägten Zytoplasmavakuolisierung („fenestrierte Neurone“) [28] und einer deutlichen Astrogliose. Offenbar ist es zur Fragmentierung im Golgi-Apparat der Neurone gekommen, was zur Neuverteilung präsynaptischer Vesikel und so zu einem veränderten immunhistochemischen Synaptophysin-Markierungsmuster im Kerngebiet führt [35]. Die Olivenhypertrophie tritt auf bei Unterbrechung von Axonen des Olivenkerns selbst mit Verlust ihrer synaptischen Verbindungen oder von Axonen, die auf dieses Kerngebiet projizieren (z. B. bei Schädigung des ipsilateralen Tractus tegmentalis centralis oder des kontralateralen cerebellären Nucleus dentatus). Nervenzellvakuolisierungen können auch bei Ganglienzelltumoren, kortikalen Dysplasien oder Prionkrankheiten auftreten [28]. Oft sind vakuolisierte Neurone geschwollen und balloniert [10]. Die Ursachen von Nervenzellschwellungen sind aber vielfältig und umfassen z. B. Enzephalopathien durch Nährstoffmangel (z. B. NiacinDefizienz: Pellagra), Entwicklungsstörungen (z. B. tuberöse Sklerose), neurodegenerative Erkrankungen (z. B. M. Pick, kortikobasale Degeneration, M. Alzheimer) etc. Die motorischen Vorderhornzellen zeigen mit zunehmendem Alter eine physiologische Schwellung [10]. Bei der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML), einer opportunistischen, besonders bei AIDS-Patienten auftretenden Infektion mit dem Polyomavirus JC, können neben Oligodendrozyten und Astrozyten auch zerebelläre Körnerzellneurone infiziert sein [21, 22]. Ihre Zellkerne sind dabei etwa auf das Doppelte vergrößert und weniger chromatindicht (Abb. 1.1c) [21]. Dysplastische Ganglienzellen in Ganglienzelltumoren oder kortikalen Dysplasien sind oft unregelmäßig verteilt mit Zellclusterung und zeigen eine ungleichmäßige Zellausrichtung und häufig eine ektope Lage in der weißen Substanz. Zytologisch weisen sie eine verstärkte Formund Größenvariabilität, eine unregelmäßig angeordnete und aggregierte oder auch gar keine Nissl-Substanz, Zytoplasmavakuolisierungen und unregelmäßig angeordnete, z. T. verdickte und gekrümmt verlaufende Fortsätze auf. Zwei- und mehrkernige Ganglienzellen sind diagnostisch hilfreich, aber nicht obligat. Zweikernige Ganglienzellen sollen angeblich auch im normalen Gehirn vorliegen können [28]. Wenn dies überhaupt vorkommt, so ist es ein sehr seltenes Phänomen und man sollte primär Fehlinterpretationen (z. B. eng benachbarte Neurone ohne genau erkennbare Zellgrenzen) abklären. Die Immunhistochemie ist bei der Diagnostik dysplastischer Ganglienzellen sehr wichtig und liefert oft typische, aber nicht absolut spezifische und auch nicht obligate Befunde. In der ZNS-Tumorpathologie spielen auch Neurozyten eine Rolle. Es handelt sich um kleine bis mittelgroße neuronale Zellen mit runden oder ovalen Kernen mit fein gesprenkeltem Chromatin und manchmal abgrenzbarem Nukleolus und meist ohne erkennbares Zytoplasma. Sie müssen z. B. immunhistochemisch (Synap-
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Kapitel 1
tophysin, NeuN) weiter charakterisiert werden. Ektope, zytologisch unauffällige Neurone in der weißen Substanz werden autoptisch und bioptisch nicht selten gesehen und dürfen nicht automatisch als Indiz für eine dysplastische Läsion gewertet werden. Allerdings scheinen sie in Umgebung von epileptogenen Foki und allgemein bei Epilepsiepatienten häufiger vorzukommen. In Neuronen treten verschiedenste Einschlusskörper auf, die krankheitstypisch, aber auch klinisch irrelevant sein können. Man kann intranukleäre und intrazytoplasmatische Einschlüsse unterscheiden, wobei Letztere weiter in filamentäre Einschlüsse aus Zytoskelettbestandteilen, in Zytosoleinschlüsse und in membrangebundene Einschlüsse unterteilt werden können [10]. Intranukleäre „Marinesco-Körper“ kommen im adulten Gehirn bevorzugt in Nigraneuronen, aber auch in hippokampalen Pyramidenzellen vor. Sie sind eosinophil, zeigen den Umfang eines großen Nukleolus, sind Ubiquitin-immunreaktiv und bestehen ultrastrukturell aus Filamenten, die größenmäßig Intermediärfilamenten entsprechen und offenbar von den nukleären Laminen stammen [10]. Ob ihnen eine pathologische Bedeutung zukommt, ist unklar. Intranukleäre Einschlüsse können auch bei Virusinfektionen gefunden werden. Besonders eindrucksvoll sind sie bei der Zytomegalievirusinfektion, wo sie „Eulenaugenzellen“ verursachen können mit dunklen Einschlüssen und hellem Hof [35]. Neben den nukleären liegen hier auch Zytoplasmaeinschlüsse vor, die zur namensgebenden Zellvergrößerung führen. Im ZNS können neben den Neuronen auch praktisch alle anderen Zellen mit Zytomegalieviren infiziert werden. Cowdry-Typ-A-Einschlüsse mit zentraler Aufhellung des Kernchromatins und Verlagerung an die Kernmembran (allerdings meist ohne deutliche „Eulenaugen“) können auch bei anderen Herpesinfektionen, wie Herpes simplex Typ I und II und Varizella-Zoster-Virus gesehen werden [35]. Pathognomonische intrazytoplasmatische neuronale Einschlüsse findet man bei Rabies als „Negri-Körper“, umschriebene kleine, an Erythrozyten erinnernde Einschlüsse, besonders in Ammonshornneuronen [35]. Sie sind im HESchnitt leicht zu übersehen und werden mit Antikörpern gegen Rabiesantigen markiert. Bei den intrazytoplasmatischen filamentären Einschlusskörpern, die teilweise oder ganz aus Zytoskelettanteilen bestehen, sind die für bestimmte neurodegenerative Erkrankungen typischen Einschlüsse zu nennen, wie die Lewy-Körper beim M. Parkinson und der Demenz mit Lewy-Körpern, die neurofibrillären Tangles beim M. Alzheimer, bei der progressiven supranukleären Lähmung, beim postenzephalitischen Parkinsonismus etc., die Pick-Körper beim M. Pick und verschiedene Einschlüsse bei Motoneuronerkrankungen. Näheres ist in den entsprechenden Kapiteln zu finden. Mit zunehmendem Alter können einige dieser Einschlüsse in geringer Zahl auch ohne klinische Signifikanz auftreten. Zu den filamentären intrazytoplasmatischen Einschlüssen gehören auch die je nach Schnitt-
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
richtung stäbchenförmigen oder ovalen, stark eosinophilen Hirano-Körper, die aus Aktin und α-Aktinin bestehen und meist in Pyramidenzellen des Hippokampus (besonders CA1) vorkommen. Sie stellen offenbar ein normales Altersphänomen dar, können aber bei neurodegenerativen Krankheiten, wie M. Alzheimer verstärkt sein und möglicherweise bei Alkoholkranken eine besondere Verteilung zeigen [10]. Sie scheinen manchmal extraneuronal zu liegen bzw. über Zellgrenzen hinauszureichen, zeigen aber ultrastrukturell eine Lage im Zellkörper oder in Fortsätzen des Neurons. Eosinophile Einschlüsse in Thalamusneuronen ähneln Hirano-Körpern, sind aber kleiner und können im mittleren und höheren Lebensalter auftreten. Sie sind jedoch häufiger bei myotoner Dystrophie, bei der auch stäbchenartige, an Reisigbüschel erinnernde eosinophile Zytoplasmaeinschlüsse in großen Neuronen des Nucleus caudatus vorliegen können (manchmal werden sie aber auch im Alter ohne diese Krankheit gefunden) [10]. Zu den Zytosoleinschlüssen gehören die aus Polyglucosanen bestehenden basophilen Lafora-Körper [10]. Sie treten beim Lafora-Syndrom auf, einer autosomal-rezessiv vererbten, genetisch heterogenen, neurodegenerativen Speicherkrankheit des Kindes- und Jugendalters mit progressiver Myoklonusepilepsie. Sie ähneln den (im Kindesalter seltenen) Corpora amylacea und zeigen ebenfalls eine Amylase(Diastase)resistente PAS-Positivität, werden aber meist von feinen radiären Spikulae umgeben [10]. In Neuronen des Nucleus olivaris inferior können mit zunehmendem Alter (ohne klinische Bedeutung) kristalline, eosinophile, teilweise unscharf abgegrenzte, Ubiquitin-positive Zytoplasmaeinschlüsse auftreten [10, 35]. Zu den membrangebundenen intrazytoplasmatischen Einschlüssen gehören die Kolloid- oder hyalinen Einschlüsse, die vorwiegend in Neuronen des Hypoglossuskerns (manchmal auch in Vorderhornneuronen) meist alter Menschen als blass eosinophile Zytoplasmaabschnitte vorkommen, die ultrastrukturell erweiterten Zisternen des endoplasmatischen Retikulums durch amorphes Material entsprechen [10, 35]. Sie haben keine klinische Relevanz. Ebenfalls membrangebunden sind die elektronendichten BuninaKörper, kleine, perlschnurartige, eosinophile Einschlüsse im Zytoplasma von motorischen Nervenzellen bei Motoneuronerkrankungen [10]. Die granulovakuoläre Degeneration tritt vorwiegend in Pyramidenneuronen des Hippocampus (besonders in CA1) beim normalen Altern auf, ist aber bei M. Alzheimer und M. Pick deutlich verstärkt. Es zeigen sich in hellen Zytoplasmavakuolen kleine basophile Granula. Sie sind elektronendicht, Ubiquitin-positiv und bestehen aus abnormen Ansammlungen verschiedener Proteine (Tubulin, Neurofilamentproteine, Tau-Protein) [10]. Auch Lipofuszin ist membrangebunden und reichert sich durch Oxidation von Lipiden und Lipoproteinen in Lysosomen an (Telolysosomen). Es stellt sich braun-gelblich in der HE-Färbung dar, ist PAS-positiv, säurefest und
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Gliazellen
autofluoreszent und wird teilweise schon sehr früh in Neuronen nachgewiesen. Es akkumuliert aber mit zunehmendem Alter (auch in Gliazellen) und findet sich bevorzugt in Neuronen des Nucleus olivaris inferior (s. Abb. 1.1a) und des Nucleus dentatus, in kortikalen und hippokampalen Pyramidenneuronen, in großen Nervenzellen von Mandelkern, Thalamus und Hypothalamus und in Motoneuronen von Hirnstamm und Rückenmark [10]. Bei neurometabolischen Erkrankungen treten oft krankheitstypische, membrangebundene zytoplasmatische neuronale Ablagerungen auf. Bei den Reaktionsformen der Nervenzellfortsätze sind die Axonschwellungen oder Sphäroide zu nennen [20]. Sie sind umschriebene, 10–120 μm durchmessende eosinophile Axonauftreibungen als Ausdruck einer (besonders traumatischen oder ischämischen) axonalen Schädigung und bestehen aus Neurofilamenten, Organellen und axonal transportiertem Material, das bei einer Transportunterbrechung akkumuliert [10, 28]. Dies gilt z. B. für das β-Amyloid-Vorläuferprotein, so dass mit einem Antikörper gegen dieses Protein Sphäroide immunhistochemisch markiert werden. Axonschwellungen können aber auch bei neurometabolischen und neurodegenerativen Erkrankungen (mit entsprechend abgelagertem Material, wie z. B. abnormem Tau-Protein) als dystrophische Neuriten vorkommen [28]. Sphäroide stellen den histologischen Hauptbefund bei den neuroaxonalen Dystrophien dar. Axonschwellungen treten mit zunehmendem Alter auch ohne Beziehung zu einem Krankheitsbild gehäuft auf und finden sich lumbosakral in den Vorderhörnern und im Hirnstamm im Bereich des Nucleus gracilis, wo sie nicht selten mineralisiert sind sowie in der Pars reticularis der Substantia nigra und in basalen Anteilen des Globus pallidus [12, 20]. Axonschwellungen der Purkinje-Zellen werden als „Torpedos“ bezeichnet und liegen in der Körnerzellschicht des Kleinhirns (Abb. 1.1d). Sie werden bei zahlreichen degenerativen und metabolischen Kleinhirnerkrankungen gefunden. Ein physiologisches Auftreten mit zunehmendem Alter wird inzwischen bezweifelt [24].
Gliazellen Die Gliazellen sind im Gegensatz zu den ausdifferenzierten Neuronen teilungsfähige Zellen. Sie werden als zentrale Glia des ZNS der peripheren Glia des peripheren Nervensystems (Schwann-Zellen und Mantel- oder Satellitenzellen) gegenübergestellt. Die periphere Glia (s. auch S. 555–7) stammt von der Neuralleiste ab, während zur zentralen Glia die aus dem Neuralrohr entstehende Neuroglia, d. h. Astrozyten, Oligodendrozyten und Ependymzellen sowie die Mikrogliazellen mit mesodermalem Ursprung (Mesoglia) gehören [11, 15, 25, 32, 34]. Der Be-
griff Makroglia wird unterschiedlich verwendet: Einige Autoren verstehen darunter die gesamte zentrale Glia außer der Mikroglia (also die Neuroglia), während andere nur Astrozyten und Oligodendrozyten und manche lediglich die Astrozyten so bezeichnen.
Astrozyten Morphologie und Funktion Astrozyten sind oft sternförmig (griech.: aster = Stern) und stellen die häufigsten und größten Gliazellen des ZNS dar [32, 34]. Unter physiologischen Bedingungen ist der astrozytäre Zellumsatz nur gering mit wenigen proliferierenden und neugebildeten Zellen. Die meisten Astrozyten scheinen postmitotische und langlebige Zellen zu sein [29]. Die sternförmigen Astrozyten werden morphologisch unterteilt in überwiegend in der grauen Substanz gelegene protoplasmatische Astrozyten mit kurzen dicken, stärker verzweigten Fortsätzen und in hauptsächlich in der weißen Substanz vorliegende (mit dem Alter quantitativ zunehmende) fibrilläre Astrozyten mit zahlreichen langen dünnen, wenig verzweigten Fortsätzen [25, 29, 32, 34]. Diese morphologischen Unterschiede sind bedingt durch den Zellgehalt an saurem Gliafaserprotein (GFAP = „glial fibrillary acidic protein“), aus dem die Intermediärfilamente der Astrozyten bestehen [35]. In der HE-Histologie sind diese beiden Astrozyten kaum zu erkennen, da sich die für ihre Identifikation entscheidenden Zellfortsätze hier nicht oder unvollständig darstellen. Es werden praktisch nur ihre runden oder ovalen, 8–9 μm großen blassen Zellkerne mit gesprenkeltem Chromatin gesehen. In der grauen Substanz kann man HE-morphologisch die protoplasmatischen Astrozyten letztlich nicht von kleinen Neuronen unterscheiden, da beide kaum Zytoplasma zeigen und die Zellkerne keine sichere Differenzierung erlauben [12]. In der weißen Substanz ist es im HE-Schnitt oft schwierig, die fibrillären Astrozyten von den häufigeren Oligodendrozyten (mit kleineren und chromatindichteren Kernen) abzugrenzen, wenn die fibrillären Astrozyten keine schmalen eosinophilen Zytoplasmasäume aufweisen [12]. Die Situation ändert sich, wenn es als Folge einer Schädigung des ZNS zu reaktiven Astrozytenveränderungen kommt mit Hypertrophie von Zellkörper und Zellfortsätzen [35]. Die reaktiven Astrozyten sind auch im HE-Bild oft gut zu erkennen mit ihrem eosinophilen oder glasig-hyalinen Zytoplasma, werden aber weiterhin quantitativ und qualitativ (besonders bezüglich ihrer Fortsätze) unterschätzt. Viel deutlicher werden sie in der GFAP-Immunhistochemie, die jetzt das gebräuchlichste Verfahren für die Astrozytendarstellung ist und Färbungen wie PTAH, Holzer und Metallimprägnationen ersetzt hat [35].
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GFAP ist im ZNS weitgehend spezifisch für astrozytäre Zellen, GFAP-exprimierende sternförmige Zellen werden aber auch außerhalb des ZNS gefunden, z. B. in Leber, Niere, Pankreas und Lunge [29]. Der GFAP-Gehalt von Astrozyten kann so gering sein, dass er lichtmikroskopisch nicht zu entdecken ist [29, 35]. Dies gilt besonders für protoplasmatische Astrozyten. „Ruhende“ Astrozyten sind auch in der GFAP-Immunhistochemie schlechter zu erkennen als reaktive Astrozyten mit hochreguliertem GFAP-Gehalt. Die GFAP-Immunhistochemie ist ebenfalls äußerst wichtig für die Identifikation astrozytärer Tumorzellen. Auch die weniger spezifischen Proteine Vimentin (mesenchymales Intermediärfilament) und S100-Protein (kalziumbindendes Protein) sind immunhistochemisch im Zytoplasma von Astrozyten zu detektieren. Astrozyten können immunhistochemisch nachweisbare Wachstumsfaktorrezeptoren (z. B. für EGF und BFGF) exprimieren [35]. Astrozyten sind untereinander über „gap junctions“ (Nexus) zu einem das ganze ZNS durchziehenden Netzwerk verbunden [25, 29]. Sie haben ausgeprägte Kontakte mit Blutgefäßen, Fortsätze protoplasmatischer Astrozyten umscheiden Synapsen und Fortsätze fibrillärer Astrozyten stehen in Kontakt mit den Ranvier-Schnürringen der bemarkten Axone [29]. Ultrastrukturell zeigen Astrozyten einen erheblichen Intermediärfilamentgehalt, zytoplasmatische „dense bodies“ und zahlreiche Fortsätze [35]. Ihre morphologische (und funktionelle) Heterogenität erschöpft sich aber nicht in protoplasmatischen oder fibrillären sternförmigen Astrozyten. So gibt es auch zerebelläre Bergmann-Gliazellen (Bergmann-Astrozyten, Bergmann-Stützzellen, Golgi-Epithelzellen) [23, 25, 34, 35]. Ihre Zellkörper liegen in der Purkinje-Zellschicht und senden jeweils einen GFAP-positiven langen Fortsatz zur subpialen Oberfläche der Molekularschicht. Die polare Bergmann-Glia gehört zur radiären Glia (Radiärfaserglia, Radialgliazellen), langen Gliazellen, die bei der ZNSEntwicklung eine entscheidende Rolle spielen, da sie die Neuralrohrwand radiär durchspannen und den unreifen Neuronen bei ihrer Migration aus dem Keimlager als Leitschienen dienen (die Bergmann-Gliazellen bilden die Leitschienen für die Migration aus der äußeren zerebellären Körnerzellschicht, einer transienten subpialen sekundären Proliferationszone) [12, 25]. Nach Abschluss der neuronalen Migration ziehen die meisten Radialgliazellen ihre langen Fortsätze ein und werden zu Astrozyten. Postnatal bleiben nur die Bergmann-Glia und die MüllerZellen der Retina als radiäre Glia erhalten [25]. Weitere polare Astrozyten sind die pilozytischen Astrozyten, die normalerweise nicht auffallen, sondern erst als piloide Gliose mit Rosenthalfasern oder im Tumor (pilozytisches Astrozytom) zu erkennen sind [12]. Sie bilden lange, dünne (lat.: pilus = Haar) bipolare Fortsätze aus und sind periventrikulär, zerebellär und im Rückenmark lokalisiert. Zwar wird man in Anatomiebüchern wohl vergeblich nach einer derartigen eigenen pilozy-
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
tischen Astrozytenpopulation suchen, aber dieses von Neuropathologen vertretene neuroanatomische Konzept ist aufgrund entsprechender pathomorphologischer Befunde sehr hilfreich [12]. Eine weitere Sonderform der Astrozyten sind die Pituizyten der Neurohypophyse [25]. Es werden laufend weitere Funktionen der Astrozyten entdeckt und bei immer mehr ZNS-Erkrankungen wird ihre pathogenetische Relevanz deutlich. Es hat zwar eine gewisse Berechtigung, die Astrozyten als ZNS-Gegenstück zu den Fibroblasten anderer Organe anzusehen, ist aber missverständlich und wird ihrer Bedeutung (besonders auch hinsichtlich der neuronal-glialen Interaktion) nicht gerecht. Diese Analogie mag dahingehend gelten, dass Astrozyten und Fibroblasten in den jeweiligen Organen ubiquitär verbreitete, teilungsfähige Zellen mit Stützfunktion sind und beide auf eine Vielzahl schädigender Einflüsse reagieren [12]. Doch bereits die beiden Zellen angeblich gemeinsame Fähigkeit zur „Narbenbildung“ ist irreführend. Die astrozytäre Gliose als „Glianarbe“ unterscheidet sich schon dadurch von der bindegewebigen Narbe, dass sie lediglich bei mikroskopisch kleinen Nekrosen eine defektdeckende „gliöse Mikronarbe“ ausbilden kann. Größere Nekrosen zeigen zwar eine randliche Gliose, der Gewebsdefekt selbst wird aber nicht gliös durchbaut, sondern bleibt als pseudozystische Kavität bestehen, dem Endstadium der ZNS-typischen Kolliquationsnekrose. Die Stützfunktion der Astrozyten besteht darin, dass ihre Fortsätze überall Lücken zwischen den Nervenzellkörpern, den Neuriten und Dendriten und den Blutgefäßen ausfüllen. So wird ein Großteil des ZNS-Extrazellulärraums, der etwa 20% des ZNS-Gesamtvolumens ausmacht, aber enge und gewundene, z. T. diffusionsbehindernde Interzellulärspalten aufweist, von astrozytären Zellmembranen mit einer riesigen Gesamtoberfläche gesäumt [25]. Mit verschiedenen Transportmechanismen und Ionenkanälen kontrollieren die Astrozyten die Extrazellulärflüssigkeit, z. B. bezüglich ihres Ionenmilieus (und können so die Erregbarkeit benachbarter Neurone modulieren) oder der Konzentration von Neurotransmittern wie Glutamat. Glutamat kann als potentes Neurotoxin wirken und ist bei vielen ZNS-Krankheiten ein wichtiger pathogenetischer Faktor. Astrozyten sind wahrscheinlich die für die Glutamataufnahme wichtigsten Zellen des ZNS [35]. Sie spielen auch eine zentrale Rolle bei der Regulation des ZNS-Wasserhaushalts. Ihnen kommt also eine entscheidende Bedeutung für die neurochemische Homöostase des ZNS zu. Sie haben auch Einfluss auf Struktur und Funktion von Synapsen. Synapsen im gesamten ZNS weisen eine unterschiedliche Umscheidung durch Astrozytenfortsätze auf (Fortsätze eines einzelnen Astrozyten können bis zu über 100.000 Synapsen umscheiden [29]) und diese können z. B. über eine Glutamataufnahme die interneuronale Signalvermittlung beeinflussen. Offenbar spielen Astrozyten sogar über eine
Gliazellen
regulierte Freisetzung von synaptisch aktiven Molekülen („Gliotransmitter“) eine direkte Rolle bei der synaptischen Übertragung [29]. Sie können auch die Bildung funktionstüchtiger reifer Synapsen einschränken bzw. ermöglichen (z. B. über blockierende Astrozytenfortsätze oder deren aktives Zurückziehen und über Signalsubstanzen wie Wachstumsfaktoren) [29, 35]. Über solche Mechanismen können Astrozyten wahrscheinlich sogar Lernprozesse beeinflussen [32]. Eine wichtige Rolle spielen sie auch bei der Blut-HirnSchranke [25, 32, 34], die sich aus den Endothelzellen der ZNS-Kapillaren, einer darunter liegenden (durch Verschmelzung der Basallaminae der Endothelzellen und der Astrozyten meist gemeinsamen) Basallamina und den perivaskulären Astrozytenfortsätzen mit ihren verbreiterten Endfüßchen zusammensetzt. Den Kapillarendothelien mit ihren „tight junctions“ kommt dabei die entscheidende Bedeutung zu. Diese dichten Interzellularkontakte werden aber durch die Astrozytenendfüßchen induziert und erhalten. Neben dieser perivaskulären Gliagrenzmembran mit flächigen Astrozytenendfüßchen (Membrana limitans gliae perivascularis) gibt es auch eine Gliagrenzmembran an der subpialen ZNS-Oberfläche (Membrana limitans gliae superficialis). Astrozyten können auch Signale an piale Arteriolen übermitteln zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden kontinuierlichen Blutversorgung intraparenchymaler Arteriolen [35]. Astrozyten haben eine wichtige Ernährungsfunktion für das ZNS. So sind sie mit ihren perivaskulären Fortsätzen am Austausch von Nährstoffen und Stoffwechselprodukten zwischen Neuronen und Blut beteiligt, da die Neurone selbst nicht direkt mit dem Blut in Kontakt kommen [32]. Sie sind die Hauptglykogenspeicher im ZNS, wobei sich die größten astrozytären Glykogenmengen in Arealen hoher Synapsendichte finden [29]. Astrozyten haben eine ausgeprägte Fähigkeit zur (aeroben) Glykolyse und Laktatbildung auch bei normalen Sauerstoffwerten. Laktat und Ketonkörper können fakultativ (z. B. bei längerem Hungern, Hypoglykämie oder Diabetes mellitus) im ZNS als alternative Energielieferanten zu Glukose fungieren. Möglicherweise übernehmen die Astrozyten sogar eine Art „Ammenfunktion“ für Neurone und stellen ein Zwischenprodukt des Glukosestoffwechsels her, das von den Nervenzellen aufgenommen und oxidiert wird [35]. Astrozyten haben auch eine wichtige Schutzfunktion [25, 29, 32, 35]. Neben ihrer Bedeutung für den Glutamatspiegel kommt ihnen eine Rolle bei immunologischen Abwehrvorgängen zu, z. B. indem sie eventuell als antigenpräsentierende Zellen fungieren und dadurch, dass sich Astrozyten und die ZNS-Immunzellen, die Mikrogliazellen, gegenseitig beeinflussen können. Astrozyten können auch antioxidative Substanzen synthetisieren. Weiter umhüllen sie auch Bündel markloser Nervenfasern im ZNS [25, 34].
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Astrozyten haben eine essentielle Bedeutung bei der ZNS-Entwicklung [29, 32, 35]: Radiäre Glia spielt eine entscheidende Rolle bei der neuronalen Migration. Sie kann bei der Gehirnentwicklung weitere radiäre Glia, Astrozyten und intermediäre Progenitorzellen, aus denen Gliazellen und Neurone entstehen können, generieren. Astrozyten sind beteiligt an der Differenzierung von Neuronen aus embryonalen und adulten neuralen Stammzellen und können die Neurogenese unterstützende oder hemmende Faktoren sezernieren. Sie haben auch eine Funktion bei der Markscheidenbildung im ZNS und ihr Ausfall oder ihre Dysfunktion können Myelinisierungsstörungen verursachen. Neue Untersuchungen haben nun sogar gezeigt, dass Astrozyten im Hirnstamm eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle der Atmung zukommt [13].
Reaktionsformen der Astrozyten Bei nahezu jeder ZNS-Schädigung kommt es als unspezifische, aber charakteristische Reaktion zu Astrozytenveränderungen, die mit Begriffen wie Gliose, reaktive Gliose, Astrogliose, astrozytäre Gliose, Astrozytose etc. bezeichnet werden [11, 12, 15, 28, 29, 35]. Eine Astrogliose wird von unterschiedlichsten Signalmolekülen ausgelöst, von denen einzelne praktisch von allen Zelltypen des ZNS freigesetzt werden können. Ob die reaktive Gliose auf Verlauf und Therapie einer Krankheit eine günstige oder eher ungünstige Auswirkung hat, ist im Einzelfall oft unklar. Eine reaktive Gliose spricht bei der Mikroskopie einer ZNS-Läsion für eine tatsächliche Pathologie und gegen ein Artefakt. Sie kann aber biopsiediagnostisch Probleme bereiten, da es (besonders in kleinen Proben) manchmal schwierig ist, zwischen astrozytärer Gliose und neoplastischen Astrozyten zu unterscheiden. Die reaktive Astroglia ist keine einheitliche Zellpopulation, sondern zeigt eine funktionelle und regionale Heterogenität und kann abhängig von Art, Lage und Stadium einer Läsion verschiedene morphologische Formen annehmen [35]. Ihr liegt typischerweise eine Vergrößerung (Hypertrophie) und eine Proliferation (Hyperplasie) der Astrozyten zugrunde [12, 29, 35]. Initial kommt es zur Zellvergrößerung mit GFAP-Vermehrung und vermehrtem eosinophilem Zytoplasma sowie oft exzentrischer Lage und Vergrößerung der Zellkerne. Diese können hyperchromatisch oder vesikulär aufgelockert sein mit einem Nukleolus, so dass sie ganglioid aussehen können. Besonders in der weißen ZNS-Substanz finden sich reaktive Astrozyten in Form „gemistozytischer Astrozyten“ („Gemistozyten“, eine Wortschöpfung aus den „gemästeten Astrozyten“ der alten deutschen Neuropathologie), die einen besonders vergrößerten, abgerundeten plumpen Zellleib mit homogen eosinophilem oder eher hyalinem, stark GFAP-positivem Zytoplasma mit plumpen Fortsätzen und exzentrischem Kern zeigen
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Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
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Abb. 1.2 a Reaktive Astrozyten in Form stark GFAP-positiver „Gemistozyten“ mit vermehrtem plumpem immunreaktivem Zytoplasma mit plumpen Zellfortsätzen und exzentrischem Zellkern. GFAPImmunhistochemie mit 3,3´-Diaminobenzidin (DAB) als braunem Chromogen. b Reaktive Astrozyten mit proliferierenden GFAP-positiven Astrozyten mit langen unverzweigten immunreaktiven Zellfortsätzen. GFAP-Immunhistochemie mit DAB als braunem Chro-
mogen. c Zwischen Neuronen gelegene Alzheimer-Typ-II-Astrozyten mit vesikulären Kernen ohne abgrenzbares Zytoplasma („nackte Gliakerne“), die z. T. in kleinen Zellgruppen zusammenliegen. HE-Färbung. d Zahlreiche runde basophile Corpora amylacea subependymal, z. T. perivasal akzentuiert. Inset: Einzelnes Corpus amylaceum mit randlich erkennbarem Zytoplasma. HE-Färbung
(Abb. 1.2a). Sie sollen bereits ca. 6 Stunden nach Beginn eines vasogenen Hirnödems zu beobachten sein [15]. Dagegen dauert es etwa 48 Stunden nach Schädigung bis es zur Astrozytenproliferation kommt, die ebenfalls mit einer deutlichen GFAP-Zunahme einhergeht [15]. Während Mitosen in reaktiven Astrozyten nur äußerst selten zu beobachten sind [28], werden zweikernige (oder manchmal auch mehrkernige) Astrozyten häufig gesehen und dürfen nicht einfach für neoplastische Zellen gehalten werden. Proliferierende Astrozyten senden lange Ausläufer in das umgebende Gewebe und man sieht stark GFAP-positive sternförmige reaktive Astrozyten mit langen, oft unverzweigten Fortsätzen (Abb. 1.2b). Bei zunehmender Astrogliose kommt es dann auch zur Überlappung der Fortsätze verschiedener Astrozyten, während physiologisch die einzelnen Astrozyten mit ihren Fortsätzen jeweils ein eigenes Territorium bedecken [29].
In chronischen Krankheitsstadien oder bei langsamen degenerativen Prozessen findet man meist keine akut reaktiven zytoplasmareichen Astrozyten mehr, sondern sie zeigen bezüglich Zellkern und -körper eine „ruhende“ Morphologie. Man sieht eine dichte fibrilläre Gliose, die eigentliche „Glianarbe“ (wie erwähnt bei makroskopischen Nekrosen nicht defektdeckend) [10, 15, 28]. Es kann eine isomorphe fibrilläre Gliose vorliegen (Astrozytenfortsätze passen sich der ursprünglichen Gewebsarchitektur an), die für chronisch-degenerative Prozesse typisch ist. Die anisomorphe fibrilläre Gliose (unregelmäßig angeordnete Zellfortsätze) findet sich meist um destruktive Läsionen (z. B. Infarkte) [10]. Eine Gliose (dann meist gering oder mäßig ausgeprägt) kann manchmal ausschließlich durch eine astrozytäre Hypertrophie ohne Proliferation bedingt sein [35]. Umgekehrt kann bei einer chronischen Gliose auch nur
Gliazellen
eine astrozytäre Hyperplasie, d. h. eine Zunahme der Zahl der Astrozytenkerne ohne prominente Zytoplasmata vorliegen, was im HE-Schnitt eventuell schwer zu erkennen ist [12]. Eine astrozytäre Proliferation kann allerdings manchmal auch dadurch vorgetäuscht werden, dass die GFAP-Hochregulation in reaktiven Astrozyten Zellen sichtbar macht, die zuvor wegen zu geringem GFAP-Gehalt nicht erkennbar waren [29]. Die piloide Gliose mit Rosenthal-Fasern tritt typischerweise an den für pilozytische Astrozyten charakteristischen Stellen (periventrikulär, Kleinhirn, Rückenmark) auf. Bei der Bergmann-Gliose im Kleinhirn liegt eine Proliferation der Bergmann-Gliazellen vor, die zur Verbreiterung des Zellbandes dieser Glia in der Purkinje-Zellschicht führt. Bei nekrotisierenden Läsionen kann es neben der Astrogliose auch zur Kollagenfaservermehrung (z. B. durch Fibroblasten aus Gefäßen oder Meningen) im Sinne einer
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gliomesodermalen Reaktion kommen. Ein Beispiel ist die Membran und Randgliose eines ZNS-Abszesses [15]. Diese „Narbe“ kann eine neuroprotektive Barriere gegen eine Entzündungsausbreitung bilden. Astrozyten sind gegen hypoxisch-ischämische Schädigungen weniger empfindlich als Neurone und Oligodendrozyten. Ihre letale Schädigung führt über eine Reihe morphologischer Veränderungen zum Zelltod. So kommt es zu einer „wolkigen“ Schwellung von Zellkörper und Fortsätzen, dann wird der Zellkern pyknotisch und verschwindet und es tritt eine Fragmentierung der Fortsätze (Klasmatodendrose) auf [11, 15]. Rosenthal-Fasern sind unterschiedlich große (10–40 μm lange), leuchtend oder eher hyalin eosinophile, rundlich-ovale und längliche, oft korkenzieherförmige Strukturen (Abb. 1.3b) [5, 10, 12]. Sie entsprechen ultrastrukturell geschwollenen Fortsätzen vorwiegend pilozytischer Astrozyten mit elektronen-
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Abb. 1.3 a Geschwollene eosinophile, mutmaßlich oligodendrozytäre Gliazellen, die extrazelluläre Plasmaproteine aufgenommen haben. HE-Färbung. b Fokal noch erkennbare mehrreihige Ependymanteile (oben) in Umgebung eines pilozytischen Astrozytoms mit massenhaft eosinophilen Rosenthalfasern (Mitte und unten) bei einem jungen Erwachsenen. HE-Färbung. c Strangförmige Nester von Ependymzellen (Mitte) im periventrikulären Marklager kaudal
des Seitenventrikelhinterhorns. HE-Färbung. d Ependymopathia granularis mit Gliaknötchen, das sich in das Ventrikelsystem vorwölbt. Im Bereich des Gliaknötchens weist das Ependym Lücken auf und man erkennt auch ependymale Rosetten und Tubuli offenbar als frustraner Regenerationsversuch bei intrauteriner Blutung. Rechts und links des Gliaknötchens Ependymfältelungen, die auch bei normalem Ependym auftreten können. HE-Färbung
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dichtem amorphem granulärem Material, das von dichten Gliafilamenten umgeben wird, mit denen das amorphe Material teilweise verschmilzt. Immunhistochemisch zeigen sie eine randständige GFAP-Positivität und werden mit Antikörpern gegen Ubiquitin und gegen αBCrystallin markiert [10, 15, 28]. Sie finden sich bei einer lange bestehenden ausgeprägten fibrillären Gliose (piloide Gliose) und zwar (entsprechend der Lokalisation pilozytischer Astrozyten) bevorzugt in Rückenmark, Kleinhirn und periventrikulär. So sieht man eine piloide Gliose mit Rosenthal-Fasern z. B. in Umgebung von Syringomyelieherden, Kraniopharyngeomen, Pinealiszysten, Kleinhirnhämangioblastomen etc. [10, 28]. Rosenthal-Fasern sind aber nicht auf für pilozytische Astrozyten typische Areale beschränkt, sondern können z. B. auch in Multiple-Sklerose-Plaques oder subpial vorliegen [5, 28, 35]. Sie sind diagnostisch wichtig in niedriggradigen neuroepithelialen Tumoren wie pilozytischen Astrozytomen (Abb. 1.3b) und Gangliogliomen [5]. Beim M. Alexander sind massenhaft Rosenthal-Fasern in der betroffenen weißen Substanz nachzuweisen. Dieser Leukodystrophie liegen dominante Mutationen im GFAP-Gen auf Chromosom 17 zugrunde [29, 35]. Rosenthal-Fasern werden gelegentlich auch in Hypothalamus und Glandula pinealis des normalen Gehirns gefunden [12]. Eosinophile granuläre Körper treten oft gemeinsam mit Rosenthal-Fasern auf. Sie sind unterschiedlich große, runde, eosinophile oder hyaline, PAS-positive Proteinstrukturen, die oft in Clustern in der Matrix und in Zellfortsätzen niedriggradiger neuroepithelialer Geschwülste (Gangliogliome, pilozytische Astrozytome und pleomorphe Xanthoastrozytome) vorkommen [10, 28]. Ultrastrukturell stellen sie membrangebundene „dense bodies“ dar. Eine Chaslin-Gliose (Randzonengliose, subpiale Gliose) ist eine unspezifische, reaktive Veränderung bei Epilepsiepatienten [16]. Sie zeigt eine Vermehrung subpialer GFAP-positiver Gliafasern, die örtlich unterschiedlich ausgeprägt ist und sich auch tiefer in den Kortex ausdehnen kann. Ähnliche Veränderungen können dabei auch subependymal periventrikulär und perivasal in der weißen Substanz vorliegen. Eine ausgeprägte Astrogliose kommt auch bei der Ammonshornsklerose (Hippokampussklerose) vor, einer wichtigen Ursache einer Temporallappenepilepsie. Dabei stellen die reaktiven Astrozyten nicht nur einfache Folgeveränderungen anfallsbedingter neuronaler Schäden dar, sondern können auch eine funktionelle Rolle bei der Anfallsentstehung spielen [29]. Es gibt zwei nach Alois Alzheimer benannte reaktive Astrozytenveränderungen (die nichts mit dem M. Alzheimer zu tun haben) [10, 12, 15, 20, 28, 35]: Die Alzheimer-Typ-II-Astrozyten finden sich bei einer „metabolischen Astrozytose“ und stellen unter anderem das morphologische Korrelat der hepatischen Enzephalopathie dar. Sie werden daher auch als „Leberglia“ oder wegen
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
ihrer Morphologie als „nackte Gliakerne“ bezeichnet. Es kommt zu einer Vergrößerung der Zellkerne ungefähr auf das Doppelte (auf 15–20 μm). Sie erscheinen vesikulär und blass durch Fehlen von Chromatingranula und zeigen eine deutliche Membran oft mit ein oder zwei neben der Membran gelegenen Nukleolen, Zytoplasma ist praktisch nicht zu erkennen (s. Abb. 1.2c). Auch in der GFAP-Immunhistochemie ist allenfalls eine geringe Zytoplasmamarkierung nachzuweisen, allerdings können die Zellen deutlich S-100-Protein-positiv sein. Alzheimer-Typ-II-Astrozyten liegen meist in kleinen, 2–4 Zellen umfassenden Gruppen vor. Ihre Ursache ist offenbar die Ammoniakerhöhung im Blut, die wahrscheinlich zur Zellschwellung durch oxidativen Stress, verstärkte Permeabilität der inneren Mitochondrienmembran für kleine Moleküle und intrazelluläre Glutaminakkumulation führt. Alzheimer-Typ-II-Astrozyten werden so als mitochondrienreiche, metabolisch aktive Zellen mit Ammoniakentgiftungsfunktion angesehen, während manche Autoren auch regressive Zellveränderungen oder sogar Artefakte diskutieren. Sie werden in der Großhirnrinde, besonders in unteren Kortexschichten gefunden, liegen aber meist zahlreicher in grauen Kerngebieten (wie Globus pallidus und Nucleus dentatus) vor, wo sie (wie auch im Hirnstamm) oft unregelmäßig lobulierte Kerne zeigen. Alzheimer-Typ-I-Astrozyten treten nur beim M. Wilson in größerer Häufung auf. Sie sind deutlich vergrößerte Astrozyten mit ausgeprägtem eosinophilem Zytoplasma und großen, unregelmäßig lobulierten oder auch multiplen Zellkernen. Ähnliche, „neoplastoid“ erscheinende Astrozyten, die selten sogar Mitosen zeigen können, werden auch bei der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML), einer opportunistischen Infektion mit dem Polyomavirus JC gesehen [22]. Zytoplasmareiche Creutzfeldt-Astrozyten (Creutzfeldt-Peters-Zellen) mit Kernveränderungen, die als unterschiedlich große Mikronuklei oder Granularmitosen beschrieben werden, sind zwar nicht spezifisch, aber recht typisch für Entmarkungskrankheiten aus dem Formenkreis der Multiplen Sklerose [12, 35]. Ihr Nachweis sollte besonders bei Biopsien an diese Differentialdiagnose denken lassen. Bei Viruserkrankungen können Astrozyten Einschlüsse aufweisen, wie bei der schon erwähnten Zytomegalievirusinfektion [28], wo sich aber bei den vergrößerten infizierten Zellen mit intrazytoplasmatischen und intranukleären Einschlüssen („Eulenaugenzellen“) die ursprüngliche ZNS-Zelle oft nicht mehr identifizieren lässt. Lipofuszin kann mit zunehmendem Alter außer in Neuronen auch in Astrozyten akkumulieren. Lipidspeicherkrankheiten zeigen eine neuronale und gliale (überwiegend astrozytäre) Lipidspeicherung [28]. Immer mehr zeigt sich die Wichtigkeit glialer (astrozytärer und oligodendroglialer) Zellveränderungen bei verschiedensten neurodegenerativen Erkrankungen. Sie werden genauer bei den jeweiligen Krankheiten darge-
Gliazellen
stellt, einige seien aber kurz erwähnt: Bei den Astrozytenveränderungen handelt es sich meist um Ablagerungen von hyperphosphoryliertem Tau-Protein [10, 28]. Es findet sich bei den für die progressive supranukleäre Lähmung (PSP) charakteristischen „tufted astrocytes“ in den gesamten, lang ausgezogenen Fortsätzen dieser oft zweikernigen Astrozyten. Bei PSP (aber auch bei anderen neurodegenerativen Krankheiten) werden ebenfalls häufig „thorn-shaped astrocytes“ gesehen. Sie zeigen ein Tau-positives Zytoplasma, einen oft kleinen exzentrischen Kern und einzelne kurze Fortsätze. „Astrozytische Plaques“ sind charakteristisch für die kortikobasale Degeneration mit Tau-Positivität in den Fortsatzenden von Astrozyten der grauen Substanz und Tau-Negativität im Zentrum der plaqueartigen Strukturen. Corpora amylacea sind runde, unterschiedlich stark basophile, größenvariable (ca. 10–50 μm), in der HEFärbung graue oder grau-blaue, PAS-positive, Amylase (Diastase)-resistente Ablagerungen (Abb. 1.2d) [10, 12, 28]. Manchmal zeigen sie konzentrische Lamellen und bisweilen kleine eosinophile Abschnitte von Zytoplasma (s. Abb. 1.2d). Es handelt sich nämlich um Einschlüsse in Astrozytenfortsätzen (seltener in Axonen), wobei diese Lage aber im HE-Schnitt normalerweise nicht zu erkennen ist. Sie bestehen überwiegend aus Polyglucosanen sowie kleineren Anteilen z. B. von Tau-Protein und oligodendrozytären Proteinen und sind oft Ubiquitin-positiv. Ultrastrukturell bestehen sie aus 6–7 nm durchmessenden dicht gepackten Filamenten häufig mit amorphem granulärem Material und sind nicht membrangebunden. Corpora amylacea finden sich besonders in subpialen und subependymalen Gehirnabschnitten, um (besonders subkortikale) Blutgefäße herum (Abb. 1.2d) sowie spinal in Hinterhörnern und weißer Substanz. Beim Erwachsenen weisen die Tractus olfactorii oft besonders viele Corpora amylacea auf [12]. Die Zahl der Corpora amylacea nimmt mit dem Alter und bei verschiedensten (besonders neurodegenerativen) Krankheiten zu [10]. Ihre Funktion ist letztlich nicht klar. Diskutiert werden z. B. eine Rolle bei der Akkumulation anorganischer Substanzen aus Blut und Liquor und beim Schutz vor der Erkennung neuronaler und oligodendroglialer Degenerationsprodukte durch Lymphozyten und einer resultierenden Immunaktivierung [10]. Möglicherweise stellen sie auch ein Endstadium der Astrozytendegeneration dar [15]. Äußerst selten scheinen sehr ausgeprägte umschriebene Ansammlungen von Corpora amylacea sogar zu neuroradiologisch sichtbaren Herdläsionen im Gehirn führen zu können [2]. Bei der extrem seltenen Polyglukosankörpererkrankung des Erwachsenen (vgl. S. 612 u. 756) sieht man eine massive diffuse Akkumulation von Corpora amylacea in Hirnrinde und weißer Substanz mit Myelinschädigung [28]. Corpora amylacea dürfen nicht mit mykotischen Strukturen wie Kryptokokken verwechselt werden, die ein weitgehend identisches Färbeverhalten (versilberbar, PASund Alcianblau-positiv) zeigen [12].
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Autolyseveränderungen der Astrozyten manifestieren sich als perivasale Aufhellungen bzw. erweiterte Perivasalräume, die ultrastukturell dilatierten, geschwollenen Astrozytenendfüßchen entsprechen. Diese Schwellungen können aber auch intravital (dann meist ausgeprägter) bei Hirnödem, z. B. durch ein hypoxisch-ischämisches Ereignis auftreten [12].
Oligodendrozyten Morphologie und Funktion Oligodendrozyten (griech.: oligos = wenig, dendron = Baum) sind deutlich kleiner als Astrozyten und besitzen weniger sowie kürzere und geringer verzweigte Fortsätze und schmale Zytoplasmasäume [32, 34, 36]. Im HESchnitt sieht man nur runde lymphozytenartige Kerne mit einem gleichmäßigen dunklen Chromatin ohne Nukleolus, während Zytoplasma und Fortsätze nicht erkennbar sind. Oligodendrozyten besitzen keine spezifischen Intermediärfilamente, aber Mikrofilamente und ein ausgeprägtes Netzwerk aus Mikrotubuli mit Mikrotubulus-assoziierten Proteinen (MAPs) [27, 35]. Ein spezifischer Antikörper für die zuverlässige Identifikation von Oligodendrozyten in Paraffinschnitten fehlt und wird besonders in der Tumordiagnostik vermisst. Synoptisch mit anderen Befunden können hier z. B. Antikörper gegen MAP 2, MOG (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein), MAG (Myelin-assoziiertes Glykoprotein), S-100 Protein, NogoA, IDH1 (R132H) etc. helfen. Oligodendrozyten sind die Markscheidenbildner des ZNS, im peripheren Nervensystem (PNS) übernehmen die Schwann-Zellen diese Funktion. Während die Schwann-Zelle das Axon mit ihrem Zellleib umhüllt und für ein Myelinsegment eines einzigen Axons zuständig ist, umwickelt der Oligodendrozyt jeweils mit einem Fortsatz ein Internodium und kann Internodien von bis zu über 50 Axonen umhüllen [25, 34, 36]. Benachbarte Myelinabschnitte eines Axons werden von verschiedenen Oligodendrozyten bemarkt. Die Länge des Internodiums ist dabei proportional zur Dicke der Myelinscheide und zum Axondurchmesser [32, 34]. Das myelinisierte Axon des ZNS weist keine Basallamina auf im Unterschied zur bemarkten Nervenfaser des PNS mit einer von den Schwann-Zellen gebildeten durchgehenden Basallamina [34]. Das Myelin von ZNS und PNS zeigt histochemische Unterschiede. In der PAS-LFB-Färbung wird z. B. das PNS-Myelin dunkler gefärbt, wie bei Hirn- und Spinalnerven in der Übergangszone vom zentralen zum peripheren Myelin zu erkennen ist [35] Die Oligodendrozyten sind aber nicht nur für die beschleunigte axonale Impulsübertragung durch die Bemarkung verantwortlich, sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung, Aufrechterhaltung und Regeneration der Axone
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[37]. Ist das Axon aber schwer geschädigt, so kommt es zum Untergang der Markscheide [35]. Die Myelinisierung beginnt um die 16. Schwangerschaftswoche, ist jedoch am ausgeprägtesten in den ersten beiden Lebensjahren, wobei sie im Gehirn in kaudorostraler und im Rückenmark in rostrokaudaler Richtung voranschreitet. Wahrscheinlich ist die Bemarkung des ZNS erst spät in der zweiten Lebensdekade abgeschlossen [35]. Entsprechend ihrer Funktion als Markscheidenbildner findet man Oligodendrozyten sehr zahlreich in der weißen ZNS-Substanz, wo sie oft in Reihen zwischen Markfasern angeordnet sind (interfaszikuläre Glia) [15]. Sie kommen aber auch in kleinerer Zahl in der grauen Substanz vor, wo sie sich besonders in den tieferen Schichten der Hirnrinde um die Zellkörper der Neurone gruppieren [5, 12]. Diese perineuronale Satellitose ist mit zunehmendem Alter ein regelhafter Befund letztlich ungeklärter Relevanz [11, 15]. Für die Oligodendrozyten der grauen Substanz wird eine Stützfunktion für Neurone (analog zu Satellitenzellen in Spinalganglien) oder allgemein eine neuroprotektive Funktion angenommen. Möglicherweise handelt es sich bei ihnen auch um Progenitorzellen [35].
Reaktionsformen der Oligodendrozyten Die perineuronale Satellitose der Oligodendrozyten kann auch unspezifisch bei degenerativen Prozessen auftreten [15] und ist oft besonders ausgeprägt und (diagnostisch hilfreich) in oligodendroglialen Tumoren [12]. Die perineuronale Satellitose nichtneoplastischer Oligodendrozyten darf also nicht mit der in Oligodendrogliomen verwechselt werden. (Die Tumorzellen zeigen meist größere und pleomorphere Kerne mit groberem Chromatin und manchmal Nukleolen.) Auch die reihenförmige Anordnung der Oligodendrozyten in der weißen Substanz entlang von Faserbahnen darf man nicht als diffus infiltrierende, gut differenzierte Oligodendrogliomzellen fehldeuten. Diese Gefahren sind noch größer, wenn eine nichtneoplastische (perivasal und perineuronal akzentuierte) Vermehrung von Oligodendrozyten (oligodendrogliale Hyperplasie) vorliegt. Sie kann z. B. bei langjähriger Epilepsie in Temporallappenresektaten, manchmal aber auch als „Zufallsbefund“ in anderen Präparaten gefunden werden [5, 12]. Die Identifikation von (normalen und neoplastischen) Oligodendrozyten im Paraffinschnitt kann durch ein häufiges Artefakt bei verzögerter Gewebsfixation erleichtert werden. Eine Schwellung und Vakuolisierung des Zytoplasmas der Oligodendrozyten führt zu perinukleären Aufhellungshöfen („halos“) der Zellen [12, 35]. Sind viele Oligodendrozyten betroffen, ergibt sich eine „Honigwaben“- oder „Spiegelei“-Architektur des Gewebes. Solche „halos“ können manchmal aber auch als Fixationsartefakt bei anderen Zellen, z. B. Neuronen auftreten.
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
Ein seltener, fast ausschließlich bei Autopsien zu beobachtender Befund sind geschwollene, stark eosinophile Gliazellen im Gehirn, die bevorzugt subpial und subependymal zu finden sind (Abb. 1.3a) [9]. Sie treten wahrscheinlich bei Schädigungen mit Extravasation von Plasmaproteinen wie Hämorrhagien auf. Offenbar können sowohl Astrozyten als auch Oligodendrozyten sehr schnell extrazelluläre Plasmaproteine aufnehmen. Diese eosinophilen Gliazellen sind wohl intakte Zellen (kein Vorkommen in infarziertem Gewebe), allerdings kann ihr Auftreten offenbar postmortal durch eine Fixationsverzögerung verstärkt werden (kein Vorliegen in Biopsien) [9]. Reife Oligodendrozyten sind postmitotische Zellen [37] und nach den Neuronen die empfindlichsten Zellen des ZNS gegen hypoxisch-ischämische Schädigungen [35]. Für die Myelinbildung durchlaufen sie ein hochkomplexes Differenzierungsprogramm und weisen eine hohe metabolische Aktivität auf, was zusammen mit weiteren physiologischen Besonderheiten wie einem hohen Eisengehalt offenbar zu ihrer starken Vulnerabilität führt [4]. Durch das Vorliegen von oligodendroglialen Vorläuferzellen kann es jedoch zu einem Ersatz zugrunde gegangener Zellen bzw. zu einer Oligodendrozytenhyperplasie kommen [35]. Die Reaktionsformen der Oligodendrozyten hängen von Art und Angriffspunkt (Zellkörper oder Markscheide) einer Noxe ab [10]. Es gibt unterschiedliche Schädigungsarten des Myelins [10]: Entmarkung (Demyelinisierung, Demyelinisation) beschreibt einen Verlust von normalen Markscheiden bei weitgehendem Erhalt des Axons. Sie kann durch eine selektive Zerstörung der Markscheiden oder durch eine primäre Schädigung des oligodendroglialen Zellkörpers bedingt sein. Die Ursachen sind unterschiedlich, wie Autoimmunphänomene (z. B. multiple Sklerose), Ischämien, Toxine und metabolische Störungen, Virusinfektionen (z. B. progressive multifokale Leukoenzephalopathie: PML) oder mechanische Schädigungen. Kommt es zur Remyelinisierung, so ist die neugebildete Markscheide dünner und remyelinisierte ZNS-Areale werden in Markscheidenfärbungen schwächer angefärbt. Von Dysmelinisierung (Dysmyelinisation) wird manchmal gesprochen, wenn Myelinscheiden nicht adäquat gebildet oder erhalten werden können (z. B. bei den meist genetisch bedingten Leukodystrophien). Eine Markscheidenschädigung mit einer ödematösen Myelinvakuolisierung durch Flüssigkeitsansammlung zwischen den Myelinlamellen kann z. B. bei der HIV-assoziierten vakuolären Myelopathie, bei bestimmten Stoffwechselstörungen oder bei toxischen Schädigungen auftreten. Bei der Wallerschen Degeneration führt die Degeneration des distalen Teils eines durchtrennten Axons zu Fragmentierung und Untergang auch des Myelins mit Phagozytose durch Makrophagen. Sie läuft im ZNS viel langsamer ab als im PNS und Makrophagen können im ZNS Monate oder sogar Jahre nachweisbar sein [15].
Gliazellen
Bei Virusinfektionen können intranukleäre Einschlüsse in Oligodendrozyten vorkommen, so bei der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML), einer opportunistischen Infektion durch das Polyomavirus JC [22]. Hier findet sich meist ein homogen glasig-hyaliner oder violetter, vergrößerter Oligodendrozytenkern, seltener ein umschriebener kondensierter eosinophiler oder basophiler Kerneinschluss. Oligodendrozytenveränderungen mit intrazytoplasmatischen Ablagerungen von mikrotubulärem oder filamentösem Material kommt eine große Bedeutung bei bestimmten neurodegenerativen Erkrankungen zu [10, 35]. So gibt es im perinukleären Zytoplasma Einschlüsse in Form sog. „coiled bodies“, die überwiegend aus hyperphosphoryliertem Tau-Protein bestehen. Sie können z. B. bei der progressiven supranukleären Lähmung, der kortikobasalen Degeneration und auch beim M. Alzheimer gefunden werden. Bei der Multisystematrophie (MSA) stellen die verschieden geformten glialen Zytoplasmaeinschlüsse („glial cytoplasmic inclusions“) in Oligodendrozyten das wichtigste histologische Diagnosekriterium dar und bei der MSA handelt es sich möglicherweise sogar um eine primäre „Oligodendrogliopathie“ [37]. Die Einschlüsse bei MSA werden in der Gallyas-Versilberung markiert, sind α-Synuclein-immunreaktiv und stellen sich ultrastrukturell als mikrotubuläre Strukturen mit granulärem Material dar. Die Reifung von Zellen der oligodendroglialen Reihe ist durch einen koordinierten Wechsel in der Expression von Oberflächenantigenen charakterisiert, der sich immunhistochemisch nachweisen lässt. Oligodendrozyten und Astrozyten können während der ZNS-Entwicklung sowie auch reaktiv bei Schädigungen von einer gemeinsamen Präkursor-Stammzelle gebildet werden [11]. Über die sog. NG2-Zellen als oligodendrogliale Progenitorzellen im sich entwickelnden und im reifen ZNS wird noch ausführlicher berichtet.
Ependymzellen Morphologie und Funktion Die Ependymzellen (griech.: ependyma = Oberkleid) sind spezielle Gliazellen, die die inneren Liquorräume (Ventrikelsystem des Gehirns mit Aquädukt und Foramina Luschkae) und den Zentralkanal des Rückenmarks auskleiden [11, 25, 31, 34]. Sie bilden dabei einen einschichtigen Zellverband aus iso- bis hochprismatischen epithelartigen Zellen, die nicht mehr mitotisch aktiv sind. Sie besitzen Mikrovilli und Kinozilien und sind über „gap junctions“ und Desmosomen miteinander verbunden. Die Basalköperchen (Kinetosomen, Blepharoplasten), in denen die Kinozilien verankert sind, lassen sich mit PTAH anfärben [15], was vor der Immunhistochemie
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wichtig für die Ependymomdiagnostik war. Immunhistochemisch zeigen fetale Ependymzellen eine regional unterschiedliche Vimentin-Positivität, die bis zum Schwangerschaftsende deutlich abnimmt, eine sehr frühe transiente Zytokeratin-Immunreaktivität und eine regional unterschiedliche GFAP- und S-100-Protein-Positivität [10, 35]. Das Ependym des Erwachsenen ist überwiegend S-100-Protein-positiv und zeigt eine variable GFAP- und EMA-Immunreaktivität [5]. Die EMA-Immunhistochemie hat sich bei ependymalen Tumorzellen als hilfreich erwiesen, wo sie eine typische punkt- und ringförmige zytoplasmatische Markierung zeigen kann [18]. Die Ependymzellen sind mit ihren Kinozilien für den Liquortransport wichtig [32]. Sie zeigen eine ausgeprägte Sekretions- und Resorptionstätigkeit und spielen eine große Rolle bei der Flüssigkeits- und Ionenhomöostase zwischen Hirnparenchym und Liquor [32, 35]. Wahrscheinlich beeinflussen sie auch Signalübertragungsvorgänge über den Liquor [32]. Ependymzellen können Wachstumsfaktoren produzieren und damit trophische Funktionen für Progenitorzellen des ZNS ausüben. Möglicherweise können sie auch regulierend auf den Metabolismus von Progenitorzellen einwirken [8]. Es kommt ihnen auch eine wichtige Bedeutung bei der angeborenen, unspezifischen Immunabwehr des ZNS zu [35]. Die elektrophysiologischen Eigenschaften der Ependymzellen ähneln denen von Astrozyten [35].
Reaktionsformen der Ependymzellen Die Höhe der Ependymzellen und die Zahl ihrer Kinozilien zeigen regionale Unterschiede und nehmen mit dem Alter ab, so dass im Erwachsenengehirn die Ependymzellen lichtmikroskopisch oft auch langstreckig kinozilienfrei und abgeflacht, plattenepithelartig aussehen können [12]. Die Ependymzellen liegen auf einer vorwiegend astrozytären subependymalen Gliazellschicht, die sehr faserreich und regional unterschiedlich zelldicht ist (mit Einzelzellen und Zellclustern) und deren Dicke mit dem Alter zunimmt [12, 15]. Zwischen Ependym und dieser Gliazellschicht findet sich nur eine rudimentäre Basallamina [35]. Subependymal um den Seitenventrikel liegen auch Zellen mit den Eigenschaften neuraler Stammzellen vor [15, 35]. Das einschichtige Ependym geht aus einem mehrreihigen zylindrischen, mitotisch aktiven Epithel der Neuralplatte bzw. des Neuralrohrs hervor, das sich ausdünnt. Wenn die ventrikuläre Ependymauskleidung vollständig ist, hört die mitotische Aktivität der Ependymzellen auf [11, 35]. Manchmal können aber auch im adulten Gehirn fokal noch mehrreihige Ependymabschnitte vorliegen (Abb. 1.3b) [35].
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Der mit Ependym ausgekleidete spinale Zentralkanal ist im Kindesalter offen, obliteriert meist etwa ab der Pubertät und ist beim Erwachsenen ganz oder weitgehend verschlossen. An seiner Stelle findet man kleine Ependymzellnester ohne epithelartige Anordnung, manchmal mit Ependymrosetten [10, 12]. Ependymzellnester liegen auch im Filum terminale vor und gelten als Ursprung hier auftretender myxopapillärer Ependymome [12]. Zwischen Conus medullaris und Filum terminale lassen sich gelegentlich (manchmal neuroradiologisch sichtbare) Reste des embryonalen Ventriculus terminalis, einer örtlichen Dilatation des Zentralkanals, finden [12]. Bei der Gehirnentwicklung scheint es häufiger zur Fusion von benachbarten Ependymabschnitten der Ränder der Seitenventrikelhörner zu kommen, besonders im Bereich der Enden der Hinterhörner [12]. So kann man hier histologisch oft strangförmige Ependymzellnester (Abb. 1.3c) und Ependymrosetten nachweisen, die bei Autopsien manchmal makroskopisch an eine Entmarkung erinnern. Es können aber überall um die inneren Liquorräume Ependymzellnester mit Ependymrosetten und tubulären Strukturen vorliegen, häufig findet man sie periaquäduktal [10, 12, 35]. Manchmal stellen sie auch frustrane Reparationsvorgänge bei noch proliferierendem Ependym dar (z. B. bei einer intraventrikulär eingebrochenen Keimlagerblutung eines Frühgeborenen) (Abb. 1.3d). Solche subependymalen Ependymzellnester dürften Ursprung seltener extraventrikulärer Ependymome des Gehirns sein. Manchmal kann kaudal eines Hinterhorns eine Art „Zusatzventrikel“ vorliegen, offenbar durch partielle Fusion von weiter rostral gelegenen Ependymabschnitten. Bei einer langstreckigeren Fusion der Enden der Seitenventrikelvorderhörner ohne einen randlichen offenen Ventrikelanteil spricht man von einer Adhäsion, bei einer fokalen Fusion mit lateral noch vorliegenden Ventrikelanteilen von einer Koarktation. Bei beiden könnte es sich um erworbene, z. B. postentzündliche Veränderungen handeln. Bei Autopsien sieht man in Schnitten der Medulla oblongata bisweilen seitlich adhärente Streifen ependymaler Zellen. Hierbei handelt es sich nicht um ektopes Ependym, sondern um Anschnitte der Ependymauskleidung der Aperturae laterales (Foramina Luschkae) [12]. Das normale Ependym kann örtlich gefältelt sein [12, 35]. Diese Undulationen sind ohne klinische Bedeutung und sollten nicht mit einer Ependymopathia granularis verwechselt werden (Abb. 1.3d). Die Ependymopathia granularis (Ependymitis granularis) ist eine unspezifische Reaktion, bei der es durch verschiedenste (oft auch nicht eruierbare) Noxen (z. B. Infektionen, Blutungen, Hydrozephalus) zu einer Proliferation der faserreichen subependymalen Glia kommt mit Bildung von Gliaknötchen, die exophytisch in das Ventrikellumen vorwachsen („ependymale Granulationen“) (Abb. 1.3d) [10–12, 15, 35]. Ihr geht meist eine örtliche Ependymzerstörung voran, so dass im Bereich der Glia-
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
knötchen das Ependym oft fehlt. Trotz des Begriffs „Ependymitis granularis“ ist meist keine Entzündungsreaktion in den Knötchen nachweisbar [10], so dass „Ependymopathia granularis“ vorzuziehen ist. Sie kann selten im Bereich von Engstellen (z. B. Aquädukt) die Liquorzirkulation behindern und zum Hydrocephalus occlusus führen. Bei sehr ausgeprägter Schädigung kann diese subependymale Gliose auch mehr diffus, flächenhaft in das Ventrikelsystem einwachsen. Es gibt aber auch eine echte, z. B. bakterielle, mykotische oder virale Ependymitis. Erwähnt seien die Zytomegalievirus-Ventrikuloenzephalitis mit Infektion von Ependymzellen sowie Infektionen mit Varizella-Zoster-Virus und Mumpsvirus (Letztere können selten eine Aquäduktstenose verursachen) [35]. Bei an den Ventrikel heranreichenden Infarkten ist das Ependym oft noch intakt, da es möglicherweise über den Liquor miternährt wird. Insgesamt sind die ependymalen Reaktionsmöglichkeiten gegen Noxen sehr beschränkt und bestehen vorwiegend im Zelluntergang mit resultierenden Ependymlücken. Es kann auch zur Atrophie des Ependyms mit Zellabflachung kommen (z. B. bei Verschlusshydrozephalus und bei schwerer Hirnatrophie) [10]. Bei mechanischer Schädigung (z. B. durch Hydrocephalus occlusus) treten Ependymlücken besonders im Bereich der glatten Ventrikeloberfläche und weniger der Ventrikelkanten auf [35]. Insgesamt nehmen mit dem Alter die Ependymlücken zu und die subependymale Gliazellschicht wird breiter [15]. Mit zunehmendem Alter treten in den Ependymzellen (wie in Plexusepithelzellen) auch Biondi-Körper auf. Diese β-Amyloid-immunreaktiven, mit Thioflavin S stärker als mit Kongorot angefärbten Amyloidfibrillen aus Bündeln von 10 nm langen geraden Filamenten sind in den Ependymzellen meist als unregelmäßige Stränge angeordnet, während sie im Plexusepithel oft als Biondi-Ringe vorliegen [10].
Tanyzyten Tanyzyten sind spezielle elongierte Ependymzellen mit oft nur einer einzelnen Kinozilie und einem langen (bis 500 μm) basalen Ausläufer [34]). Dieser zieht weit nach subependymal, in perivaskuläre Räume, zu Neuronen oder Gliazellen [34–36]. Besonders im Bereich von drittem Ventrikel und Hypothalamus können diese Fortsätze aber sogar bis nach subpial zur Membrana limitans gliae superficialis reichen [5]. Tanyzyten kommen im Ependym des dritten und vierten Ventrikels vor, besonders in den zirkumventrikulären Organen (ZVO; s. auch unten) [25, 32, 34]. ZVO sind meist unpaare, an die Ventrikel angrenzende, kleine, gefäßreiche Strukturen ohne Blut-HirnSchranke, da ihre Funktion (neuroendokrin oder chemosensorisch) eine direkte Kommunikation mit der Blutbahn erfordert („neurohämale Zonen“) [34]. Zu den ZVO
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Gliazellen
gehören: Hypophysenhinterlappen und Eminentia mediana, Corpus pineale, Subfornikalorgan, Organum vasculosum laminae terminalis, Subkommissuralorgan und Area postrema [34]. Hier kommt ein Substanzaustausch zwischen Blut und ZNS-Extrazellulärraum durch fenestrierte Kapillaren zustande. Das Fehlen der Blut-HirnSchranke macht aber eine Barriere zwischen Extrazellulärraum der ZVO und Liquor nötig. Sie wird durch das spezielle tanyzytenreiche Ependym gebildet mit hier durch „tight junctions“ verbundenen Zellen [25].
Epithelzellen des Plexus choroideus Morphologie und Funktion Die kubischen Epithelzellen des einschichtigen Plexus choroideus sind spezialisierte Ependymzellen, die ventrikelwärts nur einzelne (lichtmikroskopisch nicht sichtbare) Kinozilien oder dünne Kinozilienbüschel, aber einen reichen Mikrovillibesatz aufweisen und durch „tight junctions“ verbunden sind [23, 25, 34, 40]. Die ultrastrukturell gefältelte basale Oberfläche der Plexusepithelzellen besitzt eine Basallamina [3]. Elektronenmikroskopisch zeigen sie ein raues endoplasmatisches Retikulum, einen gut ausgebildeten Golgi-Apparat, Lysosomen, Lipofuszingranula und Lipidtropfen [23]. Die Plexusepithelzellen sind lichtmikroskopisch größer und von der Form stärker „pflastersteinartig“ als die Ependymzellen [12]. Sie überziehen ein kapillarreiches Stroma, die Tela choroidea, einen Ausläufer der Leptomeninx [23, 25, 34]. Plexusepithel (Lamina choroidea epithelialis) und Tela choroidea bilden den Plexus choroideus [23]. Plexus choroideus findet sich jeweils im Mittelteil (Pars centralis) der Seitenventrikel (am ausgeprägtesten im Atrium, dem hinteren Abschnitt der Pars centralis), in den Temporalhörnern der Seitenventrikel, in den Foramina Monroi, im Dach des dritten und vierten Ventrikels und in den lateralen Rezessus des vierten Ventrikels („Bochdaleksche Blumenkörbchen“, die in den Subarachnoidalraum hineinragen) [12, 23, 34]. Seitenventrikelvorder- und -hinterhörner und der Aquädukt weisen keinen Plexus choroideus auf. Die Plexus choroidei entstehen dadurch, dass sich in der frühen Fetalzeit Teile der Endhirnbläschen und das Dach des dritten und vierten Ventrikels bis auf das Ependym zurückbilden, das mit fibrovaskulärem leptomeningealem Gewebe in Kontakt tritt [23]. Beide stülpen sich dann zottenartig in die Ventrikel ein, wobei die Plexusepithelzellen das Stroma pseudorosettenartig umhüllen. Dabei beeinflussen sich Mesenchym und Epithelzellen gegenseitig in ihrer Entwicklung [3]. Das Epithel induziert z. B. eine verstärkte Angiogenese und die Differenzierung der Gefäße zu Kapillaren vom fenestrierten Typ. Das Mesenchym wirkt auf die Plexusepitheldifferenzie-
rung z. B. über die Produktion von IGF-2, das im Plexusepithel die Bildung von Transthyretin (Präalbumin), einem Schilddrüsenhormon-bindenden Protein, induziert [3]. Die zunächst säulenförmigen Plexusepithelzellen des Feten weisen PAS-positive, glykogenhaltige Granula und so eine klarzellige HE-Morphologie auf. Im Plexusepithel des Erwachsenen fehlen diese Glykogengranula oder sind deutlich reduziert. Im normal weiten adulten Ventrikelsystem nimmt der Plexus choroideus weniger als 25% des Ventrikelvolumens ein, beim Feten füllt er den größten Teil des Ventrikels aus. Immunhistochemisch reagieren die Plexusepithelzellen mit Antikörpern gegen Zytokeratin (besonders niedermolekulare Formen), Vimentin, S-100-Protein und Transthyretin, wobei Transthyretinbefunde aufgrund von Transthyretin (Präalbumin) im Serum besonders bei Blutungen oft schwer zu beurteilen sind. Antikörper gegen den einwärts gleichrichtenden Kaliumkanal Kir7.1 und gegen Stanniocalcin-1, ein homodimerisches Phosphoglykoprotein, reagieren ebenfalls mit Plexusepithelzellen [19]. Die Plexus choroidei produzieren fast den gesamten Liquor cerebrospinalis (ein kleiner Teil wird über transependymale Flüssigkeitsexsudation gebildet) [15], von dem täglich etwa 500 ml hergestellt werden, so dass bei einer Gesamtmenge von etwa 135 ml (davon ca. 25 ml intraventrikulär) der Liquor täglich etwa drei- bis viermal erneuert wird [25]. Die Kapillaren des Plexus choroideus sind dazu fenestriert und die Plexusepithelzellen besitzen in ihrer apikalen, ventrikelwärts gerichteten Membran Na+-K+-ATPase und Wasser- (Aquaporine) und Chloridkanäle, so dass Na+-Ionen aktiv in den Liquor gepumpt werden, denen Cl–-Ionen und Wasser folgen. An der basalen Membran werden Na+-Ionen durch Na+-Kotransporter und Na+-H+-Austauscher sowie Cl–Ionen im Austausch gegen (durch zytoplasmatische Carboanhydrase produziertes) Hydrogencarbonat (HCO3–) aufgenommen [3, 34]. Den Plexusepithelzellen kommt so eine wichtige Funktion bei der Flüssigkeits- und Ionenhomöostase des Gehirns zu. Über sie werden z. B. auch Glukose, einzelne Vitamine, Nukleoside und Transthyretin in den Liquor sezerniert [3]. Sie sind der wesentlichste Bestandteil der Blut-Liquor-Schranke im Ventrikel (im Subarachnoidalraum ist dies das Neurothel der Arachnoidea) und verhindern mit ihren „tight junctions“ weitgehend den parazellulären Substanztransport [3, 25, 34]. Die Basallaminae von Plexusepithel und Endothelzellen haben offenbar Filtrationseigenschaften für akzidentell übergetretene Plasmaproteine [3]. Die Plexusepithelzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Resorption und Entgiftung organischer Verbindungen aus dem Liquor und können z. B. Hämosiderin aus Blutungen resorbieren [23]. Der Plexus choroideus hat auch eine Abwehrfunktion durch Makrophagen im Stroma und an der ventrikulären Epitheloberfläche (Epiplexuszellen oder Kolmer-Zellen) [3, 23].
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Kapitel 1
Reaktionsformen der Epithelzellen des Plexus choroideus Durch eine Infektion der Plexusepithelzellen mit intrazytoplasmatischen und intranukleären Einschlusskörpern kann sich eine Zytomegalievirusinfektion auf dem Liquorweg ausbreiten. In den Plexusepithelzellen kommt es wie in den Ependymzellen zu einer mit dem Alter zunehmenden Ansammlung von Biondi-Körpern (β-Amyloidfibrillen), die in den Plexusepithelzellen oft ringförmig angeordnet sind (Biondi-Ringe) [10, 39]. Eine weitere Altersveränderung der Plexusepithelzellen sind Zytoplasmavakuolisierungen offenbar durch Lipidvakuolen (Abb. 1.4a) [12, 23]. Fast immer treten mit zunehmendem Alter im Plexus choroideus Verkalkungen auf und zwar als unspezifische Stromaverkalkungen und als Psammomkörper mit örtlichen Meningothelzellnestern (aufgrund der leptomeningealen Abstammung des Plexusstromas; sie sind der
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
Ursprung intraventrikulärer Meningeome) (Abb. 1.4b) [5, 12]. Plexus choroideus und Glandula pinealis sind die intrakraniellen Strukturen mit quasi obligaten Verkalkungen [11]. Im Pinealorgan sind sie als „Hirnsand“ (Corpora arenacea, Acervulus) nach der Pubertät praktisch regelhaft nachzuweisen [12]. Ein ebenfalls häufiger (meist asymptomatischer) Befund sind (oft bilaterale) zystische (Abb. 1.4b) und xanthogranulomatöse Veränderungen des Plexus choroideus, besonders im Bereich der atria (hintere Abschnitte des Mittelteils) der Seitenventrikel [12].
NG2-Zellen NG2-Zellen (Polydendrozyten, Synantozyten) [26, 33, 38] werden in der grauen und weißen Substanz des sich entwickelnden und des reifen ZNS gefunden und unterscheiden sich von Neuronen, reifen Oligodendrozyten,
a
b
c
d
Abb. 1.4 a Zytoplasmavakuolisierungen durch Lipidvakuolen in Epithelzellen des Plexus choroideus. HE-Färbung. b Plexus choroideus mit Plexusepithelzellen (links) mit zystenartiger Auflockerung des Plexusstromas (rechts), zwei Psammomkörpern und einem Nest von Meningothelzellen (unten links unterhalb des Gefäßes). HE-
Färbung. c CD68-immunreaktive stäbchenförmige Mikrogliazellen. CD68-Immunhistochemie mit DAB als braunem Chromogen. d Mikrogliaknötchen (oben) im Bereich des Nucleus olivaris inferior mit im unteren Bildteil erkennbaren Olivenneuronen. HE-Färbung
Gliazellen
Astrozyten und Mikrogliazellen. Sie werden durch die Expression des Proteoglycans NG2, eines Typ-1-Transmembranproteins identifiziert und zeigen eine stark verzweigte Morphologie. Sie sollen etwa 5–10% der ZNSGliazellen ausmachen. Ihnen wird ein reges Forschungsinteresse entgegengebracht. Sie wurden ursprünglich als reine oligodendrogliale Progenitorzellen angesehen und können in jedem Alter Oligodendrozyten generieren und sich selbst erneuern. Im unreifen Gehirn scheint aus ihnen aber auch eine Subpopulation protoplasmatischer Astrozyten entstehen zu können. Inwieweit sie auch Neurone generieren können, ist noch nicht ganz geklärt. Sie stehen aber in engem Kontakt mit Nervenzellen und es sind sogar synaptische Kontakte zwischen Axonen und Fortsätzen der NG2-Zellen nachgewiesen. In zahlreichen Hirnregionen besteht eine enge räumliche Beziehung zwischen den Zellkörpern von NG2-Zellen und von Neuronen. NG2-Zellen kommt offenbar eine modulatorische Rolle bei den neuronalen Netzwerken des Gehirns zu. Es sind aber noch viele Fragen offen, z. B. hinsichtlich Ursprungs, möglicher Heterogenität und auch Funktionen dieser Zellen.
Mikrogliazellen Morphologie und Funktion Die Mikrogliazellen sollen ca. 10–20% [15, 25, 31, 35] der Gliazellen des ZNS ausmachen und etwa 100–200 Milliarden Zellen umfassen. Sie sind die ortsständigen Immunzellen des ZNS und werden zum mononukleären (monozytären) Phagozytensystem gerechnet [32, 34]. Die Mikrogliazellen sind an der unspezifischen und spezifischen Immunabwehr beteiligt. Sie sind mesodermaler Herkunft (Mesoglia) und entstehen im Knochenmark aus denselben Vorläuferzellen wie die Blutmonozyten. Sie wandern in der frühen Embryonalzeit in das ZNS ein und differenzieren sich zu Mikrogliazellen [32, 34, 35]. Diese ortsständigen Mikrogliazellen finden sich in der grauen und der weißen Substanz des ZNS, wobei ihre Zahl in der grauen Substanz meist größer ist [31]. Postnatal erneuert sich die ortsständige Mikroglia überwiegend vor Ort durch Zellteilung [7, 25]. Diskutiert wird, ob es im adulten ZNS einen Ersatz von Mikrogliazellen durch aus dem Knochenmark stammende Precursor- oder Progenitorzellen gibt [7, 14]. Eine derartige Mikroglia („bone-marrow-derived microglia“) wäre therapeutisch (z. B. bei neurodegenerativen Erkrankungen) hochinteressant. Offenbar kann unter bestimmten Bedingungen (wie chronischen ZNS-Erkrankungen) tatsächlich eine solche Mikroglia auftreten, allerdings wohl nur in relativ geringem Ausmaße [14]. Sie scheint sich immunphänotypisch und funktionell von ortsständiger Mikroglia zu unterscheiden [14].
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Manchmal wird im normalen ZNS auch noch eine „perivaskuläre Mikroglia“ abgegrenzt aus schmalen, elongierten Zellen, die direkt perivasal um kleinkalibrige Gefäße, offenbar in den Virchow-Robin-Räumen liegen und einen regelmäßigen Ersatz durch Blutmonozyten zeigen [10, 28]. Sie werden nun aber meist nicht mehr zur Mikroglia gerechnet, sondern als „perivaskuläre Makrophagen“ („perivaskuläre Zellen“) zu einer heterogenen ZNS-Makrophagenpopulation (ZNS-assoziierte Makrophagen), zu der auch Makrophagen in den Meningen und im Plexus choroideus gehören [7]. Die Mikrogliazellen sind die kleinsten Gliazellen und diejenigen mit der größten morphologischen Variabilität. Sie sind nämlich im Gegensatz zu den übrigen ZNSZellen beweglich und können Position und Form ständig ändern [32]. Mit den früher gebräuchlichen Versilberungen wurden eine ramifizierte, eine amöboide und eine intermediäre Mikroglia abgegrenzt, während man nun immunhistochemisch meist zwischen „ruhender“ und „aktivierter“ Mikroglia unterscheidet [35]. Bei der Mikrogliaaktivierung als Reaktion auf unterschiedlichste ZNSVeränderungen kommt es zu einer Proliferation der ortsständigen Mikroglia und einer mikroglialen Expression oder Sekretion verschiedenster Proteine, die meist mit Antigenpräsentation und Inflammation zu tun haben [10, 28, 35]. Die Mikrogliazellen zeigen dabei deutliche Veränderungen von Morphologie und Immunphänotyp. Die ruhenden Mikrogliazellen entsprechen der ramifizierten Mikroglia und weisen lange, dünne, stark verzweigte Zellfortsätze auf [34]. Die aktivierten Mikrogliazellen zeigen kurze und dickere, plumpe Zellfortsätze, sie sind amöboid beweglich und können phagozytotisch tätig sein [34] und eine entsprechende Makrophagenmorphologie zeigen, z. B. als Schaumzellen (Lipophagen, Fettkörnchenzellen, Gitterzellen etc.) mit phagozytierten Lipidsubstanzen aus nekrotischem ZNS-Gewebe oder als Siderophagen mit gespeichertem Hämosiderin [11, 15]. Mikrogliazellen sind im HE-Schnitt oft nur schwer zu erkennen und werden quantitativ unterschätzt. Dies gilt besonders für die ruhende Mikroglia, aber auch für aktivierte, nicht phagozytotisch tätige Mikrogliazellen, weniger für Mikrogliazellen mit Makrophagenmorphologie. Heute wird die Mikroglia meist immunhistochemisch dargestellt mit Markern, die auch bei Blutmonozyten/makrophagen verwendet werden wie CD68 (Abb. 1.4c), HAM-56, HLA-DR etc. Auch CD45 kann bisweilen nützlich sein. Bei der frühen Aktivierung exprimieren Mikrogliazellen CD34 [35]. Obwohl es keinen einzelnen Antikörper gibt, der sicher zwischen „ruhender“ und „aktivierter“ Mikroglia differenziert, ist in der Routinediagnostik mit einem oder wenigen Antikörpern, die man gut kennt und mit entsprechender Erfahrung meist eine ausreichende Beurteilung der Mikroglia möglich. In der Forschung wird dagegen oft eine Batterie von Antikörpern für eine besonders genaue Zelltypisierung benötigt. Denn trotz glei-
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Kapitel 1
cher Morphologie kann ein unterschiedlicher Aktivierungszustand der Mikrogliazellen vorliegen, der sich manchmal nur in geringen Differenzen im Immunphänotyp zeigt [14, 17, 31, 35]. Das morphologische Spektrum der Mikrogliazellen ist aber noch größer als bisher erwähnt. So gibt es von den Umgebungsbedingungen abhängige Unterschiede [31, 35]: Die ruhende, ramifizierte Mikroglia ist gut an die jeweilige Gewebsarchitektur des Gehirns adaptiert und zeigt in der grauen Substanz strahlenförmig angeordnete und in der weißen Substanz parallel oder senkrecht zu den Nervenfaserbahnen ausgerichtete Fortsätze. Auch die Art eines pathologischen Prozesses hat nicht nur Einfluss auf das grundsätzliche Reaktionsmuster der aktivierten Mikroglia (Mikrogliaknötchen, diffuse Mikrogliose, Makrophagen), sondern kann bei gleichem Reaktionsmuster auch morphologische Unterschiede der einzelnen Mikrogliazellen bewirken. Bei einer anterograden axonalen und terminalen synaptischen Degeneration von Neuronen scheinen z. B. aktivierte hyperramifizierte Mikrogliazellen und bei einer ausgeprägten dendritischen Degeneration Stäbchenzellen vorzuliegen [31]. Die Aufgaben der Mikroglia können zum Teil mit „Abräum- und Abwehrzellen“ oder „Müllabfuhr und Polizei“ [32] im ZNS beschrieben werden. Es wird aber ein immer größer werdendes mikrogliales Funktionsspektrum aufgedeckt. Man weiß nun, dass die Mikroglia eine wichtige physiologische Bedeutung hat, dass sie praktisch bei allen neuropathologischen Läsionen Veränderungen zeigt und dass ihr bei unterschiedlichsten ZNS-Erkrankungen eine große pathophysiologische Relevanz zukommt [14, 31, 35]. Mikrogliazellen spielen eine wichtige physiologische Rolle im sich entwickelnden und im adulten ZNS, z. B. bei der Induktion von Apoptose in bestimmten Subpopulationen sich entwickelnder Neurone, bei der Kontrolle der Synaptogenese, bei der Synthese neurotropher Faktoren (z. B. NGF, BDNF, HGF, BFGF) oder bei der Regulation der synaptischen Übertragung [7, 14, 35]. Die Fähigkeit, sich zu bewegen und Form und Position zu ändern, ist für viele Aufgaben der „aktivierten“ Mikroglia essentiell, aber die „ruhende“ Mikroglia (eine irreführende Bezeichnung) schafft für diese Funktionen oft erst die Voraussetzungen. Die ruhende Mikroglia besitzt nämlich sehr bewegliche Fortsätze, die sich kontinuierlich ausdehnen und zusammenziehen und laufend neu gebildet werden [17]. Sie bedecken ein etwa 30–50 μm großes Areal des Gehirns ohne Überlappung mit Fortsätzen benachbarter Mikrogliazellen. Die hohe Beweglichkeit der Zellfortsätze bewirkt offenbar, dass die Mikroglia innerhalb weniger Stunden den gesamten Extrazellulärraum des Gehirns überprüfen kann [17]. Durch diese immunologische Sensorfunktion bemerkt sie sehr schnell Schädigungen und kann früh als aktivierte Mikroglia darauf reagieren [14]. Auch der funktionelle Zustand der Synapsen scheint von der ruhenden Mikroglia regelmäßig
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
überwacht zu werden, so dass sie auch die Informationsverarbeitung des ZNS beeinflusst [14]. Die Mikroglia ist der wichtigste Teil des angeborenen Immunsystems des ZNS und spielt auch eine entscheidende Rolle bei der spezifischen Abwehr im ZNS [35]. Die aktivierten Mikrogliazellen können als antigenpräsentierende Zellen fungieren, als Makrophagen tätig sein, eine große Anzahl von Zytokinen und Chemokinen (mit zum Teil gegensätzlichen Wirkungen) sowie auch für ZNS-Zellen potentiell toxische Substanzen produzieren und die MHC-Klasse-I- und -II-Expression hochregulieren. Mikrogliazellen und Astrozyten interagieren und beeinflussen sich gegenseitig funktionell [14, 17, 35].
Reaktionsformen der Mikrogliazellen Die Mikrogliaaktivierung läuft über die Stimulierung/Aktivierung von sog. Mustererkennungsrezeptoren („patternrecognition receptors“), die die Mikrogliazellen als Teil des angeborenen (unspezifischen) Immunsystems besitzen oder über eine spezifische Immunantwort [35]. Ursächlich kommen die unterschiedlichsten Veränderungen in Frage, ja wahrscheinlich gibt es überhaupt keine ZNSPathologie, bei der die Mikroglia nicht involviert ist [7, 14]. Dabei differenzieren sich die ortsständigen Mikrogliazellen, die im physiologischen Zustand undifferenzierten myeloischen Vorläuferzellen entsprechen, unter dem Einfluss des „granulocyte-macrophage colony-stimulating factor (GM-CSF)“ hin zu einer dendritischen Morphologie und unter dem Einfluss des „macrophage colony-stimulating factor (M-CSF)“ und/oder von Zytokinen hin zu einer histiozytären Morphologie [35]. Die Mikrogliaaktivierung weist drei grundsätzliche morphologische Reaktionsmuster auf [12, 28]: Es kommt z. B. zur Bildung von Mikrogliaknötchen, fokalen knötchenförmigen (und so im HE-Schnitt meist erkennbaren) Mikrogliaansammlungen, wobei diese Knötchen oft noch andere Entzündungszellen und reaktive Astrozyten aufweisen, so dass auch von „inflammatorischen Knötchen“ [35] gesprochen wird (Abb. 1.4d). Mikrogliaknötchen werden typischerweise bei chronischen, meist viralen Enzephalitiden gefunden [28], können z. B. aber auch bei Bakteriämie oder in der weißen Substanz beim Schädelhirntrauma mit diffuser traumatischer Axonschädigung nachweisbar sein [15]. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Neuronophagie, wenn sich Mikrogliazellen um (z. B. virusinfizierte) zugrundegehende Neurone ansammeln [35]. Die diffuse Mikrogliose (Stäbchenzellproliferation) kann bei schwerer Ausprägung ebenfalls im HE-Schnitt gesehen werden durch vermehrte elongierte, stäbchenförmige Zellen [12, 28]. Sie wird hier aber im Vergleich zur Immunhistochemie (s. Abb. 1.4c) quantitativ meist massiv unterschätzt. Sie soll bei subakuter Schädigung des ZNS-Parenchyms ohne oder mit nur geringer Nekro-
Meningen, Blutgefäße, zirkumventrikuläre Organe
se auftreten [28]. Klassisches Beispiel ist die syphilitische progressive Paralyse, die man heute aber kaum noch autoptisch sieht. Die diffuse Mikrogliose kann aber auch bei anderen, oft subakuten Enzephalitiden oder bei langsam verlaufenden Ischämien bzw. bei diffuser hypoxischischämischer Enzephalopathie beobachtet werden [28]. Eine Makrophagenproliferation und Phagozytose tritt auf, wenn es im ZNS zu Nekrosen (vor allem ischämisch oder traumatisch) und zu Entmarkungen kommt. Dabei sind die Makrophagen frühestens etwa 2 Tage nach Schädigung nachweisbar, können aber über Tage und Wochen quantitativ zunehmen und noch Monate oder sogar Jahre vorliegen [28]. Sie bauen die Nekrose komplett ab (= Kolliquationsnekrose, die im ZNS vorherrschende Nekroseform). Diese Makrophagen haben allerdings offenbar einen heterogenen Ursprung: So sind es erstens Makrophagen aus ortsständigen Mikrogliazellen und zweitens (wahrscheinlich quantitativ überwiegend) Makrophagen, die sich aus direkt in die Läsion eingewanderten Blutmonozyten entwickeln [12, 28]. Außer dem Auftreten von Makrophagen, kommt es bei Ischämien auch zu einer frühen (Minuten bis Stunden nach Schädigung) Aktivierung nichtphagozytierender Mikroglia, wahrscheinlich aus vor Ort proliferierten und aus der Umgebung eingewanderten Mikrogliazellen [35]. Ihr wird sowohl eine günstige als auch eine potentiell schädigende Rolle bezüglich des weiteren Krankheitsverlaufs zugeschrieben. Überhaupt können die Mikrogliazellen neben erwünschten Wirkungen wie der Protektion (durch ihre Überwachungs- und immunregulatorischen Funktionen), der Abräumfunktion (durch Phagozytose nekrotischen Gewebes) und der Regeneration auch schädigende Wirkungen (z. B. durch Sezernierung zytotoxischer Substanzen) haben [15], so dass der Mikroglia eine gewisse „Janusköpfigkeit“ nachgesagt wird. Eine diffuse oder fokale Mikrogliaaktivierung mit Mikrogliaproliferation ist oft auch bei neurodegenerativen Erkrankungen nachzuweisen und scheint manchmal zu ihrer Progression beizutragen [35]. Aktuell wird auch vermehrt über die Mikrogliadegeneration mit dystrophischer Mikroglia geforscht [14]. Sie scheint besonders bei Alterungsprozessen und neurodegenerativen Erkrankungen wichtig zu sein. Mikrogliazellen finden sich auch in neuroepithelialen Tumoren, wo sie möglicherweise über Sezernierung von Zytokinen und Wachstumsfaktoren die Tumorproliferation und -invasion fördern [35]. Entmarkungskrankheiten aus dem Formenkreis der multiplen Sklerose können manchmal klinisch einen Hirntumor imitieren und biopsiert werden. In diesen Biopsien dürfen Makrophagen nicht mit (z. B. oligodendroglialen) Tumorzellen verwechselt werden. Dies ist leicht möglich, weil das bis auf die akuten Entmarkungen weitgehend intakte Gewebe hier von den Makrophagen diffus, gliomartig infiltriert wird und die Makrophagen proliferieren und Mitosen zeigen können (auch können
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die reaktiven Astrozyten mit astrozytären Tumorzellen verwechselt werden) [12, 35]. Granuläres Zytoplasma, deutliche Zellgrenzen und oft exzentrische Zellkerne müssen differentialdiagnostisch an Makrophagen denken lassen. Makrophagen-/Mikrogliamarker wie CD68 bringen dann Klärung. Die HIV-Infektion hat wesentlich die Mikrogliaforschung befördert, da Mikrogliazellen/Makrophagen die wichtigsten ZNS-Zielzellen des HIV sind. Infizierte Zellen können dabei zu mehrkernigen Zellen (Synzytien) verschmelzen.
Meningen, Blutgefäße, zirkumventrikuläre Organe Die Hirn- und Rückenmarkshäute sind mesodermaler Herkunft und bestehen aus harter Hirnhaut (Dura mater, Pachymeninx; griech.: pachys = dick, derb) und weicher Hirnhaut (Leptomeninx; griech.: leptos = zart), bei der man die äußere Arachnoidea mater (arachne, griechisch: Spinne, Spinnengewebe) und die innere Pia mater unterscheidet [25, 32, 34]. Die Dura mater und die Leptomeninx besitzen eigene Blutgefäße und sind innerviert [25]. Im Gegensatz zum Gehirngewebe sind sie äußerst schmerzempfindlich [32]. Die Dura mater ist eine zellarme, derbe, reißfeste Platte aus geflechtartigem, straffem Bindegewebe überwiegend aus Kollagenfasern und wenigen elastischen Fasern [36]. Die intrakranielle Dura mater ist mit dem Periost der Schädelknochen verwachsen, so dass hier das Periost nicht als einzelnes fibröses Gewebsblatt vorliegt und physiologisch im Schädel kein echter Epiduralraum existiert [32]. Allerdings ist die äußere Oberfläche der intrakraniellen Dura außer im Bereich der Suturen nur relativ locker mit den Knochen verbunden [36]. Die spinale Dura mater ist dagegen nicht mit der knöchernen Wirbelsäule verwachsen und es findet sich hier ein mit Fettgewebe und Venenplexus ausgefüllter Epiduralraum [34]. Im Bereich der Sinus durae matris spaltet sich die intrakranielle Dura mater in eine Lamina externa und Lamina interna (periostales äußeres und meningeales inneres Durablatt) auf [34]. Die Lamina interna bildet auch in das Schädelinnere reichende Septen (Falx cerebri, Tentorium cerebelli, Falx cerebelli, Diaphragma sellae und Cavum trigeminale = Cavum Meckeli) [34]. Während die meisten Sinus durae matris zwischen duraler Lamina externa und interna liegen, wird bei den Sinus solcher Septen (z. B. Sinus sagittalis inferior und Sinus rectus) das gesamte Lumen vom inneren Durablatt umgeben. Die Sinus durae matris sind von Endothel ausgekleidete venöse Blutleiter, die das Blut aus den oberflächlichen und tiefen Hirnvenen drainieren. In sie dringen die Arachnoidalzotten (Granulationes arachnoideae, Pacchioni-Granulationen) ein, aus denen der Liquor resorbiert wird [34].
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Fettgewebe kann in der Dura mater als Normalbefund vorkommen und sollte in Duraresektaten nicht fehlinterpretiert werden [35]. Die Leptomeninx besteht aus Lamellen flacher epitheloider Zellen, die modifizierten Fibroblasten entsprechen und verschiedene Bezeichnungen (z. B. Meningealzellen, Meningothelzellen oder Arachnoidalzellen) tragen sowie aus Kollagenfasern und wenigen Retikulinfasern und elastischen Fasern [25, 36]. Die Arachnoidea mater (oder nur Arachnoidea) liegt mit mehreren Lamellen dicht gepackter Meningealzellen der Dura mater eng an und es bestehen zwischen ihnen auch einzelne Interzellulärverbindungen, so dass physiologisch kein Subduralraum existiert [12, 32]. Diese Region zwischen Dura mater und Arachnoidea stellt aber eine gewisse Schwachstelle bei Traumatisierungen der Hirnhäute dar. Die der Dura mater anliegenden arachnoidalen Meningealzelllamellen bilden einen geschlossenen Zellverband mit tight junctions und werden als Neurothel bezeichnet, während sonst die Meningealzellen über Desmosomen verbunden sind [25]. Zwischen der Arachnoidea mater als äußerem Blatt der Leptomeninx und ihrem inneren Blatt, der Pia mater, liegt der mit Liquor cerebrospinalis gefüllte Subarachnoidalraum als äußerer Liquorraum. Er wird von in der Arachnoidea und in der Pia mater verankerten spinnengewebsartigen bindegewebigen Arachnoidaltrabekeln durchzogen und enthält zahlreiche Blutgefäße und auch Nervenfasern [23, 36]. Blutgefäße, Nerven und Arachnoidaltrabekel werden hier von Meningealzellen bedeckt [23]. Das Neurothel bildet die Blut-Liquor-Schranke der äußeren Liquorräume und schirmt sie gegen das blutbestimmte Milieu der Dura mater ab [25, 34]. Die Arachnoidea zieht so über die Sulci des Gehirns hinweg, während die Pia mater der Hirnoberfläche anliegt und allen Furchen folgt [25]. Wo sich die Hirnoberfläche von Arachnoidea, Dura mater und innerer Oberfläche des Schädels entfernt, entstehen Erweiterungen des Subarachnoidalraums, die Subarachnoidalzisternen (Cisternae subarachnoideae), wie z. B. die Cisterna cerebellomedullaris, die Cisterna basalis, die Cisterna ambiens etc. Sie können neurochirurgisch wichtig sein, zumal in einigen Hirnnerven und größere Arterien verlaufen [34]. Die spinale Cisterna lumbalis liegt zwischen dem Conus medullaris (auf Höhe des ersten und zweiten Lumbalwirbels) und dem bis in den Sakralbereich reichenden spinalen Durasack [34]. Die Arachnoidalzotten (Granulationes arachnoideae, Pacchioni-Granulationen) sind kleine grauweißliche, pilzförmige, gefäßfreie Ausstülpungen der Arachnoidea in Nachbarschaft der Sinus durae matris, besonders des Sinus sagittalis superior, die sich in die Sinus vorstülpen und von Sinusendothel bedeckt werden [23]. Sie bestehen aus einem Bindegewebskern mit Kanälchen, die mit dem Subarachnoidalraum in Verbindung stehen [25, 34] und es liegen hier (besonders apikal) auch Meningothelzellnester vor [12]. Die Granulationes arachnoideae sind der Hauptort der Liquorresorption, der wohl mittels
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
Transzytose durch das Sinusendothel in das Blut der Sinus abgeleitet wird [25]. Dies wird durch eine örtliche Abflachung des Neurothels erleichtert [34]. Spinale Arachnoidalzotten finden sich in Bereichen, wo die lateralen trichterförmigen Duraaustülpungen in das Epineurium der Nervenwurzeln übergehen. Sie perforieren die Dura mater und stehen in Kontakt mit epiduralen Venen oder Lymphgefäßen [23]. Die Pia mater weist Meningealzellen, feine Kollagenfasern sowie einzelne elastische Fasern und Retikulinfasern auf und wird unterteilt in die innere Intima piae und die äußere Epipia [23, 36]. Die Intima piae bedeckt unmittelbar Gehirn und Rückenmark, wobei zwischen ihr und der ZNS-Oberfläche eine Basallamina liegt, die von den das ZNS-Gewebe begrenzenden Astrozytenendfüßchen (Membrana limitans gliae superficialis) gebildet wird [25, 34]. In der nach außen folgenden Epipia sind die Arachnoidaltrabekel verankert. Die spinale Epipia bildet die Ligamenta denticulata, die sich als Aufhängevorrichtung für das Rückenmark bilateral vom Okziput bis in Höhe des zweiten Lendenwirbels zwischen Rückenmark und Dura mater ausspannen und die Arachnoidea durchbrechen [12, 23]. Auch das Filum terminale soll zu einem großen Teil aus epipialen Kollagenfasern bestehen, weiter liegen Blutgefäße, evtl. Nervenfaszikel, Fettgewebe und Ependymreste des Zentralkanals vor [12]. Manche Autoren sprechen aber auch von einem rein glialen Aufbau des Filum terminale [32, 34]. Die Pia mater umgibt Blutgefäße beim Eintritt in das ZNS-Gewebe mit einer bindegewebigen Hülle, die bis weit nach intraparenchymal reicht. Dieser sich allmählich verengende perivaskuläre Raum wird auch als Virchow-Robin-Raum bezeichnet [25]. Meningeale Tumor- oder Entzündungszellinfiltrate können sich in ihm ausbreiten. In der Pia mater finden sich regelmäßig Makrophagen, Mastzellen und Lymphozyten [36]. Die Leptomeningen weisen auch unterschiedlich stark ausgeprägte Melanozyten auf [12]. Diese im Längsschnitt elongierten schmalen, dunkel pigmentierten Zellen dürfen im Querschnitt nicht mit runden Siderophagen verwechselt werden. Sie stellen die Ursprungszellen äußerst seltener primärer leptomeningealer melanozytärer Tumoren dar (z. B. Melanozytome). Die leptomeningealen Melanozyten sind meist in den ventralen Abschnitten von Medulla oblongata und oberem Zervikalmark akzentuiert. Sie können penetrierenden Hirnarterien über eine kurze Entfernung in die Virchow-Robin-Räume folgen [12]. Die Arachnoidea mater zeigt mit dem Alter eine allmähliche Verdickung und weißliche Trübung durch Ablagerung dichter Kollagenfasern. Diese Veränderungen sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt und meist parasagittal über den Großhirnkonvexitäten betont [12]. Manchmal können sie makroskopisch für eine Meningitis oder Meningeosis neoplastica gehalten werden. Eine abgelaufene Meningitis kann ebenfalls eine leptomeningeale Fibrose auslösen bzw. verstärken und an
Literatur
Engstellen der Liquorzirkulation zu Verschlüssen mit Hydrocephalus occlusus führen. Auch die Granulationes arachnoideae können im höheren Lebensalter eine Hypertrophie durch verstärkte Kollagenisierung zeigen [12]. Daneben lassen sich mit zunehmendem Alter sowie periläsional in der Arachnoidea und besonders in den Arachnoidalzotten Meningothelzellnester finden, die oft auch Wirbelbildungen mit Psammomkörperchen zeigen und das Bild eines Meningeoms aufweisen [12]. Meningothelzellen sind Ursprungszellen der Meningeome. Nichtneoplastische und neoplastische Meningothelzellen reagieren immunhistochemisch mit Antikörpern gegen Vimentin und gegen das epitheliale Membranantigen (EMA). Die spinale Leptomeninx kann (bevorzugt dorsal im Thorakal- und Lumbosakralbereich) weißliche plaqueartige Strukturen aus hyalinisiertem fibrösem Gewebe zeigen [12]. In der Dura mater (besonders in der Falx cerebri) kommt es gelegentlich zu fokalen Ossifikationen. Falx cerebri und benachbarte parasagittale Duraabschnitte lassen mit zunehmendem Alter auch nicht selten Verkalkungen erkennen [12]. Die Blutgefäße des ZNS zeigen einige Besonderheiten. So sind die gesunden Hirnarterien relativ dünnwandig und besitzen nur eine Lamina elastica interna [11]. Die Kapillarendothelzellen des ZNS sind meist durch „tight junctions“ verbunden, was die eigentliche Diffusionsbarriere der Blut-Hirn-Schranke darstellt [34]. Diese verhindert, reduziert oder verlangsamt den Durchtritt bestimmter Moleküle vom Blut in die interstitiellen Räume des ZNS. Vom ZNS benötigte Substanzen werden über spezifische Transportersysteme (Glukosetransporter, Aminosäurentransporter) durch die Schranke transportiert [34]. Zur Blut-Hirn-Schranke gehören außerdem die Basalmembran und die perivaskuläre Gliagrenzmembran (Membrana limitans gliae perivascularis) aus Astrozytenendfüßchen, die Kapillaren und Venolen umgeben [11, 25, 34]. Die Blut-Liquor-Schranke verhindert den Übertritt bestimmter Moleküle vom Blut in das Ventrikelsystem (Schranke durch das Epithel des Plexus choroideus) und in die äußeren Liquorräume (Schranke durch das Neurothel der Arachnoidea) [25, 34]. In den zirkumventrikulären Organen (ZVO; neurohämale Zonen) liegt physiologisch keine Blut-Hirn-Schranke vor und es können hier Substanzen aus dem Blut über fenestrierte Kapillaren in den ZNS-Interzellularraum übertreten [34]. Zu den ZVO gehören: Hypophysenhinterlappen und Eminentia mediana, Corpus pineale, Subfornikalorgan (am vorderen Teil des dritten Ventrikels im Bereich der Columnae fornicis), Organum vasculosum laminae terminalis (im Bereich der Lamina terminalis, der vorderen Wand des dritten Ventrikels), Subkommissuralorgan (im Mittelhirn oben in der Hinterwand des Aquädukts, unterhalb der Commissura posterior) und Area postrema (am Boden des kaudalen Endes des vierten Ventrikels). Das Fehlen der Blut-Hirn-Schranke hat unterschiedliche
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Gründe: Einige ZVO gehören zum neuroendokrinen System und geben Neurohormone aus ihren Axonen in das Blut ab (Hypophysenhinterlappen, Eminentia mediana, Corpus pineale) [3, 25]. In der Area postrema, dem Brechzentrum des Körpers, müssen die Neurone Kontakt zu im Blut zirkulierenden Substanzen haben, die evtl. Brechreiz auslösen [34]. Das Subfornikalorgan trägt über hypothalamische Verbindungen zur Regulation von Salz- und Wasserhaushalt bei [34]. Das Subkommissuralorgan bildet sich beim Menschen nach der Geburt zurück und beim Erwachsenen können allenfalls noch Reste gefunden werden [12]. Es soll für die Liquorzirkulation und -resorption von Bedeutung sein und möglicherweise eine Rolle beim kongenitalen Hydrozephalus spielen. Dem Organum vasculosum laminae terminalis scheint eine Funktion als Osmorezeptor zuzukommen. In der Tumorpathologie finden die ZVO vermehrt Beachtung als möglicher Ausgangsort neu beschriebener ZNS-Tumoren (chordoides Gliom des dritten Ventrikels, papillärer Tumor der Pinealisregion). Eine Blut-ZNS-Schranke fehlt auch im Bereich der Spinalganglien, was möglicherweise für das Übergreifen von Erregern sowie die Wirkung von Neurotoxinen von Bedeutung ist [15]. Lymphgefäße liegen im ZNS nicht vor.
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Kapitel 1
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Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
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Kapitel 2
Zytologie des Liquor cerebrospinalis1
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W. Feiden
Inhalt Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Liquorzellpräparate mit Tumorzellen . . . . . . . . . . .
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Meningeosis blastomatosa . . . . . . . . . . . . . . . .
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Liquorzytologische Befundung . . . . . . . . . . . . . .
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Meningeosis carcinomatosa . . . . . . . . . . . . . . .
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Methoden zur Herstellung liquorzytologischer Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Primäre Hirntumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Reaktive Liquorzellbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Immunzytochemische Liquorzelluntersuchung und zweideutige Zellbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Indikationen zur liquorzytologischen Untersuchung
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Danksagung. Herr Univ.-Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Pfitzer (ehemaliger Direktor des Instituts für Cytopathologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) hat mich seinerzeit in die diagnostische Zytopathologie eingeführt und mich diese in all ihren Facetten gelehrt; dafür und insbesondere für die Überlassung lehrreicher liquorzytologischer Präparate aus seiner Sammlung danke ich ihm herzlich. Ferner danke ich meiner Frau, Dr. med. Silvia Feiden, für ihre Unterstützung und vor allem für die Anfertigung der hier gezeigten mikroskopischen Aufnahmen. Ein Teil der fotografierten Präparate stammt noch aus der Pfitzer’schen Sammlung.
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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Kapitel 2
Definition
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Die „qualitative“ Liquorzytologie hat in allererster Linie die Frage zu beantworten, ob Tumorzellen vorhanden sind oder nicht. Wenn man sich auf das Vorhandensein von Tumorzellen im Liquor cerebrospinalis festlegt, impliziert dies eine therapierelevante Diagnose, im Unterschied zu den entzündlichen Liquorzellbildern, die – mit wenigen Ausnahmen eines direkten Erregernachweises (z. B. Kryptokokkose) – keine definitive Klärung der Ursache der Entzündung liefern. Die Liquorzytologie ist für den Nachweis bzw. Ausschluss von Tumorzellen die definitive Methode und außerdem sehr kostengünstig.
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
bei intraaxialer entzündlicher Erkrankung wie z. B. Encephalomyelitis disseminata, ADEM, Herpesenzephalitis etc. (Abb. 2.13 bis 2.16) 7. V. a. abgelaufene Subarachnoidalblutung: Nachweis bzw. Ausschluss von Erythrozytophagen bzw. Siderophagen
Dabei sind die unter den Punkten 1 und 2 genannten Fragestellungen mit Abstand die häufigsten und im Falle von Tumorzellwachstum im Leptomeningealraum (Meningeosis carcinomatosa/blastomatosa) auch relativ leicht zu beantworten, da in der Regel reichlich Tumorzellen vorhanden und im Lumbalpunktat – als dem Regelfall des Entnahmeortes – nachweisbar sind (s. Abb. 2.1 und 2.7).
Indikationen zur liquorzytologischen Untersuchung Die verschiedenen klinischen Konstellationen bzw. Indikationen zur liquorzytologischen Untersuchung sind in folgender Übersicht zusammengefasst.
Indikationen für die Liquorzytologie 1. V. a. Meningeosis carcinomatosa bei bekanntem Tumorleiden: Karzinom (vor allem Mamma und Lunge), malignes Melanom, selten Sarkome (Abb. 2.1 bis 2.6) 2. V. a. Meningeosis blastomatosa bei bekannter ALL, AML sowie bei Non-Hodgkin-Lymphomen: Erstuntersuchung bei Diagnosestellung sowie Verlaufskontrolle (Abb. 2.7 bis 2.10) 3. Postoperative Nachsorge bei primärem Hirntumor insbesondere bei Medulloblastomen und weiteren embryonalen Tumoren, Ependymom, diffusen Gliomen, ZNS-Lymphom, intrakraniellem Germinom etc. (Abb. 2.11a–c) 4. Primär meningeale bzw. Hirnnerven- oder spinale Symptome bei unbekanntem Primärtumor und klinischem Verdacht auf eine Meningeosis neoplastica; Differentialdiagnose zu Punkt 6 (s. Abb. 2.4) 5. Klinischer/neuroradiologischer Verdacht auf einen primär intraaxialen Tumor mit möglicher Tumorzellabschilferung in den Liquorraum wie z. B. ZNS-Lymphom, Medulloblastomgruppe bzw. embryonale Tumoren, Plexuspapillom, Germinom, aber nicht bei Verdacht auf diffuses Gliom! (Abb. 2.12) 6. Differentialdiagnose primär entzündliche Affektion im Leptomeningealraum wie z. B. tuberkulöse Meningitis, Virusmeningitis, Neuroborreliose, Kryptokokkose bzw. meningeale Mitbeteiligung
Abb. 2.1 Meningeosis carcinomatosa. Große Karzinomzellen mit vakuolisiertem Zytoplasma, typisch für Adenokarzinomzellen. Neu aufgetretene Hirnnervensymptome 10 Jahre nach Lungenkarzinom
Abb. 2.2 Meningeosis carcinomatosa: Mammakarzinomzellen. Typische knopfartige Zytoplasmaprotrusionen (insbesondere Einschub unten links). Mittelgroße rundliche Karzinomzellen mit zentralem prominentem Nukleolus, ähnlich wie bei Immunoblasten (DD)
Definition
31
Abb. 2.3 Meningeosis carcinomatosa bei Adenokarzinom. Formalinvorfixierte Liquorprobe
Abb. 2.5 Nachweis einzelner kleiner Karzinomzellverbände bei intrazerebralen Metastasen. Mitte: Tumorzellen bei bekanntem Siegelringzellkarzinom des Magens. Einschub oben rechts: zweizelliger Verband aus kleinen sehr zytoplasmaarmen Tumorzellen bei bekanntem kleinzelligem Lungenkarzinom
Abb. 2.4 Immunzytochemie an Liquorzellpräparaten. Intranukleäre Expression von TTF1 in Tumorzellen eines Adenokarzinoms. Lungenkarzinom später histologisch bestätigt
Abb. 2.6 Verband großer epitheloider Tumorzellen mit prominenten Nukleolen sowie feinstkörnigem Pigment im Zytoplasma, besonders einer Tumorzelle. Bekanntes malignes Melanom
Die technische Möglichkeit, Blasten im Liquorzellpräparat zu detektieren – insbesondere bei der ALL im Kindesalter – war in den frühen sechziger Jahren der Beginn der diagnostischen Liquorzytologie [16]. Selten einmal führt die liquorzytologische Untersuchung zur primären Tumordiagnose, erst recht nicht bei Hirntumoren. Mit Hilfe immunzytochemischer Zelltypisierungen (Tumorzellen z. B. bei „okkultem“ Lungenkarzinom, intrakraniellem Germinom, Plexuspapillom oder Tumoren der Medulloblastomgruppe einschließlich Pineoblastom) kann eine Zuordnung im Einzelfall durchaus gelingen (s. Abb. 2.4). Ein „positives“ liquorzytologisches Untersuchungsergebnis bei einem Patienten mit einer intraaxialen Läsion hängt von der Lagebeziehung des Herdes zum Liquorraum und von der Tendenz zur Zellabschilfe-
rung in jenen hinein ab. Bei den diffusen Gliomen, deren Wachstum unter der Pia mater vielfach etwas dichter ist, die aber spontan diese Grenze nur selten überschreiten und letztlich im Milieu des Neuropils verbleiben, ist dies kaum einmal gegeben. Bei den diffusen Gliomen ist deshalb die operative (Teil-)Resektion angesagt oder es wird – je nach Lokalisation – eine Biopsie zur Diagnosesicherung durchgeführt. Demgegenüber ist etwa bei Karzinommetastasen, die unter anderem auch im Perivasalraum wachsen und denen eine karzinomtypische Zelldissoziation aus dem Gewebeverband heraus eignet, die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Tumorzellen im lumbal gewonnenen Liquor auch tatsächlich erscheinen – wenn auch meist in deutlich geringerer Zahl als bei einer Meningeosis (s. Abb. 2.5) und zumeist assoziiert mit ei-
32
Kapitel 2
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
2
Abb. 2.7 Meningeosis blastomatosa bei bekanntem diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) mit neu aufgetretenen Hirnnervensymptomen. Einige der Blasten mit kleeblattförmig konfigurierten Kernen
Abb. 2.9 Artifizielle Konglomerate aus Blasten, ähnlich wie bei einem Karzinomzellverband. Bekanntes großzelliges B-Zell-Lymphom
Abb. 2.8 Einzelne Blasten mit typischen nippelartigen Kernprotrusionen. Erstmanifestation einer B-ALL, 11-jähriger Junge
Abb. 2.10 Regressiv veränderte Blasten mit Kernpyknosen und Karyorrhexis. Bekanntes großzelliges B-Zell-Lymphom unter intrathekaler Chemotherapie
ner – auch histologisch am Resektat nachweisbaren – lymphomonozytären Begleitreaktion. Bei klinischem bzw. neuroradiologischem Verdacht auf ein ZNS-Lymphom wird man – ähnlich wie bei den eigentlichen Hirntumoren – um eine Biopsie nicht herumkommen [9], um das Höchstmaß an diagnostischer Sicherheit einschließlich der Lymphomklassifikation zu erreichen, die zu fordern ist, um die Indikation für eine entsprechende aggressive onkologische Therapie begründen zu können. Bei den mittelständigen bzw. intraventrikulären, also vom Liquor cerebrospinalis sozusagen direkt „umspülten“ Hirntumoren wie Ependymomen oder Plexuspapillomen, wird in der Regel eine operative Entfernung des Tumors allein schon aus primär therapeutischer Indikation unumgänglich sein, wenngleich präoperativ ein Tu-
morzellnachweis aus dem Liquor durchaus einmal gelingen kann. Anders dagegen liegen die Verhältnisse nach Hirntumorchirurgie; hier hat die Liquorzytologie – in Kenntnis der histologischen Tumordiagnose – einen klaren Stellenwert in der Tumornachsorge, insbesondere im Hinblick auf eine differenzierte onkologische Therapie bei jenen Hirntumoren, die primär schon eine Tendenz zur Zellabschilferung in den Liquorraum haben. Hier sind an erster Stelle die Medulloblastome und die anderen verwandten primitiven Tumoren (einschließlich des Retinoblastoms) zu nennen, ferner die intrakraniellen Germinome, die Ependymome und weitere seltenere Neoplasien (s. Abb. 2.11a–c).
Liquorzytologische Befundung
33
a Abb. 2.12 Kleinkind mit tumoröser Raumforderung in der Pinealisregion, Hydrocephalus occlusus. Liquor aus Ventrikeldrainage. Tumorzellkomplex aus mittelgroßen Zellen; zytologisch und im Hinblick auf die Lokalisation V. a. Pineoblastom (später am Operationspräparat histologisch bestätigt).
b
Abb. 2.13 Gemischtzellige Pleozytose mit Eosinophilen. Aktivierte Zellen der lymphozytären Reihe mit großen blastären Zellen sowie einer fast reifen Plasmazelle. Neurozystizerkose, Entfernung einer Zyste aus der hinteren Schädelgrube
c Abb. 2.11a–c Postoperative Nachsorge bei Z. n. Hirntumoroperation. a Links: große Tumorzelle mit prominentem Nukleolus, vereinbar mit bekanntem suprasellärem Germinom. Rechts: Verband aus drei großen breit-plasmatischen Tumorzellen, vereinbar mit bekanntem AT/RT (atypischer teratoider rhabdoider Tumor im Großhirn bei einem Kleinkind). b Tumorzellkomplex aus mittelgroßen zytoplasmaarmen Tumorzellen; dichtes Chromatin, keine prominenten Nukleolen. Kind mit bekanntem Medulloblastom. c Zwei breit-plasmatische rundliche Tumorzellen, Karzinomzellen nicht unähnlich. Bekanntes zuvor teilreseziertes diffuses High-gradeAstrozytom supratentoriell (Glioblastom) mit spinaler Liquorabsiedlung
Liquorzytologische Befundung Ähnlich der histologischen Diagnose an einer Gewebeprobe gibt der Untersucher ein Gutachten ab, von dem im Falle des Nachweises von Tumorzellen der behandelnde Arzt gegebenenfalls eingreifende therapeutische Maßnahmen ableitet, wie z. B. eine intrathekale Chemotherapie und/oder Bestrahlung des Gehirns bzw. der Neuraxis. Allein schon deshalb sollte diese Entscheidung – Tumorzellen ja oder nein – in der Hand des dafür ausgebildeten und zuständigen Facharztes (für Pathologie bzw. Neuropathologie) liegen. Gerade der Nachweis von wenigen Tumorzellen und zumal bei heftiger entzündlicher „Be-
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2
Kapitel 2
gleitpleozytose“ – eine Situation, wie sie bei intraparenchymatösen Neoplasien nicht selten ist – setzt entsprechende Erfahrung sowohl im Verständnis der jeweiligen Tumormorphologie als auch in der speziellen zytologischen Diagnostik voraus, die wesentlicher Bestandteil der Facharztausbildung sind. Tumorzellen im Liquor sind im Normalfall für sich alleine evident (s. Abb. 2.1–2.4, 2.7 und 2.11b). In Grenzfällen „tumorverdächtiger Zellen“ im Liquor kann die detaillierte Kenntnis des Krankheitsbildes bzw. der „Tumoranamnese“ – soweit vom Einsender nicht angegeben – weiterhelfen.
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
Abb. 2.14 Meningeale Kryptokokkose. Gemischtzellige Pleozytose mit neutrophilen Granulozyten, aktivierten Lymphozyten und Monozyten. Ältere Patientin mit klinischem und neurologischem V. a. Tumor (Indikation für die liquorzytologische Untersuchung). Mitte: Talkum-Körnchen (Handschuhpuder): Malteser-Kreuz bei Polarisation. Darunter helle Aussparung mit blasser Ringstruktur in der Mitte: Kryptokokkos. Einschub oben links: Versilberung nach Grocott
Vor allem bei Verdacht auf ein entzündliches Geschehen wird neben der qualitativen Liquorzytologie ein Teil der Liquorprobe mit den Verfahren der Laboratoriumsmedizin und der Mikrobiologie untersucht (Zellzahlbestimmung, Eiweißgehalt, Glukosekonzentration; ggf. ferner Immunglobuline bzw. oligoklonale Banden, Nachweis erregerspezifischer Antikörper, kultureller Bakteriennachweis, Nachweis bakterieller oder viraler DNA/RNA mittels PCR wie z. B. bei Verdacht auf Tuberkulose, M. Whipple oder Herpes-simplex-Enzephalitis), womit eine definitive ätiologische Zuordnung oder zumindest – per Ausschluss – eine Eingrenzung des entzündlichen Prozesses möglich wird. Der Stellenwert der Liquorzytologie liegt hier, bei den primären Entzündungen, eher in der Schnelligkeit der Befunderhebung und damit dem raschen orientierenden Nachweis, dass ein entzündlicher Prozess im Leptomeningealraum vorliegt einschließlich einer Angabe zu dessen Zellqualität und groben quantitativen Ausprägung. So ist z. B. das Liquorzellbild einer floriden Meningopolyradikulitis „Bannwarth“ (s. Abb. 2.15 und 2.16) zwar kein definitiver Beweis einer Neuroborreliose und letztlich „unspezifisch“, aber doch ein schnell und einfach zu erhebender liquorzytologischer Befund, der in Verbindung mit der klinischen Symptomatik und der Anamnese eine ätiologische Zuordnung nahe legt mit der Konsequenz eines raschen Therapiebeginns, bis die „beweisenden“ Laborbefunde vorliegen. Die Befunderhebung und vor allem deren Interpretation und damit Begutachtung hängt wie vieles in der Medizin und vor allem in der histologischen und zytologischen Diagnostik von Erfahrung und tagtäglicher Übung des individuellen Untersuchers ab. Verschiedene reichlich bebilderte Atlanten und Lehrbücher (jedenfalls reichlicher bebildert, als es dieser Artikel erlaubt) sind eine sinnvolle Hilfestellung vor allem für den Anfänger auf diesem diagnostischen Feld [1, 6, 7, 13–16, 20, 23, 24].
Abb. 2.15 Verschiedene Stadien der Transformation bzw. Aktivierung lymphozytärer Zellen bei florider chronischer Entzündung (hier: Meningopolyradikulitis „Bannwarth“ bei gesicherter Neuroborreliose)
Abb. 2.16 Lymphoide Blasten entsprechend Zentroblasten mit peripher gelegenen Nukleolen (unten Mitte, Einschub oben rechts). Zweikernige Plasmazelle. Floride lymphozytäre Pleozytose bei gesicherter Neuroborreliose
Methoden zur Herstellung liquorzytologischer Präparate
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Methoden zur Herstellung liquorzytologischer Präparate Es gibt einige in der Technik und im Resultat verschiedene Methoden der Zellpräparation für die Liquorzytologie (oder anderer zellarmer Punktatflüssigkeiten), die in den einschlägigen oben zitierten Atlanten und Lehrbüchern erörtert und kritisch besprochen sind. Die Zellzentrifugationstechniken sind weit verbreitet und haben sich für die routinemäßige Untersuchung insbesondere des Liquor cerebrospinalis, aber auch anderer flüssiger, wenige Zellen enthaltender Proben bewährt. Alle hier gezeigten Abbildungen stammen von solchen Präparaten (MGG bzw. Giemsa-Färbung; Aufnahme mit Objektiv 40u; Abb. 2.17 und Abb. 2.7, Objektiv 20u). Ein gewisser Nachteil der Zytozentrifugenpräparation ist eine mögliche Verformung der sowieso schon relativ breit auf dem Objektträger ausgebreiteten Zellen, die schnell eintrocknen oder von denen z. T. nur noch Kernschatten zerplatzter Zellen übrig bleiben können. Die Bildung von Zytoplasma- und Kernprotrusionen stellen ihrerseits typische – wenn auch nicht „spezifische“ – Artefakte der besonders fragilen Tumorzellen dar. Reproduzierbare Artefakte, so wie Kernprotrusionen bei Blasten (s. Abb. 2.8) oder entsprechende Ausstülpungen der Zytoplasmamembran vor allem bei Karzinomzellen der Mamma (s. Abb. 2.2), haben sozusagen ihren eigenen diagnostischen Stellenwert. Vorteile der Zytozentrifuge sind die gute Ausbeute der vorhandenen Zellen und deren Konzentrierung auf eine kleine Fläche sowie die relativ einfache und wenig Zeit in Anspruch nehmende Handhabung im Labor. Eine (Spray-) Fixierung des zentrifugierten Zellsediments ist insofern von großer Bedeutung, als sie für eventuell notwendig werdende immunzytochemische Untersuchungen Voraussetzung ist (s. Abb. 2.4) [8]. Die Technik der Membranfiltration von Liquorzellen erfordert einen höheren Laboraufwand bzw. eine geübte Hand. Die Zellausbeute ist hoch, die morphologische Zellbeurteilbarkeit an den eher abgerundeten, kugelig im Maschenwerk des Filters hängengebliebenen Zellen allerdings gewöhnungsbedürftig. Dieses Verfahren ist vor allem in den USA verbreitet [1, 6]. Die früher (und auch heute noch) zumeist in nervenklinischen Laboren angewandte Zellsedimentation mit der Sayk‘schen Sedimentationskammer [14, 15] – ein Verfahren, das ehemals die Liquorzytologie als diagnostische Methode begründet hat – hat den Nachteil eines höheren Zellverlusts, führt aber zu mikroskopisch „schönen“, relativ artefaktfreien Zellpräparaten. Die Sedimentation dauert 30–60 min. Man braucht deshalb eine Batterie von Sedimentationskammern, wenn mehrere zugleich eingegangene Liquorproben bearbeitet werden müssen.
Abb. 2.17 Fremdkörperriesenzelle aus „Shunt-Liquor“ bei einem Kind mit liegendem Rickham-Reservoir
Die rasche Verbringung und Verarbeitung der Liquorprobe nach dem Eintreffen im Labor ist von entscheidender Bedeutung für die Qualität der Zellpräparate. Der extrem proteinarme Liquor cerebrospinalis (1/200 des Serums!) ist ein – im Vergleich etwa zum Pleuraerguss – „zellunfreundliches Milieu“. Ferner ist zu bedenken, dass z. B. bei intrakraniellen Läsionen eine gewisse Zeit für die Wanderschaft der Zellen vom Abschilferungsort bis in die Tiefe des lumbalen Duralsacks – der üblichen Punktionsstelle – vergeht, so dass regressive Zellveränderungen auftreten können, bevor die Zellen überhaupt gewonnen sind. Stammt die Liquorprobe von einem Patienten aus dem Klinikum, in dem die liquorzytologische Untersuchung durchgeführt wird, sollte diese unmittelbar nach der Entnahme in das Labor gebracht und dort sofort weiter verarbeitet werden. Eine Lagerung von Liquorproben von bis zu 12 Stunden bei 4 °C kann zu ausreichend guten Zellpräparaten führen. Darüber hinaus ist eine Fixierung angeraten, insbesondere dann, wenn die Liquorproben von weiter entfernt eingesandt werden (Postversand über einen oder mehrere Tage). Die Fixierung in alkoholischen Lösungen hat sich in eigenen Untersuchungen nicht bewährt. Der Alkohol lässt die Zellen sehr stark schrumpfen. Dagegen ist die Fixierung der Liquorzellen in üblicher 4%iger gepufferter Formalinlösung ein akzeptabler Kompromiss, um von auswärts eingesandte Liquorproben untersuchen oder eine notfallmäßig am Wochenende gewonnene Probe für die zytologische Untersuchung erhalten zu können. Dabei wird der Liquorprobe ein etwa gleiches Volumen an Formalinlösung zugegeben. Entzündliche Liquorzellbilder oder Karzinomzellen sind in solchen Proben in der Regel verlässlich zu beurteilen (s. Abb. 2.3). Wegen der relativen Schrumpfung und Härtung der Zellen ist eine etwas höhere Drehzahl bei der Zellzentrifugation angeraten.
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Kapitel 2
Reaktive Liquorzellbilder
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Typen und Vorkommen reaktiver Zellen im Liquor sind in Tabelle 2.1 zusammengefasst. Im Zellpräparat eines normalen Liquor kommen nur einzelne kleine Lymphozyten und Monozyten vor. Granulozyten und Plasmazellen deuten grundsätzlich auf eine originäre Entzündung hin, in der Regel ist aber dann auch der Zellgehalt des Präparats erkennbar erhöht. Wenn Liquorproben von Patienten mit neuropsychiatrischen Erkrankungen untersucht werden, die nicht regelmäßig und allenfalls mit einer geringgradigen Pleozytose einhergehen (Kopfschmerzpatienten; Z. n. Krampfanfall; neurodegenerative Erkrankungen; intrazerebrale, im tiefen Hemisphärenmark lokalisierte Prozesse), ist das Liquorzellpräparat zellarm. Es zeigen sich einzelne kleine Lymphozyten und monozytäre Elemente mit wechselnd breitem Zytoplasma und hellen, teils rundlichen, teils nierenförmig gebogenen Kernen (s. Abb. 2.14). Diese Zellen stammen, auch wenn sie bei einer leptomeningealen Reaktion vermehrt sind, aus dem zirkulierenden Blut [19]. Die Kenntnis der quantitativ in der Zellkammer bestimmten Liquorzellzahl kann hilfreich sein, wenn man sich nicht sicher ist, ob im Zellpräparat schon eine reaktive Zellvermehrung im Liquor vorliegt (normale
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
Zellzahl beim Erwachsenen 0–5/μl, bei Kindern 0–20/μl; bei Kleinkindern unter einem Jahr und Neugeborenen 0–30/μl, hier überwiegend Monozyten!). Eine alltäglich und häufig zur Beobachtung kommende lymphomonozytäre Pleozytose ist unspezifisch und findet sich bei den meisten pathologischen Prozessen, die sich extra- oder intraaxial, mit Verbindung zum Liquorraum, abspielen. Die Lymphozyten entsprechen ganz überwiegend TLymphozyten, was mit einer – nur im Zweifelsfall notwendigen – immunzytochemischen Reaktion auf CD3 bestimmt werden kann. Bei einer floriden Entzündung kommen aktivierte bzw. transformierte Lymphozyten vor mit einem etwas breiteren Zytoplasmasaum sowie weniger dichter, etwas aufgelockerter Chromatinstruktur. Bei einer ausgeprägten lymphozytären Reaktion – klassischerweise bei der lymphozytären Meningopolyradikulitis Typ Bannwarth im Rahmen der Neuroborreliose – geht diese Aktivierung bis zu lymphoiden Blasten mit Ähnlichkeit zu Zentro- und Immunoblasten (s. Abb. 2.15 und 2.16). In einer solchen Situation kommt es regelhaft auch zur Ausdifferenzierung zu plasmazytoiden und reifen Plasmazellen. Dieses „bunte Zellbild“ der verschiedenen Aktivierungsstufen bis zu Plasmazellen ist entscheidend in der Differentialdiagnose zur Meningeosis blastomatosa, insbesondere bei einem diffusen großzel-
Tabelle 2.1. Reaktive Zellen im Liquorzellpräparat Zelltyp
Erkrankung
Lymphozyten
Unspezifische Reaktion auf leptomeningeale Reizung (z. B. auch liquornahe gelegene Tumoren); virale M.; chronische bakterielle M. (Tb, Lues, Borreliose); Pilz-M.; Sarkoidose; E.d. und ADEM; Meningeosis carcinomatosa/blastomatosa. Fremdkörper (Shunts); Z. n. Lumbalpunktion bzw. intrathekaler Injektion von Medikamenten oder Kontrastmittel.
Plasmazellen
Bei vielen floriden lymphozytären Reaktionen, meist im Zusammenhang mit bis zu blastenartigen Aktivierungsformen: insbesondere bei chronischer M. (Borreliose, Tb, Lues, Virus-M.), E.d. und ADEM; Sarkoidose.
Monozyten/Makrophagen
Wie bei lymphozytärer Pleozytose. Liquor von Neugeborenen. Gewebezerfall (Ischämie, Entmarkung, Neoplasien). M. Whipple.
– Erythrozytophagen
12 h bis 1 Woche nach Blutung.
– Siderophagen
2 Tage bis Monate nach Blutung.
– Mehrkernige Riesenzellen
Liegende Shunts („Shunt-Liquor“) Z. n. Myelographie mit öligem Kontrastmittel. Differentialdiagnose: kleine Zellverbände vom Plexus choroideus (Ventrikelliquor).
Eosinophile Granulozyten
Fremdkörper („Shunt-Liquor“); Pilz-M.; Parasiten (ZNS-Zystizerkose/-Echinokokkose u. a.). Einzelne eosinophile Granulozyten häufig bei lymphomonozytärer Pleozytose.
Neutrophile Granulozyten
Akute bakterielle M.; Frühphase der viralen sowie der tuberkulösen M. u. Neuroborreliose. In geringerer Zahl bei: intrakraniellen-/intraspinal-intraduralen Tumoren mit Nekrosen. Z. n. Liquorpunktion, Myelographie bzw. intrathekaler Injektion von Medikamenten.
Gemischtes Zellbild
Tuberkulöse M.; Lues; Pilz-M. Abklingende bzw. therapierte bakterielle M.; Hirnabszess.
M. Meningitis; E.d. Encephalomyelitis disseminita („MS“); ADEM akute demyelinisierende Enzephalomyelitis.
Reaktive Liquorzellbilder
ligen B-Zell-Lymphom (DLBCL); bei diesem sieht man im Liquorzellpräparat einerseits Blasten, daneben kleine (reaktive T-)Lymphozyten, aber keine Übergänge. Plasmazellen (s. Abb. 2.16) im Liquorzellpräparat weisen immer auf einen pathologischen, zumeist chronisch-entzündlichen Prozess hin und sind z. B. typisch für das mäßig zellreiche lymphozytär geprägte Zellpräparat einer floriden oder abklingenden Encephalomyelitis disseminata. Bei einer gemischtzelligen Reaktion, wenn also zu Lymphozyten und Monozyten zusätzlich neutrophile Granulozyten hinzutreten, ist z. B. an eine erregerbedingte Meningitis zu denken, z. B. an eine tuberkulöse Meningitis oder an eine Pilzinfektion (s. Abb. 2.14). Ätiologisch unklare entzündliche Zellbilder bei alten Menschen oder Immunkompromittierten sollten immer z. B. an eine Kryptokokkose denken lassen, die am Zellpräparat mit Hilfe der Versilberung nach Grocott leicht nachzuweisen ist (s. Abb. 2.14). Neutrophile Granulozyten können im Übrigen auch in der Frühphase einer Virusmeningitis oder -enzephalitis wie auch der Neuroborreliose vorkommen. Die übliche akute bakterielle Meningitis mit Massen neutrophiler Granulozyten und Monozyten kommt liquorzytologisch eher selten zur Beobachtung, dann aber zuweilen mit Direktnachweis z. B. von Diplokokken. Einzelne neutrophile Granulozyten im Liquorzentrifugat sind dann nicht als pathologischer Befund zu werten, wenn das Präparat insgesamt zellarm ist, aber Erythrozyten in entsprechender Menge einschließt. Die „Kontamination“ des Liquorpunktats mit Zellen aus verletzten Blutgefäßen des Stichkanals kommt relativ häufig vor. Mit bloßem Auge betrachtet, sehen solche Liquorproben zumeist wasserklar oder, wenn die Blutbeimengung erheblich ist, hellgelblich bis rosarot aus. Bei der starken Zellanreicherung in der Zytozentrifuge sammeln sich dann auf dem Objektträger „Massen“ gut erhaltener Erythrozyten an und es muss mit anteiligen Granulozyten gerechnet werden. Häufig sieht man einzelne oder kleinste Verbände von Chondrozyten, die ebenfalls aus dem Stichkanal stammen und auf die Mühen hinweisen, die der Punkteur bei der Gewinnung des Liquor hatte. Kontaminationen bzw. Verunreinigungen des Liquorzellpräparats sind in der folgenden Übersicht zusammengefasst.
Kontaminationen im Liquorzellpräparat • Handschuhpuder: seit dem Verbot von Handschuhpuder selten, früher häufig! Differentialdiagnose: Cryptococcus neoformans, Corpora amylacea bei älteren Patienten (Handschuhpuder zeigt bei Polarisation typische Malteserkreuze) • Bakterien, Zellulosepartikelchen u. ä. Verunreinigungen aus dem Probenröhrchen bzw. der Zentrifugationskammer • Erythrozyten und anteilige Leukozyten. Blutige Punktion.
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Achtung: anteilige Granulozyten. Häufig assoziiert mit • Knorpelzellen aus dem Stichkanal, insbesondere bei Lumbalpunktion. Differentialdiagnose: Karzinomzellen (Knorpelzellen zeichnen sich aus durch einen regelmäßigen rund-ovalen Zellleib, einen zentralen rundlichen Kern mit feinkörnigem Chromatin sowie ein ringförmig perinukleär aufgehelltes, ansonsten homogen dichtes Zytoplasma) • Plattenepithelien, Fettbindegewebszellen oder Knochenmarkszellen aus dem Stichkanal • Ependymzellen, Zellen und Zellverbände des Plexus chorioideus, Nerven- und Gliazellen bzw. winzige Partikel von Hirngewebe aus Ventikelliquor bei Ventrikelpunktion oder aktueller Shunt-Einlage
Bei einer Subarachnoidalblutung (SAB) sowie auch posttraumatisch bzw. postoperativ sind etwa 6–12 Stunden nach dem Ereignis Erythrozytophagen und 48 Stunden danach Siderophagen im Liquorzellpräparat (Abb. 2.18) zu erwarten [19]; die Siderophagen können noch Monate nach der SAB bzw. der Gewebetraumatisierung nachweisbar sein. Die Liquorprobe kann – mit bloßem Auge betrachtet – xanthochrom aussehen. Einzelne eosinophile Granulozyten werden nicht selten bei einer überwiegend lymphomonozytären Pleozytose beobachtet, also bei chronisch-entzündlichen Prozessen, ferner kommen sie auch im gemischten Zellbild z. B. der tuberkulösen Meningitis sowie deutlicher vermehrt bei intrakraniellen Parasitosen vor (s. Abb. 2.13). Außerdem sieht man sie auch häufig im „Shunt-Liquor“, also bei liegenden Shunt-Systemen wie Ommaya- und RickhamReservoiren oder verschiedenartigen Ventrikeldrainagen;
Abb. 2.18 Siderophagen mit Pigmentkörnchen im breiten, z. T. schaumigen Zytoplasma. Einige bräunliche Hämatoidinkristalle
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dabei kommen auch nicht selten mehrkernige Riesenzellen vom Fremdkörpertyp zur Beobachtung (s. Abb. 2.17), die auch histologisch in verstopften explantierten Katheterröhrchen nachweisbar sein können. Bei AIDS-Patienten bzw. HIV-Infektion wie auch bei andersartigen Zuständen von Immundefizienz (zytostatische Therapie, immunsupprimierende Medikation z. B. nach Organtransplantation usw.) ist die Liquorzelluntersuchung kaum einmal ätiologisch wegweisend. Bei etwa 60% asymptomatischer HIV-Infizierter kann das Liquorzellbild eine geringgradige vorwiegend lymphozytäre Pleozytose aufweisen, die wahrscheinlich in Zusammenhang mit der HIV-Infektion des ZNS und einer intrathekalen Immunreaktion gegen HIV steht. In den späteren Stadien nimmt die Liquorzellzahl wieder ab. Die nekrotisierende herdförmige ZNS-Toxoplasmose oder die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML), typische intraaxial gelegene opportunistische Infektionen bei schwerer T-Zell-Insuffizienz, sind im Liquorzellpräparat diagnostisch nicht fassbar; sehr selten einmal gelingt der Nachweis von Toxoplasmazysten im Liquor. Das Gleiche gilt auch für die CMV-Infektion des ZNS [12]. Für die PML sowie auch für andere virale und bakterielle Prozesse im Liquorraum bzw. im Gehirn besteht die Möglichkeit des Nachweises virus- bzw. bakterienspezifischer Nukleinsäure mit Hilfe der PCR; dies ist vor allem bei klinischem Verdacht auf eine PML von Bedeutung oder bei ZNS-Lymphomen, die bei Immundefizienten regelmäßig EBV-assoziiert sind. Heute sehr viel seltener als in früheren Jahren stellt sich gelegentlich die klinische bzw. neuroradiologische Differentialdiagnose zwischen einer – zumal „anbehandelten“ und nicht adäquat ansprechenden – ZNS-Toxoplasmose und einem intrazerebralen Lymphom. Im Liquorzellpräparat kann bei beiden Läsionen eine unspezifische vorwiegend lymphomonozytäre Pleozytose nachweisbar sein, die aber diagnostisch nicht weiterführt. In einem solchen Fall ist eine stereotaktische Biopsie indiziert [10].
Liquorzellpräparate mit Tumorzellen Dadurch, dass die arachnoidalen Deckzellen im Unterschied zum Mesothel keine Reizformen bzw. Proliferate bilden, ergeben sich im Liquorzellpräparat mit Tumorzellen nicht die differentialzytologischen Probleme wie bei der Untersuchung von Pleuraergüssen oder Aszites, so dass schon einzelne Karzinomzellen oder Tumorzellverbände im Liquorzellpräparat für eine definitive Diagnose ausreichend sind (s. Abb. 2.2 und 2.5).
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
Meningeosis blastomatosa Bei der Diagnose einer Meningeosis blastomatosa, die beim Patienten mit bekannter Leukämie bzw. bekanntem malignem Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) im Verlauf entsprechende Symptome zeigt (Tabelle 2.2), ist die zytopathologische Diagnose unproblematisch, wenn reichlich Blasten im Liquor cerebrospinalis vorhanden sind (s. Abb. 2.7). Vor allem auch bei Erstdiagnose einer hämatopoetischen Neoplasie (s. Abb. 2.8) kann es aber vorkommen, dass nur wenige „blastenverdächtige“ Zellen im Liquorzellpräparat zu sehen sind; in solchen Fällen kann der Vergleich mit dem aktuellen Blut- oder Knochenmarksausstrich sehr hilfreich sein. Unter Zytostase regressiv veränderte Blasten sind im direkten mikroskopischen Vergleich mit den „vitalen“ Tumorzellen, wie sie vor dem Beginn der intrathekalen Therapie vorlagen, besser zu beurteilen (s. Abb. 2.10) [4, 18]. Im Zweifelsfall können immunzytochemische Zelltypisierungen – z. B. der Nachweis von CD20 bei einem großzelligen B-ZellLymphom oder CD10 (CALLA) bei akuten lymphoblastischen Leukämien – die Beurteilung absichern [3]. Bei Patienten mit bekannter ALL, AML oder NHL sollte jedes Liquorzentrifugat mit erhöhter Zellzahl Anlass zu besonderer Aufmerksamkeit beim Mikroskopieren sein. Kernprotrusionen sind geradezu pathognomonisch für Tumorblasten im Zytozentrifugenpräparat (s. Abb. 2.8). Die Protrusionen variieren in der Größe und haben häufig die Form einer kleinen Warze. Typisch sind auch sog. „Kleeblattkerne“, vor allem bei Blasten einer AML. Schwieriger ist die Beurteilung, wenn nur eine ganz geringe oder keine sichere Zellzahlerhöhung vorliegt. Dies kommt durchaus z. B. bei Kindern zum Zeitpunkt der Erstdiagnose einer ALL vor [18]. Der immunfluoreszenzmikroskopische Nachweis der terminalen Deoxynucleotidyl-Transferase (TdT) [11] oder die immunzytochemische Multimarkeranalyse auf „Multispot“-Objektträgern [17] können bei zellarmen Liquorproben hilfreich sein, setzen aber einen methodischen Mehraufwand sowie Erfahrung mit diesen Methoden voraus. Die falsch-positive Diagnose einer Meningeosis blastomatosa kann durch eine Blutkontamination der Liquorprobe verursacht werden; für die Beurteilung eines solchen Präparats (frische Erythrozyten ohne Anhalt für Erythrozytophagen oder Siderophagen) ist die Kenntnis des aktuellen peripheren Blutbilds unerlässlich. In Fällen einer CLL oder eines NHL niedrigen Malignitätsgrades (z. B. Immunozytom) mit Pleozytose liegt entweder eine komplizierende entzündliche Erkrankung vor (Meningitis, Enzephalitis, Polyradikulitis) oder es ist – im Falle eines eindeutigen Nachweises von lymphoiden Blasten – davon auszugehen, dass sich die neoplastische Erkrankung in eine hochmaligne blastäre Neoplasie weiterentwickelt hat (Richter-Syndrom).
Liquorzellpräparate mit Tumorzellen Tabelle 2.2. Klinische Symptome bei Meningeosis carcinomatosa/blastomatosa (nach [21]) Meningeale Symptome und Hirndruckzeichen Kopfschmerz
42%
Übelkeit, Erbrechen
16%
Meningismus
10%
Ausfälle im Bereich von Gehirn und Rückenmark Paresen in den Extremitäten
36%
Parästhesien
29%
Hirnorganisches Psychosyndrom
25%
Dementielle Symptome
18%
Ataxie
18%
Epileptische Anfälle
8%
Schwindel
7%
Radikuläre und Hirnnervensymptome Rückenschmerzen
20%
Fazialisparese
19%
Kaudasymptome
12%
Doppelbilder
12%
Sehstörungen
12%
Hörstörungen
10%
Die Diagnose eines primär zerebralen Lymphoms, das neuroradiologisch als „Hirntumor“ (Differentialdiagnose: Glioblastom) oder wie multiple Hirnmetastasen imponieren kann, ist – wie oben schon ausgeführt – eine Domäne der stereotaktischen Hirntumorbiopsie, die von intraparenchymatösen Läsionen verlässliche Befunde an histologischen Proben liefert, einschließlich der Option auf immunhistochemische Typisierung der beteiligten Zellen, die zur Lymphomklassifikation normalerweise notwendig ist. Es handelt sich in fast allen Fällen klassifikatorisch um ein diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL) [9]. Eher selten einmal ist der liquorzytologische Befund – wenn vonseiten des Klinikers überhaupt lumbal punktiert wird – derart eindeutig, dass man mit dem Nachweis zumeist weniger blastärer (B-)Zellen und einer zumeist lebhaften (T-)lymphozytären und monozytären Begleitpleozytose eine einschneidende Therapie begründen möchte. Es macht aber keinen Sinn, durch wiederholte Lumbalpunktionen eine liquorzytologische Diagnose sozusagen „herbeizwingen“ zu wollen; vielmehr sollte, zumal bei dringendem neuroradiologischem Verdacht auf eine intrazebrale Lymphommanifestation, allein schon aus Gründen der Therapie keine Zeit vertan und mit vertretbarem Aufwand und minimalem Risiko für den Patienten eine histologische Klärung der Raumforderung per Biopsie angestrebt werden.
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Meningeosis carcinomatosa Die beiden epithelialen Neoplasien, bei denen am häufigsten eine Meningeosis carcinomatosa auftritt, sind Mamma- und Lungenkarzinome, und zwar Adenokarzinome. Beim Mammakarzinom ist in der Regel der Primärtumor bekannt. Dies ist bei den Lungenkarzinomen durchaus anders; in bis zu 10% der Fälle von Meningeosis carcinomatosa kann es sich um die Erstdiagnose bei bis dahin noch nicht bekanntem Lungenkarzinom handeln, und bei den meisten dieser Patienten wurde in der Folge auch der Primärtumor in der Lunge gefunden, neben einzelnen Beobachtungen mit Magenkarzinom oder disseminiertem Karzinom unklaren Ursprungs [5]. Bei Lungenkarzinomzellen kann mit dem Nachweis einer intranukleären TTF1- oder intrazytoplasmatischen NapsinA-Expression der entscheidende Hinweis auf den Primärtumor gegeben werden, wobei es sich meist um Adenokarzinome der Lunge handelt (s. Abb. 2.4). Bei massenhaft oder zumindest sehr reichlich im Liquorzellpräparat vorhandenen Tumorzellen handelt es sich in der Regel um eine diffuse Tumorzellaussaat im Liquorraum, zumeist einhergehend mit entsprechenden klinischen Symptomen (Tabelle 2.2, s. Abb. 2.1). Kommen nur einzelne Tumorzellen oder kleine Tumorzellkomplexe vor (s. Abb. 2.5) – häufig mit einer reaktiven Begleitpleozytose einhergehend –, kann es sich um eine umschriebene liquornah gelegene ZNS-Metastase handeln. Karzinomzellen im Liquorzellpräparat sind üblicherweise deutlich größer und zytoplasmareicher als transformierte Lymphozyten bzw. lymphoide Blasten, es sei denn, es handelt sich um einen kleinzelligen Karzinomtyp (s. Abb. 2.1 bis 2.3). Die Zellleiber sind in unterschiedlichem Ausmaß vakuolisiert, was auch an Formalin vorfixierten Zellen eines Adenokarzinoms zu sehen ist (s. Abb. 2.3). Die intrazytoplasmatischen Vakuolen können bei intrathekaler Chemotherapie sehr ausgeprägt und unregelmäßig sein. Das kleinzellige Lungenkarzinom (s. Abb. 2.5) bildet häufig auch im Liquorzentrifugat kleine Tumorzellketten mit typischerweise eingedellten Kernen, ähnlich wie im Sputumausstrich oder in Ergussflüssigkeiten. Ähnliche zytopathologische Bilder können jedoch auch bei Medulloblastomzellen im Liquorzellpräparat vorkommen, was aber differentialdiagnostisch allein schon wegen der ganz anderen Altersgruppe kein Problem darstellt. Kleine Ketten oder rundliche, wenige Zellen umfassende Verbände zytoplasmaarmer Tumorzellen sieht man gelegentlich bei einer Meningeosis carcinomatosa durch ein Mammakarzinom vom lobulären Typ oder Siegelringkarzinomen des Magens (s. Abb. 2.5). Die im malignen Pleuraerguss vorkommenden großen rundlichen Zellkugeln eines disseminierten Mammakarzinoms, die in dieser proteinreichen Flüssigkeit wie in der Zellkultur wachsen, kommen im Liquorzellpräparat praktisch nicht vor.
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Kapitel 2
Gerade bei Tumorzellen von Mammakarzinomen sieht man im Liquorzellpräparat nicht selten kleine knopfartige oder hantelförmige Protrusionen des Zytoplasmas (s. Abb. 2.2), die aber keineswegs spezifisch sind, sondern zu den „reproduzierbaren Artefakten“ in Zytozentrifugenpräparaten zählen. Wenn im Liquorzellpräparat relativ große Tumorzellen mit rundlichen Kernen und einem prominenten Nukleolus gefunden werden, muss differentialdiagnostisch zwischen Karzinomzellen und Tumorzellen eines malignen Melanoms unterschieden werden. Die Entscheidung fällt leicht, wenn die Tumorzellen Melaninpigment enthalten. Melaninpigment kann jedoch fehlen oder nur sehr spärlich vorhanden sein. In solchen Fällen kann mit Hilfe eines immunzytochemischen Nachweises von Protein S-100, melanomassoziiertem Antigen (HMB45) oder Melan-A eine Klärung herbeigeführt werden. Wenn es sich in einem Liquorzellpräparat definitiv um Zellen eines malignen Melanoms handelt, die Vorgeschichte diesbezüglich aber leer ist und auch kein Primärtumor gefunden wird, sollte auch an ein primär meningeales Melanom bzw. eine primäre diffuse Melanoblastose der Meningen gedacht werden, die auch schon im Kindesund Jugendalter vorkommt [2].
Primäre Hirntumoren Bei den eigentlichen Hirntumoren spielt – wie oben dargelegt – die Liquorzytologie in der Primärdiagnostik keine Rolle, wohl aber in der Tumornachsorge nach Operation. Unberührt davon ist die eher seltene und zufällige primär liquorzytologische Diagnose z. B. eines Medulloblastoms oder verwandter primitiver Neoplasien (s. Abb. 2.12), oft bei schon bestehenden Abtropfmetastasen, wie sie zumal bei hochmalignen Medulloblastomen vom anaplastischen/großzelligen Typ als Primärmanifestation vorkommen können (s. Übersicht). Medulloblastome und weitere primitive embryonale Tumoren im ZNS (einschließlich z. B. von Pineoblastomen wie auch Retinoblastomen) manifestieren sich im Liquorzentrifugat in Form kleiner bis mittelgroßer Zellen mit sehr schmalem, z. T. kaum erkennbarem Zytoplasmasaum und plumpen Kernen mit grober Chromatinstruktur, aber ohne prominente Nukleolen (s. Abb. 2.11b und 2.12). Bei operativer Anlage einer Ventrikeldrainage kann der Ventrikelliquor die diagnostischen Tumorzellen enthalten (s. Abb. 2.12). Bei den üblichen diffusen Gliomen astro- und oligodendroglialen Phänotyps sowie auch bei Ependymomen können Tumorzellen im Liquor cerebrospinalis – wenn überhaupt – postoperativ nachweisbar sein, wenn durch die Traumatisierung der Pia mater und Freilegung des Parenchyms Tumorzellen mit dem Liquorraum in Kontakt kommen (s. Abb. 2.11c).
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
Beim intrakraniellen Germinom, das sich typischerweise in der Pinealisregion und/oder suprasellär manifestiert und vornehmlich bei älteren Kindern und Jugendlichen auftritt, kann im Einzelfall durch die Liquorzelluntersuchung die primäre Diagnose gestellt werden. Die Zellen sind relativ groß, rundlich bis polygonal, und sie besitzen einen großen rundlichen Kern mit prominentem Nukleolus (s. Abb. 2.11a). Üblicherweise ist (auch histologisch im Biopsiepräparat) eine lebhafte lymphozytäre Begleitreaktion zu sehen, die in der Gewebeläsion bis zur Bildung von Lymphfollikeln oder granulomartigen Entzündungszellinfiltraten reichen kann. Die zytopathologische Beurteilung wird durch den Nachweis von BetaHCG im Liquor unterstützt.
Immunzytochemische Liquorzelluntersuchung und zweideutige Zellbefunde Eine immunzytochemische Untersuchung an Liquorzellpräparaten kann in Einzelfällen von Tumorzellnachweisen hilfreich sein, insbesondere wenn es sich um die Erstdiagnose einer neoplastischen Erkrankung aus dem Liquor (s. Abb. 2.4) oder um zweideutige Zellbefunde handelt. Die klassische zytopathologische Diagnostik steht jedoch nach wie vor an erster Stelle. Dennoch möchte man in einzelnen Fällen eine Untermauerung der zytopathologischen Beurteilung mit Hilfe der Immunzytochemie haben. Diese ist allerdings – im Vergleich zu Histologie – durch den geringen Umfang der Zellpräparate eingeschränkt. Das von Dalquen et al. [8] vorgeschlagene Verfahren, fixierte und gefärbte Zellpräparate abzudeckeln und nachträglich immunzytochemisch zu färben, hat sich als Kompromiss in einzelnen Fällen auch in der qualitativen Liquorzytologie bewährt. Voraussetzung ist, dass die Zytospinpräparate fixiert werden. Auch mit Formalin vorfixierte Zellen sind für die Immunzytochemie geeignet, die – je nach Fragestellung – mit den üblichen, in der Immunhistochemie gebräuchlichen Primärantikörpern und Detektionssystemen durchgeführt wird [6, 8, 14; 16, 23]. Eine liquorzytologische Wiederholungsuntersuchung kann weiterhelfen, sofern dem Patienten eine erneute Lumbalpunktion zumutbar ist. Bei liegendem Shunt-System ist dies unproblematisch. Beim Eingang einer zweiten oder weiteren Liquorprobe speziell zur weiteren immunzytochemischen Zelltypisierung kann methodisch so vorgegangen werden, dass der Liquor vorzentrifugiert wird und die in Nährlösung resuspendierten Liquorzellen auf möglichst viele Zellpräparate verteilt werden [22].
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Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
3
A. Hori
Inhalt Embryofetale Entwicklung des Nervensystems . . . . .
45
Spina bifida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
Embryonale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Spina bifida cystica . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
Neurulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Spina bifida occulta, Dermalsinus, Dermoidzyste . .
56
Kanalisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Diastematomyelie und Diplomyelie . . . . . . . . .
57
Retrogressive Differenzierung . . . . . . . . . . . . .
45
Zystische Ausweitung des Ventriculus terminalis . .
57
Orales Neuralrohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Tethered cord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Embryonale Durchblutungssystem und persistente Arterien . . . . . . . . . . . . . . . .
Ventrale Dysraphien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
46 Neurenterische Zyste und relevante Anomalien . . .
57
Dysraphien im Kleinhirnbereich . . . . . . . . . . . .
57
Chiari-Anomalie Typ 2 . . . . . . . . . . . . . . . .
58
Chiari-Anomalie Typ 3 und Typ 4 . . . . . . . . . .
58
Rhombenzephalozele . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
Dandy-Walker-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . .
60
Massenentwicklung des Gehirns sowie Sulkusbzw. Gyrusformation des Großhirns . . . . . . . . .
47
Entwicklung der Hirnrinde (Proliferation, Migration der Matrixzellen und Apoptose) . . . . . . . . . . . .
47
Myelinisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Entwicklungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
Ätiopathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
Tektozerebelläre Dysraphie mit okzipitaler Enzephalozele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
Diagnostische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . .
51
Meckel-Syndrom (Meckel-Gruber-Syndrom) . . . .
60
Spezielle Fehlbildungsformen . . . . . . . . . . . . . . .
51
Joubert-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
Neuralrohrdefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Atelenzephalie, Aprosenzephalie . . . . . . . . . . . .
62
Dysraphien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Inienzephalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
Anenzephalie und Exenzephalie . . . . . . . . . . .
53
Klippel-Feil-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
Enzephalozele und Meningozele . . . . . . . . . . .
55
Störungen der enzephalen Seitendifferenzierung und der Kommissuren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
44
3
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Holoprosenzephalien . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
Cavum Vergae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
Smith-Lemli-Opitz-Syndrom . . . . . . . . . . . . .
64
Aquäduktstenosen, Divertikel, Verdoppelung des Aquädukts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
Rhombenzephalosynapsis . . . . . . . . . . . . . . .
64 Syringomyelie und Hydromyelie . . . . . . . . . . .
74
Balkenmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65 Kollaps des Zentralkanals . . . . . . . . . . . . . . .
74
Septooptische Dysplasie (De-Morsier-Syndrom) . .
66
„Verschmelzung“ der Thalami (Unithalamus) . . . .
66
Mit Schädelanomalien verbundene Störungen der Hirnentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
Kortikale Anomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
Megalenzephalie und Makrozephalie . . . . . . . .
75
Störungen der Nervenzellmigration und Gyrierung
66
Hemimegalenzephalie . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Lissenzephalie I, Pachygyrie, Doppelkortexsyndrom
66
Mikroenzephalie und Mikrozephalie . . . . . . . . .
75
Lissenzephalie II, zerebrookuläre Dysplasien . . . .
68
Seckel-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Mikropolygyrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Akranie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Zerebrale Heterotopien . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Atelenzephalie und Aprosenzephalie (atelenzephalische Mikrozephalie) . . . . . . . . . .
76
Mikrodysgenesie (fokale Dysplasie) und Normvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
Platybasie und basiläre Impression . . . . . . . . . .
76
Porenzephalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
Thanatophore Dysplasie . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Kongenitales bilaterales perisylvisches Syndrom (Foix-Chavany-Marie) . . . . . . . . . . . . . . . .
70
Kraniale Synostosen, Plagiozephalie, Apert-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Arachnoidalzyste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
Ätiologisch charakterisierbare Syndrome (Chromosomenanomalien, fetales Alkoholsyndrom)
77
Anomalien des Kleinhirns (Agenesie, Hypoplasie) und des Hirnstamms . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
Trisomie 21 (Down-Syndrom) . . . . . . . . . . . .
77
Dentatooliväre Anomalien . . . . . . . . . . . . . .
72
Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) . . . . . . . . . . . .
78
Agenesie oder fokale Destruktion der Hirnnervenkerne (Möbius-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) . . . . . . . . . . .
78
Fetales Alkoholsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . .
78
Anomalien des Ventrikelsystems und des Zentralkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
Anomalien der Hypophyse und des Hypothalamus .
78
Hydrolethalus-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . .
72
Doppelbildungen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . .
80
Seitenventrikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
Cavum septi pellucidi . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
45
Embryofetale Entwicklung des Nervensystems
Embryofetale Entwicklung des Nervensystems Embryonale Entwicklung Die Embryonalstufen werden nach Carnegie-Stadien eingeteilt. In diesem Kapitel werden für die klinische Neuropathologie möglichst die Gestationstage, -wochen oder -monate und für die Embryonen auch die Körperlänge (Scheitel-Steiß-Länge) mit angegeben.
durch das Neuralrohr verlängert wird. Aus diesem verlängerten Abschnitt differenzieren sich Teile des Sakralmarks, des Kokzygealmarks, des Ventriculus terminalis sowie des Filum terminale in der weiteren Entwicklung. Entwicklungsstörungen in dieser Phase sind Fehlbildungen um den Ventriculus terminalis (Zyste, Myelozystozele usw.). Möglicherweise gehört auch das sakrale subkutane Ependymom dazu.
Retrogressive Differenzierung Neurulation Unter Neurulation versteht man die primäre Bildung des Neuralrohrs (17.–28. Tag), das der Prototyp des Rückenmarks ist. Die Entwicklung des Zentralnervensystems beginnt etwa am 17. Tag mit der Bildung der Neuralplatte (17.–21. Tag; 1–1,5 mm Länge), aus der das Neuralrohr hervorgeht, wobei die Fusion der Neuralrinne multilokulär stattfindet und nicht im Sinne eines Reißverschlusses (19.–26. Tag; 2–3,5 mm Länge). Mit der Neuralrohrbildung findet eine segmentale Gliederung (Somiten-Entstehung) statt. Der Neuroporus anterior, das kraniale Ende des Neuralrohres, schließt sich im Stadium von 13–20 Somiten um den 25. Tag; der kaudale Schluss des Neuralrohrs erfolgt um den 28. Tag (2,5 mm Länge). Die molekularen Abläufe der Fusionsmechanismen der Neuralrinne und die folgende dorsoventrale Differenzierung werden gegenwärtig intensiv untersucht. Ein Schema zur Genexpressionen im sich entwickelnden embryonalen Gehirn (bei der Maus) findet sich bei [124]. Die ventrale Seite des Neuralrohrs hat einen direkten notochordalen Kontakt. Um den 24.–28. Tag, gemeinsam mit der Bildung des Neuralrohrs, spezialisiert sich diese laterale Neuralleiste und bildet in den folgenden Wochen die paravertebralen und viszeralen autonomen Ganglien, das chromaffine System sowie die Schwann-Zellen der peripheren Nerven, die Leptomeningen und die Hautmelanoblasten. Entwicklungsstörungen in dieser Phase werden als Neuralrohrdefekte zusammengefasst.
Kanalisation Unter Kanalisation versteht man die Phase der Verlängerung des kaudalen Rückenmarks (28.–43. Tag). Sie schließt sich an die Neurulation an und beginnt mit der Bildung der kaudalen Rückenmarkendigung bis zum 43./45. Gestationstag. In dieser Phase bilden Fragmente der extraneuralen Ependymzellen mehrere Bläschen, die miteinander fusionieren und ein größeres Bläschen bilden, das am kaudalen Teil des Neuralrohrs entsteht, wo-
Über die retrogressive Differenzierung des kaudalsten Rückenmarksbereichs wird das Filum terminale gebildet (ab dem 43. Tag). Das Filum terminale besteht aus einem intraduralen und einem extraduralen Anteil, d. h. Filum terminale internum und Filum terminale externum. Die Spitze des Filum terminale externum setzt am Kokzygealknochen an und fixiert das Rückenmark. Im gesamten Verlauf des Filum terminale findet sich ein ependymaler Schlauch. In dieser Zeit und in der Fetalzeit wächst die Wirbelsäule stärker als das Rückenmark selbst, so dass das Rückenmark im Spinalkanal nach oben aufzusteigen scheint (Ascensus medullae spinalis). Entwicklungsstörungen in dieser Phase sind Fehlbildungen wie z. B. die Aszensusstörung („tethered cord“).
Orales Neuralrohr Die Entwicklung des oralen Endes des Neuralrohrs führt über die Hirnbläschenbildung, Flexion sowie Seitendifferenzierung zur Gehirnbildung. Nach der Formation des Neuralrohrs werden im oralen Anteil das Telenzephalon, das Mesenzephalon und das Rhombenzephalon gebildet – die drei primären Hirnbläschen [81]. Im Bereich des Rhombenzephalons sind 7 Segmente erkennbar, in denen durch die Beteiligung zahlreicher Gene, insbesondere der Hax-Gene, die spezifische Differenzierung der Segmente reguliert wird [108]. Bei einer Embryolänge von 7–9 mm beginnt der entwicklungsgeschichtlich wesentliche Übergang aus dem 3-Bläschen- in das 5-Bläschen-Stadium. So werden Prosenzephalon, Rhombenzephalon, Mesenzephalon und Metenzephalon gebildet. Die sagittale Teilung des Telenzephalons erfolgt bei einer Embryolänge von 13–17 mm. Die Bildung der die beiden späteren Hemisphären miteinander verbindenden Kommissurenbahnen aus der Lamina reuniens fängt etwa am 60. Gestationstag bei 30 mm Länge an; um den 100. Tag (Länge 130 mm) ist die Entwicklung des Balkens abgeschlossen [91]. Relevante Entwicklungsstörungen der Flexion sind beispielsweise Inienzephalie und das Klippel-Feil-Syn-
46
Kapitel 3
drom. Die Anomalien der Seitendifferenzierung sind vor allem Holoprosenzephalie in unterschiedlichen Schweregraden, Rhombenzephalosynapsis, Balkenmangel, DeMoisier-Syndrom, Septumdefekte.
3 Embryonale Durchblutungssystem und persistente Arterien Die Basilararterien sind während der Embryonalzeit doppelt vorhanden und fusionieren bis zum 16. Carnegie-Stadium. Gelegentlich findet man bei der Autopsie eine un-
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
vollständige Fusion der A. basilaris als Zufallsbefund (Abb. 3.1). Vor der Formation des Circulus Willisi bestehen in allen Kiemensegmenten primitive, sich später rückbildende Arterien. Sie können nicht alle in einem Stadium simultan beobachtet werden: Beispielsweise erscheint die primitive Trigeminalarterie etwa am 10./11. Gestationstag, die primitive otische Arterie am 11. Tag und die primitive Hypoglossalarterie am 28. Tag. Diese „Anastomosen“ zeigen bereits ab dem 33. Tag eine Regression. Unter Umständen können diese primitiven Arterien persistieren. Zu solchen persistierenden primitiven Arterien gehören die olfaktorische, trigeminale, otische, pharyngeale, hypoglossale und proatlantische Ar-
b
a
c Abb. 3.1a–d Normale Entwicklung und normabweichende Entwicklung der Hirnarterien. a Embryonale Basalarterien in Carnegie Stages 13, 14, und 16. Durch Fusion der doppelten Basalarterien wird eine singuläre A. basilaris formiert. b Eine winzige Teilverdoppelung der Basalarterie als Beispiel eines embryonalen Residualzustandes (mangelhafte Fusion). c An der Schädelbasis ist eine von der A. basilaris abgetrennte primitive Trigeminalarterie zu sehen (Pfeil-
d kopf), die an der Hirnbasis mit der A. carotis interna anastomosiert. d Die proximale A. carotis interna wurde von der Schädelbasis präpariert und auf die Basalfläche des Gehirns aufgelegt, um die Anastomose (Pfeilkopf) der primitiven Trigeminalarterie mit der A. basilaris zu demonstrieren. Die Kreise zeigen die abgetrennten Stellen der Karotisarterie am distalen Siphon
Embryofetale Entwicklung des Nervensystems
terie. Die Häufigkeit der persistenten primitiven Arterien ist in der Literatur mit 0,1–1,0% angegeben [151, 167].
47 Tabelle 3.1 Gehirngewicht der Feten Gestationswochen
Massenentwicklung des Gehirns sowie Sulkus- bzw. Gyrusformation des Großhirns Das Hirnvolumen nimmt während der Fetalperiode stark zu, variiert dabei aber zwischen verschiedenen Regionen: Im Vergleich mit anderen Körperorganen entspricht das Hirngewicht im 6. Fetalmonat 21% des Körpergewichts, bei der Geburt 15%, beim Erwachsenen dagegen nur noch 3%. Der Gewichtsanteil der infratentoriellen Strukturen beträgt bei Feten etwa 5–7% des Gesamtgehirngewichts (von der 20. bis zur 40. Gestationswoche zunehmend). Er nimmt postnatal sehr rasch zu – bis zum 4. Monat >9% – und erreicht bereits am Ende des 1. Lebensjahr Werte wie beim Erwachsenen (12,5%; Tabellen 3.1 und 3.2). Die Sulkusformation beginnt mit der sagittalen Teilung der Großhirnhemisphäre durch die Fissura longitudinalis cerebri in der 8. Gestationswoche. Die ersten Furchen (Sylvische Furche, Fissura occipitoparietalis) erscheinen bis zur 15.–16. Woche. Ab der 16. Woche sind Sulcus olfactorius und Sulcus cingularis, etwas später die Fissura calcarina erkennbar. An der Konvexität erscheinen etwa in der 20.–21. Woche die Primärfurchen, die senkrecht zur Neuralachse gebildet werden: zuerst Sulcus centralis, dann Sulci prae- und postcentralis. Danach werden ab der 24. Woche die Sekundärfurchen parallel zur Neuralachse gebildet. Weitere Furchen (Tertiärfurchen) binden die Primär- und Sekundärfurchen. Bis zur Geburt scheinen fast alle Furchen, somit Gyri, gebildet zu sein. Jedoch fehlen ausführliche Beobachtungen über weitere Furchenneubildung bzw. Gyrusentwicklung in den postnatalen sowie infantilen Phasen, die doch zu erwarten ist (z. B. Differenzierung von Planum temporale oder Gyrus Heschl). Die Windungsbildung ist um die 32. Gestationswoche abgeschlossen, obwohl die Anzahl der Furchen geringer ist als im Erwachsenengehirn. Relevante Entwicklungsstörungen in dieser Phase sind Makrenzephalie und Mikorenzephalie, auch Kleinhirnagensie bzw. -hypoplasie.
Entwicklung der Hirnrinde (Proliferation, Migration der Matrixzellen und Apoptose) Parallel zur Gyrusformation sind Migration, Differenzierung sowie ein programmierter Zelltod wesentlich für die Entwicklung der Hirnrinde sowie der Hirnstammstrukturen. Die Wand des Neuralrohrs ist der Ursprungsort der noch undifferenzierten Nerven- und Gliazellen, die später
Gehirngewicht [g]
15–16
50
20–21
80
27–28
180
33–34
290
39–40
400
Tabelle 3.2 Verhältnis der infratentoriellen Strukturen gegenüber dem Gesamgehirngewicht bei Feten im Vergleich zu Kleinkindern und Erwachsenen Scheitel-Steiß-Länge [mm]
Kleinhirn + Hirnstamm/ Gesamtgehirngewicht [%]
100–150
12,5
150–200
9,0
200–250
7,3
250–300
6,2
300–350
6,0
350–400
6,6
400–450
6,9
500–550
8,2
550–600
8,0
4 Mo. postnatal
9,0
Erwachsene
12,5
während der Gehirnentwicklung von der subependymal in der Wand der späteren Ventrikel gelegenen Matrixzellzone aus in Richtung Mantelzone (Rinde) und Basalganglien wandern. Matrixzellen (von Matrix = Ursprung, Mutterboden) differenzieren sich in Neuro- bzw. Glioblasten. Radiale Gliazellen überbrücken zunächst die Distanz zwischen der Ependymschicht und der pialen Oberfläche des ZNS. Diese radialen Gliazellen dienen als Leitschiene für die aus der Matrixzellschicht auswandernden, noch nicht voll ausdifferenzierten Nervenzellen. Die Abwanderung der Neuroblasten aus der Matrixzone beginnt in den 4.–7. Embryonalwochen. Sie rücken nicht nur radial entlang der Radialglia vor, sondern wechseln ihre Migrationsrichtung innerhalb der Intermediärzone auch tangential und tragen dadurch zur tangentialen Verteilung von Neuronen bei [112]. Alle postmitotischen und migrierenden Zellen exprimieren DCX, jedoch nicht mehr nach abgeschlossener Migration [101]. Bei Neugeborenen sind residuale periventrikuläre Matrixzellen im Bereich der Striae terminales noch deutlich
48
3
Kapitel 3
nachzuweisen, bevorzugt perivaskulär. Sie dürfen nicht mit entzündlichen Infiltraten verwechselt werden. Ab der 6. Gestationswoche wird ein dreischichtiges Kortexband gebildet. Hier wandern die neu ankommenden Neuroblasten in die obersten Schichten („inside-out layering“) [125]. Dabei spielen Cajal-Retzius-Zellen eine wichtige Rolle. Sie sind die am frühesten differenzierten Neuralzellen, die beim Menschen bereits am 43. Gestationstag erkennbar sind [95]. Sie liegen quer (deswegen auch als Horizontalzellen bezeichnet) in der obersten Schicht des Kortex und exprimieren das extrazelluläre Protein Reelin, das die Weiterwanderung der Neuroblasten hemmt. Die nachfolgend migrierenden Neuroblasten überholen die bereits in ihrer Wanderung blockierten Neuroblasten, bis auch sie schließlich mit Reelin in Kontakt kommen. So wird eine Schichtenstruktur der Hirnrinde nach dem „Inside-out“-Prinzip etwa bis zur 20. Woche aufgebaut. Neben der Zellmigration von der Matrixzone aus beteiligt sich an der Rindenbildung eine subpiale Matrixzellschicht. Als oberflächliche, akzessorische Zellschicht sind deren Matrixzellen der Membrana limitans gliae superficialis unterlagert. Diese erscheint um die 12.–13. Gestationswoche in den basalen Rindenzonen des Allokortex (anders aufgebaute Rinde im Gegensatz zum Isokortex) mit der typischen Sechsschichtung. Im Isokortex bildet sich die superfizielle Matrixzellschicht um die 13.– 14. Woche, die während der 16.–18. Woche die gesamte Konvexität bedeckt. Die Rückbildung dieser Schicht beginnt in der Inselregion um die 27. Woche und wird abgeschlossen in Stirn- und Okzipitalrinde um die 39. Woche. Matrixzellreste sind dann nur noch im Windungstal der frontotemporalen Grenze in der Nähe des Hippokampus vorhanden. An der Zielfindung der ausgewanderten Neurone, später auch ihrer Fortsätze, an der Kontaktaufnahme mit funktionell gekoppelten anderen Neuronen und mit Gliazellen sowie am physiologischen programmierten Zelltod, dem bis zu 25% der unreifen Neurone während der Entwicklungsperiode des Gehirns anheim fallen, ist ein höchst differenzierter Komplex von chemotropen und trophischen Faktoren wie dem vasointestinalen Peptid (VIP) und verschiedensten Zelladhäsionsmolekülen (CAM) der neuronalen und glialen Elemente sowie der extrazellulären „Matrix“ (ECM) beteiligt [125, 126]. Die Expression von „nerve growth factor“ (NGF) ist begrenzt und genügt nicht, alle angelegten unreifen Nervenzellen an einen Zielort und in Kontakt mit Afferenzen zu bringen. Ein erheblicher Teil der migrierenden Matrixzellen erreicht sein Zielgebiet in der Rinde nicht oder gewinnt keine synaptischen Kontakte. Die Zellen sterben physiologischerweise ab. Der programmierte Zelltod („Apoptose“) bei der Entwicklung eines Individuums moduliert im Kortex die Schichtdicke und Nervenzelldichte. Er läuft in den verschiedenen Regionen ziemlich synchron, jedoch im Ausmaß unterschiedlich ab und steht unter dem Einfluss von Afferenzen insbesondere des Thalamus. Eine
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Reduktion von Afferenzen kurz vor und während der kritischen Phase des Zelltodes verstärkt die Zahl absterbender Neurone. In den medialen Rindenabschnitten sind gewöhnlich mehr Zellen betroffen als lateral [10]. Einen solchen „programmierten Zelltod“ findet man auch in bestimmten zentralen Kerngebieten, wodurch z. B. die Geschlechtsdifferenzierung eines Kerngebiets entsteht. Dieser Sexualdimorphismus wird bei Tieren in verschiedenen Gehirn- und Rückenmarkarealen festgestellt. Bei Menschen ist ein Sexualdimorphismus in den Hypothalamuskernen bekannt [152]. Im Kleinhirn entsteht eine superfizielle Matrixzellschicht (transitorische superfiziale Körnerzellschicht) in der Fetalwoche 8; bis zur 14. Woche verbreitet sie sich über die gesamte Kleinhirnoberfläche und erreicht ihre maximale Dicke in der 24. Woche. Die Matrixzellen wandern in die Kleinhirnrinde hinein und differenzieren sich zu den inneren Körnerzellen. Diese transitorischen superfizialen Körnerzellen persistieren postnatal nicht länger als ein Jahr. Im Gyrus dentatus der Hippokampusformation mit den axonalen Verbindungen seiner Körnerzellen zum CA3-Areal des Ammonshornbandes sind beim erwachsenen Menschen noch Stammzellen nachweisbar, was auf eine wenn auch beschränkte Regenerationsfähigkeit neuralen Gewebes hinweist [33, 85, 158]. Neurale Stammzellen wurden auch im Stria-terminalis-Bereich, aber auch aus dem Filum terminale isoliert [159]. Durch Migrationsstörung in dieser Phase entstehen Lissenzephalie, Gyrusanomalien, und (meningo)kortikale Dysgenesien.
Myelinisation Während die Entwicklung der Großhirnrinde gegen Ende des 2. Lebensjahres abgeschlossen ist, zieht sich die Markscheidenbildung bis zum Ende der 1. Lebensdekade hin. Innerhalb des Rückenmarks erfolgt die Markscheidenbildung um die 14. Fetalwoche in kaudokranialer Richtung; die motorischen Vorderwurzeln werden früher myelinisiert als die sensorischen Hinterwurzeln, die Pyramidenbahn myelinisiert später als die Hinterstränge. Zwischen der 22. und 24. Woche werden der Goll-Strang sowie einige Oliven- und Kleinhirnverbindungen, ferner die Ansa lenticularis myelinisiert. Kurz vor der Geburt schließt sich die Markscheidenentwicklung der kortikound rubrospinalen Bahnen, der Fibrae arcuatae externae, der Brückenfasern, der kortikozerebellären Fasern, der vorderen Kommissur und des N. opticus an. Der Markscheidenbildung geht eine starke Verdichtung des Gliazellbestandes voraus (sog. Myelinisationsgliose). Die Myelinisation der Pyramidenbahn ist etwa ein Jahr postnatal vollendet. Der Verlauf der Myelinisation ist in Abb. 3.2 schematisch dargestellt.
Allgemeines
49
Abb. 3.2 Chronologischer Verlauf der Myelinisation nach Yakovlev und Lecours (1967)
Unter Myelinisationsgliose versteht man eine Ansammlung der Oligodendrogliavorläuferzellen im Bereich der stattfindenden Myelinisierung. Diese Vorläuferzellen besitzen einen großen Kern und leicht basophiles großes Zytoplasma; sie dürfen nicht mit der reaktiven Gliose verwechselt werden. Als „Status marmoratus“ (Status myelinisatus) wird eine pathologische Myelinisation in den Basalganglien bezeichnet, in denen man eine Narbenbildung mit myelinisierten Nervenfasern erkennt. Dieser Herd wird meist durch peri- oder postnatale Komplikationen oder neurologische Erkrankungen verursacht und ist deswegen keine Fehlbildung. Eine abnorme Myelinisierung im Kortex (in der Ulegyrie) wird als „plaques myéliniques“ bezeichnet, die pathogenetisch mit dem Status marmoratus identisch ist.
zephalie beurteilen und den Verdacht auf eine Hydrozephalie äußern. Eine Schätzung des Entwicklungsalters des fetalen Gehirns ist durch Zählung der Furchenzahl an der Konvexität möglich (Abb. 3.4). Man legt hierzu einen Faden suprainsulär parallel zur Fissura longitudinalis cerebri in frontookzipitaler Richtung auf, zählt die Zahl der Kreuzungen des Fadens mit den Furchen und addiert diese Zahl mit 21. Dieser Wert entspricht dem Entwicklungsalter des Gehirns in Fetalwochen, wobei mit einem Normabweichungsbereich von +1 Woche gerechnet werden muss. Allerdings gilt diese Methode nur zwischen der 20. und 36. Fetalwoche.
Allgemeines Ätiopathogenese
Entwicklungsparameter Kopfumfang und die Scheitel-Steiß-Länge sind bei Feten fast gleich, wobei eine individuelle Variation mit +1 cm besteht (Abb. 3.3). Man kann deswegen bereits bei der äußeren Inspektion eines Fetus eine Mikro- bzw. Makro-
Die Gehirnfehlbildung wird nicht durch die Art der Noxen bestimmt, sondern durch den Zeitpunkt ihres Einwirkens. Dadurch ist es möglich, über die Morphologie die teratogenetische Terminationsperiode bzw. teratogenetische Terminationspunkte zu bestimmen.
50
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
3
Abb. 3.3 Scheitel-Steiß-Länge und Kopfumfang sind unabängig vom Alter der Feten, mit 1 cm Abweichung fast gleich (y = x r 1)
Abb. 3.4 Beurteilung des Entwicklungsalters der Fetalgehirne nach einfacher Schätzungsmethode. Links: 22. Fetalwoche (Asymmetrie ist normal), Mitte: 25. Fetalwoche, rechts: 28. Fetalwoche. Der darge-
stellte Unterschied in den Zeichnungen entspricht nicht der tatsächlichen Gehirngröße (Näheres s. Text)
Die meisten Fehlbildungen sind ätiologisch ungeklärt. Außerdem ist oft eine scharfe Trennung exogener Noxen von Genmutationen und Chromosomenanomalien (Letztere treten z. B. nach Virusinfektionen oder Strahleneinwirkungen auf) nicht möglich. Ursachen von ZNS-Fehlbildung sind: • genetische Fehlregulierung einschließlich Chromosomenanomalien: – Einzelmutation, – autosomal-dominante oder rezessive Übertragung, X-verbundene Erbkrankheiten; • exogene Faktoren: – intrauterine Infektion: virale Infektion (Herpes I, II, Rubella, Zytomegalie, Mumps, Varizella),
bakterielle Infektion einschließlich Treponema, Parasiten (Toxoplasmen u. a.); – physikalische Ursachen: Hyperthermie der Mutter, Trauma, Strahlenexposition (Mikrenzephalien, Migrationsstörung); – intrauterine Intoxikation: Ethylalkohol (fetales Alkoholsyndrom), Drogen, Medikamente (z. B. Antiepileptika, Thalidomid und Folsäureantagonisten), Metalle wie Methylquecksilber (fetale MinamataKrankheit) [17], A- oder Hypervitaminose,
Allgemeines
51
Kohlenmonoxyd; – metabolische Entgleisungen oder Erkrankungen der Mutter: Diabetes mellitus (Holoprosenzephalie; kaudale Anlagen- oder Entwicklungsstörung), Hypoxie, Epilepsie (?), Mangelernährung [30], Hypothyreose [7].
lich aufgrund einer Apoptosehemmung). In zahlreichen Tierexperimenten konnte allerdings eine sekundäre Öffnung des bereits regelrecht gebildeten Neuralrohrs nachgewiesen werden [115]. Ikenouchi et al. [74] konnten eine zystische Erweiterung des lumbosakralen Marks in Embryonen beobachten, die eindeutig eine Wiederöffnung des einmal geschlossenen Neuralrohrs andeuten. Das Spektrum der durch Störungen des Neuralrohrschlusses hervorgerufenen Fehlbildungen – der Kerngruppe zentralnervöser Fehlbildungen – ist sehr breit und reicht von den nur röntgenologisch nachweisbaren Anomalien des Wirbelbogenschlusses und der Spina bifida occulta über die Enzephalozelen bis zum Anenzephalus und der Akranie, dem Fehlen der Schädel- und Hirnentwicklung. Neuralrohrdefekte sind bei Mädchen häufiger. Die kaudale Spina bifida ist aber häufiger bei Jungen [140]. Bei Geschwistern von Kindern mit anderen Fehlbildungen kommen öfter Neuralrohrdefekte vor [42]. Eine Zusammenstellung verschiedener Erhebungen ergab eine Wiederholungsrate von 3% bei Anenzephalus- und Spina-bifida-Kranken in einer Geschwisterreihe. In 12,2% dieser Wiederholungsfälle wich das Erscheinungsbild von dem beim vorangegangenen kranken Kind ab [21]. Die schweren dysraphischen Störungen sind sonographisch vielfach bereits pränatal zu diagnostizieren. Anhaltspunkte für ihr Vorliegen geben auch Untersuchungen der Amnionflüssigkeit und der in ihr schwimmenden Zellen. Erhöhung des Spiegels des Alpha-Fetoproteins ist ein empfindlicher Indikator für das Vorliegen dieser Dysraphien. Ätiologisch ist bei den Dysraphien in vielen Fällen ein multifaktorielles Geschehen wahrscheinlich, wie z. B. genetische Prädisposition, mütterliche Krankheit und/oder fetale medikamentöse Exposition. Auch die Erhöhung
Diagnostische Orientierung In den Tabellen 3.3 bis 3.10 werden bestimmte Befundmuster entsprechenden Diagnosen zugeordnet. Mögliche Diagnosen werden in den unteren Zeilen angegeben.
Spezielle Fehlbildungsformen Neuralrohrdefekte Dysraphien Die dysraphischen Störungen entstehen durch eine mangelhafte Neuralrohrformation. Marin-Padilla [94] beobachtete die Reduktion der Neuroblasten am Rand der Neuralplatte bei der normalen Neuralrohrentwicklung. Patten [119] glaubte, dass eine Überproduktion von Zellen am Rand der Neuralrinne eine normale Fusion der Neuralrinne stören könnte (nach neuesten Kenntnissen vermutTabelle 3.3 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des Kopfes Kein Kranium
Kranium offen
Akranie, Anenzephalie, Exenzephalie
Lückenschädel
Groß (y>x+1)*
Klein (y<x+1)*
Verformung
Vorwölbung
Cranio-lacunia bei Chiari-Typ 2
Makrozephalie
Mikrozephalie
Trigonozephalie, thanatophore Dysplasie; Crouzon-Syndrom, MedianCleft-Syndrom, SeckelSyndrom etc.
Enzephalozele, Meningozele, subkutane Ektopien, nasales Gliom
*Siehe Abb. 3.5
Tabelle 3.4 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des äußeren Großhirns Kein Großhirn
Atelenzephalie, Anenzephalie
Nur Mantel vorhanden
Keine/unvollständige Hemisphären
Keine/wenige Furchen Glatte Oberfläche
Kopfsteinpflasteroberfläche
Hydranenzephalie
Holoprosenzephalie
Pachygyrie, Lissenzephalie 1
Mikropolygyrie, Lissenzephalie 2, zerebrookuläre Erkrankungen
Kopfsteinpflasteroberfläche (auch fokal) Mikropolygyrie
Agyrie/Pachygyrie, Mikropolygyrie, fokale kortikale Dysplasie
Tuber
Tuberöse Sklerose
Leptomeningen
Leptomeningeale glioneurale Heterotopie
Hypoplasie, Hydrozephalus, (Atrophie)
Volumenverminderung
Mark
DoppelkortexSyndrom
Laminär
Heterotopie
Chiari 1
Chiari 2
des Unterwurms
Rhombenzephalosynapsis
Fusionierte Kleinhirnhemisphären
Cavum septi pellucidi, Cavum Vergae
Heterotopie
Nicht/wenig vorhanden
Körnerzellschichtagenesie
Normal vorhanden bis zum 1. Lebensjahr
Keine Entwicklungsanomalie
(Syndrome mit) Balkenmangel; evtl. Kommissurendefekt
Balkenmangel
Kleinhirnwurmagenesie
Solitäre Anomalie, dentatoolivare Dysgenesien
Fragmentation
Bei Rhombenzephalosynapsis
Nicht vorhanden
Weitere Kleinhirnkerne
Tektozerebelläre Dysraphie
Je nach der Gyrusanomalie
Divertikel
Joubert-Syndrom, Meckel-Syndrom
Holoprosenzephalie
Univentrikel
Ventrikel
Formanomalie des Mittelhirns
Dentatum
Dandy-WalkerSyndrom
Zyste des 4. Ventrikels
Dysraphie
Holoprosenzephalie oder als Einzelanomalie
Unithalamus
+Posteriore Zele
Agenesie
Basalganglien fehlen
Basalganglien/Thalamus
Kleinhirnwurm fehlt (auch zum Teil)
Gespaltene Kleinhirnhemisphäre
DeMorsierSyndrom, Hydrozephalus
Septumdefekt
Heterotopie der Purkinje- oder Dentatumzellen, Anomalie der Purkinje- und inneren Körnerzellschichten
Weiße Substanz
Superfizielle Körnerzellen
Tabelle 3.7 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen mit Störung der Kleinhirnhistologie
Pontozerebelläre Hypoplasie
der Kleinhirntonsille
Herniation
Kleines Kleinhirn
Subependymale noduläre Heterotopie
Nodulär
Cava
Septum/Balken
Kapitel 3
Agenesie, Hypoplasie, Hemihypoplasie
Kleiner Pons
Kleinhirn nicht/wenig vorhanden
Tabelle 3.6 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des Kleinhirns
Anomalie der Schichtenstruktur
Kortex
3
Oberfläche
Tabelle 3.5 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des inneren Grosshirns
52 Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Spezielle Fehlbildungsformen
53
Tabelle 3.8 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen im Rücken/Wirbelsäulenbereich Externe Inspektion
Wirbelsäule
Hautanomalien: Delle, Spalte, Pigmentation, Depigmentation, Behaarung etc.
Vorwölbung postanal
Schwanz
Spalte
In erster Linie Dysraphien, Lipome
Subkutanes Ependymom
Humanschwanz, Pseudoschwanz
(Rachischisis) Myelomeningozele, Meningozele Myelozystozele, Myelomeningozele, Meningozele
Chiari-Typ 2 bei ca. 50%
Spalte, Fehlen des Sakrum
Spina bifida occulta, Sakralagenesie
Tabelle 3.9 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des Rückenmarks Aufzweigung oder Teilverdoppelung
Hohlraum
Faszikelanomalie
Heterotopie
Zyste
Mit oder ohne Knochensporn im Spinalkanal
Zentralkanalerweiterung
Unabhängig vom Zentralkanal oder miteinbezogen
Pyramidenbahn
Hinterstrang
Vorderhornzellen
im Hinterstrang
Diastematomyelie oder Diplomyelie
Hydromyelie
Syringomyelie
Fehlen oder Asymmetrie der Kreuzung, dystopischer Verlauf
Deviation des Septum longitudinale dorsale
Spinale Muskelatrophie
Unspezifisch
Neurenterische Zyste, respiratorische Zyste
Tabelle 3.10 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen der Spinalnervenwurzel Verlaufsanomalien
Heterotopie
Aufsteigender Verlauf der Zervikalwurzeln
Querverlauf der Lumbosakralwurzeln
Hinterwurzeleintritt ins Rückenmark lateral vom Hinterhorn
Nervenzellen im Vorder- sowie Hinterstrang
Chiari-Typ 2; Chiari-Typ 1, tektozerebelläre Dysraphie
Aszensusstörung bei Inienzephalie
Unspezifisch bei schweren Gehirnfehlbildungen
Bei spinaler Muskeldystrophie, kleine Anzahl auch als Normvariante
des Azetylcholinesterasespiegels in der Amnionflüssigkeit gibt Hinweis auf Störungen der Entwicklung des Neuralrohrs [143]. Da teratogene Medikamente, die als Folsäureantagonisten wirken, bekannt sind, wird bei Risikomüttern prophylaktisch bereits vor der Empfängnis eine Folsäuregabe empfohlen.
Anenzephalie und Exenzephalie Bei einer Anezephalie sind sowohl Kranium als auch Hirngewebe dysraphisch gestört. Als pathogenetisch wirksamer Faktor wurde bei 59% der Mütter anenzephaler Kinder ein Folatmangel festgestellt [57]. Die Rate an Fehl- und Früh-
geburten ist bei den Müttern der Kinder mit Anenzephalien deutlich erhöht. Sehr junge Erstgeburten der Mutter und Schwangerschaften in hohem mütterlichem Alter gelten als Risiko einer Anenzephalie der Kinder. Makroskopisch ist bei Anenzephalie die aus Knochendefekt, fehlgebildetem Nervengewebe und Hautdefekt zusammengesetzte Störung unverkennbar (Abb. 3.5). Die Schädelbasis ist ebenfalls fehlgebildet und eine Exophthalmie ist oft vergesellschaftet. Bei jüngeren Feten (bis etwa 19. Fetalwoche) kann eine Exenzephalie beobachtet werden, die ein Zustand der Kranioschisis ohne dysraphische Störung des Gehirns ist, das von Leptomeningen überdeckt und histologisch unterschiedliche Dysgenesien aufweist. Das exenzephale Gewebe kann intrauterin zugrunde gehen [45, 115].
54
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
3
b
a
c
d
e
Abb. 3.5a–e Dysraphien und relevante Zustände. a Kraniorachischisis. b Anenzephalie bei einem Fetus und typische kraniofaziale Anomalie mit Exophthalmos. c Exenzephalie mit nicht zerstörtem
Gehirn bei Kranioschisis. d Enzephalozele posterior. e Bei äußerer Inspektion wurde eine Enzephalozele vermutet, zeigte sich dann jedoch als große Meningozele.
Spezielle Fehlbildungsformen
f
g
h
Mikroskopisch stellt die Anenzephalie eine Area cerebrovasculosa dar, die aus einem Gemisch atypischer, angiomähnlich gestalteter Blutgefäße und irregulärer Streifen zentralnervösen Gewebes zusammengesetzt ist, das im Wesentlichen aus Gliazellen mit uncharakteristisch verteilten, gewöhnlich nicht voll ausdifferenzierten Nervenzellen besteht. Es finden sich weite Bluträume, verlagerte Epidermisschläuche, Ependymzellnester und mit Ependym ausgekleidete tubuläre Strukturen. Nur selten sieht man Ansätze zu einer Rindenbildung. Die Hypophyse fehlt in etwa 50% der Fälle, wobei die Pharyngealhypophyse (s. unten, Abschnitt „Anomalien der Hypophyse und des Hypothalamus“) vorhanden bleibt. Es handelt sich hierbei um keine Hypophysenagenesie, sondern um eine Destruktion. Im noch teilweise erhaltenen Hypophysengewebe erkennt man eine pathologische Vaskularisation, vergleichbar mit der Area cerebrovasculosa. Infolge entsprechender hormoneller Störungen sind die Nebennieren und Gonaden hypoplastisch. In extremen Fällen sieht man eine komplette Kraniorachischisis (Abb. 3.5b). Hierbei sind Brücke und Medulla oblongata ebenfalls nicht entwickelt.
55
i
Abb. 3.5f–i (Fortsetzung) Dysraphien und relevante Zustände. f Schwerste Myeloschisis: das Rückenmark zeigt mit Ausnahme seines kaudalen Endes eine Neuralplattenstruktur. g Typische Diastematomyelie (laterale Aufzweigung des Rückenmarks) an der Stelle eines Knochensporns im Spinalkanal. h Histologisches Bild der Diastematomyelie. Normalerweise sind beide Zweige identisch und von vollständiger Rückenmarkstruktur, hier im distalem Bereich zeigt sich jedoch eine unterschiedliche Darstellung der beiden Anteile. i Diplomyelie. Ventral vom normalen Rückenmark findet sich ein zusätzliches Rückenmark
Enzephalozele und Meningozele Die Enzephalozelen (Abb. 3.5c) liegen in 70% der Fälle in der gespaltenen Squama occipitalis (Cranium bifidum) bei erhaltener hinterer Schädelgrube oder weiter kaudalwärts in Höhe von Foramen magnum und Atlas. Selten sind demgegenüber frontale Enzephalozelen (20% nasofrontal, 10% intranasal) [105]. Entsprechend dem dysraphischen Charakter ist die Mittellinie bevorzugt. Frontal kann es zu einer pilzförmigen Verlagerung zentralnervösen Gewebes in Richtung Orbita, Siebbein bzw. Nase kommen (sog. nasales Gliom). Gewöhnlich sind mit den Enzephalozelen Fehlbildungen auch der übrigen Schädelknochen einschließlich des Gesichtsschädels verbunden. Selten sind die parietalen (hochsagittalen) Zelen, die sich äußerlich vielfach nur als eine pflaumengroße pralle Vorwölbung der Haut äußern, gelegentlich aber auch gestielt als Enzephalozystozelen vorkommen [105]. Im intrakraniellen Anteil des Gehirns sind in solchen Fällen
56
3
Kapitel 3
gelegentlich auffallend tiefe Sulci zwischen dem Scheitellappen und dem Okzipitallappen sichtbar [90]. Falx und Tentorium können hypoplastisch sein oder fehlen [45, 105]. Bei diesen Schizokranien bestehen starke Variationen von einem breiten Übergang des Zelengewebes zum intrakraniellen Hirngewebe bis zu einem pilzförmigen Wachstum nach außen, das nur einen schmalen gliösen Stiel zum intrakraniellen Gewebe hin aufweist. Innerhalb der Zele liegt leptomeningeales Gewebe, vielfach eng verzahnt mit Epidermis und Fettgewebe. Das zentralwärts anschließende, aber wiederum durch zahlreiche schmale Gewebszungen mit dem bindegewebigen Mantel verzahnte zentralnervöse Gewebe kann mit Ependym ausgekleidete Ventrikelausziehungen umgeben, wozu auch verlagertes Plexus-chorioideus-Gewebe gehören kann. Das Gewebe ist meist stark vaskularisiert. Wenn der Inhalt der Zele lediglich aus meningealen Gewebe besteht, d. h. ohne Begleitung des Hirngewebes, spricht man von einer Meningozele.
Spina bifida Störungen des kaudalen Neuralrohrschlusses während der Neurulation und der anschließenden Kanalisation manifestieren sich am häufigsten als Spina bifida. Unter einer Rachischisis versteht man einen offenen Rückenmarkskanal bei fehlendem Verschluss des Medullarrohres, wobei die weichen Häute lateral als Zona epithelioserosa in die Epidermis übergehen. Als die schwerste Form der Rachischisis sieht man eine Neuralplattenstruktur (Myeloschisis: s. Abb. 3.5f). Bei der Meningomyelozele ist das Neuralrohr zwar geschlossen, aber in atypischer Weise, so dass sich in einem Teil des Rückens, meist im lumbosakralen Bereich, ein Bruchsack in die oft buckelförmig vorgewölbte Haut erstreckt. • Enthält er nur Leptomeningen, wird von einer Meningozele gesprochen. • Ist ein liquorgefüllter Hohlraum damit verbunden, so liegt eine Meningozystozele vor. • Ist außer den Leptomeningen auch Rückenmark in die Zele verlagert, so bezeichnet man dies als Meningomyelozele. • Enthält diese einen liquorgefüllten, erweiterten Zentralkanal, so besteht eine Meningomyelozystozele. Bei 100 Meningomyelozelen fand sich in 29% der Fälle eine Hydromyelie, in 14% eine Syringomyelie, in 36% im Bereich der Zele eine vollständige oder partiale Spaltung des Rückenmarks (Diastematomyelie) und in 35% eine offene Neuralplatte. Verdoppelte oder mehrfache Zentralkanäle lagen in 42% der Fälle vor [31].
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Spina bifida cystica Die Spina bifida cystica schließt Meningozele und Meningomyelozele ein und betrifft in etwa 80–90% der Fälle den lumbosakralen Bereich in der Mittellinie. Sie kann von der Haut bedeckt sein und wird in diesem Fall als Kanalisationsstörung interpretiert. Sie kann andererseits von einer bindegewebigen Membran bedeckt sein und wird dann als Neurulationsstörung aufgefasst. Atypische Behaarungen über dem bevorzugten Sitz lumbosakral und Fußdeformierungen sind häufig mit einer Spina bifida gekoppelt. Je nach der Beteiligung des Rückenmarks und der Nervenwurzeln finden sich auch schlaffe Lähmungen und Sensibilitätsstörungen. Typische Spaltbildungen in den Wirbelbögen oder das Fehlen von Wirbelbögen charakterisieren den röntgenologischen Befund. Fibrolipomatöses Gewebe ist mit diesen Fehlbildungen häufig verbunden. Makroskopisch sieht man häufig unter der ebenfalls vielfach fehlgebildeten Epidermis ein fettgewebearmes, wenig Hautanhangsgebilde enthaltendes fibröses Gewebe, in das Zungen zentralnervösen Gewebes verlagert sind. Diese Zungen enthalten Astrozyten, seltener Oligodendrogliazellen und ebenfalls nur selten ausdifferenzierte Nervenzellen. Gelegentlich sieht man Ependymzellnester, selten Ependymschläuche. Bei der van-Gieson-Färbung ist das zentralnervöse Gewebe vielfach durch seine homogen gelbliche Farbe erkennbar. Am Autopsiematerial ist es eher möglich, auch die Beziehungen zum Rückenmark und seinen Hüllen darzustellen.
Spina bifida occulta, Dermalsinus, Dermoidzyste Die Spina bifida occulta zeigt von außen keine Vorwölbung und ist von Haut bedeckt, die gelegentlich eine Hypertrichose, Hyper- oder Hypopigmentierung, einen Naevus vasculosus oder ein Lipom aufweist. Klinisch kann sie stumm bleiben. Radiologisch ist eine offene dorsale Wirbelsäule festzustellen. Es kann eine weitere Kombination mit „tethered cord“ (s. unten) oder Diastematomyelie vorliegen [76]. Die geringste Ausprägung einer Dysraphie ist der Dermalsinus. Hierunter werden feine Fisteln verstanden, die von der Haut der Sakralregion und von der Tiefe der Glutäalfalte aus – öfters mit einer Hypertrichosis oder einem Naevus vasculosus, Hyper- oder Depigmentierungen verbunden – in die Tiefe ziehen. Meist bleiben sie mit ihrem Ende extraspinal, doch gibt es auch Verbindungen mit dem intraspinalen Liquorraum, wodurch meningitische Komplikationen auftreten können. Der Dermalsinus ist häufig gekoppelt mit Dermoidzysten und Lipomen, die subkutan oder intraspinal liegen.
Spezielle Fehlbildungsformen
Die Richtung der Hautfisteln ist – analog zu den Kaudafasern und Nervenwurzeln – kranialwärts über einen Verlauf von 1–3 Segmenten [58]. Der Kanal wird von verhornendem Plattenepithel ausgekleidet.
Diastematomyelie und Diplomyelie Die Definition der Diastematomyelie und der Diplomyelie ist umstritten. Diastematomyelie ist eine laterale Bifurkation des Rückenmarks (s. Abb. 3.5g). Die aufgezweigten Teile können sowohl eine vollständige Rückenmarkstruktur als auch eine Hemimyelie sowie verschiedene Übergangsformen aufweisen. Wir schlugen vor, die Diastematomyelie als laterale Aufzweigung und die Diplomyelie als ventrodorsale Teilverdoppelung des Rückenmarks (bzw. eines zusätzlichen kleinen Rückenmarkgewebsstückes) zu definieren, ohne Berücksichtigung der histologischen Struktur der einzelnen Anteile [60]. Das zusätzliche Gewebe bei Diplomyelie zeigt histologisch meist dysplastische Strukturen. Die Diastematomyelie kommt nicht selten in Kombination mit den verschiedenen Spina-bifida-Formen vor. In der Regel sieht man im Bereich der Aufzweigungsstelle der Diastematomyelie einen Knochensporn oder derbes Bindegewebe, dessen Keimzellen nach der Spaltenbildung des Rückenmarks migrieren und proliferieren.
Zystische Ausweitung des Ventriculus terminalis Bei ungewöhnlich starker Ausweitung des Ventriculus terminalis können unspezifische Symptome wie Rückenschmerzen, Blasenstörung, Muskelschwäche auftreten, die jedoch charakteristischerweise ohne Wurzelsymptomatik sind. Die Symptomatik kann erfolgreich mittels Drainage behandelt werden [97]. Entsteht auf dieser Höhe eine „terminale“ Syringomyelie, so wird sie oft von einem Tethered-cord-Syndrom begleitet [34].
Tethered cord Das Filum terminale wird in der Kanalisationsphase angelegt und entwickelt sich anschließend in der retrogressiven Differenzierungsphase weiter. Tethered cord („tight filum terminale“) ist ein verdicktes und verkürztes Filum terminale, durch das der Konus in abnorm tiefer kaudaler Position fixiert und angespannt wird. Dadurch können verschiedene klinische Symptome verursacht werden. Histologisch kann hierbei entweder eine kollagenfaserige Verdickung des umgebenden Bindegewebes, ein adipöses
57
Gewebe zwischen dem eigentlichen Filum terminale und dessen bindegewebiger Kapsel oder aber ein Gemisch des Binde- und Fettgewebes um das Filum terminale festgestellt werden [68]. Therapeutisch wird das Filum terminale abgeschnitten, wodurch eine Entspannung hervorgerufen wird. Zu merken ist, dass „tethered cord“ auch bei Erwachsenen zu sehen ist. Ein sekundäres Tetherdcord-Syndrom ist nicht selten, wie z. B. bei Narbenbildung nach der Bandscheibenoperation.
Ventrale Dysraphien Die zu 85% bei weiblichen Patienten vorkommende seltene anteriore sakrale Meningozele wird größtenteils erst im frühen Erwachsenenalter klinisch manifest, meist mit einer Meningitis. Sie wird häufig von urogenitalen Fehlbildungen begleitet und kommt in vereinzelten Fällen in Kombination mit einem Lipom, Teratom oder einer Dermoidzyste vor. Im Zelensack finden sich Leptomeningen, Dura und periphere Nerven.
Neurenterische Zyste und relevante Anomalien Die Pathogenese der neurenterischen oder enterogenen Zysten oder auch die Persistenz des frühembryonal vorübergehend vorhandenen Canalis neurentericus ist bis heute umstritten. Sicher ist, dass eine notochordale Spaltung in der früheren Embryonalzeit eine entscheidende Rolle spielt („notochordal split syndrome“); die Determinationsperiode liegt zwischen dem Zeitpunkt der notochordalen Entstehung und der Neurulation (16.–28. Tag). Eine neurenterische Zyste kann von verschiedenen ZNS-Fehlbildungen begleitet werden. Die Zysten werden bevorzugt an der ventralen Oberfläche des Rückenmarks im Bereich des unteren Zervikal- bis oberen Thrakalmarks beobachtet. Vertebrale Defekte können eine Kommunikation zwischen der intraspinalen Zyste und dem Mediastinal- oder Retroperitonealraum sein. Die Wand der Kanalreste bzw. der Zysten wird durch Schleimhautepithel des Magen-Darm-Trakts gebildet, selten auch durch Epithel der Bronchialschleimhaut. Die Zysten enthalten eine klare oder milchige visköse Flüssigkeit. Bei der intravitalen Ruptur der Zyste kann eine „chemische” Meningitis entstehen.
Dysraphien im Kleinhirnbereich In der hinteren Schädelgrube werden verschiedene Formen der Dysraphien als etablierte Syndrome beobachtet.
58
3
Kapitel 3
Häufiger sind Chiari-Anomalien. Chiari [16] beschrieb 3 Typen von zerebellären Anomalien, die er damals als Folge der Hydrozephalie interpretierte. Diese Verteilung war weder systemisch noch relevant zur Pathogenese. Hier werden die Typen 2 und 3 als dysraphische Störungen beschrieben.
Chiari-Anomalie Typ 2 Die Bezeichnung „Arnold-Chiari“-Anomalie für die Chiari-Typ-2-Anomalie stammt von den Schülern Arnolds, die irrtümlicherweise annahmen, dass dieser Fehlbildungskomplex von Chiari zum ersten Mal beschrieben worden sei und die Kleinhirnanomalie von Arnold. Die Anomalie wurde aber ursprünglich 1883 von Cleland beschrieben und von Chiari [16] zitiert. Statt „Arnold-Chiari-Anomalie“ wurde von Friede [45] die Bezeichnung „Cleland-Chiari-Anomalie“ vorgeschlagen. Beim Typ 2 drängt eine starke Hypoplasie der hinteren Schädelgrube das zuerst wachsende Palaeozerebellum (Kleinhirnwurm) in das Foramen magnum (Abb. 3.6). Bei sehr starker Hypoplasie wachsen die Kleinhirnhemisphären wegen der Raumnot auch nach lateroventral um den Hirnstamm; dieser Zustand wird als „reverse cerebellum“ bezeichnet („umgekehrtes Kleinhirn“, weil das Kleinhirn sich auch „ventral“ vom Hirnstamm befindet). Mit den kaudalen Wurmanteilen sind gewöhnlich auch längsgezogene Teile des 4. Ventrikels mit Plexus chorioideus in den rostralen Bereich des Spinalkanals verlagert. An der dorsalen Medulla oblongata ist oft eine Deformation zu sehen. Beim Typ 2 verlaufen die Zervikalnervenwurzeln typischerweise aufwärts. Dieses Phänomen wird durch eine Hypoplasie (Verkürzung) der Halswirbelsäule, kombiniert mit der Hypoplasie der hinteren Schädelgrube, erklärt. Im eigenen Untersuchungsgut war die Chiari-Anomalie Typ 2 in 7 der 13 Fälle (53,8%) von einer lumbalen Spina bifida begleitet. Dem entspricht die Beobachtung, dass bei Feten mit Spina bifida in etwa 57,1% der Fälle (12/21) eine Chiari-Anomalie dieses Typs vorliegt [9]. Eine der weiteren möglichen Komplikationen ist ein Lückenschädel (Craniolacunia), bei dem zahlreiche runde, nur aus dem äußeren und inneren Periost bestehende „Lücken der Kalottenossifikation“ beobachtet werden. Die Lücken verschwinden während der fortschreitenden Ossifikation spontan [129].
Abb. 3.6a–i Chiari- und Dandy-Walker-Anomalien. a Sagittale Aspekte eines normalen Kleinhirns und Hirnstamms. b Kleinhirntonsillenherniation bei Chiari-Anomalie Typ 1. c Herniation des Kleinhirnwurms bei Chiari-Anomalie Typ 2. d Lückenschädel (Craniolacunia) bei Chiari-Anomalie Typ 2. e „Reverse cerebellum“ mit laterofrontalem Wachstum der Kleinhirnhemisphären. f Aufsteigender
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Es handelt sich bei der Chiari-Anomalie Typ 1 um keine Fehlbildung, sondern um eine chronische Kleinhirntosillenherniation [45]. Pathogenetisch werden die Anomalien, Typ 1 und 2, als Folge eines kraniozervikalen Entwicklungskonflikts der neuralen und mesodermalen Gewebe interpretiert [131]. Beim Typ 1 nimmt das Palaeozerebellum den beschränkten Raum der hypoplastischen hinteren Schädelgrube bereits ein, die für das später wachsende Neozerebellum keinen Raum mehr zur Verfügung stellt. Die Konsequenz ist eine chronische Herniation der neozerebellären Anteile, insbesondere der Tonsillen, in das Foramen magnum [2, 71, 148]. Der Typ 1 ist oft kombiniert mit einer meist später entstehenden Syringomyelie des Halsmarkbereichs (s. unten, Abschnitt „Mit Schädelanomalien verbundene Störungen der Hirnentwicklung“). Falls primär eine hochgradige Hypoplasie der hinteren Schädelgrube vorhanden ist, entsteht bereits bei der Entwicklung des Paleozerebellum eine Raumnot, dadurch wird die Chiari-Anomalie Typ 2, wie sie bereits oben beschrieben ist, verursacht.
Chiari-Anomalie Typ 3 und Typ 4 Die seltene Chiari-Anomalie Typ 3 besteht aus einer zervikalen oder zervikookzipitalen Schisis mit zerebellärer Enzephalozele [13, 102, 120]. (Siehe auch „Rhombenzephalozele“.) Beim Typ 4, den Chiari [16] später ergänzte, handelt es sich um eine hochgradige Kleinhirnhypoplasie.
Rhombenzephalozele Im Wesentlichen ist bei der Rhombenzephalozele (4. Ventrikulozele) eine meist große okzipitale subtorkuläre Enzephalozele mit Deformierungen des Rautenhirns verbunden. Zum Zeleninhalt können Teile des Kleinhirns und/oder des verformten Hirnstamms gehören. Am entnommenen Gehirn zeigt sich das Kleinhirn entweder hypo- oder aplastisch. Typischerweise ist der Hirnstamm in ventrodorsaler Richtung mehrfach verformt. Bei der Betrachtung von basal erscheint er von den beiden Okzipitallappen nahezu überdeckt. Dies ist bedingt durch die ventrodorsale Verformung und Herniation des Hirn-
Verlauf der Spinalnervenwurzel bei Chiari-Anomalie Typ 2. g Kleine hintere Schädelgrube bei Chiari-Anomalie Typ 2. h Große hinteren Schädelgrube bei Dandy-Walker-Anomalie. i Dandy-WalkerAnomalie mit Kleinhirnwurmagenesie und zerrissenem Zystenboden des 4. Ventrikels bei einem Jungen
Spezielle Fehlbildungsformen
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Kapitel 3
stamms in den Zelensack [14]. Es besteht ein fließender Übergang zur Chiari-Anomalie Typ 3, bei der eine Enzephalozele (Kleinhirnherniation) kaudal bis zum zervikalen Bereich verschoben ist.
3 Dandy-Walker-Syndrom Das Syndrom besteht aus einer Hypo- oder Aplasie des Kleinhirnwurms und einer mit dem 4. Ventrikel korrespondierenden umfangreichen Zyste zwischen den beiden Kleinhirnhemisphären bis zum First des Tentoriumdaches (Abb. 3.6h,i). Die hintere Schädelgrube ist im Gegensatz zu Chiari-Anomalien stark vergrößert; Sinus transversus und Confluens sinuum sind nach oben (rostral) verlagert. Ein Hydrocephalus internus ist bei etwa 80% der Patienten vorhanden, jedoch seltener hochgradig. Er ist nicht immer mit der Atresie der Apertura mediana ventriculi quarti (Magendi) oder Apertura lateralis ventriculi quarti (Luschkae) verbunden. Makroskopisch zeigt sich nach Entnahme des Gehirns, bei der meist die dorsal des 4. Ventrikels gelegene Zystenwand einreißt, ein breit lateralwärts ausgewalzter Boden des 4. Ventrikels, der seitwärts in die Zystenwand übergeht, die zunächst noch mit einer dünnen Kleinhirnrindenschicht bedeckt ist. Mikroskopisch zeigen Frontalschnitte durch das verbliebene Kleinhirn die einigermaßen normale Rindenbildung in den restlichen Hemisphärenanteilen, aber auch den Übergang in die dorsale Zyste an Stelle des Wurms. Auch diese Fehlbildung ist vielfach kombiniert mit Balkenmangel, Lipomen und Aquäduktstenose. Die jeweilige Kombination der Fehlbildungen bestimmt das klinische Bild, das sich hierbei später manifestiert als bei der Chiari-Anomalie vom Typ 2.
Tektozerebelläre Dysraphie mit okzipitaler Enzephalozele Dieser Anomaliekomplex nimmt eine Mittelstellung zwischen Dandy-Walker- und Chiari-Anomalie vom Typ 2 ein. Man findet einen kongenitalen Hydrozephalus mit Enzephalozele im Hinterkopfbereich (Abb. 3.7a). Die wesentlichen Fehlbildungen finden sich im infratentoriellen Bereich: Agenesie des Kleinhirnwurms, dreieckige Deformierung der horizontalen Ebene des Mittelhirns, dorsale Deformation der Medulla oblongata (Buckelbildung wie bei Chiari-Anomalie Typ 2), gelegentlich eine Zyste im Kleinhirnbasisbereich (wie bei Dandy-Walker-Syndrom). Selten wird eine Dysgenesie der Großhirnrinde mit periventrikulären (nodulären) Heterotopien beobachtet. Gelegentlich findet man im Rückenmark eine Hyperplasie der grauen Substanz mit einer Deviation des Verlaufs der Hinterstränge.
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Meckel-Syndrom (Meckel-Gruber-Syndrom) Ein von Meckel [98] beschriebenes, autosomal-rezessiv vererbtes Syndrom wurde von Gruber [53], unabhängig von Meckel, Dysencephalia splanchnocystica genannt. Typische Anomalien hierbei sind eine okzipitale Enzephalozele, Mikrozephalie, Palatoschisis, polyzystische Nieren und Polydaktylie. Weiterhin können Mikrophthalmie, kardiale und urogenitale Anomalien vorkommen. Abweichend von der Palatoschisis kann eine andere faziale Schisis oder ein hoher harter Gaumen beobachtet werden. Im ZNS werden Mikrenzephalie, Holoprosenzephalie unterschiedlichen Grades, Balkenmangel, zerebelläre Anomalien, Dandy-Walker-Syndrom, tektozerebelläre Dysraphie (eigene Fälle) und retinale Dysplasie beobachtet; seltene Komplikation ist eine Mikropolygyrie. Auch das Fehlen der Neurohypophyse und eine ektopische Adenohypophyse in Zusammenhang mit der Schädelbasisanomalie wurden beschrieben [86]. Phänotypisch ist das Meckel-Syndrom sehr mannigfaltig. Dem entsprechen die molekulargenetischen Befunde: Bekannt ist die Genlokalisation entweder auf Chromosom 11q13 [132] oder auf 19q21–q24 [114]. Eine neue Genlokalisation auf 17q21-q24 wurde mit der Mutation von MKS3 entdeckt. Dieses Gen kodiert das Meckelin [145.]
Joubert-Syndrom Dieses Krankheitsbild kommt familiär [80] oder sporadisch vor. Jungen sind doppelt so häufig betroffen. Die Kinder fallen durch eine episodische Hyperpnoe und Apnoe, abnorme Augenbewegungen, Ataxie sowie eine psychomotorische Retardierung auf. Zusätzlich können hemifaziale Spasmen beobachtet werden. In 50% der Fälle findet sich eine posteriore Meningozele oder Enzephalozele (Abb. 3.7b). Als Komplikationen können Syndaktylie, Kampylodaktylie, Dysplasie der Retina (Kolobom, Leberamaurose) und Nierenzysten auftreten. Molekulargenetisch wurde eine NPHP1-Gendeletion [116] sowie AHI1-Genmutation [37] festgestellt. Morphologisch finden sich außer den Zelen eine fast komplette Agenesie des Kleinhirnwurms, eine Kommunikation des 4. Ventrikels mit der Cisterna magna, Dysplasien der Kleinhirnkerne verschiedener Intensität einschließlich Heterotopie der dysplastischen Rinde sowie der Kleinhirnkerne. Zusätzlich sieht man strukturelle Anomalien des Olivenkerns und Verlaufsanomalien der Pyramidenbahn sowie der Trigeminusbahn. Des Weiteren können verschiedene zerebrale Anomalien beobachtet werden [153].
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Abb. 3.7a–f Schwerwiegende Kleinhirnanomalien. a Tektozerebelläre Dysraphie mit okzipitaler Enzephalozele; dreieckige Verformung des Mittelhirns. b Joubert-Syndrom mit Kleinhirnwurmagenesie. Die linke Kleinhirnhemisphäre wurde abgetrennt. c Dentatum-Dysgenesie beim gleichen Fall des Joubert-Syndroms. d Olivendysgenesie beim gleichen Fall. e Inienzephalie mit Retroflexion des Kopfes, Kraniorachischisis (Anenzephalie); f Fusion der Vertebrae im histologischen Bild eines Inienzephalusfetuses. Flexionsstörung und Dysraphien sind gut erkennbar
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Kapitel 3
Atelenzephalie, Aprosenzephalie
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Während die Kalotte ausgebildet ist, zeigt das hochgradig mikrenzephale Gehirn anstelle der Großhirnhemisphären eine solide lobulierte Masse gliomesenchymalen Gewebes mit gelegentlicher Verkalkung. Vom Mittelhirn ab kaudalwärts, einschließlich des Kleinhirns, sind die zentralnervösen Strukturen (abgesehen vom Fehlen der Pyramidenbahn) fast normal. Falls nicht nur das Telenzephalon, sondern auch das Dienzephalon fehlt, wird dies als Aprosenzephalie bezeichnet. Die Kinder mit dieser Fehlbildung können bis etwa ein Lebensjahr überleben. Vereinzelt wurde eine Chromosomenanomalie (13q) beschrieben [156].
Inienzephalie Als Inienzephalus (von Inium, Hinterhauptpol) wird eine Sonderform bezeichnet, bei der eine starke Retroflexion des Kopfes bei gegenüber dem Anenzephalus relativ besserer Erhaltung des Schädeldachs vorliegt (Abb. 3.7e,f). Bei direktem Kontakt der Hinterhauptknochen und der oberen thorakalen Wirbelsäule zeigt die Wirbelsäule auf Höhe von C7 eine dorsale Knickung von etwa 90°. Die hiermit verbundene Schädigung der Hinterhauptknochen ist gewöhnlich von einer zervikothorakalen Myelomeningozele begleitet. Das Foramen magnum sowie die obersten Halswirbel sind fehlgebildet; oft gibt es eine Fusion der zervikalen Vertebrae. Obwohl mehr als 200 Fälle in der Literatur bekannt sind, wurden neuropathologische Befunde erst spät ausführlich beschrieben [1]: Mikrenzephalie, Mikropolygyrie, heterotopes gliales Gewebe in den Leptomeningen, Atresie des Ventrikelsystems (Seiten- und 3. Ventrikel), Agenesie des Kleinhirnwurms, große zerebelläre Zyste sowie Meningomyelozele im Zervikothorakalbereich. Aufgrund der Wirbelsäulenentwicklungsanomalien sieht man eine Aszensusstörung des Rückenmarks im lumbosakralen Bereich mit den querlaufenden Spinalnervenwurzeln. Die Determinationsperiode des Iniencephalus occlusus liegt einige Tage nach derjenigen des Anenzephalus, in der Phase der neuraxialen Flexion. Fließende Übergänge bestehen zwischen dem Iniencephalus apertus, der Exenzephalie und den okzipitalen Enzephalozelen. Kinder mit dieser Fehlbildung werden meist tot geboren oder sterben peri- oder neonatal.
Klippel-Feil-Syndrom Hierbei besteht ein ausgeprägter Kurzhals mit Entwicklungsstörungen der Schädelknochen und der Wirbelsäule. Das SGM1-Gen (Segmental-1) spielt eine Rolle [18].
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Störungen der enzephalen Seitendifferenzierung und der Kommissuren Diesen Störungen liegt eine „Fusion“ (bzw. eine Störung der Trennung) der Gehirnstrukturen im Bereich der Mittellinie zugrunde. Das Spektrum des Neuraxialbereichs reicht vom Prosenzephalon (Vorderhirn) über das Mesenzehalon (Mittelhirn) bis zum Metenzephalon (Hinterhirn).
Holoprosenzephalien Die Holoprosenzephalie ist durch mangelhafte oder unvollständige Hemisphärenformation des Telenzephalons und gestörte Ausbildung der Kommissuren gekennzeichnet. Die Fehlbildungskomplexe dieser Gruppe zeigen ein breites Spektrum und werden von verschiedenen äußeren und inneren Fehlbildungen begleitet. Die betroffenen Kinder weisen meist eine kraniofaziale Dysmorphie auf. Hierbei sind Zyklopie, Synophthalmie oder Hypotelorismus (Verringerung des Augenabstands) typisch und werden je nach Intensität der jeweiligen Anomalien beschrieben (Abb. 3.8). Bei der Zyklopie oder Synophthalmie wird der Deszensus der Nasenanlage gestört, so dass die Nase fehlt. Stattdessen findet sich auf der Stirn in der Mittellinie eine Proboskis. Extrem selten findet sich eine verdoppelte Proboskis. Wird die Nase angelegt, kommt es evtl. zur Ausbildung nur einer Nasenöffnung (Fehlen des Nasalseptums). Je nach Grad der Hemisphärenausbildung unterscheidet man eine lobäre, semilobäre und alobäre Holoprosenzephalie. Von einer lobären Holoprosenzephalie spricht man, wenn die Fissura longitudinalis cerebri auf der Mittellinie vorhanden und bei der Lamellierung des Gehirns eine Kontinuität der Hemisphären erkennbar ist. Beim semilobären Typ ist die Fissura nur im okzipitalen Bereich vorhanden. Augenanomalien sind ebenfalls von der Intensität der Gehirnanomalie abhängig. Nicht selten gibt es eine Holoprosenzephalie ohne kraniofaziale Anomalien (etwa 1/4 der Fälle), wodurch der berühmte Ausdruck „The face predicts the brain“ (DeMyer) an Gültigkeit verliert. Nicht selten ist eine Holoprosenzephalie mit vorhandenen Bulbi und Tracti olfactorii (etwa 1/3 der Fälle). Eine Cheilopalatognathoschisis kann unterschiedlich häufig als Begleitanomalie beobachtet werden. Weiter können Anomalien im Gastrointestinaltrakt, in der Anlage der Skelettmuskulatur und des Knochensystems, im Urogenitaltrakt und im kardiovaskulären System auftreten. Klinisch wird die Holoprosenzephalie häufig nicht als solche erkannt (in einer eigenen Serie lautete die präautoptische Ultraschalldiagnose in etwa 50% der Fälle Hydrozephalie; bei Hydranenzephalie fast 100% als „schwere Hydrozephalie“).
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c Abb. 3.8a–d Holoprosenzephalie. a Verschiedene faziale Anomalien. b Typisches Aussehen des alobären Holoprosenzephaliegehirns. c Frontalschnittflächen eines Holoprozenzephaliegehirns. d Holo-
prosenzephalie in situ in der frühen Fetalzeit. Die okzipitale Zyste ist bei der Obduktion artefiziell kollabiert
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3
Kapitel 3
Makroskopisch weist die „klassische“ Form der Holoprosenzephalie ein Fehlen des Interhemisphärenspalts bei einem extrem verkürzten und sehr breiten Gehirn mit scheinbar verschmolzenen Stirnlappen und einem Fehlen der Bulbi und Tracti olfactorii auf. Die Gyrierung des Großhirns ist stark gestört. Das Gehirn enthält nur eine gemeinsame Ventrikelhöhle. Okzipitalwärts weichen die hier nicht verschmolzenen Hemisphären flügelartig lateralwärts ab. Kaudalwärts findet sich ein U-förmiger Hemisphärenabschluss, an dessen Randwulst eine zarte Deckschicht nach Art der Zisternenwände angeheftet ist, die als ursprüngliche Bedeckung des 3. Ventrikels kaudalwärts zu Tentorium bzw. Kleinhirn zieht. Das am Boden des abnormen einzigen Ventrikels liegende Dienzephalon wölbt sich gegen den Ventrikelraum vor und ist makroskopisch meist einigermaßen regelhaft angelegt. In den rostralen Polbereich verlaufen grobe Windungen quer von der einen zur anderen Seite. Die A. cerebri anterior ist nur einfach angelegt. Manchmal besteht eine atypische Lagerung der Hippokampusformation, die sich – lateral der Ventrikelwand folgend – nach rostrodorsal zieht. Aplasie der Falx, Hypo- oder Aplasie des Tentoriums, kurzer Längsdurchmesser der vorderen Schädelgrube, Fehlen der Perforation des Siebbeins in Verbindung mit der Olfaktoriusaplasie sind anzutreffen. Im Kleinhirn und Hirnstamm findet man vor allem eine zerebelläre Hypoplasie, daneben Heterotopie, dentatooliväre Dysplasien sowie eine Anomalie der langen Faserbündel (z. B. Fehlen der Pyramidenbahn) [87]. Zyklopie, Fusion beider Bulbi, Mikrophthalmie oder sonstige Augenanomalien sind häufig mit Kolobom und/oder retinaler Dysgenesie vergesellschaftet. Die Aplasie der Olfaktorii ist zwar typisch für Holoprosenzephalie, jedoch kann dieser Befund nicht selten zufällig bei der Autopsie beobachtet werden, ohne dass klinisch irgendwelche Verdachtsmomente für das Vorliegen einer zentralnervösen Krankheit bestanden hatten. Mikroskopisch erweist sich die Großhirnrinde in den rostralen Gebieten als vorwiegend allokortikal aufgebaut mit einer Architektur, die der Area entorhinalis und parapyriformis ähnelt [45, 168]. In schweren Fällen findet sich eine Fusion nicht nur am Prosenzephalon, sondern auch am Mesenzephalon (Vierhügelplatte). Dadurch bestehen Übergänge zur folgenden Form der Rhombenzephalosynapsis. Bei der Seitendifferenzierung des Neuralrohrs spielt das Gen Shh („sonic hedgehog“) eine wesentliche Rolle. Dieses Gen wird bei der normalen Entwicklung im ventralen Neuralrohr exprimiert und ist beim Vorhandensein von Cholesterol an der Induktion des zephalischen Ekto- und Mesoderms beteiligt. Ein weiteres Gen, nämlich das SIX3, wird ebenfalls bei normaler Differenzierung des Individuums im Augenbulbus und auf der Mittellinie des Telenzephalons exprimiert, wie auch das ZIC2 im dorsalen Neuralrohr.
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Im Übrigen treten Holoprosenzephalien meist sporadisch auf, jedoch besteht ein familiäres Wiederholungsrisiko, wobei eine autosomal-rezessive sowie eine dominante Übertragung diskutiert werden [11, 171]. Bei familiärer Holoprosenzephalie sind bisher folgende chromosomale Genlokalisationen kartiert worden: Chromosom 21q22.3 (HPE1), 2p21 (HPE2), 7q36 (HPE3), 18pter–q11 (HPE4), 13q32 (HPE5). Bei HPE3 wurde das Gen Shh [10], bei HPE2 das Gen SIX3 [163], bei HPE4 das Gen TGIG [52] und bei HPE5 das Gen ZIC2 identifiziert [12]. Häufig findet sich eine Kombination einer Chromosomenanomalie D (Trisomie 13) oder eines Ringchromosoms der Gruppe D mit einem kurzen Arm des Chromosoms 18 oder mit chromosomalem Mosaizismus [45]. Es besteht keine Geschlechtspräferenz. Die Holoprosenzephalie kann auch exogen verursacht sein. Etwa 1–2% der Neugeborenen diabetische Mütter sind holoprosenzephal.
Smith-Lemli-Opitz-Syndrom Gelegentlich sieht man beim Smith-Lemli-Opitz-Syndrom zusätzlich eine Holoprosenzephalie. Das autosomal-rezessive Syndrom [143] besteht morphologisch aus multiplen Anomalien (faziale Dysmorphien, Mikrozephalie, urogenitale Anomalien, rudimentäre Polydaktylie, kutane Syndaktylie) und anderen Hautanomalien. Ein Defekt der 7-Dehydrocholesterol-Reduktase-Aktivität ist hier eine wesentliche Ursache [84]. Dieses Ferment ist auch an der Entstehung der Holoprosenzephalie beteiligt.
Rhombenzephalosynapsis Diese Anomalie ist durch eine Fusion der Kleinhirnhemisphären mit Agenesie des Kleinhirnwurms sowie der Fusion der Colliculi inferiores gekennzeichnet (Abb. 3.9). Ein einziger Nucleus dentatus mit seiner typischen gefälteten Struktur überbrückt die Mittellinie. Weitere Kleinhirnkerne sind anatomisch nicht identifizierbar, stattdessen finden sich mehrere, meist kugelige heterotope Nervenzellgruppen im Mark. Es gibt bei der Rhombenzephalosynapsis – wie bei Holoprosenzephalie – ein breites Spektrum der Intensität der Fehlbildung. So kann die Verschmelzung unvollständig bleiben oder die Nuclei dentati sind nicht verschmolzen, sondern liegen am Dach des 4. Ventrikels in 2 Zellgruppen dicht nebeneinander. Der molekulargenetische Hintergrund der Rhombenzephalosynapsis ist noch nicht bekannt.
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Abb. 3.9a–c Rhombenzephalosynapsis. a Keine Kleinhirnwurm mit fusionierten Hemisphären. b Ein einziger Zahnkern steht auf der Mittellinie. c Colliculus inferior ohne Teilung auf links und rechts
Balkenmangel Bei dieser Fehlbildung des Kommissurensystems kann es sich um eine totale Agenesie des Balkens oder um partielle Defekte handeln (Abb. 3.10). Bei der unvollständigen Formation des Balkens ist meist der hintere Anteil betroffen. Bei vollständigem Balkenmangel, der häufigsten Form, ist nur die vordere Kommissur erhalten. Die Hemisphären sind jedoch mit Ausnahme der Lamina terminalis getrennt. Bei der makroskopischen Betrachtung sieht man an der Medianseite der Hemisphären radiär gestellte, vielfach etwas plumpe Windungen ohne die Abgrenzung eines Gyrus cinguli. Auf den Frontalschnitten ist darüber hinaus ein Längsbündel (Probst-Bündel) zu erkennen, das in rostrokaudaler Richtung am Dach der Seitenventrikel verläuft. Beim partiellen Balkenmangel ist ein Probst-Bündel nicht immer erkennbar. Sowohl das Splenium als auch das Rostrum können von Partialdefekten betroffen sein. In Kombination mit dem Balkenmangel finden sich Aquäduktstenosen, zystische Verbreiterungen des Septum pellucidum, Kleinhirnwurmagenesien, Mikropolygyrien, aber auch Aneurysmen der A. cerebri anterior,
Abb. 3.10 Teilagenesie des Balkens. Der hintere Teil des Balkens fehlt, wo der Gyrus cinguli ebenfalls fehlt und die Gyri/Sulci eine radiäre Richtung aufweisen
arteriovenöse Fehlbildungen, Meningeome und – anstelle des Balkens – Lipome. Der 3. Ventrikel ist höher als normal. Sein Dach wird durch eine bindegewebige Membran gebildet, die rostralwärts mit den Fornices in Verbindung steht. Die Commissura hippocampalis (Psalterium) kann fehlen.
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Kapitel 3
Ontogenetisch entstehen Balken, Septum, vordere Kommissuren und Commissura hippocampalis aus einer gemeinsamen Anlage, der Kommissurenplatte. Sie entwickeln sich innerhalb der ersten 14 Embryonaltage. Während die hintere Kommissur in der 5. Woche, die vordere und hippokampale Kommissur in der 7. Woche erscheinen, wird der Balken erst um die 11.–12. Woche gebildet und hat nicht vor der 20. Fetalwoche die volle Dichte der – allerdings noch nicht myelinisierten – Axone gewonnen. Der Balken entwickelt sich zunächst dorsal, dann rostral und zuletzt in seinem kaudalen Ende mit dem Splenium. Der Autor fand eine frühzeitige Sulkusformation bei Balkenmangel in der Fetalzeit [66]. Die Häufigkeit des Balkenmangels wurde in Pneumoenzephalographieserien mit 0,7% angegeben [27]. Klinisch kann der Balkenmangel symptomlos sein, jedoch kann er mit neuropsychologischen Untersuchungen diagnostiziert werden. Immerhin finden sich aber bei etwa 80% der betroffenen Kinder Entwicklungsstörungen. In 70% der Fälle besteht ein Hypertelorismus mit verbreitertem Augenabstand und abgeflachter Stirn. Krampfanfälle sind nicht selten. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass der Balkenmangel häufig mit anderen zentralnervösen Fehlbildungen gekoppelt ist, insbesondere mit dem Aicardi-Syndrom (mit okulären Anomalien und infantilen Spasmen; bei Jungen X-rezessiv, bei Mädchen X-dominant, jedoch letal in der Frühembryonalzeit), aber auch mit Stoffwechseldefekten wie der Hyperglyzinämie [27].
Septooptische Dysplasie (De-Morsier-Syndrom) Bei der septooptischen Dysplasie ist der Septumdefekt mit einer hypothalamohypophysären Hypo- bzw. Dysplasie und einer optischen Hypoplasie verbunden (Abb. 3.11) [25]. Es gibt hierbei auch Fälle ohne Beteiligung des Septum pellucidums und der Olfaktorii. Eine Fusion der vorderen Wand des 3. Ventrikels kann beobachtet werden. Der Hypophysenhinterlappen kann entweder fehlen oder eine Hypoplasie aufweisen. Eine zusätzliche Anomalie ist die Heterotopie oder Dysgenesie im Kleinhirn. Bei diesem Syndrom ist eine Hypophysenhormonfunktionsstörung als Komplikation bekannt, wobei die Mutation eines der Gene HESX1, SOX2 oder SOX3 für den Phänotyp dieser Krankheit verantwortlich sein kann [22, 83]. Für die Entstehung dieses Syndroms sind auch Umweltfaktoren wichtig [83]. Das Fehlen des Septum pellucidum kann Ausdruck einer Agenesie sein, kann aber auch durch einen fetalen oder perinatalen Hydrozephalus und die darauf folgende Druckatrophie verursacht werden.
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
„Verschmelzung“ der Thalami (Unithalamus) Thalamusverschmelzungen mit vollständigen oder weitgehenden Atresien des 3. Ventrikels sind Fehlbildungen, die über die Variationsbreiten in der Größe der Massa intermedia hinausgehen. Mikroskopisch sind anatomisch nicht zuzuordnende Neuronengruppen in der Mittellinie nachweisbar. Sie kommen außer bei Holoprosenzephalie z. B. bei alkoholbedingten Fetopathien vor [117], evtl. als ein einziger Befund im sonst normalen Gehirn.
Kortikale Anomalien Störungen der Nervenzellmigration und Gyrierung Neben den dysraphischen Fehlbildungen und Störungen der telenzephalen Hirnbläschenbildung einschließlich der Fehlbildungen der Kommissurensysteme stellen die Fehlbildungen der Rinde von Groß- und Kleinhirn als Differenzierungsstörungen die dritte große Gruppe der ZNS-Malformationen dar. Am Großhirn gehören hierzu die Lissenzephalien (Synonym: Agyrien), Pachygyrien und Mikropolygyrien, ferner am Kleinhirn Heterotopien.
Lissenzephalie I, Pachygyrie, Doppelkortexsyndrom Die glatte, ungyrierte Oberfläche des Gehirns (Abb. 3.11d), die bis zur 11. Fetalwoche, dem Beginn der Furchenbildung in der Sylvius-Fissura, die Regel ist, wird normalerweise in den darauf folgenden Fetalwochen durch die Bildung der Gyri ersetzt. Unter pathologischen Bedingungen bleibt diese Gyrierung völlig aus (Lissenzephalie/ Agyrie), oder es werden nur breite, flache Windungen gebildet (Pachygyrie), wobei es Übergänge gibt. Bei den Pachygyrien ist die Untergliederung der Rinde weiter fortgeschritten in Richtung der oben erwähnten Sechsschichtung. Die Pachygyrie zeigt jedoch eine ähnliche Histologie wie die Agyrie. Bei Lissenzephalie I liegt unter einer glatten Großhirnoberfläche eine dicke, wenig differenzierte Rindenschicht. Das Marklager ist verschmälert. Der Kortex zeigt histologisch 4 Schichten: • eine marginale (Molekular-)Schicht, • eine oberflächliche neuronale Zellschicht, • eine zellarme Schicht mit tangential verlaufenden myelinisierten Fasern, • eine tiefere neuronale Zellschicht.
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d Abb. 3.11a–g DeMorsier-Syndrom (a–c), Lissenzepahlie und Heterotopie. a Septumdysgenesie. b Asymmetrie des Okulus. c Retinale Dysgenesie. d Lissenzephalie Typ 1 ohne Gyrusformation. e Lis-
g senzephalie Typ 2 mit kopfsteinpflasterartiger Gehirnoberfläche. f Mikropolygyrie. Mediane Seiten der Frontallappen bds. g Noduläre Heterotopie, die sich subependymal am Seitenventrikelufer befin-
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Abb. 3.11h–i h Multiple bilaterale subependymale Heterotopie in der Fetalzeit. i Hirnwarze als Zufallsbefund (Pfeilspitze)
Lissenzephalie kann sich sporadisch oder familiär manifestieren. Bei dem Miller-Dieker-Syndrom [26] wurde eine Mikrodeletion auf Chromosom 17p13.3 identifiziert. Das Gen hierfür wurde LIS1 genannt. Die migrationsgehemmten Neuronen können eine weitere Schicht bilden, die unterhalb des Kortex im Marklager liegt (Bandheterotopie, s. unten). LIS1, das eine Untereinheit der Acetylhydroxylase kodiert, die den Abbau des plättchenaktivierenden Faktors (PAF) beeinflusst, wird von Cajal-Retzius-Zellen exprimiert [125]. Nach Dobyns et al. [28] ist die pachy- oder agyrale Anomalie bei der LIS1-Mutation stärker im posterioren Okzipitalbereich und bei der XLIS-Mutation stärker im anterioren Okzipitalbereich ausgeprägt. Das Syndrom weist zusätzliche extrazerebrale Fehlbildungen auf. Bei der Pachygyrie ist die Auffaltung der Hirnoberfläche in die üblichen Windungen und Furchen reduziert, die Windungen sind breiter als normal. Im Grenzbereich der Pachygyrie zum normalen Kortex zeigt die oberflächliche neurale Schicht einen Übergang zum regelrecht aufgebauten Kortex, während die tiefere neuronale Schicht keine Kontinuität aufweist. Dieser Befund unterscheidet die vierschichtige Rindenstruktur der Pachygyrie von der der Mikropolygyrie. Das Claustrum fehlt. Zusätzliche Anomalien sind im Kleinhirn-Medulla-Bereich zu sehen, wo es zur Olivenkernheterotopie und zu Migrationshemmungen bei der Bildung der Kleinhirnrinde kommen kann [78], wohingegen die Dentatumdysgenesie weniger auffällig ist. Das für die X-gebundene Form der Lissenzephalie verantwortliche Gen DCX (auch als XLIS oder Doublecortin bezeichnet) ist auf dem Chromosom Xq22.3–q23 lokalisiert. Bei Jungen weisen alle Neuroblasten im Großhirn eine gestörte Migration auf, wodurch es zur schweren Migrationsstörung kommt. Hingegen wird bei Mädchen
der Phänotyp nur durch ein einzelnes mutiertes Gen (x) beeinflusst, weswegen nur ein Teil der Neuroblasten in der Migration gehemmt ist (Doppelhortex, laminäre Heterotopie, Bandheterotopie). Eine begleitende Kleinhirnwurmhypoplasie ist bei der XLIS-Mutation häufiger als bei der LIS1-Mutation.
Lissenzephalie II, zerebrookuläre Dysplasien Die Typ-II-Lissenzephalie ist eine sog. pachygyre Mikropolygyrie, bei der die Hirnoberfläche ebenfalls windungslos oder -arm jedoch nicht glatt ist, sondern kopfsteinpflasterartig (Abb. 3.11e). Histologisch sind zahlreiche, oft konfluierende Mikrogyrien zu beobachten. Im Kleinhirn bestehen blumenkohlartige kortikale Anomalien. Dieser Typ II ist meist mit okulozerebromuskulären Anomalien einschließlich Walker-Warburg-Syndrom [135] oder der kongenitalen Muskeldystrophie vom Typ Fukuyama verbunden [60, 81, 133]. Das Walker-Warburg-Syndrom und das HARD+ESyndrom (Hydrozephalus, Agyrie, Retinadysplasie und Enzephalozele) werden autosomal-rezessiv vererbt. Einige davon werden durch Mutation von POMT1- und POMT2Genen verursacht. Lissenzephalien vom Typ II, leptomeningeale glioneurale Heterotopien mit mesenchymaler Proliferation und Pyramidenbahnanomalien sind typisch. Oft ist ein Hydrozephalus zu sehen und okuläre Dysplasien von unterschiedlichen Manifestationen sind typisch. Gelegentlich findet sich eine Enzephalozele. Meist besteht allerdings eine Makrenzephalie. Eine gleichzeitig vorliegende Muskeldystrophie ist weniger auffällig [162, 164]. Die Muskeldystrophie Typ Fukuyama wird autosomalrezessiv vererbt. Das Gen FCMD/Fukutin liegt auf dem
Spezielle Fehlbildungsformen
Chromosom 9q31-33. Typisch sind Lissenzephalie II, leptomeningeale glioneurale Heterotopie mit mesenchymaler Proliferation, Hypomyelination der zerebralen weißen Substanz, mikropolygyre Dysgenesie der Kleinhirnrinde, Hypoplasie der Pyramidenbahn und eine allerdings wenig auffallende okuläre Dysplasie. Ein Hydrozephalus tritt meist nicht auf, eher eine Mikrenzephalie [46]. Die zerebrookuläre Dysplasie, von Towfighi et al. [156] beschrieben, mit einem Muskeldystrophiesyndrom ist sozusagen eine Zwischenstufe von den oben genannten Syndromen. Die Vererbung ist autosomal-rezessiv, der Genlokus liegt auf 1p32-34 und das betroffene Gen ist POMGnT1.
Mikropolygyrie Im Gegensatz zur Pachygyrie oder Agyrie sind bei der Mikropolygyrie (Synonym: Polymikrogyrie) die Windungen angelegt, aber häufig atypisch untergliedert und auch zytoarchitektonisch nicht normal sechsschichtig aufgebaut (Abb. 3.11f). Die Mikropolygyrie kann diffus oder fokal beobachtet werden. Häufig kommt sie in der Umgebung enzephaloklastischer Läsionen (z. B. Porenzephalie) vor. Außerdem ist eine regionäre Mikropolygyrie in bestimmten arteriellen Versorgungsgebieten bekannt [128]. Ätiologisch ist die exogene Entstehung der Mikropolygyrien besonders eindrücklich erkennbar bei den fetalen Schädigungen durch Zytomegalie-, Toxoplasmose- oder Rubeoleninfektionen. Die Determinationsperiode liegt frühestens in der 20./21. Gestationswoche. Immerhin zeigt die Kombination mit Pachygyrien, dass die Determinationsperiode ziemlich breit ist. Ein weiteres Argument hierfür ist, dass der Grad der noch im Marklager anzutreffenden migrierenden Nervenzellen variiert. Bei einer sich spät manifestierenden Schädigung sind Nervenzellen in Marklager und Markzungen nur noch vereinzelt erkennbar. Mikroskopisch zeigt die typische Mikropolygyrie eine vierschichtige Rindenstruktur: • Molekularschicht, • obere zelldichte Nervenzellschicht, • Nervenfaserschicht, • innere Nervenzellschicht. Die 3. Schicht ist offenbar durch Zellnekrose und spätere Myelinisierung entstanden; in den beiden Nervenzellschichten sind gelegentlich noch sowohl Körnerals auch Pyramidenzellen als Reste der „normalen“ 6-Schichten-Struktur des Kortex erkennbar. Eine normal ausgebildete 2. Schicht spricht für eine abgeschlossene Nervenzellmigration. Insgesamt ist der pathologische Kortex dünner als der normale Kortex, jedoch ist er dort fast gleich dick, wo Mikropolygyrie zum normalen Kortex übergeht.
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Zerebrale Heterotopien Zerebrale Heterotopien entstehen durch eine Migrationsstörung der Neuroblasten auf dem Wege von der periventrikulären Matrixzone zur Rinde, wobei die Neuroblasten an heterotoper Stelle weiter differenzieren (Abb. 3.11g,h). Es werden laminäre und noduläre Heterotopien unterschieden. Die laminäre Form (Bandheterotopie) findet sich vorwiegend in Verbindung mit Pachygyrien (Doppelkortexsyndrom, s. oben), aber auch bei einer makroskopisch scheinbar normalen Rindenstruktur. Es ist möglich, dass die laminäre Heterotopie viel heterogener ist, als man bisher annimmt. Die laminäre Heterotopie weist mikroskopisch einen rindenähnlichen Aufbau auf, wobei breite Übergänge zwischen atypisch ungeordnet durcheinander liegenden Zellen verschiedener Typen einerseits, einer ausgebildeten Sechsschichtung andererseits erkennbar sind. Noduläre Heterotopien sind dagegen meist kleiner und finden sich oft periventrikulär. Funktionsstörungen der radialen Glia können die Ursache der Migrationshemmung der Neuroblasten sein. Die Heterotopie kann solitär oder multipel vorhanden und mit einer Mikropolygyrie assoziiert sein. Klinisch zweimal häufiger ist die noduläre Heterotopie bei Mädchen als bei Jungen in epileptischen Fällen. Auch als Zufallsbefund ohne relevante klinische Symptomatik wird sie gefunden; nach eigener Beobachtung ist eine solitäre, kleine Heterotopie (10%) und eine Spätform (>20%) unterschieden. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer der klassischen Form liegt zwischen 12 und 17 Jahren. Leitsymptom ist die hyperkinetische Chorea, worunter unwillkürliche, abrupt und irregulär einsetzende, nichtrepetitive und zufällig verteilt auftretende Bewegungen verstanden werden, die alle Körperregionen betreffen können. Progressive Demenz, Depression, Anorexie und eine Vielzahl weiterer fakultativer Symptome wie Akinese, Rigor, Tremor, Athetose, Dystonie, Ataxie, Spastik, Dysarthrie oder Psychose treten im Verlauf hinzu. Die Huntington-Krankheit ist mit einer Häufigkeit von etwa 5–10 pro 100.000 in Mitteleuropa die häufigste Ursache eines vererbten hyperkinetischen Syndroms. Die juvenile Form (Westphal-Variante, bei Beginn jünger als 16 Jahre, 50
a Immunhistologischer
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min [90]. Das Blutvolumen des Gehirns beträgt etwa 130 ml, die mittlere Kreislaufzeit 8,0 s. Bei normaler Durchblutung wird das Blut im Gehirn also 8-mal in der Minute ausgetauscht. Der O2-Verbrauch von 100 g Hirngewicht beträgt in der Minute 3,7 ml, der Glukoseverbrauch 5,5 mg. Pro Minute verbraucht das Gehirn also gut 50 ml Sauerstoff und 80 mg Glukose. Der Glukosebedarf des Gehirns liegt pro Tag zwischen 100 und 150 g. Der Energiebedarf des Gehirns wird mit etwa 17 cal/100 g/min berechnet. Das Gehirn benötigt damit etwa 20% des Ruheenergiebedarfs des Gesamtorganismus [90].
Nachweis von D-Aktin.
Autoregulation Perivaskuläre Drainage der interstitiellen Flüssigkeit Interstitielle Flüssigkeit wird im Gehirn entlang der Wand von Kapillaren und Arterien drainiert. Neue Tracer-Studien zeigen den komplexen Aufbau der Adventitia in den verschiedenen Kompartiments der Arterien und Kapillaren. Damit entspricht die Funktion der ZNS-Gefäße in sehr effektiver Weise der lymphatischen Drainage des ZNS [186]. Experimentelle Studien haben darüber hinaus gezeigt, dass die Drainage für interstitielle Flüssigkeiten sich von der Drainage des Liquors im normalen ZNS unterscheidet (s. auch Kap. Ödemdrainage). Die Konsequenz eines alterierten Gefäßsystems und damit gestörten Drainagesystems speziell für den M. Alzheimer wird von Weller [185] dargestellt.
Pathologische Einflüsse auf die Hirndurchblutung können innerhalb bestimmter Grenzen durch die Autoregulation ausgeglichen werden. Man versteht darunter die Fähigkeit eines Organs, oberhalb und unterhalb eines Grenzwerts des mittleren arteriellen Blutdrucks die Durchblutung unabhängig von Schwankungen des Perfusionsdrucks konstant zu halten. Diese Fähigkeit beruht auf Widerstandsänderungen der Gefäße und ist unter physiologischen Bedingungen an zahlreichen Organen, wie z. B. Herz, Niere, Leber und Gehirn, zu finden. Die Autoregulationskurve für das Gehirn ist schematisch in Abb. 10.6 dargestellt. Der Mechanismus der Autoregulation am ZNS ist bisher ungeklärt, es scheint sich um ein Zusammenwirken von metabolischen und myogenen Komponenten zu handeln [90]. Bei Hypertonikern tritt charakteristischerweise eine dauerhafte Rechtsverschiebung auf.
Innervation
Eine Innervation der Hirngefäße ist für Arterien, Arteriolen und Venen intrazerebral und meningeal durch ultrastrukturelle und fluoreszenzmikroskopische Untersuchungen nachgewiesen, sie wird dagegen bei Kapillaren und Venolen in der Regel vermisst [20, 136, 138].
Gehirndurchblutung und Gewebe-pH
Die Autoregulation reagiert besonders empfindlich gegenüber Normabweichungen des Gewebe-pHs. Innerhalb der regulatorischen Bereiche erfolgt auf steigenden
Physiologie und Pathophysiologie der Hirndurchblutung und des Hirnstoffwechsels 100 g Hirngewebe werden im Durchschnitt unter normalen Bedingungen pro Minute von 50–55 ml Blut durchströmt. Bei einem mittleren Hirngewicht von 1400– 1500 g ergibt dies eine Durchblutung des ganzen Gehirns von etwa 750 ml in der Minute. Dies entspricht etwa 15% des Herzminutenvolumens für ein Organ, das 1–2% des Körpergewichts ausmacht. Innerhalb der grauen Substanz ist hierbei von einem Mittelwert von 86,6u17,1 ml/ 100 g/min der Durchblutung auszugehen, für die weiße Substanz von einem Mittelwert von 21,7u3,7 ml/100 g/
Abb. 10.6 Schematische Darstellung der Autoregulationskurve. (Nach Kuschinsky 1987)
258
Kapitel 10
pCO2 bzw. sinkenden extrazellulären Gewebe-pH eine Vasodilatation mit Erniedrigung des Gefäßwiderstands. Pulmonale Insuffizienzen mit erhöhtem pCO2 führen dementsprechend zu einer Beschleunigung der zerebralen Zirkulationszeit. Unter pathologischer Gewebeazidose geht die Vasodilatation in eine Vasoparalyse über. In frischen Ischämiezonen kommt es daher initial zu einer Hyperämie mit lokal beschleunigter Durchströmung (Luxusperfusion) bei gleichzeitig herabgesetzter Sauerstoffausschöpfung. Das ebenfalls ungünstig wirkende Gegenstück hierzu ist eine Vasokonstriktion im nicht geschädigten Hirngewebe, die unter bestimmten Bedingungen zu extremer Konstriktion, dem Vasospasmus, führen kann.
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
10
Wesentliche Zirkulationsstörungen des Gehirns werden verursacht durch • Unterbrechung der gleichmäßigen Durchblutung des Gehirns, entweder durch systemische Faktoren wie beispielsweise kardial bedingte Kreislaufstillstände oder durch lokale Faktoren, z. B. Thrombose; • Erniedrigung des O2-Partialdrucks im Blut; • intrakranielle Blutungen (s. unten); • Steigerung des intrakraniellen Drucks. Diesen relativ uniformen Störungsmustern können unterschiedliche Krankheiten zugrunde liegen, wie z. B. eine Angiopathie, eine Koagulopathie oder andere.
Definitionen Hypoxie
Unter Hypoxie versteht man im Allgemeinen eine Verminderung des Sauerstoffpartialdrucks, unabhängig davon, wo dieser eintritt (z. B. Blut, Gewebe). Wegen der vielfältigen Ursachen der Hypoxie können verschiedene Hypoxieformen unterschieden werden: • hypoxische Hypoxie (dieser Begriff hat sich insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum durchgesetzt und ist ein Synonym für hypoxämische Hypoxie), • anämische Hypoxie, • ischämische Hypoxie. Hypoxische Hypoxie ist eine Verminderung des Sauerstoffpartialdrucks im Blut, gelegentlich und genauer auch als hypoxämische Hypoxie bezeichnet. Ursachen hierfür können eine obstruktive Lungenerkrankung sein, eine Obstruktion der oberen Atemwege oder ein niedriger O2Gehalt der eingeatmeten Luft (z. B. beim Bergsteigen).
Kreislaufstörungen des ZNS
Das Gehirn kompensiert eine hypoxische Hypoxie auf 3 Wegen: • die O2-Ausschöpfung des Blutes wird gesteigert, • die zerebrale Durchblutung steigt an und • es kommt zu Hyperventilation via Hyperkapnie. Somit lässt sich die hypoxische Hypoxie von der globalen Ischämie (s. unten) unterscheiden. Bei der globalen Ischämie sinkt im Gegensatz zur hypoxischen Hypoxie die Hirndurchblutung. Es kommt weiter zu einem drastischen Anstieg des Laktat- und Proteinmetabolismus. Morphologisch lassen sich Gewebeschäden mit Nervenzelluntergängen nachweisen. Solche Gewebeschäden sind bei der hypoxischen Hypoxie praktisch nicht nachweisbar. Zahlreiche Untersuchungen, insbesondere über den Einfluss großer Höhen (z. B. beim Bergsteigen) sind Grundlage dieser Daten (Übersicht bei Auer u. Beneviste [6]). Unter anämischer Hypoxie versteht man eine Hypoxie aufgrund eines erniedrigten Hämoglobins, z. B. bei Leukämien oder bei Blutverlust. Gelegentlich wird auch von einer ischämischen Hypoxie gesprochen. Sie besteht in einer Einschränkung der Organdurchblutung und ist ein Synonym für Ischämie.
Ischämieformen und neuropathologischer Befund Unter Ischämie versteht man eine befristete oder andauernde Reduktion der zerebralen Durchblutung, die zum Funktionsausfall des Gehirns führt. Neben dieser allgemeinen Definition der Ischämie werden im Einzelnen komplette irreversible Ischämie, globale und regionale Ischämien (Hirninfarkte) unterschieden (Tabelle 10.2). Zellveränderungen bei der kompletten irreversiblen Ischämie werden in ihrer Beurteilung erschwert durch agonale und postmortale Veränderungen sowie Autolyse. Diese Artefakte werden wesentlich durch die äußeren Umstände beim Eintritt des Todes beeinflusst, da gewöhnlich Gehirne von Patienten zur Untersuchung kommen, die im Krankenhaus gestorben sind und bei denen die zerebrale Zirkulation eine erhebliche Fluktuation aufweist. Für postmortale Veränderungen sind der Zeitraum zwischen Tod und Fixation (postmortales Intervall) des Gehirns sowie Temperaturschwankungen wesentlich. Bis zu 2 h nach dem Tod sind bei Raumtemperatur keine wesentlichen strukturellen und biochemischen Störungen zu erwarten.
Epidemiologie Da Hypoxieschäden, Infarkte und Massenblutungen in den epidemiologischen Daten nicht immer getrennt aufgeführt werden, sind sie auch an dieser Stelle zusammen-
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
259
Tabelle 10.2 Ischämieformen und neuropathologischer Befund Form
Befund
Komplette irreversible Ischämie
Eintritt des Todes: Ischämische Zellveränderungen sind denen der Autolyse um einige Stunden voraus
Globale Ischämie mit unterschiedlich ausgeprägter Reperfusion oder inkompletter Ischämie
Elektive Parenchymnekrose, hypoxische Hirnschäden
Regionale intraarterielle Ischämie (thrombotisch oder embolisch)
Anämischer oder hämorrhagischer Hirninfarkt
Regionale venöse Ischämie
Hämorrhagischer Hirninfarkt
Regionale arterioläre Ischämie
Lakunärer Hirninfarkt oder andere Mikroinfarkte
gefasst dargestellt. Die hohe Bedeutung zerebralvaskulärer Schäden zeigen große Statistiken einzelner Länder oder Zusammenfassungen von Europa. Hieraus ergibt sich für Europa eine Mortalität an Hirndurchblutungsstörungen von 90–200 Fällen auf 100.000 Einwohner. Insgesamt treten 110–290 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner auf [102]. Eine größere Obduktionsstatistik aus Oslo nennt 32% Todesfälle an ischämisch-zerebrovaskulären Krankheiten. 10% davon entfielen auf thrombembolische Verschlüsse mit und ohne Infarkt, 16% auf Infarkte, 15% auf lakunäre Infarkte, 7% auf klinische Schlaganfallsyndrome ohne gesicherten Gefäßverschluss und ohne Infarkt. Darüber hinaus fanden sich etwa 7% spontane Hirnblutungen [79]. Die Framingham-Studie hat an einer Gesamtpopulation von 5184 Einwohnern in einem Zeitraum von über 26 Jahren festgestellt, dass 198 Männer und 196 Frauen in diesem Zeitraum an einem Insult erkrankt waren, davon starben 223, darunter 84 mit einem zweiten und 27 mit einem dritten Insult [147]. Die Mortalität nach Krankheitsgruppen ist wie folgt: 15% bei Hirninfarkt (n=22), 16% bei Embolien (n=63), 46% bei Subarachnoidalblutungen (n=39), 82% bei spontanen intrazerebralen Hämatomen (n=7). Ähnliche Daten wie die Framingham-Studie zeigt auch die Oxford-Studie [8, 144, 145]. Darüber hinaus liegt eine erhebliche geographische Variation vor [170]. Neben den unten aufgeführten Risikofaktoren spielen wohl auch Umwelteinflüsse eine Rolle [195]. Unter den Risikofaktoren ist nach übereinstimmender Meinung die Hypertonie von größtem Gewicht [101]. Bei atherosklerotisch bedingten thrombotischen Hirninfarkten fand sich eine Hypertonie in der FraminghamStudie 7-mal häufiger als bei normotensiven Patienten [82], wobei der systolische Blutdruck das entscheidende Kriterium war. Eine entsprechende finnische Vergleichsuntersuchung fand eine Hypertonie in der Vorgeschichte ischämischer zerebraler Infarkte bei Männern 2,5-mal, bei Frauen 1,5-mal häufiger als in der übrigen finnischen Bevölkerung.
Des Weiteren zu nennen sind Zigarettenrauchen (1,5mal häufiger bei Männern, 3-mal häufiger bei Frauen), Gebrauch oraler Kontrazeptiva (zum Zeitpunkt des Insults 2,5-mal häufiger als bei den übrigen Frauen im gebärfähigen Alter), deutliches Übergewicht (2-mal häufiger als Untergewicht). Die hohe Bedeutung der Hypertonie ist bei der Gruppe mit zerebralen Blutungen verständlicherweise besonders eindrucksvoll, liegt diesen doch außer Aneurysmen und Angiomen vorwiegend eine hypertensive Angiopathie zugrunde. Thrombosen und Embolien stellen die Hauptursachen zerebraler Infarkte dar. Blutviskosität, Sauerstoffsättigung des Blutes und ähnliche systematische Faktoren beeinflussen selbstverständlich ebenfalls die Manifestation vor allem thrombotischer Vorgänge. Stark herabgesetzter Blutdruck kann der Auslöser für eine Mangelversorgung in den Grenzgebieten der großen Hirnarterien sein.
Herdverteilung Unter 400 Infarkten mit einem Nekrosedurchmesser von mehr als 0,5 cm fand sich die in Tabelle 10.3 wiedergegebene Verteilung der Herde [79]. Es überwiegen die sowohl Rinde als auch Mark betreffenden, vielfach multiplen Infarkte. Knapp 10% entfallen auf Grenzgebietsschäden, was für die Bedeutung systemischer Kreislaufinsuffizienzen spricht. Der Anteil sicher embolisch bedingter Infarkte liegt bei etwa einem Drittel. Anämische Infarkte machen insgesamt etwa 58%, hämorrhagische Infarkte 42% aus, wobei hämorrhagische Infarzierungen besonders häufig sind bei embolisch bedingten Infarkten. Grenzgebietsschäden entsprachen stets dem Bild des anämischen Infarkts. Der relativ hohe Anteil von Infarkten im Bereich des Kleinhirns und des Hirnstamms weist auf mechanische Alterationen der zuführenden Arterien hin, z. B. medulläre Infarkte im Anschluss an chiropraktische Maßnahmen.
260
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Tabelle 10.3 Verteilung der Infarkte auf die Gefäßterritorien Lokalisation
Nicht embolisch (n=244)
Embolisch (n=103)
A. chorioidalis anterior
8
0
A. cerebri anterior
23
2
A. cerebri media
99
64
A. cerebri anterior und media
12
10
Anterior-Media-Grenzgebiet
19
7
Karotis-Versorgungsgebiet
Vertebralis-Basilaris-Versorgungsgebiet Kleinhirn
10
10
5
Hirnstammäste
20
0
A. cerebri posterior
44
11
Übergreifende Infarkte
5
3
Grenzgebiet
4
1
Ätiologie und Pathogenese Wesentliche Störungen bei Hypoxie, Ischämie und Hirninfarkt sind definitionsgemäß die Reduktion des Blutflusses und damit eine Mangelversorgung mit Sauerstoff und Stoffwechselprodukten sowie Kalzium, Kalium, Proteinen und anderen. So sind zwar die Ursachen vielfältig, aber die morphologische Manifestation ist in der Regel relativ uniform. Da nun darüber hinaus globale oder regionale, reversible oder irreversible Störungen vorliegen können, ist die Pathogenese oft unentwirrbar. Allerdings haben zahlreiche neue Untersuchungen, insbesondere tierexperimentelle Studien, dazu geführt, das Zusammenspiel unterschiedlicher pathogenetischer Faktoren genauer zu beschreiben. Wesentliche Bedeutung kommt hierbei dem Verständnis der selektiven Vulnerabilität der Nervenzellen und den unterschiedlichen Formen der Nervenzellenuntergänge zu. Darüber hinaus hat die Charakterisierung der Ischämiezonen mit der Unterteilung in Kernzone und Periinfarktgebiet zu einer erheblichen Verbesserung therapeutischer Maßnahmen geführt. Folgende Konzepte spielen eine wesentliche Rolle. Dirnagl [34] schlägt eine Ischämiekaskade vor: Auf eine frühe Schädigung durch Exzitotoxizität folgt eine entzündliche zelluläre Reaktion und schließlich Apoptose (Abb. 10.7). Für die Grenzzone kommt darüber hinaus der Neurogenese und der Angiogenese sowie der Neuroprotektion eine wesentliche Bedeutung zu.
Abb. 10.7 Schematische Darstellung der Ischämiekaskade nach arteriellem Verschluss. (Mod. nach Dirnagl 1999)
Selektive Vulnerabilität, Apoptose, Penumbra Unter selektiver Vulnerabilität versteht man das Phänomen, dass bei globaler hypoxischer Schädigung des Gehirns bestimmte Regionen oder bestimmte Nervenzellpopulationen besonders vulnerabel sind. Aus der Humanpathologie ist die Vulnerabilitätsstaffelung innerhalb der Kleinhirnrinde, bei der die Purkinje-Zellen zuerst absterben, und am Ammonshorn, die größere Empfindlichkeit des Sommer-Sektors gegenüber dem Gyrus dentatus bekannt. Darüber hinaus sind Hirnregionen besonders vulnerabel und als Regel gilt, dass bei der globalen Ischämie die am weitesten distal gelegenen Gefäßterritorien, sog. Wasserscheide, im Vergleich zu anderen Hirnregionen am ehesten der Nekrose anheim fallen. Auch innerhalb der Zellen selbst gibt es eine Vulnerabilitätsstaffelung. Neuronen sind empfindlicher als Oligodendrogliazellen und diese vulnerabler als Astrozyten. Die Ursache für diese Vulnerabilität ist nicht vollständig geklärt. Wesentliche Konzepte zum Verständnis sind kalziumabhängige Mechanismen, unterschiedliche neuronale Rezeptoren bzw. die Rezeptormodulation. Darüber hinaus werden eine glutamatinduzierte Neurotoxizität und Störungen der Proteinsynthese diskutiert (Abb. 10.8) [55, 160, 176]. Der Begriff Pathoklise [180] umfasst die zelleigenen Stoffwechseleigenschaften, die eine gegenüber anderen Zellregionen unterschiedliche Reaktionsweise auf bestimmte Noxen begründen. In seiner Unbestimmtheit ist dieser Begriff allerdings wenig fruchtbar und wenig gebräuchlich. Der Begriff Apoptose muss von der selektiven Vulnerabilität abgegrenzt werden. Unter Apoptose versteht man einen programmierten Zelltod bzw. einen verzögerten Zelltod durch allmähliches Löschen der Zellfunktion. Dieser Begriff ist von dem der Nekrose durch Strukturmechanismen und Zeitablauf grundsätzlich verschieden (vgl. Kap. 1). Penumbra: Die zentrale Region eines ischämischen Hirninfarkts, in der die Nervenzellen und Glia zugrunde gehen, ist umgeben von einer Zone, in der die Hirndurchblutung zum Teil erhalten ist. Diese Randzone des Infarkts wird Penumbra genannt. Der Begriff ist aus dem Lexikon der Astronomie entlehnt und meint einen Halbschatten, der entsteht, wenn eine partielle Mondfinsternis vorliegt. Bei der fokalen Ischämie ist die Ausdehnung der Kernzo-
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
261
Abb. 10.8 Synopsis der selektiven Vulnerabilität im Hippokampus bei experimentell induzierter Epilepsie (Ratte), Hypoglykämie (Ratte) und Ischämie (mongolische Gerbil). Die Analyse der regionalen Proteinsynthese erlaubt in einem frühen Stadium der Wiedererholung (1–3 h) eine Identifikation von Ganglienzellen, bei denen ein hohes Risiko für eine irreversible Zellschädigung besteht. Bei Kontrolltieren ist durch die konstitutiv hohe Proteinsyntheserate in Ganglienzellen im Vergleich zur Neuroglia eine homogene intensive Markierung aller Ganglienzellen des Pyramidenzellbandes (CA) und der Körnerzellen des Gyrus dentatus(DG) zu erkennen. Die
Grenze zwischen den Subsektoren CA1 und CA3 ist durch eine Pfeilspitze markiert. Status epilepticus führt zur bevorzugten Hemmung der Proteinsynthese im CA3-Sektor des Pyramidenzellbandes. Bei Hypoglykämie sind Ganglienzellen im CA1-Sektor und in der Hilusregion des Gyrus dentatus betroffen. Ischämie führt zur Zellschädigung bei Pyramidenzellen der CA1-Region, die übrigen Sektoren des Pyramidenzellbandes und der Gyrus dentatus sind relativ resistent (Aufnahmen von Frau Prof. M. Kiessling, Institut für Neuropathologie, Universität Heidelberg)
ne und der Penumbra bemerkenswert variabel in Abhängigkeit von Zeitdauer und Ausmaß der Mangeldurchblutung. Das Konzept der Penumbra von Hossmann [66] und Dirnagl et al. [34] spielt bei der Pathophysiologie des Infarkts eine besondere Rolle. Es ist das grundsätzliche Konzept zum Verständnis der Infarktausdehnung räumlich und zeitlich, es ist ebenso die Grundlage für ein therapeutisches Vorgehen bei der akuten neurologischen Symptomatik [62]. Das heißt, im Gegensatz zur Kernzone, die der Nekrose unwiederbringlich anheim fällt, ist die Penumbra funktionell gestört, die neuronale Funktion ist aber reversibel, wenn die Durchblutung wieder hergestellt ist oder neuroprotektive Maßnahmen erfolgen.
sion in den Dendriten, darüber hinaus durch Stimulation unterschiedlicher Glutamatrezeptoren zur Störung intrazellulärer Mechanismen wie Proteinexpression und Aktivierung molekularer Mechanismen, die dann zum verzögerten Nervenzelltod führen [65]. Ischämie wie auch andere Stressfaktoren aktivieren ein komplexes genetisches Programm. Hierzu gehören Gene, die für die Hitzeschockproteine kodieren und Gene, die in der frühen Phase der Ischämie involviert sind; sie werden unter dem Begriff IEG („immediate early genes“) zusammengefasst. Zu ihnen gehören C-Fos, CJun und Krox [119]. Neuere Studien mit Mikro-Array-DNA-Technik haben neben „immediate early genes“ weitere heraufregulierte Gene gefunden, die den RNA-Metabolismus, die Entzündung, trophische Faktoren sowie Zellsignalwege kontrollieren und zwar schon nach wenigen Stunden der Ischämie [96, 148].
Exzitotoxizität und Genexpression nach Ischämie Die Beobachtung der toxischen Wirkung von Glutamat auf die Nervenzelle durch Olney [124] führte zu dem Konzept der Exzitotoxizität. Es besagt, dass nicht nur O2Reduktion oder Glukoseverminderung den Nervenzelltod verursachen, sondern auch eine Überstimulierung durch Glutamat, ein ubiquitär im Gehirn vorkommender Neurotransmitter. Hierbei kommt es zu einer frühen Lä-
Entzündung, Neurogenese, Angiogenese Entzündung
Im Konzept der ischämischen Kaskade [34] spielt die Entzündung eine wesentliche Rolle. Zunächst verstand
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10
Kapitel 10
man unter Entzündung im Bezug zum Infarkt eher die zelluläre Reaktion auf die Nekrose, wie sie weiter unten unter dem Stichwort „gliale Reaktion“ beschrieben worden ist. Zahlreiche neue Untersuchungen dagegen weisen auf die zweischneidige Rolle der Entzündung hin: nämlich eine weitere Schädigung des Gehirns durch z. B. toxische Mediatoren wie NOS oder aber auch eine protektive Wirkung durch Stimulation der Neurogenese, z. B. mittels trophischer Faktoren (NGF und BDNF u. a.) [89]. Eine Zusammenfassung der molekularen Mechanismen im Zusammenspiel zwischen Entzündung und neuronaler Plastizität sowie Regenerationsprogramme im Gehirn geben Dirnagl [34] und Kriz [89]. Der zeitliche Ablauf der Entzündung ist wie folgt: Sowohl die kalziumabhängige Aktivierung intrazellulär als auch die Hypoxie selbst triggern eine Vielzahl von proinflamatorischen Genen, z. B. Interferon oder Nuklearfaktor KB oder TNF-D. In der Konsequenz kommt es zur Expression von Adhäsionsmolekülen an der Endotheloberfläche, gefolgt von einem Einstrom von Neutrophilen in das Hirnparenchym, gefolgt von Makrophagen und Monozyten, prädominant in den Tagen 5–7 nach Ischämie. Die residenten Zellen im Gehirn, also Mikroglia und Astrozyten, zeigen bereits 4–6 Stunden nach Ischämie eine Hypertrophie und Aktivierung. Bereits 24 Stunden nach einer Ischämie ist die mikrogliale Reaktion voll entwickelt, insbesondere in der Penumbra [34]. Obgleich die molekularen Mechanismen sehr komplex sind und nur partiell aufgeklärt, so kommt doch dem Verständnis der entzündlichen Reaktion in der Pathogenese des Infarkts eine wesentliche Rolle zu, insbesondere um weitere therapeutische Strategien zu entwickeln. Neurogenese
Die aktuellen Hypothesen zur Plastizität des Gehirns werden durch folgende wesentliche Befunde gestützt: Sowohl nach transienter globaler Ischämie als auch nach regionalen ischämischen Infarkten kommt es zur endogenen Neurogenese entweder im Gyrus dentatus des Ammonshorns oder in der Penumbra beim ischämischen Infarkt [78, 94]. Hierbei sind insbesondere drei Regionen zu nennen: der Gyrus dentatus im Hippokampus, die subventrikuläre Zone des Seitenventrikels und die posteriore periventrikuläre Zone des Gyrus dentatus (Abb. 10.9). Eine Übersicht über die molekularen Mechanismen, die möglichen endogenen Mediatoren und die exogenen Stimulatoren der Neurogenese geben Wiltrout et al. [192]; die Studien zur infarktinduzierten Proliferation, Migration und Differenzierung neuronaler Stammzellen sind zusammengefasst von Liu et al. [95]. Angiogenese
Neurogenese und Angiogenese wirken beim Infarkt eng zusammen. So befinden sich neuronale Stammzellen konzentrisch um Blutgefäße. Die Induktion dieser Angiogenese in den ischämischen Grenzzonen findet 3–4 Tage
Kreislaufstörungen des ZNS
Abb. 10.9 Neuronale Stammzellen aus der subventrikulären Zone der Ratte. Doppelfärbung mit GFAP für Gliazellen (grün) und DCX für Stammzellen (blau). (Aufnahme von Nina Hellström, Institute of Neuroscience and Physiology, Universität Göteborg, Schweden)
nach dem Infarkt statt und resultiert aus komplexen molekularen Mechanismen. Hierzu gehören das Angiopoetinrezeptorsystem, der VEGF-Rezeptor, FGF und Endothelprogenitorzellen (EPC) [9].
Neuroprotektion, Konditionierung Unter Neuroprotektion versteht man die Erhaltung von Struktur und funktioneller Integrität des Gehirns durch verschiedene Maßnahmen der Intervention. So kann z. B. in der Penumbra die Nekrose der Neurone durch eine geeignete Wiederherstellung der Blutzufuhr sichergestellt werden. Neuroprotektive Maßnahmen umfassen antiexzitotoxische, antiapoptotische und antientzündliche Maßnahmen [66]. Allerdings ist die gegenwärtige therapeutische Anwendung beschränkt, da lediglich Daten aus tierexperimentellen Studien vorliegen und nur vereinzelte Mitteilungen zu klinischen Untersuchungen [49]. Der Begriff ischämische Konditionierung beschreibt das Phänomen einer ischämischen Periode, die per definitionem keine Schädigung hervorruft und das Gehirn in einen Zustand versetzt, der anschließende gewöhnliche ischämische Schädigungen verhindert oder verringert. Ischämische Schädigung ist hierbei nicht strikt begrenzt auf das Gehirn, sie kann ebenso in anderen Organen, z. B. im Herzen, auftreten [158]. Diese Tatsache ist Gegenstand zahlreicher neuerer Untersuchungen geworden. Insbesondere tierexperimentelle Studien dienen als Modell, um zu verstehen, wie das Gehirn sich selbst schützt. Die molekularen und funktionalen Veränderungen, die zu einer Ischämietoleranz beitragen bzw. die mit einer Toleranz einhergehen, sind im Review von Obrenovitch [121] zusammengefasst. Danach tragen verschiedene Mechanismen zur Ischämietoleranz bei, z. B. Antioxidanzien oder entzündliche Zellveränderungen in Mikroglia,
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
Leukozyten u. a., insbesondere das „heat shock protein 70“, ein Protein, das über verschiedene Wege zur Ischämietoleranz beiträgt. Im Rahmen der Konditionierung kommt es allerdings auch zu strukturellen Veränderungen im Hirngewebe, wenngleich auch nicht zu seiner Schädigung, die sich in Verhaltensänderungen und einer gesteigerten Neurogenese nachweisen lassen [158]. Interessanterweise bekommt die Theorie der Konditionierung eine weitere Variante durch neuere Untersuchungen zur transienten ischämischen Attacke (TIA). In einer retrospektiven Studie mit Infarktpatienten, die früher eine TIA hatten, zeigt sich ein wesentlich besserer klinischer Verlauf verglichen mit Patienten ohne vorherige TIAs [183]. Möglicherweise stellt die transiente ischämische Attacke ein Analogon zu den tierexperimentellen Studien der Konditionierung dar [159].
263
a
Globale Ischämien (hypoxische Hirnschäden) Vorübergehende Herz- oder Atemstillstände und schwere Schockzustände mit Absinken des arteriellen Drucks auf unter 70 mmHg führen zu irreversiblen Hirnschädigungen, sofern die Wiederbelebungszeit überschritten ist. Der Zeitraum einer tolerablen Unterbrechung der Hirndurchblutung wird in der Regel mit 5 min angegeben. Bei guter Herzleistung und ausreichender Durchblutung im unmittelbaren Anschluss an das Ende der Ischämie können die Zeiten auf ca. 15 min verlängert sein, bevor schwere Schädigungen einsetzen [107]. Auch unterhalb dieser kritischen Grenze kann eine Herabsetzung des Systemblutdrucks zu regionalen Ischämien führen, falls bereits lokale Vorschädigungen nachweisbar sind. Globale Ischämien, die die Wiederbelebungszeit überschreiten, waren früher mit einem Überleben selten vereinbar. Durch moderne Methoden der Intensivbehandlung können Patienten solche Zustände länger überleben, wenn auch mit schweren Hirnschädigungen, die sich klinisch als sog. apallisches Syndrom äußern. Morphologie. Nicht jeder hypoxische Hirnschaden führt zum intravitalen Hirntod (s. unten). Die morphologischen Folgen am Hirngewebe können sich vielmehr auf ausgedehnte kortikale Nekrosen, auf symmetrische Nekrosen der Stammganglien oder des Mes- oder Metenzephalons beschränken. Der Ablauf der Nekrosen ist bei regionalen und globalen Ischämien ähnlich: entweder in Form der elektiven Parenchymnekrose, bei der die Schädigung sich auf Nervenzellen konzentriert und die übrigen Gewebselemente weitgehend verschont, oder in Form der mehr oder weniger vollständigen Gewebsnekrose, meist als Kolliquationsnekrose. Makroskopisch finden sich bei schwerem Zerebralschaden vielfach ausgedehnte Schrumpfungen und Er-
b Abb. 10.10 a Schwere hypoxische Schädigung der Hirnrinde mit laminärer Nekrose sowie Marklagernekrose (Unfallschock, 8 Wochen vor dem Tod). b Laminäre Nekrose der Hirnrinde mit Gliareaktion in der Randzone (zugrunde gegangene 3.–5. Nervenzellschicht der Rinde)
weichungen des Hirnmantels (Abb. 10.10), wobei auf den Frontalschnitten eine Lamellierung der verschmälerten Rinde erkennbar ist (lamelläre Nekrose). Gewöhnlich weisen auch die Stammganglien Nekrosen auf. Das Marklager kann sich bereits makroskopisch durch seinen prall-elastischen Gewebswiderstand als geschädigt erweisen. Nach Narkosezwischenfällen oder Barbituratvergiftungen können sich die makroskopisch wahrnehmbaren Schädigungen auf symmetrische Stammgangliennekrosen beschränken [128]. Darüber hinaus sind bei der noch nicht zum Hirntod führenden globalen Ischämie meist schwere Kolliquationsnekrosen vor allem in den Konvexitätsabschnitten vorhanden (s. Abb. 10.39b). Mikroskopisch steht die elektive Parenchymnekrose, die isolierte Schädigung der Nervenzellen, im Vordergrund, sie tritt selten global in allen Hirnregionen gleichmäßig stark auf (s. Abb. 10.10). Hypoxische Hypoxien sind eher ihre Ursache als lokale Gefäßverschlüsse. Die histologische Bezeichnung für die hierfür typische Schädigungsform ist die ischämische Nervenzellschädigung. Der Name ist nur zum Teil zutreffend, verallgemeinert er doch einen pathogenetischen Teilaspekt. Bei Hypoglykämien, toxischen Zuständen oder in der Umgebung von
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10
Kapitel 10
Kontusionsherden kann man die ischämische Nervenzellnekrose in gleicher Weise antreffen wie bei Hypoxie. Der vor allem an den großen motorischen Nervenzellen deutliche Komplex des rauen endoplasmatischen Retikulums (lichtmikroskopisch Nissl-Schollen) lockert sich hierbei zunächst auf, nicht selten verbunden mit einer leichten Zellblähung und Randschollenkranzbildung, sie gelten innerhalb des Zeitraums weniger Stunden als reversibel. Das ultrastrukturelle Substrat dieser Tigrolyse ist eine Auflösung des rauen endoplasmatischen Retikulums. Dem Zerfall der Nissl-Schollen parallel geht eine Homogenisierung des Karyoplasmas mit noch deutlichem Nukleolus einher. Die frühesten Veränderungen bereits nach wenigen Minuten kompletter Ischämie, die ultrastrukturell nachweisbar sind, bestehen in verklumptem Nervenzellchromatin [77]. Im Rahmen dieser ischämischen Zellveränderungen schließt sich eine Schrumpfung des Zytoplasmas und des Kerns an, die zu charakteristischen Dreiecksformen führen. In der HEFärbung kommt es zu einer ausgeprägten Eosinophilie (Abb. 10.11), während im Kresylviolettbild der Zellleib abblasst. Diese eosinophilen Zytoplasmaveränderungen treten frühestens nach 7 h auf, gewöhnlich nach 12–18 h [77]. Sie werden als Koagulationsnekrose der einzelnen Nervenzelle gedeutet. Allerdings wird von den zahlreichen neueren experimentellen Untersuchungen zum zeitlichen Ablauf der Ischämie einzelner Zellen eine erhebliche Abhängigkeit von der lokalen Rezirkulation gezeigt. Es wird daher postuliert, dass der irreversible Zelluntergang in 2 Formen abläuft: • in der oben beschriebenen raschen eosinophilen Koagulationsnekrose, • in Form einer neuronalen Degeneration, dem verzögerten Nervenzelltod. Man versteht unter verzögertem Nervenzelltod eine langsame neuronale Degeneration, die Tage nach einer kompletten, kurz dauernden Ischämie auftreten kann (Abb. 10.12). Die Ursache des verzögerten Nervenzelltodes ist nicht grundsätzlich geklärt. Faktoren, die eine Rolle spielen, sind die Störung der neuronalen Proteinsynthese und die Exzitotoxizität. Die Bedeutung des verzögerten Nervenzelltodes liegt darin, dass Neuronen nicht einfach unwiederbringlich zerstört werden, sondern oft ein noch normales Erscheinungsbild zeigen (sowohl histologisch als auch physiologisch), wie zahlreiche Untersuchungen gezeigt haben [64, 52, 130]. Sie sind daher zu einem bestimmten Zeitabschnitt (therapeutisches Fenster) für Interventionen zugänglich. Anmerkung zur Präparation: Vor allem bei der Beurteilung geringgradiger Nervenzellschädigungen ist zu beachten, dass die Art der Gewebeentnahme und Fixierung nicht ohne Einfluss auf das histologische Bild ist. Bei Biopsiepräparaten aus dem Hirngewebe ist regelmäßig in den Randzonen mit starken artefiziellen Nervenzell-
Kreislaufstörungen des ZNS
Abb. 10.11. Frische ischämische Nervenzellschädigung mit ausgeprägter Eosinophilie bei länger andauerndem Kreislaufstillstand (HE-Färbung)
Abb. 10.12 Atrophische Nervenzellen mit Betonung der Nervenzellfortsätze (HE-Färbung)
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
schrumpfungen zu rechnen. Auch unter experimentellen Bedingungen mit Perfusionsfixierungen ist bei selbst geringem Druck auf das Gewebe im unfixierten Zustand mit „dark neurons“ zu rechnen. Das umgebende Neuropil also reagiert auf Nervenzelluntergänge mit einer Veränderung der Mikrogliazellen nach relativ kurzer Zeit (wenigen Stunden) und im längeren Zeitverlauf mit reaktiver Gliose, insbesondere der Astrozyten (s. auch unten, „Gliale Reaktionen“).
Intravitaler Hirntod Pathogenese. Schwere globale Ischämien, bei denen die Überlebenszeit des Hirngewebes überschritten wurde, führen durch den Zusammenbruch der energieabhängigen Schrankenfunktionen und Membranstrukturen zu einem malignen Hirnödem. Hierbei kommt es zunächst zu Störungen des venösen Abflusses aus der Schädelkapsel, schließlich zur Unterbrechung der arteriellen Zufuhr, sobald der Hirndruck den arteriellen Druck überschreitet. Die Manifestationszeit, die zwischen dem Beginn der globalen Ischämie und dem Beginn der klinischen Zeichen des intravitalen Hirntodes liegt, beträgt durchschnittlich 24 h, allerdings bei einer Variationsbreite von 1–11 Tagen [153]. Die Unterbrechung der arteriellen Zuflüsse ist angiographisch oder dopplersonographisch nachweisbar und gehört neben Apnoe, der fehlenden Reaktion auf Schmerzreize, der fehlenden Lichtreaktion der weitgestellten Pupillen und dem Verlust anderer Hirnstammreflexe sowie dem Nulllinien-EEG zu den klinischen Kriterien des Hirntodes [194]. Morphologie. Der Morphologe steht bei der Analyse eines Falles vielfach vor der Schwierigkeit, Schädigungen unterschiedlichen Alters vor sich zu haben. Dies gilt vor allem für posttraumatische Fälle intravitalen Hirntodes (s. auch Kap. 14). Zu unterscheiden sind hier die Primärschäden, die während des Hirndruckanstiegs entstehenden traumatischen Sekundärschäden und die durch die komplette Ischämie bedingten Spätschäden. Bei Fällen mit längerer Erhaltung des Lebens durch entsprechende Reanimationsmaßnahmen ist es gewöhnlich unschwer möglich, diese Differenzierungen aufgrund der unterschiedlichen intravitalen Gewebsreaktionen oder der typischen morphologischen Muster vorzunehmen. Makroskopisch imponiert bei intravitalem Hirntod meist eine dunkelrot-violette oder auch – in fixiertem Zustand – schmutzig-braune Farbe der Hirnoberfläche. Es bestehen mehr oder weniger stark ausgeprägte fleckförmige Subarachnoidalblutungen. Sie umgeben vielfach die leptomeningealen Gefäße, die über den verstrichenen Sulci verlaufen. Die Tonsillendruckzeichen sind extrem ausgebildet. Meist ist es bereits zur Nekrose der Tonsillen, wenn nicht zu einer zerfließlichen Nekrose auch der
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Kleinhirnhemisphären gekommen. Freischwimmende Purkinje-Zellen und andere Fragmente des Kleinhirngewebes im Liquorzellsediment weisen bereits intravital auf derartige Nekrosen hin. Auf den Frontalschnitten ist das Großhirn gewöhnlich dunkelzyanotisch verfärbt und sehr brüchig. Einblutungen in die den Tentoriumzügeln benachbarten Rindenabschnitte des Gyrus parahippocampalis, in Hirnschenkel und Brücke sind häufig. Das Gewicht dieser Gehirne ist meist extrem hoch (1600– 1800 g). Die leptomeningealen und inneren Venen sind gewöhnlich prall gefüllt und frisch thrombosiert. Das mikroskopische Bild hängt nicht zuletzt mit der agonalen Situation zusammen, d. h. mit der Frage, ob es nach Einsetzen der totalen Ischämie noch einmal zu einer wenn auch frustranen Rezirkulation kam oder nicht. Hat eine solche Rezirkulation stattgefunden, so finden sich nicht nur prall gefüllte Gefäße, die zwischen den Blutzellaggregationen auch bereits Fibrinausfällungen aufweisen können, sondern Emigrationen von vorwiegend neutrophilen Granulozyten in das perivaskuläre Gewebe. Anzeichen einer intravitalen zelligen Reaktion, insbesondere einer Makrophagenbildung, gehören dagegen bei der reinen globalen Ischämie, der keine primäre, z. B. traumatisch bedingte, Hirnschädigung vorangegangen war, nicht zum typischen Bild. Man findet vielmehr eine weitgehende Erbleichung der Nerven- und Glia- sowie der Gefäßwandzellen. Die verbliebenen Kerne sind schmal und homogen. Am ehesten identifizierbar sind die Purkinje-Zell-Reste, während die Körnerzellkerne der Kleinhirnrinde geschwollen und chromatolytisch oder in zahlreiche Kerntrümmer zersprengt erscheinen. Der Pathogenese des intravitalen Hirntodes entsprechend finden sich deutliche Demarkationszonen an den Grenzen des intrakraniellen Raums: Am Canalis opticus im Verlauf des Tractus opticus und in Höhe des Segments C1 bis C3 des Rückenmarks zeigt sich histologisch die Abgrenzung in Form einer ödematösen Gewebeauflockerung und einer randständigen Makrophagenbildung [152]. Gewöhnlich besteht auch eine Nekrose des Hypophysenvorderlappens. Die Bedeutung der Einkapselung des Gehirns bei steigendem Hirndruck für die Entstehung des intravitalen Hirngewebstodes erweist sich im Übrigen auch bei Trepanationsöffnungen. Das im Öffnungsbereich gelegene Hirngewebe kann hierbei von der Gewebsnekrose ausgenommen sein, weil es offenbar eine noch ausreichende Blutversorgung vom Narbenrand her erfährt. 36% der Fälle des intravitalen Hirntodes zeigen sekundäre Brückenblutungen [153].
Regionale Ischämien (anämische Hirninfarkte) Der überwiegende Teil anämischer Hirninfarkte ist verursacht durch Verschlüsse und Stenosen der Gefäße zuführender Arterien, hierzu gehören die stenosierende
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Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Kolliquationsnekrose Kolliquationsnekrosen können im Umfang zwischen Lakunen, die die unmittelbare Umgebung einer Arteriole betreffen, und Nekrosen im Versorgungsbereich einer der großen Hirnarterien oder der Gesamtnekrose im Sinne des intravitalen Hirntodes schwanken. Kolliquationsnekrosen sind nicht nur Folge von Ischämien und Anoxie, sondern z. B. auch ein Begleitsymptom der nekrotisierenden Enzephalitis (s. Kap. 9). Stadium I (frische Nekrose)
10 Abb. 10.13 MRT-Nachweis eines überwiegend kortikalen, aber auch striolentikulären frischen Infarkts. Axiale FLAIR-Sequenz mit kortikaler Hyperintensität im temporalen Mediastromgebiet und einem großen Teil der Inselrinde rechts; zusätzlich kleine lakunäre Hyperintensitäten striolentikulär. (Aufnahme von Dr. T. Wilhelm, Neuroradiologie, TU München)
Arteriosklerose, Thromben und Embolien sowie raumfordernde Prozesse (Tumoren), Hirndruck und Spasmen. Klinischen und pathologisch-anatomischen Beschreibungen regionaler Durchblutungsstörungen sind verschiedene Begriffe zugeordnet: Einerseits spricht man lediglich von Infarktsyndromen, da die Lokalisation austauschbar ist, andererseits kennt der klinische Sprachgebrauch den Begriff Insult (Stroke), der sowohl Hirninfarkt als auch intrazerebrale Blutungen einschließt, aber auch reversible neurologische Defizite (transiente ischämische Attacken) und prolongierte reversible neurologische Defizite. Unter anämischem Hirninfarkt (ischämische Enzephalomalazie) versteht man den Verschluss eines zuführenden arteriellen Gefäßes, dem eine Mangeldurchblutung des abhängigen Gefäßabschnitts folgt (Abb. 10.13). Der Begriff Erweichung wird gelegentlich synonym mit ischämischer Enzephalomalazie verwandt, sollte aber auf ein bestimmtes Stadium der Kolliquationsnekrose beschränkt sein. Die häufigste Folge eines anämischen Hirninfarkts ist die Kolliquationsnekrose. Sonderformen wie Koagulationsnekrose, lakunärer Kleinstinfarkt und inkomplette Nekrosen sowie Erbleichung und hämorrhagischer Infarkt werden weiter unten abgehandelt.
Makroskopisch ist die frische Läsion nach 12 h abgrenzbar mit fester, erhabener Schnittfläche (Abb. 10.14a). Histologisch gleicht das Bild zunächst weitgehend dem der elektiven Parenchymnekrose (Abb. 10.14b). Die Störung der Blut-Hirn-Schranke und die entsprechende Schwellungsreaktion der Endothelzellen, der Perizyten und der Astrozytenfortsätze ist allerdings ausgeprägter. Ab 30 h können die ersten Makrophagen an der Herdgrenze auftreten. Die Periinfarktzone (Penumbra) bietet histologisch ein uneinheitliches Bild (s. oben). Stadium II (Erweichung)
In diesem Stadium beginnt die Auflösung der Gewebsstruktur, die Kolliquation. Makroskopisch sind innerhalb der ersten 2–3 Tage die Infarktbereiche geschwollen, vielfach auf der frischen, unfixierten Schnittfläche stärker rosa-fleckig gezeichnet und weicher als das angrenzende Gewebe. Mit zunehmendem Alter wird das Gewebe noch weicher, geht in eine weißlich-gelbliche Farbe über, um innerhalb einiger Wochen zu zerfallen und sich kleinzystisch umzuwandeln (Abb. 10.14c). Nur wenn ein anämischer Infarkt das Hirngewebe eines Kleinkindes trifft, kann es zu einer rascheren und auch weit ausgedehnteren zystischen Einschmelzung des Nekrosenbereichs kommen. Solche Einschmelzungen sahen wir bereits nach 3 Wochen. Eine Demarkation des Infarktbezirks ist schon wenige Tage nach der Schädigung angedeutet. Mikroskopisch sieht man nach 48 h eine bereits deutliche Vermehrung von Makrophagen (Abb. 10.14d). Sie bilden sich aus Mikroglia, perivaskulären Zellen und aus hämatogenen Monozyten, die in den Infarktbereich einwandern und nach 3–4 Tagen wieder in Richtung der Venolen und Venen abzuwandern beginnen. Soweit markhaltige Bereiche betroffen wurden, sind die Markscheiden zunächst abgeblasst, um schließlich zu zerfallen und als Myelinbruchstücke in die mononukleären Makrophagen aufgenommen zu werden. Bei Sudanfettfärbungen erkennt man entsprechende „Fettkörnchenzellen“ (Abb. 10.14d). Die Randzone des anämischen Infarkts weist gewöhnlich einen deutlichen Ödemmantel mit grobspongiöser Gewebsauflockerung auf. Man sieht bereits gegen Ende des ersten Tages nach der Schädigung Axonschwellungen. Benachbart im scheinbar Gesunden
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liegende Nervenzellen können das Bild der ischämischen Nervenzellschädigung oder auch Bilder der primären Reizung aufweisen, durchqueren doch ihre Fortsätze vielfach den Nekrosebereich, wo sie ebenfalls durch Unterbrechung der regionalen Axonblutversorgung der Nekrose verfallen. Stadium III (Resorption und Organisation)
Dieses Stadium erreicht in der 2. und 3. Woche den Höhepunkt. Die Übergänge zum Stadium II sind fließend. Während der Auflösung des Gewebes und seiner Resorption in unzähligen Phagozyten sprossen die Kapillaren vor allem von den Randzonen in den Nekrosebereich hinein. Die Kapillarsprossen sind in der Regel sehr zellreich. Selten können sie vielkernige, riesenzellähnliche
Abb. 10.14 a Frischer Infarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebri media links mit Mittellinienverschiebung von links nach rechts und geringer hämorrhagischer Komponente. b Frische ischämische Nervenzellveränderungen des Kortex mit ausgeprägter Eosinophilie des Zytoplasmas. Einzelne Neurone sind intakt. c Erweichung im Versorgungsgebiet der A. cerebri media 10 Tage nach Thrombose im Bereich eines Mediaastes, Nekrose von Kortex und Marklager. d Zahlreiche Fettkörnchenzellen (Hirnmakrophagen, Gitterzellen, Lipophagen) aus einem Infarkt des Stadiums II. Färbung mit Sudan III. e Alte, weitgehend zystisch umgewandelte Nekrose im Versorgungsgebiet der A. cerebri media rechts. Infarkt im Stadium III
Sprossen bilden. Am Herdrand kann es zu Lymphozyteninfiltraten kommen. In der Wand neugebildeter Kapillaren, aber auch in erhaltenen Arteriolen und Venolen bilden sich Retikulinfasern. Die in der Mantelzone des Infarkts in Verbindung mit dem Umgebungsödem proliferierenden zytoplasmareichen Astrozyten (Abb. 10.15) bilden Gliafasern. Diese erzeugen gemeinsam mit den Kollagenfasern, die von den Gefäßen oder auch – bei rindennahem Sitz des Infarkts – von den Meningen aus in das Narbengewebe vordringen, eine gemischt gliös-mesenchymale Narbe. Meistens wird der nekrotische Defekt aber nicht voll von diesen Glia- und Kollagenfasern gedeckt, vielmehr führt die Kolliquationsnekrose zum zystenähnlichen Defekt (Abb. 10.14e).
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Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Im Kleinkindesalter imprägnieren sich die irreversibel ischämisch geschädigten Nervenzellen besonders häufig mit Eisen- und Kalksalzen.
Koagulationsnekrose
Abb. 10.15 Reaktive Gliose im Randbereich eines alten Infarkts mit ausgeprägter Darstellung der Astrozytenfortsätze. Darstellung des glialen sauren Faserproteins (GFAP, ABC-Methode)
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An den Rändern liegen vielfach noch Wochen nach dem Infarkt Makrophagen. Liegt die Erweichung oberflächennah, so pflegt die Molekularschicht erhalten zu bleiben, weil ihre Gefäßversorgung offenbar von der Pia her noch ausreichend gesichert ist. Immerhin sind diese schmalen Streifen der Molekularschicht meist von pathologischen Gliazellformen durchsetzt oder enthalten Lipo- bzw. (nach Blutungen) Siderophagen. Der enthaltene Streifen der Molekularschicht lässt es gewöhnlich zu, ischämisch bedingte Nekrosen von traumatisch bedingten zu unterscheiden, bei denen die Molekularschicht zerstört oder in die Narbe einbezogen ist. Auch hinsichtlich der Lokalisation unterscheiden sich die ischämischen Infarkte innerhalb der Rinde von den traumatisch verursachten Narben dadurch, dass sie gewöhnlich nicht – wie die Letzteren – auf der Windungskuppe angesiedelt sind, sondern in dem schlechter versorgten Windungstal. Handelt es sich um zahlreiche Mikronekrosen oder um umschriebene Nekrosen mit Schwerpunkt in den Grenzzonen zwischen den Versorgungsgebieten der 3 großen Hirnarterien, so wird auch von einer Granularatrophie bzw. von einem Grenzzoneninfarkt gesprochen (s. unten, „Sneddon-Syndrom“). An der Phagozytose nekrotischen Gewebes beteiligen sich zwar vorwiegend die mononukleären Makrophagen [123], doch nehmen die Astrozyten, in den Grenzzonen selten sogar Nervenzellen an der Phagozytose teil. Vorwiegend in den Randgebieten trifft man auf Nervenzellinkrustationen durch Eisen- und Kalksalze. Der Eisengehalt dieser nekrotischen Zellen ist unabhängig davon, ob ein anämischer oder ein hämorrhagischer Infarkt bestand. Frühestens treten sie 7–8 Tage nach dem Infarkt auf. Sie können über Jahrzehnte liegen bleiben.
Es handelt sich hierbei um eine besondere Form der regional begrenzten Gewebsnekrose, bei der der nekrotische Bereich nicht der langsamen Kolliquation verfällt, sondern weitgehend unabgebaut liegen bleibt. Experimentell lassen sich derartige Nekrosen durch Hitze- und Strahleneinwirkung reproduzieren. In der Humanpathologie treten sie im Zusammenhang mit Vaskulopathien nur selten auf, wurden früher aber öfter im Rahmen von Strahlenspätschädigungen beobachtet. Sie kommen ferner in Verbindung mit Angiomen, insbesondere bei der angiodysgenetischen nekrotisierenden Myelopathie (Foix-Alajouanine) vor [75]. Die formale Genese der Koagulationsnekrose wurde in Verbindung zu einer plasmatischen Gewebsinfiltration gebracht [197]. Morphologie. Makroskopisch hebt sich die Koagulationsnekrose auf den Frontalabschnitten durch ihre scharfe Abgrenzung und ihre meist erhöhte Konsistenz vom übrigen Hirngewebe ab. Mikroskopisch finden sich in der Demarkierungszone teils kleinzystische Gewebsauflockerungen, teils gemischt gliös-mesenchymale Narben, zwischen denen Lipo- und Siderophagen angetroffen werden können. Selten sieht man hier Fremdkörperriesenzellen, wird doch offenbar die Koagulationsnekrose als Fremdkörper behandelt, der auch zu Immunreaktionen mit Ansammlung von Lymphoidzellen und Plasmazellen führt. Im Inneren der Koagulationsnekrose sind die Gefäße manchmal noch deutlich erkennbar, wenn auch meist mit einer entweder fibrosierten oder fibrinoid-nekrotischen Wand. Von den Gefäßwänden können Kollagenfasern in den nekrotischen Bereich hineinsprossen. Lipophagen finden sich aber allenfalls in geringer Menge. Stattdessen kann der nekrotische Bereich von feinkörnigen Kalkkonkrementen übersät sein. Kolloide Degeneration
Eine Sonderform der Koagulationsnekrose stellt die kolloide Degeneration dar, die ursprünglich im Rahmen der Lues cerebrospinalis und der progressiven Paralyse beschrieben worden ist, aber auch unabhängig davon – wenn auch sehr selten – vorkommen kann. Wie bei der Koagulationsnekrose liegt eine vollständige Gewebsnekrose vor. Der Begriff bezieht sich also nicht auf die auch als Koagulationsnekrose gewertete ischämische Nervenzellschädigung allein. Die kolloid-degenerativ veränderten Gewebspartien wirken speckig-homogen, sind
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
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Makroglia
Abb. 10.16 Reaktive Mikrogliaproliferation mit zahlreichen aktivierten Mikrogliazellen im Bereich eines frischen Infarkts. Mikrogliadarstellung mit Antikörper Ki-M1P (CD68)
Bereits in den Frühstadien der Ischämie finden sich Astrozyten- und später auch Oligodendrogliazellschwellungen, jedoch keine Zelluntergänge. Die Schwellungen hängen zusammen mit der Schädigung der Nervenzellmembran durch Elektrolyt- und Flüssigkeitsverschiebungen. Hier zeigt sich, dass experimentell bereits nach 15-minütiger Ischämiedauer Astrozytenveränderungen nachweisbar sind. Demgegenüber reagieren die Oligodendroglia und die Kapillaren erst nach 60 min [51]. Die proliferierenden Astrozyten bilden filamentreiche Fasern, die in späteren Stadien zu einer gliösen Deckung der weitgehend von Nervenzellen entblößten „erbleichten“ Areale führen oder im Randbereich einer Nekrose nachweisbar sind (s. Abb. 10.15). Treten diese elektiven Parenchymnekrosen im frühen Kindesalter auf, so kann es hier zu gliotisch vernarbten Rindenpartien und zu einer Fehlmyelinisierung kommen (vgl. Kap. 4). Eine detaillierte Übersicht zur Rolle der Astrozyten beim anämischen Hirninfarkt gibt Norenberg [118].
aber in den Randpartien vielfach sekundär verkalkt oder weisen sogar eine knöcherne Metaplasie auf [127].
Lakunärer Infarkt Gliale Reaktionen Die gliale Reaktion verläuft in Abhängigkeit vom Nekrosetyp unterschiedlich und ist insbesondere bezüglich der Mikrogliapopulation noch nicht ausreichend untersucht. Bei kompletten Nekrosen, wie dem ischämischen Infarkt gehen alle Gliapopulationen, Oligodendroglia, Astroglia und Mikroglia zugrunde. Bei inkompletten, wie der oben besprochenen elektiven Parenchymnekrose oder in der Penumbra der anämischen Infarkte, sind die glialen Zellen nur reversibel geschädigt. Mikroglia
Eine ausführliche Darstellung der Mikroglia, Funktion und Plastizität findet sich in Kap. 1. Im Wesentlichen besteht die Zellpopulation der Mikroglia aus folgenden unterschiedlichen Subtypen: • ramifizierte oder ruhende Mikroglia; • aktivierte oder amöboide Mikroglia; • phagozytierende Mikroglia und • perivaskuläre Mikroglia. Bei der globalen Ischämie des Gehirns wird die ruhende Mikroglia stark aktiviert und ist innerhalb von Stunden nachweisbar. Nach zwei bis vier Tagen wird die phagozytierende Mikroglia (Hirnmakrophagen) nachgewiesen. Bei der fokalen Ischämie sind die Befunde und Zeitabläufe grundsätzlich gleichartig, spielen sich aber überwiegend in der Penumbra ab (Abb. 10.16) Die Abläufe der Mikrogliatransformationen sind komplex und Gegenstand zahlreicher Untersuchungen [83, 154].
Er entsteht durch umschriebene kleine vollständige Nekrosen, denen die gleichen Gewebsveränderungen wie bei der Kolliquationsnekrose zugrunde liegen. Sie treten insbesondere bei Hypertonikern auf (s. unten).
Inkomplette Nekrose (elektive Parenchymnekrose) Wirkt sich eine regionale Ischämie in Form der elektiven Parenchymnekrose aus, so kann es zu Erbleichungen kommen. Dieser Begriff ist auf die mangelnde Färbbarkeit ischämisch geschädigter Nervenzellen zurückzuführen. Solche Erbleichungen können bestimmten Rindenschichten folgen (laminär) oder ohne Rücksicht auf zytoarchitektonische Grenzen auftreten (pseudolaminär).
Hämorrhagische Infarkte Hämorrhagische Infarkte im arteriellen Versorgungsgebiet unterscheiden sich vom anämischen Infarkt durch zahlreiche konfluierende kleinere Blutungen, die meist auf die Rinde beschränkt sind. Erklärungen für die lokalisatorische Besonderheit gibt es nicht. Die Histologie entspricht der beim anämischen Hirninfarkt, lediglich die Komponente der Blutung verursacht eine ausgeprägte Pigmentierung der Phagozyten. Ursächlich werden einerseits eine Erhöhung des venösen Drucks (z. B. intra-
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kranieller Drucksteigerung) genannt, der eine primär anämische Läsion von rückwärts blutig imbibiert. Andererseits kann es bei einer Rezirkulation in teils nekrotisches Gewebe zu Blutaustritten durch defekte Gefäßwände kommen (s. Abb. 10.28d). Hämorrhagische Infarkte durch Verschlüsse im venösen Drainagegebiet führen über eine Stauung zur Erythrodiapedese und zum Gewebsuntergang (s. Abschnitt „Thrombosen der Hirnvenen und Sinus“).
Spontane intrakranielle Blutungen
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Blutungen in die Schädelhöhle haben äußere Ursachen, wie Traumata, oder geschehen aus inneren Ursachen, also spontan. Blutungen in die Dura, subdural und intrazerebral, die Folgen eines Traumas sind, werden an anderer Stelle besprochen (s. Kap. 15). Spontane intrakranielle Blutungen können einerseits subarachnoidal, meistens als Folge eines sakkulären Aneurysmas, oder andererseits entsprechend einer kompakten Blutung in die weiße Masse (Massenblutung) sowohl supra- als auch infratentoriell auftreten. Häufigkeit und Klinik. Häufigste Ursache einer intrazerebralen Massenblutung (ICB) sind: • Hypertonus 50% • Zerebrale Amyloidangiopathie 12% • Antikoagulanzien 10% • Tumoren 8% • Drogen 6% • Angiome und Aneurysmen 5% Andere Ursachen sind selten [39]. Die konsequente Anwendung der antihypertensiven Therapie hat zwar die Häufigkeit der intrazerebralen Massenblutung beim Hypertonus deutlich gesenkt [117], demgegenüber ist die Inzidenz der Aneurysmablutung nicht geändert. Die modernen bildgebenden Verfahren haben die klinische Abgrenzung einzelner Krankheitsbilder erleichtert, insbesondere die Unterscheidung zwischen ischämischem Hirninfarkt und ICB. Die klinischen Symptome sind durch die Lokalisation oder durch die Ausdehnung der Blutung bestimmt und setzen in der Regel schlagartig ein. Schwere ausgedehnte Blutungen gehen mit Hemiplegie, schwerer Bewusstseinsstörung und Blickabweichung einher. Weniger ausgedehnte Läsionen, z. B. im Putamen, sind durch sensomotorische Hemiparesen, Gesichtsausfälle und neuropsychologische Störungen gekennzeichnet. Kleinere Blutungen können sog. lakunäre Syndrome verursachen und sind von umschriebenen ischämischen Insulten klinisch oft nicht zu differenzieren [13]. Für die Prognose ist bedeutungsvoll, ob ein Ventrikeleinbruch (meistens in die vorderen Seitenventrikel) und
Kreislaufstörungen des ZNS
eine Tamponade des 4. Ventrikels erfolgt. Diese Komplikationen sind prognostisch ebenso ungünstig wie primäre Brückenblutungen.
Hypertensive Enzephalopathie Unter der hypertonischen Enzephalopathie (syn.: hypertensive Angiopathie) werden sowohl die der Hypertonie eigenen Hirngefäßveränderungen als auch ihre Folgen für das Hirngewebe zusammengefasst. Trotz der vorhandenen Beziehung zur Arteriosklerose lässt sich die hypertensive Hirnerkrankung als eigenständiges Krankheitsbild aus mehreren Gründen abgrenzen [20]: • Der Hochdruck ist der pathogenetische Hauptfaktor bei der hypertensiven Enzephalopathie, aber nur einer der Risikofaktoren bei der Arteriosklerose. • Die Gefäßveränderungen der hypertensiven Enzephalopathie sind morphologisch deutlich von der Arteriosklerose abzugrenzen und betreffen im Übrigen überwiegend die Arteriolen. • Die Folgen der Läsion am Hirngewebe sind bei der Arteriosklerose und bei der hypertensiven Enzephalopathie unterschiedlich. Ätiologie und Pathogenese. Die zahlreichen lichtoptischen und ultrastrukturellen sowie vereinzelten immunhistologischen Untersuchungen an humanem und tierexperimentellem Gewebe ergeben kein klares Bild der vielschichtigen Veränderungen bei der hypertensiven Enzephalopathie und erhellen ebenso wenig die Ursachen der katastrophalen Folge in Form der Massenblutung. Es kommt zu komplexen Schädigungen sowohl zellulärer Elemente als auch von Bestandteilen der extrazellulären Matrix. Hierbei kommt sowohl der Veränderung des Zytoskeletts in Endothel- und Muskelzellen besondere Bedeutung zu [4, 140] als auch den Kollagentypen der extrazellulären Matrix. Diese Veränderungen der Gefäßwand zeigen starke Parallelen zu Altersveränderungen der Mikrozirkulationsgefäße, so dass man von einer frühzeitigen Alterung der Hirngefäße beim Hypertonus sprechen kann. Warum es bestimmte Prädilektionsstellen für die Massenblutung gibt, ist weiterhin unklar. Untersuchungen ergeben ein unterschiedliches Intermediärfilamentmuster in den verschiedenen Hirngefäßarealen [139]. So ist offenbar Vimentin in den größeren Hirnstammarterien nur vermindert nachweisbar. Die ausgedehnten tierexperimentellen Untersuchungen zeigen, dass zunächst eine Schädigung der Endothelzelle auftritt. Durch Plasmainsudation in den subendothelialen Raum kommt es zur Einlagerung unterschiedlicher Substanzen zwischen Endothel und Media [190]. Bei Anhalten oder Fortschreiten dieses Prozesses wird die
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Abb. 10.17 a Frische hypertensive Massenblutung im Versorgungsgebiet der A. lenticulostriata; Raumforderungszeichen: Verschiebung des Gyrus cinguli sowie Einbruch in das Ventrikelsystem. b Alte, weitgehend abgeräumte Massenblutung im Versorgungsgebiet der A. cerebri media rechts. c Status lacunaris im Bereich des
Thalamus links, entsprechend weitgehend abgeräumten Kleinstinfarkten im Endstromgebiet von Arteriolen. d Status cribrosus im Marklager mit Untergängen von weitgehend zellfreiem perivaskulärem Gewebe, mit zentraler Arteriole
Gefäßwand weitgehend umgebaut im Sinne der lichtoptisch und elektronenmikroskopisch beschriebenen (s. unten) degenerativen Veränderungen [120, 189]. Entscheidend ist hierbei die Chronizität des Prozesses. Der Hochdruck schädigt das zentrale Nervensystem bei chronischem Bestehen durch die Entwicklung spezifisch hypertensiver Gefäßwandveränderungen einerseits und durch die Verstärkung anderer Arteriopathien, wie der Arteriosklerose, andererseits. Akute hypertensive Krisen führen darüber hinaus zur Dekompensation des vaskulären Systems.
Anhand der unterschiedlichen Pigmentierung lassen sich frische und ältere Blutungen unterscheiden. Frische Blutungen weisen überwiegend eine dunkle, fast schwärzliche Farbe auf und sind im fixierten Zustand fest. Ältere Blutungen, die sich bereits in Organisation befinden, weisen eine bräunlich-rote Färbung auf und sind in ihrer Konsistenz weicher (Abb. 10.17b). Weitere meist typische, aber nicht pathognomonische Kennzeichen für die Hirnbeteiligung bei der hypertonischen Hirngefäßerkrankung sind Lakunen (Abb. 10.17c), Kriblüren (Abb. 10.17d) und Kugelblutungen. Lakunen sind umschriebene Gewebsnekrosen vor allem in den Stammganglien von 5 bis etwa 20 mm Durchmesser. In der Regel liegen diesen Kleinstinfarkten Verschlüsse in den zuführenden Arterien und Arteriolen zugrunde [13, 40, 41]. Bei gehäuftem Auftreten spricht man von „Status lacunaris“. Kriblüren sind perivaskuläre Gewebsuntergänge, die in der Regel ein zentrales Gefäß erkennen lassen. Der Tastbefund lässt sich mit einem Stoppelbart vergleichen. Hauptsächlich werden hierfür entweder der stark erhöhte Gefäßinnendruck („Zerhämmerungsdruck“; [199]) oder eine Mangelversorgung in der Gefäßumgebung, die sich
Morphologie. Makroskopisch ist die Massenblutung (Abb. 10.17a) in das parietale Marklager, meist ausgehend von der A. lenticulostriata (die Arterie des Gehirnschlags bei den alten Anatomen), der eindrucksvollste Befund; weitere Vorzugslokalisationen der Massenblutungen sind mit jeweils ca. 10% das Marklager des Kleinhirns und die Brücke. In anderen Lokalisationen sind Massenblutungen als Folge des Hypertonus eher untypisch. Insbesondere okzipitale Blutungen müssen differentialdiagnostisch von der Amyloidangiopathie bei älteren Patienten abgegrenzt werden.
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auch enzymhistochemisch nachweisen lässt, verantwortlich gemacht [47]. Kugelblutungen sind kleine, bis 10 mm große Blutungen, meist an der Mark-Rinden-Grenze. Die größeren basalen Gefäße weisen gelegentlich eine ausgeprägte skalariforme Arteriosklerose auf [20]. Nicht selten fehlen aber die makroskopisch beschriebenen Zeichen des Hypertonus, was darauf hinweist, dass die Mikrozirkulationsgefäße, also die Arteriolen, besonders geschädigt sind. Auf die Divergenz zwischen klinisch manifestem Hypertonus und fehlender Morphologie oder lediglich diskreten histologischen Anzeichen weisen Untersucher immer wieder hin [143].
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Mikroskopie. Am konstantesten unter den lichtoptisch fassbaren morphologischen Veränderungen sind folgende histologische Befunde: Hyalinose (fibrinoide Nekrose), Arteriolosklerose und Mikroaneurysmen. Diese Befunde, die unter dem Begriff Mikroangiopathie zusammengefasst sind, werden detailliert in einem eigenen Abschnitt abgehandelt (s. „Mikroangiopathie“). Die histologische Untersuchung der Massenblutung sowie auch der Kugelblutungen weist ein feingewebliches Bild auf, das den allgemeinen pathohistologischen Beschreibungen der Blutungen und ihrer Organisation folgt. Nach 3–4 Tagen treten die ersten Siderophagen auf (Abb. 10.18b).
Kreislaufstörungen des ZNS
Nach etwa 11 Tagen kann Hämatoidin nachgewiesen werden. Darüber hinaus kommt es zu diesem Zeitpunkt zur Glia- und Kapillarreaktion in der Blutungsumgebung. Residuen alter Blutungen weisen eine stärkere Fasergliose in der Umgebung auf. Hier sind häufig Rosenthal-Fasern und Axonkugeln noch Monate nach der Läsion nachweisbar. Elektronenmikroskopisch zeigen ultrastrukturelle Untersuchungen der beim chronischen Hypertonus veränderten Hirngefäße hauptsächlich geschädigte Arteriolen, während Kapillaren und Venolen weniger betroffen sind. Der Hyalinose liegt meist eine ausgeprägte Vermehrung der extrazellulären Matrix (Basalmembrankollagen und andere Kollagentypen und Proteoglykane) zugrunde. Nur mehr wenige glatte Muskelzellen sind am Wandaufbau des Gefäßes beteiligt (Abb. 10.19). Auch die Muskelzellen selbst sind erheblich alteriert im Sinne von degenerativen Veränderungen wie Filamentverlust, zytoplasmatischer Auflockerung und nur noch rudimentär vorhandenen Zellverbindungen zu den benachbarten Muskelzellen einerseits und zu den Endothelzellen andererseits. Dieser Verlust der myomyalen und myoendothelialen Kontaktzonen führt möglicherweise zu einer geringeren Reagibilität der Gefäßwand, wobei unklar ist, ob hierbei die nervöse Regulation eine Rolle spielt. Insbesondere tierexperimentelle Studien zeigen, dass auch Plasmaausfällungen insbesondere von Fibrin regelmäßig nachweisbar sind [60, 141].
Massenblutungen bei anderen Krankheiten Nicht selten führen Leukosen und andere Bluterkrankungen zu Massenblutungen, die neben einer großen frischen Blutung, die für das klinische Bild verantwortlich
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b Abb. 10.18 a Mikroaneurysma bei hypertoner Enzephalopathie. b Blutungsresiduen einer kleinen Kugelblutung im Kortex beim chronischen Hypertonus (Berliner-Blau-Reaktion)
Abb. 10.19 Marklagerarteriole mit ausgeprägter Hyalinose. Verbreiterter subendothelialer Raum mit Basalmembranmaterial und Resten von Muskelendothelverbindungen. Schmale atrophische Muskelzellen an der luminalen Seite der Tunica media, Fibrose der Adventitia (Vergr. 3400:1)
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Spontane intrakranielle Blutungen
ist, kleinere multilokuläre, teils konfluierende Blutungen erkennen lassen [2]. Bei Tumoren des Gehirns können gelegentlich Massenblutungen unter dem klinischen Bild eines Schlaganfalls auftreten. Hier sind es vor allem Glioblastome, Oligodendrogliome und Mischgliome, bei denen Massenblutungen nachweisbar sind [87]. Von Metastasen im Gehirn bluten solche von malignen Melanomen, Chorionkarzinomen, Nierenkarzinomen und Lungenkarzinomen besonders häufig [99]. Selten sind Massenblutungen bei Sepsis – hier liegen überwiegend kleinere, z. T. konfluierende Blutungen vor –, bei Aids [110] und bei markumarisierten Patienten [44, 193]. Bei atypischen Massenblutungen, die z. B. okzipital oder frontal lokalisiert sind, muss auch an die zerebrale Amyloidangiopathie gedacht werden [149].
Aneurysmen Die Aneurysmen der großen Hirnarterien können nach morphologischen und ätiologischen Gesichtspunkten untergliedert werden in • sakkuläre Aneurysmen, • arteriosklerotische Aneurysmen, • entzündliche Aneurysmen, • disseziierende Aneurysmen.
Sakkuläre Aneurysmen Epidemiologie. Angaben zur Häufigkeit der sakkulären Aneurysmen (syn.: beerenförmige Aneurysmen, kongenitale Aneurysmen) schwanken zwischen 1 und 9%, je nachdem, welche Kriterien bei der Untersuchung angewandt worden sind. Aufgrund größerer Untersuchungen ist von einer Häufigkeit von 1–2% auszugehen [106]. Dabei liegen ca. 95% im Bereich der A. cerebri anterior und der A. cerebri media, während 5% im posterioren Abschnitt (A. basilaris und A. posterior) nachweisbar sind. Es wird geschätzt, dass ca. 5% der Bevölkerung Aneurysmen von mehr als 3 mm Größe aufweisen. In dem Untersuchungsgut von McCormick und Nofzinger [106] lagen in ca. 16% der untersuchten Fälle rupturierte Aneurysmen vor. Untersuchungen von größeren Kollektiven mit rupturierten und unrupturierten Aneurysmen haben gezeigt, dass unrupturierte sakkuläre Aneurysmen mit einem Durchmesser von weniger als 10 mm eine geringe Wahrscheinlichkeit aufweisen zu rupturieren. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass intrakranielle sakkuläre Aneurysmen mit zunehmendem Alter an Durchmesser gleichfalls zunehmen [188]. Nicht selten finden sich bei einem Patienten mehrere Aneurysmen; präzise Angaben hierzu fehlen. Insgesamt sind Frauen häufiger betroffen als Männer, wobei der
Altersgipfel von rupturierten Aneurysmen in der 5. und 6. Lebensdekade liegt. Klinik. Hinsichtlich der charakteristischen Symptome eines Aneurysmas muss zwischen Symptomen bei rupturierten und nichtrupturierten Aneurysmen unterschieden werden. Letztere zeigen insbesondere im frontalen Bereich Gesichtsfeldeinengungen und gelegentlich Okulomotoriusparesen. Aneurysmen im Bereich der A. basilaris können gelegentlich klinische Bilder zeigen, wie sie auch bei Kleinhirntumoren beschrieben werden (Okulusmotoriusparesen, Trigeminusneuralgien und Paraparesen). Wichtigstes Symptom der rupturierten Aneurysmen ist der aus voller Gesundheit heraus einschießende vernichtende Kopfschmerz. Dazu treten Meningismus und, je nach Schweregrad, Somnolenz und neurologische Herdsymptome bis hin zur Hemiparese. Hier sind eine kraniale Computer- bzw. Magnetresonanztomographie und unter bestimmten Voraussetzungen eine Liquorpunktion unerlässlich. Die Patienten sind durch die Gefahr einer Nachblutung, Vasospasmen und Hirndruck vital bedroht. Charakteristisch sind gelegentlich auch auslösende Faktoren, wie schwere körperliche Anstrengung; allerdings treten Aneurysmablutungen auch in völliger Ruhe auf, z. B. während des Schlafs in den frühen Morgenstunden. Ätiologie und Pathogenese. Hirnarterien und Hirngefäße weisen im Vergleich zu den Arterien in anderen Körperorganen Besonderheiten auf, wie beispielsweise eine fehlende Lamina elastica externa und eine geringer ausgeprägte Mediazelllage; somit liegt physiologischerweise eine „schwache“ Gefäßwand vor. Diese Strukturbesonderheiten legten es nahe, dass zunächst Mediadefekte, wie sie bei Neugeborenen nachweisbar sind, für die Entstehung verantwortlich gemacht wurden [43]. Diese Mediadefekttheorie oder Anlagestörung der Hirngefäße ist immer wieder in Zweifel gezogen worden. Der eigentliche zugrunde liegende Mechanismus der Aneurysmaentwicklung ist unklar. Am ehesten kommen degenerative Veränderungen in der Gefäßwand in Frage, und möglicherweise gehen beide, degenerative Veränderung und angelegter Defekt, Hand in Hand. Eine Übersicht geben Sekhar und Heros [155]. Untersuchungen konnten zeigen, dass experimentell erzeugter Hochdruck an den basalen Gefäßen der Ratte zur Degeneration der Lamina elastica und der Muskelzellen der Media führt [61]. Morphologie. Der Aneurysmasack sitzt dem Gefäß breitbasig oder gestielt auf. Makroskopisch sind rupturierte Aneurysmen, insbesondere bei ausgedehnter subarachnoidaler Blutung nicht immer einfach nachzuweisen. Im fixierten Zustand wird
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Kreislaufstörungen des ZNS
Abb. 10.20 Kleines, ca. 7 mm großes nicht rupturiertes sackförmiges Aneurysma der A. crebri media. Das Aneurysma ist fibrosiert und sitzt breitbasig der Gefäßwand auf
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sehr leicht die Aneurysmawand bei der Präparation zerstört, so dass es empfehlenswert ist, bei Verdacht auf aneurysmatische Blutung das Gehirn und die basalen Gefäße im unfixierten Zustand durch großzügiges Abschwemmen der Blutbestandteile darzustellen. Nicht selten ist hierbei der Tastbefund entscheidend, da Aneurysmen oft fibrosiert oder thrombosiert sind (Abb. 10.20). Die Darstellung der eigentlichen Rupturstelle, meist im Fundus, ist mitunter schwierig, da sie meist dem Hirn zugewandt lokalisiert ist. Neben der Subarachnoidalblutung führt die Ruptur oft zu einer intrazerebralen Massenblutung, die Anschluss an das Ventrikelsystem gewinnt und dieses tamponiert. Neben der Blutung sind auch Komplikationen, wie anämische Infarkte im Versorgungsgebiet der entsprechenden Arterien nachweisbar, für die eine spastische Konstriktion des Gefäßes als ursächlich angesehen wird (s. Abschnitt „Gefäßspasmen“). Weiterhin kommt es zu den allgemeinen Raumforderungszeichen durch die Blutung, wie z. B. die Verschiebung der Mittellinie und Unkusherniation. Diese intrakranielle Druckerhöhung kann bis zum Bild des Hirntods führen. Histologisch zeigt die Wand des Aneurysmas eine extreme Veränderung in Form nahezu vollständig fehlender Tunica media und fehlender Lamina elastica interna. Die Aneurysmawand ist nahezu komplett aus kollagenen Faserelementen aufgebaut, in die einzelne Muskelzellen und Fragmente elastischen Materials eingestreut sind (Abb. 10.21). In der Umgebung des Aneurysmas sind nicht selten arteriosklerotische Wandveränderungen nachweisbar, allerdings selten in unmittelbarem Bezug zur aneurysmatischen Aussackung. Das frisch rupturierte Aneurysma ist charakterisiert durch Blutauflagerungen und Fibrin in unmittelbarer Nachbarschaft zu der stark verdünnten Aneurysmawand. Siderophagen und Bindegewebsveränderungen sind wesentliche Indizes für die zeitliche Zuordnung einer älteren Ruptur.
Abb. 10.21 Sackförmiges Aneurysma der A. cerebri anterior, unten regelhafter Aufbau der Arterie mit Lamina elastica interna, Tunica media und Adventitia sowie angrenzendes Hirngewebe. Am Übergang vom Gefäß zum Aneurysma wird die Lamina elastica interna fragmentiert, an der Spitze des Aneurysmas ist kein elastisches Material mehr nachweisbar. Stärkere Fibrose der Aneurysmawand (EvG, Paraffinschnitt)
Arteriosklerotische Aneurysmen Bei diesen spindelzelligen (fusiformen) Aneurysmen stehen arteriosklerotische Veränderungen im Vordergrund. Die Patienten sind in der Regel älter, allerdings kommen gelegentlich auch bei Kindern und Jugendlichen oder jungen Erwachsenen solche Aneurysmen vor, so dass Defekte der Tunica media möglicherweise eine besondere Rolle spielen. Klinisch können bei nicht rupturierten, basilären spindelzelligen Aneurysmen wegen der Nachbarschaft zum Kleinhirn Raumforderungszeichen, Störungen der Hirnnerven oder Zeichen einer Hinterstrangdegeneration auftreten. Spindelzellige Aneurysmen machen ca. 7% der Aneurysmen aus. Makroskopisch steht eine starke Erweiterung der Gefäße besonders der A. basilaris im Vordergrund. Gewöhnlich sind starke lumeneinengende Thrombosierungen nachweisbar. Rupturen sind selten. Histologisch werden degenerative Veränderungen der Gefäßwand und arteriosklerotische Veränderungen mit Fibrose, Atheromatose und Kalzinose nachgewiesen. Die Leptomeningen sind gleichfalls fibrosiert und weisen häufig Residuen von Mikroblutungen auf.
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Spontane intrakranielle Blutungen
Entzündliche Aneurysmen Entzündliche Aneurysmen (syn.: mykotische Aneurysmen) sind selten, verlässliche Angaben zur Häufigkeit fehlen deswegen. Klinisch stehen internistische Grunderkrankungen, wie beispielsweise bakteriell infizierte Emboli oder lokale Infektionen im Vordergrund. Morphologisch liegen meist kleine Aussackungen vor, die breitbasig dem Gefäß aufsitzen. Histologisch finden sich schwere entzündliche Veränderungen der Gefäßwand, wie sie vergleichbar bei anderen Arteritiden gesehen werden. Die Entzündung überwiegt in der Adventitia und in den Vasa vasorum und greift erst später auf die intimalen Schichten über. Man erkennt nekrotische glatte Muskelfasern, Makrophagen und rupturierte elastische Fasern, nicht selten spiralig aufgerollt [12].
Abb. 10.22 Disseziierendes Aneurysma der A. basilaris bei einer 32-jährigen Frau mit einer Dissektion beider Aa. vertebrales, die sich bis in die A. basilaris fortsetzte. Hochgradige Einengung des Lumens und ausgedehnte Einblutung zwischen Lamina elastica interna und Tunica media
Disseziierende Aneurysmen Disseziierende Aneurysmen (syn.: traumatische Aneurysmen, intramurale Hämatome) betreffen am häufigsten die A. vertebralis und die A. carotis interna und kommen sowohl intrakraniell als auch extrakraniell vor. Auf Klinik und Pathologie gehen Caplan [19] und O’Connell et al. [122] ausführlich ein. Bei intrakraniellen Aneurysmen sind häufig jüngere Patienten betroffen, mit einem durchschnittlichen Alter von 35 Jahren und ohne vaskuläre Grunderkrankungen. Bei älteren Patienten liegt die Dissektion häufiger extrakraniell. Hier werden degenerative Veränderungen als prädisponierend angesehen [16]. Klinisch sind extrakranielle Aneurysmen der Vertebralarterien gekennzeichnet durch meist okzipitale oder im Nacken gelegene Schmerzen. Neurologische Symptome der Medulla oder des Kleinhirns treten schleichend oder akut auf. Ursächlich werden chiropraktische Manipulationen und andere heftige Drehbewegungen am Kopf (z. B. beim Autofahren) angesehen. Intrakranielle Dissektionen verursachen meistens ischämische Insulte, subarachnoidale Blutungen mit entsprechender Klinik und gehen mit einer hohen Morbidität und Mortalität einher. Sie können die Folge von stumpfen Halstraumen (z. B. Boxer), gedeckten Hirnverletzungen und Schädelbasisfrakturen sein. Morphologisch liegen hier intimale Dissektionen (Abb. 10.22) oder Mediarisse vor, die zu ausgedehnten Blutungen in der Gefäßwand und in die Umgebung führen. Nicht durch Trauma bedingte disseziierende Aneurysmen kommen im Zusammenhang mit der zerebralen Amyloidangiopathie vor (s. unten).
Gefäßspasmen Der zerebrale Gefäßspasmus (syn.: zerebraler Vasospasmus) ist in seiner Tragweite und Häufigkeit erst durch verbesserte bildgebende Verfahren erkannt worden. Betroffen sind hauptsächlich Patienten mit Subarachnoidalblutungen, bei denen in 30% der Fälle mit einem Gefäßspasmus zu rechnen ist. Er tritt 3–4 Tage nach dem Blutungsereignis auf und erreicht ein Maximum nach 10 Tagen. In der Folge dieser Gefäßspasmen können umschriebene Hirninfarkte auftreten. Makroskopisch sind sichere Gefäßspasmen nur durch moderne angiographische Verfahren zu fassen. Histologische Untersuchungen zeigen, dass es zu einer stark gewellten Lamina elastica interna kommt, darüber hinaus sind Nekrosen der Tunica media nachweisbar [126]. Im späteren Stadium kommt es zur Atrophie und Fibrose der Muskelzellschicht und zu entzündlichen Veränderungen in der Umgebung sowie in der Intima [69]. Ultrastrukturell konnte gezeigt werden, dass es akut zur ausgeprägten Protrusion der Endothelzellen kommt (Abb. 10.23), wobei das Lumen nahezu vollständig verschlossen wird und eine starke Verformung der Muskelzellen der Media nachweisbar ist [98, 137]. Nach längerer Dauer sind granuläre Körper in den Muskelzellen und extrazellulär nachweisbar [166]. Pathogenese. Einerseits werden vasoaktive Stoffwechselprodukte, wie z. B. Prostaglandine, Serotonin, die durch subarachnoidale Blutungen freigesetzt werden, für die extreme Gefäßkontraktion verantwortlich gemacht [27]. Andererseits sollen auch Peptide, wie Endothelin eine Rolle spielen [108]. Auffällig ist nach experimentellen
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Kreislaufstörungen des ZNS
Letztendlich sind die genauen Ursachen und Mechanismen des Vasospasmus sowohl unter experimentellen Bedingungen als auch bei verschiedenen Grundkrankheiten (subarachnoidale Blutung, Schädeltraumen, maligne Hypertonie) ungeklärt.
Hirngefäßerkrankungen Arteriosklerose
Abb. 10.23 Spastische Kontraktion einer Arteriole des Kortex. Extreme Faltung der Tunica media, Tuschepartikel im Restlumen des Gefäßes (experimentelle Bedingungen wie in Abb. 10.24, Vergr. 2640:1)
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b Abb. 10.24 a Segmentaler Spasmus einer meningealen Arterie. Zustand nach respiratorischer Alkalose im Tierexperiment. b Perlschnurartige Gefäßverengung beim Spasmus einer intrakortikalen Arteriole. Experimentelle Bedingungen wie in Abb. 10.24a
Untersuchungen, dass häufig segmentale Spasmen (Abb. 10.24) auftreten, die auch durch mechanische und elektrische Reize ausgelöst werden können und zu einer kompletten lokalen Zirkulationsstörung führen [105].
Schädigungen des Hirngewebes treten sowohl durch arteriosklerotische Veränderungen der extrazerebralen Basisgefäße und der intrazerebralen Gefäße als auch durch Veränderungen an großen zuführenden Arterien auf. Zwischen dem Ausmaß und dem zeitlichen Einsetzen der Arteriosklerose an den großen Körperarterien und an den zerebralen Arterien bestehen keine sicheren Parallelen. Eine zerebrale Arteriosklerose wird in größeren Obduktionsserien nur in 1–5% der Fälle beobachtet [76]. Schwere atheromatöse Veränderungen der Basisarterien müssen wiederum nicht notwendigerweise mit intrazerebralen Nekrosen verbunden sein. Ebenso besteht keine Korrelation zwischen atherosklerotischen Veränderungen an den Basisarterien und Veränderungen der kleinen Arterien der Konvexität. 21% der Erwachsenen mit schwerer Arteriosklerose der Basisgefäße hatten intakte intrazerebrale Arterien, während andererseits 55% von Patienten mit ausgeprägten intrazerebralen Atherosklerosen nur geringfügige Veränderungen an den Basisarterien aufwiesen [7]. In der zeitlichen Staffelung erkrankten zuerst die Vertebralarterien, dann die Karotiden in ihrem intrakraniellen Anteil, dann die großen Basisarterien in der Reihenfolge A. basilaris, A. cerebri media, A. cerebri posterior und A. cerebri anterior. Es folgen die kleineren basalen Äste und die größeren basalen Zweige sowie schließlich Anteile der Konvexitätsarterien [175]. In Japan ergab sich eine abweichende Vulnerabilität mit bevorzugter Schädigung der proximalen Anteile der A. cerebri posterior bei nur geringer Beteiligung der A. carotis [115]. Erste atheromatöse Wandveränderungen können bereits im Säuglings- und Kindesalter beobachtet werden. Ab dem 40. Lebensjahr nimmt die Häufigkeit der Atherosklerose rasch zu und ist bei über 75-Jährigen in 95% der Fälle deutlich. Hinsichtlich des Geschlechtsverhältnisses sind zunächst die Männer bevorzugt betroffen, nach der Menopause die Frauen [178]. Pathogenese. Die intrakraniellen Arterien unterscheiden sich von den übrigen Körperarterien durch das Fehlen der Lamina elastica externa und durch eine schmale Tunica media. Dadurch ergibt sich eine besondere Aus-
Hirngefäßerkrankungen
gangssituation für arteriosklerotische Schädigungsprozesse im Gehirn. Grundsätzlich gelten aber die gleichen pathologischen und pathogenetischen Bedingungen wie bei den anderen Körperarterien [113]. Das Wesentliche an der Genese der Arteriosklerose ist ihre multifaktorielle Natur. Einzelne Krankheiten sind selten direkt mit der Entstehung der Arteriosklerose in Verbindung zu bringen, weder im humanen System noch in tierexperimentellen Studien. Zu den wesentlichen Faktoren gehören: • Gefäßarchitektur (diese ist nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung der atheromatösen Veränderungen, sind doch bevorzugt an den Verzweigungsstellen oder an ausgeprägten Knickbildungen Läsionen anzutreffen); • metabolische Störungen (hierzu gehören u. a. Diabetes mellitus und Hyperlipidämien); • Schädigungen durch Zigarettenrauchen. Über den Stellenwert der einzelnen Faktoren herrscht Unklarheit. Möglicherweise spielt auch die virale Genese wieder eine stärkere Rolle, da neuere Untersuchungen auf die Beteiligung der Herpesviren hinweisen (Übersicht bei Hajjar [57]). Unbestritten von Bedeutung für die Morphologie ist die plasmatische Durchtränkung der Intima und die Aktivierung der glatten Muskelzellen der Media, die in die Intima einwachsen und eine Umwandlung von kontraktilen in metabolisch aktive Myozyten erfahren. Diesen primären Störungen folgen nekrobiotische Vorgänge, die schließlich zur Bildung von Cholesterinestern, Schaumzellen und Kalkablagerungen führen. Neben den Gewebsschädigungen, die durch arteriosklerotische Veränderungen der unmittelbaren Wandabschnitte verursacht sind, muss zur Erklärung der Gewebsnekrose im Gehirn auch embolisch verschlepptes Material herangezogen werden, das sich aus atheromatösen Beeten in großen proximalen Arterienabschnitten gelöst hat. 20–40% der einseitigen extrakraniellen Karotisverschlüsse bleiben klinisch folgenlos, ebenso 75% der einseitigen Vertebralisverschlüsse. Ursache ist hierfür möglicherweise die Fähigkeit zur Kollateralversorgung. Darüber hinaus können arteriosklerotisch bedingte Stenosen oder gar Verschlüsse in proximalen Arterienabschnitten insbesondere der A. carotis interna oder an der A. vertebralis die Wirkung anderer Wandprozesse verschärfen, weil bei Blutdruckabfall oder Viskositätsänderungen dann die Versorgung des Gewebes nicht mehr gewährleistet ist. Morphologie. Makroskopisch sind die atheromatösen Veränderungen besonders deutlich an den basalen Arterien erkennbar. Die Zerstörung der Lamina elastica interna und die Schädigung der Tunica media führt zu einer Ausdehnung und Verlängerung des arteriellen Gefäßschlauches sowie zu einem Elastizitätsverlust (Abb. 10.25a), der sich besonders gut an der A. basilaris und den Verte-
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a
b
c Abb. 10.25 a Massive Arteriosklerose der extrazerebralen basalen Gefäße mit Schlängelung der ampullenartig erweiterten A. basilaris. b Hyalinose einer meningealen kleinen Arterie (van-Gieson-Färbung). c Arteriolosklerose einer kleinen kortikalen Arteriole, hier mit ausgeprägter Fibrose der Adventitia, verursacht durch eine kräftige Kollagenvermehrung (Immunhistologie/Kollagen Typ VI)
bralarterien beobachten lässt. Die Einlagerung von atheromatösem Material und die lokale Wandsklerose führen zur Knickbildung und bogenförmigen Verdrehungen. Mikroskopisch entsprechen die Veränderungen an den Hirnarterien durchaus denen an Gefäßen der anderen Körperorgane. Intimaödeme besonders an den Verzweigungsstellen weisen auf frische Initialstadien hin. Kommt es zu stärkeren Verquellungen der Intimaabschnitte und zu einer Aufsplitterung der Lamina elastica interna und einem Übergreifen auf die Media, so kann in
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diesem Stadium eine sehr intensive Proliferation glatter Muskelzellen mit Einwanderung in die Intima beobachtet werden. Hier kommt es besonders ausgeprägt an der Intima-Media-Grenze zur Verfettung der aktivierten Myozyten. Mit der Schaumzellbildung und der Ausfällung von Cholesterinkristallen geht in der Regel eine Stenosierung des Gefäßes einher. Hier kann es bei Endothelzerstörungen zu thrombotischen Auflagerungen kommen. Elektronenmikroskopisch stellen sich diese Veränderungen ähnlich wie in anderen Körperarterien dar [63].
Altersveränderungen an Hirngefäßen (Seneszentenarteriosklerose)
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Altersveränderungen der Gefäße sind nicht immer scharf von den arteriosklerotischen Veränderungen an sich abzugrenzen. Neben einer ausgeprägten Aufsplitterung der Lamina elastica interna kommt es zu stärkerer Fibrose der gesamten arteriellen Gefäßwand. Darüber hinaus werden mit unterschiedlichen Techniken (Elektronenmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie, Mikroangiographie) neben Fibrosen der Kapillaren und Venen zahlreiche Knäuelbildungen der kleinen intrazerebralen Gefäße gesehen [58, 131] sowie Torsionen der Arteriolen beobachtet [1].
Zerebrale Mikroangiopathie („small vessel disease“) Unter Mikroangiopathie versteht man allgemein die pathologische Veränderung der kleinen Gefäße (Kapillaren, Venolen, Arteriolen und kleine Venen und Arterien) im Gehirn. Somit umfasst der Begriff Mikroangiopathie folgende Befunde: (Lipo)Hyalinose, fibrinoide Nekrose, Mikroaneurysmen, Atherosklerose und Arteriolosklerose. Zahlreiche Autoren schränken allerdings die Mikroangiopathie ein auf die spezielle Pathologie der Gefäße beim chronischen Hypertonus, M. Binswanger sowie Veränderungen im Alter.
Atherosklerose kleiner Gefäße Kleine Arterien (150–900 m) zeigen im Wesentlichen die gleichen Veränderungen wie große Arterien, verursacht durch Diabetes mellitus, Hypertonus, Hypercholesterinämie u. a. Durch diese Grundkrankheiten verlagert sich, so die Hypothese, die Schädigung in die Peripherie, so von den großen perforierenden Ästen der Arterien nach meningeal.
Kreislaufstörungen des ZNS
Arteriolosklerose Unter Arteriolosklerose versteht man eine verdickte Wand der Arteriolen (10–150 m im Durchmesser) durch einerseits Fibrose und Hyalinose, wobei es zum Verlust der glatten Muskelzellen kommt (s. Abb. 10.19). Andererseits kommt es zur Verdickung der Basalmembran. Allerdings gibt es Überlappungen zwischen Arteriolosklerose und Lipohyalinose auf der einen und einer Tunica-media-Hyperplasie beim chronischen Hypertonus auf der anderen Seite. Differentialdiagnostisch muss die Arteriolosklerose abgegrenzt werden von Angiopathien bestimmter Krankheitsbilder, wie beispielsweise der kongophilen Angiopathie und CADASIL.
Fibrinoide Nekrose, (Lipo)Hyalinose Der Begriff Hyalinose beruht auf der Färbbarkeit und der lichtoptischen Erscheinung, wobei besonders in der Elastica-van-Gieson-Färbung die Wand homogen milchglasartig dargestellt wird (s. Abb. 10.25b). Auf Stufenschnitten zeigt sich, dass diese Veränderung oft auf Segmente des Gefäßes beschränkt ist. Der gelegentlich synonym verwandte Begriff „fibrinoide Nekrose“ dagegen entspricht einer Fibrindurchtränkung der Gefäßwand und tritt überwiegend bei der malignen Hypertonie auf. Der häufig benutzte Begriff Lipohyalinose wurde von Miller geprägt und wird sehr unterschiedlich angewandt. Neuere Untersuchungen zeigen ein komplexes Bild molekularbiologischer Abläufe [92], detaillierte Untersuchungen zum Aufbau der extrazellulären Matrix bei den unterschiedlichen Mikroangiopathien werden vermisst. Vereinzelt liegen Befunde vor, so zur Immunhistologie der spontanhypertensiven Ratte, des M. Binswanger und zum chronischen Hypertonus (s. Abb. 10.25c) [46, 140, 198].
Mikroaneurysmen Die Häufigkeit von Mikroaneurysmen ist umstritten. Gelegentlich trifft man Wandaussackungen und verdünnte Gefäßwände im Schnittpräparat an (s. Abb. 10.18a). Systematische Untersuchungen an Dickschnitten [29] weisen sie besonders gehäuft an der Mark-Rinden-Grenze sowie in den Stammganglien nach. Neuere Untersuchungen mit anderen Techniken zeigen [23], dass es sich hierbei wohl um Torsionen, also um Projektionen im angiographischen Bild handelt, während echte Mikroaneurysmen selten sind. Die sichere Identifikation von Mikroaneurysmen am Paraffinschnitt ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
Hirngefäßerkrankungen
Multiinfarktdemenz Die multiplen Nekrosen sind bei der Multiinfarktdemenz (syn: Multiinfarktenzephalopathie und vaskuläre Demenz) nicht auf das Marklager beschränkt. Die Stammganglien sind ebenso wie die Rindenabschnitte gewöhnlich mitbetroffen. Außerdem sind im Gegensatz zur Binswanger-Enzephalopathie die Nekrosen größer und die U-Fasern nicht ausgespart (Abb. 10.28a,b). Gegen eine Zusammenfassung der Binswanger-Krankheit und der Multiinfarktdemenz sprechen folgende Argumente: Klinisch ist das Demenzbild zwar ein gemeinsames Endstadium, doch bei der Binswanger-Krankheit treten über lange Jahre langsam fortschreitende Wesensveränderungen auf, während Paresen und ähnliche Herdausfälle fehlen oder nur gering ausgeprägt sind. Bei der Multiinfarktdemenz enthält die Vorgeschichte häufig Herzrhythmusstörungen, außerdem Zeichen wiederholter Schlaganfälle. Pathogenetisch ist bei der Multiinfarktde-
a
b Abb. 10.26a,b Encephalopathia subcorticalis chronica (M. Binswanger). a Diffuse kleinherdige, z. T. konfluierende Nekrosen des subkortikalen frontalen Marklagers. b Markscheidenfärbung desselben Falls mit ausgeprägter subkortikaler Entmarkung bei Aussparung der U-Fasern im Bereich des okzipitalen Lappens
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menz wohl von embolischen Streuungen bei thrombotischen Gefäßwandaufbrüchen oder Herzklappenveränderungen auszugehen. Allerdings ergeben sich Schwierigkeiten der Abgrenzung im pathologisch-anatomischen Bild gegenüber anderen Demenzerkrankungen. Hierzu liegen detaillierte Übersichten vor [18, 50, 70, 112]. Darüber hinaus wird von anderen Autoren auf die Heterogenität bei der vaskulären Demenz hingewiesen [179] und vorgeschlagen, M. Binswanger, CADASIL, vaskuläre Demenz sowie Alzheimer mit vaskulärer Demenz unter dem Begriff „vascular cognitive impairment“ zu subsumieren [142].
Binswanger-Krankheit Bei der Binswanger-Krankheit handelt es sich um eine besondere Schädigungsform des Gehirns in der Kombination von Atherosklerose und allerdings nicht obligater Hypertonie mit multiplen Mikronekrosen im Marklager unter weitgehender Verschonung der Rinde. Wie bei der Multiinfarktdemenz angedeutet, herrscht auch bei der Binswanger-Krankheit keine einheitliche Definition vor (syn: Enzephalopathia chronica progressiva subcorticalis, „subcortical ischemic vascular dementia“, „subcortical arteriosclerotic encephalopathy“, „poststroke dementia“). Makroskopisch sind Konfiguration und Hirngewicht normal, allerdings weisen die basalen Gefäße in 60% der Fälle eine mäßige bis starke Arteriosklerose auf. Seitenventrikel und auch der 3. Ventrikel sind mäßig bis stark erweitert; im Marklager findet sich manchmal eine graue Verfärbung bei erhöhter Festigkeit (Abb. 10.26a). In 87% der untersuchten Fälle sind Lakunen nachweisbar [42]. Insbesondere im periventrikulären Marklager finden sich nekrotische Veränderungen. Histologisch zeigt sich auf Markscheidenschnitten, aber auch im Gieson-Präparat eine diffuse Entmarkung dieser Gebiete (s. Abb. 10.26b). Die mit Nekrosen verbundenen Gefäße weisen Hyalinose und Wandfibrosierungen auf. Die Nekrosen können unterschiedliches Alter haben und zeigen entsprechende Übergänge. Neuere Untersuchungen weisen auf die Beziehung zur Mikroangiopathie hin. Charakteristischerweise werden die U-Fasern von der Entmarkung verschont. In fast allen Fällen lässt sich ein Status cribrosus nachweisen. Pathogenese. Die Erklärungen von Binswanger und Alzheimer, dass arteriosklerotische Veränderungen in den langen penetrierenden Arteriolen des Marklagers wesentlich für die Entstehung der Marklagerschäden sind, findet vielfach Unterstützung [42, 76, 167]. Durch eine ausgeprägte Hyalinose der Arteriolenwand kommt es zur Mangelversorgung auch der unmittelbaren Gefäßumgebung. Möglicherweise liegt eine direkte Schädigung auch der abgehenden Kapillaren vor [71].
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10 Abb. 10.27 Koronares MRT in FLAIR-Sequenz. Flächenförmige, ausschließlich das Marklager betreffende deutliche Signalerhöhung beidseits. Lakunärer Infarkt in den Stammganglien, Verdacht auf Leukoaraiosis. (Aufnahme von Prof. Solymosi, Abt. Neuroradiologie, Universität Würzburg)
Zahlreiche CT- und MRT-Untersuchungen zeigen eine Rarefikation des Marklagers (Abb. 10.27); dieser Befund ist rein deskriptiv auch als Leukoaraiosis bezeichnet worden. Révész et al. [133] haben die Befunde des MRT mit den histologischen Befunden korreliert und gezeigt, dass Abschnitte mit MRI-abnormalen Signalanhebungen mit Abschnitten axonaler und myelinen Veränderungen sowie kleinen Lakunen korrespondieren. Immunhistologische Arbeiten zeigen in der Gefäßwand eine Veränderung der extrazellulären Matrix, eine ausgeprägte Deposition von Kollagen Typ I, III, IV, V und VI [198]. Alternative Konzepte rücken daher direkte ischämische Folgeerscheinungen, Ödemfolgen und chronische Hypoxie in den Vordergrund [7, 91, 196].
Abb. 10.28 a Multiinfarktdemenz mit zahlreichen Nekrosen im Stadium III im Marklager und Stammganglien. b Multiple umschriebene Kleinhirnnekrosen bei Multiinfarktdemenz. c Nekrose im dorsolateralen Bereich der Medulla oblongata bei Thrombose des Ramus circumflexus der A. basilaris, klinisch Wallenberg-Syndrom. d Hämorrhagischer Infarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebri posterior links
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CADASIL Hierbei handelt es sich um eine autosomal-dominante Arteriopathie, die zu rezidivierenden Hirninfarkten führt und mit einer progredienten Demenz einhergeht (syn.: familiäre zerebrale Arteriosklerose, hereditäre Multiinfarktdemenz, familiäres Binswanger-Syndrom). Nach der Erstbeschreibung von Sourander und Walinder [161] fanden Tournier-Lasserve et al. [177] den Gendefekt auf Chromosom 19 und prägten das Akronym CADASIL (cerebrale autosomal-dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukenzephalopathie). Genetik. Das defekte Gen 19p13 kodiert für Notch 3 ein transmembranöses Rezeptorprotein, das eine Rolle während der Entwicklung bei der Differenzierung von Muskelzellen spielt [80]. Weitere Untersuchungen weisen auf eine Punktmutation hin, auch Deletionen sind beschrieben [32].
Abb. 10.29 Meningeale kleine Arterie bei einer 47-jährigen Patientin mit CADASIL. Es kommt zu einer ausgeprägten Verdickung der Gefäßwand sowie Ablagerung reichlich PAS-positiven granulären Materials in der Media und betont in der Adventitia (PAS-Reaktion, Vergr. 100:1). (Aufnahme von Frau Priv.-Doz. A. Bornemann, Institut für Hirnforschung, Universität Tübingen)
Epidemiologie. CADASIL tritt in verschiedenen ethnischen Gruppen auf, größere Anzahl von Fällen sind bisher bei Europäern beschrieben, in deutschen, französischen und finnischen Familien [22, 33]. Zwischenzeitlich sind viele hundert Familien weltweit beschrieben und es wird eine Inzidenz von 4:100.000 angegeben [81]. Klinik. Die Kardinalsymptome von CADASIL sind rezidivierende ischämische Infarkte, kognitive Defizite, Demenz und Migräne mit Aura. Die Präsentation der Symptome und der Krankheitsbeginn können erheblich variieren. Die ersten Infarkte treten bereits mit 30 Jahren auf, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen 40 und 50 Jahren. Psychiatrische Symptome sind die zweithäufigste Symptomengruppe. In der deutschen Studie zeigten 41% der Patienten kognitive Defizite, 28% eine Demenz, 38% der Patienten hatten eine Migräne mit Aura. Selten treten epileptische Anfälle auf, Hypertonus ist meist nicht nachweisbar. Die Laborparameter sind unauffällig. MRT-Untersuchungen zeigen in 96% der Fälle eine charakteristische Hyperintensität periventrikulär und in der weißen Substanz. Untersuchungen des zerebralen Blutflusses mit SPECT und PET weisen auf einen reduzierten zerebralen Blutfluss hin, der morphologisch nachweisbaren Gehirnzerstörungen vorausgeht [33]. Pathologie. Makroskopisch zeigt das Gehirn bei der Sektion häufig lakunäre Infarkte im Marklager und im Hirnstamm, wobei der Kortex in der Regel gut erhalten ist. Blutungen sind untypisch. Histologisch weisen die Arterien der Leptomeningen und des Marklagers eine verdickte Tunica media auf mit basophilem granulärem Material, das PAS-positiv ist (Abb. 10.29).
Abb. 10.30 Elektronenmikroskopisches Bild der Wand einer kleinen intrazerebralen Arteriole mit zahlreichen granulären Ablagerungen, überwiegend in der Adventitia in unmittelbarem Kontakt zu glatten Muskelzellen. Das Inset zeigt eine stärkere Vergrößerung der granulären Ablagerungen. Gleicher Fall wie in Abb. 10.29. (Aufnahme von Frau Priv.-Doz. A. Bornemann)
Ultrastrukturell lassen sich Ablagerungen von granulärem osmiophilem Material (0,2–0,8 lm durchmessend) zwischen den degenerierten glatten Muskelzellen und in der Adventitia nachweisen (Abb. 10.30). Filamentäres Material (insbesondere Amyloidfibrillen) wird vermisst. CADASIL ist zwar auf das ZNS beschränkt, dennoch sind die charakteristischen Ablagerungen in fast allen Organen nachweisbar. Somit eignet sich die Muskel- und Nervenbiopsie insbesondere auch die Hautbiopsie zu einer spezifischen Diagnose [151].
GOM
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Kapitel 10
Pathogenese. Die genauen pathogenetischen Mechanismen sind noch unklar. Aufgrund der Schädigung der glatten Muskelzellen sowie der benachbarten osmiophilen Granula wird vermutet, dass der Gefäßumbau ursächlich für die lakunären Infarkte ist. Da überwiegend großkalibrige Arteriolen und kleine Arterien betroffen sind, liegt das Schädigungsmuster, insbesondere wird das Marklager betroffen, in der besonderen Angioarchitektur begründet.
Kreislaufstörungen des ZNS
chischen Folge befallen, ähnlich wie sie für die senilen Plaques vorliegt [168]. Histologisch sind Amyloid-β-Ablagerungen vor allem in der Adventitia und Tunica media durch eine Kongofärbung mit Doppelbrechung oder immunhistologisch nachweisbar (Abb. 10.32a–c).
Zerebrale Amyloidangiopathie
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Die zerebrale Amyloidangiopathie (CAA; syn: kongophile Angiopathie, drusige Gefäßwandentartung) ist eine Erkrankung, die häufig bei älteren Menschen auftritt und besonders die meningealen und kortikalen Gefäße befällt. Obgleich seltene hereditäre Formen bekannt sind, tritt die CAA in der Regel sporadisch auf. Sie findet sich häufig in der Assoziation mit dem M. Alzheimer, tritt aber auch ohne Demenz auf. Klinisch ist die kongophile Angiopathie meist stumm. Durch die Einlagerungen von E-Amyloid (ein fibrilläres, gefaltetes Protein) in die Gefäßwand tritt eine Fragilität auf, die Ursache für intrakranielle Blutungen sein kann, sowohl kleine als auch Massenblutungen, oft atypisch lokalisiert und Anlass für eine neurochirurgische Intervention. Eine definitive Diagnosestellung ist nur durch einen histologischen Befund möglich. Pathologie. Makroskopisch ist das Gehirn bei der CAA unauffällig, es sei denn, in Folge der CAA ist eine intrakranielle Massenblutung aufgetreten. Diese ist meist atypisch lokalisiert, bevorzugt frontal oder okzipital (Abb. 10.31). Prädelektionsstellen für die CAA sind kleine meningeale und kortikale Arterien und Arteriolen [132]. Weitere Hirnregionen werden in einer hierar-
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c
Abb. 10.31 Spontane mehrzeitige atypische Massenblutung parietookzipital links bei einer 83-jährigen Frau mit zerebraler Amyloidangiopathie. Dunkel-rot-schwarz die frische Blutung, rot-gelblich die alte Blutung
Abb. 10.32a,b Hyalinose. a Ausgeprägte Hyalinose der Gefäßwand in Arteriolen mit Ablagerung von Amyloid (Kongorotdarstellung). b Gleiches Präparat mit Polarisationsoptik. Es kommt zu einer gelblich-grünlichen Doppelbrechung im Bereich des kongophilen Materials. c Arterioläres intrakortikales Gefäß mit ausgeprägter Ablagerung von E-Amyloidablagerungen in der Tunica media und Adventitia. Eine Kapillare ist gleichfalls betroffen. (Immunhistologie für E-Amyloid)
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Hirngefäßerkrankungen
Pathogenese. Die Pathogenese der CAA ist unklar. Nach Révész et al. [134] werden im Wesentlichen 3 Hypothesen diskutiert. 1. Systemisch: Amyloid-β wird in zahlreichen Zellen gebildet und in Gefäßen abgelagert. 2. Vaskulär: Gefäßwandzellen bilden Amyloid-β. 3. Drainage: Der perivaskuläre Drainageweg ist insbesondere bei alten Menschen gestört und führt daher zu Ablagerungen von Amyloid-β in der Gefäßwand. Die Beziehung der CAA zur Alzheimer-Krankheit wird in den Übersichtsarbeiten von Thal et al. [169] und Weller et al. [185] ausführlich dargelegt. Weitere Formen der CAA [familiäre Amyloidose, finnischer Typ (FAF), familiäre Demenz, britischer Typ (FBD) u. a.] sind biochemisch, molekular-pathologisch und genetisch unterschiedliche Krankheiten, denen die Ablagerung von Amyloid gemeinsam ist [134].
Vaskulitiden und andere Angiopathien Entzündliche Gefäßerkrankungen des Zentralnervensystems sind eine Herausforderung für Kliniker und Neuropathologen, da sowohl sehr unterschiedliche Symptome präsentiert werden als auch die Morphologie oft unspezifisch und schwierig zu interpretieren ist. Darüber hinaus werden Pathogenese und Ätiologie kontrovers diskutiert. Neben zahlreichen systemischen Vaskulitiden, bei denen das ZNS mitbeteiligt ist, wie z. B. bei der Panarteriitis nodosa oder bei dem systemischen Lupus erythematodes, gibt es wenige primäre kranielle oder zerebrale Manifestationen der Angiitis: die Riesenzellarteriitis, die Takayasu-Arteriitis und die primäre Angiitis des Zentralnervensystems.
Vaskulitiden des ZNS • Primäre kraniale Vaskulitiden – Takayasu-Arteriitis – Riesenzellarteriitis – Primäre ZNS-Angiitis • Zerebrale Manifestationen von Systemerkrankungen – Systemischer Lupus erythematodes – Panarteriitis nodosa – Wegener-Granulomatose – Churg-Strauss-Syndrom – Sjögren-Syndrom – Behçet-Syndrom • Infektiöse Erkrankungen – Borreliose – Tuberkulose • Viral bedingte Vaskulitiden und andere
Primäre Angiitis des ZNS Synonyme für diese Erkrankung sind intrakranielle Vaskulitis und granulomatöse Angiitis des ZNS. Das klinische Bild der meist erwachsenen Patienten ist uneinheitlich: Kopfschmerzen, multifokale neurologische Defizite, unspezifische MRT-Befunde; in der Angiographie sieht man segmentale Einschnürungen der zerebralen Arterien (Abb. 10.33a,b). Da bei generell schlechter Prognose eine aggressive Suppressionstherapie nicht selten erfolgreich ist, werden zunehmend offene Biopsien durch den Neurochirurgen durchgeführt [3, 28, 163]. Dabei sollte neben leptomeningealem Gewebe auch ein Gewebsblock des angrenzenden Kortex vorliegen. Die Histologie zeigt ein dichtes, entzündliches, überwiegend lymphozytäres Infiltrat, Histiozyten und Plasmazellen sind spärlich. Hierbei wird oft die gesamte Gefäßwand durchsetzt. Riesenzellen sind in einem Teil der Fälle nachweisbar (Abb. 10.34). Der neuropathologische Befund ist unspezifisch, und differentialdiagnostisch müssen systemische granulomatöse Entzündungen, z. B. eine Sarkoidose, eine Riesenzellarteriitis, und bei fehlenden Riesenzellen auch lymphatische Grunderkrankungen (angiotropes Lymphom) abgegrenzt werden.
Panarteriitis nodosa Epidemiologie. Das Zentralnervensystem ist bei dieser Krankheit (syn.: Periarteriitis nodosa) relativ selten beteiligt. Angesichts von Literaturangaben über die Häufigkeit, die zwischen 8% und 80% einer zerebralen Beteiligung schwanken [20], neigen wir jedenfalls der niedrigeren Zahl zu. Morphologie. Vielfach beschränkt sich das Bild auf unspezifische entzündliche Infiltrate. Knötchenförmige Auftreibungen („nodosa“) sind ausgesprochen selten [182]. Es kann dann zu perlschnurartigen Auftreibungen und Verhärtungen der Gefäßwand kommen, die durch ihre helle Farbe zusätzlich auffallen. Liquorpleozytosen und Subarachnoidblutungen kommen gelegentlich in Abhängigkeit vom Sitz des Prozesses vor. Es sind dann die Arterienwände meist durchgehend durch alle Schichten entzündlich infiltriert, wobei lediglich die Media relativ geringer betroffen ist. Fibrinoide Nekrosen von Wandsegmenten sind ebenfalls eher selten. Sie finden sich vor allem bei den knotigen Formen. In der Adventitia kann es zu Granulombildungen mit Übergreifen auf das angrenzende Hirngewebe kommen. In der Intima herrschen Gewebsschwellung und lymphozytäre, in perakuten Fällen auch
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Kreislaufstörungen des ZNS
Abb. 10.34 Bioptischer Nachweis einer granulomatösen Angiitis subkortikal mit Riesenzellen, epitheloiden Zellen und Lymphozyten in der Gefäßumgebung; mäßige Gliose im angrenzenden Parenchym (HE-Färbung; gleicher Fall wie in Abb. 10.33)
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Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Epidemiologie und Pathogenese. Bei dieser ebenfalls disseminiert auftretenden Systemkrankheit sind Frauen im Verhältnis von 6:1 gegenüber Männern häufiger betroffen; der Krankheitsgipfel liegt im 2. und 3. Lebensjahrzehnt [35]. Der zu den Autoimmunkrankheiten zu zählende SLE betrifft das Zentralnervensystem in 20–25% der Fälle, wobei wie bei der Panarteriitis nodosa die zufällige Verteilung der Gefäßwandentzündung die klinische Symptomatologie bestimmt.
Abb. 10.33a,b 23-jähriger Mann mit Sprachstörung, Pleozytose im Liquor, Verdacht auf Vaskulitis. a Axiales MRT in Protonenwichtung; das Marklager und den Kortex betreffende Signalsteigerung beidseits. Die runde Signalminderung entspricht der Biopsiestelle. b DSA der linken A. carotis communis in Schrägposition. Multiple umschriebene Kaliberschwankungen an den zerebralen Gefäßen, besonders ausgeprägt an der A. cerebri anterior (Pfeile). (Aufnahmen von Prof. Solymosi, Abt. Neuroradiologie, Universität Würzburg)
granulozytäre Infiltrate vor, während in der Adventitia eher lymphoplasmazelluläre Infiltrate angetroffen werden. Ist es nicht zur Gewebsnekrose gekommen, so sind doch vielfach perivaskuläre ödematöse Gewebsauflockerungen sichtbar [103]. Eosinophile Granulozyten können den Infiltraten beigemengt sein.
Morphologie. Fibrinoide Gefäßveränderungen und LEKörper finden sich seltener als in den übrigen Körperorganen. Die Gefäßveränderungen können aus unspezifischen Intima- und Adventitiainfiltraten bestehen, wobei die kleinen Arterien der Leptomeningen und der Hirnrinde bevorzugt befallen sind. In fortgeschrittenen Stadien sieht man Intimaproliferate und Thrombenbildungen, wobei die Infiltrate auch auf die Venen übergreifen [129]. Erythrodiapedesen, Blutungen und Nekrosen von uncharakteristischem Verteilungstyp können die Folge der Gefäßveränderungen sein. Dabei kommen selten auch Koagulationsnekrosen oder das Bild der sog. kolloiden Degeneration vor. Diagnostisch ist der Nachweis von LE-Zellen bedeutungsvoll. Es handelt sich hierbei um basophile, strukturlose Zytoplasmaeinschlüsse, die durch AntigenAntikörper-Reaktionen mit entsprechender Kernschädigung entstehen, wobei die geschwollenen, homogenisierten Kerne ausgestoßen und in Makrophagen aufgenommen werden können.
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Hirngefäßerkrankungen
Wegener-Granulomatose In seltenen Fällen kann hier ebenfalls das Zentralnervensystem betroffen sein [20]. Eine spezielle nosologische Differenzierung gelingt dabei meist ebenso wenig wie beim LE. Das Bild ähnelt der Panarteriitis, doch sind perivasale gemischtzellige Granulome und Mikrogliabeteiligung deutlicher.
Riesenzellarteriitis Klinik. Diese Krankheit (syn.: Arteriitis temporalis, M. Horton) ist durch die schmerzhafte Schwellung in der Umgebung der A. temporalis superficialis gekennzeichnet, die mit starken Kopfschmerzen und mit Sehstörungen gekoppelt sein kann. Vorwiegend ist das höhere Lebensalter betroffen, wobei regionale Unterschiede nachgewiesen wurden [45, 54]. Es besteht keine Bevorzugung des Geschlechts. Die Diagnose ist leicht durch Biopsie der Temporalarterie zu stellen [38]. Allerdings ist der Befall der Arterie oft segmental, so dass ein ausreichend großes Stück der Arterie in Stufenschnitten aufgearbeitet werden muss. Selbst dann sind falsche-negative Biopsiebefunde nicht ungewöhnlich und müssen bei entsprechender charakteristischer Klinik relativiert werden. Die Pathogenese und die Beziehung zur Polymyalgia rheumatica ist ungeklärt. Morphologie. Mikroskopisch zeigt sich eine Arteriitis mit lymphozytären und granulozytären Zellen unter Bevorzugung des subendothelialen Intimagewebes und der Adventitia. Gelegentlich können auch eosinophile Granulozyten beigefügt sein. Charakteristisch ist das Auftreten von mehrkernigen Zellen vom Typ der Fremdkörperriesenzellen, gewöhnlich um Elastikafragmente (Abb. 10.35a,b). Die Muskelschicht ist gelegentlich fibrinoid degeneriert. Das morphologische Bild ist abhängig von der Krankheitsphase. Unterschieden werden eine exsudative Initialphase, eine produktive Hauptphase und eine regressive Endphase. Die Riesenzellarteriitis beschränkt sich keineswegs auf die A. temporalis superficialis, sondern kann auch auf intrazerebrale Gefäße übergreifen; gefährdet ist insbesondere die A. ophthalmica [181]. Die Feststellung einer Arteriitis temporalis muss daher zu therapeutischen Konsequenzen führen. Die Prognose ist bei Exzision der entzündlichen Gefäßabschnitte in der Temporalarterie und einer Dexamethasonbehandlung günstig [20].
a
b Abb. 10.35 a Temporalarterie mit ausgeprägter Entzündung im Bereich der Lamina elastica interna, übergreifend auf Media und Adventitia. Erhebliche Stenose durch Intimaproliferation (Elasticavan-Gieson-Färbung). b Wand einer A. temporalis mit ausgeprägter Entzündung am Übergang von Media zur Intima, hier mit Riesenzellen, zahlreichen Lymphozyten, die z. T. die Media locker infiltrieren (HE-Färbung)
Thrombendangitis obliterans Diese arterielle Verschlusskrankheit (syn.: Endangitis obliterans, Winiwarter-Bürger-Krankheit) befällt mit wenigen Ausnahmen Männer, vorwiegend zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Ein hoher Zigarettenverbrauch ist stark mit der Krankheit korreliert. Betroffen sind besonders die kleinen und mittleren Extremitätenarterien. Eine zerebrale Beteiligung ist umstritten und muss vom Antiphospholipidsyndrom (Sneddon-Syndrom) abgegrenzt werden.
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Sneddon-Syndrom
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Das Sneddon-Syndrom [syn.: Antiphospholipid-Syndrom (APS), Hughes-Syndrom] ist eine ungewöhnliche Manifestation von arterieller und venöser Thrombose im Gehirn und in der Haut (Livedo retikularis) und geht häufig mit einem erhöhten Antiphospholipid einher [68, 157]. Klinisch zählt das Sneddon-Syndrom zum Formenkreis der APS. Das APS wird eingeteilt in ein primäres APS (Patienten, die keine Hinweise auf andere Immunerkrankungen haben) oder in ein sekundäres APS (Patienten, bei denen andere Autoimmunerkrankungen bekannt sind, wie z. B. der systemische Lupus erythematodes). Die neurologische Symptomatik ist charakterisiert durch anämische Hirninfarkte, Anfälle oder auch eine progrediente Demenz und andere neurologische Erkrankungen. Ein internationales Konsensusstatement für die Klassifikation des APS liegt vor [191]. Wesentliche Bedeutung kommt der computertomographischen Untersuchung zu, die eine kortikale Atrophie und muliple hypodense Areale aufweist [104, 146]. Pathogenetisch wird eine reaktive endotheliale Hyperplasie der kleinen Gefäße angenommen, die mit Thromben vergesellschaftet ist, also eine nichtentzündliche zerebrale Vaskulopathie. Serologisch zeigen sich oft erhöhte Antiphospholipid-Antikörper, familiäre Formen sind selten [100, 164]. Morphologie. Makroskopisch zeigt das Gehirn in ausgeprägten Fällen zahlreiche umschriebene, nicht mehr frische multilokuläre Infarkte (Abb. 10.36). Überwiegend sind die Rinde und das angrenzende Marklager betroffen; die größeren basalen und meningealen Gefäße zeigen makroskopisch wenig Veränderungen. Gering ausgeprägte Fälle weisen nur vereinzelt kleinere zystische Läsionen auf. Histologisch sind überwiegend die kleinen Arterien und Arteriolen durch eine ausgeprägte Endothelhyperplasie charakterisiert. Hier kommt es zu zahlreichen, teilweise obturierenden Endothelpolstern (Abb. 10.37a,b). Darüber hinaus sind rekanalisierte Gefäße und Gefäßwandnekrosen nachweisbar. Die Infarkte weisen unterschiedliche Stadien von frisch bis alt auf, begleitet von einer ausgeprägten Gliose und Abräumreaktion (s. Abb. 10.37a,b). Auffällig ist eine massive Mikrogliaproliferation auch in nekrosefernen Arealen, die eine chronische Hypoxie vermuten lassen. In weniger ausgeprägten Fällen sind die Mikrogliareaktion, die elektive Parenchymnekrose und diskrete Gefäßwandveränderungen die einzigen Anhaltspunkte für eine zerebrale Beteiligung.
Abb. 10.36 Granularatrophie der Rinde mit kleinen, unterschiedlich alten Infarkten der Rinde; Multiinfarktenzephalopathie bei Verdacht auf zerebrale Vaskulitis. (Aufnahme von J. Peiffer)
a
b Abb. 10.37 Antiphospholipidsyndrom. a Intimahyperplasie der meningealen Arterien mit hochgradiger Lumeneinengung sowie nicht mehr frischer angrenzender Hirninfarkt. b Intimapolster in stärkerer Vergrößerung sowie ein verschlossenes kleines meningeales Gefäß. Im Randgebiet stärkere astrogliale Reaktion als Folge des Infarkts. Markierung des Endothels mit dem Faktor VIII durch Immunhistochemie
Hirngefäßerkrankungen
Takayasu-Arteriitis Synonyme sind Takayasu-Krankheit, „pulseless disease“, Aortenbogensyndrom). Die Takayasu-Arteriitis (TA) ist eine Arteriitis unklarer Ätiologie im Bereich des Aortenbogens und der abgehenden Arterie (A. carotis communis u. a.), wobei die Entzündung unspezifisch ist. Klinisch sind unterschiedliche Symptome wie Sehstörungen, schwindende Arterienpulse, sekundäre Hypertension und Myokardinfarkte führend. TA tritt gehäuft in Asien auf. In Japan weist eine Autopsiestudie eine Inzidenz von 1:3000 Fälle auf, wobei junge Frauen 7- bis 8-mal häufiger als Männer betroffen sind [116]. Morphologisch kommt es zu einer Stenose der Gefäße mit einem histologischen Bild ähnlich der Panarteriitis [109].
Moya-Moya-Krankheit Moya-Moya-Krankheit (MMK) weist typischerweise eine Stenose und/oder einen Verschluss der basalen Gefäße des Gehirns sowie der A. carotis interna auf. Dabei kommt es zu einer ausgeprägten Netzstruktur. MMK hat daher ihren Namen von der an Tabakrauchwolken erinnernden Gefäßzeichnung im Angiogramm. Betroffen sind überwiegend Kinder zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr und Erwachsene in der 4. Dekade. Bei Kindern stehen transiente ischämische Attacken und Anfälle klinisch im Vordergrund, bei Erwachsenen Blutungen und Mikroaneurysmen. Morphologisch finden sich neben segmental geschrumpften Gefäßen ausgeprägte varikös veränderte Gefäße, gelegentlich Thromben [72]. Zeichen der Arteriosklerose und entzündliche Veränderungen fehlen histologisch [88]. Die Ursache von MMK ist unklar. Neuerdings werden Wachstumsfaktoren wie der „fibroblast growth factor“ verantwortlich gemacht [165].
Fibromuskuläre Dysplasie Diese sich vorwiegend an den Nierenarterien manifestierende Krankheit kann ebenfalls die Hirnarterien betreffen und Ursache von Stenosierungen und Parenchymnekrosen sein [97]. Charakteristisch ist der neuroradiologische Befund mit perlkettenähnlichen lokalen Gefäßwandausweitungen und Stenosierungszonen, die über längere Abschnitte hintereinander geschaltet sind. Epidemiologie und Klinik. Betroffen sind vorwiegend Frauen im jüngeren und mittleren Lebensalter, doch ist auch bei Kindern mit dem klinischen Bild eines Schlaganfalls an die fibromuskuläre Dysplasie zu denken [156]. Sowohl transitorische ischämische Attacken als auch
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durch Gefäßverschlüsse mit anämischen Infarkten zu erklärende Schlaganfälle kommen vor, ferner Subarachnoidalblutungen durch Gefäßwandeinrisse. Diese nichtarteriosklerotische Wanderkrankung ist mit den der extravasalen Blutung vorausgehenden intramuralen Blutungen einer der möglichen pathogenetischen Faktoren von Aneurysmen. Lokalisation und Morphologie. Neben den mittleren Abschnitten der A. carotis interna sind Hauptstämme der intrazerebralen Arterien von den segmental auftretenden stenotischen Ausweitungen betroffen. Mikroskopisch fehlen entzündliche Veränderungen. Man trifft auf eine Mediahyperplasie, selten auch auf entsprechende Verbreiterungen und Fibrosierungen von Intima und Adventitia unter Frakturierung, Lückenbildung oder Verlust der elastischen Fasern. Vor allem die sich an der Karotis manifestierenden Stenosen sind einer operativen Behandlung zugänglich [162]. Die Ätiologie ist unbekannt.
Kalzifikationen Verkalkungen der Pallidumgefäße Die Arterien des Pallidums weisen bei älteren Menschen öfter Kalkeinlagerungen in die Media auf. Das Spektrum reicht vom feinsten, strukturlosen Körnchen an einzelnen Mediaabschnitten über die Einlagerung von Kalkspangen bis zu einer vollständigen Umwandlung der Media, die dann auch nicht selten von einer erheblichen Lumeneinengung durch eine Verbreiterung der Intima begleitet ist. Die Intima bietet dann vielfach ein sehr lockeres kollagenfaseriges, zellarmes Maschenwerk, das in der Regel keine Makrophagen enthält. Trotz dieser erheblichen Lumeneinengung kann die Mediaverkalkung nicht zu den arteriellen Verschlusskrankheiten von klinischer Bedeutung gezählt werden. Neben diesen Mediaverkalkungen kommen auch Verkalkungen von Arteriolen und Kapillaren vor, wobei man den Eindruck umfangreicher freier Kalkkonkremente gewinnen kann. Ähnliche Kalkablagerungen finden sich auch nicht selten innerhalb der Lamina circumvoluta medullaris des Ammonshorns. Diese Kalkablagerungen entstehen auf einer Matrix von Mukopolysacchariden bzw. Mukoprotein durch Einlagerung von Kalziumphosphat, aber auch Magnesium-, Mangan- und Eisensalzen. Kalzium-EiweißVerbindungen werden als Pseudokalk bezeichnet.
Fahr-Syndrom Dieses Syndrom (syn.: „cerebral calcinosis“, familiäre idiopathische zerebrale Verkalkung, striatodentale Kalzi-
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fikation) unterscheidet sich hinsichtlich der formalen Pathogenese nicht von den Kalkeinlagerungen in den Pallidumarterien. Charakteristisch ist die symmetrische Ausprägung der Verkalkungen in beiden Pallida (Abb. 10.38c) und in den Nuclei dentati (Abb. 10.38a). In der Regel sind die Kapillaren und Arteriolen bevorzugt betroffen (Abb. 10.38b).
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Kreislaufstörungen des ZNS
Es kann zu ausgedehnten Kalkkonkrementen kommen, was die intravitale Diagnostik mit Hilfe der Computertomographie oder bereits der Schädelleeraufnahme erlaubt. Im Computertomogramm fanden sich derartige symmetrische Stammganglienverkalkungen unter 8000 Untersuchungen in 2% der Fälle [53]. Es handelt sich beim Fahr-Syndrom nicht um eine Krankheitseinheit. Neben klinisch symptomlos verlaufenden Fällen gibt es vor allem im mittleren und höheren Lebensalter Erkrankungsfälle, die mit Hyperkinesen, Parkinsonismus, zerebellär-ataktischen Störungen oder auch Demenzen einhergehen. Als Ursache kommen ein Hypoparathyreoidismus, ein Pseudohypoparathyreoidismus und exogene Einflüsse durch Medikamente in Frage. Die Mehrzahl der Fälle tritt sporadisch auf, doch gibt es auch Beobachtungen eines familiären Auftretens mit starker Penetranz [14, 125]. Entsprechend den klinischen Ausfallerscheinungen sind beim Fahr-Syndrom auch die Gewebsschäden ausgeprägter. Die Kalkablagerungen können von lokalen Entmarkungen und Fasergliosen begleitet sein. Selten gibt es Kalkablagerungen innerhalb der Gefäßwand auch bereits bei Kleinkindern und sogar bei Feten. Elektronenmikroskopisch lassen sich die Mineralisationen in den Initialstadien zunächst innerhalb der Basalmembranen nachweisen [56].
Diabetes mellitus Hypoglykämie
b
c Abb. 10.38 a Morbus Fahr mit Kalkkonkrementablagerungen in den Zahnkernen der Kleinhirnhemisphären. b Ausgedehnte Kalkkonkremente im Neostriatum bei einem Patienten mit M. Down (Aufnahmen von J. Peiffer). c M. Fahr mit Kalkkonkrementen im Striatum beiderseits. Röntgenaufnahmen einer Koronarscheibe postmortal
Sinkt der Blutzucker unter die physiologische Norm von etwa 50 mg%, so besteht eine Hypoglykämie, die in der Lage ist, das Zentralnervensystem zu schädigen. Übelkeit, Heißhunger, Schweißausbrüche oder Abgeschlagenheit sind klinische Prodrome der zentralnervösen Störungen mit Übergang zu Somnolenz bis zum tiefen Koma, oft verbunden mit motorischen Reizerscheinungen. Ursächlich kommen mangelnde Nahrungszufuhr, Stoffwechselstörungen wie Galaktosämie, Glykogenspeicherkrankheiten oder leuzininduzierte Hypoglykämien, schwere Leberinsuffizienzen, vor allem aber die Überproduktion von Insulin bzw. iatrogen bedingte Überdosierungen in Frage. Morphologie. Im Vordergrund stehen neben typischen ischämischen Nervenzellschädigungen Kernpyknosen der Nerven- und Gliazellen, darüber hinaus aber auch ausgedehntere elektive Parenchymnekrosen, die vielfach laminär oder pseudolaminär den Windungstälern folgen. Körnerzellnekrosen sowie Homogenisierung der Purkinje-Zellen sind ebenfalls eine sehr häufige Folge, vor allem nach dem Umschlag eines diabetischen in ein hypoglykämisches Koma.
Thrombotische Gefäßverschlüsse
Bei frühgeborenen Säuglingen, bei denen mit einer Hypoglykämiehäufigkeit von 10 bzw. 15% zu rechnen ist [26], kommt es hierunter auch zu Entwicklungsstörungen des Zentralnervensystems.
Coma diabeticum Pathogenese. Beim diabetischen Koma besteht zwar eine Überschwemmung des Hirngewebes mit Glukose, gleichzeitig jedoch eine starke Zurückdrängung des zerebralen Sauerstoffverbrauchs und des Glukoseverbrauchs, so dass paradoxerweise trotz der Überschwemmung der Gewebsflüssigkeit mit Glukose die zentralnervöse Glukoseaufnahme und -verbrennung reduziert sind. „Das Parenchym erstickt buchstäblich im Zuckerwasser und wird gleichzeitig ausgetrocknet“ [11]. Pathogenetisch bedeutungsvoll sind weiterhin Kaliumverluste und eine Azidose, die zur Zuckerstoffwechselstörung und der histotoxischen Hypoxidose hinzutreten. Morphologie. Die Folge ist eine Kombination der oben genannten Hirnschädigungen bei Hypoglykämie mit noch ausgeprägteren laminären Parenchymnekrosen und Körnerzellnekrosen der Kleinhirnrinde sowie Parenchymschädigungen disseminierter Art in Großhirnrinde, Striatum und Pallidum [11]. Im Übrigen beherrschen meist die Folgen der mit dem Diabetes mellitus verbundenem Atherosklerosen das morphologische Bild.
Thrombotische Gefäßverschlüsse Arterielle Thrombosen Unter 3600 Obduktionen von Erwachsenen fanden sich 2,5% mit Thrombosen von Hirnarterien. Bevorzugt sind die großen Arterienstämme in der Reihenfolge A. cerebri media, A. basilaris und A. carotis interna sowie A. vertebralis [111]. Pathogenese. Ursächlich kommen vor allem arterielle Verschlusskrankheiten in Frage, soweit Veränderungen des Endothels und der übrigen Wandschichten die Hauptursache der Thrombenentstehung sind. Die Arteriosklerose spielt hierbei die bedeutendste Rolle. Darüber hinaus sind Wandverhältnisse sowie Störungen der Gerinnungsmechanismen, die die Zirkulationsgeschwindigkeit und den regionalen zerebralen Blutfluss beeinflussen, wesentliche pathogenetische Faktoren. Morphologie. Makroskopisch zeigen frisch thrombosierte Gefäße im unfixierten Zustand einen rotbraunen, im fixierten eher körnigen, dunkelroten Gefäßinhalt, der in Abhängigkeit vom Alter des Thrombus der Gefäßwand
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mehr oder weniger intensiv anhaftet. Bei älteren Thrombosen, bei denen bereits Organisationsvorgänge vorliegen, ist der Thrombus grau verfärbt. Bei frischen Thrombosen ist es makroskopisch schwer möglich, sie von terminalen oder von postmortalen Blutgerinnseln zu unterscheiden. Mikroskopisch ist eine solche Unterscheidung leichter, soweit Endothelzerstörungen und eine beginnende Organisation vorliegen. Bereits nach 2–3 Tagen beginnt die Einwanderung von Fibroblasten und nachfolgende Phagozytose. Ein unterschiedliches Netzwerk kollagener Fasern durchspinnt später das ursprüngliche Lumen, das rekanalisiert werden kann.
Thrombosen der Hirnvenen und Sinus Der Blutgehalt in den intrakraniellen Sinus und venösen Gefäßen entspricht 70% der gesamten intrakraniellen Blutmenge. Somit haben Abflussstörungen ebenso katastrophale Folgen für die zerebrale Durchblutung wie arterielle Versorgungsstörungen. Allerdings ist die Lokalisation der Störung wesentlich für den Grad der Schädigung des Gehirns, weil die komplexen venösen Drainagen (s. Abb. 10.4) unterschiedlich ausgebildete Anastomosen aufweisen. Während einige Abschnitte der Sinus ohne Folgen verschlossen sein können, sind Störungen im Bereich der V. Galeni deletär. Auch werden graduelle Okklusionen der Sinus z. B. durch Tumoren besser toleriert als akute Verschlüsse durch Traumata oder chirurgische Intervention. Klinik und Epidemiologie. Die venösen Thrombosen unterscheiden sich hinsichtlich der Altersgipfel, der Geschlechtsverteilung und der Pathogenese deutlich von den arteriellen Thrombosen. Die Perinatalzeit bietet einen ersten Gipfel der Häufigkeit, ein zweiter Gipfel liegt im Erwachsenenalter. Der Häufigkeitsgipfel liegt in der 3. Dekade, wobei 60% Frauen und 40% Männer betroffen sind [37]. Wichtige klinische Zeichen sind Kopfschmerzen, Vigilanzstörungen, Meningismus und Sehstörungen (Hirnödem). Sie sind unterschiedlich ausgeprägt, je nachdem ob die Störung langsam, progredient oder plötzlich einsetzt. Wesentliche Bedeutung kommt hier in der Befunderhebung der neuroradiologischen Diagnostik zu [173] (s. Abb. 10.40c). Prognose. Die Mortalitätsangaben zur Sinusthrombose schwanken je nach Studie sehr stark, ältere Untersuchungen geben bis 100% an, nach neueren Untersuchungen liegt die Mortalität zwischen 5 und 27%. Im Allgemeinen ist die Prognose günstig, 78% der betroffenen Patienten haben keine oder nur geringe neurologische Defizite [37].
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Pathogenese. Entzündliche Erkrankungen spielen eine wesentlich größere Rolle als bei arteriellen Thrombosen, besonders gefährdet sind Patienten mit eitrigen Meningitiden. In einem größeren Untersuchungsgut fanden sich 21% der Sinusthrombosen auf entzündlicher Grundlage, zu 76% fanden sich hormonelle Einflüsse bei Frauen [37]. Orale Kontrazeptiva führen zur Veränderung im Gerinnungssystem [86]. Rauchen die betroffenen Frauen regelmäßig Zigaretten, so erhöht sich das Thromboserisiko um das 22fache gegenüber Nichtraucherinnen, die keine Kontrazeptiva einnehmen. Seltene Komplikationen sind venöse Thrombosen gegen Ende der Schwangerschaft und kurz nach der Geburt. Weitere Ursachen für Thrombosen sind Tumorinfiltrationen der Gefäß- und Sinuswände, Bluterkrankungen (Polyzythämie) und Fehlbildungen z. B. im Bereich der V. Galeni (Abb. 10.39). Auf den Zusammenhang zwischen Thrombosen und arteriovenösen Fisteln im Bereich der spinalen Dura wird von verschiedenen Autoren hingewiesen [31, 173].
Kreislaufstörungen des ZNS
beobachtet werden können, sind diese Venen prall gefüllt und häufig von einer unterschiedlich breiten Zone hämorrhagisch infarzierten Gewebes umgeben (Abb. 10.40a). Der Sinus sagittalis superior ist thrombotisch verschlossen (s. Abb. 10.40b). Auf den Frontalschnitten entscheidet die Lokalisation des hämorrhagischen Infarkts gewöhnlich auf den ersten Blick über venöse oder arterielle Störungen.
Morphologie. Bei Thrombosen der Brückenvenen, wie sie besonders über den zentroparietalen Abschnitten a
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c b Abb. 10.39 a Venöse Missbildung (sog. Aneurysma) der V. Galeni (s. Pfeil) bei einem 2 Wochen alten Säugling (sagittale Schnittführung). b Schwere Hirnschädigung, wohl aufgrund einer intrauterinen Kreislaufstörung. (Aufnahmen von J. Peiffer)
Abb. 10.40 a Gehirn mit ausgedehnter Thrombosierung der Brückenvenen und angrenzenden hämorrhagischem Infarkt. Zustand nach Thrombose des Sinus sagittalis superior. b Querschnitt durch den Sinus sagittalis superior mit Verschluss durch Thrombose. c Darstellung der Thrombose im Sinus sagittalis superior (Angiographie). (Aufnahmen von J. Peiffer)
Blut-Hirn-Schranke und Hirnödem
Mikroskopisch finden sich im Gefäß ähnliche Bilder wie bei arteriellen Thromben. Das Gewebe zeigt Seround Erythrodiapedesen perivenös. Im Versorgungsbereich der betroffenen Venen ist das Parenchym feinspongiös aufgelockert, es finden sich Übergänge von der elektiven Parenchymnekrose bis zur vollständigen Kolliquationsnekrose des Gewebes. Wird eine Venen- oder Sinusthrombose längere Zeit überlebt, finden sich kleinzystisch umgewandelte Mark-Rinden-Areale mit kräftiger Gliafaserproliferation und spärlichen Lipo- und Siderophagen.
Blut-Hirn-Schranke und Hirnödem Der Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe ist im Bereich des ZNS mit Ausnahme weniger kleiner Areale durch die Blut-Hirn-Schranke (BHS) selektiv geregelt. Morphologisch kann man diese Restriktion aufgrund folgender elektronenmikroskopischer Befunde verstehen: Das Endothel der Mikrozirkulationsgefäße des ZNS weist erstens keine Poren auf, wie sie in den anderen Organen, z. B. der Muskulatur, üblich sind, besitzt zweitens nur wenig pinozytotische Aktivität und zeigt drittens sog. „tight junctions“, also Strukturen, die Endothelfugen abdichten (s. Kap. 1). Darüber hinaus sind auch Basalmembran und Gliaendfüße an der abluminalen Seite des Endothels an der BHS beteiligt. Insbesondere die Glia ist hier für Induktion und Erhaltung dieser Barriere mit verantwortlich [135, 187]. Eine BHS besteht nicht innerhalb der Glandula pinealis, der Area postrema, der Eminentia mediana und der übrigen zirkumventrikulären Organe mit Beziehungen zu neuroendokrinen Zellen. Sie fehlt ferner an den Gefäßen des Plexus choroideus. Da in diesen Arealen eigentlich eine Trennung von Blut- und Liquorraum vorliegt, wird präziser von einer Blut-Liquor-Schranke gesprochen. In den von der BHS-Funktion ausgenommenen Hirnarealen finden sich ähnlich wie in den übrigen Organen fenestrierte Endothelien. Es handelt sich um Regionen, in denen der humorale Austausch zwischen Hirngewebe und Blut sowie umgekehrt funktionell bedeutungsvoll ist. Die wesentlichen Funktionen der BHS sind: • Schutz des ZNS vor den Blutbestandteilen, • selektiver Transport von Metaboliten in beiden Richtungen.
Pathogenetische Aspekte (Ödemausbreitung, Ödemformen) Der Erhalt der Schrankenfunktion ist eine aktive Stoffwechselleistung, Störungen der Blut-Hirn-Schranke sind daher eine Folge zahlreicher unterschiedlicher
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Grunderkrankungen wie Hirntumor, Intoxikation, Schädel-Hirn-Trauma, intrazerebrale Blutung und Hirninfarkt. Das Hirnödem weist ein hohes Maß regionaler Variabilität auf. Man kann davon ausgehen, dass bei unterschiedlichen Ödemformen eine Rangfolge in der Ödemneigung der Hirnregionen vorliegt. Der normale Wassergehalt der Hirnrinde liegt bei 80% (bei Neugeborenen etwa 90%), jener der weißen Substanz bei 68%. Die ödematöse Rinde enthält 83% Wasser, die ödematöse weiße Substanz aber 80%. Das Ödem des Marklagers ist eher extrazellulär, das der Rinde eher intrazellulär, wobei die Wasser einlagernden Zellen im wesentlichen Astrozyten sind [21]. Der kaudale Hirnstamm gilt dagegen als relativ ödemresistent. Andererseits lagern umschriebene Regionen des Hirnstamms, z. B. die Gegend des Locus coeruleus, rasch Wasser ein. Die regionale Variabilität des Ödems ist nicht nur von pathophysiologischem Interesse: Die Klinik wird vom Ausmaß des Ödems mitbestimmt, das einen pathologischen Prozess begleitet. Der Mechanismus, der den Wassertransport transmembranös regelt, spielt eine entscheidende Rolle zum Erhalt der Homöostase sowohl unter physiologischen als auch unter pathologischen Bedingungen. Auf die komplexe Pathophysiologie und die involvierten molekularen Mechanismen kann hier nicht detailliert eingegangen werden. Als wesentliches Molekül kann lediglich auf Aquaporin (AQP) hingewiesen werden [5, 84]. Die umfangreiche Literatur zur Pathophysiologie ist von Tomita [174] zusammenfassend dargestellt. Es lassen sich im Wesentlichen zwei Formen des Ödems unterscheiden: • Zelluläres Ödem (vorwiegend des Astrozyten): Hierbei kommt es zu unspezifischer Elektrolytverschiebung und allgemeiner Stoffwechselstörung, wobei die Ursache, die der humanen Pathologie zugrunde liegt, sehr heterogen sein kann, wie z. B. Hypoxie, Hyperglykämie, Entzündungen und andere Erkrankungen. • Ödem als Folge der Störung der Blut-Hirn-Schranke (sog. vasogenes Ödem): Hierbei wirken verschiedene Faktoren als Ödemmediatoren mit, wie z. B. Neurotransmitter, freie Fettsäuren, biogene Amine (Noradrenalin, Histamin) und zahlreiche lysosomale Enzyme [24, 25]. Eiweißreiche Flüssigkeit durchdringt das Endothel mittels erhöhter pinozytotischer Aktivität oder durch Vakuolisierung des Endothelzytoplasmas. Hierbei werden die „tight junctions“ meist nicht betroffen. Die Ödemflüssigkeit sammelt sich dann in dem subendothelialen Raum und in der umgebenden Glia. Mit fortschreitendem Ödem wird der interzelluläre Raum des Marklager durchflutet, wobei Axone im Wesentlichen intakt bleiben. Eine Sonderform des Ödems sind hypoosmolare Ödeme, die insbesondere eine Rolle beim Hirntrauma spielen. Durch eine exzessive Flüssigkeitsgabe, die wegen der Blutverluste notwendig ist, kommt es zu einer Reduzie-
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Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Morphologie
Abb. 10.41 86-jährige Frau mit chronischer myeloischer Leukämie. Tumormanifestation temporal links mit zentraler Nekrose und ausgeprägtem peritumoralem Ödem
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rung der Serumosmolarität, worauf eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung außerhalb der Hirngefäße in der Hirnsubstanz selbst folgt, was mit einem Anstieg des intrakraniellen Drucks verbunden zu einer verminderten Durchblutung führt. Bei hydrostatischen Ödemen kommt es – bei intakten Endothelien – zu einem plötzlichen Anstieg des intravaskulären oder des transmuralen Drucks, was zu einem Austritt von Flüssigkeit in den extrazellulären Raum des Gehirns führt. Ein besonders gravierendes Beispiel für diese Ödemform können Patienten bieten, bei denen wegen eines Tumors, der zu hohem intrakraniellem Druck geführt hat, eine neurochirurgische Entlastung durch Entfernung der knöchernen Kalotte durchgeführt wurde. Es kann hier zu einer rapiden Herniation des Gehirns, einer gefürchteten Komplikation, kommen. Das peritumorale Ödem ist oft eine Inkonstante. So können z. B. in der Gruppe der Meningeome das eine Mal ausgedehnte peritumorale Ödembezirke auftreten, das andere Mal nicht [15]. Hier wird eine Interaktion zwischen Tumorprodukten und umgebendem Gewebe oder eine unterschiedliche Kapillarstruktur diskutiert. Bei höher malignen Tumoren kommt es in der Regel zu einer Störung der Blut-Hirn-Schranke und damit zu einem perifokalen Ödem (Abb. 10.41). Das hydrozephale Ödem ist durch einen erhöhten Wasser- und Natriumgehalt der periventrikulären und weißen Substanz gekennzeichnet, bedingt durch einen Einstrom von Liquor durch das Ependym in das Hirngewebe bei Liquorabflussstörungen. Bei derartigen, vorwiegend die weiße Substanz betreffenden Ödemzuständen kommen ebenfalls sowohl extra- wie intrazelluläre Ödemfolgen vor, generell gilt das Mark als ödembereiter als die graue Substanz. Die allgemeine Morphologie intrakranieller Drucksteigerungen und ihre Folgen werden in Kap. 18 besprochen.
Makroskopisch zeigt sich das Hirnödem je nach Ausmaß der Drucksteigerung bereits von außen in einem Tonsillendruckkonus und in Unkusdruckfurchen. Auf dem frischen Schnitt wirken die Schnittflächen sehr flüssigkeitsreich, sind grau getönt, gelegentlich rötlich tingiert. Letzteres wegen einer mangelnden Fixierung (ödemreiche Gehirne stellen für das Fixans eine Diffusionsbarriere dar). Neben flüssigkeitsreichen gibt es auch trockene klebrige Schnittflächen, was ursprünglich zu der Differenzierung zwischen Hirnödem und Hirnschwellung geführt hat. Unterscheidungen, die heute nicht mehr aufrecht zu erhalten sind. In seltenen Fällen kommt es zur Ödemnekrose. Die U-Fasern sind gegenüber den ödematösen Auftreibungen bemerkenswert resistent, was mit dem abweichenden Faserverlauf zusammenhängt. Mikroskopisch reicht das Spektrum von feinsten perikapillären Aufhellungsräumen über ausgeprägte Serodiapedesen zur Marknekrose mit Bildung von Makrophagen bei fortdauerndem Ödem. Innerhalb der grauen Substanz ist das Ödem fein spongiös. Die Nervenzellen verlieren an Färbbarkeit entsprechend hypoxischen Veränderungen. Bei schweren Ödemen kann es zur Markdestruktion kommen, gleichfalls unter dem Bild hypoxisch ischämischer Veränderungen der Oligodendroglia. Bei Astrozyten beginnt die Schädigung im Bereich der Fortsätze. Bei Störungen der Blut-Hirn-Schranke sieht man elektronenmikroskopisch im Bereich der Gefäße eine starke Auflockerung des perivaskulären Raums, eine gesteigerte pinozytotische Aktivität in den Endothelien, wobei die „tight junctions“ intakt erscheinen (Abb. 10.42). In der Rinde ist eine Schwellung protoplasmatischer Astrozytenfortsätze nachzuweisen, im Marklager ist eine starke Erweiterung des extrazellulären Raumes der meist intakten Myelinlamellen erkennbar.
Ödemdrainage Die Hauptabflusswege des Liquors gehen über die Pacchioni-Granulationen zu den Sinus und über die Hinterwurzeln in das Lymphsystem. Darüber hinaus bestehen aber noch Beziehungen zwischen Liquor und Lymphsystem über die kranialen Nerven, die Lamina cribriformis und den Bulbus olfactorius, den Tractus opticus, den N. trigeminus und den N. acusticus und von dort über die lymphatischen Gefäße zu den entsprechenden Lymphknoten [30]. Durch entsprechende Tracer ließen sich solche Abflüsse experimentell bei verschiedenen Tierspezies nachweisen [17]. Daneben ist eine Kompartimentierung des subarachnoidalen Raums nachgewiesen worden, die eine direkte
Kreislaufstörungen des Rückenmarks
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Verständnis vaskulärer Infarkte wichtige Schlussfolgerungen: • Der isolierte Gefäßverschluss spielt für die Entstehung der vaskulären Rückenmarkläsion eine eher untergeordnete Rolle. Vor allem die extramedulläre, arterielle Gefäßversorgung zeigt eine erstaunliche Plastizität. Die Toleranz des Rückenmarks bezüglich Funktion und Struktur gegenüber Anoxie und Ischämie ist relativ hoch. • Die Annahme unzureichend vaskularisierter und deshalb vulnerabler Grenzzonen im Bereich des Rückenmarks ist im Wesentlichen nicht haltbar. • Entscheidend ist die Störanfälligkeit der terminalen Strombahn, vor allem der dicht kapillarisierten grauen Substanz des Rückenmarks. Einmal in Gang gekommene Perfusionsstörungen der terminalen Strombahn führen zur Nekrose vor allem zentral gelegener Strukturen der grauen Substanz. In der weißen Substanz spielen zusätzlich reaktive Durchblutungserhöhung und eine pathologische Permeabilität der Gefäße eine entscheidende Rolle [150].
Abb. 10.42 Kapillare aus der peritumoralen Ödemzone mit kräftiger Vakuolisierung des Endothels. Nekrosen der periendothelialen Zellen und Flüssigkeitseinlagerung im perivaskulären Raum sowie in der jenseits der Basalmembran gelegenen Astroglia. Die Endothelzellfugen („tight junctions“) sind intakt (Vergr. 8500:1)
Liquordrainage außerhalb der Pacchioni-Granulationen ermöglicht [184]. Über die Liquordrainage hinaus spielen diese Wege eine Rolle für den Kontakt antigenen Materials aus dem ZNS mit dem Lymphsystem bei dem sonst durch die Blut-Hirn-Schranke und die Blut-LiquorSchranke als immunologisch geschützt geltenden ZNS [30, 186].
Daraus ergibt sich ein besonderes Läsionsmuster bei hypoxischen und ischämischen Infarkten, wobei gerade nicht die Grenzzone, sondern zentrale Areale betroffen sind. Hier sind selten segmentale begrenzte Läsionen zu finden, meist dehnt sich der Prozess spindelförmig über mehrere Segmente aus. Man kann plurisegmentale Schäden der grauen Substanz finden: • bikonisch nach oben und unten ausgehend, • säulenartig im zentralen Vorderhorn. Die letztere Form wird besonders bei hypoxischen Schädigungen nach Kreislaufstillstand gefunden (Abb. 10.43a). Betrifft die Nekrose den gesamten Querschnitt, so dehnt sie sich stiftförmig im ventralen Hinterstrangfeld über mehrere Segmente nach oben und unten aus (Abb. 10.43b). Auch Blutungen folgen diesem stiftförmigen Ausbreitungsmuster.
Ischämische Rückenmarkinfarkte Kreislaufstörungen des Rückenmarks Pathologische Veränderungen am Rückenmark, die gefäßbedingt sind, stellen zwar nur einen kleinen Teil der großen Gruppe „Kreislaufstörungen“ des ZNS dar, folgen aber eigenen, z. T. nicht geklärten Gesetzmäßigkeiten, so dass es notwendig ist, sie von Großhirnläsionen abzugrenzen. Die wichtigsten Erkrankungen sind ischämische Infarkte (Myelomalazie), hypoxische Störungen, Schädigungen durch vaskuläre Fehlbildungen einschließlich Blutungen (Hämatomyelie) und sog. vaskuläre Myelopathien. Aus der Anatomie und der hier nicht näher ausgeführten Hämodynamik ergeben sich für das
Myelomalazien sind selten und unabhängig von Hirninfarkten. Klinisch ist eine akute Paraparese mit dissoziierten Empfindungsstörungen kaudal der Läsion typisch. Morphologie. Makroskopisch ist das Rückenmark in dem lädierten Abschnitt konsistenzvermindert, im frischen Zustand geschwollen. Auf dem Querschnitt ist eine verwaschene Schmetterlingsfigur erkennbar (Abb. 10.44a). Diskrete makroskopische Befunde müssen von artefiziellen Läsionen des Rückenmarks abgegrenzt werden (der häufigste Rückenmarkbefund ist der Artefakt). Mikroskopisch zeigt sich die Nekrose – je nachdem, welches
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Kreislaufstörungen des ZNS
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Abb. 10.43a,b Schematische Darstellung der Kreislaufstörungen des Rückenmarks (nach Schneider 1980). a Bei globalischämischen Läsionen kommt es zur säulenförmigen Schädigung der grauen Substanz, insbesondere der Vorderhörner. b Regionale Raumforderungen des Rückenmarks, z. B. durch Tumoren, Traumata oder regionale Ischämie, führen zur schwerpunktmäßigen Schädigung eines oder mehrerer Segmente mit nachfolgender stiftförmiger Nekrose, besonders im ventralen Hinterstrang nach oben und unten (Myelomalazie)
Stadium vorliegt – von ähnlicher histologischer Beschaffenheit wie bei der Kolliquationsnekrose im Großhirn (Abb. 10.44b).
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Pathogenese. Selten sind thrombotische Störungen nachzuweisen. Meist liegt die Störung im Bereich der Aorta oder der schmalen zuführenden Arterien, z. B. kann ein disseziierendes Aneurysma zu Ausfällen im Rückenmark führen. Häufigste Ursache sind Traumen und andere Kompressionen wie beispielsweise Tumoren. Durch eine verstärkte Kompression kommt es zu Mikrozirkulationsstörungen, die zu den geschilderten Abläufen bis hin zur Nekrose führen [74]. b
Vaskuläre Fehlbildungen und Myelopathien Vaskuläre Malformationen können einerseits durch Kompression intramedullär, intradural oder extradural zur Rückenmarkschädigung führen. Nicht selten sind es Blutungen aus solchen Malformationen, die klinisch zu
Abb. 10.44 a Komplette Myelomalazie durch die raumfordernde Metastase eines Medulloblastoms intradural bei Th10. Stiftförmige Ausbreitung der Nekrose bis Th7 nach rostral und bis L3 nach kaudal. b Die Metastase in den weichen Rückenmarkhäuten (vgl. Th10 in a) führte zur Erweichung des gesamten Rückenmarkquerschnitts, wobei die Schmetterlingsfigur noch schattenhaft angedeutet ist
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einer akuten Parese führen. Das pathologisch-anatomische Bild entspricht dann der kompressionsbedingten Myelomalazie [67, 102]. Andererseits gibt es arteriovenöse Malformationen, die durch hämodynamische Faktoren zu einer Mikrozirkulationsstörung des Rückenmarks führen.
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Angiodyskinetische nekrotisierende Myelopathien (Foix-Alajouanine) Das Foix-Alajouanine-Syndrom ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern wird als die Folge einer venösen Abflussstörung bei arteriovenösen Fisteln aufgefasst [75]. Klinisch steht eine unspezifische thorakolumbale Querschnittssymptomatik, meist chronisch oder schubweise progredient, im Vordergrund [85]. Wesentliche Bedeutung kommt der Angiographie zu. Makroskopisch findet sich eine knotenförmige Auftreibung der Rückenmarkvenen mit ausgeprägter Schlängelung, nicht selten ist auch nur eine stark wandverdickte Vene nachweisbar. Histologisch zeigt das Rückenmark eine plasmatische Infiltration mit Nekrose und Persistenz der Ganglienzellen. Die gliale und mesenchymale Reaktion ist gering. Entscheidend für die Zuordnung der Läsion ist die arteriovenöse Fistel, die in der Rückenmarkdura lokalisiert ist. Sie besteht aus mehreren zuführenden Arterien und in der Regel einer stark umgebauten (arterialisierten) Vene. Die Pathogenese ist unklar. In erster Linie wird an eine erworbene Fehlbildung gedacht. Es sind fast ausschließlich Männer mittleren Alters betroffen bei einer Vorzugslokalisation vom unteren thorakalen Mark bis sakral, einer Region, die durch ihre besondere Hämodynamik vermehrt vulnerabel ist [59]. Experimentelle Untersuchungen unterstützen die Vorstellung einer komplexen hämodynamischen Schädigung [10]. Seltene Erkrankungen des Rückenmarks sind neben vaskulären Myelopathien intramedulläre Blutungen und Schädigungen des Rückenmarks bei anderen Grunderkrankungen wie Strahlenmyelopathie, postmyelotischer Angiopathie und entzündlichen Erkrankungen spinaler Gefäße (Übersicht bei Schneider [150]).
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Kapitel 11
11
Infektionen des ZNS
M. Deckert Inhalt Allgemeine Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . .
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Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Klassifikation zentralnervöser Infektionen . . . . . .
304
Cryptococcose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Mechanismen der Invasion . . . . . . . . . . . . . . .
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Candida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
Bakterielle Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . .
305
Aspergillose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
Akute, bakterielle, eitrige Meningitis . . . . . . . . . .
305
Mucor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
308
Protozoeninfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
318
Tuberkulöse Meningitis . . . . . . . . . . . . . . . .
308
Zerebrale Toxoplasmose . . . . . . . . . . . . . . . . .
318
Tuberkulom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
Konnatale zerebrale Toxoplasmose . . . . . . . . . .
318
Osteomyelitis der Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . .
309
Postnatale zerebrale Toxoplasmose . . . . . . . . . .
318
Neurosarkoidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
Zerebrale Malaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
319
Idiopathische Pachymeningitis hypertrophicans . . .
309
Amöben-Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . .
320
Metastatisch-septische Herdenzephalitis . . . . . . .
310
Helminthen-Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . .
320
Hirnabszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
310
Neurozystizerkose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320
Subdurales Empyem . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312
Schistosoma-Infektion des ZNS . . . . . . . . . . . .
321
Epiduraler Abszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312
Echinokokkus-Infektion des ZNS . . . . . . . . . . .
321
Morbus Whipple . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312
Virale Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . .
321
Spirochäteninfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313
Allgemeine neuropathologische Charakteristika viraler ZNS-Infektionen . . . . . . .
322
Neurolues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313 Poliomyelitisvirusinfektion . . . . . . . . . . . . . . .
322
Meningovaskuläre Syphilis . . . . . . . . . . . . . .
314 Masernvirusinfektionen des ZNS . . . . . . . . . . . .
323
Neuroborreliose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
314 Maserneinschlusskörperenzephalitis . . . . . . . . .
323
Pilzinfektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . . .
315 Subakute sklerosierende Panenzephalitis . . . . . .
323
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
304
11
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Rubella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
Rabies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis . . . . . . . . . .
324
HIV-Infektion des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
Varicella-zoster-Virus-Infektion . . . . . . . . . . . .
324
Opportunistische Infektionen des ZNS bei Immundefizienz . . . . . . . . . . . . . .
327
Cytomegalievirus Infektion . . . . . . . . . . . . . . .
325 Opportunistische Pilzinfektionen . . . . . . . . . . .
327
Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325 Opportunistische Parasiteninfektionen . . . . . . . .
328
Konnatale Cytomegalievirus-Infektion des ZNS . . .
325 Opportunistische bakterielle Infektionen . . . . . . .
328
Adulte Cytomegalievirus-Infektion des ZNS . . . . .
325 Opportunistische virale Infektionen . . . . . . . . .
328
Arbovirusinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
329
Allgemeine Charakteristika Infektionen des ZNS unterscheiden sich in ihrem klinischen Verlauf, den Komplikationen und potentiellen permanenten Schäden wesentlich von Infektionserkrankungen anderer Organe. Dies ist durch die hohe Differenzierung des Gehirns mit eingeschränkter Regenerationsfähigkeit sowie durch den physiologischerweise herabregulierten immunologischen Phänotyp des Gehirns bedingt. Um das ZNS vor einer Infektion zu schützen, sind drei anatomische Kompartimente vorgeschaltet, nämlich Schädelknochen, Hirnhäute und Blut-Hirn-Schranke, die den Eintritt von Agenzien in das Gehirn streng reglementieren. Außerdem ist im gesunden Zustand der immunologische Phänotyp des Gehirns herabreguliert. Dazu gehören eine fehlende Expression von MHC-Klasse-I- und -II-Antigenen auf hirneigenen Zellen und niedrige Komplementspiegel im Gehirnparenchym sowie im Liquorraum. Des Weiteren ist die Zahl intrazerebraler Leukozyten gering. Diese Organcharakteristika bestimmen den Verlauf und die Prognose einer Entzündung zusammen – wie bei Infektionen anderer Organen auch – mit Eigenschaften des infektiösen Agens (Virulenz, Affinität zu spezifischen neuroanatomischen Strukturen und/oder Kompartimenten des Gehirns) sowie Eigenschaften des Wirtsorganismus (Alter, Immunstatus). So sind Immundefekte des Wirts mit charakteristischen Infektionen des ZNS assoziiert. Beispielsweise prädisponieren Defekte des Komplementsystems zu einer Meningokokkenmeningitis, Granulozytopenien und Lymphozytopenien zu Infektionen durch diverse Bakterien und Pilze. Eine CD4-Defizienz, z. B. bei AIDS-Patienten, prädisponiert zu Infektionen durch Parasiten, Mykobakterien und einigen Viren.
Klassifikation zentralnervöser Infektionen Die Klassifikation der Infektionen des ZNS kann aufgrund der Topographie, des ätiologischen Agens und des klinischen Verlaufs vorgenommen werden. Aufgrund der Topgraphie unterscheidet man: x Osteitis: Entzündung des Knochens x Epidurale Infektion: Entzündung zwischen Knochen und Dura, tritt spinal, aber nicht im Bereich des Schädels auf x S ubdurales Empyem: Entzündung zwischen harter und weicher Hirnhaut, spinal auftretend x Meningitis: Entzündung im Subarachnoidalraum zwischen Arachnoidea und Pia mater x Enzephalitis: Entzündung des Gehirnparenchyms. Formen der Enzephalitis: Polioenzephalitis: Entzündung der grauen Substanz Entzündung der weißen Substanz Panenzephalitis: Entzündung der grauen und weißen Substanz – Phlegmonöse Enzephalitis: diffuse Entzündung des Gehirnparenchyms – Abszedierende Enzephalitis (Hirnabszess): abgekapselte Entzündung des Gehirnparenchyms – Ventrikulitis: Entzündung des Ventrikelsystems, d. h. seiner Wände und/oder im Lumen.
Mechanismen der Invasion Infektöse Agenzien können das ZNS erreichen x direkt: durch Invasion benachbarter Strukturen, x hämatogen: durch Streuung von Infektionsherden, besonders aus Herz, Lunge,
305
Bakterielle Infektionen des ZNS
x axonal: unter Benutzung von Axonen peripherer Nerven und Hirnnerven. Des Weiteren spielt eine Reaktivierung im ZNS latent und asymptomatisch persistierender Erreger eine Rolle, vor allem bei immundefizienten Personen.
Bakterielle Infektionen des ZNS Bakterien können eine Meningitis, einen Abszess (epidural oder im Parenchym), eine Ventrikulitis und ein subdurales Empyem hervorrufen. Der Verlauf einer bakteriellen ZNS-Infektion kann akut, subakut oder chronisch sein. Das Erregerspektrum zeigt eine Abhängigkeit vom Alter und Immunstatus des Patienten (Tabelle 11.1) [29].
Akute, bakterielle, eitrige Meningitis Pathogenese. Eine Meningitis ist die häufigste Form einer bakteriellen Infektion des ZNS. Die meisten Fälle treten sporadisch auf. Epidemien sind seltener und meist mit Neisseria meningitidis assoziiert. Die afrikanische Sub-Sahara-Zone ist ein klassisches Gebiet, in dem durch Meningokokken der Serogruppe A wiederholt Epidemien einer Meningitis hervorgerufen werden [49]. Der Infektionsweg ist hämatogen oder per continuitatem von einem Infektionsherd in der Nachbarschaft (Sinusitis, Otitis, Osteomyelitis, Orbitainfektion, dentaler Abszess). Um die Meningen zu erreichen, muss das Pathogen eine Reihe von Barrieren überwinden (Abb. 11.1). Die meisten Fälle entwickeln sich im Rahmen einer Bakteriämie, z. B. aufgrund einer Invasion des Blutstroms nach einer Besiedlung der nasopharyngealen Mukosa. Relevante bakterielle Meningitiserreger stammen aus dem Respirationstrakt (z. B. Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae). Diese Pathogene werden in der Regel durch Tröpfcheninfektion über den
respiratorischen Weg von Mensch zu Mensch übertragen. Für Neisseria meningitidis stellt die menschliche respiratorische Mukosa das einzige natürliche Reservoir dar. Für die Kolonisierung der respiratorischen Mukosa sind Bestandteile der Polysaccharidkapsel, Fimbrien, Pili sowie die Produktion bakterieller Enzyme wichtig. Bakterien können die mukosale Barriere durch oder zwischen Epithelzellen durchbrechen oder in phagozytischen Vakuolen das Epithel durchwandern, um den Blutstrom zu erreichen. Im Blutstrom haben gekapselte Bakterien wie Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis, Streptococcus pneumoniae, Streptokokken der Gruppe B und Escherichia coli Überlebensvorteile. Bei der Invasion der Meningen finden komplexe Interaktionen zwischen Endothelzellen zerebraler Gefäße und mikrobiellen Faktoren statt. Zunächst wird die Adhäsion an die Endothelzellen von zerebralen Gefäßen und Gefäßen des Plexus choroideus durch Rezeptoren bakterieller Pathogene erleichtert. Neben der parazellulären Passage mit Durchbrechen interzellulärer endothelialer Verbindungen und Verletzung des Endothels besteht die Möglichkeit des transzellulären Transports sowie der Invasion innerhalb von Leukozyten. Sobald Bakterien das Liquorkompartiment erreicht haben, sind die Abwehrmechanismen des Wirts insuffizient, da im Liquor nur niedrige Immunglobulin- und Komplementspiegel sowie nur wenige Makrophagen vorhanden sind. Dadurch haben Bakterien einen Überlebensvorteil. Ihre Replikation führt zur Autolyse mit Freisetzung bakterieller Zellwandbestandteile und Komponenten wie Peptidoglykane, Lipopolysaccharide, Teichonsäure, Lipoteichonsäure, Zellwandfragmente, die die entzündliche Reaktion des Wirtsorganismus sowie die Produktion von Zytokinen und Chemokinen triggern. In der frühen Phase werden proinflammatorische Zytokine wie Tumor-Nekrose-Faktor (TNF), Intereukin(IL)-1E, IL-6 von Makrophagen, Endothelzellen und Gliazellen produziert, die zur NF-NB-Aktivierung führen und eine Kaskade weiterer entzündlicher Mediatoren triggern, u. E. von IL-8, „macrophage inflammatory protein“ (MIP), „platelet-activating factor“ (PAF), Prostaglandi-
Tabelle 11.1 Ätiologie der bakteriellen Meningitis in Abhängigkeit vom Patientenalter Bakterium
Neugeborene (< 1 Monat)
Kinder (1 Monat bis 15 Jahre)
Erwachsene (>15 Jahre)
H. influenzae
40–60%
N. meningitidis
25–40%
10–35%
S. pneumoniae
10–20%
30–50%
Gramnegative Bakterien
50–60%
Gr.-B-Streptokokken
20–50%
Listeria sp.
2–10%
306
11
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Abb. 11.1 Pathophysiologie der akuten bakteriellen, eitrigen Meningitis. Nach Überwindung von Mukosa und Blut-Hirn-Schranke (BBB) vermehren sich Bakterien im Subarachnoidalraum (SAR). Zerfallende Bakterien setzen Lipopolysaccharide (LPS), (Lipo)Teichonsäure ((L)TS) frei. Dadurch werden Makrophagen (MI) zur Produktion löslicher Mediatoren angeregt. Dies stimuliert die Hochregulation von Zelladhäsionsmolekülen (CAM) auf zerebralen
Endothelzellen, wodurch die Rekrutierung weiterer Makrophagen und neutrophiler Granulozyten (PMN) stimuliert wird, die weitere proinflammatorische und antibakteriell wirkende Zytokine ausschütten. Zum Teil induzieren die Mediatoren auch Veränderungen des zerebralen Blutflusses, aktivieren hirneigene Mikrogliazellen und Astrozyten und/oder wirken neurotoxisch
nen, Matrixmetalloproteasen, Stickstoffoxid (NO) und reaktiven Sauerstoffradikalen (ROS). Dadurch werden neutrophile Granulozyten und weitere Makrophagen an den Ort des entzündlichen Geschehens gelockt. Neben einer Phagozytose von Bakterien kommt es dabei auch zu Schäden der zerebralen Vaskulatur mit Steigerung der Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke und konsekutiv zu Veränderungen des zerebralen Blutflusses, der in der frühen Phase zu-, in fortgeschrittenen Phasen abnimmt. Eine globale Reduktion des zerebralen Blutflusses, die durch einen Verlust der Autoregulation des zerebralen Blutflusses, durch einen gesteigerten intrazerebralen Druck und durch systemische Hypotension bedingt sein kann, eventuell mit einer Hypoperfusion infolge einer arteriellen Vaskulitis, kann zu erheblichen ischämischen Schäden, bis hin zum ischämischen Hirninfarkt, führen und permanente neurologische Schäden bewirken. Des Weiteren modulieren proinflammatorische Mediatoren wie NO und ROS den zerebralen Blutfluss.
verantwortlich sind, befallen charakteristischerweise die Großhirnkonvexität (Haubenmeningitis). Bei perakuten Formen, die zum Tod innerhalb von 24 Stunden führen, insbesondere im Rahmen des Waterhouse-FriedrichsenSyndroms, sieht man eine massive, generalisierte Hirnschwellung, gestaute Gefäße und multiple Petechien, während Eiter fehlt und eine Entzündungsreaktion trotz Anwesenheit zahlreicher Bakterien gar nicht ausgebildet wurde. Bei akuten Formen sieht man eine unterschiedlich stark ausgeprägte Schwellung des Gehirns, dessen Oberfläche mit einem grau-gelblich-grünlichen, eitrigen Exsudat bedeckt ist, das sich in die Virchow-Robin-Räume erstreckt (Abb. 11.2). Das Exsudat ist über der Konvexität und in den basalen Zisternen, wo der Subarachnoidalraum am tiefsten ist, besonders prominent. Mikroskopie: Im eitrigen Exsudat lassen sich in den frühen Phasen intra- und extrazelluläre Bakterien und neutrophile Granulozyten nachweisen (Abb. 11.3). Ein korrespondierendes Bild zeigt der Liquor cerebrospinalis. Meningeale Gefäße sind erweitert und können auch Zeichen der muralen Entzündung zeigen. Es kann zu fibrinoiden Nekrosen und thrombotischen Gefäßverschlüssen mit ischämischer Schädigung des entsprechend versorgten Parenchyms kommen. Bei einem Übergreifen der Entzündung auf leptomeningeale Venen kann sich
Morphologie. Bei den meisten akuten bakteriellen eitrigen Meningitiden finden sich, unabhängig vom Pathogen, gleiche morphologische Veränderungen im Gehirn. Makroskopie: Bakterien wie Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis, die zusammen für ca. 80% der bakteriellen Infektionen weltweit
Bakterielle Infektionen des ZNS
Abb. 11.2 Akute, eitrige bakterielle Meningitis. Gelblich-gräulichgrünliches, eitriges Exsudat im Subarachnoidalraum der Konvexität der Großhirnhemisphären
Abb. 11.3 Akute, eitrige bakterielle Meningitis. Zellreiches, eitriges Exsudat im Subarachnoidalraum. HE
eine Thrombophlebitis entwickeln, die fortschreiten und schließlich zu einer Sinusvenenthrombose führen kann. Das Exsudat erstreckt sich entlang perivaskulärer Räume in Großhirnrinde, Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark. Gegen Ende der ersten Woche kommt es zu Veränderungen des zellulären Zusammensetzung des entzündlichen Infiltrats im Subarachnoidalraum, in dem nun Makrophagen, Lymphozyten, Plasmazellen und Fibroblasten dominieren, während neutrophile Granulozyten zahlenmäßig zurückgehen (Abb. 11.4). Bei erfolgreicher Therapie sind in der Regel bereits nach wenigen Tagen mit morphologischen Techniken keine Bakterien mehr nachweisbar. Im angrenzenden Gehirngewebe, d. h. in der Regel in oberen Kortexschichten, können geschrumpfte, pyknotische Nervenzellen nachweisbar sein. Des Weiteren sind Mikrogliazellen und Astrozyten aktiviert, was man an morphologischen Veränderungen wie z. B. einer Induktion von MHC-Klasse-I- und –II-Antigenen und Zelladhäsionsmolekülen auf Mikrogliazellen bzw. Astrozyten erkennen kann. Diese Aktivierung hirn-
307
Abb. 11.4 Liquor cerebrospinalis bei akuter, eitriger bakterieller Meningitis unter Behandlung nach fünf Tagen. Neutrophile Granulozyten, Makrophagen und Monozyten dominieren das zytologische Bild. Pappenheim
eigener Mikrogliazellen und Astrozyten bedeutet aber auch, dass diese Zellpopulationen ebenso wie Neurone immunologisch aktiv zu den Abwehrmechanismen der Immunantwort beitragen, was auch die Produktion proinflammatorischer Mediatoren beinhaltet. Viele Überlebende weisen Langzeitfolgen mit neurologischen Symptomen und Behinderungen auf. Ihre Art und Häufigkeit hängt vom Alter der Patienten bei Erkrankung und vom zugrunde liegenden Pathogen ab; so ist bei der Streptococcus pneumoniae-Meningitis die Komplikationsrate größer als bei Meningitiden durch Haemophilus influenzae und Neisseria meningitidis [27]. Bei erfolgreich behandelten Meningitiden können als Langzeitfolge eine Verdickung der Meningen sowie eine leichte subpiale Fasergliose resultieren. Komplikationen der bakteriellen Meningitis sind (neben Ödem und Infarkt) – oft fokale – neuronale Verluste. Insbesondere Neuronenverluste im Hippokampus und Gyrus dentatus können zu einer Lernbehinderung führen [32, 40]. Subdurale Effusionen (Hygrome) treten gelegentlich als Komplikation bei Kleinkindern auf. Außerdem kann ein subdurales Empyem entstehen. Durch fibrinöse Verklebungen im Bereich der Wände des Ventrikelsystems kann es zu Liquorzirkulationsstörungen mit Entwicklung eines Hydrozephalus kommen. Sollte dieser die Anlage eines Shunts zur Liquorableitung erfordern, besteht auch die potentielle Gefahr der Entwicklung einer bakteriellen Shunt-Infektion, die in der Regel durch Staphylokokken verursacht wird und zu einer Ventrikulitis führt. Da Listeria monocytogenes neben Makrophagen, Ependymzellen und Epithelzellen des Plexus choroideus auch Neurone als Zielzelle infiziert, kann sich als Komplikation einer Meningitis – insbesondere bei unvollständiger Therapie – ein Hirnstammabszess oder eine Rhombenzephalitis entwickeln [39]. Von einer cerebralen Listeriose sind immungeschwächte Patienten wie ältere Menschen, Diabetiker und Feten bedroht.
308
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Tuberkulose Pathogenese. Ursächlich ist bei immunkompetenten Personen Mycobacterium tuberculosis verantwortlich. Bei immundefizienten Patienten verursacht Mycobacterium avium intrazellulare Infektionen des ZNS. Mycobacterium tuberculosis erreicht das ZNS hämatogen von einem extrazerebral gelegenen Primärherd im Rahmen der hämatogenen Dissemination, meist bei Miliartuberkulose. Infektionen mit Mycobacterium tuberculosis können zu einer Entzündung der Meningen, des Gehirnparenchyms und der zerebralen Gefäße führen. Folgende Formen werden unterschieden: x Meningitis, x Tuberkulom, x Osteomyelitis der Wirbelsäule.
Abb. 11.5 Tuberkulöse Meningitis. Die Hirnbasis ist mit einem zähen, gräulichen, gelatinösen Exsudat bedeckt, das die Gefäße des Circulus arteriosus und die Hirnnerven bedeckt und ummauert
Tuberkulöse Meningitis
11
Makroskopie. Zur Induktion der tuberkulösen Meningitis, der häufigsten Manifestationsform der Tuberkulose im ZNS, reichen bereits wenige Bakterien aus. Es handelt sich in der Regel um eine chronische Meningitis, die gelegentlich subakut beginnen kann. Im Subarachnoidalraum ist ein gelatinöses, zähes, grau-glasiges, grünliches Exsudat nachweisbar, das am prominentesten über der Hirnbasis ist (basale Meningitis) und sich um die Fossa interpeduncularis erstreckt, die Hirnnerven und das Rückenmark umgibt (Abb. 11.5). Es kann auch in den Seitenventrikeln vorhanden sein und dort den Plexus choroideus bedecken. Subpiale Herde (Rich) können sich in der initialen Phase der klinisch asymptomatischen hämatogenen Dissemination bilden. Die Ventrikel sind of mäßiggradig erweitert aufgrund der Entwicklung eines obstruktiven oder kommunizierenden Hydrozephalus. Von den Meningen ausgehend kann die Entzündung auf das benachbarte Parenchym übergreifen und so zu einer tuberkulösen Meningoenzephalitis führen. Mikroskopie. Nur in der sehr frühen Phase tragen neutrophile Granulozyten zum entzündlichen Infiltrat bei. Sehr bald dominieren Lymphozyten das Infiltrat, zu dem auch Makrophagen, einige Plasmazellen, Epitheloidzellen und Fibroblasten beitragen. Verkäsende Nekrosen sind ebenso charakteristisch wie mehrkernige Riesenzellen vom Langhans-Typ, die in kleiner Menge vorhanden sein können und so in einer bioptischen Probe möglicherweise nicht nachweisbar sind (Abb. 11.6). Da die Zahl der Mykobakterien sehr variabel ist, muss die ZiehlNeelsen-Färbung nicht in jedem Fall säurefeste Stäbchen zur Darstellung bringen, so dass bei negativem Ausfall PCR-Untersuchungen obligat sind. Bei immunsuppri-
Abb. 11.6 Tuberkulöse Meningitis. Verkäsendes entzündliches Infiltrat mit mehrkernigen Riesenzellen vom Langhans-Typ und zahlreichen Lymphozyten im Subarachnoidalraum des Pons. HE
mierten Patienten sind Mykobakterien in der Regel zahlreich vorhanden, während die Entzündung weniger granulomatös imponiert und normalerweise keine multinukleären Riesenzellen nachweisbar sind. Im Parenchym kann es in der Nachbarschaft eines ausgeprägten meningealen Infiltrats zu einer diffusen Entzündung mit einer prominenten Mikrogliaaktivierung und einer Astrogliose kommen. Häufig kommt es zum entzündlichen Befall kleiner und mittelgroßer Arterien mit entzündlicher Durchsetzung von Adventitia und Intima oder einer Panarteriitis (Abb. 11.7). Dabei kann es zu Gefäßverschlüssen mit der Folge eines ischämischen Infarkts kommen. Auch Venen können befallen sein und thrombosieren. Mit der Zeit wird das entzündliche Infiltrat durch ein hyalinisiertes Bindegewebe ersetzt.
Bakterielle Infektionen des ZNS
309
Riesenzellen vom Langhans-Typ umgeben. Die äußere Schicht besteht aus Kollagen, Fibroblasten, Lymphozyten und Monozyten. Mit der Zeit ist eine Verkalkung möglich. Das umgebende Gehirnparenchym zeigt eine ausgeprägte Gliose. Früher stellte ein zerebelläres Tuberkulom bei Kindern sogar die häufigste intrazerebrale Raumforderung dar.
Osteomyelitis der Wirbelsäule
Abb. 11.7 Vaskulitis bei tuberkulöser Meningitis. Durchsetzung der Wand eines leptomeningealen Gefäßes durch ein entzündliches, lymphozytär dominiertes Infiltrat bei tuberkulöser Meningitis. Elastica-van-Gieson
Abb. 11.8 Tuberkulome bei tuberkulöser Meningitis. Tuberkulome mit verkäsendem Zentrum im Subarachnoidalraum mit Übergreifen auf den benachbarten Kortex und raumfordernder Wirkung. Cresyl-Violett
Tuberkulom Ein Tuberkulom entwickelt sich durch sich vermehrende Tuberkel, wodurch es zu einer Größenzunahme im Parenchym oder abgekapselt in den Meningen kommt. Tuberkulome können singulär oder – häufiger – multipel vorkommen und raumfordernd wirken (Abb. 11.8). Tuberkulome stellen sich als eine graue, fokal umschriebene, eingekapselte, eventuell raumfordernde, im Subarachnoidalraum gelegene, gelblich-graue Masse dar, deren Durchmesser in der Regel weniger als 1 cm beträgt, jedoch die Größe einer Orange erreichen kann. Tuberkulome kommen häufiger multipel als singulär vor. Sie finden sich bevorzugt in Kleinhirn und Brücke. Ihr Zentrum ist verkäsend nekrotisch, von teils fester Konsistenz, und wird von einem grauen, derben, gelatinösen Rand gesäumt, an den eine gliotische Zone grenzt. Die zentrale Nekrose ist von Lymphozyten, Epitheloidzellen und
Ein tuberkulöse Osteomyelitis der Wirbelsäule kann sich auf den Epiduralraum ausdehnen.
Neurosarkoidose Die Sarkoidose ist eine entzündliche Multisystemerkrankung unbekannter Ätiologie. Etwa 5% der Patienten weisen eine neurologische Beteiligung auf. Dabei kann jeder Teil des ZNS befallen sein. Eine neurologische Affektion kann auch isoliert in Abwesenheit einer systemischen Erkrankung auftreten. Am häufigsten findet sich eine Beteiligung von Meningen, subpialem Gehirnparenchym, Hirnnerven, Hypothalamus und Hypophyse. Die Meningitis nimmt einen chronischen Verlauf. Die Meningen der Hirnbasis, des Hirnstammes, Kleinhirnes, Rückenmarkes und im Bereich von Nervenwurzeln sind verdickt. Histologisch stellt sich eine granulomatöse Entzündung dar. Die Granulome bestehen aus Epitheloidzellen, mehrkernigen Riesenzellen, T- und B-Lymphozyten sowie Monozyten und Fibroblasten. Typischerweise sind sie nicht verkäsend, können jedoch in seltenen Fällen eine zentrale Nekrose aufweisen. Zentral können sie fibrosieren (Abb. 11.9). Von den Meningen können die Granulome sich entlang der Virchow-Robin-Räume in das benachbarte Gehirnparenchym ausdehnen und über eine zerebrale Vaskulitis zu einem Infarkt führen. Läsionen im Gehirnparenchym können periventrikuläre Areale einbeziehen. Aufgrund der Verdickung der basalen Meningen oder einer Obstruktion des Aquäduktes kann sich ein Hydrozephalus entwickeln.
Idiopathische Pachymeningitis hypertrophicans Diese Erkrankung ist eine Ausschlussdiagnose bei Nachweis einer chronischen fibrosierenden Entzündung der Dura im Bereich von Schädel oder Spinalkanal, ohne dass ein pathogenes infektiöses Agens nachweisbar ist. Zu den
310
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Abb. 11.11 Hirnabszess. Hirnabszess im Tegmentum mesencephali mit raumfordernder Wirkung und Kompression des Aquädukts Abb. 11.9 Sarkoidose. Chronische Entzündung der zervikalen Dura, die sich bis in den Hirnstamm erstreckte. Mehrkernige Riesenzelle sowie von Makrophagen gesäumte, kleine zentrale Nekrose, Lymphozyten und ausgeprägte Fibrose. HE
Infiltrate bestehen aus neutrophilen Granulozyten, Makrophagen und Lymphozyten. Es gibt Übergänge zu kleinen Mikroabszessen, in deren Zentrum eine Nekrose nachweisbar ist.
11 Hirnabszess
Abb. 11.10 Metastatisch-septische Herdenzephalitis. Perivaskuläres Infiltrat aus Lymphozyten und neutrophilen Granulozyten mit perivaskulärem Ödem. HE
entzündlichen Infiltraten können Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen und auch Riesenzellen beitragen. Differentialdiagnostisch sind eine Tuberkulose, Sarkoidose, Lues und andere nichtinfektiöse Erkrankungen, z. B. aus dem rheumatischen Formenkreis, Vaskulitiden und auch Tumorerkrankungen auszuschließen.
Metastatisch-septische Herdenzephalitis Bei septischen Embolien mit Streuung aus verschiedenen Primärherden (Endokarditis, Lungenabszess, Bronchiektasen) kann sich eine metastatisch-septische Herdenzephalitis entwickeln. Mikroskopisch beobachtet man multiple, kleine, disseminierte entzündliche Infiltrate, die Gefäßwände durchsetzen (Abb. 11.10). Die
Per definitionem handelt es sich um eine fokale, vom umgebenden Gehirngewebe abgekapselte, im Gehirnparenchym gelegene Entzündung mit zentraler Nekrose und äußerer, bindegewebig-gliöser Kapsel (Abb. 11.11). Der Hirnabszess stellt nach der akuten eitrigen Meningitis die häufigste Manifestation einer bakteriellen ZNS-Infektion dar. Außer Bakterien können Pilze und der Parasit Toxoplasma gondii einen Hirnabszess hervorrufen. Pathogenese. Während in der präantibiotischen Ära Staphylococcus aureus der häufigste Erreger war, ist dieses Bakterium nun die häufigste Ursache des traumatischen und postoperativen Hirnabszesses, während Streptokokken und Anaerobier heute für die Mehrzahl der Fälle verantwortlich sind [5, 6, 13, 21]. Eine chronische Otitis media und/oder Mastoiditis führt wesentlich häufiger zu einer intrakraniellen Infektion als eine akute Infektion. Insbesondere das Cholesteatom ist häufig mit einem otogenen Hirnabszess assoziiert. Auch chronische odontogene Infektionen können zu einem Hirnabszess führen. Etwa 50% der Abszesse entstehen durch Ausbreitung einer in der Nachbarschaft gelegenen Entzündung (Nasennebenhöhlen ca. 10%, Mittelohr ca. 35%, Zahnwurzel ca. 2%) [23]. Ätiologisch verantwortlich sind Streptococcus milleri, Staphylokokken und Bacteroides; Mischinfektionen sind häufig. Eine hämatogene Streuung ist für ca. 25% aller Abszesse verantwortlich. Bei Kindern mit kongenitalen
Bakterielle Infektionen des ZNS
311
Abb. 11.12 Schematischer Aufbau eines voll ausgebildeten Hirnabszesses
Herzvitien mit Rechts-Links-Shunt können septische Emboli die pulmonale Zirkulation umgehen. Bei Erwachsenen gehen septische Emboli von Bronchiektasen, Lungenabszessen oder einer subakuten Endokarditis aus. Hier sind Streptococcus viridans sowie microaerophile/ anaerobe Streptokokken verantwortlich. Pulmonale Infektionsherde (Lungenabszess, Bronchiektasen), Endokarditiden und kardiale Vitien mit Rechts-Links-Shunt (pulmonale arterivenöse Malformation, kongenitale Herzdefekte, offener Ductus arteriosus) sind klinisch relevante Ursachen eines Hirnabszesses. Hämatogen entstandene Abszesse liegen oft am Übergang zwischen grauer und weißer Substanz und treten häufig multipel auf. Bevorzugt ist das Versorgungsgebiet der A. cerebri media involviert. 5–10% der Fälle entstehen durch Einbringen von Bakterien im Rahmen einer penetrierenden Verletzung (Schädel-Hirn-Trauma, Operation). In 75–90% der Fälle ist der Abszess solitär. Alle Areale des Gehirns können betroffen sein. Die Lokalisation hängt von der Ätiologie ab. So führt eine Sinusitis zumeist zu einem frontal gelegenen Abszess, während eine Mastoiditis/Otitis media einen Abszess im Temporallappen hervorrufen. Insgesamt findet man Abszesse am häufigsten frontotemporal und parietal, in abnehmender Häufigkeit in parietaler, zerebellärer und okzipitaler Lage. Ein Abszess aus septischer Ursache entwickelt sich häufig im Stromgebiet der A. cerebri media, kann jedoch prinzipiell überall im Gehirn entstehen. Im Rahmen einer septischen Streuung können sich multiple Abszesse in verschiedener topographischer Verteilung entwickeln. Ein singulärer oder mehrere Erreger können verantwortlich sein. In 20–25% der Fälle gelingt es nicht, ein pathogenes Agens in der Kultur zu identifizieren.
Abb. 11.13 Hirnabszess im frühen Kapselstadium. Eine zentrale, scharf demarkierte Nekrose ist von einem zellreichen, neovaskularisierten Granulationsgewebe umgeben. Bindegewebe ist noch nicht nachweisbar. HE
Eine Immundefizienz prädisponiert ebenfalls zu Abszessen. Hier ist ätiologisch an Toxoplasma gondii, Nocardia, Listeria monocytogenes – das charakteristischerweise eine Rhombenzephalitis hervorruft –, gramnegative Bakterien, Mykobakterien und Pilze zu denken. Entwicklung eines Hirnabszesses. Ein Hirnabszess entwickelt sich in charakteristischer Sequenz über einen definierten Zeitraum von ca. 1–3 Wochen. Dann weist er einen geschichteten Wandaufbau auf (Abb. 11.12, 11.13). Initial tritt fokal, meist an der Grenze zwischen grauer und weißer Substanz, wo die kollaterale Gefäßversorgung am schlechtesten ist, eine mikrovaskuläre Schädigung auf. Das Vorhandensein eines vorgeschädigten Areals ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung
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eines Hirnabszesses. Dabei können vier Stadien unterschieden werden: x Frühe Zerebritis (1.–3. Tag nach Infektion): In diesem Stadium der fokalen eitrigen Enzephalitis schädigen Bakterien kleine Gefäße und gelangen durch die geschädigten Gefäßwände in das benachbarte, avitale Parenchym, in dem sich kleine Nekrosen entwickeln und wo sie eine lokale Entzündung initiieren. Mikroskopisch erscheint die Läsion unscharf begrenzt. Außer gestauten, eventuell thrombosierten Gefäßen können Petechien sowie einige neutrophile Granulozyten vorhanden sein. x Späte Zerebritis (4.–9. Tag nach Infektion): In diesem Stadium der fokalen eitrigen Enzephalitis mit konfluierender zentraler Nekrose ist ein nekrotisches, eitrig eingeschmolzenes Zentrum von einer dünnen Schicht von Entzündungszellen umgeben. Das Infiltrat besteht vor allem aus neutrophilen Granulozyten und Makrophagen. Im Zentrum können Bakterien nachweisbar sein. Das Gewebe ist ödematös verändert. x Frühes Kapselstadium (10.–13. Tag nach Infektion): Nun sind weitere Makrophagen und Monozyten sowie Lymphozyten und Plasmazellen eingewandert, die eine weitere Schicht von Entzündungszellen anlagern. Diese liegen zwischen zahlreichen, neu gebildeten Kapillaren. Kollagenfasern sprossen aus, die die Kapsel des Abszesses bilden. Diese ist in diesem Stadium noch sehr schwach ausgebildet. Im angrenzenden, ödematösen Gehirngewebe sind reaktive Astrozyten nachweisbar. x Spätes Kapselstadium ( >14. Tag nach Infektion): Zu diesem Zeitpunkt weisen die meisten Abszesse eine deutliche Struktur mit einer zentralen Nekrose auf, die von einem Granulationsgewebe, bestehend aus neutrophilen Granulozyten, Makrophagen und Lymphozyten, gesäumt wird. Nach außen schließt sich eine nun deutlicher ausgebildete Kapsel aus Fibroblasten- und Kollagenschichten an, die von Entzündungszellen, zumeist Lymphozyten und Plasmazellen, sowie kleinen, radiär angeordneten kapillären Gefäßen durchsetzt ist. Angrenzend findet sich reaktiv verändertes Gehirngewebe mit aktivierten Mikrogliazellen und reaktiven Astrozyten, die auch zwischen den kollagenen Fasern liegen. Mit der Zeit nimmt die Kollagenablagerung zu. Dadurch kommt es zur Verdickung der Kapsel. Zum Kortex hin ist sie am kräftigsten und zum Ventrikel hin meist nur dünn ausgeprägt. Die Größe eines Abszesses ist sehr variabel. Er hat meist eine ovale Form und kann auch gekammert sein. Auch, wenn ein Abszess abgekapselt ist, ist zu bedenken, dass er bestenfalls eine gut kontrollierte Infektion darstellt, jedoch keine erfolgreiche Elimination des Pathogens mit Ausheilung der Läsion bedeutet. Deshalb
Infektionen des ZNS
ist es möglich, dass sich das Gleichgewicht zwischen Bakterium, Abgrenzung der Infektion und der Immunreaktion verschiebt und dass dadurch bedingt Komplikationen auftreten können. So kann es zu einer in der Regel letalen Ventrikelruptur, einer Meningitis, einem epiduralen Abszess oder einem subduralen Empyem kommen. Weitere Komplikationen können ein obstruktiver Hydrozephalus, ein Hirnödem sowie – selten – eine Blutung sein.
Subdurales Empyem Ein subdurales Empyem macht ca. 20% aller intrakraniellen Infektionen aus. Ursächlich sind meist Streptokokken und Staphylokokken. Ätiologisch kommt es zur Ausbreitung einer Infektion in den Subduralraum zumeist direkt, z. B. von paranasalen Sinus. Bei bis zu 50% der Patienten bestehen gleichzeitig eine fokale Osteomyelitis und ein extraduraler Abszess. Bei Kleinkindern kann ein subdurales Empyem auch als Komplikation einer Meningitis entstehen. Das Empyem besteht aus Eiter und einer gemischtzelligen entzündlichen Infiltration.
Epiduraler Abszess Intrakraniell, wo die Dura mit dem Schädelknochen adhärent ist, ist ein epiduraler Abszess eine Rarität, spinal (thorakal: 50–80%, lumbal: 15–40%) ebenfalls selten. Er erstreckt sich über verschiedene Wirbelkörperhöhen. In 60–90% der Fälle ist Staphylococcus aureus ätiologisch verantwortlich. Auch Pilze und Würmer können ursächlich sein. In der Regel entsteht ein epiduraler Abszess bei spinaler Lage durch Fortleitung einer Osteomyelitis oder – in den seltenen Fällen kranialer Lokalisation – fortgeleitet von einer Nebenhöhleninfektion. Mit zunehmender Raumforderung durch einen sich vergrößernden epiduralen Abszess kann es zu einer Kompression des Rückenmarks kommen. Extradural, zwischen Dura und dem Periost der Wirbelsäule, ist Eiter, umgeben von Granulationsgewebe, nachweisbar.
Morbus Whipple Pathogenese. Es handelt sich um eine Multisystemerkrankung. Das Bakterium Tropheryma whipplei, ein PASpositives Stäbchen, verursacht eine chronische Infektion, die zu drei Formen neurologischer Manifestation führen kann:
Spirochäteninfektionen
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1. Rezidiv im ZNS bei zuvor behandelter systemischer Erkrankung, 2. ZNS-Beteiligung beim klassischen M. Whipple und 3. isolierte neurologische Symptome durch Tropheryma whipplei ohne histologischen Hinweis auf eine systemische Beteiligung. In der Regel liegt bei einer ZNS-Affektion auch eine intestinale Beteiligung (mit einem Malabsorptionssyndrom) vor. In 6–63% der Patienten wird klinischerseits eine ZNS-Beteiligung berichtet. Man geht davon aus, dass es sich um eine oral erworbene Infektion handelt. Sobald eine Dissemination einsetzt, ist das Gehirn ein bevorzugt befallenes Organ. Die Prognose bei Patienten mit ZNS-Beteiligung ist schlecht. Mehr als 25% der Patienten sterben innerhalb von vier Jahren, weitere 25% sind schwer beeinträchtigt. Neben dem M. Whipple mit symptomatischer ZNS-Affektion konnte in Liquoruntersuchungen auch eine asymptomatische Form mit Demonstration von Tropheryma whipplei DNA nachgewiesen werden. Patienten mit M. Whipple weisen einen Defekt ihrer Makrophagen auf, die die Bakterien zwar phagozytieren, jedoch nicht vollständig degradieren können. Ursächlich führt eine inadäquate Produktion von IL-12 zu einer verminderten Interferon-J-Produktion von T-Lymphozyten und einer defekten Makrophagenaktivierung [12]. Makroskopie. Etwa 1–2 mm große, gelblich-weißliche Knötchen sind diffus in der kortikalen, subkortikalen und zerebellären grauen Substanz sowie subependymal verteilt. Thalamus, Hypothalamus, der Nucleus dentatus des Kleinhirns und periventrikuläre Regionen können betroffen sein. Mikroskopie. Die multiplen, kleinen, als Knötchen imponierenden Läsionen, enthalten perivaskulär, meningeal und intraparenchymatös inkl. subependymaler Regionen clusternde, schaumzellig transformierte Makrophagen, die PAS-positives, diastaseresistentes Material enthalten (Abb. 11.14). Dabei handelt es sich um grampositive, stäbchenförmige bakterielle Erreger, die auch mittels Versilberung darstellbar sind. Bakterien können auch extrazellulär im Gewebe vorkommen. Mittels PCR lässt sich spezifische bakterielle RNA (16S-RNA) nachweisen. Lymphozyten und Plasmazellen sind nicht typisch, können jedoch in seltenen Fällen einmal vorkommen. Eine reaktive Astrogliose ist charakteristisch.
Spirochäteninfektionen Zu den das ZNS befallenden Spirochäten, die klinisch relevante, permanente neurologische Symptome hervorrufen, gehören Treponema pallidum und Borrelia
Abb. 11.14 Morbus Whipple. Perivaskulär clusternde, schaumzellig transformierte Makrophagen, die PAS-positive Stäbchen enthalten. Sehr ausgeprägtes Ödem mit reaktiven Astrozyten. Perjodsäure-Schiff-Reaktion
burgdorferi, die Verursacher der Lues und der Borreliose („Lyme disease“).
Neurolues Pathogenese. Treponema pallidum, eine 5–15 Pm lange Spirochäte, infiziert das ZNS bei einigen, aber nicht allen Patienten in der frühen Phase der Infektion. Im Gegensatz zu früheren Meinungen ist eine Neurosyphilis keine ausschließlich späte bzw. tertiäre Manifestation der Erkrankung, sondern kann jederzeit nach Infektion auftreten. Klassifikation. Aufgrund morphologischer Befunde unterscheidet man folgende Formen: x asymptomatische ZNS-Beteiligung, x Meningitis, x meningovaskuläre Syphilis, x parenchymatöse Neurosyphilis, x progressive Paralyse, x Tabes dorsalis. Asymptomatische ZNS-Beteiligung
Bei einer asymptomatischen Neurosyphilis bei klinischneurologisch unauffälligen Patienten mit serologischen oder klinischen Zeichen einer Syphilis sind im Liquor Veränderungen wie eine Pleozytose und ein reaktiver Venereal-Disease-Research-Laboratory-Test nachweisbar, die ursächlich durch eine Lues bedingt sind. In der präantibiotischen Ära entwickelten ca. 20% der Patienten mit einer asymptomatischen Neurolues eine klinisch manifeste Neurosyphilis [17]. Eine asymptomatische
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ZNS-Beteiligung kann sowohl in den früheren Stadien der Krankheit als auch im Tertiärstadium vorkommen und einer symptomatischen Form vorausgehen. Meningitis
Die Meningitis im frühen Sekundärstadium oder sogar im Primärstadium ist morphologisch von aseptischen Meningitiden anderer Ursachen nicht unterscheidbar. Sie tritt in der Regel 1–2 Jahre nach einer Primärinfektion auf.
Meningovaskuläre Syphilis
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Die meisten Fälle treten ca. 7 Jahre nach Primärinfektion auf. Die meningovaskuläre Syphilis ist eine Kombination einer chronischen Meningitis mit einer multifokalen Arteriitis. Die chronische Leptomeningitis kann sich diffus oder lokalisiert an der Hirnbasis manifestieren. Die Meningen sind verdickt und fibrosiert. Selten können sie Gummata (s. unten) enthalten. Das Infiltrat besteht aus Lymphozyten und Plasmazellen. Infolge einer leptomeningealen Fibrose kann sich ein Hydrozephalus entwickeln. Die Arteriitis (Heubner-Arteriitis) kann große, mittlere und kleine Arterien und Arteriolen involvieren. Vor allem die A. cerebri media und ihre Äste, besonders die lentikulären Äste, sowie die A. cerebri posterior sind suszeptibel gegenüber der Entzündung. Infiltrate aus Lymphozyten und Plasmazellen sind in der Adventitia mit Übergreifen auf die Media lokalisiert. Die Media ist verdünnt, während die Lamina elastica interna intakt bleibt. Durch Kollagen ist die Intima konzentrisch verdickt. Aufgrund der entzündlichen Veränderungen können betroffene Gefäße sich thrombotisch verschließen mit der Folge von Ischämie und Infarkt, so dass eine Schlaganfallsymptomatik resultiert. Auch meningeale Venen und Hirnnerven können von einem entzündlichen Infiltrat umgeben sein. Parenchymatöse Syphilis
Die parenchymatöse Neurosyphilis manifestiert sich als progressive Paralyse mit Demenz und Tabes dorsalis. Aufgrund einer chronischen Meningoenzephalitis entwickelt sich in ca. 5% der Fälle eine Demenz. Die Meningen sind verdickt und fibrosiert und enthalten schüttere lymphoplasmazelluläre Infiltrate, die auch perivaskulär im Gehirnparenchym auftreten. Dabei kommt es zu einer Atrophie der Hirnrinde mit einem Verlust der normalen kortikalen Schichtung, Verlust von Neuronen, Proliferation von Astrozyten mit Entwicklung einer reaktiven Gliose und einer sehr prominenten Aktivierung von Mikrogliazellen. Spirochäten sind nur in der Minderheit der Fälle im Kortex nachweisbar. Klinisch können alle dementiellen Erkankungen imitiert werden.
Infektionen des ZNS
Die Tabes dorsalis, die sich in der Regel 15–20 Jahre nach der Primärinfektion entwickelt, entsteht aufgrund einer chronischen Entzündung der Hinterwurzeln und Spinalganglien mit assoziierter Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks. Die selektive Degeneration der hinteren Spinalnervenwurzeln ist lumbosakral am schwersten ausgeprägt. Durch die Beteiligung der Spinalganglien kommt es zu einer sekundären Waller-Degeneration der Hinterstränge mit einer Atrophie des Rückenmarks. Die Hinterwurzeln sind verschmälert und grau verfärbt. Entzündliche Veränderungen fehlen zumeist zum Zeitpunkt der autoptischen Untersuchungen oder sind nur sehr spärlich vorhanden; dann sind einige Lymphozyten und Plasmazellen in den spinalen Meningen, die fibrosiert und verdickt sind, und in den Spinalganglien, in denen ein Verlust von Nervenzellen stattgefunden hat, nachweisbar. Gummata sind späte Manifestationen der tertiären Lues und ähneln Tuberkulomen. Sie treten am häufigsten im Bereich der Konvexität des Gehirns auf und sind sowohl dura- als auch gehirnadhärent und dabei in das Gehirngewebe eingebettet. Mit einem Durchmesser von 1–4 cm können sie raumfordernde Wirkung haben. Sie sind von derber Konsistenz. Ihr nekrotisches Zentrum ist umgeben von einem Wall aus Plasmazellen, Lymphozyten, Epitheloidzellen, mehrkernigen Riesenzellen vom Fremdkörpertyp und kollagenem Gewebe. Spirochäten sind nur selten detektierbar. Konnatale Lues
Auch bei Übertritt von Spirochäten via Plazenta auf den Feten kann es zu einem Befall des ZNS kommen. Dabei können sich eine Porenzephalie und Mikrogyri entwickeln.
Neuroborreliose Die Spirochäte Borrelia burgdorferi (Länge 9–30 μm) wird von Zecken der Gattung Ixodes (Ixodes ricinus) übertragen, die als Parasiten auf Wild, Nagetieren, insbesondere Mäusen, und auch auf Haustieren leben. Die Übertragung erfolgt im Nymphenstadium der Zecken im Frühjahr und Frühsommer durch den Speichel der Zecken. Die Borreliose ist endemisch in Europa, Nordamerika und Asien. Nach dem Zeckenbiss kommt es zur lokalen Proliferation von Borrelia burgdorferi und anschließender Verbreitung über die Haut. Innerhalb von Tagen oder Wochen folgt eine hämatogene Ausbreitung. Wahrscheinlich gelangen die Spirochäten schon in der frühen Phase der Infektion in das ZNS. Bereits 18 Tage nach Infektion gelang eine Isolation von Spirochäten aus dem Liquor. Ungefähr ein bis zwei Monate nach der Infektion findet sich Borrelia burgdorferi bevorzugt in ZNS, Haut,
Pilzinfektionen des ZNS
Herz und Gelenken und kann in diesen Organen bei ausbleibender Behandlung persistieren. Borrelien lassen sich in Gewebeproben, auch im Gehirn, mittels GiemsaFärbung, Silberimprägnation (Whartin-Starry, modifizierte Dieterle-Methode), immunhistochemisch oder PCR nachweisen. Die Borreliose entwickelt sich als entzündliche Antwort auf die Spirochäten. Die zelluläre Immunantwort mit einer lymphozytären Proliferation ist kräftig und hält lange an. Die humorale Immunreaktion entwickelt sich langsamer. Antikörper vom IgM-Typ erreichen ihr Maximum nach 3–6 Wochen. Hohe IgG Titer können über Jahre persistieren, auch während der Remission. Obwohl die Zahl der Spirochäten in den Organen meist nur gering ist, löst Borrelia burgdorferi eine starke Immunreaktion durch eine toll-like-Rezeptoren-vermittelte Zytokinund Chemokinproduktion aus. Außerdem kommt es zu einer Ablage von Immunkomplexen in den Geweben mit einer sekundären Aktivierung des Komplementsystems. Kreuzreaktive Epitope zwischen den Spirochäten und Wirtsproteinen können eine autoimmune Reaktion in Gang setzen [3]. Klinischerseits werden drei Stadien der Borreliose unterschieden. Im ersten Stadium ist die Haut betroffen; im zweiten Stadium, das Wochen bis Monate später auftritt, sind Nervensystem und/oder Herz involviert; im dritten Stadium, das nach einigen Jahren eintritt, bestehen neurologische Symptome und/oder eine Arthritis. Eine neurologische Beteiligung tritt bei ca. 5–20% der betroffenen Patienten auf. Eine Neuroborreliose kann ohne vorhergehende Hautmanifestation (Erythema chronicum migrans) vorkommen mit einer klinischen Manifestation Wochen bis Monate nach der Infektion. In der frühen Neuroborreliose treten Neuropathien der Hirnnerven, eine lymphozytäre Meningitis, Radikulitiden und periphere Neuropathien auf. Bei der Meningitis kommt es zu einer meist lymphozytären (>90%) Pleozytose (100–200 Zellen/mm3), auch Plasmazellen sind häufig (9%). Gelegentlich fallen zytologisch Immunoblasten und häufige Mitosen auf, so dass differentialdiagnostisch ein hämatopoetischer Tumor erwogen wird; die Zellen sind jedoch polyklonaler Natur. Das Eiweiß ist im Liquor zumeist erhöht (100–300 mg/ dl) mit einer Erhöhung von IgG (90%), IgM (90%), IgA (75%), Nachweis spezifischer anti-Borrelia burgdorferiAntikörper sowie oligoklonaler IgG-Banden. IgG und spezifische anti-Borrelia burgdorferi-Antikörper können über Jahre persistieren, auch in Abwesenheit einer Krankheitsaktivität. Die Glukosespiegel sind meist normal, können bei länger bestehender Krankheit aber auch niedrig sein. Bei der chronischen progressiven Enzephalomyelitis, die selten ist (100-mal seltener als eine frühe Neuroborreliose), tritt eine progrediente Verschlechterung über Monate und Jahre ein. Diffuse, multifokale Veränderungen treten auf und betreffen Gehirn, Rückenmark,
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Hirnnerven und periphere Nerven. Der Liquor ist meist pathologisch. Die späte Enzephalopathie, der ebenfalls eine chronische Enzephalomyelitis zugrunde liegt, beginnt Monate bis Jahre nach der Infektion. Die Veränderungen im Liquor sind weniger prominent. Es gibt nur wenige dokumentierte neuropathologische Berichte [1, 35]. Darin wurden eine perivaskuläre Entzündung oder eine Vaskulitis sowie multifokale demyelinisierende Herde in der periventrikulären weißen Substanz beschrieben. Die Pathogenese der ZNS-Läsionen ist unklar. Sowohl eine Immunpathologie (bei einigen Patienten wurden Antikörper gegen basisches Myelinprotein entdeckt) als auch ein direkter, durch die Spirochäten verursachter Effekt (Organismen bzw. ihre DNA wurden in zentralnervösen Gewebeproben nachgewiesen) werden diskutiert.
Pilzinfektionen des ZNS Pathogenese Prinzipiell können alle primären fungalen Pathogene des Menschen eine ZNS-Infektion hervorrufen. Die meisten Pilzinfektionen des ZNS treten bei Patienten mit einer das Immunsystem beeinträchtigenden Grunderkrankung auf. Auch wenn einige Patienten keinen offensichtlichen Immundefekt oder eine Krankheit aufweisen, so liegt doch bei den meisten ein prädisponierender Faktor vor, der eine Invasion (prinzipiell) relativ avirulenter Pilze ermöglicht. Zu den prädisponierenden Faktoren zählen: immunsuppressive Therapie (Zytostatika, Kortikoide), maligne Tumoren, insbesondere hämatopoetische Tumoren, Organtransplantation, Drogenabusus, HIV-Infektion, Diabetes mellitus, Schwangerschaft, Verbrennungen und chronische Lungenerkrankungen. Die Aufnahme der Pilze erfolgt u. a. über Inhalation aus der Umgebung. In diesen Fällen ist primär der Respirationstrakt befallen und das ZNS wird in der Regel durch hämatogene Dissemination erreicht. Selten kann es auch durch direktes Übergreifen von Infektionen der Nachbarschaft (Nasennebenhöhlen, Orbita, Knochen) auf das Gehirn kommen. Die Art des zugrunde liegenden Immundefekts determiniert die erhöhte Suszeptibilität gegenüber bestimmten Pathogenen. So prädisponiert eine chemotherapieinduzierte Neutropenie zu Candida- und AspergillusInfektionen, Kortikosteroidmedikation zu einer Cryptococcus-Meningitis, während HIV-infizierte Patienten zu Infektionen mit Cryptococcus und Histoplasma capsulatum neigen. Ein Diabetes mellitus und eine bestehende Schwangerschaft erleichtern eine Invasion von Pilzen durch eine Suppression normaler Immunreaktionen. Dabei bestimmen der Immunstatus des Patienten und
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dessen Grunderkrankung entscheidend die Prognose der ZNS-Pilzinfektion. Pilzinfektionen manifestieren sich in der Regel als Meningitis oder Hirnabszess. Form und Größe der Pilze bestimmen die intrazerebrale Manifestation der von ihnen hervorgerufenen Erkrankung [10]. Hefepilze, die einen Durchmesser bis zu ca. 20 m erreichen können, wie Candida, Cryptococcus und Histoplasma, führen zu einer Meningitis. Pseudohyphen, die in ihrer Größe zwischen Hefepilzen und Hyphen liegen, wie z. B. Candida, verschließen kleine Gefäße (Arteriolen) des Gehirnparenchyms. Daraus resultieren kleine Infarkte, die sich in Mikroabszesse entwickeln. Sich verzweigende Hyphen wie Aspergillus und Mucor verlegen große und mittelgroße Arterien mit der Folge extensiver Infarkte. Die Entzündungsreaktion wird hinsichtlich der zellulären Zusammensetzung des Infiltrats und dessen Ausmaß vom Immunstatus des Wirts wesentlich (mit)bestimmt. Mikroskopisch wird der Nachweis von Pilzen durch PAS- und Versilberungsreaktionen geführt. Des Weiteren stehen spezifische Antikörper zur immunhistochemischen Detektion spezifischer Pilze zur Verfügung.
Infektionen des ZNS
Abb. 11.15 Zerebrale Cryptococcose. Multiple Zysten in der grauen Substanz in der Nachbarschaft des Subarachnoidalraumes mit Übergreifen auf die benachbarte Großhirnrinde
Cryptococcose Pathogenese und Makroskopie. Cryptococcus neoformans (Durchmesser 5–20 μm), ein kugeliger, unverzweigter Hefepilz ist der häufigste meningitisverursachende Pilz. Da T-Lymphozyten vom Th1-Typ [20], die proinflammatorische Zytokine sezernieren, für die Pilzelimination wichtig sind, treten die meisten ZNS-Infektionen bei Patienten mit einer Schwäche der Th1-Zellen wie HIV-Infektion, Organtransplantation und Kortikoidtherapie auf. Tatsächlich ist Cryptococcus neoformans häufigste Ursache einer Pilzerkrankung bei AIDS-Patienten [24]. Das primär befallene Organ ist nach Pilzaufnahme per Inhalation die Lunge, von wo der Pilz im Rahmen der hämatogenen Dissemination ins ZNS gelangt, zu dem er eine Affinität aufweist [20]. Eine Dissemination kann sowohl während der primären Infektion als auch während einer Reaktivierung bei Immundefizienz Jahre später erfolgen. Cryptococcus hat eine bemerkenswerte Neigung, den Subarachnoidalraum zu infizieren. In tropischen Ländern entwickeln auch immunkompetente Personen eine chronische Meningitis mit einem benignen Verlauf [41]. Die Meningen sind verdickt, so dass sich im Rahmen der Meningitis oft ein Hydrozephalus entwickelt. In etwa der Hälfte der Fälle entwickeln sich zusätzlich zur Meningitis im benachbarten Parenchym kleine, seifenblasenoder honigwabenähnliche Zysten (Abb. 11.15). Mit der ZNS-Invasion ist die Anwesenheit einer dicken, gelati-
Abb. 11.16 Zerebrale Cryptococcose. Ausbildung eines Abszesses mit einer zentralen Nekrose, die von ödematösem Gehirngewebe mit einem entzündlichen Infiltrat gesäumt wird. Das Infiltrat setzt sich aus mehrkernigen, Cryptococcusenthaltenden makrophagocytären Riesenzellen und Lymphozyten zusammen. HE
nösen Polysaccharidkapsel assoziiert. Diese lässt sich mit Alcianblau oder Mucicarmin sowohl in einer Gewebeprobe als auch am Liquorsediment darstellen. Cryptococcus neoformans kann auch – seltener – einen Hirnabszess hervorrufen (Abb. 11.16). Mikroskopie. Die meningeale Entzündung kann schwach oder kräftig ausgeprägt sein. Das Infiltrat besteht aus Lymphozyten, Plasmazellen und multinukleären Riesenzellen, die oft Pilze in ihrem Zytoplasma enthalten. Zysten im Parenchym enthalten Cryptococcom bei entweder nur schwach ausgeprägter oder fehlender Entzündungsreaktion. Ein Cryptococcom kann einen tumorähnlichen, raumfordernden Effekt haben. Die Ausprägung ist variabel mit vielen oder wenigen Pilzen und einer relativ schwach ausgeprägten Entzündungsreaktion sowie einer intensiven fibrosierenden Reaktion.
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Pilzinfektionen des ZNS
Candida Pathogenese und Makroskopie. Candida ist ein auf Haut und intestinalen Schleimhäuten regulär vorkommender Hefepilz, der Bestandteil der normalen intestinalen Flora ist. Bei Patienten mit Neutropenie kann Candida im Rahmen einer hämatogenen Aussaat eine Meningitis und einen Hirnabszess hervorrufen. Dabei treten intrazerebrale Läsionen in der Regel in Assoziation mit Befall anderer Organe eher spät im Krankheitsverlauf auf. Am häufigsten verursacht Candida multiple Hirnabszesse, typischerweise in der Verteilung der A. cerebri media.
Abb. 11.17 Zerebrale Aspergillose. Keilförmiger Infarkt durch Aspergillus mit grünlich-gelblicher, entzündlicher Erweichung
Mikroskopie. In Gefäßen, die der Pilz direkt invadiert, perivaskulär und in der Umgebung von Nekrosen sind die Pilze als (schwach basophile) Pseudohyphen oder knospende Hefepilze nachweisbar. Die Ausprägung der Entzündungsreaktion ist variabel und kann Mikroabszesse, die neutrophile Granulozyten und mononukleäre Zellen sowie Granulome, die Lymphozyten, Makrophagen, Plasmazellen und gelegentliche multinukleäre Riesenzellen enthalten, umfassen. Manchmal kommt es auch nur zur Ausbildung einer schwachen lymphozytären Entzündungsreaktion.
Aspergillose Pathogenese und Makroskopie. Die Erkrankung wird meist durch den Fadenpilz Aspergillus fumigatus hervorgerufen. Die Infektionswege sind hämatogen von der Lunge als dem Organ der Primärinfektion nach Inhalation ausgehend oder durch direkte Invasion, ausgehend von benachbarten paranasalen Sinus. Insbesondere sind Patienten mit Neutropenie und Graft-versusHost-Disease betroffen. Der Pilz kann zu Infarkt, Abszess und – seltener – zu einem Granulom oder einer Meningitis führen (Abb. 11.17). Eine Angioinvasion durch Hyphen ist häufig, kann kleine und große Gefäße betreffen und zu Infarkten und Blutungen führen (Abb. 11.18). Mikroskopie. Die Entzündungsreaktion ist variabel ausgeprägt. In der frühen Phase dominieren neutrophile Granulozyten, später Makrophagen. Abszesse können ein eitriges, nekrotisches Zentrum enthalten, an dessen Grenze zahlreiche neurophile Granulozyten liegen. Manchmal bilden sich auch Granulome aus. Bei Ausbildung einer granulomatösen Entzündung bilden Lymphozyten, epithelioide Makrophagen und Riesenzellen das Infiltrat; Kollagen ist in unterschiedlichen Mengen als Zeichen der fibrosierenden Entzündung nachweisbar.
Abb. 11.18 Zerebrale Aspergillose. Zahlreiche Aspergillushyphen invadieren zerebrale Gefäße und von dort aus das umgebende Gehirnparenchym. Versilberung nach Grocott
Mucor Pathogenese und Makroskopie. Mucor ist ein ubiquitär vorkommender Fadenpilz. In ca. 70% der Fälle weisen die Patienten einen Diabetes mellitus auf. Auch Patienten mit hämatopoetischen Tumoren und Empfänger von Nierentransplantaten sind gefährdet. Die Mucormykose gilt als aggressivste invasive Pilzinfektion beim Menschen. Es werden zwei ZNS-Manifestationsformen unterschieden: x Die rhinozerebrale Mucormykose ist die häufigste Form der Mucor-Infektion. Dabei breiten sich die Pilze, ausgehend von im Gesichtsbereich (Orbita, Nasennebenhöhlen) lokalisierten Herden durch die Lamina cribrosa ins Gehirn aus. Entsprechend entwickeln sich Nekrosen besonders ausgeprägt im basalen Bereich der Frontallappen. Da Mucor eine besondere Affinität zur Lamina elastica interna arterieller Gefäße besitzt, neigt der Pilz dazu, die Arterien der Orbita, die Aa. carotides internae und den Sinus cavernosus zu invadieren mit
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der Folge einer Thrombose. Eine Thrombose der A. carotis interna ist in ca. einem Drittel der autoptisch untersuchten Mucorfälle nachweisbar [42]. x Bei der ZNS-Infektion durch hämatogene Dissemination, ausgehend von einer extrazerebralen Quelle, z. B. Lunge, sind häufig die Basalganglien befallen. Mikroskopie. Hyphen sind in und um Gefäßwände von Meningen und Gehirnparenchym gelegen. Gefäßverlegungen und -verschlüsse kommen durch Hyphen und Thromben zustande und führen zu extensiven hämorrhagischen Infarkten. Das entzündliche Infiltrat kann von neutrophilen Granulozyten dominiert oder gemischtzellig inkl. multinukleärer Riesenzellen sein.
Protozoeninfektion Zerebrale Toxoplasmose
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Toxoplasma gondii ist ein obligat intrazellulärer Parasit mit einer hohen Affinität zum ZNS, der klassischerweise eine nekrotisierende Enzephalitis hervorruft.
Konnatale zerebrale Toxoplasmose Bei mütterlicher Erstinfektion in der Schwangerschaft und transplazentarer Übertragung, deren Risiko im letzten Trimenon der Schwangerschaft am höchsten ist, kann das Gehirn befallen werden. Makroskopie. Vor allem periventrikulär und subpial entwickeln sich Nekrosen. Des Weiteren sind intrazerebrale Verkalkungen, ein obstruktiver Hydrozephalus aufgrund einer Aquäduktstenose und eine Mikrozephalie charakteristisch.
Infektionen des ZNS
Primärinfektion ins Gehirn gelangt sind, bei einer Immunsuppression mit einer CD4-T-Zell-Schwäche. Bei HIV-infizierten Patienten entwickelt sich eine opportunistische Toxoplasma-Encephalitis bei CD4-T-Zellzahlen unter 100/mm3. Während die Inzidenz der opportunistischen Toxoplasma-Encephalitis bei HIV-negativen, aus anderen Gründen immunsupprimierten, vor allem organtransplantierten Patienten durchschnittlich bei ca. 5% liegt, entwickeln ca. 30–50% der AIDS-Patienten eine Toxoplasma-Encephalitis. Deshalb ist eine Evaluation der Toxoplasma gondii-Antikörper im Serum sinnvoll, wenn die CD4-T-Zellen noch nicht so stark abgefallen sind, dass dadurch die Antikörperproduktion beeinträchtigt sein könnte. Bei positivem Antikörpernachweis sollte der Patient eine prophylaktische Therapie gegen Toxoplasma gondii erhalten. Makroskopie. Typisch sind multifokale Abszesse, häufig mit ausgedehnten Nekrosen. Bevorzugt liegen die Läsionen in den Stammganglien sowie an der Rinden-MarkGrenze in den Großhirnhemisphären (Abb. 11.19). Mikroskopie. In den krümeligen Nekrosen sind oft noch Toxoplasma gondii-Antigen und gelegentlich Toxoplasma gondii-Zysten nachweisbar. In Abhängigkeit vom Immunstatus des Patienten werden die Nekrosen von Infiltraten gesäumt, die aus mononukleären Zellen, Makrophagen und Lymphozyten gesäumt werden. Die Infiltrate liegen im (noch) vitalen Parenchym, wo auch die Parasiten in Form von Pseudozysten nachweisbar sind (Abb. 11.20). Bei der nekrotisierenden Toxoplasma-Encephalitis sind auch Parasiten in Form freier, replikationsaktiver Tachyzoiten, die intra- und extrazellulär gelegen sind, sowie parasitophorer Vakuolen nachweisbar (Abb. 11.21). Klassisch sind eine prominente, ubiquitäre Aktivierung von Mikrogliazellen, die fokal sog. Mikrogliaknötchen ausbilden, sowie eine Astrozytenaktivierung. Es kann auch zu einer Vaskulitis mit Thrombose und
Mikroskopie. Extensive Nekrosen, die verkalken, sind ein typischer Befund. Schaumzellige Makrophagen sind nachweisbar. Eventuell kann man Lymphozyten und Mikrogliaknötchen sowie Toxoplasmen in Form von Tachyund Bradyzoiten nachweisen.
Postnatale zerebrale Toxoplasmose Pathogenese. Die starke Zunahme der Häufigkeit der zerebralen Toxoplasmose ist auf die HIV-Infektion zurückzuführen. Die Toxoplasma-Encephalitis ist die häufigste opportunistische Infektion des ZNS bei AIDS-Patienten [30]. Es kommt zur Reaktivierung im ZNS persistierender Parasiten, die im Rahmen der meist asymptomatischen
Abb. 11.19 Zerebrale Toxoplasmose. Große Abszesse durch Toxoplasma gondii in beiden Stammganglien mit Einengung des Ventrikelsystems bei einem AIDS-Patienten
Protozoeninfektion
Abb. 11.20 Zerebrale Toxoplasmose. Entzündliches Infiltrat, bestehend aus Lymphozyten und Makrophagen/aktivierten Mikrogliazellen in der Nähe einer eosinophilen Toxoplasmazyste. HE
Abb. 11.21 Zerebrale Toxoplasmose mit Parasiten in einer parasitophoren Vakuole sowie als freie Trophozoiten im Gehirnparenchym. Anti-T. gondii Immunhistochemie; leichte Gegenfärbung mit Hämalaun
fibrinoider Nekrose kommen. Der Parasitennachweis erfolgt immunhistochemisch. Die Zysten sind auch PASpositiv und stellen sich in der Giemsa-Färbung dar. Unbehandelt verläuft eine opportunistische Toxoplasma-Encephalitis aufgrund der massiven Erregervermehrung, die großflächige Nekrosen im Gehirnparenchym induzieren, letal. Bei erfolgreicher Therapie verbleibt nach Ausheilung häufig eine Abszesshöhle mit randständiger fibrös-gliotischer Narbe.
Zerebrale Malaria Pathogenese. Die zerebrale Malaria wird durch Plasmodium falciparum verursacht und tritt in 1–10% der Plasmodium falciparum-infizierten Patienten auf. Am häu-
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Abb. 11.22 Zerebrale Malaria. Makroskopisch fallen eine gräuliche Verfärbung sowie eine Stauung zahlreicher Blutgefäße auf
figsten sind nicht-immune Patienten betroffen wie Kinder bis zum vierten Lebensjahr und Reisende in endemische Gebiete. Neben proinflammatorischen Mediatoren wie TNF, der in hoher Konzentration bei afrikanischen Kindern mit zerebraler Malaria zirkuliert, spielen mechanische Faktoren durch die Sequestration und dichte Lagerung infizierter Erythrozyten in zerebralen Gefäßen eine Rolle. Parasitenhaltige Erythrozyten adhärieren an das Endothel zerebraler Gefäße, die mit einer verstärkten Expression verschiedener Zelladhäsionsmoleküle inkl. des interzellulären Adhäsionsmoleküls ICAM-1 und vaskulären Zelladhäsionsmoleküls VCAM-1 reagieren und mechanisch obstruiert werden, so dass es zu einer hypoxischen Schädigung des Gehirnparenchyms mit einer Störung der Blut-Hirn-Schranke kommt [4, 14, 25, 43, 44]. Makroskopie. Das Gehirn ist ödematös geschwollen und dadurch schwer. Auf der Schnittfläche ist die ubiquitäre Stauung kleiner Blutgefäße auffällig, insbesondere in der grauen Substanz, die grau oder rosa verfärbt ist, und in den Meningen (Abb. 11.22). Mikroskopie. Bei perakuten Fällen besteht eventuell lediglich eine kapilläre Stauung. Ansonsten sind die Gefäße mit parasitenhaltigen Erythrozyten gefüllt, die Malariapigment, das aus Hämatin besteht, enthalten (Abb. 11.23). Vor allem in der subkortikalen weißen Substanz sieht man sehr zahlreiche, kleine Petechien. Kapillaren können nekrotisch sein. Lymphozyten und Makrophagen können das Gehirnparenchym infiltrieren. Es kommt auch zu einer Aktivierung von Astrozyten und Mikrogliazellen, die Mikrogliaknötchen ausbilden. Typisch sind Dürck-Granulome; dies sind fokale Ansammlungen mononukleärer Zellen, aktivierter Mikrogliazellen, die Eisen und Lipid enthalten, und aktivierter Astrozyten, die eine kleine, im Stadium der Resorption befindliche Ringblutung umgeben.
320
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Die granulomatöse Amöbenenzephalitis wird von verschiedenen Acanthamoeba verursacht, die auf hämatogenem Weg in das Gehirn gelangen. Sie ist seltener und vorläuft in der Regel ebenfalls letal. Die Meningen enthalten ein Exsudat. Nekrosen, Blutungen, Erweichungsherde können weit verbreitet sein. Mikroskopisch findet sich perivaskulär eine granulomatöse Entzündung. Die entzündlichen Infiltrate setzen sich aus Lymphozyten, Makrophagen, mehrkernigen Riesenzellen und Plasmazellen zusammen. Die Gefäßwände werden durchsetzt und/oder umgeben von Zysten oder Trophozoiten.
Abb. 11.23 Zerebrale Malaria. Kapilläre Stase durch Erythrozyten und Hämatin. HE
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Die Prognose ist schlecht mit einer Mortalitätsrate von bis zu 40% bei Kindern, vor allem in Entwicklungsländern. In westlichen Ländern mit optimaler intensivmedizinischer Therapie liegt die Mortalität hingegen bei 5– 11%. Während ca. 10% der überlebenden Kinder neurologische Folgeschäden aufweisen, behalten überlebende Erwachsene nur selten Folgeschäden [8, 38, 46].
Amöben-Infektionen des ZNS ZNS-involvierende Amöben-Infektionen manifestieren sich als Abszess, Meningoenzephalitis oder Enzephalitis. Es handelt sich um seltene Erkrankungen, die lebensbedrohlich sind. Die primäre Meningoenzephalitis wird durch Naegleria fowleri hervorgerufen, die zumeist beim Schwimmen in amöbenhaltigem Wasser erworben wird. Ausgehend von einer Infektion der Nasennebenhöhlen kommt es zu einer ZNS-Invasion über die Lamina cribriformis. Es entwickelt sich eine diffuse, eitrige, gelegentlich hämorrhagisch-nekrotisierende Meningoenzephalitis mit einem ausgeprägten Hirnödem, die innerhalb weniger Tage letal verläuft. Der Bulbus olfactorius ist in der Regel nekrotisch, und Trophozoiten finden sich im N. olfactorius sowie perivaskulär sowie in der Adventitia von Arteriolen und mittelgroßen Arterien. Ein Amöbenabszess wird durch Entamoeba histolytica hervorgerufen, in der Regel infolge einer extrazerebralen Amöben-Infektion (Abszess der Leber und/oder Lunge) und verläuft in der Regel tödlich. Es bildet sich ein Abszess mit einem nekrotischen Zentrum aus. Eine Kapselbildung bleibt aus. Mikroskopisch sind in der Gewebenekrose und am Rand des Abszesses Entamoeba histolyticaTrophozoiten nachweisbar. Im umgebenden Gehirngewebe sind Infiltrate aus Lymphozyten, Makrophagen, Plasmazellen und wenigen neutrophilen Granulozyten nachweisbar.
Helminthen-Infektionen des ZNS Viele Helminthen können Infektionen des ZNS verursachen.
Neurozystizerkose Pathogenese. Die Erkrankung wird durch die LarvaForm Cysticercus cellulosae des Schweinebandwurms Taenia solium nach oraler Aufnahme von Taenia soliumEiern hervorgerufen. Es handelt sich um die häufigste Wurmerkrankung des ZNS, bei der der Mensch als Zwischenwirt fungiert und nicht, wie normalerweise, als Endwirt. Vom Dünndarm ausgehend verteilen sich die ausgereiften Cysticerci und erreichen Gehirn und auch die Skelettmuskulatur. Makroskopie. Es handelt sich um etwa 1–2 cm große Cysticerci, ovale, durchsichtige Zysten, die einen singulären Skolex mit vier Saugnäpfen enthalten. Zysten kommen in Meningen, Ventrikelsystem und Gehirnparenchym vor. Sie führen zu einer Meningitis und Vaskulitis bzw. zu einem mechanischen Hydrozephalus. Mikroskopie. Mikroskopisch kann der SKolex nachgewiesen werden (Abb. 11.24). Er weist eine dreischichtige Zystenwand mit einer äußeren kutikulären Schicht, einer mittleren pseudoepithelialen Zellschicht und einer inneren retikulären Schicht mit Kalkeinlagerungen auf. Solange innerhalb von Zysten gelegene Larven vital sind, ist die Immunreaktion des Wirts minimal. Neurologische Symptome und neuropathologische Veränderungen werden eher durch die Immunantwort des Wirts auf den Wurm als durch die Wurminfektion per se hervorgerufen, wenn nach Absterben der Larven Entzündungszellen rekrutiert werden. Entzündliche Infiltrate bestehen aus eosinophilen und neutrophilen Granulozyten, Lymphozyten, Makrophagen und Riesenzellen vom Fremdkörpertyp. Im Zentrum der Läsion kann nekrotischer Debris vorkommen, in dem man manchmal noch Wurm-
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Virale Infektionen des ZNS
von Schistosoma japonicum können das Gehirn erreichen, während die größeren Eier von Schistosoma mansoni häufiger das Rückenmark befallen. Durch Ablagerung von Eiern in den Meningen wird eine granulomatöse Entzündung mit (perivaskulären) Lymphozyten, eosinophilen Granulozyten, Makrophagen und mehrkernigen Riesenzellen in Gang gesetzt. Es kann zu einer Vaskulitis mit Mikroinfarkten und Ausbildung von Granulomen kommen. In der Umgebung entwickelt sich eine Gliose.
Abb. 11.24 Zerebrale Zystizerkose. Scharf vom angrenzenden, gliotischen Gehirnparenchym abgegrenzter Skolex eines Zystizerkus, der einen dreischichtigen Wandaufbau aufweist. HE
Echinokokkus-Infektion des ZNS Menschen infizieren sich durch die orale Aufnahme von Echinokokkuseiern, die von Hunden ausgeschieden wurden. Nach der Penetration der Darmwand kommt es zur hämatogenen Aussaat der Larven, wobei das ZNS nur selten befallen wird. Die Zysten können über lange Zeit asymptomatisch bleiben und dann infolge Größenzunahme oder raumfordernder Wirkung auffallen [19]. Die Zysten können intrazerebral, intrakraniell subdural und intraspinal gelegen sein.
Virale Infektionen des ZNS
Abb. 11.25 Zerebrale Zystizerkose. Nekrotischer Debris eines zerfallenen, abgestorbenen Zystizerkus, umgeben von einem zellreichen entzündlichen Infiltrat aus eosinophilen Granulozyten, Lymphozyten und Makrophagen und einer Fibrose. HE
bestandteile erkennen kann (Abb. 11.25). Mit andauernder Immunantwort des Wirts kommt es umgebend im Granulationsgewebe zu einer Fibrose und einem Kollaps der Zystenhöhle, so dass der Wurm durch die Fibrose ersetzt werden kann. Im Endstadium ist eventuell nur noch eine bindegewebige Kapsel ohne oder mit einer zentralen Nekrose vorhanden. Verkalkungen sind möglich. Eventuell sieht man histologisch nur noch kleine verkalkte Reste mit einem lymphoytären Infiltrat [37].
Schistosoma-Infektion des ZNS Bereits früh im Verlauf einer Infektion können sich adulte Würmer in Gefäßen des Rückenmarks oder des Gehirns absiedeln [36]. Zu späteren Zeitpunkten der Infektion findet man sie häufiger im ZNS aufgrund einer Embolisierung aus vertebralen venösen Plexus. Die kleinen Eier
Pathogenese. Die meisten viralen Infektionen des ZNS führen zu einer relativ benignen, selbstlimitierten Entzündung. Darüber hinaus können Viren zu schweren Entzündungen des ZNS führen mit letalem Ausgang oder mit residuellen schweren neurologischen Symptomen (z. B. Anfälle, Lähmungen). Es gibt Viren mit einer hohen Affinität zum ZNS sowie einem speziellen Tropismus zu bestimmten neuroanatomischen Strukturen. Viele Virusinfektionen des ZNS zeigen einen charakteristischen zeitlichen Verlauf. Folgende Erkrankungen des ZNS können durch Viren hervorgerufen werden: x Meningitis, x Enzephalitis, x Myelitis, x Radikulitis, x Neuritis. Eine akute virale Meningitis (aseptische Meningitis) und Meningoenzephalitis stellen die meisten viralen Infektionen des ZNS dar. Sie treten häufig epidemisch auf. Etwa 60–90% werden von Enteroviren verursacht, und die meisten der verbleibenden Fälle sind Arbovirus-bedingt. Sie verlaufen zumeist benigne. Lymphozyten sind in den Meningen und perivaskulär in einigen oberflächlich gelegenen kortikalen Gefäßen lokalisiert. Gewebeproben werden in der Regel nicht entnommen.
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Kapitel 11
Viren können das ZNS auf mehreren Wegen erreichen, wobei die Eintrittsroute durch virale Faktoren bestimmt wird. Neben dem hämatogenen Weg, der für Entero- und Arboviren typisch ist, erreichen Viren wie Rabies- und Herpes simplex-Virus das ZNS auf neuronalem Weg. Dabei schließen sich eine Virämie und eine neuronale Wanderung zum ZNS gegenseitig nicht aus, sondern können simultan stattfinden. Die Ausbreitung des Virus und die infizierten Areale des ZNS werden vom Alter des Patienten und den Mechanismen der Exposition bestimmt. Hämatogene Infektion: Hier gehen der ZNS-Infektion eine primäre und sekundäre Virämie voraus. Zunächst muss das Virus die epitheliale Barriere des Wirtsorganismus zerstören, um eine virale Replikation an der Eintrittspforte in den Organismus in Gang zu setzen. Nach lokaler Invasion findet in den infizierten Epithelzellen eine lokale Immunreaktion statt. Dann setzt die primäre Virämie ein, in deren Folge sekundäre Organe infiziert werden. Die sekundäre virale Replikation ermöglicht für die nachfolgende sekundäre Virämie hohe virale Titer im Blut, was die Absiedlung in weitere Organe einschließlich des ZNS erleichtert. Um vom Blut ins ZNS zu gelangen, bestehen vier Möglichkeiten: x Infektion von Endothelzellen zerebraler Gefäße durch das Virus, x virale Leakage entlang des geschädigten Endothels, x kolloidaler Transport, Pinozytose (passives Durchwandern des Endothels), x Transport durch die Endothelschicht innerhalb von Leukocyten (Prinzip des trojanischen Pferds). Neuronaler Transport: Entlang peripherer Nerven und Hirnnerven können Viren mit dem axonalen Transport ins ZNS gelangen. Dabei ist das Virus im Nerven vor der Immunantwort des Organismus geschützt. So gelangt Rabies entlang der myoneuralen Route unter möglicher Benutzung peripherer Nerven und Hirnnerven ins ZNS, nachdem es an myogene Azetylcholinesterase-Rezeptoren bei der Infektion gebunden hat. Das Virus kann sowohl anterograd als auch retrograd axonal transportiert werden, ist dabei vor der antikörpermediierten Immunreaktion geschützt und gelangt so zu den Neuronen, besonders des Hirnstamms und des limbischen Systems. Auch ein transsynaptischer Transport zwischen Neuronen scheint möglich zu sein. Eine Ausbreitung von Zelle zu Zelle innerhalb des ZNS ist auch Voraussetzung für die Entwicklung einer Krankheit. Die aus einer Virusinfektion beim Patienten resultierende Erkrankung hängt von den Eigenschaften des Virus ebenso wie von denen des Patienten ab. Virale Gene bestimmen die Virulenz des infektiösen Agens und dessen Eintritt in das ZNS. Daraus resultiert eine virale Prädilektion für bestimmte neuroanatomische Regionen und/oder Nervenzellpopulationen (Neurotropismus). Dabei kann ein Virus auch verschiedene Rezeptoren für
Infektionen des ZNS
unterschiedliche Zellpopulationen aufweisen. Einige Viren können mit Neurotransmitterrezeptoren im ZNS interagieren. Tatsächlich bestimmt die Fähigkeit des Virus, mit bestimmten Rezeptoren im ZNS zu interagieren und daran zu binden, seinen Neurotropismus. Nach der viralen Replikation und dem Verlassen der dafür benutzten Wirtszelle breitet sich das Virus im ZNS aus. Hierzu ist aufgrund des begrenzten Extrazellulärraums das Neuropil sehr geeignet. Prinzipiell haben Viren mehrere Möglichkeiten, sich im ZNS auszubreiten: x durch sequentielle Infektion diverser Zellen, x via Extrazellulärraum, x via neuronalem axoplasmatischen Transport, x innerhalb anderer Zellen wie Lymphozyten, Makrophagen und Gliazellen (Prinzip des trojanischen Pferds). Dabei kann ein Virus auch mehrere dieser Wege nutzen. Auch Wirtseigenschaften (Alter, Immunstatus) regulieren das Ausmaß und die Lokalisation der Erkrankung. Für die Immunantwort sind Mediatoren, vor allem Interferone, wichtig, da sie mit der Infektion interferieren, die Synthese viraler Proteine hemmen und Bindungseigenschaften des Virus modifizieren können. Nach der Expression viraler Hüllproteine in der Zellmembran der Wirtszelle kann diese vom Immunsystem erkannt werden, das die infizierte Zelle zerstört. Auch Neurone, die häufig Zielzellen einer Reihe von Viren sind, zeigen bei irreversibler Schädigung eine Hochregulation von MHC-KlasseI-Antigen auf ihrer Oberfläche und können dann von CD8+-T-Lymphozyten erkannt werden [31, 34].
Allgemeine neuropathologische Charakteristika viraler ZNS-Infektionen Gemeinsame morphologische Charakteristika, die auf eine ZNS-Infektion viraler Genese hinweisen, sind: x Infiltrate, vor allem aus T- und B-Lymphozyten, Plasmazellen und Monozyten. Die Infiltrate können sehr unterschiedlich stark ausgeprägt und gelegentlich sehr schwach sein; x (Neurolyse mit) Neuronophagie, x Vorkommen viraler Bestandteile als Einschlusskörper im Zytoplasma oder Kern der virusinfizierten Zielzelle, x Aktivierung von Mikrogliazellen mit möglicher Ausbildung von Mikrogliaknötchen, x Aktivierung von Astrozyten.
Poliomyelitisvirusinfektion Pathogenese. Das Poliomyelitisvirus, das zur Gruppe der Enteroviren gehört, führt nach oraler Infektion via Oro-
Virale Infektionen des ZNS
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pharynx und Dünndarm nach Penetration der Mukosa zur einer transienten Virämie und erreicht regionale Lymphknoten. Nach einer weiteren Virämie erreicht das Virus das ZNS, wo es eine hohe Affinität zum Rückenmark und hier zu den motorischen Vorderhornzellen besitzt, so dass sich eine lytische Infektion von Motoneuronen entwickelt. Das Virus weist einen Neurotropismus auf und bindet an CD155 [16]. Nur in den ersten Tagen nach Einsetzen der schlaffen Lähmungen kann Virus aus dem Rückenmark isoliert werden.
men eines ADEM-Syndroms hervorrufen. In der Regel kommt es zu einer aseptischen Meningitis. Deutlich seltener sind eine subakute oder chronische direkte Maserninfektion, d. h. eine Maserneinschlusskörperenzephalitis und eine subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE).
Makroskopie. In der grauen Substanz des Vorderhorns des Rückenmarks und den motorischen Kernen von Brücke, Medulla oblongata und Gyrus praecentralis entwickelt sich eine nekrotisierende Entzündung.
Sie entwickelt sich innerhalb von Monaten nach der Primärinfektion bei Patienten mit gestörten zellvermittelten Immunrektionen. Überall im Gehirn, bevorzugt in Parietallappen, Basalganglien und Hirnstamm, sind infizierte gliale und neuronale Zellen nachweisbar, die eosinophile Einschlusskörper zumeist in ihrem Kern, gelegentlich auch im Zytoplasma enthalten. Es sind reaktive Astrozyten und aktivierte Mikrogliazellen nachweisbar, wobei die Entzündungsreaktion oft nur spärlich ausgeprägt ist. Die Erkrankung verläuft innerhalb einiger Wochen tödlich.
Mikroskopie. In den Meningen und der grauen Substanz bildet sich eine ausgeprägte Entzündung. Lymphozyten bilden perivaskuläre Cuffs. Es kommt zu ausgedehnten Neuronophagien mit Ansammlungen von aktivierten Mikrogliazellen und Makrophagen, die untergegangene Neurone abräumen (Abb. 11.26). In der chronischen Phase entwickelt sich bei Überlebenden eine neurogene Muskelatrophie, die durch einen Verlust motorischer Vorderhornzellen mit Atrophie und Fibrose der Vorderwurzeln bedingt ist. Ansonsten ist das Rückenmark eher unauffällig; entzündliche Infiltrate fehlen meist oder sind äußerst spärlich.
Masernvirusinfektionen des ZNS Das Masernvirus kann nach respiratorischer Transmission entweder das ZNS direkt infizieren oder eine autoimmune Reaktion gegen ZNS-Antigene im Rah-
Maserneinschlusskörperenzephalitis
Subakute sklerosierende Panenzephalitis Die subakute sklerosierende Panencephalitis (SSPE) ist eine chronisch-progrediente Enzephalitis, die sich als seltene Spätkomplikation ca. 5–10 Jahre nach einer Maserninfektion manifestiert und auf ein klonales, replikationsdefizientes Masernvirus zurückzuführen ist, das sich langsam weit im ZNS ausgebreitet hat. Zum Zeitpunkt der Manifestation der neurologischen Symptomatik besteht eine extensive Infektion, die bei sehr unterschiedlicher Verteilung der Läsionen in der Regel Großhirnrinde, weiße Substanz, Stammganglien und Thalamus betrifft. Nukleäre und zytoplasmatische Einschlusskörper sind in Neuronen und Oligodendrozyten bei einer sehr stark ausgeprägten Entzündung nachweisbar. Die entzündlichen Infiltrate bestehen vor allem aus CD4+- und CD8+-T-Zellen sowie Monozyten und Plasmazellen. In Liquor und Serum ist eine starke Antikörperreaktion gegen Masernvirus nachweisbar. Obwohl die Immunreaktion sehr stark ausgeprägt ist, scheint sie defizient zu sein, da es nicht gelingt, das Virus zu eliminieren, so dass die SSPE letal verläuft.
Rubella Abb. 11.26 Akute Poliomyelitis. Floride Infektion im motorischen Vorderhorn des Rückenmarks. Zellreiches entzündliches Infiltrat aus Lymphozyten, Makrophagen/aktivierten Mikrogliazellen in unmittelbarer Nähe infizierter Neurone, von denen einige im Stadium der Neuronophagie sind und keinen Zellkern mehr erkennen lassen. HE
Dieses Togavirus, das respiratorisch übertragen wird, ist als kongenitale Infektion gefährlich mit der Infektion von Gefäßen (Arterien, Venen, Kapillaren), aus der eine Ischämie resultiert.
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Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Herpes simplex Virus-Enzephalitis Makroskopie. Die Herpes simplex-Virus-Enzephalitis ist die häufigste Manifestation einer akuten nekrotisierenden, hämorrhagischen Enzephalitis [47]. Herpes simplex-Virus führt zu einer akuten Entzündung mit Stauung von Gefäßen und/oder Blutungen. Zumeist sind die Temporallappen betroffen, typischerweise asymmetrisch, unter Einbeziehung benachbarter Strukturen (Inselregion, Gyrus cinguli, posteriorer orbitaler frontaler Kortex). Darüber liegende Gefäße sind gestaut. Bei insuffizienter Therapie kommt es nach ca. zwei Wochen zu einer Nekrose, die sehr umfangreich sein kann; sie wird nachfolgend resorbiert.
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Mikroskopie. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass die Entzündung über die makroskopisch betroffenen Areale hinausgeht. Die früheste mikroskopisch nachweisbare Veränderung besteht in einer Stauung kapillärer und anderer kleiner Gefäße und Petechien, die auf den ersten Blick unspezifisch und undramatisch anmuten können. In den Meningen sind Lymphozyten und Makrophagen in mäßiger Zahl nachweisbar. Im Kortex weisen Gliazellen, Endothelzellen und Nervenzellen ein hypereosinophiles Zytoplasma auf; ihre Kerne sind oft pyknotisch und enthalten z. T. homogene, eosinophile Einschlüsse. Später entwickelt sich die hämorrhagische Nekrose mit perivaskulären mononukleären Infiltraten; letztere sind vor allem in der zweiten und dritten Woche der Infektion besonders deutlich (Abb. 11.27). Nach der zweiten Woche sind Mikrogliaknötchen und perineuronale leukozytäre Satellitosen nachweisbar. Erst spät manifestiert sich eine astrozytäre Gliose. Intranukleäre Einschlüsse (Cowdry-Typ A) sind bei ca. 50% der Patienten, zumeist in der ersten Woche, nachweisbar. Sie erscheinen homogen eosinophil und sind z. T. von einem hellen, irregulären Saum kondensierten Chromatins umgeben. Virales Antigen kann immunhistochemisch bis zu ca. drei Wochen nach Beginn der Enzephalitis nachgewiesen werden (Abb. 11.28). Alternativ ist ein Nachweis mittels PCR möglich. Bei überlebenden, nicht erfolgreich therapierten Patienten bildet sich eine Defekthöhle, deren Wände bräunlich-gelblich verfärbt sind, mit einer glialen Narbe aus. Es kommt zur Schrumpfung betroffener Hirnareale (Abb. 11.29).
Abb. 11.27 Floride Herpes simplex Virus-Enzephalitis. Hämorrhagische Nekrose im Temporallappen mit perivaskulären und diffus das zerfallende Gehirnparenchym durchsetzenden lymphozytären Infiltraten. HE
Abb. 11.28 Floride Herpes simplex-Enzephalitis. Herpes simplex Virus-infiziertes Neuron in der hämorrhagischen Nekrose des Temporallappens. Anti-Herpes simplex Virus-Immunhistochemie, leichte Gegenfärbung mit Hämalaun
Varicella-Zoster-Virus-Infektion Zwei Manifestationsformen von Infektionen des Nervensystems sind zu unterscheiden, Varizellen und Zoster. Die Varizelleninfektion ist selten von einer akuten Zerebellitis begleitet, die benigne und selbstlimitiert ist. Beim
Abb. 11.29 Herpes simplex Virus-Enzephalitis. Zustand nach Herpes simplex Virus-Enzephalitis des Temporallappens mit großer Defekthöhle, deren Wände bräunlich verfärbt sind
Virale Infektionen des ZNS
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Zoster handelt es sich um eine Reaktivierung einer latenten Infektion in Ganglienzellen von Hirnnervenkernen und Spinalganglien. Im betroffenen Ganglion sieht man eine lymphozytäre Entzündung und eine Chromatolyse als Zeichen des neuronalen Untergangs. Mit dem axonalen Transport gelangen Viren in das Dermatom der betroffenen Ganglienzellen. Bei immunsupprimierten Patienten (HIV-Infektion) kann das Varicella-Zoster-Virus eine Enzephalitis, Ventrikulitis, transverse Myelitis und eine Vaskulitis leptomeningealer Gefäße verursachen.
Cytomegalievirus-Infektion Pathogenese
Abb. 11.30 Cytomegalievirus-Ependymitis. Akute Entzündung des Ependyms der Seitenventrikel, die rötlich verfärbt sind, mit Übergreifen auf das periventrikuläre Gehirngewebe
Zerebrale Komplikationen einer Cytomegalievirus-Infektion wie eine Enzephalitis sind bei immunkompetenten Personen ungewöhnlich, bei HIV-Patienten sowie als konnatale Infektion bei transplazentarer Virusausbreitung häufig. Cytomegalievirus ist die häufigste Ursache einer intrauterinen viralen Infektion. Cytomegalievirus gelangt während einer Virämie ins Gehirn, entweder durch die Infektion zerebraler Endothelzellen mit anschließendem Befall von Astrozyten und Nervenzellen und Entwicklung einer Enzephalitis. Außerdem kann Cytomegalievirus das Gehirn über den Liquor erreichen.
Konnatale Cytomegalievirus-Infektion des ZNS Es handelt sich um eine nekrotisierende Enzephalitis oder Ventrikuloenzephalitis. Entzündliche Infiltrate bestehen aus Lymphozyten, Makrophagen und Mikrogliaknötchen. Typischerweise finden sind Cytomegalieviruseinschlüsse, die als „Eulenaugenzellen“ bezeichnet werden, in Neuronen, Gliazellen einschließlich Ependymzellen; auch Endothelzellen zerebraler Gefäße können infiziert sein. Überlebende Kinder zeigen als Residuen häufig eine Mikrozephalie, Mikrogyrie, Porenzephalie, periventrikuläre Verkalkungen und einen Hydrozephalus.
Adulte Cytomegalievirus-Infektion des ZNS Die Enzephalitis ist durch multiple entzündliche Foki mit Aktivierung von Astrozyten und Mikrogliazellen charakterisiert. Bei liquorigener Aussaat erfolgt die Replikation in infizierten Epithelzellen des Plexus choroideus. Bei der Ventrikulitis kommt es zu einer Ependymitis, evtl. mit
Abb. 11.31 Cytomegalievirus-Ependymitis. Infektion des Ependyms durch Cytomegalievirus mit Ausbildung sog. Eulenaugenzellen, die durch große, intranukleäre virale Einschlüsse charakterisiert sind. Die ependymale Auskleidung des Ventrikelsystems ist teilweise zerstört. Anti-Cytomegalievirus Immunhistochemie, Gegenfärbung mit Hämalaun
Nekrosen des Ependyms und der subependymalen Glia (Abb. 11.30, 11.31). Des Weiteren kann Cytomegalievirus eine Myeloradikulitis hervorrufen.
Arbovirusinfektionen Pathogenese. Arboviren werden auf den Menschen durch einen Vektor (Zecken, Nager) übertragen. Die meisten menschlichen Infektionen verlaufen asymptomatisch. Eine Reihe von Arboviren kann eine Enzephalitis hervorrufen. Makroskopie. Die Meningen können normal oder leicht getrübt sein und ein entzündliches Infiltrat enthalten.
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Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Das Gehirnparenchym ist gestaut mit fokalen Petechien. Veränderungen finden sich in der weißen Substanz der Großhirnrinde, des Mittelhirns, der Basalganglien, des Kleinhirns, des Hirnstamms und des Rückenmarks. Mikroskopie. Perivaskuläre Cuffs mononukleärer Zellen, Neuronophagie infizierter Zellen und Gliose sind nachweisbar.
Rabies
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Pathogenese. Rabies kann alle Säuger infizieren. Nahezu ausschließlich alle menschlichen Tollwutfälle treten infolge des Bisses eines infizierten Tieres auf. Die Inkubationszeit ist sehr unterschiedlich; es werden Intervalle von 10 Tagen und mehr als einem Jahr nach Biss angegeben [22]. Nach der viralen Inokkulation kann das Virus entlang des Axoplasmas des peripheren Nerven direkt zum ZNS ohne eine vorangehende lokale Replikation transportiert werden. Alternativ ist auch eine lokale Replikation im Muskel an der Stelle der Inokkulation mit sich anschließendem Transport zum ZNS möglich. Dabei erfolgt der Aufstieg vom Rückenmark zum Gehirn extrem schnell. Schmerzen und Parästhesien im Bereich der Wunde haben ihr morphologisches Äquivalent wahrscheinlich in einer Ganglionopathie der Hinterwurzeln. Makroskopie. Das Gehirn kann äußerlich geschwollen sein oder normal wirken. Die Infektion ist weit verbreitet unter Einbeziehung des limbischen Systems, Hippokampus, des Hirnstamms und des Kleinhirns. Mikroskopie. Die graue Substanz ist bevorzugt befallen. Infizierte Nervenzellen enthalten Virusbestandteile. Die für Rabies spezifischen Negri-Körper sind Nebenprodukte der viralen Replikation (Abb. 11.32). Es handelt sich um rundlich-ovale, eosinophile Einschlüsse im neuronalen Zytoplasma. Sie können überall im ZNS vorhanden sein, sind aber am leichtesten in Purkinje-Zellen, hippokampalen Pyramidenzellen und Nervenzellen der Hirnstammkerne nachweisbar. Auffällig ist die Diskrepanz zwischen der Virusmenge und der begrenzten Entzündungsreaktion, bestehend aus lymphozytären Infiltraten und Cluster aktivierter Mikrogliazellen. Es finden sich ausgedehnte Neuronophagien.
HIV-Infektion des ZNS Pathogenese. Neurologische Erkrankungen bei HIVPatienten können einerseits auf eine direkte ZNS-Infektion durch das HI-Virus bedingt (HIV-Enzephalopa-
Abb. 11.32 Rabiesvirusinfektion. Virale Einschlüsse im Zytoplasma und partiell im Kern rabiesinfizierter Nervenzellen. Anti-RabiesImmunhistochemie, leichte Gegenfärbung mit Hämalaun
thie), andererseits Folgen der HIV-induzierten Immunsuppression sein [29, 41]. Etwa 20–30% der Patienten, die an AIDS versterben, weisen neuropathologische Veränderungen auf, die direkt auf die HIV-Infektion des ZNS zurückzuführen sind. Hierzu gehören x aseptische Meningitis, x HIV-Enzephalopathie/HIV-Enzephalitis, x vakuoläre Myelopathie. HIV gelangt bereits früh in der Infektion, bereits zum Zeitpunkt der Serokonversion, in das ZNS. Zu diesem Zeitpunkt kann sich eine aseptische Meningitis manifestieren. Man nimmt an, dass das Virus innerhalb von Makrophagen in das Gehirn gelangt (Mechanismus des trojanischen Pferds). Zielzelle des Virus im ZNS sind Makrophagen. Es kommt zu einer Aktivierung hirneigener Mikrogliazellen und Makrophagen mit Produktion proinflammatorischer Mediatoren wie TNF, IL-1, IL-6, iNOS und Radikale wie Superoxidanionen, ROS und Quinolinsäure. Diese Mediatoren wirken ebenso wie das virale Protein gp120 neurotoxisch. In der Folge kommt zu einer Apoptose von Neuronen. Auch die Schädigung von Astrozyten und Oligodendrozyten, die ebenfalls neurotoxische Mediatoren freisetzen können, kann durch eine Beeinträchtigung trophischer Funktionen zur Nervenzellschädigung beitragen. Im Gehirn von HIV-Patienten wurde auch eine Apoptose von Astrozyten und Endothelzellen beschrieben. Klinisch resultiert eine Demenz (AIDS-Demenz-Komplex). Diese tritt in ca. 20–30% der AIDS-Patienten im Spätstadium der Erkrankung auf. Eine vakuoläre Myelopathie wird autoptisch bei 5–30% der AIDS-Patienten beobachtet [11, 28]. Durch die Einführung der antiviralen Therapie („highly active antiretroviral therapy“, HAART) konnte die Progression der Erkrankung dramatisch beeinflusst werden. Das Bild der HIV-Enzephalopathie hat sich darunter offensichtlich verändert und zeigte eine stärker
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Virale Infektionen des ZNS
Abb. 11.33 HIV-Enzephalopathie. Makroskopisch erkennbare diffuse Atrophie der grauen Substanz. Die weiße Substanz ist gräulich verfärbt. Hydrocephalus e vacuo
Abb. 11.34 HIV-Enzephalopathie. Mehrkernige Riesenzelle in der weißen Substanz. HE
entzündliche Komponente mit einer sehr ausgeprägten Infiltration des Gehirnparenchyms durch HIV-infizierte Makrophagen/Monozyten und Destruktion der weißen Substanz [15, 26]. Außer direkten HIV-induzierten neuropathologischen Veränderungen treten neurologische Komplikationen der HIV-Infektion bei fortgeschrittener Immundefizienz auf. Hierzu gehören opportunistische Infektionen durch Viren, Pilze und Parasiten sowie Tumorerkrankungen. Makroskopie der HIV-Enzephalopathie. In fortgeschrittenen Stadien der AIDS-Erkrankung besteht eine diffuse Atrophie des Gehirns mit einer generalisierten kortikalen Atrophie und diffusen Veränderungen der grau verfärbten, diffus abgeblassten weißen Substanz. Entsprechend ist das Ventrikelsystem erweitert (Abb. 11.33). Mikroskopie der HIV-Enzephalopathie. Es findet sich eine ubiquitär verteilte, mäßiggradig ausgeprägte Entzündung [48]. Sie ist subkortikal am deutlichsten ausgeprägt [33]. Charakteristisch ist die Ausbildung von Mikrogliaknötchen. Lymphozyten tragen zu den entzündlichen Infiltraten bei. In der weißen Substanz findet man diffus verteilte Entmarkungsherde und eine variabel ausgeprägte astrozytäre Gliose. Ein Charakteristikum sind multinukleäre Riesenzellen, die für die HIV-Enzephalopathie diagnostisch sind (Abb. 11.34). Sie enthalten HIV-Antigen, das mittels Immunohistochemie mit Antikörpern gegen p24 und gp41 des Virus nachgewiesen werden kann (Abb. 11.35). Mehrkernige Riesenzellen sind oft mit Mikrogliaknötchen und entzündlichen Infiltraten assoziiert. Mikroskopie der vakuolären Myelopathie. Mikroskopisch erscheinen die Hinterstränge und der Tractus corticospinalis lateralis der spinalen weißen Substanz vakuolisiert. Die thorakalen Segmente sind am stärksten
Abb. 11.35 HIV-Enzephalopathie. Mehrkernige Riesenzelle in der weißen Substanz, die das p24-Protein des HI-Virus enthält. Antip24-Immunhistochemie, Gegenfärbung mit Hämalaun
betroffen. Es kommt zum Abbau von Myelin mit Auftreten von Myelophagen sowie zum Verlust von Axonen. Lymphozytäre Infiltrate und Riesenzellen fehlen; virales Antigen ist nicht nachweisbar.
Opportunistische Infektionen des ZNS bei Immundefizienz Potentielle pathogene Ursachen opportunistischer Infektionen sind Pilze, Bakterien und Viren [50].
Opportunistische Pilzinfektionen Der Pilz, der am häufigsten bei AIDS-Patienten zu einer ZNS-Infektion führt, ist Cryptococcus neoformans [24]. Bis zu 5–10% der AIDS-Patienten entwickeln eine zere-
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Kapitel 11
Infektionen des ZNS
brale Cryptococcose, in der Regel als Meningitis mit milder oder gar fehlender Entzündungsreaktion. Aspergillus fumigatus kann einen Hirnabszess hervorrufen.
Opportunistische Parasiteninfektionen
11
Der Parasit Toxoplasma gondii induziert eine opportunistische Enzephalitis bei ca. 20–30% der AIDS-Patienten. Die Toxoplasma-Enzephalitis ist die häufigste opportunistische Infektion des ZNS bei AIDS-Patienten [30]. Eine zerebrale Toxoplasmose ist bei Vorliegen einer fokalen oder multifokalen Erkrankung des Gehirns mit Raumforderung differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen. Bei HIV-Patienten können sich infolge der Reaktivierung latent im ZNS persistierender Toxoplasma gondii-Zysten rasch multiple, große Abszesse mit sehr ausgedehnten Toxoplasma gondii-induzierten Nekrosen entwickeln (s. Abb. 11.19). Als wichtigste Differentialdiagnose ist ein primäres ZNS-Lymphom, das in der Regel Epstein-BarrVirus-assoziiert ist, zu erwägen.
Abb. 11.36 Progressive multifokale Leukenzephalopathie. Entmarkungsherde verschiedener Größe, teils konfluierend der Faserbahnen des Brückenfußes. HE-Luxol-Fast-Blue
Opportunistische bakterielle Infektionen Opportunistische bakterielle Infektionen werden durch Mycobacterium tuberculosis und Mycobacterium avium intracellulare verursacht. Bei der Mycobacterium avium intracellulare-Infektion sind große Mengen von Mykobakterien im Zytoplasma von Makrophagen nachweisbar, wobei die Schädigung des Gehirnparenchyms in der Regel mild ist. Auch die Neurosyphilis ist bei HIV-infizierten Personen gehäuft. Bakterielle Infektionen verlaufen bei HIV-Patienten häufig atypisch.
Opportunistische virale Infektionen Cytomegalievirus-Infektion
Die Cytomegalievirus-Infektion ist als häufigste virale opportunistische Infektion zu nennen. Progressive multifokale Leukenzephalopathie
Die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) ist eine durch Polyomaviren, in der Mehrzahl der Fälle durch das JC-Virus, verursachte opportunistische Infektion. Die Inzidenz der PML ist durch die HIV-Infektion stark gestiegen [18]. Aufgrund einer Beeinträchtigung der zellvermittelten Immunität kommt es zur Reaktivierung latent im ZNS persistierender Viren [7]. Das Virus kann auch in B-Lymphozyten und in der Niere persistieren [7]. Makroskopisch fallen auf der Schnittfläche des Gehirns multiple, grau verfärbte Areale auf, die konfluieren kön-
Abb. 11.37 Progressive multifokale Leukenzephalopathie. Herd mit subtotaler Entmarkung, singulären Myelophagen und prominenten, reaktiven Astrozyten. HE-Luxol-Fast-Blue
nen. Betroffen sind die weiße Substanz der Großhirnhemisphären, der Kortex, die tiefe graue Substanz, Kleinhirn und Hirnstamm. Auch das Rückenmark kann, allerdings selten, betroffen sein. Mikroskopische Charakteristika sind multiple Entmarkungsherde, schaumig transformierte Makrophagen, bizarre Astrozyten mit vergrößerten, polymorphen, hyperchromatischen Kernen, die einen astrozytären Tumor imitieren können, sowie Oligodendrozyten mit stark basophilem Kern, der virale Einschlüsse enthält, die sich homogen amphophil darstellen und immunhistochemisch identifiziert werden können (Abb. 11.36 bis 11.38). Außerdem kann das Virus elektronenmikroskopisch und durch in-situ-Hybridisierung nachgewiesen werden. Mit diesen Techniken wurden zahlreiche Viruspartikel intranukleär in Oligodendrozyten, aber nicht in Astrozyten nachgewiesen. Hingegen wurde in Astrozyten ebenso wie in Oligoden-
Literatur
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14. Abb. 11.38 Progressive multifokale Leukenzephalopathie. Nukleäre Akkumulation des JC-Virus in Oligodendrozyten. Anti-JC-Virus Immunhistochemie, Gegenfärbung mit Hämalaun
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drozyten virale RNA identifiziert [45]. Lymphozytäre Infiltrate sind selten, können jedoch vorkommen, und ihr Nachweis wurde mit etwas besseren Prognose assoziiert [8, 9].
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Kapitel 11
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Kapitel 12
12
Prionkrankheiten
H. Kretzschmar Inhalt Prionprotein (PrP), infektiöses Agens der spongiformen Enzephalopathien . . . . . . . . . . .
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Struktur und Funktion der PrP-Gene . . . . . . . . .
332
Konversionprozess von PrPC zu PrPSc . . . . . . . . .
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Prionkrankheiten im Tierreich . . . . . . . . . . . . .
340
Skrapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340
Bovine spongiforme Enzephalopathie . . . . . . . .
340
Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
Pathogene Mutationen des humanen Prionproteingens (PRNP) . . . . . . . .
335
Prionkrankheiten des Menschen . . . . . . . . . . . .
341
Modelle in transgenen Tieren . . . . . . . . . . . . . .
335
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) . . . . . . . . .
341
Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
Kuru . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
Prionpathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) . .
347
Neuroinvasion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
Letale familiäre Insomnie („fatal familial insomnia“ oder FFI) . . . . . . . . .
347
Neuropathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336 Fortschritte in der In-vivo-Diagnostik . . . . . . . . .
347
Neuronaler Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Weitere morphologische Charakteristika . . . . . . .
337 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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332
Kapitel 12
Prionprotein (PrP), infektiöses Agens der spongiformen Enzephalopathien
12
Prionkrankheiten oder transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) sind übertragbare neurodegenerative Krankheiten, die bei Mensch und Tieren auftreten [90] (Tabellen 12.1–12.3). Klinisch gehen sie mit einer meist stark ausgeprägten Demenz und einer Reihe neurologischer Symptome wie Ataxie, Myoklonien oder Erblindung einher; sie nehmen immer einen tödlichen Verlauf. Die wichtigsten pathologischen Veränderungen sind Prionproteinablagerung im ZNS, spongiöse Gewebedegeneration, Nervenzellverlust und Gliose [61]. Dabei ist im Ausprägungsgrad dieser Veränderungen bei verschiedenen Spezies und sogar innerhalb einer Spezies bei verschiedenen Erregerstämmen eine große Variationsbreite zu beobachen. Die Prionkrankheiten können sporadisch, ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) auftreten. Sie können beim Menschen auch hereditär bedingt sein und sind dann durch Mutationen des Prionproteingens (PRNP) verursacht. Prionkrankheiten können als infektiöse Krankheiten weitergegeben werden. Auch die idiopathischen, sporadisch auftretenden und die familiären Erkrankungsfälle lassen sich im Experiment durch intrazerebrale Inokulation von Hirngewebe auf Labortiere übertragen. Als infektiöses Agens wird heute das „Prion“ angesehen, das keine Nukleinsäure zu besitzen scheint und vorwiegend oder ausschließlich aus einem in seiner Konformation veränderten körpereigenen Protein, dem Prionprotein (PrP), besteht [89]. Die historisch gesehen zunächst nahe liegende Annahme, dass das Agens ein unkonventionelles oder „langsames“ Virus sein könne, wurde durch den fehlenden Nachweis einer viralen Nukleinsäure stark in Zweifel gebracht. Hingegen fand sich ein Protein regelmäßig mit der Infektivität assoziiert. Der Begriff Prion („proteinaceous infectious particle“) wurde vorgeschlagen, um das infektiöse Agens von Viren oder Viroiden abzugrenzen [89]. Prionen wurden ursprünglich als kleine proteinhaltige Partikel definiert, die chemischen und physikalischen Behandlungen widerstehen, die Nukleinsäuren verändern; eine derzeitige Arbeitshypothese ist, dass Prionen infektiöse Partikel sind, die keine Nukleinsäure besitzen und im Wesentlichen oder ausschließlich aus Protein bestehen [90]. Kern der Prionhypothese ist die Veränderung eines normalen Proteins, das vom Wirtsgenom kodiert wird, der sog. zellulären Isoform des Prionproteins (PrPC), in eine konformationell veränderte Isoform, die SkrapieIsoform des Prionproteins (PrPSc), die der Grundbaustein des infektiösen Agens (des Prions) ist. Entsprechend der Prionhypothese bedarf das Prion für seine Propagation vom Wirtsorganismus synthetisiertes
Prionkrankheiten Tabelle 12.1 Abkürzungen und Definitionen BSE
Bovine spongiforme Enzephalopathie
CJD
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
(n)vCJD
(Neue) Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
FFI
Tödliche familiäre Insomnie („fatal familial insomnia“)
GSS
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
PK
Proteinase K
Prion
Infektiöses Agens der Prionkrankheiten („proteinaceous infectious particle“)
Prnp
Prionproteingen
Prnp0/0
Ablation von Prnp (in sog. Prnp-Knock-out- oder Prnp-Null-Mäusen)
PRNP
Humanes PrP-Gen
PrPC
Zelluläre Isoform des Prionproteins
PrPSc
Skrapie-Isoform des Prionproteinsa
PrPres
PK-resistente Form des Prionproteins, die in vitro aus PrPC entstehen kann. Bis heute ist es nicht gelungen zu zeigen, das PrPres infektiös istb
TSE
Transmissible spongiforme Enzephalopathie
a
b
Dieses Protein zeigt eine erhöhte Resistenz gegen Verdauung mit PK. Es ist eng mit der Infektiosität assoziiert und ist im Sinne der Prionhypothese der entscheidende Baustein des infektiösen Agens, des Prions. Unglücklich ist, dass der Terminus von manchen Arbeitsgruppen auch für PK-resistentes PrP gebraucht wird, das aus erregerhaltigem Hirngewebe stammt, was zu einer unscharfen Abgrenzung vom Terminus PrPSc führt.
PrPC; Organismen, die kein PrPC produzieren, sollten resistent gegen Prionkrankheiten sein. Dies ließ sich experimentell an PrP-Gen-knock-out-(Prnp0/0-) Mäusen zeigen, die in der Tat resistent gegen Skrapie sind [15].
Struktur und Funktion der PrP-Gene Das humane PrPC ist ein Glykoprotein von 253 Aminosäuren Länge vor der zellulären Prozessierung [65] (Abb. 12.1). Das humane Prionproteingen (PRNP) ist auf dem kurzen Arm des Chromosoms 20 lokalisiert und hat eine relativ einfache genomische Struktur bestehend aus 2 Exons mit einem Intron von 13 kb Länge. Der gesamte proteinkodierende Teil des Gens („open reading frame“) ist auf dem Exon 2 lokalisiert [91]. Alle bislang bei Säugetieren untersuchten PrP-Gene haben eine ähnliche genomische Struktur mit nur 2 oder 3 Exons, wobei der prote-
Prionprotein (PrP), infektiöses Agens der spongiformen
333
Tabelle 12.2 Prionkrankheiten des Menschen Krankheit
Ätiologie bzw. Übertragungsweg
Idiopathisch Sporadische CJD (sCJD)
Unbekannt (möglicherweise spontane Konversion von PrPC zu PrPSc oder spontane PRNP-Mutation)
„Fatal sporadic insomnia“
Wie bei sCJD (bislang nur beobachtet bei Codon-129-MM-Patienten mit PrPSc Typ 2)
Erworben Iatrogene CJD (iCJD)
Akzidentelle Übertragung duch Behandlung mit prionkontaminierten chirurgischen Instrumenten, Wachstumshormonpräparaten, Dura-mater-Grafts etc.
Neue Variante der CJD (nvCJD)
Infektion durch bovine Prionen (BSE-kontaminierte Lebensmittel oder andere Produkte)
Kuru
Ritueller Kannibalismus der Fore-Bevölkerung in Neu-Guinea (historisch)
Hereditär Familiäre CJD (fCJD)
Unterschiedliche PRNP-Mutationen
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
Unterschiedliche PRNP-Mutationen
„Fatal familial insomnia“ (FFI)
PRNP-Mutation D178N mit M129
Tabelle 12.3 Prionkrankheiten der Tiere Krankheit
Wirt
Ätiologie bzw. Übertragungsweg
Skrapie (Traberkrankheit)
Schaf und Ziege
Orale/maternale Infektion genetisch anfälliger Schafe
Bovine sponigforme Enzephalopathie (BSE)
Rind
Infektion durch kontaminiertes Knochenmehl
Feline spongiforme Enzephalopethie (FSE)
Katzen
Infektion durch kontaminiertes Knochenmehl
Transmissible Mink-Enzephalopathie (TME)
Mink (Nerz)
Infektion durch kontaminiertes Futter
„Chronic wasting disease“
Langohrhirsch und Wapiti (Rocky Mountains)
Unbekannt
inkodierende Teil nie durch ein Intron unterbrochen wird [30]. Auf Aminosäurenebene findet sich eine starke Homologie zwischen Mensch und anderen Säugetierspezies: 93–99% zu Primaten, 91–92% zu Nagern und 92–93% zu Wiederkäuern [94]. Das Prionprotein hat eine flexible N-terminale Hälfte, die C-terminale Hälfte enthält drei α-Helices und zwei kurze β-strands [92]. Die Nterminale Hälfte enthält mehrere Kupferbindungsstellen. Die physiologische Funktion von PrPC ist unbekannt; es scheint eine Rolle bei der Signaltransduktion und dem Schutz der Zelle vor oxidativem Stress zu spielen. Ein beim Menschen beschriebener Methionin-(M-) Valin-(V-)Polymorphismus an der Aminosäureposition 129 des PRNP hat Konsequenzen sowohl für das Auftreten der sporadischen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit als auch für die klinischen und neuropathologischen Charakteristika der sporadischen und erblichen Varianten humaner Prionkrankheiten. Mehrere Studien haben eine deutliche Überrepräsentation von Homozygoten
bei sporadischen CJD-Fällen beschrieben (71,6% MM, 11,7% MV, 16,7% VV) im Vergleich zur normalen Population (37% MM, 51% MV, 12 VV). Auch der Phänotyp der sporadischen CJD wird vom Codon 129 beeinflusst; beispielsweise werden bei sporadischer CJD Kuru-Plaques nur bei heterozygoten Patienten beobachtet. Das Codon 129 beeinflusst auch den klinischen Phänotyp sporadischer und einiger erblicher Prionkrankheiten [85]. PrPC ist ein Membranprotein, das vorwiegend auf der Oberfläche von Neuronen, aber auch von Astrozyten und einer Vielzahl anderer Zellen exprimiert wird [63, 80]. Das humane PrPC hat eine N-terminale Signalsequenz von 22 Aminosäuren. Der C-Terminus wird beim Anhängen eines Glykosylphosphatidylinositols (GPI) am Serinrest 230 um 23 Aminosäuren verkürzt. Das reife PrPC ist auf der Zelloberfläche über einen GPI-Anteil verankert [100]. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass PrP in einer alternativen Membrantopologie vorkommen
334
12
Kapitel 12
Prionkrankheiten
Abb. 12.1 Strukturelle Charakteristika des humanen Prionproteins. Dargestellt sind die zelluläre Isoform des Prionproteins (PrPC), der proteaseresistente Kern von PrPSc, Charakteristika der sekundären Struktur des Proteins sowie Polymorphismen und Mutationen des
Prionprotein-Gens (PRNP). Die Zahlen beziehen sich auf Aminosäurereste. SP Signalpeptid, GPI Glycosylphosphatidylinositol, CHO Glykosylierungsstellen, S1, S2 β-Faltblattanteile, H1, H2, H3 Helices [92], PK Proteinase-K-Schnittstellen
könnte, deren Rolle für die Krankheitsentstehung noch unklar ist [44]. Es bestehen 2 N-Glykosylierungsstellen an den Aminosäureresten 181 und 197, die bei verschiedenen Varianten der humanen CJD bestimmte Unterschiede zu zeigen scheinen [83].
Einfluss eines PrPSc-Moleküls stattfindet. In diesem Prozess muss eine hohe Aktivierungsenergie überwunden werden, Chaperone und eine Energiequelle mögen dazu nötig sein. Die beiden Hypothesen, die auch der „Lansbury-“ und „Prusiner“-Mechanismus genannt wurden, schließen sich gegenseitig keineswegs aus [27]. Der Arbeitsgruppe Claudio Soto gelang 2001 in einer „protein misfolding cyclic amlification“ (PMCA) genannten Reaktion die In-vitro-Amplifikation von PK-resistentem PrP in wiederholten Zyklen von Beschallung und Inkubation [93]; dabei wurde als Seed PrPSc aus Hamstergehirnen eingesetzt und als Substrat für die Umwandlung PrPC in Hamsterhirnhomogenaten zugeführt. Es ließ sich zeigen, dass das neu entstandene PK-resistente PrP in einer seriellen PMCA-Reaktion (sPMCA) in Lage ist, als Seed für nachfolgende PMCA-Zyklen zu funktionieren und somit die PMCA-Reaktikon ein autokatalytischer Prozess ist [7]. Das neu generierte PrP erwies sich im Tierversuch als infektiös [17], ja sogar genau so infektiös wie das aus Gehirnen von Scrapie-infizierten Hamstern [106]. Die PMCA-Reaktion ist ein langwieriger und bis jetzt nicht gut standardisierbarer Prozess, es ist daher noch fraglich, ob sie sich für die Routinediagnostik eignet. Ähnliche Konversionsreaktionen verwenden rekombinantes PrP, das in Zyklen geschüttelt und inkubiert wird; solche Reaktionen haben bislang PK-resistentes PrP amplifiziert und sind an menschlichem Material nicht etabliert [2].
Konversionprozess von PrPC zu PrPSc Die Konversion von PrPC zu PrPSc ist ein später posttranslationeller Prozess, der in Skrapie-infizierten Zellkulturen stattfindet, nachdem PrPC seine normale Lokalisation auf der Zelloberfläche erreicht hat oder sogar später. Warum es so selten zu dieser Umwandlung kommt und wie PrPSc die Konversion von PrPC initiiert, ist nicht bekannt. In einem Nukleationsmodell wird vorgeschlagen, dass PrPC und PrPSc im Gleichgewicht sind. PrPSc ist nur dann stabil, wenn es sich an ein PrPSc-Aggregat anlagert, ein Prozess, der mit der Kristallbildung verglichen worden ist. Die spontane Bildung von initialen PrPSc-Aggregaten wäre in diesem Modell ein extrem seltenes Vorkommnis. Sobald sich aber ein initiales Aggregat gebildet hat, könnte sich die weitere Anlagerung von PrP-Monomeren relativ schnell fortsetzen. Im Gegensatz dazu geht das Umfaltungsmodell davon aus, dass PrPC zunächst entfaltet wird und der Konversionsprozess in einer Umfaltung des Moleküls unter dem
335
Krankheitsbilder
Pathogene Mutationen des humanen Prionproteingens (PRNP) Die genetisch bedingten Prionkrankheiten gelten heute nicht mehr als so selten wie früher angenommen. In systematischen Untersuchungen zeigt sich, dass eine Familie mit einer erblichen Prionkrankheit auf 2,5 Mio. Einwohner in Deutschland zu finden ist [110]. In Familien mit erblichen Prionkrankheiten wurde eine Vielzahl verschiedener Punktmutationen und Insertionsmutationen im offenen Leserahmen („open reading frame“, ORF) des PRNP beschrieben (s. Abb. 12.1). Die Insertionsmutationen finden sich in einer Oktapeptid-repeatRegion in der N-terminalen Hälfte des Proteins, während die Punktmutationen in der C-terminalen Hälfte des Proteins konzentriert sind. Die Analyse der Daten in einem epidemiologischen Projekt in Deutschland hat gezeigt, dass ungefähr die Hälfte der Familien mit Mutationen des PRNP angibt, von einer erblichen, tödlichen neurologischen Erkrankung in ihrer Familie nichts zu wissen. Bei genetisch bedingten Prionkrankheiten des Menschen fanden sich besonders häufig die Mutationen E200K, P1021 und D178N-CJD/ FFI, auf die weiter unten bei der Behandlung der verschiedenen Krankheitsgruppen eingegangen wird. Eine ganz andere Art von Mutation des PRNP liegt bei verschiedenen sog. Insertionsmutationen vor. Das normale Protein hat 5 Repeats im N-Terminus (1 Nonarepeat, 4 Oktarepeats, Aminosäuren 51–91), wogegen die mutierten Prionproteine zwischen 1 und 9 zusätzliche Oktarepeats haben. Die klinischen und pathologischen Charakteristika, die mit Insertationsmutationen verbunden sind, sind außerordentlich variabel; es finden sich Patienten mit einem klassischen CJD-Phänotyp oder mit GSS, aber auch Patienten mit keinem morphologisch erkennbaren Phänotyp, die klinisch lediglich eine progressive Demenz zeigen [19, 21]. Identische Rearrangements der Oktapeptide sind in voneinander unabhängigen Familien nie entdeckt worden. Man vermutet, dass die Bildung von Extrarepeats auf einem ungleichen Crossover und auf Rekombination beruht.
infektiöse Natur der so generierten Krankheit wurde durch serielle Transmission auf Hamster (10% der Tiere) und transgene Mäuse, die das mutierte Protein auf niedrigem Niveau exprimieren (40% der Tiere) und nicht spontan erkranken, gezeigt [49]. Die Krankheit konnte allerdings nicht auf normale Wildtypmäuse übertragen werden. In weiteren Experimenten zeigte sich jedoch, dass auch transgene Linien, die normale PrP-Gene überexprimieren, eine spontane letale Krankheit entwickeln können [107]; diese Krankheit zeigt eine Degeneration der Skelettmuskulatur und der peripheren Nerven, aber auch spongiforme Veränderungen im Gehirn. Auch diese Krankheit soll übertragbar sein. Auf der anderen Seite entwickeln transgene Tiere, die die P102-homologe Mutation auf normalem Niveau exprimieren, keine spontane neurodegenerative Krankheit [69]. Letztlich könnte in den beschriebenen Tiermodellen die Überproduktion von PrP eine wichtigere pathogenetische Rolle spielen als das alleinige Vorliegen einer Mutation. Die Übertragung humaner Prionerkrankungen auf Mäuse hat sich als kompliziertes Unterfangen erwiesen. In den meisten Laboratorien wird sCJD mit nur einer geringen Effizienz von etwa 10% und Inkubationszeiten über 500 Tage auf Wildtypmäuse übertragen [103]. Die Einführung eines humanen Prnp-Transgens reicht nicht aus, diese Speziesbarriere zu brechen; erst die Einkreuzung auf den Prnp0/0-Hintergrund führt zu einer Reduktion der Inkubationszeit auf 250–270 Tage [104]. Mäuse, die ein chimäres humanmurines Transgen (MHu2M) exprimieren, zeigen noch kürzere Inkubationszeiten. Im Gegensatz zu den Erfahrungen mit sCJD ist vCJD auf Wildtypmäuse mit einer Inkubationszeit von ca. 300 Tagen gut übertragbar [14]. Experimente mit PRNP-Knock-in Mäusen haben gezeigt, dass für die Übertragung des BSE-Erregers auf den Menschen eine Speziesbarriere zu existieren scheint, während vCJD vermutlich auf alle humanen PRNP-Genotypen übertragbar ist [8].
Krankheitsbilder Prionpathogenese
Modelle in transgenen Tieren Neuroinvasion Für die Prionforschung wurden die meisten transgenen Linien durch Pronukleusinokuation mit zufälliger Geninsertion ins Mausgenom erzeugt. Transgene Mäuse, die ein murines Prnp mit einer P102L-homologen Mutation (bei der Maus entspricht dies dem Codon 101) überexprimieren, die beim Menschen das GerstmannSträussler-Scheinker-Syndrom hervorruft, entwickelten spontan eine neurodegenerative Krankheit, die anderen Prionkrankheiten der Maus sehr ähnlich ist [50]. Die
Für die Invasion des zentralen Nervensystems nach peripherer Inokulation (z. B. iatrogen) oder nach oraler Erregeraufnahme werden zwei verschiedene Wege diskutiert: • Transport in Blutzellen, möglicherweise nach Amplifikation von Prionen im lymphoretikulären System (LRS); • Transport in peripheren/enterischen Nerven.
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12
Kapitel 12
Möglicherweise besteht der natürliche Übertragungsweg in einer Kombination von Amplifikationen im LRS und Transport durch periphere Nerven. Eine Bedeutung des LRS für die Übertragung ist seit langem beschrieben. Bei experimentell infizierten Mäusen ließ sich eine Infektivität in der Milz 4 Tage nach intraperitonealer und sogar intrazerebraler Inokulation nachweisen. In diesen Fällen ging die Replikation der Prionen in der Milz der intrazerebralen Replikation voraus, sogar nach initialer intrazerebraler Inokulation. Bei der vCJD akkumuliert PrPSc im lymphatischen Gewebe der Mandeln und der Appendix, in einem Fall sogar 8 Monate vor dem Ausbruch der Erkrankung [46]. Welche Zellen die Prionreplikation im LRS unterstützen, ist noch nicht genau bekannt. Follikulär dendritische Zellen (FDC) werden in erster Linie angeschuldigt. In der Tat ließ sich in diesen Zellen eine PrPSc-Akkumulation nachweisen. Im experimentellen System bei der Maus sind funktionelle B-Lymphozyten notwendig für die Neuroinvasion; die Expression von PrPC auf der Oberfläche dieser Zellen ist jedoch nicht notwendig. B-Lymphozyten beeinflussen u. U. indirekt die Neuroninvasion, indem sie die Entwicklung von reifen Milz-FDCs als Ort der Prionreplikation ermöglichen [56]. Ein Szenario, in dem das Agens zunächst durch mobile Immunzellen zu FDCs transportiert wird, wo es amplifiziert und sich zu peripheren Nerven ausbreitet, scheint möglich und mag besonders für Fälle mit niedrigdosiger Infektion von Bedeutung sein. Es gibt Belege dafür, dass Prionen so über das sympathische Nervensystem und die Nervi splanchnici [39], aber auch über den Nervus vagus [74] das ZNS erreichen können.
Neuropathologie Makroskopisch stellen sich die Gehirne von Patienten, die an Prionkrankheiten verstorben sind, unterschiedlich dar; bei manchen sind keine oder nur sehr geringgradige Anzeichen einer Atrophie zu sehen, in anderen Fällen liegt eine deutlich ausgeprägte Hirnatrophie mit Erweiterung der Ventrikel und extremer Verschmälerung der Hirnrinde vor. Spezifische Veränderungen, die schon makroskopisch eine Verdachtsdiagnose nahe legen würden, gibt es nicht. In lichtmikroskopischen Routinefärbungen (HE, PAS) ist CJD durch spongiöse Veränderungen, Nervenzellverlust, astrozytäre Gliose und in ca. 15% der Fälle durch sog. Kuru-Plaques gekennzeichnet. Außer einer mitunter ganz massiven Mikroglia- bzw. Makrophagenaktivierung sind üblicherweise keine zellulären immunologischen Reaktionen zu erkennen. Nervenzellverlust, astrozytäre Gliose und Mikrogliaaktivierung sind bei vielen Erkrankungen des Gehirns zu finden und spielen deshalb bei Verdacht auf CJD diagnostisch nur eine untergeordnete
Prionkrankheiten
Rolle. Bestimmte Formen der spongiösen Veränderungen haben einen Anspruch auf Spezifität für Prionkrankheiten; Kuru-Plaques sind pathognomonisch.
Neuronaler Zelltod Nervenzelltod in unterschiedlichem Ausmaß ist ein Charakteristikum aller Prionkrankheiten. Er wird von keiner zellulären entzündlichen Reaktion begleitet. Lediglich eine astrozytäre und mikrogliale Reaktion ist regelmäßig vorhanden. Mit der In-situ-Endlabelling-Technik (ISEL), die auf der Inkorporation markierter Nukleotide in fragmentierte DNA durch die terminale Transferase basiert, ließ sich in einem Skrapiemodell in der Maus zeigen, dass es sich um einen apoptotischen Nervenzelltod handelt [38]. Elektronenmikroskopie des Kleinhirns von terminal kranken Mäusen zeigte Zellen mit homogen kondensiertem Chromatin, dunklem Zytoplasma, Membranblasen und mitunter nukleärer Fragmentation als morphologische Charakteristika der Apoptose. Zwei Mechanismen werden als Ursache für den neuronalen Zelltod bei Prionkrankheiten diskutiert, die Loss-offunction- und die Gain-of-function-Hypothese. Eine Reihe elektrophysiologischer Daten von Prnp0/0-Mäusen lassen sich so deuten, dass fortschreitender Verlust von PrPC bei Prionkrankheiten zu einer Beeinträchtigung der synaptischen Transmission und zum neuronalen Zelltod führen könnte. Andere Experimente haben gezeigt, dass PrPSc toxische Effekte auf primäre Neuronen in Zellkultur hat. Forloni et al. (1993) haben argumentiert [28], dass dieser toxische Effekt in einem Teil des Proteins verankert sein könnte, das im Gehirn abgelagert wird, und haben ein Peptid entsprechend der humanen PrP-Sequenz von Aminosäure 106–126 (PrP106–126) identifiziert, das einen maximalen neurotoxischen Effekt ausübt. Nach Behandlung mit LLME, einer Substanz, die die Anzahl der Mikrogliazellen stark reduziert, verliert die Zugabe von PrP106–126 ihren toxischen Effekt auf gemischte Nervenzellkulturen. Weiterhin ließ sich zeigen, dass PrP106–126 und PrP27–30, der proteaseresistente Kern von PrPSc, keinen toxischen Effekt auf Zellen von Prnp0/0-Mäusen ausüben, die kein PrPC synthetisieren [38]. In weiteren Zellkulturexperimenten ließ sich zeigen, dass Mikrogliazellen ihren neurotoxischen Effekt durch die Absonderung reaktiver Sauerstoffradikale entfalten. Es scheint also so, dass die zelluläre Expression von PrPC und die Gegenwart von Mikroglia notwendig für den neurotoxischen Effekt von PrP27–30 und PrP106– 126 in vitro sind. Diese Interpretation wurde durch Experimente mit Hirngewebstransplantationen in Prnp0/0-Mäuse bestätigt. Bei diesen Tieren waren nur Prnp+/+-Zellen gegenüber den toxischen Effekt von PrPSc empfindlich [9].
Krankheitsbilder
Die Frage, ob Mikrogliaaktivierung ein sekundäres Phänomen ist oder dem neuronalen Zelltod vorangeht und möglicherweise an der Induktion des neuronalen Zelltods beteiligt ist, wurde in einer Verlaufsstudie mit 3 verschiedenen Skrapiestämmen bei der Maus untersucht. Es ergab sich, dass Mikrogliaaktivierung sehr früh in der Inkubationszeit in Erscheinung tritt. Das Muster der Mikrogliaaktivierung war dem Muster und dem Zeitverlauf der PrPSc-Akkumulation parallel. Mikrogliaaktivierung geht eindeutig dem apoptotischen neuronalen Zelltod in allen untersuchten Modellen voraus. Weiterhin zeigt die quantitative Analyse der Mikrogliaaktivierung und des Zelltods im Kleinhirn, dass der Zeitverlauf und das Ausmaß des neuronalen Zelltods mit dem Zeitverlauf der Mikrogliaaktivierung korreliert [37]. Zusammen mit den Daten aus Zellkulturuntersuchungen zeigt dies, dass Mikrogliaaktivierung auch am neurotoxischen Effekt von PrPSc in vivo beteiligt ist.
Weitere morphologische Charakteristika Der Ausdruck spongiöse Veränderungen wird als Oberbegriff für verschiedene lichtmikroskopisch unterscheidbare Hohlraumbildungen des Hirnparenchyms verwandt (Tabelle 12.4). Spongiforme Veränderungen (Abb. 12.2a) sind kleine, mitunter opak erscheinende blasenartige Gebilde im Neuropil, etwa 2–10 μm im Durchmesser, die im wesentlichen Hohlraumbildungen in Nervenzellfortsätzen entsprechen. Sie liegen vereinzelt oder in Gruppen im Neuropil und sind in unterschiedlicher Ausprägung bei allen Prionkrankheiten des Menschen anzutreffen. Konfluierende Vakuolen (Abb. 12.2b) sind traubenartig zusammenhängende Hohlräume mit Durchmessern von 10–50 μm und finden sich in erster Linie bei CJD-Patienten mit Homozygotie für Methionin am Codon 129 in
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Verbindung mit PrPSc vom Typ 2 (s. unten). Die beschriebenen spongiformen Veränderungen und konfluierenden Vakuolen sind nur bei den Prionkrankheiten zu finden. Als Status spongiosus wird ein Gewebsbild mit fast vollständigem Nervenzellverlust, ausgeprägter astrozytärer Gliose und Gewebsauflockerung mit großen perizellulären Spaltraumbildungen bezeichnet. Der Status spongiosus wird außer bei den Prionkrankheiten auch im Endstadium verschiedener neurodegenerativer und metabolischer Erkankungen beobachtet. Bei der spongiösen Degeneration der 1. und 2. Rindenschicht handelt es sich um vakuoläre Schrumpfspaltenbildung, die häufig im Spätstadium neurodegenerativer Erkrankungen mit starker kortikaler Atrophie wie dem M. Alzheimer, dem M. Pick, der ALS mit Demenz, aber auch bei Prionkrankheiten zu finden ist. Amyloidablagerungen in Form von Kuru-Plaques, multizentrischen Plaques oder floriden Plaques finden sich bei den Prionkrankheiten nur bei bestimmten Kombinationen genetischer und epigenetischer Determinanten (s. unten). PrPSc ist der einzige bislang bekannte Bestandteil der Amyloidplaques bei den Prionkrankheiten. Die bei Extraktion von Hirnhomogenaten mit SDS entstehenden PrPSc-haltigen Prion rods oder srapieassoziierten Fibrillen (SAF) werden von manchen Arbeitsgruppen ebenfalls als Amyloid bezeichnet. Kuru-Plaques sind schon in der HE- oder PAS-Färbung erkennbare, homogene eosinophile PrP-Ablagerungen (Abb. 12.3b). Die lichtmikroskopische Erkennbarkeit in Routinefärbungen wie der HE-Färbung unterscheidet sie von den „plaqueartigen Ablagerungen“, die kleiner sind als Kuru-Plaques und die sich nur immunhistochemisch mit Antikörpern gegen PrP darstellen lassen. Kuru-Plaques sind pathognomonisch für Prionkrankheiten, finden sich jedoch nur in einer geringen Anzahl idiopathischer oder sporadischer Fälle, in denen sie ausschließlich mit Methionin-Valin-Heterozygotie am Codon 129 des PRNP und dem PrPSc-Typ 2 vergesellschaftet sind [85]. Kuru-Plaques
Tabelle 12.4 Neuropathologie der Spongiösen Veränderungen Spongiöse Veränderung
Morphologie
Vorkommen
Spongiforme Veränderungen
Kleine (2–10 μm) rund-ovale, überwiegend in neuronalen Fortsätzen gelegene Hohlräume
CJD (alle Subtypen)
Konfluierende Vakuolen
Große (10–50 μm), traubenartig zusammenhängende Hohlräume
CJD (insbesondere MM2)
Status spongiosus
Fast vollständiger Nervenzellverlust, ausgeprägte astrozytäre Gliose, Gewebsauflockerung, große perizelluläre Spalträume
CJD; Endstadium neurodegenerativer Erkrankungen mit starker kortikaler Atrophie (M. Alzheimer, M. Pick, ALS mit Demenz)
Andere spongiöse Veränderungen
Irreguläre Gewebsauflockerung, „Ödemblasen“
Enzephalitis, posthypoxisch u. a.
Die Bezeichnungen sind mit geringen Abweichungen international gebräuchlich. Der Begriff „spongiöse Veränderung“ wird hier als Oberbegriff für alle pathologischen Veränderungen verwandt, die mit mikroskopischer Hohlraumbildung im Hirnparenchym einhergehen.
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12
Kapitel 12
Prionkrankheiten
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b
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Abb. 12.2a–d Histologische und immunhistochemische Befunde der Prionkrankheiten des Menschen. a Spongiforme Veränderungen im Kortex bei einem sporadischen CJD-Fall (MM1). Es finden sich feine, teils opak erscheinende Vakuolen im Neuropil des Neokortex. HE-Färbung, Vergr. 40:1 (Originalvergrößerung). b Konfluierende Vakuolen bei sCJD. Dieser Typ der konfluierenden Vakuolen stellt sich bei den MM2-Fällen dar. Die Vakuolen sind überwiegend in den oberen Rindenschichten lokalisiert. Immunhistochemische Darstellung von PrPSc (APAAP); Vergr. 40:1 (Originalvergröße-
rung). c Darstellung des synaptischen PrPSc-Ablagerungstyps mit der PET-blot-Technik [95]. Man beachte die homogene feindisperse PrPSc-Ablagerung (braun) in der Körnerzellschicht und z. T. auch in der Molekularschicht des Kleinhirns. Vergr. 5:1 (Originalvergrößerung). d Perineuronale Färbung bei sCJD. Perineuronale PrP-Färbung, bei der sich z. T. auch intrazytoplasmatisches PrP anfärbt, ist für Valinhomozygotie am Codon 129 in Verbindung mit dem PrPSc-Typ 2 (VV2) typisch. Immunhistochemische Darstellung von PrPSc (rot); Vergr. 63:1 (Originalvergrößerung)
finden sich in erster Linie in der Körnerzellschicht des Kleinhirns. Im zerebralen Kortex sind sie mit Routinefärbungen meist nur schwer zu identifizieren. Multizentrische Plaques finden sich regelmäßig bei GSS; sie bestehen zumeist aus einer zentralen größeren PrPSc-Ablagerung, die von kleineren „Satelliten“ umgeben ist, und werden deshalb auch als „Kokardenplaques“ bezeichnet (Abb. 12.3c). Floride Plaques bestehen aus einem zentralen Kern, der von einem Ring spongiformer Veränderungen umgeben ist (Abb. 12.3d). Die Ähnlichkeit mit einer Blumenblüte hat diesen Plaques das Attribut „floride“ eingebracht. Das Zentrum der Plaques stellt sich weniger homogen als bei den Kuru-Plaques dar und hat ein fädiges oder strähniges Aussehen. Die bisher beschriebenen pathologischen Charakteristika sind in histologischen Routinefärbungen wie der Hämatoxylin-Eosin-Färbung zu erkennen. Mit Anti-
körpern gegen das Prionprotein lässt sich mit immunhistochemischen Methoden zeigen, dass PrPSc in KuruPlaques, multizentrischen Plaques und auch in floriden Plaques vorhanden ist. Darüber hinaus lässt sich PrPSc immunhistochemisch auch in Form weiterer Strukturen und Lokalisationen nachweisen, nämlich in plaqueartigen Ablagerungen (Abb. 12.3a), in synaptischer Ablagerungsform (Abb. 12.2c), perivakuolär und perineuronal. Die Technik der immunhistochemischen Detektion von PrPSc unterscheidet sich nicht von den sonst in der Pathologie und Neuropathologie üblichen Methoden zur Darstellung von Proteinen. Entscheidend für die Sichtbarmachung von PrPSc ist jedoch eine denaturierende Vorbehandlung der Gewebeschnitte. Bewährt haben sich eine Präinkubation in Guanidiumhydrochlorid, Autoklavieren in H2O und das sog. hydrolytische Autoklavieren in 10 mM HCl-Lösung [25] sowie Kombinationen dieser Techniken.
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Krankheitsbilder
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Abb. 12.3a–d PrP-Ablagerung in Plaques und „plaqueartige“ Typen. a Plaqueartiger Ablagerungstyp im Kleinhirn bei einem CJDFall (VV2). Die immunhistochemisch als größere granuläre Strukturen erkennbaren PrP-Ablagerungen sind bei üblichen lichtmikroskopischen Färbungen (HE, PAS, Kongorot) nicht erkennbar. Immunhistochemische Darstellung von PrPSc (rot); Vergr. 20:1 (Originalvergrößerung). b Kuru-Plaque im Kleinhirn bei einem sporadischen CJD-Fall (MV2); daneben eine Purkinje-Zelle. HE, Vergr. 63:1 (Originalvergrößerung). c Multizentrischer Plaque („Kokardenplaque“) im Kortex eines Patienten mit Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS). Diese Form der Prionproteinablagerung wird nur bei Individuen mit bestimmten Mutationen des
Prionproteingens beobachtet. Immunhistochemische Dartstellung des PrPSc (braun); Vergr. 20:1 (Originalvergrößerung). d „Floride“ Plaque, umgeben von konfluierenden Vakuolen in einem CJD-Fall der neuen Variante (vCJD) aus Großbritannien (Präparat von Dr. James Ironside, Creutzfeldt-Jakob Disease Surveillance Unit, Edinburgh). Bei stärkerer Vergrößerung zeigen diese Plaques, deren Form an eine Blüte erinnern soll (deshalb „floride“ Plaques), häufig einen Kern, der aus feinen Fäden zusammengesetzt ist und von Vakuolen umgeben wird. Diese Form der Prionproteinablagerung wurde beim Menschen bislang nur bei der vCJD beobachtet. HEFärbung, Vergr. 40:1 (Originalvergrößerung)
Von vielen Arbeitsgruppen werden die Gewebeschnitte mit Ameisensäure vorbehandelt. Dies führt einerseits zu einer Steigerung der immunhistochemischen Darstellbarkeit von PrPSc [55] und hat andererseits den zusätzlichen Effekt einer drastischen Inaktivierung des Erregers [11]. PrPC ist nach routinemäßiger Aufarbeitung des Gewebes nicht darstellbar, so dass sich eine Behandlung der histologischen Schnitte mit Proteinase K (PK) zur Unterscheidung der beiden Prionproteinformen erübrigt. PK-Behandlung führt häufig zu einer noch deutlicheren Darstellung von PrPSc. Mit immunhistochemischen Methoden lassen sich folgende Formen der PrPSc-Ablagerungen im Gewebe darstellen: • Plaqueartige Ablagerungen bestehen aus kleineren Ansammlungen des Prionproteins, die in der HE-Fär-
bung nicht zu erkennen, aber mit immunhistochemischer Detektion des Prionproteins gut darzustellen sind (s. Abb. 12.3a). Sie finden sich bei VV2-Patienten (s. unten). • Synaptische PrP-Ablagerungen wurden zuerst von Kitamoto et al. (1992) beschrieben. Dabei handelt es sich um feine PrPSc-Ablagerungen, in der Regel in der Körnerzellschicht des Kleinhirns erkennbar, aber auch in der Molekularschicht des Kleinhirns und im Neokortex anzutreffen (s. Abb. 12.2c). • Perivakuoläre Ablagerungen stellen sich bei etwa einem Drittel der MM1/MV1-Fälle und bei den MM2-Fällen der sCJD dar (s. unten). • Perineuronale Ablagerungen finden sich im Neokortex als Charakteristikum bei der sCJD mit VV2-Konstellation (s. Abb. 12.2d).
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12
Kapitel 12
Die immunhistochemische Darstellung von PrPSc ist in fast allen Fällen humaner Prionkrankheiten positiv. Sie ist derzeit der beste und sicherste Nachweis einer Prionkrankheit und hat sich in zahlreichen Zweifelsfällen bewährt, bei denen mit lichtmikroskopischen Routinefärbungen keine sichere Diagnose gestellt werden konnte. Mehrmonatige Gewebsfixation in Formalin stört den immunhistochemischen Nachweis von PrPSc empfindlich oder kann diesen vollends unterbinden. Weiterhin fällt auf, dass der PrPSc-Nachweis häufig nur in bestimmten Hirnregionen gelingt, während spongiforme Veränderungen häufig auch in immunhistochemisch negativen Arealen vorhanden sind und angenommen werden muss, dass PrPSc auch in diesen Regionen vorhanden sein sollte. Bei einzelnen Unterformen humaner Prionkrankheiten wie der FFI und der VV1-Konstellation der sCJD (s. unten) ist mit den derzeit gängigen immunhistochemischen Methoden PrPSc kaum oder überhaupt nicht darstellbar. Es wurde deshalb eine neue Technik, das Paraffin-embedded-tissue-(PET-)blot-Verfahren entwickelt, bei dem unter starker Proteinase-K-Einwirkung formalinfixiertes und paraffineingebettetes Gewebe direkt auf Nitrozellulosemembranen übertragen wird. PrPSc lässt sich dann in der Membran mit spezifischen Antikörpern hochsensibel nachweisen [95]. Qualitativ sehr gute elektronenmikroskopische Untersuchungen wurden an experimentell infizierten Nagetieren und Primaten durchgeführt [52]. In murinen Skrapiemodellen sind ultrastrukturelle Vakuolen in erster Linie in Neuriten anzutreffen. Sie treten in geringerer Dichte auch in Axonen, Axonterminalen und im neuralen Perikaryon auf, ferner auch in Astrozyten, Oligodendrozyten und im Myelin. Diese Vakuolen können von einer Membran oder einer Doppelmembran umgeben sein oder auch ohne Membran vorkommen. Die Genese der Vakuolen ist nicht klar; sie könnten ihren Ursprung im glatten endoplasmatischen Retikulum oder anderen subzellulären Organellen wie den Mitochondrien haben. Die pathogenetische Bedeutung der Vakuolen ist letztlich nicht bekannt. Aus experimentellen Untersuchungen kann man schließen, dass nichtvakuolierte Gehirnregionen infektiös sein können [3, 54], dass Prionreplikation und Infektiosität der Vakuolisierung vorausgehen [13] und dass in bestimmten experimentellen Systemen Vakuolen praktisch nicht zu beobachten sind [71]. Vakuolen, die morphologisch nicht von den bei Prionkrankheiten beschriebenen Vakuolen zu unterscheiden sind, werden auch bei Mäusen mit vorzeitiger Alterung [112] und bei der Tollwutinfektion von Skunks und Füchsen beobachtet [16]. Ähnliche Vakuolen sind auch bei retroviralen Infektionen der Maus zu finden [97]. So genannte tubulovesikuläre Strukturen wurden bereits 1968 von David-Ferreira et al. [24] bei experimentell mit Skrapie infizierten Mäusen gesehen und später auch bei CJD beschrieben [66]. Es handelt sich um Partikel
Prionkrankheiten
von 30–35 nm Größe, die in Axonpräterminalen und -terminalen, aber auch in Dendriten zu finden sind. Nach den bisherigen Beschreibungen handelt es sich um krankheitsspezifische Partikel, deren Identität unbekannt ist. Immunhistochemisch lässt sich in diesen Strukturen PrP nicht nachweisen [67].
Prionkrankheiten im Tierreich Skrapie Skrapie, eine Krankheit, die bei Schafen und Ziegen vorkommt, ist seit mehr als 200 Jahren bekannt und war die erste Prionkrankheit, deren infektiöse Natur 1936 von den französischen Wissenschaftlern Cuillé und Chelle gezeigt wurde [23]. Betroffene Tiere fallen durch ein abnormes Verhalten auf, wie z. B. Kratzen, Zittern, Ataxie und andere motorische Veränderungen. Es gibt keine bekannten hereditären Prionkrankheiten im Tierreich, jedoch üben allelische Variationen im ovinen PrPC einen starken Einfluss auf die Suszeptibilität gegenüber natürlichem und experimentellem Skrapie aus. Obwohl die Krankheit über Jahrhunderte bekannt ist und ihre infektiöse Natur vor über 60 Jahren erkannt wurde, ist der natürliche Übertragungsmodus nicht hinreichend erforscht. Maternelle Transmission scheint gesichert zu sein, aber es gibt auch Berichte über die Transmission der Erkrankung durch Schafhaltung auf Weideflächen, die früher von Skrapie-infizierten Herden benutzt wurden. Skrapie kann experimentell auf viele Säugetierspezies übertragen werden; jedoch zeigen epidemiologische Studien, dass Skrapie offensichtlich oral nicht auf den Menschen übertragbar ist.
Bovine spongiforme Enzephalopathie BSE ist eine Erkrankung der Rinder, die zum ersten Mal 1986 in Großbritannien beschrieben wurde. Man schätzt, dass seitdem über eine bis drei Million Tiere infiziert wurden [1, 99]. Es besteht kein Zweifel, dass BSE durch die Verfütterung von kontaminiertem Knochenmehl, das von Schafen, Rindern und Schweinen stammte, verbreitet wurde. Dennoch bleibt der Ursprung der BSE unklar. Es gilt als sicher, dass eine Veränderung in der Fettextraktionsmethode einschließlich einer Temperaturveränderung, die bei der Verarbeitung in den späten 70er Jahren vorgenommen wurde, dem infektiösen Agens ermöglichte, den Herstellungsprozess zu überleben und vom Schaf auf das Rind übertragen zu werden. Da in der Stammtypisierung und im PrPSc-Bandenmuster in der
Krankheitsbilder
Western-blot-Analyse sich alle Skrapiestämme bis jetzt von der BSE unterscheiden, kann die alternative Hypothese, nämlich die Übertragung einer mit niedriger Inzidenz vorhandenen präexistenten natürlichen BSE, als Konsequenz der genannten Veränderungen des Verarbeitungsprozesses nicht ausgeschlossen werden. Die mittlere Inkubationszeit der BSE beträgt ca. 5 Jahre; die meisten Tiere manifestieren die Krankheit nicht, da sie im Alter vom 2–3 Jahren geschlachtet werden. BSE ist experimentell auf viele Spezies übertragbar, sie hat die Speziesbarriere zum Menschen überwunden und verursacht die vCJD.
Sonstige Zusätzlich gibt es eine Anzahl von selteneren Prionkrankheiten, einige mit unbekanntem Ursprung wie die Chronic Wasting Disease, die Cervidae in den Rocky Mountains befällt (s. Tabelle 12.3). Sie scheint von Skrapie-befallenen Schafen auf Hirsche übertragen worden zu sein und breitet sich in den USA und Kanada rasant aus. In manchen Regionen sind mehr als 20% der frei lebenden Hirsche befallen. Man geht davon aus, dass die CWD nicht gut auf den Menschen übertragbar ist. Andere Prionkrankheiten wurden durch kontaminierte Futtermittel von Schaf oder Rind übertragen, wie etwa die transmissible Mink-Enzephalopathie. Wieder andere, z. B. feline spongiforme Enzephalopathie und „exotic ungulate encephalopathy“, wurden offenbar durch die Verfütterung von BSE-kontaminiertem Tierfutter verursacht.
Prionkrankheiten des Menschen Spongiforme Enzephalopathien des Menschen (s. Tabelle 12.2) wurden in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts als seltene neurodegenerative, z. T. erbliche Krankheiten von Hans Gerhard Creutzfeldt und Alfons Jakob beschrieben [22, 51]. Kuru, eine tödliche neurodegenerative Erkrankung in der Fore-Bevölkerung in Neuguinea wurde erst 1957 beobachtet [32]. In den 30er Jahren konnten Cuillé und Chelle zeigen, dass Skrapie auf experimentellem Wege übertragbar ist [23]. William Hadlow diskutierte 1959 neuropathologische Ähnlichkeiten zwischen Skrapie bei Schafen und Kuru [43], worauf es Gajdusek, Gibbs und Alpers gelang, Kuru auf Schimpansen zu übertragen [31] und später auch die Übertragung der CJD auf Menschenaffen experimentell erfolgte [36]. Eine erbliche spongiforme Enzephalopathie, das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) des Menschen wurde erstmals 1981 experimentell auf Pri-
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maten übertragen [72]. Ende der 80er Jahre wurde die erste Mutation des Prionproteingens in einer GSS-Familie identifiziert [48].
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit tritt in den meisten Fällen (ca. 90%) sporadisch auf, ohne dass eine Infektionsquelle oder der Modus der Krankheitsentstehung bekannt wären (idiopathisch). Im Sinne der Prionhypothese ist gut denkbar, dass die sporadisch auftretenden Erkrankungsfälle durch einen spontanen Konversionsprozess des Prionproteins de novo entstehen. Die CJD kann iatrogen übertragen werden (iCJD), sie kann vom BSE-Erreger verursacht werden und zeigt dann beim Menschen ein besonderes klinischneuropathologisches Bild, das als variante CJD (vCJD) bezeichnet wird. Zu einem geringen Prozentsatz wird die CJD autosomal-dominant vererbt (gCJD für genetische Creutzfeldt-Jakob-Krankheit). Sporadische CJD (sCJD)
Die sCJD betrifft in der Regel Patienten im 7. Lebensjahrzehnt. Erste Auffälligkeiten sind im Allgemeinen Demenz und verschiedene neurologische Symptome, häufig Ataxie und Myoklonien. Die klinischen Kriterien, die Masters et al. (1979) aufgestellt haben [73], wurden modifiziert in einer großen europaweiten CJD-Studie akzeptiert und auch von der WHO empfohlen (s. Übersicht). Eine definitive Diagnose kann nur durch die neuropathologische oder biochemische Untersuchung des Gehirns gestellt werden. Klinische Kriterien für die Diagnose „wahrscheinliche CJD“ sind eine rasch fortschreitende demenzielle Erkrankung, typische EEG-Veränderungen oder Nachweis des 14-3-3-Proteins im Liquor bei einem klinischen Verlauf unter 2 Jahren und mindestens 2 der folgenden Symptome: Myoklonien, akinetischer Mutismus, pyramidale/extrapyramidale Symptome, visuelle/zerebelläre Störungen. Sind keine typischen EEG-Veränderungen vorhanden oder ist das 14-3-3-Protein nicht nachweisbar, aber 2 der 4 genannten Symptome, lautet die Diagnose „mögliche CJD“. Wie im Folgenden beschrieben, sind diese Symptome bei verschiedenen Subtypen der sCJD in unterschiedlicher Form und Häufigkeit vertreten, so dass sie klinisch nicht mit gleicher Zuverlässigkeit diagnostiziert werden können. Anders gesagt werden bestimmte Subtypen klinisch häufig entsprechend den genannten Kriterien als „möglicherweise CJD“ oder sogar „andere Erkrankung“ kategorisiert; Klärung bringt die neuropathologische Untersuchung des Gehirns.
342
12
Kapitel 12
Diagnostische Kriterien der humanen Prionkrankheiten (vgl. WHO 1998, www.cjd.ed.ac.uk) 1. Sporadische CJD Kriterien I Rasch progressive Demenz II A Myoklonien B Viusuelle oder zerebelläre Probleme C Pyramidale oder extrapyramidale Symptome D Akinetischer Mutismus III Typisches EEG Definitionen 1.1 Gesicherte CJD: Neuropathologisch/immunhistochemisch gesichert 1.2 Wahrscheinliche CJD: I + zwei von II + III oder Mögliche CJD + positiver 14-3-3-Test 1.3 Mögliche CJD: I + zwei von II + Dauer unter zwei Jahre 2. Akzidentell übertragene (iatrogene) CJD 2.1 Sicher: Sichere CJD mit anerkanntem iatrogenem Risikofaktor 2.2 Wahrscheinlich: A. Progressives überwiegend zerebelläres Syndrom bei Empfängern von menschlichen Hypophysenhormonen B. Wahrscheinliche CJD mit anerkanntem iatrogenem Risikofaktor 3. Genetische TSE 3.1 Sicher: 3.1.1 Definitive TSE plus definitive oder wahrscheinliche TSE bei einem Verwandten 1. Grades 3.1.2 Sichere TSE mit einer pathogenen Mutation 3.2 Wahrscheinlich: 3.2.1 Progressive neuropsychiatrische Erkrankung plus sichere oder wahrscheinliche TSE bei einem Verwandten 1. Grades 3.2.2 Progressive neuropsychiatrische Erkrankung plus pathogene PRNP-Mutation 4. vCJD Kriterien I A Progressive neuropsychiatrische Erkrankung B Krankheitsdauer >6 Monate C Routineuntersuchungen legen keine alternative Diagnose nahe D Kein Hinweis auf eine familiäre TSEForm
Prionkrankheiten
II A Frühe psychiatrische Symptome B Persistierende schmerzhafte sensorische Symptome C Ataxie D Myoklonien oder Chorea oder Dystonie E Demenz III A Das EEG zeigt nicht das typische Bild der sporadischen CJD in der frühen Krankheitsphase B Bilaterales ausgeprägtes MRI-Signal im Pulvinar IV Positive Tonsillenbiopsie Definitionen 4.1 Sichere vCJD 1A plus neuropathologische Bestätigung 4.2 Wahrscheinliche vCJD 4.2.1 und 4/5 von II und IIIA und IIIB 4.2.2 I und IVA 4.3 Mögliche vCJD I und 4/5 von II und IIIA
Bei der sCJD können sich alle oben beschriebenen pathologischen Veränderungen finden, mit Ausnahme der multizentrischen Plaques, die nur bei der GSS beobachtet werden, und der floriden Plaques, die nur bei der neuen Variante der CJD beschrieben wurden. Spezielle pathologisch-anatomische Verteilungsmuster, die auch mit besonderen klinischen Bildern assoziiert sind, sind seit langem bekannt: • Von Heidenhain wurde eine Variante beschrieben, bei der spongiforme Veränderungen, Nervenzellverlust und Gliose besonders im okzipitalen Kortex auffallen; klinisch steht eine kortikale Blindheit im Vordergrund und ist zumeist erstes und führendes Symptom [45]. • Eine weitere Variante wurde von Brownell und Oppenheimer beschrieben; sie ist klinisch durch Ataxie und pathologisch durch einen ausgeprägten Befall des Kleinhirns charakterisiert [12]. • Bei der „panenzephalopathischen Variante“ der CJD handelt es sich um eine ausgeprägte spongiforme Degeneration mit Ansammlung von Makrophagen in der weißen Substanz des Gehirns [76]. • Eine „U “ mit Mikroplaques und anderen Besonderheiten wurde 2008 von Gambetti bei 12 Valin-homozygoten Patienten beschrieben [33]. Die betroffenen Patienten zeigten CJD-ähnliche Symptomatik, aber nur minimale Mengen an PrP, das eine geringe Proteaseresistenz aufweist, mitunter nur eine PrP-Bande von 7 kD zeigt. Ein ganz ähnlicher Fall war 2007 auch in Deutschland beobachtet worden [58]. Derzeit ist noch unbekannt, ob es sich dabei um eine infektiöse Krankheit handelt.
343
Krankheitsbilder
Abb. 12.4 Western-Blot-Analyse des humanen PrPSc. Dargestellt sind die Primärstruktur von PrPC und des proteaseresistenten Kerns von PrPSc (PrP 27–30) sowie die drei PrPSc-Banden nach PK-Verdau im Western Blot. Die untere Bande bei ca. 21 kDa (PrPSc Typ 1) bzw. 19 kDa (PrPSc Typ 2) stellt das nichtglykosilierte PrPSc dar. Die mitt-
lere Bande repräsentiert das einfach glykosylierte PrPSc und die obere Bande das doppelt glykosylierte PrPSc. Bei der vCJD entsprechen die Banden in ihrer Größe dem PrPSc-Typ 2, die doppelt glykosylierte Bande erscheint besonders stark ausgeprägt. Die Zahlen am linken Rand bezeichnen das Molekulargewicht
Die Vielfalt der klinischen Erscheinungsbilder und pathologischen Veränderungen stand zunächst in einem gewissen Gegensatz zur Prionhypothese, derzufolge das krankheitsauslösende Prionprotein in den sporadischen Fällen ja nur in einer Form vorkommen kann, nämlich der vom Wirtsgenom kodierten. Pathologie und Klinik der sCJD werden wesentlich durch den Methionin-Valin(MV-)Polymorphismus am Codon 129 bestimmt. Parchi et al. [84] gelang es zusätzlich, zwei PK-resistente PrPScIsoformen bei sporadischen CJD-Fällen mit unterschiedlichen Wanderungsmustern (Größe) auf Westernblots zu zeigen (PrPSc-Typ 1: 20 kDa und PrPSc-Typ 2: 19 kDa; Abb. 12.4). Die Ursache für die beiden unterschiedlichen Schnittstellen der PK, die ca. 2 kDa voneinander entfernt sind, also ungefähr bei den Aminosäureresten 82 und 97 des PrPSc-Moleküls, hängt vermutlich mit unterschiedlichen Konformationen in dieser Region des Moleküls zusammen. Bestimmte Eigenschaften des PrPSc (Typ 1 und Typ 2) werden bei der experimentellen Transmission erhalten oder fungieren sogar als „Schablone“ für weitere PrPSc-Bildung. Dies konnte anhand der Transmission von FFI und fCJD (E200K), beide mit Typ-2-PrPSc, und sCJD mit Typ-1-PrPSc auf transgene Mäuse gezeigt werden. Hier entsprach das nach Übertragung isolierbare PrPSc in 2 Größenklassen jeweils dem Inokulum. Das Glykosylierungsmuster, wie im Westernblot zu sehen, wurde jedoch nicht propagiert [102]. Wie in einer großen Studie an über 300 Patienten mit sCJD gezeigt wurde, determinieren die beiden PrPScIsotypen 1 und 2 zusammen mit dem Genotyp am
Codon 129 die klinischen und pathologischen Eigenschaften der Krankheit [85]. In dieser Untersuchung waren fast 90% aller sCJD-Patienten homozygot am Codon 129, mit deutlichem Überwiegen der Methioninhomozygoten. PrPSc vom Typ 1 ist ganz überwiegend bei Methioninhomozygoten zu finden, während das PrPSc vom Typ 2 vorwiegend bei Valinhomozygoten anzutreffen ist. Es lassen sich somit 6 Subtypen der sCJD molekular voneinander abgrenzen (Tabelle 12.5), die klinischen und pathologischen Phänotypen entsprechen. Nicht so selten können im Western Blot Mischtypen, insbesondere MM1 mit PrPSc-2-Anteilen beobachtet werden. Dass das Vorkommen beider Proteinformen in ein und demselben Erkrankungsfall nicht die Regel ist, konnte in sorgfältigen Untersuchungen gezeigt werden [82]. Es hat sich weiterhin gezeigt, dass bei genauer und aufwendiger Untersuchung des PrPSc-Proteins nach PK-Verdau in Western Blots nach langen Gelläufen die bekannten zwei Subtypen sich weiter differenzieren lassen und dass diese weiteren differenzierten Proteintypen gut mit den klinisch und pathologisch beobachteten CJD Phänotypen korrelieren [81]. Genetische CJD (gCJD)
Bei einer der ersten Beschreibungen der CreutzfeldtJakob-Krankheit, die damals noch spastische Pseudosklerose genannt wurde, handelte es sich um einen familiären Fall, bei dem später die D178N-(129V-)Mutation des Prionproteingens nachgewiesen werden konnte [62]. Die spongiformen Enzephalopathien des Menschen galten daher schon früh als neurodegenerative und z. T.
Andere Klassifikation
Myoklonische HeidenhainVariante
Ataktische Variante, BrownellOppenheimerVariante
Kuru-PlaqueVariante
Thalamische Variante, „sporadic fatal insomnia“ (SFI)
–
–
MM1 oder MV1
VV2
MV2
MM-2, thalamisch
MM-2, kortikal
VV1
1
2
15,3 (14–16)
15,7 (9–36)
15,6 (8–24)
17,1 (5–72)
6,5 (3–8)
3,9 (1–18)
Krankheitsdauer [Monate]
39,3 (24–49)
64,3 (49–77)
52,3 (36–71)
59,4 (40–81)
61,3 (41–80)
65,5 (42–91)
Alter zu Erkrankungsbeginn
Progressive Demenz, kein typisches EEG
Progressive Demenz, kein typisches EEG
Insomnie und psychomotorische Hyperaktivität in den meisten Fällen, zusätzlich Ataxie und kognitive Beeinträchtigung, kein typisches EEG
Ataxie und progressive Demenz, kein typisches EEG, in manchen Fällen lange Krankheitsdauer (>2 Jahre)
Ataxie zu Beginn, Demenz spät im Verlauf der Krankheit, in den meisten Fällen kein typisches EEG
Rasch fortschreitende Demenz, Myoklonien früh und prominent, typisches EEG; visuelle Beeinträchtigung oder unilateraler Beginn in 40% der Fälle
Klinische Charakteristika
Ausgeprägte pathologische Veränderungen im zerebralen Kortex und Striatum, Hirnstammkerne und Kleinhirn nicht betroffen; keine großen konfluierenden Vakuolen; nur minimale synaptische PrPSc-Färbung
Große konfluierende Vakuolen mit perivakuolärer PrPSc-Färbung in allen kortikalen Schichten; kaum Veränderungen im Kleinhirn
Prominente Atrophie des Thalamus und der unteren Olive mit nur geringen pathologischen Veränderungen in anderen Regionen; spongiforme Veränderungen fokal oder abwesend; minimale PrPSc-Ablagerung
Kuru-Plaques besonders im Kleinhirn, weitere pathologische Veränderungen ähnlich wie bei VV2-Fällen mit konsistenteren plaqueähnlichen Ablagerungen
Subkortikale Kerne einschließlich des Hirnstamms besonders befallen; im Neokortex sind spongiöse Veränderungen häufig auf die tiefen Schichten beschränkt; immunhistochemisch plaqueähnliche fokale PrPSc-Ablagerungen und prominente perineuronale Färbung
„Klassische“ CJD-Pathologie: Spongiforme Veränderungen mit kleinen runden bis ovalen Vakuolen von 2–10 μm Größe, überwiegend in neuronalen Fortsätzen; oft ist der okzipitale Kortex besonders betroffen; „synaptische“ PrPSc-Ablagerung zusätzlich in einem Drittel der Fälle konfluierende Vakuolen und perivakuoläres PrPSc-Färbung
Neuropathologische Charakteristika
Kapitel 12
2
9
16
70
Fälle [%]
12
sCJD-Variante
Tabelle 12.5 Molekulare Klassifikation der sporadischen CJD
344 Prionkrankheiten
Krankheitsbilder
erbliche Leiden. Derzeit sind an über 30 PRNP-Mutationen bekannt (s. Tabelle 12.1), die zu genetisch bedingten CJD führen, manche davon nur in einzelnen Familien. Genetische (hereditäre) Formen der CJD sind von der sporadischen CJD häufig weder klinisch noch pathologisch unterscheidbar [111]. Es finden sich jedoch nicht selten längere klinische Verläufe als bei der sCJD. Die E200K-Mutation ist weltweit die häufigste Ursache für die gCJD, sie findet sich bei mehr als 50% aller gCJD-Patienten. Sie ist klinisch und neuropathologisch von der sporadischen CJD nicht zu unterscheiden. Diese Mutation ist auch die Ursache für einen CJD-Cluster bei libyschen Juden in Israel. Ursprünglich glaubte man, dass diese erhöhte CJD-Inzidenz auf den Verzehr von Schafgehirnen oder -augen zurückzuführen sei [53]; es hat sich jedoch in den letzten Jahren herausgestellt, dass in jedem Erkrankungsfall dieser Gruppe mindestens ein PRNPAllel die Mutation E200K trägt und dass diese Mutation genetisch mit der CJD verbunden ist [41]. Andere Cluster sind seit längerem in der Slowakei, in Chile, Italien und Frankreich bekannt. Die lokalen Häufungen von CJD in manchen Regionen der Slowakei sind familiäre Fälle mit einer E200K-Mutation. Die Penetranz dieser Mutation ist etwas umstritten. Sie wurde von manchen mit 56% angegeben, wird jedoch heute allgemein mit 100% beziffert, ebenso wie die anderen PRNP-Mutationen [40]. Andere Punktmutationen, die bei gCJD gefunden wurden, sind V180I, T183A, R208H, V210I und M232R. Auch Insertionsmutationen können Ursache des klinischen Bildes einer fCJD sein. Der Krankheitsphänotyp, der durch die D178NMutation hervorgerufen wird, ist durch den Polymorphismus am Codon 129 determiniert, der entweder Methionin oder Valin kodiert [42]. Valin am Codon 129 des mutierten Allels ist mit der familiären CreutzfeldtJakob-Krankheit vergesellschaftet, während Methionin am Codon 129 in Verbindung mit der D178N-Mutation den FFI-Phänotyp hervorruft. Die biochemische Analyse des PrPSc aus Gehirnmaterial von FFI- und CJD-D178NPatienten hat zwei verschiedene Proteine in Bezug auf die Größe des proteaseresistenten Kerns und die relative Verteilung der Glykosylierungsformen gezeigt [77]. Während die FFI lange als große Rarität galt, nimmt man heute an, dass sie nach CJD-E200K und GSS-P102L die dritthäufigste genetische Prionkrankheit ist. In Deutschland ist sie die am häufigsten zu beobachtende hereditäre Prionkrankheit [59, 110].
345
und Wachstumshormon von Leichenhypophysen [18] und Dura-mater-Implantate [105]. Die Transmission durch kontaminiertes humanes Wachstumshormon (HGH) hat wegen der großen Anzahl möglicherweise betroffener Personen besonderes Aufsehen erregt. Weltweit wurden mehr als 194 HGHassoziierte Fälle registriert [10], 8000 Personen haben zwischen 1963 und 1985 allein in den USA HGH erhalten. Seit 1985 wird überwiegend rekombinantes HGH verwendet, es werden jedoch immer wieder einzelne Erkrankungsfälle mit sehr langer Inkubationszeit berichtet. Im Februar 1987 wurde über den ersten CJD-Fall berichtet, der mit einem Dura-mater-Graft (Lyodura) in Verbindung gebracht wird [105]. Im selben Jahr wurden die Sammel- und Verarbeitungsbedingungen für Dura mater geändert, um ein mögliches Risiko der Übertragung durch Dura-mater-Grafts zu minimieren oder auszuschließen. Weitere Fallberichte aus Deutschland, Italien, Spanien, Neuseeland, dem Vereinigten Königreich, den USA und Japan legten die Vermutung nahe, dass vor 1987 verarbeitete Lyodura in der Tat mit einem erhöhten CJD-Risiko assoziiert war. Weltweit wurden bislang an die 200 iCJD Fälle nach Dura-Implantation berichtet [10]. Die durchschnittliche Inkubationszeit liegt bei etwa 7 Jahren, es werden jedoch Einzelfälle mit Inkubationszeiten von mehr als 20 Jahren publiziert [64]. Das klinische Erscheinungsbild der iCJD ist dem der sCJD sehr ähnlich, variiert jedoch in Grenzen in Abhängigkeit von Infektionsweg. Die meisten durch Duramater-Implantation übertragenen Fälle sind von der sCJD nicht zu unterscheiden, bei manchen scheint in frühen Stadien eine zerebelläre Symptomatik im Vordergrund zu stehen [47]. Die Therapie mit Hypophysenhormonen erfolgte über periphere Injektion, das klinische Bild soll überwiegend in einer zerebellären Symptomatik bestehen, kognitive Veränderungen sollen spät, wenn überhaupt hinzutreten [70]. Auch die neuropathologischen Veränderungen sind denen bei sCJD-Fällen vergleichbar; lediglich bei einzelnen Fällen, die durch Duramater-Implantation übertragen wurden, wurden floride Plaques in geringer Dichte berichtet [64, 98]. Drei Fälle einer wahrscheinlichen Transmission von vCJD durch Bluttransfusion von asymptomatischen Spendern, die später vCJD entwickelten, wurden berichtet. In einem vierten Fall war ein Patient an einer nichtneurologischen Erkrankung verstorben, PrPSc wurde aber in der Milz nachgewiesen [10, 87].
Iatrogen übertragene CJD (iCJD)
Auf die Möglichkeit einer iatrogenen CJD-Übertragung wurde erstmals 1974 von Duffy et al. im Zusammenhang mit einer Korneatransplantation von einem Spender mit CJD hingewiesen [26]. In den folgenden Jahren wurde über andere Übertragungsmodi berichtet, wie die Übertragung durch kontaminierte EEG-Tiefenelektroden [4], neurochirurgische Instrumente [109], Gonadotrophin
Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD)
Eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beobachteten Will et al. 1996 [108] bei 10 Patienten im Vereinigten Königreich. Diese Patienten hatten ein mittleres Alter von 29 Jahren und waren zunächst mit psychiatrischen Veränderungen aufgefallen, während sich CJDtypische Symptome später entwickelt hatten.
346
Kapitel 12
Die bei der Autopsie gefundenen neuropathologischen Veränderungen waren außergewöhnlich. Es fanden sich weit verbreitete Ablagerungen von PrPSc in vielen Regionen des Gehirns in einer Art und Weise, wie sie vor 1996 beim Menschen nur bei hereditären Fällen beschrieben worden waren. Zusätzlich fanden sich sog. floride Plaques mit einer zentralen PrP-Akkumulation und umgebenden Vakuolen, die bis dahin bei Prionkrankheiten des Menschen noch nicht beobachtet worden waren (s. Abb. 12.3d). Die sichere Diagnose beruht auf einer Untersuchung von Hirngewebe: • neuropathologische Untersuchung einschließlich Immunhistochemie mit Antikörpern gegen PrP, • Western-blot-Analyse mit Antikörpern gegen PrP, • ggf. Isolation von Skrapie-assoziierten Fibrillen oder „Prion rods“.
12
Von 1996 bis März 2009 wurden 169 primäre Fälle der vCJD im Vereinigten Königreich registriert. 44 Fälle wurden in anderen Ländern beobachtet, davon 23 in Frankreich gefolgt von Spanien (5 Fälle) und Irland (4 Fälle; Quelle: www.cjd.ed.ac.uk, März 2009). Mit Ausnahme eines klinisch möglichen heterozygoten vCJD-Falls waren alle bis jetzt beobachteten vCJDPatienten methioninhomozygot am Codon 129 des Prionproteingens; der jüngste Patientin war 12 Jahre zu Beginn der Krankheit, der älteste Patient war 74 Jahre alt. vCJD zeigt auffällige neue Charakteristika im extrazerebralen Verteilungsmuster von PrPSc, nämlich in Tonsillen, Lymphknoten, Milz und Appendix. Es überrascht daher nicht, dass vCJD ganz offensichtlich durch Bluttransfusion übertragbar ist [10, 87]. Es wird heute als sicher angenommen, dass vCJD durch den Verzehr von Nahrungsmitteln oder anderen Produkten, die große Mengen des BSE-Agens (BSE-Prionen) enthalten, verursacht wird. Dies wird durch epidemiologische und eine Vielzahl experimenteller Daten unterstützt. Das Auftreten der vCJD 10 Jahre nach der BSE in dem Land mit der höchsten Inzidenz der BSE ist mit dieser Hypothese sehr gut vereinbar. Das PrPSc-Bandenmuster der vCJD ist – anders als bei der sporadischen CJD (s. Abb. 12.4) – dem der BSE ähnlich. Obwohl BSE und vCJD unterschiedliche pathologische Phänotypen zeigen, rufen beide Krankheiten nach Transmission auf genetisch homogene Tiere (Inzuchtmäuse) praktisch ein identisches Muster hervor, während bei diesen Mäusestämmen in Typisierungsexperimenten alle untersuchten Skrapiestämme und sCJD-Fälle deutlich unterschiedlich waren [14]. Diese Befunde wurden bei transgenen Tieren bestätigt, die das bovine PrP exprimieren [96]. Letztendlich besteht daher kein vernünftiger Zweifel, dass die BSE auf den Menschen übertragbar ist und die vCJD verursacht. Die verfügbaren epidemiologischen Daten reichen allerdings nicht aus, die Anzahl der in den
Prionkrankheiten
nächsten Jahren zu erwartenden Fälle verlässlich abzuschätzen, da weder die mittlere Inkubationszeit noch die Form der epidemiologischen Kurve, der genaue Übertragungsmodus oder irgendein anderer Parameter bekannt ist, der möglicherweise die Übertragung beeinflusst. Die Zahl der in Großbritannien jährlich neu auftretenden Fälle ist deutlich rückläufig. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass weitere Häufigkeitsgipfel möglicherweise in genetisch anders gelagerten Gruppen oder durch sekundäre Transmission etwa durch Bluttransfusion zu beobachten sein werden [68, 87, 111]. Hinweise zur Durchführung von Autopsien bei CJD-Verdacht
Es wird Folgendes vorgeschlagen: Augen- und Mundschutz tragen sowie Schnittverletzungen durch Unterziehen von Kevlar-Handschuhen oder Kettenhandschuhen unter Latexhandschuhe vorbeugen. Der Sektionstisch wird mit Plastikfolien abgedeckt und die Körpersektion wird als In-situ-Sektion im Bodybag durchgeführt. Knochenschnitte werden mit einer Handsäge durchgeführt, um Schwebestäube zu vermeiden. Flüssigkeiten sind sofort mit saugfähigem Material (Zellstoff) aufzunehmen. Die Hirnentnahme erfolgt als letzter Sektionsschritt. Tischabdeckung, Zellstoff und Einmalmaterial sind in Verbrennungstonnen zu entsorgen, und der Inhalt ist als infektiös zu deklarieren. Die Hirnsektion erfolgt nach mindestens zweiwöchiger Formalinfixierung. Wichtig ist, daran zu denken, dass die Formalinfixierung keine effektive Dekontamination des Gewebes bewirkt und auch die Formalinflüssigkeit als infektiös betrachtet und mit dem Verbrennungsabfall entsorgt werden muss. Nach dem Zuschnitt der Gehirnproben werden diese in Histologiekapseln für eine Stunde in konzentrierter Ameisensäure dekontaminiert und anschließend für 2 Tage in frischem, 4%igem gepuffertem Formalin nachfixiert und in Paraffin eingebettet. Die Ameisensäuredekontamination reduziert die Infektiosität mindestens um einen Faktor 107 [11]. Das infektiöse Agens (Prion) weist eine hohe Hitze-, Detergenz- und Strahlungsresistenz auf. Als Dekontaminationsmaßnahme für Instrumente und Oberflächen haben sich folgende Maßnahmen bewährt: Dampfautoklavieren von autoklavierbarem Material bei 134 °C für 1 h, bei 121 °C für 4,5 h oder bei 136 °C in zwei aufeinander folgenden Zyklen von je 36 min Länge. Bei nichtautoklavierbarem Material Einlegen in 2 N NaOH (2-mal mindestens 30 min). Arbeitsflächen werden mit 2 N NaOH mehrfach abgewischt, um eine längere Einwirkzeit zu gewährleisten. NaOH ist sehr gut auf Stahloberflächen, jedoch nicht auf Aluminium oder Zinkoberflächen zu verwenden. Alternativ kann eine Natriumhypochloridlösung angewandt werden, die mindestens 20.000 ppm freies Chlor enthalten muss. Kontaminierte Haut wird 5–10 min 1 N NaOH ausgesetzt, danach gründlich mit Wasser abgespült.
347
Krankheitsbilder
Alle Restmaterialen, Einweggeräte und kontaminierte Flüssigkeiten werden in gekennzeichnete Verbrennungstonnen gegeben und verschlossen.
Kuru Diese Krankheit wurde bis in die 60er Jahre unseres Jahrhunderts durch rituellen Kannibalismus im Fore-Volk in Neuguinea verbreitet. Sie gehört zusammen mit der iatrogenen CJD und der neuen Variante der CJD zu den erworbenen Prionkrankheiten des Menschen. Die genauen Bedingungen des bei den Fore praktizierten rituellen Kannibalismus in einem Ahnenkult sind nicht bekannt. Mit dem Ende dieser Gebräuche Anfang der 60er Jahre kam die Krankheit zu einem Ende; es wurde allerdings in der Folge über Inkubationszeiten von mehr als 3 Jahrzehnten berichtet. Die Krankheit war in erster Linie durch Ataxie und andere neurologische Ausfallserscheinungen charakterisiert, während Demenz sehr spät und in manchen Fällen wohl gar nicht auftrat. Neuropathologisch wird darauf hingewiesen, dass das Kleinhirn besonders stark von pathologischen Veränderungen betroffen gewesen sei und sich besonders häufig Kuru-Plaques gefunden hätten.
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) GSS wurde erstmals 1928 beschrieben (Gerstmann 1928; Gerstmann et al. 1936) und kann, wie wir heute wissen, durch eine Reihe unterschiedlicher Mutationen des PRNP verursacht werden [34, 35]. Klinisch erscheinen die Patienten überwiegend ataktisch. Sie entwickeln Dysphagie, Dysarthrie, Hyporeflexie und Demenz, die sich in vielen Fällen erst spät und nicht immer sehr ausgeprägt darstellt. Bemerkenswert ist, dass die klinische Manifestation einer CJD oder GSS bei Trägern derselben Mutation in ein und derselben Familie beobachtet werden kann und eine sichere Unterscheidung mit klinischen Mitteln nicht immer möglich ist. Neuropathologisch stellt sich die GSS als eigene Entität dar, die durch große multizentrische prionproteinhaltige Amyloidplaques definiert wird. Andere pathologische Charakteristika variieren beträchtlich. So finden sich z. T. ausgeprägte spongiforme Veränderungen bei der P102L-Mutation, neurofibrilläre Tangles bei den Mutationen Y145*, F198S und Q217R und eine Amyloidangiopathie bei der Y145*-Mutation. Am häufigsten findet sich bei GSS-Familien die P102L-Mutation, die auch bei der erstbeschriebenen Familie identifiziert wurde [60]. Weitere PRNP-Mutationen, die bei GSS-Familien gefunden wurden, sind P105L und A117V.
Experimentell ist es gelungen, mit Hirngewebe von P102L-Fällen eine spongiforme Enzephalopathie auf Primaten und Nagetiere zu übertragen [72, 101]. So konnte gezeigt werden, dass GSS eine genetische und transmissible (infektiöse) Krankheit ist. Transgene Mäuse, die ein murines PrP-Gen mit der P102L-Mutation exprimieren, entwickeln spontan eine neurodegenerative Krankheit, die von Skrapie nicht zu unterscheiden ist. Diese Krankheit ist auf transgene Mäuse übertragbar [49, 50].
Letale familiäre Insomnie („fatal familial insomnia“ oder FFI) Die FFI (letale familiäre Insomnie) fällt häufig durch Insomnie und Dysautonomie auf, später zeigen sich Ataxie, Dysarthrie, Myoklonie und Dysfunktion der Pyramidenbahnen. Schließlich entwickeln die betroffenen Patienten eine weitgehende Insomnie und Demenz, Rigidität, Dystonie und Mutismus [78]. Neuropathologisch ist die FFI durch Nervenzellverlust und astrozytäre Gliose vorwiegend im Thalamus (anteroventraler und mediodorsaler Kern) sowie in der unteren Olive gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu variieren die Veränderungen im Kortex sehr stark und sind am deutlichsten im limbischen Kortex ausgeprägt. Der entorhinale Kortex ist praktisch immer betroffen. Spongiforme Veränderungen sind in vielen Fällen nur minimal ausgeprägt und nur in wenigen kortikalen Regionen zu finden. PrP-Ablagerungen sind mit herkömmlichen immunhistochemischen Methoden mitunter kaum darstellbar, besonders bei Fällen mit einem kurzen klinischen Verlauf, so dass die Krankheit häufig erst nach molekulargenetischer Untersuchung des PRNP oder mit Hilfe des PET-Blot [95] mit Sicherheit diagnostiziert werden kann [86]. FFI wird ausschließlich bei Patienten mit einer D178N-Mutation des PRNP, bei dem sich ein Methionincodon an der Position 129 desselben Allels findet, identifiziert [75]. In manchen Fällen scheint diese Konstellation jedoch zu einem Krankheitsbild zu führen, das von der klassischen CJD nur schwer zu unterscheiden ist. Die sporadische MM2T-Variante der CJD (Tabelle 12.5) hat große Ähnlichkeit mit der FFI und wird von manchen als sporadische letale Insomnie („sporadic falal insomnia“, sFI) beizeichnet [79].
Fortschritte in der In-vivo-Diagnostik Obwohl Transmissionsstudien darauf hindeuten, dass eine niedrige Erregerdichte im Liquor vorhanden sein kann, ist es bislang mit allgemein verfügbaren Techniken
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12
Kapitel 12
wie der Western-blot-Analyse oder ELISA nicht gelungen, PrPSc-Aggregate direkt dort nachzuweisen. Basierend auf einem konfokalen Zweifarbfluoreszenz-Korrelationsspektroskopie-(FCS-) Ansatz, einer Technik, die sich für Einzelmolekülnachweise eignet, wurde eine neue, hochsensitive Methode, die „Scanning-for-intensely-fluorescent-targets-(SIFT-)Technik“ für PrPSc entwickelt [6]. Bei dieser Technik werden pathologische Prionproteinaggregate durch spezifische fluoreszierende Antikörper markiert. Es entstehen dadurch intensiv fluoreszierende Zielmoleküle (PrPSc-Aggregate), die in einem speziellen Scanning-Verfahren in einer Zweifarbfluoreszenz-Intensitätsverteilungsanalyse untersucht werden. In einem diagnostischen Modellsystem waren PrPSc-Aggregate bis zu einer Konzentration von 2 pM PrPSc nachweisbar, was mit einer Aggregatkonzentration von ungefähr 2 fM korreliert. Dies war mehr als eine Größenordnung sensitiver als die Western-blot-Analyse. PrPSc-spezifische Signale wurden in einer Reihe von Liquorproben von CJD-Patienten entdeckt. Es ist damit zum ersten Mal gelungen, PrPSc im Liquor direkt nachzuweisen. Derzeit muss man jedoch verschiedenen In-vitro-Prion-Amplifikationsverfahren wie der PMCA [2, 93] ein größeres Entwicklungspotential zutrauen, obwohl deren Mechanismen nicht verstanden werden und die Verfahren artefaktanfällig sind.
Prionkrankheiten
Literatur 1.
2.
3.
4.
5.
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7.
Therapie Derzeit ist keine kausal wirksame Therapie der CJD etabliert. Viele zunächst in vitro oder in Zellkultur vielversprechend aussehende Ansätze haben sich im Tierversuch oder beim Einsatz am Menschen als entweder unverträglich oder nicht wirksam erweisen. Ein Beispiel dafür ist Quinacrin, das die PrPSc-Vermehrung in Zellkultur hemmt [57], aber beim Einsatz an CJD-Patienten keine nachweisbare Wirkung zeigt [20]. Tetrazykline scheinen in vitro und im Tierversuch mit PrPSc direkt zu interagieren, die Infektiosität zu vermindern und die Überlebenszeit zu verlängern [29]; sie werden probeweise bei CJD-Patienten eingesetzt. In mehreren Arbeitsgruppen wird mit High-throughput-Screening-Verfahren nach Substanzen gesucht, die die Amplifikation von PrPSc verhindern [5]. Da Zellen für die Vermehrung von Prionen zelluläres PrPC benötigen und daher Prnp0/0Mäuse nicht mit Prionen infiziert werden können, gelingt es, mit anti-PrP-siRNA-produzierenen retroviralen Konstrukten in chimären Mäusen die Skrapie-Inkubationszeit zu verlängern [88]; das Problem dieser Therapieform besteht darin, dass die Retroviren mit den derzeit angewandten Techniken nur eine geringe Anzahl von Zellen im Organismus erreichen.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
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Kapitel 13
Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen
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T. Kuhlmann Inhalt Klinik und Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Makroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Histologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Akute und chronische Läsionsstadien . . . . . . . . .
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Axonale und oligodendrogliale Pathomechanismen .
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Axonale Schädigungsmechanismen . . . . . . . . .
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Oligodendrogliale Schädigungsund Reparaturmechanismen . . . . . . . . . . . . .
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Veränderungen in der normal erscheinenden weißen Substanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Histologische Klassifikationen . . . . . . . . . . . . .
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Verwandte demyelinisierende Erkrankungen . . . . .
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Marburg-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Balos konzentrische Sklerose . . . . . . . . . . . . . .
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Neuromyelitis optica (NMO) . . . . . . . . . . . . . .
360
Schilders diffuse Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . .
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Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) . . .
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354
Kapitel 13
Klinik und Verlauf
13
Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste, erworbene entzündlich-demyelinisierenden Erkrankung des zentralen Nervensystems, deren klinische Symptomatik und pathologischen Charakteristika erstmals von JeanMartin Charcot 1868 beschrieben worden sind [11, 22]. Die Häufigkeit der MS ist weltweit sehr unterschiedlich; die höchsten Prävalenzen werden in Europa und Nordamerika gefunden, wobei die Angaben in verschiedenen Studien deutlich variieren (zwischen ca. 50 und 200 Patienten/100.000 Einwohner) [33]. In Deutschland waren 2000 schätzungsweise 120.000 Menschen von der Erkrankung betroffen, jährlich werden ca. 2500 Patienten neu diagnostiziert [27]. Frauen sind etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer [50]. Die klinischen Symptome, die durch eine gestörte Weiterleitung der Aktionspotentiale entstehen, sind sehr variabel und hängen von der Lokalisation der ZNS-Läsionen ab. Die häufigsten Symptome sind sensorische und motorische Ausfälle, Sehstörungen, Schwindel, Gleichgewichts- und Blasenstörungen [14]. Auch kognitive und psychische Beeinträchtigungen sind nicht selten [56]. Die MS hat ein heterogenes klinisches, radiologisches und histopathologisches Erscheinungsbild; der klinische Verlauf des individuellen Patienten ist nicht vorhersehbar. Etwa 50% der unbehandelten Patienten sind 15 Jahre nach Diagnosestellung auf eine Gehhilfe angewiesen [65]. Bei ca. 85–90% der Patienten beginnt die MS mit einem schubhaften Verlauf, bei dem Symptome für Tage oder Wochen bestehen, gefolgt von einer vollständigen oder partiellen Remission. Etwa 50% der schubhaften MS-Fälle gehen im späteren Verlauf der Erkrankung in einen sekundär progredienten Verlauf über. Eine primär progrediente MS findet sich nur in ca. 10% der MSPatienten [42].
Ätiologie und Pathogenese Die Ätiologie und Pathogenese der MS ist nach wie vor nicht vollständig geklärt; letztendlich scheint es sich um ein fatales Zusammenspiel von Genen, Umwelt und (Auto-)Immunsystem zu handeln. Für die nordeuropäische kaukasische Bevölkerung beträgt das Risiko, an MS zu erkranken, ca. 1:400, während für Geschwister eines MS-Patienten das Risiko etwa bei 2% und für eineige Zwillinge etwa bei 35% liegt. Trotz dieser populationsgenetischen Hinweise auf eine genetische Ursache der MS konnten bisher nur wenige Risikogene, wie z. B. bestimmte MHC-II-Allele (DR15, DQ6) identifiziert werden [14]. Eine Reihe von Umweltfaktoren (Viren, Bakterien, Sonnenexposition, Vitamin D etc.) sind mit der Multiplen Sklerose in Verbindung gebracht
Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen
worden, bisher hat sich allerdings bei keinem dieser Umweltfaktoren ein Einfluss auf die MS sicher bestätigen lassen [18]. Das Immunsystem spielt eine wichtige Rolle bei der Erkrankung [3]. Ein Schlüsselereignis zur Auslösung eines MS-Schubs scheint die Aktivierung peripherer TZellen zu sein, die gegen ein ZNS-Antigen gerichtet sind. Wahrscheinlich variiert dieses Zielantigen von Patient zu Patient; auch eine Veränderung des „Ziel“-Antigens über die Zeit innerhalb eines Patienten ist vorstellbar („epitope spreading“) [63]. Nach der Aktivierung in der Peripherie exprimieren T-Zellen vermehrt Moleküle wie Selektine und Integrine, die mit entsprechenden Liganden auf den ZNS-Endothelien interagieren und so den T-Lymphozyten erlauben, an das Endothel zu binden und letztendlich in das ZNS einzuwandern. Hier werden die Lymphozyten reaktiviert und lösen eine Entzündungsreaktion aus, die zur Zerstörung von Myelin, Oligodendrozyten und Axonen führt. Das Voranschreiten der klinischen Symptomatik in der progredienten Krankheitsphase bei gleichzeitiger deutlicher Reduktion der Gadoliniumanreichernden Läsionen und fehlendem Ansprechen auf immunmodulatorische Therapien spricht für eine eher untergeordnete Rolle des Immunsystems in der späteren Krankheitsphase. Stattdessen stehen in dieser Phase eventuell neurodegenerative Mechanismen im Vordergrund; dazu passt auch die im Verlauf der Krankheit zunehmende Hirnatrophie [19].
Makroskopie MS-Läsionen können in jeder Lokalisation des ZNSgefunden werden, allerdings gibt es einige Prädilektionstellen, wie das periventrikuläre Marklager, Nn. optici, Kleinhirn und Rückenmark. Die Läsionen besitzen makroskopisch eine bräunliche-gräuliche Farbe und sind von härterer Konsistenz aufgrund der gliotischen Umbauvorgänge in der Läsion (Abb. 13.1). Vollständig remyelinisierte Läsionen können makroskopisch schwierig zu detektieren sein; das Gleiche gilt für kortikale Läsionen, die bei Patienten in der chronischen Erkrankungsphase relativ häufig vorkommen.
Histologie Akute und chronische Läsionsstadien Multiple demyelinisierte Läsionen mit einem relativen Erhalt der Axone sind das charakteristische morphologische Korrelat der Multiplen Sklerose (Abb. 13.2a,b). Histopathologisch unterscheiden sich akute und chronische MS-Läsionen deutlich von einander. Akute Läsi-
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Abb. 13.1 Bei der MS können zahlreiche (periventrikuläre) Läsionen im Marklager detektiert werden. Einige der Läsionen sind mit Pfeilen markiert
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onsstadien sind aufgrund des ausgeprägten entzündlichen Infiltrats hyperzellulär. Die Entzündungsreaktion wird durch Makrophagen/Mikrogliazellen dominiert, die ca. 10- bis 15-mal häufiger in MS-Läsionen vertreten sind als T-Lymphozyten; wobei CD8-positive T-Zellen in der Regel etwas häufiger sind als CD4-positive T-Zellen (Abb. 13.2c–f). B-Lymphozyten und Plasmazellen sind dagegen in vergleichsweise geringer Anzahl nachzuweisen. Zur Hyperzellularität in akuten Läsionsstadien tragen zudem die zahlreichen reaktiv veränderten Astrozyten bei (Abb. 13.2g). Die Grenze zwischen entmarkter Läsion und der benachbarten normal erscheinenden weißen Substanz kann sowohl scharf als auch unscharf verlaufen [43]. Im Randbereich des demyelinisierten Plaques finden sich in frühen Läsionsstadien häufig Myelin-phagozytierende Makrophagen; anhand der im Zytoplasma von Makrophagen nachweisbaren Myelinabbauprodukten kann auf das relative Alter der
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g Abb. 13.2a–e Akute, früh aktive MS-Läsion. MS-Läsionen sind durch eine Entmarkung (a, LFB-PAS-Färbung) bei relativem Erhalt der Axone (b, Bielschowsky-Färbung) charakterisiert. In früh aktiven Läsionen können im Zytoplasma von Makrophagen sowohl LFB-positive (c), als auch MBP-positive (d) und CNP-positive (e) Myelinabbauprodukte gefunden werden. T-Zellen (d; Anti-CD3Immunhistochemie) und reaktive Astrozyten (e; Anti-GFAP-Im-
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h munhistochemie) sind in deutlich geringerer Anzahl als Makrophagen/Mikrogliazellen in MS-Läsionen nachweisbar. Parallel zur Demyelinisierung kommt es in akuten Läsionen auch zur Remyelinisierung, die durch feine unregelmäßige Myelinscheiden (Pfeilköpfe) gekennzeichnet ist; Oligodendrozyten sind in diesen Arealen reichlich nachweisbar (Pfeile; Anti-CNP-Immunhistochemie)
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Läsion geschlossen werden [8]. In sog. früh aktiven Läsionen lassen sich mittels immunhistochemischer Untersuchungen sowohl die selteneren Myelinproteine wie z. B. MOG (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein) und MAG (Myelin-assoziiertes Glykoprotein) als auch die häufigeren Myelinproteine PLP (Proteolipidprotein) und MBP (Myelin-basisches Protein), die zusammen etwa zwischen 25 und 55% der Myelinproteine ausmachen [15, 30], nachweisen (s. Abb. 13.2c–e). Früh aktive Läsionen enthalten zudem Makrophagen, die bestimme Aktivierungs- und Differenzierungsmarker wie z. B. MRP 14 („myeloid-related protein“), ein Mitglied der S100-Familie sowie 27E10 exprimieren [8]. Die kleineren Myelinproteine werden innerhalb weniger Tage vollständig phagozytiert, so dass in sog. spät aktiven Läsionen nur noch die häufigeren Myelinproteine PLP und MBP nachweisbar sind. In inaktiven Läsionen, in denen das Myelin nicht mehr aktiv abgebaut wird, persistieren PAS-(„periodic acid Schiff “) positive Makrophagen bis zu 6 Monate [8, 28]. Chronische Läsionen sind dagegen in der Regel hypozellulär und besitzen eine scharfe Grenze zur normal erscheinenden weißen Substanz. In den demyelinisierten Arealen finden sich häufig nur noch wenige Entzündungszellen. Plaques mit einem ringförmigen, vor allem aus Mikroglia bestehenden entzündlichen Infiltrat werden als chronisch aktive Läsionen bezeichnet, während chronisch inaktiven Läsionen dieser Randsaum fehlt (Abb. 13.3a–c). Akute Läsionen finden sich häufiger in Patienten mit einem fulminanten Verlauf oder frühen MS-Stadien bzw. in sekundär-progredienten Patienten mit weiterhin stattfindenden Schüben, während chronische Läsionen vor allem mit einem chronisch progredienten Krankheitsverlauf assoziiert sind [39].
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Axonale und oligodendrogliale Pathomechanismen Axonale Schädigungsmechanismen Als Ursache des permanenten neurologischen Defizits bei MS-Patienten werden der akkumulierende axonale Schaden und Verlust vermutet [61]. In chronischen Läsionen findet sich ein Verlust von 50–60% der Axone [20], der anhand von immunhistochemischen Färbungen (z. B. Anti-Neurofilament) oder Versilberungstechniken (Bielschowsky-Färbung) sichtbar gemacht werden kann. Frühe Zeichen einer axonalen Schädigung sind eine Dephosphorylierung der axonalen Neurofilamente und Ausbildung axonaler Spheroide, die durch eine Durchtrennung des Axons oder eine funktionelle Störung des anterograden Transports entstehen. Dieser akute axonale Schaden, der mit dem Ausmaß der Entzündung korreliert, kann z. B. mittels immunhistochemischer Färbungen zum Nachweis
c Abb. 13.3a–c Chronische MS-Läsion. Chronische MS-Läsionen besitzen in der Regel eine scharfe Grenze zur NEWS (a, Anti-MBPImmunhistochemie) und häufig einen hyperzellulären Randsaum bestehend aus aktivierten Mikrogliazellen (b, Anti-CD68-Immunhistochemie). In der NEWS lassen sich eine diffuse Mikrogliaaktivierung bzw. Mikrogliaknötchen beobachten (c, Anti-CD68-Immunhistochemie)
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von APP detektiert werden [36] (Abb. 13.4a–d). In akuten Läsionen finden sich bis zu 11.000 solcher geschädigter Axone pro mm3 [62]. Weitere Mechanismen, die zum axonalen Verlust in MS-Läsionen beitragen, sind Wallersche Degeneration und eine axonale Schädigung aufgrund der chronischen Demyelinisierung [6, 25]. Die Plaques sind in der Multiplen Sklerose nicht auf die weiße Substanz begrenzt; entmarkte Läsionen finden sich auch im Kortex, den Basalganglien, den neuronalen Kerngebieten des Hirnstamms oder der grauen Substanz des Rückenmarks [7, 23]. Über 90% der MS-Autopsiefälle weisen kortikale Läsionen auf (Abb. 13.5). Etwa 15–25% der Großhirn- und ca. 38% des Kleinhirnkortex sind im Durchschnitt demyelinisiert, wobei die kortikale Entmarkung besonders prominent bei Patienten mit einem chronischen Krankheitsverlauf sind [38, 39]. Während die Anzahl der Nervenzellen in kortikalen Läsionen allenfalls geringgradig reduziert zu sein scheint, findet sich spinal ein deutlicher Nervenzellverlust, der dem von Patienten mit einer amyotrophen Lateralsklerose gleicht [55, 64].
Oligodendrogliale Schädigungsund Reparaturmechanismen In akuten Läsionen kann das Ausmaß des oligodendroglialen Verlusts variabel sein. Etwa 30% der Läsionen mit früh aktiven Läsionsarealen weisen einen deutlichen oligodendroglialen Verlust auf, in den übrigen ca. 70% findet sich ein relativer Erhalt der Oligodendroglia [43]. In chronischen Läsionen ist die Anzahl der Oligodendrozyten dagegen in der Regel stark reduziert. In tierexperimentellen Studien und In-vitro-Experimenten konnten zahlreiche Signalkaskaden und Faktoren wie z. B. Liganden von Zelltodrezeptoren, T-Zellen, Komplement, Antikörper, Zytokine, Glutamat und Sauerstoffradikale identifiziert werden, die in der Lage sind Oligodendrozyten und ihre Vorläuferzellen via Apoptose, Nekrose oder Lyse zu eliminieren; welche dieser zahlreichen Mechanismen auch eine Rolle bei der MS spielen, ist noch nicht abschließend geklärt [9]. Neben der De- kann auch eine Remyelinisierung beobachtet werden, die mit einem reduzierten akuten axonalen Schaden assoziiert ist und wahrscheinlich einen axonprotektiven Effekt hat [34]. Elektronenmikroskopisch weisen remyelinisierte Axone verkürzte Internodien und einen für den Axondurchmesser zu dünne Myelinscheide auf. Lichtmikroskopisch sind remyelinisierte Areale durch dünne, irregulär geformte Myelinscheiden charakterisiert (s. Abb. 13.2h); in akuten Läsionen verlaufen aktive Myelinphagozytose und Remyelinisierung häufig zeitgleich nebeneinander. Während in frühen Läsionen remyelinisierte Areale in ca. 80% der Läsionen nachweisbar sind, weisen chronische
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Abb. 13.4a–c Akuter axonaler Schaden. Schematische Darstellung der Ausbildung von axonalen Spheroiden beim akuten axonalen Schaden. Der distale Anteil des geschädigten Axons geht mittels Wallerscher Degeneration zugrunde (a). Die axonalen Spheroide können sowohl anhand von immunhistochemischen Färbungen (b: Anti-Neurofilament-Immunhistochemie; d: Anti-APP-Immunhistochemie) als auch mit Versilberungstechniken (c, BielschowskyFärbung) sichtbar gemacht werden
Abb. 13.5 Kortikale Läsionen sind ein häufiges Phänomen bei MSPatienten mit einem progredienten Krankheitsverlauf (Anti-MBPImmunhistochemie). Die Pfeilköpfe markieren die Grenze zwischen Marklager und Kortex
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Läsionen nur in etwas über 35% der Läsionen eine Remyelinisierung von mehr als 50% des Läsionsareals auf [24, 51]. Vollständig remyelinisierte Läsionen, sog. „shadow plaques“, machen nur ca. 20% der chronischen Läsionen aus. Mitursächlich für diese letztendlich unzureichende Remyelinisierung scheint ein Differenzierungsblock der oligodendroglialen Vorläuferzellen zu sein, der vor allen in chronischen Läsionstadien beobachtet wird [10, 24, 37].
Veränderungen in der normal erscheinenden weißen Substanz
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Die Läsionen machen bei der Mehrheit der Patienten mit einem sekundär progredienten Verlauf nur ca. 5% der gesamten weißen Substanz aus [12]; zudem gibt es nur eine schwache Korrelation zwischen dem Läsionsvolumen und dem Ausmaß der klinischen Behinderung bei Patienten (klinikoradiologisches Paradox) [4]. Für die klinische Symptomatik scheinen also nicht nur die Läsionen, sondern auch pathologische Veränderungen in der normal erscheinenden weißen Substanz (NEWS) ursächlich zu sein. Histopathologisch findet sich in der NEWS eine geringe Mikrogliaaktivierung, ein diffuser axonaler Schaden und einzelne Lymphozyten (Abb. 13.3c). Diese diffusen Veränderungen in der weißen Substanz sind besonders prominent in progredienten Krankheitsverläufen, ohne dass eine signifikante Korrelation mit dem Ausmaß der fokalen Demyelinisierung beobachtet werden konnte [39]. Passend zu einer diffusen Mikrogliaaktivierung in der NEWS kann auch eine Hochregulation von proinflammatorischen Molekülen auf mRNA- und Proteinebene detektiert werden, gleichzeitig exprimieren Oligodendrozyten, eventuell als Reaktion auf den proinflammatorischen Stimulus neuroprotektive und antiinflammatorische Faktoren [68]. Ein Teil der beobachteten morphologischen Veränderungen in der NEWS können auf präläsionale Veränderungen zurückgeführt werden, die mittels MRT-Spektroskopie identifiziert werden können, bevor die eigentlichen Läsionen entstehen [60].
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vorgeschlagen, die sowohl auf der entzündlichen als auf der demyelinisierenden Aktivität basiert: • Läsionen mit Entzündung und Makrophagen mit Myelinabbauprodukten im Zytoplasma (= entzündlich und demyelinisierende Läsionen); • Läsionen mit Entzündung und Makrophagen ohne Myelinabbauprodukten im Zytoplasma (= entzündliche Läsionen); • Läsionen mit Makrophagen mit Myelinabbauprodukten, jedoch ohne perivaskuläre Infiltrate (= demyelinisierende Läsionen); • Läsionen ohne entzündliche Infiltrate und Myelinabbauprodukten (= inaktive Läsionen) [40]. Die Histopathologie der früh aktiven Läsionen, also von Läsionen, in denen MOG, MAG oder CNP im Zytoplasma von Makrophagen nachgewiesen werden kann, ist sehr variabel und kann in vier verschiedene immunpathologische Subtypen eingeteilt werden [44]. Diese Klassifikation bezieht die Plaquelokalisation, das oligodendrogliale Überleben, Myelingenexpression sowie Komplementaktivierung und den Nachweis von Immunglobulinanblagerungen mit ein (Abb. 13.6).
Verwandte demyelinisierende Erkrankungen Marburg-Krankheit Die Marburg-Krankheit als eine besonders fulminant verlaufende Variante der MS wurde von Otto Marburg 1906 beschrieben [45]. Diese Verlaufsform der MS ist durch einen rasch progredienten Krankheitsverlauf charakterisiert, der innerhalb eines Jahres aufgrund des Mitbefalls des Hirnstamms zum Tod führt. Häufig finden sich große konfluierende hemispherale Läsionen [13]. Histopathologisch sind die demyelinisierenden Läsionen destruktiver als typische MS-Läsionen und durch eine massive Infiltration mit Makrophagen, einen ausgedehnten axonalen Schaden und nekrotische Veränderungen gekennzeichnet; neben Makrophagen und TLymphozyten können auch neutrophile Granulozyten gefunden werden [5, 28]. Die Ursachen für den aggressiven Krankheitsverlauf sind bisher unklar.
Histologische Klassifikationen Eine allgemein akzeptierte Klassifikation von MS-Läsionen existiert nicht. Verschiedene Kriterien, wie z. B. die Expression von MHC II, Adhäsionsmolekülen, Zytokinen oder die Anzahl der Makrophagen/Mikrogliazellen bzw. ihr Aktivierungsstatus wurden verwendet, um die Läsionsaktivität zu bestimmen. Da diese Klassifikationen jedoch in der Regel nicht das Stadium der Demyelinisierung berücksichtigen, wurde 1998 eine Klassifikation
Balos konzentrische Sklerose 1928 beschrieb Balo erstmalig einen Patienten mit einer konzentrischen Sklerose [2]. Klinisch manifestiert sich Balos konzentrische Sklerose in der Regel monophasisch mit akut oder subakut einsetzenden Symptomen und einem fulminanten Krankheitsverlauf, gelegentlich werden auch schubhafte Verläufe berichtet [17]. In MRT-
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Abb. 13.6 Immunpathologische Subtypen bei der MS. Früh aktive Läsionen können in vier immunpathologische Subtypen eingeteilt werden. In allen vier Subtypen findet man Makrophagen/Mikrogliazellen und T-Zellen als Entzündungszellen. In Subtyp 2 kommen zusätzlich Immunglobulin- und Komplementablagerungen auf degenerierenden Myelinscheiden und im Zytoplasma von Makrophagen zur Darstellung. Subtyp 3 ist durch zugrunde gehende Oligodendrozyten mit pyknotischen oder kondensierten Zellkernen im Bereich des aktiven Myelinabbaus und einem isolierten Verlust von
MAG charakterisiert, während die übrigen Myelinproteine noch exprimiert werden. Subtyp 4, der durch degenerierende Oligodendrozyten in einem schmalen an die Läsion angrenzenden Streifen gekennzeichnet ist, ist bisher nur bei wenigen Patienten mit einem primär progredienten Krankheitsverlauf beschrieben worden. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob es sich bei den verschiedenen immunpathologischen Subtypen um das Korrelat unterschiedlicher Pathomechanismen oder um verschiedene Stadien der Läsionsentstehung handelt. Modifiziert nach [35]
Aufnahmen (T2) finden sich irregulär verlaufende, konzentrisch angeordnete hyper- und hypointense Areale; ebenso alternieren in akuten Läsionen Kontrastmittel anreichernde und nicht anreichernde Areale [32]. Balos konzentrische Sklerose, die als eine seltene Variante der
MS angesehen wird, zeichnet sich histologisch durch konzentrisch angeordnete demyelinisierte Streifen aus, die sich mit Arealen mit erhaltenem Myelin abwechseln (Abb. 13.7). In Einzelfällen finden sich bei Patienten sowohl konzentrisch angeordnete Balo- als auch MS-
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Abb. 13.7 Balos konzentrische Sklerose mit alternierenden myelinisierten und nicht myelinisierten Arealen (Heidenhain-Färbung)
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typische Läsionen [48]. Histologisch sind früh aktive Balo-Läsionen durch Oligodendrozyten mit pyknotischen, fragmentierten oder kondensierten Zellkernen sowie einem isolierteren Verlust von MAG charakterisiert und ähneln somit dem immunpathologischen Subtyp 3 der MS. Wie die alternierende Anordnung von demyelinisierten und myelinisierten Arealen entsteht, ist unklar. Moore et al. postuliert eine sich zentrifugal ausbreitende Läsion, deren demyelinisierende Aktivität herunterreguliert wird, um sich dann an der Peripherie erneut auszubreiten [47]. Passend zu dieser Hypothese findet sich am Rand aktiv demyelinisierender Areale eine Heraufregulation von neuroprotektiven Faktoren wie z. B. hsp70, HIF1a und D110 in Oligodendrozyten, was eventuell zum Überleben von Oligodendrozyten und zum Erhalt des Myelins beiträgt [59].
Neuromyelitis optica (NMO) Die NMO wurde 1894 sowohl von Devic als auch Gault beschrieben [16, 22]. Die typische klinische Symptomatik von Patienten mit einer NMO besteht aus einer Opikusneuritis und einer transversen Myelitis, wobei diese Symptome nicht gleichzeitig auftreten müssen [49]. Die demyelinisierenden Läsionen sind vor allem in Sehnerv, Rückenmark und Dienzephalon lokalisiert; können aber, vor allem in chronischen Krankheitsstadien, auch in anderen ZNS-Arealen gefunden werden [52]. Lange war es umstritten, ob es sich bei der NMO um eine Variante der MS handelt oder um ein eigenständiges Krankheitsbild. In letzter Zeit hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass es sich um eine schubhafte demyelinisierende Erkrankung handelt, die aufgrund ihrer Klinik, der Bildgebung und der serologischen Befunde von der MS abgegrenzt werden muss [66]. Histopathologisch ist die NMO durch demyelinisierende Läsionen charakterisiert, die sowohl die weiße als
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auch die graue Substanz betreffen können. Das entzündliche Infiltrat besteht in akuten Läsionen vor allem aus Makrophagen und T-Zellen, daneben finden sich im Gegensatz zur MS auch zahlreiche eosinophile und neutrophile Granulozyten. Aufgrund des ausgeprägten axonalen Schadens kommt es auch zu Nekrosen. Häufig finden sich in diesen nekrotischen Arealen stark fibrosierte und hyalinisierte Gefäßwände. Chronische Läsionen sind durch eine ausgeprägte Gliose, zystische Veränderungen und eine Atrophie von Rückenmark und Sehnerven charakterisiert. Im Serum von NMO-Patienten konnte ein Antikörper identifiziert werden, der gegen Aquaporin-4 (AQP4), einem Wasserkanal, gerichtet ist, der im gesunden ZNS auf astrozytären Endfortsätzen lokalisiert ist [41]. In NMO-Läsionen wird ein Verlust von AQP4 beobachtet, der häufig mit perivaskulären Immunglobulin- und Komplementablagerungen assoziiert ist [53]. Diese Befunde legen eine Autoimmunreaktion gegen AQP4 bei der NMO nahe; die kausale pathogenetische Rolle von anti-AQP4-Antikörpern ist allerdings noch nicht bewiesen.
Schilders diffuse Sklerose Schilders diffuse Sklerose, die erstmalig 1912 von Paul Schilder beschrieben worden ist, ist eine seltene Krankheitsentität, die zunächst nur sehr unscharf definiert worden ist. Zahlreiche Krankheitsfälle, die zunächst als Schilders diffuse Sklerose klassifiziert wurden, stellten sich später als Leukodystrophien, subakute sklerosierende Panenzephalitiden, progressive multifokale Leukenzephalopathien oder MS-Fälle heraus [52]. 1986 definierte Poser Kriterien, um „wahre“ Fälle von Schilders diffuser Sklerose zu identifizieren: symmetrische, das Zentrum semioval einbeziehende demyelinisierende Läsionen (mindesten 3×2 cm), keine weiteren Läsionen, unauffälliges PNS, normale Nebennierenfunktion, unauffällige VLC-Fettsäuren, Histologie identisch zu MS [53, 58]. Bei den Patienten handelt es sich in der Regel um Kinder, obwohl auch ältere Patienten mit einer diffusen Sklerose beschrieben worden sind [46]. Klinisch manifestiert sich die Erkrankung mit einem subakuten Verlauf und fokal neurologischen Symptomen und/oder psychiatrischen Symptomen. Die Krankheit kann remittieren oder progredient verlaufen. Aufgrund eines raumfordernden Effekts in der Bildgebung werden die Läsionen gelegentlich für einen Tumor oder einen Abszess gehalten und biopsiert [21]. Histologisch gleichen die Läsionen bei Schilders diffuser Sklerose MSPlaques.
Literatur
Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)
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Literatur 1.
Vor allem Kinder und junge Erwachsene sind von der ADEM betroffen. Die Erkrankung verläuft in der Regel monophasisch, wobei das Krankheitsbild durch eine multifokale neurologische Symptomatik, die häufig mit Bewusstlosigkeit einhergeht, gekennzeichnet ist [29]. Neben monophasischen sind auch schubhafte Verläufe beschrieben worden, so dass im Einzelfall eine Unterscheidung zwischen ADEM und einer kindlichen Multiplen Sklerose aufgrund der klinischen Symptomatik schwierig sein kann. Ein monophasischer, polysymptomatischer Verlauf bei Kindern unter 10 Jahren, klinische Präsentation mit einer Meningoenzephalitis, Enzephalopatie, beidseitiger Optikusneuritis, Liquorpleozytose ohne Nachweis von oligoklonalen Banden und ein für eine MS untypischer MRT-Befund sprechen für das Vorliegen einer ADEM [67]. Die exakten pathophysiologischen Mechanismen der ADEM sind unbekannt; da bei dieser Erkrankung jedoch häufig ein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Infekt bzw. einer Impfung und dem Ausbruch der Erkrankung beschrieben wird, wird auch bei der ADEM eine durch eine Impfung/einen Infekt ausgelöste Autoimmunreaktion als Ursache der Erkrankung diskutiert [31]. Histopathologisch ist die Demyelinisierung im Gegensatz zu der Multiplen Sklerose auf schmale perivaskuläre Areale begrenzt; gelegentlich können diese perivaskulär entmarkten Areale auch zu größeren Läsionen konfluieren [57]. Im Bereich der perivaskulären Entmarkung finden sich zahlreiche schaumige Makrophagen und wenige CD4- und CD8positive T-Lymphozyten bzw. B-Zellen. Die Abgrenzung von einer MS ist insbesondere in kleinen Biopsien schwierig, da solche periventrikulären Demyelinisierungsherde auch in der Nähe von MS-Läsionen beobachtet werden können. Eine der ADEM verwandte Erkrankung ist die akute hämorrhagische nekrotisierende Leukenzephalitis (AHLE), auch Hurst-Syndrom genannt. Das Hurst-Syndrom ist durch kleine Einblutungen, Fibrinablagerungen und entzündliche Infiltrate, bestehend aus Lymphozyten, Makrophagen und zahlreichen neutrophilen Granulozyten gekennzeichnet; diese Veränderungen finden sich häufig im Bereich nekrotischer kleiner Gefäße. Ähnlich wie bei der ADEM ist die Entmarkung in der Regel auf die entzündlichen Areale beschränkt; allerdings finden sich hier auch vermehrt zerstörte Axone, so dass es sich eher um Nekrosen als um eine „echte“ Entmarkungsherde handelt [1, 26].
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Kapitel 14
14
Intoxikation
M. Oehmichen Inhalt Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
367
Trimethylzinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Typen toxischer Schädigungen des ZNS . . . . . . . .
367
Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Morphologische Veränderungen . . . . . . . . . . . .
367
Kohlenmonoxid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Funktionelle Differenzierung . . . . . . . . . . . . . .
368
Akute CO-Intoxikation . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Metalle und Metalloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
368
Intervallärer Verlauf der CO-Intoxikation . . . . . .
374
Aluminium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
368
Chronische CO-Intoxikation . . . . . . . . . . . . .
375
Arsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
369
Nitrite und Nitrosegase . . . . . . . . . . . . . . . . .
375
Anorganische Arsenverbindungen . . . . . . . . . .
369
Schwefelwasserstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
375
Organische Arsenverbindungen . . . . . . . . . . . .
369
Zyanwasserstoff und Zyanide . . . . . . . . . . . . . .
375
Bismut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
369
Gifte in Industrie und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . .
376
Blei und Bleiverbindungen . . . . . . . . . . . . . . .
369
Kohlenstoffverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . .
376
Anorganische Bleiverbindungen . . . . . . . . . . .
369
Acrylamid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
376
Organische Bleiverbindungen . . . . . . . . . . . . .
370
Aliphatische Kohlenwasserstoffe . . . . . . . . . . .
376
Mangan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
370
Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe . . . .
376
Platin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
371
Methylchlorid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
376
Quecksilber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
371
Tetrachlorkohlenstoff . . . . . . . . . . . . . . . . .
376
Elementares Quecksilber und anorganische Quecksilberverbindungen . . . .
Trichlorethylen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
376
371 Halogenierte zyklische Kohlenwasserstoffe . . . . . .
377
Organische Quecksilberverbindungen . . . . . . . .
372 Hexachlorophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Thallium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
372 Lindan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Zinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373 Schwefelkohlenstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Triethylzinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373 Methylalkohol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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366
14
Kapitel 14
Intoxikation
Phosphorsäureester . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Cannabinoide (Haschisch und Marihuana) . . . . . .
387
Insektizide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Lösungsmittel („glue sniffing“) . . . . . . . . . . . . .
388
Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
378
Meskalin und Lysergsäurediäthylamid (LSD) . . . . .
388
Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
378
Morphin und Heroin . . . . . . . . . . . . . . . . . .
388
Meperidin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Biologische Gifte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389
Diphenylhydantoin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Pflanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389
Tryptophan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Pilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389
Salizylate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Algen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
Antiprotozoenmedikamente . . . . . . . . . . . . . .
379
Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
Chloroquin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Schlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
Clioquinol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Fische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
Zytostatika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
380
Mikroorganismen (bakterielle Toxine) . . . . . . . . .
390
Methotrexat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
380
Metabolisch bedingte Intoxikation . . . . . . . . . . . .
391
Vincristin und Vinblastin . . . . . . . . . . . . . . .
380
Funikuläre Spinalerkrankung . . . . . . . . . . . . . .
391
Alkohol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
380
Leber- und Nierenkrankheiten . . . . . . . . . . . . .
391
Metabolismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
380
Hepatische Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . .
391
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
381
Renale Enzephalopathien . . . . . . . . . . . . . . .
392
Entzugssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
382
Urämische Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . .
392
Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
382
Dialyseenzephalopathie (dialyseassoziierte Enzephalopathie, DAE) . . . . . . . . . . . . . . . .
393
Akute Alkoholintoxikation . . . . . . . . . . . . . .
382 Pankreasverursachte ZNS-Krankheiten . . . . . . . .
393
Chronische Alkoholintoxikation . . . . . . . . . . .
382 Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
393
Alkoholische Feto- und Embryopathie . . . . . . . .
386 Pankreatische Enzephalopathie . . . . . . . . . . . .
393
Rauschdrogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
387 Enzephalopathien nach Organtransplantation . . . .
393
Amphetamin, Metamphetamin, Kokain . . . . . . . .
387 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
394
Crack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
387
367
Grundlagen
Grundlagen Vorsätzliche Vergiftungen durch dritte Hand sind heute eher selten. Sie wurden in den letzten Jahren vor allem im Zusammenhang mit Giftbeibringung bei alten, hilflosen Patienten beobachtet, zum Teil offenbar um den Sterbeprozess zu verkürzen (aktive Sterbehilfe) [161, 165]. Die Mehrzahl der Vergiftungen bei Kindern erfolgt im Sinne eines Unfallgeschehens, durch versehentliche Einnahme von Haushalts- und Reinigungsmitteln oder aber iatrogen, durch versehentliche Überdosierung mit Medikamenten [124]. Im Vordergrund der öffentlichen Diskussion stehen allerdings der Tod durch Alkoholund Drogenintoxikationen.
Typen toxischer Schädigungen des ZNS Das Ausmaß jeder Vergiftung ist abhängig von der Löslichkeit, der Dosis, der Art der Beibringung, der Konzentration, der Resorption und der Genetik. Die Giftbeibringung erfolgt versehentlich (gewerbliche, ökologische oder medizinische Vergiftung) oder absichtlich (im Rahmen eines Suizids, einer Sucht oder eines Tötungsdelikts). Der Beweis einer Intoxikation ist in der Regel durch eine chemisch-toxikologische Analyse von Blut, Harn oder Liquor gegeben. Diese ist u. a. auch längere Zeit nach der Giftbeibringung noch möglich, z. B. durch Untersuchung von Haaren [204] oder – an der Leiche – von Knochen mit Liegezeiten über Jahre [198]. Der Verdacht ergibt sich einerseits bei Fehlen einer anderen Erklärung des Krankheits- oder Todesgeschehens, andererseits aber durch klinische Symptome bzw. auch durch morphologische Veränderungen, die der Pathologe/Neuropathologe erfassen kann. Besonders bei länger überlebten Vergiftungen können morphologische Veränderungen hinweisend sein, oder – selten – sogar beweisend. In den letzten Jahren wurde die Aufmerksamkeit zunehmend auf die Toxikogenetik konzentriert (Übersicht [170, 266]). Entsprechend diesen Untersuchungen variiert die Wirkung von Medikamenten und illegalen Drogen auch in Abhängigkeit vom Genotyp, wie u. a. bereits auch an der „allergischen Diathese“ erkennbar, so dass sich in ungeklärten Einzelfällen zusätzlich eine genetische Untersuchung empfiehlt. Für eine Großzahl von toxisch wirksamen Substanzen ist entweder das Nervensystem das Zielorgan oder aber es wird sekundär geschädigt, so dass bei längerer Überlebenszeit nahezu immer auch – allerdings überwiegend unspezifische – morphologische Veränderungen im ZNS zu erwarten sind, unabhängig von der Art des Giftes und seinem primären Angriffspunkt. Der lokale Angriffspunkt neurotoxischer Substanzen im ZNS ist unterschiedlich, wobei entsprechend der Pathoklise von Vogt
und Vogt [258] eine gewisse topische Spezifität besteht. Die Pathoklise ermöglicht auch, Krankheiten experimentell zu simulieren, die mit einer lokalen herdförmigen, neuronalen oder axonalen Degeneration einhergehen [20, 37]. Der Vorgang der Intoxikation ist zwar von Substanz zu Substanz unterschiedlich, aber in vielen Fällen findet sich in der Endphase ein ähnlicher Mechanismus, der mit dem Begriff „Exzitotoxizität“ bezeichnet wird [169a]. Hierbei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem Nervenzellen durch Glutamat und ähnliche Substanzen, sog. endogene Exzitotoxine, zerstört werden. Bei Bindung von NMDA, Kainat oder Glutamat an NMDA- und AMPARezeptoren der Nervenzellen werden diese aktiviert und lassen vermehrt Ca2+ in die Zelle eindringen, wodurch zahlreiche Enzyme wie Phospholipasen, Endonukleasen und Proteasen stimuliert werden. Dieser Mechanismus wird u. a. durch organeigene Vorgänge eingeleitet. Durch eine Ischämie kann sich eine Anreicherung von Glutamat und Aspartat in der extrazellulären Flüssigkeit entwickeln, wobei der Zelltod zusätzlich bei Mangel an Sauerstoff und Glukose beschleunigt wird. So kann sich u. a. bei einem Trauma zu wenig Adenosintriphosphat bilden, wodurch die elektrochemischen Gradienten bestimmter Ionen – u. a. auch die Funktion des Glutamattransporters – aufgehoben werden, d. h. der Abtransport von Glutamat wird verhindert [223]. Ob jedoch auch oral zugeführte Substanzen, z. B. Aspartam, bei bestehender BlutHirn-Schranke für Glutamat, direkt – und nicht über die Ischämie – Einfluss auf das ZNS nehmen können, wurde – und wird – diskutiert [18]. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass toxische Substanzen wie Aminooxyazetat – mit Angriff auf die mitochondriale Atemkette – zu einer Degeneration von Nervenzellen führen [104].
Morphologische Veränderungen Folgende morphologische Symptome lassen den Verdacht auf eine Intoxikation aufkommen (Übersicht: [97, 163, 230]): • Hirnödem [106]: abhängig von der Lipophilie der toxischen Substanz, der Molekülgröße, der Transportkapazität und dem Carrier-Mechanismus (z. B. Kationisation oder Glykolysation). Dabei ist ein zytotoxisches Ödem infolge einer Membranschädigung (Schwermetalle, Triethylzinn) oder Schädigung des Enzymsystems in der Membran (Schwermetalle, Zyanid) von einem vaskulären Ödem (z. B. Alkohol) zu unterscheiden [118], wobei jedoch beide Ödemtypen einerseits auch kombiniert, andererseits auch hintereinander auftreten können. Bekannt ist ferner das Hirnödem als Folge einer Wasserintoxikation bei einem Missverhältnis von zugeführten Elektrolyten und Flüssigkeit, wie es u. a. im Rahmen der Hämodialyse eintreten kann [273].
368
14
Kapitel 14
• Neuronale und axonale Schädigung infolge einer Störung des Axoplasmatransports [156], z. B. durch Aluminium, Acrylamid, Colchicin, Organphosphate und Alkohol. • Neuronale Schädigung infolge einer Störung des Energiestoffwechsels, vor allem durch Zyanide, Kohlenmonoxid, aber auch durch Äthanol und Organphosphate. • Schädigung der weißen Substanz durch Triethylzinn, INH, Blausäure, Kohlenmonoxid, Kupfer, Diphtherietoxin sowie durch Zytostatika, Rauschdrogen und Umwelttoxine [67]. • Entstehung von herdförmigen Nekrosen, z. B. durch Sauerstoffentzug und Kohlenmonoxid, Methanol, Schwermetalle und Methotrexat. • Schädigung und funktionale Störung des cholinergen Systems [51, 99], z. B. durch Phosphorsäureester, Chlostridium-, Botulinum- und Tetanustoxin, Colchicin, Alkohol, Aluminium. • Schädigung und funktionale Störung des noradrenergen Systems, z. B. durch Alkohol, Amphetamin, Kokain, Cannabinoide. • Einflussnahme auf das Transmittersystem [51], und besonders die Rezeptoren, wobei vor allem die exzitatorischen Rezeptoren betroffen sind, d. h. die GABARezeptoren und die Azetylcholinrezeptoren, die in der Folge überwiegend mit funktionellen Veränderungen einhergehen – z. B. durch Ischämie (s. o.). • Einflussnahme auf das optische System [149], z. B. durch Methanol, Schwefelkohlenwasserstoff, Methylquecksilber und Organphosphate. • Teratogene Wirkung auf das sich entwickelnde Nervensystem während der Pränatalperiode, z. B. durch Alkohol, Methylquecksilber. • Kanzerogene Wirkung, z. B. durch Cadmium.
Funktionelle Differenzierung Auf zellulärer Ebene lässt sich zusätzlich folgende funktionelle Differenzierung vornehmen [94]: Störung des neuronalen oxidativen Metabolismus durch toxische Einwirkungen im Sinne einer Hypoxie oder Ischämie, wobei besonders die großen Nervenzellen sensitiv sind, im Gegensatz zur Hypoglykämie, bei der vor allem kleinere Nervenzellen betroffen sind. Toxische Substanzen können ferner zu einer Störung der Homöostase des Elektrolytgleichgewichts führen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Vorgänge: • Proteinsynthesehemmung, z. B. durch Adriamycin; • Störung der Zytosklettstruktur, z. B. durch Platin; • Gliareaktion auf toxische Substanzen (z. B. Astrozytenveränderungen bei Lebererkrankung, Oligodendrogliaveränderung bei Triethylzinnintoxikation); • Kapillarschädigung, z. B. durch Schwermetalle wie Arsen oder durch Inhalation von Methylbromid.
Intoxikation
Metalle und Metalloide Aluminium Aluminium (Al) in oxidierter Form ist ubiquitär. Es findet sich in reiner Form vor allem in der metallverarbeitenden Industrie. Als Antazidum wird kolloidales Aluminium in der Therapie verwandt. Es wurde ein auf Aluminiumintoxikation zurückgeführtes Krankheitsbild beschrieben, bei dem durch chronische Dialyse mit aluminiumhaltiger Dialyseflüssigkeit Aluminium in den Körper gelangte, die sog. Aluminiumenzephalopathie [6]. Aluminiumphosphid wird im Iran als Ausräucherungsmittel verwendet und kann zu inhalatorischen Vergiftungen führen. Pathogenese. Durch erhöhten Aluminiumspiegel im Blut bei offenbar vorgeschädigter Blut-Hirn-Schranke [143] gerät Aluminium in das Gehirn, wo es in erhöhter Konzentration nachweisbar ist [43]. Auf zellulärer Ebene ist bekannt (Übersicht: [254]), dass Aluminium den langsamen Transport von neurofilamentären Proteinen (NFP) hemmt, wodurch es zu einer Anreicherung von NFP am proximalen Ende des Axons kommt, mit Vermehrung der Neurofilamente im Perikarion. Die Ähnlichkeit der klinischen Symptomatik sowie eine auch bei der Demenz vom Alzheimer-Typ beobachtete erhöhte Aluminiumkonzentration im Gehirn [43] ließ die Hypothese aufkommen, dass auch die Alzheimer-Krankheit durch eine Aluminiumanreicherung im Gehirn entsteht. Neben diesen – offenbar aluminiumspezifischen – Veränderungen wurde eine Aluminiumphosphid-induzierte Hyperglykämie beschrieben, die zusätzlich Einfluss auf ein tödliches Geschehen nehmen kann [145]. Klinik. Das Krankheitsbild ist durch eine progressive Demenz gekennzeichnet mit Sprachstörungen, Myoklonus, Epilepsie vom fokalen und/oder generalisierten Typ, Herdsymptomen und Bewusstseinsverlust. Es wird u. a. eine aluminiuminduzierte Degeneration der Motoneuronen von einer Dialyseenzephalopathie unterschieden. Differentialdiagnostisch muss an eine Alzheimer-Erkrankung gedacht werden. Die Krankheit kann tödlich enden. Morphologie. Die morphologischen Veränderungen sind uncharakteristisch. Es finden sich geschrumpfte Ganglienzellen, ohne einen eindeutigen Ganglienzellverlust [247]. Die neuronale Degeneration basiert z. T. auf Veränderungen des Zytoskeletts im Sinne einer desorganisierten Aggregation von 10-nm-Filamenten, die morphologisch nicht von Alzheimer-Fibrillenveränderungen zu unterscheiden sind [216]. Unterschiede ließen sich u. a. immunhistochemisch nachweisen: Bei Aluminiumintoxikation reagieren Neuronen nicht mit Antikörpern gegen MAP-2, b-Tubulin oder Ubiquitin, während
Metalle und Metalloide
bei Alzheimer-Krankheit eine Immunreaktivität besteht [232]. Gleichzeitig finden sich bei der Aluminiumintoxikation eine Mikrogliavermehrung, eine Astrozytenproliferation sowie eine spongiforme Auflockerung des Neuropils in der 2. und 3. Rindenschicht. Mit einer Versilberungstechnik gelang es Reusche und Seydel [194], granulär in Nervenzellen abgelagertes Aluminium nachzuweisen. Reusche und Mitarbeiter [193] beschrieben ferner intrazytoplasmatische argyrophile Einschlüsse in Epithelien des Plexus choreoideus, in Neuronen und in kortikaler Glia – Veränderungen, die auch bei der dialyseassoziierten Enzephalopathie als typisch anzusehen sind (vgl. S 391ff.). Die gleiche Autorengruppe aber konnte eindeutig nachweisen, dass eine Aluminiumintoxikation nicht Ursache der Alzheimer-Krankheit ist.
Arsen Anorganische Arsenverbindungen Anorganische Arsen-(As-)Verbindungen sind farblos, ohne Geruch und Geschmack und sie sind wasserlöslich. Sie finden in der Glasmanufaktur, bei der Wollkonservierung und als Pestizid Anwendung. Immer wieder sind vorsätzliche akute oder auch chronische Intoxikationen im forensischen Rahmen beschrieben worden. Klinik. Klinisch finden sich bei der akuten Intoxikation vor allem gastrointestinale Symptome sowie ein Schocksyndrom, wobei die Überlebenszeit bei massiver Überdosierung offenbar nicht mehr als 24 h beträgt [126]. Bei Überleben entwickeln sich sensorische Ausfälle. Bei chronischer Intoxikation werden Zeichen einer peripheren Neuropathie deutlich [127], wobei gastrointestinale Störungen fehlen können. Gleichzeitig findet sich in der Regel eine Hyperkeratose an Händen und Füßen sowie weiße Querstreifen in den Nagelbetten, sog. Mees’sche Streifen. Das Fortschreiten einer arseninduzierten Polyneuropathie lässt sich durch Applikation des wasserlöslichen 2,3-Dimercaptopropansulfonats (DMPS) verhindern. Morphologie. Morphologisch ist das Krankheitsbild durch eine axonale Degeneration der peripheren, dicken Fasern gekennzeichnet [99], offenbar z. T. kombiniert mit einer segmentären Demyelinisation [42], teilweise übergehend in ein Guillain-Barré-ähnliches Snydrom [52]. Veränderungen des ZNS sind demgegenüber nicht bekannt.
Organische Arsenverbindungen Klinik. Anwendung fanden organische Arsenverbindungen vor allem im Rahmen der Behandlung von
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Syphilis und Trypanosomiadis. Klinisch sind die Zeichen einer Enzephalopathie, einer exfoliativen Dermatitis, sowie eine periphere Neuropathie beschrieben. Die Behandlung mit BAL hat sich bewährt. Man geht davon aus, dass als Ursache weniger die direkt toxische Wirkung eine Rolle spielt als vielmehr ein allergisches Geschehen [1]. Morphologie. Morphologisch ist eine Enzephalopathie durch perikapilläre Blutungen, vor allem im Mittelhirnbereich, gekennzeichnet (hämorrhagische Enzephalopathie [101]). Zum Teil äußert sich das Krankheitsbild in Form einer akuten hämorrhagischen Leukenzephalitis [1], die u. a. auf die allergisch-hyperergische Genese verweist. Schließlich wurde ein Guillain-Barré-ähnliches Syndrom beschrieben.
Bismut Klinik. Bismut (Bi) findet bei Behandlung von Obstipation, Magengeschwüren sowie Verdauungsstörungen nach Dickdarmentfernung Anwendung. Klinisch dominieren gastrointestinale Ausfälle mit Durchfall und Blutungen. Eine Hirnbeteiligung wird vor allem an psychischen Veränderungen wie Angst, Depression, Ataxie, Tremor und Demenz erkennbar. Am Ende des Krankheitsprozesses tritt ein Koma ein, das zum Tode führen kann. Die Pathogenese ist ungeklärt. Auffällig ist, dass offenbar eine individuell unterschiedliche Sensibilität für Bismut besteht. Morphologie. Im Vordergrund stehen ein Purkinje-ZellVerlust sowie ein neuronaler Ausfall in der Ammonshornformation [129]. Es findet sich ferner ein neuronaler Verlust mit Mikrogliaproliferation auf Höhe der Basalganglien. Erhöhte Bismutspiegel konnten in der frontalen Rinde, in den Basalganglien und der Kleinhirnrinde beobachtet werden.
Blei und Bleiverbindungen Anorganische Bleiverbindungen In den USA wird mit 12.000 bis 16.000 jährlichen Erkrankungsfällen und 200 Todesfällen gerechnet. Kinder sind besonders gefährdet. Pathologische Bleiwerte fanden sich bei 10–25% der Slumkinder [131]. Eine Massenvergiftung mit Blei wurde kürzlich in Leipzig beobachtet [32]: Man stellte fest, dass illegales Marihuana mit Blei gestreckt worden war. In Staub- und Dampfform oxidiert metallisches Blei (Pb) zu Bleioxid. Gefahrenquellen sind Arbeitsverfahren, bei denen Blei oder seine Verbindungen, insbesondere in
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Kapitel 14
Staub-, Rauch- oder Dampfform, auftreten. Früher spielten Bleifarben und bleihaltige Glasuren sowie wasserleitende Bleirohre eine große Rolle. Heute stellen Autoabgase und Exposition gegenüber Bleitetraethyl die wesentliche Ursache von Vergiftungen dar. Die Aufnahme von Blei erfolgt über die Lungen sowie den Gastrointestinaltrakt. Der Bleigehalt des Gehirns ist abhängig von der Bleikonzentration im Blut. Pathogenese. Blei wirkt einerseits auf die Blut-HirnSchranke, andererseits offenbar direkt toxisch auf die Membranen der Neuronen mit Beeinträchtigung der Kalium-Natrium-Pumpe im Sinne eines oxidativen Stresses [3]. Gleichzeitig besteht ein Einfluss auf die Neurotransmitter, insbesondere auf das GABAerge System, dessen Beeinträchtigung für die Symptomatik der Bleienzephalopathie verantwortlich gemacht wird [220]. Es wird angenommen, dass Blei u. a. zu einem erhöhten Kupferspiegel führt, der die ATPase der Zellmembran hemmt, wodurch die Natrium-Kalium-Pumpe gestört wird und Blei in das Zellinnere gelangt [158]. Damit erklärt sich einerseits die Durchlässigkeit der Blut-HirnSchranke, andererseits das häufigere Vorkommen von Bleivergiftungen mit Enzephalopathie bei Kindern.
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Klinik. Die akute Vergiftung des Erwachsenen ist durch Darmkolik, Erbrechen und Durchfall gekennzeichnet, während Koma und Krämpfe eher selten sind; durch eine chronische Vergiftung des Erwachsenen entwickeln sich demgegenüber Zeichen der Obstipation, Hautblässe, Kopfschmerzen, Übelkeit und Terminalzeichen eines schweren organischen Psychosyndroms. Neben zentralnervösen Störungen treten Schädigungen der peripheren Nerven auf. Bei Kindern dominiert ein ausgeprägtes Hirnödem mit Hirndruckzeichen als Hinweis auf die Enzephalopathie. Morphologie. Die Veränderungen durch Bleiintoxikation des Gehirns sind vielfältig, weder konstant, noch spezifisch. Makroskopisch finden sich bei der akuten Vergiftung vor allem Zeichen des Hirnödems und der Hyperämie; gelegentlich sieht man petechiale Blutungen in grauer und weißer Substanz sowie – bei chronischer Intoxikation – eine Groß- und Kleinhirnatrophie. Mikroskopisch sind bei der akuten Vergiftung Zeichen einer Störung der Blut-Hirn-Schranke mit perivaskulären, eiweißreichen Exsudationen erkennbar; in seltenen Fällen kann ein Marködem zu diffusen Entmarkungen und – in Verbindung mit lockeren Lymphozyteninfiltraten – zu einem der Multiplen Sklerose (M. Schilder) ähnlichen Bild führen. Im Vordergrund der chronischen Vergiftungen steht die Proliferation von Kapillaren in Groß- und Kleinhirnrinde sowie eine Astrozytenproliferation und Vermehrung der Mikroglia in der Molekularschicht der Kleinhirnrinde [177]. Der Purkinje-Zell-Bestand ist gelichtet, die Körnerzellen sind öfter atrophisch.
Intoxikation
Hyalinosen der Arteriolen werden ebenso wie Alzheimer-Fibrillen-Veränderungen beschrieben [159]. Der Bleigehalt im Knochenmark korreliert mit dem Vorkommen relativ dicht liegender Kalkkonkremente innerhalb der Körnerzellen der Kleinhirnrinde und dem Pallidum [224]. Als offensichtlicher Ausdruck der Schädigung der peripheren Nerven vom Typ der Waller-Degeneration ist die zentrale Chromatolyse der Vorderhornzellen anzusehen [62] (vgl. Kapitel 21; S. 581).
Organische Bleiverbindungen In den 20er Jahren wurde Tetraethylblei als Additiv des Benzins verwendet. Heute finden sich Intoxikationen vor allem nach Sniffing von Benzin (s. Abschnitt „Lösungsmittel“). Morphologie. Im Zentrum steht eine kortikale und zerebelläre Atrophie mit selektivem Verlust von Nervenzellen in Hippokampus und Kleinhirn sowie eine Chromatolyse in der Formatio reticularis [110].
Mangan Mangan (Mn) gehört zu den essentiellen Spurenelementen, aber ist in großen Dosen toxisch. Mn wird in Manganminen abgebaut (Chile, Marokko, Kuba) und findet Anwendung bei der Stahlherstellung sowie bei der Fabrikation elektrischer Batterien. Beschrieben wurden Vergiftungen vor allem bei Minenarbeitern in Marokko [199], aber offenbar auch nach Duschen unter manganhaltigem Wasser [56]. Die Einnahme erfolgt oral (Nahrung, Wasser) oder inhalatorisch (Stahlherstellung). Da sich Mangan an Transferrin bindet, kann es auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Es kommt zu einer Akkumulation, vor allem im Globus pallidus, Kaudatum und Putamen [53]. Klinik. Es dominieren zu Beginn der Intoxikation vor allem psychiatrische Ausfälle wie Erregungszustände, Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Affektlabilität u. a. Später treten extrapyramidale Störungen auf, die dem Parkinson-Syndrom ähnlich sind: Akinesien, Dystonien usw. [148]. Pathogenese. Pathogenetisch handelt es sich offenbar um eine Reduktion des Dopamin- und Homovanillinsäurespiegels im Striatum [29] sowie um eine Reduktion des Adrenalins [17]. Morphologie. Es entwickelt sich eine Degeneration von Nervenzellen, vor allem des medialen Segments des
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Metalle und Metalloide
Globus pallidus, und der Substantia nigra reticularis, mit Ausparung der Pars compacta und ohne Nachweis von Lewy-Körpern [179].
Platin Platin (Pt) wurde in der chemischen Form des Cisplatins, in Kombination mit Cyclophosphamid, in den 70er Jahren in die Chemotherapie eingeführt. Nach intravenöser Applikation traten periphere Neuropathien und Hörstörungen auf [75]. Nach intrakarotider Applikation wurden zentralnervöse Ausfallserscheinungen beobachtet [66].
a
Morphologie. Morphologisch lässt sich ein Axonverlust an großen myelinisierten und unmyelinisierten Fasern beobachten, zusammen mit einer Gliose im Bereich der Vorderhörner des Rückenmarks [252]. Nach lokaler intraarterieller Injektion kommt es zu einem schweren neuronalen Verlust, offenbar durch die direkte neurotoxische Wirkung des Platins [70]. b
Quecksilber Elementares Quecksilber und anorganische Quecksilberverbindungen Quecksilber (Hg) fand bei der Herstellung von Thermometern, Thermostaten, Quecksilberfarben usw. Anwendung. Anorganische Quecksilberverbindungen sind weit verbreitet als Imprägnier- und Konservierungsmittel von Holz, Rostschutzmittel, Verstärkung fotografischer Platten und als Desinfektionsmittel (Quecksilbercyanid). Quecksilber-1-chlorid wird als Arzneimittel verwendet. Hin und wieder erfolgte eine Quecksilberapplikation, überwiegend in Form einer Beibringung von Sublimat, im Rahmen eines Suizids oder einer Tötung [71]. Da Quecksilberdampf farb- und geruchlos ist, kann es versehentlich eingeatmet werden. Inzwischen kommen derartige Vergiftungsfälle infolge verbesserter Schutzmaßnahmen kaum noch vor. Neuerdings wird die Verwendung von Amalgam in der Zahnmedizin als toxisch diskutiert, ohne dass bisher stichhaltige Beweise für eine Toxizität erbracht worden sind. Klinisch kennzeichnend sind Affektlabilität, Depression, Erethismus, Ataxie, und – selten – Tremor. Morphologie. Bei einem Fall mit klassischen Zeichen einer Quecksilberintoxikation wurden strukturelle Veränderungen beschrieben [61]: Makroskopisch und mikroskopisch konnten zwar nur geringe neuronale Ausfälle oder gliöse Reaktionen im Nervensystem beobachtet
c Abb. 14.1a–c Quecksilber Vergiftung, 41 Jahre nach Inhalation von anorganischem Quecksilber. Schwermetall-enthaltende Granula in: a einer Purkinjezelle, b einer Pyramidenzelle der Großhirnrinde, c einem peripheren Nerven. Der Patient litt nach einer Boiler-Explosion in einem Amalgamwerk an schwerer Ataxie und Tremor. (Eosin-Färbung, Vergrößerung a x500, b,c x1000). (Abbildung freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. H. Wiethölter, Stuttgart)
werden, jedoch fand sich Quecksilber in den lysosomalen „dense bodies“ zahlreicher Nervenzellen sowie peripherer Nerven – auch noch nach Jahrzehnten [84] (Abb. 14.1). Es ist jedoch unklar, wie es zu den entsprechenden neurologischen und psychopathologischen Ausfallserscheinungen kommt. Pathogenese. Aufgrund der Lipophilie durchdringen Quecksilber und seine Verbindungen unschwer die Blut-
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Kapitel 14
Hirn-Schranke. Sie hemmen die Respiration von Mitochondrien und Synaptosomen [253], wodurch es zu einer Reduktion der zellulären Oxidation von Hirnzellen kommen kann [77]. Der Energiezusammenbruch und die Verletzung der Zellmembran führt zu einer Zunahme des Kalziumgehalts in den Nervenendungen [16], einer Hemmung der Proteinsynthese, einer Zerstörung der Mikrotubuli, zu oxidatem Stress und Triggerung des exzitotoxischen Mechanismus [207], – mit der Folge eines Untergangs von Neuronen.
Organische Quecksilberverbindungen
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Bei unsachgemäßer Abfallbeseitigung oder Abfallaufarbeitung können große Mengen von organischen Quecksilberverbindungen entstehen. Da Mikroorganismen im Wasser in der Lage sind, anorganische Verbindungen in organische Verbindungen (Methylquecksilber) zu verwandeln, stellt das Verzehren von Meerestieren eine gewisse Gefahr dar. In Japan entwickelte sich die Minimata-Krankheit unter japanischen Fischern, die quecksilberverseuchte Fische in einer Bucht fingen, in die stark quecksilberhaltige Industrieabwässer eingeleitet worden waren [62]. Da Methylquecksilber ein effektives Fungizid darstellt, fand es bei der Behandlung von Saatweizen Anwendung; im Irak entwickelte sich eine ausgedehnte Vergiftungswelle mit über 500 Todesfällen, verursacht durch derart behandelten Weizen [14]. Pathogenese. Grundlage für die Neurotoxizität ist die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke durch organisches Quecksilber und die Gefahr einer Kumulation in den Neuronen bei einer Halbwertszeit von über 70 Tagen [134]. Offenbar beeinträchtigt Methylquecksilber die Proteinsynthese, so dass es zu einer reduzierten Inkorporation von Aminosäuren in die Proteine von sensorischen Ganglien und peripheren Nerven kommt. Nach Experimenten ist davon auszugehen, dass der primäre Effekt über eine unvollständige Phosphorylierung von Uridin zu einer Hemmung der RNS-Synthese führt [208]. Klinik. Bei der akuten Intoxikation stehen gastrointestinale Symptome im Vordergrund, während bei der chronischen Intoxikation Parästhesien, Müdigkeit, Schwindel und Ataxien auftreten. Es wurden zusätzlich Gesichtsfeldausfälle beschrieben [132]. Methylquecksilber ist ferner für die Plazentaschranke durchgängig und führt zur Störung der fetalen Hirnentwicklung [140]. Morphologie. Das morphologische Bild ist durch einen neuronalen Verlust in der Großhirnrinde – insbesondere im Bereich der Kalkarina – und der Kleinhirnrinde gekennzeichnet. Bereits makroskopisch ist manchmal eine Rindenatrophie erkennbar. Mikroskopisch findet sich
Intoxikation
eine spongiöse Auflockerung der Großhirnrinde unter Bevorzugung der 2.–4. Rindenschicht mit massiver Gliazellproliferation [236]. Im Kleinhirn ist der Ausfall der Körnerzellen auffällig, der besonders in der Tiefe der Windungstäler ausgeprägt ist, während die PurkinjeZellen gut erhalten bleiben. Axontorpedos werden häufig beobachtet. In der Kleinhirnrinde können stark ausgeprägte Dendritenveränderungen der Purkinje-Zellen mit Hirschgeweih- und Morgensternfiguren auftreten [62]. Die Stammganglien sind in der Regel gut erhalten, während im Rückenmark eine Entmarkung im Bereich der Hinterstränge (seltener der Pyramidenseitenstränge) beobachtet wird.
Thallium Thallium (Tl) findet sich als Spurenelement ubiquitär im Erdboden und in der pflanzlichen Nahrung. Metallisches Thallium wird in der Industrie bei Speziallegierungen verwendet. Die größte toxikologische Bedeutung hat Thallium-1-sulfat, das in vielen Ratten- und Mäusegiften enthalten ist. Thalliumverbindungen sind zumeist farb-, geruch- und geschmacklos und fanden aus diesem Grund häufig bei Tötungsdelikten und beim Suizid Anwendung [152]. Thalliumverbindungen sind nicht nur neurotoxisch, sondern auch hepatotoxisch. Pathogenese. Im Rahmen der Proteinbiosynthese soll es durch eine Anreicherung von Thallium in den Mitochondrien zu einer Reduktion der mitochondrialen oxidativen Phosphorylierung kommen [147]. Gleichzeitig entwickelt sich eine Störung des axonalen Transports mit der Folge einer Dying-back-Neuropathie [35]. Klinik. Akut dominieren gastrointestinale Symptome wie Durchfall, Erbrechen und krampfartige Bauchschmerzen. Bei chronischer Intoxikation stellen Parästhesien die ersten Symptome dar, es folgen Krämpfe, delirante Zustände und Koma. Daneben finden sich periphere Ausfälle, extrapyramidale und psychische Störungen [15]. Wesentliche sichtbare Symptome der chronischen Intoxikation sind der Haarausfall und Veränderungen der Nagelbetten (sog. Mees’sche-Streifen; s. auch unter „Arsen“) [71]. Morphologie. Das Gehirn ist makroskopisch ödematös und zeigt im Marklager von Groß- und Kleinhirn disseminierte Blutungen [36]. Mikroskopisch sind Nekrosen sichtbar, betont in der subthalamischen Region, der Substantia nigra und auf Höhe der kortikospinalen Verbindungen [37]. Daneben werden primär degenerative Veränderungen der Nervenzellen in der Groß- und Kleinhirnrinde, den hypothalamischen Kernen, den Olivenkernen und dem Corpus striatum beobachtet,
Gase
wobei das Fehlen einer Gliareaktion auffällt. Peripher zeigt sich vor allem eine Degeneration der Nervenfasern, mit der Folge einer Polyneuropathie vom Dying-backTyp (Chromatolyse der Vorderhornneuronen [36]).
Zinn Triethylzinn Metallisches Zinn (Sn) ist praktisch nicht toxisch, während organische Zinnverbindungen lipidlöslich sind, schnell resorbiert werden und auf das Nervensystem einwirken können. Organische Zinnverbindungen finden in der Kunststoffindustrie, als Desinfektionsmittel sowie als Fungizide und Insektizide Verwendung. Triethylzinn als toxische Substanz wurde bekannt, als 1953/54 in Frankreich 110 Todesfälle beobachtet wurden: Es wurde das bakterizid wirksame Präparat Stalinon appliziert, das 10% Triethylzinn enthielt [5]. Dabei wurden Schwindel, Erbrechen, Kopfschmerz, Photophobie und Sehstörungen, zerebrale Anfälle, sensible Störungen und Verlust der Sphinkterkontrolle beobachtet. Der Tod trat nach 4–10 Tagen ein. Triethylzinn hat eine besondere Affinität zum Myelin [130] und eine toxische Wirkung auf die Mitochondrien, in denen es zu einer Störung der oxidativen Phosphorylierung kommt [49]. Das morphologische Kennzeichen ist ein ausgeprägtes Hirnödem mit Zeichen der Einklemmung, makroskopisch wie mikroskopisch, zusammen mit einer spongiösen Auflockerung der weißen Substanz – unter weitgehender Verschonung der Axone [41].
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diger Verbrennung kohlenstoffhaltiger Substanzen, z. B. Kohle, Benzin usw. Überwiegend werden Vergiftungsfälle im Rahmen eines Unfallgeschehens, z. T. jedoch auch im Rahmen eines Suizids (Einleiten von Autoabgasen in das Fahrzeuginnere) beobachtet. Das Stadtgas enthält auch heute noch CO, jedoch auf 3% reduziert, und kann allenfalls bei chronischer Belastung Symptome verursachen und zum Tode führen. Pathogenese. Durch CO kommt es zu einer Einschränkung des Sauerstofftransports über eine kompetetive Hemmung: CO hat eine 250fach höhere Affinität zum Hämoglobin (Hb) als Sauerstoff, so dass sich ein Komplex Kohlenmonoxid-Hämoglobin (CO-Hb) bildet. Die Folge ist ein mitochondrialer, oxidativer Stress der Nervenzellen [276]. Sind 60–70% des Hämoglobins an CO gebunden, so ist die Konzentration mit Sicherheit tödlich. Die Folge ist eine Sauerstoffminderversorgung des Gehirns mit Ausbildung eines zytotoxischen Hirnödems. Als offenbar besonders vulnerabel erwies sich der Globus pallidus [226]. Neben einer Schädigung als Folge des Sauerstoffmangels ist jedoch zusätzlich auch von einer direkt toxischen (zytotoxischen) Wirkung auszugehen [60], die die klinischen und morphologischen Veränderungen – vor allem bei intervallären und/oder chronischem Verlauf – erklären (Übersicht: [162]). Es kommt offenbar durch das im Plasma gelöste CO zusätzlich zu einem Reperfusionsschaden [275]. Man muss ferner davon ausgehen, dass CO eine Degradation ungesättigter Fettsäuren verursacht, wodurch sich u. a. Entmarkungen in der weißen Substanz des Gehirns erklären [238].
Akute CO-Intoxikation Trimethylzinn Es sind nur wenige Fälle einer Trimethylzinnintoxikation beschrieben worden, wobei wesentliche Symptome eine tiefe Depression, emotionelle Störungen anderer Art, Vergesslichkeit und Libidoverlust waren [201]. Morphologisch fanden sich geschwollene Nervenzellen mit exzentrischem, teils pyknotischem Kern und Verlust der NisslSubstanz mit zytoplasmatischen Einschlüssen im Mandelkern, in der temporalen Rinde, in den Basalganglien sowie in den pontinen Kernen [24].
Gase Kohlenmonoxid Kohlenmonoxid (CO) ist ein farbloses, geruchloses Gas mit einer der Luft ähnlichen Dichte (Übersicht: [158]). CO ist etwas leichter als Luft. Es entsteht bei unvollstän-
Klinik. Die Klinik hängt vom Prozentsatz des an das HB gebundenen Kohlenmonoxids ab und reicht von Kopfschmerz (CO-Hb: 20%), Schwindel über Brechreiz und Benommenheit (CO-Hb: 30%) bis zur Bewusstlosigkeit (CO-Hb: 40%) und führt schließlich zur zentralen Atemund Kreislauflähmung (CO-Hb: 50–60%; [71]). Eine Handlungsunfähigkeit – und damit ursächlich auch in vielen Fällen für den Tod – setzt in der Regel bei einem CO-Hb von 30–40% akut ein. Morphologie. Tritt der Tod akut ein, so fällt makroskopisch ausschließlich die kirschrote Farbe des Blutes auf, sowie die hellrote Farbe der Haut- und auch der makroskopischen Hirnschnitte (Abb. 14.2a–c) bei der Obduktion, sowie auch später nach Formalinfixierung (s. auch S. 432f.). Vereinzelt kann es bei massiver Stauung auch zu Blutaustritten kommen. Wird die akute Intoxikation überlebt, treten Veränderungen auf, die bei systemischem Sauerstoffmangel zu beobachten sind: laminäre Rindennekrosen, Nervenzellausfälle in der Hippokampusforma-
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Intoxikation
a
b
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Abb. 14.2a–d Kohlenmonoxidvergiftung. Akute Vergiftung mit kirschroter Dura mater bei Autopsie (a) sowie auch der Hirnoberfläche, 14 Tage nach Formalinfixation zugleich mit Zeichen einer
Hirnschwellung (b) und Rotverfärbung auch eines formalinfixierten Frontalschnitts (c). Mit Verzögerung eintretende bilaterale Pallidum-Nekrose bei überlebter CO-Intoxikation (d)
tion, Purkinje-Zell-Ausfall, Marknekrosen und bilaterale Pallidumnekrosen (Abb. 14.2d; zur Differentialdiagnose der Pallidumnekrose vgl. [175].
weiteren 10–30 Tagen alle Zeichen einer progressiven Enzephalopathie mit Demenz, Akinesien und Rigidität bis zum Koma beobachtet werden. Morphologisch finden sich konfluierende Entmarkungsherde mit Schwellung der Oligodendrozyten und Proliferation der Astrozyten. Die Entmarkung ähnelt mit der kleinfleckigen Verteilung bei unscharfer Randbildung dem Muster der multifokalen Leukoenzephalopathie; es bestehen fließende Übergänge bis zur vollständigen Entmarkung („Grinker’s disease“). Als Ursache wird ein Marködem mit Blutdruckabfall und Azidose diskutiert [27].
Intervallärer Verlauf der CO-Intoxikation Klinik. Nach einem Koma von Tagen bis Wochen in der 1. Krankheitsphase tritt eine zunehmende Bewusstseinsklarheit auf, woraufhin – in einer 2. Phase – nach
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Gase
Chronische CO-Intoxikation Klinik. Es können bei geringen CO-Konzentrationen der Atemluft vor allem Kopfschmerzen und Übelkeit auftreten. Durch ihre stärkere Bindungsaffinität von CO an Hb sowie aufgrund der davon abhängigen geringeren Abatmung von CO, kommt es zu einer Kumulation, wobei auch Tage und Wochen nach der ersten Exposition schließlich alle Zeichen einer akuten Intoxikation auftreten können – bis hin zum Eintritt des Todes. Morphologisch dominieren die oben beschriebenen Sauerstoffmangelschäden sowie Marknekrosen.
Nitrite und Nitrosegase Nitrite, besonders Natriumnitrit, finden in der Farbstoffindustrie Anwendung. Natriumnitrit wurde abzulagerndem Fleisch zugefügt, um ihm eine frische rosa Farbe zu geben. Spinat enthält Nitrat, das in Nitrit umgewandelt werden kann. Kinder sind besonders gefährdet. Durch Oxidation des zweiwertigen Eisens im Hämoglobin zu dreiwertigem Eisen (Methämoglobin) entsteht eine ungenügende Sauerstofftransportkapazität, deren Folge ein zentraler Sauerstoffmangel ist. Nitrosegase entstehen beim Erhitzen von Salpetersäure bzw. bei Zusammentreffen dieser Säure mit Metallen oder organischen Substanzen, u. a. beim Schweißen. Vor allem NO2 und N2O4 wirken auf Atemwege und können über ein Lungenödem zum Tode führen. Bei Einatmung entwickeln sich über Methämoglobin Atemnot, Zyanose, Erbrechen, Schwindel und Blutdruckabfall wie bei einer Nitritvergiftung. Morphologisch ist bei Intoxikation mit Nitriten und Nitrosegasen jeweils die Folge eines cerebralen Sauerstoffmangels nachweisbar. Vereinzelt wurde eine Purpura cerebri beobachtet.
Schwefelwasserstoff Schwefelwasserstoff (H2S) ist ein farbloses, brennbares, im Gemisch mit Sauerstoff explosionsfähiges, nach faulen Eiern riechendes Gas, das schwerer als Luft ist. Es kommt in vulkanischen Gegenden vor und entsteht bei Salz- und Schwefelsäureherstellung. Es tritt auch aus Hochöfen aus und entsteht überall dort, wo menschliche, tierische oder pflanzliche Materie in Fäulnis übergeht. Schwefelwasserstoffgas wird überwiegend durch Inhalation aufgenommen. Die Wirkungsweise von H2S ist bisher unbekannt. Es wird u. a. vermutet, dass eine intrazelluläre Atemhemmung eintritt; eine eindeutige Klärung liegt bisher jedoch nicht vor.
Klinisch werden zunächst Schleimhautreaktionen beobachtet, anschließend Kopfschmerzen, Schwindel, Ataxie, Dyspnoe, Blutdruckabfall, Krämpfe, Bewusstlosigkeit, Atem- und Herzstillstand. Werden akut hohe Dosen appliziert, so kommt es zu einem schlagartigen Atemstillstand innerhalb von Sekunden bzw. Minuten. Morphologisch wurden im akuten Fall Kongestion sowie Ödem beschrieben [172]; bei längerer Überlebenszeit traten Zeichen eines generalisierten Sauerstoffmangels bis hin zu einem intravitalen Hirntod auf [23].
Zyanwasserstoff und Zyanide Akute Zyanidvergiftungen finden sich heute allenfalls im Rahmen des Suizids bzw. der vorsätzlichen Tötung (u. a. Sterbehilfe). Chronische Vergiftungen durch zyanhaltige Fruchtkerne oder Pflanzen sind eher selten. Von gewisser Bedeutung soll das Auftreten von Blausäure in Brandgasen beim Verschwelen stickstoffhaltiger Kunststoffe sein, wobei Mischintoxikationen (zusammen mit Kohlenmonoxid) auftreten können. Vereinzelt wurden Fälle beobachtet, die eine akute Intoxikation aufgrund intensivmedizinischer Maßnahmen überlebten. Die tödliche Dosis ist extrem gering. Da der Tod in der Regel sofort eintritt, sind ärztlichen Maßnahmen meistens frustran. Die Dosis letalis liegt für • Blausäure bei 1–2 mg/kg; • Natrium- und Kaliumcyanid bei 2–3 mg/kg; • bittere Mandeln: 70 Stück für den Erwachsenen, 6–7 Stück für Kinder. Pathogenese. Die Blausäure (Zyanwasserstoff, HCN) bzw. ihre Salze, die Zyanide, sind durch Bittermandelgeruch gekennzeichnet. Sie sind gut lipidlöslich und diffundieren schnell. Sie binden sich an das dreiwertige Eisen der Zytochromoxidase und hemmen dadurch die zelluläre Sauerstoffaufnahme. Die Folge ist eine histotoxische Anoxie mit innerer Erstickung. Klinik. In Sekunden entwickelt sich ein Koma mit Krämpfen. Der Tod tritt mit allen Zeichen des Erstickens innerhalb von wenigen Sekunden ein. Die Diagnose sollte durch sofortige Untersuchung des Blutes auf Zyanide gestellt werden, da sowohl bei Lagerung des Blutes als auch post mortem – in der Leiche selbst – ein Abbau der Zyanide stattfindet [231]. Morphologie. Die Morphologie der akuten Todesfälle ist durch eine massive Kongestion gekennzeichnet, manchmal zusammen mit perivaskulären und subarachnoidalen Blutungen. Bei längeren Überlebenszeiten, die allerdings extrem selten beobachtet wurden, finden sich Purkinje-Zell-Ausfälle, Gliose der Großhirnrinde sowie disseminierte petechiale Blutungen, umschriebene
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Marknekrosen und bilaterale Pallidumnekrosen [115] sowie auch – offenbar in Einzelfällen – eine pseudolaminäre Nekrose der kortikalen Rinde [197].
Intoxikation
am peripheren Nervensystem führt [144]. Morphologisch werden distal aufsteigende Axonopathien beobachtet.
Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe Gifte in Industrie und Umwelt Die hier aufgeführten Substanzen sind keiner einheitlichen chemischen Gruppe zuzuordnen. Sie lassen sich auch nicht scharf von der ersten Gruppe (Metalle and Metalloide) abgrenzen, in der bereits Substanzen aufgeführt wurden, die als Industrie- und Umweltgifte Bedeutung haben. Ferner muss an dieser Stelle auch auf ein eigenes Krankheitsbild verwiesen werden, das ebenso wenig klassifizierbar ist, die multiple Chemikalienunverträglichkeit („multiple chemical sensitivity syndrome“ = MCS). Hierbei handelt es sich um eine erworbene Störung, meist im Zusammenhang mit einer belegbaren Fremdstoffexposition, die durch rezidivierende Symptome mehrerer Organsysteme, u. a. des ZNS, des vegetativen und peripheren Nervensystems, gekennzeichnet ist. Die Störungen werden offenbar durch chemische Stoffe verursacht, die bei einer Dosis auftreten, die von der klassischen toxikologischen Dosis-Wirkungs-Beziehung erheblich abweicht [173]. Allerdings sind neuropathologsiche Veränderungen bisher nicht beschrieben worden.
14 Kohlenstoffverbindungen Acrylamid Acrylamid wird industriell besonders bei der Papierherstellung und bei der Herstellung von Fasern und Farben angewandt. Es handelt sich um ein kumulatives Neurotoxin, d. h., erst nach Überschreitung eines Schwellenwerts treten Symptome auf. Die klinischen Ausfälle entsprechen einer peripheren Neuropathie, beginnend mit reversiblen Parästhesien, gefolgt von motorischer Schwäche und evtl. Ataxie [228].
Aliphatische Kohlenwasserstoffe Diese Substanzen finden als Lösungsmittel in der Klebstoffindustrie wie auch in der Mineralölindustrie Anwendung. Als besonders neurotoxisch erwiesen sich n-Hexan und Methyl-n-butylketon. Vergiftungen kommen durch orale Zufuhr (besonders bei Kindern) vor wie auch bei der Aufnahme durch Schnüffeln von Lösungsmitteln. Pathogenetisch kommt es durch die Lösungsmittel zu einer axonalen Schädigung, die über den Mechanismus eines „dying back“ zu Ausfallserscheinungen vor allem
Auch die halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffe werden überwiegend als Lösungs- und Kältemittel eingesetzt, heute vor allem in der Kunststoffindustrie. Sie werden über die Atemwege inkorporiert und sind wegen ihrer Lipidlöslichkeit für die Blut-Hirn-Schranke durchgängig.
Methylchlorid Bei dieser vor allem in der Kälteindustrie verwendeten Substanz tritt klinisch eine akute Vergiftung mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindelgefühl, Tremor, unsicherem Gang und Blutdruckabfall auf [239]. Chronische Vergiftungen führen zu Somnolenz und Ausfallserscheinungen des extrapyramidalen Systems und zu Polyneuropathien. Morphologisch finden sich Nekrosen der Körnerzellschicht im Kleinhirn sowie Axontorpedos in der Körner- und Purkinje-Zell-Schicht. Die Nervenzellen im Bereich der Hinterstrangkerne sind durch ausgeprägte Chromatolyse und Vakuolisierung gekennzeichnet. Die Nervenzellen von Hinter- und Vorderhörnern enthalten beschichtete argentophile Einlagerungen. Durchgehend sind Zeichen der neuroaxonalen Dystrophie nachweisbar [120].
Tetrachlorkohlenstoff Die Intoxikation imponiert in Form eines rauschähnlichen Zustands mit Übelkeit und Kopfschmerzen. Morphologisch werden schwere Körnerzellnekrosen im Kleinhirn mit Bergmann-Glia-Wucherung und Degeneration der dendritischen Spines innerhalb der Molekularschicht beobachtet [48]. Ähnlich sind die Veränderungen bei Thiophenintoxikationen [98]. Es entwickeln sich eine Aufsplitterung der Markscheiden und spongiöse Veränderungen im Marklager, vor allem subependymal sowie im Kleinhirnmarklager und den markreichen Fasern der Brücke und der Medulla oblongata [248].
Trichlorethylen Anwendung findet die Substanz als industrielles Reinigungsmittel sowie als Suchtmittel von Schnüfflern, was auch für die Substanz Toluol gilt [159]. Klinisch ent-
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Gifte in Industrie und Umwelt
wickeln sich vor allem Koordinationsstörungen im Sinne von Ataxie und Dysarthrie [136] sowie Dysphagien und Trigeminusanästhesien [125]. Zum Teil kommt es zu vasomotorischen und gastrointestinalen Störungen. Morphologische Untersuchungen liegen ausschließlich aus der Klinik vor, in der Hirnatrophien beobachtet werden konnten [108].
Störungen vom Parkinson-Typ aus [180]. Neuropathologische Beobachtungen wurden nur in wenige Fälle beschrieben, die durch disseminierte neuronale Degeneration in der Großhirnrinde, den Basalganglien und dem Kleinhirn gekennzeichnet sind. Eine Gliose und Demyelination des Rückenmarks wurde beobachtet [9].
Methylalkohol Halogenierte zyklische Kohlenwasserstoffe Hexachlorophen Hexachlorophen (HCP) findet sich als Zusatz in Kosmetika und Seifen, wobei die Substanz wegen ihrer Bakterizidie Verwendung findet. Hexachlorophen wirkt auf die Markscheiden toxisch und führt zu einer vakuolären Enzephalopathie [141], die durch eine Spongiose des Marklagers gekennzeichnet ist. Differentialdiagnostisch muss an eine Triethylzinnvergiftung gedacht werden. Besonders betroffen sind Frühgeburten und Neugeborene mit desquamierenden Hautaffektionen. Unklar ist, ob Hexachlorophen auch eine Todesursache darstellen kann, da die damit behandelten Säuglinge in der Regel bereits aufgrund ihrer Unreife besonders gefährdet sind [182].
Lindan Lindan wird primär als Insektizid eingesetzt. In der Medizin wird die Substanz bei der äußeren Behandlung von Skabies und Pedikulose verwendet. Bei Überdosierung – sowohl durch massive kutane Resorption als auch bei oraler Aufnahme – kann es zu einer akuten Intoxikation mit Mydriasis, Hyperglykämie, Zyanose, Atemnot sowie Bewusstseinsstörung, Krampfanfällen und Herzversagen kommen. Bei chronischer Intoxikation werden neuropsychiatrische Ausfallserscheinungen deutlich. Morphologisch wurden u. a. ausgedehnte Nekrosen der kleinen Blutgefäße in Lungen, Nieren und Gehirn beschrieben [251].
Schwefelkohlenstoff Intoxikationen kommen vor allem im Rahmen von Tätigkeiten vor, die mit der Behandlung von Gummi und Viskosefasern zu tun haben. Betroffen ist neben dem Nervensystem das kardiovaskuläre System. Die Klinik ist durch eine sensorische Neuropathie bestimmt, gefolgt von einer motorischen Schwäche in den distalen Extremitäten. Selten bilden sich eine akute Psychose wie auch neurologische Ausfälle im Sinne extrapyramidaler
Methylalkohol ist eine farblose, etwas nach Weingeist riechende, aber nicht unangenehm schmeckende Flüssigkeit, die leicht entzündlich ist. Sie findet Verwendung als Frostschutzmittel in Motorkühlern, als Lösungsmittel für Farben, Klebstoff, Reinigungsmittel usw. Eingenommen wird Methylalkohol entweder in Verwechslung von Methanol und Ethanol oder aber (z. B. während der Prohibition in Amerika) als Alkoholersatz. Einatmen und perkutane Aufnahme wurden beschrieben. 10 ml können schwere Vergiftungen, 30–100 ml tödliche Vergiftungen hervorrufen. Morphologisch finden sich im Gehirn Hyperämie und Ödem [171] mit perivaskulärer Lokalisation von hämorrhagischen Nekrosen, Auftreten einer hämorrhagischen Leukenzephalopathie [96] und bilateralen Nekrosen des Putamens mit zystischen Veränderungen [59]. Bei langsam eintretendem Tod werden u. a. neben symmetrischen Erweichungsherden im rostralen Anteil des Putamen (Abb. 14.3a) neuronale Veränderungen im Sinne von Ganglienzellschwellung, Chromatolyse und Zelluntergängen in den Basalganglien, im Corpus geniculatum laterale, Entmarkungen (Abb. 14.3b,c) in der Marksubstanz und im Rückenmark beobachtet [120]. Eine neuere Untersuchung mittels CT beschreibt an einem relativ großen Untersuchungsmaterial (n=42) vor allem Blutungen im Putamen und Marknekrosen in der subkortikalen Inselregion [234].
Phosphorsäureester Insektizide Phosphorsäureester finden als Schädlingsbekämpfungsmittel Anwendung. Intoxikationen entstehen im Rahmen akzidenteller oder suizidaler Giftaufnahme, selten auch bei Giftmord. Anwendung fand diese Substanzgruppe auch als Kampfstoff (s. unten). Phosphorsäureester unterschiedlicher Arten führen zu einer Hemmung der Cholinesterase, wobei manche direkt wirksam werden (z. B. Dichlorvos), andere indirekt: So wird u. a. Parathion (E 605) im Körper zu Paraoxon (E 600) metabolisiert; Paraoxon aber ist toxisch, während Parathion selbst unwirksam ist.
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Kapitel 14
Intoxikation
chemischen Nachweis von Azetylcholinesterase lässt sich auch die Hemmung dieses Enzyms [164] sowie die Hemmung der unspezifischen Esterase der Monozyten im peripheren Blut [167] nachweisen. Wird eine Vergiftung durch intensivmedizinische Maßnahmen überlebt, können Zeichen einer systemischen Ischämie sichtbar werden.
Kampfstoffe
a
b
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c Abb. 14.3a–c. Methanolvergiftung. a Beginnende bilaterale Putamennekrose und deutliche, teilweise zystische Entmarkung (b,c) sowie neuronale Degeneration (c) (b,c Luxol-fast-blue, Vergrößerung b x100, c x300)
Klinik. Die akute Vergiftung ist durch Angstgefühl, Kopfschmerz, Ataxie, Koma und Krämpfe sowie Muskelschwäche und fibrilläre Muskelzuckungen gekennzeichnet. Weitere Symptome sind Miosis, Speichelfluss und Durchfälle. Die Symptome treten innerhalb von 10 min bis 2 h auf; Todesursache ist ein zentraler Atemstillstand. Morphologie. Akut werden im Gehirn ausschließlich Hyperämie und Ödem beobachtet [168]. Durch histo-
Im 2. Weltkrieg wurden chemische Kampfstoffe entwickelt: in England das Diisopropyfluorphosphat (DFP), in Deutschland das 10-mal toxischere Tabun. In der Folgezeit wurde zunächst das nochmals 5- bis 10-mal toxischere Sarin und schließlich das nochmals 5- bis 10-mal toxischere Soman (Pinakolylester) entwickelt (Übersicht: [217]). Die Resorption dieser Substanzen erfolgt über Haut und Atmung. Klinisch imponieren zunächst Atemstörungen und eine Miosis; danach entwickelt sich eine Krampfbereitschaft, die in einen Status epilepticus übergeht. Die Kampfstoffe sind z. T. wegen der extrem geringen Konzentrationen im Körper nicht direkt nachweisbar. Ein Indiz allerdings ist der Nachweis einer Hemmung der Cholinesterase, die auch die pathophysiologische Wirkung erklärt. Die Substanz Sarin wurde ferner in den letzten Jahren durch den Anschlag der Aum-Sekte (1995) in der UBahn von Tokyo weltbekannt, bei dem 12 Menschen starben [235]. Auch der Gasanschlag von Matsumoto im Jahre 1994, bei dem 4 Menschen starben, ging offenbar auf die gleiche Sekte zurück. Experimentelle Untersuchungen konnten mittels subletaler Dosen morphologische Veränderungen am Gehirn nachweisen [109]. Durch Sarin kam es zu einem signifikanten Nervenzellverlust in der CA1- und CA3-Region der Ammonshornformation, durch Soman hingegen waren zusätzlich noch Nervenzellen auch der frontalen Rinde betroffen.
Medikamente Alle zu der Gruppe der Sedativa, Hypnotika und Analgetika gehörenden Medikamente (Barbiturate, Benzodiazepine, Brom, Methaqualon, Pyrazolderivate, Salizylderivate u. a. m.) wirken zwar auf das Zentralnervensystem, führen jedoch bei Überdosierung allenfalls zu geringen und unspezifischen morphologischen Veränderungen im Sinne einer primär neurotoxischen Wirkung. Alle diese Medikamente können jedoch sekundär über eine zentrale Atemlähmung zu einer systemischen Hypoxie/Ischämie führen, die ihrerseits morphologische Ausfallserscheinungen am Gehirn auslöst.
Medikamente
Meperidin Als synthetisches, narkotisch wirkendes Analgetikum wurde in den 70er Jahren Meperidin (1-Methyl-4-phenyl-1,2,3,6-tetrahydropyridin [=MPT], Demorol) entwickelt. Es wurde illegal zusammen mit Heroin als Rauschmittel verwendet. Dieses Medikament führt zu einem Parkinson-Syndrom, das offenbar durch einen medikamentenbedingten neuronalen Ausfall in der Substantia nigra und im Striatum bedingt ist. MPT ist in den Stoffwechsel katecholaminerger Neurone involviert. Das Enzym Monaminoxidase B entwickelt einen toxischen Metaboliten, der sich in der Zelle anreichert und dort gespeichert wird.
Diphenylhydantoin Der Wirkstoff Diphenylhydantoin (Phenytoin) findet seit Jahrzehnten Anwendung als Antiepileptikum. Klinisch treten bei chronisch überdosierter Applikation Tremor, Ataxie, Doppelbilder sowie Schwindel und Erbrechen auf. Diese Symptome sind reversibel. Morphologisch kann bei Überdosierung eine Rindenatrophie des Kleinhirns mit Schwund der Purkinje- und Körnerzellen auftreten [44], zusammen mit einer Gliose in der Molekularschicht. Bezüglich der Pathogenese wurde lange diskutiert, ob es sich ausschließlich um hypoxisch bedingte, im Krampfanfall entstandene Schäden handelt. Seit einiger Zeit geht man davon aus, dass das Diphenylhydantoin primär neurotoxisch wirksam ist [260].
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Enzephalopathie mit Bewusstseinsverlust [135] und zu einer Asystolie. Neuropathologische Befunde sind bisher rar. In einem Fall wurde eine diffuse Markschädigung bei weitgehend intakter grauer Substanz beschrieben [189], in einem anderen Fall ein Hirninfarkt [246].
Antiprotozoenmedikamente Chloroquin Die Chloroquin enthaltenden Pharmaka sind lysosomotrop und finden als Medikamente bei der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen und Malaria Anwendung. Der amphiphile Charakter wirkt sich membranstabilisierend aus, ist aber auch Ursache einer Nebenwirkung, die das Chloroquin gemeinsam mit einer Reihe anderer amphiphiler Substanzen hat, so den trizyklischen Neuroleptika, den Cholesterolsynthesehemmern (Triparanol), dem Appetitzügler Chlorphentermin und dem Herzmittel Perhexilin [54]. Klinisch werden Zeichen einer Polyneuropathie erkennbar; bei akuter Intoxikation werden exogene Psychosen beobachtet, zusammen mit Zwangshandlungen und Phobien. Todesfälle wurden nicht beschrieben. Morphologisch sind Zeichen einer experimentellen Neurolipidose (Speicherungsdystrophie) charakteristisch. Man findet in den Nervenzellen – mit Schwerpunkt Spinalganglien – membranöse Schichtungskörper vom Typ multilamellärer Körperchen oder auch lamellär oder hexagonal angeordnete kristalloide Einschlüsse [119]. Das Bild ähnelt der GM2-Gangliosidose bzw. der neuroviszeralen Zeroidlipofuszinose (vgl. S. 586).
Tryptophan Clioquinol L-Tryptophan wurde u. a. zur Behandlung von Depressionen, prämenstruellen Syndromen und bei Entzugsbehandlung appliziert. 1989 wurden als Folgen der Einnahme schwere Myalgien und eine Eosinophilie beobachtet (eosinophiles Myalgiesyndrom), zusammen mit zahlreichen anderen Symptomen (Gesichtsödem, sklerodermieähnliche Hautveränderungen, Myopathie, pulmonale Manifestationen usw. [30]). Im Zentrum stehen Symptome einer Polyneuropathie (vgl. S. 586).
Salizylate Die Einnahme erfolgt wegen großer Schmerzen oder in suizidaler Absicht bzw. akzidentell bei Kindern. Bei Überdosierung kommt es infolge einer Stoffwechselentgleisung mit fulminantem Leberausfall zu einer metabolischen
Clioquinol wurde medizinisch zur Behandlung von Diarrhöen durch Amöben, Lamblien und Shigellosen angewandt. In Japan wurden nach chronischer Behandlung von Diarrhöen Zeichen einer subakuten myelooptischen Neuropathie (SMON) beschrieben [137]. Diese Krankheit trat epidemisch auf. Klinisch sind führende Symptome: eine Abnahme des Sehvermögens, Hinterstrangataxie, Zeichen einer Pyramidenbahnläsion und sensomotorische Ausfälle zusammen mit Blasenstörungen. Pathogenetisch handelt es sich um eine zentrale distale Axonopathie [213], wobei eine Störung des axonalen Transports als Ursache erörtert wird [240]. Morphologisch dominierend sind Ödemveränderungen in Groß- und Kleinhirn mit Gliose. Entmarkungsherde finden sich im N. opticus und im Bereich der Hinterstränge sowie der Vorder- und Seitenstränge des Rückenmarks.
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Kapitel 14
Intoxikation
Zytostatika Nicht nur in den hier aufgeführten Zytostatika, sondern sicher auch in allen übrigen hochpotenten Medikamenten dieser Arzneimittelgruppe sind Einwirkungen auf das ZNS zu beobachten. So wurde u. a. neuerdings bekannt, dass das Medikament Rituximab ursächlich für eine progressive multifokale Leukoenzephalopathie ist (2008, Dtsch Ärztebl 105: A 1866).
Methotrexat
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Methotrexat ist ein Folsäureantagonist und wird als Zytostatikum, besonders bei der Behandlung von Leukämien, verwendet. Zur Heilung von Leukämien findet Methotrexat u. a. intrathekal Anwendung, in Kombination mit kranialer und kraniospinaler Bestrahlung. Im Rahmen dieser kombinierten Behandlung kann eine neurale Schädigung auftreten. Auch eine intravenöse Applikation von Methotrexat in ausreichend hoher Dosis kann bereits neurotoxisch wirken. Eine Applikation während der Schwangerschaft kann zu einer zytostaischen Embryoapathie führen, mit der Folge einer schweren Hirnschädigung, die einer massiven hypoxischen Schädigung gleichzusetzen ist [163]. Akut können klinisch vorübergehend Zeichen der Verwirrtheit, Lethargie und Kopfschmerzen auftreten. Als Folge einer chronischen Behandlung werden Müdigkeit, Reizbarkeit, Ataxie und Verwirrtheit beobachtet, und hin und wieder auch eine Spastik. Morphologie. Nach intraventrikulärer Methotrexatapplikation kann eine Leukenzephalopathie beobachtet werden, die überwiegend periventrikulär lokalisiert ist, oder multifokal mit Koagulationsnekrosen [221] und Axonschwellungen einhergeht (Abb. 14.4a,b). Nach intrathekaler Applikation in Verbindung mit einer Bestrahlung kann eine Entmarkung auftreten sowie die Kombination einer disseminierten Nekrose mit extensiver Entmarkung, besonders im Centrum ovale [203]. Es ist auffällig, dass keine wesentliche Zellreaktion zu beobachten ist.
a
b Abb. 14.4a,b Methotrexatintoxikation mit periventrikulärer Entmarkung
tin zu beobachten ist. Die Substanzen dürfen weder intraventrikulär noch intrathekal appliziert werden. In Einzelfällen einer versehentlichen Fehlapplikation ist es zu subakuten Todesfällen gekommen. Morphologie. Überwiegend finden sich Zeichen einer axonalen Degeneration mit Vermehrung von Neurotubuli und Neurofilamenten. Bei intrathekaler Applikation treten Zeichen der primären Zellreizung und Zelltoxizität mit ausgeprägter Aggregation von Neurofilamenten auf und führen über ein subpiales und subependynäres Ödem – im Intervall – zum Tode [269].
Vincristin und Vinblastin Sowohl Vincristin als auch Vinblastin sind Spindelinhibitoren, die eine Störung der Zellteilung in der Metaphase bewirken. Durch gleichzeitige Affinität zu Mikrotubuli kommt es zu einer Hemmung des axoplasmatischen Transports [39] und es entwickelt sich eine Aggregation der Mikrotubuli innerhalb des Axons. Klinisch dominierend ist eine sensomotorische, periphere Neuropathie, die besonders bei intravenöser Applikation von Vincris-
Alkohol Metabolismus Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland geht man von 4,5 Millionen Alkoholabhängigen und ca. 40.000 Alkoholtoten im Jahr aus. Als Todesursachen wurden nach Schmidt und DeLint [235] festgestellt: Leberzir-
Alkohol
rhose, Krebserkrankungen des Magens und des oberen Verdauungstrakts, Apoplexie, Selbstmord und Unfall. Der über den Magen-Darm-Trakt zugeführte Alkohol diffundiert aus dem gastrointestinalen Kompartiment in das Blutgefäßsystem. Der Abbau des Alkohols erfolgt enzymatisch über 4 Wege – überwiegend über die Leber: • Alkoholdehydrogenase, • mikrosomales alkoholoxidierendes System, • Katalase, • Bindung an Glukuronsäure. Die Alkoholdehydrogenase (ADH) steht dabei ganz im Vordergrund. Sie baut den Alkohol oxidativ zu Azetaldehyd ab, das seinerseits durch die Azetaldehyddehydrogenase oxidativ zu Essigsäure abgebaut wird. Der Hauptabbau des Alkohols läuft über diesen Weg, wobei die ADH-Familie eine größere Anzahl von Isoenzymen und ein atypisches Enzym umfasst [264]. Der genetisch angelegte Enzymbesatz bestimmt ebenso wie die Enzymaktivität die Abbaurate. Bei Asiaten – im Vergleich zu Europäern – ist die atypische ADH bei bis zu 90% der Bevölkerung vertreten, womit eine deutlich geringere Alkoholverträglichkeit verbunden ist [4]. ADH kommt überwiegend in der Leber vor, jedoch auch in anderen Organen – so u. a. im ZNS. Während die ADH der Leber stimulierbar ist [188] – sog. adaptive Abbaubeschleunigung –, ist die Azetaldehydhydrogenase in ihrer Adaptivität eingeschränkt. Insofern kommt es durch Erhöhung der Alkoholdosis vor allem zu einer Anreicherung von Azetaldehyd im Blut, das im Vergleich zum Alkohol als deutlich toxischer anzusehen ist. Der Abbau von Alkohol im Körper erfolgt nahezu gradlinig (und nicht exponentiell) mit einer Geschwindigkeit von 0,15/h), überwiegend in der Leber. Der Alkohol verteilt sich im Gehirn in wässriger Lösung und lässt sich dort in einer Konzentration nachweisen, die etwa der Blutkonzentration entspricht. Da als wesentlicher toxischer Faktor das Aldehyd angesehen wird und da bekannt ist, dass dieser Metabolit nur bei sehr hoher Blutkonzentration auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann [100], stellt sich die Frage, wie sich erhöhte Azetaldehydspiegel im Hirngewebe erklären. Alkoholhaltige Getränke enthalten unterschiedliche Fuselöle, die toxisch auf zahlreiche Organsysteme wirken. Im Vordergrund stehen als Zielorgane die Leber und das kardiovaskuläre System [11], bei gleichzeitig bestehender negativer Beeinflussung der Organe des Magen-DarmTrakts und der Bauchspeicheldrüse. Der Tod kann jedoch auch ohne fassbare Organerkrankungen eintreten.
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Klinik Die akute Alkoholintoxikation (Übersicht: [26]) ist psychopathologisch gekennzeichnet durch den „Rausch“, der sich in 3 Stadien einteilen lässt: 1. Leichter Rausch, Blutalkoholkonzentration (BAK) 0,5– 1,5‰ bzw. 10,8–32,5 mmol/l = 50–150 mg/dl: allgemeine Enthemmung, Herabsetzung der psychomotorischen Leistungsfähigkeit, Koordinationsstörungen. 2. Mittelgradiger Rausch, BAK 1,5–2,5‰ bzw. 32,5– 54,2 mmol/l = 150–250 mg/dl: euphorische Glücksstimmung oder aggressive Gereiztheit, Verminderung der Selbstkritik, Befriedigung triebhafter Bedürfnisse, Gefährdung des Straßenverkehrs. 3. Schwerer Rauschzustand, BAK: >2,5‰ bzw. >54,2 mmol/l = >250 mg/dl: Bewusstseinsstörung, Verlust des realen Situationsbezugs, Desorientiertheit, illusionäre situative Verkennung usw. 4. Todesfälle einer akuten Alkoholvergiftung weisen einen Blutalkoholspiegel von 2,0–6,7‰ auf, in der Regel ab 4‰. Die Folge ist eine (zentrale) Ateminsuffizienz und konsekutive Herzinsuffizienz infolge einer Hypoxämie und eines verminderten venösen Rückflusses [189]. Der chronische Alkoholmissbrauch lässt sich durch folgende Kriterien definieren [227]: • abnormes Trinkverhalten, • somatische alkoholbezogene Schädigung, • psychosoziale alkoholbezogene Schädigung, • Entwicklung von Toleranz und Entzugssyndrom (körperliche Abhängigkeit), • Entzugssymptom auf subjektiver Ebene (psychische Abhängigkeit). Lange Zeit wurde der chronische Alkoholiker ausschließlich durch sein Trinkverhalten und die damit verbundene soziale Veränderung gekennzeichnet. Klinische Ausfallserscheinungen treten zumeist erst später auf. Die neurologischen Ausfallserscheinungen sind durch folgende Krankheitsbilder charakterisiert: Alkoholische Enzephalopathie: Dieses Krankheitsbild ist assoziiert mit Demenz sowie innerer und äußerer Hirnatrophie – vor allem mit einer Atrophie von Frontalund Temporallappen, einer Kleinhirnatrophie – sowie mit einer alkoholischen Epilepsie. Wernicke-Korsakow-Syndrom: Etwa 3–5% der Alkoholiker sind durch diese psychopathologische Symptomatik betroffen. Die Krankheit ist durch Thiaminmangel bedingt und es entwickeln sich sukzessive – allerdings in unterschiedlicher Reihenfolge – folgende Symptome [241]: • Augenmuskellähmung mit Pupillenstörung und Gangunsicherheit, • leichte delirante Symptome, • Korsakow-Psychose mit Verlust des Altgedächtnisses, Verminderung der Spontaneität, Konfabulation und Störung der Konzentration.
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Kapitel 14
Delir und Halluzinose: In Kombination mit den genannten Störungen – aber auch unabhängig davon – kann es zur Ausbildung deliranter Zustände kommen wie auch zur Halluzinose mit Parästhesien bzw. taktilen Halluzinationen [73, 74], wobei kleine fadenziehende Tiere beschrieben werden. Ferner können sich schizophrenieähnliche Psychosen entwickeln. Anfallsleiden: Die gehäuft bei Alkoholikern beobachteten hirnorganischen Anfälle (Grand mal) werden in 7,8% der Fälle [270] bzw. in 5–35% der Fälle [150] beschrieben und können sowohl nach exzessivem Alkoholgenuss wie auch im Entzug beobachtet werden [19]. Zum Teil ist das Anfallsleiden jedoch assoziiert mit zerebralen Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas, das im Zusammenhang mit dem Alkoholismus (traumatisch durch Sturz oder durch tätliche Auseinandersetzung) entstanden sein kann.
Entzugssyndrom
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Nach akutem Alkoholentzug können sich folgende Symptome entwickeln [76]: • Symptome des perzeptiven/kognitiven Systems (zuzuordnen den kortikalen Strukturen): Nausea, Tinnitus, Sehstörungen, Parästhesien, optische, akustische oder taktile Halluzinationen, motorische Unruhe; • affektive Störungen (dem limbischen System zuzuordnen): Tremor, vermehrte Schweißausbrüche, Depression, Angst; • Störungen der Bewusstseinslage, des Kontakts, des Ganges usw. (dem Hirnstamm zuzuordnen); • Anfallsleiden (s. oben); • Delirium tremens [237]. Das Delirium tremens ist definiert im Sinne einer generalisierten, akuten, vorübergehenden, organischen Krankheit des höheren Nervensystems mit Einschränkung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit (ICD 10). Damit verbunden ist eine erhöhte Mortalität, vor allem bei älteren Patienten [249]. Die Pathogenese ist nicht ausreichend geklärt. Es dürften generalisierte Stoffwechselstörungen kombiniert mit Kreislaufstörungen ursächlich sein, wobei u. a. Magnesiummangel und respiratorische Alkalose – als Folge einer Hyperventilation [255] – oder auch ein erhöhter Acetocholinspiegel bzw. eine Aktivierung des gesamten cholinergen Systems eine Rolle spielen dürften [237]. Pathologisch-anatomische Studien liegen nur vereinzelt vor und zeigen allenfalls unspezifische Veränderungen bzw. auch nur die alkoholtypischen Läsionen [102].
Intoxikation
Pathologie Akute Alkoholintoxikation Die pathologisch-anatomischen Veränderungen nach akuter Alkoholzufuhr sind unspezifisch und gekennzeichnet durch ein Hirnödem sowie eine Kongestion. Folgender pathophysiologischer Ablauf lässt sich diesem morphologischem Bild zuordnen: Infolge einer zentralen Atemlähmung kommt es zu einem Rückstau von Blut in der rechten Herzkammer mit der Folge eines akuten Rechtsherzversagens. Die Kongestion erklärt sich zusätzlich über eine Vasomotorenlähmung, die zu einer Hyperämie führt, wobei dieses Geschehen möglicherweise auch auf eine Anreicherung von Azetat im Gehirn zurückgeführt werden kann [218]. Die Folgen sind neben der Stauung zusätzlich nachweisbare perivaskuläre Blutaustritte, insbesondere periventrikulär. Neuronale Veränderungen sind in der Regel zwar nicht zu beobachten, aber immer eine Hirnvolumenvermehrung [85].
Chronische Alkoholintoxikation In einer groß angelegten Studie [242] wurden bei 127 chronischen Alkoholikern neuropathologische Untersuchungen durchgeführt, wobei sich in rund 50% der Fälle ein alkoholassoziierter Befund erheben ließ: zerebellare Atrophie (37%), Wernicke-Enzephalopathie (14%), zentrale pontine Myelinolyse (2 Fälle), hepatogene Enzephalopathie (1 Fall). Diese Veränderungen traten bei Frauen und Männern gleichermaßen auf (s. a. [139]). Neben den unten aufgeführten, eher spezifischen alkoholbedingten Veränderungen des Gehirns muss auf sekundäre pathologische Prozesse verwiesen werden, die für einen chronischen Alkoholiker ein erhöhtes Risiko darstellen: • Traumatische Hirnschäden können durch alkoholbedingte motorische Unsicherheit sowie auch durch das Milieu bedingt sein. • Vaskuläre Schäden, insbesondere Schlaganfälle, werden bei Alkoholikern gehäuft beobachtet, wobei es sich jedoch offenbar überwiegend um ischämische Nekrosen – nicht jedoch um hämorrhagische Infarkte – handelt [79]. • Intrazerebrale Blutungen sind Folge eines erhöhten Blutdrucks und einer Leberfunktionsstörung mit Gerinnungsstörungen. • Insuffizienz des Immunsystems als Folge einer mangelhaften Ernährung. Die chronische Alkoholintoxikation stellt nahezu regelmäßig das Mischbild eines neurotoxischen Effekts von Alkohol mit sekundären Struktur- und Funktionsstörungen
Alkohol
dar – in der Regel als Folge gleichzeitiger Veränderungen im Sinne von: 1. Verdauungsstörungen mit konsekutivem Vitaminmangel. So stehen kausalgenetisch u. a. der Thiaminmangel sowie die zentralen Veränderungen im Rahmen einer hepatischen Enzephalopathie im Vordergrund der sekundären Folgeerscheinungen. 2. Der Thiaminmangel ist bedingt durch eine zu geringe oder falsche Nahrungsaufnahme, nicht ausreichende Absorption und/oder Abnahme der Phosphorylierung des Enzymkofaktors des Vitamins (Thiaminpyrophosphat, TPP). So lässt sich eine signifikante niedrigere Aktivität des TPP-abhängigen Enzyms im zerebellaren Wurm (Vermis) alkoholischer Patienten nachweisen [33]. 3. Besteht eine alkoholisch oder anders verursachte Leberzirrhose, so lassen sich nahezu regelmäßig Astrozytenveränderungen beobachten, im Sinne sog. Alzheimer-II-Astrozyten, vor allem im Putamen, sowie Alzheimer-I-Astrozyten und Opalsky-Zellen (s. S. 391f). Eine Analyse der alkoholspezifischen Hirnschädigung erfolgte durch Harper [86], der als primär alkoholtoxischbedingte Folgen beschreibt: • Marklagerschädigung mit innerer und äußerer Hirnatrophie; • Nervenzellverlust der Großhirnrinde, des Hypothalamus und des Kleinhirns; • Dendriten- und Synapsenschäden zusammen mit rezeptor- und transmitterbedingten Veränderungen als frühes Äquivalent funktioneller und kognitiver Defizite. Als klinische Folgen können u. a. Demenz und ataktischmotorische Störungen auftreten – Symptome, die jedoch nicht in jedem Fall zu beobachten sind. Als strittig erwies sich die Frage, ob sich im Hippokampus neuronale Schäden entwickeln: Von einigen Autorengruppen wurden neuronale Schäden beim Menschen beschrieben (Literatur bei [21]), von anderen Autorengruppen verneint (Literatur bei [83]). Anzumerken ist ferner, dass ein Teil der funktionellen Ausfälle sowie auch der morphologischen Veränderungen bei Entzugsbehandlung reversibel sein können. Das gilt insbesondere für die „Hirnatrophie“. Es wird davon ausgegangen, dass eine partielle Regeneration im Sinne einer erneuten Dendritenaussprossung, Rearborisierung und Bildung neuer Synapsen stattfindet [223], was offenbar auch innerhalb von 2 Wochen möglich zu sein scheint [139]. Diffuse Hirnveränderungen
Es handelt sich um unspezifische Hirnveränderungen mit Atrophie von Rinde und weißer Substanz (Abb. 14.5a,b,d), woraus u. a. eine Gewichtsreduktion des Gehirns resultiert – beim Mann im Mittel von 1430 g auf 1350 g [92]. Wie gezeigt werden konnte, besteht eine Ab-
383
hängigkeit der Atrophie von der Trinkmenge und der Dauer der Alkoholabhängigkeit [82]. Die Atrophie beruht einerseits auf einer Reduktion des präfrontalen Marklagers [122] sowie einer Reduktion u. a. des Corpus callosum [90]. Es ist davon auszugehen, dass das Marklager gegenüber Alkohol generell vulnerabler als die graue Substanz ist [80]. Die Atrophie erwies sich jedoch z. T. als reversibel (s. oben), wobei u. a. jedoch auch eine bestimmte Dauer der Entzugsbehandlung Voraussetzung ist [244]. Im Detail lässt sich zusätzlich eine Reduktion neuronaler Elemente in der Großhirnrinde nachweisen, die jedoch offensichtlich vor allem bei Patienten mit einem Wernicke-Korsakow-Syndrom (s. unten) besteht [122]. Harper et al. [94] konnten eine Reduktion der Neurone im frontalen Kortex beobachten; offenbar waren vor allem die großen Pyramidenzellen betroffen [91]. Gesichert ist ferner eine Reduktion der Dendritenverzweigungen in der 3. Nervenzellschicht der Rinde sowie eine Abnahme der Dendriten-Spines in der 5. Nervenzellschicht [65]. Außerdem zeigte sich, dass sowohl die Gesamtzahl der Purkinje-Zellen wie auch deren Dichte abnimmt und dass dieses Phänomen offenbar dosisabhängig ist [112]. Alkoholtoxische Kleinhirnatrophie (Abb. 14.6a,b)
Pathologisch-anatomisch fand sich eine Atrophie der Kleinhirnrinde bei 26,8% bzw. bis zu 42% chronischer Alkoholiker [243], wobei eine Schrumpfung vor allem des vorderen oberen Wurms zu beobachten war. Die Atrophie beruhte auf einer Reduktion des Marklagers, einer Reduktion der Molekularschicht (Stratum moleculare) des Wurms und einer Abnahme der Purkinje-ZellDichte mit reaktiver Proliferation der Astrozyten, der Bergmann-Glia. Gleichzeitig lässt sich eine Reduktion der Dendritenverzweigung nachweisen [64]. Die Kleinhirnatrophie ist klinisch gekennzeichnet durch Ataxie und Koordinationsstörungen vor allem der unteren Extremitäten. Als wesentliche Ursache für die Kleinhirnatrophie wird der Thiaminmangel angesehen [2]. Wernicke-Korsakow-Syndrom
Sowohl aus Sicht der Klinik als auch der Pathologie sind die Übergänge zwischen dem Wernicke- und dem Korsakow-Syndrom fließend; beide Veränderungen müssen als Folge einer Alkoholintoxikation in Kombination mit Thiaminmangel erklärt werden, ebenso wie eine gleichzeitige Mikroglia- und Astrogliaaktivierung. Zu unterscheiden sind ein akuter und ein mehr chronischer Verlauf. Der eher seltene akute Verlauf ist durch eine Kombination von Desorientiertheit, Verwirrtheit und vegetativen Ausfällen gekennzeichnet, mit schlechter Prognose. Makroskopisch wie mikroskopisch lassen sich frische, z. T. reaktionslose kapilläre Blutungen nachweisen, die betont in den Corpora mamillaria, jedoch ebenso in den paraventrikulären Nuklei, besonders im Nucleus supraopticus und in der Vierhügelplatte (Lamina quadri-
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Kapitel 14
Intoxikation
b
a
c
d
e
14
Abb. 14.5a–e Chronische Alkoholvergiftung. a Rindenatrophie; b Atrophie ist teilweise bedingt durch Abnahme der Nervenzelldichte und sekundäre Gliose (HE, Vergrößerung x200); c atrophische, dunkelbraun verfärbte Corpora mamillaria sowie extremer
Hydrocephalus internus und deutliche Balkenatrophie; d Atrophie auch der subkortikalen weißen Substanz, die allerdings – eher selten – verbunden ist auch mit einer zystischen Entmarkung (e)
gemina) [40] auftreten und hier zu einer Atrophie führen (s. Abb. 14.5c). Im chronischen Verlauf treten ebenso die oben genannten klinischen Symptome auf. Morphologisch lassen sich folgende Veränderungen antreffen: Makroskopisch dominieren neben einer Hirnatrophie infolge einer Reduktion der grauen (Abb. 14.5a,b) und weißen (Abb. 14.5d,e) Substanz, atrophische, braun gefärbte Mamillarkörper (Abb. 14.5c) sowie periventrikuläre Blutungen unterschiedlichen Alters auf Höhe des 3. und 4. Ventrikels so-
wie des Aquädukts [97]. Mikroskopisch findet sich in den Mamillarkörpern eine Gewebeauflockerung mit Astrogliose und massiver Kapillarproliferation bei Nachweis von Siderophagen. Gleichzeitig besteht eine Reduktion der Synapsen und Dendriten [87]. Bei den Gefäßveränderungen handelt es sich um eine Gefäßdilatation und Schwellung der Endothelien sowie eine fibrinoide Degeneration, wobei selektiv Arteriolen und Kapillaren betroffen sind [169]. Die neuronalen Elemente sind überwiegend gut erhalten, mit Ausnahme der oberen fronta-
Alkohol
385
len Assoziationsrinde, des Hypothalamus und des Kleinhirns. In einem Großteil der Fälle finden sich neuronale Veränderungen auch in den thalamischen Kernen (in 53–100% der Fälle [88]), wobei u. a. perineuronale Vakuolen und offenbar degenerierende Neurone, z. T. mit eosinophiler Zellveränderung und Zytoplasmavakuolisierung in Folge eines exzitatorischen Prozesses zu beobachten sind. Alle genannten Veränderungen lassen sich experimentell u. a. durch eine Reduktion der Thiamin(Vitamin-B1-)Zufuhr erzeugen und sind bei chronischen Alkoholikern durch eine enterale Resorptionsstörung bei alkoholischer Gastroenteritis erklärbar. a
Zentrale pontine Myelinolyse
b Abb. 14.6a,b Chronische Alkoholvergiftung. Kleinhirnrindenatrophie, betont im oberen Wurmbereich, a makroskopisch und b mikroskopisch, mit Atrophie der Molekularschicht und Reduktion der Purkinje-Zellen (Kresyl, Vergrößerung x300)
a Abb. 14.7a,b Zentrale pontine Myelinolyse. a Makroskopie mit zentraler zystischer Nekrose; b Mikroskopie mit zentraler Entmarkung
Primär ursächlich ist offenbar nicht die Zytotoxizität von Alkohol allein, sondern eine sekundäre Elektrolytverschiebung im Sinne einer Hyponatriämie [57] – oder aber diese pathologischen Veränderung tritt als Folge einer raschen klinischen Korrektur einer Hyponatriämie oder in einer Kombination mit anderen Faktoren auf [28, 157]. Insofern ist diese morphologische Veränderung nicht als spezifisch für eine Intoxikation durch Alkohol anzusehen. Es handelt sich morphologisch um einen gliös-myelinolytischen Prozess, der bevorzugt im rostralen zentralen Brückenfuß zu beobachten ist. Makroskopisch ist das Geschehen durch eine scharf begrenzte symmetrische Entmarkung der zentralen pontinen Anteile, überwiegend in der Umgebung der Raphe, gekennzeichnet (Abb. 14.7a, s. auch [241]). Mikroskopisch handelt es sich um einen selektiven Entmarkungsprozess mit erhaltenen Neuronen und Axonen bei Schwund der Oligoden-
b (Luxol-fast-blue, Vergrößerung x10). (Die Fotografien wurden dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von Prof. M. Tsokos, Berlin)
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Kapitel 14
drozyten (Abb. 14.7b). Eine Vermehrung der Makrophagen in Kombination mit einer spongiösen Auflockerung ist erkennbar. Klinisch stehen pseudobulbär-paralytische Symptome wie Dysphagie, Dysarthrie und Schlucklähmung im Vordergrund. Das Krankheitsbild kann übergehen in Tetraparesen und in eine Enthirnungsstarre [22], wobei die kausalgenetische Diagnose klinischerseits meist nicht gestellt wird. Marchiafava-Bignami-Syndrom
Es handelt sich um ein ausgesprochen seltenes Krankheitsbild, das ausschließlich bei Alkoholikern, insbesondere bei italienischen Rotweintrinkern, aber auch bei japanischen Reisweintrinkern, zu beobachten ist [28]. Makroskopisch lässt sich zum Teil eine streifenförmige Grautönung des Balkens erkennen, mit einer Gewebeauflockerung, die ähnlich strukturiert ist wie bei der zentralen pontinen Myelinolyse. Mikroskopisch handelt es sich um eine Entmarkung im Balken mit Übergriff auch auf das tiefe frontoparietale Marklager.
Intoxikation
chronischen Alkoholismus darstellt: Zwar fanden sich nur bei 9% von 1030 hospitalisierten Alkoholikern klinische Ausfallserscheinungen im Sinne einer Polyneuropathie [256], aber nach anderen Untersuchungen bestehen in 93% der Fälle bereits EMG-Veränderungen [45]. Alkoholische Myopathie
Die alkoholische Myopathie (s. auch Kap. 34, S. 779) tritt bei etwa 46% ambulanter [250] bzw. 60% stationärer chronischer Alkoholiker auf [140a]. Sie ist offensichtlich Folge einer direkten myotoxischen Wirkung des Alkohols. Akut kann es zu einer Muskelfasernekrose kommen [78], wobei vor allem die proximalen Muskeln der Extremitäten (symmetrisch, asymmetrisch oder fokal) betroffen sind. Die Typ-I-Fasern sind offenbar selektiv vulnerabel. Subjektiv wird neben motorischen Störungen vor allem über Schmerzen geklagt. Eine chronische Intoxikation führt aber auch zu einer Atrophie der Typ-II-Fasern, bei der Muskelschwäche und Atrophie im Vordergrund stehen [78].
Alkoholische Myelopathie
14
Es liegen nur Einzelfallbeschreibungen vor [205]; aus klinischer Sicht stehen spastische Paraparesen und eine Blasenlähmung im Vordergrund. Nahezu regelmäßig sind Leberschäden nachweisbar, die auch für sich genommen ursächlich sein können. Sage et al. [205] schildern jedoch auch Fälle ohne Leberschädigung und Vitaminmangel, so dass eine primär alkoholtoxische Wirkung zu erörtern ist. Ursächlich wird neben der chronischen Alkoholintoxikation vor allem ein Vitamin-B12- und Nikotinsäuremangel erörtert. Es entwickelt sich eine Degeneration der Vorderhornzellen, wobei u. a. auch – oder zusätzlich – Folgen einer aufsteigenden Waller-Degeneration bei primärer peripherer Neuropathie diskutiert werden [257]. Neuropathie des autonomen Nervensystems
Nach detaillierten Untersuchungen wurde in 16% von 30 untersuchten Fällen eine isolierte parasympathische Neuropathie und in 20% der Fälle eine kombinierte parasympathische und sympathische Neuropathie beobachtet [107]. Morphologisch konnte eine signifikante Reduktion der Dichte myelinisierter Nervenfasern im distalen Anteil des N. vagus festgestellt werden, zusammen mit axonaler Degeneration und Dying-back-Veränderungen [263]. Ein plötzlicher, unerwarteter Tod von Alkoholikern mit gleichzeitig bestehender Wernicke-KorsakowSymptomatik kann u. a. bei Kombination mit diesen Veränderungen beobachtet werden [107]. Neuropathie des peripheren Nervensystems (Polyneuropathie)
Die Morphologie wird in Kap. 21 (S. 579) beschrieben. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass die alkoholische Neuropathie eine der häufigsten klinischen Folgen eines
Alkoholische Feto- und Embryopathie Alkohol kann zytotoxisch und neurotoxisch bei Embryonen und Feten wirksam werden, da der Alkohol die BlutPlazenta-Schranke überschreitet und die Enzymsysteme beim Fetus bzw. beim Embryo noch nicht ausreichend ausgebildet sind [267]. Die Folgen sind vielfältig, wobei eine Abhängigkeit vom Zeitpunkt der intrauterinen Schädigung besteht (fetales Alkoholsyndrom, FAS). Als Folgen werden u. a. beschrieben: intrauterine Hypotrophie, kraniofaziale Dysmorphie, extrakranielle Skelettfehlbildungen [200]. Am Gehirn wurden Migrationsstörungen mit neuroglialen Heterotopien und Hydrocephalus internus festgestellt [176]. In umfangreichen experimentiellen Untersuchungen fand man vor allem Migrationsstörungen am Kleinhirn [259]. Wisniewski et al. [272] beschreiben die neuropathologischen Veränderungen der alkoholischen Feto- und Embryopathie wie folgt: • Mikroenzephalopathie, • Hydrozephalus, • zerebellare Missbildungen, • Agenesie des Balkens und der Commissura anterior, • Hypoplasie des N. opticus, • Verlust oder Mangel an retinalen Ganglienzellen, • meningeale glioneuronale Heterotopie, • neuronale Mikrodysplasie. Zwischenzeitlich ist bekannt, dass durch Alkohol – zumindest im Tierversuch – intrauterin ein massiver Zelltod mit Absterben von mehreren Millionen Nervenzellen eintritt. Offenbar erfolgt der Nervenzelltod über die Blockierung des NMDA-Rezeptors und die Aktivierung des GABA-Rezeptors [103].
Rauschdrogen
Rauschdrogen Rauschdrogen sind zunehmend verbreitet und stellen ein großes soziales, ökonomisches, psychologisches und medizinisches Problem dar. Besonders die zunehmende Anzahl an jugendlichen Drogentoten führt zu erheblicher Diskussion in der Öffentlichkeit. Wenn auch im Folgenden jede Wirkstoffgruppe für sich beschrieben wird, so ist doch festzustellen, dass die meisten Drogenabhängigen polytoxikoman sind, d. h., sie nehmen als Drogen alles auf, was am Zentralnervensystem wirksam werden kann: anregende Substanzen wie Amphetamine, Kokain, sedierende Substanzen wie Alkohol, Codein, Morphin bzw. Heroin, Barbiturate, Benzodiazepine usw. – wie auch Halluzinogene wie LSD, Meskalin und zahlreiche andere Substanzen (Übersicht: [72]). Bekannt ist ferner, dass besonders in der Substitutionsbehandlung verwendete Substanzen wie Methadon, Codein und Dihydrocodein selbst toxisches Potential aufweisen und Drogenabhängige diese Substanzen in hochtoxischen Dosen aufnehmen, wobei u. a. die Kombination mit anderen, illegalen Drogen fatal wirken kann. Da in der Neuropathologie jedoch immer nur der Endzustand erfasst wird, ist es praktisch nie möglich, zu differenzieren, durch welche Substanz welche morphologische Veränderung entstanden ist. Tierversuche helfen in dieser Hinsicht vergleichsweise wenig. Überwiegend stellt sich in der Praxis ein morphologisches Endbild als Mischbild aus den Folgen zahlreicher subletaler Intoxikationen dar. Nichtsdestotrotz soll an dieser Stelle versucht werden, anhand der einzelnen Rauschdrogen die toxischen Folgeveränderungen darzustellen.
Amphetamin, Metamphetamin, Kokain Amphetamin, Metamphetamin (MDMA und MDEA) und Kokain sind stimulierende illegale Rauschdrogen. Intravenöse Applikation von hohen Dosen dieser Substanzen kann zum akuten Tod führen, wobei eine Korrelation zwischen Toleranz und Dosis besteht. Wie es zum Eintritt des Todes kommt, ist bisher im Einzelnen unbekannt; am ehesten ist an eine Kreislaufdysregulation zu denken. Diese aber wird verstärkt, wenn gleichzeitig eine körperliche Belastung besteht, z. B. Diskothekenbesuch mit extremen Tanzzeiten und Dehydration durch Schweißabsonderung. Klinik. Klinisch entsteht durch Missbrauch von Stimulanzien eine psychische Abhängigkeit. Als Folge kann eine akute Psychose auftreten, die große Ähnlichkeit mit der schizophrenen Psychose aufweist. Starkes Schwitzen, Blutdruckanstieg, Hyperaktivität, Erregungszustände, Krämpfe und Zyanose sind klinische Begleiterschei-
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nungen. Es kann zur Entwicklung von Delir sowie zu Arrhythmien und zum Kollaps kommen. Pathogenese. Alle drei Substanzen setzen mit ihrer Wirkung am peripheren und zentralen sympathischen Neuron an, wodurch es über eine Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin zu einer erhöhten Noradrenalinfreisetzung kommt, die eine Erregung des Zentralnervensystems – wie auch des vegetativen Nervensystems – zur Folge hat. Psychisch äußert sich die Intoxikation in einer Euphorie, erhöhter Risikobereitschaft, Omnipotenzgefühl und Enthemmung sowie somatisch in zahlreichen vegetativen Störungen [58], insbesondere eine Hyperthermie bei Metamphetamineinnahme [222]. Während Amphetamin synthetisch hergestellt wird, handelt es sich bei Kokain um einen Extrakt aus Kokablättern. Morphologie. Die Hirnveränderungen sind in der Regel unspezifisch und gekennzeichnet durch Ödem und Kongestion. In einzelnen Fällen kommt es zu Gehirnblutungen, die auf eine vorübergehende Blutdrucksteigerung zurückgeführt werden. Methamphetamin hat offenbar einen zusätzlichen neurotoxischen Effekt im Zusammenwirken mit reaktivem Sauerstoff und Stickstoff, wodurch es zu neuronalen Ausfällen über Nekrose und Apoptose kommt [46].
Crack Eine Zunahme der Todesfälle wurde in den USA nach Einführung der basischen Form des sonst als Hydrochlorid benutzten Kokains, des Crack, beobachtet [128]. Ferner wurden ursächlich auf Crack folgende Syndrome zurückgeführt: • Syndrome der vorderen Spinalarterien, • Syndrom der lateralen Medulla oblongata • ischämische Attacken im Versorgungsgebiet der A. cerebri media und der Basalarterie. Bei Vergleich einer Gruppe von Konsumenten von Kokainhydrochlorid mit Konsumenten von Crack konnte festgestellt werden, dass in der ersten Gruppe vor allem hämorrhagische Hirninfarkte auftraten, während in der zweiten Gruppe ischämische und hämorrhagische Infarkte gleichermaßen zu beobachten waren [151]. Auffällig war in der ersten Gruppe, dass die Hälfte aller Fälle mit zerebraler Blutung eine Blutung aus einem Aneurysma aufwies.
Cannabinoide (Haschisch und Marihuana) Der Wirkstoff (delta)9-Tetrahydrocannabinol wird vorwiegend durch Rauchen aufgenommen und führt
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Kapitel 14
zu einem vorübergehenden Rauschzustand. Dauerschäden des Zentralnervensystems wurden morphologisch nicht nachgewiesen, während andererseits diskutiert wird, ob nicht psychotische Episoden – oder gar Schizophrenie – durch Cannabinoid induziert werden [133].
Lösungsmittel („glue sniffing“)
14
Lösungsmittel sind u. a. in Benzin, Klebstoffen, Reinigungs- und Lösungsmitteln, Lacken usw. enthalten und im Handel unschwer käuflich erwerbbar. Es handelt sich vor allem um die Wirksubstanzen Benzin, Benzol, Toluol, Xylol, Styrene und Trichlorethylen. Werden diese Lösungsmittel eingeatmet, evtl. mittels einer über den Kopf gestülpten Plastiktüte, dann entwickeln sich rauschähnliche Zustände. Die Einatmung der Lösungsmittel kann aber auch unbeabsichtigt während eines Arbeitsprozesses stattfinden. Die Lösungsmittel können zu einer Enzephaloneuropathie führen mit Persönlichkeitsänderung und Demenz, wobei sich zunächst ein psychoorganisches Syndrom entwickelt, bestehend aus Erinnerungsstörung, Störung von Intelligenz und Emotionen [186]. Überwiegend sind die Störungen reversibel. Eindeutige Todesfälle wurden nicht beschrieben, aber Einzelfälle mit Beschreibung einer diffusen Hirnatrophie [209], zerebellaren Dysfunktion [136] sowie einer Leukenzephalopathie von Groß- und Kleinhirn mit Entmarkung [121].
Meskalin und Lysergsäurediäthylamid (LSD) Beide Substanzen werden von Drogenabhängigen verwendet, wirken auf das Zentralnervensystem und entwickeln eine zunehmende Toleranz. Primäre Todesfälle infolge einer Intoxikation sind bisher nicht bekannt geworden. Allerdings kann infolge der Wirkung dieser Substanzen eine Fehlhandlung erfolgen, die zum Tode führt („Ich kann fliegen“ – woraufhin der Intoxierte vom Balkon springt). Neuropathologische Veränderungen wurden nicht bekannt.
Morphin und Heroin Morphin findet aufgrund des analgetischen Effekts vor allem im Rahmen der ambulanten und stationären Behandlung von schwersten Schmerzzuständen Anwendung. Heroin entspricht chemisch Diacetylmorphin und ist in der Wirkung dem Morphin ähnlich, wobei der analgetische Effekt geringer, der euphorisierende Effekt
Intoxikation
jedoch größer ist. Beide Substanzen können oral und parenteral eingenommen werden und sind relativ lange im Urin nachweisbar [190]. Heroin wird vor allem von Drogenabhängigen als harte Droge intravenös appliziert, wobei es u. a. durch unsauberes Spritzenbesteck ebenso wie durch Zugabe von Streckungsmitteln und „needle sharing“ zu Infektionen (Hepatitis, HIV) einerseits, andererseits auch zu heroinunabhängigen Intoxikationen und Symptomen kommen kann. In Abhängigkeit von der individuellen und aktuellen Toleranz, der Schnelligkeit der Anflutung und der Dosis kann sich akut ein Atemstillstand entwickeln. Pathogenese. Der Pathomechanismus ist bisher nicht eindeutig geklärt. Offenbar kommt es bei Überdosierung zu einer Überflutung des Gehirns mit Morphin, wodurch die Opiatrezeptoren des Atemzentrums akut blockiert werden, mit der Folge der Auslösung einer zentralen Atemlähmung. Der Rauschzustand wird über ein komplexes System hemmender und stimulierender Effekte auf das Transmittersystem erreicht. Die Konzentration der Wirkstoffe im Gehirn entspricht weitgehend der Blutkonzentration. Bei akuten Todesfällen ist sie im Kleinhirn größer als in der Medulla oblongata, während sich bei längerer andauernder Agonie das Verhältnis umkehrt [187]. Eine letale Dosis konnte bisher bei chronisch Drogenabhängigen nicht festgestellt werden, da extrem unterschiedliche Toleranzen bestehen; es ist aber davon auszugehen, dass Serumkonzentrationen oberhalb von 100 mg/ml – in der Regel – tödlich sind [146]. Morphologie. Beim akuten Tod werden als direkte Folge der Heroineinnahme eine Kongestion sowie ein Hirnödem erkennbar [195]. Erfolgte die Applikation eines Antidots (Nalorphin) oder eine künstliche Beatmung, so kann der Patient überleben, ohne geringste Zeichen von neurotoxischen Folgeveränderungen aufzuweisen. Bei längerer Überlebenszeit werden alle Zeichen einer generalisierten Hypoxie nachweisbar, z. T. mit Entmarkungsherden, so dass das Bild der intervallären Form der COVergiftung ähnelt [233] – im Sinne einer hypoxischen Enzephalopathie [166]. Bei chronischer i.v.-Drogenabhängigkeit lassen sich demgegenüber nahezu regelmäßig zahlreiche Folgeveränderungen antreffen, die für wiederholte Phasen eines Sauerstoffmangels sprechen. Hierbei handelt es sich um einen neuronalen Ausfall (Abb. 14.8a,b) mit lokaler Astrozyten- und Mikrogliavermehrungen, die besonders auffällig in der Hippokampusformation sind und die z. T. zusammen mit selektivem und segmentalem Nervenzellausfall in der CA1-Region des Ammonshorns sowie der Purkinje-ZellSchicht zu beobachten sind [166]. Immer wieder werden symmetrische Pallidumnekrosen (Abb. 14.8c) beobachtet [10], wie sie in gleicher Weise auch bei reiner CO-Intoxikation auftreten.
Biologische Gifte
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a
b
c
d
Abb. 14.8a–d Ischemische Enzephalopathie bei chronisch Drogenabhängigen. a Rindenatrophie des Großhirns bei einem 20-jährigen Drogenabhängigen, der eine akute Intoxikation 5 h überlebt hat;
Neben diesen unspezifischen Folgeerscheinungen wird in Einzelfällen auch eine Querschnittsmyelopathie bei Heroinabhängigen beschrieben [117]; überwiegend handelt es sich um schlaffe Paresen, die z. T. rückläufig sind. Ein morphologisches Äquivalent liegt nur in den seltensten Fällen vor: lokalisierte Auftreibung des Zervikalmarks (nachgewiesen im Myelogramm), unspezifische Nekrosen der grauen Substanz bzw. nekrotisierende Vaskulitis. Auffällig ist das Auftreten nach vorübergehendem Entzug, weshalb u. a. eine allergische Genese erörtert wird. Eine besondere Form der Schädigung ist das Auftreten einer Leukenzephalopathie. Sie wird vor allem nach Inhalation von Heroin, z. B. zusammen mit Zigaretteninhalation, beobachtet und wurde ausschließlich in Europa beschrieben, nicht jedoch in den Vereinigten Staaten [166]. Schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass eine der häufigsten – auch tödlichen – Spätkomplikationen des intravenös Betäubungsmittelabhängigen die HIV-Infektion ist, die sich in unterschiedlicher Form manifestieren kann (s. Kap. 11).
b Kleinhirnrindenatrophie; c bilaterale Markerweichung; d bilaterale Pallidumnekrose, wie sie besonders nach Inhalation von Heroin beobachtet wird
Biologische Gifte Pflanzen Es gibt eine große Anzahl an Pflanzen, die als „giftig“ bezeichnet werden. Dabei besteht hier – wie bei allen sog. giftigen Substanzen – eine Korrelation zwischen Dosis und Wirkung, so dass eine kleine Dosis sogar eine positive, evtl. sogar therapeutische Wirkung haben kann, während eine große Dosis tödlich ist (Übersicht [202]).
Pilze Pflanzliche Gifte finden sich u. a. in Pilzen, deren Verzehr klinisch teils gastrointestinale, teils zentralnervöse Ausfälle hervorrufen kann; morphologische Befunde im Zentralnervensystem wurden jedoch bisher nicht bekannt. Die Differentialdiagnose der Pilzvergiftungen ist der Übersicht von Flammer [69] zu entnehmen. Auf drei unterschiedliche Pilzarten sei verwiesen:
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Kapitel 14
• Der Genuss von Risspilzen oder Faserköpfen führt in wenigen Minuten bis zu einer Stunde zu einem Muskarinsyndrom mit starkem Schweißausbruch, Speichel- und Tränenfluss, Hitzegefühl, langsamem Pulsschlag, engen Pupillen und Sehstörungen. Differentialdiagnostisch muss an eine Vergiftung durch Phosphorsäureester gedacht werden. • Der Fliegenpilz ruft in wenigen Minuten bis zu 2 Stunden ein Pantherinasyndrom hervor, mit Müdigkeit, Taumel, Schwindel, Trübung des Bewusstseins bis zur Bewusstlosigkeit. Die Patienten wirken insgesamt verlangsamt; zum Teil fühlen sie sich euphorisch, gleichgültig und gelöst wie in einem Rauschzustand. Innerhalb von 15–24 h kann der Tod infolge eines Kreislaufversagens eintreten. Differentialdiagnostisch muss an einen Alkoholrausch bzw. Einnahme von Opiaten gedacht werden. • Beim Knollenblätterpilz kommt es in der 1. Phase (innerhalb von 6–24 h) zu gastrointestinalen Störungen mit erheblichem Wasserverlust und Oligurie; in der 2. Phase treten alle Zeichen einer akuten Leberdystrophie ein.
Algen
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Im Jahr 1987 erkrankten zahlreiche Einwohner in Kanada, nachdem sie gezüchtete Muscheln gegessen hatten. Hauptsymptome waren Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Desorientiertheit und länger anhaltende Erinnerungsstörungen. Die Krankheit wurde durch Demoinsäure verursacht, wobei es sich um eine Aminosäure handelt, die durch die einzellige Alge „Nitzschia pungens“ freigesetzt wurde und die angereichert in den Muscheln nachweisbar war [178]. Klinisch wurde in Einzelfällen eine Temporallappenepilepsie beobachtet [38]. Neuropathologisch konnten Schäden in der CA3-Region des Hippokampus nachgewiesen werden, mit ausgeprägter bilateraler Sklerose nach neuronalem Verlust in der CA1- und CA3-Region [34].
Tiere Auch Intoxikationen durch tierische Gifte können zentralnervöse Symptome verursachen, ohne dass jedoch bisher wesentliche neuropathologische Äquivalente nachweisbar wurden.
Schlangen Unter den Schlangen sind in Deutschland vor allem die Kreuzotter und die Aspisviper von Bedeutung, die im
Intoxikation
Wesentlichen Toxalbumine freisetzen, d. h. Hämolysine, Neurotoxine, Hämorrhagene, Koaguline, Proteasen und andere Enzyme. Die klinischen Folgen sind starke Schmerzen an der Bissstelle, mit entstehendem Ödem und dunkler Verfärbung, die sich rasch ausbreitet. In der Folge entstehen Schocksymptome sowie alle Zeichen einer vermehrten Blutungsneigung mit blutigem Erbrechen, blutigen Durchfällen, Abfallen des Blutdrucks und Hämolyse.
Fische Unter den Fischen sind aus Japan der Kugelfisch und der Blowfish bzw. Pufferfisch bekannt. Das Gift ist beim Kugelfisch vor allem in Galle und Leber (Tetrodotoxin) bzw. beim Pufferfisch in den Ovarien enthalten. Das Gift nimmt Einfluss auf die Natrium-Kalium-Pumpe in der Zellmembran und führt akut zu einer Unterbrechung der neuronalen Funktion mit Paralyse, Koma und Tod. Spezifische morphologische Veränderungen wurden nicht beschrieben. Bienengift kann in seltenen Einzelfällen eine Neuropathie verursachen [206]. Auch die Pfeilgiftfrösche („poison-dart frogs“) sind giftig über ihre Ausscheidung von Batrachotoxin, das sowohl auf das Herz als auch auf das Gehirn hochtoxisch wirkt [55]. Neuropathologische Befunde sind dem Autor bisher nicht bekannt.
Mikroorganismen (bakterielle Toxine) Vor allem anaerobe Sporenbildner (Chlostridium botulinum, Chlostridium tetani) bilden Toxine, die lebensgefährlich sein können und im ZNS u. a. ihr Zielorgan haben. Von Bedeutung ist daneben das Diphterietoxin. Chlostridium botulinum bildet ein Toxin, das bei 80 °C inaktiviert wird. Die Aufnahme erfolgt oral über Nahrungsmittel oder über Hautwunden. Das Botulinustoxin bindet sich an die peripheren cholinergen, präsynaptischen Axonendigungen und blockiert die Freisetzung von Azetylcholin [160]. Klinisch werden Kopfschmerzen, Schwindel und Paresen der Hirnnerven beobachtet. Morphologische Veränderungen wurden bisher nicht beschrieben. Chlostridium tetani produziert das Toxin Tetanospasmin, das bei 65 °C inaktiviert wird. Gerät das Toxin in Wunden, so kann es zur Toxämie kommen. Klinisch werden Übelkeit, Reizbarkeit, Kopfschmerzen und Spasmen der Gesichtsmuskulatur (Risus sardonicus) beobachtet. Der Tod kann durch Schock oder Ateminsuffizienz eintreten. Pathogenetisch handelt es sich um eine Bindung des Toxins an präsynaptische Bindungsstellen cholinerger Synapsen [184, 185], wobei das Toxin retrograd bis zu den Vorderhörnern gelangt.
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Metabolisch bedingte Intoxikation
Morphologisch finden sich ausschließlich unspezifische Veränderungen. Als charakteristisch werden die Zytoplasmavakuolen motorischer Vorderhornzellen beschrieben [156]. Das nichtsporenbildende Corynebacterium diphtheriae bildet ein Toxin, das stereospezifisch an Membranrezeptoren gebunden und durch Endozytose in das Zellinnere transportiert wird. Klinisch entwickelt sich das Bild einer Polyneuropathie, in einigen Fällen in Form einer aufsteigenden Lähmung vom Guillain-Barré-Typ. Morphologisch findet sich ein Markscheidenzerfall überwiegend im Bereich der peripheren Nerven bei relativ gut erhaltenen Axonen – vor allem im Bereich der Spinalganglien der hinteren Wurzeln – ohne Zeichen der Entzündung [111].
Metabolisch bedingte Intoxikation Funikuläre Spinalerkrankung Ätiologie und Pathogenese. Der wesentliche pathogenetische Faktor der funikulären Spinalerkrankung (funikuläre Myelose, „subacute combined degeneration of spinal cord“) ist eine B12-Hypovitaminose, entweder aufgrund eines Mangels an Intrinsic-Faktor (perniziöse Anämie, seltener Magenkarzinom) oder einer Anomalie im Ileum (Zöliakie, M. Crohn, M. Whipple, Resektion, Fischbandwurm). Sehr selten sind Folsäuremangel und Malnutrition die Ursache. Die Reduktion der B12-abhängigen Methioninsynthase und die dadurch beeinträchtigten Methylierungsreaktionen im Zentralnervensystem werden für die Demyelinisierung verantwortlich gemacht [210]. Klinik. Parästhesien, Hinterstrangsymptome, Spastik und abgeschwächte Muskeleigenreflexe sind neurologische Leitsymptome, die der megaloblastären Anämie vorausgehen können. Psychosen sind nicht selten. MRtomographisch stellen sich die spinalen Herde hypointens (T1) bzw. hyperintens und Kontrastmittel anreichernd (T2) dar. Morphologie. Unscharf begrenzte, zum Konfluieren neigende Herde finden sich in der weißen Substanz des Rückenmarks, können aber auch auf das Großhirn übergreifen. Bevorzugt betroffen sind die Hinterstränge, die spinozerebellären und Pyramidenvorderstränge, insbesondere zervikal und thorakal, während die graue Substanz in der Regel verschont bleibt. Histologisch bestehen Markscheidenzerfall mit lange persistierenden Fettkörnchenzellen und im Zentrum ein spongiöses Lückenfeld mit Sphäroiden. Die Gliareaktion ist in frischeren Stadien gering, doch können alte Herde fasergliotisch vernarben. In fortgeschrittenen Fällen kommt es durch Konfluieren
der Einzelherde zu ausgedehnteren Strangdegenerationen [58]. Die Spongiose beruht auf der Kombination einer spongiösen Myelinopathie mit einem interstitiellen Ödem [245].
Leber- und Nierenkrankheiten Hepatische Enzephalopathie Pathogenese. Wenn Nahrungsmittel aus dem Verdauungstrakt von der Leber nicht mehr vollständig verstoffwechselt werden, wird das Gehirn über portokavale Shunts mit toxischen Konzentrationen von Ammoniak, Phenol- und Indolderivaten, kurzkettigen Fettsäuren, essentiellen Aminosäuren und Methioninsulfoxid überflutet. Ein relatives Überwiegen der aromatischen über die verzweigtkettigen Aminosäuren im Serum führt zu veränderten Konzentrationen der Neurotransmitter, insbesondere zu einer Zunahme von Glutamat und Serotonin sowie auch der GABA- und Benzodiazepinrezeptoren [7]. Weiterhin wirken sich Hypoglykämie, Elektrolytund pH-Störungen ungünstig auf die Hirnfunktion aus, so dass die hepatische Enzephalopathie pathogenetisch ein multifaktorielles Geschehen darstellt. Klinik. Das Gehirn ist bei 15–30% der Leberkrankheiten beteiligt, insbesondere bei akuten Leberdystrophien verschiedener Genese und bei fortgeschrittener Leberzirrhose. Beim akuten Leberzerfall steht das rasch einsetzende Koma mit einer deliranten Initialsymptomatik und gelegentlichen Krämpfen im Vordergrund. Bei den chronischen Hepatopathien dominieren psychische Veränderungen (Affekt-, Gedächtnis-, Orientierungs- und Antriebsstörungen), „flapping tremor“ („Flügelschlagen“), zerebelläre und extrapyramidale Störungen sowie charakteristische EEG-Veränderungen. Morphologie. Grobspongiöse Veränderungen finden sich bei chronischen Hepatopathien bevorzugt im Neostriatum und im Zahnkern, aber auch in der Groß- und Kleinhirnrinde, besonders subpial und an der Rinden-MarkGrenze. Bei akuter Leberschädigung ist die Spongiose meist Ausdruck eines zytotoxischen Ödems, das hier mit nur gering ausgeprägten Astrozytenveränderungen assoziiert ist [265]. Für die astroglialen Veränderungen sind wahrscheinlich Ammoniak und Mangan verantwortlich [96]. Die folgenden Veränderungen sind in gleicher Weise auch bei chronischer Alkoholintoxikation, sekundär, bei einer gleichzeitig bestehenden Leberzirrhose zu beobachten (vgl. S 382ff.). Hierzu gehören Alzheimer-II-Glia, Alzheimer-I-Glia und Opalski-Zellen. Häufig findet sich Alzheimer-II-Glia (Leberglia) [48]: Diese für Hepatopathien typische, aber nicht spezifische Schädigungsform ist charakterisiert durch Vergröße-
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Kapitel 14
Intoxikation
an Nervenzellen, besonders deutlich in der PurkinjeZell-Schicht [48]. Sonstige seltene Veränderungen umfassen spongiöse Strangdegenerationen im Rückenmark oder Entmarkungsprozesse am peripheren Nerv. Die besonders bei akuter Leberschädigung vorkommenden Ischämiezeichen in der Groß- und Kleinhirnrinde sowie die intrazerebralen Blutungen vom Purpurabild bis zur Massenblutung besitzen eine andere Pathogenese als die eigentliche hepatische Enzephalopathie und beruhen auf hepatogenen Gerinnungsstörungen und damit verbundenen Schockzuständen. Abb. 14.9 Alzheimer-II-Glia (HE, Vergrößerung x1000)
Renale Enzephalopathien
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rung, zentrale Hypochromasie und häufig Kernwandhyperchromatose des Astrozytenkerns, der oval, nierenförmig oder gelappt sein kann. Intranukleär bestehen manchmal PAS-positive glykogenhaltige Einschlüsse, die von einer proteinhaltigen Kugelschale (Karyosphäridion) umgeben sein können [10]. Durch das Auftreten prominenter, häufig randständiger Nukleolen können die Zellen kleinen Neuronen ähneln. Zellfortsätze fehlen oder sind stark verklumpt (Klasmatodendrose); das Zytoplasma ist oft lipofuszinreich. Die Alzheimer-II-Glia tritt typischerweise in Gruppen von 2 (bis 4) Zellen auf (Abb. 14.9). Sie ist kräftig positiv für S-100-Protein, aber (im Gegensatz zu reaktiven Astrozyten) negativ oder nur schwach positiv für das saure Gliafaserprotein (GFAP) [116]. Man findet sie bevorzugt in den Stammganglien und in den unteren Schichten der Großhirnrinde, dagegen kaum in der weißen Substanz (diffuse gliale Poliodystrophie). Die Alzheimer-I-Glia unterscheidet sich von den in den Routinefärbungen „nackt“ erscheinenden Kernen der Alzheimer-II-Glia durch ihr gut angefärbtes, deutlich erkennbares und GFAP-positives Zytoplasma. Häufig sind monströse Kerne und mehrkernige Zellen. Die Alzheimer-I-Glia kann auch bei einer Vielzahl von nichthepatogenen Läsionen auftreten. Opalski-Zellen sind durch ein großes, ovales, feingranuläres oder gering schaumiges, PAS- und GFAPpositives Zytoplasma und einen kleinen, häufig peripher gelegenen Kern charakterisiert; es handelt sich wahrscheinlich um Degenerationsformen der Alzheimer-IGlia. Sie treten insgesamt selten auf und sind am häufigsten im Thalamus, im Pallidum und in der Substantia nigra bei chronischen Hepatopathien, insbesondere bei der Wilson-Krankheit, zu sehen. Die Oligodendroglia ist in ihrem Bestand gelichtet. Wie bei manchen beginnenden Entmarkungen sieht man elektronenmikroskopisch Filamentansammlungen, gelegentlich vermehrte Mikrotubuli und parakristalline Strukturen, den neuronalen Hirano-Körpern entsprechend. Im Tierexperiment zeigte sich ein 15%iger Verlust
Es geht hier – sinnentsprechend im Anschluss an die hepatische Enzephalopathie – um zerebrale Veränderungen bei Urämie und Dialysetherapie. Die Angiopathien bei renaler Hypertonie und die urämische Polyneuropathie werden in den entsprechenden Kapiteln (Kap. 10) abgehandelt.
Urämische Enzephalopathie Pathogenese. Eine eindeutige und als Hauptfaktor anzusehende Noxe ist nicht bekannt, doch unterstreicht die Besserung durch die Dialyse die Rolle niedermolekularer Substanzen. Von Bedeutung sind die verschlechterte Glukoseutilisation, eine Inaktivierung von Transmittern und zerebralen Enzymen, eine Beeinträchtigung der BlutHirn-Schranke sowie die verminderte Infektionsresistenz. Weitere pathogenetische Faktoren sind die Auswirkungen der chronischen Niereninsuffizienz auf Blutbildung, Gerinnung, Herzfunktion, Säure-Basen-Haushalt und Elektrolytregulation. Möglicherweise fungiert das Parathormon durch eine gesteigerte Aufnahme von Kalziumionen in die Zellen als Toxin. Beim akuten Nierenversagen sind Schockzustände zu beachten. Schließlich können sich Grunderkrankungen, die zur Urämie geführt haben, am Gehirn manifestieren, so z. B. der Diabetes mellitus oder Kollagenosen. Klinik. Fluktuierende psychische Symptome (Desorientiertheit, Insomnie, Stupor, Koma), zerebelläre und extrapyramidale Störungen und Krampfanfälle dominieren das Bild [31]. Morphologie. Häufig besteht makroskopisch ein Hirnödem mit Hirndruckzeichen, gelegentlich eine Purpura cerebri und nicht selten ein Subduralhämatom. Mögliche histologische Veränderungen sind vakuoläre oder geschrumpfte Neurone mit Kernpyknose, Alzheimer-II-
Metabolisch bedingte Intoxikation
Glia, Schwellungen der Oligodendroglia und geringe perivaskuläre Entmarkungen im Marklager (beim akuten urämischen Ödem), eine metastatisch-septische Herdenzephalitis und Gliaknötchen (bei gesteigerter Infektionsbereitschaft), hyaline oder fibrinöse Thrombenbildungen in den kleinen Gefäßen (bei Hyperkoagulopathie) sowie Blutungen und Nekrosen (bei Hypertonie). Terminale Körnerzellnekrosen des Kleinhirns sind häufiger als bei Kontrollen. Morphologische Veränderungen können bei der Urämie allerdings auch gänzlich fehlen. Insgesamt sind die histologischen Läsionen unspezifisch und inkonstant, so dass es scheint, als seien die Veränderungen sekundär. Ein spezifisches histologisches Korrelat der urämischen Enzephalopathie gibt es nicht.
Dialyseenzephalopathie (dialyseassoziierte Enzephalopathie, DAE) Pathogenese. Wahrscheinlich sind toxische Konzentrationen von Aluminium verantwortlich (s. 368f.), das offenbar weniger aus oral zugeführten Gelen, als (überwiegend) aus dem Dialysat stammt. Von der Dialyseenzephalopathie abzugrenzen ist das Disequilibriumsyndrom, das auf einem Hirnödem bei beschleunigter Dialyse beruht. Klinik. Psychoorganische Symptome bis zu Demenz, Dysarthrie, Myoklonien, Krampfanfällen und typische EEG-Veränderungen treten frühestens 2 Jahre nach Beginn der Dialyse auf und führen ohne Nierentransplantation meist innerhalb von 18 Monaten zum Tode. Nachdem dem Dialysat Aluminium entzogen worden war, ist die Krankheit selten geworden [31]. Morphologie. Beschrieben wurden Spongiose der oberen Rindenschichten, vor allem in den operkulären Anteilen des Frontal- und Temporallappens [271], geschrumpfte Neuronen, vermehrt Lipofuszin, axonale Sphäroide, Alzheimer-II-Glia und Mikrogliareaktion. Diese Veränderungen sind relativ diskret, unspezifisch und inkonsistent, wobei fraglich ist, ob sie die Ursache der ausgeprägten klinischen Symptome sind. Mit Hilfe verschiedener Silberimprägnationen fand man einerseits Neurofibrillenverklumpungen besonders in der Präzentralregion, im roten Kern, im Zahnkern und in der unteren Olive [216], andererseits aluminiumreiche granuläre Einschlüsse, besonders in den Epithelien des Plexus chorioideus, aber auch in Neuronen und in Gliazellen der grauen Substanz [192].
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Pankreasverursachte ZNS-Krankheiten Diabetes mellitus Neben den an anderer Stelle beschriebenen Veränderungen an den Gefäßen (s. Kap. 10) sowie auch der peripheren und autonomen Nerven (s. Kap. 19 [214]) treten klinische und neuropathologische Veränderungen auch am ZNS auf – bei länger anhaltenden bzw. rezidivierenden niedrigen oder hohen Glukosespiegeln im Blut. Es wird vermutet, dass die Überflutung mit exzitatorisch wirksamen Aminosäuren einen wesentlichen pathogenetischen Faktor darstellt [29]. Bei der hypoglykämischen Enzephalopathie mit anhaltendem Koma werden diffuse axonale Schädigungen [50] und Markschädigungen 154] beobachtet. Auffällig war im Tierexperiment ferner eine Schädigung der Nervenzellen des Gyrus dentatus im Ammonshorn, wie sie weder bei Ischämie noch nach Krampfanfällen beobachtet wird [13]. Als Folge einer Hyperglykämie sind die morphologischen Veränderungen eher spärlich. Yaguchi et al. [274] fanden nach Experimenten mit Mäusen eine Expression von alpha B-Crystallin in Oligodendrozyten der weißen Substanz. Beobachtet wurde ferner eine Ausweitung von Infarktgebieten nach Gefäßverschluss bei gleichzeitig bestehender Hyperglykämie im Tierversuch [47].
Pankreatische Enzephalopathie Klinisch wird, allerdings sehr selten, am 2.–5. Tag nach einer Pankreasnekrose eine symptomatische Psychose beobachtet, evtl. zusammen mit Krampfanfällen, multifokalen neurologischen Ausfällen und Koma. Morphologisch besteht das Bild einer Purpura cerebri mit frischen perivaskulären Markscheidenauflockerungen und Ringblutungen. Der Schwerpunkt der Veränderungen liegt im Marklager und in den Stammganglien. Gefäßwandnekrosen und reaktive Astrozyten werden beschrieben. Die Pathogenese ist ungeklärt und wohl uneinheitlich, doch wurden zirkulierende pankreatische Enzyme, toxische, vasoaktive Peptide, Fettembolien und Mikrozirkulationsstörungen im Rahmen eines Schocksyndroms diskutiert [211]. Die Ergebnisse tierexperimenteller Untersuchungen lassen vermuten, dass verschiedene Zytokine wie TNF und Interleukin-6 an der Induktion eines vasogenen Hirnödems beteiligt sind [63].
Enzephalopathien nach Organtransplantation Mehrere Faktoren sind an der Entstehung neurologischer Symptome und neuropathologischer Veränderungen be-
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Kapitel 14
teiligt: die zur Transplantation führende Grunderkrankung, neurotoxische und immunsuppressive Medikamente sowie eine Graft-versus-host-Reaktion. Häufigkeit und Art neuropathologischer Veränderungen variieren in verschiedenen Autopsieserien sehr stark pathologische Befunde in 91% der Fälle (Bleggi-Torres et al [25]: davon 59% intrakranielle Blutungen, 9% Pilzinfektionen), 72% (Mohrmann et al. [153]: davon 39% Blutungen, 16% anoxische Schäden, 13% Infarkte, 9% Pilzinfektionen, 7% therapieinduzierte Leukoenzephalopathie) bzw. 9% (Trzepacz et al. [249]: davon 6% Toxoplasmose). Ursache für diese Variabilität kann in den unterschiedlichen therapeutischen Maßnahmen, in den unterschiedlich angewandten diagnostischen Methoden wie auch in den Erfassungskriterien liegen. In einer autoptischen Serie von 500 Patienten, die an der University of Pittsburgh transplantiert und einheitlich neuropathologisch untersucht wurde, gab es keinen signifikanten Unterschied der Häufigkeit neuropathologischer Befunde nach verschiedenen Organtransplantationen (Leber, Herz, Lunge, Niere, Knochenmark) [142]; zerebrovaskuläre Komplikationen waren am häufigsten bei 44–59% der Patienten. Seltene Läsionen sind primär zerebrale Lymphome, progressive multifokale Leukoenzephalopathie, Wernicke-Krankheit, Toxoplasmose, Vaskulitis und Sinusthrombose.
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Kapitel 14
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Kapitel 15
15
Trauma
M. Oehmichen, H.G. König Inhalt Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
404
Primäre Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
426
Mechanisches Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
404
Sekundäre Veränderungen . . . . . . . . . . . . . .
427
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
404
Rückenmarkverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . .
427
Verletzung von Kopfschwarte und Schädel . . . . . .
405
Blutung in die spinalen Hüllen . . . . . . . . . . . .
428
Verletzung der Dura mater . . . . . . . . . . . . . . .
405
Spinaltrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
428
Epiduralhämatom (EDH) . . . . . . . . . . . . . . .
407
Schleudertrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
429
Subduralhämatom (SDH) . . . . . . . . . . . . . . .
408
Spezielle physikalische Traumen . . . . . . . . . . . . . .
430
Sonderformen der subduralen Blutung . . . . . . .
410
Thermisches Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
430
Subarachnoidalblutung (SAB) . . . . . . . . . . . . .
413
Hypothermie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
430
Offene Hirnverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414
Hyperthermie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
431
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414
Elektrotrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
432
Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414
Verletzung durch Niederspannungskontakt . . . . .
432
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
417
Gedeckte Hirnverletzung . . . . . . . . . . . . . . . .
417
Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
418
Molekulare und zelluläre Mechanismen . . . . . . .
421
Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
422
Intrazerebrale und intraventrikuläre Blutung . . . .
423
Sekundäre Veränderungen . . . . . . . . . . . . . .
424
Dementia pugilistica . . . . . . . . . . . . . . . . . .
424
ZNS-Folgeschäden ohne primäre ZNS-Verletzung . .
425
Fettembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
425
Luftembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
425
Gefäßverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
425
Hirnstammverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426
Verletzung durch Hochspannungskontakt und Blitzschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
434
Strahlungstrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435
Akute Strahlenschäden . . . . . . . . . . . . . . . .
435
Chronische Strahlenschäden . . . . . . . . . . . . .
435
Akustisches Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436
Knalltrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436
Ultraschalltrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436
Barotrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
437
Dekompressionstrauma . . . . . . . . . . . . . . . .
437
Luftembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
438
Höhenkrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
438
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
438
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404
Kapitel 15
Terminologie
15
Der Begriff „Trauma“ ist aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet „Wunde“, wobei jede Folge einer schädigenden äußeren Einwirkung gemeint ist – im Sinne einer von außen verursachten „Verletzung“ eines Organismus. Sowohl der Vorgang des Verletzens wie auch sein Resultat werden im Deutschen mit demselben Worten „Trauma“ bzw. „Verletzung“ benannt. Wissenschaftlich ist dieser Mangel an Eindeutigkeit der Terminologie nicht akzeptierbar, besonders wenn die differenzierte Betrachtung der oft komplexen Wirkungskette von der äußeren Einwirkung („Traumatisierung“) bis zum schädigenden Ergebnis im Körper („Trauma“) Gegenstand der Überlegungen ist. Es soll deshalb begrifflich zwischen diesen beiden Bereichen (der Traumatisierung und deren Ergebnis) unterschieden werden. In der Traumatologie bietet es sich an, schon wegen ihrer ungleich größeren Häufigkeit mechanisch erzeugte Verletzungen („mechanische Traumen“) getrennt von solchen zu betrachten, die auf spezielle physikalische Einwirkungen zurückzuführen sind. Bei diesen Einwirkungen handelt es sich um eine Auswahl von Traumatisierungsarten mit Wirkungen auf das ZNS, darunter u. a. auch „spezielle“ mechanische. Alle resultierenden Verletzungen („spezielle physikalische Traumen“) aber sind gleichermaßen gekennzeichnet durch Gewebedurchtrennung, Gewebeverlust, Blutung und/oder Nekrose. Zunächst sollen hier die mechanisch bedingten Verletzungen des ZNS, und, in einem weiteren Kapitel, spezielle physikalisch bedingte Verletzungen beschrieben werden. Die Abbildungen sind z. T. aus der Monographie „Forensic Neuropathology and Associated Neurology“ [164] übernommen, die von den selben Autoren wie dieses Kapitel verfasst wurde.
Mechanisches Trauma Grundlagen Die klinische Systematik der durch mechanische Gewalteinwirkung erzeugten Verletzungen des zentralen Nervensystems unterscheidet das offene von dem gedeckten Trauma. Aus morphologischer Sicht werden ferner traumatische Veränderungen des Hüllsystems von den Verletzungen des Hirnparenchyms unterschieden sowie primäre – durch äußere Einwirkung entstandene – Veränderungen, von sekundären, die durch zusätzliche, körpereigene (pathophysiologischen) Mechanismen beeinflusst sind. Die Fragen an den Neuropathologen zielen u. a. auf das Ausmaß der primären Verletzungen und ihre sekundären Folgen, auf ihre Lokalisation sowie die Rekon-
Trauma
struktion des Verletzungsvorgangs und des gesamten Krankheitsablaufs. Sie erfordern eine Analyse der Biomechanik ihrer Entstehung und der Pathophysiologie der Folgeveränderungen [25, 67, 187, 205, 220]. Es ist evident, dass die primären Veränderungen, die zum Zeitpunkt des Todes festgestellt werden, nur zum Teil unmittelbare Folgen der mechanischen Einwirkung sind, wenn das Trauma zunächst überlebt wurde. In Abhängigkeit von der Überlebenszeit – und in Abhängigkeit von vielen anderen Faktoren – entwickeln sich sekundäre Veränderungen (z. B. Ödem, Blutungen, ischämische Veränderungen, Zellreaktionen im Sinne einer Narbenbildung, Entzündungen, Thrombosen usw.), die ihrerseits weitere Schäden – und morphlogische Veränderungen – induzieren (Hypoxie, Azidose, Embolie). Schließlich stellt sich immer auch die Frage nach der Prognose, einerseits unter dem Aspekt des potentiellen Überlebens bei möglicher fehlerhafter medizinischer Behandlung, andererseits aber auch bezüglich der zu erwartenden chronischen Ausfallserscheinungen. Gleichzeitig kann es zusätzlich es zu funktionellen Ausfällen kommen, ohne dass primäre Strukturschäden nachweisbar werden, wobei die geänderte Funktion ihrerseits Strukturveränderungen induzieren kann. Es treten z. B. vorübergehende Asystolien, Blutdruckabfälle oder Gefäßspasmen auf, die postmortal nicht nachweisbar sind und die zu Durchblutungsstörungen (Ischämie, Hypoxie) führen können; ein generalisierter Krampfanfall kann eine Kreislaufdekompensation zur Folge haben, ohne dass morphologische Äquivalente für ein solches Geschehen sprechen müssen. Es muss u. a. an die Möglichkeit eines neuralen Schocks – insbesondere eines spinalen Schocks – gedacht werden, der selbst als Todesursache zu diskutieren ist [220, 227], ohne dass typische Schockveränderungen sichtbar werden. Von Bedeutung ist naturgemäß die Frage nach der Todesursache, die oftmals – auch bei schweren SchädelHirn-Verletzungen – nicht allein in den Verletzungen des Gehirns zu sehen ist. Die Schwere einer zusätzlichen, primären oder sekundären Schädigung anderer Organe – und damit ihre potentielle Todesursächlichkeit – ist nicht nur von der Lokalisation der Einwirkung und dem Ausmaß der abgegebenen Energie allein abhängig, sondern ggf. auch vom Vorhandensein einer Organvorschädigung, vom Alter des Patienten [94], von chemischen Einflüssen wie Alkohol und Medikamente [46], vom Auftreten einer Infektion oder Sepsis, vom Vorhandensein zusätzlicher Verletzungen, die möglicherweise eine Asphyxie, einen Herzstillstand, eine generalisierte Hypoxie, eine Embolie usw. zur Folge haben, und natürlich auch von der Zeitspanne zwischen Ereignis und Einleitung erster lebensrettender Maßnahmen.
405
Mechanisches Trauma
Verletzung von Kopfschwarte und Schädel Das Hüllsystem von Gehirn und Rückenmark umfasst die äußeren Weichteile – Haut und Muskulatur –, die Knochen und die Dura mater, die Arachnoidea, den liquorenthaltenden Subarachnoidalraum und die Pia mater. Zu den „äußeren“ Weichteilen des Kopfes gehören die Kopfschwarte einschließlich der Haare sowie die Gesichtsweichteile, die bei mechanischer Gewalteinwirkung einerseits bereits einen Teil der abgegebenen Energie (z. B. bei Schlag mehr als 35%) absorbieren können [67], und deren Verletzungstopographie und -morphologie andererseits Informationen über den Ort der Gewalteinwirkung, ihre Art und Intensität sowie über das einwirkende Werkzeug liefert – Informationen, die zu den wesentlichen Grundlagen einer Rekonstruktion des Geschehens gehören. Klinisch sowie pathophysiologisch ist von Bedeutung, dass Verletzungen der Kopfschwarte über eine bakterielle Durchwanderung Ausgangspunkt von Infektionen des Gehirns sein können, mit Ausbildung einer eitrigen Meningoenzephalitis oder eines Abszesses. Der Schädel zeigt in Abhängigkeit vom Lebensalter eine unterschiedliche Morphologie, Biometrie und Stabilität gegenüber äußerer mechanischer Gewalteinwirkung. Der Schädel des Erwachsenen, 30- bis 40-jährigen Menschen hält eine Zugspannung in der Größenordnung von etwa 10 kPa und eine Druckspannung von 5–31 kPa aus [67]. Ist die Spannung größer, treten Brüche auf, die dem Pathologen Informationen über Werkzeug, Art, Ort, Richtung und Intensität der Gewalteinwirkung liefern sowie über die zeitliche Reihenfolge bei mehreren Einwirkungen. Prinzipiell sind (indirekte) Berstungsbrüche wie z. B. durch Sturz von (direkten) Biegungsbrüchen, wie z. B. Impressionsfrakturen durch Hammerschlag, zu unterscheiden. Zu unterscheiden sind ebenso eine – durch direkte Gewalteinwirkung gekennzeichnete – „Stoßpolseite“ mit einem „Bruchzentrum“ von einer diametral gegenüber gelegenen „Gegenpolseite“ mit indirekt entstandener Fraktur, wie z. B. die Sogfraktur in der Orbita [61].
Verletzung der Dura mater Anatomie. Die harte Hirnhaut (Dura mater) setzt sich aus zwei miteinander verwachsenen Membranen zusammen. Die äußere Membran stellt zugleich das Periost des Schädelknochens dar. Die innere Membran steht in direktem Kontakt mit der Arachnoidea. Äußere und innere Membran bilden eine durchgehende, ausgesprochen stabile und nur gering elastische Auskleidung des intrakraniellen und intraspinalen Raumes. Durch eine lokal begrenzte Duplikatur in Form der Falx cerebri und des Tentorium cerebelli wird die Schädelhöhle in eine rechte und linke Hemisphäre sowie die vordere und hintere
Schädelgrube aufgeteilt. Die Dura enthält die großen venösen Blutleiter, vor allem den Sinus sagittalis superior, und zahlreiche andere, vor allem an der Schädelbasis. Brückenvenen verbinden die äußere Membran der Dura mit der Innenseite des Schädels sowie – durch den Schädelknochen hindurch – mit der Kopfschwarte, so dass eine Kontinuität von der Kopfschwarte bis zur Arachnoidea/Pia und zum Gehirn besteht. Der durch die Dura mater gebildete Innenraum des ZNS ist an den Nervenwurzeln sowie im Bereich der Villi arachnoidales (Pacchioni-Granulationen) für Flüssigkeit und Proteine durchgängig. So erfolgt die Resorption und der Abtransport von Liquor, Proteinen sowie auch korpuskulären und zellulären Bestandteilen über diesen Weg [149, 225]. Klassifikation. Verletzungen der Dura mater im Sinne einer Zusammenhangstrennung werden zusammen mit der begleitenden Schädelfraktur als „offene Hirnverletzung“ bezeichnet und als solche gesondert angesprochen (s. S. 414ff.). Häufiger als komplette Zusammenhangstrennungen sind jedoch Gefäßrupturen mit Blutungen in den Epidural- bzw. Subduralspalt (Epiduralhämatom, EDH; Subduralhämatom, SDH). Je nach Art und Ausmaß der Gewalteinwirkung kann es bei derartigen Verletzungen, gleichzeitig zu traumatisierungsbedingten Parenchymblutungen kommen, überwiegend im Rindenbereich. Diese sind im Zusammenhang mit einer epiduralen Blutung eher selten. Allerdings sind begleitende Hirnverletzungen im Sinne von axonalen Schäden, insbesondere bei subduralen Blutungen, nahezu regelmäßig zu beobachten [154]. Ebenso finden sich zusammen mit subduralen Blutungen öfters Zeichen von Scherungsverletzungen in Form von Parenchymblutungen, vor allem in der ersten Frontalwindung (s. Abb. 15.2). Sekundär kann es ferner zu einer intrakraniellen Raumverdrängung kommen, überwiegend in Form einer lateral (Abb. 15.1) bzw. kaudal gerichteten Massenverschiebung mit der Gefahr einer Einklemmung (Herniation). Die Durablutungen treten überwiegend in der Folge einer stumpfen Gewalteinwirkung auf den Kopf auf, und – nur extrem selten – spontan in der Folge einer arachnoidalen Gefäßmissbildung oder -krankheit. Die traumatisierungsbedingte Durablutung erfolgt oftmals ohne gleichzeitige Hirnbeteiligung, so dass sich unschwer auch das Fehlen einer primären klinischen Symptomatik – direkt im Anschluss an die Traumatisierung – erklärt (sog. „luzides Intervall“). Von den durch äußere Gewalteinwirkung erzeugten Durahämatomen zu differenzieren sind spontane EDHs und SDHs, die besonders bei Antikoagulanzienbehandlung und Leukämien zu beobachten sind, die aber auch im Rahmen ärztlicher Eingriffe auftreten können, z. B. bei der Epiduralanästhesie [137]. Klinik. Eine neurologische Symptomatik tritt oft mit Verzögerung bzw. nach einem symptomfreien Intervall – häufig erst als Folge einer Raumverdrängung durch die Blutung – auf, die unterschiedlich schnell erfolgen kann.
406
Kapitel 15
Trauma
a
b
15
c
d
e
Abb. 15.1a–e Intrakranielle Raumverdrängung bei linksseitigem Durahämatom (Subduralhämatom, SDH). a Das linksseitige SDH führt zu einer Verdrängung des Hirnparenchyms nach rechts mit linksseitigem Ödem, Falxeinkerbung und Blutung im linken Gyrus cingulus (oberer Pfeil) und linksseitige Mittelhirnblutung (unterer Pfeil). b Streifenförmige Hippokampusblutung links (Pfeile) als Fol-
ge einer Druckeinwirkung durch die Umschlagfalte eines Zügels des Kleinhirnzelts. c Zentrale Brückenblutung. d Einkerbung des Balkens durch die Falx cerebri. e Druckbedingte Einschnürung der oberen Kleinhirnfläche bei infratentoriellem Druck gegen das Kleinhirnzelt bei infratentorieller Raumverdrängung
Auch am Gehirn selbst sind die wesentlichen morphologischen Veränderungen oftmals ausschließlich als Folge der Raumverdrängung zu interpretieren, wobei klinischerseits eine zunehmende Bewusstseinstrübung, eine Halbseitensymptomatik oder ein hirnorganischer Anfall zu beobachten sind, während morphologisch Veränderungen im Sinne eines Ödems mit Zeichen der Seitenverschiebung und Einklemmung vorherrschen.
die zwischen dem knöchernen Schädel und der Dura gelegen ist, von der Subduralblutung, die zwischen Dura mater und Arachnoidea lokalisiert ist. Ein unterschiedlicher biophysikalischer Mechanismus sowie ein differenter klinischer Ablauf begründen diese Differenzierung zusätzlich. Die Blutungen dehnen sich auf der Außen- bzw. Innenseite der Dura mater aus, eher selten auf Außen- und Innenseite gleichzeitig. Sie finden sich überwiegend einseitig und können sich über den Hemisphären bis in die Schädelgruben (Abb. 15.5d), auch in die hintere Schädel-
Morphologie. Es werden pathologisch-anatomisch unterschieden die Epiduralblutung bzw. extradurale Blutung,
Mechanisches Trauma
a
b
c Abb. 15.2a–c Scherungsverletzungen in Form von traumatisierungsbedingten, eingebluteten, spaltförmigen Einrissen, im Marklager der obersten Stirnlappenwindung, a links, b rechts, c beidseitig
grube, hinein ausdehnen. Die mikroskopischen Befunde der Blutung selbst, d. h. die Resorption und Organisation der Blutung, sind abhängig von der Überlebenszeit: Es werden zunächst Zeichen der Gerinnung, dann Zeichen einer aseptischen entzündlichen Reaktion, d. h. Resorption und Organisation, erkennbar, die eine gewisse Zeitab-
a
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hängigkeit aufweisen [164, 224]. Vor allem bei der Subduralblutung werden regelmäßig auch intradurale Blutaustritte erkennbar. Primäre Rindenblutungen können je nach Art und Ausmaß der Gewalteinwirkung lokal oder multipel auftreten. Häufig liegen sie – besonders bei fatalen Rotationstraumatisierungen – im Sinne von Scherungsverletzungen vor (Abb. 15.2), oftmals kombiniert mit Balkenblutungen. Im Übrigen lassen sich nahezu regelmäßig bei Überlebenszeiten von 1,5–3 h Axonschäden nachweisen, die lokal betont oder auch diffus (Abb. 15.3) auftreten können [21, 152]. Die sekundären Veränderungen sind für beide Formen der Durablutungen nahezu identisch: Es kommt u. a. zu der beschriebenen seitlichen Massenverschiebung mit Zeichen einer Herniation des Gyrus cingulus am unteren Ende der Falx cerebri, evtl. kombiniert mit Blutungen und Nekrosen in dieser Windungskuppe (Abb. 15.1a,d). Durch Raumverdrängung nach kaudal entwickelt sich eine ein- oder doppelseitige Herniation der Hippokampusformation an den Zügeln des Kleinhirnzeltes (Abb. 15.1b), wobei die Herniation ebenso mit einer lokalen Blutung verbunden sein kann. Durch Druck nach kaudal können sich ferner Nekrosen und Einblutungen in den Hirnschenkeln bzw. in den medialen Anteilen der Brücke entwickeln (Abb. 15.1c, 15.13b–d). Bei Volumenvermehrung – und konsekutiver Druckerhöhung – in der hinteren Schädelgrube werden auch an der Kleinhirnoberfläche Schnürfurchen sichtbar (Abb. 15.1e).
Epiduralhämatom (EDH) Ein EDH ist in der Regel die Folge einer arteriellen Blutung (>50%), so dass auch relativ frühzeitig – wenn nicht gar unmittelbar – nach traumatischer Einwirkung eine klinische Symptomatik auftritt. Ein sog. „luzides“ Inter-
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Abb. 15.3a,b Axonale Verletzungen („axonal injuries“), a im Balken, primär traumatisierungsbedingt, b im Marklager – Z-förmig – offenbar ischämiebedingt (β-APP, Vergrößerung a ×100, b ×500)
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vall – bis zum ersten Auftreten von Ausfallserscheinungen – kann zwar vorhanden sein, ist aber im Vergleich mit dem klinischen Verlauf bei Ausbildung eines SDH eher selten und eher kurz. Die Mortalität ist aus diesem Grunde im Vergleich zum SDH deutlich größer, auch bei zeitlich optimaler neurochirurgischer Intervention. Pathogenese. Überwiegend als Folge eines durch äußere Gewalteinwirkung erzeugten Einrisses der A. meningea media bzw. ihrer Äste, oder – seltener – auch nach Einriss eines venösen Sinus entwickelt sich eine Blutung zwischen Schädelinnenseite und Dura. In der Regel liegt gleichzeitig eine Schädeldachfraktur infolge stumpfer Gewalteinwirkung vor – besonders im Schläfenbereich (Abb. 15.1a) –, wodurch die innenseitig an der Tabula interna verlaufenden arteriellen Gefäße verletzt werden.
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Klinik. Je nach Ausmaß der Raumverdrängung durch die forcierte arterielle Blutung entwickelt sich entweder sofort oder nach kurzem Intervall von Minuten bis Stunden eine zunehmende Bewusstseinstrübung, evtl. kombiniert mit neurologischen Ausfällen, insbesondere mit Halbseitensymptomatik und herdseitiger Mydriasis. Für die Diagnostik von Bedeutung ist, dass nach einer Schädeldachfraktur bzw. auch nur nach einer Fissur der Tabula interna immer die Gefahr der Ausbildung eines EDH besteht, auch wenn primär keine neurologischen Ausfälle vorhanden sind. Röntgenologisches (CCT-Befund) und pathologisches Kennzeichen ist die Einblutung zwischen Schädel und Dura, wobei die Form des Hämatoms eher flachkuppig ist, und – wegen der stark haftenden Innenverbindung von Schädel und Dura – an den Rändern im Profil spitz ausläuft (vgl. auch Abb. 15.1b). Ein CCT ist erforderlich und sollte auch bei Bagatelltraumatisierungen eine Standarduntersuchung darstellen. Eine frühzeitige CCT-Untersuchung kann lebensrettend sein, da die Prognose von der Frühzeitigkeit der chirurgischen Intervention abhängt. Morphologie. Die Blutung liegt in der Regel unter der Fraktur des Schädeldachs (Abb. 15.4a,b). Selten bildet sich ein EDH auch am Stoßgegenpol auf der kontralateralen Seite. Manchmal – besonders bei Kindern – wird die Dura schon durch einfache Kompression ohne Fraktur des noch elastischen Schädeldachs von der Innenseite des Schädelknochens gelöst, wodurch es zu sekundären Gefäßeinrissen kommen kann [47, 135]. Auch wenn eine Beteiligung des Hirnparenchyms im Sinne von primär traumatisierungsbedingten intrazerebralen Blutungen selten ist, werden doch immer wieder lokale oder disseminierte Axonverletzungen innerhalb des Hirnparenchyms beobachtet, insbesondere am Balken und am Hirnstamm, als Hinweis darauf, dass das Gehirn selbst – und nicht nur das Hüllsystem – durch das traumatische Geschehen in Mitleidenschaft gezogen wurde.
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Prognose. Ein EDH führt bei fortlaufender Blutung durch die intrakranielle Massenverschiebung und die dadurch bedingte schnelle Zunahme des Schädelinnendrucks nahezu unweigerlich über eine Einklemmung des Hirnstamms zum Tod. Unter diesen Umständen kann nur eine frühzeitige Entlastung durch eine Operation das Leben retten und – bei sehr frühzeitigem Eingriff – zu einer Restitutio ad integrum führen.
Subduralhämatom (SDH) Klinisch und morphologisch werden akute, subakute und chronische SDH unterschieden, wobei als Sonderform das subdurale „Hygrom“ und als SDH spezieller Ursache das „Schütteltrauma“ beschrieben werden. Das SDH tritt 3bis 5-mal häufiger als das EDH auf (Übersicht: [132]). Pathogenese. Das SDH entsteht nahezu ausschließlich durch äußere Gewalteinwirkung, überwiegend infolge einer venösen Blutung und, nur im Ausnahmefall, aufgrund einer arteriellen Verletzung [29, 106, 134]. Selten werden auch spontane Blutungen z. B. als Folge einer Gefäßmissbildung oder bei Gerinnungsstörung bzw. nach Applikation von Antikoagulanzien beobachtet. Ursache des nichtspontanen SDH ist der Riss einer oder mehrerer Brückenvenen. Diese Ruptur ist in nahezu allen Fällen Folge einer Rotationsbeschleunigung des Kopfes. Aufgrund unterschiedlicher Trägheitsmomente von Schädel und Gehirn entwickelt sich eine Zugspannung in den Brückenvenen [104]. Diese Spannung ist naturgemäß besonders groß, wenn der Spaltraum zwischen Dura und Gehirn vergrößert ist, wie z. B. bei Hirnatrophie. In etwa 30–50% der Fälle lässt sich der Ort der Blutungsquelle in der Leptomeninx aufgrund einer zusätzlichen, lokalen, subarachnoidalen Einblutung rekonstruieren. In Einzelfällen kann sogar der Riss in der Brückenvene für das bloße Auge sichtbar sein. Durch postmortale Kontrastmittelinjektion lässt sich die Rupturstelle lokalisieren [131]. Die Intensität der äußeren Gewalteinwirkung kann durchaus unterschiedlich sein: Es genügt ein Sturz auf der Ebene oder ein Schlag gegen das Kinn. Auch eine selbst kaum registrierte Bagatelltraumatisierung kann zur Ausbildung eines SDH führen, insbesondere wenn eine Hirnatrophie vorliegt wie bei Alkoholikern oder älteren Personen. Rückschlüsse auf den Ort der Gewalteinwirkung sind aufgrund der Lage des SDH alleine nicht möglich, gelingen jedoch in der Regel anhand der Lokalisation eines begleitenden Gesichts- oder Kopfschwartenhämatoms. Gelegentlich werden auch zweiseitige Hämatome beobachtet, wobei in der Regel eines der beiden klinisch führend ist. Werden zusätzlich Rindenblutungen ausgebildet, so können sie im Sinne eines Stoßgegenpols zusätzlich einen Anhalt für den Ort der Gewalteinwirkung geben (s. Abschnitt „Biomechanik“).
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Abb. 15.4a–d Schädelkalotte und Gehirn bei Epiduralhämatom rechts. a Schädel mit typisch lokalisierter Frakturlinie temporoparietal. b Asymmetrisches Gehirn mit rechtsseitiger Abflachung des Parenchyms und linksseitiger Schwellung. Das Gehirn nach der
Einnahme aus der Schädelkapsel und nach Formalinfixierung mit rechtsseiter parietotemporaler Abflachung – c von oben gesehen bzw. von vorne auf die Schnittfläche d gesehen
Im Übrigen lassen sich unterschiedliche Formen und Ursachen des SDH beobachten, die abhängig vom Lebensalter sind: • Während der Perinatalperiode kann sich als Geburtstrauma, vorwiegend bei Reifgeborenen, ein SDH zusammen mit einem Tentoriumsriss einstellen, wobei klinisch ein symptomfreies Intervall von 2–3 Tagen mit sich anschließend ausbildender Hirndrucksymptomatik beobachtet werden kann. • Bei Säuglingen und Kleinkindern ist die Ursache eines SDH in der Regel ein Sturz oder aber eine Schütteltraumatisierung (Kindesmisshandlung, s. unten).
• Bei Erwachsenen ist in der Regel der zeitliche Zusammenhang zwischen traumatischer Einwirkung und klinischer Symptomatik offensichtlich, so dass die richtige Diagnose unschwer gestellt werden kann. Im Einzelfall können aber Schwierigkeiten bei der Zuordnung zu einer traumatischen Einwirkung bestehen, wenn das Zeitintervall zwischen Traumatisierung und klinischer Symptomatik zu groß ist (z. B. bei chronischem SDH), oder wenn eine nichtregistrierte Bagatelltraumatisierung ursächlich war. • Im höheren Lebensalter dominiert klinisch oftmals nicht so sehr die Halbseitenlähmung und Bewusst-
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seinsstörung als Folge der Massenverschiebung, sondern ein organisches Psychosyndrom. Besonders wenn eine Bagatelltraumatisierung ursächlich ist, kann die Diagnose mit Schwierigkeiten verbunden sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn das SDH nicht ein-, sondern doppelseitig ausgebildet ist [83]. Diagnose. Sind Zeichen einer Traumatisierung des Kopfes vorhanden, z. B. ein Kopfschwarten- oder Gesichtshämatom, muss immer auch an die Gefahr der Entwicklung eines Durahämatoms gedacht werden, auch wenn zunächst keine neurologischen Ausfallserscheinungen vorliegen, d. h., es muss im Zweifelsfalle eine 24-stündige klinische Beobachtung erfolgen. Die Diagnose wird heute überwiegend mit Hilfe des CCT gestellt. Wenn nach einer Traumatisierung auch nur diskrete neurologische Auffälligkeiten bestehen, ist eine CCT-Untersuchung absolut indiziert. Röntgenologisch lässt sich zwar das Hämatom selbst nicht darstellen, aber die Verlagerung des Pinealisschattens, die als Hinweis auf eine Massenverschiebung gilt. Akutes Subduralhämatom
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Da das SDH überwiegend auf eine venöse Blutung zurückzuführen ist, setzt die Symptomatik in der Regel langsamer ein und tritt später auf als bei dem EDH. Als akut wird eine Blutung bezeichnet, die sich innerhalb von ca. 72 h nach der Traumatisierung klinisch manifestiert. Morphologisch ist das akute SDH durch frische Bluteinlagerungen zwischen harter Hirnhaut und Arachnoidea gekennzeichnet (Abb. 15.5). Das Blut ist bei der Obduktion in der Regel locker geronnen und fließt ab, so dass nach Formalinfixation von Dura und Gehirn keine – oder nur geringe – Residuen von Blut an der Durainnenseite zurück bleiben. Allerdings lässt sich häufig eine begleitende Subarachnoidalblutung und regelmäßig eine Massenverschiebung des Großhirns sowie eine einseitige Abflachung der Hemisphären erkennen. Subakutes Subduralhämatom
Ein subakutes SDH liegt vor, wenn die klinische Symptomatik später als 72 h und früher als 2–3 Wochen nach der traumatischen Einwirkung auftritt. Das Blut ist in der Regel geronnen, wobei beginnende Zeichen einer Zellreaktion im Sinne des Auftretens von Granulozyten, Erythrophagen, Makrophagen und Siderophagen nachweisbar werden (Abb. 15.6). Das Hämatom wird in der Anfangsphase durch ein dichtes Netz ausgefällter Fibrinfäden zusammengehalten, die als erstes Zeichen einer Reaktion nachweisbar sind. Zunehmend werden einzelne Retikulinfasern wie auch Kollagenfasern erkennbar, und es kommt über eine Kapillar- und Veneneinsprossung zur Organisation der Blutung. Chronisches Subduralhämatom
Das chronische SDH setzt eine Überlebenszeit von ca. 3 Wochen voraus. Es ist durch ein langsames Wachstum
Trauma
(evtl. auch über Wochen und Monate) gekennzeichnet, wobei sich klinische Symptome nur sehr verzögert entwickeln. Das Erkennen eines Zusammenhangs mit einer länger zurückliegenden Traumatisierung kann schwierig, manchmal sogar unmöglich sein und gelingt nur in etwa 50% der Fälle. Die lange Überlebenszeit führt auch zu einer differenten Morphologie, die durch Resorption und Organisation gekennzeichnet ist. Bei subakutem bis chronischem SDH bildet sich auf der arachnoidalen Seite der Durablutung – ausgehend von der Dura – eine Membran (Neomembran) und durch Resorption möglicherweise ein flüssigkeitsgefüllter Hohlraum (Zyste bzw. Hygrom, s. unten), in den hinein es aus den neugebildeten Venolen bzw. Kapillaren zu Rezidivblutungen kommen kann. Durch diesen Vorgang kann die zeitliche Zuordnung eines SDH schwierig werden. Sie ist auch aufgrund makroskopischer und histologischer Kriterien in der Regel mit einer erheblichen Unschärfe verbunden [224]. Davon zu differenzieren sind jedoch wiederholte traumatische Einwirkungen mit rezidivierenden Blutungen, wie z. B. nach wiederholten Schütteltraumatisierungen von Säuglingen und Kleinkindern, mit Ausbildung mehrfacher Neomembranen, erkennbar auch an unterschiedlichen Formen der Zellreaktion.
Sonderformen der subduralen Blutung Subdurales Hygrom
Das Hygrom ist eine flüssigkeitsgefüllte Exsudationszyste an der Durainnenseite. Sein Entstehungsmechanismus ist bisher ungeklärt und wird kontrovers diskutiert [111]. Neben spontan auftretenden Hygromen – besonders bei Kleinkindern und Neugeborenen [69] – gibt es posttraumatische subdurale Hygrome, die sich nach der Altersverteilung der Patienten und dem klinischen Bild weitgehend wie Subduralhämatome verhalten. Sie entstehen innerhalb von 24–72 h nach einem traumatischen Ereignis und können spontan bzw. nach konservativer Therapie wieder verschwinden [81], wobei u. U. eine Durapunktion ursächlich sein kann [202]. Häufig gehen sie in ein chronisches SDH über [111]. Pathogenese. Vor allem das frühe Auftreten lässt Zweifel an der Richtigkeit der Hypothese eines osmotischen Druckgradienten zwischen Liquorraum und Hämatom aufkommen. Diese Hypothese geht davon aus, dass eine langsame Auflösung des Hämatoms durch Liquorzufluss stattfindet. Untersuchungen (vgl. Diskussion bei [234]) wiesen nach, dass die Osmolarität zwischen Hämatomflüssigkeit, Venenblut und Liquor keinen signifikanten Unterschied aufweist [222]. Eher ist wahrscheinlich, dass Hygrome nicht über ein Subduralhämatom, sondern durch einen traumatisierungsbedingten Einriss der
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Abb. 15.5a–d Subduralhämatom links. a Intakte Dura mater mit durchscheinender linksseitiger Blutung bei Autopsie. b Hämatom über der linken Hemisphäre, bei teilweise entfernter Dura. c Durahämatom mit sichtbarer Massenverschiebung von links nach rechts
– nach Horizontalschnitt durch das Gehirn auf Höhe der Sägeschnittebene. d Linksseitiges Subduralhämatom, bis auf die Schädelbasis reichend
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Abb. 15.6a–d Histologie eines Subduralhämatoms in der Phase des Blutungsabbaus. a Sternförmiges Einwachsen von Kollagenfasern (van Gieson, Vergrößerung ×100). b Diffuse Infiltration des Hämatoms mit Retikulin- und Kollagenfasern (Gomori, Vergrößerung ×500). c Zunehmendes Einwachsen von dünnwandigen, weitlumigen venösen Gefäßen, zusammen mit Hämosiderin-enthaltenden
Makrophagen (Gomori, Vergrößerung ×200). d Rezidivierende Blutung, erkennbar an einer Schicht Hämosiderin-enthaltender Makrophagen neben einer zweiten Schicht mit frischer (reaktionsloser) Einblutung innerhalb des Subarachnoidalraumes (Berliner-BlauReaktion, Vergrößerung ×100)
Arachnoidea unter ventilartigen Bedingungen an der Rissstelle entstehen [6].
liches Aufschlagen des Kopfes an harten Gegenständen der Umgebung noch verstärkt sein. Besonders gravierend ist bei dieser Traumatisierungsart, dass sie nicht mit einer einzigen Gewalteinwirkung einhergeht, sondern mit mehreren aufeinanderfolgenden, z. T. also schon auf vorgeschädigtes Gewebe treffenden Einwirkungen, oft in einer ganzen Serie (Schüttelsequenz) und in mehreren Serien in Folge. Die Gesamtdauer einer Schütteltraumatisierung kann Minuten betragen. Die insgesamt erzeugte Schädigung, das Schütteltrauma, ist biomechanisch als eine Art Vielfachschleudertrauma einzuordnen und stellt sich klinisch durch ein ganzes Syndrom von Erscheinungen dar. Leitsymptom ist ein SDH, typischerweise begleitet von zusätzlichen einoder beidseitigen retinalen Blutungen. Außerdem gehören zum Syndrom klinische (und neuropathologische) Zeichen einer ischämischen Enzephalopathie und oftmals eine epidurale Blutung der Dura spinalis im HWSBereich (Abb. 15.7; s. auch [162, 164, 182]). Wesentlich ist, dass nach dieser Traumatisierung keine äußeren Zeichen einer mechanischen Einwirkung (kein Kopfschwartenhämatom) vorliegen müssen, da der Kopf
Schütteltrauma
Als besondere Form der Kindesmisshandlung gilt das körperliche Schädigen eines Säuglings durch Schütteln (Übersicht: [141]). Der Säugling (in der Regel jünger als 1 Jahr) wird dabei mit beiden Händen an den angelegten Oberarmen oder direkt an der Brust gefasst und durch Sequenzen von schnellen Vor- und Rückwärtsbewegungen des Rumpfes geschüttelt. Der wegen der (in diesem Alter) nur schwach ausgebildeten Halsmuskulatur des Säuglings nur lose pendelnd über den Hals an den Rumpf gekoppelte Kopf ist dabei wegen seiner relativ großen Masse zu sich heftig aufschaukelnden VorwärtsRückwärts-Schleuderbewegungen anregbar. Diese können im Zenit der Bewegungsbahnen zu erheblichen Rotationsgeschwindigkeiten und Radialbeschleunigungen und vor allem an den Umkehrpunkten der Bewegung zu großen zirkulären Rotationsbeschleunigungen des Kopfes führen (Peitschenschlageffekt). Letztere können durch heftigen Aufprall an Brust und Rücken und durch zusätz-
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Abb. 15.7a,b Halswirbelsäule eines Säuglings nach Schütteltraumatisierung (parasagittaler Sägeschnitt) mit epiduraler Blutung. a Halswirbelsäule nach Entfernung des Halsmarks mit epidural an-
haftenden Blutresten. b Halsmark mit noch anhaftender Dura spinalis und frischer Blutauflagerung
nicht immer zusätzlich irgendwo hart aufschlägt. Das Fehlen äußerer Zeichen macht die klinische Diagnose schwer (Differentialdiagnose bei überlebtem Trauma: Enzephalopathie anderer Genese; im Todesfall: plötzlicher Säuglingstod). Aus diesem Grunde wurde in den letzten Jahren auch in Frage gestellt, ob das Schütteln überhaupt ursächlich für die Ausbildung eines SDH sei und nicht vielmehr ein spontaner Entstehungsmechanismus zugrunde gelegt werden müsse [54, 212]. Diese Schlussfolgerung wurde aber aus empirischen Gründen nicht als allgemeine Lehrmeinung anerkannt (vgl. [163]). Wird jedoch äußerlich eine Kopfschwartenverletzung festgestellt, muss differentialdiagnostisch immer auch ein „Sturz“ des Kindes (z. B. vom Wickeltisch) diskutiert werden (Lit. bei [162]) – ein Argument, das die Sorgeberechtigten oft als Erklärung für die Entstehung des SDH heranziehen, um sich dem Vorwurf einer Körperverletzung oder gar Tötung des Säuglings zu entziehen.
Trauma zusammen mit SDH oder mit Rindenblutungsherden auf. Es kann aber auch infolge einer traumatisierungsbedingten Ruptur der Arachnoidea, oder zusammen mit Schädelfrakturen an der Hirnbasis [106] zu einer isolierten SAB kommen. Über spontane basale arterielle SAB nach Ruptur eines Hirnbasisaneurysmas wird in Kap. 10 berichtet. Daneben ist jedoch eine Reihe von Fällen einer durch äußere Einwirkungen verursachten basalen arteriellen SAB ohne jegliche Gefäßvorschädigung bekannt [89, 106]. Es kann traumatisierungsbedingt zur Einwirkung von Zugkräften auf die Gefäßwand, auch der großen basalen Arterien, kommen, was evtl. zusammen mit einer Erhöhung des arteriellen Innendrucks zum Einriss eines Gefäßes des Circulus arteriosus Willisii führt, wobei überwiegend Rotationsbeschleunigungen als ursächlich anzusehen sind. Sie induzieren offenbar einerseits eine durch Zentrifugalkräfte bedingte Innendrucksteigerung und andererseits, aufgrund der differenten, trägheitsbedingten Bewegung von Gehirn und Schädel, eine Zerrung der Gefäßwand, was schließlich zur Ruptur führt. Im Einzelfall kann es schwierig sein, den forensisch relevanten Kausalzusammenhang zwischen Traumatisierung und Blutung nachzuweisen. Vor allem die zeitliche Koinzidenz ist dann von Bedeutung.
Subarachnoidalblutung (SAB) Pathogenese. Venöse SAB als Folge einer mechanischen Gewalteinwirkung treten bei gedecktem Schädel-Hirn-
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Kapitel 15
Klinik. Die Symptomatik der basalen traumatisierungsbedingten SAB ist charakteristisch: In der Regel handelt es sich um alkoholisierte Opfer, die im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung zu Boden gehen und akut bewusstlos liegen bleiben. Ob nun beim Schlag oder beim Sturz die für die SAB relevanten Rotationsbeschleunigungen erzeugt wurden, lässt sich im Nachhinein manchmal nur schwer rekonstruieren. Grundsätzlich sind für Sturztraumatisierungen viel eher hohe Rotationsbeschleunigungen zu erwarten als für Schlag (s. Abschnitt „Biomechanik“). In der Regel tritt auch bei sofort einsetzenden Reanimationsmaßnahmen wenig später eine zentralbedingte Asystolie bzw. ein Atemstillstand ein.
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Morphologie. Für eine basal gelegene Subarachnoidalblutung ist bei Verdacht auf eine äußere Ursache die Morphologie von wesentlicher Bedeutung, da differentialdiagnostisch immer eine spontane Aneurysmablutung ausgeschlossen werden muss. Die Blutmassen können in beiden Fällen die große basale Zisterne vollständig ausfüllen. Bei sorgfältiger Präparation des Gefäßringes während der Obduktion, evtl. unter fließendem Wasser, lässt sich das Fehlen eines Aneurysmasacks nachweisen, und unter der Lupe kann oftmals auch der durch äußere Gewalteinwirkung erzeugte Gefäßriss verifiziert werden. Im forensischen Bereich stellt sich, wie erwähnt, die Frage nach dem Kausalzusammenhang zwischen Gewalteinwirkung und Tod, d. h., es muss eine Gefäßmissbildung oder eine Gefäßkrankheit ausgeschlossen werden. Aus der Vorgeschichte muss zuerst eine zeitliche Koinzidenz zwischen Gewalteinwirkung und Symptomatik hervorgehen. Aus der Morphologie muss der Nachweis erfolgen, dass kein Aneurysma und keine Vorschädigung der Gefäße vorliegt, weshalb u. a. der Ausschluss einer Arteriosklerose, einer idiopathischen Medianekrose, einer Hyalinose oder Amyloidose Voraussetzung für die Annahme einer Gefäßruptur durch eine äußere Gewalteinwirkung ist.
Offene Hirnverletzung Eine offene Hirnverletzung liegt vor, wenn Kopfschwarte, Schädel und Dura durchtrennt sind. Dies kann als Folge stumpfer Gewalteinwirkung bei Impressionsfrakturen mit Durchspießung der Dura mater ebenso der Fall sein wie bei einfachen Frakturen, z. B. auf Höhe des Augenhöhlendachs mit der Folge einer Liquorfistel oder – extrem – bei Eröffnung des Schädelinnenraums durch ein von außen perforierendes Werkzeug. Besonders die mit der Eröffnung des intrazerebralen Raums verbundene Gefahr einer bakteriellen Infektion des Gehirns fordert die klinische Differenzierung einer offenen von einer gedeckten Hirnverletzung. Klinik und Morphologie hängen von der Intensität der Gewalteinwirkung und von ihrer Lokalisation ab. Offene
Trauma
Hirnverletzungen treten sowohl bei Verkehrs- und anderen Unfällen als auch bei Gewalttaten mit den unterschiedlichsten Tatwerkzeugen auf, auch bei Suiziden (z. B. bei Schuss oder bei Sturz aus der Höhe). Bei Fremdtötungen handelt es sich häufig um die Folgen einer Gewalteinwirkung auf den Kopf mit Hammer, Stuhlbein, Beil, Messer etc. und vor allem auch mit Schusswaffen (s. S. 415f.).
Klinik Die klinische Symptomatik wie auch die morphologischen Veränderungen der offenen und der gedeckten SchädelHirn-Verletzungen sind abhängig von der Masse (m) und Geschwindigkeit (v) des auf den Kopf einwirkenden Gegenstands und dessen kinetischer Energie (E = mv2/2). Dies gilt analog auch für den Kopf selbst, seine Masse und Geschwindigkeit, wenn er der bewegte Teil ist, z. B. bei Sturz auf eine feste Unterlage. Gleichzeitig besteht eine Abhängigkeit davon, wo und wie die Energie umgesetzt wird: Bei einem Hammerschlag kann z. B. die aufgewendete Energie lokal begrenzt verbraucht werden, wodurch der Schädel imprimiert und das Gehirn evtl. nur lokal geschädigt wird, ohne dass Zeichen einer wesentlichen Beeinträchtigung des Bewusstseins auftreten müssen. Andererseits kann ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss mit kleiner Masse durch die vergleichsweise große Energieabgabe bei Durchschuss durch das Gehirn zu einem akut einsetzenden Kreislaufstillstand führen. Ferner besteht eine Abhängigkeit von der Lokalisation der Hirnverletzung: Ein Schusskanal durch das frontale Marklager ohne Berührung von Ventrikelsystem oder Hirnstamm kann mit einer – allerdings allenfalls kurzfristig – aufrecht erhaltenen Handlungsfähigkeit einhergehen, während eine Zertrümmerung des Hirnstamms unmittelbar zu einem Atem- und Kreislaufstillstand führt.
Morphologie Die Morphologie ist vor allem durch die Lokalisation und das Ausmaß der Eröffnung des Schädels und der Hirnbeteiligung, wie auch durch die Art der Hirnverletzung selbst bestimmt. Stich und Hieb
Das Gehirn wird ebenso wie Kopfschwarte und Schädelknochen scharfrandig und geradlinig ohne wesentlichen Nekrosesaum durchtrennt (Abb. 15.8). In Abhängigkeit von der Lokalisation der Verletzungen treten Blutungen unterschiedlichen Ausmaßes auf, die u. a. auch ausschlaggebend für die klinische und morphologische Folgeschädigung sein können. Unabhängig von der Blutung sind klinisch herdförmige oder generalisierte Ausfallser-
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Abb. 15.8a–d Offenes Schädel-Hirn-Trauma: Stichverletzung von Kopf und Gehirn mit einem Meißel. a Kopfschwarte, b Schädel , c Hirnoberfläche, d Gehirn im Querschnitt mit Einblutungen am Ort der Stichverletzung
scheinungen entsprechend der Topik von Gewebezertrümmerung zu erwarten. Als Todesursache muss in den Fällen einer isolierten Schädel-Hirn-Verletzung ein zentraler Kreislaufstillstand angenommen werden. Schuss
Maßgebend für die klinischen Folgen sind u. a. der anatomische Verlauf des Schusskanals und die längs dieses Verlaufs erfolgte Energieabgabe des Projektils [193]. Direkte
Verletzungsfolge durch das Projektil ist der (permanente) Schusskanal mit Hirngewebszertrümmerung. Rund um diese Trümmerzone herum bildet sich eine Blutungszone (Abb. 15.9), die entsprechend der unterschiedlichen Gefäßversorgung unregelmäßig gestaltet ist. Um die Blutungszone herum liegt als Folge einer nur kurzzeitig gebildeten (temporären) Wundhöhle (Abb. 15.10, s. auch [85, 86]) eine Zone mit Nekrosen, vor allem der Astrozyten und der neuralen Elemente (Neurone und Axone) [158, 161, 239].
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d Abb. 15.9a–d Schussverletzungen mit Gegenüberstellung von Befunden bei Hirnsektion und MRT-Untersuchung am fomalinfixierten, isolierten Gehirn (zwei unterschiedliche Fälle). a Eingebluteter, querverlaufender Schusskanal links frontal (Einschuss linke Schläfe), mit sekundären Rindenblutungen rechts frontotemporal.
b MRT-Bild auf gleicher Schnitthöhe wie a. c Frontalschnitte mit Hirngewebszertrümmerung auf Höhe des permanenten Schusskanals. d Horizontalschnitt des gleichen Gehirns mittels MRT mit Darstellung einer Aufhellungszone um den permanenten Schusskanal herum, als Äquivalent einer temporären Wundhöhle
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Mechanisches Trauma
Abb. 15.10 Hirndurchschuss mit Handfeuerwaffen niedriger Energie (50% dafür, dass der Tod bereits vor der Hitzeeinwirkung auf das Gehirn durch CO-Intoxikation eingetreten ist [60, 147]. Wird eine Brandeinwirkung überlebt und sind Brandwunden vorherrschend – auch wenn der Kopf und das Gehirn ausgespart sein sollten – so werden sekundäre Phänomene bestimmend, die als Folge der Brandwunden bzw. der Wundheilung anzusehen sind. Je nach Ausdehnung der zerstörten Hautoberfläche bzw. der Tiefe des thermischen Weichteildefekts lassen die Brandfolgen eine unterschiedliche Prognose zu, die u. a. auf dem Verlust an Plasmaproteinen – mit der Konsequenz eines generalisierten Ödems – und einer Infektion der verletzten Haut (septischer Schock) beruht [157]. Bei einem Frühtod nach Verbrennungen entwickelt
Trauma
sich klinisch zunächst eine Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma. Morphologisch finden sich eine Hyperämie und ein Ödem als Folge der veränderten Hämodynamik und eines toxischen Gefäßschadens [68]. Durch die gleichzeitig eintretende vermehrte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für Plasmaproteine entsteht das Bild einer serösen Entzündung mit intravasalen Thromben und z. T. auch intra- und extravasalen Fibrinkugeln als Zeichen eines Schockgeschehens [68]. Perivasale spongiöse Auflockerung, perivasale, lipidenthaltende Makrophagen, Hirnblutungen, perivaskuläre Siderophagen, Nervenzellschrumpfung und -abblassung sowie eine Astrogliaproliferation wurden beschrieben [82]. Bei längerer Überlebenszeit dominieren ischämische Schäden unterschiedlichen Ausmaßes. Der Spättod nach Verbrennung ist vor allem durch Infektionen von verbrannten Hautarealen sowie auch durch Infektionen der Atemwege – besonders bei gleichzeitigem Inhalationstrauma – mit nachfolgender Sepsis bedingt. Es entwickeln sich eine vermehrte Wassereinlagerung, auch in das Gehirn, sowie systemische hypoxische Schäden. Ein Hydrocephalus internus wird ebenso beschrieben wie eine hypoxische Enzephalopathie, die vor allem bei Kindern zu beobachten ist. Eine häufige Komplikation am Gehirn ist die entzündliche Beteiligung bei sekundärer Sepsis im Sinne einer ZNS-Infektion (15% der Fälle) oder sekundärer Veränderungen (septischer arterieller Verschluss oder DIC) mit nachfolgendem Infarkt (18% der Fälle) oder einer intrazerebralen Blutung [231].
Elektrotrauma Verletzung durch Niederspannungskontakt Zu den Niederspannungen zählen die im häuslichen Bereich gebräuchlichen elektrischen Wechselspannungen von 220 V und 380 V. Bei Stromtodesfällen durch Kontakt mit diesen Spannungen handelt es sich überwiegend um Unfalltod und extrem selten um Suizid oder Mord. In den USA werden ca. 1000 Stromtodesfälle im Jahr gezählt [112], allerdings neben 100.000 überlebten Elektrounfällen [138] und weiteren Hochspannungsunfällen. Daneben aber werden immer wieder auch z. T. tödliche Unfälle infolge von Blitzeinwirkung bekannt. Blitzeinwirkungen sind auf pathogenetischer Ebene mit Stromunfällen an Hochspannungsanlagen vergleichbar (s. unten). Klinik. Die größte Gefahr ergibt sich durch Stromeinfluss auf das Reizleitungssystem des Herzens, wodurch es zur Asystolie kommen kann – mit allen Folgeveränderungen – auch des Gehirns (hypoxische Enzephalopathie [32]). Die Frühsymptomatik wird bestimmt durch die Qualität und Quantität elektrischer Einwirkungen. Als
Spezielle physikalische Traumen
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Abb. 15.16a–f Brandeinwirkung am Kopf. a Verkohlung der Kopfund Gesichtsweichteile mit nahezu komplettem Weichteilschwund. b Absplitterung der Tabula externa im Scheitelbereich. c,d Verkochung
der äußeren Hirnstrukturen (Pfeilköpfe). e Kirschrote Färbung der Dura mater mit gespannter Dura als Zeichen einer Hirnschwellung. e,f epidurale Auflagerung von verkochtem Blut (Brandhämatom)
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Kapitel 15
Folge eines Stromflusses, z. B. bei Kontakt mit einer Haushaltsspannung von 220 V, kann es zu einer akuten Symptomatik kommen, im Sinne von Parästhesien, Muskelschmerz, Muskelkrampf, Bewusstseinsverlust, Reflexverlust usw. [79, 80]. Überschreitet dabei der Stromfluss über das Herz eine gewisse Schwelle, so entwickelt sich eine Asystolie durch Kammerflimmern mit der Folge eines Atemstillstands. Als Spätfolgen nach überlebter Stromeinwirkung werden neben einer hypoxischen Enzephalopathie vor allem Spinalatrophien sowie spastische Spinalparalyse und hirnorganische Anfälle beschrieben, die allerdings z. T. im Intervall auftreten können und auch überwiegend wieder verschwinden [116, 174]. Psychopathologische Störungen können länger anhalten und in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung auftreten [92].
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Pathogenese. Prinzipiell sind bei Elektroeinwirkung thermische von elektrisch-funktionellen Schäden zu unterscheiden. Thermische Schäden können in Form von lokalen Nekrosen bis zur vollständigen Verkohlung und Verbrennung reichen. Das Ausmaß der Folgen funktioneller Schäden basiert auf dem Ausmaß der Elektrolytverschiebung, d. h. auf der molekularen Ebene [218] und ist abhängig • von der Art des Stroms (Gleichstrom, Wechselstrom, hochfrequente Ströme, Impulsströme), • von der Art der Einwirkung (Art und Ort des Berührungskontakts einer Stromquelle bzw. des Überschlags einer Hochspannung, Stromweg durch den Körper u. Ä.), • von quantitativen Faktoren wie Höhe der elektrischen Spannung, Stromstärke, Größe des elektrischen Körperwiderstands, Dauer des Stromflusses und Stromfrequenz (niederfrequenter/hochfrequenter Wechselstrom [79, 80]). Natürlich ist auch der primäre Gesundheitszustand des Opfers von Bedeutung [14]: So können offenbar Körperkontakte mit Spannungen von 25 V bereits gefährlich [84] und von 46 V tödlich [207] sein. Im Nervensystem kommt es durch Ionenverschiebung zu Störungen von Reizbildung und Reizleitung – besonders am Herzen. An den Gefäßen kann sich eine Permeabilitätsstörung als Folge von Gefäßspasmen entwickeln. Schließlich werden sekundäre mechanische und toxische Schäden beobachtet. Morphologie. Eine venöse Hyperämie tritt zusammen mit unterschiedlich ausgeprägten Diapedeseblutungen, vor allem in der Umgebung des 3. Ventrikels des Gehirns, am Boden der Rautengrube und in der Großhirnrinde (Rinden-Mark-Grenze) auf – allerdings auch bis hin zu ausgedehnten Blutungen [206]. Die Blutungen sind einerseits durch die venöse Hyperämie, andererseits durch Gefäßspasmen und durch eine strombedingte Blutdruck-
Trauma
steigerung verursacht [99]. Das Hirnödem ist sowohl Folge einer elektrisch bedingten Schrankenstörung als auch der Blutdrucksteigerung. Demyelinisation, Chromatolyse und Gefäßwandveränderungen fanden sich bei 5 zum Tode Verurteilten, die auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet worden waren [201a]. In Einzelfällen werden zerebrale venöse Thromben beschrieben [169, 211]. Als Späterkrankung wird eine elektrotraumatische Spinalatrophie beschrieben [116, 168, 174], die Wochen bis Monate nach der Einwirkung auftreten kann. Ursache ist eine Erweichung mit Entmyelinisierung des Halsmarks auf Höhe des 5. bis 7. Halswirbelkörpers, die mit Blutungen einhergehen kann und in einer Höhlenbildung endet [7]. Ferner wurde eine spastische Spinalparalyse beobachtet [99, 166], jeweils mit Entmarkung im Hinterund Hinterseitenstrang. Vereinzelt bildet sich ein Hydrocephalus internus aus [11]. Ungeklärt sind bisher psychopathologische Spätfolgen ohne morphologisches Äquivalent, die als posttraumatisches Stresssyndrom in Erscheinung treten [92, 176, 177].
Verletzung durch Hochspannungskontakt und Blitzschlag Klinik. Sowohl bei Unfällen an Hochspannungsanlagen als auch bei Blitzeinwirkung entstehen Verletzungen, selbst ohne direkten Berührungskontakt, durch Überschlag in der Luft. Bei Gewitter kann es unter verschiedensten Umständen zum Blitzschlag kommen, der lebensgefährlich – aber nicht immer tödlich – ist [20, 100, 126]. Der Tod kann infolge Kammerflimmerns akut eintreten [118]. Wenn der Blitzschlag zunächst überlebt wird, dominieren sekundäre Veränderungen (Brandverletzungen, zerebrale Ischämie infolge einer – evtl. vorübergehenden – Asystolie u. Ä.), die von sich aus auch zum Tode führen können. In Fällen des dauerhaften Überlebens muss an permanente kardiale Funktionsstörungen gedacht werden. Morphologie. Verbrennungswunden sind an den Orten des Stromübertritts in der Haut erkennbar. Erfolgt der Hochspannungsüberschlag im Kopfbereich, so kommt es zu lokalen Verbrennungen, die zunächst Ober- und Unterhaut betreffen, jedoch auch mit subarachnoidalen oder sogar parenchymatösen Hirnblutungen einhergehen können [9, 98]. In einem Fall wurde eine epidurale Blutung beobachtet [142], in anderen Einzelfällen auch Blutungen in die Basalganglien [9]. Im Gehirn kann es zu petechialen Blutungen kommen, zu einer Verbreiterung der perivaskulären Spalträume, zur Ausbildung von Gasblasen als Folge der Elektolyse, zu Thromben kleiner Gefäße, zu neuronalen Veränderungen – bis hin zur hypoxischen Enzephalopathie mit Hirnödem –, während im Rückenmark eine Demyelinisation möglich ist [97].
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Spezielle physikalische Traumen
Strahlungstrauma Ionisierende Strahlen wirken auf zellulärer und molekularer Ebene und können folgende Störungen verursachen: • Störungen im Bereich der Zellkernsubstanz mit Verlust der Replikationsfähigkeit der DNS sowie Störung der Chromosomen und Auslösung von Mutationen und abnormem Zellwachstum [189a]; • Inaktivierung von Enzymen, Erzeugung freier Bindungsradikale oder -valenzen an Molekülen und Atomen; • Reduktion des Hirnstoffwechsels, besonders des zerebralen Glukoseverbrauchs [38]; • Abtötung von Zellen [31] und Organismen durch Zerstörung des organischen Molekulargefüges.
chermaßen in Form einer akuten Strahlennekrose geschädigt; zwischen 50 und 70 Gy entwickelt sich eine Partialnekrose im Strahlenzentrum. Das Gewebe reagiert mit einer Nekrose und reaktiven Gliose; es kommt zu Kalkeinlagerung, entzündlichen Reaktionen, Gefäßproliferation und Hyalinisation. Es infiltrieren zunehmend T-Zellen (CD4, CD8) und Makrophagen; freigesetzt werden TNF-α sowie Interleukin-6 [107]. Bei weiterer Reduzierung ergibt sich eine erhöhte Vulnerabilität der Markscheiden gegenüber den Nervenzellen. Die Nervenzellen zeigen Veränderungen im Sinne einer zentralen Chromatolyse. Durch Störung der Blut-Hirn-Schranke entwickelt sich ein Hirnödem, das maßgebend für die morphologischen Folgen ist. Die Oligodendroglia ist strahlensensibler als die Astroglia, die ihrerseits strahlensensibler als die Nervenzelle ist. Transitorische Strahlenmyelopathie
Die Strahlungsenergie wirkt durch Radiolyse des Wassers innerhalb des Gewebes und löst die Freisetzung von OHund H-Radikalen aus, u. a. durch Reaktion mit Aminosäuren sowie den SH-Gruppen an Zell- und Organellenmembranen. Im Bereich komplexerer Moleküle ändern Strahlen die Aktivität von Enzymen, wodurch eine Akkumulation von enzymabhängigen Substanzen entsteht. Der entscheidende pathogenetische Faktor aber ist die Schädigung der Reproduktionskapazität der Zelle mit der Folge einer akuten Strahlennekrose bis hin zur Mutation. Vulnerabel sind vor allem die teilungsfähigen Zellen innerhalb des ZNS, also vor allem die Endothel- und Muskelzellen der Gefäßwand sowie die Gliazellen [75, 213]. Die kombinierte Wirkung auf Gefäßwände und Parenchym verursacht in frühen Stadien eine Schädigung besonders der Oligodendroglia und des übrigen Parenchyms, während Astrozyten in der Umgebung aktiviert werden können [237]. In Spätstadien entwickeln sich vor allem Schädigungen der Gefäßwand [148]. Als wesentliche Einflussfaktoren werden heute Zytokine und Wachstumsfaktoren angesehen [107]. Das kindliche zentrale Nervensystem weist eine deutlich erhöhte Empfindlichkeit gegenüber ionisierenden Strahlen auf [210], die, beginnend im Fetalstadium, mit zunehmendem Alter geringer wird. Das noch in Entwicklung und Bemarkung befindliche Gehirn zeigt mithin eine erhöhte Strahlensensibilität.
Akute Strahlenschäden Strahlennekrose
Bei einer Ganzkörperbestrahlung von mehr als 100 Gy tritt der Tod innerhalb von Stunden ein, wobei im Tierexperiment ab 50 Gy die Schädigung des ZNS führend ist. Bei lokaler Bestrahlung des Kopfes mit dem Betatron sind oberhalb von 70 Gy graue und weiße Substanz glei-
Das Rückenmark ist generell empfindlicher gegenüber ionisierenden Strahlen als das Großhirn [190], offenbar durch eine vergleichsweise geringere Knochenabsorption bedingt [48]. Besonders der Zervikalbereich kann bei Bestrahlung von Tumoren in der Mundhöhle und in den Pharynx- und Larynxabschnitten betroffen sein. Die für die Bestrahlung in diesem Bereich angegebene Toleranzdosis schwankt zwischen 10 und 60 Gy [48]. Unter den heute üblichen therapeutischen Bedingungen (55–60 Gy, verteilt auf 5–6 Wochen) ist in einer durchschnittlichen Häufigkeit von 1–5% mit einer Strahlenmyelopathie zu rechnen. Die besondere Vulnerabilität der Oligodendroglia führt bevorzugt zu Entmarkungen, die betont in den Hintersträngen auftreten und die als Ursache des Lhermitte-Zeichens angesehen wird (unangenehme elektrisierende Parästhesien bei Kopfbeugung).
Chronische Strahlenschäden Die Latenzzeit zwischen Bestrahlung und Beginn der klinischen Symptome liegt zwischen wenigen Monaten und 13 Jahren – im Mittel bei 16,4 Monaten [48]. Es wird eine akut entstehende von einer progredienten chronischen Form unterschieden: • Akut einsetzender Strahlenspätschaden: Sowohl am Gehirn als auch – besonders – am Rückenmark können sich innerhalb kurzer Zeit Symptome einer Spätschädigung ausbilden. Innerhalb von Tagen können sich u. a. inkomplette oder komplette Querschnittssyndrome ebenso wie andere zentralnervöse Ausfallserscheinungen entwickeln, wobei morphologisch nicht die Gefäßwandveränderungen, sondern eine Schädigung der Glia mit Entmarkung bis zum Grad der Marknekrose im Vordergrund stehen. Die in ihrer Replikationsfähigkeit geschädigten Gliazellen entwickeln nach mehreren Mitosestadien während
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der Latenzzeit Funktionsstörungen, wie sie auch bei Endothelzellen beobachtet werden [75]. • Chronisch-progredienter Strahlenspätschaden: Klinisch stehen bei Rückenmarkschäden ausgeprägte sensible Störungen (54%) im Vordergrund, während eine Kombination von motorischen und sensiblen Ausfällen (21%) bzw. initiale Paresen (22%) deutlich seltener zu beobachten sind [48]. Bei dieser prognostisch ungünstigen Form von Spätschaden steht die vaskuläre Komponente im Vordergrund (Abb. 15.17). Gleichzeitig wird eine Abblassung der Markscheiden bis zur völligen Entmarkung sowie eine leichte spongiöse Auflockerung beobachtet.
Akustisches Trauma
Trauma
PREVENT (Preventing Violent Explosive Neurotrauma) im Rahmen der DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), und es konnte ein Heft der Zeitschrift Journal of Neurotrauma unter den Gasteditoren Kochanek und Kollegen (Vol 26, Heft 3, 2009) diesem Thema gewidmet werden. Wenn auch kein Zweifel daran besteht, dass eine Hirnschädigung durch Schallwellen stattfinden kann, so liegen bisher jedoch keine neuropathologischen Untersuchungen vor. Zurzeit werden vor allem Tiermodelle entwickelt, die dazu dienen, das Zustandekommen isolierter schallbedingter Hirnschädigungen zu studieren. Eine Übersicht über den aktuellen Stand morphologischer Folgeveränderungen wird von Cernak et al. [29a] und Leung et al. [115a] gegeben. Diese Autoren beschreiben neuronale Schwellungen, Gliareaktionen und eine Myelinzertrümmerung.
Knalltrauma Spätestens seit der monographischen Übersicht von Pfander et al. [175] ist die Wirkung von Schallwellen auf das Gehirn außer Zweifel. Dieses Thema aber ist besonders heute hochaktuell durch die Folgewirkungen bei Veteranen des Irak- und Afghanistan-Krieges [128a]. Inzwischen besteht in den USA das Forschungsprogramm
Ultraschalltrauma Eine akzidentelle Exposition hochdosierter Ultraschalleinwirkung ist selten; wirksam werden dabei vor allem thermische Veränderungen [39]. Mit Frequenzen bis zu 10 MHz wird heute Ultraschall im Rahmen der di-
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Abb. 15.17a–d Strahlungsbedingte Verletzungen des Gehirns. a–c Hyalinisierung der intrazerebralen Gefäße, fibrinoide Nekrose.
d Extreme Gliose des Hirnparenchyms (a,b Trichrom, c van Gieson, d Holzer; Vergrößerungen a,c,d ×300, b ×1000)
Spezielle physikalische Traumen
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Abb. 15.18a,b Tauchunfall. a Intravenöse, blasenförmige Aussparungen als Hinweis auf Gasblasen im Blut. b Intrazerebrale, kreis-
runde Parenchymaussparungen infolge Gasfreisetzung aus dem Gewebe (a,b HE, Vergrößerung a,b ×100)
agnostischen Sonographie angewandt. Durch Ultraschall kommt es außerdem zu einer mechanischen Einwirkung auf das Gewebe, deren Ausmaß von der Dosierung (Frequenz, Intensität und Expositionszeit) abhängig ist [123]. Die Bestrahlung von Hirngewebe mit Ultraschall von 2,7 MHz für 2 s verursachte beim anästhesierten Tier eine Temperatur von 55 °C. Wird das ZNS mit hochenergetischem fokussiertem Ultraschall behandelt, so entsteht eine lokale Koagulationsnekrose, deren Ausdehnung von der Dosierung abhängig ist [10, 71].
ein Ausgleich über die Lunge erfolgen kann. Das Auftreten von Gas in freiem, nicht gelöstem Zustand beim Auftauchen hängt von der Korrelation zwischen Auftauchtiefe und der Auftauchzeit ab, die für den jeweils nötigen, gefahrlosen Druckausgleich berechnet werden muss.
Barotrauma Dekompressionstrauma Das Dekompressionstrauma (Caisson-Trauma) tritt bei Unfällen von professionellen Tauchern (Brückenbau, Bau von Bohrinseln) ebenso auf wie bei solchen von Sporttauchern. Auch im Rahmen von Therapiemethoden der Alternativmedizin (Ozon- und Überdruckbehandlung) kann es zum Caisson-Trauma kommen. Ab etwa 100 m Tauchtiefe tritt der Tiefenrausch ein, mit Euphorie, Denkund Koordinationsstörungen [208]. Es besteht zusätzlich die Gefahr einer Sauerstoffvergiftung (Oxidose) mit hirnorganischem Anfall und Bewusstseinsverlust. Pathogenese. Die Krankheitsbilder entstehen bei Änderung des Atmosphärendrucks von übernormal auf normal. Beim Tauchen steigt in der Tiefe des Wassers der hydrostatische Druck, der auf dem menschlichen Körper lastet, proportional zur Tauchtiefe an. Die Druckerhöhung bedingt eine proportional stärkere Lösung der Atemgase, insbesondere von Stickstoff, in Blut und Gewebe, so dass es hier zu einer Übersättigung kommt. Wird zu schnell aufgetaucht [75] und erfolgt mithin die Dekompression zu schnell, werden die im Überdruck gelösten Gase in Form von Bläschen wieder freigesetzt, ohne dass
Morphologie. Die frei werdenden Gase sind intra- sowie interzellulär ebenso wie extra- und intravasal nachweisbar [147]. Es kann eine Gasblasenembolie ebenso wie eine lokale Gasblasenentstehung beobachtet werden, zusammen mit einer Störung der Mikrozirkulation, einer disseminierten intravaskulären Gerinnung und Lipidembolie bzw. Fettembolie [170]. Im Gehirn finden sich herdförmig spongiöse Auflockerungen und Zeichen einer Schrankenstörung sowie multiple blasenförmige Gewebeverdrängungen, die wie ausgestanzt wirken (Abb. 15.18). Die gleichzeitig zu beobachtenden Schrankenstörungen sind offenbar nicht Folge der Gasfreisetzung, sondern die Konsequenz der sekundären Ischämie [73]. Angemerkt werden muss jedoch, dass der Nachweis einer blasenförmigen Freisetzung von Gas für sich genommen keinen Beweis für einen „vitalen“ Vorgang darstellt und damit auch die Todesursache nicht bewiesen werden kann. Der gleiche Vorgang einer Dekompression erfolgt auch bei der Bergung einer frischen Leiche, in deren Blut nach einem Tauchgang unter Überdruck gelöstes Gas enthalten ist, das bei Druckentlastung – auch in der Leiche – wieder freigesetzt wird [151]. Bei Berufstauchern kann es aufgrund rezidivierender Gasfreisetzung zu chronischen, kleinherdigen Narben im Zentralnervensystem kommen, wobei besonders das Rückenmark betroffen ist [143, 214]. Außerdem kann sich eine chronische Gefäßerkrankung entwickeln [167]. Klinik. Als nachweisbare Veränderungen treten auf: Bradykardie, Muskel- und Knochenschmerz, Schock, Bewusstseinsverlust und Lähmungen disseminierter Art [173]. Die Diagnose wird anamnestisch und/oder röntgenologisch gestellt.
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Luftembolie Venöse Luftembolien entstehen bei operativen Eingriffen durch Eröffnung herznaher Venen oder nach Schädelbasisfrakturen durch Eröffnung der großen venösen Sinus. Früher verursachten Infusionspumpen ohne Rückschlagventil wiederholt tödliche Luftembolien: sie pumpten atmosphärische Luft in das Gefäßsystem, wenn die Infusionsflasche keine Flüssigkeit mehr enthielt. Arterielle Luftembolien können beim Tauchgang auftreten, wenn bei extremer Ausdehnung der Lungen diese einreißen (Barotrauma) und Luft in das Gefäßsystem gelangt [235]. Arterielle Gasembolien sind auch im Rahmen hyperbarer Sauerstoffbehandlung beschrieben worden [18]. Klinisch treten akute Krämpfe, Sehstörungen und Paresen auf. Morphologie. Ischämische Enzephalomalazien sowie ischämische Ganglienzellveränderungen (Tigrolyse) sind ebenso zu beobachten wie gasbedingte Vakuolen in Gefäßen und Kapillaren sowie Mikrozirkulationsstörungen. Immer wieder wurden in der Rinde, den Meningen sowie – seltener – im Mark lokalisierte, kleinfleckige Blutungen beobachtet [84], die in topographischem Zusammenhang mit den durch Luftembolie verschlossenen Gefäßen stehen [185]. Perikapillär und periarteriolär kommt es zur Ansammlung von Luft-Plasma-Gemischen oder zu Luftblähung der kapillären Gliakammern und der Virchow-Robin-Räume (Emphysem der Gefäßscheide nach Rössle [185]).
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heitsbild zeigt einerseits klinische Zeichen einer AMS, ist jedoch zusätzlich durch neurologische Ausfälle gekennzeichnet, durch eine Gangataxie und durch Bewusstseinsstörungen. Ein vasogenes Ödem des Corpus callosum sowie Mikroblutungen werden als charakteristische morphologische Veränderungen beschrieben [90]. Die Symptomatik erklärt sich durch den erhöhten Hirndruck [232], wobei eine venöse Hypertension als zusätzlicher pathogener Faktor angesehen wird [233]. Dieses Krankheitsbild wurde in 27% der 406 Fälle beschrieben [115]. • Höheninduziertes Lungenödem („high-altitude pulmonary edema“, HAPE). Hierbei handelt es sich um ein Krankheitssyndrom mit dem Leitsymptom eines Lungenödems, das bei anhaltenden pathologischen Druckverhältnissen ebenso fatal enden kann wie HACE. Dieses Krankheitsbild wurde isoliert in 34% der Fälle beobachtet; in Kombination mit HACE in 27% der Fälle [115].
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Höhenkrankheit Die Höhenkrankheit tritt etwa ab 3500–5500 m Höhe auf und ist durch einen Sauerstoffmangel im Sinne einer Hypoxidose gekennzeichnet, wodurch es zu einer Einschränkung der Zellfunktion kommt. Klinisch und pathologisch-anatomisch werden die im Folgenden aufgeführten Formen der Höhenkrankheit unterschieden [16, 183]. Ob sich im Einzelfall eine dieser Formen ausbildet und welche, ist nicht vorherzusagen. Offenbar bestehen erheblich individuelle Unterschiede, die durch Training bis zu einem gewissen Grad auszugleichen sind. • Akute Bergkrankheit („acute mountain sickness“, AMS) mit den klinischen Symptomen einer generaliserten Hirnhypoxie und der morphologischen Folge einer elektiven Nervenzellnekrose. AMS wurde in ca. 18% (von 406 untersuchten Fällen) beobachtet [115]. Ursächlich ist offenbar eine hypobare Hypoxie, wobei die eigentlichen Mechanismen unbekannt sind. Im Tierexperiment konnte ein neuronaler Ausfall in der CA3Region des Hippokampus beobachtet werden [128]. • Höheninduziertes Hirnödem („high-altitude cerebral edema“, HACE). Dieses als Entität angesehene Krank-
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Kapitel 16
16
Epilepsien
I. Blümcke Inhalt Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
Epilepsieassoziierte Tumoren . . . . . . . . . . . . . .
455
Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
Fokale kortikale Dysplasien . . . . . . . . . . . . . . .
457
Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
Rasmussen- und limbische Enzephalitis . . . . . . . .
459
Klinisch-pathologische und genetische Klassifikation der Epilepsien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Epilepsien mit metabolischen Ursachen . . . . . . . .
460
448 Schäden durch Antikonvulsiva . . . . . . . . . . . . .
460
Pathomechanismen der Epilepsien . . . . . . . . . . . .
449 Todesursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
460
Pathophysiologische Mechanismen . . . . . . . . . .
449 Genetisch determinierte Epilepsien . . . . . . . . . . . .
461
Zelluläre und molekulare Pathomechanismen . . . .
450 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
462
Neuropathologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . .
451
Hippokampussklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . .
453
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
448
Kapitel 16
Grundlagen Definition Epilepsie ist der Oberbegriff für sowohl ätiologisch und phänomenologisch unterschiedliche Formen anfallsartig auftretender unwillkürlicher Bewegungsabläufe oder abnormer Sinnesempfindungen mit oder ohne Bewusstseinsstörung, denen eine plötzliche Depolarisation einer Gruppe von Nervenzellen und eine abnorme Synchronisation mit Ausbreitung solcher Entladungen zugrunde liegt.
Epilepsien
(„fokale“, „generalisierte“ Anfälle) im Vordergrund, bei der internationalen Klassifikation der Epilepsien und epileptischen Syndrome (IKES) von 1989 das Manifestationsalter, der klinische Verlauf und die Prognose. Eine Revision dieser ILAE-Klassifikationen wurde jüngst vorgeschlagen [13], und berücksichtigt vor allem die diagnostische Spezifität genetisch determinierter Syndrome (geordnet nach Lebensalter bei Anfallsbeginn) und grenzt hiervon nichtsyndromale Epilepsien mit spezifischen strukturellen oder metabolischen Ursachen ab (s. folgende Übersicht). Diese Einteilung wird derzeit kontrovers diskutiert. Sie fußt allerdings deutlich stärker auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Anfallsentstehung und kann daher leichter um klinisch-pathologisch und genetisch kohärente Entitäten erweitert werden.
Epidemiologie
16
Im Laufe ihres Lebens haben 2–5% der Bevölkerung einen epileptischen Anfall durchgemacht. An einer manifesten Epilepsie leiden 0,5–1%. Als Faustregel gilt, dass einer von 20 Menschen irgendwann einmal einen Anfall erlitten hat und einer von 200 wegen einer aktiven Epilepsie behandlungsbedürftig ist. Die Inzidenzraten werden mit 20–70/100.000/Jahr angegeben, wobei Kinder am häufigsten betroffen sind, die Rate im frühen Erwachsenenalter sinkt, um im fortgeschrittenen Alter wieder anzusteigen. 40% der Erwachsenenanfälle äußern sich in komplexen Partialanfällen, 60% in deren Kombination mit sekundär generalisierten großen Anfällen. In etwa 30% treten primär generalisierte tonisch-klonische Anfälle auf, weniger als 5% manifestieren sich als Absencen oder myoklonische Anfälle. In all diesen Zahlen sind Fieberkrämpfe nicht enthalten. Etwa ein Drittel der Epilepsiepatienten erleidet weniger als einen Anfall pro Jahr, ein Drittel 1–12 Anfälle pro Jahr, ein weiteres Drittel mehr als einen Anfall im Monat [116, 122].
Klinisch-pathologische und genetische Klassifikation der Epilepsien Die Zuordnung neuropathologischer Befunde zu bestimmten epileptischen Syndromen erfordert eine von Klinikern wie Morphologen gemeinsam anerkannte, auf international definierten Kriterien beruhende Klassifikation. Eine solche Klassifikation ist Voraussetzung für die Vergleichbarkeit von Befunden und muss jeder wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich sein. Die erste international anerkannte Klassifikation der Epilepsien wurde 1970 von Henri Gastaut publiziert [60] und 1981 um die Einteilung von Anfällen [42] und 1989 um epileptische Syndrome [43] erweitert. Dementsprechend stand bei der 1981 von der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) herausgegebenen Klassifikation die Anfallsform
Internationale Klassifikation der Epilepsien [13] Elektroklinische Syndrome (nach Anfallsbeginn) x Neonatale Periode (10 Lymphozyten/mm2 im Neuropil, Nervenzelldepletion und Astrogliose in einer Hemisphäre. Diese Veränderungen finden sich meistens im Neokortex, können aber auch auf Mark und Stammganglien übergreifen. Aufgrund der schlechten Prognose zur medikamentösen Anfallskontrolle (insbesondere bei Epilepsia partialis continua) kann eine neurochirurgische Hemispherotomie oder Hemisphärektomie erfolgreich sein [18]. Davon abzugrenzen ist die limbische Enzephalitis [64], die regional meist auf den Temporallappen begrenzt bleibt, sonst aber die histomorphologischen Merkmale der Rasmussen-Enzephalitis teilt. In longitudinalen MRT-Studien konnte in mehreren Fällen zunächst eine einseitig betonte Hippokampusschwellung beobachtet werden, die sich innerhalb weniger Monate in eine Hippokampusatrophie umwandelt [133]. Ätiologisch ist bei dieser häufig erst im Erwachsenenalter auftretenden limbischen Enzephalitis ein paraneoplastisches Syndrom auszuschließen (50% Bronchialkarzinome, 20% Hodentumoren, 8% Mammakarzinome). Neben paraneoplastischen Autoantikörpern gegen intrazelluläre Antigene wie Ma, Hu, Ta/Ma2 können in Speziallabors auch sog. Neuropil-Antikörper (z. B. gegen spannungsabhängige Kaliumkanäle, VGKC, gerich-
460
Kapitel 16
tet) nachgewiesen werden und bestätigen die Diagnose [77]. In letztgenannten Fällen zeigt die Therapie mit immunsupprimierenden oder -modulierenden Substanzen eine deutlich bessere Prognose als bei Patienten mit Nachweis von Antikörpern gegen intrazellulären Antigene [19].
Epilepsien mit metabolischen Ursachen Das Alpers-Huttenlocher-Syndrom, das einen Cytochrom-C-Oxydase-(Komplex-IV-)Mangel aufweist, gehört zu den metabolisch verursachten Epilepsien. Es kann mit einer Epilepsia partialis continua gekoppelt sein und ist morphologisch gekennzeichnet durch ausgedehnte spongiöse Rindenveränderungen mit Nervenzelluntergängen in Groß- und Kleinhirnrinde und Stammganglien sowie einer starken Astrogliose (progressive infantile Poliodystrophie), die einseitig betont sein können. In 67% der Patienten mit Alpers-Syndrom konnte eine Mutation in der Gamma-Untereinheit der DNS-Polymerase (POLG, Chromosom 15q25) nachgewiesen werden [140]. Dieses Enzym ist direkt an der mitochondrialen DNSReplikation beteiligt. Huttenlocher beschrieb darüber hinaus bei seinen kindlichen Patienten eine Leberzirrhose [73]. Weitere mitochondriale Enzephalopathien können typischerweise mit einer Epilepsie vergesellschaftet sein, wie z. B. MERFF.
16
Schäden durch Antikonvulsiva Klinische, durch radiologische Befunde gestützte Erfahrungen sowie experimentelle Untersuchungen zeigten, dass bei Antikonvulsiva-Überdosierungen oder nach Suizidversuchen mit Antikonvulsiva Kleinhirnschädigungen vorkommen, besonders durch Diphenylhydantoinpräparate. Morphologisch lassen sich in solchen Fällen diffuse Purkinje-Zell-, seltener auch Körnerzelluntergänge nachweisen, die elektronenmikroskopisch im Experiment auch durch atypische Dendritensprossungen belegbar sind [99]. Unter Vigabatrinbehandlung wurden psychotische Episoden beschrieben [110]. Mit Valproat behandelte Kleinkinder sind durch Leberfunktionsstörungen gefährdet (geringe therapeutische Breite bei hoher Wirksamkeit). Plötzliche Todesfälle wurden vor allem bei 3bis 10-jährigen Kindern beobachtet. Darüber hinaus muss eine teratogene Wirkung von Valproinsäure bei schwangeren Epilepsiepatientinnen angenommen werden [52]. Diese scheint sich aus der hemmenden Wirkung der Valproinsäure auf die epigenetisch entscheidend wirksame Histon-Deacetylase zu erklären [61]. Tierexperimentell konnte zudem eine Störung der kognitiven Ent-
Epilepsien
wicklung bei in utero behandelten Ratten nachgewiesen werden [56]. Teratogene Wirkungen haben darüber hinaus Hydantoinderivate (z. B. mit Fingerhypoplasien). Eine größere italienische Studie fand Missbildungen von Klinodaktylien und Hüftgelenkdysplasien über dysraphische Störungen bis zum Anenzephalus bei 9,1% der Neugeborenen (bei Kontrollen 2,2%), geringgradige Normabweichungen bei weiteren 13,3% [4]. Bei behandlungsbedürftigen Schwangeren ist daher eine sorgfältige Überwachung der Antikonvulsivaspiegel unverzichtbar. Iatrogene Schäden können im Übrigen auch bei der prächirurgischen Diagnostik in Verbindung mit der Einbringung subduraler Streifen- und Gitterelektroden innerhalb der Leptomeningen und der oberflächlichen Rindenschichten sowie intrazerebraler Tiefenelektroden entstehen. Dass deswegen eine Risikoabwägung zu erfolgen hat, ist selbstverständlich. Die durch diese diagnostischen Eingriffe ausgelöste inflammatorische Reaktion im Gehirnparenchym kann oftmals die neuropathologische Diagnostik erschweren. Bei einer entzündlichen Verdachtsdiagnose sollte daher nach Rücksprache mit den klinischen Kollegen zunächst eine Folgereaktion nach invasiver EEG-Ableitung (Zeitpunkt und Lokalisation in Bezug zum Resektat) diskutiert werden.
Todesursachen Die Feststellung der Todesursachen ist bei Epilepsien insofern problematisch als in der Mehrzahl der Fälle die Grundkrankheit die Lebensdauer bestimmt. Eine erhöhte Mortalität besteht insbesondere bei Patienten mit einem Status epilepticus [5]. Sie liegt bei 5–6% in Kindern, bei 10–30% in Erwachsenen und ist bei symptomatischen Epilepsien wesentlich von der Grundkrankheit abhängig. Nach einer Statistik in den USA erfolgte der Tod in 20% der Fälle im Status epilepticus, in 17% im Zusammenhang mit anfallsbedingten Verletzungen oder Erstickungen [113]. Ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Anfall und Tod wurde in 31% der Fälle angenommen, einschließlich plötzlicher Herztodesfälle und Blutungen. Beunruhigend hoch bleibt der Anteil plötzlicher unerwarteter Todesfälle („sudden unexpected death in epilepsy“, SUDEP) mit rund 10% [143]. Bisherige Erklärungsversuche für die Mors subita weichen voneinander ab und es finden sich keine aussagekräftigen histomorphologischen Befunde [132]. Diskutiert werden Fettembolien, eine akute Hirndrucksteigerung, eine Nebenniereninsuffizienz, paroxysmale autonome Dysfunktionen und fatal ausgehende Synkopen. Es spricht einiges dafür, dass die letztgenannte Ursache am ehesten zutrifft [78]. Eigenartig ist der häufige Eintritt des Todes in den Nachtstunden, offenbar im Schlaf. Im Schlaf-EEG lassen sich in der Tat vorübergehende Phasen erhöhter Krampfbereitschaft nachweisen [69].
Genetisch determinierte Epilepsien
Genetisch determinierte Epilepsien Es wurden mittlerweile über 20 Gene identifiziert, in denen Mutationen oder Deletionen als Ursache für die meist noch als idiopathisch bezeichneten Epilepsien gelten [101, 118]. Diese Gene kodieren ganz überwiegend spannungsabhängige, seltener auch ligandengesteuerte Ionenkanäle (Tabelle 16.2). Die Aufklärung dieser genetischen Defekte hat nicht nur unser Verständnis über die molekularen Mechanismen der Membranerregung von Nervenzellen revolutioniert (s. auch oben), sondern sind zunehmend von klinischer Bedeutung. Spezifische Gentests werden bereits für die Syndromdiagnostik eingesetzt (diagnostische Tests), dienen aber auch der Vor-
461
hersage des möglichen Anfallsbeginns in Patienten mit familiärer Belastung (prädiktive Tests) [101]. Ein weiteres aktuelles Gebiet umfasst die Pharmakogenetik [88, 118]. Hierbei sucht man genomweit nach Varianten (z. B. Single Nucleotide Polymorphismen), die mit Ansprechen oder Versagen bestimmter Antiepileptika assoziiert sind. Der klinische Nutzen einer solchen prädiktiven Untersuchungsmethode ist offensichtlich, allerdings bleibt die Datenlage bislang kontrovers und ist noch nicht für den klinischen Einsatz standardisiert. Neuropathologische Befunde sind bei genetisch determinierten Epilepsien selten. Bei der juvenilen Myoklonusepilepsie wurden beispielsweise Mikrodysgenesien innerhalb der Rinde als Zeichen von Reifungsstörungen beschrieben [74]. Demgegenüber finden sich bei 70% der
Tabelle 16.2. Genetisch determinierte Epilepsiesyndrome. (Mod. nach [101, 118]) Lokus
Gen
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AD partial epilepsy with auditory features
10q24
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Syndromes beginning in the first year
Syndromes with prominent febrile seizures
Idiopathic generalized epilepsies
Focal epilepsies
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462
16
Kapitel 16
jungen Patienten ( CD4+) und Makrophagen, für die einerseits abnorme Tumorzellantigene, andererseits von den Tumorzellen gebildete Zytokine und chemotaktische Faktoren verantwortlich sind. Da Makrophagen und Mikrogliazellen, aber auch Meningeom- und
Allgemeine neuroonkologische Grundlagen
Gliomzellen selbst, Histokompatibilitätsantigene exprimieren, können sie als antigenpräsentierende Zellen fungieren. Allerdings besteht – zumindest bei Gliomen – keine sichere Korrelation zwischen der Infiltratdichte und der Prognose. Zudem ist die Immunabwehr gegen Gliome trotz deren Expression von Histokompatibilitätsantigenen eingeschränkt, wozu wahrscheinlich neben Störungen nachgeschalteter Signalwege [139] eine geringe Immunogenität und ausgeprägte antigenetische Heterogenität der Tumorzellen sowie Produktion einer die Lymphozyten inhibierenden perizellulären Extrazellulärmatrix beitragen. Weiterhin beeinträchtigen Gliome häufig zelluläre Immunreaktionen, indem sie (zum Teil systemisch zirkulierende) immunsuppressive Substanzen sezernieren (TGFβ2, Interleukin 10, Prostaglandin E2), während relevante proinflammatorische Zytokine (B7-2, GM-CSF, Interleukin 12) nicht exprimiert werden [44, 159, 231]. Auch wenn eine Immuntherapie von Gliomen – außer im Tierversuch – zunächst keine ermutigenden Ergebnisse gezeigt hatte, ist insbesondere die Impfung gegen Tumorbestandteile mit Hilfe dendritischer Zellen weiterhin Gegenstand intensiver Forschung [225]. Erste Ergebnisse klinischer Studien liegen mittlerweile vor [39, 234]. Ob dieser Therapieansatz sich in relevanter Weise auf die Prognose auswirken kann, bleibt jedoch abzuwarten. Die Extrazellulärmatrix des Gehirns besteht im Wesentlichen aus Kollagenen, nichtkollagenen Glykoproteinen (Laminin, Fibronektin, Vitronektin, Tenaszin, Osteopontin, SPARC, Thrombospondin) sowie aus Proteoglykanen (Aggregan, Versican, Brevican, Phosphacan, Hyaluronsäure). Sie beeinflusst biologische Eigenschaften neuroepithelialer Tumorzellen wie Proliferation, Migration und Differenzierung, zum Teil durch direkte Interaktionen, zum Teil durch Bindung von Wachstumsfaktoren an Matrixkomponenten. Im Vergleich zum nichtneoplastischen Hirngewebe ist sie in Tumoren vermehrt, wobei einige Komponenten neoexprimiert werden. Speziell können astrozytäre Tumorzellen besonders in vitro, aber auch in vivo, Matrixkomponenten und Matrixrezeptoren produzieren, die von normalen Astrozyten nicht synthetisiert werden (z. B. verschiedene β1-Integrine, Tenaszin, Vitronectin, Osteopontin und Kollagen VIII). Für das diffuse Infiltrationsmuster der Gliome ist die Wechselwirkung zwischen Tumorzelle und Matrix verantwort-
487
lich, so eine Produktion bestimmter matrixdegradierender Enzyme und eine Modulation der Matrixrezeptoren (überwiegend β 1-Integrine) und anderer Moleküle (NCAM, CD24, MGP). Gliaspezifische Zell-MatrixInteraktionen dürften auch eine wesentliche Ursache für die Seltenheit extrakranieller Metastasen von Hirntumoren sein [165]. Eine Expression von Wachstumsfaktoren (z. B. FGF, PDGF, EGF, TGF, IGF, EPO) sowie meist die dazugehörigen Rezeptoren aus der Familie der Tyrosinkinaserezeptoren wurde in Hirntumoren, besonders in malignen Gliomen, nachgewiesen. Häufig induziert der jeweilige Wachstumsfaktor auch eine Proliferation von Gliomzellinien, so dass es zu einer positiven Rückkopplung im Sinne einer autokrinen Sekretion kommen kann. Von besonderer Bedeutung ist der Rezeptor des „epidermal growth factor“ (EGFR), dessen Gen insbesondere in primären Glioblastomen häufig amplifiziert und überexprimiert ist. Zudem wurden Angiogenesefaktoren (VEGF, FGF2) in Gliomzellen lokalisiert, die zum einen die massiven Gefäßproliferate erklären, zum anderen aber auch einen möglichen Ansatzpunkt für eine antiangiogenetische Behandlung darstellen könnten [154]. Angesichts der in unselektierten Patientengruppen allenfalls mäßigen Effektivität verschiedener gegen Tyrosinkinasrezeptorsignalwege gerichteten Behandlungsansätze richtet sich das Augenmerk auf die Identifizierung von Patientengruppen, die möglicherweise besonders von einer Behandlung profitieren könnten. Tabelle 18.2 fasst einige (meist im Rahmen individueller Heilversuche angeforderte) Untersuchungen in ihrem klinischen Kontext zusammen. Meningeome werden in ihrem Wachstum von weiblichen Sexualhormonen beeinflusst. Eine Expression von Progesteronrezeptoren ist mit einer geringeren Rezidivwahrscheinlichkeit assoziiert [87].
Genetik In den letzten Jahren wurden bedeutende Fortschritte in der genetischen Charakterisierung von Hirntumoren erzielt. So wurde für verschiedene hereditäre Tumorkrankheiten (z. B. Neurofibromatose, tuberöse Sklerose) der
Tabelle 18.2 Molekularpathologische Untersuchungen in Zusammenhang mit sog. Targeted Therapies Signalweg
Medikament
Wirkstoffgruppe
Neuropathologische Untersuchung
EGF
Erlotinib
Tyrosinkinaseinhibitor
EGFR [69] pAkt [223] PTEN [121]
PDGF
Imatinib
Tyrosinkinaseinhibitor
PDGFR [70]
VEGF
Bevacizumab
Monoklonaler gegen VEGF gerichteter Antikörper
VEGF [199]
488
Kapitel 18
Gendefekt aufgedeckt (s. unten); für Patienten mit LiFraumeni-Syndrom steht mit Advexin gar eine gentherapeutische Behandlungsmöglichkeit mit einem adenoviralen TP53 exprimierenden Vektor zur Verfügung [204]. Zum anderen wurden neben diesen Keimbahnmutationen bei den meisten Hirntumoren somatische Mutationen in Onkogenen und Tumorsuppressorgenen identifiziert, die zum Teil für die molekulare Pathogenese von erheblicher Bedeutung sind und bei verschiedenen Tumoren (vor allem bei Glioblastomen und Medulloblastomen) eine molekulare Typisierung ermöglicht haben [33, 157].
Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik Auch wenn die derzeit (2011) aktuellen Therapieempfehlungen der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft (NOA) festhalten, dass molekulare Marker (noch) nicht zur Entscheidung über Strahlen- und Chemotherapie herangezogen werden sollten, richtet sich das Augenmerk zunehmend auf die Identifizierung von Patientengruppen, die eine besonders günstige oder ungünstige Prognose aufweisen oder möglicherweise von neuen Therapieformen besonders profitieren könnten. Die Entwicklung robuster diagnostischer, prognostischer und prädiktiver molekularer Marker stellt darum einen wichtigen Schwerpunkt der neuropathologischen Forschung dar, der insbesondere bei Gliomen [80, 186] aber auch bei kindlichen Hirntumoren [173] zunehmend in die klinisch-neuropathologische Diagnostik Einzug hält.
MGMT-Methylierungsstatus
18 Epigenetische Veränderungen (Promotorhypermethylierung) des für das DNA-Reperaturenzym O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase kodierenden MGMT-Gens werden bei etwa bei etwa 45% der Glioblastome (s. unten) beobachtetet und gehen mit einer besseren Prognose und einem besseren Ansprechen auf eine Chemotherapie mit Alkylanzien wie zum Beispiel Temozolomid einher [212, 213]. Der Nachweis einer Hypermethylierung von CpG-reichen Sequenzen im Bereich des MGMT-Promotors wird in der Regel mithilfe einer methylierungsspezifischen PCR (MSP) geführt. Hierbei wird aus Nativgewebe oder Paraffinmaterial isolierte DNA in einem ersten Schritt einer Bisulfitbehandlung unterzogen, wobei lediglich unmethyliertes Cytosin zu Uracil konvertiert wird. Mithilfe spezifischer Primersysteme, die entweder gegen die methylierte oder unmethylierte Zielsequenz gerichtet sind, kann in der sich anschließenden PCR eine qualitative Aussage zum Methylierungsstatus der Probe gemacht
Tumoren
werden. Die Aussagekraft der MSP hängt wesentlich von Menge und Beschaffenheit des Tumorgewebes ab. So ist das Ausmaß der MGMT-Methylierung innerhalb des Tumors zwar relativ homogen, das Untersuchungsergebnis kann jedoch durch Kontamination mit nichtneoplastischen Hirngewebe oder die Anwesenheit ausgedehnter Tumornekrosen verfälscht werden. Auch die Qualität der isolierten DNA kann (insbesondere bei Verwendung paraffineingebetteten formalinfixierten Materials) ein Problem darstellen. Darum ist eine sorgfältige interne und externe Validierung erforderlich, um Richtigkeit und Vergleichbarkeit der Befunde zu gewährleisten.
Allelverluste von 1p und 19q Oligodendrogliale Tumoren repräsentieren den ersten Hirntumortyp, bei dem gezeigt werden konnte, dass molekulargenetische Veränderungen stark mit der Prognose korrelieren: Patienten, deren Tumoren chromosomale Verluste auf 1p und/oder 19q aufweisen, haben eine wesentlich günstigere Prognose als Patienten mit Tumoren ohne diese genetischen Veränderungen [100]. Im Rahmen der neuropathologischen Diagnostik kann der Nachweis von 1p/19q-Allelverlusten ein weiterer Beleg für eine oligodendrogliale Differenzierung sein und bei der Abgrenzung gegenüber anderen klarzelligen Tumorentitäten helfen. Die Untersuchung oligodendroglialer Tumoren auf 1p/19q-Allelverluste kann mithilfe verschiedener Methoden erfolgen. Bei der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), werden gegen die entsprechenden Genabschnitte gerichtete fluoreszenzmarkierte Sonden direkt mit Gewebeschnitten hybridisiert. Vorteile sind neben der Möglichkeit, die Untersuchungen an Schnitten von formalinfixiertem paraffineingebettetem Gewebe durchführen zu können, auch die Unabhängigkeit des Verfahrens von der Verfügbarkeit von Blutproben. Bei anderen Testverfahren wie der Mikrosatelliten-PCR wird das Vorhandensein von Allelverlusten durch den Vergleich von DNA-Polymorphismen in Tumorgewebe und normalem Kontrollgewebe untersucht. Hierzu werden nach DNA-Isolation aus Paraffinmaterial oder Nativgewebe Primersysteme, die gegen Mikrosatellitensequenzen auf den interessierenden Chromosomenabschnitten gerichtet sind, eingesetzt. Der Test ist immer dann informativ, wenn bei einem heterozygot vorliegenden Merkmal der Verlust des maternalen oder paternalen Allels im Gewebe des oligodendroglialen Tumors nachgewiesen werden kann („loss of heterozygosity“, LOH). Da nicht alle Patienten für alle untersuchten Merkmale heterozygot sind, werden üblicherweise mehrere auf 1p oder 19q liegende Mikrosatelliten mit verschiedenen Primersystemen untersucht, um die Aussagekraft der Methode zu gewährleisten. Die Untersuchung ist jedoch an das Vorhanden-
Allgemeine neuroonkologische Grundlagen
sein von Kontroll-DNA (EDTA- oder Zitratblut) gebunden, was die Logistik retrospektiver Untersuchungen an archivierten Paraffinblöcken erheblich erschwert. Allelverluste von 1p und 19q können auch mithilfe der Multiplex-ligationsabhängigen Probenamplifizierung (MLPA) [99] oder quantitativen PCR-Verfahren, die nicht auf Kontroll-DNA des Patienten angewiesen sind [153], untersucht werden.
IDH1-Mutationsstatus Mutationen des für die Isocitratdehydrogenase 1 kodierenden IDH1-Gens (R132) sind charakteristisch für diffuse astrozytäre Tumoren und oligodendrogliale Tumoren und mit einer günstigeren Prognose assoziiert [73]. Die Entwicklung eines gegen mutiertes IDH1 Protein (R132H) gerichteten und mittlerweile kommerziell erhältlichen Antikörpers [20] (s. Abb. 18.2c) hat den Nachweis wesentlich vereinfacht. In der neuropathologischen Diagnostik ist die IDH1-Immunhistochemie nicht nur bei der Unterscheidung der Infiltrationszone diffuser astrozytärer Tumoren von reaktiv veränderten Astrozyten sehr hilfreich [21], sondern erlaubt auch die Abgrenzung von diffusen astrozytären und oligodendroglialen Tumoren von pilozytischen Astrozytomen bzw. anderen klarzelligen Tumoren, da Letztere in der Regel keine Expression von mutiertem IDH1-Protein aufweisen [22, 23]. Besonders bemerkenswert ist die Beobachtung, dass IDH1-positive Glioblastome eine günstigere Prognose als IDH1-negative anaplastische Astrozytome aufweisen [74], da hier zum ersten Mal die prognostische Aussagekraft eines immunhistochemischen Markers der Histologie überlegen zu sein scheint. Sequenzierung bzw. andere PCR-basierte Verfahren haben eine gewisse Bedeutung bei uneindeutigem immunhistochemischen Färberergebnis oder Verdacht auf das Vorliegen einer Nicht-R122HMutation behalten.
BRAF-Fusionstranskriptstatus Molekulargenetisch lassen sich in der Mehrzahl der pilozytischen Astrozytome (insbesondere bei kindlichen Tumoren der hinteren Schädelgrube) 7q34-Duplikationen nachweisen, bei denen onkogene BRAF-KIAA1549Fusionstranskripte mit nachfolgender Aktivierung des MAPK-Signalwegs entstehen [101]. Da BRAF-KIAA1549Fusionstranskripte in diffusen astrozytären Tumoren gewöhnlich nicht vorkommen, hat deren Nachweis eine wichtige diagnostische Bedeutung bei der Abgrenzung pilozytischer Astrozytome von diffusen astrozytären Tumoren [119, 130]. Mittels RT-PCR lassen sich die drei häufigsten Fusionstranskripte [102] bei 79% der in
489
der ersten Lebensdekade diagnostizierten pilozytischen Astrozytome nachweisen. Bei älteren Patienten mit pilozytischen Astrozytomen sind Fusionstranskripte unabhängig von der Lokalisation weniger häufig (sie sind im Alter von 11–20 Jahren bei 51%, im Alter von 21–30 Jahren bei 42%, im Alter von 31–40 Jahren 30% und im Alter von mehr als 40 Jahren bei nur noch 7% der Patienten nachweisbar). Auch bei extrazerebellären pilozytischen Astrozytomen treten BRAF-KIAA1549-Fusionstranskripte seltener auf [86]. In einem Teil der extrazerebellären pilozytischen Astrozytome wurden (wie in pleomorphen Xanthoastrozytomen und Gangliogliomen) aktivierende BRAF-Mutationen (V600E) beschrieben [202].
Pathologie der intrakraniellen Raumforderung Neben der lokalen Gewebsschädigung durch den Tumor ist die Raumforderung Hauptursache klinischer Funktionsstörungen. Die Besonderheiten der intrakraniellen Raumforderung erklären sich aus dem beschränkten Volumen des knöchernen Schädels, so dass eine Ausbreitung des Tumors nur auf Kosten des ortsständigen Gewebes, anfänglich der Liquorräume, später zumeist des Hirngewebes, möglich ist. Dabei entsprechen die Folgen von nichtneoplastischen Raumforderungen (z. B. intrakraniellen Hämatomen, Abszessen, Hirnödem) den Gegebenheiten bei Hirntumoren. Bei supratentoriellen Raumforderungen ist – vom möglichen Hirngewebsprolaps bei offenen Hirnverletzungen abgesehen – die einzige Ausweichmöglichkeit die durch Schädelbasis und Tentoriumschenkel gebildete Lücke in Richtung der hinteren Schädelgrube und weiter in Richtung Foramen magnum (Abb. 18.1). Raumfordernde Prozesse innerhalb der hinteren Schädelgrube führen sowohl zu Massenverschiebungen in Richtung Foramen magnum als auch in Richtung Tentoriumschlitz. Folgende Befunde sind makroskopisch als Zeichen der Massenverschiebung zu erheben: Bei der supratentoriellen Drucksteigerung sind die Gyri verbreitert und abgeplattet, die Sulci verschmälert (c in Abb. 18.1). Es finden sich Einengungen eines Seitenventrikels (d in Abb. 18.1), Verschiebungen der Stammganglien und des Septum pellucidum in Richtung Gegenseite (e in Abb. 18.1) sowie Verschiebungen eines Gyrus cinguli unter dem Falxrand zur Gegenseite (subfalxiale oder suprakallosale Herniation; f in Abb. 18.1). Verschiebungen in axialer Richtung führen zu einem Anpressen medialer Strukturen des Schläfenlappens gegen den Tentoriumrand, zu uni- oder bilateralen Einkerbungen an der Oberfläche des Gyrus parahippocampalis („Unkusschnürfurche“), zum Teil mit Einblutungen in die oberen Rinden-
490
Kapitel 18
Abb. 18.1 Intrakranielle Massenverschiebungen bei supratentorieller Raumforderung. Erklärung der Ziffern im Text
18
schichten bis in die Ammonshornformation hinein, sowie schließlich zu einer Hernienbildung in Richtung hintere Schädelgrube („Hiatushernie“, „Unkushernie“; g in Abb. 18.1). Wird im Zusammenhang mit der Hernienbildung der gegenüberliegende Hirnschenkel gegen den ihm anliegenden Tentoriumzügel gepresst, so kann es zu einer keilförmigen Nekrose des Hirnschenkels („Kernohan-Kerbe“; h in Abb. 18.1) und zu Pyramidenbahnzeichen auf der zum Tumor ipsilateralen Seite kommen. Hämorrhagische Infarzierungen treten auch im Bereich der medialen Okzipitallappenrinde, besonders der Fissura calcarina auf, wahrscheinlich durch eine Abklemmung der A. cerebri posterior. Eine dorsale Verschiebung zur Falx kann in einer Schnürfurche in Balkenmitte resultieren. Selten sind Druckläsionen des 3. und 6. Hirnnervs oder des Hypophysenstiels. Terminal kommt es zu teils massiven Blutungen in den zentralen Abschnitten von Mittelhirn und Brücke (i in Abb. 18.1); pathogenetisch wurden hier venöse Stase, Überdehnung der Äste der A. basilaris, lokale Kompression und supratentorielle Dekompression diskutiert. Bei der infratentoriellen Drucksteigerung können sich an den Lobuli quadrangulares beidseits lateral der Wurmregion Einkerbungen der Kleinhirnoberfläche durch das Tentorium (zum Teil mit Kompression von Kleinhirnarterien) einstellen, außerdem bei jeder intrakraniellen Raumforderung ein Kleinhirntonsillendruckkonus. Die in das Foramen magnum prolabierten Tonsillen kompri-
Tumoren
mieren die Medulla oblongata und können – je nach Akuität und Ausmaß des Hirndrucks – hämorrhagisch infarziert bzw. nekrotisch werden (j in Abb. 18.1). Abtropfendes nekrotisches Kleinhirnrindengewebe aus den Tonsillen kann Anlass dafür sein, dass im Liquor-Zellsediment Purkinje-Zellen und ähnliche Rindenelemente gefunden werden. Bei der Bewertung des Kleinhirntonsillenkonus ist eine gewisse Zurückhaltung geboten, wenn nicht auch anderweitige deutliche Zeichen einer Massenverschiebung bzw. Hirndrucksteigerung vorliegen; er ist von der Lagerung abhängig und bis zu einem gewissen Grad physiologisch. Die Folgen einer Raumforderung hängen auch von verschiedenen anderen Faktoren ab, wie dem Alter des Patienten (vergrößertes nichtzerebrales intrakranielles Volumen bei älteren Patienten mit Hirnatrophie, wachsende Fontanelle bei Kindern), dem arteriellen und venösen Blutvolumen, einem sich eventuell zusätzlich entwickelnden Hydrozephalus durch Verschluss der Liquorwege sowie den metabolischen und hämodynamischen Effekten des Hirnödems. So kann es vor allem bei bereits vorbestehenden Gefäßerkrankungen zu juxtaneoplastischen Infarkten kommen. In Tumoren kann zudem die Entwicklung von Zysten und Blutungen raumfordernd wirken. Das Ausmaß der neurologischen und pathologischen Folgen einer Raumforderung ist eher mit ihrer Wachstumsgeschwindigkeit als mit ihrer Größe korreliert, da einerseits schnell wachsende Tumoren oft ein massives Hirnödem verursachen, andererseits bei langsamem Wachstum eine bessere funktionelle Adaptation des Hirngewebes möglich ist.
Stereotaktische Biopsie Vor einer nichtoperativen Therapie (z. B. bei malignem Lymphom oder bei inoperablem Tumor) ist eine histologische Diagnose erforderlich, wobei das Gewebe durch eine stereotaktische Biopsie gewonnen wird. Auch bei optimalen Voraussetzungen (räumliche Nähe von Operationssaal und Neuropathologie, Schnellschnittuntersuchungen während der Biopsie, Diskussion zwischen dem Neurochirurgen und dem Neuropathologen vor und während der Biopsie) kann dabei eine korrekte Diagnose in höchstens 90% der Fälle gestellt werden. Stets ist zu berücksichtigen, dass die Qualität einer Diagnose von der Menge des untersuchten Materials abhängt. Problematisch in diesem Zusammenhang kann es sein, wenn nur die perifokale entzündliche oder gliotische Reaktion, Kernatypien in der perifokalen Gliose (besonders um maligne Lymphome oder um Demyelinisierungen) oder degenerierte, nekrotische oder fibrosierte Tumorareale vorliegen. Ein besonderes Problem verursacht die ausgeprägte intratumorale Heterogenität neuro-
491
Allgemeine neuroonkologische Grundlagen
epithelialer Tumoren bezüglich Differenzierung und Malignität: Bei einer an einer beliebigen Stelle eines Glioms entnommenen Biopsie von wenigen Millimetern Durchmesser, die dem Grad II entspricht, handelt es sich mit etwa 30%iger Wahrscheinlichkeit um ein malignes Gliom mit hier nicht nachweisbarer Anaplasie [161]. Bei stereotaktisch entnommenen Proben lässt sich diese Unsicherheit durch Serienbiopsien und gezielte Entnahmen aus computertomographisch oder kernspintomographisch verdächtigen Arealen reduzieren, nicht aber gänzlich ausschließen: stereotaktische Biopsate wurden (artefiziell) gutartiger gradiert als offene Resektate [65, 138]. Die Validität der Diagnose eines stereotaktisch biopsierten niedriggradigen Glioms ist daher zu relativieren. Eine größere Sicherheit bei stereotaktischen Biopsaten, ist von der Anwendung molekulargenetischer Untersuchungen zu erwarten. Zusätzlich angefertigte Quetschpräparate (mit Methylenblau gefärbte, zwischen Objektträger und Deckglas komprimierte winzige Gewebsfragmente) können häufig wichtige Informationen liefern [147]. Vorteile von Quetschpräparaten („smears“) sind die Geschwindigkeit, die rasche Erlernbarkeit, der geringe technische Aufwand, die exzellente zytologische Qualität zum Beispiel von Kerndetails und die sehr geringe Gewebsmenge, die notwendig ist. Dem steht das Fehlen der histologischen Struktur entgegen; auch lassen sich nur weiche Proben gut quetschen und für die Interpretation sind der klinische Kontext und die Lokalisation wichtiger als bei Schnittpräparaten, um das Spektrum der diagnostischen Möglichkeiten a priori schon einzuengen. Immerhin ermöglichen Quetschpräparate eine Näherungsdiagnose (z. B. benignes versus malignes Gliom) in Richtung des „Goldstandards“ histologisches Präparat in bis zu 90% der Fälle [53]; es ist aber dringend davor zu warnen, die Diagnose nur anhand des Quetschpräparats zu stellen.
Liquorzytologie Die qualitative Untersuchung des Liquorzellsediments kann Hinweise auf das Vorliegen oder die Art eines Tumors liefern [9, 115]. Zytologische Malignitätskriterien sind • Zellverbände, • mehrkernige Zellen, • große oder multiple Nukleolen, • hohe Kern-Zytoplasma-Relation, • Kernpolymorphie, • Zytoplasmabasophilie.
täre Elemente. Die Indikation zur Lumbalpunktion wird bei Hirntumorverdacht wegen der Gefahr der Einklemmung streng gestellt. Die größte Bedeutung kommt der Liquorzytologie in der Diagnostik einer tumorösen Meningeosis zu.
Immunhistologie (Immunhistochemie) Antikörper und Antigene Wie Tabelle 18.3 zu entnehmen ist, gibt es keine für bestimmte Hirntumoren spezifischen Antigene; der negative oder positive Ausfall einer Immunreaktion kann eine bestimmte Diagnose nur mehr oder weniger wahrscheinlich machen. Die Feststellung, dass Antikörper keine „Marker“, sondern allenfalls „Wegweiser“ sind [194] hat weiterhin Gültigkeit. Die immunhistochemische Reaktion zeigt allenfalls eine Differenzierung (oft nicht einmal dies), nicht aber die Histogenese des Tumors an. Zu den in der Neuroonkologie nützlichen Antigenen und Antikörpern gehören die folgenden: GFAP
GFAP („glial fibrillary acidic protein“, saures Gliafaserprotein) ist ein Hauptprotein glialer Intermediärfilamente. Man findet GFAP typischerweise in normalen, besonders aber in reaktiven und neoplastischen Astrozyten sowie in Ependymomzellen; daneben können einige Tumorzellen in Oligodendrogliomen GFAP-positiv sein. Der Wert einer positiven GFAP-Reaktion liegt in der Unterstützung der Diagnose eines Glioms und in der Demaskierung der glialen Komponente bei gliösmesenchymalen Mischgeweben. Vorteilhaft ist die relative Beständigkeit des Antigens gegenüber verschiedenen Fixierungs- und Einbettungstechniken. Die Liste nichtastrozytärer Zellen, die GFAP-positiv sein können, ist lang und beinhaltet u. a. Schwanns-Zellen um kleine nichtmyelinisierte Axone, Kupffer-Sternzellen, Knorpelzellen, Tubulusepithelien der Niere, Epithelien der Linse und myoepitheliale Zellen in Mamma und Speicheldrüse; glücklicherweise bereiten diese nichtglialen, GFAP-positiven Zellen in der neuroonkologischen Differentialdiagnostik aber nur selten ernsthafte Probleme. Manche Antikörper gegen GFAP reagieren kreuz mit anderen Intermediärfilamentproteinen wie Vimentin. Die Unterscheidung von reaktiven ortsständigen Astrozyten und GFAP-positiven Tumorzellen ist oft nicht sicher möglich, so in Medulloblastomen oder Hämangioblastomen. Neuronale Antigene
Differentialdiagnostisch sind stets nichtneoplastische Zellen zu erwägen, z. B. Ependymzellverbände, Knorpelzellen oder stark aktivierte lymphozytäre oder monozy-
Neuronale Antigene sind in neuronalen und glioneuronalen Tumoren sowie häufig auch in primitiven neuroektodermalen Tumoren (Medulloblastom etc.) nachweis-
492
Kapitel 18
Tumoren
Tabelle 18.3 Immunhistologie von Hirntumoren
Astrozytom
Vimentin
GFAP
Desmin
Zytokeratine1
EMA1
S100
Synaptophsin
NSE
+++
+++
-/+
-/+++
-/+++
+++
-
++
Glioblastom
+++
+++
-/+
-/+++
-/+++
+++
-
+++
Oligodendrogliom
++
++
-/+
-/++
-
+++
+
++
Ependymom
++
+++
-
+/++
++
+++
-
++
Plexuspapillom
+++
++
-
+++
++
+++
-/++
++
Medulloblastom
++
++
+
-/+
-
+
+++
+++
Neurozytom
+
+
-
-
-
++
+++
+++
Meningeom
+++
(+)
-
++
+++
++
-
+++
Hämangioperizytom
+++
-
(+)
-/++
(+)
+
-
++
Hämangioblastom2
+++
+
+
-/++
(+)
++
++
++
Neurinom
+++
++
(+)
+
++
+++
-
+
MPNST
+++
+
+
(+)
+
++
-
++
Karzinom-Metastase
++
(+)
(+)
+++
+++
+
+
++
GFAP „glial fibrillary acidic protein“ (saures Gliafaserprotein), EMA epitheliales Membran-Antigen, NSE neuronspezifische Enolase, MPNST maligner peripherer Nervenscheidentumor; +++: >80% der Tumoren mit positiven Tumorzellen, ++ : >20% der Tumoren mit positiven Tumorzellen, +: >5% der Tumoren mit positiven Tumorzellen,(+): Positivität von Tumorzellen in Einzelfällen möglich, –: (bisher) keine positiven Tumoren beschrieben. 1Unterschiedliche Ergebnisse mit verschiedenen Antikörpern, 2Immunreaktion der Stromazellen
18
bar. Gut bewährt haben sich dabei monoklonale (Klon SY38) oder polyklonale Antikörper gegen Synaptophysin, ein Membranglykoprotein präsynaptischer Vesikel. Das Antigen zeigt eine hohe Spezifität für neuronale Zellen. Nach Möglichkeit sollten zusätzliche neuronale Antigene untersucht werden wie Neurofilamente, Klasse-III-βTubulin, Mikrotubuli-assoziierte Proteine (MAPs) oder das im Zellkern exprimierte Protein NeuN. Im Gegensatz dazu ist die sog. „neuronspezifische“ Enolase (NSE) in beinahe jedem Hirntumor vorhanden (Tabelle 18.3); dennoch kann eine Immunfärbung für NSE sinnvoll sein, da die neuronal differenzierten Zellen meist eine wesentlich stärkere Reaktivität als nichtneuronale Zellen aufweisen. Epitheliales Membranantigen (EMA)
Gegen das epitheliale Membranantigen (EMA) gerichtete Antikörper sind für eine Reihe von Fragestellungen in der von Hirntumordiagnostik hilfreich. So ist in Meningeomen (wie in Meningothelien) eine kräftige EMA-Immunreaktivität charakteristisch. In atypischen teratoiden/ rhabdoiden Tumoren kann der Nachweis einer herdförmigen EMA-Expression als Beleg für die epitheliale Differenzierung von Tumorzellen dienen. In Ependymomen hingegen kann über den Nachweis einer punkt- oder ringförmigen Anfärbung von (Mikro)lumina eine ependymale Differenzierung sensitiv belegt werden (s. auch Abb. 18.10) [75].
Antikörper gegen Lymphozytenantigene
Paraffingängige Antikörper gegen Lymphozytenantigene (z. B. gegen CD3, CD5, CD10, CD20, CD30, CD45) sind unverzichtbare Hilfsmittel zur Klassifizierung zerebraler Lymphome auch am Paraffinschnitt. Klinische Korrelate des zytologischen Typs sind jedoch bei Hirnlymphomen bisher nicht bekannt. Primärtumorlokalisation
Hilfreich ist die Immunhistochemie bei der Suche nach der Lokalisation des (bei der Operation noch unbekannten) Primärtumors der Hirnmetastasen von Adenokarzinomen [8, 171]. Eine besondere Bedeutung haben dabei die Zytokeratinsubtypen CK7 und CK20, der thyroidale Transkriptionsfaktor-1 (TTF1) sowie auch das „gross cystic disease fluid protein-15“ (GCDFP15). Charakteristische (aber nicht beweisende) Muster sind CK7+/ CK20–/TTF1+/GCDFP15– bei Bronchialkarzinom, CK7+/ CK20–/TTF1–/GCDFP15+ bei Mammakarzinom und CK7–/CK20+/TTF1–/GCDFP15– bei Kolonkarzinom. Für bestimmte Lokalisationen weitgehend spezifische Antigene sind Thyreoglobulin sowie das prostataspezifische Antigen (PSA) und die prostataspezifische alkalische Phosphatase (PSAP); Hirnmetastasen von Schilddrüsenund Prostatakarzinomen werden aber nur selten angetroffen. Die Untersuchung auf Östrogen- und Progesteronrezeptoren besitzt eine niedrige Spezifität und ist zumindest diagnostisch nicht sinnvoll.
Klassifikation
Proliferationsmarker
Sie besitzen den Vorteil, quantitative Daten zu liefern, was allerdings durch den Einfluss technischer Faktoren und unterschiedliche Auswertemethoden relativiert wird. Ihre diagnostische Bedeutung steht in einem gewissen Kontrast zu den zahlreichen damit durchgeführten Studien. Gegenwärtig mit Abstand am häufigsten untersucht wird das proliferationsassoziierte Antigen Ki-67, meist mit dem Antikörper MIB1. Die Proliferationsindices korrelieren meist mit dem Malignitätsgrad, überlappen aber stark. Ein Grund dafür liegt in der ausgeprägten intratumoralen Heterogenität auch hinsichtlich der Proliferation [31]. Nur in wenigen, aber immerhin in einigen multivariat durchgeführten Studien an glialen Tumoren und Meningeomen wird über eine eigenständige (also vom Malignitätsgrad unabhängige) prognostische Bedeutung des MIB1-Index berichtet [16, 176]. Unter anderem aufgrund der beträchtlichen methodischen Unterschiede zwischen verschiedenen Laboren lassen sich diagnostische Schwellenwerte nicht angeben [142]. Dennoch erscheint es – gerade bei kleinen Biopsaten – sinnvoll, MIB1-Färbungen durchzuführen und mit den im selben Labor gewonnenen Werten zu vergleichen. Paraffingängige Antikörper gegen andere Antigene bleiben dagegen von fraglichem diagnostischen Nutzen, da nur wenig Erfahrung vorliegt.
Anwendung und Interpretation Bei Anwendung und Interpretation immunhistologischer Befunde sind einige Punkte zu beachten: • Mit unerwarteten, nicht ins Schema passenden Immunreaktionen ist stets zu rechnen [54]. Teils liegt eine aberrante Expression, teils eine Kreuzreaktion vor. Als ein Beispiel sei die seltene GFAP-Positivität von Karzinommetastasen (meist Nierenzellkarzinome) genannt. Auf der anderen Seite geht eine unerwartete Immunreaktion oft mit einer ungewöhnlichen histologischen Differenzierung einher: So können zum Beispiel sekretorische Anteile in Meningeomen und die (sehr seltenen) adenomatösen, plattenepithelialen oder epitheloiden Differenzierungen astrozytärer Tumorzellen zytokeratinpositiv sein [192]. • Antigene, die man gemeinhin nicht erwartet, wurden auch entsprechend selten untersucht, so dass für seltene Expressionen keine sicheren Daten vorliegen. Als Faustregel mag gelten, dass es kein Antigen gibt, dessen Nachweis ein Gliom grundsätzlich ausschließt. • Wenn ein Antikörper länger bekannt ist und häufiger eingesetzt wurde, stellt sich im Allgemeinen heraus, dass seine Spezifität geringer als erwartet ist. Beispiele sind Antitrypsine und CD68, die früher als „Histiozytenmarker“ angesprochen wurden, oder der „Melanommarker“ HMB45; diese Antikörper sind aber nicht selten auch in Gliomen nachweisbar.
493
• Verschiedene Antikörper gegen dieselbe Antigenfamilie können unterschiedliche Reaktionen zeigen: Bis zu 96% der Astrozytome sind zytokeratinpositiv mit dem Antikörper AE1/AE3, einige auch mit KL1, CAM5.2, CK5, CK7 und CK20, nicht aber mit Lu5, KSpan1-8, K8.60, K8.12, LP34, PKK-1 und PKK-2 [54, 155]. • Die Möglichkeit der Phagozytose von extrazellulären Antigenen durch die Tumorzelle ist zu bedenken. Gerade reaktive und neoplastische Astrozyten sind dazu befähigt. Außerdem kann eine Phagozytose von GFAP durch Makrophagen (z. B. in Infarkten oder im Liquor) oder histiozytären Tumorzellen eine gliale Differenzierung vortäuschen. • Sowohl falsch-positive als auch falsch-negative Ergebnisse können durch die prä- und intraoperative Behandlung des Gewebes bedingt sein (Embolisation, Koagulation, Laser). Transport (Eintrocknen sehr kleiner Proben!), Fixierung und Temperatur der Paraffineinbettung sind wesentliche Variablen. Da die Vitalität der Zellen im Liquor häufig reduziert ist, sind solche Probleme hier besonders ausgeprägt. • Durch die immunhistologische Technik bedingte Artefakte sind häufiger als erwartet; das Mitführen geeigneter Negativ- und Positivkontrollen ist darum zwingend erforderlich. Zusammenfassend vermag die Immunhistologie bei bestimmten Fragestellungen wertvolle Hinweise zu geben, die diagnostischen Überlegungen in Bahnen zu lenken und die Diagnose zu unterstützen. Grundsätzlich sollte aber der konventionellen Histologie Vorrang eingeräumt werden; weder Diagnose noch Malignitätsgrad dürfen sich allein auf die Immunhistologie stützen. Das sorgfältige und aufgeschlossene Betrachten technisch guter HE- und Bindegewebsfärbungen ist für die Diagnosefindung wichtiger und im Zweifelsfalle entscheidender als eine breit angelegte Immunhistologie mit recht häufig nicht erklärbaren und unerwarteten Ergebnissen.
Klassifikation Die Gliederung der Tumoren stützt sich auf die WHOKlassifikation (Tabelle 18.4) [133]. Die Einordnung der Tumoren nach der WHO-Klassifikation hat sich weltweit durchgesetzt. An der im Jahre 2007 veröffentlichten 4. Auflage, wirkten über 70 Autoren aus 19 Ländern mit [134]. In der WHO-Klassifikation wird den Tumoren zum Teil ein Malignitätsgrad auf einer vierstufigen Skala zugeordnet, von den benignen Grad-I-Tumoren, die durch eine Operation im Prinzip komplett entfernt werden können, zu den histologisch hochmalignen Grad-IV-
494
Kapitel 18 Tabelle 18.4 WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems. Wiedergegeben aus [133] Tumor
Morphologiekode
Tumoren des neuroepithelialen Gewebes
Tumoren Tabelle 18.4 (Fortsetzung) Tumor
Morphologiekode
Angiozentrisches Gliom
9431/1**
Neuronale Tumoren und neurogliale Mischtumoren
Astrozytische Tumoren
Dysplastisches Gangliozytom des Zerebellums (Lhermitte-Duclos)
9493/0
Desmoplastisches infantiles Astrozytom/ Gangliogliom
9412/1
Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor
9413/0
Gangliozytom
9492/0
Gangliogliom
9505/1
Anaplastisches Gangliogliom
9505/3
Zentrales Neurozytom
9506/1
9440/3
Extraventrikuläres Neurozytom
9506/1**
– Riesenzellglioblastom
9441/3
Zerebelläres Liponeurozytom
9506/1**
– Gliosarkom
9442/3
Papillärer glioneuronaler Tumor
9509/1**
Gliomatosis cerebri
9381/3
Rosettenformender glioneuronaler Tumor des IV. Ventrikels
9509/1**
Paragangliom
8680/1
Pilozytisches Astrozytom
9421/1*
– Pilomyxoides Astrozytom
9425/3**
Subependymales Riesenzellastrozytom
9384/1
Pleomorphes Xanthoastrozytom
9424/3
Diffuses Astrozytom
9400/3
– Fibrilläres Astrozytom
9420/3
– Gemistozytisches Astrozytom
9411/3
– Protoplasmatisches Astrozytom
9410/3
Anaplastisches Astrozytom
9401/3
Glioblastom
Oligodendrogliale Tumoren Oligodendrogliom
9450/3
Anaplastisches Oligodendrogliom
9451/3
Oligoastrozytäre Tumoren Oligoastrozytom
9382/3
Anaplastisches Oligoastrozytom
9382/3
Tumoren der Pinealisregion Pineozytom
9361/1
Pinealisparenchymtumor intermediärer Differenzierung
9362/3
Pineoblastom
9362/3
Papillärer Tumor der Pinealisregion
9395/3**
Ependymale Tumoren
18
Subependymom
9383/1
Myxopapilläres Ependymom
9394/1
Ependymom
9391/3
– Zelluläres
9391/3
– Papilläres
9393/3
– Klarzelliges
Embryonale Tumoren Medulloblastom
9470/3
– Desmoplastisches/noduläres Medulloblastom
9471/3
– Medulloblastom mit extensiver Nodularität
9471/3**
9391/3
– Tanyzytisches
9391/3
– Anaplastisches Medulloblastom
9474/3**
Anaplastisches Ependymom
9392/3
– Großzelliges Medulloblastom
9474/3 9473/3
Choroides Plexuspapillom
9390/0
Primitiver neuroektodermaler Tumor (PNET) des ZNS
Atypisches choroides Plexuspapillom
9390/1**
– Neuroblastom des ZNS
9500/3
Choroides Plexuskarzinom
9390/3
– Ganglioneuroblastom des ZNS
9490/3
– Medulloepitheliom
9501/3
Choroider Plexustumor
Andere neuroepitheliale Tumoren Astroblastom
9430/3
– Ependymoblastom
9392/3
Chordoides Gliom des III. Ventrikels
9444/1
Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor
9508/3
495
Klassifikation Tabelle 18.4 (Fortsetzung) Tumor
Tabelle 18.4 (Fortsetzung) Morphologiekode
Tumoren der kranialen und paraspinalen Nerven Schwannom (Neurilemom, Neurinom)
9560/
– zelluläres
9560/0
– plexiformes
9560/0
– melanotisches
9560/0
Neurofibrom
9540/0
– plexiformes
9550/0
Perineuriom – NOS
9571/0
– malignes
9571/3
Maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST)
Tumor
Morphologiekode
Hibernom
8880/0
Liposarkom
8850/3
Solitärer fibröser Tumor
8815/0
Fibrosarkom
8810/3
Malignes fibröses Histiozytom
8830/3
Leiomyom
8890/0
Leiomyosarkom
8890/3
Rhabdomyom
8900/0
Rhabdomyosarkom
8900/3
Chondrom
9220/0
Chondrosarkom
9220/3
Osteom
9180/0
– epitheloider
9540/3
Osteosarkom
9180/3
– mit mesenchymaler Differenzierung
9540/3
Osteochondrom
9210/0
– melanotischer
9540/3
Hämangiom
9120/0
– mit glandulärer Differenzierung
9540/3
Epitheloides Hämangioendotheliom
9133/1
Meningeale Tumoren
Hämangioperizytom
9150/1
Tumoren der meningothelialen Zellen
Anaplastisches Hämangioperizytom
9150/3
Meningiom
9530/0
Angiosarkom
9120/3
– Meningotheliales
9531/0
Kaposi-Sarkom
9140/3
– Fibröses (fibroblastisches)
9532/0
Ewing-Sarkom (PNET)
9364/3
– Transitionales (gemischtes)
9537/0
Primäre melanozytische Läsionen
– Psammomatöses
9533/0
Diffuse Melanozytose
8728/0
– Angiomatöses
9534/0
Melanozytom
8728/1
– Mikrozystisches
9530/0
Malignes Melanom
8720/3
– Sekretorisches
9530/0
Meningeale Melanomatose
8728/3
– Lymphoplasmazytenreiches
9530/0
Andere meningeale Neoplasmen
– Metaplastisches
9530/0
Hämangioblastom
– Chordoides
9538/1
Lymhome und hämatopoetische Neoplasmen
– Klarzelliges
9538/1
Malignes Lymphom
9590/3
– Atypisches
9539/1
Plasmozytom
9731/3
– Papilläres
9538/3
Granulozytisches Sarkom
9930/3
– Rhabdoides
9538/3
Keimzelltumoren
– Anaplastisches (malignes)
9530/3
Germinom
9064/3
Embryonales Karzinom
9070/3
Dottersacktumor
9071/3
Choriokarzinom
9100/3
Mesenchymale Tumoren Lipom
8850/0
Angiolipom
8861/0
9161/1
496
Kapitel 18 Tabelle 18.4 (Fortsetzung) Tumor
Morphologiekode
Teratom
9080/1
– Reifes
9080/0
– Unreifes
9080/3
– Maligne Form
9084/3
Gemischte Keimzelltumoren
9085/3
Tumoren der Sellaregion Kraniopharyngiom
9350/1
– Adamantinomatöses
9351/1
– Papilläres
9352/1
Granularzelltumor
9582/0
Pituizytom
9432/1**
Spindelzellonkozytom der Adenohypophyse
8291/0**
Tumoren
praktisch nie komplett reseziert werden und gehen meist in maligne Gliome über. Zu beachten ist, dass früher auch noch andere Gradierungssysteme für Gliome in Gebrauch waren, wie dreistufige Skalen oder die vierstufige Skala nach Kernohan, bei der beispielsweise das Glioblastom vom Grad III oder Grad IV sein kann; auch wenn diese Systeme mittlerweile obsolet sind, erscheint es sinnvoll, dem Malignitätsgrad stets „WHO“ anzuhängen. Die biologische Wertigkeit von Hirntumoren wird nicht nur durch den histologischen Malignitätsgrad, sondern auch entscheidend von der Lokalisation, der Ausdehnung, dem Alter und dem Allgemeinzustand des Patienten bestimmt. Das in der allgemeinen Tumorpathologie übliche TNM-Staging wird in der Neuroonkologie nicht angewendet, u. a. weil Lymphknoten- und Organmetastasen sehr selten sind.
Neuroepitheliale Tumoren
Metastatische Tumoren *Morphologiekodierung der International Classification of Diseases for Oncology (ICD-O) [614A] und der Systematized Nomenclature of Medicine (http://snomed.org). Das Verhalten wird folgendermaßen kodiert: /0 für benigne Tumoren, /3 für maligne Tumoren und /1 für Borderline- oder unsicheres Verhalten. ** Die kursiven Nummern sind provisorische Kodierungen, die für die 4. Auflage der ICD-O vorgeschlagen wurden. Obwohl erwartet wird, dass sie in die nächste ICD-O-Ausgabe aufgenommen werden, bleiben momentan Änderungen vorbehalten.
18
Tumoren (Tabelle 18.5). Meist ergibt sich der Malignitätsgrad eindeutig aus der Diagnose und ist daher redundant: So entsprechen z. B. anaplastische Gliome immer dem Grad III. Mehrere Tumortypen haben allerdings keinen Malignitätsgrad und einige Tumoren können einen von zwei Graden haben. Der Malignitätsgrad ist kein notwendiger Bestandteil der Diagnose, kann aber zur Verdeutlichung dienen. Wenn von malignen oder höhergradigen („high-grade“) Gliomen die Rede ist, meint man meist die anaplastischen Gliome (III) und die Glioblastome (immer Grad IV) zusammen. Während früher die diagnostischen Begriffe „maligne“ und „anaplastisch“ als Synonyme verwendet wurden, hat man sich nun darauf geeinigt, die Grad-III-Tumoren als anaplastisch (z. B. „anaplastisches Meningeom“) zu bezeichnen. Die Gliome der Grade I und II werden oft als benigne oder als niedriggradig („low-grade“) bezeichnet; dies ist histologisch und für die Grad-I-Tumoren auch klinisch-biologisch zutreffend. Gliome vom Grad II können jedoch wegen ihrer diffusen Infiltration
Astrozytäre Tumoren Fibrilläres Astrozytom Das fibrilläre Astrozytom (Grad II WHO) ist ein überwiegend supratentoriell lokalisierter Tumor des jungen Erwachsenenalters. Wie bei den anderen diffusen astrozytären Tumoren wird die Prognose durch das eine vollständige Resektion erschwerende Wachstumsmuster sowie die Tendenz zur malignen Progression bestimmt. Die mittlere Überlebenszeit beträgt nach Diagnosestellung etwa 6–8 Jahre. Makroskopisch ist das Gewebe diffus aufgetrieben, wobei am frischen Schnitt eine leichte Rosatönung, am fixierten Gewebe eine fahle Blässe vorherrscht (Abb. 18.2a). Die Tumoren sind zäh-elastisch, manchmal gummiähnlich und nicht selten zystisch. Mikroskopisch überwiegen Zellen mit unregelmäßig oder parallel ausgerichteten Zytoplasmafortsätzen, zwischen denen sich spongiöse Hohlräume bilden. Im Gegensatz zum Oligodendrogliom mit seinen perinukleären Schrumpfräumen liegen die länglichen oder längsovalen Kerne beim fibrillären Astrozytom an den scheinbaren Überschneidungspunkten des Fasergitters (Abb. 18.2b). Bei der breiten Infiltrationszone sind die Tumorgrenzen makroskopisch nicht und mikroskopisch kaum zu bestimmen. Verkalkungen sind selten. Mitosen fehlen oder sind sehr spärlich (weniger als 1 in 20 Gesichtsfeldern bei 400facher Vergrößerung). Nekrosen und Gefäßproliferate sind nicht nachweisbar. Die Tumorzellen exprimieren GFAP, wobei Ausmaß und Intensität jedoch unterschiedlich ausfallen können. Die Ki67/MIB1-Proliferationsrate liegt meist unter 4% (Mittel: 2,5%). Wie
Neuroepitheliale Tumoren
497
Tabelle 18.5 WHO-Gradierung der Tumoren des zentralen Nervensystems WHO-Grad
I
II
III
IV
Astrozytäre Tumoren Subependymales Riesenzellastrozytom
z
Pilozytisches Astrozytom
z
Pilomyxoides Astrozytom
z
Diffuses Astrozytom
z
Pleomorphes Xanthoastrozytom
z
Anaplastisches Astrozytom
z
Glioblastom
z
Oligodendrogliale Tumoren Oligodendrogliom
z
Anaplastisches Oligodendrogliom
z
Oligoastrozytäre Tumoren Oligoastrozytom
z
Anaplastisches Oligoastrozytom
z
Ependymale Tumoren Subependymom
z
Myxopapilläres Ependymom
z
Ependymom
z
Anaplastisches Ependymom
z
Tumoren des Plexus choroideus Plexuspapillom
z
Atypisches Plexuspapillom
z
Plexuskarzinom
z
Andere neuroepitheliale Tumoren Angiozentrisches Gliom
z
Chordoides Gliom des III. Ventrikels
z
Neuronale Tumoren und neurogliale Mischtumoren Gangliozytom
z
Gangliogliom
z
Anaplastisches Gangliogliom
z
Desmoplastisches infantiles Astrozytom und Gangliogliom
z
Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor
z
Zentrales Neurozytom
z
Extraventrikuläres Neurozytom
z
Zerebelläres Liponeurozytom
z
Paragangliom der Cauda equina
z
Papillärer glioneuronaler Tumor
z
Rosettenformender glioneuronaler Tumor des IV. Ventrikels
z
498
Kapitel 18
Tumoren
Tabelle 18.5 (Fortsetzung) WHO-Grad
I
II
III
z
z
IV
Tumoren der Pinealisregion Pineozytom
z
Pinealisparenchymtumor intermediärer Differenzierung Pineoblastom
z
Papillärer Tumor der Pinealisregion
z
z
Embryonale Tumoren Medulloblastom
z
Primitiver neuroektodermaler Tumor (PNET) des ZNS
z
Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor
z
Nervenscheidentumoren Neurofibrom
z
Neurinom
z
Perineuriom
z
Maligner peripherer Nervenscheidentumor
z
z
z
z
z
Meningeale Tumoren Meningeom
z
Atypisches Meningeom
z
Chordoides Meningeom
z
Klarzelliges Meningeom
z
Anaplastisches Meningeom
z
Papilläres Meningeom
z
Rhabdoides Meningeom
z
Hämangioperizytom
18
z
Anaplastisches Hämangioperizytom Hämangioblastom
z z
Tumoren der Sellaregion Kraniopharyngeom
z
Granularzelltumor der Neurohypophyse
z
Pituizytom
z
Spindelzellonkozytom der Adenohypophyse
z
bei anderen Grad-II-Astrozytomen sind Mutationen des IDH1-Gens (Abb. 18.2c) außerordentlich häufig [5]; die Bedeutung für die molekularpathologische Diagnostik wird detailliert im Abschnitt „Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik“ (s. oben) dargestellt. Mutationen des TP53-Tumorsuppressorgens kommen in etwa 35% der Fälle vor.
Protoplasmatisches Astrozytom Das protoplasmatische Astrozytom (Grad II WHO) ist vom fibrillären Astrozytom (aber auch vom pilozytischen Astrozytom und vom dysembryoplastischen neuroepithelialen Tumor) unscharf abgegrenzt, weshalb die diagnostischen Kriterien stark variieren: Manche sehr erfah-
Neuroepitheliale Tumoren
499
schwach positiv, selten auch negativ. Der mittlere Ki67/ MIB1-Index liegt unter 1%. In der bislang einzigen klinisch-pathologischen Untersuchung betrug das mittlere Alter der 16 Patienten bei Diagnosestellung 22 Jahre, wobei sich die überwiegend temporal oder frontal lokalisierten Tumoren klinisch durch Krampfanfälle bemerkbar machten. Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug mehr als 85% [175].
Gemästetzelliges Astrozytom a
b
c Abb. 18.2a–c Fibrilläres Astrozytom. Makroskopie mit diffuser Auftreibung der linken Hirnhemisphäre (a) sowie Histologie (b) mit immunhistochemischem Nachweis von mutiertem IDH1-Protein (c)
rene Neuropathologen haben diese Diagnose noch niemals gestellt, während sie an anderen Institutionen großzügig vergeben wird. Idealtypisch handelt es sich um makroskopisch weiche und von kleinen Zysten durchsetzte Tumoren des Großhirns, die histologisch rundliche oder rundovale Kerne, mäßig reichlich Zytoplasma (etwas mehr als beim fibrillären Astrozytom), eine ausgeprägte mikrozystische Auflockerung sowie reichlich wässrige, eosinophile Matrix zeigen. Die wenigen Zellfortsätze sind nur auf kurze Strecken verfolgbar. GFAP ist oft nur
Das gemästetzellige Astrozytom (Grad II WHO) besteht überwiegend aus dichtgelagerten, pflasterförmigen Astrozyten mit weit ausgedehntem (15–40 μm), homogen-eosinophilem (gemästetzelligem) Zytoplasma (Abb. 18.3a). Die Kerne sind meist exzentrisch gelegen und gelegentlich multipel, die spärlichen Zellfortsätze sind kurz und plump. Für die Diagnose ist ein Anteil von mindestens 20% gemästetzelligen Tumorzellen erforderlich. Die Tumorzellen exprimieren GFAP (Abb. 18.3b). Der Ki67/MIB1-Index liegt insgesamt meist unter 4%, wobei zwischen den gemästetzelligen Tumorzellen liegende kleinzelligere Anteile in der Regel proliferativ aktiver sind. Häufiger als bei den beiden ersterwähnten Astrozytomformen sind Zeichen einer beginnenden Anaplasie. Dementsprechend ist die Prognose auch der histologisch noch nicht malignen Tumoren ungünstiger (5-Jahres-Überlebensrate etwa 20%) als die der anderen Grad-II-Astrozytome [124]; dies rechtfertigt jedoch noch nicht die generelle Einstufung als Grad III. Mutationen des TP53-Tumorsuppressorgens mit nukleärer Akkumulation von p53-Protein (Abb. 18.3c) sind bei mehr als 80% der Tumoren nachweisbar [230] und somit häufiger als bei den anderen Grad-II-Astrozytomen.
Pilozytisches Astrozytom Das pilozytische Astrozytom (Grad I WHO) tritt überwiegend bei jungen Patienten im Bereich des Kleinhirns (Abb. 18.4a) und der Mittellinie (Hypothalamus, Thalamus/Basalganglien, Chiasma opticum, Brücke), seltener in den Großhirnlappen auf. Die 5- und 20-Jahres-Überlebensraten liegen (mit Ausnahme hypothalamischer Tumoren) bei über 85%; bei kompletter Entfernung sind Dauerheilungen möglich. Makroskopisch sind die Tumoren relativ gut abgegrenzt, meist blassgelb und können derb, schwammigweich oder von umfangreichen Zysten durchsetzt sein. Mikroskopisch bestehen die isomorphen Tumorzellen aus länglichen Kernen und bipolarem Zytoplasma, das zu langen Fortsätzen ausgezogen ist. Züge parallel verlaufender Zellen sind charakteristisch, die oft mosaikartig
500
Kapitel 18
Tumoren
a a
b b
18
c c Abb. 18.3a–c Gemästetzelliges Astrozytom. Histologie (a) mit gemästetzelligen Tumorzellen mit GFAP-Expression (b) und nukleärer Akkumulation von p53-Protein (c)
mit mikrozystischen Arealen verschachtelt sind (biphasisches Muster; Abb. 18.4b); Letztere zeigen nicht selten eine Beteiligung auch sternförmiger Astrozyten sowie häufig eine stärkere Kernpolymorphie. Die RosenthalFasern, gewissermaßen die Visitenkarte des pilozytischen Astrozytoms, erscheinen als wurmförmige, seltener unregelmäßig abgerundete eosinophile Gebilde und sind besonders subpial, perivaskulär und im bipolaren Faserverlauf anzutreffen (Abb. 18.4c). Es handelt sich dabei um Intermediärfilamente mit angelagertem elektronendich-
d Abb. 18.4a–d Pilozytisches Astrozytom Makroskopie mit typischer Lokalisation eines zystischen Tumors im Bereich des Kleinhirns (a) und Histologie mit biphasischem Wachstumsmuster (b), bestehend aus kompakteren Abschnitten mit Rosenthal-Fasern (c) sowie aufgelockerten Abschnitten mit eosinophilen granulären Körpern (d)
Neuroepitheliale Tumoren
tem Material. Immunhistologisch sind Rosenthal-Fasern positiv für αB-Crystallin, Ubiquitin und in unterschiedlichem Ausmaß für GFAP [221]. Weiterhin trifft man häufig auf granuläre eosinophile Körper (Abb. 18.4d), Verkalkungen, Gefäßfibrosierungen, angiomatoid assoziierte Gefäße mit variabler endothelialer Hyperplasie sowie Areale mit perinukleär optisch leeren Höfen wie beim Oligodendrogliom. Nicht selten wächst der Tumor in die Leptomeningen ein, wobei innige Verflechtungen mit kollagenen Fasern auftreten; das Durchbrechen der Glia limitans externa ist bei diesem Tumor kein Malignitätskriterium. Sehr selten wird eine Absiedlung von Tumorzellen entlang der Liquorwege beobachtet, die hier jedoch in der Regel kein Zeichen eines aggressiveren biologischen Verhaltens darstellt. Eine maligne Entartung ist bei pilozytischen Astrozytomen ein sehr seltenes Ereignis, kann aber auch noch nach Jahrzehnten auftreten. Solche Tumoren zeigen dann die Kriterien des anaplastischen Astrozytoms oder des Glioblastoms, wobei pilozytische Merkmale noch mehr oder weniger gut zu erkennbar sind. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einerseits ansonsten typische Grad-ITumoren eindrucksvolle Gefäßproliferate und (nicht ganz selten) auch ausgedehnte flächenhafte Nekrosen aufweisen können, ohne dass sie sich klinisch bösartig verhalten würden, und andererseits auch im Bereich des Kleinhirn höhergradige Gliome mit malignerem Verlauf vorkommen. Molekulargenetisch sind in sporadischen pilozytischen Astrozytomen häufig Duplikationen des BRAF-Gens mit onkogenen Rearrangements nachweisbar, während die für diffuse Astrozytome charakteristischen IDH1-Mutationen praktisch nicht vorkommen [119]. Die Bedeutung für die molekularpathologische Diagnostik wird im Kap. „Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik“ dargestellt. Für die bei der Neurofibromatose Typ 1 insbesondere im Bereich des Nervus opticus auftretenden pilozytischen Astrozytome ist ein Verlust der NF1-Expression charakteristisch. Differentialdiagnostisch sind pilozytische Gliosen abzugrenzen, die reichlich Rosenthal-Fasern enthalten können und besonders in der Umgebung von Hämangioblastomen und infiltrierenden Zellzapfen des Kraniopharyngeoms auftreten. Da diese Tumoren in Regionen auftreten, die auch das pilozytische Astrozytom bevorzugt, ist es wichtig, stets das gesamte Operationsmaterial sorgfältig aufzuarbeiten, um Fehldiagnosen zu vermeiden.
Pilomyxoides Astrozytom Eine Sonderform des pilozytischen Astrozytoms stellt das pilomyxoide Astrozytom (Grad II WHO) dar. Dieses ist gekennzeichnet durch meist hypothalamische Lokalisation, Auftreten bei Kindern und Säuglingen, monomorphe,
501
a
b Abb. 18.5a,b Pilomyxoides Astrozytom. Monophasisches Wachstumsmuster mit Gefäßbezug (a) vor dem Hintergrund einer myxoiden Matrix (b)
myxoide Histologie ohne Rosenthal-Fasern und einen gewissen Gefäßbezug der Tumorzellen (Abb. 18.5). Bei pilomyxoiden Astrozytomen besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit des Rezidivs und der Aussaat über die Liquorräume [51, 220].
Subependymales Riesenzellastrozytom Das subependymale Riesenzellastrozytom (Grad I WHO) tritt überwiegend bei Kindern auf (Mittel: 13 Jahre) und ist regelmäßig mit einer tuberösen Sklerose (s. unten) assoziiert; umgekehrt haben 6–16% der Patienten mit tuberöser Sklerose ein subependymales Riesenzellastrozytom. Symptome entstehen meist durch eine Liquorblockade. Sehr selten sind massive, teils letale intratumorale Blutungen. Makroskopisch wölben sich derbe, scharf vom Marklager abgrenzbare Knoten mit weißlicher asbestartiger Schnittfläche gegen das Lumen eines Seitenventrikels vor (s. Abb. 18.38b). Mikroskopisch handelt es sich um große Zellen mit rundovalem, bandförmigem oder spindeligem, homogen-eosinophilem Zytoplasma und teils weiten Zellfortsätzen (s. Abb. 18.38c). Die
502
Kapitel 18
Kerne sind oft multipel, peripher gelegen und können ausgesprochen chromatinreich und polymorph sein; bei prominentem Nukleolus verleihen sie der Zelle einen neuronähnlichen Aspekt. Es werden Gruppen oder Züge von Zellen ausgebildet. Häufig sind rundliche, teils konfluierende Kalkkonkremente. Nekrosen und Mitosen kommen selten vor, haben aber dann keine prognostische Bedeutung. Immunhistologisch findet sich in den meisten Tumoren eine Positivität für GFAP. Häufig werden auch neuronale Antigene (Neurofilament, KlasseIII-β-Tubulin, Neuropeptide etc.) exprimiert, zum Teil in denselben Tumorzellen wie GFAP [132]; man hat deshalb auch vom subependymalen Riesenzelltumor gesprochen.
Tumoren
a
Pleomorphes Xanthoastrozytom
18
Das pleomorphe Xanthoastrozytom (PXA, WHO-GradII) ist überwiegend im Temporal-, Frontal- oder Parietallappen von Kindern und jungen Erwachsenen lokalisiert [63, 111]. Eine oder mehrere, schon in der Bildgebung erkennbare Zysten mit Tumorknoten sind charakteristisch. Der Tumor wächst in den Leptomeningen und infiltriert herdförmig das Hirngewebe, selten auch die Dura mater. Mikroskopisch imponiert eine Mischung aus einerseits großen Zellen mit ausgesprochen polymorphen, hyperchromatischen, teils monströsen oder multiplen Kernen und eosinophilem oder schaumigem („xanthomatösem“) Zytoplasma sowie andererseits spindeligen Zellen, die sich zu Zellzügen oder storiformen Strukturen formieren (Abb. 18.6a,b). Ein feinverzweigtes Retikulin- bzw. Basalmembrannetzwerk umhüllt einzelne oder Gruppen von Tumorzellen (Abb. 18.6c). Perivaskuläre lymphozytäre Infiltrate und eosinophile oder blasse, fein- oder grobgranuläre Körper sind häufig. Nekrosen oder zahlreiche Mitosen (5 oder mehr in zehn 400×-Gesichtsfeldern) gehören nicht zum Bild und signalisieren den Übergang in einen malignen Tumor. Dieser sollte nach WHO-Konvention nicht als anaplastisches PXA, sondern als PXA mit Anaplasie („PXA with anaplastic features“) bezeichnet werden. Angiomatöse, epitheloide und gangliogliomatöse Varianten kommen vor. Der Tumor wurde ursprünglich als ein intrakranielles Analogon des kutanen fibrösen Histiozytoms aufgefasst und als fibröses Xanthom der Meningen bezeichnet, wegen der Positivität für GFAP aber als Gliom reklassifiziert und von subpialen Astrozyten abgeleitet [111]. Die Ki67/MIB1-Proliferationsrate der Tumorzellen liegt meist bei unter 1%. Molekularpathologisch ist in über 50% der Fälle eine aktivierende Punktmutation des BRAF-Gens (V600E) nachweisbar [202]. Der Verlauf ist nicht vorhersehbar: es gibt sowohl jahrzehntelange rezidivfreie Verläufe als auch seltener rasche Übergänge in ein Glioblastom; jedenfalls ist die
b
c Abb. 18.6a–c Pleomorphes Xanthoastrozytom. Zellzüge spindeliger Zellen (a) und große Zellen mit polymorphen Kernen und eosinophilem oder schaumigem Zytoplasma (b) mit feinem Retikulinnetzwerk (c)
Prognose im Allgemeinen besser als die Pleomorphie vermuten lässt. Die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten liegen bei 80% bzw. 70% [63].
Desmoplastisches infantiles Astrozytom Desmoplastische infantile Astrozytome (Synonym: duraadhärente zerebrale Astrozytome) sind große (6–
Neuroepitheliale Tumoren
Abb. 18.7 Desmoplastisches infantiles Astrozytom. Histologie mit Zellzügen spindeliger Astrozyten und kollagenen Fasern
13 cm), derbe und zystische Tumoren des Frontal- oder Parietallappens, die bei Kindern in den ersten 18 Lebensmonaten auftreten [217]. Mikroskopisch sind GFAP-positive monomorphe, spindelige, oft gewellte Astrozyten mit fibrohistiozytären Zellen und kollagenen Fasern unter Ausbildung von Zellzügen verwoben (Abb. 18.7). Es kann daher leicht zu Verwechslungen mit fibromatösen oder anderen mesenchymalen Tumoren kommen. Daneben sieht man herdförmig Astrozyten mit rundovalem eosinophilem Zytoplasma, die an kleine gemästete Formen erinnern. Im Gegensatz zum pleomorphen Xanthoastrozytom fehlen Riesenzellen, Schaumzellen, mehrkernige Zellen oder höhergradig polymorphe Kerne. Nekrosen und pathologische Gefäße sind nicht nachweisbar. Der überwiegend leptomeningeale Tumor infiltriert meist sowohl den Kortex als auch die Dura. Oft besteht eine teils schon histologisch, häufiger erst immunhistologisch erkennbare neuronale Differenzierung großer Zellen, zumeist kombiniert mit zelldichten Nestern unreifer kleinzelliger neuroektodermaler Elemente, zum Teil mit Mitosen. Diese Fälle werden als desmoplastische infantile Gangliogliome bezeichnet [226]. Da sie sich aber klinisch und (bis auf die neuronale Differenzierung) pathologisch nicht von den rein astrozytären Tumoren unterscheiden, können die beiden Tumortypen auch als „desmoplastische supratentorielle neuroepitheliale kindliche Tumoren“ zusammengefasst werden [163]. Rezidive oder eine maligne Entartung treten bei ansonsten typischen Tumoren in der Regel nicht auf.
Anaplastisches Astrozytom Anaplastische Astrozytome (Grad III WHO) sind Tumoren des Erwachsenenalters (mittleres Alter bei Diagnosestellung 51 Jahre); sie machen etwa 35% aller Astrozytome aus. Die 2- und 5-Jahres-Überlebensraten betragen 38–
503
60% bzw. 15–25%. Anaplastische Astrozytome zeigen histologische Malignitätszeichen, aber noch nicht das Vollbild des Glioblastoms. Von diagnostischer und prognostischer Bedeutung ist neben gesteigerter Zelldichte und Kernpolymorphie vor allem eine erhöhte Mitoserate. Der Ki67/MIB1-Proliferationsindex liegt typischerweise zwischen 5 und 10%. Eine geringgradige Hyperplasie und Hypertrophie von Endothelzellen kann vorkommen, nicht aber höhergradig pathologische Blutgefäße, die – wie auch flächenhafte Nekrosen – typisch für Glioblastome sind und die Diagnose eines anaplastischen Astrozytoms ausschließen. Selbst bei nur herdförmigem Anaplasienachweis liegt bereits ein anaplastisches Astrozytom vor. Auch molekulargenetisch ist das anaplastische Astrozytom zwischen Grad-II-Astrozytom und Glioblastom anzusiedeln. Zu den TP53-Mutationen, die in etwa gleicher Häufigkeit wie bei Grad-II-Astrozytomen vorliegen (35%), kommen Abberrationen von Genen für zellzyklusregulierende Proteine wie CDKN2A/p16-Deletion, Inaktivierung des Retinoblastom(RB)-Tumorsuppressorgens, p19ARF-Deletion und CDK4-Amplifikation. Inaktivierungen bisher nicht identifizierter Tumorsuppressorgene auf den Chromosomen 19q und 22q, detektiert durch einen Verlust der Heterozygotie („loss of heterozygosity“, LOH), findet man in 46% bzw. 30% der Fälle. Eine EGFR-Amplifikation ist in weniger als 10% der Fälle nachweisbar [112].
Gradierung Histologischer Malignitätsgrad und Prognose sind bei Astrozytomen eng korreliert, doch weisen auch ungünstige Lokalisation, Tumorgröße, kurze Anamnese, hohes Alter, niedriger Karnofsky-Index und geringes Ausmaß der Resektion auf eine ungünstige Prognose. Wenngleich sich die meisten Astrozytome mehr oder weniger eindeutig gradieren lassen, liegen intermediäre Formen in der Natur der Sache. Es hängt von der Person des Neuropathologen und den örtlichen Gegebenheiten ab, ob hier eine intermediäre und biologisch zutreffendere, aber klinisch schwer verständliche und oft nicht erwünschte Diagnose gestellt wird (Grad II–III, Grad III–IV). Ist man unter Entscheidungsdruck, einen (nichtpilozytischen) astrozytären Tumor auf der vierstufigen Skala einzuordnen, kann die einfach und schnell durchzuführende Gradierungshilfe von Daumas-Duport et al. [36] nützlich sein, die auf dem Vorhandensein von vier morphologischen Kriterien beruht: • Kernatypien (Hyperchromasie und/oder deutliche Form- und Größenvariabilität), • Mitosen (regelrechte oder pathologische), • Endothelproliferation (vaskuläre Lumina werden von mehr als einer Lage Endothelzellen umgeben), • flächenhafte Nekrosen.
504
Kapitel 18
Der eindeutige Nachweis von 3 oder 4 dieser Kriterien entspricht dem Grad IV (Glioblastom), von 2, 1 und 0 Kriterien den Graden III (anaplastisches Astrozytom), II und I. Bei der Gradierung von Astrozytomen ist immer deren ausgeprägte intratumorale histologische Heterogenität zu berücksichtigen: So zeigten 82% der untersuchten Gliome erschiedene Gradierungen innerhalb desselben Tumors, 62% sowohl benigne (II) als auch maligne (III oder IV) Komponenten [161]. Eine zuverlässige Gradierung astrozytärer Tumoren anhand des immunhistologisch ermittelten Proliferationsindex ist im Einzelfall nicht möglich, da die Werte zwar mit dem Malignitätsgrad korrelieren, aber stark überlappen: Der Anteil proliferierender, Ki-67-positiver Zellen beträgt 0–1,9% (Grad II), 0,6–10,9% (Grad III) und 0,9–16,2% (Grad IV).
Tumoren
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Glioblastom
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Glioblastome (Grad IV WHO) umfassen etwa 40% der Gliome und gehören mit 12–20% zu den häufigsten Hirntumoren. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung liegt bei 55 Jahren, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen (1,3:1). Trotz bedeutender neurochirurgischer und radiologischer Fortschritte besitzt der Tumor noch immer eine äußerst schlechte Prognose (2-JahresÜberlebensrate 5–12%). Bei der gegenwärtigen Standardtherapie (Operation mit anschließender Bestrahlung und Temozolomid-Chemotherapie) beträgt die mediane Lebenserwartung 8–13 Monate. Bei Langzeitüberlebenden liegen nicht selten Fehldiagnosen vor, insbesondere von als Glioblastom fehlinterpretierten oligodendroglialen Tumoren [122]. Auf der anderen Seite gibt es bei definitiven Glioblastomen durchaus Langzeitüberlebende mit bis zu jahrezehntelangen Krankheitsverläufen [123, 210]. Makroskopisch bevorzugt der Tumor das Marklager der Großhirnlappen und breitet sich häufig in den Kortex, die Stammganglien und schmetterlingsförmig über den Balken auf die Gegenseite aus. Die Infiltrationszone führt zu einer diffusen Auftreibung des Gewebes. Charakteristisch ist die sog. bunte Schnittfläche, die bedingt ist durch ein Nebeneinander von grau-rosa gefärbten soliden Tumorpartien, gelblichen Nekrosebereichen, grünlichen verflüssigten Nekrosen („Gallertzysten“) sowie frischen und älteren, rot oder schwärzlich erscheinenden Blutungen (Abb. 18.8a). Die Konsistenz wechselt zwischen derben Tumorpartien und weichen Nekrosearealen. Bereits kleine Tumoren können von einem massiven Ödem umgeben sein. In 2–8% besteht ein multizentrisches Wachstum. Mikroskopisch findet sich neben einer hohen Zelldichte eine meist ausgeprägte Kern- und Zellpolymorphie mit hyperchromatischen, unregelmäßig geformten Kernen und mehrkernigen Zellen (multiformes Glioblastom,
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d Abb. 18.8a–d Glioblastom. Makroskopie mit bunter Schnittfläche (a) und Histologie mit polymorphen Tumorzellen und Mitosen (Pfeile, b), strichförmigen Tumornekrosen (c) und girlandenförmigen Aufreihungen pathologischer Blutgefäße (d)
Neuroepitheliale Tumoren
Abb. 18.8b). Daneben gibt es Tumoren mit einem Überwiegen spindeliger oder kleiner rundlicher monomorpher Zellen (fusiforme und globuliforme Glioblastome). Wesentlich für die Diagnose sind flächenhafte Nekrosen, die sehr ausgedehnt sein können und bis zu 80% der Tumorfläche einnehmen. Charakteristisch sind strichförmige Nekrosen, die palisadenartig von einem Saum dichtliegender Tumorzellen umrandet sind (Abb. 18.8d). Hinzu kommen die ausgeprägten Gefäßproliferate („pathologische Gefäße“), einerseits in Form weitlumiger („lakunärer“), manchmal thrombosierter Gefäße mit breiten, fibrosierten oder schmalen, brüchigen Wänden, andererseits – vor allem an den Tumorrändern und perinekrotisch – in Form glomerulumähnlicher Gefäßknäuel. Diese weisen eine sehr starke Vermehrung (Hyperplasie) und Vergrößerung (Hypertrophie) von Endothelien, daneben auch von Perizyten und glatten Muskelzellen auf (Abb. 18.8c). Mitosen in variabler Zahl sind praktisch immer nachweisbar. Blutungen unterschiedlichen Alters mit entsprechenden Residuen in Form von Sidero- und Lipophagen sind häufig erkennbar. In vielen Fällen bestehen dichte perivaskuläre Lymphozyteninfiltrate, vor allem im Randbereich. Immunhistochemisch exprimiert das Glioblastom als astrozytärer Tumor GFAP; die Färbeintensität und der Anteil GFAP-positiver Tumorzellen schwanken allerdings zwischen den Tumoren und meist auch innerhalb eines Tumors stark. Anaplastische Oligodendrogliome oder Ependymome mit Nekrosen und pathologischen Blutgefäßen sind keine Glioblastome. Die Blut-Hirn-Schranke (s. Kap. Hirnödem) ist in malignen Gliomen nicht mehr intakt. Dies äußert sich radiologisch in der Aufnahme von Kontrastmittel als wichtigem diagnostischem Zeichen, therapeutisch in der besseren Tumorgängigkeit von Zytostatika und morphologisch neben den oben beschriebenen Hyperplasien und Hypertrophien in ultrastrukturellen Abnormitäten pathologischer Gefäße. Die genetischen Daten unterscheiden sich im Durchschnitt, je nachdem, ob das Glioblastom sekundär aus einem Grad-II- oder Grad-III-Astrozytom entsteht oder ob es sich primär entwickelt. Primäre Glioblastome entstehen bei älteren Patienten und sind charakterisiert durch EGFR-Amplifikation (40%) und -Überexpression (60%), MDM2-Amplifikation ( 65%) aufweisen [112]. Epigenetische Veränderungen mit einer Promotorhypermethylierung des für das DNA-Reperaturenzym O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase kodierenden MGMT-Gens gehen mit einer besseren Prognose einher. Die Bedeutung für die molekularpathologische Diagnostik wird detailliert im Kapitel „Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik“ dargestellt.
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Riesenzell-Glioblastom Riesenzell-Glioblastome (Grad IV WHO) bestehen überwiegend aus monströsen (bis zu 500 μm Durchmesser), polymorphen, oft mehrkernigen, eosinophilen, variabel GFAP-positiven, gelegentlich xanthomatösen Riesenzellen. Die Tumoren sind relativ scharf abgegrenzt, zeigen zahlreiche, auch atypische Mitosen, Nekrosen, aber nur geringe endotheliale Proliferate. Häufigere genetische Veränderungen sind TP53-Mutationen (75–90%) und PTEN-Mutationen (33%), während CDKN2A-Deletionen und EGFR-Amplifikationen seltener sind [169]. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 42 Jahre. Die etwas günstigere Prognose als die der Glioblastome beruht vielleicht auf der geringeren diffusen Hirninvasion, möglicherweise aber auch auf einer in manchen Serien nicht erfolgten Abgrenzung gegenüber dem pleomorphen Xanthoastrozytom.
Gliosarkom Gliosarkome (Grad IV WHO) zeigen ein biphasisches Wachstum mit glial und mesenchymal („sarkomatös“) differenzierten Abschnitten [140]. Die gliale Komponente ist meist astrozytär differenziert und GFAP-positiv; ganz überwiegend ist die gliale Komponente isoliert als Glioblastom einzuordnen, während andere Gliomtypen nur sehr selten vertreten sind. Die mesenchymale, bindegewebsreiche und GFAP-negative Komponente entspricht bei den meisten Gliosarkomen einem Fibrosarkom, doch wurden unter anderem auch rhabdomyo-, leiomyo-, chondro-, osteo- und angiosarkomatöse Elemente beschrieben. Die mesenchymal differenzierte Komponente wurde früher als eine sarkomatöse Transformation des proliferierten Gefäßbindegewebes interpretiert. Gegenwärtig denkt man eher an eine mesenchymale Transdifferenzierung der Gliomzellen, da auch in der mesenchymal differenzierten Komponente häufig einzelne GFAP-positive Tumorzellen nachweisbar sind und in beiden Komponenten identische chromosomale und molekulargenetische Veränderungen (Verlust von Chromosom 10, TP53-Mutationen, PTEN-Mutationen, MDM2/CDK4Koamplifikationen) gefunden wurden [164, 181]. Klinisch und prognostisch unterscheiden sich Gliosarkome nicht wesentlich von Glioblastomen [140]. Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind eine Tumorinfiltration in die Leptomeningen mit reaktiver Desmoplasie, eine mesenchymale Organisation flächenhafter Nekrosen oder fibrinöser Exsudate, Astrozytom-Fibrom-Kompositionstumoren und Sarkome mit Gliose oder sekundärem Gliom (Sarkogliome).
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Kapitel 18
Tumoren
Sonstige Glioblastomvarianten Bei den sehr seltenen desmoplastischen Glioblastomen (malignen Gliofibromen) sezernieren die eindeutig astrozytär differenzierten Tumorzellen eine kollagenhaltige Extrazellulärmatrix, mitunter auch Knorpelgrundsubstanz [29]. Als Angiogliom wurden historisch ganz verschiedene Läsionen bezeichnet, so der zelluläre Typ des Hämangioblastoms, gemischte Gliome/Hämangioblastome, gemischte Gliome/Angiome, sehr gefäßreiche niedriggradige Gliome sowie auch Angiome mit Gliose. a
Gliomatosis cerebri
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Bei der Gliomatosis cerebri (diffuse Gliomatose) besteht makroskopisch eine Auftreibung des Gehirns bei insgesamt erhaltener Konfiguration ohne umschriebene Tumormasse. Mikroskopisch sind die graue und weiße Substanz beider Großhirnhemisphären, seltener auch zusätzlich Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark, diffus von Gliazellen durchsetzt. Obwohl kleine, bipolare, relativ schwach GFAP-positive Astrozyten überwiegen, können Oligodendrozyten und Mikrogliazellen am neoplastischen Prozess beteiligt sein, äußerst selten auch einmal die alleinige neoplastische Population stellen. Die proliferative Aktivität ist unterschiedlich, meist aber relativ hoch. In den stärker betroffenen Arealen kommen Markscheidenabblassungen und Nekrosen vor. Pathologische Blutgefäße finden sich im Allgemeinen nicht. Die Grenzen zwischen einem breitflächig diffus infiltrierenden Astroztyom und einer Gliomatosis cerebri sind fließend und einheitliche Kriterien fehlen. Auch wenn die meisten Fälle autoptisch diagnostiziert worden sind und die Diagnose allein aufgrund einer Biopsie nicht gestellt werden kann, ermöglicht die typische Histologie in Verbindung mit dem Kernspintomogramm doch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Diagnosestellung [179].
b
c
Oligodendrogliale Tumoren und Mischgliome Das Oligodendrogliom (Grad II WHO) tritt überwiegend bei Erwachsenen in den Großhirnhemisphären auf (mittleres Manifestationsalter 40 Jahre). Die 5- und 10Jahres-Überlebensraten betragen 71% bzw. 54%. Makroskopisch sind die Windungen aufgetrieben, die Schnittfläche ist weich, grau, gelegentlich körnig oder zystisch (Abb. 18.9a). Mikroskopisch dominiert die „Honigwaben-“ oder „Spiegeleistruktur“ (monomorphe kleine rundliche Kerne innerhalb eines ungefärbten Hohlraums; Abb. 18.9b), die zwar ein Artefakt, aber diagnostisch hilfreich ist; die Honigwabenstruktur ist im
Abb. 18.9a–c Oligodendrogliom. Makroskopie (a) und Histologie mit wabenförmig angeordneten klarzelligen Tumorzellen (b) und Expression des Oligodendrozytenmarkers Nogo-A (c)
Gefrierschnitt nicht zu sehen und kann in schnell fixiertem Gewebe oder im sekundär formalinfixierten paraffineingebetteten Gefriergewebe fehlen. Daneben können oligodendrogliale Tumorzellen mit eosinophilem Zytoplasma und peripherem Kern beigemengt sein, die gemästeten Astrozyten ähneln, aber kleiner als diese sind (sog. „minigemistocytes“). Verkalkungen sind häufig, besonders am Tumorrand, aber nicht spezifisch. Ein dichtes
Neuroepitheliale Tumoren
maschendrahtartiges Netzwerk dünnwandiger Gefäße ist typisch. Die Grenze zum Marklager ist häufig scharf, wogegen die graue Substanz diffus infiltriert wird; hier kommt es zu einem Umwachsen von ortsständigen Neuronen („perineuronale Satellitose“) sowie zu perivaskulären und subpialen Gruppenbildungen. Infiltration der Leptomeningen ist nicht selten. Einzelne Mitosen können auftreten, nicht aber Nekrosen oder ausgeprägt pathologische Blutgefäße. Immunhistologisch sind neoplastische Zellen im Gegensatz zur normalen Oligodendroglia negativ für basisches Myelinprotein und myelinassoziiertes Glykoprotein. Eine Expression des Oligodendrozytenmarkers Nogo-A (Abb. 18.9c) findet sich in 73% der Tumoren [125]. GFAP wird von reaktiven ortsständigen Astrozyten sowie von ansonsten typischen („gliofibrillären“) oder kleinen gemästetzelligen oligodendroglialen Tumorzellen exprimiert. Daneben kann etwa die Hälfte der Oligodendrogliome, meist herdförmig und schwach, neuronale Antigene (Synaptophysin, Neurofilament) exprimieren [233], wobei allerdings die Abgrenzung zu infiltriertem Hirngewebe problematisch ist. Die Ki67/MIB1-Proliferationsrate liegt bei unter 5%. Zu den häufigsten genetischen Veränderungen zählen Inaktivierungen von (bislang unbekannten) Tumorsuppressorgenen auf den Chromosomen 1p (40–90%) und 19q (50–80%), deren Bedeutung für die molekularpathologische Diagnostik detailliert im Kapitel „Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik“ abgehandelt wird. Differentialdiagnostisch sind stets andere neuroektodermale Tumoren mit Honigwabenstruktur zu bedenken: • Neurozytome sind praktisch immer und durchgehend synaptophysinpositiv, fibrillär und vorzugsweise in der Mittellinie um den Seitenventrikel lokalisiert. • Klarzellige Ependymome beinhalten häufig typische Ependymomabschnitte und enthalten oft zytoplasmatische Lumina, die immunhistochemisch für EMA reagieren; in Zweifelsfällen ist die Elektronenmikroskopie hilfreich, da bei Neurozytomen Mikrotubulibündel und abortive Synapsen, bei Ependymomen interzelluläre Verbindungen, Mikrovilli und selten Zilien gefunden werden können. • Der dysembryoplastische neuroepitheliale Tumor unterscheidet sich durch seine multinoduläre Architektur, die zusätzliche kortikale Dysplasie und das neuroradiologische Bild.
Anaplastisches Oligodendrogliom Das anaplastische Oligodendrogliom (Grad III WHO) zeigt mehrere histologische Malignitätskriterien wie stark erhöhte Zelldichte, ausgeprägte Kernpolymorphie, zahlreiche Mitosen, Nekrosen oder pathologische Blutgefäße
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(z. B. glomeruloide Strukturen). Die Korrelation zwischen Malignitätsgrad und Prognose ist bei Oligodendrogliomen geringer als bei Astrozytomen. Die größte prognostische Relevanz scheinen Mitosen und der Nachweis pathologischer Gefäßproliferaten zu besitzen. Die Gradierung nach Daumas-Duport et al. (s. oben) korreliert auch bei Oligodendrogliomen mit der Prognose [206]. Molekulargenetisch finden sich zusätzlich zu den für oligodendrogliale Tumoren charakteristischen 1p/19qAllelverlusten eine Vielzahl weiterer Veränderungen wie beispielsweise Deletionen, die den CDKN2A-Genort auf 9p21 betreffen.
Oligoastrozytäre Mischgliome Oligoastrozytäre Mischgliome (Oligoastrozytome, Grad II oder III WHO) zeigen die unterschiedlich differenzierten Gliomtypen entweder in getrennten Regionen oder miteinander vermischt. Beide Tumorkomponenten müssen eindeutig sein; allerdings findet man in Mischgliomen nicht selten zusätzlich Zellen mit astrozytär-oligodendroglialer, intermediärer Differenzierung. Auszuschließen ist die Infiltrationszone eines diffusen Astrozytoms in weiße Substanz, die Infiltrationszone eines Oligodendroglioms mit reaktiver Astrogliose sowie eine Oligodendrogliom mit „minigemistocytes“ oder anderen GFAP-positiven Tumorzellen. Bei anaplastischen Mischgliomen ergeben sich im Einzelfall klassifikatorische Schwierigkeiten, so bei Formen mit Nekrosen und pathologischen Blutgefäßen; die WHO-Klassifikation schlägt hier den Begriff „Glioblastom mit oligodendroglialer Komponente“ vor.
Ependymale Tumoren Grad-II-Ependymome Das Ependymom (Grad II WHO) tritt in der Umgebung des Ventrikelsystems und des Zentralkanals mit zweigipfliger Altersverteilung auf, wobei intrakranielle Tumoren häufiger bei Kindern (mittleres Alter 6 Jahre) und spinale Tumoren häufiger bei Erwachsenen (mittleres Alter 30– 40 Jahre) anzutreffen sind. Für die Prognose spielt auch der Resektionsgrad eine wesentliche Rolle, bei pädiatrischen intrakraniellen Ependymomen beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate etwa 50%. Makroskopisch sind die Tumoren relativ gut abgegrenzt und derb mit bunter Schnittfläche (Abb. 18.10a). Mikroskopisch ist die radiäre Anordnung der Tumorzellen um ein zentral gelegenes Gefäß (Pseudorosette; Abb. 18.10b) charakteristisch. Diese kernfreien Strahlenkränze werden durch die Fortsätze der Tumorzellen gebildet, deren Kerne am peripheren Zellende gelagert sind.
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Kapitel 18
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Tumoren
Seltener trifft man auf echte ependymale Rosetten, bei denen die Tumorzellen kugelige oder tubuläre Räume ausbilden und das Ependym imitieren (Abb. 18.10c). Rosetten wie bei Medulloblastomen mit einem fibrillären Zentrum ohne Lumen („Homer-Wright-Rosetten“) kommen nur ausnahmsweise vor. Die monomorphen rundovalen Kerne besitzen eine deutliche Kernmembran und reichlich gleichmäßig und punktartig verteiltes Chromatin. Die Blutgefäße sind häufig hyalinisiert und gelegentlich verkalkt. Immunhistologisch findet man GFAP vor allem in den perivaskulären Pseudorosetten. Oberflächenstrukturen färben sich mit Antikörpern gegen das epitheliale Membranantigen (EMA) an. Recht charakteristisch sind punkt- oder ringförmige zytoplasmatische EMA-Immunreaktivitäten (Abb. 18.10d) [75]; diese Strukturen entsprechen intrazytoplasmatischen Mikrorosetten, die auch elektronenmikroskopisch nachweisbar sind [110]. Nicht selten findet sich kleinherdig auch eine Zytokeratinexpression. Ependymomspezifische Antigene sind bislang nicht bekannt; gegen Zilienbestandteile gerichtete Antikörper lassen eine für die Diagnostik ausreichende Spezifität vermissen. Molekulargenetisch spielen die bei astrozytären Tumoren relevanten Gene (TP53, CDKN2A, CDK4, PTEN) bei Ependymomen praktisch keine Rolle. Während Mutationen des NF2(Neurofibromatose Typ 2)Tumorsuppressorgens in bis zu 50% der spinalen GradII-Ependymome zu finden sind, sind die mit intrakraniellen Ependymomen assoziierten offenbar recht heterogenen genetischen Veränderungen Gegenstand intensiver Forschung. Varianten
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d Abb. 18.10a–d Ependymom. Makroskopie (a) und Histologie mit perivaskulären Pseudorosetten (b) oder ependymalen Rosetten (c) sowie charakteristischer punkt- und ringförmiger EMA-Immunreaktivität (d)
Das klarzellige Ependymom besteht überwiegend aus Zellen mit perinukleär optisch leeren Höfen wie bei Oligodendrogliomen und Neurozytomen; wenn sich herdförmig keine ependymalen Pseudorosetten oder Rosetten finden, ist zur sicheren Diagnose der elektronenmikroskopische Nachweis ependymaler Charakteristika (Zilien, Blepharoblasten, Mikrovilli, intrazelluläre Lumina) notwendig [144]. Die klarzelligen zentralen Neurozytome wurden früher fälschlicherweise als „Ependymom des Foramen Monroi“ bezeichnet. Das zelluläre Ependymom ist zelldicht aber nicht mitosereich und besitzt wenige Pseudorosetten. Papilläre Ependymome zeigen eine pseudopapilläre Anordnung von Tumorzellen um gefäßhaltige Papillen; zur Abgrenzung von Plexuspapillomen, papillären Meningeomen und Karzinommetastasen ist die Immunhistologie hilfreich. Das tanyzytische Ependymom besteht aus Zügen fibrillärer, bipolar orientierter Zellen; eher tangential verlaufende, schmale, fibrilläre perivaskuläre Strukturen, aber keine echten perivaskulären Pseudorosetten sind entwickelt; der Tumor bevorzugt infratentorielle Regionen und das Rückenmark; die sichere Diagnose und Abgrenzung von astrozytären
Neuroepitheliale Tumoren
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Tumoren gelingt oft nur mit Hilfe elektronenmikroskopischer Untersuchungen [128]. Sehr seltene Varianten sind Ependymome mit riesenzelliger, lipomatöser, vakuolärer, melanotischer oder ausgeprägter epithelialer (Siegel ringzellependymom) Differenzierung oder auch Ependymome mit Neuropilinseln. Außerhalb des Zentralnervensystems sind Ependymome Raritäten, die unter anderem im mediastinalen und retroperitonealen Weichteilgewebe und im Bereich des Ovars beschrieben wurden.
Anaplastisches Ependymom Das anaplastische Ependymom (Grad III WHO) ist ein maligner vor allem intrakraniell lokalisierter Tumor, der bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen auftritt. Mikroskopisch weist der Tumor Zeichen der Anaplasie auf und ist vor allem durch eine deutlich erhöhte Mitoserate charakterisiert. Die zelldichten Tumoren besitzen häufig auch pathologische Blutgefäße und Nekrosen mit perinekrotischer Zelldichtesteigerung (Pseudopalisaden). Eine Expression von GFAP und punktförmige EMA-Immunreaktivitäten sind nachweisbar, wenn auch meist weniger ausgeprägt als in Grad-II-Ependymomen. Im Gegensatz zu astrozytären Tumoren ist die prognostische Wertigkeit einzelner Anaplasiezeichen weniger gut charakterisiert. So hat das Auftreten von Nekrosen (selbst mit perifokaler Zelldichtesteigerung) bei intrakraniellen Tumoren nicht unbedingt eine prognostische Wertigkeit [126]. Die teils widersprüchlichen Ergebnisse vieler klinischer Studien beruhen zumindest teilweise auf der erheblichen Heterogenität der untersuchten Patientenkollektive (intra- und extrakranielle Lokalisation der Tumoren, verschiedene Altersgruppen und Therapieschemata). Auch dem Resektionsgrad kommt eine wichtige prognostischer Bedeutung zu. Das Ependymoblastom/ETMR (Grad IV WHO) ist kein Synonym für das anaplastische Ependymom, sondern ein embryonaler Tumor. Er ähnelt histologisch dem Medulloblastom, ist aber durch „ependymoblastische“ Rosetten (mehrreihig mit Mitosen um ein „echtes“, also nichtvaskuläres Lumen) gekennzeichnet (Abb. 18.11; siehe auch Abschnitt „Neuronale und glioneuronale Tumoren).
Myxopapilläres Ependymom Das myxopapilläre Ependymom (Grad I WHO) tritt vor allem im Bereich des Conus medullaris oder des Filum terminale auf (mittleres Manifestationsalter 36 Jahre), äußerst selten in anderen spinalen Segmenten, intrazerebral, präsakral oder subkutan. Dieser gutartige Tumor rezidiviert nach makroskopisch kompletter Resektion in
Abb. 18.11 Ependymoblastom. Histologie mit zell- und mitosereichen ependymoblastomatösen Rosetten
Abb. 18.12 Myxopapilläres Ependymom. Histologie mit (pseudo) papillär um Bindegewebe angeordneten Tumorzellen mit hyalinisierten Gefäßen und muzinöser Matrix
nur 10%, doch sind Fälle mit extraneuraler Metastasierung beschrieben worden. Mikroskopisch sind die Tumorzellen (pseudo)papillär um Bindegewebe angeordnet, das vermehrte, weitlumige und hyalinisierte Gefäße, eine basophile muzinöse Matrix sowie Blutungen aufweisen kann (Abb. 18.12). Charakteristisch sind eine niedrige Zelldichte, vakuoläre Zytoplasmata der kubischen Tumorzellen und eine myxoide Struktur aufgrund mikrozystischer Degeneration und muzinöser Sekretion der Tumorzellen. Die Ki67/MIB1-Proliferationsrate beträgt im Mittel 1%. Einzelne Mitosen oder Kernatypien können auftreten und sind nicht Zeichen von Malignität [209]. Die Abgrenzung gegenüber konventionellen Ependymomen kann in Einzelfällen Schwierigkeiten bereiten, hat aber bei typischer Lokalisation offenbar nur wenig prognostische Bedeutung [95]. Diffe-
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Kapitel 18
Tumoren
rentialdiagnostisch sind andere Tumoren des Filum terminale und der Sakrokokzygealregion zu erwägen, so Paragangliome, Chordome, myxoide Chondrosarkome und papilläre Adenokarzinome. Das immunhistochemische Muster (GFAP-positiv, zytokeratinnegativ, synaptophysinnegativ) kann hilfreich sein.
Subependymom Das benigne Subependymom (Grad I WHO) wächst intra- oder periventrikulär, seltener im Rückenmark. Multiplizität ist nicht selten. Während die meisten Subependymome kleiner als 1 cm sind und zufällig bei der Autopsie Erwachsener als in das Ventrikellumen sich vorwölbende Tumoren (Abb. 18.13a) entdeckt werden, ist eine Minderzahl symptomatisch (postoperative 5- bzw. 15-JahresÜberlebensraten 75% und 65%). Mikroskopisch sind bei insgesamt sehr niedriger Zelldichte Gruppen von Kernen (die denen beim Ependymom gleichen) in ein fibrilläres Zellfortsatzgeflecht locker eingestreut (Abb. 18.13b). Perivaskuläre Pseudorosetten, Verkalkungen und eine mikrozystische Degeneration sind häufig, Positivität für GFAP ist die Regel. Der Ki67/MIB1-Index ist sehr niedrig und liegt meist bei unter 1,5%. Ultrastrukturell lassen sich sowohl astrozytäre als auch ependymale Differenzierungen nachweisen. Kernatypien, Mitosen oder zusätzliche Areale mit ausschließlich ependymaler Differenzierung korrelieren nicht mit der Prognose [131].
a
b Abb. 18.13a,b Subependymom. Makroskopie (a) und Histologie mit in ein fibrilläres Zellfortsatzgeflecht eingestreuten Gruppen von Kernen (b)
Atypisches Plexuspapillom Tumoren des Plexus choroideus Plexuspapillom
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Plexuspapillome (Grad I WHO) treten überwiegend bei Kindern im Bereich der Seitenventrikel auf, bei Erwachsenen sind sie häufiger im 4. Ventrikel lokalisiert. In 5% der Fälle liegen die Tumoren im 3. Ventrikel. Die 5-JahresÜberlebensrate liegt bei über 95%. Dem makroskopisch blumenkohlartigen Aspekt entspricht histologisch ein regelmäßiger papillärer Aufbau wie beim Plexus choroideus wobei ein einreihiges monomorphes Epithel einem gefäßreichem Stroma aufsitzt (Abb. 18.14a). Die mitotische Aktivität ist nicht erhöht. Mukoide, melanotische und onkozytäre Varianten kommen vor. Das isolierte Auftreten verschiedener atypischer histologischer Faktoren (erhöhte Zelldichte, unstrukturiertes Wachstum, erhöhte Polymorphie, Nekrosen) hat keinen signifikanten Effekt auf die Rezidivhäufigkeit [93]. Die Tumorzellen exprimieren Zytokeratine (meist CK8/18), Transthyretin und den Kaliumkanal Kir7.1 [79]. GFAP-positive und S100-positive Tumorzellen finden sich in etwa 30% bzw. 90% der Fälle. Eine maligne Progression ist selten [94].
Atypische Plexuspapillome (WHO-Grad II) sind histologisch und in ihrem klinischen Verhalten zwischen Plexuspapillom und Plexuskarzinom anzusiedeln [237]. Histologisch sind atypische Plexuspapillome durch eine erhöhte mitotische Aktivität (≥2 Mitosen/10 400×Gesichtsfelder) charakterisiert [93].
Plexuskarzinom Plexuskarzinome (Grad III WHO) können im Gegensatz zu Plexuspapillomen durch eine alleinige Operation in der Regel nicht dauerhaft geheilt werden. In der ganz überwiegenden Mehrzahl treten Plexuskarzinomen bei Kleinkindern auf; das mittlere Erkrankungsalter liegt unter 3 Jahren [137]. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 60%. Malignitätskriterien eines Plexuskarzinoms sind erfüllt, wenn vier der fünf folgenden histologischen Malignitätszeichen vorliegen: erhöhte mitotische Aktivität, Kernpolymorphie, erhöhte Zelldichte, Nekrosen sowie unstrukturiertes Wachstum (Abb. 18.14b). Eine
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Neuroepitheliale Tumoren
jedoch in der Regel im Gegensatz zu AT/RT und CRINET die SMARCB1/INI1-Expression erhalten [106, 237].
Cholesteringranulom
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Die häufigen und nur in großen Ausnahmefällen neurologisch symptomatischen Cholesteringranulome („Xanthogranulome“) sind derbe, graugelbliche Knoten im Stroma des Plexus chorioideus. Sie sind aus knolligen Cholesterinablagerungen, Fremdkörpergranulomen und chronisch-entzündlichen Veränderungen aufgebaut. Dagegen bestehen die makroskopisch oft unauffälligen und gehäuft bei Hyperlipidämie auftretenden Xanthome nur aus das Stroma dilatierend ausfüllenden Schaumzellen ohne entzündliche Veränderungen [148].
Neuroepitheliale Tumoren mit unklarer Differenzierung
b Abb. 18.14a,b Tumoren des Plexus choroideus. Histologie des Plexuspapilloms (a) mit gut differenzierten an den Plexus choroideus erinnernden papillären Strukturen. Plexuskarzinom (b) mit gesteigerter mitotischer Aktivität, erhöhter Zelldichte und -polymorphie sowie Aufhebung des papillären Wachstumsmusters
Hirninfiltration ist nicht selten. Vor der Diagnose eines Plexuskarzinoms bei Erwachsenen sollte differentialdiagnostisch immer sorgfältig die Möglichkeit einer papilläre Metastase eines (noch unbekannten) extrazerebralen Karzinoms erwogen werden. Für das Vorliegen einer Metastase verdächtig sind Positivität für karzinoembryonales Antigen (CEA), während eine Immunreaktivität für Transthyretin (Präalbumin) oder den Kaliumkanal Kir7.1 eher für einen primären Plexustumor spricht [67, 79]. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist bei Lokalisation des Tumors im Bereich des dritten Ventrikels differentialdiagnostisch auch das Vorliegen eines sog. papillären Tumors der Pinealisregion zu bedenken [78] (s. Abschnitt „Tumoren der Pinealisregion“). Bei Kleinkindern differentialdiagnostisch abzugrenzen sind Keimzelltumoren, Medulloepitheliome, atypische teratoide/rhabdoide Tumoren (AT/RT) sowie der kribriforme neuroepitheliale Tumor (CRINET), ein seltener SMARCB1/INI1-negativer Tumor mit Ausbildung von kribriformen Oberflächen und möglicherweise günstigerer Prognose als AT/RT [81]. In Plexuskarzinomen ist
Hier sind einige sehr seltene gliale Tumorentitäten zusammengefasst, bei denen der Typ der glialen Differenzierung unklar ist.
Astroblastom Das Astroblastom ist ein sehr seltener Tumor, der meist in den Großhirnhemisphären von Kindern und jungen Erwachsenen auftritt [14]. Er ist typischerweise relativ gut umschrieben und kontrastmittelaufnehmend. Entscheidend ist die Histologie mit perivaskulären Pseudorosetten zytoplasmareicher, GFAP-positiver Gliazellen; wesentliche Unterschiede zum Ependymom bestehen in breiteren Anheftungsstellen an den Gefäßen, dem häufigeren Auftreten pseudopapillärer Strukturen durch Degeneration gefäßferner Areale, dem irregulär verklumpten Chromatin der Tumorzellkerne, der ausgeprägten vaskulären und perivaskulären Hyalinisierung und der Lokalisation außerhalb des Ventrikels. Benigne und maligne Varianten kommen neben asymptomatischen, zufällig bei der Autopsie entdeckten Tumoren vor. Die Eigenständigkeit des Astroblastoms ist nicht unumstritten. Histogenetisch wurde er (wie auch mitunter Subependymome, manche Ependymome und pilozytische Astrozytome) von Tanyzyten abgeleitet [195]. Übergänge zwischen Astroblastomen und verschiedenen astrozytären Tumoren sowie astroblastomatöse Areale in Astrozytomen und Glioblastomen kommen vor; als Astroblastom werden aber nur Tumoren mit überwiegendem astroblastomatösen Phänotyp be-
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Kapitel 18
zeichnet. Die genetischen Veränderungen (v. a. chromosomale Zugewinne auf 19 und 20q) scheinen typisch zu sein und sind bei Astrozytomen und Ependymomen nicht so häufig [14].
Tumoren
bei eine primär meningeale Lokalisation nur autoptisch und bei fehlender Infiltration des Zentralnervensystems gesichert werden kann. So genannte nasale Gliome sind Ansammlungen von Astrozyten, zum Teil auch von anderen Gliazellen, Nervenzellen und leptomeningealem Gewebe im Bereich der Nasenwurzel [56].
Chordoides Gliom des dritten Ventrikels Das chordoide Gliom des dritten Ventrikels ist ein langsam wachsender (Grad II WHO), solider, kontrastmittelanreichernder Tumor des Erwachsenenalters [11, 180]. Diese Tumoren wurden zunächst als Meningeome mit ungewöhnlicher GFAP-Expression beschrieben, dann aber als Gliome reklassifiziert. Histologisch sieht man epitheloide Tumorzellen mit eosinophilem Zytoplasma und monomorphem rundovalem Kern, die kleine Verbände und Trabekel bilden und in ein muzinöses, basophiles Stroma mit reichlich lymphozytären Infiltraten eingelagert sind. Immunhistochemisch sind die Tumoren positiv für GFAP, Vimentin und CD34, teilweise auch für S100-Protein, EMA und Zytokeratine. Die Ki67/MIB1Proliferationsrate liegt bei unter 5%, meist bei unter 2%. Wesentliche numerische chromosomale Veränderungen oder Mutationen in Tumorsuppressorgenen oder Onkogenen, die bei Gliomen häufig involviert sind, scheinen nicht zu bestehen [180].
Angiozentrisches Gliom
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Das angiozentrische Gliom (Grad I WHO) ist ein seltener Tumor, der insbesondere bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt. Angiozentrische Gliome sind typischerweise oberflächlich im Bereich der Großhirnrinde lokalisiert und machen sich klinisch vor allem durch epileptische Anfälle bemerkbar [229]. Mikroskopisch sind monomorphe gliale Tumorzellen mit bipolaren Fortsätzen und einem angiozentrischen Wachstumsmuster charakteristisch. Immunhistochemisch exprimieren die Tumorzellen EMA und GFAP aber keine neuronalen Antigene. Die mitotische Aktivität ist niedrig. Die operative Entfernung des Tumors wirkt sich in der Regel auch günstig auf die Anfallshäufigkeit aus. Rezidive sind sehr selten.
Neuronale und glioneuronale Tumoren Gangliogliom Gangliogliome (Grad I WHO) sind gemischt glial/neuronale Tumoren junger Patienten (Mittel 10–20 Jahre). Klinisch bestehen meist Krampfanfälle. Sie bevorzugen den mediobasalen Temporallappen, sind aber auch häufig in anderen Großhirnlappen, in Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark lokalisiert. Makroskopisch sind sie typischerweise knotig, derb, hellfarben, oft zystisch und nicht raumfordernd. Mikroskopisch überwiegt zumeist die gliale Komponente nach Art eines fibrillären oder pilozytischen Astrozytoms (Abb. 18.15a); andere Gliakomponenten sind extrem selten. Eingestreut sind abnorme Nervenzellen, die sich von ortsständigen, „überrannten“ Neuronen durch ungeordnete Lagerung, irreguläre Ausrichtung der Fortsätze oder atypische Größe und Form unterscheiden (Abb. 18.15b); eine einzelne doppelkernige Nervenzelle ist aber für die Diagnose nicht ausreichend. Die neoplastischen Neurone zeigen häufig Nissl-Substanz und eine zytoplasmatische Vakuolisierung. Elektronenmikroskopisch wurden „dense core vesicles“ wie bei sympathischen Ganglienzellen, immunhistologisch neuronale Antigene wie Synaptophysin, Neurofilament oder Chromogranin A nachgewiesen [43]. Häufiger als bei normalen Neuronen ist eine zytoplasmatische oder intensive perizelluläre Synaptophysin-Immunreaktivität, die aber nicht spezi-
Sonstige Heterotope Gliome gehen von versprengtem Gliagewebe aus. Bei meningealen Gliomen (Gliomatosen) handelt es sich um lokalisierte (oder diffus ausgebreitete), meist astrozytär, seltener oligodendroglial differenzierte Tumoren von Erwachsenen in den Leptomeningen [152], wo-
Abb. 18.15 Gangliogliom. Histologie mit Nachweis mehrkerniger ganglioider Tumorzellen (Inset)
Neuroepitheliale Tumoren
fisch ist [177]. Charakteristisch sind Verkalkungen, angiomatoide Formationen, Lymphozyteninfiltrate und Bindegewebsstränge, die neuronale Zellnester septieren. Molekulargenetisch sind in einem Teil der Gangliogliome aktivierende BRAF-Mutationen (V600E) nachweisbar [202].
Gangliozytom Beim Gangliozytom (Grad I WHO) steht die neuronale Komponente deutlich im Vordergrund, während die Gliakomponente fehlt oder auf spärliche, nicht sicher neoplastische Astrozyten beschränkt ist.
Dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns Das dysplastische Gangliozytom des Kleinhirns (Grad I WHO, Synonyme: Purkinjeom, Lhermitte-DuclosKrankheit) tritt überwiegend in der zweiten bis vierten Lebensdekade auf. Es wird zum Teil als Hamartom aufgefasst; allerdings sind Rezidive nach mehreren Jahren bekannt. In mindestens der Hälfte der Fälle ist es Teil des autosomal-dominant vererbten Cowden-Syndroms, bei dem es aufgrund einer Keimbahnmutation des PTEN/ MMAC1-Tumorsuppressorgens zu multiplen zerebralen und extrazerebralen Fehlbildungen und Tumoren kommt (Megalenzephalie, Heterotopien, Polydaktylie, Leontiasis ossea, gastrointestinale Polypose, orale Papillomatose, Tricholemmome im Gesicht, Keratosen, Schilddrüsentumoren, Mammakarzinome) [151, 189]; dabei kann das dysplastische Gangliozytom die erste Manifestation des Cowden-Syndroms sein. Computertomographisch imponiert eine unscharf abgrenzbare, nicht Kontrastmittel aufnehmende, fokal oft kalkhaltige und teils raumfordernde Kleinhirnläsion. Makroskopisch sind einzelne Kleinhirnläppchen oder ganze Lobuli deutlich verbreitert und aufgetrieben. Mikroskopisch finden sich in der Körnerzellschicht abnorm große und relativ zytoplasmareiche, oft säulenartig angeordnete Neurone; diese greifen auf die Molekularschicht über, die abnorm reich an parallel oder senkrecht zur Oberfläche verlaufenden myelinisierten Axonen ist, eine Spongiose und fokale Verkalkungen aufweisen kann (Abb. 18.16). Regelrechte Körner- und Purkinje-Zellen fehlen in den betroffenen Arealen ebenso wie die Bergmann-Glia mit ihren radialen Fortsätzen. Die angrenzende Markzunge ist verschmälert. Ultrastruktur und axonale Ausrichtung der abnormen Neurone entsprechen den Körnerzellen, doch reagieren die größeren Formen immunhistologisch wie Purkinje-Zellen (Leu-4, L7, PEP19).
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Anaplastisches Gangliogliom Bei den sehr seltenen anaplastischen Gangliogliomen (Grad III WHO) entspricht die gliale Komponente einem malignen Gliom; die Wahrscheinlichkeit der Verwechslung mit einem infiltrierenden malignen Gliom ist hoch. Die äußerst seltenen Ganglioglioneuroblastome beinhalten unreife neuronale Elemente.
Papillärer glioneuronaler Tumor Der papilläre glioneuronale Tumor (Grad I WHO) ist typischerweise ein makroskopisch gut abgegrenzter, zystischer Tumor der Großhirnhemisphären bei Jugendlichen oder jüngeren Erwachsenen [116]. Mikroskopisch sieht man pseudopapilläre Formationen mit hyalinisierten Blutgefäßen, die von GFAP-positiven einreihigen Astrozyten überkleidet werden, sowie teils monomorphe, neurozytomartige, teils polymorphe neuronale Tumorzellen. Histologische Malignitätszeichen fehlen; Rezidive sind bislang nicht bekannt.
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b Abb. 18.16a,b Dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns. Histologie mit abnormen oft säulenartig angeordneten Neuronen, in Körner- und Molekularschicht (a) und immunhistochemische Färbung für Neurofilament (b)
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Kapitel 18
Tumoren
Rosettenformender glioneuronaler Tumor des vierten Ventrikels Als Rosettenformender glioneuronaler Tumor des vierten Ventrikels (RGNT, Grad I WHO) wird ein seltener, langsam wachsender Tumor im Bereich des vierten Ventrikels bei jungen Erwachsenen bezeichnet, der sich klinisch typischerweise mit Hydrozephalus oder einer Kleinhirnsymptomatik bemerkbar macht [117]. Mikroskopisch ist für RGNT ein biphasisches Wachstumsmuster mit glialer und neuronaler Komponente charakteristisch. Die neuronale Komponente besteht aus neurozytären Tumorzellen, die neurozytomatöse Rosetten mit synaptophysinpositivem Zentrum und/oder perivaskuläre Pseudorosetten ausbilden. Die dominierende gliale Komponente besitzt typischerweise Charakteristika eines pilozytischen Astrozytoms.
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Glioneuronaler Rosettentumor
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Der glioneuronale Rosettentumor ist ein seltener supratentorieller Tumor der Großhirnhemisphären, der bei jüngeren Erwachsenen mit Epilepsie beschrieben wurde [219]. Mikroskopisch handelt es sich um Grad-II- oder Grad-III-Astrozytome, in die multiple, neuronal differenzierte (z. B. Synaptophysinexpression) Inseln eingelagert sind. Die wallartige Abgrenzung der neuronalen Tumorzellinseln hat Anlass zu der Bezeichnung „Rosettentumor“ gegeben; dieser Ausdruck ist griffig und einprägsam, aber etwas irreführend, da „Rosette“ in der Neuroonkologie bereits durch mehrere andere histologische Strukturen belegt ist. Der Tumor ist einer der wenigen glioneuronalen Tumoren, die histologisch und klinisch maligne sein können.
Desmoplastisches infantiles Gangliogliom Das desmoplastische infantile Gangliogliom wurde bereits beim desmoplastischen infantilen Astrozytom abgehandelt.
Zentrales Neurozytom und extraventrikuläres Neurozytom Das zentrale Neurozytom (Grad II WHO) ist im Seitenventrikel (selten im 3. Ventrikel) lokalisiert und oft am Septum pellucidum angeheftet. Es macht 0,2–0,5% aller Hirntumoren und knapp die Hälfte aller supratentoriellen intraventrikulären Tumoren aus. Klinisch bestehen
b Abb. 18.17a,b Neurozytom. Histologie mit typischer Honigwabenstruktur (a) und Ausbildung von Neuropilinseln (b)
bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen (mittleres Alter 29 Jahre) Hirndrucksymptome aufgrund eines obstruktiven Hydrozephalus. Makroskopisch ist der oft kalkhaltige Tumor gut umschrieben, in der Bildgebung hyper- oder isodens mit multiplen hypodensen Arealen und mäßiger homogener Kontrastmittelaufnahme. Lange rezidivfreie Verläufe sind häufig; Rezidive können aber (vor allem innerhalb der ersten postoperativen Jahre) auftreten [238]. Mikroskopisch sieht man monomorphe kleine rundovale Kerne mit fein gesprenkeltem Chromatin inmitten optisch leerer, seltener schwach eosinophiler Zytoplasmaräume (Honigwabenstruktur; Abb. 18.17). Kernfreie, fibrilläre, häufig perivaskulär lokalisierte Neuropilinseln, eine Septierung in Zellnester oder Reihen, einzelne Mitosen und Verkalkungen kommen vor. Charakteristisch sind eine auch histologisch scharfe Abgrenzung und ein prominentes, fein verzweigtes kapilläres Netzwerk. Eine immunhistologisch (Expression von Synaptophysin, Klasse-III-β-Tubulin oder mikrotubuliassoziierten Proteinen) oder elektronenmikroskopisch (Synapsen, „dense core vesicles“, klare Vesikel, Mikrotubulibündel) nachweisbare neuronale Differenzierung ist ein wichtiges Kriterium für die Abgrenzung des Tumors vom Oligodendrogliom und klarzelligen Ependymom. Selten sind GFAP-positive Tumorzellen, ganglioide Zel-
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Neuroepitheliale Tumoren
len mit Expression von Neurofilament oder HomerWright-Rosetten erkennbar. Der Ki67/MIB1-Proliferationsindex liegt in der Regel unter 2%. Zentrale Neurozytome mit erhöhter proliferativer Aktivität (>2–3%) haben eine höhere Rezidivrate, weswegen für diese Tumoren die Bezeichnung „atypisches Neurozytom“ vorgeschlagen worden ist. Die sehr seltene anaplastische Variante des Neurozytoms zeigt zahlreiche Mitosen, Nekrosen und pathologische Gefäße. Als extraventrikuläres Neurozytom (Grad II WHO) werden Tumoren bezeichnet, die ohne Bezug zum Ventrikelsystem im Hirnparenchym lokalisiert sind. Extraventrikuläre Neurozytome sind nicht nur atypisch lokalisiert, sondern oft auch histologisch ungewöhnlich (z. B. weit fortgeschrittene neuronale oder astrozytäre Differenzierung: „Ganglioglioneurozytom“ o. Ä.).
Abb. 18.18 Liponeurozytom. Histologie mit Inseln lipomatös differenzierter Tumorzellen
Zerebelläres Liponeurozytom Das zerebelläre Liponeurozytom (Grad II WHO) ist ein wenig proliferierender (Ki67/MIB1 meist 20 Mitosen/10 HPF, Pfeile)
einem Karzinom, Sarkom oder Melanom entspricht) oder sie weisen eine sehr stark erhöhte Mitoserate auf, d. h. mindestens 20 Mitosen pro 10 „high-power fields“ (Gesichtsfeld von 0,16 mm2 bei 400facher Vergrößerung, Abb. 18.28c). Immunhistologisch ist die für normale und neoplastische Arachnothelien charakteristische Kombination aus epithelialem Membranantigen (EMA) und Vimentin typisch (s. Tabelle 18.3). Auch die Positivität für demosomale Antigene wie Desmoplakin kann hilfreich sein. Elektronenmikroskopisch kann der Nachweis interdigi-
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Kapitel 18
Tumoren
tierender Zellfortsätze und von Desmosomen für die Diagnose eines Meningeoms nützlich sein. Genetisch weisen etwa 60% der (sporadischen) Meningeome Mutationen des NF2-Tumorsuppressorgens auf Chromosom 22q auf, meist mit der Folge eines trunkierten Merlin-Moleküls. Aufgrund multipler, wiederkehrender chromosomaler Verluste und Zugewinne ist es sehr wahrscheinlich, dass mehrere Tumorsuppressorgene und Onkogene eine Rolle in der Progression zum atypischen und anaplastischen Meningeom spielen; die molekulargenetische Grundlage der Progression ist aber bislang noch nicht aufgedeckt worden.
Hämangioperizytom
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Das Hämangioperizytom (Grad II WHO) macht 0,5–7% (Mittel 2%) der meningealen Tumoren aus (mittleres Alter 43 Jahre), imponiert radiologisch und makroskopisch wie ein Meningeom, entspricht histologisch und ultrastrukturell aber dem Hämangioperizytom der Weichgewebe, weshalb es auch nicht mehr als hämangioperizytotisches Meningeom bezeichnet wird. Histologische Charakteristika sind hohe Zelldichte, sehr zahlreiche, häufig obliterierte Kapillaren, denen sich unmittelbar Tumorzellen mit ovalen oder länglichen Kernen und schlecht erkennbarem Zytoplasma anschließen, größere schlitzförmige und geweihartig verzweigte dünnwandige Gefäße (Abb. 18.29) und oft (aber nicht obligat) ein dichtes perizelluläres Retikulinnetzwerk, dem ultrastrukturell basalmembranähnliches Material entspricht. Von den Grad II Hämangioperizytomen wird das anaplastische Hämangioperizytom (Grad III WHO) abgegrenzt, dass durch erhöhte mitotische Aktivität (mehr als 5 Mitosen/10 HPF) und/oder Nekrosen sowie mindestens zwei der Kriterien Einblutung, Kernatypien, höhere Zelldichte charakterisiert ist [141]. Meningeale Hämangioperizytome unterscheiden sich weiterhin von Meningeomen durch das Überwiegen von Männern (60%), eine schlechtere Prognose (5- bzw. 15-JahreÜberlebensraten 65% und 21%, Rezidive in 26–91%, Metastasen in 10–68%), einen häufigeren Sitz am Tentorium und in der hinteren Schädelgrube (33%), die immunhistochemische Negativität für epitheliales Membranantigen und Desmoplakin, die häufige Positivität für CD34 (33-100%) und das Fehlen von Inaktivierungen des NF2-Gens.
Hämangioblastom Das Hämangioblastom (Grad I WHO, Synonyme: kapilläres Hämangioblastom, Lindau-Tumor, Angioretikulom) ist ein selten rezidivierender benigner Tumor,
Abb. 18.29 Hämangioperizytom. Histologie mit spindeligen Tumorzellen und hirschgeweihartigen Blutgefäßen
der überwiegend bei Erwachsenen (Mittel: 42 Jahre) auftritt und 1,1–2,4% der Hirntumoren ausmacht. Hämangioblastome sind typischerweise im Kleinhirn lokalisiert (80%), treten aber auch retinal, selten zerebral, meningeal oder spinal, extrem selten auch in anderen Organen wie peripheren Nerven, Pankreas, Niere und Leber auf. Auch wenn die meisten Hämangioblastome sporadisch auftreten, stellen sie eine charakteristische Komponente der von Hippel-Lindau-Krankheit dar. Insbesondere hier sind multiple Hämangioblastome nicht selten, was die Abgrenzung von einem Tumorrezidiv zu einem unabhängigen Zweittumor erschweren kann. Makroskopisch sind Hämangioblastome überwiegend zystisch, fest und scharf abgegrenzt (Abb. 18.30). Mikroskopisch sieht man sehr zahlreiche, überwiegend kapilläre Gefäße neben weitlumigen, teils fibrosierten Gefäßen. Die Retikulinfärbung demaskiert kollabierte Kapillaren. Zwischen den Gefäßen liegen die Stromazellen (interstitielle Zellen), entweder einzeln mit spindelig-kleinem Zytoplasma (retikulärer Typ, Abb. 18.30b) oder in Nestern mit gut abgrenzbarem, rund-fettigschaumigem, seltener homogen-eosinophilem oder klarem Zytoplasma und zentralen, mitunter hyperchromatischen oder polymorphen Kernen (zellulärer Typ, Abb. 18.30c), einem Paragangliom ähnelnd [77]. Immunhistochemisch sind die Stromazellen oft positiv für Vimentin und neuroendokrine Antigene (NCAM, NSE, Neuropeptide), aber negativ für epitheliale Antigene (EMA, Zytokeratine: Abgrenzung zum klarzelligen Nierenzellkarzinom!) und endotheliale Antigene (CD31, CD34, Faktor-VIII-bezogenes Antigen). Vor allem beim zellulären Subtyp markiert GFAP nicht nur vom Tumor überrannte reaktive Astrozyten, sondern (insbesondere in deren Nachbarschaft) auch Stromazellen. Die mittlere KI67/MIB1-Proliferationsrate liegt beim retikulären Subtyp bei unter 1%, beim zellulären Subtyp bei 4% [77].
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Mesenchymale Tumoren
Mesenchymale, nichtmeningotheliale Tumoren
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c Abb. 18.30a–c Hämangioblastom. Makroskopie mit typischer Lokalisation eines zystischen Tumors im Bereich des Kleinhirns mit Einblutungen (a) sowie Histologie des retikulären (b) und zellulären (c) Subtyps
Da ein nichtneoplastisches Analogon der Stromazelle unbekannt ist, hat man in zahlreichen immunhistologischen Untersuchungen die rätselhafte Histogenese dieses Tumors zu klären versucht. Dabei wurden u. a. eine endotheliale, histiozytäre, meningeale, undifferenziert mesenchymale, astrozytäre und neuroendokrine Natur favorisiert. Da die Stromazellen Erythropoetin produzieren, kann selten eine sekundäre Polyzythämie auftreten.
Prinzipiell können nahezu alle benignen und malignen Weichteiltumoren auch primär im Bereich des Zentralnervensystems oder seiner Hüllen auftreten. Intrakranielle Lipome (0,4% der Hirntumoren), die wie extrazerebrale Tumoren aus reifen Fettzellen bestehen, findet man in allen Altersgruppen. Sie sind überwiegend in der Mittellinie lokalisiert, besonders auf dem Balken, aber auch in der Vierhügelregion, suprasellär/interpedunkulär und im Kleinhirnbrückenwinkel. Malignisierung ist nicht bekannt. In 0,1–0,2% aller Autopsien sind sie ein Zufallsbefund, nicht selten finden sich (meist gering ausgeprägte) begleitende Hirnfehlbildungen. Während die meisten spinalen Lipome intradural wachsen, ist das seltene Angiolipom (Angiomyolipom) auf den Epiduralraum beschränkt. Bei der seltenen spinalen epiduralen Lipomatose handelt es sich nicht um einen Tumor, sondern um eine diffuse Hypertrophie des epiduralen Fettgewebes, die unter Dauerbehandlung mit Steroiden auftreten kann. Primär im ZNS oder in den Meningen entstehende Fibrome, Leiomyome, Rhabdomyome, Chondrome, Osteome, Myxome, epitheloide Hämangioendotheliome u. a. sind Raritäten. Wenn anaplastische Meningeome, Hämangioperizytome, vom Knochen infiltrierende Tumoren und Metastasen ausgeschlossen werden, bleibt ein kleiner Rest primär intrazerebraler oder meningealer Sarkome (weniger als 0,1% der Hirntumoren). Histologisch werden sie wie Sarkome anderer Lokalisation klassifiziert, wobei unter anderem auch Rhabdo- und Leiomyosarkome, Fibrosarkome, Chondrosarkome und Angiosarkome auftreten können. Gliosarkome sind nur durch eine komplette Gewebsaufarbeitung abzugrenzen. Die Unterscheidung zwischen einem primär intrakraniellen Sarkom und einer Metastase ist rein histologisch nicht möglich. Die primär meningeale Sarkomatose ist definiert als ein auf die weichen Hirnhäute beschränktes, nicht umschriebenes, sondern extensiv und diffus wachsendes Sarkom. Bei den meisten der bisher beschriebenen Fälle handelt es sich wahrscheinlich um kleinzellige, maligne, nichtsarkomatöse Tumoren (Karzinome, Lymphome, PNET etc.) [17]. Falls es die Entität „primär meningeale Sarkomatose“ gibt, ist sie extrem selten.
Chordom Es soll hier nur auf eine Variante, das neuropathologisch relevante chondroide Chordom, hingewiesen werden, das nahezu ausschließlich in der hinteren Schädelgrube auftritt und von der sphenookzipitalen Synchondrose ihren Ausgang nimmt. Mikroskopisch besteht der Ein-
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Kapitel 18
druck einer chordoiden und chondroiden Differenzierung. Immunhistologisch werden in der chordoiden wie in der chondroiden Komponente – wie auch bei anderen Chordomen – S100, Vimentin, epitheliale Antigene (EMA, Zytokeratine) und auch der notochordale Marker Brachyury exprimiert. Die Prognose soll etwas günstiger als bei anderen Chordomen sein. Bei Kleinkindern auftretende wenig differenzierte Klivuschordome mit aggressivem biologischen Verlauf sollen molekulargentisch durch einen SMARCB1/INI1Expressionsverlust charakterisiert sein [145]. Als Ecchordosis physaliphora bezeichnet man präpontine (seltener sakrokokzygeale) gelatinöse Knötchen von unter 2 cm, die histologisch und immunhistologisch dem Notochord und dem Chordom entsprechen, in 0,6–5% der Autopsien gefunden werden können und fast immer symptomlos sind [198].
Tumoren
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Periphere Nervenscheidentumoren Sie leiten sich von den Hüllzellen der peripheren Nerven bzw. der Hirnnerven ab. Die Tumorzellen entsprechen daher meist Schwann-Zellen und können seltener auch ultrastrukturelle Charakteristika von Perineuralzellen und (insbesondere bei Neurofibromen) von Fibroblasten aufweisen.
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Neurinom
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Neurinome (Grad I WHO, Synonyma: Schwannom, Neurilemmom, Neurolemmom) sind gutartig; eine maligne Entartung ist extrem selten. Sie können prinzipiell an allen Hirnnerven, Nervenwurzeln und peripheren Nerven lokalisiert sein; am häufigsten sind sie jedoch im Kleinhirnbrückenwinkel anzutreffen. Diese „ Akustikusneurinome“ gehen vom vestibulären Teil des achten Hirnnervs aus. An den spinalen Nervenwurzeln können Sanduhrgeschwülste mit intra- und extraspinalem Anteil bei erweitertem Foramen intervertebrale auftreten. Die sehr seltenen Neurinome des zerebrospinalen Parenchyms werden von vaskulären Nervenästen abgeleitet [25]. Makroskopisch sind die Neurinome in der Regel scharf abgegrenzt, gekapselt und derb (Abb. 18.31a). Auf dem Schnitt sind sie weiß, graurosa oder gelblich gefleckt und gelegentlich zystisch. Mikroskopisch dominieren sich durchflechtende Zellzüge mit bipolar orientierten länglichen oder geschlängelten Kernen und langen Zellfortsätzen. Eingewobenes feines Kollagen zeigt in der van-Gieson-Färbung ein zartes Orange und ist mit Retikulinfärbungen darstellbar. Auf dem Querschnitt erscheinen die Kerne klein und rund. Charakteristisch, aber nicht immer nachweisbar, ist
c Abb. 18.31a–c Neurinom. Makroskopie mit typischer Lokalisation im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels (a) und Histologie mit Antoni-A- (b) und Antoni-B-Anteilen (c)
eine Palisadenstellung der Kerne, wobei Kernreihen mit kernarmen Zellfortsatzbündeln alternieren (Abb. 18.31b). Dieses Muster (Zellzüge, längliche Kerne) wird als Antoni-A-Typ dem Antoni-B-Typ gegenübergestellt, bei dem die Fortsätze der eher sternförmigen Tumorzellen ein lockeres Geflecht ausbilden (Abb. 18.31c); insbesondere bei diesem retikulären Wachstumstyp können die Tumorzellen in eine wässrige Matrix eingelagert und herdförmig fettig degeneriert sein („Schaumzellnester“). Einzelne große, unregelmäßig geformte und hyperchromatische Kerne und gelegentlich auch flächenhafte Nekrosen können auftreten und sind nicht Zeichen einer malignen
Periphere Nervenscheidentumoren
Entartung. Anteile des peripheren Nervs sind allenfalls am Rand des Tumors nachweisbar. Häufig trifft man in Neurinomen auf fibrosierte zellarme Gefäßwände und Ablagerungen von Hämosiderin. Selten findet man intrazelluläres Lipofuszin oder Melanin („melanotisches Neurinom“); kommen zum Melanin Psammomkörper hinzu, handelt es sich bei etwa der Hälfte der Fälle um eine Manifestation des Carney-Komplexes, einer autosomal-dominant vererbte Kombination aus Gesichtspigmentation, kardialen Myxomen und endokriner Überaktivität (Cushing-Syndrom oder Akromegalie) aufgrund einer Mutation des Gens für die R1D-Untereinheit der Proteinkinase A [24, 27]. Immunhistologisch sind Neurinome typischerweise positiv für S100 und Vimentin, vereinzelt und kleinherdig auch für GFAP, im Gegensatz zu den Meningeomen aber negativ für Desmoplakin und etwas seltener als diese auch EMA-positiv. Elektronenmikroskopisch findet man Charakteristika von Schwann-Zellen, wie eine perizelluläre Basallamina, seltener Mesaxon-ähnliche Formationen und „long spacing collagen“. Genetisch bestehen bei 60% der sporadischen Neurinome Mutationen des NF2Tumorsuppressorgens; noch häufiger kommt es zu einem Verlust des NF2-Genprodukts Merlin, offenbar auch durch andere Mechanismen. Für im Rahmen der seltenen familiären Schwannomatose auftretende Neurinome kann (wie in AT/RT) ein Verlust der SMARCB1/INI1Expression charakteristisch sein [160].
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a
b Abb. 18.32a,b Neurofibrom. Typische Histologie des Neurofibroms (a) und eines plexiformes Neurofibroms bei NF1 mit Auftreibung von Nervenfaszikeln (b)
Neurofibrom Neurofibrome (Grad I WHO) können entweder als nichtgekapselte Hauttumoren oder als Tumoren der Nervenwurzeln, Spinalganglien, peripheren und autonomen Nerven auftreten. Plexiforme Neurofibrome größerer Nerven und multiple kutane Neurofibrome sind Kennzeichen der Neurofibromatose (NF1). 5–10% der plexiformen Neurofibrome entarten. Histologisch unterscheiden sich Neurofibrome von Neurinomen durch eine basophile, an Glykosaminoglykanen reiche Extrazellulärmatrix, und kräftigere kollagene Faserbündel (Abb. 18.32a). Im Tumor treten häufig teils bemarkte Axone auf. Dichte Züge spindeliger Zellen alternieren mit ausgedehnten zellarmen und bindegewebsreichen Abschnitten. Seltener als in Neurinomen sind Zysten, Eisenpigment, Schaumzellen, fibrosierte Gefäße, eine Palisadenstellung der Kerne und eine elektronenmikroskopisch oder immunhistologisch (S100Protein) fassbare Schwann-Zell-Differenzierung. Seltene intermediäre Nervenscheidentumoren sind nicht eindeutig als Neurinom oder Neurofibrom klassifizierbar oder beinhalten beide Komponenten in getrennten Arealen. Das plexiforme Wachstumsmuster (das auch selten bei Neurinomen beobachtet werden kann) zeigt eine fusi-
forme oder zylindrische Auftreibung des Nervs, der histologisch ein Auseinanderdrängen der Nervenfasern durch das matrixreiche Tumorgewebe entspricht (Abb. 18.32b). Daneben gibt es den bei Neurinomen vorherrschenden globulären Wachstumstyp an Nervenstämmen, der, zumindest bei solitären Tumoren, nicht mit der Neurofibromatose assoziiert ist. Selten sind Stapel von Lamellen ausgebildet, die Tastkörperchen ähneln und ultrastrukturell aus Basallaminae, Kollagenfibrillen und Tumorzellfortsätzen bestehen. Sind diese Strukturen zahlreich, spricht man vom Tastkörperchenneurofibrom.
Maligner peripherer Nervenscheidentumor Die 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit malignen peripheren Nervenscheidentumoren (MPNST, Grad II, III oder IV WHO, Synonyme: Neurofibrosarkom, neurogenes Sarkom) beträgt 34%. Bei einer Assoziation mit der NF1 (etwa 50%) ist die Prognose noch ungünstiger. MPNST entstehen entweder primär oder auf dem Boden eines (meist plexiformen) Neurofibroms. Am häufigsten
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18
Kapitel 18
sind kräftige periphere Nerven betroffen, die spindelförmig aufgetrieben sind. Kriterien der Malignität sind Mitosen, erhöhte Zelldichte, Fehlen einer Kapsel bei infiltrativem Wachstum, ausgedehnte Nekrosen und häufig gesteigerte Polymorphie. Züge aus Spindelzellen durchflechten sich „fischgrätenartig“. Wenn charakteristische neurinomatöse oder neurofibromatöse Strukturen nicht nachweisbar sind, müssen andere mesenchymale spindelzellige Tumoren, insbesondere ein Fibrosarkom, differentialdiagnostisch berücksichtigt werden. Für einen MPNST sprechen ein geschlängelter Verlauf von Kernen und Zellfortsätzen sowie eine wechselnde Zelldichte. Eine S100-Expression ist in nur 50–70% der MPNST nachweisbar. Etwa 10% der MPNST enthalten Komponenten anderer Sarkomtypen [45]. MPNST mit einer rhabdomyosarkomatösen Komponente werden als maligner Tritontumor bezeichnet, Tumoren mit drüsigen tubulären, teils muzinösen Strukturen als glandulärer MPNST. Epitheloide MPNST zeigen ein Wachstum epithelartiger rundlicher Zellen in Nestern. Wenn der Tumor nicht in einem peripheren Nerv entstanden und nicht Teil eines charakteristischen MPNST ist, kann die Abgrenzung von einem malignen Melanom unmöglich sein, zumal auch melanotische epitheloide MPNST und „neurotrope Melanome“ beschrieben wurden. Differentialdiagnostisch von MPNST abzugrenzen sind: • zelluläre (zellreiche) Neurinome, die als Variante des Neurinoms (Grad I WHO) etwa 3–5% der Nervenscheidentumoren ausmachen. Zelldichte, Mitoserate, Chromatinreichtum und Kernpolymorphie sind gesteigert, allerdings nicht so stark wie in MPNST. Trotz dieser Histologie rezidivieren sie in weniger als 5% der Fälle und metastasieren nicht, weshalb eine aggressive Therapie nicht indiziert ist [26]; • Intraneurale Synovialsarkome sind aufgrund der ähnlichen Histologie und des immunhistochemischen Expressionsprofils sehr schwierig von MPNST abzugrenzen. Molekulargenetische Untersuchungen zum Nachweis der für Synovialsarkome charakteristischen t(X;18)-Translokation sind weiterführend; • periphere primitive neuroektodermale Tumoren (pPNET), die bei älteren Kindern und jungen Erwachsenen an den Extremitäten, axial oder in der Lunge („Askin-Tumor“) auftreten, histologisch Neuroblastomen oder Medulloblastomen weitgehend gleichen, immunhistochemisch jedoch eine Expression von CD99 und charakteristische molekulargenetischen Veränderungen (EWS-Fusionstranskripte) aufweisen; • melanotische neuroektodermale Tumoren (melanotische Progonome, retinale Anlagetumoren), die meist im 1. Lebensjahr in Knochen (vor allem Kiefer) oder Weichteilen, selten auch in der Dura und im Gehirn auftreten und eine alveoläre Struktur sowie neuroblastische und melanozytäre Differenzierung zeigen.
Tumoren
Seltene Nervenscheidentumoren Nervenscheidenmyxom Nervenscheidenmyxome zeigen in einer basophilen muzinösen Matrix S100-positive spindel- und sternförmige Zellen, die von Bindegewebssträngen läppchenartig septiert werden. Im Bereich des ZNS treten diese Tumoren am häufigsten an den spinalen Nervenwurzeln auf [162]. Entgegen früherer Ansichten ist das Nervenscheidenmyxom nicht identisch mit dem Neurothekeom.
Perineuriom Perineuriome sind ausschließlich aus Perineuralzellen aufgebaut. Die benignen, zellarmen und häufig sklerosierten Weichteiltumoren bestehen aus spindeligen, geschlängelten Zellen mit dünnen Fortsätzen, die zum Teil Wirbel ausbilden. Sie sind EMA-positiv, S100-negativ und besitzen elektronenmikroskopisch eine inkomplette perizelluläre Basallamina sowie pinozytotische Vesikel [62]. Diese Weichteilperineuriome (ohne Beziehung zu einerm größeren Nerv) sind von den intraneuralen Perineuriomen zu unterscheiden, die meist in peripheren Nerven der Extremitäten auftreten und histologisch aus Perineuralzellen mit Zwiebelschalenformationen innerhalb des Endoneuriums aufgebaut sind [48] (Abb. 20.4i; S. 572; vgl. auch S. 662).
Sonstige Beim benignen, häufig kongenitalen fibrolipomatösen Hamartom sind Epi- und Perineurium eines Nervs, überwiegend der oberen Extremität, von fibroadipösem Gewebe überwachsen [207]. Das neuromuskuläre Hamartom („benigner Tritontumor“) tritt bei Kindern an großen Nervenstämmen auf und zeigt Ansammlungen reifer Nerven sowie quergestreifter, seltener glatter Muskelfasern innerhalb der selben Perimysialscheide [224]. Myxomatöse Zysten (Nervenscheidenganglien) beruhen auf einer (wohl traumatischen) Degeneration der Nervenscheide, meist des N. peroneus. Sie entsprechen histologisch den Ganglien synovialen Ursprungs [3]. Neurome sind keine Tumoren, sondern posttraumatische Regenerationen, die den peripheren Nerv spindelförmig auftreiben können und histologisch aus ungeordneten Proliferationen von Nervenfaszikeln mit teils bemarkten Axonen, teils zwiebelschalenartig angeordneten Schwann-Zellen und einer Fibrose bestehen (vgl. Abb. 20.1f; S. 567).
531
Maligne Lymphome
Maligne Lymphome Primäre Non-Hodgkin-Lymphome des Zentralnervensystems Primäre Non-Hodgkin-Lymphome des Zentralnervensystems (PZNSL) treten bei immunkompetenten und bevorzugt bei immunsupprimierten Patienten auf (AIDS, nach Organtransplantation). Im CT sieht man umschriebene, homogen Kontrastmittel aufnehmende Läsionen im subkortikalen ventrikelnahen Marklager mit nur geringem Ödem. Daneben gibt es diffuse, subependymale oder meningeale Formen. Die Tumoren sind in 60% supratentoriell gelegen (Hemisphären, Stammganglien, Balken), in 30% (50–80% bei AIDS) multilokulär. Metastasen treten in 10–22% transliquoral, in 4–27% außerhalb des ZNS auf. In 5–20% besteht eine Augenbeteiligung (Uveitis, Lymphom). Makroskopisch liegt oft eine bunte Schnittfläche wie bei einem Glioblastom vor; das Gewebe kann aufgetrieben, selten sogar unauffällig erscheinen (Abb. 18.33a). Mikroskopisch ist ein diffuses Wachstumsmuster sowie – besonders im Randbereich – ein angiozentrisches Infiltrationsmuster mit Tumorzellen innerhalb konzentrischer perivaskulärer Retikulinringe typisch (Abb. 18.33b). Teils bestehen dichte Zellverbände wie bei einer Karzinommetastase, teils eine lockere, enzephalitisähnliche Tumorzellinfiltration mit ausgeprägten reaktiven Veränderungen (T-Zellen, polymorphe gemästete Astrozyten, Spongiose); bei geringer Zelldichte sieht man eine Mikrogliareaktion, bei höherer Zelldichte zahlreiche Makrophagen. AIDS-assoziierte Lymphome sind oft von ausgedehnten Nekrosen durchsetzt. Das gemeinsame Leukozytenantigen (LCA, CD45) ist fast immer nachweisbar. Ganz überwiegend handelt es sich um hochmaligne B-Zell-Lymphome, die CD20 exprimieren (Klon L26 arbeitet am Paraffinschnitt meist zuverlässig, Abb. 18.33c). Nach der WHO-Klassifikation können mehr als 95% der PZNSL als „diffus-großzellig“ eingeordnet werden. T-Lymphome machen nur 1– 3% der PZNSL aus. Da eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie der PZNSL die Behandlung der Wahl ist, dient die bei klinisch-radiologischem Verdacht durchgeführte stereotaktische Biopsie lediglich der Diagnosesicherung. Deren Aussagekraft kann durch eine bereits eingeleitete Steroidtherapie deutlich geschmälert werden, da hierdurch in 40–80% eine (temporäre) Regression induziert wird („ghost tumor“). Histologisch sind dann nur eine Astrogliose und T-Lymphozyten zu sehen [59]. Zur Abgrenzung von Entzündungen kann in Zweifelsfällen der immunhistologische (nur eine leichte Kette) und molekularbiologische (Rearrangement der Immunglobulingene; mit Hilfe der PCR auch am Paraffinschnitt möglich) Nachweis der Monoklonalität zielführend sein. Der Nachweis von Tumorzellen im
a
b
c Abb. 18.33a–c Primär zerebrales Lymphom. Makroskopie (a) und Histologie mit angiozentrischem Infiltrationsmuster (b) sowie immunhistochemischer Expression des B-Zell-Markers CD20 (c)
Liquor gelingt in 10–22%, etwas häufiger bei zusätzlicher Immunzytologie. Es ist unbekannt, warum Lymphome in einem Organ ohne ein reguläres lymphatisches System entstehen. Bei Lymphomen immundefizienter Patienten spielt eine chronische Stimulation durch das B-lymphotrope und potentiell onkogene Epstein-Barr-Virus wahrscheinlich eine Rolle. Für zerebrale Endothelien spezifische Adhäsionsmoleküle auf extrazerebral transformierten Lymphomzellen könnten das Angehen im Gehirn vermitteln.
532
Kapitel 18
Sonstige Primär nodale Lymphome befallen das ZNS sekundär in 8–27% (klinisch) bzw. 10–46% (autoptisch), insbesondere hochmaligne Formen mit leukämischer Aussaat. Betroffen sind dabei die Dura (15%), der spinale Epiduralraum mit oder ohne Kompression (2–8%) und die Leptomeningen (4–30% klinisch, 60–94% autoptisch), hier z. T. mit einer makroskopisch zuckergussähnlichen Verdickung und Trübung. Über die Virchow-RobinRäume kann es zu perivaskulären Tumorzellinfiltraten kommen; isolierte intrazerebrale tumoröse Herde sind aber selten (9% der Fälle mit sekundärem ZNS-Befall). Besonders häufig (etwa 70%) ist eine Gehirnbeteiligung (meist zerebrale Tumorblutungen und/oder Meningeosis) bei akuten Leukämien. Intrakranielle Blutungen und ZNS-Infektionen bestehen in 14–37% und 16%. Raritäten sind primär intrakranielle Hodgkin-Lymphome, großzellig-anaplastische (Ki-1) Lymphome, angiotrope Lymphome („maligne Angioendotheliomatose“), lymphomatoide Granulomatosen und Plasmozytome [98].
Keimzelltumoren
18
Keimzelltumoren machen insgesamt 0,3–0,8% der Hirntumoren aus. Sie treten insbesondere bei Kindern und Jugendlichen auf (M:W etwa 1:2,2). Während Keimzelltumoren in Europa 4,4% der kindlichen Hirntumoren ausmachen, stellen sie in Japan und Taiwan einen Anteil von bis zu 14% [236]. Es handelt sich um Tumoren der Mittellinie mit Befall der Pinealisregion (33–62%), der suprasellären Region (30–43%) oder beiden Regionen gleichzeitig (6%). Seltenere Lokalisationen sind unter anderem Ventrikel, Basalganglien oder Rückenmark. Diese Altersverteilung und das überwiegende Auftreten in regulatorischen Zentren für die Gonadotropinsekretion unterstreichen eine pathogenetische Rolle pubertärer neuroendokriner Ereignisse im Zusammenhang mit einer abnormen Keimzellmigration. Histologie, Immun-
Tumoren
histologie, Ultrastruktur und Molekulargenetik entsprechen derjenigen der Ovarial- und Hodentumoren [83, 185]. Im Gehirn überwiegen Germinome (52–65%), Teratome (6–20%, reife, unreife und maligne Formen) und Mischtumoren (10–27%); reine Dottersacktumoren, embryonale Karzinome und Chorionkarzinome sind selten. Einen Überblick über das immunhistochemische Expressionsprofil gibt Tabelle 18.6.
Zysten Mehrere Zysten mit unterschiedlicher Histologie, Histogenese und Lokalisation können dem Neuropathologen begegnen (Abb. 18.34, 18.35). Tabelle 18.7 gibt einen vereinfachten Überblick. Übergangsformen, Metaplasien, atypische Epithelien, ungewöhnliche Lokalisationen und degenerative oder entzündliche Veränderungen sind bei den meisten Formen nicht selten und haben in der Literatur zu Begriffsvielfalt und terminologischer Unklarheit geführt. Wahrscheinlich besitzen Kolloidzysten, enterogene und respiratorische Zysten eine gleichartige Histound Pathogenese, zeigen aber je nach Lokalisation eine bevorzugte Differenzierung. Einige spinale extradurale Zysten können kompressionbedingte neurologische Symptome verursachen, so Perineuralzysten (in Nervenwurzel oder Spinalganglion), meningeale Zysten (eigentlich epidurale Meningealdivertikel), Synovialzysten oder pseudozystische Aussackungen des Ligamentum flavum (sog. Flavumzysten).
Tumoren der Sellaregion Kraniopharyngeome Die benignen, suprasellären, seltener intrasellären Tumoren verursachen visuelle, endokrine und kognitive Störungen. Histogenetisch wurden Reste der RathkeTasche, metaplastische Hypophysenvorderlappenzellen und versprengtes Zahnleistengewebe diskutiert.
Tabelle 18.6 Immunhistochemisches Expressionsprofil von Keimzelltumoren α-Fetoprotein
β-HCG
PLAP
Zytokeratin
OCT4
Germinom
–
–
+
–
+
Teratom
+
–
–
+
–
Dottersacktumor
+
–
+/–
+
–
Embryonales Karzinom
–
–
+
+
+
Chorionkarzinom
–
+
+/–
+
–
Tumoren der Sellaregion
a
b
533
a
b
Abb. 18.34a,b Kolloidzyste. Makroskopie mit typischer Lokalisation im Bereich des dritten Ventrikels (a) und Histologie (b) mit homogen eosinophilem Zysteninhalt und kubischem Epithel mit Zilien (Inset)
Makroskopisch sind die knolligen Tumoren oft ausgedehnt und gut abgegrenzt (Abb. 18.36). Es werden zwei klinisch-pathologische Typen unterschieden: • Der adamantinomatöse Typ tritt in jedem Lebensalter, überwiegend aber bei Kindern und Jugendlichen auf. Makroskopisch bestehen oft Zysten mit motorölähnlichem Inhalt. Histologisch entsprechen die Tumoren den Adamantinomen (Ameloblastomen) oder den kalzifizierenden odontogenen Zysten des Kiefers mit dem mehrschichtigen Plattenepithel, einer palisadenartigen basalen Lage zylindrischer Zellen, Wirbelbildungen spindeliger Zellen, sowie trabekulären und retikulären Tumorzellarchitekturen. Verhornungen („wet keratin“) und Verkalkungen, teils mit Fremdkörperreaktion, sind typisch. Das die infiltrierenden Tumorzapfen umgebende Hirngewebe zeigt oft lymphozytäre Infiltrate und eine Gliose mit zahlreichen Rosenthal-Fasern (cave: Verwechslung mit pilozytischem Astrozytom!). • Der seltenere papilläre Typ findet sich dagegen praktisch nur bei Erwachsenen (hier bis zu ein Drittel der Kraniopharyngeome), ist oft im 3. Ventrikel lokalisiert, radiologisch solide, besser umschrieben und ne-
c Abb. 18.35a–c Zysten. Epidermoidzyste mit abgeschilferten Hornlamellen (a), Arachnoidalzyste mit eingestreuten Arachnoidaldeckzellen (b) und enterogene Zyste mit intestinal anmutendem Zylinderepithel (c)
ben den plattenepithelialen Papillen durch das Fehlen von Palisaden, Kalk, Hornknötchen und „Motoröl“ gekennzeichnet. Ob die Prognose günstiger als beim adamantinomatösen Subtyp ist wird uneinheitlich beurteilt [34, 218]. Abzugrenzen von den Kraniopharyngeomen sind Xanthogranulome der Sellaregion. Diese bestehen histologisch aus wetzsteinförmigen Cholesterinablagerungen, Makrophagen (Xanthomzellen), Nekrosen, lymphozy-
534
Kapitel 18
Tumoren
Tabelle 18.7 Zysten im Bereich des Zentralnervensystems Vermutliche Pathogenese
Lokalisation
Histologische Auskleidung
Zysteninhalt
Besonderheiten
Literatur
Epidermoidzyste (Abb. 18.35a)/ Dermoidzyste
Ektodermal; Keimzellen, selten Trauma
Kleinhirnbrückenwinkel, parasellär, Schädel, spinal
Epidermis; Dermoidzyste mit Hautanhangsgebilden
Geschichtete Hornlamellen; Dermoidzyste mit Haaren, Talg
1% der Hirntumoren, selten karzinomatöse Entartung
[55]
Kolloidzyste (Abb. 18.34)
Endodermal paraphyseal? neuroektodermal?
Dach des III. Ventrikels
Kubisches Epithel, Zilien, einreihig
Gallertig, histologisch homogen und eosinophil
Typischer CT-Befund (hyperdens); 1% der Hirntumoren
[127]
Respiratorische Zyste
Endodermal; Metaplasie von Meningothelien?
Hirnstamm, subarachnoidal
Respiratorisches Epithel
Gelatinös
–
[40]
Enterogene Zyste (= neurenterische Zyste; (Abb. 18.35c)
Endodermal
Spinal, zervikothorakal, intradural
Intestinal anmutendes Zylinderepithel (PAS-positiv)
Gelatinös
In 30% Wirbelkörperanomalien, fakultativ Drüsen, Muskel, Knorpel etc.
[136]
Glioependymale Zyste (= ependymale Zyste = neurogliale Zyste)
Neuroektodermal
Vierhügelregion, retrozerebellär, intrazerebral u. a.
Ependym auf Astroglia oder Basalmembran
Klare Flüssigkeit
Ependymlage häufig nicht erhalten
[55]
Arachnoidalzyste (Abb. 18.35b)
Meningeal; Trauma, Entzündung oder Malformation
Sylvische Fissur, Kleinhirnbrückenwinkel, spinal
Arachnoidalzellen und Kollagen
Klare Flüssigkeit
–
[55]
Rathke-Zyste
Rathke-Tasche
Intrasellär, selten suprasellär
Kubisches Epithel, z. T. Zilien
Dick- oder dünnflüssig, häufig klar
Asymptomatische Zysten in 2–26% der Autopsien
[149]
18 tären und fibrohistiozytären Infiltraten sowie Hämosiderin (Abb. 18.37). Klinisch unterscheiden sie sich von den Kraniopharyngeomen durch häufigeres Auftreten im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter, überwiegend intraselläre Lokalisation, ausgeprägtere endokrinologische Defizite und eine günstigere Prognose [166].
Granularzelltumor Granularzelltumoren, früher auch als „Granularzellmyoblastome“ oder „Choristome“ bezeichnet, weisen Tumorzellen mit großen, gut abgrenzbaren Zytoplasmen mit zahlreichen eosinophilen, PAS-positiven Granula lysosomalen Ursprungs auf. Verschiedene Tumoren werden als Granularzelltumor bezeichnet:
Der Granularzelltumor der Neurohypophyse (Grad I WHO) [30] wird meist von den lokalen Gliazellen (Pituizyten) abgeleitet und entspricht histologisch den (nicht raumfordernden und asymptomatischen) „tumorettes“, die in bis zu 17% der Autopsien im Hypophysenhinterlappen, Hypophysenstiel oder Infundibulum nachweisbar sind. Hiervon abzugrenzen sind intrazerebrale Granularzelltumoren, bei denen es sich um überwiegend maligne, meist GFAP-positive Tumoren vermutlich astrozytärer Genese handelt, was auch durch die gelegentlich nachweisbare granularzellige Komponenten in Astrozytomen und Glioblastomen unterstützt wird [57]. Die histologisch gutartigen Granularzelltumoren außerhalb des ZNS (z. B. in peripheren Nerven, Skelettmuskulatur, Zunge, Haut) werden von den SchwannZellen abgeleitet [158].
535
Neurokutane Syndrome
a Abb. 18.37 Xanthogranulom der Sellaregion. Histologie mit Cholesterinspalten, Hämosiderin und Fremdkörperriesenzellen
tumsmuster mit Ausbildung von Zellzügen spindeliger Tumorzellen, die sich für S100 und (variabel) für GFAP anfärben [15].
Spindelzellonkozytom der Adenohypophyse b
Spindelzellonkozytome der Adenohypophyse (Grad I WHO) sind seltene gutartige nichtneuroendokrine Tumoren der Adenohypophyse. Mikroskopisch weisen die Tumorzellen eine onkozyäre Differenzierung mit ausgedehnten eosinophilen feingranulären Zytoplasmen auf und färben sich mit gegen Mitochondrien gerichteten Antikörpern sowie S100 und EMA an [190].
Neurokutane Syndrome
c Abb. 18.36a–c Kraniopharyngeom. Makroskopie eines großen adamantinomatösen Kraniopharyngeoms mit typischer suprasellärer Lokalisation (a) und Histologie mit von einer palisadenartigen basalen Lage zylindrischer Zellen ausgehendem mehrschichtigem Plattenepithel (b) und Nachweis von sog. „wet keratin“ (c)
Pituizytom Pituizytome (Grad I WHO) sind seltene gliale Tumoren die von der Neurohypophyse ausgehen und sich klinisch mit Gesichtsfeldausfällen, Kopfschmerzen oder Funktionsstörungen der Hypophyse bemerkbar machen. Mikroskopisch besitzen Pituizytome ein kompaktes Wachs-
Darunter werden überwiegend hereditäre, seltener auch sporadische, systemische Erkrankungen mit Fehlbildungen, Hamartomen und Tumoren der Haut, des Auges, des Zentralnervensystems und anderer Organe zusammengefasst. Historische Bezeichnungen für diese Gruppe sind u. a. Phakomatosen und neuroektodermale Dysplasien. Neben den hier besprochenen häufigsten Syndromen gibt es eine große Zahl weiterer, sehr seltener Syndrome [197].
Neurofibromatose Neurofibromatose Typ 1 Die autosomal-dominant vererbte Neurofibromatose Typ 1 (NF1, Synonyme: periphere Neurofibromatose, Neurofibromatose von Recklinghausen) ist relativ häufig,
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Kapitel 18
die Inzidenz wird auf 1:3000 geschätzt. Sie wird meist bereits im Kindesalter mit Café-au-lait-Flecken der Haut, axillären oder inguinalen pigmentierten makulären Läsionen auffällig [196, 235]. Weiter charakteristisch sind multiple (meist plexiforme) Neurofibrome, pigmentierte Hamartome der Iris (Lisch-Knötchen), Skelettabnormitäten (Skoliose, osteolytische Fibrome, Wirbelkörperund Keilbeindeformitäten) und eine Angiopathie mit Proliferation intimaler Myofibroblasten. Bilaterale pilozytische Astrozytome im Bereich des Sehnervs (Optikusgliome) mit häufig stabilem klinischen Verlauf sind charakteristisch, aber auch Glioblastome können auftreten. Außerhalb des ZNS werden unter anderem Phäochromozytome und embryonale Rhabdomyosarkome gehäuft beobachtet. Ursächlich sind Mutationen des auf dem Chromosom 17q11.2 gelgenen NF1-Gens, das für ein ubiquitär exprimiertes, Ras-GTPase-aktivierendes Protein (Neurofibromin) kodiert und eine hohe Spontanmutationsrate zeigt. Die Diagnose wird anhand klinischer Kriterien gestellt, während die direkte genetische Diagnose aufgrund der Komplexität des Gens und der Verschiedenheit der Mutationen aufwendig ist [178].
Neurofibromatose Typ 2
18
Die ebenfalls autosomal-dominant vererbte Neurofibromatose Typ 2 (NF2, zentrale Neurofibromatose) ist seltener (Inzidenz 1:40.000) und manifestiert sich meist im Erwachsenenalter mit intrakraniellen und intraspinalen Neurinomen, Meningeomen und Gliomen. Charakteristisch sind bilaterale Akustikusneurinome sowie (seltener) hamartomatöse Hirnläsionen wie die Meningeoangiomatose, die intramedulläre Schwannose und gliale Mikrohamartome. Katarakte und retinale Hamartome kommen vor. Das verantwortliche Suppressorgen auf dem Chromosom 22q12 kodiert für ein nahezu ubiquitär exprimiertes, mit dem Zytoskelett assoziiertes Protein der Zellmembran (Merlin/Schwannomin).
Tuberöse Sklerose Die autosomal-dominant vererbte Krankheit (Synonym: Bourneville-Pringle-Krankheit, Inzidenz 1:6000; 50–70% Neumutationen) macht sich typischerweise bereits in der Kindheit mit Minderbegabung und Krampfanfällen bemerkbar, wobei jedoch subklinische Verläufe häufiger als früher vermutet sind [35]. Typische Hautveränderungen sind pigmentarme Flecken (90%), perinasale Angiofibrome („Adenoma sebaceum“, 50–90%), und Chagrinleder-ähnliche derbe Herde (fibröse Hamartome, 20–40%). Es kommt zu gingivalen, sub- und periungualen Fibromen (20%), Peri-, En- oder Exostosen, kardialen Rhabdomyo-
Tumoren
men (25–65%), renalen Angiomyolipomen (45–90%), pulmonalen Fibromyomen und Lymphangiomyomatosen, Hämangiomen von Leber und Milz sowie flachen retinalen Riesenzellastrozytomen („Phakomen“, 20–50%). Hirnarterienaneurysmen sind gehäuft. Auch andere Fehlbildungen wie Syndaktylien oder Kolobome können auftreten. Die definitive, wahrscheinliche oder Verdachtsdiagnose einer tuberösen Sklerose wird anhand einer Kombination klinischer und/oder pathologischer Kriterien gestellt [35]. Neuropathologisch-makroskopisch und neuroradiologisch finden sich zahlreiche gegen das Lumen der Seitenventrikel vorwölbende, weißliche, derbe, glatt begrenzte, teils verkalkte, „kerzentropfenartige“, subependymale Knoten, die in Marklager und Stammganglien übergehen. Größere symptomatische Tumoren treten bei 5–20% der Patienten auf und werden als subependymale Riesenzellastrozytome bezeichnet (Abb. 18.38). Analoge Veränderungen bestehen in der Großhirnrinde: Es handelt sich dabei um gut abgegrenzte, oft multiple, blasse, derbe, knotige Vorwölbungen der Oberfläche („Tuber“) von bis zu einigen Zentimetern mit unscharfer Rinden-Mark-Grenze (Abb. 18.38a). Histologisch bieten sie irregulär eingestreute große, teils monströse oder mehrkernige astrozytäre und/oder neuronale Zellen (wie beim subependymalen Riesenzellastrozytom), eine Aufhebung der regulären Rindenschichtung, einer Reduktion von Nervenzellen, Markscheiden und Synapsen sowie eine Gliose („Sklerose“). Im Großhirnmarklager trifft man auf neuronale Heterotopien. Verantwortlich sind Mutationen des TSC1-Gens auf Chromosom 9q oder (häufiger) des TSC2-Gens auf Chromosom 16p. TSC1 kodiert für Hamartin, das in zytoplasmatischen Vesikeln lokalisiert ist, und TSC2 für Tuberin, das mit Hamartin interagiert. Eine Zuordnung von TSC1- oder TSC2-Mutationen zu einem spezifischen Phänotyp ist nicht möglich.
Von-Hippel-Lindau-Krankheit Für diese autosomal-dominant vererbte Krankheit, deren Inzidenz auf 1:40.000 geschätzt wird, ist das Auftreten von Hämangioblastomen charakteristisch, die nicht nur zerebellär, sondern auch spinal und im Bereich der Nervenwurzeln lokalisiert sein können. Im Bereich der Retina auftretende Hämangioblastome werden als retinale „Angiome“ bezeichnet und kommen bei 40–68% der Patienten vor. Außerhalb des ZNS ist eine Reihe von Tumoren mit der von-Hippel-Lindau-Krankheit assoziiert. Es handelt sich um Nierenzellkarzinome, Phäochromozytome und Zystadenome von Pankreas und Nebenhoden, neuroendokrine Tumoren des Pankreas und Paragangliome. Zysten im Bereich von Niere und Pankreas sind häufig.
Vaskuläre Hamartome
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Sturge-Weber-Krankheit Es handelt sich um eine kongenitale, überwiegend sporadisch auftretende, meist unilaterale, kombinierte Gefäßfehlbildung (Synonyme: zerebrofaziale oder zerebrotrigeminale Angiomatose), die sowohl bestimmte, vom N. trigeminus versorgte Areale der Gesichtshaut (Naevus flammeus) als auch herdförmig die ipsilaterale Hirnoberfläche, in 40% die Aderhaut der Augen und sehr selten andere Organe befällt [214]. In der Leptomeninx sieht man kapilläre und venöse Teleangiektasien, in der darunter liegenden Rinde ausgeprägte Verkalkungen, in der Umgebung Nervenzellausfälle und Gliosen. a
Vaskuläre Hamartome Vaskuläre Hamartome machen 3–9% der intrakraniellen Raumforderungen aus und sind für 20–40% der intrakraniellen Blutungen verantwortlich. Auch wenn die Läsionen aufgrund von Mikroblutungen, Fibrosen, Gefäßdilatationen u. Ä. wachsen können, handelt es sich nicht um echte Tumoren, sondern um kongenitale Konglomerate abnormer Gefäße. b
Kapilläre Teleangiektasien
c Abb. 18.38a–c Tuberöse Sklerose. Tuber mit unscharfer RindenMark-Grenze (a) sowie Makroskopie (b) und Histologie (c) des subependymalen Riesenzellastrozytoms (SEGA)
Erste Symptome treten meist im frühen Erwachsenenalter auf. Die mediane Lebenserwartung beträgt 49 Jahre, wobei als häufigste Todesursache Nierenzellkarzinome zu nennen sind. Verantwortlich sind Mutationen des VHL-Gens auf Chromosom 3p25, das in verschiedenen Epithelien und im Gehirn vor allem in Neuronen exprimiert wird [32].
Kapilläre Teleangiektasien bestehen aus extrem weitgestellten Kapillaren, seltener auch Venolen und Venen mit manchmal leicht fibrosierter Wand. Zwischen den sich nicht unmittelbar berührenden ektatischen Gefäßen liegt Hirngewebe, selten mit leichter Gliose, einzelnen Siderophagen oder Verkalkungen. Meist handelt es sich um sehr kleine, oft makroskopisch kaum erkennbare oder wenige Zentimeter messende Herde, die meist ein Zufallsbefund sind, selten aber auch Ursache tödlicher Massenblutungen sein können. 35% sind in der zentralen Brücke, 45% im Großhirn gelegen.
Kavernöse Angiome Bei kavernösen Angiomen (Kavernomen) grenzen die meisten Gefäße ohne zwischengeschaltetes Hirngewebe aneinander (Abb. 18.39). Die abnormen Gefäße sind weitlumig, besitzen ein einreihiges Endothel und zeigen oft Fibrosen, Verkalkungen und Thrombosen. Elastisches Material und Muskelzellen sind nur selten nachweisbar. In der Umgebung trifft man auf reichlich Hämosiderin, Rosenthal-Fasern, Sphäroide und eine Gliose. Histologische Übergänge zu kapillären Teleangiektasien sind
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Kapitel 18
Tumoren
a
Abb. 18.39 Kavernöses Angiom. Histologie mit dicht beieinander liegenden abnormen weitlumigen Gefäßen
nicht selten [187]. Kavernome bevorzugen das subkortikale Großhirnmarklager, die Stammganglien und die Brücke, in der Dura können sie makroskopisch ein Meningeom imitieren. Sie treten in 16–25% der Fälle multipel auf, sind meist 0,1–2 cm groß und können raumfordernd wirken sowie Massenblutungen oder Krampfanfälle verursachen. Kavernome können familiär gehäuft auftreten. Zugrunde liegen unter anderem genetische Veränderungen des KRIT1-Gens (CCM1), des CCM2/Malcavernin-Gens (CCM2) oder des PDCD10-Gens (CCM3) [183].
Arteriovenöse Malformationen
18
Arteriovenöse Malformationen (Abb. 18.40) zeigen die Charakteristika von Venen und Arterien, allerdings meist einen irregulären Wandaufbau mit variabler Ausprägung der einzelnen Wandschichten, Fibrosierung, aneurysmatischer Dilatation, Verkalkung, Thrombose und Rekanalisierung, selten auch arteriosklerotischen Plaques. Oft ist der Gefäßtyp nicht erkennbar. Bei fehlenden Kapillaren bestehen arteriovenöse Kurzschlüsse, die zu periangiomatösen Ischämien mit Infarkten, Verlust oder Kalkinkrustation von Neuronen führen können. Hämosiderin, lymphozytäre Infiltrate und Gliosen sind häufig. Betroffen sind alle Regionen des Zentralnervensystems, besonders aber die von der A. cerebri media versorgten. Oft sind die ausgedehnten AV-Malformationen pyramidenförmig mit einer leptomeningealen Basis und einer nach innen reichenden Spitze. Mit einer Inzidenz von 0,2–0,6% sind sie die häufigsten zerebralen Gefäßmalformationen. Klinisch kommt es zu Krampfanfällen oder in 65% zu Blutungen. Sie sind von traumatisch entstandenen arteriovenösen Fisteln im Sinus cavernosus zu unterscheiden. Eine Variante der AV-Malformation manifestiert sich in zentralen Regionen im Kleinkindesalter. Dabei entwi-
b Abb. 18.40a,b Arteriovenöse Malformation. Makroskopie (a) und Histologie mit abnormen arteriell oder venös differenzieren Gefäßen (b)
ckeln sich massive Erweiterungen der Tentoriumsinus und der zur Vena Galeni führenden Venen („Dysplasie der Vena Galeni“), die zur Mittelhirnkompression, zu multizystischen Nekrosen sowie zur Herzinsuffizienz führen können.
Venöse Malformationen Venöse Malformationen bestehen aus einer oder mehreren hochgradig ektatischen Venen („Varizen“) in Verbindung mit einer Gruppe kleinerer, aber immer noch ektatischer Venen. Die Gefäßwände sind schmal, besitzen Muskelzellen, aber keine Elastika, und zeigen oft degenerative Veränderungen. Bevorzugt lokalisiert sind sie im Großhirnmarklager, im Kleinhirn und in den Stammganglien. Den spinalen Formen liegen häufig arteriovenöse Durafisteln zugrunde. Etwa 5% der vaskulären Hamartome sind gemischte vaskuläre Malformationen, die aus mehr als einem der vier oben erwähnten Typen bestehen [4].
539
Metastasen
Meningeoangiomatose Bei der Meningeoangiomatose findet man in der Großhirnrinde proliferierte kleinkalibrige Gefäße, die von spindeligen Zellen umhüllt werden (Abb. 18.41); diese bilden in den Leptomeningen Wirbel und verkalkte Plaques und sind immunhistologisch vaskulären Fibroblasten oder Meningothelien zuzurechnen. Häufig besteht eine Neurofibromatose Typ 2.
Metastasen Metastasen von Hirntumoren Eine Infiltration in die Meningen ist bei niedriggradigen Gliomen, besonders bei pilozytischen Astrozytomen und Oligodendrogliomen, nicht selten und nicht mit einem bösartigen Verlauf assoziiert. Dagegen findet man bei malignen neuroepithelialen Tumoren ein Abtropfen von Tumorzellen in den Liquor oder multifokale Liquormetastasen in 5–77% der malignen Gliome und in 15–50% der Medulloblastome, wobei sich die höheren Werte auf autoptische, die niedrigeren auf klinische Untersuchungen beziehen. Reaktive Meningealfibrosen sollten in diesen Fällen von desmoplastischen Medulloblastomen oder Gliosarkomen abgegrenzt werden. Neurale Reinvasionen oder Austapezierungen der ependymalen Oberfläche können vorkommen. Im Gegensatz dazu entwickeln sich systemische Metastasen nur in 0,4% aller neuroektodermaler Tumoren. 40% der Patienten sind Kinder. Bei den Tumoren handelt es sich vorwiegend um Medulloblastome (20–40% der Metastasen; 0,4–9% aller Medulloblastome), Glioblastome/Gliosarkome/maligne Astrozytome (25–30%/0,5%), Meningeome (20%/60 Formen hereditärer Neuropathien unterschieden, die aber zum Teil allelisch zueinander sind (Tabelle 23.1).
CMT1, dominant erblich CMT1A (HMSN Ia)
Dies ist mit ca. 70% die häufigste Neuropathie vom Typ Charcot-Marie-Tooth; sie beruht in der Regel auf einer Duplikation des peripheren Markscheidenproteins mit dem Molekulargewicht von 22 kDalton (PMP22; Literatur s. [140, 141]). Genetik. Molekulargenetisch sind beim Typ CMT1A Punktmutationen oder eine Duplikation der 1,5 Megabasen-DNA-Region für das periphere Myelinprotein P22 (PMP22) am Genort 17p11.2 festgestellt worden [122, 169]. Die Duplikation lässt sich u. a. auch durch Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung im Interphasenkern lymphoblastoider Zellen der Patienten direkt nachweisen [170]. Bei der tomakulösen Neuropathie (Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen bzw. „pressure palsies“, HNPP; s. unten) liegt demgegenüber eine Deletion dieses Genorts vor, so dass diese beiden eindeutig verschiedenen Krankheiten als reziproke Produkte ungleichen Crossovers angesehen werden. Demgegenüber führen Punktmutationen am Genort 17p11.2 bei Heterozygoten bemerkenswerterweise zu der sonst als rezessiv erblich geltenden HMSN III (Dejerine Sottas-Syndrom; DSS; s. unten). Der Typ I erschien z. T. mit der Duffy-Blutgruppe auf dem Chromosom 1 gekoppelt (= HMSN Ia), während andere Fälle keine Kopplung aufwiesen (= HMSN Ib) [63]. Diese Typisierung (Ia und Ib) ist beibehalten worden, obwohl inzwischen erwiesen ist, dass der wesentlichere Unterschied auf Mutationen in verschiedenen Genen beruht (Typ Ia: PMP22-Duplikation; Typ Ib: Myelinprotein-Zero-(MPZ = P0)Mutationen; s. unten). Klinik. Die CMT1A beginnt zumeist in der 1. oder 2. Lebensdekade mit Fußdeformitäten und Gehbehinderung. Neurologisch lässt sich eine distale Schwäche und Atrophie an den Unterschenkeln („Storchenbeine“) feststellen mit Verlust der Sehnenreflexe, geringen distal akzentuierten („strumpfförmigen“) Sensibilitätsstörungen und Hohlfuß. Früh sind auch die oberen Extremitäten betroffen mit „handschuhförmigen“ Sensibilitätsstörungen und Handschwäche [25]. Einige Fälle zeigen Ataxie und Armhaltetremor („Roussy-Levy-Syndrom“) und evtl. eine Skoliose. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist erheblich reduziert. Ein Diabetes mellitus verstärkt die motorischen und sensorischen Symptome [204].
616
Kapitel 23
Morphologie. Neben einem zunehmenden Ausfall von Nervenfasern finden sich vor allem wiederholte, ausgeprägte, segmentale Demyelinisationen und Remyelinisationen. Letztere führen zu sog. „Zwiebelschalenformationen“ mit konzentrischer Vermehrung der Schwann-Zellen und des endoneuralen Kollagens um demyelinisierte oder remyelinisierte Nervenfasern [186, 244] (Abb. 23.3d; 23.4a–d). Dies wiederum kann eine tastbare „Hypertrophie“ des Nervs bewirken. Gelegentlich ist eine Invasion von Schwann-Zellen und Markscheiden durch Makrophagen nachweisbar [29]. Nur vereinzelt, wenn überhaupt, kommen sog. Tomacula vor (s. unten: Tomakulöse Neuropathie, HNPP). Bei gleichzeitig bestehendem Diabetes mellitus wird die Neuropathie verstärkt und statt der Zwiebelschalenformationen finden sich BüngnerBänder aufgrund des dominierenden Ausfalls von Nervenfasern [217]. Autoptisch ließ sich bei der CMT1A ein fortscheitender Ausfall von Vorderhornzellen und Spinalganglienzellen nachweisen bei Chromatolyse der erhaltenen Zellen, verbunden mit einer Degeneration von Nervenfasern in den Hintersträngen, insbesondere im Fasciculus gracilis. Tomakulöse Neuropathie (HNPP)
Diese ursprünglich als familiäre Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen („hereditary neuropathy with liability to pressure palsies“, HNPP; Molekulargenetik s. oben) bezeichnete Neuropathie ist ebenfalls dominant erblich. Die Krankheit ist im eigenen Untersuchungsgut häufiger als nach der Zahl der Veröffentlichungen zu erwarten (in 10 von 1000 kombinierten Nerv-Muskel-Biopsien).
23
Hereditäre Neuropathien
durch segmentale oder paranodale De- und Remyelinisationsvorgänge, insbesondere aber durch Verdoppelungen und Verdreifachungen der Markscheidendicke in umschriebenen Markscheidensegmenten gekennzeichnet (Abb. 23.3f) [10, 124, 131, 217]. Dies ist besonders gut in Zupfpräparaten einzelner osmierter Nervenfasern nachweisbar. Auffällig häufig bleiben die inneren Marklamellen an remyelinisierten Nervenfasern nicht kompaktiert [92, 224, 249]. Vereinzelt sind etwas ähnliche, zumindest auffällige paranodale Markschlingen auch bei paraproteinämischen Neuropathien beschrieben worden [171]. CMT1B (= HMSN Ib)
Neuropathien aufgrund von Mutationen im Markscheidenprotein P0-(„myelin protein zero“; MPZ-)Gen sind vielgestaltig [202, 241]. Sie treten entweder schon im frühen Kindesalter auf mit verzögertem Beginn des Laufens (s. kongenitale Hypomyelinisationsneuropathien) oder im Alter von etwa 40 Jahren, sind klinisch aber manchmal auch nicht vom Typ 1A zu unterscheiden (Literatur s. [205]). Die Phänotypen sind allelisch zu CMTID, CMT2I, CMT2J, CMT4E und DSS (s. Tabelle 23.1). P0 bildet mit einem Anteil von ca. 50% den wichtigsten Bestandteil des Myelins. Durch das P0-Glycoprotein lässt sich auch eine experimentell-allergische Neuritis auslösen, und Antikörper gegen P0 sind in 20% der Fälle mit CIDP zu finden [86].
Klinik und Morphologie. Klinisch ist die HNPP weniger stark ausgeprägt als die CMT1A. Mikroskopisch ist sie
Morphologie. Mikroskopisch variiert das Erscheinungsbild außerordentlich. Neben einer kongenitalen Form mit stark demyelinisierender Komponente und sog. Basallamina-Zwiebelschalenformationen (s. Abb. 23.5c) gibt es bei Erwachsenen mit weniger stark ausgeprägter Neuropathie Ausfallsmuster, die entweder überwiegend einer demyelinisierenden oder einer überwiegend axo-
Abb. 23.3a–i Repräsentative querorientierte Ausschnitte aus dem N. suralis. a 8 Tage alter, b 7 Jahre alter Junge; c 87-jähriger Greis. Die Nervenfasern weisen im Alter von (5–) 7 Jahren die größten Axonkaliber auf. Im Alter gibt es vielfältige regressive Veränderungen. d Fortgeschrittene, autosomal-rezessiv erbliche Neuropathie vom ausgeprägt demyelinisierenden Typ (Dejerine-Sottas) bei einem 8-jährigen Mädchen mit extrem verlangsamter NLG (2,5 m/ s). Die Axone sind innerhalb der Zwiebelschalenformationen noch relativ gut erhalten, aber teils demyelinisiert (Pfeilköpfe), teils zu dünn remyelinisiert (also nicht primär „hypomyelinisiert“) (dünne Pfeile). Das endoneurale Bindegewebe ist stark vermehrt. Eine vakuolisierte Zelle liegt im Zentrum. e Autosomal-dominant erbliche hypertrophische Neuropathie (Charcot-Marie-Tooth) mit zahlreichen Zwiebelschalenformationen um relativ dick myelinisierte (dünne Pfeile) oder demyelinisierte (Pfeilköpfe) Axone. Die Nervenfasern sind durch die proliferierten Schwann-Zellen, das vermehrte endoneurale Kollagen und ein endoneurales Ödem stark dissoziiert. Ein erheblicher Teil der großen und kleinen markhaltigen Nerven-
fasern ist ausgefallen. f Tomakulöse Neuropathie mit stark verdickten Markscheiden (Pfeilköpfe), hypomyelinisierten Nervenfasern (dicke Pfeile) und Markscheidenabbauprodukten (dünne Pfeile). g Friedreich-Ataxie mit Ausfall nahezu sämtlicher großer markhaltiger Nervenfasern; nur noch 2 sind übrig geblieben (Pfeile), davon ist eine atrophisch, während die dünnen markhaltigen Nervenfasern nahezu sämtlich erhalten, wenn auch z. T. ebenfalls atrophisch sind. Eindeutige Regenerationsgruppen sind nur selten zu sehen. h Bevorzugter Ausfall der kleinen markhaltigen Nervenfasern bei sensomotorischer Neuropathie nach 50 kg Gewichtsverlust durch Appetitzügler (Amiodaron). Die relativ zahlreichen Markscheidenabauprodukte weisen auf die rasche Progredienz der Neuropathie hin. i Fortgeschrittene hereditäre, autosomal-rezessive sensorischautonome Neuropathie (HSAN 2) mit Ausfall nahezu sämtlicher markhaltiger Nervenfasern bei einem 9-jährigen Jungen, dessen Bruder ebenfalls erkrankt ist. Die marklosen Axonen sind (nach dem elektronenmikroskopischen Befund) ebenfalls stark betroffen. (a–i Vergr. 370:1)
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Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
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Kapitel 23
Hereditäre Neuropathien
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Abb. 23.4a–d Demyelinisierende hypertrophische Neuropathie vom Typ der CMT1A (= HMSN Ia) bei einer 10-jährigen Patientin. a Ausgeprägte Zwiebelschalenformationen um dick (dicker Pfeil) oder dünn (dünner Pfeil) remyelinisierte oder demyelinisierte (Pfeilkopf) Nervenfasern. Das endoneurale Bindegewebe ist vermehrt (Vergr. 648:1). b Zwiebelschalenformation um ein demyelinisiertes Axon (A). In den schalenförmig um dieses Axon angeordneten SchwannZell-Fortsätzen sind wiederholt marklose Axone nachweisbar (Pfeilköpfe). Dazwischen liegen fingerförmige Zellfortsätze vermutlich von Makrophagen, die nicht von einer Basallamina umgeben wer-
den. Daneben liegt ein größerer Makrophage mit Markscheidenabbauprodukten (M) und ein Lymphozyt (L). Zwischen den SchwannZell-Fortsätzen sind reichlich Kollagenfilamente eingelagert (Vergr. 5800:1). c Dünn remyelinisierte Nervenfaser mit Markschlingen (Pfeilköpfe) und einem adaxonalen membranösen zytoplasmatischen Körperchen (Pfeil), umgeben von Schwann-Zell- und Fibroblastenfortsätzen (Vergr. 5900:1). d Dick remyelinisierte Nervenfaser mit 3–5 schalenartig angeordneten Schwann-Zell-Fortsätzen, die bemerkenswert dicht liegen und von basallaminaähnlichem Material sowie Kollagenfibrillen voneinander getrennt werden. (Vergr. 4800:1)
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
nalen Form der Neuropathie entsprechen oder einen intermediäre Typ aufweisen [202]. Elektronenmikroskopisch stehen Kompaktierungsstörungen der Markscheiden im Vordergrund, wobei die Kompaktierung der größeren dichten Linie auf der zytoplasmatischen Seite der Markscheidenlamellen ausbleibt (s. Abb. 23.5d). Diese Kompaktierungsstörung unterscheidet sich auf diese Weise von derjenigen bei IgM-Gammopathien, bei denen die intermediäre Linie verbreitert ist (s. dort). Pathogenetisch spielt eine C5b-9-induzierte JNK1-Aktivierung für die P0-mRNA-Stabilität und Regulation der Myelin-GenTranskription eine Rolle [45]. CMT1C
Diese Neuropathie ist auf Mutationen in einem „small integral membrane protein of the lysosomal/late endosome“ (SIMPLE-)Gen (früher als Lipopolysaccharid-induziertes TNF-Faktor-(LITAF-)Gen benannt) zurückzuführen (s. Tabelle 23.1) [12, 114, 212]. SIMPLE-Mutationen seien nur bei 0,6% der Fälle mit dominanter CMT1 zu finden. Histopathologische Untersuchungen liegen bisher nicht vor. CMT1D
Diese Neuropathie beruht auf Mutationen im Earlygrowth-response-2-(EGR2-)Gen (= Krox20-Gen). Klinisch sind Veränderungen wie bei der CMT1A oder der kongenitalen Hypomyelinisationsneuropathie zu finden. Histopathologisch besteht eine demyelinisierende Form der Neuropathie [49]. CMT1E
Diese Neuropathie ist allelisch zur CMT1A, doch besteht zusätzlich eine Schwerhörigkeit. CMT1F
Bei dieser Neuropathie ist das Neurofilament-leicht-Polypeptid mit 68 kDa aufgrund von Mutationen im NEFLGen betroffen. Histopathologisch dominiert entweder ein Ausfall von Nervenfasern oder eine demyelinisierende Komponente [256]. Weitere dominant erbliche Neuropathien vom CMT-1-Typ
Zwei weitere, seltene, autosomal-dominant erbliche Neuropathien vom demyelinisierenden Typ sind in Tabelle 23.1 aufgelistet; weitere werden zweifellos in Zukunft noch entdeckt werden.
CMT2 = HMSN II, axonaler Typ Autosomal-dominant erblich
Die dominant erblichen axonalen oder neuronalen Formen der motorisch-sensorischen Neuropathien vom Typ
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Charcot-Marie-Tooth, bei denen distal bevorzugt die Axone degenerieren (und regenerieren), werden der heterogenen Gruppe der CMT2 (HMSN II) zugeordnet (Tabelle 23.1). Unterschieden werden je nach dem betroffenen Gen oder Genort die Formen CMT2A bis CMT2L und CMT2P (Tabelle 23.1). Darunter sind mehrere allelisch zu den bereits unter den überwiegend demyelinisierenden CMT1-Formen aufgeführten Neuropathien, so die durch Mutationen in den Genen NEFL und MPZ. Rein axonal sind, soweit bekannt, die folgenden Gene betroffen: MFN2, GARS, HSPB1 und HSBP8. Mutationen im GDAP1-Gen können sowohl autosomal-dominant als auch -rezessiv vorkommen (s. CMT2K und CMT4A). Viele klinische Symptome und histopathologische Veränderungen sind den axonalen Formen der hereditären Neuropathien gemeinsam, wobei allerdings noch nicht alle Formen in verschiedenen Schweregraden und in unterschiedlichem Alter untersucht worden sind. Die Neuropathien vom Typ CMT2 werden im Folgenden einzelnen Sonderformen vorangestellt. Klinik. Die klinischen Symptome ähneln denen bei den dominant erblichen (demyelinisierenden) Fällen mit CMT1; doch treten sie in der Regel später in Erscheinung und zeigen eine weniger starke Beteiligung der oberen Extremitäten, eine geringere Ataxie, geringere Sehnenreflexabschwächungen und Sensibilitätsausfälle (Literatur s. [222]). Die Skelettdeformitäten sind ebenfalls weniger auffällig, was vermutlich auf dem späteren Beginn der Erkrankung beruht. Die Nervenleitgeschwindigkeit liegt entweder im Normbereich oder ist nur mäßiggradig reduziert (>38 m/s) [81]. Bestimmte Formen zeichnen sich evtl. aus durch Ulzerationen an den Füßen, zusätzliche Zwerchfell- und Stimmbandlähmungen und durch einen Beginn in den kleinen Handmuskeln. Autosomal-rezessiv erbliche Fälle vom axonalen Typ sind in aller Regel stärker betroffen. Das gilt insbesondere für die Fälle, die bereits in der Kindheit erkranken [154]. Morphologie. Nervenbiopsien ergeben vor allem einen Ausfall an Nervenfasern mit nur geringen Zeichen der dann vermutlich sog. sekundären Demyelinisation (aufgrund axonaler Atrophie). An der Stelle der ausgefallenen Nervenfasern sind jedoch vielfach charakteristische, eng zusammenliegende Bündel regenerierter Nervenfasern nachweisbar (Abb. 23.5e,f), die an der Stelle distal degenerierter Nervenfasern in deren Büngner-Bändern im Überschuss aussprossen [182]. Die Zahl der marklosen Nervenfasern ist bei einigen Fällen ebenfalls reduziert, sofern dies bestimmt wurde. Das endoneurale Bindegewebe ist normal oder leicht vermehrt. Typische Zwiebelschalenformationen („hypertrophische“ Veränderungen) sind jedoch nicht zu finden, obwohl die in Büngner-Bändern regenerierenden Nervenfasern manchmal Zwiebel-
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Kapitel 23
Hereditäre Neuropathien
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schalenformationen vortäuschen oder zurücklassen können, wenn die im Überschuss regenerierten Fasern wiederholt degenerieren und regenerieren (Abb. 23.6f). Typisch ist jedenfalls für hereditären Neuropathien, da sie chronisch verlaufen, ein Nebeneinander von degenerierenden und regenerierenden Fasern, deren Zahl jeweils von der Chronizität des jeweiligen Prozesses bestimmt wird.
Das gleichzeitige Vorkommen zahlreicher degenerierender Fasern, die sich etwa im gleichen Stadium der Degeneration befinden, spricht gegen eine hereditäre Neuropathie; dann sollten toxische, mechanische oder immunologische und andere Ursachen erwogen werden.
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
621
Abb. 23.5 Hereditäre Neuropathien, a,c,e Semidünnschnitte, Toluidinblau-gefärbt; b,d,f korrespondierende elektronenmikroskopische Aufnahmen zu diesen Nerven. a Tangier-Krankheit (Abetalipoproteinämie). Fast alle markhaltigen und marklosen Nervenfasern sind in diesem Nerven ausgefallen; dennoch ist das Endoneurium mit Fibroblasten, Kollagen, einigen Büngner-Bändern und Blutgefäßen erhalten geblieben. Typischerweise sind perivaskulär vereinzelt lipidgefüllte Makrophagen nachweisbar (Pfeil). b Elektronenmikroskopisch sind in einem perivaskulären Makrophagen reichlich Lipidtropfen zu sehen, die nicht von einer Membran umgeben sind. c Kongenitale Hypomyelinisationsneuropathie aufgrund einer P0Mutation. Die noch vorhandenen Markscheiden sind unverhältnismäßig dünn in Relation zum Axonkaliber und von BasallaminaZwiebelschalenformationen umgeben. Die Zahl der Schwann-Zellen ist gemessen an den Kernen erheblich vermehrt. d Elektronen-
mikroskopisch ist im oberen Längsschnitt rechts und links vom Schnürring eine unterschiedlich breite Markscheide und im unteren eine mangelhafte Kompaktierung der äußeren Markscheidenlamellen zu erkennen, die rechts die gesamte Markscheiden betrifft (Pfeilköpfe). e Kongenitale axonale Neuropathie vom Typ CMT2A. Die Zahl der großen markhaltigen Nervenfasern ist deutlich reduziert. Wiederholt sind kleine Gruppen mit 2 oder 3 eng zusammen liegenden regenerierten Nervenfasern zu sehen (Pfeil). f Elektronenmikroskopisch ist hier eine typischer Regenerationsgruppe mit markhaltigen und noch nicht wieder remyelinisierten, marklosen Nerven an der Stelle einer proximal degenerierten großen markhaltigen Nervenfaser getroffen, die in einem Büngner-Band nach distal vorgewachsen sind. Ein dazwischen liegender endoneuraler Fibroblast enthält auffallend viele geschwollene Mitochondrien (Pfeil). Drumherum liegen reichlich proliferierte Schwann-Zell-Fortsätze
Autoptisch findet sich eine Chromatolyse und ein Ausfall von Vorderhornzellen mit zahlreichen Corpora amylacea in den Vorderhörnern sowie von Spinalganglienzellen mit distal akzentuiertem Ausfall von Axonen in den Spinalwurzeln und peripheren Nerven. Ausfälle im Zentralnervensystem sind zumeist nicht vorhanden, von Axonen in den Hintersträngen des Rückenmarks abgesehen, die sekundär auf den Verlust an Spinalganglienzellen zurückzuführen sind. Die Ausfälle sind am stärksten in der Lumbosakralregion und in den Fasciculi graciles ausgeprägt [13].
degenerierenden und regenerierenden Axonen besonders eindrucksvoll (Abb. 23.5e,f). Elektronenmikroskopisch sind Veränderungen der äußeren mitochondrialen Membran vor allem dort im Axon zu finden, wo paranodale Ausstülpungen zu einer Anhäufung von Mitochondrien geführt haben [234]. Außerdem kommen abnorm geschwollene Mitochondrien in endoneuralen Fibroblasten vor (Abb. 23.5f). Im Zyoplasma von Schwann-Zellen sind Mitochondrien mit engverzweigten Cristae beobachtet worden [207]. CMT2B
CMT2A
Diese Neuropathie ist die häufigste hereditäre Neuropathie vom axonalen Typ. Sie ist auf Mutationen im MFN2-Gen zurückzuführen, das ein Protein, Mitofusin-2, in der äußeren Mitochondrienmembran kodiert [253]. Somit handelt es sich um eine Mitochondriopathie, die aber nukleär vererbt wird. Dadurch wird das normalerweise bestehende Gleichgewicht zwischen Fusion und Fission des mitochondrialen Netzes beeinträchtigt. Mfn2 reguliert die Substratoxidation über das OXPHOS-System [161]. Klinik. Sehr schwere Verläufe mit Beginn im frühen Kindesalter und langsame Verläufe mit Beginn im Erwachsenenalter kommen vor, z. T. mit Optikusatrophie, Tremor und Parkinsonismus [7]. Typisch sind distaler Sensibilitätsverlust, distale Schwäche und Muskelatrophie, Pes cavus und Skoliose, wobei die Nervenleitungsgeschwindigkeit relativ gut erhalten bleibt („axonaler Typ“). Etwa 25% der Fälle mit MFN2-Mutationen sind asymptomatisch und haben eine normale NLG [116]. Morphologie. Je nach Beginn der Erkrankung ist die Zahl der markhaltigen Nervenfasern unterschiedlich stark reduziert. Bei frühem Beginn im Kindesalter ist das bei axonalen Neuropathien häufige Nebeneinander von
Diese autosomal dominante Neuropathie ist auf Mutationen im RAB7-Gen zurückzuführen (s. Tabelle 23.1). Dabei können evtl. ausschließlich ulzeromutilierende Veränderungen ohne motorische Symptome vorhanden sein [84]. CMT2C
Mutationen im Kationen-Kanal-Gen TRPV4 („transient receptor potential vanalloid 4“) auf Chromosom 12q23q24 (s. Tabelle 23.1) verursachen ein vielfältiges Spektrum von Neuropathien [252]: die hereditäre motorischsensorische Neuropathie vom Typ 2C, eine skapuloperoneale spinale Muskelatrophie und eine kongenitale distale spinale Muskelatrophie. CMT2D
Diese autosomal-dominante Neuropathie ist auf Mutationen im GARS-Gen zurückzuführen (s. Tabelle 23.1). CMT2E
Histopathologisch kommen teils überwiegend axonale, teils deutlich demyelinisierende Formen vor [256], obwohl das verantwortliche NEFL-Gen ein axonales Protein kodiert (Tabelle 23.1). Vereinzelt sind Riesenaxone beobachtet worden [64].
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Kapitel 23
Hereditäre Neuropathien
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Abb. 23.6 a Neuroaxonale Dystrophie bei einem 3-jährigen türkischen Jungen mit nur wenigen, lichtmikroskopisch erkennbar dystrophischen Axonen und vielen relativ dünnen Markscheiden. Die Zahl der Nervenfasern ist nicht wesentlich reduziert. b Riesenaxonneuropathie bei einem 11 Monate alten türkischen Mädchen mit extrem aufgetriebenen Axonen, die von abnormen Neurofilamenten ausgefüllt sind. Die Markscheiden um einige derartige Axone fehlen oder sind stark verdünnt. c Tomakulöse Neuropathie (hereditäre Neuropathie mit Neigungen zur Drucklähmung = „pressure palsies“; HNPP) bei einer 48-jährigen Frau, wobei nur eine einzelne Nervenfaser eine typische tomakulöse Nervenfaser mit 3facher Markscheidendicke aufgrund einer Intussuszeption der Markscheide aufweist, während die meisten anderen Nervenfasern weitgehend unauffällig erscheinen, von einzelnen unverhältnismäßig dünn myelinisierten
Axonen abgesehen. d Autosomal-rezessiv erbliche schwere Hypo-/ Hypermyelinisationsneuropathie bei einem 11-jährigen Jungen. Die Zahl der Nervenfasern ist stark reduziert. Die erhaltenen Nervenfasern weisen vielfach ausgeprägte Markschlingen auf; andere Nervenfasern sind demyelinisiert oder zu dünn remyelinisiert (a–d Toluidinblau). e Guillain-Barré-Syndrom (GBS) bei einem 33-jährigen Mann nach aktiver Hepatitis-B-Schutzimpfung. Reaktion mit Antikörpern gegen T-Lymphozyten. f Chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) bei einem 51-jährigen Mann. Nebeneinander finden sich teils unverhältnismäßig dünn remyelinisierte, isoliert liegende große Axone mit angedeuteten Zwiebelschalenformationen, teils kleine Gruppen mit regenerierten Nervenfasern, die eng zusammen liegen. Insgesamt ist die Zahl der markhaltigen Nervenfasern erheblich reduziert
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
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CMT2F
CMTDIA
Diese autosomal-dominante Neuropathie vom axonalen Typ ist allelisch zur distalen motorischen Neuropathie und auf Mutationen im HSPB1 zurückzuführen (s. Tabelle 23.1).
Diesem Typ (s. Tabelle 23.1) ist zwar ein Genlokus, aber noch kein Gen zugeordnet.
CMT2G und CMT2H
Diese autosomal-dominant erblichen Neuropathien sind auf Mutationen in noch unbekannten Genen zurückzuführen, deren Genloci aber schon bekannt sind (s. Tabelle 23.1). CMT2I
Histopathologisch sind teils demyelinisierende (CMT1B; s. dort), teils überwiegend axonale Formen (CMT2I) zu beobachten, die allelisch zueinander sind (Tabelle 23.1); auch allelische intermediäre Formen kommen vor (CMTID; s. dort) [202]. CMT2J
Diese ist zusätzlich zu den übrigen Veränderungen mit Hörverlust und pupillären Anomalien verbunden (s. Tabelle 23.1). CMT2K
Die axonale Variante dieser autosomal-dominanten Neuropathie ist allelisch zur autosomal rezessiven, homozygoten CMT4A (s. dort) und wie diese auf Mutationen im GDAP1 („ganglioside-induced differentiationassociated protein 1“-)Gen zurückzuführen; bei letzterer ist eine intermediäre, teils axonale, teils demyelinisierende Form (CMTID) abzugrenzen [198].
CMTDIB
Diesem intermediären Typ einer peripheren Neuropathie liegt eine Mutation des DNM2-Gens zugrunde, das Dynamin 2 kodiert [254]. Auch eine axonale neonatale Variante, ebenfalls bei Mutationen in der dem Pleckstrin homologen Domäne des Proteins, kommt vor. Die Krankheit ist allelisch zu einer bestimmten Form der dominanten zentronukleären Myopathie (CNM; s. dort). Die Muskelschwäche ist evtl. kombiniert mit bilateraler Ptose und Ophthalmoplegie, manchmal auch mit bilateralem Katarakt bei neonatalem Beginn [18, 97]. Bei einigen Fällen dominiert die myopathische, in anderen Fällen die neuropathische Symptomatik, ohne dass bei Letzterer Zeichen einer Myopathie vorlägen, von einzelnen angulär-atrophischen (neurogenen?) Muskelfasern abgesehen [19]. Differentialdiagnose. Eine komplexe, autosomal-rezessiv erbliche Neuropathie, kombiniert mit kongenitalen Katarakten und fazialer Dysmorphie (CCFDN), ist auf Mutationen im CTDP1-Gen zurückzuführen (Tabelle 23.1). Zugrunde liegt ein demyelinisierender Pathomechanismus, der sowohl peripheres als auch zentrales Myelin betrifft [38]. CMTDIC
Dieser peripheren Neuropathie liegen Mutationen im YARS-Gen zugrunde, das eine Tyrosyl-tRNA-Synthetase kodiert (Tabelle 23.1).
CMT2L
Diese autosomal-dominante Neuropathie vom axonalen Typ ist allelisch zur distalen motorischen Neuropathie und auf Mutationen im HSPB8-Gen zurückzuführen (s. Tabelle 23.1).
CMTDID
HMSN P
Weitere CMTID-Formen
Dieser autosomal dominante, axonale Okinawa-Typ einer Neuropathie basiert auf Mutationen in einem noch nicht bekannten Gen auf Chromosom 3q13 (s. Tabelle 23.1).
Im Übrigen gibt es noch andere periphere Neuropathien, die einen intermediären Typ aufweisen können, die aber noch keine spezielle Zuordnung in den Datenbanken erhalten haben. Dazu gehören z. B. bestimmte Fälle, die durch Mutationen im NEFL-Gen verursacht und allelisch zur CMT1F sind [256], sowie Fälle, die auf Mutationen im GDAP1-Gen zurückzuführen und allelisch zur CMT2K bzw. CMT4A sind (s. dort). Auch Mutationen im Cx32 können einen teils axonalen, teils demyelinisierenden Typ einer Neuropathie verursachen, obwohl das Connexin-32-Protein an den Kontaktstellen der Markscheiden lokalisiert ist und eine primär demyelinisierende Form der Neuropathie vermuten lassen würde [197, 201].
Autosomal-dominante, intermediäre Formen einer CMT-Neuropathie (CMTDI = DI-CMT) Diese Gruppe peripherer Neuropathien ist dominant erblich und stellt nach elektrophysiologischen und morphologischen Gesichtspunkten einen intermediären, teils axonalen, teils demyelinisierende Typ dar (NLG um 38 m/s).
Diese Form ist auf Mutationen im MPZ-Gen zurückzuführen [202] und allelisch zu CMT1B, CMT4E, CMT2I, CMT2J und DSS (s. dort und Tabelle 23.1).
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Kapitel 23
CMT3 = HMSN III, Dejerine-Sottas-Syndrome (DSS) Die anfänglich als autosomal-rezessiv erblich angesehene, demyelinisierende, hypertrophische, Form der hereditären motorischen und sensorischen Neuropathie ist heterogen, wird aber manchmal immer noch als DejerineSottas-Syndrom (DSS) bezeichnet [153]. In diesen Rahmen gehören auch Fälle mit kongenitaler Hypomyelinisationsneuropathie (CH) [78], die ebenfalls heterogen sind. Durch molekulargenetische Untersuchungen ist klar geworden, dass sowohl das DSS als auch die CH auf Punktmutationen in verschiedenen Genen beruhen können: • MPZ (Abb. 23.6c,d) [241], • EGR-2-(„early growth response 2“-) (= Krox 20) [242], • PMP22 [50] und in • PRX [213]. Allerdings können Mutationen im MPZ- und PMP22Gen, wie bereits oben ausgeführt, noch zu ganz anderen Phänotypen führen (Tabelle 23.1). Klinik. Im Vordergrund steht eine sensomotorische Neuropathie, die oft mit einer Ataxie und Skelettdeformitäten und bei der DSS mit evtl. tastbar verdickten peripheren Nerven verbunden ist. Diese Krankheitsform verläuft rascher als die CMT1, die Nervenleitungsgeschwindigkeit ist stark reduziert.
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Morphologie. Nervenbiopsien ergeben beim DSS vielfach abnorm dünne oder fehlende Markscheiden, wobei Fasern sämtlicher Durchmesser betroffen sind (s. Abb. 23.4a–d). Die Demyelinisation führt regelmäßig zu einer Schrumpfung der Axondurchmesser. Um die zu dünn oder noch nicht remyelinisierten Axone sind Schwann-Zellen zwiebelschalenförmig in einzelnen oder mehreren Schichten angeordnet. Dazwischen liegen Kollagenfibrillen, die den Hauptanteil der Hypertrophie der Nerven bewirken. Da weniger das Parenchym der Nerven selbst als das Bindegewebe vermehrt ist, handelt es sich nicht um eine echte Hypertrophie, sondern eher um eine Pseudohypertrophie. Fälle mit einer kongenitalen Hypomyelinisationsneuropathie zeigen vielfach Basallamina-Zwiebelschalenformationen, die aus einzelnen oder mehreren Schichten von Basallaminae bestehen [78] und offensichtlich darauf zurückzuführen sind, dass die Schwann-ZellFortsätze in den anfänglich durch wiederholte Demyelinisation und Remyelinisation regulär gebildeten Zwiebelschalenformationen degenerieren. Es handelt sich dann um besonders schwere Erkrankungsformen der Schwann-Zellen.
Hereditäre Neuropathien
Kongenitale Amyelinisation (Shah-Waardenburg-Syndrom) Dieses Syndrom ist auf SOX10-Mutationen zurückzuführen [89, 90, 162, 163]. Eine besondere Variante wird „PCWH“ genannt [233] und umfasst eine periphere demyelinisierende Neuropathie, eine zentrale dysmyelinisierende Leukoenzephalopathie, eine sensorineuraler Taubheit aufgrund einer Aplasie des N. cochlearis [9] sowie eine abnorme Melanozytenmigration (WaardenburgSyndrom) und eine Aganglionose des Rektosigmoids (Hirschsprung-Krankheit) [155a]. Morphologie. Charakteristisch ist das fast vollständige Fehlen von Markscheiden (Amyelinisation) im peripheren Nerven, trotz einer pro Areal annähernd normalen Zahl von Schwann-Zellen, und eine ausgeprägte Dysmyelinisation im ZNS [89], ähnlich wie es vorher bei Fällen mit Amyelinisation nur im peripheren Nervensystem [32, 155] oder mit einem Fehlen der Markscheiden sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem bei Arthrogryposis multiplex congenita beschrieben worden ist [187]. Pathogenese. Die Amyelinisation im peripheren Nerven ist offensichtlich auf eine Insuffizienz der SchwannZellen zurückzuführen, wobei relativ große Axone mit einem Durchmesser deutlich über 1 μm (bis etwa 3 μm) und unverhältnismäßig vielen Neurofilamenten pro Querschnitt in einer 1:1-Relation zu den Schwann-Zellen stehen und somit als Prämyelinfasern anzusehen sind, deren Myelinisierung jedoch ausgeblieben ist. Diese Form der Amyelinisation ist zu unterscheiden von einer Neuropathie, bei der die Neurone fehlen, die normalerweise eine Markscheidenbildung induzieren würden. In beiden Situationen erscheinen die primär marklosen Axone (Remak-Fasern) bemerkenswert gut erhalten, allerdings zahlenmäßig reduziert. Aufgrund des Fehlens der Markscheiden und der Reduktion der Zahl der Nervenfasern insgesamt ist die Größe, wenn auch nicht die Zahl der Nervenfaszikel stark reduziert, so dass der N. suralis mit einem Durchmesser um 0,5 mm (normal: ca. 1–2 mm) als solcher makroskopisch kaum noch zu erkennen ist. Ätiologie. Die Anomalien der Melanozytenmigration, der Schwann-Zellen und der Neurone beim ShahWaardenburg-Syndrom lassen sich, wie bereits erwähnt, auf eine Anlagestörung der Neuralleiste aufgrund von SOX10-Mutationen zurückführen [90, 233].
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
CMT4, autosomal-rezessiv (AR-CMT)
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geweih-förmig“), vermutlich aufgrund einer besonderen Art von Atrophie.
CMT4A
CMT4D = HMSN L
Diese ist allelisch zur CMT2K, die durch heterozygote Mutationen im GDAP1-Gen bedingt ist. Die Veränderungen sind bei Homozygotie in der Regel stärker ausgeprägt als bei Heterozygotie und dominantem Erbgang (s. oben: CMT2K und Tabelle 23.1). Das entsprechende Protein ist in der Membran der Mitochondrien lokalisiert. Somit handelt sich um eine Mitochondriopathie, die aber, ähnlich wie bei der CMT2A, die auf Mutationen im Mitofusin2-Gen zurückzuführen ist, nukleär, also nicht durch mitochondriale DNA kodiert wird.
Diese schwere, ebenfalls autosomal-rezessiv erbliche, überwiegend demyelinisierende Neuropathie ist erstmalig bei Zigeunern in der Bulgarischen Stadt Lom (HMSN L) festgestellt worden. Sie beruht auf Mutationen im „N-myc downstream regulated gene 1“ (NDRG1) auf Chromosom 8 [5, 98, 99]. Histopathologisch stehen demyelinisierende Veränderungen und Basallamin-Zwiebelschalenformationen zusammen mit Nervenfaserausfällen im Vordergrund. CMT4E
CMT4B1
Diese als CMT4B1 bezeichnete, autosomal-rezessiv erbliche motorische und sensorische Neuropathie ist auf Mutationen im „myotubularin-related-protein-2“-Gen (MTMR2) auf Chromosom 11 zurückzuführen [20]. Sie ist von der CMT4B2 abzugrenzen, die auf Mutationen im MTMR13-Gen zurückzuführen ist (s. unten), wobei allerdings das klinische und das histopathologische Bild ähnlich sind. Morphologie. Neben Nervenfasern mit unverhältnismäßig dünnen Markscheiden und demyelinisierten Nervenfasern kommen auch Nervenfasern mit ausgedehnten Markschlingen vor, die das Niveau der Nervenfaserkontur überragen. Diese Neuropathie wurde daher auch als „kongenitale Hypo- und Hypermyelinisationsneuropathie (HMSN IVb)“ bezeichnet [227]; sie ist mit exzessiver (hypertrophischer) Markschlingenbildung verbunden [149]. Zwiebelschalenformationen sind dabei ebenfalls nachweisbar. Im Unterschied zur tomakulösen Neuropathie sind die Markscheiden jedoch nicht rings um das Axon herum verdickt, sondern in Form von Markschlingen ein- oder mehrseitig, auswärts oder einwärts vorgewölbt; doch gibt es offensichtlich Zwischenformen [68].
Diese überwiegende demyelinisierende Variante einer Neuropathie ist allelisch zu CMT1B (s. dort). CMT4F
Dieser schweren Neuropathie liegen Mutationen im Periaxin-(PRX-)Gen zugrunde. Histopathologisch stehen demyelinisierende Veränderungen mit BasallaminaZwiebelschalenformationen, vermehrte Markschlingen und vereinzelt auch tomakulöse Markscheiden im Vordergrund. Die transversalen Bänder zwischen Axon und terminalen Markscheidenlamellen sind offenbar primär betroffen. Besonders bemerkenswert ist, dass bei dieser Neuropathie mit Antikörpern gegen die defekten Abschnitte des Periaxins erstmalig bei einer Neuropathie vom CMT-Typ immunhistochemisch eine spezifische Diagnose gestellt werden konnte, nämlich durch den Nachweis eines partiellen Defekts des in den Markscheiden lokalisierte Periaxins [213]. CMT4G (Russischer Typ)
Diese Neuropathie ist dem Chromosomenort 10q22 zugeordnet, doch ist das zugehörige Gen noch nicht identifiziert (s. Tabelle 23.1). CMT4H
CMT4B2
Diese ist, wie bereit oben erwähnt, auf Mutationen im „Myotubularin-related-protein 13“ (MTMR13-[=SBF])Gen zurückzuführen [200] und histopathologisch ebenfalls mit ausgeprägten Markschlingen im Sinne einer Hyperplasie der Markscheiden verbunden (s. oben).
Diese Neuropathie ist auf Mutationen im Fabrin-Gen (FGD4) zurückzuführen (s. Tabelle 23.1). CMT4J
Diese Neuropathie beruht auf Mutationen im FIG4(KIAA0274-)Gen (s. Tabelle 23.1).
CMT4C
CMT4 bei Merosin-Mangel (MDC1A)
Diese ist unter den autosomal-rezessiv erblichen Neuropathien besonders häufig und kann sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Sie beruht auf Mutationen im KIAA1985 (= SH3TC2-)Gen [199]. Histopathologisch dominieren Ausfälle von Nervenfasern und demyelinisierende Veränderungen mit sog. Basallamina-Zwiebelschalenformationen. Die Schwann-Zellen der übrig gebliebenen marklosen Axone sind auffällig dünn („Hirsch-
Bei der kongenitalen Muskeldystrophie vom Typ MDC1A aufgrund von Mutationen im LAMA2-Gen (Laminin-α2-Kette des Merosins = Laminin 2) (s. dort) besteht gleichzeitig eine Neuropathie vom Hypo-/Hypermyelinisationstyp. Diese Form der Neuropathie wurde vorübergehend auch als CMT4F klassifiziert und wird vor allem unter den in Tiermodellen ausführlich untersuchten Laminin-Erkrankungen aufgeführt [65].
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Kapitel 23
Als HMSN V wurde die Kombination einer peripheren Neuropathie vom Charcot-Marie-Tooth-Typ in Kombination mit einer spastischen Spinalparese bezeichnet [57]. Doch kommen manchmal schon bei der CMT2 elektrophysiologisch fassbare Symptome vonseiten der Pyramidenbahn vor [37]. Im N. suralis waren dabei vor allem die großen markhaltigen Nervenfasern ausgefallen mit wenigen oder stark ausgeprägten Zwiebelschalenformationen [72]. Periphere Neuropathie mit Agenesie des Corpus callosum (ACCPN)
Diese auch als Charlevoix-Krankheit bezeichnete, komplexe, autosomal-rezessive Neuropathie ist auf Mutationen im SLC12A6-Gen zurückzuführen (s. Tabelle 23.1).
CMTX = HMSN X X-chromosomal erbliche Neuropathien kommen in einer dominanten und mehreren rezessiv erblichen Formen vor. CMTX1 = HMSN X1
Bei der X-chromosomal dominanten HMSN (HMSN X1) aufgrund von Mutationen des GJB1-Gens (s. Tabelle 23.1) ähneln die klinischen Aspekte denen der CMT1, doch sind überwiegend Männer betroffen, nicht aber deren Söhne. Konduktorinnen weisen in der Regel nur geringe oder subklinische Erkrankungsformen auf. Ein Tremor im Sinne des Roussy-Levy-Syndroms und Hörstörungen können damit ebenfalls verbunden sein. Mehr als 300 genomische Varianten des GJB1-Gens sind inzwischen bekannt [118], wobei allelische Varianten in der kodierenden Region von Cx32 ein diagnostisches Problem sein können [15].
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Morphologie. Nervenbiopsien ergeben einen Verlust sowohl an markhaltigen als auch an marklosen Axonen, Bündel regenerierter Nervenfasern und eine weniger stark ausgeprägte De- und Remyelinisation mit auffällig vielen großen Axonen, die unverhältnismäßig dünn myelinisiert sind (Literatur s. [79, 201]). Unklar ist, weshalb das Markscheidenprotein Connexin 32 betreffende Mutationen auch eine intermediäre oder überwiegend axonale Form der Neuropathie verursachen kann. Bei einem Mausmodell gehen axonale Veränderungen (Verminderung der Axondurchmesser, Vermehrung von Neurofilamenten mit distaler Verlangsamung des axonalen Transports) den demyelinisierenden voraus [232]. CMTX2-5
Auch X-chromosomal-rezessiv erbliche Formen der CMTX kommen vor (CMTX2-5) [91] (s. Tabelle 23.1). In einer zufälligen, besonders unglücklichen Kombinati-
Hereditäre Neuropathien
on war die X-chromosomale Neuropathie mit der Xchromosomalen Becker-Form der Muskeldystrophie kombiniert („Double trouble“) [14]. Weitere HMSN-Formen
Noch immer werden, wenn auch in abnehmender Zahl, neue Genloci oder Gene mit pathogenen Mutationen und deren Pathomechanismen entdeckt, die zu peripheren Neuropathien führen. Morphologische Untersuchungsergebnisse stehen manchmal noch aus früheren Zeiten zur Verfügung, als Biopsien eine wichtigere Methode zur Aufklärung der Ätiologie gewesen waren als die heute verfügbaren molekulargenetischen Methoden. Das gilt z. B. für eine Neuropathie mit dysplastischen Perineuralzellen, Katarakt und mentaler Retardierung [193, 218], die vermutlich autosomal-rezessiv vererbt wird und immunhistochemisch durch die EMA-Reaktion und elektronenmikroskopisch durch bizarr geformte Perineuralzellen zu diagnostizieren ist. Eine andere Neuropathie ist durch eigentümliche osmiophile membrangebundene zytoplasmatische Einschlüsse in Schwann-Zellen gekennzeichnet [195]. Auch die eingangs erwähnte autosomal-rezessive Neuropathie mit entwicklungsbedingtem Fehlen großer markhaltiger Nervenfasern, mentaler Retardierung, Taubheit und Epilepsie [139] ist bisher erst morphologisch definiert. Die molekulargenetische Zuordnung steht noch aus. Im Übrigen gibt es eine große Zahl erblicher Krankheiten, bei denen eine periphere motorisch-sensorische Neuropathie manchmal oder regelmäßig als komplizierender Nebenbefund vorkommt, so die CMT2B1 bei den Muskeldystrophien vom Typ EDMD2 oder LGMD1B aufgrund von LMNA-Mutationen mit Lamin-A/C-Mangel; bei der kongenitalen Muskeldystrophie aufgrund LAMA2-Mutationen mit Merosin-(= Laminin-alpha2-) Mangel, bei der myotonischen Dystrophie [52] oder der okulopharyngealen Muskeldystrophie bzw. bei bestimmten distalen und anderen Myopathien.
Hereditäre sensorische und autonome Neuropathien (HSAN) Seltene hereditäre Neuropathien, sämtlich vom axonalen/ neuronalen Typ, bei denen ausschließlich oder überwiegend das sensorische und/oder autonome System, nicht aber oder kaum das motorische Neuronensystem betroffen ist, werden dieser ebenfalls heterogenen Krankheitsgruppe zugerechnet. Bisher sind zwei Gene für autosomal-dominant erbliche Formen (SPTL1, RAB7) und fünf Gene für autosomal-rezessiv erbliche Formen (WNK1/ HSAN2, NTRK1, NGFB, CCT5 und IKBKAP) identifiziert worden, wobei aber erst 19% der Patienten in dieser Krankheitsgruppe einer bestimmten Mutation zugeord-
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
net werden konnten [173]. Sie sind zu unterscheiden von akuten Formen der sensorischen Neuropathie [247], die nicht hereditär, sondern in der Regel immunologisch, angiopathisch oder toxisch bedingt sind. Das gilt insbesondere für die akute Pandysautonomie, die eine Sonderform des Guillain-Barré-Syndroms darstellt (s. unten). Einige kongenitale Formen der HSAN beruhen offensichtlich auf Entwicklungsstörungen markloser (HSAN 4 und 5; s. unten) und/oder markhaltiger Nervenfasern. Klinisch im Vordergrund stehen Störungen der Schmerz- und Temperaturempfindung sowie vegetativer Funktionen (Schweißbildung, Hautrötung, Darmfunktionen u. a.). Bei der Entstehung von Schmerzen spielt der Capsaicin-Rezeptor (TRPV1) eine besondere Rolle. TRPV1 ist ein von den Liganden geregelter, nichtselektiver Kationenkanal, der außer durch Capsaicin durch Hitze oberhalb der Schadensschwelle, Säuerung des Gewebes und endogene Lipidsignalmoleküle wie Endocannabinoid-Anandamid- und Lipoxygenaseprodukte aktiviert wird [115]. TRPV1 ist von entscheidender Bedeutung für bestimmte Schmerzmodalitäten, speziell für den neuropathischen Schmerz, wobei die marklosen C-Fasern und die zugehörigen Nozizeptorzellen in den Spinalganglien für die Schmerzempfindung zuständig sind und immunhistochemisch quantifiziert werden können. Sensibilitätsausfälle, Parästhesien und neuropathische Schmerzen lassen sich mit besonderen klinischen Tests quantifizieren [206], wobei z. B. die Schwelle der Berührungsempfindlichkeit individuell variiert und beispielsweise bei gesunden Indern durchschnittlich höher liegt [94].
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Morphologie. Suralnervenbiopsien haben einen Verlust an Axonen ohne wesentliche Anzeichen einer segmentalen Demyelinisation ergeben. Marklose und kleine markhaltige Nervenfasern sind stärker betroffen als große Fasern bei distaler Akzentuierung in den Gliedmaßen. Die Spinalganglienzellen fallen progressiv aus [51], wobei auch die Nervenfasern, die in das Rückenmark eindringen, insbesondere im Lissauer-Trakt, vermindert sind. Manchmal besteht nur ein Burning-feet-Syndrom [62, 211]. Dabei sind Nervenfaserausfälle und im Einzelfall sogar entzündliche Infiltrate im (rein sensorischen) Suralnerven nachweisbar [184]. Differentialdiagnose. Neuropathien mit einem bevorzugten Ausfall kleiner Nervenfasern (A-Delta- und C-Fasern; „small fiber neuropathy“) gibt es in einer distal akzentuierten und in einer „nichtlängenabhängigen Variante“. Letztere wird als Ganglioneuropathie oder Neuronopathie interpretiert und tritt beim Sjögren-Syndrom, bei rheumatoider Arthritis, Hepatitis-C-Virus-Infektion, M. Crohn, beeinträchtigter Glukosetoleranz und idiopathisch auf. Die distal akzentuierte Variante tritt eher bei gestörtem Glukosemetabolismus und älteren Patienten auf [71]. Klinisch dominieren in beiden Fällen brennende Schmerzen. Juckreiz und Allodynien nach leichter Berührung kommen eher bei der nichtlängenabhängigen Variante vor. Neuropathien mit bevorzugtem Befall der kleinen Nervenfasern werden heute vielfach durch Hautbiopsien verifiziert [35, 43, 83, 102, 129, 130] (siehe auch HSAN 3).
HSAN 2 HSAN 1 Die autosomal-dominante hereditäre sensorische und autonome Neuropathie vom Typ 1 (HSAN 1; Synonym: Thévenard-Syndrom) wurde ursprünglich als hereditäre sensorische radikuläre Neuropathie beschrieben [51]. Sie ist dominant erblich und auf Mutationen im SPTLC1-(Serin-Palmitoyl-Transferase-Long-Chain, Subunit-1-) Gen auf Chromosom 9q22.1-22.3 zurückzuführen [11, 47, 142]. Mutationen im SPTLC2-Gen (Homodimer) ließen sich bei mehreren Familien ausschließen [46]. Klinik. Die Symptome beginnen in der 2., 3. oder 4. Lebensdekade mit Sensibilitätsverlust, insbesondere gegenüber Schmerzen und Temperaturen, wobei anfänglich die distalen unteren Gliedmaßenanteile und erst später die oberen betroffen werden. Spontanschmerz kann als lästiges Symptom auftreten, und neuropathische Ulzerationen und Atrophien können folgen. Eine geringe distale Muskelschwäche und -atrophie ist oft nachweisbar. Außerdem besteht eine distale Anhidrose in den Gliedmaßen, aber die autonomen Funktionen sind sonst erhalten.
Diese hereditäre sensorische und autonome Neuropathie (HSAN2) tritt kongenital auf, ist autosomal-rezessiv erblich und auf Mutationen im nervensystemspezifischen Exon des WNK1/HSN2-(with-no-lysine(K)-1-) Gens [203] zurückzuführen. Es besteht ein Sensibilitätsverlust für alle Modalitäten. Die Krankheit ist langsam progredient und führt zu distalen Mutilationen. Autonome Funktionsstörungen bestehen in einer Anhidrose und in gustatorischem Gesichtsschwitzen. Morphologie. Die Suralisnervenbiopsie ergibt eine ausgeprägte Faszikelatrophie mit hochgradigem Ausfall an markhaltigen Nervenfasern aller Größen bei relativer Erhaltung der marklosen Axone (s. Abb. 23.3i) [146, 150]. Große vakuolisierte Fibroblasten können im Endoneurium auffallen [4]; doch kommen sie nicht nur bei dieser Erkrankung vor. Ein Fall mit subtotaler Aplasie sämtlicher markhaltiger Nervenfasern im N. suralis [190] gehört wahrscheinlich in diese Kategorie. Pathogenese. Eine Transplantation der Nervenfaszikel von Patienten mit HSAN 2 in den N. ischiadicus von
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Kapitel 23
Mäusen ergab eine normale Myelinisation der regenerierenden Axone durch die Schwann-Zellen des Patienten [59]. Demnach ist das Fehlen markhaltiger Axone bei den Patienten mit dieser Erkrankung wahrscheinlich auf einen Defekt in der Entwicklung von Axonen oder auf eine axonale Degeneration in utero zurückzuführen und nicht auf eine Störung der Funktion der Schwann-Zellen.
HSAN 3 Die hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ 3 (HSAN 3; Synonyme: Riley-Day-Syndrom, familiäre Dysautonomie) ist auf Mutationen im Gen für den Inhibitor des dem Kappa-B-Kinase-Komplex assoziierten Proteins (IKBKAP) zurückzuführen (s. Tabelle 23.1), wird ebenfalls rezessiv vererbt und tritt kongenital auf, am häufigsten unter Ashkenasi-Juden. Klinik. Bereits während der Kindheit bestehen Schwierigkeiten beim Füttern. Es kommt zu wiederholtem Erbrechen und zu Lungeninfektionen bei einer Reihe autonomer Funktionsstörungen wie verminderter Tränenbildung, gestörter Temperaturregulation, episodischer Hypertension, lageabhängiger Hypotension sowie Hautfleckung und exzessivem Schwitzen bei emotionaler Erregung. Die Sehnenreflexe sind erloschen und ein Verlust der Schmerzempfindlichkeit besteht von Geburt an. Die fungiformen Papillen der Zunge entwickeln sich nicht. Eine Kyphoskoliose kann vorhanden sein. Die sensorischen Modalitäten der großen Nervenfasern sind erst bei älteren Patienten betroffen.
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Morphologie. Es besteht eine Aplasie der kleinen sensorischen und autonomen Neurone, wobei das sympathische System stärker betroffen ist als das parasympathische; doch fallen auch postnatal noch Neurone aus. Biopsien der sensorischen Nerven haben eine entsprechende Aplasie bzw. einen Ausfall der kleinen marklosen und markhaltigen Axone mit einem nur geringen Verlust an großen markhaltigen Nervenfasern ergeben [1, 185]. Die Zahl der Neurone ist auch im Lissauer-Trakt reduziert [158]. Die sympathischen Ganglien enthalten weniger Neurone, während die präganglionären Neurone im Rückenmark kaum betroffen sind. Die parasympathischen Ganglien sind in unterschiedlichem Ausmaß betroffen [157]. Die kleinen Vorderhornzellen im Rückenmark können ebenfalls reduziert sein [58].
HSAN 4 Die hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ 4 (kongenitale sensorische Neuropathie mit Anhi-
Hereditäre Neuropathien
drose) ist ebenfalls autosomal-rezessiv erblich und auf Mutationen im N-Tyrosin-Kinase-Rezeptor-1-(NTRK1-) Gen auf Chromosom 1 zurückzuführen [77, 126]. Es ist eine seltene Krankheit, die sich bereits wenige Monate nach der Geburt durch einen Verlust des Antriebs, verminderte motorische Entwicklung und unerklärliche Fieberanfälle (Hyperthermie) zu erkennen gibt. Die Kinder reagieren nicht normal auf schmerzhafte Reize. Hautulzerationen, Knochenfrakturen und Selbstverstümmelungen mit der Komplikation einer Osteoarthritis können auftreten. Verminderte Sehnenreflexe und ein ausgeprägter Verlust der Schmerz- und Temperaturempfindung sowie in geringerem Ausmaß auch der Berührungsempfindlichkeit sind nachweisbar. Die Schweißbildung fehlt oder ist stark reduziert, kann aber auch normal sein [85]. Eine kognitive Beeinträchtigung und aggressives Verhalten können ebenfalls vorkommen. Vereinzelt ist auch einmal ein Beginn im Erwachsenenalter mit schmerzhafter Charcot-Arthropathie beschrieben worden [246]. Morphologie. Die kleinen Ganglienzellen in den Spinalganglien und die dünnen Fasern in den Hinterwurzeln sowie im Lissauer-Trakt fehlen. Die spinale Bahn des N. trigeminus ist schmächtig. In den peripheren sensorischen Nerven fehlen die marklosen Nervenfasern fast vollständig [74, 235].
HSAN 5 Die hereditäre sensorische Neuropathie Typ V beruht auf Mutationen im NGFB-(Nervenwachstums-FaktorBeta-)Gen [134], wobei Mutationen im spannungsabhängigen Natriumkanal Nav1.7 in den sympathischen Ganglien und Nozizeptoren nachgewiesen werden konnten [44]. Hierher gehören Fälle mit kongenitaler sensorischer Neuropathie und selektivem Verlust der kleinen markhaltigen Nervenfasern. Diese waren gekennzeichnet durch ausgedehntes oder generalisiertes Fehlen von Antworten auf schmerzhafte Reize, wiesen sonst aber keine klinischen Anzeichen für eine Neuropathie auf. Sie wurden als Patienten mit kongenitaler Indifferenz gegenüber Schmerzen oder Asymbolie für Schmerzen bezeichnet. Bei einem der Fälle war eine starke Verminderung der Zahl von Aδ-Fasern und eine geringe Reduktion der C-Fasern im N. suralis festzustellen [62]. Außerdem waren sudomotorische Funktionsstörungen zu beobachten. Ähnliche Fälle sind von anderen beschrieben worden [53, 121]. Das Erhaltenbleiben der großkalibrigen sensorischen Fasern passt dazu, dass die sensorischen Nervenaktionspotentiale, sofern man sie mit den üblichen Techniken bestimmt, normal sind.
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
HSAN mit spastischer Paraplegie Diese mutilierende sensorische Neuropathie ist mit einer spastischen Paraplegie verbunden, autosomal-dominant oder -rezessiv erblich und auf Mutationen im Cct5-(zytosolischen Chaperonin-containing t-complex peptide-1-) Gen zurückzuführen [22, 173].
X-chromosomal-rezessive sensorische Neuropathie Diese Form ist bisher bei 5 Mitgliedern einer Familie mit neuropathischen Deformierungen und Ulzerationen an den Füßen beschrieben worden [96]. Die Abgrenzung komplexer Formen X-chromosomal erblicher weiterer Syndrome ist dabei zu berücksichtigen (Literatur s. [67]).
Weitere hereditäre Krankheiten mit Störungen des autonomen Nervensystems Störungen des autonomen (vegetativen) Nervensystems gibt es bei verschiedenen komplexen Syndromen. Fehlregulationen der Orthostase kommen z. B. vor als Nebenlokalisation von Symptomen bei der infantilen hypertrophischen Pylorusstenose [188]. Gastrointestinale Störungen mit Defäkationsproblemen treten auf beim Hirschsprungund Walker-Warburg-Syndrom sowie bei mindestens 18 weiteren primären oder sekundären Neuropathien des autonomen Systems und 23 gastrointestinalen Myopathien [105], dabei ist das Shah-Waardenburg-Syndrom durch einen besonders komplizierten und schweren Phänotyp gekennzeichnet, der auf Mutationen im SOX10-Gen zurückzuführen ist (s. oben, kongenitale Amyelinisation). Okuläre Funktionsstörungen gibt es beim Adie-Syndrom; Schmerzu. a. Symptome bei der reflexsympathetischen Dystrophie (RSD; Morbus Sudeck) etc. Details sind der Spezialliteratur zu entnehmen (z. B. [184]). Bei familiären und sporadischen Formen der ParkinsonKrankheit, z. B. als Folge einer SNCA-Duplikation, und bei Patienten mit Lewy-Körpern, Parkinsonismus und Demenz, kommt es zu schweren Ausfällen der Sympathikusfasern in epikardialen Nerven und im Myokard, wobei einzelne erhaltene Axone α-Synukleineinschlüsse aufweisen, diese Einschlüsse aber in den besser erhaltenen sympathischen Ganglien noch reichlicher vorhanden sind [151]. Ebenfalls betroffen sind der Meissner- und Auerbach-Plexus myentericus [23]. Auch die multiple Systematrophie (MAS) und die pure autonome Funktionsstörung (PAF) sind α-Synukleinopathien, bei denen das autonome Nervensystem mehr oder weniger stark mitbetroffen ist [238] (s. dort). Im N. suralis waren bei der MAS 23% der marklosen Nervenfasern (affe-
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rente sensorische und postganglionäre sympathische Fasern) ausgefallen, allerdings ohne nachweisbare Vermehrung von α-Synuklein in den Schwann-Zellen [101], bei der PAF sogar mehr als 40% [100]. Bei der amyotrophischen Lateralsklerose (ALS) ist in einzelnen sporadischen Fällen TDP-43 als wesentliche Komponente in den ubiquinierten Ablagerungen u. a. in Neuronen von Spinalganglien, nicht aber von sympathischen Ganglien nachgewiesen worden [143]. Hereditäre Fälle mit TDP-43-Proteinopathie sind daraufhin offenbar noch nicht untersucht worden. Demgegenüber sind zwar bei der Alzheimer-Krankheit keine Tau-Ablagerungen (Neurofibrillenveränderungen) in peripheren Ganglien gefunden worden, wohl aber Neurofibrillenveränderungen in sympathischen Ganglien ohne Alzheimerkrankheit (Literatur s. [238]). Beim fragilen X-Tremor-/Ataxie-Syndrom aufgrund einer erhöhten Zahl an CGG-Wiederholungen im FMR1Gen kommt es neben den charakteristischen, wenn auch sehr variablen Befunden am Gehirn und Rückenmark zu typischen intranukleären Einschlüssen in den Spinalganglien, den paraspinalen sympathischen Ganglien, den myenterischen Ganglien des Magens und am subendokardialen Ganglion des Herzens, wenn auch die Suralnerven und der N. ischiadicus außer einem geringen Verlust kleiner und großer markhaltiger Nervenfasern keine Besonderheiten aufweisen [17]. Die Kerneinschlüsse und klinischen Symptome würden denen bei der neuronalen intranukleären hyalinen Einschlusskrankheit (INIBD) entsprechen [75]. Eisen- und Ferritinfärbungen wurden nicht durchgeführt, so dass unklar ist, ob die intranukleären Einschlüsse den granulären Kerneinschlüssen bei der Neuroferritinopathie [39, 41, 181] gleichen.
Distale hereditäre motorische Neuropathien (dHMN) Spinale Muskelatrophien, die distal akzentuiert sind (DSMA), werden von einigen Autoren den sog. distalen hereditären motorischen Neuropathien (dHMN) zugerechnet [48, 221, 223]. Allerdings gibt es z. B. bei der Seipinopathie aufgrund von Mutationen im Gen für die Berardinelli-Seip kongenitale Lipodystrophie 2 (BSCL2) klinische Untertypen mit Befall der Füße („foot drop“; dHMN-II) oder der Handmuskeln (dHMN-V) und solche, bei denen nicht nur die distalen motorischen Nerven, sondern auch das periphere sensorische System (der N. suralis) mitbetroffen sind [33] oder bei denen zusätzlich eine spastische Paraparese besteht (Silver-Syndrom). Das Gen für Typ I, III und IV ist offenbar noch nicht identifiziert, das für Typ IIA und IIB ist HSPB8 („heat shock protein 8“) bzw. HSPB1 (s. Tabelle 23.1 sowie die allelischen CMT2L bzw. CMT2F). Offenbar besteht ein Kontinuum zwischen der axonalen Form der Neuropathie vom Typ Charcot-Marie-Tooth und der „distalen heredi-
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Kapitel 23
tären motorischen Neuropathie“ [208]; die sensorischen Ausfälle werden gegenüber den motorischen klinisch eher unterschätzt und variieren innerhalb großer Familien.
Hereditäre neuralgische Amyotrophie (HNA) Die hereditäre neuralgische Amyotrophie (HNA; Synonym: familiäre Plexus-brachialis-Neuropathie) ist auf Mutationen im Septin 9 (SEPT9-Gen) zurückzuführen [108]. Auffälligstes klinisches Zeichen sind rekurrierende episodische Armschmerzen [160]. Nervenbiopsien ergaben ausgedehntere Läsionen als nach dem klinischen Bild vermutet; denn auch sensorische Nerven waren betroffen mit fokal unterschiedlichem Befall der Faszikel [228]. Perivaskuläre entzündliche Infiltrate sowohl epineural als auch endo- und subperineural lassen auf eine immunpathogenetische Bedeutung schließen [104]. Differentialdiagnostisch sind primär entzündliche und traumatische Formen einer Plexus-brachialis-Läsion abzugrenzen [42, 123].
Hereditäre periphere Neuropathien bei vorwiegendem Befall des ZNS An dieser Stelle seien beispielhaft nur drei Krankheiten aufgeführt, die mit charakteristischen histopathologischen Veränderungen auch im peripheren Nervensystem einhergehen. Auf die verschiedenen dominant erblichen spinozerebellären Ataxien (Literatur s. [229] kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Bezüglich besonderer Gefäßkrankheiten, die u. a. auch aufgrund spezifischer Veränderungen im peripheren Nervensystem diagnostiziert werden können wie CADASIL und die Neuroferritinopathie, sei auf die entsprechenden Kapitel verwiesen. Weitere Systematrophien und Stoffwechselkrankheiten, bei denen die peripheren Nerven involviert sind, werden in den entsprechenden Kapiteln beschrieben.
Hereditäre Neuropathien
rienmatrix aufgrund einer Expansion von GAA-Trinukleitiden im ersten Intron des Frataxin-(FRX-)Gens zurückzuführen [40, 112, 179]. Die Krankheit tritt in der Regel vor dem 25. Lebensjahr auf mit progressiver Ataxie, Muskelschwäche, Dysarthrie, Sensibilitätsstörungen, Areflexie und positivem Babinski-Zeichen. Vereinzelt kann es zu einer Skoliose, Nystagmus, Optikusatrophie, Taubheit und Diabetes mellitus kommen. Auch das Herz ist betroffen, meist im Sinne einer linksventrikulären Hypertrophie, manchmal schon als Todesursache in der Kindheit [168]. Histopathologisch ist die Friedreich-Ataxie durch einen stark bevorzugten Ausfall der großen markhaltigen Nervenfasern im N. suralis gekennzeichnet (s. Abb. 23.3g), der auf einen entsprechenden Ausfall großer Spinalganglienzellen zurückzuführen und mit einer dazu gehörigen Hinterstrangdegeneration verbunden ist. Das motorische System ist in geringerem Ausmaß mitbetroffen. Die Verminderung des Frataxins als Chaperon-Protein führt zur Anhäufung von Eisen in den Mitochondrien, zu mitochondrialer Funktionsstörung und oxidativer Beeinträchtigung, wobei Antioxidanzien zu einer Verlangsamung der Progression dieser Krankheit führen würden [168]. In den Satellitenzellen degenerierter Neurone der Spinalganglien von Autopsiefällen war das Ferritin vermehrt [107]. Eine Ferritin- oder Ferroportin-Vermehrung war in den Suralnerven jedoch nicht nachweisbar [138].
Infantile neuroaxonale Dystrophie Diese manifestiert sich durch dystrophische Axonveränderungen im peripheren und zentralen Nervensystem [103]; deshalb wird das Krankheitsbild in Zusammenhang mit den zentralnervösen Symptomen beschrieben (s. dort).
Riesenaxonneuropathie
Die autosomal-rezessiv erbliche Friedreich-Ataxie ist auf eine Störung des Eisenstoffwechsels in der Mitochond-
Diese autosomal-rezessiv erbliche Krankheit ist auf Mutationen im Gigaxonin-(GAN1-)Gen [21], wenn auch wohl nicht in allen Fällen [216] zurückzuführen und durch Neurofilamentanhäufungen in Axonen, aber Vermehrungen von intermediären Filamenten auch in ande-
Abb. 23.7a–e Riesenaxonneuropathie bei einem 11 Monate alten Mädchen (wie in Abb. 23.6b). Die Axone sind hochgradig aufgetrieben (A in a, b). Deren Markscheiden sind z. T. extrem dünn, doch kommt auch eine Nervenfaser mit unverhältnismäßig dicker Markscheide vor (N in b; Vergr. a 674:1, b 1022:1). c Die Neurofilamente
sind in den Riesenaxonen an Zahl erheblich vermehrt (Vergr. 38.200:1). d Mikrotubuli sind zwischen den vermehrten Neurofilamenten in diesem Bildausschnitt nicht enthalten (Vergr. 81.200:1). e Rasterlektronenmikroskopische Aufnahme eines einzelnen Haars mit einer durch Pfeilköpfe markierten pathognostischen Rille
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ren Zellen gekennzeichnet. Die Filamentanhäufungen führen zu histopathologisch gut erkennbaren Axonauftreibungen in mehr oder weniger zahlreichen Nervenfasern (s. Abb. 23.6b; Abb. 23.7). Die Filamente unterscheiden sich von normalen Neurofilamenten durch das Fehlen von Seitenarmen und Ablagerung amorpher Substanzen [55, 175, 215] . In den meisten Fällen findet sich eine charakteristische Rille in den Haaren, die eine Diagnose erlaubt (Abb. 23.7e).
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Kapitel 24
Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien
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J.M. Schröder Inhalt Neuropathien bei infektiösen Krankheiten . . . . . . . .
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Postdiphtherische Neuropathie . . . . . . . . . . . . .
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Neuropathien bei Herpesvirusinfektionen . . . . . .
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Immunologisch bedingte und verwandte Neuropathien
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Herpes simplex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Guillain-Barré-Syndrom (GBS) . . . . . . . . . . . . .
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Herpes Zoster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ebstein-Barr-Virus (EBV) . . . . . . . . . . . . . . .
643 Fazialislähmung (Bell’sche Lähmung) . . . . . . . . .
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Zytomegalievirus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
643 Idiopathische Trigeminusneuralgie . . . . . . . . . . .
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AIDS-Neuropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
643 Tinnitus, Hörsturz, Morbus Meniére . . . . . . . . . .
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Lepröse Neuropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
643 Vaskulitiden und Neuropathien . . . . . . . . . . . . . .
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Lepromatöse Lepra . . . . . . . . . . . . . . . . . .
644 Perineuritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tuberkuloide Lepra . . . . . . . . . . . . . . . . . .
644 Sensorische Perineuritis . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Chagas-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
644 Granulomatöse Perineuritis beim Cogan-Syndrom .
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Lyme-Borreliose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
645 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_24, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
642
Kapitel 24
In dieser klinisch besonders wichtigen, weil häufigen und therapierbaren Gruppe von Neuropathien sind die infektiösen Neuropathien, die bei Herpes zoster, AIDS, der in unseren Breitengraden seltenen Lepra, der ChagasKrankheit und Lyme-Borreliose auftreten, zu unterscheiden von den hier wesentlich häufigeren entzündlichen Erkrankungen, bei denen keine Erreger nachweisbar sind und die daher vielfach als Autoaggressionskrankheiten oder immunbedingte Krankheiten des peripheren Nervensystems interpretiert werden. Zu den letztgenannten gehören die Polyneuritiden, namentlich die akute idiopathische entzündliche Polyradikuloneuritis (Guillain-Barré-Syndrom), die chronische rekurrierende oder chronisch-progressive inflammatorische (entzündliche) demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) und eine Vaskulitis, die auf das periphere Nervensystem begrenzt ist. Systemische entzündlichen Erkrankungen der Gefäße der peripheren Nerven sind im eigenen Untersuchungsgut besonders häufig (s. unten: ca. 20 primäre und 24 sekundäre Vaskulitisformen!), ebenso Neuropathien aufgrund von Erkrankungen des lymphoretikulären Systems bzw. bei Dysproteinämien (inkl. der Paraproteinämien). Wesentlich seltener sind entzündliche Neuropathien, die bei der Sarkoidose oder der (sensorischen) Perineuritis auftreten.
Neuropathien bei infektiösen Krankheiten Neuropathien bei Herpesvirusinfektionen Von den 80 bei Mensch und/oder Tier nachgewiesenen Herpesviren lösen nur 8 Infektionen beim Menschen aus, darunter führen nur 5 zu einer Erkrankung des peripheren Nervensystems [20], nämlich das • Herpes-simplex-Virus, HSV-1 und HSV-2; • Varizella-zoster-Virus, VZV; • Zytomegalievirus, CMV; • und das Epstein-Barr-Virus, EBV.
Herpes simplex
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Das Herpes-simplex-Virus verursacht schmerzhafte Bläschen um den Mund (HSV-1) oder die Genitalien (HSV2). Die meisten Infektionen sind subklinisch und führen zu einer latenten Infektion der Neurone in den Ganglien. Zu den neurologischen Komplikationen gehören eine Enzephalitis (zumeist durch HSV-1), eine aseptische Meningitis und eine rekurrierende Radikulopathie (zumeist durch HSV-2). HSV-1 kann auch die Ursache der Bellschen Lähmung sein (s. unten).
Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien
Herpes Zoster Die primäre Infektion mit einem Varizella-Zoster-Virus verursacht Windpocken, in der Regel bei Kindern, während der Zoster (= Herpes Zoster = Gürtelrose) als Folge der Reaktivierung des Virus anzusehen ist, das in den sensorischen Ganglienzellen latent erhalten geblieben ist. Klinik. Der Herpes Zoster ist eine Krankheit, die durch einen Kranz von Vesikeln im Dermatom eines sensorischen Nervs gekennzeichnet ist, dem in der Regel 4– 5 Tage des Krankseins und von Schmerzen vorausgehen. Die Vesikel bleiben etwa 7 Tage erhalten, trocknen dann aus und hinterlassen Narben sowie postherpetische Schmerzen, die bei Patienten im Alter über 40 Jahren für Monate anhalten können.
Das Dermatom eines jeden sensorischen Nervs kann betroffen sein, meistens ist es jedoch der V. Hirnnerv oder der 3.–10. Thorakalnerv. Gelegentlich werden die sensorischen Symptome von motorischen Zeichen begleitet. Sogar der N. facialis kann betroffen sein [18]. Selten tritt eine akute Myelitis auf.
Morphologie. Entzündung, Nekrose und Hämorrhagie in den Spinalganglien sind beim Zoster schon früh beschrieben worden. Das Virus wird bei den Windpocken nach der primären Infektion des Nasopharynx entlang den sensorischen Nerven retrograd in den Axonen zu den spinalen oder kranialen Ganglien transportiert (ähnlich dem Herpes-simplex-Virus). Eine Immunsuppression z. B. bei AIDS [56], Lymphomen oder zytotoxischer Therapie kann den Zoster auslösen. Nach der Reaktivierung in den Ganglien breitet sich das Virus zentrifugal in den sensorischen Nerven in Richtung auf die Haut aus und kann dann sowohl in den Ganglien als auch in den Nerven elektronenmikroskopisch oder immunfluoreszenzmikroskopisch nachgewiesen werden [15]. Durch Southern-Blot-Hybridisierung ist die Varizella-Zoster-Virus-DNA in infizierten Sakralganglien und in normalen Trigeminusganglien bei menschlichen Autopsiefällen nachgewiesen worden [19]. Im latenten Zustand ist das Varizella-Zoster-Virus auch in nichtneuronalen Zellen der menschlichen Spinalganglien zu identifizieren, während das latente Herpes-simplexVirus primär in Neuronen lokalisiert ist [11]. Eine zentripetale Ausbreitung kann auch die Hinterwurzeln und die Hinterhörner des Rückenmarks erfassen, wodurch eine Myelitis entsteht. Die vielfältigen Komplikationen der Varizella-Zoster-Virus-Infektion sind von Kennedy zusammengefasst worden [32].
643
Neuropathien bei infektiösen Krankheiten
Ebstein-Barr-Virus (EBV) Das EBV verursacht die infektiöse Mononukleose und ist bei den meisten Menschen in latenter Form vorhanden. Die neurologischen Komplikationen sind sehr variabel. Möglich sind eine aseptische Meningitis, eine (akute, demyelinisierende Enzephalitis, Myelitis, Neuritis, Myeloneuritis oder Enzephalomyeloneuritis. Die Suralnervenbiopsie ergab einen schweren Ausfall markhaltiger und markloser Nervenfasern, vereinzelt verbunden mit epineuralen perivaskulären entzündlichen Infiltraten [63].
Zytomegalievirus Die CMV-Infektion bei Immunkompetenten ist entweder asymptomatisch oder sie verursacht ein mononukleoseähnliches Syndrom. Bei immuninkompetenten Patienten ist es die häufigste opportunistische Infektionskrankheit, wobei sowohl das zentrale als auch das periphere Nervensystem betroffen sein kann. Nervenbiopsien haben granulozytäre Infiltrate mit multifokalen fibrinoiden Nekrosen endoneuraler Gefäße ergeben. CMVAntigen-positive „Eulenaugen“-Einschlüsse in den Kernen kommen sowohl in Entzündungszellen als auch in Schwann-Zellen vor.
AIDS-Neuropathie Human-immune-deficiency-virus-(= HIV-)Infektionen können mit verschiedenen Neuropathien assoziiert sein [50]: • durch direkte Virusinfektion, • über einen immunologischen Pathomechanismus (akute oder chronische inflammatorische Neuropathie), • durch opportunistische Infektionen (z. B. Zytomegalie) oder durch • medikamentöse Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten wie Didanosin, Zalcitabin oder Stavudin, die den oxidativen Metabolismus der Mitochondrien beeinträchtigen, nicht aber Zidovudin, das wohl keine Neuropathie, aber eine mitochondriale Myopathie verursacht (s. dort). Klinische Anzeichen einer Neuropathie bestehen etwa bei der Hälfte der Patienten, pathologische Veränderungen sind sogar in etwa 90% der Fälle mit AIDS („acquired immune deficiency syndrome“) nachweisbar. Apolipoprotein-E-(APOE-ε4-)Träger sind dabei doppelt so häufig betroffen wie APOE-ε4-negative Patienten [16].
Klinik. Klinisch sind entsprechend verschiedene Formen einer Neuropathie beschrieben worden [56]. In der Prä-AIDS-Phase der Infektion können eine Mononeuritis multiplex und Hirnnervenerkrankungen auftreten. Bei einigen dieser Fälle ist eine Vaskulitis beschrieben worden, die auf eine Immunkomplexerkrankung zurückgeführt wird [17]. Nach Manifestation von AIDS findet sich als häufigste klinische Form eine sensorische Polyneuropathie mit distal akzentuiertem Sensibilitätsverlust, Dysästhesien und Allodynien (Schmerzen nach unschädlichem Reiz) [35]. Schließlich ist eine autonome Neuropathie abzugrenzen, die in den AIDS-Endstadien auftritt [10]. Morphologie. In einzelnen Fällen ist ein HIV-Nachweis im Nerven gelungen [4]. Eine relativ benigne Form und eine der frühesten, die im Verlauf der HIV-Infektion auftritt, in der Regel während der Patient sonst noch asymptomatisch ist, besteht in einer akuten oder subakuten rekurrierenden demyelinisierenden Neuropathie [8, 9, 39]. Dabei handelt es sich um segmentale Demyelinisationen, die mit einer variablen axonalen Schädigung sowie perivaskulären mononukleären Zellinfiltraten im Endo- und Perineurium verbunden sind. Die Grundlage dieser Erkrankung ist vermutlich ein Autoimmunprozess im Sinne eines Guillain-Barré-Syndroms. Schließlich dominiert eine „Dying-back“-Form der axonalen Degeneration; aber segmentale Demyelinisationen aufgrund entzündlicher Veränderungen können weiterhin vorhanden sein. Pathologische Veränderungen in autonomen Nerven sind u. a. in der Darmwand asymptomatischer HIV-infizierter Patienten zu finden, ebenso bei solchen mit AIDS [24]. Eine sensorische Ganglionitis mit Ataxie und Radikuloneuritis aufgrund einer opportunistischen Zytomegalievirusinfektion kann zu einem Cauda-equina-Syndrom führen [13].
Lepröse Neuropathie Eine Infektion mit dem Mycobacterium leprae manifestiert sich vor allem an der Haut, an den Schleimhäuten und an den peripheren Nerven. Die sehr lange Inkubationszeit beträgt 4–15 Jahre oder mehr, wobei die Symptome bei der tuberkuloiden Lepra früher beginnen als bei der lepromatösen Form. Anfangs stehen Hautveränderungen im Vordergrund, seltener die periphere Neuropathie. Die Klassifikation der Lepra beruht auf Unterschieden in der immunologischen Reaktion. Diese umfasst ein Spektrum zwischen geringer zellulärer Immunität (lepromatöser Lepra), bei der die Bakterien in den infizierten Zellen proliferieren und nur wenige entzündliche Reaktionen auftreten, bis zu starken zellulären Immunreaktionen (tuberkuloide Lepra), bei denen eine starke entzünd-
644
Kapitel 24
liche Reaktion stattfindet und nur wenige Erreger nachweisbar sind. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es Grenzfälle, die wiederum unterschieden werden in eine lepromatöse Übergangsform, eine intermediäre und eine tuberkuloide Übergangsform. Auch gibt es eine unbestimmte Gruppe von frühen Fällen, die noch nicht die charakteristischen Veränderungen der polaren Typen aufweisen. Sie können sich in beide Richtungen entwickeln. Übergänge von der einen in die andere Form kommen vor. Der Leprominhauttest ist bei der tuberkuloiden Lepra positiv, bei der lepromatösen aber negativ.
Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien
Endoneural sind in frühen Stadien ein Ödem, später eine dichte Fibrose nachweisbar. Letzteres ist vermutlich auf eine Aktivierung der Fibroblasten durch Interleukin I und den Tumornekrosefaktor bedingt, die wiederum durch aktivierte Makrophagen abgegeben werden [58]. Auch Matrixmetalloproteinasen (MMPs) spielen eine wichtige Rolle [65]; sie kontrollieren die Blut-NervenSchranke und erleichtern die Einwanderung der Immunzellen sowie die entzündliche Demyelinisation. Das Perineurium wird ebenfalls von vakuolisierten Makrophagen infiltriert, wobei es zur Zerstörung von Perineuralzellen kommt, so dass die normale perifaszikuläre Grenzschicht zerstört wird.
Lepromatöse Lepra Tuberkuloide Lepra
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Die Nerven erscheinen anfänglich relativ gut erhalten, doch besteht eine intensive entzündliche Reaktion, die überwiegend das Epineurium und Perineurium betrifft. Dadurch kommt es zur Verdickung der Nerven. Die einzelnen Nervenfaszikel sind recht unterschiedlich stark betroffen. Eine lymphozytäre Vaskulitis ist sowohl epineural als auch perineural und endoneural nachweisbar, doch sind Gefäßverschlüsse selten. Die Bazillen sind in großer Zahl vorhanden; sie liegen in epineuralen und endoneuralen Fibroblasten, Perineuralzellen, Zellen der Makrophagen-/Histiozytenreihe, in Schwann-Zellen und in Endothelzellen. Sie ließen sich in den Schwann-Zellen nicht nachweisen, wenn nicht auch andere Zellen in ihrer Nachbarschaft betroffen waren. Die Fibroblasten proliferieren erheblich, die Infektion der Zellen breitet sich offensichtlich vom Perineurium auf das Endoneurium aus, wobei die bindegewebigen Septen und Blutgefäße als Eintrittspforte dienen. Nur selten sind Bazillen in Axonen beobachtet worden. Sie sind dann von einer Doppelmembran eingehüllt, was auf eine Umhüllung durch das Zytoplasma von Schwann-Zellen schließen lässt. Die Bazillen werden in Schwann-Zellen und Makrophagen von hellen Räumen umgeben, die in Makrophagen große Vakuolen bilden können und das charakteristische lichtmikroskopische Bild der schaumigen Leprazellen verursachen. In der Nachbarschaft der entzündlichen Reaktionen kommt es zu Demyelinisationen und Ausfällen von Axonen, die von Fall zu Fall variieren. Die Demyelinisation ist möglicherweise auf eine Infektion und Degeneration der Schwann-Zellen zurückzuführen. Sie kann aber auch auf einer Abgabe von Proteasen und Wasserstoffsuperoxid durch aktivierte Makrophagen beruhen. Der selektive Verlust von Schmerz- und Temperaturempfindung und die Anhidrose lassen vermuten, dass die kleinen markhaltigen und marklosen Nervenfasern bevorzugt betroffen sind, was jedoch morphometrisch nur schwer nachweisbar ist, da die Läsionen fleckförmig auftreten.
Bei der tuberkuloiden Lepra ist der Verlauf benigner und weniger rasch progredient. Die Hautnerven können lokal unregelmäßig verdickt sein. Im Vordergrund steht ein entzündliches Granulom, das aus epitheloiden Zellen (Makrophagen), mehrkernigen Riesenzellen und Lymphozyten besteht, wobei die Letzteren in der Regel an der Peripherie der Granulome liegen. Bazillen sind nur selten nachweisbar, auch wenn Antigene des M. leprae festzustellen sind. Solche Granulome finden sich überwiegend in kutanen und subkutanen Nerven nahe den Hautveränderungen; sie sind mit einer starken Auflösung der neuralen Architektur verbunden. Einige Faszikel sind vollständig zerstört mit nur wenigen erhaltenen Nervenfasern; andere benachbarte Faszikel können relativ normal erscheinen. Eine zentrale Nekrose kann in den Granulomen vorkommen und führt zur Bildung verkäsender Abszesse. Schließlich resultiert eine ausgedehnte Endoneuralfibrose.
Chagas-Krankheit Diese Krankheit beruht auf einer Infektion durch Trypanosoma cruzi und ist in Brasilien endemisch. In der Kindheit tritt in der Regel ein akutes septikämisches Stadium auf. Das chronische Stadium ist meist das Ergebnis einer Zerstörung der Ganglienzellen im peripheren autonomen System, die während des akuten Stadiums erfolgt. Früher wurde vermutet, dass diese Zerstörung auf eine Freisetzung von Neurotoxinen aus den Parasiten zurückzuführen ist. Doch sind signifikant mehr CD-57-(Natural-Killer-)Zellen und TIA-1-zytotoxische Lymphozyten in den intestinalen Ganglien nachweisbar [12]. Außerdem lässt der Nachweis von Antikörpern gegen basisches Myelinprotein (MBP) auf einen Autoimmunprozess schließen, der über T-Zellen zur Neuropathie führt [48]. Die klinischen Auswirkungen sind auf Störungen der parasympathischen Innervation von Herz- sowie Magen-
Neuropathien bei infektiösen Krankheiten
Darm- und Urogenitaltrakt zurückzuführen. Folgen sind ein Megaösophagus und ein Megakolon, während andere Anteile des Gastrointestinaltrakts weniger oft betroffen sind.
645
ist ihre Bedeutung unklar [61]. Doch der Nachweis von GM1-Antikörpern im Serum spricht ebenfalls für einen Autoimmunprozess [57].
Postdiphtherische Neuropathie Lyme-Borreliose
Die Spirochäte Borrelia burgdorferi verursacht eine infektionsbedingte Multisystemerkrankung. Der Erreger wird übertragen durch Zeckenbiss. Das Hauptreservoir des Erregers bildet das Damwild.
Typischerweise tritt die Krankheit in 3 Stadien auf: 1. Am Anfang steht das Erythema migrans. 2. Es folgen eine Karditis, Arthritis und Meningopolyneuritis. 3. Die chronischen Veränderungen bestehen in einer Akrodermatitis chronica atrophicans und in arthritischen und neurologischen Manifestationen. Die peripheren Nerven erkranken im 2. Stadium in verschiedener Weise und umfassen Hirnnervenbeteiligungen, insbesondere des N. facialis, eine Plexopathie, eine multifokale Neuropathie und selten eine akute generalisierte Neuropathie, die einem Guillain-Barré-Syndrom ähnelt (Zecken-Paralyse [51]). Im 3. Stadium können eine milde distale sensomotorische Neuropathie und ein Karpaltunnelsyndrom als häufige Manifestationsform auftreten. Morphologie. In Nervenbiopsien sind perivaskuläre Infiltrate von Lymphozyten und Plasmazellen um einige endoneurale, perineurale und epineurale Blutgefäße nachweisbar. Eine Endarteriitis obliterans ist gelegentlich vorhanden, nicht aber eine eindeutig nekrotisierende Vaskulitis. Eine axonale Degeneration ist häufig. Das Muster der Zytokinimmunreaktivität unterscheidet sich nicht wesentlich von dem bei einer vaskulitischen Neuropathie, doch ist das Perineurium stärker verbreitert und die Neovaskularisation stärker ausgeprägt [59]. Spirochäten sind in peripheren Nerven nicht nachgewiesen worden [44, 45], sie sind aber wahrscheinlich in geringer Zahl vorhanden, da sie in anderen Geweben, wenn auch selten, identifiziert worden sind. Autoptisch sind durch Lymphozyten und Plasmazellen infiltrierte autonome Ganglien beobachtet worden. Pathogenese. Die Ursache der Neuropathie ist nicht klar. Offensichtlich spielt die Gefäßbeteiligung als Ursache des multifokalen Musters der Erkrankung eine Rolle. Kreuzreagierendes Serum-IgM gegen Antigene der Borrelia burgdorferi und axonale Antigene sind vorhanden, doch
Die diphtherische Neuropathie wird durch das Exotoxin des Corynebacterium diphtheriae verursacht, so dass es sich nicht um eine entzündliche Polyneuritis im Sinne einer durch Zellinfiltrate charakterisierten Neuropathie handelt. Sie entwickelt sich nur bei manifester Rachenoder Wunddiphtherie. Wegen der in unseren Breiten üblichen Impfung im Kindesalter kommt sie hier nur noch selten vor; doch treten immer wieder lokale Epidemien auf. Allerdings kann eine Diphtherie-Tetanus-PertussisVakzination bei einer hereditären Neuropathie mit der Gefahr einer schwereren Verlaufsform verbunden sein [43]. Klinik. Die Symptome beginnen in der Regel zwischen 3 und 14 Tagen nach der Infektion. Zuerst kommt es zu einem Hirnnervensyndrom, das seinen Höhepunkt um den 45. Tag hat, und von einem Tetraplegiesyndrom mit einem Höhepunkt um den 90. Tag gefolgt wird. Bei leichteren Fällen entwickeln sich lediglich Hirnnervenausfälle; Lähmungen der Atemmuskulatur erreichen ihren Kulminationspunkt zwischen dem 30. und 60. Tag. Die Rückbildung der Symptome findet in der Reihenfolge des Eintretens statt und ist nach etwa 4 Monaten abgeschlossen. Morphologie. Die diphtherische Neuropathie ist von besonderer Bedeutung, da eine der wichtigsten und häufigsten allgemeinpathologischen Reaktionen des peripheren Nerven, nämlich die segmentale Demyelinisation, erstmalig in einem menschlichen peripheren Nerven bei der diphtherischen Neuropathie beschrieben worden ist (Meyer 1881), nachdem Gombault (1880–1881) [22] kurz vorher das lichtmikroskopische Bild der segmentalen Demyelinisation erstmalig bei der experimentellen Bleineuropathie des Meerschweinchens beschrieben hatte. Die primäre segmentale Demyelinisation ist auf eine Störung der Schwann-Zell-Funktion oder des Myelins selbst zurückzuführen. Zur Degeneration von Axonen kommt es nur in besonders schweren Fällen [40]. Die experimentelle diphtherische Neuropathie wurde später mehrfach als Modell der segmentalen Demyelinisation untersucht [70]. Dabei löst sich die helikale Zytoplasmaschicht des Myelins vom Axolemm ab und das Myelin retrahiert sich, so dass eine Erweiterung des nodalen Spaltraums entsteht. Die Markscheiden lösen sich zuerst am Schnürring auf (paranodale Demyelinisation) oder das gesamte Internodium ist betroffen; schließlich bleibt das entmarkte Axon übrig, das von kleinen Myelinovoiden in Schwann-Zell-Fortsätzen umgeben wird
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Kapitel 24
oder extrazellulär innerhalb der Basallamina liegt [2]. Der Nerv wird dann von Makrophagen infiltriert, die die Markscheidenabbauprodukte zumindest teilweise aufnehmen. Gleichzeitig proliferieren die Schwann-Zellen, die den Hauptteil des Myelinabbaus besorgen.
Immunologisch bedingte und verwandte Neuropathien Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
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Das GBS ist mit seinen 6 Varianten die weltweit führende Ursache für eine akute neuromuskuläre Paralyse [26]. Es handelt sich um eine akute oder subakute monophasische Autoaggressionskrankheit, bei der klinisch vorwiegend das motorische System betroffen erscheint [25, 30, 31]. Die Verteilung der Schwäche kann proximal, distal oder generalisiert sein. Häufig ist eine Fazialisschwäche. Eine Atemlähmung kann eine künstliche Beatmung erfordern. Sensorische Symptome sind weniger auffällig. Im Liquor fällt ein erhöhter Proteingehalt bei gering vermehrter Zellzahl auf („dissociation cyto-albuminique“). Die Nervenerregungsleitungsgeschwindigkeit ist stark reduziert, evtl. bis zu einem Leitungsblock. Die Inzidenz beträgt 1–2 auf 100.000 pro Jahr [41] in Deutschland; basierend auf DRG-(„disease-relatedgroups“-)Statistiken: 1,6–1,89 [37]. Zu unterscheiden sind • die wichtigste und häufigste Form, die akute inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (AIDP), die der experimentell-allergischen Neuritis (EAN) ähnelt und vor allem durch gegen die Markscheidenproteine P0, P2 und PMP22 gerichtete T-Zellen verursacht wird. Antikörper und Komplement sind ebenfalls involviert. Bei dieser Form sind die Reflexe oft schon früh erloschen, obwohl sie auch erhalten oder sogar gesteigert sein können; in der Regel ist vor allem die Propriozeption betroffen, während Schmerz und Temperaturempfindung besser erhalten bleiben. Allerdings bestehen oft Schmerzen vor allem in geschwächten Muskeln, die ähnlich einem Muskelkater empfunden werden [54], wobei die marklosen Nervenfasern, zu denen auch die Schmerzfasern gehören, nicht primär betroffen sind. • Weitere Varianten des GBS sind eine akute motorische axonale Neuropathie (AMAN), • eine akute sensorischen Neuronopathie (ASN) und • eine akute motorisch-sensorische axonale Neuropathie (AMSAN), die etwa bei einem Viertel der Fälle im Anschluss an eine Campylobacter-jejuni-Infektion auftreten und durch IgG-Antikörper ausgelöst werden. Diese Antikörper können aufgrund molekularer (Kohlenhydrat-)Mimikry nicht zwischen GM1-, GD1a- und GT1a-Gangliosiden in den Markscheiden
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und Lipooligosacchariden in C.-jejuni-Isolaten unterscheiden [73]. Die Antikörper induzieren Makrophagen, um am Ranvier-Schnürring zwischen Axon und Markscheide einzudringen. Es kommt zur paranodalen Ablösung der Markscheidenlamellen vom Axon und dadurch zum evtl. noch rasch reversiblen Erregungsleitungsblock. Doch ist auch die gangliosidreiche präsynaptische Komponente der motorischen Endplatte, die außerhalb der Blut-Nerven-Schranke liegt, Angriffsstelle für Antikörper [71]. • Bei der selteneren bulbären Form mit Beteiligung der Hirnnerven (Polyneuritis cranialis; ca. 11% der Fälle) spricht man von einem Miller-Fisher-Syndrom, wobei Anti-GQ1b-IgG-Antikörper entscheidend sind [73]. • Bei stark bevorzugtem Befall des autonomen Systems resultiert evtl. eine akute Pandysautonomie. Zu deren autonome Störungen gehören eine atonische Blasenschwäche, Herzrhythmusstörungen, eine arterielle Hypertension oder eine orthostatische Hypotonie, ebenso eine distale Anhidrose. Autoantikörper gegen autonome Nerven sind vereinzelt nachgewiesen worden [23]. Kinder können ebenfalls betroffen sein [54], wobei klinisch nicht selten eine akute entzündliche Demyelinisation sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem nachweisbar ist [1]. Morphologie. Die Erkrankung ist durch fokale perivaskuläre entzündliche Invasion des Endoneuriums mit mononukleären Zellen (s. Abb. 23.6e), durch entsprechende Demyelinisationsherde und Schwann-Zell-Proliferation gekennzeichnet. Die Axone sind in variablem Ausmaß mitbetroffen. Je nach dem Zeitpunkt der Untersuchung finden sich unterschiedliche Stadien der Remyelinisation, die nach ca. 2–3 Wochen einsetzt und bleibende Spuren hinterlässt: in Relation zum Axonkaliber zu dünn remyelinisierte Nervenfasern mit segmental verkürzten Internodien, angedeutete Zwiebelschalenformationen und herdförmig vermehrtes endoneurales Bindegewebe. Elektronenmikroskopisch ist aufgrund der Invasion der peripheren Nerven durch mononukleäre Zellen eine fokale Auflösung der Markscheiden, gelegentlich mit Aufspaltung der einzelnen Lamellen durch flache Makrophagenfortsätze, zu beobachten. Pathogenese. Vermutlich handelt es sich um eine T-Zellausgelöste Immunreaktion, bei der die Komplementkaskade aktiviert wird und CD4+CD25+-T-regulatorische Zellen beteiligt sind [7]. B-Zellen, humorale Faktoren und Makrophagen spielen jedoch zusätzlich eine wichtige Rolle. Je stärker die Entzündung im Nerven ausgeprägt ist, desto mehr Axone werden geschädigt und degenerieren (axonaler Typ des GBS). Das ist insbesondere bei der durch Injektion von P2-sensibilisierten T-Zellen ausgelösten Form der EAN (Adoptive-Transfer EAN = AT-EAN) zu finden [38, 53].
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Ätiologie. Die Ursache des GBS ist nicht gesichert, doch sind etwa 2/3 der Patienten ca. 2–3 Wochen vorher an einer Infektion erkrankt, bei der das Zytomegalie-, Epstein-Barr-, Hepatitis- und Varizellavirus, HIV, Mykoplasmen oder am häufigsten Erreger eine Rolle spielen, die zu einfachen Erkrankungen des Respirations- und Gastrointestinaltrakts (Campylobacter) führen (molekulares Mimikry) [27, 49, 73–75]. Die Krankheit tritt nicht nur postinfektiös, sondern auch postvakzinal auf, nach Traumen, Operationen oder Behandlungen mit Hyperthermie, gelegentlich auch beim M. Hodgkin und immunologisch bedingten Erkrankungen. Eine Verbindung mit besonderen HLA-Antigenen ist nicht gesichert [31]. Dennoch besteht eine Disposition zur Entwicklung eines GBS, wenn bestimmte Mutationen im Gen des TNFD vorhanden sind [42]. Auch bestimmen IgG-Rezeptor-IIa-Allele die Empfänglichkeit für das GBS und deren Schweregrad [67]. Prognose. Trotz optimaler Therapie sterben 5–8% der Patienten, 25% erfordern eine künstliche Beatmung über zumindest eine gewisse Zeit und 10–20% sind nach einem Jahr deutlich behindert und benötigen Gehhilfen oder mehr [41].
Chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) Diese Variante ähnelt klinisch der akuten entzündlichen Polyradikuloneuritis (GBS), zeichnet sich aber durch einen chronisch rekurrierenden oder chronisch-progressiven Verlauf aus [34]. Außer motorischen und sensorischen Symptomen kann Müdigkeit als unterschätztes Symptom einer CIDP zur Klinikaufnahme führen [6]. Die chronisch rekurrierenden Fälle weisen bei weiblichen Patienten eine Assoziation mit dem HLA-DRB1*15-Haplotyp auf, der stark mit der multiplen Sklerose assoziiert ist, was aber in anderen Studien nicht für die CIDP, sondern nur für HLADRB1*11 und die anti-MAG-Neuropathie bestätigt werden konnte [21]. Die Inzidenz beträgt 2–4 auf 100.000 pro Jahr. Trotz intensiver antiinflammatorischer Therapie bleiben bei einer erhebliche Zahl von Patienten schwere chronische Behinderungen bestehen [41]. Morphologie. Fokal können entzündliche Infiltrate vorkommen, diese werden aber meistens vermisst [5, 36, 62, 68]. Im Vordergrund steht eine mehr oder weniger ausgedehnte segmentale Demyelinisation und Remyelinisation mit sog. hypertrophischen Veränderungen, d. h. Zwiebelschalenformationen (s. Abb. 23.6f), die als unspezifische Folge einer chronischen demyelinisierenden Neuropathie auftreten [69]. Dabei bleiben die proliferierten SchwannZellen zum Großteil erhalten und bilden dadurch, geschient von der jeweiligen Basallamina der ursprünglichen Nervenfaser, die „Zwiebelschalen“. Es bestehen
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endoneurale Herde mit einer Chemokin- und Chemokin-Rezeptor-Expression sowie T-Zell- und Makrophagenaktivierung [29]. Wegen des Fehlens regulatorischer T-Zell-Mechanismen würde es zu dem für die CIDP typischen chronischen Verlauf kommen. Im Übrigen sind Nervenfaserausfälle nachweisbar, so dass die Abgrenzung gegenüber einer hereditären Form der demyelinisierenden Neuropathie (CMT1; s. oben) schwierig sein kann. Doch sind die Veränderungen bei der CIDP eher fokal ausgeprägt als gleichmäßig über alle Faszikel verteilt wie bei den hereditären Formen einer demyelinisierenden Neuropathie.
Fazialislähmung (Bell’sche Lähmung) Die Ursache der „idiopathischen“ Bell’schen Lähmung ist noch immer nicht eindeutig geklärt, so dass ihre hiesige Zuordnung zu den Autoimmunprozessen nicht bewiesen ist. Die einseitige Lokalisation und der akute Beginn wären damit vereinbar. Eine Herpes-simplex- oder Zosterätiologie ist jedoch nicht ausgeschlossen [46], zumal die gegenüber Plazebo durchgeführte Therapie mit Valacyclovir wohl ein etwas besseres Ergebnis erbracht hat [28]. Mit bleibenden einseitigen inkompletten Gesichtslähmungen ist zu rechnen.
Idiopathische Trigeminusneuralgie Das morphologische Substrat und die Ursache der „idiopathischen“ Trigeminusneuralgie sind ebenso wenig geklärt wie die der Bell’schen Lähmung, obwohl die Schmerzattacken („Tic douloureux“) bei der Trigeminusneuralgie zu den stärksten gehören, die beim Menschen beobachtet werden. Lichtmikroskopisch waren segmentale Entmarkungen und vergrößerte Axone sowie „Mikroneurome“ zu finden, elektronenmikroskopisch auch eine „degenerative Hypermyelinisation“ u. a. [33]; doch sind die Veränderungen schwer von exzisionstraumatischen Artefakten zu unterscheiden. Ätiologisch wird u. a. eine mikrovaskuläre Kompression diskutiert.
Tinnitus, Hörsturz, Morbus Meniére Ätiologie und Pathogenese von Tinnitus und Hörsturz sind nicht geklärt. Diskutiert werden Durchblutungsstörungen, Infektionen, immunologische Vorgänge (vgl. Cogan-Syndrom; s. unten), eine Störung der Ionenkanäle und hereditäre Ursachen [64]. Der Hörsturz ist die häufigste Ursache für eine akute Innenohrschwerhörigkeit. Nur bei einer kleinen Zahl von akuten Innenohrschwer-
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hörigkeiten ist die Ursache bekannt: akustische Traumen, ototoxische Medikamente, Mittelohrentzündungen, Barotraumen, virale Infektionen u. a. Der idiopathische Hörsturz tritt ohne Schwindel auf. Bei gleichzeitigem Schwindel ist an einen M. Meniére zu denken, dessen histopathologisches Substrat in Gestalt von „hyperplastischem Myelin“ [72] vermutlich wie bei der Trigeminusneuralgie (s. oben) exzisionstraumatisch entstanden ist.
Vaskulitiden und Neuropathien Entzündliche Zellinfiltrate in der Gefäßwand oder perivaskulär erfüllen das histopathologische Kriterium einer Vaskulitis, sofern es sich nicht um akut, während einer protrahierten Exzision (Biopsie) auftretende Leukodiapedesen von Ganulozyten handelt (sog. „chirurgische Infiltrate“). Da ganz vereinzelte perivaskuläre Lymphozyten im Epineurium wohl auch schon einmal in einem „normalen“ Nerven vorkommen können, wird von manchen Autoren der zusätzliche Nachweis einer (fibrinoiden) Nekrose der Gefäßwand zur Definition einer Vaskulitis gefordert, obwohl dies nur für das akute Stadium gelten kann. Eine Vaskulitis kann vorkommen • in Zusammenhang mit dem als primäre, organspezifische entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven angesehenen Guillain-Barré-Syndrom und der CIDP, • als eigenständige Vaskulitis, die nur auf das periphere Nervensystem begrenzt sein soll [14], • bei den oben erwähnten infektiösen Neuropathien und • bei den zahlreichen bekannten, vielfach nur klinisch unterscheidbaren, etwa 20 primären und 24 sekundären Vaskulitiden (vgl. [52]), die eigenständig oder in Verbindung mit einer chronischen Krankheit aus dem Formenkreis der Kollagenosen (Gefäß-BindegewebsKrankheiten) auftreten („systemische Vaskulitiden“; vgl. Abb. 30.2 u. 40, S. 831).
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Je nach Schnittebene, Verlaufsstadium und Schweregrad der Krankheit können verschiedene Bilder bei gleicher Grundkrankheit auftreten und andererseits gleiche histopathologische Bilder bei verschiedenen Grundkrankheiten auftreten. Das macht eine spezifische histopathologische Diagnose im Einzelfall schwierig, vor allem wenn nur unspezifische Veränderungen im Sinne einer chronischen Vaskulitis (z. B. im Intervallstadium) mit mehr oder weniger spärlichen entzündlichen, mononukleären Zellinfiltraten vorliegen. Auf das häufige Vorkommen falsch-negativer Befunde sei hier ausdrücklich hingewiesen, mit denen bei Nervus-suralis-Biopsien wegen des fokalen Charakters der entzündlichen Gefäßver-
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änderungen in etwa 43% der Fälle zu rechnen ist [60]. Wie oft spärliche perivaskuläre mononukleäre Zellinfiltrate als „Normalbefund“ zu werten sind, ist umstritten; nach eigenen Erfahrungen sind diese jeweils als Indiz für irgendeinen entzündlichen abgelaufenen oder anderswo schwelenden Prozess zu werten. Eine zusätzliche Hautbiopsie ergänzt die diagnostischen Möglichkeiten, speziell durch den Nachweis perivaskulärer Makrophagen bei nichtsystemischer vaskulitischer Neuropathie [66]. Details zu den verschiedenen Formen der Vaskulitis werden bei den infektiösen Neuropathien, den immunologisch bedingten Neuropathien und bei den Gefäßerkrankungen sowie bei den interstitiellen Myositiden beschrieben (s. jeweils dort).
Perineuritis Sensorische Perineuritis In seltenen Fällen wird eine Perineuritis beobachtet, die entweder nur das sensorische System betrifft [3] oder, was nach eigenen Beobachtungen sehr selten vorkommt, sowohl das sensorische als auch das motorische Nervensystem befällt. Klinisch dominieren Schmerzen als hervorstechendes Symptom. Bei der Berührung betroffener Nerven lässt sich das Tinel-Zeichen auslösen. Morphologie. Es besteht eine chronische entzündliche zelluläre Infiltration des Perineuriums mit einem unterschiedlich stark ausgeprägten Verlust von Nervenfasern in den betroffenen Faszikeln. Vereinzelt sind Riesenzellen beobachtet worden. Pathogenese und Differentialdiagnose. Die Pathogenese ist nicht geklärt. Eine tuberkuloide Lepra oder eine Sarkoidose, bei denen bekanntermaßen eine perineuritische Zellinfiltration vorkommt, ließ sich bei den wenigen mitgeteilten Fällen mit sog. sensorischer Perineuritis nicht nachweisen. Auch dürfen entzündliche Infiltrate um ein das Perineurium penetrierendes Gefäß nicht mit einer eigenständigen Perineuritis verwechselt werden. Die Veränderungen ähneln denen beim sog. spanischen toxischen Ölsyndrom [55] (s. Kap. 21). Mit einem Perineuriom (s. S. 662) sind die Veränderungen nicht zu verwechseln.
Granulomatöse Perineuritis beim Cogan-Syndrom Ungewöhnliche entzündliche Veränderungen vor allem im Bereich der inneren Schichten des Perineuriums ließen sich beim Cogan-Syndrom nachweisen, bei dem es
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sich um eine extrem variable Autoimmunkrankheit mit nichtinfektiöser interstitieller Keratitis, Iridozyklitis, vestibuloauditorischer Funktionsstörung und systemischer Vaskulitis handelt [47]. Morphologie. Fokal ließen sich zahlreiche abgerundete, EMA-immunreaktive Perineuralzellen unter dem Perineurium einerseits und entlang der von Perineuralzellen und Perizyten begleiteten endoneuralen Blutgefäße nachweisen. Einzelne dieser Zellen hatten mehr als einen Kern, ohne dass typische Riesenzellen nachweisbar gewesen wären. Elektronenmikroskopisch waren diesen Zellen von Bündeln aus Kollagenfibrillen durchzogen, manchmal geradezu gefüllt mit Fibrillen und Basallamina-ähnlichem Material. Ähnliche Veränderungen sind sonst nicht beschrieben worden. Die Zahl der Nervenfasern war stark reduziert im Sinne einer fokal akzentuierten Neuropathie vom axonalen Typ.
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Kapitel 25
Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
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J.M. Schröder Inhalt Allgemeine Histopathologie der Gefäßveränderungen in peripheren Nerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Neuropathien bei Vaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . .
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Panarteriitis nodosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Churg-Strauss-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rheumatoide Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Systemischer Lupus erythematodes (SLE) . . . . . . .
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Progressive systemische Sklerose . . . . . . . . . . . .
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Sjögren-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wegener-Granulomatose . . . . . . . . . . . . . . . .
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Mucosis fungoides (Szésary-Syndrom) . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_25, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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Kapitel 25
Allgemeine Histopathologie der Gefäßveränderungen in peripheren Nerven Neuropathien gibt es bei zahlreichen verschiedenartigen peripheren Gefäßerkrankungen (s. Abb. 38.1). Diese Neuropathien sind vermutlich ischämisch bedingt durch • Verschlüsse großer Arterien bei Arteriosklerose, Embolien und Vaskulitiden, z. B. Panarteriitis nodosa oder Thrombangiitis obliterans (Winiwarter-Buerger), • Kompressionen (z. B. Traumen, Tumoren, Tourniquets) oder • Kompartmentsyndrome (z. B. Tibialis-anterior-Syndrom). Während einige Autoren einen Verlust markhaltiger Nervenfasern, insbesondere der großen, beschrieben haben, fanden andere ausgedehnte segmentale Demyelinisationen und Remyelinisationen. Die experimentelle Embolisation mit Arachidonsäure hat aber vor allem eine axonale Degeneration ergeben, wobei die kleinen markhaltigen und die nichtmyelinisierten Axone vulnerabler sind als die großen markhaltigen Nervenfasern [21]. Die experimentelle Mikroembolisation mit Polystyrenkugeln (mit einem Durchmesser von 15 ± 0,8 μm) führt zu Nervenfaserdegenerationen, wobei das Zentrum der Faszikel zuerst betroffen ist. Dabei bedarf es, vermutlich wegen der besonders reichlichen Versorgung des Nerven mit Kollateralen, einer wesentlich größeren Zahl an Emboli (ca. 6 Millionen [19]), um im N. ischiadicus der Ratte Nervenfaserdegenerationen hervorzurufen als um im Muskel der hinteren Extremitäten von Ratten Muskelfasernekrosen auszulösen (ca. 1 Million pro A. iliaca communis [28]). Die Auswirkungen einer Ischämie mit anschließender Reperfusion auf periphere Neurone sind besonders ausführlich am experimentellen Modell einer intestinalen Unterbrechung der Blutzirkulation für eine Stunde mit immunhistochemischer Aufarbeitung 2 Stunden bis 4 Wochen danach analysiert worden [25]: Die Dendriten von Neuronen mit NOS-(Nitric-oxide-synthase-)Immunre-
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Abb. 25.1 a Chronische rheumatoide Arthritis bei einer 65-jährigen Frau. Ausgeprägte Angiitis mit granulierender Reaktion im Epineurium. Erhebliche Proliferation von Kapillaren (Pfeile) und massenhaft, z. T. regressiv veränderte (pyknotische) Infiltratzellen nach Aurodetoxintherapie. Fortgeschrittene Neuropathie vom neuronalen Typ (Vergr. 137:1). b Umschriebene epineurale Mikrovaskulitis unklarer Genese mit pyknotischen perivaskulären lymphozytären Zellinfiltraten und Neuropathie vom überwiegend axonalen Typ (HE-Färbung, Vergr. 300:1). c Ausgeprägte Vaskulitis (mit fibrinoider Nekrose) bei Kryoglobulinämie (41-jährige Patientin). Im
Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
aktivität (inhibitorische Motoneurone und Inteneurone) sind nach 24 Stunden alteriert und geschwollen; sie bleiben noch 28 Tage nach der Schädigung vergrößert. Neurone vom morphologischen Typ II (intrinsische, primär afferente Neurone), erkennbar an ihrer NeuN-Immunreaktivität, erscheinen nach 24 Stunden und 7 Tagen geschrumpft. Sie weisen an der Oberfläche eine geringe Bläschenbildung auf. Calretinin-Neurone, von denen viele exzitatorische Motoneurone sind, bleiben unverändert. Nervenzellausfälle waren an diesem Modell nicht nachweisbar. Demnach reagieren die verschiedenen intestinalen Neurone ganz unterschiedlich auf eine einstündige Ischämie. Mit entsprechend unterschiedlichen Reaktionen peripherer spinaler oder bulbärer motorischer und sensorischer sowie autonomer Neurone ist in ähnlicher Weise beim Menschen zu rechnen, auch wenn diese bisher nicht in gleicher Weise ausführlich analysiert worden sind. Die Basallaminae der endo- und epineuralen Kapillaren können durch Degeneration und Regeneration der Endothelzellen vermehrt, aber auch durch metabolische oder Permeabilitätsstörungen verbreitert sein, vor allem beim Diabetes mellitus [23, 24, 39]. Die Verbreiterung der Basallaminae ist zumindest dort, wo diese morphometrisch analysiert werden konnten, nämlich im Perineurium, reversibel [3]. Im Sinne eines regressiven Phänomens sind dabei Verdichtungen des Zytoplasmas und der Kerne von Perizyten und anderen Gefäßwandzellen zu werten. Andererseits gibt es an endoneuralen Kapillaren auch eine Vermehrung von Endothelzellen und im Epineurium eine Abdissoziation glatter Muskelzellen von der Gefäßwand in das umgebende Epineurium (Abb. 25.1d) [30]. Fenestrationen endoneuraler Kapillaren sind ausnahmsweise bei makroglobulinämischer Neuropathie und beim Diabetes mellitus beschrieben worden; in frühen Stadien der Waller-Degeneration, 2–6 Tage nach Durchschneidung des N. phrenicus der Maus, sind Fenestrationen häufig nachweisbar. Sonst grenzen die Endothelzellen der endoneuralen Kapillaren mit Zonulae occludentes („tight junctions“) dicht aneinander (morphologisches Substrat der Blut-Nerven-Schranke). Bei der
Epineurium fallen außer entzündlichen (mononukleären) Zellinfiltraten starke Kapillarproliferationen auf; die Zahl der Kapillaren ist erheblich (kompensatorisch) vermehrt (Pfeile). Die Neuropathie ist dem neuronalen Typ zuzurechnen und noch verhältnismäßig geringgradig ausgeprägt (Vergr. 160:1). d Sklerodermie (67-jährige Patientin). Die epineuralen Blutgefäße zeigen eine Auflockerung und Sklerosierung der Wand mit herdförmiger adventitieller Abdissoziation von glatten Muskelzellen (Pfeile), die nicht mit entzündlichen Zellinfiltraten verwechselt werden dürfen (Vergr. 488:1)
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Allgemeine Histopathologie der Gefäßveränderungen in
a
c
d
b
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Kapitel 25
Maus besteht allerdings normalerweise eine Durchlässigkeit der Kapillaren für Albumin. Ein endoneurales Ödem aufgrund von Plasmaexsudaten und gesteigerter Gefäßpermeabilität bis hin zu Erythrodiapedesen gibt es bei zahlreichen akuten Neuropathien (z. B. bei der Isoniazid-Neuropathie, s. oben). Bei bestimmten experimentellen Neuropathien lässt sich durch direkte Messung ein gesteigerter endoneuraler Druck nachweisen [14]. Der erhöhte Druck vermindert die Durchblutung der Nervenfaszikel. Die epineuralen Blutgefäße haben bei der relativ großen Zahl z. B. der von uns untersuchten Nervenbiopsien nur ausnahmsweise massive Mediaverkalkungen sowie feinere Kalksalzausfällungen auch in anderen Wandabschnitten aufgewiesen (so bei einem Fall mit Polyglukosankörpermyopathie). Selbst bei einem Fall mit klinisch nachgewiesener, schwerer Mönckeberg-Mediaverkalkung in weiter proximal gelegenen größeren Arterien fanden sich distal, in den wesentlich kleineren Blutgefäßen des Suralnerven, keine Verkalkungen. Feinere Kalksalzablagerungen kommen jedoch häufiger vor. Epineurale Kapillarproliferationen fallen manchmal in Zusammenhang mit massiven epineuralen entzündlichen Infiltraten und angiitischen Gefäßstenosen oder -verschlüssen bei rheumatoider Arthritis, Kryoglobulinämien (Abb. 25.1a,c) und granulomatösen Entzündungsprozessen auf [7, 18, 30, 31, 33]. Im Übrigen gibt es bei der rheumatischen Arthritis ein breites Spektrum entzündlicher Gefäßveränderungen von einer Vaskulitis in Gestalt einer Kapillaritis bis zu ausgeprägten Formen der Panarteriitis. Die große Zahl möglicher degenerativer, reaktiver, regenerierender, entzündlicher, metabolischer und blastomatöser Gefäßveränderungen im peripheren Nerven ist nur unvollständig dokumentiert. Sie unterscheiden sich aber wohl nicht wesentlich von denen in manchen anderen Organen. Einige wurden bereits erwähnt. Diagnostisch von spezieller Bedeutung sind hämorrhagische Diathesen, z. B. Blutungen bei thrombozytopenischer Purpura [17] oder Intoxikationen, z. B. durch Isoniazid (s. dort). Elektronenmikroskopisch sind u. a. Vermehrungen intermediärer Filamente in den Endothelzellen endoneuraler Kapillaren bei verschiedenartigen Erkrankungen nachweisbar, so auch bei Dysglobulinämien [29]. Bemerkenswert und charakteristisch, wenn auch nicht absolut pathognostisch, sind die pleomorphen, laminierten, hexagonalen und anderen Endothelzelleinschlüsse bei der Fabry-Krankheit [13, 20]. Auch bei der Sandhoff-Krankheit lassen sich nach eigenen Beobachtungen charakteristische Endothelzelleinschlüsse nachweisen [29]. Pathognomonisch sind granuläre Ablagerungen an glatten Muskelzellen epineuraler und anderer Gefäße bei CADASIL [31, 32]. Spezifische granuläre Fe-haltige Kerneinschlüsse in Gefäßwandzellen sind bei der Neuroferritinopathie nachweisbar und erlauben ebenfalls eine Diagnose [27].
Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
Neuropathien bei Vaskulitiden Die peripheren Nerven sind besonders gut vaskularisiert; dennoch kann es, wie schon erwähnt, bei Gefäßveränderungen aufgrund einer der bekannten etwa 20 primären und 24 sekundären Vaskulitiden [22] eigenständig oder in Verbindung mit einer Grundkrankheit aus dem Formenkreis der Kollagenosen (Gefäßbindegewebskrankheiten) zu Ausfällen oder Schädigungen von Nervenfasern, selten sogar einmal zu einer Art Infarkt (mit erhaltenem Bindegewebe) kommen [4, 12, 26, 37]. Im peripheren Nerven sind deshalb auch im Experiment Ischämie-ReperfusionsFolgen festzustellen [10]. Relativ häufig sind im Spätstadium perivaskuläre Eisenablagerungen nachweisbar [1].
Der klinische Verdacht auf eine Vaskulitis als Ursache einer Neuropathie bildet im eigenen Krankheitsgut, wie bereits erwähnt, die häufigste Indikation zur Nervenbiopsie. Pro Querschnitt sind im N. suralis außer einer A. nutritia 57 r 16 überwiegend kleinere epineurale Blutgefäße vorhanden, die sich in einer Nervenbiopsie zusätzlich zu den Nervenfasern auswerten lassen, zumal sie größtenteils optimal, nämlich longitudinal orientiert sind.
Umstritten ist die Interpretation spärlicher mononukleärer Zellinfiltrate um kleine epineurale Blutgefäße („Mikrovaskulitis“) im Sinne einer Vaskulitis, wenn diese nicht mit einer „fibrinoiden Nekrose“ verbunden sind. Dann kann als Kriterium für eine „wahrscheinliche Vaskulitis“ das gleichzeitige Vorkommen einer der folgenden Veränderungen gelten: regenerierende bzw. proliferierte kleine Blutgefäße (Abb. 25.1c), eine endoneurale Purpura, ein asymmetrischer Nervenfaserausfall und eine asymmetrische Verteilung akut degenerierender Axone mit Myelin-Ovoiden in Semidünnschnitten [38]. Jedenfalls findet man mit oder ohne typische nekrotisierende Gefäßveränderungen an einem epineuralen Blutgefäß vielfach mononukleäre Infiltrate um einzelne kleinere Gefäße ohne Zeichen einer Nekrose (Abb. 25.1b), möglicherweise auch als Hinweis auf ein nichtflorides Intervallstadium einer chronischen Vaskulitis [29]. Klinik. Als häufige Folge einer Vaskulitis resultiert eine Mononeuropathie oder Mononeuropathia multiplex (Multiplextyp der Neuropathie). Am häufigsten ist eine Neuropathie bei der Panarteriitis nodosa nachweisbar. Asbury u. Johnson [2] haben 11 verschiedene Vaskulitiden zusammengestellt, die mit einer peripheren Neuropathie verbunden sein können: • die Panarteriitis nodosa, • die allergische Granulomatose (Churg-Strauss-Syndrom), • die Hypersensitivitätsangiitis,
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Neuropathien bei Vaskulitiden
• die Vaskulitis bei chronischer rheumatoider Arthritis, – bei systemischem Lupus erythematodes, – bei progressiver systemischer Sklerose, – beim Sjögren-Syndrom und – bei Wegener-Granulomatose; • die kraniale (Riesenzell-)Arteriitis, • die Köhlmeier-Degos-Arteriitis (Papulosis atrophicans maligna) und • die Mikrovaskulitis der Nerven mit Ganglionitis als paraneoplastisches Phänomen bei Karzinomen. Zu dieser Liste lassen sich noch die vaskulitischen Veränderungen • beim neuromuskulären Syndrom als Folge der Einnahme gealterten Rapsöls in Spanien (s. dort), • bei der gemischten Kryoglobulinämie (Abb. 25.1c), bei der es in der Mehrzahl zu einer Neuropathie mit bevorzugtem Befall der kleinen Nervenfasern kommt [7] sowie • beim hypereosinophilen Syndrom nach Einnahme von Tryptophan (s. dort) hinzufügen. Ob es bei den verschiedenartigen Vaskulitiden über eine Ischämie und/oder über immunologische Pathomechanismen zur Nervenfaserschädigung kommt, ist im Einzelfall schwer zu entscheiden. Die Prognose bei den nekrotisierenden Vaskulitiden ist ungünstig. Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug bei 34 langfristig untersuchten Patienten nur 37% [9].
Panarteriitis nodosa Hierbei sind die Arterien des Nervs in 76% der Fälle betroffen, während z. B. die Muskelbiopsie nur in 27% der klinischen Verdachtsfälle einen positiven Befund ergab [29]. In der Regel dominieren Nervenfaserausfälle im Sinne der Waller-Degeneration, ohne Bevorzugung eines bestimmten Fasertyps. Auch kann es zu einem neuromatösen Umbau von Nervenfaszikeln kommen, wahrscheinlich als Folge einer ischämisch bedingten, peripheren elektiven Parenchymnekrose. Klinik. Als charakteristisches klinisches Bild resultiert eine progressive multifokale periphere Neuropathie, die sowohl die motorischen als auch die sensorischen Funktionen umfasst und oft von Schmerzen begleitet wird („Mononeuritis multiplex“). Die Symptome können plötzlich oder allmählich auftreten und sich bilateral aufaddieren, so dass schließlich ein symmetrisches Bild resultiert. Morphologie. Es findet sich eine nekrotisierende Arteriitis der Vasa nervorum, wie sie auch in anderen Körperteilen zu beobachten ist (Abb. 40, S. 831). In der Regel
sind mittelgroße Arterien betroffen; in manchen Schnittebenen finden sich jedoch ausschließlich geringfügige perivaskuläre Zellinfiltrate um kleinere Blutgefäße. Im Endoneurium dominiert eine mehr oder weniger akut verlaufende axonale Degeneration, die Fasern aller Größen betrifft, auch die marklosen Axone [36]. Demyelinisationsherde ohne Verlust von Axonen sollen ebenfalls vorkommen. Eindeutige frische Nerveninfarkte sind jedoch nicht beschrieben worden, wenn man von hämorrhagischen Veränderungen absieht [37]. Wenn die Nervenbiopsie mit einer Muskelbiopsie kombiniert wird, erhöht sich die Treffsicherheit der Diagnose einer „Vaskulitis“ generell um ca. 30–40% und reduziert die Zahl „falsch-negativer“ Biopsien entsprechend (Tabelle 9 bei [29]) [38]. Eine zusätzliche Hautbiopsie ergänzt die diagnostischen Möglichkeiten, speziell durch den Nachweis perivaskulärer Makrophagen bei nichtsystemischer vaskulitischer Neuropathie [35].
Churg-Strauss-Syndrom Hierbei handelt es sich um eine Variante der Panarteriitis nodosa, die 20% der Fälle mit systemischer Vaskulitis ausmacht. Von den 13 ursprünglich von Churg und Strauss [5] mitgeteilten Fällen hatten 9 eine Neuropathie. Das Nervensystem sei in 60% betroffen, meistens in Form einer peripheren Neuropathie [6]. Wichtigstes klinisches Kennzeichen ist die ausgeprägte eosinophile Leukozytose mit Beteiligung der Lungen, mit spät auftretendem Asthma und mit extravaskulären Granulomen. Histopathologisch zu unterscheiden ist im peripheren Nerven eine Form mit Myeloperoxidase-antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (MPOANCA), bei der in 5 von 8 Fällen eine nekrotisierende Vaskulitis mit oder ohne fibrinoider Nekrose der Gefäßwand vorkam, von einer Form ohne MPO-ANCA, bei der in 5 von 14 untersuchten Fällen eosinophile Granulozyten im Epineurium und bei 2 Fällen auch im Endoneurium nachweisbar waren, die bei ANCA-positiven Fällen nicht zu finden waren. So seien zwei Pathomechanismen wirksam: eine ANCA-abhängige fibrinoide Gefäßnekrose und direkte toxische Wirkungen von Eosinophilen im Endoneurium (OKA et al.; ANP, eingereicht 28.09.2010).
Rheumatoide Arthritis Bei dieser Krankheit können die peripheren Nerven in verschiedener Weise betroffen sein (Abb. 25.1). Ein Karpaltunnelsyndrom kann sekundär auf eine Tendosynoviitis und Arthritis der Karpaltunnelknochen zurückzuführen sein; doch kommen auch andere Kompres-
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Kapitel 25
sionsneuropathien aufgrund von Gelenkveränderungen vor. Dazu gehören digitale Mononeuropathien und eine relativ benigne distale sensorische Neuropathie, die vor allem die unteren Extremitäten betrifft. Die stärkste Ausprägung einer Neuropathie findet sich in Form einer progressiven multifokalen Neuropathie, die derjenigen bei der Panarteriitis nodosa ähnelt. Sie ist nicht notwendigerweise mit schweren oder aktiven Gelenkerkrankungen verbunden. Morphologie. Hier gibt es ein Spektrum von Gefäßveränderungen, das von einer akuten nekrotisierenden Vaskulitis bis zu geringen Intimapoliferationen mit Erhaltenbleiben der Elastica interna und partiellem oder vollständigem Verschluss des Gefäßlumens reicht (Abb. 25.1a). Andere Gefäße zeigen eine geringfügige entzündliche Infiltration mit Ablagerung von etwas fibrinoidem Material. In einzelnen Schnitten, zuverlässiger aber in Serienschnitten lassen sich lokalisierte Areale mit Nervenfaserausfällen vor allem im Zentrum der Faszikel nachweisen, die an den größeren Nerven im mittleren Oberschenkelbereich und mittleren Oberarmbereich beginnen und zu einer mehr diffusen Form der axonalen Degeneration weiter distal führt. Als Ursache der Ausfälle wird eine ischämische Schädigung angenommen, die sich an den Grenzgebieten der Blutgefäße (im Bereich der „Wasserscheide“) manifestiert; eindeutige Infarkte sind jedoch nicht festgestellt worden [34].
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Diese Erkrankung kann ebenfalls mit verschiedenen, unterschiedlich ausgeprägten Formen einer peripheren Neuropathie verbunden sein, wenn auch das periphere Nervensystem weniger häufig betroffen ist als bei der rheumatoiden Arthritis. Die häufigste Manifestationsform ist eine progressive multifokale Neuropathie, die auf eine Vaskulitis zurückzuführen ist. Eine symmetrische distale sensorimotorische Neuropathie und eine akute, überwiegend motorische Neuropathie mit Aspekten eines Guillain-Barré-Syndroms sind ebenfalls beschrieben worden, wenn auch die histopathologische Grundlage dafür nicht näher definiert ist [34].
Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
Sjögren-Syndrom Dieses Syndrom umfasst die Kombination einer Keratoconjunctivitis sicca und/oder eine Sklerodermie mit rheumatoider Arthritis, SLE oder anderen Gefäßbindegewebskrankheiten. Dabei kann eine symmetrische sensomotorische oder sensorische Neuropathie auftreten, die mit einer Trigeminus- oder autonomen Neuropathie vergesellschaftet ist. Nervenbiopsien zeigen eine axonale Degeneration und perivaskuläre entzündliche Infiltrate [16]. Bei Fällen mit einer ataktischen sensorischen und autonomen Neuropathie hat die Biopsie von Spinalganglien ergeben, dass Nervenzellen ausfallen und eine Infiltration durch TLymphozyten mit fokaler Anhäufung um Neurone vorliegt [8].
Wegener-Granulomatose Granulome im Respirationstrakt, eine Arteriitis und eine Nephropathie mit anti-Neutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCAs) kennzeichnen diese Krankheit [11]. Die peripheren Nerven können durch Granulome betroffen sein, oder es tritt eine diffuse multifokale Neuropathie auf, ähnlich wie man sie bei der Panarteriitis sieht.
Mucosis fungoides (Szésary-Syndrom) Hierbei finden sich neben perivaskulären mononukleären Infiltraten auch sog. Szésary-Zellen, bei denen es sich um mononukleäre Zellen mit in charakteristischer Weise eingebuchteten, sog. „zerebriformen“ Kernen handelt. Wegen der spezifischen Struktur der T-Zell-Rezeptoren (TCR) lassen sich durch molekulare Identifizierung individuelle T-Zellklone feststellen und diagnostische Tests für diese und andere Erkrankungen herstellen [15].
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Progressive systemische Sklerose
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Bei der Sklerodermie findet sich nur selten eine Neuropathie; doch können fokale oder multifokale Ausfälle auftreten, wobei wiederum die Arteriitis als Ursache in Frage kommt. Als unspezifisches Zeichen einer Angiopathie lassen sich dabei auch Abdissoziationen glatter Muskelzellen nachweisen [30] (Abb. 25.1d).
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Kapitel 25
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Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
Kapitel 26
Tumoren des peripheren Nervensystems
26
J.M. Schröder Neurinome (Schwannome) . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Neurome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Neurofibrome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Perineuriome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Neurofibrosarkome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tumoren des Parasympathicus . . . . . . . . . . . . . . .
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Merkel-Zell-Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Paragangliome
Mesenchymale u. a. Tumoren. . . . . . . . . . . . . . . .
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Chemodektome
Hämangiome, Kavernome
Tumoren des Sympathicus . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hämangioblastome
Sympathicogoniome
Myxome
Neuroblastome
Epidermoide
Gangliozytome
Granularzelltumoren
Ganglioneurome
Zysten und Pseudozysten . . . . . . . . . . . . . . . .
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Phäochromozytome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Karzinoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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ASKIN-Tumoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_26, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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26
Kapitel 26
Tumoren des Nervensystems werden ausführlich in Kap. 18 dargestellt (siehe auch den Band „Kopf-HalsRegion, Weichgewebstumoren, Haut“ in der vorliegenden Serie „Pathologie“, Hrsg. G. Klöppel, H. H. Kreipe, W. Remmele [1]). Eine ausführliche, reichlich mit farbigen lichtmikroskopischen und mit elektronenmikroskopischen Aufnahmen ausgestattete monographische Darstellung ist in der AFIP-Serie erschienen [8]. Genetische Aspekte von Tumoren des Nervensystems sind in einer weiteren Monographie zusammengefasst [4]. Weitere deutschsprachige Darstellungen der Tumoren des peripheren Nervensystems sind auch andernorts verfügbar [5, 9]. Zu den wichtigsten Tumoren der peripheren Nerven gehören die in der Regel gutartigen Neurinome (= Schwannome, Neurilemmome) und Neurofibrome [7], die zur sog. neurofibromatösen Neuropathie führen können [10, 12]. Die Neurofibromatose ist in der Regel autosomal-dominant erblich, gehört zu den mindestens 23 verschiedenen, außerordentlich vielgestaltigen Phakomatosen (s. dort) und kommt in zwei genetisch unterschiedlichen Formen vor: der Neurofibromatose vom Typ I (von-Recklinghausen-Krankheit), die auf Mutationen im NF1-Gen beruht, und der Neurofibromatose vom Typ II, die auf Mutationen im (Tumor-Suppressor-)Gen für das Protein Schwannomin (Synonym: Merlin) zurückzuführen ist s. Kap. 18). In der Peripherie, d. h. in der Haut, entstehen die Merkel-Zell-Tumoren. Als „maligne periphere Nervenscheidentumoren (MPNST)“ werden die malignen Neurinome und die Neurofibrosarkome bezeichnet, die relativ häufig bei der Neurofibromatose aus Neurofibromen hervorgehen. Außerdem können Lymphome, Myelome und Zellen der myeloischen Reihe (granulozytäre Sarkome) [6] und Tumoren der Nachbarschaft auf periphere Nerven übergreifen. Primäre Lymphome in peripheren Nerven sind allerdings sehr selten [11]. Im Übrigen sind Hämangiome, Kavernome, Hämangioblastome, Myxome, Myxofibrome, Epidermoide und Granularzelltumoren zu erwähnen, die primär in peripheren Nerven entstehen können, sowie Tumoren, die auf das periphere Nervensystem übergreifen. Zu den Letzteren gehören auch die Zysten oder Pseudozysten („Ganglien“), die von benachbarten Gelenkkapseln ausgehen und zur operativ schwer behandelbaren „Neuropathia pseudocystica“ führen können [5]. Umschriebene oder diffus wachsende Leiomyome sind seltene gutartige Tumoren sowohl des Epi- als auch des Endoneuriums [2], die von reaktiv proliferierenden perivaskulären glatten Muskelzellen im Epineurium als unspezifisches Zeichen einer Angiopathie unterschieden werden müssen (Abb. 27.2d). Neurome sind demgegenüber auf eine regenerative Aktivität des peripheren Nerven, nicht jedoch auf ein autonomes Wachstum zurückzuführen (s. Kap. 20: Traumatische Nervenschädigungen). Auch die Renaut-Köper,
Tumoren des peripheren Nervensystems
die im Nerven erhebliche Volumina einnehmen können, sind keine Neoplasmen, sondern Folge chronischer Druckwirkungen [13]. Eine fokale Verdickung der peripheren Nerven kann selten einmal auf eine umschriebene Veränderung zurückzuführen sein, die als Perineuriom („lokalisierte hypertrophische Neuropathie“, „hypertrophische Mononeuritis“) bezeichnet wird. Dabei erscheinen hyperplastische Perineuralzellen (wie bei den Zwiebelschalenformationen die Schwann-Zellen) um die markhaltigen oder demyelinisierten oder degenerierten Nervenfasern, aber gelegentlich auch um endoneurale Kapillaren schalenartig proliferiert (Abb. 20.4i). Im Unterschied zu den üblichen Zwiebelschalenformationen bei den sog. hypertrophischen Neuropathien (s. dort) werden die Nervenfasern jedoch, etwas ähnlich den Minifaszikeln im Neurom, komplett von EMA-positiven, S100-negativen Perineuralzellen umhüllt [3]. Dabei liegt im Zentrum eines solchen Kompartments, anders als in den Minifaszikeln, jeweils nur eine einzelne, zumeist in Relation zum Axonkaliber unverhältnismäßig dünn myelinisierte („hypomyelinisierte“) Nervenfaser. Anomalien u. a. im Chromosom 22 und Beziehungen zur Neurofibromatose vom Typ 2 werden diskutiert [7]. Zu den Tumoren des peripheren Nervensystem, wenn auch nicht der peripheren Nerven selbst gehören die Paragangliome oder Chemodektome als Tumoren der parasympathischen Neurone, die Sympathikogoniome, Neuroblastome, Gangliozytome und Ganglioneurome als Tumoren der Neurone des sympathischen Nervensystems, die Phäochromozytome als Tumoren der chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks, die Karzinoide (im Magendarmtrakt) und ASKIN-Tumoren (im Bronchialsystem) als Tumoren des diffusen neuroendokrinen Zellsystems (das Amine aufnehmen und dekarboxylieren kann im „Amine Precursor Uptake and Decarboxylation System“ oder APUD-System).
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Kapitel 27
Paraneoplastische Neuropathien
27
J.M. Schröder Inhalt Karzinomatöse Neuropathien . . . . . . . . . . . . . . .
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Neuropathien bei Dys- und Paraproteinämien . . . . . .
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Neuropathien bei lymphoretikulären Erkrankungen . .
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Benigne monoklonale Paraproteinämien . . . . . . .
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Lymphome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Waldenström-Makroglobulinämie . . . . . . . . . . .
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Leukämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kryoglobulinämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Myelome (Plasmozytome) . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Polycythaemia vera rubra . . . . . . . . . . . . . . . .
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W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_27, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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27
Kapitel 27
Neben einer direkten Invasion der Spinalwurzeln, der großen Nervenplexus oder isolierter peripherer Nerven durch Karzinome gibt es periphere Neuropathien, die paraneoplastisch entstehen, also nicht auf eine direkte Invasion durch maligne Zellen zurückzuführen sind. Diese treten speziell bei Bronchialkarzinomen auf und können unterteilt werden in eine subakute sensorische Neuropathie und seltenere Fälle einer sensomotorischen Neuropathie [28, 66]. Letztere können weiter unterteilt werden in akute, subakute und chronische Formen; rekurrierende Formen sind ebenfalls beobachtet worden. Es handelt sich um symmetrische Polyneuropathien, die in der Regel distal akzentuiert sind. Bei den lymphoretikulären Krankheiten ist oft nicht zu unterscheiden, ob sie paraneoplastisch oder metastatisch bedingt sind. Deshalb werden sie hier und nicht bei den Tumoren beschrieben.
Karzinomatöse Neuropathien Morphologie. Bei der karzinomatösen sensorischen Neuropathie findet sich ein Ausfall von Nervenfasern in den sensorischen Nervenwurzeln sowie in den peripheren Nerven. Dieser Ausfall von Nervenfasern kann in den sensorischen Nerven nahezu komplett sein, während in den gemischten Nerven ein inkompletter Ausfall vorliegt, der auf das Erhaltenbleiben der motorischen Nervenfasern zurückzuführen ist [66]. Die Veränderungen in den Vorderhornzellen des Rückenmarks und in den Vorderwurzeln sind gering. In den Spinalganglien kommt es zu einem ausgeprägten Verlust der Ganglienzellen und zu einer Proliferation von Kapselzellen mit Bildung von Nageotte-Residualknötchen an der Stelle degenerierter Neurone. Perivaskuläre, lymphozytäre Infiltrate kommen in den meisten betroffenen Ganglien vor; diese breiten sich aber nicht auf die Nervenwurzeln aus. Die zervikalen und lumbalen sensorischen Ganglien sind stärker betroffen als die der thorakalen Region. Einzelne Ganglien sind manchmal ausgespart. In den Hintersträngen des Rückenmarks ist eine sekundäre axonale Degeneration nachweisbar. Manchmal sind bevorzugt die großen markhaltigen Nervenfasern peripher und zentral ausgefallen [38]. Eine begleitende entzündliche Infiltration des Zentralnervensystems in Verbindung mit einer karzinomatösen Ganglioradikuloneuritis kann zu einer limbischen Enzephalitis, einer diffusen Enzephalomyelitis oder einer umschriebenen Myelitis führen. Der auslösende Tumor ist in der Regel ein kleinzelliges Bronchialkarzinom. Bei Patienten mit karzinomatöser sensomotorischer Neuropathie besteht die wichtigste Veränderung der peripheren Nerven ebenfalls in einem Verlust an Axonen, wobei gelegentlich eine segmentale Demyelinisation beschrieben worden ist. Entzündliche Infiltrate kommen
Paraneoplastische Neuropathien
gelegentlich vor. In den Spinalganglien sind Ganglienzellen ausgefallen, aber nicht in gleichem Maße wie bei der karzinomatösen sensorischen Neuropathie. Außerdem ist eine Degeneration in den Hintersträngen nachweisbar sowie eine Degeneration von Vorderhornzellen. Pathogenese. Der Pathomechanismus der nicht durch eine direkte Invasion bedingten karzinomatösen Neuropathie ist unklar. Zirkulierende antineurale Antikörper sind bei Patienten mit kleinzelligem Bronchialkarzinom festgestellt worden; sie würden mit Schwann-Zellen und Tumorzellen kreuzreagieren; diese Antikörper sind jedoch nicht eindeutig mit dem Auftreten paraneoplastischer Syndrome korreliert [12–14]. Andererseits haben Graus et al. [11] einen polyklonalen, komplementbindenden Antikörper („Anti-Hu“) festgestellt, der regelmäßig im Serum und im Liquor von Patienten mit kleinzelligen Bronchialkarzinomen und subakuter sensorischer Neuropathie nachzuweisen ist. Dieser reagiert mit einem 35- bis 38-kD-Protein aus dem Gehirn und ist identisch mit einem Antigen im Tumor. Demnach könnte es sich um eine immunologisch ausgelöste sensorische Ganglionitis handeln [7].
Neuropathien bei lymphoretikulären Erkrankungen Lymphome Die peripheren Nerven können bei Lymphomen vor allem über medikamentös-toxische, aber auch über immunologische, paraneoplastische und neoplastische Pathomechanismen betroffen sein [15]. Die Hirnnerven und spinalen Nervenwurzeln werden in der Regel ausgehend von leptomeningealen Lymphommetastasen direkt infiltriert. Gleiches gilt für die Nervenplexus und einzelne periphere Nervenstämme [70]. Seltener sind eine diffuse Infiltration der Nerven im Sinne einer Neurolymphomatose oder eine intravaskuläre Lymphomatose. Die Spinalwurzeln können außerdem durch eine Kompression aufgrund meningealer Ablagerungen oder Wirbelzusammenbrüche geschädigt werden [8, 10, 26, 51, 56, 64]. Darüber hinaus gibt es jedoch wie beim Karzinom eine Reihe nichtmetastatischer Neuropathien, die in eine subakute Neuropathie, eine akute oder chronische rekurrierende demyelinisierende Neuropathie und eine subakute motorische Neuropathie unterteilt werden. Eine subakute sensorische Neuropathie ist nur selten mit einem Lymphom vergesellschaftet, doch ähneln die klinischen und pathologischen Symptome denen der karzinomatösen sensorischen Neuropathie [24, 37, 60]. Bei Patienten mit einem Hodgkin-Lymphom kann entweder eine fokale Infiltration, manchmal in der Art einer nodulären Fasziitis [40], oder eine akute demyelinisierende
Neuropathien bei Dys- und Paraproteinämien
Neuropathie mit klinischen und pathologischen Symptomen wie bei einem Guillain-Barré-Syndrom vorkommen oder eine chronische rekurrierende demyelinisierende Neuropathie. Eine subakute motorische Neuropathie tritt selten, dann aber mit einem charakteristischen klinischen Verlauf in Erscheinung. Autoptisch lässt sich eine neuronale Degeneration der Vorderhornzellen feststellen bei nur geringer Degeneration von Nervenfasern in den Hintersträngen.
Leukämien In der Regel kommt es sowohl bei akuten wie bei chronischen lymphatischen Leukämien zu einer direkten Invasion der Spinalwurzeln oder der peripheren Nerven [62]. Einzelne Fälle ohne eine solche Erklärungsmöglichkeit und mit Symptomen ähnlich einem Guillain-BarréSyndrom sind jedoch mitgeteilt worden.
Myelome (Plasmozytome) Eine Miterkrankung der peripheren Nerven erfolgt wesentlich häufiger bei Myelomen als bei anderen malignen Tumoren und kann in verschiedenen Formen auftreten [30–35, 50, 51]. Einerseits ist eine Kompression der Hirnnerven und der Spinalwurzeln durch ein Plasmozytom oder sekundär als Folge einer Wirbelfraktur, aber auch eine geringe endoneurale Infiltration durch Plasmazellen möglich. Andererseits kann es bei einem Myelom zu einer Amyloidose kommen [52], die zu einer generalisierten Neuropathie oder zur Kompression des N. medianus im Karpaltunnel führt. Eine sensomotorische Neuropathie mit bevorzugter distaler Degeneration von Axonen kann ebenfalls auftreten und ist dann als nichtmetastatische, paraneoplastische Fernwirkung aufzufassen. Eine chronische demyelinisierende Neuropathie, die vorwiegend das motorische Nervensystem betreffen soll, ist manchmal Folge eines osteosklerotischen Myeloms [18, 19]. Hier ist als Ursache einer Neuropathie auch die Waldenström-Makroglobulinämie infolge einer malignen lymphoproliferativen Erkrankung zu nennen (s. unten). Die Kombination eines Plasmozytoms mit einer vorwiegend demyelinisierenden Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, mit vermehrtem monoklonalem (M-) Protein und Haut-(Skin-)veränderungen wird kurz als POEMS oder Crow-Fukase-Syndrom (Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, Pigmentierungsstörung, Anasarka und Dysglobulinämie) bezeichnet [16, 17, 32, 46, 58]. Die Polyneuropathie wird
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auf angiogene Faktoren wie VGF und EPO zurückgeführt [49], die endokrine Funktionsstörung auf Antikörper, die gegen die Hypophyse gerichtet sind. Die meisten derartigen Fälle sind in Japan beobachtet worden.
Polycythaemia vera rubra Diese Erkrankung ist gelegentlich mit einer generalisierten sensomotorischen Neuropathie verbunden [67], die durch Ischämie aufgrund erhöhter Blutviskosität und gestörter Thrombozytenfunktion bedingt sei [42].
Neuropathien bei Dys- und Paraproteinämien Bei Dysproteinämien (Störungen der quantitativen Zusammensetzung der normalen Immunglobuline) und Paraproteinämien (abnorme Immunglobuline bei proliferativen Erkrankungen der Plasmazellen oder B-Zellen sowie bei sog. „benignen monoklonalen Gammopathien“, bei denen zumindest im Stadium der Untersuchung weder ein Myelom noch ein Lymphom nachweisbar ist) kann es zu pathologischen Immunglobulinablagerungen im peripheren Nerven kommen. Die kleineren Immunglobuline IgA (MG 160.000), IgG (MG 140.000) sowie die Leichtketten vom O- und N-Typ (MG 22.000) werden von der normalen Blut-Nerven-Schranke, vermutlich aufgrund eines aktiven Transports durch Pinozytosevesikel, wie er für die Peroxidase (MG 40.000) nachgewiesen worden ist, in geringen Mengen hindurch gelassen, während IgM (MG 900.000) und andere größere Eiweißmoleküle zumindest normalerweise nicht im Endoneurium anzutreffen sind [27]. Unter pathologischen Bedingungen, wenn die Blut-Nerven-Schranke durchlässig wird, dringen u. a. Immunglobuline in das Endoneurium ein, ohne dass man daraus eine Immunopathie ableiten könnte.
Als Regel gilt: Im akuten Stadium ist (vorübergehend) IgM nachweisbar, im chronischen Stadium IgG, IgA, so bei „allergischen“ Krankheiten, einschließlich Thrombangiitis und „Immunvaskulitis“, Urtikaria und Purpura allergica Schoenlein-Henoch.
Bei einer Entzündung wird prinzipiell die gesamte Komplementkaskade aktiviert; doch wird C1a sehr schnell, C3b und C3d mittelschnell und C9 nur sehr langsam abgebaut. Entsprechend ist C1a nur im floriden Stadium der Entzündung, das langlebige C9 aber wie IgG vor allem im chronischen Stadium nachweisbar [27].
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27
Kapitel 27
Die Leichtketten können durch Proteolyse zu kleineren Polypeptidketten abgebaut werden, die sich zu einer EFaltblattstruktur zusammenlegen und Amyloid (s. dort) bilden. Leichtketten können aber auch im Gewebe abgelagert werden, ohne dass sich die färberischen und ultrastrukturellen Eigenschaften des Amyloids entwickeln. Elektronenmikroskopisch sind die Leichtkettenablagerungen durch feine Granula charakterisiert, die zu größeren Haufen aggregieren können, oder sie bilden parallele Fibrillen mit einem Durchmesser von 11–14 nm, so dass sie sich von den 7,5–8,0 nm dicken unverzweigen Amyloidfilamenten unterscheiden.
Benigne monoklonale Paraproteinämien Bestimmte Paraproteinämien, die auch als „monoklonale Gammopathien von unbekannter Signifikanz“ (MGUS) bezeichnet werden, sind in zunehmendem Maße (bei 27–70% der Patienten) als Ursache einer spät auftretenden Polyneuropathie erkannt worden. Sie sind zumeist mit einer IgM-Paraproteinämie verbunden [3, 35], in der Regel aufgrund von N-Leichtketten. Meistens sind Männer betroffen. Klinik. Es entwickelt sich eine chronische distale sensomotorische Neuropathie mit Tremor und Ataxie. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist stark reduziert. Insgesamt 8 von 17 Patienten mit einer IgM-Gammopathie, die über einen Zeitraum von 3–15 Jahren beobachtet worden sind, waren verstorben, wenn auch jeweils nicht an der peripheren Neuropathie selbst [36]. Morphologie. Man sieht einen Ausfall markhaltiger Nervenfasern und Anzeichen für eine chronische Demyelinisation und Remyelinisation mit Zwiebelschalenformationen. Fokale Markscheidenverdickungen ähnlich den Tomacula bei der hereditären Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen sind gelegentlich, wie bereits erwähnt, bei paraproteinämischen Neuropathien festgestellt worden [63], manchmal in größerer Zahl [44],
Abb. 27.1a–d Rekurrierende Polyradikuloneuritis nach dreimaligem Rezidiv (auch schon vor 6 und 2 Jahren) bei einer 32-jährigen Frau. a „Lockeres“ Myelin in der äußeren Schicht der internodalen Markscheide, aber auch in der inneren Schicht der einwärts gestülpten Markschlinge (M). Das Axon ist dünn, jedoch gemessen an der Dichte der Neurofilamente, nicht erkennbar komprimiert (Vergr. 7560:1). b Der Raum zwischen Axon und Markscheide ist stark dilatiert und mit einem feinflockigen plasmaähnlichen Material gefüllt (Sternchen). Das Axon (A) erscheint, auch gemessen an seiner erhöhten Neurofilamentdichte, erheblich geschrumpft; die äußeren Markscheidenlamellen sind „locker“ angeordnet, aber auch ein um-
Paraneoplastische Neuropathien
wobei diese eher auf vermehrte Markschlingen als auf eine echte Intussuszeption durch Hypermyelinisation in Längsrichtung wie bei der tomakulösen Neuropathie (s. dort) zurückzuführen sind (bzgl. elektronenmikroskopischer Befunde s. unten). Pathogenese. Bei bestimmten Fällen konnte eine eindeutige immunhistochemische Reaktivität der Paraproteine mit peripherem Nervenmyelin festgestellt werden. Dabei ist das myelinassoziierte Glykoprotein (MAG) ein Zielantigen [1, 2, 4, 17, 18, 24, 29, 36, 39, 45, 57]. Eine Reaktion der Paraproteine mit anderen peripheren Nervenantigenen ist jedoch ebenfalls möglich. Bemerkenswert ist der Nachweis von Immunglobulinablagerungen speziell über Arealen mit lockerem Myelin. IgM-Ablagerungen am Ranvier-Schnürring sind mit einem multifokalen Leitungsblock in Verbindung gebracht worden [47, 48], IgG-Ablagerungen jedenfalls beim GBS mit nicotinischen Acetylcholin-Rezeptor-Kanälen [22]. Hier wird die Abgrenzung zum GBS problematisch, bei dem auch Immunglobuline bzw. Antikörper von pathogenetischer Bedeutung sind (s. dort). Wegen der in vielen Fällen jedoch ungewissen pathogenetischen Beziehung zwischen der monoklonalen Gammopathie einerseits und der Polyneuropathie andererseits ist das bereits erwähnte Akronym „MGUS“ in Gebrauch [6]. Umso bemerkenswerter sind dann charakteristische sog. immunotaktoide Ablagerungen im Endoneurium einschließlich der Gefäßlumina, die bei einer monoklonalen IgG-N-Gammopathie gefunden worden sind und aus massenhaft mikrotubulären Aggregaten bestehen [31]. Die Demyelinisation sei komplementabhängig [30]. Monoklonale Antikörper, die mit GM1- und GD1BGangliosiden reagieren und zu motorischen Neuropathien bzw. Neuronopathien führen, sind ebenfalls beschrieben worden [41]. Im Experiment lässt sich eine axonale Form des Guillain-Barré-Syndroms durch Sensibilisierung mit GM1-Gangliosiden hervorrufen [68, 69]. Eine demyelinisierende Form der Polyneuropathie kann ebenfalls bei Patienten mit benignen monoklonalen
schriebenes Segment der inneren (Vergr. 5740:1). c Das kompakte Myelin geht an den gekennzeichneten Stellen in „lockeres“ Myelin über (Pfeile). Der Abstand zwischen den Myelinlamellen beträgt im kompakten Bereich 13 nm, im „lockeren“ 26 nm. Die dünneren intraperiodischen Linien (ursprünglich extrazelluläres Mesaxon) sind hier stellenweise um eine Linie vermehrt (im Foto gerade nicht mehr eindeutig erkennbar; Vergr. 29.300:1). d Tomakulöse Neuropathie mit abdominalen Koliken. „Nichtkompaktiertes“ Myelin mit Zytoplasma zwischen den komplex eingefalteten adaxonalen Oberflächenmembranen der Schwann-Zelle (Vergr. 25.200:1)
Neuropathien bei Dys- und Paraproteinämien
a
c
d
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b
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Kapitel 27
IgG-Gammopathien auftreten [5]. Die Symptome ähneln denen der CIDP. Doch die Beziehungen zwischen der Neuropathie und dem Paraprotein sind nicht geklärt. Monoklonale IgG-N-Leichtketten sollen sich auch mit Neurofilamenten verbinden können [33]; allerdings ist bei derartigen immunhistochemischen Untersuchungsergebnissen stets mit unspezifischen Bindungen zu rechnen [53]. Neuropathien bei IgA-Paraproteinen sind seltener [54]. Gelegentlich tritt bei Patienten mit benigner IgGoder mit monoklonaler IgA-Gammopathie das dermatoendokrine Crow-Fukase-Syndrom auf (s. oben).
Paraneoplastische Neuropathien
ähnlich den immunotaktoiden Ablagerungen bei einer MGUS-Neuropathie [31] beobachtet worden sind, wie sie auch in Kryopräzipitaten aus dem Serum nachweisbar sind. Die in Abb. 25e dargestellten Kapillarproliferationen im Epineurium sind offensichtlich kompensatorisch als Folge von Gefäßverschlüssen aufgetreten. Bei einem IgM-N produzierenden Lymphom zeigten die intravaskulären Präzipitate charakteristische Fingerabdruckmuster [43]. Eine Perineuritis kann dabei ebenfalls vorkommen (s. oben).
Literatur Waldenström-Makroglobulinämie Hierbei handelt es sich um den Sonderfall einer chronischen lymphoretikulären proliferativen Erkrankung, die mit zirkulierenden monoklonalen IgM-Paraproteinen verbunden ist. In der Regel ist ein der Erkrankung zugrunde liegendes Lymphom (Plasmozytom) nachweisbar. Dabei kann eine chronische distale sensomotorische Neuropathie mit entweder überwiegend axonaler Degeneration oder segmentaler Demyelinisation auftreten. Im Endoneurium können herdförmige lymphozytäre Infiltrate oder einzelne Plasmazellen vorhanden sein, ebenso Ablagerungen von IgM im Endoneurium, insbesondere über dem Myelin [61], und über dem Perineurium [25]. Elektronenmikroskopisch ist bei einigen Fällen sog. lockeres Myelin mit abnormer Periodizität der vermutlich neugebildeten Markscheidenlamellen durch Verbreiterung der intermediären Linien auf etwas das Doppelte festzustellen [17, 21] (vgl. Abb. 27.1a–c). In den erweiterten Zwischenräumen (an der Stelle des ehemaligen Extrazellulärraums) ist immunelektronenmikroskopisch IgM nachweisbar [23].
Kryoglobulinämien Sowohl bei der essentiellen als auch bei den sekundären Kryoglobulinämien kann eine Neuropathie an den unteren Extremitäten auftreten [20, 55, 65]. Die meisten Patienten haben eine vorwiegend sensorische Neuropathie, wobei die kleinen sensorischen Nervenfasern bevorzugt betroffen sind [9]. Eine Vaskulitis, die die Vasa nervorum betrifft (s. Abb. 25.1c), ist dabei möglicherweise auf Kryoglobulinablagerungen mit Aktivierung von Komplement zurückzuführen. Eine Ischämie der Nerven durch intravaskuläre Kryoglobulinablagerungen ist zu vermuten, da z. B. bei einem Fall mit einem Myelom [59] Ablagerungen dicht gepackter tubulärer Strukturen im Endoneurium, in den Wänden der Vasa nervorum und im Lumen einzelner Gefäße
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Skelettmuskulatur J.M. Schröder
28 Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Gewebsentnahme . . . . 675 29 Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen und allgemeine Reaktionen 685
III 35 Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 36 Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen . . . . . . . . . . . . . . . . 787 37 Entzündliche Myopathien . . . . . . . . . . 793
30 Muskeldystrophien . . . . . . . . . . . . . . 689 38 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 31 Kongenitale Myopathien . . . . . . . . . . . 719 32 Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten . . . . . . . . . 743 33 Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 34 Myoglobinurien, Myositis ossificans, nutritive, toxische und paraneoplastische Myopathien, Amyloidosen . . . . . . . . . 777
39 Erkrankungen der motorischen Endplatten und Muskelspindeln . . . . . . . . . . . . . 813 40 Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 823
Kapitel 28
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Gewebsentnahme
28
Inhalt Normale Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nervöse Versorgung der Muskulatur . . . . . . . . . .
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Faserkaliber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stütz- und Bindegewebe des Muskels . . . . . . . . .
681
Entwicklung der Muskelfasern . . . . . . . . . . . . .
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Technik der Muskelbiopsie . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Feinstruktur normaler Muskelfasern . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die wichtigsten histochemischen Muskelfasertypen .
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Kapitel 28
Normale Muskulatur
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Das Gewicht der quergestreiften Muskulatur macht beim Erwachsenen etwa 40–45% des Körpergewichtes aus, beim Neugeborenen sind es etwa 24%. Beim Menschen lassen sich nicht weniger als 434 Muskeln zählen. Insgesamt soll es etwa 250 Mio. quergestreifte Muskelfasern im menschlichen Körper geben. Jede Muskelfaser ist eine große vielkernige Riesenzelle, deren Länge und Breite innerhalb eines Muskels und von einem Muskel zum anderen erheblich variieren kann. Die längste isolierte Muskelfaser aus dem längsten Muskel des Menschen, einem 52 cm langen M. sartorius, war 34 cm lang [1]. Die spindelförmige Gestalt der meisten Muskeln ist einerseits durch die Form der Einzelfasern und andererseits durch eine größere Zahl von Muskelfasern im Muskelbauch bedingt, während an den Muskelenden weniger Muskelfasern vorhanden sind. Am Sehnenende eines Muskels geht die einzelne Muskelfaser in eine Sehnenfibrille über, die sich mit den Fibrillen anderer Muskelfasern zur Bildung der Sehne vereinigt.
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
Für die spezielle Muskeldiagnostik ist eine genaue Kenntnis des Faserkaliberspektrums eines jeden untersuchten Muskels erforderlich [11, 15, 16, 23].
Ohne Kenntnis des Entnahmeorts und ohne Bestimmung der Muskelfaserkaliber kann man sich in der Muskeldiagnostik grob irren.
Entwicklung der Muskelfasern
Das Muskelfaserkaliber hängt von der Art des untersuchten Muskels, dem Trainingszustand, dem Alter und Geschlecht des Patienten sowie von der Untersuchungstechnik ab (Abb. 28.1). In der Regel gelten Fasern mit einem Kaliber unter 20 μm als atrophisch; doch kommen derartig dünne Muskelfasern normalerweise bereits in den äußeren Augenmuskeln sowie überall in den Muskelspindeln vor (Literatur s. [29]). Im M. masseter sind die Typ-2-Fasern im Mittel nur 17,9 μm dick, die Typ-1-Fasern aber 33,2 μm [23]. Als hypertrophisch müssen andererseits z. B. im M. quadriceps Fasern mit einem Durchmesser von über 80 μm gelten. Zur Bestimmung einer Atrophie oder Hypertrophie von Muskelfasern sind in der Diagnostik Okularmikrometer unerlässlich; Muskelfaserhistogramme (Faserkaliberspektren; s. Abb. 28.1a,c,d) aufgrund von Mikrofotografien oder automatischen Auswertungsverfahren sind im unteren Bereich oft unzuverlässig.
Schon bei den niederen Wirbeltieren (Zyklostomen und Fischen) muss man bei der Körpermuskulatur zwischen einer Stammmuskulatur für Rumpf und Extremitäten und einer viszeralen Muskulatur für den Kopf und die Kiemenregion unterscheiden [6]. Aus dem nichtsegmentierten Mesoderm entstehen die quergestreiften Muskeln des Kopfes, des Halses einschließlich der Halseingeweide, des Beckenausgangs und der Haut (sowie der Herzmuskulatur und aller glatten Muskelzellen, mit Ausnahme der Irismuskeln und der myoepithelialen Elemente der Schweißdrüsen, die ektodermalen Ursprungs sind). In den ersten Wochen des Embryonallebens bestehen die Zellhaufen, aus denen sich die Myotome entwickeln, aus eng liegenden Zellen von spindelförmiger Gestalt. Mit fortschreitender Entwicklung können 2 Zelltypen unterschieden werden: Der eine Typ nimmt die Gestalt sich teilender Bindegewebszellen an, der andere Typ zeigt die stärker granulierten Kerne der primitiven Muskelzellen. Letztere werden Myoblasten genannt und vermehren sich durch mitotische Teilung. In der 7.–9. Woche verlängern sich die Zellen und werden vielkernig (Myozyten). Dabei entstehen die Myozyten durch Fusion von Myoblasten. In der 9. Woche bilden sich in der Peripherie der Myozyten die ersten Myofibrillen, d. h., die Myozyten werden zu Myotuben, deren Kerne zentral liegen. Schließlich entwickeln sich die Muskelfasern mit vollständig ausgebildeter Querstreifung und Kernen, die an der Peripherie unter dem Sarkolemm angeordnet sind. Als wichtige Regenerationsreserve bleiben unter der Basallamina der Muskelfasern sog. Satellitenzellen liegen, die undifferenzierten Vorstufen von Myoblasten entsprechen. Diese Satellitenzellen können unter pathologischen
Abb. 28.1a–d Muskelfaserkaliberspektren. a Kaliberspektren im M. quadriceps von infantilen Kontrollfällen. b Mittlere Muskelfaserkaliber in Kryostatschnitten während der Entwicklung; weiße Kreise: Typ-1-Fasern, schwarze Kreise: Typ-2-Fasern (nach Dubowitz u. Brooke 1973). c Kaliberspektren zu Fällen mit Muskeldystrophien und d zu Fällen mit „Central-core-“ und „Multicore-Krankheiten“ sowie mit kongenitaler Fasertypendisproportion (nach [29]). Das
Alter in Wochen (W) oder Jahren (J), Geschlecht, Zahl (n) der gemessenen Typ-1- (oben) und Typ-2-Fasern (unten), das mittlere Faserkaliber (x) beider Fasertypen, die Zahl der untersuchten Fälle (F) und das zahlenmäßige Verhältnis von Typ-2- zu Typ-1-Fasern pro Areal (eingekreist) sind in den einzelnen Abbildungen angegeben. Beckers Typ A ist identisch mit der Duchenne-Muskeldystrophie
Faserkaliber
Normale Muskulatur
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a
c
b
d
Normalwerte für die mittleren Faserdurchmesser Becker‘s Typ A Central Core Multicore Fasertypendisproportion
Becker‘s Typ B facioscapulohumerale MD
678
28
Kapitel 28
Bedingungen proliferieren und Myoblasten bilden, die wiederum analog den Verhältnissen während der Entwicklung zu Myozyten fusionieren und zur weiteren Entwicklung in Myotuben und Muskelfasern führen können. Zum Zeitpunkt der Geburt zeigen die Typ-1- und -2Fasern im M. vastus lateralis mittlere Kaliber von 12– 13 μm im Kryostatschnitt [11] (s. Abb. 28.1b).
Feinstruktur normaler Muskelfasern Die Muskelfasern sind vielkernige Riesenzellen, die neben den zellüblichen Organellen, wie Kernen, GolgiKomplexen, Lysosomen, Peroxisomen, Mitochondrien, Lipidtropfen, Glykogengranula und Mikrotubuli, andere, spezifisch differenzierte Zellbestandteile enthalten (Literatur s. [9] u. a.; Abb. 28.2). Den im Folgenden kursiv gedruckten darunter sind bereits bestimmte Myopathien aufgrund von Mutationen der sie kodierenden Gene zugeordnet (siehe die jeweiligen Kapitel): • die charakteristischen quergestreiften Myofibrillen mit den Komponenten – Myosin (Myosin I, II, V, VII) sowie Aktin, – dem Troponin/Tropomyosin-(Tn/Tm-)Komplex, – den Sarkomer-assoziierten Proteinen: α-Actinin, Desmin, Plectin, Telethonin, Myotilin, Filamin C, Cofilin 2, Selenoprotein N2, Bag3, CapZ, ZASP, MLP, Xin, Mink, Titin, Nebulin, C-Protein, Obscurin, Myopodin, Myopalladin, Tripodin and „muscle specific RING finger (MURF) proteins“ [5, 14], – den Hitzeschockproteinen (HSPs) einschließlich αBCrystallin und • zwei verschiedene Membransysteme: – das mit dem Sarkolemm in direkter Verbindung stehende transversale tubuläre System (T-System), – das sarkoplasmatische Retikulum (SR; longitudinales oder L-System). Die beiden Membransysteme stehen im Bereich der Triaden miteinander in Kontakt. Hier sind junktionale Proteine (Triadenproteine) wie Junctophiline, Triadin, Mitsugumine und Calumin lokalisiert; sie sind für die Exzitationskontraktionskopplung von Bedeutung (Literatur s. [22, 35]). Das sarkoplasmatische Retikulum zeigt eine faserspezifische Organisation [28]: Langsame Fasern (Typ 1; s. unten) exprimieren die Ca2+-abhängige „langsame“ ATPase SERCA2 und die schnellen, mitochondrienarmen, weißen Fasern (Typ 2) die „schnelle“ SERCA1. Letztere haben ein stärker entwickeltes SR mit einer ca. 6- bis 7-mal höheren Expression von SERCA1, Calmodulinkinase II (CaMKII) und RyR1. Natrium-, Kalium-, Kalzium- und Chloridkanäle sind im Sarkolemm und dem damit verbundenen T-System lokalisiert und entscheidend an der Erregungsausbreitung beteiligt.
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
Mit dem Sarkolemm verbunden sind die Komponenten des Dystrophin-Glykoprotein-Komplexes (Sarkoglycan-Komplex) [21] und assoziierte extramyofibrilläre Proteine: • Dystrophin, α- und β-Dystroglycan, α-, β-, γ- und δSarcoglycan, wobei α-Sarcoglycan identisch ist mit Adhalin, das von dem arabischen Wort Adhal für Muskel abgeleitet ist [10]; • Integrine, Lektine und Caveolin [19], wobei diese mit den Lamininen in der Basallamina verbunden sind und α2-Laminin dem Merosin entspricht [36]; Weitere Proteine sind dem Ubiquitin-Proteasom-System zugeordnet. In quergestreiften Muskelfasern sind Proteasomen (26S) und Prosomen (20S-Proteasomen) mit der Sarkomerorganisation verbunden und dienen u. a. dem konstitutiven Umsatz kontraktiler Proteine des AktinMyosin-Komplexes [12]. Das lösliche Enzym Calpain 3 (kalziumaktivierte neutrale Protease, CANP3) gehört ebenfalls zur Familie der nichtlysosomalen Cysteinproteasen, denen auch Ubiquitin sowie das l- und m-Calpain (jetzt Calpain-1 und -2 genannt) zugeordnet werden. Mutationen des Calpain-3Gens (CANP3) können zum Typ 2A der Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp führen (s. Kap. 33). Calpain sowie sein Inhibitorprotein Calpstatin bindet in Höhe des Z-Bandes spezifisch an Titin [31]. Ihm wird auch eine Bedeutung bei der Auflösung der Muskelsteifheit Rigor mortis zugesprochen [26]. Sarkoplasma und Organellen sind an der Oberfläche von einer feinen Plasmamembran, dem Sarkolemm, umhüllt, das von einer Basalmembran (besser: Basallamina) an der Außenseite bedeckt ist. Ursprünglich umfasste der Begriff „Sarkolemm“ 4 Schichten: das Plasmalemm, die Basalmembran, ein 30 nm breites feines Flechtwerk von Kollagenfibrillen und eine äußere Schicht feiner Filamente variabler Dicke. Das T-System steht mit den Terminalzisternen des sarkoplasmatischen Retikulums an der Stelle der Triaden in Höhe der A-I-Band-Grenze in einer Art synaptischem Kontakt. Auf diese Weise kann es bei einer Erregung der Muskelfasermembran über das T-System zu einer annähernd synchronen Anregung des sarkoplasmatischen Retikulums mit Abgabe von Kalziumionen im Bereich der Terminalzisternen und damit zur annähernd simultanen Auslösung des Kontraktionsmechanismus über den gesamten Muskelfaserquerschnitt kommen. Die Erschlaffungsphase wird durch die Rückresorption der Kalziumionen in die longitudinale Komponente des sarkoplasmatischen Retikulums eingeleitet. Nach dem klassischen Filamentgleitmechanismus ist der Kontraktionszyklus charakterisiert durch Ca2+-Freisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum, das als Speicherorganell für Kalzium dient mit einer gegenüber dem Sarkoplasma ca. 1000-mal höheren Konzentration (1 mM gegenüber 1 μM), vermittelt über Calsequestrin
Normale Muskulatur
Abb. 28.2 Diagramm der wichtigsten intermediären Filamente und Zytoskelettproteine, die die extrazelluläre Matrix mit den strukturellen Muskelproteinen verbinden und aufgrund von Mutationen zu Myopathien der Skelett- und Herzmuskulatur führen können. Die Z-Bänder halten die Aktinfilamente zusammen und sind von entscheidender Bedeutung für die Übertragung der Spannung entlang den Myofibrillen. Die Desminfilamente sind 10 nm dünne intermediäre Filamente und umhüllen die Z-Bänder; sie sind mit ihnen und untereinander durch Plektinfilamente verbunden. Desmin bindet die benachbarten Myofibrillen aneinander und an das Sarkolemm
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sowie an die Kerne (zusammen mit den Proteinen, die den intermediären Filamenten assoziiert sind). Das Hitzeschockprotein αB-Crystallin schützt als Chaperon die Desminfilamente vor stressinduzierten Schädigungen. Mutationen von Desmin, αB-Crystallin und Plektin verursachen eine erhöhte Fragilität der Myofibrillen und führen bei repetitiver mechanischer Beanspruchung zu ihrer Zerstörung. Auch Mutationen der anderen Proteine (Dystrophin, Aktin, Sarcoglycankomplex, Kernprotein Emerin und intermediäre Kernfilamente Lamin A und C sowie Caveolin und Laminin 2 oder Merosin) führen zu Myopathien. (Mod. nach [6a])
Laminin-2 Dystroglycan Komplex Caveolin Filamen C Myotilin Dystrobrevin Syncoilin Syntrophins Zasp Bag3 Myosin Actin Desmin a-Actin Plectin αB-Crystallin Emerin Lamin A und C
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Kapitel 28
und die anschließende Ca2+-Bindung an den TroponinTropomyosin-(Tn/Tm-)Komplex. Dieser Prozess führt zur Entfernung des Tn/Tm-Komplexes vom Aktin (Entkopplung). Danach erfolgt ein vierschrittiger Kontraktionszyklus [33]: 1. ATP-Hydrolyse am Myosinkopf (Energieaufladung); 2. Verknüpfung von Aktin und Myosin (Querbrückenbindung); 3. Drehung der Querbrücken unter ADP-Freisetzung („Kraftschlag“), wobei das Myosinfilament am Aktinfilament in Richtung Z-Scheibe entlang gleitet (Sarkomerverkürzung von ca. 2,2 μm auf 1,8 μm des Z-zu-ZAbstandes); 4. Schritt: Die Querbrücken verbleiben am Aktin, bis erneut eine ATP-Bindung erfolgt (Ablösung). Eine Übersicht über Kontraktionsmodelle und die Sarkomerdynamik findet sich u. a. bei Telley [32].
Die wichtigsten histochemischen Muskelfasertypen Im Allgemeinen wird die myofibrilläre ATPase-Reaktion im Säugermuskel als das wichtigste und konstanteste histochemische Unterscheidungsmerkmal der enzymhistochemischen Muskelfasertypen angesehen, wobei die Kontraktionsgeschwindigkeit einer Muskelfaser und die Aktivität ihrer myofibrillären Adenosintriphosphatase (ATPase) direkt miteinander korrelieren: In schnellen Muskelfasern ist die ATPase dreimal so aktiv wie in langsamen; außerdem ist sie in schnellen Zuckungsfasern alkalistabil und säurelabil, während sie in langsamen Muskelfasern umgekehrt säurestabil und alkalilabil ist. Viele Säugermuskeln sind zusammengesetzt aus einer mosaikartigen Mischung dieser beiden Haupttypen von Muskelfasern. Fasern mit säurestabiler Aktomyosin-ATPase überwiegen in langsamen Muskeln, während diejenigen mit alkalistabiler ATPase in schnellen Muskeln dominieren. Die extrafusalen Muskelfasern (außerhalb der Muskelspindeln gelegen) besitzen über die gesamte Länge der Fasern nur eine einzige Form des Enzyms, während intrafusale Muskelfasern in verschiedenen Abschnitten jeweils eine andere Aktomyosin-ATPase enthalten können. Durch bestimmte Puffer kann man eine „Umkehr der ATPase-Reaktion“ in den Muskelfasern (die routinemäßig bei pH 9,4 durchgeführt wird) erreichen, indem man den pH-Wert auf 4,6 und 4,2 einstellt bzw. die Kryostatschnitte in einer entsprechenden Pufferlösung präinkubiert. Die Muskelfasern lassen sich danach relativ leicht und zuverlässig in die Typen 1, 2A, 2B und 2C einteilen [4]. • Die Typ-1-Fasern mit säurestabiler ATPase-Reaktion (starke Reaktion bei pH 4,2, schwache Reaktion bei
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
pH 9,4) zeigen eine starke Nukleotidadenin-Dinukleotid-Tetrazolium-Reduktase- und Succinatdehydrogenase-Reaktion (d. h. eine starke oxidative Aktivität), aber eine geringe α-Glyzerophosphat-, PAS- und Phosphorylase-Reaktion (d. h. eine geringe glykolytische Aktivität). • Die Typ-2A-Fasern weisen dagegen eine starke ATPase-Reaktion bei pH 9,4, schwache oxidative Reaktionen, aber starke glykolytische Aktivitäten auf. • Für die Typ-2B-Fasern gilt das Gleiche; doch zeigen sie im Gegensatz zu den Typ-2A-Fasern nach Präinkubation bei pH 4,6 noch eine relativ starke ATPase-Reaktion. Erst nach Präinkubation im stark sauren Bereich, d. h. bei pH 4,2, zeigen sowohl Typ-2A- als auch Typ2B-Fasern eine annähernd gleich schwache Reaktion. Ihre ATPase ist also im stark sauren Bereich instabil. • Die Typ-2C-Fasern sind intermediäre, noch undifferenzierte, d. h. unreife oder unausgereifte reinnervierte Muskelfasern, die sowohl bei pH 9,4 als auch nach Präinkubation bei pH 4,6 und pH 4,2 eine relativ starke Reaktion zeigen. Zu unterscheiden sind die Muskelfasern auch mit Hilfe der immunhistochemisch nachweisbaren schweren Myosinketten („myosin heavy chain“, MyHC), wobei Fasern mit nur einem Myosintyp (MyHC-I, MyHC-fetal oder MyHC-kardial α) und solche mit verschiedenen Myosintypen („hybride“ Fasern) z. B. in der daraufhin analysierten Kaumuskulatur zu differenzieren sind [18]. Die TypI-Fasern sind hier normalerweise größer als die Typ-IIFasern (so dass man hier nicht einfach eine selektive Typ2-Muskelfaseratrophie diagnostizieren darf, vgl. Tabelle 34.2). Außerdem sind hier wie in vielen anderen Muskeln intramuskuläre Unterschiede der Faserzusammensetzung zu berücksichtigen. Durch eine komplizierte immunhistochemische Doppelfärbung gleichzeitig mit Antikörpern gegen die langsame Myosin-Isoform (MyHC I, kodiert durch das MYH7-Gen) sowie gegen die rasche Myosin-Isoform (MyHC IIA, kodiert durch das MYH2-Gen) lassen sich die genannten Fasertypen • 1 (MyHC I, langsam, oxidativ; braun-gefärbt), • 2A (MyHC IIA, schnell, aerob; rot-gefärbt), • 2B (MyHC IIX, kodiert durch das MYH1-Gen; ultraschnell, glykolytisch; blass-blau bzw. ungefärbt) und • 2C (MyHC I und IIA, also „hybrid“; rot-braun gefärbt) noch sicherer unterscheiden als mit der konventionellen ATPase-Technik [25]. Nach einer De- und Reinnervation oder De- und Regeneration vermischen sich die MyosinTypen. Mutationen des MYH7-Gens verursachen sowohl Herz- als auch Skelettmuskelkrankheiten oder beides zugleich, weil MyHC I sowohl im Herz- als auch Skelettmuskel vorkommt (s. Kap. 34). Demgegenüber manifes-
Normale Muskulatur
tieren sich Mutationen des MYH2-Gens nur als Skelettmuskelkrankheit, da MyHC IIA nur im Skelettmuskel vorhanden ist. Eine Myopathie aufgrund von Mutationen im MYH1-Gen für die MyHC IIX-Isoform ist bisher noch nicht beschrieben worden. Bemerkenswert sind einzelne rasche Fasern mit starker oxidativer und glykolytischer Aktivität (histochemische „Superfasern“).
Generell gilt, dass Zuckungsgeschwindigkeit und Ausdauer einer Muskelfaser im Prinzip unabhängige Variable sind, die weitgehend durch die Aktivität der Motoneurone determiniert werden. Der Myosintyp wird außerdem durch unterschiedlich lange Kontraktionsstrecken bestimmt [17].
Nervöse Versorgung der Muskulatur Die alphamotorischen Nervenfasern verzweigen sich innerhalb eines Muskels vielfältig, bevor sie die einzelnen Muskelfasern innervieren. In der äußeren Augenmuskulatur versorgt jeweils eine motorische Nervenfaser nur etwa 2 tonische und 36 Zuckungsfasern, während dieses Verhältnis im M. triceps surae etwa 1:2000 betragen soll, wenn man die Zahl der Nervenfasern mit der Zahl der Muskelfasern in Beziehung setzt. Während die alphamotorischen Nervenfasern, die die extrafusalen Muskelfasern versorgen und zur eigentlichen Kontraktion des Muskels führen, bei der Katze nur etwa 19% der gesamten somatischen Nervenversorgung eines Muskels ausmachen, erhalten die Rezeptoren (Muskelspindeln, GolgiRezeptoren, Pacini-Körperchen und andere sensorische Endorgane) einen wesentlich größeren Teil an Nervenfasern eines „motorischen“ Nervs. Außerdem gibt es marklose vegetative und sensorische Axone (Schmerzund Temperaturfasern), die als freie Nervenendigungen unter anderem an den Muskelgefäßen sowie im Fett- und Bindegewebe enden [2, 3]. Die motorischen Nervenendigungen sind an den langsamen Zuckungsfasern weniger komplex und differenziert strukturiert als an den raschen Zuckungsfasern [38]. Molekularbiologisch sind an der motorischen Endplatte von Bedeutung: • der Acetylcholinrezeptor (AchR), • die muskelspezifische Rezeptortyrosinkinase (MuSK); • Agrin [20], das zur extrazellulären Matrix hin orientiert ist, die Entwicklung der neuromuskulären Endplatte kontrolliert und die Anreicherung des AChRs in der Muskelfasermembran unter der Nervenendigung bestimmt, • Rapsyn [13], das auf der zytoplasmatischen Seite der postsynaptischen Membran mit dem Rezeptor assozi-
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iert ist und für die Anreicherung des AChRs an der neuromuskulären Endplatte essentiell ist, • β-Dystroglycan, Utrophin und der Syntrophinkomplex [37], • Dystrobrevin, das mit Syntrophin und Dystrophin verbunden und an der Bildung und Erhaltung der neuromuskulären Endplatte beteiligt ist [27] und • Laminin β2. Auf 50–75 μm dicken Kryostatschnitten lässt sich die terminale Aufzweigung der motorischen Axone bestimmen. Demnach zeigen nur etwa 10% der subterminalen Nervenfasern Aufzweigungen; die meisten der terminal verzweigten Nervenfasern innervieren 2 Muskelfasern, nur wenige 3 oder gar 4. Unter pathologischen Bedingungen kann sich diese terminale Innervationsrelation (TIR) aber verändern. Die Muskelspindeln enthalten prinzipiell 2 unterschiedlich differenzierte, dünne, „intrafusale“ Muskelfasern, die von einer perineuriumähnlichen Kapsel umgeben werden und mit 3 verschiedenen, spezifisch differenzierten motorischen und 2 verschiedenen sensorischen Nervenendigungen in komplexer Verbindung stehen [2]. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Kernkettenund den Kernhaufenfasern beträgt beim Menschen 0–10 zu 1–4 (Durchmesser: 11–14 bzw. 21–28 μm). Die motorischen Nervenfasern, die die intrafusalen Muskelfasern innervieren, werden als gammamotorische Fasern bezeichnet; die wenigen Nervenfasern, die sowohl intra- als auch extrafusale Muskelfasern versorgen, als betamotorische.
Stütz- und Bindegewebe des Muskels Jede Muskelfaser wird von einer bindegewebigen Hülle umgeben, die die einzelnen Fasern in Bündeln (Faszikeln) bis zu mehreren hundert Fasern zusammenfasst. Mehrere dieser Bündel vereinigen sich und bilden die sekundären und tertiären Faszikel. Die bindegewebige Hülle des Muskels wird Epimysium genannt. Von ihm aus ziehen Ausläufer zwischen die primären, sekundären und tertiären Faszikel. Sie bilden das Perimysium und bestehen aus unterschiedlichen Mengen von kollagenem, retikulärem und elastischem Bindegewebe, zusammen mit Fettzellen. Die Blut- und Lymphgefäße sowie die Nervenfaszikel liegen in dieser bindegewebigen Scheide. Ein feines Netz von Bindegewebsfasern umhüllt schließlich jede einzelne Muskelfaser. In diesem, dem Endomysium, liegen Kapillaren, Nervenfasern, Fibroblasten, Histiozyten und Mastzellen.
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Kapitel 28
Technik der Muskelbiopsie
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Entscheidend für die Fortschritte der Myopathologie sind vor allem adäquate muskelbioptische Untersuchungsmethoden gewesen, so dass an dieser Stelle ein Hinweis auf die optimale, in der Regel unerlässliche, lege artis erforderliche Biopsietechnik und Präparation [2a, 29] angezeigt erscheint.
Bei der Auswahl des Muskels für die Biopsie sollte man vermeiden, Gewebe aus hochgradig paretischen oder atrophischen Muskelgruppen zu entnehmen, da hier möglicherweise nur finale, uncharakteristische Befunde zu erheben sind. Das Muskelgewebe kann vollständig durch Fett- oder Bindegewebe ersetzt sein. Andererseits ist es unzweckmäßig, einen Muskel zu untersuchen, der klinisch nicht betroffen erscheint. Für eine Biopsie ist deshalb am besten ein Muskel geeignet, der leichte bis mittelschwere klinische Symptome aufweist (Schwäche, Schmerzen, Atrophie, Hypertrophie, Schwellung u. a.). Am häufigsten werden bei proximaler Prozesslokalisation die Mm. quadriceps femoris, biceps brachii und deltoideus für eine Biopsie in Frage kommen, bei distalen Prozessen die Mm. tibialis anterior, gastrocnemius und peroneus. Letzterer eignet sich auch für die Untersuchung zusammen mit dem rein sensorischen N. suralis (kombinierte Nerv-Muskelbiopsie) [30, 34]. Hinsichtlich der chirurgischen Technik empfiehlt es sich, in Lokalanästhesie zu operieren, dabei aber den Muskel nicht im Exzisionsbereich selbst, sondern in dessen Umgebung mit dem Lokalanästhetikum zu infiltrieren. Der Hautschnitt über dem Muskelbauch muss etwa 3–5 cm lang und parallel zum Muskelfaserverlauf ausgerichtet sein. • Erstens wird für Semidünnschnitte und elektronenmikroskopische Untersuchungen nach der Inzision der Faszie ein schmales Muskelfaserbündel von etwa 2,5 cm Länge und einem Durchmesser von ca. 0,5 cm stumpf an den Längsseiten isoliert und mit 2 Fäden im Abstand von 2 cm so umstochen, dass die Fäden das Bündel umfassen und so eine optimale Orientierung des Muskelgewebes dazwischen gewährleisten. Dieses wird an einem aufgelegten sterilen, etwa 3 cm langen und 2 mm dicken Holzstäbchen (z. B. dem rückwärtigen Ende eines Wattestäbchens) durch 2 Ligaturen befestigt und unter größter Schonung des Muskelgewebes (d. h. unter Vermeidung von Traumatisierungen des mittleren Abschnittes) entnommen. Vor der anschließenden Fixation sollte der entnommene Muskelstreifen leicht gestreckt werden, indem man die beiden Ligaturen in Richtung des jeweiligen Stabendes leicht auseinander zieht. Dadurch werden die Sarko-
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
mere gestreckt, so dass die feinstrukturelle Beurteilung erleichtert wird. Anschließend wird dieser Gewebeteil für die Semidünnschnitt- und elektronenmikroskopische Untersuchung sofort in gepuffertem Glutaraldehyd (z. B. 6%ig mit 0,1-molarem Phosphatpuffer nach Sørensen) fixiert. • Zweitens wird ein etwa 2×0,5×0,5 cm großes Gewebsstück exzidiert und für die Paraffineinbettung in 4%igem neutralem Formaldehyd fixiert (für die Übersicht und zur Feststellung fokaler entzündlicher Veränderungen besonders wichtig). • Drittens ist ein Muskelabschnitt, der bei Erwachsenen mindestens 1 cm3 groß sein sollte, für histochemische, biochemische und molekulargenetische Untersuchungen zu entnehmen, der aber nicht fixiert werden darf, sondern sofort bzw. spätestens innerhalb von ca. 30 min in flüssigem Stickstoff tiefgefroren werden muss. Dieser Muskelabschnitt kann anschließend zusammen mit reichlich Trockeneis (es sind ca. 5 kg pro Tag Aufbewahrungs- bzw. Transportzeit in einer Styroporbox erforderlich) an entsprechend eingerichtete Speziallaboratorien zur weiteren enzym- und immunhistochemischen, biochemischen und molekulargenetischen Untersuchung weitergeleitet bzw. versandt werden. Einzelne Enzyme reagieren auch ohne Tieffrieren, aber Kühlung oberhalb des Gefrierpunktes, noch bis etwa 24 h nach der Entnahme (z. B. die myofibrilläre ATPase nach Präinkubation bei pH 4,2). Die Acetylcholinesterase ist resistenter und sogar noch an Moorleichen nachgewiesen worden.
Langsames Einfrieren auf Trockeneis etc. oder eine Unterbrechung der Kühlkette führt zu groben Artefakten durch Eiskristallbildung („Vakuolen“) in den Muskelfasern und ist daher kontraindiziert.
Nadelbiopsien haben den Vorteil, dass sie perkutan ausgeführt werden können [7, 24], doch besteht die Gefahr, dass fokale Veränderungen, z. B. bei myositischen Prozessen, übersehen werden und dass relativ mehr Exzisionsartefakte auftreten. Bei Verlaufsstudien können sie die Belastung des Patienten durch eine offene Biopsie vermeiden helfen und von Nutzen sein. Die Präparation motorischer Endplatten erfordert eine Darstellung der motorischen Innervationszone jeweils im Muskelbauch durch elektrophysiologische Reizung und Feststellung des initialen Kontraktionsbereichs („Motor-point“-Biopsie z. B. der Interkostalmuskulatur, s. [8]).
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Kapitel 29
Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen und allgemeine Reaktionen
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J.M. Schröder Inhalt Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Spezifische Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Allgemeinpathologische Reaktionen . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 29
Die Diagnostik der Skelettmuskelerkrankungen hat schon in den Jahren 1970–1990 außerordentliche Fortschritte erfahren, die vor allem auf die Entwicklung neuer Methoden in der Histochemie, Immunhistochemie, Zytochemie, Biochemie und Elektronenmikroskopie beruhten. Seit etwa 1987 sind durch die Entwicklung und relativ leichte Verfügbarkeit molekularbiologischer, insbesondere molekulargenetischer Methoden – Western Blot, Southern Blot, Northern Blot, Polymerasekettenreaktion (PCR) mit anschließender automatisierter DNA-Sequenzierung – grundlegende Kenntnisse zur Vererbung und Pathogenese hinzugekommen, die heute unerlässlich für eine differenzierte Diagnostik der hereditären neuromuskulären Krankheiten sind (s. unten).
Klassifikation Die von einer internationalen Forschergruppe unter der Federführung von Lord Walton erstellte Klassifikation sämtlicher bekannter neuromuskulärer Krankheiten umfasste seinerzeit mehr als 809 Erkrankungen oder Schädigungsformen, bei denen die Skelettmuskulatur primär oder sekundär betroffen ist, darunter 347 eigenständige Muskelerkrankungen [8]. Inzwischen sind allein unter den nukleär vererbten monogenen neuromuskulären Krankheiten 495 Positionen aufgrund von Mutationen in 272 Genen erfasst (Kaplan 2010 [6a], erweitert und jeweils aktualisiert in http://www.musclegenetable.org), von denen hier die wiedergegeben sind, die primär die Skelettmuskulatur (Tabellen 30.1, 31.1, 31.2, 32.1, 33.1), die neuromuskulären Endplatten (Tabelle 39.2) und die Spinalnerven (spinale Muskelatrophien; Tabelle 40.1) betreffen. Die hereditären Kardiomyopathien, bei denen die Skelettmuskulatur oft mitbetroffen ist, sind hier nicht näher aufgeführt, ebenso wenig die hereditären Ataxien und Paraplegien, bei denen die Skelettmuskulatur z. T. nur indirekt in Mitleidenschaft gezogen ist. Die derzeit definierten 61 hereditären peripheren Neuropathien werden im Kap. 23 beschrieben. Die bekannten genetischen Einzelheiten zu den mitochondrial-maternal und nukleär vererbten hereditären mitochondrialen Krankheiten haben seit der ersten Auflage dieses Bandes eine solche Komplexität erreicht, dass sie sich vollständig und aktuell nur noch mit Methoden der digitalen Datenverarbeitung erfassen lassen (http:// mitomap.org; s. S. 761). Eine umfassende Darstellung des aktuellen Kenntnisstandes hinsichtlich der Erbkrankheiten des Menschen, einschließlich der neuromuskulären Krankheiten, findet sich im Internet unter „Online Mendelian Inheritance in Man“ (OMIM; http:// www.ncbi.nlm.nih.gov).
Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen
Derartige Listen liefern zwar eine hilfreiche Klassifikation neuromuskulärer Krankheiten; doch besteht immer wieder das Dilemma, dass einerseits bestimmte Gene und Mutationen unterschiedliche Krankheitsbilder verursachen können, die demnach allelisch zueinander sind, dass aber andererseits klinisch wohldefinierte Krankheitsbilder wiederum auf unterschiedliche Gene zurückzuführen sein können.
Zu unterscheiden sind Erkrankungen der Skelettmuskulatur selbst (sog. primäre Myopathien) von Erkrankungen der Muskulatur, die als Folge von endokrinen, traumatischen, ischämischen, entzündlichen und anderen nichtneurogenen Einwirkungen auftreten. Abzugrenzen sind diese wiederum von Erkrankungen der motorischen Endplatte (z. B. Myasthenien) und von neurogenen Muskelveränderungen, namentlich der „neurogenen Muskelatrophie“. Letztere ist nach dem eigenen Biopsiegut – heute wohl zusammen mit der ätiologisch unspezifizierten „senilen Sarkopenie“ – die häufigste Erkrankung der Skelettmuskulatur, ohne in der ICD-10 als solche aufgeführt zu sein. Sie wird unter anderem verursacht durch Erkrankungen der peripheren oder zentralen motorischen Neurone, gelegentlich auch in Kombination mit Störungen der zentralen und peripheren Tonusregulation. Der Begriff „Myopathie“ wird manchmal als Oberbegriff für die Gesamtheit aller Muskelkrankheiten, oft aber auch eingeengt gebraucht im Sinne einer Abgrenzung gegenüber primär neurogenen Muskelatrophien und Myositiden. Die von einer deutschen Forschergruppe erarbeitete und mit dem angloamerikanischen Sprachgebrauch verglichene Nomenklatur der neuromuskulären Krankheiten wurde in einer ergänzungsfähigen Kurzform zusammengefasst, allerdings noch nicht aktualisiert [10]. Eine klinisch-therapeutisch orientierte alphabetische Liste neuromuskulärer Erkrankungen ist unter http://neuromuscular.wustl.edu/ zu finden.
Allgemeinpathologische Reaktionen Die allgemeinpathologischen Reaktionen der Skelettmuskulatur können hier aus Platzgründen nicht als differentialdiagnostische Hilfe für sämtliche myopathologische Krankheiten diskutiert werden. Doch seien hier wenigstens die wichtigsten Veränderungen bzw. Reaktionen aufgelistet; bezüglich der Details sei auf die Darstellung in den nachfolgenden Kapiteln und auf die Spezialliteratur verwiesen (z. B. [1–3, 6, 9, 12]). • Muskelfaserkaliberänderungen: – Atrophie, neurogen oder myopathisch (DD: Hypoplasie), – Hypertrophie (DD: Pseudohypertrophie);
Spezifische Myopathien
• charakteristische Strukturveränderungen: – Z-Band-Strömen, Minicore-, Central-core- und Target-Fasern, Myofibrillolyse, Superkontraktion, Überstreckung, – Nemalin-, zytoplasmatische und Sphäroidkörper; Desmin-, Aktin- und Myosin-Einschlüsse, – Ringbinden mit oder ohne sarkoplasmatische Massen, – Zebra-, Fingerabdruck-, Reduktions-, tubulofilamentöse, konzentrische, parakristalline u. a. Körper, – Kerneinschlüsse, -deformierungen, -vermehrungen, -verlagerungen u. a., – mitochondriale Einschlüsse, Verformungen, Vermehrungen und Defekte, – Glykogen-, Polyglucosan-, Neutralfett-, Phospholipid- u. a. Sarkoplasma-Einschlüsse, – Proliferationen des sarkoplasmatischen Retikulums (verschiedene tubuläre Aggregate), – Proliferation und Schwellung des T-Systems (DD: Artefakt u. a.), – Sarkolemminvaginationen, -defekte, Exozytose-, Pinozytose- u. a. Anomalien, – Faseraufsplitterungen (DD: Sehnenansatz), – Basallaminaverbreiterungen, -ablösungen, -unterbrechungen, – immunhistochemisch nachweisbare, spezifische Proteindefekte: Sarkolemm: Dystrophin, Sarcoglycane, Dysferlin, Caveolin-3, Laminin α2, Kollagen VI, Integrin α7; Kernmembran: Emerin; Zytoskelett: Desmin, Plektin; myofibrilläre Proteine: Aktin, Myosin, Telethonin, Titin; Enzyme: Calpain-3; • Formen der Muskelfasernekrose: – (segmentale) Nekrose (ehemals: „hyaline Degeneration“) mit myophagischer Reaktion (Myophagie), – fokale Nekrose („Deltafasern“), – fokale Degeneration mit autophagischen Vakuolen und myelinähnlichen Phospholipidausfällungen (ehemals: „Lipophanerose“); • Muskelfaserregeneration: – Satellitenzellproliferation, – Differenzierung zu Myoblasten, Myozyten, Myotuben, Muskelfasern; • entzündliche Erkrankungen und Reaktionen des Muskels: – Autoimmunprozesse mit mononukleären u. a. Zellinfiltraten, – Vaskulitiden, – Infektionen; • Fibrose und Fettvakatwucherung: • Tumoren, • Muskeldefekte, • Veränderungen der motorischen Endplatte, • Veränderungen der Muskelspindeln. Grundsätzlich wichtig ist, dass die Muskelfasern gut und rasch regenerieren. Dabei sind die Satellitenzellen von
687
wesentlicher Bedeutung. Eine Woche nach experimentell-embolischen Mikroinfarkten sind die regenerierten Muskelfasern noch an einzelnen zentralständigen Kernen und etwas geringeren Faserdurchmessern zu erkennen, aber sonst schon bemerkenswert gut restituiert [9]. Allgemeines zur Regeneration des Muskelgewebes ist der Spezialliteratur zu entnehmen (s. auch traumatische und toxische Muskelschäden, Muskelkater, Myoglobinurie, Satellitenzellen, Stammzellen [7] usw.). Doch sei schon hier vermerkt, dass es bis heute keine sichere Methode gibt, die häufige Frage zu entscheiden, ob eine einzelne dünne Muskelfaser hypotrophisch, neurogenatrophisch (denerviert) oder myogen-atrophisch/regenerierend ist, auch nicht durch den Nachweis neonatalen Myosins [11].
Bezüglich immunhistochemischer Techniken ist zu betonen, dass stets positive und negative Kontrollen der Reaktion erforderlich sind, z. B. eine positive βSpectrin-Reaktion im Fall einer negativen Dystrophin-Reaktion, sofern nicht sog. revertierte Muskelfasern innerhalb des Präparates eine Kontrolle der Reaktion gewährleisten.
Spezifische Myopathien Unter den Erkrankungen, die nach dem derzeitigen Kenntnisstand primär auf Veränderungen an den Muskelfasern selbst zurückzuführen sind, stehen zwar an erster Stelle die genetisch determinierten Krankheiten. Häufiger sind allerdings neben den bereits erwähnten neurogenen Muskelatrophien die entzündlichen Erkrankungen, die in einer repräsentativen Serie von 1000 Muskelbiopsien etwa ein Drittel (28%) aller Fälle umfassten [9]. Hereditär und somit genetisch determiniert sind nicht nur die Muskeldystrophien, sondern auch die sog. kongenitalen Myopathien, viele mitochondriale Myopathien, die myotonischen Krankheiten, familiäre periodische Paralysen einschließlich der malignen Hyperthermien („Kanalkrankheiten“), Störungen des Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsels, einige Myoglobinurien und die Myositis ossificans generalisata, Krankheiten der neuromuskulären Endplatte, des peripheren und zentralen Nervensystems sowie andere komplexe Systemkrankheiten, bei denen die Skelettmuskeln miterkrankt oder sekundär betroffen sind (s. oben, Tabellen). Auch ein Teil der Fehlbildungen gehört in diese Gruppe. Die Häufigkeit erblicher neuromuskulärer Krankheiten wird auf mindestens 1:3000 geschätzt [4, 5].
688
Kapitel 29
Literatur 1.
29
2. 3. 4.
5.
6. 6a. 7.
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Adams RD, Denny-Brown D, Pearson CM (1965) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Carpenter S, Karpati G (eds) (2001) Pathology of skeletal muscle, 2nd edn. University Press, Oxford Dubowitz V, Sewry CA (2007) Muscle biopsy: a practical approach. Saunders Elsevier, London Emery AE (1991) Population frequencies of inherited neuromuscular diseases – a world survey. Neuromuscul Disord 1: 19–29 Emery AE (1991) Population frequencies of neuromuscular diseases – II. Amyotrophic lateral sclerosis (motor neurone disease). Neuromuscul Disord 1: 323–325 Engel AG, Franzini-Armstrong L (eds) (2004) Myology basic and clinical. McGraw-Hill, New York Kaplan J-C (2010) The 2010 version of the gene table of neuromuscular disorders. Neuromusc Disord 20: 72–94 Meng J, Adkin CF, Arechavala-Gomeza V, Boldrin L, Muntoni F, Morgan JE (2010) The contribution of human synovial stem cells to skeletal muscle regeneration. Neuromuscul Disord 20: 6–15 Rowland LP, McLeod JG (1994) Classification of neuromuscular disorders. J Neurol Sci 124 (Suppl): 109–130 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Hopf HC, Wagner G, Amelung F (Hrsg) (1989) Neuromuskuläre Krankheiten. Springer, Berlin Heidelberg New York Sewry CA (2010) Muscular dystrophies: an update on pathology and diagnosis. Acta Neuropathol 120: 343–358 Walton JN (1974) Disorders of voluntary muscle. Churchill, Livingstone, Edinburgh, London
Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen
Kapitel 30
30
Muskeldystrophien
J.M. Schröder Inhalt X-chromosomal erbliche Krankheiten . . . . . . . . . .
690
Muskeldystrophie vom Typ Duchenne . . . . . . . . .
690
Muskeldystrophie vom Typ Becker . . . . . . . . . . .
697
Emery-Dreifuss-Muskeldystrophien (EDMD) . . . .
697
X-chromosomal erbliche EDMD aufgrund von EMD-Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . .
Hereditäre myofibrilläre Myopathien und Plektinmyopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
705
Myofibrilläre Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . .
705
Plektinmyopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
706
Andere Myopathien mit besonderen Vorzugslokalisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
706
Distale Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
706
698
X-chromosomal-rezessive EDMD aufgrund von Mutationen im FHL1-Gen . . . . . . . . . . . .
698
Okuläre Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
708
Autosomal-dominante und -rezessive EDMD aufgrund von LMNA-Mutationen . . . . . . . . . .
698
Autosomal-dominante okulopharyngeale Muskeldystrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
709
Autosomal-dominante EDMD-Formen aufgrund von Mutationen im SYNE1 und SYNE2-Gen . . . .
699
Autosomal-rezessive okulopharyngeale Muskeldystrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
709
Weitere Formen X-chromosomaler neuromuskulärer Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . .
699
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD) . . .
699
Muskeldystrophien vom Gliedergürteltyp . . . . . . .
701
Autosomal-dominant erbliche Formen der Gliedergürteldystrophie . . . . . . . . . . . . . . .
702
Autosomal-rezessiv erbliche Formen der Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp . . . . .
702
LGMD2A–2N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
703
Autosomal-dominant erbliche Myopathie mit kongenitalen Kontrakturen, Ophthalmoplegie und autophagischen Vakuolen . . . . . . . . . . . . . 709 Kongenitale Muskeldystrophien . . . . . . . . . . . . . .
709
Weitere kongenitale Muskeldystrophien . . . . . . . . .
711
Arthrogryposis multiplex congenita . . . . . . . . . . .
711
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
711
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_30, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
690
30
Kapitel 30
Die Muskeldystrophien sind eine heterogene Gruppe genetisch determinierter Krankheiten mit progressivem Skelettmuskelschwund, bei denen in der Regel entsprechende (gravierende) Veränderungen am zentralen oder peripheren Nervensystem fehlen. Die verschiedenen Formen der Muskeldystrophie unterscheiden sich hinsichtlich Genetik, Krankheitsbeginn, Krankheitsbild, Verlauf, Pathomorphologie und Topik voneinander. Je rascher der Verlauf, je zahlreicher die akuten Muskelfasernekrosen, desto stärker ist als wichtiger klinischer Parameter die Kreatinkinase-(CPK-)Reaktion im Serum erhöht. Eine Muskelbiopsie erlaubt eine Differenzierung oder gibt die Richtung für spezifische genetische Analysen vor.
X-chromosomal erbliche Krankheiten Muskeldystrophie vom Typ Duchenne Die von Duchenne de Boulogne beschriebene und nach ihm benannte Muskeldystrophie ist nach der zystischen Fibrose mit einem Fall auf etwa 3500 männliche Lebendgeborene die häufigste Erbkrankheit mit progredientem malignem Verlauf im Kindesalter. Sie ist auch, von einigen anderen, z. T. wohldefinierten Stoffwechselleiden abgesehen, die schwerste Form einer erblichen Muskelerkrankung. Das Synonym „pseudohypertrophische Muskeldystrophie“ ist unzweckmäßig, da die Pseudohypertrophie (der Waden) bei sonst typischen Fällen fehlen kann und auch bei anderen Formen neuromuskulärer Krankheiten vorkommt. Genetik. Durch die revolutionäre Entdeckung von Dystrophin als dem Produkt des abnormen Gens durch Hoffman et al. [69] und Koenig et al. [79, 80] mit Methoden der reversen Gentechnik ist die Erforschung der neuromuskulären Krankheiten in ein neues Stadium getreten. Dystrophin ist ein Zytoskelettprotein mit hohem Molekulargewicht, das die Muskelplasmamembran im Zytoskelett verankert (s. Abb. 30.2). Der Erbgang ist X-chromosomal-rezessiv, d. h., die Übertragung erfolgt durch heterozygote Frauen (Konduktorinnen) auf durchschnittlich 50% ihrer Söhne. Das defekte Gen ist auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms lokalisiert (Xp21; Tabelle 30.1, Pos. 1.1) und mit 2,3 Megabasen eines der größten bekannten Gene. Die deshalb auch Xp21-Dystrophie genannte Muskeldystrophie kann aufgrund von Chromosomentranslokationen und -anomalien selten einmal bei Mädchen sowie beim TurnerSyndrom (z. B. bei den Chromosomenanomalien X0, X/ XX etc.) auftreten. Ein Drittel der Fälle ist auf Spontanmutationen zurückzuführen. Betroffene einschließlich der Konduktorinnen lassen sich heute relativ zuverlässig mit dem MLPA („multiplex ligation-dependent probe amplification“-)Test identifizieren, evtl. mit zusätzlicher
Muskeldystrophien
kompletter Sequenzierung des Gens, wobei etwa 60% der Fälle auf Deletionen beruhen, 20% auf Duplikationen und 10% auf Punktmutationen [151]. Pathogenese. Pathogenetisch steht die Hypothese eines primären Plasmamembrandefekts aufgrund des Mangels an Dystrophin im Zentrum der Diskussion. Man spricht deshalb auch von Dystrophinopathien und meint damit die verschiedenen genetischen Varianten einschließlich der allelen Becker-Dystrophie (s. unten). Dadurch kann es zu einem abnormen Kalziumeinstrom in die Muskelfaser und zu herdförmigen Destruktionsherden an der Oberfläche der Faser mit nachfolgender segmentaler Nekrose kommen. Ein nachgewiesener 42–61%iger Mangel an Vinculin, einem weiteren Zytoskelettprotein, spielt zumindest bei der Dystrophie vom Typ Duchenne möglicherweise eine zusätzliche Rolle [100]. Von den Xp21-Dystrophien abzugrenzen sind Fälle mit Anomalien dystrophinassoziierter Glykoproteine, die eine Duchenne-ähnliche Muskeldystrophie verursachen können, aber autosomal-rezessiv erblich sind [183] (vgl. Abb. 30.2 und Tabelle 30.1, Pos. 1.17–1.20; s. unten). Klinik. Die ersten Symptome treten zumeist während des Stehen- und Gehenlernens vor dem 3. Lebensjahr auf. Die Atrophien manifestieren sich vor allem im Bereich des Beckengürtels, des Rumpfs, später auch des Schultergürtels und generalisieren schließlich. Beim Aufstehen stützen sich die Jungen mit den Händen an den Beinen ab (Gower-Zeichen). Die Serumkreatinphosphokinase-(CK-)Aktivität ist so hoch wie bei kaum einer anderen neuromuskulären Erkrankung (um 10.000 IE und mehr). Auch die Serumpyruvatkinase kann erhöht sein, kaum jedoch die anderen Serumenzyme. Eine ausgeprägte Kreatinurie kommt häufig vor. Morphometrie. Die histopathologischen Veränderungen im Muskel hängen stark vom untersuchten Stadium der Erkrankung ab.
Entscheidend für die Diagnose ist der immunhistochemische Nachweis eines Fehlens von Dystrophin an der Oberfläche der (unfixierten, uneingebetteten) Muskelfasern im Kryostatschnitt (Abb. 30.1a). Eine negative Reaktion bedarf allerdings einer positiven Dystrophin-Kontrollreaktion an einem nichtdystrophischen Fall. Außerdem ist die Immunreaktivität des Gewebes zu testen, z. B. mit einer Spektrin- oder Utrophin-Reaktion, wobei Letztere bei der Duchenne-Dystrophie verstärkt ausfällt (s. unten).
Einzelne Dystrophin-positive Fasern kommen jedoch bei 40% der Duchenne-Patienten vor, wenn auch nicht häu-
X-chromosomal erbliche Krankheiten
691
Tabelle 30.1 Muskeldystrophien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
1.
Muskeldystrophien (MD)
1.1
Typ Duchenne/Becker
XR
Xp21.2
DMD (= DYS) (Dystrophin)
310200
Monaco et al. (1986) Burghes et al. (1987) Koenig et al. (1987, 1988) Hoffman et al. (1987, 1988)
1.2
Emery-Dreifuss, X-chromosomal, Typ 1
XR
Xq28
EMD (Emerin)
310300
Hodgson et al. (1986) Romeo et al. (1988) Bione et al. (1994, 1995) Klauck et al. (1995) Nigro et al. (1995)
1.3
Emery-Dreifuss, X-chromosomal, Typ 2, allelisch zu Reduktionskörpermyopathie, XMPMA und XPMD
XR
Xq26.3
FHL1 (four and a half LIM domain 1)
300163
Gueneau et al. (2009)
1.4
Emery-Dreifuss, autosomal-dominant
AD
1q11-q23
EDMD-AD = LMNA (Lamin A/C)
181350
Bonne et al. (1999) Worman u. Bonne (2007)
1.5
Emery-Dreifuss, autosomal-rezessiv
AR
1q21.2
EDMD3 (LMNA) (Lamin A/C)
604929
Raffaele di Barletta (2000) Worman u. Bonne (2007)
1.6
Emery-Dreifuss mit Nesprin-1-Defekt
AD
6q25
SYNE1 (nuclear envelope spectrin repeat containing 1 = Nesprin-2)
608441
Zhang et al. (2007)
1.7
Emery-Dreifuss mit Nesprin-2-Defekt
AD
4q23
SYNE2 (nuclear envelope spectrin repeat containing 2 = Nesprin-2)
608442
Zhang et al. (2007)
1.8
Fazioskapulohumerale MD (FSHD)
AD
4q35
(Protein?)
158900
Wijmenga et al. (1990, 1993) Upadhyaya et al. (1990, 1992) Wright et al. (1993) Van Deutekom et al. (1993) Van der Maarel et al. (2005) Gabellini et al. (2002, 2006)
1.9
Muskeldystrophie mit generalisierter Lipodystrophie
AR
17q21-q23
PTRF (polymerase I und transcript release factor; cavin-1)
603198
Hayashi et al. (2009)
Gliedergürtel MD, dominant 1.10
LGMD1A
AD
5q22-q34
MYOT (Myotilin = Titin immunoglobulin domain protein)
159000 609200
Speer et al. (1992) Hauser et al. (2000)
1.11
LGMD1B mit kardialem Befall
AD
1q11-21
LMNA (Lamin A/C)
159001 150330
van der Kooi et al. (1992) Muchir et al. (2000) Worman u. Bonne (2007)
1.12
LGMD1C
AD
3p25
CAV3 (Caveolin-3)
601253 607780
Minetti et al. (1998) McNally et al. (1998)
6
692
Kapitel 30
Muskeldystrophien
Tabelle 30.1 Fortsetzung
30
Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
1.13
LGMD1D mit Kardiomyopathie
AD
7q
?
603511
Speer et al. (1999)
1.14
LGMD1E mit dilatativer Kardiomyopathie
AD
6q23
?
602067
Messina et al. (1997)
1.15
LGMD1F
AD
7q32
?
608423
Palenzuela et al. (2003)
1.16
LGMD1G
AD
4q21
?
609115
Starling et al. (2005)
Gliedergürtel MD, rezessiv 1.17
LGMD2A
AR
15q15.1
CAPN3 (Calpain 3)
253600
Beckmann et al. (1991) Young et al. (1992) Richard et al. (1995, 1997)
1.18
LGMD2B; distal: MiyoshiMyopathie
AR
2p13
DYSF (Dysferlin)
603009 254130
Bashir et al. (1994, 1998) Liu et al. (1998)
1.19
LGMD2C
AR
13q12
SGCG (J-Sarkoglykan)
253700 608896
Ben Othmane et al. (1992) Azibi et al. (1993) Noguchi et al. (1995) McNally et al. (1996) Piccolo et al. (1996)
1.20
LGMD2D
AR
17q12q21.33
SGCA (Adhalin = D-Sarkoglykan)
600119
Roberds et al. (1994) Piccolo et al. (1995) Passos-Bueno et al. (1995) Ljunggren et al. (1995) Carrié et al. (1997)
1.21
LGMD2E
AR
4q12
SGCB (E-Sarcoglycan)
600900
Lim et al. (1995) Bönnemann et al. (1995, 1996)
1.22
LGMD2F; mit dilatativer Kardiomyopathie
AR
5q33
SGCD (G-Sarcoglycan)
601287 606685
Passos-Bueno et al. (1996) Nigro et al. (1996) Tsubata et al. (2005)
1.23
LGMD2G; mit dilatativer Kardiomyopathie
AR
17q11
TCAP (Titin-Cap = Telethonin)
604488 601954
Moreira et al. (1997) Moreira et al. (2000)
1.24
LGMD2H
AR
9q31-q34
TRIM32 (Tripartite motif containing 32)
602290
Weiler et al. (1998) Frosk et al. (2002)
1.25
LGMD2I, allelisch zur kongenitalen MD mit abnormer Glykolisierung von Dystroglykan
AR
19q13.3
FKRP (Fukutin-related protein)
606596 607155 606612
Driss et al. (2000) Brockington et al. (2001a)
1.26
LGMD2J, allelisch zu TMD, HMERF, CMD1G
AR
2q31
TTN (Titin)
188840 608807
Hackman et al. (2003)
1.27
LGMD2K, allelisch zum WWS
AR
9q34
POMT1 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 1)
607423 609308
Balci et al. (2005) D’Amico et al. (2006)
1.28
LGMD2L, allelisch zum WWS
AR
11p14.3
ANOS (TMEM16E) (Anoctamin 5)
607440
Jarry et al. (2007) Bolduc et al. (2008)
6
X-chromosomal erbliche Krankheiten
693
Tabelle 30.1 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
1.29
LGMD2M, allelisch zu FCMD
AR
9q31
FKTN (Fukutin)
1.30
LGMD2N, allelisch zu WWS und MEB
AR
14q24.3
POMT2 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 2)
607439
Bianchieri et al. (2007)
1.31
LGMD2O, allelisch zu WWS, MEB
AR
1p34
POMGNT1
606822
Godfrey et al. (2007) Clement et al. (2008)
2.
Kongenitale Muskeldystrophien
2.1
MDC1A (kongenitale Muskeldystrophie mit Merosinmangel)
AR
6q2
LAMA2 (Laminin-D2-Kette des Merosins = Laminin-2)
156225 607855
Tomé et al. (1994) Hillaire et al. (1994) Helbling Leclerc et al. (1995) Allamand et al. (1997)
2.2
MDC1B (kongenitale Muskeldystrophie mit sekundärem Merosinmangel)
AR
1q42
?
604801
Brockington et al. (2000)
2.3
MDC1C mit abnormer Glykosylierung, allelisch zu LGMD2I, WWS, MEB
AR
19q13
FKRP (Fukutin-related protein)
606596 606612
Brockington et al. (2001b) Topaloglu et al. (2003)
2.4
MDC1D
AR
22q12
LARGE (like-glycosyl transferase)
603590 608840
Longman et al. (2003)
2.5
Fukuyama-Typ der CMD (FCMD), allelisch zu WWS
AR
9q31-q33
FCMD (Fukutin)
253800 607440
Toda et al. (1993) Kobayashi et al. (1998)
2.6
Walker-Warburg-Syndrom (WWS), allelisch zu Fukuyama-CMD und LGMD 2L
AR
9q31-q33
FCMD (Fukutin)
236670 607440
Beltran-Valero de Bernabe et al. (2003)
2.7
Walker-WarburgSyndrom, allelisch zu LGMD 2K
AR
9q34
POMT1 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 1)
236670 607423
Hayashi et al. (1998) Beltran-Valero de Bernabe et al. (2003)
2.8
Walker-WarburgSyndrom, allelisch zu LGMD2N, MEB
AR
14q24.3
POMT2 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 2)
236670 607439
van Reeuwijk et al. (2005, 2006)
2.9
Walker-WarburgSyndrom, allelisch zu LGMD2I, MDC1C, MEB
AR
19q13
FKRP (Fukutin-related protein)
606596
Beltran-Valero de Bernabe et al. (2002)
2.10
Walker-Warburg-Syndrom, allelisch zu MEB
AR
1p3
POMGNT1 (O-Mannose β1,2-NAcetylglucosaminylransferase)
236670 606822
Taniguchi et al. (2003)
2.10a
Walker-WarburgSyndrom, allelisch zu MDC1D
AR
22q12
LARGE (like-glycosyl transferase)
603590
Van Reeuwijk et al. (2007)
6
MIM
Schlüsselzitate
Murakami et al. (2006) Godfrey et al. (2006)
694
Kapitel 30
Muskeldystrophien
Tabelle 30.1 Fortsetzung
30
Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
2.11
Muscle-Eye-Brain Disease (Muskel-Auge-GehirnKrankheit), allelisch zu WWS
AR
1p3
POMGNT1 (O-Mannose β1,2-NAcetylglucosaminylTransferase)
253820 606822
Yoshida et al. (2001) Taniguchi et al. (2003)
2.12
MEB, allelisch zu LGMD2I, MDC1C, WWS
AR
19q13
FKRP (Fukutin-related protein)
606596
Beltran-Valero de Bernabe et al. (2004)
2.13
MEB, allelisch zum WWS
AR
14q24.3
POMT2 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 2)
253280 607439
Mercuri et al. (2006)
2.14
Rigid-spine-Syndrom (RSMD), allelisch zu CFTD, MultiminicoreKrankheit und Desminabhängiger Myopathie mit Mallory-Körpern
AR
1p36
SEPN1 (Selenoprotein N1)
602771 606210
Mogadaszadeh et al. (1998,2001) Ferreiro et al. (2002a, 2004)
2.15
Ullrich-Syndrom (UCMD), allelisch zur Bethlem-Myopathie
AR
21q22.3
COL6A1 (Kollagen Typ VI, Untereinheit α1)
120220 254090
Pan et al. (2003) Giusti et al. (2005)
2.16
UCMD, allelisch zur Bethlem-Myopathie
AR
21q22.3
COL6A2 (Kollagen Typ VI, Untereinheit α2)
120240 254090
Vanegas et al. (2001) Higuchi et al. (2001)
2.17
UCMD, allelisch zur Bethlem-Myopathie
AR
2q37
COL6A3 (Kollagen Typ 6, Untereinheit α3)
120250 254090
Demir et al. (2002)
2.18
Bethlem-Myopathie; wie 2.15
AD
21q22.3
COL6A1
158810
Jöbsis et al. (1996)
2.19
Bethlem-Myopathie, wie 2.16
AD
21q22.3
COL6A2
158810
Jöbsis et al. (1996)
2.20
Bethlem-Myopathie, wie 2.17
AD
21q22.3
COL6A3
158810
Jöbsis et al. (1996)
2.21
Bethlem-Myopathie
AR
2Q37
COL6A3
158810
Speer et al. (1996) Bertini et al. (1998) Pan et al. (1998) Gualandi et al. (2009)
2.22
Kongenitale Muskeldystrophie mit Integrinmangel
AR
12q13
ITGA7 (Integrin D7)
600536
Hayashi et al. (1998)
2.23
Kongenitale Muskeldystrophie mit Dynamindefekt, allelisch zu CNM und CMTD1B
AD
19q13.2
DNM2 (Dynamin 2)
602378
Susman et al. (2009)
2.24
Kongenitale Muskeldystrophie mit Gelenkhyperlaxidität
AR
3p23-21
?
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 72–77. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
Tetreault et al. (2006)
X-chromosomal erbliche Krankheiten
figer als in 0,01–6,81% der Fasern [47]; sie sind normotroph und werden als Zeichen einer „somatischen Reversion der Mutation“ interpretiert („revertierte Fasern“; Abb. 30.1a). Sind mehr Fasern immunreaktiv gegenüber Dystrophin-Antikörpern, handelt es sich vermutlich um mildere Formen des Xp21-Dystrophie (Becker-Typ; s. unten). Eine Korrelation zwischen der Zahl der revertierten Fasern und den zugrunde liegenden Deletionen ließ sich nicht nachweisen [171]. Anfangs bestehen die histopathologischen Veränderungen hauptsächlich aus einer Variabilität der Faserkaliber mit fokalen Arealen degenerierender oder regenerierender Fasern (Abb. 28.1c; 30.1a, 30.2a). In späteren Stadien nehmen die Faserkalibervariationen zu, ebenso das Ausmaß der Degeneration oder Regeneration. Es kommen in charakteristischer Weise abgerundete, opake Fasern vor mit sog. Deltaläsionen [106], d. h. keilförmig unter dem defekten Sarkolemm gelegenen myofibrillären Destruktionsherden. Außerdem finden sich sog. „myoballs“ (abgerundete Myoblasten-ähnliche Zellen), zentrale Kerne, aufgesplitterte Fasern sowie Proliferationen des Binde- und Fettgewebes [93]. Bemerkenswert sind auch eine Zunahme der Satellitenzellen sowie eine Vergrößerung der Muskelfaserkerne.
695
Mit weiterem Fortschreiten der Erkrankung erscheint die regenerative Aktivität weniger ausgeprägt [72] und es kommt zu einem zunehmenden Verlust an Muskelfasern, zu einem Ersatz durch Bindegewebe und später auch durch Fettgewebe. In den Endstadien der Erkrankung ist das Muskelgewebe weitgehend durch Fettgewebe mit übrig bleibenden Inseln von Muskelfasern ersetzt (Abb. 30.2b). Histochemisch fällt anfangs eine Prädominanz der Typ-1-Fasern auf und später eine häufigere Atrophie der Typ-1-Fasern als der Typ-2-Fasern [171] sowie der relative Verlust einer Differenzierung der verschiedenen Fasertypen nach der myofibrillären ATPase-Reaktion bei pH 9,4. Die immunhistochemische Utrophin-Reaktion ist verstärkt, die α-Dystrobrevin-1- und 2-Isoform-Reaktionen sind reduziert. Die mittlere Kapillargröße zwischen den Muskelfasern ist erhöht, ihre Basallaminae erscheinen redupliziert und verbreitert. Im Bereich der motorischen Endplatten findet sich eine fokale Atrophie der postsynaptischen Falten, aber kein Hinweis auf eine Degeneration der Nervenendigungen. Das Herz ist bei 50–80% aller Fälle mit progressiver Muskeldystrophie mitbeteiligt, wobei es bei der DuchenneMuskeldystrophie am häufigsten und am schwersten betroffen ist. Bei 7 von 8 autoptisch untersuchten Fällen
a
b
c
d
e
f
Abb. 30.1 a Duchenne-Muskeldystrophie. Immunhistochemische Reaktion auf Dystrophin (Dys-2). Das Dystrophin fehlt an der Oberfläche der meisten Muskelfasern, nicht aber an der Oberfläche der sog. revertierten Muskelfasern („revertant fibers“). b Myotonische Dystrophie. Eine immunhistochemische Reaktion mit Antikörpern gegen Desmin weist eine deutliche Expression im Bereich der sarkoplasmatischen Massen auf, während die zentralen Anteile mit regulär orientierten Myofibrillen keine wesentlichen Reaktionen aufweisen. Typisch für die myotonische Dystrophie sind auch die vielen mehr oder weniger zentralständigen Kerne und die starken Muskelfaserkaliberdifferenzen. c Ausgeprägte infantile mitochondriale Myopathie nach Trichromfärbung. Die starke Vermehrung der
Mitochondrien ist aus den fuchsinophilen (rötlichen) Ablagerungen unter dem Sarkolemm und zwischen den Myofibrillen ersichtlich. d Polyglukosankörpermyopathie (Glykogenose Typ IV) im PASPräparat. Viele Muskelfasern weisen herdförmige PAS-positive Einlagerungen auf, bei denen es sich um die pathognostischen Polyglukosankörper handelt. e Infantile fatale Form einer Polyglukosankörpermyopathie mit extrem starker Anhäufung ungefärbter rundlicher Ablagerungen in den Muskelfasern. Das endomysiale und perimysiale Bindegewebe ist erheblich vermehrt. f Hyaline Einschlusskörpermyopathie, wobei die Einschlusskörper nach der ATPase-Reaktion bei pH 4,2 in den Muskelfasern stark angefärbt sind (Myosin)
696
Kapitel 30
Muskeldystrophien
30 a
b
c
d
e
f
Abb. 30.2 a Duchenne-Muskeldystrophie. M. vastus lateralis eines 22 Monate alten Knaben. Ausgeprägte Muskelfaserkaliberschwankungen mit Störungen der Myofibrillenarchitektur und auffällig große, zentral verlagerten Kernen (Pfeile). Das endomysiale Bindegewebe zwischen den Muskelfasern ist deutlich vermehrt (Vergr. 720:1). b Fortgeschrittenes Stadium der Duchenne-Muskeldystrophie bei einem 21-Jährigen. Das Fett- und Bindegewebe ist im Sinne einer Vakatwucherung stark vermehrt. Die meisten Muskelfasern sind atrophisch und von Bindegewebe ummauert, nur wenige sind normal dick. Keine hypertrophischen Fasern (Stadium der Dekompensation; HE; Vergr. 63:1). c Myotonische Dystrophie. M. peroneus longus einer 56-jährigen Frau. Typische Ringbinden (Pfeilköpfe) mit sarkoplasmatischen Massen (s) und ausgeprägten Kernvermehrungen sowie -zentralverlagerungen (Vergr. 510:1). d Familiäre „Multimini-
core-Krankheit“. 6-jähriger Junge. M. quadriceps mit fokalen Myofibrillendefekten (Pfeile) (Vergr. 1120:1). e Hypokaliämische periodische Paralyse. M. vastus lateralis eines 47-jährigen Mannes, der seit dem 17. Lebensjahr an Stunden bis 2 Tage andauernden Lähmungsanfällen litt. Die Muskelfasern enthalten einzelne oder mehrere Vakuolen, die untereinander in Verbindung stehen können. Die Sarkolemmkerne sind vermehrt und vielfach zentral verlagert. Die Faserkalibergröße variiert erheblich. In einer Faser oben rechts sind Kalziumsalze ausgefällt (Pfeile; Vergr. 540:1). f Elektronenmikroskopische Vergrößerung der in e abgebildeten Faser mit Kalziumablagerungen: charakteristische konzentrische Präzipitate in Gestalt von LiesegangRingen (Ausfällungsmuster in gesättigten kolloidalen Lösungen). Ein Teil der elektronendichten Ablagerungen wird von Membranen des sarkoplasmatischen Retikulums umgeben (Vergr. 32.000:1)
X-chromosomal erbliche Krankheiten
fand sich eine beträchtliche myokardiale Fibrose; davon zeigten 5 eine ausgeprägte Fibrose des epimyokardialen Anteils der freien Wand des linken Ventrikels. Demnach ist die Duchenne-Muskeldystrophie eine generalisierte Herz- und Skelettmuskelkrankheit [54]. Die Kardiomyopathie ist mit erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Herztod der Patienten verbunden. Das gilt nicht nur für die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne/Becker, sondern auch für die Sarkoglykanopathien, die Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie (unabhängig vom zugrunde liegenden Gendefekt), die myotonische Dystrophie, Calpainopathie und die Merosin-negative kongenitale Myopathie, während bei der FSH-Dystrophie, der okulopharyngealen Muskeldystrophie und den Merosin-positiven Myopathien keine Herzbeteiligung zu erwarten ist [114]. Intelligenzstörungen sind wiederholt beschrieben worden; sie sind auf eine Störung der Hirnentwicklung während des Fetallebens zurückzuführen, aber nicht immer nachweisbar [126]. Doch haben die meisten pathologisch-anatomischen Untersuchungen am Gehirn keine konstante Anomalie ergeben [40]. Dystrophin ist auch in der Membran von Nervenzellen nachweisbar, so dass bei „Dystrophinopathien“ grundsätzlich mit einer Beteiligung des Nervensystems zu rechnen ist. Verlauf und Prognose. Die Patienten erreichen nicht das fortpflanzungsfähige Alter. Im Unterschied zur milder verlaufenden Xp21-Muskeldystrophie vom Becker-Typ (s. unten) ist mit Rollstuhlabhängigkeit (bzw. Verlust der Gehfähigkeit ohne Gehhilfen) bereits im Alter von bis zu 13 Jahren zu rechnen [72, 99]; die mittlere Lebenserwartung liegt auch bei optimaler Betreuung unter 20 (18–25) Jahren. Versuche durch Hochregulierung von Utrophin, einem Dystrophin-Homolog, den Verlauf der Krankheit zu beeinflussen, befinden sich in einem vorklinischen Stadium [102].
Muskeldystrophie vom Typ Becker Diese Krankheit wird wie die Duchenne-Muskeldystrophie durch einen X-chromosomalen geschlechtsgebundenen Mechanismus übertragen [11]. Auch verhält sich diese Form der Muskeldystrophie hinsichtlich des klinischen Bildes und der Verteilung der Muskelschwäche ähnlich wie der Typ Duchenne, doch ist die Krankheit weniger stark ausgeprägt und der Verlauf langsamer. Die Erkrankung beginnt meistens erst im Alter von 7 Jahren. Gehen ist noch jenseits des 20.–30. Lebensjahres möglich. Die CK-Werte im Serum sind beträchtlich erhöht. Etwa 50% der Patienten weisen Symptome vonseiten des Herzens auf, manchmal bevor die Skelettmuskulatur auffällt. Herztransplantationen haben bei 2 von 5 erfolgreich operierten Patienten zur beruflichen Reintegration ge-
697
führt [11]. Beim Vergleich zwischen 29 Patienten mit einer Muskeldystrophie, zumeist vom Becker-Typ, und Patienten mit einer nichtischämischen Herzkrankheit ergab keinen wesentlichen Unterschied hinsichtlich des Erfolgs einer Herztransplantation [178]. Morphologie. Die histopathologischen und histochemischen Befunde entsprechen einer Kombination der Befunde bei der Duchenne-Muskeldystrophie mit denen einer Gliedergürteldystrophie (s. unten) [88]. Die Dystrophinreaktionen fallen sehr variabel aus, entweder schwächer als im Normalen oder völlig negativ oder aber inkomplett [112, 113], so dass manchmal erst die Immunoblotuntersuchung zum Nachweis des abnormen Dystrophins oder die DNA-Analyse zur endgültigen Diagnose führt [22]. In allen Biopsien fand sich eine Zunahme der Kaliberschwankungen mit Verbreiterung des Kaliberspektrums (Abb. 28.1c). Neben vielen kleinen, atrophischen Fasern lassen sich auch mäßig hypertrophische Fasern nachweisen. Große abgerundete opake Fasern kommen in der Hälfte der Fälle vor. Die Fasertypendifferenzierung ist nicht beeinträchtigt, während dies bei der Duchenne-Dystrophie häufig der Fall ist. Ein zahlenmäßiges Überwiegen der Typ-1-Fasern wurde ebenfalls nicht beobachtet. Zentrale Kerne und aufgesplitterte Fasern kommen reichlich vor, eine Veränderung, die sonst häufiger bei den Gliedergürteldystrophien als bei der Duchenne-Dystrophie beobachtet wird. Basophile Fasern liegen als Zeichen der Regeneration in allen Präparaten vor; kleine Gruppen basophiler Fasern sind jedoch seltener als bei der Duchenne-Dystrophie anzutreffen. Besondere myofibrilläre Architekturstörungen sind nur selten zu finden. Eine Fibrose ist in der Regel nachweisbar, meist in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung. Auch pyknotische Kernhaufen in atrophischen Fasern sind gelegentlich zu beobachten, was sonst eher bei neurogenen Muskelatrophien zu finden ist. Das Faserspektrum ist unimodal, doch liegen gelegentlich atrophische Fasern in kleinen Gruppen von 3–5 Fasern zusammen, die eher dystrophinnegativ sind als die großen Fasern. Die Spinalwurzeln und die Vorderhornzellen sind bei dieser Krankheit bisher keiner eingehenden morphometrischen Analyse zugeführt worden.
Emery-Dreifuss-Muskeldystrophien (EDMD) Die EDMD ist heterogen (s. Tabelle 30.1, Pos. 1.3–1.6). Beschrieben werden zwei X-chromosomale (EDMD1, EDMD6), eine autosomal-rezessive (EDMD3) und drei autosomal-dominante Formen (EDMD2, EDMD4, EDMD5), die sich klinisch überlappen, aber molekulargenetisch aufgrund von Mutationen in 6 verschiedenen
698
Kapitel 30
Genen (EMD, FHL1, LMNA, SYNE1 und SYNE2) zu unterscheiden sind. Charakteristisch sind frühe Kontrakturen, eine langsam progressive Muskelschwäche und die unabdingbare Beteiligung sowohl des Herzens als auch der Skelettmuskulatur [61].
30
X-chromosomal erbliche EDMD aufgrund von EMD-Mutationen Die X-chromosomal-rezessive Muskeldystrophie vom Typ Emery-Dreifuss (EDMD) ist durch eine langsam progressive Schwäche mit Schwund der skapulohumeralen, tibialen sowie peronealen Muskulatur und mit frühen Kontrakturen an den Ellenbeugen, den Achillessehnen und den dorsalen Halsmuskeln gekennzeichnet, evtl. bevor es zu einer Muskelschwäche kommt. Häufig tritt eine Kardiomyopathie auf, die mit Überleitungsstörungen verbunden ist [56]. Die CK-Werte im Serum sind normal oder bis auf das 10fache erhöht. Konduktorinnen können klinisch manifeste myopathische Veränderungen und Herzrhythmusstörungen aufweisen, die wie bei den manifest erkrankten männlichen Patienten zum plötzlichen Tod führen können, ohne dass eine Skelettmuskelschwäche besteht. Genetik. Die ursprüngliche, X-chromosomal-rezessive Form der Krankheit ist auf Mutationen im EMD-Gen auf Chromosom Xq28 zurückzuführen, das ein Protein mit der Bezeichnung Emerin – nach dem englischen Genetiker A.E.H. Emery – kodiert [175, 181]. Das Emerin ist in der inneren Kernmembran verankert, einer Komponente der Kernwand (s. Abb. 28.2), und interagiert direkt mit Lamin A/C (s. unten). Ein besonders schwerer Verlauf ist bei der Kombination einer Mutation im Emerin- und im Desmin-Gen zu beobachten („double trouble“) [109]. Morphologie. Histopathologisch sind myopathische Veränderungen einschließlich autophagischer Vakuolen, immunhistochemisch das pathognostische Fehlen des Emerins in den Kernen der Muskelfasern und elektronenmikroskopisch Defekte in der Kernmembran nachweisbar [51, 52, 117, 146].
X-chromosomal-rezessive EDMD aufgrund von Mutationen im FHL1-Gen Diese ist allelisch mit der Reduktionskörpermyopathie, der X-chromosomalen Myopathie mit posturaler Muskelatrophie und generalisierter Hypertrophie (XMPMA) [176] und der skapuloperonealen Myopathie (XPMD) [133] (s. jeweils dort). Das Fehlen oder die Reduktion des FHL1-Proteins lässt sich im Immunoblot nachweisen, während der Nachweis auf Schnitten schwieriger ist [141].
Muskeldystrophien
Autosomal-dominante und -rezessive EDMD aufgrund von LMNA-Mutationen Diese Formen der EDMD sind auf autosomal-dominante oder rezessive Mutationen im Lamin A/C-kodierenden LMNA-Gen (Pos. 1.4–1.5 in Tabelle 30.1) zurückzuführen [19, 20]. Sie sind allelisch zu den Muskeldystrophien vom Gliedergürteltyp 1B (LGMD1B) und CMD1A sowie zu verschiedenen anderen Krankheiten wie CMT2B1, einer familiären partiellen Lipodystrophie, Progerie-Syndromen, einer mandibuloakralen Dysplasie und einer restriktiven Dermatopathie, ohne dass sich zurzeit eine klare Genotyp-Phänotyp-Korrelation herstellen ließe [28]. Das klinische Erscheinungsbild dieser EDMD-Formen ist dementsprechend außerordentlich variabel [97]. Im Übrigen kann eine Lipodystrophie in Kombination mit einer Muskeldystrophie auch auf Mutationen im Polymerase-I- bzw. dem Transkriptionsfaktor PTRF (Cavin)-Gen zurückzuführen sein. Immunhistochemisch ist dabei Cavin und Caveolin-3 reduziert [125]; elektronenmikroskopisch ist die Zahl der Caveolen entsprechend stark vermindert [66] (vgl. LGMD1C). Histopathologisch ist die autosomal-dominante EMD mit Defekten von Lamin A/C in der Kernmembran verbunden, allerdings ohne dass dies aufgrund der Heterozygotie immunhistochemisch nachweisbar wäre. Offenbar besteht eine reziproke Expression von Lamin B1 und Emerin, wobei Emerin in den Kernen der Muskelfasern, Lamin B1 aber in den Kernen der Endothelzellen nachweisbar ist. Demgegenüber käme Lamin B2 in allen Kernen vor [91]. Neben uncharakteristischen myopathischen Alterationen finden sich Invaginationen der Kernmembran in 10% der Kerne, die zu sog. Pseudoinklusionen führen können; periphere Kondensationen des Chromatins in 20% der Kerne, Störungen der Chromatinverteilung, insbesondere Ablösungen des Heterochromatins von der Kernmembran und scharfe Grenzen zwischen dem Heterochromatin und dem Interchromatin in 10% der Muskelfasern [128, 142]. In Herzmuskelzellen sind die Kernveränderungen besonders stark ausgeprägt. Bei einzelnen Fällen kommen zudem tubulofilamentöse Kerneinschlüsse wie bei der Einschlusskörpermyositis und Heterochromatinvorwölbungen („blebs“) in Verbindung mit einem Verlust der Kernmembran, Kernfragmentierungen, apoptoseähnliche Bilder sowie myelinähnliche Kerneinlagerungen vor [50]. Pathogenese. Wie LMNA-Mutationen zu den Alterationen der Muskelfaserkerne führen, ist nicht geklärt; doch finden sich im Sehnenansatzbereich der Muskelfasern von Mäusen mit einer Nullmutation des LMNAGens besonders zahlreiche Kerne, die auch vielfach degenerative Veränderungen aufweisen als Zeichen für die besondere Empfindlichkeit dieser Muskelfaserkerne gegenüber mechanischem Stress [101]. Dies könnte für die
699
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD)
frühe Entwicklung von Kontrakturen bei diesen Patienten von Bedeutung sein.
Autosomal-dominante EDMD-Formen aufgrund von Mutationen im SYNE1 und SYNE2-Gen Diese Mutationen beeinflussen Nesprin-1 bzw. Nesprin-2 (ein die Spektrin-Wiederholungssequenz enthaltendes Protein der Kernmembran; Tabelle 30.1) [184].
Weitere Formen X-chromosomaler neuromuskulärer Krankheiten Die X-chromosomal erbliche myotubuläre Myopathie wird unter den sog. kongenitalen Myopathien beschrieben (s. Kap. 31), die ebenfalls X-chromosomal erbliche bulbospinale Muskelatrophie (Kennedy-Krankheit) unter den neurogenen Muskelatrophien (Kap. 40). Das X-chromosomal erbliche Barth-Syndrom (kardioskeletale Myopathie mit Kleinwuchs, Neutropenie und abnormen Mitochondrien sowie 3-Methylgluconacidurie und erniedrigten Blutcholesterinwerten) beruht auf Mutationen im TAZ-Gen und führt zu Veränderungen des Proteins mit der Bezeichnung Tafazzin [121]. Die X-chromosomal-dominant erbliche DanonKrankheit [35] (S. 760) und die allelische, X-chromosomal-rezessiv erbliche Kalimo-Krankheit [75, 132] (Pos. 5.10 in Tabelle 31.2, S. 726), die jeweils durch zahlreiche granulovakuoläre, z. T. exozytotische und Basallamina-ausgekleidete Einschlüsse in den Muskelfasern gekennzeichnet (Abb. 30.4d) und mit einer Kardiomyopathie verbunden sind, werden inzwischen als Glykogenose (GSD) vom Typ Ib klassifiziert. Anders als ursprünglich angenommen, handelt sich nicht um Muskeldystrophien im Sinne der Definition. Zugrunde liegen Mutationen im LAMP2-Gen, das das Lysosomen-assoziierte Membran-Protein 2 kodiert (s. Kap. 33).
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD) Die FSHD ist die dritthäufigste Muskeldystrophie mit einer Prävalenz von 1:20.000. Sie ist dominant, vereinzelt auch rezessiv erblich [162], offensichtlich heterogen, aber in der Regel dem Chromosomenort 4q35 zugeordnet [59]. Die molekulargenetischen Grundlagen sind kompliziert, wobei eine Deletion einer Untergruppe von D4Z4-Makrosatelliten-Wiederholungen in der subtelomerischen Region von Chromosom 4q die Krankheit
verursacht, sofern dies bei einem bestimmten Haplotyp von 4qter geschieht (4qA161) [145]. Eine molekulargenetische Diagnose ist auch durch Bestimmung der im Krankheitsfall reduzierten Repetitionslänge mit einer Restriktionsenzymverdaumethode möglich [122, 164]. Lokalisation, Klinik und Verlauf. Betroffen sind vorwiegend der Schultergürtel und das Gesicht. Die faziale Schwäche kann der skapulohumeralen vorausgehen. Darauf hatte bereits Duchenne (1872) hingewiesen, der auch eine ausführliche Beschreibung dieser Erkrankung einige Jahre vor Landouzy und Dejerine (1894) lieferte, obwohl der Name der letztgenannten Autoren in der Regel mit dieser Erkrankung verbunden wird (Literatur s. [135]). Bei der von Wilhelm Erb (1884) [46] beschriebenen „progressiven Muskelatrophie“ hat es sich um eine juvenile skapulohumerale Form gehandelt (s. unten). Die Erkrankung beginnt in der Regel während der Pubertät, doch auch jederzeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Häufig kommen abortive und mild erkrankte Fälle vor. Die Muskelschwäche breitet sich in der Regel innerhalb von 20–30 Jahren vom Gesicht und dem Schultergürtel auf die Beckenmuskulatur aus. Selten tritt eine schwere Behinderung auf. Die Patienten bleiben aktiv und erreichen ein normales Lebensalter. Die CK-Werte sind bei jungen Patienten mit nur geringen klinischen Symptomen in der Regel leicht erhöht, während sie nach der 5. Dekade in der Regel auf normale Werte absinken. Kochleär bedingter Hörverlust, „Coat’s syndrome“ und in seltenen infantilen Fällen mentale Retardierung können ebenfalls vorkommen [87], ausnahmsweise auch einmal eine Kombination mit einer mitochondrialen Myopathie [53]. Morphologie. Das histopathologische Bild der faszioskapulohumeralen Dystrophie variiert stark in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf. Im Vordergrund steht eine erhöhte Variabilität der Größe beider Hauptfasertypen. Das Faserkaliberspektrum ist entsprechend unimodal verbreitert (Abb. 28.1c). Auffallend häufig kommen isoliert liegende atrophische Fasern vor. Diese Fasern können von reichlich Bindegewebe umgeben sein (Abb. 30.3a). Das gilt auch für sog. lobulierte und aufgesplitterte Fasern (Abb. 30.3b). Eine Fibrose ist selten; sie erreicht nie stärkere Grade. Gelegentlich ist einmal eine Ringbinde zu finden, allerdings ohne sarkoplasmatische Massen. Die Z-Streifen sind in einzelnen Fasern multifokal geringfügig verbreitert; sog. zytoplasmatische Körperchen liegen gelegentlich in deren Nachbarschaft. Fleck- oder wirbelförmig veränderte Typ-1-Fasern sind selten. Kernveränderungen sind nicht auffällig. Einige zentralständige Kerne kommen jedoch vor. Vereinzelt sind Fasernekrosen nachweisbar, ebenso Myophagien und basophile Fasern.
700
Kapitel 30
Muskeldystrophien
30
a
b
c
d
e
f
Abb. 30.3 a Faszioskapulohumerale Muskeldystrophie. M. deltoideus eines 17-jährigen Jungen. Herdförmige Faserveränderungen mit fokalen Vermehrungen des Bindegewebes um die veränderten Fasern. In Relation zur Schwere des Krankheitsbildes bemerkenswert geringe Veränderungen (Vergr. 590:1). b Gleicher Fall wie in a. Longitudinale Faseraufspaltung mit herdförmiger Kernvermehrung, sonst regelrechte Myofibrillenstruktur (Vergr. 700:1). c Familiäre okulopharyngeale Muskeldystrophie. M. tibialis anterior einer 61-jährigen Frau. Starke Kaliberschwankungen mit vermehrten Kernen und fokalen Degenerationsherden vor allem in subsarkolemmalen Regionen. Das Bindegewebe ist um die (in manchen
Myotubuläre Myopatnie
Regionen auch gruppenförmig angeordneten) atrophischen Muskelfasern deutlich vermehrt (Vergr. 420:1). d Gleicher Fall wie in c. Fokale Degradation mit myelinähnlichen Figuren, autophagischen Vakuolen und vermehrtem Glykogen, das z. T. von Vakuolen eingeschlossen ist (Vergr. 16.000:1). e, f Zentronukleäre Myopathie unklarer Genese (vgl. Tabelle 31.1, S. 725). Die Sarkolemmkerne sind vermehrt und vielfach zentralständig. e Einzelne Fasern sind atrophisch oder teilatrophisch (myofibrilläre ATPase-Reaktion). f Eine Faser im Bild links ist abgeflacht. Ein leerer Sarkolemmschlauch und eine akute Fasernekrose sind ebenfalls zu erkennen (HE; Vergr. 120:1)
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD)
Mononukleäre Zellinfiltrate kommen häufig vor; dabei ist es schwierig, Formen der Myositis mit fazioskapulohumeraler Verteilung oder mit Befall der fazialen und distalen Muskulatur voneinander abzugrenzen. Besonders bemerkenswert ist außerdem, dass häufig eine Diskrepanz besteht zwischen den relativ geringfügigen pathologischen Veränderungen und der ausgeprägten klinischen Schwäche desselben Muskels.
Histochemisch lässt sich weder eine gruppierte Atrophie noch eine Fasertypengruppierung nachweisen; es überwiegen gelegentlich die Typ-2-Fasern gegenüber den Typ-1-Fasern. Auffällig war bei einer schweren Verlaufsform eine Überexpression des Fibroblastenwachstumsfaktors FGF und seines Rezeptors [130]. Elektronenmikroskopisch sind in einzelnen Fällen mit distaler Betonung tubulofilamentöse Einschlüsse in Kern und Sarkoplasma zusammen mit autophagischen Vakuolen nachweisbar [127]. Differentialdiagnose. Abzugrenzen ist gegenüber der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie das skapuloperoneale Syndrom, das mit einem Muskelschwund und einer Muskelschwäche proximal an den oberen Extremitäten und zugleich distal an den untern Extremitäten einhergeht und sowohl neurogenen als auch myogenen Ursprungs sein kann. Dabei gibt es sporadische, autosomaldominante und X-chromosomal-rezessive Erbgänge, so dass die differentialdiagnostische Abklärung einer ausführlichen histopathologischen, histochemischen, klinischen und genetischen Analyse bedarf [148].
Muskeldystrophien vom Gliedergürteltyp Zum Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Dystrophino- und Sarkoglykanopathien sowie der Calpainound α2-Lamininopathie sind einige Hinweise zur normalen Anordnung der Zytoskelettproteine erforderlich, die die extrazelluläre Matrix mit den strukturellen Muskelproteinen verbinden (s. Abb. 28.2). Dystrophin liegt auf der zytoplasmatischen Seite der Plasmamembran und bildet mit mehreren Proteinen und Glykoproteinen (dystrophinassoziierte Glykoproteine, DAGs) den Dystrophin-Glykoproteinkomplex (DGK). Zu diesem Komplex gehören außer Dystrophin 3 Subkomplexe: • der Dystroglykankomplex mit α- und β-Dystroglykan, • der Sarkoglykankomplex (SGK) mit α-, β-, γ- und δSarkoglykan, • der Syntrophinkomplex mit α-, β1- und β2-Syntrophin.
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Der DGK wiederholt sich in Perioden von etwa 130 nm entlang dem Sarkolemm. Außerdem dürfte Dystrophin auch am Zusammenhalt der kontraktilen Proteine mit dem Sarkolemm im Bereich der Z-Linie beteiligt sein; dies ist aus der rippenförmigen („kostameren“) Wiederholung immunzytochemischer Reaktionen entlang dem Sarkolemm im Z-Linien-Bereich – mit Perioden von etwa 2250 nm – zu vermuten. Dystrophin ist am N-terminalen Ende mit der filamentösen Aktinkomponente des Zytoskeletts und am C-terminalen Ende mit β-Dystroglykan verbunden. Möglicherweise ist es auch mit γ-Sarkoglykan verbunden. γ-Sarkoglykan kann über α-, β- und δ-Sarkoglykan eine Verbindung zum β-Dystroglykan ermöglichen, das extrazellulär über α-Dystroglykan und α2-Laminin (Merosin) die Basallamina kontaktiert. Terminologie. Die juvenile Form einer progressiven Muskelatrophie wurde ursprünglich von Wilhelm Erb (1884) [46] beschrieben, bei der es sich um eine skapulohumerale Form gehandelt habe. Der Oberbegriff einer Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp wurde von Walton und Natrass (1954) [170] eingeführt. Die Gliedergürtelformen der Muskeldystrophie werden nach der englischen Bezeichnung „limb girdle muscular dystrophy“ mit dem Akronym LGMD versehen und dem Typ 1 zugeordnet, sofern sie autosomal-dominant vererbt werden (LGMD 1A–E). Die autosomal-rezessiv vererbten Formen werden als LGMD 2A–I klassifiziert [62] (s. Tabelle 30.1). Keineswegs alle lassen sich mit den heute verfügbaren Methoden eindeutig diagnostizieren, bei den folgenden Gliedergürteldystrophien seien es z. B. nur 22% [124]. In einer Serie von 76 australischen Patienten mit einer Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp seien die Calpainopathien mit 8% und die Dysferlinopathien mit 5% die häufigsten, es folgen die LGMD2I- (FKRP-bedingten) Fälle mit 3% [90]. Klinik und Genetik. Die Muskeldystrophien vom Gliedergürteltyp manifestieren sich meist primär im Beckengürtel bzw. Oberschenkelbereich mit späterem Aufsteigen in den Schultergürtel. Die Manifestation erfolgt im frühen und späten Erwachsenenalter und seltener in den ersten Lebensjahren [180]. Charakteristisch ist der autosomal-dominante oder -rezessive Erbgang; dadurch ist der pelvifemorale Typ (Leyden-Möbius) vom X-chromosomal-rezessiven BeckerTyp der Muskeldystrophie zu unterscheiden. Die in der Regel benigneren spinalen Muskelatrophien und verschiedene andere kongenitale Myopathien sowie Fälle mit einer Polymyositis mit ähnlicher Lokalisation müssen von anderen autosomal und X-chromosomal erblichen Krankheitsbildern abgegrenzt werden. Morphologie. Muskelbioptisch finden sich ausgeprägte Kaliberschwankungen mit Faserdurchmessern zwischen
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2 und 100 μm. Doch kommen auch extrem hypertrophische Fasern mit Durchmessern über 250 μm vor. Die atrophischen Fasern liegen bei der Schultergürtelform wie bei der faszioskapulohumeralen Form vielfach einzeln. Eine bevorzugte Atrophie eines bestimmten Fasertyps ist nicht nachweisbar. Atrophische Fasergruppen mit mehr als 5 Fasern sind auf eine neurogene (spinale) Muskelatrophie verdächtig. Häufig dominieren Typ-1-Fasern. Bei einigen Fällen fehlen die 2B-Fasern. Zentralständige Kerne sind häufig nachweisbar, darunter auch bläschenförmige (aktivierte) Kerne. Fasernekrosen kommen ebenfalls häufig vor, doch liegen diese zumeist einzeln. Basophile Fasern und Myophagien finden sich seltener als bei der Duchenne-Dystrophie. Gefleckte oder wirbelförmig veränderte Fasern sind besonders häufig zu finden und als diagnostischer Hinweis auf eine Gliedergürteldystrophie zu werten. Auch Ringbinden kommen bei über der Hälfte der Patienten vor, allerdings ohne die für die myotonische Dystrophie typischen sarkoplasmatischen Massen (vgl. Abb. 30.2c). Eine Fibrose und Fettvakatwucherung ist bei fortgeschrittenen Fällen teilweise recht ausgeprägt (Abb. 30.2b). Reaktiv-entzündliche Zellinfiltrate können gelegentlich zu einer Verwechslung mit einer Polymyositis führen. Bei der Diagnose müssen klinische und genetische Aspekte berücksichtigt werden, da der immunhistochemische Nachweis nicht immer gelingt (so z. B. beim Mangel an Caveolin oder Calpain) [22]. Der jeweilige Proteinmangel lässt sich aber im Western-Blot nachweisen (s. unten). Verlauf und Prognose. Der Schweregrad der Erkrankung variiert erheblich. Einige Fälle erkranken früh und zeigen eine rasche Progredienz; bei anderen Fällen, die in der Kindheit erkranken, verläuft die Krankheit sehr langsam progressiv, so dass die Patienten bis ins Erwachsenenalter gehfähig bleiben. Die CK-Werte sind in der Regel deutlich erhöht.
Autosomal-dominant erbliche Formen der Gliedergürteldystrophie Diese lassen sich mit Ausnahme der Caveolin-3-bedingten LGMD1C nicht spezifisch immunhistochemisch identifizierten, da jeweils nur ein Allel betroffen ist und das entsprechende Protein in immunhistochemisch ausreichender Menge durch das nicht mutierte Allel gebildet wird. Die LGMD1A beruht auf Mutationen im MyotilinGen (MYOT) auf Chromosom 5q31 [65]. Sie ist allelisch 1. zur distalen Myotilinopathie, 2. zu einer myofibrillären Myopathie und 3. zu einer Sonderform der Sphäroidkörpermyopathie.
Muskeldystrophien
Histopathologisch finden sich fokale Auflösungen der Myofibrillen mit abnormen Ablagerungen, die stark mit Antikörpern gegen Myotilin reagieren, Z-Bandströmen und zahlreiche „rimmed“ oder nicht „rimmed“ Vakuolen in zentraler oder subsarkolemmaler Position, die ebenfalls mit diesen Antikörpern reagieren [119, 139]. Die LGMD1B ist allelisch zur autosomal-dominanten Form der Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie (s. unten), zur Neuropathie vom Typ CMT2B1 und zu verschiedenen weiteren Phänotypen (z. B. zur sog. restriktiven Dermopathie u. a.; MIM 151660, 176670, 275210). Sie beruht, wie bereits erwähnt, auf einem Mangel an Lamin A/C aufgrund von Mutationen im LMNA-Gen [19, 108, 177] und ist mit einer Kardiomyopathie verbunden. Muskelbioptisch ist eine erhöhte Muskelfaserkalibervariabilität nachweisbar, ebenso vermehrt zentral liegende Kerne, Faseraufsplitterungen und eine leichte Fett- und Bindegewebsvermehrung sowie einzelne Nekrosen. Immunhistochemisch reagieren Antikörper gegen die Kernmembranproteine Emerin, Nesprin und Lamin normal. Elektronenmikroskopisch ist eine ungleichmäßige Verteilung des Kernchromatins aufgefallen [142]. Die LGMD1C beruht auf einen Mangel an Caveolin 3 aufgrund von Mutationen im CAV3-Gen und ist allelisch zur distalen Myopathie mit Caveolin-3-Defekt, HyperCKämie und Rippling-Muskelkrankheit und zu einer familiären hypertrophischen Kardiomyopathie. Immunhistochemisch und im Western-Blot ist eine deutliche Verminderung von Caveolin 3 nachweisbar. Doch reicht die aufgrund eines dominant-negativen Effekts des mutierten Proteins nur schwach verminderte immunhistochemische Reaktion [27] zur Diagnose nicht aus; zur definitiven Feststellung ist eine Western-Blot-Untersuchung [22] oder der Nachweis einer pathogenen Mutation erforderlich. Die sog. Rippling-Muskelkrankheit ist durch abnorme, elektrisch stumme Kontraktionen gekennzeichnet, die ebenfalls, wie erwähnt, auf Mutationen im Caveolin-3Gen basieren [15]. Elektronenmikroskopisch lassen sich Unregelmäßigkeiten und ein Mangel an Pinozytosevesikeln im Sarkolemm nachweisen, während die Endothelzellen vergleichsweise massenhaft derartige Vesikel enthalten [82]. Die LGMD1D, LGMD1E, LGMD1F und LGMD1G sind bereits einem Genlokus, aber noch keinem bestimmten Gen zugeordnet; sie lassen sich immunhistochemisch noch nicht differenzieren (s. Tabelle 30.1).
Autosomal-rezessiv erbliche Formen der Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp Diese 14 folgenden Formen der Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp (LGMD2A–N) sind erst in den Jahren 1991–2007 mit molekulargenetischen Methoden diffe-
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD)
renziert worden, wobei sie relativ selten vorkommen und wegen des rezessiven Erbgangs mit in der Regel nur kleinen Fallzahlen innerhalb einer Familie schwerer zu erfassen sind als die dominant erblichen Formen. Das Kürzel für das jeweilige Gen ist im folgenden Abschnitt kursiv in Klammern hinter der Abkürzung der jeweiligen Myopathieform eingetragen. Weitere Einzelheiten zur Genetik sind aus der Tabelle 30.1 (Pos. 1.17–1.31) zu ersehen. Während sich die LGMD 2B durch das Fehlen von Dysferlin (Dysferlinopathie; Abb. 30.4) und die LGMD 2G durch das Fehlen von Telethonin immunhistochemisch diagnostizieren lassen, versagt die Immunhistochemie beim Versuch, bei der LGMD2A einen Calpain-3-Mangel nachzuweisen (s. unten). Bei den Sarkoglykanopathien lassen sich zwar Defekte immunhistochemisch feststellen, aber die einzelnen Sarkoglykanopathien (D-, E-, J-, G-, Hund ]-Sarkoglykanopathie) sind nicht sicher voneinander abzugrenzen, da die Expression der einzelnen Komponenten des tetramerischen Sarkoglykankomplexes sehr variabel ist und in der Regel mehrere Komponenten betroffen sind. Auf eine molekulargenetische Analyse kann deshalb zu deren Diagnose nicht verzichtet werden. Das gilt auch für E-Dystroglycan, das, wie bereits erwähnt, zusammen mit den Sarkoglykanen den DystrophinGlykoprotein-Komplex (DGC) bildet (Literatur s. [78]; vgl. Abb. 28.2). Die Dystrophinexpression ist oft mitbetroffen. Bei der Calpainopathie [141] und der GammaSarkoglykanopathie [9] sind vereinzelt eosinophile Infiltrate nachzuweisen. Die übrigen mikroskopischen Veränderungen sind unspezifisch „dystrophisch“. Das Gen des H-Sarkoglykans ist für das MyklonusDystonie-Syndrom verantwortlich, während dem ]-Sarkoglykan bisher noch keine Krankheit zugeschrieben werden konnte. Mutationen des Gens für D-Dystroglykan (DAG1) konnten bisher ebenfalls nicht als Ursache für irgendeine Muskeldystrophie des Menschen identifiziert werden; doch sind Anomalien der Glykosylierung des D-Dystroglykans für verschiedene kongenitale Muskeldystrophien einschließlich FMCD, WWS, MEB, MDC1C, MDC1D sowie für LGMD2K und LGMD2I verantwortlich („Dystroglykanopathien“), die auf 6 verschiedene Gene zurückzuführen sind: FKRP, Fukutin, POMT1, POMT2, POMGNT1 und LARGE [92, 111] (s. unten).
LGMD2A–2N Im Folgenden werden besondere Details zu den einzelnen autosomal-rezessiv erblichen Glidergürteldystrophien aufgeführt. Die LGMD2A (CAPN 3) entspricht klinisch weitgehend einer juvenilen skapulohumeralen Form der Muskeldystrophie. Die Muskelfasern haben typischerweise,
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wenn auch keineswegs alle ein lobuliertes Aussehen, das auf einer fokalen subsarkolemmalen Anhäufung von Mitochondrien mit angrenzenden Einziehungen des Sarkolems beruht. Der zugrunde liegende Calpainmangel lässt sich immunhistochemisch bisher nicht sicher nachweisen; es ist dazu eine Western-Blot-Untersuchung [22] oder eine molekulargenetische Analyse erforderlich [71, 129], wenn die Immunoblotreaktion keine Proteinreduktion ergibt. Sekundär kann ein Calpainmangel auftreten, wenn ein primärer Dysferlin- [3], Titin- [156] oder Caveolin-3-Mangel [95] vorliegt. Pathogenese. Calpain 3 ist ein Mitglied der CalpainFamilie kaliumabhängiger Proteinasen, das an Titin gebunden ist, als Sensor der sarkomerischen Integrität und Funktion dient, zwar nicht an deren Entwicklung, aber an deren Aufrechterhaltung und Reparatur mitwirkt. Mutationen führen offensichtlich zu einem Funktionsverlust, dessen genauer Pathomechanismus noch nicht geklärt ist [12]. Die LGMD2B (DYSF; Dysferlinmangelmyopathie, Dysferlinopathie)) ist allelisch zu einer autosomal-rezessiv erblichen, distalen Myopathie (Miyoshi-Myopathie) (vgl. Abschn. „Distale Myopathien“), die in Japan erstmalig (anfänglich auf Japanisch und erst später auf Englisch) von der Arbeitsgruppe von Miyoshi [60, 103, 104] und in Deutschland unabhängig davon erstmalig von Kuhn und Schröder (1981) [83] beschrieben worden ist. Die Krankheit beginnt in der 2. bis 3. Lebensdekade, wobei das distale anteriore Kompartiment bevorzugt betroffen ist, manchmal aber auch im späten Erwachsenenalter, dann vor allem den Stamm und die proximale Muskulatur betreffend [77]. Sie beruht auf einem Mangel an Dysferlin [8, 89], dessen Fehlen muskelbioptischimmunhistochemisch (Abb. 30.4e) und durch WesternBlot nachweisbar ist. Anfangs dominieren Faserdegenerationen, in späten Stadien ein typisch dystrophisches Bild (Abb. 30.4a,b) mit Fettvakatwucherung und Bindegewebsvermehrung. Vereinzelt kommen mononukleäre Zellinfiltrate vor [32], die eine Myositis oder Vaskulitis vortäuschen können (Abb. 30.4a). Elektronenmikroskopisch sind neben zahlreichen verschiedenartigen „dystrophischen“ Veränderungen charakteristische extrazelluläre osmiophile, Basallamina-ähnliche amorphe Ablagerungen an der Oberfläche der Muskelfasern nachweisbar, wie sie bei keiner anderen Myopathie zu finden sind (Abb. 30.4f). Die LGMD2C (SCGC; γ-Sarkoglykanopathie) hat einen klinischen Phänotyp etwas ähnlich dem der Duchenne-Muskeldystrophie, gelegentlich verbunden mit episodischer Myoglobinurie. Muskelbioptisch ist sie durch einen dystrophischen Prozess ebenfalls ähnlich der Duchenne-Form charakterisiert. Im späteren Stadium nehmen auch die Typ-1-Muskelfasern an Zahl bis auf 60–90% zu. Immunhistochemisch lässt sich ein Fehlen des γ-Sarkoglykans nachweisen. Das Dystrophin ist manch-
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e Abb. 30.4a–e Dysferlinopathie (distale, autosomal-rezessive Myopathie vom Typ Miyoshi) bei einer 27-jährigen Frau aus den Vereinigten arabischen Emiraten (a,b) und ihrem 6 Jahre jüngeren Bruder (c–e). a Dystrophische Muskelveränderungen mit starken Kaliberschwankungen, fokaler Fettvakatwucherung und irreführenden, an einen primär entzündlichen Prozess erinnernden herdförmigen mononukleären perivaskuläre Zellinfiltraten (HE-Färbung). b Schmale fuchsinophile Säume in der Peripherie mehrerer Muskelfasern (modifizierte Trichrom-Färbung nach Gomori). c Die immunhistochemische Dysferlinreaktion am normalen Kontrollmuskel weist eine deutliche Reaktion (Braunfärbung) an der Faseroberfläche auf. d Im erkrank-
ten Muskel fehlt diese Reaktion. e Elektronenmikroskopisch sind zahlreiche extrazelluläre amorphe Ablagerungen ähnlich einem Membran-Attacke-Complex (MAC) an der Oberfläche dieser Muskelfaser zu sehen, die teilweise von Basallamina-ausgekleideten Sarkolemminvaginationen umschlossen werden (dünne Pfeile). Fokal besteht eine Verbindung zwischen einer solchen extrazellulären Ablagerung und dem Sarkoplasma (dickerer Pfeil). Der Pfeilkopf weist auf einen Defekt der Basallamina der Muskelfaser hin, wo auch die subsarkolemmale Verdichtungszone fehlt. Originalvergrößerung 1:10.000
Hereditäre myofibrilläre Myopathien und Plektinmyopathie
mal sekundär vermindert. Außerdem kommt es gelegentlich sekundär zu einem totalen, intermediären oder leichten Mangel an α-, β- und δ-Sarkoglykan. Die LGMD2D (SGCA; α-Sarkoglykanopathie, Adhalinmangelmyopathie) zeigt muskelbioptisch ebenfalls ausgeprägte dystrophische Veränderungen. Immunhistochemisch ist ein Fehlen des α-Sarkoglykans nachweisbar, das in der Regel auch mit einem Fehlen von β- und δ-Sarkoglykan verbunden ist; jedoch ist γ-Sarkoglykan vorhanden. Dystrophin ist vermindert oder normal [42, 43]. Die LGMD2E (SGCB; β-Sarkoglykanopathie) beruht auf einem Mangel an β-Sarkoglykan [41], dessen Fehlen zusammen mit den übrigen Sarkoglykanen immunhistochemisch in der Muskelbiopsie nachweisbar ist. Die immunhistochemische Expression von Dystrophin, β-Dystroglykan und δ2-Lamin erschien normal, während die von α-, γ- und δ-Sarkoglykan stark und die von α-Dystroglykan bei Mitgliedern einer Amish-Familie deutlich vermindert war. Die LGMD2F (SGDC; δ-Sarkoglykanopathie) ist immunhistochemisch aufgrund des Fehlens aller 4 Sarkoglykane, speziell aber des δ-Sarkoglykans, zu vermuten [115, 123, 157, 158]. Die LGMD2G (TCAP) beruht auf einem Mangel an Telethonin, das ein sarkomerisches Protein ist [107]. LGMD2G ist allelisch zu einer besonderen Form einer Kardiomyopathie (CMD1N). Telethonin ist am Z-Band lokalisiert und bietet Bindungsstellen für Titin und andere Z-Band-assoziierte Proteine während des Aufbaus der Sarkomere. Morphologie. Muskelbioptisch finden sich außer einer starken Variation der Faserkaliber wiederholt zentralständige Kerne und eine milde endomysiale Fibrose. Die meisten atrophischen Fasern erscheinen nach der NADH-Reaktion lobuliert. Der Telethoninmangel ist histochemisch und im Immunoblot nachweisbar [120]. Elektronenmikroskopisch bestehen offenbar nur geringe Störungen der myofibrillären Organisation. Die LGMD2H (TRIM32) ist allelisch zur sarkotubulären Myopathie (s. dort). Sie ist als autosomal-rezessiv erbliche Myopathie erstmalig bei Hutterer-Brüdern aus Süd-Dakota sowie bei zwei nicht-Hutterschen Brüdern aus Deutschland beschrieben worden und auf Mutationen im Tripartit-Motif-enthaltenden Protein-32-(TRIM32-)Gen zurückzuführen [134, 173]. Auch gleichzeitiges Vorkommen von LGMD2H und LGMD2I ist bei Hutterer-Brüdern beschrieben worden, allerdings ohne dass die Myopathie stärker ausgeprägt gewesen wäre als bei den Familienmitgliedern mit nur einer homozygoten Mutation [55]. LGMD2I (FKRP) ist allelisch zur kongenitalen Muskeldystrophie mit abnormer Glykosylierung von α-Dystroglykan (MDC1C), zur MEB-Krankheit sowie zum Walker-Warburg-Syndrom [14] und beruht auf einem Mangel an Fukutin-related protein [39] (s. dort). Letzteres ist vermutlich eine Glykosyltransferase, die eine Rolle bei der Glykosylierung insbesondere von α-Dystroglykan
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spielt [110]. FKRP ist im Golgi-Apparat und im endoplasmatischem Retikulum lokalisiert [76]. Die Skelettmuskulatur ist unterschiedlich stark betroffen, ebenso die Herzmuskulatur, allerdings ohne schwere ventrikuläre Herzrhythmusstörungen oder Herzstillstand [169]. LGMD2J (TTN) beruht auf einem Titindefekt [156, 161] und ist allelisch 1. zu einer kongenitalen Myopathie mit fataler Kardiomyopathie und anderen Kardiomyopathien, 2. zur tibialen Muskeldystrophie (Udd) [155] (s. dort) und 3. zu einer autosomal-dominanten Myopathie mit proximaler Muskelschwäche und früher Beteiligung der Atemmuskulatur (HMERF). In Finnland beträgt die Häufigkeit der wichtigsten Mutation 1:10.000. Pathogenese. TTN ist das bisher größte bekannte Gen und Titin ein riesiges Protein, das sich vom Z-Band bis zur M-Linie erstreckt; es ist an der Myofibrillogenese beteiligt, dient als strukturelle Schiene, vermittelt dem Sarkomer seine Elastizität und hat sensorische und Signalfunktionen. Je nach Art der Mutation resultieren die o. g. verschiedenen Formen einer Myopathie und/oder Kardiomyopathie [63]. Da jeweils nur ein Teil des Proteins betroffen ist, lässt sich immunhistochemisch nur mit spezifisch gestalteten Antikörpern eine sichere Diagnose stellen [156]. LGMD2K (POMT1) ist allelisch zum Walker-Warburg-Syndrom [6] (Pos. 2.7 in Tabelle 30.1; s. dort). LGMD2L (FCMD) ist allelisch zur kongenitalen Myopathie vom Fukuyama-Typ (FCMD, Pos. 2.5 in Tabelle 30.1; s. dort). LGMD2M ist bisher noch nicht auf ein bestimmtes Gen zurückzuführen, wenn auch der Genlokus bereits bestimmt ist [34]. LGMD2N (POMT2) ist allelisch zu einem weiteren Walker-Warburg-Syndrom (WWS) und zur Muscle-EyeBrain-(MEB-)Krankheit (Pos. 2.8 und 2.13 in Tabelle 30.1; s. dort). LGMD2O (POMGNT1) ist ebenfalls allelisch zu einem WWS und MEB (s. unten).
Hereditäre myofibrilläre Myopathien und Plektinmyopathie Myofibrilläre Myopathien Die myofibrillären Myopathien sind dominant erblich und durch abnorme Ablagerung und Fehlorientierung von Myofibrillen gekennzeichnet (s. Abb. 31.1). Inzwischen sind molekulargenetisch 9 Formen zu unterscheiden, die immunhistopathologisch zwar richtungswei-
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send, aber noch nicht eindeutig, sondern erst molekulargenetisch zweifelsfrei zu differenzieren sind. Sie werden unter den kongenitalen Myopathien beschrieben (s. Kap. 31).
Plektinmyopathie
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Eine spät auftretende, autosomal-rezessive Gliedergürtelform der Muskeldystrophie resultiert aus einem Mangel an Plektin, das immunhistochemisch durch die fehlende Expression von Plektin am Sarkolemm und in der Haut mit monoklonalen Antikörpern nachgewiesen werden kann [57] (s. Tabelle 31.2, Pos. 5.14, S. 725). Plektin ist mit den intermediären Filamenten assoziiert und stellt ein Bindungsprotein dar, das Desmin an die Z-Bänder bindet (s. Abb. 28.2) [68, 138], speziell die Isoformen 1d und 1f, während Plektin 1b mit den Mitochondrien verbunden ist [81]. Die Krankheit ist mit einer Epidermolysis bullosa simplex assoziiert, da Plektin auch in den basalen Keratinozyten der Haut fehlt. Plektin bindet in der Haut mit dem häufigsten humanen intermediären Filament, nämlich dem Keratin. Differentialdiagnose. Einige rezessiv erbliche Myopathien werden unter den kongenitalen Myopathien beschrieben, andere unter den kongenitalen Muskeldystrophien oder den distalen Myopathien. Wichtig ist es auch, die ebenfalls rezessiv erblichen und histopathologisch zumeist gut diagnostizierbaren Glykogen- und Lipidspeicherkrankheiten abzugrenzen (s. dort).
Andere Myopathien mit besonderen Vorzugslokalisationen Auf Myopathien mit fazioskapulohumeraler Vorzugslokalisation und Gliedergürteldystrophien wurde bereits hingewiesen. Über okuläre Syndrome bei mitochondrialen Myopathien wird weiter unten eingegangen, ebenso auf die okulopharyngeale Muskeldystrophie. Im Folgenden werden zuerst die distalen Myopathien dargestellt, die allerdings manchmal allelisch zu den Gliedergürteldystrophien sind.
Distale Myopathien Bei den distalen Myopathien tritt die Muskelschwäche zuerst entweder an den Füßen oder an den Händen auf. Wichtig ist, dass eine neurogene Ursache ausgeschlossen wird; denn in der Regel sind distale Muskelatrophien
Muskeldystrophien
bzw. -paresen auf die häufig distal akzentuierten Polyneuropathien oder auf spinale Muskelatrophien verschiedenster Genese zurückzuführen. Zu unterscheiden sind 13 hereditäre distale Myopathien, zu denen genetische Details in der Tabelle 31.2, S. 725 (Pos. 4.1–4.13) aufgeführt sind: • Die distale schwere juvenile, autosomal-rezessive Myopathie (Miyoshi) ist allelisch zur LGMD2B (s. dort) und auf Mutationen im Dysferlin-Gen zurückzuführen. Sie ist rasch progredient und histopathologisch durch nekrotisierende Faserveränderungen ohne Vakuolen gekennzeichnet (s. Abb. 30.4a–e) [83]. • Die sog. tibiale Muskeldystrophie beruht auf TTNMutationen, wobei manchmal nahezu ausschließlich der M. tibialis anterior betroffen ist [64, 154, 155]; sie ist allelisch zur LGMD 2J, HMERF, CMH9 und CMD1G. • Die distale Myopathie mit sog. „rimmed vacuoles“ (Nonaka) ist auf Mutationen im GNE-Gen zurückzuführen und offensichtlich allelisch zur hereditären Einschlusskörpermyopathie (= „hereditäre inclusion body myositis“ = hIBM) [116] (s. dort) und vermutlich auch zu der distalen Myopathie mit autophagischen Vakuolen [70, 105, 147]. Die hIBM kann dominant [45] oder rezessiv erblich [2] und sowohl proximal als auch distal ausgeprägt sein [4, 5, 67]. Diese Myopathien sind lichtmikroskopisch durch Ubiquitin-positive autophagische Vakuolen (= „rimmed vacuoles“) und elektronenmikroskopisch durch membranöse zytoplasmatische Körper in den Vakuolen und daneben und/oder in Kernen liegende charakteristische tubulofilamentöse Einschlüsse mit einem Durchmesser von ca. 15–20 nm gekennzeichnet, wie sie auch bei der sporadischen Einschlusskörpermyositis vorkommen (Abb. 30.5a). Das Sarkolemm weist eine vermehrte PNA-(Peanut-Agglutinin-)Lektin-Färbung auf, was eine reduzierte Sialysierung der Glykokonjugate aufgrund von Mutationen im GNE-Gen anzeigen soll; dieses Gen kodiere das Schlüsselenzym der Sialinsäuresynthese [166]. Als unspezifische Ablagerung ist bei diesen durch Vakuolen gekennzeichneten Myopathien, aber ebenso bei der okulopharyngealen Myopathie und vermutlich allen Myopathien mit autophagischen Vakuolen in Verbindung mit diesen Vakuolen neben Amyloid unter anderem auch das TAR-DNA-bindende Protein-43 (TDP-43) nachzuweisen [85, 172], dem eine Rolle bei der Genexpression zukommt und das als Charakteristikum in zytoplasmatischen Einschlüssen von Neuronen bei der ALS („motor neuron disease“, MND), der frontotemporalen lobären Degeneration (FTLD) und der MND mit FTLD gilt. • Die distale, autosomal-dominante Myopathie Typ Laing beruht auf Mutationen im kardialen Schwerkettenmyosin-Typ-7-Gen (MYH7) [98]. Sie ist allelisch zur Myosinspeichermyopathie (s. Kap. 31) und bestimmten
Andere Myopathien mit besonderen Vorzugslokalisationen
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Abb. 30.5a–f Pathognostische, nur elektronenmikroskopisch differenzierbare Muskelfaserveränderungen bei verschiedenartigen Myopathien. a Tubulofilamentöse Muskelfasereinschlüsse (F) bei der Einschlusskörpermyositis. Der Durchmesser der einzelnen Filamente beträgt ca. 15–21 nm; sie liegen hier in unmittelbarer Nachbarschaft von membranösen zytoplasmatischen (myelinähnlichen) Körpern, die zu dem Bild der autophagischen Vakuolen („rimmed vacuoles“) führen; denn die myelinähnlichen Korpuskel lösen sich im Kryostatschnitt größtenteils aus dem Sarkoplasma und hinterlassen artifizielle Hohlräume (Vergr. 10.000:1). b Okulopharyngeale Muskeldystrophie mit typischem Kerneinschluss, in dem 8,5-nm-Filamente in verschiedenen Richtungen orientiert sind (Vergr. 175.000:1). c Myopathie mit besonderen tubulären Aggregaten. Die einzelnen Tubuli sind ca. 30 nm breit und enthalten ihrerseits wieder feinere tubulofilamentöse Einschlüsse mit einem Durchmesser von ca. 17 nm. An der Grenze zu den normalen Myofibrillen liegt auf der linken Seite eine lang ge-
streckte, leicht gebogene und unterbrochene Terminalzisterne. Zwischen den einzelnen Tubuli sind stark bleizitratkontrastierte Glykogengranula eingestreut (Vergr. 29.000:1). d Danon-Myopathie mit granulovakuolären Einschlüssen, die hier am Rand der Muskelfaser getroffen sind. Sie sind von einer Basallamina ausgekleidet und zeigen eine exozytotische Tendenz. Neben granulären Komponenten sind auch feinvesikuläre und membranöse Strukturen in den Vakuolen enthalten (Vergr. 12.000:1). e Randzone eines Polyglukosankörpers, der nicht von einer Membran umgeben ist und aus teils granulären, teils filamentösen Komponenten besteht (Vergr. 13.000:1). f Membrangebundene Polyglukosankörper innerhalb eines Makrophagen, der in einer aufgespaltenen Muskelfaser liegt, aber noch von einer mit der Muskelfaser gemeinsamen Basalmembran eingeschlossen wird. Darüber und angrenzend an eine im Bild rechts oben getroffene Kapillare liegen fibroblastenähnliche Fortsätze, die ebenfalls membrangebundene Polyglukosankörper enthalten (Vergr. 6100:1)
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Kardiomyopathien. Typisch sind „hyaline“ subsarkolemmale Myosinablagerungen. Eine neurale Komponente mit reichlich zu dünn myelinisierten Nervenfasern ist mit Hilfe einer Suralisbiopsie festgestellt worden [168]. Die krikopharyngeale distale Myopathie beruht auf Mutationen im MATR3-Gen, die zu Veränderungen des Matrin-3-Proteins führen [140]. Dabei kommt es zu einer Obstruktion des Schlunds durch den M. cricopharyngicus. Allerdings sind die Ätiologie und Pathogenese wahrscheinlich nicht einheitlich [33]. Ein autosomal-dominanter Erbgang ist beschrieben worden (Tabelle 31.2, Pos. 4.5, S. 725: Stimmband- und pharyngeale distale Myopathie) [48]. Die histopathologisch beobachteten Zeichen der Degeneration und Regeneration mit interstitieller Fibrose sind nach den bisherigen Untersuchungen zu uncharakteristisch, um eine genauere Klassifikation dieser Erkrankung zuzulassen. Zu der sog. Myopathia distalis tarda hereditaria [174] ist noch kein molekulargenetisches Korrelat gefunden worden. Diese auch Welander-Krankheit genannte autosomal-dominant erbliche Myopathie ist sehr eingehend untersucht. Die Erkrankung beginnt zumeist im Alter von 50 Jahren, seltener vor dem 40. Lebensjahr. Das Leiden ist langsam progressiv und hat keinen Einfluss auf die Lebenserwartung. Mikroskopisch finden sich bei der WelanderKrankheit anfangs mäßige Vermehrungen des interstitiellen Bindegewebes sowie Kaliberschwankungen, wobei langsame Zuckungsfasern dominieren und neurogene Einflüsse ein Rolle spielen [149]. Auch ist eine periphere Neuropathie nachweisbar [21]. Als Besonderheit sind die sog. zytoplasmatischen (oder sarkoplasmatischen) Körper mit intermediären Filamenten (Desmin) nachweisbar [44, 150]. Die Muskelfasern erscheinen z. T. abgerundet, die Zahl der Kerne ist vermehrt; zentrale Kerne kommen allerdings nur gelegentlich vor. In späteren Stadien werden die Muskelfasern fast vollständig vom Bindegewebe umhüllt. Die Kaliberschwankungen der Muskelfasern werden ausgeprägter, wobei zwischen extrem dünnen bis zu hypertrophischen Fasern alle Übergänge vorkommen. Auch Faseraufsplitterungen und Vakuolen sind gelegentlich zu finden. Myophagien sind in der Regel vorhanden. Gelegentlich sind perivaskuläre Rundzellen nachweisbar, die als reaktive Veränderungen anzusehen sind. In den Endstadien dominiert das Bindegewebe; gelegentlich resultiert eine Lipomatose, insbesondere in der Beinmuskulatur. Weitere distale Myopathien sind: die sog. distale Myopathie mit Pes cavus und Areflexie (auch wenig differenziert als „vakuoläre Neuromyopathie“ bezeichnet), deren genetische Grundlage noch nicht geklärt ist, die distale Myopathie aufgrund eines MyotilinDefekts,
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• die distale Myopathie aufgrund eines NebulinDefekts, • die distale Myopathie aufgrund eines Caveolin-Defekts und • eine spät auftretende Myopathie (Markesberry-Griggs). • Die auf dominante Mutationen im Dynamin-2-Gen zurückzuführende Myopathie ist durch zentralständige Kerne charakterisiert (zentronukleäre Myopathie; CNM) und beruht nur manchmal auf Mutationen in der dem Pleckstrin homologen Gendomäne [74, 96] wie die für die allelische Neuropathie vom Typ CMTD1B verantwortlichen Mutationen [185] (s. dort). • Eine sog. Myopathia distalis juvenilis hereditaria [16, 17] ist vermutlich neurogen bedingt. Vereinzelt ist eine distale Betonung der Muskelschwäche oder -atrophie auch bei der Myopathie mit Neutralfettspeicherkrankheit aufgrund von PNPLA2-Mutationen beobachtet worden [118] (s. dort).
Okuläre Syndrome Eine Schwäche der äußeren Augenmuskeln kann allein oder in Verbindung mit einer generalisierten neuromuskulären Erkrankung oder als Teil komplexer Syndrome mit Beteiligung anderer Systeme auftreten.
Ursächlich kommen Veränderungen im Kerngebiet der Augenmuskelnerven, im Nerv selbst, an der neuromuskulären Endplatte oder im Muskel in Frage.
Bei der differentialdiagnostischen Abgrenzung der verschiedenen Ursachen einer Erkrankung der äußeren Augenmuskeln ist es wichtig, auf das Ausmaß der Augenbeteiligung zu achten, auf eine Verbindung mit Pupillenveränderungen, die eher auf eine neurale als auf eine myopathische Ursache hinweisen, auf die Verbindung mit einer Retinitis pigmentosa oder andere Pigmentstörungen der Retina, die Mitbeteiligung anderer Hirnnerven oder anderer Muskeln, das Vorhandensein einer Kardiomyopathie und die Verbindung mit Alterationen des Nervensystems oder anderer Systeme (s. Kearns-Sayre-Syndrom, Ophthalmoplegia plus), die auf eine mitochondriale Grundkrankheit hinweisen (s. dort). Eine äußere Augenmuskellähmung (Ophthalmoplegia externa) und Ptosis gehört nicht zu der Duchenne-, der Gliedergürtel- oder der faszioskapulohumeralen Muskeldystrophie oder zu den spinalen Muskelatrophien. Sie kommt jedoch häufig bei der Myasthenia gravis vor, bei der sie das einzige klinische Symptom sein kann, oft als Symptom auch bei der myotonischen Dystrophie sowie bei verschiedenen kongenitalen Myopathien wie der myo-
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tubulären Myopathie und vor allem bei den mitochondrialen Myopathien (s. unten). Als weitere Ursachen einer Ophthalmoplegie kommen in Frage: eine Abetalipoproteinämie, ein RefsumSyndrom (Abb. 40.3g,h), bestimmte familiäre Ataxien und spastische Tetraplegien sowie die sog. lysosomale Neuromyopathie, von der bisher nur wenige Fälle diagnostiziert worden sind. Letztere ist durch massenhaft sekundäre lysosomale Einschlüsse in den Muskelfasern gekennzeichnet.
Autosomal-dominante okulopharyngeale Muskeldystrophie Bei diesem seltenen, eigenständigen, autosomal-dominant erblichen Krankheitsbild ist die okuläre Myopathie mit einer Dysphagie verbunden [18, 23, 24, 163, 179]. Molekulargenetisch ist die Krankheit auf kurze Expansionen des N-terminalen Polyalanin-Trakts aufgrund von Verlängerungen des Trinukleotids GCG von normalerweise 6 (GCG6) auf 7–13 Wiederholungen (GCG7–13) in dem Poly(A)-bindenden-nuclear-1-(PABPN1-)Gen zurückzuführen (s. Tabelle 30.1). Wiederholt sind auch GCA-Insertionen festzustellen, die wie die GCG-Insertionen über einen Pathomechanismus eingeschleust werden, der als „unequal crossing over“ bezeichnet wird [136]. Es gehört zur Gruppe der Proteinaggregationskrankheiten wie die Huntington-, Parkinson- und Alzheimer-Krankheit. Die klinische Ausprägung des Krankheitsbildes ist allerdings so variabel, dass Fälle vorkommen, die nur eine Dysphagie oder nur eine okuläre Symptomatik aufweisen. Einige Fälle haben eine Ptose ohne äußere Ophthalmoplegie, andere haben gleichzeitig eine Skelettmuskelschwäche. Neuartige Therapieversuche mit Intrakörpern („intrabodies“ = modifizierte Antikörper, die intrazellulär exprimiert werden und sich spezifisch mit Antigenen in subzellulärer Lokalisation reagieren) gegen PABPN1 sind zumindest am Drosophila-Modell der okulopharyngealen Muskeldystrophie erfolgreich gewesen [30]. Muskelbioptisch fallen fokale Degradationsherde mit Vakuolen und reichlich myelinähnlichen lamellierten Zytoplasmakörper auf (s. Abb. 30.3c,d). Diese sind unter anderem immunreaktiv für TDP-43 (s. hereditäre und andere Einschlusskörpermyopathien). In etwa 5% der Kerne kommen bei der dominant erblichen Form offensichtlich spezifische tubulofilamentöse Einschlüsse vor, die sich elektronenmikroskopisch identifizieren lassen und sich von denen bei der Einschlusskörpermyositis unterscheiden: Ihr Durchmesser ist mit 8,5 mm nur etwa halb so dick wie bei Letzterer [153] (s. Abb. 30.5b). Sie enthalten keine DNA, sondern Pol(A)-RNA, was sich durch In-situ-Hybridisierung nachweisen lässt [10, 26].
Autosomal-rezessive okulopharyngeale Muskeldystrophie Eine familiäre, offensichtlich autosomal-rezessiv erbliche Form der Muskeldystrophie mit vorwiegend okulärer und pharyngealer Symptomatik, aber zusätzlicher distaler Muskelbeteiligung und besonderen Kerneinschlüssen, die sich von denen bei der dominant erblichen Form unterscheiden, ist ebenfalls beschrieben worden [162]. Diese Kerneinschlüsse bestehen aus kompakten Bündeln von parallel ausgerichteten geraden oder helikal umeinander gewundenen 2–4 nm dünnen Filamenten, deren äußerer Durchmesser etwa 12–15 nm und deren Periodizität etwa 15 beträgt [137]. Abnorme Mitochondrien mit parakristallinen Einschlüssen kommen wie bei der dominant erblichen Form der okulopharyngealen Muskeldystrophie ebenfalls vor. Die Abgrenzung gegenüber einer als rezessiv erblich imponierenden, aber dominant erblichen Form der okulopharyngealen Muskeldystrophie [121] ist vorerst nur elektronenmikroskopisch möglich.
Autosomal-dominant erbliche Myopathie mit kongenitalen Kontrakturen, Ophthalmoplegie und autophagischen Vakuolen Diese geht ebenfalls mit okulären Symptomen einher, wird aber bei den kongenitalen Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien beschrieben (s. Kap. 31) [36].
Kongenitale Muskeldystrophien Die kongenitalen Muskeldystrophien sind eine heterogene Gruppe hereditärer Krankheiten, die sich bereits zum Zeitpunkt der Geburt oder bis zum Alter von 6 Monaten durch eine ausgeprägte Hypotonie und Muskelschwäche der Extremitäten, des Stammes und des Gesichts manifestieren [121]. Mutationen in mehr als 16 verschiedenen Genen kommen als Ursache in Frage, gegen deren entsprechende Proteine großenteils Antikörper verfügbar und die somit immunhistochemisch zu diagnostizieren sind [73] (genetische Details: siehe Pos. 2.1– 2.24 in der Tabelle 30.1). Bei einem Großteil der Fälle bestehen Kontrakturen in verschiedenen Muskeln bereits zum Zeitpunkt der Geburt (Arthrogryposis multiplex congenita bzw. fetale Akinesia-deformans-Sequenz, FADS), bei anderen entwickeln sich die Kontrakturen erst später. Früher wurden relativ benigne (Typ Batten-Turner) und maligne Verlaufsformen (Typ De Lange) der kongenitalen Muskeldystrophie unterschieden, die zwar klinisch, aber nicht zweifelsfrei morphologisch zu unterscheiden waren. In-
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tellektuelle Störungen aufgrund von Fehlbildungen im Zentralnervensystem und Herzveränderungen kommen häufig vor und dienen zur genaueren Klassifikation, wobei in zunehmendem Maße molekulargenetische Befunde eine spezifische Differenzierung in gegenwärtig 24 Formen kongenitaler Muskeldystrophien erlauben. Diese sind kaum oder nur langsam progredient. Bei den übrigen Patienten, bei denen eine definitive Diagnose nicht gestellt werden kann, spricht man von „Merosin-positiver kongenitaler Muskeldystrophie“. Differentialdiagnose: Von den kongenitalen Muskeldystrophien müssen die sog. kongenitalen Myopathien (s. Kap. 31) und Myopathien mit kongenital manifesten Stoffwechselkrankheiten wie bestimmte Glykogenosen (z. B. Typ II und IV) und die große Gruppe der Mitochondriopathien abgegrenzt werden (s. Kap. 33). Zwischen Myopathien, die auf Krankheiten der extrazellulären Matrix beruhen oder damit in Verbindung stehen wie solche durch Defekte der Transmembranproteine (Dystroglykane, Sarkoglykane und Integrine), Laminin und Kollagene (Kollagen VI, XIII und XV) und anderen hereditären Bindegewebskrankheiten bestehen klinisch Überlappungen [165], z. B. zum Ehlers-Danlos-Syndrom, das als primär neuromuskuläre Krankheit fehlgedeutet werden kann [182]. Zu den kongenitalen Muskeldystrophien („muscle dystrophy, congenital“ = MDC) werden im Einzelnen folgende Krankheiten oder Syndrome gezählt, die – von drei Varianten der Bethlem-Myopathie abgesehen – alle autosomal-rezessiv vererbt werden (bzgl. weiterer Einzelheiten zur Genetik und zur Literatur s. Tabelle 30.1). 1. Kongenitale Muskeldystrophie mit Merosinmangel (MDC1A): Sie ist die häufigste der insgesamt seltenen kongenitalen Muskeldystrophien. Sie ist auf Mutationen im LAMA2-Gen zurückzuführen. Betroffen ist die Laminin-α2-Kette des Merosins (= Laminin-2) [152, 167]. Histochemisch lässt sich ein Fehlen des Laminin-2 nachweisen, auch pränatal in Trophoblasten [159], in Hautbiopsien am epidermal-dermalen Übergang, an sensorischen Nerven und Drüsen [143]. Mutationen in diesem Gen führen auch zu einer Neuropathie, die beim Menschen zu Hypo- und Hypermyelinisation mit Tomacula und fokal gefalteten, nichtkompaktierten Markscheiden, verkürzten Internodien und abnorm weiten Ranvier-Schnürringen führt (Literatur s. [37, 38, 49, 144]). Bei der vielfach dokumentierten allelischen Dystrophiemaus liegen die Axone in den Spinalnerven unmyelinisiert in Gruppen zusammen. 2. MDC1B: eine kongenitale Muskeldystrophie, deren Gen noch nicht identifiziert ist. 3. MDC1C: eine kongenitale Muskeldystrophie mit abnormer Glykosylierung von Dystroglykan aufgrund von Mutationen im FKRP-Gen, das ein Fukutin-related Protein kodiert. Diese ist allelisch zu LGMD2I, WWS und MEB (s. unten).
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4. MDC1D: kongenitale Muskeldystrophie, ebenfalls mit abnormer Glykosylierung von Dystroglykan, beruht auf Mutationen im LARGE-Gen, das eine Glykosyltransferase kodiert (Tabelle 30.1). 5. FCMD: Dieser kongenitale Muskeldystrophie vom Typ Fukuyama mit Fehlbildungen im Zentralnervensystem liegen Mutationen im FCMD-Gen zugrunde mit dadurch bedingtem Fukutinmangel, wobei elektronenmikroskopisch Defekte der Basallamina der Muskelfasern und an der Membrana gliae limitans nachweisbar sind [13, 84, 94, 131, 173]. Diese ist allelisch zum WWS (s. unten). Immunhistochemisch ist bisher kein Nachweis gelungen. 6. Das Walker-Warburg-Syndrom (WWS) ist ein seltenes heterogenes, autosomal-rezessiv erbliches Krankheitsbild, das charakterisiert ist durch eine Typ-II-Lissenzephalie mit Agyrie, zerebellärer Malformation, obstruktivem Hydrozephalus, Retinadysplasie und kongenitaler Muskeldystrophie. 7. Da sich die Symptome des WWS partiell mit dem Fukuyama-Typ der kongenitalen Muskeldystrophie (FKMD) und der Muskel-Augen-Gehirn-Krankheit (MEBD, s. unten) überlappen, war es zeitweise ungewiss, ob die genannten Krankheiten auf einen gemeinsamen pathogenetischen Mechanismus zurückzuführen sind. Doch ist inzwischen geklärt, dass das WWS auf verschiedenen Gendefekten beruhen kann, in 20– 30% sind es die folgenden Gene: POMT1, POMT2, Fukutin, FKRP und LARGE [160]. In anderen Fällen mit dem typischen WWS sind Mutationen in den genannten Genen nicht nachweisbar [29] (s. unten). 8. Das WWS aufgrund von Mutationen im POMT1-Gen ist mit konsekutiven Veränderungen in der Protein-0Mannosyl-Transferase 1 assoziiert. Dieses kann mit einer Lippen- und Gaumenspalte verbunden sein [160]. 9. Das WWS aufgrund von Mutationen im POMT2-Gen ist mit konsekutiven Veränderungen in der Protein-0Mannosyl-Transferase 2 kombiniert. 10.WWS, allelisch zu MDC1C (s. oben). 11.WWS allelisch zur MDC1D (s. unten). Die folgenden kongenitalen Muskeldystrophien sind mit einer Beteiligung des ZNS und der Augen verbunden (Muskel-Augen-Gehirn-Krankheit, MEB). 1. Die Muscle-eye-brain-(MEB-)Krankheit beruht auf Mutationen im POMGNT1-Gen und führt zur Beeinträchtigung der 0-Mannose-β1,2-N-Acetylglucosaminyl-Transferase. Sie ist allelisch zur LGMD2O und einer weiteren MEB. 2. MEB-Krankheit allelisch zur LGMD2I, MDC1C und WWS aufgrund von Mutationen im FKRP-Gen. 3. MEB-Krankheit aufgrund von POMT2-Mutationen allelisch zu Punkt 9 (s. oben). Morphologie. Muskelbioptisch entsprechen die Veränderungen einem dystrophischen Prozess. Ein auffälliger
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Befund bei vielen Biopsien ist die ausgeprägte Fettvakatwucherung und die Proliferation des Bindegewebes, deren Ausmaß in der Regel von der Dauer der Erkrankung abhängt. Die Faserkaliber variieren beträchtlich. Fasernekrosen, Myophagien oder regenerierende Fasern finden sich jedoch nur vereinzelt. Immunhistochemisch ließen sich im Hinblick auf den Dystrophin-, Vimentin- und Desmingehalt keine sicheren Abweichungen von der Norm feststellen [88], obwohl andere Autoren bei einigen Fällen eine abnorme Dystrophinexpression beschrieben haben. Doch ist dabei zu beachten, dass regenerierende Fasern, wie sie bei nahezu allen Muskeldystrophien vorkommen, grundsätzlich eine vermehrte Expression zumindest von Desmin und Vimentin aufweisen [58].
Die Muskelbiopsie macht einen bösartigeren Eindruck, als es nach dem klinischen Bild zu erwarten wäre. Daher kann das Biopsiebild nicht zur Bestimmung des Schweregrads der Erkrankung oder für die Prognose herangezogen werden.
Weitere kongenitale Muskeldystrophien 1. „Rigid spine syndrome“ (RSMD1): Dieses ist u. a. auf Mutationen im SEPN1-(Selenoprotein-N1-)Gen zurückzuführen; es ist allelisch zur CFTD, Multiminicore-Krankheit und Desmin-abhängigen Myopathie mit Mallory-Körpern [1] (s. S. 728, Myofibrilläre Myopathien). SEPN1-Mutationen führen manchmal auch nur zu einer Fasertypendisproportion [31]. Ein Rigidspine-(Wirbelsäulenversteifungs-)Syndrom ist aber auch aufgrund von Mutationen des FHL1-Gens zu finden, das für die Reducing-body-Myopathie, die Xchromosomale skapuloperoneale Myopathie und die X-chromosomale Myopathie mit posturaler Muskelatrophie verantwortlich ist (s. Kap. 31). Darüber hinaus können FHL1-Mutationen den Typ 2 der X-chromosomalen Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie verursachen [61]. Immunhistochemisch ist eine Reduktion von SEPN1 bisher nur in Fibroblastenkulturen nachgewiesen worden. 2. Das Ullrich-Syndrom (UCMD) beruht auf Mutationen in verschiedenen Kollagen-Typ-VI-Typen [1], so im COL6A1-Gen (Kollagen Typ VI, Untereinheit α1) [86], wobei das Kollagen-VI-Defizit immunhistochemisch nachweisbar ist, sogar pränatal in den Villi des Chorions [25] oder 3. im COL6A2- oder 4. im COL6A3-Gen. 5. Die Bethlem-Myopathie aufgrund von Mutationen in COL6A1 ist allelisch zu UCMD;
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6. die Bethlem-Myopathie aufgrund von Mutationen in COL6A2 ist allelisch zu Punkt 3 und 7. die Bethlem-Myopathie aufgrund von Mutationen in COL6A3 ist allelisch zu Punkt 4. 8. Die kongenitale Muskeldystrophie mit Integrinmangel beruht auf Mutationen im ITGA7-Gen mit Mangel an Integrin α7 (Tabelle 30.1).
Arthrogryposis multiplex congenita Dieses durch kongenitale Gelenkversteifungen charakterisierte Krankheitsbild, bei bestimmten Fällen als fetale Akinesia-deformans-Sequenz (FADS) bezeichnet, weil die Versteifungen und Deformierungen aufgrund der schwächebedingten Akinesie während der fetalen Entwicklung entstehen, ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Syndrom, das in der Mehrzahl der Fälle auf eine Erkrankung der Vorderhornzellen des Rückenmarks zurückzuführen ist und seltener auf einer primären Myopathie, einer Radikulopathie oder einer Entwicklungsstörung des Gehirns bzw. des Rückenmarks beruht. Banker (2004) [7] unterscheidet 20 neurogene und 7 myopathische Formen von 3 weiteren, die auf die motorischen Endplatten und 3, die auf Bindegewebskrankheiten zurückzuführen sind. Dabei ist sowohl eine dominante als auch eine rezessive Vererbung beobachtet worden; die Mehrzahl der Fälle tritt sporadisch auf. Typisches Kennzeichen sind symmetrische Kontrakturen, wobei die distalen Gelenke stärker betroffen sind als die proximalen. Distale Arthrogryposen konnten bereits verschiedenen TPM2-, MYH3-, MYH8-, TNNT2- und TNNT3Mutationen zugeordnet werden (http://www.musclegenetable.org, Pos. 16.7a–16.13). Auch an eine kongenitale Glykogenose vom Typ IV ist zu denken, ebenso an eine Amyelinisation peripherer Nerven (s. dort). Am häufigsten findet sich ein kongenitaler Klumpfuß (Talipes) in Equinovarusstellung oder eine Flexionsdeformität der Handgelenke. Ein Klumpfuß ist ebenfalls auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen. Kyphoskoliose, Brustkorbdeformitäten, abnorme Kopfhaltung und Adduktionsstellung der Gliedmaßen kommen hinzu. Der als Sprengel-Deformität (angeborener Schulterhochstand) beschriebene, zumeist einseitige Schulterhochstand ist ebenfalls von uneinheitlicher Pathogenese.
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718
30
Kapitel 30
183. Zatz M, Matsumura K, Vainzof M, Passos-Bueno MR, Pavanello RC, Marie SK, Campbell KP (1994) Assessment of the 50-kDa dystrophin-associated glycoprotein in Brazilian patients with severe childhood autosomal recessive muscular dystrophy. J Neurol Sci 123: 122–128 184. Zhang Q, Bethmann C, Worth NF et al. (2007) Nesprin-1 and -2 are involved in the pathogenesis of Emery Dreifuss muscular dystrophy and are critical for nuclear envelope integrity. Hum Mol Genet 16: 2816–2833 185. Züchner S, Noureddine M, Kennerson M et al. (2005) Mutations in the pleckstrin homology domain of dynamin 2 cause dominant intermediate Charcot-Marie-Tooth disease. Nat Genet 37: 289–294
Muskeldystrophien
Kapitel 31
Kongenitale Myopathien
31
J.M. Schröder Inhalt Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien . .
723
Myotubuläre Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . .
723
Hereditäre Einschlusskörpermyopathien (hIBM) . .
724
Marinesco-Sjögren-Syndrom (MSS; Nukleodegenerative Myopathie) . . . . . . . .
724
Myopathie mit selektiver Auflösung der Myosinfilamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
733
Neuromuskuläre Krankheit mit trilaminären Muskelfasern . . . . . . . . . . . . .
733
Myopathie mit fetalen Muskelfasern . . . . . . . . . .
733
Kongenitale Fasertypendisproportion . . . . . . . . . . .
733
Ferritinopathie („Granuläre Kerneinschlusskörperkrankheit“) . . . .
728
Mitochondriale Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . .
734
Myofibrilläre Myopathien und Zytoskelettmyopathien .
728
Myopathien mit tubulären Aggregaten . . . . . . . . . .
734
Central-core-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . .
728
Myopathien mit weiteren, besonderen feinstrukturellen Veränderungen . . . . . . . . . . . . .
735
Multicore-(Minicore-)Krankheit . . . . . . . . . . . .
728 Fingerabdruckkörpermyopathie . . . . . . . . . . . .
735
Nemalinmyopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
729 Sarkotubuläre Myopathie . . . . . . . . . . . . . . . .
735
Zebrakörpermyopathie . . . . . . . . . . . . . . . . .
736
Reduktionskörpermyopathie . . . . . . . . . . . . . .
736
Myopathie mit zylindrischen Spiralen . . . . . . . . .
736
Hypertrophia musculorum vera . . . . . . . . . . . .
736
Kongenitale Myopathien mit fataler Kardiomyopathie . .
736
Myopathie mit minimalen Veränderungen („minimal change myopathy“) . . . . . . . . . . . . . . .
736
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
737
Myopathie mit exzessiver Anhäufung von Aktinfilamenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
729
Myofibrilläre Myopathien (Zytoskelettmyopathien) mit Sphäroidkörpern und anderen Proteinaggregationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
730
Neuromyopathie mit myofibrillären Zytoplasmakörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
732
Myosinspeicherungsmyopathie (Myopathie mit „hyalinen“ Körpern) . . . . . . . . . Myopathie mit subsarkolemmal-segmentaler Myofibrillolyse („Kappenmyopathie“) . . . . . . . . .
732
733
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_31, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
720
31
Kapitel 31
Die kongenitalen Myopathien sind eine heterogene Gruppe neuromuskulärer Krankheiten, die auf der Grundlage der überwiegenden pathologischen Veränderungen in der Muskelbiopsie (z. B. Kernstellungsanomalien, Nemalin-Stäbchen, Cores u. a.) in verschiedene Untergruppen unterteilt werden [96]. Sie sind in der Regel wenig progressiv, doch gibt es Ausnahmen mit eindeutiger und manchmal relativ rascher Progredienz. Mit der Entwicklung elektronenmikroskopischer, enzym- sowie immunhistochemischer und schließlich molekulargenetischer Methoden in der Diagnostik der Muskelkrankheiten ist es gelungen, aus dem Sammeltopf unspezifischer klinischer Diagnosen wie „Amyotonia congenita“, „Myatonie“ (Oppenheim), „Myosklerose“, „Arthrogryposis multiplex congenita“, „kongenitale Muskeldystrophie“, „kongenitale Myopathie“, „universale Muskelhypoplasie“, „benigne kongenitale Hypotonie“, „floppy infant“ etc. eine Vielzahl – in der Tabelle 31.1 sind es 25 – mehr oder weniger klar definierte kongenitale Myopathien mit spezifischen oder charakteristischen strukturellen Veränderungen im Muskel abzugrenzen und definierten Genorten (Loci) oder schließlich Mutationen bestimmter Gene zuzuordnen. Es ist wahrscheinlich zweckmäßig, den Begriff „kongenitale Myopathien“ für die Gruppe als Ganzes aufrechtzuerhalten, obwohl nicht alle Fälle bereits Symptome zum Zeitpunkt der Geburt aufweisen und viele wesentlich später klinisch manifest erkranken. Wegen des angeblichen Fehlens struktureller Veränderungen im zentralen oder peripheren Nervensystem, werden diese Erkrankungen als Myopathien betrachtet, doch gibt es Hinweise darauf, dass einige strukturelle Veränderungen im Muskel das Ergebnis eines neuralen Pathomechanismus und nicht oder nicht ausschließlich einer primären Muskelkrankheit darstellen (z. B. bei der Fasertypendisproportion). Bestimmte Gene verursachen entweder eine Myopathie oder eine periphere Neuropathie (z. B. das DNM2Gen), andere sowohl eine Muskeldystrophie als auch eine periphere Neuropathie (z. B. das LAMA2- und das MYH7-Gen; s. jeweils dort). Die Klassifikation und Abgrenzung „kongenitaler Myopathien“ von den in Kap. 30 dargestellten 24 verschiedenen „kongenitalen Muskeldystrophien“ ist wegen ihrer Heterogenität problematisch. In Tabelle 31.1 wird mehrfach auf allelische Überschneidungen verschiedener klinischer Krankheitsbilder hingewiesen (z. B. bei den durch Mutationen des Titin- oder des Selenoprotein-N1Gens verursachten Krankheitsbildern). Genetik. Bei nukleärer Vererbung kommen nach Mendelschen Regeln autosomal-dominante und autosomal-rezessive Erbgänge vor, bei der myotubulären Myopathie auch ein X-chromosomal-rezessiver Erbgang. Dem steht bei primär mitochondrial vererbten Krankheiten ein maternaler Erbgang gegenüber, wobei nukleär vererbte mitochondriale Krankheiten wiederum nach Mendelschen Regeln vererbt werden. Die mitochondrialen Krankheiten
Kongenitale Myopathien
werden jedoch nicht mehr wie früher den kongenitalen Myopathien zugeordnet, sondern bilden eine eigene Gruppe (s. Kap. 33).
Bei gleichem Genotyp, sogar bei identischer Mutation, kann es stark unterschiedliche klinische Phänotypen geben (z. B. bei der mitochondrial vererbten typischen MELAS-Mutation), andererseits können klinisch gleichartige Krankheitsbilder auf unterschiedliche Gene zurückgeführt werden (z. B. bei der Nemalinmyopathie).
In der Regel führt ein und dieselbe Mutation bei heterozygotem Erbgang zu einer leichteren Erkrankung als bei homozygotem Erbgang (z. B. bei der Caveolinopathie), was auch für die Myopathien des Jugend- und Erwachsenenalters und viele andere Krankheiten gilt. Spontane (de novo) Mutationen und „gene silencing“ (epigenetische Genstilllegung) sind ebenfalls möglich. Klinik. Klinisch lassen sich die verschiedenen kongenitalen Myopathien vielfach nicht unterscheiden, da sie sich alle in einer ähnlichen, unspezifischen Weise manifestieren. Die Krankheit kann als hypotones Syndrom zum Zeitpunkt der Geburt oder in der frühen Kindheit oder später in Form einer Muskelschwäche auftreten. Bei einigen Kindern betrifft die Schwäche überwiegend die proximale Muskulatur und den Gliedergürtel, bei anderen ist die Schwäche mehr generalisiert und betrifft auch die Gesichtsmuskulatur. Bei einigen, wie den mitochondrialen Myopathien und der myotubulären Myopathie, sind die Augenmuskeln häufig mitbetroffen. Andere Myopathien, wie die Nemalin-Myopathie, zeigen häufig, wenn auch nicht regelmäßig, dysmorphe Aspekte als Begleitsymptom, z. B. Skelettdeformitäten wie längliches Gesicht, hoher Gaumen, kongenitale Hüftluxation, Skoliose und Wirbelsäulenversteifung („rigid spine“). Die Serumenzyme sind häufig normal, insbesondere die CK, was bei der geringen Progredienz auch nicht anders zu erwarten ist.
Der empfohlene Weg zur richtigen Diagnose ist die Muskelbiopsie, wobei jedoch häufig eine ausführliche Untersuchung mit histochemischen und oft auch elektronenmikroskopischen Methoden erforderlich ist, da die Veränderungen in routinemäßig hergestellten histologischen Präparaten nach Paraffineinbettung und HE-Färbung leicht übersehen werden. Eine molekulargenetische Analyse sollte erst in einem zweiten Schritt gezielt erfolgen, da die Zahl der in Frage kommenden Gene sonst in der Regel zu groß und die Untersuchungen gegenwärtig noch zu aufwendig erscheinen.
Kongenitale Myopathien
721
Tabelle 31.1 Kongenitale Myopathien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
3.1
Nemalinmyopathie (NEM1)
AD
1q21-q23
TPM3 (D-Tropomyosin 3)
191030 609284
Laing et al. (1992, 1995b) Tan et al. (1999) Wattanasirichagoon et al. (2002)
3.2
NEM2
AR
2q22
NEB (Nebulin)
161650 256030
Wallgren-Petterson et al. (1995, 2002) Pelin et al. (1999) Lehrokari et al. (2006)
3.3
NEM3, allelisch zu CFTD
AD
1q42.1
ACTA1 (Aktin, α1, Skelettmuskel)
102610 161800
Nowak et al. (1999)
3.4
NEM4
AD
9p13
TPM2 (Tropomyosin 2(β))
190990 609285
Donner et al. (2002)
3.5
NEM5
AR
19q13
TNNT1 (Troponin T1, Skelettmuskel, langsam)
191041 605355
Johnston et al. (2000)
3.6
NEM6
AD
15q
?
609273
Omans et al. (2003)
3.7
NEM7
AR
14q12
CFL2 (Cofilin 2)
610687
Agrawal et al. (2007)
3.8
Kongenitale Fasertypendisproportion (CFTD), allelisch zu NEM3
AD
1q42.1
ACTA1 (Aktin, α1, Skelettmuskel)
102610 255310
Clarke et al. (2003) Laing et al. (2004)
3.9
CFTD, allelisch zu RSMD1, Multiminicore-Krankheit, Desmin-abhängige Myopathie mit Mallory-Körpern
AR
1p36
SEPN1 (Selenoprotein N1)
255310 606210
Clarke et al. (2006)
3.10
CFTD
AR
1q21.2
TMP3 (Tropomyosin 3)
191030 255310
Clarke et al. (2008)
3.11
Myotubuläre Myopathie (MTM1)
XR
Xq28
MTM1 (Myotubularin 1)
300415 310400
Thomas et al. (1987) Laporte et al. (1996, 1997, 2000)
3.12
Zentronukleäre Myopathie (CNM); allelisch zu CMT?
AD
19p13.2
DNM2 (Dynamin 2)
602378
Bitoun et al. (2005)
3.13
CNM
AR
3p25.3
MTMR14 (Myotubularinrelated protein 14, hJumpy)
611089
Tosch et al. (2006)
3.14
CNM, rezessiv
AR
2q14
BIN1 (Amphiphysin)
601248
Nicot et al. (2007)
3.15
Central-core-Krankheit (CCD), allelisch zu CCD, MinicoreMyopathie mit externer Ophthalmoplegie und MHS1
AD
19q13.1
RYR1 (RyanodinRezeptor)
117000 180901
Kausch et al. (1991) Zhang et al. (1993) Quane et al. (1993) Robinson et al. (2002)
6
722
Kapitel 31
Kongenitale Myopathien
Tabelle 31.1 Fortsetzung
31
Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
3.16
CCD, rezessiv
AR
19q13.1
RYR1 (RyanodinRezeptor)
180901
Ferreiro et al. (2002a) Jungbluth et al. (2002)
3.17
Multiminicore-Krankheit mit externer Ophthalmoplegie
AR
19q13.1
RYR1 (RyanodinRezeptor)
180901 255320
Monnier et al. (2003) Jungbluth et al (2005)
3.18
Multiminicore-Krankheit, klassisch, allelisch zu RSMD1, Desmin-abhängige Myopathie mit Mallory-Körpern
AR
1p36
SEPN1 (Selenoprotein N1)
255320 606210
Ferreiro et al. (2002b, 2004)
3.19
Hyaline Körpermyopathie
AR
3p22.2p21.32
?
255160
Onengut et al. (2004)
3.20
Hyaline Körpermyopathie (Myosinspeichermyopathie), allelisch zu MPD1, CMH1, CMD1S
AD
14q12
MYH7 (Myosin, „heavy chain 7“, Herzmuskel, β)
160760 608358
Tajsharghi et al. (2003) Bohlega et al. (2004) Laing et al. (2005)
3.21
Myosinspeichermyopathie mit Kardiomyopathie, rezessiv; allelisch zu MPD1, CMH1
AR
14q12
MYH7 (Myosin, „heavy chain 7“, Herzmuskel, β)
160780
Tajsharghi et al. (2007a)
3.22
„Cap disease“, allelisch zu NEM4, distale Arthrogrypose 1 und 2B
AD
9q13
TPM2 (Tropomyosin 2, β)
190990
Tajsharghi et al. (2007b) Lethokari et al. (2007)
3.23
Kongenitale neuromuskuläre Krankheit mit uniformen Typ1-Fasern (CNMDU1), allelisch zur CDD, MultiminicoreKrankheit, MHS1
AD
9q31.1
RYR1 (RyanodinRezeptor 1)
180901
Sato et al. (2007)
3.24
Kongenitale Myopathie mit fataler Kardiomyopathie, allelisch zu LGMD2J
AR
2q31
TTN (Titin)
188840
Carmignac et al. (2007)
3.25
Kongenitale Skelettmuskelkrankheit mit fataler Kardiomyopathie, allelisch zu CMH4
AR
11p11.2
MYBPC3 (kardiales Myosin-bindendes Protein C)
600958
Tajshargi et al. (2008)
3.26
Kongenitale letale Myopathie
AR
12q11q12
CNTN1 (Contactin-1)
600016
Compton et al. (2008)
3.27
Sarkotubuläre Myopathie, allelisch zu LGMD2H
AR
9q31
TRIM32 (Tripartite motif containing 32; UbiquitinLigase)
602290
Schoser et al. (2005)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 77–78. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien
Differentialdiagnose. Abzugrenzen sind diese Erkrankungen von den sog. kongenitalen Muskeldystrophien, Glykogenosen und Lipidspeicherungskrankheiten, spinalen Muskelatrophien und peripheren Neuropathien sowie perinatalen Hirnschäden und anderen Syndromen mit früher Hypotonie wie Down-Syndrom, peroxisomalen Krankheiten wie dem okulozerebrorenalen und zerebrohepatorenalen Syndrom und den perinatalen Rückenmarksverletzungen. Die kongenitalen Myopathien sind keineswegs alle selten. Insbesondere die Mitochondriopathien (s. Kap. 33) werden in zunehmender Häufigkeit diagnostiziert, zumal es zwischen noch „normalen“, vermutlich altersbedingten strukturellen Anomalien der Mitochondrien und schweren kongenitalen mitochondrialen Myopathien alle Übergänge gibt. Die Kenntnis der Central-core-Krankheit ist wegen der gelegentlichen Verbindung mit einer malignen Hyperthermie [38] von besonderer praktischer Bedeutung, da die Patienten nach Applikation volatiler Anästhetika am „postoperativen Hitzschlag“ sterben können (s. Kap. 32).
Myopathien mit Kernoder Kernstellungsanomalien Myopathien aufgrund von Mutationen der Gene von Kernwandproteinen (Emerin, MAN1, Lamin A/C und Lamin-B-Rezeptor) wie z. B. bei der X-chromosomal erblichen Muskeldystrophie vom Typ Emery-Dreifuss (s. Kap. 30) werden als „nuclear envelopathies“ denen durch Mutationen im LMNA-Gen als „laminopathies“ gegenübergestellt [135]; sie werden in anderen Kapiteln behandelt. Zu einer weiteren Gruppe von Myopathien gehören hier die myotubulären oder zentronukleären Myopathien, die durch zentralständige Muskelfaserkerne charakterisiert sind. Die Bezeichnung „myotubuläre“ Myopathie beruht auf der irrigen Annahme, dass die Muskelfasern während der Entwicklung im Stadium der Myotuben stehen bleiben, obwohl das Dickenwachstum der Muskelfasern fortschreitet. Ausgeprägte qualitative Kernveränderungen treten manchmal bei der Marinesco-Sjögren-Krankheit auf (s. unten) sowie bei der sporadischen (nichthereditären also auch nichtkongenitalen) Einschlusskörpermyositis (sIBM) und der dominant oder rezessiv erblichen Einschlusskörpermyopathie (hIBM) (s. unten) sowie bei der okulopharyngealen Muskeldystrophie. Granuläre Kerneinschlüsse in perivaskulären Kernen kommen bei der Neuroferritinopathie vor, filamentöse Kerneinschlüsse in Zellen des ZNS bei der neuronalen intranukleären hyalinen Einschlusskrankheit (s. unten).
723
Myotubuläre Myopathien Zu unterscheiden sind autosomal-dominante, autosomal-rezessive und X-chromosomal-rezessive Formen der myotubulären Myopathie; sie sind häufiger als sporadische adulte Formen [92]. Die erblichen und sporadischen Formen haben klinische und strukturelle Gemeinsamkeiten. Die autosomal-dominante zentronukleäre Myopathie (CNM) beruht auf Mutationen im Dynamin 2-(DNM2-) Gen [10, 11]. Bemerkenswert ist in schweren Fällen eine Kombination mit Ptosis, externer Ophthalmoplegie und bilateralen Katarakten [75], wobei sich die Krankheit bereits kongenital manifestieren kann [89]. Sie ist allelisch zu einer dominant erblichen hereditären intermediären Form einer peripheren sensomotorischen Neuropathie (ID-CMT), die allerdings eher auf Mutationen in einem anderen Genbereich zurückzuführen ist, nämlich auf solche im Pleckstrin-homologen Abschnitt des DNM2-Gens (s. dort) [163]. Doch gibt es Überlappungen beider Formen [140]. Intramuskuläre Nervenfaszikel bei der myopathischen Variante wiesen disproportioniert dünne Markscheiden, Ausfälle an marklosen Axonen und Basallaminaveränderungen der Schwann-Zellen auf [73]. Die autosomal-rezessive zentronukleäre Myopathie wird durch Mutationen im Amphiphysin-Gen (BIN1) verursacht [95]. Hier sei angemerkt, dass Antikörper gegen Amphiphysin eine Neuromyotonie (Stiff-PersonSyndrom) auslösen können [136] (s. dort). Die X-chromosomale zentronukleäre Myopathie konnte auf Mutationen im Myotubularin-Gen (MTM1) zurückgeführt werden [12, 79, 80]. Die Jungen sind bereits zum Zeitpunkt der Geburt hypoton und ateminsuffizient, wobei sich ein Chylothorax entwickeln kann [134]. Allerdings sind solche Mutationen auch bei atypischen Fällen einer XLMTM nachgewiesen worden, also außer bei neugeborenen Jungen auch bei jungen Mädchen, manifestierenden Überträgerinnen und erwachsenen Männern. Ob es sich dabei um die ebenfalls X-chromosomale sog. myotubuläre Myopathie mit Typ-1-Faserhypotrophie handelt, bleibt zu bestimmen. Bei dieser zentronukleären Myopathie sind, wie der Name sagt, ausschließlich die Typ-1-Fasern betroffen, die zusätzlich hypotrophisch bzw. atrophisch sind [7]. Die Prognose war bei einzelnen Fällen infaust, bei anderen aber günstig. Bei einzelnen Familien seien Beziehungen zur vorher beschriebenen Form der zentronukleären bzw. myotubulären Myopathie festgestellt worden. Morphologie. Diese „myotubulären“ Myopathien sind gekennzeichnet durch zentralständige Kerne (Abb. 30.3e, f), kleine Typ-1- oder Typ-2-Fasern, zahlenmäßige Prädominanz der Typ-1-Fasern und gelegentlich vollständiges Ausbleiben einer Differenzierung von Typ-2-Fasern. Auf Längsschnitten erscheinen die zentralen Kerne in einiger-
724
31
Kapitel 31
maßen regelmäßigen Abständen hintereinander aufgereiht. Die Myofibrillen sind bei der durch DNM2-Mutationen bedingten Form angedeutet radiär ausgerichtet, ähnlich den Speichen eines Rades. Die Zahl der zentralständigen Kerne kann relativ gering sein. Die Zytoarchitektur der Muskelfasern bleibt im Hinblick auf die intermediären Filamente Desmin und Vimentin auf dem Stadium 8– 15 Wochen alter fetaler Myotuben sowohl bei X-chromosomalen als auch bei sporadischen Fällen bestehen. Bei vier Fällen mit MTM1-Mutationen ließ sich als Besonderheit in 4–20% der Fasern eine Verlagerung von Kernen in einen halsbandartigen basophilen Ring („necklace“) an der Peripherie der Fasern nachweisen [9]. Dadurch ähneln diese Fasern den früher als „trilaminär“ beschriebenen Muskelfasern [108, 116] („Kokardenfasern“ [115]; s. unten). Solche Fasern waren bei MTM1Mutationen im Alter zwischen 13 und 43 Jahren, aber nicht bei Fällen mit klassischer, neonataler XLMTM oder zentronukleären Myopathien vorhanden, die auf Mutationen im DNM2- oder BIN1-Gen beruhten [28]. Die meisten Fasern mit zentralständigen Kernen finden sich bei BIN1-Mutationen, wobei sowohl die großen als auch die kleinen Fasern betroffen sind. Immunfluoreszenzmikroskopisch lassen sich Anomalien der BIN1-Lokalisation und der Triadenorganisation nachweisen, die allerdings bei allen drei Formen zentronukleärer Myopathie ähnlich sind, also bei der autosomal-rezessiv erblichen Form (aufgrund von Mutationen im Amphiphysin 2 bzw. BIN1-Gen; der autosomal-dominanten Form (aufgrund von Mutationen im Myotubularin bzw. MTM1-Gen) und der X-chromosomalen Form (aufgrund von Mutationen des Dynamin bzw. im DNM2Gen) [147]. Differentialdiagnose. Vereinzelt sind zentronukleäre Fasern bei RYR1- und TTN-Mutationen zu beobachten. Bei vermehrten zentralständigen Kernen und dominantem Erbgang ist auch an eine myotonische Dystrophie vom Typ 1 zu denken.
Hereditäre Einschlusskörpermyopathien (hIBM) Diese heterogene, dominant oder rezessiv erbliche Gruppe von Myopathien (familiäre oder „hereditary inclusion body myopathy“, hIBM) ist wie die sporadische, entzündliche Form der Einschlusskörpermyositis („inclusion body myositis“; s. dort) unter anderem durch tubulofilamentöse Kern- und Sarkoplasmaeinschlüsse gekennzeichnet, wobei die nur elektronenmikroskopisch nachweisbaren tubulofilamentösen Strukturen Durchmesser von 15–21 nm aufweisen. Doch fehlen bei der hIBM zumindest in der Regel entzündliche Zellinfiltrate, und die Krankheit tritt familiär auf [63] (vgl. auch distale Einschlusskörpermyopathien).
Kongenitale Myopathien
Sonst gleichen sich die klinischen und histopathologischen Befunde in vieler Hinsicht, wozu auch eine relativ milde Beteiligung der peripheren Nerven gehört [64]. Eine autosomal-rezessive Variante mit distal betonter Myopathie beruht wie die distale Myopathie mit „rimmed vacuoles“ (Nonaka) auf Mutationen im GNE-Gen (Tabelle 31.2) [137]. Eine andere Form der hIBM, die mit frontotemporaler Demenz (FTD) und einer Paget-Krankheit des Knochens verbunden ist, lässt sich auf Mutationen im „Valosin-containing-protein“-Gen (VCP) zurückführen [91, 138, 155]. Diese Proteinaggregate in Muskelbiopsien sind ubiquiniert und enthalten wie bei Fällen mit hIBM und sIBM (s. dort) und wie die Einschlüsse in zentralen Neuronen bei der FTD auch das TAR-DNA-bindende Protein-43 (TDP-43) [156]. Wenn die Pyramidenbahn beteiligt ist, ähnelt das Krankheitsbild einer ALS [35]. Eine autosomal-dominant erbliche Myopathie mit kongenitalen Kontrakturen, Ophthalmoplegie und autophagischen Vakuolen ist eine Sonderform der familiären Einschlusskörpermyopathie und als eigenständiges Krankheitsbild mit proximaler Muskelschwäche abgegrenzt worden [34]. Feinstrukturell sind reichlich autophagische Vakuolen („rimmed vacuoles“) und Filamente sowohl im Zytoplasma als auch in den Kernen mit teils helikaler, teils tubulärer Struktur nachweisbar. Der Durchmesser der Filamente beträgt wie bei der Einschlusskörpermyopathie 15–21 nm. Diese Krankheit wird auch unter den distalen Myopathien aufgeführt.
Marinesco-Sjögren-Syndrom (MSS; nukleodegenerative Myopathie) Dieses Syndrom ist heterogen und durch kongenitale Katarakte, zerebelläre Ataxie, Kleinwuchs und mentale Retardierung gekennzeichnet. Eine progrediente Myopathie und als Besonderheit rekurrierende Episoden einer akuten parainfektiösen Myopathie mit Myoglobinurie können dabei vorkommen [90]. Genetik. Dem autosomal-rezessiv erblichen MSS liegen Mutationen im SIL1-Gen zugrunde [6, 127]. SIL1 (auch BAP genannt) wirkt als Nukleotidaustauschfaktor für das Hsp70-Chaperon BiP, das ein Schlüsselregulator der Hauptfunktionen des endoplasmatischen Retikulums darstellt. Da das endoplasmatische bzw. sarkoplasmatische Retikulum mit dem perinukleären Raum zwischen äußerer und innerer Kernmembran zusammenhängt, ist evtl. zu verstehen, warum elektronenmikroskopisch die Kernmembranen bevorzugt und in offensichtlich einzigartiger Weise verändert sind. Epidemiologie. In Japan ist das MSS die dritthäufigste kongenitale Muskeldystrophie (3,3%) nach dem Fukuya-
Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien
725
Tabelle 31.2 Distale, myofibrilläre und andere Myopathien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
4.1
Distale rezessive Myopathie (Miyoshi) (MM), allelisch zu LGMD2B
AR
2p12-14
DYSF (Dysferlin)
254130 603099
Bejaoui et al. (1995) Bashir et al. (1998)
4.2
Tibiale Muskeldystrophie (TMD) (Udd), allelisch zu LGMD2J
AD
2q31
TTN (Titin)
188840 600334
Haravuori et al. (1998, 2001) Hackman et al. (2002)
4.3
Distale Myopathie mit „rimmed vacuoles“ (Nonaka) oder hereditäre Einschlusskörpermyopathie (IBM2 oder hIBM)
AR
9p1-q1
GNE (Glukosamin (UDPN-Acetyl)-2-Epimerase/N-Acetylmannosamin-Kinase)
603824 605820
Mitrani-Rosenbaum et al. (1996) Ikeuchi et al. (1997) Eisenberg et al. (2001)
4.4
Distale Myopathie (Laing, MPD1); allelisch zu Myosinspeichermyopathie, CMH1, CMD1S
AD
14q11.2
MYH7 (Myosin „heavy chain 7“, Herzmuskel beta)
160500 160760 164015
Laing et al. (1995) Mastaglgie et al. (2000) Meredith et al. (2004)
4.5
Stimmband- und pharyngeale distale Myopathie
AD
5q31
MATR3 (Matrin3)
606070
Feit et al. (1998) Senderek et al. (2009)
4.6
Adulte distale Myopathie
AD
8p22
?
610099
Haravuori et al. (2004)
4.7
Distale Myopathie, Typ Welander
AD
2p13
?
604454
Ahlberg et al. (1999)
4.8
Distale Myopathie mit Pes cavus und Areflexie (vakuoläre Myopahie)
AD
19p13
?
601846
Servidei et al. (1999)
4.9
Distale Myopathie mit Myotilindefekt; allelisch zu LGMD1A, MFM, Sphäroidkörpermyopathie
AD
5q31
MYOT (Myotilin)
604103
Penisson-Besnier et al. (1998, 2006)
4.10
Distale Myopathie mit Nebulindefekt, allelisch zu NEM2
AR
2q22
NEB (Nebulin)
161650
Wallgren-Pettersson et al. (2007)
4.11
Distale Myopahie mit Caveolindefekt, allelisch zu LGMD1C, HyperCKämie, RMD2, CMH
AD
3p25
CAV3 (Caveolin-3)
601253
Tateyama et al. (2002) Fulizio et al. (2005)
4.12
Spät auftretende distale Myopathie (Markesberry-Griggs), allelisch zu MFM
AD
10q22
LDB3 (ZASP) (LIM „domain binding-3“; „Z band alternatively spliced PDZ motif “)
605906
Griggs et al. (2007)
4.13
Dynamin-2-bedingte distale Myopathie, allelisch zu CNM und CMT1B
AD
19q13.2
DNM2 (Dynamin 2)
160150 602378
Fischer et al. (2006)
5. Andere Myopathien A) Myofibrilläre Myopathien 5.1
Myofibrilläre Myopathie (MFM), αB-Crystallin-bedingt
AD
11q22
CRYAB (αB-Crystallin)
123590 608810
Vicart et al. (1998) Selcen et al. (2003)
5.2
Myofibrilläre Myopathie, Desminbedingt
AD
2q35
DES (Desmin)
125660 601419
Goldfarb et al. (1998) Munoz-Marmol et al. (1998)
6
726
Kapitel 31
Kongenitale Myopathien
Tabelle 31.2 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
5.3
Desmin-bedingte Myopathie mit Mallory-Körpern, allelisch zu RSMD1, CFTD, MultiminicoreMyopathie
AD
1p36
SEPN1 (Selenoprotein N1)
602771
Ferreiro et al. (2004)
5.4
Myofibrilläre Myopathie (MFM), allelisch zu Markesberry-Griggs und CMD1C
AD
10q22
LDB3 = ZASP (LIM „domain binding-3; Z-band alternative spliced PDZ motif “)
605906 609452
Selcen u. Engel (2005)
5.5
Myofibrilläre Myopathie mit arrhythmogener rechtsventrikulärer Kardiomyopathie (MFM/ARVC)
AD
10q22
?
–
Melberg et al. (1999)
5.6
Myofibrilläre Myopathie, Myotilinbedingt, allelisch zu LGMD1A, Sphäroidkörpermyopathie
AD
5q31
MYOT (= TTID) Myotilin (TitinImmunoglobulinDomäne-Protein)
604103 609200
Selcen u. Engel (2004)
5.7
Sphäroidkörpermyopathie, allelisch zu LGMD1A, MFM
AD
5q31
MYOT (= TTID) Myotilin (TitinImmunoglobulinDomäne-Protein)
182920 604103
Foroud et al. (2005)
5.8
Myofibrilläre Myopathie, FilamentC-bedingt
AD
7q32
FLNC (Filamin Cγ; Aktin-bindendes Protein 280)
102565 609524
Vorgerd et al. (2005)
5.9
Myofibrilläre Myopathie mit BAG3Defekt
AD
10q25q26
BAG3 (BCL2-assoziiertes Athanogen 3)
603883
Selcen et al. (2008)
31
B) Verschiedene Myopathien 5.10
Danon-Krankheit (GSD IIb)
XD
Xq24
LAMP2 (Lysosomal-assoziiertes Membranprotein 2)
300257 309060
Nishino et al. (2000) Musumeci et al. (2005)
5.11
Myopathie mit exzessiver Autophagie (MEAX; XMEA)
XR
Xq28
VMA21 (vakuoläres H+ATPase-Homolog; S. cerevisiae)
310440
Saviranta et al. (1988) Munteanu et al. (2008)
5.12
Okulopharyngeale Muskeldystrophie
AD
14q11.2q13
OPMD ( PABP2) (Poly(A)bindendes Protein 2)
164300 602279
Brais et al. (1995, 1998) Robinson et al. (2005)
5.13
Hereditäre Myopathie mit früher respiratorischer Insuffizienz (Edström-Myopathie), allelisch zu LGMD2J, kongenitale Myopathie mit fataler Kardiomyopathie; TMD, CMH9, CMD1G
AD
2q24-3
TTN (Titin)
188840 603689
Nicolao et al. (1999) Lange et al. (2005)
6
Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien
727
Tabelle 31.2 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
5.14
Epidermolysis bullosa simplex in Verbindung mit spät einsetzender Muskeldystrophie (MD-EBS)
AR
8q24qter
PLEC1 (Plektin)
226670 601282
Gache et al. (1996) Smith et al. (1996) Wuyts et al. (1996)
5.15
Muskelhypertrophie
AR
2q32
MSTN (GDF8) (Myostatin; „growth differentiation factor 8“)
601788
Schuelke et al. (2004)
5.16
Fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP)
AD
2q23q24
ACVR1 (Activin-A-Rezeptor, Typ 1)
102576 135100
Shore et al. (2006)
5.17
HyperCKämie, allelisch zu LGMD1C, RMD2, CMH
AD
3p25
CAV3 (Caveolin 3)
123320 601253
Carbone et al. (2000)
5.18
X-chromosomale Myopathie mit posturaler Muskelatrophie; allelisch zu Emery-Dreifuss-MD, X-chromosomal, Typ 2, Reduktionskörpermyopathie, XMPMA
XR
Xq26.3
FHL1 („four-and-a-half LIM domain 1“)
300695
Windpassinger et al. (2008)
5.19
Skapuloperoneale Myopathie
XD
Xq26.3
FHL1
300695
Quinzil et al. (2008)
5.20
Episodische Muskelschwäche
XR
Xp22.3
?
300221
Ryan et al. (1999)
5.21
Einschlusskörpermyopathie mit Paget-Krankheit der Knochen und frontotemporaler Demenz
AD
9p13p12
VCP („Valosin-containing protein“)
601023
Watts et al. (2004) Haubenberger et al. (2005)
5.22
Myopathie mit exzessiver Belastungsintoleranz
AR
12q24.1
ICSU („iron-sulfur cluster scaffold homolog“; E. coli)
611911
Mochel et al. (2008)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 78–79. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
ma-Typ (49,2%) und dem Kollagen-VI-Mangel (7,2%). In Europa sind bevorzugt Sinti und Roma betroffen. Morphologie. In einer beträchtlichen Zahl von Muskelfasern sind umschriebene Degenerationsherde mit („myelinähnlichen“) Phospholipidmembranausfällungen nachweisbar, in die häufig in einzigartiger Weise Sarkolemmkerne miteinbezogen sind: Die Lamina fibrosa der Kernwand erscheint dabei partiell separiert und verbreitert. Identische Veränderungen sind erstmalig bei einer kongenitalen, nichtprogressiven Multisystemkrankheit mit Myopathie, Kleinwuchs, Katarakt und Schwachsinn beschrieben worden, die seinerzeit nicht als MSS diagnostiziert worden war [116]; sie fanden sich später auch bei Fällen, die eindeutig dem Marinesco-Sjögren-Syndrom (MSS) zugeordnet werden konnten [62, 83, 127, 128, 141]. Andere Fälle, die allerdings molekulargenetisch nicht näher charakterisiert sind, wiesen in einzelnen feinstrukturell
untersuchten Muskelbiopsien bei einer größeren Familie nur geringfügige Phospholipidausfällungen in unmittelbarer Nachbarschaft von Muskelfaserkernen auf, ohne die typischen Kernveränderungen zu zeigen [162]. Differentialdiagnose. Ein Syndrom mit kongenitaler Katarakt, Gesichtsfehlbildungen, Ataxie und Neuropathie bietet ein ähnliches Krankheitsbild (auch als „congenital cataract facial dysmorphism neuropathy“, CCFDN, bezeichnet), das aber auf Mutationen im CTDP1-Gen auf Chromosom 18qter zurückzuführen ist. Es wird von Merlini [90] als „MSS 1“ bezeichnet und lässt sich molekulargenetisch zweifelsfrei vom typischen MarinescoSjögren-Syndrom („MSS 2“ laut Merlini) abgrenzen [127]. Doch gibt es sowohl typische als auch atypische „MSS“-Fälle, die sich molekulargenetisch noch nicht zuordnen lassen.
728
Kapitel 31
Ferritinopathie („granuläre Kerneinschlusskörperkrankheit“)
31
Hierbei handelt es sich um eine seltene, langsam progrediente Multisystemkrankheit des Erwachsenenalters mit Befall der Skelettmuskulatur sowie des zentralen und peripheren Nervensystems, die auf Mutationen des Ferritinlight-Polypeptid-(FLP-)Gens auf Chromosom 19q13.3 zurückzuführen ist. Es kommt zu Störungen im Eisenstoffwechsel mit abnormen Zellkerneinschlüssen vor allem in den Stammganglien des ZNS, aber auch in der Peripherie. So lässt sich eine definitive Diagnose ohne Autopsie bereits aus einer Muskelbiopsien stellen [114]. Zugrunde liegen offenbar gestörte C-terminale Polypeptide, die eine wichtige Rolle bei der eiseninduzierten Präzipitation und Formierung von Ferritin-Einschlusskörpern spielen [8]. Morphologie. Die Veränderungen sind lichtmikroskopisch durch homogene, „hyaline“, elektronenmikroskopisch granuläre Kerneinschlüsse gekennzeichnet [31, 33, 84, 114, 116, 120, 151]. Die Einschlusskörper sind ca. 5– 10 μm groß und liegen als homogene, lichtmikroskopisch leicht übersehbare Produkte mit oder ohne erhaltene Kernmembran zwischen den Muskelfasern. Sie weisen eine positive Eisen- und Ferritinreaktion auf. Sie unterscheiden sich dadurch von den filamentösen Kerneinschlüssen, die bei der neuronalen intranukleären hyalinen Einschlusskrankheit [139] und in ähnlicher Form bei den spinozerebellären Heredoataxien zu finden sind.
Myofibrilläre Myopathien und Zytoskelettmyopathien In dieser Gruppe lassen sich mindestens 19 verschiedene kongenitale Myopathien differenzieren, bei denen primär die Myofibrillen bzw. Komponenten davon betroffen sind, namentlich die Z-Bänder, Myosin- oder Aktinfilamente oder assoziierte Komponenten (s. Abb. 28.2; s. Tabelle 31.1+2, S. 721 u. 725). Wegen des recht unterschiedlichen Krankheitsverlaufs ist die Zuordnung zu den „kongenitalen Myopathien“ z. T. problematisch. Neun „myofibrilläre Myopathien“ im engeren Sinn werden weiter unten wegen ihrer histopathologischen Ähnlichkeiten unter diesem speziellen Oberbegriff gesondert herausgestellt.
Central-core-Krankheit Die dominant erbliche Central-core-Krankheit (CCD, Zentralfibrillenkrankheit) ist auf Mutationen im Ryanodin-Rezeptor-(RYR1-)Gen zurückzuführen [160]. RYR1
Kongenitale Myopathien
kodiert den wichtigen kalziumdurchlässigen Kanal des sarkoplasmatischen Retikulums mit entscheidender Bedeutung für die Exzitations-Kontraktions-Kopplung. Diese Krankheit ist allelisch zur jeweils rezessiv erblichen Multiminicore-Myopathie mit externer Ophthalmoplegie, zur transienten Multiminicore-Krankheit und zu einer dominant erblichen malignen Hyperthermie (MH1; s. Tabelle 31.1). Sie ist zu unterscheiden von der Multi-(Mini)core-Krankheit aufgrund von Mutationen im SEPN1-Gen (s. unten). Auch bei ACTA1-, TTN- und MYH7-Mutationen können „cores“ vorkommen. Morphologie. Die charakteristischen Muskelfaserveränderungen bestehen in fokalen, mehr oder weniger zentralen Läsionen, in denen die Mitochondrien und Anteile der Myofibrillen fehlen. Aufgrund der zumeist zentralen Anordnung dieser Herde hat die Erkrankung ihren Namen „central core disease“ (core = Kern, Mark, Innerstes) erhalten [133]. Am besten sind die Veränderungen in Gestalt herdförmiger Aufhellungen nach oxidativen Enzymreaktionen zu erkennen, weil hier die Mitochondrien fehlen. Die Cores erstrecken sich in Längsrichtung – im Unterschied zu Minicores (s. unten) – über zahlreiche Sarkomere. Wenn die Myofibrillen in den Cores noch gut erhalten sind, spricht man von „strukturierten“ Cores. In den unstrukturierten Cores fehlt die histochemische ATPase-Aktivität. In einzelnen Fällen bestehen die Muskeln fast ausschließlich aus Typ-1-Fasern. Gelegentlich sind nur noch vereinzelt atrophische Typ-2-Fasern zwischen den besser erhaltenen Typ-1-Fasern erhalten (s. Abb. 31.1d). Daraus lässt sich ableiten, dass die Typ-2-Motoneurone bei dieser Erkrankung geschädigt oder verändert sein dürften [69]. Bei einigen Fällen sind auch Stäbchen-(Nemalin-)Körper beobachtet worden. Das histopathologische Spektrum kann innerhalb einzelner Familien stark variieren, so dass sogar eine Verwechslung mit einer kongenitalen Muskeldystrophie möglich ist. Wenn auch bei der Central-core-Krankheit Nemalinkörper (s. unten) vorkommen können, handelt es sich doch grundsätzlich um verschiedene Krankheiten (s. Tabelle 31.1); allerdings sind beide gekennzeichnet durch einen progressiven Verlust der Typ-2-Fasern. Außerdem ist eine separate kongenitale Myopathievariante als „kongenitale neuromuskuläre Krankheit nur mit Typ-1-Fasern” beschrieben worden, die wie die oben beschriebene Central-core-Krankheit auf Mutationen im RYR1-Gen zurückzuführen ist [110].
Multicore-(Minicore-)Krankheit Bei der klassischen Form dieser rezessiv erblichen Myopathie finden sich Mutationen im Selenoprotein-N1(SEPN1-)Gen (Pos. 3.16 in Tabelle 31.1). Sie ist, wie be-
Myofibrilläre Myopathien und Zytoskelettmyopathien
reits erwähnt, zu unterscheiden von der ebenfalls rezessiv erblichen Central-core-Krankheit aufgrund von Mutationen im RYR1-Gen (s. oben). Eine Multiminicore-Myopathie kann auch mit einer atypischen periodischer Paralyse assoziiert sein [161]. Morphologie. Statt einzelner, zentral angeordneter Läsionen wie bei der Central-core-Krankheit sieht man mehrere kleine Herde mit fehlenden Mitochondrien, fokalem Z-Band-Strömen oder herdförmiger Auflösung zuerst der Z-Streifen, später auch der übrigen Myofibrillenanteile (s. Abb. 30.2d). Besonders augenfällig sind die Herde wiederum nach oxidativen Enzymreaktionen (Succinatdehydrogenase, NADH, Cytochromoxidase). Zudem findet sich eine fokale Verminderung des Glykogengehalts sowie der Phosphorylaseaktivität. Die Veränderungen sind allerdings nicht spezifisch. Differentialdiagnose. Minicores können auch bei der kongenitalen Muskeldystrophie vom Typ Ullrich aufgrund von Kollagen-VI- oder Titin-Mutationen vorkommen. Vereinzelt findet man etwas ähnliche Herde bei verschiedenen Formen der Muskeldystrophie, bei maligner Hyperthermie, bei Endokrinopathien, entzündlichen Myopathien und in bestimmten Stadien der Denervationsatrophie, außerdem nach Emetin- oder Glukokortikoidmedikation.
Nemalinmyopathien Wegen des Vorkommens charakteristischer stäbchenoder fadenförmiger Muskelfasereinschlüsse haben Shy et al. [132] diese allerdings recht heterogene Myopathie nach dem griechischen Wort „Nema“ = Faden bezeichnet [61]. Wegen der auch Stäbchen („rods“) genannten Einschlüsse ist ebenso der Begriff Stäbchenkörpermyopathie („rod body myopathy“) gebräuchlich. Die Einschlüsse sind auch als Myogranula bezeichnet worden. Genetik. Nemalinkörpermyopathien können auf Mutationen in folgenden 7 Genen bzw. Genorten zurückzuführen sein (s. Tabelle 31.1): 1. Eine dominant erbliche Form auf Tropomyosin 3 (TPM3) [145], 2. eine ähnliche auf Tropomyosin 2 (β) (TPM2), 3. eine rezessiv erbliche auf Nebulin (NEB) [101], die auch distal betont sein kann und dann keine Stäbchen enthält, 4. eine dominant oder rezessiv erbliche Form auf Mutationen im Aktin (ACTA1) [97, 98], zu der es eine allelische Form mit Fasertypendisproportion gibt, 5. eine autosomal-rezessive Form auf Troponin T, Typ 1 (skeletal, langsam; TNNT1; Amish-Typ der Nemalinmyopathie) [74],
729
6. eine autosomal-rezessive auf Cofilin 2 (Muskeltyp; CFL2) [1] und 7. eine autosomal-dominante auf Chromosom 15q, zu der noch kein Gen identifiziert worden ist [60]. Da sich das Alpha-Skelettmuskel-Aktin und das AlphaHerzmuskel-Aktin voneinander unterscheiden, gibt es keine Herzmuskelbeteiligung bei der ACTA1-Nemalinmyopathie [68]. Morphologie. Nach histochemischen, chemischen und ultrastrukturellen Kriterien ähneln die Stäbchen hinsichtlich ihrer Struktur und Zusammensetzung weitgehend den Z-Streifen. Die längsorientierten Stäbchen stehen offenkundig mit Aktinfilamenten in Verbindung, in der Regel von I-Bändern der angrenzenden Sarkomere. Die Nemalinkörper enthalten verschiedene Isoformen von α-Actinin, dazu Myotilin, Aktin und manchmal auch Myozenin sowie Nebulin. In einzelnen Fällen sind Nemalinkörper sowohl im Sarkoplasma als auch in Kernen nachweisbar [57, 66], was auf eine ACTA1-Mutation schließen lässt, die zudem eine Myopathie mit exzessiver Anhäufung von Aktinfilamenten [119] oder eine Fasertypendisproportion verursachen kann s. Tabelle 31.1, Pos. 3.3 und 3.8). Nach autoptisch-morphometrischen Untersuchungen an Vorderhornzellen des Rückenmarks eines Falles mit Nemalinmyopathie sind die Häufigkeitsgipfel der großen und intermediären Neurone im Histogramm in Richtung kleinerer Durchmesser verlagert; die Zahl der Neurone weicht jedoch nicht von derjenigen der Kontrollfälle ab [109]. Differentialdiagnose. Während die meisten Formen der Nemalinmyopathie als kongenital und fatal oder mittelschwer oder mild und nicht progressiv beschrieben werden, finden sich Nemalinkörper gelegentlich auch bei Patienten mit spätem Auftreten einer Muskelschwäche, die mit oder ohne Anzeichen einer andersartigen Muskelerkrankung verbunden sein kann.
Myopathie mit exzessiver Anhäufung von Aktinfilamenten Diese kongenitale Myopathie ist allelisch zur o. g. 4. Form der Nemalinmyopathie [98] sowie zu einer Variante der Fasertypendisproportion, die jeweils auf Mutationen im ACTA1-Gen zurückzuführen sind. Allerdings gibt es auch Fälle mit angehäuften Aktinfilamenten, die keine ACTA1-Mutation aufweisen. Morphologie. Zumeist findet sich eine subsarkolemmale, histochemisch und elektronenmikroskopisch identifizierbare (exzessive) Anhäufung von Aktinfilamenten in
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Kapitel 31
den Muskelfasern [53, 58, 119]. Fatal verlaufende Fälle [15] sind allerdings eher den „kongenitalen Muskeldystrophien“ als den „kongenitalen Myopathien“ zuzuordnen. Bemerkenswerterweise sind die extraokulären Muskeln nicht betroffen, was vermutlich auf deren überwiegendem Gehalt an Herzmuskel-D-Aktin zurückzuführen ist, das von der Krankheit nicht betroffen ist [106]. Das gilt auch für homozygote Fälle, die zwar kein Skeletmuskelaktin, aber Herzmuskelaktin im Skelettmuskel aufweisen und dadurch überleben und sogar Nemalinkörper bilden können.
31 Myofibrilläre Myopathien (Zytoskelettmyopathien) mit Sphäroidkörpern und anderen Proteinaggregationen Myofibrilläre Myopathien im engeren Sinn sind seltene hereditäre oder sporadische progressive Myopathien mit beträchtlicher klinischer und genetischer Heterogenität. Sie sind morphologisch definiert durch Herde myofibrillärer Auflösung, Anhäufung myofibrillärer Abbauprodukte (Abb. 31.1) und ektopischer Expression multipler Proteine [30] und werden deshalb auch Proteinaggregationsmyopathien (PAM) genannt [55], oft in Form sog. Sphäroidkörper. Letztere sind vielfach ein histopathologisches Kennzeichen myofibrillärer Myopathien, deren Zuordnung zu den „kongenitalen Myopathien“ wegen ihres oft nicht gutartigen Verlaufs problematisch ist. Sie werden häufig begleitet von Kardiomyopathien, die aufgrund von Überleitungsstörungen im Herzen zu synkopalen Episoden oder plötzlichem Tod führen können. Auch Katarakte und Kontrakturen können vorkommen. Die myofibrillären Myopathien sind insgesamt klinisch schwer zu erkennen, zumal sie sowohl von einer Familie zur anderen als auch innerhalb der Familien variieren und auch nicht immer spezifische diagnostische Befunde, z. B. Desminablagerungen, in der Muskelbiopsie aufweisen. Myotilinopathien [99], Zaspopathien [125] und Bag3opathien [126] können mit einer peripheren Neuropathie und entsprechenden distalen Muskelatrophien verbunden sein. MRI-Untersuchungen sind hilfreich zur Bestimmung der beteiligten Muskelgruppen [113]. Biochemie. Desmin ist das wichtigste intermediäre Filament der Skelett- und Herzmuskulatur und hat ein Molekulargewicht von 52 kD. Es gewährleistet die strukturelle und funktionelle Integrität der Myofibrillen und wirkt als Zytoskelettprotein, das die Z-Bänder an die Plasmamembran bindet (s. Abb. 28.2). αB-Crystallin schützt die Desminfilamente vor stressinduzierten Schäden und verursacht im Fall einer Mutation seines Gens eine Myopathie im Sinne einer Desminopathie [150]. Die vielfältigen Verbindungen zwischen den Zytoskelettproteinen und den sarkolemmalen Proteinen sind vermutlich die
Kongenitale Myopathien
Ursache für die Beteiligung zahlreicher anderer Proteine in den erwähnten Ablagerungen, die sich in Muskelbiopsien immunhistochemisch nachweisen lassen. Dazu gehört Myotilin, das an Filamin C bindet, Xin und Xinrepeat-Protein 2 (XIRP2), ein Adapterprotein, das an Aktin und Filamin C bindet, Filamin C, das nur selten betroffen sei [130], Mena/VASP, D-Actinin, E-Catenin sowie neuerdings Myopodin, ein Myopodin-ähnliches Protein („Tripodin“) – alles Proteine, die mit den Z-Bändern in Verbindung stehen und somit für die Struktur und Funktion der Myofibrillen erforderlich und bei myofibrillären Myopathien betroffen sind [30]. Genetik. Als Ursache meist dominant erblicher myofibrillärer Myopathien kommen Mutationen in den folgenden 9 Genen (kursiv gedruckt) in Frage (bezüglich weiterer genetischer Details s. Tabelle 31.2): • CRYAB mit Störungen im Aufbau von αB-Crystallin, • DES mit Ablagerungen von Desmin, zur „Desminopathie“ führend, • SEPN1 mit primären Veränderungen des Selenoproteins N1, • LDB3 = ZASP mit Alterationen der LIM-3 bindenden Domäne des das Z-Band-alternativ-gespleißten PDZMotif enthaltenden Proteins [125], • MYOT (= TTID) mit primären Myotilin- (Immunglobulindomäne des Titins) Alterationen, • FLNC mit Filamin Cγ bzw. Aktin-bindenden Protein280-Veränderungen [82, 154], zur „Filaminopathie“ führend, • BAG3-Defekt mit Veränderungen des „BCL2-associated athanogene 3“, • FHL1 bzw. des „Four-and-a-half-LIM-Domain-1“Gens (auch SLIM1 oder KyoT-Gen bezeichnet, • VCP mit Veränderungen des „Valosin-containing protein“. Morphologie. Primäres diagnostische Kriterium für diese dominant erblichen Krankheiten ist der morphologische Nachweis abnormer und ektopischer Proteine, die hauptsächlich, aber nicht ausschließlich in den Typ-1Fasern vorkommen und mit einer Desintegration der ZStreifen verbunden sind bzw. von dort ihren Ausgang nehmen (Abb. 31.1) [36, 54, 56, 58, 59, 104, 121]. Am häufigsten sind Desminopathien. Bei den DES-Mutationen handelt es sich allerdings nur um eine Untergruppe der myofibrillären Myopathien, bei denen neben Desmin andere Proteine mit abgelagert sind, u. a. auch Dystrophin, Vimentin, β-Spectrin, Gelsolin [36] und Caveolin-3 [131]. Bestätigt wird die Desminvermehrung im Western Blot, definitiv ist eine Diagnose aber erst durch den Nachweis einer Mutation in einem der o. g. Gene zu stellen. Die meisten Ablagerungen liegen in zentraler oder subsarkolemmaler Position. Sie sind oft rundlich bis oval konfiguriert, 2–15 mm groß und gegenüber den angren-
731
Myofibrilläre Myopathien und Zytoskelettmyopathien
a
b
c
d Abb. 31.1a–d Desminopathie als relativ häufige Sonderform einer myofibrillären Myopathie; Biopsie aus dem Muskel einer 52-jährigen Frau. a Nach der HE-Färbung fällt ein verbreitertes Muskelfaserkaliberspektrum auf. Eine völlig atrophische Muskelfaser ist durch einen dünnen Pfeil gekennzeichnet, eine myophagische Reaktion mit basophilen regenerierenden Fasern durch einen dicken Pfeil. b Die immunhistochemische Desminreaktion ergibt reichlich Desminablagerungen unterschiedlicher Form und Größe. c Im längsorientierten, mit Paraphenylendiamin gefärbten Semidünnschnitt weisen die Pfeile auf myofibrilläres (Z-Band-)Strömen hin,
während der Pfeilkopf osmiophile, myelinähnliche (membranöse zytoplasmatische) Ablagerungen als Vorstufe autophagischer Vakuolen anzeigt. d Elektronenmikroskopisch sind reichlich granuläre (G) oder granulofilamentöse Ablagerungen als Substrat der Desminreaktion dargestellt (GF), die stellenweise noch mit Myofibrillen in Verbindung stehen (Pfeil). Im A-Band-Bereich quergeschnittene Myofibrillen (MF) sind noch regulär orientiert. Unterschiedlich große membranöse zyoplasmatische Körperchen (MCB) sind ebenfalls zu sehen
732
31
Kapitel 31
zenden Sarkomeren mehr oder weniger scharf abgegrenzt („Sphäroidkörper“). Sie bestehen u. a. aus intermediären (Desmin-)Filamenten mit einem Durchmesser von etwa 10 nm, wenn auch Aktin- und Myosinfilamente inkorporiert sein können, so dass die Abgrenzung von den sog. „myofibrillären Zytoplasmakörpern“ (s. unten) bei einigen Korpuskeln problematisch ist. Sphäroidkörper und granulofilamentöse Ablagerungen können bei Patienten mit molekulargenetisch bestätigter Desminopathie gleichzeitig vorkommen [102]. Speziell bei Desminopathien und DB-Crystallinopathien fehlt fokal die NADH-Reaktivität, weil hier die Mitochondrien verdrängt sind („ausradierte“ Fasern). Vermehrte Vakuolen kommen vor bei ZASPopathien, Myotilinopathien sowie DB-Crystallinopathien [107] und einzelne nekrotische Fasern mit entzündlichen Veränderungen sowie tubulofilamentösen Kerneinschlüssen bei Myotilinopathien [30]. Immunhistochemisch zeigen nur einzelne Proteine wie Filamin C und seine Liganden Myotilin und Xin eindeutige Verlagerungen, während andere Z-Band-Proteine wie D-Actinin, Myopodin, Tripodin und M-Band-Proteine keine abnorme Lokalisation aufweisen. Die geringen Unterschiede der immunhistochemischen Befunde bei den Untergruppen der myofibrillären Myopathien geben Hinweise auf mutierte Gene, reichen aber für eine eindeutige Diagnose nicht aus. Elektronenmikroskopisch finden sich bei Desminopathien und DB-Crystallinopathien elektronendichte granulofilamentöse Ablagerungen, wobei apoptotische Kernveränderungen für DB-Crystallinopathien sprechen. ZASPopathien sind demgegenüber durch Filamentbündel charakterisiert, die mit Myotilin-Antikörpern reagieren. Tubulofilamentöse Ablagerungen in Sarkoplasma und Kernen in Kombination mit Filamentbündeln sind typisch für Myotilinopathien [27, 30]. SEPN1-Mutationen verursachen drei allelische Myopathien: eine Myopathie mit Rigid-spine-Syndrom, eine Myopathie mit kongenitaler Fasertypendisproportion und eine Desmin-abhängige Myopathie mit MalloryKörpern (entsprechen Sphäroidkörpern; s. Tabelle 31.1, Pos. 3.9 und Tabelle 31.2, Pos. 5.3) [2, 46]. Filaminmutationen sind mit Zerstörungen der Myofibrillenstruktur und pleomorphen Ablagerungen verschiedener Proteine verbunden, darunter Filamin C, Desmin, Myofilin, Xin, Dystrophin und Sarkoglykane. Die Fasern sind teils Kongorot-positiv, teils Trichromrot, teils Trichrom-grün gefärbt und weisen teilweise eine saure-Phosphatase-positive Reaktion auf [77]. Die oxidativen Enzyme und ATPase-Reaktionen sind in den abnormen Faserabschnitten stark reduziert. Einzelne Fasern enthalten zahlreiche Sphäroidkörper, andere eher die sog. zytoplasmatischen Körper [82]. Elektronenmikroskopisch sind granuläre, granulofilamentöse und tubulofilamentöse Ablagerungen nachweisbar, darunter offensichtlich auch Desmin.
Kongenitale Myopathien
Es ist zu betonen, dass bisher nur etwa die Hälfte der „myofibrillären Myopathien“ auf Mutationen bestimmter Gene (s. oben) zurückgeführt werden konnten, dass nur wenige Fälle in ausführlicher Weise untersucht worden sind und dass die Ablagerungen von Muskel zu Muskel variieren.
Neuromyopathie mit myofibrillären Zytoplasmakörpern Diese Erkrankung ist auch als „Myopathie mit myofibrillären Aggregaten“ bezeichnet worden [76]. Die myofibrillären Zytoplasmakörper, deren fokale Anhäufung für diese Myopathie charakteristisch ist, bestehen aus drei konzentrischen Zonen: dem zentralen Körper, dem intermediären Saum und der äußeren Hülle. Nach immunhistochemischen Untersuchungen enthalten sie wie die Sphäroidkörper auch intermediäre Filamente (Desmin) [121]. Dabei sind selektiv die Typ-2-Fasern betroffen. Die zytoplasmatischen Körperchen sind allerdings nicht spezifisch für myofibrilläre Erkrankungen; vereinzelt kommen sie auch bei anderen Erkrankungen vor (z. B. bei myotonischer Dystrophie, periodischen Paralysen, neurogenen Muskelatrophien u. a.) [116, 117]. Elektronenmikroskopisch lassen sich diese Körperchen hypothetisch aus der Z-Scheibe ableiten, wobei ein dichtes filamentöses Zentrum und ein umgebender heller Ring mit vielfach radiär orientierten dünnen Filamenten nachweisbar sind [76]. Es ist zu vermuten, dass es sich bei der o. g. Neuromyopathie um eine Sonderform der myofibrillären Myopathien handelt.
Myosinspeicherungsmyopathie (Myopathie mit „hyalinen“ Körpern) Diese Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt und ist auf Mutationen im MYH7-Gen zurückzuführen, das das kardiale Schwerketten-7-Myosin (MyHC 7) kodiert [13, 14, 144]. Das Krankheitsbild ist sehr heterogen. Es kann beginnen mit einer neonatalen Hypotonie oder einer proximalen Myopathie im Erwachsenenalter oder einer Kardiomyopathie ohne Skelettmuskelbeteiligung im Neugeborenenalter [149]. Auch eine distale Variante mit geringgradiger peripherer Neuropathie vom demyelinisierenden Typ [153] (s. distale Myopathien) sowie eine rezessive Variante mit Kardiomyopathie kommen vor [143]. Eine seltene, dominant erbliche Myopathie aufgrund von Mutationen im MYH1-Gen, das die Myosin-Isoform MyHC IIa kodiert, ist ebenfalls beschrieben worden [87].
Kongenitale Fasertypendisproportion
Morphologie. Charakteristisch ist die segmentförmige Auflösung der Myofibrillen an der Peripherie der betroffenen Typ-1-Muskelfasern, wobei die myofibrilläre ATPase-Reaktion im sauren Bereich erhalten bleibt [55, 103]. Die Zonen der Myofibrillolyse erscheinen lichtmikroskopisch „hyalin“ und elektronenmikroskopisch homogen mit einem feinen granulofilamentösen Material gefüllt, das aus immunhistochemisch identifizierbaren Myosin-Filament-Komponenten besteht. Sie färben sich im PAS-, Trichrom- und Phosphorwolframsäurepräparat nur blass, während die Myofibrillen stark gefärbt sind. In einzelnen Fällen sollen diese Veränderungen auch in Typ-2-Fasern vorkommen. Atrophische Muskelfasern, autophagische Vakuolen, tubulovesikuläres Material und tubulofilamentöse Kerneinschlüsse mit einem Durchmesser von 15–20 nm kommen ebenfalls vor [149].
Myopathie mit subsarkolemmal-segmentaler Myofibrillolyse („Kappenmyopathie“) Von der Myopathie mit Speicherung von Myosin ist die autosomal-dominante „Kappenmyopathie“ abgrenzbar, die auf Mutationen im TPM2-Gen zurückzuführen ist, das Tropomyosin 2 kodiert [81, 142], oder auf Mutationen im ACTA1-Gen [65]. Morphologie. Diese Myopathie ist durch segmentförmige subsarkolemmale, scharf begrenzte Herde charakterisiert („cap myopathy“ = „Kappenmyopathie“ [47, 48]), in denen die Myofibrillen fragmentiert und desorientiert, aber noch nicht völlig aufgelöst erscheinen [116]. Entsprechend fällt hier die myofibrilläre ATPase-Reaktion negativ aus. Bei einigen Fällen bestehen offensichtlich pathogenetische Beziehungen zur Nemalinmyopathie [51]. Nemalinkörper kommen auch beim Escobar-Syndrom vor, das ebenfalls durch Mutationen im TPM2-Gen verursacht wird und durch angeborene Kontrakturen aufgrund fetaler Akinesie, Pterygia und respiratorische Insuffizienz gekennzeichnet ist [93]. Bei manchen Fällen findet sich statt einer Kappenmyopathie nur eine Fasertypendisproportion [16].
Myopathie mit selektiver Auflösung der Myosinfilamente Bei einer bestimmten kongenitalen Myopathie sind selektive, zumeist zentrale Defekte der Myosinfilamente nachgewiesen worden [158, 159]. Doch haben wir ähnliche Veränderungen auch bei einer ätiologisch ungeklärten interstitiellen Myositis beobachtet [116]. Der selektive Verlust der dicken Filamente lässt auf eine Aktivierung unspezifischer proteolytischer Enzyme analog denjeni-
733
gen für die Z-Bänder schließen und wird speziell nach intensivmedizinischer Behandlung mit Kortikoiden etc. beobachtet (s. Kap. 34).
Neuromuskuläre Krankheit mit trilaminären Muskelfasern Diese bei einem sporadischen [108] und einem familiären Fall [116] beschriebene, klinisch allerdings schwere Form einer Myopathie (nicht zweifelsfrei hier unter den kongenitalen Myopathien zu klassifizieren) ist durch sog. trilaminäre Muskelfasern gekennzeichnet („Kokardenfasern“ in eigener Nomenklatur). Darin zeigt die innerste Zone dichte Ansammlungen von Mitochondrien, Glykogen und elektronendichtem Material sowie einzelne Filamente. Die mittlere Zone besteht aus Myofibrillen mit auffälligem Z-Band-Strömen. Die äußere Zone ist fast frei von Myofibrillen. Die Veränderungen ähneln denen in sog. Halsband- („necklace“-)Fasern, die bei bestimmten Mutationen des MTM1-Gens als Ursache der spät auftretenden zentronukleären Myopathie (CNM) beobachtet worden [9], aber möglicherweise mit den vorher beschriebenen „trilaminären“ Fasern identisch sind [115].
Myopathie mit fetalen Muskelfasern Bei einzelnen hypotonen Kindern fiel ein subsarkolemmaler Saum ohne mitochondriale Dehydrogenaseaktivität in der Faserperipherie und ein zahlenmäßiges Überwiegen der Typ-2-Fasern auf bei weitgehendem Fehlen der Myofibrillen in der Faserperipherie [45]. Ob es sich um eine eigenständige Erkrankung handelt, ist noch nicht geklärt.
Kongenitale Fasertypendisproportion Die sog. Fasertypendisproportion ist keine eigenständige Myopathie, sondern heterogen, d. h., sie kann viele verschiedene Ursachen haben (s. Tabelle 31.3), so z. B. bei Mutationen im ACTA1-, SEPN1-, TPM3-, TPM2- und DMPK-Gen (s. oben), also auch bei der kongenitalen myotonischen Dystrophie, bei der keine Atrophie, sondern eine Hypotrophie der Typ-1-Fasern vorliegt [146]. Die kongenitale Fasertypendisproportion ist gewissermaßen das Kehrbild der selektiven Typ-2-Muskelfaseratrophie, die ebenfalls viele verschiedene Ursachen haben kann (Tabelle 31.4). Sie darf auch nicht verwechselt werden mit der selektiven Typ-1-Faseratrophie, die mit eindeutigen Faseratrophien verbunden ist und ebenfalls verschiedene Ursachen haben kann, so z. B. eine Immobilisation der Gelenke oder eine rheumatoide Arthritis.
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31
Kapitel 31
Morphologie. Definitionsgemäß zeichnen sich diese Muskelbiopsien dadurch aus, dass die Kaliber der histochemischen Hauptmuskelfasertypen in unterschiedlicher Weise von der Norm abweichen [17–20]; der Unterschied der mittleren Fasergröße beträgt mindestens 12%, meist aber wesentlich mehr (heutiger Sollwert: 25%) [41]. In der Regel liegen die durchschnittlichen Kaliber der Typ1-Fasern nicht wesentlich unter den Normwerten der entsprechenden Altersstufe, wobei aber einzelne atrophische Typ-1-Fasern vorkommen. Demgegenüber sind die Typ-2-Fasern beträchtlich vergrößert (s. Abb. 28.1d); das gilt insbesondere für die Typ-2B-Fasern.
Tabelle 31.3. Muskelfasertypendisproportion. Klinische und/oder histologische Diagnosen bei 103 Fällen* Krankheit
Diagnosen [n]
Kongenitale Myopathien
Es ist wichtig, diese Patienten von denen mit einer Werdnig-Hoffmann-Krankheit zu unterscheiden, da sie eine wesentlich bessere Prognose haben.
Mitochondriale Myopathien Aufgrund der ungewöhnlich raschen Fortschritte bei der Erforschung der mitochondrialen Myopathien werden diese, anders als noch vor Jahren, nicht mehr in der ätiologisch und pathogenetisch weniger genau bestimmten Gruppe der „kongenitalen Myopathien“, sondern in der Gruppe der genetisch und biochemisch z. T. sehr genau analysierten mitochondrialen Myopathien und Lipidspeicherungsmyopathien aufgeführt (s. Kap. 33).
Reine Fasertypendisproportion Wahrscheinlich kongenitale Fasertypendisproportion (KFTD) 30 Jahre alt
26
Gut definierte myopathische Erkrankungen Mitochondriale Myopathien
3
Myotonische Dystrophie
2
Maligne Hyperthermie
2
Central-core- und Minicore-Myopathie
2
Gliedergürteldystrophie
1
Neurogene Erkrankungen Neurogene Atrophie
7
Neuropathie, axonaler Typ
7
Neuropathie, demyelinisierender Typ
3
Hydromyelie und Syringomyelie
2
Neurofibromatose
1
Entzündliche Erkrankungen Dermatomyositis
4
Vaskulitis
2
Verschiedene Erkrankungen Glykogenosen
3
Crampus-Syndrom
2
Eales-Syndrom
1
Wallenberg-Syndrom
1
Prader-Willi-Syndrom
1
*Aus: Schröder JM (1996) Congenital fibre type disproportion. In: Lane R (ed) Handbook of muscle diseases. Informa Healthcare, London, pp 195–200
Myopathien mit tubulären Aggregaten Einzelne tubuläre Aggregate unterschiedlicher Form als Derivate vermutlich des sarkoplasmatischen Retikulums kommen bei zahlreichen verschiedenen Myopathien, insbesondere bei myotonischen Krankheiten und Kanalkrankheiten vor [3, 25, 49, 94, 117, 118, 148] (s. Kap. 32). Auch kommen tubuläre Aggregate als Folge medikamentöser Einwirkungen sowie bei subklinischer alkoholischer Myopathie und bei Myostatinmangelmäusen vor [26]. In größerer Zahl können diese Veränderungen als pathognostisches Kennzeichen einer seltenen, offensichtlich eigenständigen, dominant [22, 86] oder vermutlich rezessiv erblichen Myopathie [37] gelten, die klinisch manchmal nur durch Steifheit und Myalgien auffällt. Die tubulären Aggregate sind eindeutig erst elektronenmikroskopisch zu identifizieren, oft aber schon aufgrund der starken NADH- und Adenosin-Monophosphat-Deaminase-(AMPDA-) Reaktion zu vermuten. Sie färben sich nach der Gomori-Trichrom-Methode rot, reagieren aber nicht nach der COX- und SDH-Reaktion. Immunhistochemisch können sie mit Antikörpern gegen die sarkoplasmatische Retikulum-ATPase (SERCA) markiert werden. Dysferlin [67] und Emerin [85] sind bemerkenswerterweise ebenfalls mit tubulären Aggregaten assoziiert. Elektronenmikroskopisch handelt es sich um hexagonal angeordnete Tubuli mit unterschiedlichem Durchmesser und einem inneren Tubulus oder einzelnen oder mehreren Filamenten [118]. Eine dominant erbliche Sonderform ist durch tubuläre Aggregate mit 1–21 feineren tubulofilamentösen Einschlüssen innerhalb der Tubuli gekennzeichnet [94, 152]. Eine ungewöhnliche, möglicherweise ebenfalls dominante, hexagonale Variante tubulärer Aggregate mit die einzelnen Tubuli verbindenden „Doppelspeichen“ zeigte
Myopathien mit weiteren, besonderen feinstrukturellen
735
Tabelle 31.4 Selektive Muskelfaseratrophien* Typ 1
Typ 2
• • • • • • • • • • • • • • •
• Unbehandelte Gefäßbindegewebserkrankungen (einschl. Polymyositis/ Dermatomyositis) • Cushing-Syndrom: chronische Kortikoidintoxikation • Parkinson-Krankheit • Pyramidenbahnläsionen • Perinatale Hirnschäden • Inaktivität, Immobilisation, Kachexie • Altersatrophie • Anorexia nervosa • Myasthenia gravis • Central-core-Krankheit (mit zahlenmäßiger Reduktion der Typ-2-Fasern) • Myopathie mit tubulären Aggregaten • Karzinoid • Hypothyreose • Hpoparathyreoidismus, Tetanie • Primärer und sekundärer Hyperparathyreoidismus • Diabetische Amyotrophie • Vitamin-E-Mangel • Hämophilie Typ 2B • Polymyalgia rheumatica (3 von 7 Fällen) • Evtl. bei Erkrankung zentraler Motoneurone • Parathyreoprive Tetanie
Familiäre Typ-1-Atrophie Kongenitale Fasertypendisproportion Myotubuläre Myopathie Nemalinmyopathie Evtl. bei Werdnig-Hoffmann-Krankheit Störungen des Reflexbogens Plötzliche, kurz dauernde Gelenkschmerzen Zerebral geschädigte Kinder Resektion des 1. und 2. sensorischen Kortexareals Spinozerebelläre Heredoataxie Metachromatische Leukodystrophie Globoidzellige Leukodystrophie Rigid-spine-Syndrom Myotonische Dystrophie Welander-Krankheit
*Aus: Schröder JM (1988) Muskel- und Nervenbiopsien. In: Schliack H, Hopf JC (Hrsg) Diagnostik in der Neurologie. Thieme: Stuttgart New York, S 147–148
histochemisch eine deutliche Caveolin-3-Immunreaktivität [78] sowie eine Immunreaktivität gegenüber Calsequestrin und Junctin [39]. Klinisch bestanden belastungsabhängige Muskelschmerzen und eine Muskelschwäche. Gene, die die genannten Proteine kodieren, waren nicht mutiert [29].
Myopathien mit weiteren, besonderen feinstrukturellen Veränderungen Feinstrukturell charakteristische oder spezifische Veränderungen, die bisher nur bei einzelnen Patienten oder in einzelnen Sippen beschrieben worden sind, gibt es immer noch, wenn auch in langsamer wachsender Zahl. Lichtmikroskopisch sind diese Myopathien nicht oder nicht mit Gewissheit zu diagnostizieren.
Fingerabdruckkörpermyopathie Eine benigne kongenitale Muskelerkrankung mit zahlreichen intrasarkoplasmatischen, fingerabdruckähnlichen
Einschlüssen haben Engel et al. [43] erstmalig beschrieben. Später fanden andere Autoren ähnliche Einschlüsse bei verschiedenartigen anderen Muskelerkrankungen, so beim Marfan-Syndrom [70]; doch besteht im Einzelfall an der Eigenständigkeit eines derartigen Krankheitsbildes kaum noch ein Zweifel [32, 44, 52, 123]. Die Fingerabdruckkörper liegen subsarkolemmal in Typ-1-Fasern. Sie bestehen aus feinen Lamellen mit einer Dicke von etwa 30 nm, die in fingerabdruckähnlichen Mustern gewunden zusammen liegen. Sie werden nicht von einer Membran umgeben. Vermutlich handelt es sich um abnorme Proteine.
Sarkotubuläre Myopathie Eine kongenitale, nichtprogressive Myopathie mit fokal vakuolig veränderten Muskelfasern, die elektronenmikroskopisch durch erweiterte und konfluierte Komponenten des sarkoplasmatischen Retikulums gekennzeichnet sind, haben Jerusalem et al. [72] beschrieben. Später sind bei diesen Fällen und bei Hutterer-Brüdern Mutationen im TRIM32-Gen gefunden worden, wo sich ein Founder-Effekt durchgesetzt hat [112, 157]. Diese
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Kapitel 31
„sarkotubuläre“ Myopathie ist allelisch zur LGMD2H. Die Vakuolen führen zu einer leicht spindelförmigen Auftreibung der Muskelfasern und gelten dann als pathognomonisch. Primär sei die Mikro-RNA durch Mutationen im TRIM32-Gen betroffen.
Zebrakörpermyopathie
31
Diese Myopathie ist durch eine ungewöhnliche Anhäufung von sog. Zebrakörpern charakterisiert [52], bei denen es sich um die seit langem bekannten Leptomerfibrillen handelt. Letztere kommen normalerweise in intrafusalen und extraokulären Muskelfasern sowie in Herzmuskelfasern vor, intrafusal manchmal in exzessiver Menge und atypischer Form [123]. Sie entsprechen Wurzelfasern von Zilien und sind ausnahmsweise auch einmal in Schwann-Zellen zu finden [122].
Reduktionskörpermyopathie Bei dieser mehr oder weniger schwer verlaufenden Myopathie findet sich eine große Zahl besonderer Sarkoplasmaeinschlüsse, die Nitroblautetrazolium in Verbindung mit Menadion zu Formazan in einer nichtenzymatischen Reaktion reduzieren [21]. Mit Hilfe einer Laser-Mikrodissektions/Proteomics-Methode ließen sich sowohl X-chromosomal erbliche als auch spontane Mutationen im FHL1-(four-and-a-half-LIM-Domäne-1-)Gen (auch SLIM1 oder KyoT-Gen genannt) auf Chromosom Xq26.3 nachweisen, die zu dieser Form einer Proteinaggregationsmyopathie führen [111]. Sie ist allelisch zur X-chromosomalen Emery-Dreyfuss-Muskeldystrophie Typ 2, zur X-chromosomalen Myopathie mit posturaler Muskelatrophie (XMPMA) und X-chromosomalen skapuloperonealen Myopathie (XPMD; s. Tabelle 31.1). Alle drei Myopathieformen weisen eine Wirbelsäulenversteifung (Rigid-spine-Syndrom, RSS) auf, wobei sich allerdings unter 18 Patienten mit RSS nur einer mit einer Mutation im FHL1-Gen fand [129]. Elektronenmikroskopisch sind die reduzierenden Muskelfasereinschlüsse rundlich oder oval gestaltet; sie bestehen aus dicht liegenden, mäßig elektronendichten Partikeln, in denen Hohlräume vorkommen, die mit Glykogengranula gefüllt sind. Sie ähneln manchmal geschrumpften Kernen ohne Kernmembranen. Ihre Spezifität ist durch ihr Vorkommen auch beim kindlichen Saure-Maltase-Mangel in Zweifel gezogen worden [71].
Kongenitale Myopathien
Myopathie mit zylindrischen Spiralen In Muskelbiopsien von Patienten mit recht verschiedenartigen Erkrankungen sind charakteristische „zylindrische Spiralen“ beschrieben worden [24, 50, 88, 105, 116]. Diese Spiralen bestehen im Querschnitt aus Membranprofilen, die alternierend dunkle und helle Ringe aufweisen. Vermutlich handelt es sich um eine spiralig angeordnete membrangebundene Zisterne. Die einzelnen Zylinder sind etwa 1 μm breit und bis zu 10 μm lang. Ihre Ansammlungen sind 10–30 μm groß. Dadurch lassen sie sich bereits lichtmikroskopisch lokalisieren. Nach der modifizierten Trichromfärbung erscheinen sie hellrot auf dem Querschnitt und blau getönt, wenn sie schräg angeschnitten werden. Analoge Zylinder lassen sich in vitro erzeugen [100].
Hypertrophia musculorum vera Diese auf Mutationen im Gen für Myostatin bzw. den „Growth“-Differenzierungsfaktor 8 (GDF8) basierende Muskelhypertrophie ist rezessiv erblich [4, 5, 42, 124] und muss von anderen Formen einer Muskelhypertrophie, z. B. durch Muskelaktivität, Training, Doping oder bei bestimmten Krankheiten (z. B. Wadenhypertrophie bei einzelnen Fällen mit peripherer Neuropathie) oder von einer Pseudohypertrophie durch Fettvakatwucherung, z. B. bei der Duchenne-Muskeldystrophie, abgegrenzt werden. Histopathologisch fanden sich bei Myostatinmangelmäusen vermehrte Typ-IIb-Fasern, tubuläre Aggregate und verminderte mitochondriale DNA [4]. Die Kraft hatte in Relation zur Muskelmasse nicht zugenommen.
Kongenitale Myopathien mit fataler Kardiomyopathie Allelisch zur LGMD2J wird eine solche Myopathie abgegrenzt, die auf Mutationen im Titin (TNT) zurückzuführen ist [23]. Doch sei wegen der großen Zahl von im Januar 2009 bereits 43 molekulargenetisch abgrenzbaren Kardiomyopathien auf die einschlägige Spezialliteratur und die Muskelgentabelle verwiesen (http://www.musclegenetable.org).
Myopathie mit minimalen Veränderungen („minimal change myopathy“) Da sich auch nach dem Einsatz des gesamten Arsenals diagnostischer Methoden manche offensichtlich kongenitale Myopathien nicht differenzieren lassen, hat Dubo-
Literatur
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31
Kapitel 31
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Kongenitale Myopathien
Kapitel 32
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
32
J.M. Schröder Inhalt Myotone Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
744
Myotonische Dystrophien (DM1 und DM2) . . . . .
744
Rippling-Muskelkrankheit . . . . . . . . . . . . . . .
748
Hypokaliämische periodische Paralyse (HOPP), Typ 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
749
Kalium-aggravierte Myotonie . . . . . . . . . . . .
750
Paramyotonia congenita . . . . . . . . . . . . . . .
750
Chondrodystrophische Myotonie (Schwartz-Jampel-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . .
748
Kalziumkanalstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
750
Brody-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
748
Hypokaliämische periodischen Paralyse, Typ 1 . . .
750
Ionenkanalkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
748
Kaliumkanalstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
750
Chloridkanalstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
748
Hypokaliämische periodischen Paralyse, Typ 3 . . .
750
Autosomal-dominante Myotonia congenita (Thomsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Episodische Ataxie/Myokymie . . . . . . . . . . . .
750
748 Periodische Paralyse bei Thyreotoxikose . . . . . . . . .
751
Rezessive generalisierte Myotonie (Becker) . . . . .
749 Maligne Hyperthermien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
751
Natriumkanalkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . .
749 Malignes neuroleptisches Syndrom . . . . . . . . . . . .
752
Hyperkaliämische periodische Paralyse (HYPP) . .
749 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
752
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_32, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
744
Kapitel 32
Myotone Syndrome
32
Definitionen. Die myotonischen Erkrankungen bestehen aus einer Gruppe von heterogenen, zumeist erblichen Krankheiten, denen das Symptom Myotonie gemeinsam ist (Tabelle 32.1). Einige davon werden jetzt den Ionenkanalkrankheiten zugerechnet, nämlich die dominant und die rezessiv erbliche Myotonia congenita, die Paramyotonia congenita sowie die hyper- und die hypokaliämischen periodischen Paralysen, wobei Letztere auch myotone Symptome aufweisen können. Demgegenüber beruht die myotonische Dystrophie auf einem Defekt der Myotoninproteinkinase, nicht aber primär auf einer Ionenkanalstörung. Davon abzugrenzen sind die lebensgefährlichen malignen Hyperthermien, die den Ionenkanalkrankheiten nur teilweise oder indirekt zugeordnet werden können und nicht mit myotonen Symptomen verbunden sind (s. unten). Die Myotonie ist durch verlangsamte Kontraktionen charakterisiert, die auf einer elektrischen Nachaktivität beruhen. Dieser Übererregbarkeit liegen verschiedene Mutationen bzw. Störungen zugrunde (s. Tabelle 32.1). Als aktive Myotonie wird eine verzögerte Erschlaffung der Muskulatur nach einer willkürlichen Kontraktion bezeichnet. Diese Myotonie lässt sich mechanisch durch Beklopfen des Muskels oder elektrisch durch Muskeloder Nervenreizung auslösen. Die myotonische Muskelstarre löst sich langsam durch wiederholte Muskelkontraktionen und verschwindet schließlich – wenn auch nur vorübergehend – ganz (Übungseffekt). Demgegenüber wird als paradoxe Myotonie eine Muskelstarre bezeichnet, die nach wiederholten Kontraktionen keinen Übungseffekt zeigt, sondern sich verstärkt. Eine besondere Form der paradoxen Myotonie ist die Paramyotonie; sie wird durch Kälte ausgelöst oder verstärkt. Abzugrenzen sind weiter die Pseudomyotonien oder myotonoiden Kontraktionen, die beim Myxödem und bei der Typ-II-Glykogenose vorkommen, sowie die Neuromyotonien, die auf Störungen wahrscheinlich der terminalen Innervation der Muskelfasern und auf demyelinisierende Krankheiten oder Antikörper gegen Amphiphysin („stiff person syndrome“; s. dort) zurückzuführen sind. Das myotonische Phänomen ist im Experiment durch Gabe von 20,25-Diazacholesterin und andere Cholesterinantagonisten sowie durch 2,4-Dichlorphenoxyazetat reproduzierbar (s. dort); außerdem kommt es bei myotonischen Ziegen vor.
Myotonische Dystrophien (DM1 und DM2) Zu differenzieren sind eine myotonische Dystrophie vom Typ 1 und Typ 2 (DM1 und DM2). Die klassische DM1 (Curschmann-Steinert-Krankheit) ist eine Multisystem-
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
erkrankung, die außer durch eine klinisch und/oder elektromyographisch nachweisbare Myotonie und einen progressiven Muskelschwund regelhaft auch durch eine Katarakt, Stirnglatze, Hodenatrophie und verschiedene endokrine Störungen, Kardiomyopathie mit Überleitungsstörungen und eine verminderte Intelligenz oder Demenz gekennzeichnet ist. Die DM2 unterscheidet sich von der DM1 vor allem genetisch, aber auch klinisch (Literatur s. [55]). Genetik. Die klassische Dystrophia myotonica (dystrophische Myotonie Typ 1; DM1) ist autosomal-dominant erblich. Genetisch liegt der Krankheit eine Expansion instabiler DNA-Sequenzen in dem Genfragment 19q13 zugrunde, nämlich eine Trinukleotid-(CTG-)Repetition an dem 3‘-Ende einer nichtkodierenden Region eines Transkripts, das eine Proteinkinase kodiert. Die Länge der Trinukleotidrepetition korreliert mit dem bei der myotonischen Dystrophie sehr variablen klinischen Schweregrad der Krankheit, wobei diese bereits pränatal [14–16] und sogar durch eine genetische Präimplantationsdiagnose [19] verifiziert werden kann. Von der DM1 ist die myotonische Dystrophie vom Typ 2 (DM2) abzugrenzen [7]. Die DM2 wird verursacht durch eine CCTG-Expansion mit durchschnittlich 5000 Wiederholungen im Intron 1 des Zink-Finger-Proteins-9(ZNF9-)Gens [24]. Die DM2 ist identisch mit einigen Fällen der sog. proximalen myotonischen Dystrophie (PROMM); doch kommen Fälle mit PROMM vor, die nicht dem Genort der DM2 auf Chromosom 3q zugeordnet werden können [21]. Vermutlich führen die Expansionen in der RNA zu den multisystemischen Aspekten der DM1 und DM2. Bemerkenswert ist die Antizipation in der Generationsfolge bei der DM1, aber nur ausnahmsweise bei der DM2. Die Antizipation sei auf die genetische Instabilität der DNA-Expansion zurückzuführen [26]. Epidemiologie, Klinik, Prognose. Die Häufigkeit der DM1 wird auf 1:8000 geschätzt. Somit handelt es sich um die häufigste Muskeldystrophie im Erwachsenenalter. Die Häufigkeit der DM2 ist noch nicht genau bestimmt, aber wohl annähernd gleich hoch [38]. Die DM1 beginnt oft zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, in mehr als der Hälfte der Fälle aber bereits im Kindesalter, nicht selten sogar im 1. Lebensjahr oder bald nach der Geburt, Letzteres jedoch nur bei mütterlicher Übertragung. Die DM1 ist in der Regel stärker ausgeprägt als die DM2. Es kommt zu Atrophien der distalen Muskelgruppen an der Hand, am Vorderarm und am Unterschenkel. Der Befall der Gesichtsmuskulatur (Ptose, Fazialisschwäche, gelegentlich äußere Ophthalmoplegie), besonders des M. temporalis, führt zum Bild der Facies myopathica, des sog. „Jammergesichts“. Die CK-Werte können bei Erwachsenen erhöht sein; in der Regel sind sie bei kongenitalen Fällen normal. Die Herzmuskulatur ist häufig mit betroffen. Im EKG sind Überleitungs- und Rhythmusstörungen
Myotone Syndrome
745
Tabelle 32.1 Myotonische Syndrome und Kanalkrankheiten, inkl. maligne Hyperthermien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
Myotonische Syndrome 6.1
Myotonische Dystrophie, Typ 1 (Steinert), DM1
AD
19q13
DMPK (Dystrophia-myotonica-Protein-Kinase)
160900 605377
Renwick et al. (1971) Friedrich et al. (1987) Harley et al. (1992) Buxton et al. (1992) Aslanidis et al. (1992) Mahadevan et al. (1992) Fu et al. (1992) Brook et al. (1992)
6.2
Myotonische Dystrophie, Typ 2 (DM2; PROMM)
AD
3q21
ZNF9 (Zink-Finger-Protein)
116955 602668
Ranum et al. (1998) Liquori et al. (2001)
6.3
Myotonia congenita, dominant (Thomsen)
AD
Siehe unter Ionenkanalkrankheiten
6.4
Myotonie, rezessiv (Becker)
AR
Siehe unter Ionenkanalkrankheiten
6.5
Rippling-Muskelkrankheit, dominant (RMD1), allelisch zu LGMD1C, HyperCKämie, CMH
AD
1q41
?
600332
Stephan et al. (1994)
6.6
Rippling-Muskelkrankheit, dominant
AD
3p25
CAV3 (Caveolin-3)
601253
Betz et al. (2001)
6.7
Rippling-Muskelkrankheit, rezessiv
AR
3p25
CAV3 (Caveolin-3)
601253 606072
Kubisch et al. (2003, 2005)
6.8
Schwartz-Jampel-Syndrom
AR
1p34-p36.1
HSPG (Heparan-Sulfat-Proteo-Glycan 2; Perlecan)
255800
Nicole et al. (1995, 2000)
6.9
Brody-Krankheit
AD, AR
16p12
SERCA1 (= ATP2A1) (SarkoplasmatischesRetikulum- Ca2+-transportierende ATPase; Herzmuskeltyp, rasch zuckend 1)
108730
Odermatt et al. (1996)
Ionenkanal-Krankheiten der Muskulatur A. Chloridkanal 7.1
Myotonia congenita, dominant (Thomsen) (THD), allelisch zur Becker-Myotonie
AD
7q35
CLCN1 (Muskelchloridkanal)
160800
Koch et al. (1992b) George et al. (1993)
7.2
Myotonie, rezessiv (Becker), allelisch zur Thomsen-Myotonie
AR
7q35
CLCN1 (Muskelchloridkanal)
255700
Koch et al. (1992b)
6
746
Kapitel 32
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
Tabelle 32.1 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
B. Natriumkanal 7.3
Hyperkaliämische periodische Paralyse (HyperKPP), allelisch zu HypoKPP, PMC und KAM
AD
17q23
SCN4A (Natriumkanal-DUntereinheit)
170500
Fontaine et al. (1990) Patacek et al. (1991a) Rojas et al. (1991)
7.4
Hypokaliämische periodische Paralyse (HypoKPP), allelisch zu HyperKPP, PMC und KAM
AD
17q23
SCN4A (Natriumkanal-DUntereinheit)
170500
Bulman et al. (1999)
7.5
Paramyotonia congenita (PMC), allelisch zu HypoKPP und KAM
AD
17q23
SCN4A (Natriumkanal-DUntereinheit)
168300
Ebers et al. (1991) Koch et al. (1992a) McClatchey et al. (1992) Ptacek et al. (1991b, 1993)
7.6
Kalium-aggravierte Myotonie (KAM), allelisch zu HypoKPP und PMC
AD
17q23
SCN4A (Natriumkanal-DUntereinheit)
168300
Heine et al. (1993) Lerche et al. (1993) Ptacek et al. (1994a)
7.7
Lange QT-Syndrome
32
Siehe unter Kardiomyopathien
C. Kalziumkanal 7.8
Hypokaliämische periodische Paralyse, Typ 1 (HypoPKK1)
AD
1q31-q32
CACNA1S (Kalziumkanal, spannungsabhängig, L-Typ, Alpha-1S-Untereinheit)
114208 170400
Fontaine et al. (1994) Ptacek et al. (1994) Jurkat-Rott et al. (1994)
7.9
Acetazolamid-responsive hereditäre paroxysmale Zerebelläre Ataxie (APCA)
AD
19p13
CACNA1A (Kalziumkanal-spannungsabhängige P/QTyp, alpha1A-Untereinheit
601011
Elbaz et al. (1995) Von Brederlow et al. (1995) Vahedi et al. (1995)
7.10
Episodische Ataxie, Typ 2
AD
19q13
CACNA1A
601011
Ophoff et al. (1996) Jodice et al. (1997)
D. Kaliumkanal 7.11
Hypokaliämische periodische Paralyse, Typ 3 (HypoKPP3)
AD
11q13
KCNE3 (Kalium-Volt-abhängiger Kanal, Isk-verwandte Familie, Mitglied 3)
170400 604433
Abbott et al. (2001)
7.12
Episodische Ataxie/ Myokymie
AD
12p13
KCNA1 (Kalium-Volt-abhängiger Kanal, Shaker-verwandte Unterfamilie, Mitglied 1)
160120
Browne et al. (1994) Adelman et al. (1995)
7.13
Periodische Paralyse, Kalium-sensitiv-kardiorhythmisch (Andersen-Syndrom)
AD
17p23-q24
KCNJ2 (Kalium-einwärts rektifizierender Kanal, Unterfamilie J, Komponente 2)
600681
Plaster et al. (2001)
6
Myotone Syndrome
747
Tabelle 32.1 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
Bezüglich weiterer Syndrome s. Kardiomyopathien (http://musclegenetable.org) Maligne Hyperthermien 8.1
Maligne Hyperthermie (MHS1), allelisch zu CCD, Minicore-Myopathie mit externer Ophthalmoplegie, CNMDU1
AD
19q31.1
RYR1 (Ryanodin-Rezeptor)
180901
MacLennan et al. (1990) McCarthy et al. (1990) Fujii et al. (1991) Gillard et al. (1991, 1992) Quane et al. (1993, 1994) Keating et al. (1994)
8.2
MHS2
AD
17q11.2q24
?
154275
Levitt et al. (1992) Moslehi et al. (1998)
8.3
MHS3
AD
7q21-q22
?
154276
Iles et al. (1994)
8.4
MHS4
AD
3q13.1
?
600467
Sudbrak et al. (1995)
8.5
MHS5, allelisch zu HypoKPP1
AD
1q31-q32
CACNA1S (Kalziumkanal, spannungsabhängig, L-Typ, α-1S-Untereinheit )
601887
Monnier et al. (1997)
8.6
MHS6
AD
5p
?
601888
Robinson et al. (1997)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 80-81. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
nachweisbar. Die meisten Patienten sterben um das 45. bis 50. Lebensjahr. Als Multisystemkrankheiten weisen die DM1 und die DM2 noch weitere Besonderheiten aus, die zur klinischen Differenzierung beitragen [55]. Morphologie der DM1. Muskelbioptisch finden sich ausgeprägte Kaliberdifferenzen mit besonders auffälligen und starken Vermehrungen der Sarkolemmkerne, die vielfach in langen Ketten hintereinander angeordnet sind, außerdem Ringbinden, sarkoplasmatische Massen an der Peripherie der Fasern mit fehlorientierten und zerstörten Myofibrillen (Abb. 30.1b, 30.2c) und eine geringe Anzahl nekrotischer bzw. degenerierender Fasern [48]. Das Binde- und Fettgewebe ist in wechselndem Ausmaß und in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung proliferiert. Bei subklinischen und kongenitalen Fällen lässt sich anfangs eine selektive Atrophie bzw. Hypotrophie der Typ-1-Fasern mit peripherem Myofibrillen-freien Saum („halo“) nachweisen, die zentrale Kerne aufweisen [57] und eine kongenitale Fasertypendisproportion [54] oder eine myotubuläre imitieren können. Letztere lässt sich durch Antikörper gegen das „Muscle-blind-Protein“ ausschließen, das sich an die expandierte CTG-Region binden würde [50]. Die Terminalzisternen des sarkoplasmatischen Retikulums sind z. T. dilatiert oder proliferiert, aber im Unterschied zu den sog. tubulären Aggregaten (Literatur s. [30]; s. Kap. 31) mit einem homogenen, fein-
granulären Material ausgefüllt; das T-System ist stellenweise honigwabenförmig proliferiert, und die Triaden sind abnorm konfiguriert [48]. Die Veränderungen am sarkoplasmatischen Retikulum stehen möglicherweise mit der dort lokalisierten Myotonin-Proteinkinase in Zusammenhang [51], deren Gen, das Dystrophia-myotonica-Protein-Kinase-(DMPK-)Gen, primär betroffen ist. Ausnahmsweise kommen sog. anulierte Lamellen vor. In den Kernen sind selten einmal tubulofilamentöse Einschlüsse mit einem Durchmesser ähnlich denen bei der Einschlusskörpermyositis und -myopathie u. a. nachweisbar [10]. Die motorischen Endplatten sind bei einigen Fällen deutlich vergrößert. In einigen Muskelbiopsien sind enorme Vermehrungen der intrafusalen Muskelfasern (bis zu 150 Fasern pro Spindel) beobachtet worden [10, 17, 27]. Ursache der geistigen Defekte bei der myotonischen Dystrophie sei eine pränatal erworbene Dysgenesie des Gehirns [41]. In Abhängigkeit vom Ausmaß der mit der myotonischen Dystrophie einhergehenden Demenz finden sich Pachygyrien und neuronale Heterotopien. Das Ventrikelsystem des Gehirns ist erweitert. Die Motoneurone des Rückenmarks zeigten jedoch keine signifikante Verminderung der Gesamtzahl, wenn auch die Zahl der Gliazellen bei Fällen mit myotonischer Dystrophie signifikant erhöht war. Bei 2 Patienten war
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die Fläche der Zellkörper der Motoneurone beim Vergleich mit den Kontrollfällen reduziert [56]. Die Angaben über die Beteiligung der peripheren Nerven sind bisher widersprüchlich. In der Regel gehört eine periphere Neuropathie nicht zum Krankheitsbild [4, 34]; doch ist sie in einem Viertel der Fälle ausgeprägt [10].
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Morphologie der DM2. Untersuchungen zur DM2 (PROMM) gibt es bisher nur relativ wenige; bei 2 Schwestern konnten wir erhebliche Kaliberdifferenzen der Muskelfasern mit stark vermehrten Kernen und vollständig atrophische Muskelfasern mit auffällig vielen pyknotischen Kernhaufen feststellen, aber keine sarkoplasmatischen Massen und Ringbinden, wie sie typischerweise bei der Dystrophia myotonica vom Typ 1 (DM1) vorkommen. Das ZNF9-Protein erscheint nach Immunoblot- und konfokalen Immunfluoreszenzuntersuchungen unauffällig [45]. Die atrophischen Muskelfasern exprimieren bei der DM2 nur die rasche MyosinIsoform (MxHC 2), bei der DM1 aber sowohl die rasche als auch die langsame Form (MyHC 2 und MyHC 7) [45, 55].
Rippling-Muskelkrankheit Diese ist autosomal-dominant [3] oder -rezessiv erblich [22] und allelisch zur LGMD1C, d. h. auf Mutationen im Caveolin-3-Gen (CAV3) zurückzuführen (s. dort). Klinisch manifestiert sich das Rippling-Phänomen in Form fokaler, wurmartig kriechender Kontraktionen z. B. nach Beklopfen mit dem Reflexhammer. Immunhistochemisch ist eine verminderte Caveolin-Reaktivität an der Oberfläche der Muskelfasern zu finden. Elektronenmikroskopisch dominiert eine Reduktion der Zahl pinozytischer Vesikel an der Oberfläche der Muskelfasern, die in starkem Gegensatz zur großen Zahl der pinozytotischen Vesikel in den angrenzenden Kapillarenendothelien steht [22].
Chondrodystrophische Myotonie (Schwartz-Jampel-Syndrom) Diese autosomal-rezessiv erbliche, mit Zwergwuchs, Skelettdeformitäten, ungewöhnlichen Gesichtsanomalien und Blepharospasmen einhergehende Erkrankung ist auf Mutationen im Perlecan-(Heparansulfat-Proteoglycan-2-)Gen (HSPG2) zurückzuführen [31, 32], aber bisher nur in relativ wenigen Fällen beschrieben worden [6, 33, 53]. Es resultieren verspätete Öffnungen der Natriumionenkanäle bei normaler Chloridionendurchlässigkeit.
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
Brody-Krankheit Diese kommt in einer autosomal-dominanten und einer rezessiven Form vor. Sie ist auf Mutationen im Gen der kalziumtransportierenden ATPase vom rasch zuckenden Herzmuskeltyp (ATP2A1) mit entsprechenden Störungen der sarkoplasmatischen Retikulum-Kalziumionen-ATPase (SERCA1) zurückzuführen (s. Tabelle 32.1). Klinisch ist die Krankheit charakterisiert durch schmerzlose Muskelkrämpfe und belastungsabhängige Beeinträchtigung der Muskelerschlaffung. Immunhistochemisch ist eine Verminderung der SERCA1-Aktivität nachweisbar. Eine normale Reaktion schließt jedoch nicht aus, dass zwar Protein vorhanden, dieses aber abnorm strukturiert ist.
Ionenkanalkrankheiten Hierzu gehören, wie bereits erwähnt, die Myotonia congenita (dominant und rezessiv erblich), die Paramyotonia congenita, die damit z. T. identischen hyper- oder hypokaliämischen periodischen Paralyse bzw. die Adynamia episodica hereditaria (s. Tabelle 32.1). Diese klassischen Symptome oder Syndrome lassen sich jetzt in komplexer Weise überschneidend den Chlorid-, Natrium-, Kalziumund Kaliumkanälen zuordnen. Ergänzend erwähnt seien hier als weitere Ionenkanalstörungen Krankheiten der neuromuskulären Endplatte, Krankheiten des Zentralnervensystems, nämlich episodische Ataxien, eine hemiplegische Migräne und einige Formen von Epilepsie, eine abnorme Kaliumionendurchlässigkeit bei verschiedenen QT-Überleitungsstörungen im Herzen sowie renale Ionenkanalkrankheiten, auf die hier nur am Rande verwiesen sei.
Chloridkanalstörungen Eine reduzierte Chloridionenkanaldurchlässigkeit besteht sowohl bei der dominant (Thomsen) als auch bei der rezessiv erblichen Myotonia congenita (Becker) und bei myotonischen Ziegen.
Autosomal-dominante Myotonia congenita ( Thomsen) Diese regelmäßig autosomal-dominant erbliche Krankheit kann sich bereits in der Kindheit manifestieren, manchmal kurz nach der Geburt. Bei vielen Patienten ist eine Muskelhypertrophie vorhanden, die einen athletischen Aspekt hervorruft. Die Patienten haben eine nor-
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Ionenkanalkrankheiten
male Lebenserwartung. Die Häufigkeit wird auf 1:150.000 bis 1:300.000 geschätzt. Genetik. Die zugrunde liegende Störung beruht auf Mutationen im Gen für den Chloridkanal (CLCN1), wobei die dominant und die rezessiv erbliche Form der Myotonia congenita auf unterschiedlichen Mutationen in diesem Gen beruhen [20]. Bestimmte Mutationen führen in einigen Familien zur dominant erblichen Form, in anderen zur rezessiv erblichen, wobei die Letztere auf homozygote oder Compound-heterozygote Mutationen zurückzuführen ist. Eine bestimmte Genotyp/PhänotypKorrelation ist bisher nicht ersichtlich [5]. Pathogenese. Die Leitfähigkeit des Chloridkanals in der Membran der Muskelfasern ist herabgesetzt; dies führt zur Herabsetzung der Schwelle für die Auslösung eines Aktionspotentials und dadurch zu repetitiven Entladungen mit dem elektromyographischen Phänomen der myotonischen Salven. Histopathologie. Muskelbioptisch finden sich hypertrophische Fasern mit etwas vermehrten Kernen, vereinzelte Vakuolen und gelegentlich aufgespaltene Fasern. Enzymhistochemisch ist gelegentlich ein vollständiges Fehlen der Typ-2B-Fasern gefunden worden. Die beobachteten feinstrukturellen Veränderungen am Sarkolemm, TSystem und sarkoplasmatischen Retikulum [49] haben sich als unspezifisch erwiesen.
Rezessive generalisierte Myotonie (Becker) An dem Vorkommen einer rezessiven Form der Myotonia congenita bestehen seit den Untersuchungen von Becker keine Zweifel [23]. Diese Myotonie tritt im Unterschied zur dominanten Form nicht kongenital auf, sondern manifestiert sich erst im Alter von 5–15 Jahren, ist aber ebenfalls auf Veränderungen im Chloridkanal zurückzuführen [20], nachdem vorher der Natriumkanal als betroffen diskutiert worden war [18]. Sie ist häufiger als die dominante Form (1:23.000 bis 1:50.000). Die histopathologischen Veränderungen sind bei der rezessiven Form graduell etwas stärker ausgeprägt als bei der dominanten Form [49].
Natriumkanalkrankheiten Die 7 folgenden Myopathienformen (s. Tabelle 32.1) können durch unterschiedliche, autosomal-dominante Mutationen im Gen für den spannungsabhängigen („voltage-gated“) Natriumkanal Typ IVα (SCN4A) auf Chromosom 19q verursacht werden: die hyperkaliä-
mische periodische Paralyse (HYPP), die hypokaliämische periodische Paralyse (HOPP) vom Typ 2, die Paramyotonia congenita (PMC) einschließlich der periodischen paramyotonischen Paralyse [25] und die Kalium-aggravierte Myotonie einschließlich der Myotonia fluctuans und Myotonia permanens [46]. Diese Krankheitsbilder sind allelisch zueinander, wobei die Abgrenzung untereinander schwierig sein kann. Gestört ist jeweils die Durchlässigkeit des Natriumionenkanals. Klinik. Die sog. periodischen Paralysen sind heterogene seltene, nichtneurogene Erkrankungen der Skelettmuskulatur, bei denen die Patienten unter episodenhaft (nicht eigentlich periodisch) auftretender Muskelschwäche (nicht unbedingt Paralyse) der Extremitätenmuskulatur und in geringem Maß auch der übrigen Muskeln leiden. Die Patienten erholen sich von derartigen Anfällen in der Regel vollständig; doch kann sich langsam eine bleibende Muskelschwäche entwickeln.
Hyperkaliämische periodische Paralyse (HYPP) Bei den wenigen untersuchten Fällen mit dieser Krankheit fanden sich muskelbioptisch Erweiterungen der longitudinalen Komponenten des sarkoplasmatischen Retikulums, vermehrtes Glykogen und tubuläre Aggregate (s. Kap. 31), nicht aber die zahlreichen, bei der hypokaliämischen periodischen Paralyse beobachteten Vakuolen bzw. Erweiterungen des T-Systems [49]. Bei der normokaliämischen periodischen Paralyse, auch Adynamia episodica hereditaria genannt, handelt es sich um eine Variante der hyperkaliämischen periodischen Paralyse [42], die ebenfalls auf Mutationen im Natriumkanal SCNA4 zurückzuführen ist und auch als Paralysis periodica paramyotonia bezeichnet wird [25].
Hypokaliämische periodische Paralyse (HOPP), Typ 2 Die verschiedenen, molekulargenetisch unterscheidbaren Formen der periodischen Paralyse (s. Tabelle 32.1) sind noch nicht vergleichend pathomorphologisch untersucht worden. Mikroskopisch finden sich jedenfalls in Muskelfasern von Fällen, die klinisch als hypokaliämische Paralyse klassifiziert worden waren, einzelne oder mehrere, zumeist zentral liegende charakteristische Vakuolen [13, 47] (s. Abb. 30.2e,f). Außerdem kommen aufgespaltene Fasern vor. Die Vakuolen sind unterschiedlich weit und überwiegend auf Erweiterungen des T-Systems zurückzuführen. Sie sind zumeist leer oder mit einem granulären oder hyalinen Material gefüllt. Während anfangs angenommen wurde, dass sich die Vakuolen in den Mus-
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kelfasern nur während der Anfälle entwickeln und in den anfallsfreien Intervallen zurückbilden, haben spätere Autoren eine anhaltende vakuoläre Myopathie bei Patienten beobachtet, die nach wiederholten paralytischen Anfällen eine andauernde Muskelschwäche entwickelten. Bei einigen Patienten jedoch, die eine anhaltende Muskelschwäche aufwiesen, fanden sich im paralysierten Muskel keine Vakuolen [13]. Die Vakuolen sind deshalb eher als Zeichen der andauernden Myopathie denn als Korrelat der akuten Lähmung anzusehen. Elektronenmikroskopisch fanden sich außerdem Erweiterungen des sarkoplasmatischen Retikulums, Proliferationen der longitudinalen Komponenten des sarkoplasmatischen Retikulums (tubuläre Aggregate) und honigwabenartig proliferierte Komponenten des TSystems. In einzelnen Fasern kommen von Membranen des sarkoplasmatischen Retikulums umgebene, konzentrisch geschichtete Kalksalz- bzw. Apatitablagerungen vor (s. Abb. 30.2e,f).
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
auch in kleinen Gruppen zwischen den normal großen Fasern. Manche sind nicht abgerundet, sondern auf dem Querschnitt abgeflacht. Das endomysiale Bindegewebe ist geringgradig vermehrt; die subsarkolemmalen Kerne und die Bindegewebszellkerne sind zahlreicher als im normalen Muskel; auch kommen in unterschiedlichem Ausmaß vermehrte zentralständige Kerne in den Muskelfasern vor. Einige atrophische Fasern enthalten irregulär angeordnete Myofibrillen und mehrere Kerne. In anderen Muskelfasern kommen leere und zentral angeordnete Vakuolen vor. Vereinzelt nur sieht man myofibrillenfreie sarkoplasmatische Massen in der Peripherie der Fasern, vermutlich an der Stelle tubulärer Aggregate, und Aufsplitterungen einzelner Fasern. Ringbinden sind nicht zu beobachten, akute Fasernekrosen nur ausnahmsweise [25, 49].
Kalziumkanalstörungen Hypokaliämische periodischen Paralyse, Typ 1
Kalium-aggravierte Myotonie Hier sind die milde Myotonia fluctuans, die schwere Myotonia permanens und die Acetazolamid-induzierte Myotonie zu differenzieren, die durch Belastung und Kälte sowie durch Kaliumgabe zu induzieren sind. Sie beruhen, wie bereits erwähnt, auf Mutationen im Gen für den muskulären Natriumkanal (s. oben; Tabelle 32.1). Muskelbioptisch bestehen geringe Kalibervariationen. Vereinzelt sind membranöse und tubuläre zytoplasmatische Strukturen in den Muskelfasern nachweisbar, die z. T. als Autophagolysosomen zu interpretieren oder dem T-System zuzuordnen sind [46].
Typ 1 der periodischen Paralysen beruht auf Mutationen im Gen für den spannungsabhängigen Kalziumkanal, LTyp, Untereinheit α1S (CACNA1A). Sie ist allelisch zur Acetazolamid-induzierbaren hereditären paroxysmalen zerebellären Ataxie, zur episodischen Ataxie vom Typ 2 und zu einer bestimmten Form der malignen Hyperthermie (MHS5). Es kommt zu Störungen der Kalziumionenkanaldurchlässigkeit.
Kaliumkanalstörungen Hypokaliämische periodischen Paralyse, Typ 3
Paramyotonia congenita Bei dieser seltenen, autosomal-dominant erblichen Krankheit folgt der kälteinduzierten Muskelstarre eine Adynamie. Die Krankheit ist auf eine erhöhte Na+-Permeabilität und ebenso wie die hyperkaliämische periodische Paralyse auf Mutationen im Natriumkanalgen für die gleiche Alpha-Untereinheit zurückzuführen [11, 35, 36] (Tabelle 32.1). Sie kann je nach Mutation unterschiedlich schwer verlaufen und mit einer Myotonie verbunden sein. Die früheren Meinungsverschiedenheiten über die Abgrenzung gegenüber den familiären Paralysen, insbesondere gegenüber der Adynamia episodica hereditaria, erscheinen dadurch beigelegt. Muskelbioptisch finden sich teilweise ausgeprägte Muskelfaserkaliberschwankungen. Neben hypertrophischen Fasern kommen auch reichlich völlig atrophische Fasern vor. Letztere liegen oft einzeln, z. T. aber
Diese Form der periodischen Lähmung beruht auf Mutationen im Gen für den spannungsabhängigen Kaliumkanal vom Typ der Isk-verwandten Familie, Komponente 1 (KCNE3).
Episodische Ataxia/Myokymie Diese Krankheit wird durch Mutationen im spannungsabhängigen Kaliumkanal (KCNA1) verursacht, wie sie auch bei einer mit Shaker-Familien verwandten Unterfamilie auftreten (Tabelle 32.1). Weitere hereditäre Kaliumkanalstörungen, z. B. eine kaliumsensitive kardiodysrhythmische periodische Paralyse (Andersen-Krankeit), und andere sind unter den Kardiomyopathien aufgeführt (s. http://www.musclegenetable.org).
Maligne Hyperthermien
Periodische Paralyse bei Thyreotoxikose Die bei der Thyreotoxikose auftretende periodische Paralyse ist ebenfalls mit Vakuolen, tubulären Aggregaten und anderen unspezifischen Veränderungen in den Muskelfasern verbunden, doch können diese Veränderungen auch fehlen [2, 39]. Die Muskelfasern zeigten hinsichtlich Aktionspotentialschwellen, Natrium-, Kalium- und Kalziumströmen bzw. -Leitfähigkeit ähnliche Werte wie bei der hypokaliämischen Paralyse (HOPP) vom Typ 1; der Ca2+-Gehalt der Muskelfasern war in beiden Situationen erhöht [37].
Maligne Hyperthermien Die malignen Hyperthermien sind familiäre, dominant erbliche Erkrankungen, bei denen evtl. tödlich verlaufende Hyperthermieanfälle mit Myoglobinurie durch volatile Narkosemittel, insbesondere Halothane, und depolarisierende Muskelrelaxanzien wie Suxamethonium (Succinylcholin) ausgelöst werden („postoperativer Hitzschlag“) [8, 9]. Die Häufigkeit der Anästhesiezwischenfälle aufgrund einer malignen Hyperthermie betrug etwa 1:15.000 bei Kindern und 1:50.000 bei Erwachsenen. Klinik. Während einer Allgemeinnarkose kommt es zu einem raschen und anhaltenden Temperaturanstieg (bis 43 °C), der mit einer generalisierten Muskelrigidität, Tachykardie, Tachypnoe, ausgeprägtem Schwitzen und Zyanose verbunden ist. Während des Anfalls steigt die Serum-CK auf Werte bis zu 50.000 IE/l oder mehr an. Zu den Komplikationen gehören eine Verbrauchskoagulopathie, Nierenfunktionsstörungen durch schwere Myoglobinurie, kardiale Arrhythmien und Herzstillstand. Die Mortalität der malignen Hyperthermie während oder unmittelbar nach einer Episode beträgt 63–73% [12]; durch Dantrolenmedikation lassen sich derartige Anfälle jedoch beherrschen. Histopathologie. Muskelbioptisch haben sich im Intervall bei den meisten Fällen keine spezifischen, sondern nur unspezifische strukturellen Veränderungen nachweisen lassen wie einzelne atrophische oder hypotrophische und degenerierende Fasern mit vermehrten zentralständigen Kernen und disseminierte kleine Herde mit reduzierter oxidativer Aktivität. Bei anderen Patienten besteht jedoch eine ausgeprägte Central-core- oder Multiminicore-Krankheit (s. unten) [12, 43]. Demgegenüber finden sich nach einem Anfall disseminierte Muskelfasernekrosen und, je nach dem Zeitpunkt der Untersuchung, regenerierende Fasern und verschiedene „degenerative“ Veränderungen wie tubuläre
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Aggregate, myelinähnliche Figuren, Lipidtropfen und herdförmige Glykogenansammlungen. Feinstrukturell ließen sich im akuten Stadium Defekte der Plasmamembran mit Austritt der Glykogengranula in das Interstitium nachweisen. Gefrierätzuntersuchungen [44] ergaben Anhäufungen intramembranöser Partikel in der Plasmamembran. Einige Membranareale waren frei von Partikeln und pinozytotischen Caveolae. Die E-Fläche zeigte irreguläre Erhebungen mit korrespondierenden Defekten auf der P-Fläche. Die Diagnose muss wegen der Unspezifität zumindest der lichtmikroskopischen Veränderungen durch einen In-vitro-Kontraktionstest (Halothan-Koffein-Test) verifiziert werden, der allerdings nicht absolut verlässlich ist. Entscheidend ist dann der (molekulargenetische) Nachweis folgender Ursachen: • Maligne Hyperthermie aufgrund von Mutationen im Ryanodin-Rezeptor 1 (RYR1): Die Disposition zur malignen Hyperthermie beruht in ca. 50% der Fälle auf Mutationen im Gen für den Ryanodinrezeptor (RYR1). Der Erbgang ist autosomal-dominant mit variabler Penetranz. Diese Form ist allelisch zur Central-core-Krankheit (CCD), zur Minicore-Myopathie mit externer Ophthalmoplegie [28], zur kongenitalen neuromuskulären Krankheit mit uniformen Typ-1-Fasern (CNMDU1; s. Tabelle 32.1) und zu einer Multiminicore-Krankheit mit einer atypischer periodischer Paralyse [59]. • Maligne Hyperthermie aufgrund von Mutationen im CACNA1S-Gen: In diesem Teil der Fälle ist ein großes Protein betroffen, bei dem es sich um einen der beiden Kalziumkanäle im Muskel handelt, der dem sarkoplasmatischen Retikulum zugeordnet ist [29, 40, 42]. Diese Form ist allelisch zu der vorher beschriebenen Kalziumkanalstörung, nämlich der hypokaliämischen periodischen Paralyse vom Typ 1. Der Membrandefekt führt zu einem erhöhten Kalziumeinstrom in die Muskelfasern und dadurch, wie bei vielen anderen nekrotisierenden Myopathien, zur Aktivierung von Proteinasen als wesentlichem zellzerstörenden Faktor. • Weitere Ursachen einer malignen Hyperthermie: Es sind noch weitere Genorte bekannt, doch nicht die zugehörigen Gene (Tabelle 32.1, Pos. 8.2-8.4 und 8.6). Zudem kann eine Rhabdomyolyse auch bei anderen neuromuskulären Krankheiten auftreten, so bei Duchenne-Muskeldystrophie, myotonischer Dystrophie vom Typ 1, bei Denervationsatrophien und metabolischen Muskelkrankheiten [58] sowie beim King-Denborough-Syndrom, das durch eine langsam progressive Myopathie, Kleinwuchs, Trichterbrust, Kryptorchismus, Kyphoskoliose und charakteristische Gesichtsanomalien gekennzeichnet ist.
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Kapitel 32
Malignes neuroleptisches Syndrom Beim sog. malignen neuroleptischen Syndrom, auch als Katatonie beschrieben [52], spielt eine erhöhte Empfindlichkeit des sarkoplasmatischen Retikulums eine wichtige Rolle [1], wobei dieses Syndrom, wie der Name sagt, zentral durch Neuroleptika ausgelöst wird.
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Kapitel 33
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
33
J.M. Schröder Inhalt Kohlenhydratstoffwechselstörungen . . . . . . . . . . .
756
Punktmutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
763
Glykogenosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
756
Homoplasmische mtDNA-Mutationen . . . . . . . .
764
Typ II (Saure-Maltase-Mangel; Pompe) . . . . . . .
756
Mutationen nukleärer Gene . . . . . . . . . . . . . . .
764
Typ III (Debranching-Enzymdefekt) . . . . . . . . .
756
Klinische Aspekte der mitochondrialen Myopathien
765
Typ IV (Branching-Enzymmangel) . . . . . . . . . .
756
Myoadenylat-Deaminase-(MAD-)Mangel . . . . . . . .
768
Typ V (McArdle-Krankheit) . . . . . . . . . . . . .
759
Lipidspeichermyopathien . . . . . . . . . . . . . . . . .
768
Typ VII (Phosphofruktokinasemangel, Tarui) . . . .
759
Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
769
Typ VIII–XIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
760
Myopathien bei endokrinen Erkrankungen . . . . . . .
770
Danon-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
760
Erkrankungen der Schilddrüse . . . . . . . . . . . . .
770
Störungen der Glykolyse . . . . . . . . . . . . . . . .
761
Hyper- und Hypoparathyreoidismus . . . . . . . . . .
770
Mitochondriale Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . .
761
Hypophysenfunktionsstörungen und Doping . . . .
770
Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
771
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
771
Umfangreiche Umstellungen (Translokationen), partielle Deletionen oder Duplikationen der mtDNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
763
Mutationen der tRNA-Gene . . . . . . . . . . . . . .
763
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_33, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
756
Kapitel 33
Kohlenhydratstoffwechselstörungen
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
lung mit rekombinanter humaner D-Glukosidase zu berücksichtigen ist [63].
Glykogenosen
33
Die Glykogenspeicherkrankheiten oder Glykogenosen bilden eine Gruppe erblicher Stoffwechselkrankheiten, deren systematische Nummerierung durch Cori [20] sich weitgehend durchgesetzt hat, aber inzwischen ergänzt worden ist (Tabellen 33.1 und 33.2). Zeitlich nach Cori entdeckte Formen einer Glykogenose sind auf Enzymdefekte der Phosphoglycerat-Kinase und PhosphoglyceratMutase, der Laktatdehydrogenase-A, der Enolase oder auf multiple Enzymdefekte zurückzuführen [29]. Dabei können unterschiedliche Mutationen des zugrunde liegenden Gens zu einer unterschiedlichen klinischen Ausprägung des Krankheitsbildes führen, u. a. auch beim Phosphoglyceratkinasemangel [98].
Mindestens neun klar definierte Glykogenosen befallen die Skelettmuskulatur. Da es im Skelettmuskel keine Glukose-6-Phosphatase (Hexokinase) gibt, kann es beim Typ I, der von-Gierke-Krankheit, nicht zur Glykogenspeicherung im Muskel kommen. Gleiches gilt für den Leberphosphorylasemangel (Typ VI). Alle sind rezessiv erblich. Die Genorte und Genprodukte sind, wie bereits erwähnt, in der Tabelle 33.1 aufgelistet. Außerdem gibt es eine Reihe von Fällen mit ausgeprägter Glykogenvermehrung im Muskel, bei denen bisher kein Enzymdefekt nachgewiesen werden konnte.
Typ II (Saure-Maltase-Mangel; Pompe) Beim infantilen Saure-Maltase-(D-Glukosidase-)Mangel (sog. Pompe-Krankheit) finden sich die ausgeprägtesten Glykogenablagerungen im Muskel, weniger bei den spätinfantilen, juvenilen und adulten Verlaufsformen [96]. Die mit Glykogen überladenen Muskelfasern enthalten in globulären Korpuskeln innerhalb von Lysosomen vermehrt Kalzium, darstellbar sowohl mit der Glyoxal-bis-(2-Hydroxyanil-)Färbung als auch mit der energiedispersiven Röntgenmikroanalyse, das auch in einer erhöhten Dichte im CT-Bild zum Ausdruck kommt [55]. Im Erwachsenenalter können die Patienten klinisch unauffällig (asymptomatisch) sein [6]. Die juvenile Form kann sich als „Rigid-spine-Syndrom“ manifestieren [65]. Die Ausscheidung der sauren Maltase im Urin ist vermindert, auch bei heterozygoten Genträgern. Der Verlauf variiert erheblich [117], was besonders bei der Beurteilung von Therapieeffekten nach der Behand-
Typ III (Debranching-Enzymdefekt) Die Typ-III-Glykogenose (Amylo-1,6-Glukosidase-Mangel) ist die häufigste Glykogenose mit Muskelbeteiligung (Abb. 33.1a,b).
Typ IV (Branching-Enzymmangel) Dieser Typ liegt bestimmten Polyglukosankörperkrankheiten zugrunde. Polyglukosankörperkrankheiten sind gekennzeichnet durch Ablagerungen von abnormen Glukosepolymeren in Verbindung mit einer zusätzlichen Eiweißkomponente in verschiedenen Geweben und Organen (Abb. 30.1d,e, S. 695 und Abb. 30.5e,f, S. 707) [39, 100]. Die Polyglukosankörper gleichen denen bei der Lafora-Krankheit, den Corpora amylacea in Gliafortsätzen und den Ablagerungen bei der sog. basophilen Degeneration der Herzmuskelfasern. Bei der infantilen und juvenilen Form der Polyglukosankörperkrankheit fehlt das Branching-Enzym (s. Tabelle 33.1) aufgrund von Mutationen im zugehörigen Gen [70, 128]. Klinik. Zu unterscheiden sind folgende, insgesamt seltene Formen der Polyglucosankörperkrankheit: • perinatale (pränatale, kongenitale), • infantile und juvenile (Abb. 30.2e) und • adulte Formen (Abb. 30.5e,f). Die klinischen Symptome hängen vom Stadium der Erkrankung ab und werden dominiert von der Myopathie, Antriebsmangel, Leberzirrhose, Herzinsuffizienz mit Kardiomegalie und evtl. Neuropathie, je nachdem, um welche Form der Erkrankung es sich handelt. Morphologie. Bei diesen Krankheiten sind in Abhängigkeit von dem Schweregrad der Erkrankung neben uncharakteristischen, z. T. myopathischen, z. T. neurogenen Veränderungen charakteristische histochemische und feinstrukturelle Ablagerungen in den Muskelfasern zu beobachten: basophile, etwa 1–30 μm große rundlich bis ovale, im polarisierten Licht doppelbrechende Körper, die sich nach der PAS-Reaktion intensiv anfärben und durch Diastase nicht abgebaut werden. Elektronenmikroskopisch sind die Veränderungen bei der perinatalen Form extrem pleomorph [84]. Die typischen Polyglukosankörper bestehen zumeist aus granulären oder etwa 6–8 nm dünnen Filamenten, bei denen es sich um abnorm lange, unverzweigte Glukoseketten handelt, und ganz vereinzelt auch aus größeren osmiophilen Granula, die den
Kohlenhydratstoffwechselstörungen
757
Tabelle 33.1 Metabolische Myopathien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
Glykogenspeicherkrankheit Typ II (Pompe)
AR
17q25
GAA (α-Glucosidase)
232300 606800
Hers (1963) Martiniuk et al. (1990) Wokke et al. (1995)
Typ IIIa
AR
1p21
AGL (Amylo-1,6-Glukosidase; Glykogen-Debranching-Enzym)
232400 610860
Shen et al. (1996)
Typ IV
AR
3p12
GBE1 (Glykogen-(1,4-alpha)Branching-Enzym)
232500 607839
Brown et al. (1966) Bao et al. (1996)
Typ V (McArdle)
AR
11q13
PYGM (Glykogen-Phosphorylase, Muskeltyp)
232600 608455
Mommaerts et al. (1959) Schmidt and Mahler (1959) Lebo et al. (1984) Tsujino et al. (1993a)
Typ VII (Tarui)
AR
12q13
PFKM (Phosphofruktokinase, Muskeltyp)
232800
Tarui et al. (1965) Nakajima et al. (1991) Howard et al. (1996)
Typ IXd (vorher Typ VIII; Muskelphosphorylasekinasemangel)
XR
Xq13
PHKA1 (Phosphorylase-b-Kinase, α-Untereinheit)
311870
Wehner et al. (1994) Burwinkel et al. (2004)
Typ 0
AR
9q13
GYS1 Glykogensynthase 1
611556
Kolberg et al. (2007)
Glykogenspeicherkrankheit des Herzens, letal, kongenital, allelisch zu CMH6
AD
7q36
PRKAG2 (Proteinkinase, AMPaktiviert)
602743
Burwinkel et al. (2005)
Phosphoglycerate-KinaseMangel
XR
Xq13
PGK1 (PhosphoglyceratKinase)
311800
DiMauro et al. (1981 a, 1983) Rosa et al. (1982)
Phosphoglycerat-MutaseMangel
AR
7p12p13
PGAM2 (Phosphoglycerat-Mutase 2, Muskel)
261670
DiMauro et al. (1981 b) Edwards et al. (1989) Castella-Escola et al. (1990) Tsujino et al. (1993b)
Lactat-Dehydrogenase-AMangel
AR
11p15.4
LDHA (Laktat-Dehydrogenase A)
150000
Kanno et al. (1980) Scrable et al. (1990)
Enolase-Mangel
AD
17pterp12
ENO3 (muskelspezifische Enolase 3β)
131370
Comi et al. (2001)
A) Glykogenosen
B) Glykolytischer Abbau
6
758
Kapitel 33
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
Tabelle 33.1 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
C) Krankheiten des Lipidmetabolismus
33
Carnitin-PalmitoyltransferaseMangel
AR
1p32
CPT2 (Carnitin-PalmitoylTransferase 2)
255110 600650
DiMauro u. Melis-DiMauro (1973) Finocchiaro et al. (1991) Taroni et al. (1993) Gerella et al. (1994)
Primärer systemischer Carnitinmangel (CDSP)
AR
5q31
SLC22A5 (Solute carrier family 22, member 5)
212140 603377
Nezu et al. (1999)
Carnitin/Acylcarnitin-Translokase-Mangel
AR
3p21-31
SCL25A20 (Solute carrier family 25, member A20)
212138
Huizing et al. (1997) Ogawa et al. (2000)
Multipler Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD); Glutarazidurie, Typ IIA (GAIIA)
AR
15q23q25
ETFA (Elektron-Transfer-Flavoprotein, α-Polypeptid)
231680 608052
Indo et al. (1991) Freneaux et al. (1992)
GAIIB
AR
19q13.3q13.4
ETFB (Elektron-Transfer-Flavoprotein, β-Polypeptid)
130410 231680
Colombo et al. (1994)
GAIIC, allelisch zum Riboflavin-responsiven multiplen AcylCoA-Dehydrogenasemangel
AR
4q32q35
ETFDH (Elektron-Transfer-Flavoprotein-Dehydrogenase)
231680 231675
Beard et al. (1993)
Acyl(sehr langkettig)-CoA-Dehydrogenasemangel
AR
17p13
ACADVL (Acyl-Coenzym-A-Dehydrogenase, sehr langkettig)
609575
Aoyama et al. (1993, 1995) Strauss et al. (1995) Mathur et al. (1999)
Triglyzeridspeicherkrankheit mit gestörter Oxidation langkettiger Fettsäuren (ChanarinDorfman-Syndrom)
AR
3p25.3p24.3
ABHD5 (CGI-58) (α/β-HydrolaseDomäne 5)
604780
Lefevre et al. (2001)
Neutralfettspeicherkrankheit mit Myopathie ohne Ichthyose
AR
11p15.5
PNPLA2 (adipöse Triglyzeridlipase = Desnutrin)
610717
Fischer et al. (2007)
Riboflavin-responsiver multipler Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel, allelisch zu GAIIC-Lipidspeicherkrankheit
AR
(s. o.)
ETFDH (Elektron-Transfer-Flavoprotein-Dehydrogenase)
231675
Olsen et al. (2007)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 81–83. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
β-Partikeln des normalen Glykogens ähneln. Bei der Lafora-Krankheit sind die Polyglukosankörper im Muskel wie in den zentralen Neuronen membranbegrenzt, d. h., sie liegen innerhalb von Lysosomen und bestehen dann fast ausschließlich aus der filamentösen Komponente (Sequesterspeicherung). Bei den anderen Polyglukosankörperkrankheiten ist auch eine granuläre Komponente nachweisbar,
die zumeist membranbegrenzt ist und offensichtlich in den Lysosomen, nicht aber frei im Sarkoplasma liegt. Homogene, unterschiedlich osmiophile und parakristalline Ablagerungen kommen nur bei der besonders schwer ausgeprägten kongenitalen Form, nicht aber bei den weniger stark ausgeprägten juvenilen und adulten Formen der Polyglukosankörperkrankheit vor [84].
759
Kohlenhydratstoffwechselstörungen Tabelle 33.2 Glykogenosen: Klinische Symptome Typ
Enzymdefekt
Bezeichnungen
Symptome vonseiten der Skelettmuskulatur
Befall anderer Gewebe
I
Glukose-6-Phosphatase
von Gierke-Krankheit
–
Leber, Niere
II
Saure Maltase (saure D-1,4-Glukosidase)
Pompe-Krankheit
a) Schwere Form; generalisiert; ähnlich der infantilen spinalen Muskelatrophie b) Milde Form: ähnelt der Gliedergürteldystrophie
Herz, Nervensystem, Niere, Leukozyten
III
Amylo-1,6-Glukosidase („debranching enzyme“)
Grenzdextrinose; Forbes-Krankheit; Cori-Krankheit
Infantile Hypotonie; geringe Schwäche
Hepatische Hypoglykämie, Ketose, Leukozyten
IV
Amylo-1,4-1,6-Trans-Glukosidose („branching enzyme“, D-1,4- Glukan-6-Glykosyltransferase)
Amylopektinose; Anderson-Krankheit; Polyglukosankörperkrankheit
In der Regel keine Muskelsymptome; bei wenigen Schwäche oder Schwund; bei Neugeborenen letal
Hepatosplenomegalie, Leberzirrhose
V
Muskelphosphorylase
McArdle-Krankheit
Belastungsintoleranz, Muskelkrämpfe, Ermüdbarkeit, Myoglobinurie
–
VI
Leberphosphorylase
Hers-Krankheit
–
–
VII
Phosphofruktokinase
Tarui-Krankheit
Belastungsintoleranz, Muskelkrämpfe, Ermüdbarkeit, Myoglobulinurie
Erythrozyten
(VIII) IXd
Phosphorylase-b-Kinase
Belastungsintoleranz, Myalgien, Muskelkrämpfe, Schwäche
Leber, Herz
Phosphoglyceratkinase
Sehr variabel
Alle Gewebe und Zellen
Phosphoglyceratmutase
Belastungsintoleranz, Myalgien, Muskelkrämpfe, Myoglobinurie
–
Laktatdehydrogenase
Muskelkrämpfe und Myoglobinurie nach schwerer Belastung
Haut, Uterus
Differentialdiagnose. Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind ähnliche Polyglukosankörper bei der Myoklonuskörperepilepsie (Lafora), die auf Mutationen in anderen Genen zurückzuführen ist, nämlich EPM2A und NHLRC1 [41, 92, 104]. Außerdem kommen Polyglukosankörper, wie bereits erwähnt, als offenbar normales Alterungsphänomen in subpialen oder perivaskulären Astrozytenfortsätzen des Gehirns und Rückenmarks vor (Literatur s. [14]).
schnitten) nachweisen. Klinisch ist die Myopathie gekennzeichnet durch Belastungsschwäche, vorzeitige Ermüdung, elektromyographisch stumme, schmerzhafte Muskelkrämpfe, Myalgien, erhöhte Ruhewerte der CK und episodische Myoglobinurie. Als Ursache sind mehr als 67 verschiedene Mutationen im PYGM-Gen (s. Tabelle 33.1) bekannt [107].
Typ VII (Phosphofruktokinasemangel, Tarui) Typ V (McArdle-Krankheit) Der Muskelphosphorylasemangel ist eine der häufigsten Formen einer metabolischen Myopathie. Der Mangel an Myophosphorylase (D-1,4-Glucan-OrthophosphatGlycosyltransferase) lässt sich sowohl biochemisch als auch enzymhistochemisch (in unfixierten Kryostat-
Dieser Typ lässt sich ebenfalls sowohl biochemisch als auch enzymhistochemisch (an unfixierten Kryostatschnitten) nachweisen. Klinisch gehören belastungsabhängige, durch den Ischämietest auslösbare Schmerzen, evtl. Myoglobinurie und elektromyographisch stumme Kontrakturen zum Krankheitsbild. Beide Glykogenspeicherkrankheiten (VI und VII) sind histopathologisch vor
760
Kapitel 33
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
a
b
c
d
33
Abb. 33.1 a Amylo-1,6-Glukosidasemangel (Forbes-Krankheit; Glykogenose vom Typ III). Musculus vastus lateralis eines 21-jährigen Mannes. Subsarkolemmal und intermyofibrillär massenhaft Glykogen, das nach der PAS-Reaktion im Semidünnschnitt intensiv rot gefärbt und nicht von einer Membran begrenzt ist (Vergr. 270:1). b Gleicher Fall wie in a. Das subsarkolemmal und intermyofibrillär gespeicherte Glykogen ist ganz überwiegend diffus und frei, nicht vakuolär gebunden abgelagert (Vergr. 6700:1). c Lipidspeichermyopathie. Skelettmuskulatur eines 74-jährigen Mannes, der 15 Tage nach der Biopsie an einer Aspirationspneumonie verstorben ist. Viele Fasern weisen reichliche, manche Fasern exzessive Mengen an
allem durch subsarkolemmale, Letztere auch durch interund intramyofibrilläre Glykogenablagerungen gekennzeichnet.
Typ VIII–XIV Die Bezifferung dieser Glykogenosen ist uneinheitlich (s. OMIM). Sie sind histopathologisch, soweit untersucht, durch nur geringe Glykogenablagerungen im Skelettmuskel gekennzeichnet. Beim Typ IX sind außerdem mitochondriale Anomalien aufgefallen [98], beim Typ X tubuläre Aggregate [59].
Neutralfett auf. Die Neutralfetttropfen sind im Durchmesser bis zu 4 μm groß. Zwischen diesen Fasern liegt ein leerer Sarkolemmschlauch (Stern). Ausgeprägte Kaliberdifferenzen (Vergr. 480:1). d Elektronenmikroskopische Aufnahme, gleicher Fall wie in c. Nekrotische Muskelfaser unten rechts mit subsarkolemmal angehäuften Lipofuszinkörpern und einzelnen großen Vakuolen, die durch Extraktion der Neutralfette während der Präparation entstanden sind. Die Faser oben links enthält ebenfalls abnorm zahlreiche extrahierte, elektronenoptisch leere, nicht von einer Membran begrenzte „Lipidtropfen“ (Vergr. 8800:1)
Danon-Krankheit Diese vakuoläre erbliche Myopathie mit Herzmuskelbeteiligung und mentaler Retardierung, auch als Glykogenose ohne Saure-Maltase-Mangel (Glykogenose Typ IIb) oder Danon-Krankheit bezeichnet, ist auf einen primären Defekt des Lysosomen-assoziierten Membranproteins 2 (LAMP-2) zurückzuführen [82] (vgl. Tabelle 31.2, Pos. 5.10, S. 726). Ophthalmologische Symptome und Katarakte kommen ebenfalls vor. Wegen des X-chromosomaldominanten Erbgangs sind männliche Patienten stärker betroffen als weibliche. Die Kardiomyopathie ist häufig Todesursache.
Mitochondriale Myopathien
Morphologie. Immunhistochemisch lässt sich eine fehlende [115] oder auch nur verminderte, aber normal lokalisierte Expression von LAMP-2 nachweisen, was dann durch einen LAMP-2-Immunoblot zu bestätigen ist [23]. Viele Muskelfasern enthalten Vakuolen. Elektronenmikroskopisch sind in den Vakuolen spärlich Glykogengranula, aber reichlich amorphe osmiophile Substanzen und membranöse Körper nachweisbar. Die Vakuolen sind durch eine partielle Auskleidung mit einer Basallamina, durch Saure-Phosphatase-Aktivität und kleinere exozytotische Vesikel gekennzeichnet, ähnlich wie die Vakuolen bei der ebenfalls X-chromosomal, aber rezessiv erblichen allelischen Kalimo-Krankheit. Vermehrte Fetttropfen und einzelne Mitochondrien mit parakristalinen Einschlüssen kommen ebenfalls vor [115].
761
se oder des NADH-Dehydrogenase-CoQ-Zytochrom-bKomplexes.
Unter den „mitochondrialen Erkrankungen“ werden heute nur die Syndrome zusammengefasst, die mit einer Störung der oxidativen Phosphorylierung (OXPHOS) verbunden sind [126]. Sie werden nach klinischen oder genetischen Gesichtpunkten klassifiziert, wobei Korrelationen zwischen Klinik und Genetik besonders dadurch erschwert werden, dass gleiche genetische Störungen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern verbunden sein und umgekehrt gleiche klinische Krankheitsbilder auf unterschiedlichen Mutationen beruhen können. Zusätzlich wird die Diagnostik und Klassifikation dadurch kompliziert, dass die einzelnen Krankheitsbilder unterschiedlich früh und stark ausgebildet sein können, weil die Zahl mutierter Mitochondrien schon in der Eizelle unterschiedlich hoch und die Verteilung in den verschiedenen Zellen und Organen ungleichmäßíg sein kann (Heteroplasmie).
Molekularbiologische Grundlagen. Die Mitochondrien gelten als die „Kraftwerke“ der Zelle, da in ihnen über den Zitratzyklus, die Fettsäureoxidation und die oxidative Phosphorylierung (OXPHOS) ATP, der „Kraftstoff “ der Zelle, bereitgestellt wird. Eine fehlerhafte oxidative Phosphorylierung führt zu mitochondrialen Erkrankungen entweder aufgrund einer allgemeinen Funktionsstörung der sog. Atmungskette, die eine heteromultimere Struktur in der inneren Membran der Mitochondrien darstellt, oder durch einzelne oder multiple Defekte in den fünf Komplexen der Atmungskette. Die Atmungskette ist eine einzigartige Struktur, da sie durch zwei verschiedene genetische Systeme gebildet wird: das nukleäre und das mitochondriale Genom (nDNA bzw. mtDNA); denn die Mitochondrien haben ihr eigenes Genom, das ungefähr 1% der gesamten zellulären DNA ausmacht. Sie enthalten jeweils 2–10 Kopien eines kleinen doppelsträngigen zirkulären DNA-Moleküls mit 16.569 Basenpaaren (bp; Abb. 33.2), das nahezu ausschließlich maternal, also nicht nach den Mendelschen Gesetzen, vererbt wird (Literatur s. [26, 27, 30, 94, 126]. Nur ein Bruchteil der mtDNA kann vom Spermienhals in die mütterliche Eizelle gelangen und somit paternal vererbt werden [102]. Die humane mitochondriale DNA ist, wie bereits erwähnt, komplett sequenziert; sie enthält 37 Gene und kodiert 2 ribosomale RNAs (rRNA), 22 Transfer-RNAs (tRNA) und nur 13 Proteine als Komponenten der mitochondrialen Atmungskette und des oxidativen Phosphorylierungssystems: 7 Untereinheiten im Komplex I (NADH-Dehydrogenase); 1 Untereinheit im Cytochrom b (Komplex III); Untereinheit 1, 2, 3 der Cytochrom-c-Oxidase (COX; Komplex IV), und Untereinheit 6 und 8 der ATP-Synthetase (Abb. 33.2). Dabei dienen Koenzym Q und Cytochrom c als ElektronenShuttle zwischen den Komplexen. Der ganz überwiegende Teil der ca. 1500 mitochondrialen Proteine, die für Struktur und Funktion der Mitochondrien notwendig sind, werden nukleär (nDNA) kodiert, also nach Mendelschen Gesetzen vererbt, und über einen komplexen Mechanismus in die Mitochondrien importiert. Während inzwischen Hunderte von Mutationen in den Genen der mtDNA bekannt sind, befindet sich die Aufklärung der Mutationen nukleär kodierter mitochondrialer Proteine erst in den Anfängen. Diese sind essentiell für die Transkription, Translation und Replikation der mtDNA.
Häufigkeit, Verlauf, Prognose. Bei Erwachsenen im arbeitsfähigen Alter kommen Krankheiten aufgrund mutmaßlicher mtDNA-Mutationen mit einer Häufigkeit von 6,57/100.000 vor [17]. Die meisten mitochondrialen Myopathien sind nicht oder nur wenig progressiv, doch gibt es auch tödlich verlaufende infantile mitochondriale Myopathien mit einem Mangel an Cytochrom-c-Oxida-
Pathogenese. Gewebe mit hoher Stoffwechselaktivität wie das visuelle und auditorische System, ZNS und PNS, Herz, Skelettmuskel, endokrines Pankreas, Niere und Leber sind in dieser Reihenfolge gegenüber OXPHOS-Störungen besonders empfindlich. Dabei sind postmitotische Zellen wie die Skelettmuskelfasern und Nervenzellen bevorzugt betroffen, da sich Mutationen der mtDNA
Störungen der Glykolyse Ein Laktat-Dehydrogenase-A-Mangel ist auf Mutationen im LDHA-Gen zurückzuführen, ein Enolase-Mangel auf Mutationen im ENO3-Gen (s. Tabelle 33.1). Klinisch dominieren belastungsabhängige Myalgien ohne Laktatanstieg im Serum [19].
Mitochondriale Myopathien
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Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
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Abb. 33.2 Zuordnung mitochondrialer Krankheiten zu Mutationen an verschiedenen Stellen des mitochondrialen Genoms. Die 16.569 Basenpaare umfassende mtDNA ist unterschiedlich gemustert entsprechend den proteinkodierenden Abschnitten für die 7 Untereinheiten von Komplex I (ND1-6), die 3 Untereinheiten der CytochromOxidase (CO1-3), Cytochrom b (Cyt b) und die beiden Untereinheiten der ATP-Synthetase (A 6 und 8), die 12S und 16S ribosomalen rRNAs und die 22 Transfer-RNAs (tRNA), die jeweils durch den Ein-Buchstaben-Kode für die korrespondierende Aminosäure gekennzeichnet sind. Abkürzungen: CM kongenitale Myopathie, ECM
Enzephalomyopathie, FBSN familäre bilaterale Striatumnekrose, KSS Kearns-Sayre-Syndrom, LHON Lebers hereditäre Optikusneuropathie, LS Leigh-Syndrom, M Myopathie, MELAS mitochondriale Enzephalomyopathie mit Laktatazidose und schlaganfallähnlichen Episoden, MERRF Myoklonusepilepsie mit Ragged-red-Fasern, MILS „maternal“ („inherited“) vererbtes Leigh-Syndrom, NARP Neuropathie, Ataxie, Retinitis pigmentosa, PEO progressive externe Ophthalmoplegie, PPK Pearson-Pankreas-Knochenmark-Syndrom, SIDS „sudden infant death syndrome“; sp sporadisch. (Mod. nach DiMauro u. Andreu 2000)
im Laufe des Lebens stärker anhäufen als in mitotisch aktiven Zellen, zumal Mutationen der mtDNA häufiger stattfinden als Mutationen der nDNA und auch die Reparaturmechanismen der mtDNA [95] weniger wirksam sind als die der nDNA. Während normalerweise nur eine einzige mtDNA-Spezies in den Zellen vorkommt (Homoplasmie), kann neben normaler mtDNA auch mutierte mtDNA vorkommen (Heteroplasmie), die während einer Mitose nach stochastischen Regeln auf die Tochterzellen vererbt werden, aber so zu ganz unterschiedlichen Ausprägungsformen einer Krankheit in den Organen, aber auch in aufeinander folgenden Generationen einer Familie führen kann. Allerdings manifestiert sich eine heteroplasmische Mutation erst, wenn ein bestimmter Schwellenwert (ca. 60%) überschritten wird, d. h. wenn die Zahl
der mtWild-Typ-DNA nicht mehr die Funktionsstörung durch die mutierte mtDNA kompensieren kann. Genetik. Ein weitgehendes Verständnis der extrem heterogenen mitochondrialen Krankheitsbilder ist erst seit der Entdeckung von mitochondrialen DNA (mtDNA)Deletionen bei Patienten mit mitochondrialer Myopathie [53] und von Punktmutationen der mtDNA als Ursache der LHON [120] ermöglicht worden. Seither sind mehr als 150 pathogene Punktmutationen und eine große Zahl an Translokationen (Rearrangements), partiellen und kompletten Deletionen und Duplikationen der mtDNA sowie Mutationen der nDNA beschrieben worden (Literatur s. [30]). Eine umfangreiche Liste von Erkrankungen, bei denen Mutationen im mitochondrialen Genom nach-
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Mitochondriale Myopathien
gewiesen worden sind, ist unter http://www.mitomap.org verfügbar (vgl. Abb. 33.2). Allerdings sind die molekularen und zellulären Mechanismen, wie eine bestimmte mtDNA zu einem spezifischen klinischen Bild führt, noch weitgehend ungeklärt [125]. Die Mitochondriopathien lassen sich folgendermaßen klassifizieren:
Umfangreiche Umstellungen (Translokationen), partielle Deletionen oder Duplikationen der mtDNA Diese führen zu folgenden Erkrankungen: 1. einer selektiven mitochondrialen Myopathie [53], 2. einer sporadischen chronisch-progressiven externen Ophthalmoplegie (CPEO), die mit einer proximalen Myopathie und Belastungsintoleranz verbunden sein kann; 3. Multisystemerkrankungen wie dem Kearns-SayreSyndrom (KSS) mit folgenden Symptomen: chronischprogrediente externe Ophthalmoplegie mit Beginn vor dem 20. Lebensjahr und Pigmentatrophie der Retina; hinzu kommen möglicherweise ein zerebelläres Syndrom, Herzblock, erhöhter Proteingehalt des Liquor cerebrospinalis, Diabetes mellitus und Kleinwuchs. Patienten mit dieser Krankheit weisen stets auch „ragged red fibers“ (RRFs = „zerrissen-rote Fasern“) in der Muskelbiopsie auf; 4. dem seltenen Pearson-Syndrom (sideroblastische Anämie mit exokriner Pankreasinsuffienz; Tod in der Regel vor dem 3. Lebensjahr) [22]. Schon Neugeborene können klinische Zeichen eines KSS entwickeln, aber auch das Jugend- oder Erwachsenenalter erreichen. Die Mehrzahl der einzelnen großen Translokationen der mtDNA tritt sporadisch auf; das Erblichkeitsrisiko beträgt nur etwa 5% [17]. Je stärker die mtDNA-Veränderungen ausgeprägt sind, desto schwerer ist das klinische Bild: beginnend bei der PEO über das KSS bis zum Pearson-Syndrom. Das ist wichtig für die Diagnose: Während Deletionen bei der PEO auf den Muskel begrenzt sind, finden sie sich beim KSS und beim Pearson-Syndrom sowohl im Blut als auch im Muskel. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass sog. transmitochondriale Cybride („cybrids“), die man durch Injektion deletierter mtDNA in mtDNA-defiziente Rho0Zellen erhält, eine gestörte Zellatmung aufweisen [50].
Mutationen der tRNA-Gene Diese sind in der Regel mit Multisystemkrankheiten verbunden, selten aber auch einmal mit dem Befall nur einer
Gewebsart, meistens der Muskulatur, vor allem der Atemmuskulatur, entweder sporadisch [123, 124] oder maternal vererbt [73], zufällig auch einmal kombiniert mit einer fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie [36]. Letzteres ist ein Musterbeispiel für das, was im Englischen trefflich als „Double trouble“ bezeichnet wird.
Punktmutationen Punktmutationen sind vor allem bei den folgenden 6 Syndromen festgestellt worden (s. Abb. 33.2), die sich allerdings untereinander und mit weiteren Syndromen überlappen können: 1. der mitochondrialen Enzephalomyopathie mit Laktazidose und schlaganfallähnlichen Episoden (MELAS), die überwiegend, aber keineswegs ausschließlich auf einer heteroplasmischen Mutation in der tRNALeu(URR) beruht, einer A→G-Transition an Position 3243, die allerdings nicht ausschließlich zu einem MELAS-Syndrom führt, sondern auch andere klinische Bilder verursachen kann, z. B. eine CPEO oder einen sensorineuralen Hörverlust [4]; 2. der Myoklonusepilepsie mit „Ragged-red“-Fasern (MERRF), die meistens auf eine A→G-Transition im tRNALys-Gen an Position 8344 zurückzuführen ist [120], die aber auch mit einem Leigh-Syndrom, isoliertem Myoklonus, familiärer Lipomatose, isolierter Myopathie und einem Syndrom mit Ataxie, Myopathie, Hörverlust und Neuropathie verbunden sein kann; 3. einer maternal vererbten („inherited“) Myopathie und Kardiomyopathie (MIMyCa); 4. der Leberschen hereditären Optikusneuroretinopathie (LHON) [53]; 5. der Neuropathie mit Ataxie und Retinitis pigmentosa (NARP) (s. dort); und 6. der nekrotisierenden Enzephalopathie vom Typ Leigh (s. dort). Dabei verursachen Punktmutationen der mtDNA-RNAGene eine mitochondriale Enzephalomyopathie mit „Ragged-red“-Fasern im Skelettmuskel wie bei MELAS, MERRF, KSS, CPEO und MIMyCa, während Punktmutationen der proteinkodierenden mtDNA-Gene überwiegend zu Enzephalopathien führen wie beim maternal vererbten Leigh-Syndrom (MILS), bei LHON und NARP (s. Abb. 33.2). Punktmutationen werden in der Regel maternal vererbt, während umfangreiche und multiple Deletionen mit Umstellungen der mtDNA entweder sporadisch auftreten oder nach den Mendelschen Gesetzen, also nukleär vererbt werden (autosomal-dominant oder autosomal-rezessiv). Etwa 20% der Erwachsenen mit einer mitochondrialen Myopathie haben ähnlich betroffene
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Verwandte, wobei das Verhältnis von maternaler (mitochondrialer) zu paternaler (nukleärer) Vererbung 9:1 beträgt [45].
Homoplasmische mtDNA-Mutationen
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Diese sind überwiegend auf eine bestimmte Gewebeart begrenzt. Sie reichen nicht aus, um eine Krankheit zu induzieren, und müssen deshalb mit weiteren pathogenen mtDNAMutationen verbunden sein. Dazu gehören die LHON, der nichtsyndromale und Aminoglykosid-induzierte sensorineurale Hörverlust (SNHL) und andere Syndrome. Da diese nicht mit charakteristischen Muskelveränderungen verbunden sind, werden sie hier nicht näher dargestellt.
Mutationen nukleärer Gene Sie werden nach klinisch-genetischen Gesichtspunkten klassifiziert in Erkrankungen aufgrund von Gendefekten, die 1. die Stabilität der mtDNA verändern; 2. strukturelle Komponenten oder Assemblierungsfaktoren der OXPHOS-Komplexe betreffen; 3. Nicht-Protein-Komponenten der Atmungskette wie CoQ und Cardiolipin beeinflussen; oder 4. Proteine betreffen, die indirekt mit der OXPHOS in Zusammenhang stehen. Ad 1. Zu den nukleären Genen dieser Gruppe gehören • ANT1, das einen herzmuskelspezifischen mitochondrialen Translokator kodiert; • Twinkle, das eine mtDNA-Helikase kodiert und deren Defekte zu einer chronischen PEO mit oder ohne Multisystembefall mit COX-negativen Fasern in der Muskelbiopsie führen können [56]; und • POLG1, das eine katalytische Untereinheit der mtDNA-spezifischen Polymerase Gamma (DNA-Polymerase γ1) kodiert. Mutationen dieser Gene führen zu intergenomischen Signalstörungen, die die Zahl und Erhaltung der mtDNA direkt oder indirekt beeinflussen: POLG1-Defekte: Diese äußern sich äußerst heterogen als • dominant erbliche progressive externe Ophthalmoplegie (adPEO) mit multiplen mtDNA-Deletionen [127], • autosomal-rezessive PEO mit Multisystemerkrankung [13], • Alpers-Huttenlocher-Syndrom [93], • juveniles mitochondriales rezessives Ataxie-Syndrom ohne Ophthalmoplegie (MIRAS) mit oder ohne Epilepsie,
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
• PEO mit spät auftretendem pseudoorthostatischen Tremor und Parkinsonismus, wobei Ragged-redFasern und einige Fasern ohne COX-Aktivität auffallen [54], • prämature Ovarialinsuffizienz, Hypogonadismus und männliche Infertilität, • sensorische ataktische Neuropathie mit Dysarthrie und Ophthalmoparese (SANDO), wobei subsarkolemmale Anhäufungen von nur leicht veränderten Mitochondrien auffallen [77], oder als • MNGIE-ähnliches Krankheitsbild (s. unten). Sogar über eine Kombination von POLG1 und ANT1Mutationen ist berichtet worden, wobei anfangs nur eine PEO auftrat, später gefolgt von einer sensorischen und zerebellären Ataxie, peripherer Neuropathie, Parkinsonismus und Depression [38]. MNGIE: Hierbei handelt es sich um eine autosomalrezessive Multisystemkrankheit, die sowohl mit einer Depletion als auch mit multiplen Deletionen der mtDNA einhergehen kann. Namensgebend ist die mitochondriale neurogastrointestinale Enzephalopathie (MNGIE), bei der die PEO von ausgeprägten gastrointestinalen Symptomen mit Kachexie begleitet wird [7, 52]. Eine periphere Neuropathie gehört ebenfalls zum Krankheitsbild. Als Ursache der MNGIE sind Mutationen im nukleären Thymidin-Phosphorylase-(TYMP-)Gen identifiziert worden [83]. Durch eine Immunoblot-Analyse lässt sich ein Fehlen des TYMP-Proteins nachweisen [109]. MtDNA-Depletionssyndrom (MDS): Dieses umfasst eine heterogene Gruppe von Krankheiten, die durch eine Reduktion der Anzahl an mtDNA-Kopien ohne weitere Mutationen oder Umstellungen der mtDNA charakterisiert sind [80]. Das MDS ist mit Mutationen in mindestens 7 verschiedenen Genen in Verbindung gebracht worden, der • Thymidin-Kinase 2 (TK2) [69], • Deoxyguanosin-Kinase (DGUOK) [71], • POLG (s. oben), • Alpha- und Beta-Untereinheiten der mitochondrialen Succinatligase (SUCLA1 und SUCLA2), • p53-kontrollierte Ribonucleotid-Reductase (RRM2B) und MPV17 (MPV17), ein Protein mit unbekannter Funktion in der inneren Mitochondrienmembran [108]. Mutationen in TK2 und RR verursachen eine früh auftretende Myopathie mit oder ohne proximaler renaler Tubulopathie (DeToni-Fanconi-Syndrom) oder eine spinale Muskelatrophie. Mutationen in SUCLA1 und 2 führen zu einer enzephalomyopathischen Form des MDS; und Mutationen in POLG, DGUOK und MPV17 sind verantwortlich für die Kombination einer Enzephalopathie mit einem Leberversagen. Ad 2. Komplex I der Atmungskette umfasst 7 mtDNAkodierte und mindestens 39 kernkodierte Untereinheiten.
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Mitochondriale Myopathien
Einige dieser 46 Gene sind identifiziert (NDUF1–4, 7, 8 u. a.). Mutationen führen in der Regel zu neurologischen Krankheiten mit Laktatazidose, zumeist einem Leigh-Syndrom, gelegentlich kompliziert durch eine Kardiomyopathie und Multisystemerkrankung. Allerdings sind noch Assemblierungsfaktoren und andere Genprodukte an der Bildung und Funktion von Komplex I beteiligt [106]. Komplex II umfasst 4 Proteinuntereinheiten, die alle nukleär kodiert sind (SDH-A, -B, -C, -D). Mutationen in SDHA verursachen auch ein Leigh-Syndrom oder spät einsetzende neurodegenerative Krankheiten. Besonders bemerkenswert ist die Assoziation von Defekten im Komplex II mit familiären Paragangliomen und nichtfamilären Tumoren wie dem Phäochromozytom [8]. Komplex-III-Defekte in der Untereinheit 7 konnten auf Mutationen im Gen für die Ubiquinol-Cytochrom-cReduktase (UQCRB) zurückgeführt werden. Zu den Genen, die Assemblierungsfaktoren der Atmungskette betreffen, gehören solche von Komplex IV (COX) und Komplex V (ATP-Synthetase). Klinisch manifestieren sich Defekte solcher Gene (z. B. SURF1, COX10, SCO1 und SCO2, wobei Letztere für den CuEinbau in das COX-Holoenzym zuständig sind) zumeist als Leigh-Syndrom, Kardiomyopathien oder komplexe Enzephalokardiomyopathien, wobei die extrafusalen Muskelfasern um Unterschied zu den weniger betroffenen inrafusalen großenteils atrophisch sind und COX-negativ reagieren [78]. Doch sind oft nur einzelne Fälle identifiziert und Muskelbiopsien nicht immer verfügbar. Ad 3. Coenzym Q10 (CoQ10) ist eine lipophile Komponente der Elektronentransportkette. Ein CoQ10-Mangel führt zu abnormer Ermüdbarkeit, langsam progressiver Muskelschwäche, Krampfanfällen und Myoglobinurie. RRFs kommen vor und sind durch eine starke Lipidvermehrung gekennzeichnet [85]. Ein Leigh-Syndrom im Erwachsenenalter ist ebenfalls mit einem CoQ10-Mangel in Verbindung gebracht worden.
Diese Fälle lassen sich durch CoQ10-Gabe bessern und müssen deshalb so früh wie möglich diagnostiziert werden.
Eine Anomalie des Cardiolipin-Metabolismus ist beim Barth-Syndrom festgestellt worden (X-chromosomal erbliche mitochondriale Myopathie, Kardiopathie, Neutropenie, Kleinwuchs und 3-Methylglutagon-Azidurie). Das Produkt des mutierten Gens heißt Taffazin und ist homolog zu Phospholipidtransferasen [10]. Cardiolipin ist eine wesentliche Komponente des Phospholipidmilieus der inneren Mitochondrienmembran, wo es die Aktivität mehrerer Komplexe der Atmungskette moduliert, einschließlich der Komplexe I und IV [116].
Ad 4. Andere neurodegenerative Erkrankungen sind auf Mutationen in mitochondrialen Proteinen zurückzuführen, die nicht direkt mit OXPHOS-Defekten in Verbindung stehen, sondern indirekt die Atmung und Energieproduktion beeinflussen. Zu dieser Gruppe gehört • Paraplegin, eine mitochondriale Metalloproteinase, deren Defekte zur autosomal-rezessiven spastischen Paraplegie führen; • ABC7, ein mitochondrialer Eisenexporter, der für eine X-chromosomale sideroblastische Anämie mit Ataxie verantwortlich ist; • Frataxin, ein mitochodriales Protein, das vermutlich dem Eisenmetabolismus und dem Eisen-SchwefelProtein-Gleichgewicht dient und dessen Genmutationen die Friedreich-Ataxie verursacht; und • DDP1 („deafness-dystonia peptide 1“), das Gen TIMM8a kodiert, eine Komponente des mitochondrialen Protein-Translokase-Komplexes, und das für das Xchromosomale Taubheits-Dystonie-Syndrom (MohrTranebjaerg-Syndrom) zuständig ist [2]. Mutationen in OPA1, einem Gen, das ein Dynamin-ähnliches Protein in der inneren Mitochondrienmembran kodiert, sind bei der autosomal-dominanten Optikusneuropathie vom Kjehr-Typ nachgewiesen worden. Missense-Mutationen in MFN2, einem Gen, das Mitofusin 2 kodiert, führen zur häufigen, dominant erblichen Neuropathie vom Typ CMT2A [130] (s. Kap. 23). Mitofusine sind GTPase-Proteine, die die Fissions-FusionsDynamik des mitochondrialen Netzwerkes regulieren und somit eine fundamentale Rolle in der Biogenese der Mitochondrien spielen [15, 42]. Sie gewährleisten ein einheitliches Membranpotential der Organellen und sorgen so für eine gleichmäßige Energieverteilung über die gesamte Zelle [126]. Auch das Gangliosid-assoziierte Protein A1 ist in den Mitochondrien lokalisiert. Mutationen dieses Gens (GDAP1) führen zu einer intermediären, teils axonalen, teils demyelinisierenden Neuropathie [89] (s. Kap. 23). Zahlreiche Befunde weisen darauf hin, dass der Muskelschwund (Sarkopenie) im Alter und bei neurodegenerative Krankheiten wie M. Alzheimer und Parkinson (s. Abb. 33.2) mit einer Wechselwirkung im Sinne eines Teufelskreises zwischen oxidativem Stress und Schäden an mitochondrialen Proteinen und der mtDNA in Zusammenhang stehen [51, 62].
Klinische Aspekte der mitochondrialen Myopathien Entsprechend der Komplexität der mitochondrialen Genetik und Biochemie sind die klinischen Manifestationen extrem heterogen. Unter der Bezeichnung „okulokraniosomatische neuromuskuläre Krankheit“ hatten
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Olson et al. [35] eine progressive Ophthalmoplegia externa beschrieben, die auch mit anderen Symptomen verbunden sein konnte (deshalb als „Ophthalmoplegia plus“ [31] oder Kearns-Sayre-Syndrom [61] bezeichnet). Insbesondere gehören dazu: bestimmte neurodegenerativen Veränderungen wie Kleinhirnataxie, Pigmentdegeneration der Retina („Retinitis pigmentosa“), Optikusatrophie, Herzüberleitungsstörungen, Funktionsstörungen vonseiten des VIII. Hirnnerven (Hypakusis), vestibuläre Anomalien, Dysphagien, Dysphonien, Heiserkeit, Fazialisschwäche, Mikroglossie, abnormes EEG, Spastizität, proximale Gliedergürtelschwäche, distale Schwäche, Sensibilitätsstörungen (Polyneuropathie) u. a. Die Laktat- und Pyruvatwerte im Serum sind aufgrund der insuffizienten Mitochondrienfunktion schon in Ruhe erhöht; insbesondere der Laktatwert steigt z. B. beim Ischämietest unter Fahrradergometerbelastung abnorm an (detaillierte Werte s. [58]). Dabei ist ein fehlender Laktat- oder Pyruvatanstieg kein sicheres Ausschlusskriterium für eine mitochondriale Myopathie, weil die Mitochondrien u. U. nur in einzelnen Segmenten der Muskelfasern betroffen sind (Heteroplasmie) und die Funktionsstörung unterschwellig bleibt. Diagnostik. Die mitochondrialen Zytopathien sind, wie bereits betont, eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die vielfach durch strukturell, numerisch oder funktionell abnorme Mitochondrien speziell in den Skelettmuskelfasern gekennzeichnet sind. Sie sind gentechnisch bzw. molekularbiologisch durch den Nachweis mitochondrialer oder nukleärer DNA-Mutationen und licht- oder elektronenmikroskopisch durch abnorm strukturierte, vergrößerte, vermehrte und irregulär angeordnete Mitochondrien manchmal nur fokal in einzelnen Typ-1-Muskelfasern zu diagnostizieren (Abb. 33.3). Die meisten sind mit einer Mitochondrienvermehrung und Lipidspeicherung in den Muskelfasern („Ragged-red“-Fasern; s. unten), viele mit einer Ophthalmoplegia externa und einige mit zerebralen Symptomen im Sinne einer Enzephalomyopathie mit oder ohne gastrointestinale u. a. Störungen verbunden. Allerdings sind keineswegs alle Mutationen der mtDNA pathogen. So gibt es inzwischen eine lange Liste mit Unregelmäßigkeiten der mtDNA, d. h. Polymorphismen, die nicht zur Erkrankung führen und deshalb bei der mtDNA-Diagnostik berücksichtigt werden müssen (vgl. www.mitomap.org). Die Zahl der bekannten pathogenen Mutationen und der klinischen Bilder ist inzwischen so groß (vgl. Abb. 33.2), dass es sich wegen des manchmal nicht endenden molekulargenetischen Aufwands empfiehlt, bei entsprechender klinischer Symptomatik (s. oben) zuerst eine Muskelbiopsie durchzuführen und erst auf deren Basis eine Suche nach einer Mutation zu beginnen, zumal der Gendefekt bei ca. 50% der biochemisch und morphologisch eindeutig nachgewiesenen mitochondrialen Krankheiten Erwachsener ungeklärt bleibt [126]. Die Zahl der genetisch undiagnostizierten pädiatrischen Fälle beträgt
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
80–90%. Da weltweit bereits die Sequenzierung der gesamten mtDNA erfolgt, ist damit zu rechnen, dass die meisten ungeklärten Fälle mit OXPHOS-Störungen auf Mutationen im nukleären Genom zurückzuführen sein werden. Eine pränatale Diagnose ist bei MELAS und MERRF wegen mitotischer Segregation problematisch, bei maternal vererbtem Leigh-Syndrom jedoch aussichtsreich [26]. Morphologie. Die mitochondrialen Myopathien werden in Paraffin-eingebetteten HE-Präparaten leicht übersehen (Abb. 33.3a). Das wichtigste morphologische Kennzeichen mitochondrialer Myopathien besteht in der Transformation unregelmäßig verteilter Muskelfasern zu sog. „ragged red fibers (RRFs)“ [33, 34], die im Trichrompräparat durch rot gefärbte, „fuchsinophile“ Aggregate abnormer Mitochondrien, vermehrte feine Lipidtropfen und Glykogenvermehrungen zumeist unter dem Sarkolemm, aber auch intermyofibrillär charakterisiert sind (Abb. 33.1c). (Die Bezeichnung „Ragged-red-Fasern“ hat sich auch im Deutschen eingebürgert, weil sich die wörtliche Übersetzung „zerrissene rote“ Fasern nicht hat durchsetzen können.) Die RRFs sind zumeist kleiner als normale Fasern und oft auffällig eingedellt und unregelmäßig konturiert; daran sind sie bereits in HE-Präparaten zu vermuten (Abb. 33.3a). Die Mitochondrienaggregation lässt sich histochemisch durch oxidative Enzymreaktionen, insbesondere die Succinatdehydrogenase-(SDH-)Reaktion (Komplex II der Atmungskette) und die NADH-Reaktion (Komplex I der Atmungskette) darstellen, zwei für die Atmungskette spezifische Enzyme (Abb. 33.3b,d). Im Unterschied zur NADH wird das mitochondriale Enzym Succinatdehydrogenase (SDH; Abb. 33.3) ausschließlich nukleär kodiert, was für die molekulargenetische Diagnostik der mitochondrialen Erkrankungen richtungsweisend ist: Wenn die SDH-Reaktion der mitochondrialen Aggregate trotz verstärkter NADH-Reaktion negativ ausfällt, ist die Krankheit wahrscheinlich auf eine Deletion, bedingt durch eine Mutation im nuklären Genom, zurückzuführen, also nukleär, nicht primär mitochondrial (maternal) verursacht bzw. vererbt. Die entsprechenden Phosphorylierungskomplexkomponenten lassen sich auch immunhistochemisch differenzieren [21]. Eine weitere enzymhistochemische Reaktion, die Cytochrome-Oxidase-(COX-)Reaktion (Abb. 33.3c) fällt negativ oder nur schwach aus, wenn Proteine aufgrund von Mutationen der Gene defekt sind, die die Untereinheiten im Komplex IV der Atmungskette kodieren; von deren 13 Untereinheiten werden 3 mitochondrial kodiert (Abb. 33.2), die übrigen nukleär. Entsprechend der ungleichmäßigen Verteilung (Heteroplasmie) der pathologisch veränderten Mitochondrien auf die verschiedenen Zellen sind dabei meistens nur einzelne, disseminierte Muskelfasern betroffen, und diese auch nicht über die gesamte Länge der einzelnen Faser.
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Abb. 33.3 Mitochondriale Veränderungen bei der 35-jährigen Tochter blutsverwandter türkischer Eltern (Kusine/Vetter 2. Grades, a–d), bei einer 50-jährigen Frau mit Polymyositis (e) und bei einem 5-jährigen Mädchen mit infantiler mitochondrialer Myopathie (f). a–d In Kryostatschnitten einer Muskelbiopsie fällt nach der HEFärbung (a) nur eine einzige teilatrophische anguläre Faser auf (Pfeil). Nach der Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Dehydrogenase-(NADH)- (b), Cytochrom-Oxidase-(COX)- (c) und Succinatde-
hydrogenase-(SDH)-Reaktion (d) ist jedoch in mehreren Fasern subsarkolemmal eine für mitochondriale Myopathien charakteristische Verstärkung der jeweiligen Enzymreaktion zu erkennen. In mehreren Fasern fehlt die SDH-Reaktion (d). e, f Elektronenmikroskopisch sind extreme Vergrößerungen und Strukturveränderungen der Mitochondrien nachweisbar (M). Mehrere Mitochondrien enthalten parakristalline Einschlüsse in ihrer verbreiterten Matrix (Pfeile). Der Kern (K) ist unregelmäßig konturiert
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Allerdings können die typischen Zeichen einer mitochondrialen Myopathie bei eindeutig nachgewiesenen mitochondrialen Krankheiten fehlen, so bei LHON, NARP („Neuropathie, Ataxie und Retinitis pigmentosa“) und bei vielen pädiatrischen Fällen wie dem Leigh-Syndrom, das genetisch außerordentlich heterogen ist [126]. Beim MELAS-Syndrom fällt die COX-Reaktion in der Regel positiv aus, weil der Schwellenwert nicht unterschritten wird [26]. Betroffen sind meist nur etwa 1– 5%, manchmal 8–18% der Fasern, wobei beide Fasertypen alteriert sein können. Die veränderten Fasern liegen in der Regel isoliert und enthalten herdförmig, überwiegend subsarkolemmal angehäufte oxidative Enzymaktivitäten. Die COX-Reaktion fällt in Fasern bei Fällen mit COX-Mangel manchmal nur in bestimmten Segmenten negativ aus, da der mitochondriale Gendefekt oft nur einen Teil der Mitochondrien innerhalb einer Muskelfaser betrifft [44, 45]. Während die COX-Reaktion in RRFs bei A3243G-MELAS erhalten bleibt, fehlt sie bei A8344G-MERRF regelmäßig. RRFs kommen auch bei der adPEO, Twinkel-Gen-Mutationen und MNGIE (s. oben) vor, fehlen aber, wie bereits betont, bei LHON und NARP. Bei RRM2B-Mutationen finden sich reichlich Raggedred-Fasern und eine starke Vermehrung des endomysialen und perimysialen Bindegewebes [11]; in anderen Fällen besteht demgegenüber eine Lipidspeichermyopathie bei fehlender COX-Reaktion [64]. Elektronenmikroskopie. Die Bestätigung der Diagnose erfolgt durch den elektronenmikroskopischen Nachweis abnormer Mitochondrien, die außerordentlich vielgestaltige Formen mit irregulär angeordneten Cristae und parakristallinen oder amorphen rundlichen homogenen osmiophilen Einschlüssen aufweisen können. Die parakristallinen Einschlüsse (s. Abb. 33.3e,f) beruhen auf Ausfällungen eines Proteins, der mitochondrialen Kreatinkinase [105]. Wegen der auffälligen Größe und der vermehrten Zahl der Mitochondrien führten Shy et al. [103] die Bezeichnung „megaconial“ und „pleoconial myopathy“ ein. Wegen der gleichzeitigen Anhäufung von Lipiden und Glykogen bei bestimmten Formen dieser Erkrankungen sind auch deskriptive Bezeichnungen wie „Mitochondrien-Lipid-Glykogen-Erkrankungen des Muskels“ [57] oder „sudanophile mitochondriale Erkrankung“ [43] vorgeschlagen worden. Differentialdiagnose. Vereinzelt kommen parakristalline mitochondriale Einschlüsse in Abhängigkeit vom Alter auch bei normalen Kontrollpersonen [46], insbesondere in den äußeren Augenmuskeln [129], oder sekundär aufgrund anderer Erkrankungen vor (Literatur siehe z. B. 79, 98, 122). Nur eine deutliche Vermehrung und Vergrößerung abnormer Mitochondrien in mehr als 0,5% der Fasern zeigt einen pathologischen Prozess an (Hilton et al. 2010; Brain Pathol 20, Suppl. 1, p. 93).
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
Myoadenylat-Deaminase-(MAD-)Mangel Die Myoadenylat-Deaminase (MAD) katalysiert die Desaminierung von Adenosinmonophosphat (AMP) in Inosinmonophosphat (IMP) und Ammoniak während körperlicher Arbeit. Die Muskelisoform des Enzyms wird durch das AMPD1-Gen kodiert. Zwei Prozent der Gesamtbevölkerung sind homozygot für die C34T-Nonsense-Mutation in diesem Gen, die zu einem kompletten, enzymhistochemisch nachweisbaren Verlust der AMPDAktivität führt. Somit ist der MAD-Mangel der häufigste metabolische Defekt im Muskel [110]; doch sind die Symptome mild und bestehen, wenn überhaupt, aus uncharakteristischen Schmerzen und Muskelkrämpfen bei Belastung. Die CK-Werte sind normal oder leicht erhöht. Da jedoch schon bei normalen Personen schon so häufig eine Mutation des Gens vorkommt, ist der Nachweis des Enzymdefektes von zweifelhaftem Wert [47]. Dennoch wird empfohlen, die enzymhistochemische Reaktion routinemäßig bei jeder Muskelbiopsie durchzuführen [110].
Lipidspeichermyopathien Schon in Ruhe, insbesondere aber bei lang dauernder Belastung sowie beim Fasten, wenn die Glykogenreserven in der Leber und im Muskel erschöpft sind, wird der Energiebedarf des Skelettmuskels vor allem durch den Lipidstoffwechsel gedeckt [24, 114]. Manche Lipidspeichermyopathien sind auf mitochondriale Stoffwechselstörungen zurückzuführen. Sowohl der COX- als auch der Muskelcarnitin- und Carnitinpalmitoyltransferase-(CPT-)Mangel lässt sich den mitochondrialen Myopathien zuordnen [72], wobei allerdings beim CPT-Mangel keine Lipidvermehrung nachweisbar ist.
Die Unterscheidung ist wichtig, weil beim Carnitinmangel eine orale L-Carnitin-Therapie [12] und diätetische Maßnahmen auch bei anderen Lipidstoffwechselstörungen des Muskels wirksam sind [67].
Die in Tabelle 33.1 aufgeführten 10 hereditären Lipidstoffwechselstörungen, die zu Myopathien führen, sind autosomal-rezessiv erblich, werden also nicht maternal vererbt. Eine ausgeprägte Lipidspeicherung in den Muskelfasern (Abb. 33.1c,d) findet sich jedoch nur bei 4 Krankheitsbildern, die auf Mutationen in folgenden 6 Genen beruhen: SLC22A5 beim primären Carnitinmangel (PCD), ETFA, ETFB und ETFDH beim multiplen CoA-Dehydrogenasemangel (MADD), ABHD5 bei der Neutralfettspeicherkrankheit mit Ichthyose (NLSDLI; Chanarin-Dorfman-Syndrom) und PNPLA2 bei der Neutralfettspeicher-
Lipidspeichermyopathien
krankheit mit Myopathie (NLSDM) ohne Ichthyose [87] (Tabelle 33.1; s. unten). Allerdings fand sich nur bei 9 von 37 Fällen mit histopathologisch nachgewiesener Lipidspeichermyopathie ein solcher genetischer Defekt; bei den anderen blieb die Ursache unbekannt [86]. Der Carnitinpalmitoyltransferase-(CPT-)I- und -IIMangel ist häufig Ursache einer Myoglobinurie, die durch Schmerzen charakterisiert und durch Fasten oder Muskelarbeit ausgelöst wird [28], aber nicht mit einer Lipidspeicherung in den Muskelfasern verbunden und daher histopathologisch nicht zu verifizieren sind. Auch die Muskelcarnitinwerte sind normal. Daher ist eine biochemische Untersuchung der Muskelbiopsie oder der Nachweis von Mutationen im CPT-Gen zur Diagnose erforderlich [60, 119]. Der primäre systemische Carnitinmangel (CDSP) ist unter den bekannten metabolischen Störungen des Fettsäurekatabolismus mit einer Schwäche und einer Triglyzeridakkumulation in den Muskelfasern verbunden [32]. Er ist, wie bereits erwähnt, auf Mutationen im Gen für den natriumabhängigen Carnitintransporter (SLC22A5) zurückzuführen [81]. Der Carnitin/Acyl-Carnitin-Translocase-Mangel ist auf Mutationen im Gen der Carnitin/Acyl-Carnitin-Translocase (SLC25A20) zurückzuführen. Der multiple Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD; Glutarsäureazidurie, Typ IIA; GAIIA) ist auf Mutationen im Gen für das Elektron-Transfer-Flavoprotein-AlphaPolypeptid (ETFA) zurückzuführen. Diese Form ist allelisch zum Riboflavin-responsiven multiplen Acyl-CoADehydrogenasemangel (Tabelle 33.1). Der multiple Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD; Glutarsäureazidurie, Typ IIB; GAIIB) ist auf Mutationen im Gen für das Elektron-Transfer-Flavoprotein-Beta-Polypeptid (ETFB) zurückzuführen. Der multiple Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD; Glutarsäureazidurie, Typ IIC; GAIIC) ist auf Mutationen im Gen der Elektron-transferrierenden Flavoprotein-Dehydrogenase (ETFDH) zurückzuführen. Der AcylCoA-(sehr lange Ketten)-Dehydrogenasemangel ist auf Mutationen des entsprechenden Gens (ACADVL) zurückzuführen. Die Triglyzeridspeicherkrankheit mit beeinträchtigter Oxidation langkettiger Fettsäuren (Chanarin-DorfmanSyndrom) ist eine multisystemische Lipidspeicherkrankheit mit nichtbullöser kongenitaler ichthyosiformer Erythrodermie und Steatorrhoe (Chanarin-Krankheit) [16], die auf Mutationen im „α/β-Hydrolase Domain containing 5“- (ABHD5-) bzw. CGI-58-Gen beruht [68]. Lipidtropfen sind dabei nicht nur in den Muskelfasern, sondern in nahezu allen Geweben nachweisbar. Sofern die Lipidspeicherung auch die Magenschleimhaut und das vegetative Nervensystem (im Sinne einer Multisystemkrankheit betrifft, können starke Magenschmerzen auftreten [101]. Die Neutralfettspeicherkrankheit mit Myopathie ohne Ichthyose (NLSDM) ist auf Mutationen im Gen (PNPLA2)
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für die zytoplasmatische Adipose-Triglyzerid-Lipase (ATGL; Desnutrin) zurückzuführen [37], die klinisch asymptomatisch sein kann, aber mit erhöhten CK-Werten im Blut verbunden ist [3]. Die distale Muskulatur kann bevorzugt betroffen sein. Die Herzmuskulatur ist in unterschiedlichem Ausmaß mitbetroffen. Histopathologisch finden sich zusätzlich zu einer ausgeprägten Neutralfettspeicherung zahlreiche autophagische Vakuolen („rimmed vacuoles“) [87], wenn auch nicht in allen Fällen. Diagnostisch von spezieller Bedeutung ist die Lipidspeicherung in peripheren Granulozyten aus dem Blut sowie in kultivierten Fibroblasten aus der Haut. Zwei Gene, die Lipidtropfen-assoziierte Proteine kodieren, nämlich Perilipin A und Adipophilin, erwiesen sich als normal [3]. Morphologie. Bei den typischen Lipidspeicherkrankheiten finden sich, wenn auch nicht selektiv, in nahezu allen histochemischen Typ-1-Fasern zahlreiche 1–4 μm große Lipidtropfen bzw. ehemals mit Neutralfett gefüllte „Vakuolen“, die auf einem Extraktionsartefakt beruhen und nicht von einer Membran umgeben sind. Denn wenn ein Lipidlösungsmittel während der Einbettung oder der Färbung verwendet wird, erscheinen die Räume optisch leer, so dass der Eindruck einer vakuolären Myopathie entsteht. Einige Fasern sind durch Lipidtropfen in exzessiver Menge charakterisiert (Abb. 33.1c,d). Etwa ein Drittel dieser Fasern ist deutlich atrophisch und leicht entrundet. Doch sei hier noch einmal betont, dass bei dem Carnitinpalmitoyltransferasemangel keine Lipidspeicherung im Muskel nachweisbar ist, obwohl es sich um eine Störung des Lipidkatabolismus handelt. Dieser ist dann ausschließlich biochemisch zu verifizieren. Auch der lang- oder kurzkettige Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel [25, 111], die Glutarsäureazidurie und der enzymhistochemisch nachweisbare, evtl. nur einige Muskelfasern betreffende partielle Cytochrom-c-Oxidase-(COX-)Mangel sind mit einer Triglyzeridakkumulation in den Muskelfasern verbunden.
Sonderformen Für einige Sonderformen einer Lipidspeicherungsmyopathie gibt es bisher keine biochemischen Analysen und keine weiteren Angaben zur Pathogenese, so z. B. für eine sog. myotubuläre Lipidspeicherungsmyopathie mit Verkalkungen [96]. Abnorme Ablagerungen nicht von Neutralfetten, sondern von Gangliosiden in Satellitenzellen kommen bei der GM1-Gangliosidose vor [112], bei der Fabry-Krankheit auch abnormes Speichermaterial in den Skelettmuskelfasern [113] und, wie bei der Sandhoff-Krankheit, in Gefäßwandzellen [97]. Eine abnorme Vermehrung von Zeroidpigment in den quergestreiften Muskelfasern findet sich bei der Abetalipoproteinämie (Synonyme: Bassen-Kornzweig-
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Syndrom; Neuroakanthozytose) [49, 66] und den neuronalen Zeroidlipofuszinosen (CLN) [40, 92]. Letztere lassen sich durch eine Saure-Phosphatase-Reaktion, genauer allerdings erst durch eine elektronenmikroskopische Untersuchung u. a. auch einer Muskel- oder Nervenbiopsie, namentlich durch den Nachweis der sog. kurvilinearen Körper, der Fingerabdruckkörper oder der granulären osmiophilen Ablagerungen (GRODs) diagnostizieren, endgültig aber erst molekulargenetisch. Derzeit sind 8 verschiedene Formen zu differenzieren (CLN1, 2, 3, 5, 6, 7, 8 und 10). Nur zu CLN9 ist noch keine Mutation gefunden worden.
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Myopathien bei endokrinen Erkrankungen Myopathien kommen bei verschiedenartigen endokrinen Erkrankungen vor. Die Muskelbeteiligung ist vielfach nur eine Nebenlokalisation der Erkrankung; in anderen Fällen stehen die Muskelsymptome im Vordergrund und können zur Diagnose der zugrunde liegenden Krankheit, z. B. einer Thyreotoxikose, führen. Eine Behandlung der hormonellen Grundkrankheit führt in der Regel zu einer vollständigen Wiederherstellung der Muskelfunktion [1, 5, 96].
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
75]. Gelegentlich kann es auch zu einer ausgeprägten peripheren Neuropathie mit entsprechenden Zeichen einer Denervationsatrophie im Muskel kommen. Bei der Hyperthyreose sind die skelettmuskelbioptischen Befunde uncharakteristisch und in der Regel wenig ausgeprägt; doch sind die äußeren Augenmuskeln bei der exophthalmischen Ophthalmoplegie von mononukleären Zellinfiltraten durchsetzt [96].
Hyper- und Hypoparathyreoidismus Auch beim primären und sekundären Hyperparathyreoidismus ließ sich eine selektive Typ-2-Faseratrophie nachweisen [88]. Beim tertiären Hyperparathyreoidismus sind feinstrukturell im muskulären Abschnitt der motorischen Endplatte ungewöhnliche konzentrisch gegliederte Ablagerungen von Kalziumsalzen nachweisbar [96, 99]. Die Veränderungen beim Hypoparathyreoidismus einschließlich der Tetanie sind nur unvollständig untersucht (Verminderung des Glykogengehalts und der Phosphorylaseaktivität); sie sind reversibler Art.
Hypophysenfunktionsstörungen und Doping Erkrankungen der Schilddrüse Mehr oder weniger schwere Myopathien können sowohl bei der Thyreotoxikose als auch beim Myxödem vorkommen: • bei der Thyreotoxikose eine − chronische oder akute Myopathie, − Myasthenia gravis, − periodische Paralyse und − exophthalmische Ophthalmoplegie (endokrine Orbitopathie) [1, 91]; • beim Myxödem − eine Gliedergürtelmyopathie, − das Kocher-Debré-Semelaigne-Syndrom (sowie das davon nicht immer abgrenzbares HoffmannSyndrom) und − eine Neuromyopathie [96]. Bei der hypothyreotischen Myopathie ließen sich mit Hilfe perkutaner Nadelbiopsien aus dem M. vastus lateralis eine selektive Typ-2-Faseratrophie und eine zahlenmäßige Reduktion dieses Fasertyps sowie eine vermehrte Anzahl zentraler Kerne nachweisen. Sowohl die Typ-2Faseratrophie als auch die zahlenmäßige Verringerung der Typ-2-Fasern und die vermehrte Zahl zentralständiger Kerne bildeten sich während der Behandlung mit L-Thyroxin in Richtung der Normalwerte zurück [74,
Sie sind oft mit Störungen der Nebennierenrindenfunktion verbunden, so dass die Myopathie beim Cushing-Syndrom, bei der Addison-Krankheit und der Steroidtherapie manchmal schwer abzugrenzen sind. Während es bei der Hypophysenunterfunktion zu einer allgemeinen Muskelatrophie kommt, ohne weitere Zeichen einer Myopathie, sind bei der Hypophysenüberfunktion (Hyperpituitarismus) verschiedene Zeichen einer Myopathie beobachtet worden als Folge vermehrter Kortikosteroide und von Testosteron. Bei der Kortikosteroidmyopathie findet sich u. a. eine selektive Typ-2-Faseratrophie [18, 90]. Die experimentelle Applikation von Testosteron und Anabolika, die zum Doping im Sport verwendet werden, führt vor allem zu einem raschen Anstieg der Gesamtmengen an kontraktilem Protein bei deutlicher Vermehrung der Ribosomen. Eine Kastration verursacht demgegenüber im Experiment vor allem eine Verminderung der paranukleären Ribosomen [48]. Die subkutane Injektion von 2 mg/Tag Wachstumshormon über einen Zeitraum von 8 Wochen führt zu einer Steigerung der Sprintgeschwindigkeit um 3,9 (0,0– 7,7)%, nicht aber zu einer Kraftvermehrung; zusammen mit Testosteronspritzen kommt es zu einer Leistungssteigerung, die sich innerhalb von 6 Wochen zurückbildet [76]. Als Nebenwirkungen wurden Schwellungen durch extrazelluläre Speicherung von Körperflüssigkeit und Muskelschmerzen beobachtet.
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Literatur
Diabetes mellitus Die sog. diabetische Amyotrophie ist überwiegend als Folge einer diabetischen Polyneuropathie anzusehen (s. dort); doch gibt es experimentelle Hinweise auf eine unmittelbar diabetisch bedingte Myopathie [9, 118, 121]. Auch sind hier die auffälligen Verbreiterungen der Basallamina um die Muskelkapillaren als Ausdruck der diabetischen Angiopathie zu nennen, da sie bereits lichtmikroskopisch (zumal in Semidünnschnitten) gut zu erkennen sind. Perikapilläre Basallaminaverbreiterungen und -reduplikationen sind allerdings nicht spezifisch; sie kommen bei zahlreichen verschiedenen Prozessen vor, insbesondere bei entzündlichen Erkrankungen, namentlich Gefäßbindegewebserkrankungen, bei Hypothyreose, Alkoholismus sowie spinalen und neuralen Muskelatrophien [96]; sie sind aber wichtige Indikatoren einer Mikroangiopathie.
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Kapitel 33
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Kapitel 34
Myoglobinurien, Myositis ossificans, nutritive, toxische und paraneoplastische Myopathien, Amyloidosen
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J.M. Schröder Inhalt Myoglobinurien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Paraneoplastische Myopathien . . . . . . . . . . . . . . .
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Myositis ossificans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Amyloidosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nutritive Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Toxische Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 34
Myoglobinurien
34
Myoglobin im Urin weist auf eine schwere Muskelschädigung hin, deren morphologisches Substrat in der Regel aus mehr oder weniger zahlreichen segmentalen oder ausgedehnteren Einzelfasernekrosen (Rhabdomyolyse) besteht. Bei besonders stark ausgeprägter Rhabdomyolyse kommt es zur sog. paroxysmale Myoglobinurie. Das Myoglobin (MG 17000) ist normalerweise in der I-Band-Region lokalisiert, kann aber unter pathologischen Bedingungen auch im erweiterten Lumen des inneren Membransystems und frei im Sarkoplasma zu finden sein [16]. Von dort wird es in den extrazellulären Raum abgegeben und als relativ kleines Molekül gut durch die Niere ausgeschieden; doch können übergroße Mengen an Myoglobin zu einer tubulären Insuffizienz führen. Eine Myoglobinurie tritt in der Regel erst etwa 24 h nach einer akuten Muskelschädigung in Erscheinung. Nach stärkeren Belastungen kann sie auch schon einmal beim Muskelgesunden vorkommen. Ätiologie und Pathogenese. Bei einigen Fällen von Myoglobinurie sind die Ursachen bekannt, bei anderen sind die auslösenden Ursachen nicht ersichtlich („idiopathische“ Rhabdomyolyse): • Eine metabolische Myoglobinurie findet sich sowohl bei bestimmten Glykogenosen (Typ V und VII) als auch bei Lipidstoffwechselstörungen, mitochondrialen Myopathien, insbesondere dem Carnitinpalmitoyltransferase-I- und -II-Mangel, und bei der malignen Hyperthermie sowie gelegentlich einmal bei einer Gliedergürteldystrophie. • Toxische Myoglobinurien sind bei der epidemisch aufgetretenen Haffkrankheit und vor allem auch nach Alkohol beobachtet worden, außerdem nach Barbituraten, Heroin, Kohlenmonoxid, Amphotericin B, Hornissengift u. a. (s. unten). • Traumatische Myoglobinurien sind vor allem in Zusammenhang mit Quetschtraumen nach Luftangriffen beschrieben worden. Im Übrigen gibt es eine Fülle experimenteller Untersuchungen zu verschiedenen Arten von Muskeltraumen und zur Regeneration des Muskelgewebes (durch Satellitenzellen oder mit Hilfe von Stammzellen [22a]). Als besondere Art einer traumatischen Muskelschädigung gilt auch der Muskelkater (= „delayed onset muscle soreness“, DOMS; s. dort). • Ischämische Myoglobinurien finden sich als Folge eines arteriellen oder venösen Gefäßverschlusses. In diesem Zusammenhang sei auf experimentell-embolische Mikroinfarkte verwiesen [26]. Die Diagnose einer „idiopathische Rhabdomyolyse“ (familiäre, exerzitionelle oder toxische Form) sollte heute nicht mehr gestellt werden; in jedem Fall sollte nach spezifischen Ursachen gesucht werden (s. oben).
Myoglobinurien, Myositis ossificans
Mikroskopisch finden sich im akuten Stadium segmentale oder ausgedehntere Nekrosen einzelner Muskelfasern, die ungleichmäßig verteilt zwischen den intakten Muskelfasern liegen. Verschiedene Stadien der Nekrose sowie der Regeneration und Phagozytose (Myophagie) sind evtl. nebeneinander nachweisbar.
Myositis ossificans Diese ungewöhnliche Erkrankung ist durch eine Knochenbildung im Bindegewebe des Muskels gekennzeichnet. Es handelt sich weder um eine Myopathie noch um eine Entzündung [5]. Zu unterscheiden sind 2 Formen: • eine lokalisierte Form, die Myositis ossificans circumscripta, die in der Regel traumatisch oder druckbedingt ist (z. B. „Exerzierknochen“), und • eine generalisierte Form, die spontan auftritt (Synonyme: Fibrodysplasia ossificans progressiva; generalisierte „pseudomaligne“ Myositis ossificans progressiva; Münchmeyer-Krankheit). Bei der Letzteren handelt es sich um eine generalisierte Bindegewebserkrankung; denn betroffen sind nicht nur das interstitielle Gewebe der Muskeln, sondern auch der Sehnen, Ligamente, Faszien und sogar der Haut („Fibrodysplasia ossificans multiplex progressiva“) [2, 5, 26]. Die Krankheit ist dominant erblich und auf Mutationen im Gen für den Activin-A-Rezeptor Typ 1 (ACVR1) zurückzuführen [31]. Die Krankheit ist nicht nur mit erheblichen Behinderungen, sondern auch mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung verbunden [15]. Eine Myopathia lipofibrocalcarea ist davon nicht sicher abzugrenzen. Schwere generalisierte Verkalkungen kommen auch bei der juvenilen Dermatomyositis vor [11], die sich allerdings von der Fibrodysplasia ossificans progressiva unterscheidet (s. dort). Morphologie. Mikroskopisch findet sich nichtblastomatöses, neu gebildetes Knochengewebe im interfaszikulären Bindegewebe des Muskels. Der Pseudotumor ist durch verschiedene Zonen gekennzeichnet: Die innere Zone besteht aus proliferierenden Fibroblasten, die mittlere aus Osteoid und die äußere aus reifem Knochengewebe. Die Knochenbälkchen sind dabei nicht notwendigerweise konzentrisch angeordnet, doch liegen die zellulären Areale in der Regel zentral, während die knöcherne Schale peripher angeordnet ist [27]. Das Interstitium enthält in der Regel junges Bindegewebe mit massenhaft Grundsubstanz, die reich an sauren Mukopolysacchariden ist, und spärliche Infiltrate aus Histiozyten, Plasmazellen und vor allem Lymphozyten [2, 17, 33]. In Verbindung mit den klinischen Daten lässt sich die Diagnose bereits durch eine Nadelaspiration stellen [4].
Toxische Myopathien
Differentialdiagnose. Differentialdiagnostisch sind die • noduläre Fasziitis (oder pseudosarkomatöse Fasziitis), • proliferative Fasziitis und die • proliferative Myositis (s. dort) abzugrenzen, gutartige Veränderungen, die nicht mit Sarkomen verwechselt werden dürfen [8, 26]. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Veränderungen, die durch oberflächlich angeordnete, rasch wachsende Knötchen gekennzeichnet sind, die sich zumeist innerhalb von 1–16 Wochen spontan zurückbilden. Histopathologisch findet sich ein zellreiches polymorphes Muster mit auffälligen Ganglienzell-ähnlichen Zellen. Nur wenige Fälle weisen Granulom-ähnliche oder myxoide Veränderungen auf. Eine Feinnadelbiopsie erspart den Patienten in der Regel eine Operation [37].
Nutritive Myopathien Ätiologie und Pathogenese. Aufgrund verschiedenartiger Diätmangelsituationen kann es zu ernährungsbedingten Myopathien kommen. Myopathien, die durch einen Mangel an Kalium, Magnesium, Phosphat, Thiamin und Vitamin C hervorgerufen werden, sind sowohl bei Menschen als auch bei Tieren beobachtet worden. Experimentell lassen sich außerdem Myopathien durch Mangel an Vitamin E, Cholin oder Biotin, Selen oder Jod und schwefelhaltigen Aminosäuren, namentlich Methionin und Zystin, hervorrufen [24]. Die praktisch wichtigste und häufigste ernährungsbedingte Myopathie ist nach der Hungeratrophie zweifellos die akute und chronische alkoholische Myopathie oder Muskelatrophie [9, 14]. Auf die zahlreichen Untersuchungen zur Pathogenese kann hier nicht eingegangen werden; denn mehr als 400 Gene und deren Proteinprofile (das Proteom) im Muskel sind betroffen; oxidative Schäden, erhöhte Lipidperoxidation, reduzierte Serumwerte einiger Antioxidanzien, Apoptose und erhöhte pro- sowohl wie antiapoptotische Regulationsmechanismen werden diskutiert [10]. (Bezüglich der alkoholischen Neuropathie sei auf den Kap. 21 verwiesen; bzgl. der Wirkungen auf das ZNS siehe [6]. Morphologie. Histopathologisch findet sich bei der akuten alkoholischen Myopathie ein gleichförmiges Bild mit Muskelfasernekrosen und interstitiellen Reaktionen. Im chronischen Stadium überwiegen neurogene Muskelfaseratrophien und andere Veränderungen aufgrund einer alkoholischen Polyneuropathie. Die Muskelproteinsynthese ist gestört [20].
779
Toxische Myopathien Zu den toxischen Substanzen, die eine Myopathie auslösen können, gehören, wie bereits erwähnt, Alkohol und zahlreiche Medikamente (Tabelle 34.1) (Details s. Kap. 14). Schwere medikamentös ausgelöste Myopathien sind selten; dazu gehören die rasch progredienten Myopathien bei intensivmedizinisch mit zahlreichen Medikamenten, vor allem aber Kortikoiden, behandelten, schwerkranken („critically ill“) Patienten [3]. Die „Critical-illness“-Myopathie ist oft mit einer „Critical-illness“-Neuropathie kombiniert [25] (vgl. Kap. 21), wobei bei beiden vermutlich ein „systemisches inflammatorisches Reaktionssyndrom“ (SIRS) eine wesentliche Rolle spielen dürfte [4a]. Doch kommen mildere Erkrankungsformen vermutlich häufiger vor, als allgemein angenommen wird, z. B. nach Glukokortikoidgabe [22]. Kortikosteroide führen anfangs zu einer Typ-2-Faseratrophie mit Myosinfilamentverlust. Auch medikamentös bedingte Neuropathien (Kap. 21) führen zu einer Muskelschwäche. Außerdem gibt es Substanzen, die sowohl eine Neuropathie als auch eine Myopathie, also eine Neuromyopathie, induzieren (z. B. Chloroquin, Vincristin, Perhexilinmaleat, Amiodaron, Alkohol u. a.) [19, 26, 34]. Eine fokale Myopathie lässt sich durch intramuskuläre Injektionen auslösen („Nadelmyopathie“). Eine fokale Muskelfibrose mit Kontrakturen kann schließlich auch aus der Injektion von Opiaten und Antibiotika resultieren. Muskelfasernekrosen und -degenerationszeichen werden nach Clofibrat, Epsilonaminokapronsäure, Emetin, Heroin, Statinen (z. B. Lipobay) und Alkohol beobachtet. Statine führen insbesondere zu einer nekrotisierenden Myopathie, evtl. mit Myoglobinurie und Nierenversagen, wenn gleichzeitig bestimmte andere Medikamente gegeben werden, so z. B. Fibrate, oder wenn eine Disposition vorliegt, so aufgrund von Mutationen im SLCO1B1-Gen, das das organische Anion-transportierende Polypeptid kodiert (OATP1B1), das seinerseits die Aufnahme von Statinen in der Leber reguliert [21]. Die Nebenwirkungen der Statine auf den Muskel seien auf eine mitochondriale Funktionsstörung zurückzuführen, ebenso die Nebenwirkungen auf andere Organe oder Systeme wie kognitive Störungen und eine periphere Neuropathie [13]. Eine vakuoläre Myopathie mit Nekrosen und Regenerationszeichen lässt sich durch Diuretika, Purgativa, Süßholzextrakte, Carbenoxolon und Amphotericin B auslösen. Eine außerordentlich pleomorphe mitochondriale Myopathie wird durch Zidovudin induziert, wobei auch ungewöhnliche Kernveränderungen vorkommen [28, 29]. Myasthenische Syndrome sind durch Aminoglykoside, Polymyxin, Tetrazykline, Succinylcholin, D-Penizillamin, Propranolol, Practolol und andere Betablocker auszulösen. Ein myotonisches Syndrom lässt sich durch 20,25Diazacholesterin, Suxamethonium, Propranolol und 2,4Dichlorphenoxyazetat induzieren. Mikroskopisch lassen
780
Kapitel 34
Myoglobinurien, Myositis ossificans
Tabelle 34.1 Wichtige medikamentös bedingte Myopathien Erkrankung
Pharmaka
Klinische Symptome
Serumenzyme
Myoglobinurie
Histopathologie
Fokale Myopathie
Intramuskuläre Injektion
Leicht erhöht
–
Muskelfibrose mit Kontrakturen
Pethidin (Opiate und andere Suchtmittel), Antibiotika
Indurationsnarbe und Kontraktur im injizierten Muskel
In der Regel normal
Fokale Nekrosen („Nadelmyopathie“) Ausgeprägte Fibrose und myopathische Veränderungen in der injizierten Region
Akute/subakute schmerzhafte proximale Myopathie
Clofibrat, E-Aminokapronsäure, Emetin, Heroin, Alkohol
Muskelschmerz, Schlaffheit, proximale oder generalisierte Schwäche; Reflexe erhalten
Mäßig erhöht
Nekrosen, Regeneration
Vincristin
Proximale Schmerzen, Atrophie; Schwäche; Reflexe fehlen
?
Hypokalämieauslösende Pharmaka: Diuretika, Purgativa, Süßholzextrakte, Carbenoxolon, Amphotericin B
Evtl. periodische Schwäche; Reflexe können vermindert sein oder fehlen
Mäßig erhöht
+/–
Vakuoläre Myopathie, Nekrosen/Regeneration
Clofibrid, Isotherin, Danazol, Cimetidin, Metolazon, Bumetanid, Lithium, Zytotoxine
Myalgien, Muskelkrämpfe, Myokymien, Schwäche
?
?
?
Akute Rhabdomyolyse
Heroin, Amphetamin, Phencyclidin, Alkohol, Statine
Starke Muskelschmerzen, Schlaffheit, Schwellungen, schlaffe Tetraparese, Areflexie, starke Myoglobinurie, Niereninsuffizienz
Stark erhöht
+++
Subakute/chronische Myopathie
Kortikosteroide
Vorwiegend proximale Muskelschwäche
Normal
–
Typ-2-Faseratrophie
Proximale Myopathie
Chloroquin, Alkohol, Heroin, Perhexilin, Amiodaron
Reflexe können ausgefallen sein aufgrund einer gleichzeitigen Neuropathie
Normal
–
Vakuoläre Myopathie, lysosomale, myopathische Veränderungen
Medikamente, die eine Hypokaliämie verursachen
Evtl. periodische Schwäche, Reflexe können abgeschwächt sein oder fehlen
Mäßig erhöht
+/–
Vakuoläre Myopathie, Nekrosen/Regeneration
Aminoglykoside, Polymyxine, Tetrazykline, Succinylcholin, D-Penizillamin, Propranolol, Practolol Andere Betablocker? Phenytoin, Chlorpromazin, Procainamid, Trimethadon
Postoperative Apnoe; okulobulbäre und Extremitätenparalyse; typische Myasthenia gravis; Auslösung einer klassischen Myasthenia gravis
Normal
–
?
34
Myasthenische Syndrome
6
Amyloidosen
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Tabelle 34.1 Fortsetzung Erkrankung
Pharmaka
Klinische Symptome
Serumenzyme
Myoglobinurie
Histopathologie
Polymyositis/ Dermatomyositis
D-Penizillamin
Proximale Muskelschmerzen, Schwäche, Hautveränderungen
Mäßig erhöht
–
Nekrosen, Regeneration, entzündliche Infiltrate
Myotonisches Syndrom
20,25-Diazacholesterin, Suxamethonium, Propranolol (u. a. Beta-Blocker?), 2,4-Dichlorphenoxyacetat
Myotonie
Normal
–
Einzelfasernekrosen u. a.
Maligne Hyperthermie
Suxamethonium, Halothan, Diethyläther, Zyklopropan, Chloroform, Methoxyfluran, Ketamin, Enfluran, Psychotropika
Rigidität, Hyperpyrexie, Azidose, Hyperkaliämie, disseminierte intravaskuläre Koagulation, Nierenversagen
Stark erhöht (leicht erhöht bei Risikopatienten)
+++
Nekrosen (verschiedenartige Anomilien bei Risikopatienten, z. B. „Central cores“)
sich dabei u. a. unspezifische Einzelfasernekrosen feststellen. Auf die Auslösung einer durchaus lebensgefährlichen malignen Hyperthermie durch bestimmte Anästhetika wurde oben bereits hingewiesen.
Paraneoplastische Myopathien Bestimmte neuromuskuläre Syndrome sind auf nichtmetastatische Karzinomwirkungen verschiedener Art zurückzuführen. Die häufigste Muskelkrankheit, die in Verbindung mit einem Karzinom auftritt, ist wahrscheinlich das pseudomyasthenisch-myopathische Syndrom (Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom, LEMS) [18]. Pathogenetisch ist die kalziumabhängige Acetylcholinabgabe durch Nervenimpulse gestört (s. dort). Gleichzeitig oder unabhängig davon kann eine paraneoplastische Kleinhirndegeneration auftreten [7]. Die Kombination mit einer paraneoplastische Neuropathie (s. dort) ist wohl möglich. Das gleichzeitige Vorkommen einer destruktiven Muskelläsion zusammen mit einer Dermatomyositis bei malignen Neoplasmen ist ebenfalls beobachtet worden (s. dort), gelegentlich auch eine denervationsbedingte Atrophie. Davon abzugrenzen sind Fälle mit akuter nekrotisierender Myopathie [32, 36].
Amyloidosen Die Skelettmuskulatur wird in der Regel nur von der seltenen, sog. primären (beim Myelom oder bei benignen Gammopathien bzw. der Waldenström-Paraglobulinä-
mie oder Paramyloidose auftretenden) und lediglich ausnahmsweise einmal von der häufigeren sog. sekundären (bei chronischen Entzündungsprozessen auftretenden) Amyloidose betroffen [12, 35]. Bei den verschiedenen familiären Formen der Amyloidose ist die Muskulatur durch die im Vordergrund stehende Erkrankung des peripheren Nervensystems (S. 598), d. h. durch eine Denervationsatrophie, mitbetroffen. Die primäre Amyloidose tritt sporadisch auf. Sie befällt das mesodermale Gewebe in den peripheren Nerven, im kardiovaskulären System, die glatte und die quergestreifte Muskulatur sowie die Lymphknoten und Lungen. Demgegenüber befällt die sekundäre Amyloidose vor allem Leber, Milz, Nieren und Nebennieren. Davon sind die Amyloidtumoren (Amyloidome) abzugrenzen (Literatur s. [27]). Morphologie. Der wichtigste mikroskopische Befund besteht in der generalisierten Ablagerung von Amyloid im interstitiellen Gewebe der Muskulatur. Das Ausmaß der Amyloidablagerungen variiert von Fall zu Fall und hängt auch von der Sorgfalt ab, mit der man danach sucht [1, 35]. Der färberische Nachweis gelingt vor allem durch die Kongorotfärbung, die das Amyloid blassrot darstellt und im polarisierten Licht zu einem charakteristischen, pathognostischen grünlichen Farbwechsel (Dichroismus) führt. Das Amyloid ist fleckförmig oder diffus im retikulären und kollagenen Bindegewebe des Muskels abgelagert. Dadurch kommt es zu einer Dissoziation der Muskelfasern. Auch knötchenförmige Amyloidmassen können vorkommen. In den meisten Fällen ist die Ablagerung des Amyloids zwischen den glatten Muskelfasern der Media kleiner Arterien, Arteriolen und kleiner Venen ausgeprägter als im endomysialen Bindegewebe.
782
Kapitel 34
Die Amyloidfibrillen zeigen eine charakteristische, elektronenmikroskopisch nachweisbare Feinstruktur: Amyloidfilamente mit einem Durchmesser von etwa 7,5–8 nm, die aus Amyloidprotofibrillen (2,5–3,5 nm breit) und Amyloidsubprotofibrillen (1–1,5 nm breit) bestehen [30]. Die Pathogenese der Paramyloidose aufgrund von Myelomen (s. S. 667) und deren molekulargenetische Entstehungsbedingungen (chromosomale Rearrangements: Translokationen, Deletionen etc. im Genom der B-Lymphozyten) können hier aus Platzgründen nicht weiter erörtert werden (vgl. [23] u. a.). Bezüglich der monoklonalen Gammopathien unbekannter Signifikanz (MGUS) sei auf Kap. 27 verwiesen.
Myoglobinurien, Myositis ossificans
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783
Kapitel 35
35
Fehlbildungen
J.M. Schröder Inhalt Angeborene Muskeldefekte oder -aplasien . . . . . . . .
786
Hetero- oder Ektopien quergestreifter Muskelfasern . .
786
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_35, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
786
786
Kapitel 35
Angeborene Muskeldefekte oder -aplasien
Fehlbildungen
3. 4.
35
Sie sind zu unterscheiden von inkonstant vorkommenden Muskeln wie z. B. dem Palmaris longus oder dem Achselbogen von Langer in der Axilla [4] oder dem M. abductor digiti minimi accessorius [3] und anderen überzähligen Muskeln [7] (sog. Muskelvarietäten), die sich funktionell nicht bemerkbar machen, aber bei chirurgischen Interventionen von Bedeutung sein können. Angeborene Muskeldefekte treten in der Regel einseitig und fast immer sporadisch auf. Am häufigsten fehlt der M. pectoralis. Doch kann nahezu jeder Muskel fehlen [2]. Meist fehlt nur ein Teil des Muskels. Defekte der Bauchmuskulatur (vgl. „Dörrpflaumenbauch“) und des Zwerchfells können schwerwiegende Folgen haben. Echte Defekte sind in der Regel einseitig und meistens als Aplasien anzusehen; doppelseitige ,,Defekte“ beruhen vermutlich auf fetalen Atrophien. Vereinzelt sind familiäre Fälle beschrieben worden. Angeborene Defekte im Bereich der Gesichtsmuskulatur können, müssen aber nicht, auf einer Aplasie der zugehörigen motorischen Hirnnervenkerne beruhen (vgl. Möbius-Syndrom). Verschiedene Muskeldefekte sind gelegentlich mit anderen Fehlbildungen vergesellschaftet (z. B. einseitiges Fehlen der Mamma bei Aplasie des M. pectoralis) [1]. Im Übrigen gibt es eine große Zahl von Mitteilungen über die molekularen Grundlagen der Entwicklungsstörungen von Muskelfasern, z. B. [7], auf die hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden kann.
Hetero- oder Ektopien quergestreifter Muskelfasern Sie kommen nur selten vor und bleiben asymptomatisch, wenn sie nicht in Verbindung mit Rhabdomyomen oder Rhabdomyosarkomen auftreten. So sind quergestreifte Muskelfasern z. B. in den Leptomeningen beobachtet worden. Als Ursprungsgewebe werden undifferenzierte perivaskuläre Mesenchymzellen diskutiert, oder man nimmt einen „dysembryogenetischen“ Prozess bzw. eine Metaplasie aus glatten Muskelzellen an. Es ist sogar gelungen, Muskelfasern aus neuronalen Stammzellen [5] oder Synovialzellen [6] zu züchten.
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Kapitel 36
Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen
36
J.M. Schröder Inhalt Myalgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
788
Anämischer Muskelinfarkt . . . . . . . . . . . . . . . . .
789
Muskelkater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
788
Claudicatio intermittens . . . . . . . . . . . . . . . . . .
791
Fibromyalgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
788
Ischämische (Volkmann-)Kontraktur . . . . . . . . . . .
791
Muskelkrämpfe (Crampi) . . . . . . . . . . . . . . . .
789
Tortikollis (Schiefhals) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
791
Muskelquetschung und Kältetrauma . . . . . . . . . . .
789
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
791
Muskelriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_36, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
788
Kapitel 36
Myalgien Muskelschmerzen sind ein häufiges Phänomen unterschiedlichster Ätiologie. Zu unterscheiden sind Spontanschmerzen von Belastungs- oder überlastungsabhängigen Schmerzen, Letztere z. B. beim sog. „Muskelkater“.
Muskelkater
36
Die häufigste subjektive Folge einer mechanischen Muskelschädigung stellt wahrscheinlich der sog. Muskelkater dar. Die frühere Auffassung, der Muskelkater sei auf eine Anhäufung von sauren Stoffwechselprodukten im Muskel nach einer Überanstrengung zurückzuführen, ist überholt; denn die anfallenden Salze der Milchsäure verschwinden spätestens nach 1 h vollständig aus dem Muskel und aus dem zirkulierenden Blut. Vielmehr seien Bradykinin und der Nervenwachstumsfaktor (NGF) die entscheidenden Faktoren bei der letztendlichen Entstehung der Hyperalgesie im Sinne des Muskelkaters, der typischerweise ein verzögerter Muskelschmerz ist („delayed onset muscle soreness“, DOMS) und zumeist bei untrainierten Personen 24–48 h nach exzentrischen Kontraktionen auftritt [23]. Als exzentrische Belastungen werden Verlängerungskontraktionen bezeichnet, z. B. beim Bergablaufen im Unterschied zu Verkürzungskontraktionen beim Bergsteigen. Die „DOMS“ ist mit einer wesentlichen Verringerung der Kraft und Kontraktionsgeschwindigkeit („rate of velocity development“) verbunden [24]. Vielfältige Untersuchungen zu den Entstehungsbedingungen des verzögerten Muskelschmerzes dienen zur differenzierten Optimierung von Trainingsbedingungen (Literatur siehe z. B. [6, 19] u. a.). Systematische Untersuchungen an Gewichthebern („bench press“) haben proportional zu den Muskelschmerzen („Muskelkater“) nach einer unterschiedlich dosierten Belastung eine Erhöhung der Kreatinkinase(CK-)Werte im Plasma und der Prostaglandin-(PGE2-) Werte im Serum ergeben; IL1-Beta, IL-6 und TNF-alpha waren nicht erhöht [33]. Die erhöhten Muskelenzyme und Proteine im Blut können zum Nierenversagen führen. Der Höhepunkt der Werte im Blut ist nach 4 Tagen erreicht; es kann 7 Tage dauern, bis sich die Werte normalisiert haben; diese Kenntnis ist wichtig, damit nicht irrtümlich eine Muskelkrankheit oder Schädigung z. B. durch Statine angenommen wird [13]. Bei ausgeprägtem Muskelkater ist im Urin eine vermehrte Ausscheidung von Prolin und Hydroxyprolin nachweisbar als Zeichen für eine gesteigerte Bindegewebstransformation im Sinne von Heilungsprozessen [1], wobei vermutlich ischämische Faktoren [4] und freie Radikale [9] eine Rolle spielen.
Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen
Morphologie. Als feinstrukturelles Korrelat des Muskelkaters (= DOMS) lassen sich etwa 48–96 h nach exzentrischen Kontraktionen über eine halbe Stunde bei 8 km/ h in einem Laufrad Veränderungen am Z-Band in 20% der Sarkomere nachweisen: als geringste Schädigung eine Aufspaltung einzelner Z-Bänder, bei stärkerer Schädigung eine Zerrüttung und schließlich eine Auflösung des Z-Bandes über die gesamte Breite der Sarkomere [25]. Nach elektrischer Reizung in einem Dynamometer fiel die Muskelschädigung wesentlich stärker aus als nach einer Belastung mit z. B. 210 exzentrischen Kontraktionen, wenn auch der Muskelkater (DOMS) als gleich stark empfunden wurde: Die Desminreaktion vieler Muskelfasern war verloren gegangen. 40% der Z-Bänder waren zerrüttet, im Unterschied zu willkürlichen Kontraktionen, nach denen nur 10% der Z-Bänder geschädigt waren. Es kam zu einem Anstieg myogener Wachstumsfaktoren wie Myogenin und einem Anstieg der Satellitenzellmarker N-CAM und Pax-7 („paired-box transcription factor“). Das intramuskuläre Bindegewebe (Tenascin C) war unter beiden Versuchsbedingungen in gleicher Weise vermehrt [10]. Ob die myofibrillären Veränderungen allein oder in Kombination mit einem entzündlichen Prozess im Epimysium oder Veränderungen in der Faszie [12] zu den Muskelschmerzen führen, ist noch immer nicht geklärt. Auch eine Flüssigkeitsvermehrung im Sinne eines Ödems spielt eine Rolle. Jede Mikroverletzung ist vermutlich mit einem umschriebenen Ödem, entzündlichen Zellinfiltraten [17] und reaktiven Spasmen der umgebenden Muskelfasern verbunden, was wiederum zu Versteifungen und Schmerzen in der betroffenen Muskelgruppe führt.
Fibromyalgie Die „Fibromyalgie“ [15] ist keine eigenständige Krankheit, sondern wird als ein Syndrom mit Schmerzen in mehreren Körperregionen definiert, dessen Prävalenz in bevölkerungsbasierten Studien mit 1–5 und 7–11% angegeben wird. Klassifikation und Therapie des Beschwerdekomplexes sind zwischen den verschiedenen medizinischen Fachgebieten wie auch unter den Betroffenen umstritten [14]. Während anfangs von einem „Weichteilrheumatismus“ oder einer „generalisierten Insertionstendopathie“ die Rede war, sprechen andere von einem „rheumatologischen Krankheitskonstrukt“ in der Muskulatur und im Bindegewebe, bei dem zentralnervöse funktionelle Veränderungen vorliegen, muskelbioptisch aber keine charakteristischen Befunde zu erheben sind.
789
Anämischer Muskelinfarkt
Muskelkrämpfe (Crampi) Als Sekunden bis Minuten andauernde Funktionsstörung ohne bekanntes morphologisches Substrat sind die sog. Crampi (Muskelkrämpfe) anzusehen, die als schmerzhafte, unwillkürliche Kontraktionen umschriebener Muskelgruppen überwiegend in der Wade oder im Fußgewölbe, zumeist in der Nacht oder nach starker Belastung unter Hitze u. a. auftreten. Sie werden von intramuskulären Anteilen efferenter Axone ausgelöst und von hochfrequenten Aktionspotentialen begleitet, wobei afferente (spinale) Mechanismen (über die Muskelspindeln bzw. Dehnungsrezeptoren in Muskeln und Sehnen) beteiligt seien (Literatur s. [22]). Die Schwelle für die minimale elektrische Reizfrequenz ist bei disponierten Personen erniedrigt [21].
Muskelquetschung und Kältetrauma Durch eine Muskelquetschung kann es zu einer fokalen Nekrose kommen, in deren Nachbarschaft sich sog. Kontraktionsknoten aus kontrahierten Myofibrillen im angrenzenden Abschnitt der geschädigten Muskelfasern ausbilden. Der nekrotische Bezirk wird anschließend von „Entzündungszellen“ infiltriert und phagozytiert. Nachdem in den ersten 2 Tagen die Hauptteile des nekrotischen Materials abtransportiert worden sind, finden sich Zeichen einer regenerativen Aktivität. Ein Teil der „Entzündungszellen“ entsteht durch mitotische Teilung der Satellitenzellen an der Peripherie der Muskelfasern. Bereits 3–4 Tage nach einer Verletzung sind in diesen Zellen verschiedene Stadien der Myofibrillenneubildung zu erkennen. In der Nachbarschaft der Läsionen erscheinen die Kerne der Muskelfasern vergrößert; sie zeichnen sich durch einen großen Nukleolus aus. Anhaltspunkte für eine Neubildung von Kernen im perinukleären Sarkoplasma bestehen nicht; bisher sind keine Mitosen der Muskelfaserkerne, sondern nur Mitosen der Satellitenzellen beobachtet worden [31]. Die aus den Satellitenzellen entstandenen Myoblasten vermehren sich weiter mitotisch und bilden innerhalb von 3–4 Tagen nach der Verletzung durch Fusion vielkernige Myotuben, die sich wiederum durch Fusion der Plasmamembranen mit der geschädigten, präexistenten Muskelfaser verbinden [26–28]. Die Vermehrung der Muskelfaserkerne in den Sarkoplasmaknospen am Rand einer Schädigungszone ist durch Wanderung und nicht durch eine amitotische Kernvermehrung zu erklären, denn pro Millimeter finden sich schon normalerweise etwa 80–90 Kerne in einer Muskelfaser; davon gehört etwa 1/10 zu den Satellitenzellen. Wenn die Ausdehnung der Nekrose nicht zu groß ist, verbinden sich viele der auswachsenden Muskelknospen
der einen Seite innerhalb der ursprünglichen Basallamina mit denen der anderen Seite der Lücke, • so dass nach 3 Wochen ein großer Teil der Verletzung ausgeheilt ist. • Wenn die Kontaktführung durch die endomysialen Schläuche, d. h. durch die Basallaminae mit dem umgebenden endomysialen Bindegewebe, gestört ist, resultiert eine Beeinträchtigung der regenerierenden Muskelfasern. Mehrere Sprosse können sich durch die Lücke hindurch mit der Gegenseite verbinden. Wenn solche Fasern reifen, entsteht der Eindruck einer Aufsplitterung in Tochterfasern. Die erfolgreichen Zweige der Muskelknospen füllen sich mit Myofibrillen, während erfolglose Zweige degenerative Veränderungen zeigen und vakuolisiert werden (Abb. 36.1f), Kernpyknosen aufweisen und resorbiert werden [2]. • Nach 6 Wochen sind die neu gebildeten Muskelfasern im Mittel normal dick; doch ist die Abweichung der Faserdurchmesser vom Mittelwert erhöht, und zentrale Kerne sowie Aufsplitterungen und Verzweigungen bleiben als Zeichen einer vorausgegangenen Schädigung bestehen. Über positive Effekte von Stammzellen aus Synovialzellen nach einem experimentellem Kältetrauma berichten Meng et al. [20].
Muskelriss Muskelrisse treten am häufigsten auf nach stärkeren Belastungen untrainierter Personen oder bei heftigen Kontraktionen bestimmter Muskeln (Abb. 36.1e,f). Durch die Vorwölbung des Muskelbauchs bei einem Riss in der darüber gelegenen Faszie und im Epimysium können Muskelhernien entstehen, die sich als ein weicher elastischer Tumor unter der Haut bemerkbar machen [2].
Anämischer Muskelinfarkt Ein Infarkt des Skelettmuskels allein, ohne Gangrän, ist ausgesprochen selten, vermutlich wegen der reichlichen Versorgung des Muskels mit Kollateralgefäßen [3], kommt jedoch in seltenen Fällen, z. B. in Zusammenhang mit einem Diabetes mellitus vor [11]. Klinisch stehen ein plötzlicher Schmerz und eine Schwellung des infarzierten Muskels im Vordergrund. Mikroskopisch finden sich im ischämischen Herd nekrotische Muskelfasern mit zerfallenden Kernen und fragmentierten Myofibrillen. Auch die Kerne des Endomysiums gehen zugrunde, während das Bindegewebsgerüst aus Basallaminae und kollagenen Fasern erhalten bleibt (Abb. 36.1c,d). Auf die Nekrose folgen ein Ödem
790
Kapitel 36
Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen
a
b
c
d
e
f
36
Abb. 36.1 a Eosinophile Myositis. Im Interstitium und auf die Muskelfasern übergreifend stellenweise massive granulozytäre Infiltrate, die ganz überwiegend aus Eosinophilen bestehen (Vergr. 230:1). b Gleicher Fall wie in a. Muskelfasern in verschiedenen Stadien der Nekrose und Infiltration mit eosinophilen Granulozyten (Vergr. 430:1). c Tibialis-anterior-Syndrom. Musculus tibialis anterior eines 24-jährigen Mannes mit fraglicher Venenthrombose 16 Tage nach einem Trauma. Am Rand der Muskelnekrose Proliferation des endomysialen Bindegewebes mit zellreichen Kapillaren zwischen nekrotischen Muskelfasern; die Kerne der Letzteren sind aufgelöst
oder entfärbt. Am Bildrand links bereits myophagische Reaktionen (HE; Vergr. 128:1). d Gleicher Fall wie in c. Zwischen den nekrotischen Muskelfasern in einer hämorrhagischen Zone reichlich Erythrozyten. In 2 Fasern beginnende myophagische Reaktion (Sterne; Vergr. 300:1). e Muskelriss im M. vastus lateralis eines 22-jährigen Mannes ca. 1 Monat nach einem Trauma. Frustran gegen eine Barriere von Granulationsgewebe regenerierende Muskelknospen mit zahlreichen Kernen und Vakuolen (HE; Vergr. 104:1). f Gleicher Fall wie in e. Eine Muskelknospe mit zahlreichen Kernen, irregulär angeordneten Myofibrillen und einer Vakuole (Vergr. 416:1)
Literatur
des endomysialen Gewebes und später eine Invasion durch eine große Zahl neutrophiler Leukozyten und einiger Histiozyten. Die Zellinfiltrate treten zuerst an der Grenze zwischen nekrotischem und normalem Muskel auf. Es folgt eine massive Phagozytose der kontraktilen Substanzen der abgestorbenen Muskelfasern und eine Proliferation der Fibroblasten. Die neuen Muskelfasern wachsen entlang der endomysialen Schläuche vor und ersetzen die abgestorbenen in gleichem Maße wie diese aufgelöst und phagozytiert werden. Experimentellembolische Mikroinfarkte heilen bemerkenswert rasch (in ca. 1–2 Wochen) aus [29]. Detaillierte IschämieReperfusions-Experimente haben jedoch noch nach 56 Tagen eine verzögerte Wiederherstellung der Struktur und Funktion ergeben [34].
Die longitudinale Wachstumsgeschwindigkeit der regenerierenden Fasern wird mit 1–1,5 mm/Tag angegeben [2].
791
schluss zurückzuführen mit Infarktnekrose des Muskels und späterer Fibrose. Doch gibt es zahlreiche andere Ursachen für die Entstehung eines Schiefhalses (Schonhaltung, Affektionen der Halswirbelsäule, Tumoren des Nervensystems, psychogener Schiefhals, Dystonie im Sinne eines Torticollis spasmodicus etc.) [5]. Bemerkenswert häufig sind beim Torticollis spasmodicus die zur Therapie neurochirurgisch exzidierten dorsalen Halsnerven (zur Indikation s. [8, 16]) „degenerativ“ verändert, möglicherweise in Abhängigkeit von der vorausgehenden Botulinumtoxininjektion oder aufgrund einer Druckschädigung durch die Schiefhaltung [30].
Literatur 1. 2. 3.
Claudicatio intermittens In Muskelbiopsien aus den unteren Extremitäten von Patienten mit Claudicatio intermittens fanden sich vielfach hypertrophische, atrophische, nekrotische und phagozytierte Fasern sowie andere Formen mikroskopisch erkennbarer Faserdegenerationen nebeneinander. Der Schweregrad der pathologischen Veränderungen korrelierte mit dem klinischen Schweregrad der Claudicatio [18, 32].
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5. 6.
7. 8.
Ischämische (Volkmann-)Kontraktur Die sog. ischämische Volkmann-Kontraktur wird auf eine Unterbrechung der arteriellen Blutversorgung durch enge Bandagen oder Schienen zurückgeführt. Sie sei selten und träte nur bei 8 unter 21.000 Frakturen auf, würde dann aber häufig verkannt. Auch venöse Gefäßverschlüsse sind als Ursache diskutiert worden (Literatur s. [7, 29]); das gilt zweifellos für hämorrhagische Nekrosen. Am häufigsten ist der M. tibialis anterior betroffen. Der Muskel ist allseitig von Knochen bzw. Faszien umschlossen. Man spricht daher auch von einem Muskellogensyndrom (Abb. 36.1c,d).
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Tortikollis (Schiefhals) 13.
Auch der Tortikollis ist in seiner kongenitalen Form vermutlich auf einen arteriellen oder venösen Gefäßver-
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Kapitel 36
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Kapitel 37
Entzündliche Myopathien
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J.M. Schröder Inhalt Infektiöse Myositiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Fokale Myositis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Virusmyositiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Myositis orbitalis (Pseudotumor orbitae) . . . . . . .
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Bakterielle Myositiden . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Eosinophile Polymyositis . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Polymyalgia rheumatica . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Myositiden durch Parasiten . . . . . . . . . . . . . . .
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Granulomatöse und weitere Myositiden . . . . . . . . .
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Trichinose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Morbus Boeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sonstige Muskelparasitosen . . . . . . . . . . . . . .
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Proliferative Myositis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wahrscheinlich immunpathogenetische, „idiopathische“ Myositiden . . . . . . . . . . . . . . . .
Makrophagenmyofasziitis . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Polymyositis, Dermatomyositis und Einschlusskörpermyositis, interstitielle Myositiden . . . . . . . .
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W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_37, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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Kapitel 37
Unter den entzündlichen Erkrankungen der Skelettmuskulatur sind die infektiösen, durch Viren, Bakterien, Parasiten und andere Erreger bedingten von den wesentlich häufigeren, offenkundig nichtinfektiösen, im Rahmen von Autoaggressionskrankheiten oder anderen immunpathogenetischen Erkrankungen auftretenden Prozessen zu unterscheiden (Polymyositis, Einschlusskörpermyositis und Dermatomyositis; interstitielle Myositiden bei Vaskulitiden, Gefäß-Bindegewebs-Erkrankungen resp. Kollagenosen; fokale Myositis, Myositis orbitalis, eosinophile Myositis, Polymyalgia rheumatica u. a.). Außerdem sind seltene, granulomatöse Entzündungen und andere, mit entzündlichen Begleitphänomenen einhergehende Erkrankungen ungeklärter Ätiologie (proliferative Myositis) abzugrenzen, die zumindest histopathologisch wohldefiniert sind.
Infektiöse Myositiden
37
Die Skelettmuskeln sind relativ resistent gegenüber Infektionen, so dass z. B. bakterielle Infektionen erst auftreten, wenn eine Verletzung vorausgegangen ist [18]. Doch gibt es ein weites Spektrum von Erregern.
Virusmyositiden Neben zweifelsfrei durch Virusinfektionen ausgelösten Myositiden wie die Bornholm-Krankheit bzw. die Coxsackie-Virus-B-Infektion, die Influenza-, Zytomegalie-, HTLV- und HIV-Virusmyositis (Abb. 37.1a–c) gibt es solche, bei denen zwar elektronenmikroskopisch virusähnliche Korpuskel nachgewiesen worden sind, bei denen aber bis heute kein Virus durch Isolation, Immunfluoreszenz, wiederholte Tierpassagen oder Gewebekulturen identifiziert werden konnte, so bei: • Myositiden mit filamentösen Einschlüssen: – Myxoviren? [15] – Paramyxoviren? [28] • Myositiden mit granulären Einschlüssen: – Papovaviren? [7] – Picornaviren? [33]. Bei AIDS-Patienten ist bemerkenswert häufig (in 46% der Fälle nach etwa 2-jähriger Krankheitsdauer) eine Zytomegalievirusinfektion von Muskel und Nerv nachweisbar [16]; diese wird evtl. von einer neurogenen Muskelatrophie aufgrund der zytomegaliebedingten peripheren Neuropathie und oft zusätzlich von einer therapeutisch induzierten Myopathie durch Zidovudine (= Azidothymidin; AZT) [68] überlagert. Immunhistochemisch und durch die Polymerasekettenreaktion (PCR) konnte auch eine HTLV-1-Infektion und eine
Entzündliche Myopathien
kombinierte HIV- und HTLV-1-Infektion im Muskel nachgewiesen werden [23]. Auch die Kombination einer HIV-Infektion mit einer Einschlusskörpermyositis kommt vor [19]. Spätfolgen einer Poliomyelitisvirusinfektion werden als Postpoliomyelitissyndrom bezeichnet, das auf nachlassende Kompensationsmechanismen im Alter bei vorausgehender „Kinderlähmung“ zurückzuführen sein dürfte. Dabei handelt es sich nicht um eine Infektion des Muskels selbst, sondern um eine infektiöse Erkrankung vor allem der Vorderhörner des Rückenmarks, in deren Folge es zur Denervationsatrophie im Muskel kommt. Die zusammengerückten, hochgradig atrophischen, kernreichen Muskelfasern (Abb. 37.1d) dürfen dabei nicht mit einem entzündlichen Zellinfiltrat verwechselt werden.
Bakterielle Myositiden Das normale Muskelgewebe ist gegenüber einer bakteriellen Infektion resistent, so dass eitrige Myositiden selten sind. Auch hämatogene Abszesse bei Septikämie bzw. durch septische Emboli sind im Muskel im Unterschied zu den Abszessen in zahlreichen anderen Organen extrem selten. Andererseits können sich durchaus eitrige Myositiden in der Nachbarschaft eines Dekubitus oder infizierter Wunden entwickeln. Spritzenabszesse sind in der Regel auf Staphylokokken oder Streptokokken zurückzuführen [1]. Mikroskopisch findet sich im akuten Stadium eine eitrige Myositis mit einem Ödem und zelliger Infiltration vor allem durch neutrophile Leukozyten. Später treten zunehmend mehr Lymphozyten und Plasmazellen hinzu, vereinzelt auch eosinophile Leukozyten, außerdem Makrophagen, proliferierende Fibroblasten und Kapillaren. Der entzündliche Prozess kann sich phlegmonös als eitrige interstitielle Entzündung ausbreiten oder es kommt durch bindegewebige Kapselbildung zu einem Abszess, der gegenüber dem benachbarten Muskelgewebe abgegrenzt ist.
Sonderformen Als Sonderformen einer bakteriellen Myositis sind die tuberkulöse, die lepromatöse und syphilitische Myositis sowie die Myositis beim M. Whipple abzugrenzen. Als weitere bakterielle, durch anaerobe Clostridien ausgelöste schwere Erkrankungen mit Beteiligung des Skelettmuskels sind neben Gasbrand (Clostridium perfringens, Novyi et septicum), der Tetanus (Clostridium tetani) und der Botulismus (Clostridium botulinum) zu nennen.
Infektiöse Myositiden
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a
b
c
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Abb. 37.1a–c Nekrotisierende Myopathie, laut klinischen Angaben ca. 4 Wochen nach einem schweren Grippeinfekt („Influenzamyositis“). a Im HE-Präparat sind zahlreiche Muskelfasernekrosen (Pfeil) in annähernd gleichem Stadium der myophagischen Reaktion und Regeneration getroffen. Sie sind bemerkenswert gleichmäßig über den gesamten Muskelausschnitt verteilt. Die proliferierenden Satellitenzellen bilden die neuen Myoblasten und Muskelfasern; ihre starke Basophilie zeigt einen hohen Gehalt an Ribosomen an. Wesentliche perivaskulär-entzündliche mononukläre oder granulo-
Das Toxin des Clostridium tetani wirkt wahrscheinlich vorwiegend auf die Vorderhörner des Rückenmarks, das Toxin des Clostridium botulinum auf die neuromuskuläre Endplatte (s. unten).
Sowohl der Tetanus als auch der Botulismus sind aber im Unterschied zum Gasbrand nicht mit einer Myositis verbunden. Beide Erkrankungen sind auf Wirkungen des von den jeweiligen Clostridien unter anaeroben Bedingungen abgegebenen Toxins zurückzuführen.
zytäre Zellinfiltrate sind nicht vorhanden. b Die Saure-PhosphataseAktivität ist aufgrund der erhöhten myophagischen Aktivität stark erhöht. c In vielen nekrotischen Muskelfasern (Pfeile) ist das Sarkoplasma schon weitgehend aufgelöst und die Myophagen und Satellitenzellen oder Myoblasten erheblich vermehrt. d Postpoliomyelitissyndrom laut klinischen Angaben bei einem 67-jährigen Mann. Die große Zahl zusammengerückter Kerne in den alt-atrophischen Muskelfasern, deren Kerne pyknotisch (inaktiv) sind, darf nicht mit einem entzündlichen Zellinfiltrat verwechselt werden
Myositiden durch Parasiten Am häufigsten ist die durch einen Fadenwurm (Nematodenart), die Trichinella spiralis, verursachte Trichinose.
Trichinose Epidemiologie. Erkrankungen an Trichinose sind in Deutschland selten geworden, seit auf Virchows Betreiben (1877) die Trichinenschau gesetzlich obligat gewor-
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Kapitel 37
den ist. Dennoch traten im letzten Jahrhundert etwa in jedem Dezennium eine kleinere oder größere Epidemie auf (etwa 23 Erkrankungen pro Jahr) [50].
Das Wildschwein stellt derzeit das größte Infektionsreservoir für die Menschen dar [72].
Ätiologie, Pathogenese. Die Trichinen werden durch rohes, geräuchertes oder gesalzenes (nicht aber durch gekochtes oder gebratenes) Fleisch oral übertragen. Im Magensaft lösen sich die Kapseln auf. Im Darm entwickeln sich innerhalb von 2 Tagen die geschlechtsreifen Würmer, wobei die Weibchen mit 3–4 mm Länge größer sind als die 1,5 mm langen Männchen. Nach der Begattung dringt die Trichine in die Darmwand, von wo aus die Larven in die Chylusgefäße, in den Blutstrom und wieder in den Muskel gelangen. Weshalb die Trichinen bevorzugt in das Muskelgewebe eindringen, ist nicht geklärt.
37
Klinik. Die Inkubationszeit beträgt etwa 5–31 Tage. Im Erkrankungsfall kommt es zu einem rheumatismusähnlichen Muskelschmerz, typhusähnlicher gastrointestinaler Symptomatik und anderen Symptomen. Etwa 30% der Erkrankungen verlaufen tödlich. Morphologie. Die wichtigste Methode für die endgültige Diagnose ist der histopathologische Nachweis der eingedrungenen oder eingekapselten Trichinella-spiralisLarven im Skelettmuskel. Zusätzlich zu den üblichen histopathologischen Schnitten lassen sich auch Quetschpräparate vom Muskel verwenden. In der Regel sind Trichinenkonzentrationen von mehr als 1000/g Muskelgewebe tödlich [20]. Die Trichinen sind mikroskopisch an ihrer spiraligen Struktur gut zu erkennen. Sie werden von einer durch den Wirtsorganismus gebildeten Kapsel umhüllt, die im Verlaufe von Monaten verkalken kann. Dann sind die Trichinen bereits makroskopisch sichtbar. Um die Kapsel finden sich stellenweise geringfügige entzündliche Zellinfiltrate mit einzelnen Fremdkörperriesenzellen.
Beim Menschen bleibt die Larve lange Zeit am Leben; autoptisch sind lebende Larven noch 31 Jahre nach einer Infektion beobachtet worden.
Sonstige Muskelparasitosen Gelegentlich kann es zu einem Befall des Muskels durch besondere Sporozoen kommen (Sarkosporidien); die Erkrankung wird als Sarkosporidiose bezeichnet. Sie weist
Entzündliche Myopathien
Beziehungen zur Toxoplasmose auf. Auch die durch Trypanosomen auslösbare Chagas-Krankheit ist hier zu erwähnen [1].
Wahrscheinlich immunpathogenetische, „idiopathische“ Myositiden
Die idiopathischen Myositiden sind eine heterogene Gruppe von systemischen „rheumatischen“ Erkrankungen, die durch eine chronische Muskelschwäche und mononukleäre Zellinfiltrate im Muskel gekennzeichnet sind.
Zu dieser relativ häufigen Gruppe von Erkrankungen, die etwa 1/7 des üblichen muskelbioptischen Untersuchungsgutes ausmacht, gehören einerseits die Polymyositis, Dermatomyositis und Einschlusskörpermyositis sowie die interstitiellen Myositiden („Vaskulitiden“), die bei verschiedenen Kollagenosen als muskuläre Begleiterkrankung auftreten können, und andererseits seltenere Erkrankungen, die als fokale Myositis, Myositis orbitalis, eosinophile Myositis und Polymyalgia rheumatica bezeichnet werden.
Polymyositis, Dermatomyositis und Einschlusskörpermyositis, interstitielle Myositiden Klinik. Während die Patienten mit einer Einschlusskörpermyositis bioptisch zu diagnostizieren und durch signifikant häufigere asymmetrische und distale Muskelschwäche, Fallneigung und Atrophie gekennzeichnet sind, unterscheiden sich die verschiedenen anderen Myositiden klinisch signifikant nur durch wenige Symptome. Eine vorwiegend distale Lokalisation des Muskelbefalls schließt jedenfalls eine Polymyositis, die üblicherweise eher proximal lokalisiert ist, nicht aus [25]. Bei der Polymyositis und Dermatomyositis sei der serologische (immunogenetische) Autoantikörperstatus, der durch den Nachweis myositisspezifischer Antikörper bestimmt wird, zu einer Abgrenzung geeignet [37, 53, 70]: • Patienten mit Antiaminoacyl-tRNA-Synthetase-Autoantiköpern [Histidyl-(Jo1-), Alanyl-(PL12-), Isoleucyl-(OJ-), Threonyl-(PL7-), Glycyl-(EJ-) u.a. tRNASynthetasen] haben signifikant häufiger einen akuten Krankheitsbeginn, Arthritis, Fieber, eine interstitielle Lungenkrankheit mit Dyspnoe bei Anstrengungen, Arthritis, „Mechanikerhände“, sind HLA-DR-3- und -Drw-52-positiv, benötigen höhere Kortikoiddosen, erhalten häufiger Zytostatika und weisen eine höhere Sterberate auf.
Wahrscheinlich immunpathogenetische, „idiopathische“
• Patienten mit Antisignalrekognitionspartikel-(SRP-) Antikörpern sind durch ein abruptes Auftreten einer ausgeprägten Schwäche mit Zittern, Herzbeteiligung, Myalgien, positivem HLA-DRw 52 und häufig -Drw 5, Behandlungsresistenz mit schlechter Prognose und ebenfalls höhere Todesrate gekennzeichnet. • Patienten mit Anti-Mi-2-Antikörpern haben klinisch eine Dermatomyositis, häufig „V-Ausschnitt“- und „Schal“-Erytheme („rash“), Hautverdickungen, sind HLA-DR-7- sowie -DRw53-positiv und reagieren gut auf die Therapie. • Patienten mit Anti-MAS-Antikörpern haben klinisch eine Polymyositis und sind die einzigen, deren Myositis sich im Anschluss an eine alkoholische Rhabdomyolyse entwickelte und die einen insulinabhängigen Diabetes aufwiesen bei positivem HLA-B 60, -C 3, -DR 4 und –Drw 53. • Patienten mit Antikörpern gegen weitere Antigene (KJ, FER, JP u. a.) ließen sich bisher nicht einer bestimmten HLA-Gruppe zuordnen. • Allerdings haben die immunogenetischen Befunde noch keinen Eingang in die Routinediagnostik gefunden. Der Phänotyp und die Aktivierungsmarker der mononukleären Zellen im peripheren Blut unterscheiden sich bei der Polymyositis und der Einschlusskörpermyositis nicht, während bei der Dermatomyositis ein erhöhter Anteil von CD20+- und CD20+DR+- sowie ein verminderter Anteil an CD3+DR+- und TLiSA1+-Zellen vorkommt [56]. Bei klinisch aktiver Krankheit haben die Myositispatienten signifikant erniedrigte Anteile von CD8+Zellen und einen größeren Anteil mononukleärer Zellen, die mit Antikörpern gegen DR, CD3–DR, CD14–DR, Interleukin-2-Rezeptoren und die T-Zell-Spätaktivierungsmarker CD26 und TLiSA1 reagieren. Bei verminderter Krankheitsaktivität ist der Anteil der Zellen reduziert, die MHC-Klasse-II-Antigene und den späten T-Zell-Aktivierungsmarker aufweisen. Die Einschlusskörpermyositis sei die häufigste entzündliche Muskelkrankheit im Alter über 50 Jahren [3], während im eigenen Untersuchungsgut Vaskulitiden unterschiedlicher Art mit Abstand an erster Stelle stehen. Die Erkrankung ist in der Regel langsam progredient [63] und nicht mit malignen Neoplasmen korreliert. Das männliche Geschlecht ist bevorzugt betroffen. Es besteht eine starke Assoziation mit Allelen der HLA-DR und -DQ-Haplotypen und häufig mit anderen Autoimmunerkrankungen [48, 49]. Hauptsymptom ist die Schwäche ohne Schmerzen. Eine Dysphagie ist nur bei einzelnen Fällen beobachtet worden. Hautveränderungen oder andere Zeichen einer Gefäß-Bindegewebs-Erkrankung oder immunologischen Veränderungen kommen nicht vor und Kortikoide sind in der Regel unwirksam [13]. Morphologische Aspekte. Polymyositis: Histopathologisch ist diese durch mononukleäre Zellinfiltrate und
797
eine Invasion nichtnekrotischer Muskelfasern durch derartige Zellen sowie eine Nekrose mit oder ohne Regeneration von einzelnen Muskelfasern innerhalb der Faszikel (nicht perifaszikulär) charakterisiert [13]. Viele Infiltratzellen sind immunreaktiv für Lymphotoxin, einige auch für Perforin und Fas-Liganden [22, 52]; mononukleäre Zellen im umgebenden Endomysium sind hauptsächlich positiv für Lymphotoxin-mRNA und CD4, während Zellen, die nichtnekrotische Muskelfasern infiltrieren, zwar ebenfalls Lymphotoxin-mRNA enthalten, aber CD8-positiv sind. Die Polymyositis ist im Unterschied zur Dermatomyositis nicht mit einer Verminderung der Zahl der Kapillaren verbunden, und in den Endothelien sind keine „undulierenden Tubuli“ zu finden. Dermatomyositis: Im Unterschied zur Polymyositis ist die Dermatomyositis muskelbioptisch nicht nur durch entzündliche Infiltrate aus B-Zellen, T-Helfer-Zellen und dendritischen Zellen [54] (Abb. 37.2a), sondern auch durch ein abnormes Kapillarnetz mit aktiver Destruktion der Gefäße charakterisiert [13]. Kapillaren exprimieren den Membranattackenkomplex C5b-9 der Komplementkaskade [27]. Nahezu alle Fälle haben elektronenmikroskopisch nachweisbare „undulierende Tubuli“ in den Endothelzellen. Die Dermatomyositis tritt im Kindesalter, aber auch im Erwachsenenalter auf, häufiger bei Frauen als bei Männern. Im Kindesalter fällt häufig ein perifaszikuläres Muster der Muskelfaseratrophien auf [11]. Die herdförmige Verteilung der Muskelfaserschäden spricht für progressive Ischämieffekte. Auch die bei älteren Patienten in Zusammenhang mit malignen Tumorerkrankungen auftretende Dermatomyositis weist derartige Veränderungen auf [31]. In manchen kindlichen Dermatomyositisfällen tritt eine massive Calcinosis cutis auf, so dass die Patienten wie in einem Panzer eingeschlossen erscheinen [34]. Nicht alle Patienten mit Hautveränderungen müssen myopathische Symptome aufweisen [65]. Einschlusskörpermyositis: Demgegenüber finden sich bei der sporadischen Einschlusskörpermyositis („sporadic inclusion body myositis“ = sIBM) Makrophagen, dendritische Zellen und CD8+-zytotoxische T-Zellen, die nichtnekrotische, MHC-I-Klasse-Antigen exprimierende Muskelfasern umgeben und diese segmental infiltrieren (Literatur s. [54]). Die Basallamina der Muskelfasern bleibt hier überwiegend erhalten, sogar wenn die Muskelfasern an dieser Stelle aufgespalten sind. Die geschädigten Muskelfasern enthalten, wenn auch nicht immer [14], verschiedenartige abnorme Einschlüsse: 1. Zusammen mit autophagischen Vakuolen oder unabhängig davon kommen charakteristische intranukleäre oder/und intrasarkoplasmatische tubulofilamentöse Einschlüsse mit einem Durchmesser von 15–21 nm vor [12, 57]. Diese tubulofilamentösen Strukturen sind typischerweise irregulär, wirr, manchmal aber auch parallel zueinander angeordnet und weisen ein helles Zentrum auf. Sie sind allerdings nicht völlig spezifisch; denn sie sind vereinzelt auch einmal
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Kapitel 37
Entzündliche Myopathien
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Abb. 37.2 a Dermatomyositis. M. biceps brachii eines 59-jährigen Mannes. Ausgeprägte perivaskuläre und endomysiale mononukleäre Zellinfiltrate mit Schädigung, Infiltration oder Atrophie einzelner benachbarter Muskelfasern. Die Zahl der Kapillaren zwischen den Muskelfasern ist fokal reduziert (Vergr. 150:1). b Interstitielle Myositis im M. quadricpes eines 66-jährigen Patienten. Spärliche perivaskuläre mononukleäre Zellinfiltrate, stellenweise auch zwischen den Muskelfasern. Letztere sind aber nur vereinzelt geschädigt, aber nicht von Lymphozyten infiltriert. Perizyten um das Gefäß im Bild unten rechts sind z. T. pyknotisch (Vergr. 480:1). c Granulomatöse Myositis bei M. Boeck. Im Interstitium ein Granulom mit spärlichen Lymphozyten, einzelnen Plasmazellen und reichlich Epitheloidzellen; einzelne mehrkernige Riesenzellen vom Langhans-Typ sind durch Pfeile gekennzeichnet (Vergr. 260:1). d Lym-
phoblastisches Lymphom. 5-jähriges Mädchen mit multiplen bläulichen subkutanen Herden und Muskelschmerzen. Interstitielle Infiltrate aus lymphoblastischen Zellelementen mit recht unterschiedlich großen und verschieden dichten Kernen zwischen gut erhaltenen Muskelfasern (Vergr. 240:1). e Hämangiom vom gemischten Typ mit kleinen und großen Gefäßen in der Oberschenkelmuskulatur eines 8-jährigen Mädchens. Zwischen dissoziierten Muskelfasern unterschiedlich große Blutgefäße, reichlich Fettzellen und mehrere große Lymphfollikel (Vergr. 58:1). f Embryonales Rhabdomyosarkom in der Orbita eines 6-jährigen Jungen. Ausgeprägte Zellpolymorphie mit überwiegend länglichen oder spindelförmigen Zellen, oft in Zügen verschiedener Richtung angeordnet. Vereinzelt mehrkernige Tumorzellen. Querstreifung nur elektronenmikroskopisch nachweisbar (Vergr. 330:1)
Wahrscheinlich immunpathogenetische, „idiopathische“
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unter anderen Bedingungen zu beobachten, so z. B. in Kernen bei der myotonischen Dystrophie [24], beim systemischen Lupus erythematodes u. a. Außerdem sind Ansammlungen paarig-helikal umeinander gewundener Filamente (PHF) analog zu den Neurofibrillen bei der Alzheimer-Krankheit nachweisbar, die licht- und immunelektronenmikroskopisch mit AT8-Antikörpern reagieren und die deshalb als phosphoryliertes Tau interpretiert werden [4]. Zudem finden sich intrazellulär 6–10 nm dünne Amyloid-ähnliche Fibrillen oder amorphes oder flockiges Material, das mit Antikörpern gegen Aβ-AmyloidVorläufer-Protein reagiert, speziell mit der Aβ42-Form des Peptids, dem eine wichtige Bedeutung in der Pathogenese der sIBM zukäme [74]. Allerdings lässt sich Aβ-Amyloid auch bei der experimentellen Chloroquin-Myopathie nachweisen, die gleichfalls mit der Bildung autophagischer Vakuolen mit myelinähnlichen Phospholipid-Ausfällungen verbunden ist [44]. Demnach ist dies ebenfalls ein unspezifisches Phänomen. Außer diesem Protein und phosphoryliertem Tau sind α1-Antichymotrypsin und Apolipoprotein E nachweisbar, dessen allelischen Varianten allerdings keine genetische Schlüsselfunktion in der weiterhin unklaren Ätiologie der sIBM zukommt [36]. Das gilt auch für die Anhäufung von TDP-43, einem nukleären Protein, dem eine regulatorische Rolle bei der Genexpression zugesprochen wird [51, 75] und das zuerst in neuronalen Einschlüssen bei der ALS sowie bei der temporofrontalen lobären Demenz oder der Kombination aus beiden gefunden worden ist, aber auch in den Vakuolen verschiedener anderer hereditärer Myopathien vorkommt, so bei der hIBM, der okulopharyngealen Muskeldystrophie und der distalen Myopathie mit „rimmed vacuoles“ (s. dort). Weiter ist LAMP-2 in den Vakuolen der Einschlusskörpermyositis nachweisbar; dieses ist aber ebenso bei der distalen Myopathie mit „rimmed vacuoles“ überexprimiert [73]. Die Vakuolen in den Muskelfasern würden von der Kernmembran ihren Ursprung nehmen, wobei das nukleäre Histon H1 von Bedeutung sei [59]. Bei der Desintegration der Kerne und der Vakuolenbildung würde auch Lamin A und Emerin eine Rolle spielen [29]. Ungeklärt ist, wie unspezifisch die verschiedenen Substanzen sind, die sich in solchen autophagischen Vakuolen anhäufen. Das gilt auch für Prionproteine. Die Vakuolen erscheinen nur in histochemischen und Paraffinpräparaten als leere Vakuolen; in optimal für die Elektronenmikroskopie fixierten Präparaten enthalten die Vakuolen membranöse („Myelin-ähnliche“) zytoplasmatische Körperchen („membranous cytoplasmic bodies“ = MCBs), die enzymhistochemisch Saure-Phosphatase-positiv reagieren und somit einem allgemeinen, nämlich dem lysosomalen Abbausystem der Zellen zuzuordnen sind (Autophagolysosomen) [8, 57, 61].
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7. In unmittelbarer Nachbarschaft der autophagischen Vakuolen kommen in den Muskelfasern mit einiger Regelmäßigkeit abnorme Mitochondrien mit parakristallinen Einschlüssen vor [57, 62, 69]. Nicht zum typischen Bild der Einschlusskörpermyositis gehören degenerierende Kapillaren und tubuloretikuläre Strukturen („undulierende Tubuli“) in den Endothelien, wie sie für die Dermatomyositis charakteristisch sind; sie sind bisher nur bei einem 83-jährigen Patienten mit IBM gefunden worden [47]. Die Zahl der Kapillaren ist, wenn auch nicht immer, vermehrt. In der Regel sind neurogene Muskelfaseratrophien aufgrund einer begleitenden peripheren Neuropathie vorhanden [42, 69]. Ätiologie, Pathogenese. Zahlreiche Befunde sprechen dafür, dass bei der Polymyositis, Dermatomyositis und sporadischen Einschlusskörpermyositis (sIBM) gestörte Immunmechanismen im Sinne einer Autoaggressionskrankheit eine Rolle spielen. Die häufig positive Reaktion auf eine Behandlung mit Kortikosteroiden und Immunosuppressiva zumindest bei der Dermatomyositis und der Polymyositis, wenn auch nicht bei der sIBM, sowie der gelegentliche Zusammenhang mit Gefäßbindegewebskrankheiten (Kollagenosen) unterstützten diese Hypothese. Vermutlich werden Autoantigene durch MHC-Klasse-I-Moleküle an der Oberfläche von Muskelfasern präsentiert und von T-Zell-Rezeptoren auf zytotoxischen T-Zellen erkannt. Die Identität der postulierten Autoantigene ist jedoch nicht bekannt. Bestimmte Haplotypen humaner Leukozytenantigene (HLA) sowie Polymorphismen in T-Zell-Rezeptorgenen hätten einen Einfluss auf die individuelle Suszeptibilität. Gleiches gilt für Polymorphismen in den Genen bestimmter Zytokine [70]. Die experimentelle Reproduktion eines myositischen Prozesses mit Lymphozyteninfiltraten nach Immunisierung mit heterologem Muskelgewebe zusammen mit Freund-Adjuvans [21] und der Nachweis, dass Lymphozyten dieser Tiere [46] und von Patienten mit Polymyositis in Gewebekulturen Muskelgewebe zerstören [38] sowie die Übertragbarkeit dieser experimentell allergischen Polymyositis durch Lymphozyten aus dem Ductus thoracicus auf normale Ratten des gleichen Stammes sind Anhaltspunkte dafür, dass zumindest der Polymyositis ein zellgebundener Immunmechanismus zugrunde liegt. Nach bisher nicht bestätigten Experimenten wirkt als Auslöser der experimentell allergischen Myositis zumindest bei dem SJL/J-Mäusestamm die sog. Myosin-B-Fraktion von Kaninchenmuskeln, die Aktin, Myosin, Tropomyosin und viele andere Proteine enthält, zusammen mit Freund-Adjuvans [55]. Diese Form der Myositis könne auf gesunde Mäuse durch Injektion von Serum-IgG übertragen werden. Bei der sIBM werden pathogenetisch persistierende klonale Restriktionen des T-Zell-Rezeptors, nämlich der
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VE6-Gen-Familie, in der CDR3- determinierenden Region der autoinvasiven CD8+-T-Zellen als Ursache der anhaltenden entzündlichen Infiltrate diskutiert [3]. Genetische Einflüsse, Geschlechtsunterschiede, virale Mechanismen und Alterseffekte spielen ebenfalls eine Rolle [60]. Analogien des in den Muskelfasern nachweisbaren Amyloids mit dem Amyloid bei der Alzheimer-Krankheit [5, 6] lassen weniger an eine immunogenetische als an eine „degenerative“ Ursache der sIBM denken. Eine zur Alzheimer-Krankheit analoge, spezifische Bedeutung von Apolipoprotein-H-(APOE-)Allelen als Ursache einer möglichen erhöhten Suszeptibilität gegenüber der sIBM ist diskutiert, aber inzwischen ausgeschlossen worden, wenn auch ein statistisch nicht signifikanter Trend zu einem früheren Krankheitsbeginn vorzuliegen scheint [60]. Interstitielle Myositis: Im Unterschied zu diesen 3 verschiedenen „idiopathischen“ Myositisformen sind die sog. interstitiellen Myositiden durch perivaskuläre entzündliche Zellinfiltrate gekennzeichnet, die nicht auf die Muskelfasern übergreifen und somit auf das Interstitium begrenzt sind (Abb. 37.2b). Sie sind in der Regel nichtmuskelspezifischen Autoimmunerkrankungen zuzuordnen, namentlich dem systemischen Lupus erythematodes, dem rheumatischen Fieber, der rheumatoiden Arthritis, der progressiven Sklerodermie, der Polyarteriitis nodosa, dem Sjögren-Syndrom usw. In einer Zusammenstellung von Peter [64] sind 20 primäre und 24 sekundäre Vaskulitiden aufgeführt, bei denen die Muskulatur allein betroffen oder im Sinne einer „interstitiellen Myositis“ beteiligt sein kann. Die interstitiellen Zellinfiltrate bestehen überwiegend aus perivaskulären mononukleären Zellen, vorwiegend Lymphozyten, Monozyten und Plasmazellen (siehe auch „Vaskulitiden“ in Kap. 25).
Fokale Myositis Unter dieser Bezeichnung wird eine klar von der Myositis ossificans und der proliferativen Myositis abgrenzbare klinisch-pathologische Krankheitseinheit bezeichnet, die durch einen benignen entzündlichen Pseudotumor des Skelettmuskels charakterisiert ist. Histopathologisch finden sich lymphozytäre Infiltrate in den perimysialen und endomysialen Spalträumen, disseminierte Fasernekrosen und -regenerationen sowie in fortgeschrittenen Stadien eine interstitielle Fibrose. Der Prozess bleibt auf eine einzelne Region begrenzt, Zeichen einer Systemerkrankung werden nicht beobachtet. Makroskopisch können Verwechslungen mit Tumoren vorkommen. Der Prozess rekurriert nicht. Die Ätiologie ist unklar [39–41, 45].
Entzündliche Myopathien
Myositis orbitalis (Pseudotumor orbitae) Der entzündliche Prozess ist hier auf die äußeren Augenmuskeln begrenzt [17]. Meistens sind auch Gewebsanteile der Orbita befallen, einschließlich des Fettgewebes, der Muskelhüllen, der extraokulären Nerven und des N. opticus, gelegentlich sogar die Sklera und die uvealen Anteile des Auges. Histopathologisch kommt es darauf an, den gutartigen entzündlichen Pseudotumor von den nach eigenen Erfahrungen unter den Orbitatumoren keineswegs seltenen primären malignen Lymphomen der Orbita zu unterscheiden. Wenn (eosinophile) Granulozyten und Plasmazellen im Zentrum des Prozesses zu finden sind, ist eher ein Pseudotumor als ein malignes Lymphom anzunehmen. Differentialdiagnostisch ist an eine eosinophile Myositis orbitalis beim Churg-Strauß-Syndrom [32] und an eine hyperthyreotische Ophthalmoplegie zu denken, wobei Letztere auch mit lymphatischen Zellinfiltraten in der Orbita einhergehen kann und pathogenetisch von der Myositis orbitalis schwer abgrenzbar ist [67]. Zudem ist eine Lähmung des 6. Hirnnerven auszuschließen [30].
Eosinophile Polymyositis Ungewöhnlich zahlreiche Muskelfasernekrosen und regenerierende Fasern mit massenhaft eosinophilen Granulozyten (Abb. 36.1a,b) finden sich gelegentlich ohne irgendeinen Hinweis auf eine parasitäre Erkrankung beim sog. „hypereosinophilen Syndrom“ [67], das zumindest in einem Teil der Fälle auf eine Tryptophanmedikation zurückzuführen ist [9] (s. S. 586). Doch ist eine eosinophile Myositis auch im Frühstadium einer J-Sarkoglykanopathie beobachtet worden [10], gelegentlich auch bei der Calpainopathie und der Muskeldystrophie vom Becker-Typ.
Polymyalgia rheumatica Dieses nosologisch unklare Krankheitsbild wird heute als ätiologisch ungeklärte entzündliche, gut auf Kortikoide ansprechende, somit gutartige, verschiedene Organe befallende Erkrankung des Präseniums und Seniums angesehen, die häufig mit einer klinisch inapparenten oder manifesten Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis, entzündliches Aortenbogensyndrom) einhergeht. Muskelbioptisch sind in aller Regel keine entzündlichen Gefäßveränderungen nachweisbar, weil nur größere Blutgefäße als die im Muskel vorhandenen betroffen sind; doch kommen ausgeprägte perikapilläre Basallaminaverdickungen sowie eine selektive Typ-2- (manchmal nur 2B)-Faseratrophie vor [26, 67] (s. Tabelle 31.4, S. 735).
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Granulomatöse und weitere Myositiden Grundsätzlich können alle granulomatösen Entzündungsprozesse auf den Muskel übergreifen; die tuberkulöse, die lepromatöse und die syphilitische Myositis wurden bereits bei den bakteriellen Myositiden erwähnt. Ebenso sind Pilzgranulome und eine Myositis beim M. Whipple zu nennen.
Morbus Boeck Doch gibt es eine nicht durch bekannte Erreger ausgelöste granulomatöse Myositis, die durchaus und manchmal sogar bevorzugt den Muskel befällt: Das BoeckSarkoid (Sarkoidose; Boeck-Besnier-Schaumann-Krankheit) ist charakterisiert durch die Bildung knötchenförmiger oder plaqueähnlicher Herde unter anderem auch im Muskel. Die Sarkoidose des Muskels ist relativ häufig, doch kann sie klinisch inapparent verlaufen. Die Läsionen sind spärlich verteilt, so dass Serienschnitte erforderlich sein können, um ein Granulom nachzuweisen. Neben asymptomatischen Formen und Formen mit tastbaren Knötchen gibt es Myopathien mit oder ohne Beteiligung anderer Organe [1]. Histopathologisch bestehen die typischen Granulome aus gut abgegrenzten Knötchen mit Histiozyten und Epitheloidzellen, die von Bindegewebe umgeben sind. Eine Lymphozyteninfiltration ist in der Regel vorhanden, aber geringfügig. Langhans-Riesenzellen sind häufig, aber Verkäsungsherde, wie sie bei der Tuberkulose gefunden werden, und Tuberkelbazillen sind nicht nachweisbar [43]. Die Mehrkernigkeit der Riesenzellen ist manchmal recht unscheinbar. Die Granulome liegen im Bindegewebe des Muskels und verdrängen die Muskelfasern (Abb. 37.2c). Degenerative Muskelfaserveränderungen sind nur gelegentlich nachweisbar.
Proliferative Myositis Ähnlich der Fasciitis nodularis findet sich auch im Muskelgewebe ein ähnlicher Prozess, der ein tumorartiges Wachstumsmuster aufweist [43]. Es finden sich • fibroblastenähnliche Zellelemente, die meist spindelförmig gestaltet oder sternförmig verzweigt sind, und • charakteristische große Zellen, einkernige oder doppelbzw. mehrkernige Riesenzellen mit breitem, deutlich basophilen Zytoplasma und einem Kern, der bei relativ heller Chromatinstruktur einen meist prominenten Nukleolus aufweist („ganglioide Zellen“). Derartige Zellen sind als Myofibroblasten zu deuten [66].
Monströse Riesenzellen kommen nicht vor, Mitosen nur ganz vereinzelt. Auffällig sind perivaskulär akzentuierte Lymphozyteninfiltrate, die bei den verschiedenen Fällen in wechselnder Zahl auftreten. Die interzelluläre Grundsubstanz zeigt im PAS-Astrablaupräparat eine deutliche Blaufärbung als Zeichen einer ausgeprägten Schleimbildung. Es sind sowohl neutrale als auch saure Mykopolysaccharide vermehrt. In der Peripherie ist gelegentlich eine Zone osteoiden Gewebes mit guter Differenzierung und organoidem Aufbau zu erkennen (vgl. Abbildung in [67]). Eine histogenetische Ableitung der charakteristischen Zellen, insbesondere der Riesenzellen, aus Myoblasten ist bisher nur vermutungsweise möglich [71]. Andere Autoren nehmen einen fibroblastischen Ursprung an. Wie bei der nodulären Fasziitis werden auch Myofibroblasten als typische Zellkomponenten diskutiert [76]. Eine kombinierte Vimentin- und alpha-S-Aktin-Expression ist immunhistochemisch in den Zellen nachweisbar [2]. Der Prozess ist gutartig und kommt von selbst zum Stillstand. Wichtig ist vor allem die Abgrenzung gegenüber einem mehr oder weniger differenzierten Sarkom, das radikal operiert werden müsste. Pathogenetisch sollen Traumen eine Rolle spielen.
Makrophagenmyofasziitis Diese tritt als Impfreaktion vor allem bei Säuglingen, aber auch bei Erwachsenen auf. Histopathologisch sind Makrophagen vor allem im Perimysium nachweisbar, die für Aluminium typische Spiculae enthalten. Die Infiltrate werden offensichtlich durch das manchen Impfstoffen beigefügte Aluminiumhydroxid verursacht. Doch gibt es auch eine generalisierte Form mit Symptomen ähnlich dem „Chronic-fatigue“-Syndrom“ [35]. Sie ist außerdem in Verbindung mit einer Merosinopathie und einer Dystrophinopathie beobachtet worden [58].
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J.M. Schröder Inhalt Tumoren der Skelettmuskelfasern . . . . . . . . . . . . .
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Granularzelltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rhabdomyome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Alveoläre Weichteilsarkome . . . . . . . . . . . . . . .
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Rhadomyosarkome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tumoren des interstitiellen Gewebes . . . . . . . . . . .
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Juveniles Rhabdomyosarkom . . . . . . . . . . . . .
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Hämangiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Embryonales Rhabdomyosarkom . . . . . . . . . . .
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Desmoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Adultes Rhabdomyosarkom . . . . . . . . . . . . . .
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Metastasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_38, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
806
Kapitel 38
Unter den Muskeltumoren sind die Tumoren der Muskelzellen selbst von Tumoren des interstitiellen Binde-, Gefäß-, Fett- und Nervengewebes (ausführliche Darstellung siehe [4, 28] sowie von den hier extrem seltenen Metastasen zu unterscheiden. Obwohl die Skelettmuskulatur etwa 45% des Körpergewichts ausmacht, ist die Zahl der vom quergestreiften Muskelgewebe selbst ausgehenden Tumoren unverhältnismäßig gering. Unter 83.000 Biopsien wurden nur 30 Tumoren gezählt, die von der Skelettmuskulatur ausgegangen waren [18]. Andererseits zählen maligne Tumoren mit quergestreiften Muskelfasern (Rhabdomyosarkome), wenn man auch die hinzurechnet, die nicht in der Skelettmuskulatur entstehen, zu den häufigsten bösartigen Tumoren des mesenchymalen Gewebes im Alter unter 15 Jahren.
Tumoren der Skelettmuskelfasern
38
Unter den Tumoren der quergestreiften Skelettmuskelfasern lassen sich die seltenen benignen Rhabdomyome von den malignen Rhabdomyosarkomen unterscheiden. Ob auch die Granularzelltumoren („Granularzellmyoblastome“) hierher gehören, ist umstritten; sie wurden zeitweise als Abkömmlinge von Schwann-Zellen angesehen. Gleiches gilt für die „malignen Granularzelltumoren“, die auch als alveoläre Weichteilsarkome bezeichnet werden, doch sind sie nach molekulargenetischen Untersuchungen myogenen Ursprungs (s. unten).
Rhabdomyome Die Rhabdomyome bilden eine sehr seltene Gruppe benigner Tumoren, die nur ausnahmsweise dort zu finden sind, wo man sie eigentlich erwartet, nämlich in der Skelettmuskulatur [1, 8]. Sie können vorkommen in der Lippe, in der Zunge, im weichen Gaumen, in der Nackenmuskulatur und im Herzen, hier öfter im Rahmen der tuberösen Sklerose, sowie an Stellen, die zum Teil gar kein quergestreiftes Muskelgewebe enthalten, so in Blase, Niere, Hoden, Prostata, Vagina, wahrscheinlich im Uterus, im Gastrointestinaltrakt, im Ösophagus und im Nasen-Rachen-Raum. Außerdem sind sie gelegentlich in Teratomen zu finden. Histopathologisch sind sie durch unterschiedlich gestaltete und verschieden große Zellen charakterisiert, die im Bereich differenzierter Areale Bündel parallel ausgerichteter oder verflochtener quergestreifter Muskelfasern enthalten [12, 17, 25]. Eine Sonderstellung nehmen die kongenitalen Rhabdomyome des Herzens ein, die als Missbildungstumoren aufzufassen und auf Mutationen im TSC1-Gen zurückzuführen sind [26]. Sie sind durch
Tumoren
große Zellen mit vakuolisiertem Zytoplasma charakterisiert, wobei die Vakuolen durch die Herauslösung umfangreicher Glykogenanhäufungen während der üblichen histologischen Bearbeitung entstehen. Quergestreifte Myofibrillen sind gelegentlich konzentrisch um den Kern herum oder zwischen den Vakuolen angeordnet („Spinnenzellen“) [1].
Rhadomyosarkome Die Rhabdomyosarkome gelten als die häufigsten bösartigen Tumoren der Weichteilgewebe von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen [28]. Elektronenmikroskopische [15], molekulargenetische und immunhistochemische Untersuchungen helfen bei der Differenzierung [3, 9]. Für die Lokalisation gilt das Gleiche wie für die Rhabdomyome, d. h., sie kommen auch an Stellen vor, an denen keine quergestreiften Muskelfasern vorhanden sind. Vermutlich entstehen sie aus undifferenzierten Mesenchymzellen. Alters- und Geschlechtsverteilung. Eine Untersuchung von Kindern ergab eine doppelgipflige Altersverteilung: ein Gipfel kurz nach der Geburt und ein weiterer zwischen dem 15. und 19. Lebensjahr. Der 1. Gipfel beruht vorwiegend auf Tumoren im Bereich des Kopfes, des Nackens und des Urogenitaltrakts; der Gipfel im späten Adoleszentenalter ist demgegenüber auf Tumoren der Hoden und benachbarter Strukturen zurückzuführen. Rhabdomyosarkome des Magens sind sehr selten und überzufällig häufig mit einem Adenokarzinom des Magens kombiniert [11]. Die Geschlechtsverteilung beträgt bei Tumoren des Urogenitaltraktes 2,0 (M/F) und bei den Rhabdomyosarkomen im Kopf-Nacken-Bereich 1,2. An den Extremitäten scheint die Häufigkeit in Relation zur Muskelmasse zu stehen [19]. Klassifikation. Die Rhabdomyosarkome lassen sich in eine embryonale, eine alveoläre und eine pleomorphe Tumorform einteilen, wobei das juvenile Rhabdomyosarkom dem embryonalen und alveolären Typ und das adulte dem pleomorphen Rhabdomyosarkom entspricht. Allerdings kommen embryonale Formen auch im Erwachsenenalter vor [27]. Morphologie. Das makroskopische Erscheinungsbild der Rhabdomyosarkome ist uncharakteristisch und durch den anatomischen Sitz bestimmt. Sie wachsen diffus infiltrierend, haben auf der Schnittfläche eine grauweißliche Farbe und eine je nach Fasergehalt unterschiedlich feste Konsistenz. Submukös in Hohlorganen wachsende Tumoren, so z. B. im Urogenitaltrakt, im Gal-
807
Tumoren der Skelettmuskelfasern
lengang, im Pharynx, in der Nasenhöhle, in der Orbita und im Hörkanal, können traubenförmig-polypös wachsen; das hat zu der Bezeichnung botryoides Sarkom geführt. Prognose. Der juvenile und der adulte Typ des Rhabdomyosarkoms unterscheiden sich zwar im Hinblick auf die Lokalisation und das histologische Erscheinungsbild, kaum jedoch hinsichtlich der Malignität. Beide führen in der Regel zum Tod. Metastasen sind zum Zeitpunkt der Diagnose bereits in etwa 20% der Fälle vorhanden [28]. 74 von 94 Patienten mit einem alveolären Rhabdomyosarkom sind während des ersten Jahres gestorben, meistens mit Metastasen in den regionalen Lymphknoten und in der Lunge [10]. Als wichtigstes prognostisches Kriterium des alveolären Rhabdomyosarkoms gilt das Alter der Patienten und eine Lymphknotenmetastasierung [23]. Entsprechend zeigt der embryonale Typ des Rhabdomyosarkoms einen frühen Mortalitätsgipfel – besonders früh, wenn der Tumor im Bereich des Urogenitaltrakts auftritt (im Vergleich zur primären Lokalisation am Kopf und im Nacken). Die mittlere Überlebenszeit betrug 8 3/4 Monate.
Juveniles Rhabdomyosarkom Morphologisch ist diese Form des Rhabdomyosarkoms durch ein alveoläres oder embryonales Wachstumsmuster gekennzeichnet (in Hohlorganen auch traubenförmigpolypös, „botryoid“, wachsend). Die alveolären Rhabdomyosarkome bestehen aus differenzierten Rhabdomyoblasten und multinukleären Riesenzellen mit randständigen Kernen. Solide und medulläre Anteile eines undifferenzierten Tumors können malignen Lymphomen ähneln, was etwa bei der Hälfte der Fälle vorkommt. Charakteristisches diagnostisches Kennzeichen ist das pseudoalveoläre Wachstumsmuster. In der Mehrzahl der Fälle ist es vorhanden; doch gelegentlich wird es durch eine ausgedehnte Fibrose überlagert, die zu einem dichten, schwammartigen Netzwerk hyalinisierter fibröser Gewebsteile führt. Ein solides Wachstumsmuster geht vermutlich dem pseudoalveolären voraus. Weniger charakteristisch, wenn auch wichtig für die Diagnose, ist das Vorkommen differenzierter Myoblasten mit einem fibrillären oder feingepunktelten, intensiv eosinophilen Zytoplasma. Rhabdomyoblasten mit klar erkennbarer Querstreifung sind nur bei 1/3 der Fälle nachweisbar. Chromosomale Translokationen t(2;13) (q35;35; q14) und das Genfusionsprodukt PAX3-FKHR seien für das alveoläre Rhabdomyosarkom von diagnostischer Bedeutung [16].
Embryonales Rhabdomyosarkom Gegenüber dem juvenilen Typ sind die embryonalen Rhabdomyosarkome teils wenig (Abb. 37.2f), teilweise aber auch recht gut differenziert. Feinstrukturell finden sich undifferenzierte Zellen, die große Mengen an ungeordnet im Sarkoplasma liegenden Aktinomyosinfilamenten enthalten. Neben den reifen oder unreifen rhabdomyoblastenähnlichen Zellen finden sich auch undifferenzierte mesenchymale Tumorzellen und Tumorzellen mit intermediären Filamenten. Feinstrukturelle Untersuchungen haben zu der Auffassung geführt, dass der Tumor aus undifferenzierten mesenchymalen Tumorzellen entsteht. Nur bei etwa 1/3 der Tumoren ist lichtmikroskopisch eine Querstreifung erkennbar, doch können bei den übrigen Fällen elektronenmikroskopisch auch noch die Vorstufen der Myofibrillen in Gestalt einzelner Aktinund Myosinfilamente nachweisbar sein [5, 15].
Adultes Rhabdomyosarkom Im Gegensatz zu den anderen beiden Formen sind die adulten Rhabdomyosarkome eher pleomorph gestaltet. Es finden sich vor allem 3 verschiedene Zellformen: • abgerundete oder streifenförmige Zellen mit 2 oder mehr tandemartig hintereinander angeordneten Kernen; • tennisschlägerförmige Zellen mit einem einzelnen Kern am erweiterten Ende und einem zugespitzten Leib, der einen Ausläufer bildet, oder • abgerundete kleinere Zellen mit einem Kern oder größeren Zellen mit mehreren Kernen. Das Zytoplasma ist eosinophil und kann in wechselnder Menge Myofibrillen enthalten. Wenn der HE-mikroskopische, immunhistochemische oder elektronenmikroskopische Myofibrillennachweis nicht gelingt, ist die Diagnose nicht einfach.
Granularzelltumoren Die Granularzelltumoren („Granularzellmyoblastom“, Abrikossoff-Tumor) kommen nicht nur im Muskel vor, sondern auch in verschiedenen anderen Geweben: Haut, Schleimhäute, Verdauungskanal, Brust, Orbita, Larynx, Blase, Uterus, Vulva, Omentum, Retroperitoneum, Hypophysenstiel, ZNS und kleine Nerven. Ihre enge Beziehung zu peripheren Nerven und ihre immunhistochemischen Eigenschaften weisen auf einen neurogenen, nicht aber, wie ursprünglich von Abrikossoff angenommen, auf einen myogenen Ursprung hin [28]. 10% der Tumoren treten bei Kindern auf (in der Regel an der
808
Kapitel 38
Brust, am Rücken und an den oberen Extremitäten). Bei 8–10% der Patienten finden sich multiple Granularzelltumoren. Nur 2% sind maligne. Mikroskopisch zeichnen sie sich durch große Zellen mit kleinen Kernen aus (Abb. 38.1a). Die Zellen werden einzeln oder in kleinen Gruppen von einem Retikulinfasergerüst umhüllt (Abb. 38.1b). Im Zytoplasma finden sich reichlich Granula, die dem Tumor seinen Namen gegeben haben. Diese Granula sind z. T. azidophil und zeigen eine positive PAS-Reaktion; sie sind vermutlich lysosomalen Ursprungs. Die Granularzelltumoren werden zytogenetisch zumeist von Schwann-Zellen abgeleitet, da sie eine positive Immunreaktion für Protein S-100 aufweisen, Granularzellen am Hypophysenstiel wiederum von Pituizyten und solche im ZNS von Astrozyten oder Histiozyten aufgrund ihrer immunhistochemischen Reaktion mit Antikörpern gegen GFAP, CD68 und α-1-Antitrypsin. Doch gilt für sie vermutlich das Gleiche wie für die alveolären Weichteilsarkome (s. unten). Elektronenmikroskopisch erkennt man in diesen Zellen charakteristische granuläre, z. T. von Membranen umgebene, also intravakuoläre Einschlüsse (Abb. 38.1c), die sich von denen beim alveolären Weichteilsarkom unterscheiden (Abb. 38.1d–f). Außerdem kommen intermediäre Filamente vor, insbesondere in der Peripherie; doch lassen sich daraus keine weiteren zytogenetischen Schlüsse ziehen.
38
Tumoren
gegenüber Diastaseverdauung resistent. Elektronenmikroskopisch zeigen die Granula im Unterschied zu denen der benignen Granularzelltumoren parakristalline Strukturen mit parallelgeschichteten Lamellen (Abb. 38.1d,f). Diese Strukturen sind pathognomonisch für den Tumor. Die malignen Granularzelltumoren metastasieren leicht, insbesondere in das Zentralnervensystem [7].
Tumoren des interstitiellen Gewebes Zu diesen Tumoren gehören Lipome, Liposarkome, Fibrome, Fibrosarkome, Myxome, myxoide Liposarkome, Neurinome, Neurofibrome, Angiome, Angiolipome, Hämangioperizytome (solitäre fibröse Tumoren), Synovialome, Ganglien, Desmoidtumoren u. a. Sie unterscheiden sich größtenteils nicht von den gleichnamigen Tumoren anderer Organe.
Hämangiome Gefäßgeschwülste treten besonders häufig auf, wobei ein Typ mit kleinen Gefäßen, einer mit großen Gefäßen und ein solcher vom gemischten Typ (Abb. 37.2e) zu unterscheiden sind [2].
Alveoläre Weichteilsarkome Diese Tumoren, früher auch als „maligne Granularzelltumoren“ bezeichnet, kommen an Stellen vor, an denen auch die gutartigen Granularzelltumoren auftreten. Nach RTPCR-Untersuchungen der Expression von MyoD1 und Myogenin sowie verschiedener mRNAs von Actinfilamenten seien die Tumorzellen myogenen Ursprungs [20]. Lichtmikroskopisch unterscheiden sie sich gegenüber den Letzteren u. a. durch ihre größeren Kerne. Ihr organoides Wachstum (Abb. 38.1e) ähnelt dem in nichtchromaffinen Paragangliomen. Die kleinen Gruppen abgerundeter Zellen werden von einem Gefäßbindegewebsgerüst umgeben; sie enthalten Granula, die teils azidophil, teils neutrophil oder amphophil reagieren. Sie sind PAS-positiv, aber
Abb. 38.1a–f Granularzelltumor in der Orbita eines 57-jährigen Mannes. a Kleine Haufen oder Gruppen eng zusammen liegender zytoplasmareicher granulierter Zellen werden von reichlich Bindegewebe umgeben (Vergr. 830:1). b Die Retikulinfaserimprägnation nach Gomori ergibt ein alveoläres Fasergerüst, das die meist in Gruppen zusammen liegenden Tumorzellen umhüllt (Vergr. 140:1). c Im Zytoplasma der Tumorzellen reichlich pleomorphe Granula, die oft von einer Membran umgeben sind und ihrerseits wieder in unterschiedlicher Dichte reichlich feingranulierte Sub-
Desmoide Desmoide können sporadisch vorkommen, aber auch als extraintestinale Manifestation im Rahmen der sog. familiären adenomatösen Polypose (FAP), der Mutationen im APC-Gen zugrunde liegen [6]. Diese Tumoren ähneln hyperplastischem Narbengewebe, infiltrieren aber die Umgebung, insbesondere das benachbarte Muskelgewebe, so dass es nach Exzisionen leicht zu Rezidiven kommen kann. Sie metastasieren aber nicht. Durch Umwachsen wichtiger Nerven und Arterien kann es zu erheblichen Beschwerden kommen, so z. B. in der Achselhöhle oder in der Kniekehle. Sie kommen besonders häufig in
stanzen enthalten. Zelloberfläche im Bild links, Kern rechts (mäßige Gewebserhaltung aufgrund initialer Formalinfixation; Vergr. 28.000:1). d–f Alveoläres Weichteilsarkom in der Orbita eines 19-jährigen Mannes. d Typische parakristalline Einschlüsse im Zytoplasma. Eine Granulierung wie in c ist in diesen Zelleinschlüssen nicht nachweisbar (Fixation wie in c; Vergr. 20.000:1). e Lichtmikroskopischer Ausschnitt (Vergr. 460:1). f Stärkere Vergrößerung der parakristallinen Einschlüsse in d (Vergr. 29.000:1)
809
Tumoren des interstitiellen Gewebes
a
b
c
d f
e
810
Kapitel 38
der Bauchwandmuskulatur von Frauen nach der Schwangerschaft vor (2/3 der Desmoide [1, 28].
Tumoren
7. 8.
Metastasen
38
Eigentümlicherweise metastasieren die meisten häufigen malignen Tumoren des menschlichen Körpers nur sehr selten in die Skelettmuskulatur. Unter 500 autoptisch untersuchten Krebspatienten fanden sich nur 4 Fälle mit Metastasen im Skelettmuskelgewebe [1]. Darunter befanden sich zwei Epidermoidkarzinome aus dem Kopf- und Nackenbereich sowie zwei Schilddrüsenkarzinome. Einzelfallberichte gibt es jedoch immer wieder einmal, z. B. diffuse Skelettmuskelmetastasen bei einem Urothelkarzinom [29], eine vom Ursprungsort weit entfernte Skelettmuskelmetastase bei einem intrahepatischen Cholangiokarzinom [21] oder eine Bizepsmetastase bei einem Zervixkarzinom [14], um nur einige zu nennen. Ob es sich dabei jeweils um eine vom angrenzenden Bindegewebe ausgehende Metastase gehandelt hat, bleibt dahingestellt; so konnten wir z. B. eine Muskelinfiltration durch ein benachbartes Meningeom dokumentieren [24]. Die Ursache für die Seltenheit von Metastasen im Muskel ist unklar. In Kokulturen hätten aber myogene Zellen einen hemmenden, zytostatischen und zytotoxischen Effekt auf metastatische Melanom- und Karzinomzellen, wobei der Transkriptionsfaktor MiTF eine Rolle spielen soll, der ein Hauptregulator der Melanozytenentwicklung und ein Melanomonkogen darstellt [22].
9.
10. 11.
12. 13.
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811
Kapitel 39
Erkrankungen der motorischen Endplatten und Muskelspindeln
39
J.M. Schröder Inhalt Myasthenia gravis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
814
Neonatale Myasthenie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
817
Toxische und medikamentöse Störungen der neuromuskulären Überleitung . . . . . . . . . . . .
819
Botulismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
819
Myasthenische Syndrome und symptomatische Myasthenien . . . . . . . . . . . .
817
Tetanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
819
Lambert-Eaton-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . .
817
Tierische Gifte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
819
Kongenitale myasthenische Syndrome (KMS) . . . .
817
Cholinesteraseinhibitoren . . . . . . . . . . . . . . . .
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Präsynaptische Syndrome . . . . . . . . . . . . . . .
817
Veränderungen an den Muskelspindeln . . . . . . . . .
820
Postsynaptische Syndrome . . . . . . . . . . . . . .
818
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
820
Symptomatische Myasthenien . . . . . . . . . . . . .
818
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_39, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
814
Kapitel 39
Verschiedene Erkrankungen werden primär durch Störungen der neuromuskulären Überleitung bzw. Veränderungen an der motorischen Endplatte verursacht (Tabelle 39. 1 und 39.2). Abzugrenzen von den Erkrankungen der motorischen Endplatte sind Krankheitsbilder wie das „Stiff-man“-Syndrom [36] (Neuromyotonie [34]; „Syndrom der kontinuierlichen Muskelfaseraktivität“ [25]) und andere mit erhöhter Erregbarkeit der Motoneurone verbundene Krankheitsbilder. Das Stiff-man-Syndrom, das besser als Stiff-personSyndrom bezeichnet wird, weil es Männer und Frauen in gleicher Weise betrifft, ist inzwischen als zentralnervöses paraneoplastisches Syndrom gedeutet worden, das auf IgG-Antikörper gegen Amphiphysin zurückzuführen ist und sich passiv auf Ratten übertragen lässt [54, 55]. (Zu den verschiedenen Myotonien hat das Stiff-person-Syndrom keine pathogenetische Beziehung, auch wenn es, wie bereits erwähnt, als „Neuromyotonie“ beschrieben worden ist.)
Erkrankungen der motorischen Endplatten
Myasthenia gravis Die generalisierte Myasthenia gravis ist eine chronische Autoimmunkrankheit, die in 80–85% der Fälle durch Autoantikörper gegen den nikotinischen Acetylcholinrezeptor (AChR-Ab) verursacht wird. 40% der Patienten ohne AchR-Ab haben Antikörper gegen die muskelspezifische Tyrosinkinase (MuSK), ein postsynaptisches Protein. Eine Myasthenia gravis ohne Antikörper gegen weder den AchR noch die MuSK wird als „seronegative Myasthenia gravis“ bezeichnet. Klinik. Es handelt sich um eine spezifische Muskelkrankheit, die durch eine abnorme Muskelschwäche in willkürlich innervierten Muskeln nach wiederholter Aktivierung und längerer Anspannung gekennzeichnet ist; die Muskelkraft erholt sich in der Regel nach einer Zeit der Ruhe und Inaktivität und verminderter Muskelspannung. Manche Autoren rechnen auch die positive Reaktion auf Anticholinesterasemittel (Prostigmintest) zur Definition [52, 53].
Tabelle 39.1 Erkrankungen und Blockade der neuromuskulären Endplatte A.
Erkrankungen der motorischen Endplatte I.
39
Präsynaptisch (terminales Axon) a) b)
II.
Postsynaptisch (muskulärer Teil der motorischen Endplatte) a) b) c)
B.
Lambert-Eaton-Syndrom („myasthenisches Syndrom“) D-Penizillamin-induzierte Myasthenie
Myasthenia gravis Transitorische neonatale Myasthenie Kongenitale myasthenische Syndrome (s. Tabelle 39.2)
Blockade der neuromuskulären Endplatte Angriffspunkte I.
Präsynaptisch a) b) c) d)
II.
Agenzien
Hemmung der Transmittersynthese Hemmung der ACh-Freisetzung Lyse-synaptischer Vesikel Verringerung der Ca++-Kanäle
Hemicholinium Botulinustoxin, DTB Insekten- (Spinnen-), Schlangengifte Polyklonale IgG-Antikörper (Lambert-Eaton-Syndrom)
Postsynaptisch a)
b)
Hemmung der AChE – reversibel – irreversibel
Tensilon, Neostigmin Organophosphate (E605 = Parathion; Sarin, Soman, Tabun und 50.000 andere)
Rezeptorblockade – membranstabilisierend – membrandepolarisierend – toxisch (irreversibel) – immunologisch
Curare Succinylcholin D-Bungarotoxin Antikörper gegen AChR
Myasthenia gravis
815
Tabelle 39.2 Kongenitale myasthenische Syndrome (CMS)* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
11.1
Myasthenie aufgrund des langsamen nikotinischen Rezeptorkanals (Slow-channel-kongenitales Myastheniesyndrom; SCCMS), allelisch zu FCCM (11.5)
AD
2q24-q32
CHRNA1 (= AChRD-Untereinheit)
100690 601462
Sine et al. (1995) Engel et al. (1996b) Croxen et al. (1997)
11.2
SCCMS, allelisch zu 11.8 (608931)
AD
17p11-p12
CHRNB1 (AChRE1-Untereinheit, Muskel)
100710 601462
Engel et al. (1996 b) Gomez et al. (1996)
11.3
SCCMS, allelisch zu FCCMS (11.6)
AD
2.q33-q34
CHRND (AChRδ-Untereinheit)
100720 601462
Gomez et al. (2002)
11.4
SCCMS, allelisch zu FCCMS (11.7 und 11.10)
AD, AR
17p13
CHRNE (AChRH-Untereinheit)
100725 601462
Ohno et al. (1995) Gomez et al. (1995) Engel et al. (1996 b) Croxen et al. (2002)
11.5
Fast-channel-Syndrom (FCCMS), allelisch zu SCCMS 11.1
AR
2q24-q32
CHRNA1 (AChRα1-Untereinheit)
100690 608930
Wang et al. (1999) Shen et al. (2003)
11.6
FCCMS, allelisch zu SCCMS (11.3)
AR
2q33-q34
CHRND (AChRδ-Untereinheit)
100720 608930
Brownlow et al. (2001)
11.7
FCCMS, allelisch zu SCCMS (11.4)
AR
17p13
CHRNE (AChRH-Untereinheit)
100725 608930
Ohno et al. (1996)
11.8
Acetylcholin-Rezeptor-Mangel, allelisch zu SCCMS 11.2
AR
17p11-p12
CHRNB1 (AChRE1-Untereinheit, Muskel)
100710 608931
Quiram et al. (1999)
11.9
Acetylcholin-Rezeptor-Mangel, allelisch zu SCCMS (11.4) und FCCMS (11.6)
AR
2q33-q34
CHRND (AChRδ-Untereinheit)
100720 608931
Shen et al. (2002)
11.10
Acetylcholin-Rezeptor-Mangel, allelisch zu SCCMS (11.4) und FCCMS (11.7)
AR
17p13
CHRNE (AChRH-Untereinheit)
100725 608931
Engel et al. (1996a) Ohno et al. (1997)
11.11
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit Rapsynmangel
AR
11p11
RAPSYN (Rapsyn)
601592 608931
Ohno et al. (2002, 2003) Dunne et al. (2003)
11.12
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit Cholin-AcetylTransferase-Mangel
AR
10q11.2
CHAT (Cholinacetyltransferase)
118490 254210
Ohno et al. (2001) Maselli et al. (2003)
11.13
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit Endplatten-Acetylcholinesterase-Mangel (EAD)
AR
3p24.2
COLQ (Collagen-like-tail-Untereinheit der asymmetrischen AChE)
603033 60334
Donger et al. (1998) Ohno et al. (2000)
11.14
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit MuSK-Mangel
AR
9q31-q32
MUSK (muskelspezifische Rezeptor-Tyrosin-Kinase)
601296 254300
Chevessier et al. (2004)
11.15
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit Agrinmangel
AR
1pter-p32
AGR (Agrin)
103320
Huzé (2009)
6
816
Kapitel 39
Erkrankungen der motorischen Endplatten
Tabelle 39.2 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
11.16
Kongenitalenmyasthenisches Syndrom, Typ 1a1
AR
17p13
?
605809
Christodoulou et al. (1997)
11.17
Familiäre Gliedergürtelmyasthenie
AR
4p16.2
DOK7 (Docking-Protein 7)
254300 610285
Beeson et al. (2006) Selcen et al. (2008)
11.18
Natriumkanalmyasthenie, allelisch zu HOKPP2, HYPP, PMC, Kalium-aggravierter Myotonie
AR
17q23
SCN4A (Natriumkanal, Typ 4α)
603967 608931
Tsujino et al. (2003)
11.19
Escobar-Syndrom (multiples Pterygiumsyndrom)
AR
2q22-q44
CHRNG (cholinerger Rezeptor, nikotinisch, gamma)
100730 265000
Hoffmann et al. (2006) Morgan et al. (2006)
11.20
Myasthenisches Syndrom, Myopathie und Epidermolysis bullosa; allelisch zu MDEBS
AR
8q24-qter
PLEC1 (Plektin)
601282
Banwell et al. (1999)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 85–86. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
39
Epidemiologie. Die Prävalenzraten liegen zwischen 1:10.000 und 1:50.000. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Genetische Faktoren stellen wahrscheinlich nur Risikofaktoren für Autoimmunerkrankungen im Allgemeinen dar [41]; im Übrigen tritt die Myasthenia gravis sporadisch auf. Disposition. Häufig haben die Patienten ein HL-A8Antigen, das als Marker einer defekten Suppressorwirkung der T-Zellen gilt. Doch ist die Vererbung des HLA8-Antigens keineswegs eine notwendige Voraussetzung zur Entwicklung einer Myasthenia gravis. Auf welche Weise eine derartige genetische Disposition zur Manifestation der Myasthenie führt, ist ungeklärt. Die Myasthenie ist unverhältnismäßig häufig mit anderen Erkrankungen kombiniert, die mit einer Störung im Immunsystem verbunden sind. Der Thymus ist histologisch in 80% der Fälle verändert [53]. In 10–15% der Myastheniagravis-Fälle liegt ein Thymom vor, das meistens, wenn auch nicht immer mit AChR-Antikörpern im Serum verbunden ist [32]. Morphologie. Die für die klinischen Symptome wichtigsten Veränderungen betreffen die motorische Endplatte. Vor allem der muskuläre Abschnitt ist verändert: Die postsynaptische Region erscheint abnorm einfach; sekundäre synaptische Spalten sind nur spärlich vorhanden, flach, abnorm weit, oder sie fehlen ganz. Regenerierende Axone kommen gelegentlich vor. Der Durchmesser und die Zahl der synaptischen Vesikel pro Areal liegen im Normbereich [20]. Angesichts der Veränderungen an den motorischen Endplatten erscheint es verständlich, dass die Muskel-
fasern verschiedene Formen der Schädigung oder eine Denervationsatrophie aufweisen können. Die neurogene Muskelatrophie ist bei der mit AChR-Antikörpern im Serum assoziierten Myasthenie stärker ausgeprägt als bei der durch MuSK-Antikörper verursachten. Andererseits finden sich myopathische und mitochondriale Veränderungen in den Muskelfasern eher bei Letzterer [33]. Der normalerweise relativ hohe Gehalt der extraokulären Muskeln an Mitochondrien könnte wiederum erklären, warum die okulobulbäre Muskulatur (sowie die NackenSchulter- und Atemmuskulatur) bei der MusK-Variante der Myathenia gravis bevorzugt betroffen ist. Pathogenese. Im Vordergrund steht eine Zerstörung des Acetylcholinrezeptors als Folge einer Autoimmunreaktion. Dabei löst die IgG-Bindung an den Rezeptor mit C3 die Aktivierungsphase der Komplementreaktionsfolge aus; die nachfolgende Aktivierung von C5 bis C9 vervollständigt dann die Schädigungsphase und die lytische Zerstörung der postsynaptischen Membran [15, 16, 19, 38, 43]. Die dadurch bedingte Störung der neuromuskulären Überleitung ist auch für die Schwäche der MuSKpositiven Patienten entscheidend [42]. Vermutlich ist ein früher vielfach als nebensächlich erachteter Befund hervorzuheben, nämlich herdförmige lymphozytäre Infiltrate („Lymphorrhagien“). Angesichts der heute gut fundierten immunologischen Hypothese zur Entstehung der Myasthenia gravis und angesichts der experimentellen Ergebnisse über einen Immunmechanismus, der bei der experimentellen Autoimmunmyasthenia gravis (EAMG) zur Zerstörung der Endplatten führt [38, 39] erscheinen diese gelegentlich nachweisbaren Lymphorrhagien von besonderer Bedeutung.
817
Myasthenische Syndrome und symptomatische Myasthenien
Wenn auch die Pathogenese der Myasthenia gravis durch das Modell der EAMG weitgehend aufgeklärt erscheint, ist die eigentliche Ursache, wie es zur Auslösung des krankmachenden Immunmechanismus kommt, ungeklärt.
Neonatale Myasthenie Die seltene neonatale Myasthenia gravis wird in der Regel durch mütterliche AChR-Antikörper über die Plazenta auf den Föten übertragen, was bei durchschnittlich einem von sieben lebend geborenen Kindern myasthener Mütter zu Symptomen führt. Vereinzelt kommen dafür Antikörper gegen die muskelspezifische Tyrosinkinase (MuSK) in Frage [4]. Diese neonatalen Myasthenien sind von den kongenitalen Formen des myathenischen Syndroms zu unterscheiden (s. unten).
Myasthenische Syndrome und symptomatische Myasthenien Lambert-Eaton-Syndrom
Ein pseudomyasthenisch-myopathisches Syndrom, das in Zusammenhang vor allem mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom auftreten kann, wird als Lambert-Eaton-Syndrom bezeichnet [28]. Es handelt sich um das Musterbeispiel eines ätiologisch geklärten paraneoplastischen Syndroms. Die Kardinalsymptome bestehen in einer Schwäche und vorzeitigen Ermüdbarkeit der proximalen Extremitätenmuskeln. Die von Hirnnerven versorgten einschließlich der Augenmuskeln bleiben ausgespart.
Die Erkrankung unterscheidet sich von der Myasthenia gravis nicht nur klinisch und elektromyographisch, sondern auch feinstrukturell (Literatur s. [23, 40]. Elektronenmikroskopisch findet sich an der motorischen Endplatte eine Vergrößerung des Areals mit dem postsynaptischen Faltenapparat einschließlich der sekundären synaptischen Falten, allerdings ohne Verlängerung der mit Antikörpern gegen den Acetylcholin-Rezeptor reagierenden postsynaptischen Membran [20]. Durch Gefrierätzuntersuchungen ließ sich an der präsynaptischen Membran eine Verringerung der 10–12 nm großen intramembranösen Partikel nachweisen, die normalerweise parallel in Doppelreihen angeordnet sind und in den aktiven Zonen die mutmaßlichen spannungsabhängigen Kalziumkanäle der Membran an der Nervenendigung darstellen [18, 22]. Diese werden, wie im Experiment be-
stätigt [21], durch zirkulierende Antikörper zumindest partiell zerstört.
Kongenitale myasthenische Syndrome (KMS) Die kongenitalen Myasthenien sind im Unterschied zur konnatalen (neonatalen) Myasthenie, die vorübergehend bei Neugeborenen von Müttern mit einer Myasthenia gravis auftritt, eine heterogene Gruppe von hereditären Krankheiten, die so genannt werden, obwohl sie sich in der Mehrzahl nicht schon bei der Geburt manifestieren. Sie unterscheiden sich hinsichtlich Erbgang, klinischer Symptomatik und Prognose (s. Tabelle 39.2, Pos. 11.1–11.16).
Die Differenzierung der kongenitalen Myasthenien erfordert komplizierte Untersuchungen an den motorischen Endplatten, die bisher zumeist an der Interkostalmuskulatur oder dem M. anconeus mit enzym- und immunhistochemischen sowie immunelektronenmikroskopischen, morphometrischen und molekulargenetischen Methoden, aber auch mit elektrophysiologischen Techniken einschließlich der „Patch-clamp“-Technik durchgeführt worden sind, so dass diesbezüglich auf die Spezialliteratur verwiesen werden muss [14, 15, 17, 23, 27, 30, 35, 40, 51].
Präsynaptische Syndrome Cholin-Acetyltransferase-Mangel. Ursache sind autosomal-rezessiv erbliche Mutationen im Gen für die Acetylcholin-Transferase (CHAT; Pos. 11.12 in Tabelle 39.2). Die Folge ist ein Mangel an Acetylcholin in den primären synaptischen Spalten, die auf eine mangelhafte Bereitstellung oder Abgabe dieses Neurotransmitters zurückzuführen ist. Klinisches Hauptsymptome sind plötzliche Episoden mit schwerer Dyspnoe und bulbäre Schwäche, die zur Apnoe führen, ausgelöst durch Infektionen, Fieber oder Erregung. Dieses Syndrom wurde früher vermutlich als familiäre infantile Myasthenie (Typ Ia) mit abnormen synaptischen Vesikeln beschrieben [27]. Sie ähnelt dem kongenitalen Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom. Beide Krankheiten zeigen bei Nervenreizung mit niedriger Frequenz (2 oder 3 Hz) eine Erniedrigung des zusammengesetzten Muskelaktionspotentials. Reizung mit hohen Frequenzen (20–50 Hz) führt zur langsamen Erholung der Transmitterabgabe und Besserung des Aktionspotentials. Therapeutisch wirksam ist in beiden Fällen eine Vermehrung des Acetylcholins im synaptischen Spalt, im ersteren Fall durch Hemmung der Acetylcholi-
818
Kapitel 39
nesterase (durch Cholinesterasehemmer), im zweiten Fall durch Stimulation der Abgabe (mit 4-Aminopyridin). Elektronenmikroskopisch erscheinen die synaptischen Vesikel kleiner als normal, während kein AChRMangel besteht und postsynaptisch keine strukturellen Anomalien nachweisbar sind. Synaptischer Endplatten-AChE-Mangel. Die Acetylcholinesterase fehlt nach histochemischen, immunzytochemischen und elektronenmikroskopisch-zytochemischen Untersuchungen aufgrund rezessiver Mutationen im Gen des Kollagens Q (COLQ; Pos. 11.13 in Tabelle 39.2). Wegen des ungenügenden Abbaus von Acetylcholin resultiert ein exzessiver Effekt von Acetylcholin. Die terminalen Nervenendigungen sind abnorm klein. Sie sind oft partiell oder vollständig von der postsynaptischen Region durch Schwann-Zell-Fortsätze getrennt.
Postsynaptische Syndrome Diese sind alle, mit Ausnahme des KMS aufgrund eines Plektinmangels [3], auf Mutationen in Genen für die Untereinheiten des AChR zurückzuführen (CHRNA1 – CHRNE; Pos. 11.1–11.10 in Tabelle 39.2).
39
Syndrome mit langsamem Kanal. Diese werden verursacht durch dominante Mutationen in den Genen von drei verschiedenen Untereinheiten des Acetylcholinrezeptors mit Funktionsgewinn („gain of function“; Pos. 11.1–11.3 in Tabelle 39.2), der durch eine verlängerte Öffnungszeit des Ionenkanals dieses Rezeptors gekennzeichnet ist und zu einer übermäßigen Wirkung des normalerweise verfügbaren Acetylcholins führt („Syndrom des langsamen Kanals“). Die Folge ist eine doppelte oder dreifache Reaktion des Muskels auf eine supramaximale Nervenreizung. Die klinischen Phänotypen variieren erheblich. Manche beginnen früh im Leben, andere erst im Erwachsenenalter. Verformungen der Wirbelsäule und respiratorische Probleme sind häufig. Die Veränderungen an der Endplatte ähneln denen beim AChE-Mangel: Die synaptischen Falten sind degeneriert und der synaptische Spalt ist erweitert. Er enthält massenhaft globuläre Reste der synaptischen Falten und Reste der zugehörigen Basallamina. Durch die Erweiterung des synaptischen Spalts verringert sich das Acetylcholin, das die postsynaptische Membran erreichen kann, durch Dilution. Außerdem kann vermehrt ACh durch die AChEsterase abgebaut werden. Endplattenkerne sind apoptotisch, und es kommen Vakuolen neben der Endplatte vor [17]. Syndrome mit schnellem Kanal. Diese sind rezessiv erblich (Pos. 11.5–11.7 in Tabelle 39.2) und mit Funktions-
Erkrankungen der motorischen Endplatten
verlust („loss of function“) verbunden. Es resultieren abnorm kurze Aktivierungsperioden des ACh-RezeptorKanals. Betroffen sind die Affinität des Rezeptors für ACh, die Durchlässigkeit des Kanals und die Stabilität der Kanalkinetik. Die klinischen Symptome ähneln denen der Autoimmunmyasthenia gravis, doch sind die Symptome mild, wenn die Effizienz der Kanaldurchlässigkeit betroffen ist, mäßig schwer, wenn die Kanalkinetik instabil ist, und schwer, wenn die Affinität zu ACh oder beides, Affinität und Kanalöffnungseffizient, betroffen sind. Nervenreizung mit niedriger Frequenz führt dabei zur Verminderung des motorischen Aktionspotentials. Therapeutisch hilft eine Anreicherung des Acetylcholins im synaptischen Spalt durch Cholinesterase-hemmende Medikamente. Die strukturellen Veränderungen hängen vom Schweregrad der Funktionsstörung ab. Bei leichter Schädigung bleibt die Struktur der postsynaptischen Region erhalten. Bei stärkerer Schädigung ist die Zahl der AChR pro Endplatte verringert, multiple kleine Endplatten sind über eine längere Strecke der Faseroberfläche verteilt, einige postsynaptische Regionen sind simplifiziert und die Expression des AChR in den synaptischen Falten ist fleckförmig und abgeschwächt. AChR-Mangel mit oder ohne geringe kinetische Anomalien. Milde und schwere klinische Phänotypen können gleichermaßen vorkommen. Die am schwersten betroffenen Patienten haben eine ausgeprägte okuläre, bulbäre und respiratorische Muskelschwäche von Geburt an; sie müssen beatmet werden und per Sonde ernährt werden. Die Zahl der Endplatten ist vermehrt, aber die AChR-Expression vermindert und fleckförmig verteilt. Die synaptischen Falten sind erhalten, aber einige Endplatten sind simplifiziert und kleiner als normal. Ob es sich bei dem darüber hinaus gefundenen kombinierten Mangel an Acetylcholin-Esterase und AcetylcholinRezeptor [27] um eine primäre Erkrankung oder um eine sekundäre Erkrankungsform handelt, bleibt zu klären.
Symptomatische Myasthenien Sie können in Verbindung mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen auftreten, so beim systemischen Lupus erythematodes, der Polymyositis und der Dermatomyositis. Eine ähnliche Muskelermüdbarkeit wie bei der Myasthenia gravis kann auch aus verschiedenen anderen prä- und postsynaptischen Gründen auftreten. Einige Patienten mit Erkrankungen der peripheren motorischen Neurone können ebenfalls eine myasthene Reaktion zeigen [53]. Das Penicillamin-induzierte myasthenische Syndrom tritt fast ausschließlich während der Behandlung von Auto-
819
Toxische und medikamentöse Störungen der neuromusku-
immunopathien in Erscheinung, insbesondere bei der rheumatoiden Arthritis [49]. Daher wird ein immunpharmakologischer Block des Acetylcholin-Rezeptors durch Penicillamin als Ursache der Erkrankung diskutiert.
Toxische und medikamentöse Störungen der neuromuskulären Überleitung Verschiedene, z. T. extrem toxische Substanzen verursachen Störungen oder Schädigungen der neuromuskulären Überleitung. Dazu gehören 1. das Exotoxin des Clostridium botulinum und andere Gifte wie 2. das Zeckengift, 3. das Notoxin der australischen Tigerschlange, 4. das Gift einer Spinne, der „Schwarzen Witwe“, sowie 5. Cholinesterasehibitoren.
Todesfälle im Kindesalter haben im Zusammenhang mit gehäuftem Nachweis von Botulinumtoxin in den Fäzes zu Vermutungen über Zusammenhänge mit dem Clostridium botulinum geführt [2].
Das von den Erregern gebildete Exotoxin gehört zu den giftigsten Substanzen, die bekannt sind. Die letale Dosis für den Menschen liegt wahrscheinlich bei 1 μg.
Spezielle pharmakologische Präparationen des Botulinumtoxins werden zur Behandlung der Spastik und vieler anderer Krankheiten, aber auch in der Kosmetik verwendet. Die Zahl der Arbeiten zum Thema geht in die Zehntausende. Neuerdings ist beim Menschen durch Bildgebungsverfahren (CT, MRT), elektrophysiologisch und muskelbioptisch ein 12 Monate lang anhalternder Denervationseffekt nachgewiesen worden [48].
Botulismus Tetanus Diese Krankheit beruht auf einer Intoxikation durch Nahrungsmittel, die das Toxin des anaerob wachsenden grampositiven Erregers, des Clostridium botulinum, enthalten. Die Erreger sind weltweit verbreitet; sie lassen sich in der Erde, gelegentlich auch in tierischen und menschlichen Fäzes nachweisen. Sie bilden Sporen, die Temperaturen um 100 °C über mehrere Stunden tolerieren. Die verschiedenen Toxintypen, die während der Vermehrung und Autolyse der Keime freigesetzt werden, sind thermolabile großmolekulare Proteine, die durch Erhitzen auf 100 °C innerhalb von 10 min zerstört werden. Die Latenzzeit zwischen oraler Toxinaufnahme und Beginn der ersten neurologischen Symptome beträgt im Allgemeinen 12–36 h, selten bis zu 14 Tagen. Die typischen neurologischen Symptome sind auf die Toxinwirkung einerseits an den motorischen Endplatten und andererseits an den Synapsen der efferenten parasympathischen Nerven zurückzuführen.
In der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin erkranken pro Jahr etwa 26–86 Personen an dieser seit 1961 meldepflichtigen Krankheit. Als häufigste Ursache kommt heute der Genuss von zu Hause unzureichend konservierten Lebensmitteln in Frage.
Mikroskopisch sind beim Botulismus nur im Experiment spezielle pathologische Veränderungen der Endplatte beobachtet worden, nicht aber beim Menschen [1, 12]. Das Bild des Säuglingsbotulismus ist bisher fast ausschließlich in den USA beschrieben worden. Plötzliche
Anders als der Botulismus ist der Tetanus eine Infektionskrankheit, die durch das Toxin des Bazillus Clostridium tetani ausgelöst wird. Das klinische Bild ist durch schmerzhafte Spasmen oder Krämpfe der quergestreiften Muskulatur gekennzeichnet, einschließlich der Kaumuskeln (Trismus). Die Erkrankung folgt meistens einer oft nur minimalen Verletzung, bei der Tetanusbazillen in die Wunde gelangen. Die Inkubationszeit beträgt 4 bis 20 Tage [13]. Mikroskopisch haben sich trotz des eindrucksvollen neurologischen Krankheitsbildes beim Menschen bisher nur spärliche Veränderungen im Bereich der neuromuskulären Endplatte nachweisen lassen. Im Experiment kommt es jedoch zu ausgeprägten Veränderungen an den motorischen Endplatten, die an den langsamen Muskelfasern früher und stärker ausgeprägt sind als an den schnellen [10]. Die klinisch beobachteten Spasmen sind wahrscheinlich auf spinale Wirkungen des Exotoxins des Tetanusbazillus zurückzuführen, das eines der wirksamsten löslichen Gifte ist: 0,22 mg sind für den Menschen tödlich.
Tierische Gifte Besonders eindrucksvolle morphologische Veränderungen sind unter experimentellen Bedingungen an den motorischen Nervenendigungen als Folge der Einwirkung des oft tödlichen Giftes einer Spinne, der „Schwarzen Witwe“, beobachtet worden: Es kommt in den moto-
820
Kapitel 39
rischen Nervenendigungen zu einem Verlust der synaptischen Vesikel [11]. Auch Schädigungen bzw. Schwellungen der Ranvierschen Schnürringe im peripheren Nerven durch Spinnengift sind beschrieben worden [31]. Ähnlich ausführliche Untersuchungen über Veränderungen durch Schlangengift [24] liegen bisher nicht vor; doch ist die Störung der neuromuskulären Überleitung offensichtlich der wichtigste Effekt dieser Toxine.
Cholinesteraseinhibitoren Auf die große Zahl an Insektiziden bzw. Pestiziden und ihre Wirkungen auf die Nerven und Nervenendigungen wurde bereits im Nervenkapitel hingewiesen. Die zugehörigen pathologischen Veränderungen am Muskel [5, 29] wurden nur bei relativ wenigen genauer untersucht. Di-Isopropyl-Fluorophosphat (= DFP), Carbun, Paraoxon und Parathion führen zu segmentalen Muskelfasernekrosen, die dort lokalisiert sind, wo die Endplatten liegen.
Erkrankungen der motorischen Endplatten
gehören umfangreiche Anhäufungen Leptomerfibrillenähnlicher Strukturen, die wir bei neurogenen Muskelatrophien haben beobachten können [47]. Doch befindet sich die Erforschung der feinstrukturellen Pathologie der Muskelspindeln als Ursache von Funktionsstörungen wegen ihrer außerordentlichen Komplexität und wegen ihrer relativ schweren Auffindbarkeit noch in den Anfängen.
Literatur 1. 2.
3.
4.
Veränderungen an den Muskelspindeln
39
Eigenständige Krankheiten, die durch Alterationen der Muskelspindeln selbst ausgelöst werden, sind bisher nicht bekannt, obwohl diese nach Auge und Ohr das komplizierteste Rezeptororgan darstellen (Literatur s. [45]). Doch gibt es eine Vermehrung von Muskelspindeln bei einem komplexen kongenitalen Syndrom mit hypertrophischer Kardiopathie, Organomegalie und kongenitalem Neuroblastom [50] sowie beim Noonan-Syndrom mit progressiver hypertrophischer Kardiomyopathie. Außerdem sind bei bestimmten peripheren Neuropathien des Menschen und bei Mäuse- und Rattenmutanten Aplasien oder Hypoplasien der großen Spinalganglienzellen bzw. der großen markhaltigen sensorischen Nervenfasern beschrieben worden [37], die sich auf die Muskelspindeln auswirken [26, 44]. Auffälligerweise gibt es bei einigen Fällen mit myotonischer Dystrophie enorme Vermehrungen der intrafusalen Muskelfasern von normalerweise 1 bis 16 auf mehr als 150 pro Spindel (Literatur s. oben und [8]). Diese ausgeprägte Veränderung ist bisher bei keiner anderen Myopathie beschrieben worden, wenn auch experimentell Vermehrungen intrafusaler Muskelfasern durch eine Denervation, insbesondere auch durch wiederholte Denervationen hervorgerufen werden können, allerdings in weit geringerem Ausmaß [46]. Auch alle anderen Komponenten der Muskelspindeln können morphologische Veränderungen aufweisen und bei zahlreichen verschiedenen Erkrankungen in unterschiedlicher Ausprägung miterkrankt sein [6, 7, 9]. Dazu
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Kapitel 39
43.
44.
45. 46.
47.
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Erkrankungen der motorischen Endplatten
Kapitel 40
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
40
J.M. Schröder Inhalt Spinale und bulbäre Muskelatrophien . . . . . . . . . . .
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Progressive Bulbärparalyse . . . . . . . . . . . . . . .
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Möbius-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
828
Anorektale Inkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . .
828
Abdominalmuskelaplasie . . . . . . . . . . . . . . . .
828
Muskelveränderungen bei Schädigungen, Erkrankungen und Reizungen peripherer Nerven, Inaktivitätsatrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nervenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Periphere Neuropathien . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Elektrostimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
832
Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inaktivitätsatrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
833
Erkrankungen des zentralen und peripheren motorischen Neurons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
833
Amyotrophische Lateralsklerose (ALS) . . . . . . . .
833
Erkrankungen des zentralen motorischen Neurons .
834
Störungen der zentralen Tonusregulation . . . . . . .
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Psychosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erkrankungen des Zentralnervensystems, die sich mit Hilfe einer Muskelbiopsie spezifisch diagnostizieren lassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
835
Zerebrale, autosomal-dominante Angiopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukoenzephalopathie (CADASIL) . . . . . . . .
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Neuroferritinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
835
Zeroidlipofuszinosen und spezielle Lipidosen . . . .
835
Unklassifizierte Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . .
835
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
836
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_40, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
824
Kapitel 40
Die Einflüsse des Nervensystems auf den Skelettmuskel sind vielfältig. Heredodegenerative Erkrankungen des peripheren motorischen Neurons mit progressiver „spinaler“ oder „neuraler“ Muskelatrophie sind zu unterscheiden von nichthereditären, traumatischen, entzündlichen u. a. Schädigungen des peripheren motorischen Neurons. Auch Schädigungen des peripheren und zentralen Neurons oder nur des zentralen motorischen Neurons sowie des extrapyramidalmotorischen Systems bzw. übergeordneter Zentren der Tonusregulation bewirken Veränderungen im Muskel. Außerdem bleiben Störungen der sensorischen Afferenz, d. h. der peripheren und zentralen reflektorischen Kontrollmechanismen, nicht ohne Auswirkungen. Umgekehrt führen Muskelfasernekrosen und andere Veränderungen an den Muskelfasern selbst zu Rückwirkungen auf das Nervensystem, insbesondere auf die Nervenendigungen und die sog. terminale und ultraterminale Innervation. Schließlich kommt es bei Regenerations- und Reinnervationsvorgängen zu komplexen funktionellen und strukturellen Wechselwirkungen zwischen Nervensystem und Muskel, die noch nicht in allen Details aufgeklärt sind.
Spinale und bulbäre Muskelatrophien
40
Unter den Systematrophien oder Systemdegenerationen des Nervensystems gibt es solche, die nahezu selektiv am • peripheren (= zweiten) motorischen Neuron (spinale und bulbäre Muskelatrophien), • am ersten und zweiten motorischen Neuron (amyotrophische Lateralsklerose), • nur am zentralen (= ersten) motorischen Neuron (spastische Spinalparalyse) oder • am peripheren motorischen Neuron und an den Spinalganglienzellen oder an den peripheren Markscheiden der motorischen, sensorischen und autonomen Nerven („neurale“ Muskelatrophien) angreifen (s. periphere Neuropathien, Kap. 23). Die Systematrophien des Nervensystems sind vielfach durch einen atrophisierenden Prozess („ Abiotrophie“) mit nukleodistalem Beginn charakterisiert, d. h., die Nervenzellen beginnen zuerst in ihrem am weitesten distal gelegenen Axonabschnitt zu degenerieren („Dying-back“Phänomen). Einem derartigen, distal akzentuierten Degenerationsprozess der Nervenzellen kann eine große Zahl verschiedenartiger Schädigungsmechanismen zugrunde liegen. Bei einem raschen Verlauf spricht man besser von Degeneration, bei einem langsameren Prozess von Atrophie der motorischen Vorderhornzellen oder anderer Neuronensysteme. Das distal akzentuierte Ausfallsmuster („dying back“) ist nicht die einzige Schädigungsform, die zu einem progressiven Ausfall von Axonen und Nerven-
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
zellen führt (vgl. Tabelle auf S. 555). Auch bevorzugte Schädigungen proximaler Axonabschnitte oder am Perikaryon selbst sind zumindest experimentell nachgewiesen worden. Letztere werden besser als „neuronale“ Neuropathien (oder Neuronopathien) bezeichnet und den axonalen Neuropathien (oder Axonopathien) gegenübergestellt; grundsätzlich ist immer das gesamte Neuron betroffen, wenn auch in den verschiedenen Abschnitten und an den verschiedenen Organellen unterschiedlich stark. Unter den „neuralen“ Muskelatrophien sind demgegenüber periphere Neuropathien zusammengefasst, die entweder primär durch eine neuronale bzw. axonale Schädigung oder primär durch eine demyelinisierende Schädigung der Markscheiden (letzteres bei relativ gut erhaltenen Axonen) charakterisiert sind. Die axonale Form der Schädigung ist wiederum von einem bevorzugten Verlust der markhaltigen gegenüber den marklosen Nervenfasern zu unterscheiden. Klassifikation. Die verschiedenen Einteilungsversuche der neuronalen Systemerkrankungen mit Muskelatrophien richten sich • nach genetischen Gesichtspunkten (X-chromosomaldominant oder -rezessiv, autosomal-dominant oder -rezessiv oder maternal erbliche Formen), • nach der Topographie (okuläre, bulbäre, bulbospinale, spinale, proximale und distale, peroneale und skapuloperoneale Muskelatrophien), • nach der klinischen Progredienz (rasche, intermediäre oder langsame Verlaufsformen) oder • nach dem Erkrankungsalter (fetale, perinatale, konnatale, infantile, juvenile, adulte und Spätformen). Ein Klassifikationsschema, das gleichzeitig Genetik, Topographie, Progredienz, Erkrankungsalter und Geschlecht berücksichtigt, gibt es bisher nicht. Bei infantilem Beginn dauert die Erkrankung im Durchschnitt 10 Jahre, bei juvenilem Beginn 13 Jahre und beim Beginn im Erwachsenenalter 12–13 Jahre; bei 8–28% der Patienten dauerte die Erkrankung jedoch über 20 Jahre und bei 17–28% weniger als 5 Jahre. Genetik. Nach genetischen Aspekten werden 34 verschiedene spinale Muskelatrophien unterschieden (s. Gentabelle in http://www.musclegenetable.org; Neuromuscular Disorders 20: 72–88, 2010; vgl. Kapitel 9). Die zitierte Gentabelle umfasst neben 8 autosomal-rezessiven, weitere 10 autosomal-dominante und 2 X-chromosomal-rezessive Formen der spinalen Muskelatrophie, die sich nach den betroffenen Genen oder Genorten unterscheiden lassen. Hinzu kommen 9 dominant oder rezessiv erbliche Formen der amyotrophischen Lateralsklerose und 3 kongenitale Kontraktursyndrome (Literatur siehe z. B. [14, 19, 26, 73]). Mutationen des „Survival-motor-neuron-protein“(SMN1-) und des „Neuronale-Apoptose-inhibitorischen-
Spinale und bulbäre Muskelatrophien
Protein“-(NAIP-)Gens stehen im Zentrum der Diskussion. Die primäre Ursache der Krankheit ist in 95% der Fälle ein homozygoter Verlust der telomerischen Kopie des SMN1-Gens, während nur ein kleiner Teil der SMAKrankheits-Allele eine Missense-Mutation am Carboxylende aufweist [13]. Etwa die Hälfte der Fälle hat zudem einen Verlust des NAIP-Gens und eine reduzierte Fraktion des basalen Transkriptions-Faktor-p44-Untereinheit-(BF2p44-)Gens [90]. Der Verlust von NAIP und evtl. anderer Faktoren würden dann den Schweregrad der Krankheit bestimmen. Über ein möglicherweise modifizierendes Gen berichten auch Scharf et al. [63]. Nach Lorson et al. [41] besteht eine direkte Korrelation zwischen der modularen Oligomerisation aufgrund einer Domäne im Exon 6 des SMN1-Gens und dem klinischen Typ. Des Weiteren kommen folgende Gene in Frage: IGMBP2, PLEKHG5, HSPB8, HSBP1, GARS, BSCL2 und DCTN1. Die weiteren in der Gentabelle aufgeführten Gene sind der amyotrophischen Lateralsklerose (s. unten), der Kennedy-Krankheit (s. unten) sowie drei seltenen letalen Kontraktursyndromen zugeordnet. Die infantile progressive spinale Muskelatrophie (Werdnig-Hoffmann-Krankheit) und die später auftretende und milder verlaufende juvenile spinale Muskelatrophie (Wohlfart-Kugelberg-Welander) sowie die adulte Form
825
der spinalen Muskelatrophie sind auf Mutationen im gleichen Gen, dem telomerischen „Survival-motor-neuron-1-(SMN1-)Gen zurückzuführen und somit allelisch zueinander [26]. Die molekulargenetischen Grundlagen zur Unterscheidung der infantilen Form der spinalen Muskelatrophie in eine frühe und eine spätinfantile (= intermediäre) Manifestationsform sind allerdings umstritten. Von Bedeutung ist dabei vermutlich die Differenzierung einer homozygoten Deletion von Exon 7 oder eine heterozygote Deletion von Exon 7 und 8 bei der infantilen spinalen Muskelatrophie [19]. Die X-chromosomal gebundene Erwachsenenform der bulbospinalen Muskelatrophie beruht auf einer Amplifikation einer polymorphen Tandem-CAG-Untereinheit im Androgenrezeptorgen; dabei ist der Beginn und die Progredienz der Krankheit von der Zahl der vermehrten CAG-Trinukleotide abhängig (40–55 [14]), wobei offensichtlich weitere Faktoren den Schweregrad bestimmen [73]. Morphologie. Mikroskopisch ist die infantile progressive spinale Muskelatrophie (SMA1, Werdnig-Hoffmann) in fortgeschrittenen Stadien durch die Atrophie ganzer Muskelfaserbündel (faszikuläre Atrophie) gekennzeichnet, die umso ausgeprägter ist, je rascher die Krankheit
Tabelle 40.1 Spinale Muskelatrophien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
Spinale Muskelatrophie, Typ Werdnig-Hoffmann
AR
5q11-q13
SMA = SMN (Survival-Motoneuron-Protein)
253300
Gilliam et al. (1990) Melki et al. (1990 a, 1994) Lefebvre et al. (1995) Bussaglia et al. (1995) Rodrigues et al. (1995) Roy et al. (1995) Hahnen et al. (1997)
Spinale Muskelatrophie, Typ Kugelberg-Welander
AR
5q11-q13
SMA = SMN
253400
Brzustowicz et al. (1990) Melki et al. (1990 b) Lefebvre et al. (1995)
Spinale Muskelatrophie, distal mit Betonung der oberen Gliedmaßen
AD
7p
SMARD1
600794
Christodoulou et al. (1995)
11q13-q21
SMARD1
604320
Grohmann et al. (1999)
AD
21q22
ALS1 (= SOD1) (Cu/Zn SuperoxidDismutase)
105400
Siddique et al. (1991) Rosen et al. (1993)
AR
2q33-q35
ALS2
205100
Hentati et al. (1994 a)
XR
Xq13
SBMA (Androgenrezeptor)
313200
Fischbeck et al. (1986) La Spada et al. (1991)
Diaphragmatische spinale Muskelatrophie mit Atemnot Familiäre amyotrophische Lateralsklerose
Kennedy-Krankheit
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 19 (2009): 77–98. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
826
Kapitel 40
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
a
b
c
40
d Abb. 40.1a–e Infantile progressive spinale Muskelatrophie (Typ Werdnig-Hoffmann). a M. vastus lateralis eines 12 Monate alten Jungen, b M. gastrocnemius eines 5 Monate alten Jungen (Vergr. jeweils 300:1). Gruppenförmige oder faszikuläre Muskelatrophie mit einzelnen atrophischen Fasern auch zwischen den erhaltenen oder hypertrophischen Fasern. In b ist das perimysiale Bindegewebe hochgradig vermehrt, in geringerem Maß auch das endomysiale („Myosklerose“). c Gleicher Fall wie in a. Die Basallaminae ragen fokal faltenförmig über die Kontur der atrophischen Muskelfasern hinaus (Pfeile). Eine erhaltene Satellitenzelle ist annähernd so groß wie die zugehörige atrophische Muskelfaser. Die Myofibrillen und Mitochondrien sind erheblich verkleinert, wenn auch bemerkens-
e wert gut erhalten. Das Glykogen ist vor allem subsarkolemmal mäßiggradig vermehrt (Vergr. 10.000:1). d,e Amyotrophische Lateralsklerose. d M. deltoideus eines 64-jährigen Mannes. Nach der myofibrillären ATPase-Reaktion, pH 9,4, fällt die bevorzugte, fast vollständige Atrophie der (dunklen) Typ-2-Fasern auf. Doch sind auch zahlreiche Typ-1-Fasern atrophisch. Die atrophischen Fasern sind „netzförmig“ verteilt (Vergr. 40:1). e M. deltoideus eines 52-jährigen Mannes. Im Bild sind atrophische Fasern zu sehen, die bemerkenswert stark abgeflacht oder angulär konfiguriert sind. Die starke Abflachung der Fasern, die überwiegende Einzelfaseratrophie und die fehlende Bindegewebsreaktion weisen auf eine rasche Progredienz hin (Vergr. 610:1)
Spinale und bulbäre Muskelatrophien
fortschreitet (Abb. 40.1a–c). Bei den langsamer verlaufenden Varianten findet man gut erhaltene Muskelfasern neben vollständig atrophischen [23]. Andere Muskelfasern zeigen eine kompensatorische Hypertrophie.
Zur Bestimmung der Muskelfaserkaliber ist insbesondere bei Biopsien im frühen Kindesalter eine sorgfältige Messung und genaue Kenntnis der Entnahmestelle erforderlich. Artifiziell gequetschte und gestauchte Muskelfasern können die Messwerte verfälschen.
Das Bindegewebe ist unterschiedlich stark vermehrt (Abb. 40.1c), in der Regel abhängig von der Chronizität des Prozesses. Die intermediäre spinale Muskelatrophie (SMA2) ist histopathologisch nicht eindeutig vom Typ 1 zu unterscheiden. Bei der juvenilen progressiven spinalen Muskelatrophie (SMA3; Wohlfart-Kugelberg-Welander) finden sich oft nur kleine Gruppen atrophischer Muskelfasern. Außerdem kommt es bei den chronisch verlaufenden Formen zu einer zunehmenden Vermehrung des endomysialen Bindegewebes, zu einer Unschärfe des faszikulären Atrophiemusters und zu strukturellen Veränderungen auch in den nichtatrophischen Muskelfasern. Darüber hinaus kommen ausgeprägte Faserhypertrophien vor. Bemerkenswert ist, dass die atrophischen Muskelfasern bei frühem Krankheitsbeginn und akutem Verlauf auf dem Querschnitt rund und nicht abgeflacht oder eingedellt erscheinen, wie es bei den chronischeren Verlaufsformen und späterem Erkrankungsbeginn der Fall ist. In der Regel sind die Muskelfaserkerne nicht zentralständig. Die Entwicklung der Muskelfasern bleibt also nicht auf dem Stadium der Myotuben stehen, sondern schreitet wie die Myofibrillendifferenzierung fort, wenn auch die Dickenzunahme der Muskelfasern z. T. ausbleibt. Das durchschnittliche Faserkaliber der atrophischen Fasern liegt bei 5–10 μm. Pyknotische Kernhaufen in atrophischen Fasern kommen mehr in chronisch verlaufenden Fällen vor, gelegentlich auch Core- und Targetfasern [66]. Histochemisch lässt sich gelegentlich eine selektive Atrophie der Typ-1-Fasern oder der Typ-2-Fasern nachweisen. In der Regel sind sowohl die Typ-1-Fasern als auch die Typ-2-Fasern betroffen. Die hypertrophischen Fasern sind häufig 3- bis 4-mal so dick (>80 μm) wie es normalerweise nach dem Alter des Patienten zu erwarten wäre. Histochemisch unterscheiden sich diese Riesenfasern von den normalen Muskelfasern: Nach der üblichen ATPase-Reaktion bei pH 9,4 erscheinen sie hell, nach der Reaktion auf oxidative Enzyme oder auf Phosphorylase jedoch teils dunkel, teils hell. Vermutlich handelt es sich z. T. um reinnervierte Fasern, die kollateral von den überlebenden und aussprossenden Nervenfasern innerviert worden sind.
827
In sehr frühen Stadien der Erkrankung kann das typische Bild, je nach dem untersuchten Muskel und dem ausgewählten Areal, fehlen und nur eine allgemeine Atrophie, evtl. mit einer bevorzugten Atrophie der Typ1-Fasern vorkommen. Bei den chronischen Verlaufsformen findet sich oft eine Fasertypengruppierung, d. h. eine gruppenförmige Anordnung von Fasern des gleichen histochemischen Typs [34]. Ein zahlenmäßiges Überwiegen der Typ-2-Fasern kommt häufig vor. Riesenfasern, wie sie bei der akuten Verlaufsform auftreten, gehören nicht zum typischen Bild. Doch sind myofibrilläre Architekturstörungen wie zentrale Fibrillenveränderungen, Target-Fasern oder Fasern mit wirbelförmigen Fibrillenveränderungen ein häufiger Befund. Fasern mit zentral verlagerten Kernen und einzelne degenerierte Fasern sowie Aufsplitterungen sind gelegentlich zu beobachten. Doch stehen diese „myopathischen“ Veränderungen keineswegs im Vordergrund.
Es ist davor zu warnen, aus dem histopathologischen Bild Rückschlüsse auf den klinischen Schweregrad der Erkrankung und die Prognose der spinalen Muskelatrophien zu ziehen, da sich die Bilder von Areal zu Areal erheblich unterscheiden können.
Differentialdiagnostisch ist vor allem die Beckersche Gliedergürtelform der Muskeldystrophie abzugrenzen. In den Fällen, bei denen die Unterscheidung schwierig ist, handelt es sich um chronische, relativ benigne Erkrankungen des Erwachsenen, bei denen die Unterscheidung evtl. „nur von akademischem Interesse“ ist. Außerdem sind Spätstadien der Poliomyelitis abzugrenzen (Abb. 40.2e,f) [76, 77]. Periphere Neuropathien lassen sich aufgrund des Fehlens sensorischer und autonomer Symptome ausschließen, bei Vorliegen einer Nervenbiopsie auch durch den Nachweis fehlender Nervenfaserausfälle. Allerdings ist bei allen Systematrophien mit einem gewissen Übergreifen von Ausfällen auf weitere Systeme zu rechnen, also auch mit einem spärlichen Ausfall von Nervenfasern z. B. im N. suralis. Pathogenese. Nach Simic (2008) [74] erfolgt die Degeneration der Motoneurone in 10 Schritten. Bezüglich besonderer basophiler und anderer Einschlüsse im Perikaryon der Motoneurone sei hier auf die Spezialliteratur verwiesen [24].
Progressive Bulbärparalyse Das Krankheitsbild wird auch nach Fazio und Londe benannt, da sie die ersten familiären Fälle, wenn auch nicht die ersten Fälle überhaupt, beobachtet hatten. Die infan-
828
Kapitel 40
tile Form ist wahrscheinlich autosomal-rezessiv erblich und kommt nur selten vor. Die Mehrzahl der adulten Fälle tritt sporadisch auf, wenn auch Fälle mit dominantem und X-chromosomal [14] rezessivem Erbgang (X-chromosomale, rezessiv erbliche bulbospinale Neuronopathie, Kennedy-Alter-Sung-Syndrom) beschrieben worden sind. Dabei korreliert der Schweregrad der letztgenannten Krankheit mit der Größe der Tandem-Trinukleotid (CAG)-Wiederholungsabschnitte im Androgenrezeptorgen (s. oben). Die Abgrenzung gegenüber der familiären amyotrophischen Lateralsklerose ist molekulargenetisch möglich, bei den sporadischen Fällen jedoch schwierig. Immunhistochemisch ist ein Fehlen des Androgenrezeptors u. a. in der Skrotalhaut nachweisbar [43].
Möbius-Syndrom
40
Es handelt sich dabei nicht um eine Krankheitseinheit, sondern um eine Gruppe von Erkrankungen, die durch eine kongenitale Diplegia facialis und bilaterale Abduzenslähmung charakterisiert sind. Doch haben einige Autoren diese Definition erweitert und auch eine kongenitale einseitige Fazialislähmung in das Syndrom aufgenommen. Meist tritt das Syndrom sporadisch auf, doch sind auch familiäre Fälle mitgeteilt worden. Nach den spärlichen, bisher vorliegenden autoptischen Untersuchungsergebnissen lassen sich vier Gruppen differenzieren: solche mit • Hypoplasie oder Atrophie der Hirnnervenkerne, • primär peripherer Nervenerkrankung, • fokalen Nekrosen im Hirnstamm [56] und • primär myopathischer Grundkrankheit, bei denen keine Veränderungen im Hirnstamm oder an den Hirnnerven zu beobachten waren [85] (s. auch mitochondriale Myopathien). Demnach handelt es sich bei dem Möbius-Syndrom um eine heterogene Gruppe kongenitaler bzw. konnataler neuromuskulärer Erkrankungen unterschiedlicher und oft ungeklärter Ätiologie.
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
fahrungen ebenfalls vor. Aufgrund der Beziehungen zum Johanson-Blizzard-Sndrom werden als Ursache Mutationen im Ubiquitin-Protein-Ligase-E3-Komponente-NRecognin-1-(UBR1-)Gen diskutiert [22, 55].
Abdominalmuskelaplasie Die kongenitale Abdominalmuskelaplasie wird auch als Fröhlich- oder Obrinsky-Syndrom, „Dörrpflaumenbauch“ oder „prune belly syndrome“ bezeichnet [1, 3, 36, 72]. Dabei besteht eine vollständige oder partielle Aplasie der Bauchmuskulatur, insbesondere der lateralen Bauchmuskelgruppe, mit verschiedenen Anomalien im Urogenitalbereich. Es besteht Androtropie. Als Ursache wird eine Deletion des Hepatozyten-Kern-Faktors-1-Beta-Gens auf Chromosom 17q12 diskutiert [31].
Muskelveränderungen bei Schädigungen, Erkrankungen und Reizungen peripherer Nerven, Inaktivitätsatrophie
Die Veränderungen im Muskel nach einer Denervation durch Unterbrechung der zugehörigen motorischen Nerven gelten allgemein als Musterbeispiel einer Atrophie schlechthin.
Komplizierter als nach einer einfachen Nervendurchschneidung sind die Veränderungen im Muskel bei einer chronischen peripheren Neuropathie. Denn ein Nebeneinander von Nervenfaserdegeneration und -regeneration, -demyelinisation und -remyelinisation kann im Laufe von Monaten und Jahren zu vielfältigen Veränderungen führen, die alle Komponenten des Muskels mehr oder weniger stark verändern.
Nervenverletzungen Anorektale Inkontinenz Im äußeren M. sphincter ani, M. puborectalis und Levator ani fanden sich bei Patienten mit anorektaler Inkontinenz vielfach morphologische Anzeichen einer neurogenen Erkrankung [5]. Dabei bleibt zu klären, ob es sich um eine Systemdegeneration der entsprechenden motorischen Vorderhornzellen oder um eine Erkrankung der zugehörigen peripheren Nerven handelt. Zumeist sind hier primär neurogene von primär myogenen oder reaktiven Veränderungen schwer gegeneinander abzugrenzen. Fälle mit abnormen Mitochondrien kommen nach eigenen Er-
Die wichtigste Veränderung nach einer Muskeldenervation durch eine Nervendurchschneidung besteht in der Atrophie der Muskelfasern, die zu einer erheblichen Reduktion des Gewichts im denervierten Muskel führt.
Während des ersten Monats verringert sich das durchschnittliche Faserkaliber um ein Drittel, während des zweiten und dritten Monats um ungefähr 60% und nach
Muskelveränderungen bei Schädigungen, Erkrankungen
829
a
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f
Abb. 40.2a, b Frühes Stadium einer dominant erblichen neuralen Muskelatrophie (Typ Charcot-Marie-Tooth 1A = HMSN Ia). a M. peroneus eines 14-jährigen Jungen, bei dem die Muskelfasern im HEPräparat bemerkenswert unauffällig erscheinen, von isolierten Haufen pyknotischer Kerne in vollständig atrophischen Muskelfasern abgesehen (Vergr. 370:1). b Die myofibrilläre ATPase-Reaktion nach Präinkubation bei pH 4,2 ergibt eine ausgeprägte zahlenmäßige Dominanz der Typ-1-Fasern mit herdförmiger Gruppierung der wenigen verbliebenen Typ-2-Fasern (Vergr. 40:1). c,d Ausgeprägte akute bis subakute neurogene Muskelatrophie bei hochgradiger, rasch progredienter alkoholischer Polyneuropathie. c Es besteht eine auffällige Fasertypengruppierung, wobei Muskelfasern gleichen histochemischen Typs in größeren oder kleineren Gruppen unmittelbar nebeneinander liegen. Die Muskelfasern in einigen dieser Gruppen
sind normal groß, andere nahezu vollständig atrophisch. Viele dunkle Typ-1-Fasern weisen eine zentrale Aufhellung auf: Targetfasern (Succinatdehydrogenasereaktion; Vergr. 150:1). d Kleine Gruppen atrophischer Fasern neben normal großen oder leicht hypertrophischen Fasern, einige mit zentralen myofibrillären Veränderungen im Sinne von Targetfasern (Pfeile). Endomysiales Bindegewebe noch nicht vermehrt. Übergänge zwischen stark atrophischen und teilatrophischen Fasern als Zeichen der Progredienz (Vergr. 400:1). e,f Zustand nach Poliomyelitis im Kindesalter bei einer 34-jährigen Frau. Neben Feldern mit erhaltenen Muskelfasern Gruppen atrophischer Fasern. Dazwischen ist das Fettgewebe im Sinne einer Vakatwucherung vermehrt (Vergr. 260:1). f In dieser Region sind nur noch spärliche Muskelfasergruppen erhalten. Der Rest des Muskelgewebes ist durch Fettgewebe ersetzt (Vergr. 260:1)
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Kapitel 40
acht Monaten um 70%, wenn man die Faserkaliber mit denen normaler Muskeln vergleicht. Der Gewichtsverlust im denervierten Muskel beträgt bei der Ratte schon nach drei Monaten 70–80% [79]. Doch gibt es Speziesdifferenzen und Unterschiede in Abhängigkeit von der Art des untersuchten Muskels.
Die Zahl der Muskelfasern ändert sich nach der Denervation anfänglich nur geringfügig, nach 15 Monaten aber auf etwa die Hälfte der Faserzahl im Kontrollmuskel [30].
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Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
Wenn das Axon, das eine Muskelfaser versorgt, ausfällt, wird eine umfangreiches Genexpressionsprogramm ausgelöst, das u. a. die Proteine Jun, Fos, MyoD1 und Myogenin betrifft [91]. Dieses dient über chemotaktische Mechanismen dazu, die regenerierenden Nervenfasern zu den denervierten Muskelfasern zurückzuleiten [10, 92].
Eine Reinnervation des denervierten Muskels ist noch nach langen Zeiträumen möglich; doch scheint die bindegewebige Einscheidung der Muskelfasern nach etwa 2 Jahren so weit fortgeschritten zu sein, dass klinisch mit keiner sinnvollen Reinnervation, etwa durch eine Nerventransplantation, zu rechnen ist.
Parallel zur Reduktion der Faserkaliber findet sich eine Verringerung des Durchmessers der einzelnen Myofibrillen. Aber auch die Mitochondrien verkleinern sich. Das sarkoplasmatische Retikulum erscheint allerdings zumindest relativ vermehrt. Die Verringerung der Myofibrillengröße resultiert aus einer Abspaltung einzelner Filamente an der Peripherie der Myofibrillen. Diese Filamente zerfallen dann in den intermyofibrillären Räumen, wobei im ersten Stadium der Atrophie ein „degenerativer autolytischer Prozess“ in den Fasern zu beobachten ist. Im zweiten längeren Stadium setzt dann die sog. „einfache“ Atrophie ein [52]. Ein bestimmtes Faserkaliber von 3 μm wird allerdings in aller Regel nicht unterschritten [66]. Sonstige degenerative Faserveränderungen bestehen in vakuoligen Veränderungen, selten einmal in einer vollständigen Degeneration mit Phagozytose und Kernpyknosen. Die Satellitenzellen vermehrten sich als Reaktion auf eine Denervation [37]. Die Typ-2-Fasern atrophieren rascher als die Typ-1Fasern. In allen Fasertypen verringert sich nach der Denervation die Aktivität der Enzyme. Hinsichtlich der oxidativen Enzymaktivität sind die Fasertypenunterschiede schließlich fast vollständig aufgehoben; hinsichtlich der myofibrillären ATPase-Aktivität bleiben aber noch monatelang Unterschiede erhalten.
Bei orthotoper Reinnervation ist im reinnervierten Muskel in der Regel eine Fasertypengruppierung nachweisbar, sofern eine komplette Nervendurchtrennung vorausgegangen ist. Nach einer Nervenquetschung ist eine solche Gruppenbildung bestenfalls in angedeuteter Form nachweisbar. Nach einer sog. Kreuzinnervation, d. h. wenn ein denervierter langsamer Muskel mit dem abgetrennten Nerven eines raschen Muskels reinnerviert wird, ändern sich der Muskelfasertyp in histochemischer, biochemischer und physiologischer Hinsicht im Sinne des reinnervierenden Neurons [9, 29], d. h. es kann zu einer Umwandlung der histochemischen Fasertypen kommen. Eine Fremdinnervation eines Muskels mit intakter Innervation führt zu keiner funktionellen muskulären Verbindung, auch wenn die Nervenfasern in den Muskel einwachsen. Erst wenn der zum Muskel gehörende Nerv durchschnitten wird, bilden sich funktionelle Kontakte zwischen dem fremden Nerv und den Muskelfasern.
Abb. 40.3a–f Panarteriitis nodosa mit ausgeprägter Polyneuropathie und neurogener Muskelatrophie bei einem 56-jährigen Mann. a Im Epineurium des N. suralis zeigen zahlreiche Blutgefäße ausgeprägte perivaskuläre und auch in der Gefäßwand liegende mononukleäre Zellinfiltrate. Eine mittelgroße Arterie ist obliteriert (A); HE, (Vergr. 590:1). b Nervenfaszikel mit starker Reduktion der Zahl großer und kleiner markhaltiger Nervenfasern und mit vielen Markscheidenabbauprodukten (Vergr. 112:1). c M. gastrocnemius mit umschriebenen perivaskulären mononukleären Zellinfiltraten, die nicht auf das angrenzende Muskelgewebe übergreifen. Die Muskelfasern zeigen gruppenförmige Atrophien ohne Nekrosen oder myophagische Reaktionen (Vergr. 184:1). d Succinatdehydrogenasereaktion mit fleckförmigen Aufhellungen in einzelnen dunklen Typ-1Muskelfasern (Vergr. 195:1). e Myofibrilläre ATPase-Reaktion nach
Präinkubation bei pH 9,4. Die dunklen Fasern (Typ 2) sind nahezu sämtlich atrophisch, nur vereinzelt auch die Typ-1-Fasern. Sowohl die hellen als auch die dunklen Fasern zeigen eine Fasertypengruppierung (Vergr. 112:1). f Die denervationsatrophischen Fasern liegen in kleinen Gruppen zusammen und sind oft stark abgeflacht oder „angulär“ konfiguriert. Das endomysiale Bindegewebe ist noch kaum vermehrt, 460:1. g,h Refsum-Krankheit. g N. suralis mit ausgeprägter Reduktion der Zahl großer und kleiner markhaltiger Nervenfasern. Markscheidenabbauprodukte sind nur vereinzelt zu finden. Ausgeprägte Proliferation der Schwann-Zellen, die stellenweise in größeren Haufen zusammen liegen (Pfeil; Vergr. 300:1). h Ausgeprägte neurogene Muskelatrophie mit gruppenförmig angeordneten atrophischen Fasern, die von vermehrtem endomysialen Bindegewebe umgeben sind (Vergr. 150:1)
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Muskelveränderungen bei Schädigungen, Erkrankungen
a
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h
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Von einer kollateralen Reinnervation spricht man, wenn aussprossende Axone von erhaltenen Nervenfasern, wie so häufig, benachbarte denervierte Muskelfasern reinnervieren, wodurch in der Regel eine Fasertypengruppierung resultiert. Nichtcholinerge Nervenfasern (des Sympathikus oder der Spinalganglien) führen nicht zu einer funktionsfähigen Innervation, resp. Reinnervation quergestreifter Skelettmuskelfasern.
Periphere Neuropathien In der im Kap. 19 zitierten Klassifikation der neuromuskulären Erkrankungen sind die kongenitalen oder genetisch determinierten, metabolischen, traumatischen, toxischen, entzündlichen, blastomaösen oder neoplastischen und ätiologisch unklaren Erkrankungen der Spinalnerven und der peripheren Nerven in 271 Einzelpositionen aufgeschlüsselt. Inzwischen sind allein unter den hereditären Neuropathien 61 Positionen aufgelistet (s. Kap. 23, S. 597).
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Zur Präzisierung der Diagnose ist dann manchmal eine kombinierte Nervmuskelbiopsie anzuraten [67, 92], insbesondere wenn eine Krankheit primär die peripheren Nerven und die Skelettmuskulatur betrifft, z. B. bei Vaskulitiden, Sarkoidose, bestimmten Amyloidosen, der Glykogenose vom Typ IV sowie bei Mutationen des Lamin-A/C- und Dynamin-2Gens (s. jeweils dort).
Morphologie. Muskelbioptisch findet sich bei chronischen Neuropathien vom axonalen oder neuronalen Typ ein Nebeneinander von typischen Denervations- und Reinnervationszeichen wie von reaktiven Veränderungen, die als „myopathisch“ oder als „Begleitmyopathie“ [47] gedeutet werden. Charakteristisch sind: • Kleine Gruppen atrophischer Fasern, die zumeist auf dem Querschnitt abgeflacht oder eckig (angulär; „angulated“; Abb. 40.2c,d; 40.3e,f,h), nicht rund, wie bei der infantilen spinalen Muskelatrophie, erscheinen (Abb. 40.1a–c). Diese partiell oder vollständig atrophischen Fasern gehören zumeist sowohl dem Typ 1 als auch dem Typ 2 an, wenn auch der Typ 2 etwas stärker betroffen sein kann. Der Grad der Muskelatrophie hängt von dem untersuchten Stadium des Prozesses ab. Gelegentlich ist eine netzförmige Verteilung der Muskelfaseratrophien über den gesamten Muskelquerschnitt zu finden, wie sie typischerweise bei der amyotrophischen Lateralsklerose vorkommt [54, 66] (Abb. 40.1d,e). Bei 3/4 der Patienten besteht eine Hypertrophie der Typ-1-Fasern.
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
• Eine Fasertypengruppierung, als Zeichen einer vorausgegangenen kollateralen Reinnervation denervierter Muskelfasern. Dabei müssen etwa 50, mindestens aber 15 Fasern gleichen histochemischen Typs zusammen liegen [6, 46]. In frühen Stadien findet sich u. U. ausschließlich eine Fasertypengruppierung. In späten Stadien können neben kleinen auch große Gruppen atrophischer Fasern nachweisbar sein (Abb. 40.2c, 40.3e). • Zentralständige Kerne und pyknotische Kernhaufen in vollständig atrophischen Fasern. Nur gelegentlich sind Fasernekrosen, Myophagien oder regenerierende Fasern nachweisbar, z. T. mit endomysialer Bindegewebsvermehrung. Typischerweise kommen auch Target- und Targetoid-Fasern vor [21, 64] (Abb. 40.2c,d), ebenso wirbelförmige Myofibrillenveränderungen und „Mottenfraßherde“ in den Muskelfasern (Abb. 40.3d). Die hypertrophischen Fasern erscheinen oft aufgespalten. Auch finden sich häufig atrophische Fasern in enger Nachbarschaft von hypertrophischen Fasern. In fortgeschrittenen Stadien fällt die Fett- und Bindegewebsvermehrung im Sinne einer Vakatwucherung auf, die von Fall zu Fall sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Bei selektiv demyelinisierenden Polyneuropathien, namentlich bei den hypertrophischen Neuropathien vom Typ CMT3 (Dejerine-Sottas), besteht zumindest in frühen Stadien eine auffällige Diskrepanz zwischen dem ausgeprägten Befund am peripheren Nerven und den relativ geringfügigen Veränderungen am Muskel (Abb. 40.2a,b): Hier finden sich nur vereinzelt kleine Gruppen atrophischer Fasern, gelegentlich einmal eine Targetfaser. Die Faserdurchmesser sind aber insgesamt auffallend schmächtig [66]. Später können die Axone bei wiederholter De- und Remyelinisation schließlich in zunehmender Zahl degenerieren, so dass es zur progressiven Denervationsatrophie der Muskelfasern, evtl. mit den Komplikationen einer kollateralen Reinnervation und Fasertypengruppierung als Vorstufe einer Atrophie größerer Gruppen und Felder von Muskelfasern kommen kann.
Elektrostimulation Durch kurzfristige elektrische Reizung einzelner motorischen Nervenfasern (indirekte Reizung) lässt sich eine Reduktion des Glykogen- und Phosphorylasegehalts der Muskelfasern induzieren, die u. a. zur Bestimmung der Zahl von Muskelfasern in einzelnen motorischen Einheiten verwendet worden ist (ca. 160 im M. tibialis anterior der Ratte [18]).
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Erkrankungen des Neurons
Durch langdauernde Stimulation des intakten Nerven mit einer Reizfrequenz, die derjenigen in einem langsamen Muskel entspricht (10 Hz = 10 Impulse/s), lässt sich ein rascher Muskel in einen langsamen umwandeln [50, 61].
Diese Transformation schließt nicht nur die physiologischen Parameter des Muskels ein, sondern auch die histochemischen, biochemischen und ultrastrukturellen Eigenschaften [58]. Auch das kollagene Bindegewebe wird beeinflusst [39]. Auch durch eine direkte Reizung eines denervierten Muskels lässt sich bis zu einem gewissen Grade eine Umwandlung von Fasertypen bei entsprechender Reizfrequenz induzieren [50]. Bezüglich der Wechselwirkungen zwischen Nerven, Muskeln und Prothesen durch Stimulation in der einen oder anderen Richtung über bioelektronische Brücken sei auf die Spezialliteratur verwiesen (z. B. bei Kochleaoder Retinaimplantaten, Handprothesen; Reizelektroden, Mikrostimulatoren; Polyimidregenerativelektroden usw.; vgl. Neurobiotics u. a.; Literatur s. [49].
[66]. Eine Wadenhypertrophie bei peripherer Neuropathie kann paradoxerweise ebenfalls vorkommen [81, 87].
Inaktivitätsatrophie In Abhängigkeit von der Art der Inaktivität sind die verschiedenen Muskelfasertypen in unterschiedlicher Weise betroffen. Bei mäßiger Beeinträchtigung der Gehfähigkeit kommt es zu einer Atrophie der raschen Zuckungsfasern. Bei hochgradiger Bewegungseinschränkung (Immobilisation) findet sich sowohl eine Atrophie der raschen als auch der langsamen Zuckungsfasern. Bei schmerzhaften Kniegelenkserkrankungen fand sich demgegenüber eine isolierte Atrophie der langsamen Zuckungsfasern [15, 78]. Diesen verschiedenen Atrophieformen liegt vermutlich eine Störung der Quantität und Qualität in der Aktivierung der entsprechenden motorischen Einheiten zugrunde.
Erkrankungen des zentralen und peripheren motorischen Neurons Amyotrophische Lateralsklerose (ALS)
Training
Es gibt zum Komplex des sportlichen Trainings und Dopings eine schier unübersehbare Literaturfülle [32].
Bei dieser Krankheit (im angloamerikanischen Sprachraum missverständlich schlicht „motor neuron disease“ genannt, obwohl dann auch die selektiven Erkrankungen der Vorderhornzellen, also ausschließlich des 2. motorischen Neurons, also die sog. spinalen Muskelatrophien und die „motorischen Neuropathien“ hinzuzurechnen wären) ist sowohl das zentrale (1.) als auch das periphere (2.) motorische Neuron erkrankt, d. h. sowohl die motorischen Zellen im Cortex cerebri als auch im Hirnstamm und im Rückenmark (s. Kap. 9). Als Ausschlusskriterium dient in der Regel eine Mitbeteiligung des peripheren sensorischen Systems; doch gibt es Ausnahmen mit schwerer sensorischer Neuronopathie [89]. Im Übrigen gilt generell, dass Systematrophien nicht absolut auf ein einziges System begrenzt sind. Zu unterscheiden sind sporadische von familiären Formen der amyotrophischen Lateralsklerose (ALS).
Differentialdiagnose. Diese Form der Aktivitätshypertrophie ist zu unterscheiden von einer echten Hypertrophie der Muskeln (Hypertrophia musculorum vera), die als Folge von Mutationen im Myostatingen (GDF8) vorkommt (Pos. 5.15 in Tabelle 31.2; Kap. 31), von einseitigen Hypertrophien ganzer Körperhälften mit Muskelhypertrophie sowie von fokalen Muskelhypertrophien [53] und der sog. hypertrophischen branchialen Myopathie, die durch eine selektive Vergrößerung der Kaumuskulatur gekennzeichnet ist (idiopathische Masseterhypertrophie)
Genetik, Klinik, Epidemiologie. Die Erkrankung tritt in der Regel sporadisch auf (SALS). Seltene familiäre Formen, eine besondere Form, die mit Parkinsonismus, und eine weitere, die mit Demenz kombiniert ist, und andere Syndrome müssen abgegrenzt werden (Pos. 12.19–12.29 in der Gentabelle, Neuromusc Dis: S. 87–88, 2010; s. Kap. 9). Die Erkrankung beginnt am häufigsten zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Doch können andere Lebensaltersstufen betroffen sein. Sofern vorwiegend die zentralen motorischen Neurone betroffen sind, wird das klinische
Beim sportlichen Training sind die Auswirkungen einer kurzfristigen raschen Belastung oder Trainingsaktivität, etwa bei Sprintern, von denen einer Dauerbelastung, etwa bei Langläufern (Ausdauertraining), und von denen bei Gewichthebern (Kraftsporttraining) zu unterscheiden [28]. • Beim Ausdauertraining vergrößern sich die Mitochondrien. Die SDH-Aktivität sowie die Volumendichte der intrazellulären Triglyzeridtropfen und die Zahl der Kapillaren pro Muskelareal nimmt zu [17]. • Demgegenüber kommt es beim Krafttraining zu einer selektiven Typ-2-Faserhypertrophie mit Verminderung der SDH-Aktivität.
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Bild von der Spastizität und Hyperreflexie geprägt. Die Erkrankung der peripheren Neurone führt zur Atrophie und Schwäche der betroffenen Muskeln, die vielfach ausgeprägte Faszikulationen aufweisen. Die Inzidenz und Mortalität beträgt weltweit, von bestimmten Regionen im Westpazifik abgesehen, etwa 1 (0,8 bis 1,5) auf 100.000 Personen [40]. Nur bei einem Viertel der Fälle ist eine relativ benigne Variante zu beobachten [8].
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Morphologie. Mikroskopisch bestehen, auch wenn klinisch noch keine Schwäche nachweisbar ist, nahezu regelmäßig in allen untersuchten Muskeln pathologische Veränderungen. Dazu gehört vor allem eine Atrophie von Typ-1und Typ-2-Fasern, wobei die Typ-2-Fasern zuerst und bevorzugt betroffen sind. Die atrophischen Fasern sind auf dem Querschnitt stark abgeflacht und manchmal in charakteristischer, wenn auch unspezifischer Weise in allen untersuchten Regionen annähernd gleichmäßig verteilt, so dass sie netzförmig zwischen den normal großen, erhaltenen Fasern angeordnet sein können (vgl. Abb. 40.1d,e) [20, 54]. Im Unterschied zur infantilen spinalen Muskelatrophie sind die atrophischen Fasern vielfach abgeflacht oder angulär konfiguriert; ihr kleinerer Querdurchmesser liegt zwischen 6 und 18 μm. Hypertrophische Fasern kommen ebenfalls häufig vor, wobei in frühen Stadien überwiegend Typ-1-Fasern hypertrophieren. Eine Fasertypengruppierung [23] gehört nicht zum charakteristischen Bild, wenn auch eine Anordnung der atrophischen Fasern in kleinen Gruppen charakteristisch ist [51]. Unter den Kernveränderungen fallen tigroide Formen auf. Zentral verlagerte Kerne sind nur selten nachweisbar. Degenerative und regenerative Veränderungen an den Muskelfasern kommen aber vor, myophagische Reaktionen oder Faserregenerationen schließen jedenfalls die Diagnose einer amyotrophischen Lateralsklerose nicht aus. Target- oder Targetoidfasern sind nur selten gehäuft nachweisbar, zumeist nur vereinzelt. Das Bindegewebe ist wegen des in der Regel raschen, malignen Verlaufs nicht wesentlich vermehrt. Eine endomysiale Fibrose oder Gefäßreaktionen gehören jedenfalls nicht zum typischen Bild. Ätiologie. Die Ursache der amyotrophischen Lateralsklerose ist, wenn man einmal von den erblichen Ausnahmefällen absieht, nicht geklärt. Diskutiert werden u. a. endogene und exogene Toxine, insbesondere Aluminium, Viren und endogene biochemische Anomalien der Neurone, insbesondere Defekte der DNA-ReparaturMechanismen, Ionenkanalfunktionsstörungen und immunologische Hypothesen [7, 38, 75]. Die bei der familiären ALS gefundenen Mutationen z. B. im Kupfer/Zink-Superoxid-Dismutase-1-Gen (s. oben) lassen sich manchmal bei der sporadischen Form der ALS nachweisen, so dass auch eine genetische Disposition zur Diskussion steht [33, 57, 71, 86].
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
Prognose. Die Prognose ist in der Regel ungünstig. Innerhalb von Monaten bis zu wenigen (in der Regel 2–3–5) Jahren nach Beginn der Symptome führt die akute Form der Krankheit bei voller geistiger Klarheit der Patienten letztlich durch die Atemlähmung zum Tode [33].
Erkrankungen des zentralen motorischen Neurons Das zentrale motorische Neuron kann bei zahlreichen verschiedenartigen Prozessen mehr oder weniger selektiv geschädigt sein, so z. B. nach Schlaganfällen und Traumen (kortikal und spinal) sowie bei Systematrophien (den verschiedenen Formen der spastischen Spinalparalyse bzw. der hereditären Paraplegien, bei denen derzeit 41 Formen unterschieden werden; http://www.musclegenetable.org). Bei den „Systematrophien“ ist grundsätzlich – zusätzlich zu dem dominierenden Befall des namengebenden Systems – mit einer geringen Nebenlokalisation des pathologischen Prozesses in weiteren Systemen zu rechnen. Morphologie. Das Vorkommen eines Muskelschwunds in den betroffenen Extremitäten hemiplegischer Patienten ist sei langem bekannt. Mikroskopisch lässt sich dabei anfangs eine überwiegende Typ-2-Faseratrophie nachweisen [2, 16]. Da auch Targetfasern vorkommen können, die als Denervationszeichen gelten, ist zu vermuten, dass später eine transsynaptische (transneuronale) Degeneration der distalen (peripheren) Motoneurone auftritt, nachdem die kortikospinalen Fasern degeneriert sind. Pathogenetisch sind als Ursache der hemiplegischen Muskelatrophie verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, so eine gewisse Inaktivität trotz einer zunehmenden Spastik, außerdem Störungen der Blutversorgung, möglicherweise auch eine Atrophie sowie Störungen vonseiten des Gyrus postcentralis, wo ein „trophisches“ Zentrum für die Muskulatur lokalisiert sein soll [44]. Eine suprasegmentale „Kordotomie“, d. h. eine Durchtrennung des Rückenmarks, führt im Experiment zu einer mäßiggradigen Atrophie beider histochemischer Fasertypen mit zusätzlichen „Myopathie-ähnlichen“ Veränderungen [37]. Bei der Bestimmung der verschiedenen Myosintypen lassen sich sog. Hybridfasern mit mehreren Schwerkettenmyosinformen (MHC-I, -IIa, -IIb und -IIx) nachweisen [80].
Störungen der zentralen Tonusregulation Hierzu gehören vor allem die Parkinson-Krankheit, das Parkinson-Syndrom resp. der Parkinsonismus (s. Kap. 8)
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Unklassifizierte Krankheiten
und die Multisystemerkrankung bzw. die Synukleinopathien und andere neurodegenerative Proteinopathien des Zentralnervensystems, die über eine Miterkrankung der peripheren Nerven (autonome Nerven, spinale Ganglien) [89] indirekt zu Veränderungen am Muskelgewebe führen können. Außerdem sind hier Auswirkungen von Rigor und Tremor bei der Parkinson-Krankheit und weiterer Tremorformen zu nennen, ebenso die Folgen einer Dezerebellierung oder Deafferentierung [66] sowie heredodegenerative und andere Erkrankungen der spinozerebellären Systeme, darüber hinaus aber auch Auswirkungen von Myklonien (vgl. Mitochondriopathien; s. Kap. 33) und Myokymien. Auch Dystonien, die u. a. auf Mutationen in 5 verschiedenen mitochondrialen Genen (vgl. MELAS und MERRF) [25] sowie 17 nukleären Genen zurückgeführt werden können [48], und speziell die Spastik haben Auswirkungen auf die Struktur des Muskelgewebes, ohne dass diese allerdings bisher mit modernen Methoden genauer analysiert worden wären. Morphologie. Mikroskopisch findet sich z. B. beim Parkinsonismus neben einer Verringerung des mittleren Faserkalibers eine bevorzugte Atrophie der Typ-2-Fasern. Außerdem besteht eine geringe zahlenmäßige Dominanz der Typ-1-Fasern auf Kosten der Typ-2a-Fasern [16]. Bei pontozerebellärer Hypoplasie vom Typ 2 sind Folgen einer Rhabdomyolyse mit verschiedenen myofibrillären Veränderungen, Zellnekrosen, Unregelmäßigkeiten der NADH-Reaktion und Ablagerungen konzentrischer laminierter Körper zu finden [4]. Viele Störungen der Tonusregulation sind jedoch noch nicht hinreichend im Hinblick auf histopathologische Muskelveränderungen untersucht.
Erkrankungen des Zentralnervensystems, die sich mit Hilfe einer Muskelbiopsie spezifisch diagnostizieren lassen Zerebrale, autosomal-dominante Angiopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukoenzephalopathie (CADASIL) Perivaskuläres granuläres osmiophiles Material (GOM) lässt sich elektronenmikroskopisch als spezifische Ablagerung nicht nur im Zentralnervensystem, sondern auch um kleinere Blutgefäße im Muskel und in peripheren Nerven sowie der Haut nachweisen [35, 59, 60, 69, 70, 84].
Neuroferritinopathie Eine vorher unter den „unklassifizierten neuromuskulären Erkrankungen“ aufgeführte „neuromuskuläre Krankheit mit granulär-hyalinen Kerneinschlüssen“, bei der pathognonomische Kerneinschlüsse eine Diagnose erlauben [66, 68], ist inzwischen als Neuroferritinopathie identifiziert worden. Nach klinischen Befunden sind aber weniger die Muskulatur, sondern vor allem das Stammgangliengebiet des zentralen Nervensystems mit Parkinsonismus-ähnlichen Symptomen betroffen. Zugrunde liegen Mutationen im Gen für das „Ferritin light chain“ (FTL) auf Chromosom 19q13.3 [11, 12, 42, 65, 88].
Zeroidlipofuszinosen und spezielle Lipidosen Psychosen Ob eine wiederholt bei Psychosen – insbesondere von akut schizophrenen Patienten – beschriebene Myopathie in die Gruppe der Erkrankungen bzw. Störungen der zentralen Tonusregulation zu rechnen ist oder nicht, lässt sich gegenwärtig noch nicht entscheiden. Doch ließen sich wiederholt reichlich Nemalinkörper und Atrophien der Typ-2-Fasern nachweisen, die zumindest auf eine zentrale, neurogene Pathogenese sowohl der Typ-2Faseratrophie als auch der Nemalinkörper hinweisen [45]. Am Vorkommen mitochondrialer Funktionsstörungen bei neuropsychiatrischen Krankheiten besteht jedoch kein Zweifel; dazu gehören Demenzen, stärkere Depressionen, bipolare Krankheiten und Schizophrenien [62]. Die verschiedenen Formen mitochondrialer Enzephalomyopathien, die u. a. über eine Muskelbiopsie zu diagnostizieren sind, werden im Kap. 33 dargestellt.
Angesichts der schweren Krankheitsformen, die mit den Zeroidlipofuszinosen verbunden sind, erscheint die Beteilung der Skelettmuskulatur geringfügig; dennoch lassen sich muskelbioptisch zweifelsfrei Diagnosen stellen, sofern die charakteristischen kurvilinearen Zytosomen enzymhistochemisch mit Hilfe der Sauren-PhosphataseReaktion und elektronenmikroskopisch durch den Nachweis der spezifischen Sarkoplasmaeinschlüsse identifiziert werden [27, 66]. Ähnliches gilt auch für bestimmte Lipidosen wie der Fabry-Krankheit [83] und GM1-Gangliosidosen [82] u. a. (s. Kap. 6).
Unklassifizierte Krankheiten Angesichts unklassifizierbarer bzw. noch unklassifizierter Fälle in Literatur und Praxis ist damit zu rechnen, dass in Zukunft weitere Probleme der Nosologie und der Klassifikation zu lösen sind, bevor eine Rubrik „unklassifizierte
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Kapitel 40
Erkrankungen“ ausgelassen werden kann, auch wenn an dieser Stelle nicht der Platz ist, um detailliert Beispiele aufzuführen (vgl. z. B. nukleär bedingte mitochondriale Krankheiten).
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Sachverzeichnis
A
A-Delta-Faser 627 Abbausystem, lysosomales 799 ABC-Score 204 ABC1-Gen 610 ABC7-Gen 765 Abdissoziation von glatten Muskelzellen 654 Abdominalmuskelaplasie 828 Abduzenslähmung, bilaterale 828 Abetalipoproteinämie 610, 621, 709, 769 ABHD5-Gen 758, 768, 769 Abiotrophie 824 Ablagerung – amorpher Substanzen 632, 704 – granuläre osmiophile (GROD) 152, 770 – granulofilamentöse 732 – immunotaktoide 668, 670 – myelinähnliche (membranöse zytoplasmatische) 731 – ubiquinierte 629 – von IgM 670 Abrikossoff-Tumor 807 Abszess 311, 794 – epiduraler 312 – hämatogener 794 Acäruloplasminämie 184 Acatalasämie 611 Acetylcholin (ACh) 818 – Abgabe 781 – Esterase (AChE) 814, 818 – Aktivität 583 – Collagen-like-tail-Untereinheit (COLQ) 815, 818 – Freisetzung 814 – Rezeptor (AChR) 681, 816, 818 – α-Untereinheit 815 – Ab 814 – Antikörper 816, 817 – β1-Untereinheit 815 – CHRNA1 815 – CHRNB1 815 – CHRND 815 – CHRNE 818 – CHRNG 816 – δ-Untereinheit 815 – ε-Untereinheit 815
– Kanal 818 – Mangel 815 – Mangel mit oder ohne geringe kinetische Anomalien 818 – nikotinischer 814 Achselbogen 786 Acquired immune deficiency syndrome (AIDS) 38, 316, 318, 326, 327, 531, 794 – Neuropathie 643 – Prä-AIDS-Phase 643 Acrylamid 376, 582 Actin, siehe Aktin Actinin-α 678, 729, 730, 732 Action-Myoclonus-Renal Failure-Syndrom 153 Activin-A-Rezeptor, Typ 1 (ACVR1) 727, 778 Acyl-Coenzym-A – Dehydrogenase, sehr langkettig (ACADVL) 758, 769 – Dehydrogenasemangel 758 – multipler 758, 769 – Riboflavin-responsiver multipler 758 – Oxidasemangel 611 Addison-Krankheit 770 ADEM, siehe Enzephalomyelitis, akute disseminierte Adenosinmonophosphat (AMP) 768 – AMPD1-Gen 768 – Deaminase-(AMPDA-)Reaktion 734 Adenosintriphosphat (ATP) 761 – 2A1 745, 748 – 7A 183 – 7B 181 – Bindung 680 – Hydrolyse 680 – Synthetase 762, 765 Adenosintriphosphatase (ATPase) 680 – kalziumtransportierende 748 – myofibrilläre Reaktion 680, 826 – Reaktion 680 – Technik 680 Adhalin 678, 692 – Mangelmyopathie 705 Adie-Syndrom 629 Adipophilin 769 Adipose-Triglyzerid-Lipase (ATGL) 769 Adoptive-Transfer EAN 646
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Sachverzeichnis
Adrenoleukodystrophie (ALD) 155, 157, 602, 609, 611 – neonatale (NALD) 155, 611 – Pseudo-NALD 611 – X-chromosomale (X-ALD) 157 Adrenomyeloneuropathie (AMN) 157, 611 Adriamycin 582 Adynamia episodica hereditaria 749, 750 Afferenz, sensorische 824 Aganglionose 624 Agenesie des Corpus callosum 626 – mit peripherer Neuropathie (ACCPN) 603, 626 Aggregat – fuchsinophiles 766 – mikrotubuläres 668 – tubuläres 687, 734, 736, 750, 751 – hexagonale Variante 734 Agrin (AGR) 681, 815 – Mangel 815 Agyrie 710 Ahornsirupkrankheit 174 AHS, siehe Ammonshornsklerose Aicardi-Syndrom 459 AIDP, siehe Polyradikuloneuropathie, akute inflammatorische demyelinisierende AIDS, siehe Acquired immune deficiency syndrome Akanthozytose 610 Akinesia-deformans-Sequenz, fetale (FADS) 709, 711 Akinesie, fetale 733 Akranie 76 Akrodermatitis chronica atrophicans 645 Akromegalie 594 Aktin 678, 679, 680, 687, 721, 729 – D 679 – D1 (ACTA1) 721, 728, 729 – Gen 733 – Nemalinmyopathie 729 – Filament 729 Aktin-Myosin-Komplex 678 Aktivitätshypertrophie 833 Akustikusneurinom 528, 536 ALD, siehe Adrenoleukodystrophie Alkohol 380, 779, 780 – Dehydrogenase 381 – Entzug 382 – Intoxikation 381, 382 – Missbrauch 381 Alkoholsyndrom, fetales 77, 78 Alkyl-DHAP-Synthase-Mangel 611 Allelverlust – 19q 488, 507 – 1p 488, 507 Allodynie 627, 643 Alpers-Huttenlocher-Syndrom 167, 764 Alpers-Syndrom 165, 167, 460 Alpha-S-Aktin-Expression 801 Alter 768
Altersatrophie 735 Alterspigment 152 Altersveränderungen 194 Aluminium 368, 393, 583, 801, 834 – Enzephalopathie 368 – Hydroxid 801 Alzheimer-Krankheit 200, 629, 799 – Alzheimer-I-Glia 392 – Alzheimer-II-Glia 183, 391 – Neurofibrillenveränderungen 195 – Plaque-prädominant 207 – Typ-II-Astrozyten 14, 16 Alzheimersche Neurofibrillenveränderung (NFT) 195 AMAN, siehe Neuropathie, akute motorische axonale Ameisensäure 339 Aminoglykosid 779, 780 E-Aminokapronsäure 780 Aminosäure 171 Amiodaron 585, 616, 779, 780 Ammonshornsklerose (AHS) 453 AMN, siehe Adrenomyeloneuropathie Amöbe 320 AMP, siehe Adenosinmonophosphat Amphetamin 387, 780 Amphiphysin 721, 744, 814 – Gen 723 Amphotericin B 779, 780 AMSAN, siehe Neuropathie, akute motorischsensorische axonale Amyelinisation 711 – kongenitale 624, 629 Amylo-1,4-1,6-Trans-Glukosidose 757, 759, 760 Amylo-1,6-Glukosidase (AGL) 757 Amyloid 706, 800 – Ablagerungen 781 – Angiopathie 282 – Fibrillen 605, 782 – Neuropathie 598, 603 – P-Komponente (AP) 598 – Protofibrillen 782 – Subprotofibrillen 782 – Vorläuferprotein (APP) 196, 201 – β-Protein (Aβ) 196, 202 – Ausfällung 585 – Aβ42-Form 799 – Vorläufer-Protein 799 Amyloidangiopathie, zerebrale (CAA) 282 Amyloidom 606 Amyloidose 603, 667, 781 – AL-Typ 606 – Andrade-Typ 603 – hereditäre (familiäre) 598 – lokalisierte 606 – primäre 598, 606, 781 – sekundäre 598, 781 Amylopektinose 759
Sachverzeichnis
Amyotonia congenita 720 Amyotrophie – diabetische 592, 771, 735 – hereditäre neuralgische (HNA) 603, 630 Anabolika 770 Analphalipoproteinämie 610 Anasarka 667 Anästhesiezwischenfall 751 Anästhetikum 584 Anastomose 253 Anderson-Krankheit 613, 746, 759 Androgenrezeptor 825, 828 – Gen 825, 828 Anenzephalie 53 Aneurysma 273 – arteriosklerotisches 274 – disseziierendes 275 – entzündliches 275 – mykotisches 275 – sakkuläres 273 Anfall, paralytischer 750 Angiogenese 262 Angiogliom 506 Angiokeratoma corporis diffusum 140 Angiolipom 527, 808 Angiom 808 – kavernöses 537 Angiopathie – diabetische 771 – kongophile 282 Anhidrose 627, 628, 644 Ankyrin 558 Anoctamin 5 (ANOS) 692 Anomalie, dentatooliväre 72 Anorexia nervosa 735 Anti-GQ1b-IgG-Antikörper 646 Anti-Hu 666 Anti-MAG-Neuropathie 647 Anti-MAS-Antikörper 797 Anti-Mi-2-Antikörper 797 Antiaminoacyl-tRNA-Synthetase-Autoantiköper 796 Antibiotikum 780 α1-Antichymotrypsin 799 Antikonvulsivum 460 Antikörper – Anti-GQ1b-IgG 646 – Anti-MAS 797 – Anti-Mi-2 797 – anti-Neutrophilen zytoplasmatische (ANCAs) 658 – antineuraler 666 – gegen die Hypophyse 667 – Myeloperoxidase-antineutrophiler zytoplasmatischer 657 – myositisspezifischer 796 Antimalariamittel 585 Antioxidanzien 779
Antiphospholipid-Syndrom (APS) 286 Antisignalrekognitionspartikel-(SRP-)Antikörper 797 Apatitablagerung 750 APC-Gen 808 Apert-Syndrom 76 Aplasie – der Bauchmuskulatur 828 – der kleinen sensorischen und autonomen Neurone 628 – des Musculus pectoralis 786 Apnoe 780 Apochlor 584 Apolipoprotein (APO) 603 – AI (APOA1) 603, 605 – B 611 – E (Apo-E) 182, 202, 643, 799 – Allel 800 – ε4 643 – Genotyp 421 Apoptose 779 APP, siehe Amyloidvorläuferprotein Aprosenzephalie 62, 76 APS, siehe Antiphospholipid-Syndrom APUD-System 662 Aquäduktstenose 74, 90 Aquaporin-4 360 Arachnoidalzotten 26 Arachnoidalzyste 71, 534 Arachnoidea mater 25, 26 Arbovirus 325 Areflexie 725 Argyrophilic grain 216 Arnold-Chiari-Anomalie 58 Arrhythmie, kardiale 751 Arsen 369, 580 Artefakt 682 Arteria meningea media 408 Arterie 256 – persistente 46 Arteriitis temporalis 285, 800 Arteriole 256 Arteriolosklerose 272, 278 Arteriosklerose 276, 654 Arthritis 645, 796 – chronische rheumatoide 654 – rheumatoide 656, 657, 733, 800, 819 Arthrogrypose 1 722 Arthrogryposis multiplex congenita 624, 709, 720 Arylsulfatase-A-ASA-Gen 132 ASKIN-Tumor 662 Aspartoazylase 180 Aspartylglukosaminurie 146 Aspergillose 317 Asphyxie 98 Aspirationspneumonie 760 Ästhesioneuroblastom 516
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Sachverzeichnis
Ästhesioneuroepitheliom 516 Astroblastom 511 Astrocytic plaques 246 Astrogliose 13 Astrozyten 11 – reaktive 11 – thorn-shaped 17, 200, 215 Astrozytom – anaplastisches 503 – desmoplastisches infantiles 502 – fibrilläres 496 – gemästetzelliges 499 – pilomyxoides 501 – pilozytisches 499 – protoplasmatisches 498 Asymbolie für Schmerzen 628 AT8-Antikörper 799 Ataxia telangiectasia 236, 613 Ataxia-telangiectasia-mutated-(ATM-)Gen 237 Ataxie 233, 727, 764 – Acetazolamid-responsive hereditäre paroxysmale zerebelläre (APCA) 746 – episodische 746 – familiäre 709 – hereditäre 686 – spinozerebelläre (SCA) 236, 237, 630 – zerebelläre 724 Ataxie-Syndrom – fragiles 238 – mitochondriales rezessives (MIRAS) 764 Atelenzephalie 62, 76 Atemlähmung 646, 834 Atemmuskulatur 816 Athanogen 3, BCL2-assoziiertes 726, 730 Atmungskette 161, 761 – Komplex I 762, 764, 766 – Komplex II 765, 766 – Komplex III 765 – Komplex IV 765, 766 – Komplex V 765 ATPase, siehe Adenosintriphosphatase Atresie der Seitenventrikel 72 Atrophie 676, 686, 824 – der Muskelfasern 828 – der Typ-2-Fasern 835 – faszikuläre 825 – olivopontozerebelläre 246 Auerbach-Plexus myentericus 629 Aufsplitterung 789, 827 Augenmuskeln 720, 800 – äußere 676, 708, 768, 770 – Lähmung 614 Aurodetoxintherapie 654 Ausdauer 681 Ausdauertraining 833 Ausfall kleiner Nervenfasern 627
Ausheilungsbilder 567 Autismus 476 Autoaggressionskrankheit 642, 646, 794, 799 Autoantikörperstatus 796 Autoimmunerkrankung 797, 800 Autoimmunmyasthenia gravis, experimentelle (EAMG) 816, 817 Autoimmunreaktion 816 Autolyseveränderung 8 Autophagie 121 Autophagolysosomen 799 Autoregulation 257 Axon 5, 7, 556 – anterograder Transport 556 – Auftreibung 195, 632 – dystrophische Veränderungen 630 – markloses 618 – vegetatives 681 – proximale Abschnitte 824 – Schwellung 11 – sensorisches 681 Axonopathie 824 Axonotmesis 566, 568 Axonschäden 407 Azidämie, hyperpipekolische 611 Azidothymidin 794 Azidurie, glykolische 613 B
B-Lymphozyten 782 B-Zelle 797 Bag3-Protein 678, 679, 726, 730 Bag3opathien 730 Bakterien 794 Balkenmangel 65 Ballonzelle 457 Band, transversales 625 Bandage 791 Bandheterotopie 69 Barotrauma 437, 648 Barth-Syndrom 699, 765 Basalganglienhämatom 424 Basallamina 557, 592, 654, 678, 707, 761, 771, 789, 797, 826 – Defekte 710 – Permeabilitätsstörungen 654 – Veränderungen der Schwann-Zellen 723 – Verbreiterungen 592, 687 – perikapilläre 771 – Zwiebelschalenformationen 621, 625 Basedow-Paraplegie 593 Basophilic inclusions body disease (BIBD) 219 Basophilie 795 Bassen-Kornzweig-Syndrom 610, 769 Bauchwandmuskulatur 810 Bazillen 644 BDNF, siehe brain-derived growth factor
Sachverzeichnis
Becker-Dystrophie, siehe auch Muskeldystrophie 690, 745, 749 – Typ A 676, 677 – Typ B 677 Bell’sche Lähmung 642, 647 Bergkrankheit 438 Bergmann-Gliazelle 12 Bergmann-Gliose 15 Berührungsempfindlichkeit 627 Betablocker 779, 780 Bethlem-Myopathie 694, 710, 711 BIBD, siehe Basophilic inclusions body disease Biceps brachii 682 Bielschowsky-Körperchen 169 Bilirubin-Enzephalopathie (Kernikterus) 112 BIN1-Gen 721, 723, 724 Bindegewebe – des Muskels 681 – endomysiales 827 – endoneurales 618 – perimysiales 826 – Proliferation 711 – Vermehrung 832 Bindegewebskrankheit, hereditäre 710 Binswanger-Krankheit 279 Biogenese – der Mitochondrien 765 – peroxisomale (PBK) 611 – Pseudo-PBK 611 Biomechanik 418 Biondi-Körper 22 Biopsie – falsch-negative 657 – stereotaktische 490 Biotin 779 Biphenyle, polychlorierte 584 Bis-(mono-Acyl)-Glycerophosphat 609 Bismut 369 Bizepsmetastase 810 Blasenschwäche, atonische 646 Blausäure 375 Blei 369, 581 Blepharospasmus 748 Blickparese 614 – progressive supranukleäre (PSP) 215, 244 Blitzschlag 434 Blockade der neuromuskulären Endplatte 814 Blut-Hirn-Schranke 13, 27, 291 Blut-Liquor-Schranke 27 Blut-Nerven-Schranke 585, 644, 656, 667 Blutgefäß, epineurales 656 Blutung – in die Schädelhöhle 270 – intraventrikuläre 110, 423 – intrazerebrale 423 – retinale 412
Boeck-Besnier-Schaumann-Krankheit 801 Boeck-Sarkoid 801 Bornholm-Krankheit 794 Borrelia burgdorferi 645 Borreliose 314 Botulinumtoxin 814, 819 – Injektion 791 Botulismus 794, 795, 819 Boxen 424 Braak-Stadium 203, 204, 205 Brachyury 528 Bradykinin 788 BRAF-Gen 489, 501, 502, 513 Brain-derived growth factor (BDNF) 568 Brain-Net 225 Branching-Enzym 757, 759 – 4-alpha 757 – Defekt 170 – Mangel 756 Brandeinwirkung 431 Brandhämatom 432 Brody-Krankheit 745, 748 Bronchialkarzinom 666 – kleinzelliges 817 Brücke, bioelektronische 833 Brückenblutung 427 Brückenvene 408 Brustkorbdeformität 711 Bulbärparalyse, progressive 827 Bulbärsyndrom 427 Bumetanid 780 α-Bungarotoxin 814 Büngner-Band 567, 568, 616, 621 Bunina-Körper 230 Burning-feet-Syndrom 592, 627 C
C-Faser 592, 627, 628 C-Protein 678 C-Waffen 583 CACNA – 1A-Gen 746, 750 – 1S-Gen 746, 747, 751 CADASIL 281, 630, 656, 835 Cadmium 581 CAG – Trinukleotide 825 – Wiederholungsabschnitte 828 Caisson-Trauma 425, 437 Cajal-Retzius-Zelle 48, 451 Calcinosis cutis 797 Calpain – 1 678 – 2 678 – 3 (CAPN3) 678, 692, 703 – Familie 703
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Sachverzeichnis
Calpain – l-Calpain 678 – m-Calpain 678 Calpainopathie 697, 701, 703, 800 Calpstatin 678 Calretinin-Neuron 654 Calsequestrin 678, 735 Calumin 678 Campylobacter 647 – jejuni 646 Canavan-Krankheit 165 Canavan-van Bogaert-Bertrand-Krankheit 180 Candida 317 Cannabinoid 387 Cap disease 722 Capsaicin-Rezeptor 627 Caput succedaneum 112 CapZ 678 Carbenoxolon 779, 780 Carbun 820 Cardiolipin 764, 765 Carney-Komplex 529 Carnitin – L-Carnitin-Therapie 768 Carnitin-Palmitoyl-Transferase 2 (CPT2) 758 Carnitin/Acylcarnitin-Translokase-Mangel 758, 769 Carnitinmangel, primärer 768 – systemischer (CDSP) 758, 769 Carnitinpalmitoyltransferase-(CPT-)Mangel 758, 768, 769 – I 769 – II 769 Catenin – β 730 Cauda-equina-Syndrom 643 Caveolae, pinozytotische 751 Caveolin 678, 679, 708 – 1 558 – 3 (CAV3) 687, 691, 698, 702, 725, 727, 730, 745, 748 – Defekt 702 – Gen 702, 748 – Immunreaktivität 735 – Mangel 703 – Verminderung 702 – Reaktivität 748 Caveolinopathie 720 Cavin 698 – 1 691 Cavum – septi pellucidi 73 – Vergae 73 CCFDN 603, 623, 727 CCT5-Gen 626, 629 CD, siehe cluster of differentiation CDSP, siehe Carnitinmangel, primärer systemischer
Central Core 677, 781 – Fasern 687 – Krankheit (CCD) 676, 721, 723, 728, 729, 735, 747, 751 – Myopathie 734 CERAD 204 – Klassifikation 206 Cerebral palsy 99 Ceroid-Lipofuszinosen 609 CGI-58-Gen 758, 769 Chagas-Krankheit 642, 644, 796 Chanarin-Dorfman-Syndrom 758, 768, 769 Chaperon 679 – Protein 630 Charcot-Arthropathie 628 Charcot-Marie-Tooth-Neuropathie (CMT) 615, 616 – CMT1 599, 615 – CMT1A 593, 599, 615, 618, 619, 829 – CMT1B 599, 725 – CMT1C 599, 619 – CMT1D 599, 619 – CMT1E 599, 619 – CMT1F 599, 619 – CMT2 600, 615, 619 – CMT2A 600, 621, 765 – CMT2B 600, 621 – CMT2B1 600, 698, 702 – CMT2B2 600 – CMT2C 600, 621 – CMT2D 600, 621 – CMT2E 600, 621 – CMT2F 600, 623, 629 – CMT2G 600, 623 – CMT2H 600, 623 – CMT2I 600, 623 – CMT2J 600, 623 – CMT2K 600, 619, 623, 625 – CMT2L 600, 623, 629 – CMT3 601, 624, 832 – CMT4 615, 625 – CMT4A 601, 619 – CMT4B1 601, 625 – CMT4B2 601, 625 – CMT4C 601, 625 – CMT4D 625 – CMT4E 601, 625 – CMT4F 602, 625 – CMT4G 602, 625 – CMT4H 602, 625 – CMT4J 602, 625 – dominant intermediäre (CMTDI) 623 – CMTDIA 599, 623 – CMTDIB 599, 623, 694 – CMTDIC 599, 623 – CMTDID 599, 623
Sachverzeichnis
– X-linked (CMTX) 626 – CMTX1 602, 626 – CMTX2 602, 626 – CMTX3 602, 626 – CMTX4 602, 626 – CMTX5 602, 626 Chaslin-Gliose 16 Chemikaliensensitivitäts-Syndrom, multiples 587 Chemikalienunverträglichkeit, multiple 376 Chemodektom 662 Chiari-Anomalie – Typ 1 58 – Typ 2 58 Chloridkanal 678, 745, 749 – Leitfähigkeit 749 – Störungen 748 Chloroform 781 Chlorophen 584 Chloroquin 379, 585, 779, 780, 799 2-Chloroprocain 584 Chlorpromazin 780 Chlostridium – botulinum 390 – tetani 390 Cholangiokarzinom 810 Cholestanolose 609 Cholesterin 609 – Antagonisten 744 – Ester 610 – Granulom 511 Cholin 779 Cholinacetyltransferase (CHAT) 815 – Mangel 815, 817 Cholinesterasehibitoren 819, 820 Chondrodysplasia punctata, rhizomelische (RCDP) 155, 611 – Typ II 611 – Typ III 611 Chordom 527 – chondroides 527 Chorea – Akanthozytose 241 – minor 241 – Sydenham 241 Chorionkarzinom 532 Chromatolyse 9, 621 Chromosomenanomalie 77 – X0, X/XX 690 Chronic Wasting Disease 341 Chronic-fatigue-Syndrom 801 Churg-Strauss-Syndrom 656, 657, 800 Chylothorax 723 Cimetidin 780 Cisplatin 371, 582 Cisternae subarachnoideae 26 CJD, siehe Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Claudicatio intermittens 791 Claudin 557 CLCN1-Gen 745, 749 Clioquinol 379 Clofibrat 779, 780 Clofibrid 780 Clostridium – botulinum 794, 795, 819 – perfringens 794 – tetani 794, 795, 819 Cluster of differentiation (CD) – CD14-DR-Antikörper 797 – CD20+-Zellen 797 – CD20+DR+-Zellen 797 – CD26 797 – CD3+DR+-Zellen 797 – CD34 455 – CD4+ 797 – T-regulatorische Zellen 646 – CD68 23 – CD8 797 – CD8+-T-Zellen 797, 800 – CD99 530 CMD – CMD1A 698 – CMD1C 726 – CMD1G 692, 706, 726 – CMD1N 705 – CMD1S 722, 725 – CMD4D 601 – Fukuyama-Typ 693 CMH 725, 727, 745 – CMH1 722, 725 – CMH9 706, 726 CO-Intoxikation 373 CoA-Dehydrogenasemangel, multipler 768 Coasting-Phänomen 579, 586 Cockayne-Syndrom 609 Coenzym (CoQ) 764 – CoQ10 765 Cofilin 2 (CFL2) 678, 721, 729 Cogan-Syndrom 647, 648 Coiled bodies 19, 200, 215, 244, 246 Coma – diabeticum 289 – vigile 427 Commotio cerebri 422 Congenital cataract facial dysmorphism neuropathy 727 Congenital disorders of glycosylation (CDG) 184 Connexin-32 (Cx-32) 557, 615, 623, 626 Contactin-1 (CNTN1) 722 Contre-coup 419 Contusio cerebri 422 Core 720, 728
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Corefaser 827 Cori-Krankheit 759 Corpora – amylacea 10, 17, 169, 621, 756 – arenacea 22 Corpus-callosum-Agenesie 626 Cortex cerebri 833 Corynebacterium diphtheriae 391, 645 Cotton-wool-Plaque 207 Cowden-Syndrom 513 Cowdry-Typ-A-Einschluss 10 COX, siehe Cytochrom-Oxidase Coxsackie-Virus-B-Infektion 794 Crack 387 Crampi 789 Crampus-Syndrom 734 Creutzfeldt-Astrozyten 16 Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) 341 – Autopsien bei CJD-Verdacht 346 – Brownell-Oppenheimer-Variante 342 – Dekontamination 346 – genetische 343 – Heidenhain-Variante 342 – iatrogen übertragene 345 – panenzephalopathische Variante 342 – sporadische – Klassifikation 344 – Subtypen 343 – Variante (vCJD) 345 Creutzfeldt-Peters-Zellen 16 CRINET 511 Critical-illness-Myopathie 594, 779 Critical-illness-Polyneuropathie 594 Crow-Fukase-Syndrom 667, 670 Cryptococcose, siehe Kryptokokkose Crystallin – αB (CRYAB) 678, 679, 725, 730 Crystallinopathie αB 732 CTDP1-Gen 603, 623, 727 CTG-Region, expandierte 747 Cu/Zn-Superoxid-Dismutase 825 Curare 814 Curschmann-Steinert-Krankheit 744 Cushing-Syndrom 735, 770 Cybride 763 Cysteinprotease 678 Cysticercus 320 Cytochrom – b 762 – c 761 – Oxidase (COX) 761, 762, 767, 768 – 10 765 – Aktivität 764 – negative Fasern 764, 765 – Reaktion 766, 768 Cytotactin 558
D
Danazol 780 Dandy-Walker-Syndrom 60 Danon-Krankheit 153, 699, 726, 760 Danon-Myopathie 707 – granulovakuoläre Einschlüsse 707 Dantrolenmedikation 751 Dark neuron 8, 265 Darmfunktion 627 Darmwand 643 Daumas-Duport 503 De-Morsier-Syndrom 66 Deafferentierung 835 Deafness-dystonia peptide 1 (DDP1) 765 Debranching Enzyme 759 – Defekt 756 Defäkationsproblem 629 Degeneration – basophile 756 – granulovakuoläre 10, 195 – hepatolentikuläre 181 – hyaline 687 – kolloide 268 – kortikobasale (CBD) 214, 245 – striatonigrale 246 – transsynaptische 9, 834 Dejerine-Sottas-Syndrom (DSS) 601, 615, 616, 624, 832 Dekompressionstrauma 437 Dekubitus 794 Delayed onset muscle soreness (DOMS) 778, 788 Delirium tremens 382 Deltaaminolävulinsäure-(ALA)-Dehydratase-Mangel 606 Deltafaser 687 Deltaläsion 695 Deltoideus 682 Dementia pugilistica 246, 424 Demenz 744, 747, 833, 835 – frontotemporale 724, 727 – mit Lewy-Körperchen (DLB) 210 – temporofrontale lobäre 799 – vaskuläre 279 Demyelinisation – paranodale 566, 645 – segmentale 566, 645 – sekundäre 619 Dendriten 5 Denervation 820, 828 Denervationsatrophie 729, 751, 816, 832 Denervationszeichen 832, 834 Dentato-Rubro-Pallido-Luys-Atrophie (DRPLA) 238 Deoxyguanosin-Kinase (DGUOK) 764 Depression 474, 835 Dermalsinus 56 Dermatom 642
Sachverzeichnis
Dermatomyositis 734, 735, 781, 794, 796, 797, 798, 818 – juvenile 778 Dermatopathie, restriktive 698 Dermoidzyste 56, 534 Desantis-Cacchione-Syndrom 613 Desert hedghog homolog (DHH) 614 Desmin (DES) 678, 679, 687, 725, 730 – Ablagerungen 730, 731 – Filamente 679 – Reaktion 731, 788 Desminopathie 730, 731, 732 Desmoid 808 – Tumor 808 Desmosom 557 Desnutrin 758, 769 Desoxyribonukleinsäure (DNA) 744 – Analyse 697 – defekte Reparatur 613 – doppelsträngiges zirkuläres Molekül 761 – Expansion – genetische Instabilität 744 – instabiler Sequenzen 744 – mitochondriale (mtDNA) 614, 736 – Depletionssyndrom (MDS) 764 – Duplikationen 762, 763 – homoplasmische Mutation 764 – proteinkodierendes Gen 763 – nDNA 761 – Sequenzierung 686 DeToni-Fanconi-Syndrom 764 Dextran 587 Dezerebellierung 835 DGUOK, siehe Deoxyguanosin-Kinase DHAP-Acyltransferase-Mangel 611 Di-Isopropyl-Fluorophosphat (DFP) 820 Diabetes mellitus 288, 393, 615, 654, 763, 771, 789 Dialyseenzephalopathie 368, 393 Diaminoproprionitril 583 Diastaseverdauung 808 Diastematomyelie 57 Diathese, hämorrhagische 656 20,25-Diazacholesterin 744, 779, 781 Dicephalus 80 Dichlorbenzol 584 Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) 584 2,4-Dichlorphenoxyazetat 744, 779, 781 Dichlorphenoxyessigsäure 584 Dichroismus 781 Didanosin 643 Dieterle-Methode 315 Diethyläther 781 Differenzierung, retrogressive 45 Diffusionsbarriere 559 Dihydroxycholestanolmangel 611 Diphenylhydantoin 379, 460 Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Vakzination 645
Diplegia facialis 828 Diplomyelie 57 Disease-related group (DRG) 646 Dissociation cyto-albuminique 646 Diuretika 779, 780 Divertikel 74 DMPK, siehe Dystrophia-myotonica-Protein-Kinase DNA, siehe Desoxyribonukleinsäure Docking-Protein 7 (DOK7) 816 Doping 736, 770 Doppelkortexsyndrom 66 Doppelspeiche 734 Dörrpflaumenbauch 786, 828 Dottersacktumor 532 Double trouble 626, 698 Doublecortin 68 Down-Syndrom 77, 201, 723 Drainage, venöse 255 Dravet-Syndrom 462 DRG, siehe Disease-related group 646 Drosophila-Modell 709 DRPLA, siehe Dentato-Rubro-Pallido-Luys-Atrophie Drucklähmung 668 Druckschädigung 791 Duchenne-Muskeldystrophie 676, 691, 695, 696, 751 Duffy-Blutgruppe 615 Dura mater 25, 405 Dürck-Granulom 319 Dying-back 643, 824 Dynamin (DNM) 765 – 2 (DNM-2) 599, 615, 623, 694, 721, 725 – Gen 708, 720, 723, 832 – Mutationen 724 Dynamometer 788 Dynein 556 Dys-2 695 Dysästhesie 643 Dysautonomie, familiäre 628 Dysferlin (DYSF) 687, 692, 703, 725, 734 – Mangelmyopathie 703 Dysferlinopathie 701, 703, 704 Dysgenesie – des Gehirns 747 – gonadale 614 Dysglobulinämie 656, 667 Dysmorphie, faziale 623 Dysphagie 709, 797 Dysplasie – fibromuskuläre 287 – fokale kortikale (FCD) 457 – Klassifikation 457 – mandibuloakrale 698 – septooptische 66 – thanatophore 76 – zerebrookuläre 68, 69 Dyspnoe 796
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Sachverzeichnis
Dysproteinämie 642, 667 Dysraphie 51 – rektozerebelläre 60 Dystonie 791, 835 Dystrobrevin 679, 681 Dystroglycan-related protein 2 (DRP2) 558 Dystroglykan (DAG) – D (DAG1) 678, 703, 705 – Glykosylierung 703 – β 678, 681, 703 – Komplex 679, 701 Dystroglykanopathie 703 Dystrophia-myotonica-Protein-Kinase (DMPK) 745 – Gen 733, 747 Dystrophie – infantile neuroaxonale 630 – kongenitale myotonische 733 – myotonische (DM) 626, 695, 696, 697, 708, 732, 734, 735, 744, 745, 820 – vom Typ 1 724, 744, 745, 747, 751 – vom Typ 2 744, 745, 748 – neuroaxonale 622 – proximale myotonische (PROMM) 744, 748 – reflexsympathetische (RSD) 629 – Xp21 690 Dystrophiemaus 710 Dystrophin (DYS) 678, 679, 687, 690, 691, 695, 701, 730 – Antikörper 695 – Glykoproteinkomplex (DGK) 678, 701, 703 – Reaktionen 697 – negative 687 Dystrophinopathie 690, 697, 701, 801 E
E-Cadherin 557 E-Fläche 751 E-Selektin 594 E200K-Mutation 345 Eales-Syndrom 734 Early growth response 2 (EGR-2) 599, 601, 619, 624 Ebstein-Barr-Virus (EBV) 642, 643 EBV, siehe Ebstein-Barr-Virus Ecchordosis physaliphora 528 Echinokokkus 321 EDH, siehe Epiduralhämatom Edström-Myopathie 726 Edwards-Syndrom 78 Ehlers-Danlos-Syndrom 710 Einschluss – glialer 199 – mitochondrialer 687 – parakristalliner 767, 768 – tubulofilamentöser 706, 709, 734, 747, 797
Einschlusskörper 10 – Myopathie 217 – hereditäre (hIBM) 706, 723, 724, 725, 799 – Myositis 707, 723, 794, 796, 797 – sporadische (sIBM) 723, 797, 799 Einschlusskrankheit, neuronale intranukleäre hyaline (INIBD) 629, 723, 728 Einzelfaseratrophie 826 Einzelfasernekrose, segmentale 778 Eisen – Ablagerung 656 – Defekt 181 – Inkrustierung 8 – Reaktion 728 – Stoffwechsel 630 Eiskristallbildung 682 Ekbom-Syndrom 614 Elektromyographie 559 Elektron-Transfer-Flavoprotein 758 – α-Polypeptid (ETFA) 758, 768, 769 – β-Polypeptid (ETFB) 758, 768, 769 – Dehydrogenase (ETFDH) 758, 768 Elektrostimulation 832 Elektrotrauma 432 Elzholz-Körper 607 Embolie 654 Embolus, septischer 794 Embryonal tumor with abundant neuropil and true rosette (ETANTR) 519 Embryonalleben 676 Embryopathie, alkoholische 386 Emerin (EMD) 679, 687, 691, 698, 723, 734, 799 – Gen 698 Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie (EDMD) 691, 697, 711, 723, 727 – autosomal-dominant (EDMD-2/4/5) 691, 697 – autosomal-rezessiv (EDMD3) 691, 697 – Typ 2 736 – X-chromosomal (EDMD1/6) 697 Emetin 779, 780 – Medikation 729 Empyem, subdurales 304, 312 Endangitis obliterans 285 Endarterie 253 Endokrinopathie 667, 729 Endomysium 681 Endoneurium 558 Endorgan, sensorisches 681 Endothelien 799 Endothelzellen 654 – Einschlüsse 656 Endplatte 818 – Acetylcholinesterase-Mangel (EAD) 815, 818 – Kerne 818 – motorische 682 – Präparation 682
Sachverzeichnis
– neuromuskuläre 681, 819 Enfluran 781 Enolase – Mangel 757, 761 – muskelspezifische 3β (ENO3) 757 – Gen 761 – neuronspezifische (NSE) 492 Entamoeba histolytica 320 Entmarkung 279, 355 – kortikale 357 Entwicklungsalter 49 Entwicklungsparameter 49 Entzündung – eitrige interstitielle 794 – granulomatöse 656, 794 Enzephalitis – limbische 459, 541, 666 – phlegmonöse 304 Enzephalokardiomyopathie 765 Enzephalomalazie, ischämische – Erweichung 266 Enzephalomyelitis – akute disseminierte (ADEM) 361 – diffuse 666 Enzephalomyelopathie, subakute nekrotisierende 166 Enzephalomyopathie 762, 766 – gastrointestinale Störungen 766 – mitochondriale 835 – mit Laktatazidose und schlaganfallähnlichen Episoden 762, 763 – neurogastrointestinale (MNGIE) 162, 168, 614, 764, 768 Enzephalopathie 764 – bovine spongiforme (BSE) 340 – hepatische 391 – hypertonische 270 – hypoglykämische 393 – ischämische 412 – multizystische 107 – nekrotisierende vom Typ Leigh 763 – neonatale 98 – pankreatische 393 – transmissible spongiforme (TSE) 332 – urämische 392 Enzephalozele 55 Eosinophilie-Myalgie-Syndrom 586 Ependymitis granularis 20 Ependymoblastom 509, 519 Ependymom 507 – anaplastisches 509 – klarzelliges 508 – myxopapilläres 509 – papilläres 508 – tanyzytisches 508 Ependymopathia granularis 20
Ependymzellen 19 Epidermal growth factor (EGF) 487 – Rezeptor (EGFR) 505 Epidermoid 662 – Karzinom 810 – Zyste 534 Epidermolysis bullosa 816 – simplex 706, 727 Epiduralblutung 428 Epiduralhämatom (EDH) 407 Epilepsie – genetisch determinierte 461 – Klassifikation 448 – rolandische 462 Epilepsiechirurgie 452 Epimysium 681 Epineurium 558 Episode, synkopale 730 Epitheloidzellen 798, 801 EPM2A-Gen 170, 759 EPO 667 Epsilonaminokapronsäure 779 Epstein-Barr-Virus 531, 642, 647 Erkrankung – bipolare 472, 835 – endokrine 770 – entzündliche 687, 794 – lymphoproliferative 667 – lymphoretikuläre 666 – lysosomale 121 – mitochondriale 160, 614, 761, 762 – monogene neuromuskuläre 686 Erythema migrans 645 Erythrodermie, ichthyosiforme 769 Erythrozytophagen 36 Escobar-Syndrom 733, 816 Ethylenoxid 583 Eulenaugen – Einschluss 643 – Zellen 325 Exenzephalie 53 Exerzierknochen 778 Exotoxin 819 – des Tetanusbazillus 819 Exozytose 687 Extrazellulärmatrix 487, 679, 710 Exzitations-Kontraktions-Kopplung 678, 728 Exzitotoxizität 261, 367 F
Fabrin-Gen (FGD4) 602, 625 Fabry-Krankheit 140, 610, 656, 769, 835 Facies myopathica 744 Fadenwurm 795 Fahr-Syndrom 287 Fahrradergometerbelastung 766
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Sachverzeichnis
β-Faltblattstruktur 668 Falte, synaptische 817, 818 Faltenapparat, postsynaptischer 817 Farber-Krankheit 141, 609 Fas-Ligand 797 Fasciculi graciles 621 Fasciitis nodularis 801 Faser – atrophische 832 – Aufsplitterung 687 – basophile 697 – betamotorische 681 – Durchmesser 789, 832 – gammamotorische 681 – hybride 680 – hypertrophische 702, 827, 834 – intramuskuläre Unterschiede der Zusammensetzung 680 – Kaliber 676, 827 – Spektren 676 – kollagene 789 – kortikospinale 834 – opake 697 – regenerierende 711 – reinnervierte 827 – schnelle, mitochondrienarme, weiße, Typ 2 678 – teilatrophische 829 – anguläre 767 – Typen – Disproportion 677, 711, 720, 729, 733 – Gruppierung 827, 829, 830, 832, 834 Faseratrophie – Typ-1 733 – Typ-2 770, 800 Faserdurchmesser, mittlerer 677 – Normalwerte 677 Fasertypendisproportion – kongenitale (CFTD) 676, 694, 711, 721, 726, 732, 733, 734, 735 – myotubuläre 747 Fast-channel-Syndrom (FCCM) 815 Fasten 769 Fasziitis – noduläre 666, 779 – proliferative 779 – pseudosarkomatöse 779 Faszikel – sekundärer 681 – tertiärer 681 Faszikelzahl 560 Faszikulation 834 Fatal familial insomnia (FFI) 347 Fazialislähmung 647 – kongenitale einseitige 828 Fazialisschwäche 744 FCCM, siehe Fast-channel-Syndrom
Ferritin 630 – Einschlusskörper 728 – Ferritin-light-Polypeptid-(FLP-)Gen 728 – light chain (FTL) 835 – Reaktion 728 Ferritinopathie 728 Ferroportin 630 Ferrugination 8 Fetopathie, alkoholische 386 Fettembolie 425 Fettgewebe 829 Fettsäurekatabolismus 769 Fettsäuren, langkettige 613 Fettvakatwucherung 687, 711, 736 FFI, siehe fatal familial insomnia FGF-2 568 Fibrat 779 Fibrillen – Amyloid-ähnliche 799 – β-Fibrillen 598 – wirbelförmige Veränderung 702, 827 Fibroblast 769 – endoneuraler 621 Fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP) 727, 778 Fibrom 808 Fibromyalgie 788 Fibrosarkom 808 Fibrose 687, 697 – interstitielle 800 – myokardiale 697 Fieber, rheumatisches 800 Fieberkrampf 451 FIG4-Gen 602, 625 Filament, intermediäres 630, 679, 706, 732 – in den Endothelzellen 656 Filamentanhäufung 632 Filamin – C 678, 679, 730, 732 – Cγ (FLNC) 726, 730 Filaminopathie 730 Fingerabdruck – Muster 670 – Profile 152 Fingerabdruckkörper 609, 687, 770 – Myopathie 735 Fische 676 Fissions-Fusions-Dynamik 765 Fistel, arteriovenöse 256, 295 Fleck, kirschroter 121 Flexner-Rosette 520 Floppy infant 720 FMR1-Gen 238, 629 Foix-Alajouanine-Syndrom 295 Foix-Chavany-Marie-Syndrom 70 FOP, siehe Fibrodysplasia ossificans progressiva Forbes-Krankheit 759, 760
Sachverzeichnis
Formaldehydlösung 561 Founder-Effekt 735 Four-and-a-half-LIM-Domäne-1 (FHL1) 691, 698, 727, 730 – Gen 698, 711, 736 Fraktur 791 – wachsende 420 Frataxin (FRX) 235, 630, 765 FRDA-Gen 235 Freund-Adjuvans 799 Friedreich-Ataxie 235, 616, 630 Fröhlich-Syndrom 828 Frostschaden 573 FSHD, siehe Muskeldystrophie, fazioskapulohumerale FTD, siehe Demenz, frontotemporale Fukosidose 146 Fukutin (FKTN) 693, 703, 710 Fukutin-related protein (FKRP) 692, 693, 694, 701, 703, 705, 710 – Gen 710 Fukuyama-Typ der CMD 693 Funikulus 559 Funktion, vegetative 627 Funktionsstörung – pure autonome (PAF) 629 – unterschwellige 766 – vestibuloauditorische 649 FUS-Protein 213, 219 G
GAA-Trinukleitid 630, 757 Galaktosämie 186 Galaktosialidose 132, 143 Galaktosidase – α-Galaktosidase A 140 – β-Galaktosidase I 129 Galaktosylzeramidlipidose 607 Galaktozerebrosidose 134 GALC-β-Galaktozerebrosidase 134 Galeablutung 112 Gammopathie – monoklonale 667 – benigne 781 – von unbekannter Signifikanz (MGUS) 668, 670, 782 Ganglien 662, 808 – parasympathische 628 – spinale 835 – sympathische 628 Ganglienzellnekrose, eosinophile 7 Ganglienzellveränderung, ischämische 7 Gangliogliom 455, 512 – anaplastisches 513 – desmoplastisches infantiles 503, 514 Ganglioneurom 662 Ganglioneuropathie 627
Ganglionitis, sensorische 643 Ganglioradikuloneuritis 666 Gangliosid 769 – GD1a 646 – GD1b 558, 668 – GM1 558 – GQ1b 558 – GT1a 646 Gangliosid-induced differentiation-associated protein 1 (GDAP1) 600, 601, 615, 619, 623, 625, 765 Gangliosidose – GM1 129, 609, 646, 668, 769, 835 – GM2 128, 609 – Aktivator-Gen 129 – GM2A-Gen 142 Gangliozytom 513, 662 – dysplastisches des Kleinhirns 513 Gap junctions 557 GARS-Gen 600, 619, 621 Gasbrand 794, 795 Gastrocnemius 682 Gaucher-Krankheit 136, 609 Gaumen, hoher 720 Gaumenspalte 710 GBA-Gen 136 GBE1-Gen 170, 613, 757 GBS, siehe Guillain-Barré-Syndrom GCA-Insertion 709 GCG-Trinukleotid-Insertion 709 GCI, siehe glial cytoplasmic inclusion GDAP1, siehe gangliosid-induced differentiationassociated protein 1 GDF, siehe growth differentiation factor GDNF, siehe glial cell line-derived neurotrophic factor Gefäßbindegewebskrankheit 648, 656 Gefäßerkrankung 630, 648, 654 Gefäßspasmus 275 Gefäßverletzung 425 Gefäßverschluss, venöser 791 Gefrierätzuntersuchung 751, 817 Gehfähigkeit 833 Gehhilfe 697 Gehirnerschütterung 422 Gehirngewicht der Feten 47 Gelenkerkrankung 658 Gelenkversteifung, kongenitale 711 Gelsolin (GSN) 603, 730 Gen – ABC1 610 – ABC7 765 – ABHD5 758, 768, 769 – APC 808 – Arylsulfatase-A-ASA 132 – Ataxia-telangiectasia-mutated (ATM) 237 – BIN1 721, 723, 724
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Sachverzeichnis
Gen – BRAF 489, 501, 502, 513 – CCT5 626, 629 – CGI-58 758, 769 – CLCN1 745, 749 – CTDP1 603, 623, 727 – EPM2A 170, 759 – FGD4 602, 625 – FIG4 602, 625 – FMR1 238, 629 – FRDA 235 – GARS 600, 619, 621 – GBA 136 – GBE1 170, 613, 757 – GJB1 602, 626 – GLA 140 – GLB1 129 – GNE 706, 724, 725 – GNPTAB 143 – HE1 139 – HEXB 129 – HSBP8 619 – HSN2 627 – IDH1 489, 498 – INI1 511, 519 – IT15 239 – ITGA7 694, 711 – KIAA0274 602 – KIAA1985 625 – KyoT 730, 736 – L1CAM 94 – LAMA2 625, 626, 693, 710, 720 – LARGE 693, 703, 710 – LMNA 600, 626, 698, 723 – MAN1 723 – MATR3 708, 725 – MCOLN1 145 – MFN2 600, 619, 621, 765 – MGMT 505 – mitochondriales 835 – modifizierendes 825 – MYH – NAIP 825 – NDUF1 765 – NHLRC1 759 – NPC1 607 – NPC2 609 – NTRK1 626, 628 – nukleäre 835 – OPA1 765 – PABPN1 709 – PAHX 159 – Perlecan-(Heparansulfat-Proteoglycan-2-) 745, 748 – PEX 611 – PNPLA2 708, 758, 768, 769 – POLG1 167, 764
– POMGNT1 693, 694, 703, 705, 710 – PSAP 142 – RAB7 600, 621, 626 – SCO1/2 765 – SIL1 724 – SIMPLE 619 – SLCO1B1 779 – SLIM1 730, 736 – SMARCB1 511, 519 – SOD1 229, 825 – SOX10 624, 629 – SPTL1 626 – SUMF-1 134 – SURF1 765 – SYNE1 691, 698, 699 – SYNE2 691, 698, 699 – TAZ 699 – TMEM16E 692 – TNNI2 711 – TNNT1 721, 729 – TNNT3 711 – TPM2 711, 721, 722, 729, 733 – TPM3 721, 729, 733 – TRIM32 692, 705, 722, 735 – TSC1 536, 806 – TSC2 536 – TYMP 764 – UBR1 828 – WNK1 602, 626, 627 – YARS 599, 615, 623 Gene Silencing 720 Genfusionsprodukt PAX3-FKHR 807 Genom – mitochondriales 161, 762 – nukläres 766 Genstilllegung, epigenetische 720 Germinom 40, 532 Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) 347 Gesichtsanomalie 727, 748 Gesichtsmuskulatur 720 Gesichtsschwitzen, gustatorisches 627 Gewebe, osteoides 801 Gewicht 676, 828 Gewichtheber 788 Gewichtsverlust 830 GFAP, siehe glial fibrillary acidic protein Gift, tierisches 819 Gigaxonin (GAN) 603 – 1 603, 630 GJB1-Gen 602, 626 GLA-Gen 140 Glasgow-Koma-Skala 418 Glasgow-Kontusionsindex 418 Glia – periphere 555 – radiäre 13
Sachverzeichnis
Glial cell line-derived neurotrophic factor (GDNF) 568 Glial cytoplasmic inclusion (GCI) 19, 246 Glial fibrillary acidic protein (GFAP) 12, 491 Gliedergürteldystrophie 734 – autosomal-dominant erbliche Formen 702 Gliedergürtelmyasthenie, familiäre 816 Gliedergürtelmyopathie 770 Glioblastom 504 – mit oligodendroglialer Komponente 507 – multiformes 504 – primäres 505 – sekundäres 505 Gliofibrom 506 Gliom – angiozentrisches 512 – des dritten Ventrikels, chordoides 512 – heterotopes 512 – malignes 496 – niedriggradiges 496 Gliomatose, diffuse 506 Gliomatosis cerebri 506 Gliosarkom 505 Gliose 13 – piloide 15, 16 – subpiale 16 Globoidzellleukodystrophie 134, 607, 735 Globose tangles 244 Glomus jugulare 517 Glukokortikoidmedikation 729 Glukose-6-Phosphatase 759 Glukosekette, unverzweigte 756 Glukosepolymere 756 Glukosidase – 6-Glukosidase 757, 759 – Mangel 760 – α 757 – rekombinante humane 756 – α-1,4 – saure 759 – β 136 β-Glukozerebrosidase 136 Glutarazidurie 175, 611, 758 – Typ IIA (GAIIA) 758, 769 – Typ IIB (GAIIB) 758, 769 – Typ IIC (GAIIC) 758 Glutarsäureazidurie 769 Glutathionmangel 179 Glutathionurie 179 Glykogen 826 – 1 757 – β-Partikel 758 – Branching Enzym 613 – Debranching Enzym 757 – Phosphorylase 757 – Stoffwechselstörungen 613
– Synthase 1 757 – Vermehrungen 766 – im Muskel 756 Glykogen-Phosphorylase, Muskeltyp (PYGM) 757, 759 Glykogenablagerung, intramyofibrilläre 760 Glykogengranula 707 Glykogenose (GSD) 710, 723, 734, 756, 757, 760 – klinische Symptome 759 – Typ Ib 699 – Typ II 152, 744, 756 – Typ IIb 726 – Typ III 760 – Typ IV 170, 695 – Typ IV 613, 711 – Typ VII Tarui 170 Glykogenspeicherkrankheit 757 Glykogensynthase 1 (GYS1) 757 Glykolisierung 184, 692 Glykoprotein 701 – dystrophinassoziiertes (DAG) 690, 701 – myelinassoziiertes (MAG) 356, 557, 668 Glykoproteinose 145 Glykosphingolipid 610 Glyoxal-bis-(2-Hydroxyanil-)Färbung 756 GNE-Gen 706, 724, 725 GNPTAB-Gen 143 Gold 582 Golgi-Rezeptor 681 GOM, siehe Material, granuläres osmiophiles Gower-Zeichen 690 Gradierungshilfe 503 Granula 808 – μ-Granula 607 – π-Granula 592 Granularzellmyoblastom 806, 807 Granularzelltumor 534, 662, 806, 807, 808 – maligner 806 Granulationsgewebe 790 Granulom 798, 801 Granulomatose, allergische 656 Granulozyten 648 – eosinophile 37, 790, 800 – neutrophile 37 Greis 616 Grenzdextrinose 759 Grenzzoneninfarkt 268 Grinker’s disease 374 Grippeinfekt 795 GROD, siehe Ablagerung, granuläre osmiophile Growth differentiation factor 8 (GDF8) 727, 736, 833 Growth-Differenzierungsfaktor, siehe growth differentiation factor 8 GSN, siehe Gelsolin 603 GSS, siehe Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
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GTPase-Protein 765 Guam 230 Guillain-Barré-Syndrom (GBS) 580, 622, 642, 643, 646–648, 658 – axonale Form 668 Gummata 314 Gürtelrose 642 Gyrus postcentralis 834 GYS1, siehe Glykogensynthase 1 H
H-Reflex 559 Haemophilus influenzae 305 HAES, siehe Hydroxyaethylstärke Halothan 751, 781 – Koffein-Test 751 Halsband-Faser 733 Halsnerv 791 Hämangioblastom 526, 536, 662 – kapilläres 526 Hämangiom 662, 798, 808 Hämangioperizytom 526, 808 – anaplastisches 526 Hamartom – fibrolipomatöses 530 – neuromuskuläres 530 – neuronales 516 Hämatomyelie 293 Hämophilie 735 Handprothese 833 HARD+E-Syndrom 68 Hartnup-Syndrom 179 Haschisch 387 Hashimoto-Thyreoiditis 594 Haubenmeningitis 306 Hautbiopsie 119, 561, 568, 627, 648, 657, 710 Hautfleckung 628 Hautrötung 627 Hautstanzbiopsien 560 HDL, siehe High-density-Lipoprotein HE1-Gen 139 Heat-shock Protein (HSPB) – 1 (HSPB1) 600, 619, 623, 629 – 8 (HSPB8) 600, 603, 623, 629 Hemicholinium 814 Hemimegalenzephalie 75 Heparan-Sulfat-Proteo-Glycan (HSPG) 745 – 2 (HSPG2) 745, 748 Hepatitis-B-Schutzimpfung 622 Hepatitisvirus 647 Hepatosplenomegalie 609 Herdenzephalitis, metastatisch-septische 310 Hereditary inclusion body myopathy 724 Hereditary neuropathy with liability to pressure palsies 616 Heredoataxie, spinozerebelläre 728, 735
Herniation 407, 489 Heroin 388, 587, 779, 780 Herpes Zoster 642 Herpes-simplex-Virus (HSV) 324, 642 – HSV-1 642 – HSV-2 642 – latenter 642 Herpesenzephalitis 324 Herpesvirusinfektion 642 Hers-Krankheit 759 Herz 695, 698 Herzbeteiligung 697 Herzblock 763 Herzerkrankung, koronare 610 Herzfehler 113 Herzmuskel-α-Aktin 729, 730 Herzmuskelzelle 698 Herzmuskulatur 676, 744 Herzrhythmusstörungen 646 Herzstillstand 751 Herztod, plötzlicher 697 Herztransplantation 697 Heteroplasmie 161, 762, 766 Heterotopie 69 – laminäre 69 – neurogliale 70 – neuronale 747 – noduläre 69 Heubner-Arteriitis 314 Hexacarbon 582 Hexachlorophen 377, 584 2,5-Hexandion 583 HEXB-Gen 129 β-Hexosaminidase A 129 HHH-Syndrom 176 Hiatushernie 490 hIBM, siehe Einschlusskörpermyopathie, hereditäre High-density-Lipoprotein (HDL) 610 Hinterstrangdegeneration 630 Hinterstränge 616 – des Rückenmarks 621 Hippokampussklerose 451, 453 Hirano-Körper 10, 195 Hirnabszess 310 Hirnbiopsie 120 Hirndruckzeichen 483 Hirndurchblutung 257 Hirninfarkt 266 Hirnlymphom 531 Hirnmetastase 492, 539 Hirnnerv 593, 708 – III 593 – Erkrankungen 643 Hirnödem 291, 367 Hirnprellung 422
Sachverzeichnis
Hirnsand 22 Hirnschaden – parasagittaler 106 – perinataler 723, 735 Hirnschädigung, alkoholspezifische 383 Hirntod, intravitaler 8, 265 Hirntumor, Häufigkeit 484 Hirnverletzung – gedeckte 417 – offene 414 Hirnwarze 70 Hirsch-Peiffer-Färbung 133, 607 Hirschsprung-Syndrom 624, 629 Histidinämie 179 Histiozyten 791, 801 – seeblaue 139 Histon, nukleäres H1 799 Hitzekollaps 431 Hitzeschaden 573 Hitzeschockprotein (HSP), siehe auch Heat-shock Protein 678 – αB-Crystallin 679 Hitzschlag 431 – postoperativer 723, 751 HIV, siehe humanes Immundefizienzvirus HLA, siehe Leukozytenantigen, humanes HMERF 692, 705, 706 HMSN, siehe Neuropathie, hereditären motorischsensorische HNA, siehe Amyotrophie, hereditäre neuralgische HNPP, siehe Neuropathie, hereditäre mit Neigung zu Drucklähmungen Hochspannungskontakt 434 Hodenatrophie 744 Hodgkin-Lymphom 666 Hoffmann-Syndrom 770 Höhenkrankheit 438 HOKPP2 816 Holoprosenzephalie 62 Homeobox D10 (HOX10) 599 Homer-Wright-Rosette 508, 518 Homokarnosinose 179 Homoplasmie 762 Homozystinurie 177 Honigwabenstruktur 506 HOPP, siehe Paralyse, hypokaliämische periodische Hörstörung 626 Hörsturz 647 Hörverlust 699 – sensorineuraler (SNHL) 764 HOX10, siehe Homeobox D10 HSBP8-Gen 619 HSN2-Gen 627 HSP, siehe Paraparese, hereditäre spastische/Hitzeschockprotein Hsp70-Chaperon BiP 724
HSPB, siehe Heat-shock Protein HSPG, siehe Heparan-Sulfat-Proteo-Glycan HTLV-1-Infektion 794 Hüftluxation 720 Humanes Immundefizienzvirus (HIV) 326, 647 – Enzephalopathie 327 – Infektion 643, 794 – Virusmyositis 794 Hungeratrophie 779 Hunter-Krankheit 613 Huntingtin 239 Huntington-Krankheit 238 – Westphal-Variante 239 Hurler-Syndrom 613 Hurst-Syndrom 361 Hutterer-Brüder 705, 735 Hyalinose 272, 278 Hyaluronectin 558 Hyaluronsäure 558 Hybridfasern 834 Hydranenzephalie 108 Hydrocephalus – aresorptivus 421 – hypersecretorius 91 α/β-Hydrolase-Domäne 5 758 Hydrolethalus-Syndrom 72 Hydromyelie 74, 734 Hydroxyaethylstärke (HAES) 587 4-Hydroxybutyrazidurie 179 Hydroxyprolin 788 Hydrozephalus 710 – kommunizierender 91 – nichtkommunizierender 89 Hygrom 410 – subdurales 410 Hyperalgesie 788 Hyperammonämie 176 HyperCKämie 702, 725, 727, 745 Hyperglykämie 393 Hyperglyzinämie 175 Hyperkaliämie 781 HyperKPP, siehe Paralyse, hyperkaliämische periodische Hypermyelinisationsneuropathie 622 – kongenitale 625 Hyperoxalurie 611 – primäre 613 Hyperparathyreoidismus 735 – primärer 770 – sekundärer 770 – tertiärer 770 Hyperphenylalaninämie 178 Hyperpituitarismus 770 Hyperprolinämie 179 Hyperpyrexie 781
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Hyperreflexie 834 Hypersensitivitätsangiitis 656 Hypertension 628 – arterielle 646 Hyperthermie, maligne (MH) 431, 723, 728, 729, 734, 744, 745, 747, 751, 781 – MH1 728 – S1 721, 722, 747 – S2 747 – S3 747 – S4 747 – S5 747, 750 – S6 747 Hyperthyreose 593, 770 Hypertonus 270 Hypertrophia musculorum vera 736, 833 Hypertrophie 676, 686 – kompensatorische 827 – villöse 91 Hypertyrosinämie 179 Hypoglykämie 288 HypoKPP, siehe Paralyse, hypokaliämische periodische Hypomyelinisationsneuropathie 621, 622 – kongenitale 624, 625 Hyponatriämie 385 Hypoparathyreoidismus 735, 770 Hypophyse 78 – Funktionsstörungen 770 – Überfunktion 770 – Unterfunktion 770 Hypoplasie 686 – des Kleinhirns 71 – pontozerebelläre 835 Hypothermie 430 Hypothyreoidismus 593 Hypothyreose 593, 735 Hypotonie 709 – benigne kongenitale 720 – orthostatische 646 Hypotrophie der Typ-1-Fasern 733 Hypoxie 258 I
I-cell disease 143 ICD-10 686 Ichthyose 758 ICSU, siehe Iron-sulfur cluster scaffold homolog IDH1-Gen 489, 498 IgG-k-Leichtketten, monoklonale 670 ILAE-Klassifikation 448 Iminodiproprionitril 583 Immobilisation 735, 833 – der Gelenke 733 Immunglobulin (Ig) – Ablagerungen 667, 668
– IgA 667 – Paraproteine 670 – IgG 667 – Ablagerungen 668 – Gammopathien 668, 670 – Rezeptor-IIa-Allele 647 – IgM 667 – Gammopathie 619, 668 – k 670 – Paraproteinämie 668 – Paraproteine 670 Immunhistochemie 491, 625, 687 Immunkomplexerkrankung 643 Immunmechanismus, zellgebundener 799 Immunreaktion, T-Zell-ausgelöste 646 Immunsuppressivum 586 Immunvaskulitis 667 IMP, siehe Inosinmonophosphat Impfreaktion 801 Impfstoff 801 IMS, siehe Syndrom, intermediäres In-situ-Hybridisierung 709 In-vitro-Kontraktionstest 751 Inaktivität 735, 834 Inaktivitätsatrophie 828, 833 Incidental Lewy body disease 243 Infarkt 266, 656, 789 – hämorrhagischer 269 – lakunärer 269 Infektion – bakterielle 305 – opportunistische 327, 643 – virale 321 Infiltrat 778 – entzündliches 630 – eosinophiles 703 – granulozytäres 643, 790 Influenza 794 Influenzamyositis 795 INH, siehe Isonikotinsäurehydrazid Inhibitor des Kappa-B-Kinase-Komplex-assoziierten Proteins (IKBKAP) 602, 626, 628 INI1-Gen 511, 519 INIBD, siehe Einschlusskrankheit, neuronale intranukleäre hyaline Inienzephalie 62 Inkontinenz, anorektale 828 Innervation – terminale 824 – ultraterminale 824 Innervationsrelation, terminale (TIR) 681 Inosinmonophosphat (IMP) 768 Insektengift 814 Insektizid 377, 820 Insertionstendopathie 788 Insolation 431
Sachverzeichnis
Insomnie, letale familiäre 347 Insuffizienz, respiratorische 726, 733 Insulinüberdosierung 593 Insult 266 Integrin 678 – D7 687, 694, 711 – Mangel 694, 711 Intelligenz, verminderte 744 Intelligenzstörungen 697 Interkostalmuskulatur 817 Interleukin (IL) – IL-1 644 – Beta 788 – IL-2-Rezeptoren 797 – IL-6 788 Intermediärfilament-Einschlusskörper-Krankheit, neuronale (NIFID) 219 Internodien 556 Intimaödem 277 Intrakörper 709 Intussuszeption 622, 668 Inzidenz 646, 647 Ionenkanalkrankheit 744, 745, 748 Iridozyklitis 649 Irismuskel 676 Iron-sulfur cluster scaffold homolog (ICSU) 727 Ischämie 258, 654 – der Nerven 670 – globale 263 – Reperfusions-Folgen 656 Ischämieffekt 797 Ischämietest 766 Isoniazid 578, 585, 656 – Neuropathie 656 Isonikotinsäurehydrazid (INH) 585 Isotherin 780 IT15-Gen 239 Itai-Ita-Krankheit 581 ITGA7-Gen 694, 711 Itidocain 584 J
Jammergesicht 744 JC-Virus 328 JNK, siehe Kinase, c-Jun-NH2-terminale JNK1-Aktivierung 619 Jod 779 Johanson-Blizzard-Syndrom 828 Joubert-Syndrom 60 Juckreiz 627 Junctin 735 Junctophiline 678
K
k-Leichtketten 668 Kachexie 735, 764 Kaliberspektrum 676 Kalimo-Krankheit 699, 761 Kalium 779 Kalium-einwärts rektifizierender Kanal 746 Kaliumkanal 678, 746 – KV1,5 558 – Störungen 750 Kalksalzablagerung 656, 750 Kälte 744 Kältetrauma 789 Kalzium 756 Kalziumeinstrom 690 Kalziumkanal 678, 746, 817 – Störungen 750 Kalziumsalz 696 KAM, siehe Myotonie, Kalium-aggravierte Kampfstoff 378 Kanachlor 400 584 Kanal – Kalium-einwärts rektifizierender – Unterfamilie J, Komponente 2 (KCNJ2) 746 – Kalium-Volt-abhängiger (KCNA) – Isk-verwandte Familie, Mitglied 3 (KCNE3) 746, 750 – Shaker-verwandte Unterfamilie, Mitglied 1 (KCNA1) 746, 750 – kalziumdurchlässiger 728 Kanalisation 45 Kanalkinetik 818 Kanalkrankheit 734, 745 Kannibalismus 347 Kapillar 256, 592, 798 Kapillare – degenerierende 799 – endoneurale 654 – Fenestrationen 654 – epineurale 654 Kapillaritis 656 Kapillarnetz 797 Kapillarproliferation 654, 670 Kappenmyopathie 733 Kardiomyopathie 699, 708, 730, 736, 744, 765 – familiäre hypertrophische 702 – fatale 726 – hereditäre 686 Kardiopathie, hypertrophische 820 Karditis 645 Karnosinämie 179 Karpaltunnel 667 Karpaltunnelsyndrom 571, 645 Karzinogen 486 Karzinoid 662, 735
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Sachverzeichnis
Karzinom, embryonales 532 Kastration 770 Katarakt 623, 626, 723, 724, 730, 744, 760 – kongenitale 727 Katatonie 752 Katecholamingranulum 609 Kationenkanal 627 Kaumuskulatur 680, 819 Kavernom 537, 662 Kavitation 419 Kayser-Fleischer-Ring 182 KCC3 603 Kearns-Sayre-Syndrom (KSS) 162, 165, 168, 614, 708, 762, 763, 766 Keimzelltumor 532 Kennedy-Alter-Sung-Syndrom 828 Kennedy-Krankheit 699, 825 Kephalhämatom 112 Kephalhydrozele 421 Keratin 706 Keratinozyten 706 Keratitis 649 Kern 679, 789 – zentralständiger 832 – zerebriformer 658 Kerneinschluss 687 – Fe-haltiger 656 – filamentöser 728 – granulärer 728 – tubulofilamentöser 724, 732, 733 Kerneinschlusskörperkrankheit, granuläre 728 Kernhaufen, pyknotischer 748, 827, 832 Kernhaufenfaser 681 Kernikterus 112 Kernkettenfaser 681 Kernmembran 698 Kernohan-Kerbe 490 Kernplaque 198 Kernpyknose 789, 830 Kernstellungsanomalie 720 Kernveränderung, apoptotische 732 Kernwandprotein 723 Ketamin 781 Ki-67-Antigen 493 KIAA0274-Gen 602 KIAA1985-Gen 625 Kiemenregionmuskulatur 676 Kinase, c-Jun-NH2-terminale (JNK) 568 – JNK1-Aktivierung 619 Kinderlähmung 794 Kindesmisshandlung 111, 412 Kindling-Phänomen 451 Kinesin 556 King-Denborough-Syndrom 751 Klasmatodendrose 15, 392 Kleinhirn 225
– Blutungen 110 – Degeneration 781 – Fehlbildungen 52 – umgekehrtes 58 Kleinhirnatrophie, alkoholtoxische 383 Kleinhirnrinde 227 Kleinhirntonsillendruckkonus 490 Kleinwuchs 724, 763 Klippel-Feil-Syndrom 62 Klumpfuß, kongenitaler 711 KMS, siehe Syndrom, kongenitales myasthenisches Knalltrauma 436 Kniegelenkserkrankung 833 Knochenbildung im Bindegewebe des Muskels 778 Knochenfraktur 628 Knochengewebe, reifes 778 Koagulation, intravaskuläre 781 Koagulationsnekrose 268 Koaktation 73 Kocher-Debré-Semelaigne-Syndrom 770 Kohlenhydratstoffwechselstörung 756 Kohlenmonoxid 373, 431, 582 Kohlenstoffdisulfid 583 Kohlenwasserstoff 376 – aliphatischer 582 – chlorierter 583 Köhlmeier-Degos-Arteriitis 657 Kokain 387 Kokardenfaser 724, 733 Kolik 668 Kollagen – Typ VI 687, 694, 710, 711 – Mutation 729 – Untereinheit α1 (COL6A1) 694, 711 – Untereinheit α2 (COL6A2) 694, 711 – Untereinheit α3 (COL6A3) 694, 711 – Typ XIII 710 – Typ XV 710 Kollagenfibrille 649 Kollagenfilament 618 Kollagenose 794, 796 Kollateralgefäß 789 Kolliquationsnekrose 266 Kolloidzyste 534 Kompartmentsyndrom 654 Komplementkaskade 646, 667, 797 Komplementreaktionsfolge 816 Kompression 654, 667 Kompressionsneuropathie 613 Konditionierung 262 Konduktorinnen 690 Kongorotfärbung 197, 732, 781 Konjunktiva 119 Konjunktivalbiopsie 561 Kontaktinsektizid 584
Sachverzeichnis
Kontinuitätsunterbrechung 571 Kontraktion – myotonoide 744 – willkürliche 788 Kontraktionsgeschwindigkeit 680, 788 Kontraktionsknoten 789 Kontraktionsmechanismus 678 Kontraktionsstrecke 681 Kontraktionszyklus 678, 680 Kontraktur 699, 709, 730, 733, 759, 779, 780 Kontraktursyndrom, letales 825 Kontrollmechanismus, reflektorischer 824 Kopfhaltung, abnorme 711 Koproporphyrie, hereditäre 606 Kordotomie 834 Körnerzelldispersion 455 Körnerzellnekrose, akute 225 Körper – adaxonaler membranöser zytoplasmatischer 618 – eosinophiler granulärer 16, 501 – im polarisierten Licht doppelbrechender 756 – konzentrischer 687 – kurvilinearer 770 – laminierter 835 – membranöser zytoplasmatischer 706, 707, 799 – parakristalliner 687 – tubulofilamentöser 687 Körpermyopathie, hyaline 722 Korpuskel, myelinähnliche 707 Kortikoid 733, 779, 797 Kortikoidintoxikation 735 Kortikosteroid 779, 780 Kortikosteroidmyopathie 770 Kosmetik 819 Krabbe-Leukodystrophie 134, 607, 609 Kraft 736, 788 Kraftschlag 680 Kraftsporttraining 833 Krafttraining 833 Kraftvermehrung 770 Krampf 819 Kraniopharyngeom 532 Krankheit, siehe auch Erkrankung – allergische 667 – hereditäre mitochondriale 686 – kongenitale neuromuskuläre mit uniformen Typ-1-Fasern (CNMDU1) 722, 747 – meldepflichtige 819 – neuromuskuläre mit trilaminären Muskelfasern 733 – neuropsychiatrische 835 – okulokraniosomatische neuromuskuläre 765 – peroxisomale 154, 723 – X-chromosomal erbliche 690 Krankheitskonstrukt, rheumatologisches 788
Kreatinkinase 768 – Reaktion 690 Kreatinphosphokinase (CK) 690 Kreatinurie 690 Kriblüren 271 Krox20 619 Kryoglobulinämie 654, 656, 657, 670 – essentielle 670 – sekundäre 670 Kryostatschnitt 681 Kryptokokkose 34, 316 KSS, siehe Kearns-Sayre-Syndrom Kugelberg-Welander-Krankheit 232 Kugelblutung 272 Kühlkette 682 Kupfer/Zink-Superoxid-Dismutase-1-Gen 834 Kupferdefekt 181 Kupferstoffwechsel 180 Kuru 347 – Plaques 337 KyoT-Gen 730, 736 Kyphoskoliose 628, 711 L
L-Carnitin-Therapie 768 L-System 678 L-Tryptophan 586 L1CAM-Gen 94 Lafora-Krankheit 169, 613, 756, 758, 759 Laktat-Dehydrogenase A (LDHA) 757, 759, 761 – Mangel 757, 761 Laktatwert 766 – im Serum 766 Laktazidose 614 Lakune 271 LAMA2-Gen 625, 626, 693, 710, 720 Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS) 781, 814, 817 Lamelle, anulierte 747 Lamin – A 679, 691, 698, 702, 723, 799, 832 – B-Rezeptor 723 – B1 698 – B2 698 – C 679, 691, 698, 702, 723, 832 Lamina fibrosa der Kernwand 727 Laminin 678, 710 – 2 625, 679, 710 – α2 678, 687 – Kette 710 – β2 681 – Erkrankungen 625 Laminopathie 723 – α2 701 Langhans-Riesenzellen 801 LARGE-Gen 693, 703, 710
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Sachverzeichnis
Larve 796 Lateralsklerose – amyotrophische (ALS) 229, 629, 706, 824, 825, 826, 832, 833 – ALS1 825 – ALS2 825 – familiäre 825 – sporadische (SALS) 833 – primäre 233 Laufrad 788 Leber’sche hereditäre Optikusneuropathie (LHON) 162, 614, 762, 763, 764, 768 Leberglia 16 Leberphosphorylase 759 Leberversagen 764 Leichtketten 668 – vom l- und k-Typ 667 – λ-Leichtkettentyp 606 Leigh-Syndrom 165, 166, 762, 765, 768 – maternal vererbtes (MILS) 762, 763 Leitungsblock, multifokaler 668 Lektin 678, 706 LEMS, siehe Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom Lepra 642 – lepromatöse 643, 644 – tuberkuloide 643, 644 Leprominhauttest 644 Leptomeninx 25, 26 Leptomerfibrillen 736, 820 Lesch-Nyhan-Syndrom 187 Leukämie 667 – lymphatische 667 Leukenzephalitis, akute hämorrhagische nekrotisierende (AHLE) 361 Leukenzephalopathie – progressive multifokale (PML) 328 – telenzephale 105 Leukoaraiosis 280 Leukodiapedese 648 Leukodystrophie – globoidzellige 134, 607, 735 – metachromatische 132, 606, 609, 735 – spongiöse 180 Leukoenzephalopathie, diffuse 541 Leukomalazie, periventrikuläre (PVL) 103 – hämorrhagische 105 Leukozyten, neutrophile 791 Leukozytenantigen, humanes (HLA) – HLA-8-Antigen 816 – HLA-B 60 797 – HLA-C 3 797 – HLA-DQ-Haplotypen 797 – HLA-DR 797 – 4 797 – 7 797 – HLA-Drw 53 797
Levator ani 828 Lewy body-like inclusions 230 Lewy-Körperchen 210, 242, 629 – Demenzen 210 – Krankheit 241 Lewy-Neuriten 210 Lewy-Plaques 199 Leyden-Möbius 701 LGMD, siehe limb girdle muscular dystrophy Lhermitte-Duclos-Krankheit 513 LHON, siehe Leber’sche hereditäre Optikusneuropathie Lidlipom 614 Liesegang-Ring 696 LIM domain binding-3 (LDB3) 725, 726, 730 Limb girdle muscular dystrophy (LGMD) 701 – 1A 691, 701, 702, 725, 726, 730 – 1B 691, 698, 701, 702 – 1C 691, 698, 701, 702, 725, 727, 745, 748 – 1D 701, 702 – 1E 701, 702 – 1F 702 – 1G 702 – 2A 692, 701, 702, 703 – 2B 692, 701–703, 706, 725 – 2C 692, 701–703 – 2D 692, 701–703, 705 – 2E 692, 701–703, 705 – 2F 692, 701–703, 705 – 2G 692, 701–703, 705 – 2H 692, 701–703, 705, 722, 736 – 2I 692, 693, 701–703, 705, 710 – 2J 692, 702, 703, 705, 706, 722, 725, 726, 736 – 2K 692, 693, 702, 703, 705 – 2L 692, 693, 702, 705 – 2M 693, 702, 705 – 2N 693, 702, 705 – 2O 693, 705, 710 Lindan 377 Lindau-Tumor 526 Lipidmetabolismus 758 Lipidose 835 Lipidperoxidation 779 Lipidspeicherkrankheit 723 Lipidspeichermyopathie 760, 768 Lipidspeicherung 766 Lipidspeicherungsmyopathie, myotubuläre mit Verkalkungen 769 Lipidstoffwechselstörung 606 Lipidthesaurismose 585 Lipidtropfen 621, 760, 766, 769 Lipobay 779 Lipodystrophie – Berardinelli-Seip kongenitale 2 (BSCL2) 629 – familiäre partielle 698 – membranöse 609
Sachverzeichnis
Lipofuszin 5, 10, 152, 194 Lipofuszinkörper 760 Lipogranulomatose, disseminierte 141 Lipohyalinose 278 Lipom 527, 808 Lipomatose 527, 609 Liponeurozytom 515 – zerebelläres 515 Lipopolysaccharid-induzierter TNF-Faktor (LITAF) 599, 619 Liposarkom 808 – myxoides 808 Lippenspalte 710 Liquor cerebrospinalis 21, 88, 763 Liquorfistel 414 Liquorüberproduktion 91 Liquorzytologie 491 Lissauer-Trakt 628 Lissenzephalie – I 66 – II 68, 710 Listeria monocytogenes 307 LITAF, siehe Lipopolysaccharid-induzierter TNF-Faktor Lithium 780 Livedo retikularis 286 LMNA-Gen 600, 626, 698, 723 Lobärdegeneration, frontotemporale (FTLD) 212, 706 – FUS 219 – NI (no inclusions) 220 – Tau 213, 216 – familiäre (FTDP-17T) 216 – TDP 216 Locked-in-Syndrom 427 Lokalanästhetikum 682 Loss of heterozygosity 488 Lösungsmittel 388 Lowe-Syndrom 153 LSD, siehe Lysergsäurediäthylamid Lückenschädel 58 Luftembolie 425, 438 Lupus erythematodes, systemischer (SLE) 284, 657, 658, 800, 818 Lyme-Borreliose 642, 645 Lymphfollikel 798 Lymphom 531, 662, 666 – lymphoblastisches 798 – lymphoplasmazelluläres 606 – malignes 800 – primäres 662 Lymphorrhagie 816 Lymphotoxin 797 – mRNA 797 Lymphozyten 119, 618 Lymphozyteninfiltrat 801
Lyodura 345 Lysergsäurediäthylamid (LSD) 388 Lysosom 585, 613 M
M-Band-Protein 732 MAG, siehe Myelin-assoziiertes Glykoprotein Magenschleimhaut 769 Magenschmerz 769 Magnesium 779 Major Histocompatibility Complex (MHC) – I 834 – IIa 834 – IIb 834 – IIx 834 – Klasse-I-Antigen 797 – Klasse-I-Molekül 799 – Klasse-II-Antigen 797 Makroglia 11 Makrophagen 25, 618, 707 – seeblaue 609 Makrozephalie 75, 92 Malaria 319 Malformation – arteriovenöse 538 – venöse 538 – zerebelläre 710 Mallory-Körper 694, 711, 721, 732 Maltase, saure 759 Mamma 786 MAN1-Gen 723 Mangan 370 Mannosidose 146 – β-Mannosidasemangel 613 Mantelvene 255 MAP2-Protein 455 Marburg-Krankheit 358 Marchiafava-Bignami-Syndrom 386 Marfan-Syndrom 735 Marihuana 387 Marinesco-Körper 10, 199 Marinesco-Sjögren-Syndrom (MSS) 723, 724, 727 – atypisches 727 Markblutung 423 Markesberry-Griggs-Myopathie 708, 726 Markscheide 556 – Abbauprodukte 567, 616, 830 – Entwicklung 48 – g-Wert 556 – Lamelle 557 Markscheidenprotein – P0 557–559, 615, 646 – Mutation 621 – P2 646 – sensibilisierte T-Zellen 646
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Sachverzeichnis
Markscheidensegment, interkaliertes 556 Markschlinge 625, 668 – terminale 609 Maroteaux-Lamy-Krankheit 147 Maserneinschlusskörperenzephalitis 323 Masernvirus 323 Masse, sarkoplasmatische 687, 695, 696, 747 Massenblutung 270 Massenverschiebung 490 Masseterhypertrophie, idiopathische 833 Maßnahme, diätetische 768 Material – granuläres osmiophiles (GOM) 281, 835 – granulofilamentöses 733 – tubulovesikuläres 733 MATR3-Gen 708, 725 Matrin3 725 Matrix 47, 109 – verbreiterte 767 Matrixblutung 109 – subependymale 109 Matrixmetalloproteinase (MMP) 644 Matrixzellheterotopie 70 McArdle-Krankheit 757, 759 McKeith-Kriterien 212 McLeod-Syndrom 241 MCOLN1-Gen 145 MDEBS-Krankheit 816 MEBD, siehe Muskel-Augen-Gehirn-Krankheit Mechanikerhände 796 Meckel-Gruber-Syndrom 60 Meckel-Syndrom 60 Mediaverkalkung 656 Medikament, ototoxisches 648 Medulloblastom 40, 517 – desmoplastisches 518 Medulloepitheliom 518 Medullomyoblastom 518 Megakolon 645 Megalenzephalie 75 Megaösophagus 645 Meissner-Plexus myentericus 629 Melanomonkogen 810 Melanozyten 26 Melanozytenmigration 624 Melanozytom 521 Melanozytose, diffuse 522 MELAS 162, 165, 167, 614, 762, 763, 766, 768, 835 – Mutation 720 Membran-Attacke-Komplex (MAC) 704 Membran, postsynaptische 817 Membrana – gliae limitans 710 – limitans 13 Membranantigen, epitheliales (EMA) 492, 508
Membranattackenkomplex C5b-9 797 Membranfiltration 35 Membranous cytoplasmic bodies (MCBs) 799 Membranprotein, lysosomal-assoziiertes 2 (LAMP-2) 699, 726, 760, 761, 799 Mena/VASP 730 Mendelsche Regeln 720 Meningeoangiomatose 539 Meningeom 522, 810 – anaplastisches 525 – angiomatöses 522 – atypisches 525 – chordoides 524 – fibröses 522 – klarzelliges 524 – lymphozyten- und plasmazellreiches 524 – meningotheliomatöses 522 – metaplastisches 524 – mikrozystisches 522 – papilläres 525 – psammomatöses 522 – rhabdoides 525 – sekretorisches 524 – transitionales 522 Meningeosis – blastomatosa 30, 38 – carcinomatosa 30, 31, 39 Meningitis – bakterielle 305 – basale 308 – tuberkulöse 308 Meningomyelozele 56 Meningopolyneuritis 645 Meningozele 55, 56 Meningozystozele 56 Menkes-Krankheit 183 Meperidin 379 Mepivacain 584 Meralgia paraesthetica 571 Merkel-Zell-Tumor 662 Merlin-Protein 662 Merosin 626, 678, 679 – Mangel 625, 710 Merosinopathie 801 MERRF 162, 165, 168, 614, 762, 763, 766, 835 Mesaxon 557, 668 Metall 368, 580 Metamphetamin 387 Metaplasie 786 Metastasen 539, 806, 810 – von Hirntumoren 539 Methionin 779 Methionin-(M-)Valin-(V-)Polymorphismus 333 Methotrexat 380, 541 Methoxyfluran 781
Sachverzeichnis
Methylalkohol 377 Methylchlorid 376 Methylmalonazidurie 175, 177 Metolazon 780 Mevalonat-Kinase-Mangel 611 MFM, siehe Myopathie, myofibrilläre 725, 726 MFN2-Gen 600, 619, 621, 765 MGMT-Gen 505 – Methylierungsstatus 488 MGUS, siehe Gammopathie, monoklonale von unbekannter Signifikanz MHC, siehe Major Histocompatibility Complex MIB1-Antikörper 493 Mikro-RNA 736 Mikroaneurysma 272, 278 Mikroangiopathie 272, 278 Mikrodysgenesie 70 Mikroembolisation 654 Mikroenzephalie 75 Mikrofilament 556 Mikroglia 269 – Knötchen 24 – perivaskuläre 23 – ramifizierte 23 – Zellen 23 Mikrogliose 24 Mikroinfarkt 791 Mikrokolumnen 458 Mikropolygyrie 69 Mikrorosette 508 Mikrosatellit 488 Mikrostimulator 833 Mikrotubulus 556 Mikrovaskulitis 654, 656 Mikroverletzung 788 Mikrovilli 557 Mikrozephalie 75 Milchsäure 788 Mild cognitive impairment (MCI) 201 Miller-Dieker-Syndrom 68 Miller-Fisher-Syndrom 646 MILS, siehe Leigh-Syndrom, maternal vererbtes Mimikry, molekulares 646, 647 Mineralisation 102 Minicore 729 – Fasern 687 – Krankheit 728 – Myopathie 734 – mit externer Ophthalmoplegie 721, 747 Minifaszikel 567, 571, 614, 662 Minigemistozyten 506 Minikolumne 476 Minimal change myopathy 736, 737 Minimata-Krankheit 372 Mischdemenz 206 Mischgliom, oligoastrozytäres 507
Mitochondrien 556, 593, 612, 614, 826, 830 – Biogenese 765 – geschwollene 621 – Matrix 630 – mit parakristallinen Einschlüssen 799 – Vermehrung 766 Mitochondriopathie 614, 621, 625, 710 Mitofusin 765 Mitose 789 Mitsugumine 678 Mittelhirnsyndrom 427 Mittelohrentzündung 648 MLPA, siehe multiplex ligation-dependent probe amplification MMP, siehe Matrixmetalloproteinase 644 Möbius-Syndrom 72, 103, 786, 828 Molekulargenetik – Diagnostik 766 – Methoden 686 Mönckeberg-Mediaverkalkung 656 Mononeuritis, hypertrophische 662 Mononeuropathie, digitale 658 Mononukleose, infektiöse 643 Morbus – Alzheimer 765 – Boeck 798 – Hodgkin 647 – Leigh 614 – Meniére 648 – Whipple 801 Motoneuron – exzitatorisches 654 – zentrales 735 Mukosulfatidose 134 Multicore-Krankheit 676, 677, 728 Multiinfarktdemenz 279 Multiinfarktenzephalopathie 279 Multiminicore-Krankheit 694, 696, 711, 721, 751 – transiente 728 Multiminicore-Myopathie 726 – mit externer Ophthalmoplegie 728 Multiorganversagen 594 Multiple Sklerose (MS) – axonaler Schaden 356, 423 – früh aktive Läsionen 356 – Klassifikation von MS-Läsionen 358 – Subtypen 359 Multiple Systematrophie (MAS) 629 Multipler Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD) 758, 768, 769 Multiples Chemikaliensensitivitäts-(MCS-)Syndrom 587 Multiplex ligation-dependent probe amplification (MLPA) 690 Multisystemerkrankung 744, 763, 835
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Sachverzeichnis
Münchmeyer-Krankheit 778 MURF, siehe muscle-specific RING finger Muscle-blind-Protein 747 Muscle-Eye-Brain-(MEB-)Krankheit, siehe MuskelAuge-Gehirn-Krankheit Muscle-specific RING finger (MURF) 678 Musculus – abductor digiti minimi accessorius 786 – anconeus 817 – biceps brachii 798 – deltoideus 826 – gastrocnemius 826, 830 – masseter 676 – pectoralis 786 – peroneus 829 – longus 696 – puborectalis 828 – quadriceps 676, 798 – femoris 682 – sartorius 676 – sphincter ani 828 – temporalis 744 – tibialis anterior 682, 706, 790, 791 – vastus lateralis 678, 696, 826 Muskel – Aktivität 736 – Atrophie 621 – Biopsie 720 – Carnitin-Mangel 768 – Chloridkanal 745 – denervierter – direkte Reizung 833 – Diagnostik 676 – Ermüdbarkeit 818 – extraokulärer 730, 816 – exzentrische Kontraktion 788 – Fibrose 779, 780 – Hernien 789 – Hypertrophie 727 – inkonstant vorkommender 786 – Logensyndrom 791 – Nekrose 790 – Phosphorylase 759 – Mangel 759 – Quetschung 789 – Schmerzen 770, 780 – Stütz- und Bindegewebe 681 – Varietäten 786 Muskel-Auge-Gehirn-Krankheit 693, 694, 703, 705, 710 Muskelaplasie, angeborene 786 Muskelarbeit 769 Muskelatrophie – bulbäre 824 – bulbospinale 699, 825 – diaphragmatische spinale mit Atemnot 825
– – – – – – – – – – – – –
faszikuläre 826 hemiplegische 834 infantile progressive spinale 825, 826 infantile spinale 834 intermediäre spinale 827 juvenile spinale 825 kongenitale distale spinale 621 neurale 824, 829 neurogene 686, 687, 732, 829, 830 posturale 727 progressive 699 skapuloperoneale spinale 621 spinale (SMA) 232, 701, 824, 825, 832, 833 – adulte Form 825 – distale (DSMA) 629 – intermediäre (SMA2) 827 – juvenile progressive (SMA3) 827 Muskelbiopsie – Auswahl des Muskels 682 – Entnahmestelle 827 – Technik 682 Muskeldefekt, angeborener 786 Muskeldystrophie 676, 690, 691 – Beckersche Gliedergürtelform 827 – faszioskapulohumerale (FSHD) 677, 691, 697, 699, 700 – Gliedergürtelform 701 – kongenitale (MDC) 693, 709, 710, 720 – 1A 625, 693, 710 – 1B 693, 710 – 1C 693, 703, 705, 710 – 1D 693, 703, 710 – Fukuyama-Typ (FCMD) 693, 705, 710 – Typ Batten-Turner 709 – Typ De Lange 709 – Merosin-positive kongenitale 710 – mit Epidermolysis bullosa simplex (MD-EBS) 727 – okulopharyngeale (OPMD) 626, 697, 700, 707, 709, 723, 726, 799 – tibiale (TMD) 692, 705, 706, 725, 726 – Typ Becker 691, 697, 800 – Typ Duchenne 676, 690, 691, 695, 696, 751 – Typ Emery-Dreifuss – X-chromosomal erbliche 698 – Typ Fukuyama 68, 710 – vom Gliedergürteltyp, siehe auch limb girdle muscular dystrophy (LGMD) 701, 702 – autosomal-rezessiv erbliche Formen 702 – pelvifemoraler Typ 701 Muskelfaser 676 – Abflachung 826 – atrophische 731, 826, 827 – elektronenmikroskopische Untersuchungen 682 – Entwicklung 676
Sachverzeichnis
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Erschlaffungsphase 678 extrafusale 680 histochemische 680 Histogramme 676 intrafusale 680, 681, 747, 820 – Vermehrungen 747, 820 – Kaliber 827 – Spektren 676 – Kerne 789 – langsame 678, 680 – Nekrose 654, 760, 789, 795 – normale – Feinstruktur 678 – quergestreifte – Hetero- oder Ektopie 786 – Regeneration 687 – revertierte 687, 695 – schnelle 680 – trilaminäre 733 – Typ-1 676, 680, 701, 723, 728, 734, 769, 826, 830 – Typ-2 676, 728, 732, 734, 830 – Typ-2A 680 – Typ-2B 680, 734, 736 – Typ-2C 680 – Typen 734 – Disproportion 734 Muskelfaseratrophie – netzförmige Verteilung 832 – perifaszikuläres Muster 797 – selektive 735 – Typ-2 733 Muskelfasereinschluss, tubulofilamentöser 707 Muskelfasernekrose 687 Muskelgewebe – heterologes 799 – Regeneration 687, 778, 795 Muskelhypertrophie, athletischer Aspekt 748 Muskelhypoplasie, universale 720 Muskelinfarkt, anämischer 789 Muskelkater 778, 788 Muskelknospe 789, 790 Muskelkrampf 748, 759, 789 Muskelkrankheit, metabolische 751 Muskelmasse 736 Muskelrelaxanzien, depolarisierende 751 Muskelrigidität, generalisierte 751 Muskelriss 789, 790 Muskelschwäche 709 – bulbäre 818 – okuläre 818 – respiratorische 818 Muskelschwund 834 Muskelspindel 681, 789, 820 – Vermehrung 820 Muskelzellen, glatte 654, 676
Muskulatur – nervöse Versorgung 681 – normale 676 – okulobulbäre 816 – viszerale 676 Mutation 762 – Compound-heterozygote 749 – in den Genen der mtDNA 761 – nukleärer Gene 764 – spontane 720 Myalgie 759, 788 – belastungsabhängige 761 Myasthenia gravis 708, 735, 770, 780, 814 – seronegative 814 Myasthenie 815 – D-Penizillamin-induzierte 814 – familiäre infantile (Typ Ia) 817 – konnatale (neonatale) 817 – symptomatische 818 – transitorische neonatale 814 Myastheniesyndrom, slow-channel-kongenitales (SCCMS) 815 MYBPC3, siehe Protein, kardiales Myosin-bindendes C Mycobacterium – leprae 643 – tuberculosis 308 Myelin 17 – lockeres 668, 670 – nichtkompaktiertes 668 – Ovoide 656 Myelin-assoziiertes Glykoprotein (MAG) 356, 557, 668 Myelin-basisches Protein (MBP) 355, 356, 557, 558 Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) 356 Myelinisation 48 Myelinisationsgliose 49 Myelinolyse, zentrale pontine 385 Myelinprotein – peripheres 558 – P22 615 – PMP-22 557, 599, 601, 615, 624, 646 – Zero 599 – Zero 558, 615 Myelitis 642, 666 Myelom 605, 662, 667, 670, 781, 782 – osteosklerotisches 667 Myelomalazie 293 Myelopathie 429 – alkoholische 386 – angiodyskinetische nekrotisierende 295 – vakuoläre 327 Myeloschisis 56 MYH-Gen – MYH1 680, 681, 732 – MYH2 680, 681 – MYH3 711
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Sachverzeichnis
MYH-Gen – MYH7 680, 706, 720, 722, 725, 728, 732 – MYH8 711 Myklonie 835 Mykoplasma 647 Mykopolysaccharid 801 Myoadenylat-Deaminase-(MAD-)Mangel 768 Myoblasten 676, 687, 789, 795 MyoD1-Protein 808 Myofibrillen 676, 724, 826 – Defekte 696 – Differenzierung 827 – Durchmesser 830 – Neubildung 789 Myofibrillogenese 705 Myofibrillolyse 687, 733 – hyaline Zonen 733 Myofibroblasten 801 Myogenin 778, 788, 808 Myoglobinurie 724, 751, 769, 778, 780 – episodische 759 – ischämische 778 – metabolische 778 – paroxysmale 778 – toxische 778 – traumatische 778 Myogranula 729 Myokard 629 Myoklonusepilepsie – juvenile 461 – mit Ragged-red-Fasern 762, 763 Myoklonuskörperepilepsie 759 Myokymie 780, 835 Myopalladin 678 Myopathia – distalis tarda hereditaria 708 – lipofibrocalcarea 778 Myopathie 686, 706, 762 – akute 770 – alkoholische 386, 734, 779 – chronische 770 – distale 706, 725 – autosomal-dominante Typ Laing 706 – autosomal-rezessive vom Typ Miyoshi 704, 706, 725 – mit „rimmed vacuoles“ 706, 724, 725, 799 – mit Pes cavus und Areflexie 708 – rezessive 725 – entzündliche 729 – hereditäre myofibrilläre 705 – hypertrophische branchiale 833 – hypothyreotische 770 – infantile mitochondriale 695 – fuchsinophile (rötliche) Ablagerungen 695 – kongenitale 701, 708, 710, 720, 721, 734, 762 – mit fataler Kardiomyopathie 736
– – – – –
krikopharyngeale distale 708 maternal vererbte 763 Merosin-negative kongenitale 697 Merosin-positive 697 metabolische 757 – glykolytischer Abbau 757 – mit besonderen tubulären Aggregaten 707 – mit exzessiver Autophagie 726 – mit exzessiver Autophagie (MEAX) 726 – mit fetalen Muskelfasern 733 – mit hyalinen Körpern 732 – mit Kern- oder Kernstellungsanomalien 723 – mit minimalen Veränderungen 736 – mit myofibrillären Aggregaten 732 – mit Neutralfettspeicherkrankheit 708 – mit selektiver Auflösung der Myosinfilamente 733 – mit subsarkolemmal-segmentaler Myofibrillolyse 733 – mit tubulären Aggregaten 734, 735 – mit zylindrischen Spiralen 736 – mitochondriale 614, 643, 709, 720, 734, 761, 763, 765, 767, 828 – klinische Aspekte 765 – myofibrilläre (MFM) 702, 705, 725, 726, 728, 730 – myotubuläre 699, 700, 708, 720, 721, 723, 735 – nekrotisierende 795 – nukleodegenerative 724 – nutritive 779 – okuläre 709 – parainfektiöse 724 – paraneoplastische 781 – pharyngeale distale 708, 725 – primäre 686 – sarkotubuläre 705, 722, 735, 736 – skapuloperoneale 698, 727, 736 – spät auftretende 708 – toxische 779 – vakuoläre 725, 750 – X-chromosomale – mit posturaler Muskelatrophie (XMPMA) 698, 711, 727, 736 – skapuloperoneale 711, 736 – zentronukleäre (CNM) 694, 708, 721, 723, 725, 733 Myophagen 795 Myophagie 687, 731, 778, 790, 795 Myopodin 678, 730, 732 Myosin 678, 679, 680, 687, 722 – B-Fraktion 799 – Filament – Komponenten 733 – Verlust 779 – heavy chain 680, 725 – MyHC-7 732, 748
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– MyHC-fetal 680 – MyHC-I 680 – MyHC-IIA 680, 681 – MyHC-IIa 732 – MyHC-IIX 680 – MyHC-kardial α 680 – Speichermyopathie 706, 722, 732 Myosinfilament – Defekte 733 Myosinkopf 680 Myositis 686 – bakterielle 794 – beim M. Whipple 794 – eitrige 794 – eosinophile 790, 794, 796 – fokale 794, 796, 800 – granulomatöse 798, 801 – idiopathische 796 – infektiöse 794 – interstitielle 648, 733, 794, 796, 798, 800 – lepromatöse 794, 801 – orbitalis 794, 796, 800 – eosinophile 800 – ossificans 778, 800 – circumscripta 778 – progressiva, generalisierte pseudomaligne 778 – proliferative 779, 794, 800, 801 – syphilitische 794, 801 – tuberkulöse 794, 801 Myosklerose 720, 826 Myostatin 727, 736 Myostatingen 833 Myostatinmangelmäuse 734 Myotilin (MYOT) 678, 679, 691, 702, 708, 725, 726, 729, 730, 732 Myotilinopathie 730, 732 – distale 702 Myotom 676 Myotonia – congenita 744, 745 – autosomal-dominante 748 – fluctuans 749, 75 – permanens 749, 750 Myotonie 720, 744, 745, 781 – Acetazolamid-induzierte 750 – aktive 744 – Kalium-aggravierte (KAM) 746, 749, 816 – paradoxe 744 – Proteinkinase 744 – rezessive generalisierte 749 Myotuben 676, 687, 723, 789, 827 Myotubularin – 1 721 – Gen 723 – Myotubularin-related protein 14 721
Myozenin 729 Myozyten 676, 687 Myxödem 744, 770 Myxofibrom 662 Myxom 662, 808 N
N-MYC downstream regulated gene 1 (NDRG1) 601, 603, 625 Nackenmuskulatur 816 Nadelaspiration 778 Nadelbiopsie 682 Nadelmyopathie 779 NADH, siehe Nicotinamid-Adenin-DinukleotidDehydrogenase Naegleria fowleri 320 Nageotte-Residualknötchen 666 NAIP-Gen 825 NALD, siehe Adrenoleukodystrophie, neonatale Narkosemittel, volatiles 751 NARP (Neuropathie, Ataxie, Retinitis pigmentosa) 162, 614, 762, 763, 768 Nasu-Hakola-Krankheit 609 Natriumionenkanal 748 Natriumkanal 558, 678, 746 – α-Untereinheit (SCN4A) 746, 749, 816 – Gen 750 – Krankheiten 749 – Myasthenie 816 – Nav1.7 628 NCL, siehe Zeroid-Lipofuszinose, neuronale NDUF1-Gen 765 Near-total-Asphyxie 107 Nebulin (NEB) 678, 708, 721, 725, 729 Necklace-Faser, siehe Halsband-Faser Negri-Körper 326 Neisseria meningitidis 305 Nekrose 687, 778, 789 – fibrinoide 278, 648, 656 – hämorrhagische 791 – pontosubikuläre 102 – regenerative Aktivität 789 – segmentale 687 Nemalin – Myopathie 720, 721, 729, 735 – Amish-Typ 729 – dysmorphe Aspekte 720 – NEM1 721 – NEM2 721, 725 – NEM3 721 – NEM4 721, 722 – NEM5 721 – NEM6 721 – NEM7 721 – Stäbchen 720 Nemalinkörper 687, 728, 729, 835
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Nematoden 795 Neoplasmus, maligner 781 Neostigmin 814 Nerv – autonomer 835 – efferenter parasympathischer 819 – epikardialer 629 – extraokulärer 800 – peripherer 567, 832 – Schädigungsformen 567 Nerv-Muskel-Biopsie 616 – kombinierte 561, 682, 832 Nerve growth factor (NGF) 568, 788 – Beta-Polypeptid (NGFB) 603, 626, 628 Nervenbiopsie 560, 562, 656, 827 – Indikationen 562 – Komplikationen 562 Nervenendigung, terminale 818 Nervenerregungsleitungsgeschwindigkeit (NLG) 559, 623 Nervenfaser 555 – alphamotorische 681 – Aδ-Faser 628 – Deafferentierung 592 – demyelinisierte 618 – markhaltige 556, 616, 626, 627, 630 – subtotaler Aplasie 627 – marklose 560, 627, 628 – Entwicklungsstörungen 627 – motorische – indirekte Reizung 832 – regenerierte 619 – remyelinisierte 618 – sensorische 820 – subterminale 681 – terminal verzweigte 681 – tomakulöse 622 Nervenfaserzahl 560 Nervenfaszikel 559 Nervenkampfgift 583 Nervenkompression, chronische 568 Nervenläsion, traumatische 566 Nervenleitgeschwindigkeit 619, 621, 668 Nervenscheidenmyxom 530 Nervenscheidentumor, maligner peripherer 529, 662 Nervensystem – autonomes 629 – komplexe Syndrome 629 – vegetatives 769 Nerventransplantat 571 Nervenüberstreckung 573 Nervenverletzung 828 Nervenwachstumsfaktor 788 Nervenzelle – ballonierte 214 – des CA1-Sektors 453
– dysmorphe 457 – heterotope 70 Nervenzelltod, verzögerter 264 Nervenzellvakuolisierung 9 Nervus – cochlearis 624 – facialis 642, 645 – medianus 667 – opticus 800 – suralis 560, 616, 827, 830 – Biopsie 648 – trigeminus 628 Nesprin – 1 691, 699 – 2 691, 699 Netz, mitochondriales 621 – Fusion und Fission 621 Neugeborenes 676 NeuN-Protein 492 – Immunreaktivität 654 Neuralplatte 45 Neuralrinne 45 Neuralrohr 45 – Defekt 51 – orales 45 Neuraminidase 585 Neurapraxie 566 Neurilemmom 662 Neurinom 528, 662, 808 – Antoni-Anteil 528 – malignes 662 – zelluläres 530 Neurit 5 Neuritis, experimentell-allergische (EAN) 646 – Adoptive-Transfer (AT-EAN) 646 Neuroakanthozytose 241, 610, 770 Neurobiotics 833 Neuroblastom 516, 662 – kongenitales 820 – olfaktorisches 516 – zerebrales 516 Neuroborreliose 314 Neuroferritinopathie 629, 630, 656, 723, 835 Neurofibrillary tangles 195 Neurofibrillenveränderung, Alzheimersche (NFT) 195 Neurofibrom 529, 662, 808 – plexiformes 529 Neurofibromatose (NF) 662, 734 – NF1 529, 535, 662 – NF2 529, 536, 662 Neurofibrosarkom 662 Neurofilament 6, 492, 556, 624, 668 – Anhäufungen 630 – light polypeptid 68 kDa (NEFL) 599, 600, 619, 621, 623
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Neurogenese 262, 450 Neurographie 559 Neuroleptika 752 Neurolues 313 Neurom 530, 571, 662 Neuromelanin 5 Neuromyelitis optica (NMO) 360 Neuromyopathie 770, 779 – lysosomale 709 – vakuoläre 708 Neuromyotonie 723, 744, 814 Neuron – balloniertes 245 – bipolares 5 – intestinales 654 – präganglionäres 628 – unipolares 5 – zentrales motorisches 834 Neuronopathie 627, 824 – akute sensorische 646 – bulbospinale 828 – sensorische 833 Neuronophagie 8 Neuropathia pseudocystica 662 Neuropathie 727 – akute motorisch-sensorische axonale (AMSAN) 646 – akute motorische axonale (AMAN) 646 – alkoholische 579, 779 – Ataxie, Retinitis pigmentosa 762, 763 – autonome 643 – axonale 824 – bei Lebererkrankungen 593 – bei Vaskulitiden 656 – diabetische 592 – diphtherische 645 – distale hereditäre motorische (dHMN) 629 – II 603, 629 – V 629 – distale sensorische 658 – hereditäre 598, 615, 621, 686, 832 – Datenbank 615 – mit Neigung zu Drucklähmungen (HNPP) 599, 615, 616 – hereditäre sensorische und autonome (HSAN) 602, 626, 629 – Typ 1 (HSAN1) 602, 627 – Typ 1B (HSAN1B) 602 – Typ 2 (HSAN2) 602, 616, 626, 627 – Typ 3 (HSAN3) 602, 628 – Typ 4 (HSAN4) 627, 628 – Typ 5 (HSAN5) 603, 627, 628 – hereditäre motorisch-sensorische (HMSN) 615 – I 599 – Ia 615, 618, 829 – Ib 615
– II 619 – III 615, 624 – L 603, 625 – P 600, 623 – V 626 – VI 614 – X 626 – hypertrophische 616, 618, 832 – infektiöse 642 – karzinomatöse 666 – sensorische 666 – Klassifikation 554 – lepröse 643 – lokalisierte hypertrophische 662 – mit exzessiven Markschlingen 622 – Multiplextyp 656 – mutilierende sensorische 629 – neurofibromatöse 662 – neuronale 824 – paraneoplastische 781 – paraproteinämische 668 – periphere 720, 730, 732, 748, 764, 799, 824, 827, 832 – Begleitmyopathie 832 – sensomotorische, hereditäre intermediäre Form (ID-CMT) 723 – postdiphtherische 645 – progressive multifokale 658 – periphere 657 – pseudosyringomyelische 592 – sensorische ataktische mit Dysarthrie und Ophthalmoparese (SANDO) 764 – subakute sensorische 666 – tomakulöse 6115, 616, 622, 668 – X-chromosomal-rezessive sensorische 629 – X-chromosomale 602 Neuropathy-Target-Esterase (NTE) 583 Neuropilfaden 195 Neuroprotektion 262 Neurosarkoidose 309 Neurotmesis 566, 568 Neurotrophin – NT-3 568 – NT-4 568 Neurozystizerkose 320 Neurozyten 9 Neurozytom 514 – extraventrikuläres 514 – zentrales 514 Neurulation 45 Neutralfettspeicherkrankheit – mit Ichthyose (NLSDLI) 768 – mit Myopathie 768, 769 – ohne Ichthyose 768 Neutralfetttropfen 760 Nexus 557 NG2-Zelle 22
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NGF, siehe Nerve growth factor 568, 788 NHLRC1-Gen 759 NIA-AA-Kriterien 204 Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Dehydrogenase (NADH) 767 – Dehydrogenase 761 – Reaktion 766 Niemann-Pick-Krankheit 137, 607, 609 – Typ C 138 – Typ D 139 Niere 778 Nierenfunktionsstörung 751 Niereninsuffizienz 780 Nierenversagen 781, 788 NIFID, siehe Intermediärfilament-EinschlusskörperKrankheit, neuronale Nikotinamid 578 Nikotinsäure 578 Nissl-Substanz 5 Nitrit 375 Nitrosegas 375 Nogo-A 507 Nomenklatur 554 Nonaka-Myopathie 706 Noonan-Syndrom 820 Normaldruckhydrozephalus 91 Notch 3 281 Notochordal split syndrome 57 Notoxin 819 Novyi et septicum, Clostridium 794 Nozizeptor 628 Nozizeptorzellen 627 NPC1-Gen 607 NPC2-Gen 609 NTRK1-Gen 626, 628 Nuclear envelopathies 723 Nucleus Onufrowicz 230 Nukleolus 789 O
Obrinsky-Syndrom 828 Obscurin 678 Occipital-horn-Syndrom 183 Ödem 291, 788, 789 – endoneurales 585, 616, 656 Okinawa-Typ 623 Oktarepeat 335 Okularmikrometer 676 Olfaktoriusaplasie 64 Oligodendrogliom 488, 506 – anaplastisches 507 Oligodendrozyt 17 Oligomerisation, modulare 825 Oligosaccharidose 126, 145 Olivenhypertrophie 9 Ölsyndrom, spanisches toxisches 584, 648
Online Mendelian Inheritance in Man (OMIM) 686 OPA1-Gen 765 Opalski-Zelle 392 Ophthalmoplegia – externa 708, 766 – progressive 765 – plus 708, 765 Ophthalmoplegie 623 – äußere 709, 744 – chronisch-progressive externe (CPEO) 763 – dominant erbliche progressive externe (adPEO) 764, 768 – exophthalmische 770 – externe 723 – hyperthyreotische 800 – progressive externe (PEO) 762, 763, 764 – gastrointestinale Symptome 764 Opiate 780 Opsoklonus 540 Optico-cochleo-dentatum-Degeneration 611, 612 Optikusatrophie 621 Optikusneuropathie vom Kjehr-Typ 765 Orbita 798, 800, 808 Orbitopathie, endokrine 770 Organ, zirkumventrikuläres 27 Organomegalie 667, 820 Organophosphat 583, 814 Organtransplantation 393 Orthostase 629 Osteoid 778 Oxalatkristall 613 Oxalose 613 β-Oxidation 156 Oxoprolinurie 179 P
P-Fläche 751 PABPN1-Gen 709 Pacchioni-Granulation 25, 26, 89 Pachygyrie 66, 68, 747 Pachymeningitis hypertrophicans 309 Pachymeninx 25 Pacini-Körperchen 681 PAF, siehe Funktionsstörung, pure autonome Paget-Krankheit des Knochens 724, 727 PAHX-Gen 159 Paired-box transcription factor (Pax-7) 788 Pale bodies 243 Pallister-Hall-Syndrom 516 Palmaris longus 786 PAM, siehe Proteinaggregationsmyopathie Panarteriitis 656 – nodosa 283, 654, 656, 657, 830 Pandysautonomie 646 – akute 627 Panenzephalitis, subakute sklerosierende (SSPE) 323
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Panenzephalopathie, perinatale 104 Pantothensäure 578 Papulosis atrophicans maligna 657 Paraffineinbettung 682 Paragangliom 517, 662, 808 Paralyse – hypokaliämische periodische (HOPP) 479, 696, 744, 746, 749, 751, 816 – Typ 1 746, 747, 750, 751 – Typ 2 749 – Typ 3 746, 750 – neuromuskuläre 646 – normokaliämische periodische 749 – periodische 729, 732, 770 – bei Thyreotoxikose 751 – paramyotonische 749 – progressive 314 – supranukleäre 244 Paramyloidose 606, 781, 782 Paramyotonia congenita (PMC) 744, 746, 749, 750, 816 Paramyotonie 744 Paraneoplasie 540 Paraoxon 820 Paraparese, hereditäre spastische (HSP) 233, 234 Paraplegie – hereditäre 686, 834 – spastische 629 Paraplegin 765 Paraprotein 668 Paraproteinämie 642, 667 – benigne monoklonale 668 Parasit 794, 795 Parathion (E605) 377, 583, 814, 820 Paraxon (E600) 583 Parenchymnekrose, elektive 263, 269 Parkinson-Krankheit 241, 629, 735, 765, 834 – mit Demenz (PDD) 210 Parkinsonismus 621, 833, 834, 835 – postenzephalitischer 246 – vaskulärer 246 Partikel, intramembranöser 751 Pätau-Syndrom 78 Patch-clamp-Technik 817 Pathoklise 260, 367 Pathologie, duale 453 Patient, hemiplegischer 834 Pearson-Pankreas-Knochenmark-Syndrom (PPK) 762 Pearson-Syndrom 763 Penicillamin 818, 819 – D-Penicillamin 779, 780, 781 Pentachlorphenol 584 Penumbra 260 PEO, siehe Ophthalmoplegie, progressive externe Perforin 797
Perhexilin 780 Perhexilinmaleat 779 Periaxin (PRX) 601, 602, 624, 625 Perikaryon 4, 824 Perilipin A 769 Perimysium 681 Perineuralzelle 626, 649 – dysplastische 626 – EMA-positiv 662 Perineuriom 530, 648, 662 Perineuritis 586, 648, 670 – granulomatöse 648 – sensorische 642, 648 Perineurium 558 Periodizität, abnorme 670 Perizyten 649, 654, 798 Perkussionsverletzung 571 Perlecan-(Heparansulfat-Proteoglycan-2-)Gen 745, 748 Peroneus 682 Peroxisom 154, 611 Pes cavus 621, 725 Pestizid 583, 820 PET-blot-Verfahren 340 Pethidin 780 PEX-Gen 611 Pflanzenschutzmittel 584 Phagozytose 778, 791, 830 Phantomschmerz 571 Phäochromozytom 662, 765 Pharmakoresistenz 450 Phencyclidin 780 Phenochlor 584 Phenylketonurie 178 Phenytoin 780 Phosphat 779 Phosphatase, alkalische 558 Phosphofruktokinase 757, 759 – Defekt 170 – Muskeltyp (PFKM) 757 Phosphoglycerat – Kinase (PGK1) 757, 759 – Mangel 757 – Mutase 759 – 2 (PGAM2) 757 – Mangel 757 Phospholipidmembranausfällung 727 Phospholipidprotein 585 Phosphoribosyl-Pyrophosphat-Synthase 1 (PRPS1) 602 Phosphorsäureester 377 Phosphorverbindung, organische 583 Phosphorylase-b-Kinase 757, 759 – α-Untereinheit (PHKA1) 757 Phosphorylierung, oxidative (OXPHOS) 621, 761, 764 Phytansäure 157, 159, 612
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Sachverzeichnis
Phytansäurespeicherkrankheit 611 Pia mater 25, 26 Pick-Körperchen 214 Pick-Krankheit 214 Pick-Zelle 214 Pigmentatrophie der Retina 763 Pigmentierungsstörung 667 Pilzgranulom 801 Pilzinfektion 315 Pinealisregion 520 Pinealiszyste 521 Pineoblastom 520 Pineozytom 520 Pinozytose 687 – Vesikel 667, 702 Pionierfaser 568 Pituizytom 535 Plagiozephalie 76 Plaque – astrozytärer 215 – astrozytischer 17 – diffuser 198 – florider 338 – multizentrischer 338 – neuritischer 197 – Score 204 – seniler 196 Plasma-Gelsolin 605 Plasmazelle 670, 798, 800 Plasmazellkrankheit 606 Plasmodium falciparum 319 Plasmozytom 667, 670 Platelet-derived growth factor D (PDGFR-D) 487, 568 Platin 371, 582 Pleckstrin 708 Plektin (PLEC1) 678, 679, 687, 706, 727, 816 – Filament 679 – Mangel 818 – Myopathie 706 Plektinmyopathie 705 Pleozytose 36 Plexus choroideus 21, 88 Plexus-brachialis-Neuropathie, familiäre 603, 630 Plexuskarzinom 510 Plexuspapillom 510 – atypisches 510 PNPLA2-Gen 708, 758, 768, 769 POEMS-Syndrom 667 POLG1-Gen 167, 764 Poliomyelitis 322, 829 – Spätstadien 827 – Virusinfektion 794 Polyalanin-Trakt 709 Polyarteriitis nodosa 800 Polycythaemia vera rubra 667
Polyglukosankörper 613, 707, 756, 758 Polyglukosankörperkrankheit 695, 710, 756, 759 Polyglukosankörpermyopathie 695 Polyimidregenerativelektrode 833 Polymerase I und transcript release factor (PTRF) 691 Polymikrogyrie 69 Polymyalgia rheumatica 735, 794, 796, 800 Polymyositis 701, 735, 767, 781, 794, 796, 797, 818 – eosinophile 800 – experimentell allergische 799 Polymyxin 779, 780 Polyneuritis cranialis 646 Polyneuropathie – alkoholische 829 – chronische inflammatorische demyelinisierende (CIDP) 622, 642, 647, 648, 670 – hypertrophische Veränderungen 647 – chronische rekurrierende 642 – demyelinisierende 647 – diabetische 771 – urämische 593 Polypose, familiäre adenomatöse (FAP) 808 Polyradikuloneuritis 587, 642, 668 Polyradikuloneuropathie, akute inflammatorische 646 – demyelinisierende (AIDP) 646 Polystyrenkugel 654 Polyvinylpyrrolidon 587 POMGNT1-Gen 693, 694, 703, 705, 710 Pompe-Krankheit 153, 756, 757, 759 Porenzephalie 70, 106 Porphyrie 606 – hepatische 606 Postpoliomyelitissyndrom 794, 795 Postpoliosyndrom 231 Präalbumin 603 Practolol 779, 780 Prader-Willi-Syndrom 734 Präimplantationsdiagnose 744 Prämyelinfaser 624 Präparationstechnik 560 Präzipitat, konzentrisches 696 Presenilin 196 – 1 201 Primärfurche 47 Prion 332 Prionprotein 334, 799 – Gen (PRNP) 332 – PrPSc 334 – Ablagerungen 339 – zelluläre Isoform (PrPC) 332 Pristansäure 613 Probst-Bündel 65 Procain 584 Procainamid 780
Sachverzeichnis
Progerie-Syndrom 609, 698 Progonom, melanotisches 530 Progranulin 217 Prolin 788 PROMM, siehe Dystrophie, proximale myotonische Propionazidurie 175 Propranolol 779, 780, 781 Prosaposin 132, 142 – Mangel 136 Prosom 678 Prostaglandin, PGE2 788 Prostigmintest 814 Proteasom 678 Protein – 14-3-3-Protein 341 – C-reaktives 598 – D-bifunktionales 611 – Gangliosid-assoziiertes A1 765 – kardiales Myosin-bindendes C (MYBPC3) 722 – mitochondriales 761 – myelinbasisches (MBP) 355, 356, 557, 558 – neuronales Apoptose-inhibitorisches 824 – Poly(A)bindendes 2 (PABP2) 726 – PABP2 726 – TAR-DNA-bindendes 43 (TDP-43) 213, 216, 629, 706, 709, 724, 799 – Proteinopathie 629 – transmembranöses – NPC1 138 – NPC2 139 – Valosin-containing 727 Protein-O-Mannosyl-Transferase (POMT) – POMT1 692, 693, 703, 705, 710 – POMT2 693, 694, 703, 705, 710 Proteinaggregationskrankheit 709 Proteinaggregationsmyopathie (PAM) 730, 736 Proteinase K 339 Proteinkinase 744, 757 – AMP-aktivierte (PRKAG2) 757 – extrazellulär regulierte (ERK) 568 Proteinmangel, bifunktionaler 611 Proteinopathie, neurodegenerative 835 Proteolipidprotein (PLP) 356 Prune-belly-syndrome 828 PSAP-Gen 142 Pseudo-Arylsulfatase-A-Mangel 132 Pseudo-Hurler-Polydystrophie 143 Pseudohypertrophie 624, 686, 690, 736 Pseudoinklusion 698 Pseudomyotonie 744 Pseudopsammomkörper 524 Pseudorosette 507 Pseudotumor 778 – benigner entzündlicher 800 – entzündlicher 800 – orbitae 800
Pseudozyste 662 PSP, siehe Blickparese, progressive supranukleäre Psychose 835 Psychosin 134 Psychotropika 781 Pterygia 733 Pterygiumsyndrom, multiples 816 Ptosis 623, 708, 723, 744 Punktmutation 762, 763 – der mtDNA-RNA-Gene 763 Pupillenveränderung 708 Purgativa 779, 780 Purkinjeom 513 Purpura – allergica 667 – cerebri 425 – thrombozytopenische 656 PVL, siehe Leukomalazie, periventrikuläre PXA, siehe Xanthoastrozytom, pleomorphes PYGM, siehe Glykogen-Phosphorylase, Muskeltyp Pylorusstenose 629 Pyramidenbahnläsion 735 Pyridoxal 578 Pyridoxamin 578 Pyridoxin 578, 585 Pyruvatcarboxylase 169 Pyruvatdehydrogenase 169 Pyruvatwerte im Serum 766 Q
Quecksilber 371, 581, 582 Querbrückenbindung 680 Querstreifung 807 Quetschpräparat 491, 796 Quetschung 568 R
RAB7-Gen 600, 621, 626 Rabies 326 Rachischisis 56 Radikulopathie 642 Ragged-red-Faser (RRF) 163, 614, 763, 766 Randzonengliose 16 Ranvier-Knoten 558 Ranvier-Schnürring 668 Rapsöl 657 Rapsyn 681, 815 Rasmussen-Enzephalitis 459 Rathke-Zyste 534 Rauschdroge 387 Reaktion, gemischtzellige 37 Reaktionssyndrom, systemisches inflammatorisches (SIRS) 779 Reducing-body-Myopathie 711 Reduktionskörper 687 – Myopathie 691, 698, 727, 736
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Reelin 451 Reflexbogenstörungen 735 Refsum-Krankheit 155, 158, 611, 612, 709, 830 – infantile 611, 612 Region, postsynaptische 816, 818 Reinnervation – anisomorphe 571 – kollaterale 832 Reinnervationsvorgang 824 Reinnervationszeichen 832 Reizelektroden 833 Reizfrequenz 833 – minimale elektrische 789 Rektumbiopsie 119, 561, 605, 609 Remak-Faser 624 Remak-Zelle 556 Remyelinisierung 355, 357 Renaut-Körper 571, 662 Reperfusion 654 Replikation 761 Resochin 585 Restless-legs-Syndrom 592 Retardierung, mentale 626, 699, 724 Retikulinfasergerüst 808 Retikulinfaserimprägnation 808 Retikulum-Kalziumionen-ATPase, sarkoplasmatische (SERCA) 734 – SERCA1 745, 748 – Aktivität 748 Retikulum, sarkoplasmatisches (SR) 678, 728, 735, 830 Retinadysplasie 710 Retinaimplantat 833 Retinitis pigmentosa 708 Reverse cerebellum 58 Reye-Syndrom 177 Rezeptor 681 Rezeptorblockade 814 Rezeptorkanal, langsamer nikotinischer 815 Rezeptororgan 820 Rezeptortyrosinkinase, muskelspezifische (MuSK) 681, 814, 815, 817 – Antikörper 816 – Mangel 815 Rhabdomyoblasten 807 Rhabdomyolyse 780, 835 – idiopathische 778 Rhabdomyom 786, 806 – kongenitales des Herzens 806 Rhabdomyosarkom 786, 806 – adultes 806, 807 – alveolärer Typ 806 – embryonaler Typ 798, 806, 807 – juveniles 806, 807 – pleomorphes 806 Rho-Guanine-Nucleotid-Exchange-Factor-10 (ARHGEF10) 599
Rhombenzephalosynapsis 64 Rhombenzephalozele 58 Riboflavin 578 Ribonucleotid-Reductase, p53-kontrollierte (RRM2B) 764 – Mutationen 768 Ribonukleinsäure (RNA) – Pol(A)-RNA 709 – ribosomale rRNAs 762 Ribosom, paranukleäres 770 Riesenaxonneuropathie 622, 630 Riesenfaser 827 Riesenzell-Glioblastom 505 Riesenzellarteriitis 285, 657, 800 Riesenzellastrozytom, subependymales 501, 536 Riesenzellen 649, 801 – vielkernige 678 – vom Langhans-Typ 798 Rigid-spine-Syndrom (RSMD) 694, 711, 732, 735, 736, 756 – RSMD1 711, 721, 722, 726, 730 Rigor 835 – mortis 678 Riley-Day-Syndrom 602, 628 Rimmed vacuoles 706, 707, 769 Rindenblutung 407 Ringbinde 687, 696, 702, 747 Rippling-Muskelkrankheit 702, 745, 748 – dominante (RMD1) 745 RNA, siehe Ribonukleinsäure Rods 729 Rollstuhlabhängigkeit 697 Rosenthal-Faser 15, 16, 500 Rosette, ependymale 508 Rosettentumor, glioneuronaler 514 Roussy-Levy-Syndrom 615, 626 RSD, siehe Dystrophie, reflexsympathetische RSMD, siehe Rigid-spine-Syndrom RSS, siehe Rigid-spine-Syndrom Rubella 323 Rückenmark 833 – Fehlbildungen 53 – Infarkt 293 – Verletzung 427 – perinatale 723 Ryanodin-Rezeptor (RYR1) 678, 721, 722, 728, 747, 751 – Gen 729 – Mutationen 724 S
S100 492 – negativ 662 SAB, siehe Subarachnoidalblutung Sakralganglien 642 Salizylat 379
Sachverzeichnis
Salla-Krankheit 143 Sandhoff-Krankheit 128, 656, 769 Sanduhrgeschwulst 528 Sanfilippo-Syndrom 613 – Typ A 609 SAP, siehe Serumamyloidprotein Saposin – B 132 – C 136 Sarin 378, 583, 814 Sarkogliom 505 Sarkoglykan 687, 703, 732 – α 678, 692, 705 – β 678, 692, 705 – γ 678, 692 – δ 692 – ε 703 – ζ 703 – Komplex (SGK) 678, 679, 701, 703 Sarkoglykanopathie 697, 701, 703 – α 705 – β 705 – γ 703, 800 – δ (SGDC) 705 Sarkoidose 309, 642, 801 – des Muskels 801 Sarkolemm 678, 679 – Kerne 696, 727 Sarkolemmin – Defekte 687 – Invaginationen 687 Sarkom 527 – botryoides 807 – granulozytäres 662 Sarkomerorganisation 678 Sarkomerverkürzung 680 Sarkopenie 765 – senile 686 Sarkoplasmaeinschluss, tubulofilamentöser 724 Sarkoplasmaknospe 789 Sarkosporidien 796 Sarkosporidiose 796 Satellitenzelle 676, 687, 778, 789, 795, 826, 830 Satellitenzellproliferation 687 Satellitose, perineuronale 18 Säuglingsbotulismus 819 Säuglingstod 114 – plötzlicher, siehe sudden infant death syndrome Saure Phosphatase 799 – Aktivität 761, 795 – Reaktion 732, 770, 835 Saure-Maltase-(α-Glukosidase-)Mangel 756 – kindlicher 736 Sayk’sche Sedimentationskammer 35 SBMA 825 SCA, siehe Ataxie, spinozerebelläre
SCCMS, siehe Myastheniesyndrom, slow-channelkongenitales Schädelbruch 405 Schaden – geburtstraumatischer 112 – oxidativer 779 Schädigung, diffuse axonale 420 Schaffer-Spielmeyer-Prozess 125 Schal-Erythem 797 Scheie-Syndrom 147, 613 Scheitel-Steiß-Länge 50 Schiefhals 791 – psychogener 791 Schiefhaltung 791 Schilddrüse 770 – Karzinom 810 Schilders diffuse Sklerose 360 Schindler-Kanzaki-Krankheit 146 Schistosoma 321 Schizenzephalie 106 Schizophrenie 470, 835 Schläfenlappenepilepsie 452 Schlaganfall 420, 834 – neonataler 106 Schlangengift 814, 820 Schlauch, endomysialer 789 Schleimbildung 801 Schleudertrauma 429 Schmerz 627, 769 – neuropathischer 627 Schmerzempfindung 627, 644 Schmerzfaser 681 Schmerzmodalität 627 Schmidt-Lanterman-Inzisur 558 Schnürring 621 Schoenlein-Henoch-Purpura 667 Schulterhochstand, angeborener 711 Schultermuskulatur 816 Schussverletzung 415 Schütteltrauma 409, 412 Schwann-Zelle 556, 557, 668, 736, 808, 830 – Einschlüsse 613 – Hirschgeweih-förmige 625 – zytoplasmatische Einschlüsse 626 Schwannom 528, 662 Schwannomatose 529 Schwannomin 662 Schwartz-Jampel-Syndrom 745, 748 Schwarze Witwe 819 Schwefelkohlenstoff 377, 582 Schwefelwasserstoff 375 Schweißbildung 627 Schwellenwert 762 Schwerkettenmyosin 732, 834 Schwindel 648 Schwitzen, exzessives 628
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SCO1/2-Gen 765 Seckel-Syndrom 75 Sehne 676 – Ansatz 687 – Ende 676 – Fibrillen 676 Sehnenreflex 628 Seipinopathie 629 Sekretase 196 Sekundärfurche 47 Selbstverstümmelung 628 Selen 779 Selenoprotein – N1 (SEPN1) 694, 711, 720, 721, 722, 726, 728, 730, 733 – Mutationen 732 – N2 (SEPN2) 678 Sensibilitätsverlust 627, 643 Sepsis 594 Septikämie 794 Septin 9 (SEPT9) 603, 630 Sequesterspeicherung 758 Serine palmitoyltransferase long chain base subunit 1 (SPTLC1) 602, 627 Serumamyloidprotein (SAP) 598 Serumenzym 690 Serumkreatinkinase 751 Serumkreatinphosphokinase 690 Serumpyruvatkinase 690 SET-binding factor (SBF) 625 – SBF2 601 SH3-domain and tetratricopeptide repeats 2 (SH3TC2) 601, 625 Shadow plaques 358 Shah-Waardenburg-Syndrom 624, 629 – PCWH-Variante 624 Shaken baby syndrome 111 Shunt 94 Shy-Drager-Syndrom 246 Sial-Krankheit 144 Sialidose 143 Sialinsäuresynthese 706 Sialsäurespeicherkrankheit 143 Siderophagen 36 SIDS, siehe sudden infant death syndrome SIL1-Gen 724 Silberkornkrankheit 216 Silver-Syndrom 629 SIMPLE-Gen 619 Sinus 255 – durae matris 25 – Thrombose 289 Sjögren-Larsson-Syndrom 187 Sjögren-Syndrom 657, 658, 800 Skein-like inclusions 230 Skelettdeformität 720, 748
Skelettmuskel-Aktin D 729 Skelettmuskelerkrankung – Klassifikation 686 Skelettmuskelmetastase 810 Sklera 800 Sklerodermie 654, 658 – progressive 800 Sklerose – Balos-konzentrische 358 – diffuse 360 – progressive systemische 657, 658 – tuberöse 501, 536, 806 Skolex 321 Skoliose 621, 720 Skrapie 340 Skrotalhaut 828 SLCO1B1-Gen 779 SLIM1-Gen 730, 736 Sly-Neufeld-Krankheit 147 Small fiber neuropathy 627 Small vessel disease 278 SMARCB1-Gen 511, 519 Smith-Lemli-Opitz-Syndrom 64 SNCA-Duplikation 629 Sneddon-Syndrom 286 SOD1-Gen 229, 825 Solute carrier – family 12 (SLC12) – A6 603, 626 – family 22 (SLC22) – A5 758, 768, 769 – family 25 (SLC22) – A20 (SCL25A20) 758 Soman 583, 814 Sommer-Sektor 453 Sonnenstich 431 SOX10-Gen 624, 629 Spalt, synaptischer 818 Spasmus 819 Spastik 819, 834, 835 Spastizität 834 Spectrin 558 – β 730 – Reaktion 687 Spermienhals 761 SPG 234 Sphäroid 11, 195, 230 Sphäroidkörper 687, 730, 732 – Myopathie 702, 725, 726 Sphingolipid 124 Sphingolipidaktivatorproteindefekt 142 Sphingolipidose 122, 124 Sphingomyelin 609 Sphingomyelinase 137 Spina bifida 56 Spinalatrophie, elektrotraumatische 434
Sachverzeichnis
Spinalerkrankung, funikuläre 391 Spinalganglien 560, 666 – Zellen 616, 630, 820 Spinalnerv 832 Spinalparalyse, spastische 233, 824, 834 Spinalparese, spastische 626 Spinaltrauma 428 Spinalwurzelausriss 573 Spindelzellonkozytom der Adenohypophyse 535 Spingomyelinphosphodiesterase-(SMPD1-)Gen 607 Spinnengift 814, 819, 820 Spinnenzelle 806 Spirale, zylindrische 736 Spirochäten 645 – Infektion 313 Spongioblastom, polares 516 Spontanschmerz 627 Sporozoen 796 Sprengel-Deformität 711 Sprintgeschwindigkeit 770 Spritzenabszess 794 SPTL1-Gen 626 SSPE, siehe Panenzephalitis, subakute sklerosierende Stäbchenkörpermyopathie 729 Stammganglien 225, 226 Stammmuskulatur 676 Stammzelle 262, 778, 789 – neuronale 786 Staphylokokken 794 Statin 779, 780, 788 Status – marmoratus 49, 102 – myelinisatus 49 – spongiosus 163, 337 Stavudin 643 Steatorrhoe 769 Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom 244 Steroidtherapie 770 Stichverletzung 414 Stiff-person-Syndrom 540, 723, 744, 814 Stimmband-Myopathie 708 Stirnglatze 744 Stoffwechselaktivität, hohe 761 Stoffwechselstörung, peroxisomale 611 Störung – endokrine 744 – metabolische 598 Stoßkanalblutung 423 Strahlen, ionisierende 435 Strahlenmyelopathie 435 Strahlennekrose 435, 541 Strahlenschaden 435, 574 Strahlungstrauma 435 Streptococcus pneumoniae 305 Streptokokken 794
Stress, oxidativer 765 Striatumnekrose, familäre bilaterale 762 Stromschaden 574 Stromunfall 432 Struktur – bilaminäre 612 – kurvilineare 609 – parakristalline 808 – trilaminäre 612 – tubuloretikuläre 799 – tubulovesikuläre 340 Sturge-Weber-Krankheit 537 Sturz 419 Stützgewebe des Muskels 681 Subarachnoidalblutung (SAB) 37, 111, 413 Subarachnoidalzisterne 26 Subduralblutung 111, 428 Subduralhämatom (SDH) 408, 767 – akutes 410 – chronisches 410 – subakutes 410 Subependymom 510 Substanz, amorphe, Ablagerung 632 Succinatdehydrogenase-(SDH-)Reaktion 766 Succinatligase, mitochondriale (SUCLA) – SUCLA1 764 – SUCLA2 764 Succinylcholin 751, 779, 780, 814 Sudden infant death syndrome (SIDS) 114, 762 Sudden unexpected death in epilepsy (SUDEP) 460 Sulfitoxidasemangel 178 Sulkusformation 47 SUMF-1-Gen 134 Superfaser, histochemische 681 SURF1-Gen 765 Survival motor neuron (SMN) 232, 825 – Protein 824, 825 Süßholzextrakt 779, 780 Suxamethonium 751, 779, 781 SV40-Virus 486 Sympathikogoniom 662 Sympathikusfaser 629 Synapse 7 Synaptophysin 492 Syncoilin 679 Syndrom – der kontinuierlichen Muskelfaseraktivität 814 – hypereosinophiles 657, 800 – hypotones 720 – intermediäres (IMS) 583, 586 – kongenitales myasthenisches (KMS) 814, 815, 817 – mit Rapsynmangel 815 – malignes neuroleptisches 752 – mit langsamen Kanal 818 – mit schnellen Kanal 818 – myasthenisches 779, 780, 814
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Syndrom – myotonisches 745, 779, 781 – okuläres 708 – okulozerebrorenales 153, 723 – paraneoplastisches 459, 657, 814, 817 – postsynaptisches 818 – präsynaptisches 817 – pseudosyringomyelisches 610 – skapuloperoneales 701 – zerebelläres 763 – zerebrohepatorenales 155, 723 SYNE1-Gen 691, 698, 699 SYNE2-Gen 691, 698, 699 Synostose 76 Synovialom 808 Synovialsarkom 530 Synovialzelle 786, 789 Syntrophin 679 Syntrophinkomplex 681, 701 α-Synuklein 210, 228, 242, 246 – Einschlüsse 629 Synukleinopathie 835 Syringobulbie 74 Syringomyelie 74, 734 System – extrapyramidalmotorisches 824 – spinozerebelläres 835 – transversales tubuläres 678 Systematrophie 827, 833, 834 – des Nervensystems 824 – multiple (MAS) 246, 629 – nukleodistaler Beginn 824 Szésary-Syndrom 658 T
T-Helfer-Zellen 797 T-Lymphozyten 622 T-System 678, 687, 747, 750 – Erweiterung 749 T-Zell-Rezeptor 799 T-Zelle, zytotoxische 799 Tabes dorsalis 314 Tabun 583, 814 Taenia solium 320 Tafazzin 699 Takayasu-Arteriitis 287 Talipes 711 Tandem-CAG-Untereinheit, polymorphe 825 Tangier-Krankheit 610, 621 Tangle-predominant Alzheimer’s disease 207 Tangles 195 Tanyzyten 20, 511 Targeted Therapies 487 Targetfasern 687, 827, 829, 832, 834 Targetoidfasern 832, 834 Tarui-Krankheit 759
Tau 6, 196, 200, 213, 216, 228 – phosphoryliertes 799 Taxol 585 Tay-Sachs-Krankheit 128 TAZ-Gen 699 Teleangiektasie, kapilläre 537 Telethonin 678, 687, 692, 703, 705 Temozolomid 488 Temperaturempfindung 627, 644 Temperaturfaser 681 Temperaturregulation 628 Temporallappenepilepsie 453 – mesiale 450 Temporallappensklerose, mesiale 453 Tenascin 558 – C 788 Tensilon 814 Teratom 532, 806 Terminalzisterne 678, 707 – des sarkoplasmatischen Retikulums 747 Testosteron 770 Testosteronspritzen 770 Tetanie 735, 770 – parathyreoprive 735 Tetanus 794, 795 Tethered cord 56, 57 Tetracain 584 Tetrachlorkohlenstoff 376, 583 Tetraethylblei 370 Tetraplegie 645 – spastische 709 Tetrazykline 779, 780 Thal-Phase 203, 206 Thalidomid 586 Thallium 372, 581 Therapie, zytotoxische 642 Thévenard-Syndrom 627 Thiamin 779 – Mangel 383 Thioflavin S 197 Thiolasemangel 611 Thomsen-Myopathie 745, 748 Thrombangiitis 667 – obliterans 285, 654 Thrombose 289 – venöse 289 Thrombozytenfunktion 667 Thymidin-Kinase 2 (TK2) 764 Thymom 816 Thymus 816 Thyreotoxikose 593, 751, 770 Tibialis-anterior-Syndrom 654, 790 Tic douloureux 647 Tigerschlange, australische 819 Tight junctions 557, 654 Tigrolyse 8, 264
Sachverzeichnis
Tinnitus 647 Titin 678, 687, 692, 703, 705, 722, 725, 726, 728, 730, 736 – Cap (TCAP) 692, 705 – Defekt 705 – Gen 720 – Mutationen 706, 724, 729 Titin-Immunoglobulin-Domäne-Protein (TTID) 726, 730 TLiSA1+-Zellen 797 TMEM16E-Gen 692 TNF-Faktor, Lipopolysaccharid-induzierter (LITAF) 599, 619 TNNT1-Gen 721, 729 TNNT2-Gen 711 TNNT3-Gen 711 Tod, plötzlicher 730 Tollwut 326 Toluol 376 Tonsille 610 Tonusregulation 835 – zentrale 834 Torpedos 11 Torticollis spasmodicus 791 Tortikollis 791 Toxic-oil-Syndrom 586 Toxin 795 – des Corynebacterium diphtheriae 580 – Typen 819 Toxoplasmose 38, 318, 796 TPM2-Gen 711, 721, 722, 729, 733 TPM3-Gen 721, 729, 733 Training 736, 833 Trainingsbedingungen 788 Tränenbildung 628 Transfer-RNA (tRNA) 762 – Gen 763 – Synthetase 796 – tRNAL-Gen 763 – tRNALeu(UR) 763 6-Transglukosidose 759 Transkription 761 Transkriptionsfaktor – MiTF 810 – p44-Untereinheit-(BF2p44-) Gen 825 – thyreoidaler 1 (TTF1) 31 Translation 761 Translokation 762 – chromosomale 807 Transmantle sign 458 Transmembranprotein 710 Transmittersynthese 814 Transplantation 627 Transport, retrograder 556 Transportzeit 682 Transthyretin (TTR) 603
Trauma 790, 801, 834 – akustisches 436, 648 – gedecktes 404 – offenes 404 – thermisches 430 – und Tumor 486 Tremor 621, 835 Treponema pallidum 313 Triade 678, 747 Triadenprotein 678 Triadin 678 Triarylphosphat 583 Trichinella spiralis 795 – Larve 796 Trichinen 796 Trichinenkonzentration 796 Trichinenschau 795 Trichinose 795 Trichlorethylen 376, 583 Trichromfärbung 695 – grün 732 – rot 732 Triethylzinn 373 Trigeminusganglien 642 Trigeminusneuralgie 647, 648 Triglyzeridakkumulation 769 Triglyzeridlipase, adipöse 758 Triglyzeridspeicherkrankheit 758 Trihydroxycholestanolmangel 611 TRIM32-Gen 692, 705, 722, 735 Trimethadon 780 Trimethylzinn 373 Trinukleotid-(CTG-)Repetition 744 Triorthokresylphosphat 583 Tripartite motif containing 32 722 Tripodin 678, 732 Trismus 819 Trisomie – 13 78 – 18 78 – 21 77 Tritontumor 530 Tritopodin 730 Trockeneis 682 Tropheryma whipplei 312 Trophoblasten 710 Tropomyosin 678 – 2 733 – β 721, 722 – α-Tropomyosin 3 721 Troponin 678 – T 729 – T1 721 TRPV1 627 TRPV4 621 Trypanosoma cruzi 644
879
880
Sachverzeichnis
Tryptophan 379, 586, 657 – L-Tryptophan 586 – Medikation 800 TSC1-Gen 536, 806 TSC2-Gen 536 TSE, siehe Enzephalopathie, transmissible spongiforme Tuber 536 Tuberkulom 309 Tuberkulose 308 Tubuli – hexagonal angeordnete 734 – undulierende 797, 799 Tuffstein-Körper 607 Tufted astrocytes 17, 200, 215, 244 Tumor – atypischer teratoider/rhabdoider (AT/RT) 519 – dysembryoplastischer neuroepithelialer (DNT) 455, 515 – glioneuronales Element 515 – embryonaler – mit mehrschichtigen Rosetten (ETMR) 519 – mit Neuropilinseln 519 – epilepsieassoziierter 455 – melanotischer 521 – neuroektodermaler 530 – papillärer – der Pinealisregion (PTPR) 521 – glioneuronaler 513 – primitiver neuroektodermaler (PNET) 517 – peripherer 530 – rosettenformender glioneuronaler (RGNT) 514 – des vierten Ventrikels 514 – WHO-Klassifikation 494, 497 Tumor growth factor (TGF) – TGFβ2 568 Tumorerkrankung, maligne 797 Tumornekrosefaktor (TNF) 644 – alpha 647, 788 Tumorsuppressorgen TP53 498, 499, 505 Twinkel-Gen-Mutation 768 Twinkle 764 TYMP-Gen 764 Typ-1-Faser-Dominanz 829 Tyrosinkinase, muskelspezifische 814, 817 U
Überleitung, neuromuskuläre 814, 819 Überleitungsstörung 744 Überstreckung 687 Ubiquinol-Cytochrom-c-Reduktase (UQCRB) 765 Ubiquitin 678, 706 – Ligase 722 – Proteasom-System 678 UBR1-Gen 828 Übungseffekt 744 Ulegyrie 101, 106
Ullrich-Syndrom (UCMD) 694, 711 Ultraschalltrauma 436 Ulzeration, neuropathische 627 Unithalamus 66 Unkushernie 490 Unkusschnürfurche 489 Urothelkarzinom 810 Urtikaria 667 Utrophin 681 – Reaktion 690 V
V600E 502, 513 Vakuolen 682, 696, 709, 732, 736, 749, 751, 769, 799 – autophagische 687, 706, 707, 731, 733, 797 – intrazytoplasmatische 613 – konfluierende 337 Valosin-containing-protein-Gen (VCP) 217, 724, 727 Valproat 460 Varizella-zoster-Virus (VZV) 324, 642 Varizellavirus 647 Varizen 538 Vasa nervorum 670 Vaskulitis 283, 642, 648, 654, 670, 734, 794, 796 – primäre 656 – sekundäre 656 Vasospasmus 275 VEGF 487 Vena Galeni 290, 538 Vene 256 Venenthrombose 790 Venolen 256 Ventrikel 88 Veränderung – spongiöse 337 – ulzeromutilierende 621 Verbrauchskoagulopathie 751 Verkalkung 656 – der Pallidumgefäße 287 Verkürzungskontraktion 788 Verlängerungskontraktion 788 Verletzung 789 Versican 558 Versilberung 195, 197 Versorgungsgebiet, arterielles 253 Vesikel – exozytotische 761 – pinozytisches 748 – synaptischer 816 Vigabatrin 460 Vimentin 492, 730 – Expression 801 Vinblastin 380 Vincristin 380, 779, 780 Vinculin 690 Virus 794
Sachverzeichnis
Virusmyositis 794 Vitamin – B1-Mangel 578 – B2-Komplex-Mangel 578 – B6 578 – Mangel 578 – Überdosierung 578 – B12 – Mangelneuropathie 579 – Hypovitaminose 391 – C 779 Vitamin – E 779 – Mangel 611, 735 – Mangelneuropathie 578, 579 VMA21 726 Volkmann-Kontraktur, ischämische 791 von-Gierke-Krankheit 759 von-Hippel-Lindau-Krankheit 526, 536 von-Recklinghausen-Krankheit 662 Vonsattel-Gradierung 240 Vorderhornzellen 616, 628 – des Rückenmarks 666, 729 Vorderwurzel 666 Vulnerabilität 260 W
Waardenburg-Syndrom 624 Wachstumsgeschwindigkeit 791 Wachstumshormon 770 Wachstumsmuster, pseudoalveoläres 807 Wadenhypertrophie 736, 833 Waldenström-Makroglobulinämie 605, 667, 670 – intermediäre Linien 670 Waldenström-Paraglobulinämie 781 Walker-Warburg-Syndrom (WWS) 68, 186, 692, 693, 703, 705, 710 Wallenberg-Syndrom 734 Waller-Degeneration 18, 568, 654 Wasserscheide 658 Wegener-Granulomatose 285, 657, 658 Weichteilrheumatismus 788 Weichteilsarkom, alveoläres 806, 808 Welander-Krankheit 708, 725, 735 Werdnig-Hoffmann-Krankheit 232, 734, 735, 825, 826 Wernicke-Korsakow-Syndrom 381, 383 West-Syndrom 462 Western-Blot 702 Whartin-Starry 315 Whipple-Krankheit 312 Wildschwein 796 Wilson-Krankheit 181 Windpocken 642 Winiwarter-Bürger-Krankheit 285, 654 Wirbelsäulenversteifung 711, 720 WNK1-Gen 602, 626, 627
Wohlfart-Kugelberg-Welander 825 Wolman-Krankheit 153, 609 Wurzelfaser von Zilien 736 X
X-Tremor-Syndrom, fragiles 629 Xanthoastrozytom, pleomorphes (PXA) 502 Xanthogranulom der Sellaregion 533 Xanthomatose, zerebrotendinöse 186, 609 Xeroderma pigmentosum 613 Xin-repeat-Protein 2 (XIRP2) 730 Y
YARS-Gen 599, 615, 623 Z
Z-Band 678, 679, 788 – alternatively spliced PDZ motif (ZASP) 678, 725, 726, 730 – Strömen 687, 731 Z-Scheibe 732 Zalcitabin 643 ZASPopathie 730, 732 Zebrakörper 607, 687 – Myopathie 736 Zeckenbiss 645 Zeckengift 819 Zeckenparalyse 645 Zelladhäsionsmolekül, neurales (N-CAM) 558, 788 Zelle – dendritische 797 – Ganglienzell-ähnliche 779 – ganglioide 801 – Kraftstoff 761 – perivaskuläre 23 – postmitotische 614, 761 Zellinfiltrat, reaktiv-entzündliches 702 Zellsedimentation 35 Zellveränderung, homogenisierende 8 Zellweger-Syndrom 155 – zerebrohepatorenales 611 Zentralfibrillenkrankheit 728 Zentralnervensystem (ZNS) 630 – Angiitis 283 – Fehlbildungen 710 – Gefäße 252 Zentrum, trophisches 834 Zephalopagus 80 Zephalothorakopagus 80 Zeramidase 141 – Gen (ASAH/A) 141 Zerebellitis 324 Zerebralparese 99 Zerebritis 312 Zeroidlipofuszinose, neuronale (NCL) 147, 149, 609, 770, 835
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Sachverzeichnis
Zeroidpigment 769 Zervixkarzinom 810 Zidovudin 643, 779, 794 Ziege, myotonische 744 Ziehl-Neelsen-Färbung 308 Zink-Finger-Protein 745 – 9 (ZNF9) 744, 745, 748 Zinn 373 Zonulae occludentes 557, 654 Zoster 325, 642 Zuckungsgeschwindigkeit 681 Zunge, fungiforme Papillen 628 Zweittumor 541 Zwerchfell 786 Zwergwuchs 748 Zwiebelschalenformation 616, 618, 647, 662 Zyanid 375 Zyanwasserstoff 375 Zyklopie 62 Zyklopropan 781 Zyklostomen 676 Zystathioninurie 178
Zyste 532, 662 – enterogene 534 – glioependymale 534 – neurenterische 57 – respiratorische 534 Zystin 779 Zystinose 153 Zystizerkus 321 Zytokeratin 492 Zytomegalie 794 Zytomegalievirus (CMV) 325, 642, 643, 647, 794 Zytoplasmakörper – myelinähnlicher lamellierter 709 – myofibrillärer 732 Zytoplasmaveränderung, eosinophile 264 Zytoskelett 6 Proteine 679 Zytoskelettmyopathie 728 Zytosom, kurvilineares 609, 835 Zytostatika 380, 585, 796 Zytotoxin 780 Zytozentrifugenpräparation 35