Ersatzteilmanagement Zweite Auflage
Hubert Biedermann
Ersatzteilmanagement Effiziente Ersatzteillogistik für Industrieunternehmen
2., erweiterte und aktualisierte Auflage
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o. Univ. Prof. Dr. Dipl.-Ing. Hubert Biedermann Department Wirtschaftsund Betriebswissenschaften Montanuniversität Leoben Franz-Josef-Str. 18 8700 Leoben Österreich
[email protected] ISBN 978-3-540-00850-7
e-ISBN 978-3-540-68205-9
DOI 10.1007/978-3-540-68205-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2008, 1995 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Einbandgestaltung: deblik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Inhalt
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Einleitung ................................................................................................ 1.1 Warum Ersatzteile? ....................................................................... 1.2 Definition Ersatzteil, Ersatzteilwesen............................................ 1.3 Ersatzteilsystem............................................................................. 1.4 Ersatzteilmanagement.................................................................... 1.5 Ziele der Ersatzteillogistik.............................................................
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Instandhaltung ........................................................................................ 9 2.1 Die Stellung der Instandhaltung in der Volkswirtschaft................ 9 2.2 Aufgaben der Instandhaltung......................................................... 10 2.3 Ziele der Instandhaltung ................................................................ 13 2.4 Ausfallmechanismus, Ausfallverhalten von Baugruppen und -elementen .............................................................................. 15 2.5 Spezielle Arten von Ausfallverteilungen....................................... 16 2.6 Instandhaltungsstrategien .............................................................. 19 2.6.1 Auswirkungen der Instandhaltungsstrategien auf die Ersatzteilbewirtschaftung ..................................... 25 2.6.2 Ausfallkosten ................................................................... 26
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Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung ................................................ 29 3.1 Derzeitige Theorie und Praxis der Ersatzteilbewirtschaftung........ 29 3.1.1 Überblick über derzeit in der Praxis angewandte bzw. in der Literatur beschriebene Modelltypen.............. 32 3.2 Beschaffungsprogrammplanung .................................................... 34 3.2.1 Bedarfsprognose und Bestellplanung............................... 34 3.2.2 Auswirkungen der Bestellmenge auf die Kosten der Beschaffung ............................................................... 38 3.2.3 Bestellmenge und Bestellkosten ...................................... 39 3.2.4 Bestellmenge, Lagerhaltungskosten und Sicherheitsbestand..................................................... 40
1 1 3 5 6 6
v
vi
Inhalt
3.3
3.4 3.5
3.6
3.7 3.8 4
5
3.2.5 Die klassische Losgrößenberechnung .............................. 3.2.6 Der Bestellpunkt und der Bestellrhythmus ...................... Ersatzteilbewirtschaftung .............................................................. 3.3.1 Informationsbasis der Instandhaltung .............................. 3.3.2 Informationen der Ersatzteilwirtschaft über Anlagenelemente als Entscheidungsgrundlage ........ 3.3.3 Vorgehensweisen zur logistischen Ersatzteilbewirtschaftung....................... Fehlbestandskosten versus Bestandskosten ................................... Instrumente zur wirtschaftlichen Bestandsführung ....................... 3.5.1 ABC-, XYZ-Analyse ....................................................... 3.5.2 Kennzahlen und Kennzahlensysteme als ersatzteilwirtschaftliche Analyseinstrumente ............. 3.5.3 Kennzahlenkatalog........................................................... 3.5.4 Kombination von XYZ-Analyse mit der ABC-Analyse für den Einsatz von Kennzahlen ...................................... 3.5.5 Benchmarking .................................................................. Nutzen und Kosten der Ersatzteilbevorratung ............................... 3.6.1 Ausfallkostenbestimmung................................................ 3.6.2 Minimierung der Lagerhaltungskosten ............................ 3.6.3 Beschaffungskostenminimierung..................................... Verrechnung von Reserveteilen..................................................... Beispiele zur Ersatzteilbewirtschaftung.........................................
50 55 58 59 61 61 80 82 82 85 89 91 92 96 97 100 102 104 105
Ersatzteilorganisation............................................................................. 4.1 Aufbauorganisation ....................................................................... 4.2 Ablauforganisation ........................................................................ 4.3 Lagerhaltung.................................................................................. 4.4 EDV-Unterstützung....................................................................... 4.5 Ersatzteilklassifikation................................................................... 4.6 Integration als Basis des Ersatzteilcontrollings ............................. 4.6.1 Generelle Vorgehensweise bei hierarchischer Planung ............................................... 4.6.2 Ansätze zur Integration ....................................................
115 116 121 125 129 133 137
Systeme zur Unterstützung der Ersatzteilbewirtschaftung ................ 5.1 Informationsbedarf ........................................................................ 5.1.1 Der Informationsgedanke................................................. 5.1.2 Informationsfluss ............................................................. 5.2 System- und Anwendungssoftware ............................................... 5.2.1 Software für die Instandhaltung (IPSA-Systeme) ............ 5.2.2 PPS-Systeme zur Materialdisposition ..............................
141 141 141 142 143 145 147
137 139
Literaturverzeichnis ........................................................................................ 151 Sachverzeichnis ................................................................................................ 155
Kapitel 1
Einleitung
1.1 Warum Ersatzteile? Die zunehmende technisch-ökonomische Bedeutung des Produktionsfaktors Betriebsmittel (hier im besonderen „Anlagen“) in Unternehmen fast aller Wirtschaftszweige kommt nicht nur in einer ständigen Steigerung des in die Anlagen investierten Kapitals zum Ausdruck. Automatisierung und Mechanisierung sowie eine immer enger werdende leistungswirtschaftliche Verflechtung der Anlagen untereinander führen im Falle einer Betriebsunterbrechung zu oftmals erheblichen Erfolgseinbußen. Der Anlageninstandhaltung kommt für die Werterhaltung des Anlagenkomplexes sowie die erfolgsorientierte Sicherstellung der Verfügbarkeit von Produktionsanlagen und -einrichtungen eine zentrale Stellung zu. Einen Zugang zu der hier zu erörternden betriebswirtschaftlichen Problematik der Ersatzteilwirtschaft erhält man, indem man die Instandhaltung als Leistungserstellungsprozess versteht, bei dem unterschiedliche Produktionsfaktoren zu (Instandhaltungs-) Leistungen kombiniert werden. Der Ersatzteilwirtschaft des Anlagennutzers bzw. Ersatzteilabnehmers kommt die Aufgabe zu, die Planung, Durchführung und Kontrolle aller ersatzteilwirtschaftlichen Teilfunktionen – Auswahl, Beschaffung, Bevorratung und Ausmusterung von Ersatzteilen – erfolgsorientiert zu koordinieren und zu realisieren. Zentrales Thema ist jedoch eindeutig die Problematik der Bevorratung von Ersatzteilen. Diese ist eine wesentliche Vorraussetzung dafür, dass Produktionsanlagen nach einer durch den Ausfall schadhaft gewordener Anlagenteile bedingten Betriebsunterbrechung oder einer Betriebsunterbrechung durch den präventiven Austausch eines Ersatzteiles, ohne Verzögerung instand gesetzt und kurzfristig wieder in Betrieb genommen werden können [1]. Bedingt durch einen mit der Anlagenentwicklung (tendenziell progressiv) zunehmenden Anstieg der Ausfallfolgekosten, rückt die Bevorratung von Ersatzteilen
H. Biedermann, Ersatzteilmanagement © Springer 2008
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1 Einleitung
immer mehr in den Blickpunkt eines erfolgsorientierten technisch-wirtschaftlichen Bestände-Controllings. Die Ersatzteillager erreichten (speziell in der Prozessindustrie) Größenordnungen, die etwa mit jenen des jährlichen Instandhaltungsbudgets vergleichbar sind. Bei den entsprechenden Ersatzteilbeständen wird deutlich, mit welchen Kosten (Lagerhaltungskosten) die durch Bevorratung von Ersatzteilen gewonnene Anlagenverfügbarkeit erkauft wird. Eine erfolgsorientiert ausgerichtete Ersatzteilwirtschaft kommt daher nicht umhin, zwischen Nutzen und Kosten einer Ersatzteilbevorratung so abzuwägen, dass ein wirtschaftliches Optimum erreicht wird. In Abb. 1.1 sind die Hauptkomponenten eines Ersatzteilsystems dargestellt. Ausgehend von der Politik und den Zielen, die mit den notwendigen Informationen und den entsprechenden Technologien unter der Einbeziehung von Mensch
Abb. 1.1 Hauptkomponenten eines Ersatzteilsystems
1.2 Definition Ersatzteil, Ersatzteilwesen
3
und Betriebsmittel verwirklicht werden, muss für dieses System ein Ersatzteillager gehalten werden. Dieses wiederum ist in einen Kreislauf (Aufträge- LieferantenLieferung) eingebunden, wobei der Bereich „Kunden/Anlagen“ sowie „Lieferanten“ intern oder extern gestaltet sein kann. Im Rahmen dieser Arbeit wird auf die interne Seite – die Ersatzteilwirtschaft des Abnehmers – eingegangen.
1.2 Definition Ersatzteil, Ersatzteilwesen Nach DIN 24420, Teil I/4-1, sind Ersatzteile „Teile (z. B. auch Einzelteile genannt), Gruppen (z. B. auch Baugruppen und Teilgruppen genannt) oder vollständige Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind, beschädigte, verschlissene oder fehlende Teile, Gruppen oder Erzeugnisse zu ersetzen“. Weiter kann nach Reserveteilen, Verbrauchsteilen und Kleinteilen unterschieden werden (DIN 31051). In den nachfolgenden Ausführungen werden unter dem Begriff Ersatzteile alle Materialien oder Teile, die bei der Instandhaltung von Maschinen oder Anlagen Verwendung finden, zusammengefasst. • Ersatzteil: Teile, Gruppen oder vollständige Erzeugnisse, bestimmt zum Ersatz von beschädigten, verschlissenen oder fehlenden Teilen, Gruppen oder Erzeugnissen. • Reserveteil: Ersatzteil, das einer oder mehreren Anlagen zugeordnet ist, in diesem Sinne nicht selbstständig genutzt und zum Zweck der Instandhaltung disponiert und bereitgehalten wird. Reserveteile können als Einort- oder Mehrortteile ausgeführt sein. • Verbrauchsteil: Ersatzteil, das sich aufgrund seiner Konzeption bei der Nutzung verzehrt und in der Regel nicht wirtschaftlich instand gesetzt werden kann. • Kleinteil: Ersatzteil, das allgemein verwendbar, vorwiegend genormt und von geringem Einzelwert ist. Bei den Reserveteilen handelt es sich in den meisten Fällen um Teile, die sehr teuer sind und nur in einem bzw. sehr wenigen Instandhaltungsobjekten zum Einsatz kommen. Sie zeichnen sich durch eine niedrige Bestandsmenge mit hohem Bestandswert aus. Verbrauchsteile sind meist solche, die in mehreren Instandhaltungsobjekten einsetzbar und genormt sind. Die Lebensdauer von Verbrauchsteilen lässt sich häufig mit größerer Genauigkeit festlegen als jene der Reserveteile, da oftmals die Abnutzungsvorratsabnahmen beobachtbar bzw. eine genügend breite Informationsbasis (aufgrund vorliegender Statistiken) vorhanden ist. Typische Verbrauchsteile sind Kleinmotore, Relais, Wälzlager usw. Kleinteile weisen meist eine hohe Lagerbestandsmenge, aber nur einen geringen Lagerbestandswert auf. Bekannte Kleinteile sind Schrauben, Muttern, Federn usw. Sie werden oft nicht katalogisiert und ihre Lagerbewegung meist nicht festgehalten.
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1 Einleitung
Gemäß ihrer Herkunft lassen sich Ersatzteile in drei Kategorien unterteilen [2]: • Originalersatzteile werden vom Anlagenhersteller selbst erzeugt oder vom Erstausrüster fremd bezogen. • Fremdersatzteile können Identteile sein (vom Erstausrüster hergestellt) oder Nachbauteile. • Gebrauchtteile sind entweder instand gesetzte Bauteile (Reparaturteile) oder aus Altanlagen entnommene Teile. In den allgemeinen Richtlinien für das betriebliche Rechnungswesen der Eisenund Stahlindustrie findet man auch noch folgende Definitionen: „Reserveteile sind auswechselbare und selbstständig nicht nutzbare Teile einer Anlage. Sie sind vorwiegend zeichnungsgebunden, überwiegend reparaturfähig und werden zum Zweck der Anlagenerhaltung auf Lager gehalten. Reserveteile sind in der Regel fertig bearbeitete Gegenstände. Vorbearbeitete Teile sind den Reserveteilen zuzuordnen, wenn der Grund der Vorbereitung die Zuordnung zu einer Anlage oder zu einer Anlagengruppe erkennen lässt“ [1, 3]. Renkes schlägt folgende Begriffsbestimmungen vor: „Reserveteile sind auswechselbar und selbstständig nicht nutzbare Teile einer oder mehrer Anlagen die zum Zweck der Instandsetzung auf Lager gehalten werden“ [1]. Heilig und Gerke wählen folgende Begriffsfassung: „Alle Bauelemente einer Anlage, die austauschbar (ersetzbar) sind, gelten als Ersatzteile. Reserveteile sind Ersatzteile, die zur Verkürzung von Betriebsunterbrechungszeiten auf Lager gehalten werden“ [1]. Andere Versuche einer Kategorisierung von Anlageteilen führen zu einer Unterscheidung zwischen Verschleiß- und Reserveteilen. Redecker differenziert zwischen Verschleißteilen, die einem normalen Verschleiß unterliegen und deren Ausfall zeit- und mengenabhängig und somit annähernd vorhersehbar ist, und Reserveteilen, deren Ausfall zufallsbedingt oder unvorhersehbar ist und deren Lebensdauer der Konstruktion nach mindestens gleich der Lebensdauer der Gesamtanlage angenommen wurde [1]. Es sei noch auf eine teilweise angewandte Unterscheidung von Reserveteilen und Ersatzteilen hingewiesen, die sich am betrieblichen Verwendungszweck dieser Güter orientiert. Während Reserveteile als instandhaltungsbezogene Produktionsfaktoren ausschließlich der unmittelbaren Erhaltung bzw. Instandsetzung des betrieblichen Anlagegutes dienen, werden unter Ersatzteilen oftmals selbstständige Handelsgüter verstanden, die vom Lieferanten für Kunden auf Lager gehalten werden und als zu vermarktende Produkte nur mittelbar dem Zweck der Instandhaltung dienen. Wichtig für eine wirtschaftliche Planung des Ersatzteilbestandes ist auch die Unterscheidung zwischen Einort- und Mehrortteilen, also Teilen, die nur an einer Einsatzstelle einer Anlage im Unternehmen eingesetzt sind und solchen, die an mehreren Einsatzstellen einer oder mehrerer Anlagen im Unternehmen verwendet werden. Eine Aufgliederung in Ein- und Mehrfachteile bezieht sich auf die organisatorische Situation in größeren Unternehmen, wobei ein Mehrfachteil in mehreren Lagern oder in mehreren Lagerorten im Unternehmen verfügbar gehalten wird.
1.3 Ersatzteilsystem
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Zusammenfassend wird die Ersatzteillogistik des Abnehmers bzw. Anlagennutzers wie folgt definiert: Die primäre Aufgabe der Ersatzteillogistik besteht darin, jene für die Instandhaltung von Anlagen und Betriebsmitteln benötigten Ersatzteile in der erforderlichen Menge, Art und Qualität (Zustand) beim entsprechenden Bedarfsträger zur rechten Zeit kostenminimal bereitzustellen.
1.3 Ersatzteilsystem Wenn zunächst von unternehmenstypischen Aufgabenzuweisungen und organisatorischen Regelungen abgesehen wird, übernimmt und koordiniert die Ersatzteillogistik die Planung, Durchführung und Kontrolle all jener Aufgaben, die sich auf den instandhaltungsspezifischen Produktionsfaktor Ersatzteil beziehen. Die zunehmende Anlagenintensität der Produktionsbetriebe, insbesondere bei hochautomatisierten Anlagen, bei denen Produktionsunterbrechungen zu Kapazitätsänderungen führen, die Konsequenzen im Beschaffungs-, Produktions- und Absatzbereich der Unternehmung nach sich ziehen, ist besonders zu beachten [1]. Im Absatzbereich lässt sich ein Erfolgsausfall durch versäumte Produktion möglicher Absatzmengen feststellen, der noch durch Erlösminderungen z. B. bei Terminverzug (Pönale) oder bei Vergabe von Lohnaufträgen an konkurrierende Unternehmen bzw. bei Zukauf von Fertigprodukten zur Befriedigung des Abnehmerkreises gesteigert werden kann. Zusätzliche Kosten entstehen durch vergrößerte Fertiglager, die zur Überbrückung von betrieblichen Ausfällen eingerichtet werden. Im Produktionsbereich fallen ungenutzte Verbräuche während der Ausfalldauer an, sowie erhöhte Verbräuche aufgrund von Minderleistungen, die eine Auswirkung des Ausfalls auf vor- oder nachgeschaltete Anlagen haben. Hinzuzuzählen sind noch zusätzliche Kosten beim Aufholen eines Produktionsrückstandes, z. B. erhöhte Lohnkosten infolge Überstunden oder zusätzliche Schichten. Im Beschaffungsbereich lassen sich die Konsequenzen der Kapazitätsminderung dahingehend untergliedern, dass einerseits Anlagen bereitgestellt und andererseits Ersatzteillager angelegt werden, um die Ausfalldauer durch hohe Ersatzteilverfügbarkeit zu reduzieren. Dies führt dazu, dass in der Regel ein äußerst umfangreiches Teilspektrum bevorratet wird; in Mittelbetrieben können dies bereits über 30.000 Ersatzteilpositionen sein. Je nach Branche, Anlagenwert, Automatisierungs- und Verkettungsgrad, Instandhaltbarkeit der Anlage und Organisation der Ersatzteilbewirtschaftung umfassen die jährlichen Kosten der Materialwirtschaft etwa 35 bis 40% der Instandhaltungskosten. Dabei kann man davon ausgehen, dass derzeit etwa 5 bis 10% des installierten Anlagenwertes in Form von Materialbeständen gebunden sind. Setzt man voraus, dass für Abschreibungen, Zinsen und Verwaltung der Lager etwa 15 bis 25% (also durchschnittlich 20%) des Lagerwertes jährlich an Kosten anfallen, so ergeben sich für die Lagerhaltung der Ersatzteile und Instandhaltungsmaterialien Werte, die bei durchschnittlich 1,5% des Anlagenwertes liegen.
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1 Einleitung
Andererseits darf nicht vergessen werden, dass die Folgekosten, die durch nicht rechtzeitig verfügbare Ersatzteile entstehen, das Hundert- bis Tausendfache des Teilwertes übersteigen können. Dies zeigt bereits auf, dass eine isolierte Betrachtung der Ersatzteilwirtschaft zwangsläufig zu einem Suboptimum führen muss, das dem Anspruch einer logistischen Ersatzteilbewirtschaftung nicht gerecht wird [4].
1.4 Ersatzteilmanagement Die Ersatzteillogistik gehört einerseits zu den Aufgaben des technischen Services des Herstellers, andererseits muss der Anwender für die Instandhaltung Ersatzteile bevorraten, um die Nutzungsbereitschaft zu sichern. Die Ersatzteilversorgung für Geräte und Anlagen bekommt eine immer größere Bedeutung, je mehr bei der Nutzung von Gebrauchs- und Investitionsgütern Rohstoff-, Energie- und Kostenaspekte in den Vordergrund treten. Schließlich entstehen durch Ersatzteile in der Instandhaltung oder als Lagerbestand Kosten, die die Gemeinkosten erhöhen. Die richtige Disposition von Teilen führt zu geringerem Kapitaleinsatz. Während vor einigen Jahren noch viele Ausfälle durch Reparaturen (Wiederherstellung) des defekten Teiles gelöst wurden, erschweren heute Lohnkosten und verkürzte Arbeitszeiten aufwändige Reparaturen. Es müssen Teile ausgetauscht werden, damit die Nutzung sofort wieder einsetzten kann. Dies trifft insbesondere für Reserveteile zu. Auch in Zukunft wird man die Alternative Austausch oder Wiederherstellung sehen müssen, besonders bei Betriebsstätten im Ausland, wo Ersatzteile nicht oder nicht kurzfristig genug zur Verfügung stehen. Ohne das richtige Ersatzteil muss der Ausfall häufig in der „klassischen Form“ als Reparatur beseitigt werden. Ersatzteile müssen also in der richtigen Menge im Lager liegen und kurzfristig zur Verfügung stehen. Wegen seiner langfristigen Bindung von Kapital muss gerade ein Ersatzteillager mit ausgereiften Dispositionstechniken gesteuert werden [2]. Das Hauptziel des Ersatzteilmanagements beim Anlagenbetreiber (Ersatzteilabnehmer) besteht darin, alle betriebswirtschaftlich-technischen Aufgaben zu erfüllen, damit die von ihm genützten Anlagen durch die kostenoptimale Versorgung mit den benötigten Ersatzteilen betriebsbereit erhalten werden können.
1.5 Ziele der Ersatzteillogistik Ziel der Ersatzteillogistik ist es, sicherzustellen, dass ein gegebener Bedarf an Ersatzteilen in seiner mengenmäßigen, qualitativen, zeitlichen und räumlichen Dimension „richtig“, d. h. dem Anforderungsprofil der Instandhaltung und Produktion
1.5 Ziele der Ersatzteillogistik
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entsprechend, befriedigt wird. Im Einzelnen heißt das, die Verfügbarkeit der Maschinen und Anlagen durch eine wirtschaftliche Bereitstellung • • • •
des richtigen Ersatzteiles (Menge und Art), zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und bei optimierten Beständen sicherzustellen [4].
Die Lösung dieser Globalzielsetzung erfordert eine Vielzahl von dynamischen Planungs- und Dispositionstätigkeiten, wie Ermittlung des teileindividuellen Bewirtschaftungsverfahrens, Festlegung des Ersatzteilbedarfes, Bestimmung des Stückbestandes, Einführung von Bestandsobergrenzen, Ermittlung der Sicherheitsbestände, Festlegung teileindividueller Dispositionsarten, Beschaffung der benötigten Ersatzteile durch Einkauf oder Herstellung inklusive Wareneingangskontrolle, Instandsetzung schadhafter Ersatzteile, zweckmäßige Lagerung, Überwachung und Pflege der Ersatzteilbestände sowie die Abwicklung des innerbetrieblichen Transportes der benötigten Ersatzteile hin zu den jeweiligen Bedarfsorten und schließlich Ausmusterung bzw. Verwertung nicht mehr benötigter Ersatzteile [4]. Neben den engen Bezügen von einigen genannten Aufgaben zur industriellen Materialwirtschaft – wie etwa Verwaltung, Lagerung, Überwachung und Pflege der Bestände, der innerbetriebliche Transport und die Prinzipien der Festlegung optimaler Bestellmengen – weisen andere Aufgaben Spezifika auf, die eine gesonderte Betrachtung und Behandlung der Ersatzteilwirtschaft rechtfertigen. Der Nutzungs-Bevorratungs-Zyklus, den Ersatzteile durchlaufen können, und die begrenzte Kenntnis des Ausfallverhaltens von Bauteilen oder -gruppen bedingen zumeist die äußerst schwierige Ermittlung und Planung des Ersatzteilverbrauches und damit des Bereitstellungs- und Bevorratungsbedarfes [4]. Daraus resultierend soll festgehalten werden, dass es Hauptaufgabe der logistischen Ersatzteilbewirtschaftung sein muss, den Ersatzteilbestand so zu steuern, dass ein ersatzteilwirtschaftliches Optimum erreicht wird. Dieses sollte sich in erster Linie auf den kostenminimierenden Abgleich der gegenläufigen Fehlbestands- und Bestandskosten konzentrieren, da • die Minimierung der Ausfallzeiten durch erhöhte Ersatzbevorratung zu erhöhten Bestandskosten führt; • eine nicht risikoorientierte Senkung der Ersatzteilbestände Fehlmengen, längere Ausfallzeiten und damit erhöhte Ausfallfolgekosten (Fehlbestandskosten) nach sich zieht [4]. Dazu müssen die relevanten Einflussfaktoren systematisch erfasst und zur Ableitung entsprechender Bewirtschaftungsstrategien aufbereitet und bereitgestellt werden. Die Sachziele umfassen die Aufgaben der Ersatzteillogistik nach Art, Menge und Zeit. Sie sind unternehmensspezifisch exakt zu formulieren, damit die Voraussetzungen für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen im Bereich der Ersatzteilwirtschaft gegeben sind.
8
1 Einleitung
Durch Formalziele werden die Effizienzkriterien der Ersatzteillogistik bestimmt. Für die Wirtschaftlichkeit sind die Formalziele von dominierender Bedeutung. Folgende Einzelziele mit oberster Priorität werden in der Praxis als Formalziele verfolgt: • • • • •
Kostenoptimierung, Serviceoptimierung, Lagerbestandsoptimierung, Zuverlässigkeitsmaximierung, Verfügbarkeitsmaximierung.
Kapitel 2
Instandhaltung
2.1 Die Stellung der Instandhaltung in der Volkswirtschaft Seit etwa 40 Jahren gewinnt die Instandhaltung zunehmend an Bedeutung und erfährt damit auch mehr und mehr Beachtung in der Unternehmensführung und Betriebswirtschaft. Die Ursachen dafür lassen sich im Wesentlichen in fünf Bereiche zusammenfassen: • verschärfte Rohstoff- und Umweltbedingungen; • steigende Komplexität, Automatisierung und technologische Veränderungen der Betriebsmittel; • erhöhte Anforderung an die Zuverlässigkeit sowie die Instandhaltungsarbeiten und damit vermehrter Einsatz von hochqualifizierten Mitarbeitern; • zunehmende Ressourcenknappheit und vermehrte Umweltschutz- und Arbeitssicherheitsvorschriften und • überproportionales Ansteigen der Instandhaltungskosten [3]. Diese Fakten und tendenziellen Entwicklungen verlangen, verstärkt durch die wirtschaftlichen Zwänge dynamischer Märkte, vermehrte Anstrengungen, die zweifelsfrei vorhandenen Rationalisierungspotenziale voll auszunutzen. Aus den Entwicklungen lässt sich ableiten, dass die Instandhaltung heute mehr denn je im Spannungsfeld der Interessen liegt, zumal etliche Produktivitätsreserven ausgeschöpft, die Personalkosten sehr hoch sind und der Zwang zu sparsamer Energie- und Rohstoffverwendung in allen Bereichen der Technik gegeben ist. Mit der Leistungssteigerung und Automatisierung von Anlagen und maschinellen Einrichtungen erhöht sich der Kapitaleinsatz erheblich, was wiederum zur Folge hat, dass infolge der meist hohen Anlagenausfallkosten diese Betriebsmittel möglichst ohne Stillstand oder Leistungsminderung zu betreiben sind. Zusätzlich steigt mit dem Automations- und Komplexitätsgrad der Anlagen der Instandhaltungsbedarf überproportional an. Verglichen mit anderen Betriebsbereichen ergeben sich
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2 Instandhaltung
daraus eine erhebliche Vergrößerung der Aufgabenbereiche und ein hoher indirekter Beitrag zur Wertschöpfung durch die Instandhaltung. Erfahrungen z. B. aus der Elektronikbranche zeigen deutlich ein stärkeres Anwachsen des Bestandes an Instandhaltungspersonal im Vergleich zum Produktionspersonal. Diese Erfahrungen der Elektronikbranche lassen sich mit gewissen Einschränkungen und Modifikationen auch auf andere Wirtschaftsbereiche übertragen. Ein knapper Überblick über die Entwicklung der Aufwendungen für Instandhaltung verdeutlicht deren Bedeutung [5]. In Deutschland gaben im Jahr 1977 Wirtschaftsunternehmen, Staat und private Haushalte 63 Mrd. € (ohne Ersatzinvestitionen) aus [6], 1983 wurden diese Aufwendungen mit 66 Mrd. € geschätzt. Davon entfielen etwa 51 Mrd. € auf den Investitionsgüterbereich, wovon 33 Mrd. € für die Instandhaltung technischer Anlagen aufgewendet wurden. Diese wurden zu 60% aus verwendereigenen Instandhaltungen erbracht. In den 90-er Jahren wurde die 128 Mrd.-Euro-Grenze überschritten [7]; 2005 etwa 175 Mrd. €, davon etwa 118 Mrd. € für Sachanlagen [8]. Als Richtwert für die finanziellen Aufwendungen der Instandhaltung kann man von 2–6% der Gesamtkosten ausgehen. Wird noch zusätzlich der Aufwand für die Lagerhaltung von Ersatzteilen – als Verbrauchsgüter der Instandhaltung – und die dadurch auftretende Kapitalbindung berücksichtigt, so steigt der Instandhaltungsaufwand nochmals deutlich. Bezogen auf den Wiederbeschaffungswert der Anlagen liegen die Instandhaltungsaufwendungen – mit großer Streuung – bei etwa 5%. Verglichen mit den Produktionskosten steigen die Instandhaltungskosten bei zunehmender Technisierung und Automatisierung überproportional an. Branchenabhängig liegt das Verhältnis von Instandhaltungs- zu Produktionskosten zwischen 2 und 30% [8]. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Folgekosten unterlassener oder mangelhafter Instandhaltung mit mindestens dem 3-fachen Wert der Instandhaltungskosten angenommen werden kann. Diese Tatsachen und die angesprochenen Entwicklungen verlangen von der Unternehmensleitung und dem Instandhaltungsmanagement vermehrte Anstrengungen, um die vorhandenen Rationalisierungspotentiale voll auszunützen.
2.2 Aufgaben der Instandhaltung Die Aufgaben der Instandhaltung werden entsprechend der DIN 31051 (1985) in drei Bereiche eingeteilt: 1. Die Vorsorge dafür, dass der Abbau des Abnutzungsvorrates während der nutzbaren Lebenszeit durch geeignete Maßnahmen so gering wie möglich gehalten wird: Wartung. 2. Erkennen ob, wie und warum der Abbau des Nutzungsvorrates fortschreitet: Inspektion. 3. Eingetretener Abbau – wenn nötig – wiederum ausgleichen, d. h. den Abnutzungsvorrat wieder auffüllen: Instandsetzung [3].
2.2 Aufgaben der Instandhaltung
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Die Aufgaben der Instandsetzung lassen sich bei Betrachtung des Lebenslaufes eines einzelnen Bauelementes beispielhaft erläutern. Das verwendete Beispiel ist aber nur als Gedankenmodell und damit nicht in den Einzelheiten für alle Instandhaltungsobjekte anwendbar. • Abnutzungsvorrat: Im Sinne der Instandhaltung Vorrat der möglichen Funktionserfüllung unter festgelegten Bedingungen, der einer Betrachtungseinheit aufgrund der Herstellung oder aufgrund der Wiederherstellung durch Instandsetzung innewohnt (DIN 31051). • Nutzungsvorrat: Im Sinne der Instandhaltung Vorrat der bei der Nutzung – bis zum vollständigen Abbau des Abnutzungsvorrats einer Betrachtungseinheit – unter festgelegten Bedingungen erzielbaren Sach- und/oder Dienstleistungen (DIN 31051). Das Element dieses in Abb. 2.1 dargestellten Beispiels sei ein Lager, das in einer Baugruppe eingesetzt ist. Es hat durch seine Herstellung einen bestimmten Abnutzungsvorrat als spezifischen Bestandteil seiner Eigenschaft „Lager“ mitbekommen, der sich als die Menge oder die Dicke des zu verschleißenden Lagermaterials bestimmen lässt. Aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten geht dieser Abnutzungsvorrat verloren. Nach Überschreiten der Schadensgrenze erreicht die Kurve schließlich den Abnutzungsvorrat 0, d. h. das Lager hat keinen Abnutzungsvorrat mehr, es ist ausgefallen. Durch eine Instandsetzung muss neuer Abnutzungsvorrat bereitgestellt werden. Es ist die Aufgabe der Inspektion, zu bestimmen, welcher Punkt der Kurve zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegt, bzw. bei vorhandenen Standardkurven herauszufinden, wie weit der effektiv vorgefundene Abnutzungsvorrat von dem erwarteten abweicht und vor allem zu beurteilen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Abb. 2.1 Abnahme des Abnutzungsvorrates über die Zeit [3]. Beispiel Lager
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2 Instandhaltung
Die Wartung hat dafür Sorge getragen, dass der Abbau des Abnutzungsvorrates während der nutzbaren Lebenszeit durch geeignete Maßnahmen so gering als möglich gehalten wird. Den eingetretenen Abbau auszugleichen, d. h. den Abnutzungsvorrat wieder aufzufüllen, ist die Aufgabe der Instandsetzung. Dies geschieht in der Regel durch Teilaustausch, wobei das defekte Bauteil(-element) durch ein – über die Ersatzteillogistik – bereitgestelltes Ersatzteil ersetzt wird. Ein anderer Kurvenlauf, dargestellt in Abb. 2.2, ergibt sich oftmals für elektronische Bauteile, welche vielfach dadurch gekennzeichnet sind, dass ein schlagartiger Abbau des Abnutzungsvorrates erfolgt. Hierbei ist anzumerken: • Anhand der Istzustandsmessung lässt sich zu keinem Zeitpunkt der Kurve erkennen, welcher Verschleißfortschritt erreicht wurde. • Eine Inspektion, die eine Gegenüberstellung von Istzustand und Sollzustand durchführt, ist sinnlos. • Während der Betriebszeit ist die Ausfallwahrscheinlichkeit konstant (bzw. durch eine Exponentialverteilung anzunähern). In der betrieblichen Praxis treten häufig Mischformen der beiden Kurvenverläufe aus den Abb. 2.1 und 2.2 auf. Bezüglich des Abnutzungsverhaltens sind drei Einflussgrößen zu unterscheiden: • Komponenteneigenschaften: Werkstoff-, technische Eigenschaften, konstruktive Auslegung usw.; • technologische Bedingungen des Einsatzes: Art und Dauer der Beanspruchung; • Rand- und Umfeldbedingungen: Temperatur, Staub, klimatische Verhältnisse usw.
Abb. 2.2 Abnahme des Abnutzungsvorrates über der Zeit [2]. Beispiel: elektronisches Bauteil
2.3 Ziele der Instandhaltung
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2.3 Ziele der Instandhaltung Die Wahl einer anzuwendenden Instandhaltungsstrategie wird maßgeblich bestimmt durch die Unternehmenspolitik und die sich daraus ergebende Instandhaltungspolitik. Die Instandhaltung muss im Rahmen der Möglichkeiten, die das Unternehmen bietet, die gegebenen Anlagen betreuen, die notwendigen Abnutzungsvorräte erstellen und dabei Schwankungen der Unternehmenssituation als Randbedingungen berücksichtigen. Das bedeutet, dass das Unternehmen die Ziele bestimmt, und die Instandhaltung muss ihre Wege, um die verlangten Aufgaben unter Berücksichtigung aller bekannten Randbedingungen zu erfüllen, entsprechend wählen, d. h. die Strategien suchen, welche unter den Bedingungen den erwarteten Erfolg sichern. Es ist aber zwischen den Zielvorgaben, die der Instandhaltung durch das Unternehmen vorgegeben werden, und den Wegen – den Strategien – dieses Ziel unter wechselnden Umständen erreichen zu wollen, zu unterscheiden [3]. Aus dem sich der Instandhaltung stellenden Aufgabenspektrum einerseits (Sachzielsysteme) und der Forderung nach Wirtschaftlichkeit andererseits lässt sich das Unternehmensziel für den Bereich Instandhaltung wie folgt formulieren: Erreichen und langfristig halten von • Sicherheit (insbesondere für Leib und Leben) und definiert vorgegebener Anlagenverfügbarkeit bei • minimalen Instandhaltungskosten. Daraus ableitbar kann als ein Unterzielsystem definiert werden: • Sicherheit und optimale Verfügbarkeit unter Berücksichtigung der ausfallbedingten und der vorbeugenden Instandhaltungszeiten bei • Minimierung der direkten und indirekten Instandhaltungskosten. Unter direkten Instandhaltungskosten versteht man den Verbrauch an Personalstunden, Stoffen, Sachleistungen sowie maschinellen Einrichtungen zur Wahrnehmung der Instandhaltungsaufgaben. Unter den indirekten Instandhaltungskosten werden die Ausfallfolgekosten und die zusätzlichen Betriebskosten durch unterlassene Modernisierung zusammengefasst. Die indirekten Instandhaltungskosten wurden bereits – sofern sie vermieden werden können – als Nutzen der Instandhaltung bezeichnet, was aber in keinem Gegensatz zur hier gemachten Aussage steht. Anders ausgedrückt kann durch eine Steigerung der direkten Instandhaltungskosten eine Senkung der indirekten erreicht werden. Dieser Zusammenhang wird in Abb. 2.3 dargestellt. Dem geforderten Zielsystem wird mit folgenden Maßnahmen zu entsprechen versucht: • Dynamische Instandhaltungspolitik (Orientierung der Betriebsbereitschaft und der Instandhaltungsmaßnahmen am Beschäftigungsgrad der Anlagen). • Optimierung von Eingriffszeitpunkten für Instandhaltungsmaßnahmen. • Planung von Inhalt und Ablauf der Einzelmaßnahmen.
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2 Instandhaltung
Abb. 2.3 Theoretisches Modell zur Ermittlung der optimalen Instandhaltungsintensität [9]
• Bereitstellungsplanung von Personal, Stoffen und Ersatzteilen sowie maschineller Ausrüstung der Instandhaltungsabteilung, einschließlich der dazu notwendigen Finanzmittel. • Laufende Schwachstellenanalyse zur kontinuierlichen Anlagenverbesserung. • Einbindung der Instandhaltung in den Anlagenbereitstellungsprozess. Um die gewünschten Maßnahmen erfolgreich umsetzen zu können, muss man über ein – unter Mithilfe aller im Unternehmen im Zusammenhang mit der Instandhaltung stehenden Bereiche erhaltenes – Wissen über die Anlagen und deren Beziehungen zueinander, bzw. über ihr Verhalten und ihre Stellung im Produktionsprozess verfügen, das es der Instandhaltung erlaubt, ein auf den Bedarf der Anlagenerhaltung zugeschnittenes Planungs- und Steuerungssystem zu entwickeln bzw. zu benutzen. Unter Planungssystem werden hier sämtliche längerfristig orientierten Maßnahmen verstanden, die darauf ausgelegt sind, die dem betrieblichen Instandhaltungsprozess anhaftende Zufälligkeit sind Unabwägbarkeit kalkulierbarer zu machen [5]. Diese Zufälligkeit von technisch bedingten Produktionsstörungen, die bald gehäuft und bald in verschwindend geringer Zahl auftreten, bringen unvorhersehbare Schwankungen im Arbeitsanfall und im Auslastungsgrad des Instandhaltungspersonals mit sich und erschweren so eine optimale Gestaltung des Instandhaltungsprozesses. Es ergibt sich daraus aus vielerlei Gründen die Forderung nach einem Management des Instandhaltungsprozesses ähnlich jenes eines Fertigungsprozesses, d. h. es soll eine inhaltliche und terminliche Vorausplanung der Instandhaltungstätigkeiten angestrebt werden. Es wird realistischerweise aber nur eine Annäherung an dieses Ziel möglich sein (aufgrund der unvollkommenen Informationsmöglichkeit über den jeweiligen Anlagenzustand).
2.4 Ausfallmechanismus, Ausfallverhalten von Baugruppen und -elementen
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2.4 Ausfallmechanismus, Ausfallverhalten von Baugruppen und -elementen Betrachtet man Baugruppen und -elemente von Anlagen über einen längeren Nutzungszeitraum, wird man immer wieder Ausfälle feststellen. Dies liegt zum erheblichen Teil an der Unvollkommenheit der Technik, den Qualitätsschwankungen im Herstellprozess, den Materialien mit Eigenschaftsschwankungen sowie den Unzulänglichkeiten des Produktionsprozesses selbst. Es ist bis jetzt nur in wenigen Bereichen gelungen, die Verfügbarkeit auf ein so hohes Maß anzuheben, dass man von einem ausfallfreien System sprechen kann. Erreicht wurde dieser Zustand im Bereich der Raumfahrttechnik bzw. teilweise im Flugzeugbau. Man muss bei der Lebensdauerplanung immer den Grenznutzen vor Augen haben, d. h. der zusätzliche Erfolg durch die gesteigerte Verfügbarkeit muss die durch diese Verfügbarkeitssteigerung auftretenden Kosten übersteigen. Es wird jedoch in der Praxis sehr schwierig sein – besonders bei komplexen Anlagensystemen – diesen Grenzwert genau zu ermitteln. Ein hierfür gut einsetzbares Hilfsmittel stellt eine praxisnahe Anlagen-bzw. Produktionsprozessanalyse dar. Verfahren der Systemtechnik und der Logistik können hier sehr hilfreich sein, weil sie vom Zusammenspiel aller an einem Unternehmen beteiligten Funktionen ausgehen und so ein leichteres Erkennen der Auswirkungen von Veränderungen in einem Glied der logistischen Kette bzw. in einem System auf den Gesamterfolg des Unternehmens ermöglichen. Ausgehend von der Überlegung, dass Systeme entsprechend den Anforderungen nur eine begrenzte Zeit eingesetzt und genutzt werden, ergibt sich der Wunsch, das Ausfallverhalten der verschiedenen Bauelemente näher zu kennen. Dieses Ausfallverhalten ist aber – unter Berücksichtigung der betrieblichen Rahmenbedingungen – nur sehr komplex zu beschreiben, oder entzieht sich überhaupt einer näheren Schilderung. In der Praxis wird zur Beschreibung sehr oft die sog. Ausfallrate λ(t) herangezogen. Sie kann als Augenblickswahrscheinlichkeit für einen Ausfall im nächsten Zeitelement interpretiert werden. Mit Hilfe der Ausfallwahrscheinlichkeit ermittelt sich die Ausfallrate zu: λ (t) =
f(t) 1 − F( t )
λ (t) Ausfallrate f (t) Ausfalldichte F (t) Ausfallwahrscheinlichkeit Zur mathematischen Beschreibung des Ausfallverhaltens von Bauelementen werden verschiedene Verteilungen angewandt, auf die nachstehend im Überblick eingegangen wird.
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2 Instandhaltung
2.5 Spezielle Arten von Ausfallverteilungen Die Exponentialverteilung (Abb. 2.4) Besitzt eine konstante Ausfallrate. D. h., das Bauteil altert nicht. Diese Verteilung beschreibt daher reine Zufallsausfälle, also unstetige Schadensursachen. Sie ist auch zur Beschreibung des Ausfallverhaltens komplexer Anlagen und Geräte geeignet. Vorbeugende Instandhaltung ist bei Vorliegen dieses Verhaltens nicht sinnvoll. Die Gammaverteilung (Abb. 2.5) Bei abnehmender Ausfallwahrscheinlichkeit ist α < 1. Für α > 1 ist zunehmende Alterung gegeben und bildet damit Elemente mit starkem Materialverschleiß ab. Die Weibull-Verteilung (Abb. 2.6) Eignet sich besonders für alle Fälle von Ermüdung und Verschleiß, bei denen mit zunehmendem Alter und dauerndem Gebrauch eine steigende Tendenz zum Ausfall besteht. Daneben lassen sich auch Frühausfälle darstellen. Mit ihr können Mischverteilungen erkannt und Änderungen im Ausfallverhalten dargestellt werden. Der Parameter α legt die Verteilungsfunktion und den Ausfalltyp fest. Die Normalverteilung (Abb. 2.7) Beschreibt ebenfalls Ausfallprozesse, die durch Ermüdung und Verschleiß gekennzeichnet sind. Es existieren empirische Untersuchungen über Ausfallverteilungen von Trockenzellen, Glühlampen, bestimmten Vakuumröhren und Erstausfälle von Bus- und Lkw-Motoren, welche sich gut durch eine Normalverteilung approximieren lassen. Die Funktion ist für alle Parameterwerte (µ und σ) streng monoton und unbeschränkt wachsend.
Abb. 2.4 Ausfallrate der Exponentialverteilung [9]
2.5 Spezielle Arten von Ausfallverteilungen
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Abb. 2.5 Ausfallrate einiger Gammaverteilungen [9]
Da in der Praxis die Verteilungsfunktion oftmals unbekannt ist, ist es sinnvoll Daten über das Ausfallverhalten zu sammeln und auszuwerten bzw. durch Herstellerangaben, benchmarkähnliche Vergleiche außerhalb von Branchen und durch entsprechende Bauteilkataloge Informationen über die Verteilungen zu gewinnen. Zusammengesetzte Verteilungen (Abb. 2.8) Die häufigste Form einer komplexen Ausfallrate, welche durch mehrere Verteilungen – je nach Lebensdauerabschnitt – beschrieben wird, ist die sog. „Badewannenkurve“. Sie entsteht bei Maschinenelementen (typischen Verschleißteilen), die
Abb. 2.6 Ausfallrate einiger Weibull-Verteilungen [9]
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2 Instandhaltung
Abb. 2.7 Ausfallrate einiger Normalverteilungen [9]
zu Beginn ihrer Lebensdauer Frühausfälle aufweisen, danach nur noch wenige Ausfälle zu verzeichnen haben, um dann bei steigender Lebensdauer eine höhere Ausfallsrate zu erreichen, die auf altersbedingte Erscheinungen zurückzuführen ist. Folgend eine (überzeichnete) Darstellung der einzelnen Phasen. Phase der Frühausfälle: In dieser Phase (A) ist eine abnehmende Ausfallrate zu verzeichnen. Dies entspricht einer Zunahme der Zuverlässigkeit über der Zeit. Man kann diese Zeitspanne als Phase der Kinderkrankheiten interpretieren. Bei werkstofftechnisch anspruchsvollen Produkten, wie z. B. Halbleitern oder Elektronenröhren wird durch sog. „burn in tests“ versucht, die Phase der Frühausfälle beschleunigt zu überbrücken.
Abb. 2.8 Ausfallrate einer komplexen Ausfallverteilung
2.6 Instandhaltungsstrategien
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Phase der Zufallsausfälle: Diese Zeitspanne (B) ist gekennzeichnet durch eine etwa gleich bleibende Ausfallrate und deckt in der Praxis den überwiegenden Bereich der Lebensdauer eines Teils ab. Phase der Verschleißausfälle (Altersausfälle): Dieser Bereich (C) ist durch eine steigende Ausfallrate gekennzeichnet, d. h. mit zunehmender Betriebszeit wird die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls immer größer; dies entspricht meist dem Ausfallmechanismus Verschleiß. Aus Untersuchungen ist bekannt, dass die Verschleißphase bei komplexen Systemen zeitlich weiter ausgedehnt ist als bei einfachen Bauteilen. Das einsatzalterabhängige Ausfallverhalten eines Bauteiles bestimmt entscheidend planerische Maßnahmen der Instandhaltungsstrategien und damit auch in der Ersatzteilbewirtschaftung. So sind vorbeugende Strategien nur bei steigender Ausfallrate sinnvoll [5].
2.6 Instandhaltungsstrategien Die zunehmende Anlagenintensität der Betriebe, die einhergeht mit einer zunehmenden Komplexität und Automatisierung, rückt die Instandhaltungsplanung immer mehr in den Vordergrund. Unter Instandhaltungsplanung versteht man die planmäßige Vorbereitung von Instandhaltungsmaßnahmen im Sinne des langfristigen Denkens und Entscheidens, was in den nächsten Planungsperioden zu tun oder zu erwarten ist. Instandhaltungsstrategien sind Regeln, die angeben, in welcher zeitlichen Folge an welchem Fertigungssystem oder entsprechendem Untersystem mit welcher Intensität welche Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Damit ist die Strategie Kernpunkt der instandhaltungstechnischen Überlegungen. Folgend werden die wichtigsten Strategien beschrieben. Vorbeugend geplante Instandhaltung (Inspektionsstrategien) wird praktiziert zur Vermeidung von Ausfällen an Anlagen. Als Hauptfunktion beinhaltet sie Inspektion, Wartung und Austausch von geschädigten Teilen vor dem Anlagenausfall. Das Ziel ist die Verlängerung der effektiven Lebensdauer einer Anlage und die Fehlervermeidung. Vorbeugend geplante Instandhaltung wird in erster Linie bei sicherheitsgefährdenden Anlagen angewandt sowie bei Anlagen mit hoher Automation und damit hohen Ausfallfolgekosten. Die zwei wesentlichen Teilbereiche der vorbeugend geplanten Instandhaltung sind die determinierte Strategie in festen Zeitintervallen (fixed time maintenance, FTM) und die zustandsabhängige Instandhaltung (condition based maintenance, CBM). In der determinierten Strategie wird die Instandhaltungsaktion in festgeschriebenen, fixen Intervallen durchgeführt (in Abb. 2.9 als Präventivmodelle bezeichnet), in der zustandsabhängigen Strategie nach einer entsprechenden Inspektion (Inspektionsmodelle in Abb. 2.9).
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Abb. 2.9 Schematischer Überblick über Instandhaltungsstrategien [10]
Dabei werden die in die geplante vorbeugende Instandhaltungsstrategie einbezogenen Anlagenteile entweder kontinuierlich oder nach bestimmten Zeitintervallen mit einer entsprechenden Inspektionsmethode überprüft. Geplante Instandsetzung ist die geplante wirtschaftliche Instandsetzung (Überholung) oder der Tausch eines Teiles oder einer Baugruppe, welche ausgefallen oder unter ein bestimmtes Funktionsniveau gefallen ist. Der Erfolg liegt in der inhaltlichen Vorplanung der eventuell notwendigen Instandsetzung, bevor das Teil ausfällt, und in der Ersatzteilbevorratung. Ungeplante Instandsetzung oder Reparatur beinhaltet den Austausch oder die Instandsetzung des geschädigten Anlagenteiles nach dem Ausfall ohne inhaltliche Vorplanung. Darüber hinaus ist zu unterscheiden, ob die oben genannte Verfahren bzw. Strategien on-line also an der laufenden Anlage – oder off-line – im Anlagenstillstand – durchgeführt werden können [5]. Ausgehend vom Ausfallverhalten stellt sich die Strategiebestimmung als ein mehrstufiger Entscheidungsprozess dar (siehe Abb. 2.9). Das Informationskriterium über das Ausfallverhalten der Anlagenteile scheidet jene Strategien aus, in welchen unsichere Informationen über das Ausfallverhalten vorliegen. Bei Vorliegen von Informationen über die Ausfallverteilung ist zu unterscheiden, ob der Bauteilzustand stets bekannt ist (FTM), oder ob zu dessen Ermittlung zuerst eine
2.6 Instandhaltungsstrategien
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Inspektion vorgeschaltet werden muss (Inspektions- oder Bereitschaftsstrategie; condition based maintenance CBM). Eine Ausfallstrategie wird dann zum Einsatz kommen, wenn durch vorzeitigen Ersatz keine größere Zuverlässigkeit bzw. Verfügbarkeit durch den Einsatz eines neuen Bauteils erreicht werden kann. Je nach den betrieblichen Gegebenheiten können mögliche Erweiterungen der Einflussgrößen zur Strategiewahl vorgenommen werden. Allerdings sind die damit verbundenen methodischen Schwierigkeiten meist so komplex, dass dadurch häufig eine Optimierung dieser Modelle verhindert wird. Folgend wird beschrieben, wie eine individuelle Instandhaltungsstrategie entwickelt werden kann, die als Grundlage einer teilspezifischen Ersatzteilbewirtschaftung verwendet wird. Mit Hilfe der in Abb. 2.10 dargestellten Entscheidungstabellen lässt sich die teile- oder baugruppenindividuelle Strategie bestimmen. Einflussgrößen zur Strategiebestimmung: • • • •
Ausfallverhalten bzw. Informationen über das Ausfallverhalten, Struktur der maschinellen Ausrüstung, Anforderungen an die Zuverlässigkeit (Ausfallkosten), Informationsmöglichkeiten. Nachstehend die Erläuterung der Strategien:
• An erster Stelle sind Strategien bei fehlenden oder ungenügenden Informationen über das Ausfallverhalten der Anlage genannt (siehe auch Abb. 2.9): Minimax-Strategie: Weder die Art noch die Parameter der Verteilung sind bekannt. Es wird jene Maßnahme gewählt, die unter den ungünstigsten möglichen Prämissen die niedrigsten Kosten verursacht (Minimieren der Kosten, Maximieren des Erfolges). Abgrenzungsverfahren: Die Art der Ausfallverteilung ist unbekannt, aber gewisse Parameter sind gegeben. Es wird versucht, Grenzen zu nennen, zwischen denen bestimmte Instandhaltungsmaßnahmen sinnvoll sind. Adaptionsverfahren: Annahmen über Parameter und (oder) die Art der Verteilung sind möglich. Man geht von bestimmten Vorgehensweisen aus, die aufgrund von Beobachtungen ständig verbessert werden. • An zweiter Stelle sind Strategien bei Vorliegen von ausreichenden Informationen über das Ausfallverhalten angeführt: Es ist danach zu unterscheiden, ob der Bauteilzustand stets und mit ausreichender Sicherheit bekannt ist, oder ob zu seiner Ermittlung eine Inspektion vorgeschaltet werden muss. Im ersten Fall spricht man von Präventivstrategien, im zweiten von Inspektions- oder Bereitschaftsstrategien. Rein deterministische Strategie: Das determinierte Ausfallverhalten bestimmt exakt den Ersatzzeitpunkt (fixed time maintenance – FTM). Deterministisch sequentielle Strategie: Kontrolle des – bedingt durch äußere Einflüsse – schwankenden Verschleißfortschrittes durch Inspektion. D. h. der Bauteilzustand ist nicht mit ausreichender Sicherheit beschreibbar. Probabilistische Strategie: Es besteht kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Abnutzungsvorrat und technischer Lebensdauer, vielmehr sind Wahrscheinlich-
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2 Instandhaltung
keitswerte für die Nutzungsdauer bekannt. Aufbauend auf der Ausfallrate wird der Zeitpunkt des vorzeitigen Ersatzes aus dem Minimum der Summe der Bauteilkosten je Nutzungsperiode und dem Erwartungswert der Ausfallkosten bestimmt. Probabilistisch sequentielle Strategie: Es wird bei zunehmender Anlagenkomplexität und Belastungsform zusätzlich eine Inspektion eingesetzt. Ein vorzeitiger Ersatz wird vorgenommen, wenn der Erwartungswert der Ausfallkosten für die nächsten Betriebsperioden größer ist als die Verminderung der durchschnittlichen Bauteilkosten durch die weitere Nutzung im nächsten Betriebszyklus. Probabilistische und probabilistisch-sequentielle Strategien sind den mehrstufigen Inspektionsmodellen zuzurechnen (Abb. 2.9). Ausfallstrategie: Die Durchführung der Instandsetzung erfolgt nach bekannt werden eines Bauteilausfalls. Die dem Ausfall folgenden Instandsetzungsmaßnahmen sollten aber sehr wohl geplant ablaufen. Anordnung von Redundanzen: Es werden Anlagen oder Anlagenkomponenten zur Erhöhung der Zuverlässigkeit mehrfach besetzt. Man kann zwischen heißen Redundanzen, welche ständig in Betrieb sind, und kalten Redundanzen (stand by), die nur bei Ausfall der Hauptanlage (Anlagenkomponente) oder einer bevorstehenden Reparatur in Betrieb genommen werden, unterscheiden (Schaltredundanz). Präventivstrategien, welche vorbeugende Erneuerungen nur gelegentlich aufgrund eines nicht ausfallbedingten Anlagenstillstandes (Unterbrechung in der Energie- oder Materialversorgung, Serienumstellung, Schichtende, Betriebsferien usw.) zulassen, ohne dass jedoch bei jeder sich bietenden Gelegenheit erneuert werden muss, nennt man optionale Strategien. Wenn man bei einem Anlagenstillstand, hervorgerufen durch den Ausfall eines Teiles der Anlage, zum Schluss kommt, dass es angebracht (opportun) ist, eines, mehrere oder gleich alle nicht ausgefallenen Teile bei dieser Gelegenheit mit zu erneuern, so spricht man von einer opportunistischen Strategie (Abb. 2.9). Eine weitere Differenzierung ist möglich in einstufige und mehrstufige Strategien, welche sich in den Qualitätsabstufungen der Anlagenzustandsbeteiligung voneinander unterscheiden. Bei einstufigen Strategien kennt man nur die beiden Zustände „intakt“ und „ausgefallen“, während bei mehrstufigen Strategien graduelle Abstufungen im nutzungsbedingten Zustand bestehen (Abb. 2.9). Ausgehend vom Ausfallverhalten stellt sich die Strategiebestimmung als ein mehrstufiger Entscheidungsprozess dar. Das Informationskriterium über das Ausfallverhalten der Anlagenteile scheidet jene Strategien aus, in welchen unsichere Informationen über das Ausfallverhalten vorliegen. Es kommt in diesen Fällen entweder eine Minimax-Strategie, ein Abgrenzungs- oder ein Adaptionsverfahren zur Anwendung. Bei Vorliegen von Informationen über die Ausfallverteilung wird danach unterschieden, ob der Anlagenzustand stets bekannt ist (Präventivstrategie) oder ob zu dessen Ermittlung zuerst eine Inspektion vorgeschaltet werden muss (Inspektions- oder Bereitschaftsstrategie). Wie bereits oben erwähnt, determiniert die
2.6 Instandhaltungsstrategien
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Inspizierbarkeit der Anlage (des Anlagenteils) die zu wählende Inspektionsstrategie. Eine Ausfallstrategie – Erneuerung nach Ausfall – wird dann zum Einsatz kommen, wenn durch vorzeitigen Ersatz keine größere Zuverlässigkeit bzw. Verfügbarkeit durch den Einsatz eines neuen Bauteils erreicht werden kann (Phase A und Phase B der Ausfallrate, siehe Abb. 2.10). Durch Anwendung dieser Strategie werden zwar die niedrigsten Bauteilkosten je Nutzungsperiode erreicht, da der Abnutzungsvorrat ausgenutzt und das Bauteil über die maximale Nutzungsdauer abgeschrieben wird; es stellt sich aber – durch den unbekannten Bedarfszeitpunkt – ein erhöhter Ersatzteilbestand ein. Eine Ausfallstrategie kommt aber auch im Bereich der Verschleißausfälle zum Tragen, wenn die Ausfallkosten geringer sind, oder es sich um sehr teure Bauteile handelt und der Grenznutzen aus der zusätzlichen Nutzung bis zum vollkommenen Ausfall die bei einem vorzeitigen Ersatz vermeidbaren Ausfallkosten übersteigt. Dort, wo hohe Zuverlässigkeit gefordert ist und die Kosten eines zusätzlichen Elements erheblich geringer sind als die Ausfallkosten eines Systemausfalls, ist der Einsatz von redundanten Elementen angezeigt. Präventivstrategien, bei denen eine Anlagenerneuerung ohne vorausgegangenen Anlagenausfall durchgeführt wird, kommen zum Einsatz, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: • bekanntes Ausfallverhalten des Anlagenteils, • steigende Ausfallrate (Phase C, siehe Abb. 2.8). • Die erwarteten Kosten einer Erneuerung nach einem Ausfall einschließlich der zugehörigen Folgekosten sind größer als jene einer präventiven Erneuerung einschließlich ihrer Folgekosten. Zusammenfassend kommen folgende Instandhaltungsstrategien in Betracht: • vorbeugende geplante Instandhaltung (insbesondere Wartung und Inspektion), • zeitlich geplante Instandsetzung (Überholung) oder • ungeplante Instandsetzung (Reparatur), wobei diese Instandhaltungsstrategien online oder offline durchgeführt werden können. Die Entwicklung einer individuellen Instandhaltungsstrategie, die als Grundlage für eine teilspezifische Ersatzteilbewirtschaftung dient, wird nach folgenden Entscheidungskriterien durchgeführt: • Strategie bei fehlender oder ungenauer Information über das Ausfallverhalten, • Strategie bei Vorliegen von auseichenden Informationen über das Ausfallverhalten, • Einstufige oder mehrstufige Strategie, • Präventivstrategie. Als Entscheidungshilfe dient das in Abb. 2.10 dargestellte Schema.
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2 Instandhaltung
Abb. 2.10 Entscheidungstabelle zur Bestimmung einer Instandhaltungsstrategie [11]
2.6 Instandhaltungsstrategien
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2.6.1 Auswirkungen der Instandhaltungsstrategien auf die Ersatzteilbewirtschaftung Wie erwähnt, bestehen zwischen den gewählten Instandhaltungsstrategien und der Ersatzteilbewirtschaftung umfangreiche und teilweise komplexe Interdependenzen, deren grundsätzliche Wirkungsrichtungen nachstehend aufgezeigt werden. Vorbeugend geplante Instandhaltung Durch die terminliche und inhaltliche Bestimmung der Instandhaltungsaktionen ist ein hohes Maß an Bedarfsvorhersage möglich, wobei insbesondere die Möglichkeit der Gruppenbestellung (ggf. optimale Losgröße) und der zeitpunktbezogenen Bestellung von Ersatzteilen gegeben ist. Fixed time maintenance (FTM) bringt einen hohen regelmäßigen Ersatzteilverbrauch mit sich. Tendenziell werden mehr Ersatzteile in niedrigen Preissegmenten und weniger Ersatzteile in hohen Preissegmenten (Risikoteile) gebraucht. Ausfallbedingte Instandsetzung (Reparatur) Ein relativ großer Teil der Ausfälle ereignet sich zufallsbedingt, womit es schwierig ist, den Ersatzteilbedarf für eine bestimmte Zeitperiode vorherzubestimmen. Bestellmengen und -zeitpunkte müssen daher konservativ bestimmt werden. Die höhere Wahrscheinlichkeit von Katastrophenausfällen bedingt die Verwendung von teuren Risiko-Ersatzteilen (Reserveteilen). On-line-Instandhaltung (on condition monitoring) Da diese Methode Wartung, Inspektion und gegebenenfalls geplante Instandsetzung beinhaltet, ist sie relativ flexibel und bestimmt, zu welchem Zeitpunkt welche Ersatzteile benötigt werden. Damit ist es möglich, niedrigere Ersatzteilbestände vorzuhalten; dies gilt insbesondere, wenn Ersatzteillieferanten verfügbar sind, die durch Verträge bzw. ihre Logistikleistung in der Lage sind kurzfristig zu liefern. Die betreffenden Objekte sind generell niedrigpreisige Ersatzteile mit geringeren Verbrauchsraten (geringe Umschlagshäufigkeit). Geplante Instandsetzung (Überholung) Diese Strategie bedarf insbesondere einer laufenden Bestandskontrolle und Beschaffung, um einen entsprechenden Mindestbestand für die Überholung vorzuhalten. Quantifizierte Inspektionen und laufende Anlagenüberwachungen können eine große Hilfestellung zur Bestimmung des Ersatzteilbestandes für geplante Instandsetzung bieten. Material Requirement Planning (MRP) kann angewandt werden, wobei die gebrauchten Ersatzteile entsprechend der Anlagendokumentation aufgelöst und für die Instandsetzung vorgehalten werden können. In derselben sind dementsprechend Anlagenstamm-, Materialstamm- und Arbeitsplandaten gespeichert.
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Abb. 2.11 Informationsbeziehungen zwischen Auftragswesen der Instandhaltung und Ersatzteilwirtschaft [4]
Notfallinstandsetzung (trouble shooting) Diese Teilstrategie verhält sich im Prinzip wie die störungsbedingte Instandsetzung, nur sind hier Bedarfsprognosen kaum anwendbar, Sicherheitsbestände sind notwendig. Abschließend ist festzuhalten, dass die besten Resultate in der Ersatzteilbewirtschaftung dann erzielt werden können, wenn die Ersatzteilbestandführung im engen Konnex mit den geplanten Aktivitäten der Instandhaltung steht. Dazu sind als Minimalanforderungen an eine Datenbasis zu nennen: • die Festlegung, was instand zu halten ist, • eine vorbeugende geplante Instandhaltung und • ein Auftragswesen, das die geplanten und ungeplanten Bedürfnisse in definierte Instandhaltungsaufträge überführt und Materialbedarfsspezifikationen beinhaltet [4]. In Abb. 2.11 sind dazu die Informationsflüsse dargestellt.
2.6.2 Ausfallkosten In den Industriebetrieben werden beachtliche Aufwendungen in der Instandhaltung getätigt, um Ausfallkosten der Anlagen (auch indirekte Instandhaltungskosten genannt) zu vermeiden. Wären dieselben unerheblich, könnten sämtliche Instandhaltungsarbeiten von Fremdfirmen übernommen und Ersatzteile erst nach Ausfall eines bestimmten Bauteils beschafft werden. Im Folgenden wird gezeigt, wie die Ausfallkosten ermittelt werden können und welches Gewicht dieselben in einem Gesamtkostenmodell der Instandhaltung besitzen.
2.6 Instandhaltungsstrategien
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Unter Bedachtnahme, dass nur messbare und kalkulatorisch exakt erfassbare Komponenten betrachtet werden, kann man die Ausfallkosten als Summe aus den messbar ungenutzten Verbräuchen und den zusätzlichen Kosten im Produktionsbereich sowie dem Erfolgsausfall definieren [12], siehe hierzu Abb. 2.12. Zur genaueren Ermittlung: Ausfallkosten = ungenutzte Verbräuche (messbar) + Erfolgsausfall (kalkulatorisch bzw. teilweise messbar) Man geht davon aus, dass im Produktionsbereich ungenutzte Verbräuche während des Ausfalls sowie erhöhte Verbräuche aufgrund von Minderleistungen, die eine Auswirkung des Ausfalls auf vor- oder nachgeschaltete Anlagen sind, auftreten. Zusätzliche Kosten treten eventuell auch beim Aufholen des Produktionsrückstandes durch intensitätsmäßige Anpassung, z. B. infolge von Überstunden oder zusätzlichen Schichten auf. Auf dem Absatzsektor lässt sich ein Erfolgsausfall durch nicht erfolgte Produktion möglicher Absatzmengen als entgangener Deckungsbeitrag feststellen. Zusätz-
Abb. 2.12 Differenzierung der Unterbrechungszeit und Auswirkungen von Kapazitätsminderungen
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2 Instandhaltung
liche negative Auswirkungen entstehen bei Terminverzug (Pönalezahlungen) oder bei Vergabe von Lohnaufträgen an andere Unternehmen bzw. bei Kauf von Fertigprodukten, um die Abnehmer befriedigen zu können. Weitere zusätzliche Kosten können durch ein vergrößertes Fertiglager entstehen, welches angelegt wird, um den Abnehmerwünschen- ohne Auswirkung von Anlagenausfällen gerecht zu werden. Zur Vermeidung der Ausfallkosten werden im Beschaffungsbereich des Unternehmens (siehe Abb. 2.12) Investitionen getätigt. Einerseits durch redundante Auslegung von Anlagen zur Verfügbarkeitssicherung der Produktion und andererseits durch Ersatzteilbevorratung (Umlaufvermögen) zur Wiederherstellung der Produktionsbereitschaft im Störungsfall. In Abb. 2.13 sind die Gesamtkosten der Instandhaltung in Abhängigkeit vom Informations- und Planungsniveau dargestellt. Die direkten Instandhaltungskosten durchlaufen ein Minimum und steigen anschließend an. Die Informationskosten und Planungskosten steigen – vereinfacht dargestellt – linear an. Die Instandsetzungskosten bleiben nach erreichen ihres Minimums konstant, d. h. erhöhtes Informations- und Planungsniveau senken die Instandsetzungskosten ab einem bestimmten Punkt nicht mehr. Das optimale Informations- und Planungsniveau ergibt sich im Minimum der Gesamtkosten.
Abb. 2.13 Optimales Planungs- und Informationsniveau [5]
Kapitel 3
Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.1 Derzeitige Theorie und Praxis der Ersatzteilbewirtschaftung Entsprechend der betrieblichen Anlagenvielfalt umfassen die zu bewirtschaftenden Ersatzteile eine Vielzahl von unterschiedlichsten Komponenten. Angesichts dieser Komponentenvielfalt – die ihrerseits wiederum mit mehr oder weniger großen Schwierigkeiten unterschiedlichsten Kriterienklassen zugeordnet werden können – ist es verständlich, dass eine für alle Ersatzteilpositionen einheitliche Dispositionsmethode den in Abschn. 1.5 dargestellten Zielen nicht entsprechen kann. Die Vielzahl von Ersatzteilen kann beispielsweise nach folgenden Unterscheidungsmerkmalen gegliedert werden: • Komplexität der Herstellung: Produktionstechnisch einfach herzustellende unproblematische Ersatzteile oder hochkomplexe, ein spezielles Know-how erfordernde Ersatzteile. • Erklärungsbedürftigkeit: Problemloses Handling bei Ein- und Ausbau, bei Instandsetzung, Wartung, Inspektion und Ausmusterung, oder problembehaftete Teile. • Aufbau- bzw. Zerlegungsgrad: In sich strukturierte Teile, welche zerlegt werden können, aber als zusammengesetzte Baugruppe gelagert werden oder nicht zerlegbare Teile (Einzelteile). • Physische Verbundenheit zwischen Ersatzteilen und Anlage: Ein Austausch ist leicht und ohne Spezialwissen möglich oder nur mit großem Aufwand und von Spezialisten durchführbar. • Spezialisierungsgrad der Anlagenteile: Hochspezialisierte, anlagenspezifische, einzelgefertigte Teile oder Ersatzteile der Serien- bzw. Massenproduktion (vorwiegend Norm- und Kleinteile). • Relative Lebensdauer: Lebensdauer relativ zur Anlage. • Verschleißverlauf: Determiniertes, probabilistisches oder unbekanntes Verhalten.
H. Biedermann, Ersatzteilmanagement © Springer 2008
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
• Ersatzteilbedarf: Bei Mehrortteilen als Summe der Einzelanforderungen zu sehen, wobei zu bedenken ist, dass der Grund für die Unsicherheit der Voraussage in der komplexen Fragestellung liegt, welche Teile wann und in welcher Menge ausfallen können. • Austauschfrequenz: Stellt bei Ein- und Mehrortteilen die Anforderungshäufig dar. • Wert der Ersatzteile: Preislich unbedeutende Artikel (Kleinteile) oder sehr teure, den Anlagenwert bestimmende Teile (in der Regel Reserveteile). • Beschaffbarkeit: Nachlieferung ist jederzeit oder nur unter gewissen Beschränkungen möglich. • Lieferantenverhalten: Lieferant ist termintreu und flexibel oder unverlässlich bzw. nicht einzuschätzen. • Risikocharakter und Engpasssituation für Ersatzteil und Maschine: Bedeutung der Anlage für den gesamten Produktionsprozess. • Gleichteilaufkommen: Gibt die Anzahl technisch identischer Ersatzteile an. • Bestand an Ersatzteilen: Durchschnittlich geringer Bestand (Risikoteile) oder hoher Bestand. • Teile mit Reparatur- und Austauschzyklus: Kreislaufteile, welche nach erfolgtem Ausbau instand gesetzt und wieder auf Lager gelegt werden. • Umgebungsbedingungen beim Einsatz: Umgebungsbedingungen entsprechen den Herstellerempfehlungen oder weichen von diesen ab [1]. Einortteile können problemlos den verschiedenen Kriterienklassen zugeordnet werden, bei Mehrortteilen wird man bei einigen Punkten auf Schwierigkeiten stoßen (Erklärungsbedürftigkeit, physische Verbundenheit, relative Lebensdauer, Verschleißverlauf, Austauschfrequenzen, Risikocharakter, Reparatur- und Austauschzyklus). Der durchschnittliche Ersatzteilbestand einer Planungsperiode wird im Wesentlichen durch die Art der Lagerzu- und -abgänge während dieses Zeitraumes bestimmt. Dieser Tatbestand findet aber in der Praxis zur optimalen Gestaltung von Ersatzteilbeständen nur teilweise Berücksichtigung. In den meisten Fällen wird versucht, die aus der klassischen Materialwirtschaft bekannten Dispositionsverfahren auf die spezifischen Fragestellungen der Ersatzteilwirtschaft zu übertragen, was aber meist zu einer alleinigen Betrachtung der Bereitstellungsstrategie und somit der Art und Optimierung der Lagerbewirtschaftung führt. Bezüglich der Lagerabgänge geht man in den meisten Fällen davon aus, dass diese kontinuierlich erfolgen und schließt aus den Verbräuchen der Vergangenheit auf den zukünftigen Bedarf. Bei den zuverlässigkeits-theoretisch orientierten Bevorratungsmodellen stellt man das den Ersatzteilbedarf bestimmende Ausfallverhalten von Anlagenteilen in den Vordergrund und beschäftigt sich in zweiter Linie mit den Möglichkeiten der Bereitstellungsoptimierung [4]. Aus den bisherigen Ausführungen ist ersichtlich, dass eine gesamtheitliche Betrachtung der Ersatzteillogistik angebracht ist.
3.1 Derzeitige Theorie und Praxis der Ersatzteilbewirtschaftung
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Es ist zu ergründen, warum, wann und wie ein Teil ausfällt, bzw. es muss versucht werden, diese Informationen näherungsweise zu bestimmen, um dann eine teileindividuelle Bewirtschaftung durchführen zu können. Die materialwirtschaftlich ausgerichteten Ersatzteillagerhaltungsmodelle heben sich von den rein zuverlässigkeitstheoretisch geprägten durch die prinzipiell erfolgsorientierte Zielsetzung ab. Ihre wesentlichen Bestimmungsparameter • • • •
Bestelltermin, -zyklus (t), Bestellmenge (Q), Meldebestand (s), Bestellniveau, Bestellpunkt und Richtbestand, Bestellniveau (S)
werden in den unterschiedlichsten Modelltypen verschiedenartig berücksichtigt. Alle Modelle sind an materialwirtschaftliche Dispositionsstrategien angelehnt und können daher in der Regel nur in einigen ersatzteilwirtschaftlichen Fragestellungen zum Einsatz gebracht werden. Die Aspekte der den Bedarf bestimmenden Anlagen werden dabei nicht berücksichtigt. Den zuverlässigkeitstheoretisch ausgerichteten Modellen zur Optimierung der Ersatzteilbestände liegen zumeist zufallsbedingt ausfallende Anlagenteile zugrunde. Nur einige wenige Modelle grenzen die Gültigkeit derselben auf bestimmte Teiletypen ein. Wie praktische Erfahrungen zeigen, wird diese Vorliebe für die für Zufallausfälle typische Exponentialverteilung den Erfordernissen einer optimalen Ersatzteil-Bewirtschaftung nur bedingt gerecht, da die verschleiß- bzw. altersbedingten Ausfälle überhaupt nicht berücksichtigt werden. Eine Untersuchung in einem Hüttenwerk über das Ausfallverhalten von vornehmlich mechanischen, z. T. sehr komplexen Bauteilen macht den Stellenwert von verschleiß- bzw. altersbedingten Ausfällen deutlich. Nur bei sechs von 77 untersuchten Teilen lag kein Altersausfall vor [1]. Grundlegend ist zur Ersatzteilbewirtschaftung festzuhalten, dass die Bestellmenge (also das „Wieviel“) und der Bestellpunkt (also das „Wann“) die entscheidenden Einflussfaktoren sind. Auf die Bestellmenge wird in Abschn. 3.2.3 und 3.2.4 ausführlich eingegangen; des Weiteren werden in Abschn. 3.2.6 der Bestellpunkt und der Bestellrhythmus abgehandelt. Die Berechnung der Bestellmenge wird in Abschn. 3.2.5 ausführlich beschrieben. Bezüglich des Bestellzeitpunktes sind drei grundsätzliche Varianten zu unterscheiden: 1. Konstanter Verbrauch, konstante Lieferzeit (beschrieben unter Abschn. 3.3.3.1.2 Verbrauchsorientierte Bewirtschaftung, grafische Darstellung Abb. 3.8), 2. Variabler Verbrauch, konstante Lieferzeit (beschrieben unter Abschn. 3.3.3.1.2 und grafische Darstellung unter Abschn. 3.3.5 Verbrauchsprognosen, Abb. 3.1; siehe auch Abb. 3.9), 3. Variabler Verbrauch, variable Lieferzeit (Abschn. 3.3.3.1.2, grafische Darstellung Abb. 3.3).
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.1.1 Überblick über derzeit in der Praxis angewandte bzw. in der Literatur beschriebene Modelltypen Die heute praktizierten Verfahren zur Bestandsteuerung arbeiten mit einer Kombination von jeweils zwei Parametern, die das „Wann“ (Bestelltermin t oder Bestellpunkte s) und das „Wieviel“ (Bestellmenge Q oder Richtbestand S) einer Bestellung bestimmen. Siehe hierzu die vier Dispositionsverfahren in Tabelle 3.1. Tabelle 3.1 Die vier Dispositionsverfahren wieviel Richtmenge Q
Richtbestand S
wann Bestellpunkt s Bestelltermin t
s, Q t, Q
s, S t, S
• (s, Q)-Politik: Bestellpunkt-System Der Lagerbestand wird bei jeder Entnahme überprüft. Wird eine bestimmte „kritische“ Lagermenge s (Bestellpunkt, Meldebestand) erreicht, erfolgt die Bestellung der vorher ermittelten optimalen Bestellmenge Q (oder ein Vielfaches davon). • (s, S)-Politik: Optionalsystem Auch hier wird der Lagerbestand bei jeder Entnahme überprüft. Wird der Meldebestand/Bestellpunkt s erreicht, erfolgt die Auffüllung auf den Richtbestand S. Bei beiden Politiken erfolgt eine permanente Lagerkontrolle. Beide Dispositionsverfahren unterscheiden sich nur dann wesentlich, wenn mit einer einzigen Entnahme der Bestellpunkt deutlich unterschritten und diskontinuierlich entnommen wird. Dies ist in der Regel bei Ersatzteil-Normbauteilen (Mehrortteile) wahrscheinlich. Die (s, S)-Politik führt zu geringerem Planungsaufwand, geringeren Lagerkapazitäten sowie gleich großen Anfangsbeständen; die (s, Q)-Politik aufgrund der konstanten Beschaffungsmengen zu Vorteilen in der Beschaffungslogistik (Liefer-, Transporteinheiten) und ggf. Preisvorteilen (konstante Lose). • (s-1, S)-Politik: Spezielles Optionalsystem Nach Ermittlung eines optimalen Richtbestandes wird nach jedem Lagerabgang eine Bereitstellungsaktion ausgelöst. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Instandsetzung bereits ausgefallener Anlagenteile handelt, oder ob ein neues Ersatzteil bestellt wird. Besonders bei hochwertigen, selten ausfallenden Teilen eine nahe liegende Politik. • (t, Q)-Politik: Bestellzyklussystem Es wird zu den vorgegebenen Bestellterminen t die zuvor ermittelte optimale Bereitstellmenge Q bestellt. Eine laufende Bestandsführung ist obsolet. • (t, S)-Politik: Bestellrhythmussystem Die optimalen Bestelltermine t werden ermittelt, zu denen Ersatzteile in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich gegebenen Lagerbestand und dem Richtbestand S bestellt werden.
3.1 Derzeitige Theorie und Praxis der Ersatzteilbewirtschaftung
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(t, Q)- und (t, S)-Politiken bedürfen eines gewissen (kontinuierlichen) Mindestlagerabganges, da zu allen t Zeiteinheiten (Terminen) bestellt wird. Insbesondere das t, Q-System bedarf einer regelmäßigen, gleich bleibenden Lagerentnahme. (s, Q)-, (s, S)- und (t, S)-Politiken haben für die Ersatzteilbewirtschaftung praktische Bedeutung. Theoretisch gilt für die Bestandskosten bei den einzelnen Politiken: K (s, S) < K (s, Q) < K (t, S) Die genannten 4 Dispositions(grund)verfahren können erweitert werden, in dem drei Parameter kombiniert werden. Dies führt zu den Varianten (t, s, Q) und (t, s, S). Beide unterscheiden sich in der Bestellmenge. Beide Verfahren zielen auf das Vermeiden von Kleinstbestellungen ab. Für die Ersatzteilbewirtschaftung haben sie daher tendenziell geringere Relevanz. Da alle diese Modelle eng an allgemein materialwirtschaftliche Dispositionsstrategien angelehnt sind, können sie nur in einigen wenigen ersatzteilwirtschaftlichen Problemstellungen zum Einsatz gebracht werden. Die Aspekte der den Bedarf bestimmenden Anlagen werden dabei nicht berücksichtigt. Wie bereits erwähnt, tragen die materialwirtschaftlichen Modelltypen vornehmlich den Aspekt unterschiedlicher Bereitstellungsstrategien Rechnung. Es werden zwar für den Ersatzteilbedarf einer Planperiode Annahmen getroffen, das konkrete, hinter diesem Bedarf stehende Ausfallverhalten der Anlagenelemente, wird aber ebenso wenig wie die am betreffenden Element ansetzende Instandhaltungsstrategie berücksichtigt. Durch die gegenüber klassischen Verbrauchsmaterialien (Hilfs- und Betriebsstoffe) nur sporadisch anfallenden Mengen ist auch die, auf Basis von Vergangenheitswerten, Bestimmung optimaler Parameter schwierig. Die programmorientierte Parameterbestimmung setzt die Verknüpfung mit der Instandhaltungsstrategie voraus. Bezüglich des strukturellen Aufbaus der betrachteten Anlagen, deren Zuverlässigkeit – zu diesem Zweck betrachtet man Anlage und Ersatzteilversorgung gedanklich als ein System – durch die Bevorratung von Ersatzteilen mitbestimmt wird, kann man zwischen Modellen zur Optimierung unstrukturierter (bzw. unstrukturiert gedachter) Anlagen – d. h. eine Anlage besteht nur aus einem Anlagenteil – und strukturierter Anlagen unterscheiden. Die Tatsache, dass die unterschiedlichen Anlagenteile ein sehr heterogenes dynamisches Leistungsverhalten aufweisen, führt dazu, dass viele Modelle von Anlagen mit nur einem stochastisch ausfallenden Untersystem ausgehen. Es wird hier von einem betriebsnotwendigen Zusammenwirken der einzelnen Anlagenteile abstrahiert und jeder Teil isoliert für sich betrachtet [1]. Der Umstand, dass die Zusammenhänge zwischen einer inspektionsorientierten Instandhaltungsstrategie und der Ersatzteilbewirtschaftung in keiner der Überlegungen Berücksichtigung finden, kann – angesichts der steigenden Bedeutung der geplanten vorbeugenden Instandhaltung – als der größte Nachteil dieser Überlegungen angesehen werden. Auf weitere Kritikpunkte an diesen Modellen – Periodizität der Betrachtungsweise, finanzwirtschaftliche Aspekte usw. – wird hier nicht weiter eingegangen.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.2 Beschaffungsprogrammplanung Das Ziel einer operativen Bedarfsprognose und -planung ist die Bestimmung des quantitativen Materialbedarfs für den gesamten Planzeitraum, als Durchschnittsverbrauch über den Planzeitraum oder als Folge von Periodenverbrauchswerten. Zentrale Ausgangsdaten für die Bestimmung des Bedarfs sind entweder Ist-Verbrauchsdaten der Vergangenheit oder Plandaten des zukünftigen Ersatzteilbedarfs. Dementsprechend unterscheidet man verbrauchs- und programmorientierte Verfahren der Bedarfsprognose. Eine fundierte Bedarfsermittlung ist die Grundlage für die weiteren Dispositionsvorgänge und somit Voraussetzung für eine dem Verbrauchs- bzw. Produktionsablauf angepasste Materialbereitstellung. Dabei erfordern Bedarfs- und Lieferzeitänderungen eine ständige Überprüfung und Anpassung der Dispositionsparameter. Für die Bedarfsermittlung gibt es mehrere Methoden, auf die folgende Faktoren unmittelbaren Einfluss haben: • Aufträge, Arbeitspläne oder Produktionsvorschriften, statistische Berechnungen, Erfahrung der Mitarbeiter und Marktprognosen. • Entsprechend dieser Gliederung unterscheidet man drei Methoden, die in der Regel in der Praxis kombiniert zum Einsatz kommen: 1. deterministische Bedarfsrechnung (bedarfs- bzw. programmgesteuerte Disposition), 2. stochastische Bedarfsrechnung (verbrauchsgesteuerte Disposition), 3. subjektive Bedarfsrechnung.
3.2.1 Bedarfsprognose und Bestellplanung Basis für eine deterministische Bedarfsrechnung sind Aufträge, Arbeitspläne, Kundenaufträge, Instandsetzungspläne und Produktionsvorschriften, die im Zusammenhang mit der Bereitstellungsplanung der Instandhaltung fixiert werden. Man kann hier auch von einer programmorientierten Bedarfsermittlung sprechen, da der Ersatzteilbedarf im Rahmen der Instandhaltungsprogrammerstellung (siehe IH- Strategien) festgelegt wird. Im Gegensatz dazu steht die stochastische Bedarfsrechnung: Basis sind mathematisch-statistische Berechnungen, die auf Basis von Vergangenheitsdaten den Bedarf der Zukunft errechnen (Prognosen). Subjektive Bedarfsrechnung: Ausgangspunkt für diese Bedarfsplanung ist die Erfahrung von Mitarbeitern im Unternehmen. In Abb. 3.1 sind die Methoden der Bedarfsermittlung als Überblick dargestellt. Der für die Realität wichtigste Fall ist die stochastische Bedarfsermittlung [13]. Wichtig für die praktische Arbeit ist die Tatsache, dass die deterministische Bedarfsermittlung theoretisch nur für eine Auftragsfertigung anwendbar ist, praktisch jedoch häufig ein prognostizierter Primärbedarf als determiniert angenommen wird.
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
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Abb. 3.1 Methoden der Bedarfsermittlung [13]
Ausgangsdaten für eine deterministische Bedarfsermittlung sind: Der Primärbedarf an Erzeugnissen (Ersatzteilen) oder Baugruppen für bestimmte Perioden (Wartungs- und Instandsetzungsplan). Der Bedarf je Instandhaltungsaktion ist aus Stücklisten, Anlagendateien oder Instandsetzungsvorschriften zu entnehmen. Die zeitliche Verteilung des Bedarfs ist auf Basis einer bis ins Einzelne gehenden Ablaufplanung zu ermitteln (Fristenplan, Netzplan). Die deterministische Bedarfsermittlung ist besonders rechenintensiv und aufwendig bei Unternehmen mit stark differenzierten Fertigungsstrukturen, komplexen Anlagen und Zwischenlagern. Trotz dieses erheblichen Mehraufwandes bietet die deterministische Bedarfsermittlung entscheidende Vorteile für die Disposition von hochwertigen Materialien, also A- und zum Teil auch B-Teilen (siehe ABC-Analysen, Abschn. 3.7.1.1). Es kann bei dieser Form der Bedarfsermittlung mit niedrigen Sicherheitsbeständen, genauen Bestellterminen und Bestellungen gearbeitet werden. In der Ersatzteilbewirtschaftung ist diese Dispositionsform zumeist nur bei periodisch vorbeugender Instandsetzung (FTM – fixed time maintenance) und Revisionen sowie einem hohen Anteil von identischen Mehrortteilen anwendbar.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Die Grenzen deterministischer Dispositionsverfahren liegen generell vor allem in der Unsicherheit des Ausfallverhaltens. Die nach dem deterministischen Prinzip aufgebauten Verfahren berücksichtigen diese Unsicherheiten nicht. Wenn die daraus erwachsenen Risiken für ein Unternehmen nicht mehr überschaubar oder kalkulierbar sind, muss es sich der stochastischen Methoden bedienen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Bedingungen einer deterministischen Nachfrage nur für Lager zutreffen, die fertigungsorientierte Bestandspolitik betreiben (wie Produktionszwischenlager, Rohstofflager), nicht jedoch für nachfrageorientierte Ersatzteillager. Der Einsatz stochastischer Bedarfsermittlungsverfahren ist daher dann angezeigt, wenn nicht alle Einflussgrößen des zukünftigen Bedarfs quantitativ vorliegen oder eine genaue Planung nicht wirtschaftlich ist (C-Artikel). Mit Hilfe von mathematisch-statistischen Methoden wird versucht, aus den vorliegenden Verbrauchsdaten der Vergangenheit auf den zukünftigen Bedarf zu schließen. Dabei wird in gegenständlichem Fall der Ersatzteilbewirtschaftung unterstellt, dass keine anlagenverbessernde, nachhaltige Instandhaltung durchgeführt wird, sondern die ausgefallenen Teile lediglich getauscht werden. Bei allen unterschiedlichen Verfahren der Bedarfsprognose geht es darum, Bestellmengen und -termine festzulegen. Die Bedarfsvorhersage ist die Grundlage für eine optimale Bestellplanung. Unabhängig davon, wie der Gesamtbedarf eines Artikels vorhergesagt oder ermittelt wird, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, wie er optimal disponiert werden kann. Für die Bestellplanung und damit als Dispositionsverfahren können drei Methoden eingesetzt werden: • auftragsgesteuerte Disposition, • plangesteuerte Disposition und • verbrauchsgesteuerte Disposition. Die auftragsgesteuerte Disposition basiert auf der Ermittlung des Bedarfes abgeleitet aus dem Kundenauftrag mittels Stücklistenauflösung. Somit verursacht diese Methode im Prinzip keinen Lagerbestand. Sind diese dennoch gegeben, muss eine Nettobedarfsrechnung durchgeführt werden. Dies gilt auch zur Berücksichtigung von Bedarfsbestellungen. Die plan- oder programmgesteuerte Disposition leitet ihre Bedarfe aus dem Produktions- bzw. hier Instandhaltungsprogramm ab. Die Disposition hat laufend die Bedarfsanforderungen auf deren Realisierung zu überprüfen. Die verbrauchgesteuerte Disposition findet in jenen Fällen Anwendung, wo ein regelmäßiger Verbrauch (C-Teile; Hilfs- und Betriebsstoffe) gegeben ist. Sie kann als Bestellpunkt- und Bestellrythmusverfahren durchgeführt werden (siehe 3.1.1). Gemeinsam ist diesen Dispositionsverfahren die Zielsetzung: • eine hohe Lieferbereitschaft (ggf. durch Sicherheitsbestand) sicherzustellen; • geringe Kapitalbindung in den Lagervorräten zu verursachen; • niedrige Gesamtkosten für die Materialbereitstellung (Kosten der Beschaffung und Lagerhaltung) zu erreichen.
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
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Diese teilweise konkurrierenden Ziele erfordern die für die jeweilige Materialund Beschaffungsstruktur adäquate Wahl des jeweils geeignetsten Dispositionsverfahrens. Hohe Lieferbereitschaft (Servicegrad) setzt einen entsprechend gestalteten Lagerbestand (einschließlich Sicherheitsbestand) voraus. Dies führt zu höheren Kapitalbindungskosten. Die Senkung der Bestellkosten und eine ggf. günstigere Preisgestaltung wird mit hoher Losgröße und geringer Auflagenanzahl erreicht. Dies erhöht ebenfalls die Kapitalbindungskosten. 3.2.1.1 Bestellmengenrechnung Wenn man von der vereinfachenden Annahme absieht, dass die bei einer Disposition zu bestellende Menge dem Bedarf eines speziellen Ersatzteiles entspricht, ist zu berücksichtigen: 1. Der Gesamtbedarf als Gesamtmenge eines in der Periode zu beschaffenden Ersatzteiles. 2. Die Bestellmenge, die bei einem Lieferanten durch einen Auftrag bestellt wird. 3. Die Liefermenge, die als geschlossene Lieferung im Unternehmen eintrifft. Bestellmenge und Liefermenge sind im Ersatzteilgeschäft zumeist identisch. Natürlich besteht prinzipiell die Möglichkeit die gesamte Menge auf mehrere Lose aufzuteilen und zeitlich gestaffelt mehrere Bestellungen vorzunehmen. Nachstehend werden die für die Praxis relevanten Lösungsansätze aufgezeigt. Hierzu wird grundsätzlich die zur Erhaltung der Abgabebereitschaft des Lagers erforderliche Mindestbestellmenge berechnet. Nach Erwähnung der Vor- und Nachteile dieses Dispositionsverfahrens wird dann die Berechnung der optimalen Bestellmenge nach der Methode der klassischen Bestellmengenrechnung gezeigt. Weitere Abschnitte beschreiben die Zusammenhänge zwischen Bestellmenge und Kosten sowie die klassische Losgrößenberechnung wie auch die Grenzen der Bestellmengenrechnung. 3.2.1.2 Mindestbestellmenge Die Mindestbestellmenge entspricht dem Bedarf zwischen dem verfügbaren Bestand und dem Lagerhöchstbestand (Richtbestand). Sie tritt bei Verfahren mit festen – optimierten – Losgrößen nicht auf. Bei dieser Methode wird einerseits der verfügbare Bestand möglichst gering gehalten und andererseits geringes Erfordernis an die Datenbereitstellung gestellt. Im Einzelnen sind folgende Vorteile gegeben [13]: • Das Lagerrisiko und die Lagerhaltungskosten sind gering, da der Lager- bzw. Bereitstellbestand nicht höher ist als zur Aufrechterhaltung der Lieferbereitschaft.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
• Der administrative Aufwand für Kostenermittlungen zur Bestellmengenveränderung bzw. optimaler Bestellmengen entfällt. • Da das Lager stets bis zum Richtbestand aufgefüllt wird, kann auf eine Bedarfsprognose verzichtet werden. Die wesentlichen Nachteile sind: • Die Bestellkosten werden prinzipiell höher, da in der Regel viele Einzelbestellungen anfallen. Preisvorteile und Mengenrabatte durch größere Bestellmengen sind daher nicht realisierbar. Daraus lässt sich ableiten, dass das genannte Verfahren dann zweckmäßig ist, wenn • die fixen Bestellkosten sehr gering sind, • Mengenrabatte und Preisvorteile nicht realisiert werden können und • die Zahl der jährlichen Lagerzugänge keiner Restriktion unterliegt. Wenn diese Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, so kann es sinnvoll sein, einer Bestellmengenoptimierung näher zu treten. 3.2.1.3 Optimale Bestellmenge Ein wichtiges Thema im Rahmen der Beschaffungsprogrammplanung ist die Optimierung der Bestellmenge. Je nach dem, welche Informationen über den Bedarf vorhanden sind, kann man auch hier wieder deterministische und nicht deterministische Planungsansätze unterscheiden. Im Vordergrund steht eine Kostenminimierung aus Beschaffungs- und Lagerhaltungskosten. Soll diese Optimierung vorgenommen werden, so muss der Bedarf eines definierten Zeitraumes bekannt sein. Wird dieser Bedarf zu Beginn des definierten Zeitraumes (Periode) gestellt, entspricht die Bestellmenge der Bedarfsmenge und der Gesamtbedarf liegt auf Lager. Als anderes Extrem beträgt die Bestellmenge jeweils eine Einheit des Bedarfs, wodurch der Lagerbestand zu einem Minimum, die Bestellhäufigkeit dagegen zu einem Maximum wird. Zur Bestimmung des Kostenoptimums zwischen diesen beiden Extrempositionen sind zunächst die Kosten zu betrachten, die in ihrer Höhe von der Bestellmenge abhängen, wie erwähnt muss der Periodenbedarf bekannt sein.
3.2.2 Auswirkungen der Bestellmenge auf die Kosten der Beschaffung Im Prinzip entstehen Kosten für die Beschaffung, die Lagerhaltung und den Transport. • Die unmittelbaren oder direkten Beschaffungskosten sind durch das zu beschaffende Material und damit seiner Menge und der wichtigsten unmittelbaren Beschaffungskostenart, dem Kaufpreis, bestimmt.
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
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• Unabhängig von der Bestellmenge entstehen die mittelbaren Beschaffungskosten, die proportional zur Bestellhäufigkeit sind. Sie fallen als bestellfixe Kosten bei jeder Bestellung an und berücksichtigen u. a. den Bestellvorgang, die Wareneingangs- sowie die Rechnungsprüfung und den Verbuchungsvorgang. • Die Lagerhaltungskosten, die die eigentliche Lagerung sowie die kalkulatorischen Zinsen für das im Lager gebundene Kapital betreffen. Wie erwähnt, ist die wichtigste unmittelbare Beschaffungskostenart der Kaufpreis, der unter Berücksichtigung von Rabatten als Nettoeinkaufspreis unter Berücksichtigung der Bezugskosten (Additiv) zum Einstandspreis wird. In der Praxis ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass mit zunehmender Bestellmenge die Einstandspreise sinken, da größere Aufträge für den Lieferanten wirtschaftlicher abgewickelt werden können. Diese Situation wird in der Ersatzteilbeschaffung, insbesondere bei Norm- und Kleinteilen gegeben sein. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, ob das Ersatzteil für Anlagen bereitgehalten wird, die als Standardanlagen vom Anlagenbauer bzw. Lieferanten mit Ersatzteilen versorgt werden. In diesem Fall ergeben sich für den Anlagenlieferanten größere Degressionseffekte, die er teilweise an den Anlagenverwender weitergeben kann. Ähnlich wie die Lagerungskosten entstehen Transportkosten nicht ausschließlich proportional zur Menge bzw. zum Wert der Güter. Es bestehen Kostensprünge, wenn auf größere Transporteinheiten bzw. auf weitere Transporteinrichtungen zurückgegriffen werden muss. Allerdings werden bei der Bestellmengenoptimierung die Transportkosten vereinfachend mittels eines konstanten Transportkostensatzes pro Mengeneinheit berechnet. Weiterhin sind bei den Beschaffungskosten zu berücksichtigen: Versicherungen, Umschlags- bzw. Entladekosten, Zölle, Steuern, Provisionen und sonstige Abgaben. Auch Mindermengenaufschläge kommen als kostensteigernde Faktoren in Betracht.
3.2.3 Bestellmenge und Bestellkosten Während die Beschaffungskosten alle bestellmengenabhängigen Kosten umfassen, die durch den Materialbezug entstehen, umfassen die Bestellkosten alle Kosten, die innerhalb des Unternehmens für die Materialbeschaffung bzw. Bestellabwicklung anfallen. Daher sind sie von der Anzahl der Bestellungen abhängig und von der Beschaffungsmenge unabhängig. Die gesamten Abwicklungskosten einer Bestellung umfassen [13]: • Einkaufskosten: Diese umfassen die Kosten von der Bezugsquellenermittlung über die Entscheidungsvorbereitung, die Anbotslegung und -auswertung sowie den Vertragsabschluss. • Dispositionskosten: Diese umfassen den zeitlichen Aufwand für die Bedarfs-, Bestands- und Bestellmengenrechnung sowie die Bestellüberwachung. • Zugangskosten: Einen Abschluss findet die Bestellung mit dem Wareneingang, die Wareneingangskontrolle, Verbuchen der Zugänge, gegebenenfalls Rückversand, Rechnungsprüfung und Zahlung.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Damit wird deutlich, dass Bestellkosten in erster Linie Personalkosten der Beschaffung, Materialprüfung, Rechnungsprüfung und Buchhaltung darstellen und damit in den unterschiedlichsten Bereichen des Unternehmens entstehen. Mit Hilfe der Prozesskostenrechnung lassen sich die Bestellkosten einschließlich der dazu notwendigen Sachkosten verursachungsgerecht erfassen. Die Prozesskostenrechnung hat gerade im administrativen Bereich ihre besondere Eignung zur verursachungsgerechten Kostenzuordnung. Die Kosten einer Bestellung werden ermittelt, indem die sich ergebende Periodenkostensumme durch die Anzahl der Bestellungen geteilt wird. Zur Kalkulation einer Bestellung kann man von folgenden Gegebenheiten ausgehen: Eine Minute Arbeitszeit kostet im Einkauf und der Logistik etwa € 0,8 bis € 1. Bei wiederholten Bestellungen, das sind bekannte etablierte Artikel mit definierten Preisen und Lieferanten, liegen die Bestellkosten bei € 50 bis € 100. Bei Erstbeschaffungen können die Bestellkosten zwischen € 300 und € 400 zu liegen kommen. Andererseits können für einfache automationsgestützte Bestellungen diese Kosten als untere Grenze € 5 bis € 7 erreichen. Nach oben hin können diese Werte allerdings auch noch insbesondere bei komplexen Reserveteilen, in welchen der Hersteller nicht mehr identifiziert werden kann, durch die Erstellung von Konstruktionsunterlagen, Angebotseinholung, die gegebenenfalls notwendige Reisetätigkeit etc. noch deutlich nach oben überschritten werden. Mit Hilfe des Minutenkostensatzes ist eine relativ fundierte Kostenschätzung möglich, weil alle Arten der gegebenenfalls notwendigen Sonderleistungen (siehe vorstehend) relativ exakt kalkuliert werden können. Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass die Bestellkosten je Mengeneinheit ein Minimum erreichen, wenn die Bestellmenge maximiert wird.
3.2.4 Bestellmenge, Lagerhaltungskosten und Sicherheitsbestand Lagerhaltungskosten umfassen alle Kosten, die durch die Lagerung von Material verursacht werden. Sie entstehen durch das in den Beständen gebundene Kapital, sie beanspruchen Lagerraum, Personalaufwendungen, Arbeitsmittel und gegebenenfalls entsteht Werteverzehr. Zu den Lagerhaltungskosten sind zu zählen [13]: • Lagermaterialkosten: Diese umfassen insbesondere die Kapitalbindungskosten, Versicherungskosten sowie Kosten für Wertminderung (Schwund, Alterung). Die Kapitalbindungskosten entsprechen der Verzinsung des gebundenen Kapitals, wobei als Bestandsmenge zumeist von einem Durchschnittswert ausgegangen wird. Die Höhe des zu verwendenden Zinssatzes wird meist als der kalkulatorische Zinssatz des Unternehmens angesetzt, unabhängig davon, ob das Lager durch Eigen- oder Fremdkapital finanziert wird. Bei ungleichmäßigen Lagerzu- und -abgängen wird zum Jahresanfangsbestand der 12-MonatsEndbestand addiert und diese Summe durch 13 dividiert. • Lagerraumkosten: Neben den variablen Beleuchtungs- und Heizungskosten sowie den Instandhaltungskosten kommen als fixe Bestandteile die Abschreibungen auf Lagergebäude und Lagerinventar sowie die Versicherungskosten.
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
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Naturgemäß fallen die Lagerraumkosten unabhängig von der gelagerten Menge an. Bei entsprechender Veränderung der Lagerraumgröße sowie der Lagerraumqualität (ggf. besondere Ansprüche betreffend Umgebungsbedingungen) fallen intervall- bzw. sprungfixe Kosten an. • Lagerpersonalkosten: Aufwendungen für die Lagerverwaltung, die Pflege der Bestands- und Bewegungsdaten (inklusive buchhalterische und körperliche Inventur) sowie die Behandlung lagernder Materialien sowie ggf. Ein- und Umlagerungen. Vom Kostencharakter her sind Lagerpersonalkosten sowohl fix als auch sprungfix. • Lagergemeinkosten: Darunter sind eigentlich direkt zurechenbare Kommunikations- und Transportkosten zu verstehen. Es handelt sich um teils fixe bzw. variable Kosten. Da die vom Mengenwert der gelagerten Materialien abhängigen variablen Kosten – insbesondere die Kapitalbindungskosten – wesentlich höher als die fixen oder sprungfixen Kosten sind, wird in der Praxis vielfach eine Proportionalisierung der fixen Kosten in Kauf genommen und die Lagerhaltungskosten als globaler Kostensatz pro Materialeinheit gebildet. Dieser errechnet sich dann als Lhs = Zs + Ls Dabei bedeuten: Lhs Lagerhaltungskostensatz [in % des gebundenen Kapitals] Zs Zinssatz des gebundenen Kapitals Ls Lagerkostensatz [in % des gebundenen Kapitals] (Lagerkosten je Periode/durchschnittlicher Lagerbestandswerte) × 100 Dazu folgendes Beispiel [13]: Der auf ein Jahr bezogene durchschnittliche Lagerbestandswert beträgt 1.200.000,– GE, die jährlichen Lagerkosten belaufen sich auf 180.000,− GE. Die Verzinsung des investierten Kapitals wird auf 10% festgesetzt. Dann ist Ls = (180.000/1.200.000) × 100 = 15% Lhs = 15% + 10% Lhs = 25% Obwohl für die unterschiedlichen Materialarten durchaus unterschiedliche Aufwendungen in der Lagerhaltung auftreten, wird aus Gründen der Praktikabilität auf eine Differenzierung nach Materialarten verzichtet. Der Aufwand für eine differenzierte Aufwandserfassung und Kostenzuordnung wäre bezogen auf den Lenkeffekt zu hoch. Gegebenenfalls macht es Sinn für einzelne Materialgruppen z. B. Reserveteile und Normbauteile getrennt, unterschiedliche Lagerkostensätze zu ermitteln. Zu erwähnen ist, dass der Sicherheitsbestand nicht in die Ermittlung des Durchschnittsbestandes einbezogen wird. Natürlich wirkt sich die Beschaffungspolitik auf die Höhe der Lagerhaltungskosten aus. Mit steigender Bestellmenge bzw. geringerer Bestellhäufigkeit steigen die Lagerhaltungskosten. Allerdings sinken damit wiederum die Bestellkosten, d. h., die Lagerhaltungskosten werden minimal, wenn die Bestellkosten maximal werden.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Folgendes Beispiel (siehe hierzu Abb. 3.2) soll dies illustrieren [13]: Es wird angenommen, dass von einem Artikel der gesamte Jahresbedarf (2400 Stk.) durch 2 Bestellungen abgedeckt wird, d. h., dass jeweils 1200 Stk. ins Lager genommen werden. Unterstellt man gleichmäßige Materialentnahmen, lagern dann im Jahresdurchschnitt 600 Stk. des Jahresbedarfs. Wird im Gegensatz dazu die Bestellmenge auf 400 Stk. gesenkt, so erreicht man eine Herabsetzung des durchschnittlichen Jahresbestandes auf 200 Stk. Damit ist auch hier im Jahresmittel die halbe Bestellmenge gelagert. Allerdings muss der Artikel häufiger nachbestellt werden, wodurch sich die Anzahl der Bestellungen erhöht. Der Sicherheitsbestand bleibt in der Betrachtung unberücksichtigt. Von Interesse ist nun weiter, auf wie viele Prozent des durchschnittlichen Lagerwertes sich die Lagerhaltungskosten belaufen. In Tabelle 3.2 sind Lagerhaltungskosten-Prozentsätze aufgeführt, wie sie normalerweise in Produktionsbetrieben üblich sind. Es wird deutlich, dass die Zinsen für das im Lager gebundene Kapital der gewichtigste Kostenfaktor sind. Der Sicherheitsbestand ist eine wichtige Komponente insbesondere der Ersatzteilbewirtschaftung, da er (zufällige) Schwankungen der Nachfrage und ggf. der Beschaffungszeit bzw. des Materialzuganges ausgleichen soll. Niedrige Sicherheitsbestände erhöhen offensichtlich das Risiko des Auftretens von Fehlbeständen und damit u. U. von Fehlmengenkosten (Ausfallkosten), verursachen aber geringere Lagerkosten.
Abb. 3.2 Beziehungen zwischen dem durchschnittlichen Lagerbestand und der Bestellmenge [13]
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
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Tabelle 3.2 Übliche Lagerhaltungs-Prozentsätze (in Anlehnung an [13]) Zinsen des gebundenen Kapitals Alterung, Verschleiß Verlust, Bruch
06 02 01
bis 10% bis 05% bis 04%
Transport Abschreibung Lagerverwaltung
02 bis 04% 01,5 bis 02% 01 bis 02%
Steuern Versicherung Lagerhaltungskostensatz
01 bis 02% 00,5 bis 01% 15 bis 30%
Ein optimal bewirtschaftetes Ersatzteillager erreicht in der Summe beider Kostenarten ein Minimum. Der Sicherheitsbestand ist das steuernde Element praktischer Lagerhaltungsdispositionen. Seine Höhe hängt von dem vorgegebenen oder angestrebten Servicegrad ab. Letztere drückt die Wahrscheinlichkeit aus, dass der Endbestand einer Periode nicht negativ wird.
3.2.4.1 Der Sicherheitsbestand und seine Berechnung Der Mindestbestand an Ersatzteilen der in „normalen“ Bewirtschaftungs- bzw. Verbrauchssituationen nicht für die Instandhaltung herangezogen wird, stellt den Sicherheitsbestand dar. Abnormales (unvorhersehbares) Abgangsverhalten von Einbauteilen (insbesondere Zufallsausfälle) bzw. Schwankungen in der Beschaffungsdauer können dieses Puffers bedürfen. Bei hohen Fehlmengenpotenzialen (Ausfallkosten) sind hohe Sicherheitsbestände angebracht. Vor allem bei stochastischer Bedarfsermittlung ist mit Abweichungen der IstDaten von den Prognosedaten zu rechnen, aber auch bei der deterministischen Methode der Bedarfsermittlung können unvorhersehbare Ereignisse die rechtzeitige Bestellung von Ersatzteilen und damit deren Verfügbarkeit in Frage stellen (vgl. Abb. 3.3). Die vielfachen Einflüsse insbesondere durch Verbrauchsabweichungen bei Ersatzteilen, aber auch Bestands- und Liefermengenabweichungen sowie Schwankungen im Liefertermin sind im Lagerbestandsverlauf sichtbar. Zur Bestimmung des „optimalen“ Sicherheitsbestandes findet sich in der Literatur eine Vielzahl statistischer Lagerhaltungsmodelle, welche allerdings infolge irrealer Prämissen bzw. teilweise zu hoher Rechenkomplexitäten geringe praktische Relevanz besitzen. In der betrieblichen Praxis arbeitet man entweder mit 1. Sicherheitszuschlägen, 2. heuristischen Funktionen oder 3. mathematischen Methoden, wie dem Bestellpunkt- bzw. Bestellrhythmusverfahren.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Abb. 3.3 Lagerbestandsverlauf [13]
1. Festlegung eines konstanten Sicherheitsbestandes aufgrund von Erfahrungswerten. In der Praxis wird bei manueller Disposition oftmals mit einem festen Sicherheitsbestand SI gearbeitet. Er deckt den möglichen Zusatzverbrauch während der Beschaffungszeit. • Ultrakonservative Methode: Höchster Tagesverbrauch mal längste Beschaffungszeit [Tage]. • Prozentmethode: Der Sicherheitsbestand ist ein %-Satz aus durchschnittlicher Beschaffungszeit und der Lagerabgangsrate. Dieser %-Satz wird zwischen 25 und 40% gewählt. Einerseits sind diese Verfahren einfach zu handhaben, andererseits führt zumeist das risikoaverse Verhalten zu hoher Kapitalbindung. Dies über lange Zeiträume, da zumeist die festgelegten Sicherheitsbestände nicht geändert werden. Wenn neben den Verbrauchsabweichungen weitere Abweichungen wie z. B. in der Lieferzeit, der Liefermenge des physischen vom buchhalterischen Bestand (Diebstahl, Buchungsfehler etc.) berücksichtigt werden sollen, so wird der Sicherheitsbestand SI wie folgt ermittelt: SI = TL + V ² + M ² + B²
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
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Dabei bedeuten: SI Sicherheitsbestand TL Lieferzeitabweichungen V Verbrauchsabweichungen M Minderlieferungen B Bestandsabweichungen aufgrund von Buchungsfehlern, Diebstahl usw. Es wird damit deutlich, dass der Sicherheitsbestand kleiner ist als die Summe der möglichen Abweichungen (Fehlerfortpflanzungsgesetz). 2. Bestimmung des Sicherheitsbestandes mittels heuristischen Funktionen Der Sicherheitsbestand wird als Funktion • des durchschnittlicher Lagerabganges, • der Streuung des Lagerabganges, • der durchschnittlichen Beschaffungszeit und der Beschaffungskosten je Einheit bestimmt. Die Funktionen werden anhand von Vergangenheitswerten simuliert; insgesamt sind bei hinreichender Datenbasis befriedigende Ergebnisse zu erzielen. 3. Mathematische Bestimmung des Sicherheitsbestandes Grundsätzlich wird bei der Bestimmung des Sicherheitsbestandes neben der durchschnittlichen Bedarfsmenge die Unsicherheit der Bedarfvorhersage als Sicherheitszeit berücksichtigt. Im Konstantmodell ist die durchschnittliche Bedarfsmenge die Basis zur Bestimmung des Bestellpunktes (Meldebestandes). Je nach dem, ob neben dem variablen Bedarf die Lieferzeit als konstant oder ebenfalls als variabel angenommen werden muss, wird die Berechnung des Sicherheitsbestandes unterschiedlich vorgenommen (siehe hierzu Abschn. 3.3.3.1.2). Für die Berechnung des Sicherheitsbestandes sind Verteilungstypen zugrunde zu legen, die sich dem aus den Vergangenheitswerten ersichtlichen Abgangsverhalten des Lager- bzw. Bedarfsverhaltens der Ersatzteile am besten anpassen. Auf die Bedeutung der Bestimmung des Servicegrades soll an dieser Stelle hingewiesen werden, wobei als Beispiel eine Normalverteilung zugrunde gelegt wird (siehe Abb. 3.4). Wie die Abbildung verdeutlicht, kann ein Disponent, der sich an dem Durchschnittsverbrauch der Vergangenheit orientiert nur mit 50%-iger Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass der zukünftige tatsächliche Verbrauch nicht größer als 100 Mengeneinheiten ist. Will er einen Servicegrad von 84,13% erreichen (1,25 mean absolute deviation MAD), so muss er 105 Teile als Sicherheitsbestand auf Lager legen. Zur Vereinfachung des Rechenaufwandes in der Ermittlung der Standardabweichung wird für die Bestimmung des Sicherheitsbestandes die mittlere absolute Abweichung MAD verwendet. Weitere Details hierzu siehe S. 71f die Bedeutung der mathematisch statistischen Verfahren sind gerade im Bereich der Ersatzteilund hier insbesondere im Bereich der Reserveteilbewirtschaftung (A- und B-Teile) besonders hoch. Natürlich ist für die dabei notwendige manuelle Disposition
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Abb. 3.4 Gaußsche Normalverteilung und MAD [13]
auch unter Zuhilfenahme von PC-gestützten Rechenunterstützungen (Bridge-Programme) der Dispositionsaufwand hoch. Dies ist aber angesichts des hohen Lagerhaltungskostenpotenzials insbesondere aber auch des Ausfall- bzw. Fehlmengenkostenpotenzials durchaus wirtschaftlich. 3.2.4.2 Beispiele zu Lagerbestand, Sicherheitsbestand und Lagerhaltungskosten 1. Beispiel: Lagerbestand [14] Ein Unternehmen der Elektronikbranche produziert Simulationsgeräte. Zur Beobachtung der laufenden Fertigung werden umfangreiche Testreihen durchgeführt. Da die Fertigung der Simulationsgeräte stark vom Auftragseingang abhängt, ist die Kenntnis des jeweiligen Lagerbestandes besonders wichtig. Folgendes Zahlenmaterial ist gegeben: Januar Februar März April Mai Juni
300 260 320 340 400 200
Juli August September Oktober November Dezember
360 340 440 400 420 380
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
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Tabelle 3.3 Beispiel
Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
Bestand
Offene Bestellungen
Vormerkungen
verfügbarer Bestand
0.300 0.260 0.320 0.340 0.400 0.200 0.360 0.340 0.440 0.400 0.420 0.380 4.160
050 050 050 040 045 080 000 040 050 060 055 050 855
025 030 100 120 090 150 130 090 070 000 000 050 855
0.325 0.280 0.270 0.260 0.355 0.130 0.230 0.290 0.420 0.460 0.475 0.380 3.875
Gesucht sind: 1. der durchschnittliche Lagerbestand S ; 2. der verfügbare Bestand, wenn offene Bestellungen und Vormerkungen zu berücksichtigen sind: • offene Bestellungen: 50, 50, 50, 40, 45, 80, 0, 40, 50, 60, 55, 50 • Vormerkungen: 25, 30, 100, 120, 90, 150, 130, 90, 70, 0, 0, 50 3. Wie hoch ist der durchschnittliche verfügbare Bestand Sv? Lösung: 1. Der durchschnittliche Lagerbestand ergibt sich: S=
∑ aller Monatswerte = 4.160 = 346 ,67
12 = 347 Stück
12
2. Der verfügbare Bestand der einzelnen Monate ist der Tabelle (s. oben) zu entnehmen. 3.
SV =
3.875 = 322 Stück 12
2. Beispiel: Sicherheitsbestand [14] Der Sicherheitsbestand für die Simulationsgeräte aus vorigem Beispiel ist zu ermitteln. Der Verbrauch entspricht den Vormerkungen, da überwiegend nur auf
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Bestellung geliefert wird. Die Beschaffungsdauer (interne Fertigungsdauer) beträgt 2 Monate. 1. Wie hoch ist der Sicherheitsbestand SI ? 2. Welche Werte ergeben sich bei einer gleitenden Ermittlung über einen Zeitraum von 5 Monaten? 3. Welchen Vorteil hat das Verfahren der gleitenden Ermittlung? Lösung: 1. Summieren der Vormerkungen ergibt 855, durch 12 geteilt = 71,25.
SI = 71,25 ⋅ 2( Monate ) = 142,5 = 143 Stück 2. Es wird – beginnend mit dem Januar-Wert – die ersten 5 Monate addiert, der Durchschnitt festgestellt und daraus ein Sicherheitsbestand für den Monat März ermittelt. SI = SI = SI = SI = SI = SI = SI = SI =
(365/5) × 2 (490/5) × 2 (590/5) × 2 (580/5) × 2 (530/5) × 2 (440/5) × 2 (290/5) × 2 (210/5) × 2
= = = = = = = =
073 × 2 098 × 2 118 × 2 116 × 2 106 × 2 088 × 2 058 × 2 042 × 2
= = = = = = = =
146 196 236 232 212 176 116 084
März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt.
= = = = = = = =
146 196 236 232 212 176 116 084
Stück Stück Stück Stück Stück Stück Stück Stück
3. Unter der Voraussetzung, dass die Auftragseingänge und Vormerkungen noch frühzeitig vorgenommen werden können, lassen sich Sicherheitsbestände ermitteln, die der realen Situation besser angepasst sind.
3. Beispiel: Lagerhaltungskosten [14] Der Lagerbestand eines Unternehmens betrug 2007: Material- Nr.
Anzahl
Einstandspreis KE [€] Gesamtwert [€]
101 102 103 104 105 106 107 108 109 110
05.000 10.000 03.000 08.000 01.000 20.000 15.000 10.000 04.000 07.000
0.200 0.250 0.100 0.150 2.000 0 050 0.100 0.300 0.500 0.350
01.000.000 02.500.000 00.300.000 01.200.000 02.000.000 01.000.000 01.500.000 03.000.000 02.000.000 02.450.000 16.950.000
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
49
Gegeben ist folgende Kostenaufstellung: Lagergutkosten Lagerraumkosten Lagerpersonalkosten Lagergemeinkosten
075.000 € 115.000 € 555.000 € 205.000 €
€ 950.000,00
Es wird mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 8% gerechnet. Gesucht sind: 1. der Lagerkostensatz des Unternehmens; 2. der Lagerhaltungskostensatz; die Lagerkosten je Einheit des Materials 102; die Lagerhaltungskosten je Einheit des Materials 102; 3. Maßnahmen, mit deren Hilfe die Lagerkosten vermindert werden können. Lösung: 1. Ls = 950.000 × 100/(16.950.000/2) = 11,21% 2. Lhs = Zs + Ls = 8 + 11,21 = 19,21% LK(102) = 250 × 0,1121 = 28,03 € Lhk(102) = KE × Lhs = 250 × 0,1921 = 48,03 € 3. Bei der Analyse der Lagerkosten fällt besonders der hohe Anteil an Personalkosten (= 555.000 €) auf. Darüber hinaus kann vermutet werden, dass in den Lagergemeinkosten ebenfalls ein Personalkostenanteil steckt. Erfahrungsgemäß könnte dieser Anteil bei 40% liegen. Bei einem Betrag von 82.000 € würden damit Personalkosten in der Höhe von 637.000 € entstehen. Diese Kosten resultieren aus den vielfältigen Tätigkeiten im Lagerbereich, so u. a.: Einlagern, Umlagern, Disponieren, Portionieren, Kommissionieren, Zählen-, Messen-, Wiegen, Auslagern. Der hohe Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten muss zu einer Rationalisierung im Personalbereich führen. Sicherlich entstehen durch die Einsparung von Personalkosten höhere Sachkosten, da man versuchen wird, durch geeignete Betriebsmittel die Effizienz der Lagertätigkeiten zu steigern. Ansatzpunkte einer Analyse können sein:
• Wieviel Zeit wird für manuelle Aufzeichnungen benötigt? • Werden Terminals eingesetzt, die das Ein- und Auslagern automatisiert vornehmen? • Wie wird die Qualitätskontrolle durchgeführt; finden Stichprobenpläne Anwendung? • Kann das Lager auf eine automatische Lagersteuerung umgestellt werden? • Lassen sich Transporteinheiten (Behälter, Paletten, etc.) so einsetzten, dass umfangreiche Umschlagstätigkeiten entfallen?
50
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.2.5 Die klassische Losgrößenberechnung Das Grundmodell der optimalen Bestellmenge, welches Anfang des vorigen Jahrhunderts in den USA und im deutschen Sprachraum (hier von Andler) für den Fertigungsbereich entwickelt wurde, ist analog im Beschaffungsbereich anwendbar. Zur Festlegung der Bestellpolitik ist ausgehend vom bekannten Jahresbedarf einer bestimmten Güterart die Frage zu beantworten, zu welchen Zeitpunkten welche Mengen zu beschaffen sind. Die zu suchende optimale Bestellmenge (Q) ist jene Menge eines Artikels, bei der die Kosten je beschaffter Mengeneinheit insgesamt ein Minimum erreichen. Sie setzen sich aus den Bestellkosten sowie den Lager- und Zinskosten zusammen. Nachfolgend werden die in der Berechnung zu berücksichtigenden Parameter und die Gesamtkostenfunktion hergeleitet.
m mopt M Kf KE
Bestellmenge gesuchte optimale Bestellmenge (= Q) Jahresbedarfsmenge von der Bestellmenge unabhängige (fixe) Kosten je Bestellung Einstandspreis je Mengeneinheit (ME) (Nettokaufpreis + Verpackungs- und Transportkosten + Spesen u. a.) ZS Zinssatz für das während eines Jahres durchschnittlich gebundene Kapital (in % oder als Dezimale) LS Lagerkostensatz für die während eines Jahres durchschnittlich gebundenen Kosten der Lagerhaltung in % des durchschnittlichen Lagerwertes (oder als Dezimale) Lhs Lagerhaltungskostensatz (= Zs + Ls) in % des durchschnittlichen Lagerwertes K Gesamtkosten n Bestellhäufigkeit (= M/m) Bei Annahme eines gleichmäßigen, über das Jahr verteilten Lagerabganges (vgl. Abb. 3.5) und Vernachlässigung der Materialeinstandskosten lassen sich die Gesamtkosten K wie folgt mathematisch ermitteln: M ( 1 Jahr ) m
Bestellhäufigkeit in der Planperiode
=
Bestellkosten je Bestellung
=Kf
Bestellkosten in der Planperiode
=Kf ⋅
durchschnittlicher Lagerbestand
=
m 2
durchschnittlicher Lagerwert
=
m ⋅ KE 2
Lagerhaltungskosten in der Planperiode =
M m
m (Z + LS ) ⋅ KE ⋅ S 2 100
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
51
Abb. 3.5 Graphische Darstellung der optimalen Bestellmenge
Die Gesamtkosten für die Materialbereitstellung betragen demnach K = Kf ⋅
M m ( Z + LS ) + ⋅ KE ⋅ S m 2 100
Der Verlauf dieser Kostenfunktionen ist in Abhängigkeit der Bestellmenge in Abb. 3.5 dargestellt. Das Minimum dieser Kostenfunktion und damit die optimale Bestellmenge erhält man durch Differenzieren nach x: dK = K f ⋅
M ( Z + LS ) + [ KE ⋅ S ] m² 100
Setzt man dK/€ = 0 und löst die Gleichung nach m auf, erhält man die klassische Losgrößenformel. mopt =
200 ⋅ M ⋅ K f K E ⋅ ( Z S + LS )
Dieser Formel liegt die Jahresbedarfsmenge zugrunde. Bei Mengenbestimmung für den Monatsbedarf lautet die Formel: mopt =
wobei Mm der Monatsbedarf ist.
200 ⋅ 12 ⋅ M m ⋅ K f K E ⋅ ( Z S + LS )
52
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Aus dieser Formel der optimalen Bestellmenge ergeben sich durch Umstellungen weitere optimale Werte [13]: So ist die optimale Bestellhäufigkeit: no =
M mopt
Nach Umstellung gilt daher die Gleichung: 200 ⋅ M ⋅ K f K E ⋅ ( Z S + LS )
M = no
Diese Gleichung nach no aufgelöst ergibt: no =
K E ⋅ M ⋅ ( Z S + LS ) 200 ⋅ K f
Löst man die Grundformel nach no·KE auf, erhält man die Formel für den optimalen Bestellwert: mopt ⋅ K E =
200 ⋅ M ⋅ K E ⋅ K f Z S + LS
Den Zusammenhang zwischen der optimalen Bestellmenge und der optimalen Bestellhäufigkeit veranschaulicht nachstehendes Beispiel [13]: Gegeben sind: Jahresbedarfsmenge M = 20.000 ME (= Materialeinheiten) Einstandspreis KE = 12 € je ME Bestellkosten Kf = 24 € je Bestellung Zinssatz ZS = 8% p. a. Lagerkostensatz LS = 12% p. a. Dann ist: mopt =
200 ⋅ 20.000 ⋅ 24 = 400.000 = 632 ME 12 ⋅ ( 8 + 12 )
Die optimale Bestellhäufigkeit folgt daraus: no =
M 20.000 = ≈ 30 mopt 632
Im Minimum verläuft die Gesamtkostenkurve (Abb. 3.5) sehr flach, d. h. relativ große Abweichungen von der optimalen Bestellmenge verursachen nur geringe Abweichungen in den Gesamtkosten. Ein Unterschreiten der optimalen Bestellmenge führt zu höherem Kostenanstieg als ein Überschreiten. Dies ist für Rundungen bedeutsam.
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
53
In der Praxis empfiehlt sich, die Bestellmenge über einen längeren Zeitraum nicht zu verändern und Abweichungen vom Optimum innerhalb des Bereiches von etwa 30% nach unten und 50% nach oben in Kauf zu nehmen [13]. Insgesamt ist festzustellen, dass bei Artikeln, die verbrauchsgesteuert disponiert werden sollen, in jedem Fall die wirtschaftliche Bestellmenge errechnet werden sollte. Bei sinnvoller Anwendung kann eine deutliche Senkung der Kapitalbindung und Entlastung des Lagers erreicht werden. Erhebliche Kosteneinsparungen sind dann die Folge [13]. Zu beachten sind allerdings die zahlreichen Restriktionen wie konstanter Einstandspreis, Mengenrabatte unberücksichtigt, Lagerhaltungskosten vollständig proportionalisiert (also 100% variabel) sowie der als bekannt und gleichmäßig vorausgesetzte Lagerabgang. Die Restriktionen lassen sich durch methodische und formelmäßige Adaptionen berücksichtigen. Der veränderliche Bedarf und ggf. auch permanente Beschaffungen (neben periodischen) lassen sich durch dynamische Bestellmengenoptimierung lösen.
3.2.5.1 Hilfsmittel zur Bestellmengenrechnung Die Verwendung der klassischen Losgrößenformel wird durch DV-Standardprogramme, aber auch manuelle Hilfsmittel wie beispielsweise Nomogramme und Tabellen erleichtert. Aus diesen können Disponenten ohne mathematische Vorbildung die optimalen Bestellmengen bzw. die optimalen Bestellhäufigkeiten ermitteln. Eine solche Tabelle geht beispielsweise von der Zerlegung der Beschaffungsformel unter der Voraussetzung aus, dass in vielen Fällen über einen längeren Zeitabschnitt mit konstanten Bestell- und Lagerhaltungskosten gerechnet werden kann. Damit können aus den konstanten Größen Kf, Lhs, ZS und dem konstanten Wert 200 der Bestellfaktor Z gebildet werden. Es sind dann:
mopt mopt =
Z=
200 ⋅ K f M ⋅ Z S + LS KE 200 ⋅ K f Z S + LS
Die entsprechenden Bestellfaktoren lassen sich für verschiedene Bestellkosten sowie Zins- und Lagerkostensätze ablesen (siehe Tabelle 3.4) und erläutert die Anwendung des Bestellfaktors. Es liegen folgende Angaben zur Berechnung der optimalen Bestellmenge für die Gruppe der C-Artikel vor [13]: Jahresbedarf M = 24.000 ME Einstandspreis KE = 15 € je ME
54
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Tabelle 3.4 Bestellfaktor Z ZS + LS Kf
10
15
20
25
30
35
40
10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80
14,1 17,3 20,0 22,4 24,5 26,5 28,3 30,0 31,6 33,2 34,6 36,1 37,4 38,7 40,0
11,5 14,1 16,3 18,3 20,0 21,6 23,1 24,5 25,8 27,1 28,3 29,4 30,5 31,6 32,6
10,0 12,2 14,1 15,8 17,3 18,7 20,0 21,2 22,4 23,5 24,5 25,5 26,5 27,4 28,3
08,9 10,9 12,6 14,1 15,5 16,7 17,9 19,0 20,0 20,0 21,9 22,8 23,7 24,5 25,3
08,2 10,0 11,5 12,9 14,1 15,3 16,3 17,3 18,3 19,1 20,0 20,8 21,6 22,4 23,1
07,6 09,3 10,7 11,9 13,1 14,1 15,1 16,0 16,9 17,1 18,5 19,3 20,0 20,7 21,4
07,1 08,7 10,0 11,2 12,2 13,2 14,1 15,0 15,8 16,6 17,3 18,0 18,7 19,4 20,0
Bestellkosten Kf = 10 € je Bestellung Zinssatz ZS = 8% Lagerkostensatz LS = 7% Es ist zunächst der Bestellfaktor aus Tabelle 3.4 abzulesen:
Z = 11,5 Mit diesem Bestellfaktor erhalten wir für: mopt = 11,5 ⋅
24.000 = 11,5 ⋅ 40 = 460ME 15
3.2.5.2 Grenzen der Bestellmengenrechnung Neben den bereits erwähnten restriktiven Anwendungsbedingungen, die durch Modellerweiterungen Berücksichtigung finden können, sind weitere Restriktionen in der betrieblichen Praxis zu berücksichtigen. Hierzu gehören insbesondere produktionsbedingte Restriktionen wie beispielsweise technische Höchstbestellmengen, begrenzte Lagerkapazitäten, begrenzte Lagerfähigkeit der Produkte, Risikosituationen, die insbesondere im Bereich der Ersatz- und Reserveteildisposition zu berücksichtigen sind, sowie weitere lieferanten- und transportbedingte Bestellmengenrestriktionen. Das Hauptproblem allerdings, das insbesondere im Bereich der Ersatzteilbedarfsmengenermittlung eine wesentliche Rolle spielt, ist dass alle bisher besprochenen Modelle voraussetzen, dass die Bedarfsmengen eindeutig bekannt sind. Im Bereich der Ersatzteilposition sind die Bedarfsmengen oftmals
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
55
geschätzte, erwartete oder vermutete Größen, die wenn sie deterministischen Modellen zugrunde gelegt werden, dazu führen, dass der Endzustand nach einer Bestellung mit den darauf folgenden Lagerabgängen in der Regel nicht dem im Modell berechneten Zustand gleicht. D. h., der Anfangszustand vor der nächsten Entscheidungssituation stimmt nicht mehr mit den Modellannahmen überein, sodass vor jeder Entscheidung der aktuelle Lagerbestand angepasst werden muss. Bewegt sich der stochastische Bedarfsverlauf mit zufälligen Abweichungen um eine konstante Höhe oder liegen saisonale Schwankungen der Bedarfshöhe vor, die sich rhythmisch wiederholen, kann man in der Praxis zumeist die Zufallseinflüsse vernachlässigen und hilfsweise eines der deterministischen Verfahren anwenden. Natürlich entstehen dadurch Abweichungen vom Optimum. Ist der Bedarfsverlauf weder konstant noch wiederholt er sich in irgendeiner Form, stimmen die Voraussetzungen für die Anwendung der vorgenannten Optimierungsverfahren nicht mehr. Es gilt, Dispositionsregeln anzuwenden, die angeben, wann und in welcher Höhe eine Bestellung zu veranlassen ist. Diese Regeln werden Lagerhaltungssysteme genannt. Auf diese ist bereits in Abschn. 3.1 hingewiesen worden, wobei nachstehend speziell auf das Bestellpunkt- und das Bestellrhythmusverfahren eingegangen wird.
3.2.6 Der Bestellpunkt und der Bestellrhythmus Obwohl die – wie bereits hingewiesen – materialwirtschaftlich ausgerichteten Lagerhaltungsmodelle nicht ersatzteilspezifisch sind, da sie hingegen den ersatzteilspezifischen zuverlässigkeitstheoretisch ausgerichteten Modellen nicht das hinter dem Ersatzteilbedarf stehende Ausfallverhalten der Betriebsmittel in Verbindung mit den daraus resultierenden Instandhaltungsstrategien berücksichtigen, soll in Ergänzung zu Abschn. 3.1 auf die materialwirtschaftlich ausgerichtete verbrauchsbedingte Bestandsergänzung eingegangen werden. In diesem Fall werden kontinuierliche Lagerabgänge unterstellt, die aufgrund der Ersatzteilverbräuche in der Vergangenheit errechnet werden. So lassen sich die Lagerzugänge durch Kombination von Bestellzyklus oder -punkt und wirtschaftlicher Losgröße optimieren. Ziel ist es dabei, eine Bestellung oder einen Auftrag so termingerecht zu erteilen, dass bis zur Verfügbarkeit des neuen Materials jede mögliche Bedarfsforderung abgedeckt werden kann. Die verbrauchsbedingte Bestandsergänzung wird daher vor allem dort angewandt, wo ein regelmäßiger Verbrauch an Hilfsund Betriebsstoffen sowie relativ geringwertige Ersatzteile (C-Teile) vorliegen. Wie bereits dargestellt sind je nach Art der Bestellauslösung das Bestellpunktverfahren (Mengensteuerung) und das Bestellrhythmusverfahren (Terminsteuerung) zu unterscheiden. Je nach Lagerhaltungspolitik und Lagerhaltungsstrategien gibt es innerhalb dieser Verfahren weitere Variationsmöglichkeiten, die darauf abzielen, eine weitgehende Dispositionsautomatik zu erreichen und das Globalziel, ausreichende Lieferbereitschaft des Lagers zu minimalen Kosten zu gewährleisten.
56
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.2.6.1 Das Bestellpunktverfahren – der Bestellpunkt Wie dargestellt, besteht bei den Bestellpunktsystemen eine permanente Lagerkontrolle; weiterhin setzt die Anwendung von Bestellpunktsystemen voraus, dass Anlieferung und Lagerung zu jedem beliebigen Termin möglich sind. Durch die DV-gestützte Lagerhaltung in Kombination mit einem sog. „Trigger“ ist es möglich, automatisch die Routine-Abfrage zu starten, ob der Bestellpunkt unterschritten wird oder ist und dann automatisch einen Bestellvorschlag zu erstellen. So können Standardbestellungen definiert und bereits vorab für ein E-Procurement zugelassen sein. Entscheidend ist die Wahl des richtigen Bestellpunktes bzw. der richtigen Bestellmenge. Ist die Bedarfsverteilung ungleichmäßig, so wird der Bestellpunkt nicht in gleichen Zeitintervallen erreicht, wodurch sich unterschiedliche Bestellintervalle ergeben. Nachdem der verfügbare Bestand den Bedarf im Zeitraum von der Auslösung der Bestellung bis zur Verfügbarkeit der neuen Lieferung abdecken sollte, muss der Bestellpunkt so festgelegt werden, dass der voraussichtliche Verbrauch gedeckt werden kann. Naturgemäß ist ein Bestellpunkt immer von der Genauigkeit der Bedarfsprognosen und der Lieferzuverlässigkeit des Ersatzteillieferanten abhängig. Beide Kriterien sind bei der Festlegung des Sicherheitsbestandes zu berücksichtigen. Letzterer ergibt sich als Differenz zwischen dem maximal erwarteten und dem durchschnittlich erwartenden Bedarf während der Beschaffungszeit. Dies bedeutet beispielsweise bei einem durchschnittlichen Tagesbedarf eines Spezialöles von 120 l, einer Beschaffungszeit von 10 Tagen und das Vorhalten eines Sicherheitsbestandes für 8 Tage einen Bestellpunkt s von: s = 120 × 10 + 120 × 8 = 2160 l Dieser in der Praxis kaum gegebene Idealzustand (siehe hierzu Abb. 3.6) trifft insbesondere im Bereich der Ersatzteilwirtschaft kaum zu, da der Bedarf deutlich schwankt, wenn gleich die Beschaffungszeit aufgrund von Lieferverträgen relativ konstant gehalten werden kann. Damit müsste der Sicherheitsbestand erhöht oder verringert und der Bestellpunkt angepasst werden, da letzterer den Sicherheitsbestand einschließt. Zur Wahl des Bestellpunktes gibt es die Möglichkeiten diesen konstant zu halten, den Bestellpunkt bei jedem Überprüfintervall neu zu berechnen (gleitender Bestellpunkt) oder den Bestellpunkt über die Lagerreichweite ebenfalls bei jeder Überprüfung neu zu berechnen. In letzterem Fall wird der Bestellpunkt nicht als Mengen- sondern als Zeiteinheit angegeben. Der Bestellpunkt wird als Soll-Eindeckungszeit berechnet (Werktage) und für die Berechnung der Reichweite herangezogen. Zur Verringerung des Arbeitsaufwandes und der einfachen betrieblichen Anwendung werden zumeist vereinfachte Verfahren zur Bedarfsauslösung eingesetzt, wobei dieselben insbesondere – wie erwähnt – bei C-Teilen ihre Anwendung finden. Bei Hilfs- und Betriebsstoffen, die einer Alterung unterliegen wird auch berücksichtigt, dass eine bestimmte Verbrauchsfolge eingehalten wird. Damit wird sichergestellt, dass die zuerst angelieferten Materialien als erstes im Instandhaltungs- bzw. Produktionsprozess eingesetzt werden (first-in-first-out-Prinzip).
3.2 Beschaffungsprogrammplanung
57
Abb. 3.6 Die Sägezahnkurve als Beispiel für die Bestandsrechnung nach dem Bestellpunktverfahren unter konstanten Bedingungen [13]
3.2.6.2 Das Bestellrhythmusverfahren – die Terminsteuerung Wie bereits dargestellt, zeichnen feste Beschaffungsrhythmen und variable Bestellmengen dieses Verfahren aus. Mittels einer periodischen Vorratsüberprüfung wird der Verbrauch der vergangenen Bestellperiode ermittelt. Je häufiger diese Kontrollen durchgeführt werden, desto genauer kann die Bestellmenge zum Beschaffungszeitpunkt festgelegt werden. Anwendung findet dieses Verfahren, wenn Lieferrhythmen durch den Ersatzteillieferanten vorgegeben oder der Instandhaltungsrhythmus eine Bestellung fehlender Ersatzteile zu bestimmten Vorhersageperioden erlaubt. Gleich dem gleitenden Bestellpunktverfahren sowie der Bestellpunktrechnung über die Lagerreichweite, sollten auch beim Bestellrhythmusverfahren Bedarfsverschiebungen zu einer Änderung des Bestellpunktes führen. Wird beim Verfahren des gleitenden Bestellpunktes der Bestellpunkt bei jeder Überprüfung neu berechnet und die Bedarfsveränderung in die Bestellpunktrechnung einbezogen, so wird bei der Festlegung der Bestellpunkt über die Lagerreichweite eine neue Bestellung durch den Vergleich von Soll-Eindeckungszeit und Ist-Eindeckungszeit ermittelt. Auch für das Bestellrhythmusverfahren werden in der Praxis optimierende DV-gestützte Rechenverfahren eingesetzt. Je nach Wahl des Bestellzeitpunktes, der Bestellmenge und der Sicherheitsbestandsbereiche lassen sich die unter 3.1 dargestellten Bestandsmodelle unterschieden.
58
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.2.6.3 Das Optionalverfahren Wie erwähnt, stellen Optionalsysteme eine Erweiterung der beiden anderen Lagerhaltungssysteme dar, in dem Kontrollmechanismen der Bestellpunkt- und der Bestellrhythmusverfahren vereinigt werden. Durch die Kombination der Meldemenge und der regelmäßigen Lageüberprüfung wird eine konsequente Überwachung der Lagerbestände und der Lagerabflüsse gewährleistet. Ob ein (t, s, Q)-System oder das (t, s, S)-System angewandt wird, bestimmt sich aus den Rahmenbedingungen. Da das Erfordernis der Bestelltermine bzw. der Lagerbestandskontrolle durch die gegebene IT-Unterstützung im Bereich der Reserveteil- bzw. Ersatzteilbewirtschaftung nicht von herausragender Bedeutung sind spielt hier der Bedarfsverlauf, d. h. die Eigenschaften des Lagerabganges die entscheidende Rolle. Zusammenfassend wird nochmals festgehalten, dass für die Lagerhaltung in der Ersatzteillogistik ein selektives Vorgehen notwendig ist. Die materialwirtschaftlich ausgerichteten und in ihrer Grundstruktur nicht ersatzteilspezifischen Modelle erfahren erst dann eine wesentliche Erweiterung, wenn ersatzteilspezifisch zuverlässigkeitstheoretisch ausgerichtete Modelle, die konkreten hinter dem Ersatzteilbedarf stehenden Ausfallmechanismen der Betriebsmittel bzw. die gewählte Instandhaltungsstrategie berücksichtigen. Weitere Einflussgrößen, wie die Anlagenstruktur, die Instandsetzbarkeit, die mögliche Bereitstellungshäufigkeit von Ersatz-teilen und natürlich die Höhe der Fehlmengenkosten von Ersatzteilen erweitern die Möglichkeiten und Verfahren zur Optimierung der Ersatzteilbewirtschaftung beträchtlich.
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung Um dem Ziel der logistischen Ersatzteilbewirtschaftung – einen gegebenen Bedarf an Ersatzteilen in seiner quantitativen, qualitativen, zeitlichen und räumlichen Dimension kostengünstig sicherzustellen – nachzukommen, ist eine Vielzahl von dynamischen Planungs- und Dispositionstätigkeiten zu verrichten. Neben den engen Bezügen von einigen dieser global genannten Tätigkeiten zur industriellen Materialwirtschaft – wie etwa Verwaltung, Lagerun, Überwachung und Pflege der Bestände, der innerbetriebliche Transport und die Prinzipien der Festlegung optimaler Bestellmengen – weisen andere Tätigkeiten-Spezifika auf, die eine gesonderte Betrachtung der Ersatzteilbewirtschaftung unter Einschluss der Instandhaltung rechtfertigen. Zur erwähnten Kostenminimierung (Fehlmengenkosten versus Bestandkosten, siehe Abschn. 3.4) müssen die relevanten Einflussgrößen systematisch erfasst und zur Ableitung der Bewirtschaftungsstrategien aufbereitet und bereitgestellt werden. Da es bevorratungsrelevante Unterschiede zwischen Einort- und Mehrortteilen gibt, soll zuerst auf die Besonderheiten der Einortteile eingegangen werden [15]. Hierzu werden im Folgenden die Informationsinhalte und Kenntnisse der Instandhaltung und der Materialwirtschaft beschrieben, die die Basis für eine system-
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
59
übergreifende Bewirtschaftung darstellen. Dabei sind unter der Instandhaltung jene Stellen zu verstehen, welche sich mit der Wartung, Inspektion und Instandsetzung beschäftigen; unter der Materialwirtschaft jene, die für die Bewirtschaftung der Ersatzteile zuständig sind. Zunächst ist zu ergründen, warum, wann und wie ein Teil ausfällt; respektive muss versucht werden, diese Informationsbasis näherungsweise zu schaffen. Aus der gewählten Instandhaltungsstrategie ist dann die teileindividuelle Bewirtschaftungsstrategie zu entwickeln. Hierzu ist es nötig, die Informationen der Instandhaltung und die Kenntnisse bzw. Erfahrungen der Ersatzteilwirtschaft zu verknüpfen.
3.3.1 Informationsbasis der Instandhaltung Als wesentlich können folgende, die Anlagen betreffende Informationsinhalte bezeichnet werden:
• • • • • • • • •
Anlagenstruktur und Produktionsfluss Verfügbarkeits- und Zuverlässigkeitsanforderungen Ausfallverhalten der Instandhaltungsobjekte Inspektionsmöglichkeiten und -technologie Instandsetzbarkeit der Instandhaltungsobjekte Einsatzbedingungen Anlagenalter Anzahl der Einsatzstellen Ausfallkosten
Ausgehend von der Tatsache, dass eine Anlage nicht als ein einzelner Baustein angesehen werden kann, ist es notwendig, die Anlage in entsprechende Instandhaltungsobjekte zu differenzieren. Da die Ursache für einen Anlagenausfall und die Bevorratung von Ersatzteilen immer der Ausfall eines Elementes oder von mehreren Anlagenelementen ist, ist verständlich, dass die angesprochene Aufgliederung so weit zu gehen hat, dass die Wirkungsweise und damit die Bedeutung der Elemente erkennbar ist. Als Ergebnis dieser funktional-logischen Analyse sollten jene Elemente bekannt sein die als ausfallrelevant anzusehen sind. Die weiteren Betrachtungen werden sich in erster Linie auf diese Teile beziehen. Für Anlagenteile, die die Lebensdauer der Gesamtanlage determinieren (Strukturbauteile), kann – abhängig von vorhandenen Liefermöglichkeiten – eine Ausfallstrategie ohne Bereithaltung von Ersatzteilen als Ausgangsstrategie eingesetzt werden. Neben der eigentlichen Anlagenstruktur hat in diesem Zusammenhang auch die Stellung der betreffenden Anlage im Produktionsfluss Bedeutung. Sie charakterisiert und bestimmt letztendlich die Auswirkung eines Teilausfalles auf vor- und nachgeschaltete Anlagenbereiche und damit die an diese Anlage zu stellenden Verfügbarkeits- und Zuverlässigkeitsansprüche.
60
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Mit zunehmendem Produktionsfortschritt im Herstellprozess steigt der im Produkt gebundene Wert und ein ausfallbedingter Stillstand führt zu erhöhten Ausfallkosten durch die ausfallbedingte Liegezeit des Produktes. Daher steigen mit zunehmendem Prozessfortschritt prinzipiell die Zuverlässigkeitsanforderungen. Das Ausfallverhalten von Anlagen wird bestimmt durch das Ausfallverhalten der Subsysteme bzw. Elemente. Das ideale Informationsniveau, das Ausfallverhalten der einzelnen Anlagenteile als bekannt voraussetzen zu dürfen, wird in der Praxis in den wenigsten Fällen gegeben sein. Daher wird oftmals mit bekannten Wahrscheinlichkeitswerten gerechnet, die entweder vom Hersteller des Anlagenteils – bei Norm bzw. Standardbauteilen – bzw. aus statistischen Auswertungen von Ausfalldaten – gesammelt durch die anlagenverwendereigene Instandhaltung – stammen. Die Möglichkeiten, durch entsprechende off-line oder on-line durchgeführte Inspektionen zusätzliche Informationen über das Abnutzungsverhalten der Bauteile und damit eine bessere Prognose des Ausfallzeitpunktes zu ermöglichen, erweitert die Instandhaltungsstrategien beträchtlich. Die Instandsetzbarkeit der Ersatzteile beeinflusst sehr wesentlich die gewählten Instandhaltungsstrategien und darüber hinaus die Ersatzteilbewirtschaftungspolitik. Neben der austauschenden Instandsetzung mit oder ohne Bereithaltung von Ersatzteilen ist noch die ausbessernde Instandsetzung zu berücksichtigen. In diesem Fall werden die ausgefallenen Ersatzteile in instandhaltungseigenen oder fremden Reparaturwerkstätten wieder instand gesetzt und im Ersatzteillager gelagert. Damit resultiert ein je nach Unternehmenstyp unterschiedlich großer Teil der Lagerzugänge aus einer Instandsetzung von an das Ersatzteillager zurückgelieferten Anlagenteilen. Diese Ersatzteile werden Kreislaufteile oder manchmal auch Wechselelemente genannt. Hier ist darauf zu achten, dass diese Teile, egal ob sie vor Ort oder in einer zentralen Instandhaltungswerkstatt instand gesetzt werden, in einer Ersatzteilstatistik aufscheinen müssen, um das Ausfallverhalten des Ersatzteils statistisch festhalten zu können. Auch die Verwendung von aus Altanlagen gewonnenen Ersatzteilen bzw. von solchen, deren zugehörige Anlagen bereits ausgeschieden wurden, hat relativ hohe empirische Relevanz. Nicht zuletzt aufgrund der steigenden Personalkostentangente steht heute die Bevorratung von aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzten Baugruppen im Vordergrund; letzteres bedingt gleichzeitig einen wertmäßigen Anstieg der Ersatzteilbestände. Zur Bedeutung des Anlagenalters ist zu erwähnen, dass in der Praxis sowohl der Bedarf als auch der Bestand an Ersatzteilen mit steigendem Anlagenalter zunehmen. Eine wichtige Information bildet auch die Erkenntnis, ob das Ersatzteil ein Einort- oder Mehrort-Teil ist. Letztere sind Teile, die an mehreren Einbaustellen einer oder mehrere Anlagen Verwendung finden und sich für eine koordinierte Ersatzteildisposition anwenden lassen. Auch auf die Bedeutung der Ausfallkosten (Fehlbestandskosten) soll hier kurz hingewiesen werden. Details hierzu im Abschn. 3.8.
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
61
3.3.2 Informationen der Ersatzteilwirtschaft über Anlagenelemente als Entscheidungsgrundlage Bestandsdaten Der in der Regel hohe Bestand an Lagerpositionen muss, um praxisrelevante Informationen zu erhalten, näher differenziert werden. Dafür eignen sich entsprechende Selektionsverfahren, die in Form von Kennzahlendarstellungen eine wertund positionsmäßige Aufteilung des Ersatzteilbestandes ermöglichen. Dabei wird in der Regel die klassische ABC-Strukturierung des Bestandes ersichtlich sein. Neben der Bestandsstrukturierung kann die Lagerumschlagsdauer, differenziert nach Bestandsgrößenklassen, dargestellt werden (siehe Abschn. 3.5.1).
Bewegungsdaten Für die Bedarfsermittlung und logistische Ersatzteilbewirtschaftung ist eine Analyse der Bewegungsdaten (Lagerzugänge und Lagerabgänge) sowie eine Dokumentation derselben unerlässlich. Dabei sind neben den Standardinformationen (Artikelnummer, Menge, Datum usw.) wenn möglich Zusatzinformationen festzuhalten. Diese betreffen bei den Lagerzugängen die Information, ob es sich um planmäßig oder dringlich (aufgrund eines Fehlbestandes) erfolgte Bestellungen handelt. Darüber hinaus ist die Differenzierung, ob es sich beim Zugang um ein neues oder wieder instandgesetztes Ersatzteil handelt, von Bedeutung. Die Ersatzteillagerabgänge sollen die Zusatzinformationen enthalten, ob die Entnahme des Ersatzteiles geplant oder ungeplant erfolgte.
3.3.3 Vorgehensweisen zur logistischen Ersatzteilbewirtschaftung Ausgehend von der Tatsache, dass zumeist von bestehenden Ersatzteilbeständen auszugehen ist, stellt die Sicherstellung eines wirtschaftlichen Ersatzteil-Managements einen vielstufigen, iterativen Prozess dar. Dabei ist im ersten Schritt die Ausgangssituation zu untersuchen. Dabei helfen − wie erwähnt – Analysen, die von Bäck [16] zu einem Verfahren der „vollständigen logistischen Segmentierung“ entwickelt wurden. Der Grundgedanke dabei ist die Bestimmung geeigneter Kriterienklassen, mit deren Hilfe das gesamte Ersatzteilsortiment erfasst und abgebildet werden kann. Dazu werden Felder mit Analyseklassen aufgebaut, wobei als Parameter Abgangsmengen je Artikel, Bestand je Artikel, Gesamtzahl der Artikel je Segment, Gesamtbestand je Segment, Reichweite je Artikel, Anzahl der Abgänge bzw. Zugänge, Bestandswert, Umschlaghäufigkeit usw. zum Einsatz kommen. Durch die Möglichkeit der sequentiellen Detaillierung ergibt sich ein interaktiver Analyseprozess, der über die Bestandsstruktur, den Stückbestand je Artikel bis hin zur Bevorratungsstruktur
62
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
führt. Damit ist es nicht nur möglich, die bestandsrelevanten Artikel zu identifizieren, sondern eine Klassifikation durchzuführen, die im Einklang mit den Benutzerbedürfnissen der Instandhaltung richtungweisend zur Parameterbestimmung für eine optimale Bestandsbewirtschaftung führen. Diese Identifizierung betrifft insbesondere:
• „klassische“ Reserveteile (Einort-Reserveteile mit geringerer Stückzahl und hohem Bestandswert – „A“-Teile), • Ersatzteile, die in großer Anzahl gelagert und zumeist in einem mittleren Preissegment besonders bestandswirksam sind (zumeist Wechselelemente und damit Mehrort-Reserveteile bzw. Normbauteile – „B“-Teile) und • Fehlerhaftes Dispositionsverhalten (z. B. Zugänge über einen bestimmten Dispositionszeitraum größer als Abgangsrate). Nach diesem ersten Schritt sind im zweiten Schritt die Benutzerbedürfnisse der Instandhaltung, formuliert durch die verfolgte Instandhaltungsstrategie, die ihrerseits Hinweise auf die zu wählende Dispositionsmethodik gibt, einzubringen. Auf die Möglichkeiten hierzu wird im nächsten Abschnitt eingegangen. Mit Hilfe der in den Schritten 1 und 2 gewonnenen Informationsbasis können für jede einzelne Ersatzteilposition die gewählte Dispositionsmethodik einerseits und die entsprechenden Parameter andererseits überprüft werden. Wiederum im Konnex mit dem erwähnten Analysemodell von Bäck (1. Schritt) können die Verbesserungspotentiale abgeleitet und in einem letzten Schritt als Planungsgröße für Bewirtschaftungsrichtgrößen vorgegeben werden. Dabei ist nochmals zu betonen, dass die hier einzeln dargestellten Schritte als iterativer Prozess vom Gesamtbestand ausgehend bis hin zur einzelnen Ersatzteilposition zu durchlaufen sind und damit ein logistisches Ersatzteil-Controlling (Analyse-, Planungs- und Steuerungsprozess) aufgebaut werden kann.
• Ausgangsbasis für die folgenden Ausführungen bilden einerseits die für ein Anlagenmanagement bzw. für eine Baugruppe ausgewählte Instandhaltungsstrategie (siehe Kap. 2) und die in diesem Abschnitt beschriebene identifizierende Analyse bis zur Ersatzteilposition.
3.3.3.1 Auswahl einer teiletypischen Ersatzteilbewirtschaftungsstrategie bei Einortteilen Von der im betrieblichen Alltag zumeist vorhandenen Informationsbasis ausgehend werden neben der gewählten Instandhaltungsstrategie nur jene Entscheidungsparameter explizit berücksichtigt, deren Informationsinhalte zumindest längerfristig bereitgestellt werden können. Als Klassifikationskriterien werden das Abgangsverhalten – mit seiner Höhe und Schwankungsbreite – und die Lieferzeit – mit Bekanntheitsgrad und Stabilität – gewählt. Als Kernpunkt einer bestandsoptimalen Ersatzteilbewirtschaftung stellt sich die Frage: „Wann soll wie viel bestellt werden?“
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
63
Zur Lösung dieser Frage nach dem „Wann“ und „Wieviel“ können die Lieferzeit bzw. das Abgangsverhalten am besten herangezogen werden. Andere Einflussgrößen (Verschleißverlauf, Risikocharakter, Umgebungsbedingungen) werden bei der Wahl der geeigneten Instandhaltungsstrategie berücksichtigt. Der Wert der Ersatzteile findet bei der Bestimmung der optimalen Bestellmenge Berücksichtigung. Durch sinnvolle Kombination der beiden Bewirtschaftungsparameter − Abgangsverhalten und Lieferzeit – in ihren möglichen Ausprägungen (siehe Abb. 3.7), lassen sich die Ersatzteilbewirtschaftungsverfahren auf leicht nachvollziehbare Weise bestimmen.
• Abgangsverhalten: Es werden drei Kategorien unterschieden: − konstant hoher Abgang: Es erfolgen mehr als 10 Abgänge pro Jahr mit geringer Varianz. (Die Zahl 10 ist je nach geforderter Signifikanz dieser Annahmen zu variieren). − schwankend: Die Varianz der Abgänge schwankt stark um den Mittelwert. − gering: Es erfolgt maximal ein Abgang je Jahr. • Lieferzeit: Es werden auch hier drei Kategorien unterschieden: − konstant: Der Lieferant ist termintreu und flexibel. − schwankend: Verteilung und Parameter der Lieferzeit sind bekannt. − unbekannt: Neuer Lieferant, neuer Beschaffungsweg oder neue Artikel. Im Folgenden sind – abhängig von der gewählten Instandhaltungsstrategie – die einzelnen Entscheidungswege und die daraus resultierenden Handlungen beschrieben. Zu näheren Beschreibungen der Instandhaltungs-Strategie siehe Abschn. 2.6.
Abb. 3.7 Entscheidungstabelle zur Auswahl des geeigneten Dispositionsverfahrens
64
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.3.3.1.1 Minimax-Verfahren, Abgrenzungsverfahren, Adaptionsverfahren Da diese Strategien aufgrund einer unsicheren Informationslage ausgewählt wurden, ist die Bestimmung des Ersatzteilbedarfs natürlich ebenso mit großen Unsicherheiten behaftet. Bei der Minimax-Strategie ist neben einer Auswahl derjenigen Instandhaltungsstrategien, welche unter den pessimistischsten möglichen Annahmen die niedrigsten Kosten verursacht, auch die optimale Anzahl der Ersatzteile entsprechend zu bestimmen. Bei einer risikogeleiteten Abschätzung wird man die Anlagenkomponenten oder Baugruppen mit hohem Ausfallkostenpotenzial besonders betrachten und hierzu überlegen, wie die Ausfallauswirkungen minimiert bzw. die Eingriffserfolge maximiert werden können. Die gleiche Vorgehensweise, d. h. Bestimmung der Menge der zu bevorratenden Ersatzteile parallel zur Strategiewahl, ist auch für das Abgrenzungsverfahren bzw. Adaptionsverfahren vorzuschlagen. Es ist aber in allen drei vorgenannten Fällen darauf zu achten, dass eine Verbesserung der Informationslage bzw. der Instandhaltungsparameter auch bei der Ersatzteilbewirtschaftungsstrategie mitberücksichtigt werden muss. Ist der geplante Bedarf an Ersatzteilen für eine Periode festgelegt, so ist es Aufgabe der Ersatzteilwirtschaft, diesen Bedarf kostenoptimal zu befriedigen. Wie das im konkreten Fall auszusehen hat – d. h. abhängig davon, ob der Bedarf aufgrund einer Vergangenheitsanalyse oder eher aufgrund einer am zukünftigen Bedarf orientierten Prognose ermittelt wurde – wird in den nächsten Abschnitten noch genauer erläutert. Zur Verwendung der Entscheidungstabelle ist anzumerken, dass ein Berücksichtigen aller möglichen Kombinationen die Übersichtlichkeit der Entscheidungstabelle stark reduzieren würde, weshalb im Bedarfsfall die nächstpassende Entscheidungsregel gewählt werden soll.
3.3.3.1.2 Ausfallstrategie In den Fällen, wo ein konstant hohes bzw. schwankendes Abgangsverhalten vorliegt und von einer bekannten Lieferzeit – konstant oder schwankend – ausgegangen werden kann, wird man das Ersatzteil verbrauchsorientiert bewirtschaften.
Verbrauchsorientierte Bewirtschaftung Man neigt in der Praxis dazu, bei der Anwendung der Ausfallstrategie einen zu hohen Sicherheitsbestand auf Lager zu legen, um das Fehlermengenrisiko und die damit verbundenen Ausfallkosten im Vergleich zu den Präventiv- bzw. Inspektionsstrategien auf einem niedrigen Niveau zu halten. An dieser Stelle soll der Unterschied zwischen „Sicherheitsbestand“ und „Risikobestand“ erläutert werden.
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
65
Während unter einem Sicherheitsbestand jene Menge an Ersatzteilen zu verstehen ist, die Schwankungen der Liefermenge oder -termins sowie des Bedarfes (Verbrauches) ausgleichen soll, sind unter Risikobestand jene Teile zu verstehen, die nur einmal oder maximal zweimal auf Lager liegen, um eventuell hohe Ausfallkosten aufzufangen. (Ergebnis der „Stückbestandbewirtschaftung“ bzw. „verzögerten Stückbestandsbewirtschaftung“ – siehe nachstehend). Es ist zu klären, wie bei einer verbrauchsorientierten Bewirtschaftung vorzugehen ist. Ausgehend von der Informationsbasis sind entweder Empfehlungen vom Anlagenhersteller sowie anderen Anlagenbetreibern oder eigene vergangenheitsbezogene Daten zur Bedarfsermittlung heranzuziehen. In ersteren Fällen ist zu prüfen, ob die eigenen Umgebungsbedingungen eine Übernahme der Empfehlungen erlauben. Wenn Daten vorliegen, so ist folgendermaßen vorzugehen: 1. Analyse des Vergangenheitsbedarfs Es soll ermittelt werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem Ersatzteilbedarf und dem Zeitverlauf (Anlagenalter) bzw. dem Beschäftigungsgrad (kumulierte Produktionsmenge) der Anlage besteht. Als Hilfsmittel dazu dienen Korrelationsuntersuchungen. Wenn ein signifikanter Zusammenhang zwischen Zeitverlauf und Ersatzteilverbrauch gegeben ist, kann der zukünftige Bedarf aus den Vergangenheitsdaten – unter Berücksichtigung eines eventuellen Zusammenhangs zwischen Ersatzteilbedarf und Beschäftigungsgrad der Anlage – ermittelt werden. Ist kein signifikanter Zusammenhang gegeben (ausgedrückt durch den Korrelationskoeffizient), sondern schwankt der Bedarf vielmehr um einen Mittelwert, so kann der zukünftige Bedarf durch die Ermittlung eines gewichteten Durchschnitts erhalten werden. Dabei ist zu beachten, dass der berechnete Durchschnitt auf Vergangenheitswerten beruht. Wenn sich ein fallender oder steigender Trend entwickelt, hinkt der gleitende Durchschnitt stets hinter der aktuellen Entwicklung nach. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, anstelle des gleichmäßigen Gewichtes für alle Vergangenheitsdaten, die aus der jüngsten Vergangenheit mit hohem Aktualitätsbezug höher zu gewichten (exponentiell gewichteter gleitender Durchschnitt). Dabei ist der Zusammenhang zwischen geforderter Signifikanz und der Menge der zur Verfügung stehenden Daten bezüglich des Korrelationskoeffizienten und der Menge der zur Verfügung stehenden Daten bezüglich des Korrelationskoeffizienten zu beachten. Das bedeutet für den exponentiell gewichteten gleitenden Durchschnitt: D = a ⋅ M + ( 1 − a ) ⋅ D′
D gegenwärtiger, für die gewählte Periode gewichteter exponentieller Durchschnitt (Stück/Monat) D ′ exponentiell gewichteter Durchschnitt der vergangenen Periode (Stück/Monat) M gegenwärtiger Bedarf (Stück/Monat) a Glättungsfaktor (0 < a < 1)
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Mit zunehmender Periodenlänge steigt dabei das Gewicht der Vergangenheitsdaten: a = 0,1 für 19 Monate gleitender Durchschnitt a = 0,2 für 09 Monate gleitender Durchschnitt a = 0,3 für 06 Monate gleitender Durchschnitt. Der exponentiell gewichtete Durchschnitt ist einfach zu berechnen und erfordert weniger Daten als der gleitende Durchschnitt. Allerdings bringt dieses Verfahren das Problem mit sich, dass bei einigen Perioden mit Nullbedarf ein Nullbestand prognostiziert wird. Zur Lösung kann man entweder Perioden mit Nullbedarf nicht berücksichtigen – was allerdings eine Lagerbestandszunahme nach sich zieht – oder das Verfahren wie folgt ändern: Der Prognosehorizont umfasst mindestens den Zeitraum der Lieferzeit. Bei periodenweiser Prognose ist der Gesamtprognosehorizont die Periodenlänge plus die Lieferzeit TL. TL +1
D = a ⋅ ( ∑ M i′ ) + ( 1 − a ) ⋅ D ′ i =−1
M'i tatsächlich eingetretene Nachfragewerte in den vergangenen i Perioden infolge Ausfallstrategie Die Prognose wird für den gesamten Zeitraum des Prognosehorizontes (TL + 1) summarisch erstellt und periodenweise gleitend korrigiert. Damit liefert die Prognose einen geglätteten Mittelwert für den Bedarf des Zeitraumes. 2. Bestimmung des Sicherheitsbestandes Hierzu ist je nach angewandtem Modelltypus (s, Q-; s, S- usw. Politik) in einem ersten Schritt die optimale Bestellmenge zu ermitteln. Beispielhaft sei dies anhand der eingangs beschriebenen (s, Q-)Politik dargestellt. mopt =
Kf MP p Lhs
2⋅ M p ⋅K f p ⋅ Lhs
klassische Losgrößenformel
Kosten einer Bestellung auf der Basis von Vergangenheitsverbräuchen prognostizierter Bedarf Einstandspreis eines Ersatzteils Lagerhaltungskostensatz in % von p
Auf die im zweiten Schritt durchzuführende Ermittlung des Sicherheitsbestandes (siehe Abschn. 3.6) kann in jenen Fällen verzichtet werden, in denen:
• Konstanter Bedarf und konstante Lieferzeit vorliegen. Dieses Verhalten ist in Abb. 3.8 dargestellt. Der Bestellpunkt wird dann folgendermaßen ermittelt. s = M P ⋅ TL
MP prognostizierter Bedarf (entspricht der Verbrauchsrate) TL fixe Lieferzeit
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
67
Abb. 3.8 Konstanter Bedarf, konstante Lieferzeit [15]
Die Menge s kann den Bedarf während der Lieferzeit decken. Da man in den meisten Fällen nicht von dieser idealen Situation – konstantes Abgangsverhalten und konstante Lieferzeit – ausgehen kann, wird im Folgenden darauf eingegangen, wie in den anderen Fällen vorzugehen ist.
• Schwankender Bedarf, konstante Lieferzeit Dieser praxisnähere Fall untersterstellt relativ konstante Lieferzeit bei schwankendem Abgangsverhalten. Das Problem besteht darin, festzulegen, wie und in welchem Umfang der Verbrauch während der Lieferzeit schwanken wird (siehe Abb. 3.10). Die Auswahl und der Einsatz von Prognosenmodellen für die Verbrauchsvorhersage von Ersatzteilen setzt grundsätzlich die Kenntnis der Elemente voraus, aus denen sich die durch Bedarfsdeckungen gewonnenen Nachfragezeitreihen zusammensetzen. Basis für allfällige Verbrauchsprognosen bildet die Nachfrageanalyse, wobei im ersten Schritt als Basis zur Identifizierung der besten theoretischen Verteilung Klarheit über die Form derselben geschaffen werden muss. Eine optische Darstellung der Verbrauchsmengen – oder noch besser der Nachfragemengen (da inklusive Fehlmengen) – im Zeitablauf ist dabei sehr hilfreich. Die Güte der Anpassung der empirischen Daten an die gewählte theoretische Verteilung kann durch Tests (z. B. Chi2, Kolmogorov-Smirnov) ermittelt werden. Es ist festzulegen, durch welche Verteilung der schwankende Bedarf dargestellt werden kann. Die drei gebräuchlichsten Verteilungsfunktionen und ihre jeweiligen Anwendungsfälle sind:
68
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Normalverteilung: 1
P( x,α ,σ ) =
2⋅π ⋅σ ⋅ P( x, 0, 1 ) =
e(x−α) 2⋅σ
1 x
2 ⋅ π ⋅ e2
Bewährt bei normalbeanspruchten Teilen. Bei der Berücksichtigung der doppelten Standardabweichung werden lediglich 2,3% aller Bedarfe nicht gedeckt werden (siehe Tabelle 3.5). Poissonverteilung: P=
λ ; K = 1, 2, 3 ...; λ = Parameter k ! ⋅ e− λ
σ = λ ; σ = Standardabweichung
Bei Einort-Reserveteilen bzw. Zufallausfällen unter wechselnden Betriebsbedingungen (z. B. Überlast). Nur 2% der Bedarfe bedürfen einer Berücksichtigung von mehr als der zweifachen Standardabweichung. Exponentialverteilung: P( x ) = λ ⋅ e − λ⋅ x ⋅ x > 0 P( x ) = 0 0 Parameter, μ =
1 1 ,σ= λ 2
Bei Teilen mit „Einlaufverhalten“, d. h. abnehmender sowie konstanter Ausfallrate (Zufallsausfälle). Bei der Berücksichtigung der doppelten Standardabweichung wird in 5% der Fälle der Bedarf nicht deckbar sein. Eine in den meisten Fällen zutreffende Darstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Lagerabgangsraten liefert die Normalverteilung oder die Poissonverteilung. Ebenso sind jedoch logarithmische oder exponentielle Verteilungen vorzufinden. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Normalverteilung (vgl. Abb. 3.9) [10]. Diese Normalverteilung hat den Mittelwert (Mv’ · TL) und die Standardabweichung σ. Mit der Festlegung der Verfügungswahrscheinlichkeit W (s ≥ · Mp · TL) ist zugleich der Umfang des Sicherheitsbestandes bestimmt, der als Vielfaches der Standardabweichung ausgedrückt werden kann (k·σ). Hohe Sicherheitsbestände und somit eine hohe Meldemenge vermindern die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Fehlbedarfs während der Beschaffungszeit. Die Fehlbedarfswahrscheinlichkeit sinkt allerdings meist unterproportional zur Zunahme des Sicherheitsbestandes. Dies bedeutet, dass jede zusätz-
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
69
Abb. 3.9 Lagerabgangsrate als normalverteilte Zufallsvariable [10]
liche Erhöhung des Sicherheitsbestandes um eine Mengeneinheit weniger zur Verminderung der Fehlbestandswahrscheinlichkeit beiträgt als die vorhergehende Sicherheitsbestandsmengeneinheit. Praktische Erfahrungen zeigen, dass in Zentrallagern, insbesondere für Normalbauteile (Mehrortteile mit vielen Einbaustellen), die Nachfrage der Normalverteilung gut entspricht. Bei kleineren Gleichteilmengen ist zumeist die poissonsowie negativ exponentialverteilte Nachfrage vorzufinden. Bei den im Rahmen der Verbrauchsprognosen zu berücksichtigenden Zeittypen sind Modelle der kurzfristigen Prognose einzusetzen, da ein Großteil der Ersatzteile sporadische Nachfrage aufweist. Saisonale Nachfragezeitreihen haben praktisch keine Bedeutung; auch der Anteil der Zeitreihen mit trendförmigem Verlauf ist kleiner als derjenige horizontaler Modelle. Bei den horizontalen Modellen ist hier das nicht adaptive Verfahren der exponentiellen Glättung 1. Ordnung als praktisch relevant bereits vorgestellt worden, siehe Abschn. 3.3.3.1.2. Für konkrete Modelle zur Verbrauchsprognose siehe die weiterführende Literatur. Wenn man den Sicherheitsbestand auf ein jeweils Vielfaches der Standardabweichung festlegt, ist die Wahrscheinlichkeit eines längerfristigen Fehlbestandes – abhängig von den einzelnen Verteilungen – folgendermaßen (siehe Tabelle 3.5). In Abb. 3.10 sind diese drei Verteilungen dargestellt. Tabelle 3.5 Fehlbestandswahrscheinlichkeiten [15]
Normalverteilung Poissonverteilung Exponentialverteilung
>1σ
>2σ
>3σ
15,9%
2,3% 2% 5%
0,13%
13,5%
70
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Abb. 3.10 Normalverteilung, Poissonverteilung, Exponentialverteilung [15]
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
71
Zur Definition der Standardabweichung σ:
σ= V = Mi n M´v V
( M i − M v′ )² n
Bedarf der i-ten Periode Anzahl der Datenpunkte Durchschnittsbedarf der vergangenen Perioden Gesamtabweichung
Bei geringerem Datenumfang wird anstelle von n durch (n-1) dividiert, um den Bestellpunkt für die Standardabweichung zu erhalten. Der Bestellpunkt s wird damit folgendermaßen ermittelt. s = M p ⋅ TL + t ⋅ σ ⋅ TL
mit dem Sicherheitsbestand SI = t ⋅ σ ⋅ TL
t vom geforderten Servicegrad abhängiger Proportionalfaktor lt. Tabelle 3.6 Die Formel berücksichtigt den Umstand, dass sich der Sicherheitsbestand proportional zur Quadratwurzel der Lieferzeit verhält. s = M p ⋅ TL + SI
s Bestellpunkt Mp prognostizierter Bedarf TL fixe Lieferzeit Analog zur Ermittlung eines gewichteten Bedarfsdurchschnitts lässt sich auch der MAD-Wert (MAD = mean absolute difference) ermitteln, der die absolute Differenz zwischen dem vorhergesagten und dem aktuellen Bedarf darstellt. Tabelle 3.7 zeigt die Ermittlung des MAD-Wertes anhand eines Beispiels, wobei der MAD-Wert folgendermaßen berechnet wird: MAD(t) = a ⋅ mt + ( 1 − a ) ⋅ MAD(t −1)
Tabelle 3.6 Proportionalfaktor in Abhängigkeit vom geforderten Servicegrad [15] Servicegrad SG [%]
Sicherheitsfaktor t
80 90 95 99 99,9
0,84 1,28 1,65 2,33 3,0
72
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Tabelle 3.7 Ermittlung des MAD-Wertes [15] Monat (t)
1
2
3
4
5
6
(a) M (b) Mp (c) M – Mp = mt (d) a · M (e) (1 − a) · Mp (f) (d) + (e) (g) a · | M – Mp| (h) (1 − a) · MADdes Monats (i) (g + h) (j) σ = 1,25 · MAD
25 24 −1 –7,5 16,8 24,3 –0,3 –0,7 –1,0 –1,25
30 24 +6 09 16,8 25,8 01,8 00,7 02,5 03,13
22 26 −4 06,6 18,2 24,8 01,2 01,75 02,95 03,96
28 25 +3 08,4 15,5 25,9 00,9 02,07 02,97 03,71
30 26 +4 09 18,2 27,2 01,2 02,08 03,28 04,1
24 27 −3 07,2 18,9 26,1 00,9 02,3 03,2 04,0
M Mp mt a Zeile (f): Zeile (j):
aktueller Bedarf vorhergesagter Bedarf des vergangenen Monats absoluter Prognosefehler Glättungsfaktor (üblicherweise 0,3) MAD des laufenden Monats Standardabweichung des laufenden Monats
Eine Näherungslösung für die Standardabweichung stellt die Formel von Lewis [17] dar:
σ = 1,25 ⋅ MAD, in dieser Formel wird der MAD des Verbrauchs verwendet; d. h. die mittlere absolute Differenz zwischen Prognoseverbrauch und aktuellem Verbrauch. Die in Tabelle 3.7 dargestellte einfache Methode gestattet es – z. B. mittels Spreadsheet Software am PC – unterschiedliche Verbrauchsszenarien mit den dazugehörigen Prognosen zu erstellen.
• Konstanter Bedarf, schwankende Lieferzeit Bei normal verteiltem Verbrauch kommt es kaum vor, dass dieser mehr als 3 σ vom Durchschnittsverbrauch streut (Abb. 3.10). Der Fehler ist also gering. Der Sicherheitsbestand SI steigt mit der Quadratwurzel aus der Lieferzeit TL: SI = SG ⋅ σ ⋅ TL
SG Servicegrad (Tabelle 3.6) Der Bestellpunkt s wird so festgelegt, dass er den Durchschnittsverbrauch M' während der Lieferzeit TL und den Sicherheitsbestand SI berücksichtigt: S = M ' ⋅ TL + SI = M ' ⋅ TL + SG ⋅ σ ⋅ TL
• Schwankender Bedarf, schwankende Lieferzeit Zumeist schwanken – insbesondere bei Reserve- und Normbauteilen – sowohl der Bedarf als auch die Lieferzeit. Unter der Voraussetzung, dass die beiden
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
73
Verteilungen unabhängig voneinander sind, lässt sich der Sicherheitsbestand wie folgt ermitteln: SI = t ⋅ T ' L ⋅ σ M ² + ( M P′ ⋅ σ L )²
SI T’L M´p t σM
Sicherheitsbestand mittlere Lieferzeit mittlerer (prognostizierter) Bedarf Sicherheitsfaktor (siehe Abb. 3.12) Standardabweichung Bedarf
Beispiel (siehe auch Tabelle 3.7, Monat 1) [15]: angestrebter Servicegrad 90% durchschnittlicher Bedarf M´ 25 Stück/Monat Standardabweichung σ 1 Stück/Monat Durchschnittliche Lieferzeit TL´ 6 Monate Standardabweichung d. Lieferzeit σL 1 Monat Tabelle 3.6 zeigt für den Servicegrad 90% t = 1,28 SI = 1,28 ⋅ 6 ⋅ 1² + ( 25 ⋅ 1 )² = 33 Stück
Bestellpunkt s = M ′ ⋅ T ' L + SI = 25 ⋅ 6 + 33 = 183 Stück Es ist darauf hinzuweisen, dass bei diesen Berechnungsverfahren keine Ausfallkosten berücksichtigt werden. Dies aus zweierlei Gründen. Zum einen werden diese Bewertungsverfahren vorwiegend für Teile angewandt, die an vielen Einbaustellen einsetzbar und zumeist von tendenziell geringerem Wert sind. Zumeist wären somit die Ausfallkosten nicht eindeutig zuordenbar. Zum anderen wird hier davon ausgegangen, dass für die Teile, für welche dieselben bestimmbar wären, eine wirtschaftlich vertretbare Aufwand-Nutzen-Relation nicht gegeben ist. Trifft dies allerdings nicht zu, ist wie nachstehend (geringerer Bedarf, konstant oder schwankende Lieferzeit) beschrieben vorzugehen. Weiter ist festzuhalten, dass die oben dargestellten Verfahren nur bei höheren Abgangshäufigkeiten praktikabel sind (zumeist Normbau- und u. U. Kleinteile). Die restlichen Ersatzteile sind gemäß nachstehend beschriebenen Prinzipien zu bewirtschaften. • Geringer Bedarf, konstante oder schwankende Lieferzeit [15] Für den Fall einer geringen Abgangshäufigkeit bei konstanter oder schwankender Lieferzeit ist die Anwendung einer Stückbestandsbewirtschaftung vorzusehen (Entscheidungstabelle Abb. 3.7). Es ist zu entscheiden, ob kein, ein oder zwei Ersatzteile gelagert werden sollen. Da es sich in der Regel um teure Reserveteile handelt, deren Ausfall zumeist hohe Ausfallkosten zur Folge hat ist hier der kostenoptimale Abgleich zwischen wahrscheinlichen Fehlbestandskosten (= Ausfallkosten) und den Lagerhaltungskosten relevant. Die Bestellkosten sind relativ unbedeutend.
74
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Man bestimmt in einem ersten Schritt aus den Vergangenheitsdaten die durchschnittliche Bedarfshäufigkeit. Zur Lösung der oben aufgezeigten Frage, welche der drei Bevorratungsvarianten – kein, ein oder zwei Ersatzteile lagern – im speziellen Fall zur Anwendung kommt, wird das in Abb. 3.11 dargestellte Nomogramm herangezogen. Es sind allerdings dafür die Ausfallkosten zu ermitteln; der Aufwand, der dafür nötig ist, bleibt jedoch wesentlich geringer als jener, der erforderlich wäre, würde man eine exakte mathematisch-analytische Lösung anstreben (siehe hierzu Abschn. 2.6). Bei der Benutzung des Nomogrammes ist für Teile mit zufallsverteiltem und verschleißbedingtem Ausfallsverhalten wie folgt vorzugehen: • Teile mit zufallsverteiltem Ausfallverhalten („Langsamdreher“) [15] Es wird für den Bedarf eine Poissonverteilung unterstellt. Auf der Abszisse (oben) ist die durchschnittliche Lieferzeit aufgetragen. Auf der Ordinate wird das Verhältnis Ausfallkosten zu Lagerhaltungskosten dargestellt. Die unterbrochen gezeichnete Linie stellt die Grenze dar, an der die Kosten der Bevorratung eines Teiles gleich den Kosten einer Nichtbevorratung sind. Die vollgezeichneten Kurven stellen die Grenzen dar, an denen – abhängig von der Lieferzeit – die Kosten der Bevorratung eines Teiles gleich den Kosten der Bevorratung von zwei Teilen sind. Dazu ein Beispiel: Ausfallkosten: 30.000 GE Lagerhaltungskosten (Lagerhaltungskostensatz 15%): = 20.000 · 0,15 = 3.000 GE Ausfallkosten/Lagerhaltungskosten = 30.000/(20.000 · 0,15) = 10 durchschnittliche Lieferzeit: sechs Monate ein Teileabgang alle vier Jahre Mit diesen Werten kann aus dem Diagramm abgelesen werden, dass es angezeigt ist, zwei Teile auf Lager zu halten, da die Kurve (Schnittpunkt 10 mit vier Jahren) links der Kurve (Schnittpunkt 10 mit sechs Monaten) liegt. • Teile mit verschleißbedingtem Ausfallverhalten („Langsamdreher“) Das Nomogramm ist auch für jene Teilegruppen geeignet, die nicht zufällig ausfallen, sondern ein Verschleißverhalten zeigen. Wenn es möglich ist, die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalles während einer 3-monatigen Lieferzeit anzugeben, kann mit Hilfe derselben in der unteren Abszisse des Nomogrammes wiederum wie oben beschrieben die Entscheidung getroffen werden. Beispiel: Verhältnis Ausfallkosten/Lagerhaltungskosten = 10, wie oben, und die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls während 3 Monaten ist 3%, dann liegt die Kurve des Schnittpunktes 10 und 3% unter bzw. rechts der Kurve der 6-monatigen Lieferzeit. Somit ist ein Reserveteil zu bestellen und auf Lager zu legen. Die Annahme der 3-monatigen Lieferzeit gilt für teure Reserveteile mit geringer Abgangshäufigkeit („Langsamdreher“). Die Ausfallwahrscheinlichkeit sollte nicht aufgrund von – zumeist nicht vorhandenen – Vergangenheitsdaten, sondern über die aktuelle Abschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit (siehe Inspektionsstrategie – condition based maintenance – Abschn. 3.3.3.1.4) erfolgen.
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
75
Abb. 3.11 Entscheidungsdiagramm (Nomogramm) für Stückbestand bzw. verzögerten Stückbestand [15]
Die für die Verwendung des Diagramms erforderliche durchschnittliche Lieferzeit ermittelt sich zu:
T = T’L + T’s = TL + t · σL · TL • Sonderverfahren Diese Verfahren finden Anwendung, wenn nur ein geringer Ersatzteilbedarf vorliegt und die Lieferzeit unbekannt ist. Es sind darunter jene Modelle zu verstehen, die unter Verwendung der Erwartungswerte der Lagerdauer, der
76
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Fehlmengenkosten und der Lagerhaltungskosten die Gesamtkosten minimieren. Es ist dabei im Prinzip ähnlich vorzugehen wie bei den Verfahren bei unbekannter Ausfallverteilung (Mini Max-Verfahren). Auf jeden Fall sollte versucht werden, diese Informationslücke zu schließen. 3.3.3.1.3 Vorbeugend geplante Instandhaltung − determinierte Strategie (FTM)
Bedarfsorientierte Bewirtschaftung Unter der Voraussetzung einer konstanten Lieferzeit kann das betreffende Teil bedarfsorientiert bewirtschaftet werden. Aufgabe der Ersatzteilwirtschaft ist es, den von der Instandhaltung exakt vorgegebenen Bedarf kostenminimal zu befriedigen. Durch den geplanten Verlauf der Bereitstellungsaktion können die Lieferantensuche, Einkaufsverhandlungen über Preise, Qualitäten und Lieferzeiten bzw. -konditionen sorgfältig geführt werden, wodurch die Kosten einer solchen planmäßigen Bereitstellungsaktion minimiert werden. Wenn die Lieferzeit nicht konstant, sondern schwankend ist, so ist eine Disposition anzustreben, in welcher ein bedarfsorientiert ermittelter Grundbestand von einem Sicherheitsbestand, der die Schwankungen der Lieferzeit aufnehmen soll, überlagert wird. Bei der Ermittlung des Sicherheitsbestandes ist wie unter „konstanter Bedarf, schwankende Lieferzeit“ vorzugehen. Die erforderliche Lagermenge P ist
P = M + SI M
determinierter Bedarf
Da bei der Anwendung einer rein deterministischen Strategie ausgeschlossen wird, dass es im Ersatzteilbedarfverlauf ungeplante Schwankungen gibt, bleiben die Fälle mit geringem Abgangsverhalten. Auch hier gelten prinzipiell die oben stehenden Erläuterungen, allerdings mit der Einschränkung, dass bei Vorliegen einer schwankenden Lieferzeit oftmals keine eigenen statistisch relevanten Daten über diese vorliegen. Für die Ermittlung des Sicherheitsbestandes muss auf Erfahrungswerte (Hersteller bzw. andere Unternehmen) bzw. Schätzwerte zurückgegriffen werden. 3.3.3.1.4 Inspektionsgestützte vorbeugende Instandhaltung (CBM) Da hier nicht mehr die Einschränkung getroffen werden kann, dass der Bedarf gegenüber FTM an Ersatzteilen – eigentlich das Abgangsverhalten – entweder konstant hoch oder gering sein kann, werden im Folgenden die drei Fälle
• konstant hoher Abgang, • schwankender Abgang und • geringer Abgang unterschieden.
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
77
Bedarfsorientierte Bewirtschaftung Eine rein bedarfsorientierte Disposition ist wohl nur im Fall eines konstant hohen Bedarfs und einer konstanten Lieferzeit zu erreichen. Bedarfsorientiert mit Aufbau eines Sicherheitsbestandes muss im Fall eines konstant hohen Bedarfs, aber schwankender Lieferzeit bewirtschaftet werden. Unter der Definition „schwankendes Abgangsverhalten“ ist im Zusammenhang mit der inspektionsorientierten Instandhaltungsstrategie festzuhalten, dass die Bedarfsschwankungen nur durch nicht vorhersehbare Ausfälle – z. B. durch zu lang gewählte Inspektionsintervalle – entstehen. Der Bedarf wird auch für diesen sich ändernden Zeitabschnitt als konstant, d. h. planbar, angesehen. Dies bedeutet, dass im Fall einer schwankenden Lieferzeit und eines schwankenden Bedarfs Vorkehrungen zu treffen sind, um sich gegen diese Unregelmäßigkeiten abzusichern. Dabei ist aus Vergangenheitsdaten – sofern solche in anwendbarer Menge vorliegen – die Anzahl der Ersatzteilentnahmen zu ermitteln, welche nicht geplant erfolgt sind. Mit einem Durchschnittswert dieser Entnahmen wird zusätzlich versucht, den planmäßigen Bedarf zu sichern. Im Fall eines schwankenden Bedarfs mit einer nicht konstanten Lieferzeit muss zusätzlich zu der oben beschriebenen Absicherung auch noch Vorkehrung getroffen werden, um die Unregelmäßigkeiten der Lieferzeiten auszugleichen. Dabei ist analog zur bedarfsorientierten Bewirtschaftung im Fall der determinierten Instandhaltungsstrategie vorzugehen.
Verzögerte Stückbestandsbewirtschaftung Dieses Verfahren wird dann eingesetzt, wenn der Ersatzteillagerabgang gering und die Lieferzeit konstant oder schwankend ist. Zur Entscheidung, ob kein, ein oder zwei Ersatzteile bevorratet werden, wird das in Abb. 3.11 dargestellte Entscheidungsdiagramm verwendet. Auf der Abszisse ist dabei die Wahrscheinlichkeit eines Teilausfalls innerhalb einer angenommenen dreimonatigen Lieferzeit (hier dem Inspektionsintervall entsprechend) aufgetragen. Durch die Inspektion wird aufgrund des vorliegenden Zustandes die oben beschriebene Wahrscheinlichkeit festgelegt. Im Falle einer schwankenden Lieferzeit wird analog zur determinierten Instandhaltungsstrategie vorgegangen. 3.3.3.2 Auswahl einer Ersatzteilbewirtschaftungsstrategie bei Mehrortteilen (Normalteilen) Ein Mehrortteil ist definitionsgemäß ein Anlagenelement, das an mehreren Einbaustellen einer oder mehrerer Anlagen im Unternehmen verwendet werden kann. Mehrortnormteile sind Teile, die einer allgemeinen Normung bzw. unternehmensinternen Standardisierung unterliegen. Es werden dadurch Einkaufsvorteile (Mengenrabatte, kürzere Lieferzeiten usw.) und ein nur unterproportionaler Anstieg des Ersatzteilbestandes bei gleichem Servicegrad erreicht [1]. Bezüglich des Abgangsverhaltens und der Lieferzeit gelten die in Abschn. 3.3.3.1 beschriebenen Aspekte für Ersatzteile.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.3.3.2.1 Gleichartiges Ausfallverhalten an allen Einbaustellen Ideal für die Bedarfsermittlung wäre, wenn davon ausgegangen werden könnte, dass das betreffende Anlagenelement an allen Einbaustellen dasselbe Ausfallverhalten zeigt. Falls vom Hersteller des Ersatzteiles bzw. vom Anlagenlieferanten Informationen über das Ausfallverhalten des betreffenden Anlagenelements vorliegen, ist zu prüfen, ob die Einsatzbedingungen an den unterschiedlichen Verwendungsstellen eine Übernahme dieser Aussagen zulassen. Wenn alle Anlagen, in denen das zu betrachtende Ersatzteil eingesetzt ist, vom selben Hersteller stammen – was aus rein ersatzteilwirtschaftlicher Sicht sehr zu empfehlen ist – kann sehr oft davon ausgegangen werden, dass dieser auch Richtlinien für einen optimalen Ersatzteilbestand angeben kann. Obwohl in der betrieblichen Praxis diese Gegebenheiten nur selten anzutreffen sind, kann – ohne entscheidende Nachteile – insbesondere bei vielseitig eingesetzten Normbauteilen oftmals die beschriebene Situation unterstellt werden. Wenn kein verschiedenartiges Ausfallverhalten vorliegt, und in weiterer Form auch alle Bedingungen für die verschiedenen Einsatzstellen gleich beantwortet werden können, kann analog den bei den Einortteilen beschriebenen Dispositionsverfahren vorgegangen werden. Es ist lediglich zu berücksichtigen, dass dem Degressionseffekt bei Mehrortteilbewirtschaftung Rechnung getragen wird. Sollten diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden können, ist wie in den nachfolgenden Abschnitten beschrieben vorzugehen. Bei Anwendung einer verbrauchsorientierten Bewirtschaftung wird man feststellen, – egal welches Ausfallverhalten zugrunde liegt – dass der Ersatzteilbedarf sich auf eine Grenzrate einpendeln wird. Da bis zum Erreichen dieser Grenzrate eine oft lange „Erfahrungsstrecke“ zu überwinden ist, wird man nicht umhin kommen, zuerst ein erhöhtes Fehlmengenrisiko einzugehen, bzw. größere Sicherheitsbestände anzulegen und erst in weiterer Folge von dieser Grenzrate ausgehend zu bewirtschaften. Es ist dabei feststellbar, dass die Menge zu bevorratender Ersatzteile bei konstanter Zuverlässigkeit mit zunehmender Anzahl parallel eingesetzter Anlagenteile nur unterproportional ansteigt. Dieses zu berücksichtigende Verhalten wird als „Degressionseffekt“ bezeichnet. Dass es dabei zu einer Überlagerung der unterschiedlichen Einsatzbeginnzeiten der einzelnen Elemente kommt, welche noch zusätzlich von den Auswirkungen der verschiedenartigen Alters- bzw. Belastungsstruktur der – eventuell vorhandenen – unterschiedlichen Anlagen beeinflusst werden, erschwert natürlich die Vorhersage des zukünftigen Ersatzteilbedarfs. Durch eine Analyse des Beschäftigungsgrades bzw. der Altersstruktur der Anlagen lässt sich dennoch ein eventuell auftretender Fehlbestand oftmals vermeiden. Durch Analyse des Zu- und Abgangsverhaltens lässt sich meist zusätzlich der Ersatzteilbestand senken. Die weitere Vorgehensweise ist analog der bei Einortteilen (Abschn. 3.3.3.1) beschriebenen Bewirtschaftungsstrategie. Wird eine Stückbestandsbewirtschaftung durchgeführt, so gelten auch hier die bereits getroffenen Feststellungen. Da die Annahme gilt, dass an allen Einbaustellen gleichartiges Ausfallverhalten vorliegt, kann bei nicht vorhandenem
3.3 Ersatzteilbewirtschaftung
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Datenmaterial und unterstelltem poissonverteilten Einzelbedarf Mp je Planungsperiode auf den Gesamtbedarf der n eingesetzten Ersatzteile geschlossen werden. Mit diesem Gesamtbedarf kann das in Abb. 3.11 dargestellte Entscheidungsdiagramm für Einortteile verwendet werden. Zur Anwendung einer Sonderstrategie – geringer Ersatzteilbedarf und unbekannte Lieferzeit – ist festzuhalten, dass prinzipiell analog den Einortteilen vorzugehen ist, die oben beschriebenen Einflussgrößen aber (oftmals subjektiv) mitberücksichtigt werden sollten.
3.3.3.2.2 Verschiedenartiges Ausfallverhalten an den einzelnen Einbaustellen Bei bedarfsorientierter bzw. verbrauchsorientierter Bewirtschaftung ist prinzipiell gleich vorzugehen wie bei Einortteilen, nur trifft hier die Bestellpolitik stärker in den Vordergrund. Da sich mit zunehmender Anzahl der Einsatzstellen der zu bestellende Ersatzteilbedarf auch entsprechend vergrößern wird, kommt der Ermittlung der optimalen Bestellmenge bzw. des eventuellen Sicherheitsbestandes eine größere Bedeutung zu. Der Versuch, das gesamte unterschiedliche Einsatzspektrum der Ersatzteile gedanklich dahingehend zu vereinfachen, dass man von einer ähnlichen Ausgangssituation wie bei den Einortteilen bzw. Mehrortteilen mit gleichartigem Ausfallverhalten ausgehen kann, scheitert an dem damit verbundenen Risiko einer Fehlbewirtschaftung aufgrund von falschen Annahmen. Es wäre auch mit einer sehr differenzierten Gewichtung der einzelnen Einsatzstellen nicht vermeidbar, dass eine einzelne Einbaustelle – die aber aufgrund von eventuell auftretenden überproportional großen Fehlmengenkosten für den Ersatzteilbestand ausschlaggebend ist – in der Masse der anderen weniger bedeutenden Einbaustellen untergeht und so eventuell das Ersatzteil falsch bewirtschaftet würde. Da anzunehmen ist, dass an den verschiedenen Einbaustellen unterschiedliche Instandhaltungsstrategien zum Einsatz kommen, ist darauf bei der Bedarfsbestimmung Rücksicht zu nehmen. Für jene Ersatzteile, deren Bedarfszeitpunkt bzw. -raum genau festgelegt werden kann, ist analog der determinierten Strategie bei Mehr- bzw. Einortteilen vorzugehen. Auch hier tritt die Bestellpolitik in den Vordergrund. Zu dieser Gruppe gehören jene Teile, die in vorherigen Abschnitten bedarfsorientiert, mit verzögertem Stückbestand oder teilweise durch ein Sonderverfahren bewirtschaftet wurden. Das betrachtete Ersatzteil ist aber aufgrund der unterschiedlichen Instandhaltungsstrategien sicher nicht in allen Einbaustellen durch die oben genannten Verfahren zu bewirtschaften. Es sind folglich den obigen Bewirtschaftungsarten noch zusätzlich verbrauchsorientierte, stückbestandsorientierte, bzw. durch Sonderverfahren zu bewirtschaftende Einsatzstellen zu überlagern. Man wird in der Folge auf einem – auf Vergangenheitsdaten bzw. Herstellerempfehlungen beruhenden − Ersatzteilgrundstock einen durch geplante Instandhaltungsmaßnahmen nötig gewordenen Zusatzbestand aufbauen. Der Grundbestand wird hierzu wie bei der Ausfallstrategie bei Mehr- bzw. Einortteilen bestimmt.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Aus diesen Ausführungen ist zu sehen, dass ein Einsatz von Normteilen bzw. Mehrbereichsteilen zwar dazu führt, dass die Menge zu bevorratender Ersatzteile bei konstanter Zuverlässigkeit mit zunehmender Anzahl parallel eingesetzter Anlagenteile nur unterproportional ansteigt, dass sich die Ermittlung eines spezifischen Bewirtschaftungsverfahrens aber um so schwieriger gestaltet.
3.4 Fehlbestandskosten versus Bestandskosten Wie in Abschn. 1.5 erwähnt, muss es Hauptaufgabe der logistikorientierten Ersatzteilbewirtschaftung des Anlagennutzers sein, den Ersatzteilbestand so zu steuern, dass ein ersatzteilwirtschaftliches Optimum erreicht wird. Dieses zielt auf den kostenminimierenden Abgleich der gegenläufigen Fehlbestands- und Bestandskosten. Dabei ist Ausgangspunkt der Ersatzteilbewirtschaftungsplanung die zu beschaffende Menge einer Periode, die unter Berücksichtigung der Lagerbestandsveränderung aus der Bedarfsmenge ermittelt wird. Die Besonderheit in der Bedarfsbestimmung an Ersatzteilen liegt nun darin, dass eine Vielfalt von Einflussgrößen zu berücksichtigen sind. Neben der Nutzungsintensität und den Nutzungsbedingungen der Anlagen und der für die Planperiode im Einsatz befindlichen Anlagenkapazitäten, die ihrerseits wiederum mit dem Produktionsziel des Industrieunternehmens im Zusammenhang stehen, spielt die gewählte Instandhaltungsstrategie, die Möglichkeit der Information über das Ausfallverhalten von Bauteilen und neben diesen bedarfsorientierten Parametern die Vergangenheitsnachfrage nach Ersatzteilen eine wesentliche Rolle. Zusätzlich können besondere Probleme bei Anlagen entstehen, die über ihr geplantes Anlagenalter hinaus genutzt werden und der Vorrat an Ersatzteilen für den Auslaufbedarf festzulegen ist. Wie mehrfach betont, sind die klassischen materialwirtschaftlich ausgerichteten Modelle nicht ersatzteilspezifisch und sind zumindest durch ersatzteilspezifisch zuverlässigkeitstheoretisch ausgerichtete Modelle zu ergänzen. Dennoch muss versucht werden in Abwägung aller Kosteneinflussfaktoren auf der Beschaffungsseite die mit diesen verbundenen Kosten zu minimieren. Vereinfacht lassen sich diese in die Kategorien Beschaffungskosten, Lagerkosten und Fehlbestandskosten unterteilen. Auf die Beschaffungs- und Lagerhaltungskosten wurde in Abschn. 3.2 eingegangen, auf die Ermittlung der im Fall der Ersatzteilbewirtschaftung relevanten Ausfallkosten in Abschn. 2.7. Zweifelsohne erhalten die Ausfallkosten dann ein besonderes Gewicht, wenn beispielsweise durch lange Beschaffungsdauer eines Risikoteiles (Reserveteiles) Produktionsfehlmengen auftreten, die im Wesentlichen aus entgangenen Deckungsbeiträgen bestehen. Ausgehend von den vorstehenden Erörterungen über Nutzen und Kosten einer Reserveteilbevorratung stellt sich die Frage, wie diese Erfolgskomponenten im Rahmen einer Fundierung von Reserveteil-Bevorratungsentscheidungen zu berücksichtigen sind. Erstrebt das Unternehmen einen größtmöglichen Erfolg – Gewinnmaximierung als Unternehmensziele sei im folgenden vorausgesetzt – so
3.4 Fehlbestandskosten versus Bestandskosten
81
muss die Entscheidung, ob, welche und wie viele Reserveteile wann und wie zu bevorraten sind, mittels eines Wirtschaftsvergleichs getroffen werden, der die (potentiellen) erfolgsmäßigen Auswirkungen der zu treffenden Entscheidungen erkennen lässt. Damit stellt sich das Problem einer rechnerischen Erfassung der sich nutzen- und kostenmäßig niederschlagenden Erfolgskomponenten nach entscheidungsorientierten Gesichtspunkten. Konsequenterweise sind nur die tatsächlich entscheidungsrelevanten Nutzenund Kostenarten bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Welche konkreten Nutzen- und Kostenarten in welchem Umfang von einer jeweils zu treffenden Entscheidung betroffen sind, hängt vornehmlich von den jeweiligen Besonderheiten der konkreten Entscheidungssituation ab, insbesondere von der Fristigkeit der Wahlüberlegungen (z. B. gegebene oder veränderbare Lagerkapazitäten) sowie der Beschäftigungslage einzelner Anlagen (Betriebsbereiche) und somit bestehender Kompensatonsmöglichkeiten beim Auftreten von Fehlmengen ausfallender Produktion. Es ist festzuhalten, dass eine Bevorratung von Reserveteilen ökonomisch nur dann zu rechtfertigen ist, wenn die entscheidungsrelevanten Nutzen die entsprechenden Kosten übersteigen. Stehen mehrere Bevorratungsalternativen zur Wahl, ist jene zu wählen die, bezogen auf den Einsatz knapper Mittel, den größten Nutzenüberschuss mit sich bringt – es sei denn, andere, nicht reserveteilwirtschaftliche Verwendungsmöglichkeiten werfen einen noch größeren Erfolg ab. Interpretiert man die Nutzen der Reserveteilbevorratung als – im Fall eines Verzichts auf eine Bevorratung von Reserveteilen – auftretende Fehlmengenkosten, besteht die Möglichkeit, das Entscheidungsproblem als Kostenminimierungsproblem zu formulieren. Bei dieser den Regelfall darstellenden Vorgehensweise wird jene Bevorratungsalternative realisiert, die die geringsten Gesamtkosten (z. B. Summe aus bevorratungsmengenabhängigen Fehlmengenkosten und Lagerhaltungskosten) verursacht. Gleich ob Minimierungs- oder Maximierungsvorschrift, erforderlich ist in beiden Fällen die vollständige Erfassung und Berücksichtigung möglichst aller entscheidungsrelevanten Erfolgskomponenten. Insbesondere im Nutzenbereich, ergeben sich relativ häufig Quantifizierungsprobleme: Einige der prinzipiell entscheidungsrelevanten Erfolgskomponenten lassen sich nämlich nur sehr schwer oder überhaupt nicht monetär erfassen. Dennoch bedarf es zur Fundierung von Reserveteil-Bevorratungsentscheidungen einer sehr sorgfältigen Analyse und Berücksichtigung dieser zunächst noch unwägbaren Bestimmungsfaktoren. Der bestehenden Notwendigkeit einer Einbeziehung derartiger Unsicherheiten in den Entscheidungsprozess „Reserveteilbevorratung, ja oder nein“ wird durch Kennzahlen und Kennzahlensysteme Rechnung getragen (siehe Abschn. 3.5.2) Konkrete Beispiele werden in Abschn. 3.8 gegeben.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.5 Instrumente zur wirtschaftlichen Bestandsführung Reserveteilbestände werden dann bereitgestellt, wenn der erwartete Nutzen der Bereitstellung größer ist als die mit der Bereitstellung verbundenen Kosten. Durch eine erfolgsorientierte Bereitstellung von Reserveteilen soll sichergestellt werden, dass die für die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen erforderlichen Anlagenteile in der benötigten Qualität und Menge termingetreu am richtigen Ort auf möglichst wirtschaftliche Art und Weise zur Verfügung gestellt werden. Dieser Aspekt der Wirtschaftlichkeit und die dafür zur Anwendung kommenden Analysemethoden und -instrumente werden nachstehend beschrieben. Wie sich eine Bestandssenkung auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt, ist im Abschn. 3.2.4, Abb. 3.2 dargestellt.
3.5.1 ABC-, XYZ-Analyse Grundsätzlich erfordert die art-, mengen- und zeitgerechte Materialbedarfsdeckung eine möglichst umfassende und detaillierte Planung. Das Aufstellen, Realisieren und Kontrollieren dispositiver Teilpläne verursacht jedoch mit zunehmenden Planungsaktivitäten erhebliche Kosten und zeitliche Mehrbelastungen der betroffenen Mitarbeiter. Gerade im Industriebetrieb erstrecken sich die materialwirtschaftlichen Aktivitäten auf eine Vielzahl von Ersatzteilkategorien mit unterschiedlicher Bedeutung für die jeweilige Unternehmung. Es ist daher sehr wichtig, Selektionsverfahren zu entwickeln, mit deren Hilfe es gelingt, die knappen finanziellen und personellen Ressourcen für solche Güter in Anspruch zu nehmen, bei denen verstärkte Planungsaktivitäten unter Wirtschaftlichkeitsüberlegungen sinnvoll erscheinen. Wichtige Verfahren, die eine derartige Klassifizierung ermöglichen, sind die ABC-Analyse und die XYZ-Analyse. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollten in allen Teilplänen berücksichtigt werden.
3.5.1.1 Funktionsweise und Anwendungsbereiche der ABC-Analyse Der ABC-Analyse liegt die Erkenntnis zugrunde, dass typischerweise ein relativ kleiner Prozentsatz der im Lager liegenden Gesamtanzahl der Güter bzw. hier Ersatzteile einen hohen Anteil am gesamten Lagerbestandswert binden. Mit Hilfe der ABC-Analyse wird nun untersucht, wie die mengenmäßige mit der wertmäßigen Struktur des Ersatzteilspektrums zusammenhängt. Damit ist eine Einteilung der Ersatzteile nach ihrem relativen Anteil am Gesamtlagerbestand in A-Teile, B-Teile und C-Teile möglich. In der Praxis der Ersatzteilwirtschaft hat sich gezeigt, dass die Mengen- zu Wert-Verteilung zwischen diesen einzelnen Bestandsklassen eine relativ konstante Struktur aufweisen. Typischerweise binden etwa
3.5 Instrumente zur wirtschaftlichen Bestandsführung
83
20% des Bestandes 70−80% des Gesamtlagerwertes; weitere 10−15% des Lagerwertes werden durch weitere 30% der Lagermenge gebunden; die restlichen 10−15% des Wertes werden durch die C-Teile repräsentiert, die meist einen Anteil an der Menge von etwa 50% haben. Abbildung 3.12 zeigt einen typischen Verlauf der ABC- bzw. Pareto-Kurve. Im Bereich der Ersatzteilwirtschaft werden A-Teile zumeist durch klassische Einortreserveteile repräsentiert, wobei hinter diesen Teilen eingebaut Teile stehen, deren Ausfall in der Regel hohe Ausfallkosten verursacht. Typisch für diese Teile ist auch, dass sie sich in eigenen oder durch den Hersteller betriebenen Werkstätten wieder wirtschaftlich instand setzen lassen. Das B-Teilespektrum beinhaltet insbesondere Mehrort-Normteile, die selbstständig genutzt werden können und klassische Standardmaschinenbaugruppen darstellen (Pumpen, Getriebe, Motoren, Schalteinrichtungen etc.). Das restliche Bauteilsprektrum (C-Teile) wird durch Klein- und Verschleißteile repräsentiert. Die ABC-Analyse ist damit ein typisches Controllinginstrument, deren Klassifikation den Fokus der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen auf die A- und B-Teile lenkt. Wichtig ist dabei, zweckmäßige Grenzen zwischen den Klassen zu finden, wobei bei Abgrenzungsproblemen insbesondere zwischen den A- und B-Teilen i. d. R. B-Ersatzteile im Zweifelsfall zur A-Klasse gezählt werden, da die Kostenersparnis durch detailliertere Bewirtschaftung den zusätzlichen Planungsaufwand zumeist aufwiegt. Anhand eines Beispieles soll die Vorgehensweise zur Berechnung der ABCAnalyse dargestellt werden [10]. Es sollen in diesem Industrieunternehmen 10 verschiedene Ersatzteilarten beschafft werden (x1−x10). Im ersten Schritt stellt man für alle Positionen (Ersatzteilarten) die Bedarfsmenge fest, die im betrachteten Zeitraum angefallen ist (z. B. 1 Jahr). Danach werden diese Ersatzteile mit Hilfe von Ist-Preisen, Durchschnittspreisen oder Planpreisen bewertet und der Verbrauch in GE abgeleitet (siehe hierzu Tabelle 3.8).
Abb. 3.12 ABC-Verteilung (Menge-Wert-Verteilung) des Gesamtlagerbestandes
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Tabelle 3.8 Rangzuordnung der Güterarten entsprechend den Lagerbestandswerten der Periode [10] Gut
Verbrauch in ME
Einheitspreis in GE
Verbrauch in GE
Rang
x1 x2 x3 x4 x5 x6 x7 x8 x9 x10
20.000 07.500 36.000 21.000 50.000 02.000 04.000 11.000 35.000 19.500
0,15 0,90 0,05 1,80 0,14 1,00 2,00 0,25 0,07 1,90
03.000 06.750 01.800 37.800 07.000 02.000 08.000 02.750 02.450 37.050
06 05 10 01 04 09 03 07 08 02
Jede Ersatzteilart erhält eine Rangzahl entsprechend dem wertmäßigen Periodenverbrauch. Im nächsten Schritt werden die Güter nach ihrer Reihung geordnet und die kumulierten Prozentsätze des Mengen- und wertmäßigen Verbrauchs berechnet (siehe hierzu Tabelle 3.9). Auf Basis dieser kumulierten Werte erfolgt die Entscheidung über die Grenzwerte zwischen den einzelnen Klassen. Im angeführten Beispiel ergeben 19,6% der Ersatzteilarten (x4 und x10) 68,9% des kumulierten Verbrauchs bzw. Bestandwertes von 74.850 GE. Weitere 30% repräsentieren 20% des gebundenen Wertes in der Höhe von 21.750 GE (Ersatzteilklassen x7, x5, x2) und die restlichen Ersatzteilklassen repräsentieren mit 50,4% der Menge 11,1% des Verbrauchswertes (siehe Tabelle 3.9).
Tabelle 3.9 Beispiel einer ABC-Einteilung [10] Gut Kumulierter Mengenver- Verbrauch Kumulierter Kumulierter Verbrauch Mengenver- brauch je in GE Verbrauch Verbrauch je Klasse brauch in % Klasse in % in GE in % in %
Klasse
1
2
8
X4 X10 X7 X5 X2 X10 X8 X9 X6 X3
010,1 019,6 021,5 045,9 049,6 059,3 064,6 081,6 082,6 100
3 19,6
30
50,4
A Verbrauch: 74.850,− (68,9%) B Verbrauch: 21.750,− (20%) C Verbrauch: 12.000,− (11,1%)
4
5
6
37.800 37.050 08.000 07.000 06.750 03.000 02.750 02.450 02.000 01.800
037.800 074.850 082.850 089.850 096.600 099.600 102.350 104.800 106.800 108.600
034,8 068,9 076,3 082,7 088,9 091,7 094,4 096,5 098,3 100
7 068,9
020
100
A A B B B C C C C C
3.5 Instrumente zur wirtschaftlichen Bestandsführung
85
3.5.1.2 Funktionsweise und Anwendungsbereiche der XYZ-Analyse Eine spezielle Abwandlung erfährt die ABC-Analyse in Form der XYZ-Analyse. Werden die Verbrauchsverläufe einzelner Materialarten bzw. Ersatzteilklassen und Reserveteile über längere Zeiträume beobachtet, so zeigen sich hier in der Praxis typische Verbrauchsverläufe. Diese Verbrauchsverläufe werden als Bezugsgröße in ein 3-Klassenschema geordnet. X-Teile zeichnen sich durch einen sehr gleichförmigen Bedarfsverlauf aus, demzufolge die Genauigkeit von Bedarfsprognosen entsprechend hoch ist. Y-Güter besitzen einen regelmäßig schwankenden bzw. trendförmigen Bedarfsverlauf, der eine mittlere Prognosegenauigkeit zulässt. Z-Güter sind durch mehr oder weniger zufällige Bedarfsverläufe charakterisiert und haben demgemäß eine äußerst geringe Vorhersagegenauigkeit (bezogen auf Vergangenheitsdaten). Hauptanwendungsgebiet der XYZ-Analyse ist die Beschaffungsplanung. Die Analyse dient hierbei als Entscheidungshilfe für die Festlegung der Beschaffungsart. So lassen sich Z-Güter (hier zumeist Reserveteile), bedingt durch den völlig unregelmäßigen Verbrauch, kaum verbrauchsgesteuert auf Vorrat oder synchron zum Faktoreneinsatz beschaffen (siehe hierzu Abschn. 3.3). Für Y-Güter (hier zumeist Normteile) findet dagegen überwiegend die „Vorratbeschaffung“ Verwendung. X-Güter (hier zumeist Kleinteile) eignen sich, bedingt durch die genaue Bedarfsvorhersagemöglichkeiten, vor allem für die „einsatzsynchrone Beschaffung“. Die Kombination der ABC mit der XYZ-Analyse ergibt weitere interessante Aufschlüsse über die Ersatzteilstruktur. Eine graphische Darstellung zeigt Abb. 3.14.
3.5.2 Kennzahlen und Kennzahlensysteme als ersatzteilwirtschaftliche Analyseinstrumente Nachdem das Managementinstrumentarium der Ersatzteilwirtschaft bezüglich der Informationsgrundlagen und der Wechselwirkungen mit der Instandhaltung erörtert und dabei die zentrale Stellung des Entscheidungsfeldes „erfolgsorientierte Steuerung des Ersatzteilbestandes“ herausgearbeitet wurde, stellt sich nunmehr die Frage nach den aus erfolgsorientierter Sicht wesentlichen Ansatzpunkten einer Gesamtoptimierung. Diese Frage lässt sich am besten beantworten, indem der komplexe Aufgabenbereich „Ersatzteilbestand“ sukzessiv in Teilbereiche zergliedert und die einzelnen Problemfelder sowie die bestehenden Zusammenhänge zwischen ihnen analysiert und aufgearbeitet werden. Die Problemlösung wird letztendlich in einer Folge iterativer Suchsequenzen, partieller Lösungen und Aggregierung von Teillösungen zum Gesamtergebnis erarbeitet [10]. Dies wirft die Frage nach dem geeigneten Instrumentarium einer derartigen Problemzerlegung auf. Folgt man Lachnit [18], so eignen sich Kennzahlensysteme „als instrumentaler Rahmen für das heuristische Verfahren der Problemzerlegung
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
in offenen Entscheidungsmodellen“. Die Systemstruktur liefert den Problemaufriss, aus dem die relevanten Teilprobleme in ihrem systematischen Zusammenhang zu entnehmen sind. Bevor jedoch ein System von Kennzahlen als Instrument der Analyse praktisch bedeutsamer Strukturmerkmale des Ersatzteilbestandes zur Einschließung des Problemfeldes eingesetzt wird, bedarf es einer Erläuterung von Begriffen und Wesen betriebswirtschaftlicher Kennzahlen und Kennzahlensysteme. Allgemein formuliert sind betriebswirtschaftliche Kennzahlen „absolute Zahlen und Verhältniszahlen“, die in konzentrierter Form über quantifizierbare betriebswirtschaftlich interessierende Sachverhalte informieren [18]. Diese zunächst noch recht grobe Unterscheidung in absolute Zahlen und Verhältniszahlen lässt sich verfeinern, indem man absolute Zahlen weiter differenziert nach:
• Einzeldaten (z. B. Werte eines Reserveteils), • Summenzahlen (z. B. Wert des Gesamtbestandes an Reserveteilen), • Differenzzahlen (z. B. Wert des Reserveteilverbrauchs einer Abrechnungsperiode: Wert des Reserveteilbestandes am Beginn der Periode minus Wert des Reserveteilbestandes am Ende der Periode) und • Mittelwerte (z. B. durchschnittl. Wert der bevorrateten Reserveteile). Die Verhältniszahlen lassen sich in Beziehungs-, Gliederungs- und Indexzahlen gliedern: Beziehungszahlen beziehen zwei sachlich zusammengehörige Größen aufeinander (z. B. Reserveteilbestandswert/Anlagenwert = relativer Reserveteilbestand); Gliederungszahlen setzen eine statistische Teilmasse, zu der die entsprechende Gesamtmasse in Beziehung gesetzt wird (z. B. wertmäßiger Reserveteilbestand mechanischer Anlagenteile Breitbandstraße/wertmäßiger Reserveteilbestand Breitbandstraße insgesamt); Indexzahlen setzen gleichartige, aber zeitlich oder örtlich von einer Basismasse abweichende statistische Massen zueinander in Bezug (z. B. Reserveteilbestandswert der Periode t · 100/Reserveteilbestandswert der Periode t – 1 = Bestandsindex t). Nach der inhaltlichen Struktur lassen sich weiter Mengen- und Wertgrößen unterscheiden; nach der quantitativen Struktur Gesamt- und Teilgrößen. Des Weiteren können Kennzahlen bezüglich ihrer zeitlichen Struktur in Zeitpunkt- und Zeitraumgrößen eingeteilt werden. Mit Hilfe solcherart gewonnener Kennzahlen besteht die Möglichkeit des Aufbaus eines Systems ersatzteilwirtschaftlich relevanter Kennzahlen. Dabei entsteht ein Kennzahlensystem, „indem man die den Betrachtungsverhalt ausmachenden Faktoren, als Kennzahlen ausgedrückt, in ihrem systematischen Zusammenhang darstellt“. Insofern verkörpert ein Kennzahlensystem „eine geordnete Gesamtheit von Kennzahlen, die in sachlich sinnvoller Beziehung zueinander stehen, sich gegenseitig ergänzen und als Gesamtheit dem Zweck dienen, den Betrachtungsgegenstand möglichst ausgewogen und vollständig zu erfassen“ [18]. Gemäß dieser Definition ist es folglich nicht unbedingt erforderlich, dass eine rechentechnische Verknüpfung bzw. eine mathematische Verzahnung der einzelnen
3.5 Instrumente zur wirtschaftlichen Bestandsführung
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Systemelemente untereinander gegeben sein muss. Eine solche Bedingung gilt lediglich für gesamthafte Rechensysteme. Für sachlogisch strukturierte Kennzahlensysteme (Ordnungssysteme) wird lediglich gefordert, dass sie bestimmte Aspekte des Unternehmens durch ein Bündel von Kennzahlen aus mehreren Blickwinkeln erfassen. Die Beziehungen zwischen den Elementen eines solchen Systems lassen sich zwar nicht eindeutig mathematisch verknüpfen, sind aber hinsichtlich Art und Wirkungsweise, etwa aufgrund betriebswirtschaftlich-technischer Erfahrungen, bekannt. Insofern besteht bei rein sachlogisch strukturierten Kennzahlensystemen keine „Spitzenkennzahl“ mit Alleinstellungsmerkmal, die sämtliche beurteilungsrelevanten Informationen in einer Kennzahl verdichtet widerspiegelt. Erst die gemeinsame Betrachtung der verschiedenen Kennzahlen eines Kennzahlensystems ermöglicht demjenigen, der mit den betriebswirtschaftlich-technischen Zusammenhängen, hier des Ersatzteilgeschehens, vertraut ist, eine abgewogene Beurteilung des Betrachtungsgegenstandes „ersatzteilwirtschaftliche Tatbestände und Aktivitäten“. Einem solchen Kennzahlensystem kommt die Aufgabe zu, die „Ersatzteilwirtschaft“ mit allen ihren Aufgabenbereichen sowie die Beziehungen zwischen den einzelnen Aufgabenbereichen und die Schnittstellen der Ersatzteilwirtschaft mit weiteren Unternehmensbereichen möglichst ausgewogen und vollständig zu erfassen. Darüber hinaus eignet sich ein solches Bündel von Kennzahlen zum Benchmarking und damit zur Analyse der Ersatzteilbewirtschaftung hinsichtlich Bestand, Struktur, Bewirtschaftungsstrategie bzw. Disposition etc. Gerade durch die notwendige enge Abstimmung des Beständecontrollings im Bereich der Ersatzteile mit der Produktion (Produktionsprogramm und Produktionsauslastung) und der Instandhaltung ist ein abgestimmtes Verhalten dieser Teilbereiche notwendig. Hierzu ist ein System von Kennzahlen notwendig, das neben den klassischen Produktivitäts- und Effizienzkennzahlen (Produktion) innerhalb des Produktionsbereiches sowie den verfügbarkeitsorientierten Kennzahlen der Instandhaltung (insbesondere bei TPM-Strategie, zuverlässigkeits- und qualitätsorientierte Kennzahlen wie der OEE-Wert) um materialwirtschaftliche Kennzahlen zu ergänzen ist. Die generell zunehmende Bedeutung der Bestände, aber auch der Ausfallkosten und der im Bereich der Ersatzteilbewirtschaftung gegebenen Komplexität der Bestandsstrukturen und deren Einflussgrößen bedarf aussagefähiger Kennzahlen, um Transparenz in die Bestandssituation zu bringen. Neben einer effizienten Disposition ist vor der Arbeit mit entsprechenden Kennzahlen eine Strukturierung und Priorisierung der Materialien mit Hilfe der ABC-/XYZAnalyse ebenso notwendig, wie die Zuordnung insbesondere im A- und B-Ersatzteilspektrum der jeweiligen Instandhaltungsstrategien. Ein zeitgemäßes Ersatzteilcontrolling agiert verstärkt zukunftsorientiert und versucht Maßnahmenvorschläge zu erarbeiten und zu quantifizieren, die nicht nur Dispositionsfehler vermeiden helfen, sondern insbesondere gesamtheitlich auch zur Wertsteigerung des Unternehmens beitragen. Es ist eine ausgewogene Sicht zwischen dem Beständecontrolling, der Anlagenzuverlässigkeit und -verfügbarkeit und der geringstmöglichen Kapitalbindung sowohl im Anlage- als auch im Umlaufvermögen anzustreben.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Nachdem sich letztlich alle Managementaktivitäten mit Wertgenerierung und Wertschöpfung beschäftigen, steht hier die Gesamtunternehmensprofitabilität im Vordergrund. Die Gesamtkapitalrentabilität (return on capital employed – ROCE) ist nach wie vor die wesentliche Kennzahl zur Bewertung der ökonomischen Leistungsfähigkeit von Unternehmen bzw. einzelner Geschäftsaktivitäten. In Form des Du-Pont-Schemas wird die Kapitalrentabilität in die Umsatzrendite und den Kapitalumschlag zerlegt. Abbildung 3.13 zeigt die Zerlegung der Umsatzrendite und des Kapitalumschlags in weitere Bestandteile, die ihrerseits eine darauf aufbauende tiefergehende Analyse ermöglichen. Dieses Schema ermöglicht es weiterhin die Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Bereiche und Funktionen einer Organisation zu identifizieren und entsprechende Leistungsziele festzulegen. Abbildung 3.13 zeigt beispielhaft den Fokus auf produktions- und anlagenwirtschaftliche Handlungsziele, die im Weiteren das Ersatzteilcontrolling betreffen [19]. Innerhalb der Ersatzteilwirtschaft bestehen die wesentlichen Funktionen eines Kennzahlensystems in der Definition von Zielen bzw. Teilzielen und der zugehörigen Beobachtung inner- und außerbetrieblicher Entwicklungen, von Wirtschaftlichkeitsanalysen, der Leistungsbeurteilung und Erfolgs- bzw. Ergebnismessungen, wie auch als Hilfestellung für Routineaufgaben insbesondere in der Ersatzteildisposition. Sie dienen demnach neben der Quantifizierung von Zielen und Vorgaben als Entscheidungshilfe, Analyse- und Kontrollinstrument. Die Informations- und Überwachungsaufgabe kann hierbei insbesondere durch Kennzahlenvergleiche wahrgenommen werden. Wie erwähnt kann die Aussagefähigkeit von Einzelkennzahlen durch die Einbindung in ein Kennzahlensystem erhöht werden. Weiterhin ist aus Sicht der Verwendung der Kennzahlen zu unterscheiden nach Standard-, Abweichungs- und Bedarfsberichten. Während erstere durch einen festen Erstellungsrhythmus sowie durch vorgegebene Form und Inhalte gekennzeichnet sind, werden Abweichungsberichte nur nach Überschreitung festgelegter
Abb. 3.13 ROCE und dessen Einflussfaktoren
3.5 Instrumente zur wirtschaftlichen Bestandsführung
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Grenzwerte erzeugt. Fallweise angefordert oder vom Anwender selbst entwickelt werden Bedarfsberichte. Natürlich sind die Kennzahlen auch aus der jeweiligen Unternehmens- und hier der Produktions-, Instandhaltungs- und Logistikstrategie abzuleiten. Demnach ist auch für den Benutzerkreis im Unternehmen eine hierarchische Gliederung des Kennzahlensystems sinnvoll, wie
• Kennzahlen für die Unternehmensleitung und • Kennzahlen für den ersatzteilwirtschaftlich verantwortlichen Personenkreis, d. h. die Instandhaltung oder Materialwirtschaft bzw. die Logistik. Während Kennzahlen für die Unternehmensleitung übergreifenden und globalen Charakter haben und im Steuerungsteil der Festlegung genereller Unternehmens- bzw. als Spitzenkennzahlen ersatzteillogistischer Ziele dienen, werden im Analyseteil jene Kennzahlen zur Verfügung stehen, die abgeleitet aus den Rentabilitätszielen der zusammenfassenden Analyse des Ersatzteilmanagements aber auch der Strukturanalyse dienen. Ersatzteilwirtschaftliche Führungskennzahlen sind bereichsorientierter und detaillierter und dienen im Steuerungsteil der Ersatzteilwirtschaftsleitung bzw. den genannten Abteilungsleitern oder Prozessverantwortlichen zur regelmäßigen Vorgabe und Analyse entsprechend abgeleiteter Maßnahmen. D. h. den unterschiedlichen Bedürfnissen der Adressaten muss durch angepasste Inhalte und Verdichtungsgrade Rechnung getragen werden, wobei es sehr sinnvoll ist, wenn die getroffene Kennzahlenauswahl regelmäßig überprüft, bei Bedarf weiterentwickelt bzw. angepasst wird. Es ist sinnvoll in jedem Unternehmen für standardisiert gebildete und erhobene Kennzahlen eine Dokumentation hinsichtlich des Datenursprungs und der Verknüpfungsmethodik zu hinterlegen. Weiterhin sind folgende Abforderungen zu beachten:
• Sachgemäße Komprimierung und möglichst graphische bzw. tabellarische Darstellungen zur raschen Verständlichkeit der relevanten Information • Benutzergerechte Zugänglichkeit und Aktualität für den Anwender • Aufbau interaktiver Dialogsysteme mit der Möglichkeit stufenweises Verzweigen und Verdichten auf Detailebenen vornehmen zu können. • Implementierung automatischer Warnsysteme (Ampelsystem) bei Überschreiten von definierten Grenzwerten • Einschränkung der Kennzahlenvielfalt und Vermeidung vielfältiger Variationen in Berichten und Bildschirmanzeigen • Wirtschaftliche Kosten-Nutzenrelation • Aktuelle und zuverlässige Datenbasis.
3.5.3 Kennzahlenkatalog Abschließend seien Beispiele für die wichtigsten materialwirtschaftlichen Kennzahlen, wie sie in der Praxis verwendet werden, dargestellt.
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3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
• Lieferbereitschaftsgrad (Servicegrad) Anzahl sofort bedienter Anforderungen ⋅ 100 [%] Anzahl der Anforderungen
Der Servicegrad von Ersatzteillagern ist für die einzelnen Kategorien getrennt zu betrachten. Während bei den klassischen Reserveteilen im Prinzip 100% Servicegrad anzustreben ist, wird für Norm- und Mehrortteile (Kategorie B) ein Servicegrad von etwa 95% angestrebt. In der Klasse der C-Teile ist ein Servicegrad von annähernd 99% realisierbar. Prinzipiell sollte sich der Servicegrad dem Anlagenbeschäftigungsgraden und insbesondere der Vermeidung von Ausfallkosten anpassen. • Sicherheitsbestand Der Sicherheitsbestand dient der Versorgungssicherung. Er errechnet sich aus der Standardabweichung von einem prognostizierten Durchschnittsbedarf multipliziert mit einem Sicherheitsfaktor (siehe Abschn. 3.2.4 sowie insbesondere 3.3.3). • Höchstbestand Der Höchstbestand ist jener Bestand, der nicht überschritten werden sollte. Er errechnet sich durch die Addition von Sicherheitsbestand und durchschnittlicher Bestellmenge (bzw. optimale Bestellmenge). • Preisindex
Preis der Berichtsperiode (GE) ⋅ 100 [%] Preis der Basisperiode (GE) • Lagernutzungsgrad (Volumen) belegtes Lagervolumen (m³) ⋅ 100 [%] und/oder vorhandenes Lagervolumen (m³) belegtes Lagerfläche (m²) ⋅ 100 [%] vorhandenes Lagerfläche (m²)
• Durchschnittliche Lagerreichweite Durchschn. Lagerbestand ⋅ 360 Jahresverbrauch
• Umschlagszahl Verbrauch (GE) Durchschn. Bestandswert (GE) Neben dem Servicegrad gibt die Umschlagshäufigkeit einen Hinweis auf optimale Bestandsführung. Eine hohe Umschlagshäufigkeit ist anzustreben, wobei zwischen Verschleiß- und Normbauteilen mit höherer Umschlagshäufigkeit, sowie Risikoteilen (mit langer Lieferzeit) mit geringerer Umschlagshäufigkeit
3.5 Instrumente zur wirtschaftlichen Bestandsführung
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zu unterscheiden ist. In Ersatzteillagern mit entsprechenden Dispositionsverbesserungs- bzw. Risikobestandssenkungspotenzial sind vor der Realisierung eines Optimierungsprogrammes etwa 50% des Bauteilspektrums passiv, d. h. unbewegt. Von den restlichen 50% sind etwa die Hälfte mehr als ein Jahr unbewegt und lediglich vom Gesamtspektrum 5−10% dispositionsaktiv. Daraus kann das hohe Rationalisierungspotenzial einer ersatzteillogistisch optimierten Bestandsführung unter Berücksichtigung der Instandhaltungsbedarfe erkannt werden. • Ersatzteilvorrat Beschaffungswert der Ersatzteile (GE) ⋅ 100 [%] Wiederbeschaffungswert der Anlagen (GE)
• Lagerkostenrate Lagerkosten (GE) ⋅ 100 [%] Verbrauch (GE) • Liefertreue Häufigkeit Terminüberschreitung ⋅ 100 [%] Anzahl Lieferaufträge
• Ersatzteilanteil Lagerbestand Ersatzteile (GE) ⋅ 100 [%] Instandhaltungskosten (GE) Die längerfristige Beobachtung dieser Kennzahl gibt Hinweise zur Ersatzlagerung. Eine steigende Tendenz kann durch unerkannte Anlagenschwachstellen, falsche Disposition oder geringen Anlagenbeschäftigungsgrad hervorgerufen werden. Ein Lagerabbau oder die Veränderung von Material-, Personal- und Fremdleistungsanteilen in der Instandhaltung kann eine Veränderung des Ersatzteilanteils nach unten bewirken. Die Kennzahl streut über die Anlagen bzw. Branchen sehr stark.
3.5.4 Kombination von XYZ-Analyse mit der ABC-Analyse für den Einsatz von Kennzahlen Zum Hintergrund und der Methodik zur Erstellung der ABC- sowie der XYZAnalyse siehe Abschn. 3.5.1.
• Gruppe X: Materialien mit konstantem Verbrauch bei nur gelegentlichen geringen Schwankungen (hohe Vorhersagegenauigkeit). • Gruppe Y: Materialien mit trendmäßigen oder saisonalen Schwankungen (mittlere Vorhersagegenauigkeit). • Gruppe Z: Materialien mit völlig unregelmäßigen Schwankungen (niedrige Vorhersagegenauigkeit).
92
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Abb. 3.14 Zusammenhang zwischen Einsatz materialbezogener Kennzahlen und Wertigkeit/ Vorhersagegenauigkeit des Materials (Kombination ABC-Analyse/XYZ-Analyse) [20]
Die Unterscheidung dieser drei Gruppen kann vor allem als Entscheidungshilfe für das Materialbereitstellungsproblem herangezogen werden, d. h. für die Frage, ob für einzelne Materialien (IH-) bedarfssynchrone Anlieferung, Vorratshaltung oder Einzelbeschaffung vorzusehen ist. Im Zusammenhang mit der Kennzahlenbildung kann die XYZ-Analyse die Entscheidung darüber unterstützen, für welche Materialien Größen wie Sicherheitsbestand, Höchstbestand, Reichweite usw. festgelegt werden sollen. Diese Entscheidungshilfe für den Einsatz ersatzteilbezogener Kennzahlen lässt sich durch eine Kombination der XYZ-Analyse mit der ABC-Analyse noch verfeinern. Das abschließend in Abb. 3.14 dargestellte Schema kann insofern als ein Anhaltspunkt bei der Auswahl von Kennzahlen dienen.
3.5.5 Benchmarking Benchmarking stellt eine Managementmethode zur Erschließung von Leistungspotenzialen dar. Es können sowohl Produkte, Prozesse, Strategien, aber auch Organisationsstrukturen beleuchtet werden, um aus dem systematischen Vergleich Ansatzpunkte für die Verbesserung der eigenen Leistung zu erzielen. In der Literatur hat sich bislang kein einheitliches Verständnis zum Begriff Benchmarking herausgebildet, daher sind nachstehend gemeinsame Merkmale unterschiedlicher Benchmarkingbegriffe zusammengefasst [21]. Hinsichtlich der Auswahl des Benchmarking-Objektes und des -Partners wird Benchmarking in internes, wettbewerborientiertes und funktionales Benchmarking unterschieden. Siehe die unterschiedlichen Benchmarkingarten mit ihren unterschiedlichen Inhalten und Vor- bzw. Nachteilen in Tabelle 3.10. Von Ester [10]
3.5 Instrumente zur wirtschaftlichen Bestandsführung
93
Tabelle 3.10 Gemeinsame Merkmale unterschiedlicher Benchmarkingbegriffe Merkmal
Erläuterung
Kontinuierlicher Prozess
Prozess der langfristig betrieben und implementiert sein muss. Ständige Suche nach den „Besten der Besten“ Vergleichen, Messen und Beurteilen Die Leistungslücke zu den Besten und damit zugleich das eigene Verbesserungspotenzial quantitativ und qualitativ aufzeigen Lernaspekt Das Verständnis der Prozesse steht im Vordergrund (qualitativer Aspekt und sein quantitativer Effekt) Blick nach außen Permanentes Vergleichen und Messen mit anderen soll das „Lernen“ institutionalisieren
wurde ein umfassendes Benchmarking-Modell für die Ersatzteillogistik insbesondere aus Anlagenherstellersicht entwickelt, wobei in diesem Ersatzteile als selbstständige Handelsgüter im After Sales Service verstanden werden. Neben der Ableitung von Kennzahlen für das Prozessbenchmarking werden aber auch Kundenanforderungen an die Ersatzteilversorgung, das Lieferservice, die Kommunikation, die Qualität der Ersatzteile und die Kosten der Ersatzteilversorgung dargestellt. Hier soll der Teil des Benchmarkings näher beleuchtet werden, der die Anlagenbetreibersicht in den Vordergrund stellt und den zu wählenden Ausgleich zwischen Bestands- und Ausfallkosten anstrebt. Auch hinsichtlich der Vorgehensweise beim Benchmarking hat sich kein einheitlicher Standard etabliert; bewährt hat sich eine Vorgehensschrittigkeit aus 5 aufeinander folgenden Phasen, welche im Sinn des Verbesserungsprozesses mehrmals durchlaufen werden können. Im Rahmen der Analysephase sind die 3 Teilschritte „Gegenstand des Benchmarkings“, „Benchmarkingpartnerwahl“ und „woraus ergibt sich die Leistungsdifferenz, Identifizierung der Leistungsdifferenz“ zu beantworten. In der anschließenden Designphase werden die Fragestellungen „wie können Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden?“ und im Abschluss in der Realisierungsphase die Frage „was konnte letztendlich umgesetzt werden?“ beantwortet. Bezogen auf das Benchmarking in der Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung bedeutet dies:
• Da sich die Ersatzteilversorgung als Prozess mit einer Abfolge von Prozessschritten mit dem Ziel, die für die Instandhaltung von Anlagen benötigten Ersatzteile in der erforderlichen Art und Menge beim Bedarfsträger zur rechten Zeit kostenminimal bereit zu stellen darstellt, ist es die Anlage bzw. die Instandhaltung, welche den Prozess durch den potenziellen Bedarf eines Ersatzteils auslöst. Den Abschluss findet dieser Prozess mit der Lieferung des Ersatzteiles an die Instandhaltung bzw. die Anlage, den damit verbundenen administrativen Tätigkeiten und gegebenenfalls auch durch die Instandsetzung – bei Kreisläufen – durch die Wiedereinlagerung im Ersatzteillager. • In der Wahl des Benchmarking-Partners ist die Frage nach der Anlagenintensität der Vergleichsunternehmen ebenso zu beantworten, wie deren Ausfallkostenpotenzial und Anlagenstruktur. Bei der Anlagenstruktur ist letztendlich deren Kapazitätsauslastung bzw. Betriebsweise entscheidend, da insbesondere
94
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
intermittierend betriebene und wechselnd beanspruchte Anlagen den höchsten Anlagenverschleiß aufweisen. Benchmarking-Partner lassen sich einerseits mittels direkter Ansprache finden, andererseits kann über eine Clearing-Stelle ein anonymes Benchmarking durchgeführt werden. Für beide Vorgehensweisen sprechen unternehmspezifische Gründe. • Bei der Ableitung des Benchmarkingkonzeptes ist sicherzustellen, dass sowohl eine Vergleichbarkeit als auch eine entsprechende Prozessstrukturierung und insbesondere eine Datenkonsistenz gegeben ist. Hilfreich ist in diesem Fall die klare und transparente Prozessabgrenzung, das hierarchische Strukturieren und Detaillieren der einzelnen Prozessschritte in weitere Teilprozesse auf tiefer Ebene, das Schaffen einer einheitlichen Terminologie, das Herstellen von spezifischen Bedeutungszusammenhängen zwischen Key-Performance-Indicators (KPI) und Strukturvariablen sowie eine effiziente Datenhaltung und -auswertung [23]. Dieses Referenzmodell beinhaltet gegebenenfalls alternative Prozessteilschritte und Handlungsmuster, deren Übernahme das jeweilige Unternehmen als sinnvoll betrachten kann. Eine Verbesserung der Prozesseffizienz bedeutet die Optimierung des Verhältnisses Output zu Input, welche für das Benchmarking in Form von geeigneten Kennzahlen abgebildet wird. Letztlich können ebenfalls Kennzahlen dazu dienen, über die Effektivität der Ersatzteilversorgung (liegen die benötigten Ersatzteile auf Lager) Aufschluss zu geben. Natürlich ist es zweckmäßig beim Ersatzteilbenchmarking klassische materialwirtschaftliche Kennzahlen zu verwenden, die einen Vergleich mit anderen Datenquellen ermöglichen. Über den klassischen Einzelkennzahlenvergleich hinaus, bietet sich eine lebenszyklusorientierte Prozessbetrachtung der Ersatzteilversorgung an. Analog zu den Instandhaltungsprozessen kann beim Ersatzteilversorgungsprozess der Input ökonomisch gemessen werden, wo hingegen die Leistungsseite – beispielsweise vermiedene Ausfallkosten aufgrund richtiger Bevorratung – sich einer direkten ökonomischen Bewertung weitestgehend entziehen. Für diesen Fall eignet sich ein adaptiertes Wissensbilanzmodell, welches einerseits die Input-Seite mit deren Rahmenbedingungen und zum anderen auch die Wirkungsseite wiedergibt. Da die Leistungserstellung vorwiegend durch Humankapital erfolgt und insbesondere die Effektivität der Leistungserstellung vom richtigen Einsatz der in diesem Buch dargestellten Managementinstrumente und methoden insbesondere der Disposition abhängt. Siehe hierzu Abb. 3.15. Ausgehend von den für die Ersatzteillogistik formulierten Unternehmenszielen und abgeleitet aus dem Instandhaltungsleitbild und den konkreten Zielvorgaben an die Ersatzteillogistik (siehe dazu entsprechende Abschnitte in diesem Buch) können das Human-, Struktur- und Beziehungskapital als strukturierter Input der Ersatzteillogistik verstanden werden. Im Bereich des Humankapitals bieten sich folgende Kennzahlen zur Beschreibung an:
• • • •
Anzahl der Disponenten Schulungstage pro Mitarbeiter Mitarbeiterfluktuation Mitarbeiterzufriedenheit
3.5 Instrumente zur wirtschaftlichen Bestandsführung
95
Abb. 3.15 Struktur- und Prozessmodell des Instandhaltungsmanagements [24]
• Anzahl der Disponenten mit Querschnittskompetenz (wie beispielsweise Instandhaltungs- bzw. Produktionserfahrung) • ... Das Strukturkapital kann mit folgenden Kennzahlen beschrieben werden:
• • • • •
Anzahl der Informationssysteme Anzahl der Ersatzteillager Anzahl der eingesetzten Dispositionsmodelle Wiederbeschaffungswert der betreuten Anlagen ... Das Beziehungskapital kann mit folgenden Kennzahlen charakterisiert werden:
• Anzahl der an der Ersatzteilversorgung beteiligten internen Organisationseinheiten • Anzahl der externen Ersatzteil-Lieferanten • Anzahl der Lieferanten mit langfristigen Lieferverträgen • Anzahl der Konsignationslager • Durchschnittliche Wiederbeschaffungszeit, gegebenenfalls differenziert nach A-, B- und C-Teilen • ... Für die Beschreibung der Leistungsprozesse und des Outputs bieten sich folgende Kennzahlen an:
• Planung der Erstbevorratung − Ersatzteilbudget/Anschaffungswert der Anlage − Risikobestand: Anteil AZ-Teile + AY-Teile am Gesamtbestand − ... • Abdeckung des laufenden Ersatzteilbedarfs − − − −
Servicegrad Ersatzteilvorrat Ersatzteilintensität Lagervolumen
96
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
− Umschlag − Durchschnittliche Reichweite − ... • Ersatzteilausmusterung − Anschaffungswert der ausgemusterten Ersatzteile/Anschaffungswert der ausgemusterten Anlagen − ... • Ersatzteilverwaltung − − − −
Anzahl der eingesetzten Analysemethoden Anteil der erfassten Ersatzteile im System Anteil der Standard-Ersatzteile am Gesamtbestand ...
Der Output der Ersatzteilversorgung kann mit Hilfe der klassischen materialwirtschaftlichen Kennzahlen, die die Struktur des Ersatzteilbestandes charakterisieren, dargestellt werden. Die Wirkung der Ersatzteilversorgung (Outcome oder Impact) kann mit folgenden Indikatoren beschrieben werden:
• • • • • •
Durchschnittliche Reparaturdauer (mean time to repair – MTTR) Ausfallkosten je Periode Lagerhaltungskosten Anteil Lagerhaltungskosten am Anlagevermögen Zufriedenheit der Instandhalter mit der Ersatzteilversorgung ...
Das skizzierte Benchmarking-Modell lässt sich, basierend auf dieser Struktur, betriebsspezifisch erweitern und gibt damit die Möglichkeit sowohl Analysen hinsichtlich der Ersatzteilstruktur, aber auch hinsichtlich der Ersatzteillogistikeffizienz vorzunehmen.
3.6 Nutzen und Kosten der Ersatzteilbevorratung Längere Ausfallzeiten führen zu höheren Ausfallkosten; die Bevorratung von Ersatzteilen soll dieselben vermeiden. Diesem grundlegenden Zusammenhang muss mittels eines effektiven Bestände-Controllings durch Bereitstellen entscheidungsrelevanter Nutzen- und Kosteninformationen entsprochen werden. Insbesondere für hochwertige Anlagenteile mit einem sehr geringen (sporadischen) Bedarf erfordert die erfolgsorientierte Festlegung von Ersatzteilbeständen detaillierte Kenntnisse über entscheidungsrelevante Kosten und Nutzen. Während auf der Kostenseite oftmals auf Regelinformationen bzw. weniger aufwendige Sonderrechnungen zurückgegriffen werden kann, fehlen systematisch ermittelte Nutzeninformationen zur Fundierung derarti-
3.6 Nutzen und Kosten der Ersatzteilbevorratung
97
ger Ersatzteilbereitstellungs- und Bevorratungsentscheidungen fast völlig. Mittels nutzwertanalytischer Methoden sind daher anlagen- und anlagenteilbezogene Nutzwerte zu ermitteln, um so zumindest näherungsweise den jeweils entscheidungsrelevanten Nutzen grob abschätzen zu können. Anlagenbezogen fallen für die Nutzenermittlung folgende Bestimmungsfaktoren besonders ins Gewicht:
• Bedeutung und Stellung der Anlage im Produktionsverbund/Betrieb, • Fertigungsprozesstyp eines Anlagenkomplexes (Art der Verkettung, Automatisierungsgrad), • technischer Zustand der Anlage, • Marktstellung der auf der Anlage gefertigten Produkte, • Anlagenbezogene Kosten- und Erlösinformationen, • Beschäftigungssituation der Anlage und • Kompensationsmöglichkeiten eines Produktionsausfalls. Anlagenteilbezogene Nutzen ergeben sich aus einer Bewertung von nutzenbestimmenden Einflussgrößen wie:
• • • •
Anlagenkonstruktionen, produktionsbezogene Nutzenstiftung der Anlagenteile, Beeinflussung der Anlagensicherheit, Informationen über den technischen Zustand/den Verschleißverlauf von Anlagenteilen, • Möglichkeiten der Verschleißhemmung und -beseitigung sowie • Möglichkeiten der Teilebereitstellung. Die weitere Auffächerung der Bestimmungsfaktoren und die Zuordnung von Punktwerten gemäß der Nutzenpotentiale von Anlagen bzw. Anlagenteilen ermöglicht so eine erste Orientierung über den Bereitstellungs- und Bevorratungsnutzen eines Ersatzteiles für eine bestimmte Anlage. Bei hochwertigen Ersatzteilen (über 100 T€) versucht man die Nutzen und Kosten zu quantifizieren und investitionsrechnerisch zu bewerten (siehe Abschn. 3.4).
3.6.1 Ausfallkostenbestimmung Betrachtet man das Wirksamwerden von Ausfällen an Produktionsanlagen, so lassen sich zwei Hauptgebiete – der Produktionsbereich und zum anderen der Absatzbereich – unterscheiden. Im Produktionsbereich fallen ungenutzte Verbräuche während der Ausfalldauer an, sowie erhöhte Verbräuche aufgrund von Minderleistungen, die eine Auswirkung der Ausfälle auf vor- oder nachgeschaltete Anlagen sind. Hinzuzuzählen sind noch zusätzliche Kosten beim Aufholen eines Produktionsrückstandes, zum Beispiel erhöhte Lohnkosten infolge Überstunden oder zusätzliche Schichten sowie Produktionsausschuss (Produkte mit Minderqualität und dergleichen).
98
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Auf dem Absatzsektor lässt sich ein Erfolgsausfall durch versäumte Produktion möglicher Absatzmengen feststellen. Der Erfolgsausfall wird noch durch Erlösminderung gesteigert, zum Beispiel bei Terminverzug (Pönale) oder bei Vergabe von Lohnaufträgen an konkurrierende Unternehmen bzw. bei Zukauf von Fertigprodukten, um den Abnehmerkreis zu befriedigen. Im Weiteren entstehen hier zusätzliche Kosten für ein vergrößertes Fertiglager, das angelegt wird, um den Lieferverpflichtungen ohne Auswirkung von betrieblichen Störungen gerecht werden zu können, sowie unter Umständen zusätzliche Kosten für die Wiedergewinnung des ursprünglichen Abnehmerumfanges nach einer vorübergehenden Lieferunfähigkeit. Aus dieser Aufzählung der Auswirkungen von Ausfällen kann eine Definition der Ausfallkosten unter folgender Einschränkung abgeleitet werden: Es sollen nur messbare und kalkulatorisch exakt feststellbare Komponenten betrachtet werden. Somit wird hier unter Ausfallkosten die Summe aus den messbar ungenutzten Verbräuchen und den zusätzlichen Kosten im Produktionsbetrieb sowie dem Erfolgsausfall verstanden. Ausfallkosten = ungenutzte Verbräuche (messbar) + Erfolgsausfall (kalkulatorisch, teilsweise messbar) Es fällt auf, dass Maßnahmen des Abnehmerkreises nicht weiter erörtert werden. Diese Vernachlässigung erscheint vertretbar, da Lieferunfähigkeit nur bei sehr langen, katastrophenähnlichen Ausfällen eintreten wird. Hier sollen jedoch besonders die kurz- und mittellang dauernden Störungen bzw. Ausfälle, die das tägliche Problem der Instandhaltungsarbeiten darstellen, diskutiert werden. 3.6.1.1 Die ungenutzten Betriebsverbräuche Voraussetzung für eine Bewertung von ungenutzten Betriebsverbräuchen ist eine möglichst exakte Erfassung der Menge. Diese Mengen werden sehr deutlich von der Dauer eines Einzelausfalles beeinflusst. Bei länger dauernden Störungen ist es üblich, zum Beispiel das Produktionspersonal anderen Produktionskostenstellen zuzuordnen oder mit Hilfsarbeiten zu betrauen. Auch wird die Betriebsbereitschaft nicht mehr voll aufrechterhalten, z. B. durch Drosselung von Brennstoffmengen in Wärmeöfen. Ist die Störung jedoch nur kurzfristig, werden solche Dispositionen nicht durchgeführt und die ungenutzten Verbräuche je Zeiteinheit treten in maximaler Höhe ein. Die Länge des Einzelausfalles beeinflusst nicht nur die Höhe der ungenutzten Verbräuche der gestörten Produktionsanlagen selbst, sondern auch vor- und nachgeschaltete Anlagen oder Betriebe. Wie weit diese Anlagen beeinflusst werden, wird von ihrem Einbindungsgrad in den Produktionsfluss, also vom Fertigungssystem und den Möglichkeiten, Lager für Zwischenprodukte aufzubauen, abhängen. Um dem Ziel der Ausfallzeitbewertung näher zu kommen, muss in einem ersten Schritt die ausfallzeitabhängige Struktur eines Betriebes festgestellt werden. In einem weiteren Schritt sind die von der Einzelstördauer abhängigen Verbräuche an der Anlage selbst, sowie an den beeinflussten Anlagen festzustellen.
3.6 Nutzen und Kosten der Ersatzteilbevorratung
99
Es ist nicht gleichgültig in Bezug auf die ungenützten Verbräuche in einem Betrieb, an welcher Anlage im Produktionsfluss ein Ausfall auftritt. Besteht ein Zwangsdurchlauf aller Produkte für ein bestimmtes Aggregat, wird sich eine Störung an dieser Anlage auf den gesamten Betrieb auswirken. Anlagenbereiche, die jedoch nur lose in den Produktionsfluss eingeordnet sind und die zu bearbeitenden Produkte von einem mehr oder minder großen Zwischenlager entnehmen können, werden weniger in Mitleidenschaft gezogen. Ab einer gewissen Grenzlänge für die Einzelstördauer – wenn der Vorrat im Eingangslager verbraucht ist – treten auch hier die ungenutzten Verbräuche in vollem Umfang auf. Besteht die Möglichkeit, zwei parallele Fertigungslinien zu benutzen, so kann bei Störungen an der einen Linie das Erzeugungsprogramm mittelfristig so ausgelegt werden, dass die intakte Fertigungslinie voll produziert und somit ungenutzte Verbräuche nur in gewissem Umfang auftreten. Um die ungenutzten Verbräuche für einen Betrieb exakt angeben zu können, ist die ausfalldauerabhängige Betriebsstruktur für jedes Hauptaggregat zu ermitteln. Das heißt, die Auswirkungen auf vor- und nachgeschaltete Anlagen sind in Abhängigkeit der Einzelausfalldauerlänge zu quantifizieren. Nicht nur für die Personalkosten sind empirische Erhebungen nötig, sondern auch alle anderen Produktionsfaktoren sind in ihren durch Ausfälle bedingten Verbräuche zu erfassen (insbesondere Energie- und Maschinenverbräuche). Mit diesen Mengengerüsten ist es möglich, die Ausfallzeit exakt zu bewerten. Um jedoch repräsentativ allgemeine Durchschnittswerte zu erhalten, sind ausgefallene Einzelausfallzeiten auf die mengenmäßige Verteilung ihrer Länge hin sowie auf ihr örtliches Anfallen auszuwerten. Die Ausfalldauercharakteristik ist eine wichtige Bestimmungsgröße für die zeitliche Breite der Untersuchung auf ausfallzeitbedingte Verbräuche einer Anlage oder eines Betriebs. Wurde dieser Zeitbereich bestimmt, für den hauptsächlich die ungenutzten Verbräuche ermittelt werden sollen, ist es günstig, die Ist-Werte von Störungen auf die lokalen Bereiche ihres Anfallens aufzuteilen und auf ihre Kostenwirksamkeit hin (Bewirken ungenutzter Verbräuche) zu analysieren. Damit sind Schwerpunkte für die laufende Ausfallzeiterfassung bestimmt und Schlüsselgrößen für die laufende Auswertung der Zeitbilanz der Anlagen ermittelt. Die Ausfallzeit selbst wird je nach Automatisierungs- und Organisationsgrad eines Betriebes entweder vom Produzenten selbst, von einer neutralen Stelle oder automatisch von einem Anlagenüberwachungsgerät erfasst.
3.6.1.2 Der Erfolgsausfall Um einen Erfolgsausfall in einer Abrechnungsperiode nachweisen zu können, muss von einem bestimmten Auftragsvolumen – einer bestimmten Planbeschäftigung – ausgegangen werden, dem infolge Anlageausfällen nicht entsprochen werden kann. Für den Erfolgsausfall ist somit nicht die Länge der Einzelstördauer relevant, sondern die Summe aller Ausfallzeiten in einer Rechnungsperiode. Voll wirksam wird diese Summe Ausfallzeit jedoch nur dann, wenn der Betrieb voll
100
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
ausgelastet ist und keine Freizeit mehr zur Verfügung steht, in der die Produktionsrückstände aus Anlagenstörungen aufgeholt werden können. Erst wenn aufgrund der Beschäftigungslage Freizeit vorhanden ist, die für die Produktion genutzt werden könnte, entsteht das Problem, festzustellen, welche Ausfälle nun Erfolgsausfall verursachen und welche Ausfälle keinen. Betrachtet man eine Abrechnungsperiode streng isoliert für sich, so wird der Produktionsrückstand infolge einer Störung, die zu Beginn der Rechnungsperiode eingetreten ist, durch Verlegung von Produktionszeiten in die ursprünglich geplante Freizeit aufholbar sein. Dagegen ist ein Produktionsausfall am Ende des Monats in dieser Abrechnungsperiode nicht mehr aufzuholen. Der schwer bewertbare Zeitpunkt des Anfallens einer Störung scheint also den Erfolgsausfall wesentlich zu beeinflussen. Um bei praktischen Ermittlungen des Erfolgsausfalles nicht jeden einzelnen Zeitpunkt dieses Auftretens bestimmter Störungen bewerten zu müssen, lässt sich dieser Effekt mit Hilfe des folgenden Gedankenmodells ausschalten: Bei einer großen Anzahl von etwa gleich langen über eine Periode verteilten Ausfällen tritt derselbe Mengenausfall ein wie bei der vereinfachenden Annahme, dass sämtliche Ausfälle in der Mitte der betrachteten Periode auftreten und bereits die Hälfte der noch nutzbaren Freizeit verstrichen ist. Ein zusätzliches Argument für diese Annahme ist die praktische Gepflogenheit, nicht erledigte Produktionsaufträge in die Programmplanung für die nächste Periode einzubeziehen. Bei gleicher Beschäftigungslage und gleicher zu erwartender Ausfalldauersumme ist das zum Teil möglich, und als Folge davon wird die nutzbare Freizeit, besonders wenn man mehrere Perioden betrachtet, ungefähr 50% der gesamten Freizeit betragen. Diese Methode ist sehr grob und kann gegebenenfalls bei überschlägigen Planungsrechnungen angewendet werden. Will man jedoch konkrete Aussagen über die Wirkung einer bestimmten Instandhaltungsmaßnahme bzw. den Wert der Wirkung durch Vermeidung von Ausfällen erhalten, muss man sehr detailliert das Betriebsmittel-Zeitgerüst untersuchen.
3.6.2 Minimierung der Lagerhaltungskosten Die Lagerhaltung unterliegt im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dem Zwang der Kostenminimierung unter Berücksichtigung der Fehlbestandskosten. Dies hat die Konsequenz, die Lagerdispositionen so zu gestalten, dass die hier beeinflussbaren Kosten minimiert werden. Das setzt voraus, dass die in der Kostenrechnung bis auf wenige Ausnahmen als Gemeinkosten verrechneten Lagerkosten im Hinblick auf ihre Kosteneinflussgrößen in Lagerbestands-, Lagerraum-, Lagerdurchlaufund Lagerbewirtschaftungskosten weiter strukturiert werden [25]:
• Bestandskosten, sind vom jeweiligen bzw. durchschnittlichen Wert des Lagerbestandes anhängig wie z. B.: kalkulatorische Zinsen auf das in den Lagerbeständen gebundene Kapital (Kapitalbedarf), Versicherungsprämien für Bestände, Kosten für Lagerschwund, Kosten durch Qualitätsminderungen.
3.6 Nutzen und Kosten der Ersatzteilbevorratung
101
• Lagerkapazitätskosten sind von der Quantität und Qualität der Lagerkapazität abhängig, wie z. B.: kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen, Versicherungsprämien, Betriebskosten und Instandhaltungskosten. • Durchlauf-(handling-) Kosten, sind leistungsabhängig veränderlich wie z. B.: Personalkosten, Hilfs- und Betriebsstoffkosten sowie sonstige Kosten der Güterbewegung. • Bewirtschaftungskosten zum Betrieb und der laufenden Pflege des Bestandsund Bewirtschaftungsinformationssystems. Im Rahmen gegebener Bedarfsanforderungen wird das Ziel der Kostenminimierung durch die Festlegung des Soll-Lagerbestandes als wichtigstem beeinflussbaren Kostenbestimmungsfaktor durch Errechnung der optimalen Bestellmengen bzw. Losgrößen (B- und C-Teile), sowie durch die Anwendung der Verfahren zur verbrauchs- und instandhaltungsprogrammgesteuerten Lagerauffüllung (B-, C- und teilweise A-Teile) entsprochen. Die Lagerkapazitäten, deren Standort (vor Ort-Lager und Zentrallager) sowie die Lagertechnologie sind in die Optimierungs-überlegungen einzuschließen. Da sich die Ziele Kostenminimierung und hoher Lieferbereitschaftsgrad widersprechen, ist das Optimum in einem eingeschränkten Lieferbereitschaftsgrad zu sehen, (vgl. Abb. 3.16). Bei A-Teilen (Reserveteile) entsprechen die Fehlmengenkosten den Ausfallkosten. Der Verlauf derselben ist in der Praxis betriebsspezifisch sehr unterschiedlich und bedarf einer detaillierten Analyse (siehe Abschn. 3.6.1). Gründe für überhöhte Ersatzteilbestände und damit Umlaufvermögen sind im Bereich der Lagerhaltung:
• unzureichende Bestandsinformationen, • kumulative Sicherheitsbestände,
Abb. 3.16 Lagerhaltungskosten und Lieferbereitschaftsgrad [25]
102
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
• Ersatzteilbestände von bereits außer Betrieb genommenen Anlagen, • veraltete Dispositionsparameter, • übertriebenes Sicherheitsdenken. Ausgehend davon hat es sich bei den Vorräten als wirksam erwiesen, in vier Hauptbereichen nach Ursachen für erhöhte Bestände zu suchen. 1. Eine Struktur, die große Teile überalterter Bestände enthält und deren Umschlagsdauer nicht auf schwankende Bedarfsanforderungen ausgerichtet ist. 2. Übertriebenes Sicherheitsdenken auch bei Ersatz- und Reserveteilen, deren Fehlen im Lager bzw. deren Ausfall keine relevanten Ausfallkosten verursacht. 3. Unzureichende Planungs- und Kontrollinformationen wie beispielsweise hohe Abweichungen in den Verbrauchsschätzungen wichtiger Normalteile, Bestandsführung ohne Ausweis von kritischen Ersatzteilen (d. h. fehlende Bestandsstrukturformationen). 4. Unzulängliche Entscheidungsregeln in der Beschaffung, keine interdisziplinäre Betrachtung der bestandsbestimmenden Informationen insbesondere aus dem Bereich der Instandhaltung.
Maßnahmen zur Senkung der Lagerkosten sind: • Verbesserung der Qualität der Bestandsinformation (Struktur, Höhe, Umschlag usw.), • Verhältnis von Vorratshöhe zu Sicherheitsbestand, • Abbau kumulativer Sicherheitsbestände, • Bereichsübergreifende Informationsnutzung (IH, Produktion, Mawi), • Laufende Aktualisierung von Dispositionsparametern, • Transparentes Lagerhaltungs- und Ersatzteil-Identifizierungssystem zur Minimierung der Such- und Entnahmezeit.
3.6.3 Beschaffungskostenminimierung Die Kosten für die Ersatzteilbeschaffung können mit einem Standard-Beschaffungszuschlag oder einer Angebotskalkulation ermittelt werden. Auch der Zuschlagsatz für Fremdleistung muss kalkuliert werden. Ein Beispiel einer StandardZuschlagskalkulation für Fremdleistung ist in Tabelle 3.11 wiedergegeben. Wird eine Firma als Generalunternehmer eingesetzt, so ist über einen zusätzlichen Generalunternehmer-Zuschlagsatz, der bei ca. 10 bis 15% liegt, zu verhandeln [26]. Bei anderen Lieferungen können andere Zuschläge festgesetzt werden, die in der Stückkalkulation ermittelt werden. Grundsätzlich wird hiermit eine Untergrenze ermittelt, die zur Vollkostendeckung führt. Im Allgemeinen müssen für Ersatzteillieferungen vom Hersteller höhere Zuschlagsätze kalkuliert werden, um sämtliche Kosten z. B. für lange Bevorratung abzudecken. Dieser hohe Ersatzteilpreis sollte bei der Kalkulation der Instandhaltung berücksichtigt werden.
3.6 Nutzen und Kosten der Ersatzteilbevorratung
103
Tabelle 3.11 Standard-Zuschlagskalkulation für Fremdleistungen. Der Beschaffungszuschlag von 21% verteilt sich verursachungsgerecht auf die Kostenbereiche: Einkauf, Disposition, Lager, Verwaltung [26] Beispiel KALKULATION GmbH Fremdleistungen
Berechnung Zuschlag
Pos.
Kostenbereich
Pos.
01
Einkaufspreis (EK) (Fremdleistung/Zulieferung) Material- GMK Materialkosten 1 + 2 Verwaltungs- GMK Vertriebs- GMK Selbstkosten I (SK I) 3 + 4 + 5 kalk. Zinsen Selbstkosten II (SK II) 6 + 7 kalk. Gewinn Verkaufspreis (VKP I) 8 + 9 (ohne Mwst.)
02 03 04 05 06 07 08 09 10
Wert
Stand gesamt
100,00
100 105 105 109,2 116,55 116,55 120,05 120,05 121,05 121,05
auf 1
5%
005,00
auf 3 auf 3
4% 7%
004,20 007,35
auf 6
3%
003,50 001,00
auf 8
0,83%
Zur Verkaufspreisermittlung beim Hersteller muss eine Stückkalkulation für Ersatzteile auf der Basis der Herstellkosten erfolgen. Die in Tabelle 3.12 dargestellte Stufenkalkulation zeigt die Verkaufspreisbildung des Herstellers [26]. Tabelle 3.12 Zuschlagskalkulation für Ersatzteile [26] ERSATZTEILEKALKULATION Mengenbasis alt neu Jahr Jahr
Pos. 11 12
Materialkosten Fertigungskosten
21 22
Vorratsteile Herstellkosten (11 + 12 + 21) Verwaltungsgemeinkosten (von 22) Vertriebsgemeinkosten (von 22) Sondereinzelkosten-Vertrieb (von 22) Selbstkosten I (22 + 31 + 32 + 33) Kalk. Gewinn v. 34 Verkaufspreis I Preisnachlass (%) Verkaufspreis-II (o. MWSt.) Mehrwertsteuer Verkaufspreis-II (m. MWSt.)
31 32 33 34 41 42 43 51 52 61
Preisbasis alt neu Jahr Jahr
Gesamt
104
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
3.7 Verrechnung von Reserveteilen Klassische Reserveteile und teilweise Normteile sind meist technisch hochwertig und haben einen hohen Anschaffungspreis. Betriebswirtschaftlich gesehen lohnt sich deshalb oftmals eine Reparatur dieser defekten Ersatzteile (siehe Kap. 1, Abb. 1.1). Solche Reparaturen werden in vielen Fällen in einer unternehmenseigenen Reparaturwerkstatt durchgeführt. Reparierte Module werden anschließend in ein Lager gebracht und warten dort auf einen erneuten Einbau in eines der technischen Systeme. Bei einem Bauteil- oder Baugruppendefekt in der Anlage wird ein entsprechendes intaktes Ersatzteil vom Lager genommen und in die Anlage eingebaut. Gleichzeitig wird das ausgebaute defekte Teil zur Werkstatt gebracht, dort dann repariert und schließlich wieder auf Lager gelegt. Da reparierte Ersatzteile am Lager auf ihren nächsten Einsatz warten, wird bei ihrer Reparatur (Fertigung) von einer „Reparatur auf Lager“ bzw. von Lagerfertigung gesprochen. Ein Materialkreislaufsystem, in dem verschiedenartige reparierbare Ersatzteiltypen ständig zwischen ihrem Einsatzsystem, der Werkstatt und einem Lager kreisen, wird als Reparatursystem bezeichnet. Ein Reparatursystem wird als konservativ bezeichnet, wenn alle ausgefallenen Teile immer wieder repariert werden können. In einem konservativen Reparatursystem gibt es also keine Verschrottung. Die Gesamtmenge aller Ersatzteiletypen im Kreislauf bleibt (zumindest während des gesamten Planungszeitraumes) unverändert [27]. Dieser theoretischen Betrachtung entspricht die betriebliche Realität allerdings nicht. Dennoch ist für die wieder instand gesetzten Ersatzteile die Frage der innerbetrieblichen Leistungsverrechnungen zu klären. Um möglichst verursachungsgerecht die Instandsetzungskosten von Ersatzteilen zu ermitteln und dem Tageswertprinzip zu entsprechen, werden die Kosten für die Wiederauffüllung des Ersatzteilbestandes der leistungsempfangenden Stelle (Einbauort) verrechnet. Diese entsprechen dem Kaufpreis, wenn das ausgebaute Ersatzteil (Reserveteil) verschrottet wird, andernfalls den Instandsetzungskosten [28]. Ein mögliches Verrechnungsschema für Reserveteile ist in Abb. 3.17 dargestellt. Der Erstbestand an Reserveteilen oder die aus Risikogründen vorgenommene Vergrößerung des Bestandes zu einem späteren Zeitpunkt wird auf das Lagerkonto des Betriebsbereiches, zu dem die Reserveteile gehören, verbucht. Reserveteile gehören zur Standardausrüstung eines Anlagensystems. Bei normierten Ersatzteilen (Mehrortteilen, zumeist B-Teilen), die für verschiedene Anlagen in Reserve gehalten werden, sollten sowohl die Anschaffungsausgaben als auch die Lagerungskosten proportional zur Inaspruchnahme geschlüsselt werden. Meist sprechen unternehmenspolitische Gründe gegen eine Aktivierung von Reserveteilbeständen (z. B. Investitionssteuer, verschiedene Steuerhebesätze, Inventurbewertungen bei Umlauf- und Anlagenvermögen). So gesehen kann derselbe
3.8 Beispiele zur Ersatzteilbewirtschaftung
105
Abb. 3.17 Verrechnungsschema für Reserveteile [28]
Effekt weitgehend mit einer Abrechnung über Lagerkonten erreicht werden. Einzig hinzukommendes Problem stellt die Bewertung der Letztentnahme eines Ersatz- bzw. Reserveteils (z. B. Auslaufen einer Anlage) aus dem Lager dar. Um das Tageswertprinzip an der verbrauchenden Stelle durchzusetzen, ist das Reserveteil mit Marktpreisen zu bewerten oder der Anschaffungspreis mit Preisindizes zu einem Wiederbeschaffungswert hochzurechnen. Die Differenz zum Wert im Lagerkonto (neutraler Gewinn) ist über das Anlagenwagniskonto auszugleichen [28]. Die wichtigsten Vorteile dieser Abrechnungsweise sind:
• Die Bewertung reparierter Teile entfällt und • Manipulationen mit unterbewerteten, gebrauchten Reserveteilen werden ausgeschaltet.
3.8 Beispiele zur Ersatzteilbewirtschaftung Abschließend zum Thema Ersatzteilbewirtschaftung sind an dieser Stelle erläuternde Beispiele angeführt. Die Beispiele sind durchgehend aufgebaut. Sie betreffen die Bereitstellungsplanung von Reserveteilen wie auch von Normbauteilen.
Zeitliche Disposition von Reserveteilen Ersatzteile werden auf Lager gehalten, um im Störungsfall der Anlagen Fehlmengenkosten zu vermeiden. Eine Lagerhaltung ist deshalb dann wirtschaftlich, wenn
106
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
zu erwartende Fehlmengenkosten die Kosten der Bereithaltung übersteigen und ist optimal, wenn das Verhältnis dieser Kosten ein Minimum annimmt. KL → min! KF
KL KF St TB
KF = St ⋅ TB Kosten der Bereithaltung (bzw. Lagerung) Fehlbestandskosten Ausfallkosten je Zeiteinheit (siehe Abschn. 3.8.1) Beschaffungsdauer für Ersatzteil
Werden die Lagerungskosten je Zeiteinheit angegeben, stellt der Kehrwert dieser Beziehung einen Grenzwert für die Lagerdauer dar, bei dessen Überschreitung das Bereithalten eines Ersatzteiles absolut unwirtschaftlich wird. KF RKL maximale, noch wirtschaftliche Lagerungsdauer Fehlbestandskosten Lagerungskosten je Zeiteinheit (Rate) TL max =
TL max KF RKL
Die Kosten der Bereithaltung umfassen Kosten für gebundenes Kapital, für Manipulation und Lagerung eines Reserveteiles und eventuell Kosten einer Wertveränderung infolge der Lagerung. Die Fehlmengenkosten umfassen einen Teil der Störungskosten bei einem Anlagenausfall. Sie stellen diejenigen nicht nutzbaren betrieblichen Verbräuche und Erfolgsausfälle dar, die während der Beschaffungsdauer des im Zeitpunkt des Anlagenausfalls nicht vorhandenen Ersatzteiles entstehen (Ausfallkosten). Ob die o. a. Grenzzeit für die Lagerung überschritten wird, hängt ganz wesentlich vom Beschaffungszeitpunkt ab. Dieser Zeitpunkt soll möglichst so gewählt werden, dass einerseits die Verluste aus einer unnötigen Lagerhaltung minimal und zum anderen möglichst wenig Störungskosten riskiert werden. Für den Fall eines Einort-Reserveteiles steht zumeist nicht die Frage im Vordergrund, ob dasselbe auf Lager gelegt werden soll (die Stückzahl ist ebenso irrelevant), sondern wann. Das Ziel ist eine verzögerte Stückbestandsbewirtschaftung zur wahrscheinlichen Minimierung der Fehlbestands-(Ausfall-) und der Bestandskosten. Sofern kein deterministischer Ausfallzeitpunkt bestimmt werden kann oder mit der FTM (fixed time maintenance)-Strategie gearbeitet wird, ist eine Wahrscheinlichkeitsfunktion für das Ausfallverhalten des Einbauteiles zu finden bzw. aus Erfahrungswerten abzuleiten. (p(t) in Abb. 3.18). In Tabelle 3.13 und Abb. 3.18 ist ein Beispiel skizziert, wobei durch das Beschaffen des Reserveteils Lagerungskosten (in Abb. 3.18 negative Beträge) in Kauf genommen werden, um Ausfallkosten zu vermeiden (Erfolgsgröße = positiver Betrag im Bild).
3.8 Beispiele zur Ersatzteilbewirtschaftung
107
Abb. 3.18 Kostenerwartung in Abhängigkeit vom Beschaffungszeitpunkt eines Ersatzteiles [28]
Der Ausfallzeitpunkt hat breit gestreute, bekannte Wahrscheinlichkeitswerte. Es werden sodann die Erwartungswerte für Lagerungskosten und vermiedene Beschaffungszeitpunkte ermittelt (Tabelle 3.13).
108
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Tabelle 3.13 Tabelle für den Beschaffungszeitpunkt Periode 1 eines Reserveteiles [28]; Ausfallkosten, 1,3 Mio.; Störungskosten, 0,6 Mio.; Zinssatz 10% Periode Ausfallwahrsch. p(t)
bedingte Ausfallwahrsch.1) p(t/n)
Überlebenswahrsch.2)
1 2 3 4 5 6 7 8 9
0,020 0,061 0,119 0,172 0,253 0,360 0,531 0,800 1,000
0,980 0,920 0,810 0,670 0,500 0,320 0,150 0,030 0,000
0,020 0,060 0,110 0,140 0,170 0,180 0,170 0,120 0,030
Erwartungswerte Störungsk. 012000 036794 071799 103763 152298 216059 318809 480059 600053
Lagerk. 127412 119612 105312 087113 065013 041613 019513 003913 000013
Vorteil
−1154123) 0−828183) 0−335133) 0–16650 0–87285 –174446 –299296 –476146 –600040
1)
bezogen auf eingebautes Teil bezieht auch erwartete Lagerkosten in zukünftigen Perioden ein 3) Aufwand zur Vermeidung von Störungskosten 2)
Tabelle 3.14 Tabelle zur vollständigen Ermittlung der Erwartungswerte bei Bereitstellung zu Beginn der 3. und 4. Periode [28] Periode
Ausfallwahrsch.
bedingte Ausfallwahrsch.
Überlebenswahrsch.
3 4 5 6 7 8 9
0,110 0,140 0,170 0,180 0,170 0,120 0,030
0,119 0,152 0,184 0,195 0,184 0,130 0,032
0,810 0,670 0,500 0,320 0,150 0,030 0,000
Periode
Ausfallwahrsch.
bedingte Ausfallwahrsch.
Überlebenswahrsch.
0,140 0,170 0,180 0,170 0,120 0,030
0,172 0,209 0,222 0,209 0,148 0,037
0,670 0,500 0,320 0,150 0,030 0,000
4 5 6 7 8 9
Erwartungswerte Störungsk. Lagerk.
071799 091364 110929 117451 110929 078320 019625 Gesamt 600417
105312 174226 195039 166452 097565 023478 000091 762163
Erwartungswerte Störungsk. Lagerk.
103763 125985 133393 125985 088948 022282 Gesamt 600356
087113 130026 124839 078052 019565 000078 439673
Vorteil 0−33513 0−82861 0−84109 0−49000 0–13364 0–54842 0–19533 −161744
Vorteil 016650 0−4040 008554 047933 069383 002203 160683
Die Erwartungswerte für den Erfolg (= Erwartungswerte vermiedener Störungskosten abzüglich Erwartungswert in Kauf zu nehmender Lagerungskosten) sind in Abb. 3.19 eingetragen.
3.8 Beispiele zur Ersatzteilbewirtschaftung
109
Abb. 3.19 Feststellen des Beschaffungszeitpunktes für ein Ersatzteil [28]
Bei Betrachtung der Rechengrößen erweist sich der mit der Ausfallrate gewichtete Erwartungswert als recht treffsichere Rechnungsgröße, zumindest, um den Entscheidungsbereich auf 2 bis 3 Perioden einzuschränken. Wird das Reserveteil zu Beginn der 4. Periode auf Lager gelegt erreicht die Gesamtkostenfunktion (Erwartungswert des Erfolges) ein Minimum. Diese Art der Rechnung gestattet es, Beschaffungszeitpunkte mit negativen Ergebnissen, d. h. zu hohen Lagerhaltungskosten auszuschalten. Keine Aussage macht sie, ob und wie weit Erwartungswerte maximiert werden sollen. Dies kann erst über eine Formulierung des subjektiven Nutzens (z. B. nach dem BernoulliPrinzip) erfolgen. Bei allen Entscheidungen nach Rechenverfahren, die mit Wahrscheinlichkeitswerten operieren, kann mit einem entsprechenden Erfolg nur dann gerechnet werden, wenn sich der Ersetzungszyklus wiederholt.
110
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Auswahl der „Qualität“ (Komplettheitsgrad) eines Ersatzteils Nicht nur die Beschaffungsdauer beeinflusst die Störungskosten im Schadensfall, sondern auch die Ausführungszeit einer Instandsetzung selbst wird die Entscheidung beeinflussen, welches Ersatzteil unter mehreren möglichen Varianten von Wechseleinheiten (Bauteile, vormontierte Bauteilgruppe, Anlage) bereitgehalten wird. Diese Varianten repräsentieren Qualitäten bezüglich des Zeitverbrauchs beim Austausch. Unter Qualität einer Wechseleinheit werden deshalb ihr Bearbeitungszustand oder ihre vormontierte Komplettheit verstanden. Diese Qualität bestimmt die Ausführungszeit für eine Instandhaltungsmaßnahme und auch die Ausführungskosten, da unterstellt werden kann, dass die Verbräuche bei einer planmäßigen Werkstattfertigung von Ersatzteilen geringer sein werden, als bei Fertigung des Ersatzteiles unter Termindruck von (für u. U. andere Aufgaben) qualifiziertem Instandhaltungspersonal. Technisch mögliche Alternativen sind die Grundlage für eine Auswahl der Ersatzteilform. Als Kriterium für die Beurteilung der Qualität wird die maximale Bereitstellungsdauer, in der noch ein positiver Effekt – eine Kostenersparnis – durch die Bereithaltung des Ersatzteiles mit einem höheren Qualitätsgrad gegenüber einem einfacheren erzielt wird, herangezogen. Diese Werte werden aus der Gegenüberstellung der Bereithaltungskosten und der Störungskosten in Abhängigkeit von der Bereitstellungsdauer erhalten. I < II : unterschiedliche Qualitäten, z. B.: I = neues Steuerventil (Maschinenelement), II = Ventilgehäuse mit eingebautem Ventil (Baugruppe), Höhere Qualität II wird bevorzugt, wenn:
St · (tAI) + KLI · t + KAI > St · (tAII) + KLII · t + KAII t = tgrII tgrII =
tAI oder II KAI oder II tAI – tAII = ΔtAI,II KAI – KAII = Δ KAI,II St(t) KLIoderII tgrII t
( St ⋅ ΔtAI , II + Δ KAI , II ) ( KLII − KLI )
Instandsetzungsdauer bei Auswechseln von Qualität I oder II Instandsetzungskosten bei Auswechseln von Qualität I oder II (einschließlich Kosten des Ersatzteils) Differenz der Ausführungszeit Differenz der Ausführungskosten Störungskosten der Anlage als Funktion der Stördauer Kosten der Bereithaltung/Zeiteinheit Zeitgrenzwert, unterhalb dessen Qualität II bevorzugt wird Bereithaltungsdauer
Abbildung 3.20 zeigt den Kostenvergleich unterschiedlicher Ersatzteilqualitäten über einen längeren Zeitraum. Die Qualität I stellt die Möglichkeit dar, für eine Schmiedepresse einzelne Steuerventile in Reserve zu halten. Im Störungsfall muss
3.8 Beispiele zur Ersatzteilbewirtschaftung
111
Abb. 3.20 Grenzzeit für die Lagerung einer bestimmten Ersatzteilqualität in Abhängigkeit vom Beschäftigungsgrad η [28]
das Ersatzventil und der Ventilsitz im Ventilgehäuse nachgearbeitet werden. Als Alternative bietet sich mit Qualität II ein vollständiges Ventilgehäuse mit eingebautem Ventil in Bereitschaft zu halten an. Tabelle 3.15 zeigt die unterschiedlichen Verbräuche in Abhängigkeit vom Qualitäts- und Beschäftigungsgrad der Schmiedepresse. Die graphische Darstellung zeigt mit Fall B die Grenzzeit der Bereithaltung von Qualität II mit 2,05 Jahren bei Betriebsverhältnissen (η = 70%) wie sie während des Untersuchungszeitraumes herrschten an. Fall C stellt die veränderte Grenzzeit von 5,07 Jahren bei einem angenommenen Beschäftigungsgrad von 100% dar. Im Fall A sind Störungskosten nicht berücksichtigt. Liegt im gegenständlichen Beispiel die Ausfallwahrscheinlichkeit in hohem Ausmaß unter 2 Jahren (bei 70% Anlagenauslastung) dann wird das vollständige
112
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
Tabelle 3.15 Verbräuche unterschiedlicher Ersatzteilqualitäten [28] Qualität I
Lagerkosten/Jahr (6%) Ausführungszeit (Mannstunden) Stördauer ( η = 70%) Stördauer ( η = 100%)
Qualität II
Kostendifferenz
Stunden
Kosten
Stunden
Kosten
− 40
00103 01784,3
− 12
2134,5 0424,3
2031,5 1360
08 16
05600 11931,2
04 04
2800 2982,8
2800 8948,4
Ventilgehäuse (Qualität II) auf Lager gelegt. Liegt sie darüber, dann wird Qualität I bevorzugt. Schwankt die Auslastung zwischen 70% und 100% und ist die Überlebenswahrscheinlichkeit im Zeitraum bis 5 Jahre hoch, wird Qualität II bevorzugt.
Zeitliche Disposition von „Norm“-Bauteilen bei stochastischem Bedarf Sind gleichartige Bauteile (Normteile) an vielen unterschiedlichen Einbaustellen vorhanden, so kann man, von einem gemeinsamen theoretischen Beginn der Einsatzzeit ausgehend, durch Überlagerung der Einzellebensdauer – wobei ein Ersatz jeweils nach Ausfall vorgenommen wird – die Grenzrate (Ausfallrate) für dieses Bauteil entwickeln, welche je Periode zu ersetzen ist (Abb. 3.21). Im angeführten Beispiel (Abb. 3.21 und Tabelle 3.16) werden 1000 Einbaustellen für ein Normteil mit der im linken Bildteil angegebenen Lebensdauerverteilung angenommen.
Abb. 3.21 „Einpendeln“ der Ausfälle auf die Grenzrate [28]
3.8 Beispiele zur Ersatzteilbewirtschaftung
113
Tabelle 3.16 Entwicklung der Ausfallrate über mehrere Perioden [28] Periode
Ausfall
Periode
Ausfall
Periode
Ausfall
01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
000 000 000 006 153 386 254 121 065 042
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
124 228 234 178 120 085 115 168 195 183
21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
150 122 123 146 168 173 160 142 135 142
Bestand = 1000
Die theoretische Anzahl der Einheiten, die in einer Periode ausfallen, kann folgendermaßen ermittelt werden: t −1
r( t ) = ∑ r( i ) ⋅ p( t − i ) ; wobei r(0) = N i =0
r (t) i N p
ausfallende Einheit in der Periode t laufender Index der vergangenen Periode Erstbestand (Anzahl Einbaustellen) Ausfallwahrscheinlichkeit z. B.: r(3) = N · p(3) + r(1) · p(2) + r(2) · p(1)
In Abb. 3.21 und in Tabelle 3.16 sind die Ausfallraten für die ersten 30 Perioden bei einem theoretischen gemeinsamen Einsatzbeginn ermittelt. Es zeigt sich, dass diese Raten zu der Grenzrate von 164 Stück je Periode konvergieren.
rgr = N/tm = 1000/6,1 = 164 rgr N tm
Grenzrate (Ausfallrate) = durchschnittliche Anzahl je Periode zu ersetzender Bauteile Anzahl der Einbaustellen durchschnittliche Lebensdauer eines Bauteils
Es ist also zu erwarten, dass je Periode 164 Bauteile zu ersetzen sind. Nehmen wir für das vorliegende Beispiel an, dass die Periode ein Jahr sei und das Bauteil ein Kugellager, das unter Termindruck in einer Woche beschafft werden kann, so gilt es, denjenigen Bestand dieses Kugellagers zu definieren, der den möglichen Ausfall in einer Beschaffungsperiode (eine Woche) decken kann. Mangels weiterer Angaben (Messwerte über den Ausfall je Woche und seine Verteilung) wird die jährliche Ausfallrate auf die Woche projiziert. Da die PoissonVerteilung gilt, wenn die durchschnittliche Anzahl der Ereignisse das Ergebnis
114
3 Ersatzteillogistik und -bewirtschaftung
einer sehr großen Zahl von Ereignismöglichkeiten und einer sehr kleinen Ergebniswahrscheinlichkeit ist, wird sie den weiteren Überlegungen zugrunde gelegt.
p=
λ=
x!
rgr = 3,15 52Wochen
p( x = 0 ) = p( x = 1) =
λ x ⋅ e− λ
λ 0 ⋅ e− λ 0!
λ −1 ⋅ e− λ 1!
= e− λ = 0,043
= λ ⋅ e− λ = 0,316
Aus dem Ergebnis der Abb. 3.22 ist zu ersehen, dass man bei einem möglichen einwöchigen Bestellzyklus und den damit äußerst geringen Lagerkosten, zehn Stück im durchschnittlichen Lagerbestand halten sollte, um einen Servicegrad von 99,753% zu erreichen. Wird der Bestellzyklus auf zwei Monate ausgedehnt (geringer Verwaltungsaufwand, Mengenrabatte usw.), erhöht sich die Bestellmenge auf 27 (proportionaler Anteil aus jährlichem Bedarf), und die zuerst ermittelten zehn Stück bilden den Bestand, mit dem etwa eine vorzeitig notwendige Bestellung mit der oben genannten Beschaffungsdauer von einer Woche überbrückt wird.
Abb. 3.22 Wahrscheinlichkeitswerte für den wöchentlichen Ausfall eines Normteils (Poissonverteilung λ = 3,15) [28]
Kapitel 4
Ersatzteilorganisation
Unter der Ersatzteilorganisation wird die Gesamtheit aller generellen expliziten Regelungen zur Gestaltung der Aufbau- und Ablaufstrukturen des Ersatzteilwesens verstanden. Dabei dienen die Regelungen und Vorschriften keinesfalls einem Selbstzweck, sondern sollen den Rahmen für das Verhalten der Führungskräfte und ihrer Mitarbeiter abgeben, so dass eine zielorientierte, geordnete und rationelle Erfüllung der Aufgaben erreicht wird. Hierzu hat die organisatorische Gestaltung die Verteilungs- und Arbeitsbeziehungen als geschlossenes Ganzes zu konzipieren und zu realisieren. Bei der Betrachtung bestehender Organisationsstrukturen werden folgende zwei Dimensionen unterschieden: 1. die Aufbauorganisation als organisatorische Gliederung der Unternehmung in Subsysteme und als Ergebnis der Gestaltung der aufgabensynthetischen Stellenbildung und deren Strukturierung sowie 2. die Ablauforganisation als Wirkungssystem zwischen den organisatorischen Einheiten (Stellen) und als Ergebnis der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen im Rahmen der Arbeitsvereinigung. Die Aufbauorganisation klärt die Fragen nach dem Was, Wer, Womit, mit Wem erledigt, wohingegen in der Ablauforganisation die Frage nach der Folge der Aktivitäten, also dem Wo, Wann und Wie viel beantwortet werden. Bestimmt durch das Gesamtziel der Ersatzteillogistik sind Entscheidungen über die Teilaufgaben und deren Bewältigung durch Personen- und Sachmitteleinsätze zu treffen. Ist die Ersatzteilorganisation zu entwickeln, so ist die von den Zielen abgeleitete ausreichend detailliert beschriebene Gesamtaufgabe in Teilaufgaben zu zerlegen (Aufgabenanalyse), die dann nach zweckmäßigen Gesichtspunkten (z. B. Tätigkeitsart, Betriebsobjekte, Tätigkeitsorte usw.) zu Teilfunktionen (Stellen) zusammengefasst werden (Aufgabensynthese). Durch Bildung kleinster Verrichtungseinheiten für diese Aufgaben entstehen Stellen, die hinsichtlich ihrer Kompetenzen, Verantwortungen, Weisungsabhängigkeit, Kommunikation und Kooperation in einen H. Biedermann, Ersatzteilmanagement © Springer 2008
115
116
4 Ersatzteilorganisation
Beziehungszusammenhang zu bringen sind. Dieses Zusammenfassen (Synthese) ist auch bei den Personen und Sachmitteln vorzunehmen. Durch Zusammenfügung von Stellen, Personen und Sachmitteln und deren Einordnung in ein interdependentes Beziehungsgefüge (Strukturbildung) entsteht die betriebliche Aufbauorganisation. Regelungen über Einsatzzeiten und -orte sowie über die Tätigkeitsabfolge sind – wie erwähnt – Gegenstand der Ablauforganisation. Theoretisch erfolgt die dargestellte Vorgehensweise simultan, praktisch jedoch i. d. R. sukzessiv auf allen drei Ebenen (Aufgaben, Personen und Sachmittel). Aufbau- und Ablauforganisation bedingen und ergänzen einander und sind gesamthaft zu gestalten.
4.1 Aufbauorganisation Logistische Probleme ergeben sich in allen Betrieben mit physischen Güterprozessen, d. h. vor allem in den Hauptbereichen Beschaffung, Produktion und Absatz. Die Logistik stellt, ähnlich wie das Personal- und das Finanzwesen, eine Querschnittsfunktion innerhalb des Betriebes (Unternehmens) dar. Die vielfältigen wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den logistischen Entscheidungen, z. B. in Bezug auf Logistikleistungs- und Logistikkostengrößen, machen es erforderlich, eine Gesamtoptimierung aller betrieblichen Güterprozesse und der sie bedingenden Informationsflüsse innerhalb der logistischen Leitungsfunktion zu versuchen. Befriedigende Lösungen setzen zumindest die Koordination der interdependenten Planungen mit einem Ausgleich der konfliktären und konkurrierenden Ziele voraus. Diese Abstimmung muss auch nicht logistische Funktionen umfassen, wie insbesondere die Produktion und die Instandhaltung. Die zuletzt genannte Forderung beruht auf dem Interesse des Betriebes, ein Gesamtkostenminimum zu erreichen. Das Zusammenwirken der genannten Funktionsbereiche ist durch systemanalytische Betrachtung sicherzustellen. Nur durch Offenlegung und Berücksichtigung der wechselseitigen Abhängigkeiten lassen sich Synergieeffekte in Form von Kostensenkungen einerseits und verbesserten Marktwirkungen andererseits erzielen. Diese Sichtweise ist auch bei der Frage nach der organisatorischen Gestaltung der Ersatzteillogistik zu wählen. Unabdingbar ist eine dauerhafte Zentralisierung (Integration) der logistischen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten durch die Bildung von Stellen oder einer situationsbezogenen (fallweisen) Koordination insoweit, als nur die bereichsübergreifende – prozessuale – Sichtweise ein Gesamtoptimum ermöglicht. Zu der funktionsbezogenen Weisungsbefugnis tritt dabei die auf das Ersatzteil als Objekt bezogene Weisungsbefugnis (Stichwort: wertanalytisch bestimmte Produktgestaltung, Fragen der Einlagerung/Aussonderung von Ersatzteilen) hinzu. Hieraus können sich Kompetenzüberschneidungen und i. d. R. auch Konflikte ergeben. Diese Konflikte müssen durch organisatorische Kompromissmechanismen und insbesondere durch Elemente flexibler Organisation gelöst werden (Projektmanagement-Teams prozessuale Gesamtverantwortung, Konferenzen usw.).
4.1 Aufbauorganisation
117
Abbildung 4.1 gibt schematisiert die zu Teilfunktionen (Bedarfsträger, Disponenten, Beschaffer, Lieferanten und Administration) zusammengefassten Teilaufgaben und ihre globalen Informationsbeziehungen wieder. Diese nach den Teilfunktionen „Bedarfsträger“, „Disponenten“ und „Beschaffer“ gegliederte Organisation teilt die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen prinzipiell wie folgt zu: 1. Bedarfsträger (Instandhaltung; Technik): • • • • • • • •
Projektierung (mit Terminen und Meilensteinen), Instandhaltungsplanung, Bruttobedarfsbestimmung, technische Spezifikationen, interne Standardisierung und Typisierung nach technischen Gesichtspunkten, Mitarbeiter an Qualitätskontrollen bei Warenübernahmen, Rechnungsfreigabe, technische Anfragen an Lieferanten (Zusammenarbeit mit Materialeinkauf).
Abb. 4.1 Organisationsspezifische Teilaufgaben und Informationsbeziehungen
118
4 Ersatzteilorganisation
Verantwortet: • Gesamtkosten des Projekts bzw. Instandhaltungsauftrages, • Einhaltung der Meilensteine, • Qualität des Gesamtprojektes. 2. Disponenten (Instandhaltung bzw. Ersatzteillogistik): • Nimmt Bedarfsplanung entgegen bzw. führt spezielle Bedarfsplanungen für Mehrortteile bzw. Reserveteile wie auch die Sicherheitsbestands-Bestimmung in Zusammenarbeit mit Technik und Instandhaltung durch. Bearbeitet die Bedarfsplanung im Detail und setzt Reservierungen bzw. gibt Bedarfsanforderungen an den Materialeinkauf weiter (Mengen-, Termin-, Typen- und Lieferantenwunsch). • entscheidet über Eigenfertigung oder Fremdbezug, • löst Eigenfertigungsaufträge aus und verfolgt sie, • nimmt Rückmeldungen vom Materialeinkauf entgegen; reagiert bei Krisensituationen (Ersatztypen, Termine, Prioritäten); reagiert, wenn Meilensteine gefährdet sind, • materialbedarfsbezogene Freigabe aller Aufträge, • koordiniert und initiiert Standardisierungen, setzt Dispositionsparameter; dabei erhält er vom Materialeinkauf Informationen betreffend Lieferanten (Lieferzeiten) und von der Instandhaltung die Risikoabschätzung, • Lagerortwahl (nach Abstimmung mit Instandhaltung), • Teilestammverwaltung und -wartung (technischer Daten, Dispositionsparameter), • führt Materialanalysen durch, • technische Anfrage bei Lieferanten; technische Absprache gemeinsam mit Materialeinkauf; technische Lieferantenbeurteilung und Lieferantenvorschläge an Materialeinkauf. Verantwortet: • Subtermine, Detailkosten und Qualität der Zulieferteile, • Einhaltung von Standardnormen, • Planung, Überwachung und gegebenenfalls Korrektur der Dispositionsparameter, • Führung der Vor-Ort-Lager. Eine gegebenenfalls vorhandene zentrale Logistik nimmt insbesondere zentrale Planungsaufgaben wahr wie unter anderem: • • • • • • •
generelle Lagerverwaltung der technischen Materialien inklusive Werkzeuge, interne Warenübernahme und Qualitätskontrolle, auftragsbezogene Kommissionierung, Koordinierung der Teilstandardisierung, Wirtschaftlichkeitsanalyse und Kennzahlensysteme, Definition von Richtlinien für die Entwicklung von Dispositionsparametern, gesamtes Ersatzteilcontrolling.
4.1 Aufbauorganisation
119
Verantwortet: • Lagergesamtwerte aller technischen Materialien, • ordnungsgemäße Abwicklung der gesamten Material- bzw. Ersatzteildisposition und Inventur. 3. Materialeinkauf: • Beschaffungsplanung und Beschaffungsoptimierung, • Lieferantenbeurteilung nach kaufmännischen Gesichtspunkten (in Zusammenarbeit mit Disponent bzw. Technik), • Durchführung aller kaufmännischen und rechtlichen Aktivitäten (Vertragserstellung), • Beschaffungsabwicklung (Preisanfragen, Bestellung, Dringlichkeit usw.), • Abweichungsmeldungen, • Teilestammwartung (Preise, Lieferanten), • Standardisierung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, • Disposition von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. Verantwortet: • alle im Zuge des Beschaffungsvorganges angefallenen Aktivitäten sowie insbesondere Preis und Termin der bestellten Teile sowie • die rechtliche Verantwortung im Namen des Unternehmens. Meist der Zentrallogistik oder dem Einkauf zugeordnet ist der innerbetriebliche Transport, welcher zuständig ist für: • innerbetriebliches Ersatzteilhandling mit der Zustellung an die Lager bzw. Anforderer und der • Warenübernahme auf Vorbehalt. Weiter in die Gesamtzusammenhänge mit eingebunden ist das Rechnungswesen, welches insbesondere folgende Aufgaben zu erfüllen hat: • • • •
Kostenverrechnung, Kostencontrolling, Fakturenabgleich, Bedienung der Kreditoren; Sachbuchhaltung.
Die Aufbauorganisation, die den Funktionsumfang der Ersatzteillogistik wahrnimmt, kann wie erwähnt nach unterschiedlichsten Kriterien gestaltet werden. An dieser Stelle soll lediglich auf die Einordnung der Ersatzteilbewirtschaftung in den Unternehmensverbund eingegangen werden. Ersatzteillogistik als Teil der Instandhaltung Ist eine klare Trennung der Bewirtschaftung von Ersatzteilen und Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen durchführbar und rechtfertigen hohe Bestandswerte an Ersatzteilen
120
4 Ersatzteilorganisation
ein integriertes Bewirtschaftungsverfahren, so ist eine derartige Eingliederungsform technisch-wirtschaftlich zu rechtfertigen. Wie mehrfach an unterschiedlichen Stellen ausgeführt, kann nur eine integrierte ersatzteilspezifische Bewirtschaftung unter Zugang der gemeinsamen Erkenntnisse der Instandhaltung, Technik, Produktion und Materialwirtschaft das anzustrebende Kostenoptimum sicherstellen bzw. an dieses annähern. Ersatzteillogistik als Teil des Einkaufs bzw. der Produktion Wie im Eingangskapitel erwähnt, führt die Betrachtung der beschaffungsrelevanten Kriterien ohne Berücksichtigung der eigentlichen Bedarfsverursacher und deren komplexer Bedarfssituation dazu, dass die Ersatzteilbewirtschaftung durch den Einkauf bzw. eine diesem unterstellte Abteilung durchgeführt wird. Auf die damit verbundenen Nachteile wurde ebenfalls bereits eingegangen. Ersatzteillogistik als eigene Abteilung Die eigenständigste Form der Ersatzteillogistik ist anzutreffen, wenn die Ersatzteilbewirtschaftungs-Funktion als eigene Abteilung wie oben stehend beschrieben, parallel zu Instandhaltung, Produktion und Einkauf, beispielsweise als Teil einer zentralen Logistik, im Unternehmen verankert ist. Der Vorteil dieser Organisationsform liegt darin, dass hierdurch am ehesten eine optimale Bewirtschaftung unter Beachtung aller vorhandenen Nutzenpotentiale ohne allzu starke bereichsfunktionale Gewichtung (wie z. B. Instandhaltung oder Einkauf) erreicht wird. Zur Wahrnehmung der (koordinierenden) Querschnittsfunktion bietet sich auch die Matrixorganisation (vgl. Abb. 4.2) an. Diese Organisationsform bedeutet nicht, dass sich jede Unternehmung derart organisieren sollte. Deutlich wird damit, dass Überschneidungen der prozessualen Logistikfunktionen und der funktionalen Linienkompetenzen in allen Unternehmungen vorhanden sind. Die Koordination erfolgt in diesem Fall durch die Form der Aufbauorganisation. Entscheidend ist, dass dieses Koordinationserfordernis
Abb. 4.2 Organisatorische Eingliederung des Ersatzteillogistik-Managements [29]
4.2 Ablauforganisation
121
wahrgenommen wird. Hierzu bieten sich prozessuale Regelungen und Verantwortungen ebenso an, wie koordinative Planung, Programmierung und das Zielsystem. Am besten wird dem Erfordernis durch Übertragung einer gesamthaften Prozessverantwortung im Sinne der logistikorientierten Gesamtsicht an eine Person/Stelle entsprochen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Koordination – aber auch Prozessverantwortung in eine Stabstelle zu vereinen. Soll dieselbe neben der koordinierenden Funktion auch entsprechendes Weisungsrecht an die Linienfunktionen wie Instandhaltung, Produktion, Entwurf etc. haben, dann wird aus dieser ein Fachbereich der betreffend Standardisierung, Zielabgleich, Beständecontrolling, Sicherheitsbestandsbestimmung, Lagerbewirtschaftung etc. über Richtlinien und Durchsetzungskompetenz besitzt. Von entscheidender Bedeutung ist schlussendlich, dass eine Person/Stelle Bestandsverantwortung für die Ersatzteile besitzt. Dies ist in der betrieblichen Praxis durchaus nicht selbstverständlich. Zusammenfassend sollten im Rahmen der Gestaltung der Aufbauorganisation und der dazu adäquat konzipierten Ablauforganisation folgende Prinzipien realisiert werden: • Prozessorientierte Ausrichtung der Ersatzteillogistik zur optimalen Unterstützung der Teilprozesse Instandhaltung, Beschaffung, Bestandsbewirtschaftung, Lagerung etc. • Aufbau durchgängiger Kompetenz- und Verantwortungsbereiche mit klarer Aufgabenzuweisung und -abgrenzung (Prozessverantwortung!) sowie Reduzierung der Schnittstellen. • Zentralisierung der Entscheidungskompetenzen (insbesondere bei strategischen Reserveteile und Normbauteilen) bei dezentraler Realisierung. • Durchgängiges, einheitliches Informationssystem zur Unterstützung der Ablauforganisation (Ersatzteilcontrolling).
4.2 Ablauforganisation Die Ablauforganisation regelt das Zusammenwirken der im Rahmen der Stellenbildung vollzogenen Arbeitsteilung hinsichtlich Inhalt, Häufigkeit, Räumlichkeit und zeitlicher Abfolge im Sinne der Arbeitsvereinigung. Bei der Strukturierung dieser prozessualen Abfolge sind organisatorische Festlegungen bezüglich des Arbeitsinhaltes (Bestimmung der Vorgehensweise zur Ersatzteilbewirtschaftung – Abschn. 3.3.3, des Instrumentariums – Abschn. 3.5 usw.), dessen quantitativer Dimension (Anzahl der Tätigkeiten, Objekte, Arbeitsmittel), der Zeit und des Ortes des Arbeitsprozesses (der Person, Arbeitsobjekte, Arbeitsmittel) und der Verantwortung der Aufgabenträger für bestimmte Prozesse zu treffen. Die Analyse und Gestaltung raum-zeitlicher Abläufe und Prozesse ist zentraler Bestandteil der Ablauforganisation. Neben der Bewirtschaftungsfrage im Zusammenwirken mit der Instandhaltungsstrategie ist die Ablauforganisation wesentlicher Bestandteil logistischer Optimierungsbestrebungen.
122
4 Ersatzteilorganisation
Abb. 4.3 Informations- und Materialfluss in einer funktionsorientierten Organisation [31]
Zur betriebsspezifischen Ausgestaltung der Ablauforganisation wird insbesondere bezüglich des Arbeitsinhaltes generell Kap. 3 „Ersatzteillogistik“ und nachstehende Ausführungen verwiesen. Da die Aufbauorganisation von Industriebetrieben zumeist funktional und auf den eigentlichen Produktionsprozess ausgerichtet ist, verlaufen die Dienstleistungs- und Supportprozesse und damit auch der Ersatzteilbewirtschaftungsprozess zumeist quer zu dieser Organisation. Diese aufbauorganisatorisch bedingten Schnittstellen bezüglich des Informations- und Materialflusses sind im Rahmen der Arbeitsvereinigung mittels Koordination zu überwinden (siehe hierzu Abb. 4.3). Für die Wahrnehmung dieser Koordinationsfunktion stehen folgende Instrumente zur Verfügung [30]: • Koordination durch persönliche Weisung: Diese erfolgt durch eine Abfolge von Entscheidungen und Weisungen für die einzelnen Instanzen mündlich oder schriftlich. Die Organisationsleitung fällt Entscheidungen über globale Ziele und gibt diese als Prämissen durch Weisung an die nächste Ebene weiter. Dort werden diese konkretisiert und ebenfalls weiter operationalisiert, bis die Ausführungsebene erreicht wird. Bei abweichender Umsetzung der entsprechenden Stellen erhält der jeweilige Vorgesetzte eine diesbezügliche Information. Wenn sich die Koordination nur auf persönliche Weisungen stützt, führt dies zu einer Überlastung der jeweiligen Stellen und in weiterer Folge zu einer mangelhaften Koordination. • Koordination durch Selbstabstimmung: Wenn Aktivitäten von Stellen, die im Rahmen der Arbeitsvereinigung zusammenwirken wie die Instandhaltung und das Ersatzteilwesen zu koordinieren sind, kann dies durch Selbstabstimmung geschehen. In diesem Fall wird die Koordination nicht durch eine übergeordnete Instanz wahrgenommen, sondern durch die Gesamtheit der nachgeordneten Stellen als partizipativ gestaltete Gruppenentscheidung. Man spricht nur dann
4.2 Ablauforganisation
123
von Selbstabstimmung, wenn solche Gruppenentscheidungen für die Gruppenmitglieder verbindlich sind. • Koordination durch Programme: Diese sind generelle Handlungsvorschriften bzw. Verfahrensrichtlinien, welche die formalen Anweisungen durch Vorgesetzte ersetzen. Auch Sie können mündlich oder schriftlich weitergegeben werden, besitzen unterschiedlichen Detaillierungsgrad und werden für die Vorauskoordination eingesetzt. Programme führen durch die Standardisierung zur Koordination, wobei bei Abstützung der Koordination ausschließlich auf Programme eine Verbürokratisierung erfolgt und der Organisation die nötige Dynamik fehlt. • Koordination durch Pläne: Diese erfolgt mittels periodisch bestimmter Vorgaben für die auszuführenden Stellen, wobei diese ein Ergebnis eines institutionalisierten Planungsprozesses sind. Pläne können auch auf Basis von Programmen erstellt werden und erlauben so eine Delegation von Planungsprozessen an Spezialisten. Pläne unterscheiden sich von Programmen dadurch, dass sie Vorgaben auf Zeit beinhalten. In Programmen wird der Ablauf auf Dauer festgelegt. Der Vorteil der Pläne liegt in der Flexibilität von Planungsprozessen. Die genannten Koordinationsinstrumente werden im Rahmen des Prozessmanagements gebündelt und ermöglichen dadurch die Koordination der aufeinander folgenden Tätigkeitsschritte über die organisatorischen Grenzen der Instandhaltung, Produktion, Konstruktion und Ersatzteillogistik hinaus. Dabei verbindet ein Prozess mindestens 2 Aktivitäten unabhängig von den strukturorganisatorischen Grenzen. Er produziert aus einem Input einen materiellen oder immateriellen Output für einen oder mehrere unternehmensinterne oder -externe Kunden. Kernpunkte des Prozessmanagements als Lösungsansatz sind die Analyse, Modellierung und Dokumentation der Prozesse. Der Ersatzteilprozess wird in der betrieblichen Realität häufig als Unterprozess der Instandhaltung verstanden, welcher wiederum einen Supportprozess der Produktrealisierung darstellt. Hierbei erfolgt die Prozessbeschreibung „Top-Down“, d. h. dass der Detaillierungsgrad im Verlauf der Prozessanalyse, aber auch des Prozessdesigns vertieft wird. Anschließend werden die Schwachstellen identifiziert und Verbesserungen zumeist an den Schnittstellen durchgeführt. Zur Darstellung der Prozesseffizienz werden für die einzelnen Prozessschritte, aber auch dem Gesamtprozess auf der jeweiligen Ebene spezifische Kennzahlen verwendet. Ausgehend von dem Prozessziel werden zur exakten Prozesseingrenzung die Lieferanten mit dem jeweiligen Input und die Kunden mit dem erwünschten Output definiert, beispielsweise: • Lieferant: Instandhaltung, Produktion, Einkauf, Investitionsabwicklung, Hersteller, Produktion/Lagerverwaltung etc. • Input: Instandhaltungsstrategie, Risikoanalyse (Redundanzen, geforderte Anlagenverfügbarkeit), Wiederbeschaffungszeit, mögliche Lieferanten, Dokumentation, durchschnittliche Lebensdauer, Stammdaten, Budgets, Lagerplatz, Stückliste, Entscheidung: Instandsetzung oder Neubeschaffung. • Kunde: Produktion, Anlage. • Output: Ersatzteil ist zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge, bei minimalen Kosten im internen oder externen Lager verfügbar.
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4 Ersatzteilorganisation
Abbildung 4.4 zeigt beispielhaft eine detaillierte Beschreibung der Abläufe und Verantwortlichkeiten der Abläufe zur Reserveteildisposition entsprechend der Systematik Lieferant, Input, Prozess, Output, Kunde. Die Zuordnung der Verantwortlichkeiten der jeweiligen organisatorischen Einheiten zu den einzelnen Prozessschritten ist in der Darstellung erkenntlich [31]. Relativ rasch werden Schwachstellen in der Ablauforganisation und damit der Abarbeitung der Arbeitsschritte im Rahmen des Gesamtprozesses deutlich, insbesondere wenn in einzelnen Prozessschritten die Verantwortung der organisatorischen Stellen wechselt. Darüber hinaus wird erhöhter Koordinationsaufwand durch die Schnittstellenüberwindung zwischen aufbauorganisatorisch definierten Abteilungsgrenzen sichtbar. Weitere Potenziale wie die einheitliche Verwendung der Dispositionsparameter und eine Standardisierung der Vorgehensweise, beispielsweise bei der Risikoanalyse, d. h. ein gemeinsames Risikoverständnis wid geschaffen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die im Rahmen der Prozessanalyse im Sinne der Arbeitsvereinigung im Rahmen der Ablauforganisation einzusetzenden Koordinationsinstrumente und deren transparente Darstellung im Rahmen des Prozessdesigns einen guten Ansatz zur Effizienzsteigerung der Ersatzteildisposition darstellen. Werden diese einzelnen Prozessschritte und Teilprozesse mit den vorhin genannten Kennzahlen stellenspezifisch mit dem jeweiligen Verantwortungsbereich versehen, so ist ein entsprechendes Erfolgscontrolling der Zielerreichung (Gesamtkostenminimum) möglich.
Abb. 4.4 Detaillierte Beschreibung der Abläufe und Verantwortlichkeiten [31]
4.3 Lagerhaltung
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4.3 Lagerhaltung Wie bereits erwähnt, ermöglicht die Bevorratung von Ersatzteilen die Vermeidung von länger andauernden Stillstands- bzw. Ausfallzeiten an den Anlagen. Sie gewährleisten damit eine größere Unabhängigkeit von der eigentlichen Beschaffungsfunktion. Dabei ist unter einem Ersatzteillager ein Bestand an beweglichen Ersatzteilen zu verstehen, die während eines bestimmten Zeitintervalls nicht unmittelbar in den betrieblichen Leistungsfluss einbezogen sind. Lager lassen sich nach verschiedensten Merkmalen abgrenzen. Hervorzuheben ist einerseits der Objektbezug, wobei zwischen Rohstofflagern, Hilfs- und Betriebsstofflagern, Ersatzteillagern usw. zu unterscheiden ist. Letztere können wiederum weiter in entsprechende Ersatzteilklassen bzw. -kategorien differenziert werden (Normteile, Pumpen, Motore, Kabel etc.). Für die weitere Kennzeichnung der Lager ist die sachliche (objektbezogene) Zentralisation bzw. Dezentralisation von Bedeutung. Dezentralisation liegt vor, wenn die entsprechenden Ersatzteilkategorien in mehrere Bestände aufgeteilt sind und in verschiedenen Lagern aufbewahrt werden. Im Folgenden soll kurz auf diese Zentralisierungsfrage eingegangen werden. Besonders bei größeren Instandhaltungsbetrieben mit in der Regel einem umfangreichen, räumlich ausgedehnten Anlagenpark, ergibt sich durch die Konzentration dezentraler Lagerstandorte zu Zentrallagern in Kombination mit der Entscheidung über die Eigen- bzw. Fremdlagerung oder die Einrichtung von Konsignationslagern ein wesentliches Rationalisierungspotential. Dabei stellt sich die Frage der Lagerorganisation sowohl für einen Unternehmensstandort mit mehreren Betriebsbereichen als auch für Betriebe an unterschiedlichen Standorten. Zentrales Teilelager Durch die zentrale Bevorratung ist insbesondere bei ausgedehnten Betriebsbereichen aufgrund des möglichen Risikoausgleichs von einem insgesamt geringeren Mindestbestand auszugehen. Eine Mehrfachlagerung identischerer Teile entfällt, und die Verwaltung und Kontrolle der Materialstände wird erleichtert. Zudem können moderne Lagertechniken und Flugförderzeuge, wie Kommissioniergeräte, wirtschaftlich eingesetzt werden und damit die bedarfsgerechte, zeitgenaue Auslagerung unterstützen. Allerdings ist nur bei Mehrschichtbetrieb in größeren Betriebsbereichen mit einer entsprechend hohen Entnahmefrequenz außerhalb der Tagesarbeitszeit die ständige Besetzung mit qualifiziertem Magazinpersonal zu rechtfertigen. Nachteilig wirken sich die insgesamt längeren Wegezeiten zu den einzelnen Bedarfsorten aus. In kleinen bis mittelgroßen Organisationen dient ein zentrales Lager zur Abdeckung der Sicherheitsbestände für den Instandsetzungsfall wie auch zur Deckung deterministischer Teilbedarfe für Instandhaltungsaufträge und Projektaufträge bei Mehrort-Reserveteilen, Norm- und teilweise Kleinteilen.
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4 Ersatzteilorganisation
Dezentrales Teilelager Wirtschaftlichkeitsüberlegungen können zur Einrichtung dezentraler Lager für Verbrauchsmaterialien und Reserve- sowie. Normbauteile mit hoher Umschlagshäufigkeit führen. Erreicht wird dadurch eine kürzere Zugriffszeit, da in der Nähe der Bedarfsorte gelagert wird. Zur Entscheidung von dezentral gelagerten Teilen sind die Mehrkosten wie • aufwendigere Lagerung, • ggf. höherer Verwaltungs- und Personalaufwand, • bei Mehrort-Teilen eventuell auch höhere Gesamtbestände, mit den Einsparungen durch • kürzere Wegzeiten, • kürzere Ausfallzeiten (insbesondere auch, wenn die dezentral gelagerten Teile zur Fehlerursachen-Eingrenzungen dienen) und • vereinfachte Verwaltung der internen Kreisläufe der Reserveteile, die in den Vor-Ort-Werkstätten wieder aufbereitet werden zu vergleichen. Lager dieser Art lassen sich zumeist kostengünstig in bestehende, auch kleinere Gebäudekomplexe integrieren. Zu berücksichtigen sind aber insbesondere die Gewährleistung einer sachgemäßen Lagerung und die erschwerte Lagerbestandsführung. Teilweise in der betrieblichen Praxis realisierte Lagerungen von Ersatzteilen in unmittelbarer Nähe der Anlage sind problematisch. Weder ist eine sachgerechte Lagerung und Bestandsführung möglich, noch ist es dienlich in ein produktionsflussoptimiertes Layout Bestandsflächen zu integrieren. In der Praxis ist meist eine Mischform aus zentraler und dezentraler Lagerung die wirtschaftlichste Lösung. Zur Verminderung der erforderlichen Sicherheitsbestände werden hochwertige Reserve- und Normbauteile im Zentrallager geführt, während Verschleiß- und Verbrauchsmaterialien zumeist dezentral gelagert werden. Eine Arbeitsteilung in die dezentralen Lager ist durch die Festlegung von Schwerpunktmaterialien möglich, die am Ort des überwiegenden Bedarfs gelagert werden. Hinzu kommen sog. Handlager, die ausnahmslos Kleinteile bevorraten, deren detaillierte Bewirtschaftung nicht wirtschaftlich ist und deren zentrale Beschaffung mit hohen Zeitaufwendungen verbunden wäre. Von Bedeutung ist auch die Frage des Lagerplatzes innerhalb von Ersatzteillagern. Neben der Entnahmehäufigkeit und den Abmessungen bzw. des Gewichtes sind die Ähnlichkeit von Teilen (Teilefamilien), Sicherheitsbestimmungen und ggf. der zugehörige Einbauort (Lagerung nach Anlagenzugehörigkeit bei Einortteilen) sowie teilespezifische Lagerbedingungen zu beachten. In vielen Unternehmen wird heute erfolgreich ein relativ hoher Bestandsanteil (bis zu 60% der Ersatzteilbestände) in von Lieferanten eingerichteten Vertragssowie Konsignationslagern gelagert. Dabei verpflichtet sich der Lieferant zur Bevorratung eines definierten Teilespektrums in einem von ihm betriebenen Lager. Die Kosten der Bevorratung gehen zu Lasten des Lieferanten, wobei er jedoch
4.3 Lagerhaltung
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die Sicherheit hat, dass die bevorrateten Teile im Bedarfsfall von ihm bezogen werden. Gleichzeitig kann er innerhalb seiner Abnehmer einen gewissen Risikoausgleich bei der Festlegung der Mindestbestände vornehmen. Ein Vertragslager kann somit bei der Bevorratung von höherwertigen Reserveteilen geeignet sein. Konsignationslager werden vom Abnehmer betrieben, wobei die Rechnungsstellen des jeweiligen Materials durch den Lieferanten erst bei Entnahme aus dem Lager erfolgen. Vorteile für das Unternehmen sind verminderte Kapitalbindungskosten bei gleichzeitig erhöhter Lieferbereitschaft des Lagers. Nachteil einer Fremdlagerung von Ersatzteilen kann eine zunehmende Abhängigkeit von den Lieferanten sein, die sich ungünstig auf die Einkaufskonditionen auswirkt. Für den Hersteller von Investitionsgütern ist der Beitrag des Ersatzteilgeschäftes zum Unternehmensergebnis von zunehmend großer Bedeutung. So bildet das Ersatzteilsegment mit bis zu 70% Umsatzanteil im Maschinen- und Anlagenbau und Nettorenditen bis zu 30% [32] eine entscheidende strategische Ausrichtung auf die herstellereigene Ersatzteillogistik. Zwar beschränkt sich das Angebot ersatzteillogistischer Leistungen in der betrieblichen Praxis zur Zeit auf eine relativ undifferenzierte Vertragslösung mit beschränkter Bereitschaft, eine längerfristige Versorgung zu gewährleisten, aber es zeichnet sich doch in Theorie [33] und Praxis die Etablierung individualisierter Verfügbarkeitsvereinbarungen ab. Voraussetzung für die praktische Etablierung wird sein, dass hiervon der Ersatzteilverwender (Nachfrager) gegenüber dem derzeitigen undifferenzierten und seine Verfügbarkeitsbedürfnisse weitgehend unberücksichtigt lassenden Angebot, profitiert. Lagerformen und -technik Das sehr unterschiedliche Teilespektrum verlangt in der Praxis auch eine sehr vielfältige Gestaltung der Materiallagerung. Neben den in Sonderfällen gegebenen Möglichkeiten nach der Bauart offene bzw. halboffene Lager vorzusehen ist wohl die bevorzugte Form, die des geschlossenen Lagers in entsprechenden Hallen oder Gebäuden, wobei hier die einfachste Lagerform die regalfreie Bodenlagerung darstellt, die hinsichtlich Flexibilität und Kosten den geringsten Aufwand darstellen. Es ist eine flexible Flächennutzung möglich, allerdings können die Identifizierung des Lagerortes und der Zugriff auf die benötigten Lagereinheiten eingeschränkt geeignet sein. Besonders eignen sich diese Lager für große stapelbare Güter mit längeren Liegezeiten. In der Praxis wesentlich häufiger anzutreffen ist die ortsfeste Regallagerung von empfindlichen bzw. schlecht stapelbaren Reserveteilen. Neben den ein- und mehrgeschossigen Lagern, wobei letztere die einzulagernden Materialien auf verschiedenen Ebenen aufbewahren, weisen Hochregallager den Vorteil auf, dass die eingelagerten Materialien leicht wieder gefunden und bei minimalem Flächenbedarf und Lagerhöhen von über 50 m hohe Lagerkapazitäten aufweisen. Betreffend das Lagergut werden hinsichtlich der Einlagertiefe einheitliche Anforderungen definiert. Diese automatisierten Hochregallager arbeiten mit spezialisierten Hebe- und Förderzeugen, wobei sich in der betrieblichen Praxis DV-gesteuerte Zu- und Abfördersysteme, die eine maximale Raumausnutzung und
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4 Ersatzteilorganisation
schnellere Abwicklung garantieren durchgesetzt haben. Die klassische Lagerung der C-Ersatzteile (Kleinteile) erfolgt in Regalen oder Schränken, wobei sich auch hier automatisierte Kleinteilelager anbieten. Neben der Wahl der geeigneten Lagerbedientechnik gewinnen Identifikationssysteme in der Ersatzteilbewirtschaftung an Bedeutung. Sie unterstützen die genannten DV-gestützten Zu- und Abfördersysteme im Rahmen der Ein-, Um- oder Auslagerung von Ersatzteilen, des Transportes, aber auch der Instandsetzung (insbesondere bei Kreislaufteilen). Heutige gängige Technologien stellen der • Strichcode (Barcode) und • RFID (Radiofrequenz-Transponder) dar. Unterschiedliche am Markt angebotene Instandhaltungs-, Planungs- und Steuerungssysteme (IPS-Systeme) bzw. Ersatzteillogistiksysteme verwenden zunehmend Identifikationssysteme in den ablauforganisatorischen Prozessen und zur Zuordnung von Ersatzteilen zu Aufträgen. Der Strichcode wird am Ersatzteil befestigt und mittels stationärer oder mobiler Scanner gelesen. Nachteilig ist, dass die codierte Information nicht dynamisch verändert werden kann und diese Barcodeklebeetiketten relativ leicht verschmutzen bzw. beschädigt werden können. RFID-Transpondersysteme sind elektronische Datenträger, die entweder aktiv oder passiv Informationen tragen. Radio frequency identification ist ein kontaktloses Identifikationssystem, das keinen Sichtkontakt benötigt und neben dem RFIDTransponder ein Schreib-/Lesegerät benötigt. RFID-Transponder bestehen aus einem Chip und einer Antenne und werden in vielen Bauformen angeboten, wie Etikette, Scheibe, Schraube, Plättchen etc. Informationen können auf dem RFIDTransponder gespeichert und kontaktlos mittels einer Lese-/Schreibeinrichtung gelesen bzw. beschrieben werden. Der große Vorteil besteht darin, dass neben der Speicher- und der Aktualisierungsfähigkeit die Lage des RFID-Transponders zur Leseeinrichtung unerheblich ist. Der Hauptvorteil gegenüber Barcode liegt in der drahtlosen Datenübertragung und der wiederholten Speichermöglichkeit von Daten mit integrierten Sicherheitsmechanismen. Ein zunehmen wichtiger Aspekt ist die Fälschungssicherheit von Ersatzteilen, die durch RFID-Transponder sichergestellt werden kann. Gefälschte und damit oftmals minderwertige Ersatzteile können die Produktionsqualität und Verfügbarkeit der Anlagen gefährden. Siehe weiterführende Informationen dazu unter [34]. Zu berücksichtigen ist natürlich, dass auch die Betriebssicherheit des gesamten Lagersystems gegeben sein muss, damit nicht bei Ausfall des Gesamtsystems wiederum Ausfallfolgekosten entstehen, obwohl Ersatzteile eingelagert, aber nicht zugänglich sind. Insbesondere bei Lager mit hohem Automationsgrad sind entsprechende Notkonzepte zu definieren, die die Betriebssicherheit trotz Ausfall gewährleisten.
4.4 EDV-Unterstützung
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4.4 EDV-Unterstützung Die Anwendung der EDV in der Materialwirtschaft ist aufgrund des ständig steigenden Datenvolumens einerseits und des zunehmenden Bedarfs an aussagekräftigen Informationen andererseits mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden. Auch für Klein- und Mittelbetriebe ist die Ablösung der manuellen bzw. durch einfachere Systeme gestützten Datenverarbeitung nicht mehr aufzuhalten, wenngleich allerdings Studien zeigen, dass hier im Zuge der Automatisierung in der Regel zunächst die „klassischen“ Datenverarbeitungsaufgaben im Verwaltungsbereich – Finanz- und Betriebsbuchhaltung, Fakturierung usw. – auf EDV umgestellt werden. Die Übernahme materialwirtschaftlicher Aufgabenbereiche durch die EDV-Anlage erfolgt dagegen immer erst mit einer mehr oder weniger großen zeitlichen Verzögerung. In mittelständischen Unternehmen wird die Unterstützung der Materialwirtschaft mittels EDV überwiegend positiv beurteilt. Insbesondere für die Lagerbestandsführung, die Bedarfs- und Bestellmengenplanung sowie die Terminüberwachung werden durch die Automatisierung erhebliche Vorteile erhofft bzw. bereits durch erfolgreiche EDV-Anwendung realisiert [20]. Die Vorteile der Nutzung der EDV – sei es nun mittels einer eigenen Hardware (handelsübliche Client/Server-Lösungen) oder durch Outsourcing (EDV außer Haus) – sind dabei insbesondere: Rationalisierung Das Hauptziel der Einführung der EDV liegt zunächst sicherlich in einer Rationalisierung der Arbeitsprozesse bzw. des Informations- und Materialflusses im Materialwirtschaftsbereich. Neben dem Zweck der Kostensenkung sind damit vor allem auch Ziele der Entlastung der Mitarbeiter von Routinetätigkeiten sowie der Beschleunigung der Abläufe und der Erhöhung ihrer Zuverlässigkeit angesprochen. Selbst bei kleineren Unternehmen können die vielfältigen Aufgaben der Ersatzteil- bzw. Materialwirtschaft nun durch eine leistungsfähigere IT-Unterstützung gewährleistet werden. Verbesserung der Führungsinformationen Darüber hinaus ergeben sich aus der leichteren Pflege, Verarbeitung und Aufbereitung der Datenbestände mittels EDV erheblich bessere Möglichkeiten der Nutzung materialwirtschaftlicher Informationen für Führungs- und Entscheidungsaufgaben. Im Rahmen der computergestützten Materialwirtschaft wird die Aktualität der Daten erhöht und eine entsprechende Aufbereitung und Verdichtung der Daten in Form von aussagekräftigen Statistiken wesentlich vereinfacht. Insofern ergeben sich durch den Einsatz von EDV optimale Voraussetzungen zur Sicherstellung der Informationsbasis für die Ermittlung materialwirtschaftlicher Indikatoren und Kennzahlen. Aufgrund der Möglichkeit, die gespeicherten Datenbestände nach bestimmten Kriterien zusammenzufassen und abzufragen, kann eine
130
4 Ersatzteilorganisation
Vielzahl von Kennzahlen gebildet werden, deren manuelle Ermittlung wegen des damit verbundenen Zeitaufwandes und der Komplexität in der Regel unterbleibt. Hinzu kommt, dass der Logistik durch die Integrationsmöglichkeiten, die sich heute beim EDV-Einsatz bieten, außerdem Daten anderer Funktionsbereiche – hier insbesondere der Instandhaltung – unmittelbar zur Verfügung stehen. Somit wird auch die Bildung komplizierter, bereichsübergreifender Kennzahlen in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen gehalten [20]. Erst diese Querschnittfunktion mit der damit verbundenen prozessualen Sichtweise ermöglicht – wie mehrfach beschrieben – eine gesamthafte (logistische) Bewirtschaftung der Ersatzteile. Die Anwendung moderner Datenverarbeitungsverfahren unterstützt somit in hohem Maße die Optimierung der Ersatzteil-Logistik. Sie stellt allerdings für die Arbeit mit Kennzahlen keine unbedingte Grundvoraussetzung dar. Wenn in Unternehmen mit konventioneller Datenverarbeitung (z. B. die Anwendung von Tabellenkalkulationsprogrammen) die Anwendung von Kennzahlen an die Einführung eines integrierten Materialwirtschaftssystem geknüpft wird, so kann einer solchen Argumentation nicht zugestimmt werden. Tatsächlich bieten sich auch diesen Unternehmen genügend Möglichkeiten der Kennzahlenermittlung durch eine systematische Auswertung der vorhandenen Informationen. Die Grenzen der Anwendung von Kennzahlen bei manueller bzw. konventioneller Datenverarbeitung sind allerdings wesentlich enger gesteckt als beim Einsatz von integrierten Systemen. Für die Anwendung der IT in der Ersatzteil-Logistik sind zunächst bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen: • Die Daten im Dispositions-, Einkaufs- und Lagerbereich müssen lückenlos erfasst werden. • Für die Identifizierung der Artikel bedarf es eines eindeutigen Nummernsystems (Schlüsselsystem). Eine Zuordnung der Ersatzteile zu den Anlagen (Einbaustellen) sollte möglich sein (Verknüpfung Instandhaltungssystem mit Materialwirtschaftssystem). • Die Stammdaten müssen in entsprechenden Dateien zusammengefasst werden. • In den Materialstammdaten sollte eine Zuordnung zu Ersatzteilklassen und die Erfassung von Ähnlichkeitsmerkmalen möglich sein. Daneben sind Plausibilitätskontrollen vorzusehen. Je Teil sind mögliche Lieferanten zuordenbar. • Unterstützung der Dispositionsentscheidung (Kennzahlen, statistische Auswertungen, automatische Parameteranpassung etc.), • Laufende Bestellverfolgung, • Ersatzteilreservierung, • Verbuchung der Lagerbewegung sowie • Erstellung der Inventur-Daten, • Offene Bestellungen, • Lieferantenübersicht, • Statistische Auswertungen (ABC-Analyse, Lagerhüter usw.) und • Kennzahlendarstellungen. • Es muss eine Stücklistenorganisation existieren. • Der Informations- bzw. Belegfluss muss eindeutig sein.
4.4 EDV-Unterstützung
131
Neben der Hardware bedarf es hierzu leistungsfähiger Anwendungsprogramme (Software). Das Ergebnis der Umstellung auf EDV sollte in einem von zentralen Dateien unterstützten Informationsfluss (und Materialfluss) bestehen, wie er in Abb. 4.5 als Beispiel dargestellt ist. Die Rationalisierungsreserven, die sich durch den EDV-Einsatz in der Materialwirtschaft erschließen lassen, sind für kleine und mittlere Unternehmen bedeutend. So haben u. a. Untersuchungen des Einsatzes von EDV in mittelständischen Unternehmen deutlich werden lassen, dass aufgrund der Aktualität und Genauigkeit der Daten im Bevorratungsbereich und der damit verbundenen Transparenz der Bestände enorme Senkungen der Lagerhaltungskosten möglich wurden. Zur Nutzung dieser Reserven bedarf es vor der Auswahl und dem Einsatz von EDV einer exakten Analyse der spezifischen Anforderung an das System. Insbesondere die Einbindung in weitere Systemunterstützungen wie Produktionsplanung, Kostenrechnung, Anlagenbuchhaltung etc. im Sinne eines ERP-Systems wird zu beantworten sein. Ein breites Angebot von „integrierten“ Softwarelösungen macht die Auswahl schwierig. Zum anderen wird der Freiheitsgrad durch die bereits eingeführte Systemunterstützung im Bereich des kaufmännischen Rechnungswesens und des Einkaufes einschränkt. Die hier angesprochenen Probleme des Einsatzes von EDV in der Materialwirtschaft sollen an dieser Stelle nicht tiefer erörtert werden. Abschließend ist ein Aspekt noch hervorzuheben, der in engem Zusammenhang mit der zentralen Frage der Kennzahlenanwendung steht. Der Aufbau eines Kennzahlensystems sollte bei der Entwicklung des EDVSystems frühzeitig mitbedacht werden. Erst wenn neben der Automatisierung
Abb. 4.5 Informationsfluss (und Materialfluss) in der computerunterstützten Materialwirtschaft eines Industrieunternehmens [20]
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4 Ersatzteilorganisation
routinemäßiger Aufgaben, wie Terminüberwachung, Bestandsführung, Bedarfsund Bestellmengenrechnung usw., auch entsprechend Statistikprogramme realisiert werden, kann von einer optimalen Nutzung der Anlage gesprochen werden. Die spätere Kennzahlenermittlung sollte daher unbedingt eine der Zielsetzungen bei der Systementwicklung sein. In Abb. 4.6 wird ein Beispiel dafür gegeben, wie ein Konzept für eine EDV-gestützte Kennzahlenermittlung konkret aussehen könnte. Zusätzlich zur laufenden Ausgabe (z. B. Mahnungen, Dispositionsliste usw.) und zur Ausgabe im Bedarfsfall
Abb. 4.6 Materialwirtschaft und Kennzahlenausgabe mit EDV [20]
4.5 Ersatzteilklassifikation
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(z. B. Bezugsquellennachweis, Teilestammblatt usw.) werden hier für speziell festgelegte Kontrollbereiche (Einkaufsanalyse, Lieferantenanalyse, Dispositionsund Bevorratungsanalyse sowie Kostenanalyse bzw. Sonderauswertungen) die entsprechenden Aufwendungen periodisch (monatlich/quartalsweise und halbjährlich bzw. jährlich) errechnet und ausgegeben [20].
4.5 Ersatzteilklassifikation Vorab soll dargelegt werden, wozu eine Verschlüsselung oder Nummerierung dienen soll. Eine Codierung hat den Zweck • Daten aufzufinden (zu identifizieren), • Daten zu klassifizieren, • Daten möglichst kurz zu be- bzw. zu umschreiben Dabei ergeben sich immer wieder Zielkonflikte aus der Tatsache, dass man einmal eine kurze Informationsdarstellung (Identifizierungsnummer), zum anderen eine übersichtliche Informationsdarstellung (sprechende Nummer) will. Der in der Praxis seit jeher häufig benützte Begriff des „Schlüssels“ wird immer mehr durch den Begriff „Nummer“ ersetzt. Man sollte daher diese beiden Begriffe als synonym betrachten. Daraus ergeben sich die Synonymbegriffe der Verschlüsselungssysteme, der Nummernsysteme oder der Nummerierungssysteme. Die Nummerierung von Objekten oder von Sachverhalten ist für die Verarbeitung der Daten und zur Informationsaufbereitung notwendig. Eine eindeutige und dazu eine systemgerechte Bezeichnung von Objekten ist für die Datenverarbeitung eine Nummer. Aufgrund der Teilevielfalt und der Komplexität scheidet eine verbale Beschreibung der Teile aus. Nachstehend sind einige wichtige Begriffe erklärt, die wesentlich zum Verständnis beitragen können. Für die laufende qualitätsgesicherte Tätigkeit ist es zweckmäßig, diese Begriffe in einem entsprechenden „Handbuch“ für die Mitarbeiter zu erläutern. Mit dieser Standardisierung werden Kommunikationsfehler vermieden. Nummernsysteme Eine Nummer ist eine Folge von Zeichen, deren Anzahl und Aufbau im Nummernsystem und Nummernplan festgelegt wird. Die Nummer kann nach folgenden Kriterien aufgebaut werden: • numerisch (1 2 3 4 5 6 7 8) • alphanumerisch (A B 1 2 3 4 5 6) • alphamerisch (A A B B C C D D)
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4 Ersatzteilorganisation
Die einmal definierten Nummernarten müssen eingehalten werden, d. h. wenn eine Nummer als numerisch festgelegt wurde, darf kein Alphazeichen mehr verwendet werden. Die Festlegung des Nummerierungssystems sollte von einer übergeordneten neutralen Instanz im Unternehmen erfolgen (z. B. Organisationsabteilung, IT, Qualitätssicherung). Die Praxis zeigt, dass dieses Prinzip gar nicht so selbstverständlich ist. Es wurden und werden von verschiedenen Stellen Nummernsysteme eingeführt, wie z. B. der Konstruktion oder Arbeitsvorbereitung, von Einkauf und Kostenrechnung usw. Diese Gegebenheiten hat den entscheidenden Nachteil, dass andere Bereiche und Stellen kaum – in vielen Fällen gar nicht – berücksichtigt werden. Bei jeder Art von Nummerierung und ganz speziell beim Nummerieren von Teilen findet man verschiedene Begriffe, wie z. B. • • • • •
Sachnummer, Artikelnummer, Teilenummer, Materialnummer, Objektnummer
oder ähnliches mehr. Man spricht heute in diesen Bereichen weitgehend von einer „Sachnummer“. Im Nummernaufbau sind wiederum verschiedene Begriffe geläufig: • • • • • • • • • •
Identifizierungsnummer Klassifizierungsnummer Parallelschlüssel Zählnummer Verbundnummer sprechende Nummer halb- oder nichtsprechende Nummer systematische Nummer systemlose Nummer Gruppennummer
Zur Verschlüsselungssystematik gibt es einige Möglichkeiten mit Vor- und Nachteilen. Folgende Möglichkeiten stehen zur Verfügung: • • • •
identifizierend, klassifizierend, systematisch oder systemlos, hierarchisch numerisch oder alphanumerisch. Grundsätzlich zu beachten sind folgende Punkte:
• • • •
Das „Verschlüsseln“ soll ohne Schwierigkeiten möglich sein. Die Nummer soll so kurz wie möglich sein. Die Nummer muss immer identifizieren, sie kann auch klassifizieren. Die Kapazität des Systems soll auch künftige Entwicklungen abdecken.
4.5 Ersatzteilklassifikation
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„Sprechende“ Schlüssel sind i. d. R. nicht zweckmäßig, da zumeist mehr Stellen benötigt werden; der Verwaltungsaufwand höher ist und der Nummernkreis relativ rasch seine Grenzen erreicht. Alte, bestehende Nummern sollten i. d. R. nicht übernommen werden, da es letzten Endes immer zu einer unbefriedigenden Lösung führt. Dagegen sind auch die vermeintlichen Vorteile einer vordergründig erleichterten Umstellung kein hinreichendes Argument. Es kann nur in seltenen Fällen eine saubere neue Lösung gefunden werden. Anhand zweier Beispiele wird nachstehend gezeigt, wie eine Ersatzteil-Klassifizierung bzw. Ersatzteilliste ausgeführt sein kann [35]. Ersatzteilbaugruppen [35] Aufbau der Klassifizierungsnummer:
Baugruppen, die als Ersatzteilgruppe verwendet werden sollen, erhalten grundsätzlich in den Ersatzteilunterlagen die ursprüngliche Nummer der Konstruktionsoder Fertigungsbaugruppe. Sollte keine dieser Unterlagen für die Ersatzteilgruppierung verwendbar sein, wird eine neue Ersatzteilbaugruppe z. B. mit der Vorziffer „8“ gebildet. Die Kennziffer (Baugruppe-Nr.) der Baugruppe – aus der die Ersatzteile stammen – bleibt erhalten, so dass jederzeit der Nachweis über den Ursprung geführt werden kann. Die lfd. Zählnummer beginnt mit der Nummer 001. Beispiel: Eine Laufrolle soll als Ersatzteilgruppe mit eingebauten Kugellagern geliefert werden. Es ist weder eine Konstruktions- noch eine Fertigungsstückliste über diesen Zustand vorhanden (Abb. 4.7). Ersatzteilbaugruppe = 8 – 693.001 Die Klass.-Nummer 8 – 999.XXX bleibt der Nummerierung von Umbau- oder Reparaturgruppen vorbehalten.
Abb. 4.7 Laufrolle
136
4 Ersatzteilorganisation
System 4 (NATO-Materialcodifizierung) Hierbei handelt es sich um ein sehr umfassendes Ordnungssystem. Es setzt sich zusammen aus einem sog. „Identifizierungssystem“ und der „NATO-Versorgungsnummer“. Der Aufbau:
Zur Identifizierung wird ein Objekt zuerst mit dem entsprechend einer „Identifizierungsnorm“ festgelegten Namen, dem sog. „Versorgungsartikelnamen“ belegt, wobei dieser Name abhängig von der Funktion und dem technologischen Aufbau des Gegenstandes gewählt wird. Eine zugehörende Begriffsbestimmung legt die Bedeutung der Namen fest, während in einer Beschreibung alle wichtigen Merkmale des Gegenstandes definiert sind. NATO-Versorgungsnummer:
Die neben der Identifizierung geführte NATO-Versorgungsnummer besteht aus einem klassifizierenden Teil [35]. Je nach eingesetztem IT-System wird die Art, Bezeichnung und Anzahl der Stellen der Ersatzteilstammdaten unterschiedlich gestaltet sein. Eine Auflistung der möglichen Ersatzteilstammdaten gibt [36): Ersatzteilwesen der Instandhaltung. VDI-Lichtlinie 2892.]. Im Wesentlichen umfassen diese Ersatzteilstammdaten die eindeutige Identifizierung des Ersatzteiles, die Zuordnung zu entsprechenden
4.6 Integration als Basis des Ersatzteilcontrollings
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Ersatzteilgruppen, die Beschreibung von technischen Daten und einer Materialart. Gegebenenfalls die ABC-Klassifizierung, sowie weitere kaufmännische und technische Informationen wie Preis, Abmessungen, Gewichte etc. Weiterhin können als Ersatzteilstammdaten die für die Lagerung und Disposition wichtigen Informationen wie Lagerort, Bestandsparameter, Beschaffungszeiten, Liefertermine, Mindestbestellmengen, Herstellerangaben, Bestellnummern, Typenbezeichnungen sowie die Ersatzteilverwendung und insbesondere bei Reserveteilen sehr bedeutungsvoll, die Anlagenkennzeichnungsnummer angegeben werden. Bei gefährlichen Gütern und Arbeitsstoffen ist eine Aufnahme ins Kataster der zuständigen betriebsinternen Stelle wie Umweltschutz, Sicherheitswesen usw. notwendig. Bezogen auf die jeweiligen Anlagen wäre es ebenfalls wichtig, die wichtigsten Stammdaten der Teile als Dokumentation zu hinterlegen, die für die betreffende Anlage als Ersatz- bzw. Reserveteile festgelegt wurde. Diese Ersatzteillisten finden sinnvoll Anwendung zur Identifikation des Reserveteils, zur eindeutigen Identifikation im Rahmen der Instandhaltungsplanung und Arbeitsvorbereitung, für den Änderungsdienst an Maschinen und Anlagen, aber insbesondere auch zur Bestandsreduzierung im Rahmen der Außerbetriebnahme und Verschrottung der Maschinen bzw. Anlagen. Weiterhin spielen diese Informationen – wie erwähnt – als Ersatzteilresteindeckung bei Serienauslauf des Herstellers eine wesentliche Rolle [36].
4.6 Integration als Basis des Ersatzteilcontrollings 4.6.1 Generelle Vorgehensweise bei hierarchischer Planung Ein Planungssystem ist hierarchisch strukturiert, wenn • eine Zerlegung des Planungssystems in mehreren Teilsysteme erfolgt ist; • der Aspekt bekannt ist, nach dem eine Über- bzw. Unterordnung der Teilsysteme vorliegen soll; • die Eigenschaften bekannt sind, welche die Über- bzw. Unterordnungsrelationen zu erfüllen haben. Der erste Schritt bei hierarchischer Planung besteht also in einer Zerlegung des gesamten Problemkomplexes in handhabbare Teilprobleme. Eine solche Zerlegung wird sinnvoll mit den organisatorischen Gegebenheiten eines Unternehmens korrespondieren. Dies erleichtert und fördert auch später die Beziehung zwischen den Ergebnissen und den verantwortlichen Führungskräften, die diese Ergebnisse durchsetzten müssen. Als nächstes werden die einzelnen Planungsebenen identifiziert. Dies bedeutet die Festlegung einer Rangordnung z. B. nahe der Fristigkeit der Planung definiert, heißt, dass die langfristige Planung der mittelfristigen und diese wiederum der kurzfristigen übergeordnet ist.
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4 Ersatzteilorganisation
Im dritten Schritt wird die Frage geklärt, welche Interdependenzen zwischen den Teilproblemen bestehen und wie einzelnen getrennten Planungsaktivitäten wieder zusammengeführt werden können. Dieser Schritt wird als Integration oder Abstimmung bezeichnet. Die ganze Integrationspolitik wird erleichtert, wenn vorher die Teilprobleme so gewählt werden können, dass nur „schwache“ Wechselwirkungen zwischen ihnen bestehen. Dennoch muss man bei hierarchischer Planung den Aspekt des Zusammenwirkens der Teilsysteme besonders beachten. Dieses Zusammenwirken entscheidet letztlich über die Güter der Gesamtplanung. Eine Integration der Planungsstufen kann prinzipiell in zwei Richtungen erfolgen: von „oben nach unten“ und „von unten nach oben“. Die erste Richtung nennt man Abwärtsintegration und die zweite Richtung Aufwärtsintegration. Unter Abwärtsintegration versteht man die Anpassung der unteren Ebene an die obere. Dies besagt, dass die Planung auf der unteren Ebene den Rahmen berücksichtigen muss, der durch die Ergebnisse der übergeordneten Planungsebene für die untergeordnete vorgegeben wird. Unter Aufwärtsintegration versteht man die Anpassung der oberen Planungsebene an die untere. Eine solche Anpassung kann zum einen dadurch geschehen, dass die Planungen der oberen Stufe berücksichtigen, ob die durch sie gemachten
Abb. 4.8 Hierarchische Planungsebene und ihre Informationsbeziehungen
4.6 Integration als Basis des Ersatzteilcontrollings
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Vorgaben dann auf der unteren Ebene überhaupt eingehalten werden können (Feedforward-Vorgehensweise). Zum anderen kann das konkrete Planungsergebnis der unteren Ebene der oberen Ebene mitgeteilt und dort berücksichtigt werden (Feedback-Vorgehensweise). Letzteres bedeutet also eine Rückmeldung der untergeordneten Planungsebene an die übergeordnete, u. U. mit dem Inhalt, dass der untergeordnete Planbereich nicht in der Lage ist, den „von oben“ vorgegebenen Rahmen einzuhalten. Dies löst dann eine Neuplanung auf der oberen Ebene aus [27]. Die unterschiedlichen Entscheidungsebenen eines hierarchischen Planungssystems wirken sich auf die notwendigen Informationen so aus, dass die (sachlichen und zeitlichen) Daten „nach oben“ eine zunehmende Aggregation erfahren und „nach unten“ mehr und mehr detaillierteren Charakter annehmen. Das heißt z. B., dass mit zunehmender Fristigkeit einer Planung auch der Aggregationsgrad der Daten zunimmt. Die jeweiligen (Teil-) Ziele, die man bei der Lösung der Planungsprobleme auf den einzelnen Ebenen im Auge hat, müssen natürlich miteinander verträglich und auf ein gemeinsames Oberziel (z. B. die Leitlinien eines Unternehmens) ausgerichtet sein. Auf höheren Hierarchieebenen wird man gewöhnlich ökonomische Ziele, auf den unteren Ebenen physische oder technische Ziele verfolgen (vgl. Abb. 4.8).
4.6.2 Ansätze zur Integration Wie schon mehrfach angedeutet, erweist sich für eine Planung, Steuerung und Kontrolle von Ersatzteilbeständen eine Integration unterschiedlicher methodischer Ansätze als notwendig und sinnvoll. Einerseits sind Indikatoren und Kennzahlen zu einem ganzheitlichen Kennzahlensystem zusammenzuführen, welches sowohl die Fehlbestands- als auch die Bestandssituation berücksichtigt und charakterisiert. Andererseits sollten einzelne Kennzahlen bzw. Daten unter Zuhilfenahme statistischer Auswertungen zur Analyse sowie Steuerung der Ersatzteillogistik beitragen. Darüber hinaus führt die Beschränkung auf nur quantifizierbare Sachverhalte zur unvollständigen Beschreibung der Situation der Ersatzteillogistik. Erleichtert wird die Planung, Steuerung und Kontrolle von Entscheidungen über die Höhe eines anlagen- bzw. betriebsbezogenen Ersatzteilbestandes und letztendlich auch Ersatzteilbudgets durch eine geeignete Form der Darstellung jener Elemente, die ein verantwortungsbereichsbezogenes Ersatzteil-Informationssystem auszeichnen. Für die verschiedenen, als besonders wichtig identifizierten Elemente eines solchen Informationssystems wird die Gegenüberstellung von Plan- und Ist-Daten der jeweiligen Abrechnungsperiode vorgeschlagen. Zumeist erweist es sich als sinnvoll, auch die entsprechenden Ist-Daten der jeweiligen Vorperiode auszuweisen, da diese geeignet sind, Entwicklungstrends im Ersatzteilcontrolling rechtzeitig erkennen zu können. Insofern kommt diesen TrendVergleichen eine nicht zu unterschätzende Kontroll- und Steuerungsfunktion zu. Die vielfältigen Möglichkeiten zur Verknüpfung sowohl beschaffungs- als auch bestandsrelevanten Daten mit solchen der Instandhaltung und des Einbauortes sind
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4 Ersatzteilorganisation
Benutzer individuell zu gestalten. Standardisiert sind klassische ABC-, XYZAnalysen sowie die Analyse der Kennzahlen, die einerseits Bestandsanalysen und andererseits Ausfallanalysen und damit in Verbindung die Logistikleistung (Servicegrade etc.) charakterisieren. Die Lösung des Problems „optimaler“ Reserveteilbestand bzw. „optimales“ Reserveteilbudget stellt ein (für die Praxis) unvollständig definierbares und damit schlecht strukturiertes Entscheidungsproblem dar. Für derartige Entscheidungsprobleme existiert keine Methode, die die optimale Lösung sicher und unmittelbar generiert. Vielmehr erfordern die Entscheidungsalternativen die flexible Handhabung und fallweise Kombination unterschiedlicher Lösungstechniken. Daher sind situative, aber dennoch analytisch-strukturierte Vorgehensmethoden zielführend. Diese Anforderungen lassen sich dementsprechend auf die einer Entscheidung vorgelagerten und begleitenden Prozesse der Informationsgewinnung übertragen, sodass auf die Angabe allgemein gültiger Regeln der Art und Weise der Verknüpfung einzelner ersatzteilwirtschaftlich relevanter Daten an dieser Stelle verzichtet werden muss [1].
Kapitel 5
Systeme zur Unterstützung der Ersatzteilbewirtschaftung
5.1 Informationsbedarf 5.1.1 Der Informationsgedanke Wie Analysen und Potentialabschätzungen gezeigt haben, ist nach einer Segmentierung speziell bei Ersatzteilsortimenten von mehreren 100.000 Stück eine teileindividuelle tiefer gehende Differenzierung wünschenswert. Dies kann mit einem Informationssystem erreicht werden, welches eine logistische Segmentierung ermöglicht. Nach der Philosophie „vom Groben zum Detail“ bietet sich die Möglichkeit, jedes einzelne Segment nach den genannten Kenngrößen zu identifizieren. Das heißt, es ist im einfachen Fall möglich, ein Segment zu benennen (ABC-XYZAnalyse) und sämtliche Artikel, die in dieses Bewirtschaftungssegment fallen, mit den Größen ihres Stückbestandes, der Reichweite oder dem maximalen Abgang in Tabellenform darzustellen. In diesen Fällen, wo eine EDV-Integration – insbesondere zwischen einer Instandhaltungssoftware (IPSA: Instandhaltungs-, Planungs-, Steuerungs- und Analysesystem) und einem zentralen Materialdispositionssystem – aufgebaut wurde und ein entsprechendes Analysetool zur Verfügung steht, kann softwaregestützt ein ausgewähltes Segment mit den zugehörigen Kennzahlen dargestellt werden. Um für den Planer und Disponenten eine weitere Hilfe für eine logistische Bewirtschaftung zu bieten, können die Artikel in einem Segment zusätzlich nach den Zielgrößen Reichweite, Bestand oder Anzahl der Verbräuche sortiert werden. Erkennt der Disponent bei dieser Untersuchung und Überprüfung einzelner Artikel ein besonderes Ersatzteil (beispielsweise mit sehr hohem Bestand oder ungerechtfertigt hohen Bestellmengen) besteht die Möglichkeit, die Bevorratungshistorie entsprechend des vorher gewählten Vergangenheitszeitraumes aufzurufen, um im Detail die Bevorratungsursachen zu ermitteln. Zusätzlich können Informationen über die gewollte bzw. praktizierte Instandhaltungsstrategie eingeholt werden (IPSA).
H. Biedermann, Ersatzteilmanagement © Springer 2008
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5 Systeme zur Unterstützung der Ersatzteilbewirtschaftung
Ergeben sich daraus Unstimmigkeiten gegenüber den Anforderungen beispielsweise aus der Instandhaltung, so kann unmittelbar daran eine Absprache mit den verantwortlichen Fachleuten oder Betriebsingenieure erfolgen. In EDV-Applikationen können überdies mit Hilfe von Farb-Elementen die Artikel- und Bestandssegmente besonders hervorgehoben werden. Diese Farbzuordnung erfolgt dabei nach dem Prinzip einer roten, gelben und grünen Ampel. Segmente mit entsprechendem Bestandsinhalt im roten Feld der Matrizen weisen für den Planer unmittelbar auf Dispositions- und Bevorratungsprobleme hin. Elemente und Artikel im grünen Feld zeigen die aus der logistischen Disposition ermittelten richtigen Bewirtschaftungsgrößen. Um dieses Instrumentarium der Ersatzteilbewirtschaftung wirksam einsetzten zu können, ist eine entsprechende Planung der Bewirtschaftungs-Richtungsgröße aus der Sicht des Instandhaltungsbedarfes erforderlich. Für eine erfolgsorientierte Sicherstellung der Anlagenverfügbarkeit sind die instandhaltungsbezogenen Kenngrößen abhängig von der Engpasscharakteristik der Anlagen abzuleiten und in dieses Bewirtschaftungsinstrumentarium einzubeziehen. Der Vorteil der logistischen Segmentierung liegt dabei in der Visualisierung der aus den Anforderungen der Instandhaltung resultierenden Vorgaben und der zur Aufrechterhaltung der Verfügbarkeit erforderlichen Bestands- und Bewirtschaftungsgrößen [20].
5.1.2 Informationsfluss Ein besonderes Problem in der Informationsunterstützung der Ersatzteilverwender besteht darin, dass unterschiedliche EDV-Systeme mit unterschiedlichen Zielsetzungen den Gesamtprozess der logistischen Bewirtschaftung von Ersatzteilen unterstützen sollen. Dabei kommen in unterschiedlicher Ausprägungsform Softwaresysteme in Frage, die einerseits dem klassischen Rechnungswesen inklusive der Kostenrechnung zuzurechnen sind, aber auch insbesondere der klassischen Materialwirtschaft mit zumeist Lösungen im Bereich der ERP-Systeme. Wie mehrfach ausgeführt kann aber eine optimale Ersatzdisposition nur unter Berücksichtung der jeweiligen Instandhaltungsstrategie und damit der EDV-Systemunterstützungen im Bereich der Instandhaltung bzw. der Produktionswirtschaft eine optimale Bewirtschaftung sicherstellen. Neben der Problematik, dass Bestandsund Bewegungsdaten aus diesen unterschiedlichen Systemen möglichst integral Berücksichtigung finden sollten, muss natürlich der Informationsfluss und das entsprechende Analyse- und Berichtswesen sowohl zeitlich als auch inhaltlich definiert und geregelt sein. Insgesamt gesehen ist das Ziel durch den Einsatz der Informationsverarbeitung und moderner Kommunikationstechniken nicht nur aus logistischer Sicht das schon mehrfach erwähnte Kostenoptimum anzustreben, sondern weiterhin die prozessuale Abwicklung der Ersatzteillogistik zu unterstützen und gegebenenfalls zu beschleunigen. Darüber hinaus stellt ein leistungsfähiges, möglichst integriertes EDV-System auch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber
5.2 System- und Anwendungssoftware
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Mitbewerbern insofern dar, dass die Kapitalbindungskosten insgesamt gesehen (im Sinne der erwähnten Rentabilitätsoptimierung) gesenkt werden können. Entscheidend ist, dass der gesamte Logistikprozess entsprechend in bereits bestehende PPS-(Produktionsplanungs- und -steuerungs-Systeme) eingebettet ist. Wesentlich ist dabei der Aufbau und die Beherrschung entsprechender Datenbanksysteme, die durch die isolierte Entwicklung von Anwendungen in der Vergangenheit erschwert wurden und nur durch redundanten Aufbau entsprechender Datensysteme überwunden werden konnte.
5.2 System- und Anwendungssoftware Systematisierung des Ersatzteilwesens, Entlastung von Routinearbeiten und völlige Informationstransparenz ist durch die Unterstützung eines integrierten Datenverarbeitungssystems zu erreichen. Nur hiermit können die in Tabelle 5.1 beispielhaft angegebenen Bedingungen zur Systemgestaltung erfüllt werden. Dies ist auch nur dann möglich, wenn ein zentraler Rechner oder ein entsprechender Rechnerverbund alle vorgesehenen Teilnehmer in einem gemeinsamen Verbund zeitlich und ohne Wartezeiten bedienen kann. Dabei ist zu beachten, dass in der Praxis feste Zuständigkeiten bestehen, organisatorische Strukturen und Verknüpfungen zu anderen Unternehmensaufgaben, deren Gestaltung durch das System nicht behindert und fixiert werden dürfen. Wesentlich im Rahmen der Software sind die sog. Anwenderprogramme. Die EDV-Hersteller erarbeiten für typische Entscheidungsprozesse und vielfach auftretende Probleme (z. B. auf dem Gebiet der Instandhaltung und der Materialdisposition) Standardprogramme und stellen sie den Anwendern zur Verfügung. Der Benutzer braucht nur die für sein Problem spezifischen Daten einzusetzen. Dabei besteht in der Regel die Möglichkeit, bestimmte Programmbestandteile wegzuTabelle 5.1 Prinzipien des Systemaufbaus [37] Einmalerfassung – multiple Verarbeitung unmittelbare und zeitliche Verarbeitung (Online, Realtime) Ganzheitsbetrachtung von Arbeitsfeldern Schnittstellenautomatik einheitliche Gestaltung mit speziellen Anpassungen bei Bedarf Bedienungsfreundlichkeit ausreichende Verfügbarkeit kurze Systemantwortzeit bedarfsgerechte Bedienerfüllung arbeitsflussgerechter und übersichtlicher Maskenaufbau einheitliche Begriffe und Abkürzungen zugriffsbereite und aktuelle Schlüsselverzeichnisse List-Ausgaben, wenn Informationsdichte und Arbeitsweise dies verlangen
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5 Systeme zur Unterstützung der Ersatzteilbewirtschaftung
lassen und nur diejenigen Module des Modulprogramms zu verwenden, die für die Lösung einer Aufgabe erforderlich sind. Das Programmpaket kann durch selbst entwickelte Programmteile ergänzt werden. Die Methodenbank im engeren Sinne umfasst insbesondere die verschiedenartigen Entscheidungsmodelle mit den zugehörigen Algorithmen. Daneben sind auch reine Ermittlungsmodelle zu nennen. Zu letzteren zählen beispielsweise die einzelnen Transformationsprogramme der Kostenrechnung, mit deren Hilfe die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung auf Ist-, Prognose- oder Sollkostenbasis realisiert werden kann. Auch die Programme für die Erstellung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung oder zur Ermittlung von Liquiditätsplänen sowie die unterschiedlichen Verfahren zur Absatzprognose für bestimmte Erzeugnisse (Regressionsanalyse, Trendextrapolation, exponentielle Glättung) sind den Ermittlungsmodellen zuzuordnen. Bei der Lösung der vielfältigen betriebwirtschaftlichen Entscheidungsmodelle gelangen in vielen Fällen Algorithmen der mathematischen Programmierung zur Anwendung (z. B. Simplexmethode, Ungarische Methoden, Nord-West-EckenMethode, Gomory-Methode, Lagrangesche Multiplikatoren). Voraussetzung ist die mathematische Erfassung des Entscheidungsproblems. Derartige Algorithmen sind häufig programmiert, und es besteht die Möglichkeit, sie aus Programmbibliotheken zu entnehmen [10]. Neben den analytischen Techniken, die unter den Modellbedingungen zu einem Optimum der Zielgrößen führen, gewinnen Simulationsverfahren zunehmend Bedeutung. Durch Variation der im Modell enthaltenen Einflussgrößen sollen die Wirkungstendenzen auf die abhängigen Variablen sichtbar gemacht werden. Die am Markt vorhandenen überwiegenden traditionellen EDV-Systeme sind primär für funktional ausgerichtete Organisationseinheiten konzipiert worden. Dies gilt im Besonderen auch für den indirekt-planerischen Bereich der Materialwirtschaft und des Einkaufs; somit müssen eine Vielzahl von organisatorischen und EDV-technischen Schnittstellen überwunden werden.
Abb. 5.1 IPS (Integriertes Planungs- und Steuerungssystem) – Teilsysteme [37]
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Insbesondere die Materialwirtschaft weist eine Vielzahl von Informationsbeziehungen zu anderen Unternehmensbereichen auf. Diese sind allerdings nicht für alle Unternehmenstypen gleich, umfassen aber im Wesentlichen folgende Schnittstellen: • • • • •
Materialwirtschaft – Vertrieb, Materialwirtschaft – Primärbedarfsplanung, Materialwirtschaft – Kapazitätsterminierung, Materialwirtschaft – Konstruktion und eben, Materialwirtschaft – Instandhaltung.
Auf die prinzipiellen Unterstützungsfunktionen von Anwendungsprogrammen der letzten genannten Kategorien (Materialwirtschaft und Instandhaltung) soll im Folgenden kurz eingegangen werden.
5.2.1 Software für die Instandhaltung (IPSA-Systeme) Standard-IPSA-Systeme haben die Instandhaltung im Besonderen bei der wirtschaftlichen Realisierung ihrer Durchführungsaufgaben (Wartung, Inspektion, Instandsetzung u. a. m.) in der Planung, Steuerung und Kontrolle zu unterstützen. Dementsprechend nehmen die EDV-Unterstützungen insbesondere folgende Teilaufgaben wahr: • Verwaltung von Instandhaltungsstammdaten, − Anlagenstammdaten, − Instandhaltungskapazitäten, − Instandhaltungspläne, • Planung, Steuerung und Überwachung des Auftragsablaufes, − − − − − −
Auftragserfassung, Auftragsvorbereitung, Auftragsgenehmigung, Auftragsterminierung, Auftragsrückmeldung, Auftragsabrechnung,
• Standardisierte Aufwands- und Schadenserfassung, • Bedarfsplanung und -führung von Instandhaltungsmaterialien (Ersatzteilen) und • Auswertung von Instandhaltungskosten, -schwachstellen und Schäden. Darüber hinaus ist die EDV-Unterstützung geeignet und teilweise in der Praxis auch realisiert für die automatische Zustandsüberwachung von Bauelementen, wobei mittels Sensoren und Prüfungsprogrammen Verschleißzustände von Elementen permanent verfolgt und Instandhaltungstätigkeiten aus diesen fortwährenden Inspektionsergebnissen abgeleitet werden.
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5 Systeme zur Unterstützung der Ersatzteilbewirtschaftung
Da in sehr vielen Unternehmen eine funktional ausgerichtete System- bzw. Anwendungssoftware für den Bereich der Materialwirtschaft und hier insbesondere zur Materialdisposition eingerichtet ist, sind die funktional konzipierten IPSASysteme hinsichtlich ihrer Unterstützungsfunktionen im Bereich der Ersatzteilbewirtschaftung eher knapp bemessen. Dies bedeutet, dass zumeist eine Schnittstellenlösung zu diesen zentralen Materialwirtschaftssystemen erforderlich ist. Dies einerseits, um der Planungsfunktion insbesondere in der Abarbeitung der Instandhaltungsaufträge (Bereitstellungs- und Kostenplanung) nachkommen zu können und zum anderen, um die angestrebte integrale Betrachtungsweise zur Bestandsoptimierung sicherzustellen zu können. Dabei erfolgt in der Materialbestandsführung die Ersatzteilverwaltung, d. h. die an Material- bzw. Ersatzteilnummern orientierte technische Spezifizierung der Ersatzteile; der Verweis auf Lieferanten und/oder alternativ einsetzbare Ersatzteilgruppen; Hinweise auf Lagerorte, Bestandsparameter und Verrechnungspreise. Im Folgenden soll detailliert auf die von IPSAIPSA-SystemSystemen zu fordernden Unterstützungsfunktionen für die Ersatzteilbewirtschaftung eingegangen und auf deren Realisierungsstand hingewiesen werden. Hierzu wird auf die Untersuchungen von Kastner/Dankl [38] Bezug genommen und für detaillierte Ausführungen auf dieselbe Literatur verwiesen. Eine Ersatzteilliste ist für die effiziente Zuordnung von Ersatzteilen zu Instandhaltungsaufträgen unerlässlich, da hierdurch die Verbindung zu funktionalen Materialwirtschaftssystemen sichergestellt wird. Besondere Praxisnähe weisen Systeme auf, in denen Ersatzteillisten beliebig an allen Strukturen geführt werden bzw. alle tiefer liegenden Ersatzteillisten restriktionsfrei nach oben in der Struktur aufsummiert werden können. Von 18 marktgängigen IPSA-Systemen waren bis auf eine alle in der Lage, dieser Systemforderung zu genügen; etwa 80% konnten der beliebigen Zuordnung entsprechen [38]. Über 80% ermöglichen durch einen Direkteinstieg in das Materialverwaltungssystem eine sofortige aktuelle Bestandsinformation. Einen Teilverwendungsnachweis, d. h. die Informationen, an welchen Betrachtungseinheiten das jeweilige Ersatzteil eingebaut ist, ist ebenfalls in praktisch allen IPSA-Systemen realisiert. Die Verwendung von Zeichnungen ist allerdings nur in 30% der untersuchten Softwarepakete möglich [38]. In dem die Instandhaltungsaufgaben unterstützenden Auftragswesen sind in praktisch allen IPSA-Systemen sowohl die Kapazitätsverbräuche an Instandhaltungsmaterial wie auch der Kapazitätsbedarf und die Materialreservierung realisiert. Lediglich die Verfügbarkeitsprüfung für Instandhaltungsmaterial ist nicht in allen Systemen realisiert [38]. In den direkten, die Ersatzteilbewirtschaftung unterstützenden Funktionen (siehe oben) können die geforderten Einzelfunktionen zur Bestandsführung und Bestellverwaltung fast durchgängig erbracht werden. Einschränkungen sind insbesondere im Bereich der Führung eines Reservierungsbestandes und der Bestellauslösung über Intervalle oder Zeitpunkte zu nennen.
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Zur Unterstützung der Planungs- und Steuerungsfunktion des Ersatzteilwesens durch IPSA-Systeme ist zusammenfassend festzustellen, dass die wesentlichen Funktionen für einen begrenzten Teileumfang durchaus abgedeckt werden können. Detaillierte Analysefunktionen zur Bestandssenkung bzw. kostenoptimalen Bestandsdisposition werden allerdings im Bereich der IPSA-Systeme nicht geboten. An der Untersuchung [39] vom Forschungsinstitut für Rationalisierung der Trovarit AG und der Fachzeitung Instandhaltung mit dem Titel „Anwenderzufriedenheit IPS/Instandhaltungssoftware 2004/2005“ haben über 230 Unternehmen teilgenommen. Neben der vollständigen Dokumentation der Instandhaltungsaktivitäten sowie Reduzierung der Instandhaltungskosten und Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit verfolgen über 30% der Unternehmen mit der Einführung eines IPS-Systems auch das Ziel der Optimierung der Ersatzteilwirtschaft (Bestände, Verfügbarkeit). Damit wird deutlich, dass auch schon bei der Einführung des IPS-Systems eine entsprechende Vorstellung und Zielsetzung die Ersatzteillogistik und deren Optimierungspotenziale betreffend besteht. Von den untersuchten Softwarepaketen (15 Pakete) hatten aber immerhin 17% eine fehlende Schnittstelle zu weiteren Softwaresystemen und noch deutlich über 10% ungenügende Unterstützung aufgrund fehlender Funktionalitäten der Systeme und mangelnde Integration in die bestehende Systemlandschaft, wie Insellösungen und Schnittstellenprobleme. Insbesondere die Unterstützung der Querschnittsaufgaben im Bereich des Materialund Lagerwesens, des technisch-kaufmännischen Controllings und des Projektmanagements z. B. für Revisionen sind nur unzureichend gelöst.
5.2.2 PPS-Systeme zur Materialdisposition In den meisten Fertigungs- und Produktionssystemen wird ein Warenwirtschaftssystem eingesetzt, in welchem Daten über alle im Lagerbestand enthaltenen Artikel inklusive der Lagerbewegungen maschinell eingelesen oder eingegeben werden. Die Lagerbestandsdatenbank umfasst bei allen ERP-Systemen Grunddaten über jeden Artikel zu dem eine eindeutige Artikelnummer, eine Artikelbeschreibung, die aktuell vorrätige Stückzahl, die bestellte Stückzahl und der Mindestbestand gehören. Auch entsprechende Algorithmen zur Berechnung der optimalen oder wirtschaftlichen Bestellmenge bzw. die unterschiedlichen Lagersysteme sind in der Regel vorhanden. Diese Systeme erzeugen auch Berichte, über die im Lagerbestand vorrätige Stückzahl der einzelnen Artikel, die nachzubestellende Stückzahl der einzelnen Artikel oder die Artikel, deren Lagerbestand wieder aufgefüllt werden muss. Einleitend ist grundsätzlich festzuhalten, dass die Materialbedarfsplanung unterstützende Anwendungssoftware, eingebunden in entsprechende PPS-Systeme, trotz unterschiedlicher PPS-Philosophien prinzipiell gleich aufgebaut sind, sich aber in einzelnen Ausprägungen unterscheiden. Sie basieren weitgehend auf den in Kap. 3 vorgestellten Dispositionskonzepten.
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5 Systeme zur Unterstützung der Ersatzteilbewirtschaftung
Für die Materialdisposition sind zumeist die Planungsvarianten Neuplanung, Materialeinzelplanung (on-line-Disposition) und Veränderungsplanung möglich. Für die verbrauchsgesteuerte Disposition ist zumeist das Bestellpunktverfahren mit manueller oder automatischer Bestellpunktermittlung implementiert. Des Weiteren kann der Materialbedarf für längere Planungsperioden auf Basis von Vergangenheitsdaten prognostiziert werden, wobei zumeist Prognosemodelle für konstanten, saisonalen, trendförmigen und trendsaisonalen Verbrauchsverlauf zur Verfügung stehen. Auch Prognosen mit dem Verfahren der exponentiellen Glättung erster Ordnung werden zumeist unterstützt. Beim Bestellpunktverfahren kann der optimale Bestellzeitpunkt mit der Andler-Formel berechnet werden. Die bedarfsgesteuerte Disposition erfolgt zumeist nach Dispositionsstufen, wobei im Rahmen der plangesteuerten Disposition Prognosen des Primärbedarfs oder des ungeplanten Zusatzbedarfs an Materialien hinzugezogen werden können. Manche Systeme unterstützen in der plangesteuerten Disposition die automatische Übernahme von Prognosen ungeplanter Bedarf nicht. Je nach Art des zu disponierenden Teils kann in einigen Fällen eine Bruttobedarfs-, Nettobedarfs- oder Kundenauftragseinzelplanung durchgeführt werden. Bei der Bruttobedarfsplanung wird überprüft, ob der laufende Bestellbestand den Primärbedarf deckt. Bei der Nettobedarfsplanung wird je Bedarfstermin tagesgenau der Nettobedarf unter Berücksichtigung von Lager- und Bestellbeständen sowie laufender Fertigungsaufträge ermittelt. Ergebnis der Disposition ist die zumeist dialogisch geführte Bestellvorschlagsrechnung bzw. der Bestellvorschlag. Hierbei hat der Disponent die Wahl, ob fixe Bestellmengen zugrunde gelegt werden oder die errechnete Fehlmenge übernommen wird. Losbildungsverfahren sind hierbei nicht in jedem System implementiert. Die Terminermittlung erfolgt bei fremdbezogenen Teilen zumeist unter Berücksichtigung von Liefer-, Wareneingangsbearbeitungs- und Reservezeiten; bei eigengefertigten Teilen werden die Termindaten aus der Fertigungsterminierung übernommen. In entwickelten und gut organisierten Systemlandschaften werden ERP-Systeme genutzt, die integriert in die sonstige DV-Landschaft der Instandhaltung sind (beispielsweise SAP/R3-MM als Materialwirtschaftssystem in Verbindung mit SAP/R3-PM als zentrales Instandhaltungssystem). Der Hauptvorteil dieser Systemlösungen besteht darin, dass die Lagerabgänge direkt den Aktivitäten der Instandhaltung, die ihrerseits wiederum in Form von Instandhaltungsaufträgen dokumentiert werden, zugeordnet werden können. Damit ist es möglich, alle Materialverbräuche nachvollziehen zu können und andererseits aus Sicht der Anlage vollständige Anlagehistorien mit dem kompletten Ersatzteilbedarf erstellen zu können. Wichtig ist dabei, dass die Instandhaltung im Fall von Anlagestörungen mit hoher Präzision die benötigten Ersatzteile identifizieren und aus dem Lager disponieren kann. Aus Arbeitszeitstudien ist bekannt, dass der Instandhalter im Schnitt 10% seiner täglichen Arbeitszeit damit verwendet, passende Ersatzteile zu identifizieren und sie im Lager auch vorzufinden. Sinnvoll ist es dabei, DV-gestützt die in den Anlagen eingebauten und als mögliche Ersatzteile bevorrateten Teile in den Stücklisten den technischen Anlagen (Objekten, Baugruppen) zuordnen zu können. Darüber
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149
hinaus werden in modernen ERP-Systemen weitere verfügbare technische Informationen in Form von elektronischen Dokumenten aus der Anlagenstruktur, z. B. Konstruktionszeichnungen, zu den einzelnen Stücklistenpositionen hinterlegt. Auch der Prozess der Warenausgabe kann heute über entsprechende elektronische Materialausgabebelege DV-gestützt erfolgen, wobei klassische ERP-Systeme auch Schnittstellen zur dezentralen DV, wie den vor Ort-PC lösen. Darüber hinaus erlauben ERP-Systeme die Zuordnung der Materialentnahmen auf die entsprechenden Anlagenobjekte, womit gezielte Schwachstellenanalysen unter Berücksichtigung der instandhaltungs- und der ersatzteilwirtschaftlichen Informationen möglich sind. Damit sind eine Überarbeitung der Dispositionsparameter und eine Anpassung der Ersatzteilbewirtschaftungsstrategie im Sinne einer dynamischen Kostenoptimierung möglich. Siehe zu einer geschlossenen und detaillierten Darstellung der Möglichkeiten des Zusammenspiels der Instandhaltungsabwicklung und Ersatzteilwirtschaft folgende Literatur [40]. Die Zukunft lässt hoffen, dass eine noch stärkere Unterstützung der Ersatzteillogistik und Instandhaltung sowie eine Lösung der Schnittstellenprobleme gewährleistet werden. Zu erwarten ist eine Zunahme der Sensorik, intelligenter Auswertungsprozedere, automatisierte Ersatzteilwarenausgaben, eindeutige Materialidentifikation im Lager, einfach strukturierte Wissensdatenbanken, die automatisiert Schadens- und Schwachstellenanalysen auswerten und die Erkenntnisse permanent in die Verbesserung der Ersatzteildisposition einbringen. Dazu ist es notwendig, dass die Prozesssteuerungsebene der Produktionsanlagen mit den Instandhaltungsplanungs- und Steuerungssystemen gekoppelt werden. Dennoch wird es immer Aufgabe eines verantwortlichen Instandhaltungs-, Produktions- und Ersatzteillogistikmanagements sein, die Ausgewogenheit im strategisch-operativen Ersatzteilcontrolling zu finden um den Abgleich der Bestands- und Ausfallkosten im Sinne des Gesamtoptimums annähernd zu erreichen.
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Sachverzeichnis
ABC-Analyse 82 Abgangshäufigkeit 73 Abgangsverhalten 62 Abgrenzungsverfahren 21 Ablauforganisation 115, 121 Abnutzungsvorrat 12 Adaptionsverfahren 21 Analysemethoden 82 Anlagenbetreiber 6 Aufbauorganisation 115 Ausfall 97 Ausfallkosten 26, 97 Ausfallrate 15 Ausfallstrategie 22, 64 Ausfallverhalten 74, 78, 79 verschleißbedingt 74 zufallsverteilt 74 Ausfallverteilungen 15 Bedarfsprognose 34 Bedarfsrechnung 34 stochastische 36 Benchmarking 92 Beschaffungskostenminimierung 102 Bestandskosten 80, 100 Bestellfaktor 53 Bestellkosten 39 Bestellmenge 31, 38, 50, 52 optimale 50, 52 Bestellmengenrechnung 37, 53 Bestellpunkt 31, 32, 56 Bestellrhythmus 32, 57 Bestellzyklus 32 Betriebsverbräuche 98 ungenutzte 98
Bewirtschaftung 64, 76–78 bedarfsorientierte 76, 77 verbrauchsorientierte 64, 78 Bewirtschaftungskosten 101 Beziehungskapital 95 Disposition 148 bedarfsgesteuerte 148 verbrauchsgesteuerte 148 Dispositionskosten 39 Dispositionsverfahren 63 Durchlauf-(handling-) Kosten 101 Ein- und Mehrfachteile 4 Einkaufskosten 39 Einortteile 30 Erfolgsausfall 98, 99 ERP-System 131, 147 Ersatzteil 3, 110 Komplettheitsgrad 110 Ersatzteilbewirtschaftung 29, 58 Ersatzteil-Controlling 62 Ersatzteilklassifikation 133 Ersatzteillagerhaltungsmodell 31 materialwirtschaftlich 31 zuverlässigkeitstheoretisch 31 Ersatzteillogistik 6–8, 120 Formalziele 8 Sachziele 7 Ziel 6 Ersatzteilmanagement 6 Ersatzteilorganisation 115 Ersatzteilstammdaten 136 Ersatzteilsystem 2 Ersatzteilversorgungsprozess 94 Exponentialverteilung 16, 68 155
156 Fehlbestandskosten 80 Frühausfälle 18 Gammaverteilung 16 Gesamtkapitalrentabilität 88 Gesamtkostenoptimum 13 Humankapital 94 Informationsunterstützung 142 Inspektion 60 Instandhaltung 9, 59 Abnutzungsvorrat 11 Aufgaben 10 Aufwendungen 10 Bedeutung 9 Gesamtkosten 28 Informationsbasis 59 Instandsetzung 10 Wartung 10 Ziele 13 Instandhaltungsplanung 19 Instandhaltungssoftware 141 Instandhaltungsstrategie 20, 63 Instandsetzbarkeit 60 IPSA-Systeme 145 IT-Unterstützung 129 Kennzahlenkatalog 89 Kennzahlensystem 85, 139 Key-Performance-Indicators 94 Klassifizierungsnummer 135 Kleinteil 3 Koordination 122 Kostenminimierung 58, 96 Kreislaufteile 60 Lagerbedientechnik 128 Lagerformen 127 Lagerhaltungskosten 39, 40, 100 Lagergemeinkosten 41 Lagerkosten 102 Lagermaterialkosten 40 Lagerpersonalkosten 41 Lagerraumkosten 40 Lagerungskosten 39 Zinsen 42 Lagerkapazitätskosten 101 Lagerorganisation 125 Lagerplatz 126 Lieferbereitschaftsgrad 101 Lieferzeit 62 Losgröße 50
Sachverzeichnis MAD 72 Mehrortteil 30, 77 Mindestbestellmenge 37 Minimax-Strategie 21, 64 Normalverteilung 16, 68 Normteile 112 Notfallinstandsetzung 26 on condition monitoring 25 Optionalsystem 32, 58 Spezielles 32 Planung 138 Poissonverteilung 68 PPS-Systeme 143 Präventivstrategien 22, 23 Primärbedarf 35 Prognose 66 Prozessmanagement 122 Prozessschritte 124 Reparatur 25 Reparatursystem 104 Reserveteildisposition 124 Reserveteile 3, 62, 104 Verrechnungsschema 104 Zeitliche Disposition 105 RFID 128 Segmentierung 61, 142 Servicegrad 45, 71, 90 Sicherheitsbestand 42, 43, 45, 56, 66, 69, 90 Strukturkapital 95 Stückbestandsbewirtschaftung 77, 78 verzögerte 77, 106 Teilelager 125 Dezentrales 126 Zentrales 125 Überholung 25 Umschlagszahl 90 Verbrauchsteil 3 Verschleiß 4 Verschleißausfälle 19 Verschleißteil 4 Weibull-Verteilung 16 XYZ-Analyse 82, 85, 92 Zufallsausfälle 19 Zugangskosten 39