Peter Gerlinger Numerische Verbrennungssimulation
Peter Gerlinger
Numerische Verbrennungssimulation Effiziente numerische Simulation turbulenter Verbrennung
Mit 123 Abbildungen
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Dr. Peter Gerlinger Universität Stuttgart Institut für Verbrennungstechnik der Luft- und Raumfahrt Pfaffenwaldring 38 70569 Stuttgart e-mail:
[email protected] Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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F¨ ur Heike
Vorwort
Die Simulation und Modellierung turbulenter Verbrennung ist ein wichtiges und sich schnell entwickelndes Forschungsgebiet, dessen Bedeutung weiter zunehmen wird. Sowohl im Bereich der Antriebe als auch bei der Strom- und W¨ armegewinnung wird die Verfeuerung fossiler (in Zukunft vermehrt auch alternativer Brennstoffe) in den n¨ achsten Jahrzehnten nicht zu ersetzen sein. Dieses Buch stellt die Grundlagen der numerischen Verbrennungssimulation unter Einbeziehung der Komponentengleichungen vor. Dabei wird auf alle wesentlichen Themenfelder eingegangen: von den mathematischen Grundlagen u ¨ ber die Beschreibung der Turbulenz und deren Modellierung bis hin zu modernen numerischen L¨ osungsverfahren. Ich habe mich bem¨ uht, die teilweise sehr unterschiedlichen, dennoch aber eng verkn¨ upften Gebiete zusammenzubringen und umfassend zu behandeln. Trotz intensivem Korrekturlesen ist es bei einem so umfangreichen Werk nicht m¨ oglich, dieses fehlerfrei zu halten und Missverst¨ andnisse auszuschließen. Daher bitte ich, insbesondere Gleichungen kritisch zu betrachten und vor einer Anwendung zu u ufen. ¨ berpr¨ In Teil I dieses Buches werden die Grundlagen der turbulenten Str¨omungsund Verbrennungssimulation besprochen. Dazu z¨ahlen die mathematische Erfassung der physikalischen und chemischen Vorg¨ange sowie eine kurze Einf¨ uhrung in die Turbulenz und in die statistische Turbulenzbeschreibung. Daran schließen sich in Teil II mehrere Kapitel zu Momentenverfahren an. Dieser Ansatz ist in Forschung und Industrie nach wie vor weit verbreitet. Die Beschreibung turbulenter Str¨ omungen erfolgt bei Momentenverfahren durch die Berechnung einiger weniger Momente der Zufallsvariablen. Eine verbrennungsspezifische Schwierigkeit dieser Vorgehensweise liegt in der Schließung der chemischen Quellterme. Hierzu bietet sich deren Kombination mit assumed-PDFAns¨ atzen (angenommene Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen) an. AssumedPDF-Verfahren sind das Thema von Teil III. Darin werden mathematisch vorgebbare PDF behandelt, die von sehr einfachen Verteilungen bis zu komplexen, multidimensionalen Strukturen reichen. Physikalisch fundierter sind PDF-Verfahren, bei denen sich die Struktur der PDF frei entfalten kann. Dazu ist eine PDF-Transportgleichung aufzustellen und zu l¨osen. In Teil IV wird
VIII
Vorwort
¨ ein Uberblick zu solchen Transportgleichungs-PDF-Verfahren gegeben. Er umfasst deren Herleitung, die Modellierung ungeschlossener Terme und die numerische L¨ osung dieser hochdimensionalen Gleichung mit Partikel-Verfahren. Die letzten beiden Teile des Buches widmen sich der L¨osung der Verbrennungsgleichungen. Teil V behandelt numerische Algorithmen, die auf nullund mehrdimensionale Probleme angewandt werden. Dabei steht die verbrennungsbedingte Steifigkeit des Gleichungssystems im Vordergrund. Dieses Kapitel bildet auch die Basis zum Verst¨ andnis von Teil VI, in dem die Mehrgittertechnik als moderne Methode zur Konvergenzbeschleunigung vorgestellt wird. Neben der Beschreibung der grundlegenden Funktionsweise von Mehrgitterverfahren wird darin auch auf Modifikationen eingegangen, die notwendig sind, um Mehrgittertechniken bei praktischen Problemstellungen und speziell bei Verbrennung anwenden zu k¨ onnen. Dieses Buch entstand im Rahmen meiner Habilitation an der Fakult¨at Luft- und Raumfahrttechnik und Geod¨ asie der Universit¨at Stuttgart. Mein besonderer Dank gilt hier Herrn Prof. M. Aigner. Ohne seine ermutigende Unterst¨ utzung und stete F¨ orderung w¨ are dieses Buch nicht zustande gekommen. Ferner danke ich Herrn Prof. S. Wagner und Herrn Prof. U. Maas f¨ ur ihre Mitberichte und die wertvollen Anregungen. Herzlichen Dank schulde ich dar¨ uber hinaus den Herren Dr. H. M¨ obus, Dr. P. Stoll und PD Dr. B. Noll f¨ ur die gute Zusammenarbeit, das Korrekturlesen sowie die zahlreichen Diskussionen und Ratschl¨ age. Mein Dank gilt auch den Herren Prof. D. Br¨ uggemann, Dr. Kasal, Dr. P. Ess und Dipl.-Ing. F. Schneider f¨ ur ihre Unterst¨ utzung sowie das ¨ Uberlassen experimenteller oder numerischer Ergebnisse. Nicht zuletzt danke ich meinen Eltern und Freunden f¨ ur die Geduld, die sie aufbringen mussten, wenn ich meine Wochenenden und Abende mit diesem Buch zubrachte. Dem Springer Verlag danke ich f¨ ur die angenehme Zusammenarbeit.
Aichtal Oktober 2004
Peter Gerlinger
Inhaltsverzeichnis
Teil I Turbulente Str¨ omung und Verbrennung 1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Bemerkungen zur Verbrennungssimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Brutto-Reaktionen und Flame-Sheet-Modell . . . . . . . . . . 1.1.2 Eddy-Breakup- und Eddy-Dissipation-Modell . . . . . . . . . 1.1.3 Chemisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.4 Tabellierungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zu diesem Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 5 6 6 6 7 9
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Grundlagen der Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Bilanzgleichungen reaktiver Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Wahl des Gleichungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Vernachl¨ assigung unbedeutender Terme . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Kompressibilit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Thermodynamische Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Diffusiver Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Stoffwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Reine Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Gasgemische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Chemische Kinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Chemische Umsatzraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Reaktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 11 14 16 17 19 20 23 24 24 25 25 30
3
Grundlagen turbulenter Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ursachen und Auswirkungen der Turbulenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Energiekaskade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Kleinste turbulente Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Zerlegung fluktuierender Gr¨ oßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Reynolds-Zerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Favre-Zerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35 35 36 37 39 39 39
X
4
Inhaltsverzeichnis
3.3 Mittelung fluktuierender Gr¨ oßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Zeitliche Mittelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Ensemble-Mittelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Mittelung der Bilanzgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40 40 41 42
Grundlagen der PDF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Erwartungswerte und h¨ ohere Momente . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Rand-PDF und bedingte PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Momentane PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Favre-gemittelte PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Massendichtefunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Lagrange’sche Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Konditionierte Lagrange-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Momentane Lagrange-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Diskrete Darstellung einer PDF/MDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Diskrete PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Diskrete MDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Intermittenz und PDF-Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 44 47 49 51 52 54 55 56 56 57 57 58 59
Teil II Momentenverfahren 5
Erste Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5.1 Bilanzgleichungen erster Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5.2 Schließungsproblem f¨ ur den chemischen Quellterm . . . . . . . . . . . 67
6
Zweite Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Reynolds-Komponentenfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Direkte Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Molekulare Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Reynolds-Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Direkte Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Mittlerer Spannungstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Reynolds-Energiefluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Direkte Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Molekulare Diffusion und turbulenter Transport . . . . . . . . . . . . . 6.7 Mittlerer Energiefluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Turbulenzmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.1 Turbulente kinetische Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.2 Dissipationsrate der turbulenten kinetischen Energie . . . 6.9 Varianz der Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71 72 72 73 75 75 76 78 79 80 80 80 81 82 82 85 86 88
Inhaltsverzeichnis
6.10
6.11
6.12 6.13
7
XI
6.9.1 Direkte Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 6.9.2 Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Varianz einer Energievariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 6.10.1 Modellierung und geschlossene Transportgleichung . . . . . 91 6.10.2 Zusammenhang zwischen Temperatur- und Energievarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 6.10.3 Wahl der Energievarianz-Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Varianzen und Kovarianzen der Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . 96 6.11.1 Direkte Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 6.11.2 Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Summe der Komponentenvarianzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Temperatur-Komponenten-Korrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 6.13.1 Direkte Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 6.13.2 Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Gemittelte Transportgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Teil III Assumed-PDF-Verfahren 8
Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF . . . . . . . . . 107 8.1 Eindimensionale stetige Gleichverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 8.2 Einfache ein- und zweidimensionale Verteilungen . . . . . . . . . . . . 113 8.3 Verbund-PDF aus Delta-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 8.4 Gauß-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 8.4.1 Eindimensionale Gauß-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 8.4.2 Mehrdimensionale Gauß-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 8.5 Beta-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 8.5.1 Eindimensionale Beta-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 8.5.2 Mehrdimensionale Beta-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 8.5.3 Vereinfachte Massenanteil-Beta-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 8.5.4 Vereinfachte Komponentendichten-Beta-PDF . . . . . . . . . 127 8.5.5 Vereinfachte Molanteil-Beta-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 8.6 Verbund-PDF aller Quelltermvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 8.6.1 Statistische Unabh¨ angigkeit aller Variablen . . . . . . . . . . . 129 8.6.2 Statistische Unabh¨ angigkeit von Gruppen von Variablen 129
9
Statistisch optimale Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 9.1 Entropie einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion . . . . . . . . . . . . 133 9.1.1 PDF inerter Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 9.1.2 PDF reagierender Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
XII
Inhaltsverzeichnis
10 Berechnung mittlerer Quellterme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 10.1 Geschwindigkeitskoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 10.1.1 Berechnungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 10.2 Komponentenproduktionsterm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 10.3 Temperatur- und Energievarianz-Produktionsterm . . . . . . . . . . . 150 10.4 Komponentenvarianz-Produktionsterm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 10.5 Untersuchung des assumed-PDF-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 10.5.1 Einfluss der Temperatur-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 10.5.2 Einfluss der Komponenten-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 10.5.3 Anwendungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 10.6 Temperatur-Komponenten-Korrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 10.6.1 Modellierung der Korrelationskoeffizienten . . . . . . . . . . . . 165
Teil IV Transportgleichungs-PDF-Verfahren 11 Herleitung der PDF-Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 11.1 Allgemeines Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 11.2 Geschwindigkeits-PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 11.3 Thermochemische PDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 11.3.1 Kompressible Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 11.4 Verbund-PDF skalarer und vektorieller Gr¨oßen . . . . . . . . . . . . . . 183 11.5 Verbund-MDF skalarer und vektorieller Gr¨oßen . . . . . . . . . . . . . 185 11.6 Zusammenh¨ ange mit Gleichungen erster Momente . . . . . . . . . . . 185 11.6.1 Transportgleichungen erster Momente . . . . . . . . . . . . . . . . 186 11.6.2 Transportgleichungen zweiter Momente . . . . . . . . . . . . . . 187 12 Modellierung ungeschlossener Terme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 12.1 Konditionierte Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 12.2 Turbulente Konvektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 12.3 Turbulente Mischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 12.3.1 Modellierung des turbulenten Mischungsterms . . . . . . . . . 194 12.3.2 IEM-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 12.3.3 Curl-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 12.3.4 Testfall zu Mischungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 13.1 Partikelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 13.2 Operator-Splitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 13.3 Chemische Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 13.4 Euler-PDF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 13.4.1 Transport im physikalischen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 13.4.2 Hybrid-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 13.5 Lagrange-PDF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 13.5.1 Lagrange’sche Partikelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Inhaltsverzeichnis
XIII
13.5.2 Stochastische Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 13.5.3 Thermochemische Lagrange-MDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 13.5.4 Lagrange-MDF des Geschwindigkeitsvektors und thermochemischer Skalare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 13.5.5 Allgemeine Aspekte Lagrange’scher PDF-Verfahren . . . . 215
Teil V Numerische L¨ osungsverfahren 14 Homogene Reaktionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 14.1 Sonderf¨ alle homogener Reaktionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 14.2 Physikalische Ursache steifer Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . 221 14.3 Zeitskalen linearer Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 14.3.1 Allgemeines lineares Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 14.3.2 Pr¨ akonditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 14.4 Zeitskalen nichtlinearer Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 14.5 Definition von Steifigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 14.6 Eigenwerte von Verbrennungsgleichungssystemen . . . . . . . . . . . . 227 14.7 Numerische Stabilit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 14.7.1 Modellgleichungen und Modellgleichungssysteme . . . . . . 229 14.7.2 Definition numerischer Stabilit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 14.7.3 Stabilit¨ atsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 14.7.4 Konvergenzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 14.8 Ein- und Mehrschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 14.8.1 Stabilit¨ at von Ein- und Mehrschrittverfahren . . . . . . . . . 234 14.8.2 Stabilit¨ atseigenschaften ausgew¨ahlter Verfahren . . . . . . . 236 14.9 Zeitintegration des Verbrennungsgleichungssystems . . . . . . . . . . 239 15 Mehrdimensionale Verbrennungssimulationen . . . . . . . . . . . . . . 243 15.1 R¨ aumliche Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 15.1.1 Finite-Differenzen-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 15.1.2 Finite-Volumen-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 15.2 Zeitliche Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 15.2.1 Das Newton-Raphson-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 15.2.2 Linearisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 15.3 Punkt-implizite Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 15.3.1 Punkt-implizites Euler-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 15.3.2 Punkt-semi-implizites Euler-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 248 15.4 Implizite Einschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 15.4.1 Implizites Euler-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 15.4.2 Semi-implizites Euler-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 15.5 Implizite Mehrschritt-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 15.5.1 Implizite BDF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 15.5.2 Semi-implizite BDF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 15.6 Stabilisierung von Verbrennungssimulationen . . . . . . . . . . . . . . . . 252
XIV
Inhaltsverzeichnis
15.6.1 Eigenwerte mit positiven Realteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 15.6.2 Fehler bei stark nichtlinearen Prozessen . . . . . . . . . . . . . . 254 16 Verbrennungs-Jacobi-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 16.1 Analytische Quellterm-Jacobi-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 16.2 Numerische Quellterm-Jacobi-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 16.3 Vereinfachte Quellterm-Jacobi-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 16.3.1 Untere Dreiecksmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 16.3.2 Diagonalmatrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 17.1 Grundlagen iterativer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 17.1.1 Sternnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 17.1.2 Matrixnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 17.2 Fourier-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 17.2.1 Grundlagen der Fourier-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 17.2.2 Eindimensionale Fourier-Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 17.2.3 Zweidimensionale Fourier-Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 17.2.4 Verst¨ arkungsfaktor und D¨ ampfungseigenschaften . . . . . . 271 17.3 W¨ armeleitgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 17.3.1 Testfall und Modellgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 17.3.2 Punkt-Jacobi-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 17.3.3 Explizites Euler-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 17.3.4 Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 17.3.5 Linien-Gauß-Seidel-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 17.4 Konvektions-Diffusionsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 17.4.1 Modellgleichung und Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 17.4.2 Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 17.4.3 Linien-Gauß-Seidel-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Teil VI Mehrgitterverfahren 18 Grundlagen der Mehrgittertechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 18.1 Fehlerd¨ ampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 18.1.1 Unterteilung der Fehlermoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 18.1.2 Gl¨ attung hochfrequenter Fehlermoden . . . . . . . . . . . . . . . . 296 18.1.3 Gl¨ attung niederfrequenter Fehlermoden . . . . . . . . . . . . . . 297 18.1.4 Transfer von Fehlermoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 18.2 Lineare Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 18.2.1 Grobgitterkorrektur und Zweigitterverfahren . . . . . . . . . . 300 18.2.2 Mehrgitterverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 18.2.3 Mehrgitterzyklen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 18.2.4 Aufwand und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 18.2.5 Testfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
Inhaltsverzeichnis
XV
18.3 Nichtlineare Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 18.3.1 FAS-Grobgitterkorrektur und FAS-Zweigitterverfahren . 309 18.3.2 FAS-Mehrgitterverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 18.4 Grobgitterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 18.4.1 Voll-Vergr¨ oberung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 18.4.2 Semi-Vergr¨ oberung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 18.5 Transferoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 18.5.1 Restriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 18.5.2 Prolongation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 18.6 Lokale Fourier-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 18.6.1 Zusammenfallen von Fehlermoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 18.6.2 Zweigitteranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 18.7 Testf¨ alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 19 Praktische Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 ¨ 19.1 Uberschallstr¨ omungen mit Verdichtungsst¨oßen . . . . . . . . . . . . . . 331 19.1.1 Auf Charakteristiken basierende Transferoperatoren . . . 332 19.1.2 Vereinfachte Aufwind-Transferoperatoren . . . . . . . . . . . . . 335 19.1.3 Residuumsabh¨ angige Restriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 19.1.4 D¨ ampfung des restringierten Defekts . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 19.2 Nichtlineare Quellterme in Turbulenzmodellen . . . . . . . . . . . . . . 341 19.2.1 Low-Reynolds-Number-q-ω-Turbulenzmodell . . . . . . . . . . 341 19.3 Chemische Quellterme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 19.3.1 Zeitschrittbeschr¨ ankung aus der Chemie . . . . . . . . . . . . . . 347 19.3.2 Differenzen zwischen dem Fein- und Grobgitterproblem 348 19.3.3 Fehler ist auf dem groben Gitter nicht darstellbar . . . . . 350 19.3.4 Lokales D¨ ampfen des restringierten Defekts . . . . . . . . . . . 352 19.3.5 Filterung und lokales D¨ ampfen des Defekts . . . . . . . . . . . 356 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 A.1 Reaktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 A.1.1 Wasserstoff-Luft-Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 A.1.2 Methan-Luft-Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 A.2 Herleitung von Transportgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 A.2.1 Varianz der thermischen Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 A.2.2 Summe der Massenanteilvarianzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 A.3 Quellterm-Jacobi-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 A.3.1 Laminare Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 A.3.2 Assumed PDF-Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
Symbolverzeichnis
Lateinische Symbole Symbol
Bedeutung
a c cv , c p C Cλ d D Dα dW e e, E E f F F g G GΩ h hf H H H I IT jαk J
Schallgeschwindigkeit Konzentration spezifische W¨ armekapazit¨ aten Menge der komplexen Zahlen Steifigkeitsmaß r¨ aumliche Dimension eines Problems Dilatationsterm Diffusionskoeffizient Wiener Prozess Fehler spezifische innere Energie, Gesamtenergie Aktivierungsenergie in der Arrhenius-Funktion Volumenkraft Massendichtefunktion (MDF) kartesischer Flussvektor a priori Wahrscheinlichkeit Verst¨ arkungsfaktor Flussvektor normal zur Zelloberfl¨ache spezifische Enthalpie spezifische Bildungsenthalpie Heaviside-Funktion Entropie einer PDF spezifische Gesamtenthalpie Menge der ganzen Zahlen Intensit¨ at der Temperaturfluktuation Diffusionsmassenfluss von α in k-Richtung Jacobi-Matrix
Dimension m/s mol/m3 J/(kg K) – 1/s m2 /s
J/kg J/mol m/s2
– J/kg J/kg – – J/kg – – kg/(m2 s)
XVIII Symbolverzeichnis
Symbol
Bedeutung
k k Kc , Kp l, L m M n N Nk Nr p p P P q q r, r R R Rm R∞ s Sr Sα t tα T uk v V xk Xα Yα Zα
turbulente kinetische Energie Geschwindigkeitskoeffizient Gleichgewichtskonstanten L¨ angenmaß, integrales L¨ angenmaß Masse Molekulargewicht Zeitschrittindex Anzahl stochastischer Partikel Anzahl der Gaskomponenten Anzahl der Reaktionen statischer Druck Prolongationsfaktor Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (PDF) Iterationsmatrix W¨ armefluss √ Turbulenzvariable q = k Restriktionsfaktoren Menge der reellen Zahlen spezifische Gaskonstante universelle Gaskonstante asymptotische Konvergenzrate spezifische Entropie Strahlungsterm chemischer Produktionsterm der Komponente α Zeit Dreierstoß-Effektivit¨ at der Spezies α Temperatur Geschwindigkeitskomponente in k-Richtung Unterrelaxationsfaktor Zellfl¨ ache, -volumen kartesische Koordinate Molanteil der Komponente α Massenanteil der Komponente α Massenanteil des Elements α
Dimension m2 /s2 mol, m3 , s m kg kg/mol – – – – N/m2
W/m2 m/s – J/(kg K) J/(mol K) – J/(kg K) J/(m3 s) kg/(m3 s) s – K m/s – m2 , m3 m – – –
Griechische Symbole Symbol
Bedeutung
δij δ γ Γ
Kronecker Delta δij = 1 : i = j; δij = 0 : i = j Dirac’sche Delta-Funktion Adiabatenexponent Gamma-Funktion
Dimension – – – –
Symbolverzeichnis
Symbol
Bedeutung
η θ ϑ λ λi Λ µ µ µi µV ν ν , ν ξi Φα ψ Ψα ρ ρα (A) σa σY τ τik χa ω Ω
Dissipationsrate von k Kolmogorov-L¨ ange Phasenwinkel spezifisches Volumen 1/ρ W¨ armeleitf¨ ahigkeit Eigenwert einer Matrix Diagonalmatrix der Eigenwerte Gl¨ attungsfaktor dynamische Viskosit¨ at i-tes Moment einer PDF Volumenviskosit¨ at kinematische Viskosit¨ at St¨ ochiometriekoeffizient Edukt, Produkt krummlinige Koordinaten Variable des Zufallsvektors Fourier-Mode Variable des Zustandsraums Dichte Komponentendichte der Spezies α Korrelationskoeffizient Spektralradius der Matrix A Varianz von a Summe der Massenanteilvarianzen Zeitmaß, Kolmogorov-Zeitmaß Element des Spannungstensors Dissipationsrate von a turbulente Frequenz ω = /k Zellseiten, -fl¨ achen
XIX
Dimension m2 /s3 m – m3 /kg W/(m K)
– kg/(m s) kg/(m s) m2 /s –
kg/m3 kg/m3 –
– s kg/(ms2 ) 1/s m, m2
Sonstige Symbole Symbol
Bedeutung
O P L
Ordnung momentane PDF mittlere freie Wegl¨ ange
Skalar, Vektor, Matrix Symbol
Bedeutung
ui u A
Geschwindigkeitskomponente Geschwindigkeitsvektor Vektor, Matrix
Dimension
m
XX
Symbolverzeichnis
Symbol
Bedeutung
AT A−1 A∗ I
transponierte(r) Vektor, Matrix Inverse einer Matrix konjungiert komplexe Matrix zu A Einheitsmatrix
Zusatzzeichen Symbol
Bedeutung
a a a , a a ˆ a ˆ a ˘ a∗ a+ a a|... aN abs(a) = |a| cvar(a, b) det(A) Diag(A) diag(a1 , . . .) D/Dt int(a) Im(a) max(a, b, . . .) min(a, b, . . .) rms(a) Re(a) sgn(a) var(a) ||A||, ||A||2 [H2 O]
Favre-gemittelte Gr¨ oße Reynolds-gemittelte Gr¨ oße Fluktuation bei Favre-, Reynolds-Mittelung Gr¨ oße im Zustandsraum Amplitude eines Fourier-Modes Fourier-Symbol des Operators a molare Gr¨ oße Lagrange’sche Gr¨ oße Erwartungswert bedingter Erwartungswert Ensemble-Mittel aus N Stichproben Betrag von a Kovarianz von a, b Determinante der Matrix A Diagonalmatrix mit Elementen von A Diagonalmatrix mit Diagonalelementen a1 . . . substantielle Ableitung ∂/∂t + uk ∂/∂xk zu a n¨ achstkleinere ganze Zahl Imagin¨ arteil von a ∈ C Maximum von a, b . . . Minimum von a, b . . . root mean square, rms(a) = var(a) Realteil von a ∈ C Vorzeichen von a Varianz von a Norm von A, euklidische Norm von A Konzentration H2 O
Operatoren Symbol
Bedeutung
Ti , Ki I, I
Operatoren beim Partikel-Verfahren i = T, R, M, D Einheitsoperator bezogen auf Skalar, Vektor
Symbolverzeichnis
Symbol k Ik+1 , Ik+1 k
L L+ , L− MH h P νk S
XXI
Bedeutung Restriktions-, Prolongationsoperatoren f¨ ur Vektoren diskreter Operator Anteile von L (zum neuen, alten Iterationsschritt) Iterationsoperator des Zweigitterverfahrens Iterationsoperator bei ν k -Iterationen Eingitter-Iterationsoperator
Dimensionslose Kennzahlen Symbol
Bedeutung
CFL Da Kn Ma Pe Pr , P rt Re, Ret Sc, Sc t Tu
Courant-Friedrichs-Lewy-Zahl Damk¨ ohler-Zahl Knudsen-Zahl Mach-Zahl Peclet-Zahl Prandtl-Zahl, Turbulenz-Prandtl-Zahl Reynolds-Zahl, Turbulenz-Reynolds-Zahl Schmidt-Zahl, Turbulenz-Schmidt-Zahl Turbulenzgrad
Indizes Symbol
Bedeutung
b e f L N r s s t ν
r¨ uckw¨ arts (backwards) effektiv wirksame Gr¨ oße vorw¨ arts (forward) Lagrange’sche PDF diskrete PDF, MDF hochfrequent (rough) niederfrequent (smooth) thermische Gr¨ oße turbulenzbedingte Gr¨ oße viskoser Fluss
Notation. Die Summenkonvention wird nur bei den lateinischen Indizes i, j, k, l und m angewandt, nicht jedoch bei allen weiteren lateinischen Indizes oder bei griechischen Indizes.
Danksagung fu ¨r Abdruckgenehmigungen
Der Abdruck folgender Bilder erfolgte mit der freundlichen Genehmigung des jeweils genannten Verlags bzw. der jeweiligen Institution. Hierf¨ ur bedanke ich mich herzlich. • Abb. 8.6, 19.23, 19.24, 19.25 und Tabelle 10.1 wurden abgedruckt aus: Journal of Computational Physics, Vol. 167, pp. 247-276, 2001. Gerlinger P, M¨ obus H, Br¨ uggemann D, An Implicit Multigrid Scheme for Turbulent Combustion (dort Abb. 1, 3, 4 und Tabelle II), Copyright (2004) mit Genehmigung von Elsevier. • Abb. 19.10, 19.11, 19.12, 19.13 und 19.14 wurden abgedruckt aus: ASME Journal of Fluids Engineering, Vol. 120, pp. 257-262, 1998. Gerlinger P, Br¨ uggemann D, An Implicit Multigrid Scheme for the Compressible NavierStokes Equations with Low-Reynolds-Number Turbulence Closure (dort Abb. 6, 7, 8, 9, 10, 11 und 13), Copyright (2004) mit Genehmigung von ASME. • Abb. 18.21, 18.22, 19.19, 19.20, 19.21 und 19.22 wurden abgedruckt aus: VDI Fortschritt-Berichte, Reihe 7, Nr. 411, 2001. Stoll P, Entwicklung eines parallelen Mehrgitterverfahrens zur Verbrennungssimulation in kompressiblen und inkompressiblen Str¨ omungen (dort Abb. 7.3, 7.4, 8.9, 8.10, 8.13 und 8.14), Copyright (2004) mit Genehmigung des VDI-Verlags. • Abb. 12.1 wurden abgedruckt aus: VDI Fortschritt-Berichte, Reihe 7, Nr. 414, 2001. M¨ obus H, Euler- und Lagrange-Monte-Carlo-PDF-Simulation turbulenter Str¨ omungs-, Mischungs- und Verbrennungsvorg¨ange (dort Abb. 7.3), Copyright (2004) mit Genehmigung des VDI-Verlags. • Abb. 10.6 wurden abgedruckt aus: Combustion and Flame, Vol. 132, pp. 3-24, 2003. M¨ obus H, Gerlinger P, Br¨ uggemann D, Scalar and Joint ScalarVelocity-Frequency Monte-Carlo PDF Simulation of Supersonic Combustion (dort Abb. 7), Copyright (2004) by the Combustion Institute, mit Genehmigung von Elsevier Science. • Abb. 10.6, 10.7 und 10.8 wurden abgedruckt aus: Progress in Computational Fluid Dynamics, Vol. 6, No. 5, erscheint 2005. Gerlinger P, Noll B,
XXIV Danksagung f¨ ur Abdruckgenehmigungen
Aigner M (dort Abb. 4, 5, 6 und 7), Copyright (2004) mit Genehmigung von Inderscience Enterprises Ltd. • Abb. 19.7, 19.6, 19.8 und 19.9 wurden abgedruckt aus: International Journal for Numerical Methods in Fluids, Vol. 44, pp. 1045-1061, 2004. Gerlinger P, Aigner M, Multigrid Simulations of Detached Shock Waves (dort Abb. 3, 6, 8 und 9), Copyright (2004) mit Genehmigung von John Wiley and Sons Limited.
Teil I
Turbulente Str¨ omung und Verbrennung
1 Einleitung
Die Nutzung der Verbrennung z¨ ahlt zu den ¨altesten Techniken der Menschheit. Bis heute beruht ein Großteil der Energieumwandlung auf der Verfeuerung fossiler Brennstoffe. Das Gleiche gilt f¨ ur die meisten Antriebstechniken. Mit der Verbreitung technischer Verbrennungssysteme sind jedoch auch deren Probleme mehr und mehr ins Blickfeld ger¨ uckt. Die zur¨ uckgehende Verf¨ ugbarkeit fossiler Energietr¨ ager, die Schadstoffentwicklung (z.B. NOx , Ruß) sowie der Anstieg von CO2 in der Atmosph¨ are erfordern einen schonenderen und effizienteren Umgang mit diesen Brennstoffen. Das setzt das Verst¨andnis und die Beherrschung turbulenter Verbrennung voraus. In der chemischen Kinetik und der Verbrennungsforschung wurde der wissenschaftliche Fortschritt lange Zeit durch experimentelle Untersuchungen und theoretisch analytische Arbeiten gepr¨ agt. Erst mit dem Aufkommen leistungsstarker Rechenanlagen hat sich in der zweiten H¨alfte des 20. Jahrhunderts eine neue Disziplin aufgetan: Die numerische Verbrennungssimulation. Sowohl in der Grundlagenforschung als auch bei der Auslegung technischer Systeme ist die numerische Simulation inzwischen zu einem wichtigen und verl¨ asslichen Werkzeug gereift, deren Stellenwert weiter zunehmen wird. Dies liegt an der steigenden Leistung verf¨ ugbarer Rechenanlagen, an verbesserten Modellierungsans¨ atzen und an der Weiterentwicklung numerischer Algorithmen. Mit Ausnahme der direkten numerischen Simulation (DNS) erfordern alle Methoden zur Simulation turbulenter Str¨omungen Modelle, die mehr oder weniger große Fehler nach sich ziehen. Insbesondere die Wechselwirkung von Turbulenz und chemischer Kinetik ist schwer zu erfassen. Sie stellt ein sehr wichtiges und sich schnell entwickelndes Forschungsgebiet dar. Damit bleibt festzustellen, dass selbst mit modernsten H¨ochstleistungsrechnern viele Verbrennungssimulationen aus Zeit- oder Kostengr¨ unden nicht durchf¨ uhrbar sind. W¨ ahrend man in der Forschung sehr lange Rechenzeiten toleriert, ist das bei industriellen Anwendungen h¨aufig nicht der Fall. Daraus leitet sich die Forderung nach schnelleren numerischen Algorithmen ab. Abbil¨ dung 1.1 zeigt die berechnete Temperaturverteilung in einer Uberschallbrennkammer. Die Berechnung dieser geometrisch relativ einfachen Brennkammer
4
1 Einleitung
Temperatur (K)
¨ Abb. 1.1. Berechnete Temperaturverteilung in einer Mach 2 Uberschallbrennkammer. Gasf¨ ormiger Wasserstoff wird durch die wellenf¨ ormige Hinterkante des Zentralk¨ orpers in eine Luftstr¨ omung eingeblasen
erfolgte mittels Gebietszerlegung auf 256 Prozessoren eines Parallelrechners mit verteiltem Hauptspeicher (Cray T3E). Das Rechengebiet wurde mit 3,2 Millionen Volumen diskretisiert, Seitenw¨ ande vernachl¨assigt und alle m¨oglichen Symmetrien genutzt. Ansonsten w¨ aren ca. 22 Millionen Gitterpunkte notwendig gewesen. Auch das aus zwanzig Reaktionen und neun Gaskomponenten bestehende Reaktionsschema ist f¨ ur eine genaue Wiedergabe des Verbrennungsablaufs noch relativ klein. Aus Rechenzeitgr¨ unden wurden diese Einschr¨ ankungen jedoch in Kauf genommen. Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass zumindest bei Simulationen mit detaillierter Chemie weitere Effizienzsteigerungen notwendig sind, um die numerische Verbrennungssimulation f¨ ur den Alltag des Ingenieurs tauglich zu machen. Dass dieses Ziel in absehbarer Zeit erreicht werden kann, hat vor allem zwei Gr¨ unde: 1. die schnelle Entwicklung im Bereich der Hardware, die immer mehr Rechenleistung zu geringeren Kosten bereitstellt, 2. Weiterentwicklungen bei den numerischen Verfahren. Beide Punkte sind gleich bedeutend. Die Entwicklung effizienter und genauer numerischer Verfahren zur Simulation von Verbrennungsprozessen stellt
1.1 Bemerkungen zur Verbrennungssimulation
Numerische
Verbrennungs-
Str¨ omungs-
Mathematik
modellierung
mechanik
HH
5
HH
HH
HH HH j ? Programm zur
Verbrennungssimulation
Abb. 1.2. Eigenst¨ andige Forschungsbereiche welche die Programmentwicklung in der Verbrennungssimulation pr¨ agen
hohe Anforderungen, die unterschiedliche Forschungsgebiete betreffen. Abbildung 1.2 zeigt deren Zusammenwirken bei der Erstellung eines Simulationsprogramms. Jeder der drei skizzierten Bereiche beeinflusst maßgeblich die Code-Entwicklung und stellt gleichzeitig ein eigenst¨andiges Forschungsgebiet dar. Hinzu kommt die Anpassung der Programme an die sich schnell ¨andernden Rechnerarchitekturen. So gesehen handelt es sich bei der Verbrennungssimulation um ein interdisziplin¨ ares Thema, das Mathematik, Physik, Chemie und Ingenieurwissenschaften gleichermaßen betrifft.
1.1 Bemerkungen zur Verbrennungssimulation Leider ist das universelle numerische Verfahren, das alle Anwendungsbereiche abdeckt und auf unterschiedlichen Rechnerarchitekturen gut arbeitet, aus vielerlei Gr¨ unden nicht realisierbar. Das gilt insbesondere f¨ ur turbulente Verbrennung. Zu den Problematiken der Str¨ omungsberechnung kommen dann (außer bei der DNS) die des Verbrennungsmodells. Dar¨ uber hinaus erfordert eine genaue Beschreibung der chemischen Kinetik bei den meisten Brennstoffen große Reaktionsmechanismen und zahlreiche Komponentengleichungen: F¨ ur 3D-Simulationen ein schwer zu bew¨ altigendes Unterfangen. Somit bleibt festzustellen, dass die numerische Simulation turbulenter Verbrennung durch zwei Punkte wesentlich erschwert wird: 1. die Beschreibung der Wechselwirkung turbulenter Fluktuation mit der chemischen Kinetik, 2. die hohe Anzahl an relevanten chemischen Komponenten.
6
1 Einleitung
Dort setzen die meisten Verbrennungsmodelle an. Deren Ziel liegt in einer m¨ oglichst genauen Approximation des Verbrennungsablaufs mittels weniger Variablen. Da die Bandbreite an Verbrennungsmodellen sehr groß ist, werden nur die wichtigsten kurz aufgef¨ uhrt. 1.1.1 Brutto-Reaktionen und Flame-Sheet-Modell An Stelle detaillierter chemischer Kinetik tritt eine einzige, irreversible Bruttooder Globalreaktion, f¨ ur die Brennstoff + Oxidator → Produkte gilt. Beim flame-sheet-Modell [43] wird zus¨ atzlich ein unendlich schneller Reaktionsablauf vorausgesetzt. Brennstoff und Oxidator k¨onnen dann an einem Ort nie gleichzeitig vorkommen. Da dieser Ansatz auf Zwischenprodukte verzichtet, ist damit weder der Verbrennungsablauf noch die Schadstoffbildung berechenbar. Selbst die Position der Flamme wird in vielen F¨allen sehr ungenau sein. Setzt man einen vollst¨ andigen Ausbrand voraus, so ist dieses Modell aber in der Lage, die Energiefreisetzung in einer Brennkammer korrekt wiederzugeben. 1.1.2 Eddy-Breakup- und Eddy-Dissipation-Modell Viele Verbrennungsmodelle basieren auf der Annahme sehr schneller oder unendlich schneller Chemie. Dazu z¨ ahlt das Eddy-Breakup-Modell von Spalding [232, 233] f¨ ur vorgemischte Verbrennung und das Eddy-Dissipation-Modell nach Magnussen et al. [170], das als Erweiterung auf Diffusionsflammen angesehen werden kann. Bei vorgemischten Flammen liegen Brennstoff und Oxidator in den gleichen Wirbeln vor, die an Gebiete mit heißen Verbrennungsprodukten angrenzen. Setzt man sehr schnelle Chemie voraus, so bestimmt die Geschwindigkeit, mit der ,,Pakete” aus unverbranntem Gemisch zu immer kleineren Wirbeln zerfallen und große Grenzfl¨achen mit heißen Abgasen bilden, den Verbrennungsablauf. Dies ist der Grundgedanke des Eddy-BreakupModells. Die chemischen Reaktionsraten sind dann unbedeutend und die turbulente Mischung gen¨ ugt zur Beschreibung des Verbrennungsprozesses [251]. ¨ ¨ Ahnliche Uberlegungen lassen sich f¨ ur Diffusionsflammen anstellen. Bei sehr schneller Chemie wird der Stofftransport zum geschwindigkeitsbestimmenden Vorgang, so dass die Mischung auf molekularer Ebene (und damit die Dissipationsrate) die Geschwindigkeit des Verbrennungsablaufs diktiert. Entsprechend geht bei diesem Modell die mittlere Reaktionsrate aus den mittleren Konzentrationen und Turbulenzvariablen (z.B. k und ) hervor [170]. Das Eddy-Dissipation-Concept l¨ asst sich auch mit endlichen Reaktionsraten (finite-rate chemistry) nutzen. 1.1.3 Chemisches Gleichgewicht Im Sonderfall unendlich schneller Chemie befindet sich das Gas im chemischen Gleichgewicht. Unabh¨ angig von der Zahl chemischer Komponenten folgt
1.1 Bemerkungen zur Verbrennungssimulation
7
dessen Zusammensetzung dann aus der Elementzusammensetzung und zwei thermodynamischen Zustandsgr¨ oßen (z.B. Druck und Temperatur). In einem homogenen Reaktor ist die Elementzusammensetzung durch den Ausgangszustand definiert. In offenen Systemen l¨ asst sie sich (bei geeigneten Voraussetzungen) u ¨ber den Mischungsbruch charakterisieren. An Stelle zahlreicher Komponentengleichungen ist dann neben Impuls-, Energie und Kontinuit¨atsoder Druckgleichung nur die Gleichung des Mischungsbruchs zu l¨osen. Das macht die Ermittlung der Gaszusammensetzung rechnerisch sehr effizient. Allerdings ist die Verweilzeit des Gases in den meisten technisch relevanten Systemen (z.B. Gasturbine und Automotor) nicht ausreichend lang, um chemisches Gleichgewicht zu erreichen. 1.1.4 Tabellierungstechniken Bei vielen Anwendungen ist weder die Annahme unendlich schneller Chemie gerechtfertigt, noch l¨ asst sich der Verbrennungsablauf mit Bruttoreaktionen beschreiben. Dann ist mit detaillierter Chemie zu arbeiten. Darunter versteht man die Verwendung von mehr oder weniger großen Reaktionsmechanismen, denen Elementarreaktionen zu Grunde liegen. Das heißt, dass f¨ ur jede Gaskomponente eine eigene Transportgleichung zu l¨osen ist. Um den hohe Rechenaufwand dieses Ansatzes zu reduzieren, bieten sich Tabellierungstechniken an. Im g¨ unstigsten Fall f¨ uhrt das zu einer Entkoppelung der chemischen Kinetik von der Str¨ omungsmechanik, was den numerischen Str¨omungsl¨oser vom Steifigkeitsproblem der Verbrennung befreit. Bei der Verwendung von Parallelrechnern kann sich die Nutzung großer Tabellen nachteilig auswirken. Maschinen mit verteiltem Hauptspeicher m¨ ussen die Tabelle in der Regel auf jedem Prozessor halten. Zu den wichtigsten Methoden die auf einer Tabellierung von Daten beruhen z¨ ahlen der Flamelet-Ansatz, die ILDM-Technik und das ISAT-Verfahren. ILDM- und ISAT-Technik sind bei turbulenter Verbrennung mit einem geeigneten Ansatz zur Ber¨ ucksichtigung der Turbulenz zu koppeln. Flamelet-Ansatz. Das verbreiteteste Modell zur Simulation turbulenter Verbrennung ist der laminare Flamelet-Ansatz [268], der in wesentlichen Teilen auf Peters [195, 196] zur¨ uckgeht. Bei dieser Methode wird eine turbulente Flamme als Ensemble zahlreicher laminarer, eindimensionaler ,,Fl¨ammchen” (Flamelets) approximiert. Die thermochemischen Eigenschaften dieser Flamelets werden im Voraus berechnet und in niedrigdimensionalen Tabellen abgelegt. Bei nicht-vorgemischter Verbrennung dient als Basisproblem meist eine Gegenstromdiffusionsflamme, die unter Vereinfachungen eindimensional berechnet werden kann. Den str¨ omungsmechanischen Einfluss auf die Flamme charakterisiert die Streckungsrate bzw. die skalare Dissipationsrate. Im einfachsten Fall wird der thermochemische Zustand eines Flamelets als Funktion ¨ von Mischungsbruch und Streckungsrate tabelliert. Die Ubertragbarkeit der eindimensionalen, laminaren Modellprobleme auf turbulente Verbrennung gilt
8
1 Einleitung
bei ,,d¨ unnen Flammen” als gesichert (Flammendicke < Kolmogorov-L¨ange). Liegt f¨ ur den gew¨ unschten Brennstoff und die gegebenen Parameter eine Flamelet-Tabelle vor, so sind bei der Simulation zus¨atzlich zu den Str¨omungsgleichungen nur die Transportgleichungen des Mischungsbruchs und seiner Varianz zu l¨ osen. Aus diesen Werten ergibt sich durch Tabellenzugriff ein vollst¨ andiges Bild des thermochemischen Zustands. Die Grenzen des FlameletModells werden erreicht, wenn es zu stark aufgedickten Flammen kommt oder wenn die Voraussetzungen des eindimensionalen Problems nicht mehr zutreffen (beispielsweise bei Abgasr¨ uckstr¨ omung). Der Flamelet-Ansatz ist in modifizierter Form mit der so genannten ,,G-Gleichung” auch auf vorgemischte Flammen anwendbar [196]. Des weiteren wurden Varianten f¨ ur nichtkonstante Schmidt-Zahlen und instation¨ are Prozesse (instation¨are Flamelets) entwickelt [199, 196]. ILDM-Technik. Der ILDM-Technik von Maas und Pope [168, 167] und dem ISAT-Verfahren von Pope [209] (s. unten) liegen ¨ahnliche Gedanken zu Grunde. Beide Verfahren beruhen darauf, dass der Reaktionsfortschritt zwar theoretisch in einem hochdimensionalen Raum vonstatten gehen kann (der nicht zu tabellieren w¨ are), in der Praxis aber meist nur kleine Gebiete davon beschritten werden. Die ILDM-Technik geht ferner davon aus, dass der Verbrennungsablauf nach einer kurzen Startphase in einem niedrigdimensionalen Raum verl¨ auft, auf einer so genannten niedrigdimensionalen Mannigfaltigkeit (ILDM intrinsic low-dimensional manifold). Durch Tabellierung der Mannigfaltigkeit entkoppelt man im Zustandsraum die langsamen von den schnellen chemischen Vorg¨ angen. Voraussetzung f¨ ur die G¨ ultigkeit dieses Ansatzes ist, dass die Mannigfaltigkeit schnell erreicht wird. Ist das der Fall, so gen¨ ugt zur Beschreibung des Reaktionsfortschritts eine geringe Anzahl an Reaktionsfortschrittsvariablen, f¨ ur die Transportgleichungen zu l¨osen sind. Aus deren Werten ergibt sich aus vorausberechneten Tabellen die Gaszusammensetzung. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass sich mit einer Erh¨ohung der Dimension der ILDM (allerdings auch der Tabelle) die Genauigkeit steigern l¨asst; theoretisch bis zum Ausgangsmechanismus, auf dem die ILDM beruht. In der Praxis ist die Dimension der Tabellen jedoch begrenzt. ISAT-Verfahren. Das ISAT-Verfahren (in-situ adaptive tabulation) von Pope [209] beruht darauf, dass bei Verbrennungsprozessen nur ein relativ kleiner Bereich des thermochemischen Raums wirklich durchlaufen wird. Dies oglicht eine Tabellierung des Reaktionsfortschritts im problemabh¨angigen erm¨ Unterbereich des Zustandsraums. Beim ISAT-Verfahren werden die Tabellen f¨ ur den Reaktionsfortschritt ,,in-situ” (w¨ahrend der Simulation) erzeugt. Kann ein gesuchter Wert nicht mit hinreichender Genauigkeit der Tabelle entnommen werden, so erfolgt eine Neuberechnung und die Erweiterung der Tabelle. Der einzige Fehler dieser Methode geht auf die Interpolation von Tabellenwerten zur¨ uck. Allerdings d¨ urfte eine in-situ-Tabellenerweiterung auf Parallelrechnern mit verteiltem Hauptspeicher noch schwieriger umzusetzen
1.2 Zu diesem Buch
9
sein, als die effiziente Nutzung vorausberechneter Tabellen. Attraktiv ist dieses Methode f¨ ur Transportgleichungs-PDF-Verfahren, da dann f¨ ur jeden der zahlreichen Partikel das Chemie-Gleichungssystem gel¨ost werden muss (s. Teil IV).
1.2 Zu diesem Buch Die meisten Verbrennungsmodelle beruhen darauf, dass w¨ahrend der eigentlichen Simulation an Stelle zahlreicher Komponentengleichungen nur wenige Transportgleichungen von Ersatzgr¨ oßen gel¨ ost werden (z.B. des Mischungsbruchs oder von Reaktionsfortschrittsvariablen). Das reduziert den Rechenaufwand, schr¨ ankt aber auch die Allgemeing¨ ultigkeit des jeweiligen Ansatzes ein. In diesem Buch wird stattdessen auf numerische Verfahren eingegangen, • die f¨ ur jede Gaskomponente eine eigene Transportgleichung l¨osen, • in denen Verbrennung durch ein mehr oder weniger großes Reaktionsschema mit endlichen Reaktionsraten (finite-rate chemistry) beschrieben wird, • denen die kompressiblen Str¨ omungsgleichungen zu Grunde liegen. ¨ Ein guter Uberblick zu L¨ osungsmethoden f¨ ur die inkompressiblen Str¨omungsgleichungen findet sich bei Noll [192]. Zur Schließung des nichtlinearen chemischen Quellterms werden • angenommene Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen (assumed PDF, probability density function), • Transportgleichungs-PDF-Verfahren behandelt. Eine Besonderheit liegt dar¨ uber hinaus im Bestreben, eine Br¨ ucke u ¨ ber alle in Abb. 1.2 genannten Forschungsgebiete zu schlagen. Es wird versucht die einzelnen Gebiete zusammenzubringen und moderne mathematische L¨ osungsstrategien (insbesondere die Mehrgittertechnik) mit Ans¨atzen zur Modellierung der Turbulenz-Chemie-Interaktion zu verbinden. Detaillierte Chemie geht meist mit großen und in der Regel mathematisch steifen Gleichungssystemen einher, so dass die Effizienz des L¨ osers eine wichtige Rolle spielt. Da die meisten Fachver¨ offentlichungen zur numerischen Verbrennungssimulation in englischer Sprache erscheinen, sind die wichtigsten Fachausdr¨ ucke in Deutsch und Englisch angegeben.
2 Grundlagen der Verbrennung
Die physikalischen Gesetze zur Beschreibung von Verbrennungsprozessen sind seit langem bekannt. So stammen die Euler-Gleichungen aus dem Jahr 1755, die Navier-Stokes-Gleichungen wurden 1822 aufgestellt und 1855 folgte die Arrhenius-Beziehung zur Bestimmung der Geschwindigkeitskoeffizienten chemischer Elementarreaktionen. Auch die Grundlagen zur Berechnung des Spannungstensors (Newton’sches Fluid, 1682), das Fourier’sche Gesetz f¨ ur die W¨ armeleitung (1822) und das Fick’sche Gesetz f¨ ur die Diffusion (1855) haben bis heute Bestand. Die genannten Gleichungen und Beziehungen bilden das Grundger¨ ust zur Erfassung str¨ omender, reagierender Fluide.
2.1 Bilanzgleichungen reaktiver Stro ¨mungen H¨ alt man sich die Komplexit¨ at turbulenter Flammen vor Augen, dann ist es erstaunlich, dass sich die damit verbundenen, ¨außerst vielschichtigen und teilweise noch unverstandenen physikalischen Vorg¨ange mathematisch durch ein ,,verh¨ altnism¨ aßig” einfaches Gleichungssystem beschreiben lassen (Gl. (2.4) bis (2.7)). In der Physik bezeichnet man die Masse, den Impuls und die Energie als Erhaltungsgr¨oßen, da diese in einem abgeschlossenen System bei verschiedenen Prozessen und Wechselwirkungen erhalten bleiben. Obwohl in der Fluid-Mechanik h¨ aufig keine abgeschlossenen Systeme vorliegen, werden die entsprechenden Transportgleichungen in diesem Buch Erhaltungsgleichungen genannt. Die Erhaltungsgleichungen der Gesamtmasse, des Impulses und der Energie sowie die Bilanzgleichungen der Komponentenmassen bilden ein gekoppeltes System partieller Differentialgleichungen, das kompressible, reibungsbehaftete Str¨ omungen vollst¨ andig beschreibt. Das Gas kann sich aus einer beliebigen Anzahl an Komponenten zusammensetzen und chemischer Umwandlung unterliegen. Wesentlich f¨ ur die Herleitung dieser Gleichungen ist, dass das Fluid als Kontinuum angesehen werden darf. Hierzu m¨ ussen die kleinsten charakteristischen L¨ angenskalen der Str¨omung ls noch wesentlich gr¨ oßer sein, als die mittlere freie Wegl¨ ange des Gases L. Bei turbulenter,
12
2 Grundlagen der Verbrennung
inerter Str¨ omung ist das kleinste L¨ angenmaß die Kolmogorov-L¨ange η, bei Verbrennung liegen die auftretenden Flammendicken und damit die kleinsten Strukturen meist noch darunter. Mit der mittleren freien Wegl¨ange zum kleinsten L¨ angenmaß der Str¨ omung l¨ asst sich eine Knudsen-Zahl Kn ≡
L ls
(2.1)
definieren. Als Bedingung f¨ ur Kontinuum muss Kn 1 gelten. Damit ist die Zeitskala molekularer Bewegung (das Zeitintervall zwischen St¨oßen der Molek¨ ule) um ein Vielfaches kleiner, als die der turbulenten Fluktuation. Turbulenz oder str¨ omungsmechanische Vorg¨ ange beeinflussen die thermische Bewegung der Molek¨ ule dann nur unwesentlich: Die molekulare Verteilung befindet sich n¨ aherungsweise im Gleichgewicht. Dies ist eine Voraussetzung f¨ ur die Anwendbarkeit der sp¨ ater genutzten Transportbeziehungen. Zieht man die Kolmogorov-L¨ ange zur Bildung der Knudsen-Zahl heran, dann ergibt sich Knη ≡
Ma L ≈ η Re1/4
(2.2)
[245], wobei Ma ≡ u/a f¨ ur die Mach-Zahl und Re ≡
ρul µ
(2.3)
f¨ ur die Reynolds-Zahl steht [245]. Ferner bezeichnet a die Schallgeschwindigkeit, l ein makroskopisches L¨ angenmaß des Str¨omungsfelds, u die Geschwindigkeit, ρ die Dichte und µ die dynamische Viskosit¨at. In den meisten technisch relevanten F¨ allen ist die Mach-Zahl klein, die Reynolds-Zahl groß und damit, wie bei Kontinuum vorausgesetzt, die Knudsen-Zahl klein. Daher kann in der Regel von Kontinuum ausgegangen werden. Hiervon ausgenommen sind stark verd¨ unnte Gase in großen H¨ ohen, da dort die mittlere freie Wegl¨ange ansteigt. Weitere Voraussetzungen bei der Herleitung der folgenden momentanen Bilanzgleichungen (instantaneous conservation laws) sind • thermisches Gleichgewicht, • Isotropie der Stoffeigenschaften des Fluids (Richtungsunabh¨angigkeit), • die G¨ ultigkeit der benutzten Zusammenh¨ ange zwischen dem Spannungstensor sowie den W¨ arme- und Diffusionsfl¨ ussen mit Gradienten des Str¨omungs-, Temperatur- und Stofffelds (Newton’sches Fluid, Stokes-Beziehung, Fourier’sches und Fick’sches Gesetz ), • ideales Gas. Prinzipiell besteht die M¨ oglichkeit, die Transportgleichungen in Euler’scher oder Lagrange’scher Formulierung aufzustellen. Bei der Euler-Formulierung wird ein festes Bezugssystem gew¨ ahlt, in dem die abh¨angigen Variablen als Funktionen von Raum und Zeit vorliegen. Demgegen¨ uber basieren Lagrange’sche Betrachtungsweisen auf der Verfolgung einzelner Fluid-Partikel im
2.1 Bilanzgleichungen reaktiver Str¨ omungen
13
Raum. In diesem Buch werden Lagrange-Ans¨atze nur in Zusammenhang mit Transportgleichungs-PDF-Verfahren benutzt. Genau genommen umfassen die Navier-Stokes-Gleichungen nur die Erhaltungsgleichungen des Impulses. Vor allem in der englischsprachigen Literatur wird darunter inzwischen aber oft ein Gleichungssystem verstanden, das eine reibungsbehaftete Str¨ omung vollst¨ andig beschreibt. Bei einem reagierenden Fluid sind Bilanzgleichungen f¨ ur die Gesamtmasse, den Impuls, die Energie sowie die Massen der einzelnen Spezies zu l¨ osen. Deren Herleitung findet sich in zahlreichen Lehrb¨ uchern [149, 121]. In Tensor-Schreibweise und bei konservativer Formulierung ergibt sich in kartesischen Koordinaten das folgende System gekoppelter, partieller Differentialgleichungen: • Gesamtmasse ∂ ∂ρ + (ρui ) = 0 , ∂t ∂xi
(2.4)
• Komponentenmassen ∂ ∂jαi ∂ (ρYα ) + (ρui Yα ) + = Sα , ∂t ∂xi ∂xi
(2.5)
∂ ∂ ∂τij ∂p (ρui ) + (ρui uj ) − + = ρfi , ∂t ∂xj ∂xj ∂xi
(2.6)
• Impuls
• Energie ∂ ∂ ∂ ∂qi (ρE) + (ρui E + ui p) − (uj τji ) + = ρui fi + Sr , (2.7) ∂t ∂xi ∂xi ∂xi mit i, j = 1, 2, 3 und α = 1, 2, . . . , Nk−1 . Die Einstein’sche Summenkonvention bezieht sich ausschließlich auf die Indizes i bis m. In diesen Gleichungen bezeichnet ui den Anteil des Geschwindigkeitsvektors u = (u1 , u2 , u3 )T in xi -Richtung, p den Druck, Yα den Massenanteil der Komponente α am Massenanteilsvektor Y = (Y1 , Y2 , . . . , YNk )T , E = e+u2 /2 die spezifische Gesamtenergie und e die spezifische innere Energie. In e ist die Bildungsenthalpie der Gasbestandteile enthalten, weshalb in Gl. (2.7) kein Reaktionsquellterm auftritt. Alle abh¨ angigen Variablen sind Funktion des Raums x = (x1 , x2 , x3 )T und der Zeit t, was meist nicht explizit angegeben wird. Bei Nk ui ≡
α=1
Nk
ρα uiα
α=1
ρα
(2.8)
14
2 Grundlagen der Verbrennung
handelt es sich um die mittlere Massengeschwindigkeit des Gases, wobei uiα die momentane Geschwindigkeit der Komponente α und ρα deren Teildichte bezeichnet. Nk ist die Anzahl unterschiedlicher Komponenten. Zur L¨ osung des Gleichungssystems sind aus den abh¨angigen Variablen der W¨ armefluss qi (die W¨ armestromdichte durch W¨armeleitung und Diffusion) in xi -Richtung, der Diffusionsmassenfluss jαi (die Diffusionsmassenstromdichte) der Komponente α in xi -Richtung, die externen spezifischen Volumenkr¨afte fi , der Strahlungsquellterm Sr , die Elemente des Spannungstensors τij und die chemischen Produktionsterme Sα der Komponenten α zu bestimmen. Zu den externen spezifischen Volumenkr¨ aften z¨ ahlt die Gravitation gi , die meist als einzige externe Volumenkraft vorliegt. 2.1.1 Wahl des Gleichungssystems Das Gleichungssystem (2.4) bis (2.7) ist nicht die einzige M¨oglichkeit, um ein kompressibles, reagierendes Fluid zu beschreiben. Zum einen k¨onnen unterschiedliche Transportgleichungen und zum anderen deren unterschiedliche Formulierungen verwendet werden. So kann ein Gleichungssystem in primitiven (z.B. ρ, ui , T , Yα ) oder konservativen (z.B. ρ, ρui , ρE, ρYα ) Variablen aufgestellt werden. Das beeinflusst unter anderem den Rechenaufwand bei der Bildung von Jacobi-Matrizen. W¨ ahrend konservative Variable im Allgemeinen zu bevorzugen sind, erfordern viele All-Mach-Number-Pr¨akonditionierungstechniken primitive Variable [54, 76]. In Abh¨angigkeit von der Problemstellung kann man sich mit der Wahl des Gleichungssystems und der Variablen mehr oder weniger große Vorteile verschaffen. Alle Varianten lassen sich jedoch auf die Bilanzgleichungen (2.4) bis (2.7) zur¨ uckf¨ uhren. Kontinuit¨ atsgleichung. Es stellt sich die Frage, ob die Kontinuit¨atsgleichung im Gleichungssystem enthalten sein soll oder nicht. Da die Summe der Komponentengleichungen die Kontinuit¨ atsgleichung ergibt, kann letztere entfallen, wenn man Gleichungen aller Spezies l¨ost. Wird dagegen mit der Kontinuit¨ atsgleichung gearbeitet, so sind nur Nk−1 Komponentengleichungen erforderlich. Der Massenanteil (oder Molanteil) der fehlenden Spezies folgt aus Nk der Normierungsbedingung α=1 Yα = 1. Aus numerischer Sicht ist dann eine Gaskomponente mit m¨ oglichst hohem Massenanteil als unber¨ ucksichtigte, letzte Spezies zu w¨ ahlen. Numerisch bedingte Fehler wirken sich so weniger stark aus. Energiegleichung. An Stelle der Gleichung der Gesamtenergie (2.7) ist auch die Verwendung von Bilanzgleichungen der Gesamtenthalpie H = h + u2 /2, der Energie e, der • Enthalpie ∂ ∂ui ∂ Dp ∂qi (ρh) + − τij (ρui h) − + = ρui fi + Sr , ∂t ∂xi Dt ∂xj ∂xi
(2.9)
2.1 Bilanzgleichungen reaktiver Str¨ omungen
15
deren thermischer (,,sensibler”) Gr¨ oßen es und hs (s. Gl. (2.26)) oder der Temperatur T m¨ oglich, um nur die wichtigsten zu nennen [122]. In Gl. (2.9) steht D ∂ ∂ ≡ + ui (2.10) Dt ∂t xi f¨ ur eine substantielle Ableitung. Je nachdem ob man die Transportgleichung der Temperatur aus der Gleichung der thermischen Energie- oder der Enthalpie ableitet, ergeben sich nochmals zwei unterschiedliche Varianten. Von der thermischen Energie ausgehend folgt f¨ ur die Transportgleichung der • Temperatur (aus thermischer Energie) Nk ∂ ∂ui ∂jαi ∂ ∂ui 1 ∂qi (ρT ) + p (ρui T ) + − τij + − eα ∂t ∂xi cv ∂xi ∂xj ∂xi ∂xi α=1 = −
Nk 1 Sα hfα . cv α=1
(2.11)
In dieser Gleichung sind Strahlung und Fernkr¨afte vernachl¨assigt. Im Gegensatz zur Erhaltungsgleichung der Gesamtenergie (2.7) ergibt sich in den Transportgleichungen der Temperatur ein Quellterm, der auf die W¨armefreisetzung oder den Energieentzug durch chemischen Reaktionen zur¨ uckgeht. Da dieser nichtlineare Term die implizite Zeitintegration erschwert, werden die Gleichungen der Energie oder Enthalpie gew¨ohnlich bevorzugt. Geht man von der Bilanzgleichung der thermischen Enthalpie aus, so ergibt sich mit der Transportgleichung der • Temperatur (aus thermischer Enthalpie) A
Nk ∂ 1 Dp ∂ui ∂jαi ∂ ∂qi (ρT ) + + τij (ρui T ) − − + hα ∂t ∂xi cp Dt ∂xj ∂xi α=1 ∂xi = −
Nk 1 Sα hfα cp α=1
(2.12)
eine zweite Variante dieser Gleichung. Der darin definierte Term A wird sp¨ater ben¨ otigt. Erhaltungsgleichungen der Elemente. Die Gln. (2.4) bis (2.7) gen¨ ugen zur vollst¨ andigen Beschreibung von Verbrennungsprozessen. Sie beinhalten inh¨ arent auch die Erhaltung der Elemente. Dennoch kann es in einigen F¨allen angebracht sein, Elementerhaltungsgleichungen zu verwenden. Der Elementmassenanteil Zα folgt mit Zα =
Nk β=1
αβ Yβ
(2.13)
16
2 Grundlagen der Verbrennung
aus den Massenanteilen Yβ der Gaskomponenten. Dabei ist es gleichg¨ ultig, ob sich Zα auf die atomare (H, O, N usw.) oder molekulare (H2 , O2 , N2 usw.) Form eines chemischen Elements beziehen. Die Faktoren 0 ≤ αβ ≤ 1 stehen f¨ ur den massengewichteten Anteil des Elements α an der Komponente β. Aus den Komponentengleichungen (2.5) folgt f¨ ur die Erhaltungsgleichungen der • Elementmassen Z ∂ ∂ ∂jαi (ρZα ) + (ρui Zα ) + = 0. ∂t ∂xi ∂xi
(2.14)
Diese besitzen keinen Produktionsterm, da Elemente bei chemischer Umwandlung erhalten bleiben. Daher z¨ ahlen sie zu den passiven Skalaren (conserved scalars). Da in der Praxis meist wesentlich mehr Komponenten als Elemente vorkommen, ist die Rechenzeitersparnis durch ein Ersetzen von Komponentendurch Elementgleichungen fraglich. Zus¨ atzlich h¨angen die DiffusionsmassenZ fl¨ usse der Elemente jαi auf komplexe Weise von den Gradienten der KompoZ nenten ab. Nur bei Dα = D f¨ ur α = 1, 2, . . . , Nk ist jαi mit geringem Aufwand berechenbar. 2.1.2 Vernachl¨ assigung unbedeutender Terme Im Hinblick auf ein konkretes zu simulierende Problem sind oftmals Vereinfachungen m¨ oglich. Wichtig ist jedoch, dass man sich bei Nutzung eines vereinfachten Gleichungssystems den daraus resultierenden Limitierungen bewusst bleibt. Sehr h¨ aufig gew¨ ahlte Annahmen sind gleiche Diffusionskoeffizienten aller Gaskomponenten, identische Prandtl- und Schmidt-Zahlen, isenthalpe Str¨ omung oder die Vernachl¨ assigung von Gravitation und/oder Strahlung. Physikalisch legitimierte Vereinfachungen ergeben sich dar¨ uber hinaus, wenn nur ein bestimmter Geschwindigkeitsbereich abgedeckt werden soll. Niedrige Str¨ omungsgeschwindigkeit. Bei vielen technisch relevanten Str¨omungs- und Verbrennungsvorg¨ angen sind die Geschwindigkeiten und damit die Mach-Zahlen klein. Das hat sowohl Auswirkungen auf das Gleichungssystem (hier k¨ onnen einzelne Terme vernachl¨assigt werden), als auch auf das numerische L¨ osungsverfahren (der L¨ oser sollte f¨ ur inkompressible Fluide geeignet sein, s. Abschn. 2.1.3). Ein wichtiges Merkmal langsamer Str¨omungen ist die quadratische Abnahme str¨ omungsbedingter (auch turbulenzbedingter) Druckschwankungen mit sinkender Mach-Zahl [201] ∆p ∝ ρu2i = Ma2 ρ a2 ,
(2.15)
woraus sich mit a = γp/ρ folgender Zusammenhang zwischen der Druckschwankung und dem Druck p = p + ∆p ergibt ∆p ∝ Ma2 . p
(2.16)
2.1 Bilanzgleichungen reaktiver Str¨ omungen
17
Dennoch sind auch bei niedrigen Mach-Zahlen Druckgradienten (z. B. in den Impulsgleichungen (2.6)) und Druckfluktuationen in turbulenten Str¨omungen zu ber¨ ucksichtigen. Thermodynamisch darf der Druck jedoch als konstant angesehen werden [158]. Das heißt, dass bei kleinem M a bei der Berechnung direkt vom Druck abh¨ angiger Variablen ∆p vernachl¨assigbar ist. Daher darf f¨ ur M a → 0 die Dichte mit ρ = ρ(h, Yα , p) aus dem mittleren Druck p berechnet ¨ werden [207]. Ahnliches gilt f¨ ur die chemischen Quellterme Sα = Sα (h, Yα , p). Niedrige Str¨ omungsgeschwindigkeiten haben somit zur Folge, dass von einer Reihe von Vereinfachungen ausgegangen werden kann: 1. Druckschwankungen sind thermodynamisch vernachl¨assigbar, 2. die durch Reibung verrichtete Arbeit ist vernachl¨assigbar (τij ∂ui /∂xj ≈ 0 in Gl. (2.9)), 3. die substantielle Ableitung des Drucks in der Enthalpiegleichung (2.9) darf durch Dp/Dt = dp/dt approximiert werden [207] und ist null, wenn keine signifikanten zeitlichen Druck¨ anderungen auftreten, 4. der Anteil der kinetischen Energie an der Gesamtenergie E = e + u2 /2 ≈ e oder Gesamtenthalpie H = h + u2 /2 ≈ h ist vernachl¨assigbar. Punkt vier ist bei niedrigen Str¨ omungsgeschwindigkeiten gerechtfertigt, wie folgende Approximation zeigt [201] 1 u2i 1 1 u2i ≈ Ma2 γˆ (ˆ = γ − 1) . 2 es 2 cˆv T 2
(2.17)
Darin bezeichnet es die spezifische thermische Energie nach Gl. (2.26) (ohne Bildungsenthalpie ) und cˆv die mittlere spezifische W¨armekapazit¨at. W¨ahrend sich die spezifische W¨ armekapazit¨ at cv =cv (T ) auf eine Temperatur T bezieht, handelt es sich bei cˆv um einen integralen Wert f¨ ur den Bereich von null K bis T . Selbst wenn die gesamte kinetische Energie zu W¨arme dissipiert, f¨ uhrt das bei niedrigen Mach-Zahlen zu keiner nennenswerten Temperaturerh¨ohung. Die genannten Punkte f¨ uhren zu einer deutlichen Vereinfachung der bei langsamen Str¨ omungen gew¨ ohnlich verwendeten Enthalpiegleichung. Hohe Str¨ omungsgeschwindigkeit. Mit steigender Str¨omungsgeschwindigkeit und Reynolds-Zahl geht der Einfluss der viskosen Terme im Vergleich zu den konvektiven zur¨ uck. In Sonderf¨ allen kann das dazu f¨ uhren, dass Reibung, W¨ armeleitung und Diffusion vernachl¨ assigbar sind. Die Navier-StokesGleichungen reduzieren sich dann zu den reibungsfreien Euler-Gleichungen. Dar¨ uber hinaus spielt Gravitation in schnellen Str¨omungen keine Rolle. 2.1.3 Kompressibilit¨ at Schreibt man die Kontinuit¨ atsgleichung (2.4) unter Verwendung der substantiellen Ableitung der Dichte in der Form Dρ = − ρD , Dt
(2.18)
18
2 Grundlagen der Verbrennung
so tritt auf der rechten Seite der Dilatationsterm (dilatation) D ≡
∂ui ∂xi
(2.19)
auf. Der Dilatationsterm entspricht der substantiellen Ableitung des logarithmierten spezifischen Volumens ϑ = 1/ρ des Fluids [210] D ln ϑ = D. Dt
(2.20)
Fluide mit ¨ ortlich und zeitlich konstanter Dichte bezeichnet man als quellenoder divergenzfrei (solenoidal oder divergence free), da dann aus Gl. (2.18) D = 0 folgt. Allgemeiner ausgedr¨ uckt heißt D ln ϑ/Dt = 0, dass sich das Gas isovolumetrisch entwickelt – das Volumen eines mit der Str¨omung bewegten Fluid-Partikels bleibt konstant. In kompressiblen Str¨omungen gilt gew¨ohnlich D = 0. Hier ist zu beachten, dass in reagierenden Gasen mehrere physikalische Vorg¨ ange D = 0 und variable Dichten ρ = ρ(x, t) bewirken. Dazu ¨ z¨ ahlen Anderungen der Gaszusammensetzung, der Temperatur (z. B. durch W¨ armefreisetzung aus der Verbrennung) und des Druck. Nur die Auswirkungen der Druckvariationen werden als Kompressibilit¨atseffekte bezeichnet [64]. Entsprechend spricht man bei einem str¨ omenden Medium von einem dynamisch inkompressiblen Fluid, wenn die durch Druck¨anderungen verursachten Dichte¨ anderungen vernachl¨ assigbar klein sind [50]. Das ist bei langsamen Str¨ omungen (M a → 0) der Fall. Variable Dichten sind auch in inkompressiblen Str¨omungen m¨ oglich, da diese auf Temperatur- oder Konzentrations¨anderungen zur¨ uckgehen k¨ onnen. Simulation inkompressibler Str¨ omungen. Die Simulation kompressibler Fluide setzt gew¨ ohnlich auf einem dichtebasierten Gleichungssystem auf. Ohne weitere Maßnahmen sind numerische Verfahren kompressibler Str¨omungen nicht zur Simulation inkompressibler geeignet (umgedreht kann das gleiche Problem bestehen). F¨ ur M a → 0 treten bei dichtebasierten L¨osern nicht nur Konvergenzprobleme auf, sondern die L¨ osung kann dar¨ uber hinaus stark fehlerhaft sein [224]. Gr¨ unde hierf¨ ur sind, 1. dass das Gleichungssystem f¨ ur M a → 0 sehr steif wird. Diese Steifigkeit wird durch die stark unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten von St¨ orungen hervorgerufen. Das Verh¨ altnis (u + a)/u (Ausbreitung akustischer St¨ orungen mit u ± a zur konvektiven Ausbreitung mit u) geht f¨ ur M a → 0 gegen unendlich, 2. dass Rundungsfehler im Druckterm in den Impulsgleichungen f¨ ur M a → 0 stark anwachsen und die L¨ osung unbrauchbar machen k¨onnen [250, 224]. Abhilfe ist durch so genannte All-Mach-Number-Pr¨akonditionierungstechniken m¨ oglich [250, 253, 271, 154, 54, 236]. Diese erlauben die Verwendung kompressibler Str¨ omungsl¨ oser bei allen Mach-Zahlen. Alternativ zu kompressiblen Verfahren und der Verwendung der Kontinuit¨atsgleichung (2.4) wird
2.2 Thermodynamische Beziehung
19
bei inkompressiblen Verfahren der Druck als aktive Variable gew¨ahlt und eine Druck-Poisson-Gleichung gel¨ ost [192]. Da in dieser Arbeit kompressible Str¨ omungen im Vordergrund stehen, wird auf druckbasierte Verfahren nicht eingegangen.
2.2 Thermodynamische Beziehung Neben den Bilanzgleichungen (2.4) bis (2.7) wird eine weitere Gleichung ben¨ otigt, die die thermodynamischen Zustandsgr¨oßen zueinander in Bezug setzt. Bei idealem Gas gilt f¨ ur ein Gasgemisch p = ρRm T
Nk Yα , M α α=1
(2.21)
ultigkeit der therwobei Rm die allgemeine Gaskonstante bezeichnet. Die G¨ mischen Zustandsgleichung setzt voraus, dass zwischenmolekulare Kr¨afte vernachl¨ assigbar sind. Bei Verbrennungssimulationen ist das in der Regel der Fall. Ausnahmen sind Brennkammern mit sehr hohem Druck (p > 100 bar). Im Gegensatz zu idealem Gas spricht man dann von realem Gas, das beispielsweise durch die Van der Waals-Gleichung beschrieben werden kann. Bei inkompressiblen, inerten Str¨ omungen wird gew¨ohnlich von kalorisch perfektem Gas ausgegangen, bei dem cp und cv konstant sind. Dagegen erfordert Verbrennung mit ihren u ¨ blicherweise starken Temperatur¨anderungen thermisch perfektes Gas, bei dem die W¨ armekapazit¨ aten cp = cp (T ) und cv = cv (T ) reine Funktionen der Temperatur darstellen [3]. Bei realem Gas sind Energie und Enthalpie und damit die spezifischen W¨armekapazit¨aten cp = cp (T, p) und cv = cv (T, p) dar¨ uber hinaus noch Funktionen des Drucks. Bei den meisten technischen Anwendungen ist die Annahme idealen Gases ausreichend. Energie. Die in Gl. (2.7) eingef¨ uhrte spezifische Gesamtenergie 1 2 u 2 i 1 p = h − + u2i ρ 2
E = e+
(2.22) (2.23)
setzt sich aus der spezifischen inneren Energie e und einem kinetischen Anteil zusammen, wobei e durch die spezifische Enthalpie h = e − p/ρ ersetzt werden kann. Sowohl e als auch h beruhen mit e =
Nk α=1
Yα eα ,
h =
Nk
Yα hα
(2.24)
α=1
auf Beitr¨ agen der einzelnen Gaskomponenten. Bei idealem Gas erfolgt die Bestimmung von eα (T ) bzw. hα (T ) meist u ¨ber temperaturabh¨angige Polynome. Da bei der Integration der Bilanzgleichungen nur Differenzen eine Rolle
20
2 Grundlagen der Verbrennung
spielen, ist es gleichg¨ ultig, bei welcher Temperatur der Nullpunkt der Energie oder Enthalpie definiert ist. In den meisten Datensammlungen ist dieser Referenzpunkt auf Tr = 273,15 K gesetzt [238, 110, 141]. Damit weicht er geringf¨ ugig von den Standardbedingungen der Thermodynamik ab, bei denen der Enthalpienullpunkt auf 298,15 K festgelegt wurde. Die Bildungsenthalpie hfα ist hier mit T T eα (T ) ≡ hfα + cvα dT , hα (T ) ≡ hfα + cpα dT (2.25) T =Tr
T =Tr
in den Polynomen enthalten. Die Einbeziehung der Bildungsenthalpie ist bei Verbrennung eine Voraussetzung f¨ ur die G¨ ultigkeit von Gl. (2.7). L¨ost man stattdessen Bilanzgleichungen thermischer (sensibler) Gr¨oßen T T esα (T ) ≡ cvα dT , hsα (T ) ≡ cpα dT , (2.26) T =0
T =0
so tritt in ihnen ein Produktionsterm auf, der die W¨armefreisetzung aus der Verbrennung ber¨ ucksichtigt. Bei der in Anhang A.2.1 angegebenen Bilanzgleichung der thermischen Energie (A.1) ist das der Fall. Temperatur. Die thermodynamischen Zusammenh¨ange werden bei Verbrennungssimulation zu jedem Zeitschritt ben¨ otigt, um z.B. aus den konservativen Variablen noch fehlenden Gr¨ oßen wie Temperatur und Druck zu ermitteln. Durch Einsetzen von Gl. (2.24) in Gl. (2.22) folgt f¨ ur die Gesamtenergie E =
Nk α=1
Yα eα +
Nk Nk Yα 1 2 1 ui = Yα hα + u2i − Rm T . 2 2 M α α=1 α=1
(2.27)
Damit ist E bei thermisch perfektem Gas und bekannten konservativen Variablen (ρ, ρui , ρE, ρYα ) nur noch eine Funktion der Temperatur. Werden f¨ ur hα die gemeinhin u ¨ blichen Polynome vierter Ordnung verwendet (s. Abschn. 2.4.1), so stellt Gl. (2.27) eine nichtlineare Funktion der Temperatur dar. Deren Nullstelle l¨ asst sich in wenigen Schritten mit der Newton-Iteration (s. Abschn. 15.2.1) bestimmen. Die Temperatur des vorangegangenen Zeitschritts dient als Startwert. Die Newton-Iteration ist in diesem Zusammenhang unproblematisch, da E im zul¨ assigen Temperaturbereich nur eine Nullstelle besitzt. Aus Gl. (2.21) folgt der noch fehlende Druck.
2.3 Diffusiver Transport In den Bilanzgleichungen (2.5) bis (2.7) treten konvektive und diffusive Fl¨ usse auf. Ein konvektiver Transport ist an das Geschwindigkeitsfeld gekoppelt. Dagegen beruht der diffusive Transport auf Gradienten in den Verteilungen einzelner Gr¨ oßen. Davon ausgenommen ist der Druck, der meistens den konvektiven Fl¨ ussen zugeordnet wird. W¨ ahrend sich die konvektiven Terme bei bekanntem Variablenvektor direkt berechnen lassen, erfordert die Bestimmung
2.3 Diffusiver Transport
21
der diffusiven Fl¨ usse empirische Beziehungen. Diese beruhen auf experimentell ermittelten Zusammenh¨ angen oder auf der kinetischen Gastheorie. Schub- und Normalspannungen. Geht man von einem Newton’schen Fluid und lokalem thermodynamischen Gleichgewicht aus, dann besteht f¨ ur die Elemente des Schubspannungstensors τij = 2µS − δij mit
1 S = 2
2 ∂uk µ 3 ∂xk
∂uj ∂ui + ∂xj ∂xi
(2.28)
(2.29)
ein linearen Zusammenhang mit der Scherung [121], wobei µ die dynamische Viskosit¨at bezeichnet. In einer allgemeineren Beziehung tritt neben der dynamischen Viskosit¨ at noch die Volumenviskosit¨at µV auf. Gleichung (2.28) geht daraus unter der Annahme 2µ + 3µV = 0 (Stokes-Beziehung) hervor [121]. Bei inkompressiblem Fluid verschwindet der letzte Term in Gl. (2.28). Diffusionsmassenfl¨ usse. Zur Bestimmung des fl¨achenspezifischen Diffusionsmassenflusses jαi einer Komponente α in xi -Richtung gibt es zahlreiche Ans¨ atze unterschiedlicher Komplexit¨ at und Genauigkeit [111, 142, 259]. Sie beruhen meist auf dem Fick’schen Gesetz, das genau genommen nur f¨ ur bin¨are Gasgemische ohne Druck- und Temperaturgradienten g¨ ultig ist. Eine gute Approximation der Diffusionsmassenfl¨ usse ist in Mehrstoffgemischen mit polyn¨ aren Diffusionskoeffizienten Dαβ m¨ oglich, die f¨ ur alle Zweierkombinationen beteiligter Spezies zu bestimmen sind. Der Diffusionsmassenfluss jαi
Nk ρMα m ∂Xβ = Mβ Dαβ M2 ∂xi
(2.30)
β=1
h¨ angt dabei von den Gradienten aller Molanteile Xβ ab [122]. Somit ist der Vektor der Diffusionsmassenfl¨ usse ji = (j1 , j2 , . . . , jNk )Ti in xi -Richtung das Produkt der symmetrischen (Nk ×Nk )-Matrix der Diffusionskoeffizienten mit dem Vektor der Gradienten der Molanteile. Dar¨ uber hinaus sind die polyn¨aren Diffusionskoeffizienten mit m m Dαβ = Dαβ (p, T, X1 , X2 , . . . , XNk )
(2.31)
komplexe Funktionen der Temperatur, des Drucks und der Gaszusammensetzung [122]. Da der rechnerische Aufwand des Ansatzes (2.30) sehr hoch ist, wird meist die einfachere und ungenauere Approximation jαi = − ρDα
∂Yα ∂xi
(2.32)
22
2 Grundlagen der Verbrennung
verwendet. Der Diffusionskoeffizient Dα gilt f¨ ur die Diffusion der Komponente α im Gasgemisch und ist aus den bin¨ aren Diffusionskoeffizienten bestimmbar. Druck-, Thermo- und Massenkraftdiffusion. Diffusiver Stofftransport wird nicht nur durch Gradienten in der Stoffverteilung verursacht, sondern auch durch Temperatur- (Thermodiffusion oder Soret-Effekt ) und Druckgradienten (Druckdiffusion) sowie durch Massenkr¨afte auf einzelne Komponenten (Massenkraftdiffusion) [23]. Der Diffusionsmassenfluss der Komponente α in xi -Richtung setzt sich entsprechend aus jαi =
(Y)
jαi
+
normale Diffusion
(T)
jαi Thermodiffusion
+
(p)
jαi
+
Druckdiffusion
(g)
jαi
(2.33)
Massenkraftdiffusion
zusammen. Gl¨ ucklicherweise spielen Druck- und Massenkraftdiffusion in der Verbrennung eine eher untergeordnete Rolle. Der Thermodiffusionsmassenfluss l¨ asst sich mit folgender Beziehung approximieren (T)
jαi
= − Dα(T)
1 ∂T T ∂xi
(2.34)
und ist im Allgemeinen (verglichen mit der normalen Diffusion) gering. Die Thermodiffusion gewinnt bei sehr niedrigen Temperaturen oder großen Temperaturgradienten an Bedeutung. Daher ist sie in der Verbrennung vor allem bei laminaren Diffusionsflammen wichtig, in denen heiße Verbrennungszonen an kaltes unverbranntes Gas angrenzen. In laminaren Wasserstoff-LuftFlammen k¨ onnen die normale Diffusion und die Thermodiffusion von gleicher Gr¨ oßenordnung sein [65]. Turbulente Flammen besitzen breitere Verbrennungszonen, so dass die Thermodiffusion dort meist vernachl¨assigbar ist. Massenerhaltung. Da die Summe u ¨ber alle Nk Komponentengleichungen die Kontinuit¨ a tsgleichung ergibt, muss sowohl die Summe DiffusionsmassenN k der Nk fl¨ usse α=1 jαi als auch die Summe der Quellterme α=1 Sα verschwinden. Beides gilt aus Gr¨ unden der Massenerhaltung. Die Summe der Diffusionsfl¨ usse verschwindet, da es sich bei ui nach Gl. (2.8) um die mittlere Massengeschwindigkeit des Gasgemischs handelt. Das bedeutet, dass durch jede Zellseite eines Volumenelements zwar ein diffusionsbedingter Teilchenfluss von Komponenten stattfinden kann, der Gesamtdiffusionsmassenfluss muss aber null sein. Die Approximationen f¨ ur den Diffusionsmassenfluss k¨onnen die Einhaltung dieser Bedingung nicht immer gew¨ ahrleisten. Daher haben Coffee und Heimerl [58] der Gl. (2.32) mit jαi
Nk ∂Yα ∂Yβ = − ρDα + ρYα Dβ ∂xi ∂xi β=1
Korrekturterm
(2.35)
2.4 Stoffwerte
23
einen Korrekturterm hinzugef¨ ugt. Dessen Notwendigkeit h¨angt von der Bedeutung der molekularen Diffusion f¨ ur die jeweilige Problemstellung ab. Energiefluss. Der fl¨ achenspezifische Energiefluss (Energiestromdichte) qi wird von einer Vielzahl physikalischer Vorg¨ ange beeinflusst, von denen mit qi = − λ
Nk ∂T + hα jαi ∂xi α=1
(2.36)
nur die zwei wichtigsten ber¨ ucksichtigt werden: W¨armeleitung (Fourier’sches Gesetz) und Diffusion. Die Diffusionsw¨armeleitung (Dufour-Effekt) [269] ist nahezu immer vernachl¨ assigbar. In den Energietransport durch Diffusion gehen die spezifischen Enthalpien hα ein (und nicht eα ), da bei diesem Prozess auch Einschiebearbeit verrichtet wird. Vereinfachter Energiefluss. An Stelle von Gl. (2.36) kommen h¨aufig Approximationen zum Einsatz, die auf Gradienten der spezifischen Enthalpie Nk beruhen. Bei r¨ aumlicher Ableitung von h = h(T, Yα ) folgt mit cp = α=1 cpα Nk ∂h ∂T ∂Yα = cp + hα . ∂xi ∂xi ∂xi α=1
(2.37)
Mit der Prandtl-Zahl P r = µcp /λ und der Schmidt-Zahl Sc = µ/(ρD) ergibt sich bei Vernachl¨ assigung differentieller Diffusion (Dα = D) und Nutzung von Gl. (2.32) qi = −
Nk µ ∂Yα µ µ ∂h − + hα . P r ∂xi P r Sc α=1 ∂xi
(2.38)
Geht man von P r = Sc und damit einer Lewis-Zahl Le = Sc/P r = 1 aus, so entf¨ allt der zweite Term in Gl. (2.38) und es ergibt sich mit qi = −
µ ∂h P r ∂xi
(2.39)
eine sehr einfache Approximation f¨ ur den Energiefluss.
2.4 Stoffwerte Bei nicht-reagierenden, langsamen Str¨ omungen sind die Druck- und Temperatur¨ anderungen im Str¨ omungsfeld so gering, dass die Stoffwerte des Fluids mit hinreichender Genauigkeit als konstant angesehen werden k¨onnen. Ver¨ brennung ist dagegen immer mit großen Anderungen der Temperatur und der Gaszusammensetzung verbunden. Polynome zur Ermittlung von Stoffdaten finden sich in zahlreichen Lehrb¨ uchern [92, 259], weshalb unter Verweis
24
2 Grundlagen der Verbrennung
auf weiterf¨ uhrende Literatur hier nur kurz darauf eingegangen wird. Da die Berechnung der Stoffwerte sehr rechenzeitintensiv sein kein, sollte sie zumindest bei station¨ aren Feldern nicht bei jedem Iterationsschritt erfolgen. Auf Vektor-Rechnern bietet sich ein Vektorisierung dieser Programmteile u ¨ ber die Gesamtzahl an Gitterpunkten an. 2.4.1 Reine Stoffe Thermodynamische Daten. Bei thermisch perfektem Gas sind die • spezifische W¨armekapazit¨at cpα und die spezifische Enthalpie hα reine Funktionen der Temperatur und mit Polynomen dritter bzw. vierter Ordnung gut darstellbar (meist mit 200 K – 1000 K in einen Nieder- und mit 1000 K – 5000 K in einen einen Hochtemperaturbereich unterteilt). An den Schnittstellen stimmen Funktionswerte und ersten Ableitungen u ¨berein. Temperaturabh¨ angige Polynome bieten sich auch zur Berechnung der • spezifische Entropie sα an, die wegen sα = sα (T, p) nur f¨ ur einen Druck gelten (meist den Standarddruck p0 = 1, 001325 bar). Die am h¨ aufigsten eingesetzten Programmpakete zur Berechnung stoffspezifischer Daten sind der CHEMKIN-Code, der an den Sandia-Laboratories entwickelt wurde [140, 142, 141] und ein von der NASA stammendes Programmpaket, das auf Gordon und McBride [110, 111] zur¨ uckgeht. Beide Werke umfassen eine Vielzahl unterschiedlicher Stoffe. Tabellierte thermodynamische Daten finden sich bei Stull und Prophet [238]. Transportkoeffizienten. Bei reinen Stoffen lassen sich die • dynamische Viskosit¨at µα und die W¨armeleitf¨ahigkeit λα durch temperaturabh¨ angige Polynome approximieren [111, 142]. Die erforderlichen Koeffizienten finden sich in den beiden zuvor genannten Programmpaketen. Tabellierte µα - und λα -Werte sind bei Svehla [241] angegeben. Die • bin¨aren Diffusionskoeffizienten Dαβ sind mit Dαβ = Dαβ (T, p) temperatur- und druckabh¨angig und aus gaskinetischen Daten berechenbar [140, 141]. Da die Diffusionskoeffizienten zum ∗ Druck umgekehrt proportional sind, lassen sich mit Dαβ (T ) = p Dαβ (T, p) reine Funktionen der Temperatur schaffen. Koeffizienten solcher Polynome sind den zuvor genannten Programmpaketen zu entnehmen 2.4.2 Gasgemische Die Energie und Enthalpie eines Gasgemischs ergibt sich nach Gl. (2.24) aus den Werten der reinen Komponenten. Komplizierter ist die Ermittlung der
2.5 Chemische Kinetik
25
Transportkoeffizienten des Gasgemischs. Aus den zahlreichen verf¨ ugbaren Approximationen [122, 23, 259] ist hinsichtlich Rechenzeit und Genauigkeit eine dem Problem angepasste Wahl zu treffen. Einer der gebr¨auchlichsten Ans¨atze zur Ermittlung der • W¨armeleitf¨ahigkeit λ und der dynamischen Viskosit¨at µ ist die von Bird modifizierte Form eines Ansatzes von Wilke [267, 23, 142]. Gordon und McBride [111] haben diesen und andere Ans¨atze verglichen und dabei Fehler zwischen einem und zw¨ olf Prozent (im Vergleich zu experimentellen Daten) ausgemacht. Verwendet man f¨ ur die Berechnung des Diffusionsmassenflusses die Gl. (2.32), so wird der • Diffusionskoeffizient Dα einer Komponente α im Gasgemisch ben¨ otigt. Ein oft genutzter, relativ einfacher Ansatz berechnet Dα aus den bin¨ aren Diffusionskoeffizienten und Komponentenmassenanteilen [142, 259].
2.5 Chemische Kinetik In diesem Buch wird ausschließlich auf Simulationen eingegangen, bei denen der Verbrennungsablauf durch Elementarreaktionen beschrieben wird. Auf Grund der begrenzten Reaktionsraten spricht man dann im Englischen von finite-rate chemistry. Das heißt, dass eine mehr oder weniger große Anzahl an Elementarreaktionen den Verbrennungsablauf steuert. Dabei kann es sich um tausende oder nur relativ wenige Reaktionen handeln. Aus den gew¨ohnlich sehr umfangreichen detaillierten Mechanismen lassen sich kleinere, reduzierte Reaktionsmechanismen ableiten. Das ist mit Vereinfachungen verbunden, die unter ung¨ unstigen Bedingungen Fehler nach sich ziehen. Zu Gunsten kurzer Rechenzeiten werde diese meist in Kauf genommen. Ab wann man von einem detaillierten Mechanismus spricht, l¨ asst sich nicht klar definieren. 2.5.1 Chemische Umsatzraten Ein beliebiger Reaktionsmechanismus mit r = 1, 2, . . . , Nr Elementarreaktionen wird allgemein durch Nk α=1
ναr Mα
kfr −→ ←− kbr
Nk
ναr Mα
(2.40)
α=1
ausgedr¨ uckt. Darin steht Mα f¨ ur die chemische Gaskomponente α, Nr ist die Anzahl unterschiedlicher Reaktionen und ναr und ναr sind die St¨ochiometriekoeffizienten der Komponente α in der jeweiligen Hin- beziehungsweise R¨ uckreaktion r. Die verschwindenden Reaktionspartner auf der linken Seite der Gleichung bezeichnet man als Edukte, die entstehenden als Produkte. Die
26
2 Grundlagen der Verbrennung
Ordnung einer Hin- oder R¨ uckreaktion (Elementarreaktion) ergibt sich aus der Summation ihrer St¨ ochiometriekoeffizienten. Da in der Verbrennung nur Reaktionen mit maximal drei Stoßpartnern (trimolekulare Reaktionen) eine Rolle spielen, liegt die Ordnung relevanter chemischer Reaktionen zwischen eins und drei. Am h¨ aufigsten treten bimolekulare Reaktionen auf. Reaktionsmechanismen f¨ ur die Wasserstoff-Luft- sowie die Methan-Luft-Verbrennung finden sich in Anhang A.1. F¨ ur ein beliebiges Reaktionsschema ergibt sich die momentane Umsatzrate der Komponente α zu ⎛ ⎡ ⎞⎤ N N Nr k +1 k +1 ν ν ⎣(ναr − ναr ) ⎝ kfr Sα = M α cββr − kbr cββr ⎠⎦ . (2.41) r=1
β=1
β=1
Darin bezeichnen kfr und kbr die Geschwindigkeitskoeffizienten (rate coefficients der Hin- (forward) und R¨ uckreaktion (backward), Mα das Molekulargewicht und ρYα cα = (2.42) Mα die Konzentration der Komponente α. Die Konzentration der fiktiven Komponente Nk +1 dient der Ber¨ ucksichtigung inerter Stoßpartner (s. Gl. (2.44)). Eine Reaktion r tr¨ agt nur dann zu Sα bei, wenn mindestens einer ihrer St¨ochiometriekoeffizienten ungleich null ist. Steht dem Verbrennungsablauf unendlich viel Zeit zur Verf¨ ugung, so stellt sich chemisches Gleichgewicht (chemical equilibrium) ein: Die Reaktionsraten der Hin- und R¨ uckreaktionen sind gleich groß, die Reaktionen befinden sich im Gleichgewicht. Das bedeutet, dass der innerhalb der runden Klammer in Gl. (2.41) stehende Terme bei allen Reaktionen verschwindet. Ist die atsgleichung im Gleichungssystem enthalten, so sind weKontinuit¨ Nk gen ρ = α=1 cα Mα nur Nk − 1 Konzentrationen linear unabh¨angig. F¨ ur die Berechnung des chemischen Quellterms ist das bedeutungslos. Dagegen muss bei einer analytischen Bildung der Quellterm-Jacobi-Matrix (s. Abschn. 16.1) Sα als Funktion linear unabh¨ angiger Variablen vorliegen. Hierzu ist mit N k −1 ρYNk 1 ρ− = ρYα (2.43) cNk = cNk (ρ, ρY1 , . . . , ρYNk −1 ) = MNk MNk α=1 die Konzentration der letzten Komponente als Funktion der linear unabh¨angigen Variablen ρ, ρY1 , ρY2 , . . . , ρYNk−1 zu formulieren. Inerte Stoßpartner. Bei einigen chemischen Reaktionen erfordert die Aktivierung oder Deaktivierung neben den reagierenden Spezies noch einen inerten Stoßpartner M . Dieser nimmt selbst nicht an der Reaktion teil und taucht daher auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung auf. Inerte Stoßpartner treten sowohl bei chemischen Reaktionen zweier Gaskomponenten (meist Rekombinationsreaktionen) als auch beim Zerfall eines einzelnen Molek¨ uls
2.5 Chemische Kinetik
27
(Dissoziationsreaktionen) auf. Da dann zumindest in einer Reaktionsrichtung drei Stoßpartner involviert sind, spricht man in diesem Zusammenhang oft von Dreierstoß-Reaktionen (three body reactions). Wenn es gleichg¨ ultig ist, welches Atom oder Molek¨ ul bei einer Reaktion als inerter Stoßpartner dient, dann kann in Gl. (2.41) cM = c gesetzt werden. In der Regel sind die Auswirkungen der inerten Spezies auf den Reaktionsablauf jedoch verschieden. Dem wird durch eine individuelle Effektivit¨at tα des inerten Stoßpartners (third body efficiency) Rechnung getragen. Die Auswirkungen der inerten Stoßpartner werden in Gl. (2.41) durch die fiktive Gaskomponente Nk + 1 ber¨ ucksichtigt, deren Konzentration sich wie folgt errechnet cNk +1r =
Nk α=1
tαr
Nk−1 tαr ρYα tN r tN r ρYα . = ρ k + − k Mα MNk Mα MNk α=1
(2.44)
Im Gegensatz zu den Konzentrationen realer Komponenten ist cNk +1r von der Reaktion r abh¨ angig. In Gl. (2.44) ist cNk +1 auch als Funktion von ρY1 , ρY2 , . . . , ρYNk−1 und ρ angegeben. Bei gleicher Effektivit¨at aller Spezies folgt cNk +1 = cM = c. Da nur ein Teil der Elementarreaktionen inerte Stoßpartner erfordert, wird deren Auftreten durch den St¨ochiometriekoeffizienten 0 : kein inerter Stoßpartner, alle tαr = 0, νNk +1r = (2.45) 1 : inerte(r) Stoßpartner, mindestens ein tαr = 0 = νN sowie α = 1, 2, . . . , Nk und gesteuert. Dabei gilt νNk +1r = νN k +1r k +1r r = 1, 2, . . . , Nr . Somit ist cNk +1r f¨ ur eine Reaktion r nur bei νNk +1r = 0 zu berechnen. An dieser Stelle ist zu bemerken, dass in Gl. (2.41) Terme der Art xν f¨ ur ν = 0 unabh¨ angig von x immer als eins anzusehen sind. Genau genommen w¨ are dieser Term bei x = 0 nicht definiert.
Arrhenius-Ansatz. Zur Berechnung der chemischen Umsatzraten m¨ ussen die Geschwindigkeitskoeffizienten der Hin- und R¨ uckreaktionen r bekannt sein. In der Regel wird zumindest einer der beiden Werte mit dem erweiterten Arrhenius-Ansatz
−Er nr kr = Ar T exp (2.46) Rm T
k1r
k2r
berechnet, der eine reine Funktion der Temperatur ist. Die Konstanten Ar und nr gehen in den Term k1r ein, der f¨ ur die Stoßfrequenz der Molek¨ ule steht [149]. Er bezeichnet die Aktivierungsenergie. In der urspr¨ unglichen, auf Arrhenius zur¨ uckgehenden Formulierung wurde k1r als Konstante angesehen. Deshalb bezeichnet man den neueren Ansatz nach Gl. (2.46) als erweiterte Arrhenius-Funktion. Alternativen zum erweiterten Arrhenius-Ansatz. Nicht immer l¨asst sich die Temperaturabh¨ angigkeit eines Geschwindigkeitskoeffizienten mit dem
28
2 Grundlagen der Verbrennung
erweiterten Arrhenius-Ansatz hinreichend genau erfassen. Das erfordert alternative Formulierungen, die die Programmierung erschweren. Ein Beispiel hierzu ist die Reaktion OH + OH H2 O + O, f¨ ur die Balakrishnan et al. [7] folgenden Ansatz vorschlagen kr = Ar exp (Br T ) ,
(2.47)
der mit Ar und Br lediglich zwei Konstanten aufweist. Druckabh¨ angigkeit von Geschwindigkeitskoeffizienten. Bei einigen Dissoziationsreaktionen (in umgekehrter Richtung Rekombinationsreaktionen) tritt neben der Temperatur- auch eine Druckabh¨angigkeit der Geschwindigkeitskoeffizienten auf, wenn man diesen Vorgang wie eine Elementarreaktion beschreibt (es handelt sich dabei jedoch um keine Elementarreaktion). Das liegt daran, dass der unimolekulare Zerfall eines Molek¨ uls u ¨ ber komplexe Reaktionsfolgen von statten geht, die sich durch eine einzige Reaktion nicht erfassen lassen [93, 259]. Das zerfallende Molek¨ ul muss unter bestimmten Umst¨ anden zun¨ achst durch Stoß mit einem inerten Partner in einen aktivierten Zustand versetzt werden, in dem es h¨ ohere innere Vibrations- und Rotatsionsenergien aufweist. Aus diesem Zustand heraus kommt es entweder zum Zerfall, oder das aktivierte Molek¨ ul gibt seine gewonnene Energie wieder an einen inerten Stoßpartner ab und f¨ allt in den Ausgangszustand zur¨ uck. Dieser Prozess l¨ asst sich in drei Schritten beschreiben [93] und geht auf Lindemann (1922) zur¨ uck [259]. Die entsprechende Dissoziationsreaktion verh¨alt sich im Niederdruckbereich anders, als im Hochdruckbereich. Genau genommen liegt eine Abh¨ angigkeit von der Konzentration des inerten Stoßpartners vor, die wiederum linear vom Druck abh¨ angt. Ein Beispiel daf¨ ur ist die Zersetzung von Methan [126] CH4 + (M) → CH3 + H + (M) , (2.48) die bei niedrigen Dr¨ ucken (bzw. niedrigen Konzentrationen des inerten Stoßpartners M) als Reaktion CH4 + M → CH3 + H + M
(2.49)
abl¨ auft, w¨ ahrend sie sich bei hohen Dr¨ ucken wie eine unimolekulare Zerfallsreaktion ohne inerten Stoßpartner verh¨ alt CH4 → CH3 + H .
(2.50)
F¨ ur beide F¨ alle k¨ onnen Geschwindigkeitskoeffizienten angegeben werden. Zu ihrer Unterscheidung sind sie (wie die Konstanten der erweiterten ArrheniusFunktionen) f¨ ur den Niederdruckbereich mit dem Index 0 und f¨ ur den Hochdruckbereich mit dem Index ∞ versehen
−E0r n0r k0r = A0r T : cMr → 0 , exp (2.51) Rm T
−E∞r k∞r = A∞r T n∞r exp : cMr → ∞ . (2.52) Rm T
2.5 Chemische Kinetik
29
L¨ auft die Reaktion eindeutig in einem der beiden Druckbereiche ab, so ist die jeweilige Arrhenius-Funktion zu nutzen. Betrachtet man den Reaktionsablauf als unimolekulare Reaktion mit dem Geschwindigkeitskoeffizienten kr , so gilt im Niederdruckbereich, k0r cMr : kr = (2.53) k∞r : im Hochdruckbereich. ¨ Damit verbleibt das Problem, auch den Ubergangsbereich (fall-off range) abzudecken. Bei konstanter Temperatur und ansteigendem cM (ansteigendem Druck) w¨ achst kr zun¨ achst linear an und geht schließlich f¨ ur große cM in den konstanten Wert k∞r u ¨ ber. Dies wird durch die so genannten fall-off-Kurven beschrieben, deren Entwicklung auf Lindemann und Hinshelwood zur¨ uckgeht [93]. Maßgebliche Weiterentwicklungen zu
xr kr = k∞r F (xr ) (2.54) 1 + xr mit xr =
k0r cMr k∞r
(2.55)
erfolgten durch Troe und Mitarbeiter [248, 106], die der urspr¨ unglichen Gleichung den Verbreiterungsfaktor F (xr ) hinzuf¨ ugten. In Abh¨angigkeit von der Temperatur kann in einer ersten Approximation [248] ⎧ log Fcr ⎪ ⎪ : bei niedrigen Temperaturen, ⎨ 1 + (log xr )2 log F (xr ) ≈ ⎪ log Fcr ⎪ ⎩ : bei hohen Temperaturen 1 + (log xr )2 /N 2 (2.56) mit N = 0, 75 − 1, 27 log Fcr gesetzt werden. Eine relativ genaue Approximation f¨ ur Fcr ist durch Fcr (T ) ≈ (1 − ar ) exp(−T /Tr∗∗∗) + ar exp(−T /Tr∗) + exp(−Tr∗∗ /T ) (2.57) gegeben. Verwendet man diesen Ansatz zur Berechnung einer druckabh¨angigen Zerfallsreaktion, so erfordert das neben den Nieder- und HochdruckArrhenius-Koeffizienten noch die Parameter ar , Tr∗ , Tr∗∗ und Tr∗∗∗ . Die am Beispiel einer Zerfallsreaktion demonstrierte Druckabh¨angigkeit tritt in gleicher Weise bei den jeweiligen R¨ uckreaktionen (Rekombinationsreaktionen) auf. Gleichgewichtskonstanten. Die Geschwindigkeitskoeffizienten von Elementarreaktionen werden oft experimentell bestimmt und liegen dann nur in einer Reaktionsrichtung vor. Der ben¨ otigte Geschwindigkeitskoeffizient der R¨ uckreaktion l¨ asst sich mit kfr Kcr = (2.58) kbr
30
2 Grundlagen der Verbrennung
aus der auf Konzentrationen bezogenen Gleichgewichtskonstanten Kcr ermitteln. Diese Beziehung gilt auch bei chemischem Nichtgleichgewicht. Die dimensionsbehaftete Gleichgewichtskonstante Kcr ist aus thermodynamischen Daten berechenbar. Ausgangspunkt ist die auf Partialdr¨ ucke (pα /p0 ) bezogene Gleichgewichtskonstante einer Reaktion r Nk 1 ◦∗ ◦∗ Kpr = exp − (2.59) (h − sα T ) ναr . Rm T α=1 α Diese ist dimensionslos und auf den Standarddruck p0 = 1, 001325 bar bezogenen, weshalb die eingehenden molaren Enthalpien h◦∗ α und molaren Entropien s◦∗ mit ◦ gekennzeichnet sind. Der (Brutto) St¨ o chiometriekoeffizient einer α Spezies α in der Reaktion r folgt mit ναr = ναr − ναr
(2.60)
aus den St¨ ochiometriekoeffizienten der Produkte und Edukte. Bei idealem ∗ ∗ ∗ ∗ ◦∗ ∗ Gas gilt h◦∗ α = hα = hα (T ) und sα = sα (p, T ) bzw. sα (T ) = sα (p0 , T ). Die in Abschn. 2.4.1 zitierten Polynome der Entropien beziehen sich auf den Standarddruck. Aus Kpr geht mit Kcr = Kpr
p0 Rm T
ν
Nk
α=1
αr
(2.61)
und Nutzung von Gl. (2.58) der Geschwindigkeitskoeffizient der R¨ uckreaktion hervor. 2.5.2 Reaktionsmechanismen Den meisten technischen Verbrennungsprozessen liegen komplexe reaktionskinetische Abl¨ aufe zu Grunde, deren Beschreibung eine Vielzahl von Elementarreaktionen erfordert. Selbst die Wasserstoff-Luft-Verbrennung, die als verh¨altnism¨ aßig einfach und gut erforscht anzusehen ist, ben¨otigt zur Darstellung des Reaktionsablaufs mindestens 20 Reaktionen und 10 Komponenten [127]. H¨ aufig werden jedoch wesentlich komplexere Mechanismen eingesetzt. Dieser Aufwand ist zumindest dann notwendig, wenn chemisches Nichtgleichgewicht oder Z¨ undprozesse vorliegen oder wenn relativ langsame Vorg¨ange wie die Stickoxidbildung von Interesse sind. Die in der technischen Verbrennung h¨ aufig anzutreffenden Kohlenwasserstoffe erfordern im Allgemeinen umfangreiche Reaktionsmechanismen. Ein von Frenklach et al. [88] erstelltes detailliertes Reaktionsschema zur Methan-Verbrennung ber¨ ucksichtigt bereits 149 Elementarreaktionen. Bei h¨ oheren Kohlenwasserstoffen kommen schnell mehrere hundert Komponenten und tausende von Reaktionen zusammen. Der Rechenaufwand ist dann extrem hoch und bei 3D-Simulationen nicht zu bew¨altigen. Oftmals lassen sich die wesentlichen chemisch-physikalischen Vorg¨ange aber auch mit kleineren Reaktionsmechanismen relativ gut erfassen.
2.5 Chemische Kinetik
Abb. 2.1. k(T ) f¨ ur die Elementarreaktion O2 + H → OH + O mit Daten aus [127, 180, 86, 10, 173, 219, 198, 179, 273]
31
Abb. 2.2. k(T ) f¨ ur die Elementarreaktion CO + OH → CO2 + H mit Daten aus [11, 9, 258]
Die reaktionskinetischen Daten weisen h¨ aufig hohen Fehlertoleranzen auf. Abweichungen um eine Zehnerpotenz sind bei den Geschwindigkeitskoeffizienten durchaus nicht ungew¨ ohnlich [259]. Gl¨ ucklicherweise erfordert die Berechnung von Verbrennungsabl¨ aufen nicht bei allen Reaktionen eine hohe Genauigkeit der reaktionskinetischen Daten, da der Reaktionsablauf meist nur von relativ wenigen Elementarreaktionen gepr¨agt wird. Mit Hilfe von Sensitivit¨atsanalysen l¨ asst sich das eindrucksvoll zeigen [259]. W¨ahrend die Daten der geschwindigkeitsbestimmenden Reaktionen m¨oglichst exakt sein m¨ ussen, sind die der verbleibenden Reaktionen von geringerer Bedeutung. Das heißt jedoch nicht, dass auf diese Reaktionen verzichtet werden kann. Eine ¨außerst wichtige Reaktion (nach Michael [179] sogar die bedeutendste Reaktion in der Verbrennung), die eine hohe Sensitivit¨ at bez¨ uglich des Reaktionsablaufs aufweist, ist die Kettenreaktion O2 + H −→ OH + O .
(2.62)
Dass selbst bei so wichtigen Reaktionen betr¨achtliche Abweichungen in den reaktionskinetischen Daten unterschiedlicher Autoren auftreten, verdeutlicht Abb. 2.1. Aufgetragen sind Geschwindigkeitskoeffizienten, die mit Daten der Autoren Jachimowski [127], Miller [180], Frank und Just [86], Baulch [10], Masten et al. [173], Schott [219], Pirraglia et al. [198], Michael [179] und Yuan et al. [273] berechnet wurden. Es ist jedoch zu betonen, dass diese Geschwindigkeitskoeffizienten f¨ ur unterschiedliche Temperaturbereiche validiert wurden, die in Abb. 2.1 teilweise weit u ur die noch ¨ berschritten werden (das gilt auch f¨ folgende Reaktion in Gl. (2.63)). Im Gegensatz zur sonst u ¨ blichen logarithmischen Darstellung sind die Geschwindigkeitskoeffizienten hier linear u ¨ ber der Temperatur aufgetragen. Je nach verwendetem Datensatz erh¨alt man Unterschiede, die bis zu Faktor drei betragen. Eine weitere, bei der Verbrennung
32
2 Grundlagen der Verbrennung
Abb. 2.3. T (t) bei adiabater, isobarer H2 -Luft-Verbrennung mit Starttemperatur 920 K und Reaktionsmechanismen nach [127, 252]
Abb. 2.4. Yi (t) der Radikale OH, O und H bei adiabater, isobarer H2 -LuftVerbrennung, Starttemperatur 920 K und Mechanismen nach [127, 252]
von Kohlenwasserstoffen sehr sensitive Reaktion ist die Bildungsreaktion von Kohlendioxid CO + OH −→ CO2 + H . (2.63) Deren Geschwindigkeitskoeffizienten sind in Abb. 2.2 gezeigt. Die zu Grunde liegenden Daten stammen von Baulch et al. [11], Baulch und Drysdale [9] und Warnatz [258]. Obwohl der Einfluss der Temperatur auf den Geschwindigkeitskoeffizienten wesentlich schw¨ acher ist als zuvor, treten auch hier Abweichungen von bis zu Faktor zwei auf. F¨ ur den Nutzer reaktionskinetischer Daten bleibt somit festzustellen, dass die reaktionskinetischen Eingabedaten fehlerhaft sein k¨ onnen. Dar¨ uber hinaus sind die gesicherten Fehlertoleranzen h¨ aufig auf so enge Temperaturintervalle begrenzt, dass sie in praktischen Anwendungen zwangsweise u ¨ berschritten werden. Testfall zu Reaktionsmechanismen. Der Einfluss des Reaktionsschemas kommt insbesondere bei abgehobenen Flammen zum Tragen. Da bei Z¨ undprozessen mehr chemische Reaktionen sensitiv sind, als bei gleichgewichtsnaher Verbrennung, ist dort die Genauigkeit des gew¨ahlten Reaktionsschemas besonders wichtig [259]. Die Auswirkungen unterschiedlicher Reaktionsmechanismen auf Z¨ undung und Verbrennung soll ein einfaches Beispiel verdeutlichen. Ausgangspunkt sei ein adiabates, homogenes Reaktionssystem (perfectly stirred reactor), in dem sich zum Zeitpunkt t=0 ein st¨ochiometrisches Wasserstoff-Luft-Gemisch befindet. Der Druck bleibt w¨ahrend der Verbrennung bei einem bar konstant, die Ausgangstemperatur sei 920 K. Unter den genannten Bedingungen kommt es zu einer explosionsartigen Verbrennung, die sich in drei Bereiche unterteilen l¨ asst: Induktion (Z¨ undverzug), Z¨ undung und chemisches Gleichgewicht. Abbildung 2.3 zeigt Temperaturverl¨aufe und Abb. 2.4 die Entwicklung der Massenanteile der Radikale OH, O und H u ¨ ber
2.5 Chemische Kinetik
Abb. 2.5. Charakteristische Zeit bis zum Erreichen chemischen Gleichgewichts als Funktion der Starttemperatur mit Reaktionsmechanismus nach Vajda [252]
33
Abb. 2.6. T (t) bei adiabater, isobarer H2 -Luft-Verbrennung mit Starttemperatur 1200 K f¨ ur unterschiedliche Reaktionsmechanismen [127, 252, 12]
der Zeit. W¨ ahrend der Induktionsphase bilden sich zun¨achst die in Abb. 2.4 dargestellten Radikale, wobei die Temperatur nahezu konstant bleibt. Mit der explosionsartig einsetzenden Z¨ undung steigt die Temperatur dann stark an, bis sich chemisches Gleichgewicht einstellt. Die Mechanismen von Jachimowski [127] und Vajda et al. [252] ber¨ ucksichtigen je 19 Reaktionen und neun Komponenten, der dritte Mechanismus ist eine verk¨ urzte (reduzierte) Version des Jachimowski-Mechanismus und besteht aus sieben Reaktionen und sieben Komponenten [12]. Die drei Reaktionsmechanismen weisen bez¨ uglich des Z¨ undverzugs deutliche Unterschiede auf. Das ist unter anderem darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass die Starttemperatur mit 920 K nahe an der Z¨ undgrenze des st¨ ochiometrischen Wasserstoff-Luft-Gemischs liegt, so dass die Niedertemperaturkinetik eine wichtige Rolle spielt. In Abb. 2.5 sind charakteristische Zeiten dieses Verbennungsvorgangs in Abh¨ angigkeit von der Starttemperatur logarithmiert aufgetragen. Die charakteristische Zeit τc ist als die Zeit definiert, die vergeht, bis die Temperatur des Gemisches 99% der Gleichgewichtstemperatur erreicht hat. Wie Abb. 2.5 zeigt, steigt der Betrag des Gradienten von τc mit sinkender Starttemperatur (Ann¨aherung an die Z¨ undgrenze) an. Entsprechend wirken sich Ungenauigkeiten des Reaktionsschemas mit steigender Anfangstemperatur weniger stark aus. Abbildung 2.6 demonstriert das f¨ ur eine Starttemperatur von 1200 K. Der Temperaturverlauf des reduzierten Reaktionsmechanismus stimmt dann nahezu mit dem des umfangreicheren Jachimowski-Schemas u ¨berein. Andererseits wird an diesem Beispiel aber auch deutlich, dass verk¨ urzte Mechanismen bei kritischen Zust¨anden stark fehlerhaft sein k¨ onnen. Es bleibt festzustellen, dass der verwendete Reaktionsmechanismus f¨ ur den zu simulierenden Druck- und Temperaturbereich validiert sein sollte. Ansonsten sind relativ große Fehler m¨oglich.
3 Grundlagen turbulenter Str¨ omungen
Die wohl gr¨ oßte Herausforderung in der Str¨ omungs- und Verbrennungssimulation liegt in der Erforschung und Beschreibung der Turbulenz. Sieht man von der direkten numerischen Simulation (DNS) ab, so f¨ uhrt Turbulenz unweigerlich auf ein ungeschlossenes Gleichungssystem. Dieses erfordert Modellierung, was immer mehr oder weniger große Fehler nach sich zieht. Die am h¨ aufigsten eingesetzte Schließungsmethode sind die Momentenverfahren. Mit diesem Ansatz besch¨ aftigt sich Teil II dieses Buchs. Zuvor sind jedoch einige grundlegende Ph¨ anomene der Turbulenz zu erl¨autern.
3.1 Ursachen und Auswirkungen der Turbulenz Die meisten technisch relevanten Str¨ omungen sind turbulent, was sich in einem scheinbar zuf¨ alligen, irregul¨ aren und chaotischen Verhalten ¨außert. Die Gr¨ oßenordnung der auftretenden Wirbel kann sehr unterschiedlich sein. Globale Luftstr¨ omungen, Raketenbrennkammern, Haushaltsbrenner, Pumpen und Automotoren werden gleichermaßen von der Turbulenz gepr¨agt. Zu den wichtigsten Eigenschaften turbulenter Str¨ omungen geh¨ort die im Vergleich zur laminaren Str¨ omung deutlich erh¨ ohte Diffusivit¨at, Viskosit¨at und W¨armeleitung. Oftmals gew¨ ahrleistet erst Turbulenz eine gute Mischung und Verbrennung. Turbulente Str¨ omungen sind immer dissipativ, was die innere Energie der Str¨ omung auf Kosten der turbulenten kinetischen Energie erh¨oht [245]. Ein charakteristisches Merkmal der Turbulenz ist ihre r¨aumlich dreidimensionale Wirbelstruktur. Die konvektiven Terme in den Impulsgleichungen rufen in turbulenten Str¨ omungen eine dreidimensionale Rotation hervor. Dabei entstehen Wirbelf¨aden, die transportiert, gestreckt oder durch viskose Effekte abgebaut werden. Eine Streckung der Wirbelf¨aden ist mit einem Anstieg der Rotation verbunden. Turbulenz tritt nur dann auf, wenn die nichtlinearen konvektiven Kr¨afte im Vergleich zu den viskosen einen Schwellenwert u ¨ berschreiten. Unterhalb der kritischen Reynolds-Zahl werden Instabilit¨aten durch viskose Einfl¨ usse
36
3 Grundlagen turbulenter Str¨ omungen
ged¨ ampft. Ist die kritische Reynolds-Zahl u ¨berschritten, so kommt es zu einer Anfachung der Turbulenz. Große, instabile Wirbel werden erzeugt, die selbst wieder kleinere Wirbel hervorrufen [174]. Die mathematische Grundlage zur Simulation turbulenter, reagierender Str¨ omungen bilden die in Abschn. 2.1 aufgef¨ uhrten Bilanzgleichungen. Unter den dort genannten Bedingungen sind sie auch im turbulenten Fall g¨ ultig, was die Aufl¨ osung aller r¨ aumlichen und zeitlichen Turbulenzskalen voraussetzt. In den meisten F¨ allen besitzt das Gleichungssystem (2.4) bis (2.7) bei gegebenen Anfangs- und Randbedingungen eine eindeutige L¨osung. Das chaotische Verhalten, welches f¨ ur turbulente Str¨ omungen charakteristisch ist, geht auf die extrem starke parametrische Sensitivit¨at dieser nichtlinearen Gleichungen zur¨ uck. Ist die kritische Reynolds-Zahl u ugen ¨ berschritten, so gen¨ kleinste Schwankungen in den Anfangs- oder Randbedingungen, um star¨ ke Anderungen des Ergebnisses zu sp¨ ateren Zeitpunkten zu bewirken. Solche Schwankungen lassen sich im Experiment nie vermeiden. Eine Wiederholung unter nominell gleichen Bedingungen erbringt dann immer unterschiedliche Resultate. Der gleiche Effekt ist in der numerischen Simulationen durch geringf¨ ugige Ver¨ anderungen der Anfangs- oder Randbedingungen erzielbar. Trotz dieses scheinbar willk¨ urlichen Verhaltens weisen turbulente Str¨omungen Gesetzm¨ aßigkeiten auf. So geht man bei statistisch station¨arer turbulenter Str¨ omung davon aus, dass deren statistische Eigenschaften, wie Erwartungswerte und h¨ohere Momente, reproduzierbar sind. Damit ist eine wesentliche Grundlage zur mathematischen Erfassung der Turbulenz gegeben. 3.1.1 Energiekaskade Ein großes Hindernis bei der Simulation turbulenter Prozesse liegt in der breiten Spanne der auftretenden L¨ angen- und Zeitskalen. Die gr¨oßtm¨oglichen Wirbelstrukturen orientieren sich an den physikalischen Abmessungen des Problems. Ihre Gr¨ oße kann als die L¨ ange angesehen werden, bis zu der zwei r¨ aumlich getrennte Punkte Korrelationen aufweisen (Korrelationsl¨ange) [174]. Die großen Wirbel beinhalten den gr¨ oßten Teil der turbulenten kinetischen Energie. Durch sie wird dem Str¨ omungsfeld permanent Energie entzogen. Auf Grund ihrer Instabilit¨ at kommt es zum Aufbrechen der Wirbel und zur Bildung kleinerer Strukturen. Damit setzt ein kontinuierlicher Energiefluss von großen zu immer kleineren Wirbeln ein, den man als Energiekaskade bezeichnet. Dieser Energietransfer ist eine Folge der nichtlinearen konvektiven Terme in den Impulsgleichungen. Mit abnehmender Wirbelgr¨oße und damit abnehmender charakteristischer Turbulenz-Reynolds-Zahl gewinnen die viskosen Effekte an Bedeutung. Allerdings dominieren die konvektiven Kr¨afte so stark, dass viskose Einfl¨ usse erst auf Ebene der kleinsten Turbulenzstrukturen – den Kolmogorov-Skalen – zum Tragen kommen. Kleinere Wirbel sind nicht m¨ oglich, da auf Kolmogorov-Ebene alle Instabilit¨aten durch Reibung sofort ged¨ ampft werden: Die zugef¨ uhrte turbulente kinetische Energie dissipiert. Der ¨ Ubergang von den großen zu immer kleineren Wirbeln ist ein kontinuierlicher,
3.1 Ursachen und Auswirkungen der Turbulenz
37
stetiger Prozess, der Wirbel aller dazwischenliegenden Gr¨oßen hervorbringt. F¨ ur den Energietransfer ergibt sich folgender Ablauf [174]: kinetische Energie des mittleren Str¨omungsfelds ↓ kinetische Energie großer turbulenter Strukturen ↓ Energiekaskade von großen zu kleinen turbulenten Strukturen ↓ Dissipation der Energie in den kleinsten Wirbeln. Bei Verbrennung ist zu beachten, dass chemische Reaktionen auf molekularer Ebene stattfinden und die Dicken von Verbrennungszonen noch unterhalb der Kolmogorov-L¨ ange liegen k¨ onnen. 3.1.2 Kleinste turbulente Strukturen Neben den L¨ angenskalen lassen sich auch Zeitskalen der Turbulenz definieren. Sie stehen f¨ ur die durchschnittliche Lebensdauer der entsprechend großen Wirbel. Damit stellt sich die Frage, wie sich die kleinsten vorkommenden Skalen bestimmen lassen. Geht man vereinfachend davon aus, dass die turbulente kinetische Energie nur in den kleinsten Skalen dissipiert, dann muss deren Dissipationsrate identisch zu der aus den großen Wirbeln stammenden Energie sein (Energietransferrate = Dissipationsrate). Bereits 1941 hat Kolmogorov seine ¨ Ahnlichkeitshypothesen zur kleinskaligen, turbulenten Fluktuation aufgestellt. Diese besagen unter anderem, dass jede turbulente Str¨omung bei gen¨ ugend hoher Reynolds-Zahl in ihrem kleinskaligen Verhalten lokal isotrop ist [210]. Im Gegensatz zur großskaligen, anisotropen, geometriebedingten Turbulenz bekommen die feinskaligen Vorg¨ ange damit einen universellen Charakter. Das Spektrum turbulenter L¨ angenskalen l¨ asst sich mit abnehmender L¨ange wie folgt unterteilen [210]: • Bereich große Strukturen (energy containing range), der den Großteil der turbulenten kinetischen Energie enth¨ alt und in dem diese produziert wird, • Bereich universellen Gleichgewichts (universal equilibrium range), der sich weiter in den – Inertialbereich (inertial range), – Dissipationsbereich (dissipation range) aufspaltet. Im Inertialbereich wird die turbulente kinetische Energie, ohne zu dissipieren an die kleinsten Turbulenzstrukturen u ¨bertragen. Entsprechend charakterisiert die Energietransferrate als einzige Gr¨ oße die Vorg¨ange im Inertialbereich. Dagegen sind es zwei Parameter, die die Vorg¨ange im Dissipationsbereich pr¨ agen: die Energietransferrate von den großen zu den kleinen Wirbeln, die n¨ aherungsweise mit der Dissipationsrate gleichgesetzt werden darf und
38
3 Grundlagen turbulenter Str¨ omungen
die kinematische Viskosit¨ at ν, die f¨ ur die Dissipation verantwortlich ist. Von diesen beiden Gr¨ oßen m¨ ussen die kleinsten Turbulenzskalen (L¨angen-, Zeitund Geschwindigkeitsmaß) abh¨ angen [245]. Durch Dimensionanalyse ergeben sich die Kolmogorov’schen Mikroskalen η ≡
ν3
1/4 ,
τ ≡
ν 1/2
(3.1)
f¨ ur das kleinste turbulente L¨ angen- und Zeitmaß. Mit uη = η/τ = (ν)1/4 folgt daraus das linear abh¨ angige Geschwindigkeitsmaß. Die mit den Kolmogorov’schen Skalen gebildete Reynolds-Zahl betr¨agt eins, was best¨atigt, dass auf diesen Skalen die Dissipation bedeutend ist. Wie aus Gl. (3.1) hervorgeht, sind η und τ umso kleiner, je geringer die Viskosit¨at des Fluids ist. Dar¨ uber hinaus nehmen beide Gr¨ oßen mit ansteigender Dissipationsrate ab. Die Dissipationsrate folgt wiederum aus der turbulenten kinetischen Energie der großen Wirbel und dem entsprechenden L¨ angen- und Geschwindigkeitsmaß. Im Folgenden wird das integrale turbulente L¨angenmaß der gr¨oßten Wirbel mit L, deren Geschwindigkeitsmaß mit uL und deren Zeitmaß mit tL = L/uL bezeichnet. F¨ ur das Geschwindigkeitsmaß gilt uL = O( 2/3k) und f¨ ur die Dissipationsrate = O(u3L /L) und damit L = k 3/2 / [85]. In Abh¨angigkeit von der Turbulenz-Reynolds-Zahl √ kL Ret ≡ (3.2) ν ergeben sich folgende Zusammenh¨ ange zwischen den gr¨oßten und den kleinsten Wirbeln η τ = O(Ret −3/4 ) , = O(Ret −1/2 ) . (3.3) L tL achst das Verh¨ altnis der L¨angen- und Zeitskalen an. Mit zunehmendem Ret w¨ Das bedeutet, dass bei gleicher makroskopischer Abmessung und steigender Reynolds-Zahl η und τ abnehmen. Sollen auch die kleinsten Turbulenzstrukturen vom Rechengitter aufgel¨ ost werden, so steigt die erforderliche Anzahl an Gitterpunkten mit O(Ret 9/4 ) an. Gleichzeitig ist mit zunehmendem Ret auch der Zeitschritt zu reduzieren. Das hat zur Folge, dass der Aufwand solcher Rechnungen in etwa mit O(Ret 3 ) zunimmt [210]. Damit r¨ uckt die M¨oglichkeit von DNS bei hohen Reynolds-Zahlen in weite Ferne. Eine wichtige verbrennungsspezifische Besonderheit sind die meist a¨ußerst geringen Flammendicken. Diese liegen teilweise noch weit unterhalb der Kolmogorov-L¨ ange. Das Verh¨ altnis der kleinsten Strukturen der Verbrennung zu denen der Turbulenz beeinflusst die Form der Flammenfront und definiert den G¨ ultigkeitsbereich vieler Modellierungsans¨atze. Eine der wichtigsten Verbrennungskennzahlen ist die Damk¨ohler-Zahl Da ≡
τt , τc
(3.4)
3.2 Zerlegung fluktuierender Gr¨ oßen
39
die sich auf verschiedene Weisen definieren l¨ asst. Sie stellt das Verh¨altnis eines turbulenten (τt ) zu einem chemischen (τc ) Zeitmaß dar. Bei Da 1 laufen die chemischen Vorg¨ ange sehr viel schneller ab, als die turbulenzbedingten. Die Folge sind sehr d¨ unne Reaktionszonen, die nur schwach von der Turbulenz beeinflusst werden. Dagegen u usse der ¨ berwiegen bei Da 1 die Einfl¨ Turbulenz.
3.2 Zerlegung fluktuierender Gr¨ oßen Bei turbulenten Str¨ omungen ist man oftmals nicht an der korrekten zeitlichen Erfassung fluktuierender Anteile interessiert, sondern an einer guten, m¨oglicherweise auch zeitgenauen Wiedergabe gemittelter Variablen. In diesem Fall bietet sich die L¨ osung gemittelter Transportgleichungen an. Wesentlich f¨ ur die Aufstellung eines gemittelten Gleichungssystems ist 1. die Art der Zerlegung fluktuierender Gr¨ oßen (Reynolds-, Favre-Mittel), 2. die Art der Mittelwertbildung (zeitliches, r¨aumliches Mittel, EnsembleMittel). Diese Punkte beeinflussen sowohl die Komplexit¨at der zu l¨osenden Gleichungen als auch deren G¨ ultigkeitsbereich. 3.2.1 Reynolds-Zerlegung Das Konzept, den momentanen Wert einer fluktuierenden Variable u mit u = u + u
(3.5)
in einen Mittelwert u und einen fluktuierenden Anteil u zu zerlegen, geht auf Reynolds (1895) zur¨ uck [213]. Das Reynolds-Mittel der Zufallsgr¨oße (in Zusammenhang mit statistischen Methoden spricht man auch bei turbulenzbedingt fluktuierenden Gr¨ oßen von Zufallsvariablen) ist durch einen Querstrich gekennzeichnet. F¨ ur die Zerlegung (3.5) gilt u = 0. Eine Reynolds-Mittelung aller Variablen des Str¨ omungsgleichungssystems wird gew¨ohnlich nur bei inertem Fluid und konstanter Dichte angewandt. 3.2.2 Favre-Zerlegung Treten Kompressibilit¨ at des Gases, starke Temperatur¨anderungen oder chemische Reaktionen auf, so bietet sich f¨ ur einen Teil der Variablen eine Zerlegung an, die auf dichtegewichteten Mittelwerten beruht. Diese werden als Favre-Mittel (Favre, 1965) bezeichnet [81]. Bei der Favre-Zerlegung wird die Variable u durch ρu u = u + u , (3.6) u = ρ
40
3 Grundlagen turbulenter Str¨ omungen
in einen Mittelwert u und einen fluktuierenden Anteil u zerlegt, wobei u = 0 und ρu = 0 gilt. Da in den gemittelten Transportgleichungen viele Terme der Art ρu auftreten, reduziert diese Mittelung die Zahl an ungeschlossenen Korrelationen. Als Folge der Favre-Mittelung taucht die Dichte in einem Teil der ungeschlossenen Termen auf, was bei der Modellierung zu ber¨ ucksichtigen ist [257]. Die Zusammenh¨ ange zwischen Reynolds- und Favre-gemittelten Gr¨ oßen lassen sich einfach herleiten [264, 158, 51]. Ferner ist zu bemerken, dass die Favre-Mittelung aus rein mathematischen Gesichtspunkten heraus erfolgt und nicht aus physikalischen. Zwischen Reynolds- und Favre-Mitteln k¨ onnen betr¨ achtliche Unterschiede bestehen, was bei einer Gegen¨ uberstellung experimenteller und numerischer Daten bedacht werden sollte.
3.3 Mittelung fluktuierender Gr¨ oßen In der Turbulenz sind die wichtigsten Arten der Mittelung die zeitliche Mittelung, die Ensemble-Mittelung und die r¨aumliche Mittelung. H¨aufig wird Reynolds-Mittelung mit zeitlicher Mittelung gleichgesetzt, was nicht korrekt ist [72]. Stattdessen ist unter einem Reynolds-Mittel eine Gr¨oße zu verstehen, die ausschließlich mit der fluktuierenden Variable selbst gebildet wird (s. Abschn. 3.2.1). Dies kann auf unterschiedliche Weisen geschehen. Im Folgenden wird auf die zeitliche Mittelung und die Ensemble-Mittelung eingegangen. 3.3.1 Zeitliche Mittelung Die zeitliche Mittelung bietet sich insbesondere bei statistisch station¨aren Str¨omungen an, was nicht bedeutet, dass zeitlich gemittelte Transportgleichungen bei instation¨aren Vorg¨angen nicht einsetzbar w¨aren. Letzteres setzt jedoch voraus, dass das Spektrum der turbulenten Fluktuation deutlich h¨oherfrequenter ist, als das des Str¨ omungsfelds. Nur dann lassen sich bei zeitlicher Mittelung beide Effekte eindeutig trennen. Geht man von der ReynoldsZerlegung einer Variable aus, so folgt f¨ ur das zeitliche Reynolds-Mittel 1 u(x, t) = tg
t 0 +tg
u(x, t) dt .
(3.7)
t=t0
Bei statistisch station¨aren Str¨omungen darf tg → ∞ gesetzt werden, und u wird mit u(x, t) = u(x) zum lang-Zeit-Mittel der Variable [51]. Die Bedingung tg → ∞ muss nicht unbedingt erf¨ ullt sein. In der Regel gen¨ ugt es tg so groß zu w¨ ahlen, dass damit die maximale Periode der turbulenten Schwankungen bei weitem u ahlt man dagegen ein Zeitintervall das kleiner ¨bertroffen wird [264]. W¨ ist, als die niederfrequenten Anteile im Zeitverlauf der Variable, dann ergibt sich mit u(t, tg ) ein von tg abh¨ angiges kurz-Zeit-Mittel [51] und die L¨osung verliert ihre Eindeutigkeit. Das bedeutet f¨ ur instation¨are Vorg¨ange, dass ein
3.3 Mittelung fluktuierender Gr¨ oßen
41
zeitlich gemitteltes Gleichungssystem zu Grunde gelegt werden kann, wenn es sich um Str¨ omungen mit niederfrequenten, unter Umst¨anden periodischen Anteilen handelt, deren charakteristische Zeiten sich deutlich von denen der u ¨ berlagerten turbulenten Fluktuationen unterscheiden. Analog zu Gl. (3.7) folgt durch Einbeziehung der Dichte das zeitliche Favre-Mittel t 0 +tg 1 1 u (x, t) = ρ(x, t)u(x, t) dt , (3.8) ρ(x, t) tg t=t0
wobei die Reynolds-gemittelte Dichte ρ aus Gl. (3.7) folgt. Das zeitliche FavreMittel unterliegt hinsichtlich seiner Anwendbarkeit auf instation¨are Prozesse den gleichen Einschr¨ ankungen, wie das zeitliche Reynolds-Mittel. 3.3.2 Ensemble-Mittelung Bei Reynolds-Zerlegung folgt das Ensemble-Mittel ...N der Zufallsvariable u(x, t) am Ort x zur Zeit t mit u = u(x, t)N =
N 1 (α) u (x, t) N α=1
(3.9)
aus N voneinander unabh¨ angigen Realisierungen (Wiederholungen eines Experiments), wobei u(α) f¨ ur den Wert einer Realisierung steht. Das EnsembleMittel ist bei endlichem N selbst wieder eine Zufallsvariable, geht aber f¨ ur N → ∞ mit lim u(x, t)N = u(x, t)N = u(x, t) ,
N →∞
(3.10)
in den Erwartungswert u ¨ ber (s. Gl. (4.9) auf S. 47), was zentrales Grenzwerttheorem genannt wird. Weitere Details zur Bildung von Erwartungswerten und h¨ oheren Momenten finden sich in Abschn. 4.1. Bei instation¨aren Vorg¨angen besteht bei zeitlicher Mittelung immer die Gefahr, dass das Ergebnis vom gew¨ ahlten Zeitintervall abh¨ angig wird. Ensemble-Mittel sind wie Erwartungswerte davon nicht betroffen. Sie k¨ onnen beliebige Funktionen der Zeit sein, was allerdings eine hohe Anzahl an Einzelrealisierungen voraussetzt. Bei Favre-Zerlegung der Zufallsvariable u(x, t) folgt f¨ ur das entsprechende Favre-Ensemble-Mittel u = u(x, t)F N =
N 1 (α) 1 ρ (x, t)u(α) (x, t) . ρ(x, t)N N α=1
(3.11)
Bei statistisch station¨arer Str¨omung sind f¨ ur N → ∞ und tg → ∞ Ensembleund zeitliches Mittel identisch und zwar f¨ ur die Reynolds- und Favre-Mittelung.
42
3 Grundlagen turbulenter Str¨ omungen
3.4 Mittelung der Bilanzgleichungen Zerlegt man alle Variablen der Bilanzgleichungen (2.4) bis (2.7) nach Reynolds oder Favre und f¨ uhrt eine Mittelung durch, so ergeben sich Gleichungen erster Momente – die Reynolds-gemittelten Navier-Stokes-Gleichungen (RANS – Reynolds Averaged Navier-Stokes equations). Bei instation¨aren Prozessen hat sich der Begriff URANS-Gleichungen (Unsteady Reynolds Averaged NavierStokes equations) eingeb¨ urgert. Diese k¨ onnen auf unterschiedlichen Mittelungstechniken der Variablen (z.B. zeitliche oder Ensemble-Mittelung) beruhen. Die Form der gemittelten Gleichungen bleibt davon unbeeinflusst [30, 220], wogegen sich Mittelwerte und Korrelationen betr¨achtlich unterscheiden k¨ onnen. Das Gleichungssystem Ensemble-gemittelter Gr¨oßen bleibt unabh¨ angig von der Frequenz der turbulenten Fluktuationen g¨ ultig. Damit eignet es sich auch zur Simulation von Str¨ omungen, die im Frequenzspektrum der Turbulenz Unstetigkeiten aufweisen [71]. Allerdings stellt sich dann die Frage, wie ungeschlossenen Ensemble-gemittelte Korrelationsterme instation¨arer Str¨ omungen modelliert werden k¨ onnen. Bei Verbrennungssimulationen wird f¨ ur Dichte und Druck gew¨ohnlich eine Reynolds- und f¨ ur die u ¨ brigen Variablen eine Favre-Zerlegung angesetzt. Dann treten im gemittelten Gleichungssystem • erste Momente, z.B. u i und ρ, • zweite Momente, z.B. ρui uj , • dritte Momente, z.B. ρui ui uj , auf. Gem¨ aß der Anzahl fluktuierender Gr¨ oßen spricht man von Korrelationen entsprechender Ordnung. F¨ ur die Momente zweiter Ordnung und h¨oher lassen sich Transportgleichungen ableiten. Diese enthalten Momente noch h¨oherer Ordnung, ein Vorgang, der sich unendlich fortsetzt. Dieses Ph¨anomen wird als Schließungsproblem der Turbulenz bezeichnet und geht auf den Informationsverlust zur¨ uck, mit dem jede Mittelung behaftet ist. Daher erfordern Momentenverfahren immer algebraische Modellierungsans¨atze.
4 Grundlagen der PDF-Verfahren
Im Allgemeinen sind die Verbrennungsgleichungen (2.4) bis (2.7) als deterministisch anzusehen [157, 269]. Darunter versteht man ein Gleichungssystem, bei dem der Zustand zum folgenden Zeitpunkt eindeutig mit einem gegebenen Ausgangszustand (bei gegebenen Randbedingungen) verkn¨ upft ist [105]. Solch ein deterministisches Verhalten scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zur Beobachtung in turbulenten Str¨ omungen zu stehen. Dort treten schnelle zeitliche und r¨ aumliche Fluktuationen auf, wodurch die momentanen Verteilungen einen eher willk¨ urlichen, zuf¨ alligen Charakter erlangen. Zur Erfassung solcher Systeme bieten sich statistische Methoden an. In einem stochastischen oder probabilistischen System lassen sich f¨ ur das Eintreten eines Folgezustands nur Wahrscheinlichkeiten angeben [105]. Auf turbulente Str¨omungen trifft das zu. Der scheinbare Widerspruch zwischen dem deterministischen System der beschreibenden Gleichungen und dem beobachteten stochastischen Verhalten der Resultate h¨ angt mit der Nichtlinearit¨ at des Gleichungssystems zusammen. Wie in Kap. 3 beschrieben, weisen die Navier-Stokes-Gleichungen nach ¨ Uberschreiten der kritischen Reynolds-Zahl eine extreme parametrische Sensitivit¨at bez¨ uglich ihrer Rand- und Anfangsbedingungen auf. Diese verursacht die Fluktuationen der Variablen und das probabilistische Erscheinungsbild der Turbulenz. Geht man von diesen Erfahrungen aus so liegt es nahe, fluktuierende Gr¨ oßen (Zufallsvariablen) mit statistischen Methoden zu erfassen. Die statistischen Eigenschaften von Zufallsgr¨ oßen werden als reproduzierbar vorausgesetzt [174]. Jede stochastische Variable (oder jeder Variablenvektor) eines turbulenten Str¨ omungsfelds ist eine Funktion des Ortes und der Zeit und somit eine stochastische Funktion. Deren statistische Information wird durch ein Wahrscheinlichkeitsdichtefunktional (probability density functional) beschrieben [269]. Die L¨ osung dieses Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionals ist in der Praxis nicht m¨ oglich, was erneut auf das Schließungsproblem der Turbulenz f¨ uhrt. Jede Vereinfachung erzeugt einen Informationsverlust, die Anzahl der Unbekannten wird gr¨ oßer als die Zahl verf¨ ugbarer Gleichungen und nicht geschlossene Terme m¨ ussen modelliert werden. Je nach Ansatz kann man jedoch
44
4 Grundlagen der PDF-Verfahren
die Art der zu modellierenden Terme beeinflussen. Ist man nur an der statistischen Information einer Variable (oder eines Variablenvektors) an einem Ort zu einer Zeit interessiert, so reduziert sich die stochastische Funktion zu einer stochastischen Variable und das Wahrscheinlichkeitsdichtefunktional zur Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (PDF – probability density function). Letztere enth¨ alt allerdings keine Informationen, die die r¨aumliche und zeitliche Verteilung betreffen. Aus diesem Grund wird sie ,,ein-Punkt-eine-Zeit-PDF” (one point one time PDF) genannt. Aussagen zu Zeit- und L¨angenskalen der Turbulenz sind damit nicht m¨ oglich, so dass die entsprechenden Informationen auf anderem Wege bereitgestellt werden m¨ ussen. Aus der PDF lassen sich jedoch alle Momente der Zufallsvariablen gewinnen, die einen Ort und einen Zeitpunkt betreffen. PDF-Verfahren bieten sich deshalb f¨ ur reagierende Str¨ omungen an, weil der sehr komplexe chemische Quellterm darin geschlossen auftritt. Nun stellt sich die Frage, wie die gemeinsame PDF einer Vielzahl von Variablen bestimmt werden kann. Geht man von detaillierter Chemie aus, so sollte die PDF in der Lage sein, die statistische Verteilung aller quelltermrelevanten Gr¨ oßen zu beschreiben. Prinzipiell kommen hierf¨ ur 1. assumed-PDF-Verfahren (angenommene PDF), 2. Transportgleichungs-PDF-Verfahren in Frage. Die Teile III und IV befassen sich mit diesen beiden Vorgehensweisen. Die mathematischen Ans¨ atze zur statistischen Beschreibung der Turbulenz stammen u ¨ berwiegend aus anderen Fachgebieten, was sich auch im Vokabular widerspiegelt. So bezeichnet man die stochastischen Variablen des Str¨omungsfelds (u, h, Yα usw.) als Zufallsgr¨oßen (Zufallsvariablen). In der Regel f¨ uhrt jede Wiederholung eines Experiments auf Grund der Turbulenz zu unterschiedlichen Resultaten. Bei unendlich vielen Wiederholungen ergibt sich im Mittel der Erwartungswert. Die wichtigsten Grundlagen zu PDF-Verfahren werden im Folgenden erl¨ autert.
4.1 Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion Die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (probability density function, PDF) einer Zufallsvariable u wird mit P (ˆ u; x, t) bezeichnet. P (ˆ u; x, t) dˆ u gibt f¨ ur den Ort x und den Zeitpunkt t die Wahrscheinlichkeit an, mit der sich die Zufallsvariable u im Bereich dˆ u um u ˆ befindet P (ˆ u) dˆ u ≡ Prob [ uˆ ≤ u < u ˆ + dˆ u] .
(4.1)
Die PDF P (ˆ u; x, t) bezieht sich hier immer auf einen Ort und einen Zeitpunkt, weshalb auch die verk¨ urzte Form P (ˆ u) benutzt wird. Der von uˆ aufgespannte eindimensionale Zustandsraum umfasst alle realisierbaren Zust¨ande der Zufallsvariable u. Da die PDF nur bez¨ uglich u ˆ als Dichtefunktion anzusehen ist, sind die unabh¨ angigen Variablen x und t von uˆ durch einen Strichpunkt
4.1 Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
45
getrennt. In der Regel erfordert die Beschreibung turbulenter Str¨omungen eine Vielzahl unterschiedlicher Variablen. Deren PDF ist eine Funktion des Zufallsvektors Φ = (Φ1 , Φ2 , . . . , ΦM )T . Bei mehreren Zufallsvariablen wird die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion gemeinsame PDF (joint PDF) oder Verbund-PDF genannt und der zum Zufallsvektor Φ geh¨orende Zustandsraum mit Ψ = (Ψ1 , Ψ2 , . . . , ΨM )T bezeichnet. F¨ ur die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines bestimmten Zustands gilt P (Ψ) dΨ ≡ Prob [ Ψ ≤ Φ < Ψ + dΨ ]
(4.2)
oder nicht vektoriell ausgedr¨ uckt P (Ψ1 , Ψ2 , . . . , ΨM ) dΨ1 dΨ2 . . . dΨM ≡ Prob [(Ψ1 ≤ Φ1 < Ψ1 + dΨ1 ) , . . . , (ΨM ≤ ΦM < ΨM + dΨM )] .
(4.3)
Der Vektor Ψ spannt den M -dimensionalen Zustandsraum auf, der alle realisierbaren Zust¨ ande des Zufallsvektors Φ umfasst. Zufallsgr¨oßen werden in diesem Buch im allgemeinen Fall mit Φj und im speziellen mit der betreffenden Variable (ui , h, Yα usw.) bezeichnet. F¨ ur den dazugeh¨origen Zufallsraum wird im allgemeinen Fall Ψj verwendet, und bei Bezug auf eine spezielle Variˆ Yˆα usw.). Durch Integration able wird diese mit einem ˆ u ui , h, ¨ berschrieben (ˆ der PDF u angigen Variablen von Ψ = −∞ bis Ψ (an einem Ort ¨ ber die unabh¨ zu einer Zeit) ergibt sich die Verteilungsfunktion des Zufallsvektors, die monoton von null auf eins anw¨ achst [210]. Eigenschaften einer PDF. Damit eine Funktion als PDF angesehen werden kann, muss sie folgende Voraussetzungen erf¨ ullen: 1. Ausschluss negativer Werte P (Ψ) ≥ 0 , 2. Einhalten der Normierungsbedingung +∞ P (Ψ) dΨ = 1 ,
(4.4)
(4.5)
−∞
3. Wahrscheinlichkeit null f¨ ur Ψ → ±∞ lim P (Ψ) =
Ψ→−∞
lim P (Ψ) = 0 .
Ψ→∞
(4.6)
Dar¨ uber hinaus hat die PDF st¨ uckweise stetig zu sein und f¨ ur Ψ → ±∞ muss ∂P/∂Ψα = 0 gelten. Experimentelle Bestimmung einer PDF. Abbildung 4.1 zeigt den zeitlichen Verlauf der statistisch station¨aren Zufallsgr¨oße u(t) ∈ [0, 4] sowie deren PDF, die rechts dargestellt ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass u im Intervall ∆ˆ u um u ˆ anzutreffen ist, l¨ asst sich bei statistisch station¨arer Str¨omung mit
46
4 Grundlagen der PDF-Verfahren
Abb. 4.1. Zeitlicher Verlauf der statistisch station¨ aren Zufallsvariable u(t) mit u = 2 (links) und dazugeh¨ orige Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (rechts)
PE (ˆ u) ∆ˆ u =
lim
tg →∞
1 ∆ti tg i
(4.7)
aus dem Zeitverlauf der Zufallsvariable ermitteln. Hier bezeichnet ∆ti die L¨ ange der Zeitintervalle, in denen sich u im Bereich ∆ˆ u um u ˆ befindet, und tg stellt die Gesamtzeit der Untersuchung dar. In Abb. 4.1 sind auf der Zeitachse die Intervalle gestrichelt gekennzeichnet, in denen u ˆ Werte zwischen 1,0 und 1,1 annimmt. F¨ ur tg → ∞ und ∆ˆ u → 0 geht PE in P u ¨ ber [156]. Bei instation¨arer Str¨omung l¨ asst sich die PDF aus einer Vielzahl an Realisierungen gewinnen. Abbildung 4.2 zeigt Werte der Zufallsvariable 0 ≤ u ≤ 1, die aus N = 500 Einzelrealisierungen stammen. Die beiden u ¨ bereinander dargestellten Resultate stehen f¨ ur Wiederholungen eines Experiments zum jeweils gleichen Zeitpunkt t, die an unterschiedlichen Orten (x1 und x2 ) gewonnen wurden. Die Wahrscheinlichkeit, dass u im Intervall ∆ˆ u um uˆ liegt, folgt mit PE (ˆ u) ∆ˆ u =
lim
N →∞
Ni N
(4.8)
aus den Einzelrealisierungen. Dabei bezeichnet Ni die Anzahl der Realisierungen, in denen sich die Zufallsvariable im Bereich ∆ˆ u um u ˆ befindet. F¨ ur N → ∞ und ∆ˆ u → 0 geht PE in die kontinuierliche PDF u ¨ber [156]. In Abbildung 4.2 sind rechts neben den Einzelresultaten die dazugeh¨origen PDF skizziert. Im oberen Bild handelt es sich um eine Gauß-Verteilung mit einem Ensemble-Mittel von u(x1 , t)N =0,5. Im unteren Bild liegt eine β-PDF mit u(x2 , t)N =0,6 vor. Trotz ihrer ¨ ahnlichen Ensemble-Mittel besitzen diese PDF sehr unterschiedliche Strukturen, was sich unterschiedlichen h¨oheren Momenten (s. Abschn. 4.1.1) ¨ außert. Damit bleibt festzuhalten, dass eine PDF sowohl bei (statistisch) station¨ aren als auch bei instation¨aren stochastischen Prozessen die Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Eintreten bestimmter Zust¨ande angibt (an einem Ort zu einem Zeitpunkt). Bei statistisch station¨aren Vorg¨angen entf¨ allt die Zeitabh¨ angigkeit der PDF, bei r¨ aumlich homogenen statistischen Verteilungen die Ortsabh¨ angigkeit.
4.1 Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
47
Gauß-PDF
¬-PDF Abb. 4.2. Zufallsvariable u zum Zeitpunkt t am Ort x1 (oben) und x2 (unten) bei 500 Realisierungen. Jeweils rechts sind die dazugeh¨ origen PDF dargestellt
4.1.1 Erwartungswerte und h¨ ohere Momente Ist die PDF einer Zufallsvariable bzw. eines Zufallsvektors bekannt, so gen¨ ugt sie, um die Zufallsvariable(n) an einem Ort und zu einem Zeitpunkt statistisch vollkommen zu beschreiben. Mit P lassen sich sowohl Erwartungswerte als auch beliebige h¨ ohere Momente der Zufallsvariable(n) bilden. Das Gleiche gilt f¨ ur Funktionen, die ausschließlich von in der PDF erfassten Zufallsgr¨oßen abh¨ angen. Erwartungswerte. Mit ... wird der Erwartungswert (Mittel) einer Zufallsvariable (hier u) bezeichnet u =
+∞
u ˆ P (ˆ u) dˆ u.
(4.9)
−∞
Bei statistisch station¨arer Str¨omung ist der Erwartungswert mit dem entsprechenden zeitlichen Reynolds-Mittel nach Gl. (3.7) f¨ ur tg → ∞ identisch. Im Gegensatz zur zeitlichen Mittelung ist der Erwartungswert auch bei statistisch instation¨aren Vorg¨ angen eindeutig definiert. Ein Gleichungssystems auf Basis von Erwartungswerten ist somit allgemeing¨ ultiger, als eines auf Basis zeitlich gemittelter Gr¨ oßen. Prinzipiell k¨ onnen alle in Teil II formulierten Transportgleichungen auf Erwartungswerte bezogen werden. Im Fall einer Verbund-PDF mehrerer Zufallsgr¨ oßen folgen die Erwartungswerte einzelner Variablen aus
48
4 Grundlagen der PDF-Verfahren
Φα =
+∞
−∞ +∞
Ψα P (Ψ) dΨ
+∞
...
= Ψ1 =−∞
Ψα P (Ψ1 , Ψ2 , . . . , ΨM ) dΨ1 dΨ2 . . . dΨM . (4.10) ΨM =−∞
Bei den Erwartungswerten nach Gl. (4.9) und Gl. (4.10) handelt es sich um die ersten Momente der PDF um den Ursprung (raw moments). Ist P (Ψ) bekannt, so lassen sich mit +∞ F(Φ) = F(Ψ) P (Ψ) dΨ (4.11) −∞
Erwartungswerte beliebiger Funktionen von Φ bilden. Dies f¨ uhrt zur¨ uck zur Bestimmung der mittleren chemischen Produktionsraten. Mittlerer chemischer Produktionsterm. Liegt die Verbund-PDF aller Quelltermvariablen (z.B. der Dichte, Temperatur und Komponentenmassenanteile P = P (ˆ ρ, Tˆ, Yˆ1 , Yˆ2 , . . . , YˆNk )) vor, so sind die Erwartungswerte der chemischen Produktionsraten berechenbar. Durch Anwendung von Gl. (4.11) auf den momentanen Produktionsterm der Komponente α nach Gl. (2.41) erh¨ alt man mit Sα = ... ρ, Tˆ, Yˆ1 , . . . , YˆNk ) dˆ ρ dTˆ dYˆ1 . . . dYˆNk (4.12) Sˆα P (ˆ ρˆ
Tˆ
Yˆ1
YˆNk
den Erwartungswert der chemischen Umsatzrate der Gaskomponente α. Die Berechnung von Sα erfordert damit keine Modellierung. Varianzen, Kovarianzen und h¨ ohere Momente. Aus der Differenz von Momentan- und Erwartungswert folgt die Fluktuation u = u − u. Deren mittlerer quadratischer Wert ist die mit σ bezeichnete Varianz +∞ 2 σu = var(u) ≡ u = ( uˆ − u )2 P (ˆ u) dˆ u, (4.13) 2
σΦα = var(Φα ) ≡ Φα =
−∞ +∞
−∞
( Ψα − Φα )2 P (Ψ) dΨ . 2
(4.14)
Die Varianz des Geschwindigkeitsvektors var(u) = ui quantifiziert die in der turbulenten Fluktuation enthaltene Energie. Als Standardabweichung wird die Wurzel der Varianz (rms – root mean square) bezeichnet. Sie gibt die betragsm¨ aßig mittlere Fluktuation an und kann als Maß f¨ ur die Breite der PDF dienen. Analog zur Varianz lassen sich bei Zufallsvektoren auch Kovarianzen unterschiedlicher Zufallsvariablen (α = β) bilden +∞ cvar(Φα , Φβ ) ≡ Φα Φβ = (Ψα − Φα ) ( Ψβ − Φβ ) P (Ψ) dΨ . (4.15) −∞
4.1 Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
49
Diese setzen die Abweichungen zweier Zufallsvariablen von ihren Erwartungswerten zueinander in Bezug. Sowohl bei den beschriebenen Varianzen als auch bei den Kovarianzen handelt es sich um zentrale Momente (central moments) zweiter Ordnung (zweite Momente), die um den Erwartungswert gebildet werden. Verallgemeinert folgt das n-te zentrale Moment einer PDF aus +∞ µn ≡ ( Ψ − Φ )n P (Ψ ) dΨ , (4.16) −∞
wobei f¨ ur das nullte Moment µ0 = 1 folgt. Etwaige Unsymmetrien der PDF sind am zweiten Moment nicht erkennbar, wohl aber an der Schiefe (skewness), dem dritten zentralen Moment und an weiteren ungeraden Momenten. Bei Tennekes und Lumley [245] findet sich eine Reihe zeitlicher Verl¨aufe statistisch station¨ arer Variablen mit zugeh¨ orenden PDF. Der Zusammenhang zwischen der Struktur der PDF und ihren ersten zentralen Momenten wird darin gut deutlich. Neben den genannten Momenten ist vor allem das vierte zentrale Moment, die Flachheit (flatness) und das sechste zentralen Moment, die Superschiefe (superskewness) von Belang. Korrelationskoeffizienten. Um statistische Abh¨angigkeiten von Zufallsgr¨ oßen zu quantifizieren, verwendet man den Korrelationskoeffizienten αβ ≡
Φα Φβ 2
Φα2 Φβ
,
(4.17)
der im Bereich −1 ≤ αβ ≤ 1 definiert ist. Bei einem Wert von null sind die Zufallsgr¨ oßen unkorreliert, bei ±1 perfekt positiv bzw. perfekt negativ korreliert. Die Auswirkungen positiver und negativer Korrelationskoeffizienten auf die Struktur der PDF veranschaulichen die Darstellungen zweidimensionaler Gauß-Verteilungen in Abschn. 8.4.2. 4.1.2 Rand-PDF und bedingte PDF Oftmals ist es g¨ unstig, aus der gemeinsamen PDF von M Zufallsgr¨oßen einfachere und u ¨ bersichtlichere Verteilungen abzuleiten. Eine wichtige solche Verteilung ist die Rand-PDF, die sich auf eine oder mehrere Gr¨oßen (< M ) beziehen kann. Eine weitere, den Informationsgehalt der Verbund-PDF einschr¨ ankende Verteilung ist die bedingte PDF. Rand-PDF. Die Rand-PDF oder marginale PDF (marginal PDF) folgt aus der Integration der gemeinsamen PDF u ¨ber den Zustandsraum mit Ausnahme einiger, oft nur einer einzigen Gr¨ oße. Die Rand-PDF der Zufallsvariable Φα folgt aus +∞ PΦα (Ψα ) ≡ P (Ψ) dΨ1 . . . dΨα−1 dΨα+1 . . . dΨM . (4.18) −∞
50
4 Grundlagen der PDF-Verfahren
Sie gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der die Zufallsvariable Φα im Bereich dΨα um Ψα zu finden ist, wenn gleichzeitig alle u ¨ brigen Variablen beliebig im Zufallsraum verteilt sein d¨ urfen. Bedingte PDF. Die bedingte PDF (conditional PDF) steht f¨ ur die Verteilung einer Zufallsvariable (oder eines Zufallsvektors) unter einschr¨ankenden Bedingungen. Beschreibt P (ˆ u, Ψ) die gemeinsame Verteilung der Zufallsgr¨oße u und des Zufallsvektors Φ = (Φ1 , Φ2 , . . . , ΦM )T , so gibt die bedingte PDF u |Φ(x, t) = Ψ) ≡ Pu|Φ = Pu|Φ (ˆ
P (ˆ u, Ψ; x, t) PΦ (Ψ; x, t)
(4.19)
die Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Eintreten des Zustandes u ˆ unter der Bedingung Φ = Ψ an. Durch die Normierung mit der marginalen PDF PΦ erf¨ ullt die bedingte PDF die Normierungsbedingung (4.5). Neben dem unbedingten Erwartungswert u ist durch Einf¨ uhrung von Pu|Φ mit ∞ u|Φ = u(x, t)|Φ(x, t) = Ψ = u ˆ Pu|Φ dˆ u (4.20) u ˆ=−∞
auch der bedingte Erwartungswert u|Φ f¨ ur Φ(x, t) = Ψ definiert [210]. Analog zu Gl. (4.11) ergibt sich der bedingte Erwartungswert einer Funktion F(u, Φ) aus ∞ F|Φ = F(u, Φ; x, t)|Φ(x, t) = Ψ = F(ˆ u, Ψ) Pu|Φ dˆ u . (4.21) u ˆ=−∞
Bedingte Erwartungswerte sind wichtig, da sie in den PDF-Transportgleichungen als ungeschlossene Terme erscheinen. Mit Gl. (4.19) l¨asst sich durch ∞ u = ˆ u|ΦPΦ dΨ , (4.22) Ψ=−∞ ∞ F = F|ΦPΦ dΨ (4.23) Ψ=−∞
ein Zusammenhang zwischen unbedingten und bedingten Erwartungswerten herstellen. Sonderf¨ alle bedingter Erwartungswerte und bedingter PDF. F¨ ur bedingte Erwartungswerte existieren zwei Sonderf¨alle, die bei der Herleitung von PDF-Transportgleichungen wichtig sind. So gilt ! wenn u und F durch Φ u|Φ = Ψ = u(Ψ) (4.24) vollst¨ andig bestimmt werden F|Φ = Ψ = F(Ψ) und
u|Φ = Ψ = u F|Φ = Ψ = F
!
wenn u und F statistisch unabh¨ angig von Φ sind .
(4.25)
4.1 Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
51
Die in Gl. (4.25) vorausgesetzte Annahme statistischer Unabh¨angigkeit bedeutet, dass die Bedingung Φ = Ψ keinen Einfluss auf den Erwartungswert aus¨ ubt. Das gilt mit Pu|Φ (ˆ u |Φ = Ψ) = Pu (ˆ u)
"
wenn u statistisch unabh¨angig von Φ ist
(4.26)
in gleicher Weise f¨ ur die bedingte PDF, die dann identisch mit der Rand-PDF wird. In diesem Sonderfall folgt die gemeinsame PDF P (ˆ u, Ψ) = PΦ (Ψ)Pu (ˆ u) aus dem Produkt zweier Rand-PDF. 4.1.3 Momentane PDF Betrachtet man eine einzelne Realisierung eines turbulenten Str¨omungsfelds, so wird die Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Eintreten dieses Ereignisses an einem Ort zu einem Zeitpunkt durch die momentane Verbund-PDF P(Ψ; x, t) (fine grained PDF ) P(Ψ; x, t) ≡ δ (Φ(x, t) − Ψ) =
M
δ (Φα (x, t) − Ψα )
(4.27)
α=1
beschrieben, die als Produkt von Delta-Funktionen definiert ist. Es l¨asst sich zeigen [207], dass P alle erforderlichen Eigenschaften einer PDF besitzt. Bei Verwendung von P ergeben sich als erste Momente mit Φα = Ψα P dΨ (4.28) die Momentanwerte, die mit unendlich hoher Wahrscheinlichkeit eintreten. Alle h¨ oheren zentralen Momente von P um Φα sind null. F¨ ur das n-te Moment um den Ursprung folgt Ψαn P dΨ = Φnα . (4.29) Der Zusammenhang zwischen P (Ψ) und P(Ψ) ergibt sich durch Bildung des Erwartungswerts P(Ψ; x, t) = δ (Φ(x, t) − Ψ) = δ (Φ − Ψ) P (Φ ) dΦ = P (Ψ; x, t)
(4.30)
[210]. Als wesentliches Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion mit P (Ψ; x, t) = δ (Φ(x, t) − Ψ)
(4.31)
52
4 Grundlagen der PDF-Verfahren
aus dem Erwartungswert der momentanen PDF folgt. W¨ahrend die momentane PDF P nur in einem Punkt des Zustandsraums von null verschieden ist, kann deren Erwartungswert eine kontinuierliche Verteilung darstellen. Erwartungswert mit momentaner PDF. Ein h¨aufig auftretender Erwartungswert ist der des Produkts der momentanen PDF mit einer Funktion Q = Q(Φ, Φ∗ ), die von den beiden Zufallsvektoren Φ und Φ∗ abh¨angt. Gesucht ist der Erwartungswert Q(Φ, Φ∗ )P(Ψ) = Q(Φ, Φ∗ ) δ (Φ(x, t) − Ψ) ,
(4.32)
mit P(Ψ) als Funktion von Ψ. Dieser Erwartungswert ist zur Zeit t am physikalischen Ort x an der Stelle Ψ im Zustandsraum zu bilden und stellt den ¨ Ubergang von einer zu unendlich vielen Realisierungen dar. Aus Gl. (4.11) folgt Q(Φ, Φ∗ )P(Ψ) = Q(Ψ , Ψ∗ )δ (Ψ − Ψ) PΦΦ∗ (Ψ , Ψ∗ )dΨ∗ dΨ Ψ Ψ∗
=
Q(Ψ, Ψ∗ )PΦΦ∗ (Ψ, Ψ∗ )dΨ∗ .
(4.33)
Ψ∗
Ersetzt man mit Beziehung (4.19) die gemeinsame PDF durch ein Produkt aus Rand- und bedingter PDF (PΦΦ∗ = PΦ PΦ∗ |Φ ), so ergibt sich ∗ Q(Ψ, Ψ∗ )PΦ∗ |Φ (Ψ∗ , Φ = Ψ)dΨ∗ (4.34) Q(Φ, Φ )P(Ψ) = PΦ (Ψ) Ψ∗
und daraus mit Gl. (4.21) Q(Φ, Φ∗ )P(Ψ; x, t) = Q(Φ, Φ∗ )|Φ = Ψ PΦ (Ψ; x, t) .
(4.35)
Damit ist es gelungen, die in einem Erwartungswert auftretende momentane PDF P durch das Produkt von PΦ mit einem bedingten Erwartungswert zu ersetzen. Diese Beziehung wird in Kap. 11 zur Herleitung von PDFTransportgleichungen ben¨ otigt. 4.1.4 Favre-gemittelte PDF Bei den meisten Verbrennungssimulationen mit Transportgleichungs-PDFVerfahren wird die Dichte ρ(x, t) als inhomogene Gr¨oße angesehen, Kompressibilit¨at aber nicht ber¨ ucksichtigt. Bei niedrigen Mach-Zahlen ist das gerechtfertigt. Der Einfluss von Druckfluktuationen ist dann in den thermodynamischen Beziehungen vernachl¨ assigbar und die Dichte ergibt sich aus ˆ Yˆα ). Der mittlere Druck geht gew¨ohnlich aus der Druck-Poissonρ = ρ(p, h, Gleichung (bei inkompressiblem Fluid) oder der thermischen Zustandsgleichung (bei kompressiblem Fluid) hervor [210]. Bestehen Kompressibilit¨atseinfl¨ usse, so ist der Vektor der Zufallsvariablen um eine thermodynamische Variable zu erweitern, beispielsweise den Druck. Entsprechend gilt bei
4.1 Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
• inkompressiblem Fluid:
ˆ Yˆα ) = ρ(p, h, ˆ Yˆα ) , ρˆ = ρˆ( pˆ, h, T Φ = (h, Yα , . . .) ,
• kompressiblem Fluid:
ˆ Yˆα ) , ρˆ = ρˆ( pˆ, h, Φ = (p, h, Yα , . . .)T
53
mit α = 1, 2, . . . , Nk−1 . In beiden F¨ allen gen¨ ugt der Zufallsvektor Φ, um die Dichte ρˆ = ρ(Ψ; x, t) vollkommen zu beschreiben. Eine andere M¨oglichkeit zur statistischen Erfassung kompressibler Fluide besteht darin, die Dichte als unabh¨ angige Variable des Zustandsraums anzusehen. Die beiden Varianten 1. Dichte ist unabh¨ angige Variable: ρˆ = ρˆ(x, t), 2. Dichte ist Funktion unabh¨ angiger Variablen: ρˆ = ρ(Ψ; x, t) beeinflussen unter anderem auch die Definition einer dichtegewichteten PDF. Dichte ist unabh¨ angige Variable. Es wird davon ausgegangen, dass ρ eine unabh¨ angige Zufallsvariable darstellt, so dass ρˆ und Ψ den Zustandsraum aufspannen. Die PDF der Zufallsvariablen ρ und Φ sei durch P = P (ˆ ρ, Ψ) gegeben. Nach Bilger [19, 20] l¨ asst sich durch ∞ 1 P1 (Ψ) ≡ ρˆP (ˆ ρ, Ψ)dˆ ρ (4.36) ρ ρ=0 ˆ eine Favre-gemittelte PDF definieren. Um diese PDF von einer weiteren Definition zu unterscheiden, ist sie mit dem Index 1 versehen. Bei Verwendung von P1 ergeben sich aus α = ρΦα = Ψα P1 (Ψ) dΨ , (4.37) Φ ρ Ψ n n ρΦα α = Ψα − Φ (4.38) P1 (Ψ) dΨ ρ Ψ Favre-gemittelte Erwartungswerte und Favre-gemittelte h¨ohere Momente. Auf gleiche Weise erh¨ alt man dichtegewichtete Kovarianzen, Korrelationskoeffizienten sowie Erwartungswerte und h¨ ohere Momente von Funktionen der Zufallsvariablen. Neben der Definition (4.36) findet mit P2 (ˆ ρ, Ψ) ≡
ρˆ P (ˆ ρ, Ψ) ρ
(4.39)
eine weitere Favre-PDF Verwendung (mit dem Index 2 gekennzeichnet). Bei dieser Definition wird zun¨ achst auf das in Gl. (4.36) eingehende Integral verzichtet. Die Integration u ¨ ber die Dichte erfolgt stattdessen bei Bildung der Favre-Mittel α = ρΦα = Φ Ψα P2 (ˆ ρ, Ψ) dˆ ρ dΨ , (4.40) ρ ρˆ Ψ n n ρΦα α = Ψα − Φ ρ, Ψ) dˆ ρ dΨ . (4.41) P2 (ˆ ρ ρˆ Ψ
54
4 Grundlagen der PDF-Verfahren
Erwartungswerte und beliebige Momente sind nach beiden Definitionen identisch. Die PDF P1 kann als Rand-PDF von P2 gesehen werden. Dichte ist Funktion unabh¨ angiger Variablen. Geht man davon aus, dass die Dichte mit ρˆ = ρ(Ψ; x, t) eine Funktion des Zufallsvektors Φ ist, so bietet sich ρ(Ψ) P2 (Ψ) ≡ P (Ψ) (4.42) ρ zur Definition einer Favre-PDF an. Bei der Berechnung Favre-gemittelter Gr¨oßen entf¨ allt mit ρΦα = Φα = Ψα P2 (Ψ) dΨ , (4.43) ρ Ψ n n ρΦα α = Ψα − Φ (4.44) P2 (Ψ) dΨ ρ Ψ die Integration u ¨ ber ρ. Im Folgenden wird auf die Indizierung der Favre-PDF verzichtet und generell von der Definition (4.42) ausgegangen. Ferner wird vorausgesetzt, dass die Dichte eine Funktion der unabh¨angigen Variablen ist. Abweichungen hiervon werden explizit angegeben.
4.2 Massendichtefunktion Anstelle einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion empfiehlt Pope [207] bei Simulationen von Fluiden mit inhomogener, variabler Dichte die Verwendung der Massendichtefunktion MDF (mass density function) F (Ψ, x; t) ≡ ρ(Ψ)P (Ψ; x, t) = ρ P(Ψ; x, t) .
(4.45)
Diese geht direkt aus P oder P hervor. Die MDF kann auch bez¨ uglich des Raums als Dichte angesehen werden. Die wichtigsten Eigenschaften der MDF folgen mit Gl. (4.45) aus denen der PDF: F (Ψ, x; t)dΨ = ρ , (4.46) F (Ψ, x; t) dΨ = 1 , (4.47) ρ(Ψ) . A(Ψ, x, t)F (Ψ, x; t) dΨ = ρA = ρ A (4.48) Analog dazu lassen sich alle zuvor f¨ ur Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen angegeben Beziehungen auf MDF u ¨bertragen. Es wird vorausgesetzt, dass die Dichte mit ρ = ρ(Ψ) eine Funktion unabh¨ angiger Variablen darstellt.
4.3 Lagrange’sche Formulierung
55
4.3 Lagrange’sche Formulierung Allen bisherigen Betrachtungen lag, ohne dies explizit zu betonen, eine Euler’sche Betrachtungsweise zu Grunde. Die Euler-PDF P (Ψ; x, t) und P (Ψ; x, t) beziehen sich auf ein ortsfestes Koordinatensystem. Wie sp¨ater gezeigt wird, bieten sich bei Transportgleichungs-PDF-Verfahren Lagrange’sche Formulierungen an. Wesentlicher Punkt der Lagrange’schen Betrachtungsweise ist die Definition eines Partikels, der einer Trajektorie im physikalischen Raum und im Zustandsraum folgt. Dabei kann es sich um Fluid-Partikel han¨ deln, deren Masse bei diesen Anderungen erhalten bleibt. Zur Indizierung des Lagrange’schen Feldes dient die Zeit t ≥ t0 und der Ort x0 , an dem sich der Partikel zum Zeitpunkt t = t0 im physikalischen Raum befand. Entsprechend gibt x+ (x0 , t) dessen Position als Funktion von t und x0 an, wobei x+ (x0 , t0 ) = x0
(4.49)
gilt. Die Geschwindigkeit u+ (x0 , t), der thermochemische Zustand Y+ (x0 , t), h+ (x0 , t) und/oder beliebige andere ,,Eigenschaften” Lagrange’scher Partikel stehen mit den entsprechenden Gr¨ oßen des Euler-Felds in folgendem Zusammenhang: u+ (x0 , t) = u(x+ (x0 , t), t) , +
+
Y (x0 , t) = Y(x (x0 , t), t) , h+ (x0 , t) = h(x+ (x0 , t), t) .
(4.50) (4.51) (4.52)
Zusammen mit dem Positionsvektor x+ definieren diese Variablen den Zuˆ ˆ h-x-Zustandsraum ˆ -Ystand (einen Punkt) im u und Φ+ = (u+ , Y+ , h+ , x+ )T stellt den Zustandsvektor dar [207]. In einer turbulenten Str¨omung ist der Zustandsvektor eines Fluid-Partikels ein Zufallsvektor. Das Gleiche gilt f¨ ur die Trajektorie, die ein Fluid-Partikel im Zustandsraum zur¨ ucklegt. Da sich die Partikel mit der Fluid-Geschwindigkeit bewegen, gilt ∂ x+ (x0 , t) = u+ (x0 , t) . ∂t
(4.53)
Die in Euler’scher Formulierung angegeben Bilanzgleichungen (11.7) bis (11.9) auf S. 174 lassen sich in Lagrange’sche Form u uhren [147]. Der ¨ berf¨ Zeitableitung im Lagrange’schen System (durch den Index L gekennzeichnet) entspricht mit ∂ ∂ ∂ D + ui (x, t) (4.54) = ≡ ∂t L ∂t ∂xi Dt die substantielle Ableitung bei Euler’scher Betrachtungsweise. Der Index L wird durch x0 und t spezifiziert und die substantielle Ableitung ist entsprechend bei x = x+ (x0 , t) und t zu bilden. Ausgehend von Gl. (11.7) folgt beispielsweise f¨ ur die Impulsgleichungen
56
4 Grundlagen der PDF-Verfahren + ∂u+ A+ i (x0 , t) i (x , t) = + , + ∂t ρ (x , t)
(4.55)
und die Transformation der Kontinuit¨atsgleichung (11.10) auf ein Lagrange’sches System f¨ uhrt zu ρ+ (x0 , t) 1 = . (4.56) ρ+ (x0 , t0 ) J Darin bezeichnet J = det(∂ x+ /∂ x) die Funktionaldeterminante der Transformationsmatrix. Da die Masse eines infinitesimalen Fluid-Partikels erhalten ¨ bleibt, verh¨ alt sich die Anderung von dessen Volumen umgekehrt proportional ¨ zur Anderung der Dichte. Weitere Details zur Transformation des Gleichungssystems auf Lagrange’sche Koordinaten finden sich bei Pope [207, 210] und Kollmann [147]. 4.3.1 Konditionierte Lagrange-PDF Bei der konditionierten Lagrange’schen PDF PL = PL (Ψ, x; t|Ψ0 , x0 ) handelt es sich um die Verbund-PDF der Eigenschaften eines Fluid-Partikels zum Zeitpunkt t, konditioniert mit dessen Eigenschaften zum Zeitpunkt t0 [207]. Damit gibt PL die Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ ur das Eintreten des Ereignisses # + $ (4.57) St ≡ Φ (x0 , t) = Ψ, x+ (x0 , t) = x unter der Bedingung an, dass zum Zeitpunkt t0 $ # S0 ≡ Φ+ (x0 , t0 ) = Φ(x0 , t0 ) = Ψ0
(4.58)
¨ gilt. Die Lagrange’sche PDF ist gleichzeitig die Ubergangsdichte (transition density) der Massendichtefunktion. Wie Pope [207] zeigt, ist die MDF F zu ¨ einem beliebigen Zeitpunkt t mit der Ubergangsdichte PL durch PL (Ψ, x; t|Ψ0 , x0 ) F (Ψ0 , x0 ; t0 )dΨ0 dx0 (4.59) F (Ψ, x; t) = Ψ0 x0
mit Ψ0 = Ψ(x0 , t0 ) aus der MDF des Ausgangszustands berechenbar. 4.3.2 Momentane Lagrange-PDF Analog zur Definition der momentanen PDF in Abschn. 4.1.3 wird die momentane Lagrange’sche Verbund-PDF (Lagrangian fine-grained joint pdf ) durch % & % & (4.60) PL (Ψ, x; t|x0 ) ≡ δ Φ+ (x0 , t) − Ψ δ x+ (x0 , t) − x definiert. Sie ist bez¨ uglich des Orts x0 zum Zeitpunkt t0 konditioniert und kann als Resultat einer einzelnen Realisierung gesehen werden. Damit stellt sich die Frage des Zusammenhangs zwischen PL und PL . Nach Pope [207]
4.4 Diskrete Darstellung einer PDF/MDF
57
ergibt sich aus Gl. (4.60) mit Gl. (4.27) unter Nutzung der Beziehung (4.19) mit PL (Ψ, x; t|Ψ0 , x0 ) =
PL (Ψ, x; t|x0 ) P(Ψ0 ; x0 , t0 ) P (Ψ0 ; x0 , t0 )
(4.61)
die konditionierte Lagrange’sche PDF. Sowohl f¨ ur P als auch f¨ ur PL lassen sich Transportgleichungen ableiten (s. Kap. 11).
4.4 Diskrete Darstellung einer PDF/MDF Anstatt die PDF-Transportgleichung im multidimensionalen Raum zu diskretisieren, wird sie bei Partikelverfahren (s. Kap. 13) durch eine relativ große Anzahl von Teilchen repr¨ asentiert. Die einzelnen stochastischen Partikel lassen sich als unterschiedliche Realisierungen eines turbulenten Zustands ansehen. Bei Euler-PDF-Verfahren dienen diese Partikel ausschließlich dazu, die PDF darzustellen. Bei Lagrange-Verfahren muss die PDF der stochastischen Partikel der modellierten PDF-Transportgleichung entsprechen. Gleichzeitig ist auf Partikelebene die Massenerhaltung zu gew¨ahrleisten. 4.4.1 Diskrete PDF Gegeben sei ein Ensemble von α = 1, 2, . . . , N Partikeln der Masse m(α) mit (α) (α) (α) β = 1, 2, . . . , M Eigenschaften Φ(α) = Φ1 , Φ1 , . . . , ΦM f¨ ur ein bestimmtes x und t die jeweils einen Punkt im Zustandsraum definieren. Daraus l¨asst sich die diskrete PDF PN (Ψ; x, t) f¨ ur einen Ort und eine Zeit PN (Ψ; x, t) ≡ N
N
1
α=1
m(α)
m(α) δ Φ(α) − Ψ
(4.62)
α=1
gewinnen. Im Fall der gemeinsamen Verteilung der Geschwindigkeit und der thermochemischen Variablen (s. Abschn. 11.4) sind die Eigenschaften des Partikels α durch (α)
(α)
(α)
(α)
Φ(α) = u1 , u2 , u3 , h(α) , Y1
(α)
, Y2
(α)
, . . . , YNk−1
f¨ ur α = 1, 2, . . . , N gegeben und es folgt ' 3 N 1 ˆ Y; ˆ x, t) ≡ m(α) u, h, δ u(α) ˆγ PN (ˆ γ −u N (α) m α=1 γ=1 α=1 ⎤⎫ ⎡ k−1 ⎬ N ˆ ⎣ δ Yα(α) − Yˆα ⎦ . × δ h(α) − h ⎭ α=1
(4.63)
(4.64)
58
4 Grundlagen der PDF-Verfahren
Bei Lagrange’schen PDF-Verfahren wird h¨ aufig mit variierenden Partikelmassen gearbeitet, da diese u ¨ber ,,Teilchensplitting” und ,,Teilchenfusion” eine r¨ aumliche (gegebenenfalls auch zeitliche) Steuerung der Partikelzahldichte erm¨ oglichen. Bei Euler-PDF-Verfahren ist eine Partikelgewichtung (auch bei inhomogener Teilchenzahldichte) weder notwendig noch n¨ utzlich, so dass sich Gl. (4.62) zu N 1 (α) PN (Ψ; x, t) ≡ δ Φ (x, t) − Ψ (4.65) N α=1 vereinfacht. Die diskrete PDF PN geht selbst f¨ ur N → ∞ nicht in die kontinuierliche PDF P u ¨ ber [207], da sie auch dann nur aus Delta-Funktionen besteht. Dagegen gilt PN (Ψ; x, t) = P (Ψ; x, t) f¨ ur jedes N ≥ 1. Mit der diskreten PDF lassen sich mit N 1 Q(Φ)N = Q(Ψ)PN (Ψ)dΨ = N m(α) Q(Φ(α) ) (α) α=1 α=1 m
(4.66)
(4.67)
Ensemble-Mittel beliebiger Funktionen Q = Q(Φ) der Zufallsvariablen bilden. F¨ ur N → ∞ geht das Ensemble-Mittel in den entsprechenden Erwartungswert u infolge einer endlichen Zahl an Stichproben ¨ ber. Dessen √ stochastischer Fehler 2 ist zu 1/ N und zur Varianz Q (Φ) proportional [207]. Analog zu Gl. (4.67) lassen sich mit der diskreten PDF (dem Partikel-Ensemble) beliebige h¨ohere Momente von Φ oder von Q(Φ) approximieren. 4.4.2 Diskrete MDF Bei variabler Partikelmasse m(α) ist die diskrete Massendichtefunktion (MDF) durch N FN (Ψ, x; t) ≡ m(α) δ Φ(α) − Ψ δ x(α) − x (4.68) α=1
definiert. Damit ist sie auch bez¨ uglich des Raums als Dichtefunktion anzusehen. Die N im Gesamtvolumen verteilten Partikel bestimmen die diskrete MDF FN , die wiederum die Massendichtefunktion F repr¨asentiert. Aus der Forderung FN (Ψ, x; t) = F (Ψ, x; t) (4.69) ullen hat. Beispielsweise muss die Parresultieren Bedingungen, die FN zu erf¨ tikeldichte im physikalischen Raum der Fluiddichte entsprechen [207]. F¨ ur die Gesamtmasse Mg folgt N Mg = m(α) . (4.70) α=1
Die Eigenschaften jedes Partikels entsprechen einem Punkt im Ψ-x-Zustandsraum.
4.5 Intermittenz und PDF-Strukturen
59
1 Sauerstoff 1 Brennstoff
2 2 Z¨ undung
Sauerstoff 1 Mischung
Verbrennung
Abb. 4.3. Turbulente, abgehobene Diffusionsflamme. An die Mischungszone schließen sich Z¨ undung und Verbrennung an
4.5 Intermittenz und PDF-Strukturen An den R¨ andern von Mischungs- und Scherschichten k¨onnen Verteilungen mit Randspitzen auftreten. Damit sind PDF gemeint, die an oder in der N¨ahe ihrer Begrenzungen im Zustandsraum Maxima besitzen. Abbildung 4.3 zeigt einen turbulenten Freistrahl, bei dem sich nach kurzem Z¨ undverzug eine abgehobene Diffusionsflamme ausbildet. W¨ ahrend die Vorg¨ange in der Mischungsund Verbrennungszone stark turbulent und inhomogen sind, k¨onnen sie in der Außenstr¨ omung homogen, gegebenenfalls sogar laminar sein. Unter solchen Bedingungen treten in den Randbereichen zeitlich und r¨aumlich stark zer¨ kl¨ uftete Trennfl¨ achen mit scharfen Uberg¨ angen auf [210]. Diese sind auf große Turbulenzstrukturen zur¨ uckzuf¨ uhren, die unverbranntes Gas aus der Außenstr¨ omung in den turbulenten Bereich hineintransportieren, was man als Intermittenz bezeichnet. An einzelnen Punkten in intermittierenden Zonen (z.B. in den mit eins und zwei gekennzeichneten Orten in Abb. 4.3) hat das zur Folge, dass neben den in der Mischungs- oder Verbrennungszone vorherrschenden Zust¨ anden zeitweilig auch Bedingungen der Außenstr¨omung anzutreffen sind [157]. Entsprechend weist die PDF solcher Punkte beim Außenzustand einen starken Anstieg oder ein Maximum auf. Abbildung 4.4 zeigt das exemplarisch an Hand des zeitlichen Verlaufs des Brennstoff-Massenanteils an einem Ort mit starker Intermittenz. Das Gas ist dort noch nahezu unvermischt und Intermittenz ruft ein Schwanken zwischen den beiden Extremzust¨anden reiner Brennstoff oder reiner Sauerstoff hervor. Im zeitlichen Mittel w¨are das Gas gut gemischt und brennf¨ ahig, tats¨ achlich liegen Brennstoff und Oxidator jedoch so gut wie nie gleichzeitig vor. Da f¨ ur den Reaktionsfortschritt nur die momentanen Werte von Druck, Temperatur und Gaszusammensetzung relevant sind, w¨ are in diesem Fall die Berechnung chemischer Produktionsterme auf Basis mittlerer Gr¨ oßen (,,laminare Chemie”) stark fehlerhaft. Es wird ein
60
4 Grundlagen der PDF-Verfahren
Abb. 4.4. Zeitlicher Verlauf des Brennstoff-Massenanteils YB (t) (links) und dazugeh¨ orige Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (rechts) bei starker Intermittenz
Mischungsgrad vorgespiegelt, der nicht erreicht ist [26]. Im Englischen bezeichnet man das als ,,unmixedness” (Ungemischtheit). Zur Quantifizierung der Ungemischtheit bieten sich die zweiten Momente einer PDF an. Bei dem obigen Beispiel kann das vereinfacht durch den (hier brennstoffbezogenen) dimensionslosen Parameter var(YB ) νun ≡ (4.71) YB geschehen (νun ≥ 0), der mit steigender Ungemischtheit zunimmt [22]. Bei dem in Abb. 4.4 skizzierten Verlauf des Brennstoff-Massenanteils betr¨agt der Erwartungswert 0,5 und die Varianz 0,15. Daraus ergibt sich mit νun ≈ 0,77 ein hoher Wert, der die schlechte Mischung von Brennstoff und Oxidator charakterisiert. Oftmals treten Situationen auf, bei denen sich die Gaszusammensetzung zeitweilig in, zeitweilig außerhalb der Z¨ undgrenzen befindet. Entscheidender Faktor ist dann, wie lange ein z¨ undf¨ ahiges Gemisch aufrecht erhalten werden kann [22]. Mittelwerte reichen in diesem Fall nicht aus, um mittlere Produktionsraten genau zu erfassen. Dagegen ist das mit PDF-Verfahren m¨oglich. Ist die Struktur der PDF bekannt (in Abb. 4.4 ist rechts die aus dem zeitlichen Verlauf resultierende PDF dargestellt), so enth¨alt diese alle notwendigen Informationen, um auch bei Intermittenz die chemischen Ums¨atze genau zu berechnen. PDF-Strukturen. W¨ ahrend Intermittenz mit nahezu unstetigen Verteilungen einhergeht, sind die Verl¨ aufe von Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen im turbulenten Kernbereich einer Flamme oder einer Mischungszone u ¨ berwiegend glatt. Bei vorgemischter Verbrennung treten h¨aufig Gaußahnliche Verteilungen ohne Randspitzen auf (Bilger in [157]). Bei Raman¨ Konzentrationsmessungen von Birch et al. [22] haben sich auf der Symmetrieachse eines nicht-reagierenden Erdgas-Freistrahls ebenfalls Gauß-¨ahnliche
4.5 Intermittenz und PDF-Strukturen
61
PDF ergeben. Ferner konnte gezeigt werden, dass mit zunehmendem radialen Abstand von der Symmetrieachse der Erwartungswert des Brennstoffs bei nahezu konstanter Varianz zur¨ uckgeht: Die PDF wird breiter und am Rand (bei einem Erdgas-Massenanteil von null) abgeschnitten. Dort gewinnt Intermittenz an Bedeutung. Die Wahrscheinlichkeit zeitweilig kein Erdgas anzutreffen nimmt mit der Entfernung von der Symmetrieachse zu, die Verteilung wird bimodal. Interessanterweise konnten Birch et al. im zitierten Fall eine Zerlegung der bimodalen Struktur der PDF in eine Gauß-Verteilung und eine intermittenzbedingte Exponentialverteilung vornehmen. Bei vollst¨andiger Mischung und abgeschlossener Verbrennung gehen die Komponentenverteilungen schließlich in Delta-Funktionen u ¨ber: Es existiert nur noch ein m¨oglicher Zustand, der mit unendlich hoher Wahrscheinlichkeit eintritt.
Teil II
Momentenverfahren
5 Erste Momente
Im Wesentlichen ist es der hohe Rechenzeit- und Hauptspeicherbedarf, der den Einsatz der LES oder DNS bei praktischen Anwendungen erschwert oder ausschließt. Bei hohen Reynolds-Zahlen, dreidimensionalen komplexen Geometrien, Parameterstudien oder Optimierungen kommen daher in erster Linie Momentenverfahren zum Einsatz. Diese wurden u ¨ ber Jahrzehnte erprobt und haben einen verh¨ altnism¨ aßig hohen Entwicklungsstand erreicht. Der Name Momentenverfahren r¨ uhrt daher, dass Gleichungen f¨ ur eine vorgegebene Anzahl an Momenten von Variablen gel¨ ost werden. Im Gegensatz zu PDFVerfahren spielt die Struktur der Verteilung dabei keine Rolle. W¨ahrend reine Momentenverfahren bei der Simulation inerter Str¨omungen sehr erfolgreich sind, lassen sich die chemischen Quellterme mit diesem Ansatz nur schwer schließen. Daher bietet sich deren Kopplung mit assumed-PDF-Ans¨atzen an. Letztere dienen dabei ausschließlich der Berechnung der mittleren chemischen Umsatzraten. Auf assumed-PDF-Methoden wird in Teil III eingegangen. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt bei den Transportgleichungen der ersten Momente – den gemittelten Variablen. In Abschn. 6 werden anschließend einige zweite Momente besprochen, und Abschn. 7 schließt Teil II mit dem Beispiel eines geschlossenen Verbrennungs-Gleichungssystems ab, das sowohl erste als auch zweite Momente umfasst.
5.1 Bilanzgleichungen erster Momente Die Bilanzgleichungen erster Momente folgen (s. Abschn. 3.4) aus der Zerlegung der Momentanwerte aller abh¨ angigen Variablen in Mittelwerte und fluktuierende Anteile, Einsetzen in die momentanen Bilanzgleichungen und Mittelung. Hier ist nochmals hervorzuheben, dass dieser Schritt unabh¨angig davon ist, auf welche Weise die mittleren Gr¨ oßen gebildet werden (z.B. durch zeitliche oder durch Ensemble-Mittelung). Ausgehend von den momentanen Gln. (2.4) bis (2.7) gelangt man auf diese Weise zu den gemittelten Bilanzgleichungen
66
5 Erste Momente
• Gesamtmasse
∂ρ ∂ + (ρ u k ) = 0 , ∂t ∂xk
(5.1)
• Komponentenmassen ∂ ∂ ∂j Y = − αk + S α , ρ Yα + ρu k Yα + ρ u k α ∂t ∂xk ∂xk
(5.2)
• Impuls ∂ ∂ τ ik ∂ ∂p u (ρ u = i ) + ρu i u k + ρ u − + ρfi , i k ∂t ∂xk ∂xk ∂xi
(5.3)
• Energie , ∂ + ∂ + ∂ u k ρE + p u i τ ik − ρui uk ρE + = ∂t ∂xk ∂xk 1 + ui τik − q k − ρuk h − ρui ui uk + ρui fi 2
(5.4)
mit i, k = 1, 2, 3 und α = 1, 2, . . . , Nk−1 . W¨ ahrend die gemittelte Kontinuit¨atsgleichung exakt ihrem laminaren Gegenpart entspricht, enthalten alle weiteren Gleichungen ungeschlossene Terme: Die so genannten h¨oheren Momente. Diese zus¨ atzlichen Terme sind Folge nichtlinearer Einfl¨ usse, die bei der linearen Kontinuit¨ atsgleichung entfallen. Die Korrelationen der Geschwindigkeitskomponenten werden in Anlehnung an ihre physikalische Auswirkung ReynoldsSpannungen genannt. Entsprechend bezeichnet man Korrelationen aus einer Geschwindigkeitskomponente und einem Skalar als Reynolds-Fluss. Neben den Bilanzgleichungen ist auch die thermische Zustandsgleichung (2.21) zu mitteln, woraus Nk Nk ρ T Yα ρT Yα p = Rm + Rm (5.5) Mα Mα α=1 α=1 folgt. Darin tritt auf der rechten Seite neben der Summe u ¨ber mittlere Gr¨oßen noch eine Summe mit Temperatur-Massenanteil-Korrelationen auf. Letztere sind schwer zu bestimmen (modellieren) und in der Regel deutlich kleiner, als die Beitr¨ age der Erwartungswerte. Daher wird u ¨ berwiegend die Approximation Nk Yα p = ρ TRm (5.6) Mα α=1 genutzt. Genau genommen gilt diese Vereinfachung nur, wenn die Fluktuationen das Molekulargewicht des Gasgemischs beeinflussen, so dass die Nknicht zweite Summe in Gl. (5.5) auf Grund von α=1 Yα /Mα = 0 verschwindet.
5.2 Schließungsproblem f¨ ur den chemischen Quellterm
67
Temperaturbestimmung. Bei Verwendung der Energiegleichung ist die ρ, Yα und k zu bestimmen (diese Werte werden mittlere Temperatur T aus E, bei jedem Zeit- oder Iterationsschritt aus den Bilanzgleichungen berechnet). Aus Gl. (2.22) folgt 1 = e + 1 u E ρui ui 2 + 2 i 2ρ 1 2 = e + u +k, 2 i
(5.7)
in turbulenter Str¨omung woraus hervorgeht, dass sich die mittlere Energie E aus der mittleren inneren Energie e des Gases, der mittleren kinetischen Energie 1/2 u 2i und k zusammensetzt. Die Favre-gewichtete, massenspezifische turbulente kinetische Energie k, geht aus Geschwindigkeitsfluktuationen hervor. Um aus der mittleren Gesamtenergie die Temperatur zu gewinnen, ist e auf die Beitr¨ age der einzelnen Spezies zur¨ uckf¨ uhren. Ausgehend von Gl. (2.24) treten in
Nk 1 e = Yα eα + ρYα eα (5.8) ρ α=1 wieder Mittelwerte und Korrelationen auf. Die Massenanteil-Energie-Korrelationen sind schwer zu modellieren und werden mit e =
Nk
Yα eα
(5.9)
α=1
gew¨ ohnlich vernachl¨ assigt. Definiert man eine mittlere spezifische W¨armekapazit¨ at cˆvα , so gilt wegen der konstanten Bildungsenthalpie der Komponente eα = cˆvα T . Daraus folgt, dass in Gl. (5.8) die Summe u ¨ ber die Korrelationsterme verschwindet, wenn alle beteiligten Spezies gleiche spezifische W¨armekapazit¨ aten besitzen. Die spezifische innere Energie einer Komponente α ist bei thermisch perfektem Gas mit eα = eα (T) eine reine Funktion der Temperatur. Verwendet man f¨ ur eα die gemeinhin u ¨ blichen Polynome (s. Abschn. 2.4), so ergibt sich mit e = e(T, Yα ) bei bekannten Yα die inneren Energie als nichtlineare Funktion der Temperatur. Deren Nullstelle kann mit dem Newton-Verfahren bestimmt werden. Dieser Rechenschritt unterscheidet sich nur unwesentlich von der Temperaturberechnung im laminaren Fall (s. Abschn. 2.2).
5.2 Schließungsproblem fu ¨ r den chemischen Quellterm Ein wichtiger Punkt ist die Berechnung der mittleren Komponentenproduktionsterme S α . Trotz ihrer sonstigen Vorteile k¨onnen reine Momentenverfahren nicht (oder nur sehr schwer) auf den chemischen Quellterm angewandt werden, was an der starker Nichtlinearit¨ at von S α liegt. Das l¨asst sich an der
68
5 Erste Momente
irreversiblen ein-Schritt Reaktion A + B → . . . anschaulich zeigen, wobei der Einfachheit halber Dichtefluktuationen vernachl¨assigt werden (ρ = 0). Mit der u ur die Produktionsrate der ¨blichen Zerlegung folgt aus Gl. (2.41) f¨ Komponente A SA = −
ρ2 (k + k ) (Y A + YA ) (Y B + YB ) . MB
(5.10)
Neben einem Term aus Erwartungswerten entstehen vier Korrelationsterme h¨ oherer Ordnung (k YA YB , YA YB , k YA und k YB ). Bei trimolekularen Reaktionen der Art A + 2 B → . . . ergeben sich acht Korrelationen. Erschwerend kommt die nach Gl. (2.46) komplexe Abh¨ angigkeit der Geschwindigkeitskoeffizienten von der Temperatur hinzu. Um Aussagen bez¨ uglich der Gr¨oße und damit der Vernachl¨ assigbarkeit einzelner Terme machen zu k¨onnen, ist S A in Abh¨ angigkeit von mittleren Variablen und Potenzen fluktuierender Anteile zu formulieren. Dazu werden die in Gl. (2.46) definierten Terme k1 und k2 in Potenzreihen entwickelt [25] und es folgt
n T n n n k1 = AT = A(T + T ) = AT 1+ T α ∞ T n 1+ (5.11) = AT Qα T α=1 mit Qα ≡
n(n − 1) . . . (n − α + 1) . α!
(5.12)
Diese unendliche Reihe konvergiert f¨ ur T /T < 1 und ergibt bei positivem, ganzzahligem n eine endliche Reihe mit n + 1 Gliedern. Damit verbleibt
−E E T /T −E k2 = exp = exp exp (5.13) Rm T Rm T Rm T 1 + T /T als Reihe zu entwickeln. Zun¨ achst geschieht das f¨ ur den zweiten Exponentialterm auf der rechten Seite. Nach einigen Umformungen gelangt man zu α
∞ T −E k2 = exp (5.14) 1+ Pα Rm T T α=1 mit Pα ≡
α β=1
α−β
(−1)
(α − 1)! [(β − 1)!]2 (α − β)! β
E Rm T
β (5.15)
[25]. Im Gegensatz zu den Korrelationen der Massenanteile umfassen die Temperaturterme (mit Ausnahme von Sonderf¨allen) unendlich viele Glieder. Durch Einsetzen von k1 und k2 in die Ausgangsgleichung (5.10) nimmt der momentane Produktionsterm folgende Form an
5.2 Schließungsproblem f¨ ur den chemischen Quellterm
SA
α n ∞ ρ2 AT T −E 1+ = − exp Qα MB Rm T T α=1
∞ α T (Y A + YA ) (Y B + YB ) . × 1+ Pα T α=1
69
(5.16)
Nach Mittelung und Ordnen der Korrelationen entsprechend ihrer Ordnung ergibt sich f¨ ur den mittleren chemischen Produktionsterm SA = −
ρ2 AT MB
n
exp
−E Rm T
. Y AY B 1
YA YB Q1 P1 + Q2 + P2 2 Q1 + P1 Q1 + P1 + T + T YA + T YB 2 Y AY B Y T Y BT A T ∞ C1α YA YB (T )α + C2α YA (T )α+1 + C3α YB (T )α+1 + C4α (T )α+2 . +
+
α=1
(5.17) In der zweiten Zeile dieser Gleichung stehen alle Korrelationen zweiter Ordnung, in der dritten Zeile die dritten Ordnung und h¨oherer. Die Konstanten C1α bis C4α berechnen sich aus Qα und Pα . Ab zweiter Ordnung treten jeweils vier Korrelationsterme auf, deren Summe sich u ¨ ber unendlich viele Beitr¨age erstreckt. Unabh¨ angig von n kann gezeigt werden, dass Qα mit steigendem α rasch abnimmt. Daher l¨ asst sich die Reihe f¨ ur k1 nach wenigen Gliedern abbrechen. Das gilt nicht f¨ ur Pα . Bei niedriger mittlerer Temperatur oder hoher Aktivierungsenergie E k¨ onnen sich auch f¨ ur Korrelationen hoher Ordnung große Pα einstellen. Nur bei sehr einfacher Chemie und g¨ unstigen Bedingung ist es m¨ oglich, diese Reihe fr¨ uh abzubrechen und die verbleibenden Terme zu modellieren oder aus Transportgleichungen zu bestimmen. In Hinblick auf den Abbruchfehler kommt erschwerend hinzu, dass die Standardabweichung der Temperatur in turbulenten Str¨ omungen h¨aufig sehr hoch ist. Die große Zahl nicht zu vernachl¨ assigender Korrelationen zeigt, dass sich reine Momentenverfahren im Allgemeinen nicht zur Bestimmung der mittleren chemischen Umsatzraten eignen! Dieses Problem wird h¨aufig dadurch umgangen, dass die chemischen Ums¨ atze nur mit gemittelten Gr¨oßen berechnet werden. Das bezeichnet man als “laminare Chemie”. Der Einfluss der Turbulenz auf die chemische Kinetik wird dann weitgehend vernachl¨assigt. Bei der zuvor untersuchte Reaktionsgleichung bedeutet das, dass nur die erste Zeile aus Gl. (5.17) in die Berechnung von S A eingeht, was große Fehler nach sich ziehen kann. Das Ungleichheitszeichen in Sα (ρ, T, Y1 , Y2 , . . . , YNk ) = Sα (ρ, T , Y1 , Y2 , . . . , YNk )
(5.18)
ist nahezu immer gerechtfertigt. Eine Ausnahme bildet der perfekt gemischter Reaktor (perfectly stirred reactor), der keine r¨aumlichen Gradienten in seinen
70
5 Erste Momente
mittleren Verteilungen besitzt. In der Regel sind bei der Ber¨ ucksichtigung turbulenter Fluktuationen die ¨ ortlichen chemischen Produktionsraten kleiner, als bei laminarer Chemie, w¨ ahrend die Reaktionszonen breiter werden [26]. Ferner kann Turbulenz eine starke Verk¨ urzung der Z¨ undverzugszeit bewirken. Dies ist eine Folge des exponentiellen Anstiegs der Geschwindigkeitskoeffizienten vieler Startreaktionen mit zunehmender Temperatur.
6 Zweite Momente
Die gemittelten Bilanzgleichungen (5.1) bis (5.4) weisen auch ohne die chemischen Produktionsterme zahlreiche ungeschlossenen Korrelationen auf. Dabei handelt es sich u ¨ berwiegend um zweite Momente. Durch sie wird der Einfluss der Turbulenz auf die mittleren Str¨ omungsvariablen zur Geltung gebracht. Zu den wichtigsten ungeschlossenen Termen z¨ahlen die • Reynolds-Spannungen in den Impulsgleichungen, • Reynolds-Komponentenfl¨ usse in den Komponentengleichungen, • Reynolds-Energiefl¨ usse in der Energiegleichung. Hinzu kommen weitere Terme, von denen die meisten direkt modelliert oder vernachl¨ assigt werden. Bei Verbrennung und Anwendung von assumed-PDFVerfahren sind dar¨ uber hinaus noch • die Varianz der Temperatur (bzw. der Energie, Enthalpie, . . . ), • die Varianzen und Kovarianzen der Komponentenmassenanteile (bzw. der Molanteile, Komponentendichten, . . .) • oder die Summe der Komponentenvarianzen zu bestimmen. F¨ ur die ungeschlossenen Korrelationen besteht die M¨oglichkeit 1. der Vernachl¨assigung. Das ist dann gerechtfertigt, wenn die Auswirkungen auf die L¨ osung gering sind, 2. der direkten Modellierung an Hand algebraischer Beziehungen. Hier wird der ungeschlossene Term zu bekannten mittleren Gr¨oßen in Bezug gesetzt. Man bezeichnet das als Schließungsansatz erster Ordnung (first-moment closure), da nur Erwartungswerte (erste Momente) eingehen, 3. des L¨osens einer Transportgleichung. Da das zweite Moment dann berechnet wird, handelt es sich um einen Schließungsansatz zweiter Ordnung (second-moment closure). Aus diesen Varianten ist f¨ ur jeden ungeschlossenen Term ein angemessener Ansatz zu w¨ ahlen. In diesem Kapitel werden die ungeschlossenen Korrelationen der gemittelten Bilanzgleichungen (5.1) bis (5.4) behandelt (in der Reihenfolge ihres Auftretens). Externe Massenkr¨ afte bleiben unber¨ ucksichtigt.
72
6 Zweite Momente
6.1 Reynolds-Komponentenfluss In der gemittelten Komponentengleichung (5.2) treten Korrelationen von Geschwindigkeitskomponenten mit Massenanteilen auf, die man als ReynoldsKomponentenfl¨ usse bezeichnet. Dieser turbulenzbedingte Fluss eines Skalars (turbulent scalar flux) kann bei starker Turbulenz und hoher Reynolds-Zahl mehrere Gr¨ oßenordnungen u ¨ ber dem molekularen Stofftransport liegen. 6.1.1 Direkte Modellierung Zur direkten, skalaren Modellierung (Dt ist ein Skalar) des Reynolds-Komponentenflusses kann der Gradienten-Diffusions-Ansatz ∂ Yα µt ∂ Yα = − (6.1) ∂xi Sc t ∂xi verwendet werden, der den zu schließenden Term zum Gradienten des mittleren Massenanteils in Bezug setzt. Dies geschieht in Anlehnung an den molekularen, diffusiven Transport. Obwohl der Gradienten-Diffusions-Ansatz in zahlreichen Modellierungsans¨ atzen Verwendung findet, weist er einige Schwachstellen auf. So k¨ onnen bereits in sehr einfachen turbulenten Str¨omungen starke Abweichungen zwischen der Richtung des mittleren Gradienten und der Richtung des real auftretenden, turbulenzbedingten Stofftransports vorkommen [210]. Im Extremfall ist selbst ein turbulenter Transport entgegen der Richtung des mittleren Gradienten nicht ausgeschlossen (counter-gradient diffusion). Dar¨ uber hinaus ist der Gradienten-Diffusions-Ansatz bei Verbrennung mit Vorsicht anzuwenden, da die ρui Yα -Transportgleichung dann einen m¨oglicherweise wichtigen chemischen Quellterm enth¨alt. In der Approximation (6.1) bleibt der direkte Einfluss der Chemie dagegen unber¨ ucksichtigt. Durch DNS konnte gezeigt werden [165], dass Verbrennung eine starke Koppelung fluktuierender Anteile bewirkt, wodurch dem chemischen Produktionsterm eine große Bedeutung zukommen kann. Die Diskrepanz zwischen dem einfachen Gradienten-Diffusions-Ansatz und den realen physikalischen Vorg¨angen wird meist zu Gunsten kurzer Rechenzeiten in Kauf genommen. L¨ ost man Transportgleichungen f¨ ur die Reynolds-Spannungen, dann lassen sich deren physikalische Informationen nutzen und und es kann mit Y ≈ − ρD ρui Yα = ρ u t i α
Y ≈ − ρD ρu tij i α
∂ Yα ∂xj
(6.2)
ein Gradienten-Diffusions-Ansatz mit tensorieller Modellierung von Dtij angesetzt werden. Er erm¨ oglicht gradientenunabh¨angige Reynolds-Komponentenfl¨ usse in beliebige Raumrichtungen. Die Koeffizienten Dtij lassen sich beispielsweise mit u k Dtij = Cα u (6.3) i j aus den Reynolds-Spannungen berechnen (Cα ist eine dimensionslose Modellierungskonstante) [17].
6.1 Reynolds-Komponentenfluss
73
Turbulenz-Prandtl- und Turbulenz-Schmidt-Zahl. Zur Nutzung von Gl. (6.1) muss Dt bekannt sein. In Analogie zur molekularen Diffusion kann man Dt als turbulenzbedingten Diffusionskoeffizienten ansehen. Entsprechend tritt beim Energietransport die turbulenzbedingte W¨armeleitf¨ahigkeit λt auf. Diese Transportkoeffizienten werden in der Regel aus Feldkennzahlen ermittelt; beim Stofftransport aus der Turbulenz-Schmidt-Zahl Sc t ≡
µt , ρ¯Dt
(6.4)
beim W¨ armetransport aus der Turbulenz-Prandtl-Zahl P rt ≡
µt cp . λt
(6.5)
Die Wirbelviskosit¨at (eddy-viscosity) µt geht aus einem Turbulenzmodell hervor (s. Abschn. 6.3.1 und 6.8) und wird an dieser Stelle als bekannt vorausgesetzt. Bei µt , Dt und λt handelt es sich um keine Stoffwerte. Diese Gr¨oßen dienen lediglich dazu, in Analogie zur laminaren Str¨omung den turbulenten Impuls-, Massen- und Energietransport zu den Gradienten mittlerer Gr¨oßen in Bezug zu setzen. Verglichen mit µt und Dt unterliegen die dimensionslosen Kennzahlen P rt und Sc t (r¨ aumlich und zeitlich) deutlich geringeren Variationen, so dass man sie vereinfacht als Konstanten ansehen kann. Ihre Werte bewegen sich in der Gr¨ oßenordnung von eins. Mit Sc t l¨asst sich Gl. (6.1) und mit P rt der turbulenzbedingte Energietransport nach Gl. (6.28) schließen. In freien Scherschichten sind P rt -Werte von ca. 0,7 zu finden [150], in Nachl¨aufen von ca. 0,5 [50], in Grenzschichten ebener Platten 0,8 − 0,9 [50] und in direkter Wandn¨ ahe liegen sie nahe eins [150]. Sc t wird vom Molekulargewicht der Gaskomponenten beeinflusst und liegt normalerweise zwischen 0,7 und eins, kann aber f¨ ur sehr leichte Komponenten auch Werte von 0,25 annehmen [157] (beispielsweise bei der Wasserstoffverbrennung). Gew¨ohnlich werden Sc t und P rt mit konstanten, oftmals gleichen Werten belegt. Will man dagegen deren lokale Variation erfassen, so erfordert das zus¨atzliche Transportgleichungen. 6.1.2 Transportgleichung Zur genauen Bestimmung von ρui Yα ist dessen Transportgleichung zu l¨osen. Durch Multiplikation von Gl. (2.6) mit Yα und von Gl. (2.5) mit ui , Mittelung beider Gleichungen und Addition erh¨ alt man die Transportgleichung der Reynolds-Komponentenfl¨ usse ∂ ∂ ∂T α α Y = ρ Piα − ik + Rα ρ ui Yα + ρu k u i − i + u i Sα . i α ∂t ∂xk ∂xk
(6.6)
Externe Massenkr¨ afte sind darin vernachl¨ assigt. Die Komplexit¨at dieser Gleichung und die Vielzahl unterschiedlicher Einfl¨ usse machen deutlich, wie einfach und in vielen F¨ allen ungen¨ ugend der Gradienten-Diffusions-Ansatz (6.1)
74
6 Zweite Momente
diesen turbulenten Fluss modelliert. Die Terme auf der linken Seite stehen f¨ ur ¨ die zeitliche Anderung und den konvektiven Transport. Auf der rechten Seite folgt der Produktionsterm Y Piα ≡ − u k α
∂ ui u ∂ Yα , − u i k ∂xk ∂xk
(6.7)
der auf die Wechselwirkung von Korrelationen zweiter Ordnung mit Gradienten mittlerer Gr¨ oßen zur¨ uckgeht. Piα ist geschlossen, wenn Transportgleichungen f¨ ur die Reynolds-Spannungen gel¨ ost werden. Alle weiteren Terme in Gl. (6.6) sind ungeschlossen. Mit τij = τij + τij und jαk = jαk + jαk folgt f¨ ur den r¨aumlichen Transport − Y τ + ρu u Y + pY δ . Tikα ≡ ui jαk α ik α ik i k α
(6.8)
Die ersten zwei Beitr¨ age ergeben sich aus dem molekularen Transport und der Dreifach-Korrelationsterm ist ein Transport auf Grund von Geschwindigkeitsfluktuationen. Bei hohen Reynolds-Zahlen ist der molekulare Transport vernachl¨ assigbar [85]. Der letzte Ausdruck in Gl. (6.8) ist ein DruckDiffusionsterm, der wie Rα i auf den Druckterm Πα i ≡ − Yα
∂ ∂p = Rα pYα i − ∂xi ∂xi
(6.9)
zur¨ uckgef¨ uhrt werden kann. Durch die Zerlegung von Πα i entstehen in Gl. (6.6) Terme, die durch ihre bessere physikalische Zuordnung leichter zu modellieren sind. Der Druck-Skalargradienten-Term (pressure-scalar gradient) Rα i ist durch ∂Yα Rα (6.10) i ≡ p ∂xi und die Dissipationsrate durch α i ≡ − jαk
∂ui ∂Yα + τik ∂xk ∂xk
(6.11)
definiert. Nach Fox [85] sind die Geschwindigkeitskomponenten und die Skalare (hier Yα ) bei lokal isotroper Turbulenz unkorreliert, so dass dann α i = 0 gilt. Damit ist α auch bei hinreichend großer Reynolds-Zahl vernachl¨ a ssigbar. Der i letzte Term in Gl. (6.6) tritt nur bei reaktiven Skalaren auf. Er bewirkt einen direkten Einfluss der Verbrennung auf die Reynolds-Komponentenfl¨ usse und ruft eine Koppelung zwischen den einzelnen Skalaren hervor. Da die L¨osung von Gl. (6.6) bei zahlreichen Gaskomponenten sehr rechenzeitintensiv ist, wird u ¨ berwiegend mit Gradienten-Diffusions-Ansatz gearbeitet. Modellierung ungeschlossener Terme. Modellierungsans¨atze f¨ ur die genannten ungeschlossene Korrelationen finden sich f¨ ur Fluide mit konstanter Dichte in [210, 85] und mit variabler Dichte in [50]. Bei reaktiven Skalaren lassen sich die Chemie-Quellterme ui Sα nur schwer approximieren.
6.3 Reynolds-Spannungen
75
6.2 Molekulare Diffusion Der zweite ungeschlossene Term in Gl. (5.2) geht auf die molekulare Diffusion zur¨ uck. Vernachl¨ assigt man den Einfluss turbulenter Fluktuationen auf die Diffusionskoeffizienten, so folgt f¨ ur den molekularen Diffusionsterm j αk = − Dα ρ
∂ Yα ∂ Yα ∂Yα ∂Y ≈ − ρDα − Dα ρ α ≈ − ρDα . ∂xk ∂xk ∂xk ∂xk
(6.12)
Er skaliert mit O(Sc t −1 Ret −1 ) [85] und ist bei hoher Turbulenz-Reynolds¨ Zahl vernachl¨ assigbar. Beim Ubergang zur laminaren Str¨omung (Ret → 0) bleibt dieser Term erhalten, w¨ ahrend der Reynolds-Komponentenfluss verschwindet.
6.3 Reynolds-Spannungen Die wichtigsten ungeschlossenen Terme in den gemittelten Impulsgleichungen (5.3) sind die Reynolds-Spannungen. Sie sind eine Folge der nichtlinearen konvektiven Terme in den momentanen Impulsgleichungen. Zusammengefasst bilden sie mit u τijt = − ρ u (6.13) i j und i, j = 1, 2, 3 den Reynolds-Spannungstensor, einen symmetrischen Tensor t (τijt = τji ) zweiter Stufe. In den Reynolds-Spannungen spiegelt sich der Einfluss der Turbulenz auf das Geschwindigkeitsfeld wider. Sie werden als Spannungen bezeichnet, da ihre Auswirkung denen der Normal- und Schubspannungen gleichkommt. Dennoch sind die physikalischen Ursachen andere. Die Reynolds-Spannungen bewirken einen mittleren Impulstransport auf Grund turbulenter Fluktuationen, der nur indirekt von den Stoffeigenschaften des Fluids beeinflusst wird. In vollturbulenten Bereichen k¨onnen die ReynoldsSpannungen die molekularen Schub- und Normalspannungen um Gr¨oßenordnungen u ¨ bersteigen. Eine schlechte, ungenaue Berechnung von τijt beeinflusst die Mischung und Verbrennung in gleicher Weise, wie das Geschwindigkeitsfeld. Wegen ihrer großen Bedeutung stellt die Art der Berechnung der Reynolds-Spannungen einen wesentlichen Punkt dar. Eingesetzt werden: 1. null-, ein- und zwei-Gleichungs-Turbulenzmodelle. Diese benutzen algebraische Ans¨ atze zur Ermittlung der Reynolds-Spannungen, meist den lineare Boussinesq-Ansatz. Da nur erste Momente eingehen, handelt es sich um Schließungsans¨ atze erster Ordnung (first-moment closure), 2. Reynolds-Spannungsmodelle (RSM – Reynolds-stress models). Diese L¨osen Transportgleichungen der Reynolds-Spannungen (zweite Momente), weshalb man von einem Schließungsverfahren zweiter Ordnung (second-moment closure) spricht. Mit diesem Ansatz lassen sich einige Unsicherheiten der direkten Modellierung vermeiden. Auf beide Ans¨ atze wird in den folgenden Abschnitten eingegangen.
76
6 Zweite Momente
6.3.1 Direkte Modellierung Nahezu alle direkten Modellierungsans¨ atze f¨ ur die Reynolds-Spannungen beinhalten den auf Boussinesq zur¨ uckgehenden linearen Ansatz
2 ∂ uk t τij = − ρ ui uj ≈ 2µt Sij − δij µt + ρk (6.14) 3 ∂xk mit
1 Sij ≡ 2
∂ ui ∂ uj + ∂xj ∂xi
,
(6.15)
der hier in einer Formulierung f¨ ur variable Dichte angegeben ist. Wegen seinem großen Einfluss auf die Qualit¨ at der L¨ osung ist der Boussinesq-Ansatz Schwerpunkt zahlreicher Weiterentwicklungen [266]. Er beruht auf der Einf¨ uhrung der Wirbelviskosit¨ at µt und wird daher auch linearer Wirbelviskosit¨ats-Ansatz (linear eddy-viscosity hypothesis) genannt. Mit Ausnahme des Terms −2/3ρk entspricht Gl. (6.14) dem f¨ ur Newton’sche Fluide u ¨ blichen Ansatz zur Berechnung der molekularen Schub- und Normalspannungen (s. Gl. (2.28) auf S. 21). Das vereinfacht die Programmierung, da mit µe = µ + µt eine effektiv wirksame Viskosit¨at definiert werden kann, die sich aus einem molekularen und einem “turbulenten” Anteil zusammensetzt. Bei Summation der ReynoldsNormalspannungen muss die massenspezifische turbulente kinetische Energie k =
1 ρui ui 2 ρ
(6.16)
aus dem Boussinesq-Ansatz hervorgehen. Um das zu gew¨ahrleisten, wurde der Term −2/3 ρk in Gl. (6.14) eingebracht. Damit gilt f¨ ur die Spur des ReynoldsSpannungstensors τiit = −2 ρk. Trotz seiner weiten Verbreitung weist der Boussinesq-Ansatz deutliche Schwachstellen auf. Zum einen ist die Berechnung von µt (aus einem noch zu bestimmenden L¨ angen- und Zeitmaß der Turbulenz) mit Fehlern behaftet. Hinzu kommen Unzul¨ anglichkeiten des linearen Ansatzes, der die ReynoldsSpannungen zu den mittleren Spannungsraten in Bezug setzt [210]. Dadurch ¨ treten dann Fehler auf, wenn Anderungen in der Turbulenz anders ablaufen, als die der mittleren Spannungsraten [264]. Dar¨ uber hinaus geht der Term −2/3ρk in alle τiit in gleicher Weise ein. In Grenzschichten sind das die dominanten und damit in alle Richtungen gleichen (isotropen) Anteile, was nicht mit experimentellen Untersuchungen u ¨ bereinstimmt [174]. Da es sich bei µt um eine skalare Gr¨ oße handelt, lassen sich richtungsm¨aßig unterschiedliche (anisotrope) Einfl¨ usse nicht erfassen. Grunds¨atzlich problembehaftet ist der Wirbelviskosit¨ ats-Ansatz bei verdrallten Str¨omungen, bei komplexen dreidimensionalen Wirbelstrukturen und in F¨allen mit starker Rotation. Da der Boussinesq-Ansatz auch unphysikalische Zust¨ande zul¨asst (beispielsweise negative turbulente Normalspannungen), muss die Realisierbarkeit der Reynolds-Spannungen durch zus¨ atzliche Abfragen (“realizability conditions”) u berpr¨ u ft werden. ¨
6.3 Reynolds-Spannungen
77
Bestimmung der Wirbelviskosit¨ at. Die im Boussinesq-Ansatz (6.14) ben¨ otigte Wirbelviskosit¨ at µt = µt (x, t) l¨ asst sich mit µt ∼ ut lt
(6.17)
als Produkt eines turbulenten Geschwindigkeits- und L¨angenmaßes ausdr¨ ucken. Die Aufgabe des Turbulenzmodells besteht darin, diese Turbulenzskalen bereitzustellen. Wie Prandtl und √ Kolmogorov gezeigt haben [210], kann das Geschwindigkeitsmaß mit ut = k durch die turbulente kinetische Energie ersetzt werden und es folgt µt = Cµ ρk 1/2 lt ,
(6.18)
wobei Cµ im einfachsten Fall eine dimensionslose Modellierungskonstante darstellt. F¨ ur k ist eine exakte aber ungeschlossene Transportgleichung ableitbar (s. Abschn. 6.8.1). Damit verbleibt lt zu bestimmen. Geht man davon aus, dass lt und ut reine Folgen der Turbulenz sind und dass kein direkter Bezug zu den molekularen Stoffeigenschaften besteht [264], dann kann lt aus Dimensionsgr¨ unden mit lt ∼ k 3/2 / zur Dissipationsrate der turbulenten kinetischen Energie in Bezug gesetzt werden. F¨ ur die Wirbelviskosit¨at folgt µt = ρ Cµ
k2 .
(6.19)
Bei k und handelt es sich um massenspezifische Gr¨oßen, aus denen sich ein turbulentes Geschwindigkeits- (ut = k 1/2 ), L¨angen- (lt = k 3/2 /) und Zeitmaß (tt = k/) gewinnen l¨ asst. Da lt , tt und ut f¨ ur die großen Turbulenzstrukturen stehen, spricht man von einem integralen L¨angen-, Zeit- und Geschwindigkeitsmaß. Zur Charakterisierung der Turbulenz und zur Schließung des Gleichungssystems gen¨ ugen zwei Turbulenzvariablen. Trotz der hier getroffenen Wahl muss es sich dabei nicht unweigerlich um k und handeln. In Abschn. 6.8 wird kurz auf einige gebr¨ auchliche Turbulenzmodelle und andere Turbulenzvariablen eingegangen. Algebraische Reynolds-Spannungsmodelle. Eine Alternative zum Wirbelviskosit¨ atsansatz stellen die expliziten algebraischen Reynolds-Spannungsmodelle (ARSM – algebraic Reynolds-stress models) dar. Diese gehen bei Vernachl¨ assigung aller konvektiven und diffusiven Fl¨ usse aus den Transportgleichungen der Reynolds-Spannungen (6.20) hervor [51]. In jedem Gitterpunkt verbleiben nur die lokalen Anteile, die neben bekannten Gr¨oßen die ReynoldsSpannungen enthalten. Damit liegen sechs algebraische Beziehungen zur Approximation der Reynolds-Spannungen vor. Dieser Ansatz l¨asst sich in gleicher Weise auf die Reynolds-Fl¨ usse u ¨bertragen. Er ist relativ einfach und erfordert wenig zus¨ atzlichen Rechenaufwand. Seine Nachteile sind offensichtlich: Bei starkem konvektiven oder diffusiven Transport oder bei lokalem Ungleichgewicht zwischen Produktion und Dissipation k¨onnen große Fehler auftreten.
78
6 Zweite Momente
Nichtlineare Reynolds-Spannungsmodelle. Der G¨ ultigkeitsbereichs des Boussinesq-Ansatzes kann auch durch Einf¨ uhrung nichtlinearer Beziehungen verbessert werden. Man spricht dann von nichtlinearen Reynolds-Spannungsmodellen (non-linear RSM). Durch eine Erweiterung des linearen Ansatzes nach Gl. (6.14) um nichtlineare Terme [264, 51] unterliegt die Wirbelviskosit¨at richtungsabh¨ angigen Einfl¨ ussen und erlangt tensorielle Eigenschaften. 6.3.2 Transportgleichung Die Transportgleichung der Reynolds-Spannungen folgen aus den momentanen Impulsgleichungen (2.6) durch Multiplikation der ρui -Gleichung mit uj und der ρuj -Gleichung mit ui , Addition und Mittelung. Unter Verwendung der Kontinuit¨ atsgleichung ergibt sich f¨ ur die Favre-gemittelten ReynoldsSpannungen ∂ ∂ ∂Tijk u u k ρ u = Pij − ρ ui uj + + Rij + Mij − ij . (6.20) i j ∂t ∂xk ∂xk ¨ Auf der linken Seite stehen Terme f¨ ur die zeitliche Anderung und den konvektiven Transport der Reynolds-Spannungen. Auf der rechten Seite folgt mit t Pij ≡ τik
∂ uj ui t ∂ + τjk ∂xk ∂xk
(6.21)
(τijt = −ρui uj ) der geschlossene Produktionstensor. Alle weiteren Korrelationen sind ungeschlossen. In Tijk ≡ ρui uj uk − ui τjk − uj τik + uj p δik + ui p δjk
(6.22)
sind Terme zusammengefasst, die einen r¨aumlichen Transport von τijt bewirken. Dazu z¨ ahlt der Dreifach-Korrelationsterm (erster Term auf der rechten Seite), der f¨ ur den Transport der Reynolds-Spannungen auf Grund von Geschwindigkeitsfluktuation steht und der molekulare Transport (zweiter und dritter Term). Bei hoher Turbulenz-Reynolds-Zahl sind die molekularen Transportvorg¨ ange vernachl¨ assigbar, da sie mit O(Ret −1 ) skalieren. Die Druck-Diffusions-Terme (pressure-diffusion) werden durch Druckfluktuationen verursacht. Sie gehen wie Rij und Mij aus der Zerlegung des ungeschlossenen Geschwindigkeits-Druckgradienten-Tensors (velocity-pressure gradient) Πij ≡ − uj
∂p ∂p ∂ ∂ − ui = Rij + Mij − uj p − u p ∂xi ∂xj ∂xi ∂xj i
mit Mij ≡ − uj
∂p ∂p − ui ∂xi ∂xj
(6.23)
(6.24)
hervor, wobei der Druck-Spannungsraten-Tensor (pressure-rate-of-strain) wie folgt definiert ist [210]
6.4 Mittlerer Spannungstensor
Rij ≡ p
∂uj ∂u + p i . ∂xi ∂xj
79
(6.25)
Er bewirkt eine Umverteilung der Reynolds-Spannungen. Letzte fehlende Gr¨oße ist der Dissipationstensor ij ≡ τik
∂uj ∂u + τjk i , ∂xk ∂xk
(6.26)
in den die molekularen Schub- und Normalspannungen nach Gl. (2.28) eingehen. Da Dissipation auf molekularer Ebene stattfindet und dort meist, wie von Kolmogorov postuliert, von isotroper Turbulenz ausgegangen werden kann, l¨ asst sich der Dissipationstensor mit ij = 2/3ρδij auf die skalare Dissipationsrate der turbulenten kinetischen Energie k zur¨ uckf¨ uhren. Modellierung ungeschlossener Terme. Die Modellierung der ungeschlossenen Korrelationen in Gl. (6.20) ist die wesentliche Herausforderung bei der Entwicklung von Reynolds-Spannungsmodellen. Angaben hierzu finden sich sich bez¨ uglich inkompressibler Str¨ omungen in den Lehrb¨ uchern [264, 51, 210, 85] und in Hinblick auf Str¨ omungen mit variabler Dichte in [264, 50]. Insbesondere die Schließungsans¨ atze f¨ ur den Druck-Spannungsraten-Tensor sind Schwerpunkt zahlreicher Untersuchungen. Πij (bzw. daraus hervorgehende Anteile) ruft eine Umverteilung der Reynolds-Spannungen in Richtung isotroper Turbulenz hervor (return-to-isotropy) [264]. Anhand von DNS reagierender Scherschichten konnte gezeigt werden, dass Πij durch Verbrennung an Bedeutung gewinnt und mit steigender W¨armefreisetzung zu einem dominierenden Term in Gl. (6.20) anwachsen kann [165]. Die durch W¨armefreisetzung erh¨ ohten Druck-Spannungs-Korrelationen verst¨arken den EnergieTransfer zwischen den einzelnen Reynolds-Spannungen in Richtung isotroper Turbulenz. Sie k¨ onnen eine verbrennungsbedingte Produktion turbulenter kinetischer Energie bewirken.
6.4 Mittlerer Spannungstensor Der zweite ungeschlossene Term in den Impulsgleichungen (5.3) ist der mittlere Spannungstensor τ ij , dessen Elemente gew¨ohnlich durch
2 2 ∂ui ∂uj ∂uk ∂ ui ∂ uj ∂ uk − δij µ − δij µ τ ij = µ + ≈ µ + ∂xj ∂xi 3 ∂xk ∂xj ∂xi 3 ∂xk (6.27) approximiert werden. Der Einfluss turbulenter Fluktuation auf die Viskosit¨ at bleibt dabei unber¨ ucksichtigt. Zus¨ atzlich werden Reynolds-Mittel durch Favre-Mittel approximiert. Bei hoher Turbulenz-Reynolds-Zahl ist der mit O(Ret −1 ) skalierende mittlere Spannungstensor im Vergleich zu den ReynoldsSpannungen vernachl¨ assigbar.
80
6 Zweite Momente
6.5 Reynolds-Energiefluss Dieser Abschnitt besch¨ aftigt sich mit dem Reynolds-Energiefluss, der in der gemittelten Energiegleichung (5.4) auftritt. 6.5.1 Direkte Modellierung h steht f¨ ur den mittleren Energietransport Der Reynolds-Energiefluss ρ u i durch turbulente Fluktuation der Geschwindigkeitskomponenten, der Temperatur und der Gaszusammensetzung. Wegen h = h(T, Yα ) tragen sowohl Temperatur- als auch Komponentenschwankungen zu h bei. Letzteres gilt nur bei inhomogener Gaszusammensetzung. Eine direkte Modellierung ist mit h ≈ − qit = ρui h = ρ u i
h h λt ∂ µt ∂ = − cp ∂xi P rt ∂xi
(6.28)
mittels Gradienten-Diffusions-Ansatz m¨ oglich. Diese Approximation unterliegt a hnlichen Einschr¨ a nkungen, wie sie in Abschn. 6.1.1 in Zusammenhang ¨ mit dem Reynolds-Komponentenfluss diskutiert wurden. Der Bezug zwischen dem turbulenten Energiefluss und dem Gradienten der mittleren Enthalpie wird u ¨ ber λt hergestellt. Mit der in Gl. (6.5) definierten und als bekannt vorausgesetzten Turbulenz-Prandtl-Zahl ist Gl. (6.28) bei gegebenem µt geschlossen. P rt wird in der Regel mit einem konstante Wert zwischen 0,7 und eins belegt. Eine Alternative zum Gradienten-Diffusions-Ansatz stellt das algebraische Energiefluss-Modell dar (analog zum in Abschn. 6.3.1 beschriebenen algebraischen Reynolds-Spannungsmodell). Die Reynolds-Energiefl¨ usse folgen dabei aus lokalen algebraischen Beziehungen, die bei Vernachl¨assigung r¨aumlichen Transports aus Gl. (6.30) hervorgehen. 6.5.2 Transportgleichung In den unterschiedlichen Varianten von Energiegleichungen (e, h, es , hs oder T ) treten Reynolds-Energiefl¨ usse auf, die mit ρui h
oder
ρui hs
(6.29)
auf Fluktuationen der Enthalpie oder der thermischen Enthalpie beruhen. Da die Verwendung von h geringf¨ ugige Vorteile verspricht (deren Transportgleichung besitzt keinen chemischen Quellterm), wird von dieser Variante ausgegangen. Durch Multiplikation von Gl. (2.6) mit h und von Gl. (2.9) mit ui , Addition, Mittelung und Anwendung der Kontinuit¨atsgleichung ergibt sich die Transportgleichung des Reynolds-Energieflusses ∂ ∂ ∂Tikh h h = ρ ui h + ρu k u ρP − + Πhi + Mhi − hi . i i ∂t ∂xk ∂xk
(6.30)
6.6 Molekulare Diffusion und turbulenter Transport
81
Deren Form ist weitgehend identisch mit der der Reynolds-Komponentenfl¨ usse. ¨ Auf der linken Seite finden sich die Terme zeitlicher Anderung und konvektiven Transports. Auf der rechten Seite folgt der Produktionsterm h Pih ≡ − u k
∂ ui u ∂ h , − u i k ∂xk ∂xk
(6.31)
der auf die Wechselwirkungen von Korrelationen zweiter Ordnung mit Gradienten mittlerer Gr¨ oßen zur¨ uckgeht. Pih ist geschlossen, wenn die ReynoldsSpannungen u ¨ber Transportgleichungen berechnet werden. Der r¨aumliche Transport des Reynolds-Energieflusses u h − h τ + u q − u u τ Tikh ≡ ρ u i k i k i j jk + ph δik − pui uk ik
(6.32)
setzt sich aus einem Dreifach-Korrelationsterm, molekularem Transport und einem Beitrag der Druck-Diffusion zusammen. Dabei wurden die Zerlegungen τij = τij + τij und qk = qk + qk genutzt. Der Druckterm Πhi ≡ p
∂p ∂h ∂ (ui uk ) −p + ui ∂xi ∂xk ∂t
(6.33)
enth¨ alt einen ungeschlossenen zeitlichen Ableitungsterm, der meist vernachl¨assigt wird. Ferner tritt in Gl. (6.30) der Produktionsterm ∂ (ui τjk ) ∂xk
(6.34)
∂ui ∂h + τik ∂xk ∂xk
(6.35)
Mhi ≡ uj sowie die Dissipationsrate hi ≡ − qk
auf. Bei inertem Fluid mit konstanter Gaszusammensetzung entfallen die Ableitungen der Bildungsenthalpie. Mit h = h (T ) = cˆp T l¨asst sich der Reynolds-Energiefluss dann aus einer Transportgleichung f¨ ur ρui T bestimmen, wie sie bei Chen und Jaw [51] zu finden ist.
6.6 Molekulare Diffusion und turbulenter Transport In der gemittelten Energiegleichung stehen die ungeschlossenen Terme ui τik und ρui ui uk f¨ ur die molekulare Diffusion und den turbulenten Transport von k. Wie Gl. (5.7) zeigt, ist die turbulente kinetische Energie Teil der Gesamtenergie. Daher tauchen die beiden genannten Terme sowohl in der Energieerhaltungsgleichung (5.4) als auch in der k-Transportgleichung (6.38) auf. Eine
82
6 Zweite Momente
Die ModelZunahme von k bewirkt einen entsprechenden Anstieg von E. lierung des Terms molekularer Diffusion ui τik ≈ µ ∂k/∂xk stammt von inkompressiblen Str¨ omungen. Bei Nutzung des Gradienten-Diffusions-Ansatzes kann f¨ ur beiden Terme
1 µt ∂k ui τik − ρui ui uk ≈ µ + (6.36) 2 σk ∂xk angesetzt werden (σk ist eine dimensionslose Modellierungskonstante). In langsamen Str¨ omungen ist der Anteil von k an der Gesamtenergie gering, so dass molekulare Diffusion und turbulenter Transport vernachl¨assigbar sind. Nach Wilcox ist das bis zu sonischen Str¨ omungen gerechtfertigt [264].
6.7 Mittlerer Energiefluss Als letzter ungeschlossener Term der Energiegleichung ist der mittlere Energiefluss zu bestimmen, was mit der Approximation Nk ∂ Yα ∂ T qk ≈ − λ −ρ Dα hα ∂xk ∂xk α=1
(6.37)
geschehen kann. Wie beim mittleren Spannungstensor basiert dieser Ansatz auf Favre- an Stelle von Reynolds-gemittelten Gr¨oßen. Zus¨atzlich bleibt der Einfluss turbulenter Fluktuationen auf λ und Dα sowie die EnthalpieMassenanteil-Korrelationen beim diffusiven Energietransport unber¨ ucksichtigt. In Str¨ omungen mit hoher Turbulenz-Reynolds-Zahl ist q k auf Grund des vielfach gr¨ oßeren Reynolds-Energieflusses vernachl¨assigbar.
6.8 Turbulenzmodellierung Nachdem alle ungeschlossenen Terme der gemittelten Bilanzgleichungen diskutiert wurden, bleibt das Problem der Turbulenzmodellierung. Darunter versteht man die Bereitstellung turbulenter L¨angen- und/oder Zeitskalen. Wesentliche Grundlagen der Turbulenzmodellierung, wie die Prandtl’sche Mischungsweg-Hypothese [211], wurden bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts gelegt. Turbulenzmodelle werden h¨aufig durch die Anzahl verwendeter Transportgleichungen klassifiziert. Null-Gleichungs-Modelle. Diese einfachste Art der Turbulenzmodellierung kommt ohne Transportgleichung aus. Ihr Rechenaufwand ist entsprechend gering. Die Wirbelviskosit¨ at µt wird direkt aus den mittleren Str¨omungsvariablen berechnet. Daher bezeichnet man diese Modelle als algebraische nullGleichungs-Modelle. Ihre Anwendbarkeit ist aus physikalischer Sicht begrenzt.
6.8 Turbulenzmodellierung
83
Sie eignen sich zur Simulation anliegender turbulenter Grenzschichten und f¨ ur Str¨ omungen mit sehr einfachen Geometrien. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Klasse z¨ ahlt das Cebeci-Smith- [46] und das Baldwin-Lomax-Modell [8]. Ein-Gleichungs-Modelle. Bei ein-Gleichungs-Modellen wird die Transportgleichung einer Turbulenzvariable gel¨ ost, was keine vollst¨andige Beschreibung des turbulenten Str¨ omungsfelds erlaubt. Das heißt, dass weitere Informationen vorzugeben sind. Trotz der Tendenz zu eher aufwendigeren Turbulenzmodellen lassen sich damit bei speziellen Anwendungen sehr gute Ergebnisse erzielen. In diesem Zusammenhang ist das Modell von Spalart und Allmaras zu nennen [231], das in erster Linie bei aerodynamischen Problemen eingesetzt wird. Zwei-Gleichungs-Modelle. Zwei-Gleichungs-Modelle werden bis heute erfolgreich in weiten Bereichen von Forschung und Industrie genutzt. Bei zwei eigenst¨ andigen Transportgleichungen f¨ ur Turbulenzgr¨oßen spricht man von vollst¨andigen Modellen [264, 210]. Das bedeutet, dass sich die Verteilung der Turbulenz ohne die Vorgabe weiterer Informationen ergibt. Bei den zweiGleichungs-Modellen besteht eine große Bandbreite an verf¨ √ ugbaren Ans¨atzen, die auf unterschiedlichen Turbulenzvariablen (k, , q = k, ω = /k, τ = 1/ω usw.) beruhen. Das am h¨ aufigsten eingesetzte zwei-Gleichungs-Modell ist das k--Modell, das auf Jones, Launder, Spalding sowie weitere Autoren zur¨ uckgeht [136, 151]. Dar¨ uber hinaus ist auch das k-ω-Modell von Wilcox [265] weit verbreitet. Dieses ist dem k--Modell im Wandbereich u ¨ berlegen, w¨ahrend es Scherschichten schlechter vorhersagt [264]. Bei ω = /k handelt es sich um die Frequenz der energietragenden Wirbel. Um die Vorteile beider Modelle zu vereinen, hat Menter das SST-Modell (shear-stress-transport) entwickelt [178]. Dieses blendet zwischen beiden Ans¨atzen u ¨ ber und arbeitet im Wandbereich mit dem k-ω- und in freien Scherschichten mit dem k-Modell. Ein relativ komplexes, wissenschaftlich interessantes Turbulenzmodell, das sich auch f¨ ur Transitionssimulationen einsetzen l¨asst, ist das k-ζModell von Hassan und Mitarbeitern [217, 216]. Es ber¨ ucksichtigt alle bei seiner Herleitung entstehenden Terme, kommt ohne Wandabstand aus und beruht unabh¨ angig vom Anwendungsfall auf dem gleichen Satz an Modellkonstanten. Diese positive Eigenschaft teilt es nur mit wenigen Turbulenzmodellen. So ben¨ otigt das k--Modell unterschiedliche Konstanten, je nachdem ob ein ebener oder ein rotationssymetrischer Freistrahl modelliert wird. Zu weite¨ ren Details bez¨ uglich der zahlreichen Turbulenzmodelle sei auf Ubersichtsartikel und auf die B¨ ucher von Wilcox [264] (k-ω- und k--Modell), Mohammadi und Pironneau [185] (k--Modell), Chen und Jaw [51] (zwei-Gleichungsund Reynolds-Spannungsmodelle) und das eher grundlegende Buch von Pope [210] verwiesen. Ferner ist zu beachten, dass nahezu alle zwei-GleichungsModelle f¨ ur inkompressible Str¨ omungen entwickelt und analog auf kompressible Str¨ omungen und Fluide mit variabler Dichte u ¨bertragen wurden. Insbesondere die experimentell schwer zug¨ anglichen Druckkorrelationen schneller Str¨ omungen sind noch nicht so weit erforscht, wie es w¨ unschenswert w¨are.
84
6 Zweite Momente
Gebiete mit niedriger Turbulenz-Reynolds-Zahl. Die Transportgleichungen von zwei-Gleichungs-Modellen sind ohne Korrekturen nur bei voll ausgebildeter Turbulenz g¨ ultig. In praktischen Anwendungen treten jedoch h¨ aufig Gebiete auf, in denen Relaminarisierung stattfindet (z.B. in Wand¨ grenzschichten). Das Turbulenzmodell muss dann den Ubergang von einer vollturbulenten Str¨ omung zur laminaren Unterschicht korrekt wiedergeben. Das wird durch starke Gradienten der Turbulenzvariablen in Wandn¨ahe erschwert. Zur Modellierung von Wandgrenzschichten und Zonen mit niedriger Turbulenz-Reynolds-Zahl sind zwei Ans¨ atze verbreitet: ¨ 1. eine Erweiterung der Turbulenzgleichungen um Terme, die den Ubergang zur laminaren Unterschicht und die damit verbundene Relaminarisierung bewerkstelligen. Man bezeichnet diese als “Low-Reynolds-NumberTurbulenzmodelle”. Bei ihnen ist die laminare Unterschicht durch das Rechengitter aufzul¨ osen, was bei hohen Reynolds-Zahlen sehr feine Gitter erfordert. Die zus¨ atzlichen “Low-Reynolds-Number-Terme” werden u ¨ ber Sensoren ein- und ausgeblendet, die gew¨ ohnlich von der Turbulenz-ReynoldsZahl abh¨ angen und in einigen F¨ allen senkrechte Wandabst¨ande erfordern, 2. high-Reynolds-Number-Turbulenzmodelle, bei denen die Wandgrenzschichten nicht direkt modelliert werden. Die Simulation des wandnahen Bereichs erfolgt stattdessen u ¨ ber algebraische Beziehungen, die meist auf dem logarithmischen Wandgesetz beruhen. Der gesamte Wandbereich wird dabei durch eine einzige (oder sehr wenige) Zelle(n) diskretisiert und der Bezug zur Hauptstr¨ omung aus algebraischen Ans¨atzen errechnet. Solche Modelle besitzen dann G¨ ultigkeit, wenn die verwendeten algebraischen Beziehungen g¨ ultig sind. Das logarithmische Wandgesetz gilt f¨ ur anliegende Str¨omungen ohne Druckgradienten und bei geringer Wandkr¨ ummung. Gerade in der Modellierung des Wandbereichs bestehen zwischen den zweiGleichungs-Turbulenzmodellen betr¨ achtliche Unterschiede. Diese haben nicht nur Auswirkungen auf die Genauigkeit der L¨ osung, sondern auch auf die Stabilit¨ atseigenschaften des verwendeten numerischen Verfahrens. Numerische Stabilit¨ at von zwei-Gleichungs-Modellen. Neben einer m¨ oglichst genauen Beschreibung der Turbulenz ist f¨ ur den Nutzer von Turbulenzmodellen vor allem die Stabilit¨ at des numerischen Verfahrens von Belang. Ein genaues Modell, das in komplizierten F¨allen nur schwer oder gar nicht stabil gehalten werden kann, ist in der Praxis kaum einsetzbar. Leider verursachen vor allem die genaueren Low-Reynolds-Number -Versionen h¨aufig numerisch steife Turbulenzgleichungssysteme (zur Definition von Steifigkeit s. Abschn. 14.5), die hohe Anforderungen an das numerische L¨osungsverfahren stellen. Das ist eine Folge stark nichtlinearer Quellterme, die sich beispielsweise bei der Relaminarisierung oder in Gebieten mit hoher Turbulenzproduktion einstellen. Erschwerend kann die Quellterm-Jacobi-Matrix der Turbulenzvariablen auch positive Eigenwerte besitzen, was gleichfalls Stabilit¨atsprobleme nach sich ziehen kann (s. Abschn. 14.9 und 15.6.1). W¨ahrend sich steife, lokale
6.8 Turbulenzmodellierung
85
Gleichungssysteme mit negativen Eigenwerten durch implizite Diskretisierungen stabil integrieren lassen, hilft bei großen positiven Eigenwerten h¨aufig nur eine Zeitschrittreduzierung. Quellterme mit r¨aumlichen Ableitungen werden gew¨ ohnlich als Konstanten behandelt, was ebenfalls problematisch sein kann. Oft werden nur die Anteile des Quellvektors linearisiert, die zu negativen Eigenwerten f¨ uhren. Die Integration der restlichen Quelltermanteile erfolgt explizit [264]. In manchen F¨ allen lassen sich Stabilit¨atsprobleme durch eine Beschr¨ ankung des Wertebereichs der Turbulenzvariablen und/oder einzelner Produktionsterme vermeiden. Dar¨ uber hinaus ben¨otigen einige Turbulenzmodelle zur Konvergenz relativ genaue Startwerte, so dass mit einem stabileren (z.B. algebraischen) Modell vorzurechnen ist. Alle genannten Maßnahmen sind in der Praxis unhandlich, zeitraubend und daher unerw¨ unscht, lassen sich aber nicht immer vermeiden. Nach Stabilit¨ atsgesichtspunkten z¨ahlt das k-ω-Modell zu den gutm¨ utigeren Turbulenzmodellen. Ein wenig verbreitetes, numerisch sehr stabiles zwei-Gleichungs-Modell ist das q-ω-Modell von Coakley [57], das auch in Kombination mit Mehrgitterverfahren zuverl¨assig arbeitet [97, 101]. Im Folgenden werden beispielhaft f¨ ur zwei-Gleichungs-Turbulenzmodelle die Transportgleichungen f¨ ur k und behandelt. 6.8.1 Turbulente kinetische Energie Die massenspezifische turbulente kinetische Energie steht f¨ ur das integrale turbulente Geschwindigkeitsmaß der gr¨ oßten auftretenden Wirbel und die darin enthaltene Energie. Nach der Definition (6.16) folgt k aus der Spur des Reynolds-Spannungstensors. Aus den Gleichungen der Reynolds-Spannungen (6.20) ergibt sich f¨ ur i = j und i = 1, 2, 3 die k-Transportgleichung ∂(ρk) ∂ ∂Tk + (ρ u k k) = P − + M + R − ρ . ∂t ∂xk ∂xk
(6.38)
¨ Die Terme auf der linken Seite beschreiben die zeitliche Anderung und den r¨aumlichen Transport von k. In den Gleichungen der Reynolds-Spannungen (6.20) treten die Tensoren Aij = Pij , Tijk , Mij und Rij auf, die sich in der k-Gleichung gem¨ aß 1 A = Aii (6.39) 2 ur den Proergeben. F¨ ur die Dissipationsrate gilt ρ = 1/2ii . Damit folgt f¨ duktionsterm turbulenter kinetischer Energie t P ≡ τik
∂ ui , ∂xk
(6.40)
der auf Wechselwirkungen der Reynolds-Spannungen mit Gradienten des mittleren Geschwindigkeitsfelds beruht. Aus Gl. (6.39) ergibt sich f¨ ur den r¨aumlichen Transport 1 Tk ≡ ρui ui uk − ui τik + uk p . (6.41) 2
86
6 Zweite Momente
Der Druckterm hat eine r¨ aumliche Umverteilung turbulenter kinetischer Energie von Gebieten mit hoher Intensit¨ at zu solchen mit niedriger zur Folge [51]. Druckarbeit (pressure work) M ≡ −ui
∂p ∂xi
(6.42)
und Druck-Dilatation (pressure dilatation) R ≡ p
∂ui ∂xi
(6.43)
treten nur bei variabler Dichte auf, da ansonsten die Divergenz des Geschwindigkeitsfelds verschwindet und ui = ui = 0 gilt. Das bedeutet, dass bei konstanter Dichte der Druck-Spannungsraten-Tensor Rij in den ReynoldsSpannungen eine Umverteilung der Normalspannungen bewirkt, ohne dass dies die Spur des Spannungstensors und damit k ¨andert. Der letzte Term in Gl. (6.38) steht f¨ ur die Dissipationsrate ρ ≡ τik
∂ui . ∂xk
(6.44)
Diese wird h¨ aufig in zwei Teile aufgespalten: Die quellenfreie Dissipation (solenoidal) die bei konstanter und nicht konstanter Dichte auftritt und die kompressible Dissipation (dilatational), die nur bei variabler Dichte vorkommt. Nur die quellenfreie (inkompressible) Dissipation ist mit der Energiekaskade der Turbulenz verbunden [50]. Modellierung und geschlossene k-Gleichung. Modellierungsans¨atze f¨ ur die ungeschlossenen Terme in Gl. (6.38) werden in zahlreichen Lehrb¨ uchern und Fachartikeln [264, 158, 51, 210, 50] diskutiert und unterliegen st¨andiger Weiterentwicklung. Gleiches gilt f¨ ur die Ans¨atze zur Wandmodellierung, die in die jeweiligen Modelle einzubeziehen sind. Daher wird mit .
∂(ρk) ∂ µt ∂k ∂ ui t ∂ + µ+ − ρ (6.45) (ρ u k k) = τik + ∂t ∂xk ∂xk ∂xk σk ∂xk nur die Grundform einer modellierten k-Transportgleichung angegeben, in der die Reynolds-Spannungen noch durch geschlossene Ausdr¨ ucke zu ersetzen sind. Druck-Arbeit und Druck-Dilatation wurden vernachl¨assigt und sind gegebenenfalls unter Verwendung geeigneter Modellierungen zu ber¨ ucksichtigen. Die Dissipationsrate folgt aus einer weiteren Transportgleichung. 6.8.2 Dissipationsrate der turbulenten kinetischen Energie F¨ ur ein vollst¨ andiges Turbulenzmodell sind zwei Turbulenzvariablen notwendig. Neben k kann das deren massenspezifische Dissipationsrate sein. Diese wird an verschiedenen Stellen ben¨ otigt:
6.8 Turbulenzmodellierung
87
1. in der k-Transportgleichung (6.38), in der sie die Dissipation der turbulenten kinetischen Energie repr¨ asentiert (oder in gleicher Funktion in den Gleichungen der Reynolds-Spannungen (6.20), wenn dort die tensoriellen Dissipationsraten ij auf zur¨ uckgef¨ uhrt werden), 2. im Boussinesq-Ansatz (6.14), um bei der Berechnung von µt nach Gl. (6.19) ein turbulentes L¨ angenmaß bereitzustellen. Da lt = k 3/2 / f¨ ur das integrale L¨ angenmaß der energietragenden Wirbel steht, bietet es sich an, die Modellierung ungeschlossener Terme an diesen L¨ angenskalen auszurichten. Das w¨ urde der Vorstellung entsprechen, dass die Rate des Energieflusses von großen zu kleinen Wirbeln von den großskaligen Turbulenzstrukturen gepr¨ agt wird. Andererseits l¨asst sich nur f¨ ur die tats¨ achliche Dissipationsrate auf Ebene der kleinsten Strukturen eine exakte, wenn auch ungeschlossene Transportgleichung ableiten [264, 51]. Diese Gleichung umfasst zahlreiche schwer messbare und schwer zu modellierende ¨ Korrelationen. Außer zeitlicher Anderung und konvektivem Transport sind alle Terme dieser Gleichung ungeschlossen. Das erh¨oht nicht nur das Ausmaß an notwendiger Modellierung, sondern auch die Unsicherheit, mit der eine solche -Gleichung behaftet w¨ are. Dar¨ uber hinaus ist der Nutzen der exakten -Gleichung auf Grund der zweiten Forderung fraglich, nach der ein L¨angenmaß f¨ ur die großen Turbulenzstrukturen bereitgestellt werden soll. Aus diesen Gr¨ unden wird f¨ ur eine Transportgleichung verwendet, die nichts mit deren exakter Form zu tun hat und deren modellierte Terme sich an den großskaligen Wirbeln orientieren. Pope [210] empfiehlt, die -Transportgleichung .
∂ (ρ) ∂ µt ∂ ∂ + µ+ (ρ u k ) = ∂t ∂xk ∂xk σ ∂xk t ∂ ui 2 (6.46) − C 2 ρ + C 1 τik k ∂xk k als empirisch anzusehen. Bei C 1 und C 2 handelt es sich um dimensionslose Modellierungskonstanten. Gleichung (6.46) wurde urspr¨ unglich f¨ ur inkom¨ pressible, inerte Fluide mit konstanter Dichte abgeleitet. Bei der Ubertragung auf Str¨ omungen mit variabler Dichte hat sich gezeigt, dass beispielsweise die Dicke von kompressiblen Mischungsschichten damit nur unbefriedigend simuliert wird. Daher haben mehrere Autoren Kompressibilit¨atskorrekturen eingef¨ uhrt [264]. Dazu wird in einen Anteil quellenfreier Dissipation (solenoidal dissipation) und einen Dilatations-Dissipations-Anteil (dilatational dissipation) aufgespalten. Gel¨ ost wird die Gleichung der quellenfreien Dissipationsrate, die mit Ausnahme von Korrekturtermen mit Gl. (6.46) u ¨ bereinstimmt. Bei der Verwendung eines Low-Reynolds-Number-Turbulenzmodells ist Gl. (6.46) zus¨ atzlich zu modifizieren, um eine korrekte Relaminarisierung im Wandbereich zu erlangen. Dies geschieht u ¨ ber Low-Reynolds-Number-Terme. Bei HighReynolds-Number -Turbulenzmodellen gen¨ ugt Gl. (6.46), da dann der Verlauf von im Wandbereich aus einer algebraischen Beziehung hervorgeht.
88
6 Zweite Momente
6.9 Varianz der Temperatur Bei inerten Fluiden gen¨ ugen die angegebenen Transportgleichungen und Modellierungsans¨ atze, um das Gleichungssystem (5.1) bis (5.4) zu schließen. Ver¨ brennung ist dagegen immer mit starken Anderungen der Dichte, Temperatur und Gaszusammensetzung verbunden. Das heißt, dass zur Schließung des chemischen Quellterms gegebenenfalls die zweiten Momente dieser Variablen notwendig sind. Bei assumed-PDF-Verfahren k¨onnen das die Varianz der Temperatur, die Varianzen und Kovarianzen der Gaszusammensetzung sowie Korrelationen gemischten Typs sein. Dieser Abschnitt befasst sich mit der Bereitstellung der Varianz der Temperatur 2 , σT = T/
(6.47)
die in Hinblick auf den chemischen Quellterm vor allem die Geschwindigkeitskoeffizienten der Elementarreaktionen beeinflusst. 6.9.1 Direkte Modellierung Die Temperaturvarianz kann u ¨ ber algebraische Beziehungen aus bekannten mittleren Gr¨ oßen des Str¨ omungs- und Temperaturfelds berechnet werden [49, 155, 275]. Bei Vernachl¨ assigung r¨ aumlichen Transports und unter der Annahme lokalen Gleichgewichts zwischen Produktion und Dissipation folgt 2 ∂ T 2µt σT = (6.48) P rt CT ρ ω ∂xi aus der modellierten σT -Transportgleichung (6.49). Darin steht ω = /k = 1/τ (1/s) f¨ ur ein turbulentes Zeitmaß und CT ≈ 2 ist eine dimensionslose Modellierungskonstante. Dieser relativ einfache Ansatz ist leicht in numerischen Verfahren zu implementieren. Andererseits weist er ¨ahnliche Nachteile auf, wie null-Gleichungs-Turbulenzmodelle bei der Bestimmung der ReynoldsSpannungen. Ein Transport von σT ist nicht m¨oglich und lokales Gleichgewicht liegt h¨ aufig nicht vor. Ferner ist bekannt, dass die Turbulenzgr¨oßen und ¨ der turbulente Transport nicht direkt auf Anderungen der mittleren Verteilungen reagieren. Sie unterliegen eigenen Zeitskalen, die mit einem algebraischen Ansatz prinzipiell nicht erfassbar sind. 6.9.2 Transportgleichung Rechenzeitintensiver, daf¨ ur aber genauer und allgemeing¨ ultiger ist das L¨osen einer Transportgleichung f¨ ur die Varianz der Temperatur. H¨aufig wird dieser Ansatz bei Fluiden mit konstanter Gaszusammensetzung verfolgt [191, 230, 53], da die Herleitung der σT -Transportgleichung bei chemischen Reaktionen und unterschiedlichen Gaskomponenten vereinfachende Annahmen erfordert:
6.9 Varianz der Temperatur
89
Die Auswirkungen von Fluktuationen der Gaszusammensetzung auf σT sind schwer zu erfassen und werden bei der Herleitung der σT -Transportgleichung und in den g¨ angigen Modellierungsans¨ atzen gew¨ohnlich vernachl¨assigt [87]. Ausgangspunkt f¨ ur die Bestimmung einer σT -Transportgleichung ist eine der Temperaturgleichungen (2.11) oder (2.12). Die ungeschlossenen Korrelationen werden analog zu den entsprechenden Termen der in Abschn. 6.10 folgenden Energievarianzgleichungen modelliert. Damit folgt f¨ ur die teilweise modellierten und vereinfachten Transportgleichungen der Varianz der Temperatur (aus thermischer Energie) .
∂ µt µ ∂σT ∂ ∂ (¯ ρ σT ) + + γˆ (¯ ρu k σT ) = ∂t ∂xk ∂xk P r P rt ∂xk 2 T + P T + MT − γˆ T − C (6.49) cˆv und der Varianz der Temperatur (aus thermischer Enthalpie) .
µt µ ∂σT ∂ ∂ ∂ (¯ ρ σT ) + + (¯ ρu k σT ) = ∂t ∂xk ∂xk P r P rt ∂xk + P T − T +
2 T 2 Dp − T C . cˆp Dt cˆp
(6.50)
Diese Gleichungen gehen von P r = Sc und Dα = D f¨ ur α = 1, 2, . . . , Nk aus und setzen die Vernachl¨ assigbarkeit des Einflusses von Komponentenfluktuationen auf die Stoffwerte voraus. Der modellierte Produktionsterm der Temperaturvarianz 2 µt ∂ T T P ≡ 2 (6.51) P rt ∂xk wird von den Gradienten des mittleren Temperaturfelds bestimmt und ist in beiden Gleichungen identisch. Unterschiede bestehen beim Druckterm, der in Gl. (6.49) durch ∂ uk MT ≡ −2 (ˆ γ − 1) ρ¯σT (6.52) ∂xk modelliert wird [89] und damit bei konstanter Dichte verschwindet. F¨ ur den Druckterm in Gl. (6.50) fehlen bisher geeignete Modellierungsans¨atze. Die modellierte Dissipationsrate der Temperaturvarianz ergibt sich zu T ≡ CT ρ¯ σT ω ,
(6.53)
ur eine dimensionslose Konstante steht und ω (1/s) f¨ ur ein Zeitwobei CT f¨ maß der Turbulenz (dieses folgt aus dem verwendeten Turbulenzmodell). Der jeweils letzte Term Nk C T ≡ T Sα hfα (6.54) α=1
90
6 Zweite Momente
geht auf die Wechselwirkung von Temperaturfluktuationen mit den chemischen Umsatzraten zur¨ uck. Er ist bei Kopplung des Momentenverfahrens mit einem assumed-PDF-Ansatz berechenbar. Allerdings wirkt sich dabei die meist notwendige Annahme statistischer Unabh¨angigkeit von Temperaturund Komponentenfluktuationen negativ aus [95]. Die Vernachl¨assigung dieses Terms f¨ uhrt daher im Allgemeinen zu besseren Resultaten (s. Abschn. 6.10.3).
6.10 Varianz einer Energievariable Die Temperaturvarianz l¨ asst sich auch aus der Varianz der Energie, der Enthalpie, der thermischer Energie oder der thermischen Enthalpie gewinnen. Die Transportgleichungen dieser vier Variablen sind in ∂ ∂ ∂TkE ( ρ σg ) + (ρu k σg ) = P E − + ME − C E + ΘE − E ∂t ∂xk ∂xk
(6.55)
zusammengefasst (die Herleitung dieser Gleichung ist f¨ ur die Varianz der thermischen Energie in Anhang A.2.1 angegeben). In Gl. (6.55) steht • g f¨ ur eine der Variablen e, es , h oder hs , • g f¨ ur den fluktuierenden Anteil dieser Gr¨ oße bei Favre-Mittelung, / / 2 , σ = e0 2 , σ = h 2 oder σ 2 , ur die Varianz σ = e0 =h • σ f¨ g
e
es
s
h
hs
s
• q g f¨ ur den Energietransport durch W¨ armeleitung und Diffusion.
¨ Auf der linken Seite von Gl. (6.55) sind Terme f¨ ur die zeitliche Anderung und den r¨ aumlichen Transport der Energievarianz angeordnet. Rechts folgt mit g g ∂ P E ≡ − 2 ρ u k ∂xk
(6.56)
der Hauptproduktionsterm und mit g 2 + 2g q g TkE ≡ ρ u k k
(6.57)
ein Term f¨ ur den r¨aumlichen Transport der Varianz durch Geschwindigkeitsfluktuationen, W¨armeleitung und Diffusion. Bei ME handelt es sich um einen Druckterm ⎧ ⎪ ⎪ − 2g p ∂ui : σe , σes , ⎨ ∂xi E M ≡ (6.58) ⎪ Dp ⎪ ⎩ : σh , σhs 2g Dt und der Chemie-Produktionsterm ⎧ Nk ⎨ 2 g h f α Sα : σes , σhs , E (6.59) C ≡ α=1 ⎩ 0 : σe , σh
6.10 Varianz einer Energievariable
91
gibt die Wechselwirkung von Energiefluktuationen mit den chemischen Umsatzraten wieder. Er entf¨ allt in der Energie- und Enthalpievarianzgleichung, da diese keine chemischen Produktionsterme besitzen. Bei bekannter PDF ist C E vereinfacht berechenbar. Dazu wird die Fluktuation der thermischen Energie oder thermischen Enthalpie durch 1 : σes , g = θ cˆv T , θ ≡ (6.60) γˆ : σhs approximiert. Bei γˆ = cˆp /ˆ cv = hs /es = ρhs /(ρhs − p) handelt es sich um einen mittleren Adiabatenexponenten. In Gl. (6.60) wird vorausgesetzt, dass cˆp und cˆv lokal konstant sind und von Komponentenfluktuationen unbeeinflusst bleiben. Durch Einsetzen in Gl. (6.59) folgt C E ≡ 2 θ cˆv T
Nk
Sα hfα = 2 θ cˆv C T :
σes , σhs .
(6.61)
α=1
Der bereits in Gl. (6.54) definierte Term C T wird in Abschn. 6.10.3 und 10.3 noch eingehender besprochen. Die beiden letzten Terme in Gl. (6.55) sind ∂ui ∂xk
(6.62)
∂g . ∂xk
(6.63)
ΘE ≡ 2 g τik und der Dissipationsterm E ≡ − 2 qkg
Alle auf der rechten Seite von Gl. (6.55) stehenden Korrelationen ben¨otigen Modellierung. 6.10.1 Modellierung und geschlossene Transportgleichung Die Transportgleichungen zweiter Momente unterscheiden sich in den meisten Termen nur unwesentlich. Aus diesem Grund sind die folgenden Schließungsans¨ atze in ¨ ahnlicher Weise auch auf andere zweite Momente u ¨ bertragbar. Der ungeschlossene Anteil im Produktionsterm P E entspricht dem ReynoldsEnergiefluss, so dass mit Gl. (6.28)
2 ∂ g 2µt E P ≈ (6.64) P rt ∂xk gesetzt werden kann. Der erste in TkE auftretende Term steht f¨ ur den Transport von Varianz auf Grund von Geschwindigkeitsfluktuationen. Die hierf¨ ur u ¨ bliche Modellierung g 2 ≈ − µt ∂σg ρ u (6.65) k P rt ∂xk
92
6 Zweite Momente
basiert auf dem Gradienten-Diffusions-Ansatz. Der zweite Beitrag zu TkE wird durch W¨ armeleitung und Diffusion verursacht und mit g qkg ≈ −
2 1 µ ∂ g0 θ 2 P r ∂xk
(6.66)
ebenfalls durch einen Gradienten-Diffusions-Ansatz modelliert. Dieser Transportterm ist bei hoher Turbulenz-Reynolds-Zahl vernachl¨assigbar. Der Druckterm ME bleibt im Fall der Enthalpievarianz aus Mangel an geeigneten Approximationen meist unber¨ ucksichtigt. F¨ ur g = es schlagen Gaffney et al. [89] die folgende Modellierung vor ME = −2 es p
∂ ui ∂ui 2 ≈ −2 (ˆ γ − 1) ρ¯ e0 , s ∂xi ∂xi
(6.67)
alt komplizierte Korrelationen bis zu die auf p = ρ (ˆ γ − 1) es beruht. ΘE enth¨ dritter Ordnung und wird wegen fehlender Modellierungsans¨atze gew¨ohnlich vernachl¨ assigt [89, 12] (das gilt auch f¨ ur die σT -Transportgleichungen (6.49) und (6.50)). Inwieweit das gerechtfertigt ist, bleibt zu untersuchen. F¨ ur E l¨ asst sich entweder eine weitere Transportgleichung l¨osen oder man setzt eine direkte Modellierung an. Bei Letzterem wird der Energiefluss durch ⎧ Nk ⎪ ∂T µ ∂h ⎪ ⎪ hα jαk ≈ − : g = h, e , ⎪ ⎨ − λ ∂xk + P r ∂xk α=1 qkg = (6.68) Nk ⎪ µ ∂hs ∂T ⎪ ⎪ ⎪ hsα jαk ≈ − : g = hs , e s ⎩ − λ ∂x + P r ∂x k
k
α=1
ur α = 1, 2, . . . , Nk voraussetzt. Es approximiert, was P r = Sc und Dα = D f¨ folgt f¨ ur den Dissipationsterm
E
µ ≈ 2θ Pr
∂g ∂xk
2 = ρ¯ θ χσg ≈ ρ¯ θ
2 2 g0 g0 . ≈ ρ¯ θ Cσg τσg τ
(6.69)
Darin bezeichnet χσg die Favre-gemittelte skalare Dissipationsrate von σg . Das integrale Zeitmaß der Geschwindigkeitsfluktuation ist mit τ = k/ u ¨ ber die beiden Turbulenzvariablen (hier k und ) definiert. Durch τσg = τ /Cσg wird mit der dimensionslosen Konstante Cσg ≈ 2 ein linearer Zusammenhang zwischen τσg und τ hergestellt [89, 95], der Gl. (6.69) schließt. Voraussetzung ist, dass sich die charakteristische Zeitskala der Varianz der Energievariable linear zur Zeitskala der Geschwindigkeit verh¨ alt, was in der Regel kaum gegeben sein d¨ urfte. Eine genauere, allerdings auch aufwendigere Methode besteht im L¨ osen der E -Transportgleichung. Bei homogener, isotroper Turbulenz liefert E mit den u ahlten Modellierungsans¨atzen den einzigen Bei¨ blicherweise gew¨ trag, der eine Abnahme der Varianz bewirkt. DNS-Untersuchungen haben f¨ ur diesen Sonderfall gezeigt, dass mit der Approximation (6.69) sowohl in E als auch in σT betr¨ achtliche Abweichungen auftreten k¨onnen [228].
6.10 Varianz einer Energievariable
93
Geschlossene Transportgleichungen. Mit den skizzierten Modellierungsans¨ atzen folgt f¨ ur die geschlossenen Transportgleichungen der Varianz der thermischen Energie
0
2 µt µ 2µt ∂ ∂ 0 ∂ ∂ ∂ es 2 es 2 2 0 ρ¯es + θ + + ρ¯u k es = ∂t ∂xk ∂xk P r P rt ∂xk P rt ∂xk Nk ∂ uk 0 2 ω − 2 (ˆ 2 − θ Ce ρ¯ e0 γ − 1) ρ ¯ e − 2e Sα hfα s s s ∂xk α=1
(6.70)
und der Varianz der Energie
0 2 µ µ ∂ e ∂ ∂ ∂ 0 t 2 2 ρ¯e + θ + ρ¯u k e0 = ∂t ∂xk ∂xk Pr P rt ∂xk
2 ∂ uk ∂ e µt 2 ω − 2 (ˆ 2 − θ Ce ρ¯ e0 γ − 1) ρ¯e0 . +2 P rt ∂xk ∂xk
(6.71)
Der wesentliche Nachteil von Gl. (6.70) gegen¨ uber Gl. (6.71) besteht darin, dass sie den Chemie-Quellterm C E enth¨ alt, dessen Berechnung mit großen Unsicherheiten behaftet ist. 6.10.2 Zusammenhang zwischen Temperatur- und Energievarianz In diesem Abschnitt ist zu kl¨ aren, wie aus der berechneten Energie- oder Enthalpievarianz die bei assumed-PDF-Verfahren u ¨ blicherweise ben¨otigte Varianz der Temperatur bestimmt werden kann. Varianz der thermischen Energie und thermischen Enthalpie. Nach Gl. (2.26) l¨ asst sich zu jeder Temperatur und Gaszusammensetzung mit 1 cˆv ≡ T
T
es , cv (T ) dT = T
1 cˆp ≡ T
0
T cp (T ) dT =
hs , T
γˆ ≡
hs es
0
(6.72) ein mittleres cˆv , ein mittleres cˆp und ein mittleres γˆ f¨ ur den Temperaturbereich [0, T ] definieren. Diese integralen Werte reagieren weniger empfindlich auf Temperatur¨ anderungen, als cp und cv und k¨onnen daher in einem gewissen Temperaturbereich als konstant angesehen werden. Geht man davon aus, so folgen mit es = cˆv T bzw. hs = cˆp T sehr einfache Approximationen f¨ ur die Varianz der Temperatur 2 ρ T 2 e0 2 = T/ ≈ s2 , ρ¯ cˆv
/ 2 h s 2 ≈ T/ . cˆ2p
(6.73)
94
6 Zweite Momente
Der m¨ oglicherweise wichtige Einfluss von Komponentenfluktuationen auf cˆv bzw. cˆp bleibt unber¨ ucksichtigt. Insbesondere bei Gemischen mit stark unterschiedlichen spezifischen W¨ armekapazit¨ aten und bei starken Fluktuationen der Gaszusammensetzung kann das Fehler nach sich ziehen. Aus Mangel an Alternativen ist die Approximation (6.73) dennoch weit verbreitet. Varianz der Energie oder Enthalpie. L¨ ost man eine Transportgleichung f¨ ur die Varianz der Energie oder Enthalpie, so ist der Zusammenhang zwischen dem bekannten Wert (σe oder σh ) und σT noch komplexer, da die Bildungsenthalpien hfα der einzelnen Spezies hinzukommen. Mit Gl. (6.72) und esα = cˆvα T folgt f¨ ur die Gesamtenergie Nk
e =
Yα (esα + hfα ) =
α=1
Nk
Yα (ˆ cvα T + hfα ) .
(6.74)
α=1
Daraus ergibt sich bei konstantem cˆvα 2 = c 2 + e0 ˆ2v T/
Nk Nk
ˆ c 2 ˆvα Thfβ + hfα hfβ Y vα ˆvβ T + 2 c α Yβ c
α=1 β=1
+
Nk Nk
Y c Y ˆvβ TYα + 2 Yα hfβ − cˆvβ T T α β ˆvα 2 c
α=1 β=1
+
Nk Nk
2 Y 2 c T ˆvβ Yβ + α ˆvα c
α=1 β=1
+
Nk Nk
Nk Nk
2 T Yα Yβ cˆvα cˆvβ
α=1 β=1
Yα Yβ 2 cˆvβ cˆvα T + hfα T
.
(6.75)
α=1 β=1
Eine ¨ ahnliche Gleichung l¨ asst sich bei Vernachl¨assigung der Bildungsenthalpien f¨ ur die Varianz der thermischen Energie herleiten. Gleichung (6.75) verdeutlicht, wie einfach die Ans¨ atze (6.73) und (6.78) diesen Zusammenhang approximieren. Bei Vernachl¨ assigung von Korrelationen dritter Ordnung und h¨ oher, vereinfacht sich Gl. (6.75) zu 2 = c 2 + e0 ˆ2v T/
Nk Nk α=1 β=1
Y α Yβ
eα eβ + 2 cˆv
Nk α=1
Y e T α α −
Nk
2 Y cˆvα T α
.
α=1
(6.76) Die Varianz der Energie setzt sich nun aus Beitr¨agen der Temperaturvarianz (erster Term auf der rechten Seite), den Varianzen und Kovarianzen der Massenanteile (zweiter Term) und Korrelationen von Temperatur und Massenanteilen (dritter und vierter Term) zusammen. Der auf Korrelationen der Massenanteile beruhende zweite Term ist bei Verwendung der β-PDF nach Gl. (8.37) (s. Abschn. 8.5.3) mit
6.10 Varianz einer Energievariable Nk Nk α=1 β=1
e Y α β = α Yβ e
σY N k 2 1 − α=1 Yα
Nk
95
Yα e2α − e2
(6.77)
α=1
analytisch berechenbar. Allerdings hat sich diese Beziehung als praxisuntauglich erwiesen [95]. Dieses h¨ ohere Moment reagiert a¨ußerst sensitiv auf die Form der PDF und sollte nur zusammen mit Temperatur-KomponentenKorrelationen genutzt werden, da beide Beitr¨age betragsm¨aßig a¨hnlich groß sein k¨ onnen. Die meisten Autoren [90, 15, 13] vernachl¨ assigen Fluktuationen der Gaszusammensetzung und verwenden zur σT -Berechnung den vereinfachten Ansatz 2 e0 2 ≈ T/ , cˆ2v
bzw.
/ 2 h 2 ≈ T/ , cˆ2p
(6.78)
der wegen der unber¨ ucksichtigten Einfl¨ usse der Bildungsenthalpien fehlerhafter sein d¨ urfte, als Approximation (6.73). DNS-Untersuchungen von Sinha et al. [228] f¨ ur homogene, isotrope Turbulenz und eine Bruttoreaktion haben gezeigt, dass der Einfluss der vernachl¨ assigten Komponentenfluktuationen betr¨ achtlich sein kann. Trotz einer fehlerhaften Varianz der Temperatur traten in den chemischen Umsatzraten allerdings nur geringe Fehler auf. 6.10.3 Wahl der Energievarianz-Variable Mit den Transportgleichungen f¨ ur σT , σe , σes , σh und σhs liegen f¨ unf Varianten vor, aus denen σT bestimmt werden kann. Nun stellt sich die Frage, welche davon die geeignetste ist? Bei der folgenden Beurteilung bleibt der Einfluss der Druckterme unber¨ ucksichtigt. 1. Thermische Energie- oder thermische Enthalpievarianz. Ein grundlegendes Problem bei der Nutzung thermischer Gr¨oßen (es oder hs ) stellt der Chemie-Quellterm C E nach Gl. (6.61) dar. Dessen Berechnung ist mit einer bekannten PDF zwar vereinfacht m¨ oglich, allerdings treten bei vorausgesetzter statistischer Unabh¨ angigkeit von Temperatur- und Komponentenfluktuationen meist große Fehler auf. C E und C T werden gew¨ohnlich wesentlich st¨ arker von der Annahme statistischer Unabh¨angigkeit beeinflusst, als die chemischen Quellterme S α . Bereits an einem einfachen Modellfall l¨ asst sich zeigen [95], dass unter ung¨ unstigen Bedingungen dann nicht einmal das Vorzeichen von C T korrekt ist. Dar¨ uber hinaus wirkt sich die Form und damit die Genauigkeit der vorgegebenen PDF bei diesen h¨ oheren Momenten stark aus. Diese Fehler k¨onnen eine u ¨ berh¨ohte Abnahme der Varianz in der Hauptreaktionszone bewirken. Ein Vergleich mit Transportgleichungs-PDF-Verfahren hat das best¨atigt [12]. Andererseits scheint der Chemie-Korrelationsterm (zumindest beim untersuchten Testfall) gegen¨ uber anderen Beitr¨ agen der Transportgleichungen nicht dominierend zu sein, so dass es momentan besser erscheint, C T , C E und C Y in den Varianzgleichungen zu vernachl¨ assigen.
96
6 Zweite Momente
2. Energie- oder Enthalpievarianz. Die problematischen Chemie-Korrelationsterme entfallen in den Gleichungen der Varianz der Energie und Enthalpie. Auf den ersten Blick spricht das f¨ ur deren Verwendung. Das gilt jedoch nur f¨ ur den Fall, dass tats¨ achlich σe oder σh gesucht ist. F¨ ur die Berechnung der mittleren chemischen Umsatzraten mit einem assumed-PDFAnsatz wird σT ben¨ otigt. Dann besteht das Problem, σT aus σe oder σh zu gewinnen. Wie Abschn. 6.10.2 gezeigt hat, ist das nur unter starken Vereinfachungen m¨ oglich und die Vorteile die eine σe - oder σh -Transportgleichung zun¨ achst zu bieten scheint, werden wieder zu Nichte gemacht. 3. Temperaturvarianz. Bei gesuchtem σT liegt das L¨osen der entsprechenden Transportgleichung nahe. Damit erspart man sich die ungenaue R¨ uckrechnung aus anderen zweiten Momenten. Allerdings ist die Herleitung der σT -Transportgleichung mit gr¨ oßeren Unsicherheiten behaftet. Die Natur stellt f¨ ur die Energie eine Erhaltungsgleichung bereit, aus der sich Transportgleichungen der Temperatur ableiten lassen. Dazu werden die Komponentengleichungen ben¨ otigt. Entsprechend spielen Komponentenfluktuationen auch bei der σT -Transportgleichung eine Rolle. Das wird bei deren Herleitung und Modellierung gew¨ ohnlich vernachl¨assigt, was die Allgemeing¨ ultigkeit eingeschr¨ ankt. Des weiteren tritt in der σT -Transportgleichung der problematische Chemieterm C T auf. Da keine Variante zwingende Vorteile aufweist, stellt die σT -Gleichung bei Vernachl¨ assigung von C T die einfachste Option dar [95]. Im Gegensatz zu den anderen Transportgleichungen ist bei σT der Hauptproduktionsterm in der modellierten Gleichung direkt an die Gradienten des mittleren Temperaturfelds gekoppelt, was physikalisch korrekt ist. Bei der Energie- und Enthalpievarianz ist durch die fehlerhafte R¨ uckrechnung auf σT auch dann eine Produktion von σT m¨ oglich, wenn keine Gradienten in der mittleren Temperaturverteilung bestehen.
6.11 Varianzen und Kovarianzen der Komponenten Die Berechnung der mittleren chemischen Umsatzraten mit einem assumedPDF-Ansatz erfordert neben physikalischen Informationen bez¨ uglich der Temperatur auch solche, die die Gaszusammensetzung betreffen. Hierzu m¨ ussen die Erwartungswerte sowie die Varianzen und Kovarianzen der entsprechenden Gr¨ oßen (z.B. Yα , Xα , cα , ρα ) bekannt sein. F¨ ur die Bestimmung der zweiten Momente dieser Variablen kommt eine direkte Berechnung oder das L¨ osen von Transportgleichungen in Frage. In den folgenden Abschnitten wird das am Beispiel der Massenanteile gezeigt. 6.11.1 Direkte Modellierung Vernachl¨ assigt man in der modellierten Gl. (6.91) den r¨aumlichen Transport sowie die chemischen Produktionsterme und setzt lokales Gleichgewicht
6.11 Varianzen und Kovarianzen der Komponenten
97
zwischen Produktion und Vernichtung an, so ergibt sich mit ω = 1/τ und Dt = µt /(¯ ρ Sc t ) folgende Approximation f¨ ur die Korrelationen der Massenanteile ∂ Yα ∂ Yβ 2µt Y . (6.79) α Yβ = Sc t Cαβ ρ ω ∂xi ∂xi Daraus folgt mit α = β f¨ ur die Varianz eines Massenanteils 2 = Y/ α
2 µt Sc t Cα ρ ω
∂ Yα ∂xi
2 .
(6.80)
Bei dieser algebraischen Beziehung werden die Varianzen und Kovarianzen direkt aus den L¨ angen- und Zeitskalen der Turbulenz (z. B. k und ) sowie aus r¨ aumlichen Gradienten der mittleren Massenanteile berechnet. Cαβ und Cα sind dimensionslose Modellierungskonstanten. 6.11.2 Transportgleichung Aus den Komponentengleichungen (2.5) lassen sich Transportgleichungen f¨ ur die Varianzen und Kovarianzen der Massenanteile ableiten ∂Tkαβ ∂ ∂ αβ Y = P ρ Yα Yβ + ρu k Y − − αβ + C αβ . (6.81) α β ∂t ∂xk ∂xk ¨ Auf der linken Seite stehen Terme, die die zeitliche Anderung und den konvektiven Transport beschreiben. Rechts folgt der Produktionstensor Y ∂ Yβ − ρ u Y ∂ Yα , P αβ ≡ − ρ u k α k β ∂xk ∂xk
(6.82)
der auf Gradienten der mittleren Massenanteile beruht. Bei Verwendung von Transportgleichungen f¨ ur die Reynolds-Komponentenfl¨ usse erscheint P αβ geschlossen. In ∂Yβ ∂Yα Tkαβ ≡ ρ uk Yα Yβ − Yα ρDβ − Yβ ρDα ∂xk ∂xk
(6.83)
sind Terme turbulenten r¨aumlichen Transports zusammengefasst (Transport durch Geschwindigkeitsfluktuation und molekulare Diffusion) und αβ ≡ ρDβ
∂Yβ ∂Yα ∂Yα ∂Yβ + ρDα ∂xk ∂xk ∂xk ∂xk
(6.84)
definiert die Dissipationsrate der Varianz oder Kovarianz. Der letzte Term in Gl. (6.81) C αβ ≡ Yα Sβ + Yβ Sα (6.85)
98
6 Zweite Momente
steht f¨ ur die Wechselwirkung von Fluktuationen der Massenanteile mit den chemischen Umsatzraten. F¨ ur α = β folgt aus Gl. (6.81) die Transportgleichung der Varianz eines Massenanteils & ∂ / ∂ ∂Tkαα 2 = P αα − ρ Yα2 + ρu k Y/ − αα + C αα (6.86) α ∂t ∂xk ∂xk mit den folgenden Termen f¨ ur Produktion, r¨aumlichen Transport, Dissipation und die Wechselwirkung von Komponentenfluktuation mit der Chemie: Y P αα ≡ − 2 ρ u k α
∂ Yα , ∂xk
Y 2 − 2 Y ρD Tkαα ≡ ρ u α α k α
∂Yα ∂Yα , ∂xk ∂xk ≡ 2 Yα Sα .
(6.87) ∂Yα , ∂xk
(6.88)
αα ≡ 2 ρDα
(6.89)
C αα
(6.90)
Die Herleitung dieser Gleichung findet sich in Anhang A.2.2 auf S. 364. Bei Vernachl¨ assigung chemischer Reaktionen (Sα = C αα = 0) entspricht Gl. (6.86) der Transportgleichung der Varianz eines passiven Skalars. Modellierte Transportgleichung. Die in Abschn. 6.12 folgenden Modellierungsans¨ atze sind analog auf die ungeschlossenen Korrelationen in Gl. (6.81) und Gl. (6.86) u ¨ bertragbar und man gelangt mit P rt = Sc t zur geschlossenen Transportgleichung der Varianz oder Kovarianz zweier Massenanteile ⎡ ⎤
Y ∂ Y ∂ µt ∂ ∂ ⎣ µ α β + ⎦ + = ρ Y ρu k Y α Yβ α Yβ ∂t ∂xk ∂xk Sc Sc t ∂xk ρ¯Y α Yβ
∂ Yα ∂ Yβ + Yα Sβ + Yβ Sα , (6.91) τ ∂xk ∂xk was voraussetzt, dass die Chemieterme berechnet werden k¨onnen. Bei Cαβ handelt es sich um dimensionslose Modellierungskonstanten. Entsprechend folgt f¨ ur α = β mit der Konstanten Cα die geschlossene Transportgleichung der Varianz eines Massenanteils
/ 2 ∂ µ µ ∂ Y ∂ ∂ t 2 2 α (ρ Y/ + = ρu k Y/ α ) + α ∂t ∂xk ∂xk Sc Sc t ∂xk 2 2 ρ¯Y/ ∂ Yα + 2 Yα Sα . (6.92) − Cα α + 2 ρ¯ Dt τ ∂xk − Cαβ
+ 2 ρ¯ Dt
Die Modellierung der Favre-gewichteten Dissipationsrate erfordert ein charakteristisches Zeitmaß (ταβ bzw. τα ) der jeweiligen Korrelation, das mit Cαβ und Cα an das Zeitmaß der Geschwindigkeitsfluktuation τ gekoppelt wird.
6.12 Summe der Komponentenvarianzen
99
6.12 Summe der Komponentenvarianzen Zur Definition einer Komponenten-PDF wird an Stelle des vollen Varianzenund Kovarianzentensors h¨ aufig nur dessen Spur verwendet (s. Abschn. 8.5.3 bis 8.5.5). Im Fall von Massenanteilen erfordert dieser Ansatz als zweites Moment die Summe der Varianzen aller auftretenden Spezies σY ≡
Nk
2 Y/ α .
(6.93)
α=1
Wegen der Komplexit¨ at der physikalischen Zusammenh¨ange und der großen Bedeutung dieses Parameters f¨ ur die Struktur der PDF scheidet eine algebraische Beziehung zur Berechnung von σY aus. Die σY -Transportgleichung geht aus den Varianzgleichungen der einzelnen Spezies (6.86) hervor. Durch Summation u ¨ ber alle Nk Komponenten ergibt sich die Transportgleichung der Summe der Varianzen der Massenanteile ∂ ∂ ∂TkY (ρσY ) + (ρ u k σY ) = P Y − − Y + C Y (6.94) ∂t ∂xk ∂xk k αα [107, 108]. Mit Aαα = P αα , T αα , αα , C αα und AY = N folgt aus den α=1 A Gln. (6.87) bis (6.90)
TkY ≡ ρ Y ≡ 2
Nk
Y ∂ Yα , u k α ∂xk α=1
(6.95)
∂σY Y 2 − ρ ¯D , u k α ∂xk α=1
(6.96)
P Y ≡ − 2ρ Nk
Nk α=1
CY ≡ 2
Nk
ρDα
∂Yα ∂Yα , ∂xk ∂xk
Yα Sα
(6.97)
(6.98)
α=1
f¨ ur Produktion, r¨aumlichen Transport, Dissipation und die Wechselwirkung von Komponentenfluktuation mit der Chemie. Modellierung. Die ungeschlossenen Korrelationen in Gl. (6.94) lassen sich gr¨ oßtenteils mit Gradienten-Diffusions-Ans¨ atzen modellieren. Der DreifachKorrelationsterm in TkY und der ungeschlossene Anteil von P Y werden durch Nk
∂σY Y 2 ≈ − ρ ρ u ¯ Dt , k α ∂xk α=1 Y ≈ − ρ ρu ¯ Dt k α
∂ Yα ∂xk
(6.99) (6.100)
100
6 Zweite Momente
approximiert und der Dissipationsterm mit Y ≈ − 2
Nk Nk ∂ Yα ∂Y ∂Y ∂Yα ρDα α + 2 ρDα α ∂xk ∂xk ∂xk ∂xk α=1 α=1
(6.101)
in zwei Teile aufgespalten, von denen der erste unbedeutend ist. Der zweite Term steht f¨ ur die skalare Dissipationsrate von σY . In den Transportgleichungen (6.86) treten komponentenbezogene Anteile dieser Summe auf. Sie bewirken eine Abnahme der Komponentenfluktuation durch molekulare Diffusion (skalare Dissipationsfunktion). Die skalare Dissipationsrate besitzt die Einheit 1/s und charakterisiert die Zeitskala feinskaliger Mischung. Deren Verh¨altnis zur Reaktionsgeschwindigkeit ist ein wichtiger Parameter. Bei sehr schneller Chemie ist die mittlere Reaktionsrate proportional zur skalaren Dissipationsrate [37]. Unter Vernachl¨ assigung des erste Terms und bei Vernachl¨assigung des Einflusses der turbulenten Fluktuation auf Dα verbleibt Y ≈ 2
Nk α=1
∂Y ∂Yα σY σY . Dα ρ α = ρ¯χσY ≈ ρ¯ ≈ ρ¯ CσY ∂xk ∂xk τσY τ
1 ¯χαα 2ρ
(6.102)
In dieser Gleichung bezeichnet χαα die Favre-gewichtete Dissipationsrate der Nk Varianz der Komponente α und χσY = α=1 χαα die entsprechende Dissipationsrate von σY . Ferner definiert τσY = σY /χσY ein integrales Zeitmaß f¨ ur σY . Zur Schließung wird mit τσY = τ /CσY ein linearer Zusammenhang zwischen dem bekannten Zeitmaß der Geschwindigkeitsfluktuationen und dem unbekannten Zeitmaß der Komponentenfluktuationen herstellt. Die Modellierungskonstante CσY liegt in der Gr¨ oßenordnung von eins und wird gew¨ohnlich mit CσY ≈ 2 belegt [12, 210, 196]. Sie u ¨ bt einen starken Einfluss auf den Verlauf von σY aus [95]. Geschlossene Transportgleichung. Mit den beschriebenen Modellierungsans¨ atzen erh¨ alt man f¨ ur die geschlossene σY -Transportgleichung .
∂ µt ∂σY µ ∂ ∂ (ρσY ) + + (ρ u k σY ) = ∂t ∂xk ∂xk Sc Sc t ∂xk +2
Nk α=1
ρ¯ Dt
Nk ∂ Yα ∂ Yα ρ¯σY − CσY Yα Sα . +2 ∂xk ∂xk τ α=1
(6.103)
Problematisch ist darin vor allem der letzte Term, der mit der multi-variaten β-PDF nach Gl. (8.37) direkt berechenbar ist. F¨ ur ihn gelten jedoch ¨ahnliche Einschr¨ ankungen, wie f¨ ur C T und C E in den Gleichungen der Varianz der Temperatur und der thermischen Energie. Die Annahme statistischer Unabh¨ angigkeit von Temperatur- und Komponentenfluktuationen kann bei diesem Term große Fehler hervorrufen, weshalb dessen Vernachl¨assigung meist bessere Resultate erbringt [95].
6.13 Temperatur-Komponenten-Korrelationen
101
6.13 Temperatur-Komponenten-Korrelationen Ein wesentlicher Punkt bei turbulenter Verbrennung ist die Wechselwirkung von Fluktuationen der Temperatur mit denen der Gaszusammensetzung, die sich in Temperatur-Massenanteil-Korrelationen ¨außert. An mehreren Stellen der vorangegangenen Abschnitte wurde gerade deren Vernachl¨assigung f¨ ur Fehler bei assumed-PDF-Verfahren verantwortlich gemacht. 6.13.1 Direkte Modellierung Unter Vernachl¨ assigung r¨ aumlichen Transports, der Annahme lokalen Gleichgewichts, P rt = Sc t und weiteren Vereinfachungen folgt aus Gl.(6.105) mit = Y αT
∂ Yα ∂ T 2µt P rt CY T ρ ω ∂xi ∂xi
(6.104)
eine algebraische Beziehung f¨ ur die Temperatur-Massenanteil-Korrelationen [155]. Dieser Ansatz unterliegt den zuvor genannten Einschr¨ankungen ¨ahnlicher algebraischer Beziehungen. Bei Nutzung der Ans¨atze (6.48), (6.79), (6.80) und (6.104), gleichen Modellierungskonstanten (CY T = Cαβ = Cα = CT ) und P rt = Sc t folgt im r¨ aumlich eindimensionalen Fall (oder wenn Gradienten in einer Raumrichtung dominieren) eine perfekte Korrelation dieser zweiten Momente. Die Korrelationskoeffizienten nach Gl. (4.17) nehmen dann die Werte ±1 an. Abweichungen von eins treten unter den genannten Bedingungen nur bei unterschiedlich gew¨ ahlten Modellierungskonstanten auf. 6.13.2 Transportgleichung Die Transportgleichung der Temperatur-Massenanteil-Korrelationen geht aus denen der Temperatur und der Massenanteile hervor. Durch Multiplikation von Gl. (2.12) mit Yα und von Gl. (2.5) mit T folgt nach Addition und Mittelung ∂ ∂ ∂TkαT = P αT − ρ Yα T + ρu k Y + Yα A αT ∂t ∂xk ∂xk ∂jαk + C αT . (6.105) − T ∂xk Der darin enthaltene Term A wurde in Gl. (2.12) auf S. 15 definiert. Er liefert Beitr¨ age zum r¨aumlichen Transport und zur Dissipation. Ferner stehen Y ∂ T − ρ u T ∂ Yα , P αT ≡ − ρ u k α k ∂xk ∂xk αT T ≡ ρu Y T , k
k α
C αT ≡ − Yα
Nk 1 Sα hfα + T Sα cp α=1
(6.106) (6.107) (6.108)
102
6 Zweite Momente
f¨ ur die Produktion, den r¨aumlichen Transport und die Interaktion mit den chemischen Umsatzraten. ¨ Modellierte Transportgleichung. Durch Ubertragung der Modellierungsans¨ atze aus Abschn. 6.12 auf die ungeschlossenen Korrelationen in Gl. (6.105) l¨ asst sich ein Großteil davon schließen. Mit P rt = Sc t und bei Vernachl¨assigung unbedeutender oder schwer zu modellierender Terme folgt
T ∂ µ µ ∂ Y ∂ ∂ t α + = ρ Yα T + ρu k Y αT ∂t ∂xk ∂xk P r P rt ∂xk − CT Y ρ¯
Nk Y Dp Y µt ∂ Yα ∂ T Y αT +2 − α + α Sα hfα + T Sα , τ P rt ∂xk ∂xk cp Dt cp α=1
(6.109) wobei CT Y eine dimensionslose Modellierungskonstante f¨ ur die Dissipationsrate dieser Korrelation darstellt.
7 Gemittelte Transportgleichungen
Die modellierten Transportgleichungen der letzten beiden Kapitel bilden zusammengefasst in der Vektorgleichung ∂Q ∂(Fk − Fνk ) + = P ∂t ∂xk
(7.1)
mit k = 1, 2, 3 ein gekoppeltes System nichtlinearer, partieller Differentialgleichungen. Dieses umfasst die gemittelten Bilanzgleichungen der Masse, des Impulses, der Energie und der Massenanteile der Gaskomponenten. Als Beispiel f¨ ur die zahlreichen M¨ oglichkeiten wird dar¨ uber hinaus davon ausgegangen, dass ein zwei-Gleichungs-k--Modell zur Beschreibung der Turbulenz und ein assumed-PDF-Ansatz zur Berechnung der mittleren Chemie-Quellterme verwendet wird. Das erfordert Transportgleichungen f¨ ur k, , σT und σY . Damit nimmt der Variablenvektor bei konservativer Formulierung des Gleichungssystems folgende Form an + Q =
ρ¯k, ρ¯, ρ¯σT , ρ¯σY , ρ¯Yβ ρ¯, ρ¯u α , ρ¯E,
,T (7.2)
mit α = 1, 2, 3 und β = 1, 2, . . . , Nk − 1. Im dreidimensionalen Fall ist ein gekoppeltes System aus Nk +8 Gleichungen zu l¨osen. Die Indizes α und β dienen einer verk¨ urzten Schreibweise und repr¨ asentieren die drei Vektoreintr¨age der Impulsgleichungen in den drei Raumrichtungen und die Nk − 1 Eintr¨age aus den Bilanzgleichungen der Gaskomponenten. F¨ ur den Vektor der konvektiven Fl¨ usse ergibt sich + ,T + p/ρ¯, k, , σT , σY , Yβ Fk = ρ¯u α + δαk p/(¯ k 1, u ρu α ), E .
(7.3)
Molekulare und turbulenzbedingte Koeffizienten f¨ ur den diffusiven Transport werden zu effektiv wirksamen Transportkoeffizienten zusammengefasst. Mit µe = µ + µt (s. Abschn. 6.3.1 Seite 76) folgen die effektiv wirksamen Schubund Normalspannungen
104
7 Gemittelte Transportgleichungen
e t ταk = τ αk + ταk = µe
∂ uk ∂ uα + ∂xk ∂xα
− δαk
2 3
∂ uj µe + ρk ∂xj
(7.4)
aus dem mittleren Spannungstensor nach Gl. (6.27) und den ReynoldsSpannungen nach Gl. (6.14). In gleicher Weise erh¨alt man mit Dβe = Dβ + Dt den effektiv wirksamen Komponentenfluss e t jβk = j βk + jβk = − ρDβe
∂ Yβ ∂xk
(7.5)
aus der molekularen Diffusion nach Gl. (6.12) und dem Reynolds-Komponentenfluss nach Gl. (6.1) und mit λe = λ + λt ergibt sich der effektiv wirksame Energiefluss Nk ∂ T e qke = q k + qkt = − λe + jβk (7.6) hβ ∂xk β=1
aus dem mittleren Energiefluss nach Gl. (6.37) und dem Reynolds-Energiefluss nach Gl. (6.28). Beim diffusiven Transport von k, , σT und σY wird analog vorgegangen, wobei Prandtl- und Schmidt-Zahlen einzubeziehen sind (z.B. µσY = µ/Sc + µt /Sc t ). Es folgt f¨ ur den Vektor der diffusiven Fl¨ usse . Fνk =
e e 0, ταk ,u i τik − qke , µk
∂k ∂ ∂σT ∂σY e , µ
, µσT , µσY , −jβk ∂xk ∂xk ∂xk ∂xk
-T .
(7.7) Bei Vernachl¨ assigung von Strahlung und externen Massenkr¨aften beschr¨anken sich die Eintr¨ age des mittleren Quellvektors P = [ 0, 0, 0, 0, 0, S k , S , S σT , S σY , S β ]T
(7.8)
auf die Zeilen der Variablen von k, , σT , σY und die der Komponentengleichungen. Die effiziente L¨ osung solch umfangreicher Gleichungssysteme stellt große Anforderungen an die numerischen Algorithmen. Das ist der Schwerpunkt der Teile V und VI dieses Buchs.
Teil III
Assumed-PDF-Verfahren
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
Der Name assumed- oder presumed-PDF (angenommene Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion) kommt daher, dass bei dieser Methode die Struktur der PDF vorgegeben wird, wodurch sie sich nur noch eingeschr¨ankt entfalten kann. Die Qualit¨ at der L¨ osung h¨ angt davon ab, wie genau die gew¨ahlten PDF die reale Verteilung approximiert. Darin liegt ein wesentlicher Nachteil im Vergleich zu den physikalisch fundierteren Transportgleichungs-PDF-Verfahren. Die exakte Form einer PDF wird durch Konvektion, Diffusion, turbulente Mischung und chemische Reaktionen gepr¨ agt. Entsprechend sind vielf¨altige Verteilungen m¨ oglich, denen mit einer vorgew¨ ahlten Struktur nur schwer entsprochen werden kann [26]. Der direkte Einfluss chemischer Reaktionen auf die PDF bleibt bei assumed-PDF-Verfahren unber¨ ucksichtigt. Wegen ihrem geringeren Rechenaufwand stellt diese Methode dennoch eine interessante Alternative zu Transportgleichungs-PDF-Verfahren dar. Der assumed-PDF-Ansatz dient hier ausschließlich dazu, die mittleren chemischen Quellterme in einem Momentenverfahren zu berechnen. F¨ ur die mathematische Vorgabe eindimensionaler assumed-PDF gibt es zahlreiche M¨ oglichkeiten. Dagegen erweist sich die mathematische Beschreibung h¨ oherdimensionaler Verteilungen als u ¨beraus kompliziert. Die Probleme resultieren aus der Beschr¨ anktheit einzelner Variablen, der oftmals hohen Dimension der PDF und der Forderung, die mittleren chemischen Quellterme m¨ oglichst einfach berechnen zu k¨ onnen. Zus¨atzlich soll die reale PDF m¨ oglichst genau nachgebildet werden. Diese Anforderungen lassen sich nicht umfassend erf¨ ullen und alle bisher entwickelten Ans¨atze weisen in Teilbereichen erhebliche Schw¨ achen auf. Der assumed-PDF-Ansatz ist somit als Kompromiss zwischen kurzer Rechenzeit und einer genauen physikalischen Modellierung zu sehen. Die PDF wird gew¨ ohnlich durch 1. die Erwartungswerte der zu beschreibenden Variablen, 2. deren Varianzen und Kovarianzen definiert. Bei M Zufallsvariablen sind M Transportgleichungen f¨ ur die Erwartungswerte und M (M +1)/2 Transportgleichungen zweiter Momente zu l¨osen,
108
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
falls kein einfacherer Ansatz gew¨ ahlt wird. Vor allem die quadratische Zunahme an zweiten Momenten schließt die Verwendung von Transportgleichungen bei großem M aus. Assumed-PDF-Verbrennungssimulationen mit einer Vielzahl an Komponenten sind dennoch m¨ oglich. Die meisten Ans¨ atze f¨ ur vorgebbare PDF beruhen mehr auf mathematisch einfachen Funktionen, als auf physikalisch fundierten Grundlagen. Bei g¨ unstigen Bedingungen scheint der Einfluss der PDF-Struktur auf die Ergebnisse relativ gering zu sein [87, 12]. So haben Bray und Moss [38] festgestellt, dass die Quellterme Sα und Yα Sα zumindest bei hohen chemischen Umsatzraten unempfindlich auf die Struktur der PDF reagieren. Allgemein gilt das jedoch nicht. So wird die Stickoxidbildung wegen ihrer starken Temperaturabh¨angigkeit wesentlich von der Form der PDF beeinflusst [143]. Thermisches NO (auf Basis des Zeldovich-Mechanismus) bildet sich unter st¨ochiometrischen Bedingungen bei Temperaturen oberhalb von 1500 K [134]. Dabei bewirkt eine Temperaturerh¨ ohung von 1800 K auf 2200 K eine tausendfach h¨ohere NO-Bildungsrate. Entsprechend kann eine ungenaue PDF-Struktur bei so sensitiven Prozessen stark fehlerhafte Erwartungswerte nach sich ziehen. Zusammenfassend l¨ asst sich sagen, dass mit dem assumed-PDF-Ansatz • der chemische Quellterm geschlossen werden kann, • sich der zus¨ atzliche Rechenaufwand auch bei komplexen, dreidimensionalen Simulationen in vertretbarem Rahmen h¨ alt, • alle Vorteile der hochentwickelten Momenten-Verfahren erhalten bleiben. Vor allem der letzte Punkt ist f¨ ur viele Nutzer ausschlaggebend. Bei den meisten Codes zur Verbrennungssimulation handelt es sich um FD- oder FVVerfahren. Diese lassen sich schnell und verh¨altnism¨aßig einfach um einem assumed-PDF-Ansatz erweitern. Im Gegensatz zu Partikel-Verfahren existieren hierf¨ ur auch sehr effiziente numerische L¨osungsstrategien, Methoden zu Konvergenzbeschleunigung, Techniken zur dissipationsarmen Stoßaufl¨osung, Diskretisierungstechniken hoher r¨ aumlicher und zeitlicher Ordnung und vieles mehr. An Nachteilen des assumed-PDF-Ansatzes sind zu nennen: • die m¨ oglicherweise ungenaue Struktur der PDF, • die meist vorausgesetzte statistische Unabh¨angigkeit einzelner Variablen, • die Vernachl¨ assigung des direkten Einflusses der physikalisch-chemischen Vorg¨ ange auf die PDF, • die Vernachl¨ assigung physikalisch-chemischer Randbedingungen, • Fehler in der Modellierung ungeschlossener Quellterme in den Transportgleichungen zweiter Momente. An dieser Stelle soll nur auf den vierten Punkt eingegangen werden, da alle anderen Problembereiche in den jeweiligen Abschnitten vertieft werden. Unabh¨ angigkeit der PDF von chemisch-physikalischen Vorg¨ angen. Bei der Bestimmung der PDF-Struktur spielen reaktionskinetische Vorg¨ange
8.1 Eindimensionale stetige Gleichverteilung
109
nur indirekt eine Rolle (¨ uber die Transportgleichungen erster und zweiter Momente). Dar¨ uber hinaus sind vorgebbare Verteilungen normalerweise nicht in der Lage, chemisch-physikalische Randbedingungen zu ber¨ ucksichtigen. Stellt man sich ein Gas aus zwei Komponenten mit der Ausgangszusammensetzung XH2 =XO2 =0,5 vor, das durch die Einschrittreaktion 1 O2 −→ H2 O (8.1) 2 zu Wasser reagiert, so kann aus Gr¨ unden der Elementerhaltung der Wasserstoff voll, der Sauerstoff jedoch nur zur H¨ alfte verschwinden. Diese chemischphysikalische Begrenzung l¨ asst sich in eine vorgebbare multi-KomponentenPDF nicht (oder nur sehr schwer) einbringen. Die PDF muss zwar die Normierungsbedingung der Molanteile erf¨ ullen, kann aber auch Zust¨ande zulassen, die physikalisch unsinnig sind. So existiert f¨ ur eine vorgegebene PDF beim ˆ H2 O = 1 oder f¨ ˆ O2 = 0 obigen Ausgangszustand m¨ oglicherweise auch f¨ ur X ur X eine Wahrscheinlichkeit ungleich null, obwohl diese Punkte im Zustandsraum unerreichbar sind. H2 +
Entwicklung des assumed-PDF-Ansatzes. Assumed-PDF-Ans¨atze werden seit den 70er Jahren f¨ ur Verbrennungssimulationen genutzt [171, 144, 160, 27, 47]. Ohne Transportgleichungen h¨ oherer Momente zu l¨osen, kamen vorgegebene Verteilungen bereits in den 50er Jahren zum Einsatz, beispielsweise zur Analyse von Abgasproben [214]. Anf¨ anglich war diese Technik wegen der erforderlichen Rechenzeit auf einzelne Variable und einfache Formen beschr¨ankt, meist Gleichverteilungen mit Delta-Funktionen [27]. Es folgten eindimensionale Gauß-Verteilungen [160] und β-Funktionen [195] sowie einfache mehrdimensionale PDF [28, 29], die sich auf eine geringe Zahl an Zufallsvariablen beschr¨ ankten. Verbund-PDF zweier Variablen wurden z.B. von Bray et al. [39] und Cant und Bray [45] genutzt. Einige gebr¨auchliche Formen vorgebbarer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen finden sich bei Tennekes und Lumley [245], Kuo [149], Borghi [26], Pope [210] und Fox [85]. Diese Ans¨atze eignen sich jedoch nicht f¨ ur Verbrennungssimulationen mit zahlreichen Gaskomponenten. Hierzu bietet sich die 1991 von Girimaji [107] vorgestellte multivariate assumed-β-PDF an. Diese PDF erf¨ ullt die mathematischen Grundvoraussetzungen, um sie in Kombination mit detaillierter Kinetik einzusetzen. Gleichzeitig h¨ alt sich der Rechenaufwand in ertr¨aglichem Rahmen. Da die Strukturen einzelner vorgegebener PDF nur eine begrenzte Anzahl an Maxima zulassen, haben Mura und Borghi [188] eine assumed-PDF eingef¨ uhrt, die sich aus mehreren Teil-PDF (partial PDF) zusammensetzt. Das erh¨oht die Flexibilit¨ at bei der Darstellung komplexer Verteilungen.
8.1 Eindimensionale stetige Gleichverteilung Eine der einfachsten PDF ist die stetige Gleichverteilung (Rechteck-PDF ), bei der die Zufallsvariable Y ∈ R im Bereich [Yu , Yo ] den konstanten Wert
110
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
ˆ P(Y)
α1 γ2 β1 γ1 Yu1 Yu2 Ymin
Yo2
Yo1 Ymax
ˆ Y
Abb. 8.1. Stetige Gleichverteilung mit (durchgezogen) und ohne (gestrichelt) Delta-Impulse an den Begrenzungen
P (Yˆ ) = γ besitzt. Außerhalb dieses Bereichs gilt P (Yˆ ) = 0. Die Gleichverteilung kann an ihren Begrenzungen durch Delta-Impulse erg¨anzt werden [26]. Abbildung 8.1 zeigt exemplarisch zwei dieser Verteilungen (durchgezogen mit Delta-Impulsen, gestrichelt ohne Delta-Impulse). Zu deren mathematischer Beschreibung bieten sich Heaviside- und Delta-Funktionen an. Die Heavisideoder Einheitssprung-Funktion 0 : x ≤ 0, H(x) ≡ (8.2) 1 : x > 0 ist bei x = 0 links- aber nicht rechtsseitig stetig. Die Dirac’sche Delta-Funktion δ(x) = dH(x)/dx geht aus der Ableitung der Heaviside-Funktion hervor. An der Sprungstelle x = 0 ist ihr Wert unendlich, ansonsten null. Das Integral ∞ δ(x) dx = 1 (8.3) x=−∞
ist Folge des Einheitssprungs von H(x). Auf Grund ihrer Eigenschaften kann man die Heaviside-Funktion als unstetige Verteilungsfunktion und die DeltaFunktion als PDF ansehen. In Zusammenhang mit assumed-PDF-Verfahren treten H(x) und δ(x) h¨ aufig als Produkte mit einer Funktion f (x) auf, wof¨ ur ∞ ∞ H(x)f (x) dx = f (x) dx , x=−∞ x=0 ∞ αδ(x − x0 )f (x) dx = αf (x0 ) (8.4) x=−∞
gilt. Es folgt f¨ ur Gleichverteilungen mit und ohne Delta-Impulse + , P (Yˆ ) ≡ αδ(Yˆ − Yu ) + β δ(Yˆ − Yo ) + γ H(Yˆ − Yu ) − H(Yˆ − Yo ) , (8.5) wobei Yˆ ∈ R gilt. Die Parameter α und β geben die St¨arke der Delta-Impulse an und γ den konstante Wert der PDF im Bereich der Gleichverteilung. DeltaImpulse sind notwendig, wenn der zul¨ assige Bereich der Variable beschr¨ankt
8.1 Eindimensionale stetige Gleichverteilung
111
ist und das vorgegebene zweite Moment mit einer reinen Gleichverteilung nicht erreicht werden kann. Nicht u ¨ber- oder unterschreitbare physikalische Grenzen treten beispielsweise bei Massen- und Molanteilen auf. Im Folgenden werden sie mit Ymin und Ymax bezeichnet. Bestimmung der PDF-Parameter. Gegebene Informationen zur Ermittlung der PDF-Parameter in Gl. (8.5) seien 1. die physikalischen Begrenzungen Ymin und Ymax , 2. der Erwartungswert Y , 3. die Varianz Y 2 . Ist die Varianz so gering, dass die Gleichverteilung nicht u ¨ ber die physikalischen Grenzen hinausreicht, dann sind keine Delta-Impulse erforderlich. Gleichung (8.5) weist mit α, β, γ, Yu und Yo f¨ unf freie Parameter auf, von denen drei zu bestimmen sind. Erreicht die Gleichverteilung eine der Begrenzungen Ymin oder Ymax , so gilt Yu = Ymin oder Yo = Ymax und der betreffende Parameter entf¨ allt. Daf¨ ur kommt die St¨ arke des entsprechenden Delta-Impulses hinzu. Insgesamt lassen sich vier Varianten dieser PDF unterscheiden: 1. 2. 3. 4.
Rechteck Rechteck Rechteck Rechteck
ohne Delta-Impulse: γ, Yu und Yo sind zu bestimmen, und linker Delta-Impuls: α, γ, und Yo sind zu bestimmen, und rechter Delta-Impuls: β, γ und Yu sind zu bestimmen, und beide Delta-Impulse: α, β und γ sind zu bestimmen.
Damit sind drei Gleichungen f¨ ur die Bestimmung von jeweils drei PDF-Parametern notwendig. Neben der Normierungsbedingung der PDF werden hierzu die gegebenen ersten beiden Momente verwendet und es folgt ∞ P (Yˆ ) dYˆ = 1 , (8.6) −∞ ∞ (8.7) Yˆ P (Yˆ ) dYˆ = Y , −∞ ∞ (Yˆ − Y )2 P (Yˆ ) dYˆ = Y 2 . (8.8) −∞
Durch Einsetzen von Gl. (8.5) in diese Beziehungen und Integration ergeben sich drei Gleichungen, in denen zun¨ achst noch alle f¨ unf Parameter auftreten α + β + γ (Yo − Yu ) = 1 , & γ% 2 Yo − Yu2 = Y , αYu + βYo + 2 & γ % 3 2 2 2 Y − Yu3 − Y = Y 2 . αYu + βYo + 3 o
(8.9) (8.10) (8.11)
Diese Gleichungen lassen sich analytisch l¨ osen indem zun¨achst u uft wird, ¨berpr¨ ob die PDF Delta-Impulse erfordert. In Abh¨ angigkeit davon entfallen zwei der f¨ unf Unbekannten und das Gleichungssystem ist l¨osbar.
112
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
Abb. 8.2. PDF nach Gl. (8.5) mit von oben nach unten ansteigender Varianz: Y 2 =0,002, 0,02, 0,03, 0,082 und 0,09. F¨ ur alle Bilder gilt Ymin =0,2, Ymax =0,8 und Y =0,5
Abb. 8.3. PDF nach Gl. (8.5) mit von oben nach unten ansteigender Varianz: Y 2 =0,0005, 0,002, 0,0033, 0,02 und 0,048. F¨ ur alle Bilder gilt Ymin =0,2, Ymax =0,8 und Y =0,3
Beispiel zu Gleichverteilungen mit Delta-Impulsen. In Abb. 8.2 und 8.3 sind Verteilungen nach Gl. (8.5) mit den physikalische Grenzen Ymin =0,2 und Ymax =0,8 gezeigt. Die Erwartungswerte der linken Bildreihe betragen 0,5, die der rechten 0,3. Bei beiden Bildreihen nimmt die Varianz von oben nach unten zu. Solange diese unter einem fallspezifischen Grenzwert bleibt (in den oberen drei Bildern beider Reihen ist das der Fall), sind keine Delta-Impulse notwendig, um die Bedingungen (8.6) bis (8.8) zu erf¨ ullen. Im dritten Bild der linken Bildreihe ist die Varianz soweit angestiegen, dass beiden Begrenzungen (Ymin und Ymax ) erreicht sind. Bei der rechten Bildreihe ist das in der dritten Darstellung am linken Rand der Fall. Eine weitere Zunahme der Varianz ist nur mit Delta-Impulsen m¨ oglich. Die maximal m¨ogliche Varianz ist im untersten Bild von Abb. 8.2 erreicht. Die Zufallsvariable schwankt ausschließlich zwischen den mit gleicher H¨ aufigkeit eintretenden Randwerten 0,2 und 0,8, dazwischen liegender Werte werden nicht eingenommen. Verteilungen aus zwei Rand-Delta-Impulsen weisen bei eindimensionalen, im Definitionsbereich begrenzten PDF die maximal m¨ ogliche Varianz auf.
8.2 Einfache ein- und zweidimensionale Verteilungen
113
ˆ P(ˆ c, T) ˆ T g(Tˆ)
0
TR 1 ˆ c
Abb. 8.4. Zweidimensionale Verbund-PDF P (ˆ c, Tˆ ; x, t) aus Randverteilungen
8.2 Einfache ein- und zweidimensionale Verteilungen Bei zahlreichen Modellierungsans¨ atzen in der Verbrennung geht man von sehr d¨ unnen (flamelets) oder sogar unendlich d¨ unnen (flame-sheets) Verbrennungszonen aus. In diesem Fall treten in erster Linie die Zust¨ande unverbranntes und verbranntes Gas auf. Setzt man dar¨ uber hinaus gleiche Diffusionskoeffizienten aller Spezies und eine isenthalpe, langsame Str¨omung voraus, dann gen¨ ugt eine einzige Variable c(x, t) (z.B. der Mischungsbruch), um den thermochemischen Zustand zu charakterisieren [45]. Mit c(x, t) ∈ [0, 1] erstreckt sich der Definitionsbereich vom unverbrannten Gemisch bis zum Endprodukt bei abgeschlossener Verbrennung. Die PDF P (ˆ c) sei mit P (ˆ c; x, t) ≡ αδ(ˆ c) + β δ(1 − cˆ) + γ f (ˆ c)
(8.12)
durch die einfach darstellbare Funktion f (ˆ c ; x, t) und zwei Delta-Impulse (bei null und eins) gegeben. Die Parameter α und β sind zeit- und ortsabh¨angige skalare Gr¨ oßen. Treten vor allem die Extremzust¨ande ,,verbrannt” und ,,unverbrannt” auf, so gilt γ 1 und die Zwischenzust¨ande (und damit f (ˆ c)) werden vernachl¨ assigbar. Einfache zweidimensionale PDF. Bei ver¨anderlicher Enthalpie wird neben c eine weitere Variable zur Beschreibung des thermochemischen Zustands ben¨ otigt, beispielsweise die Temperatur [45, 39]. Geht man von den gleichen Annahmen aus wie zuvor und setzt zus¨ atzlich bei unverbranntem Gemisch eine einzige Reaktionstemperatur TR an, so gen¨ ugt die PDF P (ˆ c, Tˆ ; x, t) ≡ α δ(ˆ c) δ(Tˆ − TR ) + β δ(1 − cˆ) g(Tˆ )
(8.13)
zur Beschreibung der Zufallsvariablen c und T . In Abb. 8.4 ist die Struktur einer solchen PDF skizziert. Da alle zwischen cˆ = 0 und cˆ = 1 liegenden Zust¨ ande unber¨ ucksichtigt bleiben, handelt es sich lediglich um die Superposition einer ein- und einer nulldimensionalen Verteilung. Prinzipiell lassen
114
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
¨ sich die beiden Randverteilungen g(Tˆ ) und δ(Tˆ − TR ) durch eine Ubergangsfunktion verbinden. Das erschwert jedoch die Bestimmung der PDF auf Basis h¨ oherer Momente und die Bildung von Erwartungswerten wird wesentlich rechenzeitintensiver.
8.3 Verbund-PDF aus Delta-Funktionen Eine unstetige Verbund-PDF mehrerer Zufallsvariablen ist mit Delta-Impulsen realisierbar. F¨ ur den Zufallsvektor Y = (Y1 , Y2 , . . . , YM )T wird mit ˆ x, t) ≡ P (Y;
N β=1
p(β)
M δ Yˆα − Yα(β)
(8.14)
α=1
eine Verteilung vorgegeben, die sich aus N Delta-Impulsen zusammensetzt. Deren St¨ arke wird durch p(β) und ihre Position im Zustandsraum durch (β) (β) (β) (β) Y = (Y1 , Y2 , . . . , YM )T definiert. Auf Grund der NormierungsbedinN (β) gung der PDF muss = 1 gelten. In Abh¨angigkeit von der Zahl β=1 p vorliegender Momente sowie etwaigen weiteren Bedingungen (z.B. symmetrische Anordnung der Delta-Impulse, Normierungsbedingung der Massen- oder (β) Molanteile, physikalische Grenzen) sind die PDF-Parameter p(β) und Yα zu ermitteln. Um vorgegebene Erwartungswerte einzuhalten, muss N
p(β) Yα(β) = Yα
(8.15)
β=1
gelten. Der Vorteil von Delta-Impulsen liegt darin, dass zu mittelnde Funktionen der Zufallsvariablen auch bei nichtlinearen Zusammenh¨angen sehr einfach (da nur in einzelnen Punkten) berechenbar sind. Andererseits steigt der Aufwand zur Bestimmung der PDF-Parameter mit einem zunehmenden Maß an Informationen und steigender Zahl an Delta-Impulsen stark an. Das macht diesen Ansatz bei großem N schnell unpraktikabel. Dar¨ uber hinaus repr¨asentieren unstetige, punktf¨ ormig auftretende Verteilungen die realen PDF in Flammen nur unzureichend.
8.4 Gauß-PDF Eine h¨ aufig eingesetzte assumed-PDF ist die Gauß-Verteilung (Normalverteilung). Deren Symmetrie zum Erwartungswert kann Probleme bereiten, da in der Praxis h¨ aufig unsymmetrische Verteilungen vorkommen. Ferner besitzt die Normalverteilung nur ein Maximum. Bei skalarer Mischung mehrerer Fluide treten dagegen mehrere Maxima auf, weshalb deren Strukturen mit der GaußPDF prinzipiell nicht darstellbar sind. Andererseits gibt es auch Gr¨ unde, die
8.4 Gauß-PDF
115
f¨ ur ihre Verwendung sprechen: So geht die Form der exakten PDF in der Endphase skalarer Mischung (bei niedriger Varianz) in eine Gauß-Verteilung u ¨ ber, was aus Experimenten bekannt ist [107]. Ferner nehmen sowohl die Geschwindigkeitskomponenten als auch passive Skalare bei homogener, isotroper Turbulenz eine Gauß-Verteilung an [210]. Dar¨ uber hinaus l¨asst sich zeigen (s. Abschn. 9), dass f¨ ur unbegrenzte inerte Zufallsgr¨oßen bei gegebenem ersten und zweiten Moment die Gauß-PDF die Verteilung darstellt, die sich statistisch gesehen mit der h¨ ochsten Wahrscheinlichkeit einstellt. 8.4.1 Eindimensionale Gauß-PDF Die Gauß-PDF (Normalverteilung) einer einzelnen, unabh¨angigen Zufallsvariable t ∈ R ist f¨ ur σt > 0 mathematisch durch . 1 ( tˆ − t)2 ˆ √ (8.16) exp − Pt (t ) ≡ 2 σt 2πσt definiert. Darin steht tˆ f¨ ur eine Stichprobe der Zufallsvariable t und σt = t 2
(8.17)
f¨ ur deren Varianz. Erwartungswert und Varianz m¨ ussen zur Definition von Pt bekannt sein. Pt erf¨ ullt alle Voraussetzungen einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion. Die zentralen Momente der Gauß-Verteilung sind reine Funktionen der Varianz. Durch Einsetzen von Pt in Gl. (4.16) und analytische Integration [90] folgt f¨ ur das n-te zentrale Moment ⎧ 0 : n ungerade, ⎨ n/2 1 µn = (8.18) ⎩ (σt )n/2 (2α − 1) : n gerade , α=1
woraus sich f¨ ur das vierte und sechste Moment µ4 = 3 σt2 und µ6 = 15 σt3 ergibt. Auf Grund der Symmetrie sind alle ungeraden zentralen Momente null. Das gilt nicht f¨ ur die abgeschnittene Gauß-Verteilung, die in Gl. (8.22) eingef¨ uhrt wird. In Abb. 8.5 sind zwei Gauß-Verteilungen mit identischer Varianz (σT =0,0036) und unterschiedlichen Erwartungswerten (0,6 und 0,4) dargestellt. Bei Massen- oder Molanteilen gen¨ ugt die PDF einer Zufallsvariable, um die Mischung zweier Skalare zu beschreiben. Der Wert der zweiten Komponente sowie deren PDF folgen aus der Normierungsbedingung. Das trifft auf die in Abb. 8.5 gezeigten Verteilungen zu. Wegen t2 = 1 − t1 muss bei normalverteiltem t1 auch t2 normalverteilt sein. Sowohl die Summe momentaner Werte als auch die der Mittelwerte ergibt eins. F¨ ur die Varianzen gilt σ1 = σ2 und die Kovarianzen entsprechen mit t1 t2 = t2 t1 = − t1 t1 = − t2 t2
(8.19)
116
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
Abb. 8.5. Gauß-Verteilungen nach Gl. (8.16): σ1 =σ2 =0,0036
Abb. 8.6. Abgeschnittene Gauß-Verteilungen nach Gl. (8.22): T =1000 K (Gerlinger et al. [103])
den negativen Werten der Varianzen. Die beiden Variablen sind mit dem Korrelationskoeffizienten t1 t2 ρ12 = = −1 (8.20) t1 t1 t2 t2 perfekt negativ korreliert. Bei Nk Gaskomponenten k¨onnen nur Nk −1 Massenoder Molanteile linear unabh¨ angig sein. Momentanwert und Momente der letzten Komponente ergeben sich aus den linear unabh¨angigen Komponenten. Abgeschnittene Gauß-PDF. Mit t ∈ R unterliegt die Gauß-PDF nach Gl. (8.16) keiner Beschr¨ ankung im Definitionsbereich. In der Praxis sind Begrenzungen jedoch oft erforderlich. So ist eine numerische Integration u oglich und auch aus physikalischer Sicht ist eine Be¨ ber [−∞, ∞] nicht m¨ schr¨ ankung des Bereichs mit P > 0 oft notwendig (z.B. f¨ ur die Temperatur T ≥ 0 und f¨ ur Massenanteile Yα ∈ [0, 1]). Oftmals ist auch der G¨ ultigkeitsbereich von Funktionen von Zufallsvariablen begrenzt. Das heißt, dass bei der Vorgabe der PDF eine Begrenzung des Bereichs mit P > 0 notwendig sein kann. Das wird durch ein simples ,,Abschneiden” der PDF an einer unteren und/oder oberen Grenze erreicht. Abbildung 8.6 zeigt vier bei Tmin = 200 K und Tmax = 3000 K begrenzte (abgeschnittene – clipped), Gauß-PDF der Temperatur. Die Erwartungswerte dieser Verteilungen betragen T = 1000 K. Die dargestellten PDF unterscheiden sich in der Intensit¨at der Temperaturfluktuation √ σT T 2 IT ≡ = . (8.21) T T Um trotz des Abschneidens von PDF-Teilen deren notwendige Eigenschaften zu bewahren, werden an den R¨ andern Delta-Impulse zugef¨ ugt. Das ist in Abb. 8.6 am linken Rand der Verteilung mit IT =0,5 auszumachen. Die mathematische Definition der abgeschnittenen Gauß-PDF ist durch [160]
8.4 Gauß-PDF
117
P0
, ˆ − T 0 )2 + 1 ( T H(Tˆ − Tmin ) − H(Tˆ − Tmax ) PT (Tˆ ) ≡ √ exp − 2 σ0 2πσ0 + Al δ(Tˆ − Tmin) + Ar δ(Tˆ − Tmax )
(8.22)
gegeben. Darin bezeichnet P0 den stetigen Teil der PDF mit P > 0 im Bereich [Tmin , Tmax ]. Die Konstanten Tmin ∞ ˆ ˆ P0 (T )dT , Ar = P0 (Tˆ)dTˆ (8.23) Al = Tˆ =−∞
Tˆ =Tmax
entsprechen den links und rechts abgeschnittenen Anteilen und definieren die St¨ arke der Delta-Impulse. Gleichzeitig dienen sie der Erf¨ ullung der Normierungsbedingung. Die abgeschnittene Gauß-PDF besitzt mit T 0 und σ0 zwei freie Parameter. Diese sind so zu bestimmen, dass die mit Gl. (8.22) gebildeten ersten Momente die vorgegebenen Werte T und σT erf¨ ullen. Da hierf¨ ur keine analytische L¨ osung existiert, sind T 0 und σ0 iterativ zu berechnen. Das kann mit der Newton-Raphson Iteration aus Abschn. 15.2.1 geschehen. 8.4.2 Mehrdimensionale Gauß-PDF Der M -dimensionale Zufallsvektor T = (t1 , t2 , . . . , tM )T mit tα ∈ R, σαβ ∈ R f¨ ur α = β und σαα ≥ 0 mit α, β = 1, 2, . . . , M wird als normalverteilter Zufallsvektor (multivariate Gauß-PDF) bezeichnet, wenn seine Verbund-PDF folgende Form besitzt . T 1 1 ˆ −1 ˆ ˆ ≡ PT (T) T − . (8.24) T − exp − T K T 2 (2π)M/2 |K|1/2 ˆ = (tˆ1 , tˆ2 , . . . , tˆM )T bezeichnet den Stichprobenvektor, T den Vektor der T Erwartungswerte und ⎡ ⎤ σ11 σ12 · · · σ1M ⎢ σ21 σ22 · · · σ2M ⎥ ⎢ ⎥ (8.25) K = ⎢ . .. . . .. ⎥ . ⎣ . . . ⎦ . σM1 σM2 · · · σMM die symmetrische Matrix (σαβ = σβα ) der Varianzen und Kovarianzen. F¨ ur M = 1 geht Gl. (8.24) in Gl. (8.16) u ¨ ber. Die multivariate Gauß-Verteilung l¨ asst sich durch Transformation auf Diagonalform bringen. Im transformierten System sind alle Kovarianzen null und die neu entstandenen Zufallsgr¨oßen unkorreliert [210]. Im Sonderfall statistischer Unabh¨angigkeit aller Variablen (σαβ = 0 f¨ ur α = β) vereinfacht sich die mehrdimensionale Gauß-PDF mit ˆ = Pt (tˆ1 ) Pt (tˆ2 ) . . . Pt (tˆM ) PT (T)
:
σαβ = 0 f¨ ur α = β
zum Produkt eindimensionaler Gauß-Verteilungen.
(8.26)
118
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF Pt
Pt
ˆ t2
ˆ t2 ˆ t1
ˆ t1
Abb. 8.7. Gauß-PDF: σ11 =σ22 =0,01, σ12 =σ21 =0
Abb. 8.8. Gauß-PDF: σ22 = 0,001, σ12 =σ21 =0
σ11 =0,01,
Pt
Pt
ˆ t2
ˆ t2 ˆ t1
Abb. 8.9. Gauß-PDF: σ11 =σ22 =0,01, σ12 =σ21 =0,006
ˆ t1 Abb. 8.10. Gauß-PDF: σ11 =σ22 = 0,01, σ12 =σ21 =−0,006
Beispiele zweidimensionaler Gauß-Verteilungen. Die Abb. 8.7 bis 8.10 zeigen Gauß-Verteilungen der Zufallsvariablen t1 und t2 mit den Erwartungswerten t1 = t2 = 0,5 sowie unterschiedlichen Varianzen und Kovarianzen. In den ersten beiden Abbildungen sind t1 und t2 mit σ12 = σ21 = 0 unkorreliert. W¨ ahrend die Varianzen beider Variablen in Abb. 8.7 identisch sind und damit ein rotationssymmetrisches Profil erzeugen, ist σ11 in Abb. 8.8 zehnfach gr¨ oßer, als σ22 . Das bewirkt die Streckung der PDF in tˆ1 -Richtung. In den Abb. 8.9 und 8.10 folgen Gauß-Verteilungen mit gleicher Varianz, die einmal positiv, einmal negativ korreliert sind. In Abh¨angigkeit vom Vorzeichen des Korrelationskoeffizienten wird die Ausrichtung der PDF-Struktur von den Koordinatenachsen in Richtung einer Diagonale verschoben.
8.5 Beta-PDF Im Gegensatz zur Gauß-PDF kann die β-PDF auch Randmaxima besitzen, was die Flexibilit¨ at in Hinblick auf die Approximation realer Verteilungen
8.5 Beta-PDF
119
erh¨ oht. Im eindimensionalen Fall sind zwei Randspitzen m¨oglich, bei der multivariaten β-PDF kann an jeder Begrenzung eine Randspitze auftreten. Mehrere Maxima innerhalb des Definitionsbereichs sind ausgeschlossen. F¨ ur Verbrennungssimulationen ist bedeutsam, dass sich multi-variate β-Verteilungen definieren lassen, die lediglich ein zweites Moment erfordern (s. Abschn. 8.5.3). Positiv ist dar¨ uber hinaus, dass die Erwartungswerte von Funktionen der Zufallsvariable(n) mit der β-Funktion h¨ aufig analytisch gebildet werden k¨onnen. Bei geringer Varianz geht die β-PDF in eine standardisierte Gauß-Verteilung u ¨ ber. In diesem Fall stimmen bis zum vierten zentrale Moment alle Momente der β-PDF mit denen der Gauß-PDF u ¨ berein [107]. 8.5.1 Eindimensionale Beta-PDF Ein Nachteil der Gauß-PDF – ihre Symmetrie zum Erwartungswert – tritt bei der β-Verteilung nicht grunds¨ atzlich auf. Deren wesentlich flexiblere Struktur h¨ angt allerdings auf komplizierte und oftmals un¨ ubersichtliche Weise von den verwendeten Momenten ab. Wie in Abschn. 4.5 gezeigt wurde, stellen sich in turbulenten Scherschichten durch Intermittenz oft Verteilungen ein, die an ihren R¨ andern einen starken Anstieg aufweisen. Solch Strukturen sind mit der β-PDF darstellbar. Diese beruht auf der Gamma-Funktion ∞ Γ (t) ≡ xt−1 e−x dx , (8.27) 0
die f¨ ur t > 0 stetig ist, w¨ ahrend sie an den Polstellen t = 0, −1, −2, −3, . . . singul¨ ar wird. In Zusammenhang mit PDF-Verfahren sind Γ (t)-Werte im Bereich 0 ≤ t ≤ ∞ von Belang, so dass sich mit den Beziehungen Γ (t + 1) = tΓ (t)
und
Γ (t) = (t − 1)Γ (t − 1)
(8.28)
beliebige Γ (t) mit t > 0 aus in [1, 2] tabellierten Werten der Gamma-Funktion berechnen √ lassen. Einige wichtige Funktionswerte sind Γ (1) = Γ (2) = 1 und Γ (1/2) = π. Mit steigendem t w¨ achst Γ (t) stark an, was von numerischer Seite Probleme bereiten kann. Die β-PDF einer einzelnen, unabh¨ angigen Variable t ∈ [0, 1] ist durch Γ (β1 + β2 ) ˆβ1 −1 Pt (tˆ) ≡ ( 1 − tˆ ) β2 −1 t Γ (β1 ) Γ (β2 ) definiert, wobei die notwendigen PDF-Parameter % & t 1−t β1 = t −1 , σt % & % & t 1−t −1 β2 = 1 − t σt
(8.29)
(8.30)
(8.31)
120
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
aus den ersten beiden Momenten t und σt hervorgehen, die gegeben sein m¨ ussen. Die β-Verteilung weist alle notwendigen Eigenschaften einer PDF auf. Auf Grund ihres Definitionsbereichs bietet sie sich insbesondere zur Beschreibung von Massen- oder Molanteilen an. Der in den PDF-Parametern auftretende Term t(1 − t)/σt gibt das Verh¨ altnis der maximal m¨oglichen Varianz (bei einem gegebenen Erwartungswert) zur tats¨ achlichen Varianz %σt an. Wegen des & beschr¨ ankten Definitionsbereichs ist die Varianz mit σt ≤ t 1 − t ebenfalls begrenzt. Aus dieser Beziehung folgt βi ≥ 0 f¨ ur i = 1, 2. Der Grenzwert β1 = β2 = 0 entspricht der Polstelle der Gamma-Funktion, die bei maximaler % & Varianz mit σt = t 1 − t erreicht wird. In diesem Fall geht die β-PDF von einer kontinuierlichen Verteilung in eine diskontinuierliche u ¨ber, die aus zwei Delta-Impulsen besteht. Dann gilt % & Pt (tˆ) = (1 − t)δ(tˆ) + tδ(tˆ − 1) f¨ ur σt = t 1 − t (8.32) was bedeutet, dass die Zufallsvariable ausschließlich die Randwerte null und eins annimmt. Durch Einsetzen der PDF in Gl. (4.16) und Integration erh¨alt man f¨ ur alle h¨ oheren Momente der β-Verteilung analytische Ausdr¨ ucke [90]. Mit Hilfe des binomischen Satzes wird zun¨ achst durch n α n α % &n (−1) α tˆ − t = (n − γ + 1) t tˆn−α = dα tˆn−α (8.33) α! α=0 γ=1 α=0
dα
eine Summe mit Termen tˆn geschaffen. Bei dα = dα (t) handelt es sich um von tˆ unabh¨ angige Gr¨ oßen, die bei der Berechnung h¨oherer Momente µn =
n
1
tˆn−α P ( tˆ)dt
dα
α=0
(8.34)
tˆ=0
vor das Integral gezogen werden d¨ urfen. Details zu dieser Integration finden sich in Zusammenhang mit mehrdimensionalen β-PDF in Abschn. 10.2. Es folgt f¨ ur das n-te zentrale Moment der β-PDF µn =
n α=0
dα
n−α γ=1
β1 + n − α − γ . β1 + β2 + n − α − γ
(8.35)
Die Varianz σt und der Erwartungswert t gehen durch β1 und β2 in die h¨oheren zentralen Momente ein. Beispiele eindimensionaler Beta-Verteilungen. Zur Veranschaulichung m¨ oglicher β-PDF-Strukturen sind in den Abb. 8.11 bis 8.14 einige charakteristische Verteilungen dargestellt. Abbildung 8.11 zeigt zwei β-PDF, deren Erwartungswerte und Varianzen denen der Gauß-Verteilungen aus Abb. 8.5
8.5 Beta-PDF
121
Abb. 8.11. β-Verteilungen: t1 =0,6, t2 =0,4, σt1 =σt2 =0,0036, β1 =39,4, β2 =26,266
Abb. 8.12. β-Verteilung: σt =0,05, β1 =2,28, β2 =1,52
t=0,6,
Abb. 8.13. β-Verteilung: σt =0,09, β1 =1, β2 =0,666
Abb. 8.14. β-Verteilung: σt =0,15, β1 =0,36, β2 =0,24
t=0,6,
t=0,6,
entsprechen. In Bezug zu den Erwartungswerten von 0,4 und 0,6 ist die Varianz mit 0,0036 relativ gering. Die beiden β-PDF sind optisch nicht von den ¨ Gauß-Verteilungen zu unterscheiden. Diese Ubereinstimmung tritt bei geringer Varianz und ohne Randeinfluss auf. Mit Ann¨aherung an die Grenzen des ¨ Definitionsbereichs findet der Ubergang der β-PDF in eine Gauß-Verteilung nur f¨ ur σt → 0 statt. Die Abb. 8.12 bis 8.14 zeigen β-Verteilungen mit identischen Erwartungswerten (t=0,6) und von Bild zu Bild zunehmender Varianz. Bei σt =0,05 ergibt sich βi > 1 f¨ ur i = 1, 2, was bedeutet, dass die β-Verteilung an ihren R¨ andern den Wert null annimmt und dazwischen ein Maximum besitzt. Mit steigender Varianz sinken die βi -Werte, die PDF bekommt (f¨ ur t = 0, 5) eine unsymmetrische Struktur und weicht mehr und mehr von einer Gauß-Verteilung ab. Mit βi < 1 wird die PDF am entsprechenden Rand singul¨ ar, bleibt jedoch integrierbar. In Abb. 8.13 ist dies an der rechten, in Abb. 8.14 an beiden Begrenzungen der Fall. Die Varianz l¨asst sich f¨ ur t=0,6 bis auf σt =0,24 steigern. Bei diesem Wert geht die PDF in eine unstetige Verteilung u ¨ ber, die nur aus zwei Delta-Impulsen besteht. Die Variable schwankt dann
122
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
ausschließlich zwischen den Werten null und eins, wobei der Zustand null mit der Wahrscheinlichkeit 0,4 und der Zustand eins mit der Wahrscheinlichkeit 0,6 eintritt. 8.5.2 Mehrdimensionale Beta-PDF Die β-Verteilung l¨ asst sich auch f¨ ur einen Zufallsvektor T = (t1 , t2 , . . . , tM )T vorgeben. Hierzu werden neben den ersten Momenten t1 , t2 , . . . , tM die zweiten Momente σij mit i, j = 1, 2, . . . , M ben¨ otigt. Liegen M Zufallsgr¨oßen vor, so erfordert diese multivariate β-PDF M (M + 3)/2 Parameter, die aus den M Erwartungswerten und den M (M + 1)/2 Varianzen und Kovarianzen bestimmt werden k¨ onnen. Im Gegensatz zur Gauß-PDF gehen Erwartungswerte, Varianzen und Kovarianzen jedoch nicht direkt in die β-PDF ein. Stattdessen sind aus ihnen PDF-Parameter zu bestimmen (im eindimensionalen Fall die βi -Werte), die die β-Verteilung definieren. Das hierf¨ ur zu l¨osende Gleichungssystem ist f¨ ur M ≥ 2 nichtlinear und der Aufwand zu dessen L¨osung sprengt bereits bei sehr wenigen Zufallsvariablen jeden Rahmen [15]. Das schließt die Verwendung einer solchen PDF f¨ ur Verbrennungssimulationen mit zahlreichen Gaskomponenten aus. Positiv an β-Verteilungen ist die M¨oglichkeit, zumindest in einfachen F¨ allen die mittleren chemischen Quellterme analytisch berechnen zu k¨ onnen. Dies ist eine Voraussetzung f¨ ur die Verwendung einer assumed-PDF mit zahlreichen Gaskomponenten. Daher sind vereinfachte βVerbund-PDF gesucht, deren Parameter sich einfach bestimmen lassen und die die M¨ oglichkeit einer analytischen Erwartungswertbildung bieten. In den folgenden Abschnitten werden mehrere β-Verteilungen mit diesen Eigenschaften vorgestellt. 8.5.3 Vereinfachte Massenanteil-Beta-PDF Eine wichtige Weiterentwicklung im Bereich der assumed-PDF-Verfahren war die Einf¨ uhrung der vereinfachten multivariaten β-PDF durch Girimaji [107] (im Folgenden wird sie h¨ aufig nur als β-PDF bezeichnet). Diese PDF beschreibt die Verteilung einer beliebigen Anzahl in [0, 1] verteilter Zufallsgr¨ oßen, die die Normierungsbedingung erf¨ ullen. Gegen¨ uber anderen Ans¨atzen weist diese PDF zwei wesentliche Vorz¨ uge auf: 1. Die PDF ist durch die Erwartungswerte aller Massenanteile sowie die Summe der Varianzen der Massenanteile vollst¨andig definiert und ihre PDFParameter lassen sich einfach berechnen, 2. mit dieser PDF sind die komponentenbezogenen Anteile der mittleren chemischen Quellterme analytisch berechenbar (das gilt auch f¨ ur andere h¨ohere Momente die von der Gaszusammensetzung abh¨angen). ¨ Ahnlich wie bei zwei-Gleichungs-Turbulenzmodellen, bei denen an Stelle der Gleichungen aller Reynolds-Spannungen nur eine Gleichung f¨ ur die turbulente kinetische Energie gel¨ ost wird, beruht diese PDF nicht auf allen Varianzen
8.5 Beta-PDF
123
und Kovarianzen der Komponentenmassenanteile. Stattdessen wird als zweites Moment nur die Summe der Varianzen der Massenanteile σY ≡
Nk
Yα2
(8.36)
α=1
verwendet, die Girimaji in Anlehnung an die turbulente kinetische Energie als turbulente skalare Energie (turbulent scalar energy) bezeichnet. Die Nutzung von lediglich einem zweiten Moment hat einen Informationsverlust zur Folge, da an Stelle der vollen Matrix der Varianzen und Kovarianzen nur deren Spur eingeht. Dadurch verlieren diese Variablen ihre Unabh¨angigkeit, was dann zu Fehlern f¨ uhrt, wenn Varianzen und Kovarianzen (unabh¨angig von den Erwartungswerten) stark anisotrop verteilt sind. Andererseits erspart man sich das L¨ osen der (M 2 + M )/2 Transportgleichungen zweiter Momente (oder deren Approximation auf anderem Wege). Der damit verbundene Aufwand w¨ are bei einer gr¨ oßeren Anzahl an Komponenten (M = Nk − 1) nicht zu vertreten. Stattdessen ist bei diesem Ansatz nur die σY -Transportgleichung (6.103) aus Abschn. 6.12 zu l¨ osen (gew¨ ohnlich wird σ Y durch σY nach Gl. (8.45) approximiert, Favre- statt Reynolds-Mittel). Die zweite positive Eigenschaft der PDF – die analytische Berechenbarkeit der mittleren chemischen Quellterme – ist bei großem Nk ebenfalls unerl¨ asslich. Zu mittelnde chemische Produktionsterme treten sowohl in den Komponentengleichungen als auch in den Transportgleichungen f¨ ur σY und σT auf. Da eine numerische Integration bei großem Nk ausgeschlossen ist, bleibt nur die analytischen L¨ osung, sofern eine solche existiert. Bei Verwendung der multivariaten β-PDF ist das der Fall. Deren physikalische Eigenschaften ¨ ahneln denen der β-PDF einzelner Zufallsvariablen. F¨ ur σ Y → 0 ist die vereinfachte multivariate β-PDF normalverteilt. Multivariate Beta-PDF. Gegeben sei der Nk -dimensionale Zufallsvektor Y = (Y1 , Y2 , . . . , YNk )T der Massenanteile 0 ≤ Yα ≤ 1 mit α = 1, 2, . . . , Nk , f¨ ur den sich nach Girimaji [107] folgende multivariate β-PDF vorgeben l¨asst N Nk Nk k Γ β α α=1 β −1 ˆ ≡ 1 P Y (Y) δ 1− . (8.37) Yˆα Yˆα α Nk α=1 Γ (βα ) α=1 α=1 ˆ = (Yˆ1 , Yˆ2 , . . . , YˆN )T steht f¨ Y ur den Stichprobenvektor und die δ-Funktion k dient der Einhaltung der Normierungsbedingung. Außerhalb des Normierungsbereichs der Massenanteile wird die PDF null. Die Parameter N k % & γ=1 Y γ 1 − Y γ βα = Y α −1 (8.38) σY
B
124
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
sind reine Funktionen der Nk Erwartungswerte Y α sowie des zweiten Moments σ Y . Die PDF-Parameter βα = Y α B unterscheiden sich nur auf Grund ihrer individuellen mittleren Massenanteile. Im Gegensatz zur allgemeinen multivariaten β-Verteilung (s. Abschn. 8.5.2) sind die PDF-Parameter βα einfach berechenbar. Aus Gl. (8.38) folgt ferner B =
Nk
βα .
(8.39)
α=1
F¨ ur Nk = 2 geht die PDF nach Gl. (8.37) auf Grund der linearen Abh¨angigkeit der Massenanteile in die β-PDF einer Variable nach Gl. (8.29) u ur das ¨ ber. F¨ zweite Moment σ Y gilt auf Grund des eingeschr¨ankten Definitionsbereichs der Zufallsgr¨ oßen Nk % & 0 ≤ σY ≤ Yα 1−Yα , (8.40) α=1
σ Y max
was den Wertebereich von βα auf 0 ≤ βα ≤ ∞
(8.41)
begrenzt. F¨ ur σ Y → σ Y max gilt B → 0 und βα → 0 f¨ ur α = 1, 2, . . . , Nk . Der Extremwert B = βα = 0 steht f¨ ur den maximal m¨oglichen Einfluss der Komponenten-PDF auf die chemischen Umsatzraten. In diesem Grenzfall ist die β-Verteilung diskontinuierlich und besteht aus Nk Delta-Impulsen. F¨ ur σ Y → 0 gilt B → ∞ und βα → ∞. Dann verschwindet der Einfluss der ¨ Komponenten-PDF auf die chemischen Quellterme, was dem Ubergang zu laminarer Chemie entspricht. Wie bei der eindimensionalen β-Verteilung bewirkt jedes βα < 1, dass die PDF am entsprechenden Rand singul¨ar wird, dabei aber integrierbar bleibt. Da mit σ Y nur ein zweites Moment in die Definition der β-PDF eingeht, k¨ onnen deren Varianzen und Kovarianzen nicht unabh¨angig voneinander sein. Durch Integration u ur die zweiten Mo¨ber den Zustandsraum erh¨alt man f¨ mente der multivariaten β-PDF P Y Y α δαβ − Y α Y β k 2 , 1− N γ=1 Y γ
Yα Yβ = σ Y woraus mit A = σ Y /(1 −
Nk γ=1
2
Yγ) ≥ 0 2
Yα2 = A (Y α − Y α ) Yα Yβ
(8.42)
= −AY α Y β
:
Varianz,
(8.43)
:
Kovarianz α = β
(8.44)
folgt. Das bedeutet, dass alle Varianzen positiv sind (physikalisch korrekt) und die Kovarianzen negativ (nicht korrekt). Hier zeigen sich deutlich die Grenzen dieses einfachen assumed-PDF-Ansatzes.
8.5 Beta-PDF
125
Multivariate Favre-Beta-PDF. Analog zu der auf Reynolds-Mitteln basierenden PDF P Y kann eine Favre-gemittelte PDF PY definiert werden, indem in Gl. (8.37) an Stelle der Reynolds-Mittel Y α und σ Y die Favre-Mittel Yα und Nk 2 Y/ σY ≡ (8.45) α α=1
verwendet werden. Diese PDF erzeugt Favre-Mittel, was im Fall der mittleren chemischen Quellterme (s. Gl. (8.54) auf S. 129) unerw¨ unscht ist. Andererseits l¨ ost man in kompressiblen Str¨ omungen fast immer Transportgleichungen Favre-gemittelter Massenanteile, aus denen mit σY die PDF PY hervorgeht. Deshalb wird bei der Berechnung der chemischen Umsatzraten gew¨ohnlich PY an Stelle von P Y verwendet. Rand-PDF. Durch Integration von P Y u ¨ ber den Zustandsraum mit Ausnahme einer einzigen Variable folgt nach Gl. (4.18) mit ˆ dYˆ1 . . . dYˆα−1 dYˆα+1 . . . dYˆN PYα (Yˆα ) = ... ... P Y (Y) k Yˆ1
=
Yˆα−1
Yˆα+1
ˆN Y k
B−βα −1 Γ (B) Yˆαβα −1 1 − Yˆα Γ (βα ) Γ (B − βα )
(8.46)
eine Rand-PDF der mehrdimensionalen Verteilung. Bei zwei Gaskomponenten wird dieser Ausdruck durch die Normierungsbedingung identisch zu dem der eindimensionalen PDF nach Gl. (8.29). Beispiele zweidimensionaler Beta-Verteilungen. Zur Veranschaulichung m¨ oglicher Strukturen der vereinfachten multivariaten β-PDF nach Gl. (8.37) zeigen die Abb. 8.15 bis 8.18 Verteilungen zweier Zufallsvariablen. Wegen der Normierungsbedingung sind bei der PDF Pt (tˆ1 , tˆ2 , tˆ3 ) nur zwei der drei Skalare linear unabh¨ angig (t3 =1 − t1 − t2 ), so dass Pt als Funktion von tˆ1 und tˆ2 dargestellt werden kann. Im tˆ1 -tˆ2 -Zustandsraum entsprechen die drei Ecken der Grundfl¨ ache (0, 0), (1, 0) und (0, 1) den Zust¨anden tˆ3 = 1, tˆ1 = 1 und tˆ2 = 1. Auf Massen- oder Molanteile u ¨bertragen heißt das, dass dort ausschließlich reine Komponenten vorliegen. Auf den Verbindungsgeraden der Eckpunkte existieren immer zwei der drei Variablen und innerhalb der dreieckigen Grundfl¨ ache treten alle drei Gr¨ oßen gleichzeitig auf. Außerhalb davon wird die Normierungsbedingung verletzt, und die PDF nimmt den Wert null an. F¨ ur σt → 0 (σt ist die Summe der Varianzen der Variablen t1 bis t3 ) geht die β-PDF in eine Gauß-Verteilung u ¨ ber, was man in Abb. 8.15 erkennen kann (die Varianz ist hier mit σt =0,016 relativ klein). Alle dargestellten Verteilungen besitzen mit t1 = 0, 15, t2 =0,25 und t3 = 0,6 gleiche Erwartungswerte. Die Reihenfolge der Abbildungen wurde so gew¨ahlt, dass σt von Bild zu Bild zunimmt, was einer Abnahme der βα -Werte (α = 1, 2, 3) entspricht. F¨ ur βα < 1 tritt am entsprechenden Rand eine Singularit¨at auf. Die in den
126
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF Pt
Pt
ˆ t2
ˆ t2 ˆ t1
ˆ t1
Abb. 8.15. β-Verteilung (σt =0,016): 2 2 2 t1 =0,0037, t2 =0,0054, t3 =0,0069, t1 t2 = − 0,00108, t1 t3 = − 0,00259, t2 t3 = − 0,00432, β1 =5,05, β2 =8,42, β3 =20,21
Abb. 8.16. β-Verteilung (σt =0,06): 2 2 2 t1 =0,014, t2 = 0,020, t3 =0,026, t1 t2 = − 0,0041, t1 t3 = − 0,0097, t2 t3 = − 0,0162, β1 =1,24, β2 =2,06, β3 =4,95 Pt
Pt
ˆ t2
ˆ t2 ˆ t1
Abb. 8.17. β-Verteilung (σt = 0,08): 2 2 2 t1 =0,018, t2 =0,027, t3 =0,035, t1 t2 = − 0,00541, t1 t3 = − 0,0130, t2 t3 = − 0,0216 β1 =0,89, β2 =1,48, β3 =3,56
ˆ t1 Abb. 8.18. β-Verteilung (σt =0,2): 2 2 2 t1 =0,046, t2 =0,068, t3 =0,085, t1 t2 = − 0,0135, t1 t3 = − 0,0324, t2 t3 = − 0,054, β1 =0,27, β2 =0,44, β3 =1,06
Abb. 8.15 und 8.16 gezeigten PDF weisen βα -Werte > 1 auf. Damit besitzt die PDF im Inneren der dreieckigen Grundfl¨ache ein Maximum und auf den R¨ andern gilt Pt = 0. Mit steigendem σt wird die PDF auf Grund der unterschiedlichen Erwartungswerte zunehmend unsymmetrischer. In Abb. 8.17 ist einer der drei βα -Werte kleiner als eins, in Abb. 8.18 sind zwei Werte unterhalb dieser Grenze. Dadurch entstehen an den jeweiligen R¨andern Singularit¨aten, die den starken Anstieg der PDF-Funktionswerte verursachen. In Abb. 8.18 sind solche Singularit¨ aten an zwei R¨ andern und insbesondere an den Ecken zu beobachten. Hier ist noch zu bemerken, dass der graphisch dargestellte Bereich in Abb. 8.17 und 8.18 wegen der Singularit¨aten geringf¨ ugig verkleinert wurde.
8.5 Beta-PDF
127
8.5.4 Vereinfachte Komponentendichten-Beta-PDF Zur Berechnung der mittleren chemischen Quellterme ist eine PDF auf Basis Reynolds-gemittelter Massenanteile erforderlich. Das kann Probleme bereiten, wenn die Bilanzgleichungen Favre-gemittelte Massenanteile bereitstellen. Aus diesem Grund haben Baurle et al. [13, 16] die multivariate β-PDF auf Komponentendichten ρα = ρYα = ρα + ρα u ¨ bertragen. Da dabei die Beschr¨ankung des Definitionsbereichs der Variablen auf [0, 1] verlorengeht, sind normierte Komponentendichten ρ∗α = ρα /ρmax einzuf¨ uhren. Als Normierungsgr¨oße bietet sich mit √ ρmax ≡ ρ¯ + Fρ σρ (8.47) eine maximale Dichte an, die aus der mittleren Dichte und der Summe der Varianzen der Komponentendichten σρ ≡
Nk
ρα2
(8.48)
α=1
hervorgeht. Nach Baurle et al. [16] wirkt sich die Wahl der vorzugebenden Konstante Fρ nur schwach auf die L¨ osung aus. F¨ ur die normierte Gesamtdichte folgt ρ∗ = ρ/ρmax . Mit σρ ist wieder nur ein zweites Moment zur Definition der Verteilung erforderlich. Ersetzt man in Gl. (8.38) die mittleren Massenanteile Y α durch die normierten mittleren Komponentendichten ρ¯α∗ , so folgen daraus die PDF-Parameter Nk 2 ρ¯ρmax − γ=1 ργ ∗ βα = ρα −1 , (8.49) σρ
B asst sich eine Beziehung f¨ ur den Minimalwert f¨ ur die βα ≥ 0 gilt. Daraus l¨ von Fρ ableiten. In der Praxis ist es jedoch einfacher, einen hinreichend großen Wert vorzugeben (ca. zehn nach Baurle et al. [16]). Die gemeinsame Verteilung des Nk -dimensionalen Zufallsvektors der Komponentendichten ρ∗ = (ρ∗1 , ρ∗2 , . . . , ρ∗Nk )T ist wie folgt definiert [16] N Nk k 1 α−1 ∗ δ ρ∗ − (8.50) ρ ) ≡ (1 − ρˆ∗ ) ρˆα∗ ρˆγ∗ βγ −1 , Pρ∗ (ˆ Cρ α=1 γ=1 ρ∗1 , ρˆ∗2 , . . . , ρˆ∗Nk )T bezeichwobei ρˆα∗ ein Element des Stichprobenvektors ρˆ∗ = (ˆ net. Die δ-Funktion dient der Erf¨ ullung der Normierungsbedingung der Massenanteile. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Summe der Komponentendichten die mittlere Gesamtdichte ergibt, die konstant bleibt. Außerhalb des Normierungsbereichs gilt Pρ∗ = 0. Der verbleibende Parameter Cρ
Nk Γ (B [1 − ρ ∗ ]) = Γ (βγ ) Γ (B) γ=1
(8.51)
128
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
ist eine reine Funktion der bekannten Werte ρα und σρ . Die Transportgleichung f¨ ur σρ l¨ asst sich analog zur σY -Transportgleichung ableiten und ist bei Baurle et al. [16] angegeben. Obwohl die Berechnung mittlerer ChemieQuellterme mit Pρ∗ physikalisch fundierter erscheint, als mit P Y , hat sie bei praktischen Untersuchungen keine wesentliche Verbesserung erbracht [16]. Daher ist P Y auf Grund der einfacheren Handhabung (keine Normierung) zu bevorzugen. 8.5.5 Vereinfachte Molanteil-Beta-PDF Analog zur multivariaten β-PDF der Massenanteile ist eine Formulierung mit Molanteilen m¨ oglich. In den entsprechenden Definitionen aus Abschn. 8.5.3 sind hierzu lediglich Massen- durch Molanteile zu ersetzen. Als einziges zweites Moment tritt die Summe der Varianzen der Molanteile σX ≡
Nk
Xα2
(8.52)
α=1
auf. Gew¨ ohnlich geht σ X aus einer Transportgleichung hervor, die analog zur ¨ Transportgleichung f¨ ur σY abgeleitet werden kann. Durch Ubertragung der PDF-Definition (8.37) auf Molanteile folgt N Nk Nk k Γ β α α=1 ˆ ≡ 1 ˆα ˆ βα −1 , δ 1− (8.53) P X (X) X X α Nk α=1 Γ (βα ) α=1 α=1 wobei X = (X1 , X2 , . . . , XNk )T den Nk -dimensionalen Zufallsvektor bezeichnet. Alle in Abschn. 8.5.3 angegeben Gleichungen und Aussagen treffen in gleicher oder ¨ ahnlicher Weise auf P X zu. W¨ ahrend die Definitionen von P X und P Y identisch sind, bestehen aus physikalischer Sicht Unterschiede, was deren Anwendbarkeit auf Verbrennungssimulationen betrifft (s. Abschn. 8.6.2). Insbesondere bei langsamen Str¨ omungen ist P X zu bevorzugen.
8.6 Verbund-PDF aller Quelltermvariablen In den vorangegangenen Abschnitten wurden mathematische Ans¨atze zur Definition von Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen vorgestellt. Damit war die Absicht verbunden, in turbulenten Str¨ omungen eine bessere Approximation der mittleren chemischen Quellterme zu erlangen. Bei detaillierter Chemie erfordert das die Verbund-PDF aller Variablen, die den chemischen Quellterm beeinflussen. Hierf¨ ur sind mehrere Varianten m¨oglich. Neben der Temperatur, dem Druck oder der Dichte kann eine solche PDF auf Massenanteilen, Molanteilen, Konzentrationen oder Komponentendichten beruhen. Ist beispielsweise die Verbund-PDF von Dichte, Temperatur und Massenanteilen bekannt, so l¨ asst sich mit
8.6 Verbund-PDF aller Quelltermvariablen
S α = Sα =
... ρˆ
Tˆ
Yˆ1
129
ˆN Y k
ρ, Tˆ, Yˆ1 , . . . , YˆNk ) dˆ ρ dTˆ dYˆ1 . . . dYˆNk Sˆα P (ˆ
(8.54) der mittlere chemische Quellterm der Komponente α berechnen. An dieser Gleichung zeigen sich deutlich die Schwierigkeiten, mit denen der assumedPDF-Ansatz behaftet ist: 1. Die statistische Abh¨ angigkeit unterschiedlicher physikalischer Gr¨oßen (hier ρ, T, Yα ) mit unterschiedlichen Definitionsbereichen ist in einer VerbundPDF schwer vorgebbar, 2. die Integration in Gl. (8.54) sollte analytisch durchf¨ uhrbar sein, woraus sich wiederum Anforderungen an die PDF ergeben. Dar¨ uber hinaus sollte der Rechenaufwand des assumed-PDF-Ansatzes deutlich unter dem von partikelbasierten Transportgleichungs-PDF-Verfahren liegen, da diese ansonsten zu bevorzugen sind. Prinzipiell w¨are es zwar m¨ogliche, eine Verbund-PDF aller Quelltermvariablen zu definieren (z.B. durch eine mehrdimensionale Gauß-Verteilung), praktikabel ist das allerdings nicht. Das bedeutet, dass in Hinblick auf eine vorgebbare Verbund-PDF f¨ ur Verbrennungssimulationen weitere Vereinfachungen notwendig sind. Die am h¨aufigsten getroffenen Annahmen sind die statistischer Unabh¨angigkeit aller Variablen (s. Abschn. 8.6.1) und von Gruppen von Variablen (s. Abschn. 8.6.2). 8.6.1 Statistische Unabh¨ angigkeit aller Variablen Die einfachste M¨ oglichkeit mehrere Zufallsvariablen in einer Verbund-PDF zusammenzufassen besteht darin, diese als statistisch unabh¨angig voneinander anzusehen. Damit reduziert sich eine beliebige Verbund-PDF P (x) gem¨aß P (ˆ x1 , x ˆ2 , . . . , x ˆM ) ≈ P (ˆ x1 ) P (ˆ x2 ) . . . P (ˆ xM )
(8.55)
zum Produkt eindimensionaler PDF. In Hinblick auf Rechenzeit und Komplexit¨ at ergeben sich deutliche Verbesserungen: 1. Eindimensionale PDF sind relativ einfach vorzugeben, 2. die Integration nach Gl. (8.54) kann f¨ ur jede Variable separat erfolgen, 3. Kovarianzen werden zur Definition der PDF nicht ben¨otigt. In der Verbrennung ist dieser Ansatz allerdings nur in Sonderf¨allen zu rechtfertigen. Verwendung findet er in erster Linie bei sehr wenigen Zufallsvariablen, die nur schwach miteinander korreliert sein sollten. 8.6.2 Statistische Unabh¨ angigkeit von Gruppen von Variablen Physikalisch fundierter sind Ans¨ atze, bei denen zumindest die Verteilungen von Variablen gleichen Typs (z.B. alle Massen- oder Molanteile) als VerbundPDF vorgegeben werden. Die Berechnung der mittleren chemischen Umsatzraten erfordert dann
130
8 Mathematische Beschreibung einer assumed-PDF
• die Verbund-PDF der Gaszusammensetzung (z.B. auf Basis von Massenoder Molanteilen), • ein oder zwei eindimensionale PDF thermodynamischer Gr¨oßen (z.B. f¨ ur ρ und T ). Die Definition einer Verbund-PDF aller Gaskomponenten ist f¨ ur zahlreiche Spezies nur unter Vereinfachungen m¨ oglich. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass eine der in Abschn. 8.5.3 bis 8.5.5 vorgestellten multivariaten β-Verteilungen die Gaszusammensetzung beschreibt. Quelltermberechnung mit Verbund-PDF der Komponentendichten. Setzt man statistische Unabh¨angigkeit von Temperatur- und Komponentendichten (ρα = ρYα ) voraus, so folgt die gemeinsame PDF aller Quelltermvariablen mit P (Tˆ, ρˆ1 , ρˆ2 , . . . , ρˆNk ) = PT (Tˆ ) Pρ∗ (ˆ ρ∗1 , ρˆ∗2 , . . . , ρˆ∗Nk )
(8.56)
aus der Temperatur-PDF PT und der Verbund-PDF Pρ∗ der normierten Komponentendichten, die durch Gl. (8.50) definiert ist. Geht man mit k = k(T ) von druckunabh¨ angigen Geschwindigkeitskoeffizienten aus, so geht in k nur die Temperatur-PDF ein. Dieser Berechnungsschritt kann somit separat erfolgen. Aus Gl. (8.54) ergibt sich S α = Mα ⎛
Nr + (ναr − ναr ) r=1
νN
× ⎝k fr cNk +1r
k +1r
⎞
νβr
νβr Nk Nk νN ρβ ρ β +1r ⎠ , − k br cNkk+1r Mβ Mβ
β=1
(8.57)
β=1
wobei jede Hin- und R¨ uckreaktion zwei zu mittelnde Terme stellt, die entweder mit PT oder mit Pρ∗ gebildet werden. Treten in einer Reaktion r inerte Stoßpartner auf, so ist die nach Gl. (2.44) zu berechnende Konzentration cNk +1 = cNk +1 (ρ) in die Integration einzubeziehen. Die Verwendung einer PDF der Komponentendichten oder einer PDF von Konzentrationen (cβ = ρβ /Mβ ) hat den Vorteil, dass wegen Sα = Sα (T, ρ) bzw. Sα = Sα (T, c) statistische Unabh¨ angigkeit nur zwischen zwei Variablentypen (T und ρ bzw. T und c) vorauszusetzen ist. Quelltermberechnung mit Verbund-PDF der Massenanteile. Bei Nutzung einer Verbund-PDF der Massenanteile wird gew¨ohnlich statistische Unabh¨ angigkeit der Verteilungen der Temperatur, der Massenanteile und der Dichte vorausgesetzt. Fluktuationen der Dichte bleiben mit Pρ (ˆ ρ) = δ(ˆ ρ − ρ) in der Regel unber¨ ucksichtigt, so dass f¨ ur die Verbund-PDF aller Quelltermvariablen P (ˆ ρ, Tˆ, Yˆ1 , Yˆ2 , . . . , YˆNk ) = δ(ˆ ρ − ρ¯) PT (Tˆ ) P Y (Yˆ1 , Yˆ2 , . . . , YˆNk )
(8.58)
8.6 Verbund-PDF aller Quelltermvariablen
131
angesetzt werden kann. F¨ ur PT l¨ asst sich Gl. (8.22) und f¨ ur P Y Gl. (8.37) nutzen. Damit folgt f¨ ur den mittleren chemischen Produktionsterm ⎛
νβr Nk Nk Nr + νN ν ρ ¯ +1r (ναr − ναr ) ⎝k fr S α = Mα cNkk+1r Yβ βr Mβ r=1 β=1 β=1 ⎞⎤
νβr Nk Nk νN +1r ν ρ¯ − k br cNkk+1r Yβ βr ⎠⎦ . (8.59) Mβ β=1
β=1
Die mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten und die mittleren Komponententerme sind auf Grund der vorausgesetzten statistischen Unabh¨angigkeit von T und Y separat berechenbar. Treten bei einer Reaktion inerte Stoßpartner auf, so ist nach Gl. (2.44) cNk +1 = cNk +1 (ρ, Y) bei der Integration mit P Y zu ber¨ ucksichtigen. Quelltermberechnung mit Verbund-PDF der Molanteile. Setzt man statistische Unabh¨ angigkeit von Druck, Temperatur und Molanteilen voraus, so vereinfacht sich die gemeinsame PDF der Quelltermvariablen zu ˆ1, . . . , X ˆ N ) = δ(ˆ ˆ1, . . . , X ˆN ) . P (ˆ p, Tˆ, X p − p¯) PT (Tˆ ) P X (X k k
(8.60)
Die ben¨ otigte Verbund-PDF der Molanteile P X ist in Gl. (8.53) definiert und wie PT vorzugeben. Mit Pp (ˆ p) = δ(ˆ p − p) bleiben die Auswirkungen von Druckfluktuationen unber¨ ucksichtigt, was bei niedrigen Str¨omungsgeschwindigkeiten gerechtfertigt werden kann (s. Abschn. 2.1.2). Mit mfr =
N k +1
ναr ,
mbr =
α=1
N k +1
ναr
(8.61)
α=1
und cα = cXα folgt f¨ ur den mittleren chemischen Produktionsterm ⎛ N N Nr + k k ν (ναr − ναr ) ⎝ kfr cmfr S α = Mα tγr Xγ Xββr r=1
− kbr cmbr
N k γ=1
tγr Xγ
Nk
⎞⎤ ν
Xββr ⎠⎦ .
γ=1
β=1
(8.62)
β=1
Wegen c = c(p, T ) ist die Gesamtkonzentration im Zustandsraum nur eine Funktion der Temperatur und entsprechend bei der Integration mit PT einzubeziehen. Die Verwendung von P X setzt Bilanzgleichungen der Molanteile voraus, die relativ selten anzutreffen sind.
9 Statistisch optimale Verteilungen
Die mathematische Definition einer assumed-PDF erfordert Kenntnisse u ¨ ber das statistischen Verhalten der Zufallsvariablen. Je mehr physikalische Informationen vorliegen, umso gr¨ oßer ist (in der Regel) die Genauigkeit der PDF. In Hinblick auf die Qualit¨ at einer Verteilung stellen sich zwei grunds¨atzliche Fragen: 1. Wie viele h¨ ohere Momente sind notwendig, um unter gegebenen Bedingungen eine PDF zu definieren, die eine bestimmte Fehlertoleranz einh¨alt? 2. wie l¨ asst sich bei einer gegebenen Anzahl an Momenten die Verteilung finden, die der realen PDF am n¨ achsten kommt? Die erste Frage ist zwar von Belang, stellt sich in der Verbrennungssimulation in dieser Form aber nicht. Auf Grund der begrenzten Rechenleistung und der Komplexit¨ at des Gleichungssystems sind Ans¨atze, die u ¨ ber die zweiten Momente zur Definition einer PDF hinausgehen, kaum realisierbar. Mit der zweiten Frage befasst sich dieser Abschnitt. Die vorangegangenen Kapitel haben deutlich gemacht, dass sich mit gleichen Informationen durchaus sehr unterschiedliche PDF definieren lassen. Nun gilt es die PDF zu identifizieren, die bei einem gegeben Maß an Informationen statistisch gesehen am wahrscheinlichsten ist. Diese muss der tats¨ achlichen PDF am n¨achsten kommen. Hierzu hat hat Pope [201, 202, 203] Methoden aus der statistischen Mechanik auf reagierende Fluide u ¨bertragen. Zur Bewertung einer PDF dient eine hierf¨ ur definierte Entropie [242, 79].
9.1 Entropie einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion Die PDF P (Ψ ; x, t) einer einzelnen Variable ist in Abschn. 4.1 als die Wahrscheinlichkeit eingef¨ uhrt worden, mit der sich die Zufallsgr¨oße Φ im Bereich Ψ ≤ Φ ≤ Ψ + ∆Ψ befindet. Eine solche PDF l¨asst sich durch eine sehr große Anzahl i = 1, 2, . . . , N an Einzelrealisierungen Φ(i) approximieren. Gegeben sei die Zufallsvariable Φ ∈ [0, 1] mit einem entsprechenden Zustandsraum, der
134
9 Statistisch optimale Verteilungen
in I gleich große Bereiche ∆Ψ = 1/I unterteilt ist. Die Anzahl an Realisierungen, die f¨ ur α = 1, 2, . . . , I im Bereich (α − 1)∆Ψ ≤ Φ ≤ α∆Ψ liegen, sei nα . Entsprechend muss die Summe der Ereignisse aller Bereiche I
nα = N
(9.1)
α=1
der Gesamtzahl an Einzelrealisierungen entsprechen. Mit diesen Voraussetzungen l¨ asst sich eine Funktion definieren, die mit nα /(N ∆Ψ ) die Wahrscheinlich¨ keit f¨ ur Φ(i) im Intervall α angibt. Mit Ubergang auf unendlich viele Bereiche (I → ∞, ∆Ψ → 0) und unendlich viele Realisierungen (N → ∞, ∆Ψ N → ∞) geht diese Funktion in die gesuchte PDF n α P (Ψ ; x, t) = lim (9.2) N ∆Ψ ∆Ψ N → ∞ ∆Ψ → 0
u ¨ ber [202]. Nun stellt sich die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Verteilung n1 , n2 , . . . , nI (und damit die mit dieser Verteilung im Grenzfall verbundene PDF) eintritt. Die Antwort liegt in der Anzahl an M¨oglichkeiten W , mit der eine Verteilung erreicht werden kann. Je gr¨oßer diese Zahl ist, umso h¨ oher ist die Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Eintreten der entsprechenden Verteilung. Sollen sich n1 aus N Einzelrealisierungen im Intervall Ψ1 befinden, so gibt es hierf¨ ur W1 M¨ oglichkeiten, die sich mit N! N (9.3) = W1 = n1 !(N − n1 )! n1 aus der Anzahl an Kombinationen (ohne Wiederholung) von n1 aus N Elementen berechnen [41, 79]. Dabei wird vorausgesetzt, dass f¨ ur kein Ψα eine prinzipielle Bevorzugung besteht. Existieren dagegen f¨ ur bestimmte Ereignisse Ψα a priori h¨ ohere oder niedrigere Wahrscheinlichkeiten gα , so ergibt sich W1 =
N! g n1 . n1 !(N − n1 )! 1
(9.4)
¨ Diese Uberlegungen lassen sich fortsetzen, um W2 (unter Ber¨ ucksichtigung von W1 ) zu bestimmen. Gesucht ist die Anzahl an Kombinationen (ohne Wiederholung) von n2 aus verbliebenen N − n1 Elementen bei vorgegebener a priori-Wahrscheinlichkeit g2 . Hierf¨ ur erh¨ alt man W2 =
(N − n1 )! g n2 n2 !(N − n1 − n2 )! 2
(9.5)
und bei sukzessiver Fortsetzung f¨ ur das Eintreten einer kompletten Verteilung W = W1 W2 . . . WI = N !
I gαnα . n ! α=1 α
(9.6)
9.1 Entropie einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
135
Von allen m¨ oglichen diskreten Verteilungen ist statistisch gesehen diejenige am wahrscheinlichsten, die auf m¨ oglichst viele Weisen erreicht werden kann. Diese muss den gr¨ oßten Wert W besitzen. Um diese Betrachtung von diskreten Funktionen mit endlichem N auf eine PDF zu u ¨ bertragen, ist mit N ∆Ψ → ∞ und 1/∆Ψ → ∞ der Grenzwert zu bilden. Ung¨ unstigerweise geht dabei W gegen unendlich [202], weshalb sich Beziehung (9.6) nicht zur Bestimmung des gesuchten Maximums eignet. In Anlehnung an einen Vorschlag von Pope [202] wird stattdessen H = H (W, ∆Ψ, N ) ≡ ln(W 1/N ∆Ψ )
(9.7)
definiert. Um den Term innerhalb des Logarithmus dimensionslos zu machen, hat Pope eine Normierungskonstante mit der Einheit von ∆Ψ eingef¨ uhrt [202]. Hierzu bietet sich die Standardabweichung var(Φ) an. Stattdessen lassen sich aber auch die Gewichtungsfaktoren gα und damit W mit einer geeigneten Einheit versehen. Besitzt gα die gleiche Einheit wie 1/Φ, so wird der innerhalb des Logarithmus stehende Term in Gl. (9.7) dimensionslos und es folgt 1 lnW + ln∆Ψ N I 1 ln(N !) + = [nα lngα − ln(nα !)] + ln∆Ψ . N α=1
H (W, ∆Ψ, N ) =
(9.8)
F¨ ur sehr große N gilt die Stirling’sche Formel, nach der ln(N !) ≈ N lnN − N gesetzt werden darf [41] und es ergibt sich I 1 H (W, ∆Ψ ) = N lnN − N + (nα lngα − nα lnnα + nα ) + ln∆Ψ N α=1 I I I nα nα nα lngα − lnnα + ln (N ∆Ψ ) N N N α=1 α=1 α=1
I nα nα = − ln ∆Ψ . N ∆Ψ g N α ∆Ψ α=1
=
(9.9)
Durch Grenzwertbildung gelangt man zur gesuchten Entropie einer PDF H ≡
lim
∆Ψ N → ∞ ∆Ψ → 0
= −
H (∆Ψ, nα , gα )
∞
P (Ψ )ln −∞
P (Ψ ) g(Ψ )
dΨ
(9.10)
[242, 202]. In dieser Gleichung gilt abweichend von einer strikt mathematischen Definition P (Ψ ) ln [P (Ψ )/g(Ψ )] = 0
f¨ ur
P (Ψ ) = 0
(9.11)
136
9 Statistisch optimale Verteilungen
und g(Ψ ) bezeichnet die a priori-Wahrscheinlichkeit, die das Auftreten eines Ereignisses Ψ im Zustandsraum gewichtet. Von allen realisierbaren Verteilungen ist somit statistisch diejenige am wahrscheinlichsten, die den h¨ochsten Wert H besitzt. Nach Sveshnikov [242] kann H als Maß f¨ ur die Information gesehen werden, die durch P (Ψ ) bereitgestellt wird. Die PDF mit maximaler Entropie ist diejenige, die den geringsten Informationsgehalt aufweist und gleichzeitig alle Vorgaben erf¨ ullt [202]. Die Definition der Entropie l¨ asst sich in gleicher Weise auf die VerbundPDF einer beliebigen Anzahl unabh¨ angiger Variablen u ¨bertragen. In Anlehnung an Gl. (9.10) folgt
∞ P (Ψ) H ≡ − dΨ , (9.12) P (Ψ) ln g(Ψ) −∞ wobei die wahrscheinlichste PDF wieder H maximiert. Eine konstante a prioriWahrscheinlichkeit bedeutet in diesem Fall, dass f¨ ur keinen Punkt des multidimensionalen Zustandsraums eine prinzipielle Bevorzugung besteht. Beispiel zur Entropie einer PDF. Den etwas abstrakten Begriff der Entropie einer PDF soll das folgende Beispiel veranschaulichen. Ausgangspunkt sei die Zufallsvariable Φ ∈ [0, 1]. Außerhalb des Definitionsbereichs der Variable gilt P (Ψ ) = 0. Es wird von einer konstanten a priori-Wahrscheinlichkeit g(Ψ ) = 1 ausgegangen. Das bedeutet, dass jeder Wert Ψ im Definitionsbereich mit gleicher a priori-Wahrscheinlichkeit eintreten kann. Mit diesen Voraussetzungen werden zwei F¨ alle untersucht: 1. Einzige Information bez¨ uglich der gesuchten Verteilung ist der Erwartungswert der Zufallsvariable, f¨ ur den Φ = 0, 5 gelten soll, 2. neben dem Erwartungswert der Zufallsvariable ist noch deren Varianz gegeben. Die Zahlenwerte seien Φ=0,5 und σΦ =0,0036. Zun¨ achst wird der erste Fall betrachtet. Abbildung 9.1 zeigt vier Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen, die alle die genannte Bedingung erf¨ ullen. Im einzelnen sind das die Rechteck-, Dreieck-, Gauß- und Gleichverteilung. Selbstverst¨ andlich w¨ aren auch andere PDF mit einem Erwartungswert von 0,5 denkbar (genau genommen sind bereits unendlich viele Rechteckverteilungen m¨oglich). Als Bewertungsfaktor dient die in Gl. (9.10) definierte Entropie. F¨ ur die dargestellten PDF erh¨ alt man (in der Reihenfolge ihrer Aufz¨ahlung) die Entropiewerte −1,609, −1,395, −0,704 und 0. Die mit Symbolen (•) gekennzeichnete Gleichverteilung weist nicht nur von den vier untersuchten PDF den h¨ ochsten Entropiewert auf, sondern besitzt von allen m¨oglichen Verteilungen die gr¨ oßte Entropie. Sie beinhaltet unter den gegebenen Bedingungen das geringste Maß an Information und tritt somit am wahrscheinlichsten ein. Ein anderes Bild ergibt sich im zweiten Fall, in dem mit der Varianz eine weitere Information bez¨ uglich der PDF hinzukommt. Alle in Abb. 9.2 aufgetragenen PDF (Rechteck-, Dreieck- und Gauß-Verteilung) erf¨ ullen die
9.1 Entropie einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
Abb. 9.1. Verteilungen mit Φ=0,5, g(Ψ )=1 und Entropie H
137
Abb. 9.2. Verteilungen mit Φ=0,5, σΦ =0,0036, g(Ψ )=1 und Entropie H
durch die ersten beiden Momente gegebenen Bedingungen. Die Unterschiede in H fallen im Vergleich zum ersten Fall deutlich geringer aus. Im Allgemeinen wird die Variationsm¨ oglichkeit der Verteilungen mit jeder hinzukommenden Information weiter eingeschr¨ ankt. Mit steigender Ordnung der Momente nimmt insbesondere der Informationsgehalt bez¨ uglich der R¨ander der PDF zu [163]. Die nach Gl. (9.10) berechneten Entropien betragen bei der Rechteck-Verteilung −1,571, bei der Dreieck-Verteilung −1,418 und bei der Gauß-Verteilung −1,395, so dass die Gauß-Verteilung den h¨ochsten Entropiewert besitzt. Sie stellt sich statistisch gesehen mit der h¨ochsten Wahrscheinlichkeit ein. Wie Abschn. 9.1.1 zeigen wird, l¨asst sich diese Aussage f¨ ur Ψ ∈ R und konstante a priori-Wahrscheinlichkeit verallgemeinern. Unter diesen Voraussetzungen ist bei gegebenem Erwartungswert und gegebener Varianz die Gauß-Verteilung von allen m¨ oglichen Verteilungen statistisch gesehen am wahrscheinlichsten. Die Beispiele zeigen, dass die strukturelle Vielfalt m¨ oglicher PDF mit zunehmenden Informationen gew¨ohnlich zur¨ uckgeht. Allgemeing¨ ultig ist diese Aussage nicht. 9.1.1 PDF inerter Zufallsvariablen Nachdem im letzten Abschnitt die Entropien vorgegebener Verteilungen bestimmt wurden, steht nun die Frage im Vordergrund, welche der zahlreichen assumed-PDF bei einem gegebenen Maß an Informationen die erfolgversprechendste ist? Gleichzeitig werden die Untersuchungen auf die Bilanzgleichungen eines Gases mit mehreren Komponenten ausgeweitet, wobei chemische Reaktionen zun¨ achst unber¨ ucksichtigt bleiben. Da diese Betrachtungen auf der zuvor definierten Entropie aufbauen, ist als erstes zu kl¨aren, wie die a priori-Wahrscheinlichkeit g(Ψ) eines realen Systems bestimmt werden kann. ¨ Bei Vernachl¨ assigung chemischer Reaktionen folgt die zeitliche Anderung passiver Skalare Φα mit
138
9 Statistisch optimale Verteilungen
∂ ∂ ∂ (ρΦα ) + (ρui Φα ) − ∂t ∂xi ∂xi
Γα
∂Φα ∂xi
= 0
(9.13)
f¨ ur α = 1, 2, . . . , Nk (z.B. Massen- oder Molanteile) ausschließlich aus dem konvektiven und dem diffusiven Transport. Diese Gleichung stellt den Ausgangspunkt f¨ ur die Bestimmung der a priori-Wahrscheinlichkeit dar. Pope [201, 202] w¨ ahlt hierzu den Weg u ¨ ber eine lineare Transformation des Zustandsraums Ψ nach Ψ∗ gem¨ aß Ψl∗ = alm Ψm + bl
(9.14)
mit l, m = 1, 2, . . . , Nk . Bei Annahme gleicher, von Ψ unabh¨angiger Stoffwerte gilt Γα = Γ . Damit l¨ asst sich f¨ ur passive Skalare zeigen, dass im transformierten System Ψ∗ die Form von Gl. (9.13) erhalten bleibt [202]. Somit darf sich g(Ψ) bei dieser Transformation nicht ¨ andern. Bei konstantem B gilt g(Ψ) = g(Ψ∗ ) = g(Ψ + B) ,
(9.15)
was nur mit einem konstanten g(Ψ) = c erf¨ ullt werden kann. Das bedeutet, dass statistisch gesehen kein Ort im Zustandsraum bevorzugt wird. Damit vereinfacht sich Gl. (9.12) zu ∞ P (Ψ) H = − dΨ , (9.16) P (Ψ) ln c −∞ wobei c = 1 gesetzt werden kann. Ferner ist c mit der Einheit von P (Ψ) zu versehen. Nebenbedingungen zur Bestimmung der PDF maximaler Entropie. Die gesuchte PDF soll zum einen die Entropie nach Gl. (9.16) maximieren und zum anderen eine ver¨ anderliche Anzahl an Nebenbedingungen erf¨ ullen. Dazu z¨ ahlt die Normierungsbedingung der PDF ∞ P (Ψ)dΨ = 1 (9.17) −∞
und das Einhalten der Erwartungswerte ∞ Ψα P (Ψ)dΨ = Φα
(9.18)
−∞
f¨ ur α = 1, 2, . . . , Nk . Diese Vorgaben k¨ onnen durch eine beliebige Anzahl zus¨ atzlicher Bedingungen (z.B. h¨ ohere Momente) erg¨anzt werden. Sind die Varianzen und Kovarianzen bekannt, so muss die gesuchte PDF ∞ (Ψα − Φα )(Ψβ − Φβ ) P (Ψ) dΨ = Φα Φβ (9.19) −∞
9.1 Entropie einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
139
f¨ ur α, β = 1, 2, . . . , Nk erf¨ ullen. Von mathematischer Seite stellt sich die Frage, wie aus der Schar m¨ oglicher Verteilungen diejenige bestimmt werden kann, die alle gew¨ unschten Vorgaben erf¨ ullt. Das hierzu geeignete Mittel ist die Variationsrechnung, mit der sich Maxima oder Minima von Funktionalen bestimmen lassen. Das bedeutet, dass daraus die Funktion hervorgeht, die dem Funktional im Vergleich zu allen anderen ,,benachbarten” Funktionen ein Maximum zuordnet [41]. Die Maximierung eines Funktionals zur Ermittlung einer gesuchten Funktion l¨ asst sich mit der Maximierung einer Funktion bei der Suche nach einem Hochpunkt vergleichen. Das Vorgehen wird zun¨achst auf die PDF eines einzelnen Skalars angewandt und anschließend auf die VerbundPDF mehrerer Skalare u ¨ bertragen. Als Nebenbedingungen dienen die ersten beiden Momente (Erwartungswert und Varianz) der Variablen. PDF eines passiven Skalars. Nach Sveshnikov [242] ist folgendes Problem der Variationsrechnung auf die Ermittlung der gesuchten PDF u ¨ bertragbar. Zu bestimmen sei die Funktion y(x), die das Integral x2 I = f (x, y)dx (9.20) x1
maximiert und die Nebenbedingungen x2 gα (x, y)dx = cα
(9.21)
x1
f¨ ur α = 1, 2, . . . , M erf¨ ullt. Auf das Ausgangsproblem u ¨ bertragen heißt das, dass mit I die Entropie nach Gl. (9.16) maximiert wird, w¨ahrend die Gl. (9.17) bis (9.19) die Nebenbedingungen stellen. Gem¨aß der Variationsrechnung erh¨alt man die L¨ osung des durch die Gln. (9.20) und (9.21) gegebenen Problems aus ∂L = 0, ∂y
L = f+
M
λα gα ,
(9.22)
α=1
wobei sich die Konstanten λα aus den Nebenbedingungen ergeben. Auf das Ausgangsproblem u ¨ bertragen folgt mit P = P (Ψ ) L(Ψ, P, λα ) = −P lnP + λ1 P + λ2 Ψ P + λ3 (Ψ − Φ)2 P
(9.23)
und daraus die zur Maximierung notwendige Bedingung ∂L(Ψ, P, λα ) = −lnP − 1 + λ1 + λ2 Ψ + λ3 (Ψ − Φ)2 = 0 . ∂P
(9.24)
Aus dieser Beziehung folgt f¨ ur die PDF mit dem h¨ochsten Entropiewert $ # (9.25) P (Ψ ) = exp (λ1 − 1) exp λ2 Ψ + λ3 (Ψ − Φ)2 oder in einer etwas anderen Formulierung [202]
140
9 Statistisch optimale Verteilungen
P (Ψ ) = exp(A + B Ψ + C Ψ 2 ) .
(9.26)
Die Parameter λ1 bis λ3 (bzw. A bis C) ergeben sich durch das Einsetzen von Gl. (9.25) in die Nebenbedingungen (9.17) bis (9.19). Eine analytische L¨osung der dabei auftretenden Integrale existiert nur in Sonderf¨allen. Das stellt kein prinzipielles Problem dar, da eine numerische L¨osung m¨oglich ist. Geht man von Ψ ∈ R aus, so existiert f¨ ur die gegebene Problemstellung eine analytische L¨ osung. Aus lim P → 0 f¨ ur Ψ → ±∞ und Beziehung (9.18) erh¨ alt man λ2 = 0 und λ3 < 0, so dass sich mit D = exp(λ1 − 1) $ # (9.27) P (Ψ ) = D exp λ3 (Ψ − Φ)2 ergibt. Durch Einsetzen von P (Ψ ) in die Nebenbedingungen (9.17) und (9.19) und analytische L¨ osung der bestimmten Integrale folgt D = 1/ 2πΦ2 und 2 λ3 = −1/(2Φ ) und damit f¨ ur die statistisch wahrscheinlichste Verteilung . 1 (Ψ − Φ)2 . (9.28) P (Ψ ) = exp − 2Φ2 2πΦ2 Bei dieser PDF handelt es sich um die Gauß-Verteilung, der somit auch aus statistischer Sicht eine u ¨ bergeordnete Rolle zukommt. PDF mehrerer passiver Skalare. Geht man von einer Zufallsvariable auf die gemeinsame Verteilung mehrerer Zufallsgr¨oßen u ¨ber und nimmt zus¨atzlich an, dass alle Varianzen und Kovarianzen bekannt seien, dann l¨asst sich analog zu Gl. (9.26) P (Ψ) = exp(A + Bi Ψi + Cij Ψi Ψj ) (9.29) als Verteilung mit maximaler Entropie identifizieren. Auch in diesem Fall existiert bei uneingeschr¨ anktem Definitionsbereich Ψ ∈ RN eine analytische L¨ osung. Wie zu erwarten, handelt es sich dabei um die mehrdimensionale Gauß-Verteilung, wie sie in Gl. (8.24) angegeben ist [202]. Statistisch optimale Verteilungen passiver Skalare. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass 1. bei konstanter a priori-Wahrscheinlichkeit, 2. unbeschr¨ anktem Definitionsbereich der Zufallsvariablen, 3. gegebenen Varianzen und Kovarianzen die Gauß-PDF von allen m¨ oglichen Verteilungen die h¨ochste Entropie aufweist und damit statistisch gesehen am wahrscheinlichsten eintritt. Dies gilt jedoch nicht bei beschr¨ anktem Definitionsbereich. In solchen F¨allen sind die zur Bestimmung der PDF notwendigen Konstanten auf numerische Weise aus den Nebenbedingungen zu ermitteln. Pope hat in mehreren Arbeiten [201, 202, 203] durch Maximierung der Entropie die Verteilungen inerter, beschr¨ ankter Skalare bestimmt. Dabei wurden allerdings keine Transportgleichungen h¨ oherer Momente gel¨ ost. Stattdessen erfolgte die Optimierung auf
9.1 Entropie einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
141
Basis experimenteller Daten. Diese Untersuchungen haben bereits bei zwei ¨ verwendeten Momenten eine gute Ubereinstimmung zwischen experimentell ermittelten und numerisch optimierten vorgegeben PDF erbracht. Es hat sich aber auch gezeigt, dass zur genauen Wiedergabe bimodaler Strukturen in einem rotationssymmetrischen Freistrahl bis zu f¨ unf Momente notwendig waren, um eine angemessene Genauigkeit zu erlangen. 9.1.2 PDF reagierender Zufallsvariablen W¨ ahrend sich PDF-Strukturoptimierungen f¨ ur Verteilungen inerter Variablen verh¨ altnism¨ aßig einfach gestalten, ist dieser Vorgang bei Verbrennung ungleich schwieriger, was vor allem an der Bestimmung der a priori-Wahrscheinlichkeit liegt. Durch den chemischen Quellterm ist g(Ψ) eine Funktion des Zustandsraums. Wegen des hohen Aufwands f¨ ur die Berechnung der a prioriWahrscheinlichkeit ist die Ermittlung optimierter Verteilungen bei reagierenden Fluiden nicht praxisrelevant. Aus diesem Grund wird dieser Ansatz nur kurz zusammengefasst [201, 202]. Ausgangspunkt f¨ ur die Bestimmung der statistisch wahrscheinlichsten Verteilung ist auch im reaktiven Fall Gl. (9.12). Sind alle ersten und zweiten Momente gegeben, dann folgt aus der Variationsrechnung f¨ ur die gesuchte Verbund-PDF P (Ψ) = g(Ψ) exp(A + Bi Ψi + Cij Ψi Ψj )
(9.30)
mit i, j = 1, 2, . . . , M . Wie zuvor lassen sich die Konstanten A, Bi und Cij numerisch aus den Nebenbedingungen ermitteln. Somit verbleibt als wesentliche Unbekannte die a priori-Wahrscheinlichkeit g(Ψ). Deren Herleitung erfolgt nach Pope [202] auf Grund von Transformationseigenschaften und physika¨ lischen Uberlegungen, was auf g(Ψ) =
1 (1 + X(Ψ))
und die Invariante X(Ψ) ≡
|Φα Φβ |
$1/2 τ # −1 Φi Φj Si (Ψ)Sj (Ψ) ρ
(9.31)
(9.32)
f¨ uhrt. Darin bezeichnet Si die chemische Umsatzrate der Komponente i, τ ist ein turbulentes Zeitmaß, Φα Φβ sind die Varianzen und Kovarianzen der Zufallsgr¨ oßen und |Φα Φβ | ist die Determinante der Matrix Φα Φβ . Die Invariante X(Ψ) beruht auf dem Verh¨ altnis aus einem turbulenten str¨omungsmechanischen und einem chemischen Zeitmaß. Es l¨asst sich zeigen, dass die a priori-Wahrscheinlichkeit eine Funktion dieser Zeitskalen sein muss. Mole¨ kulare Mischung und Reaktionen bewirken Anderungen im Zustandsraum, die den Zeitskalen Φ /τ bzw. |Si /ρ| unterliegen. Je k¨ urzer diese Zeitskalen sind, um so kleiner ist die a priori-Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Auftreten des entsprechenden Zustands.
10 Berechnung mittlerer Quellterme
Die Verbund-PDF Pρ∗ , P Y und P X (s. Abschn. 8.5.3 bis 8.5.5) erm¨oglichen die Vorgabe von Komponentenverteilungen bei relativ geringem Rechenaufwand. Da sich diese PDF in ihrer mathematischen Form nur unwesentlich unterscheiden, trifft das auch auf die Berechnung der mittleren chemischen Quellterme zu. Daher gen¨ ugt es, die wesentlichen Rechenschritte f¨ ur P Y aufzuzeigen. Die Berechnung der mittleren chemischen Quellterme der ersten (chemischen Reaktionsraten) und zweiten Momente (Chemie-Quellterme in den Varianzgleichungen) erfolgt in zwei Schritten: 1. Bestimmung der mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten und der Temperatur-Geschwindigkeitskoeffizient-Korrelationen mit einer Temperatur-PDF PT (s. Abschn. 10.1 und 10.3). Bei Verwendung von P X ist bei diesem Rechenschritt ein Konzentrationsterm einzubeziehen, 2. Berechnung der komponentenbezogenen Anteile des Quellterms mit der PDF der Massenanteile P Y (s. Abschn. 10.2 und 10.4). Es wird vorausgesetzt, dass die Varianz der Temperatur σT und die Summe der Varianzen der Massenanteile σY bekannt sind.
10.1 Geschwindigkeitskoeffizienten Bei statistischer Unabh¨ angigkeit der Temperatur sind die mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten einer Hin- oder R¨ uckreaktion r bei gegebenem PT mit kr =
Tˆ =∞
Tˆ =0
kr (Tˆ) PT (Tˆ ) dTˆ
(10.1)
berechenbar. Druckabh¨ angigkeit wird hier nicht in Betracht gezogen, obwohl sie bei großen Reaktionsmechanismen (s. Abschn. 2.5) durchaus eine Rolle spielen kann. Da der Integrationsbereich [0, ∞] weder f¨ ur eine numerische Integration noch f¨ ur die chemisch-physikalischen Ans¨atze zur Beschreibung
144
10 Berechnung mittlerer Quellterme
Abb. 10.1. Normierte mittlere Geschwindigkeitskoeffizienten als Funktion der Intensit¨ at der Temperaturfluktuation f¨ ur drei PDF-Strukturen
Abb. 10.2. Normierte mittlere Chemie-Quellterme als Funktion der Intensit¨ at der Temperaturfluktuation f¨ ur drei PDF-Strukturen
von k akzeptabel ist, muss er begrenzt werden. Dazu wird mit [Tmin, Tmax ] ein Bereich definiert, innerhalb dessen PT ≥ 0 gilt, außerhalb davon PT = 0. Tmin und Tmax sind vorzugeben. An Stelle von Gl. (10.1) tritt dann kr =
Tˆ =Tmax Tˆ =Tmin
kr (Tˆ ) PT (Tˆ ) dTˆ .
(10.2)
Bei k handelt es sich um ein Reynolds-Mittel, weshalb PT auf Reynolds-gemittelten Momenten beruhen sollte. In der Praxis werden jedoch u ¨ berwiegend Favre-Mittel zur Definition von PT verwendet und daraus resultierende Fehler in Kauf genommen. Fehler. Der Fehler, der sich bei der Berechnung der mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten nach Gl. (10.2) einstellt, h¨ angt von zwei Faktoren ab: 1. Der Genauigkeit und Nichtlinearit¨ at von k(T ) im relevanten Temperaturbereich der PDF sowie der Genauigkeit der numerischen Integration, 2. der Genauigkeit mit der die assumed-PDF die reale Verteilung wiedergibt (hier kann auch die Wahl von Tmin und Tmax eine Rolle spielen). Der Einfluss der gew¨ ahlten PDF-Struktur auf k wird am Beispiel der Dissoziationsreaktion H2 + M → 2H + M veranschaulicht, die empfindlich auf die Form der Verteilung reagiert. In Abb. 10.1 sind normierte mittlere Geschwindigkeitskoeffizienten (k/k) als Funktion der Intensit¨at der Tempera√ turfluktuation (IT = σT /T ) dargestellt. Deren Berechnung beruht auf einer Gauß-, einer Dreieck- und einer Rechteck-PDF, die identische Erwartungswerte (T = 1400 K) besitzen. Die reaktionskinetischen Daten stammen von Vajda et al. [252]. Abbildung 10.1 zeigt, dass in Abh¨angigkeit von der PDF-Struktur (trotz identischer erster und zweiter Momente) betr¨achtliche Unterschiede in k auftreten, die bei hoher Varianz nahezu eine Gr¨oßenordnung betragen. Es
10.1 Geschwindigkeitskoeffizienten
145
ist jedoch zu betonen, dass es sich bei der gew¨ahlten Elementarreaktion um ein Extrembeispiel handelt. Bei der Berechnung des Chemie-Quellterms T k ist der Einfluss der assumed-PDF noch gr¨ oßer (s. Abb. 10.2). Terme dieser Art treten in den Transportgleichungen zweiter Momente auf (z.B. in den Gln. (6.49) oder (6.50)) und sind entsprechend mit Vorsicht zu handhaben. 10.1.1 Berechnungsmethoden Die Berechnung der mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten erfordert bei großen Reaktionsmechanismen verh¨ altnism¨ aßig viel Rechenzeit. Daher ist es sinnvoll, u ¨ ber Alternativen zu einer direkten Berechnung nachzudenken. In diesem Abschnitt werden drei Varianten vorgestellt und deren Vor- und Nachteile kurz erl¨ autert. Wann diese zum Tragen kommen h¨angt von der Gr¨oße des Reaktionsschemas und der verwendeten Rechnerarchitektur ab. Direkte Berechnung bei jedem Iterationsschritt. Die rechenzeitaufw¨andigste Methode besteht darin, die mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten bei jedem Iterationsschritt neu zu berechnen. Dazu ist das Integral in Gl. (10.2) f¨ ur alle Elementarreaktionen numerisch zu berechnen. Das kann beispielsweise mit der Simpson-Regel geschehen, die von vierter Genauigkeitsordnung ist [42]. Wegen der starken Nichtlinearit¨ at einzelner Geschwindigkeitskoeffizienten ist auf eine entsprechend feine Diskretisierung zu achten [103]. Diese Methode ben¨ otigt keinen zus¨ atzlichen Hauptspeicher. Tabellierung der mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten. Weniger Rechenaufwand (der Speicherbedarf wird dagegen erh¨oht) erfordern tabellierte mittlere Geschwindigkeitskoeffizienten. Da es sich bei k = k (T , σT ) um Funktionen der mittleren Temperatur und der Temperaturvarianz handelt, gen¨ ugen zweidimensionale Tabellen [12], die f¨ ur jedes Reaktionsschema einmal zu erstellen sind. Zwischen den Tabellenwerten liegende Funktionswerte werden bilinear interpoliert. Dabei ist zu beachten, dass der Interpolationsfehler die Genauigkeitsordnung des Verfahrens nicht beeintr¨achtigt. In Abh¨angigkeit von T und IT (die normierte Gr¨ oße IT ist gegen¨ uber σT zu bevorzugen) k¨ onnen die mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten entweder direkt [12] oder in Form von Verst¨arkungsfaktoren [103] ¯ vT = k/k
(10.3)
tabelliert werden. Bei den meisten Elementarreaktionen sind die Gradienten von vT (T , σT ) geringer, als die von k (T , σT ). Bei gleicher Diskretisierungsweite f¨ uhrt die Tabellierung von vT daher zu einer h¨oheren Genauigkeit der interpolierten Werte. Tabelle 10.1 zeigt einen Vergleich der Fehler bei der Tabellierung von k¯ (Index 1) und vT (Index 2). Die aus beiden Tabellen bestimmten mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten werden mit exakten, nicht interpolierten Werten verglichen. Die Untersuchung erfolgt f¨ ur die Mittelpunkte zwischen vier tabellierten Werten und deckt den relevanten Temperatur-
146
10 Berechnung mittlerer Quellterme
Tabelle 10.1. Interpolationsfehler (%) der mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten bei Tabellierung im Vergleich zur exakten Berechnung. Die Fehler beziehen sich auf ¯ (Index 2) (Gerlinger et al. [103]) ¯ (Index 1) und vT = k/k eine Tabellierung von k Reaktion r (1) f (1) b (3) f (3) b (8) f (8) b (19) f (19) b
max,1
mit,1
max,2
4,77 0,01 0,31 7,33 0,23 12,4 17,5 3,10
0,15 0,001 0,010 0,224 0,009 0,620 0,751 0,342
2,17 0,01 0,15 3,39 0,23 11,5 11,4 3,10
mit,2 Verbesserung (%) 0,055 0,0003 0,004 0,089 0,004 0,368 0,395 0,300
63 74 56 60 53 41 47 12
und Varianzbereich ab. Die erste Spalte in Tabelle 10.1 gibt die Reaktionsnummer im Wasserstoff-Luft-Reaktionsschema aus Anhang A.1.1 auf S. 359 an. Ferner kennzeichnet f eine Hin- und b eine R¨ uckreaktion. Tabelliert sind die relativen Fehler (%) bezogen auf den exakten Wert. F¨ ur jede Tabellierungsart finden sich in jeweils zwei Spalten die maximalen Fehler aller Zellen (max ) sowie deren durchschnittliche Werte (mit ). Die letzte Spalte gibt die relative Verbesserung (%) des mittleren Fehlers bei vT -Tabellierung an. W¨ahrend sich dieser bei allen 19 untersuchten Reaktionen verringert, tritt in einigen F¨ allen im maximalen Fehler eine geringf¨ ugige Verschlechterung auf [103]. Bei Nutzung von Parallelrechnern mit verteiltem Hauptspeicher kann sich die Verwendung großer Tabellen als problematisch erweisen. Reihenentwicklung der mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten. Die Geschwindigkeitskoeffizienten lassen sich als Potenzreihen entwickeln. Bei statistischer Unabh¨ angigkeit der Temperatur folgt aus Gl. (5.16) α α ∞ ∞ T T k(T ) = k(T ) 1 + 1+ . (10.4) Qα Pα T T α=1 α=1 Nach zeitlicher Mittelung und Ordnen der Terme entsprechend ihrer Ordnung erh¨ alt man unter der Annahme T /T < 1 [90]
2 & E E 2% 2 ' 2 T n − n + 2T (n − 1) + T Rm Rm k(T ) = k(T ) 1 + 2 T 2T ⎡ ⎤ 4
β α ∞ α E ⎣1 ⎦ T . (10.5) + aαβ α! Rm T T α=3 β=0 Darin steht n f¨ ur den Temperaturexponenten der erweiterten Arrhenius-Funktion nach Gl. (2.46) und die Terme Qα und Pα sind in Gl. (5.12) bzw. (5.15)
10.2 Komponentenproduktionsterm
147
definiert. Die Parameter aαβ gehen aus Qα und Pα hervor und k¨onnen f¨ ur ein gegebenes Reaktionsschema im voraus berechnet werden. Die erste Zeile von Gl. (10.5) enth¨ alt Beitr¨ age der mittleren Temperatur und der Temperaturvarianz zu k (die Korrelationen erster Ordnung entfallen). Die Summe in der zweiten Zeile erstreckt sich u ¨ ber Korrelationen dritter Ordnung und h¨ oher. Diese unendliche Reihe darf im Allgemeinen nicht nach wenigen Gliedern abgebrochen werden, insbesondere nicht bei hoher Aktivierungsenergie E [90]. Es ist in der Praxis jedoch m¨ oglich, bei der Berechnung von k eine verh¨ altnism¨ aßig große Zahl an Gliedern zu ber¨ ucksichtigen, wenn sich die Terme (T /T )α mit geringem Aufwand berechnen lassen. Bei vielen assumedPDF-Strukturen ist das der Fall. So sind bei der Gauß- (s. Gl. (8.18)) und bei der β-Verteilung (s. Gl. (8.35)) alle h¨ oheren Momente analytisch berechenbar. Durch die Symmetrie der Gauß-PDF entfallen bei dieser zus¨atzlich alle ungeraden Momente. Wie viele Momente f¨ ur eine genaue Approximation von k notwendig sind, h¨ angt von den reaktionskinetischen Daten ab. Gaffney et al. [90] haben Untersuchungen f¨ ur die Wasserstoffverbrennung angestellt und auf Reihenentwicklungen basierende Geschwindigkeitskoeffizienten mit exakten Werten verglichen. Die verwendeten Reihen umfassten zwei, sechs und zehn Terme, wobei die Reihe mit zehn Termen selbst bei langsam konvergierenden Reaktionen mit sehr hohen Aktivierungsenergien exzellente Resultate erbrachte. Ein Problem der Reihenentwicklung besteht darin, dass f¨ ur die meisten Reaktionsmechanismen nur kinetische Daten in einer Reaktionsrichtung vorliegen. Bestimmt man die Geschwindigkeitskoeffizienten der R¨ uckreaktionen aus den Gleichgewichtskonstanten, so gestaltet sich die Reihenentwicklung sehr schwierig. Dar¨ uber hinaus stellt der damit verbundene Aufwand den Rechenzeitgewinn in Frage. Als Alternative bietet es sich an, auch f¨ ur die R¨ uckreaktionen den modifizierten Arrhenius-Ansatz zu verwenden, wozu dessen Koeffizienten zun¨ achst zu bestimmen sind.
10.2 Komponentenproduktionsterm Mit der PDF der Massenanteile P Y sind in Gl. (8.59) die folgenden Beitr¨age zu den chemischen Produktionstermen zu berechnen
νγr Nk Nk νN ρ¯ ν +1r cNkk+1r Yγ γr Mγ γ=1 γ=1 N N νNk +1r N
νγr k k k ρ tγ Yˆγ ν νNk +1r ˆ Y ˆ , = ρ Yˆγ γr P Y (Y)d M M γ γ γ=1 γ=1 γ=1
nur bei 3er St¨ oßen =1
Qα
(10.6)
148
10 Berechnung mittlerer Quellterme
¨ wobei der Ubersichtlichkeit halber auf die Indizierung einer Hin- oder R¨ uckreaktion verzichtet wird. Die Komponente Nk + 1 steht f¨ ur einen inerten, selbst an der Reaktion nicht teilnehmende Stoßpartner. Wird dieser nicht ben¨otigt, so gilt νNk +1 = 0 und die Summe in Gl. (10.6) wird eins. Mit der PDF P Y nach Gl. (8.37) ergibt sich durch Integration und Umformungen νNk +1r Nk Γ (B) tγ Yˆγ Qα = 1 Nk Mγ γ=1 γ=1 Γ (βγ ) N N Nk k k νγr βγ −1 ˆ ˆ ˆ δ 1− dYˆ1 , . . . , dYˆN × Yγ Yγ Yγ k
γ=1
1Nk
Γ (B)
= 1 Nk
γ=1 Γ
γ=1
γ=1
γ=1
Γ (βγ + νγr )
Γ (B + mr )
(βγ )
νNk +1r Nk tγ Γ (βγ + νγr + 1) . (10.7) Mγ Γ (βγ + νγr ) γ=1
Die Integration u uhrt auf Gamma-Funktionen, die vor ¨ber die Massenanteile f¨ das verbleibende Integral zu ziehen sind. Der Integrationsbereich ist immer so zu w¨ ahlen, dass die Normierungsbedingung erf¨ ullt ist. Aus Gl. (8.28) folgt Γ (x + i) = Γ (x)
i
(x + i − α)
(10.8)
α=1
f¨ ur x ∈ R und i ∈ I. Ersetzt man damit die betreffenden Terme in Gl. (10.7) (bei den St¨ ochiometriekoeffizienten handelt es sich um ganzzahlige Werte), so k¨ urzen sich die Gamma-Funktionen heraus und man gelangt zu N νNk +1r 1Nk 1νθr k tγ θ=1 γ=1 (βθ + νθr − γ) 1mr Qα = (βγ + νγr ) (10.9) Mγ γ=1 (B + mr − γ) γ=1
nur bei 3er-St¨ oßen = 1
mit B ≡
Nk
Nk βγ =
γ=1
γ=1
% & Yγ 1−Yγ σY
−1
.
(10.10)
ochiometriekoeffizienten einer HinFerner bezeichnet mr die Summe der St¨ oder R¨ uckreaktion mfr ≡
N k +1 γ=1
νγr ,
mbr ≡
N k +1
νγr .
(10.11)
γ=1
Diese vom Reaktionsschema abh¨ angigen Konstanten sind nur einmal (bei Programmstart) zu berechnen. Qα ist trotz seiner Produkte verh¨altnism¨aßig einfach aufgebaut, da maximal drei Komponenten in eine Elementarreaktion eingehen. Problematischer ist bei impliziter Zeitintegration die Bildung der dazugeh¨ origen Quellterm-Jacobi-Matrix, auf die in Kap. 16 und in Anhang A.3.2 eingegangen wird.
10.2 Komponentenproduktionsterm
149
Numerische Berechnung. Bei der numerischen Berechnung von Qα nach Gl. (10.9) k¨ onnen Probleme auftreten, wenn der Massenanteil einer Gaskomponente nahe eins liegt oder exakt zu eins wird [103]. F¨ ur Y α → 1 verschwindet die turbulente Fluktuation der Massenanteile aller Komponenten und es muss σ Y → 0 gelten. Das heißt, dass Z¨ ahler und Nenner des in Gl. (10.10) enthaltenen Bruchs gegen null gehen, w¨ ahrend der Bruch gegen unendlich zu ¨ gehen hat. Physikalisch ist das der Ubergang zu laminarer Chemie, die sich f¨ ur B → ∞ einstellt. Die Schwierigkeit bei der numerischen Berechnung dieses Zustandes liegt darin, dass σ Y (bzw. σY wenn ein Favre-Mittel zu Grunde gelegt wird) aus einer separaten Transportgleichung hervorgeht. Diese enth¨alt zahlreiche Modellierungen und ist zu schwach mit den Komponentengleichungen gekoppelt, als dass Gl. (8.40) und das eben beschriebene Verschwinden von σ Y f¨ ur Y α → 1 sicher gew¨ ahrleistet werden k¨onnte. Liegt der Massenanteil einer Komponente nahe eins, so ist der maximal m¨ogliche Wert f¨ ur σ Y sehr klein. Es entsteht ein Bruch kleiner Zahlen, bei dem große Fehler m¨ oglich sind. Bereits geringe Schwankungen von σ Y k¨onnen dann gen¨ ugen, um den maximalen Einfluss der β-PDF auf den Verbrennungsvorgang hervorzurufen. Gl¨ ucklicherweise ist dieser Grenzfall meist von untergeordneter Bedeutung. Geht der Massenanteil einer Komponente gegen eins, so finden gew¨ ohnlich keine chemischen Reaktionen statt und Fehler in σ Y wirken sich nicht aus. Hiervon ausgenommen sind Verbrennungsprozesse, bei denen reiner Brennstoff (z.B.: H2 oder CH4 ) in einen Brennraum mit hoher Temperatur eingebracht wird. In solchen F¨ allen k¨ onnen die oben beschriebenen Fehler eine stark u ohte Dissoziation des Brennstoffs bewirken. Um diese Fehlerquelle ¨ berh¨ auszuschließen, ist bei jedem Zeitschritt zu gew¨ahrleisten, dass 1. die Beschr¨ ankung (8.40) eingehalten wird, 2. f¨ ur Y γ → 1 der Parameter B einen hohen Wert annimmt. ¨ Die zweite Bedingung ist schwierig zu handhaben, da der Ubergang zu physikalisch korrekten Zust¨ anden mit Y γ ≈ 1 nicht verf¨alscht werden darf. Erwartungswert des Komponentenproduktionsterms. Mit den bisherigen Ergebnissen und denen aus Abschn. 10.1 l¨asst sich der Erwartungswert der chemischen Umsatzraten in analytischer Form angeben. Ausgehend von Gl. (10.6) folgt mit Gl. (10.9) f¨ ur eine Hin- oder R¨ uckreaktion kr
N k +1
cγ
νγr
= kr ρ
γ=1
×
νNk +1r
N
νγr 1Nk 1νθr k (βθ + νθr − γ) ρ θ=1 1mr γ=1 Mγ γ=1 (B + mr − γ) γ=1 νNk +1r
Nk tγ (βγ + νγr ) M γ γ=1
.
(10.12)
Da dieser Ausdruck bei der Bildung der Quellterm-Jacobi-Matrix nach dem Variablenvektor abzuleiten ist, werden Anteile gleicher Variablen zusammengefasst und die Terme
150
10 Berechnung mittlerer Quellterme
T1r ≡ T1r (T , IT ) = kr ,
νγr
νγr Nk Nk ρ 1 = ρ¯mr , Mγ Mγ γ=1 γ=1 1Nk 1νθr (βθ + νθr − γ) P1r θ=1 1mr γ=1 ≡ ≡ T3r (Yγ , σ Y ) = , P2r (B + m − γ) r γ=1 N νNk +1r k tγ ≡ T4r (Yγ , σ Y ) = (βγ + νγr ) Mγ γ=1
T2r ≡ T2r (¯ ρ) = ρ νNk +1r
T3r T4r
(10.13)
nur bei 3er-St¨ oßen = 1
definiert, die sich auf eine Reaktion r beziehen. Die gleichfalls definierten Ausdr¨ ucke P1r und P2r werden sp¨ ater zur Berechnung der Quellterm-JacobiMatrix ben¨ otigt. T4r ist eine Folge inerter Stoßpartner und nur bei νNk +1r = 0 zu ber¨ ucksichtigen. Die Parameter mfr und mbr sind in Gl. (10.11) definiert. T4 l¨ asst sich vereinfachen, indem die nur einmal zu berechnenden Reaktionskonstanten Nk tγ νγr S4r ≡ (10.14) Mγ γ=1 f¨ ur r = 1, 2, . . . , Nr eingef¨ uhrt werden, woraus sich T4r ≡ S4r + B
Nk tγ Y γ Mγ γ=1
(10.15)
ergibt. Mit diesen Definitionen folgt f¨ ur den mittleren chemischen Produktionsterm der Komponente α bei Verwendung der multivariaten β-PDF P Y sowie einer Temperatur-PDF PT S α = Mα
Nr
(ναr − ναr ) (T1f T2f T3f T4f − T1b T2b T3b T4b )r .
(10.16)
r=1
Hier sind die Indizes f f¨ ur die Hin- und b f¨ ur die R¨ uckreaktionen wieder ber¨ ucksichtigt und der Reaktionsindex r wurde hinter die runde Klammer gezogen. Der numerische Aufwand dieser Quelltermberechnung ist nicht wesentlich h¨ oher, als der bei laminarer Chemie. Deutlich aufw¨andiger ist dagegen die Programmierung und die Berechnung der bei impliziten Verfahren erforderlichen Jacobi-Matrix.
10.3 Temperatur- und Energievarianz-Produktionsterm In den Transportgleichungen der Varianz der Temperatur (6.49), der Varianz der thermischen Energie (6.55) und der Varianz der thermischen Enthalpie
10.4 Komponentenvarianz-Produktionsterm
151
(6.50) ergeben sich Produktionsterme, die auf C T (s. Gl. (6.54) auf S. 89) zur¨ uckgef¨ uhrt werden k¨ onnen. Dieser Term beruht mit T
Nk
Sα hfα
(10.17)
α=1
auf der Interaktion von Temperaturfluktuationen mit den chemischen Umsatzraten. Setzt man statistische Unabh¨ angigkeit von PT und P Y voraus, dann erfordert dessen Berechnung die Bildung der Erwartungswerte T kfr
und
T kbr
(10.18)
f¨ ur jede Hin- und R¨ uckreaktion. Diese Terme sind bei bekannter TemperaturPDF (analog zu k fr und k br in Abschn. 10.1) numerisch berechenbar. Bei Tabellierung der mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten bietet es sich an, auch diese Erwartungswerte in zweidimensionalen Tabellen abzulegen. Die Berechnung von C T ist mit gr¨ oßeren Unsicherheiten behaftet [95], worauf in Zusammenhang mit der jeweiligen Transportgleichung eingegangen wird (z.B. in Abschn. 6.10.3 auf S. 95).
10.4 Komponentenvarianz-Produktionsterm Die Transportgleichungen der Varianz der Komponentendichten, der Varianz der Massenanteile (6.11.2) und der Varianz der Molanteile enthalten Quellterme, die auf der Wechselwirkung von Fluktuationen einer Gaskomponente mit den chemischen Umsatzraten beruhen. Im Fall der σ Y -Transportgleichung (6.103) ist das der Produktionsterm Nk α=1
Yα Sα =
Nk % & Yα Sα − Y α S α ,
(10.19)
α=1
der als Beispiel f¨ ur solche Korrelationen dienen soll. Bei bekanntem S α und Y α sind zu dessen Bestimmung noch die Nk Anteile ⎛ ⎡ ⎞⎤ N N Nr k +1 k +1 ν ν ⎣(ναr Yα Sα = Mα − ναr ) ⎝ k fr Yα cγγr − k br Yα cγγr ⎠⎦ r=1
γ=1
γ=1
(10.20) zu berechnen. Setzt man statistische Unabh¨angigkeit von PT und P Y voraus, so sind diese Erwartungswerte mit der multivariaten β-PDF analytisch bestimmbar. Dieser Rechenschritt ist jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet (s. Abschn. 6.12), so dass die Ber¨ ucksichtigung dieser Terme das Ergebnis h¨ aufig verschlechtert [95]. Der Vollst¨ andigkeit halber werden die entsprechenden Schritte dennoch aufgef¨ uhrt. Die Berechnung der Erwartungswerte
152
10 Berechnung mittlerer Quellterme
ν ˆγ γr ρ Y ˆ Yα = Yˆα PY dY Mγ γ=1 γ=1 νNk +1r ν Nk Nk ˆγ γr ˆγ t ρ Y Y γ ˆ PY dY Yˆα = ρ νNk +1r M M γ γ γ=1 γ=1 N N νNk +1r
Nk ν k k γr ρ tγ Yˆγ ν νNk +1r ˆ Yˆα Yˆγ γr P Y d Y = ρ M M γ γ γ=1 γ=1 γ=1
N k +1
ρ Yγ Mγ
νγr
N k +1
nur f¨ ur 3-er St¨ oße =1
Rα
(10.21) orientiert sich am Vorgehen in Abschn. 10.2. Zugunsten einer u ¨bersichtlichen Darstellung wird auf die Indizierung bez¨ uglich Hin- oder R¨ uckreaktion verzichtet. Mit P Y nach Gl. (8.37) folgt Rα
1Nk 1νθr (βθ + νθr − γ) βα + ναr θ=1 1mr γ=1 = B + mr (B + mr − γ) γ=1 νNk +1r Nk tγ tα × + (βγ + νγr ) . Mα Mγ γ=1
(10.22)
nur bei 3er-St¨ oßen = 1
Zieht man die Komplexit¨ at dieser Integration in Betracht, so ist das Endergebnis verh¨ altnism¨ aßig einfach und mit vertretbarem Rechenaufwand bestimmbar. Allerdings ist zu beachten, dass in Gl. (10.19) u ¨ber alle Nk Gaskomponenten zu summieren ist. Neben den bereits in Gl. (10.13) definierten Ausdr¨ ucken T1r bis T4r werden die Terme % & βα + ναr , T5r ≡ T5 Yγ , σ Y = B + mr N νNk +1r k tγ tα T6r ≡ T6 (Yγ , σ Y ) = + (βγ + νγr ) Mα Mγ γ=1
(10.23)
nur bei 3er-St¨ oßen = 1
definiert, wobei T6r bei Reaktionen ohne inerten Stoßpartner den Wert eins annimmt. Mit diesen Definitionen folgt Yα Sα = Mα
Nr
& % (ναr − ναr ) T1f T2f T3f T5f T6f − T1b T2b T3b T5b T6b r
r=1
(10.24)
10.5 Untersuchung des assumed-PDF-Ansatzes
153
wobei nun wieder zwischen Hin- und R¨ uckreaktionen unterschieden wird. Da T1r bis T4r ohnehin zu berechnen sind, liegt der zus¨atzliche Aufwand in der Berechnung von T5r und T6r sowie in der Summation u ¨ ber alle Komponenten.
10.5 Untersuchung des assumed-PDF-Ansatzes In diesem Abschnitt werden die Auswirkungen des assumed-PDF-Ansatzes auf die mittleren chemischen Umsatzraten untersucht; in Abschn. 10.5.1 die der Temperatur-PDF und in Abschn. 10.5.2 die der Komponenten-PDF. Basis ist der Ansatz nach Gl. (8.58), der von statistischer Unabh¨angigkeit der Dichte, Temperatur und Massenanteile ausgeht. In Abschn. 10.5.3 folgt ein Vergleich von Simulationsergebnissen mit experimentellen Resultaten f¨ ur einen Testfall mit Wasserstoffverbrennung. 10.5.1 Einfluss der Temperatur-PDF Bei statistischer Unabh¨ angigkeit von PT , Pρ und P Y wirken sich Temperaturfluktuationen nur u ¨ ber die Geschwindigkeitskoeffizienten auf die chemischen Komponentenquellterme aus. Der Einfluss von PT auf k wird an drei chemischen Reaktionen demonstriert, die einem unterschiedlichen Temperaturverhalten unterliegen. Auf der linken Seite von Abb. 10.3 sind die momentanen Geschwindigkeitskoeffizienten der drei Elementarreaktionen als Funktionen der Temperatur aufgetragen. Jeweils rechts davon finden sich deren logarithmierte Verst¨arkungsfaktoren % & log(vT ) = log k/k , (10.25) die von der mittleren Temperatur T und der Intensit¨at der Temperaturfluktu√ ation IT = σT /T abh¨ angen. Alle Darstellungen basieren auf den reaktionskinetischen Daten des Wasserstoff-Luft-Reaktionsschemas aus Anhang A.1.1 und auf der Verwendung einer abgeschnittenen Gauß-Verteilung. Der Verst¨arkungsfaktor wird durch das Temperaturverhalten von k und die Struktur der PDF gepr¨ agt. Bei linearem k(T ) bewirkt eine symmetrische PDF im Ver¨ gleich zum ungemittelten Wert keine Anderung. Allerdings weisen nur wenige Reaktionen eine lineare Temperaturabh¨ angigkeit auf. Ebenfalls selten sind temperaturunabh¨ angige Reaktionen (z.B. H + HO2 → H2 + O2 im MethanLuft-Schema im Anhang A.1.2 auf S. 360). Die der obersten Bildreihe in Abb. 10.3 zu Grunde liegende Startreaktion O2 + H2 → H + HO2 ist stark temperaturabh¨ angig. Deren Geschwindigkeitskoeffizient w¨achst mit der Temperatur monoton zunehmend an, so dass eine Zunahme von IT einen starken Anstieg (und große Werte) von vT bewirkt (log(vT ) ≥ 1). Da viele Startreaktionen solch einem Temperaturverhalten unterliegen, ruft die Ber¨ ucksichtigung von Temperaturfluktuationen gew¨ ohnlich eine Verk¨ urzung der Z¨ undverzugszeit hervor. Die Elementarreaktion H2 + OH → H + H2 O (in der zweiten
154
10 Berechnung mittlerer Quellterme k
O2 + H2 → H + HO2
IT
∆ = 0.5 Temperatur (K) k
H2 + OH → H + H2 O
mittlere Temperatur (K) IT
∆ = 0.02 Temperatur (K)
k
OH + OH → O + H2 O
mittlere Temperatur (K) IT
∆ = – 0,002 Temperatur (K)
mittlere Temperatur (K)
Abb. 10.3. Links: Geschwindigkeitskoeffizienten k (cm3 , mol, s) in Abh¨ angigkeit ¯ in Abh¨ angigkeit von der mittlerer von der Temperatur. Rechts: log(vT ) = log(k/k) Temperatur und von der Intensit¨ at der Temperaturfluktuation
Bildreihe) besitzt ein gemischtes, nahezu lineares Temperaturverhalten. Entsprechend nimmt der logarithmierte Verst¨ arkungsfaktor sowohl positive als auch negative Werte an, die nahe null liegen. Die Auswirkungen von Temperaturfluktuationen auf k sind in diesem Fall sehr gering. Bei der letzten
10.5 Untersuchung des assumed-PDF-Ansatzes
155
untersuchten Elementarreaktion OH + OH → O + H2 O nimmt k monoton abnehmend mit der Temperatur zu, so dass sich mit einer symmetrischen PDF log(vT ) ≤ 1 ergibt. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Ber¨ ucksichtigung von Temperaturfluktuationen durch eine assumed-PDF 1. starke Differenzen zwischen den PDF-gemittelten (k) und den ungemittelten (k) Geschwindigkeitskoeffizienten bewirken kann (mehrere Zehnerpotenzen in vT ), 2. sowohl Beschleunigungen (vT > 0) als auch Verz¨ogerungen (vT < 0) m¨oglich sind. Mit Ausnahme von Sonderf¨ allen ist eine Ber¨ ucksichtigung von Temperaturfluktuationen in der Verbrennung unerl¨ asslich. 10.5.2 Einfluss der Komponenten-PDF In diesem Abschnitt werden die Auswirkungen der durch P Y beschriebenen Komponentenfluktuationen auf den mittleren chemischen Quellterm untersucht. Dazu dient der Verst¨ arkungsfaktor vY ≡
mit PDF berechneter Quelltermanteil , mit Erwartungswerten berechneter Quelltermanteil
(10.26)
der den PDF-gemittelten Quelltermanteil zu dem bei ,,laminarer Chemie” in Bezug setzt. Da in der technischen Verbrennung u ¨ berwiegend Zweier- und Dreierst¨ oße vorkommen, sind die Verst¨ arkungsfaktoren ⎧ 5 ˆ dY ˆ ⎪ Yˆα Yˆβ P (Y) ⎪ ⎪ : Zweierstoß, ⎨ YαYβ 5 vY = (10.27) ˆ dY ˆ ⎪ Yˆα Yˆβ Yˆγ P (Y) ⎪ ⎪ : Dreierstoß ⎩ YαYβYγ zu untersuchen. Mit vY (Y 1 , Y 2 , . . . , Y Nk , σ Y ) h¨angt der Verst¨arkungsfaktor von den Nk Erwartungswerten der Massenanteile sowie der Summe der Komponentenvarianzen ab. Zweierst¨ oße. F¨ ur den Erwartungswert des Produkts zweier Massenanteile folgt Yα Yβ = Y α Y β + Yα Yβ , (10.28) was bei positiver Varianz bzw. Kovarianz eine Verst¨arkung (vY > 1), bei negativer eine Schw¨ achung (vY < 1) der betreffenden Reaktion bewirkt. F¨ ur die Varianzen und Kovarianzen der β-PDF nach Gl. (8.37) lassen sich analytische Ausdr¨ ucke angeben ⎧ Y αY β ⎪ ⎪ : α = β , − ⎨ B+1 % & (10.29) Yα Yβ = ⎪ 1 − Y Y α α ⎪ ⎩ : α=β, B+1
156
10 Berechnung mittlerer Quellterme
wobei B durch Gl. (10.10) definiert ist. Da bei P Y Varianzen (α = β ) immer positiv und Kovarianzen (α = β) immer negativ sind, erfahren Reaktionen aus Zweierst¨ oßen gleicher Stoffe eine Beschleunigung, Zweierst¨oße unterschiedlicher Komponenten eine Verz¨ ogerung. Der Vergleich bezieht sich immer auf die mit Erwartungswerten gebildeten Quelltermanteile (laminare Chemie). Dreierst¨ oße. Bei Dreierst¨ oßen sind die Verh¨altnisse nicht mehr eindeutig. Der Erwartungswert des Produkts dreier Massenanteile ergibt sich zu Yα Yβ Yγ = Y α Y β Y γ + Y α Yβ Yγ + Y β Yα Yγ + Y γ Yα Yβ + Yα Yβ Yγ ,
T 3K
(10.30) wobei der in T 3K auftretende Dreifach-Korrelationsterm mit P Y analytisch berechnet werden kann. Nach Integration und Umformungen erh¨alt man f¨ ur beliebige Spezieskombinationen ⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨
4 Y αY β Y γ : α = β = γ = α, (B + 2)(B + 1) % & 2 Y αY β 2Yα−1 : α = γ = β , Yα Yβ Yγ = (B + 2)(B + 1) ⎪ ⎪
2 ⎪ ⎪ ⎪ Yα 3 1 ⎪ ⎪ 2Yα− : α=β=γ. − ⎩ (B + 2)(B + 1) 2 4 (10.31) Bei St¨ oßen dreier unterschiedlicher Komponenten ist der Dreifachkorrelationsterm immer positiv. In den anderen beiden F¨allen k¨onnen die Werte sowohl positiv als auch negativ sein. Dann entscheidet allein der mittlere Massenanteil der Komponente α u ur T 3K ¨ber das Vorzeichen. Damit folgt f¨ ⎧ − Y α Y βY γ [ 3 B + 2 ] ⎪ ⎪ : α = β = γ = α , ⎪ ⎪ ⎪ (B + 2)(B + 1) ⎪ ⎪ # % & $ ⎪ ⎨ Y αY β B 1 − Y α − 2 Y α : α = γ = β , T 3K = ⎪ (B + 2) (B + 1) + , ⎪ % & ⎪ 2 ⎪ ⎪ Y α 3B Y α 1 − Y α + 2 1 − Y α ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ : α=β=γ (B + 2) (B + 1) (10.32) und es zeigt sich, dass bei Dreierst¨ oßen unterschiedlicher Komponenten immer eine Schw¨ achung der Reaktion (T 3K ≤ 0, vY < 1) eintritt. Bei Dreierst¨oßen zweier unterschiedlicher Komponenten kann T 3K positiv oder negativ sein, was von Y α und B bestimmt wird. Reaktionen mit Dreierst¨oßen gleicher Komponenten werden immer beschleunigt (T 3K ≥ 0, vY > 1). Zusammenfassend l¨ asst sich sagen, dass durch Nutzung von P Y (im Vergleich zu laminarer Chemie) bei Elementarreaktionen mit α = β = γ = α folgender Effekt im Reaktionsablauf eintritt:
10.5 Untersuchung des assumed-PDF-Ansatzes
Mα + Mβ Mα + Mα Mα + Mβ + Mγ Mα + Mα + Mβ Mα + Mα + Mα
−→ −→ −→ −→ −→
Produkte Produkte Produkte Produkte Produkte
: : : : :
157
Verz¨ ogerung, Beschleunigung, Verz¨ ogerung, Beschleunigung oder Verz¨ogerung, Beschleunigung.
Neben der grunds¨ atzlichen Frage ob eine Reaktion beschleunigt oder verz¨ogert wird, ist auch der Betrag des Verst¨ arkungsfaktors von Interesse. Vereinfachte quantitative Untersuchung des Verst¨ arkungsfaktors. Zu einer quantitativen Beurteilung des Verst¨arkungsfaktors ist die Anzahl an freien Parameter zu begrenzen (der Verst¨ arkungsfaktor h¨angt von σ Y und den Nk Erwartungswerten der Massenanteile ab). Dazu werden folgende Annahmen getroffen: 1. Einziger Massenanteil der im Definitionsbereich [0, 1] variiert werden darf, sei der von Komponente eins (Y 1 ). Alle u ¨ brigen Massenanteile werden mit Y 2 = Y 3 = . . . = Y Nk = (1 − Y 1 )/(Nk − 1) als gleichverteilt angenommen, 2. die Anzahl unterschiedlicher Gaskomponenten Nk wird vorgegeben. Durch diese Maßnahmen verbleiben dem System zwei freie Parameter: Y 1 und σ Y , wodurch die Verst¨ arkungsfaktoren grafisch gut darstellbar sind. Die Abb. 10.4 und 10.5 zeigen vY f¨ ur verschiedene Zweier- und Dreierstoßkombinationen mit einer variierenden Zahl an Gaskomponenten. Auf der Abszisse ist Y 1 und √ auf der Ordinate σ Y aufgetragen. √Die dicker gezeichnete, ¨außere Berandung entspricht dem Maximalwert von σ Y beim jeweiligen Massenanteil Y 1 . F¨ ur beliebige Gaszusammensetzungen gilt σ Y max =
Nk
% & Yα 1−Yα .
(10.33)
α=1
ur laminare Chemie und vY = 1. In der oberDie Abszisse steht mit σ Y = 0 f¨ sten Reihe von Abb. 10.4 finden sich Resultate f¨ ur Zweier- und Dreierst¨oße mit zwei unterschiedlichen Gaskomponenten. F¨ ur α = β gilt bei Zweierst¨oßen vY ≤ 1, bei Dreierst¨ oßen kann vY gr¨ oßer oder kleiner eins sein. Mit Ann¨aherung an die dick gezeichnete ¨ außere Begrenzung geht der Verst¨arkungsfaktor in beiden F¨ allen gegen null. Das bedeutet, dass diese Reaktionen bei maximaler Fluktuation der Massenanteile zum Erliegen kommen. Das entspricht einem intermittierenden Fluid, bei dem die beiden zur Verbrennung ben¨otigten Edukte nie gleichzeitig vorliegen. Die Verst¨arkungsfaktoren der mittleren und unteren Reihe in Abb. 10.4 sind logarithmiert aufgetragen. Das Gas setzt sich in diesen F¨ allen aus zwei, drei oder f¨ unf Komponenten zusammen, was Auswirkungen auf den Maximalwert von σ Y hat. Bei identischen Massenanteilen Y α = 1/Nk gilt σ Y max → 1 f¨ ur Nk → ∞. W¨ahrend die Einh¨ ullende bei zwei Gasbestandteilen an den R¨ andern Y 1 = 0 und Y 1 = 1 den Wert σ Y max = 0 besitzt, sind f¨ ur Nk > 2 bei Y 1 = 0 Fluktuationen in den verbleibenden Massenanteilen m¨ oglich. Bei der hier angenommenen Gleichverteilung
158
10 Berechnung mittlerer Quellterme M1 + M2 → Produkte
M1 + M1 + M2 → Prod.
2 Komponenten
2 Komponenten
M1 + M1 → Produkte
M1 + M1 → Produkte
2 Komponenten
3 Komponenten
M1 + M1 + M1 → Prod.
2 Komponenten
M1 + M1 + M1 → Prod.
vY 1 = 0,1 3 = 0,3 5 = 0,5 6 = 0,6 7 = 0,7 8 = 0,8 9 = 0,9 12 = 1,2 18 = 1,8
log(vY ) 1 = 0,1 2 = 0,2 3 = 0,3 4 = 0,4 5 = 0,5 7 = 0,7 9 = 0,9
log(vY ) 1 = 0,2 2 = 0,4 3 = 0,6 4 = 0,8 5 = 1,0 7 = 1,4 9 = 1,8
5 Komponenten
Abb. 10.4. Verst¨ arkungsfaktoren vY (Y 1 , σY ) von Zweier- und Dreierstoßreaktionen bei Verwendung der β-PDF P Y
steigt deshalb der Wert von σ Y max bei Y 1 = 0 mit der Anzahl der Gaskomponenten an. Das wird in Abb. 10.4 an den Gasgemischen mit drei bzw. f¨ unf Komponenten und in Abb. 10.5 an dem mit zehn Komponenten deutlich. In Abb. 10.5 sind Verst¨ arkungsfaktoren f¨ ur Dreierst¨oße mit drei verschiedenen
10.5 Untersuchung des assumed-PDF-Ansatzes M1 + M2 + M3 → Prod.
3 Komponenten
M1 + M2 + M3 → Prod.
159 vY 1= 2= 4= 6= 8= 9=
0,1 0,2 0,4 0,6 0,8 0,9
10 Komponenten
Abb. 10.5. Verst¨ arkungsfaktoren vY (Y 1 , σY ) von Dreierstoßreaktionen bei Verwendung der β-PDF P Y
Stoßpartnern aufgetragen. Der Reaktionsablauf wird durch die Verwendung von P Y verz¨ ogert. Mit steigendem σ Y n¨ ahert man sich der ¨außeren Begrenzung, auf der die Reaktionen zum Erliegen kommen. 10.5.3 Anwendungsbeispiel Zur Beurteilung des assumed-PDF-Ansatzes wird ein Testfall herangezogen der detaillierte Chemie erfordert und f¨ ur den umfangreiche experimentelle Daten vorliegen. Die Berechnung der mittleren chemischen Produktionsterme beruht auf der Verbund-PDF P Y f¨ ur die Massenanteile und einer abgeschnittenen Gauß-PDF f¨ ur die Temperatur. Statistische Unabh¨angigkeit von P Y , PT und Pρ = δ(ˆ ρ − ρ) wird vorausgesetzt. Zum Vergleich dienen experimentellen Daten und Resultate von Transportgleichungs-PDF-Simulationen. ¨ Testfall. Betrachtet wird eine rotationssymmetrische Uberschall-Diffusionsflamme mit Wasserstoff/Luft-Verbrennung. Ein innerer, kalter, sonischer Wasserstoffstrahl ist von einer heißen, durch Vorverbrennung erzeugten Str¨omung aus Luft und Verbrennungsprodukten umgeben, die eine Mach-Zahl von zwei besitzt. Auf Grund der hohen Str¨ omungsgeschwindigkeiten k¨onnen die chemischen und str¨ omungsmechanischen Zeitskalen in ¨ahnlichen Bereichen liegen, was detaillierte Chemie zwingend notwendig macht. Der innere Wasserstoffstrom hat eine Temperatur von 545 K. Der durch Vorverbrennung erzeugte, außere Luftstrom besitzt eine Temperatur von 1250 K. Durch die Vorverbren¨ nung weist die Hauptstr¨ omung einen relativ hohen Wasseranteil auf. Dieses von Cheng et al. [52] vermessene Experiment zeichnet sich dadurch aus, dass neben Erwartungswerten und Korrelationen f¨ ur ausgew¨ahlten Positionen so viel Daten verf¨ ugbar sind, dass PDF-Strukturen bestimmt werden k¨onnen. Bei den experimentell erfassten Gr¨ oßen handelt es sich um die Temperatur, die Molanteile der stabilen Hauptkomponenten, das OH-Radikal [52] und um die Geschwindigkeiten [62].
160
10 Berechnung mittlerer Quellterme
Simulation. Zur Simulation des Verbrennungstestfalls wurden neben einem assumed-PDF-Ansatz [95, 104] auch zwei Transportgleichungs-PDF-Verfahren [183, 181, 184] genutzt. Die assumed-PDF-Rechnung erfolgte mit der Verbund-PDF aus Gl. (8.58). Diese beruht auf einer abgeschnittenen Gauß-Verteilung f¨ ur die Temperatur nach Gl. (8.22) und der multivariaten β-Verteilung P Y der Massenanteile nach Gl. (8.37). Die zweiten Momente σT und σY gehen aus Transportgleichungen hervor, in denen die schwer zu modellierenden Chemie-Quellterme (s. Abschn. 6.9 und 6.12) vernachl¨assigt wurden. Zur Beschreibung der chemischen Kinetik dient das Reaktionsschema von Jachimowski [127] (ohne Stickoxidbildung), das geringf¨ ugig modifiziert wurde und neun Komponenten in 19 Reaktionen ber¨ ucksichtigt (s. Anhang A.1.1). Bei den Transportgleichungs-PDF-Verfahren kamen zwei partikelbasierte Methoden zum Einsatz: Ein Euler-PDF-Verfahren zur L¨osung der thermochemischen PDF und ein Lagrange-PDF-Verfahren zur L¨osung der Verbund-PDF der thermochemischen Variablen, des Geschwindigkeitsvektors und der turbulenten Frequenz. Die Zahl der Teilchen pro Zelle lag beim Euler-Verfahren bei 100 Partikeln, beim Lagrange-Verfahren (aus Rechenzeitgr¨ unden) bei 50. Ferner ist zu bemerken, dass bei der Transportgleichungs-PDF-Simulation (ebenfalls aus Rechenzeitgr¨ unden) ein kleineres Reaktionsschema Verwendung fand (sechs Komponenten und sieben Reaktionen). Alle Simulationen wurden jedoch auf gleichen Rechengittern und unter ansonsten gleichen Bedingungen durchgef¨ uhrt. Erwartungswerte und rms-Werte. Die experimentellen Daten liegen f¨ ur diesen Testfall in Form radialer Profile an mehreren Positionen stromab des Injektors vor. Aus dem sehr umfangreichen Vergleich mit numerischen Simulationen [95, 104, 183, 181, 184] werden beispielhaft Resultate f¨ ur eine axiale Position dargestellt. Abbildung 10.6 zeigt links radiale Profile gemittelter Gr¨oßen und rechts die rms-Werte (root mean square) der jeweiligen Fluktuation. Von oben nach unten sind die Temperatur und die Molanteile von N2 , H2 O und OH aufgetragen. Die Abszisse gibt mit y/D (D =2,36 mm) den normierten, radialen Abstand von der Symmetrieachse an. In axialer Richtung befinden sich die dargestellten Profile 51,8 mm stromab des Injektors. Damit ist diese Ebene so positioniert, dass kurz zuvor die Z¨ undung der abgehobenen Flamme stattgefunden hat. Der Z¨ undort liegt in den Simulationen etwas n¨aher am Injektor, als im Experiment. Ohne auf Details dieser Diffusionsflamme einzugehen zeigt sich, dass die wesentlichen Vorg¨ange von allen Simulations¨ techniken relativ genau wiedergeben werden. Die Ubereinstimmung mit den ¨ experimentellen Daten ist im Bereich der Erwartungswerte sehr gut. Ahnliches gilt, mit Ausnahme der OH-Profile, auch f¨ ur die Standardabweichungen. Beim OH-Radikal liegen die Transportgleichungs-PDF-Simulationen n¨aher am Experiment, als der assumed-PDF-Ansatz. Es ist jedoch zu beachten, dass auch die experimentellen Daten mit Unsicherheiten behaftet sind, was sich unter anderem in unsymmetrischen Profilen a ¨ußert. Das ist teilweise auf die Flamme zur¨ uckzuf¨ uhren, die nicht vollkommen stabil gehalten werden konnte.
10.5 Untersuchung des assumed-PDF-Ansatzes
161
Abb. 10.6. Radiale Profile der Erwartungswerte (links) und rms-Werte der Fluktuation (rechts) der Temperatur und der Molanteile von N2 , H2 O und OH: ◦ experimentelle Resultate, — assumed-PDF-Simulation, − · − skalare Euler-PDF-Simulation, −− joint-Lagrange-PDF- Simulation (M¨ obus et al. [184], Gerlinger et al. [104])
Eindimensionale Rand-PDF. An einigen ausgew¨ahlten Punkten des Verbrennungsexperiments sind von den Experimentatoren mehr Einzelmessungen durchgef¨ uhrt worden [52], was den statistischen Fehler bei der Bestimmung von PDF-Strukturen reduziert. An drei dieser Positionen (kurz nach
162
10 Berechnung mittlerer Quellterme
Abb. 10.7. Rand-PDF der Temperatur und der Molanteile von O2 und OH an drei charakteristischen Positionen in der Flamme (• Experiment, — assumed-PDF-Simulation (Gerlinger et al. [104])
¨ der Z¨ undung, bei voll eingesetzter Verbrennung und beim Ubergang ins chemische Gleichgewicht) werden den experimentell gemessenen Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen die entsprechenden numerischen PDF gegen¨ ubergestellt (nur beim letzten Profil stimmen die physikalischen Orte exakt u ¨ berein, ansonsten wurden auf Grund des leicht unterschiedlichen Z¨ undverzugs einander entsprechende Positionen verglichen). In Abb. 10.7 sind Rand-PDF der Temperatur und der Molanteile von O2 und OH an diesen drei Positionen dargestellt [104]. Es zeigt sich, dass die Strukturen der experimentell bestimmten Temperaturverteilungen durchaus einer Gauß-PDF entsprechen, selbst wenn die Erwartungswerte und Varianzen nicht allzu genau getroffen werden. An den Rand-PDF der Molanteile von O2 und OH wird deutlich, dass die multivariate β-Verteilung die auftretenden PDF-Strukturen und deren Wandlungen relativ genau wiedergeben kann. So ist die assumed-PDF in der Lage, bei O2 ¨ den Ubergang von Gauß-¨ ahnlichen Verteilungen (obere zwei Bilder) zu einer PDF mit Randmaximum (drittes Bild) korrekt zu beschreiben. Dies ist ein Vorteil der β-PDF. Mit einer Gauß-Verteilung f¨ ur die Gaskomponenten w¨are das nicht m¨ oglich. Auch die relativ gut getroffenen Strukturen der OH-RandPDF sind mit der Gauß-PDF so nicht darstellbar. Zweidimensionale Rand-PDF. Der große Vorteil der multivariaten-β-Verteilungen aus Abschn. 8.5.3 bis 8.5.5 liegt in ihrem geringen Rechenaufwand. Dieser resultiert daraus, dass nur ein zweites Moment zur Definition der PDF eingesetzt wird. Das muss sich in deren physikalischen Eigenschaften negativ
10.5 Untersuchung des assumed-PDF-Ansatzes
ˆO Y 2
163
ˆO Y 2
ˆN Y 2
ˆH Y 2
ˆN Y 2
ˆH Y 2
ˆN Y 2
ˆ OH Y
ˆN Y 2
ˆ OH Y
ˆN Y 2
ˆN Y 2
Abb. 10.8. Zweidimensionale, berechnete Rand-PDF verschiedener Massenanteilkombinationen: Von oben nach unten N2 mit O2 , H2 und OH. Links auf experimentellen Daten beruhende PDF, rechts PDF auf Basis der multivariaten-β-Verteilung nach Gl. (8.37) (Gerlinger et al. [104])
niederschlagen, da die Varianzen und Kovarianzen nicht unabh¨angig voneinander sein k¨ onnen. Um die daraus resultierenden Folgen f¨ ur die PDF-Struktur aufzuzeigen, werden die Rand-PDF zweier Massenanteile betrachtet. Diese Rand-PDF beziehen sich auf die erste Position (kurz nach der Z¨ undung), die auch den oberen Bildern in Abb. 10.7 zu Grunde lag. Abbildung 10.8 zeigt zweidimensionale Rand-PDF unterschiedlicher Kombinationen von Gaskomponenten [104]. Auf der linken Seite sind aus experimentellen Daten [52] berechneten PDF dargestellt, rechts finden sich die aus der assumed-β-PDF
164
10 Berechnung mittlerer Quellterme
hervorgehenden Verteilungen. Es zeigt sich, dass der relativ einfache assumedPDF-Ansatz in der Lage ist, zumindest die grobe Struktur der realen Verteilung richtig wiederzugeben. Auch hier erweist sich die M¨oglichkeit der βVerteilung als vorteilhaft, einen Anstieg am Rand (z.B. in der N2 -OH-PDF f¨ ur YOH → 0) darstellen zu k¨ onnen. Es ist jedoch nochmals zu betonen, dass Kovarianzen der multivariaten β-PDF P Y immer negativ korreliert sind. Bei den oberen beiden Verteilungen aus Abb. 10.8 ist das auch bei den experimentell bestimmten PDF der Fall. Positiv korrelierte Komponenten kann diese assumed-PDF dagegen prinzipiell nicht korrekt wiedergeben.
10.6 Temperatur-Komponenten-Korrelationen Eine Schwachstelle der vorgestellten assumed-PDF-Ans¨atze liegt in der u ¨ blicherweise notwendigen Annahme statistischer Unabh¨angigkeit der Temperatur von der Gaszusammensetzung. Temperatur-Komponenten-Korrelationen sind schwer in einen assumed-PDF-Ansatz einzubeziehen, was insbesondere f¨ ur große Reaktionsmechanismen gilt. Dar¨ uber hinaus erwachsen die Vorteile des assumed-PDF-Ansatzes aus seinem geringen Rechenaufwand. Komplexe, rechenzeitintensive Modellierungen k¨ onnen daher schnell dazu f¨ uhren, dass dieser Vorteil im Vergleich zu den physikalisch fundierteren Transportgleichungs-PDF-Verfahren verloren geht. Da eine assumed-Verbund-PDF aller Quelltermvariablen kaum definiert werden kann, schlagen Baurle und Girimaji [14] einen anderen Weg ein. Bei diesem wird der Erwartungswert eines Komponentenquellterms zun¨achst unter der Annahme statistischer Unabh¨ angigkeit berechnet und in einem zweiten Schritt hinsichtlich auftretender Temperatur-Komponenten-Korrelationen korrigiert. Wesentlicher Punkt ist die Modellierung von Temperatur-Komponenten-Korrelationskoeffizienten einzelner Elementarreaktionen, durch die der Einfluss der statistischen Abh¨ angigkeit auf S α zur Geltung gebracht wird. Am Beispiel der einseitig ablaufenden Reaktion A + B → C + D soll dieser Ansatz vorgestellt werden. Die Bildung oder Vernichtung einer an dieser Reaktion beteiligten Komponente α = A, B, C, D folgt aus 1 k ρA ρ B MA MB = Mα (να − να ) fρ (ρE ) fT (T ) ,
Sα = Sα (ρE , T ) = Mα (να − να )
(10.34)
wobei ρE f¨ ur die Komponentendichten der Edukte (hier A und B) steht. Der Produktionsterm spaltet sich in das Produkt einer Funktion der Komponentendichten fρ und einer Funktion der Temperatur fT . Diese Trennung ist bei druckunabh¨ angigen Geschwindigkeitskoeffizienten f¨ ur alle Reaktionen m¨ oglich. Gesucht ist der mittlere Produktionsterm S α . Zu dessen Bestimmung werden die Funktionen f in f und f zerlegt, in Gl. (10.34) eingesetzt und die daraus hervorgehende Gleichung gemittelt
10.6 Temperatur-Komponenten-Korrelationen
S α = Mα (να − να ) fρ (ρE )fT (T ) + , = Mα (να − να ) fρ (ρE ) fT (T ) + fρ (ρE )fT (T ) .
165
(10.35)
Die Verbund-PDF von ρ und T sei durch PρT gegeben, aus der mit Gl. (4.18) die Rand-PDF Pρ und PT folgen. Nimmt man an, dass diese Rand-PDF den angenommenen PDF entsprechen, so ist der erste Term in der eckigen Klammer von Gl. (10.35) berechenbar. Dabei handelt es sich um den mittleren Produktionsterm bei statistischer Unabh¨ angigkeit der PDF der Komponentendichten von der der Temperatur. Der Ausdruck fρ fT ist Folge der statistischen Abh¨ angigkeit dieser Variablen. Zu dessen Berechnung dient der Korrelationskoeffizient fρ (ρE )fT (T ) ρ E T = . (10.36) 2 fρ2 (ρE ) fT (T ) Die beiden im Nenner auftretenden Varianzen sind mit Pρ∗ und PT berechenbar (diese assumed-PDF werden als gegeben vorausgesetzt) 2 fˆρ − f ρ Pρ∗ dˆ fρ2 = ... ρ1 . . . dˆ ρN k , (10.37) ρˆ1 2
fT =
ρˆNk
fˆT − f T
2
PT dTˆ ,
(10.38)
Tˆ
w¨ ahrend im Z¨ ahler der unbekannte Korrelationsterm aus Gl. (10.35) auftritt. achst noch unbekannte Weise approximiert, dann l¨asst Wird ρE T auf eine zun¨ sich fρ fT aus Gl. (10.36) bestimmen. Eingesetzt in Gl. (10.35) folgt . 2 2 S α = Mα (να − να ) fρ (ρE ) fT (T ) + ρE T fρ (ρE ) fT (T ) (10.39) mit −1 ≤ ρE T ≤ 1. Damit verbleibt das Problem, den Korrelationskoeffizienten ρE T zu bestimmen. Hier ist nochmals hervorzuheben, dass die mittlere Produktionsrate nach Gl. (10.39) die Hinreaktion einer Elementarreaktion betrifft. Detaillierte Reaktionsmechanismen erfordern somit Korrelationskoeffizienten aller Hin- und R¨ uckreaktionen. 10.6.1 Modellierung der Korrelationskoeffizienten Zur Schließung von Gl. (10.39) sind die Korrelationskoeffizienten der Elementarreaktionen mit m¨ oglichst geringem Rechenaufwand zu approximieren. Dazu w¨ are es w¨ unschenswert, wenn sich fρ n¨aherungsweise als Funktion der Temperatur ausdr¨ ucken ließe. Die auf Massenanteile bezogene Vorgehensweise von Baurle und Girimaji [14] wird hier auf Komponentendichten u ¨ bertragen, die mit ρα (x, t) Funktionen von Ort und Zeit t sind. Durch Vernachl¨assigung
166
10 Berechnung mittlerer Quellterme
der Ortsabh¨ angigkeit und Transformation auf die unabh¨angige Variable T lassen sich die partiellen Differentiale durch gew¨ohnliche ersetzen und es gilt dρα dρα dT = / . dT dt dt
(10.40)
¨ Anderungen der Komponentendichten ergeben sich damit ausschließlich aus der Reaktionskinetik. Nach Untersuchungen von Maas und Pope [168] sowie Maas [167] erfolgt der Reaktionsfortschritt im Mischungsraum selbst bei komplexen Reaktionssystemen nach einer kurzen Anlaufphase auf so genannten niedrig dimensionalen Mannigfaltigkeiten (ILDM – Intrinsic LowDimensional Manifold). Je nach Ausgangspunkt im Zustandsraum wird die ¨ Mannigfaltigkeit mehr oder weniger schnell erreicht. Die Anderungen auf der Mannigfaltigkeit vollziehen sich dann vergleichsweise langsam und die Verl¨aufe sind verh¨ altnism¨ aßig glatt. Es l¨ asst sich zeigen, dass konvektiver Transport den Verlauf auf der Mannigfaltigkeit nicht beeinflusst, wohl aber Diffusion [167]. Letztere bleibt bei der Bestimmung der Korrelationskoeffizienten unber¨ ucksichtigt. Nimmt man weiter an, dass sich die Zustandsvariablen auf oder nahe der Mannigfaltigkeit befinden, dann ist Gl. (10.40) unter der Annahme ρα = ρα (T ) mit T dρα (ρ1 (T ), ρ2 (T ), . . . , ρNk (T ), T ) dT (10.41) ρα (T ) ≈ ρα + dT T integrierbar. Durch diese Gleichung werden Abweichungen der Komponenten von ihren Erwartungswerten als Funktionen der Temperatur approximiert. Ihre Nutzung erfordert eine N¨ aherung f¨ ur den Term dρα /dT , der mit dρα (ρ1 (T ), ρ2 (T ), . . . , ρNk (T ), T ) ≈ dT
Sα Nk 1 − hβ S β cp
(10.42)
β=1
durch das Verh¨ altnis des jeweiligen Komponentenquellterms zum Quellterm der Temperaturgleichung approximiert wird. Bei expliziter Diskretisierung von Gl. (10.41) ergibt sich unter der Annahme eines konstanten dρα /dT & % & dρα % ρ1 , ρ2 , . . . , ρN k , T T −T . (10.43) dT Diese Linearisierung gilt genau genommen nur f¨ ur kleine Abweichungen. An Stelle des Korrelationskoeffizienten nach Gl. (10.36) tritt mit ρα = ρα (T ) die Approximation fρ (T )fT (T ) , (10.44) ρ E T ≈ 2 fρ2 (T ) fT (T ) ρ α ≈ ρα +
die nur noch eine Funktion der Temperatur ist. Damit sind bei gegebener PDF PT alle auftretenden Integrale berechenbar. Im Fall der betrachteten Elementarreaktion A + B → C + D folgt
10.6 Temperatur-Komponenten-Korrelationen
1 f ρ (T ) = MA MB
∞ . ρA +
167
- . dρA ˆ dρB ˆ T −T T − T PT (Tˆ )dTˆ , ρB + dT dT
Tˆ =0
(10.45) wobei die Terme dρi /dT als konstant vorausgesetzt werden. Auf gleiche Weise sind auch alle anderen Erwartungswerte aus Gl. (10.44) durch Integration u ¨ ber den Temperaturraum berechenbar. Setzt man f¨ ur PT eine Gauß-PDF an, so erfordert das numerische Integrationen. Ein prinzipielles Problem liegt dann in der Beschr¨ anktheit der Massenanteile [14]. Bei den u ¨ blicherweise starken Temperaturfluktuationen kann die gew¨ ahlte Linearisierung bei geringen Komponentenkonzentrationen schnell zu negativen Werten f¨ uhren, die numerisch abzufangen sind. Dar¨ uber hinaus ist der Rechenaufwand dieser Methode relativ hoch. Der vorgestellte Ansatz ist daher nur als ein erster Schritt zu sehen, um Temperatur-Komponenten-Korrelationen in einen multivariaten assumedPDF-Ansatz einzubeziehen.
Teil IV
Transportgleichungs-PDF-Verfahren
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
Bei Transportgleichungs-PDF-Verfahren treten die chemischen Quellterme geschlossen auf, wenn die Verbund-PDF alle zur Berechnung der Umsatzraten notwendigen Variablen umfasst. Dadurch entf¨allt die ansonsten notwendige Modellierung der chemischen Produktionsterme, was diesen Ansatz gegen¨ uber anderen Techniken in der turbulenten Verbrennung auszeichnet. In den folgenden Abschnitten werden drei Arten von PDF-Transportgleichungen besprochen: 1. die Verbund-PDF des Geschwindigkeitsvektors Pu (ˆ u; x, t). Diese PDF bietet keine Vorteile hinsichtlich des chemischen Quellterms, wird der Vollst¨ andigkeit halber aber behandelt, ˆ Y; ˆ x, t), die thermochemische PDF 2. die Verbund-PDF von Skalaren Ps (h, (thermochemical PDF) genannt wird, ˆ Y; ˆ x, t) (joint 3. die Verbund-PDF vektorieller und skalarer Gr¨oßen P (ˆ u, h, scalar-velocity PDF). Von den letzten beiden, f¨ ur die Verbrennung wichtigen Varianten, ist die dritte als h¨ oherwertiger einzustufen, da darin mehr Korrelationen geschlossen erscheinen. Allerdings sind die verbleibenden ungeschlossenen Terme durch die hinzugekommenen Variablen gew¨ ohnlich schwieriger zu modellieren. Die Idee, eine Transportgleichung f¨ ur die PDF von Zufallsgr¨oßen (in diesem Fall des Geschwindigkeitsvektors) zu l¨ osen, geht auf Lundgren (1967) zur¨ uck [164]. Diese Vorgehensweise bot sich jedoch insbesondere f¨ ur die stark nichtlinearen chemischen Produktionsterme in der Verbrennung an. Dopazo und O’Brien (1974) [69] sowie Pope (1976) [200] haben als Erste eine thermochemische PDF formuliert und Untersuchungen hierzu angestellt. Praktische Anwendungen sind jedoch erst mit der Einf¨ uhrung von Partikelverfahren durch Pope (1981) [204] m¨ oglich geworden: zun¨ achst (1981) in Euler-Formulierung f¨ ur die L¨ osung der Transportgleichung der thermochemischen PDF und sp¨ater (1985) in Lagrange-Formulierung [207] zur L¨ osung der Verbund-PDF thermochemischer Variablen und des Geschwindigkeitsvektors. Ein nach wie vor wichtiges Thema ist die Modellierung ungeschlossener Terme dieser Gleichungen.
172
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
Vor- und Nachteile von Transportgleichungs-PDF-Verfahren. Die L¨osung der PDF-Transportgleichung ist in der Praxis nur mit Partikelverfahren m¨ oglich (s. Kap. 13), was bei der Bewertung dieses Ansatzes zu ber¨ ucksichtigen ist. F¨ ur Transportgleichungs-PDF-Verfahren spricht, dass • der chemische Quellterm geschlossen auftritt, • keine statistische Unabh¨ angigkeit von Variablen vorausgesetzt werden muss (bei der Modellierung ungeschlossener Terme kann das jedoch notwendig sein), • sie bei Ber¨ ucksichtigung des Geschwindigkeitsvektors und geeigneter Modellierung mindestens gleichwertig mit Reynolds-Spannungsmodellen ist, • diese Verfahren verh¨ altnism¨ aßig einfach sind, wenig Modellierung erfordern und sich in Zukunft vielleicht mit purer Rechenleistung bearbeiten lassen, • einer effizienten Vektorisierung und Parallelisierung nichts im Wege steht. Zudem geben Transportgleichungs-PDF-Verfahren einen guten Einblick in das statistische Verhalten von Zufallsgr¨ oßen. Zu den Nachteilen z¨ahlen • der hohe Rechenzeit- und Hauptspeicherbedarf, • der geringere Entwicklungsstand im Vergleich zu Momentenverfahren. Das betrifft verf¨ ugbare L¨ osungsalgorithmen, Diskretisierungstechniken bei EulerPDF-Verfahren, eine gute Stoßaufl¨ osung, die Modellierung von Wandgrenzschichten, zeitgenaue L¨ osungen und lokale Gitterverfeinerungen, • die Beschr¨ ankung auf r¨ aumlich erste Genauigkeitsordnung von Euler-PDFVerfahren, • die Notwendigkeit der Koppelung mit einem Finite-Differenzen oder FiniteVolumen-Verfahren (es sind jedoch auch reine Partikel-Verfahren m¨oglich), • der Mangel an Techniken zur Konvergenzbeschleunigung und damit zur effizienten L¨ osung der PDF-Transportgleichung. Ferner ist ein Umbau bestehender Programme auf Partikelverfahren relativ aufw¨ andig und erfordert fundierte Kenntnisse auf diesem Gebiet.
11.1 Allgemeines Vorgehen Die Herleitung der Transportgleichung einer ein-Punkt-eine-Zeit-PDF kann auf verschiedene Weisen erfolgen [207, 210]. Der hier gew¨ahlte Weg geht auf Lundgren [164] zur¨ uck. Er beruht auf der momentanen PDF P(Ψ ; x, t) nach Gl. (4.27) und gliedert sich in zwei Schritte: 1. Bestimmung der Transportgleichung der momentanen PDF P, 2. Mittelung, aus der die Transportgleichung der PDF P hervorgeht. Wie u oßen mit Φ = (Φ1 , Φ2 , . . . , ΦM )T be¨ blich wird der Vektor der Zufallsgr¨ zeichnet, w¨ ahrend Ψ = (Ψ1 , Ψ2 , . . . , ΨM )T den dazugeh¨origen Zustandsraum aufspannt. Die Zufallsgr¨ oßen Φ = Φ(x, t) sind Funktionen von Raum und Zeit,
11.1 Allgemeines Vorgehen
173
von den Variablen des Zustandsraums Ψ aber unabh¨angig. Bei der Herleitung der PDF-Transportgleichung treten Ableitungen der momentanen PDF P(Ψ; x, t) nach der Zeit und den Raumrichtungen auf. Steht η f¨ ur t oder xi mit i = 1, 2, 3, so folgt ∂(δ(Φl − Ψl )) ∂(δ(Φl − Ψl )) = − ∂Φl ∂Ψl
(11.1)
und unter Anwendung der Kettenregel ∂ P ∂Φl ∂P = − ∂η ∂Ψl ∂η
(11.2)
[194, 152]. Der Summenkonvention entsprechend ist von l = 1 bis M zu summieren. Werden mit Gl. (11.2) die Zeit- und Raumableitungen in der substantiellen Ableitung der momentanen PDF ersetzt, so ergibt sich DP ∂P ∂P = + ui Dt ∂t ∂xi ∂ P ∂Φl ∂ P ∂Φl − ui = − ∂Ψl ∂t ∂Ψl ∂xi ∂ P DΦl . = − ∂Ψl Dt
(11.3)
Durch Multiplikation mit der Dichte erh¨ alt man ρ
∂P ∂P ∂ P DΦl + ρui = −ρ ∂t ∂xi ∂Ψl Dt
(11.4)
und nach Einbeziehung der Kontinuit¨ atsgleichung und Bildung von Erwartungswerten 6 7 6 7 7 6 ∂(ρP) ∂(ρui P) ∂ P DΦl + = − ρ ∂t ∂xi ∂Ψl Dt 7 6 DΦl ∂ P . (11.5) ρ = − ∂Ψl Dt Der letzte Schritt darf erfolgen, da sowohl ρ als auch Φl unabh¨angig von Ψl sind. Bisher enth¨ alt Gl. (11.5) noch keine konkreten physikalischen Informationen [210], sondern ergibt sich rein aus der Anwendung der Kettenregel auf ¨ die substantielle Ableitung der momentanen PDF. Zum Ubergang von P auf P wird Beziehung (4.35) genutzt und es folgt 7 6 ∂ ∂ DΦl ∂ [ρ|Φ = Ψ P (Ψ)] + P . ρ [ρui |Φ = Ψ P (Ψ)] = − ∂t ∂xi ∂Ψl Dt (11.6) Mit ρ(DΦl /Dt) sind die physikalischen Informationen in die PDF-Transportgleichung einzubringen. Das weitere Vorgehen ist daher davon abh¨angig, welche Variablen die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion umfassen soll. Die hier
174
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
betrachteten F¨ alle beruhen auf ui , h, Yk und ρ, was die entsprechenden momentanen Bilanzgleichungen voraussetzt. Denkbar sind jedoch auch andere PDF. Durch Umformung der Gleichungen (2.4) bis (2.7) folgt bei Vernachl¨assigung von Strahlung und unter der Annahme gleicher Diffusionskoeffizienten aller Komponenten • Φi = ui ρ
∂ τij Dui ∂p = − + ρfi , Dt ∂xj ∂xi
(11.7)
Ai
• Φn = h ρ
∂ui Dp Dh ∂qi = + τij − + ρui fi , Dt Dt ∂xj ∂xi
(11.8)
B
• Φo+k = Yk ρ
∂jki DYk = − + Sk , Dt ∂xi
(11.9)
Ck
• Φp = ρ ρ
Dρ = − ρ2 D , Dt
(11.10)
wobei es sich bei n, o und p um ganzzahlige Konstanten handelt, deren Werte von der Wahl des Variablenvektors Φ abh¨ angen. Ferner gilt i, j = 1, 2, 3 und k = 1, 2, . . . , Nk−1 . Die zus¨ atzlich definierten Terme Ai , B und Ck werden sp¨ ater ben¨ otigt und der Dilatationsterm D ist auf S. 18 durch Gl. (2.19) definiert. Die angegebenen Bilanzgleichungen lassen sich in beliebiger Kombination in die rechte Seite von Gl. (11.6) einbringen. Zur vollst¨andigen Beschreibung des Gases wird in jedem Gitterpunkt die Gaszusammensetzung (z.B. Y), der Geschwindigkeitsvektor u sowie zwei thermodynamische Gr¨oßen (z.B. h und ρ) ben¨ otigt. Hinzu kommen gegebenenfalls noch Variablen, die zur Modellierung notwendig sind. Da die folgenden PDF-Transportgleichungen den Zustand des Systems nicht vollst¨ andig beschreiben, m¨ ussen fehlende Gr¨oßen auf andere Weise bestimmt werden. Meist geschieht das durch Transportgleichungen erster und/oder zweiter Momente, die mit Finite-Volumen- (FV) oder Finite-Differenzen-Verfahren (FD) gel¨ ost werden.
11.2 Geschwindigkeits-PDF Die ersten Transportgleichungs-PDF-Verfahren zielten noch nicht auf Verbrennung ab. Stattdessen diente die PDF dazu, das statistische Verhalten der ˆ (neGeschwindigkeitsfluktuationen besser zu erfassen [164]. Dazu gen¨ ugt u ben x und t) als unabh¨ angige PDF-Variable. Bei diesem Ansatz erscheinen Erwartungswerte, die
11.2 Geschwindigkeits-PDF
175
1. nur vom Geschwindigkeitsvektor abh¨ angen und 2. keine r¨ aumlichen Gradienten in der Geschwindigkeit aufweisen geschlossenen. Der Vektor der Zufallsvariablen und die PDF lauten • Φ = (Φ1 , Φ2 , Φ3 )T = u = (u1 , u2 , u3 )T , • Pu = Pu (Ψ; x, t) = Pu (ˆ u; x, t) , und Ψ = (Ψ1 , Ψ2 , Ψ3 )T = (ˆ u1 , u ˆ2 , u ˆ3 )T spannt den Geschwindigkeitsraum auf. Ferner wird inkompressibles Fluid und die Dichte als von Φ unabh¨angig vorausgesetzt. Damit ergibt sich aus den Gln. (4.24) und (4.25) ρ|Φ = Ψ = ρ , ρui |Φ = Ψ = ρui (Ψ) = ρ u ˆi .
(11.11) (11.12)
Durch Einsetzen der Impulsgleichung (11.7) in die Ausgangsgleichung (11.6) und unter Einbeziehung der Kontinuit¨ atsgleichung folgt 6
7 ∂Pu ∂τij ∂ ∂p ∂Pu (11.13) + ρ u ˆi = − − + ρfi Pu ρ ∂t ∂xi ∂u ˆi ∂xj ∂xi I
II
III
IV
V
mit impliziter Summation u ¨ ber i, j = 1, 2, 3. Diese Gleichung beschreibt alle ¨ Anderungen, die Pu im physikalischen Raum (I und II) und im Geschwindig¨ keitsraum (III bis V) erf¨ ahrt. Term I gibt die zeitliche Anderung der PDF an. Am nachfolgenden Term II wird der Vorteil der Geschwindigkeits-PDF deutlich. Er steht f¨ ur den konvektiven Transport, der durch die mittleren Geschwindigkeiten und durch Geschwindigkeitsfluktuationen hervorgerufen wird. Dieser Term ist exakt und erfordert keine Modellierung. Die Ausdr¨ ucke auf der rechten Seite der Gleichung ben¨ otigen teilweise Informationen, die die PDF nicht bereitstellen kann. Sie lassen sich in bedingte Erwartungswerte u uhren. Im einzelnen steht Term III f¨ ur die ¨ berf¨ molekulare Dissipation 8 7 6 7 .6 ∂ ∂ τij ∂ ∂τij 88 u=u ˆ Pu , (11.14) Pu = ∂u ˆi ∂xj ∂u ˆi ∂xj 8 die einen Transport der PDF im Geschwindigkeitsraum bewirkt. W¨ahrend u von diesem Prozess unbeeinflusst bleibt, ver¨ andert er die Struktur der PDF und reduziert deren Varianz. Damit verringert die molekulare Dissipation die turbulente kinetische Energie [207]. Selbst bei Vernachl¨assigung des Einflusses thermochemischer Gr¨ oßen auf die Viskosit¨ at ist dieser Term ungeschlossen. Er beruht auf r¨ aumlichen Gradienten und ist mit der ein-Punkt-PDF Pu nicht zu schließen. Gleichfalls ungeschlossen ist der Transportterm IV, der auf Druckgradienten 8 7 6 7 .6 ∂ ∂ ∂p ∂p 88 u=u ˆ Pu Pu = ∂u ˆi ∂xi ∂u ˆi ∂xi 8 7 . 6 8 ∂p 88 ∂ ∂p u=u ˆ Pu (11.15) Pu + = ∂u ˆi ∂xi ∂xi 8
176
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
zur¨ uckgeht. Durch die Zerlegung p = p + p verbleibt ein geschlossener und ein ungeschlossener Anteil. Der letzte Term in Gl. (11.13) wird durch Massenkr¨ afte ∂ ∂Pu ρfi Pu = ρfi (11.16) ∂u ˆi ∂u ˆi hervorgerufen, die meist (wie hier vorausgesetzt) keine Abh¨angigkeit von den Zufallsvariablen aufweisen. In diesem Fall ist der Massenkraftterm in der PDFTransportgleichung geschlossen. Die am h¨ aufigsten auftretende externe Massenkraft ist die Gravitation. Nach Einsetzen aller Terme in Gl. (11.13) und Anwendung der Kontinuit¨ atsgleichung folgt die Transportgleichung der Geschwindigkeits-PDF ∂Pu ∂Pu +u ˆi ∂t ∂xi 8 7 .6 ∂Pu ∂τij 1 ∂ p 1 ∂ ∂p 88 u = u ˆ Pu . = − fi − − ρ ∂xi ∂u ˆi ρ ∂ u ˆi ∂xj ∂xi 8
(11.17)
Mit Ausnahme der bedingten Erwartungswerte sind alle Terme geschlossen. Entsprechend bestimmt die Modellierung des konditionierten Flusses aus molekularer Dissipation und Gradienten von Druckfluktuationen (s. Abschn. 12.1) die Genauigkeit dieses PDF-Ansatzes. Die ben¨otigten mittleren Werte von Dichte und Druck gehen nicht aus dem PDF-Verfahren hervor und m¨ ussen auf andere Weise bereitgestellt werden. Das Gleiche gilt f¨ ur die gegebenenfalls zur Modellierung notwendige Dissipationsrate der turbulenten kinetischen Energie. Gleichung (11.17) beschreibt die Entwicklung der GeschwindigkeitsPDF im siebendimensionalen Raum (u, x und t), mit deren L¨osung alle statistischen, r¨ aumlich lokalen Informationen der Geschwindigkeitsverteilung vorliegen. Daher lassen sich aus Pu nicht nur die Reynolds-Spannungen gewinnen, sondern auch alle weiteren h¨ oheren Momente der Geschwindigkeitskomponenten (z.B. der turbulenter Transport der Reynolds-Spannungen ui uj uk ). Bei geeigneter Modellierung ist dieser Ansatz mindestens gleichwertig mit Reynolds-Spannungsmodellen. Die Transportgleichung f¨ ur Pu wurde unter der Annahme hergeleitet, dass die Dichte von Geschwindigkeits- und Druckfluktuationen unbeeinflusst bleibt (inkompressibles Fluid ρ = ρ). Daher macht die Definition einer Favre-gemittelten PDF in diesem Fall keinen Sinn.
11.3 Thermochemische PDF Das große Potential von Transportgleichungs-PDF-Verfahren liegt bei der Simulation turbulenter Verbrennungsprozesse im geschlossen auftretenden chemischen Produktionsterm. Dazu muss die PDF alle zur Quelltermberechnung notwendigen Zufallsvariablen umfassen. Man spricht dann von einer thermochemischen PDF, bei der der Vektor der Zufallsgr¨oßen und die PDF wie folgt definiert sein k¨ onnen:
11.3 Thermochemische PDF
177
• Φ = (Φ1 , Φ2 , . . . , ΦM )T = s = (h, Y)T = (h, Y1 , Y2 , . . . , YNk−1 )T , ˆ Y; ˆ x, t) • Ps (Ψ; x, t) = Ps (h, mit M = Nk . Durch Ψ = (Ψ1 , Ψ2 , . . . , ΨM ) wird ein Zustandsraum aufgespannt, der Enthalpie und Massenanteile umfasst: der so genannte thermochemische Raum. Da es sich bei Φα ausschließlich um skalare Gr¨oßen handelt, spricht man h¨ aufig von einer skalaren PDF (scalar PDF). Zutreffender w¨ are die Bezeichnung ,,PDF von Skalaren”. Wahlweise kann an Stelle der Enthalpie auch auf die Energie oder eine andere Energievariable zur¨ uckgegriffen werden. Dar¨ uber hinaus l¨ asst sich die Gaszusammensetzung mit Molanteilen, Komponentendichten oder in Sonderf¨allen mit dem Mischungsbruch oder Reaktionsfortschrittsvariablen beschreiben. In allen F¨allen spricht man von einer thermochemischen PDF. Da Ps keine Geschwindigkeitskomponenten enth¨ alt, bleibt der turbulente Anteil des konvektiven Transports ungeschlossen. Aus diesem Grund bietet sich die Verwendung einer thermochemischen PDF an, wenn die Verbrennung im Vordergrund steht und das turbulente Str¨ omungsfeld mit einem zwei-Gleichungs-Modell sowie dem GradientenDiffusions-Ansatz hinreichend genau beschrieben werden kann. Vernachl¨ assigt man die Auswirkungen lokaler Druckschwankungen auf die Dichte, so ist ρ durch Φ vollkommen bestimmt und f¨ ur die bedingten Erwartungswerte der Dichte und des konvektiven Transports folgt mit Gl. (4.24) ρ|Φ = Ψ = ρ(Ψ) = ρ ,
(11.18)
ρui |Φ = Ψ = ρ(Ψ)ui |Φ = Ψ = ρui |Φ = Ψ .
(11.19)
Mit diesen Beziehungen ergibt sich durch Einsetzen der Enthalpiegleichung (11.8) und der Komponentengleichungen (11.9) in die Grundform der PDFTransportgleichung (11.6) 6 ∂ Dp ∂ui ∂ ∂ (ρPs ) + [ρ ui |Φ = Ψ Ps ] = − + τij ˆ ∂t ∂xi Dt ∂x j ∂h
I
II
III
7 6
7 ∂ ∂jki ∂qi − − + ρui fi Ps − + Sk P s ∂xi ∂xi ∂ Yˆk V
VI
VII
IV
(11.20)
VIII
mit impliziter Summation u ¨ ber i, j = 1, 2, 3 und k = 1, 2, . . . , Nk−1 . Diese ¨ Gleichung beschreibt die Anderungen, die Ps im physikalischen Raum (I und II) und im thermochemischen Raum (III bis VIII) erf¨ahrt. Um zur endg¨ ultigen Form der PDF-Transportgleichung zu gelangen, wird mit ρ Ps ≡ Ps (11.21) ρ eine Favre-gemittelte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion definiert und die momentane PDF unter Inkaufnahme bedingter Erwartungswerte in Ps u uhrt. ¨ berf¨ Term I in Gl. (11.20) betrifft die
178
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
¨ zeitliche Anderung
∂ ∂ ρ Ps (11.22) (ρPs ) = ∂t ∂t der thermochemischen PDF. Term II steht f¨ ur den konvektiven Transport : 9 8 ∂ ∂ ∂ ρui Ps + ρ ui 8Φ = Ψ Ps , [ρ ui |Φ = Ψ Ps ] = ∂xi ∂xi ∂xi (11.23) der in zwei Anteile aufgespalten wurde. Der erste Term beschreibt den Transport im physikalischen Raum auf Grund der mittleren Konvektion, der zweite einen konvektiven Transport durch mit den Skalaren konditionierte Geschwindigkeitsfluktuationen (turbulente Konvektion). Da Ps keine Informationen bez¨ uglich der Geschwindigkeitsverteilung bereitstellt, ist die turbulente Konvektion ungeschlossenen. Auf Ans¨ atze zu deren Modellierung wird in Abschn. 12.2 eingegangen. Die Terme V und VII stehen f¨ ur den diffusiven Transport 7 6 7 6 ∂ ∂qi ∂ ∂jki (11.24) Ps + Ps . ∂ Yˆk ∂xi ∂ˆ h ∂xi
Diese beiden Erwartungswerte lassen sich zusammenfassen, wenn von zwei Annahmen ausgegangen wird: 1. differentielle Diffusion (die Ber¨ ucksichtigung individueller Diffusionskoeffizienten f¨ ur unterschiedliche Gaskomponenten) sei vernachl¨assigbar, 2. Prandtl- und Schmidt-Zahl nehmen gleiche Werte an (Lewis-Zahl = 1). Dann gilt Dk = D f¨ ur k = 1, 2, . . . , Nk sowie P r = µcp /λ = Sc = µ/(ρD) und damit nach Gl. (2.39) f¨ ur den Energietransport durch W¨armeleitung und Diffusion . . ∂qi µ ∂h ∂ ∂h ∂ = − ρD . (11.25) = − ∂xi ∂xi P r ∂xi ∂xi ∂xi Unter diesen Voraussetzungen k¨ onnen die aus dem Energie- (qi ) und Stofftransport (jki ) hervorgehenden Diffusionsterme gem¨aß 6
7 6
7 ∂ ∂h ∂ ∂ ∂Yk ∂ ρD Ps − ρD Ps − ∂xi ∂xi ∂ Yˆk ∂xi ∂ˆ h ∂xi 6
7 ∂ ∂Φl ∂ ρD Ps (11.26) = − ∂Ψl ∂xi ∂xi zusammengefasst werden, wobei sich die Summation mit l = 1, 2, . . . , M u ¨ ber Enthalpie und Massenanteile erstreckt. In einem weiteren Schritt ist die momentane PDF Ps durch die Favre-gemittelte PDF Ps zu ersetzen. Dazu wird der Endterm aus Gl. (11.26) erweitert, unter Verwendung der Gln. (4.35) und (11.2) umgeformt und die Reihenfolge der Ableitungen ge¨andert [152, 135, 210]. Es folgt
11.3 Thermochemische PDF
179
6
7 ∂Φl ∂ ∂ ρD Ps − ∂Ψl ∂xi ∂xi
7 6
7 6 ∂Φl ∂ PY ∂Φl ∂ ∂ Ps ∂ ρD + ρD = − ∂xi ∂xi ∂Ψl ∂xi ∂xi ∂Ψl
7 6
7 6 ∂ Ps ∂Φl ∂ ∂Φm ∂ Ps ∂ ρD − ρD = ∂xi ∂xi ∂xi ∂Ψl ∂xi ∂Ψm
I
II
∂ ∂ ρ ∂ Ps ρD + D Ps ∂xi ∂xi ∂xi 8 7 .6 ∂Φl ∂Φm 88 ∂ ∂ Φ = Ψ Ps D − ρ ∂Ψl ∂Ψm ∂xi ∂xi 8
∂ = ∂xi
(11.27)
III
mit impliziter Summation u ¨ ber i = 1, 2, 3 und l, m = 1, 2, . . . , M . Der neu gebildete Ausdruck weist zwei geschlossene Anteile (I und II) und einen ungeschlossenen (III) Anteil auf. Der erste Term steht f¨ ur molekulare Diffusion im physikalischen Raum. Der zweite Term wird durch r¨aumliche Dichtegradienten verursacht und ist meist vernachl¨ assigbar (bei konstanter Dichte ist ¨ er ohnehin null). Uberaus wichtig ist der ungeschlossene Term III. Er wird molekularer (turbulenter) Mischungsterm genannt und beschreibt Transportvorg¨ ange im Mischungsraum. Verglichen mit diesem Term ist der Einfluss der molekularen Diffusion (Term I) im Allgemeinen sehr gering. Jones [135] gibt das Verh¨ altnis von Term I zu Term III mit O(Re−1/2 ) an. Der turbulente Mischungsterm ist mit kleinskaligen diffusiven Transportvorg¨angen verbunden (Mikromischung, micro-mixing). Da Verbrennung nur einsetzen kann, wenn Brennstoff und Oxidator molekular gemischt vorliegen, bestimmt der turbulente Mischungsterm bei ,,schneller Chemie” den Verbrennungsablauf. Dann stellen der ungeschlossene Mischungsterm und der geschlossene chemische Quellterm in den d¨ unnen Verbrennungszonen die dominierenden Anteile der PDF-Transportgleichung dar [196]. Modellierungsfehler beim Mischungsterm schlagen sich somit direkt im Verbrennungsablaufs und der Genauigkeit des Gesamtverfahrens nieder. Wegen seiner großen physikalischen Bedeutung ist der molekulare Mischungsterm die wichtigste zu modellierende Gr¨oße der thermochemischen PDF-Transportgleichung. Einige h¨aufig genutzte Modellierungsans¨ atze werden in Abschn. 12.3 besprochen. Alternativ zur Zerlegung (11.27) ist eine weitere Formulierung f¨ ur den diffusiven Transport gebr¨ auchlich, bei der mit 6 6
7
8 7 ∂ ∂ ∂ ∂Φl ∂ ∂Φl 88 Ps ρD Ps = ρ ρD Φ=Ψ ∂Ψl ∂xi ∂xi ∂Ψl ∂xi ∂xi 8 ρ (11.28) lediglich die momentane PDF in Gl. (11.26) durch Ps ersetzt wird. Bei konstanten Diffusionskoeffizienten sowie konstanter Dichte erh¨alt man mit
180
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
∂ ∂Ψl
6
∂ ∂xi
7
7 . 6 2 8 ∂Φl ∂ ∂ Φl 88 Φ = Ψ Ps ρD Ps = ρ D ∂xi ∂Ψl ∂x2i 8
(11.29)
einen konditionierten Laplace’schen Term. Der große Vorteil der thermochemische PDF zeigt sich am chemischen Produktionsterm . : ∂ 9 ∂ ∂ Ps − , Sk Sk |Φ = Ψ Ps = − ρ Sk P s = − ρ ∂ Yˆk ∂ Yˆk ∂ Yˆk (11.30) der geschlossen erscheint. Er bewirkt einen Transport im Zustandsraum. Seine Nichtlinearit¨ at stellt bei der Bildung des bedingten Erwartungswerts kein Hindernis dar, da die PDF mit Sk = Sk (Φ) alle notwendigen Informationen bereitstellt: Der chemische Quellterm wird exakt wiedergegeben. Diese Eigenschaft zeichnet Transportgleichungs-PDF-Verfahren gegen¨ uber anderen Schließungsans¨ atzen in der Verbrennung aus. Allerdings ist zu beachten, dass die PDF-Transportgleichung ebenfalls ungeschlossene und keinesfalls unproblematische Terme aufweist, allen voran den turbulenten Mischungsterm. Die Beschreibung der Wechselwirkung von Turbulenz und Verbrennung erfordert somit auch bei diesem Ansatz Modellierung. Die noch fehlenden Erwartungswerte (Terme III, IV und V) in der Transportgleichung (11.20) gehen aus der Enthalpiegleichung (11.8) hervor und betreffen Kompressibilit¨ at, Dissipation und externe Massenkr¨ afte 6
7 ∂ Dp ∂ui − + τij + ρui fi Ps ˆ Dt ∂x j ∂h 6 8 7 8 ∂ Dp ∂ui Ps + τij . (11.31) + ρui fi 88Φ = Ψ = − ρ ˆ Dt ∂x ρ j ∂h Jeder dieser Anteile ist unter bestimmten Voraussetzungen vernachl¨assigbar. Die substantielle Ableitung des Drucks spielt in kompressiblen Str¨omungen (bei hohen Str¨ omungsgeschwindigkeiten) eine wichtige Rolle und sollte dort nicht vernachl¨ assigt werden. Dagegen ist sie bei niedrigen Str¨omungsgeschwindigkeiten von geringer Bedeutung (s. Abschn. 2.1.1 auf S. 16). Gleiches gilt f¨ ur die durch Reibung verrichtete Arbeit, die kinetische Energie in W¨arme dissipiert. Werden diese Terme in der Enthalpiegleichung (11.8) vernachl¨assigt, so entfallen in Gl. (11.31) die ungeschlossenen bedingten Erwartungswerte f¨ ur Kompressibilit¨ at und Dissipation. Ansonsten ist Modellierung erforderlich. Der wesentliche Unterschied in den thermochemischen PDF langsamer und schneller Str¨ omungen liegt also in der Ber¨ ucksichtigung und Modellierung dieser Terme sowie in der Abh¨ angigkeit der Dichte von Druckfluktuationen (s. Abschn. 11.3.1). Die Bedeutung des Massenkraftterms h¨angt von Art und St¨ arke der externen Massenkraft fi ab, wobei Gravitation am h¨aufigsten auftreten d¨ urfte. Die von ihr verrichtete Arbeit ist in der Energieerhaltungsgleichung fast immer vernachl¨ assigbar, w¨ahrend Gravitationskr¨afte in den Impulsgleichungen bei langsamen Str¨ omungen zu ber¨ ucksichtigen sind.
11.3 Thermochemische PDF
181
Durch Einsetzen aller Terme in die Ausgangsgleichung (11.20) und Anwendung der Kontinuit¨ atsgleichung folgt die Transportgleichung der thermochemischen PDF , s ∂ Ps ∂ P ∂ ∂ Ps ∂ + ρ + ρui ρD ρui |Φ = Ψ Ps − + ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi 8 7 .6
∂Φl ∂Φm 88 Sk ∂ ∂ s − ρ ∂ Φ = Ψ P D = − ρ P s ∂Ψl ∂Ψm ∂xi ∂xi 8 ρ ∂ Yˆk 6 8 7 8 ∂ ∂p ∂p ∂ui Ps + ui (11.32) − ρ + τij + ρui fi 88Φ = Ψ ∂t ∂xi ∂xj ρ ∂ˆ h mit impliziter Summation u ¨ ber i, j = 1, 2, 3, k = 1, 2, . . . , Nk−1 und l, m = I, I + 1, . . . , M f¨ ur I = 1 und M = Nk . Die thermochemischen Variablen h, Y1 , Y2 , . . . , YNk−1 erstrecken sich bei dieser und bei allen folgenden PDF u ¨ ber die Indizes I bis M . Gleichung (11.32) enth¨alt neben den physikalischen Informationen der gemittelten Enthalpie- und Komponentengleichungen auch alle lokalen statistischen Informationen von Φ. Bedingte Erwartungswerte, die Mehrpunktinformationen erfordern und Erwartungswerte mit Fluktuationen von Variablen, die in Φ nicht enthaltenen sind, erscheinen ungeschlossen. Die von Gl. (11.32) beschriebenen Prozesse sind mit unterschiedlichen L¨angenskalen verbunden [85]. So steht • der konvektive Transport durch die mittlere Geschwindigkeit (im physikalischen Raum) f¨ ur großskalige Makromischung, • der konvektive Transport durch Geschwindigkeitsfluktuationen (im physikalischen Raum) f¨ ur Mesomischung, • der vom molekularen Mischungsterm beschriebene Vorgang (im thermochemischen Zustandsraum) f¨ ur Mikromischung. Mikromischung und Mesomischung sind bei der thermochemische PDF zu modellieren. Dar¨ uber hinaus m¨ ussen ρ, p, ρui und aus Modellierungsgr¨ unden meist k und (oder andere Turbulenzvariablen) bekannt sein. 11.3.1 Kompressible Str¨ omung Bei der Simulation kompressibler Str¨omungen [125, 12, 183] wird der Einfluss von Druckfluktuationen auf die Dichte meistens vernachl¨assigt, so dass von ˆ Yˆk , p) ausgegangen werden kann. Um den Zustand des ρˆ = ρ(Ψ, p) = ρ(h, Gases allgemein g¨ ultig zu beschreiben, sind neben den Variablen zur Charakterisierung der Gaszusammensetzung zwei thermodynamische Gr¨oßen (z.B. h und p) erforderlich (s. Abschn. 4.1.4). Das heißt, dass die thermochemische PDF Ps aus Abschn. 11.3 um eine Variable zu erweitern ist. Delarue und Pope [64] verwenden hierzu den Druck, Eifler und Kollmann [78, 147] die Dichte. Bei Hinzunahme der Dichte nehmen der Vektor der Zufallsgr¨oßen und die thermochemische PDF folgende Form an
182
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
• Φ = (Φ1 , Φ2 , . . . , ΦM )T = c = (ρ, h, Y)T = (ρ, h, Y1 , Y2 , . . . , YNk−1 )T , ˆ Y; ˆ x, t) • Pc (Ψ; x, t) = Pc (ˆ ρ, h, ur die bedingten Erwartungswerte der Dichte und des mit M = Nk + 1. F¨ konvektiven Transports gilt ρ|Φ = Ψ = ρ(Ψ) = ρˆ , ρui |Φ = Ψ = ρ(Ψ)ui |Φ = Ψ .
(11.33) (11.34)
Die Herleitung der Transportgleichung f¨ ur Pc orientiert sich am Vorgehen in Abschn. 11.3 mit dem Unterschied, dass neben der Enthalpiegleichung (11.8) und den Komponentengleichungen (11.9) auch die Kontinuit¨atsgleichung (11.10) in die Grundform der PDF-Transportgleichung (11.6) einzusetzen ist. Beim molekularen (diffusiven) Transport im thermochemischen Raum gilt es, den Einfluss der Dichte zu ber¨ ucksichtigen und an Stelle von Gl. (11.27) tritt I
− +
∂ ∂Ψl ∂ ∂xi
II
6
7 6 7 7
∂Φl ∂Φm ∂ 2 Pc ∂ ∂ ∂Φl ∂ Pc ρD Pc = ρD − ρD ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi ∂Ψl ∂Ψm 7 6 7 6 ∂Pc ∂ ρ ∂Φl ∂ρ ∂ 2 Pc ρD − ρD (11.35) ∂ ρˆ ∂xi ∂xi ∂xi ∂Ψl ∂ ρˆ
6
III
IV
mit impliziter Summation u ur ¨ber i = 1, 2, 3 und l, m = I, I + 1, . . . , M f¨ I = 2 sowie M = Nk + 1. Bei hohen Reynolds-Zahlen ist der Einfluss der Terme III und IV gering [147]. Bei deren Vernachl¨assigung gelangt man mit Pc = ρˆPc /ρ zur Transportgleichung der thermochemischen PDF (mit Dichte) , c ∂ Pc ∂ P ∂ ∂ Pc ∂ + ρ + ρui ρD ρui |Φ = Ψ Pc − + ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi 8 8 7 7 .6 . 6 ∂ui 88 ∂Φl ∂Φm 88 ∂ c − ∂ ∂ ρˆ Φ = Ψ P Φ = Ψ Pc D = ρ ∂ ρˆ ∂xi 8 ∂Ψl ∂Ψm ∂xi ∂xi 8 6 8 7 4
8 ∂p ∂p ∂ui Pc Sk ∂ ∂ 8 + ui + τij + ρui fi 8Φ = Ψ − Pc − ˆ ˆ ρ ˆ ∂t ∂x ∂x ρˆ ∂ Yk i j ∂h (11.36) mit impliziter Summation u ¨ ber k = 1, 2, . . . , Nk−1 sowie die zuvor angegebenen Bereiche der Indizes i, l und m. Im Gegensatz zu Gl. (11.32) enth¨alt diese Gleichung einen weiteren ungeschlossenen Term, die mit dem Vektor der Skalare konditionierte Divergenz des Geschwindigkeitsfelds. Um dessen Modellierung zu vermeiden (sowie die eines weiteren, ansonsten ungeschlossenen
11.4 Verbund-PDF skalarer und vektorieller Gr¨ oßen
183
Terms der aus der Energieerhaltungsgleichung hervorgeht), haben Eifler und Kollmann [78] die PDF um die Dilatation D erweitert. Dies hat jedoch zur Folge, dass andere ungeschlossene Terme erscheinen. Wegen p = p(Ψ) folgt der mittlere Druck mit ˆ Yˆk ) p(ˆ ρ, h, ˆ dY ˆ p = ρ ρ dh (11.37) Pc dˆ ρˆ ρ h Y aus der Integration u ¨ber den thermochemischen Raum. W¨ahrend bei EulerPDF-Verfahren nichts gegen die Nutzung der Dichte als zus¨atzliche PDFVariable spricht, empfehlen Delarue und Pope [64] bei Lagrange’schen PDFAns¨ atzen den Druck zu verwenden. Da bei Lagrange-PDF-Verfahren die Zahl der Partikel (bzw. die Summe der Partikelmassen bei variierenden Teilchenmassen) zur Fluidmasse proportional sein muss, kommt der Dichte dort eine andere Rolle zu [64]. Wegen der komplizierten Struktur der Druckgleichung ist deren Verwendung allerdings problematischer und erfordert ein hohes Maß an Modellierung. Das erh¨ oht wiederum die Unsicherheit, mit der dieser Ansatz behaftet ist.
11.4 Verbund-PDF skalarer und vektorieller Gr¨ oßen Bei vielen Verbrennungssimulationen ist eine thermochemische PDF unzureichend, beispielsweise wenn die Interaktion des turbulenten Geschwindigkeitsfelds mit den Skalaren eine nicht zu vernachl¨assigende Rolle spielt oder wenn der Gradienten-Diffusions-Ansatz vermieden werden soll (counter gradient diffusion). Dann bietet sich die Transportgleichung der gemeinsamen PDF ¨ des Geschwindigkeitsvektors und der thermochemischen Variablen an. Ahnliches gilt, wenn die Turbulenzmodellierung auf dem Niveau eines ReynoldsSpannungsmodells erfolgen soll. Der Vektor der Zufallsgr¨oßen und die PDF sind in diesem Fall durch • Φ = (Φ1 , Φ2 , . . . , ΦM )T = (u1 , u2 , u3 , h, Y1 , Y2 , . . . , YNk−1 )T = (u, h, Y)T , ˆ Y; ˆ x, t) • P (Ψ; x, t) = P (ˆ u, h, mit M = Nk + 3 gegeben. Entsprechend umfasst Ψ den Geschwindigkeitsund den thermochemischen Raum. Die Dichte sei wie in Abschn. 11.3 durch Ψ vollkommen bestimmt, womit sich f¨ ur den bedingten Erwartungswert der Dichte sowie den des konvektiven Transports ρ|Φ = Ψ = ρ(Ψ) = ρ , ρui |Φ = Ψ = ρ(Ψ)ui (Ψ ) = ρ u ˆi
(11.38) (11.39)
ergibt. Die Herleitung der entsprechenden PDF-Transportgleichung orientiert sich am Schema der vorangegangenen Kapitel. Durch Einsetzen der Impulsgleichung (11.7), der Enthalpiegleichung (11.8) und der Komponentengleichungen (11.9) in die Grundform der PDF-Transportgleichung (11.6) folgt
184
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
6
7 ∂ ∂ ∂p ∂ ∂τij (ρP ) + (ρ u ˆi P ) = − − + ρfi P ∂t ∂xi ∂u ˆi ∂xj ∂xi
7 6 ∂ui ∂qi Dp ∂ + τij − + ρui fi P − Dt ∂xj ∂xi ∂ˆ h 6
7 ∂jki ∂ − (11.40) + Sk P . − ∂xi ∂ Yˆk ¨ Die darin auftretenden Terme stehen f¨ ur die zeitliche Anderung der PDF sowie f¨ ur den Transport im physikalischen, im thermochemischen und im Geschwindigkeitsraum. Der konvektive Transport durch turbulente Fluktuation und mittlere Geschwindigkeiten erscheint geschlossen auf der linken Seite der Gleichung. Auf der rechten Seite sind im Vergleich zur Transportgleichung der thermochemischen PDF ungeschlossene Anteile aus den Impulsgleichungen hinzugekommen, die modelliert werden m¨ ussen. Bei den weiteren Umformungen wird mit P = ρP/ρ auf eine Favre-gemittelte PDF u ¨bergegangen. Da alle Terme bereits im Zusammenhang mit den Transportgleichungen der Geschwindigkeits-PDF oder der thermochemischen PDF diskutiert wurden, folgt ohne weitere Erkl¨ arungen die Transportgleichung der Verbund-PDF des Geschwindigkeitsvektors und der thermochemischen Skalare ∂ P ∂ P ∂ P ∂ ρ + ρ u ˆi ρD − ∂t ∂xi ∂xi ∂xi 6 8 7 .
8 ∂ ∂ ∂τ ∂p 1 ∂p ij 8Φ = Ψ P = ρ − fi P + ρ − ∂u ˆi ρ ∂xi ∂u ˆi ∂xi ∂xj 8 ρ 8 7 .6
∂ ∂Φl ∂Φm 88 Sk ∂ ∂ Φ = Ψ P − ρ D − ρ P 8 ∂Ψl ∂Ψm ∂xi ∂xi ρ ∂ Yˆk 6 8 7 8 ∂p ∂p ∂ui P ∂ 8 + ui (11.41) + τij + ρui fi 8Φ = Ψ − ρ ˆ ∂t ∂xi ∂xj ρ ∂h mit impliziter Summation u ¨ ber i, j = 1, 2, 3, k = 1, 2, . . . , Nk−1 und l, m = I, I + 1, . . . , M f¨ ur I = 4, M = Nk + 3. Hier ist nochmals hervorzuheben, dass ˆ von den vier wichtigen Prozessen in der Transportgleichung f¨ ur P(ˆ u, ˆ h, Y) Konvektion, chemische Reaktion, molekulare Mischung und Beschleunigung die ersten beiden geschlossen erscheinen. Da sich aus P alle h¨oheren Momente von Φ berechnen lassen, gilt das auch f¨ ur die Reynolds-Spannungen und die turbulente kinetische Energie. Somit muss zur Schließung von Gl. (11.41) nur der Druck p sowie die gew¨ ohnlich zur Modellierung ben¨otigte Dissipationsrate von außen bereitgestellt werden. Zusammenhang mit einfacheren PDF. Die PDF P enth¨alt alle Informationen der weniger Variablen umfassenden PDF Pu und Ps , die als deren Rand-PDF angesehen werden k¨ onnen. Entsprechend folgt
11.6 Zusammenh¨ ange mit Gleichungen erster Momente
Pu =
ˆ h
ˆ Y, ˆ dY ˆ u ˆ ˆ ; x, t dh P h,
185
(11.42)
ˆ Y
durch Integration u ¨ber den thermochemischen Raum und ˆ Y, ˆ u ˆ ; x, t dˆ Ps = P h, u
(11.43)
ˆ u
durch Integration u ¨ ber den Geschwindigkeitsraum. Bei der Bestimmung von ˆ Yˆα , p) Pu ist die Dichte (unter den gegebenen Bedingungen) mit ρ = ρ(h, keine Zufallsvariable der PDF und es gilt ρ = ρ sowie Pu = Pu .
11.5 Verbund-MDF skalarer und vektorieller Gr¨ oßen Alle vorgestellten PDF-Transportgleichungen lassen sich in entsprechende Transportgleichungen von Massendichtefunktionen (MDF) u uhren. Mit ¨ berf¨ der Definition (4.45) folgt aus Gl. (11.41) die Transportgleichung der MDF des Geschwindigkeitsvektors und der thermochemischen Skalare ∂F ∂ (ˆ ui F ) + ∂t ∂xi 8 7 .
.6 F 1 ∂p ∂ ∂p ∂ ∂τij 88 Φ=Ψ = − fi F + − 8 ∂u ˆi ρ ∂xi ∂u ˆi ∂xi ∂xj ρ 8
7 .6 ∂ ∂Φl ∂Φm 88 Sk ∂ ∂ F Φ=Ψ F − D − ∂Ψl ∂Ψm ∂xi ∂xi 8 ρ ∂ Yˆk 8 7 .6 8 ∂p ∂ui F ∂ ∂p + ui (11.44) − + τij + ρui fi 88Φ = Ψ ˆ ∂t ∂xi ∂xj ρ ∂h mit impliziter Summation u ¨ ber die Indizes i, j = 1, 2, 3, k = 1, 2, . . . , Nk−1 und l, m = I, I + 1, . . . , M f¨ ur I = 4, M = Nk + 3. Die molekulare Diffusion im physikalischen Raum ist in dieser Gleichung vernachl¨assigt. MDFTransportgleichungen spielen bei Lagrange-Ans¨atzen und bei variabler Dichte eine wichtige Rolle.
11.6 Zusammenh¨ ange mit Gleichungen erster Momente ˆ Y, ˆ u ˆ ; x, t) alle lokalen statistischen Informationen der Enthalpie-, Da P ( h, Komponenten- und Impulsgleichungen enth¨ alt, lassen sich daraus die Transportgleichungen beliebiger Momente dieser Zufallsvariablen gewinnen. Dazu ist Gl. (11.41) mit den entsprechenden Gr¨ oßen zu multiplizieren und u ¨ber den Geschwindigkeits- und thermochemischen Raum zu integrieren. Dies wird an Hand der vereinfachten PDF-Transportgleichung (11.40) unter Nutzung der
186
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
in den Gln. (11.7) bis (11.9) definierten Terme Ai , B und Ck veranschaulicht. ¨ Nach Uberf¨ uhrung der momentanen PDF in eine Favre-gemittelte ergibt sich
∂ ∂ ∂ ρ P + Ai |Φ = Ψ P ρ u ˆi P = − ∂t ∂xi ∂u ˆi
∂ ∂ B|Φ = Ψ P − Ck |Φ = Ψ P (11.45) − ∂ Yˆk ∂ˆ h mit Ψ = (Ψ1 , Ψ2 , . . . , ΨM )T , M = Nk + 3 und impliziter Summation u ¨ber die Indizes i = 1, 2, 3 und k = 1, 2, . . . , Nk−1 . Diese Gleichung ist identisch zu Gl. (11.41), da letztere ausschließlich durch Umformungen daraus hervorgeht. Es folgen die Transportgleichungen f¨ ur ˆ dY ˆ , ρuj aus u ˆj × Gl. (11.45) dˆ u dh (11.46) ˆ u
ˆ h
ˆ u
ˆ h
ˆ Y
ρYα aus ρuj Yα aus
ˆ u
ˆ h
ˆ Y
ˆ Y
ˆ dY ˆ , u dh Yˆα × Gl. (11.45) dˆ
(11.47)
ˆ dY ˆ , (11.48) (ˆ uj − u j )(Yˆα − Yα ) × Gl. (11.45) dˆ u dh
mit u j = ρuj /ρ und Yα = ρYα /ρ. Dieses Vorgehen ist auf beliebige Momente von Φ und auf Funktionen von Φ u ¨ bertragbar. 11.6.1 Transportgleichungen erster Momente Als Beispiel f¨ ur die Herleitung der Transportgleichung eines ersten Moments aus P dient Gl. (11.46), wobei die zu integrierenden Terme separat behandelt werden. F¨ ur die Zeitableitung folgt
∂(ρ P) ˆ dY ˆ = ∂ dˆ u dh u ˆj ∂t ∂t ˆ Y
j ) ˆ dY ˆ = ∂(ρ u ρ u ˆj P dˆ u dh ∂t ˆ ˆ Y ˆ ˆ h ˆ h u u (11.49) mit ρ = ρ. Beim konvektiven Transport ist in gleicher Weise zu verfahren. Schwieriger gestaltet sich die Integration der mit uˆj multiplizierten rechten Seite von Gl. (11.45). Hierzu wird die Beziehung
∂ ˆ ˆ ˆ dY ˆ = 0 Q(ˆ u, h, Y) Ai |Φ = Ψ P dˆ u dh (11.50) ˆi ˆ Y ˆ ∂u ˆ h u genutzt, die f¨ ur zahlreiche Funktionen Q g¨ ultig ist. Der Beweis findet sich bei Pope [204]: Unter Verwendung des Gauß’schen Integralsatzes l¨asst sich das Volumenintegral u ¨ ber den Geschwindigkeitsraum in ein entsprechendes Oberfl¨ achenintegral u uhren. Da u ¨berf¨ ¨ ber den gesamten Geschwindigkeitsraum ˆu ˆ T → ∞ zu integriert werden muss, ist das Oberfl¨ achenintegral bei v = u
11.6 Zusammenh¨ ange mit Gleichungen erster Momente
187
bilden. Wenn es sich bei Q nun um eine monotone Funktion handelt und wenn ferner der Erwartungswert QAi existiert, gilt Gl. (11.50) wegen P → 0 f¨ ur v → ∞. Diese Beziehung ist in ¨ ahnlicher Weise auf den Massenanteilraum u ur den ersten Term der mit u ˆj multiplizierten rech¨ bertragbar. Damit folgt f¨ ten Seite von Gl. (11.45)
∂ ˆ dY ˆ − Ai |Φ = Ψ P dˆ u ˆj u dh ∂u ˆi ˆ Y ˆ ˆ h u
. ∂ ∂u ˆj ˆ dY ˆ = − u ˆj Ai |Φ = Ψ P + Ai |Φ = Ψ P dˆ u dh ∂u ˆi ∂u ˆi ˆ Y ˆ ˆ h u ∂u ˆj ˆ dY ˆ = Aj . Ai |Φ = Ψ P dˆ u dh (11.51) = ˆi ˆ Y ˆ ∂u ˆ h u F¨ uhrt man die entsprechenden Integrationen auch f¨ ur die bedingten Erwartungswerte mit B und Ck durch, so entfallen diese bei Nutzung von Gl. (11.50) h = ∂u ˆj /∂ Yˆk = 0. Durch Zusammenf¨ ugen aller Anteile folgt die wegen ∂ u ˆj /∂ ˆ Bilanzgleichung des Erwartungswerts des Impulses, wie sie in Gl. (5.3) angegeben ist. Auf gleiche Weise lassen sich die Bilanzgleichungen der mittleren Enthalpie und der mittleren Komponentenmassenanteile gewinnen. 11.6.2 Transportgleichungen zweiter Momente Die Bestimmung der Transportgleichung eines zweiten Moments aus der PDFTransportgleichung wird f¨ ur die Varianzen und Kovarianzen der Massenanteile gezeigt. Hierzu ist Gl. (11.45) mit Yˆα Yˆβ zu multiplizieren und u ¨ ber den Zustandsraum zu integrieren. F¨ ur die beiden Terme der linken Seite ergibt sich ∂ ρ Yα Yβ ∂ + ρ ui Yα Yβ . (11.52) ∂t ∂xi Zur Integration der mit Yˆα Yˆβ multiplizierten rechten Seite ist Gl. (11.50) auf Ableitungen nach Yˆk (wobei Ai durch Ck zu ersetzen ist) zu u ¨ bertragen. Mit einem zu Gl. (11.51) analogen Vorgehen folgt 7
6 ˆ dY ˆ ∂ Ck |Φ = Ψ P dˆ ˆ = ∂ Q(u, h, Y) Ck − Q(ˆ u, ˆ h, Y) u dh ∂Yk ˆ Y ˆ ∂ Yˆk ˆ h u (11.53) ˆ Y) ˆ = Yˆ Yˆ und mit Q(ˆ u, h, α β
9 : ∂ ˆ dY ˆ Ck |Φ = Ψ P dˆ u dh Yˆα Yˆβ ˆ Y ˆ ∂ Yˆk ˆ h u < ; 9 : ∂ (Yˆα Yˆβ ) Ck = Yβ Cα + Yα Cβ . = ˆ ∂ Yk
−
(11.54)
188
11 Herleitung der PDF-Transportgleichung
Hier ist zu beachten, dass sich die Summenkonvention nur auf die Indizes i bis m und nicht auf griechische Indizes bezieht. Die anderen beiden Integrale, die bei der Bildung des zweiten Moments auftreten (sie beinhalten Ai und ˆi = ∂ (Yˆα Yˆβ )/∂ ˆh = 0. F¨ ugt man die einB), entfallen wegen ∂ (Yˆα Yˆβ )/∂ u zelnen Terme zu einer Gleichung zusammen, dann ergibt sich f¨ ur α = β die Transportgleichung der Varianz und f¨ ur α = β die der Kovarianz von Massenanteilen. Analog dazu lassen sich die Transportgleichungen der ReynoldsSpannungen oder anderer h¨ oherer Momente ableiten.
12 Modellierung ungeschlossener Terme
In den PDF-Transportgleichungen (11.17), (11.32), (11.36) und (11.41) sowie in den entsprechenden MDF-Transportgleichungen treten ungeschlossene Terme in Form bedingter Erwartungswerte auf. In diesem Kapitel werden m¨ogliche Modellierungsans¨ atze behandelt, wobei auf Kompressibilit¨at und Dissipation nicht eingegangen wird. Beide Effekte lassen sich auf Partikelebene durch ¨ eine Anderung der Teilchenenthalpie modellieren [125, 181].
12.1 Konditionierte Beschleunigung Ist der Geschwindigkeitsvektor in der PDF enthalten, so tritt in deren Transportgleichung der konditionierte, ungeschlossene Term 8 6 6 8 7 7 8 8 1 ∂τij 1 ∂p Ai 88Φ = Ψ − + ρfi 88Φ = Ψ = ρ ∂xj ∂xi ρ 8 7 . 6 1 ∂τij ∂p 1 ∂τij ∂p 88 Φ=Ψ = − + ρfi + − (12.1) ρ ∂xj ∂xi ρ ∂xj ∂xi 8
Ai |Φ = Ψ
auf, wobei fi hier als konstant vorausgesetzt wird. Aus der Zerlegung in einen Ausdruck mittlerer Gr¨ oßen und einen mit Schwankungsanteilen geht der Term konditionierter Beschleunigung Ai |Φ = Ψ/ρ (m/s2 ) hervor, der auf fluktuierenden viskosen Kr¨ aften und Druckfluktuationen beruht. Er ist die Folge des Terms Ai /ρ in der Impulsgleichung (11.7), in der er eine Beschleunigung oder Verz¨ ogerung bewirkt. Bei Ai |Φ = Ψ/ρ handelt es sich um den wichtigsten ungeschlossenen Term der Transportgleichung der GeschwindigkeitsPDF. Bei einer reinen Geschwindigkeits-PDF hat die Konditionierung f¨ ur ˆ Y) ˆ mit Ψ = u ˆ Y ˆ zu konditioˆ zu erfolgen, w¨ ˆ , h, Ψ = u ahrend bei P (ˆ u, h, nieren ist. Dennoch wird bei der Modellierung auch im zweiten Fall meist von ˆ ausgegangen, was nur f¨ Ai |Φ = Ψ ≈ Ai |u = u ur konstante Dichte gerechtfertigt ist [85]. Nach Haworth und Pope [118] sowie Pope [210] l¨asst sich der
190
12 Modellierung ungeschlossener Terme
Term konditionierter Beschleunigung mit dem verallgemeinerten LangevinModell (GLM - generalized Langevin model) 1 1 1 ∂Pu A |Φ = Ψ = Gij (ˆ uj − uj ) − C0 ρ i 2 Pu ∂ u ˆi
(12.2)
schließen. Mit den Koeffizienten C0 (x, t) und dem Tensor Gij (x, t) steht dieser Ansatz f¨ ur eine ganze Klasse von Modellen. Bei geeigneter Wahl der Koeffizienten verhalten sich die aus der PDF hervorgehenden Reynolds-Spannungen wie die entsprechender Reynolds-Spannungsmodelle (bei RSM ist dar¨ uber hinaus der Dreifachkorrelationsterm ui uj uk zu modellieren, der beim PDFVerfahren geschlossen erscheint). Im Allgemeinen werden C0 und Gij aus lokalen Werten der Reynolds-Spannungen, Gradienten der mittleren Geschwindigkeiten und der Dissipationsrate bestimmt. Einer der einfachsten Modellierungsans¨ atze ist mit
1 3 Gij = − + C0 δij (12.3) 2 4 k das vereinfachte Langevin-Modell (simplified Langevin model - SLM) [208, 210]. F¨ ur C0 = 2, 1 entspricht dies einem Ansatz von Rotta [210] mit linearer Relaxation zur Isotropie [183]. Weitere Details zur Modellierung der konditionierten Beschleunigung finden sich bei Pope [207, 210] und Fox [85].
12.2 Turbulente Konvektion Ist der Geschwindigkeitsvektor nicht in der PDF enthalten, so ist in deren Transportgleichung an Stelle der konditionierten Beschleunigung die turbulente Konvektion zu modellieren. Das geschieht meist mittels GradientenDiffusions-Ansatz 9 8 : ∂ Ps ρ ui 8Φ = Ψ Ps = − ρDt . (12.4) ∂xi Diese Approximation bietet sich an, wenn zur Turbulenzmodellierung ein Wirbelviskosit¨atsmodell verwendet wird. Dt ist dann bei konstanter Schmidt-Zahl u ¨ ber Gl. (6.4) aus µt berechenbar. Gleichung (12.4) ergibt einen diffusiven Transport im physikalischen Raum. Dieser Schließungsansatz f¨ ur einen bedingten Erwartungswert l¨ asst sich in den bei Momentenverfahren u ¨blichen Gradienten-Diffusions-Ansatz u uhren. Hierzu sind in Gl. (12.4) beide Sei¨berf¨ ten mit Ψα zu multiplizieren und u ¨ ber Ψ zu integrieren : 9 8 ∂ Ps ρ Ψα ui 8Φ = Ψ Ps dΨ = − ρ Ψα D t dΨ ∂xi Ψ Ψ ∂ ρui Φα = − ρDt Ψα Ps dΨ ∂xi Ψ Φ = − ρD ∂ Φα . ρ u (12.5) t i α ∂xi
12.3 Turbulente Mischung
191
Erfolgt die Turbulenzmodellierung dagegen mit einem Reynolds-Spannungsmodell, dann ist ein komplexerer Ansatz angebracht [68], beispielsweise 9 8 : 9 : k ∂ Ps ρ ui 8Φ = Ψ Ps = − Cc ρui uj . ∂xj
(12.6)
Im Gegensatz zur skalaren, isotropen Modellierung (12.4) handelt es sich dabei um einen tensoriellen, anisotropen Ansatz.
12.3 Turbulente Mischung Der wichtigste ungeschlossene Term in der Transportgleichung einer thermochemischen PDF ist der turbulente (molekulare) Mischungsterm 8 7 .6 ∂ ∂ ∂Φl ∂Φm 88 ρ Φ = Ψ D P ≡ ρTM P (12.7) ∂Ψl ∂Ψm ∂xi ∂xi 8
1 2
χclm
mit impliziter Summation u ¨ber i = 1, 2, 3 und l, m = I, I + 1, . . . , M . Die Indizes l und m erstrecken sich bei allen, in Abschn. 11.3 bis 11.5 vorgestellten Varianten von I bis M und umfassen die Nk thermochemischen Variablen h, Y1 , Y2 , . . . , YNk−1 . Die L¨ osung der PDF- oder MDF-Transportgleichung erfolgt gew¨ ohnlich mittels Operator-Splitting (s. Abschn. 13.2). Daher wurde in Gl. (12.7) bereits der Operator TM definiert, der f¨ ur den Teilprozess der ,,turbulenten Mischung” steht. Ferner definiert χclm den bedingten Erwartungswert der skalaren Dissipationsrate (konditionierte skalare Dissipation). Bevor auf dessen Modellierung eingegangen wird, sind einige grunds¨atzliche ¨ Uberlegungen angebracht. Der turbulente Mischungsterm beschreibt Diffusionsvorg¨ ange bzw. Mikromischungsvorg¨ange (micro-mixing) auf kleinskaliger, molekularer Ebene. Diese Transportprozesse im physikalischen Raum werden durch Gradienten in den kleinsten Skalen hervorgerufen, was mehrere Probleme nach sich zieht. Zum einen k¨ onnen solche Abmessungen durch das Rechengitter nicht aufgel¨ ost werden und zum anderen stellt die ein-Punkt-PDF die ben¨ otigten L¨ angenskalen nicht bereit. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Modellierung dieses Vorgangs. Unter Annahme konstanter Diffusionskoeffizienten l¨ asst sich der molekulare Mischungsterm in Form einer zwei-PunktePDF ausdr¨ ucken, was das Schließungsproblem etwas veranschaulicht, nicht aber behebt [137]. Bei der Wasserstoffverbrennung (oder anderen Mischungsprozessen von Komponenten mit stark unterschiedlichem Molekulargewicht) stellt sich dar¨ uber hinaus die Frage, inwieweit die gew¨ohnlich getroffene Annahme gleicher Diffusionskoeffizienten aller Spezies Fehler nach sich zieht. Die Modellierung des turbulenten Mischungsterms hat sich nach Pope an verschiedenen Vorgaben zu orientieren [207, 210]. Dazu z¨ahlt, dass die gew¨ahlten Modelle Konsistenz in der Dimension, Unabh¨angigkeit vom Koordinatensystem sowie Galilei-Invarianz aufweisen. Ferner sollte die Unabh¨angigkeit
192
12 Modellierung ungeschlossener Terme
passiver Skalare, die Begrenztheit der Massen- und Molanteile und eine Be¨ schr¨ankung der Anderungen auf lokal begrenzte Gebiete im Mischungsraum gew¨ ahrleistet sein. Nur die letzte Forderung betrifft den eigentlichen physikalischen Prozess. Ferner sollte ein f¨ ur mehrere reagierende Skalare aufgestelltes Mischungsmodell im Grenzfall eines einzigen nicht-reagierenden Skalars auch dessen Verhalten korrekt wiedergeben. F¨ ur diesen Sonderfall liegen aus DNS und Experimenten Erkenntnisse vor. Zudem lassen sich f¨ ur solch einfache Bedingungen auch analytische Betrachtungen anstellen. Im Fall passiver Skalare mit gleichen Diffusionskoeffizienten hat sich die Entwicklung von Mischungsmodellen an folgenden Vorgaben zu orientieren: 1. Die Erwartungswerte Φα bleiben von der molekularen Mischung unbeeinflusst, 2 2. die Varianzen Φα nehmen durch die molekulare Mischung zeitlich ab, 3. die PDF geht zeitlich asymptotisch von einer beliebigen Anfangsverteilung in eine multivariate Gauß-Verteilung u ¨ber, 4. bei hoher Reynolds-Zahl und homogener Turbulenz sollte das Mischungsmodell der Skalare unkorreliert mit den Geschwindigkeitsfluktuationen sein. Die vierte Forderung h¨ angt mit der Annahme lokaler Isotropie der Skalarund Geschwindigkeitsfelder in den kleinsten Turbulenzstrukturen zusammen. Dies setzt hohe Reynolds-Zahlen voraus und gilt nicht, wenn Gradienten in den mittleren Skalaren auftreten [85]. Die meisten Mischungsmodelle erf¨ ullen nur einen Teil der oben genannten Punkte. Skalare Dissipation bei homogener, isotroper Turbulenz. Der Fall homogener, isotroper Turbulenz hat die Entwicklung von Mischungsmodellen stark gepr¨ agt. Bei einem einzelnen passiven Skalar Φ ist in diesem Sonderfall der Gradient des Erwartungswerts null, woraus ∂Φ/∂xi = ∂Φ /∂xi folgt. Gleiches gilt f¨ ur die mittleren Geschwindigkeiten sowie deren Gradienten. Die Problemstellung ist damit so gew¨ ahlt, dass in der PDF-Transportgleichung 8 7 . 6 ∂2 ∂Φ ∂Φ 88 ∂ PΦ Φ = Ψ PΦ = − D (12.8) ∂t ∂Ψ 2 ∂xi ∂xi 8
1 2
χcΦ
auf der rechten Seite nur der molekulare Mischungsterm verbleibt. In dieser Gleichung bezeichnet χcΦ die konditionierte skalare Dissipation der Variable Φ. Die (unkonditionierte) skalare Dissipationsrate χΦ ergibt sich mit 8 7 6 ∂Φ ∂Φ 88 Φ = Ψ PΦ (Ψ ) dΨ χcΦ PΦ (Ψ ) dΨ = 2 D χΦ = ∂xi ∂xi 8 6 7 1 ∂Φ ∂Φ = 2 ρD (12.9) ρ ∂xi ∂xi
12.3 Turbulente Mischung
193
durch Integration der konditionierten Gr¨ oße. Um Aufschl¨ usse u ¨ber den zu modellierenden turbulenten Mischungsterm zu erhalten, wird Gl. (12.8) zum bekannten Verhalten der ersten beiden Momente von Φ in Bezug gesetzt. Die gemittelte Erhaltungsgleichung eines passiven Skalars folgt bei statistisch station¨ arer Turbulenz mit Φ = Yj und Sj = 0 aus Gl. (5.2). Darin verschwinden unter den gegebenen Bedingungen alle konvektiven und diffusiven Fl¨ usse und man erh¨ alt dΦ/dt = 0. Dieses Ergebnis muss sich auch aus Gl. (12.8) ergeben. Nach Multiplikation mit Ψ , Nutzung der Beziehungen (11.27) und (11.50) sowie Integration u ¨ ber den Zustandsraum folgt 8 7 .6 ∂ PΦ dΦ ∂2 ∂Φ ∂Φ 88 Ψ Φ = Ψ PΦ dΨ dΨ = = − Ψ D ∂t dt ∂Ψ 2 ∂xi ∂xi 8 8 . 7 6 1 ∂ ∂ ∂Φ 88 = Ψ Φ = Ψ PΦ dΨ ρD ρ ∂Ψ ∂xi ∂xi 8 6 7 ∂Φ 1 ∂ ρD = 0. (12.10) = ρ ∂xi ∂xi Bei homogener, isotroper Turbulenz ruft der molekulare Mischungsterm somit ¨ keine Anderung im Erwartungswert des passiven Skalars hervor. Damit stellt sich die Frage, wie sich unter den gegebenen Bedingungen dessen Varianz verh¨ alt? Aus Gl. (6.81) ergibt sich ∂ / ∂Φ ∂Φ ∂Φ ∂Φ ρ Φ 2 = − 2 ρD = − 2 ρD = − ρχΦ ∂t ∂xj ∂xj ∂xj ∂xj
(12.11)
f¨ ur α = β, Φ = Yα und Sα = 0. Das gleiche Resultat folgt aus Gl. (12.8), wenn 2 mit Ψ multipliziert und u ¨ ber den Zustandsraum integriert wird. Hierzu ist der in Gl. (11.27) verfolgte Weg in umgekehrter Richtung zu beschreiten und Gl. (11.54) anzuwenden. Es zeigt sich, dass die skalare Dissipationsrate immer positiv sein muss und dass der molekulare Mischungsterm eine Abnahme der Varianz bewirkt. Das f¨ uhrt auf den bereits mehrfach (z.B. in den Gln. (6.91) und (6.92)) verwendeten Modellierungsansatz / 2 ∂ / ρ¯ Φ ρ Φ 2 = − CΦ . ∂t τ
(12.12)
Durch die dimensionslose Konstante CΦ wird ein linearer Zusammenhang zwischen dem unbekannten Zeitmaß τΦ und dem bekannten Zeitmaß τ (der Geschwindigkeitsfluktuation) hergestellt. Ein Mischungsmodell sollte die modellierte Abnahme der Varianz korrekt wiedergeben. Skalare Dissipation bei hohen Reynolds-Zahlen. Die f¨ ur homogene, isotrope Turbulenz getroffenen Aussagen lassen sich bei hohen Reynolds-Zahlen auf die Mischung mehrerer passiver Skalare u ¨ bertragen. In diesem Fall darf davon ausgegangen werden, dass in der Bilanzgleichung (5.2) mit Sα = 0
194
12 Modellierung ungeschlossener Terme
(passiver Skalar) der diffusive Term auf der rechten Seite vernachl¨assigbar ist. Setzt man ferner gleiche Diffusionskoeffizienten (Dα = D) voraus, so folgt, dass der Mischungsterm die Erwartungswerte der Skalare nicht beeinflusst und deren Varianz mindert. Weiterhin l¨ asst sich zeigen, dass unter diesen Bedingungen der Dissipations-Tensor χαβ der Varianzen und Kovarianzen (s. Gl. (6.102) f¨ ur χαα ) symmetrisch positiv semi-definit sein muss [239]. Daraus lassen sich weitere Bedingungen f¨ ur ein Mischungsmodell ableiten. 12.3.1 Modellierung des turbulenten Mischungsterms Zur effizienten L¨ osung der PDF-Transportgleichung wird die PDF durch Partikel repr¨ asentiert (s. Kap. 13), was Mischungsmodelle auf Partikelebene erfordert. Gegeben sei ein Ensemble aus β = 1, 2, . . . , N stochastischen Partikeln Φ(∗) = [Φ(1) , Φ(2) , . . . , Φ(N ) ], von denen jeder M ,,Eigenschaften” (β)
(β)
(β)
Φ(β) (x, t) = Φ1 (x, t), Φ2 (x, t), . . . , ΦM (x, t)
(12.13)
besitzt. Damit repr¨ asentiert er einen Punkt im M -dimensionalen Zustandsraum. Die durch den Mischungsterm hervorgerufene Entwicklung der PDF (β) ¨ außert sich in Anderungen der Partikeleigenschaften Φi , i = I, I + 1, . . . , M , ¨ welche die Variablen h, Y1 , Y2 , . . . , YNk−1 betreffen. I und M definieren die Indizes der thermochemischen Variablen in Φ (bez¨ uglich konkreter Werte s. Abschn. 11.3 bis 11.5). Diese Interaktion im Zustandsraum stellt einen r¨aumlich lokalen Prozess dar, zu dessen Umsetzung die daran beteiligten Partikel zu definieren sind. Das geschieht gew¨ ohnlich durch Zusammenfassung der Teilchen einer Gitterzelle. Der daraus resultierende Fehler skaliert mit der Gr¨oße der Zelle. Bei der L¨ osung der PDF-Transportgleichung mittels Operator-Splitting (s. Abschn. 13.2) wird der Teilschritt turbulenter Mischung durch P ∗2 − P∗1 = TM P ∗1 ∆t
(12.14)
ur die partikelbasierte PDF nach approximiert. Darin steht P ∗1 bzw. P ∗2 f¨ dem ersten bzw. zweiten Teilprozess. Turbulente Mischung ist in Gl. (13.3) der zweite ablaufende Teilprozess, der bei den stochastischen Partikeln mit dx(β) = 0 , (β) dΦj
= 0
(12.15) :
j = 1, 2, . . . , I − 1
(12.16)
¨ weder Anderung der Partikelorte noch der nicht-thermochemischen Eigenschaften bewirkt. Dagegen ruft das Mischungsmodell bei den thermochemi¨ schen Eigenschaften i = I, I + 1, . . . , M eines Partikels β Anderungen hervor, die sich bei Partikel-Interaktions-Modellen durch (β)
dΦi dt
= −
N 1 (γ) Mβγ Φi w(β) γ=1
(12.17)
12.3 Turbulente Mischung
195
beschreiben lassen [240]. Es wird vorausgesetzt, dass die (N ×N )-PartikelInteraktions-Matrix M mit den Elementen Mβγ , β, γ = 1, 2, . . . , N f¨ ur alle Partikel identisch ist. Ein Element dieser Matrix gibt die Wechselwirkung der Teilchen β und γ bez¨ uglich der skalaren Gr¨oße i an. Durch die normierten Partikelgewichtungsfaktoren m(β) w(β) = N (α) α=1 m
(12.18)
wird der unterschiedlichen Gewichtung der Partikel auf Grund ihrer individuellen Massen m(β) Rechnung getragen. Bei Euler-PDF-Verfahren (s. Abschn. 13.4) kann von gleicher Gewichtung aller Teilchen und damit m(β) = 1 bzw. w(β) = 1/N f¨ ur β = 1, 2, . . . , N ausgegangen werden). Das PartikelInteraktions-Modell (12.17) sollte alle zuvor genannten Anforderungen an ein Mischungsmodell erf¨ ullen. Daraus ergeben sich Anhaltspunkte bez¨ uglich der Elemente von M. Nach Subramaniam und Pope [240] ist N 1. ur, dass β=1 Mβγ = 0 eine notwendige und hinreichende Bedingung daf¨ ¨ in homogener, isotroper Turbulenz die zeitliche Anderung des EnsembleMittels null wird, 2. bei Austauschmodellen die auf Paaren beruhen (z.B. das Curl-Modell aus Abschn. 12.3.3) eine symmetrische Partikel-Interaktions-Matrix mit nichtpositiven Nebendiagonalelementen zu w¨ ahlen. Das gew¨ahrleistet die bei homogener, isotroper Turbulenz geforderte Abnahme der Varianz. In diesem Fall muss Mβγ = Mγβ ≤ 0 Mββ = −
N γ=1 γ=β
: β = γ ,
Mβγ = −
N
Mγβ
(12.19)
γ=1 γ=β
gelten. Diese Bedingungen sichern nur die Erf¨ ullung von zwei der zuvor genannten Anforderungen. Viele Anforderungen lassen sich nicht oder nur schwer mathematisch formulieren. In Abschn. 12.3.2 und 12.3.3 werden zwei verbreitete Mischungsmodelle vorgestellt, die beide nicht in der Lage sind, die f¨ ur relativ einfache Bedingungen (isotrope, homogene Turbulenz ohne Reaktionen) abgeleiteten Anforderungen an ein Mischungsmodell vollst¨andig zu erf¨ ullen. Wegen ihrer guten Anwendbarkeit (einfach zu programmieren, vergleichsweise geringer Rechenaufwand) kommen sie dennoch h¨aufig zum Einsatz. Ein Mischungsmodell, das die lokale N¨ ahe im Zustandsraum gew¨ahrleistet, ist das EMST-Modell (Euclidean Minimum Spanning Tree) von Subramaniam und Pope [240]. 12.3.2 IEM-Modell Das IEM-Modell (Interaction by Exchange with the Mean) oder auch LMSEModell (Least Mean Square Estimation) geht auf Dopazo [66] zur¨ uck und
196
12 Modellierung ungeschlossener Terme
ist eines der ¨ altesten und einfachsten Mikromischungsmodelle. Die zeitliche ¨ Anderung der Eigenschaft i des Partikels β im Zustandsraum wird durch (β)
dΦi dt
= −
1 (β) Φi (t) − Φi (t) 2τΦ
(12.20)
modelliert. Dieser Ansatz bewirkt eine u ¨ ber die Zeitskala τΦ gesteuerte Ann¨ aherung aller Partikel an den entsprechenden Erwartungswert. Dabei wird meist vorausgesetzt, dass alle Skalare (z.B. die Komponentenmassenanteile) der gleichen Zeitskala unterliegen. Da τΦ in der Regel unbekannt ist, wird mit τΦ =τ /CΦ und CΦ ≈ 2 ein linearer Zusammenhang zur Zeitskala der Geschwindigkeitsfluktuation hergestellt. Der Faktor 1/(2τΦ ) in Gl. (12.20) gew¨ahrleistet die zeitliche Abnahme der Varianz [207]. Die Partikel-Interaktions-Matrix des IEM-Modells ist mit 1 Mββ = 1 − w(β) w(β) , 2τΦ w(β) w(γ) Mβγ = − : γ = 1, 2, . . . , N, γ = β (12.21) 2τΦ zu besetzen [240], was den Erwartungswert in Gl. (12.20) durch ein EnsembleMittel nach Gl. (4.67) approximiert. W¨ ahrend dieses Modell bei isotroper, homogener Turbulenz die Erhaltung des Erwartungswerts und die Abnahme ¨ der Varianz korrekt wiedergibt, ist eine Begrenzung der Anderung auf die direkte Umgebung im Zustandsraum nicht gew¨ahrleistet. Das Gleiche gilt f¨ ur die Relaxation zur Gauß-Verteilung. Beim IEM-Modell bleibt die Form der Anfangsverteilung in isotroper Turbulenz f¨ alschlicherweise erhalten [207]. Wie aus den Gln. (12.20) und (12.21) hervorgeht, u ¨ben Geschwindigkeitsfluktuationen keinen direkten Einfluss auf dieses Mischungsmodell aus. Entsprechende Varianten sind im Fall einer gemeinsamen PDF des Geschwindigkeitsvektors und der thermochemischen Variablen aber verf¨ ugbar [85]. 12.3.3 Curl-Modell Ebenfalls weit verbreitet ist das Mikromischungsmodell von Curl [59], das urspr¨ unglich f¨ ur Fl¨ ussigkeitstr¨ opfchen entwickelt wurde. Bei diesem stochastischen Interaktions-Modell kommt es zur Wechselwirkung zwischen Teilchenpaaren. Aus einem Ensemble von N Partikeln werden Np Paare willk¨ urlich ausgew¨ ahlt, die in einem vorgegebenen Zeitintervall miteinander interagieren. Die nicht in den Np Teilchenpaaren enthaltenen Partikel bleiben unver¨andert. Np h¨ angt vom Zeitschritt ∆t sowie der charakteristischen Zeit der Mikromischung τΦ ab. F¨ ur die Np Paare sind neue Positionen im Zustandsraum zu bestimmen. Beim Curl-Modell nehmen die Partikel β und γ eines ausgew¨ahlten Paares einen Endzustand ein, der mit (β)
(β)
(γ)
Φi (t + ∆t) = Φi (t + ∆t) =
(γ)
m(β) Φi (t) + m(γ) Φi (t) m(β) + m(γ)
(12.22)
12.3 Turbulente Mischung
197
dem massegewichteten Mittelwert beider Anfangszust¨ande entspricht. Geht man von einem gegebenen, diskreten Start-Ensemble aus, so lassen sich damit nur bestimmte diskrete Punkte im Zustandsraum erreichen. Dies widerspricht der Erfordernis eines kontinuierlichen Mischungsmodells, nach der auch mit ¨ einer endlichen Zahl an Partikeln kontinuierliche Uberg¨ ange gew¨ahrleistet sein sollten (beim physikalischen Diffusionsvorgang ist das der Fall). Um das Curl(β) (β) Modell auf Gl. (12.17) zur¨ uckf¨ uhren, ist dΦi /dt durch dΦi zu ersetzen. Die Partikel-Interaktionsmatrix gestalten sich dann wie folgt [240]: Mββ =
w(β) w(γ) , w(β) + w(γ)
Mβγ = −
w(β) w(γ) , w(β) + w(γ)
: α = 1, 2, . . . , N, α = β, α = γ .
Mβα = 0
(12.23)
Im Gegensatz zum IEM-Modell dessen Matrixeintr¨age die Einheit 1/s besitzen, sind die Eintr¨ age des Curl-Modells dimensionslos. Das ist kein Widerspruch, da sich der Anteil der ausgew¨ ahlten Partikelpaare in der PDFTransportgleichung wie ein Term der Einheit 1/s verh¨alt [206]. Auch das Curl-Modell weist keine direkte Abh¨ angigkeit von den Geschwindigkeitsfluktuationen auf. Modifiziertes Curl-Modell. Im Gegensatz zur Standard-Formulierung lassen sich mit dem modifizierten Curl-Modell beliebige Punkte im Zustandsraum erreichen. Dazu wird die Zufallsvariable η eingef¨ uhrt [67, 132], mit der sich die Endzust¨ ande eines Partikelpaares wie folgt berechnen m(γ) (γ) (β) η Φ (t) − Φ (t) , i i m(β) + m(γ) m(β) (γ) (γ) (β) (γ) Φi (t + ∆t) = Φi (t) + (β) η Φ (t) − Φ (t) . (12.24) i i m + m(γ) (β)
(β)
Φi (t + ∆t) = Φi (t) +
Die in [0, 1] gleichverteilte Zufallsvariable η bewirkt, dass die Endzust¨ande eines Partikelpaares beliebig zwischen ihren Ausgangspunkten und dem Endzustand des urspr¨ unglichen Curl-Modells positioniert sein k¨onnen. Im Allgemeinen sind die neuen Positionen eines Partikelpaares unterschiedlich. F¨ ur η = 1 geht das modifizierte Curl-Modell in das urspr¨ ungliche Modell nach Gl. (12.22) u ande eines Partikelpaares bei beiden Curl¨ber. Da die Endzust¨ Modellen Linearkombinationen der Ausgangszust¨ande sind, bleibt der Erwartungswert unbeeinflusst. Pope [207] konnte f¨ ur gleiche Partikelgewichtung und konstante Dichte zeigen, dass das urspr¨ ungliche Curl-Modell bei verschwindendem Zeitschritt auf die korrekte Abnahme der Varianz von Skalaren f¨ uhrt. Von Nooren et al. [193] ist das f¨ ur unterschiedliche Teilchengewichtung und ¨ von M¨ obus [181] f¨ ur das modifizierte Curl-Modell best¨atigt worden. Der Ubergang zu einer Gauß-Verteilung wird nicht erreicht [207], jedoch der auf eine glockenf¨ ormige Struktur. Ebenfalls nicht gew¨ahrleistet ist eine Beschr¨ankung ¨ der Anderung auf die direkte Umgebung im Zustandsraum. Um zu verhindern,
198
12 Modellierung ungeschlossener Terme
¨ dass diskontinuierliche Anderungen des Curl-Modells eine Mischung u ¨ ber den Verbrennungsbereich hinweg zulassen, ohne dass es dabei zur Verbrennung kommt, haben Hsu und Chen [124] eine weitere Modellmodifikation vorgenommen. Bei dem daraus entstandenen, kontinuierlichen Mischungsmodell werden turbulente Mischung und chemische Reaktionen in einem Schritt abgearbeitet.
12.3.4 Testfall zu Mischungsmodellen Die Wirkungsweise der beiden vorgestellten Mikromischungsmodelle (IEMund modifiziertes Curl-Modell) soll eine Untersuchung von M¨obus [181] veranschaulichen. Betrachtet wird die Str¨ omung u ¨ber eine sehr feine Platte (splitter plate), die auf der Oberseite den Mischungsbruch Z =0 und auf der Unterseite den Mischungsbruch Z =1 aufweist. Abbildung 12.1 zeigt links oben die geometrischen Gegebenheiten des Testfalls. In diesem Bild sind auch die Positionen der sieben gleichfalls dargestellten PDF des Mischungsbruchs eingezeichnet. Auf PDF-Ebene handelt es sich dabei um einen vierdimensionale Testfall mit den Zufallsvariablen Mischungsbruch, den beiden Raumrichtungen und der Zeit. Zur L¨ osung der PDF-Transportgleichung wurde zwei eigenst¨ andige Verfahren eingesetzt: ein Finite-Differenzen-Verfahren und ein Euler-Partikelverfahren. Beide Verfahren sind r¨aumlich von erster Ordnung. Zur Minimierung des statistischen Fehlers der station¨aren L¨osung fand beim Partikel-Verfahren eine Mittelung der Partikel-Ensemble u ¨ber 1000 Iterationen statt, wobei pro Zelle mit 100 Partikeln gearbeitet wurde. In Abb. 12.1 sind die Resultate der FD-Verfahren mit Linien und die Ergebnisse der Partikelverfahren mit Symbolen dargestellt. Die Abbildungen zeigen Strukturen der PDF des Mischungsbruchs an den angegebenen r¨aumlichen Positionen. Aus ihnen geht hervor, dass 1. die L¨ osungen der Partikelverfahren und die der FD-Verfahren relativ gut u ¨bereinstimmen, 2. zwischen dem IEM- und dem modifiziertem Curl-Modell erhebliche Unterschiede bestehen. Ober- und unterhalb der Platte kann der Mischungsbruch nur die Zust¨ande null oder eins annehmen. Die PDF besteht bei den Positionen eins und zwei daher jeweils aus einem Delta-Impuls. Diese Verteilungen werden durch Kon¨ vektion stromab transportiert. Diffusion ruft hinter der Platte eine Anderung des Erwartungswerts in vertikaler Richtung hervor. Dabei k¨onnen keine neuen Partikel-Zust¨ ande 0 < Z < 1 entstehen [181]. Dies bewirkt erst die molekulare Mischung. W¨ ahrend bei Verwendung des Curl-Modells anf¨anglich (Position drei und vier) noch starke Peaks bei null und eins zu sehen sind, ist das beim IEM-Modell nicht der Fall. Die Relaxation der PDF in Richtung einer Gauß-Verteilung ist beim modifizierten Curl-Modell ausgepr¨agter, als beim IEM-Modell. Bei Letzterem bleibt die Form der Anfangsverteilung wesentlich l¨ anger erhalten.
12.3 Turbulente Mischung
199
Abb. 12.1. PDF des Mischungsbruchs an unterschiedlichen r¨ aumlichen Positionen. Die Abbildungen zeigen Resultate von FD- und Partikelverfahren bei Nutzung des IEM- (♦) und des modifizierten Curl- (•) Modells (M¨ obus [181])
13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung
Sieht man von ein- oder sehr niedrigdimensionalen PDF ab, so k¨onnen deren Transportgleichungen nicht mit FV- oder FD-Verfahren gel¨ost werden. Der Grund liegt in der hohen Dimension der PDF. Bei herk¨ommlichen Simulationsverfahren sind die abh¨ angigen Variablen (z.B. ρ, ui , E usw.) Funktionen von x und t und somit im vierdimensionalen Raum zu diskretisieren. Die einPunkt-eine-Zeit-PDF P = P (Ψ; x, t) ist dagegen nicht nur von Raum und Zeit abh¨ angig, sondern mit Ψ = (Ψ1 , Ψ2 , . . . , ΨM ) auch von den Variablen, deren statistisches Verhalten sie beschreibt. Der Rechenaufwand einer FDL¨ osung steigt exponentiell mit der Zahl unabh¨angiger Variablen an. Gleiches gilt f¨ ur den ben¨ otigten Hauptspeicher. Einen Ausweg bietet das 1981 von Pope [204] vorgeschlagenen Partikelverfahren, bei dem die PDF durch ein Ensemble stochastischer Partikel dargestellt wird. Partikelverfahren lassen sich sowohl in Euler’scher (s. Abschn. 13.4) als auch in Lagrange’scher (s. Abschn. 13.5) Schreibweise formulieren.
13.1 Partikelverfahren Abschnitt 4.4.1 hat gezeigt, dass sich mit Hilfe eines Partikel-Ensembles eine diskrete PDF definieren l¨ asst, die wiederum als Repr¨asentation der gesuchten PDF dienen kann. Es ist offensichtlich, dass die Darstellung der PDF durch Partikel wesentlich weniger Aufwand erfordert, als deren FD- oder FVDiskretisierung in einem multidimensionalen Raum. So f¨ uhrt eine Zunahme der Zahl an unabh¨ angigen Variablen M bei konstanter Partikelzahl nur zu einem linearen Anstieg des Hauptspeicherbedarfs und der Rechenzeit. Beide Gr¨ oßen h¨ angen auch linear von der Anzahl stochastischer Partikel N ab. Nachteilig ist, dass sich das korrekte statistische Verhalten erst f¨ ur sehr große N einstellt. Der statistische Fehler eN eines mit der diskreten PDF PN gebildeten Ensemble-Mittels (im Vergleich zu einem √ mit P gebildeten Erwartungswert) geht bei ansteigendem N nur mit 1/ N zur¨ uck [207]. Eine Reduzierung des Fehlers um eine Gr¨ oßenordnung erfordert daher eine hundertfach
202
13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung
h¨ ohere Partikelzahl. Dar¨ uber hinaus k¨ onnen die r¨aumlichen Ableitungen von Ensemble-Mitteln noch wesentlich gr¨ oßere statistische Fehler aufweisen [207]. Ohne zus¨ atzliche Maßnahmen w¨ aren daher in jeder Zelle zehntausende von Partikeln notwendig, um den statistischen Fehler gering zu halten. Ferner erschweren statistische Fehler die Koppelung des Partikelverfahrens mit FVoder FD-L¨ osern, was unter Umst¨ anden zur Divergenz der L¨osung f¨ uhren kann [183]. In statistisch station¨ arer Str¨ omung l¨ asst sich eN bei relativ kleinem N durch Einbeziehung (zeitlich) zur¨ uckliegender Informationen reduzieren. Eine Mittelung u ¨ber die letzten nm Zeitschritte hat einen ¨ahnlichen Effekt, wie die Mittelung eines Ensembles aus N ×nm Partikeln. Aus Hauptspeichergr¨ unden sind aber auch dieser Technik Grenzen gesetzt. Deshalb bietet es sich an, Werte zur¨ uckliegender Zeitschritte in ,,Paketen” zusammenzufassen und auf der Festplatte auszulagern [181]. Dies erfordert wiederum rechenzeitaufw¨ andige Ein- und Ausleseprozesse. Eine andere M¨oglichkeit beruht auf der Verwendung von Gewichtungsfunktionen [12]. Bei dieser Methode tragen alle zur¨ uckliegenden Zeitschritte zum momentanen Ergebnis bei, wobei der jeweils aktuelle Wert eine bestimmte Gewichtung erf¨ahrt. Vorteilhaft ist bei diesem Ansatz, dass keine zur¨ uckliegenden Werte im Speicher zu halten sind. Die ¨ jeweilige Aktualisierung dient nur der Anderung des lokalen Langzeitmittels; weit zur¨ uckliegende Informationen werden nicht getilgt. Um dennoch zu verhindern, dass ungenaue (nicht auskonvergierte) Anfangsdaten das Ergebnis zu sp¨ ateren Zeitpunkten verf¨ alschen, muss die Gewichtung mit fortschreitender Zeit zunehmen.
13.2 Operator-Splitting Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass sich die Entwicklung der PDF durch stochastische Partikel beschreiben l¨ asst. Jeder Partikel unterliegt w¨ahrend eines Zeitschritts ∆t einer Reihe gleichzeitig ablaufender Prozesse, die ¨ Anderungen seiner Eigenschaften im Zustandsraum und im physikalischen ¨ Raum nach sich ziehen. Basis f¨ ur die Bestimmung dieser Anderungen ist die modellierte PDF-Transportgleichung, die symbolisch als ∂ P = ( TT + TM + TR + TD ) P ∂t
(13.1)
ausgedr¨ uckt werden kann. Die Operatoren TT , TM , TR und TD fassen jeweils einen oder mehrere, in der Transportgleichung beschriebene Vorg¨ange zusammen. TT steht f¨ ur Transport im physikalischen Raum, TM f¨ ur Mischung im ¨ Zustandsraum, TR f¨ ur Anderungen auf Grund chemischer Reaktionen und TD f¨ ur molekulare Dissipation sowie Kompressibilit¨atseffekte, die sich ebenfalls im Zustandsraum abspielen [207, 183]. W¨ ahlt man zur zeitlichen Integration eine explizite Euler- (vorw¨arts) Diskretisierung und approximiert die rechte Seite
13.3 Chemische Reaktionen
203
von Gl. (13.1) als Produkt mehrerer Faktoren (fractional step method ) [272], dann folgt P (t + ∆t) = (I + ∆tTT ) (I + ∆tTM ) (I + ∆tTR ) (I + ∆tTD ) P (t) . (13.2) Diese Approximation ist O(∆t) [207]. Die vorgenommene Faktorisierung hat aus numerischer Sicht den Vorteil, dass die einzelnen Teilprozesse voneinander getrennt und mit P 1 = (I + ∆tTT ) P(t) , P 2 = (I + ∆tTM ) P 1 , P 3 = (I + ∆tTR ) P 2 , P (t + ∆t) = (I + ∆tTD ) P 3
(13.3)
hintereinander abgearbeitet werden k¨ onnen. Das bedeutet aber auch, dass die modellierten Vorg¨ ange nicht gleichzeitig ablaufen, sondern einer k¨ unstlich gew¨ ahlten Abfolge unterliegen. Das sequentielle Abarbeiten der einzelnen Teilschritte kann Probleme verursachen, wenn dadurch beispielsweise Mischung und chemische Reaktionen getrennt voneinander ablaufen. Auf Modellierungsans¨ atze f¨ ur den Operator TD wird hier nicht eingegangen. Dissipation und Kompressibilit¨ atseffekte spielen in erster Linie bei sehr schnellen Str¨omungen ¨ eine Rolle und lassen sich auf Partikelebene durch eine Anderung der Teilchenenthalpie modellieren [125, 181]. Der Teilprozess molekularer Mischung wurde ¨ in Abschn. 12.3.1 behandelt. Mit den Anderungen auf Grund chemischer Reaktionen befasst sich der Abschn. 13.3 und mit r¨aumlichen Transportprozessen Abschn. 13.4 (Euler-Verfahren) und 13.5 (Lagrange-Verfahren).
13.3 Chemische Reaktionen Der bei PDF-Verfahren (unter Ber¨ ucksichtigung der thermochemischen Variablen) geschlossen auftretende chemische Quellterm stellt einen Transport im thermochemischen Raum dar. Dieser Transport betrifft nur die Komponentenmassenanteile (oder andere Variablen zur Beschreibung der Gaszusammensetzung), wenn die Bilanzgleichung der Energievariable (z.B. E, e, H, h) keinen chemischen Produktionsterm enth¨ alt. Mit dem Operator-Splitting (13.3) folgt f¨ ur den Teilprozess TR der chemischen Reaktionen
P ∗3 − P ∗2 Sk ∗2 ∂ = TR P ∗2 = − (13.4) P ∆t ρ ∂ Yˆk ur diesen mit Summation u ¨ ber k = 1, 2, . . . , Nk−1 . Auf Partikelebene wird f¨ Vorgang keine Modellierung ben¨ otigt, da er mit (β)
dYk dt
=
1 (β) S ρ k
(13.5)
204
13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung
¨ Anderungen in den Partikeleigenschaften hervorruft, die sich exakt berechnen lassen [204]. Von diesem Prozess sind alle β = 1, 2, . . . , N Partikel eines Ensembles betroffen, wobei hier keine gegenseitige Beeinflussung besteht. Der Partikelort und alle Partikeleigenschaften mit Ausnahme der Massenanteile bleiben gem¨ aß dx(β) = 0 , (β) dΦj
= 0
(13.6) :
j = 1, 2, . . . , I
(13.7)
konstant. Der Parameter I gibt den Index der Enthalpie im Zufallsvektor Φ an (s. Abschn. 11.3 bis 11.5). Auf Grund der Steifigkeit des Verbrennungsgleichungssystems (13.5) ist gew¨ ohnlich eine implizite Diskretisierung zu w¨ ahlen. Das heißt, dass f¨ ur jeden Partikel ein gekoppeltes (Nk -1)×(Nk -1)Gleichungssystem gel¨ ost werden muss. Der damit verbundene Rechenaufwand stellt die Hauptursache der langen Rechenzeiten bei TransportgleichungsPDF-Simulationen dar. Dabei u uck¨ bt in erster Linie die Anzahl der ber¨ sichtigten Komponenten (an zweiter Stelle kommt die Zahl an Reaktionen) einen starken Einfluss auf die Rechenzeit aus. Mit der L¨osung solcher Gleichungssysteme befasst sich Abschn. 14.1. Auch die Bestimmung der TeilchenTemperaturen (aus der neuen Gaszusammensetzung) kann bei großem N sehr rechenzeitintensiv sein [182]. Um den von den chemischen Reaktionen ausgehenden Rechenaufwand zu begrenzen, bieten sich folgende M¨oglichkeiten an: 1. die Verwendung kleiner, reduzierter Reaktionsmechanismen, 2. den Reaktionsfortschritt nach Gl. (13.5) im voraus zu berechnen und diese Daten in Tabellen abzulegen, 3. die Tabellen des Reaktionsfortschritts als Baumstruktur ,,in-situ” (w¨ahrend der Rechnung) anzulegen (ISAT-Verfahren), 4. Tabellierungstechniken zu verwenden, die mit wenigen Zufallsvariablen auskommen (z.B. der Flamelet-Ansatz oder die ILDM-Technik). Jede der genannten Methoden hat ihre Vor- und Nachteile. Der FlameletAnsatz sowie die ILDM und ISAT-Techniken wurden in Abschn. 1.1.4 kurz besprochen. Insbesondere ISAT findet h¨ aufig bei Transportgleichungs-PDFSimulationen Verwendung [209, 218].
13.4 Euler-PDF-Verfahren Bei Euler-PDF-Verfahren werden die mittleren Geschwindigkeiten sowie die Turbulenzvariablen (z.B. k und ) mit einem FD- oder FV-Verfahren berechnet, w¨ ahrend die thermochemischen Variablen aus der L¨osung der PDFTransportgleichung hervorgehen. Von den vorgestellten PDF-Transportgleichungen l¨ asst sich nur die der thermochemischen PDF mit einem Euler-Verfahren l¨ osen. Hierzu wird jeder Zelle des Rechengitters ein Ensemble von Partikeln zugeordnet, die keinen individuellen Aufenthaltsort innerhalb der Zelle
13.4 Euler-PDF-Verfahren
205
besitzen. Dar¨ uber hinaus kann deren Zahl von Zelle zu Zelle variieren. Die Partikel dienen ausschließlich der Repr¨asentation der PDF an einem Ort zu einem Zeitpunkt. Bei diesen Teilchen handelt es sich nicht um Fluid-Partikel, was den Vorteil hat, dass die Zahl der Partikel nicht proportional zur Fluidmasse sein muss. Das erm¨ oglicht es, in verbrennungstechnisch interessanten Gebieten mit hoher, ansonsten mit niedriger Partikelzahl zu arbeiten. Liegt in einer Zelle i ein Ensemble aus N Partikeln (∗)
Φi
= [Φ(1) , Φ(2) , . . . , Φ(N ) ]i
(13.8)
vor, dann ist daraus die diskrete PDF nach Gl. (4.62) bestimmbar. Da es sich bei Euler-Verfahren um masselose Partikel handelt, ist in den Mischungsmodellen aus Abschn. 12.3.2 und 12.3.3 m(β) = 1 f¨ ur β = 1, 2, . . . , N zu setzen. Jedes Teilchen besitzt M = Nk Eigenschaften, die bei der thermochemischen PDF nach Gl. (11.32) (andere Formulierungen sind m¨oglich) durch (β)
(β)
(β)
Φ(β) = h(β) , Y1 , Y2 , . . . , YNk−1
(13.9)
gegeben sind. Damit lassen sich in jeder Zelle Ensemble-Mittel bilden und die h¨ oheren Momente von Φ oder von Funktionen von Φ mit dem PartikelEnsemble approximieren. Approximation der modellierten FD-Gleichung. Der Zweck des EulerPDF-Verfahrens besteht darin, die Partikel-Ensemble aller Zellen so zu ent¨ wickeln, dass dies den Anderungen entspricht, die durch die diskretisierte und modellierte PDF-Transportgleichung beschrieben werden [204]. Daher kann die Genauigkeit dieses Verfahrens nicht u ¨ ber die r¨aumliche und zeitliche Genauigkeitsordnung der zu Grunde liegenden FD-Gleichung hinausgehen. Neben der Diskretisierung beeinflusst vor allem das Rechengitter die r¨aumliche Genauigkeit der L¨ osung. Dar¨ uber hinaus ist der statistische Fehler eines Ensemble-Mittels von der Zahl der Partikel in einer Zelle und von der Varianz der Variable abh¨ angig. In Zellen mit hoher Varianz sind aus diesem Grund f¨ ur eine gleich gute Beschreibung mehr Teilchen erforderlich, als in Zellen mit niedriger Varianz [85]. Im Folgenden wird die aus Gl. (11.32) hervorgehende diskretisierte und modellierte Transportgleichung der thermochemischen PDF betrachtet, die gem¨ aß Gl. (13.1) faktorisiert und durch die Partikelentwicklung approximiert werden soll. Die vier in der FD-Gleichung auftretenden Prozesse r¨aumlicher Transport (TT ), turbulente Mischung (TM ), chemische Reaktionen (TR ) sowie molekulare Dissipation und Kompressibilit¨at (TD ) sind durch ¨ entsprechende Anderungen der Partikel-Ensemble zu simulieren. Auf Partikelebene wird das erreicht, indem [204, 85] 1. ein Austausch von Partikeln u ¨ ber die Zellgrenzen hinweg vorgenommen wird, bei dem sich die Eigenschaften der Partikel nicht ¨andern (Transport im physikalischen Raum, TT ), 2. die Eigenschaften der Partikel in jeder Zelle ver¨andert werden, wobei die Zellzugeh¨ origkeit der Teilchen konstant bleibt (Transport im thermochemischen Raum, TM , TR , TD ).
206
13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung
¨ Abb. 13.1. Anderung des Ensembles der Zelle i durch r¨ aumlichen Transport w¨ ahrend der zeitlichen Entwicklung von n nach n + 1
Mit dem Operator-Splitting (13.3) lassen sich die einzelnen Teilprozesse getrennt bearbeiten. Durch Multiplikation der einzelnen Faktoren der FDGleichung (13.3) mit Q(Ψ) und Integration u ¨ ber den Zustandsraum erge¨ ben sich Bedingungen f¨ ur die Anderungen der Partikel-Ensemble [204]. Die Vorg¨ ange sind auf Partikelebene so zu gestalten, dass dort bez¨ uglich QN f¨ ur N → ∞ das gleiche Ergebnis eintritt, wie beim entsprechenden FD-Schritt. Auf diese Weise folgt f¨ ur den Reaktionsfortschritt (den dritten Teilprozess in ¨ Gl. (13.3)), dass sich das Verhalten der PDF-Transportgleichung mit Anderungen der Partikeleigenschaften gem¨ aß Gl. (13.5) simulieren l¨asst. Auf gleiche Weise lassen sich auf Partikelebene die durch TM (s. Abschn. 12.3) und TD [125, 181] beschriebenen Vorg¨ ange umsetzen. Es bleibt noch zu kl¨aren, wie die Partikel-Ensemble in Hinblick auf den r¨aumlichen Transport (TT ) zu ver¨ andern sind. 13.4.1 Transport im physikalischen Raum ¨ Der konvektive und diffusive r¨aumliche Transport ruft Anderungen im PartikelEnsemble einer Zelle hervor, die auf Austauschvorg¨angen mit benachbarten Zellen beruhen. Dieser Prozess ist in Abb. 13.1 f¨ ur den r¨aumlich eindimensionalen Fall schematisch dargestellt [135]. Zum Zeitpunkt n sind die jeweils neun Partikel dreier Zellen durch unterschiedlichen Farben gekennzeichnet. Der r¨ aumliche Transport ruft einen Austausch von Teilchen mit benachbarten Zellen hervor, so dass zum Zeitpunkt n + 1 in der Zelle i ein Ensemble vorliegt, dass Teilchen (Informationen) beider Nachbarn (zum Zeitpunkt n) enth¨ alt. Dieser Prozess ist so vorzunehmen, dass er dem durch die PDF-Transportgleichung beschriebenen r¨ aumlichen Transport entspricht. F¨ ur N → ∞ muss die L¨ osung des partikelbasierten Prozesses in die entsprechende FD-L¨ osung u ¨ bergehen [204]. Konvektive Fl¨ usse. Beim konvektiven Transport bestimmt das Verh¨altnis der Massenstr¨ ome durch die Oberfl¨ ache einer Zelle zur Zellmasse, wie viele Teilchen durch Partikel benachbarter Zellen zu ersetzen sind. Dazu ist zun¨ achst der Zeitschritt zu bestimmen, f¨ ur den dieser r¨aumliche Austauschprozess vorgenommen werden soll. Ist dieser bekannt, so kann bei gegebener
13.4 Euler-PDF-Verfahren
207
mittlerer Str¨ omungsgeschwindigkeit, Dichte und Zellgeometrie die Anzahl der aus Nachbarzellen einfließender Partikel bestimmt werden [210, 85, 181]. Da die Auswahl zu ersetzender Teilchen willk¨ urlich (zuf¨allig) erfolgt, spricht man in diesem Zusammenhang auch von Monte-Carlo-Verfahren. Ein ausschließlich konvektiver Transport kann bei einem Euler-PDF-Verfahren auf Partikelebene nur so umgesetzt werden, dass dies einer FD-Aufwind-Diskretisierung erster Ordnung entspricht. Die r¨ aumlich erste Diskretisierungsordnung (O(∆x)) ist h¨ aufig jedoch unzureichend. Betrachtet man den Diskretisierungsstern eines Gitterpunkts, so ist f¨ ur Partikelverfahren von Belang, ob einer der zur Diskretisierung genutzten Nachbarpunkte einen negativen Koeffizienten besitzt. Bei Diskretisierungen h¨ oherer Ordnung (O > 1) ist das der Fall. Da es keine negativen Partikel gibt, lassen sich solche Diskretisierungen auf Teilchenbasis nicht umsetzen. Abhilfe ist nur m¨ oglich, wenn der diffusive Transport entgegenwirkt (s. diffusive Fl¨ usse). Ung¨ unstigerweise verursachen die problemlos umsetzbaren Diskretisierungen erster Ordnung eine hohe numerische Diffusion. Das gilt insbesondere f¨ ur diagonal angestr¨ omte Zellen. M¨obus et al. [183, 181] konnten zeigen, dass sich in diesem Fall das Ergebnis verbessern l¨asst, wenn nicht nur die seitlich angrenzenden Nachbarzellen zum konvektiven Transport beitragen, sondern auch die diagonal gelegenen. Insgesamt spricht die hohe numerische Diffusion jedoch gegen die Verwendung von Euler-PDF-Verfahren. Diffusive Fl¨ usse. Die zentrale Diskretisierung der diffusiven Fl¨ usse f¨ uhrt bei zweiter Genauigkeitsordnung im Diskretisierungsstern eines Gitterpunkts bei allen, diesen umgebenden Nachbarpunkten zu positiven Koeffizienten. Damit ¨ treten bei der Ubertragung auf Partikelverfahren keine Probleme auf. Die Anzahl der zu ersetzenden Partikel h¨ angt vom Zeitschritt, der Zellgeometrie, der Dichte und dem effektiven Diffusionskoeffizienten ab. Auch hier sind die Partikel willk¨ urlich auszuw¨ ahlen und durch Nachbarpartikel zu ersetzen. Fasst man die durch konvektive und diffusive Fl¨ usse verursachten Austauschvorg¨ange zusammen, dann l¨ asst sich f¨ ur den konvektiven Transport eine etwas h¨ohe¨ re Genauigkeitsordnung (als erste Ordnung) erreichen. Durch Uberlagerung der beiden Teilprozesse k¨ onnen negative Koeffizienten aus dem konvektiven Transport durch positive aus dem diffusiven ausgeglichen werden. Die Genauigkeitsordnung ist dann allerdings vom lokalen Str¨omungszustand abh¨angig und nicht global vorgebbar. Da die Anzahl transportierter Teilchen beim konvektiven Transport linear und beim diffusiven Transport quadratisch von den Zellabmessungen abh¨ angt, lassen sich die beiden Vorg¨ange durch Variation der Zellgr¨ oßen aneinander anpassen [1]. Dieses Hilfsmittel d¨ urfte in der Praxis jedoch kaum praktikabel sein. Zeitschritt. Der maximal m¨ ogliche Zeitschritt wird bei Partikelverfahren in der Regel durch Konvektion und Diffusion im physikalischen Raum begrenzt. Die Anzahl der insgesamt ausgetauschten Partikel darf die Zahl der in einer Zelle vorhandenen Teilchen nicht u ¨ bersteigen. Das entspricht der CFLBedingung des konventionellen expliziten Euler-Verfahrens. Bei zeitgenauen
208
13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung
ρ, ui , k,
FD-, FV-Verfahren Konti-, Impuls- und Turbulenzgleichungen
ρ, h, Yi p ideale Gasgleichung
-
h, Yα
Partikelverfahren thermochemische PDF ˆ Yˆ1 , Yˆ2 , . . . , YˆN ; x, t) Ps (h, k−1
(β)
h
,
(β) Yα
h, Y α
Ensemble-Mittelung
Abb. 13.2. Koppelung und Variablenaustausch eines FV- oder FD-Verfahrens mit einem Euler-Partikelverfahren zur L¨ osung der Transportgleichung einer thermochemischen PDF
Simulationen bestimmt dagegen der minimale Zeitschritt aller Zellen den vorw¨ ahlbaren globalen Zeitschritt. Um eine schnelle Konvergenz zum statistisch station¨ aren Zustand zu erreichen, empfiehlt sich die Verwendung eines lokal maximalen Zeitschritts (global konstante CFL-Zahl) [152, 183]. 13.4.2 Hybrid-Verfahren Euler-PDF-Simulationen ben¨ otigen neben dem Partikelverfahren zur L¨osung der Transportgleichung der thermochemischen PDF noch einen weiteren L¨osungsalgorithmus. Beschreibt die PDF beispielsweise die gemeinsame Verteilung von Enthalpie und Massenanteilen, so ist der Zustand eines str¨omenden, chemisch reagierenden Fluids damit nicht vollst¨andig bestimmt. Das zeigt sich an der PDF-Transportgleichung (11.32), zu deren L¨osung ρ, u i , p sowie ein turbulentes Zeitmaß und damit k und (oder andere Turbulenzgr¨ oßen) ben¨ otigt werden. Diese gemittelten Variablen kann ein konventioneller Str¨ omungsl¨ oser bereitstellen. Da dann zwei unterschiedliche Techniken notwendig sind, spricht man von einem Hybrid-Verfahren. Die Koppelung der beiden L¨ oser ist durchaus nicht unproblematisch. Abbildung 13.2 zeigt deren Datenaustausch. W¨ ahrend FD- oder FV-Verfahren relativ glatte L¨ osungen liefern und auch als Eingabedaten ben¨otigen, weisen die Erwartungswerte bei Partikelverfahren auf Grund begrenzter Teilchenzahlen immer mehr oder weniger große statistische Schwankungen auf. Bei statistisch station¨ aren Str¨ omungen kann man diesem Problem mit einer Mittelung der PDFVariablen u uckliegende Zeitschritte begegnen. Ebenfalls gebr¨auchlich ¨ ber zur¨ ist eine r¨ aumliche Gl¨ attung, die aber keinesfalls zu einer erh¨ohten numerischen Dissipation f¨ uhren darf.
13.5 Lagrange-PDF-Verfahren
209
13.5 Lagrange-PDF-Verfahren Im Gegensatz zu Euler-Verfahren eignen sich Lagrange-PDF-Ans¨atze zur L¨osung aller vorgestellten PDF-Transportgleichungen. Sie sind frei von numerischer Diffusion und erm¨ oglichen eine h¨ ohere r¨aumliche Genauigkeit, als EulerPDF-Verfahren [183]. Obwohl auch hier gew¨ohnlich Rechengitter verwendet werden, ist dieser Ansatz im Prinzip gitterlos [85]. Dar¨ uber hinaus sind damit PDF-Partikelverfahren konstruierbar, die vollkommen f¨ ur sich alleine stehen. Allerdings weisen die mittleren Druck- und Geschwindigkeitsfelder partikelbasierter Verfahren gew¨ ohnlich ein so hohes Rauschen auf, dass Gradienten (bei vertretbaren Partikelzahlen) nur ungenau berechnet werden k¨onnen, was Instabilit¨ aten verursacht. Daher scheinen sich auch bei Lagrange’schen PDF-Ans¨ atzen Hybrid-Verfahren durchzusetzen. Bei neueren Ans¨atzen stammen das mittlere Geschwindigkeitsfeld, die mittlere Energie und der mittlere Druck (oder die mittlere Dichte) von einem FD- oder FV-Verfahren, w¨ahrend das Partikelverfahren die Geschwindigkeitsfluktuationen sowie alle anderen Gr¨ oßen bereitstellt [189, 133, 190, 274]. Bei der Koppelung der beiden L¨ osungsmethoden ist Konsistenz zwischen dem Partikel- und dem FV- oder FD-Verfahren zu gew¨ ahrleisten. 13.5.1 Lagrange’sche Partikelverfahren Die effizienteste M¨ oglichkeit zur L¨ osung der deterministischen Lagrange’schen PDF- oder MDF-Transportgleichung beruht auf stochastischen Ans¨atzen, wie sie in der Molek¨ uldynamik seit langem verwendet werden [215]. Die Entwicklung dieser Technik zur L¨ osung der PDF-Transportgleichung geht auf Pope [204, 207, 208] zur¨ uck. In Abschn. 4.3.1 wurde die Lagrange-PDF PL eingef¨ uhrt, die die konditionierten Eigenschaften eines Fluid-Partikels beschreibt. ¨ Die Anderung der Position x+ eines Fluid-Partikels erfolgt in Abh¨angigkeit von der Partikelgeschwindigkeit (s. Gl. (4.49) auf S. 55). Die Geschwindigkeit ¨ andert sich wiederum gem¨ aß der Navier-Stokes-Gleichungen (11.7) und die sonstigen Eigenschaften eines Partikels (hier Enthalpie und Massenanteile) den Bilanzgleichungen (11.8) und (11.9) entsprechend [119]. Aus diesen Zusammenh¨ angen folgt f¨ ur einen Fluid-Partikel dx+ = u+ dt , i
i 1 ∂ τij 1 ∂p = − + f du+ i dt , i ρ ∂xj ρ ∂xi
1 ∂ui 1 dp 1 ∂qi + dh = + τij − + ui fi dt , ρ dt ρ ∂xj ρ ∂xi
1 ∂jki 1 dYk+ = − + Sk dt ρ ∂xi ρ
(13.10) (13.11) (13.12) (13.13)
f¨ ur i, j = 1, 2, 3 sowie k = 1, 2, . . . , Nk−1 . Ferner wird Φ+ = (u+ , h+ , Y+ ) und ρ = ρ(Φ+ ) vorausgesetzt und damit die Dichte durch den Variablenvektor
210
13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung
vollkommen beschrieben. Zur Ber¨ ucksichtigung von Kompressibilit¨atseffekten muss Φ+ eine weitere thermodynamische Eigenschaft beinhalten, beispielsweise den Druck p+ [64]. W¨ ahrend der Zustandsvektor Φ+ eines Fluid-Partikels eine Zufallsvariable darstellt, ist die Entwicklung der PDF oder MDF deterministisch, da sie durch bedingte Erwartungswerte bestimmt wird. Unterschiedliche Fluid-Systeme k¨ onnen durchaus eine identische PDF besitzen [207]. Dadurch er¨ offnet sich die M¨ oglichkeit, die nicht oder nur mit extremem Aufwand zu l¨ osende Transportgleichung f¨ ur P oder F durch ein einfacher zu l¨osendes System zu ersetzen (modellieren), das stochastisch zu P ¨aquivalent ist. Pope [207] f¨ uhrt hierzu konditionierte Partikel ein, deren Zustand sich gem¨aß ¨ der bedingten Erwartungswerte der Anderungen der Fluid-Partikel (deterministisch) entwickelt. Bezeichnet man z.B. die rechte Seite von Gl. (13.10) mit (A/ρ)dt, so erfolgt die Geschwindigkeits¨ anderung der konditionierten Partiˆ kel gem¨ aß A/ρ|ˆ u, ˆ h, Ydt. Die ein-Punkt-PDF der konditionierten Partikel ist identisch zur PDF der Fluid-Partikel und die Entwicklungen beider PDF werden durch die MDF-Transportgleichung beschrieben. Das setzt voraus, dass zu Simulationsbeginn die bedingten Partikel identisch mit den Fluid-Partikeln im Zustandsraum verteilt sind. Nur dann stimmen beide Verteilungen zu sp¨ateren Zeitpunkten u ¨ berein. Wie Pope [207] zeigt, l¨asst sich die gesuchte MDF durch eine große Zahl konditionierter Partikel approximieren und mit FN (Ψ0 , x0 ; t0 ) ≈ F (Ψ0 , x0 ; t0 )
(13.14)
(FN beruht auf konditionierten Partikeln) gilt FN (Ψ, x; t) ≈ F (Ψ, x; t) .
(13.15)
Das heißt, dass F zu beliebigen Zeiten durch bedingte Partikel approximiert werden kann. Anstatt die MDF-Transportgleichung zu l¨osen, sind daher ,,nur” die Zust¨ ande der N konditionierten Partikel zu bestimmen. Dazu m¨ ussen die bedingten Erwartungswerte, die die Dynamik der konditionierten Partikel beschreiben, modelliert werden [207]. Das geschieht am effizientesten mit stochastischen Ans¨ atzen und damit stochastischen Partikeln. 13.5.2 Stochastische Modellierung Lagrange-PDF-Verfahren beruhen auf der L¨osung stochastischer Differentialgleichungen (SDG), die die Entwicklung stochastischer Partikel beschreiben. Der Zustand eines stochastischen Partikels zum Zeitpunkt t wird mit Φ∗ (t) = (u∗ (t), h∗ (t), Y ∗ (t), x∗ (t)) bezeichnet. Physikalisch verhalten sich die stochastischen Partikel anders als Fluid-Partikel oder konditionierte Partikel [207]. Daher nennt Pope diesen Ansatz ein ,,indirektes Monte-CarloVerfahren”: Die Eigenschaften Φ∗ (t) der stochastischen Partikel modellieren Φ(t) nicht direkt. Dagegen kann die PDF der stochastischen Partikel P ∗ die gesuchte PDF P perfekt modellieren [207]. Die Entwicklung der stochastischen Partikel l¨ asst sich mit
13.5 Lagrange-PDF-Verfahren
dx∗i = u∗i dt , 8 7 6 Ai 88 ∗ ∗ ∗ u dt + Nui , , h , Y du∗i = ρ 8 8 7 6 B 88 ∗ ∗ ∗ dh∗ = u dt + Nh , , h , Y ρ8 8 7 6 Ck 88 ∗ ∗ ∗ u dt + NYk , h , Y dYk∗ = ρ 8
211
(13.16) (13.17) (13.18) (13.19)
f¨ ur i = 1, 2, 3, k = 1, 2, . . . , Nk−1 und Ai , B und Ck nach Gl. (11.7) bis (11.9) in Abh¨ angigkeit konditionierter Fl¨ usse ausdr¨ ucken [85]. Die Terme Nui , Nh und NYk erzeugen ein ,,Rauschen”, das der Kontrolle der PDF-Struktur dient. Die Fokker-Planck-Gleichung. Bei stochastischen Ans¨atzen werden die Gleichungen zur Beschreibung der Partikeleigenschaften mit einem Term versehen, den man als stochastische Kraft (stochastic force) bezeichnet [215]. ¨ Sie ruft Anderungen in den Partikeleigenschaften Φ∗ hervor und f¨ uhrt (bei gleichem Ausgangszustand) im Allgemeinen zu einem nicht reproduzierbaren ¨ Verhalten der einzelnen Partikel. Bei M Zufallsvariablen wird die Anderung ∗ ∗ ∗ ∗ der Partikeleigenschaften Φ = Φ1 , Φ2 , . . . , ΦM durch folgende SDG definiert dΦ∗ = A(Φ∗ , t)dt + B(Φ∗ , t)dW(t)
(13.20)
[91]. Darin bezeichnet dW(t) einen M -Variablen Wiener-Prozess, den man auch als Diffusions-Prozess bezeichnet. B ist eine Matrix mit Elementen bij . Die Partikelpfade bei einem Wiener-Prozess sind stetig aber nicht differenzierbar. Gleichung (13.20) erzeugt die konditionierte PDF Pw = Pw (Ψ, t|Φ0 , t0 ), die durch die Fokker-Planck-Gleichung ∂Pw ∂ [ai (Ψ, t)Pw ] 1 ∂ 2 [cij (Ψ, t)Pw ] = − + ∂t ∂Ψi 2 ∂Ψi ∂Ψj
(13.21)
beschrieben wird [91]. Darin gehen der Vektor A = (a1 , a2 , . . . , aM )T und die Matrix C = BBT mit den Elementen cij ein. L¨asst sich eine PDF- oder MDF-Transportgleichung auf die Form der Fokker-Planck-Gleichung bringen, so bietet der stochastische Ansatz (13.20) eine einfache und effiziente M¨oglichkeit, diese durch Partikel zu approximieren. Lagrange’sche stochastische Partikel. Die Fokker-Planck-Gleichung und der stochastische Ansatz (13.20) lassen sich zur L¨osung der PDF-Transportgleichungen nutzen. Im Folgenden bezeichnet Φ∗ = (x∗ , z∗ )T mit z∗ = (u∗ , s∗ )T und u∗ = (u∗1 , u∗2 , u∗3 )T sowie s∗ = (h∗ , Y1∗ , Y2∗ , . . . , YN∗k−1 )T den Zustandsvektor eines stochastischen Partikels. Durch z∗ = (u∗ , s∗ )T wird z∗ in einen vektoriellen (u∗ ) und einen skalaren (s∗ ) Teil aufgespalten. Entsprechend folgt aus Gl. (13.20)
212
13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung
dx∗ = u∗ dt ,
(13.22)
∗
du = au dt + Buu dWu (t) + Bus dWs (t) , ds∗ = as dt + Bsu dWu (t) + Bss dWs (t)
(13.23) (13.24)
[85], wobei die Drift-Koeffizienten (Vektoren) au und as sowie die Diffusionskoeffizienten (Matrizen) Buu , Bus , Bsu und Bss Funktionen von u∗ , s∗ , x∗ und t sind. Bei Wu (t) und Ws (t) handelt es sich um Wiener-Prozesse, f¨ ur die dWi (t) = 0 , dWi (t) dWj (t) = δij dt (13.25) ¨ gilt. Die von den Gln. (13.22) bis (13.24) beschriebenen Anderungen der stochastischen Partikel erzeugen die konditionierte Lagrange-PDF ˆ Y, ˆ x; t|u0 , h0 , Y 0 , x0 ) PL∗ = PL∗ (ˆ u, h,
(13.26)
[85], die sich mit z∗ = (z1 , z2 , . . . , zM )T = (u∗ , h∗ , Y∗ )T gem¨aß der FokkerPlanck-Gleichung ∂PL∗ ∂P ∗ z, x, t)PL∗ ] ∂ [ai (ˆ 1 ∂ 2 [cij (ˆz, x, t)PL∗ ] +u ˆi L = − + ∂t ∂xi ∂ zˆi 2 ∂ zˆi ∂ zˆj
(13.27)
entwickelt [91, 208]. Handelt es sich bei den genutzten stochastischen Prozessen um Markov-Prozesse (der Zustand zum neuen Zeitpunkt ist dann nur vom gegenw¨ artigen Zustand abh¨ angig und nicht von weiter zur¨ uckliegenden), dann muss sich die unkonditionierte PDF nach der gleichen Transportgleichung entwickeln, wie die konditionierte PDF PL∗ [207]. Neben dem DiffusionsProzess wird mit dem Poisson-Prozess (bei Partikel-Interaktionsmodellen) ein weiterer stochastischer Prozess genutzt, der ebenfalls einen Markov-Prozess darstellt. Mit der Beziehung (4.59) kann gezeigt werden [207], dass sich die ˆ Y, ˆ x; t) nach der gleichen Transportgleichung (13.27) entMDF F ∗ = F ∗ (ˆ u, h, wickelt, wie PL∗ . Das bedeutet, dass F ∗ durch eine große Zahl stochastischer Partikel approximiert werden kann, deren Entwicklung auf Basis der Gln. (13.22) bis (13.24) einfach berechenbar ist. Dabei muss gew¨ahrleistet sein, dass die auf stochastischen Partikeln beruhende diskrete MDF FN∗ sowie die entsprechende diskrete PDF PN∗ mit FN∗ ≈ F ∗ ,
PN∗ ≈ P ∗
(13.28)
F ∗ und P ∗ zu beliebigen Zeiten hinreichend genau approximieren. Bei korrekten Start- und Randbedingungen und geeigneter Modellierung stimmen F ∗ und F sowie P ∗ und P u ur die mit dem Partikelort x∗ = x kondi¨ berein. F¨ ∗ ˆ Y ˆ |x; t) der Partikeleigenschaften u∗ , h∗ und tionierte Verbund-PDF P (ˆ u, h, ∗ Y gilt dann ∗ ˆ x; t) u, ˆ h, Y, ˆ Y; ˆ Y; ˆ x, t) . ˆ t|x∗ = x) = F (ˆ = P (ˆ u, h, u, h, P ∗ (ˆ ρ(x, t)
(13.29)
13.5 Lagrange-PDF-Verfahren
213
Hierzu muss die Dichte stochastischer Partikel im physikalischen Raum der Fluid-Dichte entsprechen [207]. Eine notwendige Bedingung, damit F bzw. FN zu allen Zeiten g¨ ultige MDF darstellen, liegt in der Erf¨ ullung der Kontinuit¨ atsgleichung [118]. Aus Beziehung (13.29) folgt weiter, dass die Momente der Zufallsvariablen zu einer Zeit an einem Ort in Euler’scher Formulierung mit Q(u, h, Y) = Q(u∗ , h∗ , Y∗ |x∗ = x) (13.30) aus lokal konditionierten Lagrange’schen Momenten hervorgehen. Dieser Zusammenhang kann zur Bestimmung der Koeffizienten der stochastischen Gleichungen genutzt werden. 13.5.3 Thermochemische Lagrange-MDF Die Lagrange-L¨ osung der Transportgleichung der thermochemischen MDF (oder PDF) weist keine numerische Diffusion auf und erm¨oglicht eine h¨ohere r¨ aumliche Genauigkeitsordnung, als das Euler-PDF-Verfahren aus Abschn. 13.4. Daher ist dieser Ansatz im Allgemeinen zu bevorzugen. F¨ ur die ˆ Y, ˆ x; t) = ρPs . Wendet man das thermochemische MDF gilt Fs = Fs (h, Operator-Splitting aus Abschn. 13.2 auf die aus Gl. (11.32) hervorgehende MDF-Transportgleichung an, so folgt
KT Fs
-
∂Fs F ∂ ∂ ∂ ( ui Fs ) s = − ui |ΦFs − ρD − ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ρ .
+ (KM + KR + KD ) Fs
(13.31)
mit impliziter Summation u i = ρui /ρ. Die Operato¨ ber i = 1, 2, 3 und u ren Kj (j = T, M, R, D) stehen f¨ ur den Transport im physikalischen Raum ¨ (KT ), Mischung im thermochemischen Raum (KM ), Anderungen durch chemische Reaktionen (KR ) und f¨ ur molekulare Dissipation und Kompressibilit¨ atseffekte (KD ). Diese Teilprozesse beruhen auf dem Operator-Splitting nach Gl. (13.3) und entsprechen den Vorg¨ angen Tj bei L¨osung der PDFTransportgleichung. Modelliert man den ungeschlossenen Anteil von KT mit dem Gradienten-Diffusionsansatz (12.4), so kann der molekulare und turbulente diffusive Transport mit De = D + Dt zusammengefasst werden. Es folgt f¨ ur den r¨aumlichen Transport
. Fs1 − Fs ∂ Fs ∂ ∂ = KT Fs = − . (13.32) ρDe ( ui Fs ) + ∆t ∂xi ∂xi ∂xi ρ Dieser Vorgang ist als stochastischer Prozess beschreibbar. Aus Gl. (13.20) ¨ folgt f¨ ur die Anderung des Partikelorts √ dx∗i = ai dt + c dWi (13.33)
214
13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung
mit dem vektoriellen Drift-Koeffizienten ai und dem Diffusionskoeffizienten c. Bei Wi handelt es sich um einen vektoriellen, isotropen Wiener-Prozess √ mit dWi = dt ξi und bei ξi um unabh¨ angige, normalverteilte Zufallszahlen [183]. Aus Gl. (13.21) ergibt sich mit cαβ = 0 f¨ ur α = β und cαα = c die Fokker-Planck-Gleichung ∂ 1 ∂2 ∂Fs = − (ai Fs ) + (cFs ) ∂t ∂xi 2 ∂xi ∂xi
. .
∂ ∂ ∂ 1 ∂ 1 Fs cρ ai − = − (ρc) Fs + ∂xi 2ρ ∂xi ∂xi 2 ∂xi ρ (13.34) und durch Vergleich mit Gl. (13.32) f¨ ur die Koeffizienten der SDG ai = u i +
1 ∂(ρDe ) , ρ ∂xi
(13.35)
c = 2De .
(13.36) √ √ Damit folgt bαβ = 0 f¨ ur α = β und bαα = c = 2De , womit sich die stochastischen Partikel beim Teilprozess KT (Transport im physikalischen Raum) gem¨ aß
√ 1 ∂(ρDe ) + dx∗ = u dt + 2De dW , (13.37) ρ ∂x (13.38) dh∗ = 0 , (13.39) dY ∗ = 0 =u (x∗ , t), Y∗ = (Y1∗ , Y2∗ , . . . , YN∗k−1 )T entwickeln. In diesen Gleichungen gilt u und W = (W1 , W2 , W3 )T . Die verbleibenden, aus dem Operator-Splitting hervorgehenden Teilprozesse unterscheiden sich nicht von denen des Euler-PDFVerfahrens und lassen sich mit den gleichen Modellierungsans¨atzen angehen. 13.5.4 Lagrange-MDF des Geschwindigkeitsvektors und thermochemischer Skalare Die Transportgleichung der Verbund-MDF des Geschwindigkeitsvektors und ˆ x; t) = ρP ist in Gl. (11.44) der thermochemischen Variablen F = F (ˆ u, ˆ h, Y, angegeben. Deren Aufspaltung in Teilprozesse erfolgt mit einem OperatorSplitting analog zum Vorgehen in Abschn. 13.2. Unter Verwendung des verallgemeinerten Langevin-Modells nach Gl. (12.2) ergibt sich ∂F = (KM + KR + KD ) F ∂t
∂F ∂ ∂F 1 ∂p C0 ∂ 2 F + − fi − Gij [(ˆ uj − u j ) F ] + , (13.40) −u ˆi ∂xi ρ ∂xi ∂u ˆi ∂u ˆi 2 ∂u ˆi ∂ u ˆi
KT F
13.5 Lagrange-PDF-Verfahren
215
wobei KT Terme r¨ aumlichen Transports zusammenfasst. Molekulare Diffusion ist hier vernachl¨ assigt. C0 und der Tensor Gij werden aus bekannten Werten berechnet. Betrachtet man nur den von KT hervorgerufenen Teilprozess, so folgt F1 − F ∂F ∂F + uˆi = KT F + u ˆi ∆t ∂xi ∂xi . - !
1 ∂p 1 ∂ ∂2 C0 F . (13.41) = − fi − Gij (ˆ uj − u j ) F + ∂u ˆi ρ ∂xi ∂u ˆi ∂ u ˆi 2 Der Vergleich mit der Fokker-Planck-Gleichung (13.27) zeigt, dass sich die MDF-Transportgleichung (13.41) bei Verwendung der Koeffizienten % & 1 ∂p ai = − ∗ + fi + Gij u∗j − u j , ρ ∂xi i=j, C0 : cij = 0 : i= j
(13.42) (13.43)
√ mit C = diag[C0 , . . . , C0 ] und bii = C0 einstellt. Da die Dichte durch Φ ¨ vollkommen beschrieben wird, gilt ρ∗ = ρ(Φ∗ ). Die Anderungen der stochastischen Partikel ergeben sich bei diesem Teilschritt aus dx∗i = u∗i ∆t , . % & 1 ∂p + fi + Gij u∗j − u j dt + C0 dWi , du∗i = − ∗ ρ ∂xi dh∗ = 0 , dY∗ = 0 ,
(13.44) (13.45) (13.46) (13.47)
wobei W = (W1 , W2 , W3 )T einen vektoriellen Wiener-Prozess bezeichnet. Zur Schließung des Terms konditionierter Beschleunigung l¨asst sich das vereinfachte Langevin-Modell nach Gl. (12.3) nutzen. Ferner wird in Gl. (13.45) die Dissipationsrate ben¨ otigt, die durch ein FD- oder FV-Verfahren bereitgestellt werden kann. Alternativ dazu wird u ¨ blicherweise die turbulente Frequenz als Partikeleigenschaft in Φ∗ aufgenommen [254] und hierf¨ ur eine SDG gel¨ost. Die u ¨ brigen, aus dem Operator-Splitting hervorgehenden Teilprozesse lassen sich wie bei Euler-PDF-Verfahren bearbeiten. 13.5.5 Allgemeine Aspekte Lagrange’scher PDF-Verfahren Bei Lagrange-PDF-Verfahren besitzt jeder stochastische Partikel einen individuellen Aufenthaltsort. F¨ ur Hybrid-Verfahren bedeutet das, dass die in diskreten Punkten vorliegen Variablen des FD- oder FV-Verfahrens auf die Partikelorte zu interpolieren sind. Das hat so zu geschehen, dass Konsistenz zwischen beiden L¨ osungsans¨ atzen gew¨ ahrleistet ist. Prinzipiell ben¨otigen
216
13 L¨ osung der PDF-Transportgleichung
Lagrange-PDF-Verfahren zwar kein Rechengitter, allerdings erfordern die stochastischen Gleichungen (z.B. bei der turbulenten Mischung) lokal konditionierte Erwartungswerte an den Partikelorten (z.B. Φ∗i |x∗ . Diese lassen sich unter Einbeziehung benachbarter Partikel mit speziellen r¨aumlichen Funktionen bilden. Bei Hybrid-Verfahren bietet sich dagegen die Zuordnung der Partikel zu den Zellen des Rechengitters an, wobei die Partikel ihren exakten Aufenthaltsort beibehalten. Bei diesem Ansatz sind nach jedem r¨aumlichen Austauschprozess die aktualisierten Aufenthaltszellen der Partikel zu bestimmen. Das erfordert vor allem bei dreidimensionalen Gittern relativ aufw¨andige Suchalgorithmen. Lokaler Zeitschritt. Bei gesuchter station¨arer L¨osung liegt eine effiziente und einfache M¨ oglichkeit der Konvergenzbeschleunigung in der Verwendung lokaler Zeitschritte (local time stepping) bzw. einer global konstanten CFLZahl. Dieser Ansatz l¨ asst sich auch bei Lagrange-PDF-Ans¨atzen nutzen. Dabei ist zu beachten, dass die Summe der Massen der stochastischen Partikel in einer Zelle der Fluidmasse entsprechen muss. Beim r¨aumlichen Austausch h¨ angt die Masse der aus Nachbarzellen einstr¨omenden Partikel von den dort gew¨ ahlten Zeitschritten ab. Daher ist bei unterschiedlichen Zeitschritten in den einzelnen Gitterzellen mit m(n) (t + ∆t) = m(n) (t)
∆t(x(n) (t + ∆t) ∆t(x(n) (t))
(13.48)
eine Anpassung der Teilchenmassen gem¨ aß dem Verh¨altnis der Zeitschritte vorzunehmen [183]. Durch lokale Zeitschritte l¨asst sich bei station¨aren Simulationen die Rechenzeit stark reduzieren. Anpassung der Partikelzahl. Da die Masse der stochastischen Partikel zur Fluidmasse proportional sein muss, hat dies bei identischen Partikelmassen zur Folge, dass in kleinen Zellen, oder in solchen mit niedriger Masse, nur wenige Partikel anzutreffen sind. Die Folge sind h¨ohere statistische Fehler. Um das zu vermeiden bietet sich eine Kontrolle der Partikelzahl pro Zelle an, was 1. Partikelspaltung in Teilchen mit gleichen Informationen aber geringerer Masse, 2. Teilchenl¨ oschung bzw. Anhebung der Teilchenmasse auf ein Sollgewicht erfordert [123, 181]. Mit diesen Maßnahmen kann die Partikelzahl aller Zellen auf einen zellabh¨ angigen Sollwert gebracht werden.
Teil V
Numerische L¨ osungsverfahren
14 Homogene Reaktionssysteme
Die numerische Simulation inerter Str¨ omungen ist in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Werkzeug ingenieurm¨ aßiger Auslegung gereift. Dazu z¨ahlt die Berechnung kompletter Flugzeugumstr¨ omungen mit mehreren Millionen Gitterpunkten oder die rechnerische Optimierung technischer Systeme. Dieser Fortschritt ist sowohl auf die gestiegenen Rechnerleistungen als auch auf Verbesserungen in den numerischen L¨ osungsverfahren zur¨ uckzuf¨ uhren. Dass solch ein Stand bei Brennkammerauslegungen noch nicht erreicht ist, liegt in erster Linie an der physikalischen Komplexit¨ at turbulenter Verbrennung und an der Gr¨ oße des Gleichungssystems (zahlreiche Komponentengleichungen). Dar¨ uber hinaus erschwert detaillierte chemischen Kinetik die numerische Integration. Die Ursache hierf¨ ur liegt in • der starken Nichtlinearit¨at der chemischen Produktionsterme, die spezielle numerische Integrationsverfahren erfordert. In diesem Kapitel werden Besonderheiten er¨ ortert, die reagierende Str¨omungen mit detaillierter Chemie betreffen. Warum treten gerade dort Probleme auf und wie kann man diesen begegnen? Explizite und implizite Verfahren. Bei der Integration eines Gleichungssystems unterscheidet man explizite und implizite Verfahren. Bei • expliziten Verfahren werden die Fluss- und Quellvektoren ausschließlich mit bekannten Werten des alten Zeit- bzw. Iterationspunkts diskretisiert, • impliziten Verfahren gehen in die Diskretisierung der Fluss- und Quellvektoren auch Informationen des neuen Zeit- oder Iterationspunkts ein. Das beeinflusst sowohl die Art des zu l¨ osenden Gleichungssystems als auch die Stabilit¨ at des numerischen Verfahrens. Verallgemeinernd l¨asst sich sagen (Ausnahmen sind m¨ oglich), dass implizite Verfahren mehr Rechenaufwand pro Zeitschritt (oder Iteration) erfordern als explizite Verfahren, daf¨ ur aber numerisch stabiler sind und gr¨ oßere Zeitschrittweiten erlauben.
220
14 Homogene Reaktionssysteme
14.1 Sonderf¨ alle homogener Reaktionssysteme Zur Untersuchung von Verbrennungsprozessen gen¨ ugt die Betrachtung eines homogenen Reaktionssystems, wie es in einem perfekten R¨ uhrreaktor (perfectly stirred reactor) auftritt. Dort k¨ onnen alle Variablen als homogen (invariant gegen¨ uber r¨ aumlicher Verschiebung) und isotrop (invariant gegen¨ uber Drehung) angesehen werden. Das heißt, dass Mehrdimensionalit¨at und r¨aumliche Transportvorg¨ ange entfallen. Aus den Komponentengleichungen (2.5) folgt f¨ ur den homogenen Reaktor dYα 1 (14.1) = Sα dt ρ mit α = 1, 2, . . . , Nk . Die Impulsgleichungen spielen keine Rolle, da die mittlere Massengeschwindigkeit null ist. Aus der Kontinuit¨atsgleichung, der Energiegleichung, der thermodynamischen Zustandsgleichung und den Randbedingungen des Systems lassen sich vier wichtige Sonderf¨allen ableiten [167]: 1. konstantes Volumen und kein W¨ armestrom an den R¨andern ⎫ dρ ⎪ =0 ⎬ dt isochor, adiabates System, dE de ⎪ = = 0⎭ dt dt 2. konstantes Volumen und konstante Temperatur ⎫ dρ = 0⎪ ⎬ dt isochor, isothermes System, dT ⎪ = 0⎭ dt 3. konstanter Druck und kein W¨ armestrom an den R¨andern ⎫ dp ⎪ =0 ⎬ dt isobar, adiabates System, dH dh ⎪ = = 0⎭ dt dt 4. konstanter Druck und konstante Temperatur ⎫ dp = 0⎪ ⎬ dt isobar, isothermes System. dT ⎪ = 0⎭ dt
(14.2)
(14.3)
(14.4)
(14.5)
Da jeweils zwei thermodynamische Gr¨ oßen konstant bleiben, reduziert sich das zu l¨ osende Gleichungssystem auf die zeitliche Integration von Gl. (14.1). Es ist zu beachten, dass sich das Zellvolumen V beim isobar, adiabaten und beim isotherm, isobaren System ¨ andern kann. Die Formulierung
14.2 Physikalische Ursache steifer Gleichungssysteme
d(ρYα ) = Sα (ρYβ , T ) dt
221
(14.6)
ist nur f¨ ur konstantes V und damit konstantes ρ = m/V g¨ ultig. In vektorieller Schreibweise folgt mit Y = (Y1 , Y2 , . . . , YNk )T und S = (S1 , S2 , . . . , SNk )T aus Gl. (14.1) dY 1 = S(ρ, Y, T ) . (14.7) dt ρ Die zeitliche Entwicklung der Massenanteile geht in diesem System ausschließlich auf den Quellvektor S und damit auf die chemischen Reaktionen zur¨ uck.
14.2 Physikalische Ursache steifer Gleichungssysteme Bei nahezu allen Verbrennungsprozessen treten stark unterschiedliche physikalische Zeitskalen auf, was bei der numerischen Integration Stabilit¨atsprobleme hervorrufen kann. Das ist seit den 50er Jahren bekannt [260] und wurde erstmals von Curtiss und Hirschfelder [60] untersucht. Durch das gekoppelte System der Komponentengleichungen werden Vorg¨ange beschrieben, die sich in der Geschwindigkeit ihres zeitlichen Ablaufs um viele Gr¨oßenordnungen unterscheiden k¨ onnen. So laufen einige chemische Reaktionen im Mikrosekundenbereich und schneller ab, andere ben¨ otigen Sekunden oder Minuten. Die Folge ist ein mathematisch steifes Gleichungssystem, das selbst auf kleinste St¨ orungen sensitiv reagiert [139]. Zersetzung von Methan. Das Auftreten unterschiedlicher chemischer Zeitskalen soll ein einfaches Beispiel veranschaulichen. Gegeben seien die beiden chemischen Reaktionen CH4 + M CH3 + H + M , CH4 + H CH3 + H2 ,
(1) (2)
die einen Teilprozess bei der Zersetzung von Methan beschreiben [139]. Daraus ¨ folgt f¨ ur die zeitlichen Anderungen der Konzentration von atomaren Wasserstoff und Methan d[H] = − kb1 [CH3 ][M] + kf2 [CH4 ] [H] + kf1 [CH4 ][M] dt (14.8) + kb2 [CH3 ][H2 ] , d[CH4 ] = − kf1 [M] + kf2 [H] [CH4 ] + kb1 [CH3 ][H][M] dt (14.9) + kb2 [CH3 ][H2 ] , wobei kfr und kbr die Geschwindigkeitskoeffizienten der Hin- und R¨ uckreaktionen r = 1, 2 bezeichnen. Um eine zu starke Indizierung zu vermeiden, sind
222
14 Homogene Reaktionssysteme
Konzentrationen durch eckige Klammern gekennzeichnet, z.B. [H] = c H . Im Folgenden wird nur die Startphase der Methanzersetzung bei T = 1800 K und p = 1 bar betrachtet, w¨ ahrend der mehrere Terme in den Gln. (14.8) und (14.9) vernachl¨ assigbar sind oder als konstant angesehen werden k¨onnen. Die beiden Gleichungen lassen sich dann auf die Form dcα cα = − + Qα dt τα
(14.10)
bringen [139], wobei α f¨ ur H oder CH4 steht. Ferner bezeichnet τα die charakteristische Zeit des jeweiligen Prozesses. In der Startphase gilt QCH4 ≈ 0 und QH ≈ kf1 [CH4 ][M] = konstant und man erh¨alt 1 1 ≈ , kb1 [CH3 ][M] + kf2 [CH4 ] kf2 [CH4 ] 1 1 ≈ = kf1 [M] + kf2 [H] kf1 [M]
τH = τCH4
(14.11)
und damit bei den gegebenen thermodynamischen Bedingungen die Zahlenwerte τH ≈ 10−9 s und τCH4 ≈ 10−4 s. Demnach laufen die mit diesen Kom¨ ponenten verbundenen Anderungen mit charakteristischen Zeiten ab, die sich um f¨ unf Zehnerpotenzen unterscheiden. Dieser Wert ist keineswegs groß, sondern kann als typisch f¨ ur Verbrennungsprozesse erachtet werden. Die unterschiedlichen Zeitskalen ¨ außern sich darin, dass die Konzentrations¨anderungen von zwei Phasen gepr¨ agt sind: einer extrem kurzen Startphase (ts 1µs), in der [H] einen quasistation¨aren Zustand erreicht und der anschließenden, eigentlichen Methanzersetzung, die wesentlich langsamer und mit bedeutend gr¨ oßeren charakteristischen Zeitskalen (ca. 1000 µs) von statten geht. Die Ursache dieser unterschiedlich schnellen Abl¨aufe ist in der verh¨altnism¨aßig langsamen Bildung von [H] durch die Hinreaktion (1) und dem sehr schnellen Abbau in der Folgereaktion (2) auszumachen. Wie Gl. (14.11) zeigt, beeinflusst das Verh¨ altnis der Geschwindigkeitskoeffizienten kf1 /kf2 = 8 × 10−7 die Gr¨ oßenunterschiede der Zeitskalen.
14.3 Zeitskalen linearer Gleichungssysteme Im vorangegangenen Abschnitt ließen sich die charakteristischen Zeitskalen ¨ den Anderungen einzelner Gaskomponenten zuordnen. In der Praxis ist das nur selten m¨ oglich. Im Allgemeinen beschreiben die chemischen Zeitskalen im linearen oder im linearisierten Fall das Verhalten von Linearkombinationen von Gaskomponenten. Ursache der unterschiedlichen Zeitskalen sind die chemischen Quellterme, wobei es zun¨ achst gleichg¨ ultig ist, ob diese linear oder nichtlinear sind. In beiden F¨ allen k¨ onnen große Spannen in den charakteristischen Zeitskalen auftreten. Daher lassen sich wesentliche Verhaltensweisen realer Verbrennungsprozesse auch an linearen Gleichungssystemen untersuchen.
14.3 Zeitskalen linearer Gleichungssysteme
223
Testfall. Betrachtet wird ein lineares Anfangswertproblem, bei dem der Quellvektor F = (F1 , F2 )T mit F1 = 998Z1 + 1998Z2 und F2 = −999Z1 − 1999Z2 eine lineare Funktion des Variablenvektors Z = (Z1 , Z2 )T darstellt [94] dZ1 = 998Z1 + 1998Z2 , dt dZ2 = − 999Z1 − 1999Z2 . dt
(14.12)
Die Startwerte seien durch Z1 (t=0) = 1 und Z2 (t=0) = 0 gegeben. Bei dieser Problemstellung treten zwei unterschiedliche Zeitskalen auf, was an den analytischen L¨ osungen Z1 = 2 e−t − e−1000 t , Z2 = − e−t + e−1000 t
(14.13)
deutlich wird. Die zeitlichen Verl¨ aufe beider Variablen sind Linearkombinationen der abklingenden Anteile e−t und e−1000 t – den Basisl¨osungen [221]. W¨ ahrend der schnell abklingende Anteil e−1000 t den L¨osungsverlauf in der Startphase pr¨ agt, bestimmt e−t das zeitlich l¨angerfristige Verhalten. Dr¨ uckt man dieses Anfangswertproblem mit % & dZ = F Z dt vektoriell aus, dann folgen aus den Eigenwerten der Jacobi-Matrix
dF 998 1998 , = J ≡ −999 −1999 dZ
(14.14)
(14.15)
die Basisl¨ osungen, die sich zu λ1 = −1000 und λ2 = −1 ergeben. 14.3.1 Allgemeines lineares Problem Das Modellproblem (14.12) l¨ asst sich mit Y = (Y1 , Y2 , . . . , YM )T und dY = F(Y) (14.16) dt verallgemeinern, wobei der Quellvektor F = (F1 , F2 , . . . , FM )T eine lineare Funktion von Y sein soll. Mit der Jacobi-Matrix J ≡
dF dY
(14.17)
gilt bei linearem F(Y) dY = JY . (14.18) dt Existieren M linear unabh¨ angige Eigenvektoren, so ist J mit der Matrix R ihrer rechten und der Matrix L = R−1 ihrer linken Eigenvektoren durch
224
14 Homogene Reaktionssysteme
Λ = R−1 J R
(14.19)
diagonalisierbar. Die (M ×M )-Diagonalmatrix Λ = diag [λ1 , λ2 , . . . , λM ] enth¨ alt als Eintr¨ age die Eigenwerte von J. Bei zeitlich konstantem R kann die Ausgangsgleichung (14.16) durch Multiplikation mit R−1 und Einf¨ uhrung des neuen Variablenvektors V = (V1 , V2 , . . . , VM )T = R−1 Y auf Diagonalform dV = ΛV dt
(14.20)
gebracht werden. Das f¨ uhrt zu einer Entkoppelung der Variablen und macht den Zusammenhang zwischen dem exponentiellen Verhalten von Vα und dem dazugeh¨ origen Eigenwert λα deutlich. Der Eigenwert definiert das Zeitverhalten von Vα und mit τα = 1/|λα | deren charakteristische Zeitskala. Die gesuchten L¨ osungen Yα sind wiederum Linearkombinationen der Vβ und damit Linearkombinationen der Basisl¨ osungen. 14.3.2 Pr¨ akonditionierung Bei expliziten Verfahren k¨ onnen Konvergenzprobleme auftreten, wenn sich einige Anteile der L¨ osung sehr schnell, andere sehr langsam entwickeln. Man spricht dann von einem schlecht konditionierten System. Der vorw¨ahlbare Zeitschritt hat sich in diesem Fall an den schnellsten Vorg¨angen zu orientieren, wodurch die L¨ osung nur langsam konvergiert. Um die einzelnen L¨osungsanteile gleichm¨ aßig in der Zeit zu entwickeln und die station¨are L¨osung schnell zu erreichen, werden in der Str¨ omungsmechanik Pr¨akonditionierungstechniken eingesetzt [224, 54]. Die eindimensionalen Euler-Gleichungen lassen sich in ¨ ahnlicher Weise diagonalisieren [121, 154], wie das lokale Problem mit linearem Quellterm durch Gl. (14.20). W¨ ahrend bei herk¨ommlichen numerischen Verfahren alle L¨ osungsanteile (gekoppelt) mit gleichen Zeitschritten voranschreiten, k¨ onnen zur Integration des diagonalisierten Systems (14.20) mit ∆tα = ∆t
(Λ) (J) = ∆t |λα | |λα |
(14.21)
f¨ ur jede Variable Vα individuelle Zeitschritte gew¨ahlt werden. Hier bezeichnet ∆t den urspr¨ unglichen Zeitschritt und (J) den Spektralradius (den betragsm¨ aßig gr¨ oßten Eigenwert) der Matrix J. Die entkoppelte zeitliche Integration unter Nutzung individueller Zeitschritte entspricht einer Multiplikation der rechten Seite von Gl. (14.20) mit der Diagonalmatrix . 1 1 1 |Λ∗ | = (Λ) diag , , ... , . (14.22) |λ1 | |λ2 | |λM | Transformiert man dieses Gleichungssystem zur¨ uck auf Y, so tritt an Stelle von Gl. (14.18) das pr¨akonditionierte Gleichungssystem
14.4 Zeitskalen nichtlinearer Gleichungssysteme
dY = C JY dt
mit
C = R|Λ∗ |R−1 .
225
(14.23)
Die Pr¨akonditionierungsmatrix C beeinflusst die Entwicklung der L¨osung, nicht aber den station¨ aren Zustand. Bei Multiplikation der beiden Seiten von Gl. (14.23) mit C−1 werden unter station¨ aren Bedingungen im pr¨akonditionierten und nicht-pr¨ akonditionierten System identische rechte Seiten erf¨ ullt. Im Allgemeinen l¨ asst sich C jedoch nicht in der hier angegebenen Form anwenden. So ist zu verhindern, dass einzelne Eigenwerte verschwinden, da dann Division durch null eintritt. Die mit der Pr¨ akonditionierungsmatrix erfolgte Umskalierung der Zeitskalen bewirkt eine starke Konvergenzbeschleunigung. Verwendet man das explizite Euler-Verfahren zur L¨osung von Gl. (14.12), so konvergiert das pr¨ akonditionierte Gleichungssystem etwa tausendmal schneller in die station¨ are L¨ osung, als das unpr¨ akonditionierte.
14.4 Zeitskalen nichtlinearer Gleichungssysteme Die Erkenntnisse aus Abschn. 14.3 lassen sich verallgemeinern, indem das Gleichungssystem dY = P(Y) (14.24) dt mit Y = (Y1 , Y2 , . . . , YM )T und P = (P1 , P2 , . . . , PM )T eingef¨ uhrt wird, dessen Quellvektor P nun eine nichtlineare Funktion von Y darstellt. Auch in diesem Fall sind Eigenwertanalysen m¨ oglich. Hierzu wird P(Y) durch eine Taylor-Reihe um Y0 entwickelt 8 dP 88 P(Y) = P(Y0 ) + ∆Y + . . . dY 8Y0 ≈ P(Y0 ) + J(Y)∆Y .
(14.25)
Daran zeigt sich, dass die Jacobi-Matrix J auch im nichtlinearen Fall Hinweise ¨ bez¨ uglich der zeitlichen Anderungen und der charakteristischen Zeitskalen geben kann [259]. Allerdings ist diese Linearisierung bei starker Nichtlinearit¨at nur f¨ ur verschwindend kleine ∆Y g¨ ultig. Die M 2 Eintr¨age der Jacobi-Matrix J folgen aus Jαβ = ∂Pα /∂Yβ f¨ ur α, β = 1, 2, . . . , M . Implizite Quelltermdiskretisierung als Pr¨ akonditionierung. Im linearen Fall hat sich gezeigt, dass der station¨ are Zustand durch eine Pr¨akonditionierung des Gleichungssystems wesentlich schneller erreicht werden kann. Damit stellt sich die Frage, ob auch bei nichtlinearen Gleichungssystemen eine Angleichung der unterschiedlichen Zeitskalen m¨oglich ist? Hierzu wird eines der homogenen Reaktionssysteme aus Abschn. 14.1 betrachtet, f¨ ur das nur die Komponentengleichungen zu l¨ osen sind. Das daraus hervorgehende nichtlineare Gleichungssystem hat die Form von Gl. (14.24). Beim expliziten
226
14 Homogene Reaktionssysteme
Euler-Verfahren wird der Quellvektor P = (P1 , P2 , . . . , PM )T zum alten Zeitpunkt n und beim impliziten Euler-Verfahren zum neuen Zeitpunkt n + 1 diskretisiert. Pn+1 kann durch die Taylor-Reihe
n dP Pn+1 = Pn + ∆t + O(∆t)2 dt
n
n dY dP = Pn + ∆t + O(∆t)2 dY dt = Pn + Jn ∆Yn+1 + O(∆t)2
(14.26)
um den Zeitpunkt n linearisiert werden. Vernachl¨assigt man Terme zweiter Ordnung und h¨ oher und ersetzt mit dieser Approximation Pn+1 im impliziten Euler-Verfahren, so ergibt sich ein lineares Gleichungssystem (semi-implizites Verfahren). Mit ∆Yn+1 = Yn+1 − Yn lauten die Verfahrensvorschriften zur L¨ osung von Gl. (14.24) ∆Yn+1 = ∆t Pn : [ I − ∆tJ ] ∆Y
n
n+1
n
= ∆t P
:
Euler explizit ,
(14.27)
Euler semi-implizit .
(14.28)
C
Die beiden Ans¨ atze unterscheiden sich in der Matrix C, die als Pr¨akonditionierungsmatrix des Gleichungssystems aufgefasst werden kann. Ist nur die station¨ are L¨ osung gesucht, so muss C nicht unbedingt die in Gl. (14.28) gew¨ ahlte Form aufweisen. Am g¨ unstigsten w¨are eine einfach zu invertierende Matrix, die gleichzeitig die Kondition des Systems verbessert. Die Multiplikation mit der Pr¨ akonditionierungsmatrix bewirkt f¨ ur große ∆t eine zeitliche Umskalierung. Bussing und Murman [44] konnten zeigen, dass dadurch die unterschiedlichen L¨ osungsanteile mit individuellen, den physikalischen Prozessen besser angepassten Zeitschritten integriert werden (die Zeitskalen sind jedoch nicht perfekt aneinander angepasst). Das hat zur Folge, dass die einzelnen L¨ osungsanteile beim semi-impliziten Euler-Verfahren schneller relaxieren und die station¨ are L¨ osung steifer Gleichungssysteme schneller erreicht werden kann, als mit dem expliziten Euler-Verfahren.
14.5 Definition von Steifigkeit Das nichtlineare Gleichungssystem (14.24) wird mathematisch als steif bezeichnet, wenn die Eigenwerte von J betragsm¨aßig stark unterschiedliche negative Realteile besitzen. Als Maß f¨ ur die Steifigkeit des Differentialgleichungssystems dient der Steifigkeitsparameter Cλ , der mit Cλ = f¨ ur
max|Re(λα )| min|Re(λα )| Re(λα ) < 0 und
(14.29) α = 1, 2, . . . , M
14.6 Eigenwerte von Verbrennungsgleichungssystemen
227
aus den M Eigenwerten λα der Jacobi-Matrix J hervorgeht. In der Literatur treten teilweise sehr unterschiedliche Definitionen von Steifigkeit auf. Ebenfalls unterschiedlich ist deren Beurteilung und damit die Festlegung, ab wann man von einem steifen Gleichungssystem spricht. In der Verbrennung l¨asst sich folgende Klassifizierung vornehmen: Cλ < 102 10 ≤ Cλ < 105 105 ≤ Cλ < 108 108 ≤ Cλ
gering steif, steif, sehr steif, außerst steif (parasit¨ar). ¨
2
(14.30)
Bei Verbrennungssimulationen mit detaillierter Chemie sind nach dieser Definition sehr steife Gleichungssysteme der Normalfall. Auswirkungen stark unterschiedlicher Eigenwerte. Gegeben sei ein Gleichungssystem mit α = 1, 2, . . . , M bekannten und betragsm¨aßig stark unterschiedlichen Eigenwerten λα , das M linear unterschiedliche Eigenvektoren x α besitzt. In diesem Fall folgt dessen L¨osung aus den Eigenwerten und Eigenvektoren. Ordnet man die Eigenwerte |λ1 | ≤ |λ2 | ≤ . . . ≤ |λp | ≤ . . . ≤ |λM |
(14.31)
entsprechend ihrer Betr¨ age und unterteilt sie in zwei Bereiche (1 bis p − 1 und p bis M ), so folgt L¨ osung =
p−1 α=1
aα eλα t xα +
f¨ uhrender Anteil
M α=p
aα eλα t xα
(14.32)
parasit¨ arer Anteil
[162]. Das L¨ osungsverhalten l¨ asst sich u ¨ ber den vordefinierten Eigenwert λ p in einen f¨ uhrenden (driving) Anteil und einen parasit¨aren (parsitic) Anteil aufspalten. Die Grenze zwischen beiden Bereichen kann sich an der Steifigkeitsdefinition (14.30) orientieren. Bei gesuchter station¨arer L¨osung ist der Zeitschritt so zu w¨ ahlen, dass der Zeitverlauf des f¨ uhrenden Anteils mit der erforderlichen Genauigkeit wiedergegeben wird. Die parasit¨aren Eigenwerte sind f¨ ur die Steifigkeit des Systems verantwortlich. Ihr Einfluss auf die L¨osung verschwindet in der Regel nach sehr kurzer Zeit. Das darf allerdings nicht dar¨ uber hinwegt¨ auschen, dass von ihnen ausgehende Stabilit¨atsprobleme auch danach weiterbestehen.
14.6 Eigenwerte von Verbrennungsgleichungssystemen Betrachtet wird ein verbrennungstypisches Gleichungssystem (s. Abschn. 14.1), das sich mit Y = (Y1 , Y2 , . . . , YNk )T , S = (S1 , S2 , . . . , SNk )T und P = S/ρ auf die numerische Integration der Komponentengleichungen
228
14 Homogene Reaktionssysteme
dY S(ρ, Y, T ) = = P(ρ, Y, T ) dt ρ
(14.33)
reduziert. Temperatur und Dichte sollen aus zwei konstanten thermodynamischen Variablen hervorgehen. Der Quellvektor P ist gew¨ohnlich nichtlinear. Bei Nutzung des Arrhenius-Ansatzes zur Beschreibung der Geschwindigkeitskoeffizienten von Elementarreaktionen geht die Nichtlinearit¨at 1. mit k ∼ T n exp(−A/T ) auf die Temperatur, 2. durch Zweier- und Dreierst¨oße chemischer Komponenten (bzw. durch noch komplexere Zusammenh¨ ange bei inerten Stoßpartnern) auf die Konzentrationen einzelner Komponenten zur¨ uck. In Verbindung mit den komplexen Bildungs- und Abbaumechanismen der chemischen Kinetik rufen diese Abh¨ angigkeiten im Allgemeinen steife bis sehr steife Gleichungssysteme mit einer Vielzahl an unterschiedlichen chemischen Zeitskalen hervor. Diese erstrecken sich in der Verbrennung von unter 10−9 s bis zu Bruchteilen von Sekunden. In der Atmosph¨arenphysik sind auch wesentlich langsamere chemische Vorg¨ ange keine Seltenheit. Die Zeitskalen des Verbrennungsgleichungssystems (14.33) h¨angen mit den Eigenwerten der Chemie- oder Verbrennungs-Jacobi-Matrix ⎡ ⎤ ∂P1 ∂P1 ∂P1 . . . ⎢ ∂Y1 ∂Y2 ∂YNk ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ∂P2 ∂P2 ∂P2 ⎥ ⎢ ⎥ ... ⎢ ∂Y ∂P ∂Y2 ∂YNk ⎥ ⎥ 1 (14.34) J ≡ = ⎢ ⎢ . .. . . .. ⎥ ∂Y ⎢ . ⎥ . . ⎥ . ⎢ . ⎢ ⎥ ⎣ ∂PN ∂PN ∂PNk ⎦ k k ... ∂Y1 ∂Y2 ∂YNk zusammen, f¨ ur die λα ∈ C gilt. In den meisten F¨allen sind die Eigenwerte jedoch reell. Imagin¨ are Anteile gehen auf oszillatorische Komponenten zur¨ uck, die in der Verbrennung selten anzutreffen sind. Dar¨ uber hinaus gilt f¨ ur den Großteil der Eigenwerte Re(λα ) ≤ 0. Mit Ann¨aherung an das chemische Gleichgewicht verschwinden sowohl eventuell vorhandene imagin¨are Anteile als auch positive Realteile. Somit treten nur in transienten Phasen der Zeitintegration positive Eigenwerte auf. Im linearen Fall ließ sich der Zusammenhang zwischen den Eigenwerten und ihren physikalischen Auswirkungen anschaulich am diagonalisierten Gleichungssystem zeigen (s. Abschn. 14.3). Im verbrennungsbezogenen, nichtlinearen Fall treffen die gleichen Aussagen auf das lokal linearisierte System zu. In diesem bewirken Eigenwerte mit • • • •
Re(λα ) > 0 ein exponentielles Anwachsen, Re(λα ) < 0 ein exponentielles Abklingen, Re(λα ) = 0 Konstanz, Im(λα ) = 0 ein oszillierendes Verhalten (dem Realteil entsprechend mit anwachsender, abfallender oder konstanter Amplitude)
14.7 Numerische Stabilit¨ at
229
der jeweiligen L¨ osungsanteile. Man kann zeigen, dass jedes chemische Reaktionssystem eine Reihe von Eigenwerten mit Re(λα ) = 0 besitzt. Diese gehen aus den unver¨ anderten Elementmassen hervor, da die Elemente (z.B. O, N, H, C) von der Verbrennung unbeeinflusst bleiben. Die u ¨ brigen Eigenwerte geben (in Abh¨ angigkeit vom verwendeten Variablenvektor) das dynamische Verhalten von Linearkombinationen der Massenanteile, der Molanteile oder der Konzentrationen beteiligter Gaskomponenten im Zustandsraum wieder [259, 167]. Mit fortschreitender zeitlicher Entwicklung ist das gew¨ohnlich ein Abklingen dieser L¨ osungsanteile. Nahezu alle in der Natur auftretenden Vorg¨ ange weisen solch ein exponentiell abklingendes Verhalten auf. Zeitlich gesehen kann es zu keinem unendlich langen Anwachsen von Konzentrationen einzelner Gaskomponenten oder von Linearkombinationen von Gaskomponenten kommen. Das bedeutet, dass zumindest im chemischen Gleichgewicht keine positiven Eigenwerte auftreten. In der Regel besitzen selbst große Verbrennungs-Gleichungssysteme nur wenige positive Eigenwerte. Dennoch resultieren aus ihnen ernst zu nehmende Probleme (s. Abschn. 14.9). Bei Verbrennungsgleichungssystemen ist die Jacobi-Matrix J = J(ρ, Y, T ) eine Funktion des thermodynamischen Zustands und dieser eine Funktion der Zeit. Gleiches trifft auf die Eigenwerte zu, so dass sich die Steifigkeit des Gleichungssystems zeitlich ver¨ andert. Ung¨ unstigerweise geht der Grad der Steifigkeit bei Verbrennungssimulationen meist nicht oder nur unwesentlich zur¨ uck. Das heißt, dass sich das System selbst in der N¨ahe des station¨aren Zustands noch numerisch steif verh¨ alt.
14.7 Numerische Stabilit¨ at Es wurde gezeigt, dass steife Gleichungssysteme in der chemischen Kinetik auf das gleichzeitige Auftreten sehr schneller und sehr langsamer Vorg¨ange zur¨ uckgehen. Die Stabilit¨ at expliziter numerischer Verfahren (und damit der maximal m¨ ogliche Zeitschritt) wird vom schnellsten Vorgang begrenzt. Dies gilt selbst dann, wenn dieser keinen Beitrag zur L¨osung liefert. Die Anwendbarkeit eines numerischen Verfahrens h¨ angt damit wesentlich von der Art des zu l¨ osenden Differentialgleichungssystems ab. Um Aussagen bez¨ uglich der Eignung numerischer Verfahren f¨ ur bestimmte Problemstellungen machen zu k¨ onnen, sind Stabilit¨atskriterien erforderlich. 14.7.1 Modellgleichungen und Modellgleichungssysteme Die Gleichungen homogener Reaktionssysteme aus Abschn. 14.1 stellen reine Anfangswertprobleme dar. Die Randbedingungen sind durch die Wahl der beiden konstanten thermodynamischen Gr¨ oßen im System implizit enthalten. Diese Gleichungssysteme sind nichtlinear und daher vielen Analysetechniken nicht zug¨ anglich. Daher sind zur Bestimmung von Stabilit¨atskriterien lineare Modellgleichungen oder lineare Modellgleichungssysteme zu definieren.
230
14 Homogene Reaktionssysteme
Lineare Modellgleichung. Das verbrennungstypische Auftreten unterschiedlicher Zeitskalen kann durch die lineare Modellgleichung dY (t) dF (t) = λ [Y (t) − F (t)] + dt dt
(14.35)
approximiert werden [94, 221]. Darin steht F (t) f¨ ur eine mindestens einmal stetig differenzierbare, sich langsam ¨ andernde Funktion. Die Startwerte Y (0) = Y0 und F (0) = F0 sind vorzugeben. Die analytische L¨osung dieser Gleichung ist mit Y (t) = [Y0 − F0 ] eλt + F (t) (14.36) bekannt. Steifigkeit liegt vor, wenn sich F (t) langsam mit der Zeit ¨andert und der exponentielle Anteil sehr schnell abklingt (λ 0). F¨ ur Y0 = F0 verschwindet der Anteil der Exponentialfunktion an der L¨osung. Bringt man zus¨ atzlich einen kleinen Fehler e0 auf, so folgt mit Y0 = F0 + e0 Y (t) = e0 eλt + F (t)
(14.37)
[221]. Daran zeigt sich ein grundlegendes Problem: F¨ ur λ ∈ R und λ > 0 nimmt der Fehler mit der Zeit exponentiell zu. Dies ist immer der Fall und unabh¨ angig davon, ob die exakte L¨ osung (wie im obigen Sonderfall) konstant bleibt oder selbst exponentiell anw¨ achst (Y0 = F0 ). Man bezeichnet das als inh¨arente Instabilit¨at, da dieses Anwachsen des Fehlers unabh¨angig vom L¨ osungsverfahren auftritt. Die Differentialgleichung ist in dann schlecht konditioniert [221]. In diesem Fall ist zur zeitlichen Integration ein numerisches Verfahren mit hoher Fehlerordnung und hoher Rechengenauigkeit zu w¨ahlen. Im Gegensatz dazu wird ein Problem mit λ ∈ R und λ ≤ 0 als gut konditioniert bezeichnet [121]. Bei begrenztem F (t) w¨achst die L¨osung dann nicht unbegrenzt an. F¨ ur F (t) = 0 folgt aus Gl. (14.35) dY (t) = λY (t) . dt
(14.38)
Selbst mit dieser sehr einfachen linearen Modellgleichung lassen sich wesentliche Stabilit¨ atseigenschaften numerischer Verfahren untersuchen. Lineares Modellgleichungssystem. H¨ aufig resultieren Stabilit¨atsprobleme in der Verbrennung aus der Interaktion mehrerer Elementarreaktionen. Zur Untersuchung solcher Vorg¨ ange sind mehrere Variablen notwendig und als lineares Modellgleichungssystem kann dY(t) = JY(t) dt
(14.39)
mit Y = (Y1 , Y2 , . . . , YM )T gew¨ ahlt werden. Darin steht J f¨ ur eine zeitlich konstante (M ×M )-Matrix. Dieses Modellproblem kommt dem Gleichungssystem homogener Reaktionssysteme bereits recht nahe.
14.7 Numerische Stabilit¨ at
231
14.7.2 Definition numerischer Stabilit¨ at Bei der zeitlichen numerischen Integration eines Differentialgleichungssystems l¨ asst sich die numerische Stabilit¨ at oft u ¨ ber den vorzugebenden Zeitschritt beeinflussen. Der Zeitschritt ∆t hat folgende Kriterien zu erf¨ ullen [94]: 1. Die unstabilen Moden mit Re(λα ) > 0 sind unabh¨angig von ihren charakteristischen Zeitskalen genau wiederzugeben, 2. ∆t muss so gew¨ ahlt sein, dass die Werte λα ∆t f¨ ur α = 1, 2, . . . , M mit Re(λα ) < 0 in einem Bereich absoluter Stabilit¨at liegen. Die Einhaltung der ersten Forderung ist schwer zu beurteilen. Dennoch kommt ihr eine wichtige Rolle zu (s. Abschn. 14.9). Bei Verbrennung (und steifem Gleichungssystem) diktiert jedoch gew¨ ohnlich das zweite Kriterium den maximal m¨ oglichen Zeitschritt. Im Idealfall sollte dieses Stabilit¨atskriterium selbst f¨ ur ∆t → ∞ erf¨ ullt werden. Man spricht dann von einem A-stabilen Verfahren. Nach Dahlquist [94] ist ein numerisches Integrationsverfahren A-stabil, wenn die L¨ osung des auf die Modellgleichung (14.38) mit λ ∈ C und Re(λ) < 0 angewandten numerischen Verfahrens f¨ ur n → ∞ (n ist die Anzahl der Zeitschritte) gegen null geht. Auf ein Gleichungssystem u ¨bertragen bedeutet das, dass alle L¨osungsanteile f¨ ur n → ∞ ged¨ ampft werden. Ein unendliches Anwachsen von Fehlerkomponenten darf unabh¨ angig von ∆t nicht stattfinden. Dahlquist konnte ferner zeigen [61], dass kein numerisches Verfahren mit einer Genauigkeitsordnung gr¨oßer als zwei A-stabil sein kann. Zu den A-stabilen Verfahren z¨ahlen das implizite Euler-Verfahren, das Trapezregel-Verfahren und das R¨ uckw¨artsdifferenzenVerfahren zweiter Ordnung. Da A-Stabilit¨ at ein relativ hartes Kriterium darstellt, das Mehrschritt-Verfahren dritter Ordnung und h¨oher nicht erf¨ ullen, ist eine Reihe schw¨ achere Stabilit¨ atskriterien definiert worden. Hierzu z¨ahlen die A(α)-Stabilit¨at, die steife Stabilit¨at und die I-Stabilit¨at [94, 221]. 14.7.3 Stabilit¨ atsanalysen Nach der Definition von Stabilit¨ atskriterien ist zu untersuchen, ob ein numerisches Verfahren (zumindest bei Anwendung auf eine Modellgleichung) die gestellten Anforderungen erf¨ ullt und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Die verbreitetsten Techniken zur Stabilit¨ atsanalyse sind • die Fourier- oder von Neumann-Analyse, • Matrix-Verfahren [121], • der Vergleich der numerischen mit der exakten (analytischen) L¨osung. Auf Matrix-Verfahren (dabei lassen sich auch Randbedingungen ber¨ ucksichtigen) wird nicht eingegangen und die Fourier-Analyse wird in Abschn. 17.2 ausf¨ uhrlich behandelt. Die letzte genannte Technik ist prinzipiell auch auf nichtlineare Problemstellungen anwendbar. Da dies f¨ ur Verbrennungssimulationen wichtig sein kann, werden zumindest deren Grundz¨ uge kurz erl¨autert.
232
14 Homogene Reaktionssysteme
Vergleich der numerischen mit der analytischen L¨ osung. Die Anwendbarkeit dieser Technik setzt voraus, dass f¨ ur eine gegebene Problemstellung die analytische L¨ osung bekannt ist. In diesem Fall lassen sich durch den Vergleich der numerischen mit der exakten L¨ osung Stabilit¨atskriterien ableiten. Wird bei der numerischen L¨ osung Y n zum Zeitpunkt n ein Fehler en angesetzt (en = Y − Y n , Y ist die bekannte exakte L¨osung), dann ist en+1 f¨ ur ein beliebiges numerisches Verfahren als Funktion von en und ∆t (bei Zeitschrittverfahren) berechenbar. Um eine Fehleranfachung zu vermeiden, muss |en+1 /en | ≤ 1 gew¨ ahrleistet sein. Aus dieser Forderung lassen sich Stabilit¨ atskriterien ableiten, die gegebenenfalls zu einer Beschr¨ankung des maximal m¨ oglichen Zeitschritts f¨ uhren. Das Vorgehen wird an einem Beispiel verdeutlicht. Geht man von der Modellgleichung (14.38) mit λ ∈ R aus und nutzt zu deren L¨osung das implizite Euler-Verfahren (s. Abschn. 15.4.1), so folgt mit der skizzierten Vorgehensweise 1 en+1 = A + en . (14.40) 1 − λ∆t V Diese Gleichung beschreibt en+1 als Funktion von en . Der Abbruchfehler A ist von en unabh¨ angig und wird in erster Linie von ∆t und λ beeinflusst. Dabei handelt es sich um einen additiven Fehler, der bei jedem Zeitschritt entsteht. Fehler dieser Art lassen sich praktisch nicht vermeiden. Das ist akzeptabel, solange A klein in Bezug zur L¨ osung ist. Bei konsistenten Verfahren gilt A → 0 f¨ ur ∆t → 0. Der zweite Term auf der rechten Seite von Gl. (14.40) wird Fortpflanzungsfehler genannt. Er ist multiplikativ und damit vom Verst¨arkungsfaktor V abh¨ angig. F¨ ur V > 1 kommt es zu einem exponentiellen Anwachsen des Fehlers. Beim impliziten Euler-Verfahren gilt f¨ ur λ < 0 immer V < 1. Das Verfahren ist damit A-stabil und der Fehler wird unabh¨angig von ∆t immer ged¨ ampft. F¨ ur λ > 1 ist mit V > 1 auch eine Fehleranfachung m¨oglich und zwar dann, wenn 0 < λ∆t < 2 gilt. F¨ ur λ ∈ C ist das der Fall, wenn sich λ∆t im Einheitskreis um den Punkt (Re(λ∆t) = 1, Im(λ∆t) = 0) befindet. 14.7.4 Konvergenzvoraussetzungen Viele numerische Verfahren (z.B.: ADI-, LU- oder Gauß-Seidel-Verfahren) erfordern f¨ ur eine stabile Integration des diskreten Systems positiv definite oder diagonal dominante Matrizen [261]. Bei A ∈ RM×M handelt es sich um eine positiv definite Matrix, wenn xT Ax > 0
f¨ ur alle
x ∈ RM
und
x = 0
(14.41)
gilt [109]. Ersetzt man das > durch ein ≥, so spricht man von einer positiv semidefiniten Matrix. Positiv definite Matrizen sind nicht singul¨ar und besitzen eine starke positive Gewichtung der Diagonalen, die allerdings nicht so
14.8 Ein- und Mehrschrittverfahren
233
offensichtlich sein muss, wie bei diagonal dominanten Matrizen [109]. Die Eigenwerte symmetrischer positiv definiter Matrizen sind positiv. Analog lassen sich negativ definite Matrizen definieren, indem in Gl. (14.41) ein < gesetzt wird. Eine Matrix A ist negativ definit, wenn −A positiv definit ist. Eine weitere, h¨ aufig geforderte Eigenschaft von Matrizen ist diagonale Dominanz. Die Matrix A ∈ RM×M ist diagonal dominant, wenn gilt |aαα | ≥
M
|aαβ |
(14.42)
β=1 β=α
f¨ ur α = 1, 2, . . . , M . Darin bezeichnet aαβ die Eintr¨age der Matrix A. Setzt man in Gl. (14.42) ein > an Stelle des ≥, so spricht man von streng diagonal dominanten Matrizen. Wie der Name sagt, gew¨ahrleistet diese Eigenschaft die Dominanz der Diagonalelemente.
14.8 Ein- und Mehrschrittverfahren Ausgangsproblem sei das gew¨ ohnliche, nichtlineare Gleichungssystem eines homogenen Reaktors dY = P(Y) (14.43) dt mit Y = (Y1 , Y2 , . . . , YM )T , P = (P1 , P2 , . . . , PM )T und M = Nk oder Nk−1 . Dessen Zeitintegration soll mit einem Ein- oder Mehrschrittverfahren erfolgen, die sich wie folgt unterscheiden: • Einschrittverfahren benutzen zur Berechnung des gesuchten Variablenvektors Yn+1 nur Werte der Zeitpunkte n und n + 1, • Mehrschrittverfahren verwenden neben den Informationen der Zeitpunkte n und n + 1 auch weiter zur¨ uckliegende Werte (n − 1, n − 2, . . . ). In beiden Verfahrensklassen sind implizite und explizite Formulierungen m¨oglich. Sofern nicht anders angegeben, ist von zeitlich a¨quidistanter Diskretisierung auszugehen. F¨ ur j = n − k + 1 lassen sich aus der allgemeinen Vorschrift eines k-Schrittverfahren zur L¨ osung von Gl. (14.43) mit k α=0
aα Yj+α = ∆t
k
bα Pj+α
(14.44)
α=0
ganze Verfahrensklassen ableiten. F¨ ur bk = 0 sind sie explizit, f¨ ur bk = 0 implizit. Die Vektoren Yn = Y(t = n∆t) m¨ ussen f¨ ur n = n − k + 1, n − k, . . . , n bekannt sein. Gesucht ist Yn+1 . Je nach Wahl von k ∈ I, k > 0 werden mehr oder weniger St¨ utzstellen ben¨ otigt, was die zeitliche Genauigkeitsordnung beeinflusst. F¨ ur k = 1 ergeben sich Einschrittverfahren, f¨ ur k > 1 Mehrschrittverfahren. Mehrschrittverfahren ben¨ otigen auch zum Zeitpunkt t = 0
234
14 Homogene Reaktionssysteme
zur¨ uckliegende Variablenvektoren, die nicht verf¨ ugbar sind. Daher eignen sie sich nicht zum Start der Rechnung. In Abh¨ angigkeit von der Wahl der Koeffizienten aα und bα lassen sich aus Gl. (14.44) die Adams-Bashforth-, die Adams-Moulton- und die Gear-Verfahren ableiten. Bei konstanter Zeitschrittweite sind aα und bα Konstanten, bei variablen Zeitschrittweiten handelt es sich um Funktionen von ∆tn , ∆tn−1 , . . . , ∆tn−k+1 (s. Abschn. 15.5.1 f¨ ur das BDF-Verfahren zweiter Ordnung). 14.8.1 Stabilit¨ at von Ein- und Mehrschrittverfahren Das Stabilit¨ atsverhalten der aus Gl. (14.44) hervorgehenden Ein- und Mehrschrittverfahren wird f¨ ur M = 1 (eine einzige Variable) an der linearen Modellgleichung dY /dt = λY mit λ ∈ C und Re(λ) < 0 untersucht. Wendet man die Verfahrensvorschrift (14.44) auf diese Modellgleichung an, so folgt nach kurzer Umformung k (aα − bα λ∆t) Y j+α = 0 (14.45) α=0
mit j = n − k + 1 (k ist vorzugeben). Bei Einschrittverfahren (k = 1) l¨asst sich Gl. (14.44) im Fall der genannten Modellgleichung auf die Form Y n+1 = F (λ∆t)Y n
(14.46)
bringen. Die allgemeine L¨ osung von Gl. (14.45) ergibt sich f¨ ur z = 0 aus dem Potenzansatz Y n = (z)n [221]. Um den Exponenten n bei (z)n vom Zeitschrittindex n bei Y n zu unterscheiden, ist die zu potenzierende Gr¨oße in runde Klammern gestellt. Durch Einsetzen des Potenzansatzes in Gl. (14.45) und Division durch (z)j = 0 folgt die zur Modellgleichung und zum k-Schrittverfahren (14.44) geh¨ orende charakteristische Gleichung G(z) =
k
(aα − bα λ∆t) (z)α = 0
(14.47)
α=0
=
k α=0
aα (z)α − λ∆t
P1 (z)
k α=0
bα (z)α = 0
(14.48)
P2 (z)
[221]. G(z) ist eine Funktion des ersten und zweiten charakteristischen Polynoms (P1 und P2 ). Die charakteristische Gleichung h¨angt sowohl von aα und bα als auch von λ∆t ab. Die Parameter aα und bα sind durch das Verfahren vorgegeben, so dass G(z) nur durch λ∆t beeinflusst werden kann. W¨ahrend λ aus der zu l¨ osenden Differentialgleichung hervorgeht, bleibt mit ∆t ein frei zu w¨ ahlender Parameter. In Tabelle 14.1 sind die charakteristischen Gleichungen einiger numerischer Verfahren zusammengestellt. Mit Ausnahme der Runge-Kutta-Verfahren [121, 221] lassen sich diese aus Gl. (14.44) ableiten.
14.8 Ein- und Mehrschrittverfahren
235
Tabelle 14.1. Charakteristische Gleichungen G(z) gebr¨ auchlicher numerischer Zeitintegrationsverfahren charakteristische Gleichung
Zeitintegrationsverfahren
z − 1 − λ∆t = 0
Euler explizit
(1 − λ∆t)z − 1 = 0 (1 −
1 λ∆t)z 2
− (1 +
Euler implizit 1 λ∆t) 2 2
=0
Trapezregel-Verfahren
z − 1 − λ∆t − 12 λ2 ∆t = 0 1 4 λ ∆t4 = 0 z − 1 − λ∆t − 12 λ2 ∆t2 − 16 λ3 ∆t3 − 24 z 2 − (1 + 32 λ∆t)z + 12 λ∆t = 0 5 z 3 − (1 + 23 λ∆t)z 2 + 16 λ∆tz − 12 λ∆t = 0 12 12 4 3 2 55 59 37 9 z − (1 + 24 λ∆t)z + 24 λ∆tz − 24 λ∆tz + 24 λ∆t 2 5 8 1 (1 − 12 λ∆t)z − (1 + 12 λ∆t)z + 12 λ∆t = 0 (1 − 23 λ∆t)z 2 − 43 z + 13 = 0 6 9 2 (1 − 11 λ∆t)z 3 − 18 z 2 + 11 z − 11 =0 11 4 48 3 36 2 16 3 λ∆t)z − z + z − z − 25 =0 (1 − 12 25 25 25 25
Runge-Kutta O(2) Runge-Kutta O(4) Adams-Bashforth O(2) Adams-Bashforth O(3) =0
Adams-Bashforth O(4) Adams-Moulton O(3) BDF O(2) BDF O(3) BDF O(4)
Die Betr¨ age der Nullstellen (Wurzeln) der charakteristischen Gleichungen sind mit der Stabilit¨ at des betreffenden Zeitintegrationsverfahrens verbunden [42]. In Abh¨ angigkeit von k besitzt jedes numerische Verfahren ein oder mehrere L¨ osungen seiner charakteristischen Gleichung. Diese m¨ ussen nicht notwendigerweise unterschiedlich sein, werden hier jedoch als unterschiedlich vorausgesetzt. Dann ergeben sich k unterschiedliche L¨osungen zβ , β = 1, 2, . . . , k, die Gl. (14.47) erf¨ ullen und ein Fundamentalsystem unabh¨angiger L¨osungen bilden. Daraus folgt als Linearkombination die allgemeine L¨osung Yn =
k
cβ (zβ )n ,
(14.49)
β=1
deren Konstanten c1 bis ck aus den St¨ utzstellen Y n , Y n−1 , . . . , Y n−k+1 hervorgehen. Mit Re(λ) < 0 ist eine exponentiell abklingende L¨osung verbunden. Daher darf keiner der L¨ osungsanteile aus Gl. (14.49) unbegrenzt anwachsen und es folgt: Ein Mehrschrittverfahren nach Gl. (14.44) ist numerisch nullstabil, wenn 1. f¨ ur alle Nullstellen β = 1, 2, . . . , k des ersten charakteristischen Polynoms P1 (z) gilt: |zβ | ≤ 1 und 2. alle mehrfachen Nullstellen innerhalb des Einheitskreises liegen [221]. Bei einer einzigen Nullstelle approximiert diese allein die L¨osung, die bei der gew¨ ahlten Modellgleichung mit eλt bekannt ist. Nullstabilit¨at ist eine
236
14 Homogene Reaktionssysteme
notwendige Bedingung, damit Y n f¨ ur n → ∞ begrenzt bleibt [221]. Je kleiner |zβ |, umso stabiler ist das Verfahren in Hinblick auf Rundungsfehler [42]. Entsprechend lassen sich Bedingungen f¨ ur λ∆t angeben, die absolute Stabilit¨ at gew¨ ahrleisten. Ein lineares Mehrschrittverfahren ist im Bereich λ∆t ∈ C absolut stabil, wenn dort • alle L¨ osungen zβ ∈ C der charakteristischen Gleichung G(z) innerhalb des Einheitskreises liegen (Gebiet absoluter Stabilit¨at) [221]. Mit der Definition absoluter Stabilit¨ at werden verfahrensspezifische Bereiche innerhalb der komplexen λ∆t-Ebene definiert, in denen ein numerisches Verfahren absolut stabil ist. Der Rand des Stabilit¨atsbereichs ergibt sich mit |z| = 1 aus dem charakteristischen Polynom. Zur Berechnung dieser Stabilit¨ atsgrenze wird mit z = cosθ + isinθ im Bereich 0 ≤ θ ≤ 2π nach den L¨ osungen Re(λ∆t) und Im(λ∆t) gesucht [221], die die geforderte Bedingung erf¨ ullen. Bei Einschrittverfahren gilt f¨ ur das Modellproblem nach Gl. (14.46): Ein Einschrittverfahren ist im Bereich λ∆t ∈ C absolut stabil, wenn • f¨ ur F (λ∆t) in Gl. (14.46) |F (λ∆t)| < 1 gilt (Gebiet absoluter Stabilit¨at) [221]. A-Stabilit¨ at liegt vor, wenn sich das Gebiet absoluter Stabilit¨at u ¨ ber den Bereich Re(λ∆t) < 0 erstreckt. 14.8.2 Stabilit¨ atseigenschaften ausgew¨ ahlter Verfahren Beispielhaft f¨ ur die zahlreichen numerischen L¨osungsans¨atze werden die Stabilit¨ atseigenschaften einiger expliziter und impliziter Ein- und Mehrschrittverfahren sowie zweier Runge-Kutta-Verfahren betrachtet. Weitere Informationen zu Stabilit¨ atsbereichen numerischer Verfahren finden sich in der Literatur [94, 84, 2, 121, 116]. Explizite Verfahren. In Abb. 14.1 sind Gebiete absoluter Stabilit¨at in der Re(λ∆t)-Im(λ∆t)-Ebene aufgetragen. A-Stabilit¨at liegt vor, wenn ein numerisches Verfahren im Bereich Re(λ∆t) < 0 stabil ist, was der gesamten linken H¨ alfte des Diagramms entspricht. Das bedeutet, dass ein A-stabiles Verfahren bei Re(λ) < 0 auch f¨ ur ∆t → ∞ stabil sein muss. Alle in Abb. 14.1 gezeigten Verfahren sind explizit und daher nicht A-stabil. Es handelt sich um das explizite Euler-Verfahren (Ee), zwei Runge-Kutta- (RK) sowie zwei AdamsBashforth-Verfahren (AB). Stabilit¨ at besteht jeweils innerhalb der aufgetragenen Kurven. Bei diesen Verfahren l¨ asst sich f¨ ur ein beliebiges, durch die Problemstellung gegebenes λ mit Re(λ) < 0 immer ein ∆t finden, mit dem das Verfahren numerisch stabil ist. Daran zeigt sich aber auch ein grundlegendes Problem von Verbrennungssimulationen: Bei diesen kann |λ| extrem groß sein, so dass der f¨ ur Stabilit¨ at notwendige Zeitschritt extrem klein wird und explizite Verfahren damit ineffizient werden. Wie Abb. 14.1 weiterhin zeigt, werden die Gebiete absoluter Stabilit¨ at bei den expliziten Runge-Kutta-Verfahren
14.8 Ein- und Mehrschrittverfahren
237
Ee = Euler explizit 1.O AB2 = Adams-Bashforth 2.O AB3 = Adams-Bashforth 3.O RK2 = Runge-Kutta 2. O RK4 = Runge-Kutta 4. O
Abb. 14.1. Stabilit¨ atsbereiche expliziter Zeitintegrationsverfahren. Die Verfahren sind f¨ ur λ∆t-Werte innerhalb der geschlossenen Kurven stabil, außerhalb davon sind sie instabil
mit zunehmender Genauigkeitsordnung gr¨ oßer. Erkauft wird das mit einer ansteigenden Komplexit¨ at des Verfahrens und einem entsprechend h¨oheren Rechenaufwand pro Zeitschritt. Bei den Adams-Bashforth-Verfahren ist die Beziehung zwischen Stabilit¨ atsbereich und Verfahrensordnung umgekehrt. Sieht man die Einschrittverfahren als Sonderfall der Mehrschritt-Verfahren an, dann ist das explizite Euler-Verfahren der Einschrittvertreter der Adams-BashforthKlasse. Abbildung 14.1 zeigt somit deutlich, dass sich der Bereich absoluter ¨ Stabilit¨ at beim Ubergang von erster Ordnung (explizites Euler-Verfahren) auf die Adams-Bashforth-Verfahren zweiter und dritter Ordnung verkleinert. Implizite Verfahren. Implizite Verfahren weisen bei gleicher zeitlicher Ordnung gew¨ ohnlich bessere Stabilit¨ atseigenschaften auf, als explizite. Abbildung 14.2 zeigt die Stabilit¨ atsbereiche einiger impliziter Verfahren. Dabei handelt es sich um das implizite Euler-Verfahrens (Ei), zwei Adams-MoultonVerfahren (AM) und drei BDF-Verfahren (Backwards Differentiation Formula, R¨ uckw¨artsdifferentiationsverfahren). Es ist zu beachten, dass die AdamsMoulton-Verfahren innerhalb der aufgetragenen Kurven stabil sind, das implizite Euler- und die BDF-Verfahren außerhalb davon. So tritt beim impliziten Euler-Verfahren nur innerhalb des um (1, 0) gelegenen Einheitskreises Instabilit¨ at auf. Da der Stabilit¨ atsbereich die gesamte linke H¨alfte umfasst, liegt A-Stabilit¨ at vor. Ebenfalls A-stabil ist das nicht eingezeichnete Adams-
238
14 Homogene Reaktionssysteme
Abb. 14.2. Stabilit¨ atsbereiche impliziter Zeitintegrationsverfahren: Ei = Euler implizit erster O, AM3 und AM4 = Adams-Moulton dritter und vierter O, BDF2 bis BDF4 = BDF-Verfahren zweiter bis vierter O. Die Adams-Moulton-Verfahren sind innerhalb der geschlossenen Kurven stabil und außerhalb instabil, Euler- und BDF-Verfahren sind außerhalb der Kurven stabil und innerhalb davon instabil
Moulton-Verfahren zweiter Ordnung (Trapezregel-Verfahren). Dessen Stabilit¨ atsgrenze liegt mit Re(λ∆t) = 0 auf der komplexen Achse. Das Trapezregelverfahren besitzt dar¨ uber hinaus den geringsten Diskretisierungsfehler aller A-stabilen Verfahren zweiter Ordnung. Abbildung 14.2 best¨atigt auch die Regel, dass kein Mehrschrittverfahren mit einer Genauigkeitsordnung gr¨oßer als zwei A-stabil sein kann [94]. Allerdings sind die Einschr¨ankungen, welche die BDF-Verfahren dritter und vierter Ordnung in der linken H¨alfte des Diagramms erfahren, sehr gering. Wegen ihrer ausgezeichneten Stabilit¨atseigenschaften werden die auf Gear zur¨ uckgehenden BDF-Verfahren gerne f¨ ur Verbrennungssimulationen verwendet. Bei BDF-Verfahren nimmt die Gr¨oße des Stabilit¨ atsbereichs mit zunehmender Verfahrensordnung ab. Numerische Verfahren in der Verbrennung. Zusammenfassend l¨asst sich sagen, dass die Vorteile impliziter Verfahren gegen¨ uber expliziten Verfahren bei Verbrennungssimulationen klar u ¨berwiegen. Das betrifft jedoch ausschließlich die Diskretisierung des chemischen Quellterms, der bei detaillierter Chemie die hohe Steifigkeit des Gleichungssystems verursacht. Wann ein Verfahren h¨ oherer Ordnung (O > 1) eingesetzt werden sollte, h¨angt vom Anwendungsfall ab. Ist nur die station¨ are L¨ osung gesucht, dann gen¨ ugt in der Regel ein implizites oder semi-implizites A-stabiles Verfahren erster Ordnung.
14.9 Zeitintegration des Verbrennungsgleichungssystems
239
14.9 Zeitintegration des Verbrennungsgleichungssystems Um die Problematik steifer Gleichungssysteme sowie die Auswirkungen großer Eigenwerte zu veranschaulichen, wird nochmals der Testfall aus Abschn. 2.5.2 betrachtet. Dessen numerisch-mathematische Untersuchung geschieht in Anlehnung an eine von Weiss [261] durchgef¨ uhrte Stabilit¨atsanalyse. Betrachtet wird ein adiabates, isobares, homogenes Reaktionssystem mit einer Ausgangstemperatur von 920 K und einem Druck von 1 bar. Zum Zeitpunkt t = 0 liegt ¨ ein st¨ ochiometrisches Wasserstoff-Luft-Gemisch vor. Die zeitlichen Anderungen des homogenen Reaktors beschreiben die Gln. (14.1) und (14.4). Deren numerische Integration soll mit dem 1. expliziten Euler-Verfahren 2. semi-impliziten Euler-Verfahren
∆t Sn , (14.50) ρn ∆t Sn = (14.51) ρn
∆Yn+1 = [ I − ∆tJn ] ∆Yn+1
C
erfolgen, die beide zeitlich von erster Ordnung sind. Gel¨ost werden die Komponentengleichungen und aus der konstanten Enthalpie folgt die aktualisierte Temperatur. Zur Beschreibung der reaktionskinetischen Vorg¨ange dient das H2 -Luft-Reaktionsschema von Jachimowski [127] aus Anhang A.1.1. Der Zeitschritt ist so zu w¨ ahlen, dass neben der Stabilit¨at des Verfahrens auch die Qualit¨ at der L¨ osung gew¨ ahrleistet ist. In Abb. 14.3 sind die zeitlichen Verl¨aufe der Temperatur und der Massenanteile dargestellt. Eine Diskussion dieser Ergebnisse findet sich in Abschn. 2.5.2. Die Verl¨ aufe der Realteile der Eigenwerte der Quellterm-Jacobi-Matrix J = ∂(S/ρ)/∂Y sind in Abb. 14.4 aufgetragen. Wegen der großen Spanne der Re(λα ) geschieht das in logarithmierter Form. Da das Vorzeichen des Eigenwerts von Interesse ist, wurde f¨ ur die Ordinate die Funktion ' sgn(λα )log|λα | : λα = 0 , y = (14.52) 0 : λα = 0 gew¨ ahlt. Wie h¨ aufig in der Verbrennung sind alle imagin¨aren Anteile der Eigenwerte null und es gilt Re(λα ) = λα f¨ ur α = 1, 2, . . . , M . Die drei Verbrennungsbereiche – Induktion, Z¨ undung und Gleichgewicht – schlagen sich auch in den Eigenwerten nieder. In der Anfangsphase tritt ein positiver Ei¨ genwert auf, der mit der Z¨ undung und dem damit verbundenen Ubergang ins chemische Gleichgewicht sein Vorzeichen wechselt. Im Gleichgewicht kommen ausschließlich Eigenwerte mit Re(λα ) ≤ 0 vor. Die Erhaltung der drei konstanten Elemente N, H und O zieht drei Eigenwerte mit Re(λα ) = 0 nach sich. Gem¨ aß Definition (14.30) bewegt sich der Grad der Steifigkeit dieses Gleichungssystems zwischen sehr steif und steif. Explizites Euler-Verfahren. Stabilit¨ atsbestimmend sind f¨ ur explizite Verfahren die schnellsten chemisch-physikalischen Vorg¨ange, die in der Regel
240
14 Homogene Reaktionssysteme
Abb. 14.3. Zeitverlauf der Massenanteile und der Temperatur des homogenen, adiabaten, isobaren Systems
Abb. 14.4. Zeitverlauf der Eigenwerte der Quellterm-Jacobi-Matrix
von den großen, negativen Eigenwerten ausgehen. Beim untersuchten Ver8 brennungstestfall ist der gr¨ oßte negative Eigenwerte λ− max ≈ −5 × 10 1/s. − Die Steifigkeit und λmax werden stark vom Reaktionsschema beeinflusst und k¨ onnen von Reaktionsmechanismus zu Reaktionsmechanismus stark variieren. Mit einer Zeitschrittbeschr¨ ankung von ∆t < 2/|λ− ur das explizite max | folgt f¨ Euler-Verfahren ∆t < 4 × 10−9 s. Damit sind bis t = 0.15 s mehr als 3,75 Millionen Zeitschritte notwendig, was bei mehrdimensionalen Simulationen kaum zu bew¨ altigen ist. Bewegt man sich dar¨ uber hinaus zu nahe an dieser Zeitschrittbeschr¨ ankung, so kann die L¨ osung zwar numerisch stabil sein, aber dennoch große Fehler aufweisen. Wie dieses Beispiel weiterhin zeigt, tritt das Steifigkeitsproblem w¨ ahrend des gesamten Integrationszeitraums auf. Das best¨ atigt die Aussage, dass sich explizite Verfahren im Allgemeinen nicht f¨ ur Verbrennungssimulationen eignen. Semi-implizites Euler-Verfahren. Das semi-implizite Euler-Verfahren ist A-stabil und unterliegt damit bei ausschließlich negativen Re(λα ) keiner Zeitschrittbeschr¨ ankung. Aus Genauigkeitsgr¨ unden ist dennoch meist ein begrenzter Zeitschritt erforderlich. Dar¨ uber hinaus k¨onnen Stabilit¨atsprobleme von den positiven Eigenwerten ausgehen. Diese sind relativ selten, sie treten gew¨ ohnlich nur zeitweilig auf und sind betragsm¨aßig in der Regel deutlich kleiner, als die gr¨ oßten negativen Eigenwerte. Eine notwendige Bedingung f¨ ur die numerische Stabilit¨ at des semi-impliziten Euler-Verfahrens nach Gl. (14.51) ist eine positiv definite Matrix
I C = I − ∆tJ = ∆t −J (14.53) ∆t [261]. Besitzt J nur negative Eigenwerte, so ist −J positiv definit und damit auch C. Weist J dagegen positive Eigenwerte auf, so schw¨acht dies die geforderte Eigenschaft und kann dazu f¨ uhren, dass C nicht mehr positiv definit
14.9 Zeitintegration des Verbrennungsgleichungssystems
Abb. 14.5. Zeitverlauf der Massenanteile und der Temperatur des homogenen, adiabaten, isobaren Reaktors bei zu groß gew¨ ahltem Zeitschritt
241
Abb. 14.6. Zeitverlauf der Eigenwerte der Quellterm-Jacobi-Matrix bei zu groß gew¨ ahltem Zeitschritt
ist. Ausschlaggebender Faktor ist die Gr¨ oße des gew¨ahlten Zeitschritts. Nach Gl. (14.53) l¨ asst sich C mit hinreichend kleinem ∆t immer positiv definit halten. Da in der Verbrennung etwaige positive Eigenwerte von ihrem Betrag her gew¨ ohnlich kleiner sind, als die gr¨ oßten negativen Eigenwerte, ist diese Zeitschrittbeschr¨ ankung bei weitem nicht so begrenzend, wie die bei expliziten Verfahren. Beim untersuchten Testfall ist der gr¨oßte positive Eigenwert mit 5 λ+ ahr 2100 mal kleiner, als |λ− max ≈ 2, 3 × 10 ungef¨ max |. Das semi-implizite Euler-Verfahren ist mit ∆t = 1 × 10−6 s auch bei positivem Eigenwert numerisch stabil. Wie sich ein zu großer Zeitschritt in Zusammenhang mit einem positiven Eigenwert auswirkt, zeigen die Abb. 14.5 und 14.6. Der Zeitschritt betr¨ agt bei dieser Simulation 4,9 × 10−6 s. Das ist gerade noch klein genug, um in der Anfangsphase (bis ca. t = 7, 5 ms) Stabilit¨at zu gew¨ahrleisten. Danach erh¨ oht sich der positive Eigenwert (in Abb. 14.6 durch gekennzeichnet) mit einsetzender Verbrennung nochmals (s. auch Abb. 14.4). Mit diesem Anstieg ist C nicht mehr positiv definit. Das f¨ uhrt zu einer numerischen L¨osung, die der exakten nicht l¨ anger folgen kann: Die Konzentrationen von Komponente werden negativ, die L¨ osung physikalisch unsinnig und die Simulation bricht ab. Mit Abhilfen befasst sich Abschn. 15.6.1. Im Vergleich zu expliziten L¨ osern bieten A-stabile implizite Verfahren noch einen weiteren Vorteil. W¨ ahrend das Steifigkeitsproblem der Verbrennung (das bei expliziten Verfahren gew¨ ohnlich den Zeitschritt diktiert) bis in den station¨ aren Zustand hinein besteht (in Abb. 14.4 verst¨arkt es sich sogar), verschwindet das Problem positiver Eigenwerte in der Regel mit fortschreitender Zeitintegration. In Abb. 14.4 liegen nach der Z¨ undung (t ≥ 8 ms) ausschließlich Eigenwerte mit Re(λα ) ≤ 0 vor. Ab diesem Zeitpunkt kann ∆t bei einem A-stabilen Verfahren erh¨ oht werden, ohne dass es zur Divergenz der L¨osung kommen sollte.
15 Mehrdimensionale Verbrennungssimulationen
In diesem Kapitel werden die an den homogenen Reaktionssystemen gewonnenen Erkenntnisse auf r¨ aumlich mehrdimensionale Problemstellungen u ¨ bertragen. Zu den chemischen Zeitskalen kommen dann die str¨omungsmechanischen hinzu, die ebenfalls steife Gleichungssysteme verursachen k¨onnen. Die Steifigkeit geht in diesem Fall auf die unterschiedlich schnelle r¨aumliche Ausbreitung von St¨ orungen oder auf starke Gitterstreckungen zur¨ uck. Gegeben sei das Gleichungssystem ∂Q ∂(Fk − Fνk ) + = P ∂t ∂xk
(15.1)
mit k = 1, 2, 3, das f¨ ur die momentanen Bilanzgleichungen (2.4) bis (2.7) oder das gemittelte Gleichungssystem (7.1) stehen kann. Q = (Q1 , Q2 , . . . , QM )T bezeichnet den Variablenvektor, Fk und Fνk die Vektoren konvektiver und diffusiver Fl¨ usse und P = (0, 0, . . . , 0, PI , PI+1 , . . . , PM )T den Quellvektor, der gew¨ ohnlich nicht voll besetzt ist.
15.1 R¨ aumliche Diskretisierung Zur numerischen L¨ osung des Gleichungssystems mit einem FD- oder FVVerfahren wird eine diskrete Darstellung der Variablen ben¨otigt. Hierzu sind Punkte im Rechengebiet zu definieren, an denen die Variablen vorliegen sollen. Aus diesen diskreten Werten gehen die Fluss- und Quellvektoren hervor. Die Art und Weise wie Fk und Fνk numerisch approximiert werden, bestimmt 1. die r¨ aumliche Genauigkeit der L¨ osung und die r¨aumliche Fehlerordnung des Verfahrens, 2. das Verhalten der L¨ osung (z.B. Oszillationen oder das Verschmieren der L¨ osung an Verdichtungsst¨ oßen), 3. die numerische Stabilit¨ at des L¨ osungsverfahrens. Details zu r¨ aumlichen Diskretisierungstechniken finden sich in den Literaturstellen [84, 2, 121].
244
15 Mehrdimensionale Verbrennungssimulationen
15.1.1 Finite-Differenzen-Verfahren Bei Finite-Differenzen-Verfahren (FD) wird von einem Gleichungssystem in differentieller Schreibweise ausgegangen, wie es beispielsweise in Gl. (15.1) angegeben ist. Dessen Herleitung geht auf die Bilanzierung konservativer Gr¨oßen in einem infinitesimal kleinen Volumenelement zur¨ uck. Durch Differentiation folgen daraus die Gleichungen in FD-Schreibweise, was die Anwendbarkeit des Gauß’schen Integralsatzes und damit stetig differenzierbare Variablen voraussetzt [121]. Um mit FD-Verfahren auch auf konturangepassten Gittern arbeiten zu k¨ onnen, ist Gl. (15.1) von kartesischen x1 -x2 -x3 -Koordinaten auf ein krummliniges aber strukturiertes ξ1 -ξ2 -ξ3 -System zu transformieren. Es folgt ∂(Fξk − Fξνk ) ∂Q + = P ∂t ∂ξk
(15.2)
mit k = 1, 2, 3. Die konvektiven und diffusiven Flussvektoren Fξk und Fξνk in ξk -Richtung gehen unter Verwendung metrischer Terme aus den kartesischen Flussvektoren hervor. Bei FD-Verfahren bleibt die Konservativit¨at (Masse, Impuls und Energie bleiben im diskreten System erhalten) gewahrt, wenn das Gleichungssystem in konservativen Variablen formuliert ist und alle Koeffizienten vor partiellen Ableitungen konstant sind oder sonst nicht mehr in der Gleichung auftreten [2]. Das trifft auf das gemittelte Gleichungssystem aus Abschn. 7 auf S. 103 zu. Bei den Elementen von Q nach Gl. (7.2) spricht man daher von konservativen Variablen. Im Gegensatz dazu werden ρ, ui , E, Yα usw. als primitive Variablen bezeichnet. 15.1.2 Finite-Volumen-Verfahren Im Gegensatz zu FD-Verfahren erfordern Finite-Volumen-Diskretisierungen (FV) keine Transformation des Gleichungssystems. Das Rechengebiet wird direkt im physikalischen Raum diskretisiert. F¨ ur jedes erzeugte Volumen sind Bilanzgleichungen aufzustellen und zu l¨ osen. Konservativit¨at ist automatisch gew¨ ahrleistet, da ein Fluss, der eine Zelle verl¨asst, in die angrenzende einstr¨ omt. Gleichung (15.1) nimmt in FV-Formulierung folgende Form an = ∂ Q dV + (GΩ − GνΩ ) dΩ = P dV , (15.3) ∂t V
Ω
V
was zun¨ achst keine stetig differenzierbaren Variablen voraussetzt. Darin bezeichnet V das Zellvolumen, Ω die Zelloberfl¨ ache und GΩ sowie GνΩ die konvektiven bzw. diffusiven Fl¨ usse durch die Zelloberfl¨ache. Die Flussvektoren sind Funktionen der kartesischen Fl¨ usse und der Zellmetrik. Gleichung (15.3) ist f¨ ur beliebige Volumen g¨ ultig. Numerische L¨osungsverfahren erfordern jedoch leicht handhabbare Zellstrukturen, weshalb das Rechengebiet bei dreidimensionalen Simulationen meist in Hexaeder oder Tetraeder zerlegt wird.
15.2 Zeitliche Diskretisierung
245
¨ Durch den Ubergang auf einfache Zellgeometrien l¨asst sich das Oberfl¨achenintegral in Gl. (15.3) durch die Summe u ¨ ber alle Zellseiten ersetzen. Mit dem mittleren konvektiven Flussvektor Gα und dem mittleren diffusiven Flussvektor Gνα durch die Zellseite α folgt bei zeitlich konstantem V und einer Zelle mit z Zellseiten der Fl¨ achen Ωα z ∂Q 1 + (Gα − Gνα ) Ωα = P . ∂t V α=1
(15.4)
In Abh¨ angigkeit vom diskreten Ort des Variablenvektors k¨onnen bei der numerischen Berechnung der Fluss- und Quellvektoren Diskretisierungs- und Abbruchfehler auftreten. Liegen die Variablen z.B. im Zellmittelpunkt vor (Zellmittelpunktsschema), so unterliegen die daraus berechneten Fl¨ usse auf einer Zellseite einer bestimmten r¨ aumlichen Genauigkeitsordnung. Da FVDiskretisierungen automatisch konservativ sind, Vorteile bei metrischen Singularit¨ aten aufweisen, mit beliebigen Volumen arbeiten k¨onnen und eine lokale Adaption des Rechengitters zulassen, werden sie in den letzten Jahren vermehrt eingesetzt. Die Bedeutung der FD-Verfahren geht entsprechend zur¨ uck.
15.2 Zeitliche Diskretisierung Die Art der zeitlichen Diskretisierung der im Gleichungssystem (15.4) auftretenden Quell- und Flussvektoren beeinflusst 1. die zeitliche Genauigkeit der L¨ osung und die zeitliche Fehlerordnung des Verfahrens, 2. die numerische Stabilit¨ at des L¨ osungsverfahrens, 3. die Art des zu l¨ osenden Gleichungssystems (linear oder nichtlinear). In implizite Verfahren gehen Quell- und/oder Flussvektoren zum neuen, unbekannten Zeitpunkt n + 1 ein, was Probleme bereitet, da die Vektoren G(Q), Gν (Q, ∂Q/∂xk ) und S(Q) nichtlineare Funktionen von Q und ∂Q/∂xk sind. Das heißt, dass die Verwendung impliziter Verfahren auf ein nichtlineares Gleichungssystem f¨ uhrt, das nicht direkt gel¨ ost werden kann. Andererseits bieten implizite Verfahren auf Grund ihrer guten Stabilit¨atseigenschaften Vorteile bei der L¨ osung steifer Verbrennungsgleichungssysteme. F¨ ur die Wahl der Zeitdiskretisierung ist ferner von Belang, ob eine zeitgenaue oder eine station¨are L¨osung gesucht ist. Entsprechend kann es notwendig sein, das nichtlineare Gleichungssystem bei jedem Zeitschritt exakt zu l¨osen (s. Abschn. 15.2.1) oder es gen¨ ugt die Linearisierung nichtlinearer Vektoren (s. Abschn. 15.2.2). 15.2.1 Das Newton-Raphson-Verfahren Eine effiziente L¨ osungsm¨ oglichkeit f¨ ur nichtlineare Gleichungssysteme stellt die Newton- oder Newton-Raphson-Iteration dar. Sucht man die Nullstelle X = (X1 , X2 , . . . , XM )T des nichtlinearen Gleichungssystems
246
15 Mehrdimensionale Verbrennungssimulationen
F(X) = 0
(15.5)
mit F = (F1 , F2 , . . . , FM )T und den nichtlinearen Funktionen Fi = Fi (X), dann l¨ asst sich die L¨ osung durch folgende Iterationsvorschrift erlangen [42]:
p dF Jp ∆Xp+1 = − Fp , mit Jp = . (15.6) dX ¨ des L¨osungsvekIn dieser Gleichung gibt ∆Xp+1 = Xp+1 − Xp die Anderung tors w¨ ahrend eines Iterationsschritts und p = 0, 1, 2, . . . den Iterationsindex an. Ausgehend vom Startvektor X0 wird Xp so lange iteriert, bis die Ausgangsgleichung (15.5) mit hinreichenden Genauigkeit erf¨ ullt ist. Bei Einhaltung einiger Grundvoraussetzungen (der Startwert sollte nahe genug an der L¨ osung liegen, die Ableitungen ∂Fi /∂Xj sollten in der Umgebung der Nullstelle stetig sein [42]) erreicht das Newton-Verfahren quadratische Konvergenzraten. Dieses Verfahren kann als innerer Iterationszyklus zur L¨osung eines nichtlinearen Problems in beliebigen impliziten Verfahren eingesetzt werden. 15.2.2 Linearisierung Probleme mit der L¨ osung nichtlinearer Gleichungssysteme lassen sich durch Linearisierung der unbekannten Fluss- und/oder Quellvektoren vermeiden. Da dabei Abbruchfehler entstehen, spricht man von semi-impliziten Verfahren. Das aus der Linearisierung hervorgehende und zu l¨osende lineare Gleichungssystem entspricht dem der ersten Iteration des Newton-Verfahrens. Bei einem zellzentrierten FV-Verfahren nach Gl. (15.4) hat die Linearisierung der Quellterme im Zellmittelpunkt und die der r¨ aumlichen Fl¨ usse auf den Zellseiten zu erfolgen. Durch eine Taylor-Reihenentwicklung folgt mit Q = Q(x, t) f¨ ur den Quellvektor S = S(Q) und den Vektor der konvektiven Fl¨ usse G = G(Q)
n
n ∂Q dP Pn+1 = Pn + ∆t + O(∆t)2 dQ ∂t Pn+1 ≈ Pn + Jn ∆Qn+1 ,
n
n ∂Q dG ∆t + O(∆t)2 Gn+1 = Gn + dQ ∂t Gn+1 ≈ Gn + An ∆Qn+1 .
(15.7)
Diese Approximation ist zeitlich von erster Ordnung. Ihrer physikalischen Bedeutung entsprechend bezeichnet man die zum Zeitpunkt n im Zellmittelpunkt zu bildende Matrix Jn als Quellterm-Jacobi-Matrix und die auf einer Zellseite zu bildende Matrix An als Jacobi-Matrix konvektiver Fl¨ usse. Die Linearisierung des Vektors diffusiver Fl¨ usse Gν = Gν (Q, ∂Qα /∂xβ ) ist durch die zus¨ atzliche Abh¨ angigkeit von den r¨aumlichen Ableitungen des Variablenvektors (s. beispielsweise Gl. (7.7) auf S. 104) wesentlich aufw¨andiger.
15.3 Punkt-implizite Verfahren
247
Details hierzu finden sich in den Literaturstellen [18, 2, 121]. Oft werden bei den diffusiven Fl¨ ussen Approximationen f¨ ur deren Jacobi-Matrizen verwendet. Diese k¨ onnen beispielsweise auf den Flussvektoren der ,,thin-layer Navier-Stokes-Gleichungen” beruhen [223]. Steger [234, 2] verwendet zur Matrixbildung an Stelle des exakten Vektors Gν vereinfachte Flussvektoren, die unter Vernachl¨ assigung r¨ aumlich gemischter Ableitungen aus den parabolisierten Navier-Stokes-Gleichungen hervorgehen. Ebenfalls unber¨ ucksichtigt bleiben lokale Abh¨ angigkeiten der Stoffwerte und es folgt Gn+1 ≈ Gnν + Bn ∆Qn+1 ν
(15.8)
[2]. Im Gegensatz zu den Linearisierungen in Gl. (15.7) weist dieser Ansatz neben dem Abbruchfehler noch Ungenauigkeiten auf Grund vernachl¨assigter Terme auf. Bei allen folgenden semi-impliziten L¨osungsverfahren basiert die Linearisierung der diffusiven Fl¨ usse auf der Approximation (15.8).
15.3 Punkt-implizite Verfahren Die Untersuchung homogener Reaktionssysteme hat gezeigt, dass sich verbrennungsbedingte Stabilit¨ atsprobleme mit einer impliziten Diskretisierung der chemischen Quellterme vermeiden oder zumindest reduzieren lassen. Bei mehrdimensionalen Simulationen ist demnach der chemische Quellterm implizit zu diskretisieren. Werden die Flussvektoren dagegen explizit diskretisiert, spricht man von Punkt-impliziten Verfahren. Auf Grund der Nichtlinearit¨at der Verbrennungsquellterme entsteht in jedem Gitterpunkt ein lokales, gekoppeltes, nichtlineares Gleichungssystem. Die Vorteile dieses Ansatzes bestehen darin, dass 1. das Steifigkeitsproblem der chemischen Kinetik beseitigt oder zumindest reduziert wird, 2. der Rechenaufwand relativ gering ist, 3. einer gute Parallelisierung und Vektorisierung nichts im Wege steht. F¨ ur den letzten Punkt ist die Unabh¨ angigkeit der lokal zu invertierenden Gleichungssysteme von den Nachbarzellen verantwortlich. Punkt-implizite Verfahren bieten sich bei unstrukturierten, adaptiven Gittern und bei der Nutzung von Parallelrechnern an. Diese Verfahren unterliegen jedoch weiterhin den str¨ omungsmechanischen Zeitschrittbeschr¨ ankungen des expliziten Basisl¨osers. Beispielhaft f¨ ur diese Verfahrensklasse werden das Punkt-implizite und das Punkt-semi-implizite Euler-Verfahren vorgestellt. 15.3.1 Punkt-implizites Euler-Verfahren Bei expliziter Diskretisierung der Flussvektoren und impliziter Diskretisierung des Quellvektors folgt aus Gl. (15.4)
248
15 Mehrdimensionale Verbrennungssimulationen z ∆Qn+1 1 + (Gnα − Gnνα ) Ωα = Pn+1 ∆t V α=1
(15.9)
und daraus durch Umstellung das nichtlineare Nullstellenproblem F(Q) =
z 1 Qn Qn+1 − Pn+1 − + (Gnα − Gnνα ) Ωα = 0 . ∆t ∆t V α=1
(15.10)
Tn
Dessen L¨ osung kann f¨ ur jeden Gitterpunkt separat erfolgen. Verwendet man hierzu das Newton-Verfahren aus Abschn. 15.2.1, so ergibt sich ! I Qp − Jp ∆Qp+1 = − + Pp − Tn , (15.11) ∆t ∆t wobei p = 1, 2, . . . den Index der inneren Iteration und n den Index der ¨außeren Iteration angibt. Bei diesem und allen weiteren, vorgestellten Verfahren sind auf der linken Seite die impliziten Anteile zusammengefasst, auf der rechten die expliziten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der linken Seite (LHS – left hand side) und der rechten Seite (RHS – right hand side) eines numerischen Verfahrens. Die Berechnung der RHS bereitet gew¨ohnlich keine Probleme, da sie ausschließlich auf bekannten Werten beruht. Bei Konvergenz der inneren Iteration gilt Qp → Qn+1 und ∆Qp+1 = 0, so dass die linke Seite des Gleichungssystems verschwindet. Die rechte Seite entspricht dann der Ausgangsgleichung (15.9) und mit Qp = Qp+1 = Qn+1 liegt der gesuchte L¨ osungsvektor zum Zeitschritt n + 1 vor. 15.3.2 Punkt-semi-implizites Euler-Verfahren In vielen F¨ allen ist der Aufwand einer exakten L¨osung des nichtlinearen Gleichungssystems nicht gerechtfertigt. Dann bietet sich die in Abschn. 15.2.2 beschriebene Linearisierung an. Mit Gl. (15.7) folgt aus Gl. (15.9)
! z I 1 − Jn ∆Qn+1 = Pn − (Gnα − Gnνα ) Ωα , ∆t V α=1
(15.12)
Rn
so dass zu jedem Iterationsschritt in jedem Gitterpunkt ein lineares Gleichungssystem der Art (I/∆t − Jn )∆Qn+1 = Rn zu l¨osen ist. Die RHS entspricht dem Residuum R (residual ). Mit Ann¨ aherung an die station¨are L¨osung gilt R → 0. Entsprechend l¨ asst sich R bzw. eine Norm dieses Vektors als Maß f¨ ur den Fehler und das erreichte Konvergenzstadium nutzen. Bussing und Murman [44] haben eine Punkt-semi-implizite Integration chemischer Quellterme mit dem explizite Prediktor-Korrektor-Verfahren nach MacCormack [169] und dem expliziten Runge-Kutta-Verfahren nach Jameson et al. [131] gekoppelt.
15.4 Implizite Einschrittverfahren
249
15.4 Implizite Einschrittverfahren Deutlich aufw¨ andiger als Punkt-implizite Verfahren (hinsichtlich Rechenzeit pro Zeitschritt und Hauptspeicherbedarf) sind numerische L¨oser, bei denen auch die Flussvektoren implizit diskretisiert werden. Dies soll die Stabilit¨at verbessern und gr¨ oßere Zeitschritte erm¨ oglichen. Die Grundform impliziter Einschrittverfahren zur L¨ osung von Gl. (15.4) lautet ∆Qn+1 =
− θ1
z & ∆t % n+1 Gα − Gn+1 Ωα + θ2 ∆tPn+1 να V α=1
z ∆t − (1 − θ1 ) (Gnα − Gnνα ) Ωα + (1 − θ2 )∆tPn (15.13) V α=1
mit 0 < θ1 ≤ 1 und 0 < θ2 ≤ 1. In Abh¨ angigkeit von θ1 und θ2 ergeben sich Verfahren unterschiedlicher zeitlicher Genauigkeitsordnung. Die mit zwei St¨ utzstellen maximal erreichbare zweite Ordnung stellt sich beim TrapezregelVerfahren (θ1 = θ2 = 0,5) ein. Als Beispiele impliziter Einschrittverfahren werden das implizite Euler- und das semi-implizite Euler-Verfahren vorgestellt. 15.4.1 Implizites Euler-Verfahren Das implizite Euler-Verfahren folgt f¨ ur θ1 = θ2 = 1 aus Gl. (15.13) und ist zeitlich von erster Ordnung. Bringt man alle daraus hervorgehenden Terme auf eine Seite, so folgt mit F(Q) =
z & ∆Qn+1 1 % n+1 + Gα − Gn+1 Ωα − Pn+1 να ∆t V α=1
(15.14)
ein Nullstellenproblem, das mit dem Newton-Verfahren aus Abschn. 15.2.1 gel¨ ost werden kann 4 ' z 1 I p p p + ∆Qp+1 (Aα − Bα ) Ωα − J ∆t V α=1 (15.15) z 1 Qp − Qn p p p − = − (Gα − Gνα ) Ωα + P . ∆t V α=1 Darin tritt mit p = 1, 2, . . . ein innerer Iterationszyklus auf, der bei jedem Zeitschritt zur Konvergenz gebracht werden muss. Bei der LHS ist zu beachten, dass sich die Terme in der geschweiften Klammer auf unterschiedliche r¨ aumliche Positionen und damit unterschiedliche Vektoren ∆Qn+1 beziehen. Das lineare Gleichungssystem (15.15) ist in Abh¨angigkeit von der gew¨ahlten r¨ aumlichen Diskretisierung sowie der Dimension des Problems sehr aufw¨andig
250
15 Mehrdimensionale Verbrennungssimulationen
zu l¨ osen. Werden im dreidimensionalen Fall nur die direkten sechs Nachbarn einer Rechenzelle zur Diskretisierung verwendet (auf einem kartesischen, strukturierten Gitter), so entsteht ein Block-septadiagonales Gleichungssystem. Da dieses nicht effizient gel¨ ost werden kann, bietet sich eine Faktorisierung der LHS an [2]. Darunter versteht man deren Zerlegung in das Produkt mehrerer Anteile (Faktoren), wobei Faktorisierungsfehler in Kauf genommen werden. Beim dreidimensionalen ADI-Verfahren (Alternating Direction Implicit ) wird die LHS in drei [18, 2], bei LU-Verfahren in zwei Faktoren [131, 223] aufgespalten. An Stelle des Block-septadiagonalen Systems sind beim ADIVerfahren drei Block-tridiagonale Systeme zu l¨osen, wof¨ ur effiziente L¨osungsstrategien existieren [2]. 15.4.2 Semi-implizites Euler-Verfahren Durch Linearisierung der Fluss- und Quellvektoren erh¨alt man aus Gl. (15.13) mit θ1 = θ2 = 1 das semi-implizite Euler-Verfahren 4 ' z 1 I n n n ∆Qn+1 (Aα − Bα ) Ωα − J + ∆t V α=1 (15.16) z 1 = − (Gnα − Gnνα ) Ωα + Pn . V α=1 Dieses Verfahren ist mit dem ersten inneren Iterationsschritt des impliziten Euler-Verfahrens nach Gl. (15.15) identisch.
15.5 Implizite Mehrschritt-Verfahren Die zeitliche Genauigkeitsordnung numerischer Verfahren l¨asst sich durch den ¨ Ubergang auf Mehrschrittverfahren steigern. Das ist insbesondere f¨ ur zeitgenaue Simulationen von Belang, da dann mit global konstantem Zeitschritt gearbeitet werden muss. Beispielhaft f¨ ur Mehrschrittverfahren werden die BDFVerfahren vorgestellt. 15.5.1 Implizite BDF-Verfahren Auf Grund ihrer guten Stabilit¨ atseigenschaften bieten sich die auf Gear zur¨ uckgehenden BDF-Verfahren (Backwards Differentiation Formula, R¨ uckw¨artsdifferentiationsverfahren) speziell f¨ ur Verbrennungssimulationen an (s. auch Abschn. 14.8.2). Das BDF-Verfahren zweiter Ordnung ist A-stabil und auch die BDF-Verfahren dritter und vierter Ordnung weisen nur geringe Einschr¨ ankungen in der wichtigen linken Halbebene des Stabilit¨atsdiagramms auf (s. Abb. 14.2 auf S. 238). Wendet man BDF-Verfahren auf Gl. (15.4) an, so ergibt sich die Verfahrensvorschrift
15.5 Implizite Mehrschritt-Verfahren
∆Q
n+1
= −
k
akβ Q
n+1−β
251
z & 1 % n+1 n+1 n+1 , Gα − Gνα Ωα − P V α=1
− bk
β=1
(15.17) in der k die gew¨ unschte zeitliche Genauigkeitsordnung definiert. Die Parameter akβ gewichten den Einfluss der verwendeten Variablenvektoren. Je h¨oher die Ordnung, umso mehr zur¨ uckliegende Variablenvektoren sind erforderlich. Bei k = 3 gehen Qn+1 , Qn , Qn−1 und Qn−2 in das BDF-Verfahren ein. Die Parameter akβ und b∗k (bk = b∗k ∆t) finden sich in zahlreichen Lehrb¨ uchern [94, 221]. F¨ ur konstante Zeitschrittweiten sind sie f¨ ur die BDF-Verfahren zweiter bis f¨ unfter Ordnung in Tabelle 15.1 zusammengefasst. Bei variierendem Zeitschritt handelt es sich bei diesen Koeffizienten um Funktionen der Zeitschrittweiten. F¨ ur das BDF-Verfahren zweiter Ordnung (k = 2) folgt beispielsweise b2 =
∆tn+1 (∆tn + ∆tn+1 ) , ∆tn + 2∆tn+1
a21 = − a22 = −
∆tn+1 + ∆tn+1 ) (15.18)
∆tn (∆tn
mit ∆tn+1 = tn+1 − tn , n+1
∆tn = tn − tn−1 .
(15.19)
n
F¨ ur ∆t = ∆t stellen sich damit wieder die in Tabelle 15.1 angegeben Werte ein. Bei ver¨ anderlicher Zeitschrittweite sind neben den erforderlichen Variablenvektoren auch die zur¨ uckliegenden Zeitschrittweiten zu speichern. Das nichtlineare Gleichungssystem (15.17) ist iterativ zu l¨osen. Bringt man alle Terme dieser Gleichung auf eine Seite und wendet das Newton-Verfahren zur Bestimmung der Nullstelle an, so folgt ' 4 z 1 p p p I + bk ∆Qp+1 (Aα − Bα ) Ωα − J V α=1 = −Q +Q − p
n
k
akβ Q
n+1−β
− bk
β=1
z 1 (Gpα − Gpνα ) Ωα − Pp V α=1
.
(15.20) Tabelle 15.1. Koeffizienten akβ und b∗k = bk /∆t der linearen impliziten BDF-Verfahren zweiter bis f¨ unfter Ordnung f¨ ur konstante Zeitschrittweiten ∆t (k = Ordnung des Verfahrens) k 2 3 4 5
b∗k
ak1
ak2
ak3
ak4
ak5
2/3 – 1/3 1/3 6/11 – 7/11 9/11 – 2/11 12/25 – 23/25 36/25 – 16/25 3/25 60/137 – 163/137 300/137 – 200/137 75/137 – 12/137
252
15 Mehrdimensionale Verbrennungssimulationen
Bis auf den Gewichtungsfaktor bk ist der implizite Teil (LHS) dieses Verfahrens identisch zu dem des impliziten Euler-Verfahrens. Es ist zu beachten, dass nur bei auskonvergierter innerer Iteration die Genauigkeitsordnung des Gesamtverfahrens eingehalten wird. 15.5.2 Semi-implizite BDF-Verfahren Linearisiert man alle unbekannten Fluss- und Quellvektoren des BDF-Verfahrens (s. Abschn. 15.2.2), dann entf¨ allt die innere Iteration in Gl. (15.20) und es ergibt sich mit ' 4 z bk n n n I+ ∆Qn+1 (Aα − Bα ) Ωα − bk J V α=1 (15.21) z k 1 n n n n+1−β = − akβ Q − bk (Gα − Gνα ) Ωα − P V α=1 β=1 ein lineares Gleichungssystem. Hier ist zu beachten, dass die Linearisierung die zeitliche Genauigkeit der L¨ osung beeintr¨ achtigen kann.
15.6 Stabilisierung von Verbrennungssimulationen Die L¨ osung steifer Gleichungssysteme erfordert numerische Verfahren mit m¨ oglichst großem Stabilit¨ atsbereich. W¨ unschenswert w¨are A-Stabilit¨at. Selbst dann kann bei gesuchter station¨ arer L¨ osung oft nicht mit beliebig großem Zeitschritt gearbeitet werden. Ursachen hierf¨ ur sind 1. Faktorisierungsfehler (bei mehrdimensionalen Problemen), 2. positive Eigenwerte der Quellterm-Jacobi-Matrix, 3. Linearisierungen. Faktorisierungsfehler sind verfahrensabh¨ angig, nicht verbrennungsspezifisch und lassen sich in der Regel durch eine Verk¨ urzung des Zeitschritts vermeiden. Dar¨ uber hinaus sind eng mit der verwendeten Raumdiskretisierung verbunden und wirken sich auf den chemischen Quellterm (der im Punkt eingeht) nur indirekt aus. Aus diesem Grund werden in Abschn. 15.6.1 und 15.6.2 nur die beiden letzten Punkte behandelt. Dabei steht die Berechnung station¨arer L¨ osungen im Vordergrund. Da viele Stabilisierungsmaßnahmen mit einer Verk¨ urzung des Zeitschritts einhergehen, kann der umgekehrte Vorgang in sp¨ateren Phasen der Simulation zur Verbesserung des Konvergenzverhaltens beitragen. In vielen F¨allen ist mit Ann¨ aherung an den station¨ aren Zustand eine Verl¨angerung der Zeitschrittweite m¨ oglich. Zur Beurteilung der G¨ ute der L¨osung und der Bewertung des aktuellen Stands der Konvergenz bietet sich eine Norm des Residuumsvektors an.
15.6 Stabilisierung von Verbrennungssimulationen
253
15.6.1 Eigenwerte mit positiven Realteilen Die mit den positiven Realteilen der Eigenwerte verbundene inh¨arente Instabilit¨at kann auch bei impliziten Verfahren auftreten. In Abschn. 14.9 wurde das am Beispiel eines homogenen Reaktionssystems demonstriert. Bei einem Punkt-semi-impliziten Verfahren ist in jedem Gitterpunkt ein Gleichungssystem der Art
I − J ∆Q = R (15.22) ∆t
C
zu l¨ osen. Solange alle Realteile der Eigenwerte von J negativ sind, bleibt C positiv definit. Stabilit¨ atsprobleme k¨ onnen sich ergeben, wenn Eigenwerte mit positiven Realteilen auftreten [261]. Wie Gl. (15.22) zeigt, l¨asst sich der Einfluss positiver Eigenwerte mit kleinen Zeitschritten kompensieren. Die Frage ist daher, wie ∆t so optimiert werden kann, dass der Zeitschritt zum einen klein genug ist, um ein positiv definites System zu gew¨ahrleisten, zum anderen aber auch nicht kleiner als notwendig. Bezeichnet λR max (J) den Eigenwert mit dem gr¨ oßten Realteil, dann l¨ asst sich durch # $ J− ≡ J − max 0, λR (15.23) max (J) I mit λR max (J) = max [ Re(λα ) ]
(15.24)
f¨ ur α = 1, 2, . . . , M eine Matrix J− erzeugen, die negativ definit ist [261]. Verwendet man dann bei der Berechnung von C (im impliziten Teil des L¨osungsverfahrens) an Stelle von J die negativ definite Matrix J− , dann ist C positiv − definit. F¨ ur λR ugt bei vielen implimax ≤ 0 gilt J = J. Diese Maßnahme gen¨ ziten Verfahren zur Stabilisierung von Verbrennungssimulationen [261, 235]. Der zus¨ atzlich auf der Diagonalen von C eingebrachte Term wirkt sich wie eine Zeitschrittverk¨ urzung aus. Um Stabilit¨ at zu gew¨ahrleisten, muss jedoch nicht −J positiv definit sein, sondern die im Punkt zu invertierende Matrix C. Deshalb bietet sich die Zeitschrittlimitierung . 1 1 R = max , λ (J) (15.25) ∆t neu ∆talt max ur den Zeitschritt, der ohne positive Eigenan. In dieser Gleichung steht ∆talt f¨ werte Stabilit¨ at und Genauigkeit gew¨ ahrleistet. Dieser wird durch Gl. (15.25) dann verk¨ urzt, wenn J positive Eigenwerte besitzt und diese eine negativ definite Matrix C zur Folge h¨ atten. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei mehrdimensionalen impliziten und semi-impliziten Verfahren auch Anteile der konvektiven und/oder diffusiven Fluss-Jacobi-Matrizen in die LHS eingehen (s. z.B. Abschn. 15.4 oder 15.5). Eigenwertbestimmung. Bisher wurde die Frage ausgeklammert, wie festgestellt werden kann, ob C negativ definit ist und wenn ja, welchen Wert λR max (J)
254
15 Mehrdimensionale Verbrennungssimulationen
besitzt. Leider ist kein einfaches und effizientes Verfahren verf¨ ugbar, mit dem sich λR ur beliebige Matrizen mit geringem Rechenaufwand ermitteln l¨asst. max f¨ Zur Eigenwertberechnung k¨ onnen zwar Standardbibliotheken (z.B. LAPACK [109]) eingesetzt werden, diese bestimmen in der Regel jedoch alle Eigenwerte und ihr Rechenaufwand ist hoch. Erschwerend kommt hinzu, dass sich solche Standardroutinen nicht ohne weiteres u ¨ ber die Gesamtzahl an Gitterpunkten vektorisieren lassen, falls das gew¨ unscht ist. Der Aufwand zur Ermittlung der Eigenwerte liegt bei O(M 3 ). Bei detaillierter Chemie gilt M ≥ Nk−1 . Dem ersichtlich hohen Rechenaufwand dieser Methode steht ein relativ gut gew¨ahlter Zeitschritt gegen¨ uber, der die von positiven Chemie-Eigenwerten ausgehenden Stabilit¨ atsprobleme beseitigen sollte [261, 235]. Als Alternative zur Eigenwertberechnung bietet sich ein rein empirisches Herabsetzen des Zeitschritts (bzw. der CFL-Zahl) in der Anfangsphase der Simulation an. Dieses Vorgehen wird dadurch beg¨ unstigt, dass positive Eigenwerte meist nur zu Beginn der Rechnung (bis zur Z¨ undung) auftreten. Geht man nach dieser Startphase kontinuierlich auf den gew¨ unschten Zeitschritt (die gew¨ unschte CFL-Zahl) u ugt das in den meisten F¨allen ¨ ber, so gen¨ zur Verfahrensstabilisierung. Neben einem zu klein gew¨ahlten Zeitschritt birgt diese Methode die Gefahr eines Rechnungsabbruchs in sich, falls ∆t zu groß sein sollte. 15.6.2 Fehler bei stark nichtlinearen Prozessen Selbst bei positiv definiten Gleichungssystemen k¨onnen in den nichtlinearen Phasen der L¨ osungsentwicklung Fehler auftreten die dazu f¨ uhren, dass die L¨osung den Konvergenzradius verl¨ asst und divergiert. Das ¨außert sich schnell in negativen Dichten, Temperaturen oder Komponentenkonzentrationen. Dieses Problem ist seit langem bekannt und l¨ asst sich meist durch eine Limitierung ¨ der Anderungen w¨ ahrend eines Iterations- bzw. Zeitschritts vermeiden [161]. Von Kee und Dweyer [139] wird dieses Vorgehen als 10%-Regel bezeichnet, da sich bei der Aktualisierung des Variablenvektors keine Gr¨oße um mehr als 10% ¨ andern darf. Dieser Wert ist frei gew¨ ahlt und kann durchaus auch anders gesetzt werden. Die Umsetzung in einem numerischen Verfahren erfolgt mit 0 ≤ c ≤ 1 durch Qn+1 = Qn + c ∆Qn+1 . (15.26) Es ist zu beachten, dass diese Maßnahme die Konsistenz zwischen den Variablen gef¨ ahrden kann, selbst wenn der Limitierungsfaktor f¨ ur den gesamten Vektor gleich gew¨ ahlt wird. F¨ ur zeitgenaue Simulationen kann das problematisch sein. Dagegen bereitet die Begrenzung (15.26) bei station¨aren Simulationen keine Probleme, solange sie im Endzustand nicht mehr stattfindet. Zur Be¨ stimmung von c ist zun¨ achst festzustellen, ob die Anderung einer Variable die jeweilige 10%-Marke u ¨ berschreitet oder nicht. Alternativ zur Untersuchung aller Variablen l¨ asst sich c auch aus einer einzigen Gr¨oße ableiten, wof¨ ur sich in der Verbrennung die Temperatur anbietet. Definiert T mit 0 ≤ ≤ 1 die maximal zul¨ assige und ∆T die errechnete Temperatur¨anderung, so folgt
15.6 Stabilisierung von Verbrennungssimulationen
⎧ ⎨
T n+1 | |∆T c = ⎩ 1
:
|∆T n+1 | > T ,
:
|∆T n+1 | ≤ T
255
(15.27)
[261]. H¨ aufig werden auch andere Gr¨ oßen (z.B. die Turbulenzvariablen) zur Bestimmung von Limitierungsfaktoren herangezogen. Negative Massen- und Molanteile. F¨ ur die Massen- und Molanteile der Gaskomponenten muss gew¨ ahrleistet sein, dass diese 1. den physikalischen Wertebereich Xα , Yα ∈ [0, 1] f¨ ur α = 1, 2, . . . , Nk , Nk k X = 1 bzw. 2. die Normierungsbedingung N α=1 α α=1 Yα = 1 einhalten. Eine Verletzung dieser Bedingungen geht bei numerischen Simulationen in den meisten F¨ allen auf die chemischen Produktionsterme zur¨ uck. Um negative Konzentrationen zu vermeiden, sind nach jedem Zeitschritt die Massen- oder Molanteile zu kontrollieren und gegebenenfalls zu begrenzen. Anschließend ist eine Normierung durchzuf¨ uhren. Bei station¨aren Simulationen ist dieses Vorgehen unkritisch, solange die k¨ unstlichen Begrenzungen im Endzustand nicht mehr stattfinden oder unbedeutend sind.
16 Verbrennungs-Jacobi-Matrizen
Alle impliziten Verfahren ben¨ otigen bei einer Linearisierung der Fluss- und Quellvektoren Jacobi-Matrizen (zur Bildung der Jacobi-Matrizen konvektiver und diffusiver Fl¨ usse s. [234, 18, 2, 121, 223]). Bei Simulationen mit detaillierter chemischer Kinetik ist die Bildung einer Quellterm-Jacobi-Matrix fast obligatorisch. Diese wird auch Chemie- oder Verbrennungs-Jacobi-Matrix genannt. Im Gegensatz zu den Jacobi-Matrizen der konvektiven und diffusiven Fl¨ usse ist die Chemie-Jacobi-Matrix nahezu voll besetzt. Der Aufwand zu ihrer Berechnung h¨ angt in etwa quadratisch von der Anzahl an Gaskomponenten und linear von der Anzahl ber¨ ucksichtigter Elementarreaktionen ab. Da keine Abh¨ angigkeit von Nachbarzellen besteht, sollte die sehr rechenzeitintensive Berechnung der Matrixelemente auf Vektorrechnern u ¨ber die Gesamtzahl der Zellen vektorisiert werden. Einer effizienten Parallelisierung dieses Rechenschritts steht auf Grund der Datenunabh¨ angigkeit ebenfalls nichts im Wege. Die Bildung der partiellen Ableitungen in den Matrixelementen ist bei Verwendung primitiver Variablen (z.B. ρ, ui , T , Yα ) gew¨ohnlich einfacher, als bei Nutzung konservativer Variablen (z.B. ρ, ρui , ρE, ρYα ). Prinzipiell ist es m¨ oglich, die Verbrennungs-Jacobi-Matrix 1. aus analytisch abgeleiteten Matrixelementen zu berechnen, 2. mit numerisch gebildeten Matrixelementen zu arbeiten, 3. zu approximieren. Diese Techniken werden in den Abschn. 16.1 bis 16.3 behandelt. Die erste Variante f¨ uhrt auf die exakte Jacobi-Matrix, die zweite weist Diskretisierungsfehler auf und die dritte stellt eine reine Approximation dar.
16.1 Analytische Quellterm-Jacobi-Matrix Gegeben sei der Quellvektor P = (P1 , P2 , . . . , PM )T , der eine reine Funktion des Variablenvektors Q = (Q1 , Q2 , . . . , QM )T sein soll. Bei den hier im Vordergrund stehenden Chemie-Quelltermen ist das der Fall. Bei Verbrennung ist
258
16 Verbrennungs-Jacobi-Matrizen
P = (0, . . . , 0, S1 , S2 , . . . , SNk−1 )T gew¨ ohnlich nur in den Zeilen der Komponentengleichungen mit den chemischen Produktionsraten Sα belegt. In diesem Fall lassen sich die Eintr¨ age Jαβ = ∂Pα /∂Qβ der Quellterm-Jacobi-Matrix ⎡
∂P1 ∂Q1 ∂P2 ∂Q1 .. .
⎢ ⎢ ⎢ ⎢ ⎢ dP = ⎢ J ≡ ⎢ dQ ⎢ ⎢ ⎢ ⎣ ∂P
M
∂Q1
∂P1 ∂P1 ... ∂Q2 ∂QM ∂P2 ∂P2 ... ∂Q2 ∂QM . .. . . . .. . ∂PM ∂PM ... ∂Q2 ∂QM
⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦
(16.1)
analytisch bestimmen und mit bekanntem Q berechnen. Die Verwendung dieser exakten Matrix bereitet von numerischer Seite her keine Probleme. Allerdings sind die partiellen Ableitungen analytisch oft schwer zu bilden, so dass die Herleitung, die Programmierung und die eigentliche Berechnung einen verh¨ altnism¨ aßig hohen Aufwand erfordern. Analytisch gebildete Jacobi-Matrizen sind f¨ ur • laminare Verbrennung in Anhang A.3.1, • turbulente Verbrennung mit assumed PDF-Modellierung in Anhang A.3.2 zu finden. Deren Programmierung sollte so erfolgen, dass ohne Programm¨anderungen beliebige Reaktionsmechanismen mit einer beliebigen Zahl an Spezies und Reaktionen verwendet werden k¨ onnen.
16.2 Numerische Quellterm-Jacobi-Matrix Die Alternative zur analytischen Jacobi-Matrix (mit analytisch gebildeten Matrixelementen) ist deren numerisches Gegenst¨ uck ⎡
∆P1 ∆Q1 ∆P2 ∆Q1 .. .
⎢ ⎢ ⎢ ⎢ ⎢ ∆P = ⎢ J ≈ ⎢ ∆Q ⎢ ⎢ ⎢ ⎣ ∆P
M
∆Q1
∆P1 ∆P1 ... ∆Q2 ∆QM ∆P2 ∆P2 ... ∆Q2 ∆QM .. .. .. . . . ∆PM ∆PM ... ∆Q2 ∆QM
⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ , ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦
(16.2)
das man als numerische Jacobi-Matrix bezeichnet. Bei dieser werden die M 2 partiellen Ableitungen numerisch approximiert [6]. Die Genauigkeit der Matrix h¨ angt damit von der Art und Ordnung der Diskretisierung ab. Bei zentraler Diskretisierung werden die Matrixeintr¨ age durch
16.2 Numerische Quellterm-Jacobi-Matrix
Jαβ = =
259
∂Pα ∆Pα ≈ ∂Qβ ∆Qβ
Pα (Q1 , . . . , Qβ +
∆Qβ 2 , . . . , QM )
− Pα (Q1 , . . . , Qβ − ∆Qβ
∆Qβ 2 , . . . , QM )
(16.3) mit einer Genauigkeit von O(∆Q2β ) approximiert. Der Nachteil dieser Diskretisierung besteht darin, dass f¨ ur jeden Matrixeintrag ein rechts- und ein linksseitiger Wert berechnet werden muss. Der Gesamtaufwand l¨asst sich mit einer einseitigen Aufwind-Diskretisierung nahezu halbieren. Verwendet man neben dem zentralen Wert ausschließlich rechts- oder linksseitige Werte, so geht in alle Matrixeintr¨ age der gleiche und damit nur einmal zu berechnende Wert Pα (Q) ein. Allerdings reduziert sich die Genauigkeitsordnung der Ableitungen dann auf O(∆Qβ ). ∆Qβ ist m¨oglichst klein zu w¨ahlen, wobei numerische Probleme zu vermeiden sind. Es bietet sich an, die Diskretisierungsweite mit ∆Qβ = εQβ zum Variablenwert in Bezug zu setzen. In der Regel lassen sich mit ε = 0, 001 − 0, 01 gute Resultate erzielen. Schwierigkeiten bei der Berechnung. Die numerisch gebildete Jacobi-Matrix ist eine Approximation, deren Berechnung keine analytischen Ableitungen erfordert, sondern das strukturierte Berechnen rechts- und/oder linksseitiger Funktionswerte. Auch das kann einen hohen Rechenaufwand und Schwierigkeiten nach sich ziehen. Einige h¨ aufig auftretende Probleme werden im Folgenden besprochen. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Kontinuit¨atsgleichung im Gleichungssystem enthalten ist. 1. P(Q) ist keine explizite Funktion von Q. Diese Problem tritt in der Verbrennung in erster Linie bei Verwendung von konservativen Variablen auf. Mit Sγ = Sγ (T, c1 , c2 , . . . , cNk ) sind die chemischen Produktionsraten Funktionen der Temperatur und der Gaszusammensetzung. Verwendet man im Gleichungssystem ρE (oder E, e, ρH, H, h) als abh¨angige Variable, dann erfordert die Approximation (16.3) die Berechnung der Quellterme Sγ bei einem um ∆(ρE )/2 ver¨ anderten Wert ρE ± ∆(ρE )/2. Da Sγ nicht explizit von ρE abh¨ angt, ist zun¨ achst die Temperatur (iterativ) beim neuen Energiewert zu bestimmen. Das zeigt, dass auch bei numerisch gebildeten Jacobi-Matrizen kein vollkommen schematisches Vorgehen m¨oglich ist. Auch hier sind die analytischen Zusammenh¨ange zwischen dem Quellterm und dem Variablenvektor zu beachten. 2. Beschr¨anktheit von Variablen. Da Massen- und Molanteile nur in [0, 1] definiert sind, treten mit Ann¨ aherung an diese Grenzen Schwierigkeiten bei der Bildung numerischer Ableitungen auf. Diskretisierungen u ¨ ber die R¨ander hinweg sind nicht m¨ oglich, was gebietsweise unterschiedliche Ans¨atze notwendig macht. Das erfordert if-else-Abfragen oder max-, min-Befehle und senkt die Effizienz der Berechnung. Solche Probleme treten bei allen Variablen auf, die physikalische Unter- und/oder Obergrenzen besitzen (z.B.
260
16 Verbrennungs-Jacobi-Matrizen
k, , σY ). Bei σY ist der obere Grenzwert dar¨ uber hinaus eine Funktion der Gaszusammensetzung und daher zus¨ atzlich zu berechnen. 3. Zusammenhang zwischen Massen- oder Molanteilen und der Dichte. Bei Ableitungen von ρYα oder ρXα nach ρ sollten nur aufw¨arts gerichtete Diskretisierungen mit ρ+ = ρ + ∆ρ genutzt werden. W¨ahlt man dagegen ρ− = ρ − ∆ρ, so nehmen bei konstanten ρYγ mit γ = 1, 2, . . . , Nk−1 die Massenanteile Yγ zu. Das ist physikalisch nur m¨oglich, wenn YNk entsprechend abnehmen kann. Andernfalls wird die Normierungsbedingung der Massenanteile verletzt. Bei einem Gas das aus einer Spezies besteht, w¨ urde eine linksseitige Diskretisierung der Dichte immer einen Massenanteil gr¨ oßer als eins erzeugen. Bei der numerischen Approximation von ¨ ∂(ρYα )/∂(ρYβ ) ist Ahnliches zu beachten. Ein rechtsseitiger Wert f¨ uhrt nur f¨ ur ∆(ρYβ ) ≤ ρYNk auf ein physikalisch korrektes Ergebnis. 4. Bestimmung der Diskretisierungsweite ∆Qβ . Die Wahl der Diskretisierungsweite (ε bei ∆Qβ = εQβ ) kann auf Grund des nichtlinearen Zusammenhangs zwischen P und Q (bei Verbrennung) einen starken Einfluss auf die Genauigkeit der numerischen Ableitungen aus¨ uben. Ferner ist dieser Ansatz wegen Qβ → 0 nicht allgemein anwendbar (z.B. bei ui , k, σe , σY oder Yγ ). Auf Grund der starken Unterschiede in den Betr¨agen der einzelnen Variablen sind individuelle Ersatz- (Minimal-) Schrittweiten zu definieren. Diese k¨ onnen sich an den Maximalwerten im Rechengebiet orientieren. Diese Beispiele sollen verdeutlichen, dass auch bei numerischen Ableitungen ¨ eine Vielzahl von Uberlegungen anzustellen sind.
16.3 Vereinfachte Quellterm-Jacobi-Matrizen Die Verbrennungs-Jacobi-Matrizen nach Gl. (16.1) oder (16.2) haben den Nachteil, dass ihre Berechnung und Invertierung sehr aufw¨andig ist. Daher liegt es nahe, einfacher zu invertierende Approximationen zu suchen, bei denen der stabilisierende Effekt auf die Zeitintegration erhalten bleiben sollte. W¨ unschenswert w¨ aren obere/untere Dreiecksmatrizen oder Diagonalmatrizen. Die damit verbundenen Vereinfachungen k¨ onnen die Zeitgenauigkeit des Verfahrens beeintr¨ achtigen, bei Konvergenz bleibt die station¨are L¨osung aber unbeeinflusst. Im station¨ aren Fall besteht die Aufgabe des impliziten Verfahrensteils lediglich darin, Stabilit¨ at zu gew¨ ahrleisten und die L¨osung m¨oglichst schnell zur Konvergenz zu bringen. 16.3.1 Untere Dreiecksmatrix Leicht invertierbar sind Gleichungssysteme, die auf einer unteren oder einer oberen Dreiecksmatrix beruhen. Kim et al. [145] nutzen einen solchen Ansatz und bezeichnen das daraus hervorgehende Verfahren als teil-implizit (partially implicit). An Stelle von Gl. (16.1) oder (16.2) tritt mit
16.3 Vereinfachte Quellterm-Jacobi-Matrizen
⎡ ⎢0 ⎢ ⎢ ⎢0 ⎢ ⎢ ⎢ ⎢0 ⎢ J ≈ ⎢ ⎢ ⎢0 ⎢ ⎢ ⎢ ⎢0 ⎢ ⎢ ⎣ 0
261
⎤ ... ... ... ... ... ...
0 .. . ∂S1 ∂Q1 ∂S2 ∂Q1 .. .
0 .. .
... .
0 .. .
0
...
0
...
0
..
.. .
∂S2 ∂Q2 .. .
..
.
∂SNk−1 ∂SNk−1 ∂SNk−1 ... ∂Q1 ∂Q2 ∂QNk−1
⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦
(16.4)
eine untere Dreiecksmatrix, die nur im Bereich der Komponentengleichungen belegt ist. Deren Eintr¨ age lassen sich analytisch oder numerisch bilden. Neben der leichten Invertierbarkeit besitzt diese Matrix den Vorteil, dass nur Eigenwerte mit negativen Realteilen auftreten [145]. Besitzt die vollst¨andige Jacobi-Matrix positive Eigenwerte, so sind mit der Dreiecksmatrix in manchen F¨ allen gr¨ oßere Zeitschritte m¨ oglich, A-Stabilit¨at gew¨ahrleistet sie jedoch nicht. Ferner ist die Bildung von J nach Gl. (16.4) nicht eindeutig, da unterschiedliche Anordnungen der chemischen Spezies im Variablenvektor unterschiedliche Matrizen erzeugen. W¨ ahrend die erste Komponente nur mit einem Term in der Jacobi-Matrix repr¨ asentiert wird, ist die letzte Komponente darin vollst¨ andig enthalten. Entsprechend sind stabile Spezies im Variablenvektor oben und Radikale unten anzuordnen. Durch die Approximation der Verbrennungs-Jacobi-Matrix wird Konservativit¨at nicht gew¨ahrleistet. Kim et al. [145] empfehlen deshalb, die approximierte und die exakte Jacobi-Matrix gemeinsam einzusetzen. Beim Start der Simulation soll die untere Dreiecksmatrix helfen, Stabilit¨ atsprobleme auf Grund positiver Eigenwerte zu vermeiden. Anschließend wird bis zum Erreichen der station¨aren L¨osung mit der exakten Jacobi-Matrix gearbeitet. 16.3.2 Diagonalmatrizen Von Eberhardt und Imlay [73] stammt eine Approximation der VerbrennungsJacobi-Matrix, bei der mit . 1 1 1 J ≈ − diag 0, 0, . . . , 0, , , . . . , (16.5) τ1 τ2 τNk −1 nur die Diagonale besetzt ist. Wie bei der vorangegangenen Approximation entf¨ allt dabei die Koppelung der chemischen Vorg¨ange mit der Str¨omungsmechanik. Die Zeitskalen τγ der einzelnen Spezies gehen mit > ?Nk−1 . -2 ? 1 ∂Sγ @ = c (16.6) τγ ∂(ρYβ ) β=1
262
16 Verbrennungs-Jacobi-Matrizen
aus den Ableitungen der chemischen Quellterme nach den Komponentendichten hervor. Der Relaxationsparameter c ≥ 1 dient der Verbesserung der numerischen Stabilit¨ at. Eine Erh¨ ohung von c steigert die diagonale Dominanz, wirkt sich gleichzeitig aber wie eine Zeitschrittverk¨ urzung aus. F¨ ur c = 1 entspricht 1/τγ der euklidischen Norm der Zeile der Komponente γ in der vollst¨ andigen Jacobi-Matrix nach Gl. (16.1), wenn nur die Ableitungen nach den Gaskomponenten ber¨ ucksichtigt werden. Ju [138] hat eine Variante dieser Diagonalmatrix entwickelt, bei der die Chemie-Quellterme mit Sγ = Sγp − Sγv in reine Produktionsterme Sγp ≥ 0 und reine Vernichtungsterme Sγv ≥ 0 aufgespalten werden. Die charakteristischen Zeitskalen τγ folgen aus ∂Sγp ∂Sγv ∂Sγp ∂Sγp ∂Sγp 1 , ..., , , , ..., , = max τγ ∂(ρY1 ) ∂(ρYγ−1 ) ∂(ρYγ ) ∂(ρYγ+1 ) ∂(ρYNk−1 ) (16.7) wobei Sγv nur in die Ableitung nach ρYγ eingeht. Da Sγp und Sγv nie negativ sind, entf¨ allt die in Gl. (16.6) notwendige Matrix-Zeilen-Norm. Approximationen der Quellterm-Jacobi-Matrix k¨onnen die Rechenzeit verk¨ urzen. Andererseits ist es damit nicht m¨ oglich, allgemein Stabilit¨at zu gew¨ ahrleisten. Ferner liegt eine Schwachstelle in der nahezu immer erforderlichen Bestimmung empirischer Parameter. Der Erfolg solcher Approximationen h¨ angt dar¨ uber hinaus stark vom Anwendungsfall ab. Letztendlich zeigt erst die Simulation eines Testfalls, ob die Approximation der realen Matrix nahe genug kommt, um Konvergenz zu erlangen.
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
Der Schwerpunkt der bisherigen Verfahrensuntersuchungen lag bei der numerischen Stabilit¨ at. In diesem Kapitel steht das Konvergenzverhalten im Vordergrund und damit die Frage, wie die gesuchte L¨osung m¨oglichst schnell erreicht werden kann. W¨ ahrend bei Zeitintegrationsverfahren instation¨are Gleichungen gel¨ ost werden, gehen iterative Verfahren gew¨ohnlich von station¨aren Formulierungen aus. Andererseits lassen sich viele Zeitintegrationsverfahren (z.B. das explizite Euler-Verfahren) in Formen u uhren, die denen itera¨ berf¨ tiver Verfahren entsprechen. Aus diesem Grund bezeichnet man sie auch als semi-iterativ [262]. W¨ ahrend die Gauß-Elimination zur L¨osung eines linearen Gleichungssystems O(N 3 ) Operationen ben¨ otigt (N bezeichnet die Anzahl an Variablen), erfordern die meisten iterativen Verfahren im zweidimensionalen Fall O(N 2 ) Operationen. Mehrgittertechniken sind bei geeigneter Problemstellung sogar in der Lage, dieses Ziel mit O(N ) Operationen zu erreichen. ¨ Der Ubersichtlichkeit halber werden in diesem Kapitel ausschließlich Gleichungen einer Variable in maximal zwei Raumdimensionen betrachtet. Einer ¨ Ubertragung der Ans¨ atze auf Gleichungssysteme und drei Raumrichtungen steht jedoch nichts im Wege. Abschnitt 17.1 behandelt die Grundlagen iterativer Verfahren, Abschn. 17.2 die Fourier-Analyse. Daran schließt sich die Vorstellung einiger numerischer Verfahren und die Analyse von deren D¨ampfungseigenschaften an: in Abschn. 17.3 bei Anwendung auf ein W¨armeleitproblem und in Abschn. 17.4 zur L¨ osung der Konvektions-Diffusionsgleichung.
17.1 Grundlagen iterativer Verfahren Betrachtet wird die instation¨are, lineare oder nichtlineare, partielle Differentialgleichung (PDGL) der Variable U (x, t) ∈ R ∂U + La U = b ∂t oder deren station¨ are Form
(17.1)
264
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
La U = b .
(17.2)
Der Index a kennzeichnet La als Differentialoperator. Gew¨ohnlich gen¨ ugen in der Str¨ omungs- und Verbrennungssimulation PDGLen zweiter Ordnung, um alle relevanten physikalischen Prozesse zu erfassen. Auf Randbedingungen wird hier nicht eingegangen, diese k¨ onnen jedoch den Parameter b beeinflussen. Die f¨ ur Verbrennung typischen Quellterme bleiben zun¨achst ebenfalls unber¨ ucksichtigt. Im Folgenden werden zwei unterschiedliche Formulierungen f¨ ur Gleichungen und numerische Verfahren vorgestellt: die Stern- und die Matrixnotation. Da beide Vor- und Nachteile aufweisen, kommen sie an jeweils geeigneter Stelle zum Einsatz. Im Folgenden werden lineare Gleichungen vorausgesetzt. 17.1.1 Sternnotation Das diskrete Gegenst¨ uck zur linearen Variante von Gl. (17.1) ist die numerisch zu l¨ osende lineare Differenzengleichung ∆U + LU = b . ∆t
(17.3)
Der Variablenvektor U (x, t) liegt in diesem Fall nur an diskreten Punkten vor. Entsprechend handelt es sich bei L um einen diskreten, linearen Operator. Gleichung (17.3) bezieht sich auf einen r¨aumlichen Punkt x, f¨ ur den der Operator L alle zur Diskretisierung notwendigen Gitterpunkte umfasst. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Differenzenstern und bezeichnet diese Formulierung als Sternnotation. Mit LU = b
(17.4)
ergibt sich die Differenzengleichung des station¨aren Problems. Bei gesuchter station¨ arer L¨ osung kann sowohl von Gl. (17.3) als auch von Gl. (17.4) ausgegangen werden. Basisform iterativer Verfahren. Ausgangspunkt sei die diskrete, station¨ are, lineare Differenzengleichung (17.4), aus der das Relaxationsverfahren L+ un+1 + L− un = b
(17.5)
hervorgeht [249]. Darin bezeichnet u die diskrete numerische Approximation der exakten L¨ osung U . Der Operator L+ bezieht sich ausschließlich auf aktualisierte Variablen un+1 nach der Iteration und L− ausschließlich auf bekannte Werte un . Je nach Art der Zerlegung L = L+ + L− ergeben sich unterschiedliche iterative Verfahren. Mit dem Iterationsoperator S = −(L+ )−1 L− und f = (L+ )−1 b folgt das lineare Iterationsverfahren un+1 = S un + f ,
(17.6)
17.1 Grundlagen iterativer Verfahren
265
dessen Konvergenzeigenschaften von S bestimmt werden. Das wird deutlich, wenn man die exakte numerische L¨ osung U in Gl. (17.6) einsetzt, hiervon die urspr¨ ungliche Gleichung subtrahiert und auf den Fehler e = U − u u ¨ bergeht. Dann zeigt sich mit en+1 = S en , (17.7) dass der Operator S f¨ ur die Fehlerreduktion (Fehlergl¨attung) verantwortlich ist. Das Relaxationsverfahren f¨ ur den Fehler L+ en+1 + L− en = 0
(17.8)
folgt auf gleiche Weise aus Gl. (17.5). Es bleibt festzuhalten, dass die Relaxationsvorschriften nach Gl. (17.5) f¨ ur die Variable und nach Gl. (17.8) f¨ ur den Fehler bis auf b identisch sind. 17.1.2 Matrixnotation Im Gegensatz zur Betrachtung eines einzelnen Diskretisierungssterns werden bei der Matrixnotation alle diskreten Variablen gleichzeitig erfasst. Hierzu sind in U = (U1 , U2 , . . . , UN )T und b = (b1 , b2 , . . . , bN )T die diskreten Werte aller Gitterpunkte i = 1, 2, . . . , N des m¨ oglicherweise mehrdimensionalen Problems in Vektoren zusammengefasst. Daraus ergibt sich mit ∆U + AU = b ∆t
(17.9)
ein lineares Gleichungssystem, in dem A eine (N ×N )-Matrix darstellt. Bei gesuchter station¨ arer L¨ osung folgt f¨ ur die zeitunabh¨angige Problemstellung AU = b .
(17.10)
Bei A handelt es sich um eine schwach besetzte Matrix, die nicht gespeichert werden sollte. Je nach Verfahren arbeitet man sich Punkt f¨ ur Punkt durch das Rechengebiet oder speichert, falls erforderlich, die besetzten Diagonalen. Basisform iterativer Verfahren. Die Basisgleichung eines iterativen Verfahrens zur L¨ osung des linearen Gleichungssystems (17.10) ergibt sich mit M un+1 = N un + b
(17.11)
A = M−N
(17.12)
aus der Zerlegung [262]. Der Vektor u bezeichnet die numerische Approximation des unbekannten, exakten L¨ osungsvektors U. Gleichung (17.11) l¨asst sich bei linearen Iterationsverfahren auf die Form un+1 = P un + M−1 b
mit
P = M−1 N
(17.13)
266
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
bringen, wobei P un + M−1 b linear in u und b ist [116]. Die Matrix P wird Iterationsmatrix genannt. Bei einigen iterativen Verfahren verbessert sich das Konvergenzverhalten durch eine D¨ampfung der Korrektur. Man spricht dann von ged¨ampften Verfahren. Bei diesen wird zun¨achst u+ berechnet und daraus mit dem D¨ampfungsfaktor (Unterrelaxationsfaktor) 0 < v < 1 gem¨aß M u+ = N un + b un+1 = v u+ + (1 − v)un
(17.14)
die numerische L¨ osung un+1 . Weitere Details hierzu finden sich in den Literaturstellen [121, 116, 262, 221]. Konvergenzverhalten. Ersetzt man in Gl. (17.13) u durch den exakten L¨osungsvektor U und subtrahiert davon die Ausgangsgleichung (17.13), so folgt mit e = U − u eine Beziehung f¨ ur den Fehler en+1 = P en .
(17.15)
Es zeigt sich, dass die Iterationsmatrix P f¨ ur die Fehlerreduktion verantwortlich ist. Damit kommt ihr die gleiche Bedeutung zu, die S bei Sternnotation inne hat. Ein lineares Iterationsverfahren ist f¨ ur (P) < 1
(17.16)
konvergent, wobei (P) f¨ ur den Spektralradius der Matrix P steht, deren betragsm¨ aßig gr¨ oßten Eigenwert. Der Spektralradius definiert die Konvergenzrate (rate of convergence) des Verfahrens. Je kleiner , umso besser ist die Fehlerreduktion und umso schneller wird der station¨are Zustand erreicht. Der Fehlerreduktionsfaktor (Konvergenzfaktor) ∆en+1,n eines numerischen Verfahrens und das geometrische Mittel des Reduktionsfaktors (mittlerer Konvergenzfaktor) ∆en,0 sind durch ∆en+1,n ≡
||en+1 || , ||en ||
∆en,0 ≡
||en || ||e0 ||
1/n (17.17)
definiert [116]. Sie dienen als Maß f¨ ur die Abnahme des Fehlers w¨ahrend einer Iteration bzw. im Mittel u ur eine geeignete Norm. ¨ber n Iterationen. ||·|| steht f¨ Es l¨ asst sich zeigen [121], dass ∆en,0 ≤ ||Pn ||1/n ,
lim ||Pn ||1/n = (P)
n→∞
(17.18)
gilt. Das bedeutet, dass der mittlere Reduktionsfaktor f¨ ur n → ∞ in den Spektralradius u ¨ bergeht. Die asymptotische Konvergenzrate (asymptotic rate of convergence) oder asymptotische Fehlerreduktion R∞ R∞ ≡ − ln ((P))
(17.19)
17.2 Fourier-Analyse
267
gibt die Anzahl an Iterationen an, die notwendig sind, um den Fehler um einen gewissen Faktor zu reduzieren. Bei dem in Gl. (17.19) gew¨ahlten nat¨ urlichen Logarithmus sind 1/R∞ Iterationen notwendig, um eine Fehlerreduktion um Faktor 1/e zu erreichen. Das gilt jedoch nur f¨ ur große n und trifft auf die Startphase der Iteration meist nicht zu.
17.2 Fourier-Analyse Mit der Fourier- oder von Neumann-Analyse lassen sich nicht nur Stabilit¨atskriterien f¨ ur numerische Verfahren ableiten, sondern auch detaillierte Informationen bez¨ uglich des Konvergenzverhaltens gewinnen. Die Fourier-Analyse ist nur auf lineare oder linearisierte Gleichungen und Gleichungssysteme anwendbar. Daher sind gegebenenfalls Modellgleichungen zu definieren, die als Approximation des realen, nichtlinearen Problems dienen. Das diskrete Modellproblem sollte dann so gew¨ ahlt sein, dass 1. die Art des zu l¨ osenden Modellgleichungstyps (elliptisch, parabolisch usw.) mit dem des realen Problems u ¨ bereinstimmt, 2. alle beim realen Problem relevanten Terme auch in der Modellgleichung vorkommen, 3. alle Terme identisch zum realen Problem (oder zumindest ¨ahnlich) diskretisiert sind. Die in der Verbrennung sehr wichtigen nichtlinearen Quellterme lassen sich nur in linearisierter Form untersuchen. Allgemein ist davon auszugehen, dass lineare Stabilit¨at eines numerischen Verfahrens eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung f¨ ur den nichtlinearen Fall darstellt [121]. Schwierigkeiten kann die korrekte Behandlung von Randbedingungen bereiten, weshalb oft von unendlich ausgedehnten Problemstellungen oder periodischen R¨andern ausgegangen wird. 17.2.1 Grundlagen der Fourier-Analyse F¨ ur lineare Gleichungen kann man zeigen (s. Abschn. 17.1.1 und 17.1.2), dass die numerische L¨ osung und deren Fehler (bis auf einen konstanten Faktor) derselben Verfahrensvorschrift gehorchen. Daher ist es gleichg¨ ultig, ob man in Hinblick auf die Konvergenzeigenschaften eines numerischen Verfahrens die Variable oder den Fehler betrachtet. F¨ ur Stabilit¨at ist ein unbegrenztes Anwachsen des Fehlers zu vermeiden. Dieser l¨asst sich mit der FourierTransformation in Moden unterschiedlicher Frequenzen zerlegen oder bei geeignetem Randbedingungen als diskrete Fourier-Reihe darstellen [197, 80]. Liegt Symmetrie zu einem Punkt a vor, so kann bei einer geraden Funktion mit f (a − x) = f (a + x) eine Fourier-Cosinus-Reihe, bei einer ungeraden Funktionen mit f (a − x) = −f (a + x) eine Fourier-Sinus-Reihe angesetzt werden. Bei konstanten Randwerten (Dirichlet-Randbedingungen) bietet sich
268
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
eine diskrete Fourier-Sinus-Reihe an [262]. Ein allgemeinerer Ansatz w¨ urde beide Glieder umfassen. Im Rahmen der Fourier-Analyse wird h¨aufig von periodischen R¨ andern ausgegangen und eine komplexe Fourier-Reihe verwendet. Diese kann jedoch auf eine Fourier-Reihe mit Sinus- und Cosinus-Gliedern zur¨ uckgef¨ uhrt werden [197]. Komplexe Fourier-Reihen werden bei Problemen in 0 ≤ xi ≤ Bi und i = 1, . . . , d (d ist die Raumdimension) mit Periodizit¨at zum Bereich −Bi ≤ xi ≤ Bi [121] (der Bereich [0, B] wird dazu auf [−B, 0] gespiegelt) und 0 ≤ xi ≤ Bi eingesetzt [262]. 17.2.2 Eindimensionale Fourier-Reihe Gegeben sei ein eindimensionales, lineares Problem im Bereich 0 ≤ x ≤ B mit den diskreten, ¨ aquidistanten Punkten xm = (mB)/N , m = 0, 1, 2, . . . , N − 1 und ∆x = B/N . Ferner bezeichnet Um die exakte und unm die numerische L¨ osung am Punkt m und f¨ ur den Fehler folgt enm = Um − unm . Auf Grund vorausgesetzter Periodizit¨ at zu [0, B] gilt enN = en0 , so dass nur einer dieser beiden Punkte zu ber¨ ucksichtigen ist. Mit der komplexen Fourier-Reihe
N −1 N −1 N −1 i2π mα ˆαn ψ(θα , m) = ˆαn exp (i mθα ) = enm = E E Eˆαn exp N α=0 α=0 α=0 (17.20) wird der Fehler in gitterabh¨angige Moden ψ(θα , m) mit α = 0, 1, . . . , N√− 1 zerlegt [41]. Darin bezeichnet θα = 2πα/N den Phasenwinkel und i = −1 die imagin¨are Einheit. Die Fourier-Moden ψα (Fourier modes, components) bilden bez¨ uglich des Skalarprodukts ein orthonormiertes System. Teilweise wird verk¨ urzend an Stelle von ψ(θα , m) auch ψα verwendet. Damit ist der Mode mit Phasenwinkel θα gemeint, ohne eine Aussage u ¨ ber den diskreten Ort m zu machen. Ferner steht Eˆαn f¨ ur die Amplitude des Fourier-Modes ψα . Die Amplituden folgen mit
N −1 N −1 1 n 1 n i2π β α n ˆ Eα = (17.21) eβ exp (−i β θα ) = eβ exp − N N N β=0
β=0
aus den Funktionswerten des Fehlers an den diskreten Punkten β. Bei der Zerlegung (17.20) erstreckt sich der Phasenwinkel u ¨ber 0 ≤ θ < 2π. H¨aufig wird eine modifizierte Fourier-Reihe mit −π < θ ≤ π bei geradem N und −π < θ < π bei ungeradem N verwendet, die aus Gl. (17.20) abgeleitet werden kann. Unterteilt man die darin auftretende Summe mit α1 = 0, 1, 2, . . . , z und α2 = z + 1, z + 2, . . . , N − 1 in zwei Bereiche, dann ist davon der obere Bereich zu ersetzen. Der Trennindex wird bei geradem N durch z = N/2 und bei ungeradem N durch z = (N − 1)/2 definiert. Aus Gl. (17.21) folgt mit exp [i2π mα/N ] = exp [ − i2π m(N − α)/N ] ,
(17.22)
ˆαn konjungiert komplex zu E ˆn dass f¨ ur α = 1, 2, . . . , z die Amplitude E N −α sein n n n n ˆ ˆ ˆ ˆ muss und EN −α = E−α sowie EN −α exp (i mθN −α ) = E−α exp (i mθ−α ) gilt.
17.2 Fourier-Analyse
269
Abb. 17.1. Realteile von Fourier-Moden mit θα ≥ 0 im eindimensionalen Fall bei Diskretisierung mit N = 16 Gitterpunkten
Damit ist eine Verschiebung des oberen Teils der Summe in den negativen Bereich m¨ oglich und man erh¨ alt
enm
=
p+o
ˆ n exp (i mθα ) E α
: θα = 2πα/N
α=−p
m = 0, 1, . . . , N − 1 p = N/2 − 1, o = 1
: N gerade
p = (N − 1)/2, o = 0 : N ungerade (17.23) [262]. Im Folgenden wird ein gerades N vorausgesetzt, da dies bei Mehrgittertechniken zur Grobgitterbildung notwendig ist. Abbildung 17.1 zeigt die Moden eines eindimensionalen Problems, die von einem Gitter mit N = 16 Punkten aufgel¨ ost werden. Dargestellt sind die Realteile der komplexen Funk¨ tionen ψα mit den Phasenwinkeln θα ≥ 0 und α = 0, 1, 2, . . . , 8. Der Ubersichtlichkeit halber wurden die Amplituden mit zunehmender Wellenzahl kleiner gezeichnet. Die Wellenzahl (wave number) k = 2π/λ h¨angt von der Wellenl¨ ange λ des betreffenden Fourier-Modes ab und die diskreten Werte folgen mit kα = θα /∆x aus den Phasenwinkeln. In Abb. 17.1 sind die Moden mit den beiden niedrigsten Wellenzahlen sowie der mit der h¨ochsten Wellenzahl dicker gezeichnet. Der Phasenwinkel θ0 = 0 besitzt die Wellenzahl k0 = 0 und gibt einen konstanten Untergrund f¨ ur alle Gitterpunkte an. Der kleinste diskrete Phasenwinkel ungleich null ist durch θ1 = 2π/N und die Wellenzahl durch k1 = 2π/B gegeben. Damit unterscheidet er sich von den entsprechenden Werten bei komplexen Fourier-Reihen mit Periodizit¨at zu [−B, B] und Fourier-Sinus- bzw. Fourier-Cosinus-Reihen, bei denen er bei π/N liegt. Der gr¨ oßte Phasenwinkel tritt in Abb. 17.1 mit θ8 = π bei minimaler Wellenl¨ange λmin = λ8 = 2 ∆x und maximaler Wellenzahl k8 = kmax = π/∆x auf.
270
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
Es bleibt festzuhalten, dass die Fourier-Reihe (17.23) bei geradem N Phasenwinkel mit −π < θ ≤ π besitzt. Ferner gilt: λ klein ⇒ k groß ⇒ θ groß ⇒ hochfrequent , λ groß ⇒ k klein ⇒ θ klein ⇒ niederfrequent .
(17.24)
Dar¨ uber hinaus ist zu beachten, dass eine Fourier-Zerlegung nicht nur f¨ ur den Fehler sondern auch f¨ ur die Variable m¨ oglich ist. 17.2.3 Zweidimensionale Fourier-Reihe Gegeben sei ein zweidimensionales Gebiet 0 ≤ xj < Bj mit j = 1, 2 und konstanten Gitterabst¨ anden ∆xj = Bj /Nj . Mit mj = 0, 1, . . . , Nj − 1 folgen daraus die Gitterpunkte xmj = (mj Bj )/Nj . Deren Anzahl kann in den beiden Raumrichtungen unterschiedlich sein. Die zweidimensionalen, diskreten Moden ψ(θ, m) = ψ(θα1 , m1 )ψ(θα2 , m2 ) setzen sich aus Anteilen beider Raumrichtungen zusammen. Durch die komplexe Fourier-Reihe
enm1 ,m2 =
p 1 +o1
p 2 +o2
ˆ n ψ(θ, m) E α1 α2
α1 =−p1 α2 =−p2
=
p 1 +o1
p 2 +o2
ˆ n exp (im1 θα1 ) exp (im2 θα2 ) E α1 α2
α1 =−p1 α2 =−p2
(17.25)
θαj = 2παj /Nj mj = 0, 1, . . . , Nj − 1 pj = Nj /2 − 1, oj = 1
: Nj gerade
pj = (Nj − 1)/2, oj = 0 : Nj ungerade
wird ein im Definitionsbereich periodischer, diskreter Fehler in Moden unterschiedlicher Frequenzen zerlegt [262]. Bei geradem Nj gilt f¨ ur die Phasenwinkel −π < θαj ≤ π. Wie im eindimensionalen Fall sind alle unterschiedlichen Fourier-Moden zueinander orthogonal [262]. Auf Fourier-Zerlegungen basierende Analysen sind auch f¨ ur Gleichungssysteme m¨ oglich. Allerdings nimmt die Komplexit¨at im Vergleich zum skalaren Fall dabei deutlich zu. Die Anfachung oder D¨ampfung einzelner Fehlermoden wird bei einer Variable durch den Verst¨arkungsfaktor charakterisiert – eine skalare Gr¨ oßen. Bei Gleichungssystemen ergibt sich stattdessen eine Verst¨arkungsmatrix, deren Bewertung Matrix-Normen erfordert. Eine weitere Schwierigkeit der Fourier-Analyse liegt in der Ber¨ ucksichtigung verschiedener, gegebenenfalls ¨ ortlich variierender Randbedingungen. Die vorgestellte
17.2 Fourier-Analyse
271
komplexe Fourier-Reihe gilt nur bei periodischen R¨andern. In diesem Fall ist der Fourier-Mode ψ 0 = ψ(θ=0) in der Reihe enthalten, der bei DirichletRandbedingungen nicht erscheint. Wendet man die komplexe Fourier-Reihe nach Gl. (17.25) auf einen Fall mit Dirichlet-Randbedingungen an, so ist es oftmals g¨ unstiger, den Mode ψ 0 bei der Betrachtung auszuschließen [262, 48].
17.2.4 Verst¨ arkungsfaktor und D¨ ampfungseigenschaften Die Zerlegung des Fehlers in Moden unterschiedlicher Frequenzen l¨asst sich zur Verfahrensanalyse nutzen. Wenn f¨ ur alle Fehlermoden gew¨ahrleistet ist, dass deren Amplituden nicht anwachsen, dann muss das auch f¨ ur den Fehler gelten. Damit ist es m¨ oglich, Untersuchungen an einem einzelnen Mode durchzuf¨ uhren und daraus auf das Verhalten des durch Superposition erzeugten Gesamtfehlers zu schließen. Dazu werden in der Relaxationsvorschrift (17.8) an Stelle der diskreten Werte des Fehlers die diskreten Werte eines FourierFehlermodes verwendet. Das heißt, dass im zweidimensionalen Fall an Stelle von e(x, tn ) = enm1 ,m2 der Fourier-Mode ˆαn α ψm1 (θα1 )ψm2 (θα2 ) = E ˆαn α exp (im1 θα1 ) exp (im2 θα2 ) ˆαn ψ m (θ) = E E 1 2 1 2 (17.26) mit θ = (θα1 , θα2 ) beim jeweiligen t und x (bzw. m) in die Relaxationsvorschrift eingeht. Daraus ergibt sich die Operatorgleichung ˆ n+1 ψ m (θ) + L− Eˆ n ψ m (θ) = 0 L+ E α α
(17.27)
mit α = (α1 , α2 ). Da nur ein Fourier-Mode betrachtet wird, lassen sich die Amplituden vor die Operatoren ziehen. Wendet man anschließend L+ und L− auf die Eigenfunktionen ψ m (θ) = exp(imθ ) an, so folgen mit ˘ + (θ ) exp(imθ ) L+ exp(imθ ) = L ˘ − (θ ) exp(imθ ) L− exp(imθ ) = L
(17.28) (17.29)
˘ − (θ ) dieser Operatoren (Fourier-Symbole ˘ + (θ ) und L die Fourier-Symbole L sind mit ˘ u ¨ berschrieben) [249]. Diese sind nur noch Funktionen von θ und lassen sich direkt berechnen. Durch Einsetzen in Gl. (17.27) und Elimination der Eigenfunktion folgt ˘ + (θ) E ˆ n+1 = − L ˘ −(θ) E ˆn . L α α
(17.30)
Diese Gleichung beschreibt die Entwicklung der Fehleramplitude des diskreten Modes mit Phasenwinkel θ w¨ ahrend eines Iterationsschritts. Aus ihr geht der Verst¨arkungsfaktor (amplification factor) G(θ) ≡
˘ − (θ ) Eˆαn+1 L = − ˘ + (θ ) Eˆαn L
(17.31)
272
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
hervor, der das Verh¨ altnis der Fehleramplituden nach der Iteration zu vor der Iteration angibt. Stabilit¨ at eines numerischen Verfahrens liegt vor, wenn die ˘ + (θ ) = 0 vorausgesetzt. Bei Amplitude nicht anw¨ achst. In Gl. (17.31) wurde L gegebenem ∆t (bei Zeitintegrationsverfahren) und ∆xj ist der Verst¨arkungsfaktor G nur noch eine Funktion des Phasenwinkels und damit in Abh¨angigkeit von θ anschaulich darstellbar. Geht man von Gl. (17.7) aus, dann folgt ˘ ). G(θ) = S(θ
(17.32)
Der Verst¨ arkungsfaktor G entspricht somit dem Fourier-Symbol des Iterationsoperators S. Dabei handelt es sich um eine verk¨ urzte Schreibweise, die identisch mit der detaillierteren rechten Seite von Gl. (17.31) ist. Um Stabilit¨ at zu gew¨ ahrleisten, muss 8 8 8E 8 8 ˆ n+1 8 |G| = 8 (17.33) 8 ≤ 1 ˆn 8 8 E ˆ ist |G| immer als notwendige Bedingung erf¨ ullt sein. Auch bei komplexem E eine reelle Zahl. Neben dieser Stabilit¨atsbedingung liefert der Verst¨arkungsfaktor auch detaillierte Informationen zu den Konvergenzeigenschaften des untersuchten Verfahrens. So gibt |G| auch dar¨ uber Auskunft, in welchem Phasenwinkelbereich gute und in welchem schlechte Konvergenzeigenschaften vorherrschen. In der Regel ist man bei gesuchter station¨arer L¨osung an einer schnellen Fehlerabnahme interessiert. Daraus resultiert die Forderung, dass alle Fehlermoden m¨ oglichst schnell ged¨ ampft werden. Nur dann ergeben sich unabh¨ angig von den Anfangs- und Randbedingungen gute Konvergenzraten. Liegt eine instation¨ are Modellgleichung und deren analytische L¨osung vor, so ist der exakte Verst¨ arkungsfaktor (G ist der des gew¨ahlten numerischen Verfahrens) bestimmbar. Durch den Vergleich mit den entsprechenden numerischen Werten lassen sich dann nicht nur R¨ uckschl¨ usse auf den AmplitudenFehler ziehen, sondern auch auf die Phasenverschiebung, die sich zwischen der numerischen und der exakten L¨ osung einstellt.
17.3 W¨ armeleitgleichung Zur Untersuchung der Konvergenzeigenschaften iterativer Verfahren wird ein zweidimensionales W¨armeleitproblem betrachtet, das im instation¨aren Fall auf eine parabolische Differentialgleichung f¨ uhrt. Im station¨aren Fall ergibt sich mit Quellterm die Poisson-Gleichung und ohne Quellterm die elliptische Laplace-Gleichung. Die an diesem Testfall gewonnen Erkenntnisse lassen sich auf die viskosen Terme der Konvektions-Diffusionsgleichung oder die diffusiven Fl¨ usse der Navier-Stokes-Gleichungen u ¨ bertragen, sofern diese einen wesentlichen Anteil an der L¨ osung ausmachen. Nach der mathematischen Definition des Testproblems in Abschn. 17.3.1 werden in den Abschn. 17.3.2 bis 17.3.5
17.3 W¨ armeleitgleichung
273
Abb. 17.2. Station¨ are Temperaturverteilung (K) in einer Platte mit T (0, x2 )=400 K links, T (1, x2 )=200 K rechts, adiabater Wand oben und W¨ arme¨ ubergang zur Umgebung mit T∞ =300 K unten
iterative Verfahren zu dessen L¨ osung vorgestellt. Jeder dieser Abschnitte gliedert sich in zwei Teile: 1. Vorstellung und Anwendung des Verfahrens auf die Problemstellung, 2. Untersuchung der D¨ ampfungseigenschaften des Verfahrens mit Hilfe der Fourier-Analyse (bei Vernachl¨ assigung der korrekten Randbedingungen). Die behandelten L¨ oser stellen nur einen kleinen Ausschnitt an verf¨ ugbaren Algorithmen dar. Weitere Informationen finden sich in [2, 121, 116, 262, 221]. 17.3.1 Testfall und Modellgleichung Gesucht ist die Temperaturverteilung T (x1 , x2 , t) in einer zweidimensionalen, rechteckigen Platte (0 ≤ x1 , x2 ≤ 1) mit den Randbedingungen: konstante Temperatur Tl =400 K am linken und Tr = 200 K am rechten Rand, adiabater Wand oben und W¨ arme¨ ubergang zur Umgebung mit T∞ =300 K unten. Damit weist der Testfall links und rechts Dirichlet-Randbedingungen, oben und unten Neumann-Randbedingungen auf. Abbildung 17.2 zeigt die berechnete, station¨ are Temperaturverteilung. Station¨ arer Fall. Im station¨ aren Fall wird das Testproblem (mit Ausnahme der R¨ ander) durch die Laplace-Gleichung beschrieben. Ersetzt man in Gl. (17.2) La durch den linearen Laplace-Operator, so folgt mit T (x, t) als abh¨ angiger Variable und b = 0 die Laplace-Gleichung ∂2T ∂2T + = 0. ∂x21 ∂x22
(17.34)
Die W¨ armeleitf¨ ahigkeit des Plattenmaterials spielt bei randunabh¨angigen Gitterpunkten, konstanter Wandtemperatur oder adiabater Wand keine Rolle. Am unteren Rand stellt sich mit
274
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
q(x1 , 0) = α (T (x1 , 0) − T∞ ) = λ
∂T ∂x2
(17.35) x1 ,x2 =0
ein Gleichgewicht zwischen W¨ armeleitung und W¨arme¨ ubergang ein, dass von der W¨ armeleitf¨ ahigkeit λ und der W¨ arme¨ ubergangszahl α abh¨angt. Eine zentrale Diskretisierung zweiter Ordnung f¨ uhrt auf den Differenzenoperator Ti1 +1,i2 − 2 Ti1 ,i2 + Ti1 −1,i2 Ti ,i +1 − 2 Ti1 ,i2 + Ti1 ,i2 −1 + 1 2 = 0. ∆x21 ∆x22 (17.36) Es wird sich zeigen, dass das Verh¨ altnis der Gitterweiten ∆x1 /∆x2 das Konvergenzverhalten numerischer Verfahren beeinflussen kann. Dieser Effekt l¨asst sich mit der anisotropen Diffusionsgleichung LT =
ε
∂2T ∂2T + = 0 ∂x21 ∂x22
(17.37)
auch auf ¨ aquidistantem Gitter (∆x1 = ∆x2 ) untersuchen. Darin definiert der Parameter ε mit ε > 0 den Grad der Anisotropie. Mit der Diskretisierung aus Gl. (17.36) folgt Ti1 +1,i2 − 2 Ti1 ,i2 + Ti1 −1,i2 Ti ,i +1 − 2 Ti1 ,i2 + Ti1 ,i2 −1 + 1 2 = 0 2 ∆x1 ∆x22 (17.38) f¨ ur die station¨ are, diskrete, anisotrope Diffusionsgleichung. LT = ε
Instation¨ arer Fall. Die instation¨are W¨armeleitgleichung
λ ∂2T ∂2T ∂T − = 0 + ∂t ρc ∂x21 ∂x22
(17.39)
erm¨ oglicht sowohl die Berechnung der zeitgenauen L¨osungsentwicklung als auch die Bestimmung der station¨ aren Temperaturverteilung. Darin steht ρ f¨ ur die Dichte des Plattenmaterials und c f¨ ur dessen spezifische W¨armekapazit¨at. Gleichung (17.39) gilt nur im Inneren der Platte und ist an den R¨andern zu modifizieren. 17.3.2 Punkt-Jacobi-Verfahren In Matrixnotation folgt mit M = Diag(A) aus Gl. (17.14) das ged¨ampfte Punkt-Jacobi-Verfahren. In Sternnotation und angewandt auf die anisotrope, station¨are Diffusionsgleichung (17.38) ergibt sich auf a¨quidistantem Gitter die Relaxationsvorschrift # % n & $ v Tin+1 ε Ti1 +1,i2 + Tin1 −1,i2 + Tin1 ,i2 +1 + Tin1 ,i2 −1 = 1 ,i2 2(1 + ε) + (1 − v)Tin1 ,i2 .
(17.40)
17.3 W¨ armeleitgleichung
275
Abb. 17.3. Konvergenzverl¨ aufe des ged¨ ampften Punkt-Jacobi-Verfahrens (v =0,8) auf unterschiedlichen Gittern
Abb. 17.4. Konvergenzverl¨ aufe des Punkt-Gauß-Seidel-Verfahrens auf unterschiedlichen Gittern
Abb. 17.5. Konvergenzverl¨ aufe des Linien-Gauß-Seidel-Verfahrens auf unterschiedlichen Gittern
Mit L nach Gl.(17.38) entspricht das der Verwendung der Operatoren L+ T n+1 = −
2(1 + ε)Tin+1 1 ,i2 , ∆x2
L− T n = v L T n +
2(1 + ε)Tin1 ,i2 ∆x2
(17.41)
in Gl. (17.5) mit b = 0. Bei 0 < v < 1 liegt ein ged¨ampftes Verfahren und bei ε = 1 ein anisotropes Problem vor. Der Iterationsoperator ergibt sich zu S = I− 0,5 ∆x2 L/(1 + ε), wobei I den Einheitsoperator bezeichnet. F¨ ur den in Abschn. 17.3.1 beschriebenen Testfall sind in Abb. 17.3 Konvergenzverl¨aufe des Punkt-Jacobi-Verfahrens (ε=1, v =0,8) u ur ¨ber der Anzahl an Iterationen f¨ unterschiedlich feine Rechengitter aufgetragen. An diesen Simulationen zeigt sich das grundlegende Problem vieler iterativer Verfahren: Mit einer Verdoppelung der Anzahl an Gitterpunkten N verdoppelt sich zun¨achst einmal der Rechenaufwand pro Iteration. Gleichzeitig geht aber auch die Konvergenzrate des L¨ osers zur¨ uck, so dass der Aufwand des Verfahrens mit O(N 2 ) skaliert. Das heißt, dass sich der Aufwand beim zweidimensionalen Testproblem durch eine Halbierung der Gitterweite versechzehnfacht.
276
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
D¨ ampfungseigenschaften des Punkt-Jacobi-Verfahrens. Die Untersuchung der D¨ ampfungseigenschaften erfolgt mit der Fourier-Analyse unter der Annahme periodischer Randbedingungen. Durch Einsetzen eines Fehlermodes nach Gl. (17.26) in die Relaxationsvorschrift der anisotropen Diffusionsgleichung (17.40) ergibt sich der Verst¨ arkungsfaktor |G| = 1 − v +
v [ ε cos θ1 + cos θ2 ] . 1+ε
(17.42)
Um Stabilit¨ at zu gew¨ ahrleisten, muss |G| ≤ 1 gelten. Gleichung (17.42) besitzt mit v und ε zwei freie Parameter. W¨ ahrend ε aus der zu Grunde liegenden Differentialgleichung hervorgeht und von der Problemstellung (oder dem Rechengitter) bestimmt wird, ist v ein frei w¨ ahlbarer Parameter. In Abb. 17.6 bis 17.9 ist |G(θ)| f¨ ur vier v-ε-Kombinationen dargestellt. Wegen der Symmetrie der in Gl. (17.42) eingehenden Kosinusfunktion gen¨ ugt die Untersuchung des Bereichs 0 ≤ θ1 , θ2 ≤ π. Die Bilder zeigen, bei welchen Phasenwinkeln der Fehler gut und bei welchen er schlecht ged¨ampft wird. Dar¨ uber hinaus enthalten die Bildunterschriften aller Verst¨ arkungsfaktoren zwei f¨ ur Mehrgitterverfahren wichtige Kenngr¨ oßen des jeweiligen Gl¨atters beim untersuchten Testfall: Den Gl¨attungsfaktor µ nach Gl. (18.2) und die asymptotische Konvergenzrate ρH h des Zweigitterverfahrens nach Gl. (18.54). In Abschn. 18.6 wird auf diese Gr¨ oßen ausf¨ uhrlich eingegangen. In Abb. 17.6 und 17.7 sind die Verst¨ arkungsfaktoren des unged¨ ampften (v = 1) und des ged¨ampften (v =0,8) Punkt-Jacobi-Verfahrens bei Anwendung auf die Laplace-Gleichung (ε = 1) dargestellt. Durch den Unterrelaxationsfaktor v l¨asst sich das Konvergenzverhalten beeinflussen, wobei sich bei der gegebenen Modellgleichung mit vopt =
2 + 2ε 2 + 3ε
(17.43)
die beste Konvergenzrate einstellt (f¨ ur ε = 1 folgt vopt =0,8) [262]. Die Verbesserung des D¨ ampfungsverhaltens durch die Unterrelaxation wird in Abb. 17.7 (im Vergleich zu Abb. 17.6) insbesondere bei den hochfrequenten Phasenwinkeln mit θ1 ≥ π/2, θ2 ≥ π/2 deutlich. Damit bewirkt die Unterrelaxation eine starke Abnahme von µ und ρH h , was bei der Nutzung von Mehrgittertechniken zum Tragen kommt. Die schlechte D¨ ampfung des Modes mit θ1 = θ2 = 0 ist nicht von Belang. Er entspricht einem konstanten Faktor, der aus den Randbedingungen hervorgeht und der nicht ged¨ ampft werden muss. Bei Erf¨ ullung von Gl. (17.37) durch T gilt dies bei konstantem C auch f¨ ur T + C [48]. Verhalten bei feiner werdendem Gitter. Die Konvergenzrate eines numerischen Verfahrens wird durch den h¨ ochsten, relevanten, diskreten Wert |G| begrenzt. Zieht man die Moden mit θα = 0 nicht in Betracht, so liegt das Maximum im vorliegenden Fall beim kleinsten, aufgel¨osten Phasenwinkel θ mit θ1 = 2π/N1 und θ2 = 2π/N2 . Der Einfachheit halber wird bei der folgenden Untersuchung der Mode mit θ1 = 2π/N1 und θ2 = 0 betrachtet, f¨ ur den sich aus Gl. (17.42) mit ε = 1 und Bi = Ni ∆xi
17.3 W¨ armeleitgleichung
277
Abb. 17.6. |G( )| des Punkt-JacobiVerfahrens bei Anwendung auf die Laplace-Gleichung (µ=1, ρH h =1)
Abb. 17.7. |G( )| des ged¨ ampften Punkt-Jacobi-Verfahren (v =0,8) bei Anwendung auf die Laplace-Gleichung (µ=0,6, ρH h =0,6)
Abb. 17.8. |G( )| des Punkt-JacobiVerfahrens bei Anwendung auf die anisotrope Diffusionsgleichung (ε=1000, µ=1, ρH h =1)
Abb. 17.9. |G( )| des ged¨ ampften Punkt-Jacobi-Verfahrens (v =2/3) bei Anwendung auf die anisotrope Diffusionsgleichung (ε=1000, µ=1, ρH h =1)
. 2π v cos +1 2 N1
2π v v ∆x1 = 1 − + cos 2 2 B1
2 1 2π v v 4 1− ∆x1 + O(∆x1 ) = 1− + 2 2 2 B1
|G(2π/N1 , 0)| = 1 − v +
= 1 − O(∆x21 )
(17.44)
ergibt. Es zeigt sich das bereits bekannte Verhalten des Punkt-Jacobi-Verfahrens: F¨ ur ∆x1 → 0 geht |G|max → 1 und zwar gem¨aß 1 − O(∆x21 ). Diese
278
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
Tabelle 17.1. Vergleich der theoretischen Konvergenzrate PJ 1 − (π 2 /2)∆x2 des Punkt-Jacobi-Verfahrens mit den bei praktischen Simulationen erzielten Residuumsreduktionsfaktoren ∆Resn1,n2 = (|Resn2 |/|Resn1 |)1/(n2 −n1 ) auf unterschiedlich feinen N1 ×N1 -Rechengittern N1
8
16
32
64
128
256
512
PJ
0,922894 0,980723 0,995185 0,998795 0,999699 0,9999247 0,999981 ∆Resn1,n2 0,940182 0,984365 0,995988 0,998965 0,999731 0,999928 0,999976
quadratische Zunahme des Verst¨ arkungsfaktors mit steigender Zahl an Gitterpunkten macht das Punkt-Jacobi-Verfahren bei großen Problemen ineffizient. Die Konvergenzverl¨ aufe in Abb. 17.3 haben das an einem praktischen Beispiel demonstriert. Physikalisch ist das so zu erkl¨aren, dass mit steigender Zahl an Gitterpunkten immer mehr Iterationen notwendig sind, um Informationen durch das Rechengebiet zu bef¨ ordern. Durch Unterrelaxation lassen sich die D¨ ampfungseigenschaften zwar verbessern, am prinzipiellen Verhalten bei Gitterverfeinerung ¨ andert sich jedoch nichts. Die als Funktion der Gitterweite ausgedr¨ uckte Konvergenzrate PJ (s. Gl. (17.16) und (17.19) auf S. 266) des Punkt-Jacobi-Verfahrens liegt beim untersuchten Testfall f¨ ur DirichletRandbedingungen bei PJ ≈ 1 − (π 2 /2)∆x2 [48]. F¨ ur diese Randbedingungen ist eine Fourier-Sinus-Reihe zur Analyse anzusetzen, deren kleinster Phasenwinkel ungleich null bei θ1 = π/N liegt. Ein Vergleich von PJ mit den praktisch erzielten mittleren Fehlerreduktionsfaktoren nach Gl. (17.17) ist in Tabelle 17.1 zu finden. Die Reduktionsfaktoren beziehen sich auf den Testfall aus Abschn. 17.3.1 und die Konvergenzverl¨aufe aus Abb. 17.3. An Stelle des Fehlers wurden Betr¨ age des mittleren Residuums zur Berechnung von ∆Resn1,n2 = (|Resn2 |/|Resn1 |)1/(n2 −n1 ) verwendet. Resn1 bezeichnet das Residuum beim Iterationsschritt n1 . Die Anfangs- und Endphase der Iteration ¨ bleibt durch eine geeignete Wahl von n1 und n2 unber¨ ucksichtigt. Beim UberPJ gang von einem 8×8-Gitter auf ein 512×512-Gitter w¨achst von 0,922894 auf 0,999981 an, was einer drastischen Verschlechterung der Fehlerd¨ampfung entspricht. Tabelle 17.1 zeigt dar¨ uber hinaus, dass die theoretische Konvergenzrate vor allem bei großem N1 gut mit den praktisch erzielten Resultaten u ¨ bereinstimmt. Verhalten bei Anisotropie. Bei vielen iterativen Verfahren tritt mit zunehmender Anisotropie der Modellgleichung (ε 1 oder 1/ε 1) eine Verschlechterung des Konvergenzverhaltens ein. Bei Anisotropie sind die Gitterpunkte in einer Raumrichtung stark und in der anderen schwach gekoppelt, was charakteristisch f¨ ur die Grenzschichten schneller Str¨omungen ist. Den Abb. 17.8 und 17.9 liegt mit ε = 1000 eine anisotrope Diffusionsgleichung zu Grunde. Ein großes ε vor der Ableitung in x1 -Richtung bewirkt, dass beim unged¨ ampften Verfahren unabh¨ angig von θ2 hoch- und niederfrequente Moden in x1 -Richtung schlecht reduziert werden. Beim ged¨ampften Verfahren
17.3 W¨ armeleitgleichung
279
(v = 2/3) tritt die schlechte Fehlerd¨ ampfung nur bei den niederfrequenten Moden in x1 -Richtung auf. Aus Gl. (17.42) folgt f¨ ur v = 1, θ1 = 2π/N1 sowie beliebiges θ2 und ε → ∞ . 2π 1 cos cos θ2 + lim |G(2π/N1 , θ2 )| = lim ε→∞ ε→∞ 1 + ε N1 1+ε
2π ∆x = cos B1 = 1 − O(∆x21 ) .
(17.45)
ur ε 1 bei kleiDie D¨ ampfungseigenschaften sind damit unabh¨angig von θ2 f¨ nem ∆x1 sehr schlecht. F¨ ur 1/ε 1 dreht sich die Situation richtungsm¨aßig um. Ein Vergleich von Abb. 17.8 mit 17.9 zeigt ferner, dass die Unterrelaxation bei kleinem θ1 nichts am prinzipiellen Verhalten des Verfahrens ¨andert. Schon bei relativ geringen Anisotropiefaktoren von ε = 5 − 10 gehen die Isolinien der Verst¨ arkungsfaktoren von gekr¨ ummten Verl¨aufen wie in Abb. 17.6 und 17.7 in die vertikalen aus Abb. 17.8 und 17.9 u ¨ ber. 17.3.3 Explizites Euler-Verfahren Das explizite Euler-Verfahren nimmt bei der zeitlichen Integration der zweidimensionalen, instation¨ aren W¨ armeleitgleichung (17.39) folgende Form an Tin+1 = Tin1 ,i2 1 ,i2
Tin1 ,i2 +1 − 2 Tin1 ,i2 + Tin1 ,i2 −1 λ∆t Tin1 +1,i2 − 2 Tin1 ,i2 + Tin1 −1,i2 . + + ρc ∆x21 ∆x22 (17.46) Im Gegensatz zu iterativen Verfahren ist hier ein geeigneter Zeitschritt zu w¨ahlen. Das explizite Euler-Verfahren ist zeitlich von erster Ordnung und unterliegt einer Zeitschrittbeschr¨ ankung, die sich aus der CFL-Bedingung (CourantFriedrich-Lewy) ergibt. Zur Gew¨ ahrleistung von Stabilit¨at muss CFL ≤ 1 gelten, so dass mit A
2∆tλ 1 1 ρc 1 1 CFL = , ∆t ≤ (17.47) + + ρc ∆x21 ∆x22 2λ ∆x21 ∆x22 der maximal m¨ oglichen Zeitschritt begrenzt ist [121]. Dieser ist umgekehrt proportional zum Quadrat der Gitterweiten, was bedeutet, dass die Anzahl der Zeitschritte bis zum Erreichen station¨ arer Bedingungen mit abnehmender Gitterweite quadratisch ansteigt. Dieses Verhalten deckt sich mit dem des Punkt-Jacobi-Verfahrens. Das ist nicht weiter verwunderlich, da bei entsprechender√Wahl von v bzw. der CFL-Zahl beide Verfahren identisch sind. F¨ ur ∆x2 = ε∆x1 und CFL = v geht das auf nicht-¨aquidistantem Gitter diskretisierte semi-iterative, explizite Euler-Verfahren in das Problem u ¨ ber, das sich bei anisotroper Diffusionsgleichung auf ¨ aquidistantem Gitter bei Verwendung des Punkt-Jacobi-Verfahrens ergibt.
280
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
17.3.4 Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren Die Konvergenzrate des Punkt-Gauß-Seidel-Verfahrens ist etwa um den Faktor zwei besser, als die des Punkt-Jacobi-Verfahrens, ohne dass sich dabei der Rechenaufwand erh¨ oht. In Matrixnotation folgt das Punkt-Gauß-SeidelVerfahren mit M = A − O aus Gl. (17.11) [116]. Dabei wird die Matrix A durch A = D + U + O in eine Diagonalmatrix D sowie eine strikte untere Dreiecksmatrix U und eine strikte obere Dreiecksmatrix O zerlegt. Angewandt auf die anisotrope Diffusionsgleichung (17.37) ergibt sich in Sternnotation die Relaxationsvorschrift Tin+1 = 1 ,i2
# % n & $ 1 ε Ti1 +1,i2 + Tin+1 + Tin1 ,i2 +1 + Tin+1 . 1 −1,i2 1 ,i2 −1 2(1 + ε)
(17.48)
Hierzu ist in Gl. (17.5) L− T n = ε(Tin1 +1,i2 + Tin1 ,i2 +1 )/∆x2 und L+ = L − L− zu setzen und L nach Gl. (17.38) zu verwenden. Beim Gauß-Seidel-Verfahren ist die Indexanordnung (hier lexikographisch) zu beachten, da die Art des Durchlaufs durch das Rechengitter eine Rolle spielt. Durch die implizite Abh¨ angigkeit von Nachbarzellen treten bei Parallelisierung mittels Gebietszerlegung Konvergenzeinbußen auf. Im Gegensatz zum Jacobi-Verfahren ben¨otigt das Gauß-Seidel-Verfahren keine D¨ ampfung der Korrektur. In Abb. 17.4 sind Konvergenzverl¨ aufe des Punkt-Gauß-Seidel-Verfahrens f¨ ur das station¨are W¨ armeleitproblem aus Abschn. 17.3.1 gezeigt. Die Konvergenzrate liegt bei Dirichlet-Randbedingungen bei PGS 1 − π 2 ∆x2 [48]. D¨ ampfungseigenschaften des Punkt-Gauß-Seidel-Verfahrens. Zur Untersuchung der D¨ ampfungseigenschaften wird die rechte Seite von Gl. (17.26) in Gl. (17.48) eingesetzt und der Verst¨ arkungsfaktor G =
ˆ n+1 E ε exp(iθ1 ) + exp(iθ2 ) = n ˆ 2ε + 2 − ε exp(−iθ1 ) − exp(−iθ2 ) E
(17.49)
gebildet [48, 262]. Dieser l¨ asst sich mit % & A ≡ ε2 cos θ1 − 0, 5 cos2 θ1 + 0, 5 sin2 θ1 + cos θ2 − 0, 5 cos2 θ2 + 0, 5 sin2 θ2 + ε (cos θ1 − cos θ1 cos θ2 + sin θ1 sin θ2 + cos θ2 ) , B ≡ ε2 (sin θ1 − cos θ1 sin θ1 ) + sin θ2 − cos θ2 sin θ2 + ε (sin θ1 − cos θ1 sin θ2 + sin θ1 cos θ2 + sin θ2 ) , C ≡ ε2 (2, 5 − 2 cos θ1 ) + 2, 5 − 2 cos θ2 + ε (4 − 2 cos θ2 − 2 cos θ1 + cos θ1 cos θ2 + sin θ1 sin θ2 ) auf die Form G =
Eˆ n+1 B A +i = n C C Eˆ
(17.50)
(17.51)
17.3 W¨ armeleitgleichung
Abb. 17.10. |G( )| des Punkt-GaußSeidel-Verfahren bei Anwendung auf die isotrope (ε=1) Diffusionsgleichung (µ=0,5, ρH h =0,4)
281
Abb. 17.11. |G( )| des Punkt-GaußSeidel-Verfahren bei Anwendung auf die anisotrope (ε=1000) Diffusionsgleichung (µ =0,998, ρH h =0,998)
bringen. Daraus folgt mit |G|2 = G × G∗ = (A2 + B 2 )/C 2 (G∗ ist zu G konjungiert komplex) der Verst¨ arkungsfaktor |G|. In Abb. 17.10 und 17.11 sind Verst¨ arkungsfaktoren f¨ ur ε = 1 und ε = 1000 dargestellt. Die Anisotropie der Modellgleichung bewirkt bei kleinem θ1 (unabh¨angig von θ2 ) eine schlechte Fehlerd¨ ampfung, wobei limε→∞ |G(0, θ2 )| = 1 gilt. Im Fall der isotropen Diffusionsgleichung vereinfacht sich Gl. (17.51) unter Verwendung der Parameter α = θ1 + θ2 und β = θ1 − θ2 und es folgt [262] |G| =
1 + cos β 9 − 8 cos(α/2) cos(β/2) + cos β
1/2 .
(17.52)
Diese Gleichung ist symmetrisch zu α = 0 und β = 0. Daraus ergeben sich in Abb. 17.10 die Symmetrien zu θ1 + θ2 = 0 und θ1 − θ2 = 0. Beim PunktGauß-Seidel-Verfahren besteht wieder das Problem, dass wegen der Abh¨angigkeit von |G| = 1 − O(∆x2i ) die Konvergenzrate mit abnehmender Gitterweite quadratisch zur¨ uckgeht. 17.3.5 Linien-Gauß-Seidel-Verfahren Beim Linien-Gauß-Seidel-Verfahren werden (auf strukturierten Gitter) alle auf einer Gitterlinie liegenden Zellen gleichzeitig (implizit) aktualisiert, unbekannte Werte in den anderen Raumrichtungen dagegen explizit. Das erfordert bei der Diffusionsgleichung und zentraler Diskretisierung zweiter Ordnung das L¨ osen eines tridiagonalen Gleichungssystems. Hierf¨ ur bietet sich der ThomasAlgorithmus an [2, 121, 262]. Bezeichnet man die Elemente der Matrix A aus Gl. (17.10) mit aij , so erh¨ alt man die M-Matrix des Linien-Gauß-SeidelVerfahrens indem alle Eintr¨ age aij mit j > i + 1 auf null gesetzt werden
282
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
(in Matrixnotation) [262]. Das Verfahren ist bei mehrdimensionalen Problemen von der Richtung der implizit zu l¨ osenden Linie und von der Art des Durchlaufs abh¨ angig. In Sternnotation ergibt sich bei Linie in x1 -Richtung und Anwendung auf die anisotrope Diffusionsgleichung (17.37) die Relaxationsvorschrift # % n+1 & $ 1 Tin+1 ε Ti1 +1,i2 + Tin+1 + Tin1 ,i2 +1 + Tin+1 . (17.53) = 1 ,i2 1 −1,i2 1 ,i2 −1 2(1 + ε) Hierzu ist in Gl. (17.5) L− T n = Tin1 ,i2 +1 /∆x2 , L+ = L − L− und b = 0 zu setzen und vom Operator L nach Gl. (17.38) auszugehen. Abbildung 17.5 zeigt Konvergenzverl¨ aufe des Linien-Gauß-Seidel-Verfahrens f¨ ur die L¨osung des W¨ armeleitproblems aus Abschn. 17.3.1. Verglichen mit dem Punkt-GaußSeidel-Verfahren ist das Konvergenzverhalten deutlich besser. Gleichzeitig erh¨ oht sich aber der Rechenaufwand auf Grund des zu l¨osenden tridiagonalen Gleichungssystem. Linien-Verfahren lassen sich f¨ ur beliebige Raumrichtungen formulieren. In komplexeren F¨ allen ist im Voraus oft nicht absehbar, in welcher Raumrichtung die starke, implizite Koppelung ben¨otigt wird. Dann bietet sich ein zyklisch alternierendes Vorgehen an, bei dem nach jedem Iterationschritt die Richtung der impliziten Linie wechselt. D¨ ampfungseigenschaften des Linien-Gauß-Seidel-Verfahrens. Im Fall der zweidimensionalen, anisotropen Diffusionsgleichung folgt durch FourierAnalyse f¨ ur den Verst¨ arkungsfaktor des Linien-Gauß-Seidel-Verfahrens mit Linie in cos θ2 + i sin θ2 , 2ε + 2 − 2ε cos θ1 − cos θ2 + i sin θ2
x1 -Richtung:
G =
x2 -Richtung:
ε cos θ1 + iε sin θ1 G = . 2ε + 2 − 2 cos θ2 − ε cos θ1 + iε sin θ1
(17.54)
Aus diesen komplexen Verst¨ arkungsfaktoren erh¨alt man bei Linie in 1/2 1 , x1 -Richtung: |G| = 2 (2ε + 2 − 2ε cos θ1 − cos θ2 ) + sin2 θ2 1/2 ε2 x2 -Richtung: |G| = . 2 (2ε + 2 − 2 cos θ2 − ε cos θ1 ) + ε2 sin2 θ1 (17.55) In Abb. 17.12 bis 17.15 sind entsprechende Verst¨arkungsfaktoren bei Linie in x1 -Richtung (oben), Linie in x2 -Richtung (unten), angewandt auf die isotrope Diffusionsgleichung (links) und die anisotrope Diffusionsgleichung (rechts) aufgetragen. Bei isotroper Gleichung ist die Fehlerd¨ampfung vor allem im hochfrequenten Bereich (θα ≥ π/2) sehr gut. Dar¨ uber hinaus werden Fehler in Richtung der implizit behandelten Linie gut ged¨ampft. W¨ahrend sich dieser Effekt im isotropen Fall nur schwach auswirkt, kommt er bei anisotroper Gleichung weit st¨ arker zum Tragen.
17.3 W¨ armeleitgleichung
283
Abb. 17.12. |G( )| des Linien-GaußSeidel-Verfahrens mit Linie in x1 -Richtung bei Anwendung auf die isotrope (ε=1) Diffusionsgleichung (µ=0,4472, ρH h =0,3333)
Abb. 17.13. |G( )| des Linien-GaußSeidel-Verfahrens mit Linie in x1 -Richtung bei Anwendung auf die anisotrope (ε=1000) Diffusionsgleichung (µ=0,4472, ρH h =0,3326)
Abb. 17.14. |G( )| des Linien-GaußSeidel-Verfahrens mit Linie in x2 -Richtung bei Anwendung auf die isotrope (ε=1) Diffusionsgleichung (µ=0,4472, ρH h =0,3333)
Abb. 17.15. |G( )| des Linien-GaußSeidel-Verfahrens mit Linie in x2 -Richtung bei Anwendung auf die anisotrope (ε=1000) Diffusionsgleichung (µ=0,99800, ρH h =0,99798)
Verhalten bei Anisotropie. Anisotropie der Modellgleichung hat das D¨ampfungsverhalten des Punkt-Jacobi- und Punkt-Gauß-Seidel-Verfahrens deutlich verschlechtert. Um der unterschiedlich starken physikalischen Koppelung in den einzelnen Raumrichtungen mathematisch gerecht zu werden, sollten stark gekoppelte Punkte gleichzeitig aktualisiert werden [32, 262]. Mit dem LinienGauß-Seidel-Verfahren ist das m¨ oglich. Abbildung 17.13 zeigt, dass mit diesem Verfahren selbst bei starker Anisotropie (ε = 1000) gute Verst¨arkungsfaktoren m¨ oglich sind. Hier ist zu beachten, dass in dieser Darstellung nur ein kleiner Ausschnitt des Definitionsbereichs von θ gezeigt ist und |G| außerhalb davon
284
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
durchweg unter 0,1 liegt. Bei diesem Testfall stimmt die implizit integrierte Linie mit der starken Kopplung der Modellgleichung u ¨ berein. Ist das nicht der Fall, so bleibt das von der Anisotropie ausgebende Problem bestehen, wie ein Vergleich von Abb. 17.13 mit Abb. 17.15 zeigt. Das schlechteste D¨ ampfungsverhalten stellt sich f¨ ur ε 1 bei θ1 = 0 und f¨ ur 1/ε 1 bei θ2 = 0 ein. Zieht man wegen der Randbedingungen θα = 0 nicht in Betracht, so weisen die dazu n¨ achstgelegenen, diskreten Phasenwinkel die gr¨ oßten Verst¨ arkungsfaktoren auf. Im Fall von ε ≥ 1 ist das der Gitterpunkt mit dem Phasenwinkel θ1 = 2π/N1 . Der Einfachheit halber wird in der folgenden Untersuchung in der zweiten Raumrichtung θ2 = 0 gesetzt. Es folgt aus Gl. (17.55) bei Linie in x1 -Richtung: x2 -Richtung:
1 , 1 + 2ε (1 − cos θ1 ) 1 |G(θ1 , 0)| = √ . 5 − 4 cos θ1 |G(θ1 , 0)| =
(17.56) (17.57)
Daran zeigt sich, dass der Verst¨ arkungsfaktor bei Linie in x1 -Richtung vom Anisotropiefaktor ε abh¨ angt, bei Linie in x2 -Richtung dagegen nicht. Die Unabh¨ angigkeit von ε im zweiten Fall ist auch in Abb. 17.14 und 17.15 auszumachen. Trotz der ansonsten sehr unterschiedlichen Struktur der Isolinien ist |G(θ1 , 0)| in beiden F¨ allen identisch. Bei Linie in x1 -Richtung geht |G(θ1 , 0)| f¨ ur θ1 = 0 mit ansteigendem ε gegen null. Das bedeutet, dass sich das D¨ ampfungsverhalten mit zunehmender Anisotropie verbessert. Bei Dirichlet-Randbedingungen f¨ uhrt ε → ∞ zu einer Entkoppelung der Linien in x1 -Richtung, wodurch das Linien-Gauß-Seidel-Verfahren zum direkten L¨oser wird [262]. Verhalten bei feiner werdendem Gitter. Der Einfluss abnehmender Gitterweite wird f¨ ur den Fall mit Linie in x1 -Richtung und ε ≥ 1 untersucht. Bei Betrachtung des Punkts θ1 = 2π/N1 , θ2 = 0 folgt aus Gl. (17.56) 4π ε∆x21 + O(∆x41 ) (17.58) ∆x1 →0 B1 und es zeigt sich das unerw¨ unschte Verhalten einer quadratisch zur¨ uckgehen Fehlerd¨ ampfung (Konvergenzrate) mit abnehmender Gitterweite . Die bei der Herleitung von Gl. (17.58) verwendeten Reihenentwicklungen sind nur f¨ ur ∆x21 1 g¨ ultig. H¨ alt man dagegen ∆x1 konstant und geht mit ε gegen unendlich, so verliert Gl. (17.58) ihre G¨ ultigkeit und das iterative Verfahren geht in einen direkten L¨ oser u ¨ ber. lim |G(2π/N1 , 0)| = 1 −
17.4 Konvektions-Diffusionsgleichung Die Konvektions-Diffusionsgleichung ber¨ ucksichtigt in vereinfachter Form alle wesentlichen physikalischen Prozesse realer Str¨omungsprobleme: den konvektiven und diffusiven Transport sowie lokale Produktionsterme, die als
17.4 Konvektions-Diffusionsgleichung
285
Approximation der Verbrennungsquellterme dienen. Exemplarisch f¨ ur iterative Verfahren wird in Abschn. 17.4.2 das D¨ampfungsverhalten des PunktGauß-Seidel-Verfahrens und in Abschn. 17.4.3 das des Linien-Gauß-SeidelVerfahrens bei Anwendung auf die Konvektions-Diffusionsgleichung mit und ohne Quellterm untersucht. 17.4.1 Modellgleichung und Diskretisierung Gegeben sei die zweidimensionale, lineare Konvektions-Diffusionsgleichung eines Skalars u ∈ R mit linearem Quellterm
2 ∂u ∂u ∂u ∂ u ∂2u + a1 = cu . (17.59) + a2 −b + ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x21 ∂x2 Diese Gleichung stellt die einfachste Approximation eines viskosen Str¨omungsprozesses mit Verbrennung dar. Bei a1 , a2 , b, c ∈ R und b ≥ 0 handelt es sich um Konstanten. In Anlehnung an die Str¨omungsmechanik treten hohe Reynolds-Zahlen bei hohen Werten der Koeffizienten a1 und a2 sowie kleinem b auf. Eine hohe Peclet-Zahl (P e = a∆x/b) dieser Modellgleichung entspricht einer hohen Reynolds-Zahl der Impulsgleichungen. In Anlehnung an die Verbrennung wird mit Da = c∆x2 /b eine Damk¨ohler-Zahl definiert. Ein Vergleich mit realen Verbrennungsprozessen ist auf Grund der Linearit¨at dieser Gleichung (insbesondere des Quellterms) nur begrenzt m¨oglich. Diskretisierung. Von den zahlreichen Diskretisierungsm¨oglichkeiten wird exemplarisch ein relativ einfacher Ansatz gew¨ahlt: eine Aufwind-Diskretisierung erster Ordnung f¨ ur die konvektiven Terme und eine zentrale Diskretisierung zweiter Ordnung f¨ ur die diffusiven. Vor allem die erste Ordnung der konvektiven Terme ist in der Praxis meist unzureichend und f¨ uhrt zu einer hohen numerischen Diffusion. Das Vorzeichen von ai bestimmt die Str¨omungsrichtung, so dass im eindimensionalen Fall mit a
∂u 1 = [ (−a − |a|)ui−1 + 2|a|ui + (a − |a|)ui+1 ] ∂x 2 ∆x
(17.60)
nur stromauf gelegene Werte in die Diskretisierung des konvektiven Flusses eingehen. Die Diskretisierung der viskosen Fl¨ usse erfolgt analog zur LaplaceGleichung (17.36) mit einer zentralen Diskretisierung zweiter Ordnung. F¨ ur den Quellterm wird sowohl eine explizite als auch eine implizite Diskretisierung in Betracht gezogen. Zur u ¨bersichtlicheren Darstellung dienen neben ε = (∆x2 /∆x1 )2 die Parameter 1 1 (a1 ∆x1 ε) , P2 = (a2 ∆x1 ) , P3 = b ε , 2 2 P4 = b , P5 = I c∆x22 , P6 = (1 − I)c∆x22 , 1 : implizite Quelltermdiskretisierung, I = (17.61) 0 : explizite Quelltermdiskretisierung,
P1 =
286
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
die vom Typ der Modellgleichung, der Art der Diskretisierung und dem Rechengitter abh¨ angen. Mit 0 ≤ I ≤ 1 l¨ asst sich von einer rein expliziten zu einer rein impliziten Integration des Produktionsterms u ¨berblenden. 17.4.2 Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren Die Anwendung des Punkt-Gauß-Seidel-Verfahrens (s. Abschn. 17.3.4) auf die station¨ are Form der Konvektions-Diffusionsgleichung (17.59) f¨ uhrt in Sternnotation auf die Relaxationsvorschrift $ 1 # n+1 n (−a1 − |a1 |)un+1 i−1,j + 2|a1 |ui,j + (a1 − |a1 |)ui+1,j 2∆x1 $ 1 # n+1 n (−a2 − |a2 |)un+1 + i,j−1 + 2|a2 |ui,j + (a2 − |a2 |)ui,j+1 2∆x2 & & b % n b % n n+1 n+1 ui+1,j − 2un+1 − ui,j+1 − 2un+1 − i,j + ui−1,j i,j + ui,j−1 2 2 ∆x1 ∆x2 = c(1 − I )uni,j + cI un+1 i,j .
(17.62)
Der Durchlauf durch das Rechengitter erfolgt dabei in positiver x1 - und x2 Richtung (lexikographisch). Verst¨ arkungsfaktor des Punkt-Gauß-Seidel-Verfahrens. Durch Anwendung der Fourier-Analyse auf die Relaxationsvorschrift (17.62) ergibt sich der Verst¨ arkungsfaktor G =
Q1 exp(iθ1 ) + Q2 exp(iθ2 ) + P6 Q3 − P5 − Q4 exp(−iθ1 ) − Q5 exp(−iθ2 )
(17.63)
mit Q1 = P3 − P1 + |P1 | ,
Q2 = P4 − P2 + |P2 | ,
Q3 = 2 (|P1 | + |P2 | + P3 + P4 ) , Q5 = P2 + |P2 | + P4
Q4 = P1 + |P1 | + P3 , (17.64)
[262]. Um einen definierten Str¨ omungszustand und eine bestimmte Gitterstreckung des realen Systems zu approximieren, ist ein geeigneter Satz an Modellgleichungsparametern ai , b, c und ε zu w¨ahlen. D¨ ampfungseigenschaften ohne Produktionsterm. In Abh¨angigkeit von den Parametern ai und b lassen sich ohne Produktionsterm (c = 0) einige prinzipielle Feststellungen machen. F¨ ur 1. ai → 0 geht die Modellgleichung (17.59) in die instation¨are W¨armeleitgleichung (17.39) u ampfungsverhalten mehrerer numerischer L¨o¨ ber. Das D¨ sungsverfahren (u.a. auch des Punkt-Gauß-Seidel-Verfahrens) wurde bei Anwendung auf diese Modellgleichung in Abschn. 17.3 untersucht,
17.4 Konvektions-Diffusionsgleichung
Abb. 17.16. |G( )| des Punkt-GaußSeidel-Verfahren bei Anwendung auf die Konvektions-Diffusionsgleichung (ε=1; a1 =a2 =−100; b=0,1; c=0; µ=0,99900, ρH h =0,99809)
287
Abb. 17.17. |G( )|: Punkt-GaußSeidel-Verfahren bei Anwendung auf die Konvektions-Diffusionsgleichung (ε=1, a1 =a2 =1; b=0,1; c=0; µ=0,08333, ρH h =0,44903)
2. bi → 0 und ai ≥ 0 geht das Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren in einen direkten L¨oser u ¨ber. Durch die Aufwind-Diskretisierung liegen beim vorw¨arts gerichteten Verfahren alle ben¨ otigten diskreten Werte bereits aktualisiert (zum neuen Iterationsschritt n + 1) vor. Das Gleichungssystem wird exakt gel¨ ost und aus Gl. (17.63) folgt |G| → 0, 3. bi → 0 und beliebige ai kann durch Variation der vier in 2D m¨oglichen Durchlaufrichtungen des Gauß-Seidel-Verfahrens immer ein direkter L¨oser erzeugt werden. Bei lokal ver¨ anderlichem ai ist das nicht m¨oglich. Um generell gute D¨ ampfungseigenschaften zu erzielen, bietet sich eine zyklische Variation der Durchlaufrichtungen an. Damit bleibt der Fall einer falsch gew¨ ahlten Durchlaufrichtung zu untersuchen, der z.B. bei ai < 0 und Durchlauf in positiver xi -Richtung eintritt. Abbildung 17.16 zeigt |G| f¨ ur a1 = a2 = −100, b = 0,1 und ε = 1 (P e = −1414, Da =0). Das entspricht einer Str¨ omungsrichtung diagonal zu den Gitterlinien. Unter diesen Bedingungen sind die D¨ ampfungseigenschaften |G(θ)| auf der Diagonalen θ1 − θ2 = 0 am schlechtesten (s. Abb. 17.16), wobei das PunktGauß-Seidel-Verfahren aber numerisch stabil bleibt (|G| ≤ 1). Im Gegensatz dazu weist die in Abb. 17.17 untersuchte Modellgleichung einen st¨arkeren diffusiven Anteil und damit eine niedrigere Peclet-Zahl auf (ai = 1, b = 0,1, P e = 14,1, Da = 0). Mit abnehmender Peclet-Zahl sinkt die Bedeutung der konvektiven Fl¨ usse und damit der Einfluss der Durchlaufrichtung durch das Rechengitter. Im vorliegenden Fall tr¨ agt das zu einer Verbesserung des D¨ampfungsverhaltens bei. D¨ ampfungseigenschaften mit Produktionsterm. Bei Ber¨ ucksichtigung des linearen Produktionsterms (c = 0) in der Konvektions-Diffusionsgleichung
288
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
(17.59) sind mit dem Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren als L¨oser prinzipiell auch Verst¨ arkungsfaktoren |G| > 1 m¨ oglich. In Abh¨angigkeit 1. vom Vorzeichen und vom Betrag von c, 2. von der Art der Quelltermdiskretisierung (explizit oder implizit) kann der Quellterm sowohl eine Verbesserung als auch eine Verschlechterung des D¨ ampfungsverhaltens bewirken. Der Parameter c approximiert einen Eigenwert der Quellterm-Jacobi-Matrix des realen Verbrennungssystems. Da imagin¨ are Eigenwerte bei Verbrennung meist unbedeutend sind, wird im Folgenden c ∈ R vorausgesetzt. Aus Gl. (17.63) folgt G =
[Q1 cos θ1 + Q2 cos θ2 + P6 ] + i [Q1 sin θ1 + Q2 sin θ2 ] , (17.65) [Q3 − Q4 cos θ1 − Q5 cos θ2 − P5 ] + i [Q4 sin θ1 + Q5 sin θ2 ]
woraus sich mehrere Schlussfolgerungen ziehen lassen: 1. Bei impliziter Diskretisierung eines negativen Quellterms (I = 1, c < 0, P5 < 0, P6 = 0) wird das D¨ ampfungsverhalten durch den Quellterm generell verbessert. Ohne Ber¨ ucksichtigung von P5 gilt A = Q3 − Q4 cos θ1 − Q5 cos θ2 ≥ 0 . Somit bewirkt ein negatives P5 immer eine Vergr¨oßerung von A − P5 . Da dieser Term in den Nenner von Gl. (17.65) eingeht, ist damit eine Abnahme von |G| verbunden. 2. Bei impliziter Diskretisierung eines positiven Quellterms (I = 1, c > 0, P5 > 0, P6 = 0) kann das D¨ ampfungsverhalten durch den Quellterm verbessert oder verschlechtert werden. Welcher Fall eintritt, h¨angt von P1 bis P5 und damit den Parametern der Modellgleichung sowie der Gitterweite ab. F¨ ur |A − P5 | < |A| ist eine Anfachung des Fehlers m¨oglich. Bei endlichem A ist das Verfahren f¨ ur P5 → ∞ stabil. 3. Bei expliziter Diskretisierung eines positiven oder negativen Quellterms kann dieser in Abh¨ angigkeit von den Modellgleichungsparametern eine Verbesserung oder Verschlechterung des D¨ ampfungsverhaltens bewirken. Im Gegensatz zur impliziten Quelltermdiskretisierung ist auch f¨ ur c < 0 ein Verst¨ arkungsfaktor |G| > 1 m¨ oglich. F¨ ur |c| → ∞ wird das Verfahren generell instabil. Das best¨ atigt die Erfahrungen der vorangegangenen Abschnitte, dass bei Verbrennung eine implizite Quellterm-Diskretisierung zu favorisierten ist. Bei positivem c (das entspricht positiven Eigenwerten der Chemie-Jacobi-Matrix) k¨ onnen dann allerdings weitere Stabilisierungsmaßnahmen notwendig sein. In Abb. 17.18 bis 17.21 sind Verst¨ arkungsfaktoren dargestellt, bei denen die Stabilit¨ atsprobleme auf den Quellterm zur¨ uckgehen. Da sich das Punkt-GaußSeidel-Verfahren mit impliziter Diskretisierung eines negativen Quellterms immer stabil verh¨ alt, werden ausschließlich F¨alle mit c > 0 betrachtet. Die
17.4 Konvektions-Diffusionsgleichung
289
Abb. 17.18. |G( )|: Punkt-GaußSeidel-Verfahren bei Anwendung auf die Konvektions-Diffusionsgleichung mit expliziter Quelltermdiskretisierung (ε=1, a1 =a2 =−100, b=0,1, c= 50, µ=1,05801, ρH h =6,96435)
Abb. 17.19. |G( )|: Punkt-GaußSeidel-Verfahren bei Anwendung auf die Konvektions-Diffusionsgleichung mit impliziter Quelltermdiskretisierung (ε=1, a1 =a2 =−100, b=0,1, c=50, µ=1,33111, ρH h =7,26974)
Abb. 17.20. |G( )| Punkt-GaußSeidel-Verfahren bei Anwendung auf die Konvektions-Diffusionsgleichung mit expliziter Quelltermdiskretisierung (ε=1, a1 =a2 =1, b=0,1, c=2, µ=1,3581, ρH h =2,5559)
Abb. 17.21. |G( )| Punkt-GaußSeidel-Verfahren bei Anwendung auf die Konvektions-Diffusionsgleichung mit impliziter Quelltermdiskretisierung (ε=1, a1 =a2 =1, b=0,1, c=2, µ=0,4836, ρH h =1,4359)
Problemstellungen entsprechen den zuvor untersuchten quelltermlosen Modellgleichungen aus Abb. 17.16 (P e = −1414) und Abb. 17.17 (P e = 14,14). Die aufgetragenen Verst¨ arkungsfaktoren verhalten sich gem¨aß der oben gemachten Aussagen: Bei expliziter Quelltermdiskretisierung (in den beiden linken Abbildungen) treten Gebiete mit |G|max > 1 auf. F¨ ur |c| → 0 ist das ¨ Verfahren stabil (|G|max < 1) und wird bei zunehmendem |c| nach Uberschreiten eines Grenzwerts instabil. In Abb. 17.18 und 17.20 ist dieser Grenzwert
290
17 Konvergenzverhalten iterativer Verfahren
u arft sich f¨ ur |c| → ∞ mit |G|max → ∞. ¨ berschritten. Die Situation versch¨ Auch bei impliziter Diskretisierung eines positiven Quellterms (in den beiden rechts angeordneten Abbildungen) sind Instabilit¨aten m¨oglich. Allerdings treten diese nur in einem bestimmten Bereich von c > 0 auf und verschwinden f¨ ur c → 0 und c → ∞. In Abb. 17.19 und 17.21 sind Verst¨arkungsfaktoren im instabilen Bereich gezeigt. Damit bleibt festzuhalten, dass bei impliziter Quelltermdiskretisierung Stabilit¨ atsprobleme nur bei positiven Quelltermen in einem bestimmten, fallabh¨ angigen Gr¨ oßenbereich des Quellterms auftreten. 17.4.3 Linien-Gauß-Seidel-Verfahren Wendet man das in Abschn. 17.3.5 definierte Linien-Gauß-Seidel-Verfahren mit Linie in x1 -Richtung auf die station¨ are Konvektions-Diffusionsgleichung (17.59) an, so folgt in Sternnotation die Relaxationsvorschrift $ 1 # n+1 n+1 (−a1 − |a1 |)un+1 i−1,j + 2|a1 |ui,j + (a1 − |a1 |)ui+1,j 2∆x1 $ 1 # n+1 n (−a2 − |a2 |)un+1 + i,j−1 + 2|a2 |ui,j + (a2 − |a2 |)ui,j+1 2∆x2 & & b % n b % n+1 n+1 n+1 ui+1,j − 2un+1 + ui,j+1 − 2un+1 + i,j + ui−1,j i,j + ui,j−1 2 2 ∆x1 ∆x2 = c(1 − I )uni,j + cI un+1 i,j .
(17.67)
Diese Formulierung l¨ asst f¨ ur den Produktionsterm c sowohl eine explizite als auch eine implizite Diskretisierung zu. Verst¨ arkungsfaktor und D¨ ampfungseigenschaften. Durch Anwendung der Fourier-Analyse auf Gl. (17.67) ergibt sich unter Verwendung der Parameter Q1 bis Q5 nach Gl. (17.64) der Verst¨ arkungsfaktor G =
Q2 exp(iθ2 ) + P6 . −Q1 exp(iθ1 ) + Q3 − P5 − Q4 exp(−iθ1 ) − Q5 exp(−iθ2 )
(17.68)
Eine Analyse dieses Testfalls ohne Produktionsterm findet sich bei Wesseling [262]. Mit Produktionsterm zeigt sich ein ¨ahnliches Verhalten, wie zuvor beim punktf¨ ormigen Gauß-Seidel-Verfahren. Eine implizite Diskretisierung des Quellterms f¨ uhrt f¨ ur c ≤ 0 zu einem stabilen numerischen Verfahren. Dagegen kann es bei positivem c oder bei expliziter Quelltermdiskretisierung in Abh¨ angigkeit von den Modellgleichungsparametern und der Gitterweite zu einer Anfachung des Fehlers kommen.
Teil VI
Mehrgitterverfahren
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
Bei iterativen Verfahren nimmt die Konvergenzrate gew¨ohnlich mit einer steigenden Zahl an Gitterpunkten ab, so dass diese L¨oser bei großen Problemen viel Rechenzeit erfordern. Effizientere konjugierte Gradienten-Verfahren (cg, conjugate gradient) ben¨ otigen wiederum Symmetrie- bzw. Positivit¨atsbedingungen [116]. Eine Verfahrensklasse die diesen Einschr¨ankungen nicht unterliegt, sind die Mehrgittertechniken. Diese z¨ ahlen zu den effizientesten, verf¨ ugbaren numerischen L¨ osungsverfahren und k¨ onnen als Methode zur Konvergenzbeschleunigung angesehen werden. Vor allem bei großen Problemen sind sie konjugierten Gradienten-Verfahren deutlich u ¨ berlegen [262]. Bei geeigneter Problemstellung sind Mehrgitterverfahren in der Lage, 1. die station¨ are L¨ osung in 10 bis 20 Iterationen zu erreichen, 2. bez¨ uglich ihres Rechenaufwands unabh¨ angig vom Gitter linear mit der Anzahl an Gitterpunkten zu skalieren. Man spricht dann von O(N ×M )-Verfahren (N bezeichnet die Anzahl der Gitterpunkte und M die Anzahl der Variablen). Die vermutlich erste Arbeit zu Mehrgittertechniken geht auf Fedorenko (1964) zur¨ uck [82, 262], der f¨ ur die L¨ osung der Poisson-Gleichung (M =1) einen Aufwand von O(N ) nachweisen konnte. Dieser Publikation folgten zun¨ achst nur wenige weitere Ver¨offentlichungen, beispielsweise durch Bachvalov (1966) [4]. Nach der sehr ruhigen Anfangsphase setzte Ende der 70er Jahre eine starke Verbreitung der Mehrgittertechnik ein, die durch Ver¨ offentlichungen von Brandt [31] und Hackbusch ¨ [113] ausgel¨ ost wurde. Vor allem Brandt hat die Ubertragung dieses mathematischen Ansatzes auf praktische Fragestellungen vorangetrieben. Inzwischen sind Mehrgitterverfahren in den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Bereichen zu finden. Der Komplexit¨ at des Gleichungssystems folgend wurde die Mehrgittertechnik in der Str¨ omungssimulation zuerst zur L¨osung der Potentialgleichungen [128] verwendet und anschließend auf die laminaren Euler-Gleichungen [129] angesetzt. Dabei kamen sehr einfache explizite oder iterative Gl¨atter zum Einsatz. Sp¨ ater folgten aufw¨ andigere und besser d¨ampfende implizite Verfahren
294
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
[130]. W¨ ahrend im Bereich der Mathematik die Grundlagen der Mehrgittertechnik (Konvergenz-, Stabilit¨ atskriterien usw.) erforscht wurden [114, 115], vollzog sich parallel dazu die ingenieurm¨ aßige Anpassung an die Erfordernisse praktischer Problemstellungen: Str¨ omungen mit hohen Reynolds-Zahlen, Gleichungen mit stark nichtlinearen Quelltermen (z.B. durch Turbulenzmodelle [96]), extrem gestreckte Rechengitter, Multi-Block-Gitter, der Einsatz auf Parallelrechnern und vieles mehr. Des weiteren kam schnell der Wunsch auf, die bei sub- und transsonischen Str¨ omungen erfolgreichen Mehrgitter¨ verfahren auch bei Uberund Hyperschall einzusetzen. Solche Simulationen kamen zu Beginn der 90er-Jahre auf [148, 244, 153, 256, 212]. Eine große Herausforderung liegt nach wie vor in der erfolgreichen Mehrgittersimulation von Verbrennungsprozessen mit detaillierter Chemie. Trotz der Fortschritte die in den letzten Jahrzehnten erzielt wurden, sind stabile und zuverl¨assige Mehrgitteralgorithmen, die in turbulenten Str¨omungen unter unterschiedlichen Bedingungen und bei komplexen Geometrien eingesetzt werden k¨onnen, noch keine Selbstverst¨ andlichkeit. Dar¨ uber hinaus steht die Entwicklung von O(N ×M )-Verfahren [34, 247, 77] f¨ ur praxisrelevante Anwendungen erst am Anfang. Diese Verfahren erzielen ideale Konvergenzraten, was man im Englischen als ,,textbook multigrid efficiency (TME)” bezeichnet. In diesem Kapitel wird eine Einf¨ uhrung in die Mehrgittertechnik gegeben. Anschließend behandelt Kap. 19 anwendungsspezifische Gesichtspunkte. Detaillierte Informationen zu den mathematischen Grundlagen der Mehrgitterverfahren enth¨ alt das Buch von Hackbusch [115], der als Erster die bis 1985 verf¨ ugbaren Erkenntnisse zusammengefasst hat. Deutlich praxisbezogener sind die B¨ ucher von Wesseling [262] und Trottenberg et al. [249].
18.1 Fehlerd¨ ampfung Die Mehrgittertechnik ist nicht als eigenst¨ andige L¨osungsmethode zu verstehen, sondern vielmehr als M¨ oglichkeit, die Schwachstellen einfacher iterativer Verfahren zu beseitigen. Wo diese liegen l¨ asst sich am station¨are W¨armeleitproblem aus Abschn. 17.3.1 anschaulich zeigen. Zur L¨osung dieses Anfangsund Randwertproblems wird das Punkt-Jacobi-Verfahren verwendet. Um dessen Eigenschaften deutlich herauszustellen, wurden die Anfangsverteilung mit hochfrequenten St¨ orungen versehen. In Abb. 18.1 ist die Startverteilung des Fehlers en = T n −Tstat f¨ ur n = 0 gezeigt (Tstat = limn→∞ T n ). Am linken und rechten Rand (bei x1 = 0 und x1 = 1) ist der Fehler auf Grund der DirichletRandbedingung null (hier sind Zellmittelpunktswerte dargestellt, die nicht exakt bis zum Rand reichen). Neben hochfrequenten St¨orungen weist die Startverteilung einen niederfrequenten, sinusf¨ ormigen Mode auf. Alle Fehlermoden sollen vom verwendeten iterativen Verfahren m¨oglichst schnell ged¨ampft (auf null gebracht) werden. Die Abb. 18.2 bis 18.4 zeigen die Entwicklung der Fehlerverteilung. Nach nur f¨ unf Iterationen sind die hochfrequenten Anteile nahezu vollst¨ andig verschwunden. Von nun an dominiert das Problem des L¨osers,
18.1 Fehlerd¨ ampfung
295
Abb. 18.1. Startverteilung des Fehlers mit hochfrequenter Fluktuation
Abb. 18.2. Fehler nach f¨ unf Iterationen mit dem Punkt-Jacobi-Verfahren
Abb. 18.3. Fehler nach 100 Iterationen mit dem Punkt-Jacobi-Verfahren
Abb. 18.4. Fehler nach 5000 Iterationen mit dem Punkt-Jacobi-Verfahren
auch die niederfrequenten Fehlermoden zu reduzieren. Dieser bleibt u ¨ber tausende von Iterationen erhalten, wobei seine Amplitude nur ¨außerst langsam gegen null strebt. Aus diesem Grund werden Basisl¨oser wie das Punkt-JacobiVerfahren in Zusammenhang mit Mehrgittertechniken auch als Gl¨atter bezeichnet: Sie bewirken eher eine Gl¨ attung des Fehlers, als dessen schnelle Reduktion. Damit bleibt festzuhalten, dass viele iterative Verfahren 1. eine gute D¨ ampfung hochfrequenter Fehlermoden bewirken, 2. niederfrequenter Fehlermoden sehr schlecht reduzieren. Vorteilhaft ist, dass solche Verfahren strukturell meist einfach aufgebaut sind. Sie lassen sich schnell programmieren und in der Regel gut vektorisieren und parallelisieren. Wenn es m¨ oglich w¨ are, deren ung¨ unstige Eigenschaften in den Griff zu bekommen, st¨ unden relativ einfache und attraktive Verfahren zur
296
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
Abb. 18.5. Unterteilung des Definitionsbereichs der Fehlermoden ψ( ) in einen Bereich hochfrequenter ( ∈ Tr ) und niederfrequenter ( ∈ Ts ) Moden (im zweidimensionalen Fall bei voll-Vergr¨ oberung). Die Symbole
und • kennzeichnen ein Quadrupel von Moden
Verf¨ ugung. Das heißt, dass die Reduktion niederfrequenter Fehlermoden auf andere Weise erfolgen muss. Hierzu bietet sich die Mehrgittertechnik an. 18.1.1 Unterteilung der Fehlermoden Sollen die hochfrequenten Fehlermoden vom Gl¨atter und die niederfrequenten vom Mehrgitterverfahren ged¨ ampft werden, so sind diese Aufgaben zun¨achst mathematisch zu definieren. Mit der Fourier-Zerlegung aus Abschn. 17.2 ist das m¨ oglich. Bei einem r¨ aumlich d-dimensionalen Problem kann der Definitionsbereich des Phasenwinkels θ = (θ1 , . . . θd ) ∈ T : − π < θi ≤ π mit i = 1, . . . , d durch π π θ ∈ Ts : − < θi ≤ ψ(θ ∈ Ts ) niederfrequente Moden, (18.1) 2 2 ψ(θ ∈ Tr ) hochfrequente Moden θ ∈ Tr : Tr = T \ Ts in einen niederfrequenten Bereich Ts (smooth, glatt) und einen hochfrequenten Bereich Tr (rough, rau) [32, 249] unterteilt werden. Dem Basisl¨oser kommt die Aufgabe zu, die Moden ψ(θ ∈ Tr ) m¨ oglichst schnell zu gl¨atten, w¨ahrend das Mehrgitterverfahren die Moden ψ(θ ∈ Ts ) reduzieren muss. Ferner gilt Ts ∪ Tr = T . In Abb. 18.5 sind die aus Gl. (18.1) hervorgehenden Phasenwinkelbereiche f¨ ur den r¨ aumlich zweidimensionalen Fall dargestellt. Es wird sich zeigen, dass diese Unterteilung einer voll-Vergr¨oberung des Gitters entspricht (s. Abschn. 18.4.1). Die Art und Weise der Grobgitterbildung bestimmt, welche Moden auf welchem Gitter auftreten und entsprechend zu d¨ampfen sind. Sofern nicht explizit darauf hingewiesen wird, ist von einer voll-Vergr¨oberung und der Definition (18.1) auszugehen. 18.1.2 Gl¨ attung hochfrequenter Fehlermoden Betrachtet man die in Abschn. 17.3 und 17.4 untersuchten numerischen Verfahren nochmals aus Sicht der Mehrgittertechnik, so weisen diese in den meisten F¨ allen die in θ ∈ Tr gew¨ unscht niedrigen Werte f¨ ur |G| auf. Dies gilt
18.1 Fehlerd¨ ampfung
297
Abb. 18.6. Hierarchische Struktur aquidistanter Gitter der Gitterwei¨ ten h bis 8 h
zumindest solange keine extremen Gitterstreckungen und Quellterme auftreten. Da dem Gl¨ atter bei Mehrgitterverfahren nur die Aufgabe zukommt, Fehlermoden mit θ ∈ Tr effizient zu d¨ ampfen, stellt der Maximalwert von |G| im Bereich der hochfrequenten Phasenwinkel eine wichtige Kenngr¨oße dar. Entsprechend definiert Brandt [32] mit µ ≡ max (|G(θ)|) : θ ∈ Tr
(18.2)
den Gl¨attungsfaktor (smoothing factor) µ eines Basisl¨osers. Nach Brandt handelt es sich bei µ um einen lokalen Gl¨attungsfaktor, der auch f¨ ur nichtlineare Probleme bestimmt werden kann (s. Kap. 18.6). Ein Gl¨attungsfaktor von µ = 0, 5 besagt, dass die Amplituden der hochfrequenten Fehlermoden in einer Iteration mindestens um die H¨ alfte reduziert werden. 18.1.3 Gl¨ attung niederfrequenter Fehlermoden Die niederfrequenter Fehlermoden sind durch das Mehrgitterverfahren zu reduzieren. Geht man davon aus, dass die Verteilung des Fehlers auf dem feinen Gitter glatt ist (das ist bei den meisten iterativen Verfahren der Fall), dann kann dieser ohne wesentlichen Informationsverlust auf einem gr¨oberen Gitter dargestellt werden. Es bietet sich daher an, die niederfrequenten Fehleranteile auf gr¨ oberen Gittern zu d¨ ampfen. Setzt man dort den gleichen Gl¨atter ein wie auf dem feinen Gitter, so werden die niederfrequenten Fehlermoden auf Grund der gr¨ oßeren Gitterweite effizienter reduziert. Im einfachsten Fall lassen sich gr¨ obere Gitter durch den Wegfall jedes zweiten Gitterpunkts (Volumens) in allen Koordinatenrichtungen (voll-Vergr¨ oberung) erzeugen. Abbildung 18.6 zeigt das f¨ ur ein ¨ aquidistantes, zweidimensionales Gitter und vier Ebenen. Dieses Vorgehen bringt wesentliche Vorteile mit sich: 1. Die diskreten, niederfrequenten Feingitterfehlermoden erscheinen auf dem groben Gitter als h¨ oherfrequentere Moden (der Phasenwinkel nimmt zu) und werden daher besser ged¨ ampft, 2. der rechnerische Aufwand auf den groben Gittern ist gering, da die Zahl der Gitterpunkte stark zur¨ uckgeht. Durch den niedrigen Rechenaufwand auf den groben Gittern bietet die Mehrgittertechnik ideale Voraussetzungen zum Erreichen guter Konvergenzraten.
298
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
2 Abb. 18.7. Realteile von Fourier-Moden mit θα ≥ 0 auf der zweiten Gitterebene. Das eindimensionale Problem ist im Bereich [0, B] mit N 2 = 8 Gitterpunkten diskretisiert
18.1.4 Transfer von Fehlermoden In diesem Abschnitt wird an einem eindimensionalen Beispiel untersucht, wie sich die Moden des Feingitterfehlers beim Transfer (bei der Restriktion) auf ein gr¨ oberes Gitter verhalten. Ausgangspunkt dazu ist die in Abschn. 17.2 beschriebene Zerlegung von Gitterfunktionen in Fourier-Moden unterschiedlicher Frequenzen. Abbildung 17.1 auf S. 269 zeigt die Realteile der FourierModen mit Phasenwinkeln θα1 ≥ 0 f¨ ur α = 0, 1, . . . , 8 bei einem ¨aquidistantes Rechengitter mit N 1 = 16 Gitterpunkten. Im Folgenden soll das grobe Gitter so gebildet werden, dass jeder zweite Feingitterpunkt (Punkte mit geradem Index) mit einem Punkt des groben Gitters zusammenf¨allt. Dadurch halbiert sich die Zahl der Grobgitterpunkte gegen¨ uber der des feinen Gitters auf N 2 = 8. Die Anzahl darstellbarer Moden geht ebenfalls von 16 auf acht zur¨ uck, wobei die Zahl der Moden mit θα2 ≥ 0 auf f¨ unf sinkt. Die Realteile dieser f¨ unf Grobgittermoden sind in Abb. 18.7 dargestellt. Sie stimmen mit den ersten f¨ unf Feingittermoden aus Abb. 17.1 u ¨ berein. Niederfrequente Feingittermoden. Wendet man die Definition (18.1) auf die gegebene Problemstellung an, so sind die diskreten niederfrequenten Feingittermoden ψ(θα1 ∈ Ts ) durch θα1 ∈ Ts
:
−
N1 N1 < α ≤ 4 4
(18.3)
definiert. Bei deren Transfer auf das gr¨ obere Gitter (N 2 = N 1 /2) gilt in den diskreten Grobgitterpunkten [262]
2πα 2πα exp(i2mθα1 ) = exp im 1 = exp im 2 = exp(imθα2 ) . (18.4) N /2 N Das heißt, dass die niederfrequenten Feingittermoden mit θα1 ∈ Ts auch vom gr¨ oberen Gitter aufgel¨ ost werden und dort in gleicher Weise erscheinen.
18.1 Fehlerd¨ ampfung
299
Abb. 18.8. Niederfrequente Fourier-Moden mit den Phasenwinkeln θ−3 , . . . , θ0 (gestrichelt) und hochfrequente Moden mit den Phasenwinkeln θ5 , . . . , θ8 (durchgezogen gezeichnet)
Hochfrequente Feingittermoden. Die diskreten hochfrequenten Feingittermoden ψ(θβ1 ) mit θβ1 ∈ Tr sind auf dem groben Gitter nicht aufl¨osbar und es stellt sich die Frage, in welcher Form sie auf dem groben Gitter erscheinen. Bei geradem N kann mit ⎧ N N ⎪ ⎨ − +α : 0 < α ≤ , 2 4 β = (18.5) ⎪ ⎩ N +α : −N < α ≤ 0 2 4 jedem niederfrequenten Phasenwinkel θα1 ∈ Ts ein hochfrequenter Phasenwinkel θβ1 ∈ Tr zugeordnet werden. Obwohl sich jedes ψα –ψβ -Paar in seinen Frequenzen deutlich unterscheidet, besitzt es in den Grobgitterpunkten identische Werte. Das heißt, dass dort jeweils ein hoch- und ein niederfrequenter Feingittermode zusammenfallen. Abbildung 18.8 zeigt dies an Hand des zuvor gew¨ ahlten eindimensionalen Beispiels. In dieser Darstellung sind die Realteile der hochfrequenten Feingittermoden mit den Phasenwinkeln θ5 , . . . , θ8 ∈ Tr durchgezogen gezeichnet. Diesen Moden werden durch Gl. (18.5) die niederfrequenten Moden mit den Phasenwinkeln θ−3 , . . . , θ0 ∈ Ts zugeordnet, die gestrichelt dargestellt sind. In den Grobgitterpunkten (0, 2, . . . , 16 auf dem feinen Gitter) stimmen die Funktionswerte eines nieder- und eines hochfrequenten Modes jeweils paarweise u ur die vier ¨berein. In Abb. 18.8 wird das f¨ Paare durch vier unterschiedliche Symbole hervorgehoben. Ausgehend von Gl. (18.5) und N = N 1 gilt in den Grobgitterpunkten [262] exp(i2mθβ1 ) = exp(i2mθα1 ) = exp(imθα2 ) ,
(18.6)
was zur Folge hat, dass die hochfrequenten Moden auf dem groben Gitter als niederfrequent erscheinen. So ist in Abb. 18.8 der hochfrequente Mode ψ8 auf dem zweiten Gitter nicht vom vollkommen glatten Mode ψ0 zu unterscheiden (♦ kennzeichnet die gemeinsamen Werte auf den Grobgitterpunkten).
300
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
Zusammenfassung. An wesentlichen Punkten bleibt festzuhalten, dass 1. niederfrequente Feingittermoden mit θα ∈ Ts auch vom n¨achst gr¨oberen Gitter aufgel¨ ost werden, so dass sie dort in gleicher Weise erscheinen, 2. hochfrequente Feingittermoden mit θβ ∈ Tr durch das n¨achst gr¨obere Gitter nicht aufgel¨ ost werden, 3. in den Grobgitterpunkten im eindimensionalen Fall (eine Erweiterung auf den mehrdimensionalen Fall folgt in Abschn. 18.6.1) jeder hochfrequente Mode mit einem niederfrequenten Mode zusammenf¨allt, 4. auf dem groben Gitter die Moden eines solchen Paares (hoch- und niederfrequent) nicht zu unterscheiden sind (im Englischen aliasing).
18.2 Lineare Probleme In diesem Abschnitt werden Mehrgitter-Algorithmen f¨ ur lineare Problemstellungen vorgestellt, mit denen sich alle diskreten Fehlermoden effizient d¨ampfen lassen. Zun¨ achst wird in Abschn. 18.2.1 das Zweigitterverfahren behandelt, und in Abschn. 18.2.2 folgt mit dem Mehrgitterverfahren dessen Erweiterung ¨ auf eine beliebige Anzahl an Gitterebenen. Aus Gr¨ unden der Ubersichtlichkeit geschieht das u ur Differentialgleichungen einzelner Variablen. Al¨berwiegend f¨ le Techniken sind jedoch problemlos auf Vektoren und damit auf Gleichungssysteme u ¨bertragbar. 18.2.1 Grobgitterkorrektur und Zweigitterverfahren Gegeben sei die Differenzengleichung (in Sternnotation) LU = b
(18.7)
in der L einen diskreten, linearen Operator, U die exakte L¨osung und b die bekannte rechte Seite bezeichnet. Die numerische L¨osung geht durch k
uk ← P ν uk
(18.8)
aus einem nicht n¨ aher spezifizierten iterativen Verfahren hervor, das alle hochfrequenten Fehlermoden effizient d¨ ampft. Der Exponent ν k gibt die Anzahl an Iterationen auf dem k-ten Gitter an. Damit steht Gl. (18.8) f¨ ur die Aktualisierung der numerischen Approximation uk durch ν k Iterationen. In den vorangegangenen Abschnitten hat ein hochgestellter Index meist die Iteration bezeichnet, was durch die Schreibweise mit ← nicht mehr notwendig ist. Daher werden hochgestellte Indizes in Zusammenhang mit Mehrgitterverfahren zur Kennzeichnung der Gitterebene genutzt. Beim Operator P handelt es sich um die vereinfachte Darstellung des Relaxationsprozesses nach Gl. (17.6) uk ← S k uk + f k ,
(18.9)
18.2 Lineare Probleme
301
der nun auf der Gitterebene k stattfindet. F¨ ur den Fehler e ergibt sich ek ← S k ek .
(18.10)
Diese Beziehung zeigt, dass die Fehlerentwicklung ausschließlich durch S und eStart bestimmt wird [40]. Mit U k = uk + ek (U k ist die exakte L¨osung auf der Gitterstufe k) folgt aus Gl. (18.7) L k ek = R k ,
(18.11)
R k ≡ bk − Lk u k
(18.12)
wobei das Residuum (den Defekt ) bezeichnet. Gleichung (18.11) stellt eine Beziehung zwischen dem Fehler e und dem Residuum R her. W¨ahrend e nur mit sehr großem Aufwand (er entspricht der Bestimmung der L¨osung) bestimmt werden kann, erfordert die Berechnung von R keinen großen Rechenaufwand. Daher wird das Residuum zur Fehlerreduktion auf den groben Gittern verwendet. Aus Gl. (18.11) folgt noch eine weitere wichtige Aussage: Das iterative L¨ osen von Gl. (18.7) (ausgehend von einer Approximation uk ) ist ¨aquivalent zum L¨ osen von Gl. (18.11), wenn als Startwert ek = 0 angesetzt wird [40]. Grobgitterkorrektur. Geht man davon aus, dass die Verteilung des Feingitterfehlers e1 glatt ist, dann kann dieser mit hinreichender Genauigkeit auf einem gr¨ oberen Gitter dargestellt werden. Da nur der Fehler glatt ist, nicht aber die L¨ osung, ist auf dem zweiten Gitter mit L2 e2 = I12 R1
(18.13)
eine aus Gl. (18.11) hervorgehende Beziehung f¨ ur den Fehler zu l¨osen. Die ¨ Anderung des Grobgitterfehlers wird durch das vom feinen Gitter stammende Residuum R2 = I12 R1 vorangetrieben. Der Restriktionsoperator I12 symbolisiert den Transfer der Feingitterresiduen vom feinen (Gitter eins) auf das grobe Gitter (Gitter zwei). Um Analogie mit der Ausgangsgleichung zu gew¨ahrleisten, ist der Startfehler mit e2 = 0 zu initialisieren. Der lineare Operator L2 approximiert das Feingitterproblem auf dem groben Gitter, was gew¨ohnlich durch gleiche Diskretisierungstechniken auf allen Gitterstufen erreicht wird. ¨ Mit L2 e2 = R2 kann auf Grund der Ahnlichkeit der Grob- und Feingitterprobleme der gleiche Gl¨ atter eingesetzt werden. Alternativ dazu ist bei geringer Gitterpunktezahl auf dem groben Gitter auch eine direkte (exakte) L¨osung m¨ oglich. Letzteres setzt die Invertierbarkeit von L2 voraus. In einem weiteren Schritt wird die Fehlerapproximation des groben Gitters mit u1 ← u1 + I21 e2
(18.14)
auf das feine Gitter u ¨ bertragen und die dortige L¨osung aktualisiert. Diesen Schritt bezeichnet man als Prolongation. I21 symbolisiert den Transferoperator
302
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
¨ ¨ f¨ ur den Ubergang vom groben auf das feine Gitter. Die Anderung der Feingitterl¨ osung wird Grobgitterkorrektur genannt. Bei exakter Grobgitterl¨osung ¨ l¨ asst sich das Grobgitterkorrekturverfahren GGK(u1 , b1 ) als Anderung der 1 Feingitterapproximation u durch die Sequenz folgender Operatoren formulieren [177] % &−1 2 % 1 & u1 ← u1 + I21 L2 I1 b − L1 u1 . (18.15)
GGK(u1 ,b1 )
Dabei ist zu beachten, dass ein hochgestelltes −1 bei einem Term in Klammern dessen Invertierung angibt. Um zu einer Verfahrensvorschrift f¨ ur den Fehler zu gelangen, ist in Gl. (18.15) u1 durch U 1 zu ersetzen (diese Gleichung muss identisch erf¨ ullt sein) und die urspr¨ ungliche Gleichung davon abzuziehen. Mit e1 ← K12 e1
(18.16)
folgt daraus eine Beziehung f¨ ur die D¨ ampfung des Fehlers durch die Grobgitterkorrektur. Darin bezeichnet % &−1 2 1 K12 = I 1 − I21 L2 I1 L (18.17) den Iterationsoperator der Grobgitterkorrektur und I 1 steht f¨ ur den Einheitsoperator auf dem ersten Gitter. Bei iterativer L¨osung des Grobgitterproblems mit ν 2 Iterationsschritten wird die Formulierung u1 ← GGK(u1 , b1 , ν 2 )
(18.18)
genutzt. Die Grobgitterkorrektur stellt ein eigenst¨andiges Iterationsverfahren dar, das konsistent aber nicht konvergent ist [116, 237]. Zweigitterverfahren. Aus der Kombination von Feingittergl¨attung und Grobgitterkorrektur geht das Zweigitterverfahren (ZGV) u1 ← ZGV (u1 , b1 , ν 1 , ν 2 )
(18.19)
hervor. Die Schreibweise ZGV (. . .) gibt an, welche Werte in das Verfahren eingehen und wie viele Iterationen auf der jeweiligen Gitterstufe vorzunehmen sind. Die ν 1 Vorgl¨ attungen nach Gl. (18.8) dienen der Reduktion der hochfrequenten Fehlermoden. Daran schließt sich die Grobgitterkorrektur an. Bei direkter L¨ osung des linearen Problems auf dem groben Gitter folgt % &−1 2 1 1 1 u1 ← P ν u1 + I21 L2 I1 b − L1 P ν u1 . (18.20)
ZGV (u1 ,b1 ,ν 1 )
Das Zweigitterverfahren ist ein Produktverfahren, dessen Bestandteile die gew¨ unschten, zueinander komplement¨ aren Eigenschaften besitzen [116]: Die glatten Fehlermoden werden von GGK gegl¨attet, die hochfrequenten von
18.2 Lineare Probleme
303
1
P ν . Liegt auf dem feinen Gitter die exakte L¨osung vor, so bleibt diese mit U 1 = ZGV (U 1 , b1 , ν 1 ) vom Zweigitterverfahren unbeeinflusst, da die Feingitterresiduen, die die Fehlerentwicklung auf dem groben Gitter vorantreiben, zu null werden. Damit ist Gl. (18.20) identisch erf¨ ullt und es gilt % & 1 1 −1 2 U 1 = P ν U 1 + I21 L2 (18.21) I1 b1 − L1 P ν U 1 . Um daraus eine Beziehung f¨ ur den Fehler abzuleiten, wird Gl. (18.20) von 1 1 1 Gl. (18.21) subtrahiert, woraus sich mit P ν e1 = (S 1 )ν e1 = S ν e1 unter Verwendung von Gl. (18.10) % &−1 2 1 ν 1 1 e1 ← I 1 − I21 L2 I1 L S e (18.22) 1
e1 ← K12 S ν e1
(18.23)
ergibt. Diese Beziehung steht f¨ ur die D¨ ampfung des Fehlers durch das Zweigitterverfahren [166]. Schließen sich noch η 1 Nachgl¨attungen an, so folgt f¨ ur den Iterationsoperator des Zweigitterverfahrens 1
1
M12 = S η K12 S ν .
(18.24)
Der Operator M12 bestimmt mit e1 ← M21 e1 die Reduktion des Fehlers und damit die Konvergenzeigenschaften des Zweigitterverfahrens. 18.2.2 Mehrgitterverfahren Bei den meisten Simulationen reicht ein Vergr¨oberungsschritt nicht aus, um alle diskreten Fehlermoden gleichm¨ aßig gut zu d¨ampfen. Dann bietet sich der ¨ Ubergang auf noch gr¨ obere Gitter und damit der Schritt zum Mehrgitterverfahren an. Der folgenden Beschreibung liegt ein V-Zyklus (s. Abschn. 18.2.3) zu Grunde, der die Fortsetzung des Zweigitterverfahrens darstellt. Auf allen Gitterebenen sind lineare Probleme der Art Lk uk = f k zu l¨osen. F¨ ur das feinste Gitter folgt dieses mit f 1 = b1 aus Gl. (18.7), w¨ahrend auf allen groben Gittern Gleichungen des Fehlers gel¨ ost werden. Gegeben sei eine Sequenz von K Rechengittern, die durch Vergr¨ oberung aus einem Basisgitter hervorgehen. Der Mehrgitter-V-Zyklus startet mit ν 1 Vorgl¨attungen 1
u1 ← P ν u1
(18.25)
auf dem feinsten Gitter k = 1. Als Gl¨ atter dient ein nicht n¨aher spezifiziertes iteratives Verfahren, das in der Lage ist, hochfrequente Fehlermoden effizient zu d¨ ampfen. Mit aktualisiertem u1 wird das Feingitterresiduum R 1 = f 1 − L1 u1
(18.26)
berechnet und mit f 2 = I12 R1 auf das zweite Gitter restringiert. Auf allen groben Gittern (k ≥ 2) steht uk f¨ ur den Fehler, der mit uk = 0 zu initialisieren ist. Das Grobgitterproblem L2 u2 = f 2 hat die gleiche Form wie die Ausgangsgleichung. Es folgen ν 2 Iterationen
304
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik 2
u2 ← P ν u2 ,
(18.27)
an die sich der Wechsel auf ein noch gr¨ oberes Gitter anschließt. Dieser Prozess setzt sich fort, bis mit k = K die letzte Gitterstufe erreicht ist. Nun folgt ein Durchlauf in umgekehrter Richtung. Zun¨ achst wird uK auf das n¨achst feinere Gitter K − 1 prolongiert und der dortige Fehler mit K−1 K uK−1 ← uK−1 + IK u
(18.28)
aktualisiert. Auf der Gitterstufe K − 1 finden mit uK−1 ← P η
K−1
uK−1
(18.29)
noch η K−1 Nachgl¨attungen statt. Es folgt die Prolongation von der Gitterstufe K − 1 nach K − 2. Dieser Prozess setzt sich bis zum Erreichen des feinsten Gitters fort. Hier ist nochmals zu betonen, dass trotz der gleichen Variablenbezeichung auf allen groben Gittern mit dem Fehler gearbeitet wird. Diese Unterscheidung ist wichtig, da nur der Fehler wegen seines glatten Verlaufs auf gr¨ oberen Gittern dargestellt werden kann, die L¨osung dagegen nicht. Genau genommen sollte die L¨ osung auf einem groben Gitter auch nicht darstellbar sein, da das verwendete Rechengitter sonst unn¨otig fein w¨are. Das lineare Mehrgitterverfahrens LMG ist in Abb. 18.9 in einem Ablaufdiagramm zusammengefasst (auf dem gr¨ obsten Gitter wird das Problem exakt gel¨ost). Darin ist noch nicht festgelegt, in welcher Abfolge die einzelnen Gitterstufen durchlaufen werden. 18.2.3 Mehrgitterzyklen Bei Mehrgitterverfahren wird die Art des Durchlaufs durch die Gitterebenen Mehrgitterzyklus (multigrid cycle) genannt. Hierf¨ ur sind vielf¨altige Strategien m¨ oglich. Die Abb. 18.10 bis 18.13 zeigen f¨ ur vier Ebenen einige h¨aufig gew¨ ahlte Varianten. Der Ablauf erfolgt von links nach rechts und wird, wenn der Zyklus durchschritten ist, sukzessiv wiederholt. Bei jedem Punkt kommt es zu einer vorgegebenen Anzahl von Gl¨ attungen. Gem¨aß ihrer geometrischen Form spricht man bei Abb. 18.10 und 18.11 von V-Zyklen, bei Abb. 18.12 von einem W-Zyklus und Abb. 18.13 stellt eine Sonderform des V-Zyklus dar, auf die noch eingegangen wird. Dies sind die wichtigsten aber bei weitem nicht alle M¨ oglichkeiten. Die Anzahl an Iterationen auf einer Gitterstufe k wird beim ¨ ¨ Ubergang zu gr¨ oberen Gittern mit ν k (Vorgl¨ attungen) und beim Ubergang zu k feineren Gittern mit η (Nachgl¨ attungen) bezeichnet. Diese Parameter lassen sich auf unterschiedliche Weisen festlegen: 1. ν k und η k werden bei Programmstart vorgegeben, 2. ν k und η k werden w¨ ahrend des Rechenvorgangs bestimmt, um die Fehlerd¨ ampfung der jeweiligen Situation anzupassen.
18.2 Lineare Probleme Lineares Mehrgitterverfahren: 1. Schritt:
2. Schritt: 3. Schritt: 4. Schritt: 5. Schritt:
6. Schritt: 7. Schritt:
8. Schritt: 9. Schritt:
305
u1 ← LM G(u1 , f 1 , K, ν k , η k )
attungen auf dem feinsten Gitter ν 1 Vorgl¨ k=1 1 u1 ← P ν u1 Berechnung des Defekts Rk = f k − Lk uk Restriktion des Defekts f k+1 = Ikk+1 Rk Initialisierung der Grobgitterkorrektur uk+1 = 0 Gl¨ attung oder direkte L¨ osung des Problems Lk+1 uk+1 = f k+1 k+1 ν k+1 k+1 u ← P u : k+1 < K −1 k+1 uk+1 = Lk+1 f : k+1 = K k ←k+1 Restriktion? ja: gehe zu 2. Schritt Prolongation? ja: uk−1 ← uk−1 + Ikk−1 uk k ←k−1 Nachgl¨ attungen k k u ← P η uk Restriktion oder Prolongation? ja: gehe zu 6. Schritt Ende
Abb. 18.9. Ablaufdiagramm eines linearen Mehrgitterverfahrens (LM G) f¨ ur das Problem Lk uk = f k (feinstes Gitter: k = 1, Initialisierung f 1 = b, K Gitterebenen)
Die Art des Mehrgitterdurchlaufs und die Wahl (Bestimmung) der Mehrgitterparameter beeinflusst die Konvergenzeigenschaften, den Rechenaufwand und den Hauptspeicherbedarf des Verfahrens. Vollst¨ andige Mehrgitterverfahren. Die Startverteilung kann die Stabilit¨ at von Mehrgittersimulationen maßgeblich beeinflussen. Insbesondere bei Verbrennung f¨ uhren unrealistische, schlecht gew¨ahlte Anfangsbedingungen h¨ aufig zum Abbruch der Iteration. Um auf den feinen Gittern mit geringem Rechenaufwand eine gute Startverteilung zu erlangen, bietet sich die geschachtelte Iteration (nested multigrid algorithm) an. Brandt [32] bezeichnet das als vollst¨andiges Mehrgitterverfahren (full multigrid algorithm). Bei diesem beginnt die Rechnung auf dem gr¨ obsten Gitter. Dort werden einige Iterationen vorgenommen und die L¨ osung als Startwert auf das n¨achst feinere Gitter interpoliert. Dann kommt ein Zweigitterverfahren auf den beiden
306
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
Abb. 18.10. V-Zyklus mit Gl¨ attungen bei Vergr¨ oberung und Verfeinerung
Abb. 18.11. V-Zyklus mit Gl¨ attungen bei Vergr¨ oberung
Abb. 18.12. W-Zyklus mit Gl¨ attungen bei Vergr¨ oberung und Verfeinerung
Abb. 18.13. Vollst¨ andiger V-Zyklus mit Gl¨ attungen bei Vergr¨ oberung und Verfeinerung
gr¨ obsten Gittern zum Einsatz. Dessen Ergebnis bildet auf dem n¨achstfeineren Gitter den Startwert eines Dreigitterverfahrens. Dieser Prozess setzt sich fort, bis das feinste Gitter erreicht ist. Von da an entspricht der Durchlauf der Gitterebenen dem des jeweiligen Standardzyklus. F¨ ur den V-Zyklus ist ein vollst¨ andiges Mehrgitterverfahren in Abb. 18.13 dargestellt. 18.2.4 Aufwand und Bewertung Der Aufwand einer Mehrgittersimulation h¨ angt vom gew¨ahlten Mehrgitterzyklus, der Anzahl der Vor- und Nachgl¨ attungen und der Art der Transferoperatoren ab. Bei Standard-Transferoperatoren nehmen Prolongation und Restriktion nur einen geringen Teil der Rechenzeit in Anspruch. Dann tragen vor allem die Gl¨ attungen auf den einzelnen Gittern zur Gesamtrechenzeit bei. Deren Aufwand l¨ asst sich grob absch¨ atzen. Im 2D-Fall mit V-Zyklus, voll-Vergr¨oberung und einer Iteration auf jeder Gitterstufe erh¨oht sich der Gesamtaufwand des Verfahrens (ohne Restriktion und Prolongation) im Vergleich zur Eingitterl¨ osung auf das 1 + 1/4 + 1/16 + . . . + 1/41−K -fache. F¨ ur K → ∞ f¨ uhrt das auf den Faktor 4/3. Bei einer Vor- und einer Nachgl¨attung geht dieser Wert gegen 8/3, wobei vor allem die zweite Feingitteriteration ins Gewicht f¨allt. F¨ ur den W-Zyklus (s. Abb. 18.12) mit einer Nachgl¨attung auf dem feinsten Gitter ergibt sich f¨ ur K → ∞ ein Wert von 29/8. Bei dreidimensionalen Simulationen ist der zus¨ atzliche Grobgitteraufwand bei voll-Vergr¨oberung noch geringer. So verursacht ein V-Zyklus im 3D-Fall bei einer Iteration je Gitterstufe f¨ ur
18.2 Lineare Probleme
307
K → ∞ einen nur unwesentlich, um Faktor 8/7 erh¨ohten Rechenaufwand (verglichen mit der Eingitterl¨ osung). Diese Absch¨atzungen liegen etwas unterhalb der real erzielbaren Werte. In vielen F¨ allen spiegelt die alleinige Absch¨atzung der Zahl an Rechenoperationen nicht die tats¨ achlich ben¨ otigte CPU-Zeit wider. Das gilt insbesondere f¨ ur Simulationen auf Vektor- und Parallelrechnern. Theoretisch ist der Rechenaufwand bei einem Viertel der Gitterpunkte zwar nur ein Viertel, in der Praxis kann die ben¨ otigte CPU-Zeit jedoch erheblich davon abweichen. Auf Vektorrechnern f¨ uhren grobe Gitter zu k¨ urzeren Vektorl¨angen und damit zu einer niedrigeren ,,Performance” des Rechners (Anzahl der Rechenoperationen pro Sekunde). Da das Beschleunigungspotential der Mehrgittertechnik sowohl vom Testfall als auch vom Rechnertyp abh¨angt, ist eine abschließende Bewertung nur durch den Vergleich tats¨ achlich erzielter Konvergenzraten m¨ oglich. Tr¨ agt man die Konvergenzverl¨ aufe u ¨ber der normierten CPU-Zeit auf, so lassen sich Ein- und der Mehrgittersimulationen direkt vergleichen. Als Normierungswert bietet sich die Rechenzeit f¨ ur eine Iteration des Basisverfahrens an, die als eine Arbeitseinheit (work unit) definiert wird. 18.2.5 Testfall Um die Effizienz der Mehrgittertechnik zu demonstrieren, wird das Testproblem aus Abschn. 17.3.1 nochmals herangezogen (W¨armeleitung in einer ebenen Platte). Die Abb. 17.3 bis 17.5 auf S. 275 zeigen eine starke Abnahme der Konvergenzrate mit feiner werdendem Gitter beim Punkt-Jacobi-, PunktGauß-Seidel- und Linien Gauß-Seidel-Verfahren. Mit der Mehrgittertechnik ergibt sich ein vollkommen anderes Bild. Verwendet wird ein V-Zyklus mit einer Vorgl¨ attung und ohne Nachgl¨ attung auf dem feinsten Gitter (ν 1 = 1, 1 η = 0) sowie je zwei Vorgl¨ attungen und einer Nachgl¨attung auf allen gr¨oberen Gittern (ν k = 2, η k = 1 f¨ ur k > 1). Wie bei den Eingitterl¨osungen werden unterschiedlich feine Basisgitter verwendet, die zwischen 8×8 und 512×512 Volumen umfassen. In Abh¨ angigkeit vom feinsten Gitter wird bei den Mehrgittersimulationen die Anzahl der Gitterebenen so gew¨ahlt, dass das gr¨obsten Gitter immer aus 4×4 Volumen besteht. Damit variiert die Zahl der Gitterebenen in den untersuchten F¨ allen zwischen zwei und acht. Die Abb. 18.14, 18.15 und 18.16 zeigen die Konvergenzverl¨ aufe dieser Mehrgittersimulationen. Als Gl¨ atter dienen die gleichen Verfahren, wie bei den Eingitterl¨osungen: PunktJacobi- (v =0,8), Punkt-Gauß-Seidel- und Linien Gauß-Seidel-Verfahren. Das aufgetragene Residuum ist die mit dem Startwert normierte, euklidische Norm des Residuumsvektors ||R1 ||2 / ||R1Start ||2 auf dem feinsten Gitter. Der Vergleich mit den Eingitterkonvergenzverl¨ aufen zeigt, dass 1. die erforderliche Anzahl an Mehrgitterzyklen bis zum Erreichen von Maschinengenauigkeit um ein vielfaches geringer ist, als die daf¨ ur notwendige Anzahl an Iterationen des Eingitterverfahrens, 2. die Abh¨ angigkeit von der Gitterweite bei den Mehrgitterverfahren nur noch schwach ausgepr¨ agt ist.
308
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
Abb. 18.14. Mehrgitter-Konvergenzverl¨ aufe auf unterschiedlichen Rechengittern. Gl¨ atter: ged¨ ampftes Punkt-Jacobi-Verfahren (v =0,8)
Abb. 18.15. Mehrgitter-Konvergenzverl¨ aufe auf unterschiedlichen Rechengittern. Gl¨ atter: Punkt-Gauß-SeidelVerfahren
Abb. 18.16. Mehrgitter-Konvergenzverl¨ aufe auf unterschiedlichen Rechengittern. Gl¨ atter: Linien-Gauß-SeidelVerfahren
Vor allem die Konvergenzverl¨ aufe in Abb. 18.16 kommen dem Idealziel sehr nahe: Fast unabh¨ angig vom Rechengitter wird das Residuum in weniger als 20 Mehrgitterzyklen um zw¨ olf Gr¨ oßenordnungen reduziert. Die Differenzen zwischen den drei Mehrgitterverfahren sind auf die unterschiedlich guten D¨ampfungseigenschaften der Gl¨ atter zur¨ uckzuf¨ uhren, deren Verst¨arkungsfaktoren in Abb. 17.7, 17.10 und 17.12 dargestellt sind. F¨ ur eine gute Mehrgitterkonvergenz muss das Relaxationsverfahren alle hochfrequenten Fehlermoden schnell d¨ ampfen, was sich in einem niedrigen Gl¨ attungsfaktor µ a¨ußert. Vernachl¨assigt man den Einfluss der R¨ ander, so ergibt sich µPJ = 0, 6 f¨ ur das ged¨ampfte Punkt-Jacobi-Verfahren, µ = 0, 5 f¨ u r das Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren PGS √ und µLGS = 1/ 5 ≈ 0, 447 f¨ ur das Linien-Gauß-Seidel-Verfahren. Diese Werte liefern erste Anhaltspunkte bez¨ uglich der Mehrgitterkonvergenzraten. Neben dem Konvergenzverhalten ist aber auch der unterschiedlich hohe Aufwand
18.3 Nichtlineare Probleme
309
der Gl¨ atter zu ber¨ ucksichtigen. Da dieser beim Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren geringer ist, als beim Punkt-Jacobi-Verfahren, sprechen allenfalls rechnerspezifische Gesichtspunkte (z.B. Parallelisierung) f¨ ur das Jacobi-Verfahren. Dagegen m¨ usste erst n¨ aher untersucht werden, ob der h¨ohere Aufwand des LinienGauß-Seidel-Verfahrens die besseren Konvergenzraten gegen¨ uber dem PunktGauß-Seidel-Verfahren rechtfertigt. Der Aufwand der Mehrgitterverfahren ist bei acht Gitterebenen ca. 1,75 mal h¨ oher, als der der Eingitterl¨osung (ohne Transfer zwischen den Gitterstufen). Selbst wenn man hier den Faktor zwei ansetzt, erzielen die Mehrgitterverfahren beim 512×512-Gitter eine mehrtausendfache Beschleunigung.
18.3 Nichtlineare Probleme Der Erfolg der Mehrgittertechnik beruht auf der effizienten Gl¨attung aller Fehlermoden, was zun¨ achst nichts damit zu tun hat, ob das Gleichungssystem linear oder nichtlinear ist. Prinzipiell sind bei nichtlinearen Problemstellungen zwei Vorgehensweisen m¨ oglich: 1. Das nichtlineare Gleichungssystem wird global linearisiert (z.B. mit dem Newton-Verfahren aus Abschn. 15.2.1) und es werden lineare Mehrgittertechniken (z.B. LM G) verwendet [237, 115, 249], 2. die Mehrgittertechnik wird direkt auf das nichtlineare Problem angewandt. Diese von Brandt [32, 31] eingef¨ uhrte Technik wird Full Approximation Scheme (FAS) genannt. Die Grundelemente des ersten Ansatzes sind bekannt und werden nicht weiter behandelt. Mit dem zweiten Ansatz besch¨aftigt sich dieser Abschnitt. Ihm kommt auf Grund einer Reihe von Vorteilen die gr¨oßere Bedeutung zu [32]. Abschnitt 18.3.1 stellt zun¨ achst das FAS-Zweigitterverfahren vor, bevor sich Abschn. 18.3.2 mit FAS-Mehrgittersimulationen von nichtlinearen Gleichungen und Gleichungssystemen befasst. 18.3.1 FAS-Grobgitterkorrektur und FAS-Zweigitterverfahren Im Gegensatz zu linearen Mehrgitterverfahren wird beim Full Approximation Scheme (FAS) auf dem groben Gitter keine Gleichung des Fehlers gel¨ost, sondern eine Gleichung der vollen Approximation der L¨osung. Das ist notwendig, da sich die Fehlergleichung (18.11) nur bei linearem L bilden l¨asst. Dennoch arbeitet man auch im nichtlinearen Fall mit dem Fehler, selbst wenn das nicht ganz so offensichtlich erscheint. Gegeben sei das Problem LU = b
(18.30)
mit nichtlinearem Operator L. Hochfrequente Fehlermoden werden durch 1
u1 ← P ν u 1
(18.31)
gegl¨ attet, wozu P die hierf¨ ur notwendigen Eigenschaften besitzen muss.
310
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
FAS-Grobgitterkorrektur. Wie im linearen Fall sollte das Feingitterresiduum (der Defekt) R1 = b1 − L1 u1 nach den Vorgl¨attungen glatt und damit auf dem groben Gitter darstellbar sein. Neben dem Defekt R2 = I12 R1 ist beim 2 FAS mit u2 = I 1 u1 auch die L¨ osung auf das grobe Gitter zu restringieren. Im Allgemeinen sind die Restriktionsoperatoren f¨ ur das Residuum und den Fehler verschieden. Auf dem groben Gitter ergibt sich 2
L2 u2 = L2 I 1 u1 + I12 R1 .
(18.32)
f2
¨ mit dem nichtlinearen FeingitterproDurch L2 u2 = f 2 bleibt die Ahnlichkeit blem gewahrt. Stellt man Gl. (18.32) geringf¨ ugig um, so zeigt sich an 2
L2 u2 − L2 I 1 u1 = I12 R1 ,
(18.33)
dass auch bei diesem Ansatz auf dem groben Gitter eine Gleichung des Fehlers gel¨ ost wird. Bei linearem L ist Gl. (18.33) identisch zu Gl. (18.13) (bei Initialisierung mit e2 = 0). Zur Verbesserung der Feingitterl¨osung wird die 2 Grobgitterkorrektur ∆u2 = u2 − I 1 u1 mit u1 ← u1 + I21 ∆u2
(18.34)
auf das feine Gitter prolongiert. Als Sequenz von Operatoren folgt f¨ ur die FAS-Grobgitterkorrektur F AS GGK(u1 , b1 ) bei exakter Grobgitterl¨osung B% &−1 + " % &, 2 2 L2 I 1 u1 + I12 b1 − L1 u1 − I 1 u1 . (18.35) u1 ← u1 + I21 L2
F AS GGK(u1 ,b1 )
Wird auf dem zweiten Gitter dagegen iterativ gegl¨attet, so folgt u1 ← F AS GGK(u1 , b1 , ν 2 ) ,
(18.36)
wobei ν 2 die Anzahl an Grobgitteriterationen angibt. FAS-Zweigitterverfahren. Das FAS-Zweigitterverfahren l¨asst sich mit ⎫ 1 u1 ,← P ν u"1 ⎪ ⎬ B% & + % & 2 2 −1 F AS ZGV L2 I 1 u1 + I12 b1 − L1 u1 − I 1 u1 u1 ← u1 + I21 L2 ⎪ 1 η1 1 ⎭ u ← P u in drei Teilschritte aufspalten, wobei F AS ZGV f¨ ur F AS ZGV (u1 , b1 , ν 1 , η 1 ) steht. In diesem Fall gehen der Grobgitterkorrektur ν 1 Vorgl¨attungen auf dem feinen Gitter voraus und es schließen sich η 1 Nachgl¨attungen an. Ferner wird vorausgesetzt, dass das nichtlineare Problem auf dem zweiten Gitter exakt gel¨ ost werden kann. Alternativ dazu lassen sich auf dem zweiten Gitter auch ν 2 Gl¨ attungen durchf¨ uhren.
18.3 Nichtlineare Probleme FAS-Mehrgitterverfahren: 1. Schritt:
2. Schritt: 3. Schritt:
4. Schritt:
5. Schritt: 6. Schritt:
7. Schritt: 8. Schritt:
311
u1 ← F AS (u1 , f 1 , K, ν k , η k )
attungen auf dem feinsten Gitter ν 1 Vorgl¨ k=1 k uk ← P ν uk Berechnung des Defekts Rk = f k − Lk uk Restriktion von Defekt und L¨ osung R0k+1 = Ikk+1 Rk k+1 uk+1 = uk+1 = I k uk 0 xk = ν k , η k Gl¨ attung oder L¨ osung von Lk+1 uk+1 = f k+1 k+1 k+1 k+1 k+1 f =L u + R0 k uk+1 ← P x uk+1 : k+1 2 erh¨ alt man so das FAS-Mehrgitterver¨berzugehen ist. F¨ fahren. In Abb. 18.17 ist dessen prinzipieller Ablauf f¨ ur die L¨osung des Feingitterproblems LU = b dargestellt. Dabei wird jedoch nichts u ¨ ber Art der Gl¨ attungen bzw. die exakte L¨ osung des nichtlinearen Grobgitterproblems gesagt. Im Schema nach Abb. 18.17 wird auf dem gr¨obsten Gitter exakt gel¨ost (alternativ dazu sind aber auch eine oder mehrere Gl¨attungen m¨oglich). Bei linearem L geht dieser Algorithmus in das in Abb. 18.9 gezeigte Verfahren u ¨ ber. Die m¨ oglichen FAS-Mehrgitterzyklen (V-, W-Zyklus usw.) unterscheiden sich nicht von denen im linearen Fall.
312
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
FAS-Mehrgitterverfahren mit semi-implizitem Gl¨ atter. Bei Verbrennungssimulationen werden wegen der Steifigkeit des Gleichungssystems u ¨ berwiegend implizite oder semi-implizite Verfahren verwendet. Die FAS-Mehrgittertechnik nach Abb. 18.17 ist unabh¨ angig vom Gl¨atter formuliert. Im Folgenden wird sie dahingehend spezifiziert, dass 1. als Gl¨ atter ein semi-implizites Verfahren zum Einsatz kommt, 2. ein Gleichungssystem zu l¨ osen ist. Das dahinter stehende Problem k¨ onnte die L¨osung des erweiterten Verbrennungsgleichungssystems sein (z.B. Gl. (7.1) auf S. 103). Das diskrete Problem l¨ asst sich in Sternnotation auf die Form ∆Q + LQ = P ∆t
(18.37)
bringen, wobei Q = (Q1 , Q2 , . . . , QM )T den Variablenvektor, L einen vektoriellen, nichtlinearen Operator und P = (P1 , P2 , . . . , PM )T den Quellvektor bezeichnet. Diese Gleichungssystem wird linearisiert (gegebenenfalls auch vereinfacht) und es folgt mit H ∆Q = P − L Q = R
(18.38)
¨ ein lineares Gleichungssystem. Darin steht ∆Q f¨ ur die Anderung des Variablenvektors, R = (R1 , R2 , . . . , RM )T f¨ ur den mit bekanntem (alten) Q explizit berechneten Residuumsvektor und im Operator H sind die aus der Zeitdiskretisierung und der Linearisierung stammenden Anteile zusammengefasst. Alle semi-impliziten Verfahren aus Abschn. 15.3 bis 15.5 f¨ uhren auf ein solches Gleichungssystem. Wegen seiner linearen Form ist es mit ∆Q = (H)−1 R direkt l¨ osbar. Hier wird keine Aussage dar¨ uber gemacht, welche Vereinfachungen bei der Bildung des Operators H getroffen werden (z.B. Faktorisierungen oder die Vernachl¨ assigung schwer zu linearisierender Terme). Voraussetzung ist jedoch, dass Gl. (18.38) mit geringem Aufwand gel¨ost werden kann und dass dies die Gl¨ attung der hochfrequenten Fehlermoden bewirkt. Mit einem semiimpliziten Verfahren als Gl¨ atter ergibt sich f¨ ur das FAS-Mehrgitterverfahren der in Abb. 18.18 dargestellte Ablauf. Auf jeder Gitterebene werden lineare Gleichungssysteme der Art Hk ∆Qk = Vk gel¨ost. Auf dem feinsten Gitter ist V1 = R1 zu setzen, woraus sich das Feingitterproblem aus Gl. (18.38) ergibt.
18.4 Grobgitterbildung Der erste Schritt einer numerischen Simulation besteht gew¨ohnlich darin, mit Hilfe eines Gitternetzgenerators ein problemangepasstes Rechengitter zu erzeugen. Bei geometrischen Mehrgitterverfahren ist anschließend eine Sequenz gr¨ oberer Gitter zu bilden, was auf vielf¨ altige Weise m¨oglich ist. Neben der
18.4 Grobgitterbildung
313
FAS-Mehrgitterverfahren f¨ ur Gleichungssysteme und semi-impliziten Gl¨ atter: Q1 ← F ASsi (Q1 , V1 , K, ν k , η k ) 1. Schritt:
2. Schritt: 3. Schritt:
4. Schritt: 5. Schritt:
6. Schritt: 7. Schritt:
8. Schritt: 9. Schritt:
attungen auf dem feinsten Gitter k = 1 ν 1 Gl¨ ∆Q1 = (H1 )−1 V1 Qk ← Qk + ∆Qk Berechnung des Defekts Rk = Rk (Qk ) Restriktion des Defekts und der L¨ osung k+1 k = I R Rk+1 0 k k+1 Qk+1 = Qk+1 = Ik Qk 0 Berechnung der Treiber-Funktion − R(Qk+1 ) Pk+1 = Rk+1 0 attungen ν k+1 bzw. η k+1 Gl¨ Vk+1 = Rk+1 (Qk+1 ) + Pk+1 −1 k+1 ∆Qk+1 = Hk+1 V Qk+1 ← Qk+1 + ∆Qk+1 k ← k+1 Restriktion? ja: gehe zu 2. Schritt Prolongation? ja: Qk−1 = Qk−1 + Ik−1 Qk − Qk0 k k ← k−1 Nachgl¨ attungen? ja: gehe zu 4. Schritt Restriktion oder Prolongation? ja: gehe zu 6. Schritt Ende
Abb. 18.18. Ablaufdiagramm eines allgemeinen nichtlinearen FAS-Mehrgitterverfahrens mit semi-implizitem Gl¨ atter und unterschiedlichen Durchlaufm¨ oglichkeiten f¨ ur das Problem Hk ∆Qk = Vk (feinstes Gitter: k = 1, Initialisierung V1 = R1 , K Gitterebenen)
prinzipiellen Art der Grobgitterbildung (z.B. voll- oder semi-Vergr¨oberung) spielt in diesem Zusammenhang auch die Diskretisierung (FV, FD, zell- oder knotenzentriert) eine Rolle. In den Abschn. 18.4.1 und 18.4.2 werden zwei M¨ oglichkeiten der Grobgitterbildung vorgestellt. 18.4.1 Voll-Vergr¨ oberung Eine der einfachsten Strategien zur Grobgitterbildung ist die voll-Vergr¨oberung. Sie bietet sich an, wenn der Gl¨ atter bei einer gegebenen mathematischen Problemstellung in der Lage ist, alle auftretenden Fehlermoden gut
314
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
Abb. 18.19. Voll-Vergr¨ oberung bei zellzentrierter FV-Diskretisierung (• A bis D Feingittervolumen, ◦ 1 bis 4 Grobgittervolumen)
Abb. 18.20. Voll-Vergr¨ oberung bei knotenzentrierter FD-Diskretisierung (• A bis D Feingitterknoten, ◦ 1 bis 4 Grobgitterknoten)
zu d¨ ampfen. Unter voll-Vergr¨ oberung versteht man die richtungsunabh¨angige, rein geometrische Bildung gr¨ oberer Gitter durch 1. das gleichm¨ aßige Zusammenfassen von 2d Feingittervolumen zu einem Grobgittervolumen (bei FV-Verfahren), 2. die Vernachl¨ assigung jedes zweiten Feingitterpunkts in jeder Raumrichtung (bei FD-Verfahren). In Abb. 18.19 (FV) und 18.20 (FD) sind diese Varianten der voll-Vergr¨oberung f¨ ur den zweidimensionalen Fall auf krummlinige ξ1 -ξ2 -Koordinaten skizziert. Beim FV-Verfahren werden jeweils vier gestrichelt gezeichnete Feingittervolumen zu einer durchgezogen gezeichneten Grobgitterzelle zusammengefasst. Der Variablenvektor ist bei diesem zellzentrierten FV-Verfahren im Zellmittelpunkt positioniert. Das hat zur Folge, dass die Grobgittervariablenvektoren nicht u ¨ ber denen des feineren Gitters liegen. Im dreidimensionalen Fall werden bei voll-Vergr¨ oberung acht Feingitterzellen zu einem Grobgittervolumen vereint. Damit die Voll-Vergr¨ oberung m¨ oglich ist, muss die Zahl der Feingittervolumen in jeder Raumrichtung proportional zu 2(K−1) sein (K ist die Zahl der Gitterebenen). Bei knotenzentrierten FD-Verfahren sind die Variablen in den Gitterpunkten positioniert. Wie in Abb. 18.20 gezeigt, liegen dann alle Grobgitterpunkte auf Knoten des feineren Gitters. Das erm¨oglicht sehr einfache Restriktions- und Prolongationstechniken. Grenzen und Probleme. Die voll-Vergr¨ oberung ist relativ einfach, erfordert wenig Rechenzeit und l¨ asst sich f¨ ur 1D- bis 3D-Simulationen nutzen. Allerdings ist dieser Ansatz in Kombination mit bestimmten Gl¨attern und Problemstellungen nicht immer erfolgreich. Stimmt beispielsweise die Str¨omungsrichtung mit der Gitterausrichtung u ¨berein (grid alignment) oder liegt ein stark anisotropes Problem vor, so versagen Mehrgittertechniken, wenn als Gl¨ atter einfache, lokal arbeitende Verfahren eingesetzt werden [187]. Abschnitt
18.4 Grobgitterbildung
315
17.3 hat gezeigt, dass sich die D¨ ampfungseigenschaften iterativer Verfahren bei elliptischen, anisotropen Problemen (bzw. stark gestreckten Gittern) teil¨ weise drastisch verschlechtern. Ahnliches gilt f¨ ur die konvektionsdominierten hyperbolischen Gleichungen, wenn es zu einer richtungsm¨aßigen Entkoppelung der physikalischen Vorg¨ ange kommt (s. Abschn. 17.4). Durch die in einer Richtung starke, in einer anderen Richtung schwache Koppelung werden nur Teile der hochfrequenten Moden ged¨ ampft. Unged¨ampfte hochfrequente Feingittermoden erscheinen auf gr¨ oberen Gittern als niederfrequent und lassen sich nicht beseitigen. F¨ ur dieses Problem sind folgende Abhilfen bekannt: 1. Verwendung besser d¨ ampfender globaler Relaxationsverfahren (z.B. das alternierende Linien-Gauß-Seidel-Verfahren aus Abschn. 17.3.5 und 17.4.3), 2. Trennung elliptischer und hyperbolischer Anteile auf den groben Gittern und Anwendung geeigneter Gl¨ attungsstrategien [120], 3. Modifizierung der Grobgitterbildung, um die Anforderungen an den Gl¨atter herabzusetzen [187]. Der erste Ansatz erfordert komplexere numerische Verfahren und damit mehr Rechenaufwand und Hauptspeicher pro Gl¨ attung. Der zweite Ansatz bietet auch bei gemischten, hyperbolisch-elliptischen Gleichungen und Gleichungssystemen das Potential zum O(N ×M )-Verfahren. Allerdings steht die Umsetzung dieser Technik auf komplexe, dreidimensionale Anwendungen noch aus. Zum dritten Ansatz z¨ ahlt die semi-Vergr¨ oberung, mit der sich robuste und allgemein einsetzbare Mehrgitterverfahren konstruieren lassen. 18.4.2 Semi-Vergr¨ oberung Bei der semi-Vergr¨oberung (semi-coarsening) erfolgt die Vergr¨oberung des Rechengitters nur in einer Raumrichtung. Das heißt, das bei FV-Verfahren immer zwei Feingitterzellen zu einer Grobgitterzelle vereint werden. Da dann mehrere M¨ oglichkeiten bestehen, um gr¨ obere Gitter zu bilden, tritt auf jeder Vergr¨ oberungsebene eine Reihe gleichwertige Gitter auf. Diese Technik wurde erstmals von Mulder [187] vorgeschlagen. Abbildung 18.21 zeigt f¨ ur ein 2×2×2-Gitter links eine voll-Vergr¨ oberung, rechts eine semi-Vergr¨oberung in allen Raumrichtungen. In Abb. 18.22 ist das nochmals am Beispiel eines 8×8Gitters veranschaulicht. Bei voll-Vergr¨ oberung geht man in drei Schritten u ¨ ber ein 4×4- und 2×2- auf ein 1×1-Gitter u ¨ ber, wobei auf jeder Ebene nur ein einziges Gitter vorliegt. Im Gegensatz dazu treten bei semi-Vergr¨oberung mit l = 1, 3 und 5 (s. Abb. 18.22) zus¨ atzliche Zwischenebenen auf. Dar¨ uber hinaus liegen auf jeder Ebene (mit Ausnahme des feinsten und gr¨obsten Gitters) mehrere gleichwertige Gitter vor. Das erschwert die Handhabung in numerischen Verfahren und erh¨ oht den Bedarf an Hauptspeicher und Rechenzeit pro Mehrgitterzyklus. W¨ ahrend der Hauptspeicherbedarf bei voll-Vergr¨oberung in 2D etwa um Faktor 4/3 und in 3D um Faktor 8/7 anw¨achst (verglichen mit dem Eingitterverfahren), steigt er bei semi-Vergr¨oberung in 2D um Faktor vier und in 3D um Faktor acht an. In gleicher Weise nimmt beim V-Zyklus
316
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
Abb. 18.21. Vergr¨ oberung eines 2×2×2-Gitters im dreidimensionalen Fall. Links voll-Vergr¨ oberung, rechts semi-Vergr¨ oberung in allen Raumrichtungen (Stoll [235])
der Rechenzeitbedarf zu (ohne Transfer zwischen den Gittern) [235]. Aus diesem Grund findet die semi-Vergr¨ oberung mit Ber¨ ucksichtigung aller daraus hervorgehenden Gitter nur selten Verwendung. Stattdessen werden meist vereinfachte semi-Vergr¨ oberungsstrategien genutzt, die auf einen Teil der Vergr¨ oberungsstufen verzichten. Fehlermoden bei semi-Vergr¨ oberung. Der Vorteil der semi-Vergr¨oberung liegt darin, dass die Anforderungen an den Gl¨atter zur¨ uckgehen. Bestehen unterschiedlich starke Koppelungen in den unterschiedlichen Raumrichtungen, so bewirkt die Vergr¨ oberung in Richtung stark gekoppelter Volumen eine gute D¨ ampfung in dieser Richtung. Gleichzeitig bleiben alle hochfrequenten Fehlermoden in Richtung der schwachen Koppelung erhalten. Durch die Vielzahl der Gitter auf jeder Gitterstufe ist das Verfahren in der Lage, mit unterschiedlich starken Koppelungen in jeder Raumrichtung klar zu kommen.
Abb. 18.22. Semi-Vergr¨ oberung eines 8×8-Gitters im zweidimensionalen Fall. Es entstehen sechs Ebenen mit zum Teil mehreren, gleichwertigen Gittern (Stoll [235])
Abb. 18.23. Unterteilung der Fehlermoden bei semi-Vergr¨ oberung. Die Symbole
und • kennzeichnen auf dem groben Gitter zusammenfallende Moden)
18.5 Transferoperatoren
317
Abbildung 18.23 zeigt die Unterteilung der Fehlermoden bei semi-Vergr¨oberung. Bei diesem zweidimensionalen Beispiel werden zwei in i2 -Richtung gelegene Feingitterzellen zu einer Grobgitterzelle vereint. Bei semi-Vergr¨oberung in Raumrichtung k ergibt sich folgende Unterteilung der Phasenwinkel θ ∈ T : −π < θi ≤ π f¨ ur i = 1, . . . , d: ' −π < θi ≤ π : i = k , θ ∈ Ts : π π < θk ≤ : i=k, − (18.39) 2 2 θ ∈ Tr : Tr = T \ Ts [262]. Die Moden mit θ ∈ Ts (in Abb. 18.23 dunkel unterlegt) erscheinen auf dem feinen und auf dem groben Gitter. Ferner sind in Abb. 18.23 mit
und • zwei Phasenwinkel gekennzeichnet, deren Moden sich auf dem groben Gitter nicht unterscheiden lassen.
18.5 Transferoperatoren Der bei Mehrgitterverfahren notwendige Transfer von Variablen und Funktionen zwischen den Gitterebenen wird im Wesentlichen von zwei Faktoren gepr¨ agt: Der Art der Diskretisierung (FV, FD, zell-, knotenzentriert) und der Art der Gittervergr¨ oberung. Neben diesen geometrischen Gegebenheiten spielen in Sonderf¨ allen auch str¨ omungsmechanische Gesichtspunkte eine Rolle. In diesem Abschnitt wird nur auf geometrische Transferoperatoren eingegangen. ¨ Der Ubersichtlichkeit halber geschieht das in erster Linie f¨ ur zweidimensionale Gitter und f¨ ur die voll-Vergr¨ oberung. 18.5.1 Restriktion ¨ Unter Restriktion (restriction) versteht man die Ubertragung von Feingitterwerten auf ein gr¨ oberes Gitter. Hierf¨ ur bestehen zahlreiche M¨oglichkeiten unterschiedlicher Genauigkeit, von denen Varianten f¨ ur FV- und f¨ ur FDVerfahren vorgestellt werden. Finite-Volumen-Verfahren. Bei zellzentrierten FV-Verfahren sind die Variablenvektoren Q = (Q1 , Q2 , . . . , QM )T in den Zellmittelpunkten lokalisiert. Bei voll-Vergr¨ oberung gehen die Grobgitterwerte mit 1 k+1 Qk+1 = Ik Qk = k+1 Ωkα Qkα = r αk Qkα (18.40) Ω α∈Zr
α∈Zr
aus den α = 1, 2, . . . , 2d Feingitter-Variablenvektoren Qkα hervor. Darin bezeichnet Zr die Menge der 2d Feingitterzellen mit Volumen Ωkα (in 2D handelt es sich dabei um Fl¨ achen, in 1D um L¨ angen), die eine Grobgitterzelle des Volumens Ωk+1 bilden (d steht f¨ ur die r¨ aumliche Dimension). Bei r kα = Ωkα /Ωk+1
318
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
handelt es sich um geometrische, dimensionslose Restriktionsfaktoren, die auf alle Elemente des Variablenvektors angewandt werden. Es gilt r αk = 1 (18.41) α∈Zr k+1
dient der verk¨ urzten f¨ ur k = 1, 2, . . . , K − 1. Der Restriktionsoperator Ik Darstellung dieses Prozesses. Bei unged¨ampfter Restriktion ergibt sich der k+1 T Residuumsvektor Rk+1 = (R1k+1 , R2k+1 , . . . , RM ) einer Grobgitterzelle mit Rk+1 = Ikk+1 Rk = rα Rkα = Rkα (18.42) α∈Zr
α∈Zr
durch ein simples aufaddieren (rα = 1) der Feingitterresiduen α ∈ Zr . Zur Stabilisierung von Mehrgittersimulationen verwendet man f¨ ur die Residuen auch ged¨ampfte Restriktionstechniken, bei denen der zu restringierende Defekt mit einem Faktor 0 < γ ≤ 1 multipliziert wird. Bei Bezugnahme auf rein geometrischen Transfertechniken wird in diesem Buch auch von Standard-Restriktion, Standard-Prolongation und Standard-Mehrgitterverfahren gesprochen. Finite-Differenzen-Verfahren. Liegen bei einem FD-Verfahren alle Variablen in den Feingitterknoten vor (s. Abb. 18.20), dann lassen sich die Feingittervektoren Qkα mit α ∈ Zr durch k+1 Qk+1 = Ik Qk = r kα Qkα (18.43) α∈Zr
ur die Menge der Feingitterpunkte, auf ein gr¨ oberes Gitter abbilden. Zr steht f¨ die zur Bildung eines Grobgitterwerts beitragen. Man spricht dabei auch von einem Restriktionsstern. Dieser setzt sich aus einigen, in der N¨ahe des Grobgitterpunkts gelegenen Feingitterpunkten zusammen. Bei der Restriktion von Vektoren werden deren Elemente gew¨ ohnlich gleich restringiert, so dass an Stelle des vektoriellen Operators Ik+1 der skalare Operator Ikk+1 gesetzt werk den kann. Eine der einfachsten Restriktionstechniken ist die Injektion, bei der die zu restringierenden Gr¨ oße direkt auf das grobe Gitter u ¨ bertragen wird. Mit (Ikk+1 )inj = [1] ergeben die Eintr¨ age des Injektions-Restriktionsoperators einen ein-Punkt-Stern. Die r¨ aumliche Genauigkeit l¨asst sich durch Verwendung komplexerer Restriktionsoperatoren steigern. H¨aufig eingesetzt werden der ,,half-weighting-Operator” (hw), der in 2D auf einem f¨ unf-Punkte-Stern beruht und der ,,full-weighting-Operator” (fw), der in 2D neun Punkte einbezieht ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 010 121 % k+1 & % & 1 ⎣ 1 ⎣ 1 4 1⎦ , 2 4 2⎦ . Ik Ikk+1 f w = (18.44) = hw 8 16 010 121 F¨ ur die Summe der Restriktionsfaktoren eines Restriktionssterns muss Beziehung (18.41) gelten. Bei der geometrischen Restriktion und unver¨anderlichem
18.5 Transferoperatoren
319
Rechengitter sind die Restriktionsfaktoren konstante, durch die Geometrie vorgegebene Parameter, die nur einmal bei Programmstart zu berechnen sind.
18.5.2 Prolongation ¨ Die Ubertragung der Grobgitterkorrekturen auf feinere Gitter bezeichnet man als Prolongation (prolongation), was bei Standard-Transferoperatoren aus rein geometrischen Gesichtspunkten erfolgt. In der Regel kommen lineare, bilineare oder trilineare Interpolationen zum Einsatz (in 1D bis 3D). Deren r¨aumliche Genauigkeit liegt bei zweiter Ordnung. Da die Interpolation auf den geometrischen Zusammenh¨ angen zwischen den Grob- und Feingitterpunkten beruht, ist hier nicht zwischen FV- und FD-Verfahren zu unterscheiden. Im Fall des zweidimensionalen FV-Gitters aus Abb. 18.19 geht die Feingitterkorrektur im Punkt C aus den Grobgitterwerten eins bis vier hervor. Zu Beginn der Simulation sind die geometriebedingten Prolongationsfaktoren pα mit α ∈ Zp f¨ ur jeden Feingitterpunkt zu berechnen. Zp umfasst die Menge der Grobgitterpunkte α, die zu einem Feingitterwert beitragen. F¨ ur die Summe der Prolongationsfaktoren muss bei unged¨ampfter Prolongation pα = 1 (18.45) α∈Zp
gelten. Aus ihnen folgt mit ∆Qk = Ikk+1 ∆Qk+1 =
pα ∆Qk+1 α
(18.46)
α∈Zp
die Korrektur im Feingitterpunkt. Bei der ged¨ampften Prolongation wird die Korrektur der Feingitterl¨ osung mit einem D¨ampfungsfaktor 0 ≤ γ ≤ 1 multipliziert. Das mindert den Einfluss der Mehrgittertechnik und tr¨agt gegebenenfalls zur Stabilisierung des Verfahrens bei. Stark gestreckte Rechengitter. W¨ ahrend die zuvor beschriebene Prolongationstechnik bei m¨ aßig gestreckten Gittern gut arbeitet, k¨onnen auf krummlinigen, extrem gestreckten Gittern Probleme auftreten. Solche Gitter sind beispielsweise zur Simulation turbulenter Grenzschichten in schnellen Str¨omungen notwendig. Zellseitenverh¨ altnisse von 104 sind dort keine Seltenheit. Weisen die konturangepassten Gitterlinien Richtungs¨anderungen auf (z.B. bei Knicken an der Wand), so k¨ onnen starke Abweichungen der Grobgitterzellen von den Feingitterzellen auftreten. Abbildung 18.24 zeigt das an einem zweidimensionalen Beispiel mit zellzentrierter FV-Diskretisierung. Ausgehend von den vier (gestrichelt gezeichneten) Feingitterzellen A bis D wird mit deren Eckpunkten die (durchgezogen gezeichnete) Grobgitterzelle eins gebildet. F¨ ur die volumenbasierte Restriktion ist es unbedeutend, dass die Grobgitterzelle kaum u ¨ber den vier Feingitterzellen liegt. Die Prolongation wird dagegen
320
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
Abb. 18.24. Schema der Prolongation auf krummlinigen, stark gestreckten Gittern (• kennzeichnet Feingitter-Zellmittelpunkte, ◦ Grobgitter-Zellmittelpunkte)
maßgeblich davon beeinflusst, da der zuvor beschriebene, auf Interpolation beruhende Ansatz voraussetzt, dass die Grobgitterpunkte den betreffenden Feingitterpunkt umschließen. In Abb. 18.24 ist das bei keinem der Feingitterpunkte A bis D der Fall. Das zieht Extrapolation und damit gr¨oßerer Fehler nach sich und kann zum Versagen der Mehrgittertechnik f¨ uhren. Um das zu vermeiden werden die Feingitterzellmittelpunkte auf das grobe Gitter transformiert, woraus die fiktiven Punkte A∗ bis D∗ hervorgehen. Die Bestimmung der Feingitterkorrekturen A bis D erfolgt dann mit den Prolongationsfaktoren der Punkte A∗ bis D∗ [102].
18.6 Lokale Fourier-Analyse Die Fourier-Analyse aus Abschn. 17.2 bietet sich auch zur Untersuchung von Mehrgitterverfahren an. Ist man nur am ,,lokalen D¨ampfungsverhalten” eines numerischen Verfahrens interessiert, so kommt eine Linearisierung der gegebenenfalls nichtlinearen Fl¨ usse in Frage. Brandt [31] spricht dann von lokaler Mode-Analyse (local mode analysis) oder von lokaler Fourier-Analyse, LFA (local Fourier analysis). Die Linearisierung ist zul¨assig, wenn die Koeffizienten der Gleichung r¨ aumlich nicht zu stark variieren [32]. Bei Anwendung der LFA auf ein linearisiertes Eingitterproblem ergibt sich der lokale Gl¨attungsfaktor µ nach Gl. (18.2). Mit ihm lassen sich keine Aussagen u ¨ber die Konvergenzrate der gesamten L¨ osung machen [31]. Allerdings kann µ Hinweise auf das Konvergenzverhaltens des Mehrgitterl¨ osung liefern. F¨ ur konkrete Aussagen ist jedoch eine Mehrgitter-LFA notwendig. In der Regel verwendet man dazu kleine Programmpakete [263], die eine schnelle Analyse unterschiedlicher Gleichungen mit variierenden Transferoperatoren zulassen. Zu Gunsten einer u ¨bersichtlichen und klaren Darstellung basiert die Beschreibung der Mehrgitter-LFA auf einigen vereinfachenden Annahmen: 1. Es wird ein Zweigitterverfahren im r¨ aumlich zweidimensionalen Fall auf aquidistantem Gitter untersucht, ¨ 2. es wird von einer linearen oder lokal linearisierten Modellgleichung einer Variable ausgegangen, 3. die Bildung des gr¨ oberen Gitters erfolgt durch voll-Vergr¨oberung.
18.6 Lokale Fourier-Analyse
321
Einer Anwendung der LFA auf Gleichungssysteme, dreidimensionale Problemstellungen oder andere Vergr¨ oberungsstrategien steht jedoch nichts im Wege. 18.6.1 Zusammenfallen von Fehlermoden Bei der Fourier-Analyse wird der Fehler in Moden unterschiedlicher Phasenwinkel zerlegt, die beim Zweigitterverfahren vom feinen auf das grobe Gitter (und zur¨ uck) zu u ¨bertragen sind. Die Zusammenh¨ange zwischen den Fein- und Grobgittermoden wurden in Abschn. 18.1.4 behandelt. Dabei hat sich gezeigt, dass diskrete hochfrequente Feingittermoden mit Phasenwinkeln θ ∈ Tr nach dem Transfer auf ein gr¨ oberes Gitter dort niederfrequenter erscheinen, als auf dem feinen Gitter. Jedem niederfrequenten Feingittermode mit Phasenwinkel θ ∈ Ts lassen sich 2d − 1 (d ist die r¨ aumliche Dimension des Problems) hochfrequente Moden mit Phasenwinkeln θ ∈ Tr zuordnen, wobei die diskreten Grobgitterwerte dieser Moden identisch sind. Das heißt, dass jeweils 2d Feingittermoden in den diskreten Punkten des gr¨oberen Gitters nicht mehr zu unterscheiden sind. Im eindimensionalen Beispiel (d = 1) aus Abb. 18.8 fallen jeweils ein hochfrequenter und ein niederfrequenter Feingittermode (21 = 2) in den Grobgitterpunkten zusammen. Im zweidimensionalen Fall sind es drei, im dreidimensionalen Fall sieben hochfrequente Moden, die in den Grobgitterpunkten einem niederfrequenten Mode entsprechen. Die zusammenfallenden Feingittermoden werden als harmonics bezeichnet. Im zweidimensionalen Fall spricht man auch von einem Quadrupel von Moden. Abbildung 18.5 zeigt die Phasenwinkel eines solchen Quadrupels, wobei • die drei Phasenwinkel der hochfrequenten Moden und den Phasenwinkel des niederfrequenten Modes kennzeichnet (Abb. 18.23 zeigt die entsprechende Zuordnung bei semiVergr¨ oberung). Definition eines Quadrupels von Moden. Durch Definition (18.1) wurde eine Unterteilung von ψ(θ) mit Phasenwinkeln −π < θi ≤ π f¨ ur i = 1, . . . , d in niederfrequente Moden ψ(θ ∈ Ts ) und hochfrequente Moden ψ(θ ∈ Tr ) vorgenommen. Die Moden mit θ ∈ Ts sind auf dem feinen und dem groben Gitter darstellbar. Sie werden im Folgenden als Grundmoden bezeichnet. Jedem Phasenwinkel eines Grundmodes θi ∈ Ts lassen sich mit : θi ≤ 0 , θi + π θi ≡ (18.47) und θi ∈ Ts θi − π : θi > 0 2d −1 Moden mit θ ∈ Tr zuordnen. Hierzu sind einer oder mehrere Eintr¨age θi im Phasenwinkel θ = (θ1 , . . . , θd ) des Grundmodes durch θ i zu ersetzen [237]. Die Grundmoden definieren somit Gruppen vom Moden (harmonics), die den gesamten Phasenraum abdecken. Bei der Restriktion und der Prolongation kommt es zur Interaktion der Moden einer harmonic (Gruppe), w¨ahrend sich die einzelnen Gruppen nicht beeinflussen. Daher bietet sich eine Mehrgitteranalyse auf Basis von Grundmoden an. Im zweidimensionalen Fall besitzt ein Quadrupel von Moden die Phasenwinkel
322
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
θ(0,0) ≡ (θ1 , θ2 ) ,
θ(1,0) ≡ (θ1 , θ2 ) ,
θ(0,1) ≡ (θ1 , θ2 ) ,
θ(1,1) ≡ (θ 1 , θ2 ) .
(18.48)
Diese sind so definiert, dass in den Grobgitterpunkten die diskreten Werte der Moden ψ(θ, x2 ) eines Quadrupels identisch sind, d.h. ψ(θ (0,0) , x2 ) = ψ(θ (1,0) , x2 ) = ψ(θ (0,1) , x2 ) = ψ(θ(1,1) , x2 )
(18.49)
mit x2 = (x21 , x22 ) = (m21 B1 /N12 , m22 B2 /N22 ). Da sich die Moden unterschiedlicher Gruppen nicht beeinflussen, gen¨ ugt f¨ ur die folgende Analyse die Betrachtung einer Gruppe. 18.6.2 Zweigitteranalyse In diesem Abschnitt wird die D¨ ampfung eines Quadrupels von Moden durch ein Zweigitterverfahren mit beliebigem Gl¨ atter analysiert. Ausgangspunkt sei das lineare Zweigitterverfahren nach Gl. (18.20) und der in Gl. (18.24) angegebene Iterationsoperator h
h
MhH = S η KhH S ν ,
(18.50)
der mit eh ← MhH eh f¨ ur die Fehlerd¨ ampfung verantwortlich ist (h kennzeichnet das feine, H das grobe Gitter). Beim Eingitterverfahren war der Verst¨arkungsfaktor ein wesentliches Resultat der Fourier Analyse. Dieser geht aus dem Fourier-Symbol des Iterationsoperators hervor und charakterisiert die Fehlerd¨ ampfung eines Modes mit Phasenwinkel θ. Die entsprechende Gr¨oße ˘ H bezeichnete Fourier-Symbol des Itedes Zweigitterverfahrens ist das mit M h ˘ H jedoch rationsoperators. Im Gegensatz zum Eingitterverfahren l¨asst sich M h nicht einem bestimmten diskreten Mode zuordnen, da es beim Zweigitterverfahren zu einer Verkn¨ upfung der vier Moden eines Quadrupels kommt. Aus ¨ diesem Grund wird die Anderung des Vektors ψ =
+
ˆ (1,0) ψ(θ (1,0) ), E ˆ (0,1) ψ(θ (0,1) ), E ˆ (1,1) ψ(θ (1,1) ) Eˆ (0,0) ψ(θ (0,0) ), E
,T
(18.51) betrachtet, die dieser w¨ ahrend eines Zweigitterdurchlaufs erf¨ahrt [249]. In ψ sind die Moden eines Quadrupels mit den Amplituden E (0,0) bis E (1,1) zusammengefasst. Dessen Gl¨ attung durch das Zweigitterverfahren folgt aus ˘ H (θ) ψ ψ ← M h
:
θ ∈ Ts .
(18.52)
˘ H bezieht sich auf ein Quadrupel von Moden, ist aber durch θ ∈ Ts einM h deutig definiert. Nach der Definition (18.51) handelt es sich bei ψ um einen ˘ H um eine (4×4)-Matrix (daher dick gedruckt), (4×1)-Vektor und damit bei M h die mit
18.6 Lokale Fourier-Analyse
⎛ ˆ (0,0) ⎞ E ⎜ Eˆ (1,0) ⎟ ⎜ ⎟ ˘H ⎝ Eˆ (0,1) ⎠ ← Mh (θ) Eˆ (1,1)
⎛ ˆ (0,0) ⎞ E ˆ (1,0) ⎟ ⎜E ⎜ ⎟ ⎝E ˆ (0,1) ⎠ ˆ (1,1) E
323
(18.53)
¨ die Anderung der Amplituden w¨ ahrend eines Zweigitterdurchlaufs angibt. Im Gegensatz zur Eingitteranalyse ist es nicht m¨oglich, aus dem Verh¨altnis der Amplituden vor und nach dem Zweigitterdurchlauf einen Verst¨arkungsfaktor zu gewinnen. Dazu m¨ ussten die Verh¨ altnisse der Amplituden der Moden eines Quadrupels zueinander bekannt sein. Zur Beurteilung des Zweigitterverfahrens bieten sich stattdessen zwei Parameter an [237, 33, 249]: die asymptotische Konvergenzrate + , ˘ H (θ) ρH ≡ max ρ M : θ ∈ Ts (18.54) h h und der Fehlerreduktionsfaktor + , ˘H (θ)|| σhH ≡ max || M h
:
θ ∈ Ts ,
(18.55)
bei dem || · || eine geeignete Norm bezeichnet. Die asymptotische Konvergenzrate ist durch den Spektralradius des Fourier-Symbols der Iterationsmatrix definiert. Sie stimmt in der Regel gut mit den praktisch erzielbaren Resultaten u ¨ berein. Die Aufgabe der Zweigitter-Fourier-Analyse besteht darin, die ˘ H (θ) zu bestimmen. Nach Gl. (18.50) und (18.17) setzt sich M ˘H Matrix M h h f¨ ur θ ∈ Ts aus den Fourier-Symbolen der einzelnen Teilprozesse zusammen ˘ ηh K ˘ νh ˘ H (θ) S(θ) ˘ H (θ) = S(θ) M h h . −1 ˘ ηh ˘Ih − ˘Ih (θ) L ˘ H (2θ) ˘ h (θ) S(θ) ˘ ν h . (18.56) ˘IH (θ) L = S(θ) H h Bei den Fourier-Symbolen handelt es sich um Skalare, Vektoren und Matrizen mit m¨ oglicherweise komplexen Elementen. Es wird vorausgesetzt, dass eine ˘ H (θ) ergibt sich ˘ H (2θ) m¨ Invertierung von L oglich ist. Die (4×4)-Matrix M h durch Multiplikation der folgenden Terme ˘ ν h , S(θ) ˘ ηh S(θ) ˘ h (θ) L
(4×4)-Diagonalmatrix, (4×4)-Diagonalmatrix,
˘IH (θ) −1 h ˘ H (2θ) L ˘Ih (θ)
(1×4)-Vektor,
I
(4×4)-Einheitsmatrix,
H ˘h
(1×1)-Skalar, (4×1)-Vektor,
die separat berechnet werden k¨ onnen. Die Bestimmung dieser Matrizen wird nachfolgend behandelt, wobei sich das Vorgehen an den Literaturstellen
324
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
[237, 249] orientiert. Der f¨ ur die Bestimmung der asymptotischen Konvergenz˘ H (θ) ist am einfachsten mit verf¨ ugbarer rate notwendige Spektralradius von M h Standard-Software (z.B. LAPACK) bestimmbar [109]. ˘ ν h gibt die Fehlerd¨ampfung f¨ Feingittergl¨ attung. Die (4×4)-Matrix S(θ) ur ein Quadrupel von Moden durch ν h Vorgl¨ attungen an. Wie beim Eingitterverfahren ist dieser Vorgang f¨ ur jeden Mode unabh¨angig von anderen Moden, ˘ weshalb es sich bei S(θ) um eine Diagonalmatrix handelt. Deren Eintr¨age entsprechen den Verst¨ arkungsfaktoren G nach Gl. (17.31) bei den vier Pha˘ (i,j) ) = G(θ (i,j) ) folgt senwinkeln des Quadrupels. Mit S(θ ⎛ ⎞ ˘ (0,0) )ν h S(θ 0 0 0 ⎜ ⎟ ˘ (1,0) )ν h 0 S(θ 0 0 ⎟ ˘ νh = ⎜ (18.57) S(θ) ⎜ ⎟ . h ˘ (0,1) )ν ⎝ ⎠ 0 0 S(θ 0 ˘ (1,1) )ν h 0 0 0 S(θ ˘ H (θ) durch S(θ) ˘ ν h , so ergibt sich Ersetzt man in Gl. (18.53) den Operator M h die D¨ ampfung der Amplituden durch die ν h Feingittergl¨attungen. In gleicher Weise wird das Fourier-Symbol der Iterationsmatrix der Nachgl¨attungen ˘ ηh bestimmt. S(θ) Feingitterdefekt. Durch Anwendung des Feingitteroperators Lh auf den ¨ Fehler, l¨ asst sich nach Gl. (18.11) der Defekt bilden. Ubertr¨ agt man diesen Vorgang auf ein Quadrupel von Moden, so folgt die (4×4)-Diagonalmatrix ⎛ ⎞ ˘ h (θ (0,0) ) L 0 0 0 ⎜ ⎟ ˘ h (θ (1,0) ) 0 L 0 0 ⎟ ˘ h (θ) = ⎜ L (18.58) ⎜ ⎟ , (0,1) h ˘ (θ ⎝ ⎠ 0 0 L ) 0 ˘ h (θ(1,1) ) 0 0 0 L ˘ h bei den entsprechenden Phasenwinkeln enth¨alt. die die Fourier-Symbole L h ˘ angt von der Art der zu l¨ osenden Gleichung und der gew¨ahlten DiskreL h¨ tisierung ab. Die Diagonaleintr¨ age beschreiben die D¨ampfung, die der jeweilige Mode bei der Bildung des zu restringierenden Defekts erf¨ahrt. Auf die ˘ h wird in Zusammenhang mit der Grobgitterl¨osung noch Berechnung von L eingegangen. Restriktion. Die Restriktionsmatrix ˘IH upfung der h (θ) bewirkt eine Verkn¨ vier Moden eines Feingitter-Quadrupels. Betrachtet man deren Amplituden, so f¨ ugt die (1×4)-Restriktionsmatrix ˘IH (θ) = I˘H (θ (0,0) ), I˘H (θ (1,0) ), I˘H (θ(0,1) ), I˘H (θ(1,1) ) (18.59) h h h h h mit
18.6 Lokale Fourier-Analyse
Eˆ H
⎛ ˆ (0,0) ⎞ E ˆ (1,0) ⎟ ⎜ ⎜E ⎟ = ˘IH h (θ) ⎝ ˆ (0,1) ⎠ E ˆ (1,1) E
325
(18.60)
vier Feingitteramplituden zu einer Grobgitteramplitude zusammen. Die Eintr¨ age von ˘IH h (θ) sind die skalaren Restriktions-Fourier-Symbole bei den vier Phasenwinkeln des Quadrupels. Diese sind vom verwendeten Restriktionsoperator abh¨ angig. Bei der einfachsten Art der Restriktion, der Injektion (injection), werden die Feingittergr¨ oßen direkt auf das grobe Gitter u ¨ bertragen. Dabei bleiben die Amplituden erhalten und es gilt ˘IH (θ) = (1, 1, 1, 1). Zur h Berechnung der Fourier-Symbole anderer Transferoperatoren ist der jeweilige Fehlermode in den Restriktionsstern nach Gl. (18.40) oder (18.43) einzusetzen. Beim ,,full weighting” nach Gl. (18.44) f¨ ur FD-Verfahren gelangt man mit diesem Vorgehen auf 1 I˘hH (θ) = (1 + cosθ1 ) (1 + cosθ2 ) 4 und bei der Restriktion f¨ ur FV-Verfahren nach Gl. (18.40) auf θ2 θ1 cos . I˘hH (θ) = cos 2 2
(18.61)
(18.62)
Dabei wurde ein zweidimensionales, ¨ aquidistantes Gitter mit h = ∆xh1 = ∆xh2 vorausgesetzt. Exakte Grobgitterl¨ osung. Auf dem groben Gitter verbleibt nur der Grundmode eines jeden Quadrupels, so dass sich eine direkte Grobgitterl¨osung nicht vom entsprechenden Feingittervorgang unterscheidet. Bis auf den Einfluss der Gitterweite stimmen die entsprechenden Fourier-Symbole u ¨ berein. Die Feh¨ leramplitude erf¨ ahrt bei diesem Prozess die Anderung ˆH ← E
1 ˘ H (2θ) L
ˆH E
(18.63)
˘ H (2θ) ist sowohl von der zu l¨osenden f¨ ur θ ∈ Ts . Die konkrete Form von L ˘ H durch Gleichung als auch von ihrer Diskretisierung abh¨angig. Man erh¨alt L Anwendung des Operators LH auf einen Fehlermode und Bildung des FourierSymbols. F¨ ur die Laplace-Gleichung, Diskretisierung mit einem f¨ unf-PunkteH Stern und konstantem H = ∆xH = ∆x folgt auf diese Weise 1 2 ˘ H (2θ) = 2 [2 − cos(2θ1 ) − cos(2θ2 )] . L H2
(18.64)
˘H Wird auf dem groben Gitter nicht exakt gel¨ost, so ist an Stelle von 1/L H das Fourier-Symbol S˘ des jeweiligen Gl¨ atters (unter Ber¨ ucksichtigung der durchgef¨ uhrten Anzahl an Gl¨ attungen) zu verwenden.
326
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
Abb. 18.25. Prolongation durch bilineare Interpolation auf einem zweidimensionalen Rechengitter (• Feingitterpunkte, ◦ Grobgitterpunkte)
Prolongation. Bei der Prolongation werden die Grobgitterkorrekturen durch lineare Interpolation auf ein feineres Gitter u ¨ bertragen. Auf gleiche Weise sind bei der Zweigitteranalyse die Gorbgittermoden zu prolongieren. Die daraus hervorgehenden Feingitterkorrekturen bilden Moden mit definierten Amplituden. Mathematisch kann gezeigt werden [237, 249], dass sich die restringierte Feingitterkorrektur eines Grobgittermodes mit Phasenwinkel θ (0,0) auf das Quadrupel von Feingittermoden mit gleichem Grundmode aufteilen l¨asst. Das heißt, dass jeder Grobgittermode neben einem Feingittermode gleichen Phasenwinkels noch drei hochfrequente Feingittermoden mit θ ∈ Tr erzeugt. Der Gl¨ atter sollte in der Lage sein, diese hochfrequenten Moden schnell zu gl¨ atten. Die (4×1)-Prolongationsmatrix T ˘Ih (θ) = I˘h (θ(0,0) ), I˘h (θ (1,0) ), I˘h (θ (0,1) ), I˘h (θ (1,1) ) (18.65) H H H H H bildet mit
⎛ ˆ (0,0) ⎞ E ⎜ Eˆ (1,0) ⎟ ˘h ˆH ⎟ ⎜ ⎝ Eˆ (0,1) ⎠ = IH (θ) E Eˆ (1,1)
(18.66)
einen Grobgittermode mit Phasenwinkeln θ ∈ Ts auf ein Quadrupel von Feingittermoden ab. Geht man von bilinearer Interpolation und dem in Abb. 18.25 gezeigten FD-Gitter aus, so kommen vier Varianten zur Bestimmung der Feingitterkorrekturen in Frage: 1. 2. 3. 4.
Injektion, wenn Punkte u ¨bereinander liegen (D und 4), lineare Interpolation in x1 -Richtung (A aus 4 und 1), lineare Interpolation in x2 -Richtung (C aus 4 und 3), bilineare Interpolation (B aus 1, 2, 3 und 4).
Wird ein Grobgittermode auf das feine Gitter prolongiert, so bleibt sein Phasenwinkel erhalten. Die vier verschiedenen Interpolationsvarianten f¨ uhren jedoch auf keine einheitliche Amplitude. Stattdessen treten je nach Feingitterpunkt mh = (mh1 , mh2 ) vier verschiedene Amplituden
18.7 Testf¨ alle
⎧ δ1 ⎪ ⎪ ⎨ δ2 h D(m ) = ⎪ δ3 ⎪ ⎩ δ4
: : : :
mh1 und mh2 gerade, mh1 ungerade und mh2 gerade, mh1 gerade und mh2 ungerade, mh1 und mh2 ungerade
327
(18.67)
auf [237]. Diese sind zyklisch vertauscht und bilden auf dem feinen Gitter ein gleichm¨ aßiges Raster. Es wird vorausgesetzt, dass die geraden Gitterindizes mh1 und mh2 des feinen Gitters den Grobgitterpunkten entsprechen. Nach der Prolongation liegt somit ein Feingittermode vor, der vier unterschiedliche Amplituden annehmen kann. Um bei einer weiteren Analyse nicht zwischen diesen F¨ allen unterscheiden zu m¨ ussen, wird die prolongierte diskrete Gitterfunktion D(mh ) ψ(θ, mh ) mit θ ∈ Ts als Linearkombination der vier Moden eines Quadrupels ausgedr¨ uckt. In allen diskreten Feingitterpunkten muss dann die Beziehung D ψ(θ) = a(0,0) ψ(θ(0,0) ) + a(1,0) ψ(θ (1,0) ) + a(0,1) ψ(θ (0,1) ) + a(1,1) ψ(θ (1,1) ) (18.68) erf¨ ullt sein. Daraus ergeben sich vier Gleichungen f¨ ur die vier unbekannten Amplituden a(0,0) bis a(1,1) , aus denen die Eintr¨age der Prolongationsmatrix hervorgehen. Die Amplituden δ1 bis δ4 und a(0,0) bis a(1,1) sind Funktionen des verwendeten Prolongationsoperators. Im konkreten Fall bilinearer Interpolation besitzt die Gitterfunktion D(mh ) folgende Werte ⎧ 1 : mh1 und mh2 gerade, ⎪ ⎪ ⎨ cosθ1 : mh1 ungerade und mh2 gerade, D(mh ) = (18.69) : mh1 gerade und mh2 ungerade, cosθ2 ⎪ ⎪ ⎩ h h cosθ1 cosθ2 : m1 und m2 ungerade. Daraus folgen die Parameter a(0,0) bis a(1,1) und die (4×1)-Prolongationsmatrix f¨ ur bilineare Interpolation ⎛ ⎞ (1 + cosθ1 )(1 + cosθ2 ) ⎜ ⎟ ˘Ih (θ) = 1 ⎜ (1 + cosθ1 )(1 − cosθ2 ) ⎟ . (18.70) H 4 ⎝ (1 − cosθ1 )(1 + cosθ2 ) ⎠ (1 − cosθ1 )(1 − cosθ2 ) Auf gleiche Weise lassen sich die Fourier-Symbole beliebiger Prolongationsoperatoren bilden. Damit wurden alle Teilschritte behandelt, die notwendig sind, um die ˘ H (θ) Fourier-Symbole der Teilprozesse des Zweigitterverfahrens und damit M h zu bestimmen. Als Resultat ergibt sich eine 4×4-Matrix, die das Konvergenzverhalten des Zweigitterverfahrens charakterisiert.
18.7 Testf¨ alle In Abschn. 17.3 und 17.4 wurden Eingitter-Fourier-Analysen f¨ ur eine Reihe von numerischen Verfahren und unterschiedliche Modellgleichungen durchgef¨ uhrt. Bei einem Eingitterverfahren ist dessen D¨ampfungsverhalten durch
328
18 Grundlagen der Mehrgittertechnik
|G(θ)| im zweidimensionalen Fall anschaulich als Funktion des Phasenwinkels (0,0) ) zwar darstellbar. Das ist bei Zweigitterverfahren nicht m¨oglich, da ρH h (θ (0,0) als Funktion des Grundmode-Phasenwinkels θ dargestellt werden kann, dieser aber mehrere Moden miteinander verkn¨ upft. Aus diesem Grund dienen Parameter wie die asymptotische Konvergenzrate ρH h nach Gl. (18.54) oder der Fehlerreduktionsfaktor σhH nach Gl. (18.55) zur Beurteilung von Zweigitterverfahren. Dar¨ uber hinaus kann auch der f¨ ur das Eingitterverfahren ermittelte Gl¨attungsfaktor µ nach Gl. (18.2) Hinweise auf die Konvergenzrate von Mehrgitterverfahren liefern. Alle zuvor mit der Eingitter-Fourier-Analyse betrachteten Testf¨alle wurden auch mit der Zweigitter-LFA untersucht. Als Ergebnisse finden sich in den Bildunterschriften von Abb. 17.6 bis 17.21 neben den Gl¨attungsfaktoren auch die asymptotischen Konvergenzraten des jeweiligen Zweigitterverfahrens. Es zeigt sich, dass beide Werte teilweise betr¨achtlich voneinander abweichen, was die Notwendigkeit der Mehrgitter-LFA hervorhebt. Geht man davon aus, dass alle Fehlermoden mit Phasenwinkeln θ ∈ Ts auf dem groben Gitter perfekt ged¨ ampft werden, so w¨ are ρH h ≈ µ zu erwarten. Bei mehreren ν h +η h Feingittergl¨ attungen m¨ usste n¨ aherungsweise ρH gelten. Dass dies in h ≈µ der Praxis nicht immer Fall ist, zeigen einige der dargestellten Beispiele. Vor h h allem bei mehreren Gl¨ attungen kann µν +η betr¨achtlich zu ρH h differieren. Dar¨ uber hinaus ist auch ρH > µ m¨ o glich, wie in Abb. 17.18 und 17.19 f¨ ur h eine Modellgleichung mit Produktionsterm gezeigt wird. Treten Quellterme auf, so ist die Aussagekraft des Gl¨ attungsfaktors hinsichtlich der Mehrgitterkonvergenz geringer, als ohne Quellterm. Das liegt daran, das Werte |G| > 1 im Bereich der niederfrequenten Moden in µ nicht ber¨ ucksichtigt werden und das entsprechende Mehrgitterverfahren trotz µ ≤ 1 dann gew¨ohnlich instabil ist.
19 Praktische Anwendungen
F¨ ur elliptische Gleichungssysteme sind Mehrgitterverfahren konstruierbar, deren Aufwand mit O(N ×M ) skaliert und die ideale Konvergenzraten erreichen. F¨ ur die L¨ osung praktischer Str¨ omungs- und Verbrennungsprobleme sind solche Techniken dagegen meist nicht oder noch nicht verf¨ ugbar. Grunds¨atzlich stellt sich die Frage, ob der Fehler bei komplexen, nichtelliptischen Problemen auf einem groben Gitter u ¨ berhaupt hinreichend genau dargestellt werden kann. Das soll ein Testfall kl¨ aren, der in Abschn. 19.2 noch ausf¨ uhrlicher untersucht wird. Dabei handelt es sich um eine Mach zwei Str¨omung u ¨ ber eine r¨ uckw¨ artsgerichtete Stufe. Str¨ omungsmechanisch treten bei dieser Kanalinnenstr¨ omung turbulente Grenzschichten, R¨ uckstr¨omgebiete, Abl¨osung, ein Verd¨ unnungsf¨ acher und ein Wiederanlegestoß auf. Abbildung 19.1 zeigt die Entwicklung der r¨ aumlichen Verteilung des Dichte-Residuums (dieses dient als Maß f¨ ur den Fehler) einer Eingittersimulation dieses Str¨omungsproblems. Als Gl¨ atter kam ein semi-implizites LU-SGS-Verfahren (Lower-Upper Symmetric Gauß-Seidel) [97] zum Einsatz. Das Dichte-Residuum ist nach 400, 1000 und 15000 Iterationen aufgetragen, wobei nur jeder zweite Punkt des Rechengitters dargestellt ist. Es zeigt sich, dass die Residuumsverteilung selbst bei ¨ dieser Uberschallstr¨ omung verh¨ altnism¨ aßig glatt ist. Nach 400 und 1000 Iterationen w¨ aren die Verteilungen problemlos auf gr¨oberen Gittern darstellbar. Eine Ausnahme bildet der Verdichtungsstoß, der auf sehr groben Gittern nicht dargestellt werden kann. Ferner offenbaren die Abbildungen die sehr langsame Ann¨ aherung der L¨ osung an ihren endg¨ ultigen Zustand. Das zeigt sich vor allem an der Entwicklung der Stoßlage (in Abb. 19.10 auf S. 344 findet sich zum Vergleich die station¨ are Druckverteilung). Im untersten Bild in Abb. 19.1 (bei 15000 Iterationen) zeigt sich unter nahezu station¨aren Bedingungen, dass der Verlauf des Residuums am Stoß keineswegs glatt ist: Der Fehler kann in Stoßn¨ ahe auf gr¨ oberen Gittern nicht dargestellt werden, was bei Mehrgittersimulationen gew¨ ohnlich zur Divergenz f¨ uhrt. Dieses Problem l¨asst sich jedoch mit relativ einfachen Maßnahmen beheben, wie die folgenden Abschnitte zeigen. Das heißt, das sich Mehrgittertechniken bei geeignetem Gl¨atter durchaus zur Simulation komplexer Str¨ omungsprobleme eignen.
330
19 Praktische Anwendungen
Abb. 19.1. Dichte-Residuum nach 400, 1000 und 15000 Iterationen (von oben nach unten). Testfall ist eine Mach zwei Str¨ omung u ¨ ber eine Stufe
¨ 19.1 Uberschallstr¨ omungen mit Verdichtungsst¨ oßen
331
Nach Gustafsson und L¨ otstedt [112] folgt die Konvergenzbeschleunigung der Mehrgittertechnik f¨ ur hyperbolische Gleichungssysteme bei den langwelligen, konvektionsdominierten St¨ orungen in erster Linie aus den gr¨oßeren Zeitschritten auf den groben Gittern. Informationen werden so schneller durch das Rechengebiet transportiert und die station¨ are L¨osung schneller erreicht [187]. Dagegen nimmt bei den h¨ oherfrequenten Moden der Einfluss der dissipativen Effekte zu, so dass dort die herk¨ ommliche Funktionsweise der Mehrgittertechnik zum Tragen kommt. Die mit Standard-Mehrgitterverfahren erzielbaren Konvergenzraten sind bei der L¨ osung turbulenter Str¨omungs- und Verbrennungsprobleme meist wesentlich schlechter, als die der elliptischen Modellgleichungen in Abschn. 18.2.5. Das heißt jedoch nicht, dass ideale, gitterunabh¨ angige Konvergenzraten bei nicht-elliptischen Gleichungssystemen prinzipiell ausgeschlossen sind. Sie erfordern Weiterentwicklungen, die derzeit von zahlreichen Forschergruppen vorangetrieben werden [34, 247, 120, 36]. Darauf wird hier nicht eingegangen. Stattdessen werden Modifikationen vorgestellt, die auch bei komplexen Anwendungen die Mehrgitterkonvergenz von Standardverfahren erm¨ oglichen. Zu den gr¨ oßten Hindernissen auf dem Weg zu guten Mehrgitterkonvergenzraten z¨ ahlen: • Gleichungssysteme gemischten Typs (z.B. elliptisch-hyperbolisch), • grid alignment (die Hauptstr¨ omungsrichtung stimmt mit der Gitterausrichtung u ¨ berein), ¨ • Verdichtungsst¨ oße in Uberund Hyperschallstr¨omungen, • stark nichtlineare Produktionsterme aus der Turbulenzmodellierung, • chemisch reagierende Fluide, • extreme Gitterstreckungen. Erschwerend treten oft mehrere dieser Faktoren gleichzeitig auf.
¨ 19.1 Uberschallstr omungen mit Verdichtungsst¨ oßen ¨ ¨ ¨ Jede Anderung der Str¨ omungsrichtung l¨ ost in Uberschallstr¨ omungen Verd¨ un¨ nungsf¨ acher oder Verdichtungsst¨ oße aus. W¨ ahrend erstere mit stetigen Anderungen der Variablen einhergehen, bewirkt ein Verdichtungsstoß im reibungsfreien Fall Unstetigkeiten u ¨ber den Stoß hinweg (z.B. in u, p, T ). Selbst in reibungsbehafteten Str¨ omungen ist die Dicke von St¨oßen so gering, dass sie durch das Rechengitter nicht aufgel¨ ost werden k¨onnen. Die nahezu unsteti¨ gen Anderungen sollten dennoch m¨ oglichst genau, ohne Oszillationen und mit wenig Rechenzellen wiedergegeben werden. Aus diesen Anforderungen haben sich ganze Verfahrensklassen entwickelt [121], die auf speziellen Diskretisierungstechniken der konvektiven Fl¨ usse beruhen. Die physikalischen Grundlagen dieser Techniken sind auch f¨ ur Mehrgitterverfahren von Belang, da die von elliptischen Problemen stammenden Standardans¨atze gew¨ohnlich an Verdichtungsst¨ oßen versagen. Dies liegt unter anderem daran, dass die zeitabh¨angi¨ gen Navier-Stokes-Gleichungen bei Uberschall zu einem gemischten System
332
19 Praktische Anwendungen
parabolisch-hyperbolischer Differentialgleichungen werden [121], was in den Transferoperatoren ber¨ ucksichtigt werden sollte. ¨ Erste Publikationen zu Mehrgittersimulationen von Uberoder Hyperschallstr¨ omungen kamen Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre [255, 63, 148, 246, 153, 256, 24, 212] auf. Schon zuvor hatte sich gezeigt, dass die Simulation von starken Verdichtungsst¨ oßen mit Standard-Techniken nicht m¨oglich ist oder nur eine unwesentliche Beschleunigung erbringt [229]. Man suchte daher nach M¨ oglichkeiten, die bereits verf¨ ugbaren Mehrgittertechniken so zu modifizieren, dass sie auch bei sehr schnellen Str¨omungen gute Konvergenzraten erbringen. Viele der entwickelten Techniken beseitigen lediglich die gr¨oßten Hindernisse auf dem Weg zur Mehrgitterkonvergenz und ber¨ ucksichtigen dabei die komplexen physikalischen Vorg¨ ange nur vereinfacht. Andererseits bestechen einige dieser Modifikationen durch ihre Einfachheit, ihren geringen Rechenaufwand und die M¨ oglichkeit, sie schnell in bestehende Algorithmen zu implementieren. In neueren, mathematisch orientierteren Ans¨atzen wird versucht, die grundlegenden physikalischen Vorg¨ange (die elliptischen Anteile und den rein konvektiven Transport) zu trennen [35, 225, 226, 227]. Dies erfordert gr¨ oßere Umstellungen in herk¨ ommlichen Simulationsprogrammen und ¨ gegebenenfalls neue Diskretisierungstechniken. Die Ubertragung auf praxisrelevante, turbulente Str¨ omungen steht hier noch aus. In den Abschn. 19.1.1 bis 19.1.4 werden Modifikationen f¨ ur Mehrgitterverfahren zur Simulation von ¨ Uberschallstr¨ omungen mit Verdichtungsst¨ oßen vorgestellt. 19.1.1 Auf Charakteristiken basierende Transferoperatoren ¨ Im Uberschall breiten sich Informationen nur in bestimmten, durch die Charakteristiken festgelegten Zonen aus, was einen Gegensatz zu Unterschallstr¨omungen darstellt. Ein einfaches Beispiel hierf¨ ur ist der Mach’sche Kegel. Dieser physikalische Effekt wird bei den isotropen Standard-Restriktions- und -Prolongationstechniken (s. Abschn. 18.5) nicht ber¨ ucksichtigt. Daher liegt es nahe, Transferoperatoren einzuf¨ uhren, die den richtungsm¨aßig eingeschr¨ankten Informationsfluss einbeziehen. Diese sollten so arbeiten, dass bei der Restriktion nur solche Feingitterpunkte zu einem Grobgitterpunkt beitragen, die physikalisch in dessen Einflussbereich liegen. Entsprechendes gilt f¨ ur die Prolongation. Dies entspricht der Physik und unterbindet am Stoß eine unerw¨ unschte, stromauf gerichtete Informationsausbreitung. Man bezeichnet das als charakteristische Restriktion und charakteristische Prolongation. Im Gegensatz zu den Standard-Transfertechniken wird dabei 1. der lokale str¨ omungsmechanische Zustand ber¨ ucksichtigt, 2. ein individueller Transfer der einzelnen Elemente des zu restringierenden oder prolongierenden Vektors vorgenommen. Das ist vor allem bei großen Gleichungssystemen mit einem erh¨ohten Rechenaufwand verbunden. Leclercq und Stoufflet [153] haben diese Technik zur L¨ osung der Euler-Gleichungen auf unstrukturierten Gittern entwickelt
¨ 19.1 Uberschallstr¨ omungen mit Verdichtungsst¨ oßen
333
Abb. 19.2. Charakteristische Restriktion bei voll-Vergr¨ oberung und zellzentriertem FV-Schema. Die Einheitsvektoren dA bis dD geben die Richtungen von den Fein(•) zu den Grobgitter-Zellmittelpunkten (◦) an
und bezeichnen sie als charakteristisches Multigrid-Verfahren (characteristic multigrid). Die prinzipielle Vorgehensweise wird am Beispiel der richtungsabh¨angigen Restriktion im zweidimensionalen Fall f¨ ur eine zellzentrierte FVDiskretisierung erl¨ autert. Charakteristische Restriktion. In Abb. 19.2 sind in einem zweidimensionalen Beispiel vier Feingitterzellmittelpunkte gezeigt (A, B, C, D), die bei der Restriktion Informationen zum Grobgitterpunkt eins liefern k¨onnen. Zur Ber¨ ucksichtigung richtungsabh¨ angiger Einfl¨ usse dienen die vier Einheitsvektoren dA = (dA1 , dA2 ) bis dD = (dD1 , dD2 ), die so definiert sind, dass sie von den Fein- zu den Grobgitterpunkten weisen. Mit ihnen lassen sich die Anteile der konvektiven Fl¨ usse in den jeweiligen Raumrichtungen berechnen. F¨ ur einen Flussvektor in Raumrichtung d gilt Fd = Fk dk mit k = 1, . . . , d (d ist die Dimension des Problems). Die aus Fd hervorgehende (M ×M )-FlussJacobi-Matrix [121, 153] dFd Ad = (19.1) dQ ist ebenfalls eine Funktion des Richtungsvektors d. Deren Eigenwerte geben die Ausbreitungsgeschwindigkeiten von St¨ orungen an. Dabei handelt es sich um die einfachen Eigenwerte λ1 = ud + a und λ2 = ud − a sowie den (M −2)fachen Eigenwert ud. Hier bezeichnet M die Anzahl der Gleichungen und a die Schallgeschwindigkeit. Die Jacobi-Matrix der konvektiven Fl¨ usse Ad ist mit Ad = EΛE−1 . (19.2) diagonalisierbar. Die Diagonalmatrix Λ = diag(λ1 , λ2 , . . . , λM ) geht aus den Eigenwerten von Ad hervor und E, E−1 aus deren Eigenvektoren. Der Diagonalisierungsprozess entkoppelt das Gleichungssystem und damit die einzelnen physikalischen Vorg¨ ange mit ihren spezifischen Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Das l¨ asst sich f¨ ur die Restriktion nutzen [153], wie am Beispiel des Defekts gezeigt werden soll. Geht man zun¨ achst vom Standard-Restriktionsoperator mit skalaren und f¨ ur alle Variablen β = 1, 2, . . . , M gleichen Restriktionsfaktoren rβ =r =1 aus, dann gilt mit der (M ×M )-Diagonalmatrix rα = rα I die zu Gl. (18.42) identische Beziehung
334
19 Praktische Anwendungen
Rk+1 = Ik+1 Rk = k
rkα Rkα ,
(19.3)
α∈Zr
in der lediglich rαk durch die Diagonalmatrix rkα ersetzt wurde. Darin bezeichk net Rkα = (R1 , R2 , . . . , RM )α den Residuumsvektor auf der Gitterstufe k am Feingitterpunkt α. Zr umfasst die Menge der Feingitterpunkte α, die Beitr¨age zum betrachteten Grobgitterpunkt liefern. In Abb. 19.2 sind das f¨ ur den Grobgitterpunkt eins die Feingitterpunkte A bis D. Gleichung (19.3) l¨asst sich mit −1 I = Eα (Eα ) durch Rk = rkα Ekα (Ekα )−1 Rkα (19.4) Rk+1 = Ik+1 k α∈Zr
neutral erweitern. Definiert man mit Rkchar,α = (Ekα )−1 Rkα ein charakteristisches Residuum, so folgt Rk+1 = Ik+1 Rk = Ekα rkα Rkchar,α . (19.5) k α∈Zr
Nun muss daf¨ ur gesorgt werden, dass die Feingitter-Residuumsvektoren Rkchar,α nur dann in die Bildung des Grobgitterresiduums eingehen, wenn ein Informationsfluss vom jeweiligen Fein- zum Grobgitterknoten vorliegt. Hierzu werden &k % die Diagonalmatrizen rkα = diag r1 , r2 , . . . , rM α durch &k % 1 2 M , rchar , . . . , rchar rkchar,α = diag rchar α
(19.6)
β )kα mit β = 1, 2, . . . , M auf der Gitterebene k ersetzt, deren Elemente (rchar f¨ ur einen bestimmten Punkt α=A, B, C, D aus β k : λβ > 0 (r )α /cβ β k (rchar )α ≡ (19.7) 0 : λβ ≤ 0
hervorgehen. Nach dieser Definition wird ein Feingitterwert nur dann zur Bildung eines Grobgitterwerts herangezogen, wenn die Ausbreitungsgeschwindigkeit (der Eigenwert λβ ) in Richtung des Grobgitterpunkts gr¨oßer als null ist. Die Skalierungsfaktoren cβ sind notwendig, um β (rchar )kα = 1 (19.8) α∈Zr
f¨ ur alle β = 1, 2, . . . , M zu gew¨ ahrleisten [153]. Mit dieser Modifikation der Restriktionsfaktoren folgt aus Gl. (19.5) die charakteristische Restriktion k Rk+1 = Ik+1 Ekα rkchar,α Rkchar,α . (19.9) k,char R = α∈Zr
Dieser Rechenschritt erfordert die Multiplikation einer (M ×M )-Matrix mit einer (M ×M )-Diagonalmatrix und einem (M ×1)-Vektor. Bezogen auf das zweidimensionale Beispiel aus Abb. 19.2 bedeutet das, dass
¨ 19.1 Uberschallstr¨ omungen mit Verdichtungsst¨ oßen
335
β 1. jedes der β = 1, 2, . . . , M charakteristischen Residuen (Rchar )kα individuell restringiert wird, β 2. jedes der maximal vier beteiligten charakteristischen Residuen (Rchar )kα der Feingitterpunkte α = A bis D nur dann zur Bildung eines Grobgitterwerts beitr¨ agt, wenn die Ausbreitungsgeschwindigkeit λβ in Richtung des Grobgitterpunkts gr¨ oßer als null ist.
In reibungsfreien Hyperschallstr¨ omungen konnten mit dem charakteristischen Mehrgitterverfahren gute Resultate erzielt werden [153]. Allerdings ist anzumerken, dass die Matrix-Vektor-Multiplikationen sowie die Bildung der notwendigen Matrizen einen hohen Rechenaufwand erfordern. 19.1.2 Vereinfachte Aufwind-Transferoperatoren Der hohe Rechenaufwand der charakteristischen Restriktion und Prolongation wird in erster Linie durch den Wechsel auf charakteristische Gr¨oßen verursacht. Verzichtet man darauf und wendet stattdessen vereinfachte AufwindTransferoperatoren an, so ist der Rechenaufwand vergleichsweise gering. Das heißt, dass wie bei Standard-Transfertechniken die Variablen, Residuen oder Korrekturen restringiert bzw. prolongiert werden. Auch hier besteht jedoch die M¨ oglichkeit, mit individuellen Koeffizienten f¨ ur jede zu u ¨ bertragende Gr¨oße zu arbeiten. Koren und Hemker [148] haben ein solches Aufwind-Restriktions und -Prolongations-Verfahren entwickelt. Untersuchungen an reibungsfreien Hyperschallstr¨ omungen haben vor allem die Notwendigkeit einer AufwindProlongation ergeben. Noch einfacher ist eine Variante, die auf einer einheitlichen Gewichtung aller zu prolongierenden Gr¨oßen beruht [24, 102]. Ausschlaggebende Faktoren sind dabei die Richtung des Geschwindigkeitsvektors ¨ und die Unterscheidung zwischen Unter- und Uberschall. Dieser sehr einfache Ansatz ist nach Erfahrungen des Autors jedoch nicht immer erfolgreich. 19.1.3 Residuumsabh¨ angige Restriktion Ferm und L¨ otstedt [83] f¨ uhren die schlechte Konvergenz von Mehrgittertech¨ niken in Uberschall auf oszillatorische Feingitterfehleranteile in der Umgebung von Verdichtungsst¨ oßen zur¨ uck, die auf dem groben Gitter schlecht repr¨asentiert werden. An Stelle rein geometrischer Restriktionsoperatoren setzen sie eine residuumsabh¨angige Restriktion ein. Die vorgenommenen Modifikationen verschwinden bei glattem Verlauf der Residuen. F¨ ur die untersuchte Modellgleichung sowie f¨ ur einfache Euler-Str¨ omungen konnten mit dieser Technik deutliche Beschleunigungen erzielt werden. Eine Anwendung auf komplexere, dreidimensionale F¨ alle oder die Navier-Stokes-Gleichungen steht noch aus. 19.1.4 D¨ ampfung des restringierten Defekts ¨ Ein einfacher Ansatz zur Mehrgittersimulation von Uberund Hyperschallstr¨ omungen besteht im D¨ampfen des restringierten Defekts. Erste Untersuchungen dazu gehen auf Koren und Hemker [148] zur¨ uck, die relativ aufw¨andig
336
19 Praktische Anwendungen
zu berechnende Matrix-Normen verwendeten (s. auch Abschn. 19.3.2). Kon¨ vergenzprobleme treten bei Mehrgittersimulationen von Uberschallstr¨ omungen in erster Linie an Verdichtungsst¨ oßen auf. Das wird an der untersten Darstellung in Abb. 19.1 auf S. 330 deutlich, wo das Dichte-Residuum einer Eingitterl¨ osung unter nahezu station¨ aren Bedingungen aufgetragen ist. Ein Vergleich mit der in Abb. 19.10 auf S. 344 dargestellten Druckverteilung zeigt, dass das Residuum in direkter Umgebung des Stoßes hochfrequente St¨ orungen aufweist und daher auf gr¨ oberen Gittern nicht dargestellt werden kann. Da das Residuum ansonsten glatt ist, bietet es sich an, Modifikationen der Mehrgittertechnik auf die Umgebung des Stoßes zu begrenzen. Eine lokale Reduktion des restringierten Defekts hat sich als geeignetes Mittel erwiesen [212], um Mehrgitterkonvergenz zu erlangen. Diese Maßnahme ist sowohl bei anliegenden [96, 97, 101] als auch abgehobenen Verdichtungsst¨oßen [99] erfolgreich. Die erforderliche D¨ ampfung ist in der Regel gering, dennoch f¨ ur Konvergenz aber unerl¨ asslich. Lokalisierung von St¨ oßen. Verdichtungsst¨ oße sind auf Grund der mit ihnen verbundenen Druck¨ anderungen relativ einfach zu lokalisieren. Hierzu werden in jedem Gitterpunkt mit νiξ11,i2 = |pi1 +1,i2 − 2pi1 ,i2 + pi1 −1,i2 | χ∗ (|pi1 +1,i2 − pi1 ,i2 | + |pi1 ,i2 − pi1 −1,i2 |) + χ(pi1 +1,i2 + 2pi1 ,i2 + pi1 −1,i2 ) (19.10) normierte Druckgradienten 0 ≤ ν ξk ≤ 1 f¨ ur die einzelnen Raumrichtungen ξj , j = 1, . . . , d gebildet (in Gl. (19.10) f¨ ur den zweidimensionalen Fall in ξ1 ¨ Richtung). Die Parameter 0 ≤ χ ≤ 1 und χ∗ = 1 − χ dienen zum Uberblenden zwischen zwei unterschiedlich sensitiven Sensoren [243, 131]. Um eine Aktivierung durch leichte Druckschwankungen zu vermeiden, sollte χ zwischen 0,1 und eins liegen. Aus den richtungsabh¨ angigen Werten ν ξj wird mit + ,k κki1 ,i2 = max 0, 1 − C k max(νiξ11,i2 , νiξ11−1,i2 , νiξ11+1,i2 , νiξ12,i2 , νiξ12,i2 −1 , νiξ12,i2 +1 ) (19.11) ein richtungsunabh¨ angiger, lokaler Drucksensor 0 ≤ κ ≤ 1 gebildet (hier wieder im zweidimensionalen Fall). C k ist ein vorzugebender, gew¨ohnlich konstanter Parameter. Mit ihm kann das Niveau von κ reguliert und die D¨ampfung an die Stoßst¨ arke und an die unterschiedliche Gitterebenen angepasst werden. In Gebieten mit glattem Druckverlauf gilt κ ≈ 0. Im Allgemeinen sollte κ ≈ 1 nur an senkrechten oder abgehobenen St¨ oßen erreicht werden. Ged¨ ampfte Restriktion. Mit dem Drucksensor κ wird der restringierte Defekt der Stoßst¨ arke entsprechend reduziert. Bei zellzentrierten FV-Verfahren ist hierzu an Stelle von Gl. (18.42) die ged¨ampfter Restriktion
¨ 19.1 Uberschallstr¨ omungen mit Verdichtungsst¨ oßen
337
¨ Abb. 19.3. Schlierenaufnahme einer Uberschallstr¨ omung (oben) und berechnete Druckverteilung (unten). Durch das stumpfe Ende des Zentralk¨ orpers wird Wasserstoff eingeblasen (Gerlinger und Br¨ uggemann [98])
k Rk+1 = Ik+1 k,damp R =
Rkα (1 − κkα )
(19.12)
α∈Zr
zu verwenden. In weiten Bereichen des Str¨ omungsfelds wird so weiterhin mit der vollen Mehrgittertechnik gearbeitet. Dieser D¨ampfungsansatz ist einfach zu implementieren, erfordert minimalen zus¨ atzlichen Rechenaufwand und hat sich numerisch als sehr stabil erwiesen. Hackbusch [115] hat ein Mehrgitterverfahren mit globaler D¨ampfung des restringierten Defekts vorgeschlagen. Der D¨ ampfungsparameter 0 < κ ≤ 1 ist dabei im gesamten Rechengebiet konstant. Um Konvergenzeinbußen zu vermeiden oder zumindest zu verringern, wird die prolongierte Korrektur mit 1/κ multipliziert. Dieses Vorgehen war bei der lokalen D¨ ampfung an Verdichtungsst¨ oßen nicht erfolgreich. ¨ Testfall: Kanalinnenstr¨ omung. Abbildung 19.3 zeigt eine Uberschall-Kanalinnenstr¨ omung (Schlierenaufnahme und berechnete Druckverteilung) mit komplexem Stoßsystem. Die Luft str¨ omt von links nach rechts durch den bei x1 = 0 mm beginnenden, divergenten Teil der D¨ use und wird darin auf Mach zwei entspannt. Bei x1 =95 mm ist ein Zentralk¨orper angebracht, durch dessen stumpfe Hinterkante gasf¨ ormiger Wasserstoff einstr¨omt [102, 98]. Solche In¨ jektoren finden in Uberschallbrennkammern Verwendung. Der Zentralk¨orper l¨ ost Verdichtungsst¨ oße und Verd¨ unnungsf¨ acher aus, die sich durch Reflexion an den W¨ anden stromab fortpflanzen. Solche Stoßsysteme sind mit StandardMehrgitterverfahren nicht berechenbar. Dagegen l¨asst sich dieses Str¨omungsund Mischungsproblem mit der vorgestellte D¨ampfung des restringierten Defekts stabil mit Mehrgitterverfahren simulieren. Neben der D¨ampfung des restringierten Defekts nach Gl. (19.12) waren noch Modifikationen bez¨ uglich der Turbulenzquellterme (s. Abschn. 19.2.1) notwendig. Gerechnet wurde mit einem vollst¨ andigen FAS-V-Zyklus-Mehrgitterverfahren, vier Gitterebenen und voll-Vergr¨ oberung. Als Gl¨ atter diente ein implizites LU-SGS-Verfahren [98]. Neben sehr starken Gitterstreckungen (bis 1 : 10000), St¨oßen, Turbulenz und
338
19 Praktische Anwendungen x2
Ma > 1
δ
R
D x1
Abb. 19.4. Konvergenzverl¨ aufe u ¨ ber der Anzahl an Arbeitseinheiten f¨ ur eine Mach zwei Kanalinnenstr¨ omung (Gerlinger et al. [102])
Abb. 19.5. Abgehobene Kopfwelle in ¨ einer Uberschallstr¨ omung vor einem stumpfen, halbkugelf¨ ormigen K¨ orper
R¨ uckstr¨ omgebieten am Ende des Zentralk¨ orpers treten bei diesem Testfall in der Wasserstoff-Luft-Scherschicht starke Dichtegradienten auf. Die Simulation erfolgte auf einem sehr feinen Rechengitter, das die innerhalb des Zentralk¨ orpers liegende Wasserstoffd¨ use einschließt. Abbildung 19.4 zeigt die Konvergenzverl¨ aufe des normierten Dichte- und √ Turbulenz-Residuums (q = k) u ur ¨ ber der Anzahl an Arbeitseinheiten f¨ Simulationen mit und ohne die Mehrgittertechnik. Eine Arbeitseinheit entspricht der CPU-Zeit einer Feingitteriteration. Trotz der f¨ ur Mehrgitterverfahren ung¨ unstigen Bedingungen reduziert sich die erforderliche CPU-Zeit im Vergleich zur Eingitterrechnung betr¨ achtlich. Bei den Mehrgittersimulationen wurde auf allen Gitterebenen mit einem gleichen und konstanten Parameter C k = C gearbeitet. Da die schr¨ agen Verdichtungsst¨oße auf Grund der relativ geringen Mach-Zahl nur moderate Druck¨ anderungen bewirken, war mit C ≈ 2 ein verh¨ altnism¨ aßig großer Wert notwendig. Die D¨ampfungsfaktoren κ nach Gl. (19.11) sind dennoch relativ klein. So stellt sich im gesamten Rechengebiet f¨ ur κ ein Maximalwert von ¨ • 0,114 beim Ubergang von Gitter eins nach zwei, ¨ • 0,184 beim Ubergang von Gitter zwei nach drei, ¨ • 0,318 beim Ubergang von Gitter drei nach vier ein. Dabei handelt es sich um lokale Spitzen, die nur an wenigen Orten erreicht werden. Abbildung 19.4 veranschaulicht auch die Sensitivit¨at des Konvergenzverlaufs bez¨ uglich der Wahl des D¨ ampfungsparameters C. Solange C u angigen Minimum bleibt (bei C =2 und C =3 ist das der ¨ ber einem fallabh¨ ¨ Fall), wirken sich Anderungen in C (zumindest bei diesem Testfall) nur unwesentlich aus. Ist dieses Minimum dagegen unterschritten (das ist bei C =1 der Fall), so erbringt die Mehrgittertechnik im Vergleich zur Eingitterl¨osung keine Beschleunigung mehr. Im Gegensatz zur Mehrgittersimulation ohne Defektd¨ ampfung bleibt das Verfahren aber stabil.
¨ 19.1 Uberschallstr¨ omungen mit Verdichtungsst¨ oßen
Abb. 19.6. Abstand δ der abgehobenen Kopfwelle vom umstr¨ omten K¨ orper (Gerlinger und Aigner [99])
339
Abb. 19.7. Konvergenzverl¨ aufe u ¨ ber der Anzahl an Arbeitseinheiten f¨ ur abgehobene St¨ oße bei Mach zwei und 8,1 (Gerlinger und Aigner [99])
Testfall: Abgehobene Kopfwelle. Die von Verdichtungsst¨oßen ausgehenden Konvergenzprobleme f¨ ur Mehrgitterverfahren verst¨arken sich im Fall ab¨ gehobener St¨oße, wie sie im Uberund Hyperschall bei der Umstr¨omung stumpfer K¨ orper auftreten. Ein typisches Beispiel ist der Wiedereintritt eines Raumflugk¨ orpers in die Erdatmosph¨ are. Abbildung 19.5 zeigt eine Halbkugel ¨ mit anschließendem Zylinder, die von links mit Uberschall angestr¨omt wird. Vor der Halbkugel bildet sich eine abgehobene Kopfwelle aus, die das Gas komprimiert und dessen Geschwindigkeit nahezu unstetig herabsetzt. Der Abstand δ (auf der Symmetrieachse) zwischen dem senkrechten Verdichtungsstoß und dem K¨ orper verringert sich mit zunehmender Anstr¨om-Mach-Zahl. Abbildung 19.6 zeigt experimentell gemessene und numerisch berechnete δ-Werte f¨ ur Mach-Zahlen zwischen zwei und 8,1 [5, 99]. Die Mach-Zahl-abh¨angige Stoßlage erschwert die Mehrgittersimulation, da die Stoßposition nicht durch geometrische (und damit auf allen Gitterebenen gleiche) Randbedingungen definiert wird, sondern durch str¨ omungsmechanische Vorg¨ange, die von der Gitteraufl¨ osung abh¨ angen. Das kann dazu f¨ uhren, dass die Stoßposition von Gitterebene zu Gitterebene leicht variiert, was bei der Prolongation Fehler hervorruft und unter Umst¨ anden die Konvergenz unterbindet. Die Funkti¨ onsweise der Mehrgittertechnik setzt die Ahnlichkeit der Problemstellungen auf den einzelnen Gitterebenen voraus [148]. Diese l¨asst mit einer gen¨ ugend breiten D¨ ampfung des restringierten Defekts [212, 102] erreichen. F¨ ur den in Abb. 19.5 skizzierten Testfall liegen experimentelle Resultate bei Anstr¨ om-Mach-Zahlen zwischen zwei und 8,1 vor [5]. Abbildung 19.8 zeigt beispielhaft die berechneten Isobaren der Mach f¨ unf Anstr¨omung. Darin ist mit Symbolen (◦) die experimentell ermittelte Stoßlage kenntlich gemacht. F¨ ur alle experimentell untersuchten Mach-Zahlen wurden Ein- und Mehrgittersimulationen mit einem implizites LU-SGS-Verfahren als Gl¨atter durchgef¨ uhrt [96, 102]. Dabei kam ein V-Zyklus mit vier Gitterebenen, vollVergr¨ oberung und D¨ ampfung des restringierten Defekts nach Gl. (19.12) zum
340
19 Praktische Anwendungen
Abb. 19.8. Berechnete Isolinien des Drucks und experimentell ermittelte Lage der Stoßfront, die durch Symbole (◦) gekennzeichnet ist (Gerlinger und Aigner [99])
Abb. 19.9. Von oben nach unten: D¨ ampfungsfaktoren 1 − κ bei der Restriktion von Gitter eins nach zwei, zwei nach drei und drei nach vier (Gerlinger und Aigner [99])
Einsatz. Von den sechs simulierten Anstr¨ om-Mach-Zahlen sind in Abb. 19.7 die Konvergenzverl¨ aufe der F¨ alle mit der niedrigsten und der h¨ochsten MachZahl aufgetragen. Es zeigt sich, dass die Konvergenzbeschleunigung durch das Mehrgitterverfahren mit steigender Anstr¨om-Mach-Zahl zunimmt. Das ist vermutlich auf den abnehmenden Abstand der Kopfwelle von der Halbkugel zur¨ uckzuf¨ uhren. Mit abnehmendem δ geht die Sensitivit¨at der Stoßposition in ¨ Hinblick auf kleine Anderungen im Str¨ omungsfeld zur¨ uck. Damit ist die Position der St¨ oße auf den unterschiedlichen Gitterebenen klarer definiert. Das geht auch aus Abb. 19.6 hervor, in der δ/R (R ist der Radius der Kugel, des Zylinders) als Funktion der Mach-Zahl aufgetragen ist. Da ∂δ/∂Ma mit steigender ¨ Mach-Zahl abnimmt, ziehen geringf¨ ugige Anderungen im Str¨omungsfeld bei h¨ oheren Mach-Zahlen geringere Verschiebungen der Stoßlage nach sich, als bei niedrigen Mach-Zahlen.
19.2 Nichtlineare Quellterme in Turbulenzmodellen
341
Abschließend wird f¨ ur die Mach f¨ unf Anstr¨omung das Ausmaß der Defektd¨ ampfung untersucht. Die drei Darstellungen in Abb. 19.9 zeigen die D¨ ampfung des restringierten Defekts auf den einzelnen Gitterstufen. Aufgetragen ist 1−κ bei der Restriktion von Gitter eins nach zwei (oben), zwei nach drei (Mitte) und drei nach vier (unten). Dieser Parameter ist in Gl. (19.12) f¨ ur die Reduktion des restringierten Defekts verantwortlich. Die Abbildungen verdeutlichen den lokale Charakter dieses Ansatzes.
19.2 Nichtlineare Quellterme in Turbulenzmodellen Die Transportgleichungen von Turbulenzvariablen (k, , q, ω usw.) enthalten stark nichtlineare Quellterme, die bei Mehrgittersimulationen Konvergenzprobleme ausl¨ osen k¨ onnen. Das betrifft vor allem Str¨omungen mit starker Turbulenzproduktion, beispielsweise in Abl¨ ose- und R¨ uckstr¨omgebieten oder in Scherschichten. In der k-Transportgleichung (6.38) stellt P einen solchen Produktionsterm dar. Problematisch sind ferner die meisten Low-ReynoldsNumber-Terme, die in den entsprechenden Turbulenzmodellen die Relaminarisierung im Wandbereich bewerkstelligen (s. Abschn. 6.8). Es lassen sich zwei Arten von Produktionstermen unterscheiden, die gegebenenfalls die Mehrgitterkonvergenz beeintr¨ achtigen: 1. nichtlineare Quellterme, die zu ihrer Modellierung r¨aumliche Gradienten mittlerer Gr¨ oßen erfordern, 2. Quellterme, die ausschließlich mit lokalen Werten gebildet werden, die aber ein stark nichtlineares (meist exponentielles) Verhalten aufweisen. Um Stabilit¨ atsprobleme zu vermeiden, wenden einige Autoren die Mehrgittertechnik nur auf die Str¨ omungs- und nicht auf die Turbulenzgleichungen an. Das hat den Nachteil, dass die Turbulenzvariablen der allgemeinen Entwicklung hinterherhinken und den Konvergenzverlauf verz¨ogern. 19.2.1 Low-Reynolds-Number-q-ω-Turbulenzmodell In diesem Abschnitt wird die Anwendbarkeit der Mehrgittertechnik zur L¨osung der Turbulenzgleichungen am Beispiel des q-ω-Low-Reynolds-Number-Turbu√ lenzmodells (q = k und ω = /k) demonstriert. Dieses Modell geht auf Coakley et al. zur¨ uck [55, 56, 57] und zeichnet sich durch seine hohe numerische Stabilit¨ at aus. Die f¨ ur Mehrgittersimulationen notwendigen Modifikationen sind jedoch nicht auf dieses Turbulenzmodell beschr¨ankt, sondern lassen sich analog auf andere Modelle u ¨ bertragen. Die geschlossenen (modellierten) q- und ω-Transportgleichungen .
∂(ρq) i q) ∂(ρ u µt ∂q ∂ + µ+ − ∂t ∂xi ∂xi σq ∂xi Pq 2D − 1 ρω q , (19.13) = Cq1 Cµ Dq 2 − ω 3 ω
342
19 Praktische Anwendungen
.
∂(ρ u µt ∂ω ∂ ∂(ρω) i ω) + µ+ − ∂t ∂xi ∂xi σω ∂xi Pq D − Cω2 ρω 2 = Cω1 Cµ 2 − Cω3 ω ω
(19.14)
unterscheiden sich in erster Linie in den Low-Reynolds-Number-Termen (hier die von Ret abh¨ angigen Anteile in Dq und Cω1 ) von denen anderer Modelle. Auf den linken Seiten dieser Gleichungen sind Terme zu finden, die f¨ ur die ¨ zeitliche Anderung sowie den konvektiven und diffusiven Transport stehen. Rechts sind alle Produktions- und Vernichtungsterme angeordnet. Ferner steht ≡ ∂ D ui /∂xi f¨ ur die Divergenz des mittleren Geschwindigkeitsfelds und
2 ∂ uj ∂ 2 ∂ ui ui ∂ ui Pq ≡ + − (19.15) ∂xj ∂xi ∂xj 3 ∂xi f¨ ur den Hauptproduktionsterm der Turbulenzvariablen. Beim q-ω-Modell wird die Relaminarisierung im Wandbereich durch die Wandfunktionen Dq ≡ 1 − exp(−Cqω Ret )
und
Cω1 ≡ 0, 5Dq + 0, 055
(19.16)
gesteuert. Diese h¨ angen von der Turbulenz-Reynolds-Zahl Ret ≡
ρq yp µ
(19.17)
ab, die als notwendiges L¨ angenmaß den Abstand yp einer Zelle zur n¨achstgelegenen Wand verwendet. F¨ ur Ret 1 liegt eine vollturbulente Str¨omung mit Dq ≈ 1 und Cω1 ≈ 0, 555 vor. Bei allen u ¨ brigen Modellparametern (Cq1 , Cµ , Cω2 , Cω3 und Cqω ) handelt es sich um Konstanten [57]. Bei starker Turbulenzproduktion versagen Standard-Mehrgitterverfahren bei der L¨osung dieses Turbulenzgleichungssystems. Die Ursache ist in Pq und Dq auszumachen. Produktionsterme auf Basis r¨ aumlicher Gradienten. Der nichtlineare Quellterm Pq ist maßgeblich f¨ ur die Turbulenzproduktion verantwortlich. Nach Gl. (19.15) nimmt er hohe Werte an, wenn starke Gradienten in den mittleren Geschwindigkeitskomponenten auftreten (z.B. in R¨ uckstr¨omgebieten, Scherschichten, bei Wandeinblasungen oder bei Grenzschichtabl¨osung). Ferner ist offensichtlich, dass die f¨ ur den gleichen Ort mit diskreten Gitterwerten berechneten Gradienten (z.B. ∂ u i /∂xj ) auf den unterschiedlichen Gitterebenen stark differieren k¨ onnen. Gew¨ ohnlich wird f¨ ur solche Ableitungen eine zentrale Diskretisierung verwendet, die von zweiter Ordnung genau ist. ¨ Die Verdoppelung von ∆x beim Ubergang auf ein gr¨oberes Gitter kann entsprechend große Unterschiede zwischen Pqk und Pqk+1 bewirken. Damit ist die ¨ Ahnlichkeit der Problemstellungen nicht mehr gew¨ahrleistet, was zum Versagen der Mehrgittertechnik f¨ uhren kann [96, 97]. Das l¨asst sich vermeiden, indem Pq nur auf dem feinsten Gitter berechnet wird. Auf allen groben Gittern (k > 1) ist dann mit eingefrorenen Produktionstermen zu arbeiten, die
19.2 Nichtlineare Quellterme in Turbulenzmodellen
343
durch Restriktion aus den Werten der darunter liegenden Gitterebenen hervorgehen. F¨ ur den Transfer des Produktionsterms auf gr¨obere Gitter wird mit k+1 Pqk+1 = I k Pqk (19.18) der Restriktionsoperator nach Gl. (18.40) genutzt. Dieser Ansatz hat sich selbst in schwierigen F¨ allen als sehr stabil erwiesen. So wurden damit turbulente Grenzschichten [97], r¨ uckw¨ artige Stufen [97], Rampenstr¨omungen mit und ohne Abl¨ osung [96], Scherschichten [101] und komplexe Kanalinnenstr¨ omungen [102, 98] erfolgreich berechnet. Obwohl die Konvergenzprobleme der Mehrgittertechnik in erster Linie von Pq ausgehen, wurde in den meisten der genannten Ver¨ offentlichungen die Divergenz des Geschwindigkeits in gleicher Weise behandelt. Das ist jedoch nicht zwingend erforderfelds D lich. Liu und Zheng [159] haben bei Mehrgittersimulationen mit einem k-ωTurbulenzmodell ein ¨ ahnliches Vorgehen gew¨ahlt. Produktionsterme auf Basis von Exponentialfunktionen. Exponentialfunktionen werden in Low-Reynolds-Number-Turbulenzmodellen zur Modellierung der wandnahen Bereiche verwendet. Beim q-ω-Modell dient dazu die D¨ ampfungsfunktion Dq nach Gl. (19.16). F¨ ur Mehrgittersimulationen sind diese rein lokalen Terme (es gehen keine Gradienten ein) auf Grund ih¨ rer starken Nichtlinearit¨ at problematisch. Hier besteht eine Ahnlichkeit zu den chemischen Quelltermen. In Wandn¨ ahe kommt es auf Grund der starken ¨ Anderungen in q und yp (unter Umst¨ anden auch in µ und ρ) zu starken Gradienten in Ret , die sich durch den Exponentialterm bei Dq weiter verst¨arkten. Entsprechen k¨ onnen in Dq (bei Berechnung auf allen Gitterebenen) große Unterschiede zwischen dem Mittel der Feingitterwerte und dem entsprechenden Grobgitterwert auftreten. Das kann die Divergenz der Mehrgittersimulation ausl¨ osen. Auch dieses Problem l¨ asst sich dadurch beheben, dass man Dq nur auf dem feinsten Gitter berechnet und die Grobgitterwerte mit k+1
Dqk+1 = I k
Dqk
(19.19)
durch Restriktion aus den Feingitterwerten bestimmt [96, 97]. Zusammenfassung: Mehrgittersimulationen mit Low-Reynolds-Number Turbulenzmodellen lassen sich mit folgenden Maßnahmen stabilisieren: 1. Die Turbulenzgleichungen werden auf dem feinsten Gitter normal gel¨ost, 2. stark nichtlineare Produktionsterme und exponentielle Wandfunktionsterme werden nur auf dem feinsten Gitter berechnet, auf gr¨obere Gitter restringiert und dort als eingefroren behandelt, 3. mit Ausnahme der eingefroren Terme werden die Turbulenzgleichungen auf den groben Gittern wie u ost. Unter Umst¨anden erfordert das ¨ blich gel¨ bei impliziten Verfahren geringf¨ ugige Modifikationen in den Eintr¨agen der Quellterm-Jacobi-Matrix der Turbulenzvariablen.
344
19 Praktische Anwendungen
q (m/s)
p (bar)
Abb. 19.10. Berechnete Verteilungen der Turbulenzvariable q (oben) und des Drucks (unten) (Gerlinger und Br¨ uggemann [97])
¨ Die beschriebenen Anderungen sind schnell in jedes Standard-Mehrgitterverfahren zu implementieren. Da die Koppelung der Turbulenzvariablen mit den eingefrorenen Termen Pq und Dq nicht sonderlich stark ist, gen¨ ugt das zur Stabilisierung der Mehrgittersimulation. In Abschn. 19.3 wird sich bei den chemischen Quelltermen zeigen, dass deren wesentlich st¨arkere Koppelung mit den Str¨ omungsgr¨ oßen solch ein Einfrieren nicht zul¨asst. Testfall: Str¨ omung u uckw¨ artsgerichtete Stufe. Die Funkti¨ber eine r¨ onst¨ uchtigkeit der beschriebenen Maßnahmen zur Mehrgittersimulation turbulenter Str¨ omungen hat sich bereits in Abschn. 19.1.4 an dem dort untersuchten Fall einer Kanalstr¨ omung gezeigt. Als weiteres Beispiel wird eine ¨ inerte, turbulente Uberschallstr¨ omung u uckw¨arts gerichtete Stufe ¨ ber eine r¨ betrachtet, die experimentell von McDaniels et al. [175] vermessen wurde. Abbildung 19.10 zeigt oben die berechnete Verteilung der Turbulenzvariable √ q = k (f¨ ur einen Ausschnitt) und unten den berechneten Druckverlauf im gesamten Simulationsgebiet. Es handelt sich um einen ebenen Kanal, der von links nach rechts durchstr¨ omt wird. Die Einstr¨om-Mach-Zahl betr¨agt zwei. An der Stufe bildet sich ein Verd¨ unnungsf¨ acher aus, dem mit dem Wiederanlegen der Str¨ omung ein Verdichtungsstoß folgt. Durch die damit verbundenen Umlenkungen kommt es zu einer starken Turbulenzproduktion, die Maximalwerte in q von u ¨ber 100 m/s bewirkt. In Abb. 19.11 und 19.12 sind Profile des Drucks und der u1 -Geschwindigkeitskomponente an vier x1 -Positionen (in
19.2 Nichtlineare Quellterme in Turbulenzmodellen
Abb. 19.11. Normierte Druckprofile u ohe bei x1 =3,1, 8,8, ¨ ber der Kanalh¨ 12,7 und 24,4 mm (— Rechnung,
LIIF, ◦ PLIIF) (Gerlinger und Br¨ uggemann [97])
345
Abb. 19.12. Normierte Geschwindigkeitsprofile u ohe bei ¨ ber der Kanalh¨ x1 =3,1, 8,8, 12,7 und 24,4 mm (— Rechnung,
LIIF, ◦ PLIIF, LDA) (Gerlinger und Br¨ uggemann [97])
Hauptstr¨ omungsrichtung) u ohe (x2 ) aufgetragen. Die durchge¨ ber der Kanalh¨ zogenen Linien sind Resultate der Simulation [97], die Symbole experimentelle Ergebnisse unterschiedlicher Messtechniken [175]. Es besteht eine sehr gute ¨ Ubereinstimmung zwischen Rechnung und Experiment. Ohne Modifikation der Grobgitter-Turbulenzquellterme und ohne D¨ampfung des restringierten Defekts am Stoß war bei diesem Testfall keine Mehrgitterkonvergenz m¨ oglich. In Abb. 19.13 und 19.14 sind Konvergenzverl¨aufe f¨ ur Simulationen mit und ohne die Mehrgittertechnik gezeigt. Darin sind die Dichte- und Turbulenz-Residuen u ¨ ber der Anzahl an Mehrgitterzyklen bzw. der Anzahl an Arbeitseinheiten aufgetragen. Die Simulationen erfolgten mit einem V-Zyklus, voll-Vergr¨ oberung, Start auf dem feinsten Gitter und f¨ unf Gitterebenen. Als Gl¨ atter diente ein implizites LU-SGS-Verfahren [97]. Jeder Mehrgitterzyklus besteht aus einer Iteration auf dem feinsten Gitter und zwei Iterationen auf allen gr¨ oberen Gittern (V2). Da alle Gleichungen mit
Abb. 19.13. Konvergenzverl¨ aufe u ¨ ber der Anzahl an Mehrgitterzyklen. Str¨ omung u uckw¨ artsgerichtete ¨ ber eine r¨ Stufe (Gerlinger und Br¨ uggemann [97])
Abb. 19.14. Konvergenzverl¨ aufe u ¨ ber der Anzahl an Arbeitseinheiten. Str¨ omung u uckw¨ artsgerichtete ¨ ber eine r¨ Stufe (Gerlinger und Br¨ uggemann [97])
346
19 Praktische Anwendungen
dem Mehrgitterverfahren gel¨ ost wurden, ergibt sich f¨ ur das Dichte- und qResiduum ein sehr ¨ ahnlicher Konvergenzverlauf. Der relativ hohe Rechenzeitbedarf pro Mehrgitterzyklus ist auf die Nutzung eines Vektorrechners zur¨ uckzuf¨ uhren. Auf den groben Gittern f¨ uhren k¨ urzere Vektorl¨angen zu einem u ¨ berproportional ansteigenden Rechenzeitbedarf.
19.3 Chemische Quellterme Bisher liegen nur relativ wenige Ver¨ offentlichungen zu Mehrgitter-Verbrennungssimulationen vor (insbesondere mit detaillierter chemischer Kinetik). Das liegt in erster Linie an den Stabilit¨ atsproblemen solcher Rechnungen. Andererseits besteht gerade in der Verbrennung ein großer Bedarf an schnellen numerischen Verfahren, da das L¨ osen der zahlreicher Komponentengleichungen mit langen Rechenzeiten einhergeht. Im Allgemeinen nimmt bei Verbrennung die Instabilit¨ at des Mehrgitterverfahrens mit der Zahl an Gitterebenen zu. Da Zweigitterverfahren selbst mit detaillierter Chemie oft noch numerisch stabil sind und akzeptable Konvergenzbeschleunigungen erzielen [222], bietet sich zumindest deren Nutzung an. Der Erfolg von Mehrgitter-Verbrennungssimulationen h¨angt vom Rechengitter, von der Nichtlinearit¨ at der Quellterme (der Steifigkeit des Gleichungssystems), der Art der Verbrennung (Diffusions- oder Vormischflamme) sowie vom Brennstoff und dem verwendeten Reaktionsschema ab. Die ,,relativ” unproblematische Kinetik bei dissoziierender Luft erm¨oglicht unter Umst¨anden bereits mit Standard-Mehrgittertechniken Konvergenz [229, 74]. Allerdings ist auch das nicht immer der Fall [146]. Ferner spielen die Startwerte eine wesentliche Rolle. Aus diesem Grund sollten bei Verbrennungssimulationen vollst¨andige Mehrgitterverfahren genutzt werden, die auf den einzelnen Gitterstufen gute Anfangsverteilungen bereitstellen. Die Simulation der Verbrennung von Wasserstoff-, Methan- oder komplexeren Kohlenwasserstoffen mit Mehrgitterverfahren (K > 2) ist nur mit stabilisierenden Maßnahmen m¨ oglich. Gew¨ ohnlich tritt bei Verbrennungssimulationen mit Standard-Mehrgitterverfahren selbst dann Divergenz auf, wenn die auskonvergierte L¨ osung als Startverteilung vorgegeben wird. Die meisten bisher publizierten Stabilisierungsmaßnahmen beruhen auf D¨ampfungen bei der Restriktion und/oder Prolongation, was den Einfluss der Grobgitterkorrektur herabsetzt. Edwards [75, 76] verwendet eine globale D¨ampfung des restringierten Defekts mit einem konstanten D¨ ampfungsfaktor. Bei den u ¨ blicherweise d¨ unnen Flammen reduziert diese Technik das Beschleunigungspotential der Mehrgittertechnik unn¨ otig stark. Stattdessen bietet sich eine lokale D¨ampfung an, wie sie in Abschn. 19.1.4 an Verdichtungsst¨oßen eingesetzt wurde. Mit einer lokalen D¨ ampfung in Verbrennungszonen sind von Gerlinger et al. [101] Wasserstoff- und Methanflammen erfolgreich mit vier Gitterebenen simuliert worden. In [103] kam die Mehrgittertechnik dar¨ uber hinaus auch zur L¨osung der Varianzgleichungen eines assumed-PDF-Ansatzes zum Einsatz.
19.3 Chemische Quellterme
347
Probleme bei Mehrgitter-Verbrennungssimulationen. Bei Verbrennung kann eine Reihe von Problemen auftreten, die die Funktionsweise der Mehrgittertechnik beeintr¨ achtigen oder dieser sogar widersprechen. Ursache ist immer die sehr starke Nichtlinearit¨at und der r¨aumlich lokale Charakter der chemischen Umsatzraten. Einige grundlegende Schwierigkeiten lassen sich ¨ an Hand einfacher Uberlegungen veranschaulichen: 1. Gegeben sei eine Verbrennungszone mit starken Temperaturgradienten nahe der Z¨ undtemperatur. In diesem Fall kann die mittlere Temperatur eines Grobgittervolumens unterhalb der Z¨ undtemperatur liegen (keine Verbrennung), w¨ ahrend in einigen Feingittervolumen Verbrennung stattfindet. 2. Stellt man sich eine Scherschicht aus Brennstoff und Oxidator vor, bei der die beiden Bestandteile auf dem feinsten Gitter getrennt vorliegen, so kommt es zu keiner Verbrennung. Bei ung¨ unstiger Grobgitterbildung liegen die beiden Komponenten auf den gr¨ oberen Gittern gemischt vor, und es finden chemische Reaktionen statt. 3. Bei einer abgehobene Flamme wird der Z¨ undort durch reaktionskinetische Vorg¨ ange bestimmt. Es ist leicht vorstellbar, dass die Nichtlinearit¨at der Chemie auf unterschiedlich feinen Gittern (oberhalb einer gitterunabh¨angigen L¨ osung) unterschiedliche Z¨ undverzugszeiten bewirkt. Das kann auf den einzelnen Gitterstufen zu lokal versetzten Z¨ undpositionen und damit zur Divergenz des Mehrgitterverfahrens f¨ uhren. 4. Die Funktionsweise der Mehrgittertechnik beruht auf der effizienten D¨ampfung aller r¨ aumlichen Fehleranteile. Verbrennung ist jedoch ein lokaler Vorgang. Stellt man sich ein mehrdimensionales Problem vor, bei dem die lokalen Produktionsterme immer mehr die L¨osung bestimmen (der Grenzfall w¨ are ein homogener Reaktor), dann nimmt in gleicher Weise das Beschleunigungspotential der Mehrgittertechnik ab. 5. Bei sehr d¨ unnen, sich nur u ¨ ber wenige Gitterpunkte erstreckenden Flammen stellt sich die Frage, ob der Feingitterfehler u ¨ berhaupt auf einem groben Gitter dargestellt werden kann. Trotz der genannten Schwierigkeiten lassen sich Mehrgitterverfahren auch bei Verbrennung mit detaillierter Kinetik nutzen. Die bisher entwickelten Techniken sind allerdings u ¨berwiegend empirischer Natur. Mathematisch fundierte Untersuchungen zu diesem Themengebiet fehlen noch weitgehend. M¨ogliche Ursachen f¨ ur das Versagen von Mehrgitter-Verbrennungssimulationen werden in den Abschn. 19.3.1 bis 19.3.3 noch detaillierter behandelt. In Abschn. 19.3.4 und 19.3.5 folgen dann relativ einfache Maßnahmen, die zur Stabilisierung von Mehrgitterverfahren dienen. 19.3.1 Zeitschrittbeschr¨ ankung aus der Chemie Die Konvergenzbeschleunigung der Mehrgittertechnik beruht bei Zeitintegrationsverfahren unter anderem auf der Nutzung gr¨oßerer Zeitschritte auf den gr¨ oberen Rechengittern. W¨ ahlt man beispielsweise im gesamten Rechengebiet
348
19 Praktische Anwendungen
und auf allen Gitterstufen eine konstante CFL-Zahl, so geht eine zunehmende Gitterweite mit einem mindestens linear anwachsenden Zeitschritt einher, wenn der Zeitschritt ausschließlich aus dem konvektiven und diffusiven Transport ermittelt wird. Ohne Verbrennung bleibt die Stabilit¨at des numerischen Verfahrens damit auf allen Gitterebenen gewahrt. Verbrennung ist dagegen ein lokaler Prozess und etwaige, von ihr ausgehende Begrenzungen des Zeitschritts sind von der Gitterweite unabh¨ angig. Dies kann zur Folge haben, dass Zeitschrittbeschr¨ ankungen aus der Chemie auf feinen Gittern eingehalten werden, auf gr¨ oberen dagegen nicht. Aus diesem Grund sollte man uneingeschr¨ ankt stabile implizite oder semi-implizite Verfahren verwenden, um den Vorteil großen Zeitschrittweiten nutzen zu k¨ onnen. F¨ ur Stabilit¨at hinreichend ist das jedoch nicht. Wie Abschn. 15.6 gezeigt hat, k¨onnen positive Eigenwerte der Quellterm-Jacobi-Matrix (selbst bei A-stabilen Verfahren) die Konvergenz beeintr¨ achtigen. Gegebenenfalls sind dann Zeitschrittverk¨ urzungen notwen¨ dig. Der Ubergang auf ein grobes Gitter bewirkt das Gegenteil und kann so die Divergenz des Verfahrens ausl¨ osen. Ferner tritt bei semi-impliziten Verfahren ein Linearisierungsfehler beim chemischen Quellterm auf, der gew¨ohnlich O(∆t) ist und entsprechend auf gr¨ oberen Gittern zunimmt. 19.3.2 Differenzen zwischen dem Fein- und Grobgitterproblem Wie bei den Turbulenzgleichungen kann der lokale chemische Quellterm die ¨ notwendige Ahnlichkeit der diskreten Problemstellungen auf den einzelnen Gitterebenen gef¨ ahrden [148, 112]. Grobgitterquellterme die mit linear restringierten Variablen berechnet werden, unterscheiden sich auf Grund ihrer Nichtlinearit¨ at m¨ oglicherweise stark von den entsprechenden Feingitterwerten. Dazu tragen nicht zuletzt auch die sehr schmalen Reaktionszonen von Diffusionsflammen mit ihren ausgepr¨ agten Temperatur- und Massenanteilsgradienten bei. Ferner wirkt sich bei Mehrgittersimulationen die sehr starke Koppelung der chemischen Quellterme mit dem Variablenvektor negativ ¨ aus. Selbst kleinste Anderungen der Gaszusammensetzung k¨onnen gravieren¨ de Anderungen des Quellterms hervorrufen. Dies stellt einen Gegensatz zu Turbulenzmodellen dar, deren Quellterme sich vergleichsweise gutm¨ utig verhalten. Aus diesem Grund f¨ uhrt ein vollst¨ andiges oder teilweises Einfrieren der Quellterme und ihrer Jacobi-Matrizen bei Verbrennung gew¨ohnlich nicht zum Erfolg [101]. Anf¨ allig f¨ ur Differenzen zwischen dem Grob- und den Feingitterproblem sind insbesondere abgehobene Flammen, bei denen die reaktionskinetischen Vorg¨ ange die Z¨ undposition bestimmen. Vereinfachte Analyse der Grobgitterkorrektur. Die folgende Analyse basiert auf einer Untersuchung von Koren und Hemker [148], die hier auf Mehrgitter-Verbrennungssimulationen angewandt wird. Gegeben sei ein beliebiger semi-impliziter Ansatz, der bei L¨ osung der Verbrennungsgleichungen auf das linearisierte Gleichungssystem
19.3 Chemische Quellterme
H ∆Q =
I +W ∆t
349
∆Q = R
(19.20)
¨ f¨ uhrt. Darin steht I f¨ ur die Einheitsmatrix, ∆Q f¨ ur die Anderung des VaT riablenvektors Q = (Q1 , Q2 , . . . , QM ) und R = (R1 , R2 , . . . , RM )T f¨ ur den Residuumsvektor. Die Operatoren H und W folgen aus der Linearisierung und beinhalten die entsprechenden Jacobi-Matrizen, metrischen Gr¨oßen und gegebenenfalls die f¨ ur Mehrschrittverfahren ben¨otigten Verfahrenskoeffizienten. Zur Konvergenzbeschleunigung dient das FAS-Mehrgitterverfahren aus Abb. 18.18, wobei in der folgenden Analyse mit zwei Gitterebenen und einer Iteration auf dem groben Gitter gearbeitet wird. Auf dem zweiten Gitter ist das Problem H H h HH ∆QH = VH = DH RH 0 = D Ih R
(19.21)
ur das neu berechnete und auf das grozu l¨ osen. Darin steht Rh = R(Qh ) f¨ be Gitter zu restringierende Feingitterresiduum und bei DH handelt es sich um eine (M ×M )-D¨ ampfungsmatrix f¨ ur den restringierten Defekt [115, 148]. Deren Einfluss soll untersucht werden. Gew¨ ohnlich werden mit D = D I (I ist eine (M ×M )-Diagonalmatrix und D mit 0 < D ≤ 1 ein skalarer Faktor) alle Variablen gleich ged¨ ampft. M¨ oglich w¨ aren aber auch Diagonalmatrizen mit unterschiedlichen Elementen. Da bei Verbrennung vor allem die Residuen der Komponentengleichungen zu d¨ ampfen sind, k¨onnte bei den verbleibenden Gleichungen ohne D¨ ampfung gearbeitet werden. In Hinblick auf den r¨aumlichen Einsatz ist zwischen einer globalen D¨ampfung (D ist im gesamten Rechengebiet konstant) und einer lokalen D¨ampfung (D kann von Gitterpunkt zu Gitterpunkt variieren) zu unterscheiden. F¨ ur die weiteren Untersuchungen ist das zun¨ achst nicht von Belang. Das Feingitterresiduum l¨asst sich mit Hilfe der exakten, diskreten L¨ osung Qhex unter %Vernachl¨assigung der Terme zwei& ter Ordnung und h¨ oher mit Rh ≈ H(Qh ) Qhex − Qh linearisieren. Das setzt voraus, dass man sich bereits nahe genug an der exakten L¨osung befindet. Eingesetzt in Gl. (19.21) folgt f¨ ur das Grobgitterproblem $ # % H & $−1 H H % h & # h QH − QH Q − Qhex , D Ih H Q 0 = − H Q0
(19.22)
¯H h wobei QH 0 = Ih Q den mit den Feingitterwerten initialisierten Grobgittervariablenvektor bezeichnet und ein hochgestellter Index −1 bei einem in Klammern stehenden Term dessen Invertierung angibt. Nach Prolongation der Korrektur QH − QH aß ∆Qhp = IhH (QH − QH 0 gem¨ 0 ), Aktualisierung der Feingith terl¨ osung durch Qneu = Qh + ∆Qhp und Erweiterung der beiden Seiten von Gl. (19.22) mit der exakten L¨ osung folgt B # % & $−1 H H % h &" % h & Qhneu − Qhex = Ih − IhH H QH Q − Qhex . D Ih H Q 0 (19.23) Hier ist zu beachten, dass es sich bei Ih um den Einheitsoperator auf dem feinen Gitter handelt und nicht um einen Transferoperator. Gleichung (19.23)
350
19 Praktische Anwendungen
¨ gibt die Anderung der Feingitterl¨ osung durch einen Grobgitterkorrekturschritt an. Setzt man % h & h # % H &$−1 IH IH H Q0 = IH (19.24) h H Q als zu erf¨ ullende Beziehung zwischen den Fein- und Grobgitteroperatoren voraus, dann folgt aus Gl. (19.22) & # $ & % h& % h % h& % h IH Qneu − Qhex = IH − DH IH Q − Qhex , (19.25) h H Q h H Q woraus hervorgeht, dass sich unter den genannten Bedingungen f¨ ur DH = IH die besten Konvergenzraten ergeben. Das entspricht einem Zweigitterverfahren ohne D¨ ampfung. Voraussetzung ist neben der G¨ ultigkeit der Linearisierungen die Erf¨ ullung von Gl. (19.24), die umgeformt mit & % h& h % IH IH = H QH (19.26) h H Q 0 ¨ eine Bedingung f¨ ur die Ahnlichkeit der Grob- und Feingitteroperatoren H darstellt. Der Verzicht auf D¨ ampfung ist dann angeraten, wenn diese Beziehung zumindest n¨ aherungsweise erf¨ ullt ist. Gerade bei chemisch reagierenden Fluiden ist das meist nicht der Fall. D¨ ampfung kann dann eine Stabilisierung der Mehrgittersimulation bewirken. Obwohl H von allen linearisierten Termen beeinflusst wird, sind es vor allem die stark nichtlinearen chemischen Quellterme die Probleme verursachen. In den Abschn. 19.3.4 und 19.3.5 werden D¨ ampfungsans¨ atze f¨ ur Mehrgitter-Verbrennungssimulationen vorgestellt. 19.3.3 Fehler ist auf dem groben Gitter nicht darstellbar Bei Diffusionsflammen findet die Verbrennung in sehr d¨ unnen Reaktionszonen statt, die gew¨ ohnlich nur einen kleinen Teil des Rechengebiets ausmachen. Dar¨ uber hinaus sind die Grenzen zwischen inertem und chemisch reagierenden Fluid meist sehr scharf. Zu diesen physikalischen Gegebenheiten kommt von mathematischer Seite, dass sich das D¨ ampfungsverhalten des Gl¨atters durch einen Quellterm oft drastisch ¨ andert, wie die Eingitter-Fourier-Analysen aus Abschn. 17.4.2 zeigen. Somit k¨ onnen bei Verbrennung zwei f¨ ur Mehrgitterverfahren ung¨ unstige Faktoren zusammenkommen: 1. d¨ unne Verbrennungszonen, die mit relativ wenigen Gitterpunkten aufgel¨ost werden m¨ ussen und die im voraus schwer zu lokalisieren sind, 2. stark unterschiedliche D¨ampfungseigenschaften des Gl¨atters in Gebieten mit und ohne Verbrennung. Die Auswirkungen dieser beiden Punkte soll ein Beispiel verdeutlichen. Gegeben sei die eindimensionale Modellgleichung der Variable u(x) mit u ∈ R ∂u ∂u cx : 0 ≤ x ≤ 0, 5 +a = s : s = (19.27) c(1 − x) : 0, 5 < x ≤ 1 ∂t ∂x mit x ∈ [0, 1], ∆x = 1/N , N = 64, c < 0 und u(x=0) = 0,9. Die L¨osung dieses Problems erfolgt durch ein explizites Euler-Verfahren mit impliziter
19.3 Chemische Quellterme
Abb. 19.15. Konvergenzverl¨ aufe von Ein- und Mehrgittersimulationen bei der L¨ osung von Gl. (19.27) mit a =1 und c =− 0,1
351
Abb. 19.16. Konvergenzverl¨ aufe des modifizierten Mehrgitterverfahrens bei der L¨ osung von Gl. (19.27) mit a= 1 und c=− 0,1
Quelltermdiskretisierung. F¨ ur CFL = 0,1 ist dieses Verfahren numerisch stabil, wobei sich in Abh¨ angigkeit von c unterschiedliche Konvergenzraten einstellen. Die mit s = s(c, x) gew¨ ahlte Abh¨ angigkeit des Quellterms von der Ortskoordinate x soll das lokale Auftreten chemischer Quellterme in der Verbrennungszone approximieren. Mehrgittersimulationen dieser Modellgleichung sind f¨ ur die meisten Kombinationen der Parameter a und c numerisch stabil und erbringen gegen¨ uber Eingittersimulationen deutliche Konvergenzbeschleunigungen. Das gilt allerdings nicht f¨ ur alle Parameterkombinationen. Bei einer ung¨ unstigen Wahl von a und c versagt das Mehrgitterverfahren ab einer gewissen Zahl an Gitterebenen. F¨ ur a=1 und c=− 0,1 ist das unabh¨angig von der CFL-Zahl bei mehr als drei Gitterebenen der Fall. Abbildung 19.15 zeigt Konvergenzverl¨aufe f¨ ur diese Parameterwahl, die mit einem Mehrgitterverfahren, V-Zyklus und voll-Vergr¨ oberung erzielt wurden. Obwohl das Mehrgitterverfahren mit drei Gitterebenen noch konvergiert, geht die Konvergenzrate im Vergleich zum Zweigitterverfahren bereits deutlich zur¨ uck. Mit vier und f¨ unf Ebenen ist keine Konvergenz mehr m¨ oglich. Stattdessen schwingt die numerische L¨osung auf Grund fehlerhafter Grobgitterkorrekturen um die exakte L¨osung, was in Abb. 19.17 gezeigt wird. Dort sind neben der gesuchten station¨aren L¨osung (dick gezeichnet) einige tempor¨ are L¨ osungen (d¨ unn gezeichnet) des Viergitterverfahrens nach 1001 bis 1004 Iterationen aufgetragen (auf dem feinsten Gitter). Die erkennbaren Schwingungen um die station¨are L¨osung verhindern die Konvergenz des Mehrgitterverfahrens. Selbst mit einer Verk¨ urzung des Zeitschritts lassen sich diese Schwingungen nicht beseitigen. Die Ursache hierf¨ ur sind fehlerhaften Grobgitterkorrekturen. In Abb. 19.18 sind die Verl¨aufe der Residuen auf den einzelnen Gitterebenen nach 1000 Iterationen dargestellt. Die in der L¨ osung auftretende Schwingung spiegelt sich auch im Feingitterresiduum wider. W¨ ahrend dieses auf der zweiten und dritten Gitterstufe noch relativ
352
19 Praktische Anwendungen
Abb. 19.17. Exakte L¨ osung (dick) und Schwingungen (d¨ unn) der Viergitterl¨ osung nach 1001 − 1004 Iterationen
Abb. 19.18. Residuum auf unterschiedlichen Gitterebenen nach 1000 Iterationen
genau approximiert wird, ist das auf den Gittern vier und f¨ unf nicht mehr der Fall. Die Darstellbarkeit des Residuums (bzw. des Fehlers) auf einem groben Gitter ist jedoch eine Voraussetzung f¨ ur den Erfolg der Mehrgittersimulation. Entsprechend bewirken bei diesem Testfall die von den groben Gittern stammenden Korrekturen an Stelle einer Verbesserung eine Verschlechterung der L¨ osung. Solche Situationen d¨ urften in der Verbrennung h¨aufig anzutreffen sein. Abhilfe ist m¨ oglich, indem bei schlechter Approximation des Feingitterresiduums das Grobgitterresiduum ausgeblendet wird (s. Abschn. 19.3.5). Den Erfolg dieser Maßnahme zeigt Abb. 19.16. 19.3.4 Lokales D¨ ampfen des restringierten Defekts Mehrgitter-Verbrennungssimulationen lassen sich durch ein lokales D¨ampfen des restringierten Defekts in Gebieten mit hoher chemischer Aktivit¨at stabilisieren. In einigen F¨ allen kann dar¨ uber hinaus noch eine Reduzierung der CFL-Zahl in den gleichen Regionen notwendig sein. Ged¨ ampfte Restriktion. Um den zu restringierenden Defekt in Verbrennungszonen zu reduzieren, werden die entsprechenden Gebiete mit ⎛ ⎞a Nk k |S | 1 β ⎠ γk = Bk ⎝ (19.28) k Nk S + β=1 β,max r¨ aumlich lokalisiert. Hierzu dienen die Betr¨ age der Produktionsterme der einzelnen Komponenten Sβ , die mit Sβ,max ≥ 0 normiert werden. Als Normierungswert bietet sich der betragsm¨ aßig gr¨ oßte Quellterm der Komponente β aus allen Zellen einer Gitterebene k an. ist ein kleiner Wert, der Division durch null vermeiden soll und bei B k und a handelt es sich um vorzugebende
19.3 Chemische Quellterme
353
Konstanten. Der Vorteil dieses Sensors liegt darin, dass normierte Quellterme aller Gaskomponenten eingehen. Ferner l¨asst sich der Verlauf von γ mit einem Exponenten a ≈ 0, 3 relativ glatt halten. Mit Hilfe von γ ∈ [0, 1] wird der restringierte Defekt der Verbrennungsintensit¨at entsprechend ged¨ampft. Dazu dient der modifizierte Restriktionsoperator $ # k+1 Rk+1 = Ik,chem (19.29) Rk = Rkα max 0, 1 − γαk , α∈Zr
der hier in einer Version f¨ ur zellzentrierte FV-Verfahren angegeben ist. Treten zus¨ atzlich Verdichtungsst¨ oße auf, so muss die D¨ampfung gegebenenfalls mit der Restriktion nach Gl. (19.12) kombiniert werden und es folgt &$ # % k+1 Rk+1 = Ik,damp,chem . Rk = Rkα max 0, min 1 − κkα , 1 − γαk α∈Zr
(19.30) Bei station¨ aren Simulationen ist es auch m¨ oglich, die verbrennungsspezifische D¨ ampfung nur auf die Residuen der Komponentengleichungen zu beziehen. Die Vor- und Nachteile der ged¨ ampften Restriktion sind offensichtlich: Sie ist einfach, schnell in bestehende Codes zu implementieren und sie erm¨oglicht eine deutliche Reduzierung der Rechenzeit. Nachteilig ist die Minderung des Beschleunigungspotentials durch das Ausblenden des Defekts, die empirische Bestimmung des D¨ ampfungsparameters B k (in geringerem Maße auch die des Exponenten a) und die oftmals geringe numerische Stabilit¨at. W¨ahrend sich turbulente inerte Str¨ omungen mit komplexen Stoßsystemen sehr zuverl¨assig mit lokal ged¨ ampften Mehrgitterverfahren simulieren lassen, sind Verbrennungssimulationen weit instabiler. Das gilt insbesondere f¨ ur abgehobene Flammen mit signifikantem Z¨ undverzug. Wasserstoff-Diffusionsflamme. Der folgende Testfall wurde im Rahmen der TNF-Workshops (Turbulent Non-Premixed Flames) an mehreren Institutionen vermessen [176, 117]. Es handelt sich um eine rotationssymmetrische Wasserstoff-Jetflamme, die zur Stabilisierung von einem ¨außeren Mantelstrom (Coflow) umgeben ist. Als Brennstoff dient ein Wasserstoff/Stickstoff-Gemisch mit einer Austr¨ omgeschwindigkeit von 38,4 m/s und XH2 =XN2 = 0,5. Die hierzu durchgef¨ uhrten Mehrgittersimulationen von Stoll [235] basieren auf einem kompressiblen Str¨ omungsl¨ oser mit Pr¨akonditionierung und laminarer Chemie. Der Verbrennungsablauf wird von einem Reaktionsschema mit 20 Reaktionen und neun Gaskomponenten beschrieben. Zur Konvergenzbeschleunigung dient ein vollst¨ andiges V-Zyklus-Mehrgitterverfahren mit vereinfachter semi-Vergr¨ oberung, zwei Gl¨ attungen auf jedem Gitter und einem impliziten LU-SGS-Verfahren als Gl¨ atter. In Abb. 19.19 und 19.20 sind berechnete und experimentell bestimmte Profile dieser Diffusionsflamme (160 mm u ¨ ber dem Brenneraustritt) aufgetragen. Dargestellt sind die radialen Verl¨aufe der Temperatur und des Massenanteils von Wasser.
354
19 Praktische Anwendungen
Abb. 19.19. Temperaturprofile 160 mm u ¨ ber dem Brenner, – Simulation, ◦ Experiment (Stoll [235])
Abb. 19.20. H2 O-Massenanteilprofile 160 mm u ¨ ber dem Brenner, – Simulation, ◦ Experiment (Stoll [235])
Abb. 19.21. Eingitter-Konvergenzverl¨ aufe u ¨ ber der Anzahl an Iterationen (Stoll [235])
Abb. 19.22. Mehrgitter-Konvergenzverl¨ aufe u ¨ ber der Anzahl an Mehrgitterzyklen (Stoll [235])
Das Konvergenzverhalten des LU-SGS-Verfahrens bei der Simulation dieses Testfalls veranschaulicht eine Gitterstudie. Abbildung 19.21 zeigt EingitterKonvergenzverl¨ aufe des normierten Dichteresiduums von Simulationen auf unterschiedlich feinen Gittern. Die Gitter erstrecken sich (bei Verdopplung der Volumenzahl in beide Raumrichtungen) von 8×16 bis 128×256 Volumen. Die Eingitter-Konvergenzverl¨ aufe geben die bekannte Abnahme der Konvergenzrate mit feiner werdendem Gitter wieder, die dem LU-SGS-Verfahren zu eigen ist. In Abb. 19.22 finden sich die entsprechenden Resultate der Mehrgittersimulationen [235]. Im Vergleich mit den Eingitterl¨osungen bewirkt die Mehrgittertechnik eine wesentlich schnellere Konvergenz. Die Anzahl der Gitterebenen variiert zwischen zwei und sechs. Sie wurde so gew¨ahlt, dass das gr¨obste Gitter immer aus 4×8 Volumen besteht. Auf diese Weise erh¨alt man bei allen Mehrgittersimulationen ¨ ahnliche Konvergenzraten. F¨ ur Mehrgitterkonvergenz
19.3 Chemische Quellterme
355
Abb. 19.23. Berechnete Temperaturverteilung einer abgeho¨ benen, ebenen Uberschall-Methanflamme (Gerlinger et al. [103])
war ein lokales D¨ ampfen des restringierten Defekts notwendig. An Stelle des Sensors nach Gl. (19.28) kam bei dieser Studie ein dichtebasierter Sensor zum Einsatz, der f¨ ur χ=1 die gleiche Form wie der Drucksensor nach Gl. (19.10) besitzt. Da Verbrennungszonen immer mit starken Dichtegradienten einhergehen, eignet sich auch die Dichte als Ausblendparameter. Allerdings spricht ein Dichtesensor auch in nicht-reagierenden Mischungsschichten an, wenn Gase unterschiedlichen Molekulargewichts oder unterschiedlicher Temperatur aufeinander treffen. Daher d¨ urfte der Sensor nach Gl. (19.28) im Allgemeinen zu bevorzugen sein. Testfall: Abgehobene Methan-Flamme. Dass Mehrgittersimulationen selbst bei signifikantem Z¨ undverzug erfolgreich sein k¨onnen, zeigt das Beispiel ¨ einer abgehobenen Uberschall-Methanflamme [103]. Deren berechnete Temperaturverteilung ist in Abb. 19.23 dargestellt. Am unteren Einstr¨omrand liegen die Massenanteile von Brennstoff und Stickstoff bei YCH4 =0,4 und YN2 =0,6. Auf Grund der hohen Einstr¨ omgeschwindigkeiten der Luft (1800 m/s) und des Methan-Stickstoffgemischs (2300 m/s) kommt es trotz der hohen Einstr¨ omtemperatur von 2000 K zu einem Z¨ undverzug von ca. 12 cm. Die Simulation dieses Testfalls erfolgte mit einem LU-SGS-Verfahren als Gl¨atter, der assumed PDF-Modellierung aus Abschn. 8.4.1 und 8.5.3, detaillierter Chemie mit 58 Reaktionen und 17 Komponenten, q-ω-Low-Reynolds-NumberTurbulenzmodell sowie einem V-Zyklus Mehrgitterverfahren mit vier Gitterebenen und voll-Vergr¨ oberung. Um Mehrgitterkonvergenz zu erlangen, war ein D¨ampfen des restringierten Defekts an St¨ oßen und in Gebieten mit hoher chemischer Aktivit¨at notwendig. Die Abb. 19.24 und 19.25 zeigen die Konvergenzverl¨aufe der Ein- und Mehrgittersimulationen u ¨ ber der Anzahl an Mehrgitterzyklen und Arbeitseinheiten. Aufgetragen sind die normierten, absoluten Residuen der Dichte, der Turbulenzvariable q sowie der PDF-Variablen σe (es wurde eine Gleichung f¨ ur die Varianz der Energie gel¨ ost) und σY . Der Einsatz der Mehrgittertechnik bewirkt eine starke Reduzierung der erforderlichen CPU-Zeit. Ferner wird deutlich, dass das Konvergenzverhalten aller Variablen ¨ahnlich ist. Die Simulationen basieren auf der D¨ ampfung des restringierten Defekts nach Gl. (19.30). Alter-
356
19 Praktische Anwendungen
Abb. 19.24. Konvergenzverl¨ aufe u ¨ ber der Anzahl an Mehrgitterzyklen (Gerlinger et al. [103])
Abb. 19.25. Konvergenzverl¨ aufe u ¨ ber der Anzahl an Arbeitseinheiten (Gerlinger et al. [103])
nativ dazu ist auch der in Abschn. 19.3.5 beschriebene Ausblendsensors nach Gl. (19.32) eingesetzt worden, der ¨ ahnliche Konvergenzraten erbracht hat. Es ist jedoch zu betonen, dass Mehrgittersimulationen abgehobener Flammen ¨ ¨ sensitiv auf Anderungen der Einstr¨ ombedingungen, Anderungen des Rechen¨ gitters sowie Anderungen der sonstige Rahmenbedingungen reagieren, was ihre Zuverl¨ assigkeit stark einschr¨ ankt. 19.3.5 Filterung und lokales D¨ ampfen des Defekts Abschnitt 19.3.3 hat gezeigt, dass eine schlechten Approximation des Feingitterresiduums (Fehlers) auf gr¨ oberen Gittern eine m¨ogliche Ursache f¨ ur das Versagen von Mehrgitterverfahren darstellt. Mehrgittersimulationen sollten dagegen erfolgreich sein, wenn auf den groben Gittern nur mit glatten Fehleranteilen gearbeitet wird. Das erfordert Zerlegungen, die bisher f¨ ur Verbrennungssimulationen nicht verf¨ ugbar sind. Als Alternative bietet sich die D¨ampfung aus Abschn. 19.3.4 an. Statt dort zu d¨ ampfen, wo die chemischen Umsatzraten hoch sind, geschieht dies nun an den Stellen, an denen das Grobgitterresiduum das Feingitterresiduum ungenau approximiert. Die entsprechenden Gebiete lassen sich mit einer Filterung des Defekts lokalisieren. Dazu wird das Residuum auf das n¨ achst gr¨ obere Gitter restringiert und zur¨ uck auf das feinere Gitter prolongiert. Aus der Differenz zwischen diesem Wertes und dem Ausgangsresiduum folgt der normierte Approximationsparameter (Ak ≥ 0) a k Ikk+1 Rk | |Rk − Ik+1 k . (19.31) A ≡ |Rk | + Darin steht f¨ ur eine kleine Zahl, die Division durch null vermeiden soll. Gleichung (19.31) bezieht sich auf ein Element des Residuumsvektors. Durch die Konstante a ≈ 2 l¨ asst sich das Maß an D¨ampfung steuern. Bei einem
19.3 Chemische Quellterme
357
glatten Verlauf des Feingitterresiduums ergibt sich Ak ≈ 0, w¨ahrend Ak bei oszillierenden Residuen sehr große Werte annimmt. Mit 1 : Ak ≤ 0, 1 , k γ ≡ (19.32) k exp[ − (A − 0, 1)] : 0, 1 < Ak wird ein Verbrennungssensor γ ∈ [0, 1] definiert, der in Gl. (19.29) oder in Gl. (19.30) zur D¨ ampfung des restringierten Defekts genutzt werden kann. Diese Art der D¨ ampfung wurde erfolgreich zur Stabilisierung der Mehrgittersimulation des skalaren Modellproblems aus Abschn. 19.3.3 verwendet. Die entsprechenden Resultate sind in Abb. 19.16 zu finden. Bei einem Gleichungssystem liegt ein Residuumsvektor vor und es stellt sich die Frage, wie dann ohne großen Aufwand ein Grobgitter-Approximationsparameter gebildet werden kann. Um die Konsistenz zwischen den einzelnen Gaskomponenten zu wahren, sollte ein einheitlicher Ausblendparameter f¨ ur alle Spezies gew¨ahlt werden. Im Fall der abgehobenen Methanflamme aus Abschn. 19.3.4 hat sich das Residuum der Energiegleichung als geeignete Gr¨oße erwiesen. Damit waren ¨ ahnlich gute Mehrgitterkonvergenzraten m¨oglich, wie mit der D¨ampfung des restringierten Defekts (s. Abb. 19.24 und 19.25).
Anhang
A.1 Reaktionsmechanismen F¨ ur die meisten gebr¨ auchlichen Brennstoffe finden sich in der Literatur mehr oder weniger umfangreiche Reaktionsmechanismen. Deren G¨ ultigkeit ist gew¨ ohnlich auf einen bestimmten Temperatur- und Druckbereich beschr¨ankt. A.1.1 Wasserstoff-Luft-Verbrennung 13 Gaskomponenten, 32 Reaktionen. Dieses Reaktionsschema wurde 1988 von Jachimowski [127] ver¨ offentlicht und sp¨ater von Wilson et al. [270] ¨ geringf¨ ugig modifiziert. Es zielt auf die Uberschallverbrennung ab und wurde an Stoßrohrexperimenten validiert. Obwohl der Reaktionsmechanismus in einem breiten Druckbereich eingesetzt wird (bis ca. 17 bar in [270]), gibt Jachimowski als g¨ ultigen Druckbereich 0,5 bis zwei bar an. Spielt die Stickoxidbildung keine Rolle, so gen¨ ugen die ersten 19 Reaktionen. M bezeichnet einen beliebigen inerten Stoßpartner, dessen Effektivit¨at im Allgemeinen eins betr¨ agt. Die von eins abweichenden Effektivit¨aten inerter Stoßpartner sind f¨ ur die betreffenden Reaktionen in der Tabelle A.2 zusammengefasst. Tabelle A.1. Reaktionsschema zur Wasserstoff-Luft-Verbrennung. Die Geschwindigkeitskoeffizienten werden nach Gl. (2.46) berechnet und besitzen die Einheiten s, mol, cm3 , cal und K. Die zu den Dreierstoßreaktionen angegebenen Werte gelten f¨ ur M = N2 . Abweichungen bei anderen Stoßpartnern finden sich in Tabelle A.2 (Jachimowski [127], Wilson et al. [270])
(1) (2) (3) (4)
Reaktion −→ OH + O H + O2 ←− −→ OH +H O + H2 ←− −→ H2 O + H OH + H2 ←− −→ H2 O + O OH + OH ←−
Ar 14
2.60·10 1.80·1010 2.20·1013 6.30·1012
nr
Er
0 1.00 0 0
16800 8900 5150 1090
360
(5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17) (18) (19) (20) (21) (22) (23) (24) (25) (26) (27) (28) (19) (30) (31) (32)
Anhang Reaktion −→ H2 O + M H + OH + M ←− −→ H2 + M H + H + M ←− −→ OH + M H + O + M ←− −→ HO2 + M H + O2 + M ←− −→ HO2 + H H2 + O2 ←− −→ HO2 + H ←− OH + OH −→ H2 O + O HO2 + H ←− −→ O2 + OH HO2 + O ←− −→ H2 O + O2 HO2 + OH ←− −→ H2 O2 + O2 HO2 + HO2 ←− −→ H2 + HO2 H + H2 O2 ←− −→ OH + HO2 O + H 2 O2 ←− −→ H2 O + HO2 OH + H2 O2 ←− −→ OH + OH + M H2 O2 + M ←− −→ O2 + M O + O +M ←− −→ N2 + M N + N + M ←− −→ N + O2 ←− NO + O −→ N2 +O N + NO ←− −→ NO + H N + OH ←− −→ HNO + M H + NO + M ←− −→ H + HNO ←− NO + H2 −→ NO + OH O + HNO ←− −→ NO + H2 O OH + HNO ←− −→ NO + H2 O2 HO2 + HNO ←− −→ NO2 + OH HO2 + NO ←− −→ NO + OH H + NO2 ←− −→ NO + O2 O + NO2 ←− −→ NO2 + M ←− NO + O + M
Ar 22
2.20·10 6.40·1017 6.00·1016 2.10·1015 1.00·1014 1.40·1014 1.00·1013 1.50·1013 8.00·1012 2.00·1012 1.40·1012 1.40·1013 6.10·1012 1.20·1017 6.00·1013 2.80·1017 6.40·109 1.60·1013 6.30·1011 5.40·1015 4.80·1012 5.00·1011 3.60·1013 2.00·1012 3.40·1012 3.50·1014 1.00·1013 1.16·1016
nr
Er
-2.00 -1.00 -0.60 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 -0.75 1.00 0 0.50 0 0 0.50 0 0 0 0 0 0
0 0 0 -1000 56000 1080 1080 950 0 0 3600 6400 1430 45500 -1800 0 6300 0 0 -600 0 0 0 0 -260 1500 600 66000
Tabelle A.2. Effektivit¨ at der inerten Stoßpartner H2 und H2 O in den angegebenen Dreierstoßreaktionen. Die Effektivit¨ aten aller verbleibenden Stoßpartner sind eins (Jachimowski [127], Wilson et al. [270]) Dreierstoßpartner M = H2 M = H2 O
(5) 6,0
(6) 2,0 6,0
Reaktion (7) 5,0
(8) 2,0 16,0
(18) 15,0
A.1.2 Methan-Luft-Verbrennung 17 Gaskomponenten, 58 Reaktionen. Dieses Reaktionsschema geht auf Bilger et al. [21] zur¨ uck und beruht auf Mechanismen anderer Autoren. Er ist sowohl an vorgemischten Flammen als auch an Diffusionsflammen validiert worden. Bei einigen der darin auftretenden Dreierst¨oße weicht die Effektivit¨at
A.1 Reaktionsmechanismen
361
der inerten Stoßpartner von eins ab. Die Effektivit¨aten dieser abweichenden Komponenten sind f¨ ur die betreffenden Reaktionen in Tabelle A.4 zusammengestellt. Tabelle A.3. Reaktionsschema zur Methan-Luft-Verbrennung. Die Geschwindigkeitskoeffizienten werden nach Gl. (2.46) berechnet und besitzen die Einheiten s, aten sind in Tabelle mol, cm3 , cal und K. Von eins abweichende Dreierstoßeffektivit¨ A.4 angegebenen (Bilger et al. [21])
(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17) (18) (19) (20) (21) (22) (23) (24) (25) (26) (27) (28) (29) (30) (31) (32) (33) (34) (35) (36) (37)
Reaktion −→ CH3 + H + (M) CH4 + (M) ←− −→ CH3 + HO2 CH4 + O2 ←− −→ CH3 + H2 CH4 + H ←− −→ CH3 + OH CH4 + O ←− −→ CH3 + H2 O CH4 + OH ←− −→ CH2 O + H CH3 + O ←− −→ CH2 O + H2 CH3 + OH ←− −→ CH2 + H2 O CH3 + OH ←− −→ CH2 + H2 CH3 + H ←− −→ CH + H2 CH2 + H ←− −→ CH2 O + H CH2 + OH ←− −→ CH + H2 O CH2 + OH ←− −→ HCO + O CH + O2 ←− −→ CH + O ←− CO + H −→ HCO + H CH + OH ←− −→ HCO + CO CH + CO2 ←− −→ CH2 O + CO CH2 + CO2 ←− −→ CO + 2 H CH2 + O ←− −→ CO + H2 CH2 + O ←− −→ CO2 + 2 H CH2 + O2 ←− −→ CH2 O + O CH2 + O2 ←− −→ CO2 + H2 CH2 + O2 ←− −→ CO + H2 O CH2 + O2 ←− −→ CO + OH + H CH2 + O2 ←− −→ HCO + OH CH2 + O2 ←− −→ HCO + H2 O CH2 O + OH ←− −→ HCO + H2 CH2 O + H ←− −→ HCO + H + M CH2 O + M ←− −→ HCO + OH CH2 O + O ←− −→ CO + H2 O HCO + OH ←− −→ CO + H + M HCO + M ←− −→ CO + H2 HCO + H ←− −→ CO2 + H HCO + O ←− −→ HO2 + CO HCO + O2 ←− −→ CO2 + M CO + O + M ←− −→ CO + OH ←− CO2 + H −→ CO2 + O CO + O2 ←−
Ar 14
6,30·10 7,90·1013 2,20·104 1,60·106 1,60·106 6,80·1013 1,00·1012 1,50·1013 9,00·1013 1,40·1019 2,50·1013 4,50·1013 3,30·1013 5,70·1013 3,00·1013 3,40·1012 1,10·1011 3,00·1013 5,00·1013 1,60·1012 5,00·1013 6,90·1011 1,90·1010 8,60·1010 4,30·1010 3,43·109 2,19·108 3,31·108 1,81·1013 5,00·1012 1,60·1014 4,00·1013 1,00·1013 3,30·1013 3,20·1013 1,51·107 1,60·1013
nr
Er
0 0 3,00 2,36 2,10 0 0 0 0 -2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1,18 1,77 0 0 0 0 0 0 -0,4 0 1,3 0
104000 56000 8750 7400 2460 0 0 5000 15100 0 0 3000 0 0 0 690 1000 0 0 1000 9000 500 -1000 -500 -500 -447 3000 81000 3082 0 14700 0 0 0 -4200 -758 41000
362
Anhang
(38) (39) (40) (41) (42) (43) (44) (45) (46) (47) (48) (49) (50) (51) (52) (53) (54) (55) (56) (57) (58)
Reaktion −→ CO2 + OH HO2 + CO ←− −→ 2 OH H2 + O2 ←− −→ H2 O + H OH + H2 ←− −→ OH + O H + O2 ←− −→ OH + H O + H2 ←− −→ HO2 + M H + O2 + M ←− −→ OH + HO2 ←− H2 O + O2 −→ 2 OH H + HO2 ←− −→ O2 + OH O + HO2 ←− −→ 2 OH ←− H2 O + O −→ H2 + M H + H + M ←− −→ H2 + H2 H + H + H2 ←− −→ H2 + H2 O H + H + H2 O ←− −→ H2 + CO2 H + H + CO2 ←− −→ H2 O + M H + OH + M ←− −→ OH + M H + O + M ←− −→ H2 + O2 H + HO2 ←− −→ H2 O2 + O2 HO2 + HO2 ←− −→ OH + OH + M H2 O2 + M ←− −→ HO2 + H2 H2 O2 + H ←− −→ H2 O + HO2 H2 O2 + OH ←−
Ar 13
5,80·10 1,70·1013 1,17·1013 5,13·1016 1,80·1010 3,61·1017 7,50·1012 1,40·1014 1,40·1013 6,00·1012 1,00·1018 9,20·1016 6,00·1019 5,49·1020 1,60·1022 6,20·1016 1,25·1013 2,00·1012 1,30·1017 1,60·1012 1,00·1013
nr
Er
0 0 1,3 -0,816 1,0 -0,72 0 0 0 1,3 -1,0 -0,6 -1,25 -2,0 -2,0 -0,6 0 0 0 0 0
22934 47780 3626 16507 8826 0 0 1073 1073 0 0 0 0 0 0 0 0 0 45500 3800 1800
Tabelle A.4. Von eins abweichende Effektivit¨ aten dritter Stoßpartner (Bilger et al. [21]) Dreierstoßpartner
(1)
M = H2 O M = CO2 M = H2 M = CO M = N2
5,0
Reaktion (43) (52) 18,6 4,2 2,86 2,11 1.26
5,0
(53) 5,0
A.2 Herleitung von Transportgleichungen Beispielhaft f¨ ur zweite Momente werden die Herleitungen der Transportgleichungen der Varianz der thermischen Energie und der Summe der Massenanteilvarianzen behandelt. A.2.1 Varianz der thermischen Energie Ausgangspunkt f¨ ur die Herleitung einer Transportgleichung der Varianz der thermischen (sensiblen) Energie σes ist die Erhaltungsgleichung der Energie e.
A.2 Herleitung von Transportgleichungen
363
Aus dieser folgt mit e = es + hf eine Gleichung f¨ ur es , in der die substantielle Ableitung der Bildungsenthalpie hf auftritt. Um diese zu beseitigen, sind die Bilanzgleichungen der einzelnen Spezies mit den jeweiligen Bildungsenthalpien zu multiplizieren, zu summieren und einzusetzen, woraus sich Nk ∂qjs ∂ ∂ui ∂ ∂uj (ρes ) + (ρuj es ) + p = τij − − hfα Sα ∂t ∂xj ∂xj ∂xj ∂xj α=1
(A.1)
ergibt. Der Energietransport durch W¨ armeleitung und Diffusion ist im Term k ∂Yα ∂T −ρ hsα Dα ∂xj ∂xj α=1
N
qjs = − λ
(A.2)
zusammengefasst. Durch Multiplikation von Gl. (A.1) mit es , Verwendung von 2 e2s = es2 + 2 es es + es und Mittelung folgt
∂ 2 ∂ 2 / e + ρ u e 2 2 2 + 2 ρ e e + ρ es + ρ e/ ρ u e + ρ u u j s j s s j s s j s ∂t ∂xj Nk ∂ qjs ∂ui ∂uj = 2 es −p + τij − − hfα S α ∂xj ∂xj ∂xj α=1 Nk ∂qjs ∂u ∂u j i (A.3) + 2 es −p + τij − − hfα Sα . ∂xj ∂xj ∂xj α=1 Zur Bestimmung von ∂ (ρ es2 )/∂t wird die Bilanzgleichung der mittleren thermischen Energie ben¨ otigt, die sich mit Nk ∂ qjs ∂ ∂ui ∂ ∂uj e (ρ es ) + + ρu j es + ρu p = τ − − hfα S α ij j s ∂t ∂xj ∂xj ∂xj ∂xj α=1 (A.4) aus Gl. (A.1) ergibt. Durch Multiplikation mit 2 es folgt & ∂ui ∂ % 2& ∂ % ∂ 2 es τij ρ es + ρu j es = 2 − ρ uj es ∂t ∂xj ∂xj ∂xj Nk ∂ qjs ∂uj (A.5) −p − − hfα S α . ∂xj ∂xj α=1
Diese Gleichung ist von Gl. (A.3) zu subtrahieren und man erh¨alt nach weiteren Umformungen die ungeschlossene Transportgleichung der Varianz der thermischen Energie
∂ 0 es ∂ ∂ e 2 − 2 ρ u e ∂ 2 = − ρ es 2 + ρ uj e0 ρ u s j s j s ∂t ∂xj ∂xj ∂xj Nk ∂qjs ∂ui ∂uj (A.6) + 2 es −p + τij − − hfα Sα . ∂xj ∂xj ∂xj α=1
364
Anhang
Die Herleitung von Transportgleichungen der Varianz der thermischen Enthalpie, der Energie oder Enthalpie ist auf gleiche Weise m¨oglich. A.2.2 Summe der Massenanteilvarianzen k / 2 Die Transportgleichung f¨ ur σY = N α=1 Yα (Summe der Massenanteilvarianzen) folgt aus den Bilanzgleichungen der Komponentenmassenanteile
∂ ∂Yα ∂ ∂ (ρYα ) + −ρDα = Sα . (ρuj Yα ) + (A.7) ∂t ∂xj ∂xj ∂xj Daraus ist die Transportgleichung der Varianz eines Massenanteils abzuleiten. Durch Multiplikation von Gl. (A.7) mit 2Yα und Mittelung folgt ∂ ∂ / Y + ρ u Y 2 2 ) + 2 + 2ρ Y α u 2 + ρu (ρ Yα2 + ρ Y/ Y ρ u Y j j α α α j α j α ∂t ∂xj
∂ ∂Yα ∂ ∂Yα = 2 Yα S α + 2Yα Sα + 2 Yα ρDα . (A.8) ρDα + 2Yα ∂xj ∂xj ∂xj ∂xj Um ∂(ρ Yα2 )/∂t zu eliminieren, wird die gemittelte Komponentengleichung ∂Yα ∂ ∂ ∂ ∂ (ρ Yα ) + ρu j Yα + ρuj Yα = ρDα + Sα (A.9) ∂t ∂xj ∂xj ∂xj ∂xj mit 2 Yα multipliziert und auf die Form ∂ ∂ ∂ (ρ Yα2 ) + ρu j Yα2 + 2 Yα ρuj Yα ∂t ∂xj ∂xj = 2 Yα
∂ ∂Yα ρDα + 2 Yα S α ∂xj ∂xj
(A.10)
gebracht. Nach Subtraktion dieser Gleichung von Gl. (A.8) ergibt sich die Transportgleichung der Varianz des Massenanteils einer Gaskomponente
∂ / ∂ ∂ Y 2 2 S − = 2 ρ Yα 2 + ρu j Y/ Y ρ u α α α j α ∂t ∂xj ∂xj Y ∂ Yα + 2 ∂ Y ρD ∂Yα − 2 ρD ∂Yα ∂Yα . (A.11) − 2ρu α α α j α ∂xj ∂xj ∂xj ∂xj ∂xj Durch Summation u ¨ ber alle Nk unterschiedlichen Spezies erh¨alt man die gesuchte σY -Transportgleichung N Nk k ∂Y ∂ ∂ ∂ α 2 (ρσY ) + 2 (ρ u j σY ) = Yα ρDα −ρ uj Yα ∂t ∂xj ∂xj ∂xj α=1 α=1 − 2ρ
Nk α=1
Y u j α
k k ∂ Yα ∂Yα ∂Yα −2 ρDα +2 Yα Sα . ∂xj ∂x ∂x j j α=1 α=1
N
N
Diese Gleichung ist ungeschlossen und erfordert Modellierung.
(A.12)
A.3 Quellterm-Jacobi-Matrizen
365
A.3 Quellterm-Jacobi-Matrizen Quellterm-Jacobi-Matrizen J = ∂P/∂Q sind bei Verbrennungssimulationen mit detaillierter Kinetik ein wesentlicher Bestandteil jedes impliziten oder semi-impliziten numerischen Verfahrens. Die große Bandbreite an m¨oglichen Jacobi-Matrizen ist eine Folge unterschiedlicher 1. Quellvektoren P (laminare Chemie, assumed-PDF-Modellierung usw.), 2. Variablenvektoren Q (konservative, primitive Variable, Energie, Enthalpie, Temperatur, Dichte, Druck, usw.). Beispielhaft werden zwei Varianten analytisch gebildeter Quellterm-JacobiMatrizen behandelt, aus denen sich andere Formulierungen relativ einfach gewinnen lassen. Es wird davon ausgegangen, dass • eine beliebige Anzahl an Spezies und Reaktionen vorliegt, • die Geschwindigkeitskoeffizienten der Hinreaktionen druckunabh¨angig sind und sich mit der modifizierten Arrhenius-Funktion nach Gl. (2.46) beschreiben lassen, • die Geschwindigkeitskoeffizienten der R¨ uckreaktionen mit Gl. (2.58) aus den Gleichgewichtskonstanten hervorgehen (s. Abschn. 2.5). Die Bildung analytischer Jacobi-Matrizen wird dadurch erschwert, dass die chemischen Umsatzraten meist nicht als explizite Funktionen der Elemente des Variablenvektors vorliegen. A.3.1 Laminare Verbrennung Die Verbrennungs-Jacobi-Matrix zur Simulation laminarer Flammen unterscheidet sich nur unwesentlich von der bei turbulenter Str¨omung und Verbrennungssimulation mit ,,laminarer Chemie”. Im ersten Fall erfolgt die Berechnung die chemischen Umsatzraten mit Momentanwerten, im zweiten Fall mit gemittelten Variablen. Ansonsten sind die Unterschiede gering weshalb in diesem Abschnitt auf die Kennzeichnung gemittelter oder nicht gemittelter Gr¨ oßen verzichtet wird. Differenzen ergeben sich durch den Beitrag der turbulenten kinetischen Energie k zur Gesamtenergie E = e+
1 2 u +k, 2 i
(A.13)
der bei laminarer Str¨ omung (k = 0) entf¨ allt. Auf die daraus resultierenden, geringf¨ ugige Unterschiede in den Jacobi-Matrizen wird an den jeweiligen Stellen hingewiesen. Gegeben sei ein Gleichungssystem mit dem Variablenvektor T
Q = [ ρ, ρu1 , ρu2 , ρu3 , ρE, ρYα ]
(A.14)
und dem Quellvektor P = [ 0, 0, 0, 0, 0, Sα ]T
(A.15)
366
Anhang
mit α = 1, 2, . . . , Nk − 1. Die chemischen Produktionsterme Sα werden nach Gl. (2.41) berechnet (entweder mit Momentanwerten oder mit gemittelten Gr¨ oßen). Bei turbulenter Str¨ omung und ,,laminarer Chemie” enth¨alt Q noch Turbulenzvariablen (z.B.: ρk und ρ), nach denen unter Umst¨anden ebenfalls abzuleiten ist. Darauf wird hier jedoch nicht eingegangen. Unter Nutzung des zus¨ atzlichen Vektors Q1 = [ ρ, ρu1 , ρu2 , ρu3 , T, ρYα ]T
(A.16)
lassen sich die Eintr¨ age der Jacobi-Matrix mit der Kettenregel analytisch bilden. Q1 beruht ausschließlich auf Gr¨ oßen, von denen Sα explizit abh¨angt. Die allgemeine Form der Quellterm-Jacobi-Matrix lautet ⎡ ⎤ 0 0 0 0 0 ... 0 ⎢ 0 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ . ⎥ . . . . . . .. .. .. .. .. .. .. ⎢ .. ⎥ . ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 0 ⎥ 0 0 0 0 0 ... 0 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ∂S1 ∂S1 ∂S1 ⎥ ∂S1 ∂S1 ∂S1 ∂S1 ⎥ , ... J = ⎢ ⎢ ∂ρ ∂(ρu1 ) ∂(ρu2 ) ∂(ρu3 ) ∂(ρE) ∂(ρY1 ) ∂(ρYN ) ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ∂S2 ∂S2 ∂S2 ∂S2 ∂S2 ∂S2 ∂S2 ⎥ ⎢ ⎥ ... ⎢ ∂ρ ∂(ρu1 ) ∂(ρu2 ) ∂(ρu3 ) ∂(ρE) ∂(ρY1 ) ∂(ρYN ) ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ . ⎥ .. .. .. .. .. .. .. ⎢ .. ⎥ . . . . . . . ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ ∂SN ∂SN ∂SN ∂SN ∂SN ∂SN ∂SN ⎦ ... ∂ρ ∂(ρu1 ) ∂(ρu2 ) ∂(ρu3 ) ∂(ρE) ∂(ρY1 ) ∂(ρYN )
(A.17)
wobei der Index der letzten ber¨ ucksichtigten Spezies mit N = Nk−1 abgek¨ urzt wurde. Da nur in den Bilanzgleichungen der Gaskomponenten Produktionsterme auftreten, sind die ersten Zeilen unbesetzt. Bei den folgenden partiellen Ableitungen gibt Q\x an, dass bei der Ableitungsbildung alle Eintr¨age des Vektors Q mit Ausnahme von x konstant bleiben. Wichtige Terme. Um die Elemente der Quellterm-Jacobi-Matrix u ¨bersichtlich darzustellen, werden zun¨ achst h¨ aufig wiederkehrende Terme angegeben: ' 8
N Nr k +1 ∂Sα 88 kfr Er ναr n (ν = M − ν ) + c α α r αr αr ∂T 8Q1 \T T Rm T α=1 r=1 N +1 4 N k k Er T ∂Kpr kbr ναr − + nr + , (A.18) − νγr cα T Rm T Kpr ∂T γ=1 α=1 8 ∂T 88 1 = , (A.19) ∂e 8Q\ (ρ E) cv 8 & ∂e 88 1% 2 ui − E . = (A.20) 8 ∂ρ ρ Q\ρ
A.3 Quellterm-Jacobi-Matrizen
367
Bei turbulenter Str¨ omung und ,,laminarer Chemie” ist dem in Klammern stehende Term in Gl. (A.20) ein Beitrag aus der Turbulenz (z.B. k oder 2q) hinzuzuf¨ ugen. Eintr¨ age der Quellterm-Jacobi-Matrix. Es folgen die Eintr¨age von J, f¨ ur die in kurzer Form auch der Weg der Ableitungsbildung skizziert wird: • Ableitung nach ρ 8 8 8 8 ∂Sα 88 ∂T 88 ∂Sα 88 ∂Sα 88 = + ∂ρ 8Q\ ρ ∂ρ 8Q1 \ ρ ∂T 8Q1 \T ∂ρ 8Q\ ρ = Mα
letzte Komponente ist aktiver Stoßpartner Nr r=1
+ Mα
Nr
'
(ναr − ναr ) kfr
'
(ναr
− ναr ) kfr
r=1
8 ∂Sα 88 + ∂T 8
4
N k +1 k +1 νNk r N ν ν ν Nk r cγγr − kbr cγγr cNk γ=1 cNk γ=1 4 Nk Nk tN k νγr νγr cγ − kbr cγ MNk γ=1 γ=1
letzte Komponente ist inerter Stoßpartner
Q1 \T
1 ρcv
1 2 u − eN k 2 i
.
(A.21)
Wegen ρYNk = ρYNk (Q) kommt der letzten Komponente eine wichtige Rolle zu. Nimmt sie nicht aktiv am Verbrennungsprozess teil (das ist h¨aufig der Fall wenn Stickstoff inert ist und zur letzten Komponente definiert wird), so entf¨ allt wegen νNk = νN = 0 der erste Term auf der rechten Seite von k Gl. (A.21). Tritt die letzte Komponente nicht als inerter Stoßpartner auf, so verschwindet wegen tNk = 0 der zweite Term, was bei Stickstoff allerdings selten der Fall ist. Mit den bereits in den Gln. (A.18) bis (A.20) definierten Termen folgt f¨ ur die verbleibenden Matrix-Eintr¨age: • Ableitungen nach ρui 8 8 8 8 ∂Sα 88 ∂T 88 ∂e 88 ∂Sα 88 = ∂(ρui ) 8Q\(ρui ) ∂T 8Q1 \T ∂e 8Q\ (ρE) ∂(ρui ) 8Q\ (ρui ) 8 ui ∂Sα 88 = − , (A.22) ρcv ∂T 8 1 Q \T
• Ableitung nach ρE 8 8 8 8 ∂Sα 88 ∂T 88 ∂e 88 ∂Sα 88 = ∂(ρE) 8Q\(ρE) ∂T 8Q1 \T ∂e 8Q\(ρE) ∂(ρE) 8Q\(ρE) 8 1 ∂Sα 88 = , ρcv ∂T 8 1 Q \T
(A.23)
368
Anhang
• Ableitungen nach ρYβ 8 8 8 8 ∂Sα 88 ∂Sα 88 ∂Sα 88 ∂T 88 = + ∂(ρYβ ) 8Q\(ρYβ ) ∂T 8Q1 \T ∂(ρYβ ) 8Q\(ρYβ ) ∂(ρYβ ) 8Q1 \(ρYβ ) ' 4 N Nr k +1 k +1 N ν ν ν ν (ναr = Mα − ναr ) kfr αr cγγr − kbr αr cγγr c c β β r=1 γ=1 γ=1 8 eβ − eNk ∂Sα 88 − . (A.24) ρcv ∂T 8Q1 \T
A.3.2 Assumed PDF-Modellierung In diesem Abschnitt wird eine Jacobi-Matrix f¨ ur turbulente Verbrennung vorgestellt. Zur Berechnung der mittleren chemischen Produktionsterme dient die PDF P (ˆ ρ, Tˆ, Yˆ1 , Yˆ2 , . . . , YˆNk ) nach Gl. (8.58) und es folgt aus Gl. (10.16) S α = Mα
Nr
(ναr − ναr ) (T1f T2f T3f T4f − T1b T2b T3b T4b ) .
(A.25)
r=1
Die darin auftretenden Terme T1 bis T4 sind in Gl. (10.13) definiert. Neben den PDF-Variablen σT und σY gehen auch die Variablen des Turbulenzmodells √ (hier q = k und ω = /k) in die Quelltermberechnung ein. Damit sind der Variablen- und der Quellvektor wie folgt definiert: + ,T ρq, ρω, ρσT , ρσY , ρ Yα Q = ρ, ρ u i , ρ E, , (A.26) # $T P = 0, 0, 0, 0, 0, S q , S ω , S σT , S σY , S α (A.27) ur die allgemeine Struktur mit i = 1, 2, 3 und α = 1, 2, . . . , Nk − 1. Es folgt f¨ der Quellterm-Jacobi-Matrix
J =
0 . . . 0 ∂S q ∂ρ ∂S ω ∂ρ ∂S σT ∂ρ ∂S σY ∂ρ ∂S 1 ∂ρ . . . ∂S N ∂ρ
0
0
0
0
0
0
0
...
. . .
. . .
. . .
. . .
. . .
. . .
. . .
..
0
0
0
0
0
0
0
...
∂S q ∂S q 0 0 0 0 0 ∂(ρq) ∂(ρω) ∂S ω ∂S ω 0 0 0 0 0 ∂(ρq) ∂(ρω) ∂S σT ∂S σT ∂S σT 0 0 0 0 ∂(ρω) ∂(ρσT ) ∂(ρσT ) ∂S σY ∂S σY ∂S σY ∂S σY ∂S σY ∂S σY ∂(ρq) 0 ∂(ρσT ) ∂(ρσY ) ∂(ρ Y1 ) ∂(ρ u i ) ∂(ρ E) ∂S 1 ∂S 1 ∂S 1 ∂S 1 ∂S 1 ∂S 1 ∂S 1 ∂(ρq) ∂(ρω) ∂(ρσT ) ∂(ρσY ) ∂(ρ Y1 ) ∂(ρ u i ) ∂(ρ E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
... ... ... ... ... ..
.
∂S N ∂S N ∂S N ∂S N ∂S N ∂S N ∂S N ∂(ρq) ∂(ρω) ∂(ρσT ) ∂(ρσY ) ∂(ρ Y1 ) ... ∂(ρ u i ) ∂(ρ E)
. . . 0 0 0 0 ∂S σY N ) ∂(ρ Y ∂S 1 N ) ∂(ρ Y . . . ∂S N N ) ∂(ρ Y 0
.
A.3 Quellterm-Jacobi-Matrizen
369
(A.28) Hier gilt N =Nk −1 und die Ableitungen nach ρui in der zweiten Spalte von J stehen repr¨ asentativ f¨ ur i = 1, 2, 3 und damit drei Spalten. In der JacobiMatrix nach Gl. (A.28) sind die Turbulenz- und Varianz-Gleichungen mit denen der Str¨ omung lose gekoppelt. Das heißt, dass in den Zeilen der Turbulenzvariablen nur die wichtigsten Terme vertreten sind, was die Invertierung vereinfacht. Verwendet man bei einer Tabellierung der mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten (s. Abschn. 10.1.1) an Stelle von σT die Intensit¨at der ur den mittleren chemischTemperaturfluktuation IT = σT /T, so ergibt sich f¨ en Produktionsterm folgende Abh¨ angigkeit: (A.29) S α = S α T, IT , σY , ρ, ρ Yβ . Zur analytischen Berechnung der Matrixelemente wird der folgende zus¨atzliche Vektor eingef¨ uhrt: Q1 =
+
ρ, ρ u i , T, ρk, ρω, IT , ρσY , ρ Yα
,T .
(A.30)
Wichtige Terme. Liegen die mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten k f r und k br tabelliert in Form von Verst¨ arkungsfaktoren (vT = k/k) vor (s. Abschn. 10.1), so sind die Ableitungen von vT numerisch zu bilden. Mit vier umgebenden Tabellenwerten ist das f¨ ur ∂vT /∂ T und ∂vT /∂IT bei zweiter Genauigkeitsordnung m¨ oglich. Daraus folgt f¨ ur die Ableitungen von k 8 8 8 ∂vT 88 ∂ k 88 ∂k 88 = k + v , (A.31) T 8 8 8 ∂ T Q1 \T ∂ T Q1 \T ∂ T Q1 \T 8 8 ∂k 88 ∂vT 88 = k . (A.32) ∂IT 8Q1 \IT ∂IT 8Q1 \IT Bei Verwendung des modifizierten Arrhenius-Ansatzes (2.46) f¨ ur die Hinreaktion und Nutzung von Gleichgewichtskonstanten f¨ ur die R¨ uckreaktion ergibt sich: 8 8
∂k f 88 E ∂vT f 88 kf n + , (A.33) = k + f 8 8 ∂ T Q1 \T ∂ T Q1 \T Rm T T 8 8 Nk ∂kb 88 E T ∂Kc ∂vT b 88 kb n+ = kb + να . (A.34) + − 8 8 ∂ T Q1 \T ∂ T Q1 \T Rm T Kc ∂ T T α=1 Damit lassen sich die Ableitungen von S α nach T und IT bilden:
370
Anhang
8 8 . Nr ∂S α 88 ∂ k fr 88 = Mα (ναr − ναr ) T2f T3f T4f 8 8 ∂ T Q1 \T ∂ T Q1 \T r=1 8 ∂ k br 88 , − T T T 2b 3b 4b 8 ∂ T Q1 \T
(A.35)
8 8 . Nr ∂S α 88 ∂ k fr 88 = Mα (ναr − ναr ) T2f T3f T4f ∂IT 8Q1 \IT ∂IT 8Q1 \IT r=1 8 ∂ k br 88 . (A.36) − T T T 2b 3b 4b ∂IT 8Q1 \IT F¨ ur σT → 0 und σY → 0 gehen alle angegebenen Ableitungen in die entsprechenden Werte bei laminarer Str¨ omung u ¨ber (s. Abschn. A.3.1) oder sie werden null. Ableitungen der Terme T2 bis T4 . Die in Gl. (10.13) definierten Terme T3 und T4 enthalten die PDF-Parameter βj , f¨ ur deren Ableitungen nach den konservativen Variablen 0 ∂βj 1 2 Y j = − 2βj + 0 1 − YNk − δjNk B , Yj − (A.37) ∂ρ ρ σY 1 ∂βj = − Yj + βj , (A.38) ∂(ρσY ) ρσY B B ∂βj 2Yj (A.39) YNk − Yk + δjk − δjNk = ρσ ρ ρ Y ∂(ρ Yk ) folgt [103]. Alle Ableitungen nach anderen Eintr¨agen des Variablenvektors Q sind null. Durch Summation u ¨ ber j = 1, 2, . . . , Nk folgt . 1 2 ∂B = − 1+B− 1 − YNk , (A.40) ∂ρ ρ σY 1 ∂B = − (1 + B) , (A.41) ∂(ρσY ) ρσY ∂B 2 YNk − Yk . (A.42) = ρσY ∂(ρ Yk ) Damit k¨ onnen die Terme T2 bis T4 abgeleitet werden. T2 ist nach Gl. (10.13) nur eine Funktion der Dichte, so dass mit Ausnahme von T 2 mr ∂T2 = ∂ρ ρ
(A.43)
alle Ableitungen von T2 nach Elementen von Q null sind. F¨ ur die ebenfalls in Gl. (10.13) definierten Terme P1 und P2 ergibt sich
A.3 Quellterm-Jacobi-Matrizen
371
Nk ναr ∂P1 1 ∂βα = P1 , ∂X β + ναr − γ ∂X α=1 γ=1 α
(A.44)
mr ∂P2 ∂B 1 = P2 , ∂X ∂X α=1 B + mr − α
(A.45)
wobei X f¨ ur ρ, ρσY oder ρYk steht. Ableitungen nach anderen Elementen von Q sind null. Damit folgt f¨ ur T3 und T4
∂T3 ∂P2 1 ∂P1 = − T3 , (A.46) ∂X P2 ∂X ∂X Nk ∂T4 tα ∂βα = . ∂X M α ∂X α=1
(A.47)
Falls die Chemiequellterme in den PDF-Transportgleichungen ber¨ ucksichtigt werden, sind die Ableitungen von T5 , T6 , P3 und P4 in gleicher Weise zu bilden. Details hierzu finden sich in [103]. Eintr¨ age in Zeilen der PDF-Variablen. In den Transportgleichungen der PDF-Variablen (hier σT und σY ) treten Produktionsterme auf, die ebenfalls linearisiert werden sollten und dann Beitr¨ age zur Quellterm-Jacobi-Matrix liefern. Aus Gl. (6.49) folgt mit den Gln. (6.51) bis (6.54) 2 ∂ uk ∂ T µt 2 T S σT = 2 − 2 (ˆ γ − 1) ρ¯σT − γˆ CT ρ¯σT ω − C . (A.48) P rt ∂xk ∂xk cˆv Wie in Abschn. 6.10.3 beschrieben, ist die Berechnung von C T mit einigen Unsicherheiten behaftet. Da eine Vernachl¨ assigung dieses Terms meist bessere Resultate erbringt, wird nicht auf dessen Linearisierung eingegangen. Details hierzu finden sich jedoch in der Literaturstelle [103]. Die ersten beiden Terme in Gl. (A.48) enthalten r¨ aumliche Gradienten, die schwer zu linearisieren sind und daher gew¨ ohnlich als Konstanten approximiert werden. Mit diesen Vereinfachungen lassen sich die Jacobi-Matrix-Eintr¨age relativ einfach bilden ¨ [103]. Ahnliches gilt f¨ ur den Produktionsterm S σY = 2
Nk α=1
k ∂ Yα ∂ Yα − CσY ρσY ω + 2 Yα Sα ∂xj ∂xj α=1
N
ρ Dt
(A.49)
in der σY -Transportgleichung (6.103). Auch hier bietet es sich an, den letzten Term zu vernachl¨ assigen und Terme mit r¨ aumlichen Gradienten als Konstanten zu behandeln. Eine analytische Herleitung dieser Jacobi-Matrix-Eintr¨age findet sich in [103]. Eintr¨ age in Zeilen der Komponenten. Bei den folgenden Ableitungen ist zu beachten, dass die mittlere Temperatur T keine (direkte) Funktion
372
Anhang
der PDF-Variablen ist, so dass ∂ T/∂σT = 0 und ∂ T/∂σY = 0 gilt. Mit der Definition 8 8 ∂S α 88 IT ∂S α 88 Aα ≡ − (A.50) 8 8 ∂ T Q1 \T T ∂IT Q1 \IT folgt f¨ ur die Eintr¨ age der Quellterm-Jacobi-Matrix: • Ableitung nach ρ 8 8 8 8 8 8 ∂S α 88 ∂S α 88 ∂S α 88 ∂ T 88 ∂IT 88 ∂S α 88 = + + 8 8 ∂ρ 8Q\ρ ∂ρ 8Q1 \ρ ∂IT 8Q1 \IT ∂ρ 8Q\ρ ∂ T Q1 \T ∂ρ Q\ρ . Nr ∂ ∂ (T2f T3f T4f ) − k br (T2b T3b T4b ) = Mα (ναr − ναr ) k fr ∂ρ ∂ρ r=1 8
1 2 IT ∂S α 88 1 esNk Aα 2 u + q − eNk + − , (A.51) + ρcv 2 i ρ ∂IT 8Q1 \IT 2 es • Ableitungen nach ρ u i 8 8 8 8 8 ∂S α 88 ∂ T 88 ∂IT 88 ∂S α 88 ∂S α 88 = + 8 ∂(ρ ui ) 8Q\ρ ui i ) 8Q\ρui ∂IT 8Q1 \IT ∂(ρ u i ) 8Q\ρui ∂ T Q1 \T ∂(ρ u 8 8 8 8 8 ∂IT 88 ∂ e 88 ∂ T 88 ∂S α 88 ∂S α 88 = + 8 ∂IT 8Q1 \IT ∂ T 8Q2 \T ∂ e 8Q\ρE ∂(ρ ui ) 8Q\ρui ∂ T Q1 \T Aα = −u i , (A.52) ρcv • Ableitung nach ρE 8 8 8 8 8 ∂ T 88 ∂IT 88 ∂S α 88 ∂S α 88 ∂S α 88 = + 8 8Q\ρE 8Q\ρE 8Q\ρE ∂IT 8Q1 \IT ∂(ρE) ∂(ρE) ∂ T Q1 \T ∂(ρE) 8 8 8 8 8 ∂IT 88 ∂ e 88 ∂ T 88 ∂S α 88 ∂S α 88 = + 8 8Q\ρE ∂IT 8Q1 \IT ∂ T 8Q2 \T ∂ e 8Q\ρE ∂(ρE) ∂ T Q1 \T Aα = , (A.53) ρcv • Ableitung nach ρq 8 8 8 8 8 ∂ T 88 ∂IT 88 ∂S α 88 ∂S α 88 ∂S α 88 = + 8 8 ∂(ρq) 8Q\ρ q ∂IT 8Q1 \IT ∂(ρq) 8Q\ρ q ∂ T Q1 \T ∂(ρq) Q\ρq Aα = −2q , (A.54) ρcv
A.3 Quellterm-Jacobi-Matrizen
373
• Ableitung nach ρσT 8 8 8 8 ∂S α 88 ∂IT 88 ∂S α 88 1 IT ∂S α 88 = = ,(A.55) ∂(ρσT ) 8Q\ρσT ∂IT 8Q1 \IT ∂(ρσT ) 8Q\ρ σT 2 ρσT ∂IT 8Q1 \IT • Ableitung nach ρσY 8 . Nr ∂S α 88 ∂ (T3f T4f ) = M (ν − ν ) k fr T2f α αr αr 8 ∂(ρσY ) Q\ρσY ∂(ρσY ) r=1 ∂ (T3b T4b ) , (A.56) −k br T2b ∂(ρσY ) • Ableitungen nach ρ Yβ 8 ∂S α 88 8 ∂(ρ Yβ ) Q\ρYβ 8 8 8 8 8 ∂ T 88 ∂IT 88 ∂S α 88 ∂S α 88 ∂S α 88 = + + 8 8 8 ∂IT 8Q1 \IT ∂(ρ Yβ ) 8Q\ρ Yβ ∂ T Q1 \T ∂(ρ Yβ ) Q\ρYβ ∂(ρ Yβ ) Q1 \ρ Yβ Nr ∂ ∂ = Mα (ναr − ναr ) k fr T2f (T3f T4f ) − k br T2b (T3b T4b ) ∂(ρ Yβ ) ∂(ρ Yβ ) r=1 −
eN k eβ − Aα . ρcv
(A.57)
Trotz der Komplexit¨ at dieser Ableitungen sind die Endergebnisse ,,verh¨altnism¨ aßig” einfach. Das zeigt sich an deren K¨ urze, wenn h¨aufig wiederkehrenden Terme (z.B. Aα ) einmal bestimmt sind. Eine sorgf¨altige Programmierung kann hier viel Rechenzeit sparen. Der Programmieraufwand ist bei analytisch gebildeten Jacobi-Matrizen hoch und erfordert ein strukturiertes Vorgehen. Eine Kontrolle der einzelnen Terme ist durch den Vergleich mit numerischen Ableitungen m¨ oglich.
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Index
a priori-Wahrscheinlichkeit, 134, 136–138, 140, 141 A-Stabilitat, 231, 232, 236–238, 240, 241, 250 Abbruchfehler, 232, 245–247 Aktivierungsenergie, 27 aliasing, 300 All-Mach-Number-Pr¨ akonditionierung, 14, 18 Arrhenius-Funktion, 11, 27–29, 147 assumed-PDF Komponentendichten, 127–130, 151, 165 Massenanteile, 122–127, 131, 151 Einfluss auf Chemie-Quellterm, 155 Molanteile, 128, 131 assumed-PDF-Ansatz, 107–164 asymptotische Fehlerreduktion, siehe asymptotische Konvergenzrate BDF-Verfahren, 237, 238 implizit, 250–252 semi-implizit, 252 Beta-PDF, 118, 149, 150, 152, 159, 160 eindimensionale, 119–122 mehrdimensionale, 122–128 Bilanzgleichungen gemittelte, 65–66 momentane, 11–14 Bildungsenthalpie, 17, 20 bimodal, 141 Boussinesq-Ansatz, 75, 76, 78, 87 CFL-Zahl, 279
Chemie-Quellterm zweiter Momente, 150 chemischer Produktionsterm mittlerer, 48 momentaner, 16, 17, 25, 26 PDF-Transportgleichung, 180 chemisches Gleichgewicht, 6, 26, 33, 162 Curl-Modell, 196 D¨ ampfung globale, 337, 346, 349 lokale, 336–337, 342–343, 349, 352–353, 356–357 Damk¨ ohler-Zahl, 38, 285 Defekt, siehe Residuum detaillierte Chemie, 25, 30, 129, 159, 165 deterministisches System, 43 diagonale Dominanz, 233 Differenzenstern, 264 Diffusions-Prozess, 211, 212 Diffusionsgleichung anisotrope, 274 isotrope, 274, 281 Diffusionskoeffizienten, 16, 21, 22, 24, 25 Diffusionsmassenfluss, 12, 14, 16, 21, 22, 25 Korrekturterm, 22 Dilatation, 18 Dirac’sche Delta-Funktion, 110, 114 direkte numerische Simulation, 35, 38, 72, 79, 92, 95 Dissipationsrate
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Index
Energievarianz, 92 Reynolds-Energiefluss, 81 Reynolds-Komponentenfluss, 74 Reynolds-Spannungen, siehe Dissipationstensor turbulente kinetische Energie, 37, 38, 79, 85–87 kompressible, 86, 87 quellenfreie, 86, 87 Transportgleichung, 87 Dissipationstensor Reynolds-Spannungen, 79 DNS, siehe direkte numerische Simulation Drift-Koeffizient, 212, 214 Druck-Diffusions-Term, 78, 81 Druck-Dilatation, 86 Druck-Poisson-Gleichung, 52 Druck-Skalargradienten-Term, 74 Druck-Spannungsraten-Tensor, 79, 86 Druckgradienten, 175 dynamische Viskosit¨ at, 12, 21, 24, 25 Eigenwerte imagin¨ are, 228 positive, 253–254 Verbrennung, 227–229 Einheitssprung-Funktion, siehe Heaviside-Funktion Einschrittverfahren, 233 implizite, 249–250 Einzelrealisierung, 51, 56 Elementarreaktion, 26–31, 145 bimolekular, 26 Druckabh¨ angigkeit, 28–29 trimolekular, 26 Elementmassenanteile, 15 Erhaltungsgleichungen, 15–16 EMST-Modell, 195 Energieerhaltungsgleichung gemittelete, 66 momentane, 13, 15 Energiefluss mittlerer, 82 momentaner, 12, 14, 23 Energiekaskade, 36, 86 Energievarianz, 90–96 Transportgleichung, 90–93 Herleitung, 362–364
Ensemble-Mittel, 58, 196, 202 Fehler, 58 Ensemble-Mittelung, siehe Mittelung Enthalpiebilanzgleichung momentane, 14 Enthalpievarianz, siehe Energievarianz Entropie einer PDF, 133 inerte Variablen, 137–141 reagierende Variablen, 141 Erhaltungsgleichungen, 137 Erwartungswert, 44, 47–48 bedingter, 50–51 Euler’sche Betrachtungsweise, 12 Euler-Gleichungen, 11, 17 Euler-PDF-Verfahren, 160, 204–208 Euler-Verfahren explizit, 226, 239, 279 implizit, 226, 231, 232 Punkt-implizit, 247–248 Punkt-semi-implizit, 248 semi-implizit, 240 explizite Verfahren, 219 Stabilitat, 236 externe Volumenkr¨ afte, 14 Faktorisierung, 203, 250 Favre-Zerlegung, 39 FD, siehe Finite-Differenzen Fehlermoden Gruppe, 321 hochfrequente, 299, 316–317 niederfrequente, 298–299, 316–317 Quadrupel, 321 Zusammenfallen, 321–322 Fick’sches Gesetz, 11, 12, 21 Filterung, 356 Finite-Differenzen-Verfahren, 244 finite-rate chemistry, siehe detaillierte Chemie Finite-Volumen-Verfahren, 244 flame sheet, 6, 113 flamelet, 7, 113 instation¨ are, 8 Fluid-Partikel, 55–57, 205, 209, 210 Fokker-Planck-Gleichung, 211–212, 214, 215 Fortpflanzungsfehler, 232 Fourier’sches Gesetz, 11, 12, 23 Fourier-Analyse, 267–272
Index Fourier-Reihe eindimensionale, diskrete, 268–271 zweidimensionale, diskrete, 270 Fourier-Symbol, 271, 272, 322 Funktionaldeterminante, 56 FV, siehe Finite-Volumen Gamma-Funktion, 119, 148 Gauß-PDF, 114, 118–122, 125, 129, 136, 137, 140, 144, 147, 160, 162, 167 eindimensionale, 115–117 abgeschnittene, 116 mehrdimensionale, 117–118 Gauß-Verteilung, siehe Gauß-PDF Gear-Verfahren, siehe BDF-Verfahren geschachtelte Iteration, siehe vollst¨ andiges Mehrgitterverfahren Geschwindigkeits-DruckgradientenTensor, 78 Geschwindigkeitskoeffizient momentaner, 27–30 Druckabh¨ angigkeit, 28–29 Geschwindigkeitsmaß, turbulentes integrales, 77, 85 Kolmogorov, 37, 38 Gl¨ atter, 295 Gl¨ attungsfaktor, 297 lokaler, 297 Gleichgewichtskonstante, 29–30 Gleichverteilung, 109 Gradienten-Diffusions-Ansatz, 72–73, 80, 82, 92, 177, 190 tensorieller, 72 Gravitation, 14, 16, 17 grid alignment, 314, 331 Grobgitterkorrektur FAS, 309–310 lineare, 300–302 harmonics, siehe Fehlermoden,Gruppe Heaviside-Funktion, 110 homogen, 220 homogenes Reaktionssystem, 7, 219 Hybrid-Verfahren, 208–209, 215 ideales Gas, 19, 30 Gleichung, 19, 66 IEM-Modell, 195–197
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modifiziertes, 197–198 ILDM, 8, 166, 204 implizite Verfahren, 219 Stabilitat, 237 Impulserhaltungsgleichung gemittelte, 66 momentane, 13 inerter Stoßpartner, 26–27, 29 inkompressibles Fluid, 16, 18, 19, 21 Instabilit¨ at inh¨ arente, 230, 253 Intensit¨ at Temperaturfluktuation, 116, 153 Intermittenz, 59–61 ISAT, 8, 204 isotrop, 220 Iterationsmatrix, 266 Iterationsoperator, 264, 272, 275, 322 Jacobi-Matrix, 14, 223, 225 diffusiver Fl¨ usse, 246 konvektiver Fl¨ usse, 246 laminare Chemie, 364–368 PDF-Modellierung, 368–373 Quellterm, 227, 228, 239, 257–261 analytische, 257–258, 260 approximierte, 260–261 numerische, 258 kalorisch perfektes Gas, 19 Knudsen-Zahl, 12 Komponentendichten, 166 kompressibles Fluid, 11, 14, 17, 18, 52, 181–183 konditionierte Beschleunigung, 189–190 konservative Variablen, 13, 14, 20 Kontinuum, 11, 12 Konvektions-Diffusions-Gleichung, 285–286 Konvergenzbeschleunigung, 108 Konvergenzfaktor, 266 mittlerer, 266 Konvergenzrate, 266 asymptotische, 266 Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren, 280, 281 Punkt-Jacobi-Verfahren, 278 Zweigitterverfahren, 276
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Index
Korrelationskoeffizient, 49, 116, 118, 166 Temperatur-Komponenten, 164–166 Kovarianz, 48–49, 107 L¨ angenmaß turbulentes Kolmogorov, 37, 38 L¨ angenmaß, turbulentes, 87, 97 integrales, 76, 77, 82 L¨ angenskalen, siehe L¨ angenmaß Lagrange Formulierung, 55–56 Partikel, 211–213 PDF, 57 PDF-Verfahren, 209–216 Lagrange’sche Betrachtungsweise, 13 Lagrange-PDF-Verfahren, 160 laminare Chemie, 59, 69 Langevin-Modell verallgemeinertes, 190, 214 vereinfachtes, 190, 215 Laplace-Gleichung, 272 Large Eddy Simulation, 65 Lewis-Zahl, 23 LFA, siehe lokale Fourier-Analyse Linearisierung, 246–247 Linien-Gauß-Seidel-Verfahren, 281–284, 290 LMSE-Modell, siehe IEM-Modell lokale Fourier-Analyse, 320–328 LU-SGS-Verfahren, 329, 337, 339, 345, 353, 355 Mach-Zahl, 12, 16–18 Makromischung, 181 marginale PDF, siehe Rand-PDF Markov-Prozess, 212 Massenanteile, Bilanzgleichung gemittelte, 66 momentane, 13 Massenanteilvarianzen, -kovarianzen, 96–98 direkte Modellierung, 96–97 Transportgleichung, 97–98 Massendichtefunktion, siehe MDF Massenerhaltungsgleichung gemittelte, 66 momentane, 13
Massenkr¨ afte, 22, 176, 180 Matrixnotation, 265 MDF, 54 diskrete, 58 Transportgleichung, 185 Mehrgitterverfahren ¨ Uberschallstr¨ omung, 331–341 Aufwand, 306–307 FAS, 310 geometrisches, 312 Geschichte, 293 Grundlagen, 294–300 lineare Probleme, 300–304 mit Turbulenzmodell, 341–346 mit Verbrennung, 346–357 nichtlineare Probleme, 309–312 vollst¨ andiges, 305 Mehrgitterzyklen, 304–306 Mehrschrittverfahren, 233, 235 implizite, 250–252 Mesomischung, 181 Mikromischung, 179, 181, 191, 196 Mittelung Ensemble, 41 zeitliche, 40, 41 mittlere freie Wegl¨ ange, 11, 12 mittlere Massengeschwindigkeit, 14, 22 mittlerer chemischer Quellterm, 143 Berechnungsmethode, 149–150 mittlerer Geschwindigkeitskoeffizient, 143 Berechnungsmethoden, 145–147 Einfluss der Temperatur-PDF, 153–155 Modellgleichungen, 229 molekulare Diffusion, 72, 75, 81, 97, 100, 179 molekulare Dissipation, 175, 202, 205 molekularer Mischungsterm, 179, 181, 191–198 Modellierung, 194–198 Testfall, 198 molekularer Transport, 78 Momente ohere, 48–49 h¨ zentrale, 49 Momenten-Verfahren, 108 Monte-Carlo-Verfahren, 207, 210
Index multivariate PDF, 109, 117, 122, 128, 150, 160 Navier-Stokes-Gleichungen, 11, 13, 17 Newton’sches Fluid, 11, 12, 21 Newton-Raphson-Iteration, 117 Newton-Raphson-Verfahren, 245–246 Normalverteilung, siehe Gauß-PDF Normierungsbedingung Massenanteile, 14 PDF, 45 numerische Stabilit¨ at, 229–236 Definition, 231 explizite Verfahren, 236 implizite Verfahren, 237 Operator-Splitting, 202–203 chemische Reaktionen, 203–204 r¨ aumlicher Transport, 206–207, 213–215 turbulente Mischung, 194 Parallelisierung, 4, 7, 8, 146, 172, 247, 257, 280, 307, 309 parametrische Sensitivit¨ at, 36, 43 Partikel konditionierte, 210 stochastische, 211–213, 215, 216 Verfahren, 201–202 passiver Skalar, 16, 115, 137–140 PDF bedingte, 50–51 Definition, 44 diskrete, 57–58 Eigenschaften, 45 experimentelle Bestimmung, 45–46 Favre, 52–54 Lagrange, 56 momentane, 51–52 momentane Lagrange, 56–57 Rand, 49–50 thermochemische, 160 Verbund, 45 PDF-Transportgleichung Geschwindigkeit, 174–176 Herleitung, 172–174 thermochemische, 176–183 thermochemische und Geschwindigkeit, 183–185
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PDF-Transportgleichungs-Verfahren, 107, 129, 159, 160, 164 Peclet-Zahl, 285 perfekter R¨ uhrreaktor, siehe homogenes Reaktionssystem Phasenwinkel, 268 Poisson-Gleichung, 272 positiv definit, 232, 240, 241, 253 Pr¨ akonditionierung, 224–225 Prandtl-Zahl, 16, 23 presumed PDF, siehe assumed PDF primitive Variablen, 14, 244 probabilistisches System, siehe stochastisches System Prolongation Aufwind, 335 gestreckte Gitter, 319–320 Standard, 319 Punkt-Gauß-Seidel-Verfahren, 280–281, 286–290 Punkt-implizit, 247 Punkt-Jacobi-Verfahren, 274–279 Quellterm-Jacobi-Matrix, siehe Jacobi-Matrix R¨ uckw¨ artsdifferenzen-Verfahren, siehe BDF-Verfahren Rand-PDF, 125, 161–163, 165 Randbedingungen Dirichlet, 267, 273 Neumann, 273 RANS, 42 Reaktionsmechanismus, 30, 32 Methan/Luft, 26, 30, 360–361 reduzierter, 25 Wasserstoff/Luft, 26, 32, 33, 359 Reaktionsraten, 25, 26 reaktiver Skalar, 74 reales Gas, 19 Realisierung, 41 Rechteck-PDF, siehe Gleichverteilung Reduktionsfaktor, siehe Konvergenzfaktor Relaxationsverfahren, 264, 265 Residuum, 248, 252, 278, 301 Restriktion charakteristische, 333–335 full weighting, 318
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Index
ged¨ ampfte, 335–341, 352–357 half weighting, 318 Injektion, 318 resiuumsabh¨ angige, 335 Standard, 317–319 Reynolds-Energiefluss, 80–82 direkte Modellierung, 80 Transportgleichung, 80–81 Reynolds-Komponentenfluss, 72–74 direkte Modellierung, 72–73 Transportgleichung, 73–74 Reynolds-Spannungen, 75–79 direkte Modellierung, 76–78 Transportgleichung, 78–79 Reynolds-Spannungstensor, 75, 76, 85 Reynolds-Zahl, 12, 17 Reynolds-Zerlegung, 39 Schmidt-Zahl, 23 semi-Vergr¨ oberung, 315 sensible Energie, siehe thermische Energie sensible Enthalpie, siehe thermische Enthalpie skalare Dissipation hohe Reynolds-Zahl, 193–194 homogene, isotrope Turbulenz, 192–193 skalare Dissipationsrate, 7 Spannungstensor mittlerer, 79 molekularer, 11, 12, 14 spezifische W¨ armekapazit¨ at, 17, 19, 24 Stabilit¨ atsanalyse, 231–232 Standardabweichung, 135, 160 Standardbedingungen, 20, 24, 30 Startreaktion, 153 statistische Unabh¨ angigkeit, 108, 129, 130, 131, 143, 151, 164, 165 Steifigkeit Auswirkung, 227 Definition, 226–227 Testfall, 239–241 Ursache, 221–222 Sternnotation, 264 Stichprobe, 115 Stirling’sche Formel, 135 stochastische Modellierung, 210–211 stochastisches System, 43
Stoffwerte, 23–25 Stokes-Beziehung, 12, 21 Strahlung, 14–16 Streckungsrate, 7 substantielle Ableitung, 15 Summe der Komponentenvarianzen, 123, 155 chemischer Produktionsterm, 151 Summe der Massenanteilvarianzen, 123, 125 Transportgleichung, 99–100 Herleitung, 364 Teildichte, siehe Komponentendichte Temperatur Berechnung, 20, 66–67 PDF, 150, 153, 162 Transportgleichung, 15 Temperatur-KomponentenKorrelationen, 101–102, 164 direkte Modellierung, 101 Transportgleichung, 101–102 Temperaturvarianz, 71, 88–90 chemischer Produktionsterm, 150 direkte Modellierung, 88 Transportgleichung, 88–90 textbook multigrid efficiency, 294 thermisch perfektes Gas, 19 thermische Energie, 20 gemittelte Bilanzgleichung, 363 momentane Bilanzgleichung, 15, 20 thermische Enthalpie, 20 Thermodiffusion, 22 TME, siehe textbook multigrid efficiency Transferoperatoren Aufwind, 335 Charakteristiken, 332–335 Standard, 317–320 Transition, 83 Transportgleichung erster Momente, 65–67, 103–104, 107 zweiter Momente, 108, 123, 128, 140, 145, 150, 151, 160 Transportgleichungs-PDF-Ansatz, 171–216 turbulente kinetische Energie, 36, 37, 67, 76, 77, 81, 122, 123 Transportgleichung, 85–86
Index turbulente Konvektion, 190–191 turbulente skalare Energie, siehe Summe der Komponentenvarianzen turbulenter Mischungsterm, siehe molekularer Mischungsterm Turbulenz homogen und isotrop, 115 Turbulenz-Prandtl-Zahl, 73–80 Turbulenz-Reynolds-Zahl, 36, 38, 75, 78, 79, 82, 84, 92 Turbulenz-Schmidt-Zahl, 73 Turbulenzmodelle, 75, 82–85 algebraische, 77, 80 ein-Gleichungs, 83 High-Reynolds-Number, 84, 87 Low-Reynolds-Number, 84, 87 nichtlineare, 78 null-Gleichung, 82 numerische Stabilit¨ at, 84 Reynolds-Spannungsmodelle (RSM), 75 vollst¨ andige, 83 zwei-Gleichung, 83–84 Uebergangsdichte, siehe Lagrange-PDF Ueberschallbrennkammer, 3 Ungemischtheit, 60 Unterrelaxation, 266 URANS, 42 Varianz, 48–49, 107 Variationsrechnung, 139, 141 Vektorisierung, 172, 257 Verbrennungsmodelle Brutto-Reaktionen, 6 eddy-breakup-Modell, 6 eddy-dissipation-Modell, 6 flame-sheet-Modell, siehe flame sheet Verbund-PDF, 114, 122, 123, 129–131, 136, 139, 141, 143, 159, 160, 164 Verdichtungsstoß abgehobener, 339–341 schr¨ ager, 329, 337–338 Verst¨ arkungsfaktor, 271–272 Verst¨ arkungsfaktor (Turbulenz)
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Komponentenfluktuationen, 155, 157 Temperaturfluktuation, 145, 153, 154 Verteilungsfunktion, 110 voll-Vergr¨ oberung, 313–315, 317 von Neumann-Analyse, siehe FourierAnalyse W¨ armeleitf¨ ahigkeit, 24, 25 W¨ armeleitproblem, 272–274 Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion, siehe PDF Wahrscheinlichkeitsdichtefunktional, 43 Wiener-Prozess, 211, 212, 214, 215 Wirbelviskosit¨ at, 73, 76, 77, 82 Z¨ undung, 160 Z¨ undverzug, 153 Zehn-Prozent-Regel, 254 Zeitmaß chemisches, 39, 141, 159 molekulares, 12 str¨ omungsmechanisches, 141, 159 turbulentes, 12, 37, 39, 92, 97, 98, 100, 141 integrales, 76, 77, 82, 89, 98 Kolmogorov, 8, 37, 38 Zeitschritt Euler-PDF-Verfahren, 207 globaler, 250 Lagrange-PDF-Verfahren, 216 Zeitskalen, siehe Zeitmaß chemische, 228 linearer Gleichungssysteme, 222–224 nichtlinearer Gleichungssysteme, 225 Zeldovich-Mechanismus, 108 Zellmittelpunktsschema, 245 zentrale Momente, 120 Zufallsvariable, 44 Zweigitter-Fourier-Analyse, 322–328 Zweigitterverfahren asymptotische Konvergenzrate, 323 Fehlerreduktionsfaktor, 323 lineares Problem, 300–303 nichtlineares Problem, 309–310