Martin Werle Eingeschaltet oder abgemeldet?
Martin Werle
Eingeschaltet oder abgemeldet? Interessen des Publikums im deutschen Radio- und Fernsehmarkt
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Herbstsemester 2007 auf Antrag von Prof. Dr. Otfried Jarren und Prof. Dr. Gabriele Siegert als Dissertation angenommen.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Monika Mülhausen / Marianne Schultheis Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15792-4
Meinen Eltern
Vorwort Der medienökonomische Diskurs ist dabei, sich einen festen Platz in den Kommunikationsund Medienwissenschaften zu erarbeiten. Dieses Buch soll dazu beitragen. In einigen Punkten werden Positionen eingenommen, die nicht dem Standardrepertoire medienökonomischer Ansichten entsprechen, etwa bezüglich der Frage der Qualitätstransparenz von Rundfunkinhalten. Kommentare und Kritik, Anmerkungen und Anregungen richten Sie bitte an
[email protected]. Ich freue mich darauf. Wie alle Dissertationen konnte auch diese nicht ohne Unterstützung zustande kommen. An erster Stelle möchte ich mich bei meinem Doktorvater, Prof. Dr. Otfried Jarren, bedanken. Seine erstklassige Betreuung, mit immer der richtigen Balance zwischen Motivierung und kritischen Fragen, hat mir sehr geholfen, mich zwischen verschiedenen Ansätzen und Disziplinen zu positionieren umd mich gleichzeitig frei zu entfalten – und das Ergebnis gefällt mir. Auch bei Prof. Dr. Gabriele Siegert, die die Arbeit als Zweitgutachterin bewertet hat, möchte ich mich für ihr Interesse, ihre Anteilnahme und ihre weiter führenden Anmerkungen bedanken. Viele Impulse habe ich auch bei den Treffen mit Mit- und Post-Doktoranden des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung (IPMZ) der Universität Zürich erhalten. Ich bedanke mich bei allen Mitstreitern für den lebhaften Austausch und die schöne Zeit. Besonderer Dank gebührt auch der Studienstiftung des deutschen Volkes, insbesondere Dr. Angelika Wittek und Dr. Roland Hain. Das Stipendium hat es mir ermöglicht, mich voll auf die Dissertation zu konzentrieren. Von den Gesprächen mit Prof. Dr. Wolfgang Ernst hat die Arbeit ebenfalls sehr profitiert. Unschätzbar ist der Rückhalt, den ich privat erhalten habe. Meine Eltern haben mir in vielerlei Hinsicht überhaupt erst die Perspektive für eine solche Arbeit eröffnet. Außerdem haben ihre Korrekturen die Arbeit lesbarer gemacht und viele Fehler ausgemerzt. Die verbliebenen habe selbstverständlich ich zu verantworten. Meine Freundin, Dr. Anke Suttorp, schließlich hat mich durch alle Höhen und Tiefen dieser Arbeit begleitet. Sie war Ideengeber, -tester und -ergänzer. Die Diskussionen, die ich mit ihr über Aufbau, Konsistenz, Verständlichkeit usw. geführt habe, haben die Arbeit wesentlich verbessert. Vielen, vielen Dank! Ohne diese Hilfen von meiner Freundin und meiner Familie hätte ich diese Arbeit wohl nicht geschrieben. Dortmund im Oktober 2007 Martin Werle
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Inhaltsübersicht 1
Einleitung .......................................................................................... 14
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Theoretischer Rahmen .......................................................................... 19 2.1 Neue Institutionenökonomik............................................................ 19 2.2 Relevante Aspekte der Publikumsforschung.......................................... 33
3
Rundfunk als Markt .............................................................................. 44 3.1 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen........................................ 44 3.2 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen für den Rezipienten............... 60 3.3 Akteurskonstellationen im Rundfunk.................................................. 65 3.4 Zusammenfassung......................................................................... 76
4
Modelle von Publikumsverhalten .............................................................. 79 4.1 Politisches Subjekt: Bürger .............................................................. 82 4.2 Objekt des Wirtschaftskreislaufs: Konsument........................................ 85 4.3 Mediennutzer .............................................................................. 97
5
Prozessmodell des Rezeptionsmarktes.......................................................103 5.1 Individuelle Programmwahl............................................................104 5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten ........................121
6
Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk ..........................137 6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen ...............138 6.2 Stärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot.179 6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen ....................................222
7
Institutionelle Umsetzung: Media Governance.............................................239 7.1 Governance: Begriff und Konzepte ...................................................239 7.2 Wandel von Governance-Struktur und -bedingungen .............................244 7.3 Einflüsse und Motive der Akteure im Rundfunkmarkt für eine Stärkung der Publikumsposition ..................................................................247
8
Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit ................................................265
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Quellenverzeichnis ..............................................................................274
8
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung .......................................................................................... 14 1.1 Fragestellung............................................................................... 15 1.2 Aufbau der Arbeit ......................................................................... 17
2
Theoretischer Rahmen .......................................................................... 19 2.1 Neue Institutionenökonomik............................................................ 19 2.1.1 Neoklassisches Modell................................................................ 19 2.1.1.1 Markttheorie.................................................................... 20 2.1.1.2 Menschenbild der Neoklassik................................................ 24 2.1.2 Ergänzungen durch die Neue Institutionenökonomik........................... 25 2.1.2.1 Transaktionskosten ............................................................ 26 2.1.2.2 Institutionelle Voraussetzungen für funktionierende Märkte ........... 26 2.1.2.3 Menschenbild der Neuen Institutionenökonomik ........................ 29 2.1.2.4 Typische Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit von Märkten.... 30 2.1.2.5 Eignung der Neuen Institutionenökonomik für die Analyse des Rundfunks ....................................................................... 32 2.2 Relevante Aspekte der Publikumsforschung.......................................... 33 2.2.1 Publikumszentrierte Ansätze ........................................................ 35 2.2.1.1 Basisdaten ....................................................................... 35 2.2.1.2 Regelmäßigkeiten im Publikumsverhalten................................. 36 2.2.1.3 Publikumstypisierungen ...................................................... 38 2.2.2 Rezipientenorientierte Ansätze: Uses-and-gratifications-Modell als Dachkonzept ........................................................................... 39 2.2.2.1 Grundlagen ..................................................................... 39 2.2.2.2 Begriffsklärungen .............................................................. 42
3
Rundfunk als Markt .............................................................................. 44 3.1 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen........................................ 44 3.1.1 Güter vs. Verfügungsrechte .......................................................... 44 3.1.2 Nicht-Ausschluss ...................................................................... 46 3.1.3 Nicht-Rivalität im Konsum .......................................................... 48 3.1.4 Werbepreis-Rezipientenzahl-Spirale ............................................... 50 3.1.5 Netzeffekte ............................................................................. 53 3.1.6 Kostenstruktur der Medienproduktion............................................ 56 3.1.7 Tendenz zum natürlichen Monopol durch Skaleneffekte? ...................... 57
Inhaltsverzeichnis
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3.2 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen für den Rezipienten............... 60 3.2.1 Befriedigung verschiedener Bedürfnistypen: Kuppelprodukte ................ 60 3.2.2 Rundfunksendungen als Dienstleistungen......................................... 61 3.2.3 Qualitäts(in)transparenz.............................................................. 61 3.2.4 Präferenzenkollision: Meritorik .................................................... 64 3.3 Akteurskonstellationen im Rundfunk.................................................. 65 3.3.1 Sender als Mittler zwischen Werbewirtschaft und Publikum? ................. 66 3.3.2 Verhältnis von Sender und Rezipient als autonome Geschäftsbeziehung..... 67 3.3.2.1 Rezipient-Sender als Prinzipal-Agent-Konstellation ..................... 68 3.3.2.2 Markttausch..................................................................... 69 3.3.3 Rolle der Rezipienten ................................................................ 69 3.3.3.1 Monetäre Leistungen der Rezipienten ..................................... 70 3.3.3.2 Nicht-monetäre Leistungen der Rezipienten: Zeit und Aufmerksamkeit ................................................................ 71 3.3.3.2.1 Zeit und Aufmerksamkeit: Währung oder Ressource? .............. 72 3.3.3.2.2 Transformation von Zeit und Aufmerksamkeit durch Messung.... 74 3.3.3.2.3 Interpretation der Einschaltquoten..................................... 75 3.3.3.3 Sonderleistungen: Interaktive Formate (Call-Media) .................... 76 3.4 Zusammenfassung......................................................................... 76 4
Modelle von Publikumsverhalten .............................................................. 79 4.1 Politisches Subjekt: Bürger .............................................................. 82 4.1.1 Gesellschaftliche Funktionen des Rundfunks ..................................... 82 4.1.2 Ansprüche des Bürger-Rezipienten ................................................ 83 4.1.3 Medien als Forum für den Bürger .................................................. 84 4.2 Objekt des Wirtschaftskreislaufs: Konsument........................................ 85 4.2.1 Programmpräferenzen des Konsumenten-Rezipienten ......................... 86 4.2.2 Konsument als Werbeadressat ....................................................... 88 4.2.3 Ansprüche des Verbrauchers......................................................... 91 4.2.4 Kundenorientierung in verschiedenen Rundfunkregimes ...................... 92 4.2.4.1 Erstjustierung des Marktes ................................................... 92 4.2.4.2 Werbefinanzierter Rundfunk ................................................ 94 4.2.4.3 Bezahlrundfunk................................................................. 95 4.2.4.4 Öffentlich-rechtlicher Rundfunk............................................ 96 4.3 Mediennutzer .............................................................................. 97 4.3.1 Mediensozialisation ................................................................... 98 4.3.2 Präferenzen des Mediennutzers..................................................... 99 4.3.3 Programmveränderungen in Reaktion auf Mediennutzer .....................101
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Inhaltsverzeichnis
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Prozessmodell des Rezeptionsmarktes.......................................................103 5.1 Individuelle Programmwahl............................................................104 5.1.1 Bedürfnisse und Wünsche...........................................................104 5.1.2 Interessen ..............................................................................106 5.1.3 Präferenzen............................................................................108 5.1.4 Ressourcen ............................................................................110 5.1.5 Gesamtangebot .......................................................................112 5.1.6 Konsumentscheidung ................................................................114 5.1.6.1 Entscheidungsrelevante Faktoren ..........................................114 5.1.6.2 Reduzierung und Vermeidung von Entscheidungen.....................115 5.1.6.3 Vorläufigkeit von Entscheidungen..........................................117 5.1.7 Konsum ................................................................................118 5.1.8 Nutzen .................................................................................119 5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten ........................121 5.2.1 Metakommunikation von Sendern ................................................122 5.2.1.1 Metakommunikation innerhalb des Programms .........................122 5.2.1.2 Metakommunikation außerhalb des Programms ........................123 5.2.2 Metakommunikation von Rezipienten ............................................125 5.2.2.1 Nutzung als Metakommunikation?.........................................127 5.2.2.2 Gründe für die Wirkungslosigkeit von Publikumskommunikation ...128 5.2.2.2.1 Mangelnde Repräsentativität ...........................................129 5.2.2.2.2 Veränderlichkeit von Interessen und Präferenzen...................130 5.2.2.2.3 Kommunikationsschwelle ...............................................131 5.2.3 Vermittelnde Organisationen.......................................................131 5.2.3.1 Senderinterne Stellen und Organisationen ...............................132 5.2.3.2 Gemeinsame Organisationen der Branche................................132 5.2.3.3 Aufsichtsorganisationen......................................................133 5.2.3.4 Verbraucherschutzorganisationen ..........................................134 5.2.4 Zwischenergebnis ....................................................................135
6
Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk ..........................137 6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen ...............138 6.1.1 Existenz attraktiver Alternativen zu jeder Zeit ..................................138 6.1.2 Erhöhung von Qualitätstransparenz ...............................................140 6.1.2.1 Formatierung ..................................................................141 6.1.2.2 Signaling ........................................................................144 6.1.2.3 Stiftung Medientest...........................................................146 6.1.2.3.1 Aufgaben einer Stiftung Medientest ...................................147
Inhaltsverzeichnis
6.1.2.3.2 6.1.2.3.3 6.1.2.3.4 6.1.2.3.5
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Anforderungen an die Arbeit der Stiftung Medientest .............149 Zusammensetzung der Entscheidungsgremien ......................151 Finanzierung...............................................................152 Bedeutung der Stiftung Medientest für die Etablierung von Qualitätsmaßstäben ......................................................153 6.1.3 Hilfen zur Orientierung im Programm...........................................154 6.1.3.1 Programmschemata ..........................................................155 6.1.3.2 Programminformationen ....................................................158 6.1.3.3 Screening .......................................................................161 6.1.3.3.1 Definition ..................................................................161 6.1.3.3.2 Abgrenzung zu Rezeptionsformen ....................................162 6.1.3.3.3 Screening als offener Prozess ...........................................163 6.1.3.3.4 Unterstützung von Screening durch Programmgestaltung ........164 6.1.3.4 Soziale Orientierung .........................................................164 6.1.4 Problemfall Meritorik: Entscheidungen im Widerspruch zu Interessen ....166 6.1.4.1 Meritorische Sendungen als Sendungen mit kleinem Publikum ......169 6.1.4.2 Meritor. Sendungen als Sendungen mit hohen Rezeptionskosten ....171 6.1.4.3 Meritor. Sendungen als Angebote mit positiven externen Effekten ..174 6.1.4.4 Zusammenfassung ............................................................178 6.2 Stärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot.179 6.2.1 Regelmäßige und differenzierte Publikumsartikulationen ....................180 6.2.1.1 Intensivierung der Publikumsforschung ..................................181 6.2.1.1.1 Defizite gegenwärtiger Publikumsforschung ........................181 6.2.1.1.2 Vorschläge zur Behebung der Defizite ................................182 6.2.1.1.3 Konsequenzen intensivierter Publikumsforschung .................185 6.2.1.2 Aufmerksamkeitsmessung ...................................................186 6.2.1.2.1 Mögliche Effekte einer Aufmerksamkeitsmessung ..................187 6.2.1.2.2 Indikatoren für Aufmerksamkeit .......................................189 6.2.1.2.2.1 Ein-, Um- und Abschaltverhalten................................189 6.2.1.2.2.2 Physische und psychische Anwesenheit.........................190 6.2.1.2.3 Erhebung von Aufmerksamkeit.........................................192 6.2.1.2.4 Ethische Bedenken .......................................................196 6.2.1.3 Intensivierung des Publikumsfeedbacks...................................196 6.2.1.3.1 Beteiligung des Studiopublikums ......................................197 6.2.1.3.2 Interaktive Sendungen ...................................................197 6.2.1.3.3 Initiativrückmeldung.....................................................199 6.2.1.3.4 Warum schweigt die Mehrheit? ........................................200 6.2.1.4 Feedback durch Publikumsrepräsentanten ...............................201
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6.2.2 Vom Programm zum Abruf .........................................................203 6.2.2.1 Abgrenzung: Push vs. Pull...................................................204 6.2.2.2 Digitalisierung als Antrieb für Autonomie des Publikums .............206 6.2.2.3 Vorboten der Abrufkultur ...................................................207 6.2.2.3.1 Beispiel Podcasts ..........................................................208 6.2.2.3.2 Beispiel Videoplattformen...............................................209 6.2.2.4 Schlussfolgerungen ...........................................................212 6.2.3 Ausweitung von Bezahlangeboten .................................................214 6.2.3.1 Abrufdienste als technische Voraussetzung für flächendeckenden Bezahlrundfunk................................................................215 6.2.3.2 Preisdifferenzierung ..........................................................216 6.2.3.2.1 Differenzierungsmerkmal Produktionskosten .......................217 6.2.3.2.2 Differenzierungsmerkmal Programm.................................219 6.2.3.2.3 Differenzierungsmerkmal Nutzungszeit ..............................219 6.2.3.2.4 Differenzierungsmerkmal realisierter Nutzen.......................220 6.2.3.3 Finanzierung von durchgängigem Bezahlrundfunk......................220 6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen ....................................222 6.3.1 Ökonomische Auswirkungen für die Rezipienten ..............................223 6.3.1.1 Effekte der Vereinfachung und Verbesserung individueller Rezeptionsentscheidungen ..................................................223 6.3.1.2 Effekte der Maßnahmen zur Einflusssteigerung des Publikums.......226 6.3.1.2.1 Effekte intensiverer Kommunikation..................................226 6.3.1.2.2 Effekte einer Abrufkultur ...............................................227 6.3.1.2.3 Effekte von flächendeckendem Bezahlrundfunk.....................227 6.3.2 Ökonomische Auswirkungen für die Sender.....................................230 6.3.2.1 Effekte der Vereinfachung und Verbesserung individueller Rezeptionsentscheidungen ..................................................230 6.3.2.2 Effekte der Maßnahmen zur Einflusssteigerung des Publikums.......232 6.3.2.2.1 Effekte intensiverer Kommunikation..................................232 6.3.2.2.2 Effekte einer Abrufkultur ...............................................234 6.3.2.2.3 Effekte von flächendeckendem Bezahlrundfunk.....................235 6.3.3 Publizistische Auswirkungen: Veränderungen in der Angebotsstruktur .....236 7
Institutionelle Umsetzung: Media Governance.............................................239 7.1 Governance: Begriff und Konzepte ...................................................239 7.1.1 Governance-Begriff ..................................................................240 7.1.2 Media Governance ...................................................................241
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7.2 Wandel von Governance-Struktur und -bedingungen .............................244 7.2.1 Formen institutionellen Wandels ..................................................244 7.2.2 Akteure als Initiatoren institutionellen Wandels.................................246 7.3 Einflüsse und Motive der Akteure im Rundfunkmarkt für eine Stärkung der Publikumsposition ..................................................................247 7.3.1 Legislative .............................................................................248 7.3.2 Aufsichtsorgane .......................................................................251 7.3.3 Medienkritik und Verbraucherschutz .............................................255 7.3.4 Zivilgesellschaft.......................................................................256 7.3.5 Sender ..................................................................................258 8
Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit ................................................265 8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse.....................................................265 8.2 Fazit ........................................................................................271
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Quellenverzeichnis ..............................................................................274
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1 Einleitung
1 Einleitung „JEDER SÄUGLING SOLLTE SICH SO FRÜH UND SO GRÜNDLICH WIE MÖGLICH MIT EINEM FERNSEHGERÄT BESCHÄFTIGEN – DENN SPÄTER HAT ER JA AUCH NICHTS ANDERES.“ Loriot in der Rede zur Verleihung der „Goldenen Kamera“, Berlin 1970
Seit seinem Bestehen ist Rundfunk in permanenter Veränderung begriffen. Diese Veränderungen betreffen alle Bereiche des Rundfunks: die Organisation der Sendeanstalten, das Programm, die Verbreitungswege, Erwartungen und Verhalten der Nutzer und die Aufsichtsstrukturen und Gestaltungsprozesse. Ein zentrales Thema der Reflexion über Rundfunk – und den Mediensektor insgesamt – ist schon seit circa drei Dekaden die Ökonomisierung (vgl. Nieland / Schatz / Weichert 2006: 257; Kiefer 2005: 20ff.; Jarren / Meier 2001; Siegert 2001a; Wehmeier 1998; Schmidt / Spieß 1997: 51; Siegert 1997: 85; Ang 1991: 166). Ausgangspunkt der Ökonomisierungsdiskussion war in Deutschland in erster Linie die vom Bundesverfassungsgericht angestoßene Liberalisierung des Rundfunks, d.h. die Zulassung privater Veranstalter als Ergänzung zu den öffentlich-rechtlichen Anbietern ARD und ZDF. „Privatisierung und Liberalisierung des Mediensektors haben die Ökonomisierung der Medienproduktion forciert, wirtschaftliche Rentabilitätskriterien dominieren publizistische Leistungen und drohen sie – in extremis – zu marginalisieren.“ (Haas / Wallner 2007: 128) Doch inwieweit ist Rundfunk tatsächlich ökonomisch? Macht die Profitorientierung privater Radio- und Fernsehsender Rundfunk ökonomisch? Bedeutet die Finanzierung von Rundfunkprogrammen durch Werbung die Abkehr von publizistischen Zielen? Ist Rundfunk ein Markt? Und falls ja, wie gut funktioniert er? Die Publizistikwissenschaft hat sich mit der Ökonomisierung oder Kommerzialisierung des Rundfunks intensiv auseinander gesetzt; seit einigen Jahren hat sich die Medienökonomik als Teildisziplin der Medien- und Kommunikationswissenschaften etablieren können. Doch die Beschreibung und Analyse des Mediensektors mittels ökonomischer Theorien und Kategorien ist zurzeit noch lückenhaft und einfarbig. Insbesondere fällt auf, dass in Diskussionen über die Medien – die ohnehin zur Emotionalisierung neigen – in besonderem Maße die Meinungen polarisieren, sobald es ums Geld geht. Für die eine Seite ist ein liberalisierter, ökonomisierter Rundfunk grundsätzlich publizistikfeindlich, da dort (vermeintlich) Profit höher geschätzt wird als die gesellschaftliche Funktion der öffentlichen Meinungsbildung. So weit sich die Anhänger dieser Position ökonomisches Vokabular zu Eigen machen, erachten sie den Rundfunk als von vielerlei Arten von Marktversagen betroffen, das durch regulatorische Eingriffe – nicht nur, aber auch vom
1.1 Fragestellung
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Staat – zu korrigieren ist. (vgl. Just / Latzer / Saurwein 2007: 111; Nagel / Jaich 2004: 20; Fritsch / Wein / Ewers 2003: 222ff.; Czada / Lütz / Mette 2000). Diese Ansicht nennen wir hier „die Öffentliche“. Auf der anderen Seite gruppieren sich die Verfechter sog. „reiner“ Marktmodelle, die von der grundsätzlichen Überlegenheit des Marktes und seiner Ergebnisse über andere Formen der Organisation von gesellschaftlichen Leistungserbringungs- und Austauschprozessen überzeugt sind. Von dieser Seite sind Forderungen zu vernehmen, der Staat solle sich aus der Rundfunkregulierung gänzlich zurückziehen (vgl. Never 2002: 210; Wentzel 2000). Diese Sichtweise soll hier „die Private“ heißen. Beide Lager führen, wenn auch unter anderen Begrifflichkeiten, den Bürger bzw. den Konsumenten als Gewährsmann ihrer Positionen ins Feld. Für die Öffentlichen stehen – daher auch die Bezeichnung – die öffentlichen Funktionen der Medien im Vordergrund, insbesondere ihre prominente Rolle in der öffentlichen Meinungsbildung, aus der sich ein Großteil der Regeln für die journalistische Arbeit ableitet. Der Bürger ist in diesem Verständnis Anspruchsträger: Er hat Anspruch darauf, mit allen Informationen und Meinungen versorgt zu werden, die für seine eigene Meinungsbildung erforderlich sind, und zwar in allen Lebensbereichen. Für die Privaten gibt es im Extremfall überhaupt kein öffentliches Interesse. Maßstab für publizistisches Handeln ist, ob die Produkte und Programme bei den einzelnen Zuhörern und Zuschauern ankommen. Auch hier hat der Rezipient Ansprüche, aber als Nachfrager und Konsument in einem Markt.
1.1 Fragestellung Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Publikum von Radio- und Fernsehprogrammen. Sie nimmt Bezug auf beide Konzeptionen des Rezipienten: als Bürger und als Konsument. Doch wie Untersuchungen zum Rezipientenverhalten gezeigt haben, erschöpft sich das Handeln der Zuhörer und Zuschauer nicht in diesen beiden Rollen (vgl. Meyen 2004: 130-140; Oehmichen / Ridder 2003; Hasebrink 1995a). Publikumskonzeptionen sind – fast notwendigerweise – ungenau, selektiv, interessengeleitet oder alles zusammen. „Publikum“ ist ein Sammelbegriff für die unterschiedlichsten Herangehensweisen und Umgangsformen an und mit Medien. Fußball gucken in der Kneipe, Krimihörspiel am Samstag Abend, Tagesschau, geweckt werden vom Lokalradio, Gerichtsshows neben dem Putzen laufen lassen, Verkehrsfunk im Auto, amerikanische Blockbuster zu Bier und Popcorn – das alles ist Bestandteil alltäglicher Rundfunknutzung. Dabei sind Sendungen und Situationen zu einem schwer entwirrbaren Konglomerat aus Information und Unterhaltung, aus Bildung und Berieselung, aus Lebensflucht und Lebenssucht zusammengewachsen. Dieser Arbeit liegt die Frage zugrunde,
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1 Einleitung
welche Rolle das Publikum im Rundfunk spielt. Wie schlagen sich all diese verschiedenen Nutzungsformen, die Wünsche und Träume, die Ablehnung und Kritik in der Arbeit der Programmverantwortlichen nieder? Das Eingangszitat von Vicco von Bülow impliziert eine resignierte Antwort: Zuschauer und Zuhörer müssen ertragen, was ihnen vorgesetzt wird. Rundfunk widerfährt dem Rezipienten; er selbst nimmt darauf praktisch keinen Einfluss. Andererseits kann das Programm doch nicht so weit von den Interessen des Publikums entfernt sein – warum sonst hören die Deutschen im Durchschnitt jeden Tag über dreieinhalb Stunden lang Radio und sehen ebenso lang fern (vgl. Ridder / Engel 2005: 245)? Radio- und Fernsehzeit sind Freizeit – und umgekehrt1. Aber bekommt das Publikum, was es will? Was es verdient? Oder will es umgekehrt, was ihm geboten wird? Diese Fragen zielen einerseits auf die Prozesse, mit denen das Publikum seine Wünsche artikuliert, Einfluss auf das Programm nimmt und andererseits auf die Formen, durch die das Programm das Publikum zum Verweilen einlädt, es führt und sich untertan macht. Diese Fragen werden in einen ökonomischen Rahmen eingefasst. Wenn Rundfunk tatsächlich zunehmend vom ökonomischen Kalkül durchdrungen wird, müssten die Rezipienten mit den Sendern auf einem Markt zusammentreffen. Dieser Markt würde im Idealfall sowohl dem Publikum als auch den Sendern ermöglichen, ihre Ziele zu erreichen, nämlich Information und Unterhaltung auf der einen Seite, öffentliche und politische Relevanz sowie Profit auf der anderen Seite. Die Hypothese ist, dass Rundfunk derzeit kein funktionierender Markt ist. Die Ansicht, dass der Markt im Medienbereich, speziell im Rundfunk, aus verschiedenen Gründen zwangsläufig versagt, wird in der Literatur weithin vertreten (vgl. Czygan 2004; Lang 2004; Just / Latzer 2001: 9-13; Kops 2000: 11-13; Heinrich 1999: 24ff.; Kiefer 1996: 86). Diese Argumentation soll überprüft werden. Dass der Rundfunkmarkt kein perfekt funktionierender Markt ist, bedeutet schließlich noch nicht, dass er nicht prinzipiell funktionsfähig wäre. Daher stellt sich die allgemeine Frage, unter welchen Bedingungen der Rundfunkmarkt bessere Ergebnisse erbringen könnte. Die vorliegende Arbeit befasst sich innerhalb dieses Themas mit dem Publikum und untersucht, welche Möglichkeiten auf Seiten des Publikums bestehen oder bestünden, um bessere Marktergebnisse im Rundfunk zu erzielen.
1
Und auch in den Arbeitstag dringt der Rundfunk weiter vor, insbesondere der Hörfunk. Radio entwickelt sich zum „allgegenwärtigen Begleiter“ (Fritz / Klingler 2003: 19).
1.2 Aufbau der Arbeit
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1.2 Aufbau der Arbeit Zunächst wird das theoretische Gerüst der Arbeit erarbeitet (Kapitel 2). Als dominantes ökonomisches Theoriemodell sollen kurz die Grundbegriffe der Neoklassik dargestellt werden (Abschnitt 2.1.1). Jedoch werden in diesem Theoriegebäude nicht die Funktionsweise und Funktionsbeeinträchtigungen des Marktes selbst thematisiert. Mit diesen Themen befasst sich die Neue Institutionenökonomik, die daher den theoretischen Ausgangspunkt der Arbeit markiert. In Abschnitt 2.1.2 werden die für diese Arbeit wichtigsten Konzepte der Neuen Institutionenökonomik vorgestellt und erläutert. Innerhalb des Rundfunkmarktes wird das Verhältnis zwischen Sendern und Rezipienten als zentrale Transaktionsbeziehung betrachtet. Die Publikumsforschung befasst sich seit Jahrzehnten mit Wahlhandlungen und ihren Determinanten, Zusammensetzung verschiedener Publika und deren Wandel sowie den Wirkungen von Rundfunkkonsum auf die Rezipienten. Abschnitt 2.2 führt in die für diese Arbeit relevanten Aspekte zu diesen Fragen ein. Anschließend wendet sich die Arbeit ihrer spezifischen Fragestellung zu: Wie können veränderte oder erweiterte Einflussmöglichkeiten des Publikums zu einem besseren Marktergebnis im Rundfunk beitragen? Um diese Frage beantworten zu können, ist zunächst herauszufinden, welche Faktoren für die Leistung des Rundfunkmarktes maßgeblich sind (Kapitel 3). Dabei werden Produktions-, Werbe- und Distributionsmarkt nur insoweit berücksichtigt, als die dortigen Strukturen sich auf den Rezeptionsmarkt auswirken. Im Zentrum der Analyse steht der Rezeptionsmarkt. Dort sind ökonomisch relevante Eigenschaften von Sendungen und Programmen ebenso zu erörtern wie wesentliche Aspekte der Rundfunkproduktion (Abschnitt 3.1). Daraufhin werden Rundfunkangebote aus Sicht der Rezipienten auf ihre ökonomischen Eigenschaften hin untersucht (Abschnitt 3.2). Anschließend werden die Transaktionsmuster zwischen den wichtigsten Akteuren diskutiert (Abschnitt 3.3). Als Ergebnis von Kapitel 3 soll erarbeitet werden, inwieweit der Rezeptionsmarkt grundsätzlich ökonomisch effektiv und effizient gestaltet werden kann. Des Weiteren sollte sich zeigen lassen, in welchen Punkten der Rundfunkmarkt derzeit von diesem grundsätzlich erzielbaren Ergebnis abweicht. Diesbezüglich wird die Hypothese überprüft, dass die zentralen Defizite des Rundfunks als Markt aus einer mangelnden Berücksichtigung von Publikumsinteressen resultieren. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Motive und Ziele, das Verhalten, die Handlungsspielräume und -restriktionen von Zuhörern und Zuschauern genauer zu betrachten (Kapitel 4 und 5). Zunächst werden die drei gängigen Konzeptionen von Publikum diskutiert: der Rezipient als Bürger, als Konsument und als Mediennutzer (Kapitel 4). Anschließend werden die Ergebnisse mit den Erkenntnissen zu Rundfunk als Markt (Kapitel 3) in einem eigenen Modell zusammengeführt. Dieses Modell (Kapitel 5) stellt die Beziehungen zwischen Sender und Rezipienten dar, wobei die Prozesse auf Rezipientenseite, welche Wahlhandlungen, Habitualisierungen etc. prägen, besondere Berücksichtigung finden.
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1 Einleitung
Dieses Modell ist die Grundlage für eine ausführliche Diskussion der Möglichkeiten, wie das Publikum Einfluss auf das Programm nehmen kann (Kapitel 6). Dieser Teil der Arbeit lässt sich in zwei Teilfragen untergliedern. Zum einen wird untersucht, wie der Rezipient aus einem gegebenen Programm die für ihn besten Sendungen herausfinden kann (Kapitel 6.1). Dies ist die Voraussetzung dafür, dass das Verhalten des Rezipienten für den Sender ökonomische Aussagekraft hat. Zum anderen werden verschiedene Optionen zur Rückbindung der Rezipienten an die Sender diskutiert; das Spektrum reicht von Ansätzen in der Nutzungsmessung über verstärkte Artikulationsformen, neue Akteure bis hin zu nachfragegesteuerten Angeboten (on-demand) und Pay-per-view-Konzepten (Kapitel 6.2). Diese Optionen werden zusammenfassend im Hinblick auf ihren Beitrag zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung des Rundfunkmarktes untersucht. Zum Abschluss der Arbeit wird die Frage aufgeworfen, wie diese Optionen in die Praxis umgesetzt werden könnten (Kapitel 7). Nicht automatisch machen die Akteure im Rundfunk von den ihnen zu Gebote stehenden Möglichkeiten Gebrauch, ihre Position zu stärken, ihre Leistung zu verbessern oder – ohne zusätzliche Kosten – andere Beteiligte zu unterstützen. Daher sollen Ansätze der Governance-Forschung herangezogen werden, um auszuloten, wie sich der Rundfunkmarkt voraussichtlich weiterentwickeln wird. Kapitel 8 fasst die Ergebnisse der gesamten Arbeit zusammen.
2 Theoretischer Rahmen
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2 Theoretischer Rahmen
2.1 Neue Institutionenökonomik Die vorliegende Arbeit nimmt eine ökonomische Perspektive ein, aus der heraus Rundfunk als Markt konzipiert wird. Dies ist Annahme und Fragestellung zugleich. Auf der einen Seite werden Institutionen, Akteure und ihre Handlungen in ökonomischen Kategorien erfasst (z.B. Gewinnanreize, Nutzungskosten), auf der anderen Seite ist zunächst herauszuarbeiten, inwieweit Rundfunk überhaupt ein Markt ist, d.h. welche Beziehungen zwischen Individuen und Akteuren in welchem Umfang als marktlicher Tausch gestaltet sind. Dieses Kapitel schafft für beide Dimensionen die theoretische Fundierung. Hier wird zunächst kurz das Standardmodell ökonomischen Handelns, das neoklassische Modell, vorgestellt (Abschnitt 2.1.1). Im Anschluss daran werden die theoretischen Abweichungen und Ergänzungen, die die Institutionenökonomik an diesem Modell vorgenommen hat, dargestellt und erläutert (Abschnitt 2.1.2). Die Institutionenökonomik ist ein lebhaftes Forschungsfeld mit vielen Themen und Anwendungsbereichen; da der Fokus dieser Arbeit auf einer publikumszentrierten Analyse des Rundfunks liegt, sollen nur die in diesem Kontext relevanten Aspekte der Institutionenökonomik erörtert werden2. Dabei handelt es sich insbesondere um das Instrumentarium zur Transaktionskostenanalyse nach Oliver Williamson (1990; 1996), um grundlegende Probleme von Prinzipal-Agent-Konstellationen (vgl. Blum et al. 2005: 45 m.w.H.; Richter / Furubotn 2003: 30f., 173-182; Ebers / Gotsch 1999) sowie um Veränderungen im Menschenbild, die die Institutionenökonomik im Vergleich zum neoklassischen Paradigma vorgenommen hat (vgl. Richter 2001: 32f.; Söllner 1999: 54ff., 156ff.; Dietz 2005: Abschnitte 2.1.3 und 2.1.4).
2.1.1 Neoklassisches Modell Seit Adam Smith (1776) gründen sich klassische und neoklassische Modelle ökonomischen Handelns auf die Beschreibung von Tauschhandlungen zwischen Individuen und deren Ver2
Für sehr gute umfassende Darstellungen der institutionenökonomischen Forschung vgl. Erlei / Leschke / Sauerland 2007; Richter / Furubotn 2003; Voigt 2002; North 1992.
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2 Theoretischer Rahmen
kettung (vgl. Schmidtchen 2005: 15). Ausgangspunkt der gesamten Ökonomie sind die – egoistischen – Bedürfnisse des Einzelnen; indem jeder Einzelne seine persönlichen Ziele zu verwirklichen versucht, trägt er zur Förderung des Gemeinwohls bei, nach Smith ist der „Markt ein Substitut für Altruismus“ (Weede 2002: 92). 2.1.1.1
Markttheorie
Das zentrale Element der Ökonomie ist der Markt. Der Markt ist eine Institution, die regelmäßig(e) Tauschakte ermöglicht. Dort treffen sich Anbieter und Nachfrager von Leistungen, um durch Tausch ihren jeweiligen Nutzen zu optimieren. Der Austausch von Leistungen auf Märkten sorgt also dafür, dass alle Beteiligten besser gestellt werden als sie es vor den Transaktionen auf dem Markt waren (vgl. Kiefer 2005: 80; Richter / Furubotn 2003: 322f.). Demnach beschreibt die Ökonomik alle Interaktionen, die auf Märkten stattfinden. Darüber hinaus widmet sie sich den dem Markt vor- und nachgelagerten Prozessen, d.h. der Produktion und Konsumtion sowie insbesondere den Bedürfnissen, die die Kette von Produktions-, Tausch- und Konsumtionsschritten in Gang setzen und legitimieren (vgl. Kiefer 2005: 78f.). Märkte dienen dem Ausgleich zwischen Bedürfnissen und Mitteln zu ihrer Befriedigung, indem sie dem Individuum ermöglichen, diejenigen Güter zu erlangen, die den subjektiv höchsten Wert besitzen. Durch die sukzessive Verkettung von Tauschhandlungen stellt der Markt Relationen zwischen den individuellen Wertzuschreibungen der gehandelten Güter her. Ein Gut wird also auf verschiedenen Märkten so lange getauscht, bis es in die Hände desjenigen gelangt, dem es am meisten wert ist. Da sich so erst im Verlauf des Marktgeschehens ein Preis ausbildet, wird wettbewerblicher Markt auch als „Entdeckungsverfahren“ (v. Hayek) bezeichnet3. In der dezentralen Koordination wird gerade der größte Vorteil von Märkten gegenüber anderen Koordinationsformen gesehen, insbesondere im Vergleich mit Bürokratien. Die Steigerung der gesellschaftlichen Wohlfahrt durch Märkte geschieht also durch das Wirken der sog. unsichtbaren Hand: Ohne einen Steuerungsmechanismus erreichen alle Marktteilnehmer mehr (vgl. Kiefer 2005: 81).
3
In der Ökonomik hat sich die Prozesssicht auf den Markt durchgesetzt (vgl. Herdzina 1999: 10f. u. 60, Arndt 1976: 2ff.). Obwohl Marktprozesse – als Summe des Verhaltens der Marktteilnehmer – ihrerseits von Marktstrukturen (Handlungsvoraussetzungen) geprägt sind und in der Beobachtung von Märkten zusätzlich besonders auf Marktergebnisse abgestellt wird – hieraus ergibt sich das bekannte Structure-Conduct-PerformanceParadigma -, sind die Marktprozesse dennoch von herausragender Bedeutung, da sie die zentralen, dem Markt selbst zurechenbaren Variablen sind.
2.1 Neue Institutionenökonomik
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Der Preis, den diejenige Person zahlt, der ein Gut am meisten wert ist, ist der Marktpreis, d.h. der Preis, zu dem das Gut gerade noch getauscht wird. Im Marktgleichgewicht spiegelt somit das Verhältnis der Güterpreise das Verhältnis der Wertschätzungen der Marktteilnehmer für die Güter wider. Allerdings ist der Marktpreis nicht notwendig deckungsgleich mit dem gesellschaftlichen Wert des Gutes. Da Wert eine individuelle Kategorie ist, kann der Markt lediglich individuelle Werte zueinander in Bezug setzen. Gemeinschaftliche oder gesellschaftliche Werte hingegen sind nicht auf ein Aggregat individueller Präferenzen reduzierbar. Ein zentrales Problem der Wertbeurteilung von Gütern besteht darin, dass der individuelle Wert eines Gutes nicht nur von den Präferenzen des Individuums abhängt, sondern auch von dessen Ressourcenausstattung: Ein Reicher ist bereit, für ein bestimmtes Gut mehr zu bezahlen als ein Armer – bei gleicher Präferenz für dieses Gut. Insofern drückt sich im Marktpreis zwar die aggregierte Wertschätzung für das betreffende Gut aus, doch ist dies nicht gleichzusetzen mit dem Aggregat der Präferenzen der Marktteilnehmer. Genauer: Die Präferenzen der Marktteilnehmer fließen gemäß ihrer Ressourcenausstattung in den Marktpreis ein. Das heißt, die Preise geben die Wertschätzung des Reichsten an, der das Gut gerade noch erwerben möchte (vgl. Mankiw 2004: 457ff., Siebert 2003: 21ff., Varian 2004: 552ff.). Die Notwendigkeit zu Tauschhandlungen ergibt sich daraus, dass die Ressourcen- und Güterausstattung eines Individuums idR nicht deckungsgleich mit dessen Präferenzen ist. Dies gilt in besonderem Maße für arbeitsteilig organisierte Gesellschaften, da sich hier Produktivitätszuwächse und abnehmender Grenznutzen gegenüberstehen. Die Produktivität drückt das Verhältnis von Mitteleinsatz und Güterausstoß aus. Aufgrund von Übung und Erfahrung sowie des Weiteren durch technologische Entwicklung und Synergiebildung kann dieses Verhältnis verbessert werden, so dass weniger Ressourcen für die Produktion einer bestimmten Gütermenge benötigt werden. Im Konsum hingegen sinkt der Nutzen eines Gutes, je mehr Einheiten bereits konsumiert wurden (Gesetz des abnehmenden Grenznutzens, vgl. Fehl / Oberender 2002: 307ff.). Um also die Produktivität zu steigern, müssen sich Produzenten spezialisieren; die produzierten Güter müssen jedoch anschließend denjenigen Konsumenten zugeführt werden, für die sie den größten Wert haben. Dies wird, nach Deckung der eigenen Bedürfnisse, nicht der Produzent sein, so dass Tauschhandlungen einen Zusatznutzen darstellen, wenn durch den Tausch mindestens die Produktionskosten gedeckt werden. Eine Tauschhandlung ist die gegenseitige, freiwillig vereinbarte Übertragung von Gütern bzw. Verfügungsrechten (vgl. Varian 2004: 552-580). Jeder Tauschpartner gibt dem anderen etwas; im Gegenzug erhält er etwas Anderes. Reziprozität ist somit ein wesentliches Merkmal des
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2 Theoretischer Rahmen
Tauschs. Diese Art von Vereinbarung wird synallagmatischer Vertrag genannt (vgl. Richter / Furubotn 2003: 151f.). Das zweite wesentliche Merkmal von Tauschhandlungen ist die Freiwilligkeit: Alle Tauschpartner müssen den Tausch als Instrument einsetzen können, um ihren persönlichen Nutzen zu maximieren. Wenn das Zustandekommen eines Tauschs allein von der Zustimmung aller Tauschpartner abhängt, so wird es immer dann zu Tauschakten kommen, wenn jeder Tauschpartner durch den Tausch einen Vorteil erlangt. Würden nicht alle Beteiligten durch den Tausch besser gestellt, käme er unter der Freiwilligkeitsbedingung nicht zustande. Die Vorstellung, bei Markttransaktionen könne eine Partei übervorteilt werden, ist daher insofern irreführend, als sie suggeriert, es könne Transaktionen geben, die nur eine Partei besser stellen. So lange aber alle Parteien freiwillig und zur Maximierung ihres eigenen Nutzens agieren, werden solche Transaktionen nicht stattfinden. Allerdings sind die meisten realen Transaktionen durch Verhandlungsspielräume gekennzeichnet, d.h. der Tausch kann allen Beteiligten mehr oder weniger nützen. Aufgrund des Marktpreissystems haben die Transaktionspartner vor dem Tausch eine Vorstellung davon, zu welchen Bedingungen der Tausch noch akzeptabel bzw. fair ist. Das Gefühl der Übervorteilung wird sich schon dann einstellen, wenn der Tausch zwar noch beiden Beteiligten nützt, aber der Spielraum nur von einer Marktseite ausgeschöpft wird. Man spricht dabei von Quasi-Rente, weil hierdurch für eine Partei eine zusätzliche Entlohnung entsteht, die jedoch nicht durch Eigenschaften des getauschten Gutes bzw. des Tausches gerechtfertigt ist, sondern die aus dem Verhandlungsgeschick der einen Partei erwächst4. In einer streng liberalistischen Markttheorie – als welche das neoklassische Modell mitunter gesehen wird – wäre die Unterscheidung zwischen Rente und Quasi-Rente obsolet, da 1) in einem freiheitlich zustande gekommenen Tausch beide Tauschpartner profitieren und 2) die Höhe des Profits aufgrund der Individualität von Nutzenfunktionen nicht gegeneinander aufgerechnet werden können. Das Konzept der Quasi-Rente verweist darauf, dass auch das neoklassische Marktkonzept von „angemessenen“ Entlohnungen für am Markt erbrachte Leistungen ausgeht. Angemessenheit wird dann angenommen, wenn die Gegenleistung für ein Gut 1) die Kosten für dessen Produktion oder seine Erlangung sowie 2) die mit der Bereitstellung des Gutes am Markt verbundenen Kosten (z.B. Kapitalbindung während der Produktion, Lagerung, Instandhaltung) deckt und wenn 3) diese beiden Kostenblöcke bzw. Investitionen angemessen verzinst werden (vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 67; Varian 2004: 4). Im Unterschied hierzu ergibt sich die Quasi-Rente durch eine spezifische Vertragsgestaltung, hat also mit dem gehandelten Gut nicht unmittelbar zu tun. 4
Zunächst ist die Quasi-Rente definiert als die Nutzendifferenz zwischen dem besten und dem zweitbesten Einsatz eines Gutes. Bei dem Ausschöpfen von Verhandlungsspielräumen kann die überlegene Partei den Gütereinsatz der anderen Partei so lenken, dass sie selbst diese Differenz abschöpft (vgl. Picot / Dietl 1990: 179 sowie zu Renten allg. Varian 2004: 415ff).
2.1 Neue Institutionenökonomik
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Im Begriff der Quasi-Rente klingen damit zwei wesentliche Aspekte an, die bereits innerhalb der Neoklassik über den engen Rahmen der Preis- und Gleichgewichtstheorie hinausgehen: 1) Märkte funktionieren nicht per se, sondern bedürfen außermarktlicher Regulation (in diesem Fall Regeln der Vertragsgestaltung) und 2) Wettbewerb ist eine soziale Veranstaltung. Hier zeigt sich die Notwendigkeit, wettbewerblichen Markt durch Regulierung in das jeweilige gesellschaftliche Umfeld einzubetten, d.h. ihn sowohl mit nichtökonomischen Zielen (z.B. publizistischer Vielfalt) vereinbar zu machen als auch seine Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Das Konzept des Wettbewerbs beschreibt die Konstellation, wenn ein bestimmtes Bedürfnis von mehreren Marktteilnehmern befriedigt werden kann. In diesem Fall wird der Nachfrager denjenigen Anbieter auswählen, dessen Produkt das Bedürfnis am besten befriedigt, dessen Produkt am billigsten ist oder bei dessen Produkt das Verhältnis zwischen dem Grad der Bedürfnisbefriedigung und den Kosten am günstigsten ist. Die drei Möglichkeiten können zu unterschiedlichen Entscheidungen für einen der Anbieter führen. Welche Entscheidung der Konsument trifft, hängt von seiner Entscheidungsheuristik ab. Die Freiwilligkeit der Kontraktion als Bedingung für funktionierende Märkte schließt als zentrales Merkmal eine Wahlmöglichkeit ein. In einem weiten Sinne ist Wahlmöglichkeit bereits gegeben, wenn die Entscheidung freiwillig getroffen werden kann, eine Transaktion auf dem Markt durchzuführen oder nicht. Erst durch Wettbewerb, d.h. durch die Existenz von Alternativen auf dem Markt selbst, stellt sich Wahlfreiheit im engeren Sinne ein, die eine optimale Ressourcenallokation ermöglicht. Bei wiederholten Transaktionen werden Anbieter, deren Güter keine der drei Möglichkeiten besser erfüllen als die Güter aller Konkurrenten, auf Dauer nicht überleben; der Wettbewerb sortiert sie aus. Während der Markt die bessere Befriedigung von Bedürfnissen durch die kombinierten Vorteile von Arbeitsteilung und Tausch ermöglicht, liegt die Leistung des Wettbewerbs im ökonomischen Vergleich von Konkurrenten. Durch die Verknüpfung mit leistungsgerechter Entlohnung entsteht so ein Auslesesystem, das von verschiedenen Anbietern für substitutive Güter nur diejenigen bestehen lässt, deren Güter dem ökonomischen Prinzip am besten entsprechen. Das Konzept des Wettbewerbs präzisiert somit die Vorstellung eines Marktes, indem nicht nur allgemeine Bedingungen und Regeln des Tausches definiert sind, sondern auch die Marktstruktur, d.h. das quantitative Verhältnis der Marktseiten thematisiert wird. Die Grundvorstellung der Neoklassik besagt, dass kein Marktteilnehmer eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, d.h. kein Einzelner darf große Teile des Angebots oder der Nachfrage bündeln, da dies die Ausübung von Macht begünstigen würde (vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 192-194, 203-208 sowie zu Möglichkeiten der Machtbegrenzung durch wirtschaftspolitische Eingriffe 218ff.; Mankiw 2004: 13, 389; Koch / Czogalla 2004: 83). In diesem Ide-
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2 Theoretischer Rahmen
alfall sind alle Marktteilnehmer Preisnehmer, d.h. keine einzelne Transaktion kann aufgrund ihres Volumens oder der Macht eines der Beteiligten den Marktpreis beeinflussen. Wenn jedoch die Ressourcenallokation durch Macht anstatt über Preise gesteuert wird, wird die Funktionsfähigkeit des Marktes gefährdet. Der Idealfall eines Marktes liegt gemäß der Neoklassik also bei vollständiger Konkurrenz vor: Viele Anbieter treffen auf viele Nachfrager (vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 26-28; Mankiw 2004: 314ff.; Siebert 2003: 131f.).
2.1.1.2
Menschenbild der Neoklassik
Auch der Mensch wird in der Neoklassik idealisiert, damit Märkte perfekt funktionieren können. Die Basisannahme der ökonomischen Analyse „unterstellt, dass sich [das] Individuum in einer Situation der Knappheit befindet, so dass es nicht alle seine Bedürfnisse (gleichzeitig) befriedigen kann, sondern sich jeweils zwischen mehreren Möglichkeiten entscheiden muss.“ (Kirchgässner 2000: 12) Ökonomisches Verhalten ist damit immer gleichbedeutend mit dem Treffen von Entscheidungen durch Individuen (methodologischer Individualismus, vgl. etwa Blum et al. 2005: 63; Richter / Furubotn 2003: 3; Heinrich 2002: 596; Maurer / Schmid 2002: 23; Kirchgässner 2000: 23 m.w.H.). Entscheidungssituationen sind dabei immer durch Präferenzen des Individuums und Handlungsrestriktionen vollständig charakterisiert (vgl. Kirchgässner 2000: 13) – die Eigenschaften von Gütern in Tauschhandlungen stellen dabei eine Restriktion dar (allein schon, weil Nutzen stiftende Güter in der Regel nicht umsonst zu haben sind). In der Neoklassik handelt der Mensch eigenständig und rational (vgl. Kirchgässner 2000: 16f.). Eigenständigkeit bedeutet dabei, dass er prinzipiell egoistisch bzw. eigeninteressiert handelt. Gegenüber den Interessen und Präferenzen seiner Mitmenschen ist er zunächst prinzipiell gleichgültig (vgl. Kirchgässner 2000: 47). Langfristige Beziehungen und Reputationseffekte spielen demnach in der Neoklassik keine Rolle. Rationalität beinhaltet zum einen das Optimierungsprinzip, d.h. das Individuum trifft Entscheidungen so, dass der daraus entstehende Nutzen maximiert wird (vgl. Kirchgässner 2000: 30f.), zum anderen die Annahme, das entscheidende Individuum verfüge immer über alle notwendigen Informationen, und es könne diese instantan, d.h. ohne die Aufwendung von Zeit oder anderen Ressourcen, verarbeiten (vgl. Kirchgässner 2000: 27ff.). Schließlich werden in neoklassischen Arbeiten die Präferenzen des Individuums als konstant und endogen behandelt (vgl. Kirchgässner 2000: 39f.).
2.1 Neue Institutionenökonomik
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2.1.2 Ergänzungen durch die Neue Institutionenökonomik Die Kritik am neoklassischen Modell ist wegen seiner rigiden Voraussetzungen vielfältig (vgl. z.B. Keen 2004; Ortlieb 2004; Krätke 1999; Sraffa 1968). Am schwersten wiegt dabei der Nirwana-Vorwurf: Das Modell findet in keinem realen Markt eine Entsprechung (vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 64f.). Zahlreiche Arbeiten der Ökonomik bemühen sich seither darum, Modelle ökonomischen Handelns – d.h. einerseits der individuellen Handlungen und andererseits der institutionellen Settings und Arenen, unter bzw. in denen Handlungen vollzogen werden – realistischer zu gestalten. Einer der prominentesten Forschungszweige in dieser Hinsicht ist die Neue Institutionenökonomik (NIÖ). Für die ökonomische Analyse gibt es zwei zentrale Felder, die Auswirkungen auf das gesamte theoretische Gebäude haben: 1. die Struktur von reziproken Transaktionen (Tauschgeschäfte) und 2. menschliche Motive und Verhalten. In beiden Bereichen weicht die NIÖ deutlich von den Annahmen der Neoklassik ab. Zu 1.: Die NIÖ tritt mit der Beobachtung an, dass keine Form von vertraglicher Beziehung zwischen Individuen umsonst zu haben ist (Williamson 1990: 77-81; Coase 1996: 93). Insbesondere weicht sie von der Neoklassik dahingehend ab, dass die Inanspruchnahme des Marktes mit Kosten verbunden ist. Reale Märkte sind nicht, wie in der Neoklassik unterstellt, die Punktmärkte zwischen anonymen, nur im Preis ihrer ansonsten homogenen Angebote differierenden Tauschpartnern, deren Präferenzen stabil sind. Zur Beschreibung und Analyse dieser Reibungsverluste im Markt hat die NIÖ den Begriff der Transaktionskosten eingeführt (vgl. Williamson 1990: 21, sowie grundlegend Coase 1996). Er soll hier kurz vorgestellt werden. Im Anschluss daran werden in den Kategorien der Transaktionskostenökonomik Voraussetzungen für das Funktionieren von Märkten diskutiert. Während die Neoklassik Märkte grundsätzlich als selbstregulierend und voraussetzungsfrei betrachtet, hat die Institutionenökonomik deutlich herausgearbeitet, welche externen Bedingungen gegeben sein müssen, damit ein Markt entstehen und funktionieren kann. Zu 2.: Die Neoklassik hat nicht nur in Bezug auf Märkte sehr strenge, teils unrealistische Kategorien etabliert; auch hinsichtlich menschlicher Motive und menschlichen Verhaltens decken sich die Annahmen der Neoklassik kaum mit empirischen Befunden. Die Korrekturen und Ergänzungen, die die NIÖ zur Behebung dieser Defizite eingeführt hat, werden in Abschnitt 2.1.2.3 erörtert. Aus der Existenz von Transaktionskosten, der institutionellen Bedingtheit von Märkten sowie (moralischen) Risiken menschlichen Verhaltens ergeben sich einige typische Risiken für die Funktionstüchtigkeit von Märkten, für deren Analyse ebenfalls die Konzepte der NIÖ gut geeignet sind. Die für die vorliegende Arbeit relevanten Typen von Marktversagen sind Gegenstand von Abschnitt 2.1.2.4.
26
2.1.2.1
2 Theoretischer Rahmen
Transaktionskosten
Ein geschlossener Vertrag ist nicht automatisch ein erfüllter Vertrag. Die Anbahnung, Aushandlung, Anpassung und Durchsetzung von Verträgen verursacht immer Kosten, denen in der jeweiligen einzelnen Transaktion keine Rente gegenübersteht. Diese Kosten werden als Transaktionskosten bezeichnet (vgl. Williamson 1990: 21f.). In der NIÖ begründen Transaktionskosten das Entstehen und die Persistenz von Institutionen: Kosten, die nicht innerhalb der Transaktion durch einen mindestens gleichwertigen Nutzen ausgeglichen werden, führen dazu, dass manche Geschäfte unterbleiben, obwohl sie den Nutzen der Beteiligten mehren würden. Daher bilden sich Institutionen, die diese Kosten reduzieren. So werden beispielsweise durch das Recht individuelle Kosten, die bei der Sanktionierung von Fehlverhalten entstünden, auf die Gemeinschaft übertragen. Dies hat zur Folge, dass zum einen diese Kosten in der jeweiligen Transaktion nicht berücksichtigt werden müssen, dass zum anderen – und diese Konsequenz ist wesentlich wichtiger – die Einhaltung von Verträgen generell begünstigt wird. Ein Rechtssystem ist also eine wesentliche institutionelle Voraussetzung für wirtschaftliches Handeln (vgl. Richter / Furubotn 2003: 316f.). Transaktionskosten fallen jedoch nicht erst an, wenn die Durchsetzung von Verträgen gefährdet ist (ex post). Schon im Vorfeld eines Marktgeschäftes entstehen den Beteiligten Kosten, insbesondere Such- und Informationskosten (ex ante-Transaktionskosten, vgl. Williamson 1990: 22ff.). Diese beruhen darauf, dass auf Märkten nicht, wie die Neoklassik unterstellt, homogene Produkte gehandelt werden, deren relevante Differenzen vollständig im Preis Ausdruck finden. Produkteigenschaften und Vertragskonditionen können sich in einem Markt stark unterscheiden. Sich über diese Unterschiede zu informieren kostet (zumindest) Zeit, die nicht produktiv verwendet werden kann. Darüber hinaus stehen oft überhaupt nicht alle erforderlichen Informationen zur Verfügung, z.T. weil a priori nicht alle relevanten Aspekte eines Gutes bestimmbar sind (etwa bei vielen Dienstleistungen), z.T. weil Anbieter Informationen zurückhalten. Aus unvollständiger Information entstehen unvollständige Verträge, also Vereinbarungen, die nicht alle für die Beteiligten relevanten Aspekte genau behandeln. In der Erfüllung unvollständiger Verträge entstehen also Kosten der Konkretisierung.
2.1.2.2
Institutionelle Voraussetzungen für funktionierende Märkte
Es gibt vier Bedingungen für funktionierende Märkte, die nicht emergent im Marktgeschehen entstehen. Neben dem freien Marktzugang gehören dazu die Kontraktionsfreiheit, die Sicherstellung der Einhaltung von Verträgen sowie die Sanktionierung von Verhalten, welches diese Bedingungen gefährdet.
2.1 Neue Institutionenökonomik
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Die Bedingung des freien Marktzugangs bedeutet, dass niemand von Handlungen in einem Markt ausgeschlossen werden darf. Jeder muss anbieten und erwerben dürfen, was er / sie möchte. Selbstverständliche Ausnahmen sind Güter, bei denen ein öffentliches Interesse an einem kontrollierten bzw. restringierten Warenverkehr besteht, z.B. bei Arzneien, Tieren, Waffen. Ein öffentliches Interesse an einer Kontrolle der Marktaktivitäten besteht im Bereich der Medien insbesondere bei verfassungswidrigen und jugendgefährdenden Inhalten. Innerhalb dieser v.a. strafrechtlich gezogenen Grenzen jedoch bleibt es den Marktteilnehmern überlassen, ob und was sie auf Märkten zum Tausch anbieten möchten. Zur Zugangsfreiheit gehört auch die Bedingung von Markttransparenz: Es müssen Informationen frei zugänglich sein, die eine Einschätzung des Marktes ermöglichen, d.h. über die Beschaffenheit der gehandelten Güter, über Preise und gängige Vertragsbedingungen. Die Kontraktionsfreiheit als zweite Bedingung für funktionierende Märkte lässt sich in zwei Aspekte unterteilen: die Wahlfreiheit hinsichtlich des Transaktionspartners und die Freiheit hinsichtlich der Transaktionsbedingungen. Für beide Aspekte konstitutiv ist die Existenz einer ExitOption: Die Verhandlungspartner müssen zu jeder Zeit die Verhandlungen ohne zusätzliche Kosten abbrechen können, solange kein Vertrag zustande gekommen ist (vgl. Hirschman 1974). Dies ermöglicht insbesondere vor einer Entscheidung die Information über verschiedene Alternativen. Die Vertragsfreiheit ist in dieser Hinsicht eine Bedingung für den freien Zugang zu Informationen. Die Freiheit zur Wahl eines beliebigen Transaktionspartners ermöglicht die Entfaltung von Wettbewerb: Solange ein Anbieter eines bestimmten Gutes weiß, dass andere Anbieter ebenfalls mit dem Konsumenten ein Geschäft abschließen können und wollen, muss er, um den Zuschlag zu bekommen, die Vertragsbedingungen so lange anpassen, bis sie den Gleichgewichtskonditionen entsprechen. Andernfalls würde der Konsument das Gut von einem Konkurrenten erwerben. Das Gleiche gilt auch für die Konkurrenten, so dass sich durch den Druck des Wettbewerbs gerade der Gleichgewichtszustand einstellt. Darüber hinaus ist die Wahlfreiheit bzgl. des Vertragspartners Ausfluss eines Bestandteils des neoklassischen Marktmodells: Es existieren keine Präferenzen für einen Vertragspartner. Würde ein bestimmter Anbieter trotz eines schlechteren Angebotes als Transaktionspartner gewählt, so könnte streng genommen der Markt nicht mehr die bestmögliche Ressourcenallokation gewährleisten. Im neoklassischen Gedankengebäude macht der Konsument seine Anbieterwahl ausschließlich von Produktmerkmalen abhängig. Die dritte Bedingung für das Funktionieren eines Marktes ist die Verlässlichkeit der Transaktionsteilnehmer. So unverbindlich – der Bedingung der Kontraktionsfähigkeit gemäß – Informationsprozesse und Verhandlungen sein müssen, so verbindlich müssen auf der anderen Seite Verträge sein, die am Ende von Verhandlungen stehen. Die NIÖ fasst Informations- und Suchkosten, Kosten des Verhandlungsprozesses sowie Sicherungs-, Kontroll- und Anpas-
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2 Theoretischer Rahmen
sungskosten unter dem Begriff der Transaktionskosten zusammen. Transaktionskosten können nur eingeschränkt Gegenstand von Verträgen sein, weil ihre Höhe im Wesentlichen von juristischen und kulturellen Gegebenheiten abhängig ist. Dies ist der Grund dafür, dass der Markt diese Parameter praktisch nicht selbst steuern kann. Die Transaktionskosten, die bis zum Vertragsschluss entstehen (Such- und Informationskosten sowie die Kosten der Verhandlung) stehen im Mittelpunkt der ersten beiden Bedingungen für die Funktionsfähigkeit des Marktes. Sie verschließen sich vollständig einer marktlichen Steuerung, da sie einem Vertragsschluss vorausgehen. Demgegenüber können beispielsweise durch die Vereinbarung von Konventionalstrafen bei Nicht-Einhaltung der Vertragsbedingungen Sicherungs- und Kontrollkosten reduziert werden. Allerdings setzt die Wirksamkeit derartiger Klauseln bereits voraus, dass vertragliche Vereinbarungen grundsätzlich eingehalten werden bzw. ihre Einhaltung durchgesetzt werden kann. Dass sich Vertragspartner auf die Einhaltung der Vereinbarungen verlassen können, beruht in erster Linie – wie auch die Gewährleistung der Marktzutrittsfreiheit und der Privatautonomie – auf Gesetzen sowie der Jurisprudenz als den Institutionen ihrer Anwendung und Durchsetzung. Die Einhaltung von Verträgen ist darüber hinaus jedoch auch kulturell verankert. In rechtsstaatlichen Gesellschaften durchdringen sich dann juristische und soziale Mechanismen zur Sicherung der Einhaltung von Verträgen. Die ökonomische Funktion der Vertragseinhaltung besteht in der Erhöhung von Planungssicherheit und der Senkung von Transaktionskosten: Wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nicht sicher sein können, ob die Gegenseite ihren Teil der Vereinbarung erfüllen wird, müssen sie Vorkehrungen für diesen Fall treffen, d.h. sie werden alternative Anbieter suchen und sich, z.B. durch Abschluss einer Versicherung, gegen die mit einem Vertragsbruch verbundenen Kosten absichern. Selbst wenn alle Vereinbarungen eingehalten werden, verursachen diese Vorkehrungen Kosten, die als Transaktionskosten die Tauschhandlung belasten. Das bedeutet, dass trotz eines Nutzensteigerungspotenzials Tauschakte nicht zustande kommen, die mit hohen Transaktionskosten behaftet sind. Soziale und gesetzlich-juristische Mechanismen zur Sicherung der Vertragseinhaltung externalisieren diese Kosten, indem sie auf die Allgemeinheit übertragen werden. Dadurch fließen sie nicht mehr in das individuelle Kalkül bei der Entscheidung über eine konkrete Transaktion ein, so dass mehr Transaktionen zustande kommen, die den Nutzen der beteiligten Parteien erhöhen. Der häufigste Mechanismus zur Sicherung der Vertragseinhaltung setzt ebenfalls an den Transaktionskosten an: Sowohl die Vereinbarung von Konventionalstrafen als auch die Kosten eines Gerichtsverfahrens, die der Vertragsbrüchige zu tragen hat, verteuern die Option der Hintergehung des Vertrages. Diese Kosten sind idR prohibitiv hoch, so dass Vertragsbruch effektiv unrentabel gemacht wird. Demgegenüber fußen soziale Sanktionsmechanis-
2.1 Neue Institutionenökonomik
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men auf dem Ruf eines Marktteilnehmers. Hält eine Partei die Vereinbarungen nicht ein, wird der Geschädigte dies anderen Marktteilnehmern mitteilen. Daraufhin wird es für den Vertragsbrüchigen schwerer, weiterhin Verträge abzuschließen. Ein schlechter Ruf kann bis zur Ächtung, d.h. zum Ausschluss von weiteren Transaktionen führen. Auch dieses Verfahren gewährleistet effektiv die Einhaltung von Verträgen. Mit Sanktionsmechanismen ist bereits die vierte Bedingung für das Funktionieren von Märkten angesprochen: Es müssen nicht nur Freiheit des Marktzutritts und der Vertragsgestaltung sowie die Einhaltung von Verträgen gelten, die Missachtung dieser Bedingungen muss auch geahndet werden. Nur wenn Fehlverhalten mit einer Strafe bewehrt ist, hat jeder Marktteilnehmer einen persönlichen Anreiz, die Bedingungen einzuhalten. Dabei ist es nachrangig, mit welchem Mechanismus und in welchem System die Sanktionierung erfolgt. Sie muss aber auf die Markttätigkeiten bezogen sein, und sie muss stark genug sein, um Fehlverhalten effektiv unattraktiv zu machen.
2.1.2.3
Menschenbild der Neuen Institutionenökonomik
Der homo oeconomicus der Neoklassik zeichnete sich durch strenge Rationalität aus; der ökonomisch handelnde Mensch entscheidet und handelt so, dass sein Nutzen maximiert wird. Seine Präferenzen sind über die Zeit stabil und von außen unbeeinflusst (vgl. Kirchgässner 2000: 39f.). Die NIÖ ist demgegenüber in der Lage, den Menschen in seinem sozialen und institutionellen Umfeld zu betrachten sowie grundsätzliche Beschränkungen seines Handelns zu berücksichtigen (vgl. Kirchgässner 2000: 36). So sind Individuen immer schon gesellschaftlich eingebettet, sie beziehen Präferenzen und Vorstellungen legitimer oder überhaupt möglicher Handlungsweisen zumindest teilweise aus Institutionen und von anderen Akteuren (vgl. zur Einbettung Beckert 2002: 137; Williamson 2000: 597; Granovetter 1985). Teils autonom, teils in Abhängigkeit von Veränderungen ihrer Umgebung können Individuen demnach ihre Präferenzen verändern. Rationales Handeln wird also durch soziale Konventionen u.ä.m. präfiguriert: „Akteure sind institutionell konstituiert“ (Scharpf 2000: 78; vgl. Donges 2007: 18) – ihnen bleiben zugleich Handlungsspielräume erhalten (vgl. ebd.: 81). Darüber hinaus muss das neoklassische Menschenbild auch abgelehnt werden, was das Maximierungsziel des individuellen Nutzens anbelangt. So hat bereits Simon verschiedentlich (1993: 13ff., 21ff.; 1958: 386-397) herausgearbeitet, dass Individuen nicht immer das Optimum ihrer Nutzenfunktion anstreben, sondern sich oft auch mit weniger zufrieden geben; Menschen sind nicht immer Maximierer, sondern meist „nur“ Satisfizierer (für eine ausführliche Würdigung des Optimierungs- und des Satisfizierungsprinzips vgl. Beach 1990: 105ff.; vgl. in Bezug auf Fernsehnutzung Jäckel 1996). Des Weiteren prägen nicht nur rati-
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2 Theoretischer Rahmen
onale Erwägungen menschliche Entscheidungen, sondern auch emotionale und motivationale Faktoren, soziale Beziehungen und eben institutionelle Einflüsse (sei es als Faktor der Präferenzbildung oder als situative Beschränkung) spielen in Entscheidungen und Handlungen große Rollen (vgl. Jungermann / Pfister / Fischer 1998: 229ff., 275-278 u. 319-332; Unz / Schwab 2003). Mit Hilfe der Transaktionskostenanalyse lassen sich diese Einflüsse zum großen Teil in ein umfassendes, konsistentes Handlungsmodell einpassen, das weiterhin auf die Maximierung der individuellen Nutzenfunktion abzielt, wobei jedoch ein erweiterter Nutzenbegriff anzusetzen ist (vgl. Abschnitt 5.1.8). Der NIÖ zufolge ist der Mensch im Vergleich zur Neoklassik nicht nur stärker eingeschränkt, er ist auch egoistisch. Das heißt, Menschen nutzen Handlungsspielräume aus, um ihren eigenen Nutzen auf Kosten Anderer zu maximieren; sie verhalten sich unter Umständen opportunistisch. Nach Williamson bedeutet Opportunismus, den Transaktionspartner nötigenfalls arglistig zu täuschen, um den eigenen Vorteil zu maximieren (vgl. Williamson 1990: 54f., 73-76). Ein zentrales Betätigungsfeld in der NIÖ ist die Untersuchung von sog. Prinzipal-Agent-Beziehungen (PA), das sind Leistungsbeziehungen, in denen eine Leistung nicht vollständig kontrolliert werden kann. Hierbei erbringt der Agent eine Leistung im Auftrag des Prinzipals. Je schwieriger es ist, die Arbeit des Agenten zu überwachen (z.B. aufgrund der Komplexität der Aufgabe, erforderlicher Kreativität, Unvorhersehbarkeit von Projektverläufen), desto höher ist der Anreiz für den Agenten, opportunistisch zu handeln, also seine Arbeit schlechter zu machen (vgl. Richter / Furubotn 2003: 174f.). In der Regel werden Prinzipale als risikoneutral, Agenten als risikoscheu betrachtet (vgl. Erlei 1998: 118f. mit Begründung). PA-Beziehungen sind durch eine spezifische und eine unspezifische Leistung gekennzeichnet: Der Agent erbringt spezifische Leistungen, die – wegen ihrer Spezifität – schlecht überprüfbar sind, woraus sich das moralische Risiko ergibt (vgl. Rees 1985). Der Prinzipal erbringt eine unspezifische Leistung (z.B. Bezahlung), die zugleich das Sanktionsmittel bei entdecktem opportunistischem Verhalten des Agenten darstellt (vgl. Abschnitt 3.3.2.1).
2.1.2.4
Typische Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit von Märkten
Es werden drei Arten von Beschränkungen des Marktzugangs unterschieden (vgl. Heinrich 2001: 59-61; Wirtz 1994: 40ff.; Herdzina 1999: 166-246, der jedoch nicht auf Regulierung eingeht): Beschränkungen durch 1) (Kosten-)Struktur der gehandelten Güter, 2) Regulierung, 3) Verhalten der Marktteilnehmer. Eine häufige Beeinträchtigung der Zugangsfreiheit stellen erforderliche hohe spezifische Investitionen dar, die der ersten Kategorie zuzurechnen sind. Ein Beispiel hierfür ist das
2.1 Neue Institutionenökonomik
31
Lizensierungsverfahren im Rundfunk: Um sich als Anbieter im Rundfunkmarkt betätigen zu können, muss eine Lizenz erworben werden, die von den Landesmedienanstalten vergeben wird. Die Kosten, die im Verfahren zur Lizenzerteilung entstehen, sind spezifisch, d.h. sie können für keinen anderen Zweck eingesetzt werden. Wenn also der potenzielle Anbieter wieder aus dem Rundfunkmarkt austritt, sind diese Kosten für ihn verloren. An die Erteilung einer Lizenz sind jedoch auch Auflagen hinsichtlich der Programmgestaltung geknüpft. Das Lizenzvergabeverfahren ist damit zugleich eine politische Marktzutrittsbarriere, die lange mit technischen Begrenzungen des Frequenzspektrums begründet wurde (vgl. Ory 2005: Rz. 36f.; Bundesverfassungsgericht 1961; Bundesverfassungsgericht 1981). Die Lizenzvergabe ist damit auch eine Marktzutrittsbarriere der zweiten Kategorie (Regulierung). Beeinträchtigungen der Kontraktionsfreiheit: Für Anbieter und Konsument ist es gleichermaßen von Vorteil, nicht vor jedem Tausch erneut den gesamten Markt erkunden zu müssen, um den besten Tauschpartner ausfindig zu machen. Langfristige Vertragsbeziehungen bringen zwar auf der einen Seite die Gefahr opportunistischen Verhaltens mit sich, auf der anderen Seite schaffen sie aber auch Sicherheit, und sie reduzieren den Informations- und Entscheidungsaufwand. Überdies ist die Opportunismus-Gefahr als gering einzustufen, wenn die Transaktionen häufig stattfinden und / oder alle Beteiligten sich exklusiv an den jeweils anderen binden. Denn in diesen Fällen hat niemand einen Anreiz, in einer Transaktion einen einseitigen Vorteil zu suchen, da dies zu Lasten künftiger Transaktionen ginge. Vor diesem Hintergrund ist die Kontraktionsfreiheit nicht schon dann eingeschränkt, wenn langfristige Geschäftsbeziehungen bestehen. So lange die Transaktionskosten-Einsparungen das mit der Festlegung auf einen bestimmten Transaktionspartner verbundene Opportunitätsrisiko sowie eventuelle spezifische Investitionen übersteigen, ist die Funktionsfähigkeit des Marktes durch die freiwillige Beschränkung der Marktteilnehmer nicht eingeschränkt. Konzentration von Marktmacht: Reale Märkte sind meist durch eine mehr oder weniger starke Konzentration auf mindestens einer Marktseite gekennzeichnet. Insofern Konzentration durch Machtakkumulation eine Bedrohung für das freie Handeln der Marktgegenseite darstellt, wird Konzentrationstendenzen in Märkten größte öffentliche Aufmerksamkeit zuteil. Das Wettbewerbsrecht zielt in erster Linie auf die Sicherung von Konkurrenz, wobei die Verhinderung von marktbeherrschenden Positionen neben der Sanktionierung von wettbewerbswidrigem Verhalten eine zentrale Aufgabe ist. Das Risiko der Marktbeherrschung ist umgekehrt proportional zur Anzahl der Teilnehmer einer Marktseite. Dementsprechend gilt das Monopol als größte Gefahr für den Wettbewerb. Doch auch enge Oligopole (weniger als 10 Parteien) sind anfällig für wettbewerbsgefährdendes Verhalten, da hier leicht Abspra-
32
2 Theoretischer Rahmen
chen getroffen werden können (Kartellbildung)5. Da Kartellabsprachen illegal sind, kann ihre Einhaltung nur durch Sanktionen auf sozialer Ebene erwirkt werden. Die Stärke sozialer Sanktionen nimmt jedoch ab, je seltener und weniger intensiv Interaktionen stattfinden. Da Frequenz und Intensität von Interaktionen mit steigender Zahl der Interaktionsteilnehmer abnehmen, ist bereits in weiten Oligopolen der individuelle Anreiz, durch opportunistisches Verhalten den eigenen Vorteil auf Kosten der übrigen Kartellpartner zu maximieren, größer als der durch die Absprache erzielte Nutzen6. Weite Oligopole und Polypole sind somit die Marktformen, auf denen keine Wettbewerbsbeeinträchtigungen zu erwarten sind. Allerdings führt ein hoher Konzentrationsgrad auf einem Markt nicht zwingend zu Wettbewerbsbehinderungen. Bereits Clark (1940: 245ff.; vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 205-208) konnte zeigen, dass selbst in monopolistischen Märkten der Monopolist keine Quasi-Rente zulasten der Marktgegenseite erzielt, wenn jederzeit neue Teilnehmer in den Markt eintreten können. Da der Markt überdurchschnittliche Renditen verspricht, werden neue Anbieter versuchen, hier zu investieren. Sofern keine hohen Marktzutrittsbarrieren bestehen, wird sich der Monopolist bereits so verhalten, als stünde er im realen Wettbewerb. Er wird beispielsweise Gewinne reinvestieren, um das von ihm angebotene Gut zu verbessern oder billiger anbieten zu können. In diesem Fall spricht man von monopolistischer Konkurrenz (Mankiw 2004: 69; Varian 2004: 464). Allgemein wird von einem funktionsfähigen Wettbewerb (workable competition) also nicht nur dann ausgegangen, wenn mindestens ein weites Oligopol auf beiden Marktseiten vorliegt, sondern auch dann, wenn keine oder niedrige Marktzutrittsbarrieren bestehen, die bei opportunistischem Verhalten der Oligopolisten bzw. des Monopolisten einen schnellen Marktzutritt neuer Teilnehmer ermöglichen (Koch / Czogalla 2004: 35f. u. 60; Streit 2000: 133f.; Baumol / Panzar / Willig 1988).
2.1.2.5
Eignung der Neuen Institutionenökonomik für die Analyse des Rundfunks
Für die vorliegende Arbeit sind die Ansätze der NIÖ in vielerlei Hinsicht fruchtbar. Sie ermöglichen erstens die Untersuchung von Rundfunk als Akteurs- und Institutionengefüge, in dem 5
Indes kann es auch in engen Oligopolen zu einem außerordentlich intensiven Wettbewerb kommen. Insbesondere wenn Netzexternalitäten vorliegen, besteht für die Konkurrenten ein hoher Anreiz, einen Verdrängungswettbewerb zu führen, um nach dem Marktaustritt der Mitbewerber Monopolgewinne erwirtschaften zu können. 6 Es handelt sich dabei um die Standardsituation der Spieltheorie, das Gefangenendilemma: Ohne Kenntnis des künftigen Verhaltens der Partner versucht jeder Spieler, seinen persönlichen Nutzen zu maximieren. Dies führt, wie auch im Fall der Absprachen im weiten Oligopol, zu einem für alle Spieler suboptimalen Ergebnis. Vgl. zur Spieltheorie Schlee 2004 sowie grundlegend Axelrod 2000.
2.2 Relevante Aspekte der Publikumsforschung
33
auch ökonomische Ziele verfolgt werden (vgl. Schellhaaß 2003: 3-18). Dabei sind zwei Aspekte hervorzuheben. Zum einen legt die teils beobachtete, teils unterstellte Ökonomisierung des Rundfunks die Ökonomik als analytischen Blickwinkel nahe. In dieser Hinsicht ist insbesondere danach zu fragen, ob strukturell bedingtes Marktversagen vorliegt und welche Konsequenzen das für eine ökonomische Ausrichtung des Rundfunks hat. Zum anderen ist eben diese Differenz zwischen Beobachtung und Unterstellung von Ökonomisierung Thema der Arbeit: Reicht das ökonomische Kalkül bestimmter Akteure aus, um aus Rundfunk einen Markt zu machen bzw. Rundfunk insgesamt als „ökonomisiert“ zu bezeichnen? (vgl. Abschnitt 3.4) Die am Individuum ansetzende Perspektive ist zweitens bestens für die Fokussierung von Publikumshandeln geeignet. Im Unterschied zu anderen Kollektiven (z.B. Vereine, Familie) ist das Publikum ein weitgehend anonymes Kollektiv, dessen Mitglieder nicht untereinander bekannt sind – jedenfalls nicht über ihre gemeinsame Eigenschaft als Mitglieder des Publikums. Diese Eigenschaft, seit Maletzke als Dispersität bezeichnet (1963: 32), bedeutet, dass soziale Phänomene auf Seiten des Rundfunkpublikums überwiegend Epiphänomene sind, die von anderen Beziehungsstrukturen getragen werden. In dieser Hinsicht leistet die NIÖ zweierlei: Sie sieht einerseits den einzelnen Rezipienten als Subjekt, als Maßstab für das Publikumshandeln, während sie ihn andererseits als soziale Prozesse beeinflussend und als von diesen beeinflusst anerkennt. Rollen vermitteln zwischen individuellen Zielen und Handlungen einerseits und Publikum als sozial oder politisch relevantem Konstrukt andererseits. Rollen können als Institutionen charakterisiert werden, da sie ein Set an Regeln, Normen und Handlungsspielräumen definieren (s. auch Kapitel 4). Schließlich profitiert die vorliegende Arbeit von der theoretischen Anschlussfähigkeit der NIÖ an Institutionalismen insbesondere in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Gerade indem diese Arbeit eine ökonomische Perspektive einnimmt, kann sie einen Beitrag zur Publikumsforschung leisten. In diesem Zusammenhang stellt die NIÖ auch eine Verbindung zu Governance-Fragen dar: Wie könnten neue Beteiligungsformen des Publikums institutionalisiert und durchgesetzt werden? Welche Akteure und Akteursgruppen haben welche Interessen am und für das Publikum? D.h. wer vertritt welche Teile des Publikums in legitimer Weise, wer beruft sich auf das Publikum, wer instrumentalisiert es zu welchen Zwecken?
2.2 Relevante Aspekte der Publikumsforschung Die Medien- und Kommunikationswissenschaft hat eine Fülle an Literatur über das Publikum im Rundfunk hervorgebracht. Dieses Forschungsfeld lässt sich grob in die beiden Abteilungen Nutzungs- und Wirkungsforschung unterteilen (vgl. Schweiger 2007: 24-29; Leffel-
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2 Theoretischer Rahmen
send / Mauch / Hannover 2004: 52; Süss / Bonfadelli 2001; Schorr 2000). Diese Unterscheidung korrespondiert mit verschiedenen, mit dieser Forschung verbundenen, Interessen und Zielsetzungen. Historisch ist die Wirkungsforschung der Rezeptionsforschung einen Schritt voraus: „In der ersten Phase (30er und 40er Jahre) dominierte die Erforschung des Einflusses politischer Kommunikation auf das Publikum.“ (Leffelsend / Mauch / Hannover 2004: 58)7. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass einfache Wirkungsmodelle (wie z.B. Stimulus-Response-Modelle, vgl. für einen Überblick Schweiger 2007: 50; Bongard 2002: 170211) reale Beziehungen zwischen Medienschaffenden, Medienangeboten und Medienpublika nicht angemessen abzubilden in der Lage waren. Die dominanten Faktoren für Medienwirkungen waren Aspekte des Publikums selbst (vgl. Schulz 1992: 285). „Durch eine kontinuierliche persönlichkeitsorientierte Zielgruppenforschung können mithin notwendige kommunikative Anpassungsvorgänge gefördert und in Gang gehalten werden. Ein Beharren auf der Messung programmbezogener Bedürfnisse, Interessen, Meinungen und Werturteile des allgemeinen Publikums […] wird keinesfalls ausreichen, die Rezipienten im Kommunikationsgeschehen angemessen abzubilden und einzubeziehen.“ (Brommert / Weich / Dirksmeier 1995: 201) Daher verlagerte sich das Forschungsinteresse im Laufe der Zeit in Richtung Nutzungsforschung. Bei dieser steht die Frage im Mittelpunkt: Wie hören Rezipienten Radio, wie sehen sie fern? Und warum oder wozu? (vgl. Schweiger 2007: 61; Jäckel 2002: 78; Vitouch 2000: 37; Goertz 1997: 24; Krotz 1995) Auch in der vorliegenden Arbeit werden die Ergebnisse der Wirkungsforschung ausgeklammert. Denn Ziel der Arbeit ist herauszufinden, wie Aktivitäten der Rezipienten den Rundfunk ökonomisch funktionstüchtiger machen können. Daher ist die Wirkung von Medien auf die Rezipienten hier nicht von Bedeutung, sondern vielmehr die Wirkungen von Rezipienten auf Medien. Innerhalb der Nutzungsforschung können ebenfalls zwei Teilstränge unterschieden werden. Diese könnte man als publikumszentriert vs. rezipientenzentriert bezeichnen. Das heißt, die Arbeiten zur Rundfunknutzung lassen sich danach unterscheiden, ob sie eher auf viele Rezipienten und die ihnen gemeinsamen Eigenschaften oder Verhaltensweisen blicken (publikumszentrierte Ansätze) oder ob sie sich mit wenigen oder sogar einzelnen Rezipienten, mit deren Zielen und Motiven sowie deren Verhalten in Bezug auf das Rundfunkangebot befassen (rezipientenzentrierte Ansätze)(vgl. zu dieser Unterscheidung Neumann-Braun 2000a)8. Diese Unterscheidung weist Parallelitäten zur gängigen Unterscheidung zwischen 7
„Die Publizistik- oder Kommunikationswissenschaft konzentriert sich dominant auf öffentliche Massenkommunikation, auf (quantitative wie qualitative) Medienwirkungsforschung und auf die Praxis des Journalismus und der Public Relations.“ (Ziemann 2006: 14) 8 Schweiger unterscheidet funktionale, prozedurale und strukturelle Perspektiven der Mediennutzung (vgl. Schweiger 2007: 60ff., 137ff. u. 222ff.). In dieser Systematik entspricht die strukturelle Perspektive den publi-
2.2 Relevante Aspekte der Publikumsforschung
35
kommerzieller und akademischer Publikumsforschung auf (vgl. Schweiger 2007: 36-38; Goertz 1997: 9f.; Gleich 1996: 598 sowie in Abschnitt 6.2.1.1). Denn aus kommerzieller Sicht ist das Publikum zunächst umso interessanter, je größer es ist. Hingegen ist das Verständnis von „Publikum“ umso genauer, je detaillierter individuelles Verhalten und sein Zustandekommen untersucht wird (akademische Perspektive). Das Forschungsinteresse dieser Arbeit entspricht – aufgrund des methodologischen Individualismus der ökonomischen Perspektive (vgl. Abschnitt 2.1.1.2) – dem der rezipientenzentrierten Ansätze. In erster Linie geht es also um die Frage, warum und wie Menschen welche Rezeptionen vornehmen. In zweiter Linie ist darauf zu achten, ob die Ziele, die Rezipienten mit der Rundfunknutzung verfolgen, auch erreicht werden und wie dieser Nutzen an Ziele und Erwartungen rückgekoppelt ist. Doch dieser zweite Aspekt ist von nachrangigem Interesse. Denn die ökonomische Transaktion zwischen Sender und Rezipient findet während der Nutzung statt. Die Gratifikationen, die ein Rezipient aus der Nutzung zieht, beeinflussen „nur“ die nächste Nutzungsentscheidung. Als Einflussfaktor sind sie also von Bedeutung; als Medienwirkung sind sie im vorliegenden Kontext weniger wichtig. Doch auch die publikumszentrierten Arbeiten der kommerziellen Marktforschung im Rundfunk müssen bedacht werden, da ihre Ergebnisse v.a. das Angebot der Rundfunkveranstalter prägen (vgl. Anker 2006; Darkow / Lutz 2000: 96).
2.2.1 Publikumszentrierte Ansätze 2.2.1.1
Basisdaten
Als Grundlage der Nutzungsforschung werden Basisdaten herangezogen. Diese umfassen die technische Ausstattung der Haushalte mit Empfangsgeräten, die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer sowie den Tagesverlauf der Nutzung. Seit 1980 kann das potenzielle Rundfunkpublikum praktisch mit der Gesamtbevölkerung gleichgesetzt werden: Die Geräteausstattung liegt seitdem konstant bei 98 Prozent (vgl. van Eimeren / Ridder 2005: 492). Und für die übrigen zwei Prozent müssten sehr restriktive Annahmen gewählt werden, damit sie nicht zum potenziellen Publikum zählen: Sie dürfen keine Freunde besuchen, die Radio und / oder Fernseher besitzen, ihnen wäre der Zugang zu zahlreichen Restaurants verwehrt, viele Geschäfte könnten sie – wegen der
kumsorientierten Ansätzen. Für die vorliegende Arbeit ist gerade der Übergang von Funktionen und Motiven in die Entscheidung und den Rezeptionsprozess, d.h. die Kopplung von funktionaler und prozessualer Perspektive wichtig, weshalb diese Dimensionen gemeinsam betrachtet werden.
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2 Theoretischer Rahmen
Radiobeschallung – nicht betreten. Das heißt, grundsätzlich hat jeder Bundesbürger Zugang zu Radio und Fernsehen. Allerdings wird diese Möglichkeit höchst unterschiedlich ausgenutzt. So schalteten 2005 an einem durchschnittlichen Tag elf Prozent der Deutschen den Fernseher nicht an; und sechzehn Prozent verzichteten auf das Radio (vgl. ebd.: 496)9. Umso intensiver wird Rundfunk jedoch von allen Anderen genutzt. Die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer lag 2005 nach praktisch kontinuierlichem Anstieg seit Einführung des Rundfunks im Radio bei 221, im Fernsehen bei 220 Minuten (vgl. ebd.). Diese Zeiten verteilen sich recht ungleichmäßig auf den Tag. Sowohl im Radio als auch im Fernsehen gibt es seit Jahrzehnten eine feste Prime-Time, den Zeitkorridor mit der höchsten Reichweite. Dieser beginnt im Fernsehen zwischen 18 und 19 Uhr und endet gegen 23 Uhr. Die wichtigste Zeit im Radio ist der Morgen: Zwischen sechs und neun Uhr erreicht das Radio die meisten Zuhörer (vgl. Fritz / Klingler 2003: 16). Im Unterschied zum Fernsehen behält das Radio anschließend jedoch ein relativ hohes Nutzungsniveau, das eher allmählich bis in die Abendstunden nachlässt. Ab dem späten Nachmittag verhalten sich Radio- und Fernsehnutzung komplementär: Sobald die Rezipienten von der Arbeit zurückkehren, bleibt das Radio stumm, und stattdessen geht der Fernseher an (vgl. ebd.). Das Radio ist ein permanenter Begleiter. Insbesondere wird es in wesentlich größerem Umfang als das Fernsehen außer Haus genutzt (vgl. ebd.: 20) und läuft während der Arbeit (vgl. ebd.: 18). Demgegenüber ist das Fernsehen (noch) weitgehend ein Freizeitmedium.
2.2.1.2
Regelmäßigkeiten im Publikumsverhalten
Die erste Differenzierungsstufe innerhalb dieser Basisdaten sind bestimmte Regelmäßigkeiten im Nutzungsverhalten, die zusammenfassend als „duplication of viewing law“ bezeichnet werden (vgl. Schweiger 2007: 235f.; Zubayr 1996: 35ff.; Tasche 1996: 50-56). Der Begriff „law“ ist allerdings irreführend, da es sich nicht um eine Gesetzmäßigkeit, sondern um statistische Zusammenhänge handelt. So wird die Beobachtung, dass das Publikum einer Sendung in einem bestimmten Kanal mit überdurchschnittlich hoher Wahrscheinlichkeit den gleichen Marktanteil erreicht wie eine andere Sendung auf demselben Kanal, zwar als Kanalloyalität bezeichnet (vgl. Schweiger 2007: 236; Klövekorn 2002: 11f.; Zubayr 1996: 35-40; Ang 1991: 156). Doch hierbei bleiben Veränderungen in der Zusammensetzung des Publikums unberücksichtigt, so dass auf der Ebene der Individuen Loyalität fraglich ist. 9 Zudem existiert zumindest eine Gruppe von Nicht- oder Selten-Sehern, die immerhin 1,7 Prozent ausmachen (vgl. Schulz 1997: 94). Das heißt, über 1,3 Millionen Menschen in Deutschland sehen (so gut wie) nicht fern. Da diese jedoch nicht Bestandteil des Publikums sind, können sie im Weiteren außer acht gelassen werden.
2.2 Relevante Aspekte der Publikumsforschung
37
Das gleiche gilt für das Ansehen von Wiederholungen (rerun watching): Je größer die Reichweite der Erstausstrahlung, desto größer ist auch das Publikum der Wiederholungen (vgl. Schweiger 2007: 236). Dieser Zusammenhang gilt auch medienübergreifend, so dass aus den Box Office-Zahlen im Kino recht verlässliche Prognosen über die Fernsehzuschauerschaft abgeleitet werden können, welche wiederum die Preise für die Ausstrahlung dieser Filme im Fernsehen beeinflussen. Ein weiterer Effekt betrifft aufeinander folgende Sendungen. Hier kommt es zu sogenannten Publikumsvererbungen (inheritance)(vgl. Schweiger 2007: 236; Schwab / Unz 2004: 245f.; Klövekorn 2002: 11f.; Zubayr 1996: 41). Er wirkt in zwei Richtungen. Im sog. lead-out sehen einige Rezipienten auch die nachfolgende Sendung, obwohl sie (nur) die vorangegangene Sendung sehen wollten. Beim lead-in wird der Fernseher schon vor der eigentlich gesuchten Sendung eingeschaltet (vgl. Schwab / Unz 20004: 245f.; Tasche 1996: 260f.). Schließlich fällt auch die Loyalität zu einem bestimmten Format (repeat viewing) unter die „Gesetzmäßigkeiten“ der Publikumsfluktuationen: Verschiedene Episoden einer Serie erreichen überwiegend die gleichen Zuschauer (vgl. Zubayr 1996: 68f.; Ang 1991: 156). Dieser Effekt ist bei Seifenopern besonders ausgeprägt (vgl. Schweiger 2007: 236; Zubayr 1996: 112); Frauen und Ältere sind überdurchschnittlich loyal (vgl. Zubayr 1996: 110). Aus der Verbindung von Kanal- und Sendungsloyalität entsteht das sog. double jeopardyPhänomen: Je kleiner ein Publikum ist, desto geringer ist in der Regel auch dessen Bindung an die Sendung (vgl. Schweiger 2007: 236; Zubayr 1996: 68)10. Die Loyalität zu bestimmten Formaten ist jedoch nicht konstant. Sie schwankt sowohl im Tagesverlauf (vgl. Zubayr 1996: 116f.) als auch im Wochenrhythmus. Fernsehnachrichten beispielsweise werden nicht durchgängig an aufeinander folgenden Tagen gesehen, aber regelmäßig innerhalb einer Woche. Umgekehrt folgt die Bindung an fiktionale Formate eher dem System aufeinander folgender Tage. Zubayr schlägt daher vor, konsekutive von wöchentlicher Programmbindung zu unterscheiden (vgl. ebd.: 124f.). Zudem fällt auf, dass „‚programmgebundene‘ von den ‚zeitgebundenen‘ Zuschauern empirisch unterschieden werden“ können (ebd.: 141). Regelmäßigkeiten in der Nutzung sind demnach nicht ausschließlich als Ausdruck von Formatloyalität zu werten. Sie können sich auch daraus ergeben, dass einfach zu bestimmten Zeiten der Fernseher eingeschaltet wird (vgl. ebd.: 140). Jedoch steht auch zu diesen Zeitpunkten immer eine Auswahl an Programmen zur Verfügung, so dass Loyalitäten zumindest teilweise auf „content seeking behaviour“ zurückzuführen sind (vgl. ebd.: 142-147). 10
Zubayr stellt in diesem Zusammenhang auch die Arbeit von McPhee vor, der dieselben Effekte im Konsumgütersektor untersucht hat. Er kommt zu dem Ergebnis, dass zwar hohe Bekanntheit mit hoher Beliebtheit und damit hoher Produktbindung korreliert, dass es sich hierbei jedoch um einen rein statistischen Effekt handelt (vgl. Zubayr 1996: 69).
38
2.2.1.3
2 Theoretischer Rahmen
Publikumstypisierungen
Regelmäßigkeiten im Publikumsverhalten sind die Grundlage für holistische Vorstellungen von „dem“ Publikum. So wird das Publikum als „value“ (Schweiger 2007: 223), als Opfer der Medienmanipulationsmaschine (vgl. ebd: 224), als Konsument (ebd.), oder als Interpretationsgemeinschaft (vgl. ebd.: 226) konzipiert (vgl. auch Einführung zu Kapitel 4). Obwohl diese Generalzuschreibungen in verschiedenen Diskursen (z.B. Media-Industrie, Jugendschutz) eine spezifische Funktion haben, können sie nicht als Beschreibungen des Publikums gelten, weil jede einheitliche, homogene Darstellung des Publikums notwendigerweise verkennt, dass sich „das disperse Publikum nur kurzzeitig durch die gemeinsame Nutzung eines Massenmediums konstituiert und danach wieder auflöst“ (Schweiger 2007: 230). Das Bewusstsein dieses Defizits hat in der Forschung dazu geführt, dass das Publikum in verschiedene Gruppen unterteilt wird. Dabei lassen sich bottom-up- und top-downHerangehensweise unterscheiden. Im ersten Fall ermöglicht die Beobachtung zeitstabiler Nutzungsgewohnheiten der Individuen die Entwicklung von Nutzungstypologien. Dann werden Personen mit dem gleichen dominanten Nutzungstyp zu Nutzertypen zusammengefasst (vgl. Schweiger 2007: 237-239; Oehmichen / Ridder 2003). Im zweiten Fall ist der Ausgangspunkt nicht das Individuum, sondern die Gesellschaft. Die gesellschaftliche Struktur (Gesetze, Normen, Institutionen, Traditionen etc.) bestimmen den Handlungsspielraum des Individuums. Dieser wird zudem durch die Position des Individuums in der Gesellschaft vorgeprägt. Die gesellschaftliche Stellung einer Person ist durch die gängigen soziodemographischen Daten bezeichnet: Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Einkommen etc. (vgl. Rosengren 1996: 26f.). In ähnlicher Weise zeichnet Schweiger (2007: 286f.) eine Wirkungskette von (gesellschaftlich bedingten) Lebensformen über Lebensweisen, die sich aus der individuellen Position in der Gesellschaft ergeben, bis zu von individuellen Einstellungen geprägten Lebensstilen nach. Vom Individuum ausgehend, sind Nutzertypologien dadurch gekennzeichnet, dass sie Nutzer mit vergleichbaren dominanten Nutzungsmustern jeweils in einer Gruppe zusammenfassen. Von der Gesellschaft ausgehend, werden Publikumstypologien anhand soziodemographischer Daten gebildet (vgl. Schweiger 2007: 239; Hasebrink 1999: 65; Fahr / Brosius 1997: 186). Darüber hinaus existieren zahlreiche Modelle, die Persönlichkeits- und soziodemographische Aspekte kombinieren: Morhart (2004: 18ff.) hat über 20 in Deutschland gebräuchliche Modelle dieses Typs ausfindig gemacht. Obwohl soziodemographische Merkmale statistisch deutlich mit bestimmten Nutzungsvorlieben korrelieren (z.B. nutzen Frauen Rundfunkangebote stärker nebenbei und unterhaltungsorientiert als Männer, vgl. Schweiger 2007: 271f.; Zubayr 1996: 110), sind diese Merkmale nicht die Erklärung für Nutzungsmuster und Präferenzen. Schweiger bezeichnet
2.2 Relevante Aspekte der Publikumsforschung
39
soziodemographische Daten daher als „Container- bzw. Indikatorvariablen“ (2007: 270), die zwar eine Systematisierung ermöglichen, aber nur bescheidene Erklärungskraft besitzen. Das Gleiche gilt für Aggregationen individueller Nutzungsstile. Milieu- und Lebensstilkonzepte (vgl. etwa Otte 2005, 2004; Vester et al. 2001; übersichtliche Darstellungen bei Siegert / Brecheis 2005: 220-222; Bachmair 1996: 267-291; Hawkins / Pingree 1996: 102f.; Vorderer 1992: 117ff.) sind teils mehr heuristischer als theoretischer Natur; ihre Aussagekraft ist daher begrenzt (vgl. Schweiger 2007: 286; Siegert / Brecheis 2005: 220222 m.w.H.). Auch findet eine Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der jeweiligen Typologien kaum statt, so dass der Fortschritt auf diesem Gebiet sich bislang darauf begrenzt, in gewissen Abständen neue Typologien mit neuen Begriffen und Kategorien hervorzubringen. Für die vorliegende Arbeit sind Publikumssegmente von untergeordneter Bedeutung – unabhängig davon, wie sie voneinander abgegrenzt werden. Da es um die Frage geht, mit welchen allgemeinen Mechanismen Rezipienten ihre Interessen im Rundfunkmarkt zum Ausdruck bringen und ihnen Geltung verschaffen können, müssen diese Mechanismen grundsätzlich jedem Rezipienten zur Verfügung stehen – oder sie müssen von Organisationen eingesetzt werden, die legitimerweise stellvertretend für das gesamte Publikum sprechen. Darum liegt in dieser Arbeit das Hauptaugenmerk auf dem individuellen Handeln von Rezipienten (vgl. insb. Kapitel 5); zusätzlich verdienen Publikumsorganisationen und andere Einrichtungen, die anwaltlich für das Publikum tätig werden, Beachtung (vgl. Abschnitte 5.2.3, 6.2.1.4 und 7.3).
2.2.2 Rezipientenorientierte Ansätze: Uses-and-gratifications-Modell als Dachkonzept 2.2.2.1
Grundlagen
Um Rezipientenhandeln zu beschreiben und zu erklären, wird in dieser Arbeit der Nutzenund -Belohnungsansatz (uses and gratifications) zugrunde gelegt (vgl. Schenk 2002: 627690; Rubin 2000, 1986; Westerbarkey 1991; Palmgreen 1984; Levy / Windahl 1984; McQuail 1984). Der Uses-and-gratifications-Ansatz (U+G) kann als Dachkonzept verschiedener medienpsychologischer und kommunikationswissenschaftlicher Theorien gelten, die sich mit Rezipientenhandeln befassen. In Bezug auf die Medienselektion ist er deswegen zum leitenden Paradigma avanciert (vgl. Huber 2006: 16). Das U+G-Modell ist hinreichend abstrakt, um eine Vielzahl verschiedener Phänomene abzudecken und hinreichend präzise, um diese Phänomene voneinander unterscheiden und miteinander in Beziehung setzen zu können.
40
2 Theoretischer Rahmen
So können beispielsweise Theorien zur Stimmungsmodulation (mood management, vgl. Zillmann / Bryant 1985), zur Erregungssuche (sensation seeking, vgl. Gleich et al. 1998; Zuckerman 1994) oder zur parasozialen Interaktion (vgl. Rubin 2000: 145ff.; Fabian 1993; Horton / Wohl 1956) alle im Rahmen des U+G-Ansatzes diskutiert und integriert werden (vgl. zusammenfassend Meyen 2004: 24-31). Der U+G-Ansatz geht – im Unterschied zu einigen früheren Konzeptionen – davon aus, dass der Rezipient grundsätzlich Subjekt seiner Handlungen ist (vgl. Meyen 2004: 16; Donnerstag 1996: 239). Damit sind Rezipienten „als gleichberechtigte wirkungskonstituierende Faktoren neben solchen des Mediums, der Umwelt, der Situation und der Zeit“ zu erachten (Brommert / Weich / Dirksmeier 1995: 189, Hervorh. i.O.). Ihr Verhalten ist instrumentell, d.h. sie wählen zwischen Handlungsalternativen (auch außermedialen) so aus, dass sie zur Erreichung ihrer Ziele am besten beitragen (vgl. Huber 2006: 16; Suckfüll 2004: 23; Donnerstag 1996: 233). Medienhandeln dient der Lösung von Problemen (vgl. in Bezug auf Unterhaltungsformate Trepte / Zapfe / Sudhoff 2001; allgemein Donnerstag 1996: 233). In Bezug auf Rundfunk ist daher die Basishandlung des Rezipienten die Selektion. Aus der an den Auswahlvorgang anschließenden Rezeption zieht der Rezipient Nutzen, er wird psychisch für die Nutzung belohnt (vgl. Broß / Garbers 2006: 87; Meyen 2004: 18; Suckfüll 2004: 23)11. Die grundlegende Größe im U+G-Ansatz ist daher die Gratifikation, die Belohnung. Sie wird unterteilt in gesuchte Gratifikationen (gratification sought, GS), also die Ansprüche, die der Rezipient an die Mediennutzung stellt,12 und die durch die Nutzung erhaltenen Gratifikationen (gratification obtained, GO) (vgl. Rubin 2000: 137-140; Niemeyer / Czycholl 1994: 89). In der Literatur werden verschiedene Klassifikationen verschiedener Motive, d.h. gesuchter Gratifikationen, diskutiert. Das Spektrum umfasst kognitive (Information, Lernen), affektive (Stimmungsregulation, Spannung, Unterhaltung), soziale (Gemeinschaft, Zugehörigkeit) und identitätsstiftende Motive (vgl. Schweiger 2007: 74-128 m.w.H.; Rubin 2000: 140; Vorderer 1996). Hier ist eine ausführliche Diskussion der GS entbehrlich; es genügt die Feststellung, dass Rezipienten für die Rundfunknutzung und die Situationen, in denen diese stattfindet, eine große Vielzahl verschiedener Motive haben können. Das Gleiche gilt demnach auch für die GO, da GS und GO zyklisch aufeinander bezogen sind (vgl. Schweiger 2007: 88f.).
11
An diesem Grundprozess zeigt sich, dass die Übersetzung „Nutzen- und Belohnungsansatz“ etwas unglücklich ist. Besser müsste es heißen „Nutzungs- und Belohnungsansatz“, da genau die Prozesse zwischen der Rezeption und den dafür erhaltenen Gratifikationen Gegenstand des Modells sind. Wegen dieser Unschärfe wird hier der englische Terminus verwendet. 12 Gesuchte Gratifikationen sind nicht identisch mit Bedürfnissen, vgl. Schweiger 2007: 88 sowie ausführlich zu Bedürfnissen Abschnitt 5.1.1.
2.2 Relevante Aspekte der Publikumsforschung
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Im Idealfall entsprechen die erhaltenen den gesuchten Gratifikationen: Der Rezipient ist glücklich und zufrieden. Das ist jedoch der Ausnahmefall: „Die rasche Entwicklung der Medientechnologie konfrontiert die Menschen in einer modernen Gesellschaft mit einem ständig wechselnden und steigenden Angebot. Daher würden wir Veränderungen im Mediennutzungsverhalten nicht als Ausnahme, sondern als Regelfall ansehen. Die Erhaltung des Status quo wäre nur unter den Umständen zu erwarten, dass in einer stetigen, sich nicht verändernden Umgebung ohne wirkliche Alternativen die erhaltenen Gratifikationen den gesuchten genau entsprechen“ (Palmgreen 1984: 58). Bleibt nach der Rezeption eine Diskrepanz zwischen gesuchten und erhaltenen Gratifikationen (GS/GO-Diskrepanz), hat das zur Konsequenz, dass der Rezipient nach neuen Angeboten suchen und zwischen diesen wählen muss. Zudem wird er künftig die genutzte Sendung vermeiden, wenn er wieder die betreffenden Gratifikationen sucht. GS/GO-Diskrepanzen waren der Ausgangspunkt für Weiterentwicklungen des U+GModells. Besondere Bedeutung hat dabei die Integration des Erwartungs-Bewertungs-Ansatzes in das U+G-Modell erlangt, die in der Version von Rayburn und Palmgreen (1984) bekannt wurde. Der Erwartungs-Bewertungs-Ansatz geht auf Fishbein und Ajzen (1975) zurück, die Einstellungen in Bezug auf Gegenstände und Ereignisse in zwei Dimensionen aufteilen: die „Erwartung, dass bestimmte Phänomene eintreten“ und „die persönliche Bewertung dieser Phänomene“ (Schweiger 2007: 86). Diese beiden Dimensionen sind Unterkategorien der GS: Die Erwartung, ein bestimmtes Bedürfnis mit Hilfe einer Sendung befriedigen zu können, sagt noch nichts über die Bedeutung dieses Bedürfnisses für den Rezipienten aus. Nur Aspekte, die dem Rezipienten auch wichtig sind, machen diese zu gesuchten Gratifikationen. Die Bewertungsdimension ermöglicht also die Ausprägung von Präferenzen (vgl. ebd.). Der U+G-Ansatz eignet sich für die Analyse der Rezipientenstellung im Rundfunk aus mehreren Gründen besonders gut. Erstens sind die Zielorientierung und das – zumindest potenziell – planvolle Handeln, welches das Modell annimmt, unmittelbar anschlussfähig an das ökonomische Menschenbild, wie es in Abschnitt 2.1 vorgestellt wurde. Diesbezüglich ist zu ergänzen, dass auch die Annahmen des U+G-Ansatzes von begrenzten individuellen Ressourcen ausgehen, die sich u.U. bereits im Entscheidungsprozess auswirken. Das heißt, auch der U+G-Ansatz unterstellt keine vollständige Rationalität und lässt Gewohnheiten und Heuristiken grundsätzlich zu (vgl. Suckfüll 2004: 32f.; Donnerstag 1996: 28; Rubin 1986). Allerdings verliert er in der empirischen Forschung an prognostischer Schärfe, wenn es um habituelle Nutzungen geht, da in Befragungen GS und GO bei höherem Interesse der Rezipienten leichter zu ermitteln sind. „Stärker instrumentell genutzte Medien versprechen validere Ergebnisse.“ (Suckfüll 2004: 37) Zweitens ist die entscheidende Handlung des Rezipienten im U+G-Ansatz eine Entscheidung zwischen Alternativen zum Erhalt von Gratifikationen. Das entspricht dem Ver-
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2 Theoretischer Rahmen
halten eines idealtypischen Marktteilnehmers, der zwischen verschiedenen Angeboten auswählt, mit deren Hilfe er seine Bedürfnisse befriedigt. Drittens ermöglicht die dynamische Perspektive auf Mediennutzung auch die Analyse sowohl von Einflüssen des Programms auf die Interessen der Rezipienten als auch umgekehrt der Rezipienten auf die Programmgestaltung.
2.2.2.2
Begriffsklärungen
Für die Untersuchung der Rezipientenaktivitäten, insbesondere vor und während des Rezeptionsvorgangs, sind vier Begriffe zentral, die in der Literatur nicht einheitlich verwendet werden. Aus psychologischer Sicht markieren Motive oder Motivationen den Anfang eines psychischen Prozesses, der letztlich zu einer Handlung führt (oder zumindest führen kann) (vgl. Meyen 2004: 18; Bente / Fromm 1997). Sie selbst gehen auf Bedürfnisse zurück; Motive können als „Bedürfnisse nach etwas“ bezeichnet werden, sie sind schon auf etwas gerichtet (vgl. Schmitt 2004: 156-158). Motive sind demnach Handlungsimpulse (vgl. Donnerstag 1996: 40f.). Wie in Abschnitt 5.1.1 auszuführen sein wird, entspricht diese Vorstellung der Bedeutung des Begriffs Interessen in der vorliegenden Arbeit. Jedoch gehen Interessen im hiesigen Verständnis über Motive hinaus. „Interesse kann […] als eine Brücke zwischen Motivation und Handeln / Verhalten verstanden werden.“ (Donnerstag 1996: 36f.) Denn Interessen sind nicht nur handlungs-, sondern auch wahrnehmungsleitend. Sie können auch responsiv wirken, indem in einem Reizspektrum bevorzugt solche Reize wahrgenommen und verarbeitet werden, die mit den individuellen Interessen assoziiert sind. Während der Rezeption werden verschiedene Aktivitätsabstufungen mit den Begriffen Aufmerksamkeit und Involvement bezeichnet. Involvement ist der allgemeinere Terminus. Er bezeichnet die psychische Beteiligung an einer Sache, die geistige Verbundenheit (vgl. Schenk 2000: 77; Brosius / Fahr 1996: 28; Donnerstag 1996: 29ff. mit einer differenzierten Auseinandersetzung synonym verwendeter Begriffe; grundlegend Krugman 1966). Die psychische Beteiligung findet beispielsweise im Rahmen einer Interaktion mit der Sache statt. Grundsätzlich jedoch ist der involvierte Zustand unabhängig von der Existenz der Sache, d.h. jemand kann schon vor und auch noch nach der Rezeption in eine Sendung involviert sein. Demnach sind für Involvement zwei Dimensionen zu unterscheiden: ein psychischer Bezug zu einer Sache einerseits (Personenmerkmal) und Merkmale der Interaktion mit der Sache andererseits (Interaktionsmerkmal) (vgl. Halff 1998: 168-173 zu Involvement als Personenmerkmal sowie 157-168 als Interaktionsmerkmal; Donnerstag 1996: 34f.). Vor der Rezeption ist demnach hohes Involvement diejenige Komponente von „Interesse“, die von Motiven nicht erfasst wird, oder umgekehrt formuliert: Interessen sind Motive
2.2 Relevante Aspekte der Publikumsforschung
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plus prä-kommunikatives Involvement. Während der Rezeption führt hohes Involvement zu hoher Aufmerksamkeit. Dennoch sind auch hier die Begriffe nicht gleichbedeutend. Wiederum ist Involvement ein Zustand der Beteiligung, während Aufmerksamkeit eine konkrete Hinwendung zur Sache, d.h. eine nicht nur mentale, sondern auch eine sensorische Aktivität bezeichnet. Anschließende Handlungen (z.B. Erhöhen der Lautstärke bei interessantem Beitrag) sind wiederum als Ergebnis von Involvement der zweiten Dimension (Interaktionsmerkmal) zu werten (vgl. Donnerstag 1996: 39). Die personale und die interaktionale Dimension von Involvement rahmen gewissermaßen den Begriff der Aufmerksamkeit ein. Aufmerksamkeit und Involvement überschneiden sich in ihrem Begriffsgehalt darin, dass sie beide die Investition mentaler Ressourcen während der Rezeption („invested mental effort“, Schwan / Hesse 2004: 84f.; Salomon 1984) bezeichnen. Im Hinblick auf die Rezeptionsphase sollen die Begriffe synonym verwendet werden. Weiter reichende psychische und Handlungs-Aspekte werden unter „Involvement“ gefasst. Der Rezipient kann durch Modulation seines Involvements das Niveau der GO beeinflussen (vgl. Levy / Windahl 1984). Involvement wirkt sich auf den erzielten Nutzen in zwei Phasen aus. „Bei geringer Selektivität in der Phase vor der eigentlichen Rezeption hat die Medienselektion und -rezeption den Charakter eines Zeitvertreibs, d.h. die Rezipienten […] hören nebenbei Radio oder sie sehen relativ wahllos fern.“ (Suckfüll 2004: 28) Während der Rezeption führt höheres Involvement auch zu einem höheren Niveau erhaltener Gratifikationen (vgl. Donnerstag 1996: 34); das Nutzenpotenzial einer Sendung wird besser ausgeschöpft.
Neue Institutionenökonomik und Uses-and-gratifications-Ansatz stellen die theoretische Grundlage für die folgende Analyse des Publikums im Rundfunk dar. Die beiden Theorien ergänzen sich: Der U+G-Ansatz erklärt Mediennutzungsverhalten anhand von individuellen Motiven bzw. Interessen, die Institutionenökonomik bettet dieses Verhalten in das institutionalisierte Beziehungsgefüge zwischen Sendern, Rezipienten und den weiteren Handelnden im Rundfunk (Werbewirtschaft, Aufsichtsgremien, Politik) ein. Als Scharnier zwischen NIÖ und U+G-Ansatz fungiert ein ähnliches Menschenbild, das allen Handlungen, Inter- und Transaktionen zugrunde liegt.
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3 Rundfunk als Markt
3 Rundfunk als Markt
3.1 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen Die in Abschnitt 2.1.2.2 dargestellten Voraussetzungen für das Funktionieren von Märkten (freier Marktzugang, Kontraktionsfreiheit, Einhaltung von Verträgen, Sanktionierung von Fehlverhalten) betreffen deren institutionelle Dimension. Doch selbst wenn die vier Bedingungen erfüllt sind, können bestimmte Eigenschaften der zu tauschenden Güter deren Marktfähigkeit beeinträchtigen oder sogar vollständig zunichte machen. Medienangebote stehen in besonderem Maße in dem Verdacht, nicht oder nur eingeschränkt marktfähig zu sein (vgl. etwa Kiefer 2005: 177f. u. 225-247). Die Gründe hierfür werden in den folgenden Abschnitten offenkundig werden.
3.1.1 Güter vs.Verfügungsrechte In der ökonomischen Literatur werden die Gegenstände von Tauschakten nicht durchgängig einheitlich bezeichnet. Gängig sind die Termini „Güter“ und „Verfügungsrechte“. Dabei werden als Güter alle Ressourcenkombinationen bezeichnet, mit denen Bedürfnisse befriedigt werden können (vgl. Kiefer 2005: 131f.). Die offensichtlichste Gruppe von Gütern sind materielle Tauschgegenstände. Im Prinzip ist alle bewegliche Materie ein Gut. Damit Güter handelbar sind, müssen sie transferierbar sein. Die Güter, die sich besonders gut für den marktlichen Tausch eignen, werden als private Güter bezeichnet. Private Güter sind dadurch charakterisiert, dass sie zum einen in diskreten Einheiten verfügbar sind, was u.a. bedeutet, dass sie sich akkumulieren lassen, und dass zum anderen Verfügungsrechte an ihnen leicht definiert und durchgesetzt werden können (vgl. Mankiw 2004: 246; Varian 2004: 662). Neben den materiellen Gütern existiert eine Vielzahl von immateriellen oder teilweise materiellen Gütern. In der Literatur wird bereits seit Jahrzehnten die zunehmende Bedeutung von Dienstleistungen und anderen immateriellen Gütern für westliche Volkswirtschaften diskutiert (vgl. etwa Baethge / Wilkens 2001; Bosch u.a. 2002). Die zunehmende Bedeutung immaterieller Güter kann erklären, warum das Konzept der Verfügungsrechte in der Literatur an Beliebtheit gewinnt. War die dominante Transaktion bis zur industriellen
3.1 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen
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Gesellschaft der Kauf, so haben in den letzten Jahrzehnten Nutzungsformen an Attraktivität gewonnen, die nicht an die Übertragung von Besitz und Eigentum gebunden sind. Diesen Schritt hat die Wissenschaft mit vollzogen, indem sie mit dem Konzept der Verfügungsrechte nicht nur die getauschten Güter in den Blick nimmt, sondern alle Handlungsmöglichkeiten, die sich aus einer Transaktion ergeben (vgl. Kiefer 2005: 59 u. 277ff.; Furubotn / Pejovich 1972: 1139)13. Sind also Rundfunkprogramme marktfähige Güter? Sie liegen in diskreten Einheiten vor: Es gibt verschiedene Anbieter, deren Programme ihrerseits wieder in einzelne Sendungen aufgeteilt sind. Zum Teil können sogar einzelne Beiträge einer Sendung als Einheit erachtet werden, z.B. in Magazin-Sendungen, da hier nicht notwendig eine inhaltliche Klammer besteht. Die Sendungen bzw. Beiträge sind klar voneinander getrennt – etwa durch Trailer, Ansagen, Werbung -, und sie stellen nach innen Kohärenz her – etwa durch personelle Kontinuität, Logos, Jingles, Studio-Ausstattung etc. Darüber hinaus nehmen Rezipienten Sendungen – oder sogar nur Teile davon – selektiv in Anspruch und stellen sich daraus ein eigenes Rundfunkmenü zusammen (vgl. Haas / Wallner 2007: 130; Hömberg 2004; Hasebrink 1997: 278f.). Doch kann die Ausstrahlung nicht ohne Weiteres als Transfer des Gutes „Rundfunksendung“ charakterisiert werden, da 1) der Sender weiterhin im Besitz dieses Gutes ist, 2) die Übertragung auf Seiten des Empfängers technische Vorrichtungen erfordert, 3) der Empfänger nach der Ausstrahlung nicht im Besitz der Sendung ist (es sei denn, er zeichnet sie auf). Hingegen wird mit der Ausstrahlung jedem Empfänger, d.h. jedem Besitzer eines Empfangsgerätes, ein Nutzungsrecht eingeräumt. Durch Gesetz sind die weiteren Verfügungsrechte eingeschränkt: Rundfunkprogramme dürfen für den privaten Gebrauch aufgezeichnet werden; sowohl die anschließende Verbreitung als auch öffentliche Wiedergabe werden durch § 53 Abs. 6 UrhG untersagt14. Hierin unterscheiden sich Rundfunkprogramme von typischen Konsumgütern, die auch weiter gehandelt werden dürfen. Im Fall der Rundfunknutzung greifen die Konzepte der Verfügungsrechte und der Güterlehre ineinander: Während sich Empfang und Rezeption am besten als Ausübung von Verfügungsrechten fassen lassen, kann der Informations-, Unterhaltungs- und / oder Bildungsnutzen, den der Rezipient aus der Nutzung zieht, als Gut bezeichnet werden. 13
Üblicherweise wird zwischen dem Nutzungsrecht (usus), dem Recht an der Nutzung von weiteren Erträgen aus einem Gut (usus fructus), dem Recht auf Veränderung des Gutes (abusus) und dem Recht auf Weiterverkauf unterschieden (vgl. Picot / Reichwald / Wigand 1998: 38-41, Kiefer 2005: 277ff.). Für die vorliegende Arbeit ist diese Klassifizierung jedoch nachrangig. 14 Überdies sind Privatkopien von Funksendungen gemäß § 54 UrhG vergütungspflichtig. Die Vergütung erfolgt pauschal über eine Geräteabgabe.
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3 Rundfunk als Markt
3.1.2 Nicht-Ausschluss Die Definition und Durchsetzung von Verfügungsrechten birgt Probleme. Strahlt ein Sender ein Programm aus, so hat er keine Kontrolle darüber, wer das Programm empfängt und nutzt. Jeder, der einen Empfänger besitzt, kann das Programm nutzen, niemand kann von der Nutzung ausgeschlossen werden. Der Ausschluss aber ist ein zentrales Merkmal des marktlichen Tauschs: Wenn durch die Leistung eines Marktteilnehmers auch Dritte begünstigt werden, die keine Gegenleistung erbringen, so hat der Transaktionspartner keinen Anreiz, für diese Leistung ein Entgelt zu zahlen. Umgekehrt werden viele Dritte die Leistung in Anspruch nehmen wollen, ohne dafür zu bezahlen (Trittbrettfahrer- oder freeriderPhänomen, vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 100; Macmillan 1979; Groves / Ledyard 1977). Handelt jeder Einzelne ausschließlich nach seinem individuellen Nutzenkalkül, so wird das Gut nicht produziert, da niemand (oder jedenfalls zu wenige) dessen Bereitstellung entgilt. Gleichwohl haben viele Konsumenten ein Interesse an der Nutzung des Gutes. Der Nicht-Ausschluss führt also – gemäß der modelltypischen Verhaltensannahmen – trotz Nachfrage dazu, dass ein Gut nicht hergestellt wird. Nicht-Ausschluss und Trittbrettfahrer-Problem zum Trotz existieren aber Rundfunkprogramme. Anbieter von Bezahlprogrammen etwa haben durch die Verschlüsselung ihrer Sendungen den Ausschluss von Nichtzahlern ermöglicht, so dass das Trittbrettfahrerproblem eliminiert ist. Auch die Rundfunkgebühr stellt eine Lösung dar: Da eine Nachfrage existiert, diese aber unter Marktbedingungen keine Produktion hervorruft, wird die Produktion durch eine verpflichtende Zahlung aller potenziellen Nutzer ermöglicht. Privatrundfunkveranstalter schließlich, die ihre Programme unverschlüsselt ausstrahlen, haben das TrittbrettfahrerProblem gelöst, indem sie ihre Produktionskosten auf dem Werbemarkt finanzieren. Die Finanzierung der Programme wird also weitgehend von ihrer Nutzung entkoppelt: Von einem privaten Tausch zwischen zwei Partnern (Sender und Rezipient) wird Rundfunk zu einem tripolaren Geschäft (Sender und Rezipient sowie Staat bzw. werbetreibende Industrie). Die Konsequenzen dieser Erweiterung werden unten (vgl. Abschnitte 3.3 und 4.2.4) ausführlich zu untersuchen sein. Hier genügt vorerst die Feststellung, dass in allen drei Sparten des Rundfunks (öffentlich-rechtlicher, privater werbefinanzierter und Bezahlrundfunk) Wege gefunden wurden, das Problem des Nicht-Ausschlusses zu lösen. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang das Modell des Bezahlrundfunks. Mit der Verschlüsselung existiert eine rentable Möglichkeit, das Ausschlussprinzip auch im Rundfunk durchzusetzen. Sowohl auf Anbieter- als auch auf Konsumentenseite sind Bezahlangebote jedoch mit höheren Kosten gegenüber den frei empfangbaren Programmen verbunden: Die Anbieter müssen ihr Programm verschlüsseln (inklusive den Aufwendungen, Verschlüsselungsalgo-
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rithmen und Decoder zu entwickeln), die Konsumenten bezahlen für Decoder und ein Programmabonnement15. Für die Anbieter lohnen sich die zusätzlichen Kosten, wenn die Erlöse die Summe von Produktions-, Distributions- (inkl. Verschlüsselung) und Verwaltungskosten übersteigen. Da die Anbieter von kostenpflichtigen Programmen auf den Einkaufsmärkten (Rechte und Lizenzen, Personal, Produktionstechnik) mit den Anbietern frei empfangbarer Angebote konkurrieren, ist davon auszugehen, dass die Kostenstrukturen für die Programmgestaltung für alle Anbieter ungefähr gleich sind. Für den Anbieter haben daher die Einkünfte aus den Abonnements den gleichen Stellenwert wie die Werbeerlöse für den kostenlosen Privatrundfunk. Auch auf der Seite der Rezipienten gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen Werbung und Kosten für ein Programm. Denn Werbefreiheit ist ein Zusatznutzen für den Rezipienten in Bezahlprogrammen gegenüber den frei empfangbaren Angeboten. Daneben sind es Alleinstellungsmerkmale im Programm sowie eine hohe Orientierungsleistung, die eine Zahlungsbereitschaft bedingen. So sind exklusive Inhalte (z.B. Sportübertragungen), eine frühere Verfügbarkeit von Spielfilmen und die Zusammenstellung von thematisch hoch kohärenten Programmbouquets Attraktoren für Bezahlrundfunk (vgl. Woldt 2002: 539). Sowohl auf dem Markt für Rechte und Lizenzen als auch im Verhältnis zu den Rezipienten stehen also nicht nur einzelne Anbieter miteinander im Wettbewerb, es handelt sich darüber hinaus auch um einen Systemwettbewerb der Finanzierungsmodi. Denn es werden alle diejenigen Rezipienten die zusätzlichen Kosten von Bezahlrundfunk zu tragen bereit sein, in deren persönlichem Nutzenkalkül der Wert exklusiver Inhalte, früherer Ausstrahlung von Spielfilmen, von Spartenangeboten und Werbefreiheit höher ist als die Abonnement- und ggf. Anschaffungskosten für einen Decoder. Ändert sich, etwa durch sinkende Kosten zur Ver- und Entschlüsselung, der Preis für Bezahlprogramme, so passt sich das Verhältnis zwischen frei empfangbaren und kostenpflichtigen Sendern daran an, indem so lange Rezipienten das System wechseln, bis der letzte Rezipient gegenüber der Entscheidung zwischen freien und Bezahlprogrammen gerade indifferent ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der Entscheidung zwischen freiem und kostenpflichtigem Rundfunk selbstverständlich nicht nur monetäre Kosten eine Rolle spielen. Vielmehr ist es gerade die inhaltliche Attraktivität von Programmen, die über Akzeptanz und Nutzung entscheidet (vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 3.3.3). Dieses Rezipientenverhalten erklärt auch die Tendenz der Anbieter, sich mit spezifischen programmatischen Profilen von den Wettbewerbern abzugrenzen (Informations-, Sport-, Spielfilmsender,…). Diese Profilierungsbemühungen resultieren in inhaltlichen Differenzen zwischen allen Sendern. Das bedeutet, dass für die Beschreibung des Systemwettbewerbs inhaltliche Faktoren 15
Um Bezahlangebote attraktiver zu machen, übernimmt mitunter der Anbieter die Kosten für die Anschaffung des Decoders.
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3 Rundfunk als Markt
nicht dominant sind, da diese einen von der Finanzierungsform unabhängigen Wettbewerb zwischen allen Anbietern konstituieren. Obwohl also sowohl in Bezug auf das programmatische Profil als auch in Bezug auf die Spartenbildung Differenzen zwischen den Anbietern freier und den Betreibern kostenpflichtiger Programme existieren, sind diese Faktoren nicht ausschlaggebend für die Systemdifferenz. Es ist vielmehr die Abwesenheit von Werbung, die ökonomisch die Unterscheidung von freien und Bezahlprogrammen am stärksten prägt. Die Verschlüsselung und die Werbeoder Gebührenfinanzierung stellen verschiedene Möglichkeiten zur Lösung des Ausschlussproblems dar. Die Rundfunkgebühren nehmen dabei eine Sonderstellung ein, weil der Staat und nicht die Sender über die Gebühren disponieren. Sie spielen daher für einen Sender keine Rolle bei der Entscheidung, freie oder kostenpflichtige Programme anzubieten. Hingegen stehen Werbung und Verschlüsselung in einer deutlichen substitutiven Beziehung zueinander: Da der Rezipient im Bezahlrundfunk für die Abwesenheit von Werbung bezahlt, entspricht der Preis, den ein Nutzer für kostenpflichtigen Rundfunk zu zahlen bereit ist, weitgehend dessen Nutzenentgang durch Werbung im freien Rundfunk16.
3.1.3 Nicht-Rivalität im Konsum Wird das Ausschlussprinzip durchgesetzt, wird damit zugleich das zweite Merkmal öffentlicher Güter zu einem substanziellen Problem für die Anbieter: die Nicht-Rivalität im Konsum. Medieninhalte zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich nicht durch Gebrauch abnutzen. Zwar unterliegen sie einem Alterungsprozess, der gerade bei zeitsensiblen Inhalten (Publizistik, Sport) ähnlich wirkt wie eine Abnutzung – und so Nicht-Rivalität einschränkt. Jedoch wird die Möglichkeit eines Rezipienten, eine Sendung zu sehen / hören, in keiner Weise dadurch begrenzt, dass ein anderer Rezipient die gleiche Sendung empfängt17. Für die Anbieter von Bezahlprogrammen wird Nicht-Rivalität im Konsum auf zwei Ebenen zum Problem. Zum einen können mehrere Personen vor einem Radio- oder Fernsehgerät sitzen und das Angebot nutzen, obwohl nur einmal für das Programm bezahlt wurde. Zum anderen kann eine Sendung aufgezeichnet und nacheinander von verschiedenen Personen genutzt werden. Man könnte argumentieren, bei beiden Varianten handele es sich um eine unvollständige Anwendung des Ausschlussprinzips, da Nichtzahler in den Genuss der 16
Zwar nimmt die Zahlungsbereitschaft für kostenpflichtigen Rundfunk auch wegen der Exklusivität von Inhalten zu. Jedoch ist anzunehmen, dass bei heterogenen Interessen im Publikum dieser Effekt insgesamt nur schwach ist. 17 Dass die Möglichkeit zur Nutzung nicht durch andere Nutzer begrenzt wird, bedeutet noch nicht, dass es zwischen den Nutzern keine rezeptionsbeeinflussenden Beziehungen gäbe. Gerade Netzeffekte auf sozialer Ebene sind bedeutsam, um Wahlentscheidungen in der Rundfunknutzung zu erklären, vgl. Abschnitt 3.1.5.
3.1 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen
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Nutzung kommen. Das Ausschlussprinzip ist aber verwirklicht: Die Nutzung des Programms wurde bezahlt. Jedoch entgehen durch Parallel- oder Folgenutzungen, die erst durch die Nicht-Rivalität im Konsum möglich werden, dem Anbieter zusätzliche Entgelte. Diesem Problem wird auf beiden Ebenen begegnet. Die Möglichkeit der Parallelnutzung ist gesetzlich beschränkt, indem die Wiedergabe von Rundfunkprogrammen auf private Nutzungen limitiert wird, sofern der Rechteinhaber keine Vergütung erhält, § 52 Abs. 1 UrhG. Dem Sender kann also durch vertragliche Vereinbarung die Nutzung durch Dritte, beispielsweise in einem Restaurant, entgolten werden. Doch auch die private Nutzung durch mehrere Personen kann die Erlösmöglichkeiten des Senders erheblich einschränken. Da etwa der familiäre Fernsehabend sehr verbreitet ist, ist davon auszugehen, dass die Einkünfte, die dem Anbieter hierdurch entgehen, bereits in die Nutzungspreise eingerechnet sind. Außerdem hat die Parallelnutzung auch Vorteile für die Anbieter: Die Rezeption kann als Testhören oder -sehen fungieren und damit einen Anreiz für die Nicht-Zahler schaffen, ebenfalls Kunde des Bezahlprogramms zu werden, um die Transaktionskosten (z.B. Weg zu Freund / Freundin, keine freie Sendungswahl,…) zu senken. Im Unterschied hierzu birgt die konsekutive Nutzung für den Anbieter das größere Risiko. Während bei der Parallelnutzung üblicherweise von einer kleinen Nutzergruppe ausgegangen werden kann, wird der Zahlungsausfall bei Weitergabe des Programms unkalkulierbar. Sobald ein legitimer Kunde eine Sendung aufzeichnet, vervielfältigt und weitergibt, kann der Empfänger der Kopie weitere Kopien anfertigen und weitergeben – bei digitalen Vervielfältigungsverfahren ohne Qualitätseinbußen. Auf diese Weise könnten Programmbestandteile weite, unberechenbare Verbreitung erlangen, obwohl nur einmal dafür bezahlt wurde18. Die freie Ausstrahlung würde durch die Weitergabe von trägergebundenen Kopien ersetzt. Gegen diese Gefahr existieren zwei Vorkehrungen. Zum einen ist es die Eigenschaft von Medieninhalten selbst, im Zeitverlauf an Wert zu verlieren. Eine Kopie kann also nur selten die „Live“-Rezeption ersetzen – selbst, wenn die betreffende Sendung nicht live ausgestrahlt wird. Zum anderen ist per Gesetz zwar eine Privatkopie von urheberrechtlich geschützten Werken gestattet (§ 53 Abs. 1 UrhG), was auch Funksendungen einschließt. Jedoch ist die Verbreitung dieser Kopien ausdrücklich untersagt, § 53 Abs. 6 UrhG. Auf diese Weise ist eine Vervielfältigung in großer Stückzahl unterbunden. Werden diese Regelungen unterlaufen, ist dies ein Problem der Rechtsdurchsetzung; unter ökonomischen Gesichtspunkten verhindert das Urhebergesetz, zusammen mit dem Wertverfall von
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Das ist das Problem der Software-Industrie. Sie begegnet ihm durch Kopiersperren und Authentifizierungsverfahren. Um Netzeffekte im Wettbewerb zum eigenen Vorteil zu nutzen, wird jedoch zum Teil auf solche Verfahren verzichtet. Aus dem gleichen Grund setzen sich noch immer viele Software-Hersteller eher zögerlich für eine konsequente Strafverfolgung ein.
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3 Rundfunk als Markt
Rundfunkinhalten über die Zeit, wirksam das Auftreten des Trittbrettfahrerproblems in der konsekutiven Nutzung. Im kostenfreien Rundfunk stellt die Nicht-Rivalität im Konsum ohnehin kein Problem dar. Da hier das Ausschlussprinzip nicht verwirklicht ist und Programme auf anderen Märkten finanziert werden, ist Nicht-Rivalität auch für die Anbieter sogar ein Vorteil. Denn sie ist Ausdruck der technischen Eigenschaft von Rundfunk, dass nicht jeder Rezipient ein eigenes „Exemplar“ einer Sendung erhalten muss, um sie nutzen zu können. Tatsächlich sind die Programme mit der Ausstrahlung öffentliche Güter, sie stehen all denjenigen zur persönlichen Nutzung uneingeschränkt zur Verfügung, die ein Empfangsgerät besitzen19. Für die Anbieter bedeutet dies, dass Distributionskosten pro Sendung unabhängig davon anfallen, wie viele Rezipienten diese tatsächlich nutzen. Zwar stehen die Distributionskosten durchaus in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Größe des Publikums. Denn für jeden Distributionskanal – terrestrische Ausstrahlung, Satellit, Kabelnetz – fallen separate Kosten an. Da mit den Distributionskanälen unterschiedliche Nutzergruppen erreicht werden, hat die Wahl der Kanäle auch Einfluss auf die Publikumsgröße. Innerhalb des erreichbaren Segments jedoch entstehen keine Kosten durch Nutzung von einer größeren Zahl an Rezipienten. Daher sind die Distributionskosten für den Anbieter fixe Kosten.
3.1.4 Werbepreis-Rezipientenzahl-Spirale Analog zur Anzeigen-Auflagen-Spirale im Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt (vgl. Kiefer 2005: 318ff.; Stahmer 1995: 153f.; Kantzenbach / Greiffenberg 1980: 199) lässt sich auch für den Rundfunk eine positive Rückkopplung zwischen Rezipienten- und Werbemarkt in Form einer Werbepreis-Rezipientenzahl-Spirale feststellen (vgl. Kiefer 2005: 321; Wirtz 2001: 218; Heinrich 1994: 305): Rezipiert ein großes Publikum regelmäßig ein bestimmtes Programmformat, so bietet dieses Format ein attraktives Werbeumfeld. Die Nachfrage nach Werbeplatz in diesem Format steigt. Da die Sender per Gesetz in der Mengenanpassung beschränkt sind20 und diese Spielräume von den meisten Sendern bereits ausgeschöpft wer19
Daher ist auch das „Bereithalten eines Empfangsgeräts“ der Maßstab zur Erhebung der Rundfunkgebühr. So ist das Gesamtwerbevolumen für ARD und ZDF auf 20 Minuten pro Werktag im Jahresdurchschnitt begrenzt (§ 16 Abs. 1 RstV). Je Sendestunde darf die Werbezeit 12 Minuten nicht überschreiten. Diese Grenzen werden voraussichtlich auch nach der Neufassung der EU-Fernsehrichtlinie Bestand haben, vgl. Holtz-Bacha 2007: 119. Die dritten Programme dürfen keinerlei Werbung senden (§ 16 Abs. 2 RStV). In öffentlichrechtlichen Radioprogrammen sind bis zu 90 Minuten Werbezeit pro Tag zulässig (§ 16 Abs. 5 RStV). Bei privaten Veranstaltern gilt eine Obergrenze von 20 Prozent der täglichen Sendezeit für alle Werbeformen (§ 45 Abs. 1 S. 1 RstV); dabei dürfen maximal 15 Prozent der Sendezeit auf Spotwerbung entfallen (§ 45 Abs. 1 S. 2 RstV). Weitere Bestimmungen (§ 16 Abs. 3 RStV für öffentlich-rechtliche Anbieter, § 44 Abs. 3 u. 4 RStV sowie § 45 20
3.1 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen
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den, bewirkt eine Nachfrageerhöhung eine Preissteigerung. Somit steigen – bei gleicher Programmgestaltung und konstanten Produktionskosten – mit der Rezipientenzahl die Werbeeinnahmen. Diese Mehreinnahmen können in eine Verbesserung des Programms investiert werden, was wiederum – so die Modellannahme – neue Rezipienten dazu veranlasst, das Programm zu nutzen. Dieser Mechanismus würde demnach zugleich zu kontinuierlich steigenden Werbepreisen, wachsenden Publika und besserem Programm führen. Offensichtlich ist dieser Zusammenhang – falls er tatsächlich wirksam wird – für den privatrechtlich organisierten freien Rundfunk existenziell. Auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk existiert zwar eine Wechselwirkung zwischen Werbe- und Publikumsmarkt. Da jedoch die Werbeeinnahmen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur ca. fünf Prozent des Budgets ausmachen (vgl. für Radiosender Mediendaten Südwest 2006, für Fernsehanstalten ARD 2006 und ZDF 2006), ist diese Wechselwirkung für die Programmgestaltung nicht signifikant. Daher sind die Veranstalter öffentlich-rechtlicher Programme vorrangig bestrebt, die Einnahmen aus der Rundfunkgebühr zu maximieren. Da die Bürger der Bundesrepublik nahezu ausnahmslos Rundfunkempfänger besitzen (vgl. van Eimeren / Ridder 2005: 492), somit eine Mengensteigerung nicht mehr möglich ist, richtet sich das Engagement der öffentlich-rechtlichen Anbieter folgerichtig regelmäßig auf eine Erhöhung des „Stückpreises“, also der Rundfunkgebühr. Im freien Privatrundfunk hingegen wäre aus theoretischer Perspektive ein stetiges selbstinduziertes Wachstum sowohl des Publikums als auch des Werbemarktvolumens zu erwarten. Vor dem Hintergrund der Werbepreis-Rezipientenzahl-Spirale ist es für den privaten Sender daher außerordentlich wichtig, ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Jedoch entspricht bereits die Selbstverstärkung – als zentraler Aspekt des Spiralmodells – nicht der Realität. Ein unbegrenztes paralleles Wachstum von Werbemarktvolumen (qua Preissteigerung) und Publikum (durch „besseres“ Programm) wird sowohl im Werbemarkt als auch im Publikumsmarkt behindert. Dies beginnt in einem ersten Schritt damit, dass Werbepreise nicht nur abhängig sind von der verfügbaren Werbezeit und der dadurch erreichbaren Rezipientenzahl. So ist mit der Professionalisierung von Werbezeitvermarktung die Reduzierung von Streuverlusten ein weiteres zentrales Ziel von Werbung geworden. Dies bedeutet, dass nicht unbedingt das größte Publikum für die werbetreibende Organisation das interessanteste ist, sondern jenes, welches am besten die soziodemographische Struktur der – bestehenden oder anvisierten – Käuferschaft des beworbenen Produktes widerspiegelt. Daneben wird die Höhe des Werbepreises maßgeblich von der Zahlungsbereitschaft der werbetreibenden Organisationen mitbestimmt. In den Jahren 2001 bis 2003 beispielsweise Abs. 2 RStV für private Veranstalter) regeln Näheres zur Verteilung von Werbung im Programm. Programminformationen und Trailer werden durchgängig nicht als Werbezeit gewertet (§§ 16 Abs. 4 u. 45 Abs. 3 RstV).
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ist das Gesamtvolumen der Werbeaufwendungen deutlich zurückgegangen (vgl. ZAW 2006)21, ohne dass dem ein Rückgang der Rundfunknutzung vorangegangen wäre. Dies war auf die schwierige gesamtwirtschaftliche Situation zurückzuführen, die zahlreiche werbetreibende Unternehmen dazu veranlasst hat, ihre Marketingausgaben zu reduzieren. Und auch ohne solche makroskopischen Schwankungen stehen Werbung und Marketing einer Organisation immer in interner Konkurrenz mit anderen Verwendungsmöglichkeiten des verfügbaren Kapitals. Wenn sich der Anteil der Werbeausgaben an den Gesamtausgaben einer Organisation nicht wesentlich ändert, so können die Werbepreise nur in ungefähr demselben Umfang steigen wie die Umsätze der Unternehmen. Des Weiteren ist Rundfunk nur ein möglicher Werbekanal. In den vergangenen Jahrzehnten hat dieser Kanal deutlich gewonnen, etwa im Vergleich zur Presse- oder Außenwerbung (vgl. ZAW 2006). Auch hierbei handelt es sich nicht unbedingt um einen Effekt der Werbepreis-Rezipientenzahl-Spirale. Aus diesen Gründen steigt nicht automatisch der Preis pro Werbeminute, wenn mehr Menschen eine bestimmte Sendung rezipieren22. Der zweite Schritt der Modell-Spirale – die Verbesserung des Programms durch höhere Ausgaben für die Produktion – ist ebenfalls nicht eindeutig belegbar. Hier ergeben sich die bekannten großen Schwierigkeiten der Bestimmung von Programmqualität (vgl. Hallenberger 1998: 76; Pagenstedt / Schwertzel 1994: 5; Karmasin 1998: 321 – die dessen ungeachtet die Notwendigkeit zur Entwicklung qualitativer Erfolgskriterien für die Rundfunksteuerung betonen; deutlicher zu Problemen der Qualitätsbestimmung Köcher 2002: 153; Göschel 1999: 35f.; Schneider 1994: 13ff.). In diesem Kontext wäre die nächstliegende Herangehensweise, ein Programm als „besser“ zu bezeichnen, das mehr Nutzer rezipieren als ein anderes. Doch auch für diese simple Heuristik ist kein linearer Zusammenhang mit den Produktionskosten nachweisbar23. Schließlich steht auch der dritte Schritt der Werbepreis-Rezipientenzahl-Spirale – die Vergrößerung des Publikums durch ein verbessertes Programm – auf schwachen empirischen Füßen. Zum einen schlägt sich gestiegene Programmattraktivität nicht unbedingt in einem größeren Publikum nieder; ebenso gut kann es zu Publikumswanderungen kommen, die die Zusammensetzung der Rezipientenschaft verändert, ohne deren Umfang zu steigern. Zum anderen ist das Programm beileibe nicht der einzige Faktor, der Einfluss auf die Publikumsgröße hat: Außermediale Faktoren (z.B. Wetter, verfügbare Freizeit), der Sendeplatz 21 In diesen drei Jahren sanken die Werbeeinnahmen im Fernsehmarkt um insgesamt 897 Mio. Euro (19 Prozent), im Hörfunkmarkt um insgesamt fast 154 Mio. Euro (20,9 Prozent) (vgl. ZAW 2006 und eigene Berechnungen). 22 Außerdem wird ein linearer Zusammenhang zwischen Publikumsgröße und Werbepreis auch durch Mengenrabatte und Abschläge für Vorausbuchungen unterbrochen. 23 Aus diesem Grund wird die Produktion von Rundfunkprogrammen bisweilen auch nicht als Produktionsprozess, sondern als Forschungs- und Entwicklungsprozess bezeichnet, vgl. Köcher 2002: 159f.
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(Sender, Wochentag, Tageszeit), individuelle Sehgewohnheiten und soziale Koordination bestimmen ebenfalls darüber, welche Sendung ein Rezipient nutzt (vgl. etwa Weber 2000, Vorderer 1995, Zubayr 1996 sowie Abchnitt 5.1.). Insgesamt ist somit das Spiralmodell nicht geeignet, das Verhältnis zwischen Werbeund Rezipientenmarkt abzubilden. Gleichwohl besteht im freien Privatrundfunk ein enges Verhältnis zwischen diesen Teilmärkten. Hier hat, wie oben gezeigt, der Werbemarkt kompensatorische Funktion für das Problem des Nicht-Ausschlusses. Das bedeutet, dass die Preise für Werbezeit ein Maß für die werbliche Attraktivität sind und umgekehrt. Allerdings erschöpft sich werbliche Attraktivität, wie oben dargestellt, nicht in einer quantitativen Betrachtung von Publika. Mit Nicht-Ausschluss und Nicht-Rivalität im Konsum sind zwei Arten von Externalitäten angesprochen worden, die nach verbreiteter Auffassung die Marktfähigkeit von Rundfunkinhalten hemmen. Wie sich jedoch gezeigt hat, haben sich Mechanismen gebildet, die Probleme dieser Externalitäten zu kompensieren. Dabei zeigen sich gravierende Unterschiede zwischen Bezahlrundfunk und frei empfangbaren Programmen: Während Inhalte im Bezahlrundfunk durch die Verwirklichung des Ausschlussprinzips zu einem privaten Gut werden – da zugleich die Risiken des Konsums Unberechtigter eingeschränkt sind -, behält freier Rundfunk alle Eigenschaften eines öffentlichen Gutes (vgl. Heinrich 2001: 94). Gemäß der Theorie öffentlicher Güter werden diese nicht durch die Marktmechanismen selbst bereitgestellt. Da jedoch kostenfreier Rundfunk dauerhaft betrieben wird, ist der Befund, dass es sich bei diesen Programmen um öffentliche Güter handelt, weitgehend konsequenzlos. Außerordentlich bedeutsam ist indes das Verfahren, mit dem das Trittbrettfahrerproblem gelöst wird: die Werbefinanzierung. Auf deren Bedeutung für die Struktur von Transaktionen im freien Rundfunk wird zurückzukommen sein (vgl. Abschnitt 3.3.1).
3.1.5 Netzeffekte Nicht-Ausschluss und Nicht-Rivalität im Konsum beschreiben Aspekte ökonomischer Transaktionen, die über die Sphäre der Transaktionspartner hinausweisen, also Dritte betreffen. In der Ökonomik werden alle Phänomene dieses Typs als externe Effekte oder Externalitäten bezeichnet (vgl. Mankiw 2004: 22; Siebert 2003: 386f.; Varian 2004: 618-639). Ein dritter Typ von Externalitäten wird ebenfalls im Zusammenhang mit Medien diskutiert: Netzeffekte. Netzeffekte, oder Netzexternalitäten, bezeichnen die Situation, dass der Nutzen eines Gutes für ein Individuum dadurch steigt, dass andere Individuen ein gleiches (oder dasselbe) Gut in Anspruch nehmen. Das Standardbeispiel für ein Gut mit starken Netzeffekten ist das Telefonnetz. Der Anreiz, als erster ein Telefon zu kaufen, ist extrem gering: Wen sollte man anrufen? Je mehr Teilnehmer jedoch das Netz hat, umso attraktiver wird es für
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noch nicht Beteiligte, ebenfalls einen Anschluss zu bekommen. Der Nutzen eines Gutes mit Netzeffekten steigt also proportional zur Zahl der Konsumenten des Gutes24. Ebenso wie andere Externalitäten stehen auch Netzeffekte in dem Ruf, grundlegende Auswirkungen auf einen Markt zu haben: Da das Verhalten jedes einzelnen Konsumenten mit den Konsumentscheidungen anderer Konsumenten rückgekoppelt ist, tendieren Märkte mit Netzeffekten zu Extremen: Wenn das Netz eine kritische Masse an Nutzern erreicht hat, wächst es allein durch die Kraft der Netzeffekte weiter, so lange, bis alle potenziellen Nutzer Teilnehmer des Netzes sind. Wird allerdings die kritische Masse nicht erreicht, so kann es ebenso zu einer Abwärtsbewegung kommen; das Netz verödet. Wenn alternative Netze existieren, werden Konsumenten – ceteris paribus – das größte Netz bevorzugen. Aus kleineren Netzen wandern so lange Konsumenten ab, bis die Netze nicht mehr rentabel betrieben werden können und die Anbieter aus dem Markt austreten. Aus diesem Grund werden Märkte mit Netzeffekten auch als winner-takes-all-Märkte bezeichnet (vgl. Shapiro / Varian 1999: 177). So lange mehrere Anbieter eine Nutzerzahl ungefähr im Bereich der kritischen Masse haben, entbrennt um jeden zusätzlichen Konsumenten ein harter Wettbewerb („battle zone“, vgl. Shapiro / Varian 1999: 174). Sobald jedoch ein Anbieter deutlich mehr Nutzer binden kann, gewinnt der Netzeffekt an Stärke und vergrößert „automatisch“ den Abstand zu den Mitbewerbern. Märkte mit Netzeffekten gelten vor diesem Hintergrund als Pioniermärkte: Wenn nicht jeder neue Konsument von einem Konkurrenten abgeworben werden muss, sinken die Kosten bis zum Erreichen der kritischen Masse. Neu in den Markt eintretende Anbieter müssen nun dem Pionier Kunden abspenstig machen, was mit hohen Kosten verbunden ist. Hat sich ein Anbieter als Monopolist etabliert, so ist aufgrund des Netzeffekts das Monopol wirksam geschützt. Wie das Beispiel des Telekommunikationsmarktes zeigt, kann ein solches Monopol nur durch Intervention des Gesetzgebers aufgebrochen werden. Im Rundfunk können Netzeffekte am einfachsten auf der technischen Ebene diagnostiziert werden. Da jedoch im Rundfunk die Empfangsgeräte voneinander unabhängig sind, erfolgt eine technische Kopplung der Nutzer auf dem Umweg über die Anbieter. Die Einführung von Digitalprogrammen beispielsweise zwingt auf mittlere Sicht (bis zur Einstellung der analogen terrestrisch ausgestrahlten Programme im gesamten Bundesgebiet 2008) alle Rezipienten zum Umstieg auf digitale Empfangseinheiten, damit Rundfunkprogramme weiterhin genutzt werden können. Auch die Nutzung von HDTV setzt auf Rezipientenseite besondere 24
Der genaue Zusammenhang – Gesamtnutzen = n²-n, wobei n die Zahl der Nutzer ist – wurde von Robert Metcalfe postuliert und wird daher als Metcalfes Gesetz bezeichnet (vgl. Shapiro / Varian 1999: 143). Da jedoch nicht alle Verbindungen in einem Netz für einen Nutzer von gleichem Wert sind, wird der Nutzenzuwachs durch zusätzliche Nutzer von anderen Autoren auch als logarithmisch betrachtet, vgl. Odlyzko / Tilly 2005.
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Geräte voraus25. Bei beiden Beispielen handelt es sich allerdings nicht im strengen Sinne um Netzeffekte, da die Marktgegenseite (die Anbieter) die Bedingungen der Transaktion bestimmen; es kommt nicht zu Effekten auf Nutzerseite, die nicht im Binnenverhältnis zum Anbieter begründet sind. Da Netzeffekte aber besondere Fälle von Externalitäten sind, wäre dies Voraussetzung für das Vorliegen eines Netzeffekts. Des Weiteren könnte der Zusammenhang zwischen Werbe- und Rezipientenmarkt als Netzeffekt betrachtet werden: Je mehr Rezipienten ein Programm hat, desto größer wird der Nutzen auch für Werbetreibende, die Rundfunk noch nicht als Marketingkanal genutzt hatten. Da indes verschiedene Unternehmen bzw. Organisationen verschiedene Zielgruppen haben und überdies die bloße Zahl der Rezipienten nicht das alleinige Wertkriterium für Werbetreibende ist, handelt es sich nur um einen schwachen Netzeffekt. Auch innerhalb des Rezipientenmarkts wird Medien Netzcharakter zugesprochen. Medieninhalte sind Gesprächsstoff und fördern somit soziale Bindungen: Fernsehen ist „Kleingeld der Konversation“ (Langenbucher 1968: 4). Wer sich vom Medienkonsum ausschließt, verwehrt sich damit zugleich Gesprächsthemen (diese sog. Erwartungserwartung bestimmt sowohl das Verhältnis zwischen Sendern und Rezipienten als auch unter den Rezipienten, vgl. Ridder / Engel 2005: 431; Blöbaum 1994: 311; Niemeyer / Czycholl 1994: 91f.). Daraus folgt, dass unabhängig von den individuellen Präferenzen bestimmte Sendungen rezipiert werden „müssen“, weil sie in Gesprächen als bekannt vorausgesetzt werden, im Fernsehmarkt etwa die „Tagesschau“ oder „Wetten, dass…?“. Daneben sind es insbesondere Skandalformate, die für einen bestimmten Zeitraum die öffentliche Aufmerksamkeit binden; Beispiele sind etwa „Big Brother“ oder das „Dschungelcamp“. Von der Verstärkerfunktion der Medien selbst abgesehen, ist direkter sozialer Austausch der wichtigste Motor von Netzeffekten im Rezipientenmarkt. Daraus folgt, dass sich Netzeffekte auf der Inhaltsebene in der Regel nicht auf eine gesamte Gesellschaft beziehen, sondern auf sozial kohärente Gruppen. Dies verweist auf theoretischen Präzisierungsbedarf hinsichtlich der Netzeffekte. Üblicherweise beschreiben Netzeffekte die Größe eines Netzes als Funktion der vorherigen Netzgröße (vgl. Economides 1996: 679). Dabei wird oftmals nicht berücksichtigt, was der Wertebereich dieser Funktion ist, d.h. wer potenziell Netzteilnehmer werden kann. Auf der Inhaltsebene im Rundfunk erklären sich Netzeffekte aus dem Bedürfnis, mitreden zu können. Dieses Bedürfnis richtet sich auf das direkte soziale Umfeld – Familie, Freunde, Arbeitskollegen etc. Je weniger eng der außermediale Kontakt zwischen zwei Menschen ist, desto niedriger ist der soziale Druck, über die gleichen Sendungen sprechen 25 Allerdings liegt im Falle von HDTV kein vollständiger Ausschluss von einem Netz vor, wenn kein HDTVfähiges Gerät angeschafft wird. Lediglich die technische Qualität der Programme kann dann nicht voll ausgenutzt werden.
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zu können. Eine Auswirkung dieses Drucks über eine bestimmte Gruppe hinaus erfolgt durch verschiedene Rollen: Über Sendungen, die in der Familie gesehen werden, wird auch im beruflichen Umfeld gesprochen. Ein gesellschaftlicher Netzeffekt auf Inhaltsebene kann also als Verkettung von Kleineffekten in Alltagsgruppen gesehen werden. Dadurch wirkt sich ein Netzeffekt mit fortgesetzter Ausdehnung immer schwächer aus, da dann die soziale Verpflichtung geringer ist. Darüber hinaus suggeriert die Theorie der Netzeffekte ein kollektives Verhalten, das einzig – oder zumindest dominant – durch die Größe des Kollektivs bestimmt ist. Doch die individuelle Wahl von Rundfunkprogrammen hängt nicht in erster Linie von der Nutzung Anderer ab. Freie Zeit, Sendeplatz, Genrepräferenzen u.a.m. sind wichtige Kriterien, die die Sendungswahl lenken, noch bevor soziale Einflüsse ins Spiel kommen (vgl. Kapitel 4 und 5). Zusammenfassend lässt sich daher für das Publikum ebenso wie für die Beziehung zwischen Publikum und Werbeindustrie festhalten, dass zwar Netzeffekte auf verschiedenen Ebenen bestehen, diese jedoch als Explanans für kollektives Verhalten – sei es auf Seiten der Werbetreibenden oder auf Seiten der Rezipienten – zu schwach sind.
3.1.6 Kostenstruktur der Medienproduktion Stärkeren Einfluss als Netzeffekte haben andere, produktionsseitige Spezifika des Mediensektors auf die Polarisierung, d.h. auf die Anbieterkonzentration eines Marktes. Insbesondere die Kostenstruktur der Medienproduktion gilt als einer der wichtigsten Faktoren für die Akteursstruktur des Mediensektors (vgl. bereits Owen 1975: 18; Wirtz 2001: 27). Diese ist durch einen extrem hohen Fixkostenanteil gekennzeichnet (first copy costs): Die Kosten für die Produktion einer Sendung fallen unabhängig davon an, wie viele Rezipienten diese nutzen. Zwar entstehen auch Kosten für die Distribution, doch auch diese sind nicht auf die Größe des Publikums bezogen. Lediglich im Bezahlrundfunk existieren nutzerabhängige Kosten in Form der Kontenverwaltung und ggf. der Übernahme von Kosten für einen Decoder an – doch sind auch diese im Vergleich zu den Kosten für Rechte und Produktion gering. Der Anbieter hat also keine oder nur vernachlässigbar geringe Kosten, wenn ein Rezipient mehr einschaltet. Da jedoch die Höhe der Einnahmen mit der Größe des Publikums wächst – sei es im Bezahlrundfunk durch die Abonnement-Gebühren, sei es im freien Rundfunk durch höhere Werbepreise -, stellt sich ein Anbieter durch ein großes Publikum besser. Dies begründet einen marktstrukturprägenden Effekt: die Tendenz zum natürlichen Monopol. Für jedes Programm fallen fast ausschließlich fixe Kosten an; die Einkünfte sind hingegen direkt (Bezahlrundfunk) oder indirekt (Rundfunkgebühr, Werbung) von der Zahl der Rezipienten abhängig. Die Kosten, ein bestimmtes Publikum zu erreichen, wachsen also mit
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der Zahl der Anbieter, da ein beträchtlicher Teil der Kosten (Personal: Kameraführung, Beleuchtung, Schnitt, Redaktion, Moderation, Verwaltung, etc.; Technik: Studios, Kameras, Schnittmaschinen, Übertragungstechnik usw.) subadditiv ist. Das bedeutet, dass die Grenzkosten – also die Kosten für die Produktion einer zusätzlichen Einheit des Gutes – niedriger sind als die Durchschnittskosten der Produktion (vgl. Czygan 2004: 41; Messmer 2004: 74f.; Baumol / Panzar / Willig 1988: 71ff.). Daraus folgt, dass die Gesamtkosten bei einem einzigen Anbieter geringer sind als wenn mehrere Sender das gleiche Angebot produzierten (vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 185-191 u. 214-217). Subadditivität geht im Wesentlichen auf Unteilbarkeiten zurück: Eine bestimmte Grundausstattung muss vorhanden sein, um überhaupt Rundfunk veranstalten zu können. Die Kosten hierfür steigen oder fallen nicht gleichmäßig, wenn mehr oder weniger Sendeminuten produziert werden (vgl. allgemein zu Unteilbarkeiten Fritsch / Wein / Ewers 2003: 180ff.). Diese Ausstattung muss also so weit wie möglich ausgelastet werden, um die Kosten in Relation zu dem resultierenden Programmangebot so gering wie möglich zu halten. Bei Subadditivität kann ein Monopolist diese Auslastung besser erzielen als mehrere Anbieter, weshalb der Markt im Monopol sein Optimum erreicht. Analog hierzu erklärt sich die Mehrfachverwertung von Sendungen in Sendern einer Senderfamilie durch Synergieeffekte (d.h. hier Kosteneinsparungen) zwischen Programmen. Ein Fernsehstudio beispielsweise kann u.U. von einem kleinen Sender nicht voll ausgelastet werden. Allerdings entstehen bei höherer Auslastung hohe Umrüstungskosten, wenn das Studio regelmäßig für eine andere Sendung eingerichtet werden muss. Je nach Aufwand der Szenerie kann daher eine Vollauslastung kostspieliger sein als eine geringere Nutzung. Insofern begünstigen Unteilbarkeiten nicht notwendig größere Sender, sondern diejenigen, die Auslastung und Umrüstung in das beste Verhältnis setzen. Damit sind etwa Sender besser gestellt, die einen größeren Anteil an Serien und anderen regelmäßigen Sendungen im Programm haben, da hierfür nur einmal ein Studio-Design erarbeitet werden muss. Darüber hinaus werden Umrüstungskosten durch Blockbildung gering gehalten: Mehrere Folgen einer Serie können unmittelbar nacheinander aufgezeichnet werden.
3.1.7 Tendenz zum natürlichen Monopol durch Skaleneffekte? Gegen Monopole haben sowohl die Wirtschaftswissenschaft als auch die Publizistik Vorbehalte, diese, weil im Monopol der Wettbewerb außer Kraft gesetzt zu sein scheint, jene, weil man bei konzentriertem Eigentum befürchtet, dass Meinungsvielfalt zurückgedrängt wird. Von einem natürlichen Monopol im Rundfunk auszugehen bedeutet, dass neue Anbie-
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ter immer früher oder später dem Monopolisten einverleibt werden26. Diese Annahme rechtfertigt verschiedene Arten wettbewerbs- und vielfaltsfördernder Markteingriffe durch die Politik. Auch die Aufrechterhaltung des dualen Systems kann als Maßnahme in dieser Richtung verstanden werden. Bei genauerer Betrachtung des Verhältnisses zwischen der Theorie natürlicher Monopole und der Praxis des Rundfunks ist jedoch eine grundsätzliche Bedrohung von Wettbewerb und Vielfalt kaum festzustellen. Selbst in der ökonomischen Theorie ist das Monopol nicht durchgängig der Feind des Marktes. So hat bereits Clark das Modell des funktionsfähigen Wettbewerbs (workable competition) entwickelt, demzufolge die reale Marktstruktur nicht maßgeblich ist. Vielmehr kommt es darauf an, Marktzutrittsbarrieren zu verhindern bzw. abzubauen, damit es zu jeder Zeit neue Anbieter geben kann (vgl. Clark 1940: 244ff.). Sobald dann ein Monopolist nicht marktoptimal arbeitet, indem er z.B. Bedürfnisse seiner Konsumenten unbefriedigt lässt oder eine Monopolrente abschöpfen will, entsteht ein Anreiz für Andere, in diesem Markt als Anbieter tätig zu werden. Entweder kommt es also zu Neuzutritten in den Markt oder der Monopolist nimmt diesen Schritt vorweg und entwickelt neue Produkte bzw. senkt die Preise. In beiden Fällen funktioniert der Wettbewerb. Doch eine kritische Betrachtung der Diagnose „natürliches Monopol“ muss noch früher ansetzen. Denn unter welchen Bedingungen kommt es überhaupt zwingend zur Etablierung eines Monopols? Im Wettbewerb hat derjenige Anbieter einen strategischen Vorteil, der billiger, besser oder etwas Anderes – Gefragteres – anbietet als alle Mitbewerber. Erstens sind diese Vorteile in der Regel nicht von Dauer. Durch Innovationen (seien es Produktoder Prozessinnovationen), Imitation, technologische Entwicklung oder Nachfrageveränderungen kann ein Vorteil schnell abschmelzen. Die einzige Bedingung, unter der ein Wettbewerbsvorteil Bestand haben könnte, wäre, dass der Erfolg am Markt dominant von der Unternehmensgröße abhängt. Hierfür könnten Netzeffekte verantwortlich sein: Erreicht ein Anbieter die kritische Masse, arbeitet der Netzeffekt zu seinen Gunsten und zu Lasten aller Mitbewerber. Jedoch liegen Netzeffekte, wie oben besprochen, im Rundfunk nicht auf Seiten der Anbieter. Auf Anbieterseite werden Wirkungen der Unternehmensgröße auf den Erfolg des Unternehmens am Markt als Skaleneffekte (economies of scale) bezeichnet (vgl. Shapiro / Varian 1999: 179). Diese lassen sich v.a. auf eine stärkere Arbeitsteilung mit den resultierenden Spezialisierungsvorteilen zurückführen. Dies bewirkt, dass größere Unternehmen kostengünstiger produzieren können.
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Tatsächlich sind die Konzentrationsvorgänge im Rundfunk beachtlich (vgl. etwa Altes 2000; Brummel 1999; Kübler 1999; Clausen-Muradian 1998).
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Mit wachsender Unternehmensgröße steigen andererseits die Transaktionskosten, v.a. in den Bereichen Koordination und Transport. Hinzu kommen bei großen Unternehmen steigende Risiken durch Unteilbarkeiten: Die hohen Produktionskapazitäten müssen möglichst permanent ausgelastet sein. Dass die Unternehmensgröße bezüglich der Auswirkung von Unteilbarkeiten nicht entscheidend ist, zeigt sich auch daran, dass kleine und mittlere Sender Produktionen outsourcen können. Der Vertragspartner kann durch Aufträge von mehreren Sendern die Kapazität des Studios besser nutzen als ein einzelner Sender, und die Sender schmelzen so ihren Fixkostenblock ein wenig ab. Hierdurch steigen allerdings zugleich erneut die Transaktionskosten, da nun Vertragsvereinbarungen mit einem externen Partner getroffen werden müssen. Im Einkauf wäre aus der Preistheorie heraus ein Vorteil von größeren Unternehmen zu erwarten, da für den Anbieter von Vorprodukten der Grenznutzen mit der Zahl der verkauften Produkte abnimmt, weshalb der Stückpreis mit steigender Menge sinkt. Dieser Zusammenhang gilt jedoch nur für homogene Produkte. Rundfunksendungen jedoch umfassen Magazine, Nachrichten, Features, Shows, Comedy, Spielfilme und Hörspiele, Sportübertragungen und vieles anderes mehr. Eine streng linear sinkende Kostenfunktion der Menge liegt daher im Einkauf von Rundfunksendungen bzw. Übertragungsrechen nicht vor. In der Distribution hingegen liegen eindeutig Größeneffekte vor. Die Kosten für eine Sendelizenz im terrestrischen Rundfunk sind Fixkosten. Das Gleiche gilt für einen Sendeplatz im Satellitenprogramm oder für eine Belegung im Kabelnetz. Die Durchschnittskosten pro Sendeminute werden also – hinsichtlich der Distribution – dann minimal, wenn ein 24Stunden-Programm ausgestrahlt wird. Demnach wäre zu erwarten, dass sich 24-StundenProgramme durchsetzen. Dies entspricht auch der bisherigen Entwicklung des Rundfunksektors. Seit 1959 gibt es im Radio, seit 1995 im Fernsehen praktisch keinen Sendeschluss mehr (vgl. zur Radiogeschichte Giller 1996: 17, zum Fernsehen o.V. 2002)27. Dementsprechend ist auch davon auszugehen, dass neue Anbieter möglichst schnell ein 24-Stunden-Programm ausstrahlen werden. Damit besteht zugleich eine potenzielle Markteintrittsbarriere für Anbieter, die ein so umfangreiches Programm nicht finanzieren können. Da jedoch die Distributionskosten nur fünf bis zehn Prozent des Budgets eines Rundfunksenders stellen (vgl. Kiefer 2005: 173)28, ist diese Hürde eher gering29. Eine Tendenz zum natürlichen Monopol im Rundfunk kann hieraus nicht abgeleitet werden.
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Das bedeutet indes noch nicht, dass das ausgestrahlte Programm als eine gleichwertige Ausdehnung des Kernprogramms verstanden werden kann, welches zuvor gesendet wurde. Mit der Ausweitung der Sendeminuten pro Programm wuchs v.a. die Zahl der Wiederholungen (vgl. Siegert 1997: 86). „Die wichtigsten Programmquellen sind nicht mehr die wenigen Neuproduktionen, sondern die bestehenden Archive“ (Holtmann 1999: 45). 28 Für regionale Anbieter steigt dieser Anteil aufgrund des kleineren erreichbaren Personenkreises auf bis zu 15 Prozent (vgl. Wiegand 2004: 72).
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Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die These, der Rundfunk strebe zwangsläufig der Marktform eines natürlichen Monopols zu, nicht bestätigt. Vielmehr muss sie als widerlegt gelten, da in Einkauf und Produktion sowie aufgrund der Heterogenität der Produkte keine deutlichen Größenvorteile erzielt werden können. Überdies stehen in größeren Unternehmen höhere Transaktionskosten und größere Risiken von Unterauslastung den Vorteilen aus Skaleneffekten gegenüber. In der Distribution existieren deutliche Skaleneffekte, die eine Tendenz zu 24-Stunden-Programmen bewirken. Gleichwohl sind damit ebenfalls kleine Unternehmen nicht grundsätzlich benachteiligt. Insgesamt ist daher kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Markterfolg feststellbar.
3.2 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen für den Rezipienten Rundfunkinhalte besitzen für den Rezipienten noch eine Reihe weiterer Eigenschaften, die für die Beurteilung der Marktfähigkeit bedeutsam sind.
3.2.1 Befriedigung verschiedener Bedürfnistypen: Kuppelprodukte Die Literatur weist Rundfunksendungen als Kuppel- bzw. Verbundprodukte aus (vgl. Wirtz 2001: 26). Darunter sind Produkte zu verstehen, die durch verschiedene Bestandteile mehrere Bedürfnisse erfüllen. So kann schon für eine einzelne Sendung oft nicht bestimmt werden, ob der Rezipient in erster Linie einen Orientierungs-, einen Informations-, einen Unterhaltungs-, einen Bildungs-, einen Ablenkungs- oder einen anderen Wert erhält; es ist anzunehmen, dass diese Gratifikationen zumindest teilweise parallel erzielt werden. In einem Programm, also über mehrere Sendungen hinweg, wird der Verbundcharakter von Rundfunk noch deutlicher. Darüber hinaus werden im Rundfunk Bedürfnisse verschiedener Adressaten befriedigt, indem nämlich redaktionelle Inhalte mit Werbung gekoppelt werden, wobei die Werbung in erster Linie den Werbetreibenden, das Programm vor allem dem Publikum nutzt.
29 Darüber hinaus besteht für einen Anbieter die Möglichkeit, Sendungen anderer Interessierter auszustrahlen. Auch wenn er selbst also nicht über die Ressourcen verfügt, ein Vollprogramm zu produzieren, kann er die verbleibende Sendezeit vermieten und so seine Distributionskosten decken.
3.2 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen für den Rezipienten
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3.2.2 Rundfunksendungen als Dienstleistungen Rundfunksendungen tragen außerdem Züge einer Dienstleistung (vgl. Weigand 2003; Siegert 2001: 104ff.). Für den Handel mit Produkten müssen nur Verfügungsrechte an dem Produkt sowie in der Gegenrichtung an dem dafür vereinbarten Geldbetrag übertragen werden. Dienstleistungen erfordern demgegenüber eine Mitwirkung des Konsumenten, damit die geschuldete Leistung überhaupt erbracht werden kann (vgl. Wirtz 2001: 30ff.). Insbesondere muss der Konsument Zeit aufwenden, um die Leistung in Anspruch nehmen zu können. Diese Investition des Konsumenten ist nicht identisch mit dem Konsum eines Produkts. Der Konsum setzt den Wert des Gutes frei. Auch bei Dienstleistungen kommt es zu einem Konsum; dieser fällt jedoch nicht notwendig mit der Leistungsübertragung zusammen. So führt beispielsweise die Beratung zu einem Finanzprodukt erst zum Abschluss eines Vertrags. In den Genuss der Früchte des Vertrags kommt der Kunde jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt. Im Rundfunk muss der Rezipient sich dem Programm zuwenden, um dessen Wert zu erlangen. Aus der Dienstleistungseigenschaft ergibt sich eine mögliche Diskrepanz zwischen Nutzenpotenzial und tatsächlichem Nutzen einer Sendung: Um eine Sendung bestmöglich zu nutzen, muss der Rezipient ein bestimmtes Niveau an Aufmerksamkeit aufrechterhalten. Unterschreitet er dieses Niveau, fällt sein realisierter Nutzen niedriger aus als das Nutzenpotenzial. Investiert er hingegen mehr Aufmerksamkeit als erforderlich, kann er zwar das gesamte Nutzenpotenzial umsetzen, aber zu höheren Kosten als erforderlich (vgl. Abschnitt 3.3.3.2).
3.2.3 Qualitäts(in)transparenz Damit ein Markt funktionieren kann, muss der Konsument vor dem Abschluss eines Vertrags alle relevanten Informationen über das zu handelnde Gut besitzen. Wenn die Eigenschaften eines Gutes vollständig vor der Transaktion beurteilt werden können, so spricht man von Such- oder Inspektionsgütern (vgl. Kiefer 2005: 141f.; Kops 1998: 8). Können relevante Eigenschaften erst nach der Leistungsübertragung, insbesondere erst durch den Konsum ermittelt werden, werden diese Güter als Erfahrungsgüter bezeichnet. Von Vertrauensgütern ist die Rede, wenn der Konsument die Qualität des Gutes gar nicht beurteilen kann (vgl. Kiefer 2005: 142; Heinrich 2001: 98ff.). Medieninhalte werden überwiegend als Erfahrungsgüter bezeichnet, insofern erst bei der Nutzung der Wert der Sendung beurteilt werden kann. Darüber hinaus gelten insbesondere Informationssendungen als Vertrauensgüter, da idR der Rezipient keine Möglichkeit
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hat, den Wahrheitsgehalt der Berichterstattung zu prüfen (vgl. Kops 1998: 7f.). Wären diese Einschätzungen zutreffend, könnte der Markt für Rundfunkinhalte nicht oder nur eingeschränkt effektiv funktionieren: Es käme zu Fehlallokationen, da die Rezipienten Sendungen nutzen, die nicht ihren Bedürfnissen entsprechen und Sendungen ignorieren, die für sie Nutzen stiften würden. Wären Rundfunkinhalte zu einem großen Teil Vertrauensgüter, müsste der überwiegende Teil der Rundfunknutzung als zufällig gelten, da die Rezipienten keine begründeten Entscheidungen treffen könnten. Hier soll demgegenüber argumentiert werden, dass Rundfunksendungen überwiegend Suchgüter sind. Denn Rezipienten verfügen über ein breites Repertoire an Kriterien, anhand derer sie schon vor der Nutzung die Qualität einer Sendung beurteilen können. ”We should realize […] that people constantly make their own judgements of quality when they watch television, judgements which can vary from situation to situation, depending on the type of satisfaction they look for at any particular time.” (Ang 1991: 167) Trailer im Programm, Werbung in anderen Programmen sowie insbesondere die Programminformationen in Zeitungen und Rundfunkzeitschriften liefern z.T. ausführliche Angaben über wesentliche Eigenschaften einer Sendung. Angesichts der Existenz von 24 Fernsehzeitschriften mit einer wöchentlichen Gesamtauflage von annähernd 13 Millionen30 ist davon auszugehen, dass der größte Teil des Publikums über Vorabinformationen über das Programm verfügt. Daneben werden auch andere Informationskanäle verwendet, beispielsweise Außenwerbung, um insbesondere einmalige Rundfunkereignisse von besonderer Bedeutung oder den Start neuer regelmäßiger Programmelemente (z.B. neue Staffel einer Serie) bekannt zu machen. Diese Programminformationen können als Teil einer umfassenden Signaling-Strategie verstanden werden (vgl. für einen Überblick zur Signaling-Literatur Riley 2001), die die Sender anwenden, um die allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit für bestimmte Sendungen zu erhöhen und um entscheidungsrelevante Informationen über diese Sendungen zu liefern (vgl. Abschnitt 6.1.2.2). Schließlich kann der Rezipient selbst durch Screening – vulgo: Zapping – einen Eindruck von einer Sendung erhalten (vgl. Abschnitt 6.1.3.3). Die durchschnittliche Verweildauer beim Screening liegt bei wenigen Sekunden – weshalb beispielsweise auch bei der Berechnung der Einschaltquote nur diejenigen Rezipienten berücksichtigt werden, die mindestens eine Minute lang eingeschaltet haben. Diese Dauer reicht aus, um den Wert einer Sendung einzuschätzen: „Was den Rezipienten im Einzelnen [bei einem Genre, einer Gattung] erwartet, kann er aufgrund von zahlreichen Medienerfahrungen abschätzen.“ (Jäckel 1999: 18). Bei regelmäßigen Sendungen, Wiederholungen und Ausstrahlungen von Sendungen, die bereits aus anderen Kanälen (Kino, DVD/VHS, Live-Auftritte) bekannt sind, 30
Dabei sind Supplements in Zeitungen in einem Volumen von 15 Millionen noch nicht enthalten, vgl. KEK 2005.
3.2 Gütereigenschaften von Rundfunksendungen für den Rezipienten
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kommen zwei weitere Informationsquellen hinzu: eigene Erfahrung oder der Austausch mit Freunden und Bekannten, die die Sendung kennen. Es existieren also eine Reihe von Mechanismen, die dem Rezipienten die Beurteilung von Rundfunksendungen erlaubt, ohne dass er hierfür wesentliche Teile der Sendung bereits rezipiert haben muss. Diese Tatsache scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zu dem berühmten Informationsparadoxon von Arrow zu stehen, der darauf hinwies, dass der Wert einer Information erst dann eingeschätzt werden kann, wenn sie bereits bekannt ist; dann jedoch besteht dennoch keine Zahlungsbereitschaft mehr, da mit der Bekanntheit der Anreiz entfällt, die Information erneut zu erhalten (vgl. Arrow 1962: 148). Das Paradoxon berücksichtigt aber nicht ausreichend die Wechselwirkung von Informationen. Programmzeitschriften etwa beinhalten keine Teile der Sendung und sind dennoch Informationen über die Sendung, also Metainformationen. Das Gleiche gilt für Gespräche über Sendungen. Selbst beim Screening kann angesichts der kurzen Rezeption nicht davon ausgegangen werden, dass der inhaltliche Kern einer Sendung ausschlaggebend für das Weiterschalten oder Verweilen sind. Vielmehr dienen auf einen Blick erkennbare formale Kriterien der Beurteilung der Sendung. Darauf basiert auch die Informationsleistung von Trailern: Ein wenige Sekunden langer Ausschnitt ermöglicht dem Rezipienten, Genre, Thema, handelnde Personen, Setting, Atmosphäre und etliche weitere Informationen über die jeweilige Sendung zu erhalten. Somit ergänzen sich in Vorankündigungen senderseitiges Signaling und rezipientenseitiges Screening. Die strenge Definition von Inspektionsgütern lautete, alle Eigenschaften des gehandelten Gutes sind vor der Transaktion bekannt (s.o.). Das ist bei Rundfunkgütern nicht der Fall: Tatsächlich kann z.B. der Wahrheitsgehalt von Nachrichten nicht a priori beurteilt werden. Doch das ist auch nicht nötig. Von Inspektionsgütern kann man schon dann sprechen, wenn alle für den Konsumenten bzw. Rezipienten relevanten Eigenschaften des Gutes vor der Transaktion erkennbar sind. Jedem Einschaltvorgang kann also ein individueller Mix an Eigenschaften zugrunde liegen, der der Rezipient in der betreffenden Sendung sucht. Ist für ihn etwa ein hoher Anteil an Auslandsberichterstattung wichtiger als ein hübsches Studio, wird er sich entsprechend entscheiden. Für Eigenschaften, die dem Rezipienten zwar wichtig sind, die er aber dennoch nicht vor der Nutzung erkennen kann, können Substitutionskriterien herangezogen werden: Statt Wahrhaftigkeit überprüft der Rezipient etwa Plausibilität, die formale Seriosität des Moderators, die Übereinstimmung mit eigenen Erfahrungen und Kenntnissen sowie mit Berichten von Anderen. Fällt diese Beurteilung positiv aus, kann der Rezipient wahrheitsgemäße Berichterstattung unterstellen, ohne sie tatsächlich bestätigen zu können. Diese Mechanismen machen zwar nicht aus allen Eigenschaften von Rundfunksendungen Sucheigenschaften. So ist z.B. aufgrund der Dienstleistungseigenschaft von Rund-
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3 Rundfunk als Markt
funksendungen der Informations- oder Unterhaltungswert aus einer Sendung erst nach deren Rezeption ermittelbar. Es ist aber festzuhalten: Vertrauenseigenschaften können grundsätzlich durch Such- und Erfahrungseigenschaften substituiert werden. Darüber hinaus werden mit dem Erlernen von medien-, format- und genrespezifischen Konventionen Erfahrungseigenschaften sukzessive zu Sucheigenschaften, so dass nach einer Phase der Mediensozialisation ein Großteil der Sendungseigenschaften Suchqualität und die übrigen Merkmale Erfahrungsqualität haben. Mithin können Rundfunksendungen überwiegend als Suchgüter, im Übrigen als Erfahrungsgüter gelten.
3.2.4 Präferenzenkollision: Meritorik Einer der heikelsten Aspekte von Medien ist deren potenziell meritorische Qualität. Gemäß der ökonomischen Gütertheorie sind meritorische Güter solche, deren Produktion gesellschaftlich in einem höheren Maß wünschenswert wäre als der Markt bereitzustellen imstande ist (vgl. Kops 2005: 1-6; Schellhaaß 1994; Erlei 1992: 8ff.). Grund für diese Diskrepanz ist in der Regel, dass bei einem Teil des interessierten Publikums die Zahlungsbereitschaft für die betreffenden Güter geringer ist als deren Herstellungskosten. Damit diese Güter dennoch im gewünschten Umfang erzeugt werden, sind Subventionen nötig. Somit sind Kulturveranstaltungen wie Theater und eben auch Kultursendungen im Rundfunk regelmäßig als meritorische Güter anzusehen. Umgekehrt existieren auch demeritorische Güter, die in größerem Umfang nachgefragt – und infolgedessen auch angeboten – werden, als dies gesellschaftlich befürwortet wird. Beispiele hierfür sind insbesondere gewalt- und erotikhaltige Sendungen (vgl. Heuermann / Kuzina 1995: 125ff.). Heikel ist das Konzept meritorischer Güter deshalb, weil eine Vorstellung dessen, was „gesellschaftlich gewünscht“ ist, aus einer individualistischen Perspektive überhaupt nicht gewonnen werden kann. Gesellschaftliche Präferenzen können danach nur als Aggregat individueller Bedürfnisse gesehen werden. In dieser Denktradition wäre das Postulat „gesellschaftlicher Präferenzen“, die sich von der Summe der individuellen Präferenzen unterscheiden, nicht möglich. Um das Phänomen meritorischer Güter im Rundfunk angemessen diskutieren zu können, müssen daher zunächst die Zusammenhänge zwischen individuellen und kollektiven Präferenzen sowie zwischen Präferenzen und angebotenen Programmen untersucht werden. Auf das Problem der Meritorik wird in Abschnitt 6.1.4 zurückzukommen sein.
3.3 Akteurskonstellationen im Rundfunk
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3.3 Akteurskonstellationen im Rundfunk Die Abschnitte 3.1 und 3.2 haben gezeigt, dass die Marktfähigkeit von Rundfunk durch Gütereigenschaften von Rundfunksendungen nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Zwar stellt sich ein funktionierender Rundfunkmarkt nicht von selbst ein, doch der ökonomisch begründete Austausch zwischen den beteiligten Parteien ist grundsätzlich möglich. Mit der Einbeziehung von Finanziers betreffen Markthandlungen im frei empfangbaren Rundfunk immer drei Parteien. Wie ist die Konstellation von Geldgeber – Sender – Rezipient zu beschreiben? Ohne Beteiligung von Werbetreibenden bzw. der öffentlichen Hand kommt zwischen Sender und Rezipient nur im Bezahlrundfunk ein Angebot zustande. Doch die Einbeziehung von Werbetreibenden bewirkt keine Änderung der Transaktion, sondern lediglich der Leistung des Senders: Rundfunkprogramme werden aufgrund der Interessen der Werbewirtschaft zu einem Kuppelprodukt aus Programm und Werbung. Diese Produkteigenschaft prägt nach Ansicht vieler Autoren auch die Struktur des Rundfunkmarktes; Rundfunk wird demnach als „dual product market“ verstanden (so schon Picard 1989; vgl. Grossberg / Wartella / Whitney 1998; Seufert 1998; Ettema / Whitney 1994). Während in konventionellen Märkten zwei Transaktionspartner die Bedingungen ihrer Geschäfte alleine aushandeln können, sind duale Märkte dadurch gekennzeichnet, dass die Interessen und Handlungen der dritten Partei Einfluss auf die Transaktion zwischen den beiden Anderen haben. Obwohl die Kopplung zwischen Werbe- und Rezeptionsmarkt brüchig ist (vgl. Abschnitt 3.1.4), ist unbestritten, dass sich die Sender auch in Fragen der Programmgestaltung an den Interessen der Werbetreibenden orientieren. Der Werbemarkt wirkt sich also auf die Transaktion zwischen Sendern und Rezipienten aus – zumindest, so weit die Sender betroffen sind. Diese Perspektive, die auf die Dreiseitigkeit von Geschäftsbeziehungen im Rundfunk abstellt, soll für die vorliegende Arbeit reduziert werden, da hier lediglich die Transaktionen von Interesse sind, bei denen Rezipienten beteiligt sind. Es stellt sich daher die Frage, ob auch die Entscheidungen und Handlungen der Rezipienten auf beide übrigen Akteure – Sender und Finanziers – ausgerichtet sind. Dies ist zu verneinen. Denn Rezipienten haben distinkte Ansprüche an Rundfunksendungen und Werbung (vgl. Kap. 4). Wer Radio oder Fernseher einschaltet, kann nicht gezielt nach einer bestimmten Werbung suchen. Daher liegt der Rundfunknutzung praktisch nie das Ziel zugrunde, Kaufentscheidungen für rundfunkfremde Produkte zu treffen – mit Ausnahme von Teleshopping. Umgekehrt ist auch die Transaktion zwischen Rezipient und Werbetreibenden nicht abhängig von Senderinteressen. Rezipient und Werbewirtschaft begegnen sich in vielen verschiedenen Produktmärkten, auf denen zwar Werbeerinnerung und -bewertung eine Rolle spielen. Das Programm als Werbeumfeld hingegen ist bei der Frage, welche Haftpflichtversicherung die beste ist, kaum von Bedeutung.
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3 Rundfunk als Markt
Trotz der Verbindungen zwischen Werbe- und Rezeptionsmarkt ist das Handeln der Rezipienten somit immer nur auf jeweils einen Transaktionspartner bezogen. Aus diesem Grund können im Folgenden die Beziehungen der Rezipienten isoliert betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund ist für eine rezipientenorientierte Marktbeschreibung zu fragen, welches Transaktionsverhältnis – zu den Sendern oder zur Werbewirtschaft – das wichtigere ist.
3.3.1 Sender als Mittler zwischenWerbewirtschaft und Publikum? Aus der Abhängigkeit der Sender von Dritten, insbesondere der Werbewirtschaft, ließe sich folgern, dass die zentrale Transaktion zwischen Werbewirtschaft und Publikum stattfindet und die Sender nur die vermittelnde Position eines Händlers einnehmen (vgl. Jessen 2000; Kiefer 1997: 216, 227). Auch Heinrich sieht die Sender in einer – bei ihm wenig schmeichelhaften – Händlerposition: „In diesem Sinne sind die Rundfunkveranstalter, die sich durch Werbe-Preise finanzieren, moderne Sklavenhändler, sie kaufen ihre Rezipienten für billigen Tand und verkaufen sie gegen gutes Geld.“ (2002: 278). Tatsächlich weisen die Tätigkeiten von Sendern Ähnlichkeiten mit klassischen Funktionen des Handels auf. Die Sender verschaffen den Rezipienten Zugang zu Gütern, nehmen also eine Distributionsfunktion wahr. Außerdem stellen sie durch die Ausstrahlung einen Kontakt zwischen den Werbenden und dem Publikum her. Des Weiteren übernehmen sie eine Sortimentierungsfunktion: Sie gestalten Programm und Werbung zu einem weitgehend kohärenten Ganzen, so dass dem Rezipienten die Orientierung und die Entscheidung leicht fällt (vgl. Kiefer 2005: 165, 184; Heinrich 2001: 16131). Die Aufnahme von Sendungen (auch: Werbung) in ein Programm und deren Platzierung ist somit die zentrale Leistung der Sender (Heinrich 2001: 160). Damit jedoch enden auch schon die Parallelitäten von Handel und Rundfunk. Bereits der Vergleich von Sortiment im Handel und Programm im Rundfunk ist irreführend. Während ein Händler verschiedene Waren zur gleichen Zeit anbietet, so dass sich ein Sortiment an Auswahlmöglichkeiten ergibt, ordnet ein Rundfunkveranstalter die Sendungen in der Zeit an, so dass der Rezipient zu jedem Zeitpunkt nur die Wahl hat, diese Sendung zu nutzen oder nicht. Zwar steht eine Vielzahl von Kanälen zur Verfügung, so dass tatsächlich eine Auswahl getroffen werden kann; jedoch entspricht der Kanalwechsel dem Wechsel zwischen verschiedenen Handelsgeschäften. Daher weisen die Formatierung und Programmgestaltung 31
Auch Werbung selbst hat bereits orientierende Funktionen, vgl. Ziemann 2006: 70. Jedoch sind die Angaben über das Produkt für den Konsumenten weniger wertvoll als das Signal, dass der Produzent über das nötige freie Kapital verfügt, um auf sein Produkt aufmerksam zu machen (vgl. Richter / Furubotn 2003: 352f.).
3.3 Akteurskonstellationen im Rundfunk
67
zwar Ähnlichkeiten zur Sortimentierungsfunktion des Handels auf, sind aber nicht mit dieser gleichzusetzen, da dem Rezipienten nur in geringem Maße eine Wahl ermöglicht wird32. Stärker noch spricht gegen das Verständnis von Rundfunksendern als Händler, dass sie zum großen Teil ein eigenes autonomes Angebot bereitstellen. Der Kern von Rundfunkprogramm ist der redaktionelle und unterhaltende Teil, nicht die Werbung. Nun könnte argumentiert werden, die Sender fungierten als Makler zwischen Werbetreibenden und Konsumenten. Tatsächlich stellt Rundfunk, wie ein Makler in anderen Märkten, Kontakt zwischen Werbetreibenden und Rezipienten her. Bezogen auf die Werbeanteile im Programm hat diese Konzeptualisierung Vorteile, bezieht sie doch alle drei Parteien in ein Handlungsmodell des Rundfunkmarktes ein. Die Rundfunkveranstalter sind allerdings mit der dienenden Funktion im Kommunikationsprozess zwischen Werbetreibenden und Rezipienten äußerst unzureichend beschrieben. Dass maximal 20% einer Sendestunde auf Werbung entfallen (bei Privatsendern), ist nicht nur gesetzliche Anforderung. Auch bei völliger Liberalisierung der Werbezeiten könnte davon ausgegangen werden, dass die Sender den größten Teil des Programms mit eigenen, nichtwerblichen Sendungen bestreiten würden. Denn Programmanbieter haben ein eigenes kommunikatives Anliegen an den Rezipienten. Und eben in dem Programm liegt auch der Hauptnutzen für den Rezipienten und damit der Anreiz zur Rundfunknutzung33. So kommt auch Kramer zu dem Ergebnis: „Das Mediasystem kann Medienorganisationen […] ungeachtet ihrer Abhängigkeit von Werbeeinnahmen nicht determinieren“ (2003: 176); der Rezipientenmarkt ist für das Geschehen im Rundfunk insgesamt deutlich wichtiger (vgl. ebd.).
3.3.2 Verhältnis von Sender und Rezipient als autonome Geschäftsbeziehung Für den allergrößten Teil des Programms dominiert das eigene kommunikative Anliegen des Senders und damit die direkte Beziehung zwischen Sender und Rezipient die Geschehnisse im Rundfunkmarkt34. Das gilt auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Analog zum 32
Hierin liegt ein großes Entwicklungspotenzial für Rundfunkveranstalter. Denn Podcasts werden gewissermaßen zu ausgestrahlten Hörbüchern. Gerade die zeitliche Flexibilität der Nutzung ist grundlegend für die Bereitschaft, Geld für Medienangebote zu zahlen (vgl. Abschnitt 6.2.2). 33 Allenfalls dort, wo der Rundfunkveranstalter Werbezeit verkauft, ohne selbst ein Rahmenprogramm beizusteuern, d.h. bei Dauerwerbe- und Teleshoppingsendungen, tritt tatsächlich der Sender als Makler zwischen dem für die Sendung Verantwortlichen und dem Rezipienten auf. 34 Hingegen befindet Kiefer: „Es ist also nicht das Publikum, das sich beim werbefinanzierten Rundfunk in der Rolle des Kunden befindet, sondern die Werbewirtschaft“. Das Publikum sei im Rundfunk nur ein „Produktionsfaktor wie das Mehl beim Brot oder das Blech beim Auto.“ (Kiefer 1997: 226; ähnlich auch Siegert 1997)
68
3 Rundfunk als Markt
privaten werbefinanzierten Rundfunk (free-to-air, FTA) könnte behauptet werden, die Sender gestalteten ihr Programm konform zu den Interessen der Politik, die über die Höhe der Rundfunkgebühr entscheidet. Doch wie im Fall der Werbewirtschaft sind die Kontakte zwischen Sendern und Politik der Beziehung zu den Rezipienten untergeordnet. Im Rezeptionsverhältnis beeinflussen sich Angebot und Nachfrage wechselseitig: Die Sender produzieren Sendungen, von denen sie glauben, dass sie den Nutzen des Publikums im Verhältnis zu den Produktionskosten maximieren, die Rezipienten ihrerseits wählen Sendungen aus, die ihrem Aufmerksamkeitsniveau am besten entsprechen. Insofern kann der Rundfunk als Markt bezeichnet werden, da sich Angebot und Nachfrage aufeinander beziehen und dynamisch aneinander anpassen. Diese Dynamik liegt dem öffentlich-rechtlichen, dem privaten werbefinanzierten und dem Bezahlrundfunk gleichermaßen zugrunde.
3.3.2.1
Rezipient-Sender als Prinzipal-Agent-Konstellation
Die Beziehung zwischen Rezipient und Sender im Rundfunk könnte als Prinzipal-AgentVerhältnis (PA) interpretiert werden, wobei der Rezipient der Vertretene (Prinzipal) und der Sender der Vertreter (Agent) wäre (vgl. Lobigs 2005: 88ff.). Mit dieser Konzeption lässt sich erklären, warum die Leistungen der Agenten, die Programme, z.T. nicht den Ansprüchen der Prinzipale entsprechen: Die Prinzipale können die Leistung nicht beurteilen (vgl. Richter / Furubotn 2003: 30f., 218f.). Allerdings ist diese Beobachtung zu bestreiten: Rezipienten können die meisten für sie relevanten Eigenschaften von Rundfunksendungen erkennen und ihre Selektion danach richten; für nicht erkennbare Eigenschaften existieren weitgehend fälschungssichere Signale (vgl. Abschnitt 6.1.2.2). Darüber hinaus ist es wenig plausibel, das Verhältnis zwischen Sender und Rezipient als PA-Konstellation aufzufassen. Denn der Rezipient geht keine dauerhafte oder zumindest mittelfristige Leistungsbeziehung mit dem Sender ein (da er jederzeit den Kanal wechseln kann). Der Sender handelt autonom und nicht auf Veranlassung des Rezipienten, und es existieren auch keine Sanktionsmöglichkeiten des Rezipienten bei opportunistischem Verhalten des Senders. PA-Beziehungen dienen dazu, Tätigkeiten, die der Prinzipal nicht selbst erbringen kann (oder nur zu hohen Kosten), zu delegieren. Im Gegenzug für seine Leistung erhält der Agent eine Entlohnung. Im Rundfunk aber handelt der Sender nicht als Vertreter des Rezipienten; und die Investitionen des Rezipienten kommen (mit Ausnahme von Bezahlangeboten) nicht unmittelbar dem Sender zugute. Die Bidirektionalität der ökonomischen Beziehung zwischen Sender und Rezipient bleibt weitgehend ungenutzt.
3.3 Akteurskonstellationen im Rundfunk
3.3.2.2
69
Markttausch
Transaktionen auf gewöhnlichen Märkten finden zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer bzw. zwischen Produzent und Konsument statt. Da marktliche Transaktionen reziprok sind, erbringen beide Partner eine Leistung. Zwischen Produzent und Konsument kann danach unterschieden werden, dass der Produzent eine Sachleistung erbringt, die der Konsument direkt in Anspruch nimmt. Der Konsument hingegen bezahlt den Produzenten mit einem Universaltauschmittel, das dieser für weitere Geschäfte verwenden kann. Auch im Rundfunk kommt es zu Transaktionen. Doch hier entlohnt der Adressat dieser Leistung, das Publikum, den Produzenten nicht direkt – mit Ausnahme des Bezahlrundfunks. Wie in Abschnitt 3.1.2 dargestellt, verzichten die frei empfangbaren oder FTASender auf die Verwirklichung des Ausschlussprinzips und erstellen eine weitere Leistung für einen anderen Konsumenten, der diese Leistung finanziert. Im werbefinanzierten Rundfunk ist dieser Konsument die werbetreibende Industrie, das gehandelte Gut ist der Kontakt zum Publikum, zu einer Zielgruppe. Da ohne diese Relation kein freier Privatrundfunk existieren würde, wird in der Vermittlung von Rezipientenkontakten für die Werbeindustrie mitunter die wichtigste Aufgabe der Rundfunkveranstalter gesehen (vgl. Abschnitt 3.3.1). Im gebührenfinanzierten Rundfunk ist der Konsument die Gesellschaft, vertreten durch die Landesparlamente; die Leistung, die die öffentlich-rechtlichen Anstalten für die Gesellschaft erbringen, ist die Erfüllung ihres Programmauftrags. Somit besteht zwar die Hauptleistung der Sender in der Produktion und Bereitstellung von Programm für ihr jeweiliges Publikum; doch muss diese Kernfunktion durch eine Nebenleistung (Werbung) finanziert werden, die die Verbundeigenschaft von Rundfunk begründet.
3.3.3 Rolle der Rezipienten Wenn nun das Verhältnis zwischen Sender und Rezipient als Markttausch charakterisiert wird, muss auch der Rezipient die Eigenschaften eines Transaktionspartners am Markt erfüllen. Das heißt, er muss erstens aus der Transaktion einen Nutzen ziehen können. Zweitens muss er selbst eine Leistung erbringen, die drittens dem Anbieter einen Nutzenzuwachs verschafft. Doch worin besteht die Gegenleistung des Rezipienten für das empfangene Programm? Schon im Bezahlrundfunk zahlt der Rezipient einen Paketpreis für ein u.U. sehr heterogenes Güterbündel; eine Zahlungsbereitschaft für eine bestimmte Sendung lässt sich da nur sehr schwer ermitteln. Im frei empfangbaren Rundfunk ist die Situation jedoch extremer: Er-
70
3 Rundfunk als Markt
bringt der Rezipient überhaupt eine Gegenleistung für die Sendungen, die ihm geboten werden?
3.3.3.1
Monetäre Leistungen der Rezipienten
Im Bezahlrundfunk erhält der Sender vom Rezipienten eine direkte finanzielle Entlohnung. Darüber hinaus spielt Geld als Zugangsmedium eine bedeutende Rolle: In Pay- und FTARundfunk gleichermaßen ist die Anschaffung von Empfangsgeräten (Empfangseinheit, Wiedergabegerät, ggf. Decoder35) notwendige Voraussetzung für die Nutzung von Rundfunkprogrammen. Die Distribution von Rundfunk bezahlt der Rezipient also mit Geld – welches allerdings nicht dem Sender zufließt, sondern Herstellern und Händlern von Empfangsgeräten. Eine weitere notwendige monetäre Investition des Rezipienten ist die Rundfunkgebühr. Da sie geräteabhängig erhoben wird, handelt es sich ebenfalls um Zugangskosten36. Oberhalb der Ebene des Zugangs trifft der Rezipient Entscheidungen bzgl. einzelner Sendungen oder Programme. Auf dieser Programmebene spielen monetäre Kosten keine Rolle für den Rezipienten. „Der Preis des Fernsehens ist wegen der niedrigen Gebühr pro Zeiteinheit im Bewußtsein der Konsumenten kaum präsent, zudem wird der leidenschaftlich fernsehende Mensch trotz intensiverer Nutzung nicht automatisch mit einer höheren Gebühr bestraft, wie es in anderen Konsumtionsprozessen üblich ist.“ (Lange 2000: 155) Dies gilt sogar für die gegenwärtigen Formen des Bezahlrundfunks: Da ganze Programme abonniert werden (Bouquets), sind die Abonnementgebühren für den Rezipienten ebenfalls Zugangskosten, die lediglich das verfügbare Programmangebot erweitern, konkrete Nutzungsentscheidungen jedoch nicht determinieren37.
35
Als Empfangseinheiten kommen eine Antenne, ein Satellitenempfänger oder ein Kabelanschluss in Betracht. Die Kopplung an den Besitz eines Empfangsgerätes ist insofern sinnvoll, als die Rundfunkgebühr die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichern soll, und zwar unabhängig von dessen tatsächlicher Nutzung. Auch bei einer Umstellung von der Gerätekopplung zu einer personen- oder haushaltsgebundenen Rundfunkgebühr behält die Rundfunkgebühr den Charakter von Zugangskosten. 37 Zwar könnte gemutmaßt werden, dass Rezipienten bei gleichzeitiger Verfügbarkeit von FTA- und PayProgrammen dazu tendieren, die kostenpflichtigen Programme zu nutzen, damit sich die damit verbundenen Ausgaben amortisieren. Allerdings müssten dieser Überlegung zufolge auch die öffentlich-rechtlichen Programme strukturell häufiger genutzt werden als private FTA-Programme. Ein konstanter Größenvorsprung der öffentlich-rechtlichen Anbieter ist jedoch in der Entwicklung des Nutzungsverhaltens nicht zu beobachten; im Gegenteil konnten die privaten Anbieter bis 1995 kontinuierlich Marktanteile gewinnen. (vgl. Buß / Darschin 2004: 23 und Abschnitt 4.2.4.1). 36
3.3 Akteurskonstellationen im Rundfunk
3.3.3.2
71
Nicht-monetäre Leistungen der Rezipienten: Zeit und Aufmerksamkeit
Monetäre Ausgaben sind folglich kein ausreichender Indikator, um die Wertschätzung des Rezipienten für eine Sendung zu erkennen38. Dass Geld auf der Programmebene für den Rezipienten irrelevant ist, veranlasst einige Autoren, Rundfunknutzung als Niedrigkostensituation zu bezeichnen (vgl. Lange 2000: 155f.; Mensch 2000; Jäckel 1992: 255). Bevor diese Diagnose übernommen werden kann, müssen jedoch zusätzlich nicht-monetäre Kosten, die bei der Rundfunknutzung entstehen, berücksichtigt werden. So ist mit jeder Rezeption notwendig eine Zeitinvestition verbunden. Dabei konkurriert die Verwendung der Zeit für Rundfunknutzung mit anderen Verwendungsmöglichkeiten (vgl. Neverla 1992; Waldmann 1992). Insofern ist anzunehmen, dass die Entscheidung für eine Sendung bewusst getroffen wird, d.h. dass der Rezipient andere Verwendungsmöglichkeiten seiner Zeit als weniger nutzenstiftend beurteilt. Es genügt dabei nicht, die Zeitinvestition als Opportunitätskosten mit dem – durch die Mediennutzung entgangenen – Nettolohn zu berechnen, wie Heinrich (2001: 48) vorschlägt. Diese Umrechnung ignoriert, dass Rundfunknutzung auch eine Freizeitbeschäftigung ist und somit gerade nicht mit dem Arbeitswert aufgerechnet werden kann. In Abschnitt 3.2.2 ist bereits die Dienstleistungseigenschaft von Medieninhalten angesprochen worden: Damit Medienangebote Nutzen stiften können, muss der Rezipient selbst Leistungen erbringen, die keine Bezahlung darstellen. Die Zeitinvestition gehört zu diesen Leistungen. Radio oder Fernseher einzuschalten genügt jedoch noch nicht, um aus der laufenden Sendung einen Nutzen zu ziehen. Zusätzlich muss der Rezipient Aufmerksamkeit investieren (vgl. Krotz 1996: 216f.). „Aufmerksamkeit ist zunächst einmal ein Konstrukt, das die individuelle Bereitschaft beschreibt, Umweltreize aufzunehmen. Dies kann mit unterschiedlicher Intensität geschehen.“ (Donnerstag 1996: 38). Das Maß der erforderlichen Aufmerksamkeit variiert stark: Das konzentrierte Verfolgen einer Ratgebersendung gehört zur aufmerksamen Mediennutzung ebenso dazu wie das Radioprogramm, das im Büro gerade so als Klangteppich wahrgenommen wird (vgl. ebd.: 39). Denn auch die Nebenbeinutzung von Rundfunk ist nur dann sinnvoll, wenn dem Rezipient bewusst ist, dass eine Geräusch- bzw. audiovisuelle Kulisse existiert; dazu muss er/sie nicht wissen, was gerade läuft. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Kosten für Zeit und für Aufmerksamkeit: Während die Zeitinvestition bei Nebenbeinutzung nicht mehr als Kosten zu Buche schlägt, da man in dieser Zeit „eigentlich“ etwas anderes tut, wird – wenn das Programm einen Wert haben soll – immer ein Minimum an Aufmerksamkeit von anderen Tätigkeiten abgezweigt (vgl. ebd.: 227, 233; Langenbucher 1998: 223; Barwise / Ehrenberg 38
Jedoch lässt sich bei nutzungsabhängigen Bezahlungen von Preisen besser auf die Wertschätzung des Rezipienten schließen, vgl. Abschnitt 6.2.3.2.
72
3 Rundfunk als Markt
1988: 123)39. Darüber hinaus stellt die Aufmerksamkeit eine inhaltliche Verbindung zwischen Rezipient und Sendung her. Denn vom Niveau der Aufmerksamkeit hängt es ab, wie weit das Potenzial einer Sendung als Nutzen verwirklicht wird. Durch die adaptive Zuwendung, d.h. durch die Regulation seines Aufmerksamkeitsniveaus, kann der Rezipient also den tatsächlichen Nutzen einer Sendung beeinflussen (vgl. Donnerstag 1996: 38; Neumann 1996: 577).
3.3.3.2.1
Zeit und Aufmerksamkeit: Währung oder Ressource?
Die Zahlungsbereitschaft des Rezipienten äußert sich vor allem in der sendungsspezifischen Investition von Zeit und Aufmerksamkeit. Damit ein Leistungstausch vonstatten geht, müssen Leistung und Gegenleistung dem jeweiligen Transaktionspartner übertragen werden. Es ist zwar evident, dass der Rezipient eine Leistung erbringt. Aber niemand macht sich die Mühe, diese dem Rundfunkanbieter zugänglich zu machen. Kein Sender, auch kein Mitarbeiter eines Programmveranstalters, hat dadurch mehr Zeit oder Aufmerksamkeit, dass ein Publikum das Programm rezipiert. Zeit und Aufmerksamkeit sind nicht übertragbar, weshalb ihr Empfänger nach der Transaktion nicht mehr davon besitzt. Das hat massive Auswirkungen auf das Verhältnis von Sender und Rezipient: „Da der Verbraucher nicht der Zuschauer ist, sind letzterem Preiskämpfe zur Erzeugung eines Nutzungsanreizes bisher völlig unbekannt geblieben“, so Lange (2000: 156). Weiter führt er aus: „Für den einzelnen Haushalt gibt es bisher also kaum einen Anreiz, mit seiner Widmung [d.h. Zeit u. Aufmerksamkeit] entsprechend ‚sparsam‘ zu sein.“ (ebd.) Aus diesem Grund können Zeit und Aufmerksamkeit nicht als Währung bezeichnet werden, wie das Georg Franck tut (vgl. Franck 1998: 72ff., 101ff., 115ff.). Die NichtTransferierbarkeit von Zeit und Aufmerksamkeit verhindert ihre Handelbarkeit40. Aus demselben Grund können diese Güter nicht akkumuliert werden, weshalb Francks Schlussfolgerungen zur Rentabilität von Aufmerksamkeit ebenfalls auf tönernen Füßen stehen. Die Arbeiten zur Aufmerksamkeitsökonomie (neben Franck 1998 und Goldhaber 1997 auch TheisBerglmair 2000) können jedoch ein anderes Verdienst beanspruchen: Sie ermöglichen die Untersuchung der Bedeutung von weder produkt- noch finanzbezogenen Aspekten in 39
Allerdings genügt tatsächlich ein Minimum: „Fernsehen […] wird per se erst einmal als ein sogenanntes leichtes Medium angesehen, bei dem man sich im allgemeinen nur wenig anstrengen muss.“ (Winterhoff-Spurk 2000: 90 mit Verweis auf die Studien von Salomon 1979) 40 Zwar räumt auch Franck selbst Grenzen des Vergleichs zwischen Geld und Aufmerksamkeit als Universaltauschmittel ein: „Der Tauschwert der Aufmerksamkeit wird lediglich individuell geschätzt, nicht sozial gemessen. Wir haben mit einem Mengensystem getauschter Aufmerksamkeit, aber keinem System von Marktpreisen zu tun“ (Franck 1998: 96). Doch nach seiner Auffassung wird Aufmerksamkeit gleichwohl gehandelt.
3.3 Akteurskonstellationen im Rundfunk
73
Markttransaktionen. Mit einigen Präzisierungen ist der Grundgedanke der aufmerksamkeitsökonomischen Literatur tragfähig: Geld ist nicht der einzige Maßstab für den Wert einer Marktleistung. Unstreitig investiert der Rezipient Zeit und Aufmerksamkeit bei der Nutzung einer Rundfunksendung. Dass diese Investition nicht an den Sender transferiert werden kann, erschwert ihre marktliche Weiterverwertung zwar, schließt sie jedoch nicht vollständig aus. Der Sender muss aber weitere Kosten tragen, damit die Leistung des Rezipienten für ihn ökonomisch verwertbar wird. Durch die Messungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und die Befragungen der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA) erhalten die Sender nicht die Investitionen des Publikums, sondern aggregierte Informationen über diese Investitionen. Diese Informationen – Quote, Marktanteil, demographische Zusammensetzung des Publikums etc. – bestimmen den Wert von Sendezeit für Werbetreibende: “With ratings, the relationship between broadcaster and audience is ‘taken care of’ through a procedure which ‘reduces awareness of the public to the safe dimensions of percentages’.” (Ang 1991: 146) Zeit und Aufmerksamkeit des Publikums sind daher als Ressourcen im Medienproduktionsprozess zu charakterisieren: Sie sind begrenzt41, und sie können durch Verwendung in Produktions- und Konsumprozessen zur Bedürfnisbefriedigung eingesetzt werden. „Die Aufmerksamkeit ist begrenzt (Kapazitätsaspekt), sie ist selektiv (Selektionsaspekt), und sie kann willentlich ausgerichtet werden (Tätigkeitsaspekt)“ (Neumann 1996: 622). Insofern erfüllt sie alle Eigenschaften, die für die Verwendung als Ressource für die Generierung von Rezipientennutzen erforderlich sind. Die Nicht-Transferierbarkeit von Zeit und Aufmerksamkeit bildet jedoch einen Unterschied zu anderen Ressourcen (z.B. zu physischen Rohstoffen), dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte. Denn sie bewirkt, dass nur der einzelne Konsument selbst Zeit und Aufmerksamkeit tatsächlich als Ressource verwenden kann, also als ein Mittel zur Bedürfnisbefriedigung, das in unterschiedlichen Verwendungsarten unterschiedlichen Nutzen stiftet42. 41
In der Psychologie gilt Aufmerksamkeit als „limited capacity“ (vgl. Schwan / Hesse 2004: 86; Neumann 1996: 561f.). 42 „Der Aufmerksamkeit werden eine Reihe unterschiedlicher Funktionen zugeschrieben: Zum einen soll sie der Mobilisierung unspezifischer psychischer Energien bzw. Funktionen für bestimmte Informationsverarbeitungsleistungen dienen […]. Zum anderen soll sie zur Integration von zunächst getrennt voneinander verarbeiteten Merkmalen beitragen […]. Ein dritter, oft als zentral angesehener Aspekt der Aufmerksamkeit ist ihre Rolle bei der Selektion von Information. Selektion liegt dann vor, wenn das kognitive System aus einem reichhaltigen Informationsangebot einen kleinen Ausschnitt auswählt und in der Folge differenziert weiterverarbeitet, während andere, gleichzeitig vorliegende Informationen keine weitergehende Verarbeitung erfahren.“ (Eimer et al. 1996: 219) Demnach wird der Nutzen aus einer Rundfunksendung umso höher sein, je stärker Mobilisierungs- und Integrationsaspekt der Aufmerksamkeit ausgeprägt sind. Der Selektionsaspekt hingegen – man könnte auch von Kon-
74
3 Rundfunk als Markt
Soll eine andere Partei diese Ressourcen nutzen, muss sie in eine übertragbare Form überführt werden. Eine Transformation in eine Ressource, die auch von anderen Parteien genutzt werden kann, verursacht zusätzliche Kosten. Im Rundfunk findet diese Transformation in Form der telemetrischen Erhebungen der GfK sowie durch die Media-Analyse statt.
3.3.3.2.2
Transformation von Zeit und Aufmerksamkeit durch Messung
Wie jeder Produktionsschritt bewirkt auch die Nutzungsmessung durch die GfK eine Veränderung der eingesetzten Ressourcen. Für die Rundfunksender ist nicht das tatsächliche Gesamtvolumen der investierten Zeit und Aufmerksamkeit wertvoll, sondern lediglich die Information über diese Investition. Würde es sich bei Zeit und Aufmerksamkeit um Währungen handeln, wäre es für die Sender zentral, von jedem Rezipienten dessen jeweilige Leistung zu erhalten. Die GfK müsste in diesem Fall eine Vollerhebung bei allen 39 Millionen Haushalten durchführen, die Rundfunkempfänger besitzen. Schließlich erlässt auch kein Händler einem Kunden den Preis für ein Produkt, nur weil bereits 10000 Personen bezahlt haben. Da jedoch die Messung nicht Zeit und Aufmerksamkeit selbst den Sendern zur Verfügung stellt, genügt das GfK-Sample von 5640 Haushalten mit über 13000 Personen, um eine statistisch verlässliche Auskunft über das Einschaltverhalten aller Rezipienten zu erhalten. Die Messung von Einschaltquoten und Sehbeteiligungen wandelt die Zeit- und Aufmerksamkeitsinvestition der Rezipienten in eine Produktionsressource für die Rundfunkbetreiber um. Die Rundfunkanbieter bereiten diese Ressource – die nach der Erhebung in Form von Informationen vorliegt – spezifisch auf. So betonen etwa die Privatsender häufig, wie hoch ihr Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen ist, während die öffentlich-rechtlichen Anbieter in der Regel ihre hohe Gesamtreichweite und ihre hohe Reputation bei Informationsangeboten hervorheben. Diese Informationen basieren zum großen Teil auf den Daten, die die GfK im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) erhebt. Hinzu kommt beispielsweise die Langzeitstudie Massenkommunikation (vgl. etwa Engel / Windgasse 2005; Berg / Ridder 2002; Berg / Kiefer 1996). Das hohe Interesse der Sender ist ein Indiz für die herausragende Bedeutung, die die aus den diversen Erhebungen gewonnenen Daten für deren wirtschaftlichen Erfolg haben. Denn nachdem sie senderspezifisch aufgearbeitet worden sind, dienen diese Daten sowohl auf dem Werbemarkt als auch bei der Festsetzung der Rundfunkgebühr
zentration sprechen – beeinflusst den Umgang des Rezipienten mit konkurrierenden Reizen (vgl. Abschnitt 6.2.1.2.2.2).
3.3 Akteurskonstellationen im Rundfunk
75
als Wertindikator. Durch die Messung und Interpretation werden die Ressourcen Zeit und Aufmerksamkeit zur Währung „Quote“43.
3.3.3.2.3
Interpretation der Einschaltquoten
Am Werbemarkt lässt sich die Funktion der Einschaltquote einfach verdeutlichen. Werbezeit ist zunächst ein homogenes Gut, bei dem die Sender nur die Ausbringungsmenge verändern können. Um ihre Einkünfte zu maximieren, werden die Sender folglich versuchen, möglichst viel Werbezeit zu verkaufen. Allerdings hat der Gesetzgeber Höchstgrenzen für Werbezeiten sowie die Verteilung von Werbung im Programm definiert (vgl. S. 50, Fn. 20), so dass die Mengenanpassung an Nachfrageänderungen nach oben begrenzt ist. Der zweite Schritt zur Einkommensmaximierung besteht für die Sender in der Heterogenisierung von Werbezeit. Indem die Sender die Nutzungsdaten an die Agenturen und werbetreibenden Organisationen weitergeben, ermöglichen sie eine Preisdiskriminierung in Abhängigkeit von Größe und Zusammensetzung des Publikums. Der große Wert, der für die Sender aus der Transformation der Publikumsinvestitionen in Einschaltdaten erwächst, erklärt auch, warum die Kosten für deren Messung von den Sendern getragen wird: Sie setzen diese Daten als Ressource ein, von der sie profitieren. Die Verwendung dieser Ressource ist senderspezifisch: Aufgrund der verschiedenen Finanzierungsformen versuchen etwa werbefinanzierte Sender, anhand der Nutzungsdaten eine besondere Beliebtheit bei der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen zu dokumentieren, während öffentlich-rechtliche Sender auf ein breit gestreutes Publikum verweisen. Dass die Sender diese Mediadaten bereitwillig den Werbekunden bzw. Mediaagenturen zur Verfügung stellen, ist des Weiteren Beleg dafür, dass nicht die Aufwendungen der Rezipienten selbst einen Wert für die Sender darstellen, sondern die durch die Kenntnis der Einschaltquoten modifizierte Preisbildung im Werbemarkt. Der Transformationsprozess beschränkt sich indes nicht darauf, die Gesamtleistung des Publikums in Einschaltquoten zu überführen. Vielmehr wird bereits nur ein kleiner Teil der Rezipientenleistung überhaupt zur Messung herangezogen, nämlich das Ein-, Um- und Abschalten von Rundfunkprogrammen. Die tatsächlichen Kosten, die dem Rezipienten in Zeit und Aufmerksamkeit entstehen, entgehen der GfK-Messung, „for what is discursively equated with ‘what the audience wants’ through ratings discourse is nothing more than an indication of what actual audiences have come to accept in the various, everyday situations in which they watch television.” 43 Seit der personenbezogenen Erhebung ist die Einschaltquote weniger wichtig als die Seherbeteiligung, d.h. die Zahl der angemeldeten Personen (vgl. Holtmann 1999: 33-35). Der Begriff Quote wird im Folgenden jedoch weiterhin als Synonym für die Währung auf dem Werbemarkt verwendet.
76
3 Rundfunk als Markt
(Ang 1991: 169). Die Differenz zwischen den Investitionen des Publikums und der Reichweitenmessung wird in Abschnitt 6.2.1.2 näher erörtert.
3.3.3.3
Sonderleistungen: Interaktive Formate (Call-Media)
Die unmittelbarste Leistung der Rezipienten findet in interaktiven Sendungen statt. Hier kann der Rezipient durch Anrufe, SMS, Fax oder E-mail an einer Sendung teilnehmen. Diese Teilnahme kann die Form von Gewinnspielen, von Spenden oder von Abstimmungen annehmen. Solche Interaktionsformen werden als Call-Media bezeichnet; zu diesen gehören auch Shopping-Sendungen (vgl. Goldhammer / Lessig 2005; Goldhammer / Wiegand 2004 sowie Abschnitte 5.2.2.1 und 6.2.1.3.2). Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen monetären und nicht-monetären Leistungen der Rezipienten stellt Call-Media einen Hybridtypus dar. Denn oft sind Anrufe oder SMS kostenpflichtig; bei Verkaufssendungen wird der Sender am Produkterlös beteiligt (Goldhammer / Lessig 2005: 107, 177-145; Lessig 2004). Gleichzeitig ist die Teilnahme an Sendungen eine besondere Form der Zuwendung und repräsentiert ein besonders hohes Aufmerksamkeitsniveau. Interaktivität der Rezipienten signalisiert also sowohl auf der monetären als auch auf der nicht-monetären Ebene ein außerordentlich hohes Interesse an einer Sendung. Einschränkend ist anzumerken, dass die Aufwendungen der Rezipienten bei Gewinnspielen nur mit Blick auf einen erhofften Gewinn getätigt werden; das Interesse richtet sich also hier nicht in erster Linie auf die Sendung (vgl. kritisch zu sog. Transaktionsfernsehen Weichert 2005: 2f.). Gleichermaßen steht bei Verkaufssendungen nicht die Sendung, sondern die beworbenen Produkte im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
3.4 Zusammenfassung Ausgangspunkt von Kapitel 3 war die Frage: Ist Rundfunk ein funktionsfähiger Markt? Die Diskussion hat gezeigt, dass – trotz der Einschränkungen hinsichtlich der tatsächlichen Marktleistung – die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Rundfunkmarktes bejaht werden muss. Die Kerntransaktion findet zwischen Sender und Rezipient statt; wie alle Handlungen wird auch Rundfunk aus ökonomischer Sicht letztlich durch die Bedürfnisse von Konsumenten legitimiert. Dabei liefert der Sender verschiedene Sendungen, die Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse in wechselnden Anteilen befriedigen. Die Zusammenstellung des Programmablaufs ist ebenfalls eine zentrale Leistung der Anbieter. Wie bei einer Dienstleis-
3.4 Zusammenfassung
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tung kommt die Inbesitznahme bzw. Leistungsübertragung erst mit der Nutzung zustande. Im Unterschied zu anderen Dienstleistungen ist jedoch die Gegenleistung des Rezipienten nicht monetär. Dadurch kommt es zur Einschaltung einer dritten Partei. Die Teilnehmer des GfKPanels und der MA willigen mit ihrer Teilnahme an der Erhebung ein, dass Informationen über ihre Rundfunknutzung gesammelt und anonymisiert ausgewertet werden. Diese Informationen sind für die Anbieter eine wertvolle Ressource in zweifacher Hinsicht: Zum einen wird sie zur Anpassung des Programms an den Publikumsgeschmack verwendet, zum anderen dient sie – wie oben ausgeführt – der Bewertung von Publikumskontakten auf dem Werbemarkt. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk fließen sie darüber hinaus in die LobbyArbeit zur Steuerung der Rundfunkgebührenentwicklung sowie des Umfangs des Programmauftrags ein. Obwohl im FTA-Rundfunk ohne die Finanziers kein Programm zustande käme, sind die Transaktionen zwischen den drei – bzw. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vier – Parteien nicht miteinander verflochten. Denn die Entscheidung, Rundfunk zu veranstalten, geht der konkreten Transaktion zwischen Sender und Rezipient voraus. Insofern ist Werbung zwar für privaten FTA-Rundfunk konstituierend. Für die Rezipienten aber spielen die Werbetreibenden in der Wahl eines Senders keine Rolle. Das gesamte Geschehen auf dem Rundfunkmarkt lässt sich als Verkettung von Transaktionen mit nur zwei Parteien modellieren. Interdependenzen beeinflussen lediglich entweder die Ressourcenausstattung einer Partei oder ihre Präferenzen. In keiner Transaktion ist die Handlung einer Partei von parallelen Entscheidungen anderer Parteien abhängig. Sender und Rezipient gehen – da kein Universaltauschmittel zum Einsatz kommt – einen Naturaltausch ein: Der Anbieter stellt das Programm zur Rezeption und privaten Nutzung zur Verfügung, der Rezipient erlaubt dem Sender, Daten über die Nutzung zu sammeln, die dem Sender als Ressource dienen. Da bei den Informationen über die Nutzung die statistischen Anforderungen erfüllt sind, genügt das Sample der Befragten, um zuverlässige Angaben über das Nutzungsverhalten der Gesamtbevölkerung zu erhalten. Die Sender werten diese Daten gemäß ihrer Produktionslogik für die Programmgestaltung und gemäß ihrer Marketingstrategie für den Werbemarkt aus. Die Transaktion mit Werbetreibenden ist insofern unabhängig von den Geschehnissen auf dem Rezipientenmarkt, da Einschaltquoten und Marktanteile notwendig erst nach der Ausstrahlung erhoben werden können. Zugleich werden Werbezeiten jedoch vor der Ausstrahlung verkauft. Das heißt, die Bewertung der Sendezeit findet zu einem Zeitpunkt statt, da das tatsächliche Publikum für die betreffende Sendung noch nicht existiert. Das Verhältnis zwischen Werbetreibendem und Rezipienten schließlich ist ebenfalls ein einfacher Tauschakt der Form Ware gegen Geld. In welchem Maße der Verkäufer dabei seine Aufwendungen für Werbung an den Kunden weitergibt, ist Gegenstand seiner Preis-
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3 Rundfunk als Markt
politik für das betreffende Produkt. Das bedeutet, dass auch hier in den Konditionen der Transaktion alle für diese maßgeblichen Parameter enthalten sind. Die Konsumentscheidung hängt nicht davon ab, was ein Rundfunksender tut, die Werbekosten sind vollständig im Verhältnis zwischen Werbetreibendem und Konsument repräsentiert. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass sich die Prozesse im Rundfunk tatsächlich als Marktprozesse begreifen lassen: Jeweils zwischen zwei Parteien (bzw. bei Dauerwerbesendungen und Teleshoppingangeboten zwischen drei Parteien) kommt es zu Transaktionen, die als marktlicher Tausch beschrieben werden können. Die Parteien wählen ihren Tauschpartner freiwillig und mit dem Ziel, ihren Nutzen zu erhöhen. Sie verfügen dabei über Informationen, um die Nutzeneffekte verschiedener Angebote beurteilen zu können. Vor diesem Hintergrund kann die Beziehung zwischen Sender und Rezipient nun auch zu Recht als prinzipiell funktionsfähiger Rezeptionsmarkt bezeichnet werden.
4 Modelle von Publikumsverhalten
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4 Modelle von Publikumsverhalten
In den vorangegangenen Abschnitten ist herausgearbeitet worden, dass Rundfunk als Markt charakterisiert werden kann. Es sind auch auch bereits Spezifika des Rundfunks besprochen worden, die die Marktfähigkeit von Rundfunksendungen beeinträchtigen. In der Auseinandersetzung mit der medienökonomischen Literatur konnte gezeigt werden, dass es keine strukturellen Barrieren für marktliche Transaktionen im Rundfunk gibt. Für die bedeutendsten Unzulänglichkeiten des Wettbewerbs im Rundfunk werden die Rezipienten, wird das Publikum verantwortlich gemacht. Die größte Schwierigkeit sowohl bei der theoretischen Konzeption als auch bei der empirischen Annäherung an „Publikum“ besteht in dessen zwischen Individualität und Kollektivismus changierendem Verhalten (vgl. Park 2001; Klaus 1997). Rezipienten sind in erster Linie Individuen, deren Verhalten sich aus ihren eigenen Bedürfnissen und Motiven ergibt (vgl. Abschnitt 2.1.1.2). Zugleich aber ist Gesellschaft nicht in Millionen solipsistischer Monaden zerfallen, die sich nicht um kollektive Orientierung scheren (vgl. Abschnitt 2.1.2.3). Je nachdem, was als Ausgangspunkt einer Publikumsanalyse gewählt wird, stellt sich also entweder Publikum als das Aggregat aus vielen individuellen Entscheidungen dar, oder der Rezipient ist nur ein Exemplar seines Milieus, seiner sozialen Bezugsgruppe. Es gibt zumindest Verhaltensdispositionen, wiederkehrende Muster, die entweder gleiches Verhalten eines Individuums im Zeitverlauf (z.B. Gewohnheiten) oder gleich gerichtetes Verhalten mehrerer Individuen zur selben Zeit (Koorientierung) bezeichnen (vgl. Koning / Renckstorf / Wester 2001). Darauf stützen sich alle Klassifizierungen, Systematisierungen und Typologien von Publikum. Dabei ist immer zu beachten, dass Rezipienten-Typen ebenso Verhaltenserwartungen und Normen beschreiben wie tatsächlich beobachtbares Verhalten (vgl. Bratich 2005: 243). Das Publikum ist ein kaum prognostizierbares Phänomen: „a messy and confusing social world of actual audiences” (Ang 1991: 7; vgl. auch Bratich 2005: 243; Bonfadelli 1998: 42). Ein Publikum kann nur existieren im Verhältnis zu einem Ereignis, im Rundfunk also zu einer Sendung44. Oben ist die Dienstleistungseigenschaft von Mediengütern diskutiert worden, die eine Aktivität des Konsumenten zur Verwirklichung des dem Gut inhärenten Nutzenpotenzials erfordert (vgl. Abschnitt 3.2.2). Doch nicht nur die Sendung ist vom Rezi44
Das gilt sogar für den Modus individueller Nutzung, vgl. Suckfüll 2004: 126.
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4 Modelle von Publikumsverhalten
pient abhängig, auch dieser braucht Inhalte, braucht Programme, um sich überhaupt als Medienhandelnder etablieren zu können. Zwar bestehen Interessen und Präferenzen der Rezipienten auch unabhängig von Medienangeboten, aber erst in der Interaktion zwischen Nutzern und Sendung entsteht eine „soziale Gruppe ‚Publikum‘, die empirisch beobachtbar, greif- und erfahrbar wäre.“ (Klaus 1997: 460; vgl. Brunsdon 1989 sowie die Ausführungen zu medien- und rezipientenorientierten Publikumskonstruktionen bei Bonfadelli 1998: 42). Indem auf regelmäßige Nutzungsmuster abgestellt wird – seien sie individuell diachron, sozial synchron oder sozial diachron –, werden diskursiv die Kohärenz und die Sinnhaftigkeit von „Publikum“ erhöht: „das Publikum wird über Konkretisierungen der Medien- und Publikumsforschung zum ‚coin of exchange’.“ (Siegert 1997: 82). Das empirische Publikum, also die Gesamtheit der Rundfunknutzer in einem bestimmten Zeitraum, weist keinerlei Eigenschaften auf, die allen Mitgliedern gemeinsam wäre, eben mit Ausnahme der Tatsache, dass während dieses Zeitraums in ihrer Nähe ein Rundfunkgerät eingeschaltet ist. Darüber hinaus verändert sich, je nach Zeitpunkt, Merkmalen der Sendung und Umfeldmerkmalen die Zusammensetzung und das Aktivitätsniveau der Publikumsmitglieder. Publikum ist daher nicht nur flüchtig, sondern auch fluide. „’Cultures’ do not hold still for their portraits.“ (Clifford 1986: 10) Das Gleiche gilt für Publika. Um überhaupt von dem Publikum sprechen zu können, müssen folglich Flüchtigkeit und Fluidität von Publikumsverhalten bereits diskursiv-konzeptionell reduziert worden sein. Dadurch werden Analysen von Publika und deren Verhalten anfällig für die Bildung von Artefakten: „The audience as such does not actually exist except as idealization.“ (Grossberg / Wartella / Whitney 1998: 208) Die Theorie benennt und erklärt, was sie sehen möchte, nicht die Publikumswirklichkeit. Bratich ist vor diesem Hintergrund darin zuzustimmen, dass die Publikumsforschung ihren Gegenstand stärker als heterogen, als Vielzahl („multitude“), anerkennen muss, um angemessene Theorien generieren zu können (2005: 258-262). Aus diesem Grund können die folgenden Typisierungen auch nur genau das sein: die Darstellung von Typen, häufigen und/oder erwünschten Verhaltensweisen. Die Auswahl an Rezipiententypologien ist dabei groß (vgl. als Übersicht Döbler 2005). Zur Verfügung stehen u.a. die SINUS-Milieus (vgl. Sinus Sociovision 2007: 2-19; AGF 2002: 5-21), Lebensstilmodelle (vgl. Gorgs / Mayer 1999; Bachmair 1996: 267-291; Hawkins / Pingree 1996: 102f. m.w.H.), semiometrische Klassifikationen (vgl. SevenOne Media 2002; TNS Emnid 2000; Griese / Petras 1999) oder die Mediennutzertypologie MNT von ARD und ZDF (vgl. Oehmichen 2007, Oehmichen / Ridder 2003; sowie in Bezug auf Fernsehnutzung Neuwöhner / Schäfer 2007, auf Radionutzung Egger / Windgasse 2007)45. 45
In diesen Modellen entstehen Gruppen in der Regel aus Aggregationen von Konsum- oder Mediennutzungsmustern oder – im Falle der Semiometrie – aus gemeinsamen Beschreibungen von Produkten oder Sendern durch die Konsumenten.
4 Modelle von Publikumsverhalten
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Eine begründete Entscheidung zwischen diesen Typologien zu treffen fiele schwer; zudem neigen alle Modelle dazu, ihre Zuschreibungen und Konstruktionen mit dem „echten“ Publikum zu verwechseln – und zwar umso stärker, je elaborierter das Modell ist (vgl. Meyen 2004: 131). Daher soll hier eine einfache Unterscheidung für die Typenbildung zugrunde gelegt werden, die zugleich die Kuppelprodukt-Eigenschaft von Rundfunk und damit auch die verschiedenen Finanzierungssysteme der Sender abbildet: die Unterscheidung zwischen Bürger und Konsument (vgl. etwa die Gegenüberstellung von audience-as-public vs. audience-as-market bei Ang 1991: 28ff.; analog Stehr 2007: 11; Kiefer 1997: 222; Krotz 1997: 254; Hasebrink 1995: 25). Dabei entspricht der Bürger (Abschnitt 4.1) dem Idealbild des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. In der Konsumentenrolle fallen hingegen zwei verschiedene Ebenen zusammen: der Rezipient als Werbeadressat und als Zielgruppe von Angeboten des Privatrundfunks. Diese beiden Aspekte sollen getrennt werden, so dass zwei weitere Typen entstehen: der Konsument (Abschnitt 4.2) als Wunschzielgruppe der Werbewirtschaft und der Mediennutzer (Abschnitt 4.3) als prototypischer Rezipient von privaten Programmen. In diesen drei Typen sollen drei Aspekte der Rundfunknutzung und -nutzertypen herausgearbeitet werden: Informations- vs. Unterhaltungsorientierung als Pole der Dimension Programmpräferenzen (vgl. Meyen 2004: 134f.; Berg / Kiefer 1996: 111; Katz 1977: 361-363) Werbevermeidung vs. Werbeakzeptanz als Pole der Dimension Konsumneigung Aktivität vs. Passivität als Pole der Dimension Selektivität (vgl. Suckfüll 2004: 27, 42ff.; Schenk 2000: 74-76; Hasebrink 1999: 68) In die drei Typen fließen darüber hinaus auch Vorstellungen von der gesellschaftlichen Funktion von Medien ein (vgl. als Überblick die Beiträge in Schwarzkopf 1999). Diese werden unter den spezifischen Vorzeichen der jeweiligen Rollen diskutiert (Abschnitte 4.1.1, 4.2.2, 4.3.3). Es ist noch einmal zu betonen: Diese Typen bilden die Verhaltenswirklichkeit der Summe der Rezipienten weder lückenlos noch verzerrungsfrei ab. Sie stellen vielmehr Verhaltenspole dar, d.h. Überzeichnungen von Dispositionen und Verhaltenstendenzen. Allein durch die Segmentierung einer Gesellschaft in Gruppen oder Milieus erhält man noch keine homogenen Untersuchungseinheiten. Denn auch der einzelne Rezipient hat vielfältige Bedürfnisse, Wünsche und Interessen, so dass schon auf der individuellen Ebene heterogene Nutzungen beobachtbar sind (vgl. Hasebrink 1995a: 44f.).
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4 Modelle von Publikumsverhalten
4.1 Politisches Subjekt: Bürger 4.1.1 Gesellschaftliche Funktionen des Rundfunks Die Konzeption von Publikum als Bürger, als Mitglied der politischen Gemeinschaft, ist in der einschlägigen Literatur prominent (vgl. etwa Ang 1991: 28ff.; Kiefer 1997: 224f.). „Ich sehe nicht, daß man eine gute Begründung für demokratische Institutionen insgesamt wie für die Medien im speziellen ins Feld führen kann, [...] die nicht auf die Bürger als letzte Instanz der Entscheidung und Legitimation zurückgreifen.“ (Gerhards 1998: 38) An ungezählten Stellen wird die herausragende Bedeutung von Massenmedien für das Funktionieren demokratischer Gesellschaften betont (vgl. van Cuilenburg / McQuail 2003: 193 m.w.H.; Bundesverfassungsgericht 1994: 87; vgl. auch Jarass / Pieroth 2002: Rn 27f.; Münch 1991), da in großen Gesellschaften erst Medien freie Meinungs- und Willensbildungsprozesse und damit tatsächlich souveräne Entscheidungen des Volkes möglich machen. Meinungs- und Willensbildung setzt Information über die relevanten politischen Vorgänge voraus, und eben hierin liegt aus dieser Sicht die Kernaufgabe der Medien: Der Bürger muss informiert werden46. Die Erfahrungen mit Zensur und zahlreichen, mehr oder minder subtilen, Formen der Manipulation von Meinungs- und Willensbildung haben dazu geführt, dass der Informationsauftrag der Medien formal ausgestaltet wurde: Die Berichterstattung soll wahrheitsgemäß, objektiv oder zumindest intersubjektiv, ausgewogen und vielfältig sein (§ 11 Abs. 3 RStV für den öffentlich-rechtlichen sowie §§ 25 Abs. 1, 32 Abs. 1, 41 RStV für den privaten Rundfunk; vgl. ARD 2007; Hiegemann 1992: 66). Es ist zu betonen, dass diese Anforderungen (nur) an das Mediensystem insgesamt gestellt werden: Parallel zur Vervielfältigung der verfügbaren Medien, sowohl im Print- als auch im elektronischen Bereich, gab die Medienpolitik und das Bundesverfassungsgericht als deren bisweilen profiliertester Akteur das Paradigma des Binnenpluralismus zugunsten des Außenpluralismus auf47. Seit der Entscheidung von 46
„Für die Beurteilung der Meinungsvielfalt sind grundsätzlich alle Inhalte relevant: Seit dem 1. Rundfunkurteil vertritt das Bundesverfassungsgericht die Auffassung, daß die Rundfunkfreiheit nicht nur politische Informationssendungen, sondern auch Beratungs-, Bildungs- und Unterhaltungssendungen und damit sämtliche Sendungen, mit Ausnahme des Störungssignals umfaßt. Man könnte dies die ‚Theorie der totalen Meinungsrelevanz‘ nennen.“ (Castendyk 1996: 63) 47 Hierzu merkt Kepplinger mit Bezug auf eine Befragung unter Mitgliedern der Rundfunkräte und des Fernsehrates an, dass auch im öffentlich-rechtlichen System Pluralismus nicht garantiert ist: „Die Formulierung von Programmgrundsätzen und die Programmaufsicht durch Räte bietet nach Ansicht der Räte keine hinreichende Gewähr für die Meinungsvielfalt der Programmangebote (Binnenpluralismus).“ (1996: 34) Zum Außenpluralismus äußert er sich jedoch ebenfalls skeptisch: „Die Konkurrenz zwischen Medien führt zu Sparten- und zu Meinungsvielfalt (Außenpluralismus). Allerdings ist auch die Konkurrenz keine Garantie für Meinungsvielfalt in jedem Einzelfall.“ (ebd.: 36).
4.1 Politisches Subjekt: Bürger
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1981 sollen alle wichtigen Positionen zu einem Thema in den Medien vertreten sein; ein einzelnes Organ muss aber nicht vollständig neutral bleiben (vgl. Bundesverfassungsgericht 1981: 325; Bundesverfassungsgericht 1986: 157; dazu auch Hermann 1994: 90; Frank 1987). Damit sich der Bürger informieren kann, muss aber nicht nur ein vielfältiges und ausgewogenes Angebot bestehen, es muss auch verfügbar sein: Der freie Zugang zu Medienerzeugnissen ist ein Gebot, das sich aus der politischen Funktion von Medien ableitet. Hier liegt auch eine mögliche Grenze für einen vollständig entgeltfinanzierten Rundfunk: Durch Gebühren darf niemandem der Zugang zur Berichterstattung über gesellschaftlich relevante Ereignisse verwehrt werden. Da dies sowohl für Rezipienten als auch für Sender gilt, ergeben sich z.B. die Möglichkeiten, bei niedrigem Einkommen von der Rundfunkgebühr befreit zu werden, oder das Recht der öffentlich-rechtlichen Anstalten, Ausschnitte aus Fußballländerspielen zu übertragen, ohne dass sie hierfür Übertragungsrechte erwerben müssen.
4.1.2 Ansprüche des Bürger-Rezipienten Mit diesem Funktionsverständnis von Medien korrespondiert das Bild vom BürgerRezipienten48. Als Bürger interessiert sich der Medienhandelnde demnach zuvorderst für Informationsprogramme, und in dieser Kategorie genießt wiederum politische Information seine höchste Wertschätzung. Allerdings geht das Konzept des Bürgers über die politische Sphäre hinaus: Die Beteiligung an oder mindestens Kenntnisnahme von gesellschaftlich bedeutsamen Ereignissen umfasst auch Fußball, Formel 1 und Tennis, Tatort und „Wetten dass…?“, Volksmusik und ab und zu eine Telenovela – um auf dem Laufenden zu bleiben. In dieser Aufzählung scheinen auch die Grenzen des Bürger-Konzepts durch: Die Medien, allen voran das Leitmedium Fernsehen, vertreiben massentaugliche Angebote, sie müssen das tun. Das bedeutet, dass die Inhalte, die uns dort geboten werden, durch diese Produktionslogik per se von gesellschaftlicher Bedeutung sind. „Big Brother“ oder „Deutschland sucht den Superstar“ sind nicht aus sich heraus gesellschaftlich relevant, aber sie werden es durch die Skandalisierung und gesellschaftliche Auseinandersetzung oder schlicht – wie bei „Wer wird Millionär?“ – durch die massenhafte Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wird. Dass dennoch nicht alle Fernsehsendungen49 von so vielen Menschen gesehen bzw. in anderen Medien diskutiert werden, 48
In der MedienNutzerTypologie (MNT) von ARD und ZDF können die Gruppen „Moderne Kulturorientierte“, „Vielseitig Interessierte“ und „Kulturorientierte Traditionelle“ als Bürger-Rezipienten gelten (vgl. Oehmichen 2007: 228). In Typologien, die Informations- von Unterhaltungsorientierung unterscheiden (z.B. Berg / Ridder 2002: 94-109), ist der Bürger der Gruppe der Informationsorientierten zuzurechnen. 49 Als das Radio noch den Status des Leitmediums beanspruchen konnte, galt das analog. Das öffentliche Aufmerksamkeits- und Skandalpotenzial des Radios scheint jedoch inzwischen ausgeschöpft zu sein.
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4 Modelle von Publikumsverhalten
zeigt, dass es Mechanismen gibt, die Medieninhalte erst zu einem gesellschaftlichen Ereignis oder Skandalon machen. Der typische Bürger-Rezipient hat keine ausgeprägte Senderpräferenz, da er sich vieler verschiedener Quellen bedient, um sich zu informieren. Allerdings ist Rundfunk für ihn ohnehin nur zweite Wahl, wenn es um die Teilhabe am politischen Geschehen geht: Er bevorzugt die Zeitung als Informationsquelle (vgl. Meyen 2004: 134). Des Weiteren hält er die Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks tendenziell für besser als die Angebote der Privatsender (vgl. Oehmichen 2007: 231f.). In seiner Rolle als Bürger investiert der Rezipient vergleichsweise wenig Zeit, aber viel Aufmerksamkeit in die Rundfunknutzung: Er wählt streng und bewusst diejenigen Angebote aus, die einen hohen (Informations-)Nutzen versprechen und versucht dieses Nutzenniveau durch exklusive, aufmerksame Rezeption zu erreichen. Diese Nutzungsform macht den Bürger auch für die Werbetreibenden außerordentlich attraktiv: Zum einen kann er spezifisch mit Spots in wenigen Sendeplätzen erreicht werden, so dass Streuverluste gering sind. Zum anderen erhöht seine aufmerksame Nutzung die Erinnerungswahrscheinlichkeit von Werbung und damit deren potenziellen Erfolg. Allerdings wirkt sich die Kuppeleigenschaft von Sendungen mit Werbung zu Lasten von Werbeerfolg bei den Bürger-Rezipienten aus. Denn dieser interessiert sich in erster Linie für die Sendung selbst, während Werbung als lästig empfunden wird. Dies verstärkt die Präferenz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, da hier insgesamt deutlich weniger Werbeunterbrechungen in Kauf genommen werden müssen. Für diesen hochselektiven und sehr aufmerksamen Typ von Rezipienten müssen Medien hauptsächlich Informationen und Analysen bereitstellen, auf deren Grundlage er sich eine eigene Meinung bilden kann. Wertungen und Kommentare schätzt dieser Typus daher weniger, wenn sie sich nicht auf starke Argumentationen stützen. Journalisten sollen den Staat überwachen (Kontrollfunktion der Medien), ohne aber stellvertretend für den Bürger gegenüber dem Staat tätig zu werden. Die Macht der Medien als vierte Gewalt wird also durch die Souveränität und Initiative des Bürgers begrenzt.
4.1.3 Medien als Forum für den Bürger Die Beschränkung im Einfluss der Medien verweist auf das letzte zentrale Merkmal des Rezipienten als Bürger: Er äußert sich selbst in den Medien, um seine Position im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu vertreten (vgl. Bleicher 2006: 34). Die unmittelbare Artikulation von Meinungen und Interessen im Rundfunk durch den Bürger nimmt mit der Größe des Sendegebietes ab. Daher wird der Rezipient als Bürger im regionalen und lokalen Bereich besonders wichtig. Im Lokalradio, Bürgerfernsehen und offenen Kanälen erhält der
4.2 Objekt des Wirtschaftskreislaufs: Konsument
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politisch Aktive eine Plattform, die direkt auf die ihn umgebende politische Sphäre rückbezogen ist. Insbesondere im Lokalrundfunk behält sich das Publikum vor, die Medienfunktion der Artikulation und Gestaltung der gesellschaftlichen Agenda – zumindest teilweise – selbst zu erfüllen. Und auch im überregionalen Rundfunk meldet sich der Rezipient als Bürger zu Wort. Was der Leserbrief für die Zeitung, das ist das Hörer- oder Zuschauertelefon bzw. die E-mail für den Rundfunk. Darüber hinaus gewinnen Call Media-Dienste an Bedeutung. Hierunter sind Sendungen zu verstehen, deren Verlauf die Rezipienten durch Anrufe beeinflussen können. Die wichtigsten Varianten sind Gewinnspiele und Abstimmungen (vgl. Abschnitte 3.3.3.3 und 5.2.2.1). Die vom Publikum selbst ausgehenden Kommunikationen mit den Sendern hingegen decken ein breites thematisches Spektrum ab: Von Autogramm- und – im Radio – Musikwünschen über Bestellung von Merchandising-Artikeln bis hin zu Kommentaren zu oder Beschwerden über Sendungen reichen die Impulse der Rezipienten. Auch formal und strukturell bestehen keine Beschränkungen, so dass der einzelne Rezipient seine Anliegen differenziert darstellen kann. Mit Jugendschutzbeauftragten, Ombudsstellen oder audience relations-Abteilungen alleine ist indes dem Artikulationsbedürfnis des Bürger-Rezipienten noch nicht genüge getan. Damit das Publikum die Möglichkeit hat, selbst im Rundfunk zu Wort zu kommen, müssen die Anregungen, die in Zuhörer- und Zuschauerredaktionen gesammelt werden, bei der weiteren Programmgestaltung berücksichtigt werden. Dies ist bei überregionalen Sendern naturgemäß ein längerfristiger Prozess, in dem nur Interessen berücksichtigt werden können, die von einer Vielzahl von Rezipienten geäußert worden sind. Hier stellt sich für die Sender das Problem einzuschätzen, inwieweit die Anrufe und EMails zugleich auch die schweigende Mehrheit des Publikums repräsentieren. Hierauf wird in den Abschnitten 5.2.2.3.1 und 6.2.1.3 näher einzugehen sein.
4.2 Objekt des Wirtschaftskreislaufs: Konsument Rezipienten als Konsumenten zu begreifen ist in der Geschichte des Rundfunks in Deutschland eine jüngere Entwicklungsstufe. Sie setzt parallel mit der Etablierung des dualen Systems ein, da die Zulassung von privaten Rundfunkbetreibern die ökonomischen Dimensionen des Rundfunks deutlicher werden ließ. Die Betrachtungsweise von Rundfunknutzern als Kunden hat jedoch seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts rasch an Popularität gewonnen, auch im wissenschaftlichen Diskurs (vgl. Hasebrink 1995: 40; Schulz 2006: 183; Kiefer 1997: 222).
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4 Modelle von Publikumsverhalten
Mit dem politisch motivierten Bürger hat der ökonomisch gesteuerte Konsument gemeinsam, dass sein Mediennutzungsverhalten zuvorderst von außermedialen Faktoren abhängt. Medien werden von ihm als Instrument zur Freizeitgestaltung einerseits und als Quelle für relevante Informationen andererseits betrachtet (vgl. Blödorn / Gerhards / Klingler 2000: 57). In diesen Funktionen konkurrieren sie permanent mit alternativen Methoden und Kanälen. Insofern ist der ökonomisch handelnde Rezipient ähnlich wählerisch wie der politisch motivierte: Er ist zunächst kaum an bestimmte Sendungen oder Formate gebunden und bereit, sofort auf Rundfunk zu verzichten, sofern seine (Informations- und Freizeit)Bedürfnisse durch zwischenmenschliche Kommunikation, andere Medien oder andere Tätigkeiten besser befriedigt werden können. Der Unterschied zwischen dem Rezipienten als Bürger und als Konsument ist weniger offensichtlich, als die ideologisch beeindruckte Debatte um Ökonomisierung glauben macht. So ließe sich argumentieren, auch das zoon politicon handele nach ökonomischem Kalkül, da es durch politische Gestaltung seine eigene Situation zu verbessern suche. Umgekehrt lassen sich auch für den Konsumenten politische Ziele nachzeichnen, wenn dieser ein Politmagazin hört oder sieht, weil das politische Geschehen direkt in sein Leben hineinwirkt. Während aber für den politische Bürger die Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs und die Mitwirkung in der politischen Arena die obersten Ziele verkörpern, ist das Handeln des Konsumenten letztlich auf die individuelle Nutzenmaximierung gerichtet (vgl. Heinrich 2002: 497). Daraus folgt eine stärkere Kostensensibilität des Verbrauchers im Vergleich zum Bürger: Dieser will sich informieren und seine eigenen Positionen artikulieren, jener nur unter der Bedingung, dass sich der Aufwand, den er hierfür betreiben muss, rentiert. Das bedeutet, dass der Bürger Sendungen sucht, die möglichst umfassend, genau und wahrheitsgemäß über das gesellschaftliche Leben informieren. Im Unterschied dazu spielt es für den Konsumenten eine stärkere Rolle, dass die Sendung zu einer für ihn angenehmen Zeit ausgestrahlt wird, dass sie gut verständlich ist etc. – kurz, dass seine mit der Rezeption verbundenen Kosten möglichst gering bleiben.
4.2.1 Programmpräferenzen des Konsumenten-Rezipienten Die Beachtung dieser Kosten – insbesondere auch der nicht-monetären – bewirkt, dass der Rundfunk-Konsument Sendungen und Formate auswählt, die wenig Aufmerksamkeit erfordern. Daraus ergibt sich eine Präferenz für Spiel- und Talkshows sowie Serien50. Bei diesen 50
Im Fernsehen geht die Unterhaltungspräferenz des Konsumenten mit einer höheren Bindung an das Medium insgesamt einher. Umgekehrt werden bei geringerer Bindung an das Fernsehen Informationssendungen bevorzugt (vgl. Wegener 2001: 96; Zubayr 1996: 112). Dabei sind jedoch zwei Arten von Unterhaltung zu unterscheiden: Ein „Unterhaltungsformat“ ist nicht dasselbe wie die Unterhaltungsfunktion als Rezeptionsmotiv.
4.2 Objekt des Wirtschaftskreislaufs: Konsument
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Formaten erleichtert die gleich bleibende Struktur das Verstehen und Verfolgen der Handlung / des Sendungsverlaufs. Außerdem sind Sendungen dieser Typen vergleichsweise kurz, so dass auch die Zeitinvestition überschaubar bleibt – im Unterschied etwa zu Spielfilmen oder Hörspielen und Sportübertragungen. Diese nutzt der Rundfunk-Kunde nur, wenn der erwartete Nutzen die Zeit- und Aufmerksamkeitsinvestition übersteigt. Ein solcher positiver Ertrag tritt regelmäßig dann auf, wenn durch vertraute Konventionen, z.B. eines Genres, die erforderliche Aufmerksamkeit gering bleibt. Daraus erklärt sich eine stabile Präferenz für eine geringe Anzahl von Genres und Formaten, da das Erlernen der Strukturen und Schemata neuer Formate mit erhöhtem Aufwand verbunden ist. Das Kostenkalkül ist verantwortlich für das Stereotyp der couch potato: Der Konsument hört Radio und sieht fern, um abzuschalten, sich berieseln zu lassen, zu entspannen. Er erwartet keinen hohen Nutzen, sondern ist mit allem zufrieden, was nicht zu anspruchsvoll ist (vgl. Wegener 2001: 98). Doch der Kunde ist mehr als eine couch potato. So nutzt er grundsätzlich auch Sendungen, die mehr Zeit und / oder Aufmerksamkeit erfordern, sofern er dadurch auch einen erhöhten Nutzen erzielen kann. Beispielsweise kommen Verbraucher- und Ratgebersendungen, etwa WISO, Deko-Soaps oder Do-it-yourself-Sendungen dem Bedürfnis entgegen, sich über Themen zu informieren, die in der außermedialen Umwelt wichtig sind. Der Rundfunk hilft in diesen Bereichen bei der Bewältigung des Alltags, indem er Informationen bereitstellt, die Handlungs- und Konsumentscheidungen ermöglichen. Radionutzung unterscheidet sich in zentralen Aspekten von der Fernsehnutzung. So findet Fernsehrezeption (noch) überwiegend zu Hause statt, und es wird meist nur ein Empfangsgerät genutzt51. Demgegenüber hängen die Präferenzen für Radiostationen wesentlich davon ab, wo Radio gehört wird. Auf dem Wecker ist ein anderer Sender eingestellt als im Auto, im Büro läuft nebenbei Berieselung, und im Wohnzimmer hört man am Abend manchmal ein Hörspiel (vgl. Oehmichen 2001: 134; Weiß / Hasebrink 1995). Im Radio machen Service-Orientierung und die alltagskompatible Vermark(t)ung (z.B. durch Clubs und von den Sendern organisierte Events) die Programme und die Zusatzangebote für den Hörer-Konsumenten in zweierlei Hinsicht attraktiver: Der Zuschnitt auf kurze
Rezipienten beziehen Unterhaltungs-Gratifikationen sowohl aus „Informations-“ als auch aus „Unterhaltungs-“ Sendungen (vgl. Trepte / Zapfe / Sudhoff 2001). Dabei sind diejenigen, die sich von einer Sendung unterhalten fühlen, auch aufmerksamer und interessierter als die übrigen Nutzer (vgl. Vorderer 2003: 115f.). Die „Unterhaltungs“-Präferenz von Konsumenten ist somit eine Formatpräferenz, keine Beschreibung dominanter Nutzungsmotive. 51 Dies gilt für jeden einzelnen Rezipienten. Durch die Mehrfachausstattung von Haushalten mit Fernsehgeräten ist zwar die Fernsehhaushaltsgemeinschaft individualisiert worden: Jeder kann jetzt sehen, was er will (Seit 1980 ist die Zahl der Haushalte mit mehr als einem Fernsehgerät um 18 Prozent auf 45 Prozent gestiegen, vgl. van Eimeren / Ridder 2005: 492). Nach wie vor bleibt jedes Fernsehgerät aber an einem festen Ort, und jedes Haushaltsmitglied hat sein Gerät.
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4 Modelle von Publikumsverhalten
und wenig intensive Aufmerksamkeitsspannen senkt die Kosten der Nutzung – das erklärt die äußerst verbreitete Nebenbeinutzung von Radioprogrammen; und Nähe und Relevanz der Sender, auch über das Programm hinaus, maximieren den Nutzen des Hörers.
4.2.2 Konsument alsWerbeadressat Den Rezipienten als Verbraucher zu betrachten hat noch weitere, anders gelagerte Implikationen. Dieses Bild verweist auf die Stellung des Rezipienten in anderen Teilen des Wirtschaftskreislaufs und damit auf die Rolle der Werbung im Rundfunk. Verschiedene Autoren behaupten bezüglich des FTA-Rundfunks, die wesentliche Tätigkeit der Sender bestehe nicht darin, einem Publikum ein Programm zur Verfügung zu stellen, sondern darin, ein Publikum für die Werbeindustrie zu „produzieren“ (vgl. Sjurts 2004: 172f.; Kiefer 2003: 253; Kiefer 1997: 222ff.; Heinrich 2002: 277f.; Owen / Wildman 1992: 3). Aus Sicht privater Sender ist tatsächlich mit der Ausstrahlung eines Programms der Zweck ihres Wirtschaftens noch nicht erreicht; sie können ihre Kosten erst durch die Auswertung der Rezipientendaten und Vermarktung der Ergebnisse auf dem Werbemarkt refinanzieren. Es bleibt aber die Frage offen, warum der Rezipient in diesem Szenario Rundfunk einschaltet. In seiner Rolle als Objekt des Wirtschaftskreislaufs wäre das wichtigste Element von Rundfunk die Werbung, da diese ihm konsumrelevante Informationen anbietet. In mehreren Studien ist gezeigt worden, dass Werbung Informations- und Orientierungsfunktionen für anschließende Konsumentscheidungen hat (vgl. Kroeber-Riel / Weinberg 2003: 604-610; Arbeitsgruppe Werbung 2001: 5; Kaas 1990: 498). Dieser eigenständige Wert von Werbung für den Rezipienten erklärt, warum Dauerwerbe- und Teleshoppingsendungen überhaupt ein Publikum haben. Läge jedoch tatsächlich aus Sicht des Rezipienten der Hauptanreiz für die Rundfunknutzung in der Werbung, so wäre zu erwarten, dass der Konsument das Programm eher als Störung empfindet, so dass – wo noch nicht geschehen – die Sender in Reaktion auf die Publikumswünsche die Werbezeit zu Lasten des eigenen Programms ausdehnen müssten. Obwohl tatsächlich die großen Fernseh- und Radiosender den gesetzlichen Rahmen für Werbung mit Ausnahme von extrem schwach frequentierten Sendezeiten (zwischen zwei und fünf Uhr morgens) ausreizen, ist dies weniger als Beleg für ein Entgegenkommen an die Konsumenten zu werten, denn als möglichst effektive Auswertung der verfügbaren Finanzquellen. Die übliche Sichtweise auf das Verhältnis von Werbung und Programm ist ohnehin fast diametral umgekehrt: 90 Prozent der Fernsehzuschauer empfinden Werbung als Störung im Programm (vgl. Arbeitsgruppe Werbung 2001: 8; Gehrau 1999). „Man zappt, um dem Werbeblock zu entkommen. Der Werbeblock ist das Jucken des Fernsehens.“ (Martenstein
4.2 Objekt des Wirtschaftskreislaufs: Konsument
89
2004: 1) Das Primärziel der Rundfunknutzung liegt also auf der Ebene der Programmangebote, und Werbung beeinträchtigt oder – im Extremfall – verhindert die Erreichung dieses Ziels. Damit bedarf aber der obige Befund, dass gleichzeitig die Mehrheit der Rezipienten Werbung befürwortet52, weiterer Erklärung. Des Weiteren wäre zu erwarten, dass auf längere Sicht reine Teleshopping-Kanäle den etablierten Programmen den Rang ablaufen. Indes nimmt die Zahl der Teleshopping-Sender nicht schneller zu als die von Sendern mit eigenem Programm, und die Publikumsgröße rein kommerzieller Sendeformen stagniert auf sehr geringem Niveau: In den Standardauswertungen zur Fernsehnutzung erreicht kein Shopping-Kanal regelmäßig auch nur ein Prozent der Zuschauer (vgl. Zubayr / Gerhard 2007: 190f.). Daraus ist zu schlussfolgern, dass sich auch die Konsumentenrolle des Rezipienten nicht in der Sammlung von Werbeinformationen erschöpft. Auch als Endadressat des Wirtschaftskreislaufs müssen für den Rezipienten Anreize existieren, das Programm zu nutzen. Beides ist richtig: Die meisten Rundfunknutzer würden das Programm lieber werbefrei sehen, sprechen aber Werbung positive Funktionen zu, auch für sich selbst. Ein Missverhältnis entsteht somit erst durch die Kopplung der beiden Formen. Immer ist Werbung eine Unterbrechung des Programms, und da andererseits das Programm noch immer 80 Prozent der Sendezeit ausmacht, wäre es unsinnig, wegen Werbung – und sei sie noch so interessant oder unterhaltsam – gezielt Radio oder Fernseher einzuschalten. Fast ausschließlich das Programm entscheidet über das Einschalten bzw. Beibehalten eines Senders (vgl. Jäckel 1993: 98f.). Werbung beeinflusst nur das Um- oder Abschalten (vgl. Peters 2003: 62f.; Niemeyer / Czycholl 1994: 61, 246). Demzufolge ist Werbung ein Negativanreiz für die Programmnutzung, der während der Rezeption mit dem aus dieser erzielten Nutzen diskontiert wird. Es ist also zu erwarten, dass bei Sendungen, die ein hohes Nutzenpotenzial haben, Werbung eher toleriert wird als in Sendungen, die mit geringeren Kosten für Zeit und Aufmerksamkeit genutzt werden können. Unterschreitet jedoch die Investition in die Rezeption eine bestimmte Schwelle, so fallen Programm und Werbung zu einer weitgehend unterschiedslosen Berieselungsmatte zusammen. Bei sog. low-involvement-Angeboten ist somit von einer geringeren werbebedingten Programmabwanderung zu rechnen53. Folglich findet werbebedingte Abwanderung von Rezipienten ganz überwiegend bei Sendungen mit mittlerem Nutzenpotenzial statt.
52
In der Studie zur Werbeakzeptanz bejahten 59 Prozent der Befragten die Aussage, „Werbung hält mich über Neues auf dem Laufenden.“ (vgl. Arbeitsgruppe Werbung 2001: 6). 53 In dieser Arbeit bezeichnet Involvement das Maß für kognitive und affektive Beteiligung an einer Tätigkeit (wobei die kognitive Komponente als Aufmerksamkeit bezeichnet wird) (vgl. Donnerstag 1996: 34f. sowie Abschnitt 2.2.2.2). Im Unterschied hierzu bestehen Interessen grundsätzlich unabhängig von ihrem Gegenstand, vgl. Abschnitt 5.1.2.
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4 Modelle von Publikumsverhalten
Oberhalb dieses Segments wird die Störung durch Werbung so groß, dass der Rezipient abschaltet; unterhalb kommt es dem Rezipienten kaum noch auf die Art der Berieselung an. Dass bei der Rundfunkrezeption verschiedene Kosten- und Nutzenarten diskontiert werden, kann also so gedeutet werden, dass der Durchschnittskonsument von Rundfunk Werbung toleriert, damit das Programm monetär „kostenlos“ bleibt. Daraus folgt, dass so lange Werbung akzeptiert wird, wie der Nutzen des „freien“ Programms den Nutzenentgang durch Werbung übersteigt. Diese Grenze wird jedoch nicht durch Marktmechanismen gesteuert: Bislang hat kein Rezipient die Freiheit, eine Sendung mit mehr oder weniger Werbung zu hören bzw. sehen und im Ausgleich die Nutzung mit Geld zu bezahlen. Allerdings kann das Ausmaß der Nutzenbeeinträchtigung durch Werbung ungefähr ermessen werden, wenn der Systemwettbewerb von FTA- und Bezahlsendern berücksichtigt wird. Da die wesentlichen Argumente für die Nutzung von Bezahlsendern in exklusiven Inhalten und Werbefreiheit liegen (vgl. Woldt 2002: 536; Schenk / Stark / Döbler / Mühlenfeld 2001: 233; Zimmer 1996 sowie zu Bezahlradio Breunig 1996), gibt das Verhältnis der Publikumsgrößen zwischen Bezahl- und FTA-Sendern Einblick in den damit verbundenen Nutzenzuwachs. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern hat sich Bezahlfernsehen in Deutschland noch immer nicht in einer breiten Öffentlichkeit durchgesetzt: Premiere hat zwar 3,4 Millionen AbonnentenHaushalten, doch erreichen diese nur einen Marktanteil von 2,1 Prozent der Fernsehnutzung (vgl. Premiere 2007; Premiere 2007a; Woldt 2002: 540). Das bedeutet, dass entweder das frei empfangbare Programm nicht deutlich schlechter bewertet wird als die kostenpflichtigen Programme oder dass die Nutzeneinbußen durch Werbung sehr gering sind oder beides. In dieser Gleichung scheint der Werbeumfang nur eine kleine Rolle zu spielen, denn die Bestimmungen zur Sendung von Werbung sind europaweit ähnlich geregelt, da die entsprechenden Gesetze und Bestimmungen alle die europäische Fernsehrichtlinie umsetzen (vgl. Kleist 2006; Heinrich 2002: 110; Europäische Gemeinschaft 1989 sowie die Änderungen durch Europäische Union 1997). Die stärkere Erklärung für die Differenzen im Gewicht von Bezahlsendern im europäischen Vergleich bieten also Programmunterschiede, genauer Qualitätsunterschiede zwischen Bezahl- und freien Programmen zugunsten der kostenpflichtigen Programme. Es kann also festgehalten werden, dass Werbung für die Programmwahl eine deutlich untergeordnete Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund verwundert es zunächst, warum die privaten FTA-Sender so viel Energie darauf verwenden, die Kopplung von Programm und Werbung aufrechtzuerhalten; immerhin sind sie auch juristisch verschiedentlich gegen Apparate und Programme vorgegangen, die die Umgehung von Werbung ermöglichen (vgl. Busch 2004; BGH 2004). Die Erklärung hierfür ist allerdings einfach: Zwar spielt Werbung auf dem Publikumsmarkt fast keine Rolle für den Erfolg eines Senders im Vergleich zu sei-
4.2 Objekt des Wirtschaftskreislaufs: Konsument
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nen Wettbewerbern. Aber wenn die Rezipienten mit einfachen Mitteln Werbung insgesamt umgehen können, beeinträchtigt dies empfindlich die Refinanzierungsmöglichkeiten der Sender auf dem Werbemarkt. Daher sind die Sender gezwungen, den Rezipienten Einschränkungen in der Nutzungsfreiheit aufzuerlegen, um ihnen ein kostenfreies Programm bieten zu können. Weder Sender noch Publikum können mit dieser Konstellation glücklich sein: Die Rezipienten müssen Werbung erdulden, die sie in direkter Verbindung mit dem Programm nicht mögen, die Sender geraten in finanzielle Abhängigkeit von den Werbetreibenden, was sie zugleich anfällig für rundfunk-exogene Marktturbulenzen macht. Beide Seiten tragen dieses System nur deshalb und auch nur so lange mit, wie es keine attraktiveren Alternativen gibt. Wie Alternativen oder zumindest Modifikationen aussehen könnten, ist Gegenstand des Kapitels 6.
4.2.3 Ansprüche desVerbrauchers Die Konsumentenrolle bezieht sich auf zwei verschiedene Prozesse: Der Rezipient ist zum einen Kunde der Rundfunkunternehmen, zum anderen (potenzieller) Verbraucher von Industriegütern, für die im Rundfunk geworben wird. Soweit sich der traditionelle Verbraucherschutz mit dem Rundfunk beschäftigt, vertritt er die Verbraucherinteressen im zweiten Sinne. Problematische Aspekte rühren dann entweder von einer Vermischung von redaktionellen und werblichen Inhalten her (Product Placement, PR- bzw. Werbeumfeld-Journalismus, bestimmte Formen des Sponsoring – vgl. Heinrich 2002: 44f.; Heinrich 2001: 192) oder von der problematischen Gestaltung von Werbung (z.B. Irreführung). Die publizistischen Angebote im Rundfunk sind weniger Gegenstand von Verbraucherschutz als vielmehr dessen Hilfsmittel: So können Ratgebersendungen gerade Informations- oder Kenntnisdefizite der Verbraucher beheben. Dementsprechend gestaltet sich Medienverbraucherschutz zunächst als Verbraucherschutz für traditionellen Handel, der Medien als Vertriebskanal verwendet. Das heißt, dass Werbung und Shopping-Sendungen der primäre Beobachtungsgegenstand der Verbraucherschützer sind. Zugleich ist der Rezipient als Kunde auch in Bezug auf die publizistische Seite von Rundfunk schutzbedürftig – doch dieser Aspekt wird von Verbraucherschutzverbänden zur Zeit fast gar nicht berücksichtigt. „Fernsehen ist [aus Sicht der Verbraucherschutzorganisationen] kein Produkt, über das der Verbraucher aufgeklärt und informiert werden müßte.“ (Hasebrink 1995: 36) So wie der Gesetzgeber einem Verkäufer in anderen Branchen bestimmte Vertragsmodalitäten als Mindeststandard auferlegt, weil der Verbraucher ihm gegenüber strukturell unterlegen ist, sollte aber ein bestimmtes Niveau der Berichterstattung ebenfalls garantiert
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4 Modelle von Publikumsverhalten
werden, damit der Rezipient sich unvoreingenommen ein Urteil über die dargestellten Sachverhalte bilden kann. Hier berühren sich die Ansprüche des Konsumenten-Rezipienten und des Bürger-Rezipienten.
4.2.4 Kundenorientierung in verschiedenen Rundfunkregimes 4.2.4.1
Erstjustierung des Marktes
Die Entwicklung der Publikumsgrößen im Vergleich zwischen privaten und öffentlichrechtlichen Sendern verleitet auf den ersten Blick zu der Annahme, die privaten Programme seien durchgängig attraktiver als die öffentlich-rechtliche Konkurrenz: Seit 1984 steigen die Marktanteile der Privaten zu Lasten der ARD-Anstalten und des ZDF (vgl. Buß / Darschin 2004: 23). Liest man diesen Verlauf als Indikator für die Übereinstimmung des Programms mit den Interessen der Rezipienten, so wäre bisher die Werbeorientierung der Privatanbieter anscheinend nicht so dominant gewesen, dass das öffentlich-rechtliche Programm den Publikumsinteressen besser entspricht. Die Penetration der Privatsender stellt jedoch eine Erstjustierung des Marktes dar. Dass die Nutzung von Privatsendern nicht vollständig durch steigende Nutzungszeiten insgesamt abgedeckt wird, sondern sie stattdessen teilweise zu Lasten der öffentlich-rechtlichen Programme gehen würde, war erwartbar. Daher könnte auch ein gebremstes Wachstum der Publika von Privatprogrammen schon Indiz für sinkende Attraktivität dieser Angebote sein. Seit 2000 bleibt tatsächlich das Verhältnis der Marktanteile zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern weitgehend konstant54. Doch ab welchem Zeitpunkt in der gut zwanzigjährigen Geschichte des dualen Systems lässt sich die Annahme rechtfertigen, dass spätere Verschiebungen auf Änderungen von Angebot und Nachfrage zurückzuführen sind und nicht mehr auf eine neue Marktstruktur? Um diese Frage zu beantworten, muss bekannt sein, wie stark der Durchschnittsrezipient einem Sender treu bleibt und wann sich Senderpräferenzen ausprägen. Die beiden Faktoren haben maßgeblichen Einfluss darauf, welcher Anteil des Gesamtpublikums einen Programmwechsel in Betracht zieht bzw. wie hoch bei jedem einzelnen Rezipienten die Wahrscheinlichkeit für einen Programmwechsel ist. Sowohl eine Betrachtung individueller Programmwahl als auch des Gesamtpublikums muss dabei über einen längeren Zeitraum aggregiert sein, damit sich saisonale Schwankungen ausgleichen können. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, in 54
So halten die öffentlich-rechtlichen Sender zusammen einen Marktanteil von ca. 40%. Verschiebungen finden seit 2000 verstärkt unter den Privatsendern statt, so etwa der Aufstieg von VOX zu Lasten von SAT.1 und RTL II (vgl. Zubayr / Gerhard 2007: 191; Buß / Darschin 2004: 23).
4.2 Objekt des Wirtschaftskreislaufs: Konsument
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welchem Maß Genre- und Formatvorlieben eine Rezeptionsentscheidung mitbestimmen. In Zusammenschau mit der Verteilung verschiedener Formate auf die Sender lässt sich so nachzeichnen, inwieweit Publikumswanderungen eine Reaktion auf Änderungen der Programmstruktur darstellen. Goodhardt / Ehrenberg / Collins haben ermittelt, dass die Präferenz für einen Sender ca. 80 Prozent der Varianz von Selektionen zum statistischen Erwartungswert im Fernsehen erklärt (1975: 50-56). Das bedeutet, dass acht von zehn Zuschauern denselben Film zur selben Zeit lieber in ihrem Lieblingssender sehen. Die Senderpräferenz lässt darüber hinaus auch Rückschlüsse auf das Programmwahlverhalten bei verschiedenen Angeboten zu. So werden auch die meisten Rezipienten von zwei Spielfilmen des gleichen Genres und einer ähnlichen Länge demjenigen Film den Vorzug geben, der auf ihrem „Stammsender“ kommt (vgl. Klövekorn 2002: 43). Bei der Auswahl zwischen mehreren präferierten Sendern sind andere Faktoren ausschlaggebend, etwa Genrepräferenzen oder die allgemeine Beliebtheit einer Sendung (vgl. Klövekorn 2002: 100ff.). Doch auch innerhalb der Gruppe der Lieblingssender existieren Dispositionen: Zuschauer verfügen über eine gedankliche Rangliste der Sender, die sie bei der Programmwahl abarbeiten (vgl. Beischl / Engel 2006: 374; Schwab / Unz 2004: 247; Heeter et al. 1988). Sendertreue senkt also in erheblichem Maße die Bereitschaft des Rezipienten für einen Programmwechsel. Darüber hinaus bleibt die Senderpräferenz im Laufe des Lebens relativ stabil: Ähnlich wie Genrevorlieben bildet sie sich im Zuge der Mediensozialisation aus und bleibt dann weitgehend konstant (vgl. Maurer / Schmid 2002: 24f.; Hasebrink 1999: 62f.; Tasche 1996: 72). Daher sind programmbedingte Publikumswanderungen zu öffentlichrechtlichen Sendern überwiegend an einen Generationswechsel gebunden; entsprechend werden Verschiebungen zwischen den Systemen in großem Umfang erst nach ca. 15 Jahren wirksam. Vor diesem Hintergrund ist der Marktanteilszuwachs der Privatsender seit 1984 weniger Ausdruck eines grundsätzlich publikumsnäheren Programms, sondern Teil der Erstanpassung des Marktes an die veränderten Produktions- und insbesondere Finanzierungsstrukturen. Diese Interpretation stimmt auch mit der Entwicklung der Marktanteile seit 2000 überein. Die Ausprägung von Senderpräferenzen findet in den ehemaligen westdeutschen Bundesländern seit 1984, in der gesamten Bundesrepublik seit 1990 unter den Bedingungen des dualen Systems statt. Tatsächlich hat sich mit dem Generationswechsel das Verhältnis der Marktanteile zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern deutlich stabilisiert; jährliche Fluktuationen haben seitdem ein Niveau von weniger als einem Prozent des Publikums (vgl. Zubayr / Gerhard 2007: 191).
94
4.2.4.2
4 Modelle von Publikumsverhalten
Werbefinanzierter Rundfunk
Auf der Doppelstellung des Rezipienten als Adressat von Programm und Werbung zugleich basiert die heikle Beziehung zwischen werbefinanzierten Privatsendern und Werbewirtschaft, die für diese beiden Akteursgruppen sowohl eminent, teils existenziell, wichtig als auch äußerst fragil ist. Die Dreieckskonstellation des Rundfunks wird vielfach dafür verantwortlich gemacht, dass der Journalismus seine Freiheit aus ökonomischen Gründen aufgibt und sich – aus freier Entscheidung zwar, aber getrieben vom Wettbewerb – in den Dienst der Werbewirtschaft stellt (vgl. Sjurts 2004: 172f.; Kiefer 2003: 253; Heinrich 2002: 277f.). Geraten oder begeben sich die Programmmacher erst in diese Abhängigkeitsbeziehung, so ist das Ergebnis Werbeumfeldjournalismus, bei dem das Programm weder die Anliegen der Redaktionen noch die Interessen des Publikums widerspiegelt, sondern reines Instrument der werblichen Ziele geworden ist (vgl. Marr et al. 2001: 124; Darkow / Lutz 2000: 96). Es liegt in der Hand der Sender, diese Ambivalenz zu interpretieren. Dabei ist es naheliegend, dass eigene publizistische Ziele an das Programm so lange die ausschlaggebenden Faktoren bei programmlichen Entscheidungen sind, wie die Finanzierung des gesamten Programms und der damit verbundenen Betriebs- und Verwaltungskosten gesichert ist. Dementsprechend ist bei sinkenden Margen zu erwarten, dass die Werbetauglichkeit einer Sendung für Programmentscheidungen an Bedeutung gewinnt. Hierin liegt eine große Gefahr: Geht das Volumen des Werbemarktes im Rundfunk zurück, kann es passieren, dass sich die Sender von den Ansprüchen der Werbetreibenden usurpieren lassen. Das bedeutet, dass überproportional viele Sendungen auf die im Marketing attraktivste Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen abzielen (Gaßner 2006: 1655), die jedoch weniger als die Hälfte der Bevölkerung stellt (vgl. Kiefer 1997: 217). Dieser Umstand ist genau so lange unproblematisch, wie diese Gruppe auch den größten Nutzen aus der Rundfunknutzung zieht. Das ist jedoch gleichermaßen theoretisch unwahrscheinlich wie empirisch widerlegt: Geht man davon aus, dass diejenigen Rezipienten den größten Nutzenzuwachs erlangen, die am meisten Rundfunk konsumieren, so genügt eine kurze Betrachtung der Nutzungsintensitäten verschiedener Publikumssegmente, um zu zeigen, dass Zuhörer und Zuschauer ab 50 Jahren die wichtigste Gruppe sind, d.h. diejenigen, die am meisten Sendungen in Anspruch nehmen (vgl. Schenk 1998). Aber „Programme für die Älteren und Jüngeren werden in die eher nutzungsschwachen Zeiten am Vormittag oder früheren Nachmittag abgeschoben.“ (Kiefer 1997: 199). Selbstverständlich wird diese holzschnittartige Gegenüberstellung der komplexen Publikumsstruktur ebenso wenig gerecht wie den individuellen Seh- und Hörmustern (vgl. Schweiger 2007: 137-221; Schweiger 2006: 291; Ha55
Der im Weiteren Konsumverhalten als besseren Maßstab für Werbezielgruppen einführt, vgl. ebd.: 18ff.
4.2 Objekt des Wirtschaftskreislaufs: Konsument
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sebrink / Krotz 1994, 1993; Vorderer 1992: 67; Hasebrink / Doll 1990). Indes kann das Beispiel der Altersgruppen die grundsätzlichen Risiken gut illustrieren, die durch die Übernahme von rundfunkfremden Zielsystemen entstehen56. Es kommt dann nämlich zu Fehlallokationen: Der wichtigsten Anspruchsgruppe wird zu wenig Programm angeboten oder solche Sendungen, die ihnen weniger gefallen, während gleichzeitig ein Überangebot an Sendungen für die 14- bis 49-Jährigen besteht, dessen Nutzenpotenzial diese Gruppe nicht ausschöpfen kann. Diese Effizienzeinbuße des Rundfunkmarktes ist umso größer, je stärker die Interessen der werberelevanten und der rundfunkinteressenten Gruppen divergieren. Kurzfristig führt diese Fehlsteuerung zu steigenden Werbeeinnahmen, da auch Programmplätze, die zuvor wegen der geringeren werblichen Attraktivität schlechter ausgebucht waren, zu markträumenden Preisen verkauft werden können. Allerdings geschieht dies auf Kosten der Rezipienten. Das Publikum wird darauf reagieren, indem es nach Alternativen zu Rundfunk sucht. Die Abwanderung von Rundfunk setzt bei denjenigen Rezipienten ein, die auch bislang aus dem Rundfunk nur geringen Nutzen erzielen konnten. Dadurch sinkt jedoch die Gesamtreichweite von Rundfunkprogrammen, was wiederum zu einer relativen Begünstigung anderer Kanäle für Werbezwecke führt, d.h. das Werbemarktvolumen im Rundfunk sinkt. Damit ist eine Abwärtsspirale entstanden, unter der sowohl die werbliche Relevanz als auch die programmliche Attraktivität des Rundfunks leiden. Mit der ausschließlichen Orientierung an werblichen Interessen schaden also die Sender dem gesamten Rundfunk. Sie halten zwar in der Regel eine Balance zwischen publikumsorientierter und werbeorientierter Programmierung. Dennoch kann bereits eine leichte Verschiebung dieser Balance negative Effekte auf die Allokationseffizienz des Rundfunkmarktes haben.
4.2.4.3
Bezahlrundfunk
Das Ineffizienzrisiko strahlt indes nicht auf den gesamten Rundfunk aus. Vielmehr kommt es bei einer Vernachlässigung der Rezipienteninteressen durch private FTA-Sender zu Publikumswanderungen hin zu öffentlich-rechtlichen und Bezahlanbietern. Dies setzt voraus, dass diese Anbieter Programme ausstrahlen, die den Rezipientenwünschen besser entsprechen. Anbieter von Bezahlprogrammen sind zwar, wie die privaten FTA-Anbieter, gezwungen, ökonomisch rentabel zu wirtschaften. Da sie jedoch den Großteil ihrer Einkünfte als Abon56
Nota bene: Im Falle der reinen Orientierung an werberelevanten Zielgruppen kollidieren Zielsysteme unterschiedlicher Märkte, nämlich der allgemeinen Produkt- und Dienstleistungsmärkte auf der einen, des Rundfunkmarktes auf der anderen Seite. Eine Gewinnerzielungsabsicht der Sender oder Kosten-Nutzen-Abwägungen der Sender stellen demgegenüber noch keine problematische „Ökonomisierung“ des Rundfunks dar, da sie lediglich die Ressourcenverteilung innerhalb des Rundfunks steuern.
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4 Modelle von Publikumsverhalten
nement-Gebühren von den Rundfunkteilnehmern erhalten und sie im Gegenzug auf Werbung im Programm verzichten, orientieren sie sich zwangsläufig stärker an den Interessen ihrer Rezipienten. Dies gilt allerdings nur für Rezipienten mit starken und deutlich ausgeprägten Formatpräferenzen. Denn die finanziellen Zusatzkosten für einen Decoder und ein oder mehrere Programmabonnements können nur durch eine entsprechend intensivere Nutzung wieder aufgefangen werden. Das heißt, dass eine Konzentration auf beliebte Formate stattfindet (weshalb die angebotenen Programmbündel bereits nach Formaten differenziert sind) und die einzelnen Sendungen aufmerksamer rezipiert werden (vgl. Woldt 2002: 535). Beide Effekte können gleichzeitig auftreten und dadurch ein Nutzungsverhalten erzeugen, das sich deutlich von den im privaten FTA-Bereich beobachtbaren Selektionsmustern unterscheidet. Folglich treffen Bezahlangebote ebenfalls nicht „den“ Publikumsgeschmack, sondern den Geschmack von Intensivrezipienten mit deutlich ausgeprägten Präferenzen. Daher werden bei einer zunehmenden Werbeorientierung im frei empfangbaren Privatrundfunk zunächst diese Rezipienten auf Bezahlangebote ausweichen. In der gegenwärtigen Abonnentenzahl dürften die vom werbefinanzierten Rundfunk Frustrierten allerdings bereits enthalten sein, da die Vorzüge des Bezahlrundfunks – Werbefreiheit, exklusive Inhalte, Möglichkeiten der Spartenwahl – schon seit seiner Einführung 1991 bestanden (vgl. Woldt 2002: 539). Insofern müsste das Missverhältnis zwischen werblichen und Rezipienteninteressen im privaten FTA-Bereich ein sehr starkes Ausmaß annehmen, damit dies zu einer deutlichen Verschiebung der Zuhörer und Zuschauerschaft führt. Doch der Rezipient hat ja noch eine andere Alternative: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
4.2.4.4
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Die Strukturveränderung im Gefolge der Dualisierung des Rundfunks ließ auch die Anbieter und das Programm selbst nicht unbeeinflusst. Während bis 1984 die publizistischen Ansprüchen der Sender ein „Redakteursfernsehen“ (und -Radio)(vgl. Oertzen 2000: 20) unterhielten, ergab sich mit dem Auftreten von Privatanbietern als neue Akteure im Rundfunkmarkt für die öffentlich-rechtlichen Anstalten die Notwendigkeit, organisatorisch und programmatisch auf die neue Konstellation zu reagieren (vgl. Ang 1991: 30). Programmanalysen und Studien zur Programmplanung haben aufgezeigt, dass mit der Etablierung des dualen Systems auch in den öffentlich-rechtlichen Programmen deutliche Veränderungen einhergingen (vgl. von Oertzen 2000: 20; Krüger 1991, 1998). So ist z.B. die Quote das dominante Instrument der Programmplanung und des Controlling, sowohl bei den privaten als auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern geworden (vgl. WDR-Redakteursversammlung 2004; Schwab / Unz 2004: 243; Darkow / Lutz 2000: 96; Hasebrink 1995; 34). Diese Entwick-
4.3 Mediennutzer
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lung wird unter dem Stichwort Konvergenzhypothese diskutiert (vgl. ursprünglich Schatz / Immer / Marcinkowski 1989; weiters Krüger 1991; Schatz 1993; Bruns / Marcinkowski 1996). Ihre Vertreter prognostizierten eine „Funktionsverschiebung insgesamt von den öffentlichen (politisch-gesellschaftlichen) Funktionen zu den ökonomischen und individuellprivatistischen (Fernsehen als Werbemedium und Ware). Das reale öffentlich-rechtliche Fernsehen, schon heute in einigen Charakteristika merklich vom Idealtypus des gemeinwohlorientierten Rundfunks entfernt, wird damit – trotz etwaiger gegenläufiger Veränderungen im Detail – auf dem Spektrum weiter nach ‚rechts‘, in Richtung auf den Idealtypus des kommerziellen Rundfunks, wandern“ (Schatz / Immer / Marcinkowski, 1989: 23). Als Gründe für diese Entwicklung werden die „Abhängigkeit von der Einschaltquote, die antizipierten unterhaltungsorientierten Zuschauergewohnheiten und die enger werdenden Beschaffungsmärkte für bestimmte Programminhalte“ genannt (Wegener 2001: 29). Die Autoren sind sich uneins, ob die Angebote der öffentlich-rechtlichen und die der privaten Sender konvergieren. Dies zeigt sich an der Auseinandersetzung um Unterhaltungsformate: Deren Anteil ist im öffentlich-rechtlichen Programm nach 1984 fast unverändert geblieben (vgl. Wegener 2001: 82; Krüger 1998: 316), zugleich werden aber Informationssendungen unterhaltender gestaltet (vgl. Wegener 2001: 81f.) und Informationssendungen zu Zeiten ausgestrahlt, an denen weniger Rezipienten erreicht werden (vgl. ebd.: 32; Merten 1996: 110-116). Neumann-Bechstein (1997: 111f.) sieht zwar eine Annäherung der Programme, aber weiterhin deutliche Unterschiede in der Nutzung und Beurteilung der Sender durch die Rezipienten. Dennoch bleibt die Beziehung der öffentlich-rechtlichen Sender zu ihrem Publikum “essentially characterized, not by economic profit-seeking, but by a pervasive sense of cultural responsibility and social accountability, which is emphatically opposed to the easy-going commercial dictum of ‘giving the audience what it wants’.” (Ang 1991: 28). So weit also öffentlich-rechtliche Anbieter dem Marktantritt der Privaten überhaupt Tribut gezollt haben (Reichweitenorientierung), verhalten sie sich wie diese und geben damit keinen Anlass für Publikumswanderungen. Außerdem sind die Veränderungen im Programm nicht deutlich genug ausgefallen, dass diese als Ursache für die Marktanteilsverluste der öffentlichrechtlichen Anbieter in Betracht kommen könnten.
4.3 Mediennutzer Bürger und Konsument sind zwei Bilder von Rezipienten- und Publikumsverhalten, die außermediale Interessen als wesentliche Erklärungen für Medienselektion heranziehen. Die
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4 Modelle von Publikumsverhalten
Bezugssysteme Politik und Wirtschaft verweisen auch auf die dominanten gesellschaftlichen Verankerungen und Abhängigkeiten des Mediensystems insgesamt. Als drittes zentrales Rollenbild des Rezipienten kann das Konzept des Users, des Mediennutzers gelten (vgl. Einleitung zu Kapitel 4). Über zahlreiche Veränderungen des Begriffs und Inhalts dieses Konzepts hinweg zeichnet sich die Vorstellung vom Rezipienten als Mediennutzer dadurch aus, dass Selektionskriterien und -mechanismen überwiegend direkt aus dem Medienangebot selbst abgeleitet werden. Das Publikum als eine Menge von Mediennutzern zu begreifen, ermöglicht insbesondere, Rezeptionsentscheidungen zwischen konkurrierenden Sendungen zu erklären. Dementsprechend fügt sich das Bild des Rezipienten als Mediennutzer sehr gut in Vorstellungen des Rundfunks als Markt ein, da die Selektion der Rezipienten über die Einschaltquote respektive die Ergebnisse der Media-Analyse die Einkommensdistribution unter den Sendern steuert.
4.3.1 Mediensozialisation Der Rezipient als Mediennutzer kann in seinem Selektionsverhalten als Inkarnation des usesand-gratifications-Ansatzes betrachtet werden (vgl. Schenk 2002: 627-690; Palmgreen 1984; Levy / Windahl 1984; Rubin 2000, 1986 sowie Abschnitt 2.2.2.1). Er sucht bestimmte Sendungen aus, weil er aus ihrer Rezeption unmittelbaren Nutzen ziehen möchte (vgl. Donnerstag 1996: 233)57. Vor, während und nach der Rezeption wägt er diesen Nutzen gegen den erforderlichen Einsatz an Zeit und Aufmerksamkeit ab. Indem der Rezipient häufig Erfahrungen mit vergleichbaren Sendungen macht (z.B. gleiches Genre, gleicher Moderator, gleicher Sender), lernt er, welche Sendungstypen seine Bedürfnisse und Wünsche am besten befriedigen. Auf dieser Grundlage entwickelt er deutliche Präferenzen für bestimmte Sendungsmerkmale (vgl. Huber 2006: 17; Suckfüll 2004: 2358). Im Laufe dieses Prozesses lernt der Rezipient erstens, formale Merkmale von Sendungen zu erkennen und wiederzuerkennen, auch bei Medienwechseln, also etwa bei Sendungsbeschreibungen in einer Fernsehzeitschrift, zweitens, mehrere Merkmale zu Kategorien zusammenzufassen. Die wichtigsten dieser Kategorien sind Themen und Genres. Daneben spielen Sender und Sendeplatz eine herausragende Rolle bei der gezielten regelmäßigen Rezeption. Drittens schließlich verknüpft der Rezipient diese Kategorien und / oder einzel57
Vgl. zu verschiedenen Gratifikationstypen auch 6.1.1. In diesem Zusammenhang wird der Begriff der Einstellungen iS von normativ neutralen Präferenzen verwendet (vgl. Hasebrink / Doll 1990). Da es hier um das Erlernen von Kognitionen und Handlungen geht, die eine Nutzensteigerung bewirken, scheint der normativ auf eine Zustandsverbesserung ausgerichtete Begriff Präferenzen passender. 58
4.3 Mediennutzer
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ne Merkmale mit einer Bewertung: Er entwickelt z.B. eine Vorliebe für den „Tatort“, aber nur, wenn er in Münster spielt. Die Existenz von Präferenzen führt zu einer hohen Selektivität (vgl. Neumann-Braun 2000a: 184ff.; Schenk 2000: 74-76): Sendungen, die den Präferenzen widersprechen, werden nur noch flüchtig – beim Zappen – oder gar nicht mehr wahrgenommen. Nur durch situative Faktoren (z.B. Rezeption zu unüblicher Zeit, Rezeptionsentscheidung wird von anderer Person getroffen) kommt es zu Rezeptionen, die nicht im Einklang mit den Sendungspräferenzen stehen. Insofern können Präferenzen als Vorstufe der Habitualisierung betrachtet werden (vgl. Suckfüll 2004: 33f.; Donnerstag 1996: 237; Vorderer 1992: 61-67; zur Bedeutung von Habitualisierung in verschiedenen Zuschauergruppen vgl. Dehm / Storll / Beeske 2004). Umgekehrt kann festgestellt werden, dass „es sich bei der habitualisierten Rezeption – wie bei allen Gewohnheitshandlungen – um eine Art ‚Verselbständigung‘ von ursprünglich instrumenteller Aktivität handelt“ (Vorderer 1992: 124).
4.3.2 Präferenzen des Mediennutzers Darüber hinaus lässt sich aber gerade aus dem Interesse an Medialem ableiten, dass auch oder sogar gerade medienspezifische Angebote für den Mediennutzer besonders attraktiv sind. Daraus folgt, dass der Mediennutzer bei Sendungen, die Realität vermitteln – etwa Nachrichten, Sportübertragungen – der Inszenierung mehr Beachtung schenkt als der Bürger oder der Konsument. Vor allem aber ergibt sich daraus, dass Sendungen, die sich von der Realität stärker lösen, also fiktionale Formate, für den Mediennutzer prinzipiell interessanter sind, da sie mehr Spielraum für spezifisch mediale Darstellungen bieten. Für den Mediennutzer ist eine Live-Veranstaltung daher nicht automatisch einer sorgfältig choreographierten Sendung überlegen. So wird ein Fußball-Fan immer den Besuch im Stadion der Rundfunkübertragung vorziehen; der Mediennutzer schätzt hingegen die verschiedenen Kamera-Einstellungen mit der Möglichkeit, visuell Schwerpunkte zu setzen, Wiederholungen und Verlangsamungen zu zeigen, er legt Wert auf die ergänzenden Informationen des Kommentators und auf die Vor- und Nachberichterstattung. Mit dem „eigentlichen“ Ereignis hat das wenig zu tun, doch die mediale Repräsentation des Spiels ist nicht in jeder Hinsicht dem Spiel selbst unterlegen, sie transformiert es. Und der Mediennutzer zieht Nutzen aus spezifischen Aspekten dieser Transformation, die das reale Ereignis nicht bietet. Rezipienten in ihrer Rolle als Bürger oder Konsument sind nicht anfällig für eine übermäßige Mediennutzung, da für sie Mediennutzung medienexternen Zwecken dient. Als Mediennutzer, als Fan bestimmter Genres, Inszenierungsformen, Stars etc., hingegen ist der Rezipient
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4 Modelle von Publikumsverhalten
den Vorgaben des Programms gewissermaßen ausgeliefert: Sendungen, die seinen Präferenzen entsprechen, „muss“ er einschalten (vgl. Suckfüll 2004: 128). Daher finden sich in der Gruppe der Rundfunk-User auch die Vielseher bzw. Vielhörer, denen die Forschung besondere Aufmerksamkeit zollt (vgl. Süss / Bonfadelli 2001: 330ff.; Bonfadelli 2000: 157-170; Schulz 1997, 1986; Kiefer 1987; Buß 1985). Ein Vielseher oder hörer zeichnet sich in der entsprechenden Literatur zunächst entweder dadurch aus, dass er / sie eine bestimmte tägliche Nutzungsdauer überschreitet oder dass er / sie deutlich mehr fernsieht als der durchschnittliche Rezipient (vgl. Six 2007: 357f.; Bonfadelli 2000: 158). Die Gruppe der Vielseher und -hörer unterscheidet sich vom Durchschnittspublikum jedoch auch in sozio-ökonomischer Hinsicht: Vielseher sind in der Regel weniger gut ausgebildet (vgl. Bonfadelli 2000: 158f.; Gleich 1996a: 134) und sie verdienen im Durchschnitt weniger gut (vgl. ARD / ZDF 2005: 5; Bonfadelli 2000: 158f.). Aber: „Auch exzessive Mediennutzung kann durchaus funktional und etwa durch spezifische Lebensumstände erklärbar sein (z.B. [...] überdurchschnittlicher Radio- und/oder Fernsehkonsum bei allein lebenden Senioren).“ (Six 2007: 358). Vor diesem Hintergrund wirkt die besondere Aufmerksamkeit, die die Wissenschaft den Rezipienten mit übermäßigem Konsum entgegenbringt, wie eine Stigmatisierung. Vielseher / -hörer unterscheiden sich von Durchschnittsrezipienten nicht signifikant, weil sie anders fernsehen, sondern weil sie mehr Zeit haben. Das bedeutet vor allem, dass sich Vielseher in ihrer Programm- und Sendungswahl nicht qualitativ vom Kern des Publikums unterscheiden. Medien-User – egal, ob mit durchschnittlichem oder exzessivem Rundfunkkonsum – können genau deswegen als souverän und kompetent im Umgang mit Rundfunk bezeichnet werden, weil sie verschiedene Zielsysteme mit der Mediennutzung bedienen, die jeweils auch unterschiedliche Entscheidungen hervorbringen können. Selbst bei habitualisierter Rundfunknutzung steht die Rezeption immer unter Vorbehalt; der Rezipient kann jederzeit abschalten, wenn sich eine bessere Alternative zur Freizeitgestaltung bietet. Bei nicht abhängigen Rezipienten59 wird daher die Zuwendung zu Medien von medienexternen Verhaltensdispositionen bzw. Präferenzen gesteuert. Erst bei der Wahl zwischen verschiedenen Programmen, d.h. innerhalb des Rundfunks und damit nach der grundsätzli-
59 Innerhalb der Vielseher und -hörer gibt es durchaus eine kleine Gruppe, die als abhängig oder süchtig bezeichnet werden kann. Deren Nutzungsverhalten unterscheidet sich in der Tat deutlich von den Nutzungsmustern durchschnittlicher Rezipienten: Diese Gruppe sieht „nicht etwa bestimmte Sendungen an, sondern sie ‚sieht fern‘; man verbringt die Zeit nicht vor dem Fernseher, um bestimmte Sendungen anzuschauen, sondern um seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Es darf deshalb zurecht gefragt werden, ob diese Zuschauergruppe sich überhaupt für eine Berücksichtigung von Zuschauerinteressen und –bedürfnissen interessiert.“ (Boullier 1995: 104). Vgl. zur Bestimmung von Fernsehabhängigkeit Horvath 2004, Bonfadelli 2000: 163-170.
4.3 Mediennutzer
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chen Entscheidung, Radio zu hören oder fernzusehen, kommen medienspezifische Präferenzen zum Tragen.
4.3.3 Programmveränderungen in Reaktion auf Mediennutzer Der Mediennutzer macht sich in seinem Selektionsverhalten auch Programmeigenschaften zunutze, die über die einzelne Sendung hinausgehen. So ist die bedeutendste Veränderung im Hörfunk der vergangenen Jahrzehnte die Durchsetzung des Formatradios (vgl. Kurp 2004; Goldhammer 1995; Prüfig 1993). Diese Entwicklung stand unter der Zielsetzung der optimalen „Durchhörbarkeit“ (vgl. Krause 2004; Die Zeit 2004): Das Programm sollte kontinuierlich rezipiert werden können, ohne dass Brüche erkennbar waren. Zentrale Elemente dieser Strategie waren die Ausdehnung des Musikanteils zu Lasten der Wortbeiträge, die Rhythmisierung des Gesamtprogramms (feste Sendeplätze von Nachrichten innerhalb einer Sendestunde, regelmäßige Wiederholung von Senderjingles) sowie die Harmonisierung der Musikstücke zu einem Musikteppich. Die Herstellung dieses Musikteppichs erfordert vor allem eine hohe Ähnlichkeit zwischen jeweils zwei aufeinander folgenden Stücken, und zwar hinsichtlich der Instrumentierung, des Aufbaus, des Tempos und des Rhythmus. Dabei sollte jedoch kein Element in beiden Stücken identisch sein (z.B. gleicher Sänger), da dies die Kohärenz zwischen diesen Stücken so stark erhöhen würde, dass der Übergang zum nächsten Lied eine deutlich größere Differenz erzeugen würde. Ist eine Kette von Titeln gefunden, die diesen Anforderungen genügt, wird die Durchhörbarkeit durch einen möglichst nahtlosen Übergang zwischen den Stücken weiter erhöht. Hierin liegt der wesentliche Grund für die Abnahme von Wortbeiträgen: Sie unterbrechen Melodie und Rhythmik des Musikflusses. Um den Titelwechsel noch stärker zu verwischen, wird die Lautstärke der Titel aneinander angeglichen, und das nächste Stück startet nach Möglichkeit bereits vor dem Ende des vorangehenden Titels. All diese Mittel zur Erzeugung eines kontinuierlichen, möglichst bruchfreien Programmflusses sind auch im Fernsehen eingesetzt worden, wenngleich hier serielle Formate (Talk-, Gerichts-, Quizshows, Soap operas, Telenovelas) die Funktion der Musik im Radio übernehmen (mit den wiederkehrenden Charakteren als Instrumenten). Doch auch im Fernsehen ist Format- und Schemabildung (vgl. Abschnitte 6.1.2.1 und 6.1.3.1) Tribut an das prinzipiell wechselbereite Publikum: „Television audience membership is not a matter of compulsion or necessity, but is principally voluntary and optional. Therefore, the television institution is ultimately dependent upon people’s unforced appetite to continue watching day after day.” (Ang 1991: 18). Der Kontinuitätssteigerung fielen im Fernsehen sowohl die Ansager als auch die Filmabspanne zum Opfer, und die einzelnen Formate zwingen sich gegenseitig in eine Harmonisierungspirale, die die Grenzen zwischen Sendungen und Genres
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4 Modelle von Publikumsverhalten
senkt. Diese Veränderungen machten aus der Abfolge einzelner Sendungen einen „Fernsehfluß“ (Krotz 1994: 506). Hintergrund dieser Programmentwicklung ist die Erkenntnis aus der Publikumsforschung, dass Um- und Abschaltvorgänge zumeist bei deutlichen Programmbrüchen erfolgen (vgl. Kuchenbuch / Auer 2006 sowie grundlegend zum sog. audience flow Comstock et al. 1975 und Goodhardt / Ehrenberg / Collins 1978). Werden nun die Sendungen in eine Reihenfolge gebracht, bei der diese Brüche möglichst klein ausfallen, so erhöht dies die Programm- bzw. Senderbindung des Rezipienten, indem er sich mit dem Programmfluss treiben lässt. Studien von Webster und Barwise et al. konnten zeigen, dass bis zu 30 Prozent der Zuschauerschaft einer Sendung gewissermaßen ererbtes Publikum der vorangegangenen Sendung sind (vgl. Zubayr 1996: 157; Webster 1985; Barwise / Ehrenberg / Goodhardt 1982: 26). Desgleichen führt die Erwartung einer bestimmten Sendung schon vor deren Beginn zu einem Anstieg der Rezipientenzahlen (vgl. Klövekorn 2002: 11f.). Diese Vererbungseffekte könnten so interpretiert werden, dass sich Zuhörer und Zuschauer zur Rezeption von Sendungen verleiten lassen, die sie „eigentlich“ gar nicht nutzen wollen. Aus der Sicht des Mediennutzers ist indes die Bildung eines bruchfreien Programmflusses tatsächlich ein Gewinn, der seinen Ansprüchen entgegenkommt. Denn dieser Fluss erleichtert die Orientierung, indem er ähnliche Sendungen zeitlich bündelt und die attraktivsten Sendeplätze auch den beliebtesten Sendungen vorbehält. Mit der Programmgestaltung kommen die Sender ihrer Sortimentierungsfunktion nach. Zwar geht hiervon tatsächlich die Gefahr aus, dass der Rezipient im Programm hängenbleibt und das Abschalten erschwert wird. Doch niemand würde etwa von einem Supermarkt verlangen, Äpfel möglichst weit weg von Tomaten zu lagern, damit der Konsument vor unerwünschten Käufen geschützt wird. Allerdings führt die Sortimentierung in der Tat dazu, dass Nischenprogramme im Rundfunk regelmäßig nur auf wenig attraktiven Sendeplätzen zu finden sind.
5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
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5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
Die vorangegangenen Kapitel haben Rundfunk auf einer strukturellen Ebene (Kapitel 3) und in Rollenbegriffen von Publikum (Kapitel 4) betrachtet. Die Marktmechanismen sind dabei – zusammen mit dem politisch-rechtlichen Rahmen – zunächst Voraussetzungen für die Ausprägung eines bestimmten Rundfunkregimes. In Kapitel 5 soll es nun um die allgemeine Praxis der individuellen Transaktionen zwischen Rezipient und Sender gehen. Kapitel 4 hat die Perspektive der Marktinstitutionen und die individuelle Sichtweise aus Kapitel 5 miteinander verbunden, indem die Nutzungsmuster der Rezipienten betrachtet wurden. Dabei standen die Ansprüche der Rezipienten an die Marktleistungen zur Diskussion sowie die Adaptionen des Rezipientenverhaltens an die vorgefundenen Marktverhältnisse. Zudem wurden in der Gesellschaft prominente Rollenbilder des Publikums behandelt. Hier ging es umgekehrt zum einen um die Erwartungen und Attributionen der Gesellschaft und der öffentlich-rechtlichen Anbieter (Abschnitt 4.1), der Werbewirtschaft (Abschnitt 4.2) und der privaten Anbieter (Abschnitt 4.3) an das Publikum und zum anderen um die Reaktionen des Marktes auf Regelmäßigkeiten im Publikumsverhalten. Die Rollenbilder vom Publikum und die ko-evolvierten Verhaltensmuster der Sender vermitteln indes kein hinreichend genaues Bild von den Transaktionen zwischen Sendern und Rezipienten. Diese Transaktion wird maßgeblich von dem Verhalten der Publikumsmitglieder bestimmt: „Der Rezeptionsprozess selbst ist ein komplexes Geschehen und folgt je nach Bedürfnisstruktur des handelnden Ego zumeist einer ‚thematischen Voreingenommenheit‘. Er setzt sich zusammen aus: (a) einem biografisch vorgeprägten, gesellschaftlich situierten Rezipienten, (b) seiner Medienkompetenz beziehungsweise seinem medienspezifischen Vorwissen, (c) seinen aktuellen persönlichen und sozialen Bedürfnissen, (d) der vorbereiteten Rezeptionssituation beziehungsweise dem aktuellen alltagsweltlichen Rezeptionsrahmen, (e) dem konkret gewählten Medienangebot“ (Ziemann 2006: 91). Darüber hinaus treten Rezipienten und Sender in verschiedene kommunikative Beziehungen, die mit dem Vorgang der Programmnutzung nur mehr oder weniger eng gekoppelt sind. Diese beiden Aspekte sollen nun in ein allgemeines Modell des Rezeptionsmarktes überführt werden. Im Mittelpunkt steht dabei die individuelle Programmwahl (Abschnitt
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5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
5.1)60. Zusätzlich werden soziale Faktoren berücksichtigt. In einem weiteren Schritt (Abschnitt 5.2) werden die Kanäle untersucht, auf denen sich Sender und Publikum über das Programm austauschen.
5.1 Individuelle Programmwahl 5.1.1 Bedürfnisse undWünsche Ausgangspunkt von Medienhandeln sind Bedürfnisse und Wünsche einzelner Rezipienten. Wünsche und Bedürfnisse können als individuelle Entsprechung des Knappheitsprinzips gesehen werden, das der wesentliche Antrieb für alle wirtschaftlichen Aktivitäten ist61: Das Individuum verfügt über weniger Ressourcen als es benötigt bzw. als es für nötig hält. Bedürfnisse können demnach als das Ziel betrachtet werden, einen Mangel an Ressourcen auszugleichen, die für das Individuum notwendig sind (needs). Im Unterschied hierzu sind Wünsche (wants) auf Ressourcen gerichtet, über die das Individuum gerne verfügen würde, bei denen jedoch auch schon eine geringere Menge ein Bedürfnis befriedigt (vgl. Karmasin 1993: 66f.). Nahrung, Kleidung und Wohnraum stellen typische Beispiele für Bedürfnisse dar (vgl. Huber 2006: 14), während etwa in Bezug auf Medien vorwiegend Wünsche – und nicht Bedürfnisse – vorliegen: Sich informieren oder unterhalten zu wollen, kann nicht als notwendig bezeichnet werden62. Allerdings macht gerade der Informationswunsch deutlich, dass zwischen Bedürfnissen und Wünschen nur durch eine Operationalisierung eine scharfe Grenze gezogen werden kann. Oberhalb einer rein physischen Ebene existieren jedoch durchaus weitere Notwendigkeiten, die die individuelle Wahrnehmung transzendieren. So korrespondiert das Informationsbedürfnis mit der in der Verfassung garantierten Informationsfreiheit: Der Zugang zu Informationen ist notwendig, damit das Individuum verantwortlich am Gemeinwesen partizipieren kann. Selbst bei objektiven Notwendigkeiten bilden verschiedene Individuen sowohl quantitativ als auch qualitativ unterschiedliche Bedürfnisse aus. Diese Individualität von Bedürfnissen
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Insoweit speist sich dieser Teil der Arbeit aus persönlichkeitsorientierten Ansätzen der Nutzungsforschung, vgl. etwa Brommert / Weich / Dirksmeier 1995: 188ff. 61 Dabei bezeichnet Knappheit „die Asymmetrie zwischen der Verfügbarkeit einer Sache und ihren Verwendungsmöglichkeiten“ (Franck 1998: 50). Im Unterschied zu einem Mangel kann Knappheit bereits durch eine Zunahme an Verwendungsmöglichkeiten einer Sache entstehen (vgl. ebd.: 51). 62 Dabei sind Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse durchaus plausibel, jedoch nicht die Annahme, es gäbe das Bedürfnis, sich speziell durch Fernseh- oder Radioprogramme zu unterhalten bzw. zu informieren (vgl. Huber 2006: 16; Donnerstag 1996: 233).
5.1 Individuelle Programmwahl
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und Wünschen bedingt auch die Individualität von Präferenzen, Wertschätzungen und Investitions- oder Zahlungsbereitschaften (vgl. Schmitt 2004: 156f.; Vorderer 1992: 117ff.). Mängel, deren Behebung notwendig ist – sei es physische, psychische oder soziale Notwendigkeit – bedingen jedoch für alle Individuen zumindest ähnliche Bedürfnisse. Sie sind Ausdruck dessen, was der Mensch benötigt, um in der Gesellschaft (über)leben zu können. Bedürfnisse sind daher stärker von grundlegenden biologischen Abhängigkeiten des menschlichen Organismus geprägt. Wünsche und Bedürfnisse bilden zusammen ein Bedürfnissystem aus, das sowohl Prioritäten der einzelnen Bedürfnisse und Wünsche abbildet als auch verschiedene Verhältnisse. Wie beispielsweise auch in Zielsystemen können als grundlegende Beziehungstypen Komplementarität, Konkurrenz und Indifferenz unterschieden werden (vgl. Suckfüll 2004: 38). „Einzelnen Handlungen dürfte in der Regel ein ganzes Bündel an bewussten oder unbewussten Motiven zugrunde liegen“ (Huber 2006: 14). Obwohl Bedürfnisse und Wünsche eine allgemeine Rangfolge einnehmen, kann diese situativ überformt werden. Bedürfnisse und Wünsche sind außerdem nicht fest an bestimmte Mittel zu ihrer Befriedigung gebunden (vgl. ebd.: 16). Daher kann auch nur aus einer langfristigen Beobachtung verschiedener Verhaltensweisen auf die zugrunde liegenden, im Vergleich konstant wirkenden Bedürfnisse und Wünsche, geschlossen werden (vgl. Abschnitte 2.1.1.2 und 2.1.2.3). Die Bedürfnisse und Wünsche eines Individuums verändern sich grundsätzlich nur langsam (vgl. Kirchgässner 2000: 39f.; das gleiche gilt demnach für Präferenzen). Allerdings sind ihre jeweiligen Positionen im Bedürfnissystem häufigen Veränderungen unterworfen, die vor allem durch (partielle) Befriedigung angestoßen werden. So führt etwa der Wunsch nach Unterhaltung dazu, „Wer wird Millionär?“ einzuschalten. Die Sendung befriedigt den Unterhaltungswunsch, so dass nach der Rezeption dieser Wunsch weniger wichtig ist. Bedürfnisse und Wünsche bleiben also qualitativ erhalten, aber ihre Stellung im Bedürfnissystem, ihre Dringlichkeit, passen sich an das Ausmaß ihrer Erfüllung an (vgl. Suckfüll 2004: 25; McLeod / Bybee / Durall 1982). Die Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen wird als Gratifikation oder Belohnung bezeichnet (vgl. Broß / Garbers 2006: 87). Synonym wird in den Texten zum Nutzen- und Belohnungsansatz (uses and gratifications) der Terminus Nutzen gebraucht (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 89). Hier soll der Begriff des Nutzens beibehalten werden, weil er sowohl in der Kommunikations- als auch in der Wirtschaftswissenschaft eingeführt ist und weitestgehend gleich verstanden und verwendet wird. Eine Sendung kann mehrere Bedürfnisse oder Wünsche befriedigen (vgl. Vorderer 2003: 115). Natürlich ist es auch möglich, dass eine Sendung andere oder gar keine Wünsche erfüllt, derenthalben das Individuum sie eingeschaltet hat. Die ursprünglichen Wünsche bleiben dann weiterhin vorhanden; der Rezipient sucht nach anderen Sendungen, die diese Wünsche befriedigen könnten.
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5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
In der Literatur werden verschiedene Bedürfnis- und Wunschtypologien in Bezug auf Mediennutzung diskutiert (vgl. für einen Überblick Bonfadelli 1999: 163-167; Mattenklott 2004: 621; Schmitt 2004: 156-156; McQuail 1983: 82f.). Denis McQuail hat beispielsweise Bedürfnisse nach Information, nach Unterhaltung, nach Integration und nach Identität unterschieden (1983: 82f.)63. Inwieweit mit diesen Begriffen das Spektrum an medienbezogenen Bedürfnissen und Wünschen vollständig und überschneidungsfrei abgedeckt ist, kann hier dahinstehen. Für diese Arbeit sind nicht einzelne Bedürfnisse von Belang; hier interessieren die allgemeinen Mechanismen, wie Wünsche und Bedürfnisse in Nutzungsentscheidungen eingehen und ob bzw. wie diese Entscheidungen marktwirksam werden.
5.1.2 Interessen Bedürfnisse und Wünsche sind die maßgeblichen Triebfedern menschlichen Verhaltens. Für die Betrachtung von Medienverhalten ist von besonderer Bedeutung, dass Bedürfnisse und Wünsche sich unmittelbar auf die Interessen eines Menschen auswirken. Interessen sind Aufmerksamkeitsdispositionen, d.h. Neigungen, sich einem Gegenstand oder Thema zuzuwenden: Sie „sind sozial erlernt, bewußt und sind als eine wertende, emotionale und selektive Zielorientierung zu verstehen.“ (Donnerstag 1996: 37). Sich für etwas zu interessieren bedeutet, Angebote zu diesem Thema zu bevorzugen bzw. nach Angeboten dieser Art gezielt zu suchen. Interessen können als erste Operationalisierungsstufe von Wünschen und Bedürfnissen aufgefasst werden: Nachdem ein Mangel festgestellt worden ist, lenken Interessen die Wahrnehmung so, dass Instrumente zur Beseitigung des Mangels entdeckt werden64. Da Aufmerksamkeit eine knappe Ressource ist, beeinträchtigt das Interesse an einer Sache zugleich die Verwendung von Aufmerksamkeit für andere Gegenstände (limited capacity-Modell; vgl. Schwan / Hesse 2004: 86). Dadurch gewinnen Interessen ihre handlungslei-
63 Analog zu den Bedürfnissen werden auch die Gratifikationen klassifiziert, die durch Medienkonsum erlangt werden können. So haben etwa McQuail, Blumler und Brown (1972) vorgeschlagen, Gratifikationen in Ablenkung, persönliche Beziehungen, persönliche Identität und Beobachtung zu unterteilen (vgl. Rubin 2000: 140). Im vorliegenden Kontext sind jedoch Gratifikationen als Befriedigung von Bedürfnissen definiert worden. Daher ist es nicht erforderlich, verschiedene Bedürfnis- und Gratifikationsklassen zu bestimmen. 64 An anderer Stelle werden nicht Interessen, sondern Motive als gerichtetes Bedürfnis bezeichnet (vgl. Meyen 18). „Wenn Gratifikationen (Belohnungen) befriedigte Bedürfnisse sind, dann sind Motive gesuchte Gratifikationen“ (ebd., m.w.H.). Jedoch ist der Motivbegriff v.a. handlungstheoretisch verankert. Demgegenüber sind Interessen nicht nur handlungs-, sondern auch wahrnehmungsleitend. An Perzeptionen muss sich jedoch keine Handlung anschließen. Daher ist hier der Interessenbegriff vorzuziehen.
5.1 Individuelle Programmwahl
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tende Dimension: Das Individuum richtet sein Handeln auf die Gegenstände seiner Interessen aus (vgl. Donnerstag 1996: 37). Die Entstehung und Veränderung von Interessen selbst kann hingegen nicht als Investition von Aufmerksamkeit gelten, da diese Vorgänge alternativlos sind: Bedürfnisse und Wünsche bringen bestimmte Interessen hervor (vgl. ebd.); analog wirken positive wie negative Erfahrungen auf Interessen zurück. Doch die Faktoren, die für die Gestaltung von Interessen eingesetzt werden, stehen für andere Verwendungen ohnehin nicht zur Verfügung. Ausbildung und Entwicklung von Interessen vollziehen sich gewissermaßen automatisch, als Nebenprodukt des Erlebens. Interessen stellen Anforderungen an die Umwelt des Individuums dar, bestimmte Güter bereitzustellen, sei es Nahrung, soziale Anerkennung oder Unterhaltung durch eine Rundfunksendung. Interessen können auf Themen, auf formale Aspekte, auf Wertungen, auf soziale oder parasoziale Kontakte gerichtet sein, die durch ein Rundfunkangebot bedient werden sollen. Diese Anforderungen bestehen prinzipiell unabhängig von den tatsächlichen Möglichkeiten ihrer Erfüllung, d.h. Interessen gehen den Angeboten zu ihrer Befriedigung grundsätzlich voraus. Dementsprechend tritt ein Rezipient bereits mit bestimmten Erwartungen an Rundfunkangebote heran, wenn er zum ersten Mal eine Entscheidung zwischen verschiedenen Sendungen trifft. Bei der Entscheidung reduzieren Interessen die Anzahl der Handlungsoptionen; sie wirken selegierend (vgl. Vorderer 1992: 236). Interessen sind der zentrale Baustein im Prozess der Programmwahl. Hasebrink plädiert daher dafür, statt von Zielgruppen von Zielinteressen zu sprechen (vgl. Hasebrink 1997: 270f.), da Interessen ein Publikum besser beschreiben als etwa soziodemographische Merkmale (vgl. ebd.: 271ff.). Interessen existieren jedoch nicht vollständig und dauerhaft unabhängig von der Umwelt des Individuums. So haben Rezipienten als Kinder und Jugendliche in der Regel schon zahlreiche Erfahrungen mit Rundfunkprogrammen gemacht, bevor sie selbst auswählen dürfen, welche Sendung sie hören oder sehen möchten. Auch sammeln Kinder Erfahrungen mit ähnlichen Angeboten in anderen Medien, z.B. Hör-CDs oder DVDs. Diese Erfahrungen wirken auf die Interessen zurück. Allerdings erfolgt dieser Kreislauf nicht unmittelbar. So führen weder die Interessen ohne weitere Zwischenschritte zu Konsumentscheidungen, noch wirken Erfahrungen direkt auf Interessen zurück. Interessen speisen sich ausschließlich aus Bedürfnissen und Wünschen. Daher ist für die Rückwirkungen von Medienerfahrungen auf die Interessen entscheidend, wie Erfahrungen mit Medien das Bedürfnissystem verändern. Wie oben ausgeführt (vgl. Abschnitt 5.1.1), beeinflussen Erfahrungen nicht so sehr die Existenz von Bedürfnissen oder Wünschen als vielmehr deren Position im Bedürfnissystem. Interessen und Erfahrungen stehen somit in keiner unmittelbaren Beziehung zueinander: Erfahrungen fließen, wie dargestellt, zunächst in Bedürfnisse und Wünsche ein, aus
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5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
denen sich dann im zweiten Schritt Aufmerksamkeitsprägungen ableiten. Darüber hinaus können Wirkungen der Nutzung auf Interessen nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung auftreten, da zum einen nur wiederholte Erfahrungen interessenprägend wirken können (denn singuläre Ereignisse können naturgemäß nicht zur Grundlage von dauerhaften Wahrnehmungs- und Verhaltensdispositionen werden) und da sich zum anderen Bedürfnisse und Wünsche immer erst nach der Rezeption verändern können (weil diese Veränderung den Abgleich von gesuchten und erhaltenen Gratifikationen voraussetzt). Dementsprechend kann sich ein Angebot seine eigene Nachfrage nur dann schaffen, wenn hohe inhaltliche Kontinuität im Programm existiert (vgl. Jäckel 2005: 81). Da sich jedoch – dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens folgend65 – Informations- und Unterhaltungswert durch den Konsum verbrauchen, sind Wiederholungen, Kopien und dem Ausmaß an Ähnlichkeiten zwischen Sendungen Grenzen gesetzt. Die indirekte, zeitversetzte Kopplung von Interessen an Erfahrungen mit dem Medienangebot bewirkt eine schwache und diffuse Wirkung auf das Interessensystem, da sie im Transmissions- und Transformationsweg zu anderen Bedürfnissen und Wünschen in Relation gesetzt werden. Daher können Medienangebote nur dann interessenbildend wirken, wenn sie dauerhaft besser Wünsche erfüllen als alternative, auch außermediale Güter, und wenn darüber hinaus diese Wünsche dauerhaft eine höhere Priorität genießen als andere Wünsche und Bedürfnisse des Rezipienten.
5.1.3 Präferenzen Interessen stellen gewissermaßen einen Aufmerksamkeitsfilter dar, der den Raum der potenziell in Frage kommenden Angebote definiert. Innerhalb dieses Auswahlraums bilden sich Präferenzen, zu welchen Bedingungen eine Sendung genutzt wird. Präferenzen sind Operationalisierungen von Interessen, da sie Erwartungen abbilden, welche Themen, Formate, Akteure etc. die jeweiligen Informations-, Unterhaltungs- und Bildungswünsche in welchem Ausmaß befriedigen. Zugleich findet in das individuelle Präferenzsystem das ökonomische Kalkül Eingang, d.h. die Abwägung des erwarteten Nutzens gegen die anfallenden Kosten. Insofern ist das Präferenzsystem eines Rezipienten der wichtigste Faktor bei der Auswahl einer Sendung. Dieses Verständnis von Präferenzen entspricht damit den sog. reflektiven oder Metapräferenzen (Lobigs 2005: 28; Kiefer 2003: 232; Brennan / Lomasky 1983: 196f.). Im Unterschied hierzu werden in der Literatur sog. Marktpräferenzen thematisiert, die jeweils 65
Das nach dem Ökonomen Hermann Heinrich Gossen benannte Erste Gossensche Gesetz besagt, dass jede weitere Einheit eines Gutes einen geringeren zusätzlichen Nutzen erbringt als die vorherige (vgl. Gossen 1992: 181). Dieses Gesetz würde selbst bei unendlichen Ressourcen Produktions- und Konsumtionsprozesse begrenzen.
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bei einer konkreten Entscheidung wirksam werden (vgl. Lobigs 2005: 28; Brennan / Lomasky 1983: 193). Schaltet jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt das Radio ein, wird das als Ausdruck von individuellen Marktpräferenzen gewertet (Lobigs 2005: 28). Es erscheint jedoch sinnvoller, hier lediglich von einer Handlung oder sogar nur von Verhalten zu sprechen (was gleichbedeutend mit geringerer Intentionalität wäre, vgl. Vorderer 1992: 125)66. Obwohl hier Motive und Präferenzen zugrunde liegen, wäre eine Gleichsetzung übereilt. Daher werden in dieser Arbeit Präferenzen in erster Linie als Ableitung von Interessen verstanden – und nicht als implizite Dimension von Verhalten67. Das Präferenzsystem determiniert Konsumentscheidungen – inklusive der Programmund Sendungswahl im Rundfunk – nicht vollständig. Denn Präferenzen sind – wie auch Bedürfnisse, Wünsche und Interessen – relativ zeitstabil (im Unterschied zu „Marktpräferenzen“); sie können auch als Bewertung der Summe von Erfahrungen betrachtet werden, so dass sie mit wachsender Zahl von Erfahrungen an Variabilität verlieren (vgl. Tasche 1996: 72; vgl. zum Kultivierungsansatz Gerbner et al. 2002 sowie die Beiträge in van den Bulck et al. 2004). Somit können nur solche Sendungen präferenzwirksam werden, die mindestens mehrere Monate lang laufen (vgl. Neumann-Bechstein 1997: 104). Dementsprechend können für Daily Soaps, Telenovelas, Shows, Nachrichten und Magazine leichter Präferenzen gebildet werden als für Spielfilme, Sportberichterstattung, Live- und Sondersendungen. Allerdings genügen bestimmte formale Elemente, um eine Sendung als zugehörig zu einer bestimmten Kategorie zu kennzeichnen und erkennbar zu machen. So kann ebenso eine Präferenz für „Das aktuelle Sportstudio“ ent- und bestehen wie für den „Blockbuster“ oder die „Kriminacht“ in einem bestimmten Sender. Zugleich steht jeder einzelne Konsumakt unter situativen Vorbehalten, die eine präferenzgemäße Entscheidung unterdrücken können. Trotz dieser Einschränkungen ist das Präferenzsystem ein ebenso komplexes wie wirkungsstarkes Element im Prozess der Rundfunknutzung. Die Präferenzen erfüllen dabei drei zentrale Funktionen, die Entscheidungen zwischen Angeboten überhaupt erst ermöglichen. Erstens werden die Interessen innerhalb des Möglichkeitsraums gewichtet. Der Wahrnehmungsfilter wird also justiert: Während Interessen nur festlegen, welche (medialen) Wirklichkeitsausschnitte überhaupt wahrgenommen werden, ergibt sich aus den Präferenzen, in welchem Umfang (Zeit) und in welcher Intensität (Aufmerksamkeit) bestimmte Reize beachtet werden. 66 Gleichwohl kommen auch in konkreten Handlungssituationen Auswahlregeln zum Zuge. Um Verwechslungen zu vermeiden, sollen diese jedoch nicht als Präferenzen bezeichnet werden; stattdessen wird der Begriff der kurzfristigen Interessen verwendet. Das macht auch deutlicher, dass diese nicht im selben Maß wie Präferenzen geordnet sind. Wenn kurzfristige Interessen Entscheidungen und Handlungen bedingen, geschieht dies also am Präferenzsystem vorbei. 67 Vgl. zur Diskrepanz von Verhalten und Präferenzen auch Ang 1991: 157; Goodhardt / Ehrenberg / Collins 1975: 127.
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Zweitens nimmt der Rezipient eine Bewertung des verfügbaren Angebots vor. Hierzu schätzt er das Nutzenpotenzial von Sendungstypen sowie den Aufwand ab, der erforderlich ist, um dieses Potenzial vollständig auszuschöpfen. Hieraus ergibt sich der erwartete Netto-Nutzen für alle Sendungsklassen. Drittens schließlich werden die saldierten Bewertungen der Sendungsgruppen in das Präferenzsystem des Individuums eingeordnet, das damit sowohl die Kosten-Nutzen-Saldi aller Sendungsgruppen zueinander als auch zu allen übrigen Lebensbereichen in Beziehung setzt. Damit übernimmt die auf jede Verhaltensoption bezogene Kosten-Nutzen-Abschätzung68 die Funktion einer Währung im Wirtschaftskreislauf. Das Ergebnis ist eine Prioritätsmatrix, aus der für zwei beliebige Klassen von Gütern hervorgeht, welches der Rezipient im Allgemeinen bevorzugt69. Dabei geraten medienbezogene Präferenzen in vielfältige Abhängigkeits- und Wirkungsverhältnisse mit außermedialen Präferenzen: Fußball wird am liebsten bei einem Bier mit Freunden geguckt, das Radio läuft im Auto und bei der Arbeit, eine Kneipe wird erst durch die richtige Musik gemütlich etc.
5.1.4 Ressourcen In den Medienpräferenzen werden drei Faktoren zusammengeführt: die Interessen, Bewertungen des Angebots und Ressourcen. Die Ressourcen bestimmen die Kosten, die für das Individuum mit der Mediennutzung verbunden sind. Der Begriff der Ressourcen ist dadurch weit gefasst: Er beinhaltet alle materiellen, individuellen und sozialen Mittel, die für den Zugang zu und / oder die Nutzung von Rundfunkangeboten aufgewendet werden müssen. Materielle Ressourcen sind ein Rundfunkempfänger und, sofern nicht integriert, eine Empfangseinheit sowie für Pay-TV-Angebote ein Decoder. Hinzu kommen die Rundfunkgebühren sowie ggf. Gebühren für Bezahlangebote. Materielle Ressourcen wirken in erster Linie als enabler für den Zugang zu einem Teil der ausgestrahlten Sender. Allerdings beeinflussen sie auch die Art der Rezeption. So können die Klangqualität, die Bildgröße u.ä.m. die Rezeption bestimmter Sendungen lohnender und damit wahrscheinlicher machen, z.B. 68
Es handelt sich nicht um eine Berechnung, sondern immer um einen Schätzwert (Nutzenerwartung), da auch die Präferenzen dem Konsum immer vorausgehen, so dass in den Zeitpunkten der Präferenzbildung der jeweilige Nutzen nur vermutet werden kann. 69 Das ist die Vollständigkeitsbedingung von Präferenzordnungen. Präferenzsysteme rational handelnder Individuen sollen daneben auch der Reflexivitätsbedingung (Gut A wird mindestens so gut bewertet wie Gut A) und der Transitivitätsbedingung (Wenn Gut A als Gut B überlegen und Gut B als Gut C überlegen gesehen wird,so ist auch Gut A Gut C überlegen) genügen (vgl. Kirsch 1977: 30ff.). Jedoch können reale Präferenzordnungen eine oder sogar alle dieser formalen Bedingungen verletzen, ohne gleich Entscheidungsunfähigkeit des Individuums herbeizuführen. Dann werden Entscheidungen eben nur nicht mehr streng rational getroffen.
5.1 Individuelle Programmwahl
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wenn Spielfilme auf einem 16:9-Gerät ohne schwarze Balken am Bildschirmrand gesehen werden können. Die wichtigste individuelle Ressource ist die Zeit, die der jeweilige Rezipient für Rundfunknutzung veranschlagt und ggf. von anderen Aktivitäten freihält. Auch das Aufmerksamkeitsniveau und allgemeine kognitive Fähigkeiten, welche Rezeption und Verständnis von Rundfunkangeboten beeinflussen, gehören zu den individuellen Ressourcen. Entsprechend können Sendungen bestimmte Rezipienten von vornherein dadurch ausschließen, dass sie in puncto Aufmerksamkeit und Intelligenz entweder zu hohe oder zu niedrige Anforderungen an ihr Publikum stellen. Programmwechsel erfolgen demnach zwischen Sendungen mit ähnlichem Anspruchsniveau: „Gewandert wird innerhalb von Unterhaltungsangeboten oder innerhalb von Kultur und Information, seltener jedoch zwischen solchen Sparten.“ (Neumann-Bechstein 1997: 248). Hinzu kommen Vorkenntnisse des Rezipienten als Ressourcen (vgl. Ziemann 2006: 91; Schwan 2004: 79-81; Klövekorn 2002: 14; Kindel 1998: 193-201). Sie erleichtern eine Vielzahl künftiger Rezeptions- und Verstehensvorgänge, insbesondere auch über Genregrenzen hinweg. Folglich steigt mit den Vorkenntnissen auch der Grad, in dem ein Rezipient das Nutzenpotenzial einer Sendung ausschöpfen kann. Der Erwerb von Kenntnissen setzt beträchtliche Zeit- und Aufmerksamkeitsinvestitionen voraus. Diese Investitionen können als eine Art Anleihe aufgefasst werden: Höhere Rezeptionskosten zu einem früheren Zeitpunkt rentieren sich durch geringere Kosten bei späteren Rundfunknutzungen, und zwar umso mehr, je größer der Quotient von künftigen und vergangenen Nutzungen ist. Durch Vorerfahrungen bilden sich Kenntnisse, Vorlieben und Geschmack. Dies wird als investive Rolle des Konsums bezeichnet (vgl. Dietl / Franck 2006; Stigler / Becker 1977)70. Schließlich entscheiden soziale Faktoren über die Ausprägung von Sender- und Sendungspräferenzen (vgl. Lull 1980; 1978, Webster / Wakshlag 1985). Da es sich bei dem Präferenzsystem um eine weitgehend zeitstabile Prioritätenliste handelt, kommen auch als soziale Einflüsse in erster Linie längerfristig wirksame soziale Konstellationen in Betracht, also Familie, Arbeitskollegen, Freundeskreis. Lockere Beziehungen, etwa zu Nachbarn oder Bekannten aus Vereinen, wirken in der Regel nicht unmittelbar auf das Präferenzsystem ein. Sie können aber situativ Konsumentscheidungen beeinflussen; die anschließende Nutzenbewertung ist, wie oben gezeigt, an Bedürfnisse und Wünsche gekoppelt, so dass Bekannte durchaus als Impulsgeber für Präferenzveränderungen dienen können. Die Bezugsgruppe reguliert (teilweise) den Zugang zu Medien. Hier ist die Familie ein Extremfall: Viele Kinder können bis zu einem bestimmten Alter nicht autonom entscheiden, 70 Damit lässt sich auch die proportional zum Alter steigende Rundfunknutzung erklären: Sobald mit Austritt aus dem Erwerbsleben die Zeit als restringierender Faktor an Bedeutung verliert, können die früheren Investitionen in den Aufbau von Inhalts- und Methodenkompetenz rentierlich gemacht werden.
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5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
welche Sendungen sie hören bzw. sehen möchten (vgl. Morley 1986; Gunter / Svennevig 1987). Auch in einer Partnerschaft ist oftmals die Macht über die Fernbedienung ausschlaggebend für die Programmwahl, nicht die Präferenzen der Partner (vgl. Gauntlett / Hill 1999). Die Zugangsregulierung steuert die Präferenzen insofern, dass nur solche Sendungen für den einzelnen Rezipienten überhaupt verfügbar sind, die sozial konform sind, d.h. die mit den Präferenzsystemen des / der Entscheidungsträger(s) übereinstimmen71. Das Präferenzsystem der beteiligten Individuen wird jedoch durch soziale Nutzung kaum beeinflusst (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 44; Hasebrink / Doll 1990).
5.1.5 Gesamtangebot Neben Interessen und Ressourcen ist das verfügbare Angebot an Rundfunkprogrammen und -sendungen der letzte wichtige Faktor, der die Präferenzen mitprägt. Wie auch die Ressourcen wirkt das Angebot an Kanälen und Sendungen als Filter, der Art und Ausmaß der erfüllbaren Bedürfnisse und Wünsche limitiert72. Dabei ist das Nutzenpotenzial einer Sendung nicht für alle Rezipienten gleich: „Verschiedene Programme eines Genres erfüllen generell dieselben Bedürfnisse, aber bestimmte Zuschauergruppen erhalten diese Gratifikationen nur aus bestimmten Sendungen und aus anderen nicht“ (Schenk / Rössler 1990: 790). Doch kann das Rundfunkangebot tatsächlich als ausschließlich limitierender Faktor gesehen werden? Im Marketing sowie der Konsumpsychologie und -soziologie wird die Frage diskutiert, inwieweit Bedürfnisse und Präferenzen durch Produkte bzw. produktbezogene Kommunikation überhaupt erst geschaffen werden können (vgl. Kramer 2003: 165; Kroeber-Riel / Weinberg 2003: 605). „Sind die Entscheidungen der Konsumenten das Ergebnis einer von Unternehmen (etwa künstlich) bestimmten Nachfrage, oder sind andere soziale Mechanismen und Einflussprozesse für das typische Markthandeln mitverantwortlich?“ (Stehr 2007: 13) 71
Daneben verleitet gemeinsame Mediennutzung zu längerem Verweilen („sticking“), d.h. Umschaltimpulse werden eher unterdrückt (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 159). 72 Vgl. das Selektionsmodell von Donsbach (1991: 24ff.) sowie von Oertzen (2000: 17). Auch belegen Bente und Fromm, dass mit der Ausweitung des Angebots von sog. Affektfernsehen (Nachmittags-Talkshows) auch deren Nutzung massiv anstieg (1997: 111-113), was zeigt, dass hier zuvor eine unbefriedigte Nachfrage bestand. Trappel macht darauf aufmerksam, dass „die Mediennutzerinnen und –nutzer zwar eine Negativauswahl treffen [können], indem sie bestimmte Inhalte nicht rezipieren. Die Wahl kann jedoch nur zwischen den Inhalten erfolgen, die von der Medienorganisation bereitgestellt werden. Eine Auswahl zusätzlicher Themen und Inhalte über das Angebot hinaus kann nicht stattfinden.“ (2007: 261). Darüber hinaus ist auch die Wahl zwischen existierenden Angeboten durch parallele Programmierung der Sender eingeschränkt, so dass oft forced-choice-Situationen für den Rezipienten entstehen (vgl. Tasche 1996: 55f.).
5.1 Individuelle Programmwahl
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Obwohl es zu den existenzberechtigenden Grundannahmen des Marketing zählt, Nachfrage als gezielt herstellbar und manipulierbar zu betrachten, vereinfacht die Annahme einer direkten und allgemeinen Wirkung von Produkten und produktbezogener Kommunikation auf die Präferenzordnung des Konsumenten die Realität zu stark (vgl. Siegert / Brecheis 2005: 215f.). Dass die Produzenten nicht durch geschickte Werbemaßnahmen Präferenzen unmittelbar gestalten können, bedeutet aber noch nicht, dass das Angebot und das darauf bezogene Marketing keinerlei erweiternden Einfluss auf das Präferenzsystem des Rezipienten hätten. Denn Bedürfnisse und Wünsche, Präferenzen und Erfahrungen mit Sendungen sind im Rezipienten zyklisch aneinander gekoppelt (vgl. Abschnitte 5.1.6.3 u. 5.1.7). In jeder Situation können intervenierende Faktoren auftreten, die eine von den Präferenzen abweichende Konsumentscheidung hervorbringen (vgl. Abschnitt 5.1.6). Diese „Mutationen“ erweitern das Spektrum der Rundfunkerfahrungen. Stiften diese neuen Erfahrungen Nutzen, so kann der Wunsch entstehen, diese oder ähnliche Erfahrungen zu wiederholen. Dieser Wunsch fließt dann, wie dargestellt, in das Präferenzsystem ein. Auf diese Weise kann das Angebot tatsächlich die Präferenzen der Rezipienten modifizieren (vgl. Palmgreen 1984: 58). Relevant für die Ausprägung von Präferenzen ist nicht das tatsächliche Angebot an Programmen und Sendungen, sondern der Ausschnitt aus diesem Pool, den der Rezipient wahrnimmt. Denn trotz einer weitgehend lückenlosen Programminformation durch Programmzeitschriften, Electronic Programme Guides (EPG) und Eigenwerbung der Sender weiß der Rezipient nur von Teilen des Gesamtprogramms überhaupt, dass sie existieren (vgl. Schorr 2000: 11; Franck 1998: 45; Jäckel 1996b). Diese Beschränktheit darf nicht mit Selektivität gleichgesetzt werden: Der Rezipient entscheidet sich nicht bewusst dafür, bestimmte Teile des Programmangebots auszublenden, sondern sie gelangen gar nicht erst in seine Wahrnehmungssphäre (vgl. Schorr 2000: 11). Der Rezipient selbst macht sich ein Bild vom Programmangebot nicht nur auf Grundlage der aktuell ausgestrahlten Sendungen und der hierzu verfügbaren Programminformation. Vielmehr bestimmt sich seine Wahrnehmung des Angebots zum großen Teil durch vorherige Erfahrungen. Das heißt, der Nutzer wird solche Sendungen leichter bzw. häufiger wahrnehmen, die in zeitlicher, thematischer oder formaler Nachbarschaft zu Sendungen liegen, die er bereits kennt (vgl. Huber 2006: 17; Suckfüll 2004: 23; Jäckel 1999: 18; Vorderer 1992: 131).
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5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
5.1.6 Konsumentscheidung 5.1.6.1
Entscheidungsrelevante Faktoren
Das beobachtbare Nutzungsverhalten ist unmittelbarer Effekt von Nutzungsentscheidungen, so dass, wenn die Gründe und Mechanismen dieser Entscheidung erforscht sind, das Verhalten des Rezipienten als Ganzes verstanden werden kann. Gleichwohl hat die Rezeptionsforschung ihr Hauptziel noch nicht erreicht: Das Publikum von der Entscheidung für oder gegen einzelne Sendungen her zu verstehen. Verantwortlich für diesen Mangel an Erklärungskraft ist die Vielzahl an Faktoren, die in die Entscheidung für oder gegen eine Sendung hineinspielen. Während Präferenzen weitgehend zeitstabil sind und daher eine Vielzahl von Entscheidungen beeinflussen können, sind Entscheidungen immer eng an die jeweilige Situation und das jeweils aktuelle Angebot gekoppelt. Dabei können Situation und Angebot durchaus die aus den Präferenzen erwachsenen Dispositionen dominieren („kontextuelle Selektion“ iS Mertens, s. 1999: 349; vgl. Suckfüll 2004: 44f.). Dennoch stehen die Präferenzen am Anfang jeder Entscheidung. Aus ihnen leitet sich in jeder Situation eine Nutzenerwartung für die Sendungen des konkret verfügbaren Angebots ab73. Dabei können auch konkurrierende Dispositionen ausgeprägt werden, die im Einzelfall das Prinzip der Nutzenmaximierung überlagern (vgl. Baurmann 2002: 115). Die in den Präferenzen manifestierten Nutzenerwartungen bzgl. verschiedener Sendungstypen werden anhand des aktuellen Angebots und mit Hilfe von Programminformationen konkretisiert: Ist die anstehende Folge einer Serie voraussichtlich genauso gut, besser oder schlechter als die bisherigen Folgen? Wird dieser „Tatort“ ähnlich wie der letzte? Wie bei der Ausbildung von Präferenzen bildet der Rezipient auch bei konkreten Entscheidungen eine Erwartungen bzgl. des Netto-Nutzens, d.h. die veranschlagten Kosten der Rezeption fließen in seine Schätzung mit ein (vgl. Bilandzic 1999: 98-100). Neben Eigenschaften der Sendung haben v.a. Merkmale der Rezeptionssituation Einfluss auf die Rezeptionsentscheidung74. Hierzu zählt der jeweilige psychische Zustand des Individuums: In welcher Laune ist der Rezipient? Ist er aufnahmebereit, angespannt, müde,…? Des Weiteren ist die soziale Konstellation von Bedeutung: Findet die Rezeption alleine oder mit Ande73
Synonym werden die Begriffe „expectancy value“ oder „gesuchte Gratifikation“ verwendet (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 89; Palmgreen / Rayburn 1985, 1982; McLeod / Bybee / Durall 1982). Andere gebräuchliche Termini sind „Vorhersagenutzen“ bzw. “predicted utility” (Jungermann / Pfister / Fischer 1998: 55) sowie “subjective expected utility” (vgl. Diekmann / Voss 2004: 17; Kippax / Murray 1980); vgl. Abschnitt 2.2.2.1. 74 “Situations, not psychological dispositions (needs, preferences, attitudes and so on) tend to determine the kind of ‘viewing behaviour’ that people actualize.” (Ang 1991: 162f.) Aber: auch diese Mikro-Situationen sind immer miteinander verbunden, und das Set and Handlungsmöglichkeiten wird begrenzt durch die Programmierungsstrategien der Sender (vgl. ebd.: 163), wodurch durchaus Parallelitäten zwischen Situationen entstehen.
5.1 Individuelle Programmwahl
115
ren statt? Welchen Einfluss nehmen Mit-Rezipienten auf die Rezeptionsentscheidung? Im Übrigen spielen Umgebungsmerkmale wie Lichtverhältnisse und Geräuschkulisse eine Rolle, insbesondere wenn sie die Rezeption erschweren. Schließlich steht die Rezeptionsentscheidung immer in Konkurrenz zu außermedialen Beschäftigungen (vgl. Rott / Schmitt 2001: 259). In diesem Zusammenhang ist auch der Einfluss des Wetters auf den Umfang der Rundfunknutzung von Belang (vgl. Roe / Vandebosch 1996; Barnett et al. 1991; Gensch / Shaman 1980; Jeffres 1978)75. Wie bei den Präferenzen ergibt sich aus der Gesamtbetrachtung all dieser Faktoren ein System von Kosten-Nutzen-Paaren für alle Handlungsoptionen. Die Entscheidung ist das Ergebnis aus dem Vergleich zwischen diesen bewerteten Optionen.
5.1.6.2
Reduzierung und Vermeidung von Entscheidungen
Ein weiterer Grund für die Desiderate der Publikumsforschung liegt in der Schwierigkeit, Entscheidungen als solche zu erkennen. Es wäre entweder naiv oder übermäßig theoriegläubig anzunehmen, jeder Rundfunknutzung ginge eine bewusste, begründete Entscheidung (unmittelbar) voraus. Da die der Rezeption zurechenbaren Kosten „nur“ die Zeit- und Aufmerksamkeitsinvestition umfassen, lohnt es sich für den Rezipienten nicht, in die Entscheidungsfindung viel zu investieren. Denn auch der Aufwand, die für eine begründete Entscheidung benötigten Informationen zu sammeln und zu bewerten, wird mit dem erreichbaren Nutzen verrechnet. Die bei der Entscheidungsfindung anfallenden Transaktionskosten dürfen daher einen bestimmten Anteil an den Rezeptionskosten – gemessen als Rezeptionsdauer – nicht übersteigen. Andernfalls käme es gar nicht zur Rezeption, da bereits die Kosten, um zu entscheiden, welche Sendung genutzt werden soll, prohibitiv hoch wären. Dementsprechend werden die verfügbaren Programminformationen (Programmzeitschriften etc.) meist nur in Auszügen und oberflächlich ausgewertet. Zudem treffen Rezipienten oftmals nur eine Entscheidung für mehrere Rezeptionssituationen. Gerade in Bezug auf serielle Formate trifft der Rezipient eine Entscheidung für die gesamte Serie; diese Entscheidung führt dann – unter situativen Vorbehalten – regelmäßig zur Rezeption. Die Kombination von geringen Rezeptionskosten und hohen Entscheidungskosten begünstigt somit die habitualisierte Nutzung von Rundfunkangeboten. Sie ist nicht als Desinteresse der Rezipienten an den Angeboten zu interpretieren oder als ihre Unfähigkeit, die Qualität der Sendungen zu beurteilen. Diese beiden Strategien – kursorische Informationsauswertung und 75
„Mit den Umweltvariablen, den kalendarischen Daten und ausgewählten Sonderereignissen lassen sich rund 93 Prozent der Variation der täglichen Sehdauer erklären“ (Rott / Schmitt 2001: 259), wobei jedoch die größte Erklärungskraft nicht dem Wetter zukommt, sondern Feiertagen und Sonderereignissen (Wahlen, Sportereignisse etc.) (vgl. ebd.: 260).
116
5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
Präzedenzentscheidungen – reduzieren den Aufwand der Entscheidungsfindung und die Zahl der Entscheidungssituationen immens. Darüber hinaus kann unter Effizienzgesichtspunkten auch die Vermeidung von Entscheidungen rational sein. Die Bindung der Entscheidungskosten an die Rezeptionskosten führt darüber hinaus zur Entstehung einer Entscheidbarkeitsschwelle: Viele Rundfunksendungen sind sich so ähnlich, sind so leicht zu rezipieren und versprechen gleichzeitig so geringen Nutzen, dass es irrational wäre, zwischen diesen Angeboten eine begründete Entscheidung zu treffen (vgl. Kiefer 2005: 142). Diese Sendungen erreichen ihr Publikum nicht aufgrund von besonderen Eigenschaften, sondern durch Sendervorlieben der Rezipienten, durch Gewohnheiten, durch Publikumsvererbung oder schlicht durch Zufall. Der Anteil dieser nicht mehr rational wählbaren Sendungen ist im Radio (noch) höher als im Fernsehen, da Radio noch mehr parallel zu anderen Tätigkeiten genutzt wird, weshalb die Sendungen durchgängig mit geringerem Involvement rezipiert werden (können) (vgl. Donnerstag 1996). Hierin liegt auch der Grund dafür, dass die Sendertreue im Radio höher ist als im Fernsehen (vgl. Peters 2003: 12 m.w.H., 17; Oehmichen 1998): Die Ebene der einzelnen Sendungen liegt im Radio fast vollständig unterhalb der Entscheidbarkeitsschwelle. Doch auch im Fernsehen steigt die Aufmerksamkeit nicht zusammen mit der Nutzungszeit: „Was die Einschaltquote an Zustimmung ermittelt, gilt nicht der Dichte, der Substanz, der ‚Qualität‘ der dargestellten Wirklichkeit. […] Was an Lethargie, an Ablehnung und Naserümpfen hinter manchmal stolzen Zahlen steckt, läßt sich nicht einmal erahnen. Parallel zur Einschaltquote steigt auch die Einschlafquote“ (Hügler 1993: 253). Gegenüber Sendungen unterhalb der Entscheidbarkeitsschwelle ist der Rezipient – notwendigerweise und rational – indifferent. Doch auch oberhalb dieser Schwelle gibt es zahlreiche Angebote, deren Kosten-Nutzen-Schätzung gleich ausfällt, so dass auch zwischen diesen Optionen eine Entscheidung nicht mehr zu einem eindeutigen Ergebnis kommt. Unsicherheiten bei der Nutzenabschätzung, Unentscheidbarkeit und Indifferenz stellen die wesentlichen Ursachen dar, dass Rezeption nicht ausschließlich von den Präferenzen gesteuert wird. In den Bereichen, die durch mindestens einen dieser drei Faktoren gekennzeichnet sind, dominieren situative Faktoren oder Gewohnheiten die Rezeptionsentscheidung bzw., bei Ausbleiben einer Entscheidung, das Rezeptionsverhalten. Dies schwächt nicht grundsätzlich den Stellenwert von Rezeptionsentscheidungen; nach wie vor stellen diese Entscheidungen das Bindeglied zwischen Präferenzen und Nutzungsverhalten dar. Aber der größte Teil der Radioprogramme und ein wachsender Teil des Fernsehangebots sind einer präferenzgemäßen Entscheidungsfindung nicht mehr zugänglich. Somit kann das Nutzungsverhalten der Rezipienten keinesfalls als Spiegel der Publikumspräferenzen oder gar der Publikumsinteressen gelten. Mitunter verzichtet der Rezipient auch auf Entscheidungen, nicht, weil der Aufwand einer bewussten Entscheidung zu hoch wäre, sondern weil er „immer auch für Überraschun-
5.1 Individuelle Programmwahl
117
gen dankbar [ist]. Daraus erklärt sich auch die Mischung aus intentionalem und nichtintentionalem Handeln“ (Jäckel 2005: 87).
5.1.6.3
Vorläufigkeit von Entscheidungen
Die Strategien der Entscheidungsreduzierung lassen zugleich die Gefahr von Fehlentscheidungen entstehen. Es existiert jedoch ein potenter Mechanismus, um das Risiko von Fehlentscheidungen zu reduzieren: Jede Rezeptionsentscheidung bleibt vorläufig. Während Konsumentscheidungen im Allgemeinen ihre eigene Umsetzung dadurch sichern, dass sie unmittelbar mit Kosten (z.B. Kauf) verbunden sind, ist der Kanalwechsel im Rundfunk einfach und kostenlos. Da überdies die Rezeptionskosten für alle Sendungen gleicher Dauer gleich hoch sind, können Rezeptionsentscheidungen im Rundfunk leicht revidiert werden. Erfüllt also eine Sendung nicht die in sie gesetzten Erwartungen, schaltet der Rezipient einfach um. Durch die permanente Vorläufigkeit von Rezeptionsentscheidungen bleiben selbst Heuristiken und Gewohnheiten zugänglich für Änderungen. Allerdings wird die Reversibilität von Rezeptionsentscheidungen durch zwei Faktoren beeinträchtigt. Zum einen folgen zahlreiche Sendeformate einer narrativen oder dramaturgischen Struktur, insbesondere Spielfilme, Serien und Shows. Auch bei Sportübertragungen (weniger: Sportberichterstattung) ist der Ablauf für die Rezeption wichtig. Diese Struktur erschwert den Programmwechsel, da bei vorzeitigem Umschalten höchstens ein Teil des Nutzenpotenzials umgesetzt werden kann. Die bis zum Zeitpunkt des Aus- oder Umschaltens investierte Zeit und Aufmerksamkeit müssen dann als sunk costs verbucht werden. Aus diesem Grund wächst die Hürde des Abschaltens proportional zur Rezeptionsdauer. Im Radioprogramm ist diese Hürde grundsätzlich niedriger, da die einzelnen Beiträge – sowohl Wortbeiträge als auch Musikstücke – meistens sehr kurz sind76. Jedoch ist der Musikteppich auf eine möglichst kontinuierliche Aufnahme bei annähernd konstantem Aufmerksamkeitsniveau hin zusammengestellt, und auch Wortsender gruppieren Beiträge im Sinne möglichst geringer Differenzen bezüglich Themen, Niveau und Sprechtempo, so dass das laufende Programm kaum Anlass zum Umschalten gibt. Zum anderen beeinträchtigt eine parallelisierte Programmstruktur zwischen den Sendern den freien Wechsel zwischen Sendern. Denn wenn zwei Sendungen gleichzeitig beginnen, kann der Einstieg in ein anderes Programm zu einem späteren Zeitpunkt schwierig werden. Diese Einstiegshürden sind aufgrund der durchschnittlich deutlich kürzeren Dauer 76
Jedoch beobachtet Wegener auch im Fernsehen die Entstehung einer „Häppchenkultur“: „Bei einer durchschnittlichen Aussagenlänge von ca. zweiundzwanzig Sekunden (gegenüber siebzig Sekunden 1985/1986) bleibt den Akteuren in aktuellen politischen Magazinen kaum mehr Zeit, Gedankengänge darzulegen und Meinungen fundiert zu begründen“ (2001: 207).
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5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
einzelner Sendungen wiederum im Radio erheblich geringer als im Fernsehen. Überdies existieren auch Einstiegsbarrieren nur in narrativen Formaten, und sie werden durch Programminformationen gesenkt, die einen Überblick über den Handlungsverlauf üblicherweise anhand einer Darstellung der ersten Handlungsabschnitte vermitteln.
5.1.7 Konsum An die Entscheidung schließt sich die Phase des Konsums selbst an. In realen Rezeptionssituationen sind die Übergänge zwischen Entscheidung, Konsum und Nutzenerzielung fließend bzw. die drei Phasen fallen fast zusammen. Dies erklärt die Dynamik der Rezeption (vgl. Schweiger 2007: 160-162): Schaltet man zufällig, d.h. ohne sich vorher über das Programm informiert zu haben, in eine Sendung hinein, entspricht das einer Entscheidung mit einer sehr kurzen Reichweite: Der Rezipient gibt der Sendung eine Chance. Wird aus der Rezeption Nutzen gezogen, so bestätigt dies die Entscheidung. Um den weiteren Entscheidungsbedarf zu reduzieren, wird zugleich das Intervall bis zur nächsten Entscheidung verlängert. Steht also in den ersten Minuten einer Fernseh- bzw. in den ersten 30 Sekunden einer Radiosendung die weitere Rezeption mehrfach zur Disposition, so schaltet nach ca. 10 Minuten im Fernsehen und ca. einer Minute im Radio kaum noch jemand während einer Sendung um (vgl. Hawkins / Pingree 1996: 108f.). In diesem Prozess ist die Phase des Konsums theoretisch wie empirisch die einfachste: Der Zuschauer sieht fern, der Zuhörer hört Radio. Sensorische, kognitive und affektive Erregungsmuster, die der Rezipient in dieser Zeit durchläuft, sind außerordentlich komplex. Doch weder aus publizistischer noch aus ökonomischer Perspektive können diese Vorgänge von mehr als mittelbarem Interesse sein. Für diese beiden Blickwinkel sind die Metakognitionen ungleich wichtiger: Was will der Rezipient von einer Sendung? Welche Interessen sucht er mit der Nutzung zu befriedigen? Und in welchem Ausmaß gelingt ihm das? Um diese Fragen zu beantworten, sind während der Nutzung selbst, wenn sie von dem grundsätzlich vorgängigen Entscheidungsprozess und dem grundsätzlich nachfolgenden Nutzen getrennt betrachtet wird, lediglich einige Parameter bedeutsam, die auf die Ausschöpfung des Nutzenpotenzials einer Sendung Einfluss nehmen. Hierzu gehören in erster Linie das Aufmerksamkeitsniveau des Rezipienten und sein Involvement. Das Niveau sowohl des Involvements als auch der Aufmerksamkeit sind innerhalb einer Sendung variabel. Um das optimale Aufmerksamkeitsniveau zu erreichen, orientiert sich der Rezipient sowohl an Sendungsmerkmalen als auch am Verhalten anderer Anwesender (vgl. Schorr 2000: 8). Darüber hinaus prägt sein vorgängiges Interesse am Thema das Ausgangsniveau seiner Aufmerksamkeit.
5.1 Individuelle Programmwahl
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Das Gleiche gilt im Prinzip für das Involvement des Rezipienten, d.h. für die psychische Beteiligung am Geschehen im Radio oder Fernsehen. Es kann situativ schwanken, und auch das generelle Involvementniveau, das der Rezipient für ein Medium veranschlagt, ist flexibel (vgl. Schenk 2000: 78f.; Donnerstag 1996: 308). Der Rezipient verfolgt eine Sendung umso eher bis zum Ende, je stärker er involviert ist (vgl. Vorderer 1992: 236). Aufmerksamkeit und Involvement können zusammen als der erforderliche kognitive Aufwand („amount of invested mental effort“) bezeichnet werden (vgl. Winterhoff-Spurk 2000: 90). Annahme bei Studien zu den kognitiven Investitionen der Rezipienten war, dass Fernsehen vom Publikum grundsätzlich als wenig anstrengend erachtet wird (vgl. ebd.). Jedoch weisen Variabilität und Dynamik von Aufmerksamkeits- und Involvementniveau in eine andere Richtung. Eher ist Klaus Schrape darin zuzustimmen, dass in zunehmend schneller Folge – bis hin zur Gleichzeitigkeit – verschiedene Aufmerksamkeitsniveaus herrschen, um ebenfalls dynamische Medienumgebungen angemessen bewältigen zu können (Schrape bezeichnet dies als den „gespaltenen“ Medienkonsumenten, vgl. 2000: 23).
5.1.8 Nutzen Am Ende des Rezeptionsprozesses steht der erreichte Nutzen, den der Rezipient aus der Nutzung zieht. Er ist das kognitiv-affektiv-konative Substrat der Rezeption für den Rezipienten. Nutzen ist definiert als das Maß, in dem Bedürfnisse und / oder Wünsche durch eine Tätigkeit, hier die Rezeption von Rundfunksendungen, erfüllt werden (vgl. Broß / Garbers 2006: 87). Der Nutzen stellt das Gegenstück zu den Kosten in der ökonomischen Beurteilung eines Gutes dar; er ist der individuelle Wert dieses Gutes, der im Konsum realisiert wird. Eine Sendung oder ein Beitrag nützt dem Rezipienten immer dann, wenn dieser durch das Angebot informiert, unterhalten oder gebildet wird. Da sich der Wert eines Gutes aus dem Verhältnis von Kosten und Nutzen ergibt, kann man zwischen Brutto- und Nettonutzen einer Rundfunksendung unterscheiden. Der Bruttonutzen ist dabei der reine Nutzenzuwachs, der durch den Konsum erreicht wird – man könnte sagen, dass die vorherigen Schritte, die zur Rezeption geführt haben, ausgeblendet werden. „Man beachte jedoch, daß die Befriedigung, die Konsumenten aus ihrem Kaufakt ziehen, ihren Transaktionskosten gegenübergestellt werden müssen.“ (Richter / Furubotn 2003: 66) Daraus ergibt sich der Nettonutzen. Nur wenn dieser positiv ist, wird der Rezipient unter den gleichen Umständen eine solche Sendung erneut hören oder sehen wollen. So kann z.B. ein Großteil des Nutzenpotenzials einer Sendung dadurch zunichte gemacht werden, dass sie erst nachts um 1.45 Uhr beginnt. Der Rezipient wird in diesem Fall entweder von der Nutzung Abstand nehmen, oder er verändert die Nutzungssituation zu seinen
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Gunsten, indem er die Sendung aufzeichnet und zu einem späteren Zeitpunkt rezipiert, wenn er nicht müde ist. Wie die Verschränkung von Entscheidung, Konsum und Nutzenrealisierung deutlich macht, kann das Nutzenniveau sowohl während als auch nach einer Sendung bestimmt werden. Der Nutzen während einer Sendung bestimmt über die Fortsetzung der Rezeption, der nach der Sendung erzielte Gesamtnutzen prägt künftige Entscheidungen über andere, vergleichbare Sendungen. Es „läßt sich vermuten, daß es dem Rezipienten aufgrund einer ungefähren Kenntnis des aktuell zu Verfügung stehenden Angebots (z.B. in Form von Vorinformationen über einen Film oder auch nur in Form von Genrekenntnissen) möglich ist, diese Prozesse [kognitive und emotionale Effekte aus der Nutzung] durch eine bewußte Angebotsauswahl in einer bestimmten (gewünschten) Intensität gezielt herbeizuführen“ (Vorderer 1992: 131). Da Nutzen mit der zumindest partiellen Befriedigung von Wünschen und Bedürfnissen gleichzusetzen ist, verändert sich durch ihn auch das System der Wünsche und Bedürfnisse. Insofern steht er am Anfang eines neuen Kreislaufs, der die weitere Reduzierung von Mängeln zum Ziel hat. Dabei können durch einen Rezeptionsvorgang durchaus mehrere Wünsche und Bedürfnisse gleichzeitig erfüllt werden, etwa nach Gemeinschaft und Unterhaltung. Auch erschöpfen sich die möglichen Nutzenkategorien nicht in dem durch die Genrecodierungen der Sender vorgegebenen Rahmen (vgl. Ang 1991: 168). Rundfunknutzung wurde oben als Niedrigkostensituation charakterisiert (vgl. Abschnitt 3.3.3.2). Dies macht es leicht, mit Rundfunkkonsum einen positiven Nettonutzen zu erzielen. Allerdings wurde bereits darauf hingewiesen, dass lediglich die variablen Kosten der Rundfunknutzung gering sind, was die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Sendung unter Kostengesichtspunkten schwierig macht. Die im Verhältnis hierzu hohen fixen Kosten (Entscheidungskosten) geben indes einen Hinweis darauf, dass Rundfunk durchaus einen hohen Bruttonutzen bieten kann, da sich auch die Fixkosten durch die Rezeption amortisieren müssen. Demnach ist eine Situation mit niedrigen variablen Kosten nicht unbedingt mit einer Niedrignutzensituation gleichzusetzen. Bei der Beurteilung des Nutzenniveaus von Rundfunksendungen spielen die Kosten und der Nutzen anderer Güter eine entscheidende Rolle. Wie schon zu den Kosten der Rezeption ausgeführt wurde (vgl. Abschnitte 3.3.3.1 und 3.3.3.2), kann die für eine Sendung erforderliche Zeitinvestition unterschiedlichen Wert haben, je nachdem, wieviel Freizeit der Rezipient hat. Daraus ergibt sich zweierlei: Zum einen sinkt der Nettonutzen pro Sendung mit dem Wert der variablen Kosten. Das heißt, wer seltener Radio hört oder fernsieht, weil er über wenig Freizeit verfügt, hat weniger davon. Damit solche Rezipienten Rundfunk überhaupt rentabel nutzen, d.h. einen positiven Nettonutzen realisieren können, müssen sie Angebote mit hohem Nutzenpotenzial bevorzugen und diese ebenfalls mit hoher Aufmerk-
5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten
121
samkeit rezipieren, denn so erzielen sie einen hohen Bruttonutzen. Zum zweiten bestimmt der individuelle Freizeitwert über die Wertschätzung von Radio und Fernsehen insgesamt. Diese nämlich kann als Aggregation der Nettonutzen aus allen Einzelrezeptionen betrachtet werden. Das Verhältnis dieses Aggregats zu den Nettonutzenniveaus anderer Beschäftigungen gibt die Haltung des Rezipienten zum Rundfunk wider. Somit werden Radio und Fernsehen auch strukturell weniger wichtig und weniger wertvoll für Menschen, die wenig Zeit darauf verwenden. Umgekehrt stellt Rundfunk gerade für Vielseher eine Hochnutzensituation dar: Ihre Zeit hat einen relativ geringeren Wert, so dass die Kosten der Rundfunknutzung tatsächlich gering bleiben, was für den größten Teil der angebotenen Sendungen einen positiven Nettonutzen ermöglicht. Darüber hinaus kann diese Rezipientengruppe ein breiteres Nutzenspektrum erzielen. Über die größere Auswahl an Sendungen mit positivem Nettonutzen hinaus kann ihnen die aufmerksamere Rezeption anspruchsvoller Sendungen einen deutlich höheren Bruttonutzen erbringen. Demgegenüber ist dieser Sendungstyp der einzige, der für Rezipienten mit wenig Freizeit überhaupt rentabel werden kann. In Abschnitt 5.1.4 ist bereits auf die Bedeutung des sozialen Kontextes als Ressource hingewiesen worden. Doch auch für den erzielten Nutzen aus einer Sendung spielt das soziale Umfeld eine große Rolle: „In vielen Studien werden beim Medium an sich gesuchte Gratifikationen, beim Medieninhalt gesuchte Gratifikationen und gesuchte Gratifikationen, die mit der Nutzungssituation zusammenhängen, nicht unterschieden. Diese Trennungen sollten jedoch grundlegend sein, denn es ist nicht zu erwarten, dass sich die verschiedenen Arten von gesuchten Gratifikationen immer entsprechen“ (Suckfüll 2004: 37). So können u.U. Rezeptionen gerade erst durch einen sozialen Zusatznutzen rentabel werden (vgl. Abschnitt 6.1.3.4). Insbesondere dient interpersonelle Kommunikation zur Interpretation und Bewertung – und damit auch zur Bildung und Veränderung von Interessen – von Informationen, die durch Massenmedien vermittelt worden sind (vgl. Schorr 2000: 15; Schenk 1995).
5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten Bis hierher wurde der Rezeptionsprozess überwiegend aus der Perspektive des einzelnen Individuums dargestellt. Allerdings ist deutlich geworden, wie soziale Konstellationen sowohl Präferenzen als auch Entscheidungen eines Individuums berühren (vgl. Abschnitte 5.1.3 und 5.1.4). Insofern ist soziale Interaktion bereits Teil eines Modells von Publikumsverhalten, auch wenn nur die individuellen Wechselwirkungen zwischen Bedürfnissen, Wünschen und Verhalten beobachtet werden. Es konnte gezeigt werden, dass das Nutzungsverhalten die Interessen der Rezipienten nicht kongruent abbildet (vgl. Abschnitt 5.1). Weder sind Interessen voraussetzungsfrei,
122
5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
noch bleiben sie vor, während und nach der Rezeption unveränderlich. Aus diesem Grund genügt es nicht, ein Modell des Rezipientenverhaltens zu entwickeln. Hinzutreten muss vielmehr ein Schema, wie zwischen Sender und Rezipient vermittelt wird, welche Akteure in diese Vermittlung einbezogen sind und was Gegenstand dieser Kontakte ist. Das Schema der Vermittlung zwischen Publikum und Sendern muss also alle Arten der Metakommunikation abbilden, die Kommunikationsmodi und -kanäle, die die Beteiligten nutzen, um über das Programm zu kommunizieren.
5.2.1 Metakommunikation von Sendern Die wichtigste Kommunikation von Sendern zu ihrem Publikum ist das Programm selbst, wie auch auf anderen Märkten das beste Verkaufsargument ein gutes Produkt ist. Doch in mehr oder weniger enger Verschränkung mit dem Programm versuchen die Sender, den Rezipienten weitere Informationen, Stimmen und Stimmungen über ihr Programm oder über den Sender zu vermitteln (vgl. Heinrich 2002: 515-518). Mit dieser Metakommunikation werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll das Publikum auch außerhalb des Programmflusses über wichtige Sendungen informiert werden; zudem sollen diese Kommunikationsformen die Rezipienten für die betreffende Sendung begeistern. Dieses Ziel beruht in erster Linie darauf, dass Konsumentscheidungen für Rundfunksendungen nicht immer unmittelbar vor dieser Sendung und nicht immer in einem Rundfunkkontext getroffen werden (vgl. Abschnitt 5.1.6). Zum anderen erhöhen Programminformationen innerhalb des Programms die Kohärenz des Programms. Insofern ist zwischen der Metakommunikation innerhalb und den Kommunikationsmaßnahmen außerhalb des Programms zu unterscheiden, da sie unterschiedliche Ziele verfolgen und sich in verschiedener Weise auf das Programm beziehen.
5.2.1.1
Metakommunikation innerhalb des Programms
Innerhalb des Programmablaufs verschwimmen die Grenzen zwischen Kommunikation und Metakommunikation, und zwar umso mehr, je mehr die Interaktion zwischen Sender und Publikum selbst Gegenstand einer Sendung ist. Diese Verschränkung von Hinweis- und Werbefunktionen der Metakommunikation einerseits mit der Informations- und/oder Unterhaltungsfunktion von Rundfunkkommunikation andererseits demonstriert mehrere Aspekte von Rundfunk im frühen 21. Jahrhundert: So gehen die Inhalte einer Sendung z.T. nur unwesentlich über den Inhalt der Ankündigung hinaus. Somit wird das vorangehende Zitat der Sendung einerseits bereits zum Teil der Sendung, andererseits bildet die Sendung ledig-
5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten
123
lich eine Verlängerung der Ankündigung. Dies hat Konsequenzen für den gesamten Programmablauf: Je mehr Sendungen angekündigt werden, desto weniger Platz steht für andere Inhalte zur Verfügung. Da überdies die Ankündigungen umso wirksamer sind, je näher die angekündigten Sendungen mit den gerade laufenden Formaten verwandt sind, wird dadurch zugleich die thematische und formale Bandbreite des gesamten Programms eingeschränkt. Im Radio ist diese Entwicklung weiter fortgeschritten, weil dort die Programme mit durchschnittlich geringerer Aufmerksamkeit genutzt werden als im Fernsehen. Hier zeigt sich darüber hinaus auch, dass durch Wiederholungen insgesamt neue, sehr kurze Rhythmen entstehen. Die Ausstrahlung von Nachrichten im Halbstundentakt etwa führt dazu, dass auch die übrigen Programmteile diese Marke als Horizont verwenden. Wird im TV noch ein „Spielfilmsommer“ oder ein „heißer Herbst“ beworben, kündigen Radiomoderatoren häufiger an, was in der nächsten halben Stunde oder nach der Werbepause zu hören sein wird. Die positive Kehrseite dieser Entwicklung liegt darin, dass durch die Steigerung von Redundanzen im Radio die Verständlichkeit von Rundfunksendungen auch dann noch erhalten bleibt, wenn sie mit minimaler Aufmerksamkeit rezipiert werden. Auch ermöglicht ein schnellerer Rhythmus eine höhere Aktualität als im Fernsehen. Hinzu kommen ein geringerer Produktionsaufwand und kürzere Abstände zwischen Nachrichtensendungen. Das macht das Radio zum wichtigsten Medium für aktuelle Service-Informationen (z.B. Staumeldungen, Veranstaltungshinweise). In dieser Hinsicht kommt dem Radio des Weiteren die deutlich geringere geographische Reichweite zugute. Da Service-Angebote umso besser sein können, je genauer sie auf den Rezipienten zugeschnitten sind, nimmt die Attraktivität von Service-Inhalten umgekehrt proportional zur Größe des Sendegebietes zu und ab. Der wichtigste positive Effekt, der sich aus der engeren Kopplung von Kommunikation und Metakommunikation ergibt, besteht aber in der Aufwertung von Interaktionen zwischen Sendern und Rezipienten. So hat die Zahl interaktiver Angebote im Fernsehen in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen, und sie verzeichnen gute Beteiligungsquoten sowie – dank der 70-prozentigen Beteiligung an den Telefongebühren – gute Renditen (vgl. Goldhammer / Lessig 2005: 14). Im Radio besteht ohnehin ein großer Teil der Wortbeiträge aus Rätseln, Gewinnspielen oder schlicht Aktionen, die den Zuhörer zum Mitmachen und Anrufen auffordern. Das beinhaltet auch Formate („Marktplatz“, „Kontrovers“,…), die vollständig auf die Beteiligung der Zuhörer an aktuellen Fragestellungen abzielen.
5.2.1.2
Metakommunikation außerhalb des Programms
Wenn ein Sender außerhalb des Programms seine Angebote kommuniziert, ist die Verschmelzung von Kommunikation und Metakommunikation, von Hinweis und Inhalt, logischerweise kein Thema mehr. Dann nimmt Metakommunikation immer werblichen Charak-
124
5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
ter an – selbst in anderen Sendern der gleichen Sendergruppe werden Programmankündigungen immer in einem Werbeblock ausgestrahlt, nicht aber zusammen mit den Programmhinweisen des ausstrahlenden Senders nach dem Werbeblock. Die Werbung für das eigene Programm dient für den Sender zur Markenbildung und damit zur Erhöhung der Sendertreue (vgl. Siegert 2001). Daher nimmt die Mitteilung von Sendereigenschaften hier an Bedeutung zu, die einzelne Sendung tritt demgegenüber etwas zurück. Metakommunikation über das Programm betreiben jedoch nicht nur die Sender selbst. Der größte Teil der Programminformation erfolgt durch Programmzeitschriften bzw. entsprechende Seiten oder Beilagen in Zeitungen. Allerdings können die Interessen der Verleger von Programmzeitschriften als parallel zu denen der Sender betrachtet werden, da sie gemeinsam davon profitieren, wenn Zuhörer und Zuschauer sich leicht im Programmdickicht zurechtfinden und dadurch auch häufiger Radio und Fernseher nutzen. Programmzeitschriften und die Rundfunkbeilagen der Zeitungen sind deswegen besonders hervorzuheben, weil sie einen Medienwechsel durchführen, der für die Rezeptionsentscheidungen im Publikum außerordentlich wichtig ist. Nutzungsentscheidungen werden nicht immer in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe zur tatsächlichen Nutzung getroffen. Auch können sie von anderen Personen als den tatsächlichen Rezipienten getroffen werden. Daher wäre es ideal, den Rezipienten permanent mit Informationen über das Programm zu versorgen. Diesem Ideal am nächsten kommen Zeitung und Zeitschrift, da der Nutzer ihre Nutzung seinen eigenen Rhythmen anpassen kann. Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss die Wirkungsbeschränkung von programminterner Metakommunikation: Sie kann nur in geringem Ausmaß neue Rezipienten gewinnen, da 1. der Hinweis zum Zeitpunkt der Ausstrahlung wahrgenommen werden muss77 und 2. der Rezipient auch dann Zeit haben muss, wenn das beworbene Angebot gesendet wird78. Da Rundfunkprogramme in relativ festen Rhythmen genutzt werden, ist es daher geboten, programminterne Hinweise zur gleichen Tageszeit auszustrahlen wie das beworbene Programm. Doch in diesem Zeitraum können eben nur diejenigen Zuhörer oder Zuschauer erreicht werden, die ohnehin mit höherer Wahrscheinlichkeit von dem beworbenen Angebot erfahren79.
77
Aus diesem Grund werden Programmhinweise oft auch mehrfach über einen längeren Zeitraum hinweg ausgestrahlt, um die Kontaktwahrscheinlichkeit zu erhöhen. 78 Drittens dürfen zu diesem Zeitpunkt keine konkurrierenden Sendungen mit besserer Kosten-Nutzen-Bilanz für den Rezipienten angeboten werden dürfen. Diese Bedingung können die Sender jedoch durch eine entsprechende Programmplanung erfüllen (Counter-Programming; vgl. Klövekorn 2002: 32ff.). 79 In dieser Hinsicht kommt dem Radio sein Status als Begleitmedium zugute. Denn wenn ein bestimmter Sender über einen längeren Zeitraum läuft, können Programmhinweise auch zu Zeiten wahrgenommen werden, zu denen grundsätzlich keine aufmerksame Nutzung stattfindet (z.B. bei der Arbeit).
5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten
125
5.2.2 Metakommunikation von Rezipienten Die mangelnde Kenntnis der Sender von Publikumsinteressen ist ein wesentlicher Grund für Leistungsdefizite im Rundfunkmarkt. Dies ist insofern erstaunlich, als Rezipienten eine Vielzahl von Gelegenheiten und Kanälen nutzen, um sowohl ihre Wünsche als auch ihre Meinung zu ausgestrahlten Sendungen zum Ausdruck zu bringen.
5.2.2.1
Phasen der Metakommunikation
In Bezug auf die Rezeption einer Sendung können drei Phasen unterschieden werden, in denen der Rezipient jeweils verschiedene Anliegen hat, wenn er sich zu Sendungen und Programmen äußert (vgl. Suckfüll 2004: 42ff.; Donsbach 1991: 26-28; Donsbach 1989). Metakommunikation vor der Rundfunknutzung (prä-kommunikativ) verfolgt das Ziel, Wünsche und Ansprüche an das Programm zu formulieren. In der Regel geht dieser Kommunikation ein Mangelbefund voraus: Der Rezipient hat festgestellt, dass das Gesamtprogramm nicht alle seine Wünsche befriedigen kann. Dieser Befund kann sich auch aus vorherigen Rezeptionen speisen. Da die Wirkungen zwischen Präferenzen und Nutzung zyklisch verlaufen, könnte daraus abgeleitet werden, es handele sich um Kommunikation nach der Nutzung. Indes ist diese Kommunikation immer auf nachfolgende Rundfunknutzungen gerichtet: Der Rezipient zielt auf eine Erweiterung des Programms ab, um Angebote zu erhalten, die seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Strukturell gehen also Kommunikationsakte, die Defizite im Programm benennen, der Rundfunknutzung voraus. Auch während der Nutzung, d.h. im Rahmen einer Sendung selbst, kommt es in wachsendem Ausmaß zu Kommunikationsakten vom Rezipienten zum Sender. Diese Call Media-Angebote (vgl. Abschnitt 3.3.3.3), unter die v.a. Abstimmungen und Gewinnspiele fallen, sind für die Sender unter zweierlei Gesichtspunkten attraktiv. Zum einen stellen sie eine von der Werbeindustrie unabhängige Einnahmequelle dar – immerhin wurden 2003 auf diesem Wege 320 Millionen Euro erwirtschaftet (vgl. Goldhammer / Lessig 2005: 96)80. Zum anderen fungieren sie als Gradmesser für die Interessen des Publikums. Wie viele Rezipienten bei welcher Sendung anrufen, welche Präferenzen für welche Fragen, Spiele oder Abstimmungsoptionen erkennbar sind, diese Daten ermöglichen Rückschlüsse auf inhaltliche Vorlieben und Abneigungen des Publikums. Allerdings bleibt die Erkenntnistiefe der Auswertung von Call Media-Nutzungen im Vergleich zur Analyse anderer Zuschauerkontakte be80
Für das Jahr 2009 werden bereits 680 Millionen Euro Umsatz der TV-basierten Mehrwertdienste prognostiziert (vgl. Goldhammer 2005: 203).
126
5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
grenzt. Denn bei Call Media-Angeboten können die Rezipienten lediglich auf die Handlungsaufforderungen („Rufen Sie jetzt an!“) der Sender reagieren. Darüber hinaus ist die Art des Kontakts stark eingeschränkt. Call-Media erlaubt keine Stellungnahme zur Sendung selbst, zu den Parametern des Formats, sie lassen keine Vergleiche zu anderen Sendungen zu, sie ermöglichen keine strukturellen Veränderungswünsche. Sowohl bei Abstimmungen als auch bei allen Arten von Gewinnspielen ist der Rezipient in erster Linie Teil der Sendung, Metakommunikation findet nur äußerst eingeschränkt statt. Gewinnspiele sind als Indikator für Rezipientenpräferenzen sogar noch weniger aussagekräftig als Abstimmungen, da erheblich weniger Rezipienten teilnehmen können. Ein stärker qualitativ bestimmtes Bild der Rezipienteninteressen als bei Gewinnspielen und Abstimmungen lässt sich in Verbraucher-, Service-, Ratgeber- und Forumssendungen ermitteln (vgl. Neumann-Braun 2000: 13-22). Diesen Formaten ist gemeinsam, dass sie Impulse für die inhaltlichen Schwerpunkte einer Sendung aus Anrufen, Faxen oder E-mails von Zuhörern oder Zuschauern beziehen. Zum Teil gewinnen die Rezipienten dadurch sogar Einfluss auf die Dramaturgie einer Sendung. Auch in diesen Sendungen tragen die Beiträge der Rezipienten nur teilweise metakommunikative Züge; gerade Forumssendungen stellen in erster Linie eine Plattform für die öffentliche Teilnahme an bestimmten Diskursen bereit, so dass hier der Nutzer als Lieferant von Inhalten in Anspruch genommen wird (vgl. Abschnitt 7.1.2 mit Hinweisen zu user generated content). Zudem ist die Anzahl der Beiträge Indiz für die Akzeptanz der jeweiligen Sendung. Wichtiger noch ist aber die qualitative Dimension. Viele Zuschauer bzw. Zuhörer nutzen die Gelegenheit, um ihre Meinung zu einem Format oder sogar dem Sender insgesamt zum Ausdruck zu bringen. Daraus können die Sender Anregungen für die Programmentwicklung beziehen, wenn diese Impulse systematisch ausgewertet und aufbereitet werden. Auch nach dem Konsum (post-kommunikativ) findet sehr umfangreiche Kommunikation des Publikums über das Rundfunkprogramm statt. Dabei ist in dieser Phase der Anteil der Metakommunikation am höchsten, da der Rezipient selbst im Anschluss an die Nutzung das Gehörte und Gesehene bewertet und in Bezug zu seinem aus anderen Medien und eigenen Erfahrungen gewonnenen Wissen setzt. Er kennt nun die Sendung und kann beurteilen, welche Faktoren für ihn attraktiver, nützlicher, unterhaltsamer etc. waren als in vergleichbaren früheren Sendungen. Daher neigt er auch nach der Nutzung am stärksten dazu, verschiedene Sendungen miteinander sowie seinen tatsächlich durch eine Sendung erzielten Nutzen mit der vorangegangenen Nutzenschätzung zu vergleichen. Ist der erreichte Nutzen sehr hoch, so möchte der Rezipient die Atmosphäre der Sendung möglichst lange und möglichst authentisch erhalten. So wird er zum Fan: Nach Ende der Sendung besucht er deren Website, schreibt eine E-mail an die Redaktion, versucht Autogramme der Mitwirkenden zu bekommen, tauscht sich mit Gleichgesinnten über De-
5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten
127
tails der Sendung aus, kauft Fan-Artikel usw. (vgl. Bachmair 1996: 257-266). Diese Tätigkeiten entspringen überwiegend dem Wunsch, eine beliebte Sendung so intensiv wie möglich auszunutzen, auch über den engen Rahmen der Sendung selbst hinaus. Insofern ist die Kommunikation, ebenso wie andere Aktivitäten wie z.B. der Kauf von Devotionalien, nicht notwendigerweise an den Sender gerichtet. Allerdings hat der Sender ein Interesse daran, möglichst viele Inter- und Transaktionsmöglichkeiten zu den von ihm ausgestrahlten Sendungen selbst anzubieten. Denn die Themen, Gewichtungen und Bewertungen, die der Austausch zwischen Fans beinhaltet, sind wertvoller Input für die adressatengerechte Konzeption künftiger Episoden eines Formats. Das Gegenstück zum Fan ist der Gegner einer Sendung. Wer sich beleidigt fühlt, die Entwicklung seiner Kinder gefährdet oder ethische Prinzipien verletzt sieht, hat aus einer Sendung einen negativen Nutzen gezogen. Je größer dieser negative Nutzen ist, desto eher wird der Rezipient aktiv: Er beschwert sich. Dabei richtet er seine Beschwerde und Forderungen (z.B. Absetzung der betreffenden Sendung) entweder direkt an den Sender, oder er wendet sich an vermittelnde Organisationen wie z.B. Jugendschutzbehörden, Verbraucherschutzverbände oder Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle (vgl. Abschnitt 5.2.3).
5.2.2.2
Nutzung als Metakommunikation?
Die Nutzungsforschung basiert (ebenso wie die Konsumforschung) auf der Annahme, dass der Rezipient in seinem Nutzungsverhalten seine Interessen und Präferenzen offenbare (vgl. die Unterscheidung von Markt- und reflektiven Präferenzen in Abschnitt 5.1.3). Nutzung wird demnach als Metakommunikation zu der betreffenden Sendung interpretiert. Dann kann von Einschaltzeitpunkt und -dauer auf die Wertschätzung einer Sendung durch das jeweilige Publikum geschlossen werden. Media-Analyse und Einschaltquoten sind Ergebnisse dieses Gedankens. Der kommunikative Aspekt ist dem Nutzungsverhalten nur implizit, was die potenzielle Aussagebreite und –tiefe für den einzelnen Rezipienten erheblich einschränkt. Daher müssen die Daten aus den jeweiligen Erhebungen auch nach festgelegten Verfahren aggregiert und interpretiert werden. In Abschnitt 3.3.3.2 konnte jedoch bereits gezeigt werden, dass Einschaltquoten und andere Instrumente zur Reichweitenmessung kaum geeignet sind, als Währung im Rezeptionsmarkt zu fungieren. Das heißt, die Nutzung alleine – so weit sie überhaupt in den Erhebungen der AG.MA und der GfK erfasst werden kann – gibt nur mangelhaft Auskunft über die Bewertung einer Sendung durch den Rezipienten. Insofern ist auch ihr Wert für die Deduktion der Interessen und Präferenzen des Publikums gering. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Nutzung nicht nur von den Interessen des Rezipienten abhängt – wie in Abschnitt 5.1 gesehen. Vielmehr intervenieren zahlreiche andere
128
5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
Variablen in den der Rezeption vorausgehenden Entscheidungsprozess. Für jede einzelne Rezeption gilt daher, dass ihr immer eine Kombination von Interessen, Angebotsmerkmalen und situativen Aspekten zugrunde liegt und dass darüber hinaus die Gewichtung dieser Faktoren über die Zeit hochvariabel ist. Daher sind Rückschlüsse von Nutzungsverhalten auf Interessen nur unzureichend möglich. Hinzu kommt, dass die Nutzung für den Rezipienten eben in erster Linie Verhalten und nicht Kommunikation ist. Das heißt, dass sich der Rezipient des kommunikativen Aspekts der Rezeption nicht unbedingt bewusst ist. Für die Mitglieder des GfK-Panels kann zwar davon ausgegangen werden, dass sie sich darüber im Klaren sind, dass ihr Rezeptionsverhalten die Basis für zahlreiche Programmentscheidungen der Fernsehsender ist. Doch auch für Mitglieder des ZUMA-Panels (Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen) konnte kein strategisches Antwortverhalten festgestellt werden (vgl. Porst / von Briel 1995: 9-16). Dieses Ergebnis dürfte ohne Weiteres auf andere Panels übertragbar sein. Dennoch besteht ein, wenn auch vermittelter, Zusammenhang zwischen den jeweiligen Rezeptionsentscheidungen und den Metakommunikationen des Rezipienten. Denn so lange der Rezipient den Sender über seine Interessen und Absichten nicht täuschen will, macht er mit der Nutzung eines Senders und einer Sendung automatisch eine Aussage über seine Bewertung dieses Senders / dieser Sendung – im Verhältnis zu den jeweiligen Alternativen. Doch diese Aussage kann nicht die gleiche Kraft beanspruchen wie intentionale Formen der Metakommunikation. Denn sie ist zwingend mit dem Verhalten verknüpft und verlangt vom Rezipienten keine zusätzliche Leistung. Wenn dieser sich demgegenüber entschließt, seine Empfindungen und Beurteilung einer Sendung in Worte zu fassen und dies mitzuteilen, zeigt dies, dass er der Sendung grundsätzlich eine vergleichsweise hohe Bedeutung beimisst.
5.2.2.3
Gründe für die Wirkungslosigkeit von Publikumskommunikation
Angesichts dieser Vielfalt an Ausdrucksformen ist die Frage zu wiederholen: Warum entfaltet dieser Publikumsinput keine stärkere Wirkung auf das Rundfunkprogramm, d.h. warum bleibt die Diskrepanz zwischen Publikumsinteressen und Programmangebot so groß? Drei Eigenschaften der von den Publika ausgehenden Metakommunikation sind dafür verantwortlich, dass sie auf Programmentscheidungen der Sender nur geringen Einfluss hat (vgl. Hasebrink 1995: 43; Meier 1995: 172; selbst wenn sich Teilpublika organisieren, haben sie nur geringen Einfluss auf die Entscheidungen in Rundfunkorganisationen, vgl. Turow 1982). Es handelt sich um ungewisse Repräsentativität, um die Variabilität von Interessen und Präferenzen sowie um die Einschränkungen der Kommunizierbarkeit von Interessen. Diese Merkmale bewirken alle, dass die Mitteilungen der Rezipienten keine verlässliche Auskunft über künftige Präferenzen des Publikums geben.
5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten
5.2.2.3.1
129
Mangelnde Repräsentativität
Das erste Problem entsteht dadurch, dass ein Sender nicht wissen kann, inwiefern die Rückmeldungen, die er zu den ausgestrahlten Programmen enthält, auch für diejenigen Rezipienten gültig sind, die die jeweilige Sendung genutzt haben, ohne sie zu kommentieren. Es geben überhaupt nur diejenigen Rezipienten eine Stellungnahme zu einer Sendung ab, die ein besonderes Anliegen haben. Dieses Anliegen kann in der Partizipation am öffentlichen Diskurs bestehen (Teilnahme an einer Sendung), in einem besonders hohen durch die Sendung erzielten (Positiv- oder Negativ-)Nutzen (Metakommunikation nach der Rezeption) oder im Schutzbedürfnis anderer Rezipientengruppen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Rezipientenmeinungen, die nicht durch eines dieser Anliegen motiviert sind, werden also in allen Arten der Metakommunikation unterrepräsentiert sein. Daher ist auch im Rundfunk davon auszugehen, dass eine Sendung für die schweigende Mehrheit akzeptabel ist – oder die Nutzendifferenz zu alternativen Beschäftigungen, also auch zu anderen Programmen, ist so gering, dass eine Nutzenoptimierung unverhältnismäßig aufwändig wäre. Während dieser Befund also keinen Aktionismus der hektischen Innovationen begründet, kann er ebenso wenig das existierende Programm rechtfertigen. Die Gewinnung repräsentativer Informationen über die Interessen und Präferenzen des Publikums wird weiterhin dadurch beeinträchtigt, dass sich die Kommunikation der Rezipienten an verschiedene Adressaten richtet. So sind bereits in der Senderorganisation oftmals eine Beschwerdestelle (Ombudsstelle und / oder Jugendschutzbeauftragter) von einer Zuhörerbzw. Zuschauerredaktion getrennt. Zudem wenden sich die Zuschauer und Zuhörer nicht nur an die Sender, um sich über das Rundfunkprogramm mitzuteilen. Regelmäßig schwappen Auseinandersetzungen über skandalträchtige Formate in andere Medien über, so dass beispielsweise die Feuilletonisten der Tageszeitungen stellvertretend für das Rundfunkpublikum über Rundfunkangebote diskutieren. Zahlreiche Zuschauer und Zuhörer bringen ihre Reaktionen auf das Rundfunkprogramm auch bei Landesmedienanstalten, der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) oder Jugendämtern vor, insbesondere wenn sie sich über das Programm beschweren möchten. Auch Verbraucherschutzzentralen gehören zu den Adressaten von Publikumskommunikation (vgl. Abschnitt 5.2.3)81.
81
Im Übrigen ist ein großer Teil der Publikumskommunikation auch nach innen gerichtet: auf das Publikum selbst. Hunderttausende E-mails, Briefe, Faxe und Anrufe, die pro Jahr bei den Sendern eingehen, sind nur ein Bruchteil der Kommunikation, die mündlich zwischen Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten über Radio- und Fernsehprogramme ausgetragen wird. Diese Gespräche führen zur Multiplikation der Präferenzen in die Teile der Gesellschaft hinein, die bestimmte Programmteile nicht kennen. Darüber hinaus bewirken sie eine Polarisierung der Vorlieben, da die diskursive Auseinandersetzung der argumentativen Unterfütterung der eigenen Wünsche Vorschub leistet.
130
5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
Die unterschiedlichen Adressaten verwenden die Informationen, die sie von den Rezipienten erhalten, auf unterschiedliche Art und Weise und mit unterschiedlichen Zielen. Das verhindert, dass die zahlreichen Interessens- und Meinungsäußerungen aus dem Publikum zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Während etwa die kommerzielle Publikumsforschung sich weitgehend darauf beschränkt, die Wirksamkeit von Sendungen in ihrer Funktion als Werbeumfeld zu untersuchen, beschäftigen sich die Landesmedienanstalten überwiegend mit Inhalten und Formaten, die rundfunkrechtlich fragwürdig sind. Beide Akteure nehmen, ebenso wie die anderen angesprochenen Adressaten von Publikumskommunikation, legitimerweise für sich in Anspruch, für „das Publikum“ zu sprechen, aber sie alle erfassen immer nur einzelne Aspekte der Rezipienteninteressen. Die Vertretung „des Publikums“ darf daher nicht mit der Vertretung des gesamten Publikums bzw. aller Interessen des Publikums verwechselt werden. Die Dominanz negativer Rückmeldungen, die Häufung bestimmter Rezipiententypen als Enunziatoren von „Publikums“meinungen sowie die Streuung des Rezipienteninputs auf verschiedene Adressaten mit jeweils eigenen Interessen macht die repräsentative Erfassung „des Publikumswillens“ unmöglich. Jeder Rezipient entscheidet selbst, ob und in welcher Art er seinen Ansichten zum Rundfunkprogramm Ausdruck verleihen möchte. Darüber hinaus ist noch nicht einmal feststellbar, in welcher Richtung und welchem Umfang die artikulierten Positionen von den Meinungen des Gesamtpublikums abweichen.
5.2.2.3.2
Veränderlichkeit von Interessen und Präferenzen
Die Unsicherheit hinsichtlich der Repräsentativität ist nicht das einzige Problem von Rezipientenkommunikation. Hinzu kommt die Veränderlichkeit von Rezipienteninteressen und -präferenzen. Wenn ein Rezipient einmal sein Ge- oder Missfallen an einer Sendung geäußert hat, bedeutet das nicht, dass er alle künftigen Sendungen dieses Formats gleich bewerten wird. Dies würde sowohl gleiche Qualität über alle Sendungen hinweg als auch unveränderliche Präferenzen des Rezipienten voraussetzen. Es wurde aber gezeigt, dass durch Veränderungen der Ressourcenausstattung, durch ein verändertes Angebot (d.h. auch, wenn sich „nur“ die Alternativen zu einer bestimmten Sendung ändern) sowie durch den Konsum von Rundfunksendungen selbst auch die Interessen und Präferenzen des Rezipienten Veränderungen unterworfen sind (vgl. Abschnitte 5.1.2, 5.1.3). Daher können Publikumsbewertungen von Rundfunksendungen nur bedingt als Prädiktor für künftige Vorlieben oder Nutzungsakte verwendet werden. Allerdings sollte der dynamische Aspekt von Interessen und Präferenzen auch nicht überbewertet werden. In der Analyse der Marktanteilsverschiebungen zwischen öffentlichrechtlichen und privaten FTA-Anbietern in Abschnitt 4.2.4.1 hat sich gezeigt, dass die Prä-
5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten
131
ferenzen, die sich im Zuge der Mediensozialisation bilden, relativ zeitstabil sind. Aus diesem Grund richten sich Format-Innovationen in erster Linie an neue, d.h. junge Hörer und Zuschauer. Diese Gruppen bilden allerdings eine demographische Minderheit.
5.2.2.3.3
Kommunikationsschwelle
Ein deutlich größeres Problem für die Aussagekraft von Rezipientenkommunikation stellt die Kommunikationsschwelle dar. Oftmals sind Interessen und Präferenzen unspezifisch oder so vielfältig mit anderen Interessen bzw. Präferenzen verknüpft, dass ihre Verbalisierung extrem schwierig wäre. Darüber hinaus verspricht gerade die Rundfunknutzung oftmals keinen sehr hohen Nutzen oder die Nutzendifferenz zwischen verschiedenen Sendungen ist gering, so dass es für den Rezipienten unrentabel wäre, präzise abzuwägen, welche Sendung am besten seinen Interessen entspräche. Somit ergibt sich eine Barriere für Metakommunikation, unterhalb derer der Vergleich zwischen alternativen Angeboten nicht lohnt. Deshalb können nur Extremfälle des Rundfunkprogramms (hervorragende oder skandalträchtige Sendungen) überhaupt regelmäßig zum Gegenstand von Metakommunikation werden. Durchschnittliche Formate liegen in der Regel unterhalb dieser Kommunikationsschwelle, so dass der Großteil des Publikums den Großteil des Programms unkommentiert hinnimmt. Auch für die Interpretation von Rezipientenverhalten als Metakommunikation (vgl. Abschnitt 5.2.2.2) ist das Konzept der Kommunikationsschwelle entscheidend: Eine Nutzung kann umso eher als Metakommunikation aufgefasst werden, je geringer der IndifferenzRaum des Rezipienten war, d.h. je mehr verfügbare Sendungen er aufgrund seiner Präferenzen ausschließen konnte. Allerdings ist für einen Beobachter nicht erkennbar, wie groß das Indifferenz-Feld ist, aus dem sich eine bestimmte Nutzung ergibt. Insofern steht grundsätzlich jede Interpretation von Nutzung als Metakommunikation unter dem Vorbehalt, dass eine unbekannte Anzahl alternativer Sendungen gleichermaßen hätte bewertet werden können.
5.2.3 Vermittelnde Organisationen Wie der vorangegangene Abschnitt exemplarisch deutlich gemacht hat, verläuft die Kommunikation über Rundfunkprogramme von Rezipienten zu Sender nicht immer unmittelbar. Oftmals übernehmen Organisationen in diesen metakommunikativen Prozessen wichtige Funktionen. Insbesondere gleichen sie die Instabilität von Publikumskommunikation aus, indem sie die verschiedenen Äußerungen, die sie erreichen, bündeln. Darüber hinaus können sie aufgrund ihrer Arbeit und / oder ihrer politischen Legitimation z.T. für sich in An-
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5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
spruch nehmen, stellvertretend für „das Publikum“ zu sprechen. Diese Organisationen fungieren somit sowohl als Interpretatoren von Rezipientenmitteilungen als auch als Sprachrohr der Rezipienten.
5.2.3.1
Senderinterne Stellen und Organisationen
Zunächst existiert eine Fülle von verschiedenen Organisationseinheiten innerhalb der Sender, deren Aufgabe der Aufbau, die Pflege und Verwaltung von Publikumskontakten ist. So existieren in allen großen Radio- und Fernsehsendern Publikumsredaktionen, Ombudsstellen und / oder Jugendschutzbeauftragte. Das ZDF beispielsweise hat 2005 über 200.000 schriftliche (Post und E-mail) und über 150.000 telefonische Zuschauerreaktionen verzeichnet (vgl. Krischer 2005). Jedes Jahr dürften die Vollprogrammanbieter im deutschen Fernsehen (ARD, ZDF, RTL, Sat.1, Pro7, RTL 2, Super RTL, Kabel 1) somit ungefähr zwei Millionen direkte Kontakte mit ihren Zuschauern haben. Ombudsleute und Jugendschutzbeauftragte nehmen innerhalb der Anstalten einen Sonderstatus ein: Obwohl sie zur Organisation gehören, können bzw. müssen sie als „Plattform der Mediation zwischen den Interessen der Öffentlichkeit und jenen des Mediums“ bisweilen Standpunkte einnehmen, die nicht mit den Zielen der Organisation konform sind (Meier 2007: 210). Aus diesem Grund treten diese Ansprechpartner auch als Vermittler zwischen Publikum und Sender auf, da ihre Aufgaben nicht kongruent mit den Funktionen des Senders sind. Demgegenüber sind Publikumsredaktionen oder audience relations-Abteilungen enger an die Kernprozesse innerhalb der Sender gekoppelt. Denn funktional sind diese Marketingabteilungen gleichzusetzen, da ihre zentrale Aufgabe in der Optimierung des Programmabsatzes besteht. Daher können Publikumsredaktionen weniger als Vermittler von Publikumsinteressen bezeichnet werden. Sie stellen schlicht die Kontaktstation innerhalb der Senderorganisationen dar.
5.2.3.2
Gemeinsame Organisationen der Branche
Deutlich größere Distanz zu den Abläufen jedes einzelnen Senders haben Organisationen, die für mehrere Anbieter oder für die gesamte Branche gebündelt bestimmte Leistungen erbringen. In diese Kategorie fallen zunächst Branchenverbände wie der VPRT (Verband privater Rundfunk und Telemedien), die Radiozentrale, die Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (für lokale und regionale Radiosender) oder die RMS (Radio Marketing Service) sowie die FSF (Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen) und z.T. auch die FST (Freiwillige
5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten
133
Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste). Diese sind jedoch Interessenvertreter der Sender; es gehört nicht zu ihren Zielen, Impulse der Rezipienten aufzunehmen82. Daneben gehören zu den gemeinsamen Organisationen Markt- und Meinungsforschungsinstitute, die im Auftrag von Rundfunksendern tätig werden, also insbesondere die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sowie die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA). Deren Aufgaben erschöpfen sich nicht in der regelmäßigen flächendeckenden Erhebung des Nutzungsverhaltens der Rezipienten – obschon dies sowohl die prominenteste als auch die ökonomisch wie publizistisch bedeutsamste ihrer Funktionen ist. Darüber hinaus versuchen Meinungs- und Marktforschungsinstitute das Potenzial für Programminnovationen auszuloten. Sie testen im Vorfeld die voraussichtliche Akzeptanz von neuen Sendeformaten und eruieren nach der Ausstrahlung durch ausführliche Interviews Gründe und Faktoren für den Erfolg oder Misserfolg von bestimmten Formaten. Im Kreis der zwischen Rezipienten und Sendern vermittelnden Organisationen stellen Markt- und Meinungsforschungsinstitute einen Sonderfall dar, da sie nicht auf Äußerungen aus dem Publikum warten, um diese auszuwerten und an die Sender weiterzugeben. Sie fordern im Gegenteil den Input der Rezipienten selbst ein. Dass sie somit die Bedingungen und Parameter von Publikumsäußerungen selbst kontrollieren können, verschafft den Instituten einen signifikanten Vorsprung in der Auseinandersetzung um die Deutungshoheit bzgl. der Interessen des Publikums (vgl. Hasebrink 1995: 34f.). Denn diese Institute sind die einzigen, die mit repräsentativen Methoden auf das Publikum zugreifen.
5.2.3.3
Aufsichtsorganisationen
Die dritte Kategorie von Adressaten für Publikumsresonanz bilden Aufsichtsorganisationen. In erster Linie gehören hierzu die Landesmedienanstalten sowie deren Direktorenkonferenz (DLM). Darüber hinaus artikulieren auch die Kommission für Jugendmedienschutz und die Jugendämter Publikumsinteressen, sofern sie Fragen des Jugendschutzes berühren. An diese Adressaten wenden sich Zuhörer und Zuschauer vor allem dann, wenn sie mit den Leistungen der Sender unzufrieden sind (vgl. Ricker 1992: 52)83. Daher sehen sich z.B. die Landesmedien als „Anwälte der Mediennutzer“ (Nieland / Schatz / Weichert 2006: 365). Das Vertrauen der Rezipienten in die Handlungsfähigkeit und Wirksamkeit dieser Organisationen steht jedoch in auffälligem Missverhältnis zu deren tatsächlichem Einfluss. Die Gestal82
Vgl. zur Rolle der Branchenverbände Abschnitt 7.3.5. Diese Eingaben beziehen sich zum größten Teil auf Fragen des Jugendschutzes, daneben v.a. auf Verstöße gegen die Werberichtlinien (vgl. Hasebrink 1995: 32). 83
134
5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
tungsmöglichkeiten der Landesmedienanstalten beschränken sich auf die Überwachung der Sender, um ggf. Verstöße gegen rundfunkrechtliche Bestimmungen zu beanstanden84 und im stärksten Fall die Sendelizenz zu entziehen (vgl. Frye 2001: 179-187; Rodewald 1996: 121ff.). Der Jugendschutz bildet diesbezüglich eine Ausnahme, da er ein Handlungsfeld darstellt, das ebenfalls Verfassungsrang hat (vgl. Dörr 2001: 8; Schulz 1998). Doch auch dies führt nicht automatisch zur Dominanz von Jugendschutzinteressen gegenüber der Autonomie des Rundfunks. Vielmehr sind diese beiden Verfassungsziele in allen Fragen der Ausgestaltung einer Rundfunkordnung gegeneinander abzuwägen. Hinsichtlich der Vermittlung von Rezipientenmeinungen über Aufsichtsorganisationen stellen die öffentlich-rechtlichen Sender einen Sonderfall dar. Strukturell sind die Interessen des Publikums in den öffentlich-rechtlichen Anstalten in deren Verwaltungs- und Aufsichtsorganisation abgebildet. Die Zusammensetzung der Leitungs- und Aufsichtsgremien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk soll die relevanten Gruppen der deutschen Gesellschaft repräsentieren (vgl. Kleinsteuber 2007: 55; Bundesverfassungsgericht 1982: 985). Dies führt jedoch dazu, dass Beschwerden weniger unbefangen bearbeitet werden als bezüglich privater Anbieter durch die Landesmedienanstalten, da die Mitglieder der Führungs- und Aufsichtsgremien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eben nicht nur die Interessen der Gruppe vertreten, für die sie in diesen Gremien sprechen, sondern auch die Ziele der Sendeanstalt selbst zu verwirklichen suchen. Dies ist ein Grund dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk stärker gegen kritische Interventionen von Seiten des Publikums immunisiert ist als die privaten Sender.
5.2.3.4
Verbraucherschutzorganisationen
Schließlich können sich Rezipienten mit ihren Stellungnahmen zum Rundfunkprogramm auch an Publikums- und Konsumentenvertretungen richten. Da bislang in Deutschland keine Publikumsorganisation existiert (vgl. Krotz 1996: 216), sind die Verbraucherschutzzentralen die wichtigste Anlaufstelle auf dieser Ebene. Deren wichtigste Funktion besteht jedoch darin, die Stellung des Verbrauchers in Märkten mit asymmetrischer Macht- oder Informationsverteilung zu stärken. Das bedeutet, dass die wichtigsten Aktivitäten der Verbraucherschutzverbände erstens die Information der Verbraucher, zweitens die politische Lobbyarbeit und drittens die gerichtliche Durchsetzung von gesetzlich verankerten Verbraucherrechten sind. Nur die dritte Kategorie kann direkte Auswirkungen auf die Sender haben. Zu 84
Die Beanstandung stellt den Regelfall der Aufsichtspraxis dar (vgl. Rodewald 1996: 175). Als Umsetzungsbeispiele s. § 17 NDR-Staatsvertrag; § 5 des Gesetzes über den hessischen Rundfunk; § 15 WDR-Gesetz. 85
5.2 Metakommunikation zwischen Sendern und Rezipienten
135
einer Klage von Verbraucherschützern gegen Rundfunkunternehmen ist es jedoch im deutschen Rundfunk bisher nicht gekommen. Die bestehenden Verbraucherschutzorganisationen spielen daher für die Repräsentation von Publikumsinteressen eine untergeordnete Rolle (Schulz 2006: 183). Indes hat die Vervielfältigung rundfunkbezogener Kommunikation innerhalb des Publikums in den letzten Jahren eine Tendenz zur Bildung von Publikumsorganisationen hervorgebracht. So hat sich beispielsweise auf europäischer Ebene die European Association for Viewers’ Interests gegründet mit dem Ziel, die Belange des Fernsehpublikums vor den Sendern und den Akteuren der Medienpolitik zu vertreten (www.eavi.org). In Deutschland existiert zwar bislang noch keine Organisation, deren Satzung eine Einflussnahme auf die Programmgestaltung der Rundfunkanbieter vorsieht. Hier besteht die Möglichkeit, dass bestehende Verbraucherschutzverbände diese Interessen aufgreifen und Aktivitäten im Bereich des Medienverbraucherschutzes entfalten oder dass sich neue Publikumsorganisationen bilden. In den Abschnitten 6.1.2.3, 6.2.1.4, 7.3.3 und 7.3.4 wird näher auf die Gestaltungsmöglichkeiten von Publikumsorganisationen einzugehen sein.
5.2.4 Zwischenergebnis Eine Beschreibung des gegenwärtigen Zustands des deutschen Mediensystems als Markt fällt ernüchternd aus. Zwar scheint auf der einen Seite das Angebot in vielerlei Hinsicht auf Zuhörer und Zuschauer zugeschnitten zu sein, sie einzufangen, ihnen das zu bieten was sie wollen. Denn tatsächlich unterwerfen sich viele Sender – mehr oder minder freiwillig – dem vielzitierten Diktat der Quote (von Lojewski 1991: 4; Rosenbaum 1991). Insofern scheint auch eine bidirektionale Kopplung zwischen Anbietern und Rezipienten zu bestehen, die die Dynamik des Rundfunkmarktes steuert. Auf der anderen Seite jedoch ist das Publikum stark eingeschränkt, wenn es darum geht, die eigenen Interessen zu artikulieren und durchzusetzen. So hat die direkte Kommunikation von Rezipienten zu Sendern höchstens Einfluss auf die Auflagenhöhe von Merchandising-Artikeln. Wirkungen auf das Programm, auf Strategie- oder Personalentscheidungen sind praktisch nicht feststellbar (vgl. Abschnitt 5.2.2.3). Auch die Einschaltquote kann, obwohl sehr wirkungsmächtig im Rundfunkmarkt, nicht als Kapital der Rezipienten gelten. Denn sie stellt nicht dar, was sie abzubilden vorgibt: die Interessen des Publikums. Sie erfasst ja noch nicht einmal das Verhalten der Rezipienten fehlerfrei. Allerdings wäre damit auch nur wenig gewonnen, da in der Diskrepanz von Interessen und Verhalten der Schlüssel zu einem funktionierenden Rundfunkmarkt liegt. Dabei kann Funktionsfähigkeit mit Blick sowohl auf ökonomische als auch auf publizistische Ziele definiert werden.
136
5 Prozessmodell des Rezeptionsmarktes
Die kontinuierliche Befragung, die im Rahmen der Media-Analyse zur Hörfunknutzung durchgeführt und halbjährlich veröffentlicht wird, reicht daher fast näher an die Interessen der Rezipienten heran, da die Antworten durch Erinnerungsfehler und Antizipationen sozial erwünschter Verhaltensweisen eher das Wunschbild der Hörer von sich selbst (im Sinne ihrer reflektiven Präferenzen) als ihr Verhalten (im Sinne ihrer Marktpräferenzen) widerspiegeln (vgl. Abschnitt 5.1.3). Jedoch vermischen sich mit dieser Erhebungsmethode Interessen und Verhalten unauflöslich. Die Sender gehen folglich aufgrund der unklaren Kongruenzbeziehung zwischen (reflektiven) Präferenzen und Verhalten (Marktpräferenzen) noch immer hohe Risiken in der Programmgestaltung ein. Auch die Wahrnehmung von Publikumsinteressen durch stellvertretende Organisationen ist problematisch. Denn diese befinden sich in einem strukturellen Dilemma zwischen Repräsentativität und Homogenität: Je genauer eine Organisation die Vielzahl der verschiedenen Rezipienteninteressen vertreten möchte, desto schwerer wird es für sie, aus diesen eine einzige Position zu entwickeln. Umgekehrt steigt jedoch die Effektivität ihrer Aktionen mit der Kohärenz und Konstanz ihrer Position. Will eine Organisation also Einfluss ausüben, muss sie Partikularinteressen vertreten. Erhöht sie hingegen ihre Legitimation, indem sie viele Interessen integriert, verliert sie an Durchsetzungsfähigkeit. Dies begründet zugleich ein Kernproblem der Publikumsrepräsentation im Rundfunk. Interessen und Nutzungsmuster der Rezipienten sind vielfältig, und zwar sowohl inter- als auch intraindividuell (vgl. Bonfadelli 1998; Hasebrink 1995: 44f; Vorderer 1992: 67; Ang 1991: 162). Daher wird es zunehmend schwieriger, das gesamte Publikum zufriedenzustellen. Gleichwohl dokumentiert die Ausrichtung an Einschaltquoten bzw. Sehbeteiligungen die Bereitschaft der Sender, ihre Programme an den Wünschen der Rezipienten auszurichten. Diese Bereitschaft, sich auf das unberechenbare und widerspenstige Publikum (vgl. Bauer 1964) einzulassen, ist das Resultat gestiegenen ökonomischen und legitimatorischen Drucks auf die Sendeanstalten. Denn egal, ob Gebühren, Werbe- oder Abonnementeinnahmen, die Programmveranstalter sind auf die Zahlungswilligkeit von Transaktionspartnern angewiesen. Und in allen drei Fällen hängt diese damit zusammen, wie gut Programme den Interessen eines Publikums entsprechen. Insofern scheinen die Voraussetzungen günstig zu sein, die Ausdrucks- und Einflussmöglichkeiten der Rezipienten im Rundfunk zu stärken.
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
In den vorangegangenen Kapiteln konnte gezeigt werden, dass der Rundfunk aus verschiedenen Gründen nicht als funktionstüchtiger Markt bezeichnet werden kann. Daher stellt sich die Frage, wie die Beziehungen zwischen Sendeanstalten und Rezipienten so (um)gestaltet werden können, dass Effektivität, allokative oder distributive Effizienz oder eine Kombination dieser Zielgrößen sich erhöhen. Bei der Beantwortung dieser Frage werden in der vorliegenden Arbeit ausschließlich publikumsbezogene Lösungswege diskutiert. Diese Perspektive gliedert sich in zwei Dimensionen. Zum einen ist zu erörtern, mit welchen Mitteln der Handlungsspielraum der Rezipienten erweitert werden kann (Kapitel 6.1). Ziel dieser Instrumente ist es, dass jeder Zuschauer und Zuhörer zu jedem Zeitpunkt so zwischen Rundfunkangeboten wählen kann, dass die Rezeption seinen Nutzen maximiert. In diesem Abschnitt gilt das Programmangebot als gegeben; die Rezipienten agieren in Bezug auf ein zum jeweiligen Zeitpunkt unveränderliches Angebot. Damit dann ökonomisch rationale Entscheidungen möglich sind, müssen zunächst verschiedene nutzensteigernde Angebote existieren. An dieser Stelle kann davon ausgegangen werden, dass die Anpassungsfunktion eines intakten Marktes ein derart strukturiertes Gesamtangebot hervorbrächte. Daher ist zu untersuchen, wie die Selektionen des Publikums die nutzenmaximierenden Angebote von den restlichen Sendungen trennen können. Im Anschluss daran wird die Blickrichtung umgekehrt (Kapitel 6.2). Die Frage lautet dann, wie die Entscheidungen, mit denen die Rezipienten ihre Interessen zum Ausdruck bringen, zu einer rezipientenorientierten Programmgestaltung führen können. In Kapitel 6.2 werden somit Optionen diskutiert, mit denen die Wirkungsqualität und -stärke von Rezipientenhandlungen auf die Sender verbessert werden kann. Dabei ist zu betonen, dass die Stärkung der Rezipienten nicht notwendigerweise zu Lasten der Anbieter geht. Vielmehr können sich für diese aus der Intensivierung der Beziehung zwischen Veranstaltern und Publikum ebenfalls Vorteile ergeben. Diese Effekte werden in ökonomischer und publizistischer Hinsicht in Kapitel 6.3 bewertet.
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen In diesem Abschnitt werden Maßnahmen diskutiert, die den Rezipienten in die Lage versetzen, Rundfunksendungen und -sender so auszuwählen, dass die Wahl den Nutzen maximiert, den er aus der Rezeption zieht. Dazu muss er erstens befähigt werden, möglichst alle für ihn relevanten Eigenschaften einer Sendung a priori einzuschätzen. Die Ausführungen in Abschnitt 3.2.3 und in Kapitel 5 haben belegt, dass der Rezipient dazu in der Lage ist. Zur Nutzenmaximierung des Rezipienten ist zweitens erforderlich, dass er die Sendungen, die seinen Interessen und Präferenzen am besten entsprechen, auch nutzen kann. Dies ist gewährleistet, wenn zum einen vielversprechende Sendungen auch auffindbar sind, d.h. wenn der Rezipient einen guten Überblick über das Gesamtangebot hat und wenn zum anderen in den Zeiträumen seiner Nutzung mehrere attraktive Sendungen ausgestrahlt werden.
6.1.1 Existenz attraktiver Alternativen zu jeder Zeit Diese letzte Bedingung verweist auf eine zentrale Eigenschaft von Rundfunk: Die Sendungen sind in erster Linie in der Zeit sortiert (vgl. Abschnitt 3.3.1.1). Auch der Rezipient, der genau weiß, welche Sendung er nutzen möchte und der auch weiß, von welchem Sender sie ausgestrahlt wird, kann sie oftmals nicht nutzen, weil sie zur falschen Zeit kommt. Will man aber Radio hören oder fernsehen, kommt häufig nichts, was interessiert. Gensch und Shaman (1980) haben gezeigt, dass über die Hälfte der Fernsehnutzung durch sog. saisonalen Faktoren, also mit dem Zeitpunkt der Ausstrahlung erklärt werden kann (vgl. auch Zubayr 1996: 33; Vorderer 1992: 62; Jeffres 1978). Diese Beobachtung wird auch nicht durch den Einsatz von Aufnahmegeräten (Kassetten- und Videorecorder, DVD- und Festplattenrecorder, Stream-Grabber) konterkariert. Denn nach Schorr ist nur in zehn Prozent der Fälle, in denen der Fernseher läuft, auch der Videorecorder eingeschaltet (2000: 10). Darüber hinaus ist die Tendenz für diesen Anteil rückläufig, und es wird nur ein Teil der angefertigten Aufnahmen auch tatsächlich später angesehen, so dass jedenfalls weniger als zehn Prozent der gesehenen Sendungen zu einem anderen Zeitpunkt als während der Ausstrahlung genutzt werden (vgl. ebd.: 11). Gleiches dürfte für die Rezeption von Radiosendungen gelten. Hier kommen sogar zwei weitere Faktoren hinzu, die die zur Ausstrahlung asynchrone Nutzung hemmen. So wird Radio in stärkerem Maß als das Fernsehen nebenbei genutzt, so dass die Bereitschaft, aktiv zuzuhören, um im richtigen Moment ein Lied oder eine Sendung aufzuzeichnen, geringer als im Fernsehen ist (vgl. Best / Engel 2007: 23). In Reaktion auf dieses Nutzungsverhalten haben zum einen die Sender ihre Programme stärker auf „Durchhörbarkeit“ hin umges-
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
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taltet (vgl. Krause 2004; Die Zeit 2004). Zum anderen hat dies – im Zusammenspiel mit der Dominanz des Fernsehens – dazu geführt, dass über das Radioprogramm weniger detaillierte Informationen in Programmzeitschriften verfügbar sind, so dass gezielte Aufnahmen aus dem laufenden Programm noch seltener werden. Schließlich ist anzumerken, dass ein Großteil der Radioprogramme Musikteppiche senden, aus denen die Lieblingstitel von den Rezipienten oft auf CD oder online erworben werden, was den Musikgenuss von dem Sendeplan der Radioveranstalter vollständig unabhängig macht. Dies wäre aus Rezipientensicht das optimale Rundfunkangebot: Zu jedem Nutzungszeitpunkt wäre ein den eigenen Interessen bestmöglich entsprechendes Angebot empfangbar und leicht aufzufinden. Ein perfekter Markt würde, ohne technische Restriktionen, zwischen sechs und neun Uhr morgens viel mehr Radioprogramme hervorbringen als zu den übrigen Tageszeiten. Gleichermaßen gäbe es in einem perfekten Fernsehmarkt zwischen 20 und 22 Uhr ein erheblich größeres Programmangebot als außerhalb dieser Zeit. Demgegenüber ist in Abschnitt 3.1.7 gezeigt worden, dass der Kostendruck der Anbieter eine Vollzeitnutzung der ihnen zugeteilten Frequenzen (terrestrisch oder via Satellit) bzw. Kabelplätze nahelegt, so dass das Kanalangebot zu jeder Tages- und Jahreszeit gleich bleibt. Man sollte zwar meinen, dass mit wachsender Kanalzahl auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass zu jedem Zeitpunkt etwas Geeignetes für jeden Rezipienten zu finden ist; immerhin ist die Zahl bundesweit empfangbarer TV-Programme seit 1993 von 19 auf 55 und die der Radioprogramme im gleichen Zeitraum von 227 auf 344 gestiegen (vgl. für den Fernsehmarkt ARD Sales & Services o.J.; für den Radiomarkt: ARD Sales & Services o.J.a: 2)86. Jedoch steht dem Vorteil der größeren Wahlmöglichkeit für den Rezipienten der größere Aufwand gegenüber, in der Vielzahl der Angebote das gewünschte zu finden. Daraus folgt theoretisch erstens, dass bei einer reinen Vervielfältigung des bestehenden Angebots der Durchschnittsnutzen des Rezipienten sinkt. Denn der Suchaufwand mindert den Nettonutzen aus der Rezeption. Mehr des Gleichen im gesamten Rundfunkprogramm vertreibt den Rezipienten also tendenziell von Radio und Fernseher. Zweitens könnte jedoch der Nettonutzen des Publikums steigen, wenn sich die Angebote inhaltlich ausdifferenzieren würden87. Dann nämlich würden die höheren Suchkosten durch das Programm überkompensiert, da häufiger eine für den jeweiligen Rezipienten optimale Sendung angeboten würde88. 86 Berücksichtigt man überdies Online-Angebote, wachsen diese Zahlen erneut um zwei Zehnerpotenzen. Während die Verbreitung von Fernsehprogrammen über das Internet noch nicht ihr volles Potenzial entfaltet hat, deckt das Radioangebot ein immenses Spektrum an Musik- und Themeninteressen sowie Sprachen ab. 87 In dem Maß, in dem publizistische Themen aus außermedialen Kontexten (z.B. Politik) bezogen werden, sind jedoch der thematischen Diversifizierung Grenzen gesetzt (vgl. Holtz-Bacha / Peiser 1999: 43). 88 Hierfür spricht auch, „daß sich das Ausmaß, in dem die Zuschauer bestimmte Sendungstypen ansehen, recht gut mit den Anteilen, die diese Typen am Programmangebot ausmachen, erklären läßt: Häufig angebotene Typen
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Empirisch hat das Publikum eine andere Antwort auf die neuen Viel-KanalBedingungen (den „elektronischen Kiosk“, s. Jarren 1998: 13) gefunden: Es ignoriert sie weitgehend. Denn das Kanalrepertoire, also das Set an Programmen, aus denen ein Rezipient sein Rundfunkmenü zusammenstellt, wächst längst nicht im selben Tempo wie der Zahl empfangbarer Kanäle (vgl. Beischl / Engel 2006: 376; Hasebrink 2000: 42f.; Zubayr 1996: 70; Ferguson / Perse 1993). Zwar ist dieses Kanalrepertoire bei denjenigen größer, die mehr Programme empfangen können, aber der Anteil der genutzten an den empfangbaren Programmen wird immer kleiner (vgl. Beischl / Engel 2006: 377). Auf die 10 wichtigsten Sender entfallen bereits 90 Prozent der Fernsehnutzung, die 20 beliebtesten Sender vereinen sogar 99 Prozent der Fernsehnutzung auf sich (vgl. ebd.: 374, 400). Gleichwohl darf hieraus nicht der Schluss gezogen werden, die um zwei Größenordnungen über der individuellen Nachfrage liegende Programmzahl wäre unnötig. Denn die Kanalrepertoire unterscheiden sich individuell; damit jeder Rezipient seine Lieblingsprogramme nutzen kann, muss das Gesamtangebot deutlich größer sein. Die Differenz zwischen Gesamtangebot und Kanalrepertoire ist lediglich ein Maß für die Interessenstreuung innerhalb des Publikums. Somit besteht die Schwierigkeit für den Rezipienten v.a. darin, die für ihn interessantesten Sendungen zu finden (vgl. Abschnitt 6.1.3). Zuvor sind aber noch Maßnahmen zu prüfen, die ihm helfen, eine Sendung, die ihm gefallen könnte, auch als solche zu erkennen.
6.1.2 Erhöhung von Qualitätstransparenz In Abschnitt 3.2.3 ist dargelegt worden, dass Rundfunksendungen entgegen weit verbreiteter Ansicht nicht grundsätzlich Erfahrungs- oder Vertrauensgüter sind. Zwar trifft es zu, dass bestimmte Sendungseigenschaften erst nach der Rezeption (z.B. Überzeugungskraft) oder gar nicht (z.B. Wahrhaftigkeit) erkannt werden können. Die Erfahrungseigenschaften jedoch können während der Mediensozialisation erlernt werden, so dass sie im Laufe dieser Phase zu Sucheigenschaften werden. Vertrauenseigenschaften sind – eben weil sie nicht erkennbar sind – für den Rezipienten nicht entscheidungsrelevant. In dieser Hinsicht werden einmalig (oder jedenfalls selten) Bindungen zu bestimmten Sendern oder Formaten eingegangen (z.B. aufgrund Reputation oder unterstellter Glaubwürdigkeit), die künftige Rezeptionsentscheidungen vorformen (vgl. von Weizsäcker 2005: 50-52; Blum et al. 2005: 159; Heinrich / Lobigs 2003: 24789).
werden häufiger gesehen“ (Hasebrink, Doll 1989: 57). Das deutet auf eine grundsätzliche Unterversorgung von Angeboten hin, die nur bei den häufigsten Formaten überwunden wird. 89 Vgl. zu Reputationseffekten ausführlich Oberhammer 2003: Kap. 3, 4. Zudem sind gerade bei sozial konditionierter Nutzung „multilaterale Reputationseffekte“ von Bedeutung: Verhalten wird von Dritten beobachtet, die
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
141
Dennoch können Rezipienten nicht „automatisch“ und unabhängig von bestimmten Eigenschaften des Programms dessen Qualität – bzw. diejenigen Qualitätsaspekte, die für sie bedeutsam sind – beurteilen. Der erste Schritt zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk besteht daher in der Fähigkeit, dass sie „gute“ Sendungen von „schlechten“ zuverlässig unterscheiden können, wobei die Beurteilung, was als gut und was als schlecht gilt, subjektiven Maßstäben unterliegt. Hierzu werden drei Optionen vorgestellt: Formatierung (Abschnitt 6.1.2.1), Signaling (Abschnitt 6.1.2.2) und eine Stiftung Medientest (6.1.2.3). Die ersten beiden sind Maßnahmen zur Komplexitätsreduktion, die Sender (u.a.) einsetzen, damit Rezipienten die Qualität von Sendungen leichter beurteilen können. Formatierung und Signaling sind diejenigen Strategien, die die Sendungsgestaltung am stärksten geprägt haben: Sie sind gleichzeitig für die Verständlichkeit des Rundfunkprogramms und für den Eindruck von dessen Homogenität verantwortlich. Die Stiftung Medientest hingegen ist ein akademisches Projekt. Die Vertreter dieser Idee versprechen sich jedoch von einer Stiftung Medientest deutliche Auswirkungen auf das Qualitätsbewusstsein der Rezipienten. Das Konzept verdient daher in diesem Rahmen Beachtung.
6.1.2.1
Formatierung
Unter Formatierung werden hier alle Maßnahmen verstanden, die eine Sendung als vergleichbar mit anderen Sendungen auszeichnen. Mit formatierten Sendungen werden mehrere Ziele verfolgt. In der Produktion bieten beispielsweise wiederkehrende Abläufe Möglichkeiten zu Einsparungen durch Routinen. Wichtiger sind jedoch die zuschauerbezogenen Ziele der Formatbildung: Anhand ihrer Formateigenschaften werden Sendungen leicht identifizierbar. Zudem ermöglicht die Formatierung die Ausbildung von Erwartungen an bestimmte Sendungen, ohne dass große Teile der Sendung bekannt sein müssen (vgl. Neumann-Bechstein 1997: 104). Formatierung ist somit ein Instrument zur Reduzierung des Informationsaufwands: Aus wenigen Eigenschaften kann auf die Qualität der Sendung geschlossen werden. Darüber hinaus erleichtert Formatierung die Rezeption selbst, da – wie auch in der Produktion – Rezeptionsroutinen ausgeprägt werden (vgl. Ang 1991: 19; Rusch 1987: 255f.; Schmidt 1987: 169). Aus diesen Zielen ergibt sich, dass sich zur Formatbildung am besten solche Elemente eignen, die charakteristisch für die Sendung sind. Dies trifft zwangsläufig auf alle Elemente davon ihre Vertrauensvergabe abhängig machen und so bereits ihre erste eigene Entscheidung zielsicher treffen können (vgl. Voss 2002: 179).
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
zu, die häufig oder sogar permanent in der Sendung erkennbar sind. Hierzu gehören v.a. das Thema (im Fall z.B. von Magazinen oder Nachrichten auch: die Themenmischung) und die handelnden Personen (Sprecher, Moderator, Schauspieler). Des Weiteren können auch gleicher Ablauf oder gleiche Erzählweise von Sendungen formatierend wirken. Kommen mehrere wiederkehrende Elemente zusammen, so entstehen Formate, d.h. Sendungen, die mehrere Gemeinsamkeiten aufweisen und deshalb in der Rezeption als weitgehend homogene Gruppe betrachtet werden können. In der Regel ist ein Format über formale und / oder inhaltliche Übereinstimmungen zwischen den zugehörigen Sendungen hinaus auch durch einen gleich bleibenden Sendeplatz im Programm gekennzeichnet. So kann z.B. „Frühstücksfernsehen“ sowohl inhaltlich als auch – wie in der Bezeichnung geschehen – durch seinen Sendeplatz definiert werden. Das Format Frühstücksfernsehen erschöpft sich aber keinesfalls in der gleich bleibenden Sendezeit, sondern ist daneben auch durch eine ebenfalls regelmäßige Themenmischung, mehrere Moderatoren in imitierter Café- oder Foyer-Umgebung, halbstündige Nachrichten und Interaktionen mit dem Studiopublikum und den Zuschauern charakterisiert. Formate mit einem festen Sendeplatz zu verknüpfen, stellt eine weitere Strategie der Publikumsunterstützung und -lenkung dar, die Programmierung; diese wird in Abschnitt 6.1.3.1 ausführlich besprochen. Formate konstituieren eine neue Stufe im Prozess der Formatierung, denn sie bündeln die gemeinsamen Attribute der zugehörigen Sendungen in einem Begriff, einem Label. Allein der Begriff „Tagesschau“ genügt, um das Bild eines bestimmten Studiosettings, eines bestimmten Sprechers (oder zumindest Sprechertyps), eine Vorstellung von umfassender und seriöser Berichterstattung hervorzurufen. Auch über das Themenspektrum anderer Nachrichtensendungen haben Rezipienten klare Vorstellungen (vgl. Schneiderbauer 1991: 291), so dass sie zwischen „heute“ und „rtl2 news“ genau diejenige Nachrichtensendung auswählen können, die am besten ihren thematischen Präferenzen entspricht. Das Gleiche gilt auch für Sendungen anderer Gattungen: So kann das Publikum anhand der Titel „Marienhof“, „Wohnen nach Wunsch“, DSDS etc. unmittelbar ein Set von Merkmalen identifizieren, die das jeweilige Format charakterisieren. Mit diesen Merkmalen sind wiederum Bewertungen verknüpft, so dass dem Rezipienten u.U. schon die Formatkennzeichnung genügt, um ein Urteil über die Sendung zu fällen – und dieses a prioretische Urteil entspricht aufgrund der Konstanz der relevanten Formateigenschaften auch der Bewertung, die er während und nach der Rezeption vornehmen würde bzw. wird. Aus diesem Grund ist Formatierung eines der wichtigsten Instrumente, den Rezipienten zu präferenzgerechten Entscheidungen zu befähigen. Ein bedeutsames Ergebnis von Formatierung ist die Etablierung von weithin bekannten Genres. Für Genres gilt im Prinzip das Gleiche wie für Formate; entsprechend sind die theoretischen Grenzen zwischen diesen Begriffen fließend (vgl. Hickethier 2003: 150-153). So könnte sowohl „Richterin Barbara Salesch“ als auch „Gerichtsshow“ als Format betrachtet
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
143
werden, wobei nur der zweite Begriff auch ein Genre darstellt, genauer ein Subgenre von „Shows“. Insofern kann als Heuristik gelten, dass Genres Superformate sind, die von einigen Eigenschaften eines senderspezifischen Formats abstrahieren. Für die vorliegende Arbeit ist eine präzise Hierarchisierung von Genres, Subgenres und Formaten sowie deren extensionale Auffüllung entbehrlich. Denn auf allen Ebenen entfalten die Effekte von Formatierung ihre Orientierungs- und Vereinfachungsfunktion für den Rezipienten: Formate und Genres gleichermaßen erlauben – nur anhand ihrer Bezeichnungen – die Beurteilung von Sendungen der gleichen Klasse. Das erleichtert Kenntnisnahme und Orientierung sowohl innerhalb eines Programms als auch zwischen verschiedenen Kanälen. Im Hörfunk werden mit dem Begriff der Formatierung üblicherweise weniger Sendungs- als Programmeigenschaften bezeichnet, etwa die Festlegung auf einen bestimmten Musikstil innerhalb einer bestimmten Zeitschiene. In den 80er Jahren bezeichnete der abfällig verwendete Begriff der Formatierung überhaupt die zunehmende Verdrängung von Wortbeiträgen durch Musikteppiche (vgl. Kurp 2004; Goldhammer 1995: 137-143). Im Folgenden wird statt dessen unter Formatierung die Fixierung von bestimmten Sendungseigenschaften verstanden90. Allerdings existieren auch im Radio Formate im hiesigen Verständnis: So ist etwa der gleich bleibende Ablauf von Nachrichtensendungen – TopThemen, Innenpolitik, Außenpolitik, Gesellschaft und Human Interest, Wettervorhersage und im Anschluss die Verkehrsmeldungen – ein Format. Bei vielen Sendern ist auch der Großteil der übrigen Wortbeiträge und -sendungen formatiert. Z.T. werden auch sehr kurze Beiträge zu Formaten entwickelt, z.B. Comedy-Sendungen (SWR 3 Kabinett; Eins Live: Lukas’ Tagebuch etc.). Das Hörfunkangebot ist insgesamt erheblich stärker formatiert als das Fernsehprogramm (vgl. Klinger / Schröter 1993: 488; Prüfig 1993). Gründe hierfür sind die hohe Aufmerksamkeit, die zur dauerhaften Rezeption von rein akustischen Reizen erforderlich ist sowie insbesondere die Nutzung des Radios als Begleitmedium, die ihrerseits dem hohen Musikanteil in den meisten Radioprogrammen zu schulden ist (vgl. Peters 2003: 59; Oehmichen 1999). Diese beiden Aspekte zwingen die Veranstalter dazu, leicht und schnell erkennbare Marker an den Anfang einer Sendung oder eines Beitrags zu stellen, damit der Hörer seine Aufmerksamkeit entsprechend regulieren kann. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass bei fortschreitender Marginalisierung des Fernsehens zum Nebenbeimedium auch dort mit einer stärkeren Formatierung zu rechnen ist (vgl. Wolling 2006). In der jüngsten Überprüfung der GfK-Daten durch einen externen Coincidental-Check ergab sich bereits, dass fast 60 Prozent der Zuschauer Nebentätigkeiten nachgehen (vgl. Hofsümmer 2007: 44f.). 90
Konstanzen im Programm, die dem Formatbegriff aus dem Radiobereich näher sind, werden im Abschnitt 6.1.3.1 diskutiert.
144
6.1.2.2
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Signaling
Signaling ist eine Strategie zur Reduzierung der Qualitätsunsicherheit der Rezipienten. Sie wird nicht nur im Rundfunk eingesetzt, sondern eignet sich grundsätzlich für alle Gütergruppen, in denen der Konsument nur wenige oder keine für die Kaufentscheidung relevanten Faktoren vor dem Konsum einschätzen kann (vgl. Erdem / Swait / Valenzuela 2006; Spence 2002; Kirmani / Rao 2000; Erdem / Keane 1996; Spence 1974). In diesen Fällen wird die Qualität bzw. die Attraktivität eines Gutes anhand weniger, einfach kommunizierbarer Merkmale ausgezeichnet. Die am weitesten verbreiteten Signale im Rundfunk sind Programmankündigungen, Trailer und Teaser (vgl. die Beiträge in Hickethier / Bleicher 1997; Ang 1991: 18). Obwohl als Signale oftmals ebenfalls Ausschnitte oder Eigenschaften der Sendung selbst dienen (z.B. bekannte Schauspieler, Regisseure), eignen sich, im Gegensatz zur Formatierung, auch Signale, die zunächst medienextern sind. Wird etwa ein Spielfilm mit der Aussage „teuerster Film aller Zeiten“ beworben, dient Geld als Qualitätsmerkmal, und dies unabhängig von Thema, Cast, Ausstattung etc. des Films. Von der Formatierung unterscheidet sich das Signaling noch in weiteren Punkten. So werden Signale durch den Sender intentional zur Attraktion der Rezipienten eingesetzt, auch in Bezug auf einzelne Sendungen, während die Formatierung lediglich die repeat viewingRate steigern kann, d.h. für ein serielles Format kann ein relativ konstantes Publikum gewonnen werden (vgl. Abschnitt 2.1.2). Signaling eignet sich also besonders zur Gewinnung von Rezipienten, Formatierung zur Publikumsbindung. Schließlich unterscheiden Formate Sendungen nur anhand beliebiger Eigenschaften, während Signale immer Qualität markieren (vgl. zur Funktion von Medienmarken als Qualitätssignal Siegert 2004: 202f.). Wesentliche Eigenschaft von langfristig geeigneten Signalen ist daher ihr hoher Preis für den Sender. Denn wie kann ein Veranstalter glaubhaft Qualität einer Sendung signalisieren? Das gelingt nur, wenn das Signal eindeutig und schlecht imitierbar ist. Das bedeutet, dass das Signal in der Regel in einem engen Zusammenhang mit dem zu Signalisierenden steht. Hierin liegt ein Grund dafür, dass sich Schauspieler oft auf ein schmales Segment verschiedener Rollen spezialisieren: Ihre Mitwirkung in Filmen wirkt dann als zuverlässiger Indikator, als Signal, für bestimmte Figurenkonstellationen. Gleiches gilt für Moderatoren. Dies betrifft die Eindeutigkeit eines Signals. Das Kriterium der schlechten Imitierbarkeit hängt unmittelbar von der Funktion von Signalen als Qualitätszeichen ab. Könnte ein Qualitätssignal leicht kopiert werden, so würde sich dies ein Anbieter niederer Qualität zunutze machen: Anstatt ebenfalls Qualität zu produzieren, würde er lediglich das Signal imitieren und damit Rezipienten anziehen, die Qualität suchen (vgl. Williamson 1990: 335). Allerdings verfiele dadurch sehr schnell der Wert des Signals. Denn die Rezipienten der low-quality-Sendung würden enttäuscht. Folglich könnten sie sich nicht mehr auf das Signal
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
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verlassen, weil es nun Sendungen verschiedener Qualität kennzeichnete. Um ihr Risiko zu reduzieren, müssten sie davon ausgehen, dass das Signal grundsätzlich für niedrige Qualität steht. Somit würden dem Anbieter hoher Qualität Konsumenten entgehen, obwohl Nachfrage nach seinen Produkten bestünde (vgl. zu diesem Kreislauf der adversen Selektion Kiefer 2005: 339; Lobigs 2004: 55f.; Akerlof 1970). Darin liegt der Anreiz für high-quality-Anbieter, nicht oder zumindest schlecht imitierbare Signale zu verwenden: Sie behalten ihre Distinktionsfunktion gegenüber Anbietern niedriger Qualität, und bleiben damit für den Konsumenten als Signal glaubwürdig. Aber wann ist ein Signal schlecht imitierbar? Aus der Evolutionssoziologie ist die Theorie der teuren Signale bekannt (vgl. Voland 2006; Voland 2003: 18). Ein Signal ist demnach schlecht imitierbar, wenn die Erzeugung des Signals selbst einen hohen Ressourceneinsatz erfordert, d.h. wenn das Signal für den Signalisierenden teuer ist. Das Signal muss gewissermaßen ein Luxusaccessoire sein; seine Funktion besteht lediglich darin, darauf hinzuweisen, dass der Signalisierende sich Ressourcenverschwendung leisten kann (z.B. Federkleid des Pfaus). Nur wenn für die Produktion des Signals Ressourcen aufgewendet werden müssen, die auch funktional eingesetzt werden könnten, d.h. wenn innerhalb des Organismus verschiedene Einsatzzwecke um knappe Ressourcen konkurrieren, können Signale glaubwürdig sein. Denn nur dann können sie nicht ohne Einbußen an anderer Stelle reproduziert werden, d.h. nur dann sind sie schlecht imitierbar, sind sie fälschungssicher. Die Erfordernisse der Eindeutigkeit, Kostspieligkeit und Nonfunktionalität von Signalen sind nicht einfach zu erfüllen. Insbesondere geraten Eindeutigkeit und Funktionsfreiheit leicht in Konflikt miteinander. Wenn beispielsweise eine Sendung mithilfe ihrer Produktionskosten beworben wird, so kann der Rezipient diese Zahl zwar leicht mit anderen Sendungen vergleichen. Insofern steht eine bestimmte Kostenhöhe eindeutig für diese Sendung. Jedoch dienen die Produktionskosten ja in der Regel zur Erzeugung von attraktiven Inhalten, d.h. sie zielen auf die Erhöhung der Funktionalität der Sendung für den Rezipienten. Es klingt paradox: Produktionskosten sind umso besser als Signal für die Qualität einer Sendung geeignet, je weniger sie zu dieser beitragen. Denn dann kann es sich der Produzent offensichtlich leisten, zusätzlich zu einer guten Sendung auch noch ein teures Signal herzustellen. Ökonomisch betrachtet setzt der Produzent mit Signaling einen Teil seines Gewinns zur Steigerung seines Umsatzes ein. Diese Umformulierung zeigt die Unterschiede zwischen Rundfunk und Soziobiologie auf. Denn Produzent und Sender werden nur so lange Signale zur Umsatzsteigerung verwenden, wie der dadurch erzielte Gewinn den Gewinn übersteigt, der ohne Signaling erzielt wird. Der unternehmerisch agierende Rundfunksender verzehrt nicht seine gesamten Ressourcen, um mit teuren Signalen das beste Publikum zu gewinnen. Zudem ist es sinnvoller, gerade solche Merkmale einer Sendung als Signal zu verwenden, die auch funktional sind, d.h. die Rezipienten anziehen. Daher muss das Kriterium der Nonfunktionalität für geeignete Signale im Rundfunk verworfen werden.
146
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Das am weitesten verbreitete Signal für Qualität innerhalb einer Sendung ist Prominenz. Je prominenter ein Schauspieler, ein Interviewpartner, ein Studiogast oder ein Sportler ist, umso größer ist das Publikum, das mit der Sendung erreicht werden kann (vgl. Niehaus 2004). Prominenz erfüllt in hervorragender Weise die Anforderungen an Signale: Es wird angenommen, dass besonders diejenigen Personen prominent werden, die sich in ihrem jeweiligen Gebiet auszeichnen. Dadurch werden sie begehrter; die Kosten, mit ihnen eine Sendung machen zu können, steigen (vgl. Franck 1998: 118f.). Es handelt sich also bei Prominenz um ein eindeutiges und schwer imitierbares Signal. Bemerkenswert ist vor allem, dass die bloße Ankündigung von Prominenz nicht genügt: Kennt der Rezipient die sogenannten Prominenten gar nicht, geht er davon aus, dass es eben doch keine Prominenten sind – er wird die Sendung eher nicht einschalten. Dadurch existiert eine echte Kopplung zum Publikum: Je mehr Menschen die Prominenten aus je mehr Kontexten bereits kennen, umso mehr werden sie geneigt sein, eine Sendung mit diesen Prominenten zu verfolgen. In sendungsübergreifender Perspektive sind Markenstrategien eine Anwendung der Signaling-Theorie (vgl. Siegert 2001): Indem Sender für ihre Programme Images schaffen und diese konsistent und konsequent kommunizieren, grenzen sie sich einerseits von ihren Wettbewerbern ab. Andererseits signalisieren die dafür erforderlichen Aufwendungen dem Rezipienten Authentizität der Markenkommunikation. Durch diese Glaubwürdigkeit sind Marken geeignet, weitere Funktionen für den Rezipienten zu erfüllen: Sie dienen der Orientierung im Programm (beginnend bei Logos und sendertypischen Farben) und sie lenken Erwartungen an die Art der Inhalte, wodurch sie weiterhin Verständnis und Interpretationen erleichtern (vgl. Siegert 2004: 200).
6.1.2.3
Stiftung Medientest
In der Literatur wird seit längerem der Vorschlag diskutiert, eine unabhängige Organisation zur Beobachtung und Bewertung des Rundfunkprogramms ins Leben zu rufen. Bedeutende Motive für diesen Vorschlag sind das Bemühen, den Rezipienten mehr Klarheit über Qualitätsaspekte von Rundfunkprogrammen zu verschaffen und eine allgemein be- und anerkannte Instanz im öffentlichen Diskurs über Rundfunk zu etablieren (vgl. Krotz 1996: 218). Diese Organisation wird meist, in Anlehnung an die Stiftung Warentest, als Stiftung Medientest bezeichnet91. Sie wird von Krotz gesehen als „neutrale Institution für systematische 91
Vgl. Krotz 1996 in Verarbeitung des Vorschlags der Weizsäcker-Kommission (Groebel / Hoffmann-Riem et al. 1995). Vgl. weiterhin Ring 1996; Tillmanns 1996; von Gottberg 1996; Krotz 1997. In der Schweiz haben sich Otfried Jarren et al. für eine Organisation mit ähnlicher Zielsetzung unter dem Namen „Observatoire suisse des médias“ eingesetzt (vgl. Jarren et al. 2002). In letzter Zeit wurde die Idee wieder aufgegriffen, vgl. Leuffen / Weichert 2005; Weichert 2005; Weichert 2005a; Günter 2001.
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
147
und unabhängige Tests von Medienangeboten sowie für die Information und Beratung von Mediennutzern als Verbrauchern, die zudem auch als gesamtgesellschaftlicher Akteur im Konzert der Meinungen eine verbraucherorientierte Position einnimmt.“ (1996: 220)
6.1.2.3.1
Aufgaben einer Stiftung Medientest
Ihr Aufgabengebiet wird weitgehend parallel zur Stiftung Warentest konzipiert: Eine Stiftung Medientest soll das Angebot der Rundfunksender unter die Lupe nehmen und bewerten (Test- und Archivfunktion, vgl. Krotz 1996: 221; Krotz 1997: 259). Im Fokus der Betrachtung steht dabei das Fernsehprogramm (vgl. Krotz 1996: 221). Allerdings ist nicht einzusehen, warum Radioprogramme von der Betrachtung ausgeschlossen werden sollten92. Der Vorschlag von Krotz sieht vor, das gesamte Fernsehprogramm zu beobachten (vgl. ebd.: 221, 226) – obgleich er einräumt, dass in der Aufbauphase eine Beschränkung auf die „wichtigsten Genres der wichtigsten Sender“ erfolgen könne (vgl. ebd.: 225). Daraus ergibt sich eine wesentliche Kultur bewahrende Funktion der Stiftung Medientest (vgl. Weichert 2005: 6): Sie soll das gesamte Fernsehprogramm aufzeichnen, archivieren und zur Einsicht vorhalten (vgl. Krotz 1996: 225). Außerdem hätte eine Stiftung Medientest eine Informationsfunktion (vgl. ebd.): Sie sollte nach Krotz’ Vorstellung über ein unabhängiges Publikationsorgan verfügen, um über die Testergebnisse und Bewertungen „breit, kontinuierlich und schnell“ berichten zu können (vgl. ebd.). Des Weiteren nennt Krotz Forumsfunktion (Austausch zwischen bestehenden Organisationen im Bereich des Mediennutzerschutzes) und Ombudsmannfunktion93 als fakultative Aufgaben einer Stiftung Medientest (vgl. ebd.: 222; Krotz 1997: 259f.).
92
Gegen die Beobachtung von Radioprogrammen spricht zum einen, dass Radio wegen der Musikdominiertheit der Programme und wegen des durchschnittlich geringeren Aufmerksamkeitsniveaus das politisch unproblematischere Medium ist. Zum anderen würde die Vollerhebung der über 300 Programme massiven personellen und technischen Aufwand erfordern. Jedoch stellt sich die Frage, ob Radioprogramme berücksichtigt werden sollten, erneut bei selektiver Auswertung des Programms. Gerade bei einer medienübergreifenden Sichtweise könnte die Stiftung Medientest besser langfristige und umfassende Trends erkennen. Zudem schlägt Krotz vor, zusätzlich zu Fernsehprogrammen auch Telefondienste, Computerspiele, Datenbanken, Datendienste oder CD-ROM-Veröffentlichungen von der Stiftung Medientest untersuchen zu lassen (vgl. 1996: 227). Bei diesem Leistungsumfang fielen die Radio-Programme wohl nicht weiter ins Gewicht. Um zu verhindern, dass die Stiftung Medientest eine Super-Behörde wird, wäre eine Beschränkung auf Radio- und Fernsehprogramme geboten. 93 Die Stiftung Medientest gerät als Ansprechs- und Beschwerdeinstanz für Nutzer in Konkurrenz zu den Aufgaben der Landesmedienanstalten, was Krotz bewusst ist (vgl. ebd.: 222). Er sieht jedoch Raum für eine zusätzliche Organisation.
148
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Läge in der Aufzeichnung und Archivierung die Hauptaufgabe der Stiftung Medientest, wäre sie wohl nicht mehr als ein statistisches Bundesamt für Rundfunkprogramme. Doch das gewünschte Aufgabenspektrum beinhaltet als Kernkomponente v.a. die Beurteilung von Rundfunksendungen (vgl. Krotz 1996: 221). Gerade in dieser Hinsicht soll die Stiftung Medientest ihrem Vorbild aus dem Konsumgüterbereich ähneln. Die Stiftung Medientest soll also gleichermaßen Resonator und Initiator einer öffentlichen Debatte über Rundfunk(qualität) sein: Zum einen soll sie sich an Diskussionen beteiligen, die in anderen Medien über bestimmte Sendungen und Formate geführt werden (z.B. Big Brother, Dschungelcamp), zum anderen soll sie durch ihre Stellungnahmen gerade solche Diskussionen anregen. Dadurch könnte die Stiftung Medientest auch auf Positiv- und Negativbeispiele eingehen, die der Medienkritik in Presse und Internet entgehen (vgl. Weichert 2005: 6). Zudem wäre eine Stiftung Medientest nicht im selben Maße den Rhythmen und inhaltlichen Erfordernissen publizistischer Medien unterworfen, so dass sie insbesondere auch längerfristige Entwicklungen thematisieren könnte, welche einzelne Formate transzendieren. Hierin liegt auch ein weiterer Legitimationsgrund für die kontinuierliche vollständige Aufzeichnung des Rundfunkprogramms. Denn ein so aufgebautes Archiv wäre über seinen kulturellen Wert als gesellschaftliches Gedächtnis und über seine Bedeutung für medienund kommunikationswissenschaftliche Forschung hinaus auch die Grundlage für Arbeiten mit normativer Ausrichtung. Die Bewertung von Rundfunkprogrammen wäre fast zwangsläufig selektiv. Eine Beurteilung aller in Deutschland empfangbaren Sendungen würde nicht nur eine gewaltige Menge an Mitarbeitern erfordern. Diese Aufgabe würde außerdem – nicht zuletzt wegen Homogenitäten und Konstanzen im Programm – in hohem Maße redundante Informationen hervorbringen. Und schließlich wäre eine Bewertung des gesamten Rundfunkprogramms nicht geeignet, dem Publikum die Orientierung zu erleichtern. Dies ist das wichtigste Argument für eine selektive Programmbesprechung: Die Orientierungs- und Systematisierungsfunktion können bei der Betrachtung von Programmausschnitten deutlich besser erfüllt werden, ohne dass hinsichtlich der Kultur- und Bildungsleistung Einbußen hinzunehmen wären. Durch eine selektive Programmbewertung würde die Stiftung Medientest zu der wohl bedeutsamsten Institution der Medienkritik werden. Schon die Tatsache, dass eine Sendung oder ein Format von der Stiftung Medientest gewürdigt wird, wäre eine Auszeichnung gegenüber anderen Sendungen. Auch der Umfang der Auseinandersetzung würde als Indiz für die kulturelle und / oder gesellschaftliche Bedeutung der betroffenen Sendung gelten können. Dass nicht nur die Bewertung selbst, sondern bereits ihre Existenz und ihr Umfang Ausdruck einer Wertschätzung sind, zeigt sich deutlich in anderen Bereichen des Medienbetriebs. So verkaufen sich beispielsweise Bücher immer gut, wenn sie in Medien mit großer Reichweite und guter Reputation ausführlich besprochen werden (vgl. Jäckel 2005: 76f.).
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
149
Ihre Unabhängigkeit sowie ihr schnell wachsender Fundus an Material, die zusammen auch auf die Kompetenz ihrer Mitarbeiter positiven Einfluss ausübten, würden somit dazu führen, dass die Rolle des Impulsgebers für den öffentlichen Diskurs über Rundfunkprogramme ausgeprägter wäre als die Funktion, bereits virulente Themen und Positionen widerzuspiegeln. Damit käme einer Stiftung Medientest eine Wächterfunktion für den gesamten Rundfunk zu: Sie könnte aus eigenem Antrieb wünschenswerte Entwicklungen aufzeigen und problematische Tendenzen anprangern, dabei immer auf konkrete Positiv- und Negativbeispiele Bezug nehmend. Diese Wächterfunktion könnte überdies rechtlich verankert werden, indem – analog zu den Verbandsrechten etwa der Verbraucherschutzverbände – die Stiftung Medientest etwa ein Beschwerderecht bei Verstößen gegen Jugendschutz- oder Werbebestimmungen erhielte und als Partei vor den Gremien der Selbstkontrolle zugelassen würde.
6.1.2.3.2
Anforderungen an die Arbeit der Stiftung Medientest
Je gewichtiger die Stiftung Medientest im institutionellen Gefüge der Rundfunkbeobachtung und -kritik wird, umso genauer werden Politik und Öffentlichkeit umgekehrt auf ihre Arbeitsweise sowie erkenntnis- und meinungserzeugenden Prinzipien achten. Die vielleicht wichtigste Aufgabe einer Stiftung Medientest bestünde demnach in der transparenten Ausarbeitung von Maßstäben zur Programmbewertung (vgl. Krotz 1996: 223). Dieser Prozess müsste möglichst viele Beteiligte des Rundfunksystems einbinden, von den Produzenten und Sendern über die Werbetreibenden und politischen Akteure bis zu Vertretern des Publikums (vgl. Krotz 1996: 227f.). Welche Anforderungen sind an derlei Maßstäbe zu stellen? Unter welchen Bedingungen könnte eine Stiftung Medientest dazu beitragen, dass Rezipienten sich gemäß ihrer Interessen für Rundfunksendungen entscheiden und damit die Marktfunktionen des Rundfunks fördern94? 1. Die Stiftung Medientest sollte der Aufgabe verpflichtet sein, das Rundfunk- bzw. Medienangebot in seiner Gesamtheit zu beobachten, zu reflektieren und zu bewerten. Sie sollte sich mit dem gesamten thematischen und formalen Spektrum an Rundfunksendungen auseinandersetzen. Dass aufgrund des immensen Programmumfangs eine Auswahl getroffen werden muss, verschärft diese Aufgabe nur dahingehend, dass nach Möglichkeit typische Sendungen in der Beurteilungspraxis mehr Raum einnehmen sollten als seltene Sendungen. Gleich94
Krotz hat schon einige recht konkrete Vorstellungen, nach welchen Kriterien Sendungen zu bewerten sind: Er nennt etwa „Ehrlichkeit und Nützlichkeit für den Konsumenten“ als Maßstäbe für Beratungssendungen (vgl. Krotz 1996: 226). Die Bewertungskriterien sollten jedoch erst in einem multilateralen Prozess definiert werden – abgesehen von den Operationalisierungsproblemen, die sich bei Krotz’ Kriterien ergeben.
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
wohl ist darauf zu achten, dass gerade Positivbeispiele hervorgehoben werden, auch wenn diese (noch) nicht formatiert sind. Darüber hinaus ist zu betonen, dass typische Sendungen nicht identisch mit Mainstream-Sendungen ist. Auch für kleine Zielgruppen existieren bestimmte Formate und zeitstabile Programmelemente, die die Stiftung Medientest zu kommentieren hätte. Diese Anforderung würde gewährleisten, dass das Publikum auch in einem unübersichtlichen Gesamtangebot auf lohnende Sendungen hingewiesen wird. 2. Die Stiftung Medientest sollte möglichst politikfern arbeiten. Insbesondere muss Nähe zu parteipolitischen Positionen ausgeschlossen werden, damit die Stiftung Medientest nicht als politisches Einflussorgan auf die Programmgestaltung im Rundfunk missbraucht werden kann. Die Position der Stiftung Medientest braucht auch nicht in Einklang mit der Mehrheitsmeinung von Zuhörern und Zuschauern zu stehen. Jedoch sollte die Stiftung Medientest regelmäßig Hearings veranstalten, bei denen Vertreter von Publikum, Produzenten, Sendern, Werbeindustrie und Politik ihre Positionen darstellen können. Besonders bei der Auseinandersetzung mit Grundsatzfragen und allgemeinen Leitlinien der Arbeit der Stiftung Medientest ist die Einbindung der Anspruchsgruppen von großer Bedeutung. Keinesfalls jedoch dürfen die in Hearings ermittelten Ansichten bzw. die Positionen eines Beirats verbindlich die Arbeit der Stiftung steuern; dies könnte ihre Unabhängigkeit unterminieren. Darüber hinaus wäre die Stiftung Medientest an die laufende medien- und kommunikationswissenschaftliche Forschung anzubinden. Die Neutralität der Stiftung Medientest sichert ihre Glaubwürdigkeit beim Publikum und macht sie unempfindlich gegen Korrumpierungsversuche einzelner Akteure. 3. Bewertungen sind notwendigerweise normativ, der wichtigen Forderung nach Ideologieferne zum Trotz. Insofern speisen sich auch gut begründete Positionen einer Stiftung Medientest zum Teil aus übergeordneten Vorstellungen darüber, wie Rundfunkprogramme beschaffen sein sollten bzw. welche gesellschaftlichen Leitwerte in welchem Maße im Rundfunk zum Tragen kommen sollten. So sind beispielsweise der Jugendmedienschutz oder Initiativen zur Förderung der Bürger-Partizipation an Rundfunkgestaltung Ausflüsse solcher Leitwerte. Die Stiftung Medientest sollte die Normen, denen sie sich in besonderer Weise verpflichtet fühlt, offenlegen (vgl. Krotz 1996: 228). Zudem sollten diese Normen regelmäßig selbst Gegenstand organisationsinterner Reflexion sein. Dies ermöglicht es den Rezipienten, Wertungen und Positionen der Stiftung Medientest zu verorten und in Bezug zu ihrem eigenen Wertesystem zu setzen. 4. Es ist beinahe selbstverständlich, dass sich die Leitwerte und die Einzelbewertungen von bestimmten Phänomenen im Zeitablauf verändern. Die Stiftung Medientest muss mit ihren Positionen mit der Entwicklung der Rundfunkprogramme Schritt halten, ja, diese bisweilen schon antizipatorisch beurteilen (vgl. Günther 2001: 17). Insofern wäre dem Rundfunkpublikum nicht gedient, wenn die Stiftung Medientest ahistorisierte Bewertungsmaßstäbe an Rund-
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
151
funksendungen anlegen würde, da diese die Eigendynamik sowohl auf Seiten der Produzenten und Distributoren als auch der Rezipienten ignorieren würden95.
6.1.2.3.3
Zusammensetzung der Entscheidungsgremien
Das Primärziel der Stiftung Medientest bei der Erfüllung der ihr zugedachten Aufgaben ist die Wahrung von Neutralität gegenüber allen einzelnen Akteursgruppen der Medienwirtschaft und Medienpolitik (vgl. Krotz 1996: 224)96. An diesem Ziel müssen auch die Besetzung der Gremien der Stiftung Medientest sowie ihre Finanzierung ausgerichtet werden (vgl. Weichert 2005: 8). Grundsätzlich kann die Unabhängigkeit der Mitarbeiter der Stiftung Medientest auf zwei Arten erreicht werden: Entweder die Mitarbeiter dürfen keinem der zentralen Akteure nahe stehen oder die Einflüsse dieser Akteure werden neutralisiert, indem alle mit gleichem Gewicht an Entscheidungen mitwirken (vgl. ebd.). Die erste Variante dürfte praktisch nicht umsetzbar sein, denn je höher die geforderte Sachkompetenz der Mitarbeiter, desto wahrscheinlicher ist es, dass Kandidaten diese bei einem Rundfunkunternehmen, in der Rundfunkregulierung oder in der Publizistik-, Kommunikations- bzw. Medienwissenschaft erlangt haben. Da die Aufgaben der Stiftung Medientest, wie oben skizziert, hohe analytische und systematische Anforderungen an Archivare und Gutachter stellen, dürfte sich strikte Unabhängigkeit aller Mitarbeiter nicht verwirklichen lassen. Auch die zweite Variante birgt einige Risiken. So würde es sich als ausgesprochen schwierig erweisen, eine „gerechte“ Stimmenverteilung in Entscheidungsgremien zu erreichen. Zudem führt die Zusammenführung unterschiedlicher Interessengruppen in dem Entscheidungsgremium einer Organisation nicht notwendig zu Entscheidungen, die die Organisationsziele bestmöglich umsetzen. Vielmehr kann es zu Aushandlungen zwischen den Interessengruppen nach dem Prinzip „do, ut des“ kommen. In diesem Fall würden faktisch keine Sachentscheidungen mehr getroffen; Positionen dieser Organisation wären nicht mehr als Spiegel der internen Machtverteilung. Im Extremfall werden überhaupt keine Entscheidun95
Vorbild in dieser Hinsicht könnte etwa die Arbeit der Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle sein. Der FSK – wie auch der FSF – gelingt die Aktualisierung ihrer Bewertungsmaßstäbe, indem viele ihrer Gutachter dieser Tätigkeit nicht hauptamtlich nachgehen (müssen). Dadurch fließen Perspektiven und Maßstäbe aus der allgemeinen Bevölkerung in die Entscheidungen der FSK und FSF ein. Zugleich sichern Gutachter mit beruflichem Hintergrund in der Film- und Videowirtschaft bzw. dem Jugendschutz die Professionalität der Entscheidungen (vgl. FSK 2006: § 5-7; FSF 2006: § 6). 96 Würde die Stiftung Medientest nicht als neutraler Akteur ausgestaltet, wäre sie anfällig für viele Arten von Beeinflussungs- und Korrumpierungsversuchen. Aufgrund der intermedialen Eigentums- und Interessenverflechtungen ist Neutralität nicht nur in Bezug auf die Akteure des Rundfunks einzufordern.
152
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
gen mehr getroffen, wenn nämlich Aushandlungen zwischen den Fraktionen erfolglos bleiben. Dies hat die Handlungsunfähigkeit der Organisation zur Folge. Unter Umständen wird diese sogar existenzbedrohend für die gesamte Organisation97. Diese Hintergründe heben die Notwendigkeit hervor, dass in einer Stiftung Medientest die strukturell differierenden Interessen der relevanten Akteure nicht nur reproduziert werden dürfen. Daher muss gewährleistet sein, dass die Mitarbeiter während ihrer Arbeit für die Stiftung Medientest nicht zugleich andere Interessen zu vertreten haben. Daher sollten in diesem Zeitraum Nebentätigkeiten im Rundfunk oder der Rundfunkpolitik ausgeschlossen werden. Damit unter dieser Bedingung die Stiftung Medientest für entsprechend qualifizierte Interessenten als Arbeitgeber attraktiv ist, muss die Bezahlung dementsprechend hoch sein. Zudem dürfte die Stiftung Medientest, um ihren oben skizzierten Aufgaben nachkommen zu können, schnell wachsen, so dass sich eine Hierarchie ausbildet, die auch innerhalb der Stiftung Medientest Karrierewege eröffnet.
6.1.2.3.4
Finanzierung
Umfang und Niveau der Aufgaben, Zahl und Qualifikation der Mitarbeiter verweisen unmittelbar auf eine der wichtigsten Fragen in Bezug auf das Gedankenspiel einer Stiftung Medientest: Wer soll das bezahlen? Selbst wenn die Leistungen auf mittlere Sicht refinanziert werden können98, ist auf jeden Fall eine Anschubfinanzierung in beträchtlichem Umfang erforderlich99. Es wäre naheliegend, dass diejenigen für diese Kosten aufkommen, denen die Stiftung Medientest am meisten zugute kommt. Da ihre Funktionen, wie dargestellt, im Wesentlichen der Reduktion von Informationsdefiziten der Rezipienten dienen, wäre zu erwarten, dass das Publikum die Stiftung Medientest finanziert. Beispielsweise könnte der erforderliche Betrag aus den Einkünften aus der Rundfunkgebühr entnommen werden (vgl. Weichert 2005: 8; Krotz 1996: 266).
97
So wurden die Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaft und Herausgebern sowie Verlegern in Österreich so stark, dass der dortige Presserat seine Arbeitsfähigkeit und seine Autorität weitgehend eingebüßt hat. (vgl. Gottwald / Kaltenbrunner / Karmasin 2006; Emminger / Rest 2004: 74). 98 Die Einkünfte der Stiftung Warentest im Jahr 2006 stammten zu 71,8 Prozent aus dem Verkauf von Publikationen (vgl. Stiftung Warentest 2007: 43). Gleichwohl ist auch die Stiftung Warentest auch weiterhin von staatlichen Ausgleichszahlungen in Höhe von 6,5 Millionen Euro (das entspricht 12,5 Prozent des Haushaltsvolumens) abhängig (vgl. ebd.). 99 Krotz veranschlagt ein erforderliches Startkapital von drei bis vier Millionen Mark, also ca. 1,5 bis 2 Millionen Euro (vgl. Krotz 1996: 225).
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153
Eine direkte Finanzierung, z.B. durch Spenden oder Erlöse aus dem Verkauf von Stiftungspublikationen, hätte demgegenüber einige schwer wiegende Nachteile: Schon die Rundfunkgebühr und die indirekte Finanzierung von Privatsendern durch Werbung belegen, dass ein Großteil des Publikums nicht bereit ist, für Rundfunkleistungen hohe Beträge zu bezahlen – oder genauer: für Rundfunkprogramme in der zur Zeit angebotenen Qualität. Der Preis für Publikationen der Stiftung Medientest dürfte daher nicht oberhalb von dem einer Fernsehzeitschrift liegen – es sei denn, es würde erheblicher redaktioneller Zusatzwert angeboten, den die Stiftung wiederum erarbeiten und finanzieren müsste (ebenfalls skeptisch zu einer mittelfristig selbsttragenden Finanzierung Günther 2001: 7). Eine Finanzierung durch Spenden ist zwar grundsätzlich denkbar, setzt aber ihrerseits eine gewisse Bekanntheit und ein positives Image der Stiftung Medientest voraus, da auch Spendenzwecke miteinander in Konkurrenz stehen. Außerdem können Spenden nur äußerst schwer als planbare Einkommensquelle verwendet werden. Deswegen könnten Spenden auch für die Stiftung Medientest zwar auf mittlere Sicht ihre Mittel ergänzen; die Basisfinanzierung muss jedoch anderweitig gesichert sein. Wegen des niedrigen Organisationsgrades des Publikums wäre somit die Einziehung der erforderlichen Mittel durch den Staat oder eine von diesem beauftragte Organisation die bevorzugte Variante. Da die GEZ bereits mit der Erhebung der Rundfunkgebühren betraut ist, läge es nahe, einen Teil dieser Mittel zur Finanzierung der Stiftung Medientest aufzuwenden (vgl. Krotz 1996: 226). Alternativ käme eine Finanzierung aus staatlichen Mitteln in Betracht. Krotz denkt z.B. über einen Fond der Landesmedienanstalten nach (vgl. Krotz 1996: 226)100. Dies setzt jedoch politischen Willen voraus. Die Chancen auf eine politische Implementierung der in diesem Kapitel diskutierten Vorschläge werden in Kapitel 7 (insb. Abschnitt 7.3.1) erörtert. Schließlich könnte auch die Industrie ein Interesse daran haben, die Stiftung Medientest finanziell zu unterstützen. Auch diese Option wird in Kapitel 7 ausführlich besprochen werden (vgl. Abschnitt 7.3.5).
6.1.2.3.5
Bedeutung der Stiftung Medientest für die Etablierung von Qualitätsmaßstäben
Im Verein der Maßnahmen zur Reduzierung der Qualitätsintransparenz von Rundfunksendungen für den Rezipienten nimmt die Stiftung Medientest eine besondere Stellung ein. Im Unterschied zu den übrigen Instrumenten existiert sie bisher nur als Vorschlag. Des Weite100
Das würde sich jedoch kaum von der Finanzierung durch die Rundfunkgebühr unterscheiden, da auch die Ausgaben der Landesmedienanstalten durch einen Zwei-Prozent-Anteil an der Gebühr bestritten werden (vgl. Hasebrink 1995: 27).
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
ren würde sich ihre Wirkungsweise von den Effekten der Formatierung und des Signaling deutlich unterscheiden. Von einer Stiftung Medientest wären in besonderem Maße fundierte und ausführliche Beurteilungen von Sendungen, Formaten, Moderatoren etc. zu erwarten (vgl. Krotz 1996: 221). Allerdings nimmt der mögliche Beitrag der Stiftung Medientest zur individuellen Sendungswahl mit dem Umfang ihrer Stellungnahmen und der Größe von deren Gegenständen ab. Denn je eher sich die Stiftung Medientest mit längerfristigen Entwicklungen befasst, je umfänglicher und differenzierter ihre Analysen ausfallen, umso weniger sind diese Analysen geeignet, den Zuhörer oder Zuschauer bei der Entscheidung zu unterstützen, welchen Sender er zu einem bestimmten Zeitpunkt einschalten soll. Insbesondere in low-involvementSituationen ist der Rezipient nicht bereit, viel Zeit für die Entscheidungsfindung aufzuwenden (vgl. Abschnitt 5.1.6.2 zum Stichwort „Entscheidbarkeitsschwelle“). Demzufolge hätte die Arbeit einer Stiftung Medientest einen etwas anderen Schwerpunkt. Im Zentrum ihres Interesses läge die Ausbildung allgemeiner Beurteilungsmaßstäbe auf Seiten der Rezipienten. Eine Stiftung Medientest hätte zum Ziel, das Publikum zu professionalisieren (vgl. Krotz 1996: 229). Dadurch würde sie zu einer wichtigen Sozialisationsinstanz im lernenden Umgang mit Medien. Es wäre zu erwarten, dass dadurch auch der durchschnittliche Anspruch an Rundfunkprogramme steigen würde, weil der Rezipient Unterschiede zwischen Sendungen genauer und schneller erkennt und diese daher auch in Entscheidungen und Entscheidungsheuristiken einbinden kann. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich auch eine weitere entscheidende Differenz zu anderen Formen der Programminformation: Die Stiftung Medientest könnte ihren Funktionen auch dann nachkommen, wenn sie ihre Positionen erst nach der Ausstrahlung der betroffenen Sendungen veröffentlicht. Die Bewertung im Vorfeld der Ausstrahlung hätte zwar den Vorteil, dass der Rezipient schon während der Nutzung die Bewertung(skategorien) der Stiftung Medientest mit seinem Erleben und seinem eigenen Beurteilungssystem in Bezug setzen kann. Aber auch bei der ex post-Veröffentlichung werden die Einschätzungshilfen der Stiftung Medientest noch wirksam.
6.1.3 Hilfen zur Orientierung im Programm Wachsende Differenzierung von Interessen und Nutzungsmustern schafft Anreize für Anbieter, weitere Programme aufzubauen. Genau hierin begründen sich Probleme der Rezipienten, die für sie interessantesten Programme aufzufinden. In den folgenden Abschnitten werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, wie die Rezipienten bei der Suche nach guten Sendungen unterstützt werden können.
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
6.1.3.1
155
Programmschemata
Programmschemata sind im Rundfunkalltag eng an die Etablierung von Formaten gebunden. Denn ein wiedererkennbares Format ist für den Rezipienten am wertvollsten, wenn zu seinen konstanten Eigenschaften auch der Programmplatz gehört. Da die meisten anderen Beschäftigungen Vorrang vor dem Radiohören oder Fernsehen haben (Radio- und Fernsehnutzung sind „Fülltätigkeiten“, vgl. Donnerstag 1996: 227), strukturieren die Sender ihre Programme so, dass die attraktivsten Sendungen zu Zeiten ausgestrahlt werden, an denen möglichst viele der an der Sendung Interessierten sie auch wahrnehmen können101. Demnach wird der Programmablauf in Radio und Fernsehen im Wesentlichen von außermedialen Rhythmen bestimmt, insbesondere vom Wechsel von Arbeit und Freizeit (vgl. Brosius / Roßmann / Elnain 1999: 180-183; Gehrau 1997: 72; Zubayr 1996: 31f.; Pfetsch 1991). Sowohl der medienspezifische Tagesrhythmus mit der Radio-Prime-Time am Morgen und der Fernseh-Prime-Time am Abend sowie der Wochenverlauf mit herausragenden Spielfilmen, Shows und Sport am Wochenende spiegelt die typischen Freizeitmuster der werktätigen Bevölkerung wieder. In dieser Hinsicht ist der Sendezeitwechsel eines Formats besonders interessant. Interessieren sich mehr Zuhörer oder Zuschauer für das Programm als erwartet, so wird dies als Indiz dafür gewertet, dass das Potenzial der Sendung noch nicht ausgeschöpft ist. Als Reaktion wird die Sendung einen attraktiveren Sendeplatz erhalten. Auf diesem Wege gelangen im Fernsehen gelegentlich Serien aus dem Nachmittags- und Vorabendprogramm in die PrimeTime nach 20 Uhr. Umgekehrt wird Formaten ein Sendeplatz in der Prime-Time auch wieder entzogen, wenn ihre „Performance“, d.h. ihre Reichweite, hinter den Prognosen zurückbleibt. Im Radio sind die Programmschienen selbst zwar weniger flexibel; doch auch hier können die Sender auf die Attraktivität einzelner Sendungen reagieren, z.B. indem beliebte Moderatoren Sendungen in den Morgenstunden übernehmen. Programmschemata und Formate sind so fest miteinander verknüpft, dass zum Teil sogar die Sendezeit selbst ein zentrales Formatmerkmal wird. Insbesondere bei Sendungen, bei denen auf inhaltlicher und formaler Ebene gemeinsame Merkmale schwer kommunizierbar sind, eignet sich der konstante Sendeplatz als Klammer, die diese heterogenen Sendungen zusammenhält. Beispiele hierfür sind die „ZDF Kriminacht“, der „Sat.1 filmfilm“ oder das „Journal am Vormittag“ im Deutschlandradio. Neben Tag und Woche gibt es einen dritten Rhythmus, der für die Programmplanung von Bedeutung ist, nämlich das Jahr und besondere Feiertage. Während die Feiertage noch 101 Andererseits werden die Rezipienten durch feste Schemata auch konditioniert, so dass Veränderungen im Programmablauf Irritationen auslösen, beispielsweise wenn in einem anderen Land Radio gehört oder ferngesehen wird (vgl. Ang 1991: 38ff.).
156
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
dem Prinzip „Arbeitszeit verhindert Medienzeit“102 folgen, geht es bei der jahreszeitlich schwankenden Attraktivität von Rundfunkangeboten darum, die Konkurrenz zu anderen Freizeitaktivitäten zu vermeiden. Grundsätzlich gilt: Je schlechter das Wetter, desto mehr Menschen hören Radio oder sehen fern (vgl. Abschnitt 5.1.6.1). Daher werden die teuersten Sendungen zu Zeiten ausgestrahlt, in denen voraussichtlich schlechtes Wetter herrscht, d.h. in den Wintermonaten103. Programmschemata strukturieren also das Programm, indem erstens regelmäßig wiederkehrende Formate einen festen Programmplatz erhalten (vgl. Schneiderbauer 1991: 291f.). Zweitens werden vergleichbare Formate hintereinander gesendet. Dadurch bilden sich Programmschienen aus, in denen ähnliche Formate gebündelt werden, um die kontinuierliche Rezeption zu erleichtern. So ist z.B. der Nachmittag im Fernsehen zum Synonym für die Abfolge verschiedener Show-Formate geworden. Diese Vorgehensweise hat verschiedene Effekte. Zum einen dient sie tatsächlich der Orientierung der Rezipienten, denn diese können sich darauf verlassen, auf einem bestimmten Sendeplatz über einen längeren Zeitraum weitgehend gleiche Sendungen zu finden (vgl. Neumann-Bechstein 1997: 93). Hat der Zuhörer oder Zuschauer also eine Sendung entdeckt, die ihm gefällt, kann er an den folgenden Tagen oder in der folgenden Woche zur gleichen Zeit eine Sendung nutzen, die ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls gefällt. Für die Sender hat die Schematisierung ihrer Programme mehrere Vorteile. Zum einen reduziert sie den Aufwand der Programmplanung, da bestimmte Zeitschienen weitgehend unverrückbar sind. Zum zweiten können sie die Sendungen, die im Einkauf oder der Produktion am teuersten waren, zu Zeiten ausstrahlen, in denen die meisten Menschen zuhören bzw. zuschauen. Für werbefinanzierte Sender verspricht dies eine höhere Rentabilität der jeweiligen Sendung (vgl. Neumann-Bechstein 1997: 104). Zum dritten kann mit Hilfe der Programmierung der audience flow beeinflusst werden: Die Gruppierung ähnlicher Sendungen in bestimmten Zeitfenstern verstärkt Vererbungseffekte innerhalb des Publikums, so dass die Gesamtnutzung des Programms steigt (vgl. Abschnitt 4.3.3) Indes hat die Schematisierung von Rundfunkprogrammen auch Nachteile. Die Sender können sich nur an gesellschaftlich weit verbreiteten Rhythmen orientieren. Da, wie in Kapitel 3 dargestellt, die Sender zur Risikominimierung möglichst große Publika zu erreichen versuchen, orientieren sich bei der Programmierung ihres Angebots alle Sender an den 102
Für das Radio müsste es lediglich heißen: Arbeitszeit verhindert Aufmerksamkeit; vgl. Abschnitt 2.2.1.1. So kostet z.B. kurz vor 20 Uhr ein 30-Sekunden-Werbespot im ZDF im Oktober und November 27540 Euro, im Juli und August hingegen nur 16080 Euro (vgl. ZDF 2007: 4). Auch die Ausrichtung an Tageszeiten lässt sich in den Werbepreisen erkennen: Zwischen 16 und 17 Uhr ist jede Werbesekunde 60 Prozent günstiger als zwischen 19 und 20 Uhr; die günstigsten Tarife sind für Werbung Samstag zwischen 15 und 16 Uhr vorgesehen (vgl. ebd.). 103
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
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gesellschaftlich dominanten Wechseln von Arbeits- und Freizeit. Dies geht jedoch zu Lasten der Wahlmöglichkeiten des Rezipienten: Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird ihm auf den meisten Kanälen das Gleiche geboten. Die immer wieder teils geforderte, teils prognostizierte Entwicklung zu mehr Spartensendern in Ergänzung oder sogar an Stelle der Vollprogramme (vgl. etwa Lange 2005: 4) würde in dieser Hinsicht Abhilfe schaffen. Denn die programminterne Differenzierung bei Spartensendern ist relativ gering; der Sender konstituiert sich ja gerade durch ein einziges oder jedenfalls einige wenige Formate. Das heißt, dass der Rezipient unabhängig von Tageszeit, Wochentag und Jahreszeit auf einem Spartenkanal ein für ihn interessantes Angebot finden kann, wenn er sich grundsätzlich für den Kanal interessiert. Die Orientierungsleistung, die der Rezipient zur Zeit erbringt, um sich Auszüge der verschiedenen Sendepläne zu merken, würde verlagert auf die Kenntnis eines größeren Repertoires an Kanälen, „die in ihren Gratifikationsleistungen komplementär sind“ (Jäckel 1999: 18). Im Gegenzug entfiele größtenteils die Suche nach Sendungen innerhalb eines Kanals. Das Radio hat diese Entwicklung zum großen Teil bereits vollzogen. Der Begriff „Formatradio“ (vgl. Goldhammer 1995: 137f.; Prüfig 1993) bezeichnet genau die Tatsache, dass auf einer Frequenz im Tagesablauf ein weitgehend homogenes Programm angeboten wird, das ohne Unterbrechung gehört werden kann. Das „Format“ im Radio unterscheidet sich deshalb deutlich von TV-Formaten: Es bezeichnet weniger einzelne Sendungen als die Klangfarbe des gesamten Senders. Parallel zur Formatierung hat sich im Hörfunksektor aber die Kanalmenge weiter vervielfacht, so dass die Wahlmöglichkeiten der Rezipienten nicht geringer geworden sind. Dem deutschen TV-Sektor steht dieser Umbau noch bevor. Die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags sowie die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangsamen diesen Prozess erheblich. Denn in Deutschland kommt der Vollversorgung innerhalb eines Kanals nach wie vor große Bedeutung zu. Insofern der öffentlich-rechtliche Rundfunk in dieser Hinsicht Maßstäbe setzt, orientieren sich die wichtigsten Konkurrenten, RTL und Sat.1, auch in ihrer Programmstruktur an den binnenpluralen öffentlichrechtlichen Programmen. Indes zeigen auch die öffentlich-rechtlichen Anbieter Ambitionen, ihr Programmangebot in Sparten zu zerlegen. Die Einrichtung neuer Kanäle (EinsExtra, EinsPlus, EinsFestival, ZDFinfokanal, ZDFtheaterkanal, ZDFdokukanal) schafft eine Grundlage, weniger massentaugliche Inhalte nicht nur auf nächtliche oder frühnachmittägliche Sendeplätze zu verbannen, sondern sie gleich ganz aus dem Hauptprogramm zu entfernen und mit ihnen neue Kanäle zu bestücken. Dieser Prozess hat für den Rezipienten überwiegend Vorteile – die technische Empfangbarkeit der neuen Spartensender vorausgesetzt. Denn nun muss er nicht bis Mitternacht warten, um etwa eine Opernaufführung zu sehen.
158
6.1.3.2
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Programminformationen
Das zweite Instrument, das dem Rezipienten von Radio- und Fernsehprogrammen die Orientierung innerhalb und zwischen den Programmen erleichtert, sind Programminformationen. Hierunter fallen Vorankündigungen, Trailer und Eigenwerbung für bestimmte Sendungen oder einen ganzen Sender ebenso wie Programmbeilagen in Zeitungen, Programmzeitschriften und Electronic Programme Guides (EPGs) (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 212f.; Schneiderbauer 1991: 289ff.). Mit Ausnahme von Eigenwerbungsmaßnahmen – inklusive Trailern und Vorankündigungen – sind die Sender nicht unmittelbare Urheber dieser Programminformationen. Zwar stellen sie den Redaktionen von EPGs und Programmzeitschriften Informationen über ihr Programm zur Verfügung. Doch diese werden von den Redaktionen bearbeitet und bewertet. Ähnlich wie Zeitungsredaktionen zugleich Informationen der Nachrichtenagenturen verwerten und doch von diesen unabhängig sind, können EPGs, Programmbeilagen und -zeitschriften als unabhängig von den Sendern gelten. Die Autonomie der Quellen von Produzenten und Sendern hat zunächst eindeutige Vorteile für den Rezipienten: Der Rezipient kann nicht nur einen Überblick über die Sender- und Programmlandschaft erlangen, sondern wird zudem in der Ausbildung von unabhängigen Werturteilen über Sendungen und Programme unterstützt. Da die Anbieter von Programminformationen untereinander in Wettbewerb in Bezug auf die Beschreibung und Bewertung von Rundfunkprogrammen stehen, ist ihnen daran gelegen, möglichst vielen Rezipienten verlässliche und urteilssichere Informationen zu liefern. Durch die Rezeption kann sich der Nutzer ein Bild machen, ob die Beurteilung in der Zeitschrift seiner Wahrnehmung entspricht – und die Zeitschrift wechseln, wenn das nicht der Fall ist (vgl. Gehrau 1997: 73). Hierin unterscheiden sich allerdings Programmzeitschriften und EPGs deutlich von Beilagen in Tageszeitungen. Beilagen stellen einen Zusatznutzen der jeweiligen Zeitung dar; doch dieser Service wird wohl selten ausschlaggebend für den Kauf der Zeitung sein. Daher besteht für eine Zeitungsredaktion nur ein geringer Anreiz, umfassende Angaben zum Programm zu machen. Entsprechend selten finden sich in Rundfunk-Beilagen Programmbewertungen; zum Teil wird dieses Defizit durch Medienrubriken im redaktionellen Teil aufgefangen. Die Autonomie von EPG-Anbietern gegenüber den Sendeanstalten ist nicht eindeutig zu beurteilen. Stellt jemand ausschließlich einen elektronischen Progammführer zur Verfügung, etwa als Online-Variante einer bestehenden Programmzeitschrift, ist dieser selbstverständlich funktional der Zeitschrift selbst gleich. Allerdings eröffnet gerade das OnlineGeschäft mit Rundfunkinhalten andere Geschäftsmodelle. So vertreibt beispielsweise TOnline Filme über das Internet, wobei die Anordnung und Präsentation der Filme in einem ebenfalls von T-Online verantworteten Portal geschieht (T-Online 2007).
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
159
Gerade im Zusammenhang mit der Einführung von digitalem Rundfunk und elektronischen Orientierungshilfen wird in der Literatur über die Macht gesprochen, die den Anbietern von Programminformationen zufällt (vgl. Hans-Bredow-Institut 2005; Holznagel / Schulz / Seufert 1999: 5). Wie ein Portalbetreiber im Internet wählen sie aus allen verfügbaren Inhalten einige aus und ordnen sie gemäß ihrer eigenen Präferenzen bzw. Systematiken an. Diesbezüglich mahnt z.B. Hoffmann-Riem an, dass sowohl für Nutzer als auch für Inhalte-Anbieter diskriminierungsfreier Zugang zu den Plattformen und Informationsportalen gewährleistet sein muss (1998: 201f.; vgl. Hans-Bredow-Institut 2005: 23ff.). Tatsächlich nimmt mit steigender Programmzahl der Selektionsaufwand des Rezipienten zu – obschon durch die Heuristiken und Gewohnheiten dieser Aufwand überschaubar bleibt (vgl. Abschnitte 5.1.6.2 und 5.1.6.3). Allerdings gilt auch für Programminformationen, dass ihre Autoren nur dann eine problematische Machtfülle besitzen, wenn es keine Konkurrenz um diese Macht gibt und keine unabhängige Kontrolle der Redaktionsarbeit existiert. Jedoch ist keine dieser Bedingungen erfüllt. Falls der Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern von Programminformationen gefährdet wäre, könnten leicht die Landesmedienanstalten oder ggf. die Kartellbehörden entsprechende Auflagen zur Vielfaltssicherung machen. Für eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs in diesem Markt gibt es jedoch keine Anzeichen. So existiert eine Vielzahl konkurrierender Programminformationen104. Hinzu kommt der intermediäre Wettbewerb: EPGs, Programmzeitschriften und Zeitungsbeilagen stehen in unmittelbarem Wettbewerb zueinander, so dass selbst z.B. ein hypothetischer Monopolist für elektronische Programminformationen keine marktbeherrschende Stellung erlangen könnte. Schließlich ist der Rezipient für Täuschungen bzgl. der Runfunkinhalte kaum anfällig, da er sich durch die Rezeption selbst ein Urteil über die Plausibilität und Qualität der Informationen bilden kann. Zudem ist er überhaupt nicht auf Programminformationen angewiesen; verschiedene Varianten des Screening ermöglichen es ihm, direkt anhand der Nutzung Programmabläufe, Sendungsinhalte etc. in Erfahrung zu bringen (vgl. Abschnitt 6.1.3.3). Im Verbund der verschiedenen Formen der Programminformation sind Zeitschriften und Zeitungsbeilagen noch die wichtigste Informationsquelle105 – zusammen mit dem Programm selbst
104
Daran ändert auch die Tatsache, dass viele Programmzeitschriften aus wenigen Verlagen stammen, wenig. Zwar dominiert die Bauer Verlagsgruppe mit annähernd 50 Prozent Marktanteil den Markt (vgl. Bauer Media 2007: 6), doch sechs der zehn meist verkauften Titel entfallen auf die Konkurrenz von Springer, Gong und Burda (vgl. ebd.: 12 sowie 25-30). 105 Vier von fünf Rezipienten besitzen eine Programmzeitschrift (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 213). 1992 erreichten die zehn größten Programmzeitschriften daher eine Gesamtauflage von über 25 Millionen Exemplaren (vgl. ebd.: 28; Schneiderbauer 1991: 126f.). Trotz Rückgängen in den letzten Jahren gehören Programmzeit-
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
(vgl. Abschnitt 6.1.3.3). Gegenüber EPGs weisen gedruckte Programminformationen drei entscheidende Vorteile auf. Erstens können sie genutzt werden, ohne dass ein elektronisches Gerät eingeschaltet werden muss. Zweitens sind Programmzeitschriften und Zeitungsbeilagen elektronischen Programminformationen darin überlegen, dass sie unabhängig von den zeitlichen Rhythmen des Rundfunks genutzt werden können. Zuhörer und Zuschauer können sich schon mehrere Tage vor der Ausstrahlung einer Sendung über diese informieren. Und hat man einmal den Anfang einer Sendung verpasst, hilft die Programmzeitschrift, in das Thema und die Handlung hineinzufinden. Drittens schließlich erschöpft sich die Leistung von Beilagen und Programmzeitschriften nicht in der Beschreibung und Bewertung des Rundfunkprogramms. Die zugehörige Zeitung bzw. in Zeitschriften der redaktionelle Mantel des Blattes bieten eine Fülle an zusätzlicher Information und Unterhaltung. Dies erhöht den Gesamtnutzen für den Rezipienten erheblich, da mit der Suche – der Lektüre der Zeitung oder Programmzeitschrift – gleichzeitig andere Funktionen erfüllt werden können (vgl. Hans-Bredow-Institut 2005: 18). Die drei angesprochenen Argumente für gedruckte Programminformationen gelten auch für die Online-Varianten der Programmbeilagen und -zeitschriften. Obwohl auch diese auf elektronischem Weg dargeboten werden, werden sie hier nicht als EPG aufgefasst, da ihr Aufbau und ihre Nutzung den gedruckten Programminformationen ähnlicher ist als jenen, die mit den Rundfunksignalen selbst zugänglich gemacht werden. Insbesondere zeigt der Blick auf Online-Ausgaben von gedruckten Programminformationen die zentrale Differenz zu EPGs auf, auf der die dargestellten Vorteile beruhen: Es ist gerade der Medienwechsel vom Rundfunk weg, der die hohe Flexibilität in der Nutzung und die Verknüpfung mit Zusatzangeboten ermöglicht. Daraus folgt, dass EPGs erst dann eine ähnliche Bedeutung wie Programmzeitschriften und -beilagen erlangen können, wenn sie sich technisch und inhaltlich stärker von den Sendern emanzipieren. Erst die publizistische Aufwertung der Programminformationen mit einem redaktionellen Mantel macht Programmzeitschriften für den Rezipienten attraktiv genug, um zusätzliche Kosten für Programminformation (Preis der Zeitschrift + Lesezeit und -aufmerksamkeit) zu tragen. Daher steigt der Preis von Programmzeitschriften mit ihrem redaktionellen Umfang und mit der Qualität ihrer Programmbewertungen106. Für diese Preisfunktion gibt es einen einfachen Grund: Nicht wertende Programminformationen (1) und senderabhängige
schriften mit bis zu 20 Millionen verkauften Exemplaren pro Erscheinungsdatum weiterhin zu den auflagenstärksten Zeitschriftentiteln (vgl. Hans-Bredow-Institut 2005: 17). Dennoch ist ein konkreter Zusammenhang zwischen einzelnen Hinweisen (z.B. „Tagestipp“) und der Nutzung der betreffenden Sendung schwer nachweisbar (vgl. Brosius / Steger 1997). 106 Differenzen im Qualitätsverständnis sind wiederum für die Segmentierung des Publikums für Programminformationen verantwortlich (vgl. Gehrau 1997: 73).
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
161
Wertungen (2) sind umsonst verfügbar, nämlich durch die Metakommunikation der Sender selbst (vgl. Abschnitt 5.2.1). Die bisher erörterten Arten von Programminformationen haben nicht einen oder mehrere Sender als Urheber, sondern werden durch eigenständige Organisationen mit eigenen Zielen verfolgt. Im Unterschied hierzu stellen Vorankündigungen, Trailer und Eigenwerbung Programminformationen dar, deren Quelle die Sender sind (vgl. Heinrich 2002: 517 sowie die Beiträge in Hickethier / Bleicher 1997). Bei diesen Arten der Programminformation nimmt in der Regel mit steigender Attraktivität der Informationsgehalt der Maßnahme ab. So sind Vorankündigungen schlichte Hinweise auf kommende Sendungen. Trailer stellen gewissermaßen eine Zusammenfassung der Sendung dar, für die geworben werden soll. Ausschnitte werden hintereinander geschnitten und ggf. durch eine Kommentar-Stimme ergänzt. Dadurch soll dem Rezipienten die Sendung schmackhaft gemacht werden. Das Prinzip der Trailer ist dem Kino entlehnt. Dieser Ursprung macht auch die Grenzen von Trailern zur Programmorientierung deutlich: Je kürzer eine Sendung, desto größer ist der Informationsoder Unterhaltungsanteil, der in einem 30-sekündigen Trailer vorweggenommen wird. Das heißt, der Trailer kann u.U. die Sendung selbst ersetzen. Die Eigenwerbung schließlich entfernt sich weiter von einer konkreten Sendung. Vorankündigungen bieten v.a. älteren Zuschauern Orientierung; die jüngeren Publikumssegmente bevorzugen Screening, um zu erfahren, was gerade läuft (vgl. Schneiderbauer 1991: 303).
6.1.3.3
Screening
Im Verbund der Verfahren, mit denen Rezipienten ihre Übersicht über und ihre Kenntnis vom Rundfunkprogramm verbessern können, kommt dem Screening die größte Bedeutung zu (vgl. Schorr 2000: 8; Schneiderbauer 1991: 300f.). Denn Screening ist das einzige dieser Instrumente, dessen sich der Rezipient ohne die Unterstützung oder Vermittlung anderer Akteure bedienen kann. Und Screening wird umso wichtiger zur Orientierung, je weniger andere Informationen – z.B. Programmzeitschriften – zur Verfügung stehen (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 213).
6.1.3.3.1
Definition
Unter Screening wird das Durchsehen einer Menge von Informationen verstanden, durch das ein Überblick über diese Menge gewonnen wird (sog. orienting search, vgl. Schwab /
162
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Unz: 247; Heeter et al. 1988107). Einen Überblick zu erhalten bedeutet dabei, die Struktur der Informationsmenge zu erfassen, d.h. ihren Umfang, ihre Gegenstände, die Art und Tiefe ihrer Auseinandersetzung mit diesen Gegenständen sowie die vermutlichen Gratifikationen aus der Sendung abschätzen zu können (vgl. Bilandzic 1999: 98-100). Screening ist also die Kenntnisnahme des Programms, die jedoch nicht das Verständnis von oder das Eintauchen in das betreffende Angebot zum Ziel hat. Der Rezipient möchte vielmehr aus dem Material selbst Struktur- und Metainformationen darüber gewinnen. Bezogen auf den Rundfunk ist Screening also das „Durchschalten“ zwischen den Programmen oder auch die kursorische Rezeption eines Programms im Tages- oder Wochenablauf. Screening ist also ein Orientierungsverhalten, das das Programm selbst nutzt, um herauszufinden, was wann auf welchem Sender läuft108. Screening dient dem Abbau von Unsicherheit. Indem er durch die Programme durchschaltet oder ein bestimmtes Programm zu verschiedenen Zeiten einschaltet, erfährt der Rezipient zweierlei: Er lernt zum einen das Programmangebot zu dem betreffenden Zeitpunkt kennen, zum anderen kann er aus dem Screening aber auch auf Programmschemata folgern. Unabhängig davon, welche Sendungen der Rezipient präferiert, hat das Screening seine Sicherheit erhöht. Je schneller die Irritationen, die von der Vielzahl unbekannter Programme ausgehen, reduziert werden können, desto erfolgreicher ist das Screening.
6.1.3.3.2
Abgrenzung zu Rezeptionsformen
Screening muss analytisch von Zapping, Switching, Hopping und Grazing unterschieden werden (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 39-45). Diese Begriffe bezeichnen Nutzungsmuster, d.h. bestimmte Umgangsformen mit Rundfunkinhalten (vgl. ebd.: 39f.). Sie zielen auf Kenntnis des Inhalts, während Screening nur das Ziel hat, Kenntnis von der Existenz des Inhalts zu gewinnen. Dementsprechend ist der Rezipient beim Zappen etc. an einer (oder – wie beim Switching oder Hopping – an wenigen) Sendung(en) interessiert; beim Screening interessiert er sich für das Programm, d.h. für dessen Aufbau. 107
Niemeyer / Czycholl verwenden hierfür den Begriff das Flipping (1994: 41, 212). Da die senderseitige Strategie des Signaling und die rezipientenseitige Strategie des Screening jedoch aufeinander bezogen und in dieser Terminologie eingeführt worden sind, wird der Begriff des Screening beibehalten. 108 Ebenfalls unter den Begriff des Screening fällt der Sendersuchlauf, also die Suche, welche Sender in einem bestimmten Gebiet überhaupt empfangbar sind. Der Sendersuchlauf kann als Basis-Screening bezeichnet werden, da dieses die Grundlage für alle folgenden Orientierungen innerhalb der Programme ist. Bei stationärer Rundfunknutzung wird dieses Basis-Screening meist nur einmal, bei der Anschaffung des Geräts, vorgenommen. Werden Rundfunkprogramme hingegen unterwegs genutzt, rückt das Basis-Screening wieder stärker ins Bewusstsein. Standardfall hierfür ist die Sendersuche am Autoradio.
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
163
Daher ist Screening als Orientierungsverhalten auch von Entscheidungsprozessen zu unterscheiden. Screening ist ein reiner Informationsgewinnungsprozess; es erfolgen keine Bewertungen. Der Screeningprozess ist am lohnendsten, wenn er mit gleichen Tätigkeiten verbunden wird, die andere Funktionen erfüllen. Daher findet im Zuhörer- und Zuschaueralltag in der Regel Screening dann statt, wenn auch eine Rezeptionsentscheidung ansteht oder bereits Rundfunk genutzt wird. Empirisch verschwindet daher der Unterschied zwischen Screening und Rezeptionsformen mit kurzer Verweildauer (Zapping etc.). Doch die wenigen Sekunden, in denen in beiden Fällen eine Sendung zur Kenntnis gelangt, haben verschiedene Effekte. Während der Rezeption setzt sich der Nutzer mit der Sendung selbst auseinander und erwartet auch unmittelbar aus dieser Gratifikationen, die die Rezeption (und ggf. deren Fortdauer) rechtfertigen. Der Nutzen des Screening hingegen manifestiert sich erst in späteren Rezeptionen: Der Rezipient lernt Formate und Programme besser kennen und kann so künftig sowohl schneller als auch besser begründet seine Rezeptionsentscheidungen treffen. Über mehrere Inzidenzen hinweg ist Screening demnach auch als Lernprozess zu charakterisieren.
6.1.3.3.3
Screening als offener Prozess
Da Screening eine Reaktion auf Unsicherheit bzgl. des Programmangebots ist, läuft es notwendig ungerichtet und unsystematisch ab. Screening ist ein offener Prozess, und zwar sowohl hinsichtlich seiner Auslöser und seiner Parameter als auch seiner Ergebnisse und Struktur. So können Programmveränderungen ebenso ein Screening auslösen wie Präferenzverschiebungen, soziale Anstöße oder Langeweile – um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Obwohl alle möglichen Auslöser auf den gemeinsamen Nenner gebracht werden können, dass sie den Rezipienten irritieren, griffe der Umkehrschluss, dass jede Irritation Screening auslösen würde, zu weit. Unkenntnis, rationale Ignoranz ist in Multikanalumgebungen der Standardfall; die meisten Fälle von Unsicherheit sind daher für den Rezipienten kein Anlass für Orientierungsverhalten. In der parametrischen Offenheit liegt der Unterschied zwischen Screening und Scanning begründet. Scanning ist ein zielgerichteter Prozess. Alle Scanning-Prozesse haben das Ziel, Informationen zu filtern und in die Kategorien relevant / irrelevant einzusortieren. Beim Screening werden hingegen keine Sendungen von vornherein ausgeschlossen. Dies wirkt sich automatisch auf das Ergebnis des Screenings aus. Da Voraussetzungen und Parameter des Prozesses offen sind, ist dies notwendigerweise auch das Ergebnis. Mit struktureller Offenheit von Scheidungsprozessen ist gemeint, dass weder der Ablauf von Screening festgelegt ist noch dass sie einem bestimmten Rhythmus folgen. Hierin unterscheidet sich das Screening vom Monitoring. Dies ist die regelmäßige Beobachtung von
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Programmverläufen. Screenings sind, weil sie durch Unsicherheit induziert werden, stärker situativ gebunden, der Rezipient setzt sie kaum geplant, oft sogar unbewusst ein.
6.1.3.3.4
Unterstützung von Screening durch Programmgestaltung
Screening ist als Optimierungsverfahren deshalb so verbreitet und erfolgreich, weil die Sender in zweierlei Hinsicht Screening unterstützen, nämlich durch Formatbildung und Programmierung (vgl. Abschnitte 6.1.2.1 und 6.1.3.1). So ermöglichen Formate das schnelle (Wieder)Erkennen von Sendungen und deren Zuordnung oder Abgrenzung zu bzw. von bestimmten Formaten, so dass Entscheidungsprozesse nicht zu zeitintensiv werden. Da die Zeitinvestition für Screening zu den Suchkosten gehören, senken die Sender die Hürde für Rundfunknutzung insgesamt, wenn sie Screeningprozesse beschleunigen. Zudem reduzieren Formate die Häufigkeit von Screening, da Sendungen in stärkerem Maß einer erwartbaren Struktur entsprechen. Schon der Sender reduziert also durch die partielle Uniformierung seines Programms die Unsicherheiten der Rezipienten, so dass zahlreiche Anlässe für Screening entfallen. Programmierung macht Screening ebenfalls seltener, denn mittelfristig stabile Programmschemata erfordern nur selten neue Orientierung. Mit einem Screeningvorgang wird nicht nur situativ eine Rezeptionsentscheidung ermöglicht, der Lerneffekt erleichtert sogar künftige Entscheidungen wesentlich. Historisch betrachtet ergibt sich hieraus ein Indiz, warum die Standardisierung von Programmabläufen und Formaten parallel zur Steigerung der Kanalzahlen erfolgte. Mit der Vermehrung der Sender und Programme stieg der Orientierungsbedarf für den Rezipienten massiv an. Es drohte die Abwanderung zahlreicher Rezipienten, für die der Nutzen aus der Rundfunknutzung diese gestiegenen Suchkosten nicht mehr überstiegen hätte. Diesen Effekt konnten Formatierung und Schematisierung abfangen: Sie machten es möglich, dass der Rezipient sich nicht in jeder Situation neu zwischen vielen Kanälen entscheiden muss, und dass Entscheidungen gemäß der Programmrhythmen zuverlässig gleiche Ergebnisse (im Sinne von Nutzen) zeitigen.
6.1.3.4
Soziale Orientierung
Die Betrachtung von Rundfunk als Markt hat, wie in Abschnitt 2.1.1.2 dargestellt, eine am Individuum orientierte Sichtweise nahe gelegt. Gleichwohl ist bereits in den Abschnitten 2.1.2.3 und 5.1.4 deutlich geworden, dass Institutionen und soziale Prozesse erhebliche Auswirkungen auf das individuelle Rezeptionsverhalten haben können. Wie schon im Hinblick auf die Sendungs- und Programmwahl gilt auch für die Gewinnung von Informationen
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
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über und Bewertungen des Programms, dass alle Rezipienten diese zum Teil aus ihrem sozialen Umfeld beziehen (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 94 sowie allg. in Bezug auf die soziale Bedingtheit von Entscheidungen Jungermann / Pfister / Fischer 1998: 325-332). Dabei stellt das soziale Umfeld den Ausschnitt aus dem gesellschaftlichen Umfeld dar, der nicht als Austausch von Organisationen institutionalisiert ist. Insbesondere konstituieren Familienmitglieder, Arbeitskollegen, Freunde und Bekannte das soziale Umfeld. Die auffälligste Form der Orientierung über das Programm mit Hilfe von Bezugspersonen findet sich in Situationen der kollektiven Rezeption: Die Familie sieht gemeinsam die „Sendung mit der Maus“, ein Paar hört zusammen ein Hörspiel im Radio. Da es hier um die Gewinnung von Informationen über das Programm geht, ist das Beispiel „Sendung mit der Maus“ am interessantesten. Denn Eltern und Kind(er) haben unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Kenntnisse des Programms. In der Regel wählen die Eltern – bis zu einem bestimmten Alter – die Sendungen aus, die ihre Kinder hören und sehen dürfen. Dazu informieren sie sich, welche Sendungen für ihre Kinder geeignet sind. Das heißt, die Fähigkeiten und Präferenzen der Kinder regulieren die Programmkenntnis der Eltern. Allgemein erhöht also die kollektive Rezeption nur dann die individuelle Kenntnis des Programms, wenn die Interessen zumindest teilweise heterogen sind und diese Heterogenität Anlass für Gespräche über das Programmangebot ist. Hierbei ist hervorzuheben, dass das Gruppenerlebnis selbst Nutzen stiftet. Dadurch werden die Suchkosten – denn hierzu gehört die Aushandlung des einzuschaltenden Programms – überkompensiert. Auch bei divergenten Präferenzen senkt also die kollektive Nutzung die Rezeptionsschwelle. Aus dem eigenen Nutzen, der aus dem Zusammensein entsteht, ergibt sich auch eine weitere Möglichkeit der Kenntniserweiterung über das Programm: Einem Gruppenmitglied wurde eine bestimmte Sendung empfohlen von einem Bekannten, der nicht Teil der Gruppe ist. Die Gruppe sieht oder hört daraufhin diese Sendung, obwohl niemand im Voraus weiß, ob sie seinen Präferenzen entspricht. Unter Umständen hätte sogar kein Gruppenmitglied alleine die Entscheidung getroffen, diese Sendung zu nutzen. Auch in dieser Konstellation ist es der Zusatznutzen der gemeinsamen Rezeption, der die Schwelle zur Rezeption herabsetzt (vgl. Dietl / Franck 2006; Westerik et al. 2006)109. Auf diese Weise wird sogar die Rezeption von präferenzaversen Inhalten möglich: Wenn alle Gruppenmitglieder eine Sendung nicht mögen, können sie sie immer noch gemeinsam verreißen. Dieser Fall verweist zudem auf die Reichweite von Informationen und Bewertungen im sozialen Umfeld. Obwohl Informationen, die individuelle Rezeptionsentscheidungen beein109
Nicht nur die Suche der individuell bestmöglichen Sendung wird durch soziale Orientierung begünstigt; auch die Nutzung selbst verändert sich in sozialen Kontexten: „Auch wer viel fernsieht, braucht einen Mitseher! Offensichtlich stellt dieses Medium keinen ausreichenden Ersatz für soziale Kontakte dar.“ (Niemeyer / Czycholl 1994: 159). Zudem ist die Verweildauer bei gemeinsamer Fernsehnutzung höher (vgl. ebd.).
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flussen, größtenteils aus dem nahen sozialen Umfeld bezogen werden, kann jeder Einzelne auf ein um ein Vielfaches größeres Netzwerk an Programm- und Sachkenntnis zurückgreifen, da jedes Individuum im nahen Umfeld seinerseits weitere Kontakte hat, mit denen ein Austausch über Rundfunkangebote stattfindet. Auf diese Weise erhält jedes Individuum Impulse, die es nicht selbst hätte generieren können, und kann zugleich davon ausgehen, dass die betreffenden Angebote zu seinen Präferenzen passen. Die persönlichen Instrumente zur Orientierung über das Programm, also Screening und Mitteilungen aus dem sozialen Umfeld, haben die größte Bedeutung, um gesuchte Sendungen zu finden und Sendungen zu entdecken, die dem Rezipienten bis dahin unbekannt waren, aber seinen Präferenzen entsprechen. Der Grund für die Überlegenheit dieser Instrumente liegt in ihrer hohen Individualität und Adaptivität. Demgegenüber werden Programminformationen umso wichtiger, je mehr es um die Ausbildung von Präferenzen geht oder um Rezeptionsentscheidungen, die von der konkreten Nutzungssituation entkoppelt sind und die gleichzeitig nicht durch Rückgriff auf das soziale Umfeld getroffen werden können. Das heißt, Programmschemata und Programminformationen füllen die Wissenslücken, die über individuelles Screening und sozialen Austausch hinaus verbleiben.
6.1.4 Problemfall Meritorik: Entscheidungen imWiderspruch zu Interessen Richtige Entscheidungen im Sinne der ökonomischen Perspektive sind nutzenmaximierende Entscheidungen. Das heißt, der Rezipient wird in Abhängigkeit seiner situativ verfügbaren Aufmerksamkeit und Zeit die Sendung einschalten, die ihm diese Investition am besten entlohnt. In Abhängigkeit von Aufnahmefähigkeit und -bereitschaft sowie inhaltlichen und formatbezogenen Vorkenntnissen sind dies, je nach Individuum, sehr unterschiedliche Angebote (vgl. Abschnitte 5.1.6 bis 5.1.8). Dementsprechend können sowohl anspruchsvolle Sendungen als auch leicht konsumierbare Angebote ihr jeweiliges Publikum finden. Es stellt sich jedoch ein Problem, das grundlegende Fragen zum Markt als möglicher Organisationsform für Rundfunk aufwirft: Meritorik. In Abschnitt 3.2.4 wurde bereits in das Thema eingeführt. Hier ist nun näher auf die Frage einzugehen: Wie kommt es, dass Rezipienten Konsumentscheidungen treffen, die anscheinend ihren eigenen Interessen zuwiderlaufen? Lobigs hat die wissenschaftliche Auseinandersetzung um Meritorik übersichtlich zusammengefasst, indem er paternalistische, individualistische und institutionalistische Ansätze
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
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unterscheidet (2005: 26-28)110. Seine Analyse (sowie der Großteil der übrigen Literatur zu diesem Thema) setzt bei einer Unterscheidung auf der Ebene der Bedürfnisse und Wünsche an. Demnach gibt es zwei Arten von Wünschen, nämlich zum einen solche, die die Beseitigung individueller Mängel zum Ziel haben (vgl. Abschnitt 5.1.1), zum anderen solche, die auf Veränderungen sozialer Umstände abzielen. Letztere werden als merit wants, verdienstvolle oder meritorische Wünsche, bezeichnet (vgl. Lobigs 2005: 28f.; Head 1988). Das Verdienst besteht dabei in einer Förderung des gesellschaftlichen Wohl(stand)s – ohne einen individuellen Profit. Aus meritorischen Wünschen leiten sich meritorische Präferenzen ab, die entsprechend zu Präferenzen im Gegensatz stehen, die an individueller Nutzenmaximierung ausgerichtet sind. Reflektive Präferenzen werden als „folgenlose Bewertungen“ aufgefasst (vgl. Lobigs 2005: 28, 304), zu denen Individuen gelangen, wenn sie ihre eigenen Handlungen überdenken – und zu dem Ergebnis gelangen, „dass es ihnen [...] besser anstünde, andere Handlungspräferenzen zu haben“. (ebd.: 28). Setzen sich im Verhalten des Individuums meritorische Präferenzen durch, entstehen gesellschaftlich wünschenswerte Resultate. Setzt sich hingegen das individuelle Nutzenkalkül durch, bleiben soziale Belange unberücksichtigt. Das heißt, es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen individuellen Wünschen, individuellen Präferenzen und an individuellem Nutzen ausgerichteten Handeln. Eine zweite Wirkungskette verläuft genau parallel dazu, unterscheidet sich aber hinsichtlich des Vorzeichens: Sozial wünschenswerte Wünsche erzeugen sozialverträgliche Präferenzen, die sozialverträgliche Entscheidungen und sozialverträgliche Handlungen hervorrufen. Diese Basiskonzeption von Meritorik basiert auf einer nicht überzeugenden Wirkungskette zwischen Wünschen und Verhalten. Wie in Abschnitt 5.1 gezeigt, wirken zwar Wünsche und Bedürfnisse auf Präferenzen ein – und diese wiederum auf Verhalten. Aber während Wünsche lediglich abbilden, was man gerne hätte, werden im Präferenzsystem bereits verschiedene Randbedingungen berücksichtigt, die die Erfüllung dieser Wünsche hemmen. Zu diesen Randbedingungen zählen die Ressourcenausstattung (z.B. Kapital) ebenso wie gesellschaftliche und soziale Ansprüche. Das heißt, Präferenzen beinhalten bereits sozio-kulturelle Erwartungen und Normen; das Individuum zieht z.B. bestimmte Optionen vor, weil sie sozial oder kulturell erwünscht sind. Bereits im Präferenzsystem eines Individuums können daher meritorische von individuellen Präferenzen nicht mehr empirisch unterschieden werden. Auch die Art, wie Präferenzen auf Entscheidungen wirken und in Handlungen umgesetzt werden, lässt große Spielräume für intervenierende Variablen. Daher kann Verhalten, 110 Der institutionalistische Ansatz führt zu interessanten Ergebnissen, beispielsweise Lobigs Vorschlag für die Institutionalisierung eines öffentlich-rechtlichen Programmauftrags, der explizit die Produktion meritorischer Güter beinhaltet (vgl. Lobigs 2005: 298ff.).
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wie besprochen, nicht als unmittelbarer Ausdruck von Präferenzen oder Wünschen gesehen werden (vgl. Abschnitt 5.1.6). Meritorik-Konzepte, die verschiedene Arten von Präferenzen voraussetzen, stellen menschliches Verhalten zu eindeutig als präferenz-determiniert dar. Zudem stellt sich durch die Gegenüberstellung von zwei verschiedenen Präferenzarten (und analog dazu zwei Wunsch-Typen) die Herausforderung, das Verhältnis zwischen diesen näher zu bestimmen. In der Regel werden die reflektiven Präferenzen (als Ausfluss der meritorischen Wünsche) als vorrangig angesehen (vgl. Lobigs 2005: 30 m.w.H.). Verhalten, das von den reflektiven Präferenzen abweicht, wird dann als Ausdruck von Willensschwäche gedeutet (vgl. Lobigs 2005: 28). Das heißt, das Individuum wäre zu schwach, seine eigenen Wünsche zu erfüllen. Dieser Gedanke trägt jedoch noch nichts zur Klärung bei, in welchem Verhältnis die beiden Präferenzarten zueinander stehen. Auch die Beziehung zwischen individuellen und meritorischen Wünschen bleibt ungeklärt. Sie scheinen ohne wechselseitige Beeinflussung als konkurrierende Antriebe für Verhalten nebeneinander zu stehen. Doch in der ökonomischen Literatur fehlen Hinweise, wann sich welcher Wunschtyp durchsetzt und warum. Das gleiche Defizit ist in Bezug auf die beiden Präferenztypen festzustellen. Und daher sind auch Verhaltensunterschiede nur unzureichend erklärt. Hier wird von dieser Vorstellung von Meritorik in zweierlei Hinsicht abgewichen. Zum einen wird der Übergang von Wünschen in das Präferenzsystem und die Wirkung von Präferenzen auf Entscheidungen und Verhalten komplexer betrachtet. Das hat zur Folge, dass eine einzelne Verhaltensweise keine eindeutigen Rückschlüsse auf Präferenzen oder Wünsche zulässt. Daher ist es unter dieser Perspektive sehr viel schwieriger, Präferenzunterschiede als Explanans für Verhaltensunterschiede heranzuziehen. Aus diesem Grund soll hier auf der Ebene von Entscheidungssituationen argumentiert werden. Zum anderen ist die Annahme paralleler, aber konkurrierender Wünsche und Präferenzen unnötig kompliziert. Zwar ist ein inkonsistentes Wunsch- und Präferenzsystem möglich. Aber Inkonsistenz ist keine notwendige Voraussetzung, um Meritorik zu erklären. Denn der vielschichtige Übergang von Wünschen über Interessen und Präferenzen bis zu Entscheidungen und Verhalten ermöglicht eine große Bandbreite von Verhaltensweisen, die auch sozial verdienstvolles Verhalten einschließt (vgl. Baurmann 2002: 115). Die problematische Diskrepanz (zwischen realem und „wünschenswertem“ Konsum) entsteht nicht auf der Ebene der Präferenzen, sondern durch Aspekte von Entscheidungen. In jeder konkreten Rezeptionssituation muss sich der Zuhörer oder Zuschauer entscheiden, ob er lieber Radio NRJ oder Deutschlandradio hören, lieber 3sat oder Super.RTL sehen möchte. Wie die Abwägung zwischen prognostizierten Kosten (in Form von Zeit und Aufmerksamkeit) und erwartetem Nutzen ausfällt, bestimmt die Entscheidung (vgl. Abschnitte
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
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5.1.6 und 5.1.7). Daher ist für die Untersuchung von Meritorik zu klären, welche Faktoren in der Situation der Entscheidung dafür sorgen, dass diese anders getroffen wird als die Präferenzen erwarten ließen. Die Analyse von Meritorik setzt also in dieser Arbeit nicht auf der Ebene unterschiedlicher Präferenzen, sondern auf der Ebene unterschiedlicher Entscheidungen an. Dadurch werden theoretische Auffassungen von Meritorik sowohl einfacher (weil die Voraussetzung inkonsistenter Präferenzsysteme entfällt) als auch empirisch besser zugänglich (weil Entscheidungssituationen leichter beobachtbar sind als Präferenzsysteme). Im Folgenden werden drei verschiedene entscheidungsbasierte Erklärungen für meritorische Phänomene angeboten. Diese haben unterschiedliche Konsequenzen für die Funktionsfähigkeit von Rundfunk als Markt. Dementsprechend wird Meritorik in unterschiedlicher Art und unterschiedlichem Ausmaß zum Problem; daraus ergeben sich auch verschiedene Lösungsansätze. Aus der Existenz meritorischer Güter ergibt sich ein Folgeproblem, das u.U. den Rundfunkmarkt als Ganzes beeinträchtigen kann. Es stellt sich nämlich die Frage, welche Sendungen und Inhalte im Einzelnen als meritorisch einzustufen sind. Für diese Sendungen wäre dann nicht das Verhalten der Rezipienten als Maßstab für ihre Präferenzen geeignet – noch nicht einmal, wenn zusätzlich ihre Investitionen in Form von Zeit und Aufmerksamkeit bekannt wären. Das bedeutet, dass für einen bestimmten Ausschnitt des Programms Rundfunk nicht als Markt organisiert werden kann, weil der Rezipient in gewisser Weise nicht Herr seiner eigenen Entscheidungen ist. Nur: Wie lässt sich ermitteln, welche Angebote hiervon betroffen sind? Welche Inhalte eignen sich nicht für eine marktliche Bereitstellung? Das ist unbekannt. Genauer: Es hängt davon ab, wie Meritorik theoretisch konzipiert und wie das jeweilige konkret existierende Gesamtangebot innerhalb dieses Konzepts klassifiziert wird. Was ist also ein meritorisches Gut?
6.1.4.1
Meritorische Sendungen als Sendungen mit kleinem Publikum
Die traditionelle Definition lautet: Ein meritorisches Gut ist ein Gut, das in geringerem Maße nachgefragt wird als gesellschaftlich erwünscht (vgl. Kiefer 2005: 139; Heinrich 2001: 101). Die Schwierigkeiten mit dieser Definition sind in Abschnitt 3.2.4 erörtert worden. Daher soll sie hier auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse neu operationalisiert werden: Meritorische Güter sind Güter, deren Nutzenpotenzial von der Gesellschaft anders beurteilt wird als von dem einzelnen Rezipienten. Durch diese Fassung lässt sich jedoch das Spannungsverhältnis von Individuum und Gesellschaft nicht auflösen. Da sich die Gesellschaft aus den Individuen zusammensetzt, müsste eine gesellschaftliche Beurteilung ein Aggregat aller individuel-
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
ler Beurteilungen sein (nicht unbedingt eine Summe). Wenn nun aber die Nutzeneinschätzung aller Individuen von der gesellschaftlichen Bewertung abweicht – wie die Definition eines meritorischen Gutes war –, wie kann sie dann diese hervorbringen? Es bietet sich eine einfache Erklärung an: In der Gesellschaft existieren verschiedene Interessen; diese werden im gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess unterschiedlich gewichtet. Kurz: Einige Meinungen sind wichtiger als andere. Das bedeutet aber, dass es sehr wohl Rezipienten gibt, die meritorische Rundfunkangebote konsumieren – nur ist diese Gruppe eben zu klein, als dass sich die Produktion dieser Angebote rentieren könnte. Es ist festzuhalten: Nicht für alle Rezipienten gilt, dass sich die Einschätzung des Nutzenpotenzials der betreffenden Sendung von der „gesellschaftlichen“ unterscheidet. Was kennzeichnet nun diejenigen Rezipienten, die meritorische Angebote hoch schätzen? Sie haben geeignete Vorerfahrungen: Sie kennen die Themen und die Formate. Dies hat zwei Konsequenzen. Zum einen steigt durch die Vorkenntnisse die Differenziertheit der Wahrnehmung. Es werden mehr Details, mehr Nuancen, mehr Bezüge zu vergleichbaren Stoffen erkannt. Das verschafft Befriedigung. Die Bekanntheit eines Themas oder Formats steigert also das Nutzenpotenzial einer Sendung. Zum anderen muss man sich gar nicht mehr damit abmühen, die Grundzüge der Dramaturgie, des Aufbaus etc. zu erkennen und zu verfolgen. Wie im Abschnitt 6.1.2.1 gezeigt, senkt also die Bekanntheit die Kosten der Rezeption. Der Kosten-Nutzen-Saldo wird also, im Vergleich zu Rezipienten ohne einschlägige Vorerfahrungen, zweifach gesteigert: Die Rezeption kostet weniger, und sie bringt mehr ein. Die Rezipienten „meritorischer Güter“ handeln also nicht etwa selbstlos und gesellschaftsfreundlich, indem sie sich Kultursendungen und politische Hintergrundinformationen zu Gemüte führen. Vom „Durchschnitts-Rezipienten“ unterscheidet den MeritorikKonsumenten auch nicht notwendigerweise das Präferenzsystem. Wohl aber liegt aufgrund ihrer Vorerfahrungen ihr Nettonutzen bei meritorischen Gütern erheblich höher als bei anderen Publikumsmitgliedern. Was ergibt sich aus diesen Beobachtungen für die Bereitstellung solcher Güter? Sollte ihre Produktion und Ausstrahlung subventioniert werden? Nach diesem Verständnis von Meritorik muss die Frage eindeutig verneint werden. Diese Güter in größerem Umfang als nach der Gesamtnachfrage angemessen wäre bereitzustellen würde ja bedeuten, 1) einer kleinen Gruppe überproportional viele Angebote zu machen, ohne dass diese für diese Zusatzleistung bezahlen müsste, 2) die hierfür nötigen Ressourcen anderen Verwendungen zu entziehen, so dass 3) das gesamte Publikum für die Besserstellung einer Rezipientengruppe bezahlt, was die allokative Effizienz des Rundfunkmarkts beeinträchtigt.
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
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So betrachtet, sollten Kultursendungen und andere Angebote, die traditionellerweise als meritorisch eingestuft werden, denselben Finanzierungs- und Amortisationskriterien unterliegen wie das übrige Programm. Dementsprechend gibt es drei mögliche Szenarien zur Entwicklung „meritorischer“ Sendungen im Rundfunk. Erstens: Es bleibt alles so, wie es ist. Dann reichen die Möglichkeiten zur Refinanzierung durch Werbung nicht aus, so dass Kultursendungen im Privatrundfunk nicht angeboten werden. Die öffentlich-rechtlichen Anbieter „leisten“ sich weiterhin Kultursendungen und verzichten dafür auf andere Angebote, die ein größeres Publikum anziehen würden. Das bedeutet, dass Kultur durch die Rundfunkgebühr zwangsfinanziert wird. Unter Umständen geraten auch im Verständnis der öffentlich-rechtlichen Sender Angebote für kleine Publika unter Rechtfertigungsdruck. Daraufhin koppeln auch sie ihre Programmstrategie vollständig an die prognostizierten Publikumsgrößen. Im Ergebnis verschwinden Minderheitensendungen fast vollständig aus dem Programm. Zweitens: Um Minderheitenprogramme zu finanzieren, wird das Werbevolumen aufgestockt. Der Umsatz pro Zeiteinheit ist zwar wegen der kleinen Zahl an Zuhörern bzw. Zuschauern geringer als bei massentauglichen Angeboten, jedoch liegt der TausenderKontaktpreis deutlich höher, da die Zielgruppe spezifische Interessen aufweist, an die werblich angeknüpft werden kann. Daher wäre zu erwarten, dass mehr Werbung im Umfeld von Spartenprogrammen deren Finanzierung und damit deren Existenz sichern kann. Drittens: Die Zielgruppe für diese „meritorischen“ Angebote trägt zu deren Finanzierung bei. Im ökonomischen Idealfall ermöglicht ein nutzungsabhängiges Bezahlverfahren (pay-per-view), die Zahlungsbereitschaft von Kulturrezipienten voll abzuschöpfen (vgl. auch Abschnitt 6.2.3). Unter diesen Umständen würden „meritorische“ Angebote weiterhin existieren, die Kosten würden jedoch für einige Rezipienten auf ein prohibitives Niveau ansteigen. Dadurch wäre zum einen ein Teil der Interessenten für diese Angebote nicht versorgt, zum anderen müssten die verbleibenden Rezipienten entsprechend höhere Preise zahlen. Eine weitere Verringerung der Rezipientenzahlen könnte auch in diesem Szenario dazu führen, dass das Angebot an den betreffenden Sendungen abnimmt, um sich auf quantitativ niedrigerem Niveau zu stabilisieren.
6.1.4.2
Meritorische Sendungen als Sendungen mit hohen Rezeptionskosten
Meritorische Güter im Rundfunk können auch definiert werden als Sendungen mit hohem Nutzenpotenzial, aber auch hohen Kosten der Rezeption. Diese ergeben sich durch schwere Verständlichkeit bzw. große erforderliche Vorkenntnisse. Gerade Kultursendungen sind oft inhaltlich voraussetzungsreich und erreichen formal nicht die Attraktivität massentauglicher Sendungen. Dies bewirkt, dass meritorische Güter nur einen geringen positiven oder sogar
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einen negativen Kosten-Nutzen-Saldo aufweisen, und zwar im Prinzip für alle Individuen. Dementsprechend stehen meritorische Güter in jeder Entscheidungssituation in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen Sendungen; dass in diesem Vergleich ein meritorisches Angebot einen höheren Saldo aufweist, wird eher zufällig sein. Die tatsächliche Rezeption dieser Sendungen liegt dann regelmäßig unter ihrem Potenzial. Hierfür bieten sich zwei Erklärungen an. Zum einen ist in Abschnitt 5.1.3 bereits auf das mögliche Auseinanderfallen von generellen und situativen Interessen der Rezipienten hingewiesen worden (vgl. Zubayr 1996: 29f.). Warum werden die präferierten Programme dann nur so selten genutzt? Weil in den meisten konkreten Rezeptionssituationen situative Aspekte für die Entscheidung wichtiger sind als die Präferenzen. Zum Beispiel kann das Aufmerksamkeitsniveau so gering sein, dass ohnehin nur noch ein geringes Nutzenpotenzial ausgeschöpft werden kann. Hierdurch werden alle Angebote mit mindestens diesem Potenzial in den Augen des Rezipienten gleichwertig. Die Entscheidung kann daher nicht mehr anhand von Sendungsmerkmalen getroffen werden. Noch ungünstiger für Kultursendungen wird es, wenn diese schwerer verständlich sind als konkurrierende Angebote. Dann weisen sie bei gleicher Nutzenerwartung (trotz höheren Potenzials) höhere Kosten auf, so dass sie noch nicht einmal bei günstigen situativen Umständen oder durch Zufall ausgewählt werden. Kultursendungen und andere meritorische Angebote gehören demnach zwar zum Interessenspektrum eines Rezipienten, aber in den meisten konkreten Rezeptionssituationen wird er sich gegen diese Angebote entscheiden, weil ihre Nutzung zu aufwändig ist111. Insbesondere kommt in der Kosten-Nutzen-Abwägung zwischen konkurrierenden Sendungen das unterschiedliche Risiko zum Tragen. Von zwei Sendungen mit gleichem erwartetem KostenNutzen-Saldo werden die meisten Rezipienten diejenige bevorzugen, bei denen die zu investierende Aufmerksamkeit geringer ist (gleiche Dauer der Sendung vorausgesetzt), da der maximal mögliche Verlust niedriger ist für den Fall, dass die Sendung die Nutzenerwartung nicht erfüllt. Ein ökonomisch handelnder Rezipient zieht also tatsächlich den Spatz in der Hand der Taube auf dem Dach vor. Zum anderen kommen Lern-, Erziehungs- und Gewöhnungseffekte zur Erklärung von meritorischen Effekten in Betracht. Denn die soeben vorgestellte Erklärung liefe darauf hinaus, dass praktisch kein Rezipient Kultursendungen nutzt. Tatsächlich liegt die Schwierigkeit meritorischer Angebote weniger darin, überhaupt ein Publikum zu finden, sondern darin, dass dieses zu klein für eine Refinanzierung ist.
111 Hohe Rezeptionskosten dürfen nicht mit der sog. Willensschwäche des individualistischen Ansatzes (vgl. Lobigs 2005: 28) verwechselt werden. Mit Ausnahme von Süchtigen darf einem Individuum durchaus zugetraut werden, seine Präferenzen auch volitional und schließlich in Handlungen umzusetzen.
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
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Da das Nutzenpotenzial für alle Rezipienten gleich ist, können Gewohnheitsnutzer von meritorischen Angeboten nur durch niedrigere Rezeptionskosten erklärt werden. Im Zusammenhang mit dem Erlernen von Formaten ist bereits darauf hingewiesen worden, dass durch wiederholte Rezeption von vergleichbaren Sendungen der Aufwand für ihre Dekodierung sinkt (investive Rolle des Konsums, vgl. Abschnitt 5.1.4). Das gilt auch für meritorische Güter. Wer also meritorische Inhalte und Formate erlernt hat, für den sinken die Rezeptionskosten so weit, dass im Kosten-Nutzen-Vergleich meritorische Sendungen häufiger besser abschneiden. Da aber die erforderlichen Rezeptionskosten zu Beginn sehr hoch sind, ist es unwahrscheinlich, dass viele Rezipienten diesen Prozess aus eigenem Antrieb durchlaufen. Näher liegend ist die Vermutung, dass gewohnheitsmäßige Nutzer von meritorischen Sendungen durch ihr soziales Umfeld an diesen Sendungstyp gewöhnt worden sind. Durch Erziehung oder Gewöhnung im Familien- und Freundeskreis wird also eine Anfangsinvestition erbracht, die die Kosten späterer Rezeptionen senkt. Meritorik, verstanden als Güter mit hohen Nutzungskosten, wäre auflösbar. Wie der Vergleich zwischen Nutzern und Abstinenten von meritorischen Angeboten gezeigt hat, besteht durch die Kopplung dieser Angebote an soziale Werte die Möglichkeit, die Rezeptionskosten auf längere Sicht zu senken. Angesichts der Tatsache, dass die Hürde für die Rezeption meritorischer Sendungen durch viele kleine Schritte der Gewöhnung und des Erlernens der spezifischen Muster abgebaut werden kann, müssten Produzenten und Sender neue Angebote schaffen, die den Einstieg in meritorische Themen und Formate erleichtern. Wenn z.B. eine Kultursendung so leicht verständlich wäre wie eine gleichzeitig laufende Daily Soap, könnte sie sicher ein großes Publikum finden112. Um dies zu erreichen, müssten zwar Abstriche in der Tiefe der Auseinandersetzung mit den behandelten Themen gemacht werden. Aber Rezipienten dieser Sendung wären danach auch offen für etwas anspruchsvollere Formate. So ließe sich gewissermaßen eine Sendungskette entwickeln, die kulturferne Zuhörer oder Zuschauer sukzessive an Kulturthemen und -formen heranführt, wobei der Rezipient zu keinem Zeitpunkt hohe Rezeptionskosten tragen müsste. Mit „nano“, „Es war einmal das Leben“, „terra X“, der „Sendung mit der Maus“ oder „Löwenzahn“ existier(t)en ja bereits eine Reihe von Formaten, die Wissenschaftsvermittlung auf allgemein verständlichem Niveau betrieben haben. In dieser Lesart wäre Meritorik ein Problem, das zunächst alle Teilnehmer des Rundfunkmarkts betrifft, das aber in bestimmten Milieus durch Sozialisation gelöst wird. Für andere Milieus bietet sich die dargestellte produzenten- und senderseitige Lösung an, durch 112
So zeigt Neumann-Bechstein am Beispiel des Radiomarkts in Berlin, dass auch private Veranstalter ein breit gefächertes kulturelles Angebot bereitstellen können. Während im Bundesdurchschnitt Kulturprogramme zu fast 60 Prozent von öffentlich-rechtlichen Anbietern stammen, machen diese in Berlin nur rund 30% des betreffenden Angebots aus (vgl. Neumann-Bechstein 1997: 259f.).
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Formate mit gestaffeltem Schwierigkeitsgrad Rezeptionshürden abzubauen. Damit steht ein marktlicher Lösungsmechanismus zur Verfügung, der für Produzenten, Sender und Rezipienten nutzensteigernd wäre.
6.1.4.3
Meritorische Sendungen als Angebote mit positiven externen Effekten
Eine dritte Erklärung für den Befund, dass bei manchen Angeboten die tatsächliche Nachfrage geringer ist als gesellschaftlich erwünscht, ergibt sich aus der soeben erörterten. Es ist denkbar, dass die individuelle Kosten-Nutzen-Abwägung bei den meisten Rezipienten durchgängig ein negatives Saldo ergibt. Demnach würde kaum jemand diese Angebote in Anspruch nehmen. Gleichzeitig könnte die Nutzung dieser Sendungen aber positive externe Effekte haben. Das Auswendiglernen von Gedichten in der Schule oder das Erlernen eines Musikinstruments etwa ist für den Betroffenen mühselig und oft wenig lohnend. Aber es schafft kulturelle Bezugspunkte im sozialen Gefüge. Analog könnten meritorische Rundfunksendungen als gesellschaftlicher Luxus betrachtet werden, dessen Nutzen sich nicht unmittelbar für die Beteiligten ergibt, sondern erst in mittel- und langfristiger Perspektive für die Gesellschaft insgesamt. Diese Sichtweise würde sowohl individuelle Entscheidungen gegen die Rezeption meritorischer Güter erklären als auch deren gesellschaftliche Wertschätzung. Demnach wäre die geringe Nachfrage nach meritorischen Gütern Resultat mangelnder Internalisierung, weil die Rezipienten die positiven externen Effekte nicht in ihre situative Entscheidung einbeziehen. Für ähnlich gelagerte Probleme, nämlich unberücksichtigte negative externe Effekte, wird in der ökonomischen Literatur die Pigou-Steuer als Lösung diskutiert (vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 121-125; Hoffmann-Riem 1998: 198f.). Da die echten Kosten einer Transaktion in den Vertragsbedingungen der Transaktionspartner nicht in vollem Maße berücksichtigt werden, erhebt der Staat eine Steuer. Deren Höhe entspricht gerade dem Umfang der externen Effekte. Dadurch werden die externen Effekte internalisiert: Die Transaktionspartner müssen die Steuer als zusätzliche Kosten berücksichtigen und treffen ihre Entscheidungen dementsprechend. Schließlich verwendet der Staat das Aufkommen aus der Pigou-Steuer, um die negativen externen Effekte zu beseitigen (vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 121)113. Fasst man meritorische Güter als Güter mit positiven externen Effekten auf, so wäre eine Pigou-Subvention denkbar: Die Produktion meritorischer Güter wird aus staatlichen 113 Wenn die Verwendung der Einnahmen aus diesem Verfahren vorgegeben ist, müsste streng genommen von einer Abgabe, nicht von einer Steuer gesprochen werden (vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 121). Hier kann auf die Unterscheidung jedoch verzichtet werden.
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
175
Mitteln unterstützt (vgl. Fritsch / Wein / Ewers 2003: 131f.). Dadurch würde die Herstellung meritorischer Güter für Produzenten und Sender trotz geringer zurechenbarer Einnahmen aus Werbung, Gebühr oder direkten Kundenzahlungen attraktiv (vgl. ähnlich auch Kops 2000a: 84ff.; 2000: 76ff.). Bei diesem Verfahren ist jedoch zu klären, woher die Mittel für diese Subventionierung stammen sollen und wie festgestellt wird, welche Sendungen subventionierungswürdig sind. Als Quelle für die benötigten Mittel käme die Rundfunkgebühr in Betracht, da sie ohnehin der Gewährleistung qualitativ hochwertiger Rundfunkprogramme dient. Meritorische Angebote müssen jedoch nicht ausschließlich von öffentlich-rechtlichen Anbietern produziert oder in Auftrag gegeben werden. Ein Teil des Aufkommens aus der Rundfunkgebühr könnte für alle Sender zur Verfügung stehen, die meritorische Angebote produzieren oder einkaufen und ausstrahlen. So entstünde auch für private Anbieter ein Anreiz, meritorische Angebote zu senden. Um festzulegen, welche Angebote in den Genuss dieser Förderung kommen, wäre es naheliegend, die Rundfunkteilnehmer – als Zahler der Rundfunkgebühr – zu befragen, welche Angebote sie für wichtig halten, und zwar unabhängig davon, ob sie diese tatsächlich nutzen (würden). Daraus lässt sich eine Skala ermitteln, die die Förderungswürdigkeit aller Sendungen aus Sicht der Rezipienten abbildet. Dann könnten die Sendungen entsprechend dieser Rangfolge durch Anteile an der Rundfunkgebühr unterstützt werden (vgl. Kops 2000a: 86). Diese Option hätte allerdings deutliche Nachteile. Zum einen erhielten private Anbieter Anreize, bestimmte Sendungen anzubieten, obwohl diese nur in geringem Umfang nachgefragt werden. Das heißt, sie könnten sich dem marktlichen Wettbewerb in diesem Bereich entziehen. Zum zweiten bleibt die Nachfragefunktion von dieser Subvention ja unberührt, d.h. die betreffenden Sendungen würden nach wie vor in geringerem Umfang konsumiert als gesellschaftlich erwünscht (vgl. Friedrichsen / Never 1999: 103). Angesichts dieser Probleme wäre es sinnvoller, die Nachfragefunktion zu beeinflussen anstatt die Produktion zu subventionieren. Um den hohen Rezeptionskosten etwas entgegenzusetzen, müsste die Rezeption von meritorischen Sendungen mit einer Belohnung verbunden sein. Daher sollte über die Rundfunkgebühr ein Meritorik-Zuschlag erhoben werden. Insgesamt wäre zunächst die Rundfunkgebühr erhöht. Doch von diesem Zuschlag wird teilweise oder vollständig befreit, wer die als meritorisch beurteilten Sendungen nutzt. Von der Rundfunkgebühr selbst kann man sich nach wie vor nur unter den bestehenden Voraussetzungen befreien lassen (vgl. § 6 Rundfunkgebührenstaatsvertrag). Was würde passieren, wenn der Meritorik-Zuschlag umso geringer wäre, je mehr meritorische Angebote sie wahrnehmen? Vermutlich würden viele Rezipienten Radio oder Fernseher zu den entsprechenden Zeiten einschalten. Das Problem der Meritorik wäre so gelöst. Denn die durch den Nachlass bei der Rundfunkgebühr stimulierten Einschaltzahlen machen vormals meritorische Sendungen für Produzenten und Sender attraktiv, weil nun so-
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wohl ihr legitimatorischer Wert gestiegen ist als auch ihre Vermarktungschancen auf dem Werbemarkt. Dass die tatsächliche Nutzung meritorischer Angebote aufgrund von Nebenbeirezeption u.ä. hinter der gewünschten Nutzungsintensität zurückbleibt, ist zwar erwartbar, aber nicht per se problematisch. Denn der gleiche Befund gilt sowohl für den Großteil des übrigen Programms, als auch für meritorische Angebote in anderen Kontexten. So ist es etwa für die gesellschaftliche Akzeptanz von Theaterbesuchern unerheblich, ob derjenige aufmerksam der Vorführung folgt oder schläft – so lange er nicht schnarcht. Die Nutzung meritorischer Angebote zu erfassen, scheint zunächst einer Privilegierung derjenigen Rezipientengruppen gleichzukommen, die diese Sendungen ohnehin schon in Anspruch nehmen. Doch diese Begünstigung ist – im Unterschied zu dem MeritorikVerständnis in den Abschnitten 6.1.4.1 und 6.1.4.2 – nicht sozialisationsbedingt. Vielmehr hat bei einer Pigou-Zahlung jeder Rezipient die gleichen Anreize, meritorische Sendungen zu nutzen. Obwohl also kultur- bzw. meritorikaffine Rezipientengruppen zunächst begünstigt erscheinen, dürfte der Entlohnungsmechanismus ein so starker Anreiz sein, dass sich die Differenz zwischen den Milieus in dieser Hinsicht rasch abbaut. Zudem reduziert sich dadurch auch der Sozialisationsunterschied, der im zweiten Ansatz zur Meritorik als Kern des Phänomens ausgemacht wurde. Wenn Anreize zur Nachfragesteigerung nach meritorischen Angeboten in der skizzierten Art geschaffen würden, entstünde jedoch das Risiko einer Selbstbedienungsmentalität. Ähnlich wie im Fall der Produktionssubventionen könnte auf Nachfrageseite eine Rückkopplung entstehen: Rezipienten entscheiden, per Befragung, darüber, welche Sendungen förderungswürdig sind, und zugleich können sie diese Förderung weitestmöglich abschöpfen, indem sie die entsprechenden Sendungen einschalten. Noch sinnvoller wäre es aus Rezipientensicht, diejenigen Sendungen als meritorisch anzugeben, die man ohnehin gerne sieht. Es wäre also denkbar, dass die Befragung, welche Inhalte meritorisch sind, zu dem Ergebnis führt, dass „Big Brother“, „Marienhof“, „Explosiv“ und „CSI:NY“ die verdienstvollsten Sendungen seien. Ein solcher Befund würde dazu führen, dass sich das Publikum selbst von der Rundfunkgebühr befreit. Das hätte zur Folge, dass nicht nur tatsächlich meritorische Inhalte nicht gefördert werden, sondern auch im Vergleich zu massenattraktiven Programmen weiter zurückbleiben, da diese nun noch stärkeren Zulauf erhalten. Um diese negativen Effekte auszuschließen, könnte man überlegen, die Einschätzung, welche Inhalte meritorischer Natur sind, nicht vom Publikum vornehmen zu lassen. In Frage kämen hier die Landesmedienanstalten oder auch ein Gremium der Stiftung Medientest (vgl. Abschnitt 6.1.2.3). Denn in diesen Organisationen ist / wäre bereits große Sachkenntnis des Programms vorhanden und sie sind von ökonomischen Interessen der Medienhandelnden weitgehend unabhängig.
6.1 Ermöglichung nutzenmaximierender Rezeptionsentscheidungen
177
Jedoch käme es dann zu einer Vermachtung der betreffenden Organisation. Würden etwa die Landesmedienanstalten die Liste der meritorischen Sendungen aufstellen, könnten sie darüber in hohem Maße die Nachfrage steuern und so starken Einfluss auf die Programmgestaltung nehmen. Dann aber würden die Entscheidungsträger Ziel intensiver Lobby-Arbeit und ggf. auch von Bestechungsversuchen werden. Das Risiko sachfremder Entscheidungsgründe ist also hoch. Vor diesem Hintergrund würde sich eine Verknüpfung der beiden Möglichkeiten zur Ermittlung der förderungswürdigen Sendungen anbieten: Eine Befragung ermittelt die Ansichten der Rezipienten. Die daraus entstehende Liste kann aber von den Direktoren der Landesmedienanstalten verworfen werden, z.B. mit Blick auf ein auch ohne Förderung ausreichendes Finanzierungspotenzial einer vorgeschlagenen Sendung. Diese Kombination verhindert die Reproduktion bestehender Sehgewohnheiten im Förderungswesen. Zugleich entlastet sie die Landesmedienanstalten von der Einflussnahme von Interessengruppen, indem sie ihre Entscheidungen durch das Publikumsvotum vorformt. Gleichwohl birgt der Vorschlag, ein Bonussystem für die Rezeption bzw. das Einschalten von meritorischen Sendungen einzuführen, immense Probleme in der Umsetzung. Denn ein solches System würde voraussetzen, dass die Rundfunknutzung aller Rezipienten lückenlos erfasst und ausgewertet wird, da nur so ermittelt werden kann, wem in welchem Umfang die Rundfunkgebühr erlassen werden soll. Die Installation eines solchen Erfassungssystems wäre nicht nur datenschutzrechtlich mit großen Problemen verbunden, sondern sie würde auch enorme Kosten verursachen. Diese müssten ihrerseits durch eine höhere Rundfunkgebühr aufgebracht werden, ohne dass dieser Erhöhung jedoch ein Nutzen von Publikum oder Sendern gegenüberstünde. Hinzu kommen die Kosten für die regelmäßige Erhebung, welche Sendungen überhaupt als meritorisch einzustufen sind. Im Ergebnis ist somit ein finanzielles Anreizsystem zur Nachfragestärkung bei meritorischen Angeboten auf der Grundlage einer Vollerfassung individueller Rundfunknutzung ökonomisch nicht sinnvoll. Die Möglichkeit der Nachfrageveränderung durch ein Bonussystem wäre indes neu zu beurteilen, falls Rundfunkprogramme – oder zumindest meritorische Angebote – nicht mehr an ein unbestimmtes und unbestimmbares Publikum ausgestrahlt werden, sondern in Datenbanken zum Abruf bereitgehalten werden (vgl. Abschnitt 6.2.2). Eine solche Umstellung von Push- auf Pull-Dienste hätte u.a. zur Folge, dass an jeden Rezeptionsvorgang weitere Prozesse gekoppelt werden können. So wäre es eben auch möglich, Gutschriften oder Boni für die Rezeption bestimmter Sendungen auszustellen. Für meritorische Angebote alleine wäre die Errichtung von Pull-Plattformen zu teuer. Doch in Abschnitt 6.2.2 werden weitere Argumente dargelegt werden, die für eine zumindest partielle Abkehr vom traditionellen Ausstrahl-Rundfunk sprechen.
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6.1.4.4
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Zusammenfassung
Es wurden drei Sichtweisen auf Meritorik vorgestellt, die das Problem nicht nur unterschiedlich groß erscheinen lassen, sondern auch verschiedene Lösungswege nahelegen. Es ist hervorzuheben, dass Meritorik im ersten Verständnis – nur kleine Gruppen nutzen meritorische Angebote – kein Problem im ökonomischen Sinne darstellt. Das „Problem“ besteht lediglich darin, dass eine Nutzergruppe auf Kosten der Allgemeinheit privilegiert wird, wenn entsprechende Angebote subventioniert würden. Die zweite Definition meritorischer Güter – hohe Rezeptionskosten verhindern ohne sozialen Zusatznutzen ihre Nutzung – führt zwar dazu, dass Meritorik noch als Problem existiert. Aber die Lösung ist im Prinzip einfach, da sie ökonomisch tragfähig und somit im Interesse der Beteiligten ist. Die Entwicklung von Einsteigerformaten für meritorische Inhalte und Formen würde einen Weg zur Reduzierung der Rezeptionskosten schaffen, so dass sowohl die Einstiegsformate als auch, nach einiger Zeit, bereits existierende Sendungen ein so großes Publikum finden können, dass sie ökonomisch tragfähig werden. Nur im dritten Fall – Meritorik als ein externer Effekt der Rezeption – handelt es sich tatsächlich um eine Funktionsbeeinträchtigung des Marktes. Doch wie groß ist dann das Phänomen Meritorik, welcher Anteil des Programms ist davon betroffen? Zunächst ist festzustellen, dass es eine Unmenge an Sendungen gibt, die sich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, durch Werbung finanziert oder durch die Abonnement-Beiträge der Rezipienten finanzieren lassen und hinreichend große Zuhörer- bzw. Zuschauerschaften gewinnen können. Dass Rezipienten also Nutzungsentscheidungen im Widerspruch zu ihren langfristigen Interessen treffen, kommt eher selten vor. Nach den obigen Ausführungen können darüber hinaus auch innerhalb der Klasse der meritorischen Sendungen nicht alle als nicht markttauglich eingeschätzt werden. Alle Sendungen, auf die die erste oder zweite Definition von Meritorik zutreffen (oder beide), lassen sich marktlich bereitstellen und werden gemäß ihrer tatsächlichen Nachfrage konsumiert. Hierbei sind Abweichungen zwischen der tatsächlichen Nachfrage und einer „gesellschaftlichen“ oft eher das Resultat von unterschiedlichen Möglichkeiten gesellschaftlicher Gruppierungen, ihren Interessen Ausdruck und Nachdruck zu verleihen, als Symptom einer tatsächlich unzureichenden Befriedigung von Interessen. Daher schmilzt das Phänomen Meritorik auf diejenigen Sendungen zusammen, deren Rezeptionskosten nicht weit genug gesenkt werden können, um individuelle Rezeption lohnend zu machen. Zugleich müssen starke externe Effekte zu verzeichnen sein, da es sich andernfalls schlicht um schwieriges Programm handelt, das niemand sehen oder hören will, weil es weder dem Einzelnen noch der Gesellschaft nützt. Die Menge der Sendungen, auf die diese beiden Kriterien zutreffen, dürfte überschaubar sein. Oben ist mit einer Kopplung von Befragung und Belohnungssystem ein Lösungsweg aufgezeigt worden, um auch diese
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
179
Sendungen marktlichen Prozessen zugänglich zu machen. Allerdings setzt der skizzierte Ansatz eine flächendeckend verfügbare on-demand-Infrastruktur voraus. Überdies bringt eine Lösung des Problems erhebliche Kosten in Form einer um eine Meritorik-Abgabe erhöhten Rundfunkgebühr mit sich. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass Meritorik die Funktionstüchtigkeit des Rundfunkmarktes nicht grundlegend beeinträchtigt. In den meisten Fällen entsprechen die Rezeptionsentscheidungen des Publikums auch den Interessen seiner Mitglieder. Die Ausnahmefälle, in denen dies nicht geschieht, ließen sich grundsätzlich mit den vorgestellten Ansätzen lösen. Ein Großteil der zur Zeit als meritorisch geltenden Sendungen lässt sich demnach schon jetzt finanzieren; und auch die Rezeption kann das durch die langfristigen Interessen der Rezipienten vorgegebene Potenzial ausschöpfen.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot Die bisherigen Betrachtungen haben gezeigt, dass das Publikum seine Interessen artikuliert, nämlich vor allem in seinen häufigen Nutzungsvorgängen von Rundfunkangeboten, daneben aber auch in direkter Kommunikation mit den Sendern. Bedauerlicherweise nehmen die Sender und Produzenten diese Artikulationen nicht systematisch auf, um sie zur Grundlage und zur Richtschnur ihrer Produktionen und Programme zu machen. In diesem Kapitel sollen daher Möglichkeiten besprochen werden, wie diese Artikulationen stärkeres Gewicht bei der Erstellung und Zusammenstellung der Rundfunkprogramme erlangen könnten. Zunächst wird das Augenmerk auf bestehende Formen des Publikums-Feedbacks an die Sender gerichtet, in dessen Intensivierung erhebliches Potenzial für eine tatsächliche Rückkopplung der Sender an die Rezipienten liegt (Abschnitt 6.2.1). Darüber hinaus werden aber auch strukturelle Veränderungen angesprochen, die ebenfalls eine deutliche Stärkung des Publikums zur Folge haben bzw. hätten (Abschnitte 6.2.2 und 6.2.3). Es muss darauf hingewiesen werden, dass den Publikumseinfluss zu erhöhen nicht automatisch bedeutet, die Handlungsautonomie von Produzenten und Sendern zu beschränken. Im Gegenteil: Das Publikum ist bzw. wäre der Hauptnutznießer eines in seinen Entscheidungen und Aktivitäten freien Rundfunks. Die Produktions- und Distributionsprozesse interessieren Zuhörer und Zuschauer nur insofern, als sie unmittelbar davon betroffen sind, d.h. wenn sie Einfluss auf das Programm oder die Empfangssituation haben. Eine Stärkung des Publikums zielt also lediglich darauf, dessen Interessen ökonomisch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Dadurch verändern sich zwar die Anreize für die Sender zur Bereitstellung bestimmter Sendungen. Jedoch bleiben sie darin frei, ob, in welcher
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Art und in welchem Umfang sie auf die Zuteilungen von Zeit, Aufmerksamkeit und Geld reagieren. Allerdings ist grundsätzlich denkbar, dass bestimmte Maßnahmen nur dadurch umgesetzt werden können, dass das Publikum (zumindest partiell) Macht über die Sender erlangt. Mögliche und wahrscheinliche Wege der Implementierung der in Kapitel 6 diskutierten Maßnahmen sind Gegenstand von Kapitel 7.
6.2.1 Regelmäßige und differenzierte Publikumsartikulationen Was sind zurzeit die Hemmnisse, die bei der Sendungs- und Programmgestaltung die Berücksichtigung von Publikumsinteressen erschweren oder gar verhindern? Entweder die Anregungen und Rückmeldungen der Rezipienten sind nicht qualifiziert genug (Quote) oder sie sind nicht repräsentativ (Publikumsanrufe, -mails etc.) oder beides. Letzteres trifft auf Teile der Medien- und Publikumsforschung zu: Wird an Pilotgruppen die Akzeptanz eines neuen Formats getestet, ist damit aus zwei Gründen nicht gewährleistet, dass dieses Format in der Gesamtbevölkerung das prognostizierte Publikum anzieht. Zum einen ist die Testgruppe nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung oder die Zielgruppe. (Eines dieser Defizite tritt zwangsläufig auf, wenn Zielgruppe und Gesamtbevölkerung nicht identisch sind.) Daraus ergibt sich das Problem, im Voraus eine Zielgruppe so zu bestimmen, dass sie denjenigen Zuhörern oder Zuschauern entspricht, deren Interessen durch das betreffende Format abgedeckt werden114. Zum anderen kann Publikumsforschung nicht immer alle für den Rezipienten relevanten Eigenschaften eines Formats testen. Wird beispielsweise der Pilotgruppe eine Sendung vorgeführt, so ist es möglich, dass sie perfekt zu deren Interessen passt. Bei der Ausstrahlung kann sich aber dann herausstellen, dass der Sendeplatz für diese Gruppe ungünstig gewählt ist. Die Problembeispiele der Medien- und Publikumsforschung zeigen, dass es zugleich essenziell wichtig und außerordentlich schwierig ist, die Interessen des Rundfunkpublikums kennenzulernen oder aus dessen Verhalten abzuleiten. Möglichkeiten, wie dies besser gelingen könnte, werden in den folgenden Abschnitten dargestellt.
114
Daher schlägt Hasebrink vor, von Zielinteressen statt von Zielgruppen zu sprechen, da innerhalb einer Zielgruppe durchaus verschiedene Interessen befriedigt werden können (1997: 270ff.)
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
6.2.1.1
181
Intensivierung der Publikumsforschung
Ein erster Ansatz, um die Interessen des Publikums besser kennenzulernen, entspricht der Strategie „mehr desselben“. Forschungseinrichtungen betreiben, teils im Auftrag der Sender, teils unabhängig, schon jetzt vielfältige Forschungsprojekte (vgl. etwa Buß 1994, 1998; GfK 1993; Köhler 1991). Da die Erforschung des Publikums eine kostspielige Angelegenheit ist115, scheuen die Sender diese Kosten. Doch die Werbetreibenden verlangen Nachweise der Wirksamkeit ihrer Werbung oder sie erzwingen, wenn solche nicht vorliegen, Preisnachlässe. Folglich weist Publikumsforschung oftmals eine Tendenz zur Konsumforschung auf: Die entsprechenden Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage nach Ausmaß und Qualität der Zuhörer- oder Zuschauerkontakte primär mit Blick auf die Wirkung auf das Kaufverhalten (vgl. Klövekorn 2002: 3; Prokop 1998: 959; Goertz 1997: 9f.). Dadurch dominiert die kommerzielle Publikumsforschung die akademische, eher wertfreie, Rezeptionsforschung (vgl. Darkow / Lutz 2000: 96; Ayaß 1993: 30ff.; Ang 1991: 154). Innerhalb der kommerziellen Publikumsforschung wiederum sind die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) und die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA) federführend; sie sind gewissermaßen die Notenbanken des Rundfunks, da sie den Wert der Währung Reichweite bestimmen. Die AGF, so Schwab und Unz in Bezug auf den Fernsehsektor, „legt fest, was wie erfasst, gemessen und ausgewertet wird“ (2004: 238).
6.2.1.1.1
Defizite gegenwärtiger Publikumsforschung
Die kommerzielle Publikumsforschung weist allerdings einige Defizite auf, wenn es darum geht, Nutzungsvorgänge als Ausdruck von Rezipienteninteressen zu erfassen (vgl. Abschnitt 5.2.2.2). Erstens betont sie werbliche Interessen, d.h. Zielgruppen, die für kaufkräftig und kauffreudig gehalten werden, erhalten die besondere Zuwendung der Forscher. Das hat zur Folge, dass insbesondere die Interessen von Älteren vernachlässigt worden sind (vgl. Kiefer 1997: 199). Da die Publikumsforschung deutliche Auswirkungen auf die Programmgestaltung hat, ist somit auch das Programmangebot für Ältere lückenhaft. Zweitens sind für die Kalkulation von Werbepreisen nur solche Forschungsergebnisse verwertbar, die sich auf möglichst große und zugleich möglichst homogene Gruppen beziehen. Das führt dazu, dass kommerzielle Publikumsforschung dazu tendiert, Heterogenität auszublenden. So sind Milieu- und Lebensstilbeschreibungen und ähnliches immer auch 115
Die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung allein benötigt im Jahr 18 Millionen Euro (vgl. Schwab / Unz 2004: 238).
182
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Konstruktion und nicht nur Abbildung gesellschaftlicher Realität (vgl. Kap. 5). Die Rundfunknutzung eines Individuums dürfte sich fast nie in der Rolle eines modernen Performers oder eines Traditionsverwurzelten erschöpfen, auf die er aufgrund seines soziodemographischen Kenndaten festgelegt wird – und das gilt nicht nur für die SINUS-Typisierungen. Als Konsequenz großer homogener Gruppen für die Programmplaner entbrennt ein Kampf um das immer gleiche Publikum (gem. dem Hotellingschen Positionierungsmodell116). Drittens erstreckt sich die Homogenisierung auch auf die intra-individuelle Nutzung. Jedes eingeschaltete Rundfunkgerät wird als gleichrangige Nutzung gewertet (vgl. Schwab / Unz 2004: 244). „Die vermutlich größte Einschränkung [der telemetrischen Forschung] ist, dass die meist nur deskriptiv genutzten Daten nichts über Bedeutung, Motivation und Wirkung der Fernsehnutzung aussagen können.“ (Klövekorn 2002: 17). Viertens agieren kommerzielle und akademische Publikumsforschung eher nebeneinander als miteinander. So beklagt Goertz (1997: 16), dass die Ergebnisse der kommerziellen Forschung erst mit großen Verzögerungen für die weitere akademische Aufbereitung zur Verfügung gestellt werden – wenn überhaupt. Als Konsequenz dieser Abschottung entwickeln kommerzielle und akademische Forschung verschiedene Modelle und verschenken zusätzliche Anregungen (in beide Richtungen).
6.2.1.1.2
Vorschläge zur Behebung der Defizite
Diese Merkmale und Tendenzen der Publikumsforschung beeinträchtigen die Aussagekraft der erhobenen Daten in Bezug auf Präferenzen und Interessen des Publikums. Um diese Schwächen zu beheben oder zumindest zu reduzieren, sollten folgende Punkte beachtet werden. Erstens sollte Publikumsforschung den Rezeptionsmarkt für Rundfunksendungen anstatt den Absatzmarkt für Industrieprodukte untersuchen (vgl. Goertz 1997: 24; Brommert / Weich / Dirksmeier 1995: 201; Schenk / Rössler 1990: 785). Selbstverständlich ist es möglich, dass diese Märkte sich überschneiden, so dass die Rezipienten bestimmter Sendungen auch teilweise gemeinsame Produktvorlieben haben. Das ist jedoch nicht zwangsläufig 116 Am Beispiel von Eisverkäufern am Strand argumentierte Hotelling, dass Anbieter, die sich nur hinsichtlich eines Produktmerkmals (in diesem Fall ihre Position am Strand) unterscheiden, dazu tendieren, sich in der Nähe von Konkurrenten zu positionieren (vgl. Hotelling 1929; Wurth 1994: 38-42). Lang (2004: 103-111) überträgt dieses Modell auf den Medienmarkt und zeigt, dass die Anbieter ebenfalls dazu neigen, ähnliche Produkte anzubieten, um einen größeren Marktanteil zu erlangen. Es bleibt lediglich eine minimale Produktdifferenzierung (vgl. ebd.: 105f.). Das gilt auch bei mehreren Wettbewerbsdimensionen (z.B. Unterhaltungsanteil, Qualität)(vgl. Mangàni 2003).
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
183
(vgl. Abschnitt 4.2.4.2). Nach Möglichkeit sollten die entsprechenden Untersuchungen berücksichtigen, dass für den Rezipienten vom Programm unabhängig sowohl Kosten als auch Nutzen entstehen, die jedoch in der Rezeptionssituation mit dem dem Programm zurechenbaren Nettonutzen gemeinsam auftreten. Publikumsforschung im Rundfunk muss sich daher bemühen, die einzelnen Kosten- und Nutzenblöcke durch Kontexterhebungen oder gezielte Manipulation der Rezeptionsbedingungen unterscheidbar zu machen. Dazu „ist neben den quantitativen Reichweitenstudien vermehrt eine inhaltliche, am Programm orientierte Zuschauerforschung notwendig“ (Schenk / Rössler 1990: 785). Zweitens sollte Publikumsforschung Rundfunknutzung stärker in ihren sozialen Kontexten betrachten. Die Kombination der reinen Einschaltzeiten mit personenbezogenen Daten zu Lebensund Konsumstilen ist in dieser Richtung ein erster Schritt. Doch die Annahme, dass Menschen mit gleichem Bildungsabschluss und gleichem Einkommen gleiche mediale Vorlieben haben, ist zu stark. Es müssten Modelle und Erhebungsmethoden entwickelt werden, die zum einen soziale Nutzungen (Videoabend, Fußball gucken in der Kneipe, public viewing, Kinderprogramm im Radio etc.) als zusammengehörig erfasst, d.h. die die Interdependenzen zwischen den beteiligten Personen berücksichtigt. Diese Modelle müssten zum anderen erfassen, wie sich Interessen und Präferenzen eines Individuums in dessen sozialer Umgebung ausbilden und entwickeln. Das ermöglicht Erkenntnisse über Zeit- und Aufmerksamkeitsbudgets, über die Bedeutung von Rundfunk im Vergleich zu anderen Medien und über individuelle Motive und Ziele der Rundfunknutzung (vgl. Hasebrink 1997: 278f.; Ang 1991: 27) – und zwar nicht durch statistischen Abgleich mit soziodemographischen Zwillingen, sondern durch die Analyse des direkt relevanten sozialen Umfelds (Eltern, Kinder, Freunde, Kollegen). Drittens müssen Erhebungsmethoden und Modelle der Publikumsforschung intra-individuelle Heterogenitäten berücksichtigen. Die meisten Rezipienten gehören mal dem einen, mal dem anderen Teilpublikum an – beim Switching sogar mehreren gleichzeitig (vgl. Abschnitt 6.1.3.3.2). Dass ein Rezipient mehrere Präferenzen haben kann, die noch nicht einmal zueinander widerspruchsfrei sein müssen, überfordert die meisten Modelle der Publikumsforschung (vgl. Schwab / Unz 2004: 245; Klövekorn 2002: 17). Angesichts dieser Diskrepanz zwischen Modell und Wirklichkeit ist es erstaunlich, „daß die Programmacher nicht längst ganz entschieden nach einer qualitativen Zuschauerforschung rufen.“ (Rosenbaum 1991: 40) Darüber hinaus ist selbst die Zugehörigkeit zu einer Hörer- oder Sehergruppe nicht gleichbedeutend mit einem konstanten Involvement oder konstanter Aufmerksamkeit. Der Mainstream ist angesichts intraindividueller Diskontinuitäten bis hin zu Inkonsistenzen nicht etwa die größte Zuhörer- oder Zuschauergruppe, deren Mitglieder bestimmte Interessen und Programmpräferenzen gemeinsam haben. Vielmehr werden auch Mainstream-Sendungen aus sehr unterschiedlichen Interessen und in sehr unterschiedlichen Kontexten genutzt (vgl. Davis 2006: 605f.; Vorderer 2003: 115). Dass es überhaupt ein Mainstream-Programm
184
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
gibt, das ein großes Publikum bindet, erklärt sich durch zwei Faktoren. Zum einen handelt es sich inhaltlich und formal um das least objectionable program (vgl. Zubayr 1996: 25; van den Bulck 1995: 162-174117), d.h. es werden nur Themen, Meinungen und Stile behandelt, die keinen Widerstand hervorrufen. (Das darf nicht mit der Situation verwechselt werden, wenn viele diesem Thema, dieser Meinung etc. zustimmen.) Zum anderen ist MainstreamProgramm notwendigerweise ein Niedrigkostenprogramm in der Rezeption. Denn nur dann entstehen für niemanden Nutzungshürden. Die Vielfalt verschiedener Interessen, Nutzungsformen und Gratifikationen, die Rezipienten mit Rundfunk verbinden, lässt demnach großen Spielraum für weitere Programmdifferenzierungen – und auch für neue Werbeformen. Modelle, die diese Spielräume abbilden, müssen nicht nur entwickelt, sondern auch von der GfK und der AG.MA eingesetzt werden, damit sie in der Programm- ebenso wie in der Mediaplanung Wirkung zeigen. Viertens sollten die Ergebnisse der kommerziellen Publikumsforschung häufiger, detaillierter und frei zugänglich veröffentlicht werden. Das widerspricht auf den ersten Blick den Interessen eines Senders: Er investiert viel Geld in eine Studie und soll sie dann seinen Wettbewerbern gratis zur Verfügung stellen? Ja. Denn wenn ein Sender ein eigenes Programm- und damit ein implizites Publikumsprofil hat (wobei wohlgemerkt dieses Publikum keine konstante Zusammensetzung aufweist), kann es ihm nicht schaden, wenn Konkurrenten seine Ergebnisse für ihre Zwecke auswerten. Umgekehrt kann er für seine eigene Publikumsbestimmung, seine Produktions- und Programmplanung von anderen Studien profitieren, da er z.B. durch Aussagen seines Nicht-Publikums (d.h. des Publikums seiner Wettbewerber) Informationen darüber gewinnt, wie seine Sendungen im Gesamtmarkt qualitativ positioniert sind. Durch die Veröffentlichung können also andere gewinnen, ohne dass der Auftraggeber der Studie etwas verliert. Dieses Szenario hat allerdings zwei Voraussetzungen. Erstens: Freerider müssen ausgeschlossen werden (zum freerider-Problem vgl. Kiefer 2005: 136; Macmillan 1979). Denn natürlich besteht für jeden Anbieter der Anreiz, zwar Untersuchungen anderer Auftraggeber auszuwerten, selbst aber nicht zur Publikumsforschung beizutragen. Das Freerider-Problem ist partiell durch die Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) und der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA) gelöst. Diese finanzieren jeweils gemeinsam Forschungsvorhaben, deren Ergebnisse allen Mitgliedern zur Auswertung zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse über externe Datenvermarkter (z.B. Media 117
Das Konzept des least objectionable program hat zur Folge, dass sich ein großes Publikum für das Angebot des kleinsten gemeinsamen Nenners (lowest common denominator) entscheidet (vgl. Sjurts 2004: 174; Kiefer 2003: 238 u. 246; Wurth 1994: 43f.; Rothenberg 1962: 273ff.). Hingegen führt Noam (1998: 76) aus: „Als oberstes Prinzip der Programmgestaltung galt [im kommerziellen System] häufig, scheinbar, die Suche nach ‚dem kleinsten gemeinsamen Nenner‘. Tatsächlich richtete sich dieses Programmprinzip nicht nach dem niedrigsten, sondern nach dem vorherrschenden Publikumsgeschmack – dem, was die gehobene und untere Mittelklasse schätzt.“
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
185
Control für die AGF) gegen Gebühr einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Zweitens: Die Sender bzw. die Sendungen zielen zum großen Teil auf verschiedene Interessen / Publika. So lange die Konkurrenz der Sender sich überwiegend auf die Mainstream-Rezipienten als Zielgruppe konzentriert, schadet es einem Sender, wenn ein Konkurrent seine Forschungsergebnisse ausnutzt, um das gleiche Publikum zu bedienen.
6.2.1.1.3
Konsequenzen intensivierter Publikumsforschung
Die dargestellten Bedingungen und Empfehlungen führen dazu, dass Publikumsforschung im Rundfunk besser darüber Auskunft geben kann, was Publika wollen, genauer: wofür sich Rezipienten interessieren. Gelingt dies, hätte das eine deutliche Risikominderung für die Sender zur Folge. Sie hätten nämlich schon vor der Ausstrahlung verlässlichere Anhaltspunkte für Prognosen über den Nutzungsumfang. Wegen der Produktionskostenstruktur (vgl. Abschnitt 3.1.6) ist das Risiko extrem hoch, nicht zu wissen, wie das Publikum reagiert. Sich via Publikumsforschung ein klareres Bild von Publikumsinteressen zu verschaffen, hat noch weitere Effekte außer der Risikominderung für die betreffenden Formate. Die aus der Publikumsforschung gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen eine Diversifizierung des Programms, da sie Publikumssegmente und Interessen aufzeigen, die bislang nicht oder unzureichend durch Sendungen versorgt werden. Es ergeben sich also Anreize für die Sender, Nischen zu besetzen. Nischenprogramme ermöglichen sowohl eine inhaltliche und formale als auch eine qualitative Differenzierung, die – durch ein variierendes ideales Aufmerksamkeitsniveau – für den Rezipienten einer Preisdifferenzierung entspricht. In der Folge wäre weiterhin zu erwarten, dass der durchschnittliche Werbepreis steigt, weil viele Sendungen ein spitzeres Publikum erreichen, so dass Streuverluste reduziert werden. Da Marktforschung v.a. bei kostspieligen Formaten rentabel wird, spielt sie im Radio grundsätzlich eine geringere Rolle als im Fernsehen. Denn die Produktionskosten für Radiosendungen liegen deutlich tiefer als für Fernsehsendungen gleicher Länge, so dass der ökonomisch vertretbare Maximalaufwand für Marktforschung regelmäßig unter den hierfür erforderlichen Kosten liegt. Zugleich wissen jedoch Radiomacher meist besser über ihr Publikum und dessen Interessen Bescheid als Fernsehsender, da Radioprogramme sich überwiegend an lokale oder regionale Publika richten und die Integration von Zuhörern ins Programm erheblich leichter ist als im Fernsehen118. 118
Denn Radio ist technisch gesehen ein Ein-Weg-Telefon. Somit können Telefongespräche unproblematisch Bestandteil des Radioprogramms werden. Zusammen mit der Regionalität oder Lokalität und der stärkeren Service-Orientierung der Radiosender ergibt sich daraus eine deutlich höhere, weil erheblich einfachere, Interaktivität zwischen Sender und Publikum als im Fernsehen. Das direkte Feedback kompensiert deshalb im Radio meist die Informationslücken, die sich aus weniger umfassender Marktforschung ergeben.
186
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Darüber hinaus wäre es wünschenswert, dass die Ergebnisse der kommerziellen Marktforschung über die Mitglieder und Lizenznehmer der AGF und der AG.MA hinaus verfügbar gemacht würden. Denn dies würde zum einen die wissenschaftliche Begleitforschung beflügeln, so dass auch Fragestellungen untersucht werden könnten, die nicht konkreten Interessen eines Anbieters entspringen. Zum anderen würde dadurch ein öffentlicher Diskurs über Präferenzen, Formate, Programmentwicklung etc. ermöglicht, der seinerseits die Befähigung des Publikums, seine Interessen zum Ausdruck zu bringen, erhöht und so die Qualität von Marktforschungsergebnissen mittelfristig deutlich verbessert. Trotz dieser positiven Effekte ist eine durchgängige Veröffentlichung von Marktforschungsergebnissen im Rundfunk nicht zu erwarten, so lange Freerider nur durch ein Clubsystem wie die AGF und die AG.MA ausgeschlossen werden und so lange das Rundfunkprogramm nicht so weit ausdifferenziert ist, dass die Konkurrenz der Sender um dasselbe Publikum in den Hintergrund tritt.
6.2.1.2
Aufmerksamkeitsmessung
Ein ebenso wichtiger wie folgenreicher Schritt zur Vertiefung der Kenntnisse über Publikumsinteressen wäre eine qualitative Ergänzung der gegenwärtigen Nutzungsforschung, konkret eine flächendeckende – oder jedenfalls repräsentative – permanente Erhebung der Aufmerksamkeit, die die Rezipienten dem Radio- und Fernsehprogramm entgegenbringen. Insofern die Aufmerksamkeitsmessung eine Erweiterung der etablierten Forschungsinstrumente der GfK und der AG.MA wäre, ist sie als Teil der Marktforschung zu konzipieren. Ihre Behandlung in einem separaten Abschnitt rechtfertigt sich indes durch die besondere Bedeutung kontinuierlicher rezeptionsbegleitender Messung von qualitativen Nutzungsaspekten. Worum geht es bei der Aufmerksamkeitsmessung und inwiefern wäre sie eine substanzielle Ergänzung der aktuellen Nutzungsforschung? Wie in Abschnitt 3.3.3.2 aufgezeigt wurde, sind weder die Media-Analyse für das Radioprogramm noch die Messung von Reichweiten für das Fernsehprogramm in der Lage, die Investitionen zu erfassen, die die Rezipienten beim Radiohören oder Fernsehen erbringen. Denn diese Investitionen sind das Produkt aus Zeit und Aufmerksamkeit. Aufgrund des Dienstleistungscharakters von Rundfunkangeboten ergibt sich diese Investition erst im Moment und durch die Beteiligung des Nutzers, so dass jeder Rezipient einen individuellen Preis bezahlt. „Die Qualität der Zuschauer macht den Erfolg aus“ (Kuhlo 2000: 41). Auch im Radio, wo die permanente elektronische Erhebung von Nutzungszeiten nicht stattfindet, könnte im Rahmen der Media-Analyse eine qualitative Annäherung an die individuellen Zahlungen ermittelt werden.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
6.2.1.2.1
187
Mögliche Effekte einer Aufmerksamkeitsmessung
Ist für jede Sendung ihr Preis bekannt, d.h. die Summe der individuellen Aufwendungen über alle Rezipienten einer Sendung, verändert sich das gesamte Kosten- und Leistungsgefüge für den Rundfunkmarkt. Denn ein aufmerksamer Zuhörer oder Zuschauer ist wertvoller als jemand, der in einem anderen Raum ist oder schläft, während die Sendung läuft. Dabei ist die Aufmerksamkeit ein Wert für alle Beteiligten: Der Rezipient kann das Nutzenpotenzial einer Sendung besser ausschöpfen, die Werbeindustrie kann mit einer besseren Erinnerung (recall rate) ihrer Spots rechnen, so dass im intermediären Vergleich Werbezeit im Rundfunk unterbewertet wäre. Das wiederum würde die Sender dazu veranlassen, die Werbepreise anzuheben, so dass ihre Einnahmen steigen. Für Bezahlrundfunk-Anbieter wären Informationen über die Zahlung(sbereitschaft) ihrer Rezipienten ein wichtiger Planungsfaktor: Sie könnten u.U. Sendungen mit höherem Nutzenpotenzial („premium content“) anbieten und dafür höhere Preise erzielen, ohne dass diese Maßnahme vom Exit der Kunden bedroht wäre, da diese von der höheren Qualität profitieren. Die öffentlichrechtlichen Anstalten schließlich könnten insbesondere Nischen- und Minderheitenangebote, ebenfalls mit hohen Aufmerksamkeitserfordernissen, besser legitimieren. Es lässt sich vor der Einführung der Aufmerksamkeitsmessung nicht abschätzen, ob Rundfunkanbieter insgesamt Umsatzzuwächse erwarten können oder Einbußen hinzunehmen haben werden – unabhängig davon, ob die primäre Finanzquelle Rundfunkgebühren, Werbe- oder Abonnementeinnahmen sind. Zwar lässt sich prognostizieren, dass die Aufmerksamkeitsmessung zu einer Stärkung hochwertiger Sendungen führen würde, d.h. von Angeboten, bei denen sich ein hohes Involvement der Rezipienten auszahlt. Dadurch entstünden für die Anbieter Anreize, mehr anspruchsvolle Angebote zu entwickeln. Das wiederum würde insgesamt zu einer Spreizung von Angebot, Abonnementeinnahmen und Werbepreisen führen. Jedoch ist diese Stärkung von premium content nur relativ zum Programmdurchschnitt. Sie könnte auch durch eine „Abwertung“ von low-involvement-Sendungen erfolgen. Da zur Zeit völlig unklar ist, wie wertvoll Rundfunk dem Publikum ist119, lässt sich auch nicht abschätzen, wo sich der Durchschnittspreis für eine Fernseh- oder Radiosendung einpendeln wird. Grundsätzlich sind hierfür drei Szenarien denkbar. (1) Werte im Rundfunk sind bereits insgesamt angemessen in Produktions- und Rezeptionsprozessen abgebildet. Mit der Einführung einer Aufmerksamkeitsmessung würde sich somit der Durchschnittspreis für Leistungen nicht wesentlich verändern, weder auf dem Rezeptions119
Nachdem die Zugangskosten entrichtet worden sind (vgl. Abschnitt 3.3.3.1).
188
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
noch auf dem Werbemarkt. Es käme lediglich zu Verschiebungen innerhalb des Rundfunkprogramms: Da Publikumspräferenzen genauer erkennbar sind, würde sich das Angebot stärker ausdifferenzieren – unabhängig davon, ob auch der Gesamtumfang der verfügbaren Programme weiter wächst. Die Differenzierung führt zur Ausbildung von stärker spezialisierten Publika. Die Format- und Programmentwicklung begünstigt stärker als bisher die Durchsetzung anspruchsvoller Sendungen. (2) Das Rundfunkprogramm in Deutschland ist insgesamt gut und wird zu billig zur Verfügung gestellt. Das heißt, die Kosten, die eigentlich die Rezipienten tragen müssten – und auch zu tragen bereit wären – werden durch Umverteilungsmechanismen aufgebracht. Die wichtigsten dieser Mechanismen sind die Werbeausgaben der Industrie und die Rundfunkgebühr. Durch die Aufmerksamkeitsmessung würde die durchschnittliche Bewertung von Rundfunksendungen deutlich steigen. Wie oben erörtert, wären steigende Werbepreise und ebenfalls ein Anstieg der Rundfunkgebühr zu erwarten. Darüber hinaus wäre im Systemwettbewerb der Bezahlrundfunk der Hauptprofiteur, da sich seine Position gerade durch Premium-Angebote bestimmt (vgl. Abschnitt 4.2.4.3). In diesen Veränderungen käme eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung des Rundfunks zum Ausdruck, weil er im Verhältnis zu anderen Gesellschaftsbereichen mehr Kapital bindet. Im Unterschied zur gegenwärtigen Situation würden die verfügbaren Mittel leistungsgerecht in die Produktion und Distribution gelenkt werden, d.h. diejenigen Sendungen profitieren, die einen hohen Publikumsnutzen generieren. Da dieser das Produkt aus Rezipientenzahl und Aufmerksamkeit ist, können Sendungen mit kleinem Publikum hochprofitabel sein. Der Kapitalzufluss ermöglicht sowohl im Einzelfall als auch insgesamt ein steigendes Programmniveau. (3) Rundfunkprogramme sind überbewertet. Das Gros der Rezipienten nutzt die Programme meist nur zur Berieselung und stellt so gut wie keine Ansprüche. Dementsprechend sind sowohl die monetäre als auch die nicht-monetäre Zahlungsbereitschaft extrem gering. Gemessen am Publikumsnutzen wird Rundfunk also zu kostspielig her- und bereitgestellt. Die Aufmerksamkeitsmessung würde diese Situation zutage fördern und sowohl die Rundfunkgebühr als auch die Werbepreise unter Druck setzen. Anbieter von Bezahlangeboten würden Rezipienten verlieren oder müssten die Preise senken. Aus dem Rundfunk würden Ressourcen abgezogen, die durchschnittliche Programmqualität nähme ab. Obwohl dieses Szenario düster klingt, bedeutete es – wie auch die beiden anderen möglichen Entwicklungen – eine volkswirtschaftliche Verbesserung. Denn das überflüssigerweise in nutzlose oder zumindest nutzenarme Rundfunkprogramme investierte Kapital wird frei, um andere Bereiche zu fördern, die gesellschaftlich höher geschätzt werden.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
6.2.1.2.2
189
Indikatoren für Aufmerksamkeit
Die Erfassung der Rezipientenaufmerksamkeit hätte also volkswirtschaftlich positive Effekte. Daher stellt sich nun die Frage: Wie kann die Aufmerksamkeit von Radiohörern und Fernsehzuschauern gemessen werden? Welche Indikatoren für Aufmerksamkeit gibt es?
6.2.1.2.2.1
Ein-, Um- und Abschaltverhalten
Aus den vorhandenen Daten der GfK und der Media-Analyse lassen sich bereits Anzeichen für Aufmerksamkeit ablesen. Erstens käme als Kriterium die durchgängige Rezeption einer Sendung in Betracht. Das heißt, wenn ein Rezipient im Verlauf einer Sendung nicht oder nur während Werbeunterbrechungen umschaltet, kann zumindest davon ausgegangen werden, dass während der Sendung das Nutzenniveau seine Rezeptionskosten zumindest ausgeglichen hat oder aber das Nutzenversprechen der Sendung hoch war. Es ist keine Voraussetzung für durchgängige Rezeption, dass eine Sendung von Anfang an gehört oder gesehen wird. Ein Großteil der Rundfunknutzung erfolgt spontan; der Konsum kann auch während laufender Sendungen beginnen (vgl. Abschnitte 5.1.6 und 5.1.7). Von durchgängiger Rezeption kann also bereits dann gesprochen werden, wenn der Schluss einer Sendung gesehen oder gehört wird und darüber hinaus ein möglichst großer vorangehender Teil der Gesamtsendung. Lediglich bei Uhrzeiten, zu denen auf nahezu allen Sendern neue Sendungen beginnen, kann die vollständige Rezeption der betreffenden Sendung als zusätzlicher Hinweis auf Interesse und damit Aufmerksamkeit gelten. Zweitens lassen sich Aussagen über die Exklusivität der Sendung im Verhältnis zum umgebenden Programm gewinnen. Wird das Radio oder der Fernseher zu einer bestimmten Sendung ein- und danach wieder ausgeschaltet, hat der Rezipient offensichtlich gezielt diese Sendung gesucht. Das bedeutet, er misst ihr einen hohen Wert bei (vgl. Tasche 1996: 257f.; Klövekorn 2002: 11). Indes ist der Umkehrschluss, dass Rezipienten, die mehrere Sendungen hintereinander sehen, diese weniger wertschätzten, unzulässig. Denn die Erkenntnisse zu Vererbungseffekten (vgl. Abschnitt 4.3.3) haben die Programmplaner dazu veranlasst, ähnliche Sendungen in einem Block auszustrahlen (vgl. Abschnitt 6.1.3.1). Die fortlaufende Rezeption mehrerer Sendungen kann daher auch schlicht bedeuten, dass dem Rezipienten alle diese Sendungen gefallen und er ihnen aufmerksam folgt. Drittens ergeben sich aus Langzeitanalysen der Fernsehnutzungsdaten Erkenntnisse über Loyalitäten. Die vorhandenen Daten zur Radionutzung lassen solche Analysen nicht zu, da sie nicht einzelnen Individuen zugerechnet werden können. Hier wären neue Erhebungsformen erforderlich (s. u., Abschnitt 6.2.1.2.3). Die Fernsehnutzung wird hingegen perso-
190
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
nenscharf erfasst, so dass sich auch Fernsehbiographien über einen längeren Zeitraum erstellen und interpretieren lassen. Hier wäre von besonderem Interesse, verschiedene Formen von Loyalitäten zu suchen. Sehen Rezipienten ein bestimmtes Format regelmäßig, ein bestimmtes Genre, Sendungen mit den gleichen maßgeblichen Personen? Dabei ist jedoch zu beachten, dass regelmäßige Rezeption nicht mit hoher Aufmerksamkeit gleichgesetzt werden kann. So ist etwa für Nachrichten – die mit großer Regelmäßigkeit genutzt werden – bekannt, dass sich Rezipienten schon kurze Zeit nach der Rezeption kaum noch an Themen oder Aussagen erinnern können (vgl. Brommert / Weich / Dirksmeier 1995: 191; Lutz / Wodak 1988: 81-87, 133; Kindel 1987: 33f., 122-124; Winterhoff-Spurk 1983: 725-727); ein Befund, der nicht gerade für hohe Aufmerksamkeit während der Rezeption spricht (vgl. Schweiger / Schrattenecker 2001: 186-189). Das bedeutet indes nicht, dass in jedem Fall von niedriger Aufmerksamkeit der Rezipient kein Interesse an der Sendung hätte. Gerade durch regelmäßige Rezeption sinken die Rezeptionskosten, da Konventionen des Formats verinnerlicht werden (vgl. Abschnitte 5.1.8 u. 6.1.4.2). Das bedeutet, dass der Rezipient auf mittlere Sicht auch bei niedriger Aufmerksamkeit das Nutzenpotenzial der Sendung voll ausschöpfen kann. Insofern substituieren Vorkenntnisse bezüglich eines Formats teilweise hohe Aufmerksamkeit, ohne jedoch den erzielten Nutzen zu mindern120. Darüber hinaus ist die unterhaltsame Aufbereitung von Sendungen für aufmerksame Rezeption förderlich: Rezipienten, die sich unterhalten fühlen, sind auch aufmerksamer und interessierter als Nutzer, die sich nicht unterhalten fühlen (vgl. Vorderer 2003: 115f.).
6.2.1.2.2.2
Physische und psychische Anwesenheit
Weitere Ansatzpunkte können ein genaueres Bild von der Rezipientenaufmerksamkeit liefern, erfordern aber zusätzliche Untersuchungen bzw. Erhebungsinstrumente. Zwei der wichtigsten offenen Aspekte zur Beurteilung der Rezeptionsintensität sind die physische und psychische Anwesenheit: Läuft nur das Gerät, ohne dass jemand zuhört oder zusieht? Wie oft verlässt der Rezipient den Raum, wendet sich ab (Fernsehen) oder wird von anderen Geräuschen abgelenkt? Findet umgekehrt eine selektiv stärkere Zuwendung im 120 Vor diesem Hintergrund treten Interessenunterschiede zwischen Sendern und Werbetreibenden hervor: Dem Sender ist sehr daran gelegen, bei seinem Publikum hohe Loyalität bezüglich eines Formats aufzubauen; mittelfristig sinkende Aufmerksamkeit beeinträchtigt den Nettonutzen des Rezipienten nicht. Ein Werbetreibender hingegen möchte für jeden ausgestrahlten Spot die maximal mögliche Aufmerksamkeit in der Zielgruppe erreichen. Obwohl also regelmäßige Rezeption als Maßstab für hohen Rezeptionsnutzen geeignet ist, wäre es unter dem Druck der werbetreibenden Industrie wahrscheinlich, dass sie bei der Entwicklung eines qualifizierten Maßes für Sendungspreise auf dem Rezeptionsmarkt nicht ausreichend berücksichtigt wird.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
191
Sendungsverlauf statt (vgl. Oehmichen 2001)? Widmet er sich parallel zur Rezeption anderen Tätigkeiten (Stichwort Bügelfernsehen, vgl. Ayaß 1993: 37f.)? Wie verhält sich der Rezipient bei Unterbrechungen? Antworten auf diese Fragen zu finden bedeutet noch nicht, das Aufmerksamkeitsniveau des Rezipienten bestimmen zu können. Aber mit ihnen lassen sich verschiedene Bedingungen bzw. Indizien aufmerksamer Rezeption erfassen. Die Grundvoraussetzung für aufmerksame Rezeption ist zunächst die physische Möglichkeit, das Programm akustisch – und ggf. auch visuell – wahrzunehmen. Die Wahrnehmbarkeit markiert die untere Grenze der Rezeption. Wird sie unterschritten, z.B. durch Verlassen des Raums oder durch Stummschaltung des Radios, wird die Rezeption insgesamt unterbrochen. Wahrnehmbarkeit ist jedoch keine diskrete Variable. So kann die Sichtbarkeit des Fernsehers etwa durch eine ungünstige Sitzposition eingeschränkt sein, ebenso wie die akustische Verständlichkeit durch eine niedrige Lautstärke, schlechten Empfang oder Nebengeräusche. Diese Störungen können in verschiedener Intensität grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt oder permanent auftreten. Es ist jedoch zu unterscheiden, wer für die Störung verantwortlich ist. Beeinträchtigungen der Wahrnehmbarkeit, die der Rezipient nicht zu verantworten hat und die er nicht selbst mit geringem Aufwand beseitigen kann, mindern zwar u.U. den erzielbaren Nutzen, ohne jedoch notwendigerweise die Aufmerksamkeit des Rezipienten herabzusetzen. Ist beispielsweise der Empfang eines Radiosenders im Auto schlecht, kann sogar die Aufmerksamkeit erhöht werden: Man dreht etwas lauter und hört genauer hin, um die Sendung trotz der Störung verfolgen zu können. Demgegenüber können Störungen, die der Rezipient selbst herbeigeführt hat, z.B. Paralleltätigkeiten, als klares Indiz für eine geringe Nutzenerwartung gelten. Das kommt einem schlechten Zeugnis für die betreffende Sendung gleich: Der Rezipient geht davon aus, aus der Rezeption alleine keinen Nutzen zu erhalten, der groß genug wäre, um die Kosten aufmerksamer Nutzung zu übersteigen (vgl. Best / Engel 2007: 20-23121). Nur durch Senkung seiner Kosten – z.B. Schlafen – bzw. durch gleichzeitige Erschließung anderer Nutzenquellen – z.B. Essen, Gespräch – kann die Rezeption rentabel werden. Sendungen mit niedrigem Nutzenpotenzial müssen also durch Paralleltätigkeiten subventioniert werden122. 121
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass nur sieben Prozent der Mediennutzung „Parallelnutzung“ sei. Allerdings gelten ihnen auch nur die gleichzeitige Nutzung zweier Medien als Parallelnutzung; nicht-mediale Beschäftigungen werden von Best und Engel vernachlässigt. Hingegen betont Ang, dass “it has been established more than once through research, academic and commercial, that watching television is very often done with less than full attention, accompanied by many other activities, from chatting ot reading to love making” (Ang 1991: 92, m.w.H.). 122 In den betreffenden Untersuchungen schwanken die Zahlen, wie hoch der Anteil der Situationen ist, in denen der Rezipient das Geschehen im Radio oder auf dem Fernseher nicht zur Kenntnis nimmt. Im geringsten Fall wird von einem Drittel der Fernsehzuschauer ausgegangen (vgl. Schwab / Unz 2004: 245), bei Sportsendungen
192
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Dementsprechend sind grundlegend zwei Nutzungsintensitäten zu unterscheiden: Der Zuschauer selbst kann sich und andere – und es ist eine zentrale Frage, wie und wo er dies tut – vom primären Medienrezipienten zum ‚bystander‘ umdefinieren und umgekehrt“ (Ayaß 1993: 39123). Für die Fernsehrezeption müssen dabei andere Maßstäbe angelegt werden, ab wann von aufmerksamer Wahrnehmung gesprochen werden kann. Denn Fernsehen ist funktional oft Radio mit Bild. Das heißt, der Inhalt einer Sendung wird oft primär von der Tonspur getragen; die Bilder wirken unterstützend, ohne eine eigenständige Aussage zu transportieren (vgl. Rosenbaum 1991: 39). Die wechselseitige Stärkung von Bild und Ton erleichtert einerseits die Fernsehrezeption im Vergleich zur Radionutzung, da Wahrnehmungslücken oder -schwierigkeiten in einem sensorischen Kanal durch Informationen im anderen Kanal ausgeglichen werden können. Andererseits ist die Anforderung an aufmerksame Rezeption beim Fernsehen höher, da die Beobachtung der Bilder den Rezipienten räumlich stark bindet. Vor diesem Hintergrund kann es bei der Fernsehrezeption zu scheinbar inkonsistentem Verhalten kommen: Der Rezipient erhöht die Lautstärke (Indiz für Interesse) und verlässt anschließend den Raum (Indiz für Desinteresse). Hier findet indes nur eine Umwidmung statt: Der Rezipient nutzt Fernsehen als Radio. Er interessiert sich also für die Sendung, geht aber aufgrund der Redundanz zwischen Bild und Ton davon aus, dass er seine Rezeptionskosten senken kann.
6.2.1.2.3
Erhebung von Aufmerksamkeit
Um zu erkennen, ob diejenigen, die sich per Fernbedienung als Nutzer angemeldet haben, auch tatsächlich anwesend sind, wäre es z.B. denkbar, in der Nähe des Fernsehgerätes der GfK-Panelisten eine Kamera aufzustellen (eine sog. Collett-Box – nach dem Namen ihres Erfinders Peter Collett; vgl. Gleich 1996: 600). Entsprechende Versuche sind bereits unternommen worden (vgl. Schwab / Unz 2004: 234; Niemeyer / Czycholl 1994: 36-39). Die
haben Niemeyer und Czycholl bemerkt, dass bis zu 70% der „Zuschauer“ unaufmerksam sind (1994: 49). Während Werbeblöcken geht gut die Hälfte des Publikums – mindestens psychisch – verloren (vgl. ebd: 146, 153). Insgesamt korreliert die psychische Abwesenheit mit der erforderlichen Aufmerksamkeit für das Programm: Nachrichten und Spielfilme werden durchschnittlich aufmerksamer verfolgt als Shows und Serien (vgl. ebd.: 207ff.). 123 Analog unterscheiden Baacke / Sander / Vollbrecht zwischen zentrierten Situationen, in denen das Medium den Mittelpunkt bildet, und unzentrierten Situationen, in denen nur irgendwo im Hintergrund Geräuschkulisse ist (vgl. Baacke / Sander / Vollbrecht 1990). Ebenfalls in gleicher Richtung trennt Vorderer „kognitiv anspruchsvolle Rezeptionen, welche die gesamte Aufmerksamkeit eines Rezipienten binden“ und „habitualisierte Rezeptionen, welche relativ geringe kognitive Kapazitäten auslasten“ (Vorderer 1992: 142).
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
193
Ergebnisse sind jedoch aus verschiedenen Gründen nicht zufriedenstellend. So erfordert die automatisierte Erkennung von Personen noch immer einen hohen technischen Aufwand und führt schon bei leicht veränderten Sitzpositionen oder Bewegungen der Zuschauer zu Fehlern (vgl. Schwab / Unz 2004: 234). Des Weiteren haben die Pilotversuche die Diskrepanz zwischen physischer und psychischer Anwesenheit eklatant deutlich werden lassen: Auch ein Schlafender wird von der Kamera als anwesend und in diesem Sinne als tatsächlich Zuschauender angesehen (vgl. ebd.); nur ein Drittel der Zuschauer hat tatsächlich Blickkontakt zum Fernseher (vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 37). Schließlich gibt es erhebliche ethische Bedenken gegen Kamera-Aufzeichnungen, da diese weit in den Intimbereich des Rezipienten eindringen (vgl. Schwab / Unz 2004: 234; Niemeyer / Czycholl 1994: 38). Gerade die obige Betrachtung über Fernsehen als Radioersatz (und umgekehrt) eröffnet jedoch einen weiteren Ansatzpunkt zur Messung der Wahrnehmbarkeit: die Ermittlung von Programm- und Umgebungslautstärke (vgl. etwa mit Bezug auf die Messung der Radionutzung Müller 2002: 5f.). Statt einer Kamera wird also ein Mikrofon installiert. Da auch hier der Privatbereich gefährdet sein kann, werden jedoch keine Geräusche aufgezeichnet, sondern nur der Lautstärkepegel erfasst. Dieser kann mit der aktuellen Lautstärke des Geräts verglichen werden. Das System muss zu Beginn geeicht werden, so dass die Grundgeräusche im Raum sowie die durchschnittliche Programmlautstärke bekannt sind. Dann lässt die Lautstärkemessung erkennen, ob das Programm überhaupt akustisch verständlich ist. Darüber hinaus können situative Lautstärkeveränderungen – sowohl in der Raum- als auch in der Gerätelautstärke – Auskunft über den Rezeptionsverlauf geben. So ist nicht nur die Stummschaltung während Werbepausen relevant (vgl. Schwab / Unz 2004: 244; Koschnick o.J.), sondern auch beispielsweise die Hervorhebung leiser Sendungsabschnitte oder eine reduzierte Lautstärke bei Schießereien und Verfolgungsjagden (oder umgekehrt, je nach Geschmack). Im Radio ist die selektive Zuwendung besonders interessant. So kann z.B. erfasst werden, ob der Rezipient das Programm als Hintergrund laufen lässt und gelegentlich einzelne Musikstücke oder Wortbeiträge durch Erhöhung der Lautstärke hervorhebt. Auf diesem Weg lassen sich also sogar teilweise inhaltliche Vorlieben entdecken. Im Vergleich zur Kameralösung bietet die Lautstärkemessung nicht nur einen besseren Schutz der Privatsphäre der Zuschauer, sie ist zudem wesentlich kostengünstiger124.
124
In Bezug auf die Radionutzung werden ebenfalls elektronische Erhebungsformen diskutiert, etwa eine Uhr, die den eingestellten Sender an Signaltönen erkennt (vgl. Anker 2006; Ressing 2003; Müller 2002). U.a. wegen der Vielzahl der Sender und wegen methodischer Schwierigkeiten konnten sich diese Systeme in Deutschland aber bislang nicht durchsetzen.
194
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Ungleich schwieriger ist es, die psychische Anwesenheit, die Präsenz der Rezipienten zu ermitteln. Das liegt daran, dass sie sich aus äußerlich erkennbaren Verhaltensaspekten nur unzureichend ableiten lässt. Zwar ist z.B. beobachtbar, was ein Rezipient tut, wenn das Programm durch Werbung unterbrochen wird. Auch bei externen Unterbrechungen, z.B. einem Telefonat, könnten grundsätzlich die Reaktionen der Zuschauer erfasst werden. Jedoch lassen die entsprechenden Verhaltensweisen kaum Rückschlüsse auf die Wertschätzung der laufenden Sendung durch die Rezipienten zu. Sie sind in den genannten Fällen zum großen Teil durch die Haltung gegenüber Werbung sowie durch den individuellen Wert von Fernsehen insgesamt im Verhältnis zu Gesprächen bedingt. Auch Paralleltätigkeiten, die zumindest einen Anhaltspunkt für die maximal verfügbare Aufmerksamkeit des Rezipienten liefern könnten, lassen sich kaum gleichzeitig mit der Rundfunknutzung selbst erfassen. Auch in dieser Hinsicht müssten z.B. Videoaufzeichnungen ethisch gerechtfertigt werden. Wie schon bei der physischen Anwesenheit träten darüber hinaus zahlreiche praktische Probleme auf. Insbesondere wäre eine Klassifizierung von Nebentätigkeiten als (nicht) aufmerksamkeitshemmend erforderlich, aber notwendigerweise willkürlich. Die von Paralleltätigkeiten grundsätzlich unabhängige psychische Hinwendung zu bzw. die Abwendung vom Programm schließlich lässt sich überhaupt nicht automatisiert beobachten (vgl. oben, Abschnitt 6.2.1.2.2.2). Obwohl mit Lautstärkemessungen erste Schritte zur Messung einer Minimalaufmerksamkeit unternommen werden können, bleiben für die genannten Aufmerksamkeitsindizien massive Erhebungsprobleme bestehen. Diese könnten allenfalls durch Kontexterhebungen gelöst werden. So könnte man z.B. dem Rezipienten die Möglichkeit einräumen, während oder nach einer Sendung anzugeben, wie sie ihm gefallen hat. Solche Abstimmungssysteme sind in verschiedenen europäischen Ländern getestet worden, u.a. in Großbritannien und den Niederlanden (vgl. Gleich 1996: 602; Ang 1991: 142-144). Bis 1974 war auch in Deutschland die Nutzungserhebung mit einer Sendungsbewertung per Fragebogen verbunden (vgl. Darkow / Lutz 2000: 86)125. Jedoch geben die Bewertungen (appreciation scores) selbst keine Auskunft über die Investitionen der Rezipienten. Obwohl sie scheinbar ein Maß für den erzielten Nutzen sind126, müsste dies zu den Rezeptionskosten in Relation gesetzt werden. Außerdem erfasst eine Bewertung ausschließlich einen Erwartungsabgleich: Bin ich enttäuscht (bzw. angenehm überrascht), weil die Sendung schlechter (besser) war als erwartet? Dieser Wert hängt zum 125
Seit 1993 werden wieder ein bis zwei Mal im Jahr Programmbewertungsstudien durchgeführt (vgl. Darkow / Lutz 2000: 86). 126 “A ‘Program Appeal Index’ is intended to measure the level of enjoyment viewers derive from a programme; while a ‘Program Impact Index’ rates the intellectual and emotional stimulation a programme gives its viewers.” (Ang 1991: 91).
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
195
großen Teil von den Erwartungen und nur zum Teil von der eingebrachten Aufmerksamkeit und der tatsächlichen Qualität der Sendung ab. Das heißt, es ergibt sich auch bei Abstimmungssystemen die Notwendigkeit der Aufmerksamkeitsmessung, um die in eine Bewertung einfließenden Faktoren einzeln messen zu können. Ein weiteres Indiz für aufmerksame Rezeption ist das Ausmaß der Erinnerung. Je mehr Aspekte der Sendung in einer Befragung erinnert werden, desto höher war vermutlich die Aufmerksamkeit während der Rezeption (vgl. Schweiger / Schrattenecker 2001: 186-189). Allerdings wird das Erinnerungsvermögen nicht nur von der Aufmerksamkeit während der Informationsaufnahme beeinflusst127. Immerhin ist ein ausgeprägtes Erinnerungsvermögen ein gutes Zeichen; obwohl es ebenfalls nicht nur auf hohe Aufmerksamkeit zurückzuführen ist, sondern auch durch Interesse am Thema, Vorkenntnisse und persönliche Relevanz gefördert wird, verweist – eben deswegen – eine gute Erinnerung auf eine hohe (kontinuierliche) Wichtigkeit des Sendungstyps für den Rezipienten (vgl. Brommert / Weich / Dirksmeier 1995: 191). Im Übrigen könnte man Planung der Rezeption sowie Gespräche über eine Sendung als Indikatoren für aufmerksame Rezeption heranziehen; diese beiden Aspekte ließen sich durch Befragungen oder Tagebücher erfassen – mit den methodischen Mängeln, die diese Vorgehensweisen mit sich bringen128. So ist anzunehmen, dass jemand, der sich schon einige Stunden oder sogar Tage im Voraus vornimmt, eine bestimmte Sendung zu sehen oder zu hören, diese aufmerksamer verfolgt als jemand, der die Sendung zufällig mitbekommt. Hier wäre allerdings zusätzlich ein besonderes Augenmerk auf situative Störungen zu richten, durch die die intendierte Aufmerksamkeit gebunden und damit von der Sendung abgezogen wird. Schließlich geben Gespräche, die Rezipienten in ihrem sozialen Umfeld über Rundfunksendungen führen, Aufschluss über das Ausmaß ihrer Aufmerksamkeit während ihrer Rezeption sowie über ihre Interessen und den Nutzen, den sie aus den Sendungen ziehen. Allerdings sind derlei Informationen sehr schwer zu erheben. Zwar ist denkbar, während einer Sendung und im unmittelbaren Anschluss Gespräche aufzuzeichnen und auszuwerten. Aber dies würde zum einen erneut ethische Fragen aufwerfen. Zum anderen ist unklar, ob in direkter zeitlicher Nähe zu einer Sendung die relevanten Gespräche darüber stattfinden. 127
Vgl. Niemeyer / Czycholl 1994: 79, die auf die reduzierte Erinnerungsleistung durch Webetrenner (z.B. Mainzelmännchen) hinweisen. Winterhoff-Spurk untersuchte situative Faktoren (Essen, Gespräche) als errinerungshemmende Faktoren (1983: 726) . 128 So werden ritualisierte Nutzungen bei Tagebucherhebungen besser erinnert, so dass die betreffenden Sendungen und Programme höhere „Nutzungswerte“ erzielen (vgl. Zubayr 1996: 66; vgl. zu den Ergebnisverschiebungen durch Befragung und Tagebuch Kuhlmann / Wolling 2004). In den USA formierte sich daher starker Widerstand der großen Sender, als die Einführung von passiven (elektronischen) Messinstrumenten anstand – in Tests hatte sich gezeigt, dass durch die Umstellung des Erhebungsverfahrens ihre Quoten um fünf bis zehn Prozent sanken (vgl. Ang 1991: 80).
196
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Hier wären explorative Untersuchungen nötig, um Thematisierungen von Rundfunksendungen zeitlich ins Verhältnis zum Programmablauf setzen zu können.
6.2.1.2.4
Ethische Bedenken
Obwohl gezeigt werden konnte, dass der potenzielle Nutzen von Aufmerksamkeitsmessungen für die Funktionsfähigkeit des Rundfunkmarktes immens wäre, stößt die Etablierung solcher Messverfahren ebenso auf große Probleme. Mehrfach sind bereits ethische Bedenken angeklungen. Diese verschärfen sich noch, wenn die divergierenden Interessen von Sendern und Werbetreibenden berücksichtigt werden. So hat die Werbewirkungsforschung ein großes Interesse an sog. single source-Daten (vgl. Darkow / Lutz 2000: 91ff.; IP Deutschland 1999: 23; Neumann-Bechstein 1997: 241f.; Ang 1991: 90f.). Damit ist gemeint, dass Konsumforschung und Rezeptionsforschung in demselben Haushaltspanel durchgeführt werden sollten, damit die Ergebnisse individuell zugeordnet werden können. Es ist dann nicht mehr nur bekannt, dass X% der Bevölkerung „stern tv“ sehen und Y% einen VW Golf fahren, sondern man weiß genau, wie groß die Schnittmenge aus X und Y ist und ob die Mitglieder dieser Schnittmenge weitere Gemeinsamkeiten aufweisen. Um den Rezipienten in seiner Rolle als Konsument zu festigen, wären das wichtige Erkenntnisse129. Doch das Ergebnis wäre bestenfalls zielgruppengerechtere Werbung, nicht aber ein verändertes Programm. Daher sind single source-Messungen mit Blick auf einen ökonomisch funktionsfähigen Rundfunkmarkt nicht erforderlich. Zudem leisten alle Bemühungen, Verhaltens- und Konsumdaten möglichst lückenlos zu erfassen und zusammenzuführen, dem „gläsernen Konsumenten“ Vorschub – eine Entwicklung, die unter Datenschutzaspekten ebenso wie unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes hoch problematisch ist.
6.2.1.3
Intensivierung des Publikumsfeedbacks
Als dritte Maßnahme zur Intensivierung und Differenzierung der Publikumsartikulation ist nun das Feedback durch das Publikum zu erörtern, das typischerweise nach Ausstrahlung einer Sendung stattfindet. Allerdings bieten Interaktionen mit Mitgliedern des Publikums 129
1995 scheiterte die Panelzusammenführung u.a. an dem immensen Befragungsaufwand, den die PanelTeilnehmer in diesem Szenario zu erdulden hätten: Die Hälfte der Panelisten nahmen nicht an der erweiterten Befragung teil (vgl. Darkow / Lutz 2000: 91). Daher ist man in dem Projekt „MOVE“ dazu übergegangen, die Daten aus verschiedenen Quellen so zusammenzuführen, dass einer Person sowohl Mediennutzungs- als auch Konsumdaten zugeordnet werden können (vgl. ebd.: 92ff.; IP Deutschland 1999: 23).
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
197
auch während einer laufenden Sendung Möglichkeiten für Feedback; diese Formen werden weiter unten zu diskutieren sein. Beim Publikumsfeedback geht die Initiative für die Interessenartikulation vom Rezipienten selbst aus. Obschon auch Markt- und Nutzungsforschung ohne Einwilligung und Beteiligung der Rezipienten keine Ergebnisse hervorbringen könnten, so geht doch die Nutzeraktivität beim Publikumsfeedback weiter: Hier entscheidet er selbst darüber, ob und in welchem Umfang er sich an einer Sendung beteiligt oder zu ihr Stellung nimmt. Daher lassen sich anhand des Kriteriums „Initiative“ verschiedene Klassen des Publikumsfeedbacks unterscheiden: 1. Beteiligung des Studiopublikums, 2. interaktive Sendungen und 3. Initiativrückmeldungen.
6.2.1.3.1
Beteiligung des Studiopublikums
Die schwächste Form stellt eine Beteiligung des Studiopublikums im Verlauf einer Sendung dar. Hier fordert meist ein Moderator oder Showmaster zum Anrufen, Mitmachen etc. auf. Z.B. wird Stefan Raab in „TV total“ von einem Studiogast angekündigt, bei Harald Schmidt können zufällig ausgewählte Gäste Geld gewinnen. Die Aktionen des Studiopublikums sind deshalb die schwächste Form des Publikumsfeedbacks, weil sie Interaktion nur zu den Bedingungen der Sender und der Sendung erlauben. Zudem werden diejenigen, die eine Chance zur Mitwirkung erhalten, von der jeweiligen Redaktion oder dem Moderator ausgewählt. Die Beteiligung ist darüber hinaus stark strukturiert, so dass der betreffende Zuschauer kaum Gelegenheit hat, einen tatsächlich eigenen Beitrag zu leisten.
6.2.1.3.2
Interaktive Sendungen
Die nächste Stufe des Feedbacks sind interaktive Sendungen (vgl. Abschnitt 5.2.2.1). Hier ist die Beteiligung des Publikums wesentlicher Bestandteil des Formats, d.h. der Verlauf der Sendung oder ihr Ergebnis hängt von den Stimmen der Zuhörer oder Zuschauer ab (vgl. Goldhammer / Lessig 2005: 72f.). Im Unterschied zu der ersten Feedbackform ist der Rezipient bei interaktiven Sendungen nicht im Studio anwesend, sondern er beteiligt sich per Telefon oder E-mail. Zu interaktiven Sendungen gehören einerseits Forumsformate (z.B. „Marktplatz“ im Deutschlandradio, „Das philosophische Radio“ auf WDR 5) und Ratgebersendungen (z.B. Fernsehen oder „JoJo – Das Job-Journal“ im MDR Fernsehen oder „Raus
198
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
aus den Schulden“ bei RTL)130 und andererseits Formate, die Abstimmungen beinhalten (insb. Casting-Shows). Schließlich gehören hierzu auch Musikwünsche im Radio. Problematisch ist die Einordnung von Gewinnspielen und Homeshopping-Sendungen. Offensichtlich findet hierbei eine Interaktion zwischen Nutzer und Sender statt, die technisch auch auf rundfunkfremden Kanälen (insb. Telefon) basiert. Jedoch haben die Aktionen und Aussagen der Zuhörer oder Zuschauer keinen Einfluss auf den Programmverlauf; die Anrufer können lediglich für sich selbst etwas erreichen. Das gilt auch dann, wenn die Anrufe in die Sendung eingebunden werden. Denn auch hierbei kann sich zwar der Name des Anrufers ändern, aber dadurch erhält er weder mehr Sendezeit noch Möglichkeiten, auf das Programm Einfluss zu nehmen. Es handelt sich also eher um die Simulation von Interaktion, da ihr Ergebnis für die Interaktion selbst folgenlos bleibt. Dies unterscheidet auch Gameund Quizshows von Gewinnspielen; während erstere aus der Interaktion mit einem oder wenigen Kandidaten Rundfunkinhalt für das gesamte Publikum generieren, nutzen letztere lediglich Rundfunk als Anbahnungsweg für individuelle Verkäufe oder Spiele. Interaktive Sendungen hingegen werden inhaltlich von Zuschauern oder Zuhörern mitgestaltet. Hierbei ist zwischen qualitativer und quantitativer Mitwirkung zu unterscheiden. Qualitative Beteiligung ist häufiger im Radio anzutreffen. Sie begründet insbesondere Forumssendungen, bei denen der Zuhörer nahezu gleichberechtigt mit den eingeladenen Gesprächspartnern seine Position vertreten kann. Die Tatsache, dass der Rezipient im Radio stärker eingebunden ist, hat zwei Ursachen. Zum einen ist Radio aufgrund der im Vergleich zum Fernsehen geringeren Verbreitung131 und des geringeren Produktionsaufwands „näher“ am Rezipienten. Wegen der geringeren Reichweite gibt eine Zuhörermeinung besser Auskunft über alle Hörer des Senders als eine Zuschauerrückmeldung über das Fernsehpublikum (mit Ausnahme der Dritten Programme im Fernsehen). Die geringeren Kosten erleichtern es zudem, auch spontanen und unvorbereiteten Zuhöreräußerungen Sendezeit einzuräumen. Zum anderen leidet Interaktion im Radio weniger unter den technischen Beschränkungen des Rückkanals: Telefonate lassen sich weitgehend problemlos in Radiosendungen einfügen. Hingegen sind Anrufer im Fernsehen grundsätzlich langweilig, weil sie nicht sichtbar sind. Qualitatives Rezipientenfeedback im Fernsehen, das ins Programm integriert werden soll, müsste in Form von Videonachrichten erfolgen. Im Zuge des Ausbaus der Internet- und Telekommunikationsinfrastruktur ist es möglich, dass in absehbarer Zeit Videonachrichten vom Handy oder von der Webcam ohne Verzögerung in (technischer) Fernsehqualität an die
130
Eine Umfrage von AC Nielsen ergab im Mai 2007, dass Ratgebersendungen zu den beliebtesten Sendeformaten gehören, nach Nachrichten und regionalen Informationen (die ebenfalls Servicefunktion haben)(vgl. AC Nielsen 2007). 131 Selbst bei Internetdistribution sind die meisten Programme regional oder thematisch eher eng ausgerichtet.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
199
Sender übertragen werden können, so dass Publikumsfeedback im Fernsehen einen ähnlichen Stellenwert erlangen kann wie im Radio132. Im Fernsehsektor spielen (zur Zeit noch) quantitative Formen der Publikumsartikulation eine größere Rolle. Die wichtigste Form quantitativer Publikumsrückmeldungen sind Abstimmungen: Die Zuschauer entscheiden mit ihren Anrufen darüber, wie eine Sendung weitergeht. Ihre Bedeutung haben Abstimmungen seit der Einführung von „Big Brother“ ausbauen können. Zur Zeit kommen sie insbesondere bei Casting- und Wettbewerbs-Shows zum Einsatz (z.B. Deutschland sucht den Superstar, Popstars, Eurovision und Bundesvision Song Contest). Aber vereinzelt wird auch über ganze Programmelemente abgestimmt. So lässt beispielsweise Kabel 1 gelegentlich die Zuschauer darüber entscheiden, welcher von drei Filmen zu einem bestimmten Zeitpunkt gesendet werden soll (vgl. Kabel Eins o.J.). Abstimmungen haben den Vorteil, in der Regel mehr Rezipienten aktivieren zu können, weil die Interaktionsanforderungen geringer sind. Dadurch beteiligen sich auch diejenigen, denen die Sendung nicht wichtig genug ist, dass sie ohne Vorgaben eine Position zu dem betreffenden Thema artikulieren möchten. Die höhere Beteiligungsquote führt also zu repräsentativeren Erkenntnissen über die Rezipientenpräferenzen. Qualitatives Rezipientenfeedback ist demgegenüber zugleich differenzierter und reichhaltiger, da einzelne Zuhörer oder Zuschauer vergleichsweise ausführlich ihre Interessen an einer Sendung darstellen können. Insofern liefern gerade Forumssendungen vielseitige Erkenntnisse über die Rezipientenpräferenzen. Doch diese Vielseitigkeit geht zwangsläufig zu Lasten der Repräsentativität.
6.2.1.3.3
Initiativrückmeldung
Die Abwägung zwischen Repräsentativität und inhaltlicher Tiefe stellt auch die zentrale Schwierigkeit in der dritten Stufe des Publikumsfeedbacks dar, der Initiativrückmeldung. Darunter sind Rezipientenartikulationen zu verstehen, die zwar auf eine Sendung oder größere Programmabschnitte Bezug nehmen, von deren Ausstrahlung aber zeitlich entkoppelt sind. Initiativrückmeldungen umfassen das breiteste Spektrum des Publikumsfeedbacks, von Fanpost über die Bestellung von Merchandising-Artikeln, Bitten um den Mitschnitt einer Sendung bis zu Kritik an Sendungen und Programmvorschlägen. Sie setzen immer voraus, dass der Rezipient in besonderem Maße an das Programm gebunden ist – denn andernfalls würde er den Aufwand des Feedbacks scheuen. Aber die Rezipienten hoffen (oder erwarten), durch ihre Artikulationen ihren Nutzen weiter steigern zu können, indem sie Devotionalien ihrer 132
Wird jedoch hochauflösendes Fernsehen zum Distributionsstandard, hemmt das erneut die qualitative Publikumsbeteiligung, indem der Produktions- und Übertragungsaufwand erneut stark steigt.
200
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Idole ergattern oder sogar in Kontakt zu ihnen treten, oder auch indem die Kritik am Programm dessen Gestaltung, Programmplatz etc. beeinflusst. Ein Beispiel für Initiativrückmeldungen ist das Webportal „wunschliste.de“. Dort können Nutzer darüber abstimmen, welche Serien wieder in das Fernsehprogramm aufgenommen werden sollen. Das Portal versteht sich als Information für und Aufforderung an die Sender, die Popularität von bestimmten Serien in der Programmplanung zu berücksichtigen. Allerdings haben auch Plattformen wie „wunschliste.de“ Nachteile: Die Repräsentativität der Meldungen ist auch hier unbekannt, und die Möglichkeiten der Artikulation sind dadurch begrenzt, dass lediglich über bereits ausgestrahlte Serien abgestimmt wird. Das macht zwar den „long tail“ vorhandener (und insbesondere schon bezahlter) Produktionen in einem breiteren Ausmaß verfügbar (vgl. Anderson 2007; Brynjolfsson / Hu / Smith 2003), aber diese Art der Abstimmung begünstigt rückwärtsgewandte Programmplanung. Sie sollte Innovationen keinesfalls verdrängen. Im Prinzip sollte gerade die Breite an Rückmeldungskanälen, -themen und -formen die Initiativrückmeldungen zum wichtigsten Instrument machen, das die Sender einsetzen, um sich über die Interessen ihrer Zuhörer und Zuschauer zu informieren. Denn diese Artikulationen geben Auskunft über Art und Maß der Publikumsakzeptanz bestehender Formate ebenso wie Anregungen zur Verbesserung und Weiterentwicklung des Programms. Aber die Freiheit des Rezipienten ist eben auch seine Unberechenbarkeit. Daher ist es ausgesprochen schwierig für die Sender, die zahlreichen Rückmeldungen der Rezipienten zu systematisieren und mit Aktivitäten der Marktforschung zu verknüpfen. Das erschwert aber eine strukturierte Aufarbeitung der Ergebnisse, weil erstens der Zusammenhang der Rückmeldung (Rezeptionssituation, Konkurrenz mit anderen Programmen) verloren geht, zweitens in den einzelnen Redaktionen das Know-how fehlt, um die Rückmeldungen mit Blick auf eine Formatoptimierung auszuwerten (wofür auch in den meisten Redaktionen die Zahl der eingehenden Rückmeldungen zu klein ist) und drittens keine formatübergreifenden Präferenzen erkannt werden können.
6.2.1.3.4
Warum schweigt die Mehrheit?
Schwierigkeiten bereitet aber vor allem die schweigende Mehrheit. Aufgrund des geringen Organisationsgrades des Publikums können die regelmäßigen Briefe- oder E-mail-Schreiber und Anrufer nicht reklamieren, für das ganze Publikum oder auch nur für einen bestimmten Teil der Rezipientenschaft zu sprechen. Zwar ist grundsätzlich möglich, dass sich die geäußerten Ansichten mit denen vieler Anderer decken. Aber wie viele Andere? Und welche Anderen? Diese Fragen lassen sich wiederum nur durch eine Verzahnung mit repräsentativen
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
201
Untersuchungen beantworten. Doch wie schon in Abschnitt 6.2.1.1 erörtert, stößt die Marktforschung mitunter an Grenzen der Auskunftswilligkeit der Rezipienten. Dort wie hier stellt sich also die Frage: Warum schweigt die Mehrheit? Als Antwort bieten sich zwei Möglichkeiten. Entweder die schweigende Mehrheit ist mit dem Programm im Großen und Ganzen zufrieden und hat keinen Grund, sich für Neuerungen einzusetzen. Oder Rundfunk interessiert die meisten nicht genug, dass sich ihr Engagement lohnen könnte. Ähnlich wie bei politischen Prozessen kommt im zweiten Fall hinzu, dass der Aufwand, die richtige Telefonnummer zu finden (die übrigen Wege sind noch aufwändiger) und seine Wünsche zu äußern, mit dem erwarteten Nutzen ins Verhältnis gesetzt wird. Das heißt, je geringer die Aussicht ist, dass sich durch die eigene Intervention etwas ändert, desto geringer ist auch die individuelle Bereitschaft, für Änderungen einzutreten. Beide Erklärungen sind aufeinander bezogen; ihre Effekte verstärken sich gegenseitig und stabilisieren die scheinbare Gleichgültigkeit der Publikumsmehrheit. Denn wenn Rundfunk insgesamt keine hohe Priorität beim Rezipienten besitzt, gibt er sich schon mit einem einigermaßen bunt durchmischten Unterhaltungsallerlei zufrieden, dem Informationsbrocken mehr zur Garnierung denn zur (Meinungs-)Bildung gereichen. Ist der Rezipient aber erst einmal anspruchslos geworden, kann er dem Programm auch keine hohe Bedeutung mehr beimessen. Für diesen Teil des Publikums gilt also, dass er nicht fernsieht und Radio hört, weil ihm das Programm so gut gefällt, sondern aus Mangel an Alternativen. An dieser Stelle können die Sender jedoch den Spieß umdrehen: Wenn sich das Publikum nicht für das Programm interessiert, brauchen sie sich auch nicht für ihr Publikum zu interessieren. Das bedeutet, dass das Ziel von Publikumsartikulation nicht darin besteht, dass jeder Zuschauer und Zuhörer etwas Beliebiges zum Programm sagt, sondern dass mit denjenigen, die aus eigenem Antrieb ihre Vorstellungen äußern, der wichtigste Teil des Publikums bereits erfasst wird, nämlich diejenigen, denen am Rundfunkprogramm viel liegt.
6.2.1.4
Feedback durch Publikumsrepräsentanten
Die Initiativrückmeldungen der Engagierten (sowie die Ergebnisse aus anderen Artikulationsformen) liefern ein facettenreiches Bild von Publikumsinteressen. Dann muss nur noch geklärt werden, für welche Teilpublika dieses Bild von Belang ist. Ein möglicher Ansatz wäre, die Repräsentativität im Wortsinn zu erhöhen: Die „Sprecher“ des Publikums müssten tatsächlich ermächtigt werden, jeweils für einen Teil des Publikums zu sprechen. Das Publikum müsste sich so weit organisieren, dass Vertreter bestimmt werden können, die die Publikumsinteressen gegenüber Produzenten und Sendern geltend machen. Dabei hieße „geltend machen“ in einem ersten Schritt nichts Anderes als diese Interessen vorzubringen.
202
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Wie sie tatsächlich in Entscheidungen von Produzenten und Sendern wirksam werden können, ist Gegenstand der nächsten Abschnitte (6.2.2, 6.2.3 und Kapitel 7). Doch auch hierfür ist der Aufwand hoch und der Ertrag gering. Warum sollte das Publikum Vertreter bestimmen (vom „wie“ ganz zu schweigen)? Programm gibt es – anscheinend – ohnehin. Erst wenn die Publikumsvertreter tatsächlich Einfluss auf die Programmgestaltung hätten, würde sich höheres Engagement lohnen, so dass ein größerer Teil des Publikums sich an der kollektiven Interessendefinition beteiligen würde. Das entscheidende Stichwort dabei lautet „kollektiv“: Es müssten sich Organisationen bilden, die den Anspruch haben, für große Teile des Publikums Interessen zu artikulieren – gewissermaßen den Anspruch einer Publikumsgewerkschaft oder eines Rundfunkverbraucherrats (vgl. Blumler / Mitchell 1995: 257)133. Das wäre gleichbedeutend mit einer Hierarchisierung des Publikums. Denn zum einen gäbe es dann Zuhörer und Zuschauer, die unmittelbar – in ihrer Eigenschaft als Publikumsvertreter – Einfluss auf das Programm ausüben könnten. Zum anderen stiege damit auch der Einfluss derjenigen, die gleich gelagerte Interessen besitzen. Aber warum sollte sich eine Publikumsgewerkschaft bilden? Die Initiative hierfür könnte auf Seiten des Publikums selbst nur von denjenigen ausgehen, die sich ohnehin schon – auf den beschriebenen Wegen – einbringen. Ihr Anreiz für eine stärkere Organisation des Publikums läge in dem Einflusszuwachs, der sich daraus ergibt, dass sie stellvertretend für eine große Zahl sprächen. Doch für die Repräsentierten selbst würde sich wenig oder nichts ändern; die Antriebslosigkeit bliebe also bestehen, was aber den Repräsentanten ihre Legitimation entzieht. Daraus folgt: Das Publikum kann sich aus eigener Kraft nicht organisieren. Vielleicht muss es das aber auch gar nicht. Denn von einer intensivierten Beziehung zwischen Publikum und Sendern profitieren auch die Sender, die daher ebenfalls einen Anreiz hätten, die Organisation des Publikums zu unterstützen. Sie tun dies bereits, indem sie sog. Clubs oder Communities gründen, mit deren Mitgliedschaft insbesondere Vergünstigungen bei Konzerten u.ä.m. verbunden sind (z.B. SWR 3 Club, Pro7 Club). Da diese nicht senderübergreifend wirken, dienen sie in erster Linie der Erhöhung der Kanaltreue. Aber zugleich gewinnen die Sender aus den Aktivitäten innerhalb dieser Communities Informationen über die Interessen und Präferenzen ihrer Zuhörer bzw. Zuschauer. Im Fall der Communities besteht der Mehrwert für den Rezipienten darin, in nächster Umgebung zum Rundfunkprogramm soziale Bedürfnisse zu erfüllen. Wie schon bei der Rezeption selbst 133
An dieser Stelle geht es nur um die Organisation des Publikums selbst, nicht um Publikumsstimmen in bestehenden Organisationen, wie etwa in den Medienräten der Landesmedienanstalten oder gar um Repräsentanten bereits organisierter Interessen wie in den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Sender. In eine andere Richtung geht auch der Vorschlag, einen Kommunikationsrat einzurichten (vgl. Stammler 2000; Hamm 1995). Dieser wird als Expertengremium zur unabhängigen Beobachtung des Mediensektors konzipiert, nicht als Vertretung von Publikumsinteressen.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
203
wird Rundfunk durch Anbindung an soziale Kontexte attraktiver (vgl. Abschnitt 6.1.3.4). Es wäre nun denkbar, verschiedene Nutzertypen innerhalb dieser Communities zu etablieren. So könnte etwa ein Premium-Nutzer eingerichtet werden, dem bei Programmentscheidungen ein Stimmrecht eingeräumt wird. Das würde dazu führen, dass innerhalb dieser Gemeinschaft um die Gunst der Premium-Nutzer gerungen wird. Dadurch entstehen Prozesse und Strukturen der Einflussnahme auf Entscheidungen und Entscheider (die PremiumNutzer): Es käme zur Politisierung der Gemeinschaft (vgl. zur Binnendifferenzierung von Rollen durch Reputationsmechanismen Diekmann / Wyder 2002).
6.2.2 Vom Programm zum Abruf Die im vorangegangenen Abschnitt 6.2.1 vorgestellten Maßnahmen haben die Verbesserung der Marktfunktionen im Rundfunk zum Ziel; sie würden dies durch eine Intensivierung der Kommunikation zwischen Sendern und Rezipienten erreichen, namentlich durch Ausweitung und Verstärkung der Publikumsartikulationen. Einerseits wird dadurch die Beziehung zwischen Sender und Rezipienten enger, andererseits bleiben beide in ihren Handlungen autonom. Vor allem wird die Basistransaktion – das Angebot von Rundfunkinhalten gegen die „Zahlung“ von Zeit und Aufmerksamkeit – nicht angetastet. Die Leistungen der Rezipienten werden lediglich genauer bekannt. Das alleine dürfte zwar bereits erhebliche Konsequenzen auch für die Angebotsstruktur im Rundfunk nach sich ziehen. Aber folgenreicher wäre es, die Basistransaktion selbst umzugestalten, so dass sich bereits aus den Tätigkeiten der Beteiligten ihre Präferenzen ableiten ließen. In Abschnitt 5.2.2.2 wurde diskutiert, inwiefern die Rundfunknutzung selbst als Ausdruck der Rezipienteninteressen gedeutet werden kann. Dort wurden auch die wesentlichen Einschränkungen benannt, nämlich die Differenz von Interessen, Präferenzen und Nutzungsentscheidung, die ihrerseits maßgeblich von der Angebotsstruktur und den individuell und situativ zur Nutzung bereitstehenden Ressourcen beeinflusst wird. Anstatt nun zusätzlich zu den komplizierten Prozessen (, die Interessen an tatsächliche Nutzungsvorgänge koppeln,) Kommunikation über diese Prozesse zu institutionalisieren (, durch die die zugrunde liegenden Interessen rekonstruiert werden,) läge es näher, diese Prozesse selbst zu vereinfachen. In diesem Kapitel geht es daher um die Frage, ob die Verbreitung von Rundfunkinhalten über Abrufplattformen geeignet ist, es dem Rezipienten zu ermöglichen, seinen Interessen bereits durch die bloße Nutzungshandlung besser Ausdruck zu verleihen. Warum sollten gerade Abrufdienste die Nutzung näher an die Interessen heranführen? Dafür gibt es einfache Erklärungen. Wenn der Rezipient Radio- und Fernsehsendungen nutzen kann, wann und wo er will, wäre er in der Lage, immer genau die Sendung auszuwählen, die am besten auf seine situativen Ressourcen (insb. Zeit, Aufmerksamkeit) abge-
204
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
stimmt ist und die außerdem zu den Interessen passt, deren Befriedigung aktuell am wichtigsten ist. Aus Rezipientensicht besteht nämlich das größte Handicap des Rundfunks im Vergleich zu allen anderen Medien darin, dass der Nutzungszeitpunkt einer Sendung vom Sender bestimmt wird. Alle anderen Medien können zu jeder Tages- und Nachtzeit verwendet werden. Das stellt einen erheblichen Vorteil von Print- und Onlinemedien sowie trägergebundenen elektronischen Medien (CD, DVD etc.) gegenüber dem Rundfunk dar.
6.2.2.1
Abgrenzung: Push vs. Pull
Die übliche Unterscheidung zwischen diesen Arten von Medien ist Push vs. Pull (vgl. Hasebrink 2004: 78f.; das entspricht der Unterscheidung zwischen Verteil- und Abrufdienst iS der EU-Fernsehrichtlinie, vgl. Kleist 2006: 144f.). Medien, bei denen der Rezipient für jedes Inhaltselement den Zeitpunkt der Nutzung bestimmen kann, sind Pull-Medien; der Rezipient be-„zieht“ die Inhalte vom Anbieter. Radio und Fernsehen sind demgegenüber Push-Medien: Die Anbieter „schieben“ die Inhalte nach ihrem eigenen Zeitschema dem Publikum zu. Dieses hat nur die Wahl, eine Sendung zu dem vorgegebenen Zeitpunkt zu nutzen oder gar nicht (vgl. Hasebrink 2004: 78f.). Entsprechend unterscheidet die EUFernsehrichtlinie zwischen allgemeinem Abruf (Push) und individuellem Abruf (Pull) (vgl. Kleist 2006: 144f.). Die Unterscheidung von Push und Pull ist jedoch in zweierlei Hinsicht problematisch: Erstens polarisiert sie grundsätzlich zu stark, und zweitens ignoriert sie wesentliche Aspekte der Mediennutzung, namentlich die Heterogenität der Inhalte. Zu 1.: Kein Medium kann durchgängig ausschließlich einer der beiden Kategorien Push oder Pull zugeordnet werden. Nicht nur Video-on-demand-Dienste, Internet-Rundfunk und interaktives Fernsehen sind schwer als Push oder Pull zu identifizieren (vgl. Kleist 2006: 146f.). Auch die Zeitung kann nicht gelesen werden, bevor sie geliefert worden ist, und ein Artikel bei Spiegel Online muss ebenfalls zuerst publiziert (gepusht) werden, damit er zum Abruf bereit steht. Nun könnte man argumentieren, Push-Medien seien solche, bei denen das Angebot vollständig zum vom Anbieter gesetzten Zeitpunkt genutzt werden muss (oder gar nicht). Dann wäre aber auch Rundfunk zumindest teilweise kein Push-Medium, da z.B. nachts Wiederholungen bereits gelaufener Sendungen ausgestrahlt werden, so dass der Rezipient zwischen zwei Nutzungszeitpunkten wählen kann; in einer längeren Sicht werden auch ganze Serien wiederholt gesendet. Darüber hinaus kann der Rezipient Sendungen aufzeichnen und zu einem späteren Zeitpunkt hören oder sehen. Auch werden gerade erfolgreiche Serien oder aufwändige Produktionen trägergebunden vertrieben, so dass der Rezipient sie zu einem beliebigen Zeitpunkt kaufen oder mieten kann. Zwar findet in den letztgenannten Fäl-
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
205
len ein Technologiewechsel statt. Der Nutzer entscheidet sich aber gezielt für Rundfunkinhalte; ob diese gesendet oder durch einen Träger vertrieben werden, ist ihm prinzipiell gleichgültig134. Darüber hinaus ist Rundfunk bereits umso mehr ein Pull-Medium, je mehr Kanäle existieren, weil das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass zu jedem Zeitpunkt etwas angeboten wird, was den momentanen Interessen des Rezipienten entspricht. Zu 2.: Rein technologisch betrachtet sind alle Medien Pull-Medien, weil der Rezipient die Zeitung entweder liest oder nicht, das Radio einschaltet oder nicht etc. Das heißt, der Nutzungszeitpunkt und die Nutzungsdauer werden ohnehin immer vom Rezipienten bestimmt. Die Unterscheidung zu Push-Medien zielt nun aber darauf ab, wann ein bestimmtes Angebot genutzt werden kann. Hier ist erneut zu differenzieren. Betrachtet man tatsächlich ein einzelnes konkretes Angebot, so wären alle trägergebundenen Medien Pull-Medien, alle trägerlosen Push-Medien135. Doch nicht immer geht es dem Rezipienten (und auch einem Sender) um ein ganz bestimmtes Angebot, sondern um eine Angebotsklasse. Möchte jemand z.B. Nachrichten lesen / hören / sehen, so kann er zwar Präferenzen haben, aber er wird auch ein alternatives Angebot nutzen, wenn sein Wunschangebot gerade nicht verfügbar ist. Daraus folgt, dass z.B. bezüglich Nachrichten Rundfunk ein Pull-Medium ist, da zu vielen verschiedenen Zeitpunkten Nachrichten zur Verfügung stehen. (Im Radio mit dem über weite Zeiträume halbstündlichen Nachrichtentakt steht das ohnehin außer Frage.) Schließlich könnte noch eine weitere Perspektive auf Push- oder Pull-Eigenschaften von Inhalten eingenommen werden: Kann der Rezipient darüber entscheiden, welche Inhalte ihm zur Verfügung stehen? Anders formuliert: Je größer die Zahl der Angebotsklassen in einem Medium, desto eher handelt es sich um ein Pull-Medium. Aus diesem Blickwinkel handelt es sich bei allen redaktionsgesteuerten Medien um Push-Medien, da hier Organisationen eine – meist starke – Vorauswahl treffen, welche Arten und Klassen von Inhalten dem Publikum zugänglich gemacht werden sollen. Pull-Medien wären in dieser Lesart alle unmoderierten Medien, wie z.B. die Videoplattformen YouTube, MyVideo oder Clipfish. Auf diese Beispiele wird unten noch zurückzukommen sein. Die verschiedenen Perspektiven auf Push vs. Pull haben gezeigt, dass die Unterscheidung nicht allein die Wahlfreiheit des Rezipienten bzgl. des Nutzungszeitpunkts eines Mediums betrifft. Vielmehr spielen die Angebotsstruktur sowie die Interessen der Rezipienten an Inhalten und an Nutzungsformen wichtige Rollen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Differenz zwischen Push und Pull nicht primär als eine technologische dar. Sie lässt sich 134
Er würde u.U. sogar die Ausstrahlung bevorzugen, weil dadurch für ihn Transportkosten entfallen. Das heißt, der Weg zum Händler oder zur Videothek steht in Konkurrenz zur freien Wahl des Nutzungszeitpunkts. 135 Damit würde das Internet tendenziell zum Push-Medium, und zwar umso mehr, je aktueller die vorgehaltenen Inhalte sind. Denn damit verkürzt sich der Zeitraum, in dem ein konkretes Angebot zur Verfügung steht.
206
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
vielmehr kommunikationstheoretisch reformulieren: Beim Wechsel von Push zu Pull gewinnt der Nutzer an Einfluss auf Kommunikationsprozess und -inhalt (und umgekehrt: beim Übergang von Pull zu Push verliert er Einfluss an den Sender). Oder in ökonomischen Begriffen: Pullmedien sind Käufermärkte. Diese beiden Umformulierungen machen erneut deutlich, dass ein Medium nicht entweder Push- oder Pull-Eigenschaften aufweist, sondern sich immer auf einem Kontinuum zwischen Push und Pull einordnet.
6.2.2.2
Digitalisierung als Antrieb für Autonomie des Publikums
Durch den Systemwettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen, privaten werbefinanzierten und privaten abonnementfinanzierten Anbietern, die – Konzentrationsprozessen zum Trotz – steigende Anbieterzahl sowie insbesondere durch die massiv gestiegene Zahl an Programmen bzw. Kanälen hat sich der Wettbewerb zwischen den Anbietern um die Gunst des Publikums erheblich intensiviert. Das fördert dessen Autonomie und verschiebt den Rundfunk in Richtung Käufermarkt. Wesentlicher Motor dieser Entwicklung im neuen Jahrhundert ist die Digitalisierung. Sie ermöglicht vor allem eine engere Belegung des Frequenzspektrums für terrestrische und Satellitenübertragung sowie eine Ausweitung der Kabelkanäle (vgl. Bauder 2002: 103f.). Den finanziellen Spielraum, der sich hieraus für die Sender ergibt, können diese für Investitionen in weitere Angebote nutzen. Darüber hinaus hat die Digitalisierung den Weg für Übertragungen in bestehenden Netzwerken, insbesondere dem Internet eröffnet. Dies verringert die Abhängigkeit der Sender von Kabelnetz- und Satellitenbetreibern, so dass sich mittel- und langfristig ebenfalls Einsparpotenziale ergeben, die wiederum dem Programmangebot zugute kommen können (vgl. Schuppert 2007: 37). Gerade die Verbreitung von Rundfunksignalen durch Kabelnetze (online) ist der Ausgangspunkt für eine weitere Ausweitung des Angebots, da eine regionale und lokale Differenzierung des Angebots erheblich einfacher ist als bei on-air-Übertragung. Die individuelle Auswahl ist also bereits jetzt so groß, dass Rundfunk sich für den Rezipienten schon weitgehend als Pull-Medium präsentiert. Dies hat bereits eine massive inhaltliche Differenzierung des Gesamtprogramms zur Folge gehabt (vgl. Bleicher 2004). Dabei folgt die inhaltliche Entwicklung zunächst der technologischen: Das Programm diversifiziert sich nach geographischen Kriterien. Die Angebote werden regionaler, lokaler. Das äußert sich insbesondere in der großen Zahl an Radiostationen, die zum ganz überwiegenden Teil ein lokales und regionales Publikum anspre-
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
207
chen, u.a. indem sie Informationen und Services mit regionalem Schwerpunkt in den Vordergrund stellen136. Zugleich hat die Digitalisierung auch der Globalisierung des Rundfunkmarktes und der Konzentration Vorschub geleistet. Vereinfachte Übertragung und Kooperationen haben Produktionsprozesse und Rechtehandel zu einem Weltmarkt werden lassen. Insgesamt haben die bisherigen technologischen Neuerungen also eine Entwicklung der „Glokalisierung“ befeuert: Für international absatzfähige – d.h. massentaugliche – Programm(anteil)e etablieren sich trans- und multinationale Anbieter, wodurch sich zugleich Nischen für regional spezialisierte Angebote öffnen, die von kleineren Sendern bedient werden. Daraus folgt auch, dass sich zwischen Mainstream und Publikumsnähe ein Spannungsfeld auftut, das dem Rezipienten weitere Wahlmöglichkeiten verschafft und die Anbieter in weitere Konkurrenzen zwingt. Auch inhaltlich bilden sich Nischen. Satellitenprogramme bieten etwa unterschiedlichen Sprachgruppen eine große inhaltliche Auswahl (vgl. Hege 2006: 41-47). Die wesentliche Veränderung, die eine Vervielfältigung und bessere Ausnutzung der Übertragungswege hervorgebracht hat, ist also nur vordergründig eine Vermehrung der Programmzahl. Erheblich bedeutender ist die daran anschließende inhaltliche Differenzierung der Programme. Diese „ermöglicht zwar die Entstehung von Teilöffentlichkeiten, insbesondere auch für Minderheiten, stellt aber nicht die gegenseitige Wahrnehmung sicher.“ (Pfaff 2007: 154)137.
6.2.2.3
Vorboten der Abrufkultur
Was würde also passieren, wenn Rundfunk technologisch gesehen ein Pull-Medium würde? Der Inbegriff eines Pull-Mediums ist eine Datenbank. Das heißt, die Entwicklung von einer Sende- zur Abrufkultur wird dadurch beschleunigt und verstärkt werden, dass die Sender ihre Angebote in Datenbanken bereithalten, die für alle Rezipienten zu jedem Zeitpunkt zugänglich sind (on-demand). Schritte in diese Richtung sind bereits erkennbar (vgl. ARD 2007; ZDF 2007; RTL 2007; Sat.1 2007; Pro7 2007; im Radiobereich exemplarisch Deutschlandradio 2007, RPR1 2007). Dort bieten etwa die Radio- Fernsehsender teils beachtliche Bereiche ihres Programms online zur sendezeitunabhängigen Nutzung an. Dabei werden attraktive 136
Auch RTL und SAT.1 sind zur Ausstrahlung von Regionalfenstern verpflichtet (vgl. Volpers / Salwiczek / Schnier 2000 und Brosius / Fahr 1996 für eine Analyse dieser Angebote). Jedoch versuchen die Sender sich diesen Vorgaben zu entziehen, weil die Regionalangebote nur eine geringe Reichweite erzielen und dadurch unrentabel sind (vgl. o.V. 2006; Scheuer 2004; Rodewald 1996: 90f.). 137 Zudem ergeben sich weitere regulatorische Aufgaben: So wird gefordert, alle Übertragungswege für die gleichen Inhalte auch den gleichen Rechtsregimen zu unterwerfen (Kamps 2006: 134f.). Die politischen und juristischen Hürden auf diesem Weg sind gewaltig.
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Fernsehsendungen z.T. (in einem bestimmten Zeitraum) kostenpflichtig angeboten, so dass ein fließender Übergang vom Rundfunk zum Videomarkt entsteht (vgl. Woldt 2002: 542). Der technologische Quantensprung wäre also vollzogen, wenn alle Rundfunkinhalte für eine zeitflexible Nutzung bereitgestellt würden (das muss nicht auf Internettechnologie basieren, ist aber zur Zeit am wahrscheinlichsten). Dieser Wechsel von Übertragungs- auf eine Kombination aus Bereithaltungs- und Abruftechnologie wäre dann – wie schon bisher – für den Rundfunkmarkt nicht in erster Linie technologisch bedeutsam. Die eigentliche Strukturveränderung wäre ein Programmwechsel: Im Ablauf vom Sender festgelegte Programme werden unwichtiger. Theoretisch könnten sie sogar ganz verschwinden. Denn wenn parallel zu ausgestrahlten Sendungen dieselben Angebote zum Abruf bereitstehen, werden die meisten Rezipienten ihre Lieblingsangebote auch zu einem Zeitpunkt hören oder sehen wollen, der ihnen am besten passt – und das wird oftmals nicht der programmierte sein. Folglich werden die traditionellen „durchlaufenden“ Programme zunehmend marginalisiert werden.
6.2.2.3.1
Beispiel Podcasts
Auch in dieser Hinsicht ist das Radio einen Schritt weiter als das Fernsehen. Podcasts sind die wichtigste programmatische Neuerung der letzten Jahre (vgl. Voß 2007; Merschmann 2006). Die Sender stellen Inhalte, die sie für das reguläre Programm produziert haben, nach bestimmten Kriterien, z.B. themenspezifisch, zusammen und stellen diese Kompilationen zum Abruf auf ihren Internetseiten bereit. Der Begriff ist eine Verbindung von „iPod“, dem mobilen Musikabspielgerät von Apple, und „broadcast“ – Podcasts sind also Rundfunksendungen für unterwegs, wobei „unterwegs“ weniger räumliche als zeitliche Flexibilität bezeichnet. Im Grunde handelt es sich bei Podcasts nur um Listen, in denen verzeichnet ist, welcher Inhalt dazugehört und in welcher Reihenfolge diese Inhalte abgespielt werden sollen. Doch Podcasts vereinen die wichtigsten Vorteile eines Programms – zusammen passende Inhalte werden im selben Kontext dargeboten – mit der Flexibilität eines Pull-Dienstes. Dabei ist bemerkenswert, dass die Inhalte zunächst für eine Verwendung im regulären Programm produziert worden sind und dort auch bereits ausgestrahlt wurden. Podcasts stellen also durchweg eine Zweitverwertung von Inhalten dar. Dies ist für die Anbieter interessant, weil sie ein größeres Publikum erreichen können, ohne große zusätzliche Kosten tragen zu müssen – die Aufwendungen, die Podcasts zusammenzustellen und zu veröffentlichen, können im Betrieb eines Radiosenders weitgehend vernachlässigt werden. Für die Rezipienten stellen Podcasts eine regelrechte Befreiung von den Fesseln des Programms dar. Inwiefern jedoch vorgegebene Programmabläufe überhaupt eine Beschränkung oder eher eine Hilfe darstellen, wird unten anzusprechen sein.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
209
Die zeitlich flexible Nutzung von Rundfunksendungen bietet großes Potenzial, um Zeit mit Rundfunk zu füllen, die bisher ungenutzt verstreicht. Das haben die Fernsehsender auch erkannt und arbeiten an Konzepten für das mobile – und programmunabhängige – Fernsehen. Handy-TV heißt hier das richtungweisende Stichwort (ARD/ZDF Projektgruppe Mobiles Fernsehen 2007: 11). Doch wieder einmal bremst die technologische Komplexität das Fernsehen im Vergleich zum Radio aus. Denn noch besteht keine Einigkeit über die zu verwendenden Übertragungsstandards (DVB-H vs. DMB; vgl. ARD/ZDF Projektgruppe Mobiles Fernsehen 2007: 11), und die verfügbaren Endgeräte sind noch keine Publikumsmagneten. Insbesondere scheint die Fixierung auf das Handy als Abspielgerät etwas kurzsichtig. Denn Kurzsichtigkeit ist angesichts der briefmarkengroßen Displays in der Tat vorprogrammiert. Hier müssen Sender wie Rezipienten noch auf Innovationen der Mobilfunkgerätehersteller warten, um das Handy als primären Vertriebsweg für Abruffernsehen einsetzen zu können. Derweil kämen als Empfangsgeräte insbesondere Laptops und PDAs in Frage. Es ist abzuwarten, welche Wege die Sender beschreiten werden, um Video-Podcasts138 attraktiv zu machen.
6.2.2.3.2
Beispiel Videoplattformen
Unterdessen wird die Entwicklung zu Rundfunk als Abrufdienst von anderer Seite vorangetrieben: YouTube. Diese und andere Videoplattformen im Internet (z.B. Clipfish, MyVideo, arcor.de/vod, myvod.de, t-online.de/vod) haben zunächst mit Rundfunk wenig gemeinsam. Aber auch in diesen Datenbanken werden audiovisuelle Inhalte angeboten. Obwohl diese meist weder journalistischen Maßstäben genügen noch ein bestimmtes Programm ergeben, weisen Online-Videoplattformen in dieselbe Richtung wie Podcasts und HandyTV: Rundfunk als Abruftätigkeit gewinnt an Bedeutung. Oft wird darauf hingewiesen, dass durch Videoplattformen der Rezipient „sein eigener Programmdirektor“ werde (Schorr 2000: 14; vgl. Weingarten 2006). Diese Diagnose ist zwar naheliegend, reicht aber nicht weit genug. Insbesondere verkennt sie, dass Videodatenbanken nicht in erster Linie dem Publikum einen Dienst erweisen. Hierin unterscheiden sich diese Datenbanken signifikant von Podcasts. Denn sie liefern ein bekanntes Programm – d.h. vor allem ein Programm in bekannter Qualität – zu günstigeren Konditionen, indem sie eine zeitlich individualisierte Nutzung zulassen. Videoplattformen interessieren sich demgegenüber zunächst gar nicht für den Rezipienten. Ihr Blick ist anbieterorientiert: Jeder soll Videoinhalte veröffentlichen können. Insoweit ist es berechtigt zu behaupten, jeder werde sein eigener Programmdirektor. Doch im Unter138
Die Begrifflichkeit ist noch uneinheitlich. Es wird auch von Videocasts oder Vodcasts gesprochen.
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
schied zu Rundfunk besteht das Resultat eben nicht aus vielen Programmen, sondern aus sehr vielen einzelnen Sendungen. Es wäre also angebrachter zu sagen, jeder werde sein eigener Produzent. Die Zusammenstellung zu Programmen geschieht auf anderen Ebenen oder findet gar nicht mehr statt. Ergebnis dieser neuen produktiven Freiheit ist zunächst ein rasant wachsendes Angebot. Damit sind mehrere Problemkreise verbunden. Erstens ist weder die thematische noch die formale Agenda der Beiträge so breit wie das bei einem grundsätzlich freien Medium zu erwarten wäre. Inhalt und Ästhetik der produzierten Clips orientieren sich zum größten Teil an den Konventionen, die man als Rezipient des klassischen Rundfunks erlernt und verinnerlicht hat. Gleichzeitig sind aber die meisten Produzenten Amateure, so dass die Beiträge an eben diese Standards nur selten heranreichen. Manche lösen das Problem, indem sie Inhalte des traditionellen Rundfunks aufzeichnen und online bereithalten. Damit ist gleich das zweite Problemfeld angesprochen: Urheberrechte. In der Produktion von Clips für Videoplattformen wird ausgiebig von bereits vorhandenem Material Gebrauch gemacht, das ohne Einwilligung der Rechteinhaber nur eingeschränkt oder gar nicht von Anderen verwendet werden darf (vgl. Otto 2006). Daher sind bereits Klagen gegen YouTube anhängig (vgl. Spiegel Online 2007; Polke-Majewski 2007). Um die urheberrechtlichen Probleme zu lösen, werden verschiedene Maßnahmen umgesetzt. So ist erstens die Länge der Videos begrenzt, die ein Nutzer bereitstellen darf. Zweitens strebt Google, der Eigentümer von YouTube, Partnerschaften etwa mit Musikkonzernen an, damit deren Inhalte bei YouTube verfügbar bleiben können. Im Gegenzug sollen die Rechteinhaber an den Werbeeinnahmen des Videoportals beteiligt werden (vgl. Schöneberg 2006). Drittens wird zur Zeit ein sog. digitaler Fingerabdruck getestet, der es YouTube ermöglicht, urheberrechtlich geschütztes Material schneller zu erkennen und die Urheber entweder entsprechend zu vergüten oder die betreffenden Inhalte zu löschen (vgl. Netzeitung 2007). Für die Reaktion des Rundfunks auf Videoplattformen einerseits und die Entwicklung dieser Plattformen zu einer Rundfunkergänzung andererseits ist ein drittes Problem von besonderer Bedeutung: die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Beiträge. Videoplattformen sind für den Rezipienten in erster Linie unübersichtlich, weil eine immense Menge an Angeboten kaum systematisiert nebeneinandersteht. Orientierung wäre ohne Hilfsmittel für den Einzelnen unmöglich. Das wichtigste dieser Hilfsmittel sind die Ratings: Alle Videoplattformen geben an, wie oft welcher Beitrag schon gesehen wurde. Daraus ergibt sich ein Beliebtheitsranking aller Beiträge. Die Wertungen, die diesem Ranking zugrunde liegen, werden für orientierungsbedürftige Nutzer zum Maßstab: Sie sehen sich zuerst die Beiträge an, die schon von vielen gesehen wurden. Dadurch bildet sich auch auf Videoplattformen ein geschmacklicher
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
211
Mainstream. Dieser setzt sich durch die gegenseitige soziale Orientierung mittels des Rankings von Themen- und Geschmacksnischen ab139 (vgl. Brynjolfsson / Hu / Simester 2006). Wie auch im klassischen Rundfunk zeichnet sich Mainstream nicht automatisch durch ein gemeinsames ästhetisches Empfinden oder gleich gerichtete inhaltliche Interessen aus. Gerade in einer Umgebung, die durch ein riesiges Angebot mit bescheidener durchschnittlicher Qualität der Beiträge gekennzeichnet ist, wird das Prinzip des least objectionable program umso wichtiger. Zu wissen, dass bereits viele Andere schlimmstenfalls nichts gegen einen bestimmten Clip hatten, erhöht für jeden neuen Rezipienten die Wahrscheinlichkeit, dass er zumindest für kurze Zerstreuung geeignet ist. Könnten die Nutzer hingegen mit vertretbarem Aufwand diejenigen Inhalte finden, für die sie sich tatsächlich interessieren, würde dieser Nutzungsmainstream schnell zusammenschmelzen, da er eben nicht auf einem Interessenmainstream beruht. Ebenfalls aus dem Rundfunk ist bereits bekannt, dass sich parallel zum Programm ein Kommunikationssystem etabliert, das das Programm zum Gegenstand hat: Rezipienten tauschen sich über ihre Ansichten und Erfahrungen aus. Bei einer Videoplattform geschieht das über Nachrichten, mit denen Andere auf bestimmte Beiträge hingewiesen werden können. Außerdem kann jeder Beitrag innerhalb der Plattform kommentiert werden. Diese Möglichkeiten befördern die Ausbildung und Explizierung von verschiedenen Geschmacksrichtungen und damit von Nutzergruppen, die anhand ihrer Interessen unterscheidbar sind. Die Ausführungen zu Videoplattformen bestätigen damit, was zuvor schon grundsätzlich für die verschiedenen Aspekte von Push- und Pull-Medien aufgezeigt wurde: Technologische Entwicklungen alleine machen ein Medium nicht zum Abrufmedium. Inhalte in einer Datenbank bereitzuhalten anstatt sie auszustrahlen macht sie nicht besser. Videoplattformen haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Push- oder Pull-Eigenschaften für das Publikum; sie vereinfachen zunächst „nur“ die Veröffentlichung von Videobeiträgen. Nutzer dieser Plattformen werden erst dann in ihrer Eigenschaft als Rezipient berührt, wenn sie Beiträge sehen – und damit Einfluss auf das Ranking nehmen -, wenn sie Beiträge kommentieren oder Bekannten empfehlen. Was also den Erfolg von Videoplattformen begründet – und was sie folglich in Konkurrenz zu Rundfunkangeboten treten lässt –, ist somit nicht eine bestimmte Technologie, sondern die sozialen Nutzungsformen in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Inhal-
139
Die Videoplattformen experimentieren noch mit verschiedenen Arten, wie sie die Beiträge strukturieren können. So stehen etwa bei YouTube die Kategorien „featured videos“, „most recent“, „most viewed“, „top rated“ und „most discussed“ gleichrangig nebeneinander (vgl. youtube.com). Darüber hinaus werden themenspezifische Sammlungen gebildet. Es ist zu erwarten, dass die verschiedenen Kategorien verschiedene Nutzertypen und -stile ansprechen. Etwa dürfte die Kategorie „most recent“ besonders für Nutzer relevant sein, die auf dem Portal sehr aktiv sind. Hingegen dürften für Gelegenheitsnutzer Labels wie „most viewed“ oder „top rated“ bessere Orientierung bieten.
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
ten. Videoplattformen sind vor diesem Hintergrund weniger content- als kommunikationsgetrieben. Dennoch handelt es sich bei Videoplattformen um Substitutionsangebote für Rundfunk: Sie bieten audiovisuelle Inhalte mit überwiegenden Unterhaltungszielen kostenlos an; und sie sind besser als Rundfunk insofern, als sie zeitlich flexiblen Zugriff erlauben. Ein weiterer Vorteil gegenüber traditionellen Rundfunkprogrammen liegt in der (potenziell) breiten inhaltlichen Auswahl. So darf auch der bescheidene inhaltliche und ästhetische Anspruch mancher Videobeiträge nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese dem Rezipienten die Möglichkeiten geben, Angebote zur Kenntnis zu nehmen, die professionelle Redaktionen nicht zur Ausstrahlung auswählen würden. Dieses zusätzliche Angebot hilft dem Rezipienten, seine Interessen zu erkennen und zu reflektieren. Und das wiederum beeinflusst auch das Rezeptionsverhalten in den klassischen Medien, was die Rundfunkanbieter spüren und worauf sie reagieren werden140.
6.2.2.4
Schlussfolgerungen
Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den Vorgängen im Radiosektor, aus AbrufFernsehen und Abrufplattformen im Internet für die weitere Perspektive von Rundfunk als sender- und damit redaktionsgesteuertem Medium ziehen? Zunächst ist erneut zu betonen, dass der zeitlich flexible Zugriff auf Rundfunkinhalte einen deutlichen Vorteil für das Publikum darstellt – vorausgesetzt, Menge und Qualität des Gesamtangebots bleiben weitgehend unverändert. Wie gezeigt, entsteht diese Flexibilität bereits in Teilen durch das Hinzutreten neuer Angebote, sofern diese andere Ausstrahlungsrhythmen haben und aus Sicht der Zuhörer und Zuschauer geeignet sind, die bestehenden Formate zu ersetzen. Das bedeutet auch, dass die zeitliche Selbstbestimmung des Rezipienten vor allem bei denjenigen Formaten ein signifikanter Vorteil ist, deren Publikum sehr treu ist. Rezipienten, die bereits wissen, welche Inhalte sie nutzen wollen, profitieren also in besonderem Maße von der Möglichkeit flexibler Nutzung. Umgekehrt folgt daraus, dass Radio- und Fernsehprogramme, deren Elemente und Abfolge von Redaktionen bestimmt werden, nicht verschwinden werden. Denn Flexibilität bedeutet umgekehrt für den Rezipienten, die Inhalte selbst suchen zu müssen, für die er sich interessiert. Diejenigen Sendungen und Programmabschnitte, die nebenbei genutzt werden, mit geringer Aufmerksamkeit, sind für ihr Publikum also einfach nicht wertvoll genug, als 140 Aus dieser Wirkungskette ergibt sich die große Bedeutung, die intensiven Nutzern von Videoplattformen zukommt. Denn sie fungieren als Meinungsführer, die aufgrund ihres Nutzungsverhaltens und ihrer Bewertungen maßgeblichen Einfluss darauf ausüben, was in diesem Kontext zulässig bzw. erfolgreich ist.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
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dass es sich lohnen könnte, diese aus einer Datenbank zusammenzusuchen. Das gezielt vorgefertigte Programm bietet die Möglichkeit, zu einem beliebigen Zeitpunkt einzuschalten und ein kohärentes und mehr oder weniger sinnvolles Angebot nutzen zu können. In einer reinen Abrufkultur wären die Suchkosten für die Rezipienten so hoch, dass nur noch wenige (ehemalige) Rundfunkinhalte überhaupt ein ausreichend hohes Nutzenpotenzial hätten, um ein Publikum zu erreichen: Ein größeres Angebot induziert höhere Selektivität (vgl. Youn 1994: 470-473)141. Programme und Abrufinhalte wenden sich also an unterschiedliche Publika bzw. an Rezipienten in unterschiedlichen Situationen (high vs. low involvement). Die Koexistenz der beiden Systeme vergrößert also das Marktvolumen für Rundfunkinhalte. Programmrundfunk und Abrufrundfunk haben also beide ihre Daseinsberechtigung für jeweils unterschiedliche Nutzungssituationen und -intensitäten. Daher wird das traditionelle Rundfunkangebot zunächst, wie zur Zeit bereits beobachtet werden kann, durch Abrufdienste ergänzt, die sich inhaltlich zumeist aus denselben Quellen speisen wie das laufende Programm. Hinzu treten Inhalte aus dem Bereich des sog. Bürgerjournalismus, d.h. privat produzierte Angebote (vgl. Kopp / Schönhagen 2007; Stöckl / Grau / Hess 2006; Klumpp 2006: 104; Stegers 2006). Deren Wirkung bleibt jedoch wegen ihres Professionalitätsdefizits (in narrativer, ästhetischer und technischer Hinsicht) insgesamt gering; Ausnahmen stellen indes eine wichtige Ergänzung zu den professionell gestalteten Angeboten dar. Die Parallelität von Push- und Pull-Angeboten mit weitgehend identischen Inhalten erlaubt dann die weitere Differenzierung von Nutzungsmustern. Jeder Rezipient wird eine individuelle Mischung aus Programmrundfunk und Abrufrundfunk in Anspruch nehmen. Dadurch bilden sich für bestimmte Formate Pushpublika, für andere Pullpublika. Darauf werden die Anbieter mit exklusiven Inhalten für die beiden Vertriebsarten reagieren, so dass Push- und Pull-Umgebungen inhaltlich auseinanderdriften werden. Da Abrufdienste (zumindest zu Beginn) eine höhere Aktivität des Rezipienten erfordern, werden Abrufinhalte eine Tendenz zur Exklusivität und zu höherem Anspruch aufweisen, während der traditionelle Programmrundfunk seinen Weg in Richtung Begleitmedium fortsetzt. Innerhalb der Abrufangebote bilden sich darüber hinaus, deutlich abgegrenzt, Sammelbecken für Amateurmaterial. Die dortigen Angebote erreichen in der Regel sehr kleine, zeitlich stabile Publika, in denen viele Teilnehmer selbst Beiträge produzieren und veröffentlichen. Bei diesen Foren handelt es sich also eher um Kommunikationsgemeinschaften als um Medien. Die dort veröffentlichten Inhalte werden einer breiten Öffentlichkeit nur selten und meist zufällig zugänglich, da die Suchkosten sehr hoch sind, wenn jemand diese Inhalte sucht, der nicht der betreffenden Gemeinschaft angehört.
141
Dieser Effekt verstärkt sich durch Bezahlangebote: „Pay-TV (ist) für selektives Sehen konzipiert, während werbefinanziertes Fernsehen auf kontinuierliches Zuschauen angelegt ist.“ (Neumann 1998: 107).
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Die Verbreitung von Abrufdiensten ist jedoch keine Entwicklung, die stark genug wäre, das Rundfunksystem grundsätzlich zu verändern. Die Veränderungen werden Formate und deren Verhältnis zueinander spürbar beeinflussen; auch wird sich das Spektrum an Nutzungsformen von Rundfunkangeboten weiter verbreitern. Doch beide Tendenzen stützen sich nicht ausschließlich auf die Durchsetzung von Abrufdiensten. Das Ausmaß der Veränderungen hinsichtlich der Nutzungsmuster wird zudem dadurch begrenzt, dass bereits jetzt die Programmstrukturen weitgehend an den Rhythmus von Arbeits- und Freizeit gekoppelt sind (vgl. Abschnitt 4.3.3). Daher werden die Abrufdienste v.a. von denjenigen genutzt (werden), deren Alltag nicht diesem Rhythmus entspricht. Außerdem können mit Abrufinhalten Pausen im Alltag gefüllt werden – was eine der Hauptzielsetzungen für mobiles Fernsehen ist (s.o., Abschnitt 6.2.2.3.1). Schließlich ist zu betonen, dass der Abruf von Inhalten nicht mit deren besonderer Wertschätzung verwechselt werden darf. Der Nutzenzuwachs des Rezipienten bezieht sich auf die Nutzungsmodalitäten, nicht auf den Inhalt! Zwar profitieren von einem Zuwachs an Flexibilität der Nutzer in erster Linie die Formate mit treuem, d.h. an genau diesem Format interessierten Publikum. Aber ein Zuhörer oder Zuschauer, der eine Sendung regelmäßig im laufenden Programm verfolgt, muss dieser Sendung nicht weniger Wert beimessen als ein Rezipient, der die Sendung regelmäßig abruft – vielleicht hat letzterer einfach an dem Sendeplatz im Programm keine Zeit. Push- und Pullpublika sind sich also nicht per se unähnlich. Aus der Nutzung von Abruf- statt Sende-Inhalten alleine können keine besseren Rückschlüsse auf die Einstellung von Rezipienten zu den betreffenden Inhalten gezogen werden.
6.2.3 Ausweitung von Bezahlangeboten Der Rundfunk unterscheidet sich von anderen Märkten dadurch, dass die Austauschbeziehung zwischen Sender und Rezipient nicht transparent ist; insbesondere bleibt für den Sender im Dunkeln, welche Leistung die Rezipienten bei der Rezeption einer bestimmten Sendung erbringen. Vor diesem Hintergrund ist es ein naheliegender Gedanke, die Investitionen, die die Rezipienten bereits tätigen, in tatsächliche Zahlungen an die Sender umzumünzen. Dieser Gedanke ist Existenz- und Geschäftsgrundlage aller kostenpflichtiger Rundfunkanbieter. Bezahlrundfunk stellt eine bidirektionale ökonomische Beziehung zwischen Anbieter und Rezipienten her, die sich – mit Ausnahme des gehandelten Gutes – nicht von den Käufer-Verkäufer-Beziehungen auf anderen Märkten unterscheidet. Der große Vorteil der Bidirektionalität einer Marktbeziehung liegt darin, dass sich Angebot und Nachfrage durch die sprichwörtlich gewordene unsichtbare Hand des Marktes aneinander orientieren. Somit kann Bezahlrundfunk hinsichtlich der produktiven und allokativen Effizienz die beste Orga-
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
215
nisationsform für den Rundfunkmarkt sein, falls jeder Rezipient für eine Sendung nur zahlen würde, was sie ihm wert ist. Auf diese Bedingung wird noch zurückzukommen sein. Zudem ist eine Einschränkung hinsichtlich der Äquivalenz von Zahlungen und Interessen zu machen. Die Zahlungsbereitschaft eines Rezipienten hängt immer wesentlich von seinem verfügbaren Einkommen ab. Das heißt, dass auch der Gesamtzahlung, die von einem Publikum erbracht wird, die entsprechende Einkommensverteilung innerhalb dieses Publikums zugrunde liegt. Während der Sender maximal erkennen kann, wie viele Rezipienten einen bestimmten Preis für ein bestimmtes Angebot zahlen, steht die Konsumentscheidung des Rezipienten im Verhältnis zu alternativen – und meist wichtigeren – Arten des Geldausgebens (vgl. Abschnitt 5.1.4). Die Einkommensbindung von Konsumentscheidungen kann in Konflikt mit den öffentlichen und kulturellen Funktionen von Rundfunk geraten. Hiergegen sind Vorkehrungen zu treffen (s.u., Kapitel 6.3). Zudem beeinträchtigt die Einkommensbindung die Äquivalenz von Zahlung und Interessen; auch hierzu unten mehr.
6.2.3.1
Abrufdienste als technische Voraussetzung für Flächen-Bezahlrundfunk
Bezahlrundfunk zu verwirklichen ist technisch anspruchsvoll. Hierin liegt auch die Verbindung zum vorangegangenen Abschnitt (6.2.2), da Abrufsysteme eine Möglichkeit darstellen, eine individuelle Transaktion zwischen einzelnen Rezipienten und einem Sender zu realisieren. Die Verleiher von Spielfilmen und Serien können durch Online-Abruf den Aufwand der Nutzer senken, an das gewünschte Angebot heranzukommen. So werden Transportkosten hinfällig, und die Dienste sind nicht mehr an Ladenöffnungszeiten gebunden142. Auch FTAAnbieter machen sich Abrufplattformen zunutze, um exklusives Material anzubieten oder bereits ausgestrahlte Sendungen zur zeitlich flexiblen Nutzung freizugeben. Teils verlangen sie für diese Dienste Gebühren (vgl. Abschnitt 6.2.2.3). Die Anbieter von Bezahlrundfunk strahlen demgegenüber ihre Sendungen wie auch die FTA-Anbieter aus, verschlüsseln aber die Signale. Um sie zu entschlüsseln, muss der Rezi142
Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass der Videoverleih an Automaten an Sonntagen über 20 Prozent der Ausleihvorgänge ausmacht – weil an Sonntagen die meisten Videotheken geschlossen sein müssen (vgl. BVV 2007: 15). Es ist jedoch bemerkenswert, dass sich die Nutzung von Verleihfilmen per Internet gleichmäßig auf alle Wochentage verteilt (vgl. ebd). Daraus lässt sich schließen, dass hier andere Nutzungsarten und -motive vorliegen. Denn beim Automatenverleih entfallen nur die Zeitrestriktionen; jedoch muss der Rezipient immer noch Wege in Kauf nehmen. Demgegenüber ist das Internet eine permanent verfügbare Plattform, die in vielen verschiedenen Situationen aufgrund von verschiedenen Interessen genutzt wird. Das äußert sich auch darin, dass verschiedene Preissegmente für Leihvideos im Internet (Pay-per-view) alle etwa im gleichen Umfang genutzt werden, mit Ausnahme von Angeboten unter einem Euro (vgl. ebd: 16). Das Internet scheint also mit Ausnahme von rein preisinduzierten Transaktionen die Breite der Nutzerinteressen und deren Zahlungsbereitschaften besser zu reflektieren als andere Vertriebswege.
216
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
pient einen Decoder kaufen, der mit einem Vertrag gekoppelt ist, durch den bestimmte Angebote des jeweiligen Senders für eine bestimmte Zeit genutzt werden können. Dieses System gewährleistet den Ausschluss von Nichtzahlern (vgl. Abschnitt 3.1.2). Bei Abrufdiensten wird dies durch individuelle Konten erreicht, die es erlauben, dass eine Nutzung der bereitgehaltenen Inhalte nur durch einen autorisierten Nutzer möglich ist und diesem auch in Rechnung gestellt wird.
6.2.3.2
Preisdifferenzierung
Unabhängig vom Übertragungsweg – Online-Plattform mit Nutzerkennung oder Rundfunkausstrahlung mit Decoder – kann Bezahlrundfunk erst dann sein volles Potenzial zur Steigerung des Marktvolumens und zur interessengerechten Produktionslenkung entfalten, wenn eine Preisdifferenzierung vorgenommen wird. Wenn unterschiedliche Inhalte mit unterschiedlichen Preisen versehen sind, lässt sich durch die Preissetzung die Nachfrage steuern. Auch können bei einer hohen Nachfrage selbst mit niedrigeren Preisen die Produktions- oder Einkaufskosten durch die große Zahl an Nutzern wieder eingespielt werden. Umgekehrt sind Preise, die sich im Wechselspiel zwischen Anbietern und Rezipienten einpendeln, zugleich Ausdruck der Wertschätzung des Publikums für das betreffende Format143. Ein System wie die Messung von Zuhörer- und Zuschauerakzeptanz über die reine Zahl an Rezipienten einer Sendung (bzw. deren Relation zu allen Rezipienten zu dem betreffenden Zeitpunkt) kann weder zwischen verschiedenen Nutzern noch zwischen verschieden großen Nutzen unterscheiden. Dann ist zwangsläufig diejenige Sendung die erfolgreichste, die das größte Publikum erreicht. Im Privatfernsehen bedeutet das, dass dieser Sendung auch in Einkauf und Produktion das meiste Geld zur Verfügung steht.
143
Lobigs diskutiert in Bezug auf Bakos / Brynjolfsson 2000 folgende Überlegungen zur Preisdiskriminierung: Im Einproduktfall müssten die dispersen Interessen durch so viele verschiedene Preise abgedeckt werden wie Rezipienten existieren. Die Dispersität hebt sich jedoch bei der Bündelung zu „Angebots-Systemen“ (Siegert 2001: 107) weitestgehend auf, da verschiedene Zahlungsbereitschaften zusammenkommen und sich ein für den größten Teil des Publikums akzeptabler mittlerer Preis ergibt – wobei die Wertschätzung für einzelne Elemente dieser Angebotssystem stark variiert (vgl. Lobigs 2005: 139ff.; Bakos / Brynjolfsson 2000). Die Argumentation ist überzeugend für Zeitungen und andere Medien, die verschiedene Angebote bündeln und zeitlich flexibel genutzt werden können. Jedoch entspricht ein Rundfunkprogramm gerade hierin nicht einer Zeitung: Die Sortimentierung erfolgt in der Zeit, und der Rezipient wählt situativ zwischen Sendungen, nicht zwischen Programmen. Hier wäre also ein Pay-per-view-System überlegen. Eine Ausnahme könnten „pay-per-channel“-Dienste sein. In der Konkurrenz zwischen diesen greift das Argument Lobigs – vorausgesetzt, sie bieten eine heterogene Sendungsmischung an. Im Deutschen Bezahlrundfunk hat sich jedoch die Konkurrenz zwischen verschiedenen Anbietern weitgehend auf die inhaltliche Ebene (Sparten) verlagert.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
6.2.3.2.1
217
Differenzierungsmerkmal Produktionskosten
Es stellt sich also die Frage, ob und ggf. wie Preise für Rundfunkangebote entstehen müssten, damit sie die Interessen des Publikums widerspiegeln. Wenn angenommen wird, dass die Produktionskosten in etwa mit der Qualität einer Sendung korrelieren, bestünde eine Möglichkeit darin, den Gesamtpreis an die Herstellungskosten zu koppeln (zu Einschränkungen dieser Korrelation vgl. Abschnitt 3.1.4). Dies würde theoretisch das Problem der hohen Einmalkosten der Produktion lösen: Angenommen, die Produktion einer Sendung kostet eine Million Euro. Diese Summe muss durch das Publikum finanziert werden. Wollen 100.000 Menschen diese Sendung sehen bzw. hören, müsste demnach jeder Rezipient 10 Euro zahlen. Es ist anzunehmen, dass zu diesem Preis kaum jemand die Sendung verfolgen wird. Findet sich hingegen eine Million Interessenten, sinkt der Preis auf einen Euro pro Rezipient. Es wäre also z.B. denkbar, das Publikum vorab zu informieren, für welche Sendungen welche Kosten zu decken sind. Jeder Rezipient könnte dann entscheiden, zu welchem Maximalpreis er diese Sendung nutzen würde (analog einer Auktion). Sobald eine ausreichend große Zahl an Rezipienten ihr Interesse und ihre Zahlungsbereitschaft bekundet hat, wird die Sendung freigeschaltet bzw. ausgestrahlt. Die Abrechnung sollte jedoch erst nach der Sendung (in Abrufumgebungen nach einiger Zeit) erfolgen, damit auch Rezipienten, die diese Sendung nicht eingeplant hatten, die Gelegenheit haben, sie zu sehen oder zu hören. Zum Abrechnungszeitpunkt wird dann der Preis ermittelt, den jeder Rezipient zu zahlen hat. Er liegt garantiert unter dem Maximalpreis, den jeder Einzelne zu zahlen bereit gewesen wäre, da mindestens die für die Kostendeckung erforderliche Zahl von Rezipienten die Sendung genutzt hat. Aus Sicht des Publikums wäre das sicher eine attraktive Lösung. Vor allem hat dabei jeder Einzelne Einfluss auf den Preis. Denn indem er selbst in seinem sozialen Umfeld Werbung für die Sendungen macht, die er gerne nutzen möchte, kann er den Preis senken. Die Sender können demnach Werbungskosten einsparen, da einige Aktivitäten in diesem Bereich freiwillig vom Publikum übernommen würden, da ein niedriger Preis diesem zugute kommt. Dieses Prinzip hätte außerdem den Vorteil, große Publika nicht zu bevorzugen. Indem jeder Rezipient mit dem Maximalpreis seine Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck bringt, können sich auch kleine Publika bilden, bei deren Grenzrezipient (d.h. demjenigen mit dem niedrigsten Maximalpreis innerhalb des Interessentenkreises) die Zahlungsbereitschaft noch immer höher ist als der Durchschnittspreis über alle Sendungen hinweg. Ein solches Preisfindungsverfahren würde also die Kosten der Sender und die Zahlungsbereitschaft der Rezipienten zur Deckung bringen. Das Prinzip wäre auch ohne Weiteres auf ganze Programme übertragbar. Die Folgen für die Programmgestaltung wären dabei
218
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
nicht gravierend. Zwar wäre das Verfahren in Abrufplattformen relativ leicht zu verwirklichen, da hier ohnehin schon individuelle Vertragsbeziehungen zwischen Sendern und Rezipienten bestehen. Doch die Umsetzung wäre auch in Verbindung mit traditionellen Übertragungswegen möglich. Denn in dem Szenario eines flächendeckenden Bezahlrundfunks verfügt jeder Rundfunkteilnehmer über einen Decoder; dessen Funktionsumfang könnte grundsätzlich auch ein solches Bewertungs- und Zahlungssystem beinhalten. Damit würde die Preisfindung vor der Ausstrahlung zu einem zentralen Instrument der Programmplanung. So sinnvoll dieses Modell erscheint, es hat auch seine Schattenseiten. Diese kommen insbesondere dann zum Tragen, wenn die erforderliche Publikumsgröße nicht erreicht wird. Denn die Her- und Bereitstellungskosten fallen für den Sender auch dann an, wenn sich kein Publikum findet, das groß und zahlungswillig genug ist, um diese Kosten zu refinanzieren. Darüber hinaus kann es bei der nach Sendung differenzierten Preisbildung durch das Publikum dazu kommen, dass eine Diskrepanz zwischen Planungs- und realer Größe des Publikums entsteht, wenn nämlich die erforderliche Gesamtzahlungsbereitschaft für eine Ausstrahlung erreicht wird, tatsächlich aber weniger Rezipienten als vorgesehen die Sendung nutzen. Dann liegen die Gesamteinnahmen des Senders für diese Sendung144 unter ihren Kosten. Daraus ergibt sich, dass der Preis für andere Angebote höher liegen muss als aus einer isolierten Betrachtung dieser Angebote folgen würde, um die Kosten für nicht refinanzierbare Angebote zu decken. Zudem wären bereits mit der Einführung eines solchen Preissetzungsmechanismus hohe Kosten verbunden. Auf Produzentenseite wären diese zwar noch überschaubar, weil sie zusammen mit der Einführung eines flächendeckenden Bezahlsystems oder einer Abrufplattform anfallen. Daher wären die alleine dem Preisfindungssystem zurechenbaren Kosten eher gering, da das System technisch nicht übermäßig anspruchsvoll ist. Für den Rezipienten hingegen würden die Transaktionskosten im Umfeld einer Rezeption gewaltig ansteigen. Denn Einzelpreise für Sendungen aus Interessenbekundungen der Rezipienten abzuleiten bedeutet zugleich die Abkehr von vorgefertigten Programmen. Da der Rezipient darüber hinaus bemüht ist, den Preis pro Sendung zu minimieren, muss er zusätzlich viel Zeit investieren, um in seinem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis weitere Zuhörer oder Zuschauer zu gewinnen – und das regelmäßig. Bereits dieser Aufwand wird in vielen Fällen Rundfunk für den Rezipienten so teuer machen, dass das Gesamtvolumen des Rundfunkmarktes erheblich schrumpfen wird.
144
Dieser errechnet sich aus: Anzahl der tatsächlichen Rezipienten x niedrigster angegebener Maximalpreis in dieser Gruppe.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
6.2.3.2.2
219
Differenzierungsmerkmal Programm
Gerade mit Blick auf die Kosten, die aus einem durchgängigen Bezahlrundfunk und einem differenzierten Preissystem für den Rezipienten entstehen, stellt sich die Frage, wofür genau der Rezipient bezahlt. Wenn im Rundfunk Stückpreise entstehen, was ist dann das „Stück“? Bisher wurde Preisdifferenzierung so verstanden, dass jede Sendung einen eigenen Preis haben kann. Das entspricht der Preisbildungspraxis in anderen Medienmärkten (Print, Musik) sowie in praktisch allen Konsumgütermärkten; auch im Bezahlrundfunk werden mit Zeitkarten seit kurzer Zeit entsprechende Versuche unternommen (PremiereFlex). Die Vor- und Nachteile dieser Preisreferenz im Rundfunk sind vorstehend erörtert worden. Das zweite Kriterium für eine Preisdifferenzierung ist ein ganzes Programm (pay-perchannel, vgl. Broß / Garbers 2006: 86; Woldt 2002: 535). Dieses Verfahren wird von den derzeitigen Anbietern von Bezahlrundfunk favorisiert: Der Rezipient bucht ein oder mehrere inhaltlich homogene Programme (Sparten) und kann innerhalb der Abonnement-Laufzeit beliebig viele Sendungen nutzen. Programme als Bezugsbasis für die Preisbildung heranzuziehen hat viele Vorteile: Die Anzahl der Produkte bleibt überschaubar, was die Transaktionskosten sowohl der Sender als auch der Rezipienten in Grenzen hält. Für homogene Programme spricht zudem, dass die Präferenzen der Rezipienten weitgehend stabil sind und einigen Einfluss auf die Rezeptionsentscheidung haben (vgl. Abschnitte 5.1.3 und 5.1.6). Doch die Abrechnung nach Programmen erlaubt es darüber hinaus auch, heterogene Elemente zu einem Programm zusammenzufassen. Der Nachteil an festen Preisen für ein ganzes Programm liegt darin, dass innerhalb des Programms wiederum nicht erkennbar ist, welche Anteile den größten Nutzen für den Rezipienten stiften. Allerdings würde sich dieses Problem minimieren, wenn es eine Vielzahl von verschiedenen Programmzusammenstellungen zur Auswahl gäbe. Dann nämlich wäre davon auszugehen, dass die einmalige Entscheidung für ein bestimmtes Angebot fundiert getroffen wird und dieses Programm insgesamt die größte Übereinstimmung mit den Interessen des Rezipienten liefert.
6.2.3.2.3
Differenzierungsmerkmal Nutzungszeit
Eine dritte mögliche Grundlage der Preisfestsetzung wäre die Nutzungszeit. Je länger jemand Radio hört oder fernsieht, desto mehr muss er bezahlen. Auch hier wäre neben einer minutengenauen Abrechnung eine Flatrate denkbar145. Da die Rezipienten für die Nutzung zah145
Die zur Zeit diskutierte Satellitengebühr entspräche einer nutzungszeitbezogenen Flatrate (vgl. zur Satellitengebühr Abschnitt 7.3.5).
220
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
len, würde auch unter diesen Bedingungen die Nutzungszeit insgesamt verringert; im Ausgleich wären die verbleibenden Rezeptionen voraussichtlich bewusster. Die Zahlungen würden dann entsprechend der Nutzungszeit der einzelnen Programme den Sendern zugute kommen. In Zusammenhang mit den sendungsbezogenen Nutzungszeiten lassen sich – wegen der erzwungenen höheren Wertschätzung von Rundfunk insgesamt – aus der Nutzung besser als bisher Aussagen über die Interessen der Rezipienten ableiten. Die diskutierten Inkongruenzen zwischen Interessen und Nutzung bleiben jedoch grundsätzlich bestehen, wenn auch in abgemilderter Form.
6.2.3.2.4
Differenzierungsmerkmal realisierter Nutzen
Optimal wäre daher eine Preisbildung auf der Grundlage des tatsächlich erzielten Nutzens aus einer Sendung. Das heißt, nach der Rezeption bewertet der Rezipient die Sendung und zahlt den Betrag, der ihm dafür angemessen erscheint. Potenziell zahlt also jeder Nutzer einen anderen Preis. Dieses Modell trägt der Tatsache Rechnung, dass eine Sendung aufgrund des Dienstleistungscharakters von Medienangeboten für verschiedene Rezipienten auch unterschiedlich großen Nutzen stiftet. Darüber hinaus würden mit diesem Modell Einkommensunterschiede als Faktor für variierende Zahlungsbereitschaften an Bedeutung verlieren. Denn jeder Preis würde die individuelle Wertschätzung, den Nutzen, der Sendung im Verhältnis zum Einkommen des Rezipienten darstellen. In diesem Szenario könnten tatsächlich die Zahlungen der Rezipienten als Ausdruck ihrer Interessen gelten; die Finanzströme entsprächen somit den Leistungsströmen. Allerdings dürfte dieses Preisbildungssystem im Rundfunk nicht umgesetzt werden können, da die Gefahr opportunistischen Verhaltens sehr groß wäre (moral hazard, vgl. Erlei / Leschke / Sauerland 2007: 112ff.). Da Nutzen eine individuelle Größe ist und die Zahlungen freiwillig erfolgen, würden alle Rezipienten davon profitieren, weniger zu zahlen als ihrem tatsächlichen Nutzen entspricht. Im Ergebnis wäre Rundfunk chronisch unterfinanziert.
6.2.3.3
Finanzierung von durchgängigem Bezahlrundfunk
Finanzierung ist auch das Hauptproblem aller Konzepte zur flächendeckenden Verbreitung von Bezahlrundfunk. Dieses zerfällt in zwei Teilaspekte. Erstens ist fraglich, ob unter den Bedingungen von Bezahlrundfunk noch ein so umfangreiches Gesamtprogramm Bestand hätte. Zweitens bedroht ein kostenpflichtiges Rundfunkangebot die soziale Gerechtigkeit und das Grundrecht der Informationsfreiheit.
6.2 Verstärkung des Einflusses von Rezipienteninteressen auf das Rundfunkangebot
221
Zum ersten Punkt: Als Bezahlrundfunk wäre Rundfunk erheblich teurer als bisher, und zwar nicht nur für die Rezipienten. Denn mit der Etablierung eines Abrechnungssystems sind, wie gezeigt, erhebliche Kosten verbunden. Für den Rezipienten wäre der Systemwechsel noch deutlicher spürbar. Für jede Viertelstunde unbedachter Entspannung vor dem Fernseher, für jede Minute Autoradio auf dem Weg zur und von der Arbeit würde er zur Kasse gebeten. Diese Kosten würden Sender wie Publikum nur tragen, wenn sie dadurch einen entsprechenden Nutzenzuwachs zu erwarten hätten. Für die Sender würde es sich lohnen, von der Werbeindustrie unabhängig zu werden. Zudem hätten sie (mehr oder weniger) bessere Informationen über die Interessen ihrer Zuhörer und Zuschauer. Die Rezipienten bekämen im Gegenzug ein interessanteres Programm. Die Frage, ob Rundfunk derzeit korrekt, zu hoch oder zu niedrig bewertet ist, konnte schon in Abschnitt 6.1.4 nicht abschließend geklärt werden. Jedoch könnte sich Bezahlrundfunk als Basisprinzip für den Rundfunk in Deutschland nur dann durchsetzen, wenn die Leistungen des Rundfunks unterbewertet wären. Denn nur in diesem Fall könnten die Sender von diesem grundlegenden Wechsel des Finanzierungsmodells dauerhaft profitieren. Zum zweiten Punkt: Ein Bezahlsystem beeinträchtigt die Gleichheit der Zugangschancen zu Rundfunk. Personen mit geringem Einkommen wären im freien Zugang zu Rundfunk beeinträchtigt – dieser jedoch ist grundgesetzlich geschützt. Daher dürfte ein flächendeckender Bezahlrundfunk die Rundfunkgebühr nicht tangieren. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk müsste weiterhin frei empfangbar bleiben. Diese kurze Skizze soll genügen, um deutlich zu machen: Kostenpflichtige Rundfunkangebote stellen eine sinnvolle Ergänzung zu frei empfangbaren Programmen dar. Insbesondere als Premium-Angebote mit homogenem Inhaltsprofil und ohne Werbeunterbrechungen finden sie ein zahlungswilliges und -fähiges Publikum. Als finanzielle Grundlage für das gesamte Rundfunksystem ist die Bezahlung von Inhalten durch das Publikum jedoch davon abhängig, ob und wie den Sendern der Umstieg von Werbefinanzierung zur Rezipientenfinanzierung gelingt. Denkbare Wege für diesen Übergang werden in den Abschnitten 6.3.1.2.3 und 6.3.2.2 erörtert.
222
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen In den Kapiteln 6.1 und 6.2 sind Möglichkeiten erörtert worden, wie die Stellung des Publikums im Rundfunkmarkt gestärkt werden kann. Diese Maßnahmen haben bzw. hätten unterschiedliche Auswirkungen auf den Rundfunkmarkt als Ganzes. In diesem Abschnitt soll also untersucht werden, welche Maßnahmen welche Defizite des Rundfunkmarktes lindern oder sogar heilen können. Darüber hinaus soll jeweils eine Abschätzung vorgenommen werden, wie stark diese Effekte sind. Daraus lässt sich ableiten, welche Maßnahmen Priorität erhalten sollten, wenn ihre Umsetzung ansteht (vgl. dazu Kapitel 7). Zu den Auswirkungen von Strukturveränderungen des Rundfunkmarktes auf dessen Funktionen liegen keine überzeugenden empirischen Daten vor. Das liegt daran, dass der Rundfunksektor in Deutschland historisch gewachsen ist und daher keine Vergleichsdaten mit anderen, alternativen Randbedingungen und Parametern verfügbar sind. Auch ein Vergleich mit Rundfunkmärkten in anderen Ländern kann nur bedingt Anhaltspunkte dafür liefern, welche Aspekte in der Abschätzung von Auswirkungen relevant sein könnten. Denn der Rundfunksektor ist durchgängig mehr oder weniger stark von der Entwicklung des politischen Gemeinwesens und dem kulturellen Anspruch an andere Medien beeinflusst (Pfadabhängigkeit, vgl. z.B. Jarren 2002), so dass Erkenntnisse aus anderen Ländern kaum auf den deutschen Markt übertragbar sind. Aus diesen Gründen können Maßstäbe zur Beurteilung der Effekte der hier vorgestellten Maßnahmen besser aus der Theorie gewonnen werden. Dabei liefert der Transaktionskostenansatz das begriffliche Instrumentarium für eine Analyse von Konsumentscheidungen im Rundfunkmarkt (vgl. insb. Abschnitt 2.1.2.1). Das Verhalten und die Verhaltensanreize der Sender ergeben sich, da es sich um überwiegend um ökonomisch ausgerichtete Organisationen handelt, aus den Strukturen und Transaktionsbedingungen des Rezeptionsmarkts. Eine überwiegend ökonomische Ausrichtung ist auch für öffentlich-rechtliche Anbieter zu attestieren. Zwar liegt bei diesen keine Gewinnerzielungsabsicht vor. Stattdessen handeln sie aber nach dem Minimalprinzip: Die inhaltlichen Ziele des Programmauftrags sollen mit einem Kostenminimum erreicht werden. Gleichzeitig werden verbleibende Ressourcen dazu verwendet, neue Geschäftsfelder zu erschließen und auszubauen. Hieraus ergibt sich dann steigender Finanzbedarf (vgl. zuletzt die Aufregung um die Digitalstrategie der ARD bei Hanfeld 2007; Verbeet 2007). Auch Suche, Entscheidungen und Rundfunknutzung der Rezipienten konnten als weitgehend von ökonomischen Kriterien geleitet erklärt werden (vgl. Abschnitte 4.2 und 5.1.6). Da somit die Akteure im Rezeptionsmarkt hauptsächlich als ökonomisch Handelnde auftreten, steht auch im Folgenden die Analyse der ökonomischen Konsequenzen im Vordergrund, die sich einstellen, wenn die Maßnahmen zur Stärkung der Rezipienten intensiviert oder überhaupt realisiert werden. Daneben soll aber auch schlaglichtartig beleuchtet wer-
6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen
223
den, welche publizistischen Implikationen die einzelnen Instrumente zur Publikumsstärkung haben bzw. hätten.
6.3.1 Ökonomische Auswirkungen für die Rezipienten Da Maßnahmen zur Stärkung der Rezipientenposition untersucht wurden, ist insgesamt zu erwarten, dass das Publikum von ihrer Einführung profitiert. Allerdings variieren die Auswirkungen sehr stark zwischen den einzelnen Maßnahmen. Darüber hinaus wirken sich Maßnahmen nicht gleich auf alle Rezipientengruppen aus. Und schließlich können manche der diskutierten Instrumente zwar das Publikum insgesamt stärken, aber jedem einzelnen Rezipienten zusätzliche Kosten aufbürden.
6.3.1.1
Effekte der Verbesserung individueller Rezeptionsentscheidungen
Zunächst soll ausgeführt werden, wie die Optionen wirken, die den einzelnen Rezipienten in die Lage versetzen, Sendungen und Programme auszuwählen, die seinen Interessen entsprechen (vgl. Kapitel 6.1). Diese Optionen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Die erste Gruppe bilden Maßnahmen, die die Erwartbarkeit von Sendungs- und Programmabläufen erhöhen. Hierzu gehören Formatbildung und Programmschemata. Die zweite Gruppe konstituiert sich aus Maßnahmen, die die Informationslage des Rezipienten über das Programmangebot verbessern. In diese Gruppe fallen Signaling, Programminformationen, Screening, soziale Orientierung sowie die Stiftung Medientest. Schon das Mengenverhältnis zwischen diesen Gruppen macht deutlich, dass ein vordringliches Problem für Zuhörer und Zuschauer darin besteht, über das Angebot und dessen Entwicklung auf dem Laufenden zu bleiben. Grund für diese hohe Bedeutung von Orientierungs- und Informationsmaßnahmen ist weniger die oft postulierte Qualitätsintransparenz von Rundfunkinhalten (vgl. Abschnitt 3.2.3), sondern der Umfang und die Heterogenität des Angebots. Wiedererkennbare Formate und relativ feste Programmplätze für bestimmte Sendungstypen (Gruppe 1) machen es dem Rezipienten leicht, Sendungen regelmäßig zu nutzen, von denen er bereits weiß, dass sie seinen Interessen entsprechen. Zwar bleibt anfänglich ein Orientierungsaufwand bestehen, der umso höher ist, je umfangreicher und je heterogener das Programmangebot ist. Mittel- und langfristig aber senken die Maßnahmen dieser Gruppe die Suchkosten der Rezipienten erheblich. Sie begünstigen so zudem habitualisierten Rundfunkkonsum. Dadurch ermöglichen sie auch erst die rentable Nutzung von low-involvement-
224
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Sendungen. Denn Angebote mit geringem Nutzenpotenzial können nur dann gezielt eingeschaltet werden, wenn bereits bekannt ist, was sie bieten; die Kosten, sie jeweils zu suchen und sich innerhalb dieser Sendungsklasse zu entscheiden, wären prohibitiv hoch. Ökonomisch sind feste Programmschemata und Formate daher auf jeden Fall lohnend. Denn sie erweitern den Markt, indem sie low-involvement-Rezeption erleichtern, und sie reduzieren Produktions- und Planungskosten der Sender. Jedoch steht der Suchkostenersparnis ein Malus in Form eines stärker homogenisierten Programms gegenüber. Aus einer publizistischen Perspektive ist die zunehmende Gleichförmigkeit innerhalb der einzelnen Programme und zwischen verschiedenen Programmen als enttäuschte Hoffnung auf Vielfalt zu werten. Indes stellt dies noch keinen Nachteil gegenüber früheren Situationen dar: Während unter dem rein öffentlich-rechtlichen Regime eben nur wenige Programme zur Verfügung standen, hat sich zwar bisher die gestiegene Anzahl nicht in einer deutlichen inhaltlichen und formalen Spreizung des Programms niedergeschlagen (vgl. Merten 1996; Schatz 1993). Wie gezeigt, geht jedoch die Kanalvermehrung der inhaltlichen Differenzierung voraus (vgl. Abschnitte 6.2.2 und 6.2.3). Es ist also zu erwarten, dass mit wachsendem Wettbewerbsdruck auch die Neigung der Sender zu Differenzierungsstrategien steigt, mit einem inhaltlich breiteren Programmspektrum als Folge. Gewohnheiten und zeitstabile Präferenzen sind ein wesentlicher Bestandteil der Orientierung über das Programm, insofern sie für mehr oder weniger große Programmteile situative Suche durch routinierte Nutzung ersetzen. Außerdem setzen sie Ressourcen der Rezipienten frei, die bei Bedarf dazu eingesetzt werden können, eine bestimmte Sendung ausfindig zu machen. Insofern haben die Maßnahmen der ersten Gruppe erst die Grundlage dafür geschaffen, dass Umfang und Breite des Gesamtangebots im Rundfunk sich so stark erweitern konnten. Das bedeutet aber auch, dass die Einsparungen bei den Suchkosten, die diesen Maßnahmen zu verdanken sind, durch die Ausweitung des Programms wieder aufgebraucht sind. Daher bleibt in einer Viel-Kanal-Umgebung die zweite Gruppe – Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsstands über das Programm – von zentraler Bedeutung. Eine weitere Ausdifferenzierung des Programms sowie die Ergänzung von Programmen durch kleinere Zusammenstellungen (z.B. Podcasts) und durch Abrufdienste erhöht den Orientierungsbedarf der Zuhörer und Zuschauer erneut massiv, so dass Maßnahmen, die Informationen und Orientierung über das Programm erhöhen, weiterhin eminent wichtig sind. Diese Maßnahmen wirken überwiegend gleichzeitig auf die Qualität einer Entscheidung, d.h. auf das Risiko von Fehlentscheidungen, und auf die Zeit des Entscheidungsvorgangs. Diese beiden Faktoren verhalten sich jedoch umgekehrt proportional zueinander: Je
6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen
225
geringer das Risiko einer Fehlentscheidung ausfallen soll, desto mehr Zeit muss der Rezipient in die Entscheidung investieren und umgekehrt. Aus diesem Grund weist die Wirkung der Maßnahmen aus Gruppe 2 keine einheitliche Richtung auf. Innerhalb dieser Gruppe haben jedoch diejenigen Maßnahmen für die Publikumsmitglieder einen eindeutigen nutzensteigernden Einfluss, die den Such- und Informationsprozess, der die Entscheidungsqualität verbessert, mit anderen Nutzenfunktionen verknüpfen. So ist z.B. das Gespräch mit Freunden über das Radio- und Fernsehprogramm in erster Linie ein Gespräch mit Freunden; es wird nicht als Aufwand zur Orientierung über das Programm angesehen (vgl. Abschnitt 6.1.3.4). Auch für Programminformationen konnte gezeigt werden, dass sie von der Ergänzung durch publizistische Beiträge profitieren (vgl. Abschnitt 6.1.3.2). Instrumente, die über die Risikosenkung der Rezeptionsentscheidung hinaus keinen zusätzlichen Nutzen stiften, sind nur dann erfolgreich und verbreitet, wenn sie selbst möglichst geringe Kosten verursachen. Das erklärt die große Bedeutung von Screening-Vorgängen zur Programmorientierung und, komplementär hierzu, die Wertschätzung der Sender für Marken und andere Signaling-Strategien. Informationsverbessernde Maßnahmen ohne Zusatznutzen sind insbesondere in Bezug auf solche Sendungen hilfreich, die keine hohe Aufmerksamkeit erfordern. Denn je höher das Nutzenpotenzial einer Sendung, desto höher ist das maximale noch rentable Aufmerksamkeitsniveau. Da die Such- und Informationskosten mit dem Nutzen aus der Sendung verrechnet werden, steigt also das Rentabilitätsniveau dieser Kosten mit dem Nutzenpotenzial einer Sendung. Daraus folgt, dass für Sendungen, die hohe Aufmerksamkeit belohnen, weniger informationsreduzierende oder -komprimierende Maßnahmen nötig sind. Eine Sonderstellung innerhalb der zweiten Maßnahmengruppe hat die Stiftung Medientest inne. Ihre publizistische Wirkung wäre sicherlich vorteilhaft: Sie könnte einen wichtigen Beitrag zu einer kontinuierlichen öffentlichen Auseinandersetzungen über Qualität(en) im Rundfunk leisten und damit auch die individuelle Ausbildung von Interessen und Präferenzen bereichern, indem sie ein breites Set an Beurteilungskriterien in den Diskurs einbringt. Hat ein Rezipient einmal ein für ihn valides Erkennungs- und Bewertungssystem entwickelt, reduzieren sich für ihn die Suchkosten, ohne dass dies zu Lasten der Entscheidungsqualität geht. Allerdings sind die Einmalkosten dieses Prozesses hoch, und ihnen steht für den einzelnen Rezipienten zunächst kein Nutzen gegenüber. Zudem müsste eine Stiftung Medientest sehr deutlich herausarbeiten, welchen Mehrwert die von ihr angebotenen Programminformationen und -bewertungen gegenüber den übrigen Instrumenten der zweiten Gruppe bieten. Da ihr Nutzen eher auf langfristige Sozialisationsprozesse als auf die situative Programmwahl gerichtet ist, wird er zudem schwer messbar. Aufgrund dieser Aspekte wäre es eine große Herausforderung, die Einrichtungs- und Unterhaltungskosten einer Stiftung Me-
226
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
dientest zu legitimieren. Wegen des individuell schwer erkennbaren Nutzens ist nicht davon auszugehen, dass das Publikum die Kosten einer Stiftung Medientest zu tragen bereit wäre – falls das Publikum selbst hierüber entscheiden würde.
6.3.1.2
Effekte der Maßnahmen zur Einflusssteigerung des Publikums
Nachdem die Auswirkungen der Maßnahmen für die Rezipienten diskutiert worden sind, die diese befähigen, Sendungen gemäß ihren Präferenzen auszuwählen, geht es nun um die Möglichkeiten zur Verstärkung des Einflusses, den die Publikumsinteressen auf das Rundfunkangebot haben (Kapitel 6.2). Von der Intensivierung der Kommunikation zwischen beiden Gruppen und neuen Bemessungsgrundlagen von Einschaltquoten (Abschnitt 6.2.1) bis zur tendenziellen Auflösung von Programmstrukturen durch Abrufdienste (Abschnitt 6.2.2) und der Durchsetzung von Bezahlrundfunk (Abschnitt 6.2.3) binden alle dargestellten Optionen Publikum und Sender enger aneinander.
6.3.1.2.1
Effekte intensiverer Kommunikation
Dabei wären die Maßnahmen zur Intensivierung der Kommunikation am wenigsten einschneidend: Das Verhältnis bleibt grundsätzlich unangetastet; nur die Sender wissen besser über ihre Publika Bescheid. Da dies somit in erster Linie einen Wert für die Sender hat (vgl. Abschnitt 6.3.2), sollten auch die Kosten zur Intensivierung und Differenzierung der Publikumsartikulation von den Sendern getragen werden. Indes steigen gerade auch für die Rezipienten die Kosten, wenn sie häufiger und ausführlicher über ihre Präferenzen, Entscheidungen und ihr Verhalten Auskunft geben (sollen). Die Bereitschaft, diesen Aufwand zu tragen, wird nur dann gegeben sein, wenn sich dies in einem Programm niederschlägt, das besser auf die Publikumsinteressen abgestimmt ist. Wenn Rezipienten merken, dass ihre Äußerungen sich auf Produktions- und Programmentscheidungen auswirken, steigert das ihre Bereitschaft zur Mitteilung ihrer Interessen erheblich. Darüber hinaus ist es für Haushalte, die sehr stark in den Informationsaustausch mit den Sendern eingebunden sind (z.B. GfK-Panelisten), unter Umständen erforderlich, finanzielle Anreize zu setzen, damit sich genügend (und zum Zweck der Repräsentativität die richtigen) Rezipienten finden, die bereit sind, regelmäßig an den Befragungen und Erhebungen teilzunehmen.
6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen
6.3.1.2.2
227
Effekte einer Abrufkultur
Auch eine Ausweitung von on-demand-Angeboten bedeutet zunächst eine Kostensteigerung für die Rezipienten. Selbst wenn Abrufangebote nicht kostenpflichtig sind, so bringen sie doch zwangsläufig steigende Suchkosten mit sich. Daraus folgt, dass Abrufdienste zunächst vor allem für Sendungen nützlich sind, die der Rezipient bereits aus dem regulären Programm kennt. Dann kann er von der zeitlichen Flexibilität der Nutzung profitieren. Das bedeutet, dass Abrufangebote in den nächsten Jahren ein Zusatzangebot zu den gewohnten Programmen sein werden, die sich auch inhaltlich aus diesen speisen. Die inhaltliche Differenzierung zwischen Programmen und Abrufplattformen erfolgt dann anfangs mit Sendungen, die eher kleine Publika erreichen. Diese Angebote werden kostenpflichtig sein. Diese Konstellation bietet tatsächlich eine Ausweitung des Programmangebots, die nicht auf der Reproduktion bestehender Formate gründet. Denn mit kostenpflichtigen Abrufangeboten können auch wenige, aber zahlungswillige Rezipienten erreicht werden, die in einer reinen Programmumgebung nicht zum Zuge kommen, da senderintern die Auseinandersetzung um Sendeplätze nicht zuletzt anhand der erreichbaren Publikumsgröße erfolgt. Kleine Publika mit einer durchschnittlich höheren Involviertheit sind auch die Hauptprofiteure anderer in den Kapiteln 6.1 und 6.2 diskutierten Optionen. Denn auch die Messung der Rezeptionsintensität (vgl. Abschnitt 6.2.1.2) führt zu einer Verschiebung der relativen Sendungsbewertung, die eben diesen Gruppen zugute kommt, da Sendungen, die hoch involvierte Publika ansprechen, auf dem Werbemarkt höhere Preise erzielen. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn weitere der angesprochenen Maßnahmen hinzutreten, etwa eine nutzungsabhängige Bezahlung von Sendungen.
6.3.1.2.3
Effekte von flächendeckendem Bezahlrundfunk
Eine Rundfunkordnung, die sich überwiegend auf Bezahlangebote stützt, wie in Abschnitt 6.2.3 skizziert, hätte die schwer wiegendsten Konsequenzen sowohl für Rezipienten als auch für die Sender. Für den einzelnen Rezipienten wäre auch diese Maßnahme mit zusätzlichen Kosten verbunden. Dabei sind zwei Ansätze denkbar: Die Sender können sich erstens an ihren derzeitigen Kosten (für Programme mit gemischtem Anspruchsprofil) orientieren. Sie suchen dann Wege, potentielle Ausfälle bei den Werbeeinnahmen auf anderem Wege (z.B. Satellitengebühr) auszugleichen. Zweitens können sie die Preiskalkulation auf Vorgaben aus dem Videomarkt und von Abrufplattformen stützen, wo high-involvement-Angebote gehandelt werden.
228
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
In der ersten Variante müssten die Sender die Einnahmen, die sie zur Zeit durch den Verkauf von Werbezeit erzielen, auf dem Rezeptionsmarkt erhalten146. Der Werbemarkt in Radio und Fernsehen hatte 2006 nach Abzug von Rabatten und Provisionen ein Volumen von rund 4,8 Milliarden Euro (vgl. ZAW 2007). Dieses Finanzvolumen finanziert zur Zeit den größten Teil der Ausgaben der privaten FTA-Sender und füllt zudem einen kleinen Teil der Budgets der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Würde diese Summe auf das Gesamtpublikum umgelegt (98 Prozent der Bevölkerung, d.h. 78,4 Millionen Menschen, vgl. Abschnitt 2.2.1.1), ergäben sich zusätzliche Kosten pro Bürger pro Monat von ca. fünf Euro. Es wäre also für die Rezipienten finanziell gut zu verkraften, das gegenwärtige Rundfunkprogramm bei einer Umstellung der Finanzierungsart aufrechtzuerhalten. In der zweiten Variante kommt man zu einem deutlich anderen Ergebnis. Legt man die aktuellen Preise für individuelle Film- und Seriennutzung durch DVDs und Abrufinhalte zugrunde147, so ist ein durchschnittlicher Nutzungspreis von ein bis zwei Euro pro Fernsehstunde realistisch. Für Hörbücher und Audio-Downloads gelten ähnliche Preise148. Bei einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von über sieben Stunden täglich für Radio und Fernsehen kämen damit auf die Rezipienten Gesamtkosten von 210 bis 420 Euro pro Monat für ihre Rundfunknutzung zu. Jedoch müssen von diesen Werten die derzeitigen Ausgaben für Abrufinhalte (CDs, DVDs, Downloads) abgezogen werden, da diese in dem Gesamtbudget des Rezipienten bereits enthalten sind; diese belaufen sich durchschnittlich auf ca. 40 Euro pro Monat149. Zudem sind Mengenrabatte zu berücksichtigen: Bei Premiere kostet ein Einzelabruf mindes146
Die Finanzierung der Bezahlanbieter und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ja bereits durch direkte Zahlungen bzw. die Rundfunkgebühr gewährleistet. 147 Aus dem BVV-Business-Report 2006/2007 ergibt sich ein Durchschnittspreis pro verliehenem Medienträger von 2,53 Euro im Jahr 2006 (vgl. BVV 2007: 1). Bei einer durchschnittlichen Filmlänge von 90 Minuten entspricht das einem Stundenpreis von 1,69 Euro. Berücksichtigt man eine längere Nutzungsdauer durch Bonusmaterial, sinkt der Preis pro Stunde entsprechend. 148 Hier ist die Preisspanne jedoch größer (vgl. etwa die verschiedenen Angebote auf audible.de, soforthoeren.de oder claudio.de). Dass sich die Durchschnittspreise für Audio- und AV-Angebote ähneln, ist insofern bemerkenswert, als Radio in der Produktion ebenso wie auf dem Werbemarkt das „billigere“ Medium ist. Das ist ein weiteres Indiz für die große Bedeutung von Interesse und Involvement. Wenn sich nämlich die Preise für Angebote, die der Rezipient selbst sucht und gezielt erwirbt oder ausleiht, nicht danach unterscheiden, ob es sich um rein akustische oder audio-visuelle Angebote handelt, legt das den Schluss nahe, dass die unterschiedliche Bewertung von Radio- und Fernsehmarkt das Resultat unterschiedlicher Nutzungsintensitäten ist. 149 Dieser Betrag ergibt sich aus dem Gesamtumsatz der Videobranche (1591 Millionen Euro im Jahr 2006), geteilt durch die Bevölkerungszahl. Hinzu kommen 1706 Millionen Euro für Tonträger, die sich ebenfalls auf 80 Millionen Einwohner verteilen (vgl. Bundesverband der phonographischen Wirtschaft 2007: 16). In diesen Zahlen sind jeweils sowohl Downloads als auch trägergebundene Medien enthalten.
6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen
229
tens zwei Euro, ein ganzer Tag ist bereits ab fünf Euro zu bekommen (vgl. www.premiere.de). Legt man diesen Tagessatz zugrunde und diskontiert die derzeitigen Ausgaben für Abrufinhalte, ergeben sich monatliche Kosten pro Person und Monat von 110 Euro im Durchschnitt150. Angesichts dieser sehr hohen Zusatzkosten würden die meisten Rezipienten ihren Rundfunkkonsum drastisch einschränken. Dies kommt wiederum Formaten zugute, die ein hoch involviertes Publikum ansprechen. Nach einer sehr kurzen Umstellungszeit würde demnach der Markt stark schrumpfen (vgl. Lange 2000: 147). Zugleich bleibt es ökonomisch lukrativ, Formate anzubieten, die unter diesen neuen Bedingungen noch ein Publikum finden. Daher dürften neue Anbieter in den Markt eintreten, bzw. bestehende Unternehmen werden neue Programme lancieren. Um die zurückgehenden Umsätze entbrennt daraufhin ein Preiskampf. Durch diesen zweiten Effekt würden wiederum die Preise für den Rezipienten sinken – ohne jedoch das niedrige Niveau der Werbezeit-Ära erreichen zu können. Aus Sicht der Rezipienten ist somit ein durchgängig kostenpflichtiges Programm dem derzeitigen System nicht vorzuziehen. Die IBM-Umfrage belegt, dass zwar rund die Hälfte der Bevölkerung Interesse an on-demand-Angeboten hat (vgl. Kaumanns / Siegenheim 2006: 627). Zugleich wären jedoch über 80% der Befragten nicht bereit, für diese Angebote zu zahlen (vgl. ebd.). Der größte Teil des Publikums nimmt also lieber Werbung und Angebote mit niedrigem Nutzenpotenzial in Kauf statt mehr Geld in ein Programm zu investieren, das besser auf seine Interessen zugeschnitten ist. Die beiden Modellrechnungen zur Preisfindung in einem flächendeckenden Bezahlrundfunk haben somit für den Rezipienten deutlich unterschiedliche Konsequenzen. Falls die Sender ihre Preise an den Einkünften aus dem Werbemarkt ausrichten, wäre – nach einer Gewöhnungsphase – ein relativ reibungsloser Übergang zum flächendeckenden Bezahlrundfunk zu erwarten, da der Rezipient – wie schon bei anderen Zugangskosten (Geräteanschaffung, Kabelgebühr etc.) – die Zusatzkosten nicht dem Programm zurechnet. Somit sind auch auf mittlere Sicht Preise denkbar, die eine vollständige Finanzierung auf Basis von Pay-per-channel-Kalkulationen ermöglichen. Das monatliche Budget für Rundfunk würde mittelfristig um ca. 5 Euro steigen. Falls hingegen die Sender die Preise auf dem Videomarkt als Orientierungspunkt wählen, kämen beträchtliche Mehrkosten auf den Rezipienten zu, in einer Größenordnung von 150
Auf die einzelnen Haushalte würden dabei sehr unterschiedliche Zusatzbelastungen zukommen, da sich das Umsatzvolumen der betroffenen Märkte nicht gleich auf die Bevölkerung verteilt. So werden beispielsweise 56 Prozent des Umsatzes in Videotheken von nur 13 Prozent der Kunden getätigt (vgl. BVV 2007: 13). Folglich hätten diejenigen Gruppen die höchsten zusätzlichen Kosten zu tragen, die zur Zeit intensiv Rundfunk nutzen, aber selten kostenpflichtige Angebote in Anspruch nehmen.
230
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
100 Euro und mehr pro Monat. Da diese Kosten kaum jemand zu tragen bereit wäre, wäre eine deutliche Schrumpfung des Marktes zu erwarten; low-involvement-Nutzungen und die entsprechenden Angebote würden nicht mehr bezahlt und folglich auch kaum noch produziert. Low-involvement-Angebote könnten dann noch durch user generated content bestehen bleiben. Heimvideosendungen wären in diesem Fall ein Vorbote für das zukünftige Fernsehprogramm.
6.3.2 Ökonomische Auswirkungen für die Sender 6.3.2.1
Effekte der Verbesserung individueller Rezeptionsentscheidungen
Bei der Betrachtung der Konsequenzen, die die vorgestellten Maßnahmen für die Sender hätten, zeigt sich, dass sich Sender und Publikum gleichermaßen recht gut im gegenwärtigen Rundfunksystem eingerichtet haben. Denn die Maßnahmen, die bereits Bestandteil des Rundfunkwesens sind, sind diejenigen, die das geringste Risiko für die Sender beinhalten und die zugleich gezielte Entscheidungen des Rezipienten innerhalb des Programms erst ermöglicht haben. Umgekehrt schrecken die Sender vor einer Weiterentwicklung des Rundfunks in Richtung der in Kapitel 6.2 erörterten Optionen zurück, weil die damit verbundenen Kosten hoch sind und die Effekte nicht zwangsläufig günstig für die Anbieter. Das erklärt auch, warum die Maßnahmen aus Kapitel 6.1 – mit Ausnahme der Stiftung Medientest (dazu unten mehr) – bereits verwirklicht sind: Sender oder, im Falle von Screening und sozialer Orientierung, Sender und Rezipienten haben ein starkes Eigeninteresse an diesen Maßnahmen. Dabei sind die Haupttreiber der bisherigen Entwicklung in struktureller und formaler Hinsicht die privaten Anbieter. Dies erklärt sich aus dem Erlöspotenzial der Maßnahmen: Da die öffentlich-rechtlichen Anbieter das Gros ihrer Einnahmen aus der Rundfunkgebühr erzielen, legen sie im Laufe der Produktion eher Maßstäbe an die Sendung an, die aus deren Inhalt gewonnen werden, falls nicht ohnehin die Grundsätze der Programmgestaltung durchschlagen. Im Unterschied dazu steht bei Privatsendern von Anfang an die Vermarktbarkeit im Mittelpunkt. Daher werden dort Aspekte wie die Einbettung in einen Programmverlauf, formale Wiedererkennbarkeit, Anschlussfähigkeit zwischen den Sendungen, die eine durchgängige Rezeption des Programms erleichtern, stärker gewichtet als von öffentlich-rechtlichen Anbietern. Leichte Orientierung und Programmbindung – die Effekte der in Kapitel 6.1 beschriebenen Maßnahmen zielen auf eine Maximierung des Publikums zu möglichst allen Tageszeiten. Denn je größer der eigene Marktanteil, desto höher sind die Preise, die zu dieser Zeit für Werbung erzielt werden können. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, dass die Maßnahmen für das Publikum durchaus ambivalent sind: Sie erleichtern zwar das Auffinden der relativ
6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen
231
besten Sendung im Gesamtangebot, aber sie stimmen das Angebot nicht besser auf die Interessen des Publikums ab. Dementsprechend sind Signaling, Formatierung und Programmierung für öffentlichrechtliche Anbieter auch mehr Publikumsorientierung, während Privatsender hoffen, mit diesen Maßnahmen Publikumslenkung betreiben zu können. Folglich sind diese Instrumente für öffentlich-rechtliche Sender auch weniger wichtig. Der Werbemarkt trägt nur zu einem kleinen Teil zu ihrer Finanzierung bei, und für die Legitimation von Programmen im Zuge der Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks spielen Formate und feste Programmabläufe kaum eine Rolle. Daher fühlt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk diesen Instrumenten auch weniger verpflichtet. So betonen etwa die Kultursender NDR Kultur und das rbb-kulturradio in der Auseinandersetzung um die künftige Ausrichtung ihrer Programme gerade ihre – öffentlich-rechtlich geschützte – Unabhängigkeit von Formaten (vgl. www.dasganzewerk.de). Im Verbund der Maßnahmen, die dem Rezipienten die interessenadäquate Programmwahl erleichtern, nimmt die Stiftung Medientest eine Sonderrolle ein. Einerseits könnten die Sender ihre Einrichtung begrüßen, wäre sie doch ein Signal für die gesellschaftliche Bedeutung von Rundfunk insgesamt. Zudem würden – wie in Abschnitt 6.1.2.3.4 gezeigt – die Kosten zur Errichtung und Unterhaltung einer Stiftung Medientest wahrscheinlich nicht von den Rundfunkanbietern getragen werden. Andererseits würde die Stiftung Medientest Einfluss auf die Programmgestaltung gewinnen, wenn auch nur mittelbar. Aber so wie die Urteile der Stiftung Warentest nicht nur Verkaufsargument sind, sondern auch den Absatz der bewerteten Produkte empfindlich beeinträchtigen können, könnte eine kritische Einschätzung der Stiftung Medientest über Wohl und Wehe eines Rundfunkformats entscheiden. Auch ohne Einfluss auf die Kostenund Erlösstruktur würde die Stiftung Medientest also auf das Verhalten der Sender einwirken können. Wegen ihres Einflusses auf den Programmerfolg und die Programmgestaltung würde die Stiftung Medientest wohl auf keine große Zustimmung bei den privaten Sendern stoßen. Die öffentlich-rechtlichen Anbieter würden hingegen ihre Einrichtung begrüßen, da ihre Funktionen gut mit dem Programmauftrag korrespondieren würden und die öffentlichrechtlichen Sender selbst im Falle von negativen Einzelbewertungen ihres Programms durch die Stiftung Medientest keine Konsequenzen für ihren Handlungsspielraum oder ihre Finanzierung zu befürchten hätten.
232
6.3.2.2
6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Effekte der Maßnahmen zur Einflusssteigerung des Publikums
Es wurde schon bei den publikumsseitigen Effekten angesprochen: Die Möglichkeiten zur Stärkung der Wirkung von Rezipientenhandeln auf das Rundfunkangebot greifen wesentlich tiefer in die Marktstruktur ein als die Maßnahmen aus Kapitel 6.1 Allein das begründet bereits eine gewisse Zurückhaltung der Anbieter. Entsprechend können in den meisten der in Kapitel 6.2 angesprochenen Feldern Aktivitäten beobachtet werden, die jedoch bisher auf keinem Gebiet flächendeckend wirksam geworden sind.
6.3.2.2.1
Effekte intensiverer Kommunikation
Paradebeispiel hierfür ist die Marktforschung. Der Nutzen von Marktforschung liegt für die Anbieter klar auf der Hand: Sie reduziert das Risiko bei Formatentwicklungen und liefert Erkenntnisse über Publikumsverhalten und -wünsche, die für die Werbeindustrie und bei Format-Neuentwicklungen wertvoll sind. Es ist jedoch in der Regel schwer abzuschätzen, ob die Ergebnisse von Marktstudien zuverlässige Vorhersagen über das tatsächliche Publikumsverhalten treffen. Insofern kann das Risiko von Innovationen zwar durch Marktforschung reduziert, aber nicht ausgeschaltet werden. Zudem werden die Studienergebnisse naturgemäß umso zuverlässiger, je näher der Test an die reale Ausstrahlung heranreicht. Das heißt, zum Beispiel, dass bloße Konzepte wesentlich ungenauere und weniger belastbare Ergebnisse liefern als der Test eines Pilotfilms. Da jedoch die Kosten mit dem Fortschreiten der Formatentwicklung steigen, entsteht ein Trade-off zwischen der Qualität und den Kosten der Prognose. Da des Weiteren die Zuverlässigkeit einer Vorhersage erst sehr kurz vor einer tatsächlich möglichen Ausstrahlung für die Sender zufriedenstellend ist, kann in den meisten Fällen eine Studie gleich ganz entfallen – bei der Ausstrahlung meint man ja, anhand der Quoten ablesen zu können, ob die Sendung dem Publikum gefallen hat. Daher wird Marktforschung zum Zwecke der Formatentwicklung nur bei sehr aufwändigen Formaten betrieben. Direktes Publikumsfeedback ist für die Sender nur schwer in einer Kosten-NutzenGegenüberstellung zu erfassen. Der Nutzen liegt bei interaktiven Sendungen in einer qualitativen Aufwertung der Sendung. Dabei sind jedoch die Person und die Aussagen der beteiligten Zuhörer oder Zuschauer meist nebensächlich; interaktive Sendungen erreichen ihr Ziel bereits, wenn dem Gesamtpublikum Interaktion präsentiert werden kann. Daneben ist Publikumsfeedback grundsätzlich innovationsfördernd: Durch Sichtweisen und Ansprüche, die innerhalb der Senderorganisationen nicht präsent sind, können Ideen und Anstöße für Veränderungen gewonnen werden. Darüber hinaus, also insbesondere mit
6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen
233
Blick auf die Frage, was „das Publikum“ will, kann Rezipientenfeedback erst dann eine Rolle spielen, wenn Repräsentativität hergestellt werden kann. Dafür wäre es erforderlich, bei jedem Rezipientenkontakt mehr zusätzliche Daten (u.a. Soziodemographie) zu erheben, die Datensets zu sammeln und zu systematisieren, damit ein Abgleich möglich wird, welches Datensample für welches Publikum als repräsentativ angesehen werden kann. Ist das erreicht, lohnt sich die detaillierte Auswertung von direktem Feedback mit hoher Wahrscheinlichkeit, da sie hierdurch genauer über Publikumsinteressen informiert sind und auch Veränderungen von Publikumspräferenzen früher wahrnehmen. Aus Sicht der Sender wäre die systematische Auswertung ein zusätzliches mächtiges Marktforschungsinstrument, das jedoch nur einen Bruchteil der Kosten für konventionelle Marktforschung beanspruchen würde, da der Erhebungsaufwand deutlich geringer als dort ist. Eine Ergänzung der Nutzungsforschung um qualitative Dimensionen der Nutzung, insbesondere die Erhebung der Rezipientenaufmerksamkeit, hätte aus Sicht der Rundfunkanbieter keine Konsequenzen, die eine klare Richtung aufweisen. Zunächst werden alle Sender einer solchen Idee skeptisch gegenüberstehen, da die Einrichtung und der Betrieb eines entsprechenden Messinstrumentariums erhebliche zusätzliche Kosten verursachen würde. Darüber hinaus würden auch die variablen Auswertungskosten aufgrund der größeren Datenmenge steigen. Diese Kosten würde die GfK voraussichtlich an die Fernsehsender weitergeben, die sie im gleichen Verhältnis wie derzeit unter sich aufteilen würden. Da also die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) letztlich die zusätzlichen Kosten tragen würde, ist auch dort die Entscheidung bezüglich einer permanenten qualitativen Ergänzung der Nutzungsmessung zu erwarten. Entscheidend für die Beurteilung einer Aufmerksamkeitsmessung durch die AGF ist daher die Frage, welchen Nutzen eine derart ausgeweitete Nutzungsforschung verspricht. Wie in Abschnitt 6.2.1.2.1 dargestellt, würde die Messung der Zuschaueraufmerksamkeit in einer Aufwertung von Sendungen mit hohem Nutzenpotenzial und umgekehrt einer Abwertung von Inhalten resultieren, deren Potenzial auch durch Nebenbeirezeption ausgeschöpft werden kann. Es ist also zu erwarten, dass die Bereitschaft zur Ergänzung der GfKForschung bei den Sendern umso größer ist, je höher der Anteil anspruchsvoller Sendungen an ihrem Programm ist. Tendenziell dürften demnach die öffentlich-rechtlichen Sender die Einführung einer Aufmerksamkeitsmessung befürworten, während private Anbieter eher eine ablehnende Haltung einnehmen würden. Hinzu kommt, dass nicht abzusehen ist, in welchem Verhältnis das alte Bewertungssystem (Reichweite) zu einem neuen (Reichweite x Nutzungsintensität) steht. Wenn die durchschnittliche Bewertung besser ausfiele als bisher, würden alle Anbieter von der Einführung profitieren, da sie Preiserhöhungen auf dem Werbemarkt durchsetzen könnten. Umgekehrt
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
ist jedoch auch eine durchschnittliche Abwertung denkbar; in diesem Fall müssten die Anbieter zusätzlich zu den höheren Messungskosten auch noch Verluste auf dem Werbemarkt verkraften. Die Position der Privatsender hängt jedoch auch von den Entwicklungen in Kontextmärkten ab (z.B. Telekommunikation, Computerspiele). Es könnte sich zeigen, dass diese Märkte entweder das Marktvolumen im Rundfunk unter Druck setzen oder dass Anbieter auf diesen Märkten in den Rundfunkmarkt zu expandieren versuchen. In diesem Szenario sind etablierte Anbieter im Vorteil, weil Inhalte umso mehr zum Engpass werden, je größer das Gesamtangebot ist (vgl. Bauder 2002: 103f.). Unter diesen Umständen wäre es daher erfolgversprechend, die Währung auf dem Rundfunkmarkt zu stärken, was durch die Aufmerksamkeitsmessung gelingen würde. Es ist somit unklar, wie sich die Privatveranstalter zu diesem Thema äußern würden. Im Radiosektor wäre demgegenüber die Einführung regelmäßiger qualitativer Nutzungsforschung unproblematischer, da lediglich die Befragung für die Media-Analyse um einige Aspekte ergänzt werden müsste. Die Kostensteigerung wäre, auch bei Berücksichtigung des steigenden Auswertungsaufwands, überschaubar. Allerdings beeinträchtigen die Defizite der Befragung als Instrument der Nutzungsforschung auch weiterhin die Ergebnisse: Die Verlässlichkeit der Ergebnisse ist wegen Erinnerungsschwächen und der Stichtagsbefragung ungewiss; zudem birgt die Operationalisierung von Aufmerksamkeit auf abfragbare Indikatoren einige Probleme (vgl. Abschnitt 6.2.1.2.3). Trotzdem wäre die Erhebung der Aufmerksamkeitsintensität für die Radionutzung einfacher und damit kostengünstiger als im Fernsehen.
6.3.2.2.2
Effekte einer Abrufkultur
Hinsichtlich der Ausweitung von Abrufangeboten sieht die Zwischenbilanz der Sender durchaus positiv aus. Obwohl Aufbau und Betreuung entsprechender Online-Plattformen ebenfalls kostenintensiv sind, stehen diesen Kosten klare Nutzenkategorien gegenüber: Die Publikumsbindung wird erhöht, und die Zuhörer und Zuschauer können auf vorhandene Programmelemente zu einem beliebigen Zeitpunkt zugreifen, was die Reichweite der Sendungen erhöht. Darüber hinaus sind Online-Ergänzungen zum regulären Rundfunkprogramm ein ideales Forum, um Formate zu testen und bewerten zu lassen. Hier können Abrufhäufigkeiten, Kommentare in Foren etc. detailliert erfasst und ausgewertet werden. Dadurch können in Produktion und Einkauf Ressourcen besser mit Blick auf die Interessen der Publika eingesetzt werden (vgl. Aschentrup / Schneider / Klimmt 2005). Schließlich erweitern Abrufdienste das Marktvolumen für auditive und audiovisuelle Medien. Zum einen erlauben sie die Verbreitung von Inhalten, die für die Ausstrahlung im
6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen
235
Rundfunkprogramm nicht hinreichend massentauglich sind. Davon profitieren insbesondere low-budget-Produktionen und user generated content, da diese Beiträge aufgrund ihrer niedrigen Produktionskosten eine geringere Rentabilitätsschwelle aufweisen. Zum anderen steigern sie das Marktvolumen im Premium-Segment, da über individualisierte Kontakte auch hochwertige Angebote zu entsprechenden Preisen vertrieben werden können. Diese Perspektiven sorgen dafür, dass Abrufdienste für die Sender eine sinnvolle Erweiterung ihres Angebots darstellen. Verlockend ist insbesondere, dass „lediglich“ ein neuer Vertriebsweg erschlossen werden muss; die Inhalte liegen zumeist bereits vor. Haben sich erst einmal feste Nutzerschichten gebildet, die eher über Online-Angebote als über einen Verteildienst erreicht werden können, so werden für jeden Vertriebsweg auch unterschiedliche Inhalte angeboten werden. Das erschließt über eine differenzierte Preispolitik weitere Einkünfte für die Sender.
6.3.2.2.3
Effekte von flächendeckendem Bezahlrundfunk
Weniger eindeutig fällt die Bewertung von Bezahlrundfunk durch die Sender aus. Auf der einen Seite ist die Refinanzierung des Programms durch die Rezipienten das ideale Finanzierungskonzept für die Anbieter. Denn die direkte Beziehung zum Rezipienten entlässt sie aus der Abhängigkeit vom Werbemarkt und dem damit verbundenen Kompromisszwang, der sich in den Eigenschaften von Kuppelprodukten äußert (vgl. Abschnitt 3.2.1). Des Weiteren würde eine Ausweitung von Bezahlinhalten Kapital aus dem Werbemarkt in den Rezipientenmarkt umlenken und so dessen Volumen und damit auch die Profitabilität für die Sender erhöhen. Denn die Einbeziehung des Werbemarktes bedeutet Verluste für die Sender: Die beteiligten Intermediäre (Werbe- und Media-Agenturen) beanspruchen einen Teil des Marktumsatzes für sich; zudem können die Werbetreibenden Preisabschläge durchsetzen als Ausgleich für das Risiko unklarer Werbewirkungen (man könnte sagen, die „Währung“ Einschaltquote sei instabil). Dadurch entgeht den Sendern ein Teil der Erträge, die im Rezeptionsmarkt erzielt werden. Auf der anderen Seite würde durch die Ausschaltung der Intermediäre und die Herstellung einer unmittelbaren reziproken Transaktionsbeziehung zwischen Sendern und Rezipienten der Wettbewerb im Rezeptionsmarkt erheblich an Schärfe zunehmen. Zunächst würde nutzungsabhängige Bezahlung den Quotendruck massiv erhöhen. Formate für kleine Publika würden schnell in Abrufplattformen abgedrängt oder ganz eingestellt. Das verschärft das Problem der Meritorik, da die direkte Transaktion die Funktionalität indirekter Ausgleichsmechanismen, wie sie in Abschnitt 6.1.4.3 diskutiert wurden, einschränkt. Die Ver-
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
einfachung der Transaktionen durch Wegfall eines Transaktionspartners (Werbewirtschaft) senkt zudem die Markteintrittsbarrieren, so dass Marktzutritte wahrscheinlicher werden. Zudem ist unklar, wie sich der Rezeptionsmarkt insgesamt entwickeln würde. Wählen die Sender den Einstieg in den flächendeckenden Bezahlrundfunk mit einer geringen Pauschale, deren Höhe an die derzeitigen Werbeeinnahmen angepasst ist (vgl. erste Variante in Abschnitt 6.3.1.2.3), bliebe das Marktvolumen voraussichtlich weitgehend unverändert. Verfolgen die Sender hingegen eine Preispolitik, die sich am Videomarkt und an Abrufinhalten orientiert (vgl. zweite Variante in Abschnitt 6.3.1.2.3), würde die durchschnittliche Nutzungsdauer schnell und stark zurückgehen, so dass das Marktvolumen schrumpft. Die Vorteile, die durch die Ausschaltung der Akteure der Werbe- und Mediabranche entstünden, würden durch diesen Effekt wieder aufgebraucht. Um die Rezeptionsdauer nicht zu beeinträchtigen, ziehen daher die Anbieter den Einstieg in Bezahlrundfunk über Pauschaltarife vor. Diese erhöhen das Einkommen und reduzieren die Abhängigkeit vom Werbemarkt, ohne das Rezeptionsverhalten wesentlich zu beeinflussen. Als einziger Nachteil für die Sender bleibt in dieser Konstellation das steigende Risiko neuer Marktzutritte bestehen; aber zumindest im Fernsehmarkt sind aufgrund der Produktionskosten die Zutrittsbarrieren unvermindert hoch. Parallel hierzu ergibt sich jedoch im Zusammenspiel mit Abrufangeboten eine weitere Entwicklungsrichtung: So hat sich Premiere dazu veranlasst gesehen, zusätzlich zu kompletten Programmen auch Zeitkontingente für eine flexible Nutzung zu verkaufen (vgl. Premiere o.J.). Dies darf als Reaktion auf Abrufdienste gelten, bei denen für die Nutzung einzelner Sendungen bezahlt wird. Gerade für Premium-Inhalte dürften, aufgrund hoher Gesamtkosten und hoher Selektivität der Rezipienten, Pauschal-Angebote auf Dauer unterliegen und zeit- oder sendungsabhängigen Tarifen Platz machen. Bei low-involvement-Inhalten setzen sich hingegen eher Flatrates durch, da dort die Zahlungsbereitschaft der Rezipienten ohnehin gering ist.
6.3.3 Publizistische Auswirkungen:Veränderungen in der Angebotsstruktur Die bereits realisierten Maßnahmen, die interessengemäße Rezeptionsentscheidungen der Rundfunknutzer ermöglichen (vgl. Kapitel 6.1), haben gegenläufige Effekte. Auf der einen Seite hat die verbesserte Fähigkeit zur Beurteilung des Angebots die Zielgerichtetheit der Rezeption erhöht. Damit ging eine reduzierte Toleranz von Sendungen einher, die nicht den eigenen Interessen entsprechen. Das heißt, diese Maßnahmen hatten steigende Ansprüche des Publikums zur Folge.
6.3 Ökonomische und publizistische Auswirkungen
237
Auf der anderen Seite wurde dieser Zuwachs an Rezipientensouveränität durch die Homogenisierung des Programms erkauft, da erst durch die Schaffung von Kontinuitäten im Programm (Formate, Programmschemata) die Suchkosten weit genug gesunken sind, damit der Rezipient überhaupt anhand eines großen Programmausschnitts seine Entscheidungen treffen kann. Die höheren Ansprüche des Publikums wurden also durch ihre schlechtere Erfüllung konterkariert. Die Stiftung Medientest würde diese divergierenden Tendenzen nicht signifikant beeinflussen. Die von ihr ausgehenden Impulse würden ebenfalls in der Präzisierung und Steigerung der Ansprüche resultieren – doch das Programm wird dadurch zunächst nicht besser. Daher ist es umso wichtiger, die Wirkung der Publikumsinteressen auf die Programmentwicklung zu verstärken, damit mit den Ansprüchen des Publikums auch das Programmangebot korrespondiert. Die Maßnahmen zur Bildung von engeren Beziehungen zwischen Anbietern und Rezipienten im Rundfunk erweisen sich insgesamt als Differenzierungsmotor, da sich Teilpublika stärker als solche artikulieren können, so dass spezifische Angebote gezielt für diese Gruppen entwickelt werden können. Zudem wird durch ergänzende Abrufdienste die Gatekeeper-Funktion der Programmverantwortlichen bedroht; Ergebnis ist ein breiteres Angebot, das eine bessere Versorgung auch heterogener Gruppen ermöglicht. Dabei ist die Eigentümerstruktur der Rundfunksender nebensächlich. So hat die Konzentrationsforschung gezeigt, dass ökonomischer Wettbewerb und publizistische Vielfalt nur schwach gekoppelt sind (vgl. Heinrich 2001: 105, Knoche 1997, Kantzenbach 1988, Neumann 1988): Ein oligo- oder polypolistischer Markt ist kein Garant für publizistische Vielfalt; umgekehrt hat auch ein Monopolist Anreize, verschiedene Publika mit verschiedenen Programmen anzusprechen, um unterschiedliche Marktsegmente auszuschöpfen Die Position des Publikums zu stärken wird auch bedeuten, anspruchsvolle Angebote (relativ) aufzuwerten. Denn das unterschiedliche Nutzenpotenzial verschiedener Sendungen wird durch diese Maßnahmen offenbar. Während aus Konstellationen mit geringer Qualitätstransparenz bzw. qualitätsindifferenten Rezipientenentscheidungen eine qualitative Abwärtsspirale resultiert (adverse Selektion, vgl. Kiefer 2005: 312; Fritsch / Wein / Ewers 2003: 280-282), entwickelt sich aus einem engen Transaktionsverhältnis zwischen Sendern und Rezipienten eine Aufwärtsspirale: Die Sender stellen sich immer besser auf ihr Publikum ein und werden dafür mit höheren Zahlungen (ob in Aufmerksamkeit oder in Geld) belohnt. Allerdings sind die publizistischen Effekte der diskutierten Maßnahmen zur Publikumsstärkung nicht notwendig positiv. Denn es ist durchaus möglich, dass Rundfunksendungen zur Zeit ökonomisch überbewertet sind. Ein unmittelbares Transaktionsverhältnis zwischen Sender und Rezipient würde diese Überbewertung korrigieren. Dann wären die Resultate Verflachung, Mainstreaming, Vielfaltsrückgang und eine Stärkung werblicher Interessen (vgl. Abschnitt 6.2.1.2). Umgekehrt ist jedoch bei einer Unterbewertung der publizistischen
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6 Optionen zur Stärkung der Rezipientenposition im Rundfunk
Leistungen auch eine Aufwertung hochwertiger Inhalte denkbar, eine echte inhaltliche Spreizung des Angebots. Die Entwicklungsrichtung der Rundfunkangebote hängt davon ab, wie gut die Interessen des Publikums derzeit getroffen werden. Diese Unsicherheit legt es nahe, zuerst die verschiedenen Dimensionen der Kommunikation (Marktforschung, direktes Feedback, Nutzungsforschung) zwischen Anbietern und Publikum über das Angebot zu stärken. Die damit verbundenen Kosten sind hinnehmbar, weil durch intensivere Metakommunikation der Übergang zu direkten Transaktionen besser vorsehbar wird. Es käme also zu einer Vorjustierung des Marktes vor der Implementierung der übrigen Maßnahmen. Das senkt das Risiko der Anbieter erheblich. Die Kosten für die Instrumente der Metakommunikation sind also eine Investition zur Risikosenkung. Darüber hinaus würde mit einem direkten Transaktionsverhältnis zwischen Sender und Rezipient die Integrationsfunktion des Rundfunks (vgl. Jäckel 1999: 13f.; Holtz-Bacha / Peiser 1999: 41f.) nachlassen, da mit der Stärkung unmittelbarer Kontakte zwischen Sender und Rezipient sowohl das Gesamtangebot als Referenzgröße Bedeutung einbüßt als auch der Austausch der Rezipienten mit wachsendem und heterogenerem Angebot schwieriger und seltener wird. Im Gegenzug etablieren sich vergleichsweise starke Bindungen zwischen Sendern bzw. Programmen und bestimmten Teilpublika – innerhalb dieser Gruppen übt das Programm durchaus weiterhin integrative Funktionen aus. Schließlich ist zu bedenken, dass externe Effekte der Sender-Rezipienten-Interaktion umso weniger berücksichtigt werden, je mehr die Interessen der Parteien in ihrem Binnenverhältnis ausgeglichen werden. Denn eine engere Bindung der Sender an ihr Publikum (und umgekehrt) scheint zu implizieren, dass innerhalb dieses Verhältnisses alle relevanten Faktoren ausgehandelt werden können. Folglich gerät die kulturstiftende Funktion von Rundfunk unter Druck; die Bereitstellung meritorischer Güter ist stärker gefährdet als bisher. Um diese Konsequenzen auszugleichen, wären flankierende Maßnahmen nötig (vgl. Kapitel 7).
7 Institutionelle Umsetzung: Media Governance
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7 Institutionelle Umsetzung: Media Governance
Im vorangegangenen Kapitel sind Optionen zur Stärkung der Publikumsposition im Rundfunk diskutiert worden. Außerdem wurden Anreize erörtert, die Sendern und / oder Rezipienten zur Verfügung stehen, diese Optionen Wirklichkeit werden zu lassen. In Abschnitt 6.3.3 wurde der ökonomische Bezugsrahmen um publizistische Aspekte erweitert: Eine Intensivierung des Transaktionsverhältnisses zwischen Sendern und Publikum kann auf Effektivität und Effizienz von Rundfunk als Markt positive, zugleich aber auf die publizistische Funktionalität des Rundfunks negative Auswirkungen haben. Das bedeutet, dass die jeweils individuellen Motivlagen ökonomisch handelnder Akteure alleine nicht unbedingt ausreichen, um einen publizistisch wirksamen Rundfunk zu schaffen oder zu erhalten. Darüber hinaus wird schon die Erreichung ökonomischer Ziele durch hohe Investitionsrisiken gehemmt. Es ergeben sich also zwei Problemlagen, die in einer rein ökonomischen Betrachtung nicht zu lösen sind. Erstens: Leistungssteigerungen des Marktes durch eine Stärkung des Publikums sind möglich, werden aber wegen hoher Kosten und Risiken einzelner Akteure (in Verbindung mit der oligopolistischen Marktstruktur und hohen Markteintrittsbarrieren) nicht realisiert. Zweitens: Selbst ein vollkommen effizienter Rundfunkmarkt genügt nicht per se anderen gesellschaftlichen Ansprüchen, insbesondere publizistischen Anforderungen und den politischen Aufgaben des Rundfunks (Informations- und Forumsfunktion). Während also im vorherigen Kapitel dargelegt worden ist, welche Änderungen im institutionellen Arrangement des Rundfunks dessen Leistung steigern können, soll in diesem abschließenden Kapitel diskutiert werden, auf welchem Weg diese Änderungen herbeigeführt werden könnten.
7.1 Governance: Begriff und Konzepte Bevor die Veränderungsprozesse im Medienmarkt beschrieben und wahrscheinliche Pfade bestimmt werden können, ist ein kurzer Überblick über die allgemeinen Ansätze der Governance-Forschung erforderlich. Nach einer Begriffsklärung (Abschnitt 7.1.1) werden Veränderungen im Governance-Typus bzw. im Zusammenspiel verschiedener GovernanceTypen anhand ihrer jeweiligen Endpunkte dargestellt (Abschnitt 7.2.1). Anschließend wird
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7 Institutionelle Umsetzung: Media Governance
erörtert, wie diese Veränderungen herbeigeführt werden können (Abschnitt 7.2.2). Dann können diese Konzepte auf den Mediensektor angewendet werden (Abschnitt 7.3).
7.1.1 Governance-Begriff Für die Bezeichnung der institutionellen Gestaltung kollektiver Handlungszusammenhänge erfreut sich seit einiger Zeit der Governance-Begriff wachsender Beliebtheit. „Governance bedeutet Steuern und Koordinieren (oder auch Regieren) mit dem Ziel des Managements von Interdependenzen zwischen (in der Regel kollektiven) Akteuren“ (Benz 2004: 25). Im Unterschied zum Regieren, d.h. dem Steuerungshandeln des Staates, bezieht der Governance-Begriff somit zusätzliche Akteure ebenso ein wie zusätzliche Steuerungsarten. „Governance meint dann das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte: von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregelung über verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handeln staatlicher Akteure“ (Mayntz 2004: 66). Damit trägt die Governance-Forschung Veränderungen im Verhältnis von Staat und Gesellschaft Rechnung. Die Entwicklung der Regierungsforschung zur GovernanceForschung speist sich im Wesentlichen aus zwei Quellen: Zum einen kommen den nationalstaatlichen Regierungen durch Globalisierungsprozesse ihre Steuerungsobjekte zusehends abhanden (Beck 2002: 347), und in ihrer Rolle als Steuerungssubjekte konkurrieren sie mit supra- und transnationalen Organisationen und Gremien. Zum anderen gerät der Glaube an die Steuerbarkeit gesellschaftlicher Teilsysteme durch gesetzliche und rechtliche Vorgaben selbst ins Wanken (vgl. Lütz 2006: 27-31; Dose 2003: 39-41; Braun 1993; Schimank 1992; Rosewitz / Schimank 1988). Die zunehmend komplexe oder gar diffuse Einflussnahme der Politik auf gesellschaftliche Teilsysteme hat die Grundlage dafür geschaffen, dass die Governance-Forschung den einstmals streng politikwissenschaftlichen Rahmen verlassen hat. So hat insbesondere die Wirtschaftswissenschaft unter dem Label der „Corporate Governance“ Ansätze entwickelt, wie Unternehmen ihre inneren Angelegenheiten sowohl mit Blick auf die organisationalen Ziele als auch in Abstimmung mit den Ansprüchen verschiedener Gruppen aus der Umwelt des Unternehmens regeln können (vgl. Kleinsteuber 2006: 192; Lütz 2006: 18). Die wirtschaftswissenschaftliche Governance-Forschung hat indes den GovernanceBegriff nicht nur aus der Politikwissenschaft entlehnt. Ein weiterer Forschungszweig befeuert die wirtschaftswissenschaftliche Beschäftigung mit Governance-Fragen, nämlich die Institutionenökonomik (vgl. Abschnitt 2.1.2). Diese Betrachtungsweise erweitert den normativen Rahmen zur Beurteilung alternativer institutioneller Settings um ökonomische Zieldimensionen: Auf Dauer gestellte Institutionen führen zur Senkung der Kosten individueller
7.1 Governance: Begriff und Konzepte
241
Transaktionen (vgl. Donges 2007: 19; Richter / Furubotn 2003: 8; Kubon-Gilke 1997; Williamson 1990: 81ff.). Demnach lassen sich verschiedene Governance-Typen danach bewerten, in welchem Ausmaß sie jede einzelne Inter- oder Transaktion verbilligen und welche Kosten im Gegenzug für ihre Errichtung und Aufrechterhaltung anfallen (vgl. Richter / Furubotn 2003: 39). „Damit ändert sich das Bild des Marktes von einem anonymen Tauschmechanismus hin zu einem in Institutionen und Regeln eingebetteten System, das nicht zuletzt auf der Fixierung von Eigentumsrechten basiert, aber auch auf Regeln, die faire Tauschverhältnisse schaffen.“ (Lütz 2006: 14; vgl. Lütz / Czada 2000: 15-22). Doch nicht nur der Markt beruht auf politisch gesetzten Regeln, auch die Politik ist auf die Leistungen und die Wirkungsweisen des Marktes angewiesen. So können beispielsweise Veränderungsprozesse in der Verwaltung, die unter dem Stichwort des New Public Management geläufig sind, als Akkomodationen des politischen Systems in Reaktion auf die Durchdringung von Gesellschaft mit ökonomischen Maßstäben gesehen werden. Es lässt sich also beobachten, dass die „Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte“ (Mayntz) zunehmend variantenreich werden, da sie erstens auf verschiedenen Ebenen ansetzen (Staat, Unternehmen, zivilgesellschaftliche Organisationen), zweitens sich verschiedener Mechanismen bedienen, um eine auf Dauer gestellte Ordnung der betreffenden Sachverhalte zu erreichen und drittens Steuerungssubjekte und -objekte in vielfältigen, teils direkten, teils indirekten Beziehungen zueinander stehen, so dass Wirkungsrichtungen einzelner Maßnahmen zunehmend schwer bestimmbar werden.
7.1.2 Media Governance Die zuvor dargestellten Veränderungen regulatorischen Handelns manifestieren sich auch im Medienbereich. Insofern bezeichnet Media Governance als Konjunkturbegriff in erster Linie Veränderungen des Forschungsgegenstandes (vgl. Donges 2007: 14f.), denen der Governance-Begriff in manchen Aspekten besser Rechnung tragen kann als Steuerungs- und Regulierungstheorie (vgl. ebd., 17f. m.w.H. sowie Donges 2007a). Für den Medienmarkt sieht Patrick Donges daher vier Bereiche, in denen Media Governance-Ansätze zusätzliche Erklärungen anbieten kann: 1. „sich wandelnde und neue Akteurskonstellationen“ (Donges 2007: 14), 2. „neue institutionelle Arrangements und Regelungsstrukturen (ebd.), 3. „verwischende […] Grenzziehungen wie etwa zwischen […] öffentlich und privat“ (ebd.: 15) sowie 4. „sich wandelnde oder neu zu entwickelnde Legitimationskonzepte“ (ebd.).
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7 Institutionelle Umsetzung: Media Governance
Zu 1.: Unter den Veränderungen der Akteurskonstellationen wird zum einen das Hinzutreten neuer Anbieter von Technologien, Diensten und Inhalten verstanden, die den Wettbewerb um die Gunst von Zuhörern und Zuschauern erheblich verschärfen – und auch die Marktabgrenzung deutlich erschweren. Zum anderen liegt hinsichtlich der Akteurskonfiguration ein besonderes Augenmerk auf der Einbeziehung der Zivilgesellschaft in Media Governance. Dies kann durch bestehende Organisationen der Zivilgesellschaft ebenso geschehen wie durch neue Akteure, etwa Repräsentanten von Publikumsinteressen (vgl. Kleinsteuber 2007: 63; Trappel 2007: 263; Pfaff 2007: 147; Theis-Berglmair 1998: 155). Zu 2.: Der Wandel im Institutionengefüge kann als zentraler Auslöser für Erweiterungen der Steuerungs- und Regulierungstheorie um Governance-Gesichtspunkte im Medienbereich angesehen werden. Technische, rechtliche und ökonomische Entwicklungen haben in dieser Hinsicht die Grundlage für radikale institutionelle Veränderungen im Mediensektor gelegt. So hat die zusätzliche Nutzung von Satelliten und Kabeln zur Übertragung von Rundfunksignalen die Frequenzknappheit als Argument für die Beschränkung der Anbieterzahl infrage gestellt. Die Digitalisierung verstärkt die Effekte dieser Entwicklungen erneut, indem Übertragungswege effizienter genutzt werden können, so dass sich im selben Frequenzband mehr Kanäle unterbringen lassen. Zudem hat die Digitalisierung wesentlichen Anteil an den „verwischenden Grenzziehungen“ (Punkt 3, s.u.), da sie verschiedene Inhalte und unterschiedliche Übertragungswege gleichermaßen harmonisiert, d.h. ineinander überführbar macht. In unmittelbarer Folge dieser Entwicklungen haben sich die institutionellen Parameter für Rundfunk grundlegend verändert. So hat die Liberalisierung des Rundfunkmarkts das Hinzutreten privater, kommerziell orientierter Anbieter ermöglicht. Dies wiederum hat das Volumen des Werbemarktes drastisch erhöht und damit auch erhebliche Auswirkungen auf Bedeutung und Funktionen von Werbung und werblicher Kommunikation in der Gesellschaft insgesamt entfaltet. Des Weiteren hat die Kompatibilität von Inhalten und Übertragungswegen Medien in wachsendem Maße als übergreifenden Sektor erscheinen lassen, so dass Akteure Interaktionen und Interdependenzen zwischen Radio und Fernsehen, zu Printund Online-Medien sowie zu Telekommunikationsdiensten zunehmend zur Richtschnur ihres Handelns machen151. Damit bleibt auch in einer an Institutionen orientierten Sichtweise der Einfluss der Akteure unübersehbar – mit den möglichen Konflikten: So zeigt Henk Erik Meier auf, „dass die Verschiebung von Governance-Regimen nicht zwingend funktional und damit normativ gerechtfertigt erscheint, sondern sich auch aus Verschiebungen der Akteurskonstellation, d.h. Interessens- und Machtkonstellationen heraus ergeben.“ (Donges 2007: 14 mit Bezug auf Meier 2007: 225-227). 151
Dies wiederum legt die Forderung nach einer sektorübergreifenden Regulierung nahe, vgl. Jarren 1999.
7.1 Governance: Begriff und Konzepte
243
Insbesondere die Frage, ob es sich bei Rundfunk um eine in erster Linie wirtschaftliche oder kulturelle Veranstaltung handelt, wird längst nicht mehr sachlogisch diskutiert. Da die jeweiligen Meinungspole mit den Interessenlagen bestimmter Akteure oder Akteursgruppen kongruent sind, gestaltet sich diese Diskussion inzwischen v.a. als Machtauseinandersetzung (vgl. Abschnitt 7.3). Zu 3.: Der Nenner, auf den sich die Medienentwicklung des frühen 21. Jahrhunderts bringen lässt, ist Crossover: Die Unterschiede zwischen redaktionellen und werblichen Medieninhalten werden durch neue Werbeformen, Product Placement, PR-Journalismus, etc. verwischt (vgl. Baerns / Feldschow 2004; Fuchs 2004: 166-170); Genrebezeichnungen beinhalten überwiegend zwei und mehr Bestandteile (Infomercial, Edutainment, Doku-Soap, …); Rundfunk ist nicht mehr an bestimmte Übertragungswege oder Empfangsgeräte gebunden; Mediennutzung vermischt sich mehr und mehr mit Kommunikation (Stichworte sind etwa Blogs und Bürgerjournalismus, vgl. Kopp / Schönhagen 2007; Stöckl / Grau / Hess 2006; Klumpp 2006: 104; Stegers 2006), was letztlich die Differenz zwischen öffentlichem und privatem Raum fraglich werden lässt. Auch der Großteil dieser Diversifizierungen und Hybridisierungen ist technisch bedingt, spiegelt aber zugleich die Absorption technischer Möglichkeiten durch soziale Handlungsrepertoires wider. In diesem Kontext ist Media Governance als Weiterentwicklung von Mediensteuerung gefordert, neue Abgrenzungsmerkmale zu benennen, die die Unterscheidbarkeit von Medien und anderen Regulierungsfeldern sicherstellen (vgl. Donges 2007: 23f.). Und auch innerhalb des Mediensektors sind die Regulierungssubjekte mit neuer Arbeit konfrontiert: Die Instrumente der Medienregulierung sind durchgängig daraufhin zu prüfen, ob sie in einem durchmischten und hybriden Medienumfeld noch anwendbar sind und ob ihre Anwendung noch nachvollziehbar ist. Falls nicht, droht eine willkürliche Medienregulierung und der Verlust der Rechtssicherheit in diesem Gebiet. Zugleich mit den Instrumenten der Medienregulierung stehen ihre Ziele auf dem Prüfstand: Gerade die Konvergenz von Medien und Kommunikation macht die Konkurrenz zwischen den Zielen der Selbstbestimmung bzw. der Nutzer- und Nutzungsautonomie auf der einen Seite und Verfassungs-, Jugendund Verbraucherschutz auf der anderen Seite umso deutlicher. Zu 4.: Mit der wachsenden Durchlässigkeit zwischen vormals getrennten Märkten, der Etablierung neuer Akteure und der zunehmenden Verflechtung von Handlungsmustern in allen Phasen der Wertschöpfung und des Medienhandelns muss sich auch Regulierung insgesamt anders legitimieren als bisher. So konkurrieren seit der Öffnung des Rundfunkmarkts für private Anbieter der Markt und eine Kombination aus staatlicher und Selbstregulierung als Governance-Regime, eine Konkurrenz, die durch die Ansätze der Europäischen Union im Bereich Rundfunkregulierung (Fernsehrichtlinie) noch verstärkt wird. Das Verhältnis zwi-
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schen diesen Regimen steht insbesondere durch den Markteintritt von Akteuren aus stärker liberalisierten Märkten (insbesondere Telekommunikation) erneut zur Disposition. Die Legitimation (rein) staatlicher Regulierung gerät also immer weiter unter Druck (vgl. Donges 2007: 15; Haas / Wallner 2007: 127; Schulz 2006: 172ff.). Zugleich können beispielsweise Selbstregulierungsmodelle nicht ohne Weiteres die gleichen Leistungen erbringen; insbesondere die schwache Sanktionswirkung und die Gewährleistung demokratischer Verfahren stellen hier Probleme dar (vgl. Schulz / Held 2007: 91 u. 100; Just / Latzer / Saurwein 2007: 109; Haas / Wallner 2007: 135f.; Schulz 2006). Während also traditionelle Regulierungsformen überdacht werden müssen, nehmen die Regulierungsaufgaben aufgrund der übrigen drei Veränderungslinien weiter zu. So erstreckt sich Rundfunkregulierung inzwischen grundsätzlich auch ins Internet, wie etwa die Festlegung zeigt, dass Computer, die über einen Internetanschluss verfügen, als „neuartige Rundfunkempfangsgeräte“ eingestuft werden und daher gebührenpflichtig sind (vgl. GEZ 2007). Auch die Diskussion um Suchmaschinen im Internet (vgl. Schulz / Held / Laudien 2005; Machill / Welp 2003), kann als Ausfluss rundfunkregulatorischer Themen betrachtet werden.
7.2 Wandel von Governance-Struktur und -bedingungen 7.2.1 Formen institutionellenWandels Nicht nur die konkreten institutionellen Settings in bestimmten Bereichen der Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt weisen zahlreiche Varianten auf, sondern – und das ist für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung – auch die Veränderung dieser Settings kann in verschiedenen Bahnen ablaufen. In diesem Abschnitt soll eine Klassifikation des institutionellen Wandels herangezogen werden, die es ermöglicht, verschiedene Endpunkte von Veränderungsprozessen zu unterscheiden. Im Abschnitt 7.3 ist dann zu klären, wie die Organisationen und Institutionen im Medienmarkt zusammenwirken können, um die in Kapitel 6 diskutierten Maßnahmen umzusetzen. Allgemein lassen sich zwei Klassen in der Veränderung institutioneller Gefüge unterscheiden: 1. Bestehende Institutionen verändern sich oder 2. neue Institutionen werden geschaffen und werden in das Gesamtgefüge integriert. Dabei ist die erste Klasse institutionellen Wandels tendenziell eine Reaktion von Organisation auf wahrgenommene Veränderungen in ihrer Umwelt, wobei die Initiative zur Veränderung von der Organisation selbst ausgeht. Obwohl sie sich selbst als von externen Konstellationen getrieben betrachtet, bleibt sie Herr über Art, Richtung und Ausmaß ihrer institutionellen Anpassungen. Demgegenüber vollzieht sich die Schaffung neuer Institutionen meist tatsächlich aufgrund exogenen Drucks:
7.2 Wandel von Governance-Struktur und -bedingungen
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Organisationen, die Macht auf den betreffenden Sektor ausüben können, veranlassen institutionelle Veränderungen. Sie greifen dabei entweder unmittelbar in die Struktur von Organisationen ein oder, durch die Schaffung neuer Organisationen, in deren Zusammenspiel. Zur ersten Veränderungsklasse – dem Wandel bestehender Institutionen – gehören Konversion, Drift und Exhaustion (vgl. Lütz 2006: 46f.). Unter Konversion wird die Umwidmung von Institutionen verstanden, d.h. sie verfolgen neue Ziele, behalten aber ihre Struktur bei. Drift ist demgegenüber ein weniger planvoller Prozess: Institutionen verändern sich ungerichtet und graduell, so dass der Prozess erst nach einiger Zeit überhaupt als Veränderung wahrnehmbar wird. Innerhalb von Organisationen ist die Konversion an Top-DownEntscheidungen gebunden, die die Veränderung organisationsweit zumindest bekannt und für die unmittelbar betroffenen Abteilungen und Stellen auch verbindlich machen. Demgegenüber ist Drift ein offenerer Prozess: Innerhalb einer Organisation kann er verschiedene Ausgangspunkte haben, die Wirkungsrichtung kristallisiert sich erst durch die Verknüpfung vieler Interaktionen heraus. Da Drift nicht an explizierte Ziele gebunden ist, kann sie außerdem auch ohne den strukturierenden Rahmen einer Organisation stattfinden. So lässt sich z.B. das zunehmende Werbevermeidungsverhalten durch Umschalten als institutionelle Drift charakterisieren. Der letzte Typ institutionellen Wandels der ersten Klasse ist die Exhaustion. Darunter ist die Auflösung von Institutionen zu verstehen (vgl. Lütz 2006: 47). Analog zur Unterscheidung zwischen Drift- und Konversionsprozessen können auch Exhaustions-Vorgänge in gesteuerte und emergente Vorgänge unterteilt werden. Gesteuerte Exhaustion erfolgt in der Regel im Zusammenhang mit weiteren Formen institutionellen Wandels, während emergente Exhaustion analog zur institutionellen Drift eine sukzessive Umverteilung von Funktionen auf andere Institutionen oder das Entfallen von Regeln beschreibt. Die zweite Klasse institutioneller Veränderungen beinhaltet alle Prozesse, bei denen neue Institutionen geschaffen werden. Hier sind Displacement und Layering zu unterscheiden (vgl. Lütz 2006: 46). Als Displacement wird der Vorgang bezeichnet, in dessen Verlauf alte Institutionen durch neue ersetzt werden. So kann etwa die Einführung eines staatsfernen Rundfunks durch die Besatzungsmächte nach dem zweiten Weltkrieg als Displacement der nationalsozialistischen Reichsrundfunkgesellschaft beschrieben werden. Displacement geht mit einem weit reichenden Systemwechsel einher: Da Institutionen, wie auch eine Governance-Architektur insgesamt, ein eigenständiges Beharrungsvermögen entwickeln und ihre Veränderung dadurch bestimmten Pfaden folgt (vgl. Donges 2007: 19), lösen neue Institutionen alte nur dann ab, wenn die bestehenden Institutionen erforderliche Veränderungen nicht vollständig,
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nicht schnell genug oder gar nicht vollziehen können. Displacement ist somit in der Regel das Resultat relativ plötzlich auftretenden starken Veränderungsdrucks. Demgegenüber ist Layering eine sanftere Form institutionellen Wandels (vgl. Lütz 2006: 46). Hier werden alte und neue Institutionen miteinander gekoppelt. Das Verhältnis zwischen alten und neuen Institutionen kann zuvor durch Akteure festgelegt sein oder aber sich durch ihre Anwendung einspielen. Insofern ist Layering die flexibelste Variante institutionellen Wandels: Sie erlaubt einerseits weit reichende Veränderungen, die Organisationen aufgrund ihres Beharrungsvermögens – das mit ihrer Größe wächst – nicht durchzuführen imstande sind. Andererseits gewährleistet die Kopplung an bestehende Institutionen auch die Akzeptanz neuer Einrichtungen sowie deren feste Integration in das umfassende institutionelle Setting. Die fünf Arten institutionellen Wandels sind zum Teil eng miteinander verbunden. So bewirkt ein Drift oft eine anschließende Konversion; diese Abfolge beschreibt etwa organisatorischen Wandel, der von Mitarbeitern getragen wird. Displacement geht fast zwangsläufig mit Exhaustions-Vorgängen einher. Die Kopplung von alten und neuen Institutionen in Layering-Prozessen löst in der Regel Drift oder Konversion bestehender Institutionen aus.
7.2.2 Akteure als Initiatoren institutionellenWandels Die Governance-Perspektive wird zumeist in der Nähe institutionalistischer Ansätze angesiedelt (vgl. Schuppert 2007: 25; Lange/Schimank 2004: 24). Aus diesem Grund eignet sich diese Sichtweise auch sehr gut für die Beschreibung von institutionellen Veränderungen im Mediensektor, wie sie in Kapitel 6 dargestellt wurden. Auch erklärt sich hieraus die vorgängige Darstellung verschiedener Formen institutionellen Wandels, die für die anschließende Analyse der Vorgänge im Mediensektor maßgeblich sind (vgl. Abschnitt 7.3) Gleichwohl wird in den Darstellungen zu Governance-Strukturen und -prozessen immer wieder eingefordert, die Rolle von Akteuren nicht zu vernachlässigen (vgl. Donges 2007: 19f.; Schulz / Held 2007: 85f.). „Die tendenzielle Unterbelichtung der Akteursebene [zugunsten der Institutionen] kann […] zum Problem werden, wenn die Entstehung und vor allen Dingen der Wandel von Governance-Strukturen in den Blick genommen werden soll.“ (Lütz 2006: 14) Insbesondere bei der (Aus)Gestaltung von Institutionen hebt Lütz den Handlungsspielraum von Akteuren hervor, d.h. der Blick auf die Dynamik eines Governance-Regimes legt es nahe, sich mit eben diesen Handlungsspielräumen zu beschäftigen und zu fragen, welche Motive Akteure antreiben, welche Ziele sie verfolgen und welchen Restriktionen sie in ihren Handlungen unterworfen sind.
7.3 Einflüsse und Motive der Akteure im Rundfunkmarkt für eine Stärkung der Publikumsposition
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Lange und Schimank haben dieses Wechselverhältnis von Handlungen und Institutionen in der Unterscheidung von Governance-Regime und Governance-Mechanismen zum Ausdruck gebracht (2004: 23). Dabei bezeichnet Governance-Regime die institutionelle(n) Ordnung(en), die Handeln und Präferenzen der Akteure präfigurieren. GovernanceMechanismen sind umgekehrt diejenigen Prozesse, durch die das Handeln der Akteure bestehende Governance-Regime verändern kann (vgl. ebd. sowie Nieland / Schatz / Weichert 2007: 362). Die Frage, wie die Position des Publikums im Rundfunk gestärkt werden kann, zielt in einem ersten Schritt auf Veränderungen des institutionellen Rahmens für den Rundfunk. Diese Veränderungen sind in Kapitel 6 dargestellt worden; aus Sicht der GovernanceForschung wurden diese Entwicklungen in den vorherigen Abschnitten (7.1.1 und 7.1.2) in einen weiteren Kontext eingeordnet. Im zweiten Schritt ist dann zu fragen, welche Akteure welche Anreize haben, um diese Veränderungen herbeizuführen und auf welchen Wegen dies vollzogen werden kann. Grundsätzlich identifizieren Lange und Schimank drei Governance-Mechanismen, die den Akteuren zu Gebote stehen, um Einfluss auf das jeweilige Governance-Regime zu nehmen: Beobachtung, Beeinflussung und Verhandlung (2004: 19-22). Diese unterscheiden sich in erster Linie hinsichtlich der Machtbeziehungen zu anderen Akteuren: Unter Beeinflussung wird die Veränderung von Institutionen durch Weisung innerhalb einer hierarchischen Organisation verstanden. Verhandlungen kennzeichnen die Regelgestaltung in Beziehungen ohne klares Über- und Unterordnungsverhältnis. Beobachtung ist schließlich ein Governance-Mechanismus, der Wirkungen nur innerhalb einer Organisation entfaltet; hier wird die Beobachtung zum Ausgangspunkt für organisationsinterne Veränderungsprozesse (die ihrerseits durch Beeinflussung durchgesetzt werden), die als selbst-gesteuerte Anpassung an externe Anforderungen betrachtet werden können. Beispielsweise geht die Einrichtung von Gremien der Freiwilligen Selbstkontrolle auf Beobachtung der Politik durch die Rundfunkveranstalter zurück; dadurch kamen sie regulatorischen Handlungen der Gesetzgeber insbesondere im Bereich des Jugendschutzes zuvor.
7.3 Einflüsse und Motive der Akteure im Rundfunkmarkt für eine Stärkung der Publikumsposition Die vorangegangenen Ausführungen haben erstens gezeigt, welche Faktoren für die weitere Entwicklung des Mediensektors maßgeblich sind (Abschnitt 7.1.2), zweitens, welche Richtungen diese Entwicklung grundsätzlich nehmen kann (Abschnitt 7.2.1) und drittens, welche allgemeinen Mechanismen eingesetzt werden, um diese Entwicklung zu steuern (Abschnitt 7.2.2). Nun sollen diese Aspekte unter der Fragestellung zusammengeführt werden,
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wie die Artikulations- und Einflussmöglichkeiten des Publikums auf die Rundfunkprogramme gestärkt und vermehrt werden können. Das heißt, es ist zu prüfen, wie die maßgeblichen Akteure mit ihren jeweiligen Interessen und Handlungsrestriktionen vorgehen könnten, um das Publikum zu stärken.
7.3.1 Legislative In der politischen Arena stehen sich in der Regulierung des Fernsehsektors idealtypisch Landesgesetzgeber und Europäische Union gegenüber: Je mehr Rundfunk als Markt betrachtet wird, desto größer wird die Gestaltungsbefugnis der EU auf diesem Gebiet – und in gleichem Maße nimmt der Einfluss der Länder ab (vgl. Dörr 2007; Holtz-Bacha 2007: 113; Heinrich 2002: 107-114)152. Daher ist den Bundesländern primär daran gelegen, die kulturelle Dimension von Rundfunk herauszustellen, um ihre Regelungskompetenz zu erhalten. Dieser Antagonismus von Bundesländern und Europäischer Union sorgt dafür, dass diese in unterschiedlicher Art und Weise im Interesse des Publikums handeln können. Die Gesetzgeber auf Landesebene fungieren als Anwalt publizistischer Ziele, d.h. sie setzen sich vor allem für inhaltliche und programmatische Vielfalt ein. Die Kontrolle wirtschaftlicher Konzentration bleibt den publizistischen Zielen untergeordnet, was auch ein Aspekt zur Erklärung der Schwächen der Konzentrationskontrolle im Medienbereich ist (vgl. Meier / Trappel 2007: 198ff.). Die Europäische Union hingegen, und hier im Besonderen die Europäische Kommission, betrachtet den Mediensektor als in erster Linie wirtschaftlich organisiert (Holtz-Bacha 2007: 113; Kleist 2006: 148f.). Folglich hat für sie auch die Gleichung Vielzahl (der Programme) bedeutet Vielfalt (der Inhalte und Meinungen) höhere Gültigkeit als für die nationalen Gesetzgeber. Aus Sicht der EU fallen daher Maßnahmen der Vielfaltssicherung mit Instrumenten der Wettbewerbs- und Kartellpolitik zusammen; diese werden durch Aspekte des Verbraucherschutzes ergänzt. Für das Publikum tragen weder die Länder noch die Europäische Kommission unmittelbar Sorge. Zwar verfolgt die Länderpolitik ausgewogene publizistische Ziele. So weit sie diese erreicht, können damit auch Marktdefizite (Rest-Meritorik, vgl. Abschnitt 6.1.4.4) kompensiert werden. Jedoch besteht prinzipiell die Gefahr, dass sich diese Ziele im Prozess ihrer Verwirklichung verselbständigen. So können sie zum einen im politischen Geschehen durch Verhandlungen überformt und dadurch ihrer Konsistenz oder ihres Anspruchsniveaus (teilweise) beraubt werden. Zum anderen entsprechen auch publizistische Ziele nicht unbe152
Dabei konzentriert sich die EU auf die audiovisuellen Medien. Radioregulierung ist in der Union von marginaler Bedeutung (vgl. Heinrich 2002: 197).
7.3 Einflüsse und Motive der Akteure im Rundfunkmarkt für eine Stärkung der Publikumsposition
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dingt den Ansprüchen des Publikums (vgl. Abschnitte 4.2.3, 4.3.2). Es besteht die Gefahr, dass Politik, die im Namen der Bürger handelt, die Interessen der Bürger verfehlt. Daraus folgt, dass die Ländergesetzgeber zwar Möglichkeiten hätten, die Position des Publikums im Rundfunk zu stärken und so dessen marktliche Funktionen zu unterstützen, dass sie jedoch diese Möglichkeiten wegen der geringen Bedeutung des Politikfeldes sowie der verschiedenen interferierenden Interessen (Standortpolitik, Parteipositionierung, Machterhalt im Verhältnis zu Bund und Europäischer Union) nicht aus eigenem Antrieb ausschöpfen werden. Die Europäische Kommission unterliegt als supranationales Exekutivorgan in wesentlich geringerem Umfang parteipolitischen Bedingungen, und das Ressortprinzip ermöglicht auch eine höhere interne Homogenität der Positionen. Allerdings müssen diese Positionen ebenfalls in den politischen Prozess eingespeist werden, um auf nationaler Ebene wirksam zu werden – und dabei müssen v.a. die innereuropäischen Differenzen verhandelt werden. Folglich wird auch bei einer Diskussion auf europäischer Ebene die Frage nach der Rolle des Publikums schnell von Systemdebatten (Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Bedeutung von Bezahlrundfunk, Finanzierungswege, Aufsichtsgremien) verdrängt. Indes ist hervorzuheben, dass ein Diskurs auf dieser Ebene gerade die Berücksichtigung neuer Akteure und Akteurskonstellationen zulässt, während sich auf nationaler Ebene die Pfadabhängigkeit der bisherigen Regulierung stärker auswirkt. So ist z.B. die European Association for the Viewers’ Interests ein von der Europäischen Kommission gefördertes Projekt (vgl. EAVI 2007). An diesem Beispiel zeigt sich ein plausibler Entwicklungspfad hin zu einer Stärkung des Publikums: Die EU-Kommission fördert weitere Einzel-Initiativen und Forschungsprojekte zur Bedeutung des Publikums für den Rundfunkmarkt. Die Ergebnisse dieser Projekte wirken sowohl auf die Ebene nationaler Regulierung als auch auf die wirtschaftlichen Akteure. Dabei ist der Governance-Modus das Beobachten der Produzenten und Sender sowie der Länderparlamente – es bedarf keiner Beeinflussungs- oder Verhandlungsprozesse. Vor allem die Beobachtungen der Sender werden die Entwicklung des Marktes voranbringen: Weiterführende Forschung zur Rolle des Publikums im Rundfunk (die auch von anderen politischen Akteuren und / oder von Wissenschaftsorganisationen finanziert werden kann) reduziert die Ungewissheit der Sender, welche Effekte sich bei einer stärkeren Bindung an die Interessen des Publikums ergeben. Diese Ungewissheit ist auch der Hauptmotor für die eigenen Aktivitäten der Programmveranstalter in dieser Richtung (vgl. Abschnitt 7.3.5). Der Bund hat in dieser Konstellation zwei Funktionen, die beide komplementär zu den Handlungen der Länder und der EU sind. In der genuinen Rundfunkpolitik wirkt er vor allem als Moderator, dessen eigene Positionen Impulse für die Länder- oder europäische Ebene geben. Darüber hinaus kommen dem Bund Aufgaben in den technischen Bereichen des Rundfunks zu, insbesondere in der Frequenz- und Telekommunikationsregulierung. In
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diesem Feld teilt er die Kompetenzen wiederum mit trans- und supranationalen Körperschaften153. Da die Digitalisierung der Produktions- und Übertragungswege auch zu einer höheren Durchlässigkeit zwischen Telekommunikations-, Online- und Rundfunkmärkten geführt hat, gewinnt der Bundestag als Entscheidungsgremium an Bedeutung. Da in den Kontextmärkten des Rundfunks die kulturelle und publizistische Dimension den technischen und ökonomischen Aspekten untergeordnet ist, wirkt der Bund tendenziell als Katalysator für die europäische, ökonomisierte Sichtweise auf den Rundfunk. Das setzt die Länder unter Druck, die publizistische Bedeutung von Rundfunk hervorzuheben und zu stärken. Die aufgrund der höheren Marktdurchlässigkeiten stärker ökonomische Betrachtung von Rundfunk innerhalb der Politik führt in einem nächsten Schritt dazu, dass publizistische Ziele vermehrt im Gewand der Medienkritik oder des Medienverbraucherschutzes auftreten. Auf diesem Terrain können sich EU, Bund und Länder auch begegnen, ohne ihre je eigenen Ziele aufgeben zu müssen. Das erklärt, warum z.B. Jugendschutzbeauftragte als obligatorische Einrichtung in länderübergreifenden Fernsehsendern politisch durchsetzbar waren (§ 7 Abs. 1 Jugendmedienschutzstaatsvertrag). Dieser Linie folgend, wäre auch die verbindliche Einrichtung von Ombudsstellen innerhalb der Sender denkbar, damit die Rezipienten dort einen Ansprechpartner auch für Fragen und Beschwerden haben, die nicht im Zusammenhang mit Jugendschutz stehen. In deren Zuständigkeit fiele der Umgang mit Hörer- oder Zuschauerbeschwerden. Die Übersicht über Gestaltungsräume in den politischen Sphären macht deutlich, dass die Legislative bei Systemveränderungen im Rundfunk – und hierzu gehört die Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Sendern und Publikum – Dreh- und Angelpunkt ist, unbeschadet vom Gebot der Staatsferne. Indes ist die Interessenlage der Akteure auf den unterschiedlichen Ebenen zu heterogen und zugleich sind Publikumsbelange politisch zu peripher, als dass Entscheidungen im Sinne des Publikums ohne Weiteres wahrscheinlich wären. Das politische System ist also auf exogene Impulse angewiesen, die Anreize zur Weiterentwicklung der Rundfunkordnung geben. Diese Impulse kommen überwiegend aus zwei Richtungen: Entweder das Verhalten der Sender regt politische Aktion oder Intervention an, oder die technologische Entwicklung schafft politischen Handlungsbedarf bzw. -spielraum. Dabei können auch beide Faktoren zusammenspielen, etwa in der Folge der Digitalisierung. Die Vermehrung der Übertragungswege (die drei DVB-Distributionswege und DAB sowie IPTV bzw. -Radio) ist zunächst eine tech153 Dies sind die International Telecommunications Union (ITU) sowie, auf europäischer Ebene, die European Conference of Postal and Telecommunications Administration (CEPT) und seit 2002 zusätzlich das Radio Spectrum Committee (RSC)(vgl. Weißenborn 2007: 3-5).
7.3 Einflüsse und Motive der Akteure im Rundfunkmarkt für eine Stärkung der Publikumsposition
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nologische Innovation, aber der Regulierungsbedarf wächst, je mehr und je intensiver diese von Sendern in Anspruch genommen wird. Es ist bemerkenswert, dass Veränderungen in den Nutzungsmustern und -gewohnheiten bislang keine nennenswerten politischen Aktionen ausgelöst haben. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass das Publikum wegen seines geringen Organisationsgrades und wegen der heterogenen Interessen und Nutzungsformen insgesamt keine deutlichen Ansprüche an Politik artikuliert. Im Übrigen stellt die Nutzung von Rundfunkprogrammen insgesamt fast keine Probleme, die politisch anzugehen wären. Hier wirkt sich die Uneinheitlichkeit der Befunde zur Medienwirkung als Vorteil aus. Denn falls sich eindeutige Belege für bestimmte starke Medienwirkungen finden ließen, würde der Rundfunk erheblich stärker politisiert154.
7.3.2 Aufsichtsorgane Aufsichtsorgane fungieren als Mittler zwischen Politik und Sendern; sie sind wegen der verfassungsmäßigen Staatsferne von Rundfunk für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Governance-Regimes oft wichtiger als Legislative und Exekutive. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk übernehmen senderinterne Gremien (Rundfunkräte in der ARD, Fernsehrat im ZDF; vgl. Grätz 2002) die Aufsicht, für alle privaten Anbieter sind die Landesmedienanstalten als Aufsichtsorgan zuständig. Zur Koordination ihrer Arbeit sind die Landesmedienanstalten darüber hinaus in der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten und Direktorenkonferenz organisiert (vgl. Altendorfer 1995: 124f.155). Die engere organisatorische Anbindung der Räte an die öffentlich-rechtlichen Anstalten könnte den Gedanken nahelegen, sie stünden der Arbeit der Sender weniger kritisch gegenüber als die Landesmedienanstalten. Aber die Räte sind durch das Prozedere ihrer Besetzung sowie durch ihre Struktur ebenso unabhängig von den betreffenden Sendern wie die Landesmedienanstalten. „Die Rundfunkräte vertreten nicht die besonderen Interessen ihrer jeweiligen Organisation, sondern die der Allgemeinheit.“ (Hasebrink 1995: 30). Aufgrund dieser Vorgabe gestaltet sich die Arbeit der Räte als permanentes Verhandeln von Interessen zwischen den in den Gremien vertretenen Gruppen (vgl. Kepplinger / Hartmann 1989: 98103), weshalb die Räte keinem regulatory capture durch die Sender unterliegen (vgl. Kleinsteuber 2007: 55). 154
Wie die Auseinandersetzungen um Computerspiele (Ego-Shooter) zeigen, sind die politischen Akteure nämlich durchaus bereit, sich mit Medienthemen auseinanderzusetzen. 155 Für eine Bewertung der Arbeit der Landesmedienanstalten mit historischen Bezügen s. Kleinsteuber 2007. Diese Arbeitsteilung ist Gegenstand zahlreicher Reformvorschläge, vgl. etwa Holznagel / Krone / Jungfleisch 2004; Holznagel / Vollmeier 2003; Hoffmann-Riem / Schulz / Held 2000.
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Darüber hinaus sind auch die Medienräte der Landesmedienanstalten selbst nach dem Vorbild der Rundfunkräte organisiert worden (vgl. ebd.: 54). Trotz z.T. unterschiedlicher Aufgaben und Kompetenzen156 ist es daher im vorliegenden Rahmen gerechtfertigt, auf der Aufsichtsebene nicht zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk zu unterscheiden. Die Interessen der Aufsichtsorgane ergeben sich aus ihren jeweiligen gesetzlich festgelegten Funktionsbeschreibungen. So besteht eine der beiden Kernaufgaben der Rundfunkräte darin, die „Einhaltung der Programmrichtlinien zu gewährleisten“ (Kepplinger / Hartmann 1989: 7). Daneben beraten sie den Intendanten in allen Programmfragen (vgl. ebd.; Grätz 2002: 1). Diese Aufgaben entsprechen weitgehend den Tätigkeiten der Landesmedienanstalten. Auch sie „wirken […] an der Selbststeuerung der Programminhalte durch die Veranstalter mit.“ (Rodewald 1996: 91). Aufgrund der grundgesetzlich gebotenen staatlichen Zurückhaltung sind die wichtigsten Funktionsrollen der Landesmedienanstalten Moderator, Berater und Ideengeber (vgl. ebd.). Rundfunkräte und Landesmedienanstalten können vor diesem Hintergrund fast als die wichtigsten Akteure für die (weitere) Entwicklung des Rundfunks in Deutschland betrachtet werden. Denn sie sind – trotz des Parteienproporz in den Rundfunkräten (vgl. Kleinsteuber 2007: 63; Weichert 2005: 2; Altendorfer 1995: 17) – in deutlich geringerem Maße politisiert als Staatsorgane, und sie verfolgen aufgrund ihrer gesetzlichen Aufgaben Ziele, die über die Interessen einzelner Anbieter hinausgehen. Obwohl die Rundfunkräte sowie der ZDFFernsehrat in erster Linie „ihrer“ jeweiligen Anstalt verpflichtet sind, erzwingen die erforderlichen Abstimmungsprozesse innerhalb der ARD sowie die oft naheliegende Allianz der öffentlich-rechtlichen Sender auch hier eine Perspektive, die die Rundfunklandschaft insgesamt erfasst. Dies zeigt sich beispielhaft an der Breite des Aufgabenspektrums, das die Unabhängige Landesanstalt für Rundfunk und Neue Medien (ULR) in Schleswig-Holstein157 bearbeitet: Die Verantwortung reicht von Impulsen für die Weiterentwicklung der Sendeinfrastruktur über die Kontrolle der Medienkonzentration, die Interpretation und Einhaltung der Programmgrundsätze bis zur Medienforschung und Filmförderung (ULR 2005: 138). In all diesen Funktionen bestehen die Ziele der Aufsichtsorganisationen und -organe in einer Sicherung und nach Möglichkeit Erweiterung des Programmangebots unter Wahrung der Vorgaben zur Produktion und Verbreitung von Rundfunkinhalten.
156
So gehört in den Aufgabenbereich der Rundfunkräte und des Fernsehrates auch Personalpolitik. Andererseits ist das Sanktionspotenzial der Landesmedienanstalten in Form der ultima ratio Lizenzentzug größer als das der Räte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 157 Am 1. März 2007 ist die ULR mit der Hamburgischen Anstalt für Neue Medien (HAM) zur Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein zusammengelegt worden (vgl. MAHSH 2007).
7.3 Einflüsse und Motive der Akteure im Rundfunkmarkt für eine Stärkung der Publikumsposition
253
Hindernisse bei der Zielerreichung sind für die Aufsichtsorgane dementsprechend im Verhalten der Sender begründet. Fehlverhalten können sie mit verschiedenen Sanktionen belegen (vgl. Rodewald 1996: 121-149). Das Arsenal formaler Sanktionsmöglichkeiten erlaubt jedoch bislang nur einzelnen Landesmedienanstalten, unmittelbar an der ökonomischen Anreizstruktur der Veranstalter anzusetzen, indem bei Verstößen gegen Programmbindungen und -anforderungen Bußgelder verhängt oder Erlöse abgeschöpft werden (vgl. ebd.: 130ff., 178-185; Frye 2001: 182-187). Zudem erweist sich das verfügbare Sanktionsset als zu unflexibel, um häufigere, kleinere Vergehen zu ahnden (vgl. Rodewald 1996: 167). Sendeverbote oder gar der Widerruf einer Sendelizenz sind zwar als Drohkulisse relevant, kommen aber als reale Sanktion praktisch nicht zur Anwendung. Dies ist auch Ausdruck einer stark auf Kooperation ausgerichteten Regulierungspraxis. So nehmen die Sender die Beratungskompetenz der Aufsichtsorgane oft im Vorfeld einer Ausstrahlung in Anspruch, um eventuelle Rechtsverstöße auszuschließen (ebd.: 112). Die Landesmedienanstalten verstehen sich selbst daher vorrangig als Dienstleister, der für verschiedene Anspruchsträger – Sender, Kabelbetreiber, Rezipienten – tätig wird. Gerade dadurch, dass so verschiedene Ansprüche von den Aufsichtsorganen moderiert und verhandelt werden, können sie nur erfolgreich sein, wenn sie weitgehend kooperativ handeln. Und um ihre Unabhängigkeit von jeder einzelnen Anspruchsgruppe zu behaupten und unter Beweis zustellen, führt diese kooperative Grundhaltung auch nicht zu einer Vereinnahmung der Aufsicht durch eine bestimmte Akteursgruppe. Selbst bei Rechtsverstößen der Sender geben die Aufsichtsorgane ihre grundsätzlich wohlwollende Haltung nicht auf: Anstatt auf formale Sanktionsinstrumente zurückzugreifen, findet oftmals eine informelle „Politik der hochgezogenen Augenbrauen“ statt, die das Missfallen der Aufsicht zum Ausdruck bringt, was die Sender dazu veranlasst, den Verstoß zu beheben, um formalen Sanktionen auszuweichen (vgl. Rodewald 1996: 111 m.w.H.). Vor diesem Hintergrund wären Rundfunkräte und Landesmedienanstalten die idealen Anstoßgeber für eine Stärkung des Publikums. Die Idee, die Öffentlichkeit stärker an Rundfunkregulierung zu beteiligen, ist nicht neu. Sie erwächst zum einen aus dem Befund, dass die „gesellschaftlich relevanten Gruppen“, d.h. die Organisationen, die in den betreffenden Gremien vertreten sind, in zunehmend geringerem Maße die Interessen der Gesellschaft vertreten (vgl. Türk / Lemke / Bruch 2002: 265-283). Zum anderen könnte eine stärkere Einbeziehung des Publikums, insbesondere im Bereich der Programmbeobachtung, die notorisch knappen Ressourcen der Aufsichtsorgane entlasten. Rund die Hälfte der Mitglieder der Rundfunkräte fühlen sich über das Programm, das sie zu beaufsichtigen haben, nicht ausreichend informiert (vgl. Ricker 1992: 51; Kepplinger / Hartmann 1989: 9-11); in den Landesmedienanstalten erfolgt Programmbeobachtung oft durch Aushilfskräfte und erfasst
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das Programmspektrum nur ausschnittsweise (vgl. Rodewald 1996: 92-94; Ricker 1992: 5052). Diese Schwachpunkte gegenwärtiger Regulierung stellen zusammen mit dem Hauptziel der Aufsichtsorganisationen, Rundfunk weiter zu verbessern, den Antrieb für diese Organe bzw. Organisationen dar, dem Publikum mehr Gewicht zu verleihen. Wichtigster Ansatzpunkt hierbei ist, dass die Aufsichtsorgane selbst ein klareres Bild von den Interessen der Publika gewinnen. Wie auch bei den Hörer- und Zuschauerredaktionen in den Sendern liefern die gegenwärtigen Rückmeldungen aus dem Publikum (z.B. die Programmbeschwerden in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland; vgl. Rodewald 1996: 170) nur einen Ausschnitt aus den Ansichten des Publikums über das Gesamtprogramm – wobei nicht klar ist, wie stark und in welche Richtung dieser Ausschnitt von einer Durchschnittsmeinung abweicht oder für welche Gruppe(n) er repräsentativ ist (vgl. Abschnitt 5.2.2.3.1). Um diese Lücke zu füllen, wäre eine von den Rundfunkräten und Landesmedienanstalten zu finanzierende intensivere Publikumsforschung ein möglicher Ansatzpunkt. Als Governance-Mechanismus beschrieben, würde dies die Beobachtung des Publikums erleichtern. Erst bei deutlichen Abweichungen zwischen tatsächlichen und erwarteten Publikumsinteressen könnten die Aufsichtsorgane auch über den Mechanismus der Verhandlung in die Prozesse der Rundfunkproduktion eingreifen. Des Weiteren könnten die Aufsichtsorgane das Publikum in stärkerem Maße aktivieren. So könnten regelmäßige offene Hearings durchgeführt werden, in denen Publikumsmitglieder auch darüber Auskunft geben können, was ihnen im laufenden Programm gefällt und welche Veränderungen sie sich wünschen würden158. Wenn die Rundfunkräte und Landesmedienanstalten solche Hearings veranstalteten, wäre auch gewährleistet, dass ein breites Themen-, Ziel- und Problemspektrum abgearbeitet werden kann, so dass sich für alle Veranstalter relevante Erkenntnisse und Impulse ergeben. Schließlich könnte auf Bundesebene, d.h. durch die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) oder die Gemeinsame Stelle Programm, Werbung und Medienkompetenz (GSPWM), auch dem Projekt einer Stiftung Medientest Leben eingehaucht werden. Die Entscheidung zur Gründung einer solchen Stiftung sowie zu ihrer materiellen Ausgestaltung müsste zwar in der politischen Arena fallen. Die DLM und die einzelnen Aufsichtsanstalten und -räte könnten aber die operative Leitung übernehmen und die Arbeit der Stiftung steuern, zumindest, bis die Stiftung selbst in die regulatorischen Prozesse in ausreichendem Maße eingegliedert wäre.
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Ein Beispiel für solche Hearings ist die von der Landesmedienanstalt in Nordrhein-Westfalen jährlich durchgeführte Medienversammlung, vgl. medienversammlung.de.
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Jedoch haben sich die Landesmedienanstalten skeptisch zur Einrichtung einer Stiftung Medientest ausgesprochen (vgl. Weichert 2005: 5; Günter 2001: 6), eine Haltung, die Otfried Jarren damit erklärt, dass eine Stiftung Medientest die Position der Landesmedienanstalten selbst gefährden würde (vgl. Weichert 2005: 5). Doch auch das Argument der Landesmedienanstalten, es gebe bereits genügend Institutionen, weshalb zunächst deren bessere Vernetzung und eine größere Öffentlichkeitswirksamkeit anzustreben seien (vgl. Günter 2001: 6), überzeugt. So wird es wohl in absehbarer Zeit nicht zur Einrichtung einer Stiftung Medientest kommen.
7.3.3 Medienkritik undVerbraucherschutz Die Artikulation von Publikumsinteressen zu stärken ist auch das Anliegen von Medienkritik und Verbraucherschutz. Sowohl die journalistische Medienkritik als auch die Organisationen des Verbraucherschutzes sprechen dabei immer im Namen oder zumindest im Interesse des Publikums (vgl. die Beiträge in Weiss 2005). Jedoch sind gerade die Akteure der Medienkritik nicht durch das Publikum beauftragt oder legitimiert. Vielmehr handelt es sich bei Medienkritik in erster Linie um eine Selbstbeobachtung des Mediensystems (Weichert 2005: 34; Malik 2004). Medienkritik operiert demnach meist mit hohem Sachverstand, aber mit schwachem Bezug zum Publikum (vgl. Hallenberger / Nieland 2005: 390f.). Zudem ist „der Stellenwert der Medienkritik nicht im gleichen Maße gestiegen [...] wie der Stellenwert des Fernsehens in der Gesellschaft – sondern eher gesunken“ (Weichert 2005: 5). Der Verbraucherschutz hat sich umgekehrt traditionell so gut wie nicht mit dem Rundfunk beschäftigt, eben weil Rundfunk für den Rezipienten eine ökonomisch sehr risikoarme Veranstaltung war. Daher verwundert es nicht, dass Medienverbraucherschutz in den letzten Jahren an Bedeutung gewinnt, da das Volumen finanziell codierter Transaktionen zwischen Sender und Rezipienten zunimmt (vgl. Schulz 2006: 183). Kostenpflichtige Inhalte, CallMedia und Homeshopping-Angebote stellen Bereiche dar, in denen der Verbraucherschutz seine bestehenden Ziele verfolgen kann und nur die Instrumente an den medialen Rahmen angepasst werden müssen. Eine Ausweitung kommerzieller Beziehungen zwischen Sendern und Publika hat somit zur Folge, dass Medienkritik und Verbraucherschutz konvergieren: Journalistische Schwächen manifestieren sich in ökonomischen Unzulänglichkeiten, und unternehmerische Defizite haben unbefriedigende journalistische Resultate zur Folge (vgl. Nieland / Schatz / Weichert 2006: 257; Ruß-Mohl / Fengler 2005: 176-181). Da diese Konvergenz die wachsende Betonung der ökonomischen Dimension im Verhältnis zwischen Sender und Rezipienten zur Grundlage hat, stärkt sie implizit den Verbraucherschutzgedanken. Dies geht zu Lasten der journalistischen Ziele der Medienkritik. In demselben Maße, in dem Medienkritik und
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Verbraucherschutz als Korrektiv gegen den Missbrauch von Marktmacht der Sender an Bedeutung gewinnen, nimmt somit zugleich die Breite ihres Einflusses ab, da die publizistischen Ansprüche an Rundfunkinhalte seltener und in geringerem Umfang thematisiert werden (vgl. Hallenberger / Nieland 2005: 393-395). Für die Stärkung des Publikums im Rundfunk spielen Medienkritik und Verbraucherschutz auch trotz ihrer Konvergenz nur eine kleine Rolle. Denn sie können immer erst reaktiv tätig werden, können Missstände öffentlich machen und bei etwaigen formalen Verfahren anwaltlich tätig werden. Damit tragen sie in der Tat dazu bei, dass Rezipienten seltener Opfer unlauterer Geschäftspraktiken werden. Das hat jedoch allenfalls mittelbar Auswirkungen auf die Stellung der Rezipienten insgesamt. Medienkritik und Verbraucherschutz mangelt es schlicht an Gestaltungskompetenzen im Rundfunk; sie wirken ergänzend zu der Arbeit der Aufsichtsorgane (vgl. Abschnitt 7.3.2), indem sie für Probleme im Rundfunk öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen. Lösen müssen diese Probleme jedoch die Aufsichtsorgane oder die Legislative. Als Initiatoren institutionellen Wandels kommen die Akteure der Medienkritik und des Verbraucherschutzes noch nicht einmal bei der Gründung der Stiftung Medientest in Betracht, die ja die Ziele dieser beiden Akteursgruppen organisatorisch verkörpern würde. Zwar wird die Stiftung Medientest nach dem Vorbild der Stiftung Warentest konzipiert, doch würde ihre Gründung und Unterhaltung erheblich mehr Ressourcen beanspruchen als die Stiftung Warentest oder die Verbraucherschutzverbände aus eigener Kraft aufbringen könnten. Das Signal für eine institutionelle Stärkung von Medienkritik und Verbraucherschutz müsste demnach zumindest von der Politik mitgetragen werden.
7.3.4 Zivilgesellschaft Die Interessen der Zivilgesellschaft sollten im Prinzip mit den Publikumsinteressen identisch sein, da Rundfunkpublikum und Gesellschaft fast dieselbe Gruppe sind. Zudem sollte man meinen, dass insbesondere die Stärke der Interessenartikulation von den Rezipienten selbst gesteuert werden kann. Die Innovations- und Anpassungsmechanismen der Sender würden dann dazu führen, dass diesen Interessen auch Rechnung getragen wird. Die Definition und Durchsetzung der Interessen der Zivilgesellschaft jedoch gestaltet sich praktisch erheblich schwieriger und wesentlich weniger wirksam. Dafür gibt es drei Hauptgründe. Zum ersten sind die Interessen innerhalb des Publikums / der Zivilgesellschaft sehr heterogen; ein Gremium, das „das Publikum“ repräsentieren wollte, wäre vermutlich nicht in der Lage, eine Meinung zu bilden. Besonders problematisch sind konkurrierende Interessen: In einem nach Mehrheitsprinzip gestalteten Meinungsbildungsprozess heben sich gegenläufige Interessen auf, ohne eine Spur zu hinterlassen.
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Zum zweiten handelt es sich, wie gezeigt, bei Rundfunknutzung oftmals um Restzeitnutzung, die mit entsprechend geringer Involviertheit verbunden ist (vgl. Abschnitte 3.3.3.2, 5.1.6.2). Daher ist die Bereitschaft, sich in Publikumsvertretungen zu engagieren, Hörer- oder Zuschauerpost zu schreiben o.ä., vielfach sehr gering. Wenn kein Zusatznutzen dieses Engagements, etwa in Form eines individuell als besser wahrnehmbaren Programms, in Aussicht steht, sind kaum weitere institutionenbildende Aktivitäten von Seiten des Publikums zu erwarten. Zum dritten sind Publikumsinteressen ja bereits organisiert, insoweit sie sich mit den Interessen bestehender Organisationen decken. Kirchen, Gewerkschaften, Sportverbände, kulturelle Einrichtungen, … – sie alle haben Vorstellungen, wie Rundfunk(programme) beschaffen sein sollten. Organisationen der Zivilgesellschaft lösen in gewisser Weise die beiden ersten Probleme: Da sie ihre Existenzberechtigung nicht aus dem Rundfunk ableiten, ist ihr Fortbestehen gesichert, so lange ihre Legitimationsbasis bestehen bleibt. Daraus folgt, dass ihre Mitglieder bereits ein höheres Engagement mitbringen als nicht organisierte Publikumsmitglieder. Dieses Engagement kann auch für Fragen der Media Governance und damit auch für eine Stärkung des Publikums genutzt werden. Außerdem entschärfen zivilgesellschaftliche Organisationen das Heterogenitätsproblem. Dadurch, dass viele Organisationen mit verschiedenen Zielen existieren, sind auch verschiedene Interessen vertreten. Das Verhältnis zwischen den Organisationen spiegelt – bis zu einem gewissen Grad – das relative Gewicht einzelner Themen und Positionen innerhalb der Gesellschaft wider. Und dennoch sind zivilgesellschaftliche Organisationen für die Stärkung des Rundfunkpublikums in erster Linie ein Problem, weil sie bereits starken Einfluss haben. Sowohl im politischen Prozess als auch in den Aufsichtsorganen der Rundfunkveranstalter sind diese Organisationen zentrale Akteure. Würde jeder einzelne Rezipient durch eine intensivere Transaktionsbeziehung zu den Anbietern gestärkt, ginge das folglich zu Lasten der Organisationen. Unter Umständen könnte durch eine Stärkung der direkten Austauschbeziehung zwischen Sender und Rezipient sogar insgesamt das Modell der gesellschaftlich relevanten Gruppen in den Aufsichtsgremien infrage gestellt werden. Dementsprechend ist keine zivilgesellschaftliche Organisation daran interessiert, die einzelnen Publikumsmitglieder mit besseren Einflussmöglichkeiten auszustatten. So weit also die Zivilgesellschaft nicht organisiert ist, fehlt es an Anreizen zur Artikulation und Durchsetzung der bestehenden Interessen aus eigener Kraft. So weit aber Organisationen bereits existieren, kollidieren deren Ziele mit den individuellen Interessen der Rezipienten. Im Ergebnis bleibt das Gros der Zuschauerschaft bloßes Objekt von Media Governance.
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7.3.5 Sender Im Prinzip hätten die Sender das größte Interesse daran, das Publikum zu stärken, weil von einem interessengerecht(er)en Programm vor allem – neben dem Publikum selbst – die Werbe- und Abonnementeinnahmen profitieren würden. Jedoch hat die Analyse in Abschnitt 6.3.2 gezeigt, dass die hohe Erfolgsunsicherheit, gepaart mit hohen Anfangsinvestitionen, zumindest jeden einzelnen Sender daran hindert, die Interessen seines Publikums genauer als bisher zu erkunden. Oben ist auch schon auf die Rolle der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) sowie der AG Media-Analyse hingewiesen worden: Um die genannten Risiken zu reduzieren, liegt es nahe, sie auf die Schultern aller Sender zu verteilen. Die AGF und die AG.MA können, insbesondere im Bereich der Aufmerksamkeitsmessung, auch als Ansprechpartner für die Aufsichtsorgane fungieren, da sie in Bezug auf Publikumsforschung eine Brücke zwischen den einzelnen Sendern und den Aufsichtführenden darstellen. Somit bestehen mit der AGF und der AG.MA im Bereich der Interessenartikulation des Publikums gute institutionelle Möglichkeiten für die Sender. Auch ist in diesem Feld eine Verzahnung mit den Aufsichtsorganen sowie die Anbindung an die einschlägige Forschung gut möglich. Sobald aus der Forschung weitere Impulse kommen, die den Sendern zusätzliche Image- und Erlösmöglichkeiten durch verstärkte Publikumsartikulation aufzeigen, können im bestehenden Institutionengefüge diese Ansätze für die gesamte Branche aufgegriffen und ausgestaltet werden159. Anders sieht es bei den strukturellen Veränderungen des Transaktionsverhältnisses zwischen Sender und Publikum durch on-demand-Angebote und Bezahlangebote aus. In diesen Bereichen arbeitet zur Zeit jeder Sender weitgehend alleine Strategien und Wege aus. Zwar ähneln sich die Initiativen (Auskopplung vorhandener Sendungen als Abrufangebot, Bündelung zu – teils kostenpflichtigen – Themenkanälen) aufgrund der intensiven Beobachtung der konkurrierenden Anbieter untereinander stark. Jedoch ist kein konzertiertes Vorgehen 159
Daneben könnte auch der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) als Impulsgeber für eine strukturelle Stärkung des Publikums in Betracht kommen. Jedoch ist für die Wirksamkeit von Initiativen des VPRT Voraussetzung, dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender eingebunden werden. Einigkeit zwischen den privaten und den öffentlich-rechtlichen Sender ist jedoch wegen unterschiedlicher Perspektiven auf das Publikum (vgl. Abschnitte 4.1 und 4.3) in dieser Hinsicht nicht durchgängig zu erwarten. Auch die FSF käme als Koordinator im Fernsehsektor in Betracht. Doch da sich ihre Kompetenzen thematisch auf den Jugendschutz beschränken, ist auch von der FSF kein wesentlicher Beitrag zur institutionellen Weiterentwicklung des Rundfunks zu erwarten. Anders sieht es für das Radio aus. In der Radiozentrale haben sich sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Anbieter zusammengeschlossen, um die gemeinsamen Interessen der Radiomacher zu vertreten (vgl. Radiozentrale 2007). Die Radiozentrale könnte somit, gemeinsam mit AGF und AG.MA auf institutionelle Neuerungen hinarbeiten.
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erkennbar, das die Interaktion zwischen Sender und Rezipient grundsätzlich auf eine neue Basis stellen würde. Dabei hätten die Sender zahlreiche Möglichkeiten, dem Publikum mehr Einfluss auf das Programm zu verschaffen. Oben (Abschnitt 6.2.1.4) wurde bereits die Option angesprochen, Premium-Nutzern ein Mitspracherecht bei Programmentscheidungen einzuräumen. Insbesondere in Verbindung mit interaktiven Plattformen, in denen die Reputation der Nutzer bei der Nutzergemeinschaft erfasst werden kann, ließen sich auf diesem Wege verlässliche Aussagen über die Interessen von Rezipientengruppen treffen. Insbesondere die privaten Sender beschreiten diesen Weg seit einiger Zeit, indem sie Nutzer-Gemeinschaften etablieren und mit exklusiven Inhalten, Vergünstigungen bei Veranstaltungen, moderierten Chats u.a.m. deren Entwicklung und Wachstum steuern160. Da diese Communities zugleich der Bindung der Rezipienten an den jeweiligen Sender dienen, divergieren die Ansätze der einzelnen Sender. Daneben könnten die Sender aber auch der Organisation des Publikums Vorschub leisten, etwa eine Publikumsgewerkschaft oder ein Zuschauerparlament161. Beide Ideen bezeichnen ein Gremium, das Entscheidungs- und / oder Vetobefugnisse bei der Programmgestaltung haben könnte und sich aus – nicht organisierten – Mitgliedern des Publikums zusammensetzt. Die unterschiedlichen Begriffe verweisen auf zentrale konzeptionelle Unterschiede. Ein Zuschauerparlament wäre mit einem demokratischen, repräsentativen Anspruch verknüpft. Seine Konstitution und der geregelte Wechsel seiner Mitglieder wären demnach an Wahlen oder einen ähnlichen Prozess gebunden. Die Repräsentativität würde zudem eine relativ große Zahl an Mitgliedern nahelegen (zwischen einigen Dutzend und mehreren Hundert). Der erforderliche Aufwand zur Etablierung und Unterhaltung dieser Organisation wäre folglich gewaltig. Es ist nicht ersichtlich, dass ein einzelner Sender diesen Aufwand zu tragen bereit wäre. Würden einem Zuschauer- oder Zuhörerparlament Entscheidungskompetenzen zugewiesen, die nicht mehr von den Programmverantwortlichen revidiert werden könnten, so entstünde ein politischer Raum, in dem es zu machtbasierten Aushandlungen kommt. Der Einfluss des 160
Vgl. als Beispiele für die ARD http://www.daserste.de/service/nubs.asp; für das ZDF http://www.zdf.de/ ZDFde/inhalt/16/0,1872,3930480,00.html; bei RTL http://www.rtlchat.de, Bei SAT.1 http://community. sat1.de/php-bin/sat1/index.php; im Radio beispielhaft SWR3 – Der Club http://www.swr3.de/meinswr3/ club/index.html?navleft=club. 161 Beide Ideen werden in der Literatur nicht diskutiert. Jedoch wird die Medienversammlung der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) bisweilen als Zuschauerparlament bezeichnet (vgl. Klode 2004). Doch handelt es sich hierbei um eine von der LfM organisierte Veranstaltung, die den Dialog zwischen Publikum und Sendern stärken soll. Parlamentarische Funktionen, die etwa durch ein Repräsentationsverfahren legitimiert wären, hat die Medienversammlung nicht (vgl. ebd.; Gerth / Rose o.J.).
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Publikums auf das Programm wächst dabei nur dann, wenn die Wahlen so organisiert werden, dass das Senderpublikum in seinen relevanten Dimensionen vertreten ist. Das bedeutet, die Aspekte, die für die Nutzung des betreffenden Senders relevant sind, müssen in ihren verschiedenen Ausprägungen Repräsentanten finden, also etwa Vertreter der Vielseher, der Alten, der Zapper, der Hörspielfreunde, der reinen Nachrichtenjunkies usw. Schon diese Aufzählung macht deutlich, dass eine Fraktionierung des Publikums in einer Dimension kaum gelingt. Die Aushandlung von Interessen in einem Zuschauer- oder Hörerparlament böte also kaum einen Vorteil gegenüber einem Clubmodell, in dem Interessen kommunikativ miteinander in Beziehung gesetzt werden und einzelne Standpunkte durch die Reputation ihrer Enunziatoren Relevanz gewinnen. Erfolgversprechender wäre ein Rezipientenparlament, wenn es nicht nur auf einen Sender bezogen wäre, sondern Entscheidungskompetenzen für alle Sender hätte. Damit geriete es jedoch in Konkurrenz zur Legislative oder – je nach Ausgestaltung – zu den Aufsichtsorganen. Hier bietet eine eigene Organisation keine Vorteile gegenüber der Berücksichtigung von Publikumsinteressen in den Strukturen und Abläufen der bestehenden Organisationen. Ein Rezipientenparlament ist folglich zwar eine anregende Idee, aber für die Repräsentation von Publikumsinteressen kaum das richtige Modell. Zur Vertretung von Publikumsinteressen innerhalb der Sender besser geeignet wäre eine Organisationsform in Anlehnung an Gewerkschaften. Hierbei müsste der Sender der Publikumsgewerkschaft lediglich bestimmte Mitspracherechte einräumen. Aufbau, Rekrutierung, interne Entscheidungsprozesse der Gewerkschaft hingegen müsste sie selbst organisieren und finanzieren. Der Sender könnte durch eine Publikumsgewerkschaft also die Interessen seiner Zuhörer bzw. Zuschauer besser kennenlernen, ohne dabei die vollen Kosten ihrer Erhebung tragen zu müssen. Doch auch eine Publikumsgewerkschaft wäre erfolgreicher, wenn sie ihre Aktivitäten nicht auf einen Sender ausrichtete, sondern auf den gesamten Rundfunkmarkt hin orientiert wäre. Das heißt, auf Senderseite wäre wiederum ein gemeinsames Gremium vonnöten, das die Organisation des Publikums unterstützt – denn allein aus eigener Kraft kommt es, wie gezeigt, nicht zur Bildung von Publikumsvertretungen (vgl. Abschnitte 6.2.1.4, 7.3.4). Weder die AGF oder die AG.MA noch der VPRT oder die Radiozentrale sind aber in der Lage, als Sprecher aller Rundfunkanbieter in Fragen der Publikumsvertretung zu agieren. Bezahlanbieter sowie private und öffentlich-rechtliche FTA-Sender müssten also eine gemeinsame Stelle schaffen, die die Einrichtung einer Publikumsgewerkschaft fördert und anschließend den Kontakt zu dieser institutionalisiert. Diese Überlegungen machen deutlich, dass die Hürden, die der Errichtung einer Publikumsgewerkschaft im Wege stehen, nicht in erster Linie bei den Sendern bestehen (eine gemeinsame Koordinationsstelle wäre durchaus denkbar, wie die Kooperation im Bereich
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der Werbeforschung zeigt). Vielmehr wird die Etablierung von Publikumsakteuren umso stärker gehemmt, je mehr Ressourcen dieser Prozess beansprucht. Je mehr Rezipienten also repräsentiert werden, zu je mehr Programmen die Organisation Ansichten artikuliert und je mehr Kompetenzen die Organisation erhält, desto schwieriger und unwahrscheinlicher wird ihre Gründung und dauerhafte Existenz. Fraglich ist im Übrigen, wie die Sender zusammenwirken könnten, um eine Monetarisierung der Transaktionen im Rezipientenmarkt zu erreichen, d.h. um den Großteil der Rundfunkangebote kostenpflichtig zu machen. Den plausibelsten Einstieg in flächendeckenden kostenpflichtigen Rundfunk stellt tatsächlich die diskutierte Satellitengebühr dar, die in Zusammenhang mit der Programmdigitalisierung gestellt wird (vgl. Handelsblatt 2006; Institut für Urheber- und Medienrecht 2006; zum Widerstand von ARD und ZDF vgl. Spiegel Online 2006a; ARD/ZDF 2006; Krempl 2006162). Denn eine Gebühr, die für den Vertriebsweg und nicht (notwendig) für ein einzelnes Programm erhoben wird, ermöglicht es allen Sendern, sich an dem System zu beteiligen, ohne teurer als die Konkurrenz zu wirken. RTL und ProSiebenSat.1 argumentierten, die Grundverschlüsselung fördere die Digitalisierung des Satellitenfernsehens, indem Piraterie verhindert werde (vgl. Heeg 2006). Zudem ermöglichten adressierbare Endgeräte individuelle Mehrwertdienste, wie z.B. ein größeres Angebot an Spartenkanälen oder Video-on-demand (vgl. ebd.). Wenn dann der Schritt erst einmal getan wäre, dass ein Großteil der Haushalte über eine Settop-Box verfügt, ließen sich die technischen Möglichkeiten dahingehend ausbauen, über stärker nutzungsabhängige Preise nachzudenken und so in die Nähe bestehender Bezahlanbieter zu rücken. Jedoch meldete das Bundeskartellamt Bedenken an, weil eine Absprache zu vermuten sei, die „relativ risikolos am Wettbewerb vorbei eine zusätzliche Erlösquellen erschlossen“ hätte (Bundeskartellamt 2006). Daraufhin zog sich ProSiebenSat.1 aus den Plänen zur Grundverschlüsselung zurück (vgl. ebd.; Spiegel Online 2006); das weitere Vorgehen von RTL und SES Astra ist noch unklar (vgl. Siebenhaar 2006). In den Szenarien zur Publikumsbeteiligung auf Betreiben der Sender spielen die privaten FTA-Anbieter die zentrale Rolle. Bezahlanbieter erhalten ohnehin ein unmittelbares finanzielles Feedback durch steigende oder sinkende Abonnentenzahlen und / oder Einzeltransaktionen. Zwar könnte auch im Bezahlrundfunk die Bindung von Publikum und Sender stärker sein – so gibt es auch im Bezahlrundfunk keinen differenzierten Sendungspreis -, aber die Kopplung ist zur Zeit wesentlich stärker als im FTA-Bereich. Für eine weitere Intensivierung der Beziehungen zum Publikum gemäß der in Kapitel 6.2 diskutierten Optionen haben die Anbieter von Bezahlrundfunk im Gesamtmarkt kein ausreichend großes Gewicht. 162
Vgl. zur anschließenden Debatte über eine Grundverschlüsselung auch der öffentlich-rechtlichen Sender Dambeck 2006.
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Die öffentlich-rechtlichen Anstalten spielen bei der Implementierung eines nutzerzentrierten Governance-Regimes scheinbar keine Rolle. Ihre Finanzierung ist durch die Rundfunkgebühr gesichert163, und von einer Grundverschlüsselung würden sie kaum profitieren. So scheint es zunächst im Widerspruch mit einer Grundverschlüsselung zu stehen, dass die öffentlich-rechtlichen Basisprogramme (ARD, ZDF und ein jeweiliges regionales drittes Programm) frei, d.h. für jeden Bundesbürger empfangbar sein müssen (vgl. Bundesverfassungsgericht 1987: 325). Indes wäre es denkbar, dass jeder deutsche Haushalt Anspruch auf eine garantierte Möglichkeit zur Entschlüsselung hat, d.h. jeder erhielte die ARD/ZDFSmartCard gratis zu seiner Settop-Box dazu. Reizvoller noch dürfte folgendes Szenario sein: Der Entschlüsselungsmechanismus für die öffentlich-rechtlichen Programme wird nicht von den Sendern vergeben, sondern von der GEZ. Auf diese Weise könnte die Einnahme der Rundfunkgebühr deutlich effizienter vonstatten gehen. Schließlich könnten mit Hilfe der Grundverschlüsselung die öffentlich-rechtlichen Sender auch ihren Programmauftrag schärfen: Während die Programme zur Grundversorgung (ARD, ZDF, Dritte) kostenfrei sind, könnten weitere Aktivitäten (insbesondere Spartenkanäle) kostenpflichtig ausgestaltet werden. An dieser Stelle jedoch sind die Interessen der öffentlich-rechtlichen Anbieter ambivalent einzuschätzen: Eine differenzierte Behandlung der verschiedenen Aktivitätsfelder entspräche zwar besser den europäischen Vorgaben. Doch gerade das Beharren darauf, dass bestimmte Tätigkeiten aufgrund des Grundversorgungsauftrags ausgeführt werden, bewahrt die öffentlich-rechtlichen Anbieter vor (allzu viel) Wettbewerb in diesen Feldern. Das heißt, gerade die bisherige Unschärfe des Programmauftrags stellt Entwicklungsmöglichkeiten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sicher. Zudem gerieten bei einer Grundverschlüsselung die öffentlich-rechtlichen Sender in größere Nähe zu den privaten Anbietern. Die Rundfunkgebühr wäre dann funktional identisch mit der Satellitengebühr. Auf Rezipientenseite könnte demnach das Kalkül lauten: Warum 17 Euro für die Öffentlich-rechtlichen bezahlen, wenn ich die Privaten für 3,50 Euro kriegen kann? Diese Publikumsmitglieder würden auf die öffentlich-rechtliche SmartCard verzichten und nur Privatsender in Anspruch nehmen. Damit wären aber die öffentlich-rechtlichen Anstalten in einen Preiswettbewerb mit den Privatanbietern verstrickt, in dem sie selbst nur geringen Einfluss auf den Preis nehmen können, da dieser von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) vorgeschlagen und von den Länderparlamenten festgelegt wird. Zudem wären in diesem Vergleich die öffentlich-rechtlichen Anbieter strukturell benachteiligt: Die Rundfunkgebühr ist zwangsläufig höher als die Satellitengebühr für einen privaten Kanal, da sie die gesamten öffentlichrechtlichen Radio- und Fernsehprogramme und die Arbeit der Landesmedienanstalten finan163
Wenngleich die Satellitengebühr der Beginn einer Schieflage in der Finanzausstattung zwischen Privatsendern und öffentlich-rechtlichen Anbietern sein könnte (vgl. Spiegel Online 2006a) .
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ziert. Die einfache „Preis“-Gegenüberstellung würde also eine große Zahl an Gebührenverweigerern hervorbringen. Die öffentlich-rechtlichen Sender dürften sich daher ohne stärkeren äußeren Druck (etwa von Seiten der EU) wohl kaum für eine Grundverschlüsselung aussprechen, weil eine weiter reichende Monetarisierung des Rundfunks ihre Schonposition massiv gefährden würde. Gleichwohl können sie sich dieser Monetarisierung nicht erwehren. Denn der flächendeckende Einstieg in den Bezahlrundfunk ist im Radio bereits vollzogen und hat im Fernsehen schon begonnen: Musikgeschäft und Kauf- bzw. Miet-DVDs sind die direkte Konkurrenz zu Radio und Fernsehen. Der hohe Absatz von Serien- und Fernsehfilm-DVDs in den letzten Jahren164 zeigt, dass sich die Sender dieses Verhältnisses nicht immer bewusst sind. Aber Rundfunkinhalte sind grundsätzlich auch als trägergebundene Medien oder unkörperlich als Abrufinhalte vertreib- und nutzbar. Daraus folgt, dass der Preis für solche Inhalte gerade so hoch werden kann, wie er durch die Summe des Nutzens aus der Sendung selbst und dem Zusatznutzen der zeitlich flexiblen (und wiederholten) Nutzung gedeckt wird (vgl. Kap. 7.2.2.). Die FTA-Sender, sowohl die privaten als auch die öffentlich-rechtlichen, handeln bislang als Einzelkämpfer; jeder verfolgt seine eigene Strategie. Durch neue Nutzungsformen und -ansprüche (Kauf- und Mietinhalte, trägergebunden wie trägerlos), durch alternative Inhalte (YouTube etc.) und Kanäle (insbesondere Telekommunikationsnetze und Internet) befindet sich der Rundfunkmarkt ohnehin in einer Umbruchphase, in der die Ausgestaltung des Governance-Regimes zur Disposition steht. In diesem Prozess könnten die Sender eine zentrale Rolle einnehmen – einige Möglichkeiten sind vorstehend diskutiert worden. Dabei wurde deutlich, dass der Einfluss der Sender in diesem Prozess umso größer ist, je stärker die Sender – auch über die traditionelle Grenze zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Sektor hinaus – zusammenarbeiten, um das Verhältnis zu „dem Publikum“, wenn nicht sogar „der Öffentlichkeit“ auf eine erweiterte Basis zu stellen. Jedoch hat sich ebenfalls gezeigt, dass die Interessen der einzelnen Sender und Sendergruppen weiterhin stark divergieren, so dass gemeinsame Anstrengungen für eine stärkere Einbeziehung und Berücksichtigung von Publikumsinteressen eher unwahrscheinlich sind. Daher sind die einzelnen Sender bei dieser Aufgabe auf ihre Eigeninitiative und die Beobachtung der konkurrierenden Anbieter angewiesen. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass – für jeden einzelnen Sender – insbesondere die Nutzungsforschung in Bezug auf 164 Zwischen 2003 und 2006 ist der Anteil von Fernsehproduktionen am DVD-Markt von zehn auf zwanzig Prozent angestiegen. 2006 betrug der Gesamtumsatz mit Fernsehsendungen auf DVD 261 Millionen Euro (vgl. BVV 2007: 8).
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on-demand- und spezialisierte Bezahlangebote den Sendern Anhaltspunkte zur Ermittlung der Rezipienteninteressen bietet. Daneben sind Community-Lösungen für die Sender die derzeit wohl einzige gangbare Möglichkeit, artikulierte Publikumsinteressen kennenzulernen und diese Artikulationsbasis auszubauen und zu systematisieren.
8 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit
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8 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit
8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 1.
Rundfunk kann zur Zeit nicht als funktionierender Markt bezeichnet werden. Jedoch wird in der Literatur in Bezug auf den Rundfunk auch zu schnell ein zwangsläufiges Marktversagen attestiert. a. Der Nicht-Ausschluss von Nicht-Zahlern ist kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis innerbetrieblicher Abwägungen zwischen Ausschlusskosten und dem erzielbaren Nutzen. Insbesondere kommt den Sendern die gleichfalls vorhandene NichtRivalität im Konsum zugute, da diese für sie sinkende Grenzkosten mit sich bringt. Im frei empfangbaren Rundfunk profitieren somit die Anbieter sogar davon, wenn Nicht-Ausschluss ein größeres Publikum hervorbringt. b. Produktions- und Distributionsmärkte sind zwar durch Größeneffekte gekennzeichnet. Eine Tendenz zum natürlichen Monopol kann jedoch – u.a. wegen Heterogenitäten im Programm, der Produktion und in den Interessen der Rezipienten – nicht bestätigt werden. Der Wettbewerb zwischen den Anbietern ist somit funktionsfähig. Auch sinken insbesondere durch die Digitalisierung die Marktzutrittsbarrieren, so dass der potenzielle Wettbewerb zunimmt. c. Obwohl hinsichtlich Rundfunkgütern eine Informationsasymmetrie zwischen Sendern und Rezipienten besteht, sind Rundfunksendungen keine Vertrauensgüter. Vielmehr beurteilen die Rezipienten das Angebot überwiegend anhand von Sucheigenschaften. In anderen Teilen des Programms können durch Erfahrungen verlässliche Qualitätsmaßstäbe gewonnen werden. Eigenschaften, die nicht beurteilt werden können, sind für den Rezipienten nicht entscheidungsrelevant oder werden kompensiert (z.B. Glaubwürdigkeit statt Wahrhaftigkeit). Rundfunksendungen sind mithin überwiegend Such- und im Übrigen Erfahrungsgüter.
2.
Da also der Rezipient prinzipiell in der Lage ist, zwischen konkurrierenden Angeboten dasjenige zu wählen, das seinen Nutzen maximiert, ist ein funktionsfähiger Rundfunkmarkt grundsätzlich möglich.
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8 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit
3.
Allerdings sind sowohl die Allokations- als auch die Innovationsfunktion des Marktes zur Zeit beeinträchtigt. Ursache hierfür ist die indirekte Beziehung zwischen Sender und Publikum. Das Publikum bringt seine Zahlungsbereitschaft nicht durch eine sendungsbezogene monetäre Zahlung zum Ausdruck. Daraus resultiert das Fehlen von Marktpreisen für Rundfunksendungen auf dem Rezeptionsmarkt.
4.
Zugleich offenbart aber das Publikum seine Zahlungsbereitschaft: durch Investitionen von Zeit und Aufmerksamkeit. Jedoch können diese nicht als Währung aufgefasst werden. Sie stellen Ressourcen der Rezeption dar, die erst durch telemetrische Messung auch für die Sender einen Wert gewinnen – allerdings auf dem Werbemarkt oder in der politischen Arena. Die Zahlungen der Rezipienten kommen bei den Sendern nicht an.
5.
Daher ist der Einfluss des Publikums auf das Programm geringer als es in einem funktionierenden Rezeptionsmarkt zu erwarten wäre. Die Sender richten ihre Programme zum einen an der Konkurrenz, zum anderen an den Daten der GfK und der AG.MA aus, nicht aber am Publikum.
6.
Welche Aspekte der Publikumsinvestitionen in der Reichweitenmessung verloren gehen, wurde in einem Prozessmodell des Rezeptionsmarktes herausgearbeitet. Das Modell zeigt im ersten Schritt auf, wie die Interessen der Rezipienten Ausdruck in ihren Rezeptionsentscheidungen finden. a. Interessen bilden sich aus Bedürfnissen und Wünschen und konkretisieren diese. Sie gehen Möglichkeiten zu ihrer Befriedigung strukturell voraus. Jedoch verändern sich Interessen auch in Reaktion auf vorhandene Angebote. b. Aus Interessen bilden sich im Verhältnis zum Rundfunkangebot sowie zu den individuellen Ressourcen (z.B. Freizeit) Präferenzen für bestimmte Sendungstypen. c. Die Präferenzen sind Grundlage für Rezeptionsentscheidungen. Diese werden jedoch durch situative Faktoren (z.B. Mit-Anwesende, Wetter) überformt. Unter Berücksichtigung seiner langfristigen Präferenzen und der situativen Aspekte versucht der Rezipient, jeweils diejenige Sendung zu finden, die mit dem gegebenen Zeit- und Aufmerksamkeitsbudget den größtmöglichen Nutzen ergibt. d. Jede Entscheidung wird unter Vorbehalt getroffen und kann jederzeit revidiert werden, wenn eine Sendung die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllt. Das gilt selbst für suspendierte Entscheidungen: Auch Sendungen, die gewohnheitsmäßig genutzt werden, stehen grundsätzlich permanent auf dem Prüfstand. Jedoch sinkt die Neigung, das Programm zu wechseln, mit dem Grad der Habitualisierung und des Involvements.
8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
267
7.
Entscheidungen spiegeln also in einer mittel- bis langfristigen Perspektive die Interessen des Rezipienten wider. Eine einzelne Rezeptionsentscheidung kann jedoch nicht vorbehaltlos als Ausdruck der Rezipienteninteressen gewertet werden. Das Prozessmodell untersucht daher in einem zweiten Schritt, wie die Sender von diesen Interessen Kenntnis erlangen (Metakommunikation). a. Die Wirksamkeit der von den Rezipienten ausgehenden Metakommunikation ist stark eingeschränkt. Ein Grund hierfür ist, dass grundsätzlich unklar bleibt, in welchem Ausmaß bestimmte Rückmeldungen für welche Publikumsteile repräsentativ sind. Zudem sind Publika keine stabilen Gebilde: Wegen der Variabilität von Interessen und Präferenzen ist die Gültigkeitsdauer von Wissen, das aus Metakommunikationen über die Publikumsinteressen gewonnen wird, relativ gering. Schließlich ist ein Großteil entscheidungsleitender Interessen und Präferenzen faktisch nicht kommunizierbar, weil ihre Explizierung aufwändig und fehleranfällig wäre: Es existiert eine Kommunikationsschwelle, unterhalb derer das Involvement des Rezipienten nicht ausreicht, um zuverlässige Ansichten zu einer Sendung zu gewinnen. Befragungen über diese Sendungen generieren (auch) Artefakte. b. Wegen dieses unbekannten Bereichs ist die Frage von besonderer Bedeutung, ob bereits die Nutzung einer Sendung Ausdruck ihrer Wertschätzung durch den Rezipienten ist, ob sie also als implizite Metakommunikation gelten kann. Wegen der intervenierenden Variablen zwischen Interessen und konkreter Entscheidung ist die Aussagekraft von Nutzungen als Metakommunikation eingeschränkt. Darüber hinaus nimmt die Nutzungsforschung die qualitativen Dimensionen von Nutzungen (z.B. Aufmerksamkeit, Involvement) nur in Sondererhebungen zur Kenntnis. Auf die Interpretation des quantitativen Datenkorpus haben diese jedoch kaum Einfluss. c. Da explizite und implizite Metakommunikation der Rezipienten selbst Aspekte aufweisen, wegen derer sie nicht uneingeschränkt als Ausdruck von tatsächlichen Publikumsinteressen gelten können, waren auch Organisationen als Mittler zwischen Publikum und Sendern zu untersuchen. Als Sprachrohr des Publikums können diese (z.B. Institutionen der Medienkritik, Verbraucherschutzverbände) zwar die Wirksamkeit von Publikumsartikulationen erhöhen; jedoch wird dieser Zugewinn durch die Gefahr der Instrumentalisierung des Publikums für die Interessen der Organisation erkauft.
8.
Die Position des Publikums kann auf zwei Feldern gestärkt werden. Zum einen sind Maßnahmen diskutiert worden, mit denen die Interessen der Rezipienten häufiger und genauer Niederschlag in ihren Rezeptionsentscheidungen finden. Zum anderen wurden Wege vorgestellt, auf denen diese Entscheidungen marktwirksam werden, d.h. die Programmplanung der Sender beeinflussen.
268
9.
8 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit
Viele Maßnahmen, die dem Rezipienten helfen, die für ihn besten Sendungen zu finden, sind bereits verwirklicht. Hierzu gehört die Bildung von Kontinuitäten durch Formate und Genres. Wichtigstes Hilfsmittel zur Abgrenzung von Formaten gegen konkurrierende Angebote ist die Verwendung von eindeutigen und schwer imitierbaren Qualitätssignalen, die Marken(reputationen) begründen. Durch diese Instrumente erleichtern es die Sender dem Rezipienten, das Nutzenpotenzial einer Sendung sehr schnell zuverlässig einzuschätzen.
10. Die Etablierung von Programmschemata, die weite und kostengünstige Verfügbarkeit von Programminformationen und das Screening, also das schnelle Durchschalten der Programme, erlauben dem Rezipienten, das relativ beste Angebot auch mit geringem Aufwand zu finden. 11. Als Instrument zur Erhöhung von Qualitätstransparenz wurde des Weiteren die Stiftung Medientest diskutiert. Die Effekte einer solchen Einrichtung, insbesondere auf die Wahrnehmung von Qualität durch das Publikum, wären jedoch im Vergleich zu den Kosten bescheiden. Weder die Sender noch Aufsichtsorgane noch die Politik haben ein hinreichend großes Interesse an der Etablierung einer Stiftung Medientest. 12. Das präferenzgemäße Verhalten der Rezipienten ist eingeschränkt im Bereich der Meritorik. Die Diskussion verschiedener Konzeptionen von Meritorik hat jedoch gezeigt, dass eine marktliche Bereitstellung von meritorischen Inhalten in weiten Teilen durchaus möglich ist. Auch die Nutzung meritorischer Angebote könnte angekurbelt werden, indem Einstiegssendungen ausgestrahlt werden, die leicht verständlich sind. Eingriffe in den Markt können sich in dieser Hinsicht darauf beschränken, didaktisch herausragende Angebote zu fördern. Eine Subventionierung von kulturellen und ähnlichen Formaten insgesamt wäre dann wohl nicht mehr nötig. 13. Die Intensivierung der Beziehungen zwischen Sendern und Publikum ist der zweite Ansatzpunkt zur Stärkung des Publikums. Diese Intensivierung kann sich entweder auf die Kommunikation oder auf den unmittelbaren ökonomischen Austausch beziehen. 14. Im kommunikativen Bereich ist insbesondere die Ergänzung der Publikumsforschung um qualitative Aspekte vielversprechend. Neben die Erfassung der Nutzungszeit sollte Aufmerksamkeit als qualitativer Indikator für die Wertschätzung treten.
8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
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a. Das würde eine gravierende Rejustierung des Preissystems auf dem Werbemarkt auslösen. Diese kommt besonders qualitativ hochwertigen Angeboten zugute, deren Refinanzierbarkeit auf dem Werbemarkt steigen würde. Jedoch gerieten dementsprechend low-involvement-Formate weiter unter Kostendruck. b. Da sich nicht abschätzen lässt, ob der Durchschnittspreis auf dem Werbemarkt bei einer Berücksichtigung von Rezipienten-Aufmerksamkeit steigen oder fallen würde, haben die Sender kein Interesse daran, auf diesem Wege mehr über und von ihrem Publikum zu erfahren. Die Marktforschungsinstitute würden zwar von einer Ausweitung ihrer Aktivitäten profitieren, können dies aber gegenüber den Sendern und der Werbewirtschaft nicht durchsetzen. 15. Auch kann die Publikumskommunikation bei den Sendern weiter ausgebaut und systematisiert werden. Noch zielt diese in erster Linie auf eine Stärkung der Publikumsbindung oder auf die Absatzsteigerung von Merchandising-Artikeln. Doch die Äußerungen von Rezipienten in Rezipientengemeinschaften (Communities), auf Fanportalen, am Telefon oder in E-mails sind auch in der Produktions- und Programmplanung einsetzbar. Communities stellen den ersten Schritt zu einer kommunikativen Annäherung von Sendern und Publikum dar. Diesem sollten im Bereich der Marktforschung weitere folgen, damit Rundfunk tatsächlich zu einem funktionierenden Markt wird. 16. Die ökonomische Dimension der Transaktion zwischen Sender und Rezipient wird u.a. durch die Ausweitung von Abrufangeboten betont und gestärkt. Insbesondere suchen Rezipienten in einer Abrufkultur bevorzugt solche Angebote, die sie mit hoher Aufmerksamkeit nutzen. In Abrufumgebungen gibt somit die Nutzung bereits recht gut Auskunft über die Wertschätzung einer Sendung. Für low-involvement-Nutzungen bleiben jedoch vorstrukturierte Programme weiterhin wichtig. 17. Am stärksten würde die Transaktionsstruktur im Rundfunk durch die flächendeckende Einführung von Bezahlangeboten verändert. Theoretisch würde jede Nutzung, wenn sie eine Zahlung voraussetzt, den Wert ausdrücken, den die Sendung für den Rezipienten hat. a. Die kostenlose Grundversorgung entsprechend der grundgesetzlichen Informationsfreiheit ist auch in einem durchgängigen Bezahlrundfunk durch die Rundfunkgebühr sichergestellt. b. Ein flächendeckender Bezahlrundfunk würde, auf dem Wege der Preisdifferenzierung, ein inhaltlich weiter gespreiztes Angebot hervorbringen (auch bei konstantem Gesamtumfang). In erster Linie profitieren hiervon anspruchsvolle Formate.
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8 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit
18. Um die erwartbaren Durchschnittspreise in einem vollständig entgeltfinanzierten Rundfunk zu ermitteln, kommen zwei Modelle in Betracht. a. Die Sender orientieren sich am gegenwärtigen Programm und erwirtschaften ihre Betriebskosten auf dem Rezeptions- statt auf dem Werbemarkt. Der wahrscheinlichste Weg ist eine Zugangsgebühr, deren Höhe mittelfristig ca. 5 Euro pro Person und Monat betragen dürfte. Auf das Volumen des Rundfunkmarktes hätte diese Maßnahme nur geringe Auswirkungen. b. Legt man die Preise auf dem Videomarkt zugrunde, würden in einem vollständig und unmittelbar vom Publikum finanzierten Rundfunk die Kosten der Rezipienten um ca. 100 Euro pro Person und Monat ansteigen. Um dem zu entgehen, würden diese ihre Rundfunknutzung einschränken; eine deutliche Schrumpfung des Rundfunkmarktes wäre die Folge. 19. Abschließend wurde untersucht, wie eine Stärkung des Publikums institutionell verankert werden könnte. Hierzu war zu ermitteln, welche Akteure welche Kompetenzen und welche Anreize haben, die vorgestellten Optionen in die Praxis umzusetzen. a. Trotz der Staatsferne des Rundfunks haben die staatlichen Akteure, insbesondere Landesgesetzgeber und Europäische Union, den größten Einfluss auf die Rahmenbedingungen des Rundfunks. Gleichwohl fehlen politischen und staatlichen Akteuren Anreize, um das institutionelle Gefüge im Rundfunk anzutasten, da das Publikum als voraussichtlicher Hauptprofiteur der Maßnahmen nicht über ausreichend homogene Interessen verfügt, um politisch Ansprüche geltend machen zu können. b. Das Primärinteresse der Aufsichtsorgane gilt zwar einem funktionierenden Rundfunk(markt), aber ihnen fehlen entweder Ressourcen (Rundfunkräte und Fernsehrat) oder Befugnisse (Landesmedienanstalten), um eine wirksame Kontrolle über das Programm auszuüben. Gerade die Landesmedienanstalten fungieren daher in erster Linie als Moderatoren zwischen den gesellschaftlichen Anspruchsgruppen. c. Medienkritik, Verbraucherschutz und Akteure der Zivilgesellschaft können lediglich Öffentlichkeit für bestimmte Themen oder Probleme herstellen. Dadurch haben sie wichtige Funktionen bei der Sanktionierung von Fehlverhalten seitens der Sender – insbesondere im vor-justiziablen Bereich. Auch kommt ihnen Bedeutung bei der Etablierung und Aktualisierung von Qualitäts- und Ethikmaßstäben zu. Weit reichende institutionelle Veränderungen können sie jedoch nicht anstoßen. Auch Publikumsvertretungen sind darauf angewiesen, von den Sendern akzeptiert zu werden, um Einfluss zu erhalten; folglich sind von den Sendern moderierte Rezipienten-Communities der wahrscheinlichste Ausgangspunkt für erfolgreiche Publikumsorganisationen.
8.2 Fazit
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d. Die größten Anreize ebenso wie den größten Spielraum für Neuerungen haben die Sender selbst: Sie können von den Veränderungen – neben dem Publikum – am meisten profitieren, und im Rahmen ihrer eigenen Organisation können sie vergleichsweise frei experimentieren. Die gegenwärtige Tendenz, Rundfunk durch Abrufinhalte in den Videomarkt auszudehnen, könnte sich als erster Schritt hin zu einer stärkeren Berücksichtigung von Publikumsinteressen erweisen. Um jedoch im gesamten Rundfunk Wirkung zu entfalten, müssten die Sender gemeinsame Vorstellungen von der Weiterentwicklung des Rundfunkmarkts haben oder erarbeiten. Dass dies gelingen kann, zeigt die Zusammenarbeit im Bereich der Publikumsforschung (AGF, AG.MA). Abruf- und Bezahlangebote der Sender werden zunächst Zusatzaktivitäten neben dem programmbasierten Kerngeschäft bleiben. Das liegt daran, dass die ökonomische Tragfähigkeit (insbesondere die Nutzung durch große Publikumsteile) noch nicht gesichert ist. Hier kommen die Optionen zur Intensivierung der Kommunikation zwischen Sendern und Rezipienten ins Spiel. Denn durch diese Instrumente lassen sich die Risiken weiter reichender Veränderungen im Vorfeld besser abschätzen, so dass auf der Grundlage einer häufigeren und qualitativ reichhaltigeren Kommunikation auch eine ökonomisch engere Kopplung zwischen Sendern und Publikum möglich wird.
8.2 Fazit Der Markt ist keine Lösung für die Defizite im Rundfunk, lautet das Credo vieler Publizistik- und Kommunikationswissenschaftler. Er ist die einzige Lösung, entgegnen Wirtschaftswissenschaftler. Die vorliegende Arbeit hat analysiert, ob Rundfunk derzeit als Markt betrachtet werden kann. Es hat sich gezeigt, dass Radio und Fernsehen – trotz der Ökonomisierungs-Diagnose – zur Zeit nicht als funktionierender Markt bezeichnet werden können. Gleichzeitig sind jedoch Marktmechanismen grundsätzlich auch im Rundfunk funktionstüchtig – Produkteigenschaften stehen dem nicht wesentlich im Wege. Die stärksten Beeinträchtigungen marktlicher Transaktionen im Rundfunk gehen zur Zeit davon aus, dass die Leistungen der Rezipienten auf dem Markt nicht angemessen abgebildet werden. Die Mängel des Rundfunks – Homogenisierung, Verflachung, Boulevardisierung, Tendenz zum PR-Journalismus – sind demnach keine Reaktion auf die „Wünsche des Publikums“. Vielmehr ist nicht hinreichend bekannt, was das Publikum will. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dem Publikum egal wäre, was ihm vorgesetzt wird. Zwar können Zuschauer und Zuhörer dem Rundfunk kaum ausweichen; nicht glotzen ist auch keine Lösung, da die Freizeit ohnehin auf die ein oder andere Art verbracht
272
8 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit
werden muss und Radio und Fernsehen eben – in monetären Dimensionen – konkurrenzlos billig sind. So ist das Loriot-Zitat vom Anfang der Arbeit zu verstehen, dass der Mensch nichts Anderes habe als das Fernsehgerät. Aber der Rezipient hat trotzdem Ansprüche an Rundfunkprogramme. Er weiß, was er will und was nicht. Er hat sogar vielschichtige, konkurrierende, sozial prägende und geprägte, dynamisch variable Ansprüche. Und diese Ansprüche prägen auch sein Nutzungsverhalten. Damit wird Publikum als Sammelbegriff für alle Rezipienten zu einem kaum noch fassbaren Fluidum, dessen Interessen und Verhaltensweisen nicht auf einen Nenner zu bringen sind. In dieser Situation bietet sich tatsächlich die Stärkung von Marktmechanismen als Lösung an, da nur die dezentrale Koordination von Interessen und Handlungen der Fragmentierung von Publika und der Komplexität und Dynamik individueller Interessen gerecht werden kann. Daher ist diese Arbeit den Frage nachgegangen, wie Rundfunk ein funktionierender Markt werden kann und welche Konsequenzen sich daraus für die Akteure im Rundfunk ergeben. Es hat sich gezeigt, dass die genannten Probleme – Homogenisierung, Verflachung etc. – durch ein Mehr an Markt, d.h. durch eine intensivere Transaktionsbeziehung zwischen Sender und Rezipienten lösbar sind. Sowohl mehr und vertiefte Metakommunikation als auch Abruf- und Bezahldienste verschaffen den Sendern bessere Einblicke in die Interessen der Publika. Insbesondere, wenn in der Nutzungsmessung qualitative Aspekte und Aufmerksamkeit berücksichtigt würden, wären Daten zu Reichweiten und Marktanteilen wesentlich aussagekräftiger. Das befreit die Sender aus der Haltung, sich mehr an den anderen Anbietern als an ihren Zuhörern und Zuschauern zu orientieren. Die Diskussion der Effekte engerer Leistungsbeziehungen im Rezeptionsmarkt hat aber auch gezeigt, dass diese durch rechtliche Maßnahmen flankiert werden müssen. Denn je stärker die Rezeption von Rundfunk an monetäre Zahlungen gebunden ist, desto drängender stellen sich Gerechtigkeitsfragen (die sich unmittelbar aus Verteilungsungleichheiten ergeben) sowie die Aufgabe, grundlegende Informationsfreiheit zu garantieren. Diese Aufgaben sind ebenfalls lösbar; dies setzt jedoch die Kooperation von Sendern und Politik voraus. Insbesondere die Landesmedienanstalten können in diesem Prozess als Vermittler fungieren. Doch auch zivilgesellschaftliche Organisationen können dazu beitragen, eine stärker am Publikum ausgerichtete Rundfunkordnung zu etablieren, indem sie (Partikular-)Ansprüche aus Teilpublika artikulieren und diese verfechten. Gerade wenn Zuschauer und Zuhörer nichts Anderes haben als Radio und Fernsehen, ist ihnen daran gelegen, dass ihnen dort auch etwas geboten wird, was ihren Interessen entgegenkommt. Nicht zufällig zeigen sich Ansätze hierzu gerade in einer Zeit, in der das traditionelle Modell des dualen Rundfunks aus verschiedenen Richtungen infrage gestellt wird: Das öffentlich-rechtliche System gerät unter Rechtfertigungszwang, die freien Privatanbieter
8.2 Fazit
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leiden unter der Abhängigkeit vom Werbemarkt, das Wachstum der Bezahlanbieter bleibt hinter den Erwartungen zurück – und die gesamte Branche wird durch Online-Medien und -Kommunikation sowie durch Umbrüche im (faktischen wie juristischen) Umgang mit geistigem Eigentum unter Druck gesetzt. Erst seit in etwa gleich billige und in etwa gleich gute Informations- und Unterhaltungsangebote nicht mehr nur in Radio und Fernsehen zu haben sind, also erst seit die Rezipienten eine echte Wahl haben, über welchen Kanal sie welche Inhalte in welcher Weise nutzen möchten, ist Bewegung in den Rundfunk gekommen. Hier einen Markt zu errichten, wäre nicht das schlechteste Rahmenmodell – wenn es ein Markt ist, der dem Anspruch der Konsumentensouveränität Rechnung trägt. Nach Friedrich Hayek ist der Markt ein Entdeckungsverfahren. Im Rundfunk ist immer wieder neu zu entdecken, wofür sich das Publikum interessiert.
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