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2 T HD − T5 = 2 T HD − T3
(3.25)
¨ ¨ gilt. Mit der ZU-Eintrittstemperatur T4 ist auch der ZU-Druck p4 festgelegt. In Abb. 3.9 ist die durch eine Zwischen¨ uberhitzung erreichbare Wirkungsgradverbesserung als Funktion des Druckverh¨altnisses p5 /p3 = p ¨ /pHD darZU ¨ gestellt. In der Abbildung sind zus¨ atzlich noch die resultierende ZU-Eintrittstemperatur T4 und der sich ergebende Wasseranteil am Austritt der Turbine (1 − x6 ) angegeben. Aus der Darstellung folgt, daß die Wirkungsgradverbesserung f¨ ur ein Druckverh¨ altnis von ca. 0,2 ein Maximum hat. Der besondere Vorteil der Zwischen¨ uberhitzung ist die Verringerung der Dampfn¨asse in den letzten Schaufelreihen der Turbine. Dadurch vermindert sich nicht nur die Gefahr von Erosionen durch die im Dampf enthaltenen Wassertr¨opfchen, sondern es ergibt sich auch eine Verbesserung des inneren Turbinenwirkungsgrades. Wegen des flachen Maximums des thermischen Wirkungsgrades erfolgt die endg¨ ultige Festlegung des Trenndrucks p4 aus System¨ uberlegungen. Der Ausf¨ uhrung der Zwischen¨ uberhitzung kommt die heute aus konstruktiven Gr¨ unden vorgenommene Aufteilung der Turbinen in einen Hochdruck(HD), einen Mitteldruck- (MD) und einen Niederdruckteil (ND) entgegen. Die Zwischen¨ uberhitzung erfolgt dabei hinter der HD-Turbine.
78
3 Umwandlung von W¨ arme in Arbeit
Bei Kraftwerksanlagen ist die einfache Zwischen¨ uberhitzung die Regel. Der durch eine weitere Zwischen¨ uberhitzung erreichbare Wirkungsgradgewinn ist relativ gering (1–1,5%), so daß doppelte Zwischen¨ uberhitzungen wegen des damit verbundenen Bauaufwandes nur in Sonderf¨allen zum Einsatz kommen. Beispiel 3.3. Gegeben sei ein Dampfkraftprozeß mit einer einfachen Zwischen¨ uberhitzung, vgl. Abb. 3.8. Der Hochdruckdampf vor der Turbine hat einen Druck von 150 bar und eine Temperatur von 530◦ C, der Kondensatordruck betr¨ agt 0,1 bar. Unter der Bedingung, daß der Zwischen¨ uberhitzerdampf auf 540◦ C u ¨berhitzt wird und der N¨ assegehalt des Dampfes am Turbinenaustritt 12,6% nicht u ¨bersteigen soll, bestimme man a) den Zwischen¨ uberhitzerdruck und b) den thermischen Wirkungsgrad. Die Stoffwerte k¨ onnen der Dampftafel in Beispiel 3.1 entnommen werden. ¨ L¨ osung. a) Unter den getroffenen Voraussetzungen ist der ZU-Druck durch die Bedingung s5 = s6 und p4 = p5 = pZU festgelegt. Als erstes muß die spezifische ¨ Entropie im Zustand 6 berechnet werden. Aus der Aufgabenstellung sind der Druck p6 = 0,1 bar und der Dampfgehalt im Zustand 6 x6 = 1 − 0,126 = 0,874 bekannt. Daraus l¨ aßt sich die spezifische Entropie
s6 = s + x6 s − s 6
6
= 7,2055 kJ/kgK
6
bestimmen. Zur Entropie s5 = 7,2055 kJ/kgK und der Temperatur TZU ¨ = uberhitzerdruck T5 = 540◦ C findet man in der Dampftafel den Zwischenen¨ pZU ¨ = 40 bar. b) Der thermische Wirkungsgrad ist durch
ηth =
qzu − qab
qzu
=
w
N
qzu
gegeben. Zur Bestimmung der abgegebenen Leistung und der zugef¨ uhrten W¨ arme m¨ ussen zun¨ achst die Enthalpien in den einzelnen Zust¨ anden bestimmt werden. Die Enthalpien in den Zust¨ anden 1, 2 und 3 sind noch aus Beispiel 3.1 bekannt: h1 = 191,83 kJ/kg, h2 = 206,97 kJ/kg, h3 = 3 394,3 kJ/kg. Die weiteren Enthalpien erh¨ alt man durch Interpolation aus der Dampftafel: h4 = h(40 bar; 6,4548 kJ/kgK) = 3 012,11 kJ/kg, = 3 535,8 kJ/kg, h5 = h(40 bar; 540◦ C)
h6 = h + x6 h − h 6
6
6
= 2 283,17 kJ/kg.
Nachstehend sind die relevanten Enthalpiedifferenzen zusammengefaßt: ∆hSp = h2 − h1 =
15,14 kJ/kg
∆hDE = h3 − h2 = 3 187,33 kJ/kg ∆hHD = h3 − h4 = 382,19 kJ/kg
(durch die Speisepumpe zugef¨ uhrt), (im Dampferzeuger zugef¨ uhrt), (in der HD-Turbine abgef¨ uhrt),
3.3 Maßnahmen zur Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades ∆hZU 523,69 kJ/kg ¨ = h5 − h4 = ∆hND = h5 − h6 = 1 252,63 kJ/kg ∆hK = h6 − h1 = 2 091,34 kJ/kg
79
(im Zwischen¨ uberhitzer zugef¨ uhrt), (in der ND-Turbine abgef¨ uhrt), (im Kondensator abgef¨ uhrt).
Daraus ergibt sich f¨ ur den thermischen Wirkungsgrad ηth =
w
N
qzu
=
∆hDE + ∆h
¨ ZU
− ∆hK
∆hDE + ∆h
¨ ZU
=
∆hHD + ∆hND − ∆hSp ∆hDE + ∆h
= 0,436.
¨ ZU
Somit erh¨ alt man gegen¨ uber dem Prozeß ohne Zwischen¨ uberhitzung (3.1) einen um 1,8 Prozentpunkte h¨ oheren Wirkungsgrad.
3.3.4 Regenerative Speisewasservorw¨ armung Die regenerative Speisewasservorw¨ armung n¨ ahert den Clausius-Rankine-Prozeß dem Carnot-Prozeß dadurch an, daß das Speisewasser durch prozeßinternen W¨ armeaustausch auf eine wesentlich u ¨ber der Kondensationstemperatur des im Kondensator niedergeschlagenen Dampfes liegende Temperatur aufgeheizt wird. Dies kann durch regenerativen W¨armeaustausch zwischen dem Speisewasser und Anzapfdampf aus der Turbine geschehen. Dabei werden aus der Turbine an verschiedenen Stellen jeweils geringe Dampfstr¨ome entnommen. In Misch- und/oder Oberfl¨ achenvorw¨armern wird die Kondensationsw¨ arme dieser Dampfstr¨ ome genutzt, um das Speisewasser aufzuheizen, vgl. Abb. 3.10. Durch diese W¨ armeverschiebung wird der Prozeß formal einem Carnot-Prozeß angeglichen. Man spricht deshalb von einer Carnotisierung des Dampfkraftprozesses. Bei vorgegebenem Kondensatordruck und gleichbleibender Leistung der Turbine ist die in den Kondensator str¨omende Abdampfmenge und damit auch die an die Umgebung abgegebene Verlustw¨arme geringer, vgl. Abb. 3.11. F¨ ur den thermischen Wirkungsgrad eines Prozesses mit regenerativer Speisewasservorw¨ armung gilt
q
h3 − h 1 ab ηth = 1 − . (3.26) =1− qzu T1 s4 − s3 T
3
2 1’
a
1
b
4
s
Abbildung 3.10. Vereinfachte Darstellung der regenerativen Speisewasservorw¨ armung. Die W¨ armeverschiebung von a nach b erfolgt mit sog. Vorw¨ armern, vgl. Kap. 10. Damit in diesen Apparaten eine Dampfbildung vermieden wird, bringt man das Speisewasser auf einen ausreichend hohen Druck. Dazu wird die Vorw¨ armstrecke in eine Nieder- und eine Hochdruckvorw¨ armung unterteilt
80
3 Umwandlung von W¨ arme in Arbeit
0,20
8
n= n=8
∆η η
n=4
0,10
Abbildung 3.11. Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades durch regenerative Speisewasservorw¨ armung in Abh¨ angigkeit von der Speisewasserendtemperatur und der Anzahl der Vorw¨ armstufen n. Die Daten beziehen sich auf einen Prozeß mit einfacher Zwischen¨ uberhitzung, Leistungsgr¨ oße ca. 300 MW
n=2
0 0
200
Tsw [◦ C]
400
Infolge der regenerativen Speisewasservorw¨ armung vergr¨oßert sich der Dampfstrom durch die HD-Turbine, dagegen verringern sich die Massenstr¨ome durch die MD- und ND-Turbine. Dadurch vermindern sich die sog. Spaltverluste im Hoch- und Mitteldruckteil der Turbine und die sog. Austrittsverluste in der Niederdruckturbine, was eine Verbesserung des inneren Turbinenwirkungsgrades zur Folge hat, vgl. Abschn. 8.4. Beispiel 3.4. Bei einer Anlage mit einfacher Zwischen¨ uberhitzung soll eine zweistufige Speisewasservorw¨ armung mit einem Mischvorw¨ armer a und einem Oberfl¨ achenvorw¨ armer b durchgef¨ uhrt werden. Der Druck in den Vorw¨ armstufen ist mit 5 bar f¨ ur den Mischvorw¨ armer und 40 bar f¨ ur den Oberfl¨ achenvorw¨ armer vorgegeben, vgl. das Schema in Abb. 3.12 und das T,s-Diagramm in Abb. 3.13. Der Kondensatordruck betr¨ agt 0,1 bar, der Dampfdruck vor der Hochdruckturbine 150 bar und vor ¨ der Niederdruckturbine 40 bar. Die Uberhitzertemperatur betr¨ agt 530◦ C; im Zwi◦ schen¨ uberhitzer wird eine Temperatur von 540 C erreicht. Man ermittle die erforderlichen Anzapfmengen y und z sowie den thermischen Wirkungsgrad des als ideal zu betrachtenden Prozesses.
9 HD
10
11 ND
12
13
G ~
1-y-z y
8
z
5 7
4 6
b
2
3 a
1
Abbildung 3.12. Dampfkraftanlage mit zweistufiger Vorw¨ armung und Zwischenu ¨berhitzung
3.3 Maßnahmen zur Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades 9
T
5 8 4
1
7
11
15 MPa 4 MPa
1-y 10
y
6
81
12 0,5 MPa
3
z
2
1-y-z 10 kPa
1
13
s
Abbildung 3.13. Dampfkraftprozeß mit zweistufiger Vorw¨ armung und Zwischen¨ uberhitzung im T,sDiagramm
L¨ osung. Unter der Voraussetzung, daß im System keine Irreversibilit¨ aten auftreten, kann die Enthalpie in den einzelnen Abschnitten der Dampftafel entnommen ussig siedenden Zustand werden. Man erh¨ alt f¨ ur den Druck p1 = 0,1 bar und den fl¨ die Enthalpie h1 = 191,83 kJ/kg. Die Enthalpie im Zustand 2 ergibt sich aus Zustand 1 durch eine Druckerh¨ ohung auf p2 = 5 bar und das spezifische Volumen v1 = 0,0010102 m3 /kg zu
h2 = h1 + v1 p2 − p1 = 192,32 kJ/kg. Die Enthalpie des Zustands 3 l¨ aßt sich wie die Enthalpie des Zustands 1 direkt der Dampftafel entnehmen: h3 = 640,12 kJ/kg. Analog zu h2 ergibt sich h4 zu
h4 = h3 + v3 p4 − p3 = 655,97 kJ/kg. Dem T,s-Diagramm entnimmt man, daß sich die Zust¨ ande 5 und 6 auf gleichem Temperaturniveau befinden und T6 = 250,33◦ C der Siedetemperatur von Wasser beim Druck p6 = 40 bar entspricht. Eine Interpolation der Dampftafel liefert h5 = 1087,8 kJ/kg. Die Enthalpie im Zustand 6 kann unmittelbar der Dampftafel entnommen werden: h6 = 1 087,4 kJ/kg. Mit dem spezifischen Volumen v6 = 0,0012521 m3 /kg erh¨ alt man
h7 = h6 + v6 p7 − p6 = 1 101,17 kJ/kg. Zustand 8 ist das Ergebnis der Mischung von Wasser der Zust¨ ande 5 und 7: h8 = y h7 + (1 − y) h5 . Im Zustand 9 ist nach der Dampftafel h9 = 3 394,3 kJ/kg und s9 = 6,4548 kJ/kgK. Von Zustand 10 ist bekannt, daß er durch isentrope Expansion zustandekommt, weshalb s10 = s9 ist. Durch lineare Interpolation gewinnt man h10 =
s10 − s(40 bar, 310◦ C)
s(40 bar, 320◦ C) − s(40 bar, 310◦ C)
·
h(40 bar, 320◦ C) − h(40 bar, 310◦ C) + h(40 bar, 310◦ C)
= 3 014,85 kJ/kg.
82
3 Umwandlung von W¨ arme in Arbeit
Mit der Dampftafel legt man h11 = 3 535,8 kJ/kg fest. Analog zur Berechnung des Zustandes 10 erfolgt die Berechnung des Zustandes 12, f¨ ur den eine Enthalpie h12 = 2 926,81 kJ/kg gefunden wird. Die Entspannung in der Niederdruckturbine erfolgt isentrop in das Naßdampfgebiet hinein, woraus eine Enthalpie s13 − s (0,1 bar)
h13 = h (0,1 bar) +
s (0,1 bar) − s (0,1 bar) = 2 283,17 kJ/kg
h (0,1 bar) − h (0,1 bar)
resultiert. Die Anzapfmengen y und z aus der Niederdruckturbine ergeben sich aus Energiebilanzen. F¨ ur den Oberfl¨ achenvorw¨ armer gilt
y h10 − h6 = (1 − y) h5 − h4 . Durch Aufl¨ osen der Gleichung nach y erh¨ alt man
y=
h5 − h4
h10 − h6 + h5 − h4
= 0,1830.
Man erh¨ alt somit f¨ ur die Enthalpie im Zustand 8: h8 = 1 090,25 kJ/kg, weshalb z aus der Bilanz z h12 + (1 − y − z) h2 = (1 − y) h3 berechnet werden kann. Durch Aufl¨ osen der Gleichung nach z erh¨ alt man
z=
(1 − y) h3 − h2
h12 − h2
= 0,1338.
F¨ ur den zu- und abgef¨ uhrten W¨ armestrom folgt, vgl. Abb. 3.12:
qzu = h9 − h8 + (1 − y) h11 − h10 = 2 729,69 kJ/kg,
qab = (1 − y − z) h1 − h13 = −1 428,76 kJ/kg. Daraus erh¨ alt man f¨ ur den thermischen Wirkungsgrad ηth = 1 −
q
ab
qzu
= 0,477.
Damit ergibt sich eine Verbesserung des Wirkungsgrades um 4,1 Prozentpunkte gegen¨ uber einem Prozeß mit Zwischen¨ uberhitzung, aber ohne Vorw¨ armung, vgl. Beispiel 3.3. Gegen¨ uber dem einfachen Prozeß aus Beispiel 3.1 wird eine Verbesserung von 5,9 Prozentpunkten erreicht.
3.3 Maßnahmen zur Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades
83
3.3.5 Einfluß des Kondensatordruckes Der thermische Wirkungsgrad des Dampfkraftprozesses h¨angt wesentlich vom Austrittsdruck des Dampfes aus der Niederdruckturbine ab, vgl. Abb. 3.14. Der Druck am Turbinenaustritt ist in guter N¨aherung gleich dem Kondensatordruck und legt damit die Temperatur fest, bei der die Abw¨arme des Dampfkraftprozesses an die Umgebung abgegeben wird. Neben der Verf¨ ugbarkeit einer W¨ armesenke bei der entsprechenden Temperatur sind bei der Festlegung des Kondensatordrucks noch weitere Randbedingungen zu beachten. So nimmt bei der Absenkung des Druckes die Dampfn¨ asse zu, wodurch sich die Erosion durch Wassertr¨opfchen in den letzten Reihen der Turbinenbeschaufelung zumindest in der Tendenz verst¨arkt. Weiter vergr¨ oßert sich das spezifische Dampfvolumen und damit auch der Volumenstrom am Turbinenaustritt. Da die Austrittsquerschnitte der Niederdruckturbinen durch die maximal m¨ oglichen Schaufell¨ angen festgelegt sind, erh¨ oht sich damit zwangsl¨aufig die Dampfgeschwindigkeit und damit auch der Str¨omungsverlust, der mit dem Quadrat der Geschwindigkeit w¨ achst. Aus den genannten Gr¨ unden wird der Kondensatordruck bei Großkraftwerken im Bereich von 0,04 bis 0,06 bar gew¨ ahlt, was einer Kondensationstemperatur im Bereich von 30 bis 36◦ C entspricht. Wir werden auf diese Zusammenh¨ ange im einzelnen bei der Behandlung der Kondensatoren zur¨ uckkommen. 1,0
180 bar 0,95
η/η
0,04
[-]
0,975
80 bar 0,925 40 bar 0,9 0,04
0,06
0,08
0,1
p [bar] K
Abbildung 3.14. Abh¨ angigkeit des thermischen Wirkungsgrades vom Kondensationsdruck. Als Parameter ist der Frischdampfdruck angegeben. Prozeß ohne Zwischen¨ uberhitzung, Anlagengr¨ oße ca. 100 MW
84
3 Umwandlung von W¨ arme in Arbeit
Nutzwärme
G
G
Gegendruck p Nutzwärme
Abbildung 3.15. Gegendruckanlage
Abbildung 3.16. Entnahmekondensationsanlage
3.3.6 Kraft-W¨ arme-Kopplung Mit der Kraft-W¨arme-Kopplung k¨ onnen mit einer Anlage gleichzeitig zwei Energieformen bereitgestellt werden. Das klassische Beispiel f¨ ur einen solchen Prozeß ist die gleichzeitige Bereitstellung von Strom und W¨arme in Heizund Industriekraftwerken. Die Realisierung erfolgt meistens mit einem Gegendruck-Dampfkraftprozeß. Der Druck des Turbinenabdampfes beim Dampfkraftprozeß wird dabei so gew¨ ahlt, daß durch Kondensation des Dampfes am Heizort W¨ arme mit der geforderten Temperatur bereitgestellt werden kann. Ein Schema eines solchen Prozesses ist in Abb. 3.15 dargestellt. Beim idealen Koppelprozeß wird die gesamte zugef¨ uhrte Brennstoffenergie entweder als Arbeit bzw. Strom oder W¨ arme genutzt. Es ist u ur die Bewertung des ¨blich, f¨ Prozesses einen Nutzungsgrad
q
Arbeit + W¨ arme = 1 − ab (3.27) ε= zugef u ¨hrte Energie qzu uhrten Energie, der zu definieren. qab umfaßt den Teil der dem Prozeß zugef¨ nicht nutzbar gemacht wird, z.B. die W¨ armeverluste des Dampferzeugers. Bei ausgef¨ uhrten Prozessen werden Nutzungsgrade um 0,9 erreicht. Zur Lockerung der starren Kopplung zwischen der Strom- und W¨armelieferung wird oft noch ein Kondensationsteil hinzugef¨ ugt, so daß es z.B. bei Fernheizwerken im Sommer m¨ oglich ist, mehr Strom und im Winter mehr W¨arme zu liefern, vgl. Abb. 3.16. Das Hauptziel der Kraft-W¨arme-Kopplung liegt in der Prim¨ arenergieeinsparung und der Emissionsminderung. Es wurden auch Versuche unternommen, die Abw¨arme eines reinen Kondensationskraftwerkes nutzbar zu machen. Wegen der niedrigen Temperatur der Kondensatorabw¨ arme von ca. 30◦ C wurden aber nur wenige Projekte ausgef¨ uhrt, z.B. die Gew¨ achshaus- und Fischteichheizung im Kraftwerk Niederaußem der RWE Energie AG.
3.4 Kreisprozesse mit homogenen Medien – Gasturbinenprozeß T
3
85
Idealer Prozeß Realer Prozeß
3`
q zu 2
2` 4`
4 1,1`
q ab
s
Abbildung 3.17. Der Joule-Prozeß im T,s-Diagramm
3.4 Kreisprozesse mit homogenen Medien – Gasturbinenprozeß 3.4.1 Der Joule-Prozeß Schaltet man einen Verdichter und eine Expansionsmaschine – eine Turbine – zusammen, w¨ urde im Idealfall die Expansionsmaschine den Verdichter zum Erzeugen ihres eigenen Preßluftbedarfes antreiben k¨onnen. Erw¨armt man die Luft auf dem Wege zwischen Verdichter und Maschine, wird die Leistung der Maschine gr¨ oßer als der Bedarf des Verdichters, so daß Leistung f¨ ur andere Zwecke abgegeben werden kann. Bei diesem Prozeß liegt im Unterschied zum Dampfkraftprozeß das Arbeitsmittel, z.B. Luft, bei allen Zustands¨anderungen als homogenes Medium vor. Der dem Clausius-Rankine-Prozeß bei Dampfkraftanlagen entsprechende Vergleichsprozeß bei Gasturbinen ist der JouleProzeß7 . Er besteht aus zwei Isobaren und zwei Isentropen, vgl. Abb. 3.17. Die technische Umsetzung des Joule-Prozesses erfolgt in Form eines offenen Prozesses, vgl. Abb. 3.18. Dabei wird Luft aus der Umgebung angesaugt und verdichtet. Die W¨ armezufuhr erfolgt in einer Brennkammer, in die der Brennstoff eingespritzt wird. Das heiße Rauchgas wird dann in der Turbine entspannt und in die Umgebung ausgeblasen. Der Massenstrom durch die Turbine ist daher um den Brennstoffstrom gr¨ oßer als der Massenstrom durch den Verdichter. Bei mit Erd¨ ol gefeuerten Gasturbinen ist die Massenstromdifferenz geringer als 5% und wird in diesem Abschnitt zun¨achst nicht weiter ber¨ ucksichtigt. Das Arbeitsmittel wird beim idealen Prozeß isentrop von 1 nach 2 verdichtet, die W¨ arme wird l¨ angs der Isobaren von 2 nach 3 zugef¨ uhrt. Daran schließt sich die isentrope Expansion in der Turbine von 3 nach 4 an. Die W¨ armeabfuhr erfolgt schließlich isobar von 4 nach 1. F¨ ur die pro Masseneinheit des Arbeitsmittels zu- und abgef¨ uhrten W¨armemengen, die Verdichterarbeit und die Nutzarbeit der Turbine gilt: 7
Nach J. P. Joule (1818–1889). Dieser Prozeß wird in der amerikanischen Literatur als Brayton-Prozeß bezeichnet.
86
3 Umwandlung von W¨ arme in Arbeit
qzu = h3 − h2 = cp T3 − T2 , qab = h1 − h4 = cp T1 − T4 , wT = h4 − h3 = cp T4 − T3 , wV = h2 − h1 = cp T2 − T1 .
(3.28) (3.29) (3.30) (3.31)
F¨ ur die aus dem Prozeß entnehmbare Nutzarbeit und den Wirkungsgrad folgt wN = wT + wV = −qzu − qab und
ηth
(3.32)
T1
T4 1 −
w
q
T4 T4 − T1 N ab
. = =1− =1− =1− qzu qzu T3 − T2 T2 T3 1 − T3
(3.33)
Bei den vorausgesetzten isentropen Zustands¨anderungen 1–2 und 3–4 folgt aus der Isentropengleichung p v κ = const
(3.34)
und der Zustandsgleichung, dem idealen Gasgesetz pv = RT
(3.35)
(R ist die spezielle Gaskonstante) f¨ ur die Temperaturen κ−1 κ−1 κ κ T2 p3 T3 p2 = = = T1 T4 p1 p4 und damit T T1 = 2 . T4 T3
(3.36)
(3.37)
Abgas
Frischluft
Verdichter
Turbine Brennkammer
Brennstoff
Abbildung 3.18. Notwendige Komponenten einer Gasturbinenanlage. In den Ausf¨ uhrungen wird der Verdichter zumeist durch die Turbine angetrieben und befindet sich zusammen mit der Turbine und der angetriebenen Arbeitsmaschine auf einer gemeinsamen Welle (Einwellenmaschine)
3.4 Kreisprozesse mit homogenen Medien – Gasturbinenprozeß
87
1,00
ηth
0,75 0,50 0,25 0
0
5
10
15
20
25 p2 /p1
Dabei ist cp κ= cv
Abbildung 3.19. Wirkungsgrad des idealen Joule-Prozesses f¨ ur Luft (κ = 1,4)
(3.38)
das Verh¨ altnis der spezifischen W¨ armekapazit¨ aten bei konstantem Druck bzw. bei konstantem Volumen. Damit kann der Wirkungsgrad (3.33) wie folgt geschrieben werden: κ−1 κ−1 κ κ T4 p1 T1 p4 =1− =1− =1− . (3.39) ηth = 1 − T2 T3 p2 p3 Der Wirkungsgrad des Joule-Prozesses ist also allein eine Funktion des Druckverh¨ altnisses. Dieser Zusammenhang ist in Abb. 3.19 dargestellt. Die W¨armezufuhr in der Brennkammer 2–3 spielt damit f¨ ur den Wirkungsgrad keine Rolle. F¨ ur die abgegebene Nutzarbeit gilt allerdings
w = w − w = η q . (3.40) N T V th zu Zur Erreichung der geforderten Arbeitsabgabe der Turbine ist eine angemessene W¨ armezufuhr erforderlich. Die technische Umsetzung des Joule-Prozesses ist mit Irreversibilit¨aten verbunden. Die wesentlichen Abweichungen vom idealen Prozeß sind in Abb. 3.17 dargestellt. Im Gegensatz zum Dampfkraftprozeß ist nicht nur die Irreversibilit¨ at in der Turbine von Bedeutung, sondern auch die im Verdichter und – aufgrund des Druckverlustes – die in der Brennkammer. Beispiel 3.5. Ein Joule-Prozeß arbeitet bei einem Druckverh¨ altnis von 8, einer Temperatur vor dem Verdichter von T1 = 300 K und einer Turbineneintrittstemperatur von T3 = 1 300 K. Das Arbeitsmittel ist ein perfektes Gas mit κ = 1,4 und cp = 0,994 kJ/kgK. Man bestimme: a) Die Gastemperatur nach dem Verdichter, b) die erforderliche Verdichterarbeit, c) die in der Turbine gewonnene Arbeit und
88
3 Umwandlung von W¨ arme in Arbeit
d) den thermischen Wirkungsgrad des idealen Prozesses. L¨ osung. a) Bei der isentropen Kompression eines idealen Gases folgt aus (3.36) f¨ ur ein Druckverh¨ altnis p2 /p1 = 8
T2 = T1
p2
κ−1 κ = 543,4 K.
p1
b) F¨ ur die spezifische, isentrope Verdichterarbeit gilt mit (3.31) und (3.37)
wV = cp T2 − T1 = 242,0 kJ/kg. c) F¨ ur die spezifische Arbeit der Turbine folgt nach (3.30) und (3.37)
wT = cp T3
T1 T2
−1
= −578,8 kJ/kg.
d) Nach (3.39) ist der thermische Wirkungsgrad ηth = 1 −
T1 T2
= 0,448.
Dies ist der Wirkungsgrad eines idealen Prozesses. Bei realen Prozessen sind die Irreversibilit¨ aten von Verdichter und Turbine zu ber¨ ucksichtigen. Dadurch vermindert sich der Wirkungsgrad z.T. erheblich, vgl. Beispiel 14.1. Ausgef¨ uhrte Anlagen erreichen bei guter Abstimmung zwischen Turbine und Verdichter Wirkungsgrade von ca. 30%.
3.4.2 Verbesserungsm¨ oglichkeiten f¨ ur den Joule-Prozeß 3.4.2.1 Vorbemerkung Der einfache Gasturbinenprozeß wird z.B. bei Strahltriebwerken von Flugzeugen und Spitzenlastkraftwerken wirtschaftlich eingesetzt. Bei anderen Anwendungen kommt es allerdings auch hier auf eine Optimierung des Wirkungsgrades an. Als Maßnahmen daf¨ ur stehen neben der Erh¨ohung des Druckverh¨altnisses zur Verf¨ ugung: • Innerer W¨ armeaustausch, • Zwischenk¨ uhlung und • Zwischen¨ uberhitzung. 3.4.2.2 Innerer W¨ armeaustausch Wie beim Dampfkraftprozeß kann auch hier der Wirkungsgrad durch einen regenerativen W¨ armeaustausch innerhalb des Prozesses verbessert werden. Die Temperatur am Austritt der Turbine T4 ist meist h¨oher als die Temperatur T2 hinter dem Verdichter. Es liegt daher nahe, einen W¨armeaustauscher in den
3.4 Kreisprozesse mit homogenen Medien – Gasturbinenprozeß Frischluft
Abgas
3
T Turbine
qzu 2`
Verdichter
Brennkammer
Brennstoff
Abbildung 3.20. Gasturbinenanlage mit regenerativem W¨ armeaustausch
4
2
1
Wärmeaustauscher
89
4`
qab
s Abbildung 3.21. Gasturbinenprozeß mit regenerativem W¨ armeaustausch im T,s-Diagramm
Kreislauf einzubauen, um die Verbrennungsluft vor der Brennkammer aufzuw¨ armen. Dadurch wird die W¨ armezufuhr in einen Bereich h¨oherer Temperatur und die W¨ armeabfuhr aus dem Kreisprozeß in einen solchen niedrigerer Temperatur verlegt, vgl. Abb. 3.20 und 3.21. Der Wirkungsgrad eines idealen Prozesses mit innerem W¨armeaustausch ist durch
q
w
T − T1 T − T1 ab N =1− =1− 4 =1− 2 ηth = qzu qzu T3 − T T3 − T4 2
T2 −1 T1 T1
=1− (3.41) T3 −1 T4 T4 bestimmt. Mit (3.37) folgt daraus κ−1 κ T1 T1 p2 . ηth = 1 − =1− T4 T3 p1
(3.42)
Gegen¨ uber dem einfachen Joule-Prozeß nimmt der Wirkungsgrad beim Prozeß mit innerem W¨ armeaustausch bei festgehaltenen Temperaturen mit dem Druckverh¨ altnis ab, vgl. Abb. 3.22. Die Abbildung zeigt, daß der innere W¨ armeaustausch nur bei kleinen Druckverh¨ altnissen und niedrigen Turbineneintrittstemperaturen vorteilhaft ist. Bei der praktischen Ausf¨ uhrung kann der W¨armeaustausch nicht ideal ausgef¨ uhrt werden, vielmehr ist T < T4 und T > T2 . Die Unvollkommenheit 2 4 des W¨ armeaustausches wird durch einen Effektivit¨atsfaktor T − T2 (3.43) ε= 2 T4 − T2
90
3 Umwandlung von W¨ arme in Arbeit 1,0
ηth,reg 0,75
0,5
T1 /T3 = 1/5 T1 /T3 = 1/4
0,25 T1 /T3 = 1/3
ohne Regeneration
0 0
5
10
15
20 p2 /p1 25
Abbildung 3.22. Wirkungsgrad des Joule-Prozesses mit idealem, regenerativen W¨ armeaustausch
gekennzeichnet. Der erreichbare ε-Wert h¨ angt vom Verh¨altnis der Produkte aus Mengenstrom und spezifischer W¨ armekapazit¨at des w¨armeabgebenden und des w¨ armeaufnehmenden Arbeitsmittels ab. Bei noch vertretbarem Aufwand f¨ ur den W¨ armeaustauscher werden Effektivit¨atsfaktoren von ca. 0,8 erreicht. 3.4.2.3 Zwischenk¨ uhlung und Zwischenerhitzung Die f¨ ur die Verdichtung der Verbrennungsluft aufzubringende Arbeit bestimmt sich zu 2 wV = − v dp . (3.44) 1
F¨ ur ein perfektes Gas mit der thermischen Zustandsgleichung (3.35) folgt 2 wV = −
RT
dp . p
(3.45)
1
F¨ ur die von der Turbine abgegebene Arbeit gilt die entsprechende Beziehung 4 wT = −
RT
dp . p
(3.46)
3
Die Expansionsarbeit wT ist offensichtlich am gr¨oßten, wenn die Expansion in der Turbine bei m¨ oglichst hoher Temperatur beginnt. Zur Optimierung der vom Prozeß abgegebenen Leistung wird die Verdichtung in nV Stufen mit nZK = nV − 1 Zwischenk¨ uhlungen und die Expansion in der Turbine in nT Stufen mit nZE = nT − 1 Zwischenerhitzungen unterteilt. Durch diese Maßnahme wird die mittlere Temperatur der W¨armezufuhr
3.4 Kreisprozesse mit homogenen Medien – Gasturbinenprozeß
91
T 3
3`
T¯zu 4 2``
2`
4`
2
T¯ab 1``
1`
1
s
Abbildung 3.23. Gasturbinenprozeß mit Zwischenk¨ uhlung und -erhitzung im T,s-Diagramm
gegen¨ uber einem einfachen Joule-Prozeß angehoben und die der W¨armeabfuhr gesenkt. Der resultierende Kreisprozeß ist in Abb. 3.23 im T,s-Diagramm dargestellt. F¨ ur ein Gas mit konstanter spezifischer W¨armekapazit¨at cp kann unter Voraussetzung von gleichartigen Verdichter- und gleichartigen Turbinenstufen die Nutzarbeit wN sofort aus dem T,s-Diagramm und den Gleichungen (3.45) und (3.46) bestimmt werden. Dabei wurde weiter vorausgesetzt, daß der Massenstrom in Verdichter und Turbine gleich groß ist. Es folgt
κ−1 T 1−κ wN = cp T3 ηT nZE + 1 1 − Π κ − 1 nZK + 1 Π κ − 1 (3.47) T V ηV mit: ηT adiabater Turbinenwirkungsgrad, ηV adiabater Verdichterwirkungsgrad, nZE Anzahl der Zwischenerhitzerstufen (nZE = 1 in Abb. 3.23), nZK Anzahl der Zwischenk¨ uhlerstufen (nZK = 2 in Abb. 3.23), altnis der Turbine, ΠT Druckverh¨ altnis des Verdichters. ΠV Druckverh¨ Aus Abb. 3.23 ist unmittelbar einsichtig, daß f¨ ur den Fall nZK → ∞ und nZE → ∞ ein Prozeß entsteht, bei dem die W¨arme bei der konstanten Temuhrt und bei der konstanten Temperatur T ab abgef¨ uhrt wird. peratur T zu zugef¨ Damit ergibt sich f¨ ur den Grenzfall der Wirkungsgrad ηth = 1 −
T ab T zu
.
(3.48)
Dies entspricht dem Wirkungsgrad eines Carnot-Prozesses zwischen den Grenztemperaturen T zu und T ab . Der durch den Grenz¨ ubergang entstandene Prozeß besteht aus zwei Isothermen und zwei Isobaren und ist unter dem Namen Ackeret-Keller-Prozeß8 bekannt. 8
Nach J. Ackeret (1898–1981) und C. Keller (geb. 1904).
92
3 Umwandlung von W¨ arme in Arbeit zum Kamin
f
a
a b c d e f
b
c
G ~
d
e Brennstoff/Luft
Verdichter Gaserhitzer Gasturbine Generator W¨ armeaustauscher R¨ uckk¨ uhler
Abbildung 3.24. Schema eines geschlossenen Gasturbinenprozesses
Wegen der f¨ ur den W¨ arme¨ ubergang erforderlichen Temperaturdifferenzen und der Kosten f¨ ur die zus¨ atzlichen Anlagenteile werden in der Praxis h¨ ochstens eine Zwischen¨ uberhitzung und zwei Zwischenk¨ uhlungen ausgef¨ uhrt. 3.4.3 Sonderformen des Gasturbinenprozesses 3.4.3.1 Geschlossener Prozeß Beim geschlossenen Prozeß wird die W¨ arme dem Arbeitsmittel nicht durch Verbrennen eines Brennstoffes im Kreislauf selbst zugef¨ uhrt, sondern mittels eines W¨ armeaustauschers, vgl. Abb. 3.24. Die Prozeßfolge ist ansonsten der einer offenen Gasturbine v¨ ollig analog. Einzige zus¨atzliche Komponente ist der R¨ uckk¨ uhler. Die im R¨ uckk¨ uhler abgegebene W¨arme kann z.B. in ein Fernw¨ armenetz eingespeist werden. Geschlossene Gasturbinen arbeiten bei h¨oheren Dr¨ ucken als offene. So herrscht z.B. vor dem Verdichter ein Druck von 10 bar und vor der Turbine ein Druck von 40–50 bar. Wegen der hohen Arbeitsdr¨ ucke sind die Abmessungen der Maschinen bei vergleichbaren Wirkungsgraden kleiner als bei offenen Prozessen. Geringe Beimengungen gewisser Mineralstoffe, die bei Kohle oder bei schwerem Heiz¨ ol in der Asche enthalten sind, f¨ uhren bei direkt gefeuerten Gasturbinen zu Ablagerungen auf den hochbeanspruchten Turbinenschaufeln und auch zu Korrosion. Bei hohen Eintrittstemperaturen sind diese Ablagerungen schließlich begrenzend f¨ ur die Betriebszeit. Obwohl diese Erscheinungen beim geschlossenen Prozeß im Prinzip auch im Rohrb¨ undel des Gaserhitzers auftreten, ist mit dem geschlossenen Prozeß die Verwendung von Kohle als Brennstoff m¨oglich geworden, vgl. Kap. 14. 3.4.3.2 Strahltriebwerk Die f¨ ur den Antrieb schneller Flugzeuge verwendeten Strahltriebwerke bestehen genau wie die Anlage nach Abb. 3.25 aus einem Verdichter, einer Brennkammer und einer Turbine. In dieser wird die Expansion des Gases aber nicht
3.5 Fazit
93
bis auf den atmosph¨ arischen Druck gef¨ uhrt, sondern nur soweit, daß ihre Leistung gerade f¨ ur den Antrieb des Verdichters ausreicht. Der nach der Turbine ¨ noch verf¨ ugbare Uberdruck gegen die Atmosph¨are wird dazu benutzt, um das Abgas mittels einer D¨ use auf eine hohe Geschwindigkeit zu beschleunigen. Der R¨ uckstoß des austretenden Gasstrahls ist die treibende Kraft des Triebwerks.
c b
a
a Diffusor b Verdichter
e
d
c Brennkammer d Turbine
e D¨ use
Abbildung 3.25. Schema eines Strahltriebwerkes
Mit dem Impulssatz der Str¨ omungsmechanik errechnet sich die Vortriebskraft zu
(3.49) F =m ˙ vF − vG . Hierbei ist m ˙ der Massenstrom durch das Triebwerk, vF die Fluggeschwindigkeit und vG die Geschwindigkeit des Gasstrahls. Die Leistung des Triebwerks ergibt sich zu
L = F vF = m (3.50) ˙ vF − vG vF . F¨ ur den Wirkungsgrad folgt ηV =
L Vortriebsleistung = V . W¨ armeleistung Q˙ zu
(3.51)
Hierbei ist Q˙ zu die mit dem Brennstoff zugef¨ uhrte W¨armeleistung. ηV liegt bei Verkehrsflugzeugen in der Gr¨ oßenordnung von 0,25. Im Flugzeugbau haben die Gasturbinen wegen ihrer betrieblichen Anspruchslosigkeit, ihres geringen Gewichts, des g¨ unstigen Raumbedarfs und ihres ersch¨ utterungsfreien Laufs die Kolbenmotoren als Antriebsmaschinen praktisch vollst¨andig verdr¨angt.
3.5 Fazit Weitere Fortschritte auf dem Weg zu einem h¨oheren Wirkungsgrad der Umwandlung von W¨arme in mechanische Energie mit thermischen Kreisprozessen k¨ onnen erreicht werden, indem die mittlere Temperatur der W¨armeaufnahme des Prozesses erh¨oht und die der W¨ armeabfuhr abgesenkt wird. Dies ist aber
94
3 Umwandlung von W¨ arme in Arbeit
haupts¨ achlich von der Verf¨ ugbarkeit von warmfesten Werkstoffen und deren Preis bzw. dem Temperaturniveau der verf¨ ugbaren W¨armesenken abh¨angig. Ein anderer Weg, die Nutzung der eingesetzten Prim¨arenergie zu verbessern, besteht in der Kombination sich gegenseitig erg¨anzender technischer Prozesse. F¨ ur den reinen Kraftwerksbetrieb besteht die M¨oglichkeit der Verbindung des Gasturbinen- mit dem Dampfkraftprozeß. Diese Prozeßvariante wird in Kap. 14 behandelt. Ebenso besteht die M¨ oglichkeit, dem Wasserdampfprozeß andere Zweiphasen-Kreisprozesse, die mit geeigneten Stoffen f¨ ur den jeweiligen Temperaturbereich arbeiten, vor- oder nachzuschalten. Dabei dient die Kondensationsw¨arme des ersten Prozesses zur Verdampfung des Arbeitsmittels des nachfolgenden, vgl. [4]. Ist neben elektrischer Energie auch W¨ arme bereitzustellen, kann die Kondensationstemperatur oft soweit angehoben werden, daß die Abw¨arme des Kraftwerksprozesses auf dem gew¨ unschten Temperaturniveau anf¨allt. Dies ist der typische Fall der Kraft-W¨ arme-Kopplung. Nach Abzug der Verluste ergeben sich dabei Nutzungsgrade der eingesetzten Prim¨arenergie von ca. 80%, vgl. [5].
Literatur 1. Baehr, H.D.: Thermodynamik, 9. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg New York 1996 2. Knizia, K.: Die Thermodynamik des Dampfkraftprozesses. Springer, Berlin Heidelberg New York 1966 3. Wagner, W.: Zustandsgr¨ oßen von Wasser und Wasserdampf. Springer, Berlin Heidelberg New York 1998 4. Brockel, D., Lang, A., Schwarz, N. et. al.: Treble Rankine Cycle Project. Forschungsbericht T 86-046, BMFT, Bonn 1986 5. Hakansson, K.: Handbuch der Fernw¨ arme-Praxis. Vulkan, Essen 1982
Teil II
Nutzung fossiler Brennstoffe
4 Dampfkraftwerke
4.1 Bedeutung und Entwicklung der Dampfkraftwerke Die ersten Dampfkraftwerke wurden von dem vielseitigen Erfinder Thomas Alva Edison1 in New York und London errichtet und 1882 in Betrieb genommen. Nach zahlreichen Erfolgen als Erfinder hatte sich Edison 1877 dem Problem der elektrischen Beleuchtung zugewandt. Nachdem es ihm 1879 gelungen war, eine Gl¨ uhlampe mit hitzebest¨ andigen Leuchtdr¨ahten zu entwickeln, wandte er sich unmittelbar der Kommerzialisierung seiner Erfindung zu. Mit der Inbetriebnahme der Anlagen in der Pearl Street in Lower Manhatten und am Holborn Viaduct in London, die Gleichstrom mit einer Spannung von 100 V und einer Leistung von jeweils 500 kW lieferten, er¨offnete er das Zeitalter der Elektrizi¨ at. Im Jahr 1885 waren in New York bereits 250 000 Gl¨ uhbirnen in Verwendung und um 1900 waren es allein in den USA mehr als 18 Millionen. Die ersten Kraftwerke wurden mit Kohle gefeuert, und auch in unserer Zeit verbrennt die Zivilisation etwa ein Drittel der Prim¨arenergie in Form fossiler Brennstoffe in Dampfkraftwerken, um den Bedarf an elektrischer Energie zu decken. Den Dampfkraftwerken kommt deshalb eine besondere Bedeutung innerhalb der Energietechnik zu. Ihre Entwicklung seit dieser Zeit kann man in f¨ unf Abschnitte einteilen: 1. Der erste Abschnitt bis etwa 1900 ist gekennzeichnet durch manuell gefeuerte Flammrohr- und Rauchrohrkessel sowie die Nutzung von Kolbendampfmaschinen f¨ ur die Energieumwandlung. Die Leistung dieser Systeme war auf ca. 5 MW beschr¨ ankt. Dazu wurden bis zu 12 Kessel auf eine Sammelschiene f¨ ur eine Dampfmaschine geschaltet. Wegen der niedrigen 1
F¨ ur Edison (1847–1931) war das Erfinden kein Hobby, sondern ein Gesch¨ aft. Er schrieb einmal: Wir m¨ ussen Dinge von kommerziellem Wert erfinden – daf¨ ur ist ” dieses Labor da. Wir k¨ onnen nicht so vorgehen wie der alte deutsche Professor, der sich damit begn¨ ugt, sein Leben lang den flaumigen Pelz einer Biene zu studieren, solange er nur sein Schwarzbrot und sein Bier bekommt.“
98
4 Dampfkraftwerke
2.
3.
4.
5.
Dampfdr¨ ucke und Temperaturen (ca. 15 bar und 300◦ C) sowie der hohen Verluste der Maschinen betrug der Wirkungsgrad der Energieumwandlung nur ca. 5%. Typisch f¨ ur den zweiten Abschnitt bis etwa 1925 war die Verwendung von sog. Steilrohrkesseln mit bewegten Rosten f¨ ur die Feuerung und der Einsatz von Dampfturbinen. Auch hier setzten Werkstoff- und Konstruktionsprobleme bei den Kessel- und Feuerungssystemen der Weiterentwicklung Grenzen. So blieb die Kesselleistung auf ca. 30 t Dampf pro Stunde beschr¨ ankt, die Dampfparameter lagen bei 40 bar und 425◦ C, der Wirkungsgrad bei 20%. Der dritte Entwicklungsabschnitt bis etwa 1955 ist durch die Einf¨ uhrung der Kohlenstaubfeuerung charakterisiert. Damit entfiel die Leistungsbegrenzung durch die Feuerung, es wurden Kessel mit bis zu 400 t/h und Dampfparametern von bis zu 120 bar und 525◦ C gebaut. Der Wirkungsgrad der Kraftwerke stieg damit auf 35%. Der vierte Abschnitt brachte die bessere Nutzung der im Wasser/Dampf¨ prozeß liegenden M¨ oglichkeiten durch den Ubergang zur Zwangdurchlaufschaltung bei den Dampferzeugern. Damit entfielen die Leistungsbegrenzungen durch die Kesselanlagen. Heute werden Einheiten mit Leistungen von bis zu 1 000 MW gebaut; die Dampfparameter liegen typischerweise bei 250 bar und 560◦ C. Es werden Wirkungsgrade von 43% erreicht. Der f¨ unfte Entwicklungsabschnitt ab ca. 1975 ist durch die in den Vordergrund getretenen Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes gekennzeichnet, vgl. [2]. Es wurden Verfahren zur Eliminierung der Schadgase SOx und NOx aus den Rauchgasen entwickelt und erfolgreich eingesetzt. Daneben wurde mit der Wirbelschichtfeuerung ein System entwickelt, das diese Aufgabe f¨ ur ein weites Brennstoffband ohne zus¨atzliche Anlagenteile l¨ost. Die Ausr¨ ustung der Kraftwerke mit Umweltschutzanlagen hat aber auch ihren Preis: Die Investitionskosten f¨ ur die Ausr¨ ustung von 37 000 MW Kraftwerksleistung mit Entschwefelungs- und Entstickungsanlagen in der Bundesrepublik betrugen bis 1990 ca. 22 Mrd. DM; die Betriebskosten wurden mit 5 Mrd. DM pro Jahr veranschlagt. Daraus errechnet sich eine Erh¨ ohung der Stromgestehungskosten von ca. 0,03 DM/kWh.2 Dieser Mehraufwand ist gleichbedeutend mit einer Erh¨ohung des Kohlepreises um ca. 100 DM/t, vgl. Beispiel 1.1. In den zus¨atzlichen Stromgestehungskosten ist der Eigenenergiebedarf der Umweltschutzeinrichtungen enthalten, der bei einer 800 MW-Anlage ca. 1,5% der Kraftwerksleistung ausmacht.
Aus dieser Darstellung der Entwicklungsschritte geht hervor, daß die Begrenzungen f¨ ur die Anlagengr¨ oße im wesentlichen auf der Feuerungs- und Kesselseite lagen, d.h. bei der Umwandlung der Brennstoffenergie in die Enthalpie 2
Die W¨ ahrungsumstellung DM zu Euro erfolgte zum 1. Januar 2002, Umrechnungskurs: 1,95 DM = 1 Euro.
4.2 Stoff- und Energiestr¨ ome in einem Dampfkraftwerk
99
des hochgespannten Dampfes. Durch die Kreativit¨at von zwei Ingenieurgenerationen konnte diese Grenze immer weiter hinausgeschoben werden. Daneben hat es aber auch bei den Turbinen und Generatoren große Fortschritte gegeben, so daß man bei diesen Komponenten ebenfalls von einer Endphase der Entwicklung sprechen kann. Parallel zur Weiterentwicklung der fossil gefeuerten Kraftwerke dr¨angten ab den 60er Jahren die mit Euphorie gef¨ orderten und damals allseits akzeptierten Kernkraftwerke auf den Stromerzeugermarkt. Aber auch bei diesem Kraftwerkstyp handelt es sich um W¨ armekraftwerke. Der Unterschied zum fossil gefeuerten Dampfkraftwerk besteht nur darin, daß bei diesem die Energiefreisetzung in den Atomh¨ ullen der beteiligten Reaktionspartner erfolgt, bei den Kernkraftwerken aber im Atomkern des verwendeten Brennstoffes. Das erste mit Reaktorw¨ arme beheizte Versuchskraftwerk wurde 1951 in Arco (Idaho) in Betrieb genommen. In Deutschland nahm 1966 als erstes Kernkraftwerk der mit einem Siedewasserreaktor ausger¨ ustete 250 MW-Block in Grundremmingen seinen Betrieb auf. Zum elektrischen Energiesystem geh¨ oren neben den Kraftwerken noch die ¨ Ubertragungsanlagen. Diese sind aber Teil der elektrischen Energietechnik und werden deshalb in diesem Buch nicht behandelt. Es sei nur folgendes angemerkt: Der entscheidende Vorteil der Elektrizit¨at gegen¨ uber anderen kommerziellen Energieformen ist ihre einfache und billige Transportf¨ahigkeit. Die M¨ oglichkeit der Einrichtung eines Verbundnetzes mit all seinen Vorteilen hat wohl als erster T. A. Edison erkannt, der ein derartiges System 1878 beschrieb. Die heutigen Verbundnetze sind riesige Organismen, die sich r¨aumlich u ¨ber mehrere Staaten ausdehnen und u ¨ber die große Energiemengen u ¨ber weite Distanzen transportiert werden. So betr¨ agt z.B. die Leistung der in das westeurop¨ aische Verbundnetz einspeisenden Kraftwerke bei Spitzenbelastung mehr als 300 000 MW.
4.2 Stoff- und Energiestr¨ ome in einem Dampfkraftwerk Ein Dampfkraftwerk ist ein Energiewandler gr¨oßten Ausmaßes. Seine Aufgabe ist es, die aus fossilen Brennstoffen oder aus Kernbrennstoffen freigesetzte W¨ armeenergie in elektrischen Strom zu u uhren. Dies geschieht gem¨aß der ¨berf¨ in Abb. 4.1 skizzierten Verfahrenskette. Nach dieser Darstellung erscheint es naheliegend, den Energieumwandlungsprozeß in vier Abschnitte zu gliedern, die wir nach ihrer verfahrenstechnischen Funktion bzw. ihrer Hauptkomponente benennen. Alle ablaufenden Umwandlungsvorg¨ange sind mit Verlusten verbunden, deren Gr¨ oßenordnung ebenfalls in der Abbildung angegeben ist. 1. Feuerung. In der Feuerungsanlage wird der Brennstoff mit dem Sauerstoff der Luft verbrannt. Die chemische Energie des Brennstoffs wird dabei in W¨ arme der entstehenden Rauchgase umgewandelt. Die nicht brennbaren Begleitstoffe im Energietr¨ ager, Wasser und Asche, gehen als Dampf
100
4 Dampfkraftwerke
Brennstoffenergie Feuerung
Verlust: 1-3%
thermische Energie der Rauchgase Dampferzeuger
Verlust: 6-8%
Enthalpie des hochgespannten Dampfes Turbine
Verlust: ca. 50%
mechanische Energie Generator elektrische Energie
Verlust: 1-2% Abbildung 4.1. Energieumwandlungskette in einem Dampfkraftwerk
in die Atmosph¨ are bzw. bleiben als Flugstaub und Schlacke zur¨ uck. Die festen Verbrennungsr¨ uckst¨ ande werden mit geeigneten Verfahren so aufbereitet, daß sie entweder f¨ ur bautechnische Zwecke nutzbar gemacht werden k¨ onnen oder an daf¨ ur vorbereiteten Stellen gefahrlos zu deponieren sind. Bei einem typischen 700 MW-Kohlekraftwerk werden pro Stunde etwa 200 t Kohle mit einem Luftstrom von 1,6 · 106 m3 /h verfeuert. Als Reststoffe bleiben etwa 10–20 t Asche pro Stunde als Flugstaub oder Schlacke u ¨brig. 2. Dampferzeuger. Die heißen Rauchgase aus der Feuerung geben in den Kesselheizfl¨ achen W¨ arme an den Wasser/Dampfkreis ab. Durch die Abk¨ uhlung vermindert sich dabei der Rauchgasvolumenstrom im Verh¨altnis 4:1. Aufgabe des Dampferzeugers ist es, der Turbine einen Dampfstrom je nach Lastanforderung mit engen Toleranzen f¨ ur die Dampfparameter (p ± 3 bar, ϑ ± 3◦ C) zur Verf¨ ugung zu stellen. Der Dampfstrom eines 700 MW-Kraftwerkes betr¨ agt etwa 650 kg/s, der Dampfdruck liegt bei 200 bar und die Dampftemperatur bei 540◦ C. 3. Turbine–Kondensator. In der Turbine wird die Enthalpie des hochgespannten Dampfes in mechanische Energie umgewandelt, die an der Turbinenwelle abgenommen werden kann.3 Bei der Durchstr¨omung der Turbine nimmt der Volumenstrom des Dampfes infolge der Expansion um den Faktor 2 000 zu. Nach dem Austritt aus den letzten Turbinenstufen wird der Dampf im Kondensator niedergeschlagen und von der Speisewasser3
Ein Schaufelrad mit Dampf in eine Drehbewegung zu versetzen, wurde bereits 1629 von G. de Branca vorgeschlagen. Die ersten brauchbaren Dampfturbinen wurden 1883 von C.G.P. de Laval und 1884 von C.A. Parsons gebaut und in Betrieb genommen.
4.3 Aufbau eines Kraftwerksblocks
101
pumpe wieder zum Dampferzeuger gef¨ ordert; damit ist der Kreisprozeß geschlossen. Die Kondensationsw¨ arme aus dem Kondensator wird u uhl¨ber einen K¨ kreislauf entweder in einem K¨ uhlturm an die Atmosph¨are abgegeben oder an ein Oberfl¨achengew¨ asser abgef¨ uhrt. 4. Generator. Der Generator wandelt nach dem elektromagnetischen Spannungsinduktionsprinzip die Rotationsenergie in elektrischen Strom um.4 Die Entwicklung dieser Maschine war gekennzeichnet durch die Ausnutzung des Wicklungskupfers. F¨ ur die Abf¨ uhrung der dabei entstehenden W¨ arme mußte jedoch erst ein K¨ uhlsystem entwickelt werden. Der Wirkungsgrad der heute mit Wasserstoff gek¨ uhlten L¨aufern und wassergek¨ uhl¨ ten St¨ andern ausger¨ usteten Generatoren liegt bei 98,5–99%. Bei Ubergang auf eine supraleitende Wicklung w¨ are eine Verbesserung auf etwa 99,5% m¨ oglich.
4.3 Aufbau eines Kraftwerksblocks 4.3.1 Aufgabenstellung Ein Kraftwerksblock ist eine autarke Einheit f¨ ur die Bereitstellung von elektrischem Strom. In einem mit fossilen Brennstoffen betriebenen Block werden zur Erf¨ ullung dieser Aufgabe die Stoffstr¨ ome von • Brennstoff und Asche, • Luft und Rauchgas, • Wasser und Dampf miteinander verkn¨ upft. Als Produkt liefert der Block elektrischen Strom, der vom Generator in das Netz eingespeist wird. Wenn auch der Block vom u ¨bergeordneten Standpunkt des Verbundnetzes als eine Einheit angesehen und als solche behandelt wird, sind doch blockintern zur Handhabung der Stoffstr¨ome Subsysteme erforderlich, die nach ihrer Funktion unterteilt werden k¨onnen: • • • • • • • 4
Brennstoffaufbereitung und Feuerung, Dampferzeugung, Turbogruppe (Turbine und Generator), Wasserkreis, Umweltschutzeinrichtungen (Staubfilter, REA und DeNOx-Anlage), Leittechnik (Regelungen und Steuerungen), Elektrotechnik. Das dynamoelektrische Prinzip wurde 1867 durch W. von Siemens (1816–1892) entdeckt. Daneben war f¨ ur die Entwicklung von Generatoren großer Leistung die Erfindung des Walzenrotors mit radialen Wicklungen entscheidend, der 1901 von C. Brown eingef¨ uhrt wurde.
102
4 Dampfkraftwerke
Eine derart komplexe Anlage muß einen in allen Teilen klar erkennbaren, systematischen Aufbau haben. Der ¨ außere Aufbau muß sich dabei aus den Funktionen der Subsysteme entwickeln. Wegen unterschiedlicher Randbedingungen, die einerseits vom Naturprodukt“ Brennstoff und andererseits von ” den Standortbedingungen herr¨ uhren, gibt es nicht nur eine, sondern zahlreiche L¨ osungen, die sich schon aus unterschiedlichen Kombinationen der Subsysteme ergeben. Die Beseitigung der Unterschiede, die sich aus den Brennstoffen ergeben, w¨ are nur durch die Abtrennung der Brennstoffbegleiter von der brennbaren Substanz erreichbar. Eine M¨ oglichkeit dazu bietet die Kohlevergasung. Trotz zahlreicher, u uhungen ist es aber ¨ber viele Jahrzehnte gehender Bem¨ bisher nicht gelungen, eine sowohl technisch als auch wirtschaftlich vertretbare L¨ osung daf¨ ur zu finden. Eine der Hauptaufgaben bei der Konzeptfindung f¨ ur eine Neuanlage wird deshalb auch k¨ unftig die Auswahl des bestgeeigneten Feuerungssystems sein. 4.3.2 Gesamtanordnung Bei der Auswahl eines Standortes spielen neben der N¨ahe der Verbrauchsschwerpunkte die Brennstoff- und K¨ uhlwasserversorgung die entscheidende Rolle. Die technischen M¨ oglichkeiten zum Schutz der Umwelt vor L¨arm, Partikel- und Schadstoffemissionen sind heute so weit entwickelt, daß die Ber¨ ucksichtigung legitimer Interessen von Kraftwerksnachbarn bei nicht zu eingeschr¨ ankten r¨ aumlichen Verh¨ altnissen nur eine Frage des Aufwandes ist. Bei vorgegebenem Standort ist die Bauform so festzulegen, daß bei geringstem Grundfl¨ achen-, Raum- und Materialeinsatz eine z¨ ugige Montage, ein einwandfreier Betrieb und eine kosteng¨ unstige Wartung und Instandsetzung m¨oglich sind. Im Laufe der Zeit hat sich bei Kraftwerksanlagen als Standardbauform eine Linearanordnung, die auf die Richtung des Energieflusses und der Materialstr¨ ome R¨ ucksicht nimmt, als zweckm¨ aßig erwiesen. Diese Bauform ist schematisch in Abb. 4.2 dargestellt. Wie aus der Abbildung hervorgeht, k¨onnen von den in Abschn. 4.3.1 genannten Subsystemen jeweils zwei zu Hauptgruppen zusammengefaßt werden; dies sind: • • • •
Dampferzeuger und Feuerung, Turbogruppe und Wasserkreis, Regelung und Elektrotechnik und Umweltschutzeinrichtungen.
Im Zentrum der Anlage befindet sich der Dampferzeuger und die Turbogrupauden – der Maschinenhalle und pe, die in zwei voneinander unabh¨ angigen Geb¨ dem Kesselhaus – untergebracht sind. Bei kohlegefeuerten Anlagen befindet sich zwischen diesen Bauk¨ orpern meist der Kohlebunker. Bei der Geb¨ audeplanung ist besonders auf eine g¨ unstige F¨ uhrung der Heißdampfleitungen R¨ ucksicht zu nehmen. Verlangt werden aus Kostengr¨ unden
4.3 Aufbau eines Kraftwerksblocks
103
120 m
DeNOx-Anlage Dampferzeuger Feuerung Turbine
0 Kondensator Kohlenmühlen
Entschwefelung
Frischluftgebläse
Elektrofilter
Saugzuggebläse
230 m
Abbildung 4.2. Anordnungsschema eines steinkohlegefeuerten 750 MW-Kraftwerks mit DeNOx- und Rauchgasentschwefelungsanlage. Die Funktion der einzelnen Komponenten wird in den Kapiteln 5 bis 12 dargestellt.
ur W¨armedehnungen und kurze Wegl¨angen bei ausreichender Elastizit¨at f¨ ussen die Rohrleitungen so verlegt werden, Randpunktbewegungen. Ferner m¨ daß sie vollst¨andig entleert bzw. entw¨assert werden k¨onnen. ur den Betrieb der Hauptgruppen ist eine Vielzahl von MeßeinrichtunF¨ ur deren Bedienung und gen, Armaturen und Hilfsantrieben erforderlich. F¨ uhnen, Laufstege, Aufzugsanlagen, Hebezeuge und a¨hnliche Wartung sind B¨ Einrichtungen notwendig. Es w¨are im Prinzip m¨oglich, all diese Apparate und Anlagen in Freiluftbauutzt der Witterung weise aufzustellen. Allerdings sind diese Teile dann ungesch¨ ausgesetzt, so daß dies nur in Gegenden mit wenig Niederschl¨agen und gerinuhrt wird. Meistens wird die gesamte Anlage umschlossen, gen Fr¨osten ausgef¨ was auch im Hinblick auf Schallemissionen von großem Vorteil ist. Der Umriß des so entstehenden Geb¨audes ist durch die Hauptkomponenten im wesentlichen vorgegeben. ur das eingesetzte Kapital Bei Kraftwerken wird die Abschreibungszeit f¨ meistens mit 15 Jahren angesetzt, obwohl man mit einer Lebensdauer von 40 Jahren rechnet. Die Bauk¨orper der Kraftwerke sind reine Zweckbauten – utzen, wo es unbedingt notwendig ist. Mit dem sie sollen die Anlagen dort sch¨ ur andere wirtschaftlichen Tod der Anlage sind i.allg. auch die Bauwerke f¨ Zwecke nicht mehr verwertbar.
104
4 Dampfkraftwerke
4.3.3 Ausf¨ uhrungsbeispiel eines Dampfkraftprozesses Das wichtigste Maß f¨ ur die G¨ ute eines Kraftwerksprozesses ist der thermische Wirkungsgrad. Die Auslegung f¨ ur einen unter den gegebenen Randbedingungen hohen Wirkungsgrad erfolgt dabei nicht nur aus Gr¨ unden der Wirtschaftlichkeit, sondern wirkt sich auch auf die Menge der entstehenden Abfallstoffe aus. Je weniger Brennstoff man f¨ ur eine vom Bedarf her vorbestimmte Jahresarbeit an Strom ben¨ otigt, desto weniger Asche, Rauchgase und Abw¨arme fallen an. Aus diesem Grunde wird ein energiereicher Dampfzustand vor der Turbine, ein niedriger Kondensatordruck und eine optimale regenerative Speisewasservorw¨ armung angestrebt. Kohlekraftwerke werden im Laufe ihrer Lebenszeit meist vom Grundlastin den Mittellastbereich abgedr¨ angt. Ihre Auslegung muß deshalb auch eine akzeptable thermische Elastizit¨ at sicherstellen, um schnelle Last¨anderungen und kurze Anfahrzeiten des Blockes zu erm¨ oglichen. Beispielhaft werde ein Kohlekraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 760 MW betrachtet. Es werden folgende Dampfzust¨ande und -massenstr¨ome zugrundegelegt: Speisewasser: 286◦ C/310 bar, Frischdampfzustand vor Turbine: 560◦ C/250 bar, ¨ ZU-Dampf: 560◦ C/ 60 bar, Kondensatortemperatur und -druck: 35◦ C/ 0,056 bar, Frischdampfstrom: 616 kg/s, ¨ ZU-Strom: 543 kg/s. Um die f¨ ur einen Mittellastbetrieb erforderliche Elastizit¨at zu erreichen, wurde nur eine einfache Zwischen¨ uberhitzung vorgesehen. Der angenommene Kondensatordruck von 0,056 bar kann unter den in der Bundesrepublik bestehenden Klimabedingungen mit einem Naßk¨ uhlturm erreicht werden. Das W¨ armeschaltbild mit den wichtigsten Daten ist in Abb. 4.3 dargestellt. Die Anlage hat unter den angegebenen Bedingungen folgende Leistungsdaten: Feuerungsleistung: 1 683,0 MW W¨ armeleistung des Kessels: 1 600,0 MW Leistung des Turbogenerators: 764,4 MW Die elektrische Leistung vermindert sich um den Eigenbedarf der Anlage: Kraftbedarf der Speise- und Kondensatpumpen: Eigenbedarf der Kesselanlage: Eigenbedarf der Rauchgasw¨ asche: Sonstiger Eigenbedarf: Transformatorverluste:
28,7 17,3 7,3 1,3 1,9
MW MW MW MW MW
Abgegebene Leistung: 708,1 MW Hieraus ergibt sich ein Nettowirkungsgrad von 41,9%. Formal kann der Eigenbedarf durch einen Eigenbedarf-Wirkungsgrad ηE erfaßt werden. Der Net-
4.3 Aufbau eines Kraftwerksblocks 8
11
G ~
2 13 9
105
12
10 14
6
7
15 18 16 17 3
4
a 5 19
1
a 1 2 3 4 5 6 7
Speisepumpe Economizer Verdampfer Abscheidegef¨ aß Umw¨ alzpumpe ¨ HD-Uberhitzer HD-Einspritzung
8 9 10 11 12 13 14
HD-Turbine Zwischen¨ uberhitzer ¨ ZU-Einspritzung MD/ND-Turbine HD-Umleitstation Einspritzung ND-Umleitstation
15 16 17 18 19
Kondensator Kondensatpumpe ND-Vorw¨ armer Entgaser HD-Vorw¨ armer
Abbildung 4.3. Blockschema einer 760 MW-Anlage
towirkungsgrad des Kraftwerksblocks kann dann auch durch ein Produkt von Einzelwirkungsgraden dargestellt werden: ηN = ηth ηDE ηT ηG ηE .
(4.1)
Hier bedeutet: ηth Wirkungsgrad des Kreisprozesses ηDE Dampferzeugerwirkungsgrad ηT mechanischer Turbinenwirkungsgrad gem¨aß (8.26) ηG Wirkungsgrad des Generators ucksichtigt den Eigenbedarf der Anlage. ηE ber¨ Oft wird anstatt des Wirkungsgrades der spezifische W¨ armeverbrauch w einer Anlage angegeben. Darunter versteht man den f¨ ur die Bereitstellung einer Kilowattstunde erforderlichen Energieeinsatz in Kilojoule; es ist
106
4 Dampfkraftwerke
w = 3 600
1 [kJ/kWh] . ηN
(4.2)
Die Wirkungsgrade moderner steinkohlegefeuerter Mittellastkraftwerke liegen f¨ ur Vollast im Bereich von 40–45%; der W¨ armeverbrauch liegt entsprechend zwischen 8 000 und 9 000 kJ/kWh. Anzumerken ist noch, daß der Wirkungsgrad bei Teillasten geringer ist. Dies ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, daß die mechanischen Verluste unabh¨angig ¨ von der Last sind und ferner die thermodynamischen Parameter wie ZU-Temperatur und Speisewassertemperatur ung¨ unstiger als bei Vollast sind. Verbesserungsm¨ oglichkeiten f¨ ur den Wirkungsgrad bestehen im wesentlichen nur noch in einer Steigerung des Frischdampfzustandes und in der Anwendung der doppelten Zwischen¨ uberhitzung. Als Anhaltswerte k¨onnen gelten: Steigerung der Frischdampftemperatur um ∆η = 0,3%, 10 K auf 570◦ C: Anhebung des Druckes um 50 bar auf 300 bar: ∆η = 0,24%, ¨ Ubergang auf doppelte Zwischen¨ uberhitzung: ∆η = 1,2%. Die Realisierung dieser M¨ oglichkeiten ist mit erheblichen Aufwendungen verbunden. Wirtschaftlichkeitsrechnungen haben gezeigt, daß bei den derzeitigen Brennstoffkosten und ihrer f¨ ur die Zukunft absehbaren Entwicklung der finanzielle Anreiz f¨ ur den Bau derartiger Anlagen fehlt.5
4.4 Realisierung und Kosten Die technische Umsetzung des Kraftwerksprozesses ist in Abb. 4.3 schematisch dargestellt. Die wichtigsten f¨ ur ein Kohlekraftwerk erforderlichen Aggregate und Anlagenteile sind darin aufgelistet. Die Abbildung legt nahe, den Kraftwerksprozeß nach den Stoff- bzw. Energiestr¨ omen in vier Pfade zu unterteilen. Im einzelnen sind dies: 1. 2. 3. 4.
der der der der
Brennstoff/Aschestrom sowie der Luft/Rauchgasstrom, Speisewasser/Dampfstrom, Kondensat/K¨ uhlwasserstrom, Strom elektischer Energie.
Zum Pfad 1 geh¨ oren die Anlagen f¨ ur Transport, Lagerung und Aufbereitung des Brennstoffes, die Feuerungsanlage, der Lufterhitzer, die Ventilatoren und die Rauchgasreinigungsanlagen. Zum Pfad 2 geh¨oren die Kesselheizfl¨achen, ¨ also der Verdampfer, die Uberhitzer, desweiteren die Turbine, die Vorw¨armer, die Speisepumpe sowie die Frischdampfleitungen. Zum 3. Pfad geh¨oren der 5
Bei modernen Dampfkraftwerken werden f¨ ur die Erzeugung von 1 kWh ca. 0,3 kg Steinkohle ben¨ otigt. Bei den 1996 gezahlten Preisen f¨ ur Importkohle von ca. 50 e/t entspricht dies Brennstoffkosten von 0,015 e/kWh. Die Kosten des erzeugten Stroms werden folglich wesentlich von den Kapitalkosten bestimmt.
4.4 Realisierung und Kosten
107
Kondensator, der K¨ uhlturm und die K¨ uhlwasser- und Kondensatpumpen. Zum Pfad 4 geh¨ oren der Generator, die Transformatoren und Schaltanlagen, die Warte und die Eigenbedarfsanlage. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus ist ein Dampfkraftwerk dann optimal ausgelegt, wenn es neben einem minimalen Brennstoffverbrauch die geringsten Herstellungs- und Betriebskosten hat. Dabei ist vorausgesetzt, daß gleichzeitig ein H¨ochtsmaß an Betriebssicherheit und Anpassungsf¨ahigkeit an Belastungsschwankungen gegeben ist. Wir betrachten ein Kraftwerk, das eine konstante Leistung von 800 MW an das Netz abgeben soll. Wir fragen uns, wie sich die Herstellungskosten ver¨ andern, wenn der Wirkungsgrad erh¨ oht und damit der Brennstoffverbrauch vermindert wird. Es ist unmittelbar klar, daß sich bei gleichbleibender Leistungsabgabe die Kosten f¨ ur den Pfad 4 nicht ¨andern werden. Die zum Pfad 1 geh¨ orenden Anlagenteile sind dagegen ausschließlich vom Brennstoffstrom abh¨ angig, der bei einer Erh¨ ohung des Wirkungsgrades abnimmt. Die spezifischen Herstellungskosten der Komponenten des Pfades 1 vermindern sich damit mit zunehmendem Wirkungsgrad. Dies gilt auch f¨ ur die zum Pfad 3 geh¨ orenden Komponenten, denn mit der Zunahme des Wirkungsgrades nimmt der u uhrende W¨armestrom ab. Um eine ¨ber den Kondensator abzuf¨ Erh¨ ohung des Wirkungsgrades zu erreichen, m¨ ussen die Dampftemperaturen und Dampfdr¨ ucke erh¨ oht werden. Dadurch bekommen die Speisewasserpumpen mehr Stufen, die Kesselheizfl¨ achen werden gr¨oßer und m¨ ussen eventuell aus austenitischen Werkstoffen gefertigt werden. Auch sind zur Ausnutzung des gr¨ oßeren Druckgef¨ alles in der Turbine zus¨atzliche Turbinenstufen vorzusehen. Damit ist klar, daß die spezifischen Kosten f¨ ur die Komponenten des ¨ Pfades 2 sich vergr¨ oßern werden. Die Zunahme dieser Kosten ist beim Uberschreiten eines Grenzwertes, der das Optimum darstellt, schließlich so groß, daß die Einsparungen bei den anderen Pfaden diese nicht mehr ausgleichen ¨ k¨ onnen. Aus der vorstehenden Uberlegung folgt, daß der Brennstoffpreis der bestimmende Parameter f¨ ur die Auslegung eines Kraftwerkes ist: Bei einem niedrigen Brennstoffpreis liegt das wirtschaftliche Optimum bei einer Anlage mit vergleichsweise einfachem Aufbau und niedrigem Wirkungsgrad – bei hohen Brennstoffpreisen dagegen wird der Stromgestehungspreis trotz der Mehraufwendungen bei Einsatz einer Anlage mit h¨ oherem Wirkungsgrad g¨ unstiger. Lange Zeit ließen sich die spezifischen Gesamtkosten eines Kraftwerkes durch eine Vergr¨oßerung der Blockleistungen verringern. Dies h¨angt damit zusammen, daß der Material- und Bearbeitungsaufwand f¨ ur die Erstellung einer Anlage nicht proportional zur Anlagengr¨ oße w¨achst. Allerdings wird die Kostendegression mit zunehmender Blockgr¨ oße geringer.6 In grober N¨aherung kann angenommen werden, daß das Verh¨ altnis der spezifischen Kosten x1 , x2 6
Zusammen mit der Beschr¨ ankung der Teillastf¨ ahigkeit von Kohlefeuerungen auf ca. 40% d¨ urfte dies der Hauptgrund daf¨ ur sein, daß in Deutschland Anlagen von u ¨ber 1 000 MW bisher nicht realisiert wurden.
108
4 Dampfkraftwerke
zweier Anlagen gleich der n-ten Potenz des Verh¨altnisses der Anlagenleistungen P1 und P2 ist: n P1 x1 = . (4.3) x2 P2 Bei steinkohlegefeuerten Kraftwerken im Leistungsbereich zwischen 150 und 450 MW ist n = −0,25 und f¨ ur den Bereich zwischen 450 und 800 MW ist n = −0,22 [1], [3]. In der Literatur wird der Kraftwerksbau meist nur von seiner technischen Seite her behandelt. F¨ ur den in der Praxis stehenden Ingenieur sind aber die wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenh¨ange genau so wichtig. Obwohl hier nicht der Platz ist, auf Einzelheiten einzugehen, sollen doch die ¨ einzelnen Bauphasen in einem groben Uberblick dargestellt werden: 1. Vorplanung: Am Anfang des Bauvorhabens steht die Entscheidung des Bauherren. Er legt die Gr¨ oße und den Standort der Anlage fest und f¨ uhrt Vorstudien bzgl. der Auswahl des Kraftwerkstyps durch. 2. Planung und Auftragsvergabe: Die Planung im engeren Sinne wird von einem Kraftwerksbauer durchgef¨ uhrt, meist einem beratenden Ingenieur, der vom Bauherren mit der Durchf¨ uhrung des Projektes beauftragt wird. Dieser legt den inneren und ¨ außeren Aufbau der Anlage fest, unterteilt das Projekt in Gewerke, erstellt Ausschreibungsunterlagen und f¨ uhrt zusammen mit dem Bauherren die Auftragsvergabe durch. 3. Auftragsabwicklung: Der Kraftwerksbauer koordiniert und u ¨berwacht Fertigung und Montage hinsichtlich Qualit¨ at und Terminen und benennt einen Bauleiter. Zu den wichtigsten Aufgaben der Bauleitung w¨ahrend der Montage z¨ ahlt die Unfallverh¨ utung. 4. Inbetriebsetzung und Probebetrieb: Nach der Fertigstellung werden die einzelnen Komponenten auf ihre Funktionsf¨ ahigkeit erprobt, eingestellt und zusammengeschaltet. Den Abschluß der Inbetriebsetzung bildet der Probebetrieb, bei dem die Funktionsf¨ ahigkeit der Anlage gem¨aß der zugesicherten Eigenschaften nachgewiesen wird und das Personal des Bauherren in den Betrieb der Anlage eingef¨ uhrt wird. Der Probebetrieb endet mit ¨ der Ubernahme der Anlage durch den Bauherren. F¨ ur die Errichtung eines Kraftwerkes – vom Entschluß des Bauherren bis ¨ zur Ubernahme der fertigen Anlage – vergehen im Falle einer kohlegefeuerten 750 MW Anlage 4 Jahre und im Falle eines Kernkraftwerkes mit 1 200 MW 7–8 Jahre. Dabei wird vorausgesetzt, daß die Genehmigungsverfahren ohne prinzipielle Widerspr¨ uche durchlaufen werden.
4.5 Fazit In Deutschland waren im Jahr 2005 Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 117.000 MW in Betrieb, rd. 70% dieser Leistung entfiel auf mit fossilen Brenn-
Literatur
109
stoffen gefeuerte Dampfkraftwerke. Die Kohlekraftwerke werden auch in der u ¨berschaubaren Zukunft den Hauptbeitrag zur Stromerzeugung liefern. Charakteristisch f¨ ur die Entwicklung der Kohleverstromung seit 1975 war die Automatisierung der Anlagen, die Durchf¨ uhrung der Maßnahmen zur SOx und NOx R¨ uckhaltung sowie die Vergr¨ oßerung der Blockleistung, die zu g¨ unstigeren Gestehungskosten f¨ ur den Strom f¨ uhrte. Gegenw¨artig erweist sich eine Blockleistung von ∼1000 MW wegen der Baugr¨oße des Kessels und der zweckm¨ aßigen Leistungseinheit f¨ ur die Stromgbedarfsdeckung als wirtschaftliche Obergrenze. F¨ ur die Weiterentwicklung werden die Verbesserung des Wirkungsgrades und uckhaltung die wichtigsten Aufgaben sein. die CO2 –R¨
Literatur 1. Wiehn, H., Martin, H., Schuster, H.: Trends und L¨ osungen im internationalen Anlagenbau. VGB Kraftwerkstechnik 65, 1126–1132 (1985) 2. STEAG (Herausgeber): Strom aus Kohle - Stand der Kraftwerkstechnik. Springer-Verlag 1998 3. Plate, K.: W¨ armekraftwerke: 75 Jahre VGB. VGB-Kraftwerkstechnik GmbH, 9–46, Essen 1995
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik
5.1 Begriffe und Definitionen Bei der Verbrennung handelt es sich um die Hochtemperatur-Oxidation eines Brennstoffes, bei der im wesentlichen Kohlenstoff und Wasserstoff, die in verschiedener Form im Brennstoff enthalten sind, mit Sauerstoff exotherm reagieren. Eine Verbrennung heißt vollst¨ andig oder vollkommen, wenn alle brennbaren Bestandteile in ihre h¨ ochste Oxidationsstufe u uhrt werden. ¨berf¨ Jede Verbrennung wird durch eine Z¨ undung eingeleitet. Unter der Z¨ undtemperatur versteht man diejenige Temperatur, bei der mehr W¨arme durch die Reaktion freigesetzt als durch Strahlung an die Umgebung abgegeben wird, so daß sich die Verbrennung von selbst erh¨ alt. Die Z¨ undtemperatur ist im strengen Sinn kein Stoffparameter, sie wird aber als Erfahrungswert bei der Auslegung von Feuerungen und Sicherheitseinrichtungen immer wieder herangezogen. Die Z¨ undtemperaturen der verschiedenen Brennstoffe weisen erhebliche Unterschiede auf und sind dar¨ uber hinaus abh¨angig von der Brennkammerbeschaffenheit sowie den Reaktionsparametern Druck, Sauerstoffpartialdruck, der katalytischen Wirksamkeit organischer Bestandteile und der spezifischen Oberfl¨ ache des Brennstoffes. Bei Kohlen nimmt die Z¨ undtemperatur mit zunehmendem Inkohlungsgrad, d.h. mit der Abnahme der Fl¨ uchtigen, zu; ferner vom Asche- und Wassergehalt abh¨ angig. Die Z¨ undtemperaturen einiger Brennstoffe in Luft sind in Tabelle 5.1 zusammengestellt. Die maximale oder adiabate Flammentemperatur ist definiert als die Temperatur, die erreicht wird, wenn bei vollst¨ andiger Verbrennung keine W¨armeabfuhr an die Umgebung stattfindet. Diese Temperatur errechnet sich aus dem Heizwert sowie den spezifischen W¨ armekapazit¨aten der Rauchgase und der Asche. Die Flammentemperatur ist abh¨ angig von der Vorw¨armung des Brennstoffes und der Verbrennungsluft sowie dem Luft¨ uberschuß. Das Luftverh¨altnis n ist der Quotient aus der f¨ ur eine Verbrennung praktisch notwendigen und der theoretisch erforderlichen Luftmenge. Ein Luftu ¨berschuß (n > 1) beeinflußt den Verbrennungsablauf in zweierlei Weise:
112
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik
Tabelle 5.1. Richtwerte f¨ ur Z¨ undtemperaturen in Luft bei 1 bar Brennstoff
Z¨ undtemperatur [◦ C]
Brennstoff
Z¨ undtemperatur [◦ C]
Braunkohle Steinkohle Anthrazit Benzin Heiz¨ ol Wasserstoff
250–410 400–500 550–600 330–520 220 560
Kohlenmonoxid Methan Ethan Ethen Propan Benzol
620–680 595 515 425 470 520–600
Tabelle 5.2. Richtwerte f¨ ur das Luftverh¨ altnis Feuerungsart
n
¨ Olfeuerungen Gasfeuerungen KohlenTrockenfeuerungen Schmelzfeuerungen Rostfeuerungen Wirbelschicht
1,03–1,15 1,05–1,10 1,20–1,30 1,15–1,25 1,30–1,40 1,10–1,30
Zum einen beschleunigt ein h¨ oherer Sauerstoffpartialdruck die Verbrennung und zum anderen wird durch den Luft¨ uberschuß die Verbrennungstemperatur gesenkt, was zu einer Verz¨ ogerung des Verbrennungsablaufs f¨ uhren kann. Anhaltswerte f¨ ur das Luftverh¨ altnis sind Tabelle 5.2angegeben. ¨ Zur Uberwachung einer Feuerung werden im Rauchgas die Gehalte von CO, CO2 und O2 gemessen, mit denen die Vollst¨andigkeit der Verbrennung beurteilt werden kann. In technischen Anlagen erfolgt die Umsetzung der chemischen Energie der Brennstoffe in isobaren Verbrennungsprozessen. Der Brennstoff wird dabei mit Sauerstoff, der aus der Luft entnommen wird, zur Reaktion gebracht. Die latent gebundene chemische Energie wird in Form von W¨arme auf die Rauchgase u ¨bertragen. Am Anfang der Auslegung einer Anlage stehen die Energieund Mengenbilanzen, mit denen wir uns als n¨achstes auseinandersetzen, vgl. Abb. 5.1. W¨ armestrom Q˙ Brennstoffstrom m ˙B Luftstrom m ˙L
-
6 Feuerung
- Rauchgasstrom m ˙ RG - Aschestrom m ˙
Abbildung 5.1. Energie- und Stoffstr¨ ome bei einer Feuerungsanlage .
A
5.3 Stoffbilanz der Verbrennung
113
5.2 Energiebilanz der Verbrennung Gegeben sei eine technische Verbrennungsanlage, vgl. Abb 5.1. Der Brennstoff, der in der Anlage vollst¨ andig verbrennt, werde der Feuerung mit der Temperatur ϑB und die Verbrennungsluft mit der Temperatur ϑL zugef¨ uhrt. Die Verbrennungsprodukte, Rauchgas und Asche, verlassen die Feuerung mit der Temperatur ϑRG bzw. ϑA . Es liege ein station¨arer Fließprozeß vor, bei dem die kinetischen und potentiellen Energien vernachl¨assigbar klein seien; ferner soll bei dem Prozeß keine technische Arbeit verrichtet werden. Nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik gilt f¨ ur diesen station¨aren Prozeß die Bilanzgleichung ˙ L cpL ϑL − ϑ0 m ˙ B H + cpB ϑB − ϑ0 + m = Q˙ + m ˙ RG cpRG ϑRG − ϑ0 + m ˙ A cpA ϑA − ϑ0 . (5.1) ur die spezifischen Hier ist H der Heizwert des Brennstoffes, die cpi stehen f¨ W¨ armen von Brennstoff, Luft, Rauchgas bzw. Asche; ϑ0 ist die Bezugstemperatur, die mit derjenigen f¨ ur den Heizwert u ¨bereinstimmen muß und die u ¨blicherweise mit 25◦ C angenommen wird. Q˙ ist der vom Prozeß abgegebene W¨ armestrom, der meistens durch W¨ armestrahlung der heißen Flamme auf die Umfassungsw¨ ande der Brennkammer u ¨bertragen wird.
5.3 Stoffbilanz der Verbrennung 5.3.1 Elementare Verbrennungsrechnung Zur Dimensionierung einer Feuerungsanlage ben¨otigt man die Brennstoff-, Verbrennungsluft- und die Rauchgasstr¨ ome. Diese Daten k¨onnen mit ei¨ ner Verbrennungsrechnung bestimmt werden. Ublicherweise bezieht man die Massen- und Volumenstr¨ ome auf 1 kg bzw. 1 m3 Brennstoff. Nach DIN 1 942 werden folgende Bezeichungen vereinbart: µLoT , vLoT Spezifische Verbrennungsluftmenge [kg/kg], bzw. [Nm3 /kg] bei st¨ ochiometrischer Verbrennung (o) mit trockener (T) Luft (L). µGoT , vGoT Spezifische trockene Rauchgasmenge [kg/kg], bzw. [Nm3 /kg] bei st¨ ochiometrischer Verbrennung. µLo , vLo Spezifische Verbrennungsluftmenge [kg/kg], bzw. [Nm3 /kg] bei st¨ ochiometrischer Verbrennung einschließlich Luftfeuchtigkeit. µLT , vLT Spezifische Verbrennungsluftmenge [kg/kg], bzw. [Nm3 /kg] bei trockener Luft und einem Luftverh¨altnis n > 1. µL , vL Spezifische Verbrennungsluftmenge bei feuchter Luft und einem Luftverh¨ altnis n. µG , vG Spezifische feuchte Rauchgasmenge beim Luftverh¨altnis n.
114
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik
Ausgehend von der Elementaranalyse kann eine elementare Verbrennungsrechnung ausgef¨ uhrt werden. F¨ ur die Verbrennung einer Brennstoffkomponente aus den Elementen C, H, S, N, O ergibt sich die Reaktionsgleichung t q Cp Hq Sr Ns Ot + p + + r − O2 4 2 q s −→ p CO2 + H2 O + r SO2 + N2 . (5.2) 2 2 Durch Einf¨ uhrung der molaren Massen Mi kann (5.2) als Mengenbilanz geschrieben werden: t q s t q p MC + MH + r MS + MN + MO + p + + r − MO 2 2 2 2 2 2 2 4 2 q s = p MCO + MH O + r MSO + MN . (5.3) 2 2 2 2 2 2 Die Molmasse des Brennstoffes ergibt sich zu q t s MB = p MC + MH + r MS + MO + MN . (5.4) 2 2 2 2 2 2 Aus (5.3) und (5.4) kann sofort die zur st¨ ochiometrischen Verbrennung von 1 kg Brennstoff erforderliche Sauerstoffmenge berechnet werden: t MO2 q µO = p + + r − . (5.5) 2 4 2 MB Die erforderliche trockene Luftmenge µLoT ergibt sich aus (5.5) zu µLoT =
µO xO
2
;
(5.6)
2L
hierin ist xO = 0,2314 der Massenanteil des Sauerstoffs in der Luft, vgl. 2L Tabelle 5.3. F¨ ur die Verbrennungsprodukte folgt entsprechend: 2
µSO
2
µN
2
µH
2O
MCO
M MC MCO2 = γC CO2 = 3,665 γC , MB MB MC MC MSO MSO M 2 2 =r =p S = 1,998 γS , MB MB MS s MN2 = + 1 − xO µLoT = γN + 1 − xO µLoT , 2 2 2 MB q MH2 MH2 O q MH2 O = = 8,936 γH . = 2 MB 2 MB MH
µCO = p
2
=p
(5.7) (5.8) (5.9) (5.10)
2
(Ohne Wasserdampf der Verbrennungsluft.)
Die γi sind die Massenanteile aus der Elementaranalyse des Brennstoffes. F¨ ur die trockene Rauchgasmenge pro kg Brennstoff folgt damit µGoT = µCO + µSO + µN ; 2
2
2
(5.11)
5.3 Stoffbilanz der Verbrennung
115
Tabelle 5.3. Zusammensetzung trockener Luft Komponente
Volumenanteil
Massenanteil
Molanteil
Stickstoff Sauerstoff Kohlendioxid Argon
0,7811 0,2094 0,00033 0,0092
0,7554 0,2314 0,0005 0,0126
0,7810 0,2095 0,00033 0,0092
die feuchte Rauchgasmenge ergibt sich zu µGo = µGoT + µH
2O
= µLoT + 1 .
(5.12)
µGo ist die feuchte Rauchgasmenge, allerdings ohne den Wassergehalt der Verbrennungsluft. Unter der Voraussetzung, daß die Elementaranalyse eines Brennstoffes bekannt ist, k¨ onnen aus den vorstehenden Gleichungen einfache Beziehungen f¨ ur die spezifische Verbrennungsluft- und Rauchgasmengen hergeleitet werden: (5.13) µLoT = 11,50 γC + 34,28 γH − 1/8 γO + 4,31 γS , µLo = µLoT 1 + xH O , (5.14) 2
L
µGo = µLo + 1 − γA .
(5.15)
xH O ist der Dampfgehalt der feuchten Luft, bezogen auf 1 kg trockene Luft. 2 L Unter Einbeziehung des Luftverh¨ altnisses n > 1 und des Aschegehaltes γA erh¨ alt man die tats¨ achlichen Mengen: µLT = n µLoT , µGT = µLT + 1 − γA , µL = n µLoT 1 + xH
(5.16) (5.17)
2 OL
= n µLo ,
µG = µL + 1 − γA .
(5.18) (5.19)
Entsprechend gilt f¨ ur die spezifischen Volumina pro kg Brennstoff: vLoT = 8,889 γC + 26,514 γH + 3,342 γS − 3,340 γO , vLo = vLoT 1 + xH O , 2
L
vL = n vLo ,
(5.20) (5.21) (5.22)
vGoT = 8,899 γC + 20,96 γH + 3,32 γS + 0,80 γN − 2,64 γO .
(5.23)
Bei der Herleitung dieser Gleichungen wurden die exakten Molvolumina verwendet, vgl. Tabelle 5.4. Bei feuchter Verbrennungsluft ist vGo = vGoT + xH
2O
vLoT
(5.24)
116
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik
Tabelle 5.4. Molmassen, Normvolumina, Normdichten und Gaskonstanten der Brennstoffkomponenten Stoff
Molmasse Molares Normvolumen Normdichte Gaskonstante [kg/kmol] [m3 /kmol] [kg/m3 ] [kJ/kgK]
Wasserstoff Kohlenstoff Schwefel Stickstoff Sauerstoff Kohlendioxid Wasserdampf Schwefeldioxid Luft (trocken)
2,016 12,011 32,060 28,013 31,999 44,01 18,015 64,06 28,96
22,428 – – 22,403 22,392 22,261 22,41 22,856 22,428
0,0899 – – 1,2504 1,429 1,977 0,804 2,931 1,293
4,127 – – 0,297 0,260 0,188 0,461 0,126 0,2869
und das spezifische Rauchgasvolumen bei einem Luftverh¨altnis n betr¨agt vG = vGo + (n − 1) vLo .
(5.25)
In diesen Gleichungen ist xH O der auf 1 kg trockene Luft bezogene Wasser2 gehalt der feuchten Luft und γA der Aschegehalt des Brennstoffes. Bei Brenngasen ist die Zusammensetzung h¨aufig in Volumenanteilen yi angegeben. F¨ ur die Umrechnung in Massenanteile gilt xi =
yi Ri . RB
(5.26)
Hierbei ist: yi der Volumenanteil der i-ten Komponente, Ri die Gaskonstante in der i-ten Komponente, RB
−1 y i die Gaskonstante des Brenngases, mit RB = . Ri i
Damit sind der Luftbedarf und die Rauchgasmenge bestimmt; daraus lassen sich auch die f¨ ur die w¨ armetechnische Berechnung der Feuerung und des Dampferzeugers erforderlichen Rauchgaskenngr¨oßen ermitteln. Zwei wichtige Rauchgaskenngr¨ oßen sind der maximale CO2 -Gehalt yˆCO und der maximale 2 SO2 -Gehalt yˆSO , die u blicherweise in Volumenanteilen angegeben werden. Es ¨ 2 gilt a) bei trockenen Rauchgasen: v yˆCO T = CO2 2 vGoT =
1,8534 γC 8,899 γC + 20,96 γH + 3,32 γS + 0,80 γN − 2,64 γO
(5.27)
5.3 Stoffbilanz der Verbrennung
117
und yˆSO
2T
vSO
2
=
vGoT 0,6817 γC ; 8,899 γC + 20,96 γH + 3,32 γS + 0,80 γN − 2,64 γO
=
b) bei feuchten Rauchgasen: v yˆCO = CO2 2 vG
(5.28)
(5.29)
und vˆSO = 2
vSO
2
vG
.
(5.30)
Der maximale CO2 -Gehalt h¨ angt stark von der Brennstoffzusammensetzung ab. So erh¨ alt man bei Anthrazit ca. 21% und bei Erdgas ca. 12%. Aus dem gemessenen CO2 -Gehalt der trockenen Rauchgase yCO 2
gem
kann mit diesen Gleichungen das Luftverh¨ altnis ermittelt werden; es gilt n=
yˆCO 2 yCO
2
.
(5.31)
gem
Der einzuhaltende Luft¨ uberschuß (n − 1) ist nach (5.31) mit dem CO2 -Gehalt der Rauchgase verkn¨ upft. Ist der Luft¨ uberschuß zu groß, verursacht dies nicht nur eine Absenkung der Feuerraumtemperatur, sondern, wegen der gr¨oßeren Abgasmenge, auch eine Verminderung des Dampferzeugerwirkungsgrades. Ist andererseits der Luft¨ uberschuß zu klein, kann dies eine unvollkommene Verbrennung zur Folge haben. Bei unvollst¨ andiger Verbrennung findet dort, wo Sauerstoff fehlt, nur eine Teiloxidation des Kohlenstoffs statt und es bildet sich CO. Diese Orte in der Feuerung heißen reduzierend. Gelangt Schwefel an solche Stellen, bildet sich ferner H2 S. Sowohl CO als auch H2 S f¨ uhren zu Korrosion, z.B. kann folgender Vorgang ablaufen: S + H2 −→ H2 S , H2 S + FeO −→ FeS + H2 O . Um Korrosion zu verhindern, muß bei jeder Verbrennung die Bildung reduzierender Zonen in der N¨ ahe begrenzender W¨ ande vermieden werden. Beispiel 5.1. Man berechne den Luftbedarf f¨ ur die vollst¨ andige st¨ ochiometrische Verbrennung von 1 kg Methan. L¨ osung. Nach der bekannten Reaktionsgleichung CH4 + 2 O2 −→ CO2 + 2 H2 O reagiert 1 mol CH4 mit 2 mol O2 . Durch Benutzung der Molmassen erh¨ alt man die spezifische Massenbilanz
118
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik nCH MCH + nO MO −→ nCO MCO + nH 4
4
2
2
2
2
2O
MH
2O
.
Der Mindestsauerstoffbedarf µO2 zur Verbrennung von 1 kg Methan ergibt sich hieraus zu µO = 2
nO MO 2
2
nCH MCH 4
=4 4
kg O2 . kg CH4
Bei einem Massenanteil xO = 0,2314 des Sauerstoffs in der Luft folgt f¨ ur den 2 spezifischen Mindestluftbedarf µLoT =
µO
2
xO
2
= 17,29
kg Luft . kg CH4
5.3.2 Statistische Verbrennungsrechnung Bei Planungsbeginn einer Anlage ist die Brennstoffzusammensetzung oft nicht genau bekannt. In diesem Fall kann zur Bestimmung der Luft- und Rauchgasmenge unter Zugrundelegung der Immediatanalyse eine statistische Verbrennungsrechnung durchgef¨ uhrt werden. Dies ist eine N¨aherung mit einem gewissen Maß an Ungenauigkeit, die f¨ ur praktische Rechnungen meistens tragbar ist, vgl. z.B. [1]. Es gilt f¨ ur die spezifischen Mengen von Kohlen :
µLoT = 0,3163 H + 0,566 [kg/kg] , µGoT = 0,3308 H + 0,638 [kg/kg] ,
(5.32)
Heiz¨ol :
µLoT = 0,3437 H − 0,425 [kg/kg] , µGoT = 0,2670 H + 2,579 [kg/kg] ,
(5.33)
Erdgas :
µLoT = 0,3443 H − 0,063 [kg/kg] , µGoT = 0,2989 H + 1,015 [kg/kg] .
(5.34)
Oft gebraucht werden auch die spezifischen Rauchgasvolumina. In der N¨aherung der statistischen Verbrennungsrechnung folgt f¨ ur Kohlen :
vGoT = 0,2377 H + 0,449 [Nm3 /kg] ,
(5.35)
Heiz¨ol :
vGoT = 0,2250 H + 1,119 [Nm3 /kg] ,
(5.36)
Erdgas :
vGoT = 0,2819 H + 0,5528 [Nm3 /kg] .
(5.37)
Der Heizwert ist jeweils in MJ/kg einzusetzen; die Gasvolumina beziehen sich auf den Normalzustand von 25◦ C und 1013,2 hPa. Beispiel 5.2. Der mit Kohlenstaub gefeuerte Dampferzeuger eines 740 MW-Kraftwerkes hat einen W¨ armebedarf von Q˙ = 1 680 MW. Der Wirkungsgrad des Dampferzeugers betrage ηD = 0,925 und der Verlust durch Unverbranntes 0,5%.
5.3 Stoffbilanz der Verbrennung
119
Verfeuert wird eine Ruhr-Fettkohle mit folgender Elementaranalyse: C = 86,2%, H = 5,3%, O = 6,2%, N = 1,5% und S = 0,8% (auf waf bezogen). Der Heizwert betr¨ agt bei einem Aschegehalt von 8% und einem Wassergehalt von 9% H = 28,5 MJ/kg. Man bestimme den erforderlichen Brennstoff- und Verbrennungsluftstrom sowie den resultierenden Rauchgasstrom bei einem Luftverh¨ altnis von n = 1,25. Dar¨ uber hinaus ist der anfallende Aschestrom zu ermitteln. L¨ osung. Aus den gegebenen Analysewerten bestimmen wir zun¨ achst die Massenanteile. Es ist γA = 0,08, γH O = 0,09, 2 C 1 − γA − γH O = 0,715. γC = 2 100 Analog dazu ergibt sich γH = 0,044,
γO = 0,051,
γS = 0,007,
γN = 0,0124.
F¨ ur die spezifische Verbrennungsluft- und Gasmengen folgt damit aus der elementaren Verbrennungsrechung: µLoT = 9,49 kg/kg und µGoT = µLoT + 1 − γA = 10,4 kg/kg. Mit den Gleichungen der statistischen Verbrennungsrechnung ergibt sich f¨ ur die spezifischen Luft- und Rauchgasmengen
µLoT = 0,311 H + 0,76 1 − γA = 9,56 kg/kg und µGoT = 10,47 kg/kg. Die Differenz beider Berechnungsarten liegt damit unter 1%. Man erh¨ alt f¨ ur den Brennstoffstrom Q˙ m ˙B = = 63,7 kg/s. ηD H F¨ ur den Verbrennungsluftstrom folgt
m ˙ Lo = m ˙ B 0,311 H + 0, 76 1 − γA
= 605,6 kg/s = 781,2 Nm3 /s.
Bei einem Luftverh¨ altnis von n = 1,25 ist ˙ Lo n = 757 kg/s = 976,5 Nm3 /s. m ˙L =m F¨ ur den Rauchgasstrom ergibt sich:
m ˙ RG = m ˙ B µLoT + 1 − γA = 815,6 kg/s. Der Aschestrom setzt sich aus dem Aschegehalt der Kohle und dem Anteil an unverbranntem Kohlenstoff zusammen: m ˙A =m ˙ B γA + m ˙ B 0,005 γC = 5,324 kg/s.
120
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik
5.3.3 Rauchgaszusammensetzung Die Rauchgase bestehen in erster N¨ aherung haupts¨achlich aus Kohlendioxid, Wasserdampf sowie Sauerstoff und Stickstoff. Es gilt: µG = µCO + µH
2O
2
+ µO + µN . 2
(5.38)
2
F¨ ur den Luftgehalt µLG im Rauchgas gilt µO 2 µLG = (n − 1) µLoT = . 0,2315 Damit kann µN durch
(5.39)
2
µN = µ0 + 0,7685 µLG 2
(5.40)
N2
ausgedr¨ uckt werden. Hier ist µ0 der Stickstoffgehalt bei st¨ochiometrischer N2 Verbrennung. Damit folgt µG = µCO + µH
2O
2
+ µ0 + µLG .
(5.41)
N2
Bei st¨ ochiometrischer Verbrennung, d.h. µLG = 0, ist µGo = µCO + µH
2O
2
+ µ0 .
(5.42)
N2
F¨ ur die trockenen Rauchgase, d.h. µH
2O
µGoT = µCO + 2
µ0 N2
= 0, vereinfacht sich (5.42) zu
.
(5.43)
Wird dieser Ausdruck in (5.41) eingesetzt und durch µG dividiert, ergibt sich µ µ µ 1 = GoT + H2 O + LG . (5.44) µG µG µG Wir erweitern den ersten Summanden mit µCO , woraus 2 µH O µCO µ µ GoT 2 + 2 + LG 1= µG µCO µG µG
(5.45)
2
resultiert. Mit den fr¨ uher eingef¨ uhrten Bezeichnungen f¨ ur die spezifischen Gr¨ oßen kann diese Gleichung zu x 1 = CO2 + xH O + xLG (5.46) 2 x ˆCO 2
umgeformt werden. Hier ist x ˆCO der CO2 -Gehalt bei st¨ochiometrischer Ver2 brennung im trockenen Rauchgas und xLG der Luftgehalt des Rauchgases. Man erh¨ alt x (5.47) xLG = 1 − xH O − CO2 . 2 x ˆCO 2
Entsprechend gilt x0 N2
= 1 − xH
2O
− xCO − xLG = xCO 2
2
1 x ˆCO
2
−1 .
(5.48)
5.3 Stoffbilanz der Verbrennung
121
5.3.4 Stoffdaten F¨ ur die w¨ armetechnische Auslegung von Feuerungen und Kesseln werden die folgenden Stoffdaten von Luft und Rauchgasen1 ben¨otigt: • • • •
Dynamische Viskosit¨ at, spezielle Gaskonstante, spezifische W¨armekapazit¨ at und W¨ armeleitf¨ ahigkeit.
Im Bereich niedriger Dr¨ ucke h¨ angt die Gaskonstante lediglich von der Zusammensetzung ab, die anderen Gr¨ oßen zus¨ atzlich von der Temperatur. 5.3.4.1 Gaskonstante Mit den nun bekannten Werten f¨ ur die Gasanteile kann die Gaskonstante des Rauchgases mit der bekannten Mischungsregel berechnet werden. Es gilt RG = Ri xi (5.49) i
bzw. RG = RL xLG + RN xN + RH 2
2
2O
xH
2O
+ RCO xCO . 2
2
Es folgt nach Einsetzen von (5.47) und (5.48) RG = RL + RH O − RL xH O + 2 2
1−x ˆCO 1 2 RN − R xCO . RCO + 2 2 2 x ˆCO x ˆCO L 2
(5.50)
(5.51)
2
F¨ ur feste und fl¨ ussige Brennstoffe ist x ˆCO ≈ 0,25 und es gilt in erster 2 N¨ aherung RG = 0,287 − 0,074 xCO + 0,175 xH 2
2O
[kJ/kgK] ,
(5.52)
dabei ist der Fehler kleiner als 0,5%. Bei bekannten spezifischen Gaskonstanten kann das spezifische Volumen mit Hilfe der thermischen Zustandsgleichung perfekter Gase (3.35) durch xH O 2 und xCO ausgedr¨ uckt werden. F¨ ur das spezifische Volumen von Rauchgasen 2 fester und fl¨ ussiger Brennstoffe gilt in erster N¨ aherung unter technischen Normalbedingungen2 : vG = 1 2
RG T = 0,773 − 0,201 xCO + 0,470 xH O [m3 /kg] . 2 2 p
(5.53)
Daten f¨ ur andere Stoffe finden sich z.B. in den Zahlentafeln [2] und [3]. Technischer Normzustand nach DIN 1 343: 273,15 K oder 0◦ C und 1 013,25 hPa.
122
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik
5.3.4.2 Spezifische W¨ armekapazit¨ at F¨ ur die spezifische W¨ armekapazit¨ at cp eines Gasgemisches gilt die Mischungsregel xi cpi . (5.54) cp = i
Unter den getroffenen Voraussetzungen gilt f¨ ur feuchte Luft bzw. Rauchgase cpG = cpLT + cpH O − cpLT xH O + cpCO − cpLT xCO . (5.55) 2
2
2
2
Diese Gleichung kann nicht weiter vereinfacht werden, da die spezifischen W¨ armekapazit¨ aten von der Temperatur abh¨ angen, vgl. Abb. 5.2.
1.3
2.6
1.2
cp [kJ/kgK]
2.4
1.1 2.2
N2 O2
1.0
H2 O 2.0
Luft
0.9 CO2
1.8
0
500
1500
1000
2000
0.8
0
500
1000 ϑ [◦ C]
1500
2000
Abbildung 5.2. Spezifische mittlere W¨ armekapazit¨ aten ausgew¨ ahlter Einzelgase in Abh¨ angigkeit von der Temperatur
F¨ ur die praktische Rechnung ist es zweckm¨aßig, die Temperaturabh¨angigkeit der Stoffwerte durch Polynomans¨ atze zu approximieren. F¨ ur die spezifische W¨ armekapazit¨ at von trockener Luft gilt im Temperaturbereich von 0– 1 500◦ C die Darstellung cpLT = aLT + bLT ϑ + cLT ϑ2 + dLT ϑ3 + eLT ϑ4 + fLT ϑ5 [kJ/kgK] . (5.56) F¨ ur feuchte Luft und feuchte Rauchgase gilt entsprechend cpG = cpLT + PH
2O
xH
2O
+ PCO xCO [kJ/kgK] 2
(5.57)
2
mit ϑ4 ,
(5.58)
PCO = aCO + bCO ϑ + cCO ϑ2 + dCO ϑ3 + eCO ϑ4 .
(5.59)
PH
2O
2
= aH
2O
2
+ bH
2O
2
ϑ + cH
2O
2
ϑ2 + dH
2O
2
ϑ3 + eH
2O
2
5.3 Stoffbilanz der Verbrennung
123
Tabelle 5.5. Koeffizienten zur Berechnung der spezifischen W¨ armekapazit¨ at cp a b c d e f
PH
PCO
2O
LT
0,1004173 · 10 0,1919210 · 10−4 0,5883483 · 10−6 −0,7011184 · 10−9 0,3309525 · 10−12 −0,5673870 · 10−16
0,8554535 · 10 0,2036005 · 10−3 0,4583082 · 10−6 −0,2798080 · 10−9 0,5634413 · 10−13
1
0
2
−0,1002311 · 100 0,7661864 · 10−3 −0,9259622 · 10−6 0,5293496 · 10−9 −0,1093573 · 10−12
In den Anwendungen wird meist mit der mittleren oder integralen spezifischen W¨ armekapazit¨ at 1 cp = ϑ
ϑ cp (ϑ) dϑ
(5.60)
0
gerechnet. F¨ ur trockene Luft gilt: 1 1 1 1 1 cpLT = aLT + bLT ϑ + cLT ϑ2 + dLT ϑ3 + eLT ϑ4 + fLT ϑ5 . (5.61) 2 3 4 5 6 Entsprechend gilt f¨ ur feuchte Luft und feuchtes Rauchgas cpG = cpLT + P H
2O
xH
2O
+ P CO xCO 2
(5.62)
2
mit PH
2O
= aH
2O
P CO = aCO 2
2
1 b ϑ+ 2 H2 O 1 + bCO ϑ + 2 2 +
1 1 1 cH O ϑ2 + dH O ϑ3 + eH O ϑ4 , 2 2 3 4 5 2 1 1 1 ϑ2 + dCO ϑ3 + eCO ϑ4 . c 2 2 3 CO2 4 5
(5.63) (5.64)
Beispiel 5.3. Man berechne die adiabate Verbrennungstemperatur der vollst¨ andigen, st¨ ochiometrischen Verbrennung von Kohlenstoff mit Luft. Rechnen Sie der Einfachheit halber mit einer Luftzusammensetzung von 79 Vol.-% N2 und 21 Vol.-% O2 . Die mittleren molaren W¨ armekapazit¨ aten entnehme man Abb. 5.2. Der Heizwert H von Kohlenstoff betr¨ agt 393,5 kJ/mol. Die Ausgangstemperatur der beteiligten Stoffe werde mit 0◦ C angenommen. Wie ¨ andert sich die Verbrennungstemperatur bei einem Luftverh¨ altnis n > 1? L¨ osung. Es gilt die molare Reaktionsgleichung C + O2 +
0, 79 N2 −→ CO2 + 3,76 N2 . 0,21
Aus der Energiebilanz (5.1) folgt mit Q˙ = 0 f¨ ur die adiabate Verbrennungstemperatur ϑad die Gleichung H = nCO MCO cpCO ϑad + nN MN cpN ϑad . 2
2
2
2
2
2
Hier sind cpCO = 1,26 kJ/kgK und cpN = 1,2 kJ/kgK die Abb. 5.2 entnommenen 2 2 mittleren molaren W¨ armekapazit¨ aten. Aufgel¨ ost nach ϑad erh¨ alt man
124
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik ϑad =
H nCO MCO cpCO + nN MN cpN 2
2
2
2
2
= 2 165◦ C.
2
Diese Temperatur wird bei einer realen Verbrennung nicht erreicht. Gr¨ unde daf¨ ur sind: • • •
Endotherme Dissoziation der Verbrennungsgase, auftretende Nebenreaktionen, z.B. N + O −→ NO, W¨ armeverluste.
Erfolgt die Verbrennung bei einem Luftverh¨ altnis n > 1, ist der Nenner der vorstehenden Gleichung um die W¨ armekapazit¨ at f¨ ur Luft zu erg¨ anzen. Das Resultat ist in Abb. 5.3 dargestellt. Die Verbrennungstemperatur sinkt mit steigendem Luftverh¨ altnis, da eine gr¨ oßere Gasmasse aufgeheizt werden muß, der Heizwert von Kohlenstoff jedoch konstant bleibt.
2 500
ϑmax [◦ C]
2 000
1 500
Abbildung 5.3. Maximale Flammentemperatur bei der Verbrennung von Kohlenstoff als Funktion des Luftverh¨ altnisses
1 000
500 1
2
3
4
n [-]
5.3.4.3 Dynamische Viskosit¨ at Die dynamische Viskosit¨ at η von Luft und Rauchgas l¨aßt sich im Temperaturbereich zwischen 0 und 1 500◦ C durch die N¨aherungspolynome ηLT = aLT + bLT ϑ + cLT ϑ2 + dLT ϑ3 + eLT ϑ4 + fLT ϑ5 [µPas] .
(5.65)
bzw. ηG = ηLT + QH
2O
xH
2O
+ QCO xCO [µPas] 2
(5.66)
2
bestimmen mit QH
2O
= aH
2O
+ bH
2O
ϑ + cH
2O
ϑ2 + dH
2O
ϑ3 + eH
2O
ϑ4 ,
QCO = aCO + bCO ϑ + cCO ϑ2 + dCO ϑ3 + eCO ϑ4 2
2
2
2
und den Koeffizienten aus Tabelle 5.6.
2
2
(5.67) (5.68)
5.4 Anmerkungen zum Verbrennungsablauf
125
Tabelle 5.6. Koeffizienten zur Berechnung der dynamischen Viskosit¨ at ηLT a b c d e f
QH
QCO
2O
0,171423 · 10 0,463604 · 10−1 −0,274583 · 10−4 0,181123 · 10−7 −0,674497 · 10−11 0,102775 · 10−14
−0,912446 · 10 0,456500 · 10−2 0,219889 · 10−4 −0,189123 · 10−7 0,513889 · 10−11
2
2
−0,426777 · 101 0,407427 · 10−3 −0,512536 · 10−5 0,738556 · 10−8 −0,343972 · 10−11
1
5.3.4.4 W¨ armeleitf¨ ahigkeit F¨ ur die W¨ armeleitf¨ ahigkeit λ von Rauchgasen im Temperaturbereich zwischen 0 und 1 500◦ C gilt entsprechend λG = λLT + SH
2O
xH
2O
+ SCO xCO [W/mK] 2
(5.69)
2
mit λLT = aLT + bLT ϑ + cLT ϑ2 + dLT ϑ3 + eLT ϑ4 + fLT ϑ5 [W/mK] .
(5.70)
Darin ist ϑ4 ,
(5.71)
SCO = aCO + bCO ϑ + cCO ϑ2 + dCO ϑ3 + eCO ϑ4 .
(5.72)
SH
2O
2
= aH
2O
+ bH
2O
2
ϑ + cH
2O
2
ϑ2 + dH
2O
2
ϑ3 + eH
2O
2
2
Die Zahlenwerte der Koeffizienten findet man in Tabelle 5.7. Tabelle 5.7. Koeffizienten zur Berechnung der W¨ armeleitf¨ ahigkeit λLT a b c d e f
SH
SCO
2O
−1
0,249858 · 10 0,653537 · 10−4 −0,769084 · 10−8 −0,192425 · 10−11 0,741350 · 10−14 −0,286443 · 10−18
−1
−0,108311 · 10 0,559682 · 10−4 0,741350 · 10−7 −0,590139 · 10−10 0,196175 · 10−13
2
−0,803582 · 10−2 0,110672 · 10−4 −0,839725 · 10−8 0,113023 · 10−10 −0,573126 · 10−14
5.4 Anmerkungen zum Verbrennungsablauf Die Vorg¨ ange bei der Verbrennung sind ¨ außerst komplex und k¨onnen deshalb hier nur modellhaft beschrieben werden. Am einfachsten sind die Verh¨altnisse bei der Verbrennung eines Gases. Ist die Z¨ undung eingeleitet, so muß die
126
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik
Temperatur u undpunkt gehalten und die Zufuhr des Sauerstoffs un¨ber dem Z¨ ter gleichzeitiger Abfuhr der Verbrennungsprodukte aufrecht erhalten werden. Der Verbrennungsablauf zerf¨ allt demnach in zwei grunds¨atzlich voneinander verschiedene Phasen: Den physikalischen Vorgang der Herstellung eines z¨ undf¨ ahigen Gemisches aus Sauerstoff und Brennstoff und den chemischen Vorgang der Reaktion zwischen den Verbrennungspartnern. Die Dauer des Vorgangs setzt sich aus der Zeitspanne f¨ ur die Gemischbildung τG und der Reaktionszeit τR zusammen. Die Verbrennungszeit ergibt sich entsprechend zu τB = τG + τR .
(5.73)
Fl¨ ussige und feste Brennstoffe lassen sich in ihrem Aggregatzustand nicht verbrennen. Sie m¨ ussen durch entsprechende Aufbereitung erst in den gasf¨ormigen Zustand u uhrt werden. ¨berf¨ Fl¨ ussige Brennstoffe werden deshalb in feinste Tr¨opfchen zerst¨aubt, die unter der Einwirkung der Flammenstrahlung rasch verdampfen und anschließend wie ein Gas verbrennen. Bezeichnet man die f¨ ur die Verdampfung ben¨otigte Zeit mit τV , folgt f¨ ur die Verbrennungszeit τB = τG + τR + τV .
(5.74)
Bei den in Brennkammern großer Dampferzeuger u ¨blichen Flammentempe¨ sind τ und τ raturen von 1 100◦ C (bei Braunkohle) bzw. 1 600◦ C (bei Ol) R V klein gegen τG , so daß die Dauer der Verbrennung im wesentlichen durch den physikalischen Mischvorgang bestimmt wird, vgl. Abb. 5.4. 5
2 Steinkohle
Heiz¨ ol
Braunkohle
100
τ [s]
5
2 10−1 5
2 10−2 0
100
200
300 d [µm]
400
500
Abbildung 5.4. Ausbrennzeit fester und fl¨ ussiger Brennstoffe
5.4 Anmerkungen zum Verbrennungsablauf
127
Noch komplexer verl¨ auft die Verbrennung eines Kohleteilchens, bei der die folgenden Phasen unterschieden werden k¨ onnen: • • • • •
Aufheizung des Kohleteilchens, Austritt der fl¨ uchtigen Bestandteile, Gemischbildung mit der Verbrennungsluft, Z¨ undung und Verbrennung der Fl¨ uchtigen, Z¨ undung und Verbrennung des Restkokses.
Nach dem Austreiben der Fl¨ uchtigen kann das Kohleteilchen als ein por¨oses Kohlenstoffger¨ ust beschrieben werden. Die Reaktionsrate der heterogenen Kohlenstoffoxidation mit dem Sauerstoff der Verbrennungsluft wird zum einen durch chemische Vorg¨ ange (Adsorption, Reaktion, Desorption), haupts¨achlich aber durch Transportvorg¨ ange (Mischung, Grenzschichtdiffusion, Porendiffusion) begrenzt. F¨ ur die st¨ ochiometrische Verbrennung von 1 kg Kohle sind etwa 8,5 kg Luft erforderlich. Um ein gleichm¨ aßiges Gemisch zu erhalten, muß jedes Kohleteilchen mit einem Luftw¨ urfel umh¨ ullt sein, dessen Kantenl¨ange bei Verbrennungstemperatur etwa 30 mal gr¨ oßer ist als die Abmessung des Teilchens. Hieraus wird deutlich, daß der physikalische Mischvorgang w¨ahrend der heterogenen Phase der Reaktion die Dauer der Verbrennung bestimmt. In Abb. 5.4 ist die Brennzeit von Kohlenstaub in Abh¨angigkeit vom Korndurchmesser dargestellt; es handelt sich dabei um Mittelwerte aus Untersuchungen verschiedener Autoren. Daneben ist die Ausbrennzeit noch vom Luft¨ uberschuß abh¨ angig. Beispiel 5.4. Von den beschriebenen Vorg¨ angen, die bei der Verbrennung eines Kohleteilchens unterschieden werden, soll beispielhaft die Aufheizung untersucht werden. Wir gehen dazu von der Vorstellung aus, daß das Teilchen mit der Temperatur TK (t) von Luft der Temperatur TL getragen und in eine Brennkammer mit der Flammentemperatur TF eingebracht wird. Der Einfachheit halber wird angenommen, daß die Brenngase vollkommen durchl¨ assig f¨ ur W¨ armestrahlung sind. Gehen Sie von einem kugelf¨ ormigen Kohleteilchen aus. Es sollen folgenden Zahlenwerte angenommen werden: Teilchenradius r = 10−4 m, spezifische W¨ armekapazit¨ at der Kohle cpK = 1,5 kJ/kgK, Dichte der Kohle ρK = 900 kg/m3 , W¨ armeleitf¨ ahigkeit der Luft λL = 0,02 W/mK, Lufttemperatur TL = 300 K, Flammentemperatur TF = 1 873 K, Z¨ undtemperatur der Kohle TZ = 573 K, Emmissionsverh¨ altnis der W¨ armestrahlung zwischen Flamme und Teilchen ε = 0,9, Nusseltzahl f¨ ur kugelf¨ ormige Teilchen Nu = 2. L¨ osung. F¨ ur das Teichen kann unter Ber¨ ucksichtigung der Erw¨ armung durch die W¨ armestrahlung der Flamme und der Abk¨ uhlung infolge konvektiven W¨ armeaustausches mit der umgebenden Luft die W¨ armebilanz
128
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik
dTK 4 π r3 ρK cpK = π r2 ε σS T 4 − T 4 + 4 π r2 α TL − TK F K 3 dt aufgestellt werden. Hier ist α die W¨ arme¨ ubergangszahl, die aus der Nusseltzahl berechnet werden kann. F¨ ur kleine, kugelf¨ ormige Teilchen ist die Nusseltzahl Nu =
α2r = 2. λL
Deshalb ist α=
λL r
.
Naturgem¨ aß ist die Temperatur TF der Flamme groß gegen die Temperatur TK des Kohleteilchens. Daher kann die W¨ armebilanz zu
dTK 4 π r3 ρK cpK = π r2 ε σS T 4 + 4 π r2 α TL − TK F 3 dt vereinfacht werden. Die L¨ osung der vereinfachten Differentialgleichung kann wie folgt geschrieben werden: ε σS r T 4
TK (t) = TL +
1 − exp −
F
4 λL
3 λL t
ρK cpK r2
.
Die asymptotisch erreichte Kohletemperatur T∞ = TK (t → ∞) ist folglich T∞ = TL +
ε σS r T 4 F
4 λL
.
Aus dieser Gleichung ist zu erkennen, daß die Teilchentemperatur nur dann gr¨ oßer als die Z¨ undtemperatur TZ werden kann, wenn
r>
4 λL TZ − TL ε σS T 4
= rmin
F
ist, was bedeutet, daß Teilchen, die kleiner als rmin sind, die Z¨ undtemperatur nicht erreichen. Die Temperatur TK zu einem beliebigen Zeitpunkt t kann gem¨ aß
TK (t) = TL + T∞ − TL
1 − exp −
3 λL t
ρK cpK r2
berechnet werden. Bis zum Erreichen der Z¨ undtemperatur wird die Zeit τZ = −
ρK cpK r2 3 λL
ln 1 −
TZ − TL
T∞ − TL
ben¨ otigt. Mit den vorgegebenen Zahlenwerten ist T∞ = 1 085 K und τZ ≈ 0,096 s. Die diesem Beispiel zugrundegelegte Modellvorstellung wurde von Nusselt [4] vorgeschlagen. Es war der erste Ansatz f¨ ur eine Theorie der Feststoffverbrennung.
5.5 Fazit
129
Bei Staubfeuerungen ist die Brennkammer so zu dimensionieren, daß die Verweilzeit in der Kammer gr¨ oßer ist als die Brennzeit der Kohleteilchen. Bei der Dimensionierung von Großanlagen wird die Festlegung einer ausreichenden Brennkammergr¨ oße dadurch erreicht, daß eine f¨ ur den Vorgang charkteristische Kennzahl definiert wird und deren zul¨ assiger Variationsbereich anhand von Erfahrungswerten an ausgef¨ uhrten Anlagen festgelegt wird. F¨ ur die Festlegung des Brennkammervolumens ist dies die sog. Volumenbelastung, vgl. Kap. 6. Der Verbrennungsablauf ist nach heutigem Kenntnisstand haupts¨achlich von folgenden Gr¨oßen abh¨ angig: • • • •
Der Gr¨ oße der Reaktionsoberfl¨ ache, d.h. dem Korndurchmesser, dem Luftverh¨altnis, d.h. dem Sauerstoffpartialdruck, den Mischverh¨ altnissen in der Flamme, dem Turbulenzgrad etc., der mittleren Flammentemperatur und damit der Aufheizgeschwindigkeit.
Diese Einflußgr¨ oßen sind allerdings nicht unabh¨angig voneinander. So l¨aßt z.B. ein h¨ oherer Luft¨ uberschuß einen gr¨ oßeren Teilchendurchmesser bei gleicher Ausbrennzeit zu. Eine unvollst¨andige Verbrennung ist vor allem durch das Auftreten von CO gekennzeichnet, unverbrannte H2 - und S-Anteile kommen dagegen fast nicht vor. Dies h¨ angt mit der Reaktionsgeschwindigkeit zusammen, die in erster N¨ aherung umgekehrt proportional zur Bildungsw¨arme ist. Die CO-Bildung beansprucht damit mehr als doppelt soviel Zeit wie die H2 O- oder SO2 Bildung. Die reaktionsfreudigen Elemente S und H verbinden sich daher rasch mit dem Sauerstoff, w¨ ahrend f¨ ur die CO- bzw. CO2 -Bildung nur noch die restliche O2 -Menge verbleibt. Bei Feuerungsanlagen, die mit einem ungen¨ ugenden Luft¨ uberschuß oder einer schlechten Brennereinstellung betrieben werden, besteht daher der unvollst¨ andig verbrannte Anteil haupts¨achlich aus CO und Feststoffteilchen.
5.5 Fazit In diesem Abschnitt wurden elementare Grundlagen der Verbrennung soweit zusammengestellt, wie sie f¨ ur die Berechnung der Verbrennungsluft– und Rauchgasstr¨ ome, der Rauchgaszusammensetzung sowie der Energiebilanzen erforderlich sind. Die Kenntnis dieser Daten ist notwendig, um Gebl¨ase, Luftvorw¨ armer, Kohlem¨ uhlen und Dampferzeugerheizfl¨achen usw. dimensionieren zu k¨ onnen. In diesem Buch steht das System Kraftwerk im Vordergrund und nicht so sehr die Einzelprozesse, deshalb wurde auch das Hauptgewicht auf die sogenannte statistische Verbrennungsrechnung gelegt. Die Verbrennung ist eine unserer ¨ altesten Techniken. Obwohl sie schon lange ein Schwerpunkt der Forschung ist, sind noch viele Fragen offen; so z.B die Kopplung des Reaktionsablaufs mit dem Str¨omungsfeld laminarer und
130
5 Grundlagen der Verbrennungstechnik
turbulenter Flammen, die Schadstoffbildung und auch die Z¨ undung von Kohlenstaubflammen. Bei den Kraftwerksfeuerungen hat die Forschung besonders zu den Fragen der NOx –Minderung wichtige Beitr¨age geliefert, vgl. z.B. [5], [6]. Obwohl all diese Fragen f¨ ur die Anwendungen wichtig sind, ist ihre Behandlung nicht Ziel dieses Buches.
Literatur 1. Brandt, F.: Brennstoffe und Verbrennungsrechnung. Selbstverlag des FDBR (Fachverband Dampfkessel-, Beh¨ alter- und Rohrleitungsbau e.V.), Essen 1985 2. Landolt, H., B¨ ornstein, R.: Numerical data and functional relationships in science and technology. Springer, Berlin Heidelberg New York 1992 3. VDI-W¨ armeatlas. 9. Auflage, VDI-Verlag (Verein deutscher Ingenieure e.V.), D¨ usseldorf 2002 4. Nusselt, W.: Der Verbrennungsvorgang in der Kohlenstaubfeuerung. Zeitschrift des VDI 68, 102–107 (1923) 5. Warnatz, J., Maas, U., Dibbe, R.W.: Verbrennung. Springer, 2. Auflage 1997 6. Zelkowski, J.: Kohleverbrennung. VGB–Kraftwerkstechnik, 2. Auflage 2002
6 Feuerungssysteme und -anlagen
6.1 Allgemeines Systeme, mit denen die chemische Energie fossiler Brennstoffe freigesetzt wird, heißen Feuerungen. Der dabei ben¨ otigte Sauerstoff wird in der Regel durch Luftzufuhr zur Verf¨ ugung gestellt, in selteneren F¨allen auch durch Zuf¨ uhrung anderer sauerstoffhaltiger Gase. Je nach Suspensionszustand des Brennstoffs k¨ onnen Feuerungen unterteilt werden in, vgl. auch Abb. 6.1: • Festbett- oder Rostfeuerungen: Sie finden bei festen Brennstoffen Anwendung, die Verbrennung erfolgt auf einem festen oder beweglichen Rost. Fluidisierende Schicht kleine Schichtgroße Schichtausdehnung ausdehnung
Rostfeuerung
Luft
w = wL (Lockerungspunkt)
Abgas
Dampferzeuger
zirkulierende Wirbelschicht
pneumatische Teilchenaustragung
Staubfeuerung
Brennstoff Kalkstein
stationäre Wirbelschicht Brennstoff Kalkstein
Druckverlust des Wirbelbettes Dp
liegende Schicht
Luft
w = wS Gasgeschwindigkeit w (merklicher Feststoffaustrag)
Abbildung 6.1. Einteilung der Feuerungssysteme
132
6 Feuerungssysteme und -anlagen Rohkohlebunker
Brenner
Zuteiler M C M
Schüsselmühle
C
Mühlenluftgebläse M
C
Frischluftgebläse C M
RegenerativDampfluftvorwärmer luftvorwärmer
Abbildung 6.2. Verfahrensschema einer Staubfeuerung f¨ ur Steinkohle
• Wirbelschichtfeuerungen: Der Brennstoff wird in einer vom Sauerstofftr¨ager durchstr¨ omten Wirbelschicht aus inerten Teilchen verbrannt. Dieses System wird vorzugsweise f¨ ur feste Brennstoffe eingesetzt. • Brennerfeuerungen: Der Brennstoff wird zusammen mit dem Sauerstofftr¨ager in die Brennkammer eingeblasen. Dieses System wird f¨ ur Gase, fl¨ ussige Brennstoffe und f¨ ur fein gemahlene feste Brennstoffe verwendet. Aufgabe der Feuerung ist es, den Brennstoff f¨ ur die Verbrennung aufzubereiten, zu dosieren, vollkommen zu verbrennen und im Brennstoff enthaltene, nicht brennbare Bestandteile m¨ oglichst einfach zu entfernen. Ein ideales Feuerungssystem, das all diese Funktionen erf¨ ullt, muß folgende Eigenschaften aufweisen: • • • •
Kein Unverbranntes und keinen Sauerstoff in den Verbrennungsprodukten, weiter Regelungsbereich mit stabilen Bedingungen, kurze Totzeiten und steile Lastgradienten bei Last¨anderungen, hohe Verf¨ ugbarkeit der Anlage bei geringem Instandhaltungsaufwand.
Der Aufbau einer Feuerungsanlage ist abh¨ angig von der Art und den Eigenschaften eines Brennstoffes, daneben hat auch die Leistung einer Feuerung einen wesentlichen Einfluß auf die Systemauswahl. Die Konstruktion eines Dampferzeugers, in dem die W¨ armeenergie der heißen Rauchgase auf das Arbeitsmittel u ¨bertragen wird, paßt sich in ihrem Aufbau der Feuerungsanlage an, vgl. [1], [2], [3] und [4]. In Abb. 6.2 sind die Komponenten einer Staubfeuerung dargestellt. Sie besteht aus folgenden Anlagenteilen: ¨ • Brennstoffbevorratung und -aufbereitung: Bunker, Olvorw¨ armer, Mahlanlagen etc.,
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
133
Sekundärluftdüsen
Kohletrichter Feuerraum
Schichthöhenregler
Roststäbe
• • • •
Luftzuführung Luftregelklappen
Ascheaustrag
Abbildung 6.3. Schuppen-Wanderrost, Bauart EVT [5]
ufter etc., Brennstoff- und Luftstellglieder: Zuteiler, Frischl¨ Verbrennungseinrichtung, Feuerraum, uckst¨ande. Einrichtungen zum Austrag der Verbrennungsr¨
Vielfach werden zur Feuerungsanlage auch noch die Teilsysteme der Rauchgasreinigung gez¨ahlt. Dies sind der Staubfilter sowie ggf. auch die Entschwefelungs- und Entstickungsanlage. Um das System Feuerung nicht zu komplizieren, wollen wir diesem Brauch nicht folgen. Die Anlage zur Vorw¨armung der Verbrennungsluft, der Luvo (Luftvorw¨armer), ist vom Verfahrensablauf upft und wird deshalb als Teilsystem her eng mit der Feuerungsanlage verkn¨ derselben behandelt.
6.2 Feuerungssysteme fu ¨ r feste Brennstoffe 6.2.1 Rostfeuerungen 6.2.1.1 Wanderroste Der Rost ist die einfachste Bauform einer Feuerung. Mit ihm begann die Entur ein wicklung von industriellen Feuerungsanlagen.1 Die heute wichtigste, f¨ weites Brennstoffband geeignete Bauart ist der Wanderrost. Er arbeitet wie ein Transportband. Die Kohle gelangt aus dem Aufgabetrichter auf den Rost, wobei die Schichtdicke u ¨ber sog. Schichtregler eingestellt wird, vgl. die Abbildungen 6.3 und 6.4. Die Abb. 6.3 zeigt einen Schuppen-Wanderrost. Der Rost tr¨agt die Kohle mit gleichbleibender Geschwindigkeit durch den Feuerraum. Auf diesem Weg verbrennt die Kohle, so daß am Ende des Rostes nur noch Asche und Schlacke ankommen; diese werden vom Rost in den Aschetrichter geworfen. Die Verbrennung der Kohle findet innerhalb der ruhenden Schicht statt. arluft, wird von unten Der gr¨oßte Teil der Verbrennungsluft (80–90%), die Prim¨ 1
ur eine Rostfeuerung erhielt J. Watt im Jahr 1785. Das erste Patent f¨
134
6 Feuerungssysteme und -anlagen Kohle
Zünddecke (Mauerwerk) Schichthöhenregler Pendelstauer
Trocknen Entgasen Zünden
Verbrennen Wanderrostband
Abbildung 6.4. Verbrennungsablauf auf einem Wanderrost
durch die Schicht geblasen und dient gleichzeitig zur K¨ uhlung der Rostst¨abe. Die Luft tritt durch Spalte im Rostbelag aus, die so klein sein m¨ ussen, daß kein zu großer Anteil des Brennstoffes durch den Rost f¨allt. Auf der anderen Seite muß die freie Rostfl¨ache, das ist die Summe aller Spaltquerschnitte, aber so groß sein, daß die Luftgeschwindigkeit nicht u ¨ber 4–5 m/s liegt, da sonst viel Feinanteil des Brennstoffs ausgetragen wird. Die verbleibende Luftmenge wird oberhalb des Rostes mit etwa 100 m/s als Sekund¨ arluft in den Feuerraum eingeblasen. Mit der Sekund¨arluft soll der Turbulenzgrad in der Brennkammer erh¨oht und so die Verbrennung der Fl¨ uchtigen intensiviert werden. Rostfeuerungen werden je nach Brennstoffart mit einem Luft¨ uberschuß von 35–50% betrieben. F¨ ur den Betrieb einer Rostfeuerung sind neben der Brennstoff¨orderung ein Rostantrieb und meist auch je ein Frischluft- und Saugzuggebl¨ase erforderlich. Der Eigenkraftbedarf liegt bei 2–2,5 kW pro MW W¨armeleistung. Da die Prim¨arluft zur K¨ uhlung der Rostst¨abe benutzt wird, ist die Luftvorw¨armung auf h¨ochstens 140◦ C begrenzt. Durch eine Vorw¨armung in dem zul¨assigen Temperaturbereich wird das Brennverhalten nur wenig beeinflußt, allerdings verbessert sich der Wirkungsgrad durch eine dann m¨oglichen Absenkung der Abgastemperatur am kalten Ende des Luftvorw¨armers. Wegen des Fehlens eines Grundfeuers muß der Brennstoff auf dem Rost durch Einstrahlung aus dem Feuerraum und von heißen Mauerteilen, der sog. Z¨ unddecke, gez¨ undet werden. Der Verbrennungsablauf ist in Abb. 6.4 schematisch dargestellt. Die Gr¨oße der Z¨ unddecke richtet sich nach der zur Verfeuerung kommenden Kohle; je weniger fl¨ uchtige Bestandteile der Brennstoff hat, umso gr¨oßer wird die erforderliche Fl¨ache. Die optimale Schichth¨ohe auf dem Rost ist von der Korngr¨oße des Brennstoffes und dem Gehalt an Fl¨ uchtigen abh¨angig. Typische Werte f¨ ur die Schichth¨ohe und die Rostbelastung sind in Tabelle 6.1 angegeben. Unter Rostbelastung versteht man das Verh¨altnis aus eingebrachter W¨arme und der Gr¨oße der Rostfl¨ache. Oberhalb des Rostes wird der Feuerraumquerschnitt durch Einziehen der Vorder- und R¨ uckwand verkleinert. Die resultierende
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
135
Tabelle 6.1. Schichth¨ ohe und Rostbelastung Kohlenart
K¨ ornung [mm]
Schichth¨ ohe [mm]
Rostbelastung [MW/m2 ]
Gaskohle 35% Fl¨ uchtige
Nußkohle 30/18a Feinkohle 10/0
60–100 70–130
< 1,0 < 0,8
Magerkohle 15% Fl¨ uchtige
Nußkohle 30/18 Feinkohle 10/0
40– 80 50–100
< 1,3 < 1,1
a
Handels¨ ubliche Kohle mit einer K¨ ornung zwischen 18 und 30 mm.
Querschnittsbelastung QQ – das ist das Verh¨ altnis aus eingebrachter W¨armeleistung und Feuerraumquerschnitt – ist ca. 50% gr¨oßer als die Rostbelastung. Die maximale Rostbelastung ist wesentlich durch die Verbrennungs- und Verschlackungseigenschaften der Kohle begrenzt. Bei zu hohen Rostbelastungen kann es zur Ausbildung von Verschlackungen auf dem Rost und damit zu erheblichen Betriebsst¨ orungen kommen. Bei der Schlackenbildung schmelzen die mineralischen Bestandteile der Kohle und bilden schließlich eine luftundurchl¨ assige Schicht; die Verbrennung im verschlackten Bereich wird damit unterbrochen. Ziel der Verbrennung auf dem Rost ist es, einen u ¨ber die Rostl¨ ange gleichm¨ aßigen Ausbrand zu erreichen. Dieses Ziel wird am ehesten bei der Verfeuerung von niederfl¨ uchtiger Kohle erreicht. Bei der Verbrennung hochfl¨ uchtiger Kohlen kann es im vorderen Bereich des Rostes ¨ortlich zu h¨ oheren W¨ armebelastungen kommen. Aus diesem Grund ist die zul¨assige W¨ armebelastung bei hochfl¨ uchtigen Kohlen niedriger als bei niederfl¨ uchtigen. Die Rostgeschwindigkeit liegt zwischen 1,5 und 15 m/h, wobei die untere Grenze durch die Gefahr der R¨ uckz¨ undung in den Kohletrichter und die obere Grenze durch das Abreißen der Z¨ undung gegeben ist. Zur Sicherstellung des Ausbrandes ist bei einer Wanderrostfeuerung ein ausreichend langer Ausbrandweg der Flamme bzw. eine ausreichend lange Verweilzeit der Rauchgase in der Brennkammer zur Verf¨ ugung zu stellen; zur Optimierung der Verbrennung auf dem Rost sind weiter Schichth¨ohe, Rostgeschwindigkeit und Ausbrandweg aufeinander abzustimmen. Ein Maß f¨ ur die Verweilzeit der Rauchgase in der Brennkammer ist die Volumenbelastung QV . Darunter versteht man das Verh¨ altnis von eingebrachter W¨armeleistung zum Brennkammervolumen. Bei Rostfeuerungen f¨ ur Kohle liegt QV im Bereich von 3 0,2–0,25 MW/m . Die Leistungsregelung erfolgt bei der Wanderrostfeuerung durch Verstellen der Rostgeschwindigkeit. Bei mittelfl¨ uchtigen Kohlen kann damit ein Bereich von ±10% pro Minute beherrscht werden. Die Verstellung der Schichth¨ohe ist in ihrer Wirkung als Stelleingriff zu tr¨ age: Bei einem 10 m langen Rost w¨ urde es fast eine Stunde dauern, bis eine neue Laststufe erreicht w¨are. Bei Kohlen mit einem hohen Anteil von Teilchen mit einer Korngr¨oße von weniger als 1 mm gibt es noch eine weitere Grenze f¨ ur die Rostfeuerung:
136
6 Feuerungssysteme und -anlagen
Brennkammer Kohletrichter Sekundärluftzuführung Wurfparabeln Zuteiler Werfer Rost
Aschetrichter Primärluftzuführung
Abbildung 6.5. Wanderrost mit Wurfbeschickung, Bauart EVT [5]
Diese Feinanteile fallen durch die Rostspalten und vergr¨oßern so den sog. Feuerungsverlust, vgl. 6.4. ¨ Beide Begrenzungen k¨ onnen mit Einschr¨ ankungen durch Ubergang zur Wurfbeschickung praktisch aufgehoben werden, vgl. Abb. 6.5 sowie [5]. Bei der Wurfbeschickung wird der Brennstoff mit einem mechanischen Werfer auf die entgegenlaufende Rostbahn aufgegeben. Die feineren Kohlepartikel verbrennen dabei bereits in der Schwebe. Die gr¨ oberen Partikel treffen abh¨angig von ihrer Masse nach unterschiedlichen Wurfweiten auf den Rost und verbrennen. Die Rostbelastung kann deshalb um etwa 50% h¨oher gew¨ahlt werden als bei der einfachen Rostfeuerung. Bei Brennkammern, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgelegt wurden, wird ein erheblicher Anteil von noch nicht vollst¨ andig verbrannten Kohleteilchen mit dem Rauchgasstrom ausgetragen. Zur Begrenzung des Feuerungsverlustes ist es deshalb erforderlich, einen Teil des im Entstauber anfallenden Flugstaubes wieder dem Brennstoff zuzumischen. In diesem Fall spricht man von einer Flugstaubrezirkulation. Im Unterschied zur einfachen Rostfeuerung erfolgt die Z¨ undung durch das Grundfeuer auf dem Rost. Die Feuerleistung kann deshalb mit großen und schnellen Lastgradienten verstellt werden, ohne daß die Z¨ undung abreißt. Es wurden Anlagen mit bis zu 150 MW Feuerleistung ausgef¨ uhrt. Dieses Feue¨ rungssystem stellt den Ubergang zur Staubfeuerung dar, vgl. Abb. 6.5. 6.2.1.2 Andere Rostsysteme Neben den Wanderrosten wurden insbesondere f¨ ur Brennstoffe mit geringen Heizwerten spezielle Rostbauarten entwickelt. Kennzeichnend f¨ ur diese Roste ist ihre Sch¨ urwirkung, die durch eine Relativbewegung der einzelnen Rostst¨ abe erreicht wird. Der auf dem Rost befindliche Brennstoff wird dadurch st¨ andig umgelagert und umgew¨ alzt. So werden immer andere, oft noch unverbrannte Brennstoffpartien der Strahlungsw¨ arme aus dem Feuerraum ausge-
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
1 F¨ ulltrichter 2 Beschickungsrost 3 Vorschubrost
4 Prim¨ arluftzufuhr 5 Luftkan¨ ale 6 Sekund¨ arluftd¨ usen
137
7 Temperaturw¨ achter 8 Aschetrichter 9 Rauchgaskanal
Abbildung 6.6. Vorschubrost zur M¨ ullverbrennung mit mechanischem Antrieb der Rostst¨ abe der Firma EVT [5]
setzt und f¨ ur die Verbrennungsluft zug¨ anglich gemacht. Sch¨ urroste eignen sich besonders f¨ ur Brennstoffe mit hohem Wassergehalt, wie z.B. Rohbraunkohle, Torf und Holz. In neuerer Zeit werden sie haupts¨achlich f¨ ur die Verbrennung von Hausm¨ ull eingesetzt. Beispielhaft ist in Abb. 6.6 ein Vorschubrost f¨ ur eine M¨ ullverbrennungsanlage dargestellt. Der Verlauf des Verbrennungsprozesses kann durch eine Verstellung der F¨ order- bzw. der Sch¨ urcharakteristik des Rostes beeinflußt werden, z.B. durch eine Verstellung des Hubes der beweglichen Rostst¨ abe. Wie beim Wanderrost vollzieht sich auch beim Vorschubrost der feuerungstechnische Ablauf in den Verfahrensschritten Trocknung, Entgasung, Z¨ undung und Verbrennung. Der Verbrennungsablauf kann durch die Prim¨arluftdosierung und die Sch¨ urung in Grenzen gesteuert werden. Eine Besonderheit der in Abb. 6.6 dargestellten Konstruktion ist die M¨ ullaufgabe mit einem Wanderrost. Dadurch kann der M¨ ullmengenstrom stufenlos nach den feuerungstechnischen Erfordernissen eingestellt werden. Bei den meisten Rostbauarten dagegen erfolgt die M¨ ullaufgabe mit Schiebern. Die daraus resultierenden Feuerungsschwankungen pflanzen sich bis in die Dampferzeugung fort.
138
6 Feuerungssysteme und -anlagen
6.2.1.3 Einsatzbereiche der Rostfeuerung Die Leistung von Wanderrostfeuerungen ist durch die Rostfl¨ache beschr¨ankt. F¨ ur die Verbrennung von Kohle sind Rostfeuerungen bis zu W¨armeleistungen von ca. 100 MW, bei Wurfbeschickern bis ca. 150 MW wirtschaftlich einsetzbar. Sie werden vorzugsweise in Industrie- und Heizkraftwerken verwendet. Es werden Rostgr¨oßen bis 100 m2 betrieben. Besondere Vorteile der Rostfeuerungen sind: • • • •
¨ Ubersichtlicher Aufbau und hohe Verf¨ ugbarkeit, einfacher Betrieb und niedrige Wartungskosten, g¨ unstiges Teillast- und Last¨ anderungsverhalten, breites zul¨ assiges Brennstoffband und M¨ oglichkeit von Brennstoffkombinationen, • M¨ oglichkeit der Einbindung des Brennstoffschwefels durch Zugabe von Kalk in den Feuerraum (bis ca. 70%), • relativ niedrige NOx -Emissionen (bei Fettkohlen bis unter 400 mg/m3 ), • geringer Eigenkraftbedarf. Als Nachteile sind zu nennen: • Hoher Feuerungsverlust (2–4%), • Luftvorw¨ armung nur beschr¨ ankt m¨ oglich (dadurch liegen die Abgastemperaturen bei ca. 150◦ C), • Nichteignung des Systems f¨ ur Feinkohlen. F¨ ur die M¨ ullverbrennung haben sich Rostsysteme wegen ihrer Robustheit als gut geeignet erwiesen. Als besondere Vorteile sind zu nennen: • Keine Vorsortierung des M¨ ulls erforderlich, • keine Zerkleinerung notwendig (die St¨ uckgr¨oße ist durch Aufgabevorrichtung begrenzt), • thermische Zerst¨ orung der im Hausm¨ ull enthaltenen chemischen Verbindungen bei Feuerraumtemperaturen von 1 000 bis 1 200◦ C. Es sind Feuerungsanlagen mit einer M¨ ullkapazit¨at von bis zu 50 t/h erfolgreich in Betrieb, vgl. [6]. Die Vorteile der thermischen Abfallverwertung sind: • • • •
Einsparung von Deponieraum durch Volumenreduktion auf ca. 15%, Gewinnung verwertbarer Reststoffe durch Mineralisierung, Ressourcenschonung durch Energienutzung und keine unkontrollierte Ausbreitung bzw. Akkumulation von Schadstoffen.
In der Bundesrepublik Deutschland wurden 1984 7,3 Mio. t Hausm¨ ull in M¨ ullverbrennungsanlagen verwertet. Das entspricht ca. 25% des gesamten anfallenden Hausm¨ ulls.
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
139
Kohlebunker Lastregler des Dampferzeugers SperrluftZuteiler Gebläse M Luftvorwärmer zum Kamin
Heißluftklappe nach Eco
FrischluftGebläse
Temperatur
Mühlen-Gebläse
M Temperatur
Mühle M
M KaltluftRegelklappe
Kohlenstaubbrenner Heißluft zu den Brennern
Abbildung 6.7. Schema einer Mahl- und Feuerungsanlage mit M¨ uhlenluftvorw¨ armer f¨ ur Steinkohlen
6.2.2 Staubfeuerungen 6.2.2.1 Allgemeines Der Hauptgrund f¨ ur die Bevorzugung der Kohlenstaubfeuerung gegen¨ uber anderen Feuerungssystemen besteht darin, daß ein Kohlenstaub/Luftgemisch wie ein Gas“ brennt und Staubflammen daher leicht gez¨ undet und einfach ” geregelt werden k¨onnen.2 Die Staubfeuerung kann praktisch f¨ ur alle Kohlenarten von Braunkohle bis Anthrazit angewendet werden. Kennzeichnend f¨ ur Staubfeuerungen ist die Brennstoffaufbereitung außerhalb der Brennkammer: Der Brennstoff wird gemahlen und dabei getrocknet. Die Brenneigenschaften unterschiedlicher Kohlen k¨onnen durch geeignete Ausmahlung weitgehend einander angeglichen werden. Die aufbereitete Kohle wird mit Luft als Transportmittel in den Feuerraum eingeblasen und verbrennt in der Schwebe. Die Brenneigenschaft der Kohle, die haupts¨achlich vom Gehalt an Fl¨ uchtigen und Ballast abh¨angt, hat einen entscheidenden Einfluß auf die Auswahl des Feuerungssystems. Die Feuerungssysteme unterscheiden sich in der Art der Kohlenstaubeinblasung in die Brennkammer (direkt oder indirekt) und der Entaschung (trocken oder fl¨ ussig). Die notwendigen Elemente einer Staubfeuerung mit direkter Kohlenstaubeinblasung sind in dem Anlagenschema Abb. 6.7 dargestellt. Die Anlage besteht aus: • Rohkohlebunker, • Kohlezuteiler, • M¨ uhle, 2
• Brenner, • Feuerraum, • Luftvorw¨armer (Luvo),
• • •
Prim¨arl¨ ufter, Frischl¨ ufter, Saugzug.
Die erste Staubfeuerung wurde 1918 im Oneida-Street Kraftwerk in Milwaukee, USA in Betrieb genommen.
140
6 Feuerungssysteme und -anlagen
Die Rohkohle wird vom Lagerplatz in den Kohlenbunker transportiert, vom Zuteiler je nach Lastanforderung abgezogen und in die M¨ uhle gebracht, in der M¨ uhle gemahlen und mit Heißluft (der Prim¨arluft) getrocknet und schließlich mit Hilfe der Brenner in den Feuerraum eingeblasen. Die entstehenden Rauchgase werden mit dem Saugzug aus dem Feuerraum abgezogen; im Luftvorw¨ armer wird durch W¨ armeaustausch die durch den Frischl¨ ufter bzw. Prim¨ arl¨ ufter gef¨ orderte Verbrennungsluft vorgew¨armt. Die Brennstoffbevorratung und -f¨ orderung wird hier nicht behandelt. Es sei aber darauf hingewiesen, daß f¨ ur den Betrieb eines Kraftwerkes die st¨orungsfreie Versorgung der Feuerung mit Brennstoff eine wesentliche Voraussetzung ist. Dies gilt in gleicher Weise auch f¨ ur den Abtransport der Asche. Die Aussage wird auch aus den Investitionskosten der Bekohlungs- und Entaschungsanlagen deutlich, diese betragen etwa 2–4% der gesamten Erstellungskosten einer Kraftwerksanlage. 6.2.2.2 Mahlen und Trocknen der Kohle Im Anlieferungszustand ist die Kohle nicht geeignet, direkt der Feuerung zugef¨ uhrt zu werden; sie muß vielmehr homogenisiert, getrocknet und gemahlen werden. Die zul¨ assige Restfeuchte der gemahlenen Kohle h¨angt von den Brenneigenschaften und damit dem Gehalt an Fl¨ uchtigen ab. Sie betr¨agt bei den fein zu mahlenden Steinkohlen etwa 2% und bei Braunkohlen 14–20%. Der zur Trocknung erforderliche W¨ armestrom Q˙ T entspricht bei wenig feuchten Steinkohlen etwa 3% und bei Braunkohlen, deren Wassergehalt bis zu 60% betragen kann, rund 15% des zugef¨ uhrten Energiestroms. Es gilt
1 − γW ˙ QT = m γW − ˙K γzul ∆hV + cpD ϑ2 − ϑV + 1 − γzul
1 − γW γzul cpW ϑ2 − ϑV + γW cpW ϑV − ϑ1 + 1 − γzul
. (6.1) 1 − γW cpK ϑ2 − ϑ1 Hierbei ist: Q˙ T γW γzul ϑ1 , ϑ2 ϑV m ˙K cpK cpW , cpD
zur Trocknung erforderlicher W¨ armestrom, Wassergehalt der Rohkohle, zul¨ assiger Wassergehalt der gemahlenen Kohle, Temperatur der Kohle vor bzw. nach der Trocknung, Verdampfungstemperatur des an die Kohle gebundenen Wassers, Rohkohlemassenstrom, spez. W¨ armekapazit¨ at der trockenen Kohle, spez. W¨ armekapazit¨ at des Wassers bzw. des Dampfes,
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
141
∆hV
spez. Verdampfungsenthalpie des Wassers bei Trocknungsdruck, cpT spez. W¨ armekapazit¨ at des Trocknungsmittels, Massenstrom des Trocknungsmittels. m ˙T Die erforderliche Temperatur des Trocknungsmediums berechnet sich aus ϑT = ϑ2 +
Q˙ T . m ˙ T cpT
(6.2)
ahlen, daß der Taupunkt des Wasserdampf/GasDie Temperatur ϑ2 ist so zu w¨ gemisches nach der M¨ uhle an keinem Ort unterschritten wird; auf der anderen Seite soll ϑ2 wegen der mit der Temperatur zunehmenden Brandgefahr m¨ oglichst niedrig sein. Anhaltswerte f¨ ur ϑ2 sind in Tabelle 6.2 zusammengestellt. Tabelle 6.2. Richtwerte f¨ ur die Sichtertemperatur [◦ C] Kohlenart
Trocknungsmittel Luft Rauchgas
Braunkohle Steinkohle Anthrazit
— 90–120 –140
180–220 200 unbegrenzt
Zur Beurteilung der Korngr¨ oßenverteilung des Kohlenstaubgemisches hinter der M¨ uhle wird der R¨ uckstand auf zwei Sieben mit Maschenweiten von 0,09 mm (bezeichnet als R 0,09) und 0,2 mm nach DIN 4188 bestimmt. Bei Braunkohlen wird auch noch der R¨ uckstand auf dem Sieb R 1,0 ermittelt. Richtwerte f¨ ur die Ausmahlung sind in Tabelle 6.3 angegeben. Tabelle 6.3. Richtwerte f¨ ur die Ausmahlung verschiedener Kohlen R¨ uckstand auf Sieb [%]
R 0,09
R 0,2
R 1,0
Steinkohle mit 10% Fl¨ uchtigen Steinkohle mit 30% Fl¨ uchtigen Braunkohle mit 50–60% Fl¨ uchtigen
10 25 50–60
1 5 5–10
0 0 300 MW)a Brennstoff
NOx -Konzentration [mg/m3 ]
Erdgas Erd¨ ol Braunkohle Steinkohle-Trockenfeuerung Steinkohle-Schmelzfeuerung
100– 200 150– 250 150– 200 500– 700 1 000–1 500
a
Gerechnet als NO2 und bezogen auf ein Rauchgas mit einem Sauerstoffgehalt von 6%.
6.2.2.7 Brennkammer f¨ ur Trockenfeuerungen Die Brennkammer eines typischen 750 MW-Steinkohlekraftwerkes ist ein Quader von fast 60 m H¨ ohe und einer Seitenl¨ ange von 18 m. In diesen Raum werden pro Stunde mehr als 210 t Kohlenstaub und 2 Mio. m3 Luft mit Hilfe von 32 Brennern eingeblasen, aus denen 2 Mio. m3 Rauchgas entstehen. Der gr¨ oßte Teil der Kohle verbrennt dabei in der N¨ahe der Brenner, die in einer Brennerzone von ca. 25 m H¨ ohe angeordnet sind. ¨ Bei der Dimensionierung einer Brennkammer sind in Ubereinstimmung mit der Brennerkonzeption folgende Kriterien zu beachten: • Das Volumen der Kammer ist so groß zu w¨ahlen, daß die Kohleteilchen am Austritt aus der Kammer vollst¨ andig verbrannt sind. • Die W¨ armefreisetzung ist so vorzunehmen, daß sich an den W¨anden keine Schlackenanbackungen ausbilden. Um zu beurteilen, ob bei einer Auslegung diese Kriterien eingehalten werden, wurden einfache Vergleichszahlen eingef¨ uhrt: QV = QQ = QG =
Q˙ zu VBK Q˙ zu
ABK Q˙ zu
AG
(Volumenbelastung),
(6.10)
(Querschnittsbelastung),
(6.11)
(G¨ urtelbelastung).
(6.12)
Hierin ist: Q˙ zu der in die Brennkammer eingebrachte W¨armestrom, VBK das Brennkammervolumen, ABK der Brennkammerquerschnitt, ache zwischen dem obersten und untersten Brenner. AG die Wandfl¨
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
163
Man kann leicht zeigen, daß QV ein Maß f¨ ur die Verweilzeit in der Brennkammer und QQ ein Maß f¨ ur die Rauchgasgeschwindigkeit ist. Richtwerte f¨ ur die Volumen- und Querschnittsbelastung sind in den Tabellen 6.6 und 6.7 zusammengestellt. Die Brennerg¨ urtelbelastung liegt bei mit Steinkohle gefeuerten Anlagen bei 1–1,2 MW/m2 und bei mit Braunkohle gefeuerten bei 1,2–1,5 MW/m2 . Sie ist ein Vergleichsmaß f¨ ur die Flammentemperatur und damit auch f¨ ur die Verschlackungsneigung im Brennerbereich. Tabelle 6.6. Volumenbelastung in MW/m3 W¨ armeleistung [MW]
Steinkohle
Braunkohle
¨ Ol/Gas
100 200 400 800 1 600
0,24 0,22 0,19 0,16 0,13
0,22 0,20 0,17 0,14 0,10
0,36 0,34 0,31 0,28 0,24
Tabelle 6.7. Querschnittsbelastung in MW/m2 W¨ armeleistung [MW]
Steinkohle
Braunkohle
¨ Ol/Gas
100 200 400 800 1 600
2,7 3,3 4,1 5,2 6,3
2,5 3,0 3,5 4,1 4,6
3,5 4,4 5,6 6,9 8,4
Die Brennkammern kohlegefeuerter Anlagen werden so bemessen, daß die Rauchgastemperatur am Austritt aus der Brennkammer nicht wesentlich u ¨ber der Ascheerweichungstemperatur liegt. Um dies zu erreichen, schließt sich an den Flammenraum, in dem die Flamme fast vollst¨andig ausbrennt, ein Strahlraum an. Bei der Festlegung des Flammenraumes st¨ utzt man sich auf Erfahrungswerte; f¨ ur eine Absch¨ atzung kann auch die Ausbrandzeit von Kohleteilchen herangezogen werden. Mit der W¨ armeleistung einer Feuerung nimmt der Anteil des Strahlraumes an der Brennkammer zu, vgl. Abb. 6.21. Aus Abb. 6.21 folgt, daß die Brennkammer bei W¨armeleistungen unter ca. 500 MW nach dem Ausbrand und bei gr¨ oßeren Leistungen nach dem Kriterium der Brennkammerendtemperatur zu dimensionieren ist. Zur Bestimmung der Brennkammerendtemperatur ist die W¨ armeabgabe der Flamme und der heißen Rauchgase an die Umfassungsw¨ ande der Kammer zu berechnen. Zur L¨ osung dieser Aufgabe ist ein mathematisches Modell der Vorg¨ange erforderlich. Dabei ist die Reaktionskinetik der Verbrennung, der Strahlungsw¨arme-
164
6 Feuerungssysteme und -anlagen
Brennkammerhöhe [m]
austausch mit den W¨ anden und der Str¨ omungsablauf zu ber¨ ucksichtigen. Ein solches Modell w¨ urde exakte Ergebnisse liefern, wenn man es auf die Nachbildung bekannter physikalischer und chemischer Vorg¨ange aufbauen k¨onnte und alle Stoffwerte bekannt w¨ aren. Bisher ist es allerdings nicht gelungen, ein derartiges Modell f¨ ur eine große Kohlenstaubfeuerung zu entwickeln. F¨ ur die Modellierung des W¨ armeaustausches werden z.Zt. einfache Beziehungen verwendet, mit denen es m¨ oglich ist, aus Erfahrung gewonnene Ergebnisse zu extrapolieren. 80
BrennkammerEndtemperatur 1100°C
60 1230°C
40 Ausbrandgrenze
20
0 0
200
600 400 Dampfleistung [kg/s]
Abbildung 6.21. Ausbrandgrenze und Brennkammerendtemperatur bei Steinkohlen-Tangentialfeuerungen. Dabei entspricht 1 kg/s Dampfleistung 3,6 MW W¨ armeleistung
F¨ ur eine erste Absch¨ atzung des W¨ armeaustausches zwischen den Flammen in der Brennkammer und den Umfassungsw¨anden geht man von einer mittleren Temperatur T RG des Rauchgases und einer mittleren Wandtempeur den W¨ armestrom von der Flamme zur Wand gilt dann das ratur T W aus. F¨ Stefan-Boltzmann’sche Gesetz:6 4 4 Q˙ FW = εFW σS AW T −T . (6.13) RG
W
Die weiteren Gr¨ oßen sind: altnis zwischen Flamme und Wand, εFW Emissionsverh¨ σS Strahlungszahl des schwarzen K¨ orpers AW wirksame Wandfl¨ ache der Brennkammer.7 In dieser Form gilt die Gleichung f¨ ur graue K¨ orper. F¨ ur einen grauen K¨orper ist das Verh¨ altnis seiner Emissionsleistung E(T ) im Gegensatz zu einem schwarzen K¨ orper σS T 4 nicht von der Temperatur abh¨angig. F¨ ur technische 6
7
F¨ ur eine ausf¨ uhrliche Darstellung vgl. [9], [12] und [13]. Es sei darauf hingewiesen, daß durch die nicht berechenbare Belagbildung an den Feuerraumw¨ anden (Verschmutzungen bzw. Verschlackungen) die W¨ arme¨ ubertragungsverh¨ altnisse sehr stark beeinflußt werden. AW ist die projizierte Fl¨ ache der Brennkammer und nicht die Oberfl¨ ache.
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
165
Zwecke k¨ onnen strahlende K¨ orper und Flammen als grau angenommen werden. εFW kann durch die Emissionskoeffizienten der heißen Rauchgase εF und uckt werden: der Wand εW ausgedr¨
−1 1 1 εFW = + −1 . (6.14) εF εW ur technische εF und εW sind experimentell zu ermitteln, vgl. Tabelle 6.8 f¨ Oberfl¨ achen. Tabelle 6.8. Emissionskoeffizienten f¨ ur technische Oberfl¨ achen Material
εW
Gußeisen oxidiert Stahl oxidiert Stahl poliert Schlacke
0,5 –0,7 0,6 –0,8 0,07–0,1 0,6 –0,7
Die W¨ armestrahlung heißer Rauchgase setzt sich aus der Festk¨orperstrahlung der Asche- und Rußpartikeln und der Gasstrahlung der mehr als zweiatomigen Rauchgaskomponenten zusammen. Sie ist abh¨angig von der Brennstoffart und der Schichtdicke des Gases. Bei der Berechnung von εF geht man von dem Ansatz (6.15) εF = ε∞ 1 − exp(−k s) aus. Hier ist s die Schichtdicke des Gases, k ein Flammenparameter, der mit zunehmendem Ausbrand abnimmt, und ε∞ die experimentell zu bestimmende Emissionszahl f¨ ur eine große Schichtdicke. ε∞ ist vom Brennstoff und der Art der Flamme abh¨angig, wobei die Werte aus Tabelle 6.9 verwendet werden k¨ onnen. k ist ebenfalls experimentell zu ermitteln und liegt im Mittel zwischen 0,75 (leuchtende Flammen) und 0,5 (blaue Flammen). Tabelle 6.9. Emissionskoeffizienten f¨ ur große Schichtdicke Brennstoff
ε∞
Steinkohle, Braunkohle, Torf Heiz¨ ol Erdgas
0,55–0,8 0,6 –0,85 0,4 –0,6
Der W¨ armestrom (6.13) ist gleich der Abk¨ uhlung des Rauchgasstroms von der adiabaten Temperatur Tad auf die Temperatur TE am Brennkammerende:
166
6 Feuerungssysteme und -anlagen
˙ RG cpRG Tad − TE . Q˙ FW = m
(6.16)
Hier ist m ˙ RG der Rauchgasstrom und cpRG die mittlere spezifische W¨armekapazit¨ at des Rauchgases zwischen Tad und TE . ¨ Uber die mittlere Brennkammertemperatur ist eine Annahme zu treffen, wobei es u ¨blich ist, T BK = Tad TE (6.17) zu setzen. Damit ergibt sich aus der W¨ armebilanz: εFW σS AW T 2 T 2 − T 4 = m ˙ RG cpRG Tad − TE . ad E
W
Aus (6.18) folgt nach einer Division durch T 4 ad
2
4 T TW TE + Ko E = + Ko Tad Tad Tad
(6.18)
(6.19)
mit Ko =
m ˙ RG cpRG εFW σS AW T 3
.
(6.20)
ad
¨ Ko ist ein dimensionsloser Ahnlichkeitsparameter, der Konakow-Zahl genannt wird. Mit der vorstehenden Gleichung kann der Mittelwert der Brennkammerendtemperatur TE sofort berechnet werden. Allerdings besteht eine Unsicherheit bzgl. der Wandtemperatur TW und auch der Emissionszahl FW : Bereits bei geringen Ascheablagerungen liegt die Temperatur auf der Oberfl¨ache der abgelagerten Schicht weit u ¨ber der Metalltemperatur und kann bei dicken Schichten die Schmelztemperatur der Asche u ¨berschreiten. Tritt dieser Fall ein, fließt die dann fl¨ ussige Asche an der Wand ab und kann zu einer Verschlackung der Brennkammer f¨ uhren. Durch die Ascheablagerung wird auch εFW beeinflußt, Erfahrungswerte sind in Tabelle 6.10 angegeben. Tabelle 6.10. Emissionsverh¨ altnis zwischen Gas und Wand Feuerungstyp
εFW
Steinkohlen Braunkohlen ¨ Ol Erdgas
0,30–0,45 0,40–0,55 0,45–0,6 0,55–0,7
Die hier angegebene Methode erm¨ oglicht eine Absch¨atzung der Brennkammerendtemperatur. Dabei ist aber zu beachten, daß die gr¨oßte Unsicherheit durch den nur schwer erfaßbaren Verschmutzungszustand der Brennkammer
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
167
bedingt ist und insofern auch eine formal genauere Rechenmethode keine wesentliche Verbesserung bringen w¨ urde. Unabh¨ angig davon ist aber die Berechnung der bei der Verbrennung ablaufenden Vorg¨ange einschl. des W¨armeaustausches von prinzipiellem Interesse und deshalb das Ziel vieler Forscher. Beispiel 6.4. Mit den Vergleichszahlen QV (Volumenbelastung) und QQ (Querschnittsbelastung) soll die Dimension einer Brennkammer eines steinkohlegefeuerten 740 MW-Blocks bestimmt werden. Weiter sollen die Brennkammerendtemperatur TE und die mittlere Brennkammertemperatur T BK mit dem Stefan-Boltzmann’schen Gesetz f¨ ur die ermittelten Abmessungen der Brennkammer bestimmt werden. Wie w¨ urde sich die Brennkammerendtemperatur ¨ andern, wenn sich auf den W¨ anden eine d¨ unne Schlackenschicht mit einer Oberfl¨ achentemperatur von 900◦ C bildet? Vorgaben: Zugef¨ uhrte W¨ armemenge: Q˙ = 1 821 MW, zu
Volumenbelastung: Querschnittsbelastung: Emissionsverh¨ altnis zwischen den heißen Gasen und der Wand: Stefan-Boltzmannkonstante: Rauchgasmassenstrom: mittlere spezifische W¨ armekapazit¨ at des Rauchgases: adiabate Verbrennungstemperatur: Wandtemperatur:
QV = 0,12 MW/m3 , QQ = 5,9 MW/m2 , εFW = 0,3, σS = 5,67 · 10−8 W/m2 K4 , m ˙ RG = 821 kg/s, cpRG = 1,345 kJ/kgK, Tad = 2 100 K (n = 1,25), TW = 710 K.
L¨ osung. Nach den Definitionen der Vergleichszahlen f¨ ur die Volumenbelastung QV und die Querschnittsbelastung QQ erh¨ alt man f¨ ur das Volumen der Brennkammer VBK =
Q˙ zu QV
= 15 175 m3 .
F¨ ur die Querschnittsfl¨ ache ABK der Brennkammer ergibt sich aus der Querschnittsbelastung ABK =
Q˙ zu QQ
= 308,64 m2 .
Bei der Wahl einer quadratischen Querschnittsfl¨ ache resultiert eine Seitenl¨ ange der Brennkammer aBK =
ABK = 17,57 m.
Die Brennkammerh¨ ohe betr¨ agt hBK = VBK /ABK = 49,17 m. Aus den Gleichungen (6.13) und (6.17) kann eine Beziehung f¨ ur die Brennkammerendtemperatur TE gefunden werden:
168
6 Feuerungssysteme und -anlagen
Q˙ FW = εFW σS AW T 2 T 2 − T 4 ad E
.
W
Der W¨ armestrom Q˙ FW wird durch (6.16) ersetzt, woraus
m ˙ RG cpRG Tad − TE = εFW σS AW T 2 T 2 − T 4 ad E
W
resultiert. Diese Gleichung ist bzgl. TE quadratisch und wird entsprechend umgestellt. Von den beiden m¨ oglichen L¨ osungen ist nur diejenige physikalisch sinnvoll, die einen positiven Wert ergibt. Das Ergebnis lautet somit TE = −
m ˙ RG cpRG 2 εFW σS AW T 2
+
ad
2
m ˙ RG cpRG
+
2 εFW σS AW T 2
m ˙ RG cpRG Tad + εFW σS AW T 4
0,5
W
.
εFW σS AW T 2
ad
ad
Die Brennkammerendtemperatur kann auch unter Benutzung der Konakow-Zahl ausgedr¨ uckt werden: TE = −
Ko Tad 2
+
Ko Tad 2
2 +
T2 ad
Ko +
TW
4
0,5
Tad
.
Setzt man die gegebenden Zahlenwerte in die Gleichungen ein, ergibt sich eine Brennkammerendtemperatur von TE = 1 493 K = 1 220◦ C. Unter Verwendung von (6.17) erh¨ alt man eine mittlere Brennkammertemperatur von T BK = 1 771 K = urden sich diese Werte auf TE = 1 498◦ C. Bei Bestehen einer Schlackenschicht w¨ ohen. 1 549 K = 1 276◦ C und T BK = 1 804 K = 1 531◦ C erh¨
6.2.2.8 Einsatzbereiche der Staubfeuerungen F¨ ur die Verbrennung fester Brennstoffe haben sich Staubfeuerungen als besonders geeignet erwiesen. Vorteile bietet diese Technik insbesondere im Hinblick auf das Betriebsverhalten, z.B. bei schnellem Anfahren, großen Last¨anderungen und bei Einsatz eines weiten Brennstoffbandes. Bei großen Anlagen bieten sich Staubfeuerungen besonders wegen der M¨ oglichkeit zur Automatisierung an. Bei den g¨angigen Brennstoffen ist derzeit keine Leistungsgrenze erkennbar. Nach dem derzeitigen Stand der Erfahrung kann weiter gesagt werden, daß die gegenw¨ artigen Emissionsgrenzwerte f¨ ur die NOx -Emission bei Braunkohlenfeuerungen mit Maßnahmen an der Feuerung allein (Prim¨armaßnahmen) eingehalten werden k¨ onnen, bei Steinkohlenfeuerungen aber Sekund¨armaßnahmen notwendig sind. Ein Nachteil der Staubfeuerungen ist der relativ große Kraftbedarf f¨ ur die Kohlem¨ uhlen und die Frischluftgel¨ ase. Wegen der Komplexit¨at der Anlagen ist ferner eine betriebsbegleitende Wartung erforderlich.
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
169
6.2.3 Wirbelschichtfeuerungen 6.2.3.1 Grundlagen Die Wirbelschichttechnik wurde industriell erstmals in den zwanziger Jahren von Franz Winkler bei BASF f¨ ur die Vergasung von Kohle eingesetzt. F¨ ur die Verfeuerung wird sie jedoch erst seit etwa 1970 verwendet, obwohl zwischen beiden Anwendungen kein prinzipieller Unterschied besteht. Eine Wirbelschicht entsteht dann, wenn durch eine Schicht gleichartiger Feststoffteilchen, die sich als Sch¨ uttung auf einem f¨ ur eine Gasstr¨omung durchl¨ assigen Anstr¨ omboden befinden, von unten her ein Gasstrom in solcher St¨ arke gef¨ uhrt wird, daß die Teilchen in eine selbstdurchmischende Bewegung geraten. Die vom Gasstrom getragene Wirbelschicht nimmt dabei als Ganzes ein fl¨ ussigkeits¨ ahnliches Verhalten an. In diesem Zustand ist der Druckabfall in der Gasstr¨ omung im Gleichgewicht mit dem Gewicht der Wirbelschicht, vgl. Abb. 6.1. Die Wirbelschicht hat dann den sogenannten Lockerungspunkt erreicht. Die auf den leeren Bettquerschnitt bezogene Gasgeschwindigkeit ist dann gleich der sogenannten Lockerungsgeschwindigkeit v = wL . Solange die Feststoffteilchen nicht vom Gasstrom ausgetragen werden, spricht man von einer station¨ aren Wirbelschicht, sie ist durch eine definierte Oberfl¨ ache und eine hohe Feststoffdichte gekennzeichnet. Bei Teilchengr¨oßen im Millimeterbereich betr¨ agt die hierzu notwendige mittlere Gasgeschwindigkeit f¨ ur eine Sch¨ uttung von Kohle und Sand ca. 1 m/s. Bei der zirkulierenden oder schnellen Wirbelschicht wird die Gasgeschwindigkeit bei gleichen Teilchendurchmessern etwa 4–8 mal gr¨oßer gew¨ahlt. Dadurch werden die Teilchen u angere Strecken vom Gasstrom mitgenommen ¨ber l¨ und es kann sich keine Schicht mit einer hohen Feststoffbeladung ausbilden. Allerdings kann Schwarmbildung dazu f¨ uhren, daß sich in lokalen Bereichen Teilchen kollektiv entgegen dem Gasstrom bewegen, es kommt so zu einer internen Rezirkulation. Deshalb ist bei der zirkulierenden Wirbelschicht die Durchmischung der Feststoffteilchen untereinander wesentlich intensiver als bei der station¨ aren. Die einzelnen Teilchen bewegen sich abh¨angig von ihrer Masse und Form langsamer als der Gasstrom, ihre Verweilzeit innerhalb der Wirbelkammer kann im Minutenbereich liegen. Die mit dem Gasstrom ausgetragenen Teilchen werden bei der zirkulierenden Wirbelschicht in einem der Wirbelkammer nach geschalteten Zyklon abgeschieden, vgl. Abb. 6.1 und 6.23; die weitgehend partikelfreien Rauchgase werden zu den Kesselheizfl¨ achen weitergeleitet, die im Zyklon abgetrennten Partikel fließen durch eine R¨ uckf¨ uhrleitung in die Wirbelkammer zur¨ uck. Der Umlauf bzw. die Zirkulation des Partikelstroms ergibt sich aus der unterschiedlichen Feststoffbeladung der Rauchgase in der Wirbelkammer und in der R¨ uckf¨ uhrleitung. Die Ausbildung einer Wirbelschicht ist von einer Reihe von Parametern abh¨ angig. Die wichtigsten davon sind: – Str¨ omungsgeschwindigkeit v in der Wirbelkammer – Abmessung dP , Form und Dichte ρP der Partikel
170
–
6 Feuerungssysteme und -anlagen
Dichte ρG und kinematische Viskosit¨ at νG des Gases
Diese Parameter k¨ onnen zu dimensionslosen Kennzahlen zusammengefaßt werden, die u ¨blicherweise wie folgt definiert sind: Fr =
v2 = Froude − Zahl g dP
(6.21)
Ar =
d3 g ρ − ρ P P G = Archimedes − Zahl ν2 ρG
(6.22)
Re =
dP v = Reynolds − Zahl ν
(6.23)
Die Archimedes-Zahl kann als das Verh¨ altnis zwischen Auftriebs- und Tr¨agheitskraft eines umstr¨omten Partikels interpretiert werden, die Froude-Zahl ist ein Maß f¨ ur das Verh¨ altnis von Tr¨ agheits- zur Schwerkraft und die ReynoldsZahl stellt das Verh¨ altnis von der Tr¨ agheits- zur Reibungskraft dar. Diese drei Parameter k¨onnen in Form des sogenannten Reh-Diagramms miteinander in Verbindung gebracht werden, vgl. den Abschnitt M in [9]. Mit Hilfe der Kennzahlen, kann der Existenzbereich von Sch¨ uttschicht sowie station¨arer und zirkulierender Wirbelschicht gekennzeichnet werden: – Festbett (Sch¨ uttschicht): – station¨ are Wirbelschicht: – zirkulierende Wirbelschicht: An den Bereich der zirkulierenden Wirbelschicht schließt die Staubfeuerung (Flugstromf¨ orderung) an. Flugstromf¨ orderung setzt ein, wenn die Kraft auf ein umstr¨ omtes Teilchen gleich seinem Gewicht ist: v2 π π = ρP d3p g. (6.24) cw d2p ρG 4 2 6 cw ist der Widerstandskoeffizient des Partikels. Bei der Wirbelschichtfeuerung fallen verschiedene wirbelschicht- und verbrennungsspezifische Eigenschaften so g¨ unstig zusammen, daß die Freisetzung bzw. Bildung von Schadgasen wie SOx , NOx und Halogenverbindungen ohne einen gr¨ oßeren apparativen Aufwand im Brennraum selbst weitgehend vermieden werden kann. Schwefel-, Chlor- und Fluorverbindungen aus dem Brennstoff werden dabei durch Kalksteinzusatz in die als einziges Nebenprodukt anfallende Asche eingebunden. Die Bildung von Stickoxiden wird durch die f¨ ur Wirbelschichten typische Feuerf¨ uhrung unter den zul¨assigen Grenzen gehalten. Der Prozeß der Schwefeleinbindung l¨ auft dabei nach folgendem Mechanismus ab: 1. Teilschritt: 2. Teilschritt:
CaCO3 CaO + SO2 +
1 2
−→ CaO + CO2 O2 −→ CaSO4 .
(Ents¨auerung),
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
171
F¨ ur einen guten Einbindegrad ist es wichtig, daß ein Temperaturbereich von 820–950◦ C eingehalten wird, denn oberhalb von 950◦ C ist das Calciumsulfat thermisch instabil. F¨ ur die Wirksamkeit der Entschwefelung spielen naturgem¨ aß auch kinetische Vorg¨ ange und die dem SO2 zug¨anglichen Reaktionsoberfl¨ achen eine wichtige Rolle. Daraus ergibt sich eine Abh¨angigkeit von den Parametern • • • •
Ca/S-Verh¨ altnis in der Brennkammer, Korngr¨ oße des Kalksteins, Porosit¨ at der Kalksteinteilchen und geologische Provenienz.
Neben dem Schwefel werden auch Chlor und Fluor als Chlorid bzw. Flourid gebunden. Hierbei ist zu beachten, daß die Halogene in Kohlefeuerungen durch Pyrohydrolyse in Chlor- und Fluorwasserstoff u uhrt werden. Da¨berf¨ bei verschiebt sich das Gleichgewicht mit steigender Temperatur zu h¨oheren HF- bzw. HCl-Konzentrationen. Gute Abscheidegrade ergeben sich daher nur, wenn im Niedertemperaturbereich (< 600◦ C) eine ausreichend lange Reaktionszeit zur Verf¨ ugung steht. Außer den Filteranlagen f¨ ur die Staubabscheidung werden damit bei Wirbelschichtfeuerungen keine weiteren Rauchgasreinigungsanlagen ben¨otigt. 6.2.3.2 Station¨ are Wirbelschichtfeuerungen Bei station¨ aren Wirbelschichten liegt die Wirbelgeschwindigkeit bei 1–2 m/s und ist damit um das zwei- bis dreifache h¨ oher als die Lockerungsgeschwindigkeit. Das Gas durchstr¨ omt die u ¨blicherweise 1–1,5 m hohe Schicht, die bei Feuerungsanlagen zu ca. 96% aus Inertmaterial und Kalk besteht, zum großen Teil in Form von Blasen. Dabei wird Feinkorn, dies sind Partikelfraktionen aus der thermischen Zerst¨ orung und dem Abbrand von Kohleteilchen, durch das Gas aus der Schicht ausgetragen, durch die Anlage transportiert und schließlich im Staubfilter abgeschieden. Aus diesem Vorgang resultiert der gr¨oßte Teil der Feuerungsverluste bei Wirbelschichtfeuerungen. Bei den meisten Brennstoffen ist zur Verminderung des Feuerungsverlustes eine R¨ uckf¨ uhrung von Filterasche in die Brennkammer notwendig. Der Betriebsbereich einer station¨ aren Wirbelschicht ist durch folgende Kennzahlenbereiche eingegrenzt: 50 < Ar < 104 und 102 < Fr < 5 · 103 .
(6.25)
Hierbei ist Ar die Archimedes-Zahl nach (6.22) und Fr die Froude-Zahl gem¨aß (6.21). Der prinzipielle Aufbau einer Feuerungsanlage mit einer station¨aren Wirbelschicht ist in Abb. 6.22 dargestellt. Es sind folgende Komponenten notwendig: • Brennstoffbunker, • Kalkbunker, • Brennstoffzuteiler und Kalkdosierung,
172
6 Feuerungssysteme und -anlagen Abgas (~150°C) Frischluft
Kohle
Kalk Eco
Luvo
Überhitzer
Tauchheizflächen Ascheabzug
• • • • • •
Abbildung 6.22. Feuerungsanlage mit station¨ arer Wirbelschicht
Wirbelschichtbrennkammer mit den Tauchheizfl¨achen, Frischluftgebl¨ase mit Leitungen, St¨ utz- und Z¨ undfeuerung, Staubfilter, Aschek¨ uhler, Aschetransporteinrichtung und Aschebunker.
Das besondere Kennzeichen dieser Anlagen sind die Tauchheizfl¨achen innerhalb der ausgedehnten Schicht. Diese Heizfl¨achen sind so auszulegen, daß die Temperatur innerhalb der Wirbelschicht in einem Bereich zwischen 800 und 900◦ C bleibt. Die untere Temperatur ergibt sich aus der Forderung nach einem guten Ausbrand und die obere aus der optimalen Bedingung f¨ ur die Schwefeleinbindung. Die Tauchheizfl¨ achen nehmen somit einen großen Teil der ¨ Brennstoffw¨ arme auf und sind sowohl als Uberhitzer als auch als Verdampfer zu schalten. Der W¨ arme¨ ubergang erfolgt bei feststoffbeladenen Gasstr¨omungen im Prinzip sowohl durch Gas- und Partikelkonvektion als auch durch Strahlung. Bei dem in 6.25 und angegebenen Betriebsbereich f¨ ur station¨are Wirbelschichten u ubergangskoeffizient α ¨berwiegt die Partikelkonvektion. Der W¨arme¨ h¨ angt nur schwach von der Reynolds-und der Archimedes-Zahl ab. In nullter N¨ aherung kann mit einem konstanten Wert von α = 230W/(m2 K) gerechnet werden, vgl. hierzu den Abschnitt M in [9]. Von Bedeutung ist, daß der W¨ arme¨ ubergang offenbar nicht von der Wirbelgeschwindigkeit und damit der Last abh¨ angt. Damit das Wirbelbett bei Teillast nicht zu stark gek¨ uhlt wird, muß die Wirksamkeit der Heizfl¨ achen vermindert werden. Dazu bestehen zwei M¨ oglichkeiten: • Aufteilung des Betts in mehrere Segmente, • Absenkung der Betth¨ ohe.
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
173
Beide M¨ oglichkeiten sind technisch erprobt, aber apparatetechnisch aufwendig. Ein Vorteil der station¨ aren Wirbelschicht besteht darin, daß keine besondere Brennstoffaufbereitung erforderlich ist – es reicht aus, den Brennstoff auf Korngr¨ oßen kleiner 10 mm zu brechen. Die Querschnittsbelastung liegt bei der station¨ aren Wirbelschichtfeuerung bei 1,2–1,6 MW/m2 und hat damit dieselbe Gr¨ oßenordnung wie bei der Rostfeuerung. Haupts¨achlich aus Gr¨ unden der Bettabmessungen eignet sich dieser Feuerungstyp deshalb nur f¨ ur kleinere Anlagen bis etwa 80 MWth . 6.2.3.3 Zirkulierende Wirbelschichtfeuerungen Die Hauptkomponenten einer zirkulierenden Wirbelschichtfeuerung sind in Abb. 6.23 dargestellt; die einzige zus¨ atzliche Komponente gegen¨ uber der station¨ aren Wirbelschicht ist der R¨ uckf¨ uhrzyklon. Kriterium f¨ ur die Anzahl und Anordnung der Zyklone sind die Str¨ omungsverh¨altnisse in der Brennkammer. Diese sind ggf. durch entsprechende Versuche zu ermitteln. Der Brennstoff und der f¨ ur die Entschwefelung notwendige Kalk werden in die R¨ uckf¨ uhrleitung eingef¨ uhrt und str¨ omen zusammen mit dem zirkulierenden Feststoff in die Brennkammer. Die zirkulierende Wirbelschicht wird mit Gasgeschwindigkeiten im Bereich der Sinkgeschwindigkeit der gr¨ oßten Partikel betrieben. Eine definierte Schichtoberfl¨ ache ist nicht erkennbar, die Feststoffbeladung in der Brennkammer nimmt vielmehr von unten nach oben stetig ab. Es werden mittlere Beladungen zwischen ca. 10 und 100 kg pro Normkubikmeter Rauchgas erreicht. Gegen¨ uber der station¨ aren Wirbelschicht zeichnet sich die zirkulierende durch eine intensivere Vermischung der Feststoffe aus. Daraus resultiert u.a. eine bessere Schwefeleinbindung bzw. ein geringerer Kalkbedarf, vgl. hierzu Abb. 6.24. Der Betriebsbereich einer zirkulierenden Wirbelschicht ist durch folgende Kennzahlenbereiche eingegrenzt: 100 < Ar < 104 und 103 < Fr < 105 . Der wesentliche Vorteil einer Feuerung mit zirkulierender Wirbelschicht ist die Temperaturkonstanz im gesamten Feststoffkreislauf, die durch die große umlaufende Feststoffmasse mit ihrer hohen W¨armekapazit¨at erzwungen wird. Der W¨ armeaustausch mit dem Wasser/Dampfkreislauf erfolgt durch die Brennkammerw¨ ande, die in Flossenrohrbauweise ausgef¨ uhrt und u ¨blicherweise als Verdampfer geschaltet sind. Insbesondere bei Anlagen mit hohen Dr¨ ucken und Zwischen¨ uberhitzung ist es erforderlich, einen Teil der dem Feststoffstrom ¨ zu entziehenden W¨ arme f¨ ur die Uberhitzung zu verwenden. Dazu werden entweder in der Brennkammer Heizfl¨ achen als weitgeteilte Schotten angeordnet oder externe W¨ armeaustauscher verwendet, die zwischen Zyklon und Brennkammer geschaltet sind.
174
6 Feuerungssysteme und -anlagen
10 Kamin
12
13
4
5 9
3
14
2 1
15
11
7 8 6 6 7 8 9 10
Kalkbunker Kohlebunker Bettasche uhrzyklon uckf¨ R¨ Brennkammer
1 2 3 4 5
usenboden D¨ uhler Aschek¨ ase uhlluftgebl¨ K¨ armer Luftvorw¨ ufter Frischl¨
11 12 13 14 15
ase arluftgebl¨ Prim¨ Saugzug achen Nachschaltheizfl¨ Staubfilter ur Bett- und Filterasche Bunker f¨
Abbildung 6.23. Feuerungsanlage mit zirkulierender Wirbelschicht
Einbindung[%]
100
reaktiver, amorpher Kalkstein (Gotland)
mäßig reaktiver Kalkstein
90
80
nicht reaktiver, kristalliner Kalkstein (Finnland)
70
60 1
2
3
Ca/S 4 Molverhältnis
Abbildung 6.24. Schwefeleinbindung bei einer zirkulierenden Wirbelschichtfeuerung
ubertragung an die Brennkammerw¨ande findet u Die W¨arme¨ ¨berwiegend durch Partikelkonvektion statt, je nach Feststoffbeladung ergeben sich W¨arubergangskoeffizienten zwischen 230 und 280 W/m2 K. Durch die Art des me¨ unstigere DampfW¨armeaustausches in der Brennkammer ergibt sich eine g¨
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe
175
temperaturcharakteristik als bei staubgefeuerten Anlagen. Die Querschnittsbelastung bei zirkulierenden Wirbelschichten liegt bei 5–7 MW/m2 und die resultierenden Gasgeschwindigkeiten in der Brennkammer bei 5–6 m/s. Wegen der langen Verweilzeit der Kohleteilchen in der Brennkammer und der Zirkulation reicht eine einfache Brennstoffaufbereitung aus. Im allgemeinen gen¨ ugt es, eine Zerkleinerung auf eine Korngr¨oße kleiner ca. 5 mm bei Magerkohlen und kleiner ca. 10 mm bei Vollwertkohlen in einem Brecher vorzunehmen. Bei den in Brennkammern von Wirbelschichtfeuerungen vorliegenden Temperaturen wird praktisch kein thermisches NOx erzeugt. Durch eine geeignete Feuerf¨ uhrung k¨ onnen ferner die aus dem Brennstoffstickstoff entstandenen Stickoxide weitgehend reduziert werden (gestufte Verbrennung). Wegen der Nachverbrennung im Abstr¨ ombereich und im R¨ uckf¨ uhrzyklon werden durch eine derartige Feuerf¨ uhrung weder der Ausbrand noch die CO-Emission nachteilig beeinflußt. Um die Stufenverbrennung zu erreichen, wird die Verbrennungsluft als Prim¨ arluft durch den D¨ usenboden und als Sekund¨arluft in mehreren Lagen oberhalb der Feststoffr¨ uckf¨ uhr¨ offnung zugef¨ uhrt. Durch Ver¨anderung der Mengenstr¨ ome durch die einzelnen Zuf¨ uhrstellen kann bei konstantem Luftu ¨berschuß die NOx -Produktion beeinflußt werden. Der vorgegebene Grenzur fast wert von 200 mg/m3 bezogen auf 6% O2 im Rauchgas kann damit f¨ alle festen Brennstoffe eingehalten werden. Kaltstart
Warmstart 198
1100
110
180
1000
100
Dampfdruck
Kohle
Bettemperatur 162
900
90
144
800
80
90 72 54
700 600 500 400 300
Feuerleistung [%]
126 108
Bettemperatur [°C]
Dampfdruck [bar]
Dampfdruck 70 60
Bettemperatur
Kohle 50 40
Zündfeuer (Öl) 30
Zündfeuer (Öl)
36
200
20
18
100
10
0
0
0 0
20
40
Zeit [min]
60
0
1
2
3
4
5
6
7
Zeit [h]
Abbildung 6.25. Anfahrdiagramm einer Anlage mit zirkulierender Wirbelschicht. Die Anfahrzeit zirkulierender Wirbelschichten wird im wesentlichen durch die zul¨ assige Aufheizgeschwindigkeit der dickwandigen Mauerteile bestimmt. Warmstarts sind deshalb k¨ urzer und Kaltstarts l¨ anger als bei staubgefeuerten Anlagen
176
6 Feuerungssysteme und -anlagen
Ein gewisser Nachteil insbesondere gegen¨ uber staubgefeuerten Anlagen besteht in der l¨ angeren Kaltstartzeit. Diese ergibt sich aus der zul¨assigen Aufheizgeschwindigkeit des aus Mauerwerk bestehenden Zyklons, in Abb. 6.25 ist ein typisches Anfahrdiagramm f¨ ur einen Kaltstart dargestellt. Auf der anderen Seite sind wegen der W¨ armespeicherung in der Sandf¨ ullung und dem Mauerwerk die Anfahrzeiten nach k¨ urzeren Stillst¨anden eher geringer. Damit eignen sich diese Anlagen besonders gut f¨ ur den Zweischichtbetrieb. Beispiel 6.5. Es ist die Brennkammer f¨ ur eine zirkulierende Wirbelschichtfeuerung auszulegen. In der Anlage soll rheinische Braunkohle mit einem Heizwert von 8,42 MJ/kg und folgender Zusammensetzung verfeuert werden: γC = 0,263 , γN = 0,006 ,
γH = 0,020 , γS = 0,003 ,
γO = 0,097 , γAsche = 0,025 .
γH
2O
= 0,585 ,
Der Brennstoffstrom betrage 65 t/h. Als mittlere Brennkammertemperatur ist 870◦ C vorgeschrieben. Die Verbrennungsluft ist auf 250◦ C vorgew¨ armt und besitzt einen Wassergehalt von 0,01 kg Wasser pro kg Luft. Die spezifischen W¨ armekapazit¨ aten werden wie folgt angenommen: f¨ ur Luft: cpL = 1,01 kJ/kgK, f¨ ur Rauchgas: cpRG = 1,25 kJ/kgK, f¨ ur das Inertmaterial der zirkulierenden Wirbelschicht: cpZ = 3,4 kJ/kgK. Die zugeh¨ orige Bezugstemperatur TBez liegt bei 273 K. a) Man ermittle den erforderlichen Zirkulationsstrom an Inertmaterial, wenn sichergestellt werden soll, daß die Bettemperatur um nicht mehr als 70 K variiert. Dabei ist in erster N¨ aherung davon auszugehen, daß die gesamte zugef¨ uhrte W¨ arme zun¨ achst an das Inertmaterial u arme ¨bergeht, welches seinerseits die W¨ an das Rauchgas und die Verdampferw¨ ande abgibt. Die Rauchgasdichte kann mit 1,3 kg/Nm3 angenommen werden. b) Man bestimme den erforderlichen Brennkammerquerschnitt, wenn bei einem Luft¨ uberschuß von 25% die mittlere Rauchgasgeschwindigkeit nicht gr¨ oßer als 6 m/s sein soll. Welche Abmessungen f¨ ur die Seitenw¨ ande sind zu w¨ ahlen? c) Wie groß ist die erforderliche W¨ armeaustauscherfl¨ ache in der Brennkammer, wenn eine Wandtemperatur von 350◦ C nicht u ar¨berschritten werden soll und ein W¨ me¨ ubergangskoeffizient von 280 W/m2 K angenommen werden kann? Wie hoch ist der Teil der Brennkammer, der die Verdampferrohre enth¨ alt? L¨ osung. Bei einem Luft¨ uberschuß von 25% betr¨ agt der erforderliche Luftmassenstrom
˙ B µL = m ˙ B n µLo = m ˙ B n µLoT 1 + xH m ˙L =m
2O
,
wobei µLoT gem¨ aß der elementaren Verbrennungsrechnung berechnet wird:
µLoT = 11,48 γC + 34,2 γH −
γO 8
+ 4,3 γS = 3,3
Die spezifische Verbrennungsluftmenge betr¨ agt
kg Luft . kg Brennstoff
6.2 Feuerungssysteme f¨ ur feste Brennstoffe µL = 4,17
177
kg Luft , kg Brennstoff
weshalb der Verbrennungsluftmassenstrom zu m ˙ L = 75,3 kg/s bestimmt wird. Daraus ergibt sich ein Rauchgasmassenstrom von
˙L+m ˙ B 1 − γAsche = 92,90 kg/s. m ˙ RG = m Der Brennkammer wird der W¨ armestrom
Q˙ zu = m ˙BH +m ˙ L cpL TL − TBez = 171,04 MW zugef¨ uhrt. Mit den Rauchgasen wird dieser W¨ armestrom abgef¨ uhrt:
Q˙ RG = m ˙ RG cpRG TRG − TBez = 101,23 MW. Damit ist durch W¨ armeaustausch in der Brennkammer ein Energiestrom von Q˙ BK = Q˙ zu − Q˙ RG = 69,81 MW abzuf¨ uhren. a) Unter der Voraussetzung, daß die zugef¨ uhrte W¨ arme zur Aufheizung des Inertmaterialstroms m ˙ Z f¨ uhrt, gilt Q˙ zu = m ˙ Z cpZ ∆T . F¨ ur eine zul¨ assige Variation von ∆T = 70 K der Temperatur in der Wirbelschicht kann damit der erforderliche Zirkulationsstrom Q˙ zu m ˙Z = = 718,7 kg/s = 2 587 t/h cpZ ∆T bestimmt werden. Bei Annahme der G¨ ultigkeit des idealen Gasgesetzes f¨ ur das Rauchgas l¨ aßt sich die Rauchgasdichte bei der Temperatur von 870◦ C = 1 143 K berechnen:
TBez
= 0,31 kg/m3 . T Es ergibt sich somit eine Zirkulationsmenge von 10,01 kg Inertmaterial pro Normalkubikmeter bzw. 2,39 kg pro Effektivkubikmeter Rauchgas. ρRG (T ) = ρRG TBez
b) Bei einer mittleren Rauchgasgeschwindigkeit von 6 m/s folgt ein Brennkammerquerschnitt ABK =
m ˙ RG ρRG v
= 50,2 m2 .
Gew¨ ahlt wird 6,5 m · 8 m = 52 m2 . Daraus ergibt sich ein Brennkammerumfang von UBK = 2 · 6,5 m + 2 · 8 m = 29 m.
178
6 Feuerungssysteme und -anlagen QRG (59,4%) mRG=92,9 kg/s J=870°C
Q BK(40,6%) J=870°C
m RG=92,9 kg/s
mZ =718,7 kg/s J=870°C
mZ =718,7 kg/s m B=18,06 kg/s Qzu (100%)
mL =75,3 kg/s JL=250°C
Abbildung 6.26. Massenstr¨ ome bei einer zirkulierenden Wirbelschicht
c) Es gilt die W¨ armebilanz Q˙ BK = α AW ∆T , woraus sich die Wandfl¨ ache Q˙ AW = BK = 477,5 m2 α ∆T ergibt. F¨ ur die Brennkammerh¨ ohe hBK oberhalb des ausgemauerten Trichters folgt hBK =
AW UBK
= 16,46 m.
Gew¨ ahlt wird hBK = 17 m.
6.2.3.4 Gegenw¨ artiger Stand und Entwicklungsaufgaben Seit der Einf¨ uhrung der Wirbelschichtfeuerung um 1970 hat diese sich insbesondere f¨ ur mittlere Anlagengr¨ oßen, d.h. f¨ ur W¨armeleistungen zwischen 50 und 500 MW, als gut geeignet erwiesen. Die Entwicklung dieser Technik begann mit der station¨ aren Wirbelschicht, die sp¨ater fast vollst¨andig durch die zirkulierende Wirbelschicht verdr¨ angt wurde. Hauptgr¨ unde f¨ ur die Aufgabe der station¨ aren Wirbelschicht waren die Erosionsanf¨alligkeit der Tauchheizfl¨ achen, der vergleichsweise hohe Feuerungsverlust, erh¨ohte CO-Werte im Ab¨ gas und der hohe Kalkbedarf f¨ ur die Schwefeleinbindung. Durch den Ubergang auf zirkulierende Systeme konnten wesentliche Entwicklungsziele erreicht werden: Hohe Betriebssicherheit, geringer Feuerungsverlust, niedrige Emissionen
¨ und Gas 6.3 Feuerungssysteme f¨ ur Ol
179
von Schwefeldioxid, Stickoxiden, Kohlenmonoxid und Chlor- und Fluorwasserstoff. Die Wirbelschicht ist vor allem f¨ ur die Verfeuerung ballasthaltiger Kohlen geeignet, zumal die energieaufwendige Vermahlung entf¨allt. Bei aschearmen Kohlen, die ebenfalls im Wirbelbett verbrannt werden k¨onnen, muß zur Aufrechterhaltung des Betts vielfach Sand zugegeben werden. Ob die Wirbelschichttechnik in Zukunft auch f¨ ur Großanlagen in Frage kommt, h¨ angt von der Verwertung der Aschen ab. Die R¨ uckst¨ande aus der Wirbelschichtverbrennung unterscheiden sich von den Aschen aus Staubfeuerungen durch die Produkte, die aus der Schwefelbindung mit Kalk entstehen, n¨ amlich das Anhydrid CaSO4 und nicht verbrauchter Kalk. Problematisch f¨ ur die Verwendung als Baumaterial ist vor allem das CaO. Bisher gibt es keine Konzepte f¨ ur die Verwendung großer Aschemengen aus zirkulierenden Wirbelschichten. Damit die Wirbelschichtverbrennung auch in Zukunft als umweltfreundliche und wirtschaftliche Technik gelten kann, sind Entwicklungsanstrengungen in den folgenden Bereichen erforderlich: • Konzepte f¨ ur die Verwertung großer Mengen an Wirbelschichtaschen, • weitere Reduzierung der Schadgasemissionen und • Steigerung des Prozeßwirkungsgrades. Als naheliegendes Konzept f¨ ur eine Wirkungsgradverbesserung wurde die Kombination einer Druckwirbelschicht mit einem Gasturbinenprozeß vorgeschlagen und in einigen Anlagen auch ausgef¨ uhrt, vgl. Abschn. 14.3. F¨ ur die Druckwirbelschicht sprechen dabei besonders die geringen Abmessungen der Brennkammer, der u ¨bersichtliche Aufbau und der geringe Platzbedarf.
¨ und Gas 6.3 Feuerungssysteme fu ¨ r Ol 6.3.1 Allgemeines Wie bei der Beschreibung des Verbrennungsablaufs ausgef¨ uhrt, sind alle Brennstoffe f¨ ur die Verbrennung in die gasf¨ ormige Phase zu u uhren. Fl¨ ussi¨berf¨ ge Brennstoffe werden daher so aufbereitet, daß ein praktisch gasf¨ormiger ¨ Brennstoff entsteht – ein mit der Verbrennungsluft leicht mischbarer Olnebel, der sich bei Erw¨ armung u undtemperatur entz¨ undet und weiter¨ber die Z¨ brennt. Die Aufbereitung setzt sich aus folgenden Phasen zusammen: • • • •
F¨ orderung, Vorw¨ armung, ¨ Zerst¨ aubung in einen Olnebel, Mischung mit der Verbrennungsluft.
Die Vorw¨ armung ist vor allem bei Schwer¨ ol erforderlich, um eine f¨ ur die einwandfreie Zerst¨ aubung g¨ unstige Viskosit¨ at von ca. 10−5 m2 /s zu erreichen.
180
6 Feuerungssysteme und -anlagen
6 5
4
7 9
3
8
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Lagertank ¨ Olmengenmeßger¨ at Pumpe Regelventil ¨ Olvorw¨ armer Filter Brenner Umpumpventil Schnellschlußventile
2
1
Abbildung 6.27. ¨ Schema einer Olfeuerungsanlage mit R¨ ucklauf-Druckzerst¨ aubern
¨ Das Schema einer Olfeuerungsanlage mit den wichtigsten Komponenten ist in Abb. 6.27 dargestellt. ¨ Olfeuerungen werden mit niedrigen Luftverh¨altnissen betrieben. Typisch sind Werte um n = 1,05, womit die SO3 -Bildung gering gehalten werden soll, denn diese ist die Hauptursache der Tieftemperaturkorrosion am sog. kalten Ende des Dampferzeugers. ¨ In verschiedenen Olen ist u.a. Natrium und Vanadium enthalten. Obwohl die absoluten Mengen außerordentlich gering sind – der Aschegehalt liegt bei Schwer¨ ol meist unter 0,05% – k¨ onnen sich auf den Heizfl¨achen mit der Zeit beachtliche Mengen ansammeln. Dabei ist weniger die Aschemenge als vielmehr deren Zusammensetzung entscheidend. Insbesondere das Natrium und Vanadium bilden bei der Verbrennung Verbindungen, die bereits oberhalb 600◦ C in fl¨ ussiger Phase vorliegen und außerordentlich aggressiv gegen Metalle sind. Die Verschmutzungen bei ¨ olgefeuerten Dampferzeugern bedeuten damit eine Gefahr, weil sie zu Hochtemperaturkorrosionen f¨ uhren k¨onnen. 6.3.2 Zerst¨ aubung In Brennern großer Leistung, bei denen es auf einen raschen Verbrennungsablauf ankommt, werden drei Typen von Zerst¨ aubern verwendet: • Druckzerst¨ auber, • R¨ ucklauf-Druckzerst¨ auber und • Dampfdruckzerst¨ auber. ¨ mit feinen, scharfkantigen D¨ Beim Druckzerst¨auber wird das Ol usen mechanisch durch Abbau des Vordrucks zerst¨ aubt. Meist wird der Zerst¨auberd¨ use ¨ noch eine Wirbelkammer vorgeschaltet, in der dem austretenden Olnebelstrahl ¨ ein Drall aufgepr¨agt wird, vgl. Abb. 6.28. Der Olnebel breitet sich außerhalb der D¨ use kegelf¨ ormig aus. Der Durchmesser der Tr¨opfchen h¨angt von der ¨ und dem Durchsatz ab. Der Durchsatz D¨ usenbohrung, der Viskosit¨ at des Ols
¨ und Gas 6.3 Feuerungssysteme f¨ ur Ol
181
Dampfdruckzerstäuber
Druckzerstäuber
Kühlluft Heizöl Zerstäuberdampf
Kühlluft Heizöl
Rücklauf-Druckzerstäuber Kühlluft Ölrücklauf Heizöl
Abbildung 6.28. D¨ usen zur Zerst¨ aubung fl¨ ussiger Brennstoffe
¨ wird durch den Oldruck vor der D¨ use bestimmt, er ¨andert sich mit der Wurzel aus dem Druckverh¨ altnis. Bei ausgef¨ uhrten D¨ usen werden mittlere Tr¨opfchendurchmesser von 100 µm erreicht. Der Regelbereich ist verh¨altnism¨aßig gering und betr¨ agt meist nur 1:2,5. Zur Verbesserung des Regelbereiches wird im R¨ ucklauf-Druckzerst¨auber hinter der Wirbelkammer ein Teilstrom abgezweigt und wieder vor die Pumpe ¨ bzw. den Oltank zur¨ uckgef¨ uhrt, vgl. Abb. 6.28. Der Regelbereich erweitert sich dadurch auf ca. 1:4. Ein Nachteil des Systems besteht darin, daß das ¨ unter Umst¨ zur¨ uckgef¨ uhrte heiße Ol anden zu Kavitation in den Pumpen f¨ uhrt. Beim Dampfdruckzerst¨ auber wird das mit einem m¨aßigen Vordruck einer ¨ mit Dampf zerst¨ D¨ use zugef¨ uhrte Ol aubt, eine Ausf¨ uhrung ist in Abb. 6.28 dargestellt. Mit Dampf als Zerst¨ aubungsmittel ergibt sich als Vorteil eine wei¨ und eine zus¨ tere Erw¨ armung des Ols atzliche Turbulenzerzeugung infolge der Expansion hinter der D¨ use. In ausgef¨ uhrten Brennern werden mittlere Tr¨opfchendurchmesser von 60 µm erreicht. Der Regelbereich betr¨agt 1:4 und der ¨ Dampfverbrauch liegt bei ca. 0,06 kg je kg Ol. ¨ und Gasfeuerungen 6.3.3 Brenner f¨ ur Ol¨ mit der Verbrennungsluft gemischt Mit den Brennern wird das zerst¨ aubte Ol und zur Reaktion gebracht. Dabei werden dieselben Verfahrensprinzipien zur ¨ wird Anwendung gebracht wie bei den Drallbrennern f¨ ur Kohlenstaub. Das Ol meist mit einer Lanze eingebracht, die im Kernluftrohr angeordnet ist. Die ¨ Olaustrittsd¨ usen sind an der Lanzenspitze angeordnet und haben auch die Funktion eines Flammhalters, der das Abl¨ osen der Flamme vom Brenner verhindert. Die Verbrennungsluft wird mit ringf¨ ormig angeordneten D¨ usen zugegeben, wobei meist einem der Teilstr¨ ome mit einem Schaufelgitter ein Drall aufgepr¨ agt wird. Ein Ausf¨ uhrungsbeispiel ist in Abb. 6.29 dargestellt. Mit der
182
6 Feuerungssysteme und -anlagen Flammenwächter Erdgas
ÖllanzenFahrvorrichtung
Öllanze
Zündbrenner
Stufenluft
Primärluft
Sekundärluft
Zwischenluft
¨ Abbildung 6.29. Kombinierter Brenner f¨ ur die Verfeuerung von Gas und Ol
Aufteilung der Verbrennungsluft in zwei Teilstr¨ome ist die Realisierung der Stufenverbrennung zur Verminderung der NOx -Produktion m¨oglich. Der in der Abb. 6.29 gezeigte Brenner ist auch f¨ ur die Verfeuerung von Gas ausgelegt. Das Gas wird dabei mit u ¨ber den Umfang des Kernluftrohres verteilten D¨ usen zugef¨ uhrt. Weil Gase naturgem¨aß nur schwer durch Strahlung aufgeheizt werden k¨ onnen, muß durch konstruktive Maßnahmen daf¨ ur Sorge getragen werden, daß die Flamme sich nicht vom Brenner entfernt. Gas- und Luftd¨ usen werden dazu so angeordnet, daß sich stabile R¨ uckstr¨omzonen bilden, die ausreichend mit Brenngas und Luft versorgt werden, damit sich eine stabile Prim¨ arflamme entwickelt. Diese Prim¨ arflamme liefert die Z¨ undenergie f¨ ur die weiter stromab brennende Hauptflamme.
6.4 Verluste bei der Verbrennung Die Umwandlung der chemischen Energie der Brennstoffe in W¨arme in Feuerungen ist mit Verlusten verbunden. Diese lassen sich wie folgt aufspalten: • W¨ armeverluste durch Leitung, Konvektion oder Strahlung der W¨ande der Feuerung (0,2–1%),
6.5 Fazit
183
• Abgasverlust (6–10%): Wegen der Gefahr der Taupunktunterschreitung kann die Rauchgasw¨ arme nicht vollst¨ andig genutzt werden. Die Rauchgase werden mit einer Temperatur, die oberhalb des S¨auretaupunktes liegt, in die Umgebung bzw. die Rauchgasreinigungsanlagen abgegeben. • Verlust durch Unverbranntes (Feuerungsverlust): Ist vom Brennstoff, der Feuerungsart und der Feuerungsleistung abh¨angig. Bei festen Brennstoffen und Rostfeuerungen betr¨ agt der Feuerungsverlust 2–4%, bei Staubfeuerungen mit einer W¨ armeleistung > 500 MW 0,5% bzw. 1,5% bei einer W¨ armeleistung von 100 MW und bei Wirbelschichtfeuerungen zwischen 0,5% (zirkulierend) und 2,0% (station¨ ar). Bei fl¨ ussigen und gasf¨ormigen Brennstoffen sind die Verluste durch Unverbranntes vernachl¨assigbar klein. • Bei festen Brennstoffen gibt es noch einen Verlust durch die f¨ uhlbare W¨ arme in der Asche und Schlacke.
6.5 Fazit Der Feuerungsanlage kommt die Aufgabe zu, die chemisch gebundene Energie des Naturprodukts Brennstoff in W¨ arme zu u uhren. Die Anlagen sind so ¨berf¨ zu konzipieren, daß folgende Ziele erreicht werden: • • • • • •
Sicherer Betrieb unter allen Bedingungen, minimale Umweltbeeinflussung, hoher Umwandlungswirkungsgrad, schnelle Leistungsanpassung, große Betriebsflexibilit¨ at sowie Wirtschaftlichkeit und hohe Arbeitsverf¨ ugbarkeit.
F¨ ur die Verbrennung von festen Brennstoffen werden Rostfeuerungen, Staubund Wirbelschichtfeuerungen eingesetzt. Die Einsatzm¨oglichkeiten hinsichtlich der darstellbaren Leistung und der Eigenschaften der zur Verwendung kommenden Brennstoffe u ¨berschneiden sich nur teilweise, so daß jeweils die Vor- und Nachteile der einzelnen Systeme einander gegen¨ uberzustellen sind. Aufbauend auf Betriebserfahrungen wurden alle drei Feuerungssysteme st¨ andig weiterentwickelt und weitgehend automatisiert. Durch das Detektie¨ und Staubflammen emittiert wird, kann ren von UV- und IR-Licht, das von Oleine Flammen- und Feuerraum¨ uberwachung vorgenommen werden. Mit den UV-Sensoren k¨ onnen Einzelflammen beobachtet werden, was insbesondere f¨ ur das sichere Anfahren einer Anlage bedeutsam ist. Durch die Entwicklung die¨ ser Uberwachungstechnik ist die Betriebssicherheit von Großfeuerungsanlagen kein Problem mehr. Unf¨ alle und Sch¨ aden infolge von Fehlfunktionen sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. W¨ ahrend die Sicherheitsanforderungen mit der n¨otigen Sorgfalt gut zu erledigen sind, bereitet die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte f¨ ur Stickoxide noch gr¨ oßere Schwierigkeiten. Nach dem gegenw¨artigen Stand der Erfahrung kann aber festgestellt werden, daß die NOx -Grenzwerte bei Erdgas-, Leicht¨ol-
184
6 Feuerungssysteme und -anlagen
und Braunkohlestaubfeuerungen und mit Wirbelschichtfeuerungen f¨ ur Steinund Braunkohle durch Prim¨ armaßnahmen eingehalten werden k¨onnen.
Literatur 1. Jahrbuch der Dampferzeugungstechnik, 5. Ausgabe. Vulkan, Essen 1985 2. Jahrbuch der Dampferzeugungstechnik, 6. Ausgabe. Vulkan, Essen 1989 3. Gumz, W.: Kurzes Lehrbuch der Brennstoff- und Feuerungstechnik, 3. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg New York 1962 4. Singer, J.G. (Ed.): Combustion: Fossil power. Combustion Engineering Inc., Windsor, CT 1991 5. W¨ armetechnisches Taschenbuch. EVT-GmbH (Energie- und Verfahrenstechnik), Stuttgart 1985 6. Sch¨ aff, K.: Die Entwicklung zum heutigen W¨ armekraftwerk. VGB-Verlag, Essen 1977 7. Strauß, K.: Anmeldeschrift DPA 196 06 152.0 8. Strauß, K., Berger, S., Bielfeldt, F.B., Erken, M., Hoffmann, M.: Mechanisch-Thermische-Entw¨ asserung als Vortrocknungsstufe f¨ ur braunkohlegefeuerte Kraftwerke. VDI-Bericht 1 280, 165–175 (1996) 9. VDI-W¨ armeatlas. 9. Auflage, VDI-Verlag (Verein deutscher Ingenieure e.V.), D¨ usseldorf 2002 10. Fenimore, C.P.: Formation of nitric oxide from fuel of nitrogene in ethylene flames. Combust. and Flame 19, 289–296 (1972) 11. Blackeslee, C.E., Burbach, H.E.: Controlling NOx -Emissions from Steam Generators. J. Air Pollution Contr. Assoc. 23, 37–42 (1973) 12. Schack, A.: Der industrielle W¨ arme¨ ubergang. Verlag Stahleisen, D¨ usseldorf 1962 13. Hottel, H.C., Serafim, A.F.: Radiative heat transfer. McGraw-Hill, New York 1967
7 Dampferzeuger
7.1 Allgemeines Ein Dampferzeuger hat die Aufgabe, die in der Feuerung in W¨arme umgewandelte chemische Energie des Brennstoffes in Enthalpie eines hochgespannten Dampfes umzuwandeln. Seiner Funktion nach ist er folglich ein W¨armeaustauscher. Am Beginn seiner Entwicklung war er einfach ein beheizter Beh¨alter zur Erzeugung von Sattdampf – daher stammt auch der heute noch verwendete Begriff Kessel. Die heutigen Hochtemperatur-Hochdruckdampferzeuger haben allerdings ¨ keine Ahnlichkeit mehr mit einem Kessel. Vielmehr handelt es sich um kom¨ plexe Systeme aus Economizer, Verdampfer, Uberhitzer, Zwischen¨ uberhitzer, Luftvorw¨ armer sowie zahlreichen Hilfsmaschinen. Es sind Anlagen mit Dampfleistungen von bis zu 3 600 t Dampf pro Stunde in Betrieb. Die Dampfparameter typischer Kraftwerksdampferzeuger liegen bei 250 bar und 560◦ C. Ausgef¨ uhrt wurden bereits 350 bar und 640◦ C bei der Anlage Eddystone in den USA. An einen Kraftwerksdampferzeuger sind eine Reihe von Anforderungen zu stellen: ¨ • Verdampfung und Uberhitzung großer Massenstr¨ome unter hohen Dr¨ ucken auf hohe Temperaturen, • kurze Anfahrzeiten, hohe Last¨ anderungsgeschwindigkeiten (bis zu ±10% pro min) und die Zul¨ assigkeit von Lastspr¨ ungen (Diese Anforderungen werden unter der Bezeichnung Betriebsflexibilit¨at zusammengefaßt), • geringe Temperaturabweichungen (±3 K) und Druckschwankungen (±1% von pmax ) des u ¨berhitzten Dampfes im station¨aren Betrieb, bzw. ±6 K anderungen und Lastspr¨ ungen, und ±2% von pmax bei Last¨ • hohe Wirkungsgrade f¨ ur die Energieumwandlung, • lange Reisezeiten und hohe Verf¨ ugbarkeit. Unter Reisezeit versteht man die ununterbrochene Betriebszeit einer Anlage zwischen zwei Stillst¨ anden, die f¨ ur notwendige Instandsetzungen erforderlich
186
7 Dampferzeuger
sind.1 Die Verf¨ ugbarkeit ist die Zeit, in der eine Anlage betriebsf¨ahig ist, bezogen auf einen festzulegenden Zeitraum, z.B. ein Jahr. ¨ Uber Dampferzeuger besteht eine umfangreiche Literatur. Hier sei auf die Monographien [1], [2], [3], [4] und [5] hingewiesen.
7.2 Dampferzeugersysteme 7.2.1 Einleitung Zur Erzeugung von u ¨berhitztem Dampf ist das Arbeitsmittel auf S¨attigungstemperatur vorzuw¨ armen, zu verdampfen und zu u ur erfor¨berhitzen. Die daf¨ derlichen W¨ armemengen sind vom jeweiligen Druck abh¨angig, vgl. Abb. 7.1. ¨ Uberhitzter Dampf kann auf verschiedene Weise erzeugt werden. Man unterscheidet Verfahren mit einem festgehaltenen Verdampfungsendpunkt2 , die als Naturumlauf-, Zwangumlauf- oder Zwangdurchlaufsysteme ausgef¨ uhrt sein k¨ onnen, und Zwangdurchlaufverfahren mit einem variablen Verdampfungsendpunkt. Die Verfahren unterscheiden sich in der Schaltung des Verdampfers. ¨ Die Uberhitzer und der Economizer sind bei allen Systemen verfahrenstechnisch gleich. Der Verdampfungsendpunkt ist bei mit unterkritischem Druck betriebenen Zwangdurchlaufdampferzeugern im Durchlaufbetrieb ¨ortlich variabel, bei den anderen drei Systemen dagegen im Wasserabscheider bzw. in der Trommel fest. Die zur Erzeugung des Dampfes erforderliche W¨arme wird u ¨ber Heizfl¨achen durch Strahlung und/oder Konvektion u ¨bertragen. In den Brennkammerw¨ anden ergeben die Flammenstrahlung und hohe Gastemperaturen große W¨ armestromdichten. Zur Vermeidung unzul¨ assig hoher Metalltemperaturen sind auf der Wasser/Dampfseite hohe innere W¨arme¨ ubergangszahlen erforderlich. Diese erreicht man durch große Massenstromdichten, die am einfachsten in den Verdampferheizfl¨ achen zu realisieren sind. Deshalb werden diese in der Regel in den Brennkammerw¨ anden angeordnet. 7.2.2 Naturumlauf Bei diesem ¨ altesten Verfahren zur Dampferzeugung wird der erforderliche Massenstrom des Arbeitsmittels durch den Dichteunterschied des Fluids in den Steig- und Fallrohren erzeugt, vgl. die Abbildungen 7.2 und 7.5. Das sich in den beheizten Steigrohren, die als Verdampferrohre ausgef¨ uhrt sind, bildende Wasser/Dampfgemisch ist spezifisch leichter als das Wasser in den 1
2
Bei modernen Dampfkraftwerken werden Reisezeiten von zwei Jahren bei einer Verf¨ ugbarkeit von 90% verlangt. Die Revisionszeit von 1–2 Monaten wird in die Zeit geringen Strombedarfes gelegt. Meist sind dies die Sommermonate. Als Verdampfungsendpunkt bezeichnet man den Ort, an dem das Medium voll¨ st¨ andig verdampft ist und die Uberhitzung beginnt.
7.2 Dampferzeugersysteme 100
6
W¨ armeanteil [%]
75
W¨ armebedarf f¨ ur: 1 Vorw¨ armung 2 Verdampfung ¨ 3 Uberhitzung 4 Zwischen¨ uberhitzung
6
4
?
3
? 6
50
187
2
? 6
25
1
?
0 0
100
200 Frischdampfdruck [bar]
a b c d
300 Anwendungsbereich f¨ ur: a Naturumlauf b Zwangumlauf c Zwangdurchlauf mit u alzung ¨berlagerter Umw¨ d Zwangdurchlauf
Abbildung 7.1. W¨ armeanteile f¨ ur Frischdampferzeugung und Zwischen¨ uberhitzung sowie m¨ oglicher Anwendungsbereich der wichtigsten Dampferzeugungsverfahren
meist unbeheizten Fallrohren. Dadurch bildet sich in dem kommunizierenden System aus Fallrohr, Verteilungssammler, Verdampferrohr und Trommel eine Umlaufstr¨ omung aus, die als Naturumlauf bezeichnet wird. In der Kesseltrommel wird der erzeugte Dampf vom Wasser getrennt und ¨ zu den Uberhitzern geleitet. Das abgeschiedene Wasser nimmt wieder an der Umlaufstr¨ omung teil. F¨ ur das Einsetzen des Umlaufes gen¨ ugen bereits gerin-
Überhitzer
Trommel
Economizer Verdampfer Speisepumpe
Abbildung 7.2. Schema eines Naturumlaufdampferzeugers
188
7 Dampferzeuger
ge Temperaturdifferenzen des Fluids in den Steig- und Fallrohren. Dies ist besonders f¨ ur das Anfahren einer Naturumlaufanlage von Bedeutung. Um unzul¨ assig hohe Rohrwandtemperaturen zu vermeiden, muß ein ausreichender W¨ arme¨ ubergang in den einzelnen Verdampferrohren, die unterschiedlich beheizt sein k¨ onnen, sichergestellt sein. Mit steigendem Dampfgehalt nimmt aufgrund der geringeren Dichte des Mediums die Triebkraft f¨ ur den Umlauf zu. Der W¨ arme¨ ubergangskoeffizient w¨achst mit der daraus resultierenden, erh¨ohten Str¨ omungsgeschwindigkeit. Durch geeignete Wahl der Str¨ omungswiderst¨ ande in Abh¨ angigkeit von der ¨ortlichen Beheizung kann garantiert werden, daß die Rohrwandtemperatur nicht infolge zu geringer Str¨ omungsgeschwindigkeiten zu hohe Werte annimmt. In Tabelle 7.1 sind beispielhaft die Umlaufzahl und der zugeh¨ orige Dampfgehalt am Ende der Steigrohre einer kohlegefeuerten Anlage angegeben. Der Umlauf nimmt von u ≈ 11 bei 80 bar auf u ≈ 5 bei 200 bar ab. Tabelle 7.1. Umlaufzahl eines kohlegefeuerten Naturumlaufdampferzeugers Dampfdruck [bar]
80
Umlaufzahl u Dampfgehalt x
11,1 0,09
100 10,0 0,1
120 9,0 0,11
140 7,9 0,13
160 6,8 0,14
180 6,0 0,16
200 5,1 0,18
Auch bei Anwendung gr¨ oßerer Rohrdurchmesser, die einen erh¨ohten Volumenstrom zur Folge h¨ atten, ist der Druck in der Trommel auf ca. 185 bar begrenzt, da zur sicheren Trennung von Wasser und Dampf eine ausreichend hohe Dichtedifferenz der beiden Phasen erforderlich ist. Nach dem Durch¨ str¨ omen der Uberhitzer, die typischerweise einen Druckabfall von 8–15 bar aufweisen, ergibt sich ein maximaler Frischdampfdruck von 170–180 bar. In Abb. 7.3 ist f¨ ur ein Naturumlaufsystem mit einer wirksamen Steigh¨ohe von 30 m und einem Fl¨ achenverh¨ altnis zwischen den Steig- und Fallrohren von 3 die Abh¨ angigkeit der resultierenden Massenstromdichte Φ in den Verdampferrohren von der mittleren W¨ armestromdichte q und dem Druck in der Trommel dargestellt. Bei mit Kohlenstaub gefeuerten Anlagen betr¨agt uhlung der die maximale W¨armestromdichte ca. 0,4 MW/m2 . Zur sicheren K¨ Verdampferrohre ist bei dieser Beheizung eine Massenstromdichte von etwa 600 kg/m2 s erforderlich. Auch hieraus ergibt sich eine Begrenzung des Trommeldruckes auf ca. 185 bar. Die Nachteile des Naturumlaufs sind die Abnahme der Frischdampftemperatur bei Teillasten infolge des festgehaltenen Verdampfungsendpunktes und die Empfindlichkeit des Systems gegen schnelle Druckabsenkungen. Dabei kann es zu einer starken Dampfbildung in den Falleitungen und zu Instabilit¨ aten im Wasserumlauf kommen. Tritt dieser Effekt in einem Verdampfer¨ rohr auf, ist mit einer lokalen Uberschreitung der zul¨assigen Rohrtemperatur und in der Folge mit einem Rohrschaden zu rechnen. Die zul¨assigen Druckab-
7.2 Dampferzeugersysteme
189
2 000
50 100 150 200
Φ [kg/m2 s]
1 000
bar bar bar bar
600
400
200
100 0,04
0,06
0,1
0,2
0,3
0,5
0,8
q [MW/m2 ]
Abbildung 7.3. Massenstromdichte in einem Naturumlaufdampferzeuger als Funktion der Beheizung und des Trommeldrucks (H = 30 m, ASR /AFR = 3)
senkungsgeschwindigkeiten typischer Anlagen liegen im Bereich von 6–8 bar pro Minute. Eine Beschr¨ ankung f¨ ur den Betrieb von Dampferzeugern ergibt sich somit aus den auftretenden W¨ armespannungen. Im Vergleich zu den Bauteilen mit der gr¨oßten Wanddicke von Zwangdurchlaufdampferzeugern – dies sind i.allg. die Wasserabscheider – sind die zul¨ assigen Temperaturtransienten in der dickwandigen Trommel bei Naturumlaufkesseln wesentlich geringer. Daraus resultieren l¨angere Anfahrzeiten und Einschr¨ ankungen f¨ ur den sog. Gleitdruckbetrieb3 . Beispielhaft sind in Abb. 7.4 die zul¨ assigen Temperaturtransienten f¨ ur die Trommel eines Naturumlaufund den Wasserabscheider eines Zwangdurchlaufdampferzeugers als Funktion des Druckes dargestellt. In der Abbildung ist ferner der aus der zugeh¨origen maximal zul¨ assigen Druck¨ anderungsgeschwindigkeit resultierende Druck als Funktion der Zeit angegeben.4 Die Vorteile des Naturumlaufs sind der einfache Aufbau des Verdampfers und der im Vergleich zu anderen Systemen geringere Kraftbedarf der Speisepumpe. Ferner sind die Anforderungen an die Qualit¨at des Speisewassers 3
4
Beim Kraftwerksbetrieb werden zwei Fahrweisen unterschieden: Gleitdruckbetrieb und Festdruckbetrieb, vgl. Abschn. 8.5. Man beachte, daß im S¨ attigungszustand zwischen Druck und Temperatur ein eindeutiger Zusammenhang besteht. Bei den W¨ armespannungen ist zu ber¨ ucksichtigen, daß zun¨ achst nicht die H¨ ohe der Spannung maßgebend ist, sondern – solange die Bruchspannung nicht im ganzen Querschnitt erreicht ist – die Zahl der Lastwechsel, vgl. auch Abschn. 7.8.
7 Dampferzeuger
20
200
16
160
12
120 p [bar]
dT /dt [K/min]
190
8
80 Abscheider (720 MW)
Abscheider
4
40 Trommel (660 MW)
0
Trommel 0
0
100
200 p [bar]
300
0
60
120
180
240
t [min]
Abbildung 7.4. Vergleich des Anw¨ armvorgangs der dickwandigen Bauteile zweier Dampferzeuger [6]. Links: zul¨ assige Temperaturtransienten als Funktion des Drukkes; rechts: zul¨ assige Drucksteigerung als Funktion der Zeit
wegen der M¨ oglichkeit der Abschl¨ ammung aus der Trommel geringer. Heute sind die Systeme zur Wasseraufbereitung allerdings so gut entwickelt, daß bei neuen Anlagen von dieser M¨ oglichkeit nur noch in wenigen F¨allen Gebrauch gemacht wird, z.B. in Entwicklungsl¨ andern. In Europa wird der Naturumlauf haupts¨achlich bei kleineren Anlagen f¨ ur Industrie- und Heizkraftwerke verwendet. Bei Dampfleistungen u ¨ber ca. 500 t/h sind Naturumlaufsysteme wegen des gr¨oßeren Materialaufwandes in der Regel teurer als Zwangdurchlaufsysteme. Weltweit arbeiten allerdings die meisten Dampferzeuger nach dem Naturumlaufprinzip. Es sind Anlagen mit einer Kapazit¨ at von ca. 2 000 t/h und Frischdampfdr¨ ucken von 170 bar erfolgreich in Betrieb. Das Prinzip des Naturumlaufs wird bei zahlreichen technischen Prozessen angewendet. Wegen seiner Bedeutung werden wir eine einfache Absch¨atzung f¨ ur den sich einstellenden station¨ aren Wasserumlauf vornehmen. Unseren ¨ Uberlegungen legen wir ein aus Trommel, Fallrohren, Verteilungssammler und beheizten Steigrohren bestehendes System zugrunde, vgl. Abb. 7.5. Die treibende Kraft f¨ ur den Naturumlauf resultiert aus der mittleren Differenz der Dichten des Fluids im Fallrohr ρFR und Steigrohr ρ . Daraus ergibt SR sich die statische Druckdifferenz gH . (7.1) ∆p = ρFR − ρ SR
7.2 Dampferzeugersysteme
191
Trommel
Fallrohr H
Steigrohr
Verteilersammler Beheizung
Abbildung 7.5. Naturumlaufsystem, bestehend aus Trommel, Fallrohr, Verteilersammler und beheizten Steigrohren
Hier ist g die Schwerebeschleunigung und H die H¨ohendifferenz zwischen Trommel und Verteilungssammler. W¨ ahrend die Dichte im Fallrohr u ¨ber die H¨ohe konstant und praktisch gleich der bekannten Sattwasserdichte in der Trommel ist, ¨andert sie sich im Steigrohr mit der H¨ ohe aufgrund der Beheizung. Bei Dampferzeugern ist es zul¨ assig, die mittlere Dichte im Steigrohr gleich dem arithmetischen Mittelwert der Dichten am Ein- und Austritt zu setzen: H 1 1 ρ = (7.2) ρSR (z) dz ≈ ρSR (z = 0) + ρSR (z = H) . SR H 2 0
Bei der vorausgesetzten Anordnung ist die Dichte am Eintritt des Steigrohrs gleich der Dichte im Fallrohr, die n¨ aherungsweise gleich der Dichte im Siedezustand ρ ist: ρSR (z = 0) = ρFR = ρ .
(7.3)
Weiter kann ρSR (z = H) mittels einer Massenbilanz um ein Volumenelement durch den Volumenanteil yD des Dampfes am Austritt aus dem Steigrohr ausgedr¨ uckt werden. Es gilt ρSR (z = H) A = ρ AW + ρ AD .
(7.4)
Hier ist AW der vom Wasser und AD der vom Dampf durchstr¨omte Teil des Rohrquerschnitts A. F¨ ur die Dichtedifferenz in (7.1) folgt yD (ρ − ρ ) . ρFR − ρ = (7.5) SR 2 Dabei wurde vorausgesetzt, daß Wasser und Dampf mit der gleichen Geschwindigkeit str¨omen und die Beziehung
192
7 Dampferzeuger
yD =
AD A
(7.6)
ur den Massenanteil des Dampfes x am Austritt des Steigrohres gilt gilt.5 F¨ damit
−1 1 − yD ρ (7.7) x= 1+ yD ρ bzw.
yD =
−1 1 ρ 1− 1− . x ρ
(7.8)
Mit diesen Ausdr¨ ucken folgt f¨ ur die treibende Druckdifferenz yD (7.9) ∆p = (ρ − ρ ) g H . 2 Die treibende Druckdifferenz ist im Gleichgewicht mit dem Reibungsdruckabfall l¨ angs des Str¨ omungsweges und dem Druckabfall zur Beschleunigung der Str¨ omung im Steigrohr. Durch Gleichsetzen ist die mittlere Str¨omungsgeschwindigkeit berechenbar. Der Reibungsdruckverlust l¨angs des Steigrohres kann mit den bekannten Gleichungen aus der Str¨omungsmechanik berechnet werden, vgl. (7.16). Beispiel 7.1. Ein Steig/Fallrohrsystem mit einer H¨ ohe H = 30 m wird bei einem Druck von 100 bar betrieben. Dem Steigrohr wird durch das Fallrohr Sattwasser zugef¨ uhrt; es gibt seinerseits ein Wasser/Dampfgemisch mit einem Dampfgehalt von x = 0,5 in die Trommel ab. Das Steigrohr werde u ohe gleichm¨ aßig ¨ber die gesamte H¨ beheizt. Weiter ist ρ (100 bar) = 55,4 kg/m3 und ρ (100 bar) = 688,4 kg/m3 . a) Man bestimme die mittlere Dichte im Steigrohr und die sich daraus ergebende statische Druckdifferenz. b) Welche mittlere Massenstromdichte stellt sich bei einem hydraulisch glatten Steigrohr mit einem Innendurchmesser von 68 mm ein, wenn der Widerstandskoeffizient λ der Zweiphasenstr¨ omung etwa 10 mal h¨ oher als der der einphasigen Str¨ omung ist? L¨ osung. a) Man bestimmt zun¨ achst nach (7.8) den Volumenanteil des Dampfes zu yD = 0,926. Aus (7.5) folgt f¨ ur die mittlere Dichte im Steigrohr ρ
SR
= ρ −
yD 2
ρ − ρ = 395,5 kg/m3 .
Zur Berechnung der statischen Druckdifferenz ist (7.9) auszuwerten; man erh¨ alt ∆p = 86 208 Pa = 0,86 bar. 5
Bei einer exakten Theorie des Wasserumlaufs w¨ are zu ber¨ ucksichtigen, daß zwischen der Wasser- und der Dampfphase im Steigrohr ein Schlupf besteht. Man kann aber zeigen, daß dieser Schlupf nur einen untergeordneten Einfluß auf die Str¨ omung hat [7].
7.2 Dampferzeugersysteme
193
b) In erster N¨ aherung kann der Reibungsdruckverlust ∆pR im Steigrohr, der gleich der treibenden Druckdifferenz ∆p ist, durch ρ H ∆pR = SR v 2 λ = ∆p 2 d ausgedr¨ uckt werden. Nach (7.16) setzen wir setzen n¨ aherungsweise λ = 0,08. Bei einem Rohr mit 68 mm Durchmesser folgt f¨ ur die mittlere Geschwindigkeit
2 ∆p d = 3,52 m/s, ρ λH
v=
SR
und f¨ ur die Massenstromdichte Φ=ρ
SR
v = 1 390 kg/m2 s.
Dies ist ein ausreichend hoher Wert f¨ ur eine sichere K¨ uhlung der Verdampferrohre.
7.2.3 Zwangumlauf Bei diesem System wird die Durchstr¨ omung der Verdampferrohre zus¨atzlich zum thermischen Auftrieb durch Umw¨ alzpumpen unterst¨ utzt, die das Wasser aus der Trommel den unteren Verteilern der Brennkammerberohrung zuf¨ uhren. Zum Stabilisieren der Str¨ omung in den einzelnen Verdampferrohren werden Drosselblenden vorgeschaltet, mit denen außerdem eine Anpassung der Massenstromdichte an die Beheizung des Rohres erreicht wird, vgl. Abb. 7.6.
Überhitzer Trommel
Fallrohr
Beheizung
Economizer Umwälzpumpe
Steigrohr Speisepumpe
Sammler Drossel
Abbildung 7.6. Schema eines Zwangumlaufdampferzeugers
Dieses System wird in einzelnen L¨ andern bevorzugt f¨ ur Großanlagen mit unterkritischen Dr¨ ucken u uber dem Natur¨ber ca. 150 bar eingesetzt. Gegen¨ umlaufsystem kann wegen des durch die Umw¨alzpumpen stabilisierten Wasserumlaufs der zul¨ assige Trommeldruck bis auf ca. 200 bar angehoben werden,
194
7 Dampferzeuger
und es k¨ onnen Verdampferrohre mit einem h¨ oheren zul¨assigen Str¨omungswiderstand, d.h. einem geringeren Durchmesser, eingesetzt werden. Ferner ergeben sich aus demselben Grund gewisse Betriebsvorteile im Teillastbereich und gr¨ oßere zul¨ assige Druckabsenkungsgeschwindigkeiten. Wegen des geringeren Durchmessers und der daraus resultierenden geringeren Wanddicke der Verdampferrohre ergibt sich im Vergleich zu den Naturumlaufdampferzeugern eine erhebliche Materialersparnis. Durch entsprechende Wahl der Massenstromdichte kann das Auftreten der sog. Siedekrise auch bei hohen unterkritischen Dr¨ ucken vermieden werden. Das Umw¨ alzsystem wird so ausgelegt, daß die Umw¨ alzzahl, die als das Verh¨altnis des dem Verdampfer zugef¨ uhrten Wassermassenstroms zu dem erzeugten Dampfmassenstrom definiert ist, im Bereich zwischen 3 und 5 liegt. Abh¨angig von der maximalen W¨ armestromdichte in der Brennkammer und dem Systemdruck wird die Massenstromdichte in den Verdampferrohren im Bereich von 1 000–2 000 kg/m2 s gew¨ ahlt. Gegen¨ uber dem Naturumlauf hat der Zwangumlauf den Vorteil, daß bei der geometrischen Gestaltung der Verdampferberohrung gr¨oßere Freiheiten hinsichtlich der Lage der Trommel, der Rohrdurchmesser und der Rohrneigung bestehen. Freiheitsgrade dieser Art sind besonders bei sog. Abhitzekesseln von großem Vorteil, denn es ergeben sich daraus oft konstruktiv einfachere L¨ osungen. Der Trommeldurchmesser kann bei Zwangumlaufdampferzeugern um ca. 20% kleiner gew¨ ahlt werden als bei Naturumlaufsystemen. Dies resultiert aus der geringeren Umlaufzahl und dem sich daraus ergebenden geringeren Massenstrom zur Trommel. 7.2.4 Zwangdurchlauf Beim Zwangdurchlaufsystem mit variablem Verdampfungsendpunkt wird das Arbeitsmittel von der Speisepumpe durch die Heizfl¨achen gedr¨ uckt.6 Da sich hier die Massenstromdichte im Verdampfer linear mit der Last ¨andert, ist die Mindestlast durch den zur sicheren K¨ uhlung der Verdampferrohre erforderlichen Mindestmassenstrom festgelegt. Im allgemeinen betr¨agt die erforderliche Massenstromdichte bei Mindestlast7 400–600 kg/m2 s, welche meist bei 35–40% Teillast erreicht wird. Um geringere Teillasten fahren zu k¨ onnen, wird meist ein Bypass vorgesehen. Damit wird das bei der einzuhaltenden Mindestmassenstromdichte in 6
7
Die Zwangdurchlaufkessel der heutigen Bauart wurden von den Firmen Siemens und Sulzer in den 30er Jahren entwickelt und ab ca. 1950 in den Markt eingef¨ uhrt. Die Weiterentwicklung zum derzeitigen Reifegrad der als Benson-“ bzw. Sulzer” ” Kessel“ bezeichneten Anlagen erfolgte unter Beteiligung der Lizenznehmer dieser Firmen. Obwohl diese Markennahmen noch immer verwendet werden, bestehen zwischen Benson- und Sulzer-Kesseln keine prinzipiellen Unterschiede. Die Mindestlast im Zwangdurchlauf ist von der Minimallast zu unterscheiden, die sich aus der Stabilit¨ at der Feuerung ergibt.
7.2 Dampferzeugersysteme
195
den Verdampferrohren im Abscheider anfallende Wasser u ¨ber eine Umw¨alzpumpe wieder in die Speiseleitung vor dem Economizer zur¨ uckgef¨ uhrt. Der Vorteil dieser Schaltung besteht darin, daß auch Teillasten unter ca. 40% ohne Wasserverlust gefahren werden k¨ onnen, vgl. Abb. 7.7.
Überhitzer
Abscheideflasche Verdampfer
Economizer
Speisepumpe
Umwälzpumpe
Rückschlagklappe
Abbildung 7.7. Zwangdurchlaufdampferzeuger mit Schwachlastumw¨ alzung (schematisch). Zur Sicherung der Str¨ omungsstabilit¨ at im Economizer wird dieser meist in die Umw¨ alzung einbezogen
Zur Erzeugung einer f¨ ur die K¨ uhlung der Rohre ausreichenden Massenstromdichte in den Verdampferrohren werden diese in der Brennkammerwand meist schraubenf¨ ormig gewickelt, vgl. Abb. 7.8. Bei prismatischen Feuerr¨ aumen hat sich unter Ber¨ ucksichtigung konstruktiver Gesichtspunkte eine Windungszahl von 1,5, 2 oder 2,5 als zweckm¨aßig herausgestellt.
Abbildung 7.8. Konstruktion der Verdampferwand von Zwangdurchlaufdampferzeugern. Links f¨ ur einen Dampferzeuger mit variablem, rechts f¨ ur einen mit festem Verdampfungsendpunkt
196
7 Dampferzeuger
Die Anzahl der parallel zu f¨ uhrenden Verdampferrohre h¨angt von der verlangten Mindestmassenstromdichte Φmin bei Teillast, dem Brennkammerum˙ min bei fang UBK und der Rohrteilung t ab. Soll der Mindestmassenstrom m einer Teillast a erreicht werden, folgt f¨ ur die Anzahl der parallelen Rohre n=
4am ˙ max . 2 π di Φmin
(7.10)
Hierin ist m ˙ max der Dampfmassenstrom bei Vollast und di der Rohrinnendurchmesser. Die Steigung β der Rohre berechnet sich gem¨aß
nt . (7.11) β = arcsin UBK Es sei angemerkt, daß Rohrdurchmesser und Teilung nicht frei gew¨ahlt werden k¨ onnen. Bei ihrer Festlegung sind der Druckverlust in der Verdampferwicklung und die zul¨ assige Materialtemperatur zu beachten. Bei den Dampferzeugern der mit Steinkohle gefeuerten 700 MW-Kraftwerke werden in den Brennkammerumfassungsw¨anden etwa 400 Rohre parallel gef¨ uhrt, die u ¨ber gemeinsame Ein- und Austrittssammler miteinander verbunden sind. Durch den Einbau von geeigneten Str¨omungswiderst¨anden ist der Massenstrom in jedem Rohr der Beheizung anzupassen. Zur Vermeidung unzul¨ assiger W¨ armespannungen in der Verdampferwand ist es n¨amlich erforderlich, daß die Temperaturprofile in einem H¨ohenschnitt des Verdampfers bei allen Betriebszust¨ anden innerhalb bestimmter Schranken liegen. Bei parallel durchstr¨omten beheizten Rohren sind aber gewisse Temperaturdifferenzen nicht zu vermeiden. Diese haben ihre Ursache im konstruktiven Aufbau sowie in betrieblichen und fertigungstechnischen Gegebenheiten: • Toleranzen in der Rohrgeometrie (L¨ angen- bzw. Durchmesserdifferenzen, Kr¨ ummer etc.), • Unterschiede in der Rohrrauhigkeit, • Verteilungsungleichheiten in den Ein- und Austrittssammlern, • Unterschiede in den Beheizungsprofilen l¨ angs des Rohres, • rauchgasseitige Verschmutzungen, • str¨ omungsdynamische Effekte beim Anfahren und bei Last¨anderungen. Aus den genannten Gr¨ unden treten auch bei gut abgeglichenen Verdampfern am Austritt infolge des statistischen Zusammentreffens der aufgef¨ uhrten Fehler station¨ are und instation¨ are Temperaturabweichungen auf, vgl. Abb. 7.9. In der Abbildung sind gemessene Rohrtemperaturen am Austritt aus der Verdampferwicklung dargestellt; man erkennt, daß die Spreizung der Temperaturen mit abnehmender Last gr¨ oßer wird. Die beschriebenen Temperaturspreizungen h¨angen weiter mit der hydrodynamischen Stabilit¨ at des Verdampfersystems zusammen. In Abb. 7.10a ist zur Veranschaulichung je eine stabile und instabile Druckverlust-Durchflußkennlinie eingezeichnet. Bei der instabilen Kennlinie kann einem vorgegebenen ∆p mehr als ein Massenstrom zugeordnet werden.
7.2 Dampferzeugersysteme 300 °C 350
197
0 min
9 min
300
Abbildung 7.9. Einzelrohrtemperaturen am Verdampferende. Die Abbildung zeigt gemessene Temperaturdifferenzen bei einer Feuerungsverlagerung vom oberen in den unteren Bereich der Brennkammer. Man erkennt, daß auch bei einem station¨ ar gut abgeglichenen Verdampfer instation¨ are Temperaturdifferenzen bis zu 120 K auftreten k¨ onnen
400 18 min
350 300 400
22 min
350 300 300
31 min Vorderwand Rückwand r. Seitenwand l. Seitenwand
Dp
p
Dp Blende
stabil . Dm
instabil 1
2
3
Rohr 1 mit Blende Rohr 1 ohne Blende
a)
. m
b)
. m
Abbildung 7.10. Stabilit¨ atskennlinien von Verdampferrohren. a) stabile und instabile Druckverlust-Durchflußkennlinie, b) Kennlinie f¨ ur ein Rohr mit und ohne Blende
Der Verdampfer eines Dampferzeugers besteht aus einer großen Zahl parallel geschalteter Rohre. Hier besteht die Forderung, daß s¨amtliche Rohre gleichm¨ aßig mit Wasser beaufschlagt werden, um an ihrem Ende Dampf mit einer nur wenig unterschiedlichen Enthalpie zu erhalten. Dazu ist es notwendig, daß jedes Rohr eine stabile Durchflußkennlinie aufweist. Die Untersuchung auf statische Stabilit¨ at wird bei der Konzeption von Zwangdurchlaufdampferzeugern anhand geeigneter Kriterien durchgef¨ uhrt; meist wird dazu die gegenseitige Abh¨ angigkeit von Massenstrom, Druckverlust und Beheizung herangezogen. In Abb. 7.10b sind die Durchflußkennlinien zweier Rohre dargestellt; durch Einbau von geeigneten Str¨omungswiderst¨ anden (z.B. Blenden) k¨ onnen die Kennlinien einander angen¨ahert werden. Eine notwendige Bedingung f¨ ur die statische Stabilit¨at der Durchstr¨ omung ist, daß dp/dm ˙ > 0 ist. Demgegen¨ uber stehen zur Untersuchung auf dynamische Stabilit¨ at keine einfach anzuwendenden Kriterien zur Verf¨ ugung,
198
7 Dampferzeuger
es werden nur pauschale Erfahrungen bzgl. der Systemsicherheit gegen das Auftreten solcher Effekte beachtet, vgl. [8] und [9]. Die Dampferzeuger der seit 1970 in der Bundesrepublik gebauten großen Kohlekraftwerke arbeiten ausschl. nach dem Zwangdurchlaufprinzip. Die Hauptgr¨ unde f¨ ur die Auswahl dieses Systems liegen in den folgenden vorteilhaften Eigenschaften: • Es bestehen keine physikalischen Grenzen f¨ ur den Dampfdruck. • Die Frischdampftemperatur kann u ¨ber einen weiten Lastbereich konstant gehalten werden. • Keine mit der Trommel vergleichbaren dickwandigen Bauteile, daher besonders f¨ ur Gleitdruckbetrieb und schnelles Anfahren geeignet. • Zwangdurchlaufkessel sind relativ unempfindlich gegen brennstoffbedingte Verschmutzungen der Brennkammer. Dem stehen als Nachteile gegen¨ uber: • Die Konstruktion der Brennkammerw¨ ande ist aufwendiger. • Es besteht ein h¨ oherer Kraftaufwand f¨ ur die Speisepumpe. • Die Speisewasserregelung ist empfindlicher. Es ist naheliegend, daß die schraubenf¨ ormige Berohrung der Brennkammer im Vergleich zur Vertikalberohrung gewisse Komplikationen mit sich bringt, so ¨ die Ausbiegungen um die Brenner und den Ubergang auf die Vertikalberohrung im Oberteil der Wand. Ferner ist f¨ ur die nicht selbsttragende Schraubenberohrung ein separates Aufh¨ angesystem notwendig, was zu einer Erh¨ohung der Fertigungs- und Montagekosten f¨ uhrt. Der Vollst¨andigkeit halber sei angemerkt, daß die Windungszahl einer Schraubenwicklung mit zunehmender Nennleistung geringer wird. Der Grund liegt darin, daß der Umfang der Brennkammer in etwa proportional zur dritten Wurzel der Nennleistung ist, aber die Anzahl der erforderlichen Verdampferrohre linear mit der Nennleistung w¨ achst. Auf die schraubenf¨ ormige Wicklung der Verdampferrohre k¨onnte verzichtet werden, wenn es gel¨ ange, die erforderliche Mindestmassenstromdichte zur Vermeidung der Siedekrise in den Rohren abzusenken. Dies ist mit innenberippten Rohren (rifled tubes) m¨ oglich. Durch die auf der Innenseite dieser Rohre angeordneten, gewendelten Rippen wird der Str¨omung ein Drall aufgepr¨ agt, durch die sich der W¨ arme¨ ubergang verbessert und in der Folge die erforderliche Mindestmassenstromdichte geringer wird. Konzepte f¨ ur senkrecht berohrte Verdampferw¨ande von Zwangdurchlaufdampferzeugern unter Verwendung innenberippter Rohre wurden um 1980 von den Firmen Sulzer und Combustion Engineering entwickelt. Die ersten Kessel dieser Art wurden ab 1989 in Japan in Betrieb genommen. Es handelt sich um die Anlagen Kawagoe und Mitsuma mit einer Leistung von jeweils 700 MWel , u ¨ber die auch in der Literatur [10], [11] berichtet wurde. Neu¨ erdings sind auch Uberlegungen deutscher Kesselhersteller zur Verwendung innenberippter Rohre bekannt geworden [12].
7.2 Dampferzeugersysteme
199
7.2.5 Zwangdurchlauf mit Vollastumw¨ alzung Die Schaltung eines Zwangdurchlaufdampferzeugers mit Vollastumw¨alzung – auch u ¨berlagerter Umlauf genannt – ist in Abb. 7.11 dargestellt. Das aus dem Verdampfer austretende Wasser/Dampfgemisch wird in einem Abscheider getrennt. Das Restwasser fließt einem Mischkopf zu, in dem es durch das aus dem Economizer zufließende Speisewasser unter die Siedetemperatur abgek¨ uhlt und anschließend der Umw¨ alzpumpe zugef¨ uhrt wird. Dampferzeuger dieser Bauart werden knapp unterkritisch (ca. 200 bar im Wasserabscheider) oder u ¨berkritisch betrieben. Bei u ¨berkritisch betriebenen Anlagen wird zwi¨ schen Verdampfer und Uberhitzerteil ein Drosselventil angeordnet, um den u ¨berkritischen Druck im Verdampfer auch beim Anfahren zu erreichen. Ein System dieser Art wird von der amerikanischen Gesellschaft Combustion Engineering unter dem Namen Combined Circulation angeboten, vgl. [4].
Überhitzer
Verdampfer
Abscheideflasche
Umwälzpumpe
Economizer
Speisepumpe
Abbildung 7.11. Zwangdurchlaufdampferzeuger mit Vollastumw¨ alzung (schematisch)
Bei unterkritisch betriebenen Kesseln wird die Wasserumlaufzahl gerade so groß gew¨ ahlt, daß in den Verdampferrohren eine zur K¨ uhlung ausreichende Massenstromdichte erreicht wird. Die Umlaufzahl liegt dann knapp u ¨ber 1,0, so daß zur Trennung des Wasser/Dampfgemisches einfache Abscheidezyklone (Abscheideflaschen) ausreichen. Wegen der niedrigen Umlaufzahl ist auch die Bezeichnung Zwangdurchlauf f¨ ur das System gerechtfertigt. Gegen¨ uber dem reinen Zwangdurchlauf ist eine senkrechte Berohrung der Brennkammerw¨ande
200
7 Dampferzeuger
m¨ oglich, da die zur Wandk¨ uhlung erforderliche Mindestmassenstromdichte durch den u ¨berlagerten Wasserumlauf eingehalten werden kann, woraus sich eine einfachere Konstruktion ergibt. Ein Nachteil des u ¨berlagerten Umlaufs besteht darin, daß bei hochwertigen Brennstoffen ein Teil der Brennkammerw¨ ande mit Wand¨ uberhitzern abgedeckt werden muß, weil ansonsten die Verdampferw¨ande mehr W¨arme absorbieren als zur Dampferzeugung notwendig ist. Diese Komponenten sind nicht nur aufwendig, sondern auch empfindlich gegen Verschmutzung und Erosion. Dies ist der Hauptgrund daf¨ ur, daß dieses System bei mit Steinkohle gefeuerten Anlagen nicht und bei mit Braunkohle gefeuerten Anlagen nur dann angewandt wird, wenn kein Wand¨ uberhitzer erforderlich ist. Die Vergr¨ oßerung des Massenstromes durch die Brennkammerumfassungsw¨ ande durch einen u ¨berlagerten Wasserumlauf brachte den Vorteil einer verbesserten Verteilstabilit¨ at zwischen den parallelen Brennkammerrohren. Dies schaffte eine gr¨ oßere Freiheit sowohl hinsichtlich der Betriebsflexibilit¨at als auch bei der konstruktiven Gestaltung der Brennkammerberohrung. Die R¨ uckf¨ uhrung von Sattwasser aus der Abscheideflasche bringt aber auch eine R¨ uckkopplung in das System: Am Wasserabscheider auftretende St¨orungen werden u uckf¨ uhrleitungen und das Mischst¨ uck wieder an den Kes¨ber die R¨ selanfang zur¨ uckgef¨ uhrt. Somit entsteht ungewollt eine R¨ uckkopplung, durch die sich St¨ orungen verst¨ arken k¨ onnen. F¨ ur den Entwurf der Regelung ist die Kenntnis der Stabilit¨ atsbedingungen der Regelstrecke erforderlich, f¨ ur deren Einzelheiten auf die Literatur [13] verwiesen wird.
7.3 Der Verdampfungsprozeß 7.3.1 Str¨ omungsformen und W¨ arme¨ ubergang in den Verdampferrohren Die ausf¨ uhrliche Behandlung dieses Themas geht u ¨ber den Rahmen des Buches hinaus. Die Vorg¨ange werden in vereinfachter Weise soweit dargestellt, wie es f¨ ur das Verst¨ andnis des Gesamtsystems erforderlich ist. Zur Vertiefung sei auf die Literatur verwiesen, vgl. z.B. [14]. Bei unterkritischem Druck erw¨ armt sich das Arbeitsmittel in den Verdampferrohren zuerst bis auf Sattdampftemperatur und beginnt anschließend zu sieden. Der W¨ arme¨ ubergang bei einphasiger Str¨omung ist durch zahlreiche Untersuchungen gut bekannt. F¨ ur turbulente Rohrstr¨omungen von Wasser und Heißdampf mit 7 000 < Re < 106 gilt als N¨aherung f¨ ur den dimensionslosen W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten Nu = 0,02 Re0,8 Pr0,42 (1 + d/l)
2/3
.
Die in (7.12) auftretenden dimensionslosen Zahlen sind: αd Nu = : Nusseltzahl, λ
(7.12)
7.3 Der Verdampfungsprozeß
Re = Pr =
vd : ν η cp
201
Reynoldszahl,
: Prandtlzahl. λ Darin ist d der Rohrdurchmesser und l die Rohrl¨ange, ρ die Dichte, η = ρ ν die dynamische Viskosit¨ at, cp die spezifische W¨ armekapazit¨at und λ die W¨armeleitf¨ ahigkeit des Fluids. α ist die W¨ arme¨ ubergangszahl und v die mittlere Str¨ omungsgeschwindigkeit im Rohr. Die zur Bildung der dimensionslosen Kennzahlen erforderlichen Stoffwerte sind auf die mittlere Mediumstemperatur bezogen. Gleichung (7.12) kann nach dem W¨arme¨ ubergangskoeffizienten α aufgel¨ ost werden: α = 0,02 Φ0,8 d−0,2 λ0,58 cp0,42 η 0,38 (1 + d/l)
2/3
[W/m2 K] .
(7.13)
In (7.13) ist Φ = ρ v die Massenstromdichte. Das Sieden beginnt bereits, wenn der Kern der Rohrstr¨omung noch unterk¨ uhlt ist. Bei Einsetzen der Verdampfung bilden sich anfangs an verschiedenen Orten der Wand Dampfblasen, die sich schließlich von der Wand wegbewegen und in der Fl¨ ussigkeit hochsteigen bzw. beim unterk¨ uhlten Sieden wieder zusammenfallen. Die beim Sieden entstehenden Dampfblasen schließen sich mehr und mehr zu Pfropfen zusammen, bis schließlich eine Ringstr¨omung vorliegt. Dabei bildet sich an der Wand ein Fl¨ ussigkeitsfilm aus, w¨ahrend in der Rohrmitte eine Nebelstr¨ omung vorliegt. Im weiteren Verlauf verschwindet der Fl¨ ussigkeitsfilm, und auch der Nebel l¨ ost sich zu einphasigem Dampf auf, vgl. Abb. 7.12. Das Wandern der Blasen hat eine Fl¨ ussigkeitsbewegung zur Wand hin und damit einen vergr¨oßerten W¨ arme¨ ubergang zur Folge. Solange Blasenverdampfung vorliegt, steigt der W¨ arme¨ ubergang mit der Heizfl¨achenbelastung. F¨ ur beheizte Verdampferrohre gilt nach [4] in erster N¨aherung bis etwa 95% des kritischen Dampfdruckes 0,0025 −0,73 ϑS 0,67 α = 0,061 q [W/m2 K] , (7.14) 1− 378,64 hierbei ist q die W¨ armestromdichte in W/m2 und ϑS die Sattdampftemperatur ◦ in C. Die W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten sind beim Verdampfen sehr groß: Bei alt man z.B. α = 3,6 · 104 W/m2 K. p = 150 bar und q = 5 · 104 W/m2 erh¨ Bei zu großer, u achenbelastung bildet sich an der Wand ¨berkritscher Heizfl¨ ein geschlossener Dampffilm. Der W¨ armetransport erfolgt dann nur durch W¨ armeleitung des Dampfes. Durch dessen Isolationswirkung nimmt der W¨arme¨ ubergang ab und die Wandtemperatur entsprechend zu. Der Ort, an dem der beschriebene Effekt auftritt, heißt Burnoutstelle, vgl. Abb. 7.13a. Dieser Effekt wird in der Literatur auch Siedekrise erster Art, Burnout oder Departure from Nucleate Boiling (DNB) genannt. ¨ Eine Siedekrise zweiter Art, tritt beim Ubergang von der Ring- in die Nebelstr¨ omung durch das Austrocknen“ des Wasserfilms auf. In der Literatur ”
202
7 Dampferzeuger
JW
Jm Js l
l g
f 2 e d 1 c b a J
0
x 1 a b c d e f g
einphasige Fl¨ ussigkeitsstr¨ omung unterk¨ uhltes Sieden Blasenstr¨ omung Pfropfen/Blasenstr¨ omung Film- oder Ringstr¨ omung Nebel- oder Spr¨ uhstr¨ omung einphasige Dampfstr¨ omung
1 2
Ort der Siedekrise 1. Art Ort der Siedekrise 2. Art
ϑW Wandtemperatur ϑm Mittlere Fluidtemperatur ϑS Siedetemperatur
Abbildung 7.12. Str¨ omungsformen im Siederohr
wird dies meist als Dryout bezeichnet, vgl. Abb. 7.13b. Die Auswirkungen des Dryout sind allerdings geringer als die des Burnout, weiter kann Dryout nur bei Zwangdurchlaufsystemen auftreten. Beide Siedekrisen haben eine Verringerung des W¨arme¨ ubergangs und damit einen Anstieg der Rohrtemperatur zur Folge. Die Gr¨oßenordung des Temperaturanstiegs ist f¨ ur den Dryout beispielhaft in Abb. 7.14 dargestellt. Diese Abbildung zeigt ferner, daß der Dryout bei Ann¨aherung an den u ¨berkritischen Druck in seinen Auswirkungen geringer wird. Die Rohrwandtemperatur hat dann im entsprechenden Enthalpiebereich des Arbeitsmittels kein ausgesprochenes Maximum mehr. ¨ Um die Ubertemperaturen auf vom Rohrwerkstoff ertragbare Werte zu beschr¨ anken, darf die Heizfl¨ achenbelastung bei vorgegebener Massenstromdichte des Arbeitsmittels im Rohr einen bestimmten Grenzwert nicht u ¨berschreiten
7.3 Der Verdampfungsprozeß Nebelströmung
203
Dryoutstelle
Filmverdampfung
Burnoutstelle
Blasenschicht Flüssigkeit
Blasenverdampfung
a)
b)
Abbildung 7.13. a) Dampffilmbildung bei der Siedekrise erster Art (Burnout) b) Austrocknen des Wasserfilms bei der Siedekrise zweiter Art (Dryout)
800 T [°C]
200
700
180
Naßdampf Einphasiges Medium (Wasser bzw. Dampf)
210
600 220
500 230 bar
400 300 1000
1500
2000
2500 3000 h [kJ/kg]
Abbildung 7.14. Rohrwandtemperatur, gemessen an einem waagerechten Rohr bei einer Massenstromdichte von 700 kg/m2 s und einer Heiz߬ achenbelastung von 465 kW/m2
bzw. umgekehrt die Massenstromdichte einen gewissen Wert nicht unterschreiten, vgl. Abb. 7.15. Im Unterschied zum Blasensieden ist es bei der Filmverdampfung schwierig, allgemein anwendbare Berechnungsgleichungen anzugeben. Es wird daher auf die Literatur verwiesen [15]. F¨ ur den Konstrukteur eines Verdampfers ist es wichtig zu wissen, • an welchem Ort des Verdampfers mit dem Einsetzen des Filmsiedens zu rechnen ist, • an welcher Stelle der W¨ arme¨ ubergang am geringsten ist und • wie groß die minimalen W¨ arme¨ ubergangszahlen sind. Zur Beantwortung dieser Fragen sind in der Literatur zahlreiche Ergebnisse bekannt, man vgl. z.B. [16]. Es sei noch darauf hingewiesen, daß die W¨arme¨ ubergangskoeffizienten f¨ ur fossil gefeuerte Dampferzeuger sehr groß sind – typisch sind Werte um 1– arme¨ uberg¨ange sind dagegen bis 2 · 104 W/m2 K. Die rauchgasseitigen W¨
204
7 Dampferzeuger
1,00 qA [MW/m²] 0,75
700 kg/m²s 1000 kg/m²s
170 200
0,50 170bar
0,25
210 200
0 1500
2000
180
3000 2500 h [kJ/kg]
Abbildung 7.15. Grenzwert f¨ ur die Heizfl¨ achenbelastung qA beim Einsetzen der Filmverdampfung, gemessen an einem waagerechten Rohr und halbseitiger Beheizung
auf die Bereiche in Flammenn¨ ahe wesentlich geringer, so daß diese f¨ ur den W¨ armedurchgang maßgebend sind und der W¨arme¨ ubergang beim Verdampfen bis auf den Bereich des Dryout nur eine untergeordnete Rolle spielt. Zur Beherrschung des Dryout wird deshalb vielfach die Restverdampfung in Bereiche geringer rauchgasseitiger W¨ armestromdichten gelegt. Die Anwendung h¨ oherer Massenstromdichten und damit h¨oherer Str¨omungsgeschwindigkeiten findet eine Grenze im Druckverlust ∆p des Rohrsystems, der von der Speisepumpe aufgebracht werden muß. Nach einem bekannten Zusammenhang aus der St¨ omungsmechanik gilt ρ 2 l v λ , (7.15) 2 d worin λ der Druckverlustbeiwert, ρ die mittlere Dichte, v die mittlere Geschwindigkeit, l die L¨ ange und d der Durchmesser des Rohres ist. Bei turbulenten Str¨ omungen ¨ andert sich λ nur wenig mit v, so daß ∆p in erster N¨aherung proportional zu v 2 ist. F¨ ur ρ = const ist die Beziehung abschnittsweise anzuwenden. Bei Zweiphasenstr¨ omungen, wie sie in Verdampfern bei unterkritischen Dr¨ ucken vorkommen, ist der Zusammenhang zwischen Druckverlust und den Str¨ omungsgr¨ oßen komplexer, denn es besteht eine zus¨atzliche Abh¨angigkeit vom Dampfgehalt und dem Druck der Zweiphasenstr¨omung. Dies kann durch einen zus¨ atzlichen Faktor ber¨ ucksichtigt werden. Die zu (7.15) ¨aquivalente Gleichung lautet dann ∆p =
l ∆p =
ρ 2 1 v fze λ dx . 2 d
(7.16)
0
Hier ist fze das Verh¨ altnis zwischen dem differentiellen Druckverlust einer Zweiphasen- zu einer Einphasenstr¨ omung. Die rechte Seite ist u ¨ber die
7.3 Der Verdampfungsprozeß
205
Rohrl¨ ange zu integrieren, wobei zu ber¨ ucksichtigen ist, daß fze vom Dampfgehalt und damit vom Ort abh¨ angt. Experimentelle Ergebnisse u ¨ber fze sind in Abb. 7.16 zusammengestellt. 103
p=1bar
f ze 10
10 2 50 100
101
150 200
100
bei pkrit=221,2bar
0
0,25
0,5
0,75
x
1,0
Abbildung 7.16. Verh¨ altnis der Druckverluste von Zweiphasen- zu Einphasenstr¨ omung
7.3.2 Durchfluß und Massenstromdichte im Verdampfer Die Massenstromdichte ist bei Zwangdurchlaufdampferzeugern mit Teillastumw¨ alzung oberhalb des Mindestverdampferdurchflusses proportional zur ¨ Last, darunter wird sie durch Teillastumw¨ alzung oder Uberspeisung konstant gehalten. Bei Anlagen mit u berlagertem Umlauf ist die Massenstromdichte ¨ im Verdampfer nahezu konstant. Beim Naturumlauf erh¨oht sich die Massenstromdichte im Verdampfer mit der Beheizung, wobei der Druckverlust im Verdampfer durch den Auftrieb des Wasser/Dampfgemisches ohne zus¨atzliche Pumpenleistung u ¨berwunden wird, vgl. Abb. 7.17. Beim Anfahren k¨ onnen bereits bei geringer Feuerleistung in unmittelbarer Brennern¨ ahe ¨ortlich die maximalen W¨ armestromdichten auftreten, insofern entspricht der erforderliche Verdampfermindestdurchfluß zur K¨ uhlung der Siederohre nahezu dem bei Vollastbedingungen. Bei Naturumlaufsystemen ist u.a. aus diesem Grund die zul¨ assige Feuerleistung beim Anfahren beschr¨ankt. Bei Zwangdurchlaufdampferzeugern kann auf eine Umw¨alzpumpe verzichtet werden, wenn nur selten angefahren wird (bei Grundlast) und der Durch¨ fluß bei Betrieb unterhalb der Zwangdurchlaufmindestlast durch Uberspeisen
206
7 Dampferzeuger Verdampferdurchfluß
>500
% 100 Umwälzung
Naturumlauf
Umwälzung
50 Speisung
Speisung
Speisung
0 Massenstromdichte im Verdampfer 3000 kg/m²s
2000 1000 0 0
50
% 100 0
50
% 100 0
50
% 100
Dampfleistung
Abbildung 7.17. Durchfluß und Massenstromdichte in verschiedenen Verdampfern: Zwangdurchlaufdampferzeuger mit Teillastumw¨ alzung (links), Zwangdurchlaufdampferzeuger mit Vollastumw¨ alzung (mitte), Naturumlaufdampferzeuger (rechts)
sichergestellt wird. Das im Abscheider anfallende Wasser wird dann durch ein Ventil abgef¨ uhrt. Beim Schwachlast-Umw¨ alzbetrieb wird dagegen der Wasserstand im Niveaugef¨ aß durch den Speisewasserstrom geregelt und der Verdampferdurchfluß mit der Umw¨ alzpumpe aufrecht erhalten, vgl. Abb. 7.18. Aus dem Schema ist in Str¨ omungsrichtung des Wassers bzw. Dampfes die Reihenfolge der einzelnen Heizfl¨ achenpartien sowie deren Aufteilung in Str¨ange zu ersehen. In den Verbindungsleitungen der einzelnen Abschnitte sind die Einspritzstellen zur Temperaturregelung angeordnet. Dargestellt ist auch die Schwachlasteinrichtung mit den Abscheidern zur Wasser/Dampftrennung hinter dem Verdampfer. Im Zwangdurchlaufbetrieb wird der Speisewasserstrom so gef¨ uhrt, daß die Temperatur (Enthalpie) hinter dem Verdampfer in einem vorzugebenden Be¨ reich liegt. Der Ubergang vom Umw¨ alz- auf den Zwangdurchlaufbetrieb kann st¨ orungsfrei erfolgen, wenn der Temperatur- oder Enthalpieregler den Spei¨ ¨ sewasserstrom so f¨ uhrt, daß im Ubergangsbereich die Uberhitzung am Verdampferaustritt nur gering ist, vgl. Abb. 7.19.
7.3 Der Verdampfungsprozeß
207
Verdampfer
Eco
Abbildung 7.18. Heiz߬ achenschaltschema eines Zwangdurchlaufdampferzeugers (EVT) 3000
340°C
380°C
420°C
h 300°C [kJ/kg] 2800
2600
2400
2200 50
100
150
200
p [bar]
250
Abbildung 7.19. Sollwertbereich der Verdampferaustrittstemperatur eines Zwangdurchlaufdampferzeugers im ¨ Ubergangsbereich zum Schwachlastbetrieb
7.3.3 Wasser/Dampftrennung Eine Wasser/Dampftrennung wird bei Systemen mit festgehaltenem Verdampfungsendpunkt in allen Lastbereichen durchgef¨ uhrt, bei Zwangdurchlauf mit Schwachlastumw¨ alzung dagegen nur im Schwachlastbereich. Die Was-
208
7 Dampferzeuger
ser/Dampftrennung wird bei Naturumlauf- und Zwangumlaufsystemen in Trommeln und bei Zwangdurchlaufsystemen in Abscheidern vorgenommen. Die Abscheider haben gegen¨ uber den Trommeln den Vorteil, daß sie wesentlich geringere Wanddicken aufweisen und damit gr¨oßere Temperaturtransienten zul¨ assig sind, vgl. Abb. 7.4. Bei den Zwangdurchlaufsystemen erfolgt die Wasserabscheidung in Zyklonen, vgl. Abb. 7.20. Dabei ist es unerheblich, ob die Trennung in einem großen oder mehreren kleinen Abscheidern erfolgt. Letztere haben den Vorteil, daß ihre Wanddicke geringer ist, und sich dadurch gr¨ oßere zul¨assige Temperaturtransienten ergeben. Bei den Abscheidern wird durch eine tangentiale Einstr¨omung des Wasser/Dampfgemisches in den zylindrischen Abscheideraum eine Drallstr¨ omung erzeugt. Im Zentrifugalfeld dieser Str¨omung werden Wasser und Dampf aufgrund ihrer unterschiedlichen Dichte getrennt. Der Trenngrad ist haupts¨ achlich vom Druck des einstr¨ omenden Naßdampfes abh¨angig, aber auch die Volumenbelastung des Abscheiders, das ist das Verh¨altnis aus Massenstrom und Abscheidervolumen, und die H¨ ohe des Wasserstandes k¨onnen nicht vernachl¨ assigt werden. Bei gut ausgelegten Abscheidern liegt der Wassergehalt des abstr¨ omenden Dampfes bei einem Druck von 60 bar bei ca. 4% und der Dampfgehalt des abstr¨ omenden Wassers bei 1%; bei 180 bar liegen die entsprechenden Werte bei ca. 10% und 6%. F¨ ur den Aufbau der Speisewasserregelung von Zwangdurchlaufdampferzeugern im Umw¨alzbetrieb wird der Wasserstand im Abscheidegef¨aß herangezogen. Um durch St¨ orungen bedingte Schwankungen in der Speisung abzufangen, muß das Abscheidegef¨ aß einen ausreichend großen Wasserspeicher aufweisen, vgl. hierzu die Abmessungen des in Abb. 7.20 dargestellten Abscheiders. In den Trommeln erfolgt die Wasser/Dampftrennung bei Anlagen mit einer Dampfleistung unter ca. 250 t/h und Dr¨ ucken unter ca. 140 bar im einfachsten Falle durch die Schwerkraft oder mit Hilfe von einfachen Einbauten, vgl. Abb. 7.21. Die Einbauten m¨ ussen so ausgef¨ uhrt sein, daß das abgeschiedene Wasser frei in den Wasserraum ablaufen kann und nicht von anderen Dampfstrahlen wieder aufgewirbelt wird. F¨ ur eine gute Abscheidung muß eine ausreichend große Trennfl¨ ache zwischen der Wasser- und Dampfphase zur Verf¨ ugung stehen. Die Geschwindigkeit des aufsteigenden Dampfes muß so gering sein, daß keine Wassertropfen mitgerissen werden. Diese Bedingung verlangt eine Mindestgr¨ oße f¨ ur den Dampfraum einer Trommel: VD =
m ˙D ρD ∆
mit oße des Dampfraumes in m3 , VD Gr¨ ρD Dichte des Sattdampfes in kg/m3 , m ˙ D Dampfmassenstrom in kg/s und
(7.17)
7.3 Der Verdampfungsprozeß
209
Dampf zu den Überhitzern
A
A
Schnitt “A-A” Wasser+Dampf
26m
Schnitt “B-B”
800
B
B
zur Umwälzpumpe
Abbildung 7.20. Prinzipieller Aufbau und Hauptabmessungen eines Wasserabscheiders f¨ ur einen 1 000 t/h-Dampferzeuger mit u ¨berlagertem Umlauf. Solche Abscheideflaschen werden meist aus Feinkornbaustahl mit Wandst¨ arken von ca. 80 mm gefertigt
∆ Dampfraumbelastung (V˙D /V ) in s−1 . F¨ ur die Dampfraumbelastung liegen Erfahrungswerte vor. Sie h¨angt wesentlich vom Dampfdruck und von der Speisewasserqualit¨at ab; f¨ ur die maximal zul¨ assige Dampfraumbelastung gilt die empirische Beziehung ∆max = 0,264 · 103 p−0,7 λ−0,61 [s−1 ] .
(7.18)
Hier ist p der Trommeldruck in bar und λ die elektrische Leitf¨ahigkeit des Kesselspeisewassers in Mikrosiemens pro cm (µS/cm). Zwischen der Leitf¨ahigkeit und dem Salzgehalt besteht ein direkter Zusammenhang; durchschnittlich entspricht einem Salzgehalt von 1 mg/l ein Leitf¨ahigkeitswert von 2 µS/cm. Grunds¨ atzlich nimmt die Abscheidewirkung der Trommel mit zunehmender Dampfraumbelastung ab. Die zul¨ assige Dampfraumbelastung h¨angt nat¨ urlich auch von der Einf¨ uhrung der Steigrohre in die Trommel und den Einbauten ab. Bei Dampferzeugern f¨ ur Kraftwerke werden in die Trommel meist kleine Zyklone eingebaut, die die Wasser/Dampftrennung zus¨atzlich unterst¨ utzen. Mit solchen Einbauten werden Abscheidegrade von > 98% erreicht, vgl. Abb. 7.21. Die zul¨ assige Dampfraumbelastung verliert bei dieser Konstruktion ihre Bedeutung. Der Trommeldurchmesser wird vielmehr durch den Platzbedarf der
210
7 Dampferzeuger zum Überhitzer
Kesseltrommel mit Demister
A
A-B
Anschluss Wasserstand C
Demister
C-D
Demister
D
vom Verdampfer
Lochblech
Überlauf Entsalzung
B
Lochblech Anschluss Fallrohr
Speisewasser-Eintritt
Kesseltrommel mit einseitiger Zyklonanordnung A
zum Überhitzer
A-B
Anschluss Wasserstand
C-D
D
C
vom Verdampfer Entsalzung
B
Speisewasser-Eintritt Überlauf
zum Fallrohrsammler
Zyklone
Kesseltrommel mit zweiseitiger Zyklonanordnung
zum Überhitzer A
A-B
C-D
D
C
Zyklone B vom Verdampfer
vom Verdampfer
Anschluss Fallrohr
Speisewasser-Eintritt
Abbildung 7.21. Trommelbauarten. Oben ist eine Trommel f¨ ur Anlagen mit Dr¨ ucken bis ca. 150 bar dargestellt, die zur Unterst¨ utzung der Dampfabscheidung Lochbleche zur Vermeidung einer Wellenbildung und Tropfenf¨ anger (Demister) besitzt. Die beiden anderen Ausf¨ uhrungen werden f¨ ur Dr¨ ucke gr¨ oßer ca. 150 bar verwendet, wobei zur Unterst¨ utzung der Wasserabscheidung Zyklone und Leitbleche eingebaut sind
Zyklone bestimmt. Bei Kraftwerksdampferzeugern werden bei Trommeldurchmessern von ca. 2 m Leistungen von 50 t/h je Meter Trommell¨ange erreicht. Die Zuf¨ uhrung des Speisewassers soll gleichm¨aßig u ¨ber die L¨ange der Trommel erfolgen und darf weiter den Abscheidevorgang in der Trommel nicht ¨ st¨ oren. Ublicherweise ist die Trommel etwa zur H¨alfte mit Wasser gef¨ ullt, wo-
7.3 Der Verdampfungsprozeß
211
bei im Betrieb ein Mindestwasserstand nicht unterschritten und ein H¨ochstwasserstand nicht u ¨berschritten werden darf. Bei zu geringem Wasserstand besteht die Gefahr, daß die Verdampferrohre nicht ausreichend mit Wasser versorgt und damit ¨ ortlich u ¨berhitzt werden. Bei zu hohem Wasserstand und auch bei starken Wasserstandschwankungen sowie großen Dampfentnahmen ¨ kann Wasser aus der Trommel in die Uberhitzer mitgerissen werden. Das Mitreißen von Wasser ist deshalb gef¨ ahrlich, weil im Trommelwasser Salze gel¨ost ¨ sein k¨ onnen. Diese lagern sich beim Verdampfen in den Uberhitzerrohren ab; durch die Isolierwirkung der Ablagerungen wird das Rohrmaterial an diesen Stellen langsam u ¨berhitzt und kann schließlich reißen. Bei der Konzeption der Wasserstandsregelung ist zu beachten, daß es durch die erh¨ ohte Einspeisung von unterk¨ uhltem Speisewasser in die Trommel zu einer Kondensation von im Trommelwasser vorhandenen Dampfblasen kommt. Dadurch kann es unter gewissen Randbedingungen zu einer Umkehr der Niveaubewegung kommen: Bei einer Erh¨ ohung des Speisewasserstromes sinkt der Wasserspiegel zun¨ achst und beginnt erst nach einer gewissen Zeit anzusteigen. Beispiel 7.2. F¨ ur einen Naturumlaufdampferzeuger mit einer Dampfleistung von 640 kg/s soll die Dampftrommel ausgelegt werden. Der Innendruck betrage 180 bar; die zugeh¨ orige Dichte des Sattdampfes ρD ist 133,4 kg/m. Die Dampfraumbelastung ahigkeit ist mit ∆ = 230 h−1 vorgegeben. Das Kesselspeisewasser besitzt eine Leitf¨ von 2 000 µS/cm. Die L¨ ange der Trommel sei 39 m, die Wanddicke 150 mm. a) Man berechne den Außen- und Innendurchmesser der Trommel unter der Annahme, daß der Dampfraum VD der H¨ alfte des Trommelvolumens entspricht. b) Vergleiche die angegebene Dampfraumbelastung mit der empfohlenen maximalen Belastung f¨ ur Trommelkessel. L¨ osung. a) Aus den Vorgaben wird mit (7.17) das Volumen des Dampfraumes der Trommel zu VD = 75,1 m3 bestimmt. Unter der Annahme, daß die Trommel zur H¨ alfte gef¨ ullt ist, folgt f¨ ur das Trommelvolumen π 2 VTr = 2 VD = d l , 4 i woraus der erforderliche Innendurchmesser
di =
8 VD πl
= 2 214 mm
bestimmt werden kann. Aus einer Festigkeitsberechnung ergibt sich bei Verwendung eines Feinkornbaustahls eine Wanddicke von ca. 150 mm und damit ein Außendurchmesser von da = 2 520 mm. b) (7.18) liefert die maximale Dampfraumbelastung ∆max = 243 h−1 . Damit ist ullt. ∆max > ∆ und die Bedingung bzgl. der Dampfraumbelastung erf¨
212
7 Dampferzeuger
7.4 Konvektivheizfl¨ achen 7.4.1 Allgemeines Die W¨ arme¨ ubertragung von den heißen Rauchgasen auf das Arbeitsmittel kann durch Strahlung oder Konvektion erfolgen. Je nachdem ob die Strahlung oder Konvektion u ¨berwiegt, teilt man die Heizfl¨achen in Strahlungs- und Konvektionsheizfl¨ achen auf. Typische Strahlungsheizfl¨achen sind die Brennkammerw¨ ande, w¨ahrend bei den B¨ undelheizfl¨ achen, die aus einer Vielzahl von parallel geschalteten Rohren bestehen, die Konvektion u ¨berwiegt. Vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus sind Konvektivheizfl¨achen, da sie u ¨ber den gesamten Rohrumfang wirksam sind, bei mittleren Rauchgastemperaturen g¨ unstiger als Strahlungsheizfl¨ achen, die nur mit den projizierten Fl¨ achen am W¨ armeaustausch teilnehmen. Bei einer Temperaturdifferenz von 500 K zwischen Wand und Rauchgas und einer W¨arme¨ ubergangszahl von ur die Konvektivheizfl¨ ache eine W¨armestromdichte von 80 W/m2 K ergibt sich f¨ 40 kW/m2 . Zum Erzielen einer gleichen W¨ armeleistung w¨are bei der Strahlungsheizfl¨ ache auf das eingebaute Rohr bezogen eine um den Faktor π gr¨oßere W¨ armestromdichte erforderlich. Bei Gastemperaturen von 1 000◦ C sind aber nur 60 kW/m2 vorhanden. Die Strahlung tr¨ agt also im Temperaturbereich arme¨ ubergang bei als die Konvektion. unter ca. 1 200◦ C weniger zum W¨ ¨ Die Konvektivheizfl¨ achen werden in Uberhitzer, Zwischen¨ uberhitzer und ¨ Economizer unterteilt. Uberhitzer und Zwischen¨ uberhitzer haben die Aufgabe, den erzeugten bzw. den von der Turbine kommenden Dampf auf die geforderten Temperaturen zu bringen, w¨ ahrend dem Economizer die Aufgabe zukommt, die Abgastemperatur abzusenken. Bestimmend f¨ ur die Position der Konvektivheizfl¨achen im Rauchgasweg ist aber die Gefahr der Bildung von Verschmutzungen und Korrosionen an heißliegenden Heizfl¨ achen. Beide sind von den Ascheeigenschaften und der Temperatur der Rauchgase abh¨ angig. Die Auslegung und auch das Betriebsverhalten der B¨ undelheizfl¨ achen wird vor allem durch die rauchgasseitigen Verschmut¨ zungen stark beeinflußt. Die Korrosion der Uberhitzerrohre entsteht durch einen Diffusionsprozeß in den Bel¨ agen auf den Rohren, wobei ein Maximum des Korrosionsabtrages bei Metalltemperaturen im Bereich von 700◦ C liegt, wenn Steinkohle verfeuert wird, vgl. [17]. Es gilt demnach, Rohrwandtemperaturen u ¨ber ca. 620◦ C zu vermeiden. Neben der Verminderung des W¨ arme¨ ubergangs f¨ uhren die Ascheablagerungen auf den Rohren auch zu einer h¨ oheren Geschwindigkeit der Rauchgase. Dies f¨ uhrt zu einer Vergr¨ oßerung der rauchgasseitigen Geschwindigkeiten und des Druckverlustes und beg¨ unstigt ferner den Verschleiß infolge Erosion durch die Aschepartikel. Nach bestehenden Erfahrungen ist die Erosionsrate assige Rauchgasgeschwindigkeit in den Konvektivproportional zu v 3,5 . Die zul¨ heizfl¨ achen h¨ angt wesentlich vom Aschegehalt und der Art der Asche ab. Bei ¨ oder mit Gas befeuerten Kesseln – bei denen praktisch keine Asche mit Ol in den Rauchgasen vorhanden ist – sind Geschwindigkeiten von 20–25 m/s
7.4 Konvektivheiz߬ achen
213
u ¨blich, dagegen wird sie bei Steinkohle auf 9–12 m/s und bei Braunkohle auf 8–10 m/s beschr¨ankt. W¨ armetechnisch wird die Verschmutzung durch eine aus Erfahrungen resultierende Abwertung der W¨ arme¨ ubertragungsfl¨achen ber¨ ucksichtigt. Abh¨ angig vom Brennstoff liegen die Abwertungsfaktoren in der Brennkammer zwischen 0,6 (z.B. Braunkohle) und 1,0 (Erdgas) und in den B¨ undelheizfl¨achen zwischen 0,7 und 0,9. Wegen der geringeren Gefahr von Br¨ uckenbildung durch Ablagerungen auf den W¨ armeaustauscherrohren und der g¨ unstigeren Bedingungen f¨ ur eine Abreinigung hat sich bei Kraftwerksdampferzeugern die fluchtende Anordnung der Rohre in den Heizfl¨ achen durchgesetzt. Die Querteilung in den Rohrb¨ undeln wird dabei in Abh¨ angigkeit vom Verschmutzungsverhalten des Brennstoffes und der Rauchgastemperatur festgelegt, vgl. Tabelle 7.2. Tabelle 7.2. Querteilung in den B¨ undelheizfl¨ achen Temperatur [◦ C] 1 050–1 300 900–1 050 700– 900 < 700
Querteilung [mm] Kohle
¨ Ol/Gas
800 400 200 100
160 160 80 80
Zur Beseitigung von rauchgasseitigen Verschmutzungen an den Konvektivund Wandheizfl¨ achen werden bei Kraftwerksdampferzeugern Rußbl¨ aser angewendet. Diese entfernen Bel¨ age mit Hilfe von Dampf-, Luft- oder auch Wasserstrahlen. 7.4.2 W¨ arme¨ ubergang F¨ ur den rauchgasseitigen W¨ arme¨ ubergang sind Konvektion und Strahlung bestimmend. Es kann ein ¨ außerer W¨ arme¨ ubergangskoeffizient definiert werden durch α A + αS AS αa = K K (7.19) Aa mit: αK αS αa AK AS Aa
W¨ arme¨ ubergangskoeffizient durch Konvektion, W¨ arme¨ ubergangskoeffizient durch Strahlung, außerer W¨ arme¨ ubergangskoeffizient, ¨ Konvektionsheizfl¨ ache, Strahlungsheizfl¨ ache, und außere Heizfl¨ ache (meist wird Aa = AK gesetzt). ¨
214
7 Dampferzeuger
Beim konvektivem W¨ arme¨ ubergang an querangestr¨omten Rohrb¨ undeln gilt f¨ ur die Nusseltzahl Nu = 0,287 Re0,6 Pr0,364 fe .
(7.20)
Hier ist Re die mit dem Rohrdurchmesser und der Geschwindigkeit in den Rohrgassen gebildete Reynoldszahl und Pr die Prandtlzahl. fe ist ein Korrekturfaktor nach Abb. 7.22. αK kann aus der Definition der Nusseltzahl αK da λ bestimmt werden.
(7.21)
tb
tb
Nu =
4,0 tl
t b/d=1,1
fe
t b/d=1,1
fe
1,2
3,0
1,2
3,0
1,3
1,3
1,4
1,4 1,5 1,6
1,5 1,6 1,8
2,0
1,8 2,0
2,0
2,0
2,5 3,0 4,0
2,5 3,0 4,0
5,0
5,0
1,0 1,0
2,0
d
tl
d
4,0
3,0 4,0 rel. Längsteilung tl /d
5,0
1,0 1,0
2,0
3,0 4,0 rel. Längsteilung tl /d
5,0
Abbildung 7.22. Korrekturfaktor fe
F¨ ur den analog zum konvektiven W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten definierten Koeffizienten f¨ ur die Strahlung folgt durch Umformung des Stefan-Boltzmann’schen Gesetzes f¨ ur graue K¨ orper αS = ε σS
T4 − T4 RG
W
TRG − TW
.
(7.22)
TRG bezeichnet die Temperatur des Rauchgases und TW die Oberf¨achentemperatur des W¨ armeaustauschers. F¨ ur die Berechnung von ε kann (6.15) verwendet werden, wobei zur Ber¨ ucksichtigung der komplexeren Geometrie in Anlehnung an den hydraulischen Durchmesser die Schichtdicke
7.4 Konvektivheiz߬ achen
215
4V (7.23) A eingef¨ uhrt wird. Hier ist V das Volumen des Gask¨orpers und A die vom Gask¨ orper umschlossene W¨ armeaustauschfl¨ ache. Bei B¨ undelheizfl¨achen mit versetzten bzw. fluchtenden Rohren gilt
2 tl tb s= (7.24) − da . 3 da s = 0,85
angs- und tb die Querteilung der Dabei ist da der Rohrdurchmesser, tl die L¨ Heizfl¨ ache, vgl. Abb. 7.22. 7.4.3 Rohrwandtemperaturen Der W¨ armeaustausch in den Konvektivheizfl¨achen erfolgt zun¨achst durch W¨ armestrahlung und/oder Konvektion von den heißen Rauchgasen an die Außenwand des Rohres, von dort durch W¨ armeleitung auf die Rohrinnenseite und von dort schließlich durch W¨ arme¨ ubertragung auf den Wasserdampf. F¨ ur den Gesamtvorgang gilt λ Q˙ = αa Aa ϑRG − ϑW = A ϑW − ϑW a a i s (7.25) = αi Ai ϑW − ϑD = k Aa ϑRG − ϑD . i
Hier ist A der Mittelwert von Aa und Ai und k der W¨armedurchgangskoeffizient. ϑW ist die Wandtemperatur und ϑD die Temperatur des Dampfes; die Indizes i und a stehen f¨ ur die innere bzw. ¨ außere Rohrwand. Da die heißen Rauchgase einen sehr viel kleineren W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten haben als das k¨ altere Medium, wird k auf die Außenfl¨ ache Aa bezogen. Betrachtet man die Gleichung n¨ aher und setzt dabei Aa = Ai = A, erkennt man, daß die Temperaturdifferenz ϑRG − ϑW von αa , a die Temperaturdifferenz ϑW − ϑW von s/λ und a i die Temperaturdifferenz ϑW − ϑD von αi i
abh¨ angt und sich diese auch gegenseitig beeinflussen. Diese Abh¨angigkeit kann man ausnutzen, um gewisse Effekte zu erzielen. So kann man z.B. durch Vergr¨ oßerung von αi die Temperaturdifferenz ϑW − ϑD verkleinern. Als Folge bei kommt man zus¨ atzlich ein kleineres ϑRG , ein gr¨oßeres Q˙ oder ein kleineres A, ¨ je nachdem welche Gr¨ oßen konstant gehalten werden. Diese Uberlegung zeigt, daß zur Beeinflussung der Wandtemperatur nicht nur eine Gr¨oße ge¨andert werden kann. Die Berechnung der Wandtemperaturen kann entweder von ϑW oder ϑW a i ausgehend begonnen werden. Ihre Kenntnis ist f¨ ur die Festigkeitsberechnung und die Materialauswahl von großer Bedeutung. Man erkennt dies aus der bekannten Gleichung zur Berechnung der Rohrwanddicke
216
7 Dampferzeuger
s=
da p . 2 K/S
(7.26)
Hier ist s die Wanddicke, da der Außendurchmesser, p der h¨ochstzul¨assige Druck im Rohr, K die Festigkeitskennzahl und S ein Sicherheitsbeiwert. Die Wanddicke f¨ ur beheizte Rohre w¨ ahlt man i.allg. nicht dicker als 6 mm, da sonst zu große W¨ armespannungen auftreten k¨onnen. Eine Druckerh¨ohung, die aus Wirkungsgradgr¨ unden erw¨ unscht ist, f¨ uhrt deshalb bei gleicher Materialqualit¨ at zu geringeren Rohrdurchmessern.8 ¨ 7.4.4 Uberhitzer ¨ Zweck der Uberhitzer ist es, den Hochdruckdampf auf die geforderte Temperatur zu bringen. Dabei ist sicherzustellen, daß zul¨assige Materialtemperaturen nicht u osung der Aufgabe wird durch die ¨berschritten werden. Die L¨ ungleichm¨ aßige Temperatur (Temperaturschieflage) der aus der Brennkammer zustr¨ omenden Rauchgase erschwert. Diese Temperatur kann sich nicht auf dem relativ kurzen Weg durch die Heizfl¨achen durch Quervermischung ausgleichen. Eine ungleiche Beheizung einzelner Rohrschlangen hat eine unterschiedliche Enthalpiezunahme des durch diese Rohre str¨omenden Dampfes zur Folge. ¨ Es ist klar, daß die Temperaturstreuung am Ende des Uberhitzers propor¨ tional zur W¨ armeaufnahme ist. Es ist also zweckm¨aßig, den Uberhitzer in mehrere Stufen zu unterteilen. Wird zus¨ atzlich noch eine Aufteilung der ein¨ zelnen Uberhitzerstufen u ¨ber die Kesselbreite in Str¨ange vorgenommen und werden diese innerhalb des Rauchgasweges vertauscht, kann eine weitere Verminderung der Temperaturstreuung erreicht werden, vgl. Abb. 7.18. Beispiel 7.3. Der End¨ uberhitzer einer kohlegefeuerten 740 MW-Anlage ist im Gleichstrom geschaltet und im Temperaturbereich zwischen 950 und 1 085◦ C angeordnet. Der Dampf (210 bar) wird von 476 auf 535◦ C erhitzt. Die Querteilung des B¨ undel¨ uberhitzers betr¨ agt 480 mm, die L¨ angsteilung 60 mm und die Rohrabmessungen sind 38 × 5 mm. Die Massenstromdichte Φ des Dampfes betr¨ agt 1 200 kg/m2 s. ◦ Gegeben sind ferner die Dampfdaten f¨ ur 210 bar, 535 C: ρ = 66,0 kg/m3 ,
λ = 0,09 W/mK,
η = 31 · 10−6 Pas,
Pr = 0,9,
und die Stoffwerte des Rauchgases f¨ ur 1 bar und 950◦ C: ρ = 0,28 kg/m3 ,
λ = 0,09 W/mK,
η = 45 · 10−6 Pas,
Pr = 0,58.
Die W¨ armeleitf¨ ahigkeit des Rohrmaterials λR ist mit 50 W/mK anzusetzen. Zu ¨ berechnen sind die Rohrwandtemperaturen am Uberhitzeraustritt. 8
Richtlinien f¨ ur die Berechnung von Dampferzeugerdruckteilen sind in den technischen Regeln f¨ ur Dampferzeuger (TRD) aufgestellt [18]. Allgemeine Grundlagen sind in der Richtlinie TRD 300 enthalten.
7.4 Konvektivheiz߬ achen
217
L¨ osung. Zun¨ achst ist die innere W¨ arme¨ ubergangszahl αi zu bestimmen, wozu (7.12) herangezogen wird. Aus den gegebenen Daten muß zuerst die Reynoldszahl gem¨ aß Rei =
Φ di ηD
= 1,084 · 106
berechnet werden. Daraus folgt unter Vernachl¨ assigung des Terms d/l in (7.12) Nui = 0,02 Re0,8 Pr0,42 = 1 288 . Aus der Definition der Nusseltzahl ergibt sich dann αi =
Nui λD di
= 4 139 W/m2 K.
Die ¨ außere W¨ arme¨ ubergangszahl αa besteht aus einem Konvektions- und einem Strahlungsteil. F¨ ur die Berechnung von αK wird die Nusseltzahl des konvektiven W¨ arme¨ ubergangs an querangestr¨ omten Rohren nach (7.20) zu Nua = 23,2 bestimmt, woraus αK =
Nua λRG da
= 55 W/m2 K
folgt. Zur Berechnung des Strahlungsanteils muß zuerst der Emissionskoeffizient εF nach (6.15) ermittelt werden. Die dazu erforderliche Schichtdicke wird u ¨ber (7.24) zu s = 0,48 m bestimmt, so daß εF = 0,13 resultiert. Aus (7.24) folgt schließlich αS = 37 W/m2 K. Aus (7.19) folgt f¨ ur den rauchgasseitigen W¨ arme¨ ubergang αa = αK + αS = 92 W/m2 K. Die W¨ armedurchgangszahl betr¨ agt wegen 1 s 1 1 + + = k αa λR αi k = 90 W/m2 K. Damit ist der W¨ armestrom pro L¨ angeneinheit
Q˙ = k π da ϑRG − ϑD = 4 459 W/m, woraus die Wandtemperaturen zu ϑW = ϑRG − a
Q˙ = 548◦ C αa π da
und ϑW = ϑD + i
Q˙ = 544◦ C αi π di
bestimmt werden. Die Festlegung der Wanddicke erfolgt mit den Langzeit-Festigkeitskennwerten. Dabei sind die ung¨ unstigsten auftretenden Wandtemperaturen zu ber¨ ucksichtigen. ¨ Zu deren Ermittlung sind die Auswirkungen von Uberlasten, Verschmutzungen sowie die rauchgas- und dampfseitigen Temperaturschieflagen zu beachten.
218
7 Dampferzeuger
¨ Zur Verbesserung der Temperaturregelung wird der Uberhitzer meist in drei bis vier Abschnitte unterteilt, wobei zwischen den Abschnitten Einspritzk¨ uhler vorgesehen werden. Diese K¨ uhler sind auch erforderlich, um Temperaturst¨ orungen ausgleichen zu k¨ onnen. Die Anordnung von mehreren Einspritzungen ist bei großen Kesseln notwendig, um keine zu großen Totzeiten entstehen zu lassen, die ja unmittelbar mit der Durchflußzeit des Dampfes ¨ durch die einzelnen Uberhitzerheizfl¨ achen verkn¨ upft sind. Bei der Auslegung des Einspritzk¨ uhler ist zu bedenken, daß der Speisewasserstrom um die Menge abnimmt, die in den Einspritzk¨ uhler zugegeben wird, d.h. daß bei vermehrtem Einspritzwasserstrom die Temperatur vor den HD-Einspritzk¨ uhlern zunimmt. Bei Anlagen mit variablem Verdampfungsendpunkt werden ca. 5% und bei solchen mit einem festen ca. 8% des gesamten Speisewassers f¨ ur die Einspritzung bei Vollast vorgesehen. Die Bemessung dieser K¨ uhler ist von mehreren Faktoren abh¨angig. So wird z.B. der Misch- und Verdampfungsweg des Einspritzwassers von der Relativgeschwindigkeit und der Temperaturdifferenz zwischen Wasser und Dampf beeinflußt. Daneben spielt auch die Dichte des Dampfes, also der Druck, eine Rolle. In Druckbereichen u ¨ber 150 bar werden Mischl¨angen von 3 m im Regelfall f¨ ur ausreichend gehalten – allerdings sind dann die gr¨oßten der von den verf¨ ugbaren D¨ usen erzeugten Tropfen noch nicht vollst¨andig verdampft. Die Temperaturdifferenz zwischen Wasser und Dampf geht etwa umgekehrt proportional in den Verdampfungsweg ein. Insbesondere beim Anfahren darf deshalb nur bei Vorliegen ausreichender Temperaturdifferenzen eingespritzt werden. In Abb. 7.23 ist die Konstruktion eines Einspritzk¨ uhlers dargestellt. Das Schutzrohr ist notwendig, damit das eingespritzte Wasser keinen Temperaturschock an den W¨ anden des Einspritzrohres verursacht. Am Ende des Einspritzrohres ist ein Thermoelement zur Messung der Dampftemperatur eingebaut.
Düsenstock
Inspektionsnippel
Dampf
Festpunkt
Schutzrohr
Lospunkt
Abbildung 7.23. L¨ angsschnitt durch einen Einspritzk¨ uhler
7.4 Konvektivheiz߬ achen
219
7.4.5 Zwischen¨ uberhitzer ¨ hat die Aufgabe, den vom Hochdruckteil der Der Zwischen¨ uberhitzer (ZU) Turbine kommenden Dampf auf eine bei allen Lasten gleich hohe Temperatur zu bringen. Die Dimensionierung des Zwischen¨ uberhitzers h¨angt von der Betriebsweise eines Kraftwerkes ab. Bei Bl¨ ocken, die im Festdruck betrieben werden – der Druck des Frischdampfes ist u ¨ber der Last konstant – nimmt die Eintritts¨ mit der Last ab. Demzufolge wird die dem ZU-Dampf ¨ temperatur in den ZU pro Masseneinheit zuzuf¨ uhrende W¨ armemenge mit geringer werdender Last gr¨ oßer. Beim Gleitdruckbetrieb dagegen variiert der Druck des Frischdamp¨ ist nahezu fes proportional zur Last und die Eintrittstemperatur in den ZU konstant. Bei der Auslegung des Zwischen¨ uberhitzers ist weiter zu beachten, daß mit abnehmender Last anteilig weniger W¨ arme an die Konvektivheizfl¨achen ¨ abgegeben wird. Zur Erzielung einer konstanten ZU-Temperatur ist deshalb ein Regeleingriff erforderlich. Dazu bestehen folgende M¨oglichkeiten: • Speisewassereinspritzung: Dies ist die einfachste und billigste L¨osung, die aber den thermischen Wirkungsgrad des Prozesses verschlechtert, weil ein Teil der mit dem Brennstoff zugef¨ uhrten W¨arme nur Niederdruckdampf erzeugt und so ein entsprechender Anteil an Expansionsarbeit in der HDTurbine verlorengeht. • Biflux: Dies ist eine Kombination eines außerhalb des Kessels angeordneten, mit Hochdruckdampf beheizten Zwischen¨ uberhitzers mit einer nachgeschalteten rauchgasbeheizten Endstufe. • Triflux: Dies ist die Kombination eines rauchgasbeheizten mit einem dampfbeheizten W¨ armeaustauscher. Die bei Teillast abfallende Temperaturcharakteristik des rauchgasbeheizten B¨ undels wird durch angepaßte Zufuhr im dampfbeheizten Teil kompensiert. Die Austrittstemperatur des Zwischen¨ uberhitzers kann bis zu kleinen Teillasten konstant gehalten bzw. den Betriebsverh¨ altnissen des Blocks angepaßt werden, vgl. Abb. 7.24. • Rauchgasrezirkulation: Durch R¨ uckf¨ uhrung von bereits abgek¨ uhlten Rauchgasen in die Brennkammer kann die W¨ armeaufnahme in die Konvektivheizfl¨ achen verlagert werden. • Schwenkbrenner: Mit diesen wird die Flammenlage im Feuerraum und damit die W¨ armeaufnahme der einzelnen Heizfl¨achen ver¨andert. Bi- und Triflux kommen bei Zwangdurchlaufanlagen dann zum Einsatz, wenn ein Brennstoff mit einem weiten Heizwertband zu verarbeiten ist, z.B. Braunkohle. Die Rauchgasrezirkulation wurde vorzugsweise bei o¨lgefeuerten Anlagen verwendet. Die Schwenkbrenner sind besonders f¨ ur kohlegefeuerte Anlagen mechanisch aufwendig und werden nur von der Firma Combustion Engineering eingesetzt. Die Auslegung des Zwischen¨ uberhitzers ist im Zusammenhang mit dem Gesamtprozeß zu sehen. Es ist zu beachten, daß der Prozeßwirkungsgrad mit
220
7 Dampferzeuger
zunehmender Einspritzmenge und zunehmendem Druckverlust abnimmt. Ausgehend von einem Prozeß mit einfacher Zwischen¨ uberhitzung und den Dampfparametern 200/42 bar, 535/535◦ C gelten f¨ ur die Wirkungsgrad¨anderung folgende Werte: ∆ϑ ¨ von 10◦ C entspricht ∆η von 0,25%, ZU ∆p ¨ von 1 bar entspricht ∆η von 0,2%, ZU ¨ ∆m ˙ von 1% des ZU-Stroms entspricht ∆η von 0,6%. EZU ¨
Zur Erzielung einer guten Temperaturcharakteristik, darunter versteht man ¨ ¨ den HD- und ZU-Temperaturverlauf u ¨ber der Last, werden die Uberhitzer und Zwischen¨ uberhitzerheizfl¨ achen ineinander geschachtelt, vgl. Abb. 7.24.
HD
Rauchgas ZÜ
Abbildung 7.24. Zwischen¨ uberhitzer mit Triflux zur Temperaturregelung
¨ Beispiel 7.4. In einem Einspritzk¨ uhler soll ein ZU-Dampfstrom von 466 kg/s bei ◦ ◦ einem Druck von 32 bar von 465 C auf 450 C gek¨ uhlt werden. Das Einspritzwasser hat eine Enthalpie von hE = 1 086 kJ/kg. Aus der Dampftafel erh¨ alt man die Enthalpiewerte h = 3 375,6 kJ/kg f¨ ur einen Druck von 32 bar und eine Temperatur von 465◦ C und hA = 3 342,0 kJ/kg f¨ ur einen Druck von 32 bar und eine Temperatur ˙ E. von 450◦ C. Man bestimme den erforderlichen Einspritzmassenstrom m L¨ osung. Zur L¨ osung ist eine Energie- und Massenbilanz zu erstellen: ˙ =m ˙A , m ˙E+m ˙ h=m ˙ A hA . m ˙ E hE + m Aus der Aufl¨ osung der beiden Gleichungen folgt f¨ ur den Einspritzmassenstrom:
¨ 7.5 Uberhitzeranordnung und Kesselbauart
221
m ˙ E = 6,9 kg/s. ˙ E entsprechen Volumenstr¨ ome von V˙A = Den beiden Massenstr¨ omen m ˙ A und m 47,3 m3 /s und V˙E = 0,007 m3 /s. Die Zahlenwerte illustrieren, daß die Hauptaufgabe in der gleichm¨ aßigen Verteilung des sehr kleinen Einspritzstroms in dem um 104 gr¨ oßeren Dampfstrom liegt. Dabei besteht noch die Randbedingung, daß die Vermischung auf einem sehr kurzen Weg erfolgen muß. Bei typischen Einspritzk¨ uhlern bestehen Dampfverweilzeiten von ca. 0,5 s im Bereich des K¨ uhlers.
¨ 7.5 Uberhitzeranordnung und Kesselbauart Von der Bauart her unterscheidet man Einzug- und Zweizugdampferzeuger. Bei der Einzugbauweise sind die Konvektivheizfl¨achen direkt u ¨ber der Brennkammer angeordnet. Die Gestaltung dieser Heizfl¨achen ist deshalb an die Brennkammerabmessungen gebunden. Die Str¨ omung der Rauchgase durch die Brennkammer und die Konvektivheizfl¨ achen erfolgt ohne Umlenkungen. Damit wird bei kohlegefeuerten Anlagen die Bildung von aschereichen Rauchgasstr¨ ahnen und die damit verbundene Gefahr von lokal verst¨arkten Erosionen durch den Feststoffanteil der Str¨ omung weitgehend vermieden, vgl. die Abbildungen 7.25 und 7.26a. Weiter bestehen konstruktive Vorteile bzgl. der mechanischen Ausf¨ uhrung: • Der Dampferzeuger h¨ angt in einem Ger¨ ust und kann sich ungehindert nach unten dehnen, • die Teilung der Heizfl¨ achen wird von oben nach unten gr¨oßer; damit ist die Gefahr der Blockierung einzelner Gassen durch akkumulierte Asche gering, • eindeutige Lastabtragung, dadurch einfache Konstruktion, • bessere Anlagenverf¨ ugbarkeit (0,2–0,8%). Ein Ausf¨ uhrungsbeispiel ist in Abb. 7.25 dargestellt. Das Ger¨ ust eines Einzugkessels besteht aus vier St¨ utzen, die durch K-Verb¨ande miteinander verbunden sind. Auf dem Ger¨ ust liegen große Querriegel, an denen der Tr¨agerrost mit dem Dampferzeuger aufgeh¨ angt ist. Das Gewicht des Dampferzeugers wird u ber ca. 6 m lange Zuganker, die gelenkig mit dem Oberteil des Dampfer¨ zeugers verbunden und gleichm¨ aßig u ¨ber den Umfang verteilt sind, in den Tr¨ agerrost eingeleitet. Bez¨ uglich des Landschaftbildes bereitet die Bauh¨ohe des Einzugkessels bei manchen Standorten gewisse Probleme. Bei einer Anlage f¨ ur ein 700 MWKraftwerk betr¨ agt die H¨ ohendifferenz zu einer Zweizuganordnung 20–30 m. Die Bauh¨ ohe ist ferner ein Nachteil in erdbebengef¨ahrdeten Gebieten. uber den Vorteil, daß der zweite Zug Die Zweizugbauweise hat demgegen¨ in seinem Querschnitt den Temperaturverh¨ altnissen der Rauchgase angepaßt werden kann. Durch die sich ergebenden gr¨ oßeren Rauchgasgeschwindigkeiten
222
7 Dampferzeuger
Abbildung 7.25. Einzugdampferzeuger mit einer Braunkohlen-Tangentialfeuerung, einfacher Zwischen¨ uberhitzung und Teillastumw¨ alzung f¨ ur einen 900 MWel Block. Dampfleistung: 667 kg/s (2 400 t/h), Druck: 260/52 bar, Temperatur: 580/600◦ C. (Alstom Power Boiler GmbH)
¨ 7.5 Uberhitzeranordnung und Kesselbauart
223
115 m
94 m
a)
b)
87 m
c)
Abbildung 7.26. Kesselbauarten
werden die W¨ armeaustauscherfl¨ achen optimal genutzt, vgl. Abb. 7.26b. Weiter ergeben sich Vorteile durch • schnellere Montage, • geringere Herstellkosten, • niedrigere Bauh¨ ohe. Ein wesentlicher technischer Nachteil der Zweizugbauweise ergibt sich aus der Tatsache, daß bei diesem die Umfassungsw¨ande des ersten Zuges, des Querzuges und des zweiten Zuges hintereinander von Wasser oder Dampf durchstr¨ omt werden. Dies bedeutet, daß Wandteile unterschiedlicher Temperaturen miteinander verschweißt werden m¨ ussen. Dadurch ergeben sich in den ¨ Ubergangsbereichen zwischen den vertikalen Z¨ ugen und dem Querzug Konzentrationen in den Membranspannungen der Umfassungsw¨ande. Wenn auch die in Betrieb befindlichen Anlagen beweisen, daß dieses Problem zu l¨osen ist, sind doch diese Spannungsverh¨ altnisse immer wieder Grund f¨ ur Sch¨aden an Zweizugkesseln. Bez¨ uglich der ben¨ otigten Grundfl¨ ache gibt es keinen Unterschied zwischen den beiden Bauarten, da diese im wesentlichen durch die ebenerdig aufgestellten Hilfsmaschinen bestimmt wird. Obwohl der Turmkessel etwa 10–15% mehr an umbautem Raum ben¨ otigt, sind die Investitionskosten bei Anlagen mit horizontalen Heizfl¨ achen f¨ ur beide Bauarten gleich. Anders sieht der Kostenvergleich f¨ ur eine Anlage mit h¨angenden Heizfl¨ achen aus, vgl. Abb. 7.26c. Die im Oberteil des Feuerraums angeordneten
224
7 Dampferzeuger
Heizfl¨ achen werden dann mit sehr weiter Teilung (> 1,5 m) als sog. Schottheizfl¨ achen ausgef¨ uhrt und bereits in einem Rauchgastemperaturbereich von u ¨ber 1 250◦ C angeordnet. Wegen des einfacheren Tragrohrsystems f¨ ur die Heizfl¨ achen und des kleineren Feuerraums ergibt sich dann ein Kostenvorteil von ca. 5–10% f¨ ur den Zweizugkessel. Große Dampferzeuger f¨ ur Kraftwerksanlagen werden ausschl. als Ein- und Zweizuganlagen ausgef¨ uhrt. Die Wahl der Bauart richtet sich nach folgenden Faktoren: • Brennstoffeigenschaften, • Aschegehalt, Aschezusammensetzung und damit verbundene Erosionsgefahr, • Bauart und Heizfl¨ achenanordnung d¨ urfen die Betriebsflexibilit¨at nicht beeintr¨ achtigen. Die in den Abbildungen 7.26a und 7.26b dargestellten Konstruktionen haben horizontal liegende, vollst¨ andig entw¨ asserbare Heizfl¨achen. Wegen des gr¨ oßeren Aufwandes ist dies nur f¨ ur Anlagen zu vertreten, die h¨aufig an- und abgefahren werden. Diese L¨ osung wird von den Kraftwerksbetreibern in der Bundesrepublik bevorzugt. In fast allen anderen L¨andern werden Dampferzeuger mit h¨ angenden, nicht vollst¨ andig entw¨asserbaren Heizfl¨achen gebaut, vgl. Abb. 7.26c.
7.6 Wirkungsgrad Die dem Dampferzeuger mit dem Brennstoff zugef¨ uhrte Energie wird nicht ¨ vollst¨ andig zur Erzeugung und Uberhitzung des Dampfes nutzbar gemacht; es treten Umwandlungsverluste auf. Die G¨ ute der Energieumwandlung l¨aßt sich wie bei anderen technischen Anlagen durch einen Wirkungsgrad beschreiben. Dieser ist definiert als das Verh¨ altnis von allen nutzvoll abgef¨ uhrten Energieuhrten Q˙ zu . str¨ omen Q˙ N zu allen zugef¨ Der Wirkungsgrad ist eine wichtige Gr¨ oße f¨ ur die Beurteilung einer Dampferzeugeranlage. Er muß i.allg. vom Hersteller garantiert werden. Bei Abweichungen werden in den Liefervertr¨ agen oft Ersatzzahlungen vereinbart, z.B. wird in den VGB-Richtlinien f¨ ur die Bestellung von Hochleistungsdampfkesseln folgende Vertragsregelung empfohlen: F¨ ur die Unterschreitung des Wirkungsgrades um einen Prozentpunkt ist als Entsch¨ adigung 1% des Kaufpreises zu zahlen. Der Wirkungsgrad wird meist von einem neutralen Sachverst¨andigen nachgepr¨ uft. F¨ ur die Durchf¨ uhrung dieser Pr¨ ufung wurden Vorschriften entwickelt, die in nationalen Regelwerken enthalten sind. Die meist angewandten sind: • DIN 1 942, • ASME Power-Test-Code,
7.6 Wirkungsgrad
225
• BS 2885, British Standard Code for acceptance tests on stationary steam generators. 7.6.1 Begriffsbestimmungen Nachfolgend wird eine Zusammenstellung von Begriffen gegeben, die bei der Berechnung des Wirkungsgrades eine Rolle spielen. Bez¨ uglich der vollst¨andigen Darstellung wird auf DIN 1 942, Ausgabe 1992, verwiesen. 7.6.1.1 Bezugstemperatur Analog zur Bestimmung des Heizwertes nach DIN 51 900 wird als Bezugstemperatur ϑBez f¨ ur die luft- und rauchgasseitigen Enthalpiestr¨ome 25◦ C festgelegt. 7.6.1.2 Systemgrenze Eine wichtige Voraussetzung zur Bestimmung des Wirkungsgrades ist die Festlegung der Systemgrenzen, u ¨ber die sich die Energiebilanz erstrecken soll. Diese Grenzen sind zwischen dem Hersteller und dem Betreiber zu vereinbaren. Die u ¨bliche Systemgrenze umfaßt • • • •
das gesamte Wasser/Dampfsystem, die Feuerung mit Mahlanlage, dampfbeheizte Luftvorw¨ armer, rauchgasbeheizte Gasvorw¨ armer.
Außerhalb der Systemgrenze liegen: • Frischluft- und Saugzuggebl¨ ase, • Staubfilter, • Anlagen zur Entfernung von Schadgasen. 7.6.1.3 Nutzw¨ arme Die Nutzw¨ arme Q˙ N des Dampferzeugers ist die gesamte Energie, die im Dampferzeuger an das Wasser bzw. an den Dampf u ¨bertragen wird. Sie setzt sich zusammen aus: Q˙ HD = m ˙ HD hD − hSp + (Nutzw¨ arme des HD-Dampfes) hSp − hE (zuz¨ uglich HD-Einspritzung) , (7.27) m ˙E HD
Q˙
¨ ZU
=m ˙
¨ ZU
m ˙E
¨ ZU
HD
hZU¨ A − hZU¨ E + hSp − hE ¨ ZU
¨ (Nutzw¨ arme des ZU-Dampfes) ¨ (zuz¨ uglich ZU-Einspritzung) .
(7.28)
226
7 Dampferzeuger
Die Nutzw¨ arme Q˙ N = Q˙ HD + Q˙
(7.29)
¨ ZU
wird auch als W¨armeleistung des Dampferzeugers bezeichnet. 7.6.1.4 Zugef¨ uhrte Energie Man unterscheidet Energiestr¨ ome Q˙ B , die dem aus der Bilanz zu errechnenden Brennstoffstrom m ˙ B proportional sind, und Energiestr¨ome Q˙ Z , die unabh¨angig vom Brennstoffstrom sind: Q˙ zu = Q˙ B + Q˙ Z .
(7.30)
Der zu m ˙ B proportionale Energiestrom ergibt sich zu Q˙ B = m ˙ B H + ∆hB 1 + lu + ∆hL =m ˙ B Hges . Bez
Bez
(7.31)
Hierbei ist: H Heizwert des Brennstoffs, ∆hB spez. Enthalpiedifferenz des Brennstoffs zur Bezugstemperatur, Bez lu Verh¨ altnis des unverbrannten zum verbrannten Brennstoffstrom, ∆hL Enthalpiedifferenz der Verbrennungsluft zur Bezugstemperatur. Bez
Zu den Energiestr¨ omen Q˙ Z , die praktisch unabh¨angig vom Brennstoffstrom sind, z¨ ahlen: • die W¨ armeleistung von Zusatzfeuerungen z.B. zur Kohletrocknung und • die Wellenleistung der Hilfsaggregate f¨ ur M¨ uhlen, Gebl¨ase, Luvo, Pumpen, etc. Bei einer steinkohlegefeuerten 740 MW-Anlage betr¨agt die Leistungsaufnahme der wichtigsten Hilfsmaschinen bei Vollast: Saugzug 5 600 kW, Frischl¨ ufter 5 700 kW, M¨ uhlenluftgebl¨ ase 1 700 kW, M¨ uhlen 1 500 kW, ¨ Luvo, Olpumpen etc. 300 kW. Die Summe dieser Leistungen bel¨ auft sich damit auf ca. 2% der Generatorwirkleistung des entsprechenden Kraftwerkblocks. 7.6.1.5 Energieverluste Die bei der Energieumwandlung im Dampferzeuger entstehenden Verluste werden wie folgt zusammengefaßt:
7.6 Wirkungsgrad
227
7.6.1.5.1 Abgasverlust Als Abgasverlust bezeichnet man die mit den Rauchgasen abstr¨omende, f¨ uhlbare W¨ arme bei Abgastemperatur. Dies ist anteilig der gr¨oßte Verlust, er liegt zwischen ca. 5% bei Gasfeuerung und 10% bei Braunkohlefeuerungen. F¨ ur seine Darstellung gilt Q˙ AG = m ˙ B µRG cpRG ϑAG − ϑBez (7.32) mit: µRG cpRG ϑAG ϑBez
Rauchgasmenge pro kg Brennstoff, mittlere spezifische W¨ armekapazit¨ at des Rauchgases, Abgastemperatur, Bezugstemperatur.
7.6.1.5.2 Verlust durch Unverbranntes Bei dieser, auch mit Feuerungsverlust bezeichneten Verlustart wird unterschieden zwischen Unverbranntem in Schlacke und Flugstaub sowie unverbrannten Gasen. Die Gr¨ oßenordnung von Q˙ u f¨ ur verschiedene Brennstoffe und einige Feuerungsarten ist in Tabelle 7.3 angegeben. Tabelle 7.3. Verlust durch Unverbranntes Q˙ u [%] Brennstoff Fl¨ uchtige [%] Leistungsgr¨ oße [MW]
Steinkohle < 25 > 25 100 > 500 100 > 500
Braunkohle 100
> 500
1,0
0,5
Feuerungsart Staubfeuerung Schmelzfeuerung Zirkulierende Wirbelschicht Rostfeuerung
1,5 0,2 1,0 3,0
1,0 0,2
1,0 0,2 < 1,0 2,0
0,5 0,2
0,5 2,0
Dem Verlust durch Unverbranntes kommt auch im Hinblick auf die Verwendbarkeit der Flugasche als Baustoff Bedeutung zu. F¨ ur die meisten Anwendungsf¨ alle in der Bauindustrie ist der zul¨ assige Gehalt an Unverbranntem im Flugstaub auf kleiner 5% begrenzt. Dies bedeutet, daß der Verlust durch Unverbranntes bei einem Brennstoff mit 5% Asche kleiner als 0,5% sein muß. 7.6.1.5.3 Verlust durch Strahlung und Konvektion Dieser h¨ angt wesentlich von der G¨ ute der Isolierung ab und wird mit steigender W¨ armeleistung relativ geringer. Es gilt die aus Erfahrung gewonnene N¨ aherungsformel
228
7 Dampferzeuger
Q˙ S ≈ C Q˙ 0,7 · 10−3 [MW] . N
(7.33)
Hier ist Q˙ S der Verlustw¨ armestrom durch Strahlung und Q˙ N der Nutzw¨armestrom in MW. Die Konstante C ist ein im wesentlichen nur vom Brennstoff abh¨ angiger Erfahrungswert, es ist C = 25–30 bei Braunkohle, C = 18–22 bei Steinkohle, ¨ und Gas. C = 9–11 bei Ol Der genaue Wert von Q˙ S h¨ angt von der Gr¨ oße der heißen Oberfl¨achen und der G¨ ute der Isolierung ab. Bei einer steinkohlegefeuerten 700 MW-Anlage betr¨ agt der Strahlungsverlust ca. 0,3%. 7.6.1.5.4 Verlust durch Schlackenw¨ arme Dieser Verlust entsteht durch den Abzug der heißen Schlacke aus der Feuerung und kann durch Q˙ Sch = m ˙ Sch hSch − hSch (7.34) Bez
bilanziert m ˙ Sch hSch hSch
werden. Darin ist: Schlackenstrom, Enthalpie der Schlacke bei Abzugstemperatur, Enthalpie der Schlacke bei Bezugstemperatur.
Bez
Es resultiert Q˙ Sch ≈ 0,15% bei Kohle mit 10% Asche und Staubfeuerung. 7.6.1.6 Wirkungsgrad Aus der Energiebilanz folgt unmittelbar, daß der zugef¨ uhrte W¨armestrom Q˙ zu gleich der Summe des Nutzw¨ armestroms und des Verlustw¨armestroms ist: Q˙ zu = Q˙ N + Q˙ V = m ˙ B Hges + Q˙ Z .
(7.35)
Dabei setzt sich Q˙ V aus den oben genannten Anteilen zusammen: Q˙ V = Q˙ AG + Q˙ u + Q˙ S + Q˙ Sch .
(7.36)
F¨ ur den Brennstoffstrom folgt m ˙B =
Q˙ N + Q˙ V − Q˙ Z . Hges
(7.37)
Der Wirkungsgrad des Dampferzeugers ist das Verh¨altnis des genutzten zum aufgewandten Energiestrom: ηDE =
Q˙ N . Q˙ zu
(7.38)
7.6 Wirkungsgrad Steinkohleï Trockenfeuerung
Braunkohle
98
2
96
4
94
6
88
12
40
86
14
20
84
16
92 90
Verluste [%]
10
Aschegehalt [%]
0
Wirkungsgrad [%]
100
8
4
8
12
0 16
20
24
28
Steinkohleï Schmelzfeuerung
16
20
24
28
Heizöl S
36
40
44 28
Abgasverlust
Strahlungsverlust
Feuerungsverlust
Aschenï und Schlackenwärme
229
Erdgas
32
36
40
44
48
Heizwert [MJ/kg]
Abbildung 7.27. Energieverluste und Wirkungsgrad in Abh¨ angigkeit von den Brennstoffeigenschaften
7.6.2 W¨ armetechnische Auslegung Voraussetzung f¨ ur die Durchf¨ uhrung der Energiebilanz ist die Kenntnis der folgenden Randbedingungen: • Speisewasser- und Dampfdaten: ¨ Speisewassertemperatur, Uberhitzungstemperatur, Dampfdruck, Mengen¨ strom, Ein- und Austrittstemperatur in den Zwischen¨ uberhitzer, ZU-Mengenstrom. • Brennstoffdaten: Brennstoffart, Heizwert, Verschmutzungseigenschaften, erforderlicher Luftu ur die Feuerung. ¨berschuß f¨ • Grenzwerte f¨ ur die einzuhaltenden Verluste: Abgastemperatur, Verlust durch Unverbranntes, sonstige Verluste. Bei bekannten Dampfdaten kann mit (7.29) die W¨armeleistung bestimmt werden. Mit den Brennstoffdaten folgt Hges gem¨aß (7.31). Daraus und aus den einzuhaltenden Verlusten kann der Wirkungsgrad nach (7.38) ermittelt werden. Der erforderliche Brennstoffstrom ergibt sich aus (7.37); der zugeh¨orige Rauchgasmengen- bzw. Volumenstrom kann daran anschließend mit der Verbrennungsrechnung bestimmt werden.
230
7 Dampferzeuger
Sind die Dampf- und Brennstoffdaten bekannt, kann mit der w¨ armetechnischen Auslegung der Dampferzeugeranlage begonnen werden. Abh¨angig von der Feuerungsart wird nach den in Abschn. 6.2.2.7 besprochenen Gesichtspunkten die Gr¨ oße und Form der Brennkammer festgelegt und die Brennkammeraustrittstemperatur berechnet. Unter Ber¨ ucksichtigung der W¨armeaufnahme der Brennkammerw¨ ande wird eine Aufteilung der Konvektivheiz¨ fl¨ achen in Economizer, Uberhitzerund Zwischen¨ uberhitzerstufen vorgenommen. Die Gr¨ oße des Luftvorw¨ armers, der als letzte Heizfl¨ache angeordnet ist, bestimmt sich nach den Erfordernissen der Feuerung, d.h. der erforderlichen Heißlufttemperatur f¨ ur die eventuelle Trocknung der Kohle in den M¨ uhlen und f¨ ur die Verbrennung. Mit den so gewonnenen Daten kann ein Rohentwurf der Anlage erstellt werden. Unter Ber¨ ucksichtigung der konstruktiven Gegebenheiten ist die Auslegungsrechnung zu wiederholen.
7.7 Regelung von Dampferzeugeranlagen 7.7.1 Einleitung Eine Dampferzeugeranlage besteht aus den Teilsystemen Feuerung und Kessel, beide sind u ¨ber die Umwandlung der Brennstoffenergie in die Enthalpie des hochgespannten Dampfes miteinander gekoppelt. In Abb. 7.28 ist die Verbindung beider Teilsysteme schematisch dargestellt. Die Integration der Teilsysteme zu einer Funktionseinheit wird durch die Regelung geleistet. Diese hat sicherzustellen, daß die Hauptaufgabe der Dampferzeugeranlage wahrgenommen wird. Diese besteht in der Bereitstellung eines der jeweils geforderten Kraftwerksleistung entsprechenden Dampfstromes f¨ ur die weitere Energieumwandlung in der Turbine. Dampferzeuger Speisewasser
-
- Dampf Economizer
Verdampfer
¨ Uberhitzer
6W¨arme Luft
-
Feuerung
Brennstoff
-
Zuteiler, Kohlenm¨ uhle, Gebl¨ ase, Brenner
- Abgas - Asche
Abbildung 7.28. Schema eines Kessels mit den Elementen Feuerung und Dampferzeuger
7.7 Regelung von Dampferzeugeranlagen
231
Die Dampferzeugeranlage innerhalb eines Kraftwerks ist somit zugleich Systempartner und Individuum. Ihre Aufgabe als Systempartner besteht darin, den Anforderungen und Bed¨ urfnissen des u ¨bergeordneten Systems nachzukommen; andererseits verlangt ihr Eigeninteresse, daß ihre Beanspruchung im Ausgleich mit den u ¨brigen Systempartnern erfolgt und ihre M¨oglichkeiten nicht u ¨berschritten werden. Diese doppelte Aufgabenstellung zeigt sich auch in der Regelung, die in die interne und externe Regelung unterteilt werden kann. Die externe Dampferzeuger-Regelung ordnet die Beziehung zwischen dem Kessel und den u ahrend die interne Regelung f¨ ur die ¨brigen Teilsystemen des Kraftwerks, w¨ mannigfaltigen kesselinternen Prozesse zust¨ andig ist. Mit seiner Umgebung ist der Kessel durch die externen Variablen verbunden: • Frischdampfstrom, • Frischdampfdruck, • Lastkommando9 (Anforderung an die Kesselleistung). Die externen Variablen haben eine besondere Bedeutung f¨ ur die MW-Erzeugung eines Kraftwerkblockes. Wir werden im Zusammenhang mit der Blockregelung auf die Verkn¨ upfung dieser Variablen zur¨ uckkommen. Die interne Kesselregelung hat neben der Optimierung des Betriebs der diversen Subsysteme insbesondere den Schutz der thermisch hochbelasteten Anlagenteile sicherzustellen. Die Einf¨ uhrung in die Regelung der Dampferzeugeranlagen wird am Beispiel der Speisewasser-Frischdampftemperaturregelung eines Zwangdurchlaufkessels gegeben. Das Regelkonzept f¨ ur die L¨osung der Aufgabe leitet sich aus den Eigenschaften der Regelstrecke her. Es ist daher zweckm¨aßig, diese zun¨ achst zu untersuchen. Auf Besonderheiten des Trommelkessels wird am Ende des Abschnitts eingegangen. 7.7.2 Das Mehrgr¨ oßensystem Zwangdurchlaufdampferzeuger Das Schema eines Zwangdurchlaufkessels mit den beiden Elementen Feuerung und Dampferzeuger ist in Abb. 7.28 dargestellt. Der Frischdampfzustand Druck, Temperatur und der Dampfstrom sind durch die zwei unabh¨angigen Variablen Speisung und Lastkommando beeinflußbar, die frei manipulierbar sind. Bei der F¨ orderung der inkompressiblen Fl¨ ussigkeit Wasser folgt der Speisestrom praktisch verz¨ ogerungsfrei dem Speisebefehl, so daß zwischen beiden nicht unterschieden werden muß. Anders ist es bei der Feuerung. Dort besteht zwischen dem Feuerbefehl, d.h. dem Kommando zur Verstellung der Brennstoff- und Luftzufuhr, und der 9
Statt vom Lastkommando spricht man h¨ aufig auch vom Feuerungsbefehl.
232
7 Dampferzeuger
Feuerbefehl L
?
Feuerleistung F
-
Speisestrom S
-
Druck p
-
+ - Temperatur ϑ + - Dampfstrom M
¨ Ubergangsmatrix Feuerleistung F
-
∂M ∂F
∂ϑ ∂F
- Dampferzeugung Speisestrom S
-
∂M ∂S
∂ϑ ∂S
Druck p
-
∂M ∂p
∂ϑ ∂p
? Dampfstrom M
- Speicherverhalten
? Temperatur ϑ
Abbildung 7.29. Linearisiertes Modell eines Zwangdurchlaufkessels
Feuerleistung, das ist der vom Dampferzeuger absorbierte W¨armestrom, eine Verz¨ ogerung, so daß zwischen beiden zu unterscheiden ist. Daneben gibt es noch eine Reihe systemabh¨angiger Variablen, wie z.B. Brennstoffeigenschaften, Speisewasservorw¨ armung, Feuerraumdruck, Rußblasen etc., die den Kesselbetrieb mehr oder weniger st¨oren. Ihr Einfluß muß von der Regelung ausgeglichen werden. Die Bereitstellung des geforderten Dampfstroms und die Haltung des Dampfzustandes sind die Hauptaufgaben der Kesselregelung, die wir hier betrachten wollen. Mit seinen verschiedenen Stell- und Regelgr¨oßen bildet der Dampferzeuger ein Mehrgr¨ oßensystem. Die Beschreibung der Eigenschaften eines solchen Systems erfolgt zweckm¨ aßig mit einem Modell. Der Einfachheit halber werden linearisierte Zusammenh¨ ange angenommen. Um den Einfluß der drei Eingangsgr¨ oßen Lastkommando, Speisung, Druck auf die Ausgangsgr¨oßen Dampfstrom ¨ und Temperatur zu beschreiben, sind sechs Ubertragungselemente erforderlich, die gew¨ ohnlich zu einer Matrix gruppiert werden, vgl. Abb. 7.29. Durch Festlegung des Drucks als Eingangsgr¨oße kann der Prozeß wie folgt unterteilt werden: • Dampferzeugung aus Feuerbefehl, Lastkommando und Speisung bei konstantem Druck,
7.7 Regelung von Dampferzeugeranlagen
233
• Speicherverhalten infolge Druck¨ anderung bei konstanter Feuerung und Speisung. ¨ Als Mittel zur Beschreibung des Ubertragungsverhaltens benutzen wir die Sprungantwort. Wegen der Nichtlinearit¨ at des Vorgangs sind die abgeleiteten Kenngr¨ oßen allerdings vom Betriebspunkt abh¨angig. Bei Verwendung eines linearen Modells erfahren die Ausgangsgr¨ oßen die u ¨berlagerte Wirkung der Eingangsgr¨ oßen (Superpositionsprinzip). 7.7.2.1 Wirkung einer Feuer¨ anderung Nach einer Erh¨ ohung der Feuerleistung steigen die Temperaturen l¨angs des Kessels. Infolge des Temperaturanstiegs findet eine Expansion des Arbeitsmittels statt, die sich als Dampfausstoß am Kesselende auswirkt. Dieser Vorgang ist beendet, wenn das neue Temperaturgleichgewicht im Kessel erreicht ist. Der Anstieg der Frischdampftemperatur folgt verz¨ogert, weil der erh¨ohte Massenstrom die Wirkung der Beheizung vor¨ ubergehend aufhebt, vgl. Abb. 7.30.
F Luft Brennstoff
-
M
6 -
-
ϑ
6
t
-
t
6 -
t
Abbildung 7.30. Antwort des Zwangdurchlaufkessels auf eine Erh¨ ohung des Feuerbefehls
Daraus resultieren Folgerungen f¨ ur die Verwendung des Feuerbefehls als Stellgr¨ oße: • Sie ist f¨ ur die Regelung der Dampfleistung geeignet, um eine vor¨ ubergehende Wirkung zu erzielen, aber nicht geeignet f¨ ur die statische Regelung der Dampferzeugung. • Sie ist f¨ ur die Regelung der Dampftemperatur als Langzeitstellgr¨oße geeignet, aber nicht geeignet f¨ ur die rasche Regelung der Frischdampftemperatur. 7.7.2.2 Wirkung einer Speise¨ anderung Bei einer Erh¨ ohung der Speisung nimmt der Druckabfall infolge der h¨oheren Str¨ omungsgeschwindigkeit l¨ angs des Kessels zu, was zu einer Masseneinspeicherung f¨ uhrt; ebenso ergibt sich aus der verst¨arkten K¨ uhlung eine Vergr¨oßerung des Wasserinhaltes. Die Erh¨ ohung der Speisung wirkt sich wegen der Einspeicherung von Masse nur verz¨ ogert auf den Dampfstrom und die Frischdampftemperatur aus, vgl. Abb. 7.31. Daraus ergeben sich als Folgerungen f¨ ur die Verwendung als Stellgr¨ oße:
234
7 Dampferzeuger
• Die Speisung beeinflußt bleibend den Dampfstrom und die HD-Temperatur, sie ist als Stellgr¨ oße f¨ ur die Langzeitregelung beider Variablen geeignet. • Die Speisung ist wegen der großen Verz¨ ogerung der Temperaturantwort nicht geeignet f¨ ur die rasche Regelung der Frischdampftemperatur. Die besondere Eignung der Speisung als Stellgr¨oße f¨ ur die Regelung der MWErzeugung des Kraftwerks ergibt sich aus dem Umstand, daß im station¨aren Zustand die Speise- und Dampfleistung gleich groß sind.
S
-
Speisestrom
M
6 -
-
ϑ
6
t
-
t
6 -
t
¨ Abbildung 7.31. Antwort des Zwangdurchlaufkessels auf eine Anderung der Speisung
F¨ ur die Optimierung der Speisewasser- bzw. Feuerf¨ uhrung bestehen zwei Zielvorgaben: • minimale Temperaturabweichungen und • rasche Dampferzeugung. 7.7.2.3 Minimale Temperaturabweichungen ¨ Die Temperaturantworten bei einer Anderung von Speisung und Feuerung sind bis auf das Vorzeichen fast deckungsgleich. Daraus ergibt sich unmittelbar eine Vorschrift, um minimale Temperaturabweichungen zu erreichen: Der Speisewasserstrom muß gleichzeitig mit der Feuerleistung ver¨ andert werden. 7.7.2.4 Rasche Dampferzeugung ¨ Die Dampfstromantwort bei einer Anderung von Speisung und Feuerung erg¨ anzen sich in der Weise, daß die Verz¨ ogerung des Dampfstromes bei einer Speise¨ anderung zumindest zum Teil durch Dampfausstoß bei der Feuerung ausgeglichen wird und umgekehrt. Es gilt die Regel: Um eine minimale Temperaturabweichung und eine rasche Dampferzeugung bei einer Last¨ anderung zu erreichen, muß der Speisestrom mit dem zeitlichen Verlauf der Feuerleistung u ¨bereinstimmen.
7.7 Regelung von Dampferzeugeranlagen
235
¨ Die Anderung der Feuerleistung folgt dem Lastkommando zur Verstellung der Brennstoff- und Luftzufuhr allerdings nur mit einer gewissen Verz¨ogerung. Bei ¨ und Gasfeuerungen ist die Verz¨ Ologerung klein (10–20 s), betr¨agt aber bei Braunkohlefeuerungen etwa 60 s und bei Steinkohlefeuerungen etwa 120 s. Insbesondere bei kohlegefeuerten Anlagen sind Maßnahmen erforderlich, um den Einfluß der Verz¨ ogerung auszugleichen. Es bestehen zwei M¨oglichkeiten: • Verz¨ ogerung der Speisung, die eventuell zu einer unerw¨ unschten Verlangsamung der Dampferzeugung f¨ uhrt. ¨ • Ubersteuerung der Brennstoffzufuhr, um die verz¨ogerte Wirkung der ge¨anderten Feuerleistung zumindest teilweise zu kompensieren. Vom Standpunkt der Prozeßf¨ uhrung ist die Luftzufuhr mit dem Brennstoff¨ strom in die Brennkammer in Ubereinstimmung zu bringen. Wird der Luftstrom bei einer Laststeigerung jedoch zu fr¨ uh vergr¨oßert, kommt es zuerst zu einer Absenkung der Rauchgastemperatur l¨ angs des Kessels, und die Dampferzeugung nimmt zun¨ achst ab. ¨ Diese Uberlegungen haben gezeigt, daß es bei einer abgestimmten Steuerung der Speisung und Feuerung m¨ oglich ist, schnelle Last¨anderungen bei minimaler St¨ orung der Dampftemperatur durchzuf¨ uhren. Die eigentliche Temperaturregelung hat dann nur noch wenig Regelarbeit zu leisten. 7.7.3 Dampftemperaturregelung 7.7.3.1 Aufgabenstellung Zum Schutz der thermisch hochbeanspruchten Anlagenteile m¨ ussen die Temperaturabweichungen des u ¨berhitzten Dampfes unter allen Betriebsbedingungen klein gehalten werden. Wenn auch die Regelarbeit bei Last¨anderungen durch eine gut koordinierte Steuerung nur gering ist, kommt doch der Temperaturregelung f¨ ur den Ausgleich von St¨ orungen, die z.B. durch die Feuerung infolge von Heizwertschwankungen, Verschmutzungen u.¨a. verursacht werden, eine besondere Bedeutung zu. Als Stellglied f¨ ur die Temperaturregelung werden meist Einspritzk¨ uhler verwendet, vgl. Abb. 7.23. Dazu wird nach der Speisepumpe ein Teilstrom des Speisewassers als Einspritzwasser abgezweigt und dem Dampfstrom vor den ¨ einzelnen Uberhitzerheizfl¨ achen in den Einspritzk¨ uhlern mit Zerst¨auberd¨ usen zugemischt. Bei Zwangdurchlauf betr¨ agt der Einspritzstrom i.allg. etwa 5% des Speisewasserstroms, bei Anlagen mit einem festen Verdampfungsendpunkt sind es 10–20%. In Abb. 7.32 ist ein typisches Regelschema f¨ ur eine Dampftemperaturregelung mittels Einspritzung dargestellt. Regelgr¨ oße ist dabei die Austrittstempe¨ ratur des Dampfstroms m ˙ D . Die Eintrittstemperatur in den Uberhitzer dient als Hilfsregelgr¨ oße. Weiter wird der Brennstoffstrom m ˙ B als St¨orgr¨oße aufgeschaltet. Damit kann Beheizungst¨ orungen wirkungsvoll begegnet werden.
236
7 Dampferzeuger mD
T
- +
JSoll mB
T
PI
D
+ + P
+ +
Last
mE
Abbildung 7.32. Regelschema f¨ ur eine Dampftemperaturregelung
Daneben kann die Dampftemperatur auch von der Rauchgasseite her be¨ einflußt werden, und zwar durch Anderung von Temperatur und/oder Menge des Rauchgasstroms vor den Konvektivheizfl¨ achen. Dies kann z.B. durch eine Rauchgasrezirkulation geleistet werden. Dazu wird ein Teilstrom der bereits ¨ oder Gas gefeuabgek¨ uhlten Rauchgase vor den Luftvorw¨ armern (bei mit Ol erten Anlagen) oder hinter dem Staubfilter (bei Kohlefeuerungen) abgesaugt und mit einem Gebl¨ ase in den Feuerraum zur¨ uckgef¨ uhrt. Die mittlere Temperatur in der Brennkammer nimmt mit der rezirkulierten Menge ab, und der W¨ armeaustausch verlagert sich von der Brennkammer in die Konvektivheizfl¨ achen. Im Vergleich zur Einspritzregelung ist die Rauchgasrezikulation wesentlich aufwendiger und wird nur angewandt, wenn neben der Temperaturregelung noch andere Ziele erreicht werden sollen, z.B. die Minimierung des ¨ ZU-Einspritzmassenstroms oder die Erreichung der Frischdampftemperaturen bei geringen Lasten. 7.7.3.2 Regelkonzept f¨ ur Zwangdurchlaufkessel Abb. 7.33 zeigt das Schema der Speisewasserregelung f¨ ur einen Zwangdurchlaufkessel. Es bestehen zwei parallel arbeitende Regelkreise mit folgenden Stell- und Regelgr¨ oßen: • Der Einspritzstrom m ˙ E als Stellgr¨ oße f¨ ur die Temperaturregelung und • der Speisewasserstrom als Stellgr¨ oße f¨ ur die Regelung des Dampfzustandes hinter den Brennkammerw¨ anden, d.h. im Wasserabscheider. Als Stellgr¨ oßen f¨ ur die Temperaturregelung werden demnach nur Wasserstr¨ ome verwendet: der Speisewasser- und der Einspritzstrom. Damit die Einspritzventile in einer mittleren Position bleiben und nicht in einer Endlage blockiert sind, ist der Sollwert der Speisewasserregelung nicht zu 100% aufgeschaltet, sondern um den gew¨ unschten Anteil A des Einspritzwasserstroms geringer. Zur Verbesserung der Dynamik werden noch die Gra˙ B und der Temperatur dienten des Dampfstroms m ˙ D , des Brennstroffstroms m hinter dem Verdampfer aufgeschaltet.
7.7 Regelung von Dampferzeugeranlagen
237
mD
A
mE
D + +
D
T
+ + +
-
PI
D
mB
+
Abbildung 7.33. Schema der Speisewasserregelung eines Zwangdurchlaufkessels
¨ Jede Anderung der Speisung beeinflußt nicht nur die Frischdampftemperatur, sondern auch die Dampferzeugung. Damit kommt der u ¨berlagerte Kesselleistungsregler ins Spiel. Er wirkt einer nicht verlangten Leistungs¨anderung durch eine parallele Verstellung von Speisung und Feuerung entgegen. Damit wird die von der Temperaturregelung verursachte St¨orung der Dampferzeugung unterdr¨ uckt. Im Endeffekt verwandelt also der Kesselleistungsregler die Temperatur-Speiseregelung in eine Temperatur-Feuerregelung. 7.7.4 Besonderheiten beim Trommelkessel Das Merkmal eines Naturumlaufkessels besteht darin, daß die aus dem Brennstoff im Verdampfer der Anlage erzeugte Dampfmenge nicht genau voraussehbar ist (Heizwertschwankungen, Messung des Brennstoffstromes, Einfluß von Verschmutzung und Speisewasservorw¨ armung etc.). F¨ ur die Regelung der Heißdampftemperatur f¨ allt daher die Speisung aus; diese muß vielmehr allein durch die Einspritzung sichergestellt werden. Damit die Einspritzung beim Trommelkessel sowohl die statische als auch dynamische Regelarbeit leisten kann, muß sie wesentlich gr¨ oßer ausgelegt werden. Eine Ver¨ anderung der Feuerleistung wirkt sich beim Trommelkessel u ¨ber die Sattdampferzeugung unmittelbar auf den Wasserstand in der Trommel aus. Dieser steigt oder f¨ allt astatisch, d.h. ohne ein neues Gleichgewicht zu erreichen. Dies macht es notwendig, daß der Wasserstand dauernd durch Manipulieren der Speisung geregelt wird. Ein Trommelkessel kann demnach nicht mit blockierter Speisung gefahren werden. Aus dem Vergleich wird deutlich, daß der Zwangdurchlauf mehr M¨ oglichkeiten bietet, die Dampferzeugung rasch zu ver¨ andern. F¨ ur die prim¨are Netzfrequenzregelung ist es notwendig, daß dem Kessel eine gewisse Menge an Momentanenergie in Form von Speicherdampf zur ra¨ schen Anderung der MW-Erzeugung betriebssicher entnommen werden kann.
238
7 Dampferzeuger
Beim Trommelkessel entstehen dann wegen seiner großen gespeicherten Sattwassermenge nur kleine Druck¨ anderungen. Dies kommt dem Naturumlauf zugute, da u.a. wegen der M¨ oglichkeit einer Verdampfung in den Fallrohren infolge einer Druckabsenkung nur eine beschr¨ ankte St¨orung des Trommeldrucks erlaubt ist. Beim Zwangdurchlaufkessel entstehen dagegen wegen seiner geringeren Speicherf¨ ahigkeit gr¨ oßere Druckabweichungen; da es aber keine Beschr¨ ankungen f¨ ur Druckst¨ orungen gibt, sind damit keine betrieblichen Nachteile verbunden. Der Zwangdurchlaufkessel kann daher schneller an eine neue Situation im Energieverteilernetz angepaßt werden als der Trommelkessel. 7.7.5 Andere Dampferzeuger-Regelkreise Die Speisewasser/Frischdampftemperaturregelung ist ein Hauptregelkreis einer Dampferzeugeranlage. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Regelkreise, die im Rahmen dieses Buches aber nicht behandelt werden. Die wichtigsten sind: • der Brennstoff/Luft-Regelkreis, • der Feuerraumdruck-Regelkreis und ¨ • der ZU-Regelkreis. ¨ Auch bei den Hilfsmaschinen (M¨ uhlen, Saugzug- und Frischluftgebl¨ase, Olvorw¨ armer etc.) gibt es eine Reihe weiterer Regelaufgaben, die aber weitgehend unproblematisch sind. F¨ ur Einzelheiten sei auf die Literatur verwiesen [19].
7.8 Festigkeitsberechnung von Druckteilen 7.8.1 Werkstoffe Der Wirkungsgrad der Energieumwandlung h¨angt sowohl beim Dampf- als auch beim Gasturbinenprozeß wesentlich vom Temperaturniveau der zugef¨ uhrten Hochtemperaturw¨ arme und dem der abgef¨ uhrten Niedertemperaturw¨ arme ab. Ziel ist es deshalb, die Eintrittstemperatur in die Turbine so hoch wie m¨ oglich zu w¨ ahlen, und gleichzeitig die Austrittstemperatur niedrig zu halten. Bei ausgef¨ uhrten Anlagen bestimmen aber die Materialeigenschaften die maximal zul¨ assige Eintrittstemperatur. Dies h¨angt damit zusammen, daß bei den heute im Kraftwerksbau u ¨blichen hohen Temperaturen ein g¨anzlich anderes Verhalten der Werkstoffe vorliegt, als es von m¨aßigen Temperaturen her bekannt ist. Der in der Elastizit¨ atstheorie vorausgesetzte lineare Zusammenhang zwischen ertragener Spannung und Dehnung ist u ¨ber eine l¨ angere Zeit nicht mehr gegeben, es treten vielmehr bereits bei m¨aßigen Spannungen mit der Zeit zunehmende plastische Verformungen auf, die nach einer Entlastung nicht mehr zur¨ uckgehen. Bei hohen Temperaturen muß daher ein Bauteil nach der Zeit bemessen werden, nach der ein Versagen des Werkstoffes zu erwarten bzw. ein zul¨ assiges Maß an plastischer Verformung erreicht ist.
7.8 Festigkeitsberechnung von Druckteilen
239
Um die Verwendbarkeit von Werkstoffen bei h¨ oheren Temperaturen beurteilen zu k¨ onnen, wurden folgende Begriffe geschaffen: • Die Zeitstandfestigkeit σB/100 000 . Dies ist diejenige Spannung, die bei einer bestimmten Temperatur und nach einer bestimmten Zeit, hier z.B. nach 100 000 Stunden (12 Jahre) zum Versagen f¨ uhrt. • Die Zeitdehngrenze σ1/100 000 . Dies ist die Spannung, die bei einer bestimmten Temperatur nach 100 000 Stunden eine bleibende Dehnung von 1% hervorruft. • Die Warmstreckgrenze σ0,2 . Dies ist die Spannung, die nach einer Kurzzeitbelastung zu einer bleibenden Verformung von 0,2% f¨ uhrt. Außer den Festigkeitseigenschaften ist im Kraftwerksbau die Zunder- und Korrosionsbest¨ andigkeit von Bedeutung; auch die Beibehaltung der Kerbschlagz¨ ahigkeit nach einer langen Einsatzzeit und die Best¨andigkeit des Gef¨ uges sind von Bedeutung. Weitere Aspekte bei der Beurteilung f¨ ur einen Einsatz betreffen die Verarbeitbarkeit, insbesondere beim Schweißen. Wichtig ist auch die Verf¨ ugbarkeit des Werkstoffes und seine Bekanntheit. Festigkeitskennwerte von in Dampfkraftwerken eingesetzten Werkstoffen sind in Abb. 7.34 zusammengestellt. 500
Werkstoffkennwert [N/mm²]
X 20 Cr Mo V 121 13 Cr Mo 44
10 Cr Mo 910 14 Mo V 63
250
St 35.8 100
X 8 Cr Ni Mo V Nb 1613 X 8 Cr Ni Nb 1613 14 Mo V 63
15 Mo 3 St 45.8
50
St 35.8 St 45.8 Warmstreckgrenze m
25
10 Cr Mo 910
0.2
Zeitstandfestigkeit m
13 Cr Mo 44
B/100000
200
250
300
350
400
450
500
550
600
650
700
Temperatur [°C] Abbildung 7.34. Festigkeitskennwerte warmfester Rohrwerkstoffe
Bei den heute u ahlen unterscheidet man zwischen solchen mit ¨blichen St¨ ferritischem und solchen mit austenitischem Gef¨ uge. Bei Materialtemperatuonnen ferritische St¨ ahle verwendet werden, deren Einsatz in ren bis ca. 600◦ C k¨ fossil beheizten Kraftwerken Stand der Technik ist. F¨ ur den Einsatz bei Temunden der Einsatz peraturen u ¨ber 600◦ C ist aus Festigkeits- bzw. Korrosionsgr¨
240
7 Dampferzeuger
austenitischer Stahlsorten erforderlich. F¨ ur eine erste Einteilung werden drei Temperaturbereiche unterschieden: • Materialtemperaturen bis 440◦ C. Bei unlegierten ferritschen St¨ahlen ist wegen der geringen bzw. fehlenden Zunderbest¨andigkeit der Einsatzbereich auf diese Temperatur begrenzt. Bevorzugte Werkstoffe sind: St 35.8, St 45.8 und 15 Mo 3. • Materialtemperaturen bis 550◦ C. Es werden vorzugsweise 13 CrMo 4 4 und 10CrMo 9 10 eingesetzt. Die mechanischen Eigenschaften beider St¨ahle sind vergleichbar, 10 CrMo 9 10 weist aber ab ca. 500◦ C eine gr¨oßere Zeitstandfestigkeit auf. • Materialtemperaturen bis 600◦ C. Als Werkstoff bietet sich der hochlegierte Stahl X 20 CrMoV 12 1 an. Es handelt sich um einen martensith¨artenden Stahl mit hoher Zunderbest¨ andigkeit, der die L¨ ucke zwischen den warmfesten ferritischen und den hochwarmfesten austenitischen St¨ahlen f¨ ullt. Bei Temperaturen u ¨ber 600◦ C ist der Einsatz austenitischer St¨ahle erforderlich. Da diese Materialien nur schwer zu bearbeiten und zu schweißen sind und ihr Preis außerdem um ein Vielfaches h¨ oher ist als der ferritischer St¨ahle, ist deren Einsatz auf besondere F¨ alle beschr¨ ankt. Bei Bauteilen mit hohen Betriebstemperaturen sind neben den statischen und dynamischen Belastungen auch die W¨ armespannungen zu ber¨ ucksichtigen. Diese entstehen infolge von Temperaturunterschieden vorwiegend ¨ beim An- und Abfahren sowie bei Last¨ anderungen. Beim Uberschreiten eines zul¨ assigen Temperaturgradienten kann es zu bleibenden Verformungen durch ¨ Uberschreiten der Warmstreckgrenze kommen. Wegen der großen Abmessungen m¨ ussen die einzelnen Kesselkomponenten, wie z.B. die in Rohr-Steg-Rohr ausgef¨ uhrten Umfassungsw¨ande, aus Werkstoffen hergestellt werden, die bei der Montage nach dem Schweißen keine W¨armebehandlung erfordern. F¨ ur diese Bauteile kommt heute als h¨ochstlegierter Werkstoff nur 13 CrMoV 4 4 in Frage. Da dieser Werkstoff in seinen Festigkeitseigenschaften begrenzt ist, sind in den Umfassungsw¨anden Temperaturen assig. Um diese Grenze nach oben zu schieben, wird von maximal 470◦ C zul¨ seit mehreren Jahren an der Entwicklung von modifizierten 2%-Chromst¨ ahlen f¨ ur Dampferzeugerumfassungsw¨ ande gearbeitet. Zu nennen ist hier die von Mannesmann durchgef¨ uhrte Entwicklung des Stahls 7 CrMoVTiB 10 10 und das japanische Pendant HCM2S [20]. W¨ ahrend bei der Entwicklung neuer Werkstoffe f¨ ur Dampfkraftwerke in der j¨ ungeren Vergangenheit nur wenige Fortschritte erzielt wurden, sind bei den Werkstoffen f¨ ur Gasturbinen erhebliche Verbesserungen erreicht worden. F¨ ur die Beschaufelung bahnt sich der Einsatz von keramischen Werkstoffen wie Siliziumnitrid (Si3 N4 ) an. Von diesen Stoffen wird eine gute Langzeitstabilit¨ at bei Temperaturen u ¨ber 1 200◦ C erwartet.
7.8 Festigkeitsberechnung von Druckteilen
241
7.8.2 Festigkeitsnachweis Die Ermittlung der Nennspannung von druckf¨ uhrenden Bauteilen erfolgt f¨ ur einen bestimmten Referenzzustand, ausgedr¨ uckt durch Berechnungsdruck und Berechnungstemperatur. Bei der Festigkeitsberechnung muß nachgewiesen werden, daß die auftretenden Nennspannungen rein elastischer Natur sind. F¨ ur die Durchf¨ uhrung dieses Nachweises f¨ ur Druckteile sind in den Technischen Regeln f¨ ur Dampfkessel [18] Richtlinien aufgestellt. Allgemeine Grundlagen und Definitionen sind in TRD 300 zusammengestellt. Dort ist u.a. der Begriff der zul¨ assigen Spannung K (7.39) S definiert mit K Festigkeitskennwert, h¨ angt vom Werkstoff und der Berechnungstemperatur ab, und S Sicherheitskennwert gem¨ aß Tabelle 7.4. σzul =
Tabelle 7.4. Festigkeits- und Sicherheitskennwerte f¨ ur Druckteile K
S nach DIN 50 049 Bei ¨ außerem Bei innerem ¨ ¨ Uberdruck Uberdruck
σB bei 20◦ C σB/ϑ bzw. σ0,2/ϑ
2,4 1,5
2,4 1,5
σB/200 000/ϑ
1,0a
1,2
a
¨ Zus¨ atzliche Uberwachungsmaßnahmen nach TRD 508 notwendig.
Darin bezeichnet: σB
Mindestwert der Zugfestigkeit bei 20◦ C,
σB/ϑ bzw. σ0,2/ϑ Mindestwert der Warmstreckgrenze bei Berechnungstemperatur ϑ, Mindestwert der Zeitstandfestigkeit f¨ ur 200 000 h bei σB/200 000/ϑ der Berechnungstemperatur ϑ. Die Berechnungstemperatur ist die Summe aus der h¨ochsten zu erwartenden Mediumstemperatur, auch Bezugstemperatur genannt, und einem Temperaturzuschlag Z gem¨ aß Tabelle 7.5. In der Regel sind die tats¨achlich auftretenden Materialtemperaturen im Rahmen einer w¨armetechnischen Analyse zu u ufen. Der Berechnungsdruck ist mindestens gleich dem zul¨assigen ¨berpr¨ Betriebs¨ uberdruck.
242
7 Dampferzeuger
Tabelle 7.5. Temperaturzuschl¨ age ∆ϑZ zur Berechnungstemperatur Bauteil f¨ uhrt
∆ϑZ [◦ C]
ϑBez
unbeheizte Beheizung durch gegen FeuerBauteile Strahlung Konvektion gase abgedeckt Sattdampf, Wasser
S¨ attigungsbzw. Vorlauftemperatur
Heißdampf
Heißdampftemperatur
a
0
50
15 + 2 δ a
20
15
50
35
20
ausgef¨ uhrte Wanddicke in mm, Temperaturzuschlag maximal 50◦ C.
Die Berechnung der im Dampferzeugerbau vorkommenden Bauelemente erfolgt nach TRD 301. F¨ ur die Wanddicke von Zylinderschalen ohne Verschw¨ achung (Rohre etc.) gilt bei ruhender Beanspruchung di p δ= + c1 + c2 2 σzul − p vN
(7.40)
oder da p + c1 + c2 . δ= 2 σzul − p vN + 2 p
(7.41)
Hier bedeutet: δ erforderliche Mindestwanddicke, di Innendurchmesser der Schale, da Außendurchmesser, p Berechnungs¨ uberdruck, σzul zul¨ assige Spannung, vN Schweißnahtfaktor vN ∈ [0,8; 1,0] , c1 Wanddickenzuschlag nach DIN 17 175 (c1 = 0 f¨ ur da < 44,5 mm), c2 Zuschlag zur Ber¨ ucksichtigung von Korrosion und Abnutzung. Beispiel 7.5. Zu berechnen ist die erforderliche Wanddicke eines durch Strahlung ¨ beheizten Uberhitzerrohres aus 10 CrMo 9 10 mit da = 38 mm. Der Berechnungsdruck p sei 225 bar und die maximale Dampftemperatur 480◦ C. Der Schweißnahtage sind zu vernachl¨ assigen. Wie ¨ andert sich faktor vN betrage 1,0; weitere Zuschl¨ die Wanddicke, wenn die Dampftemperatur um 10◦ C zunimmt? agt die BerechnungstemperaL¨ osung. Tabelle 7.5 liefert ∆ϑZ = 50◦ C. Damit betr¨ tur ϑBer = ϑ + ∆ϑZ = 530◦ C.
7.8 Festigkeitsberechnung von Druckteilen
243
Aus Abb. 7.34 ergibt sich f¨ ur diese Temperatur ein Festigkeitskennwert K = 90 N/mm2 . Mit dem Sicherheitskennwert S = 1,5 aus Tabelle 7.4 ergibt sich die zul¨ assige Spannung zu σzul =
K = 60 N/mm2 . S
Aus (7.41) berechnet man die erforderliche Wanddicke ohne Zuschl¨ age δ = 6,00 mm. Steigert man die Dampftemperatur auf 490◦ C, betr¨ agt die Berechnungstempeagt ratur 540◦ C und der Festigkeitskennwert sinkt auf 78 N/mm2 ab. Damit betr¨ die zul¨ assige Spannung nur noch 52 N/mm2 . Daher ist nach (7.41) eine gr¨ oßere Wandst¨ arke δ = 6,76 mm ≈ 7 mm erforderlich, also fast 1 mm mehr als bei ϑBer = 530◦ C. Wegen des steilen Abfalls der Festigkeitskennwerte muß sichergestellt sein, daß die Temperaturabweichungen in zul¨ assigen Grenzen bleiben.
7.8.3 W¨ armespannungen Beim Anfahren, Abstellen und bei Last¨ anderungen im Gleitdruckbetrieb treten insbesondere in den W¨ anden dickwandiger zylindrischer Bauteile große Temperaturdifferenzen auf. Infolge dieser Temperaturdifferenzen bildet sich durch die W¨ armedehnung zwischen der Innen- und der Außenfaser des Bauteils ein Eigenspannungszustand aus. Diese W¨armespannungen u ¨berlagern sich den Beanspruchungen infolge des Innendruckes und f¨ uhren zusammen mit diesen dazu, daß die Lebensdauer dieser Anlagenteile langsam aufgebraucht wird. Wir setzen hier voraus, daß die sich ver¨ andernde Dampftemperatur ϑ(t) vorgegeben sei. Die Dynamik der Wandtemperatur θ(x, t) wird dann durch den W¨ arme¨ ubergang Dampf/Bauteil und die W¨armeleitung innerhalb des Materials bestimmt. Der Einfachheit halber nehmen wir weiter an, daß die Beh¨ alter als d¨ unnwandige Zylinderschalen, d.h. als Platten behandelt werden k¨ onnen. Es gilt dann f¨ ur den spezifischen W¨armestrom vom Dampf an die Wand
∂θ
q˙ = α ϑ(t) − θ(x = 0, t) = λ . (7.42) ∂x
x=0
Hier ist λ die W¨armeleitf¨ ahigkeit und α die vom Str¨omungs- und Dampfzustand abh¨ angige W¨ arme¨ ubergangszahl. Die Außenseite x = δ der Bauteile ist isoliert, so daß dort
∂θ
=0 (7.43) ∂t
x=δ
gilt. Als Anfangsbedingung verwenden wir
244
7 Dampferzeuger
θ(x, t = 0) = θ0 (x) .
(7.44)
F¨ ur die Temperaturverteilung θ(x, t) innerhalb der Wand gilt die W¨armeleitungsgleichung ∂2θ ∂θ =a 2 . ∂t ∂x Darin ist λ a= ρ cp
(7.45)
(7.46)
die W¨ armeleitzahl des Materials. Bei einem vorgegebenen Verlauf von ϑ(t) l¨aßt sich das Temperaturprofil innerhalb der Wand durch L¨ osen von (7.45) unter den Randbedingungen (7.42), (7.43) und der Anfangsbedingung (7.44) bestimmen. Es handelt sich dabei um eine klassische Aufgabenstellung der mathematischen Physik, die mit der Methode der Trennung der Variablen gel¨ost werden kann. Analytische L¨ osungen sind f¨ ur eine sprungf¨ ormig ansteigende und eine linear ansteigende Dampftemperatur bekannt, vgl. z.B. [21]. Hier interessiert aber weniger der Temperaturverlauf als vielmehr die W¨ armespannung. Allgemein ist diese an einem Ort x proportional dem Unterschied der o ¨rtlichen Temperatur θ(x, t) zur mittleren Wandtemperatur θ(t). F¨ ur die Praxis wichtig ist vor allem die an der besp¨ ulten Innenwand (x = 0) auftretende maximale Werkstoffbeanspruchung. Zu ihrer Berechnung sind nur zwei Temperaturangaben notwendig: die Wandtemperatur an der Innenseite θi (t) = θ(x = 0, t)
(7.47)
und die mittlere Wandtemperatur 1 θ(t) = δ
δ θ(x, t) dx .
(7.48)
0
Bei einer sprungf¨ ormigen Temperatur¨ anderung um ∆θ folgt durch die Entwicklung der L¨ osung in Fourierreihen ∞ 2 Bi 1 − Bi β −2 θi − θ n 2 = 2 Bi exp −β Fo , (7.49) n ∆θ Bi2 + Bi + β 2 n=0 n
bei einer mit dem Transienten vT = ∂θ/∂t ansteigenden Temperatur gilt ⎞ ⎛ ∞ 2 Bi 1 − Bi β −2 θi − θ 1 ⎝1 n exp −β 2 Fo ⎠ . (7.50) = + 2 Bi 2 n 2 2 vT t Fo 3 βn n=0 Bi + Bi + β n
Hier ist Bi =
αδ λ
(7.51)
7.8 Festigkeitsberechnung von Druckteilen
245
die Biotzahl und at Fo = 2 (7.52) δ die Fourierzahl. Die Entwicklungskoeffizienten βn ergeben sich aus der Gleichung βn tan βn = Bi .
(7.53)
In Abb. 7.35 ist der Verlauf der Wandtemperaturdifferenz als Funktion der Fourierzahl dargestellt; aus derAbbildung und auch aus dem Aufbau der Glei chungen ist zu erkennen, daß θi − θ proportional zum Quadrat der Wanddicke δ ist. 40
1,00 qi- qm Dq 0,75
qi -qm 30 100 vT =20K/min
20
0,50 5,0
10
0,25 Bi =1,0
0 0
0,5
1,5
1,0
Fo
0 2,0
Abbildung 7.35. Verlauf der Wandtemperaturdifferenz f¨ ur eine sprungf¨ ormige und eine rampenf¨ ormige Temperaturst¨ orung
Die Spannungsrechnung liefert f¨ ur die meist gef¨ahrdete dampfbesp¨ ulte Innenfl¨ ache die Partialspannungen σp (x = 0, t) als Folge des Innendrucks und σT (x = 0, t) als Folge des Temperaturprofils. Im Falle eines Rohres ergibt sich an der Innenwand folgender Spannungszustand: = −p ,
σT
=0,
σptang =
σT
=
σpl¨angs
σT
σprad
u2 + 1 p, u2 − 1 1 p, = 2 u −1
rad
tang
l¨ angs
Eγ 1−ν Eγ = 1−ν
θi − θ ,
θi − θ .
(7.54)
altnis des Rohres, E der ElaHierbei ist u = di /da das Durchmesserverh¨ stizit¨ atsmodul, γ der differentielle W¨ armeausdehnungskoeffizient und ν die Querkontraktionszahl. Angaben u ¨ber das Festigkeitsverhalten von Werkstoffen werden aus Versuchen mit einachsigen Probest¨ aben gewonnen. Um den errechneten mehrachsigen Spannungszustand mit dem gemessenen Werkstoffverhalten vergleichen
246
7 Dampferzeuger
zu k¨ onnen, muß zuerst eine einachsige Vergleichsspannung σV errechnet werden. Eine solche Vergleichsspannung kann mit dem bekannten Kriterium von Mises’ bestimmt werden. F¨ ur den Spannungszustand (7.54) ergibt sich √ σV = σV + 3 σV σV + σV . (7.55) p
p
T
T
σV und σV sind die Vergleichsspannungen der Einzelkomponenten: p
T
p
σV
T
√
u2 p, u2 − 1 Eγ θi − θ . = 1−ν
σV =
3
(7.56) (7.57)
Aus (7.54) und (7.55) folgt sofort, daß die W¨armespannung – abgesehen von idealen Temperaturspr¨ ungen – der Temperatur¨anderungsgeschwindigkeit und dem Quadrat der Wanddicke proportional ist. Damit ist klar, daß i.allg. die dickwandigen Bauteile die zul¨ assigen Temperatur- und Last¨anderungsgeschwindigkeiten einer Anlage bestimmen. Bei den hochbeanspruchten Bauteilen interessiert vor allem die Ersch¨opfung des Werkstoffs infolge der Druck- und W¨armespannungen. Zur Beantwortung dieser Frage stehen aus der Materialpr¨ ufung die Ergebnisse des Zeitstandversuchs und des Dehnwechselversuchs zur Verf¨ ugung. Der Zeitstandversuch liefert die Lebensdauer Z(σV , θ) unter gleichbleibender statischer Belastung. F¨ ur den w¨ ahrend der Zeit dt verbrauchten Anteil an Lebensdauer dZ bei einer Beanspruchung σV (t), die als Zeitstandssch¨adigung dZ uckt wird, gilt: Z ausgedr¨ 0
dt dZ , = Z0 Z(σV , θ)
(7.58)
Z0 ist die projektierte Lebensdauer des Bauteils. F¨ ur die Auswertung ist es zweckm¨ aßig, das Werkstoffverhalten gem¨aß Abb. 7.36 in der Umgebung eines Referenzzustandes σV , θ0 durch eine Gleichung der 0 Form
K 1 σ Z (7.59) = exp −K2 θ − θ0 Z0 σV 0
darzustellen. K1 und K2 sind Materialkenngr¨oßen. Bei den meist interessierenden periodischen Belastungen werden σV und θ0 als zeitliche Mittelwerte 0 verstanden: T 1 σV = σV (t)dt , (7.60) 0 T 0
θ0 =
1 T
T θ(t)dt . 0
(7.61)
7.8 Festigkeitsberechnung von Druckteilen
247
Es wird ferner σV (t) = σV + ∆σV (t)
(7.62)
0
und θ(t) = θ0 + ∆θ(t)
(7.63)
gesetzt. sV
e q=konst q=konst
sV
0
e0
q0
q0
Z0
N0
Z
N
Abbildung 7.36. Zeitstands- und Dehnungswechseldiagramm eines Werkstoffes (schematisch)
F¨ ur die zus¨ atzlich zur statischen Grundbelastung verbrauchte Lebensdauer durch Kriechsch¨ adigung folgt aus (7.56) bis (7.61)
2 t 2 t K 2 1 + K1 ∆σV (t) 2 ∆Z = ∆θ(t) dt . dt + (7.64) 2 σ 2 2K V 1 t=0
0
t=0
Beispielhaft sei ein Ergebnis f¨ ur den Lebensdauerverbrauch einer HDDampfleitung angegeben. Diese bestehe aus dem Werkstoff 10 CrMo 9 10, habe einen Außendurchmesser von 200 mm und 30 mm Wanddicke. Der Druck betrage 185 bar und die mittlere Temperatur 530◦ C. Die St¨orung bestehe in einer periodischen Schwankung der Heißdampftemperatur innerhalb eines Bandes von 10 K. Innerhalb einer angenommenen Betriebszeit von 100 000 Stunden soll die Schwankung sprunghaft bzw. sinusf¨ormig ablaufen, die Periodendauer betrage 30 Minuten. Der Einfachheit halber ist ein unendlich großer innerer W¨arme¨ ubergang angenommen (α = ∞). Bei der sinusf¨ormigen Temperaturschwingung sind die W¨armespannungen gr¨ oßer und dauern l¨ anger an als bei der sprunghaften St¨orung. Das Beispiel zeigt, daß der Lebensdauerverbrauch sowohl von der Amplitude als auch der Form der St¨ orung abh¨ angt. Der Dehnwechselversuch liefert die Anzahl der Wechsel N (ε, θ) bis zum Bruch bei gleichbleibender Temperatur, vgl. Abb. 7.36. F¨ ur die Anwendung
248
7 Dampferzeuger
Tabelle 7.6. infolge einer periodischen St¨ orung der Dampf Lebensdauerverbrauch temperatur Z0 = 100 000 h [%] Form der St¨ orung
∆Zσ
∆Zθ
∆Zσ+θ
Z0
Z0
Z0
sprungf¨ ormig sinusf¨ ormig
6,8 9,1
7,4 5,8
14,2 14,9
des Diagramms muß zun¨ achst die zur Beanspruchung σV und zur Temperatur θ zugeh¨ orige Dehnung ε bestimmt werden. F¨ ur die Zahl der Dehnungswechsel im Zeitintervall dt folgt dann aus Abb. 7.36 dN = Kε dt .
(7.65)
Der w¨ ahrend der Zeit dt abgelaufene Sch¨ adigungsanteil durch Dehnungswechsel ergibt sich damit sinngem¨ aß zu Kε dt dN . = N0 N (σV , θ)
(7.66)
N0 ist die bei der Projektierung zugrundegelegte Zahl von Dehnungswechseln. Die Werkstoffsch¨adigung infolge einer beliebigen Belastungsgeschichte σV (t), θ(t) durch die beiden Schadenswirkungen (7.58) und (7.66) ist ∆Z = Z0
t
Kε 1 + Z(t) N (t)
dt .
(7.67)
0
Mit Hilfe von (7.67) kann z.B. der Einfluß der Prozeßf¨ uhrung auf die Werkstoffersch¨ opfung festgestellt werden. F¨ ur eine Vertiefung wird auf die Literatur [22], [23] und auf die Richtlinie TRD 301, Anlage 1 [18] verwiesen. In der Richtlinie ist eine Vorgehensweise angegeben, mit der die Lebensdauerersch¨opfung durch Wechselbeanspruchung bestimmt werden kann.
7.9 Speisewasser F¨ ur den st¨ orungsfreien Betrieb ist f¨ ur alle Dampferzeugersysteme die Beschaffenheit des Speisewassers von großer Bedeutung. Die f¨ ur den Kraftwerksbetrieb verf¨ ugbaren W¨ asser enthalten Fremdstoffe in gel¨oster Form, meist als Salze und Gase, die die Ursache von den Betrieb st¨orenden Erscheinungen sein k¨ onnen. So haben z.B. die Salze der Erdalkalimetalle die Eigenschaft, sich beim Erw¨ armen an den Wandungen der W¨ armeaustauscherrohre als Kesselstein anzulagern. Neben der Vergr¨ oßerung des Druckverlustes behindern sol¨ che Ablagerungen den W¨ armefluß und k¨ onnen dadurch zu Uberhitzungen von Heizfl¨ achenteilen und damit Sch¨ aden f¨ uhren. Gel¨oste Gase, besonders CO2
7.9 Speisewasser
249
und O2 , verursachen Sch¨ aden durch wasserseitige Korrosion in der Dampferzeugerberohrung. Andere Fremdstoffe k¨ onnen zur Verunreinigung des erzeugten Dampfes f¨ uhren, dies kann St¨ orungen bei den Dampfverbrauchern verursachen, z.B. Versalzung der Turbinen. Den sch¨ adlichen Auswirkungen dieser Verunreinigungen wird heute durch eine dem Kesselbetrieb angepaßte Wasseraufbereitung begegnet. Bei Kraftwerksanlagen werden u ¨berhaupt alle mineralischen Bestandteile entfernt, was durch Ionenaustausch weitgehend erreicht werden kann. Die Gase werden dabei physikalisch entfernt. Zum Schutz gegen Korrosion wird dem Speisewasser meist durch geeignete Additive eine leicht alkalische Reaktion gegeben. Die Anforderungen an das Speisewasser steigen mit dem Dampfdruck und sind f¨ ur Hochdruckanlagen sehr streng. F¨ ur eine Vertiefung wird auf die Literatur [24], [25] und auf die nachfolgend genannten Richtlinien verwiesen: • VGB-Richtlinien f¨ ur Kesselspeisewasser, Kesselwasser und Dampf von Wasserrohrkesseln der Druckstufen ab 64 bar [26], ¨ • VdTUV-Richtlinien f¨ ur Speisewasser, Kesselwasser und Dampf von Dampferzeugern bis 68 bar [27]. • Unter Ber¨ ucksichtigung derjenigen Teile einer Kesselanlage, die der Dampfkesselverordnung unterliegen, sind die Anforderungen an das Speisewasser in der TRD 611 [18] festgelegt. F¨ ur eine erste Charakterisierung eines Speisewassers wird der pH-Wert und der Salzgehalt bzw. die elektrische Leitf¨ ahigkeit angegeben. Nach seiner Definition gibt der pH-Wert die Wasserstoffionenkonzentration an; er ist somit ein Maß f¨ ur die St¨ arke einer S¨ aure bzw. Lauge. Das neutrale Wasser hat einen pHWert von 7; bei pH < 7 ist das Wasser sauer und bei pH > 7 alkalisch. Durch gel¨ oste Salze wird der Isolator“ Wasser elektrisch leitend. Die Leitf¨ahigkeit ” ist bei geringem Salzgehalt diesem proportional; in erster N¨aherung gilt die Zuordnung 1 µS/cm ≈ 0,5 mg/l. Zus¨ atzlich zur Wasseraufbereitung sind moderne Kraftwerksanlagen mit Kondensatreinigungsanlagen ausger¨ ustet, die st¨ andig Salze und Korrosionsprodukte aus dem Wasser/Dampfkreislauf entfernen. Die Anforderungen an das Speisewasser sind bei Trommelkesseln geringer als bei Durchlaufkesseln, denn im Trommelkessel wird in der Art einer Destillieranlage das salzhaltige Speisewasser in salzarmen Dampf u uhrt, ¨berf¨ wobei die Salze sich im Wasservorrat des Verdampfers anreichern. Bei Durchlaufkesseln bestimmt die Speisewasserqualit¨ at direkt die Dampfqualit¨at; eine Korrekturm¨ oglichkeit ist nicht gegeben. Der Salzgehalt des Kesselwassers kann bei Umlaufkesseln durch Abschl¨ammen in Grenzen gehalten werden. Beim Abschl¨ammen wird Wasser aus der Trommel entnommen und u uhrt. ¨ber einen Entspanner in die Umgebung abgef¨ Es gilt die Massenbilanz ˙D+m ˙A m ˙ Sp = m
(7.68)
250
7 Dampferzeuger
wobei m ˙ A den ausgeschleusten Wasserstrom bezeichnet. Die Dynamik der Salzspeicherung gehorcht der Bilanzgleichung mUm
dcUm =m ˙ Sp cSp − m ˙ D cD − m ˙ A cUm dt = m ˙D+m ˙ A cSp − m ˙ D x cUm − m ˙ A cUm
(7.69)
mit: Masse des Umlaufwassers, mUm cUm Salzkonzentration im Umw¨ alzwasser, Salzkonzentration im Speisewasser, cSp cD = x cUm Salzkonzentration im Dampf. Aus einer Division durch m ˙ A ergibt sich eine Gleichung zur Bestimmung der Konzentration cUm :
m ˙D dcUm m ˙ = τ + 1 cSp − D x cUm − cUm . (7.70) dt m ˙A m ˙A Darin ist ˙ m m τ = Um D m ˙D m ˙A
(7.71)
die Speicherzeitkonstante des Vorgangs. F¨ ur typische Werte mUm /m ˙ D = 0,1 h ˙ A = 100 ist z.B. τ = 10 h. und m ˙ D /m Aus (7.69) folgt f¨ ur den Beharrungszustand m ˙A m ˙D . = cSp m ˙ x+ A m ˙D 1+
cUm
(7.72)
Die Aufkonzentration im Kesselwasser wird neben x durch die Abschl¨ammung m ˙ A begrenzt; andererseits bringt die Abschl¨ammung aber einen W¨armeund Wasserverlust mit sich und ist deshalb m¨oglichst zu vermeiden. Beispiel 7.6. Bei einem Naturumlaufdampferzeuger habe das Speisewasser einen omende Naßdampf Salzgehalt von cSp = 0,09 mg/kg. Der aus dem Abscheider abstr¨ hat einen Wassergehalt von x = 0,03. Wie hoch ist der Salzgehalt des Umlaufwassers ˙ D von 5%? Welchen Salzgehalt hat bei einer kontinuierlichen Abschl¨ ammung m ˙ A /m das Umlaufwasser, wenn auf eine Abschl¨ ammung verzichtet wird? L¨ osung. Nach (7.72) stellt sich bei einer kontinuierlicher Abschl¨ ammung von 5% des Dampfmassenstroms eine Salzkonzentration von cUm = 1,2 mg/kg ein. Ohne Abschl¨ ammung ergibt sich nach (7.72) eine Konzentration von cUm = cSp
1 = 3,0 mg/kg, x
7.10 Fazit
251
also ein 2,5-fach h¨ oherer Wert. Bis in die 70er Jahre wurde bei Umlaufkesseln abgeschl¨ ammt. Bei den heute verf¨ ugbaren Anlagen zur Speisewasseraufbereitung ist der Salzgehalt so gering, daß auf Abschl¨ ammungen im Normalbetrieb verzichtet werden kann.
Eng mit der Speisewasseraufbereitung verbunden ist die Aufgabe der Korrosionsvermeidung. F¨ ur den Bereich der Rohrinnenseiten bedeutet dies: • Bei der Inbetriebnahme eines Kessels muß eine einwandfreie Schutzschicht auf der Rohrinnenseite aufgebaut werden. • Der Kessel darf danach nur mit Speisewasser der vorgeschriebenen Qualit¨ at betrieben werden. Um eine einwandfreie Schutzschicht aufzubauen, ist eine saubere, zunderfreie Innenoberfl¨ ache der Kesselrohre erforderlich. Man erreicht dies durch Sp¨ ulen und Auskochen, am besten aber durch Beizen und den sofort anschließenden Betrieb zum Aufbau der Schutzschicht mit Wandtemperaturen u ¨ber 300◦ C. Gem¨ aß der Reaktion 6 Fe + 7 O2 + 12 H −→ 2 FeO + 6 H2 O
(7.73)
bildet sich auf der Rohroberfl¨ ache eine Magnetitschicht aus, die die Rohre vor Korrosion sch¨ utzt.
7.10 Fazit Der Dampferzeuger hat die Aufgabe, die in der Feuerung freigesetzte W¨arme in die Enthalpie des hochgespannten Dampfes umzuwandeln. Wegen der Schwankungsbreite des Heizwertes – insbesondere bei minderwertigen Brenn¨ stoffen – ist das W¨ armeangebot zeitlichen Anderungen unterworfen. Auf der anderen Seite sind aber aus Festigkeitsgr¨ unden bei der Turbine nur geringe Schwankungen des Dampfzustandes zul¨ assig. Der Ausgleich zwischen dem zeitlich sich ¨ andernden Energieangebot aus der Feuerung und dem stetigen Energiestrom zur Turbine ist eine der Aufgaben des Dampferzeugers. Um diesen Ausgleich bei allen Anforderungen sicherzustellen, ist der Dampferzeuger nach statischen und dynamischen Kriterien zu dimensionieren. Zur Erf¨ ullung aller Anforderungen sind die f¨ ur den Bau der Anlagen zur Verf¨ ugung stehenden Werkstoffe bis an die Grenzen ihrer M¨oglichkeiten auszusch¨opfen. Die Kesselhersteller sahen sich dabei veranlaßt, Schrittmacherdienste bei der Entwicklung der Werkstoff-und Fertigungstechnologie und der damit zusammenh¨ angenden Festigkeitsberechnung zu leisten. Die obere Temperatur des Kraftwerksprozesses und damit der Anlagenwirkungsgrad wird im wesentlichen durch die f¨ ur die End¨ uberhitzer verf¨ ugbaren Werkstoffe begrenzt. Heute haben sich die Dampftemperaturen zwischen 530 und 580◦ C eingependelt. Dies ist ein Temperaturbereich, der mit warmfesten ferritischen und martensitischen Werkstoffen beherrscht werden kann. Mit den
252
7 Dampferzeuger
im Prinzip verf¨ ugbaren austenitischen Werkstoffen w¨aren Dampfparameter von 600◦ C und 300 barund mehr m¨ oglich. Engpaß sind der Verdampfer, die ¨ End¨ HD- und ZU= uerhitzer. Weiter kann gesagt werden, daß die Anforderungen an Dampferzeuger sowohl im Hinblick auf die Einheitsleistung als auch die Betriebsanforderungen durch zweckentsprechende Schaltungen und Konstruktionen erf¨ ullt werden k¨ onnen. Bei Verwendung des Zwangdurchlaufprinzips, das bei hohen Dr¨ ucken und großen Leistungen allein zur Anwendung kommt, k¨onnen Anlagen mit so g¨ unstigen Eigenschaften gebaut werden, daß auch große kohlegefeuerte Einheiten zur Spitzenlastabdeckung herangezogen werden k¨onnen. Grenzleistungen f¨ ur den Dampferzeuger allein sind derzeit nicht zu erkennen. Die gr¨ oßten zur Zeit betriebenen Anlagen haben W¨armeleistungen von 3 000 MW.
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Literatur
253
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8 Dampfturbinen
8.1 Grundlagen Die Dampfmaschine, die erste Kraftmaschine f¨ ur die Umwandlung von W¨arme in mechanische Energie, war um 1900 der begrenzende Faktor f¨ ur die Leistungssteigerung der Kraftwerke. Bei der Hin- und Herbewegung des Kolbens traten große Massenkr¨ afte auf, was die Laufgeschwindigkeit und die Leistungsvergr¨ oßerung begrenzte. Die L¨ osung brachte die Dampfturbine, bei der durch die Entspannung des Dampfes unmittelbar eine Drehbewegung erzeugt wird. Als Turbinen bezeichnet man Str¨ omungsmaschinen1 , mit denen die potentielle Energie eines diese durchstr¨ omenden Arbeitsmittels zun¨achst in kinetische Energie umgewandelt und dann in mechanische Energie der sich drehenden Turbinenwelle umgesetzt wird. Sie bestehen aus D¨ usen, die auf stillstehenden Leitr¨ adern angeordnet, und Umlenkschaufeln, die auf den Laufr¨adern angebracht sind. Ein Laufrad bildet zusammen mit einem Leitrad eine Turbinenstufe. Dampf- und Gasturbinen werden – abgesehen von Maschinen sehr kleiner Leistung – mehrstufig ausgef¨ uhrt, d.h. es folgen nacheinander mehrere Stufen. Die Anzahl der Stufen schwankt in weiten Grenzen; bei geringen Leistungen gen¨ ugen einige wenige, w¨ ahrend in anderen F¨allen 60 und mehr Stufen gebraucht werden. Das Arbeitsmittel durchstr¨ omt die Leit- und Laufr¨ader bei großen Maschinen meist axial. Die Durchstr¨ omung erfolgt in einem Ringspalt zwischen Geh¨ ause und Rotor, vgl. Abb. 8.1. Durch die Bemessung der Durchflußquerschnitte in den R¨ adern der einzelnen Stufen kann der Druckverlauf l¨ angs der Turbine festgelegt werden. Zur Umsetzung der Enthalpie in mechanische Energie wird das Arbeitsmittel in D¨ usen beschleunigt, die von den auf dem Umfang des feststehenden Leitrades angeordneten Leitschaufeln gebildet werden. Danach erfolgt eine 1
Zu den Str¨ omungsmaschinen geh¨ oren ebenfalls die Gas- und Wasserturbinen, die Turboverdichter sowie die Windr¨ ader und Propeller. F¨ ur diese Maschinen existiert eine gemeinsame Theorie, f¨ ur deren Darstellung auf die Literatur [1], [2] verwiesen wird.
256
8 Dampfturbinen
a b
a Innengeh¨ ause b Geh¨ ause c Labyrinthdichtung
c
Abbildung 8.1. L¨ angsschnitt durch eine HDTurbine
Umlenkung in den Schaufeln des sich drehenden Laufrades. Als Reaktion auf die an den Schaufeln angreifenden Impulskr¨ afte entsteht ein Drehmoment, das an der Turbinenwelle abgeleitet wird. Im Laufe der Entwicklung haben sich ¨ zwei typische Bauformen herausgebildet: die Gleichdruck- und die Uberdruckturbine. Der Unterschied zwischen beiden liegt allein in der Beschaufelung und kann durch den Reaktionsgrad Γ – dies ist das Verh¨altnis des in den Laufschaufeln abgebauten Enthalpiegef¨ alles zu dem der ganzen Stufe – gekennzeichnet werden. Bei den Gleichdruckturbinen (Γ = 0) wird das Enthalpiegef¨alle einer Stufe vollst¨ andig im Leitrad in kinetische Energie umgewandelt. Der Druck und damit auch der Betrag der Str¨ omungsgeschwindigkeit im Ein- und Austrittsquerschnitt des Laufrades sind daher jeweils gleich groß.2 ¨ Bei der Uberdruckturbine wird das Enthalpiegef¨alle im Leit- und Laufrad umgesetzt und es ist Γ > 0. Durch die Geschwindigkeitserh¨ohung im Laufrad ergibt sich eine zus¨ atzliche Reaktionskraft, man spricht deshalb auch von einer Reaktionsturbine.3 Beide Bauarten standen lange Zeit nebeneinander und waren kennzeichnend f¨ ur die Turbinenbaureihen der einzelnen Hersteller. Typisch f¨ ur die 2
3
Diese Bauform wurde von A. Rateau (1863–1930) eingef¨ uhrt und wird auch Rateau-Turbine genannt. Nach ihrem Erfinder C.A. Parsons (1854–1931) bezeichnet man sie auch als Parsons-Turbine. Parsons hat das Prinzip der Mehrstufigkeit eingef¨ uhrt, mit dem das große Enthalpiegef¨ alle eines Dampfkraftprozesses bei m¨ aßigen Umfangsgeschwindigkeiten mit hohen Wirkungsgraden genutzt werden kann. Entscheidende Beitr¨ age zur Entwicklung der Turbinen lieferten auch C.G.P. de Laval (1845–1913) und C.G. Curtis (1860–1953).
8.2 Elementare Theorie axialer Str¨ omungsmaschinen
257
Gleichdruckturbine war die geringe Stufenzahl mit relativ hohen St¨omungs¨ verlusten durch Reibung aber geringen Spaltverlusten. Die Uberdruckturbine hatte eine gr¨ oßere Stufenzahl, geringere Reibungs-, aber gr¨oßere Spaltverluste. Bei gleichem Enthalpiegef¨ alle im Leit- und Laufrad (Γ = 0,5) ergaben sich f¨ ur beide R¨ ader gleiche Str¨ omungsverh¨ altnisse. Es konnten somit die gleichen Schaufelprofile f¨ ur beide R¨ ader verwendet werden. Heute ist der Reaktionsgrad einer unter mehreren Auslegungsparametern einer Stufe und wird frei gew¨ ahlt. Zur Erreichung bestimmter Eigenschaften kann sich der Reaktionsgrad innerhalb der Beschaufelung einer Turbinenanlage unterscheiden. Kennzeichnend f¨ ur die beiden Bauarten sind neben konstruktiven Einzelheiten die Geschwindigkeitsverh¨altnisse in den Stufen, man vergleiche Abb. 8.5 und Abb. 8.6. Neben dieser Einteilung nach der Beschaufelung unterscheidet man auch zwischen Kondensations- und Gegendruckturbinen. Bei der letzteren wird der abstr¨ omende Dampf einem weiteren Verwendungszweck zugef¨ uhrt, z.B. als Prozeßdampf oder zur Beheizung.
8.2 Elementare Theorie axialer Stro ¨mungsmaschinen Mit Hilfe der Stromfadentheorie soll in diesem Abschnitt die Energie¨ ubertra¨ gung vom Arbeitsmittel auf die Turbinenwelle untersucht werden. Die Uberlegungen werden am Beispiel einer Stufe durchgef¨ uhrt, die aus einem Leit- und einem Laufrad besteht, vgl. Abb. 8.2. Der Raum, in dem die Beschaufelung arbeitet, ist durch die Innenwand des Geh¨ auses, die Oberfl¨ache des Rotors sowie den Ein- und Abstr¨ omquerschnitt begrenzt. In erster N¨aherung nehmen wir an, daß der Str¨ omungszustand in jedem zur Rotorachse senkrechten Querschnitt konstant ist und durch den Zustand auf der Mittelfl¨ache zwischen Geh¨ ausewand und Rotoroberfl¨ ache (in der Abbildung ist diese Fl¨ache durch die gestrichelte Linie dargestellt) repr¨ asentiert wird. Ohne eine wesentliche Einschr¨ ankung f¨ ur die Anwendbarkeit k¨ onnen wir ferner annehmen, daß die Str¨ omung station¨ ar ist. Die Energie¨ ubertragung vom Arbeitsmittel auf das System Turbinenstufe“ kann bei Kenntnis des Str¨omungszustandes des ” Arbeitsmittels vor und hinter der Stufe berechnet werden. Wir setzen dazu voraus, daß der Str¨ omungszustand vor der Stufe und das Enthalpiegef¨alle u ¨ber die Stufe vorgegeben sind. Nach der Kontinuit¨ atsgleichung der Str¨ omungsmechanik ist der Massenstrom m ˙ durch den Einstr¨ omquerschnitt A0 einer Stufe gleich dem durch den Querschnitt A1 zwischen Leit- und Laufrad und dem durch den Abstr¨omquerschnitt A2 : ˙2 m ˙ 0 = ρ0 c0 A0 = ρ1 c1 A1 = ρ2 c2 A2 = m n
n
n
mit ρ mittlere Dichte, cn mittlere Geschwindigkeit normal zur Umfangsrichtung,
(8.1)
258
8 Dampfturbinen
Leitrad
Laufrad 1
0
2
Gehäuse
w2 b2
u2
a2 c2 r
_ r Rotor
w1 b1 a1
c1
u1
x Abbildung 8.2. L¨ angsschnitt durch eine Turbinenstufe
A Querschnittsfl¨ ache. Die Indizes 0, 1, 2 bezeichnen diese Gr¨ oßen in den Querschnitten A0 , A1 bzw. A2 einer Stufe, vgl. Abb. 8.2. Das Arbeitsmittel str¨ omt das Leitrad mit der Geschwindigkeit c0 an und wird in diesem auf c1 beschleunigt. Diese Geschwindigkeiten beziehen sich auf den ruhenden Teil der Maschine.4 F¨ ur die Str¨omung im Rotor ist die Geschwindigkeit w relativ zum Rotor maßgebend. Sie setzt sich vektoriell mit der Umfangsgeschwindigkeit des Rotors u zu der auf den ruhenden Teil der Maschine bezogenen Absolutgeschwindigkeit c zusammen gem¨aß c=u+w .
(8.2)
Durch die geometrische Addition von u und w ergibt sich c als dritte Seite des Geschwindigkeitsdreiecks. Zur Angabe der Richtung benutzt man die Winkel gegen die Umfangsgeschwindigkeit. Man bezeichnet sie mit α bei der Absolutstr¨ omung und mit β bei der Relativstr¨omung. Das Arbeitsmittel leistet im Leitrad keine Arbeit. Die Geschwindigkeit hinter dem Rad errechnet sich bei einer isentropen Str¨omung aus der Bernoulli-Gleichung der Str¨ omungsmechanik. Nach dieser ist die Summe aus der spezifischen Enthalpie h und der spezifischen kinetischen Energie c2 /2 konstant: c2
c2
= h1 + 1s (8.3) s 2 2 Den isentrop erreichten Str¨ omungszustand hinter dem Leitrad kennzeichnen wir mit dem Index s. h0 +
4
0
Vektorielle Gr¨ oßen werden fettgedruckt dargestellt; d¨ unngedruckte Zeichen stehen f¨ ur den Betrag.
8.2 Elementare Theorie axialer Str¨ omungsmaschinen
259
Die wirkliche Str¨ omung im Leitrad ist verlustbehaftet, was man durch Einf¨ uhrung eines Leitradwirkungsgrades η ber¨ ucksichtigt. F¨ ur die Geschwindigkeit am Austritt des Leitrades folgt dann
c2 c2 c2 1s Le 1 0 =η = η ∆hs + . (8.4) 2 2 2 = h0 − h1 das isentrope Enthalpiegef¨alle im Leitrad. Der Hier ist ∆hLe s s Leitradwirkungsgrad η =
∆hLe ∆hLe s
(8.5)
ist aus Versuchen zu ermitteln. Eine u ¨bersichtliche Darstellung dieses Vorgangs liefert das h,s-Diagramm, vgl. Abb. 8.3. Am Ende der Expansion wird der Zustand 1 mit der Enthalpie h1 erreicht. Dabei stimmt der Druck mit dem der isentropen Expansion u ¨berein. h
p0 T0
0
0–1s: Isentrope Expansion 0–1: Reale Expansion
Le
Dh
Le
Dhs
p1 1 1s
Abbildung 8.3. Expansion des Arbeitsmittels im Leitrad
s
Beispiel 8.1. Ein Massenstrom von m ˙ = 1 kg/s Dampf (20 bar und 400◦ C) soll in einer D¨ use auf 4 bar expandiert werden. Es sind die D¨ usenquerschnitte l¨ angs des Expansionsweges zu ermitteln, wobei die Zust¨ ande von 16, 12, 8 und 4 bar zu ber¨ ucksichtigen sind. Es kann von einer isentropen Expansion ausgegangen werden. Benutzen Sie den unten angegebenen Ausschnitt aus der Dampftafel. ϑ [◦ C] 190 200 270 280 320 330
4 bar v h 3 m kJ kg kg
0,5218 0,5343 0,6192 0,6311 0,6785 0,6903
7,1255 7,1708 7,4572 7,4947 7,6379 7,6723
2 839,2 2 860,4 3 005,6 3 026,2 3 108,3 3 128,8
s kJ kgK
8 bar v h 3 m kJ kg kg
0,2540 0,2608 0,3057 0,3119 0,3363 0,3423
6,7647 6,8148 7,1205 7,1595 7,3070 7,3422
2 815,1 2 838,6 2 993,5 3 014,9 3 099,4 3 120,4
s kJ kgK
12 bar v h s 3 m kJ kJ kg kg kgK 0,1642 0,1692 0,2011 0,2054 0,2222 0,2263
2 788,2 2 814,4 2 980,8 3 003,0 3 090,3 3 111,8
6,5312 6,5872 6,9156 6,9562 7,1085 7,1445
260
8 Dampfturbinen
ϑ [◦ C] 360 370 400
16 bar v h s 3 m kJ kJ kg kg kgK
20 bar v h s 3 m kJ kJ kg kg kgK
0,1777 3 168,5 7,1069 0,1808 3 190,2 7,1409 0,1900 3 255,0 7,2394
0,1411 3 160,8 6,9950 0,1436 3 182,9 7,0296 0,1511 3 248,7 7,1296
L¨ osung. Zun¨ acht entnimmt man der Dampftafel die Enthalpie des Ausgangszustandes h(20 bar; 400◦ C) = 3 248,7 kJ/kg. Die zugeh¨ orige Entropie s(20 bar; 400◦ C) = 7,1296 kJ/kgK ist f¨ ur alle anderen Zust¨ ande gleich. Mit Hilfe linearer Interpolation k¨ onnen alle weiteren Enthalpien und spezifischen Volumina aus der Dampftafel berechnet werden. Beispielhaft wird dies f¨ ur den Zustand 16 bar durchgef¨ uhrt. Mit der bekannten Entropie schließt man auf eine Temperatur zwischen 360 und 370◦ C:
h 16 bar; s(20 bar; 400◦ C) = h 16 bar; 360◦ C +
s(20 bar; 400◦ C) − s(16 bar; 360◦ C) h (16 bar; 370◦ C) − h(16 bar; 360◦ C) = ◦ ◦ s(16 bar; 370 C) − s(16 bar; 360 C) 3 183,0 kJ/kg. Analog ergibt sich f¨ ur das spezifische Volumen
v 16 bar; s(20 bar; 400◦ C) = 0,1798 m3 /kg. Die Str¨ omungsgeschwindigkeit c kann wegen (8.3) aus √ c = 2 ∆h erhalten werden. Die D¨ usenquerschnitte k¨ onnen wegen der G¨ ultigkeit von (8.1) durch v A=m ˙ c berechnet werden. Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt. Ausgangsdruck [bar] Gegendruck [bar] spez. Volumen Enthalpiegef¨ alle Geschwindigkeit D¨ usenfl¨ ache
[m3 /kg] [kJ/kg] [m/s] [mm2 ]
20,0 16,0
20,0 12,0
20,0 8,0
20,0 4,0
0,180 65,7 362,5 496,0
0,225 145,8 540,0 416,7
0,307 250,2 707,4 433,9
0,523 407,6 902,9 579,2
Die Berechnungen zeigen, daß der D¨ usenquerschnitt zun¨ achst verringert und dann wieder erweitert werden muß. Dieser Effekt ist von den Expansionsstr¨ omungen kompressibler Fluide gut bekannt.
8.2 Elementare Theorie axialer Str¨ omungsmaschinen
261
Der im engsten Querschnitt erreichte Druck heißt kritischer Druck und die dort erreichte Geschwindigkeit kritische Geschwindigkeit. Diese ist gleich der Schallgeschwindigkeit. Im konvergenten Teil der D¨ use liegt somit eine Unterschall- und im ¨ divergenten eine Uberschallstr¨ omung vor.
Im Laufrad leistet das Arbeitsmittel Arbeit, indem es dieses mit dem Drehmoment L dreht. Durch Anwendung des Drallsatzes der Str¨omungsmechanik erh¨ alt man L=m ˙ r1 c1 − r2 c2 . (8.6) u
u
Das Produkt aus Geschwindigkeitskomponente in Umfangsrichtung und Radius wird u ¨blicherweise als Drall bezeichnet und (8.6) entsprechend als Drallsatz. Der Drallsatz in dieser Form ist eine grundlegende Beziehung f¨ ur Str¨omungsmaschinen und heißt Euler’sche Turbinengleichung. Sie gilt nicht nur f¨ ur Turbinen, sondern auch f¨ ur Pumpen und Verdichter. In (8.6) kommt der Druck nicht vor – der Druck im Laufrad kann also bei Turbinen konstant bleiben oder abnehmen, entsprechend muß er bei Verdichtern zunehmen. Aus (8.6) folgt weiter, daß dasjenige Maschinenteil, das den Drall der Str¨omung ver¨andert, ur den mittleren auch das Drehmoment aufnehmen muß. r1 und r2 stehen f¨ Radius des Ein- bzw. Austrittsquerschnitts des Laufrades, vgl. Abb. 8.2. cu bezeichnet die Umfangskomponente von c mit cu = c cos α .
(8.7)
Da sich das Turbinenrad mit der Winkelgeschwindigkeit ω dreht, bestimmt sich seine Leistungsabgabe einer Stufe zu ˙ ω r1 c1 − r2 c2 = m PSt = L ω = m ˙ u1 c1 − u2 c2 . (8.8) u
u
u
u
ur die Leistung einer Stufe und u1,2 = r1,2 ω f¨ ur die mittlere Hier steht PSt f¨ Umfangsgeschwindigkeit im Eintritts- bzw. Austrittsquerschnitt des Rades. Im Turbinenbau wird die auf den Massenstrom bezogene Leistung verwendet und als spezifische Radarbeit aT bezeichnet. Man setzt PSt = u1 c1 − u2 c2 . (8.9) u u m ˙ Mit dem Kosinussatz kann die rechte Seite von (8.9) umgeformt werden. Aus Abb. 8.2 folgt 1 2 (8.10) u1 c1 = u1 c1 cos α1 = u + c2 − w2 , 1 1 u 2 1 1 2 u2 c2 = u2 c2 cos α2 = (8.11) u + c2 − w2 . 2 2 u 2 2 Werden (8.10) und (8.11) in (8.9) eingef¨ uhrt, ergibt sich aT =
aT =
u2 − u2 1
2
2
+
c2 − c2 1
2
2
−
w2 − w2 1
2
2
.
(8.12)
262
8 Dampfturbinen
Mit dieser Beziehung, der Turbinenhauptgleichung, kann die Energieumsetzung im Laufrad bei bekannten Geschwindigkeiten berechnet werden. Die spezifische Radarbeit kann auch aus einer Energiebilanz bestimmt werden. Bei einer isentropen Zustands¨ anderung gilt c2
c2
2s . (8.13) s 2 2 Durch Gleichsetzen von (8.12) und (8.13) folgt f¨ ur das isentrope Enthalpiegef¨ alle im Laufrad 1 2 ∆hLa u − u2 − w 2 + w 2 . (8.14) s = h1 − h2s = 1 2 1 2s 2 Bei Axialturbinen gilt in guter N¨ aherung u1 = u2 . Damit folgt aus (8.14), daß bei Gleichdruckturbinen – bei diesen ist h1 = h1 – der Betrag der relativen s Ein- und Austrittsgeschwindigkeit aus dem Laufrad gleich groß ist. Die Str¨ omung im Laufrad ist ebenfalls verlustbehaftet, was durch einen Laufradwirkungsgrad η ber¨ ucksichtigt werden kann. F¨ ur die Austrittsgeschwindigkeit aus dem Laufrad folgt aus (8.14) w2 w2 1 2 2 2 2 = η 2s = η ∆hLa + − u + u (8.15) w s 1 1 2 2 2 2
− h2 −
1
aT = h1 +
und daraus w2 = η w2 .
(8.16)
s
Der Laufradwirkungsgrad η =
∆hLa ∆hLa
(8.17)
s
ist wiederum aus Versuchen zu bestimmen, vgl. Abb. 8.4. h
p1 T1
1
1–2s: Isentrope Expansion 1–2: Reale Expansion
La
Dh
La
Dhs
p2 2 2s s
Abbildung 8.4. Expansion des Arbeitsmittels im Laufrad ¨ einer Uberdruckturbine
8.2 Elementare Theorie axialer Str¨ omungsmaschinen
263
Die in der Turbinenstufe umgesetzte Leistung, die in (8.8) mit den Geschwindigkeiten geschrieben wurde, kann auch durch das Enthalpiegef¨alle dargestellt werden. Aus (8.13) folgt unter Ber¨ ucksichtigung von (8.4) f¨ ur die Leistung einer Stufe
c2 c2 Le La 0 2 PSt = m ˙ ∆h + ∆h + − . (8.18) 2 2 Wird l¨ angs des Str¨ omungsweges noch ein spezifischer W¨armestrom q˙ zu- oder abgef¨ uhrt (z.B. durch Schaufelk¨ uhlung), ist dies auf der rechten Seite innerhalb der Klammer durch Hinzuf¨ ugen von −q˙ zu ber¨ ucksichtigen. ∆hLe und ∆hLa sind die realen Enthalpiegef¨ alle im Leit- und Laufrad. Mit den hergeleiteten Gleichungen kann bei vorgegebenem Str¨omungszustand vor der Stufe und einer verlangten Radarbeit der Zustand nach der Stufe bestimmt werden. Damit sind alle Beziehungen zur elementaren Berechnung einer Turbinenstufe bereitgestellt. Wie aus (8.8) und (8.18) folgt, ist die von einer Stufe u ¨bertragene Leistung nur von den vorliegenden Umfangs- und Str¨omungsgeschwindigkeiten bzw. dem Enthalpiegef¨ alle abh¨ angig. Man geht daher beim Entwurf so vor, daß man zun¨ achst die Geschwindigkeitsdreiecke auslegt, mit denen die angestrebte Leistung erreicht werden kann, und danach das Leit- und Laufrad so auslegt, daß sich die gew¨ ahlten Geschwindigkeiten ergeben. Die geometrischen Daten k¨ onnen bei vorgegebenen Zustandsgr¨ oßen und Geschwindigkeiten mit der Kontinuit¨ atsgleichung bestimmt werden. ¨ Es sei noch darauf hingewiesen, daß die vorstehenden Uberlegungen auch auf Verdichter angewandt werden k¨ onnen. Der prinzipielle Unterschied besteht lediglich darin, daß an dem Fluid eine Verdichtungsarbeit zu leisten ist. Beispiel 8.2. Wie groß ist die Leistung einer axialen Gleichdruckturbinenstufe, wenn den Laufschaufeln, die mit u = 220 m/s umlaufen, ein Dampfstrom von 100 kg/s mit c1 = 450 m/s unter einem Winkel von α1 = 15◦ zugef¨ uhrt wird? Innerhalb der Laufschaufel findet eine Umlenkung auf β2 = β1 statt. Dar¨ uber hinaus wird durch die innere Reibung des Dampfes die Geschwindigkeit um 10% auf w2 = 0,9 w1 reduziert. Man bestimme weiter die an den Schaufeln angreifende Umfangskraft und den Laufradwirkungsgrad η . L¨ osung. F¨ ur die Leistung der Stufe gilt nach (8.8) und u1 = u2 = u
˙ u c1 − c2 PSt = m u
u
.
Dazu bestimmt man aus dem Geschwindigkeitsdreieck c1 = c1 cos α1 = 434,7 m/s, u
w1 = c1 − u = 214,7 m/s, u
u
w1 = c1 sin α1 = 116,5 m/s, n
264
8 Dampfturbinen β1 = arctan w1 =
w1
n
w1
u
= 28,5◦ ,
w2 + w2 = 244,3 m/s, 1u
1n
w2 = 0,9 w1 = 219,8 m/s, c2 = u − w2 cos β2 = 26,8 m/s. u
Damit errechnet sich die Stufenleistung zu PSt = 8,97 MW. Die Leistung PSt kann dargestellt werden als das Produkt zwischen der Umfangsur die an den Schaufeln kraft Fu und der Umfangsgeschwindigkeit u. Daraus folgt f¨ angreifende Kraft in Umfangsrichtung Fu =
PSt u
= 4,08·104 N.
Nach (8.15) gilt f¨ ur den Laufradwirkungsgrad η =
w2 2
w2
= 0,81.
2s
8.3 Optimale Geschwindigkeitsverh¨ altnisse, Stufenzahl Nach der Euler’schen Turbinengleichung ist die Leistung PSt einer Stufe allein vom Arbeitsmitteldurchsatz und den Str¨ omungsverh¨altnissen vor und hinter der Stufe abh¨ angig. F¨ ur eine Axialturbine mit u1 = u2 = u und einem vorgegebenen Wert der Anstr¨ omgeschwindigkeit c soll u so bestimmt werden, daß ¨ PSt ein Maximum erreicht. Die Herleitung sei hier am Beispiel einer Uberdruckturbine mit einem Reaktionsgrad Γ = 0,5 durchgef¨ uhrt. Bei diesem Reaktionsgrad haben Leit- und Laufrad gleiche Schaufelprofile und die Geschwindigkeitsdreiecke am Ein- und Austritt des Laufrades sind ¨ahnlich. Insbesondere ist α1 = β2 und bei einer verlustfreien Str¨omung ist weiter c1 = w2 , vgl. Abb. 8.5. F¨ ur die Leistung der Stufe gilt nach (8.8) und Abb. 8.5 ˙ u c1 − c2 = m PSt = m ˙ u w1 cos β1 + w2 cos β2 u u =m ˙ u 2 c1 cos α1 − u . (8.19) Es ist naheliegend, die Umfangsgeschwindigkeit des Rades so zu w¨ahlen, daß ur gilt die Bedingung PSt ein Maximum annimmt. Daf¨ dPSt =m ˙ 2 c1 cos α1 − 2 u = 0 . du Es folgt
= c1 cos α1 . uopt
¨ Uberdruckturbine
(8.20)
8.3 Optimale Geschwindigkeitsverh¨ altnisse, Stufenzahl Laufrad
Leitrad
0
265
1
2
p0 w2
u2
p
p1
c2 h
w1
p2
Stufenzahl
c
c1
u1 s
Stufenzahl
¨ Abbildung 8.5. Geschwindigkeits- und Druckverlauf in einer Uberdruckstufe
Die Leistung der Stufe erreicht ein Maximum f¨ ur u = uopt :
2
PSt
˙ c1 cos α1 . = PSt u = uopt = m max
(8.21)
¨ Uberdruckturbine
¨ Eine entsprechende Uberlegung f¨ ur Gleichdruckturbinen, vgl. Abb. 8.6, liefert
1
= c1 cos α1 uopt
(8.22) 2 Gleichdruckturbine und
max
PSt
Gleichdruckturbine
=
2 1 m ˙ c1 cos α1 . 2
(8.23)
Diese Ergebnisse wollen wir verwenden, um das in einer Stufe realisierbare Enthalpiegef¨ alle abzusch¨ atzen. Aus Gr¨ unden der Materialfestigkeit und der Str¨ omungstechnik ist bei Turbinen die Umfangsgeschwindigkeit der Schaufeln im Niederdruckteil auf etwa 300 m/s beschr¨ankt. Bei gleicher Umfangsgeschwindigkeit ist wegen (8.20) und (8.22) der f¨ ur eine maximale Stufenleistung erforderliche Wert von c1 cos α bei Gleichdruckturbinen doppelt so ¨ ¨ hoch wie bei Uberdruckturbinen. Damit ergibt sich f¨ ur Uberdruckturbinen unter Ber¨ ucksichtigung von (8.20) ein maximales Stufengef¨alle von
∆hSt
= u2 ≈ 90 kJ/kg. (8.24) ¨ Uberdruckturbine
opt
Dieser Wert gilt f¨ ur die Niederdruckstufen. Im HD- und MD-Teil ist wegen der geringeren Umfangsgeschwindigkeit ∆h kleiner und liegt bei 40–60 kJ/kg. Damit sind f¨ ur den Abbau des gesamten Enthalpiegef¨alles in einer Turbine viele hintereinander angeordnete Stufen erforderlich. Bei Gleichdruckturbinen folgt f¨ ur das maximale Stufengef¨alle unter Ber¨ ucksichtigung von (8.22) und (8.23)
266
8 Dampfturbinen
Leitrad
0
2
1
Laufrad
w2
p0
u2
p c2
h
w1 p2 =p1
c
Stufenzahl
c1
u1
s
Stufenzahl
Abbildung 8.6. Geschwindigkeits- und Druckverlauf in einer Gleichdruckstufe
∆hSt
Gleichdruckturbine
= 2 u2
opt
≈ 180 kJ/kg.
(8.25)
Die erforderliche Stufenzahl der Gleichdruckturbinen ist deshalb geringer als ¨ die der Uberdruckturbinen.
8.4 Verluste und Wirkungsgrad Die Energiewandlung in einer Str¨ omungsmaschine ist mit Verlusten verbunden, die wie folgt unterteilt werden k¨ onnen: • Verluste in den Schaufeln. Es handelt sich um Reibungs- und Abl¨osungsverluste in den Schaufelkan¨ alen. Da in aller Regel eine turbulente Str¨omung vorliegt, nehmen diese mit dem Quadrat der Str¨omungsgeschwindigkeit zu. • Spaltverluste. Durch die nicht vermeidbaren Spalte zwischen den stehenden und den sich drehenden Teilen einer Maschine str¨omt ungewollt Arbeitsmittel ab, das nicht am Energieumwandlungsprozeß teilnimmt. In erster N¨ aherung ist der Massenstrom durch den Spalt proportional zur Spaltfl¨ ache und der Druckdifferenz u ¨ber den Spalt. • Radreibung und Ventilation. Bei der Rotation der Laufr¨ader und der Turbinenwelle in den zugeh¨ origen Geh¨ ausen und Lagerungen treten Reibungs¨ kr¨ afte auf, zu deren Uberwindung eine mechanische Leistung erforderlich ist. Die Radreibung entsteht durch Reibung der rotierenden Radscheiben im umgebenden Fluid. Diese ist proportional zur dritten Potenz der Umfangsgeschwindigkeit des Rades und der Radfl¨ache. Hinzu kommen noch Ventilationsverluste, die bei nicht voll beaufschlagten Laufr¨ adern auftreten, also nur in den ersten Stufen und bei Teillastbetrieb.
8.5 Betriebsweise und Regelung von Dampfturbinen
267
Der nicht beaufschlagte Teil des Laufrades wirkt dabei als Ventilator und die daf¨ ur ben¨otigte Leistung wirkt sich als Verlust aus. • Austrittsverlust. Beim Austritt aus Dampf- und Gasturbinen ist wegen der notwendigen Umlenkungen kaum mit einem Druckgewinn durch eine Diffusorwirkung zu rechnen. Die kinetische Energie des Arbeitsmittels am Austritt ist als Verlust zu betrachten. • Verluste durch Dampfn¨ asse. Hat bei Dampfturbinen der Dampfzustand die Taulinie u atzliche Verluste durch die Dampfn¨asse ¨berschritten, treten zus¨ auf. Durch Kondensation entsteht dabei zun¨achst ein feiner Nebel, aus dem sich durch Zusammenschluß der Teilchen zunehmend gr¨oßere Tropfen bilden. Im allgemeinen folgen die Wassertropfen nicht der Dampfstr¨omung. Vielmehr k¨ onnen sie bei ihrem Auftreffen auf die Laufschaufeln eine bremsende Wirkung ausl¨ osen. Da die Tropfen mit großer Geschwindigkeit auf die Schaufeln treffen, entstehen Sch¨ aden infolge von Erosion. Zur Vermeidung solcher Sch¨ aden sind gegebenenfalls besondere Maßnahmen erforderlich. Die hier aufgef¨ uhrten Verluste werden durch den inneren Wirkungsgrad ηi erfaßt. Gemeinsames Merkmal dieser Verluste ist, daß sie die Enthalpie des Dampfes gegen¨ uber dem gedachten Austrittszustand bei isentroper Expansion erh¨ ohen. Erg¨ anzend dazu ber¨ ucksichtigt der Turbinenwirkungsgrad ηT noch die mechanischen Verluste durch ηmech infolge der Undichtigkeiten in den ¨ außeren Wellendichtungen und die Reibung in den Axial- und Traglagern; es git: ηT = ηi ηmech .
(8.26)
Der innere Wirkungsgrad der besten Turbinen f¨ ur Kraftwerke liegt bei 93 bis 95% und ηmech liegt bei rd. 98 bis 99%. Als Verbesserungspotential f¨ ur den Turbinenwirkungsgrad ηT werden 1–1,5 Prozentpunkte angesehen. Dazu sind folgende Verbesserungen erforderlich: • Verringerung der Druckverluste bei der Ein- und Ausstr¨omung, • exaktere Str¨ omungsf¨ uhrung und dadurch geringere Verluste durch Str¨omungsabl¨ osungen an den Schaufeln (Profilverluste), • Verminderung der Verluste durch die Dampfn¨asse mit einer besseren Wasserabscheidung innerhalb der Turbine, • Verkleinerung der Spaltverluste.
8.5 Betriebsweise und Regelung von Dampfturbinen Die Leistung einer Turbine errechnet sich nach der Gleichung ˙ ∆h . PT = ηT m
(8.27)
˙ der Dampfstrom durch die Turbine Hier ist ηT der Turbinenwirkungsgrad, m und ∆h das Enthalpiegef¨ alle zwischen Ein- und Auslaß. F¨ ur den Dampfstrom durch eine gegebene Turbine gilt das von Stodola [3] eingef¨ uhrte Kegelgesetz
268
8 Dampfturbinen
2 p − pA2 TE0 m ˙ = 2E . m ˙0 p − p2 TE E0
(8.28)
A0
Darin bezeichnen die Indices E den Eintritts-, A den Austrittszustand und 0 die Vollast. Mit (8.28) kann der Druck an einer beliebigen Stelle (z.B. Anzapfstelle) der Turbine in Abh¨ angigkeit der Last berechnet werden. Bei Kondensationsturbinen ist das Verh¨ altnis pA /pE 1. Bezeichnet A den Querschnitt eines unmittelbar vor der Turbine angeordneten Ventils, gilt f¨ ur m ˙ in linearer N¨ aherung p A m ˙ ∼ E . TE
(8.29)
Die Gleichungen (8.27) und (8.29) legen nahe, die Turbinenleistung durch ¨ eine Anderung des Dampfstroms zu regeln. Dies kann erreicht werden, indem entweder bei konstantem Druck vor dem Turbinenventil der Ventilquerschnitt durch Schließen des Ventils (Festdruckbetrieb) oder bei fester Ventilstellung der Druck (Gleitdruckbetrieb) ver¨ andert wird. 8.5.1 Festdruckbetrieb Der Druck vor der Turbine bleibt bei allen Lastzust¨anden n¨aherungsweise konstant. Bei Teillast wird der Str¨ omungsquerschnitt f¨ ur den Dampf verkleinert, indem entweder die Turbinenventile angedrosselt werden – die erste Turbinenstufe wird dabei immer auf dem vollen Umfang beaufschlagt – oder einige D¨ usengruppen abgeschaltet werden, also die erste Turbinenstufe nur teilweise beaufschlagt wird. Da eine Drosselung stets Verluste mit sich bringt, wird meist der Teilbeaufschlagung der Vorzug gegeben. Daf¨ ur muß die Turbine aber mit einer Regelstufe mit u usengruppen aus¨ber den Umfang verteilten D¨ ger¨ ustet sein, vgl. Abb. 8.7. F¨ ur die Regelstufe kommt nur das Gleichdruckprinzip in Frage. Andern¨ falls w¨ urde durch den Uberdruck im Spalt hinter den D¨ usen der Dampf seitlich unkontrolliert abstr¨ omen und evtl. das Laufrad bremsen. Als erste Stufe wird bei Dampfturbinen deshalb meist ein einkr¨ anziges (Aktions- oder A-Rad) oder zweikr¨ anziges (Curtis- oder C-Rad) Regelrad verwendet. Um Platz f¨ ur die einzeln zu schaltenden D¨ usengruppen zu schaffen, hat das Regelrad meist einen gr¨ oßeren Durchmesser als die nachfolgende Stufe, vgl. die Abbildungen 8.7 und 8.8. Die Turbinenventile reagieren auf Stellbefehle, die vom Leistungsregler des Blocks kommen, praktisch verz¨ ogerungsfrei. Bei einer Laststeigerung z.B. vergr¨ oßert sich der Dampfstrom zur Turbine sehr schnell. Wegen der Tr¨agheit der Dampferzeugung wird der zus¨ atzliche Dampfstrom aus der Speicherf¨ahigkeit des Kessels gedeckt, wobei der Druck vor der Turbine etwas abf¨allt. Bei einer D¨ usengruppenregelung ist der Druck hinter der Regelstufe bei Teillast geringer als bei Vollast. Wegen des dann gr¨oßeren Druckgef¨alles in
8.5 Betriebsweise und Regelung von Dampfturbinen
269
Abbildung 8.7. Frischdampfeinstr¨ omung in ein HD-Geh¨ ause mit sechs D¨ usensegmenten, die einzeln mittels eines Stellventils geschaltet werden k¨ onnen (GEC Alstom Energie GmbH)
der Regelstufe nimmt die Dampftemperatur hinter dieser Stufe mit einem Gradienten von 1,5–2,0 K pro 1% Last ab. Last¨anderungen sind somit beim
Abbildung 8.8. Geh¨ auseunterteil einer HD-Turbine mit L¨ aufer (GEC Alstom Energie GmbH). Die erste Stufe (rechts im Bild) ist als Regelstufe ausgebildet
270
8 Dampfturbinen
Festdruckbetrieb mit Temperatur¨ anderungen in den Turbinenstufen verbunden; es treten also zus¨ atzliche W¨ armespannungen auf. 8.5.2 Gleitdruckbetrieb ¨ Die Leistung wird hier bei kostantem Turbineneinlaßquerschnitt durch Ande¨ rung des Druckes vor der Turbine variiert. Dies kann direkt durch eine Anderung des Kesseldruckes erfolgen. Bei einer Laststeigerung ist dann allerdings erst der Kessel auf einen h¨ oheren Druck zu bringen, damit mehr Dampf zur Turbine str¨ omt. Ein im reinen Gleitdruck arbeitender Block kann deshalb die Anspr¨ uche des Netzes auf Laststeigerung nicht im selben Maße erf¨ ullen wie ein im Festdruck arbeitender. Die Speicherwirkung des Kessels verz¨ogert hier also die Laststeigerung. Dem genannten Nachteil des Gleitdruckbetriebes stehen Vorteile gegen¨ uber, die i.allg. h¨ oher bewertet werden. Die wichtigsten sind: • Infolge der Druckabsenkung bei Teillast ergibt sich ein geringerer Lebensdauerverbrauch bei den hochbeanspruchten Bauteilen. • Geringere Anlagenkosten durch den Wegfall der Regelstufe bei der Turbine und der D¨ usengruppen. • Ein in der Tendenz h¨ oherer Nettowirkungsgrad insbesondere auch bei Teillast. Dabei wird der Leistungsbedarf der Speisepumpe geringer. 8.5.3 Modifizierter Gleitdruck Zur Verbesserung der Regelf¨ ahigkeit muß ein Kompromiß zwischen Gleitund Festdruckfahrweise geschlossen werden. Dieser Kompromiß sieht vor, daß die Turbineneinlaßventile vor¨ ubergehend wie beim Festdruckbetrieb zur Leistungs¨ anderung herangezogen werden, um dann, wenn der Druck sich auf den dem Gleitdruck entsprechenden neuen Wert eingestellt hat, in die urspr¨ ungliche Stellung zur¨ uckzukehren. Um eine derartige Leistungsregelung vornehmen zu k¨ onnen, werden die Turbinenventile im station¨aren Betrieb um 5– 10% angedrosselt. Bei einer Leistungsanforderung kann dann durch Nutzung der Speicherf¨ ahigkeit des Kessels der Dampfstrom zur Turbine fast genauso schnell wie bei der Festdruckfahrweise erh¨ oht werden, vgl. Kap. 12.
8.6 Aufbau einer Dampfturbine Nach dem Dampfzustand am Ein- und Austritt der Turbine unterscheidet man verschiedene Bauarten: • Heißdampfturbinen, die bei fossil gefeuerten Kraftwerken eingesetzt werden, • Sattdampfturbinen, die bei Kernkraftwerken mit Druck- oder Siedewasserreaktoren verwendet werden,
8.6 Aufbau einer Dampfturbine
271
• Kondensationsturbinen f¨ ur Kraftwerke, die allein zur Stromerzeugung eingesetzt werden und in denen der Kondensationsdruck so tief wie m¨oglich abgesenkt wird, • Gegendruckturbinen, die f¨ ur die Kraft-W¨ arme-Kopplung eingesetzt werden und bei denen der Kondensationsdruck erh¨oht ist sowie • Entnahmekondensationsturbinen, bei denen ein Teildampfstrom f¨ ur thermische Zwecke entnommen wird. Bei den Kondensationsturbinen unterscheidet man Bauarten f¨ ur Festdruckund Gleitdruckbetrieb, die sich in der Regel konstruktiv im Hochdruckteil unterscheiden, der bei Gleitdruckturbinen ohne Regelrad und bei Festdruckturbinen in Verbindung mit einer D¨ usengruppenregelung mit Regelrad ausgef¨ uhrt ist. Bei der Expansion in der Turbine nimmt der Volumenstrom infolge der Druckabsenkung stetig zu. Andererseits sind aber wegen der begrenzten Materialfestigkeit der Schaufeln und der mit der Umfangsgeschwindigkeit der Schaufeln ansteigenden Str¨ omungsverluste die Querschnitte der Endstufen auf ca. 15 m2 beschr¨ ankt. Bei großen Leistungen ist es daher erforderlich, die Turbine in Hoch- sowie mehrere Mittel- und Niederdruckstufen zu unterteilen, wobei die letzteren jeweils parallel durchstr¨omt werden. Eine Turbine, in welcher der Dampfstrom auf mehrere Aggregate aufteilt wird, bezeichnet man als mehrflutig. Typische Anordnungen von Kondensationsturbinen f¨ ur den Leistungsbereich zwischen 150 und 800 MW zur Verwirklichung der erforderlichen Austrittsfl¨ ache der Niederdruckstufe sind in Abb. 8.9 dargestellt. Ein Querschnitt durch eine Turbine mit einem vierflutigen Niederdruckteil ist in Abb. 8.10 gezeigt. ¨ 1 ZU
HD
¨ ZU
MD
G ∼
ND
?
HHD
?
-
MD
HD
¨ 2 ZU
ND
?
G ∼
ND
? ?
?
MD
HD
¨ ZU
ND
?
ND
? ?
G ∼
ND
? ?
?
Abbildung 8.9. Bevorzugte Anordnung von HD-, MD- und ND-Turbinen bei Anlagen mit einfacher und doppelter Zwischen¨ uberhitzung
272
8 Dampfturbinen
Dampfturbinen sind Bauteile, an denen schwierige mechanische Probleme aufteten. So liegen im Hochdruckteil gleichzeitig hohe Dr¨ ucke und Temperaturen an, die die Verwendung von Sonderwerkstoffen notwendig machen. Die schnell laufenden Rotoren – sie sind die am h¨ochsten beanspruchten Bauteile – zeigen ein verwickeltes dynamisches Verhalten. Zur Beherrschung aller kritischen Zust¨ ande sind umfangreiche experimentelle und theoretische Untersuchungen erforderlich. Dies gilt auch f¨ ur die Schaufeln, die auf vielerlei Weise zu Schwingungen angeregt werden k¨ onnen.
Abbildung 8.10. Querschnitt durch eine 600 MW-Turbine mit einflutigen Hochund Mitteldruckteilen und einem vierflutigen Niederdruckteil (GEC Alstom Energie GmbH)
Dampfturbinen wurden als Einwellenmaschinen bereits bis zu Leistungen von 1 300 MW ausgef¨ uhrt. Nach heutiger Einsch¨atzung liegt die Grenzleistung der Maschinen bei 4 000 MW. Diese wird im wesentlichen durch die m¨ogliche L¨ ange der Endschaufeln der Niederdruckstufe bestimmt (1 200 bis 1 300 mm bei einer Drehzahl von 50 s−1 ). Beispiel 8.3. a) Welche Dampfmenge kann die letzte Stufe einer Turbine durchstr¨ omen, wenn der Dampf im Zustand p = 0,07 bar, x = 0,9 und v = 20,53 m3 /kg vorliegt und die Drehzahl mit n = 50 s−1 vorgegeben ist? Aus konstruktiven Gr¨ unden soll das Verh¨ altnis λ zwischen dem mittleren Raddurchmesser d und der L¨ ange der Schaufeln l gr¨ oßer als 3,2 sein. Die zul¨ assige Umfangsgeschwindigkeit u betr¨ agt 350 m/s. Die Abstr¨ omgeschwindigkeit von der letzten Schaufelreihe ist mit c2 = 200 m/s bei α2 = 90◦ vorgegeben.
8.7 Sicherheitseinrichtungen, Umleitstation, Anfahren
273
b) Welche Leistung P kann die Turbine abgeben, wenn der Niederdruckteil vierflutig ausgef¨ uhrt wird, der Frischdampfzustand bei 200 bar, 540◦ C, v = 0,0153 m3 /kg liegt, das Enthalpiegef¨ alle durch Anwendung der einfachen Zwischen¨ uberhitzung mit 1 480 kJ/kg gegeben ist und der innere Wirkungsgrad 92% betr¨ agt? c) Welche Schaufell¨ ange ergibt sich f¨ ur die erste Stufe der Turbine, wenn die Umfangsgeschwindigkeit 160 m/s betr¨ agt? Die Laufschaufeln seien voll beaufschlagt, die Geschwindigkeitskomponente in axialer Richtung cn betrage 60 m/s. L¨ osung. a) F¨ ur den mittleren Raddurchmesser gilt u d= = 2,228 m. πn Die maximal zul¨ assige Schaufell¨ ange betr¨ agt d = 0,696 m. λ Daraus folgt f¨ ur den Str¨ omungsquerschnitt l=
A = π d l = 4,874 m2 und f¨ ur den Massenstrom c A m ˙ = n = 52,7 kg/s ≈ 190 t/h. xv b) Bei einem vierflutigen Niederdruckteil ist der Massenstrom 4 m ˙ = 210,8 kg/s ≈ 759 t/h. F¨ ur die Leistung gilt demnach ˙ ∆h = 287 MW. P = ηi 4 m c) Mit den Bezeichnungen von Teil a) ist u d= = 1,019 m, πn m ˙ v = 0,0537 m2 , A= cn A = 0,0168 m ≈ 17 mm. πd Um den Dampfstrom durchzusetzen, sind im Niederdruckteil vier parallel geschaltete Laufr¨ ader mit 2,9 m Außendurchmesser und 0,7 m langen Schaufeln erforderlich, im Hochdruckteil dagegen reicht ein Laufrad mit 1,0 m Durchmesser und 17 mm Schaufell¨ ange aus. l=
8.7 Sicherheitseinrichtungen, Umleitstation, Anfahren Wird die Turbine pl¨ otzlich entlastet, nimmt die Drehzahl unverz¨ogert zu und speichert so die durch den Dampf zugef¨ uhrte Energie in Form von Rotationsenergie der Welle. Regelgr¨ oße bei Turbinen ist nun meist die Drehzahl, w¨ ahrend der Dampfstrom die Stellgr¨ oße ist und die Belastung die St¨orgr¨oße. Um Sch¨ aden durch zu hohe Drehzahlen zu vermeiden, sind vor dem Hochdruckteil und vor dem Mitteldruckteil der Turbine Schnellschlußventile angebracht. Diese schließen bei einem unzul¨ assigen Drehzahlanstieg, der von der
274
8 Dampfturbinen
Regelung nicht verhindert werden kann, und unterbrechen so die Energiezufuhr zur Turbine. Um den weiteren Druckanstieg im Kessel zu begrenzen, werden Kraftwerksanlagen mit einem HD-Bypass und einem ND-Bypass ausger¨ ustet. Bei einem unzul¨ assigen Druckanstieg ¨offnen die Umleitventile, in denen Druck und Temperatur des Dampfes reduziert werden. Der HD-Dampf str¨ omt in den Zwischen¨ uberhitzer ab, w¨ ahrend der ND-Bypass in den Kondensator m¨ undet. Das Schema eines Blocks mit HD- und ND-Bypass ist in Abb. 8.11 dargestellt.
HD
ND
ND-Bypass
HD-Bypass
¨ ZU
6 6 HD-Dampf vom Kessel
Einspritzung in Bypassventile zur Temperaturregelung
6 ?Kondensat
Abbildung 8.11. Anfahrsystem eines Kraftwerksblocks mit Zwangdurchlaufdampferzeuger und Umleitstationen
Durch diese Schaltung ist sichergestellt, daß der Zwischen¨ uberhitzer auch im Umleitbetrieb gek¨ uhlt ist. Bei St¨ orungen im Bereich des Generators oder der Turbine erm¨ oglicht die Umleitstation einen kurzzeitigen Betrieb des Dampferzeugers bei geschlossenen Turbinenventilen. Ferner wird durch die Umleitstation der Lastabwurf des Blockes erm¨oglicht. Unter Lastabwurf versteht man die momentane Reduzierung der Turbinenleistung auf Eigenbedarf. Die HD-Umleitventile nehmen meist auch die Funktion des HD-Sicherheitsventils wahr, so daß dieses entfallen kann. Nach den Technischen Regeln f¨ ur Dampferzeuger [4] ist jeder Kessel mit mindestens einem Sicherheitsventil auszur¨ usten. Dieses muß so beschaffen sein, daß es bei h¨ ochster Feuerleistung und abgestellter Dampfentnahme soviel Dampf abgibt, daß der Kesseldruck den h¨ochstzul¨assigen Betriebsdruck um nicht mehr als 10% u ¨bersteigt. Bei Anlagen, die mit einer HD- und ¨ ZU-Umleitstation f¨ ur jeweils 100% Kessellast ausger¨ ustet sind, ist dies das ¨ ¨ ZU-Sicherheitsventil. Grunds¨ atzliche Aufgabe des ZU-Sicherheitsventils ist es, Druck¨ uberschreitungen im Zwischen¨ uberhitzer unter allen Umst¨anden zu ver¨ meiden. Die ZU-Umleitstation kann dies nicht sicherstellen, da f¨ ur die Bet¨atigung der Kondensator verf¨ ugbar sein muß. Durch den zunehmenden Einsatz auch großer Dampfkraftwerke f¨ ur den Mittel- und Spitzenlastbetrieb kommt dem Anfahren der Anlagen große Bedeutung zu. Dabei sind die Umleitstationen insofern von Vorteil, als mit
8.7 Sicherheitseinrichtungen, Umleitstation, Anfahren
275
300
500 °C 400
Temperatur
Leistung
Dampfdruck
Speisewasserstrom
¨ deren Hilfe die ZU-Heizfl¨ achen mit dem entspannten Dampf aus dem HDTeil gek¨ uhlt werden k¨ onnen. Damit ist ein gr¨ oßerer Spielraum f¨ ur die Steigerung der Feuerleistung gegeben. Ferner k¨ onnen auch die Gradienten bzgl. der zul¨ assigen Aufheizgeschwindigkeit der dickwandigen Turbinenbauteile genauer eingehalten bzw. besser genutzt werden. In Abb. 8.12 ist beispielhaft das Anfahrdiagramm eines steinkohlegefeuerten 740 MW-Blocks dargestellt. Hauptstellgr¨oßen beim Anfahren sind die Feuerungsleistung und die HD-Umleitventile. Bei einem Kaltstart ist der Dampferzeuger praktisch drucklos. Der Speisewasserstrom wird auf ca. 5% eingestellt. Zur Sicherstellung einer vollst¨ andigen F¨ ullung des Economizers und des Verdampfers wird der Speisewasserstrom kurzzeitig um ca. 10% erh¨oht. Die HD-Umleitventile werden ge¨ offnet, die ND-Umleitventile bleiben zun¨achst ¨ oder Gasbrengeschlossen. Danach werden die Schwachlastbrenner, meist Olner, gez¨ undet. Die Feuerleistung wird nach Maßgabe der zul¨assigen Materi¨ altemperatur der unmittelbar u ¨ber der Brennkammer liegenden Uberhitzer¨ heizfl¨ ache gesteigert. Nach Erreichen eines ZU-Drucks von ca. 2 bar werden die ND-Umleitventile ge¨ offnet. Bei einer Feuerleistung von etwa 15% wird die weitere Leistungssteigerung durch Zuschalten der ersten Kohlem¨ uhle vorgenommen.
5 6
60 150 1 %
2
bar 300
3
Mühle 1
40 100 200
4
kg/s 20
Kohle
4
50
3
100
100
1
0
0
0
0
0
40
2
Öl
3 80
160 120 Anfahrzeit
200
240 min 280
Turbinenanstoß
1 Feuerleistung ¨ 2 ZU-Druck
3 Speisewasserstrom 4 HD-Druck
5 HD-Temperatur ¨ 6 ZU-Temperatur
Abbildung 8.12. Kaltstart eines 740 MW-Blocks
¨ Sobald der HD- und ZU-Dampf etwa 50◦ C u ¨berhitzt sind und die Dampf◦ temperaturen bei ca. 350 C liegen, wird die Turbine angestoßen und die Umleitventile werden geschlossen. Die weitere Steigerung der Frischdampftem-
276
8 Dampfturbinen
peratur erfolgt nach der Vorgabe der zul¨ assigen Temperaturtransienten der dickwandigen Bauteile. Begrenzend sind die HD-Austrittssammler, die HDRohrleitung und die Turbine. Vollast wird nach ca. 4 bis 5 Stunden erreicht.
8.8 Fazit Die Dampfturbine ist die leistungsst¨ arkste und anpassungsf¨ahigste W¨armekraftmaschine in der Energiewirtschaft. Sie zeichnet sich durch einen hohen Wirkungsgrad und eine große Zuverl¨ assigkeit aus. Die Entwicklung der thermischen Turbomaschinen und auch der zugeh¨origen Generatoren ist heute soweit fortgeschritten, daß diese weder leistungsbegrenzend sind, noch der innere Wirkungsgrad wesentlich verbessert werden kann. Bei großen Maschinen werden heute Wirkungsgrade von bis zu 94% erreicht. Eine Anhebung um einen Prozentpunkt w¨are m¨oglich, ist aber mit hohem technischen und finanziellen Aufwand verbunden. Ein Entwicklungsbedarf besteht noch bzgl. grundlegender Fragen des Werkstoffverhaltens, das im engen Zusammenhang mit der Festigkeit der hochtemperierten Bauteile steht. Das Langzeitverhalten der Bauteile wird dabei in der Hauptsache durch Kriechen und Relaxation bestimmt. Obwohl zur Erfassung der damit zusammenh¨ angenden Vorg¨ange bereits Ans¨atze bei verschiedenen Werkstoffgruppen gemacht wurden, sind noch genauere Untersuchungen erforderlich. Ein gr¨ oßerer Anteil der Sch¨aden und Betriebsst¨orungen bei bestehenden Turbinen ist auf Schwingungsprobleme der Welle und der Schaufeln zur¨ uckzuf¨ uhren. Es handelt sich dabei um komplexe mechanische Systeme, die unter der Randbedingung der vom Werkstoff ertragbaren Beanspruchung zu optimieren sind. Auch zur L¨ osung dieser Aufgabe stehen noch keine allgemeing¨ ultigen Methoden zur Verf¨ ugung.
Literatur 1. Beitz, W., Grote, K.-H. (Hrsg.): Dubbel – Taschenbuch f¨ ur den Maschinenbau, 19. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg New York 1997 2. Traupel, W.: Thermische Turbomaschinen (2 B¨ ande). Springer, Berlin Heidelberg New York 1977 3. Stodola, A.: Dampf- und Gasturbinen, 6. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg 1926 4. Technische Regeln f¨ ur Dampfkessel. Carl Heymanns, K¨ oln 1979
9 Ku ¨ hlsystem
9.1 Allgemeines Zur Schließung des Kreisprozesses ist der aus der Turbine kommende Dampf niederzuschlagen und dem Dampferzeuger wiederum als Speisewasser zuzuf¨ uhren. Diese Aufgabe wird vom Untersystem Kondensator erf¨ ullt. Die Kondensation stellt physikalisch die Umkehrung des Verdampfungsprozesses dar. Der Dampf wird dabei durch W¨ armeaustausch so weit abgek¨ uhlt, daß er sich ¨ verfl¨ ussigt. Dies ist ein Vorgang, der mit einer großen Anderung des spezifischen Volumens verbunden ist. Von der Funktionsweise her unterscheidet man zwischen Misch- oder Einspritz- und Oberfl¨ achenkondensatoren. Um der Turbine ein großes Druckgef¨ alle zur Verf¨ ugung zu stellen, ist die Kondensation bei einer m¨ oglichst niedrigen Temperatur durchzuf¨ uhren. Wegen der großen W¨ armemengen, die hierbei abzuf¨ uhren sind, kommt als W¨ armesenke allein die Umgebung in Betracht: Die Atmosph¨are, Oberfl¨achengew¨ asser oder Seewasser.1 Bei Wasser als Arbeitsmittel und W¨armeabfuhr an die Umgebung liegt dabei im Kondensator ein Vakuum an. Meistens wird die Kondensationsw¨ arme an einen K¨ uhlwasserstrom abgef¨ uhrt. St¨ unde ein unendlich großer Mengenstrom zur Verf¨ ugung, so w¨are der erreichbare Kondensatordruck gleich dem S¨attigungsdruck des Arbeitsmittels bei K¨ uhlwassertemperatur. uhlwassers und m ˙ D des Bei einem vorgegebenem Mengenstrom m ˙ W des K¨ zu kondensierenden Dampfes ergibt sich die Bilanz ˙ D hD − hK . (9.1) m ˙ W cpW ϑ2 − ϑ1 = m Hier ist: uhlwassers, ϑ1 Zulauftemperatur des K¨ uhlwassers, ϑ2 Ablauftemperatur des K¨ cpW spezifische W¨ armekapazit¨ at des K¨ uhlwassers, 1
Wenn gleichzeitig ein Bedarf an elektrischer Energie und W¨ arme besteht, kann die Kraft-W¨ arme-Kopplung angewendet werden, vgl. Abschn. 3.3.6.
278
9 K¨ uhlsystem
hD Enthalpie des Dampfes nach der Turbine und hK Enthalpie des Kondensats. Von diesen Gr¨ oßen sind m ˙ D , hD und ϑ1 durch Randbedingungen vorgegeben. uhlt Im Grenzfall k¨ onnte das Kondensat entweder bis auf ϑK = ϑ1 abgek¨ (idealer Oberfl¨ achenkondensator) oder das K¨ uhlwasser bis auf die Dampfarmt werden (Mischkondensator). temperatur ϑD erw¨ Neben der Kondensation des Turbinenabdampfes hat der Kondensator bei modernen Kraftwerken noch eine weitere Aufgabe zu erf¨ ullen: Er muß bei bestimmten Betriebsf¨ allen des Kraftwerkes in der Lage sein, den gesamten Dampf aus der Kesselanlage zu kondensieren, der ihm ggf. u ¨ber die Umleitstation zugef¨ uhrt wird. Dies kann z.B. beim An- und Abfahren eines Blockes oder bei einem St¨ orfall in der Turbogruppe der Fall sein. Durch diese Maßnahme werden Kondensatverluste und auch ein Ansprechen der Sicherheitsventile vermieden. Wird der Umleitdampfstrom nicht begrenzt, kann dieser z.B. bei einer Vollastabschaltung um die zur K¨ uhlung erforderliche Einspritzwassermenge gr¨ oßer sein als der Vollastdampfstrom. Dies bedeutet auch, daß dann der Kondensator die gesamte im Kessel freigesetzte W¨armeleistung abzuf¨ uhren hat. Durch nicht vermeidbare Undichtigkeiten im Wasser/Dampfkreislauf gelangen auch nicht kondensierbare Bestandteile in den Kondensator, die mit besonderen Pumpen laufend entfernt werden m¨ ussen. Damit k¨ onnen die Aufgaben, die ein Kondensator in einem Dampfkraftwerk zu erf¨ ullen hat, wie folgt beschrieben werden: • Kondensation des Abdampfes aus der Turbine und Wiedergewinnung des Kondensats, • Erzeugung eines hohen Vakuums (Dadurch kann der Dampf in der Turbine auf tiefere Dr¨ ucke als den Umgebungsdruck expandiert werden, woraus sich eine Verbesserung des Prozeßwirkungsgrades ergibt, vgl. Abschn. 3.3.5), • Aufnahme des Dampfes aus der Umleitstation, • Entgasung des Kondensats, • Lieferung des Kondensats bei S¨ attigungstemperatur, wobei aus Gr¨ unden eines hohen Wirkungsgrades eine Unterk¨ uhlung des Kondensats zu vermeiden ist.
9.2 Systemaufbau einer Kondensatoranlage Der Begriff Kondensatoranlage schließt alle Komponenten ein, die zur Erf¨ ullung der vorstehend genannten Aufgaben erforderlich sind. Wegen des großen Abdampfvolumenstroms werden Kondensatoren in der Regel unmittelbar an den Abdampfstutzen der Turbine angeschlossen und meist direkt unterhalb der Turbine angeordnet, vgl. Abb. 9.1. Das Kondensat wird mit Pumpen abgesaugt und zum Speisewasserbeh¨alter gef¨ordert. Eventuelle Lufteinschl¨ usse werden kontinuierlich aus dem Kondensator entfernt, da
9.3 Kondensatorbauarten
279
sich sonst das Vakuum und damit auch der Prozeßwirkungsgrad verschlechtern w¨ urde. Die Konstruktion des Kondensators hat der Schrumpfung des spezifischen Volumens von etwa 30 m3 /kg am Kondensatoreintritt auf ca. 1 · 10−3 m3 /kg bei der Kondensatbildung Rechnung zu tragen.
a
a
a
b
b
b
a Abdampf aus der ND-Turbine b Kondensatabfluß
c
b
d
c K¨ uhlwasserzufuhr d K¨ uhlwasserabfuhr
Abbildung 9.1. Schema einer Kondensatoranlage
9.3 Kondensatorbauarten 9.3.1 Mischkondensatoren Das K¨ uhlen und Niederschlagen des Dampfes wird durch Einspritzen fein verteilten K¨ uhlwassers von Speisewasserqualit¨at erreicht. Weil der W¨armeaustausch durch direkten Kontakt zwischen beiden Phasen erfolgt, ist die Effizienz dieses Typs fast ausschl. von der erzeugbaren Phasengrenzfl¨ache abh¨ angig. Bei Druckzerst¨ aubung des K¨ uhlwassers wurden bei Tr¨opfchengr¨ oßen von 0,6 mm und Geschwindigkeiten von 15 m/s bei einer W¨armestromdichte von 230 kW/m2 k-Werte von 100 kW/m2 K gemessen [1]. Der Kondensationsvorgang l¨ auft dabei ann¨ ahernd isobar-isotherm ab. Abb. 9.2 zeigt das Schema eines Mischkondensators. Der erforderliche Einspritzmassenstrom kann mit einer einfachen Systembilanz abgesch¨ atzt werden. Mit den Bezeichnungen aus Abb. 9.2 gilt f¨ ur die Massenstr¨ ome m ˙2 =m ˙1
(9.2)
und ˙2+m ˙4 . m ˙3 =m F¨ ur die Energiestr¨ ome gilt
(9.3)
280
9 K¨ uhlsystem Trockenkühlturm
Abdampf von der Turbine
.
m2
.
m4
Kondensator
.
m1
Kondensatpumpe
zum Speisewasserbehälter
.
m3
Abbildung 9.2. Schema eines Mischkondensators
m ˙ 2 h2 + m ˙ 4 h4 = m ˙ 3 h3 .
(9.4)
Hieraus folgt f¨ ur das Verh¨ altnis von Einspritz- zu Dampfstrom: m ˙4 h − h3 = 2 , m ˙2 h3 − h4
(9.5)
wobei h2 −h3 die Kondensationsw¨ arme des Dampfes ist. Deshalb ist h2 −h3
˙4 m ˙ 2 , vgl. Beispiel 9.1. Wegen der großen erh3 − h4 und nach (9.5) auch m zeugten Phasengrenzfl¨ ache sind Mischkondensatoren etwa zwei Drittel kleiner als Oberfl¨ achenkondensatoren gleicher Leistung. Allerdings ist der Aufwand f¨ ur die Kondensatr¨ uckk¨ uhlung erheblich. Mischkondensatoren werden heute bei Kraftwerksanlagen nur zusammen mit Trockenk¨ uhlt¨ urmen verwendet. Das in Abb. 9.2 schematisch dargestellte Verfahren, bei dem der Abdampf mit seinem eigenen Kondensat niedergeschlagen wird, wurde 1952 von L. Heller vorgeschlagen, von der Firma Transelektro (Budapest) zur Einsatzreife entwickelt und bei verschiedenen Kraftwerken mit Leistungen bis 300 MW eingesetzt. Dieses Verfahren der indirekten Trockenk¨ uhlung wurde damals entwickelt, weil man das komplexe Rohrleitungssystem f¨ ur eine direkte Trockenk¨ uhlung bei Großanlagen f¨ ur nicht ausf¨ uhrbar hielt. Beispiel 9.1. Man berechne das Verh¨ altnis von Einspritz- zu Dampfstrom f¨ ur eine Kondensationstemperatur von 40◦ C, wenn das Einspritzwasser im K¨ uhlturm auf uckgek¨ uhlt wird und der N¨ assegehalt des Dampfes 10% betr¨ agt. Wie groß ist 26◦ C r¨ die Umw¨ alzmenge einer 300 MW-Anlage mit einem Abdampfstrom von 250 kg/s? Man verwende das h,s-Diagramm im Anhang A.1 und cp = 4,2 kJ/kgK f¨ ur die fl¨ ussige Phase. L¨ osung. Dem h,s-Diagramm entnimmt man die Enthalpie des kondensierenden Dampfes h2 = 2 330 kJ/kg. F¨ ur die Enthalpien der fl¨ ussigen Phase gilt h = cp ϑ ; altnis von es folgt h3 = 168,0 kJ/kg und h4 = 109,2 kJ/kg. (9.5) liefert das Verh¨ Einspritz- zu Dampfstrom
9.3 Kondensatorbauarten m ˙4 m ˙2
=
h2 − h3 h3 − h4
281
= 36,77.
Bei der 300 MW-Anlage ergibt sich eine Umw¨ alzmenge m ˙4 =m ˙2
h2 − h3 h3 − h4
= 9 192 kg/s ≈ 33 000 m3 /h.
Zur Umw¨ alzung dieses Mengenstroms ist eine Pumpleistung von ca. 3,5 MW erforderlich.
9.3.2 Oberfl¨ achenkondensatoren 9.3.2.1 Allgemeines Bei diesem Typ sind Dampf und K¨ uhlmittel durch eine meist aus Rohren bestehende K¨ uhlfl¨ ache getrennt. Je nach der Art des K¨ uhlmittels unterscheidet man dabei wasser- und luftgek¨ uhlte Anlagen. Wird die Kondensationsanlage direkt mit K¨ uhlwasser aus einem Oberfl¨achengew¨ asser versorgt, spricht man von einer Frischwasserk¨ uhlung. Ist hingegen das K¨ uhlwasser z.B. infolge Wassermangels durch R¨ uckk¨ uhlanlagen wie K¨ uhlt¨ urme zu f¨ uhren, wird von einem R¨ uckk¨ uhlbetrieb gesprochen. Bereits die Absch¨ atzung des Einspritzmengenstroms f¨ ur den Mischkondensator hat gezeigt, daß Kraftwerke große K¨ uhlwassermengen ben¨otigen. In grober N¨ aherung ist bei Oberfl¨ achenkondensatoren der erforderliche Mengenstrom des K¨ uhlwassers 300 mal gr¨ oßer als der Kohlestrom. Entsprechend wird bei einer 750 MW-Anlage ein K¨ uhlwasserstrom von 60 000 m3 /h ben¨otigt. Bei der R¨ uckk¨ uhlung mit einem Naßk¨ uhlturm gehen etwa 3% dieser Menge durch Verdunstung in die Luftstr¨ omung oder Abschl¨ammung verloren. Der Preis bzw. die Verf¨ ugbarkeit des zu ersetzenden Wassers ist dann das Kriterium daf¨ ur, ob eine Naßk¨ uhlung oder eine Trockenk¨ uhlung zum Einsatz kommt. Bei der Trockenk¨ uhlung mittels luftgek¨ uhlter Oberfl¨achenkondensatoren wird die Kondensationsw¨ arme direkt an die Atmosph¨are abgef¨ uhrt. 9.3.2.2 W¨ armeaustauschverh¨ altnisse In einem idealen Kondensator ist der Druck an jedem Ort des Dampfraumes gleich groß und es liegt u attigungstemperatur vor. F¨ ur den ¨berall dieselbe S¨ station¨ aren Zustand an einem Element der Austauschfl¨ache ergibt sich die Bilanz m ˙ cpW dϑ = k ϑK − ϑ π d dx . (9.6) Es bezeichnen: ϑ K¨ uhlwassertemperatur, ϑK Kondensattemperatur, armekapazit¨ at des K¨ uhlwassers, cpW spezifische W¨
282
9 K¨ uhlsystem
m ˙ d k
K¨ uhlwasserstrom, Rohrdurchmesser, W¨ armedurchgangskoeffizient.
Durch Integration zwischen dem K¨ uhlwassereintritt (x = 0, ϑ = ϑE ) und dem K¨ uhlwasseraustritt (x = L, ϑ = ϑA ) folgt f¨ ur die W¨armeaustauscherfl¨ache A bei n parallelen Rohren der L¨ ange l: ϑ
A = nπdl =
A m ˙ cp
k ϑ E
m ˙ cp dϑ = ln ϑK − ϑ k
ϑK − ϑE ϑK − ϑA
.
(9.7)
Diese Beziehung kann durch Einf¨ uhrung der mittleren logarithmischen Temperaturdifferenz ∆ϑln = zu A=
ϑA − ϑE ϑ − ϑE ln K ϑK − ϑA
m ˙ cp ϑA − ϑE k ∆ϑln
(9.8)
=
Q˙ k ∆ϑln
(9.9)
umgeformt werden. Hier ist Q˙ der im Kondensator abzuf¨ uhrende W¨armestrom. Der auf die ¨ außere Rohrfl¨ ache bezogene W¨armedurchgangskoeffizient k l¨ aßt sich mit den bekannten Gleichungen f¨ ur die Reihenschaltung von Widerst¨ anden ermitteln. Da die Wandst¨ arke δ der Kondensatorrohre klein gegen den Durchmesser ist, kann ohne einen nennenswerten Fehler auf die einfachere Beziehung f¨ ur ebene W¨ ande 1 1 1 δ = + + k αW λ αD
(9.10)
zur¨ uckgegriffen werden, mit αW αD δ λ
W¨ arme¨ ubergangszahl auf der Wasserseite, W¨ arme¨ ubergangszahl auf der Dampfseite, Wanddicke und W¨ armeleitf¨ ahigkeit des Rohrmaterials.
F¨ ur αW kann (7.13) herangezogen werden. Bei den u ¨blichen Wassergeschwindigkeiten von 2 m/s liegt αW bei 6 000 W/m2 K. αD ist einer Berechnung schwerer zug¨ anglich, denn es bestehen grunds¨atzlich zwei M¨oglichkeiten der Kondensation: • Filmkondensation unter Bildung einer Wasserhaut mit αD = 12 000– 16 000 W/m2 K und • Tropfenkondensation mit αD = 36 000–50 000 W/m2 K.
9.3 Kondensatorbauarten
283
Erfahrungsgem¨ aß werden bei Kondensatoren von Dampfturbinen aber nur die niedrigeren Werte der Filmkondensation erreicht. Bei fast allen Herstellern ist δ < 1 mm, und der Term δ/λ ist f¨ ur alle u ¨blichen Werkstoffe klein gegen die beiden anderen. Eine exakte Vorausberechnung ist mit den hergeleiteten Gleichungen allerdings nicht m¨ oglich, da die Vorg¨ ange wesentlich komplexer sind als hier beschrieben wurde. So ver¨ andert z.B. der sich auf der Rohroberfl¨ache bildende Kondensatfilm seinerseits den k-Wert, ferner ist die Sattdampftemperatur wegen des Druckunterschiedes im System aufgrund von Str¨omungswiderst¨anden nicht u uhlfl¨ ache konstant. ¨ber die gesamte K¨ Wie bei allen W¨ armeaustauschern sind zudem noch Ver¨anderungen des k-Wertes infolge von Belagbildungen (Verschmutzungen) zu ber¨ ucksichtigen. Dazu wird αW mit einem Abwertungsfaktor f < 1 multipliziert, u ¨blich ist f ≈ 0,7. Bei Wasserdampfkondensation kann bei einer K¨ uhlwassergeschwindigkeit von 1,5–2,5 m/s mit k-Werten von 2 500–3 500 W/m2 K gerechnet werden. Im Gegensatz zu den wassergek¨ uhlten Kondensatoren wird bei den luftgek¨ uhlten der Dampf im Rohr und die Luft um das Rohr gef¨ uhrt. Dies ist bei der Anwendung der Gleichungen (9.8)–(9.10) entsprechend zu ber¨ ucksichtigen. 9.3.2.3 Wassergek¨ uhlte Oberfl¨ achenkondensatoren Die Kondensation findet in der Regel an horizontal angeordneten Rohren statt, die in ein vakuumdichtes Geh¨ ause eingebaut sind. Mit der niedergeschlagenen Dampfmenge nimmt der Volumenstrom beim Durchstr¨omen des Kondensators monoton ab, dementsprechend wird der Durchflußquerschnitt in Str¨ omungsrichtung verkleinert. Um den Druckverlust klein zu halten und um den Zugang des Dampfes zu den inneren Rohren der einzelnen B¨ undel zu verbessern, werden zwischen den B¨ undeln u ¨blicherweise keilf¨ormige Gassen vorgesehen. In Abb. 9.3 ist ein typisches Ausf¨ uhrungsbeispiel gezeigt. Turbinen-Abdampf
Dampf-Dom
Halteplatten
Gehäuse
Lochplatte
Ein Kühlwasser Aus
Rohre Kondensat
Abbildung 9.3. Schema eines wassergek¨ uhlten Oberfl¨ achenkondensators
284
9 K¨ uhlsystem
Es besteht die Gefahr, daß sich in den Teilb¨ undeln partielle Druckminima bilden, in denen sich Inertgas sammelt und den W¨arme¨ ubergang behindert. Deshalb wird meist in den Zentren der Teilb¨ undel ein konstanter Gasstrom durch Rohre abgesaugt, die die L¨ ange des B¨ undels besitzen und viele Saug¨offnungen aufweisen. Beispiel 9.2. F¨ ur ein Kraftwerk mit einer Leistung von 300 MWel ist die Kondensatork¨ uhlfl¨ ache auszulegen. Der thermische Wirkungsgrad der Anlage betrage 38%, der Kondensatordruck sei 0,07 bar und die Kondensationstemperatur 39◦ C. Die K¨ uhlwassereintrittstemperatur liegt bei 24◦ C und die Austrittstemperatur bei 34◦ C. Die W¨ arme¨ ubergangszahl ist mit 2 000 W/m2 K anzunehmen. Der Kondensator ist f¨ ur die volle W¨ armeleistung des Kessels auszulegen. L¨ osung. F¨ ur den im Kondensator abzuf¨ uhrenden W¨ armestrom folgt Q˙ =
Pel ηth
= 790 MW.
F¨ ur die mittlere logarithmische Temperaturdifferenz ergibt sich nach (9.8) ∆ϑln = 9,13 K, und die Kondensatorfl¨ ache betr¨ agt nach (9.9) 4,33 · 104 m2 . Bei einem Rohr mit 20 mm Außendurchmesser ergibt dies eine Rohrl¨ ange von 6,89 · 105 m. Bei einer gew¨ ahlten Rohrl¨ ange von 12 m ergibt dies ein B¨ undel von ca. 60 000 Rohren.
9.3.2.4 Luftgek¨ uhlte Kondensatoren Hier wird die Kondensationsw¨ arme direkt an die umgebende Atmosph¨are abgegeben. Der Kondensator besteht dabei aus außen berippten Rohren, die u orderten Luftstrom gek¨ uhlt werden. Der Ab¨ber einen von Ventilatoren gef¨ dampf str¨ omt mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 m/s in das Innere der meist dachf¨ ormig angeordneten Rippenb¨ undel. Die Investitionskosten sind h¨ oher als bei Oberfl¨achenkondensatoren; wird aber bei den Oberfl¨ achenkondensatoren noch der Aufwand f¨ ur die R¨ uckk¨ uhlung des K¨ uhlwassers ber¨ ucksichtigt, sind die Investitionskosten etwa gleich groß. Die direkte Luftkondensation wird dort eingesetzt, wo wegen Wassermangels oder wegen hoher Wasserkosten eine Verdunstungsk¨ uhlung nicht m¨ oglich ist. Es wurden Anlagen mit Leistungen bis zu 670 MW ausgef¨ uhrt [2]. Das Schema eines Luftkondensators ist in Abb. 9.4 dargestellt.
9.4 Ru ¨ ckku ¨ hlanlagen 9.4.1 Ablaufk¨ uhlung Im Kondensator wird die Abw¨ arme des Kraftwerkprozesses an das K¨ uhlwasser u oglich war, wurde zun¨achst Oberfl¨achenwasser als ¨bertragen. Wo es m¨ K¨ uhlwasser verwendet. Durch die in der Vergangenheit h¨aufige Anwendung dieser Frischwasserk¨ uhlung bei Kraftwerken und Industrieanlagen haben sich
9.4 R¨ uckk¨ uhlanlagen
G ~ 1 2
1 2 3 4 5 6
285
Abdampf aus Turbine Rippenrohre Ventilator Sammelbeh¨ alter Kondensatpumpe Luftf¨ uhrung
3 6
4
5
Abbildung 9.4. Schema eines luftgek¨ uhlten Kondensators
die Temperaturen vieler Fl¨ usse soweit erh¨ oht, daß es im Zusammenhang mit der durch den W¨armeeintrag verursachten Verminderung des Sauerstoffgehaltes zu ernsthaften Problemen f¨ ur das Leben im Wasser kam. Zur Vermeidung der Gew¨ asseraufw¨ armung wurde zun¨ achst die Ablaufk¨ uhlung eingef¨ uhrt. Dabei wird das aus dem Kondensator kommende K¨ uhlwasser in einem K¨ uhlturm r¨ uckgek¨ uhlt, bevor es wieder dem Fluß zugef¨ uhrt wird. 9.4.1.1 Naßk¨ uhlt¨ urme Der Naßk¨ uhlturm ist heute die Standardl¨ osung f¨ ur W¨armekraftwerke, sofern das ben¨ otigte Zusatzwasser in ausreichendem Maße kosteng¨ unstig zur Verf¨ ugung steht. Der prinzipielle Aufbau einer Anlage mit einem Naßk¨ uhlturm ist in Abb. 9.5 dargestellt. Im Naßk¨ uhlturm wird K¨ uhlwasserw¨ arme durch konvektive K¨ uhlung und Verdunstungsk¨ uhlung an die nach oben str¨ omende Luft aus der Umgebung abgegeben. Zur Vergr¨ oßerung der Austauschfl¨ ache wird das Wasser u ¨ber Verteilerrinnen auf diverse K¨ uhleinbauten verteilt bzw. verspr¨ uht. Das K¨ uhlwasser wird anschließend dem Fluß nur wenig erw¨armt wieder zugef¨ uhrt. Durch die Erw¨ armung der Luft kommt es infolge des Auftriebs im K¨ uhlturm zu einer Konvektionsstr¨ omung (Naturzugk¨ uhlturm), die allerdings durch die Zunahme der Feuchtigkeit vermindert wird. Da die K¨ uhlleistung geschwindigkeitsabh¨ angig ist, wird der Luftstrom vielfach durch Ventilatoren verst¨arkt. K¨ uhlt¨ urme z¨ ahlen zu den gr¨ oßten Bauwerken. Der Naturzug-Naßk¨ uhlturm eines Kraftwerkes mit einer Leistung von 800 MW hat etwa 110 m Durchmesser und eine H¨ ohe von 140 m.
286
9 K¨ uhlsystem
Dampf Schwaden 2
3 1 Heißwasser Kühlturm
4 Luft
Luft
Kondensat
Fluß
Abbildung 9.5. Schema einer Ablaufk¨ uhlung mit Naßk¨ uhlturm
Im folgenden wird der erforderliche Luftstrom m ˙ L durch den K¨ uhlturm und der sich einstellende Wasserverlust ∆m ˙ W durch Verdampfung abgesch¨atzt. Aus einer Massenbilanz folgt (9.11) ∆m ˙W =m ˙ L x2 − x1 . Hier ist x1 und x2 der Wassergehalt der Luft am Ein- bzw. Austritt des K¨ uhlturms. Eine weitere Aussage ergibt sich aus der Energiebilanz m ˙ W cpW ϑW − m ˙ L h2 − h1 , ˙ W − ∆m ˙ W cpW ϑW = m (9.12) 1
2
armekapazit¨ at des Wassers, ϑW die Wassertemwobei cpW die spezifische W¨ peratur und h die Luftenthalpie ist. Aus den beiden Gleichungen kann ∆m ˙W sofort berechnet werden: m ˙ W cpW ϑW − ϑW 1 2 ∆m ˙W = . (9.13) h2 − h1 − cpW ϑW 2 x2 − x1 Bei bekannten Luftzust¨ anden am Ein- und Austritt in den K¨ uhlturm ist der Wasserverlust durch diese Gleichung bestimmt. In einer einfacheren N¨ aherung kann der Wasserverlust auch wie folgt abgesch¨ atzt werden. Es gilt cpW ϑW − ϑW ϑ − ϑW ∆m ˙W 1 2 2 , (9.14) = ≈ W1 m ˙W ∆hV 600 worin ∆hV die Verdampfungsw¨ arme des Wassers ist. Pro 6◦ C Abk¨ uhlspanne ergibt sich also ein Wasserverlust von 1%.
9.4 R¨ uckk¨ uhlanlagen
287
Bei einer Lufttemperatur von 20◦ C und einer relativen Luftfeuchte von 60% ergibt sich pro kg R¨ uckk¨ uhlwasser eine erforderliche Luftmenge von ca. 160 kg. Beispiel 9.3. Mit einem Naturzugk¨ uhlturm sollen 24 m3 /s Wasser von 45 auf 35◦ C abgek¨ uhlt werden. Die Außentemperatur betrage 30◦ C, der Luftdruck 1 013 mbar und die relative Luftfeuchtigkeit ϕ = 0,5. Die Luft verl¨ aßt den K¨ uhlturm ges¨ attigt mit einer Temperatur von 35◦ C. Der S¨ attigungsdampfdruck des Wasserdampfes bei agt 4,24 mbar und bei 35◦ C 5,62 mbar. Die Gaskonstante f¨ ur trockene 30◦ C betr¨ Luft ist 0,2872 kJ/kgK, diejenige f¨ ur Wasserdampf 0,4615 kJ/kgK. Man berechne: a) den f¨ ur die Wasserk¨ uhlung erforderlichen Luftstrom und den K¨ uhlwasserverlust, sowie b) die erforderliche K¨ uhlturmh¨ ohe, wenn der Gesamtdruckverlust der Luftstr¨ omung von Eintritt bis Austritt aus dem K¨ uhlturm ∆p = 70 Pa betr¨ agt. L¨ osung. a) Zwischen dem Wasserdampfgehalt x feuchter Luft und der relativen Feuchtigkeit ϕ gilt die aus der Thermodynamik bekannte Beziehung x(ϑ, p, ϕ) =
RLT
ϕ p (ϑ) D
RD p − ϕ p (ϑ)
(kg Wasser/kg trockener Luft).
D
F¨ ur die angegebenen Werte von p und ϑ folgt x(ϕ = 0,5) = 0,013 und x(ϕ = 1) = 0,0272. F¨ ur die spezifische Enthalpie feuchter Luft hL gilt hL = hLT +
x hD − hLT . 1+x
Aus (9.13) ergibt sich damit f¨ ur den Wasserverlust ∆m ˙ = 364 kg/s. F¨ ur den erforderlichen Luftstrom folgt m ˙L =
∆m ˙W ∆x
= 2,56 · 104 kg/s ≈ 2,0 · 104 m3 /s.
b) Der gesamte Druckabfall auf der Luftseite ist in erster N¨ aherung gleich dem Druckabfall zur Beschleunigung der Luftstr¨ omung und muß durch den Auftrieb kompensiert werden. Daher gilt f¨ ur die H¨ ohe H des K¨ uhlturms in erster N¨ aherung die Bedingung
∆p = ρ1 − ρ2 g H . Hierbei ist ρ1 die Dichte der Umgebungsluft und ρ2 die Dichte der mit Wasserdampf ges¨ attigten Luft im K¨ uhlturm, die unter Verwendung der Mischungsregel aus den thermischen Zustandsgleichungen berechnet werden k¨ onnen. Damit ergibt sich die H¨ ohe H zu ca. 100 m.
9.4.1.2 Trockenk¨ uhlt¨ urme Naßk¨ uhlt¨ urme k¨ onnen durch die von ihnen abgegebenen Schwaden bei großen Kraftwerksleistungen vor allem im Winter zu einer nicht vernachl¨assigbaren St¨ orung des Kleinklimas f¨ uhren. Zur Vermeidung dieses Nachteils wurden Trockenk¨ uhlt¨ urme vorgeschlagen.
288
9 K¨ uhlsystem
Bei der Trockenk¨ uhlung wird das K¨ uhlwasser durch W¨armeaustauscherrohre gef¨ uhrt, so daß es von der K¨ uhlluft getrennt bleibt. Im Gegensatz zum Naßk¨ uhlturm ergibt sich damit nur eine Temperaturerh¨ohung bei konstanter Feuchte, vgl. auch Abb. 9.4. Merkmale der Trockenk¨ uhlt¨ urme sind: • Keine sichtbaren K¨ uhlturmfahnen“, ” • kein Wasserverlust und • große Abmessungen gegen¨ uber Naßk¨ uhlt¨ urmen. Die indirekte Trockenk¨ uhlung unter Zwischenschaltung eines K¨ uhlmittelkreislaufs hat sich als aufwendiger erwiesen als die direkte K¨ uhlung gem¨aß Abschn. 9.3.2.4. Sofern wegen Wassermangels oder aus Umweltgr¨ unden eine Trockenk¨ uhlung erforderlich ist, wird deshalb meist der direkten Trockenk¨ uhlung der Vorzug gegeben. 9.4.1.3 Hybridk¨ uhlt¨ urme Hybridk¨ uhlt¨ urme bestehen aus einem Trockenteil und einem Naßteil. Im Trockenteil findet nur ein konvektiver W¨ arme¨ ubergang statt, wobei das K¨ uhlwasser durch Rippenrohre oder Plattenw¨ armeaustauscher fließt und die Luft im Gegen- oder Kreuzstrom gef¨ uhrt wird. Der Naßteil entspricht in seiner Arbeitsweise dem oben beschriebenen Naßk¨ uhlturm. Mit dieser Kombination vereinigt man die hohe K¨ uhlleistung der Naßk¨ uhlt¨ urme mit dem Vorteil der Schwadenfreiheit der Trockenk¨ uhlt¨ urme. Hybridk¨ uhlt¨ urme sind in der Investition wesentlich teurer als Naßk¨ uhlt¨ urme. Bevor ein Hybridk¨ uhlturm verwendet wird muß deshalb gepr¨ uft werden, ob nicht ein anderer Standort zu einer kosteng¨ unstigeren L¨osung f¨ uhrt. 9.4.2 Kreislaufk¨ uhlung Bei der Kreislaufk¨ uhlung besteht das K¨ uhlwasser i.allg. aus Grundwasser, Uferfiltrat oder aufbereitetem Flußwasser. Es wird nach der R¨ uckk¨ uhlung im K¨ uhlturm direkt wieder dem Kondensator zugef¨ uhrt. Das durch Verdun˙ L oder durch Abstung ∆m ˙ W , durch den Austrag mit der Luftstr¨omung ∆m schl¨ ammen verlorengegangene Wasser ∆m ˙ A ist kontinuierlich zu ersetzen. Der erforderliche Abschl¨ ammstrom ∆m ˙ A ergibt sich aus der zul¨assigen Erh¨ ohung C der Salzkonzentration im K¨ uhlwasserkreislauf. Im station¨aren Zustand gilt C=
∆m ˙ W + ∆m ˙ A + ∆m ˙L . ∆m ˙ A + ∆m ˙L
(9.15)
Bei einem vorgegebenen Wert f¨ ur C kann hieraus der Abschl¨ammstrom ∆m ˙W − ∆m ˙L C −1 bestimmt werden. ∆m ˙A =
(9.16)
Literatur
289
Bei ∆m ˙ W = 1,2%, ∆m ˙ L = 0,2% ergibt sich f¨ ur C = 2 ein erforderlicher Abschl¨ ammstrom von ca. 1% des Gesamtstromes. Ohne Abschl¨ammung w¨ urde sich asymptotisch C = 7 einstellen. Abh¨ angig vom zul¨assigen Wert f¨ ur C ist dem K¨ uhlwasserstrom st¨ andig Frischwasser zuzumischen. Bei einem 740 MWBlock resultiert f¨ ur C = 2 und einem K¨ uhlwasserstrom von ca. 60 000 m3 /h eine erforderliche Frischwassermenge von 1 440 l/s. Damit werden etwa 2 l Frischwasser pro erzeugter kWh verbraucht. Entsprechend hoch ist der Wasserbedarf von Naßk¨ uhlt¨ urmen, weshalb man in Gebieten mit Wassermangel zunehmend zur Trockenk¨ uhlung u ¨bergeht. Der Aufbau und die Funktion der K¨ uhlt¨ urme bei Kreislaufk¨ uhlung entsprechen denen bei Ablaufk¨ uhlung.
Literatur ¨ 1. Kopp, J.H.: Uber den W¨ arme- und Stoffaustausch bei Mischkondensatoren. Dissertation, ETH Z¨ urich 1965 2. Rathje, U.J., Pflaumenbaum, H.-J.: Die Generation 2000 luftgek¨ uhlter Abdampfkondensatoren. VGB Kraftwerkstechnik 76, 31–36 (1996)
10 Speisewasserversorgung
10.1 Allgemeines Die Speisewasserversorgung des Kessels besteht aus den Hoch- und Niederdruckvorw¨ armern, dem Speisewasserbeh¨ alter, dem Entgaser und der Speisepumpe. Als Hochdruckvorw¨ armer bezeichnet man diejenigen Vorw¨armer, die im Hochdruckbereich hinter der Speisepumpe angeordnet sind. Entsprechend werden die anderen Vorw¨ armer als Niederdruckvorw¨armer bezeichnet. Eine u armer und der anderen Komponenten der Spei¨bliche Anordnung der Vorw¨ sewasserversorgung relativ zur Turbine ist in Abb. 10.1 dargestellt. a
b d c
e f h
g j
a Speisewasserbeh¨ alter und Entgaser b Filter c Hauptspeisepumpe mit Dampfturbinenantrieb d Motorgetriebene Speisepumpe e Speisewasserregelventil f Hochdruckvorw¨ armer g Niederdruckvorw¨ armer h Niederdruckturbine mit Kondensator j Kondensatpumpe
Abbildung 10.1. Typische Anordnung der Komponenten einer Speisewasserversorgungsanlage
292
10 Speisewasserversorgung
Die regenerative Speisewasservorw¨ armung f¨ uhrt nach Abschn. 3.3.4 zu einer Carnotisierung des Kreisprozesses, was sich in einer Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades ausdr¨ uckt. Das aus dem Kondensator abgezogene Speisewasser wird dazu durch Anzapfdampf vorgew¨armt, der aus dem Mittel- und Hochdruckteil der Turbine entnommen wird, und es wird erst danach mittels der Speisepumpe dem Kessel zugef¨ uhrt. Der Vorgang ist thermodynamisch umso g¨ unstiger, je geringer die Temperaturdifferenz zwischen dem Anzapfdampf und dem vorzuw¨ armenden Speisewasser ist. Die Vorw¨armung wird deshalb in Stufen und im Gegenstrom durchgef¨ uhrt, wobei zwei Typen von W¨ armeaustauschern zum Einsatz kommen: Mischvorw¨ armer und Oberfl¨ achenvorw¨ armer. Speisewasservorw¨ armanlagen setzen sich somit aus verschiedenen W¨armeaustauschern zusammen, deren gebr¨ auchlichste Schaltungen in Abb. 10.2 dargestellt sind. ?
?
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-
a
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b
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6 ? f
-
c
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6
d
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-
g
? Abbildung 10.2. Schaltungsm¨ oglichkeiten von Speisewasservorw¨ armern
Das Teilbild a zeigt einen Vorw¨ armer mit Kondensatablauf, der mit Sattoder Naßdampf beheizt wird. Das anfallenden Kondensat wird unmittelbar oder u uhler (Teilbild b) in den speisewasserseitig vorgelagerten ¨ber einen K¨ Vorw¨ armer oder in den Kondensator abgeleitet. In den Vorw¨armer eingebaute Kondensatk¨ uhler (Teilbild c) verlangen eine Kondensatstandsregelung. Das Teilbild d zeigt eine Schaltung, bei der das Kondensat hinter dem Austritt des Vorw¨ armers mit einer Pumpe in die Speisewasserleitung gedr¨ uckt wird. Die in Teilbild e dargestellte Vorw¨ armung, bei der verspr¨ uhtes Wasser mit Dampf gleichen Druckes in Ber¨ uhrung kommt, hat sich bei Kraftwerksanlagen nicht durchgesetzt. Teilbild f zeigt einen Speisewasserbeh¨alter, der als Mischvorw¨ armer und Entgaser arbeitet. Ein Vorw¨armer mit eingebauten Enthitzungs- und Kondensatk¨ uhlzonen ist in Teilbild g dargestellt.
10.2 Mischvorw¨ armer
293
Bei großen Dampfkraftwerken sind heute 8–10 Vorw¨armstufen mit resultierenden Speisewassertemperaturen von 250–300◦ C u ¨blich. Einer weiteren Erh¨ ohung der Vorw¨ armtemperatur sind Grenzen gesetzt durch Bedingungen, die durch den Dampferzeuger gegebenen sind. Die Rauchgasw¨arme, die bei einer Erh¨ ohung der Speisewassertemperatur nicht mehr vom Economizer aufgenommen wird, muß im Luvo zus¨ atzlich an die Verbrennungsluft u ¨bertragen werden. Wegen der geringer werdenden Temperaturdifferenz auf der Hochtemperaturseite des Luvos schließt sich die Temperaturschere, was zum einen zu sehr großen Heizfl¨ achen f¨ uhrt und zum anderen hohe Heißlufttemperaturen ergibt. Die H¨ ohe der Heißlufttemperatur ist jedoch nicht frei w¨ahlbar, sie ist vielmehr nach feuerungstechnischen Gesichtspunkten festzulegen. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß die NOx -Bildung in der Feuerung mit der Heißlufttemperatur zunimmt.
10.2 Mischvorw¨ armer Ein Vorteil des Mischvorw¨ armers ist sein einfacher Aufbau, da keine materielle W¨ arme¨ ubertragungsfl¨ ache notwendig ist, vgl. Abb. 10.3. Der W¨armeaustausch erfolgt vielmehr durch Mischung der beiden Stoffstr¨ome. Der Mischvorw¨ armer ist auch thermodynamisch g¨ unstig, da die Vorw¨armtemperatur ϑW der Stufe n gleich der Dampftemperatur ϑD sein kann. Ein Mischn n vorw¨ armer braucht jedoch eine eigene, f¨ ur die volle Kondensatmenge ausgelegte Pumpe mit Regelung. Ein Versagen von Pumpe oder Regelung f¨ uhrt zum Ausfall der Anlage. Deshalb wird in der Vorw¨armstrecke in der Regel nur ein Mischvorw¨ armer verwendet, der dann gleichzeitig die Funktion eines Entgasers hat. h d
a f
c
i
e
b
j g
Abbildung 10.3. Prinzip eines Mischvorw¨ armers
a b c d e f g h i j
Hauptkondensateintritt Nebenkondensateintritt Speisewasserbeh¨ alter Heizdampfeintritt Entgaser Nachkochstelle Speisewasseraustritt Entschwadung Nebenkondensatverteiler Heizdampfverteiler
294
10 Speisewasserversorgung
10.2.1 Speisewasserbeh¨ alter und Entgaser Der Entgaser ist ein Mischvorw¨ armer, der zus¨atzlich die Aufgabe hat, aggressive Gase wie Sauerstoff und Kohlendioxid, die zu Korrosionen in den Anlagenteilen f¨ uhren k¨ onnen, aus dem Speisewasser auszuscheiden. Entgaser großer Anlagen werden so ausgelegt, daß der Sauerstoffgehalt am Austrittsstutzen kleiner als 5 µg pro kg Speisewasser ist. Bei der thermischen Entgasung nutzt man das Henry’sche Gesetz, nach dem die L¨oslichkeit eines Gases in einer Fl¨ ussigkeit proportional zu seinem Partialdruck oberhalb des Fl¨ ussigkeitsspiegels ist. Die L¨ oslichkeit von Gasen in Wasser geht demnach gegen Null, wenn das Wasser die zu dem jeweiligen Druck geh¨orende Siedetemperatur erreicht. Bei ausgef¨ uhrten Anlagen wird deshalb das Speisewasser im Entgaser so weit erw¨ armt, daß seine Temperatur ca. 1–2◦ C unterhalb der Siedetemperatur liegt. Der Entgaser wird innerhalb der Vorw¨ armerkette bei einem Druck angeordnet, bei dem ein Lufteinbruch auch bei Kleinlast und Stillstand ausgeschlossen werden kann. Zur Entgasung wird das Kondensat im Dampfraum verspr¨ uht oder als d¨ unner Film u ¨ber kaskadenweise angeordnete, schwach geneigte Fl¨ achen in den Wasserraum geleitet. Die Verweilzeit des Speisewassers muß dabei so lang sein, daß es durch den kondensierenden Dampf aufgeheizt werden kann und gel¨ oste Gase ausreichend Zeit haben, um durch Diffusion in den Dampfraum zu gelangen. Am Austritt aus dem Entgaser hat das Speisewasser nahezu Siedetemperatur. Zur Vermeidung von Kavitation in der nachgeschalteten Speisewasserpumpe wird der Entgaser in etwa 20–30 m H¨ohe oberhalb der Pumpe angeordnet, vgl. Abb. 10.1. Durch den hydrostatischen Druck der Fl¨ ussigkeitss¨ aule ist gew¨ ahrleistet, daß der Druck am Einlaß der Pumpe weit genug vom Dampfdruck entfernt liegt und dadurch Kavitation in der Pumpe vermieden wird. Zur Vereinfachung wird der Entgaser fast immer mit dem Speisewasserbeh¨ alter kombiniert. Um St¨ orungen, z.B. Turbinenschnellschluß, begegnen zu k¨onnen, muß innerhalb des Speisewasserkreislaufs eine gewisse Wassermenge gespeichert werden. Das Speicherverm¨ ogen wird bei 750 MW-Anlagen f¨ ur eine Vollastnachspeisezeit von 10 Minuten ausgelegt. Der Speisewasserbeh¨alter hat dann ein Volumen von ca. 500 m3 . Das im Speisewasserbeh¨ alter enthaltene Wasser im Siedezustand stellt ein großes Energie- und damit auch Gefahrenpotential dar. Der konstruktiven Gestaltung, Werkstoffauswahl und dem Pr¨ ufumfang kommt aus diesem Grunde besondere Bedeutung zu.
10.3 Oberfl¨ achenvorw¨ armer Bei einem Oberfl¨achenvorw¨ armer sind Anzapfdampf und Speisewasser durch eine meist aus Rohren bestehende K¨ uhlfl¨ ache voneinander getrennt, vgl. Abb. 10.4.
10.3 Oberfl¨ achenvorw¨ armer
295
Diese Variante ist thermodynamisch ung¨ unstiger, da ϑW < ϑD ist. Ein Vorteil besteht jedoch darin, daß die Pumpe zur Abf¨ uhrung des Kondensats nur f¨ ur die abgezapfte Teilmenge ausgelegt werden muß. Bei Versagen der Pumpe kann die Anlage nach Schließen der Ventile in der Anzapfleitung weiterbetrieben werden. Bei Abf¨ uhrung des Kondensats in den Kondensator kann sogar auf eine Pumpe verzichtet werden. Diese L¨ osung ist jedoch thermodynamisch ung¨ unstiger. In diesem Fall wird dem Oberfl¨ achenvorw¨armer zur Optimierung meist ein Enthitzer, in dem der Entnahmedampf auf Sattdampftemperatur abgek¨ uhlt wird, vor- und ein Kondensatk¨ uhler nachgeschaltet, vgl. Abb. 10.2 g. a c
f g
b a Dampfeintritt b Kondensatabfluß c Rohrb¨ undel
e
d
d Kondensationsteil e Leit߬ achen
f Speisewasserzufluß g Speisewasserabfluß
Abbildung 10.4. Niederdruckvorw¨ armer in liegender Anordnung
Bei der Auslegung werden u ¨blicherweise Dampfgeschwindigkeiten zwischen 15 und 20 m/s und Wassergeschwindigkeiten von 1,0–2,5 m/s gew¨ahlt. Die erforderliche W¨ armeaustauscherfl¨ ache errechnet sich nach der Gleichung A=
Q˙ . k ∆ϑln
(10.1)
Hier ist k die W¨armedurchgangszahl und ∆ϑln die mittlere logarithmische Temperaturdifferenz. F¨ ur u agige Berechnungen kann k mit 1 500– ¨berschl¨ 2 000 W/m2 K angenommen werden. Als kleinste Temperaturdifferenz wird bei Kondensatk¨ uhlern ca. 7◦ C, bei Kondensationsapparaten ca. 3◦ C und bei Enthitzern ca. 25◦ C zugelassen. Oberfl¨ achenvorw¨ armer werden in liegender und stehender Bauweise ausgef¨ uhrt. Unabh¨ angig von der Aufstellungsart sind die Heizfl¨achenrohre Uf¨ ormig gebogen. Dadurch kann sich jedes Rohr der jeweiligen thermischen Belastung entsprechend individuell ausdehnen. F¨ ur Einzelheiten bzgl. der Auslegung und Konstruktion sei auf die Literatur [1], [2] verwiesen.
296
10 Speisewasserversorgung
10.4 Speisepumpen Die Kesselspeisepumpe hat die Aufgabe, den Dampferzeuger zuverl¨assig mit Speisewasser zu versorgen. Die Wahl der Bauart der Pumpen, die Auslegung, die Wahl des Antriebes und ihre Aufteilung in Vollast- und Teillastpumpen richten sich nach der Betriebsweise (Fest- oder Gleitdruck), der Einsatzweise (Grund- oder Mittellastbetrieb) und der Gr¨ oße des Kraftwerkblockes. Kesselspeisepumpen sind H¨ ochstleistungsmaschinen, die das Speisewasser auf einen Druck von bis zu 500 bar bringen. In Abb. 10.5 ist als Beispiel eine 100%-Turbospeisepumpe f¨ ur einen 800 MW-Block dargestellt. Es handelt sich dabei um eine Topfpumpe mit einem ungeteilten Geh¨ause.
a Topfgeh¨ ause b Deckel c Deckelschrauben
d Stufengeh¨ ause e Schmiermittelzufluß f Schmiermittelabfluß
g Welle h Axiallager
Abbildung 10.5. L¨ angsschnitt durch eine Turbospeisepumpe [3]. F¨ orderh¨ ohe: 390 bar, F¨ ordermenge: 3 143 m3 /h, Drehzahl: 5 795 min−1 , Leistungsbedarf: 33 841 kW
Große Speisepumpen werden mit Drehzahlen von 5 000–8 000 min−1 und Stufendr¨ ucken bis 90 bar betrieben. Zur Verminderung der W¨armespannungen werden große Pumpen mit Vorw¨ armeinrichtungen ausger¨ ustet, weshalb
Literatur
297
der Kaltstart kein allzu großes Problem darstellt. Bez¨ uglich der Auslegungsanforderungen sei auf die Richtlinie TRD 401 [4] verwiesen.
Literatur 1. Kelp, F.: Zur optimalen Bemessung von W¨ armetauschern. BWK 19, 23–27 (1967) 2. Mitterecker, E., Kallenberg, H.: Speisewasservorw¨ armanlagen großer Dampfkraftwerke. BWK 37, 388–396 (1985) 3. Burchhardt, U., Laux, C.H., Eichhorn, G.: Neue Gr¨ oßenordnung von Speisepumpen in den 800 MW-Braunkohlebl¨ ocken der VEAG. VGB Kraftwerkstechnik 74, 469–478 (1994) 4. Technische Regeln f¨ ur Dampfkessel. TRD 401: Ausr¨ ustungen f¨ ur Dampferzeuger. Carl Heymanns, K¨ oln 1979
11 Rauchgasreinigung
11.1 Einleitung Die fossilen Brennstoffe enthalten neben Kohlenstoff und Wasserstoff u.a. auch mineralische Verunreinigungen, an die ihrerseits Schwefel und Stickstoff gebunden sind. Bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe werden daher auch Luftschadstoffe gebildet, die wegen ihrer erwiesenen Umweltsch¨adlichkeit entfernt werden m¨ ussen: • Die inerten Bestandteile der Brennstoffe treten als St¨aube auf. Großen Feuerungsanlagen sind daher immer Einrichtungen zur Staubabscheidung nachgeschaltet. • Die Schwefelverbindungen verbrennen unter Bildung von Schwefeldioxid (SO2 ). Die Kraftwerke werden deshalb mit Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA) ausger¨ ustet. • Die Stickstoffverbindungen in der Kohle sowie der Stickstoff der Verbrennungsluft werden unter den bei der Verbrennung vorliegenden Bedingungen teilweise in Stickoxid umgewandelt. In zunehmendem Maße werden Kraftwerke deshalb auch mit Anlagen zur Stickoxidminderung (DeNOxAnlagen) ausger¨ ustet. Die Rauchgase aus Kraftwerken werden demnach entstaubt, entschwefelt und entstickt.
11.2 Entstaubung 11.2.1 Kennzeichnung des Flugstaubes Unter Flugstaub versteht man die in den Rauchgasen enthaltenen bzw. aus diesen abgeschiedenen festen Bestandteile. Diese setzen sich aus nichtbrennbaren (Flugasche) und brennbaren Bestandteilen (Flugkoks) des Brennstoffes zusammen.
300
11 Rauchgasreinigung
Flugstaub besteht aus sehr unterschiedlichen Korngr¨oßen, davon sind die groben Teilchen meist die brennbaren Bestandteile. Auch die groben Teilchen sind aber schon so fein, daß eine Bestimmung der Korngr¨oße mittels Siebung wie bei Kohlenstaub nicht mehr m¨ oglich ist. Das gebr¨auchlichste Verfahren zur Ermittlung der Korngr¨ oßenverteilung ist die Windsichtung. Dabei wird in einem senkrechten Glasrohr eine Luftstr¨ omung eingestellt, die alle Teilchen unterhalb einer bestimmten Korngr¨ oße bzw. eines bestimmten Gewichts austr¨ agt. Die gr¨ oßeren K¨ orner bleiben als R¨ uckstand zur¨ uck. Zur Orientierung sind in Tabelle 11.1 Mittelwerte f¨ ur die Korngr¨oßenverteilung von steinkohlegefeuerten Anlagen aufgef¨ uhrt. Tabelle 11.1. Korngr¨ oßenverteilung von Flugstaub in Massen-% Korngr¨ oße [µm]
Staubfeuerungen
Rost- bzw. Wirbelschichtfeuerungen
99a > 99,5b > 90c > 99,5d
< 150 < 30
Gewebefilter
< 10–20
a
F¨ ur d > 20 µm. F¨ ur d > 10 µm. c F¨ ur d > 5 µm. d Auch bei feinsten St¨ auben.
b
A B
E
C
A B C D E F
Reingasaustritt Tauchrohr Stromlinien Staubfallraum Rohgaseintritt Staubabzug
D
F E
Abbildung 11.1. Prinzipieller Aufbau eines Zyklonabscheiders
Es ist klar, daß ein Zyklonabscheider bei hohen Str¨omungsgeschwindigkeiten und damit großen Zentrifugalkr¨ aften am besten arbeitet. Bei hohen ¨ Geschwindigkeiten sind aber auch die Str¨ omungsverluste groß. Ublicherweise werden Zyklonabscheider derart ausgelegt, daß sich ein mittlerer Druckabfall von 600–900 Pa einstellt. Dies entspricht einem Kraftbedarf von 0,17– 0,25 kWh pro 1 000 m3 Rauchgas. Bei ausgef¨ uhrten Anlagen wird statt eines großen Zyklons eine Vielzahl von Zyklonen mit kleinem Durchmesser parallel angeordnet. Die Einzelabscheider haben Durchmesser im Bereich zwischen 100 und 250 mm. Mit Zyklonabscheidern k¨ onnen die f¨ ur Großkraftwerke g¨ ultigen Emissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden. Sie kommen deshalb nur noch f¨ ur Feuerungen mit kleinen Leistungen und einem relativ groben Flugstaub zur Anwendung, z.B. bei Rostfeuerungen.
302
11 Rauchgasreinigung
11.2.2.2 Gewebefilter Diese Apparate werden in vielen Bereichen der Prozeßindustrie mit Erfolg eingesetzt. Die Gewebe werden dabei je nach Einsatztemperatur und Beschaffenheit der abzuscheidenden Partikel aus Baumwoll-, Kunststoff- oder auch mineralischen Fasern hergestellt. Das staubhaltige Gas durchstr¨omt die Gewebe in einer Richtung, wobei der Staub beim Durchgang gr¨oßtenteils zur¨ uckbleibt. Er kann dann durch R¨ utteln oder durch Umkehren der Str¨omung mittels eines kurzzeitigen Druckstoßes von der Gewebeoberfl¨ache entfernt und zu einem Staubsammelbeh¨alter gef¨ uhrt werden. Die Asche der fossilen Brennstoffe besteht zu einem großen Teil aus Sand. Die feinsten Sandteilchen str¨ omen mit dem Gas durch die Gewebe und zerst¨ oren mit der Zeit durch ihre abrasive Wirkung die Gewebef¨aden. Um eine angemessene Lebensdauer zu erreichen, muß deshalb die mittlere Gasgeschwindigkeit gering sein. Bei Gewebefiltern hinter kohlegefeuerten Kesseln werden Geschwindigkeiten im Bereich von 0,005–0,01 m/s gew¨ahlt. Um die aus der geringen Geschwindigkeit resultierenden großen Filterfl¨achen unterzubringen, werden Gewebefilter bei Kraftwerken meist als Schlauchfilter ausgef¨ uhrt. Diese Entstauber bestehen aus einer großen Zahl von parallel durchstr¨omten Schl¨ auchen. Bei einem Filter f¨ ur ein 750 MW-Kraftwerk werden ca. 15 000 Schl¨ auche ben¨ otigt. Eine Anordnungsm¨ oglichkeit ist in Abb. 11.2 dargestellt. Druckluft Druckluftlanze zur Abreinigung Reingasaustritt Gewebeschlauch
Abreinigung eines Einzelelementes
Rohgaseintritt
Staubaustrag
Abbildung 11.2. Aufbau eines Gewebefilters. Die Abreinigung erfolgt durch Str¨ omungsumkehr mittels eines Druckluftstoßes (JetPuls-Filter)
Der Vorteil der Gewebefilter liegt in ihrem hohen Abscheidegrad. Der Fraktionsabscheidegrad f¨ ur kleine Teilchen zwischen 2 und 5 µm liegt typischerweise bei u ¨ber 99,5%, wobei der Reingasstaubgehalt fast unabh¨angig von der Staubbeladung des Rohgases ist.
11.2 Entstaubung
303
Nachteilig ist der Druckabfall, der aus dem Str¨omungswiderstand des Ge¨ webes und der auf diesem abgelagerten Staubschicht resultiert. Ublicherweise liegt der Druckabfall im Bereich zwischen 800 und 1500 Pa, was einem Kraftbedarf von 0,22–0,41 kWh pro 1 000 m3 Rauchgas entspricht. Ein weiterer Nachteil der Gewebefilter ist ihre Empfindlichkeit gegen Feuchtigkeit. Da bei jedem Anfahrvorgang der Rauchgastaupunkt durchfahren wird, sind Gewebefilter f¨ ur Anlagen, die mit t¨ aglichen An- und Abfahren im Mittellastbereich operieren, nicht geeignet. 11.2.2.3 Elektrofilter Beim Elektrofilter erfolgt die Abscheidung durch Einwirkung eines elektrischen Feldes. Wesentliche Bestandteile eines solchen Filters sind fl¨achenf¨ormige, meist in Gassen angeordnete, geerdete Niederschlagselektroden und dazwischen aufgespannte drahtf¨ ormige Spr¨ uhelektroden. Zwischen beiden Arten von Elektroden wird eine Gleichspannung von 40–100 kV angelegt. Die Spannung wird so hoch gew¨ ahlt, daß an den Spr¨ uhelektroden, dort hat das elektrische Feld maximale St¨ arke, eine Koronaentladung entsteht. Die freiwerdenden Elektronen wandern entlang der Feldlinien zu den Niederschlagselektroden. Diese Elektronen lagern sich teilweise an Staubpartikel an. Auf die so aufgeladenen Staubpartikel wirkt dann die Coulombkraft, die sie zur Niederschlagselektrode bewegt, vgl. Abb. 11.3. Die dort angesammelten Teilchen k¨onnen durch R¨ utteln abgereinigt werden und fallen in den Staubbeh¨alter. Sprühelektroden Reingasaustritt Feldlinien Teilchenbahn
Rohgaseintritt
Niederschlagselektroden ( geerdet )
Gewichte
Abbildung 11.3. Schematische Darstellung eines Elektrofilters
Damit ein Teilchen abgeschieden wird, muß es ausreichend viele Elekronen einfangen. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Einfangprozesses ist aber
304
11 Rauchgasreinigung
proportional zum Teilchendurchmesser. F¨ ur die feinen Kornfraktionen werden deshalb in einem Elektrofilter nur geringe Abscheidegrade erreicht. Der Abscheidegrad f eines Elektrofilters h¨ angt von der Migrationsgeschwindigkeit w ab, mit der sich ein Staubpartikel im elektrischen Feld zwischen den Elektroden bewegt. Zwischen den Gr¨ oßen f und w besteht in guter N¨aherung der empirische Zusammenhang f = 1 − exp (−0,2 k w) .
(11.1)
Hier ist w die effektive Migrationsgeschwindigkeit der Staubteilchen in m/s und k das Verh¨ altnis aus Elektrodenfl¨ ache AEl und dem Volumenstrom des ˙ Rauchgases VRG im Filter: k=
AEl . V˙
(11.2)
RG
Der Faktor k wird auch als spezifische Kollektoroberfl¨ ache bezeichnet. Bei ausgef¨ uhrten Anlagen liegt die Rauchgasgeschwindigkeit im Elektrofilter im Bereich von 1,0–1,8 m/s. Die Migrationsgeschwindigkeit w hat Werte zwischen 8 und 20 cm/s. Beispiel 11.1. F¨ ur einen Steinkohleblock mit einem Rauchgasvolumenstrom von ache und 2,22 · 106 Nm3 /h und einer Abgastemperatur von 120◦ C soll die Kollektorfl¨ der Filterquerschnitt des Elektrofilters abgesch¨ atzt werden. Die Rauchgasgeschwindigkeit ist mit 1,5 m/s und die Migrationsgeschwindigkeit mit 16 cm/s anzunehmen. Der Abscheidegrad des Filters soll 99% betragen. Wie ¨ andert sich die Elektrodenfl¨ ache bei einer Erh¨ ohung des Abscheidegrades auf 99,5%? L¨ osung. Aus (11.1) und (11.2) sowie dem idealen Gasgesetz folgt V˙ T T 1 AEl = V˙RG k = RG ln ≈ 128 000 m2 . T0 0,2 w T0 1−f Der Filterquerschnitt errechnet sich mit der Rauchgasgeschwindigkeit vRG zu AQ =
V˙RG T ≈ 592 m2 . vRG T0
Gew¨ ahlt werden vier parallel liegende Filter mit einer H¨ ohe von 12 m und einer Breite von 12,5 m. Bei einem Plattenabstand der Elektroden von 0,3 m sind pro Einheit 40 Elektrodengassen mit einer L¨ ange von jeweils 33,5 m vorzusehen. Soll der Abscheidegrad auf 99,5% gesteigert werden, muß die Elektrodenoberfl¨ ache um ∆AEl = 15% vergr¨ oßert werden.
11.3 Entschwefelung Zur SO2 -Entfernung aus den Rauchgasen wird bevorzugt eine chemische Umsetzung mit Alkali- oder Erdalkalikarbonaten, -oxiden oder -hydroxiden unter
11.3 Entschwefelung
305
Bildung von entsprechenden Sulfiten und Sulfaten angewandt. Die Umsetzung des SO2 mit dem Absoptionsmittel l¨ aßt sich trocken als Gas/Feststoffreaktion oder naß in einer w¨ assrigen L¨ osung als Ionenreaktion durchf¨ uhren. Die trockene Reaktion hat den Vorteil einer einfachen verfahrenstechnischen Umsetzung – das Rauchgas muß dazu z.B. nicht abgek¨ uhlt werden. Es wurden daher große Anstrengungen unternommen, die trockene Umsetzung großtechnisch auszuf¨ uhren. Alle diese Bem¨ uhungen scheiterten schließlich am Reaktionsmechanismus. Dieser Mechanismus l¨ aßt sich im Prinzip durch ein Schale/Kern-Modell darstellen, bei dem die Umsetzung des SO2 sich von der Oberfl¨ ache des absorbierenden Feststoffteilchens in Form einer Reaktionsfront ins Innere fortbewegt. Daraus folgt, daß kleine Korngr¨oßen und große Differenzgeschwindigkeiten zwischen Gasphase und Feststoffteilchen zu einer Erh¨ohung des Umsatzgrades beitragen. Ein wesentlicher Parameter f¨ ur den Umsatz ist die Temperatur. Ein Maximum f¨ ur die Umsatzgeschwindigkeit stellt sich experimentell bei 800 bis 900◦ C ein. Einen großen Einfluß hat ferner die chemische und physikalische Beschaffenheit des Feststoffes: So nimmt z.B. die Reaktivit¨ at in der Reihenfolge CaO, CaCO3 und Ca(OH)2 zu. Trotz dieser ¨ Kenntnisse ist es selbst bei zwei- bis dreifach st¨ochiometrischen Ubersch¨ ussen an Calcium nur bei Wirbelschichtfeuerungen gelungen, ausreichend hohe Entschwefelungsgrade zu erreichen. Wesentlich h¨ ohere Entschwefelungsgrade werden erreicht, wenn eine w¨assuhltes Rauchgas gespr¨ uht rige Ca(OH)2 -Suspension in auf 90–120◦ C abgek¨ wird und die Absorption des SO2 an dem sich im Trocknungszustand befindlichen Hydroxid erfolgt. Bei diesem Verfahren der Spr¨ uhabsorption kann bei ¨ einem ca. 1,5-fachen st¨ ochiometrischen Uberschuß ein Entschwefelungsgrad von 90–95% erreicht werden. Der Verfahrensablauf ist einfach: Das Rauchgas gelangt u ¨ber eine Vorentstaubung, meist ein Elektrofilter, in den Reaktor, in dem die Absorbersuspension mittels D¨ usen mit Tropfendurchmessern von ca. 100 µm zerst¨ aubt wird. Im Wechselspiel l¨ ost sich SO2 in den Tropfen und reagiert mit dem Ca(OH)2 zu CaSO3 , w¨ ahrend Wasser verdampft. In einem nachgeschalteten Gewebefilter wird Staub abgeschieden, der aus Flugstaubresten, Calciumsulfit, Calciumsulfat und nicht umgesetztem Calciumhydroxid besteht. Der Grund f¨ ur den gegen¨ uber dem trockenen Einblasen des CaCO3 h¨ oheren Entschwefelungsgrad liegt wohl darin, daß das verdampfende Wasser die Ausbildung einer undurchl¨ assigen Sulfit/Sulfatschicht am Kornrand bei der Reaktion des SO2 mit dem Calzium verhindert. Ein Teil des Umsatzes erfolgt noch in dem Filterkuchen des Gewebestaubfilters, der zur Abscheidung ¨ des im Uberschuß vorhandenen Calziumhydroxids und des Prim¨arprodukts dem Spr¨ uhturm nachgeschaltet ist. In den Anwendungen haben sich die Waschverfahren mit Gips als Endprodukt als am kosteng¨ unstigsten erwiesen. In der w¨assrigen Phase l¨auft die Umsetzung des SO2 als Ionenreaktion schnell ab. Bei einer geschickten Reaktionsf¨ uhrung l¨ aßt sich daher im Gegensatz zur trockenen Reaktionsweise und zur Spr¨ uhabsorption die eingesetzte Ca-Verbindung quantitativ umsetzen und durch Oxidation mit in die w¨ assrige Phase eingeblasener Luft in ca. 99%-igen
306
11 Rauchgasreinigung
Gips (CaSO4 · 2 H2 O) umwandeln. Das Prinzip eines einstufigen Waschverfahrens mit Gips als Endprodukt ist in Abb. 11.4 dargestellt. Hauptkomponente f¨ ur die Umsetzung des Verfahrens ist der Absorberturm. In diesem wird das zu reinigende Rauchgas, das Waschwasser, die Kalksuspension und Luft eingebracht. Das Waschwasser wird u ¨ber den ganzen Absorberturm im Kreislauf gefahren. Reingas
Gavo
Hydrozyklon
Waschturm Wasser
Rohgas
Tropfenabscheider
Zentrifuge Luft Kalksteinsuspension
CaCo 3 Ca(HSO3)2 CaSO4 2H2O
Vorlage
Gibs Abwasser
Abbildung 11.4. Prinzipschema eines einstufigen Kalkwaschverfahrens
Das im Rauchgas enthaltene SO2 l¨ ost sich im Wasser und reagiert vorzugsweise unter Bildung von H+ -Ionen: 2− + SO2 + H2 O H+ + HSO− 3 2 H + SO3 .
(11.3)
Die L¨ osung wird also sauer. Die zur weiteren Absorption von SO2 notwendige Verschiebung des Gleichgewichts der vorstehenden Reaktion nach rechts uhrung von l¨ aßt sich durch Zugabe von OH− -Ionen erreichen, die durch Einf¨ ost sich dabei gem¨aß der nachstehenden ReCaCO3 entstehen. Das CaCO3 l¨ aktion CaCO3 Ca2+ + CO2− 3
(11.4)
und − − − CO2− 3 + H2 O OH + HCO3 −→ 2 OH + CO2 ↑ 2+
CO2− 3
(11.5)
unter Bildung einer alkalischen L¨ osung in Ca und auf. Die eingeblaosung, wodurch der Kalkstein mehr sene Luft verdr¨ angt das CO2 aus der L¨ und mehr in L¨ osung geht. Weiter oxidiert die Luft bei ph-Werten um ca. 5 die 2− 2− aß im Wasser gel¨ oste HSO− 3 - und SO3 -Ionen zu SO4 , so daß im Sumpf gem¨
11.3 Entschwefelung 2+ SO2− + 2 H2 O −→ CaSO4 · 2 H2 O ↓ 4 + Ca
307
(11.6)
Gips ausf¨ allt. Im allgemeinen ist dieser Gips von hoher Reinheit und grobkristalliner Struktur, so daß er sich leicht entw¨ assern l¨aßt. Im Sumpf des Absorberturms werden ferner die im Rauchgas kohlegefeuerter Anlagen pr¨asenten Halogenverbindungen HF und HCl als CaF2 und CaCl2 gebunden. Neben der Kalkw¨ asche wurden noch weitere Verfahren z.B. zur Gewinnung von SO2 -Reichgas und auch noch solche mit anderen Endprodukten entwickelt. Angewandt wird bereits die Umsetzung des SO2 mit dem Rauchgas zugegebenem Ammoniak zu Ammonsulfit das oxidativ in das D¨ ungemittel Ammonsulfat umgewandelt wird, vgl. [2] und [3]. Beispiel 11.2. Der 815,8 kg/s betragende Rauchgasstrom eines steinkohlegefeuerten 750 MW-Kraftwerks soll in einer Naßw¨ asche mit Kalkmilch (CaCO3 ) zu 95% entschwefelt werden. Es wird ein Brennstoffmassenstrom von 63,7 kg/s zugef¨ uhrt, der einen auf den feuchten Brennstoff bezogenen Massenanteil Schwefel γS = 0,0066 enth¨ alt. Die Molmassen der einzelnen Stoffe sind Tabellenwerken [4] zu entnehmen: = 32 kg/kmol,
MCaCO = 100 kg/kmol,
MSO = 64 kg/kmol,
MCaSO = 154 kg/kmol.
MS
3
2
MH
2O
= 18 kg/kmol,
4
a) Welcher Mengenstrom an CaCO3 ist daf¨ ur erforderlich? b) Wieviel Gips entsteht? c) Wie hoch ist der Restgehalt an SO2 im Rauchgas? L¨ osung. Die Oxidation des Schwefels verl¨ auft nach der Reaktionsgleichung S + O2 −→ SO2 . Es entstehen somit m ˙ SO = 2
MSO
2
MS
γS m ˙ B = 0,84 kg/s SO2 = 3,02 t/h SO2 .
auft nach den Teilreaktionen a) Die Entschwefelung mit CaCO3 verl¨ CaCO3 + H2 O −→ Ca(OH)2 + CO2 , 1 SO2 + O2 −→ SO3 , 2 Ca(OH)2 + SO3 + H2 O −→ CaSO4 · 2 H2 O , weshalb die Bruttoreaktionsgleichung 1 O2 + 2 H2 O −→ CaSO4 · 2 H2 O + CO2 2
CaCO3 + SO2 +
lautet. F¨ ur eine 95%-ige Entschwefelung sind 2,87 t/h SO2 aus dem Rauchgas otigte zu entfernen. Die zur Bindung des vorgegebenen SO2 -Massenstroms ben¨ Menge an Kalk betr¨ agt m ˙ CaCO = 3
MCaCO MSO
2
3
0,95 m ˙ SO = 1,25 kg/s = 4,49 t/h. 2
308
11 Rauchgasreinigung
b) Die bei der Entschwefelung entstehende Gipsmenge bel¨ auft sich wegen MCaSO
4 ·2 H2 O
= MCaSO + 2 MH
2O
4
= 172 kg/kmol
auf m ˙ CaSO
4 ·2 H2 O
=
MCaSO
4 ·2 H2 O
MSO
0,95 m ˙ SO = 2,146 kg/s = 7,73 t/h. 2
2
c) Im Rauchgas verbleiben 5% des urspr¨ unglichen Gehaltes an SO2 : m ˙ SO
2 ,RG
= 0,05 m ˙ SO = 0,042 kg SO2 /s = 0,15 t SO2 /h. 2
Daraus folgt aus dem angegebenen Rauchgasstrom von der spezifische Gehalt xSO = 2
m ˙ SO
2 ,RG
m ˙ RG
= 52 ppm.
11.4 Stickoxidreduktion Das NOx in den Rauchgasen besteht zu ca. 95% aus dem wasserunl¨oslichen NO. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Waschverfahren nur beschr¨ankt m¨ oglich. Bei den großtechnisch eingesetzten Verfahren wird das NOx mit NH3 (Ammoniak) zu Wasser und Stickstoff umgesetzt. Bei Temperaturen zwischen ¨ mit hohen Umsatz950 und 1 050◦ C kann diese Reaktion bei NH3 -Uberschuß graden durchgef¨ uhrt werden. Da die Temperaturverteilung in der Brennkammer von zahlreichen Parametern, z.B. der Kessellast, dem Verschmutzungszustand des Feuerraums, dem Luft¨ uberschuß etc. abh¨angt, ist es bisher nicht gelungen, diesen nichtkatalytischen selektive Reduktionsprozeß bei vertret¨ ¨ anzuwenden. Zur Verminderung des NH3 -Uberschusbarem NH3 -Uberschuß ses sind katalytische Verfahren entwickelt worden, die eine Rauchgastemperatur im Bereich zwischen 320 und 400◦ C voraussetzen. Die Katalysatoren f¨ ur diese SCR-Prozesse (Selective Catalytic Reduction) enthalten als Hauptkomponente Titandioxid mit geringen Zus¨ atzen aus Vanadium-, Wolframund Molybd¨ an-Verbindungen. In dem genannten Temperaturbereich sind bei ausgef¨ uhrten Anlagen Raumgeschwindigkeiten1 zwischen 500 und 2 500 h−1 u ur eine ¨blich. Die erforderlichen Katalysatorvolumina sind deshalb groß; f¨ 750 MW-Anlage ergibt sich eine Gr¨ oßenordnung von 1 000 m3 . Der Reaktionsablauf erfolgt nach der Gleichung 4 NH3 + 4 NO + O2 −→ 4 N2 + 6 H2 O .
(11.7)
Das nicht im SCR-Katalysator umgesetzte NH3 wird großteils vom Flugstaub absorbiert, was zu einer Geruchsbel¨ astigung bei dessen Weiterverwendung onnen in der Rauchgasw¨asche die Gipsf¨ uhren kann. Letzte Reste von NH3 k¨ kristallisation beeinflussen. Aus den genannten Gr¨ unden wird der Anteil des 1
Die Raumgeschwindigkeit ist das Verh¨ altnis des Rauchgasvolumens zum Volumen des Katalysators (Kehrwert der Verweilzeit).
11.4 Stickoxidreduktion
309
NH3 hinter dem SCR-Katalysator, der Schlupf, auf 5 ppm beschr¨ankt. Der Anstieg des Schlupfs bestimmt die Standzeit der Katalysatoren; bei kohlegefeuerten Anlagen kann im Mittel mit 20 000 Stunden gerechnet werden. Bei Neuanlagen mit Kohlenstaubfeuerung wird der SCR-Reaktor zwischen Dampferzeuger und Luftvorw¨ armer angeordnet, vgl. Abb. 11.5.
Entschwefelungsanlage Ammoniak
Wasser
DeNOxReaktor E-Filter
Luvo
Kalkstein
Schlacke Kohle Frischluft
Asche
Gips
Abbildung 11.5. Bevorzugte Anordnung von DeNOx-Reaktor, Elektrofilter und Entschwefelungsanlage
Beispiel 11.3. F¨ ur einen Steinkohleblock soll der Ammoniakbedarf f¨ ur die Reduzierung der NOx -Emission von 800 mg/Nm3 auf 150 mg/Nm3 abgesch¨ atzt werden. Dabei kann der Einfachheit halber mit NO stellvertretend f¨ ur NOx gerechnet werden. Die Molmasse von NH3 betr¨ agt 17 kg/kmol, die von NO 30 kg/kmol. Der Rauchgasvolumenstrom ist mit 2,22 · 106 Nm3 /h anzusetzen. L¨ osung. Es sind 650 mg NOx /Nm3 aus dem Rauchgas zu entfernen. Das bedeutet bei einem Rauchgasvolumenstrom von 2,22 Mio. Normkubikmeter pro Stunde einen NO-Massenstrom von 1 443 kg/h. NO wird dabei gem¨ aß NO + NH3 +
1 3 O2 −→ N2 + H2 O 4 2
reduziert. Demnach ist pro Mol NO ein Mol NH3 zuzugeben, weshalb der Massenstrom an Ammoniak m ˙ NH = 3
betr¨ agt.
MNH
3
MNO
m ˙ NO = 818 kg/h
310
11 Rauchgasreinigung
11.5 Entsorgung der Ru ande ¨ ckst¨ Der Flugstaub und der Rauchgasgips werden in der Bundesrepublik fast vollst¨ andig in der Bauindustrie weiterverwendet. F¨ ur die Reinigung des Abwassers aus den Entschwefelungsanlagen bestehen in der Regel eigene Kl¨aranlagen, in denen das Abwasser soweit gereinigt wird, daß es f¨ ur den Kraftwerksprozeß weiterverwendet werden kann. Als R¨ uckstand bleibt der Filterkuchen zur¨ uck, das ist der gepreßte Schlamm aus der Kl¨aranlage. Bei einer 750 MWAnlage sind dies etwa 30 t pro Woche. Die verbrauchten SCR-Katalysatoren werden von den Herstellern zur¨ uckgenommen und weiterverwertet, so daß nur ein geringer Massenanteil deponiert werden muß.
11.6 Fazit Die kohlegefeuerten Kraftwerke sind durch die Einrichtungen zur Reinigung der Rauchgase umweltfreudlicher geworden. Die durch den Betrieb eines modernen Kohlekraftwerks bewirkten Immissionen an Staub und Schadgasen sind durch diese Maßnahmen so gering geworden, daß sie meßtechnisch praktisch nicht mehr erfaßbar sind; auch die errechenbaren Immissionen betragen in der Regel nur noch weniger als ein Prozent der zul¨assigen Werte. Neben den Maßnahmen im Bereich der Luftreinhaltung d¨ urfen die Anstrengungen f¨ ur den Gew¨ asserschutz und den Schallschutz, die in diesem Buch nicht behandelt werden, nicht vergessen werden, f¨ ur beide Emissionsarten bestehen ebenfalls Vorgaben des Gesetzgebers in Form des Wasserhaushaltsgesetzes und der Gewerbeordnung. Bei einem mit allen Einrichtungen f¨ ur den Umweltschutz nach dem Stand der Technik ausger¨ usteten Kraftwerk betr¨ agt der Investitionsbedarf f¨ ur den Umweltschutz rund 30% der Gesamtinvestition.
Literatur 1. Weber, E., Brocke, W.: Apparate und Verfahren zur industriellen Rauchgasreinigung. Oldenbourg, M¨ unchen 1973 2. Atzger, J., Bechthold, H., Fork, B. et. al.: Verfahren zur Rauchgasentschwefelung. In: Jahrbuch der Dampferzeugungstechnik, 4. Ausgabe. Vulkan, Essen 1983, 722–736 3. J¨ untgen, H., Richter, E.: Rauchgasreinigung in Großfeuerungsanlagen: Grundlagen und technische Anwendung von kommerziellen Verfahren. BWK 37, Dokumentation Rauchgasreinigung, 8–20 (1985) 4. Landolt, H., B¨ ornstein, R.: Numerical data and functional relationships in science and technology. Springer, Berlin Heidelberg New York 1992
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken
12.1 Einleitung Das Verbundnetz f¨ ur elektrische Energie verkn¨ upft Stromerzeuger und Verbraucher. Da elektrische Energie im selben Moment, in dem sie in das Netz eingespeist wird, verbraucht werden muß, ist ein selbstt¨atiges Zusammenwirken von Erzeugern und Verbrauchern erforderlich. Beispielsweise verursacht eine Zunahme des Verbrauchs zun¨ achst eine Abnahme in der Netzfrequenz, in deren Folge der Energiebezug einzelner Verbraucher abnimmt. Um die entstandene Abweichung wieder r¨ uckg¨ angig zu machen, ver¨andert die Frequenzund Leistungsregelung den Sollwert der Erzeugung, der dann die Ist-Erzeugung folgt, vgl. auch Abschn. 1.6. Hieraus folgt, daß die kennzeichnende Zustandsgr¨oße f¨ ur ein elektrisches Netz die Frequenz ist. Durch Halten der Frequenz auf ihrem Sollwert kann sichergestellt werden, daß innerhalb des Gesamtnetzes die erzeugte Leistung mit der bei dieser Frequenz geforderten Leistung weitgehend u ¨bereinstimmt. Das Zusammenspiel zwischen Erzeugern und Verbrauchern ist in Abb. 12.1 schematisch dargestellt. Die Anpassung der Erzeugung an den Verbrauch durch die Netzfrequenzregelung nennt man Prim¨ arregelung. Das Netz verbindet eine Anzahl von Erzeugern mit vielen Verbrauchern, so daß sich die einzelnen Verbraucher nicht mehr bestimmten Erzeugungseinheiten zuordnen lassen. Dieser Parallelbetrieb mehrerer Bl¨ ocke erlaubt Blockfahrweisen, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gestaltet werden k¨ onnen. Die Einhaltung dieser Fahrpl¨ane wird mit der Sekund¨ arregelung erreicht. Eigeninteresse der Erzeuger ist es, mit konstanter Last zu fahren; die Verbraucher auf der anderen Seite m¨ochten bei konstanter Frequenz alle ihre Leistungsanforderungen decken. Um das Eigeninteresse der Verbraucher vollst¨ andig zu erf¨ ullen, w¨are eine verz¨ogerungsfreie Leistungsbereitstellung seitens der Erzeuger zu erzwingen. Dies ist im Prinzip ¨ durch eine entsprechend scharfe Einstellung der Offnungsregelung des Turbinenventils m¨ oglich.
312
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken
St¨ orungen durch Lastanforderungen der Einzelverbraucher
????????
Dynamik des Stromverbrauchs
?
Ist-Frequenz ∼
∼ Soll-Frequenz
6
? ?
Frequenz- und Leistungsregelung
Verbundnetz
6
6
Ist-Leistung G
G Soll-Leistung
6 Dynamik der Stromerzeugung
Abbildung 12.1. Blockschema der Verkn¨ upfung zwischen Verbraucher und Erzeuger durch das Verbundnetz
Jede Ver¨ anderung der Last bringt aber Druck- und Temperaturst¨orungen in das System Kessel-Turbine. Dadurch werden zus¨atzliche W¨armespannungen in den thermisch hochbeanspruchten, dickwandigen Bauteilen dieser Komponenten induziert, die zu einem zus¨ atzlichen Lebensdauerverbrauch f¨ uhren. Im Interesse der Schonung ihrer Anlagen ist es f¨ ur die Erzeuger daher nicht opportun, den W¨ unschen der Verbraucher uneingeschr¨ankt nachzukommen. Es ist vielmehr notwendig, die aus der Dynamik der Leistungsanforderung herr¨ uhrenden Belastungen auf alle Systempartner zu verteilen. Es stellt sich somit die Frage, welche und wieviele Last¨anderungen im Hinblick auf kritische Bauteile von Kessel und Turbine zul¨assig sind bzw. welche Verz¨ ogerung der Energiebereitstellung vom Standpunkt des Erzeugers gesehen erforderlich und vom Verbraucher aus gesehen vertretbar ist. Beide Fragen k¨ onnen durch eine Simulation des Systemverhaltens beantwortet werden. Bei der Simulation wird ein existierendes oder ein hypothetisches System durch ein mathematisches Modell abgebildet. Durch zielgerichtete Simulationsexperimente werden unter Ausnutzung der jeweils w¨ahrend des Experimentierens gewonnenen Informationen die Modellparameter so ver¨andert, daß ein vorher festgelegtes Ziel erreicht wird. Die mit dem Modell erhaltenen Ergebnisse werden als Aussagen u ¨ber das System interpretiert. Das dynamische Verhalten des Systems Kraftwerk wird an sich durch komplizierte, nichtlineare Zusammenh¨ ange beschrieben. Durch Linearisieren werden wir hier eine einfach zu handhabende N¨ aherungstheorie herleiten, mit der das Verhalten des Systems u ¨bersichtlich zu beschreiben ist, vgl. [1].
12.2 Modellbildung
313
12.2 Modellbildung 12.2.1 Allgemeines F¨ ur die Modellbildung gehen wir zun¨ achst von einem Prozeß ohne Zwischen¨ uberhitzung aus. Um ein anschauliches Bild der Vorg¨ange zu erhalten, untersuchen wir zun¨ achst den Kessel allein, anschließend den Kessel und die Turbogruppe. Aufgabe der Modelle ist es, Kriterien f¨ ur die Eignung verschiedener Dampferzeugersysteme f¨ ur die unterschiedlichen Einsatzzwecke zu erhalten. Weiter werden diese Modelle dazu verwendet, ein Verbundsystem bestehend aus Dampferzeuger, Turbogruppe, elektrischem Netz und evt. einer Fernw¨ armeversorgung zu simulieren. Der einfache Kraftwerksprozeß ist gekennzeichnet durch den Massenstrom des erzeugten Dampfes m ˙ D , den Druck p und die Temperatur ϑD des Dampfes am Kesselaustritt. Durch diese Variablen ist der Energiestrom am Eintritt in den Energiewandler Turbine“ festgelegt. Zur Erzeugung des Dampfstromes ” ist eine bestimmte Feuerleistung L f¨ ur den Kessel erforderlich. Unter den drei Variablen nimmt die Temperatur ϑD insofern eine Sonderstellung ein, als durch sie die ertragbaren Spannungen in den heißliegenden Bauteilen der Anlage begrenzt sind, da bei steigender Temperatur die zul¨assigen H¨ ochstspannungen rapide absinken, vgl. Abb. 7.34. Aus diesem internen Grund erfolgt der Betrieb unter der Randbedingung einer konstanten Frischdampftemperatur. Die Einhaltung dieser Randbedingung wird ebenso wie die Regelung des Speisewasser- und des Verbrennungsluftstromes der internen Kesselregelung zugeordnet, vgl. Abb. 12.6. Die Dynamik des Kraftwerksprozesses l¨ aßt sich in einen schnell verlaufenden Vorgang der Druck- und Durchflußdynamik und in eine langsamer ablaufende Temperaturdynamik unterteilen. Der Ertrag“ der Variablen Druck und ” Durchfluß ist vereinfachend gesprochen die MW-Produktion; der Ertrag“ der ” Temperaturdynamik ist dagegen die Sicherheit der Produktion. Dieser Aufteilung entsprechend wird der schnell ablaufende Vorgang der Druck- und Durchflußbildung im Dampferzeuger als externe Kesseldynamik bezeichnet und der langsamere Vorgang der Temperaturbildung als interne Kesseldynamik, vgl. Abb. 12.6. Durch die Erweiterung um das Durchflußverhalten der Turbine kann die externe Kesseldynamik zu einem Modell f¨ ur den Kraftwerksprozeß ausgebaut werden. 12.2.2 Inkompressible Str¨ omung durch ein w¨ armespeicherndes Rohr, κD -Theorie In stark vereinfachender Weise kann man einen Dampferzeuger als ein beheiztes Rohr abstrahieren, das vom w¨ armeaufnehmenden Arbeitsmittel durchstr¨ omt wird. Die Abstimmung zwischen Durchstr¨omung und Beheizung sowie der Enthalpie des Arbeitsmittels am Rohreintritt hat so zu erfolgen, daß die
314
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken
Austrittstemperatur konstant ist. Abb. 12.2 zeigt ein Regelschema zur L¨osung dieser Aufgabe. Die Abweichung der Austrittstemperatur oder der Durchflußmenge vom Sollwert wird von geeigneten Meßger¨aten festgestellt und dem Regler zugef¨ uhrt, der gegebenenfalls eine Verstellung der Eintrittstemperatur veranlaßt. Zur Beurteilung der Dynamik des Systems ist die Abh¨angigkeit der Austrittstemperatur von allen in der Abb. 12.2 angegebenen St¨orgr¨oßen zu studieren [2], [3]. Sollwert
Regler Einspritzventil
Temperaturstörung J0 T
T Mengenstörung
Beheizungsstörung f0
Abbildung 12.2. Schema einer Dampftemperaturregelung mit Einspritzk¨ uhler
Die Aufgabe wird unter den folgenden Voraussetzungen gel¨ost: • • • •
Die Stoffwerte seien konstant, die Rohrgeometrie sei fest, das Arbeitsmittel sei inkompressibel, die L¨ ange des Rohres sei groß gegen den Durchmesser, weshalb die W¨armeleitung in Str¨omungsrichtung vernachl¨ assigt und quer dazu als unendlich gut angenommen werden kann.
Mit diesen Vereinfachungen kann untersucht werden, welche R¨ uckwirkung die Heizfl¨ achentemperatur auf die W¨ arme¨ ubertragung und damit die Austrittstemperatur des Arbeitsmittels hat. Dazu wird die Ein- bzw. Ausspeicherung von W¨ arme in bzw. aus dem Rohrmaterial ber¨ ucksichtigt. Unbeachtet bleibt zun¨ achst die Einspeicherung von Arbeitsmittel infolge der Kompressibilit¨at bzw. durch Phasen¨ anderungen im Verdampfer. Es werden folgende Bezeichnungen eingef¨ uhrt: Variable dimensionslose Darstellung Zeit t Ortskoordinate x Rohrwandtemperatur
τ = t/T mit T : Zeitkonstante, ξ = x/l mit l: Rohrl¨ange,
θt (x, t) = θs (x) + θ∗ (x, t)
θ =
θ∗ , θs − ϑs
12.2 Modellbildung
Arbeitsmitteltemperatur ϑt (x, t) = ϑs (x) + ϑ∗ (x, t)
ϑ =
ϑ∗ , θs − ϑs
f =
f∗ , fs
q =
q∗ , qs
w =
w∗ , ws
M=
M∗ . Ms
Beheizung ft (x, t) = fs (x) + f ∗ (x, t) W¨ armefluß Rohr −→ Arbeitsmittel qt (t) = qs (x) + q ∗ (x, t) Geschwindigkeit des Arbeitsmittels wt (t) = ws + w∗ (t) Massenstrom des Arbeitsmittels Mt (t) = Ms + M ∗ (t)
315
Die mit ∗ gekennzeichnete Gr¨ oße ist jeweils die Differenz zwischen dem zeitabh¨ angigen oder transienten Wert (Index t) und dem station¨aren Wert (Index s) einer Variablen. Die Bezeichnungen M und ϑ werden der Einfachheit halber anstelle von m ˙ D und ϑD f¨ ur den Dampfmassenstrom bzw. die Dampftemperatur verwendet.
U · ·
·
· ϑt (t) qt (t)
·
· · AR
θt (t) x
· AD
x + ∆x
Abbildung 12.3. W¨ armespeicherndes Rohr
Dar¨ uber hinaus werden gem¨ aß Abb. 12.3 die geometrischen Gr¨oßen AR Querschnittsfl¨ ache des Rohres, AD freier Rohrquerschnitt, U Umfang des Rohres eingef¨ uhrt. Weiter bezeichnen: ρD ρR cpD cpR
Dichte des Arbeitsmediums, Dichte des Rohres, spezifische W¨ armekapazit¨ at des Arbeitsmediums, spezifische W¨ armekapazit¨ at des Rohres.
316
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken
Damit lautet die Energiebilanz f¨ ur ein Rohrelement ∂θt = ft − qt U ∆x , ∂t die f¨ ur ein Arbeitsmittelelement entsprechend ρR AR ∆x cpR
∂ϑ ∂ϑ = qt U ∆x − ρD AD ∆x wt cpD t . ∂t ∂x Der W¨ armefluß qt kann durch qt = α θt − ϑt ρD AD ∆x cpD
(12.1)
(12.2)
(12.3)
ausgedr¨ uckt werden; darin ist α die W¨ arme¨ ubergangszahl. Die Abh¨angigkeit der W¨ arme¨ ubergangszahl von der Geschwindigkeit kann bei konstanten Stoffwerten und fester Rohrgeometrie durch den Potenzansatz
m m wt w∗ w∗ α = αs ≈ αs 1 + ≈ αs 1 + m + ... (12.4) ws ws ws beschrieben werden. Mit (12.3) und (12.4) kann qt aus (12.1) und (12.2) eliminiert werden. Nach Einf¨ uhrung dimensionsloser Variablen folgt aus (12.1) und (12.2) ∂θ = f − θ + ϑ − mw ∂τ bzw. 1 ∂ϑ 1 ∂ϑ + = θ − ϑ + (m − 1) w . κD ∂ξ TS ∂τ
(12.5)
(12.6)
¨ F¨ ur die Ahnlichkeitsparameter κD und TS gilt l α Ul Tt ϑ − ϑ1 ws = s κD = = = 2 ρ A l c TD mD cpD ∆θ pD D D αs U l
(12.7)
bzw. ρR AR cpR m cp αs U T TS = R = = R R . ρD AD cpD TD mD cpD αs U
(12.8)
In (12.7) ist Tt die Durchlaufzeit des Arbeitsmittels durch das Rohr und TD eine charakteristische Zeit f¨ ur den Aufheizvorgang des Arbeitsmittels. Sie ist die Zeit, in der die Temperatur des Arbeitsmittels um 1 K ansteigt, wenn die Temperaturdifferenz zur Rohrwand ebenfalls 1 K betr¨agt. mR ist die Masse des Rohres und mD die Masse des im Rohr enthaltenen Arbeitsmittels. altnis zwischen der Durchlaufzeit und einer Zeit, die Damit ist κD das Verh¨
12.2 Modellbildung
317
das Zeitverhalten der Temperatur des Arbeitsmittels charakterisiert. Aus der Energiebilanz der station¨ aren Str¨ omung des Arbeitsmediums kann κD auch durch das Verh¨ altnis der Temperaturdifferenzen ausgedr¨ uckt werden, vgl. die linke Seite von (12.7). Dort ist (ϑ2 − ϑ1 ) die station¨are Temperaturerh¨ohung des Arbeitsmittels und ∆θ die mittlere Temperaturdifferenz zwischen Arbeitsmittel und Rohrwand. Entsprechend steht TR in (12.8) f¨ ur das Zeitverhalten des Energiespeichers Rohrwand. TS ist dann das Verh¨altnis zwischen dem W¨ armeinhalt der Rohrwand und des im Rohr befindlichen Arbeitsmittels. Die linearen partiellen Differentialgleichungen (12.5) und (12.6) k¨onnen unter Annahme von geeigneten Anfangsbedingungen gel¨ost werden. Setzt man als Anfangsbedingung einen Einheitssprung von ϑ, w oder f voraus, k¨onnen die Gleichungen z.B. mit der Methode der Laplace-Transformation integriert werden. Dabei werden die Zeitfunktionen in frequenzabh¨angige Funktionen einer komplexen Variablen s u uhrt. Wegen der relativ komplizierten Struk¨berf¨ tur der Gleichungen ergeben sich technische Schwierigkeiten bei der R¨ ucktransformation, so daß ein Bedarf f¨ ur N¨ aherungsl¨osungen besteht. F¨ ur die ¨ Anwendungen reicht es dabei aus, die Ubertragungsfunktion am Rohrende (ξ = 1) zu approximieren. Unter Verwendung der in der Regelungstechnik be¨ reitgestellten Methoden [4] kann das Ubertragungsverhalten durch die nachfolgenden Zusammenh¨ ange f¨ ur eine Temperaturst¨orung
∆ϑaus TS s , (12.9) = exp −Tt s − Gϑ (s) = ∆ϑein κD + TS s eine Feuerst¨ orung GF (s) =
∆ϑaus 1 = ∆ϑs 1 − Gϑ (s) , ∆f TS s f
(12.10)
und eine Massenstromst¨ orung
∆ϑaus 1−m 1 + (12.11) GM (s) = = ∆ϑs 1 − Gϑ (s) ∆M TS S κD M dargestellt werden. Die Gr¨ oße m ist durch (12.4) definiert. Untersuchungen haben gezeigt, daß f¨ ur κD 2 das Verhalten der Austrittstemperatur bei Feuerungs- und Massenstromst¨ orungen bis auf das Vorzeichen gleich ist. ¨ Beispiel 12.1. Es ist die Sprungantwort eines Uberhitzers bei einer Temperatur-, Feuer- und Massenstromst¨ orung zu ermitteln. Folgende Werte sind bekannt: Rohrmasse Freies Volumen Innere Oberfl¨ ache W¨ arme¨ ubergangszahl Mittlere spezifische W¨ armekapazit¨ at des Rohres
mR A·l U ·l α
= 90 000 kg, = 11 m3 , = 1 500 m2 , = 7 000 W/m2 K,
cpR = 650 J/kgK,
318
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken Mittlere spezifische W¨ armekapazit¨ at des Arbeitsmittels cpD = 3 600 J/kgK, Dampfstrom M = 500 kg/s, spezifisches Dampfvolumen 1/ρD = 0,015 m3 /kg.
L¨ osung. Mit (12.7) und (12.8) k¨ onnen κD , TR und Tt berechnet werden. Es folgt κD = 5,8,
TR = 5,57 s,
Tt = 1,46 s.
Der Verlauf der Sprungantwort ist f¨ ur eine Temperaturst¨ orung in Abb. 12.4 und eine Beheizungsst¨ orung in Abb. 12.5 dargestellt. Die Sprungantwort f¨ ur eine Durchflußst¨ orung stimmt bis auf das Vorzeichen mit der f¨ ur die Beheizungsst¨ orung u ¨berein. Bei der Berechnung der dargestellten L¨ osungen wurde Gϑ (s) gem¨ aß
Gϑ =
1+
TS
−n
n
mit n = κD /2 angen¨ ahert. Diese Approximation ist f¨ ur κD 1 zul¨ assig.
1 κD = 5,8 κD = 8
∆ϑaus /∆ϑein [-]
0,75
κD = 12,5
0,50
0,25
0 0
50
100
150 τ [s]
200
250
Abbildung 12.4. Ant¨ wort eines Uberhitzers auf eine sprunghafte Temperaturst¨ orung
12.2.3 Kesselmodelle 12.2.3.1 Externe Kesseldynamik und Modellarten Unser Hauptinteresse besteht darin, das Verhalten des Kessels gegen¨ uber seiner Umgebung kennenzulernen. Ein Dampferzeuger ohne Zwischen¨ uberhitzung steht mit seiner Umgebung u ¨ber • das Lastkommando L(t) zur Verstellung der Kesselleistung, • den Frischdampfstrom M (t), • und den Frischdampfdruck p(t)
12.2 Modellbildung
319
1 κD = 5,8
κD = 8
κD = 12,5
∆ϑaus /∆ϑein [-]
0,75
0,50
0,25
0 0
50
100
150
200
250
τ [s]
Abbildung 12.5. Ant¨ wort eines Uberhitzers auf eine sprunghafte Beheizungsst¨ orung
in Verbindung. Dabei ist L(t) die Wirkung der Umgebung auf den Kessel; L(t) wird in der Regel als verlangter Dampfstrom mit L = M im station¨aren Zustand angegeben. M (t) und p(t) sind Wirkungen des Kessels auf seine Um¨ gebung. Die interne Regelung wie z.B. die der Uberhitzertemperatur, des Luftund Brennstoffstromes etc. wird mit entsprechender Einstellung als optimal vorausgesetzt. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich f¨ ur die Wechselwirkung des Kessels mit seiner Umgebung das in Abb. 12.6 dargestellte Schema. L(t) Kessellastkommando Temperatur Einspritzregelung
Temperatur
Einspritzung
SpeisewasserRegelung
Temperatur oder Niveau
Frischdampfdruck p(t)
Speisung M(t) Frischdampfleistung Brennstoff-, Luft-, Rauchgasregelung
Kessel
Brennstoff-, Luftstrom interne Kesseldynamik externe Kesseldynamik
Abbildung 12.6. Dampferzeugermodell
Die drei Gr¨ oßen (L, M, p) heißen externe Variable. Das dynamische Verhalten des Kessels gegen¨ uber seiner Umgebung wird durch den zeitlichen Verlauf dieser drei Gr¨ oßen beschrieben, die damit ein vollst¨andiges System von
320
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken
Variablen bilden. Jede der Gr¨ oßen l¨ aßt sich durch die beiden anderen ausdr¨ ucken. Mit dem Lastkommando als Eingangsgr¨oße ergeben sich zwei Beschreibungsm¨ oglichkeiten: p(t) = p M (t), L(t) (Dampfdruckmodell) (12.12) und
M (t) = M p(t), L(t)
(Dampfstrommodell).
(12.13)
Hier sind p und M i.allg. nichtlineare Funktionen. Bei kleinen Abweichungen von einem Betriebspunkt kann um diesen linearisiert werden. Man erh¨alt durch Bildung totaler Differentiale
∂p
∂p
dp = dM + dL , (12.14) ∂M L ∂L M
∂M
∂M
dp + dL . (12.15) dM = ∂p L ∂L p Diese linearen Differentialformen in den Variablen M , L und p heißen in der Analysis Pfaff’sche Formen. Bei diesen gelten f¨ ur die partiellen Ableitungen folgende Beziehungen: f¨ ur das M -p -L-System
∂M
∂p
∂L
+1 (12.16) 0= ∂p ∂L ∂M
L
M
p
und analog f¨ ur das p -M -L-System
∂p ∂M
∂L
0= +1. ∂M L ∂L p ∂p M
(12.17)
12.2.3.2 Das lineare Dampfstrommodell Beim Dampfstrommodell ergibt sich die Variation des Frischdampfstromes ¨ ∆M aus der Superposition der Wirkungen der Anderung von Druckkommando ∆p(t) und Lastkommando ∆L(t). Dies entspricht einer Betriebsweise mit einer ideal stark wirkenden Vordruckregelung durch die Turbine. Das Modell wird meist als lineare Gleichung f¨ ur die Abweichungen geschrieben:
∂M
∂M
∆M (t) = ∆p(t) + ∆L(t) = GS ∆p(t) + GL ∆L(t) . (12.18) ∂p
∂L
L
p
Die Gr¨ oße
∂M
GS ≡ ∂p L
(12.19)
beschreibt den Dampfspeichervorgang bei Druck¨anderung bei konstanter Kessel-Solleistung und m¨ ußte daher eigentlich Druckspeicherverhalten“ heißen. ” Allgemein wird dieser Term aber als Speicherverhalten bezeichnet.
12.2 Modellbildung
∂M
GL ≡ ∂L p
321
(12.20)
beschreibt den Dampfspeichervorgang bei einer Last¨anderung bei konstantem Frischdampfdruck und ist daher ein Maß f¨ ur das Lastspeicherverhalten. GL wird als AP-thermische Tr¨ agheit bezeichnet, wobei AP f¨ ur Admission Pressure Control steht. Dies entspricht einer Betriebsweise mit Vordruckregelung durch die Turbinenventile. Aus dem Speicherverhalten kann auf das Betriebsverhalten bei konstanter Stellung der Turbinenventile (man spricht von blockierten Ventilen) geschlossen werden. Der typische Verlauf einer Sprungantwort des Frischdampfstroms bei einer Druck¨ anderung ist in Abb. 12.7 dargestellt. ∆p
∆L
6
6
-
-
t
t
∆M
∆M
6 T∆mS
∆M0
Abbildung 12.7. Speicherverhalten eines Dampferzeugers
-
t
6
∆M∞ ∆mL
T1
T2
-
-
t
Abbildung 12.8. Thermische Tr¨ agheit eines Dampferzeugers
Die thermische Tr¨ agheit beschreibt das dynamische Verhalten des Frisch¨ dampfstroms bei einer Anderung des Lastkommandos. Der Frischdampfdruck wird dabei konstant gehalten, vgl. Abb. 12.8. ¨ Es ist u durch einfach aufgebaute (low ¨blich, das Ubertragungsverhalten ¨ order) Ubertragungsfunktionen zu approximieren. Dabei wird angestrebt, die Funktionen durch Parameter zu charakterisieren, die auch physikalisch inter¨ pretiert werden k¨ onnen. So kann das Ubertragungsverhalten zwischen Lastkommando und Dampfstrom in guter N¨ aherung durch ein Verz¨ogerungsglied n-ter Ordnung beschrieben werden: s −n . (12.21) GL (s) = 1 + TL n Die Zeitkonstante der thermischen Tr¨ agheit
322
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken
TL =
∆mL ∆M0
(12.22)
gibt die Zeit an, w¨ ahrend der ∆M0 fließen muß, um die eingespeicherte Menge ur die bei einer Erh¨ohung des Lastkom∆mL zu decken. ∆mL ist ein Maß f¨ mandos um ∆L eingespeicherte Energiemenge. Sie ist definiert als ∞ ∆L(t) − ∆M (t) dt . (12.23) ∆mL = 0
Bei der in Rede stehenden Approximation ergibt sich die Ordnung n des Verz¨ ogerungsgliedes in bekannter Weise aus dem Totzeitparameter σL =
T1 T2
(12.24)
gem¨ aß den Abbildungen 12.7, 12.8 und 12.9. 101 5
σL [-]
2 100 5
2 10−1 100
2
101
5
n [-]
2
5
102
Abbildung 12.9. zwischen σL und n
Zusammenhang
Die thermische Tr¨ agheit umfaßt sowohl die Tr¨agheit der Feuerung TL als F auch die des eigentlichen HD-Dampferzeugungssystems TL , so daß D
TL = TL + TL F
D
(12.25)
resultiert. Die Tr¨agheit der Feuerung und der Dampferzeugung sind von Einzelheiten des Aufbaus der Feuerungsanlage, des Dampferzeugersystems, dem Regelkonzept und der Einstellung der Regelung abh¨angig. In Tabelle 12.1 sind Ergebnisse von ausgef¨ uhrten Anlagen angegeben. Die Tr¨agheit der Koh¨ lenfeuerung ergibt sich aus der im Vergleich zur Olfeuerung l¨angeren Verfahrenskette. Analog zur thermischen Tr¨ agheit kann auch das Speicherverhalten GS vereinfacht dargestellt und interpretiert werden. Charakteristisch f¨ ur das Spei-
12.2 Modellbildung
323
Tabelle 12.1. Typische TL -Werte f¨ ur Kessel mit verschiedenen Feuerungsarten Brennstoff
Tr¨ agheit der Feuerung TL [s] F
¨ und Gas Ol Braunkohlenstaub Steinkohlenstaub
8– 15 85–120 90–120
Tr¨ agheit der Dampferzeugung TL = TL + TL F
Naturumlauf
Zwangdurchlauf
60– 80 170–240 160–240
50– 70 150–230 140–220
[s] D
cherverhalten ist die große Anfangsamplitude und das anschließende Abklingen auf den Anfangswert. Abh¨ angig von der internen Reglereinstellung kann ¨ es dabei zu mehr oder weniger großen Uberschwingungen kommen, vgl. die gestrichelte Linie in Abb. 12.7. Maßgebend f¨ ur das Ausfahren rascher Last¨anderungen ist dabei das Anfangsverhalten, das sich in gewisser N¨aherung durch die Exponentialfunktion −t (12.26) ∆M (t) = ∆M0 exp Tp darstellen l¨ aßt. F¨ ur die bei einer Druckerh¨ ohung um ∆p eingespeicherte Dampfmenge gilt nach Abb. 12.7 ∞ ∆mS = ∆M (t) dt = ∆M0 Tp = kp ∆p . (12.27) 0
Die Speicherkapazit¨ at kp =
∆mS ∆p
(12.28)
ist ein Maß f¨ ur die eingespeicherte Dampfmenge pro 1 bar Druckerh¨ohung. Das Zeitverhalten des Einspeichervorgangs bei einer Druckerh¨ohung wird durch die Zeitkonstante des Speicherverhaltens Tp bestimmt, vgl. Abb. 12.7. Sie beschreibt die Verz¨ ogerung, mit welcher der Speicherdampf vom Kessel freigegeben wird. Tp ist eine Dynamik-Zeitkonstante mit Tp = kp
∆M . ∆p
(12.29)
¨ ¨ Die Ubergangsfunktion kann bei dem beschriebenen Verhalten ohne Uberschwingungen angen¨ ahert werden durch
kp Tp s ∂M
GS (s) = . (12.30) =− ∂p
Tp 1 − Tp s L
Das Dampfstrommodell ergibt sich aus der Superposition der beiden Teilmodelle. Dabei ist es zweckm¨ aßig, mittels des station¨aren Betriebspunktes (p0 , M0 ) eine dimensionslose Darstellung einzuf¨ uhren. Wir setzen dazu
324
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken
Tg =
kp p0 . M0
(12.31)
Tg heißt Speicherf¨ ahigkeit. Sie gibt an, wie lange der Dampfstrom M0 aus dem Speicher Kessel“ gedeckt werden k¨ onnte, wenn der Kesseldruck um ∆p = p0 ” abgesenkt w¨ urde. Im Unterschied zur Dynamik-Zeitkonstante Tp ist Tg eine Bilanz-Zeitkonstante. Um die Speicherf¨ ahigkeit verschiedener Kessel miteinander vergleichen zu k¨ onnen, wird anstelle von Tg vorteilhaft die Definition kp (12.32) M∗ verwendet. Hier ist M ∗ die maximale Dauerleistung des Kessels. Tbar gibt an, wie lange der Speicherdampf bei 1 bar Druckabsenkung die Dauerlast M ∗ decken k¨ onnte, vgl. Tabelle 12.2. Da ferner das Lastkommando als Dampfur die dimensionslose strom angegeben wird und somit L0 = M0 ist, folgt f¨ Darstellung der thermischen Tr¨ agheit ∆M
−n T M0
0
= 1+ L s (12.33) G (s) = L ∆L
n L0 ∆p Tbar =
und des Speicherverhaltens ∆M M0 Tg Tp s = G0 (s) = . S ∆p Tp 1 + Tp s p0
(12.34)
Tabelle 12.2. Speicherf¨ ahigkeit Tbar und Speicherzeitkonstante Tp verschiedener Dampferzeuger Brennstoff ¨ und Gas Ol Braunkohle Steinkohle
Speicherf¨ ahigkeit Tbar [s/bar]
Speicherzeitkonstante Tp [s]
Naturumlauf
Zwangdurchlauf
Naturumlauf
Zwangdurchlauf
0,6–0,7 1,0–1,9 0,7–1,4
0,1–0,2 0,4–0,7 0,2–0,4
15–25 35–60 25–40
5–15 15–30 8–20
12.2.3.3 Das lineare Dampfdruckmodell ¨ Das Dampfdruckmodell beschreibt die Anderung des Frischdampfdruckes ∆p(t) ¨ als Superposition der Auswirkungen der Anderung des Lastkommandos ∆L(t)
12.2 Modellbildung
325
und der dem Kessel entnommenen Frischdampfleistung ∆M (t). Das Modell wird als lineare Gleichung f¨ ur die Abweichungen angesetzt:
∂p
∂p
∆p(t) = ∆L(t) + ∆M (t) = GA ∆L(t) + GD ∆M (t) . (12.35) ∂L
∂M
M
L
Hierbei wird GA als Anstauverhalten und GD als Entnahmeverhalten bezeichnet. Nach den Regeln der zyklischen Vertauschung f¨ ur die partiellen Ableitungen Pfaff’scher Formen gilt
∂M
∂L p G ∂p
= − L = −G G GA = (12.36) = − L D ∂M
∂L M GS ∂p L und GD =
1 ∂p
= . ∂M L GS
(12.37)
Im Anschluß an die vereinfachte Darstellung des Dampfstrommodells durch die Beziehungen (12.21) und (12.30) ergibt sich f¨ ur das Anstauverhalten GA (s) = −
GL Tp 1 + Tp s 1 + Tp s 1 = GL = GV = GL GS Tg Tp s Tg s Tg s
(12.38)
und entsprechend f¨ ur das Entnahmeverhalten GD (s) =
Tp 1 1 . =− − GS Tg Tg s
(12.39)
Das Anstauverhalten stellt sich als eine verz¨ ogerte Integration dar, die nach (12.38) als Hintereinanderschaltung eines Verz¨ogerungsgliedes GV und eines reinen Integrationsgliedes dargestellt werden kann, vgl. Abb. 12.10. Das Entnahmeverhalten (12.39) wird durch ein PI-Glied dargestellt, vgl. Abb. 12.10 und Abb. 12.11. Charakteristisch f¨ ur das Dampfdruckmodell ist, daß die beiden Partialverhalten keinem Gleichgewichtswert zustreben. Sie sind deshalb auch nur schwer zu messen und werden daher meist aus dem Dampfstrommodell bestimmt. Das Dampfdruckmodell wird immer dann verwendet, wenn das Verhalten bei einer vorgegebenen Massenstromst¨ orung untersucht werden soll. 12.2.4 Modell des Dampferzeugers mit Turbogruppe Das Kraftwerksmodell umfaßt den Dampferzeuger und die Turbogruppe sowie die interne Regelung. Die Leistung einer Turbine ist nach (8.27) proportional zum Dampfmassenstrom und dieser wiederum nach (8.29) proportional zum ¨ Druck und dem Offnungsquerschnitt des Turbinenventils. Daraus ergibt sich f¨ ur die Massenstrom¨ anderung
326
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken ∆L
∆M
6
6
-
-
t
∆p
t
∆p
6
6
−Tp /kp
TV - Tg-
Abbildung 12.10. Anstauverhalten eines Dampferzeugers
dM = ap A dp + aA p dA .
∆t
-
-
t
−∆M/kp 6 ?
-
t
Abbildung 12.11. Entnahmeverhalten eines Dampferzeugers
(12.40)
Bei einer voll beaufschlagten Turbine sind die Konstanten ap ≈ aA ≈ 1. Mit Bezug auf den Betriebspunkt (M0 , p0 , A0 ) ergibt sich die linearisierte Durchflußgleichung dM dp dA = + . M0 p0 A0
(12.41)
Um das Verhalten des Kessels bei einem vorgegebenen zeitlichen Verlauf der ¨ Offnung des Turbinenventils A(t) zu bestimmen, kombiniert man diese Gleichung mit dem Dampfstrom- oder Dampfdruckmodell. Die Verz¨ ogerung der Str¨ omung durch die HD-Turbine liegt in der Gr¨oßenordnung von etwa 0,1 s. Im Vergleich zu den Zeitkonstanten des Kessels ist diese Zeit kurz, und f¨ ur Dynamikuntersuchungen gen¨ ugt es, mit der station¨aren Turbinengleichung (12.40) zu rechnen. Bei Kraftwerksprozessen mit Zwischenu uberhitzers oft ¨berhitzung ist allerdings das Speicherverhalten des Zwischen¨ ausschlaggebend f¨ ur das Zeitverhalten und muß entsprechend ber¨ ucksichtigt werden. In Abb. 12.12 ist das resultierende Blockschaltbild f¨ ur die Verkn¨ upfung des Kessels mit der Turbine dargestellt; daf¨ ur wurde das lineare Dampfstommodell (12.18) mit der Durchflußgleichung der Turbine (12.41) verkn¨ upft. Hier gibt die Turbine die Abstr¨ ombedingung f¨ ur den Dampferzeuger vor und stellt eine Verkn¨ upfung zwischen Dampfdruck und Durchfluß dar. Eingangsgr¨oßen des Systems Kessel-Turbine sind folglich das Lastkommando L(t) und die Ventil¨ offnung A(t). Die Ventil¨ offnung kann nun so ver¨andert werden, daß entweder
12.2 Modellbildung
327
ein vorgegebener Druck p erreicht wird – dies ergibt die Festdruckbetriebsweise – oder man kann mit ihr den Energiespeicher Kessel aktivieren. Kessel-Dampfstrommodell Lastkommando DL
GL p
Dp, DM
+
Frischdampfstrom
+ GS
L
Turbinenmodell Dp
1 M0
+
p0
-
1 A0
Turbinenventilöffnung DA
Abbildung 12.12. Blockschaltbild f¨ ur die Verkn¨ upfung von Kessel und Turbine
Beispiel 12.2. Es soll die Eignung eines mittelgroßen Kohlekessels f¨ ur das Ausfahren einer sprunghaften Vergr¨ oßerung um 10% des Frischdampfstroms abgesch¨ atzt werden. Der Kessel liefert einen Frischdampfdruck von 180 bar. Berechnen Sie die daraus resultierende Druckabsenkung. Die Kennwerte der Regelstrecke sind durch Tp = 20 s, Tg = 200 s und TL = 100 s gegeben. L¨ osung. Zur Kompensation der thermischen Tr¨ agheit wird aus dem Kessel die Dampfmenge ∆mS M0
= TL
∆M M0
ausgespeichert. Daraus resultiert nach (12.28) und (12.31) eine Druckabsenkung von ∆p =
∆mS kp
=
p0 ∆mS Tg M0
= p0
TL ∆M Tg M0
= 9 bar.
Diese Druckabsenkung entsteht, wenn gleichzeitig mit der St¨ orung ∆M des Frischdampfstromes M auch das Lastkommando um ∆L/∆L0 = ∆M/∆L0 verstellt wird. Qualitativ ergibt sich der in Abb. 12.13 dargestellte Verlauf.
Mit dem Modell des Dampferzeugers mit Turbogruppe sind die Grundlagen f¨ ur die vereinfachte Simulation des Kraftwerksprozesses bereitgestellt. Die resultierenden Gleichungen k¨ onnen unter Zugrundelegung von Anfangsbedingungen integriert werden. Beispielhaft daf¨ ur ist in Abb. 12.14 das Ergebnis ¨ einer Simulationsrechnung f¨ ur eine Anderung des Leistungssollwertes von 40 auf 100% in 7,5 min f¨ ur eine im Gleitdruck betriebene und mit Steinkohle gefeuerte Anlage dargestellt. Der große Feuervorhalt ist typisch f¨ ur den Gleitdruckbetrieb: Er ist erforderlich, um den f¨ ur die Auff¨ ullung des Speichers
328
12 Dynamik der MW-Erzeugung in Dampfkraftwerken
DM =0,1 M
DL L
Dp p
0,1
0,1
Max. 9bar
Abbildung 12.13. Lastkommando und Kesseldruck bei einem Lastsprung
zus¨ atzlich ben¨ otigten Dampf bereitzustellen. Dies ist auch der Grund daf¨ ur, daß die Vollast erst nach ca. 12 min erreicht wird. Laststeigerungen von 6% pro Minute gelten als darstellbar. W¨ urde die Anlage im Festdruck gefahren, erg¨abe sich eine schnellere Last¨ anderung. Die Vollast w¨ urde bei gleicher Feuereinstellung bereits nach ca. 8 min erreicht, was einer Last¨ anderungsgeschwindigkeit von 7,5% pro Minute entspricht. Die Abweichungen in der Frischdampftemperatur sind ebenfalls durch das Ungleichgewicht zwischen Feuerung und Dampferzeugung bedingt und k¨onnen mit Hilfe der weiter oben entwickelten κD -Theorie erfaßt werden.
12.3 Fazit Dieser Abschnitt hat gezeigt, daß der Kraftwerksprozeß in einen schnell ablaufenden Vorgang der MW-Erzeugung und in einen vergleichsweise langsam ablaufenden Vorgang der Temperaturbildung aufgeteilt werden kann. F¨ ur beide Vorg¨ ange lassen sich einfache Modelle entwickeln, die das dynamische Verhalten mit Hilfe weniger Parameter kennzeichnen. Die Modelle k¨ onnen dazu verwendet werden, um die Leistungsdynamik eines Blockes bei Last¨ anderungen und St¨ orf¨ allen zu studieren. Mit ihrer Hilfe kann weiter eine Optimierung bei der Auslegung thermisch hochbeanspruchter Komponenten erreicht und das Betriebsverhalten verbessert werden. Bei Verwendung moderner Rechenanlagen ist es nicht mehr notwendig, die Vorg¨ ange in der angegebenen Weise zu linearisieren. Der Wert der hier durchgef¨ uhrten Betrachtung liegt darin, daß ein unmittelbarer Zugang zur Kesselund Kraftwerksdynamik und den zugeh¨ origen physikalischen Vorg¨angen gewonnen wird.
Literatur 1 2 3 4 5 6
80 [%]
5
60 1 2
40
329
Leistungssollwert Frischdampfstrom Frischdampfdruck Generatorleistung Brennstoffstrom Frischdampftemperatur
4 3
20 6
0
-20 0
360
720
1080
[s]
1440
Abbildung 12.14. Simulation der Laststeigerung von 40 auf 100% f¨ ur einen mit Steinkohle gefeuerten, im Gleitdruck betriebenen 500 MW-Block [5]
Literatur 1. Laeubli, F.: Large scale boiler simulation. Seminar on boiler modelling of the MITRE corporation, Bedford, MA 1974 2. Acklin, L., L¨ aubli, F.: Die Berechnung des dynamischen Verhaltens von W¨ armetauschern mit Hilfe von Analog-Rechenger¨ aten. Techn. Rundschau Sulzer, Forschungsheft 1960 3. Profos, P.: Regelung von Dampfanlagen. Springer, Berlin Heidelberg 1962 4. F¨ ollinger, O.: Regelungstechnik. Elitera, Berlin 1978 5. Strauß, K., Baumgartner, F.: Das dynamische Verhalten von Dampferzeugern unterschiedlicher Bau- und Feuerungsart bei Fest- und Gleitdruckbetrieb. In: Jahrbuch der Dampferzeugungstechnik, 4. Ausgabe. Vulkan, Essen 1983, 900– 912
13 Das letzte Problem fossil gefeuerter Kraftwerke: CO2 –Sequestrierung
13.1 Die neue Aufgabe Die mit fossilen Brennstoffen betriebenen Dampfkraftwerke sind die zuverl¨ assigsten und anpassungsf¨ ahigsten Anlagen der Energiewirtschaft. Dies resultiert aus dem u ¨ber viele Jahrzehnte andauernden Reifeprozeß der Kraftwerkstechnik. Die Perfektion der Anlagen hat heute einen solchen Grad erreicht, daß man mit einem gewissen Recht von der Endphase ihrer Entwicklung sprechen kann. Die Bestwerte der Nettowirkungsgrade steinkohlegefeuerter Dampfkraftwerke liegen bei 45%, durch Steigerung der Frischdampf- und ¨ ZU–Temperatur auf 700/720 ◦ C und des Frischdampfdruckes auf 30MPa erscheinen allenfalls Nettowirkungsgrade von ca. 50% bei Binnenlandkraftwerken mit K¨ uhlt¨ urmen erreichbar, dies setzt allerdings die Verf¨ ugbarkeit von Nickel-Basislegierungen f¨ ur die End¨ uberhitzer und Frischdampfleitungen voraus, deren Einsatzreife zur Zeit noch nicht absehbar ist. Da Kohle unsere m¨ achtigste einfach zu nutzende Energieresource ist, m¨ ussen wir damit rechnen, daß deren Nutzung k¨ unftig zunehmen wird und daß der damit verbundene Mehrverbrauch an Brennstoff durch die m¨ogliche moderate Steigerung der Wirkungsgrade nicht kompensiert werden kann. Weltweit waren im Jahr 2002 ca. 5000 mit fossilen Brennstoffen gefeuerte Kraftwerksbl¨ ocke mit einer Gesamtleistung von rd. 1.200 GW im Betrieb, sie haben rd. 2/3 der verbrauchten Elektrizit¨ at erzeugt und ca. 11·109 t CO2 pro Jahr emittiert. Die gesamte durch die Nutzung fossiler Brennstoffe bedingte Emission von CO2 lag bei rd. 27·109 t 1 . Ohne Gegenmaßnahmen werden die mit der Nutzung fossiler Brennstoffe verbundenen CO2 –Emissionen in etwa proportional mit dem Prim¨ arenergieverbrauch anwachsen. Aus der hohen Wahrscheinlichkeit einer weltweiten Klima¨anderung durch den mit dem Energieverbrauch verbundenen CO2 -Ausstoß ergibt sich als letzte 1
Zum Vergleich: Der nat¨ urliche Kohlenstoffkreislauf, der Tr¨ ager der Energie in der Biosph¨ are, hat eine Intensit¨ at von 77 · 109 t C pro Jahr, was einem CO2 Kreislauf von rd. 280·109 t pro Jahr entspricht.
332
13 Das letzte Problem fossil gefeuerter Kraftwerke: CO2 –Sequestrierung
Aufgabe f¨ ur die Entwicklung der mit fossilen Brennstoffen gefeuerten Kraftwerke die Abscheidung des Kohlendioxids aus den Verbrennungsgasen und dessen Sequestrierung. Die technische Aufgabe besteht darin, das CO2 abzuscheiden, f¨ ur den Transport zu konditionieren, zu transportieren und es langfristig sicher zu speichern. ¨ Die hier dargelegten Uberlegungen st¨ utzen sich auf die Studien [1], [2] und [3].
Brennstoff
Braunkohle
Steinkohle Erdgas / Leichtöl
Nettowirkungsgrad % 1,0
40 46 50 43 45 47 35 53 57
0,88
0,8 0,78 0,72 0,69 0,55
Braunkohle
0,36
0,4
Steinkohle
0,33
0,33
Erdgas 0
0,2
1,0
0,4 kg CO2 /kWhel
0,19 0
0,2 0,4 kg CO2 /kWh thermisch
Abbildung 13.1. Linkes Teilbild: CO2 –Emission von Dampfkraftwerken in Abh¨ angigkeit von der Art des Brennstoffes und des Nettowirkungsgrades; rechtes Teilbild: Spezifische Emission dreier Brennstoffe.
13.2 CO2 –Abscheidung Wenn die CO2 -Reduktion durch h¨ ohere Wirkungsgrade nicht mehr ausreichend ist, sind Techniken notwendig, um das CO2 aus dem Rauchgasen zu entfernen. Im wesentlichen gibt es drei M¨ oglichkeiten: 1. Nachr¨ ustung bestehender Kraftwerke mit Abscheideanlagen nach der Verbrennung (post-combustion) 2. Sauerstoffbetriebene Kraftwerke: Verbrennung von Kohle oder Erdgas in einer O2/CO2-Atmosph¨ are (O2/CO2 recycle combustion) 3. Brennstoffumwandlung: Vergasung von Kohle oder Dampfreforming von Erdgas mit anschließender CO2-Abtrennung vor der Verbrennung des Synthesegases(pre-combustion) 13.2.1 Abscheideanlagen Die Abscheidung mittels Gasw¨ asche beruht auf dem gut bekannten Prinzip der chemischen Absorption des CO2 in einem L¨osemittel und anschließender
13.2 CO2 –Abscheidung CO2- freies Abgas
6
333
CO 2 zur Verdichtung
4 40°C
MEA/H2O 100°C - 120°C
H2O
1 2 3 4 5 6
3 1
2
Absorber Regenerator Wärmetauscher MEA- Kühler Umlaufverdampfer Kondensator
Rauchgas 5
Abschlämmung 60°C
Abbildung 13.2. MEA-Prozeß zur CO2 -Abtrennung.
Desorption. Absorption und Desorption sind reversible Vorg¨ange: Zun¨achst erfolgt die Absorption bei einer Temperatur von ca. 40 bis 65◦ C und daran anschließend die Desorption bei erh¨ ohter Temperatur von 100 bis 120◦ C oder/und erniedrigtem Druck, vgl. Abb. 13.2. Derzeit laufen intensive Studien zur Auswahl eines geeigneten L¨ osemittels basierend auf Alkanolaminen. Es werden Mischungen aus MEA (Monoethanolamin) und reaktionsbeschleunigenden Aktivatoren zur Abscheidung getestet[3]. MEA ist eine giftige, brennbare, korrosive, farblose Fl¨ ussigkeit, die durch Reaktion von Ethylenoxid mit Ammoniak dargestellt wird. F¨ ur die Absorption/Desorption des CO2 durch MEA gilt die Reaktionsgleichung: C2 H4 OHN H2 + H2 O + CO2 C2 H4 OHN H3+ + HCO3− .
(13.1)
Zur Regenerierung wird die Temperatur des L¨osungsmittels um ∼ 40 bis 80◦ C erh¨ oht, der erforderliche W¨ armestrom f¨ ur den Umlaufverdampfer, der einem elektrischen Energiebedarf von rd. 0,28 bis 0,35 kWh/kgCO2 entspricht, wird am G¨ unstigsten durch Anzapfdampf bereitgestellt, geht damit aber dem Kraftwerksprozeß verloren; dieser W¨ armebedarf ist der Hauptgrund f¨ ur die Verschlechterung des Anlagenwirkungsgrades. Das in Rede stehende Abscheideverfahren wird bereits im kleineren Maßstab in Raffinerien und in der chemischen Industrie eingesetzt und hat sich dort technisch bew¨ahrt. Jedoch sind die dort behandelten Gasstr¨ ome noch um den Faktor 10 kleiner als die in einem 800 MW Kohlekraftwerk; sie sind zudem frei von Verunreinigungen, die bei kohlegefeuerten Anlagen immer pr¨ asent sind. Vor einem Einsatz f¨ ur Kraftwerke m¨ ussen deshalb noch Verf¨ ugbarkeit und Wirkungsgrad der Abtrennung unter Kraftwerksbedingungen in Pilotanlagen demonstriert werden. Nachteile des Verfahrens sind der hohe Energiebedarf f¨ ur die Regenerierung und die Notwendigkeit, einen großen L¨ osungsmittelstrom umzuw¨alzen. Alternative Varianten f¨ ur die CO2 –Abscheidung, die aber als weniger geeig-
334
13 Das letzte Problem fossil gefeuerter Kraftwerke: CO2 –Sequestrierung
net erscheinen, sind die Adsorption, z.B. an Aktivkohle oder Kalkstein, und das Ausfrieren. In der Entwicklung befinden sich ferner Membranverfahren, bei denen eine Gaskomponente durch eine Membran diffundieren kann und so abgeschieden wird, vgl. [1] und [2]. Im Prinzip w¨ are die CO2 –W¨ asche auch ohne Chemikalieneinsatz mit Wasser m¨ oglich. Wegen der geringeren L¨ oslichkeit des CO2 in Wasser ist dann die erforderliche Wassermenge, die die zur Aufnahme des CO2 umzuw¨alzen ist, um ca. den Faktor 10 gr¨ oßer als die L¨ osungsmittelmenge bei der MEA–W¨asche. In der Summe f¨ uhrt dies zu einem h¨ oheren Energieaufwand und, wegen der dann gr¨ oßeren Abmessungen der erforderlichen Apparate, zu h¨oheren Investitionen. Beispiel: F¨ ur einen mit Steinkohle gefeuerten 800 MW Kraftwerksblock w¨ are f¨ ur eine 90%ige CO2 Abscheidung bei einer Beladung des L¨ osungsmittels von ∼0,5 Mol CO2 pro Mol MEA ein L¨ osungsmittelstrom (∼ 80% H2 O, 20% MEA) von ca. 6.000 t/h erforderlich. Durch den Energieaufwand f¨ ur Regenerierung und Umw¨ alzung vermindert sich die Nettoleistung des Kraftwerksblocks um rd. 148 MW. Zu ber¨ ucksichtigen ist ferner noch der Leistungsaufwand von rd. 64 MW f¨ ur die CO2 Verfl¨ ussigung, damit resultiert eine Nettoleistung auf 588 MW. Der Wirkungsgrad reduziert sich von 42,5% auf 31,2%, er h¨ angt wesentlich von der Art der Energieintegration des W¨ aschers in den Kraftwerksprozeß ab. Die bei Vollast pro Stunde abgeschiedene CO2 Menge von 576 t ist um den Faktor 2,6 gr¨ oßer als die f¨ ur den Betrieb des Kraftwerks erforderliche Kohlemenge.
13.2.2 Verbrennung in O2 /CO2 –Atmosph¨ are Bei dieser Art der Verbrennung, die in der Literatur als Oxyfuel combustion bezeichnet wird, erfolgt die Verbrennung des kohlenstoffhaltigen Brennstoffs in einer stickstoffreien Atmosph¨ are. Da eine Verbrennung mit reinem Sauerstoff zu viel zu hohen Verbrennungstemperaturen f¨ uhren w¨ urde (ca. 3500◦ C), wird ein Teil der Verbrennungsgase zur¨ uckgef¨ uhrt und ersetzt so den Stickstoff, vgl. Abb. 13.3. Durch diese Maßnahme kann die Verbrennungstemperatur auf 1700 – 1900◦ C begrenzt werden, was den Temperaturen in den Brennkammern heutiger Kohlekessel entspricht. Die entstehenden Verbrennungsproukte bestehen dann im wesentlichen nur noch aus CO2 , einem kleinen Teil Wasserdampf und Verunreinigungen wie SOx und NOx und der Flugasche. Das den Kessel verlassende Gas kann dann nach Staubabscheidung und Rauchgasw¨ asche zur Abscheidung von SOx und NOx in einem nachgeschalteten Kondensator in die Komponenten H2 O und CO2 getrennt werden. Zur Bereitstellung des Sauerstoffs stehen bereits gut entwickelte Luftverfl¨ ussigungsanlagen zur Verf¨ ugung; im industriellen Einsatz sind bereits Anlagen mit einer Kapazit¨at von 200 Tonnen O2 /h, was dem Verbrauch eines 300 MW Kohlekraftwerks entspricht. Der Nachteil dieser Anlagen besteht in dem hohen energetischen Aufwand f¨ ur die Bereitstellung des Sauerstoffs in H¨ohe von ca. 250 kWh/Tonne O2 . Inclusive der CO2 –Verdichtung vermindert sich dadurch
13.2 CO2 –Abscheidung
335
der Netto–Wirkungsgrad kohlegefeuerter Anlagen um ca. 8 bis 10%–Punkte. In [4] wird u ¨ber eine Studie zur CO2 –Abscheidung bei einem mit Braunkohle gefeuerten 865 MW Kraftwerksblock nach dem Oxyfuel–Verfahren berichtet, danach verminderte sich die Nettoleistung um 175 MW und der Wirkungsgrad um 8,6%–Punkte auf 34%. CO2 --
Turbogruppe CO - Rückführung 2
Energie Luft
Verdichtung Transport Speicherung
Kohle Luftzerlegung
Sauerstoff
Kessel
Stickstoff
Entstaubung
Staub
Rauchgasreinigung
Mech. Energie
Niedertemp. Wärme
Abbildung 13.3. Schema einer Anlage zur Verbrennung in einer O2 /CO2 Atmosph¨ are.
13.2.3 Brennstoffumwandlung Ziel ist es, den Kohlenstoff vor der Verfeuerung, z.B. durch Vergasung, aus dem Brennstoff zu entfernen. Bei der Druckvergasung mit Sauerstoff und Wasserdampf kann die Kohle in ein wasserstoffreiches Synthesegas umgewandelt werden, das den Kohlenstoff nur noch in Form von CO2 enth¨alt. Dies kann durch Dampfreformierung 13.2 oder partielle Oxidation 13.3 und eine anschließende Wassergas–Reaktion 13.4 erreicht werden: Cx Hy + xH2 O ⇐⇒ xCO + (x + y/2)H2
(13.2)
Cx Hy + x/2O2 ⇐⇒ xCO + y/2H2
(13.3)
CO + H2 O ⇐⇒ xCO2 + H2
(13.4)
Nach einer Gasreinigung (Entstaubung, Entschwefelung) trennt ein Absorber das CO2 vom H2 ab. Der verbleibende Wasserstoff wird verbrannt und der dabei entstehende Wasserdampf in einer Turbine entspannt. Auch bei dieser Ausf¨ uhrung vermindert sich der Wirkungsgrad infolge der CO2 –Abscheidung, es werden Nettowirkungsgrade von rd. 40% erreicht. Die Kombination einer Vergasungsanlage mit einem Kraftwerk erlaubt eine thermodynamisch besonders g¨ unstige Ausgestaltung. Wir werden darauf bei der Behandlung der Gasturbinen–Kraftwerke zur¨ uckkommen.
336
13 Das letzte Problem fossil gefeuerter Kraftwerke: CO2 –Sequestrierung
13.3 Transport, Speicherung, Risiken Bei allen Varianten muß das gasf¨ ormige CO2 nach der Abscheidung transportf¨ ahig konditioniert und sicher gelagert werden. Da sein kritischer Punkt bei 31 ◦ C und 73 bar liegt, wird der zur Deponierung anstehende CO2 –Strom zur Verringerung seines Volumens in den u ¨berkritischen Zustand gebracht und kann dann in fl¨ ussiger Phase in Kesselwagen oder Pipelines transportiert werden. Die zur Entsorgung anfallenden CO2 –Mengen sind so m¨achtig, daß Nutzungsm¨ oglichkeiten, z. B. in der chemischen Industrie, nicht ins Gewicht fallen. Es besteht somit keine Alternative zur Deponierung. M¨oglichkeiten zur CO2 Deponierung bieten unterirdische Lagerst¨atten fossiler Brennstoffe, mit Salzwasser gef¨ ullte unterirdische Bodenschichten (Aquifere)und die Tiefseeinspeisung in die Ozeane. Seit der Verabschiedung des Kyoto–Protokolls wurde mit einigen Projekten die prinzipielle Durchf¨ uhrbarkeit der CO2 Deponierung im Pilotmaßstab erprobt. Beispiel: Bei einem mit Steinkohle gefeuerten 800 MW Kraftwerksblock, der 8.000 Stunden im Jahr mit Vollast betrieben wird, fallen pro Jahr rd. 5,6·106 t CO2 an. Bei einem Druck von 100 bar nimmt diese Menge ein Volumen von 6,5·106 m3 ein. Zur Speicherung k¨ onnte diese Menge in Kraftwerksn¨ ahe in wasserf¨ uhrende Bodenschichten (Aquifere) in ca. 2000 bis 3000 m Tiefe verbracht werden. Es ist bekannt, daß por¨ ose, wasserf¨ uhrende Schichten in diesen Tiefen, die Dicken von 40 m und eine horizontale Ausdehnung von mehreren Quadratkilometern haben k¨ onnen, weit verbreitet sind und meist keine Verbindung zu den Grundwasserspeichern haben, aus denen wir unser Trinkwasser beziehen. Wenn die urspr¨ unglich mit Wasser gef¨ ullten Poren einer derartigen Schicht ca. 20% des Gesamtvolumens ausmachen und das CO2 die H¨ alfte dieses Wassers verdr¨ angen kann, betr¨ agt die Speicherf¨ ahigkeit eines Aquivers von 40 m H¨ ohe und 40 km2 Ausonnte das gesamte vom Kraftwerk freigesetzte dehnung ca. 160 ·106 m3 . Damit k¨ CO2 f¨ ur ca. 30 Jahre aufgenommen werden.
Das CO2 ist Teil des Energiekreislaufs der Biosph¨are, es ist u ¨berall pr¨asent und in geringen Mengen f¨ ur luftatmenden Lebewesen unsch¨adlich, hoch konzentriert wirkt es aber erstickend. Das potentielle Risiko eines CO2 –Speichers besteht deshalb nicht in einer geringen Leckage sondern im pl¨otzlichen Ausbruch großer Mengen. Beispiel f¨ ur die Gef¨ ahrlichkeit eines pl¨otzlichen CO2 Ausbruchs ist ein Naturereignis, das sich 1986 am Nyos-See in Kamerun ereignete. Durch eine tektonische St¨ orung wurden aus dem See, der den Krater eines vor geologischen Zeiten erloschenen Vulkans ausf¨ ullte, einige 100.000 m3 CO2 frei. Das Kohlendioxid, das eine h¨ ohere Dichte als Luft hat, floß durch zwei T¨ aler bergab, es erstickte 1746 Menschen und viele Tiere[5]. Bisher gibt es in Europa nur ein großtechnisch realisiertes Projekt zur CO2 – Abscheidung und Speicherung. Seit 1996 wird von der Firma Statoil j¨ahrlich eine Menge von 103 t CO2 , das bei der Aufbereitung von Erdgas im SleipnerFeld vor der K¨ uste Norwegens anf¨ allt, in eine Salzwasser f¨ uhrende Schicht unterhalb der Gaslagerst¨ atte verpreßt, ¨ ahnliche Projekte werden auch in Ka-
13.4 Fazit
337
nada und Algerien ausgef¨ uhrt. Damit ist gezeigt, daß die Verfahrenstechnik f¨ ur die CO2 –Speicherung verf¨ ugbar ist. Offen ist die Frage der Sicherheit. Zur Kl¨ arung werden im Rahmen der europ¨ aischen Forschungsprojekte Castor (CO2 from Capture to Storage) und CO2 GeoNet (Netzwerk europ¨aischer Forschungszentren) umfangreiche Untersuchungen durchgef¨ uhrt. Beispiel: Entfernung von CO2 aus der Atmosph¨ are. Falls es mit den zu entwickelnden Techniken zur Speicherung gelingt, das CO2 f¨ ur lange Zeit, d.h. f¨ ur immer, von der Atmosph¨ are fernzuhalten, so k¨ onnte man auf die Idee kommen, damit den CO2 Anteil in der Atmosph¨ are zu vermindern. Dazu m¨ ußte die Energiefreisetzung durch Verbrennung von Biomasse erfolgen, kombiniert mit CO2 –Sequestierung und pflanzlichen Kulturen. Im ersten Schritt w¨ urden die Pflanzen mittels Photosynthese aus der Atmosph¨ are CO2 entnehmen und in Biomasse umwandeln. Im zweiten Schritt wird dann die in die Pflanzen eingespeicherte Energie durch Verbrennung in Nutzenergie u uhrt. ¨berf¨ Die freigesetzte CO2 Menge wird sodann sequestriert und ist damit der Atmosph¨ are entzogen. Pflanzen nutzen ca. 1% der einfallenden Sonnenenergie zur Photosynthese und erzeugen damit ca. 2,5 kg frischer Biomasse pro Jahr und m2 Boden. Durch entfernen des intrazellul¨ ar gebundenen Wassers kann daraus etwa 1 kg Trockenmasse mit einem Heizwert von ∼20 MJ gewonnen werden. W¨ urden 10% der Fl¨ ache der Bundesrepublik, rd. 35702·106 m2 , f¨ ur Energiepflanzen zur Verf¨ ugung gestellt, so k¨ onnte pro Jahr eine Energiemenge von rd. 24·106 tSKE gewonnen werden, dies entspricht ca. 4,7% unseres Energiebedarfs. Die Antwort auf die Frage lautet damit: Im Prinzip ist es m¨ oglich, hat aber wegen der geringen Effizienz der Photosynthese praktisch keine Wirkung.
13.4 Fazit -
-
-
Die Abtrennung des CO2 aus den Rauchgasen kohlegefeuerter Kraftwerke ist technisch m¨ oglich; allerdings werden zur Abtrennung und Verfl¨ ussigung der anfallenden CO2 Mengen ca. 20% des vom Kraftwerk erzeugten Stromes verbraucht. Damit verbunden ist ein drastischer Anstieg des Brennstoff- und Materialverbrauches. Die Kosten allein f¨ ur die CO2 –Abscheidung werden auf 30 bis 50 e/tCO2 gesch¨ atzt. F¨ ur die sichere Deponierung der in Großfeuerungen anfallenden CO2 Mengen besteht die Hoffnung, daß sich die zur Zeit untersuchten M¨oglichkeiten ¨ (Aquifere, Kohlefl¨ oze, Gas- und Olfelder) zu sicheren und ¨okologisch akzeptablen Endlagerst¨ atten entwickeln lassen. Die Entwicklung der sicheren Endlagerung im großtechnischen Maßstab wird eine Zeitspanne von 10 bis 20 Jahren erfordern. In Anbetracht des Energiehungers der modernen Gesellschaften und der Klimaprobleme k¨ onnte die CO2 Sequestrierung die einzige verbliebene
338
-
-
13 Das letzte Problem fossil gefeuerter Kraftwerke: CO2 –Sequestrierung
Chance f¨ ur die Zul¨ assigkeit der weiteren Nutzung unserer in großen Mengen vorhandenen und kosteng¨ unstig zu gewinnenden Kohlevorr¨ate sein. Der deutsche Anteil an der CO2 –Emissionen betr¨agt rd. 3%. Von daher ist klar, daß durch Senkung der von uns ausgehenden Emissionen das Weltklima nicht wesentlich beeinflußt werden kann. Es w¨ are aber ein Fehler, wenn wir nicht mit Nachdruck an der Entwicklung der CO2 Sequestrierung arbeiten w¨ urden. Zur Wahrung unserer Interessen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft ist es vielmehr geboten, daß wir uns bei der Entwicklung dieser Technologie maßgeblich beteiligen.
Literatur 1. G¨ ottlicher, G.: Energetik der Kohlendioxidr¨ uckhaltung in Kraftwerken. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 6, Nr. 421, VDI-Verlag 2001 2. IPCC Special Report on Carbon Dioxid Capture and Storage. Cambridge University Press 2005 3. VGB PowerTec, CO2 Capture and Storage. VGB Report on the State of the Art. Published by VGB PowerTech e.V., obtainable from VGB PowerTech Service GmbH, Verlag technisch wissenschaftlicher Schriften, Postfach 10 39 32, 45039 Essen Essen 2004 (http://www.vgb.org) 4. Anderson, K., F. Johnsson, L. Str¨ omberg: Large Scale CO2 Capture–Applying the Concept of O2 /CO2 Combustion to Commercial Process Data. VGB PowerTech 83,Heft 10, 29–33 (2003) 5. Encyclopedia Britannica, Book of the Year 1987, 193f (1988)
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
14.1 Einleitung Der Wirkungsgrad der Umwandlung von W¨ arme in mechanische Arbeit ist von der Temperaturdifferenz zwischen W¨ armequelle und W¨armesenke abh¨angig, vgl 3. Beim Dampfkraftprozeß ist die Temperatur der W¨armezufuhr durch die verf¨ ugbaren Werkstoffe auf ca. 600◦ C beschr¨ ankt. Dagegen liegt die Temperatur der W¨ armeabfuhr praktisch auf dem Niveau unserer Umgebung. Beim Gasturbinenprozeß hingegen liegt die Eintrittstemperatur in den Prozeß mit derzeit ca. 1 200◦ C wesentlich h¨ oher, daf¨ ur betr¨agt die Austrittstemperatur aber ca. 600◦ C. Der Nettowirkungsgrad eines solchen Prozesses liegt deshalb nur bei ca. 30%. Durch eine Kombination der beiden Prozesse – hohe Temperatur bei der W¨ armezufuhr beim Gaskreislauf und tiefe Temperatur bei der W¨armeabfuhr beim Dampfkreislauf – ist eine Wirkungsgradverbesserung gegen¨ uber jedem der Einzelprozesse m¨ oglich. Die Verwertung der Abw¨ arme aus Gasturbinen mit Dampfkraftprozessen ist Stand der Technik. Die Hauptaufgabe bei der Konzeption einer Anlage besteht in der optimalen Ausnutzung der Abgasw¨arme der Gasturbine im Abhitzekessel. Der Dampf- und Gasturbinenprozeß k¨onnen in vielf¨altiger Weise miteinander verbunden werden, und es existiert eine Vielzahl an vorgeschlagenen Schaltungsvarianten. Wir wollen uns hier auf die Untersuchung der drei M¨ oglichkeiten beschr¨ anken, deren technische Realisierung besonders vorteilhaft erscheint. Diese Varianten k¨ onnen wie folgt charakterisiert werden: • Nachgeschalteter, nicht befeuerter Abhitzekessel. Dies ist die einfachste Art, einen Gasturbinenprozeß zu verbessern. Der erzeugte Dampf kann entweder zur Krafterzeugung oder zur W¨ armeauskopplung verwendet werden. • Nachgeschalteter Dampferzeuger mit Zusatzfeuerung. Damit l¨aßt sich der Dampfzustand auf einen f¨ ur den Dampfkraftprozeß optimalen Wert steigern. Dies ist nur dann g¨ unstig, wenn der Wirkungsgrad des Dampfteils
340
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
besser ist als der Wirkungsgrad eines Prozesses mit ausschließlicher Abhitzeverwertung. • Als dritte Variante kommt noch die Integration des Dampferzeugers in die Brennkammer der Gasturbine in Betracht, was einen druckaufgeladenen Kessel ergibt, in dem die Brenngase auf eine f¨ ur die Gasturbine zul¨assige Temperatur abk¨ uhlt werden. Die Kombination des Gasturbinen- mit dem Dampfkraftprozess zu einem Kombiprozess, dem Gas und Dampfturbinenprozess, ist durch die Steigerung der Eintrittstemperatur in die Gasturbine und die Zunahme von deren Einheitsleistung zus¨atzlich stimuliert worden.1 Ferner haben sich Kombiprozesse gegen¨ uber anderen Verfahren auch deshalb durchgesetzt, weil bei ihnen nur Komponenten zum Einsatz kommen, die sich im Kraftwerksbetrieb bereits bew¨ ahrt haben. Dem wirtschaftlichen Einsatz der Gasturbinen stehen allerdings die Anforderungen bzgl. der Reinheit der die Turbine durchstr¨omenden Gase entgegen. Diese Forderungen k¨ onnen z.Zt. nur von den relativ teueren Brennstoffen Erdgas und Heiz¨ ol EL erf¨ ullt werden. Bei den Brenngasen f¨ ur die Hochtemperaturturbinen soll z.B. der Staubgehalt unter 20 ppm liegen und die Korngr¨oße kleiner 5 µm sein. Weiter darf die Summe aller metallischen Verunreinigungen 8 ppm nicht u ¨berschreiten. Bei diesen Brennstoffen k¨onnen dann aber auch die Grenzwerte f¨ ur die Staub- und Schadstoffemissionen mit Prim¨armaßnahmen allein eingehalten werden. Um Kohle als Einsatzstoff f¨ ur Gasturbinen verwenden zu k¨onnen, muß diese selbst oder deren Verbrennungsprodukte erst durch diverse Reinigungsverfahren von fast allen Ballaststoffen befreit werden. Aus diesen beiden M¨oglichkeiten ergeben sich zwei Typen von kohlegefeuerten Kombikraftwerken: • Kombikraftwerke mit Kohlevergasung, • Kombikraftwerke mit druckbefeuerter Brennkammer und Heißgasreinigung. Neben der Vorschaltung eines mit den Verbrennungsgasen arbeitenden offenen Gasturbinenprozesses wurden auch geschlossene Prozesse, die bei niedrigem Druck aber hoher Temperatur arbeiten, vorgeschlagen und als Quecksilberdampf-Vorschaltprozesse bereits 1917 in den USA realisiert, vgl. auch Abschn. 14.4.2. 14.1.1 Kohlevergasung Ein geeignetes Verfahren zur Kohleveredelung f¨ ur Kombiprozesse ist die Kohlevergasung. Ziel der Veredelung ist es, die Kohle in ein Gasgemisch mit 1
Die Turbineneintrittstemperatur lag 1975 bei mit Erdgas gefeuerten Turbinen bei 900◦ C, 1980 bei 1 060◦ C und 2000 bei 1 200◦ C. Die Einheitsleistung hat im Zeitraum von 1975 bis 2000 von 50 MW auf 250 MW zugenommen.
14.1 Einleitung
341
m¨ oglichst hoher chemisch gebundener Energie umzuwandeln, um es so von den festen Begleitstoffen zu befreien. Formal gilt f¨ ur die Umwandlung: Kohle + Vergasungsmittel −→ Gas + Asche. Als Vergasungsmittel werden Luft, Sauerstoff und Wasserdampf oder deren Mischungen eingesetzt. Bei der Umwandlung der Kohle laufen folgende Grundreaktionen ab: C + H2 O H2 + CO H2 + CO2 CO + H2 O CO + 3 H2 CH4 + H2 O
+118,5 kJ/mol,
(14.1)
−42,3 kJ/mol, −206,0 kJ/mol.
(14.2) (14.3)
Die Hauptreaktion ist die heterogene Wassergasreaktion, bei der sich der Kohlenstoff mit Wasserdampf zu Wasserstoff und Kohlenmonoxid umsetzt (14.1). Die Reaktionsprodukte k¨ onnen dann an der homogenen Wassergasreaktion (14.2) oder der Methanisierung (14.3) teilnehmen, wobei Kohlendioxid und Methan entstehen. Schließlich spielen auch noch die Reaktionen mit dem Sauerstoff −406,0 kJ/mol, (14.4) C + O2 CO2 1 −123,0 kJ/mol (14.5) C + O2 CO 2 eine Rolle. Sie dienen einmal in Verbindung mit der endothermen Reaktion (14.1) als W¨ armequelle, und k¨ onnen zum anderen auch zu Kohlenmonoxid f¨ uhren. Zur direkten Herstellung von Methan als Erdgasersatz aus Kohle ist die hydrierende Vergasung von Bedeutung. Darunter versteht man die direkte Reaktion von Kohlenstoff mit Wasserstoff. Da aber hier die Bereitstellung von Brenngasen f¨ ur Kraftwerksprozesse im Vordergrund steht, wird nicht darauf eingegangen. Bei einer exakten Behandlung m¨ ussen neben den oben genannten Grundreaktionen (14.1)–(14.5) auch die Ums¨ atze der ebenfalls in der Kohle vorhandenen Elemente S und N ber¨ ucksichtigt werden. Bei den f¨ ur Kombikraftwerke in Frage kommenden Verfahren wird die zur Vergasung notwendige W¨ arme durch Verbrennen eines Teils der Kohle mit Luft oder reinem Sauerstoff zur Verf¨ ugung gestellt. Insofern ist die Kohlevergasung ein thermooxidativer Prozeß, an den sich eine Hydrierung anschließt. Weiter ist zu ber¨ ucksichtigen, daß bei den meisten Kohlen Pyrolyse und Vergasung zusammenwirken. Wegen des Gehalts an fl¨ uchtigen Bestandteilen findet bei der Aufheizung zun¨ achst eine Entgasung unter Bildung von gasf¨ormigen ¨ und fl¨ ussigen Vergasungsprodukten statt. Zur Ubersicht sind die ablaufenden Hauptprozesse in Abb. 14.1 zusammengestellt. Wird die Vergasung mit Luft durchgef¨ uhrt, so bewirkt der gleichzeitig zugef¨ uhrte Stickstoff eine starke Verd¨ unnung des Gases; es ergibt sich ein Endprodukt mit einem Heizwert von etwa 5 000 kJ/Nm3 , das nach einer Reinigung direkt einer Kraftwerksfeuerung zugef¨ uhrt werden kann.
342
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken Kohle
?
Aufbereitung, Mahltrocknung
?
Sauerstoffvergasung Wasserarme dampf - Kohle + W¨ −→ CH4 + C + HC O2
-
Kohle
?
Aufbereitung, Mahltrocknung
?
Luftvergasung Kohle + W¨ arme −→ CH4 + C + HC
C + 2 H2 −→ CH4
C + 2 H2 −→ CH4
C + H2 O −→ H2 + CO
C + H2 O −→ H2 + CO
C + O2 −→ CO2
Luft
C + O2 −→ CO2
Schlacke
Schlacke -
?
Entstaubung Wasserdampf -
Wasser-
dampf
?
Entstaubung
?
Konversion CO + H2 O −→ CO2 + H2
?
H2 S- und CO2 -W¨ asche
?
H2 S-W¨ asche
?
Trocknung
?
Synthesegas H ≈ 12 000 kJ/Nm3
?
Schwachgas H ≈ 5 000 kJ/Nm3
Abbildung 14.1. Prozeßschemata f¨ ur die Sauerstoff- und Luftvergasung von Kohle
Wird reiner Sauerstoff f¨ ur die Vergasung verwendet, entsteht ein Gas mit einem Heizwert von ca. 12 000 kJ/Nm3 , das haupts¨achlich aus H2 , CH4 , CO ur Kraftund CO2 besteht. Dieses Gas kann entweder weiterverarbeitet oder f¨ werksfeuerungen verwendet werden. F¨ ur die Kohlevergasung wurde eine gr¨ oßere Zahl von Verfahren entwickelt. Die zum Einsatz kommenden Gas/Feststoff-Reaktortypen werden zweckm¨aßig nach dem Bewegungszustand des Feststoffes unterschieden: • Festbettvergasung (Lurgi), • Wirbelbettvergasung (Winkler), • Flugstromvergasung (Koppers-Totzek). Die in Klammern stehenden Namen stehen f¨ ur Verfahrensvarianten, die sich neben anderen im industriellen Einsatz bew¨ ahrt haben und die daher f¨ ur den Einsatz bei Kombiprozessen besonders geeignet erscheinen, vgl. Abb. 14.2. Die drei Reaktortypen zeigen charakteristische Unterschiede, die wie folgt skizziert werden k¨ onnen: Beim Festbettreaktor braucht der Gasstrom den Feststoff nicht zu bewegen. Der Gasstrom kann deshalb im Gleich-, Gegen- oder
14.1 Einleitung Lurgi-Festbett
Winkler-Wirbelschicht
343
Totzek-Flugstrom
Kohle (3-30 mm) Rohgas
Druckschleuse Abhitzekessel
Rohgas Rohgas
Nachvergasung
Trocknung Vergasung Verbrennung Asche
Dampf + O2
Wirbelschicht
Drehrost
Dampf + O2
Druckschleuse
Asche
Strahlungskessel
Kohle (1-5 mm)
Staubabzug
H O-Quench 2 Dampf + O2
Dampf + O2
Kohlenstaub
Kohle
Druckschleuse Asche
Asche
Abbildung 14.2. Verfahrenskonzepte zur Kohlevergasung
uhrt werden. Zur besseren W¨armenutzung wird Querstrom durch das Bett gef¨ uhrt. Dies hat allerdings den Nachteil, der Gasstrom meist im Gegenstrom gef¨ daß die frisch zugegebene Kohle durch die heißen Reaktionsgase geschwelt ¨ Teer und Phenole mit dem ussige Schwerprodukte als Ol, wird und deshalb fl¨ Produktgas ausgetragen werden. Das erzeugte Gas tritt mit einer Temperatur von 400 bis 500o C aus dem Vergaser aus und hat einen hohen Anteil an H2 und CH4 . Der Kaltgaswirkungsgrad, darunter versteht man den Quotienten aus dem Brennwert der Kohle zum Brennwert des Produktgases, betr¨agt ca. 90%. Aufgrund der langen Verweilzeit im Festbett wird der Kohlenstoff bei geringem Sauerstoffverbrauch paktisch vollst¨andig umgesetzt. Zum Einsatz kommen vorzugsweise nichtbackende Steinkohlen mit einem K¨ornungsbereich von 5–30 mm. Von Nachteil ist, daß die anfallenden Teere und Phenole im uhlen kondensieren. Produktgas verbleiben und beim Abk¨ Im Wirbelbettreaktor ist wegen der intensiven Feststoffdurchmischung die Temperatur nahezu konstant. Die Temperatur im Wirbelbett wird unterhalb der Erweichungstemperatur der Asche gehalten, damit die Asche trocken abgezogen werden kann. Sie betr¨agt z.B. bei rheinischer Braunkohle 800 bis 950 ◦ C und bei Steinkohlen bis ca. 1 100◦ C. Diese Beschr¨ankung erweist sich dann als Nachteil, wenn eine Kohle sowohl eine niedrige Reaktivit¨at als auch einen niedrigen Ascheerweichungspunkt hat. Nachteilig ist ferner, daß feine Kohlepartikel mit dem Produktgas ausgetragen werden; der C–Umsatz liegt uhrten Anlagen bei 95%. Von Vorteil ist, daß keine kondensierbabei ausgef¨ ren Nebenprodukte anfallen und auch ballastreiche Kohlen eingesetzt werden k¨onnen, da die zum Einsatz kommende Kohle nicht gemahlen werden muß.
344
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
Es gen¨ ugt ein Brechen der Kohle auf Korngr¨ oßen kleiner 10 mm. Das Verfahren eignet sich besonders f¨ ur Braunkohle und reaktive Steinkohlen mit einem hohen Gehalt an Fl¨ uchtigen. Der Kaltgaswirkungsgrad liegt bei ca. 85%. Beim Flugstromreaktor ist die Volumenleistung gr¨oßer als bei den beiden anderen Typen. Dies wird durch eine hohe Temperatur im Reaktor erreicht. ¨ Ahnlich wie bei einer Schmelzfeuerung sind deshalb dessen Innenw¨ande mit feuerfestem Material ausgekleidet. Je nach Heizwert der Kohle k¨onnen Temperaturen von 1 400–1 600◦ C erreicht werden. Das Verfahren arbeitet im Gleichstrom, die Verweilzeit der Kohleteilchen im Reaktor liegt bei etwa einer Sekunde. Wegen der hohen Reaktionstemperatur stellt dieses Verfahren geringere Anspr¨ uche an die Reaktivit¨ at der zum Einsatz kommenden Kohle. Allerdings muß die Kohle auf Korngr¨ oßen < 0,1 mm gemahlen werden. F¨ ur aschereiche Kohlen ist das Verfahren deshalb weniger gut geeignet. Wegen der hohen Temperatur liegt die Asche als fl¨ ussige Schlacke vor. Etwa 60% der Asche k¨ onnen direkt aus dem Reaktor in fl¨ ussiger Konsistenz abgezogen werden, der Rest wird mit dem Produktgas als Flugstaub ausgetragen. Infolge der hohen Vergasungstemperatur enth¨ alt das Produktgas außer Wasserdampf keine kondensierbaren Bestandteile wie Teer oder Phenole, der Kohlenstoffumsatz ist nahezu vollst¨andig. Infolge der hohen Temperatur im Reaktor, die durch Verbrennen eines Teils der eingesetzten Kohle erreicht wird, liegt der Kaltgaswirkungsgrad bei ca. 85%. Der Vergasungsprozeß ist naturgem¨ aß mit Verlusten verbunden. Der Einsatz von Kohle in Kombikraftwerken ist aber nur dann sinnvoll, wenn der resultierende Wirkungsgrad zumindest gr¨ oßer ist als der des klassischen Dampfkraftprozesses. Dies verlangt eine m¨ oglichst hohe Temperatur am Eintritt in die Gasturbine und damit einen hohen Heizwert des Kohlegases. Aus diesem Grund wird bei der Entwicklung von Prozessen, die eine Verbesserung des Umwandlungswirkungsgrades zum Ziel haben, der Sauerstoffvergasung der Vorzug gegeben. Die durch Vergasung der Kohle erzeugten Rohgase unterscheiden sich – abh¨ angig von dem angewandten Herstellungsverfahren – erheblich in ihrer Zusammensetzung und Beschaffenheit. Entsprechend unterschiedlich sind auch die erforderlichen Maßnahmen zur Gasreinigung; so hat bei der Vergasung im Flugstrom und in der Wirbelschicht das Rohgas einen hohen Staubgehalt, bei der Vergasung im Festbett enth¨ alt das Rohgas weniger Staub aber in beachtlichem Umfang kondensierbare Entgasungsprodukte wie Teer und Phenole. Angestrebt wird eine trockene Heißgasreinigung (Entstaubung, Entschwefelung und Enthalogenisierung). Derartige Anlagen sind f¨ ur den großtechnischen Einsatz noch nicht entwickelt, vgl. [4]. Die bereits erprobte nasse Gasreinigung hat den Nachteil eines aufwendigen Aufbaus. Ferner resultiert daraus eine Absenkung des Wirkungsgrades, da bei der erforderlichen Abk¨ uhlung der Rohgase vor der Gasreinigung etwa 15 bis 20% des zugef¨ uhrten Energiestroms in den Wasserdampfkreislauf u ¨bergehen, vgl. Tabelle 14.1.
14.1 Einleitung
345
Tabelle 14.1. Daten f¨ ur den Vergleich großtechnisch erprobter Vergasungsverfahren Vergasertyp
LurgiFestbett
WinklerWirbelbett
Koppers-TotzekFlugstrom
Reaktortemperatur [◦ C]
800–1 200
1 000
> 1 400
Druck [bar]
1–100
1–30
1–40
Verh¨ altnis O2 / Dampf [kg/kg]
1:8 bis 1:4
1:2 bis 1:4
2:1
Kohlenart
Braun- und Steinkohlen
Braun- und Steinkohlen
Steinkohlen
Anforderungen an Kohlen
darf nicht backen oder zerfallen
darf nicht backen, sehr reaktionsf¨ ahig
Ascheschmelzpunkt < 1 400◦ C
Korngr¨ oße [mm] 3–30
1–10
< 0,1
Gasf¨ uhrung
Gegenstrom
Gleichstrom
Gleichstrom
Verweilzeit
10–30 Minuten
1–10 Minuten
< 0,1 Sekunden
38–40 20–24 27–30 10–12
35–45 30–40 13–25 1–2
30–34 55–58 10 0–1
Nebenprodukte
¨ Teer und Ol
keine
keine
Sonstige Kriterien
wenig Kohleaustrag, großer Kohleaustrag, kleiner Kohleinhalt, gute W¨ armeausnut- niedriger Vergasungs- hoher Vergasungszung grad grad
Produktgaszusammensetzung in [%]
H2 CO CO2 CH4
14.1.2 Aufbau einer Gasturbine In ihrer einfachsten Ausf¨ uhrungsform besteht eine Gasturbinenanlage aus einem Turboverdichter, einer Brennkammer, der eigentlichen Turbine und dem Generator, vgl. Abb. 3.18. In der heute bevorzugten Bauform werden die Gasturbine und der zugeh¨ orige Generator als Einwellenmaschinen ausgef¨ uhrt. Die Gasturbine arbeitet in der folgenden Weise: Der Verdichter saugt Luft aus der Umgebung an und verdichtet diese auf ein Mehrfaches ihres Druckes. Die verdichtete Luft wird in die Brennkammer gef¨ uhrt und reagiert dort mit dem zugef¨ uhrten Brennstoff. Die Massenstr¨ ome werden so aufeinaner abgestimmt, daß eine zul¨ assige Temperatur am Eintritt in die Turbine nicht u ¨berschritten wird. In der Turbine, die analog zu einer Dampfturbine arbeitet, wird das Gas auf Umgebungsdruck entspannt und verl¨ aßt die Anlage. In Abb. 14.3 ist ein Schnitt durch eine Gasturbine dargestellt; u ¨ber Gasturbinentechnik gibt es eine umfangreiche Literatur, vgl. z. B. [16] und [5].2 Die Gasturbine verbindet in gewisser Weise die Vorteile eines Verbrennungsmotors mit denen einer schnellaufenden Turbine. Wie der Verbrennungs2
Erfinder der Gasturbinen heutiger Bauform ist F. Stolze (1836–1910), der 1904 in Berlin-Weißensee seine Feuerturbine“ in Betrieb nahm. Diese bestand aus der ”
346
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
1 Luftansaugung 2 Verdichter
3 Brennkammer 4 Turbine
5 Generatorwelle 6 Abgase
Abbildung 14.3. Schnitt durch eine Gasturbine mit Silobrennkammer, Bauart ABB
motor ben¨ otigt sie praktisch keine Hilfsmaschinen, kann aber wie die Dampfturbinen f¨ ur große Leistungen gebaut werden. Bei dem im Kraftwerk meist angewandten offenen Prozeß wird die Verbrennungsluft aus der Umgebung angesaugt, und die Abgase werden in diese wieder abgegeben. Der Verdichter wird bei den f¨ ur die Energiewirtschaft interessanten Leistungsgr¨ oßen axial durchstr¨ omt. Zum Erreichen eines hohen inneren Wirkungsgrades wird er mehrstufig ausgef¨ uhrt. Bei den Turbinen der 150 MWKlasse sind 10 bis 15 Stufen u ¨blich. Zur Verminderung der Str¨omungsverluste ist hinter dem Verdichter ein Diffusor angeordnet. Das Druckverh¨altnis pro Stufe betr¨ agt bei Axialverdichtern etwa 1,2 bis 1,6, damit werden innere Verdichterwirkungsgrade von 85 – 90% erreicht. Wegen der Begrenzung der Eintrittstemperatur in die Turbine wird bei den g¨ angigen Brennstoffen mit einem hohen Luft¨ uberschuß gefahren. Bei einer Temperatur hinter dem Verdichter von ϑV = 280◦ C und ϑT = 1 100◦ C Kombination eines vielstufigen axialen Turboverdichters mit einer Turbine mit innerer“ Verbrennung [3]. ”
14.1 Einleitung
347
vor der Turbine errechnet sich das Luftverh¨ altnis n bei der Verwendung von Heiz¨ ol EL mit H = 42 000 kJ/kg, einem Luftbedarf von µLoT = 7,7 kg/kg, einer spezifischen W¨ armekapazit¨ at des Rauchgases von cpG = 1,1 kJ/kgK und der spezifischen W¨ armekapazit¨ at der Luft cp = 1,1 kJ/kgK zu L H − cpG µLoT + 1 ϑT − ϑV = 4,92. n= cp µLoT ϑT − ϑV L
Der Luft¨ uberschuß betr¨ agt also 392% und der O2 -Gehalt der Rauchgase liegt bei 17%. Zur Begrenzung der NOx -Produktion und zur Gew¨ahrleistung einer sicheren Z¨ undung wird nur ein f¨ ur die st¨ ochiometrische Verbrennung erforderlicher Luftstrom unmittelbar dem Brenner zugef¨ uhrt. Der u ¨brige Luftstrom wird zun¨ achst zur K¨ uhlung der Brennkammerw¨ande verwendet und dann den Rauchgasen vor Eintritt in die Turbine zugemischt. Um die Str¨ omungsverluste zu minimieren, erfolgt die Abstr¨omung aus der Turbine in einem Diffusor. Die Gasturbine wird wie die Dampfturbine mehrstufig ausgef¨ uhrt, bei den 150 MW-Maschinen meist sechsstufig. Das Heißgas aus der Brennkammer wird durch eine geeignete Ausbildung des Geh¨auses auf den gesamten Umfang der ersten Leitschaufelreihe verteilt. Das Druckverh¨ altnis pro Turbinenstufe liegt bei 1,6 bis 2,3 und der innere Wirkungsgrad betr¨ agt 87 bis 93%. Bei der Auslegung der Beschaufelungen axialer Str¨ omungsmaschinen hat es in den letzten Jahren große Fortschritte gegeben. Durch direkte L¨ osung der str¨ omungsmechanischen Bewegungsgleichungen ist es m¨ oglich, Schaufelgeometrien f¨ ur ein gew¨ unschtes Str¨omungsverhalten zu entwerfen bzw. nachzurechnen. Zum Beispiel k¨onnen Str¨omungsfelder ¨ mit lokalen Uberschallgebieten berechnet werden, so daß es m¨oglich ist, Profile f¨ ur Verdichterschaufeln mit stoßfreier Umstr¨omung zu entwerfen. Durch diese Fortschritte in der Theorie konnte der innere Wirkungsgrad der Turbine und des Verdichters erheblich verbessert werden. Um akzeptable Wirkungsgrade zu erhalten, m¨ ussen bei Gasturbinen wesentlich h¨ ohere Eintrittstemperaturen zugelassen werden als bei Dampfturbinen. Die am h¨ ochsten beanspruchten Bauteile einer Gasturbine sind die Laufschaufeln. Diese m¨ ussen die Flieh- und Str¨ omungskr¨afte ertragen und sind auch den h¨ ochsten Temperaturen ausgesetzt. Die zul¨assige Temperatur am Gasturbineneintritt wird also durch den Schaufelwerkstoff begrenzt. Bei den heute verf¨ ugbaren Hochtemperaturwerkstoffen auf Chrom-Nickel-Basis sind uhlung der Schaufeln Temperaturen u ohne besondere Maßnahmen zur K¨ ¨ber oglich. Die Festigkeit der metallischen Werkstoffe nimmt beca. 800◦ C nicht m¨ kanntlich mit der Temperatur rasch ab, vgl. Abschn. 7.8.1. Weiter spielt die Belastungszeit eine Rolle. Bei Flugzeugtriebwerken wird bei Eintrittstemperaturen im Bereich von 1 000◦ C ein Austausch der Beschaufelung nach ca. 5 000 Betriebsstunden in Kauf genommen. Um Laufzeiten von einigen Jahren zu erhalten, werden bei den heutigen Maschinen mit Eintrittstemperaturen im Bereich von 1 200◦ C die ersten zwei Schaufelreihen mit Luft gek¨ uhlt. Zu diesem Zweck sind in die Schaufeln ent-
348
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
sprechende Kan¨ ale eingearbeitet, vgl. Abb. 14.4. Die K¨ uhlung wird mit Luft vorgenommen, die unmittelbar nach dem Verdichter entnommen und unter Umgehung der Brennkammer zur Turbine geleitet wird.
Kühlluft
Gehäuse
Laufschaufel
Leitschaufel 1100°C 1000°C
Kühlluft
930°C
Rotor Kühlkanäle
J=700°C
J=800°C
Abbildung 14.4. Schaufelk¨ uhlung bei Gasturbinen. Neben den Schaufeln werden auch Teile des Rotors gek¨ uhlt
Da die K¨ uhlung sowohl vom Prozeß als auch von der Qualit¨at der Str¨omungsf¨ uhrung her mit einem Wirkungsgradverlust verbunden ist, wird daran gearbeitet, die f¨ ur die Schaufelkonstruktion heute noch u ¨blichen metallischen Werkstoffe durch keramische zu ersetzen. Wenn diese Entwicklung gelingt, w¨ are eine Anhebung der Turbineneintrittstemperatur auf Werte bis ca. 1 300◦ C denkbar. Der Wirkungsgrad der Energieumwandlung liegt beim einfachen Gasturbinenprozeß mit einer Temperatur von ca. 1 050◦ C am Eintritt in die Turbine bei ca. 32%. Eine Verbesserung w¨ are durch die Einf¨ uhrung der Zwischen¨ uberhitzung und Zwischenk¨ uhlung im Verdichter m¨ oglich, vgl. Abschn. 3.4.2.3. Wegen der aufwendigen Kanalf¨ uhrung hat man diesen Weg in der Kraftwerkstechnik nicht gew¨ ahlt; vielmehr hat sich die Kombination mit dem Dampfkraftprozeß als g¨ unstiger erwiesen. Neben der kompakten und einfachen Bauweise liegt der besondere Vorteil der Gasturbinenanlagen im Vergleich zu den Dampfkraftwerken in der kurzen Anfahrzeit. Das Anfahren und Belasten einer Gasturbine allein dau-
14.2 Kombinierte Kraftwerksprozesse mit Gas- und Dampfturbinen
349
ert nur wenige Sekunden, es ist daher nicht erforderlich, sie als mitlaufende Reserve einzusetzen. Gasturbinen lassen sich vollautomatisch an- und abfahren und u onnen daher dezentral im Verbrauchsschwerpunkt ¨berwachen. Sie k¨ aufgestellt werden.
14.2 Kombinierte Kraftwerksprozesse mit Gas- und Dampfturbinen 14.2.1 Gas- und Dampfturbinenprozeß mit nichtbefeuertem Abhitzekessel Die M¨ oglichkeiten der Verbesserung des Dampfkraftprozesses f¨ ur die Umwandlung von W¨arme in elektrische Energie scheinen weitgehend ausgesch¨opft zu sein. Im Gegensatz dazu hat die Verkn¨ upfung des Gasturbinen- mit dem Dampfkraftprozeß Fortschritte gebracht. Bei der Verwendung der sauberen Brennstoffe Heiz¨ol EL oder Gas wird dieses Anlagenkonzept bereits erfolgreich angewandt, vgl. [6], [15] und [17]. Die einfachste M¨ oglichkeit zur Verbesserung des Wirkungsgrades einer Gasturbinenanlage besteht in der Verbindung mit einem nachgeschalteten Dampfkraftprozeß. Diese Kombination wird nachfolgend als Gas- und Dampfturbinenprozeß (GuD) bezeichnet. Beim GuD-Prozeß werden die Abgase aus der Gasturbine durch einen Abhitzekessel gef¨ uhrt, in dem u ¨berhitzter Dampf f¨ ur den Dampfkraftprozeß erzeugt wird, vgl. das Schaltschema in Abb. 14.5. Rauchgase zum Kamin 13 7 15
14
5 6 9
Brennstoff
10 8 11
2
3 4
1
G ~ 12
G ~
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Luftansaugung Verdichter Brennkammer Gasturbine Verdampfer Umw¨ alzpumpe Economizer Abhitzekessel ¨ Uberhitzer Dampfturbine Kondensator Kondensatpumpe Speisewasserbeh¨ alter Speisepumpe Dampftrommel
Abbildung 14.5. Schaltschema eines GuD-Prozesses mit Gasturbine und nachgeschaltetem Dampfkraftprozeß
Der Dampfteil der in dieser Abbildung dargestellten Kombianlage unterscheidet sich von konventionellen Dampfkraftprozessen durch die nur einstufi-
350
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
ge Speisewasservorw¨ armung und die fehlende Vorw¨armung der Verbrennungsluft. Die Rauchgasw¨ arme muß daher vollst¨ andig zur Vorw¨armung, Verdamp¨ fung und Uberhitzung des Speisewasserstroms verwendet werden. Aus dieser Forderung ergibt sich eine Besonderheit bei Abhitzekesseln: Wie das Temperatur-W¨ armediagramm (Abb. 14.7) zeigt, besteht die kleinste Temperaturdifferenz zwischen der Wasser/Dampfseite und den Rauchgasen – die sogenannte Gr¨ adigkeit – am Austritt des Economizers. Daraus folgt, daß bei Abhitzekesseln die Dampfproduktion fast unabh¨ angig von der Speisewassertemperatur ist. Der Nachteil der in Abb.14.5 dargestellten Eindruckschaltung ist der ungen¨ ugende Energieausnutzungsgrad der Abw¨arme, der sich in einer hohen Abgastemperatur von 180◦ C und mehr ¨ außert. Die einfachste M¨oglichkeit zur weiteren Senkung der Abgastemperatur besteht darin, einen weiteren Nieder¨ druckdampferzeuger mit -Vorw¨ armer, -Verdampfer und -Uberhizer anzuordnen, mit dem Abgasw¨ arme zur Erzeugung eines Niederdruckdampfes genutzt wird. Mit diesem Niederdruckdampf kann mechanische Energie gewonnen werden, wenn man ihn an einer geeigneten Stelle in die Turbine einf¨ uhrt. Dazu ist eine Maschine mit zwei Dampfeinf¨ uhrungen f¨ ur Hoch- und Niederdruckdampf erforderlich, Abb. 14.6. zeigt das Schema einer Zweidruckschaltung. Bei kommerziellen Anlagen mit optimierter W¨armenutzung und Zweidruckschaltungen werden Netto-Wirkungsgrade von bis zu 60% erreicht. Wegen 13
1 Luftansaugung 2 Verdichter 3 Brennkammer 4 Gasturbine 5 HD-Endüberhitzer 6 HD Verdampfer 7 ND-Überhitzer 8 ND-Verdampfer 9 HD-Vorwärmer 10 ND-Vorwärmer 11 ND-Speisepumpe 12 HD-Speisepumpe 13 Speisewasserbehälter 14 Dampturbine 15 Kondensator 16 Kondensatpumpe
70 oC Rauchgase zum Kamin o 11 95 C 10 9 8 7
5
G ~
2 1
O
300 C, 5 bar
320OC 5,2 bar 5,5 kg/s
6
Erdgas 475 MW
178 MW
12
88M W
550°C, 105 bar
75 kg/s 650°C 388 kg/s
14
15
3 4
16
G ~
Abbildung 14.6. Schema eines GuD Prozesses mit einer Zweidruckschaltung und Wasserumw¨ alzung im Abhitzekessel.
des Betriebsverhaltens und des resultierenden Wirkungsgrades der Gasturbine bringt ein Luftvorw¨ armer aus folgenden Gr¨ unden keinen Nutzen:
14.2 Kombinierte Kraftwerksprozesse mit Gas- und Dampfturbinen
351
T Turbinenaustritt
Rauchgastemperatur
HD-Temperatur Dampftemperatur
Grädigkeit
Abgastemperatur Überhitzer
Verdampfer
Economizer
übertragene Wärmeleistung
Abbildung 14.7. Temperatur-W¨ armediagramm f¨ ur einen Abhitzekessel
• Beim Verdichter bleibt der Volumenstrom der angesaugten Luft praktisch konstant, bei einer Temperaturerh¨ ohung reduziert sich deshalb wegen der geringeren Dichte der Luftmengenstrom. • Die von der Turbine abgegebene Leistung nimmt deshalb mit steigender Ansaugtemperatur ab. Der begrenzende Parameter f¨ ur die Nutzung der Abgasw¨arme ist die Gr¨adigkeit des Abhitzekessels; das ist die kleinste Temperaturdifferenz zwischen Arbeitsmittel und Rauchgasen im Economizer/Verdampfer, vgl. Abb. 14.7. Eine Reduktion der Gr¨ adigkeit/Abgastemperatur ist nur auf Kosten zus¨atzlicher W¨ armeaustauscherfl¨ achen m¨ oglich, deren Fl¨ achen dann allerdings exponentiell anwachsen. Praktisch kann bei Glattrohrw¨armeaustauschern eine Gr¨adigkeit von ca. 50◦ C und bei Rippenrohren eine Gr¨adigkeit von 25◦ C nicht unterschritten werden. Der Wirkungsgrad des GuD-Prozesses kann gem¨aß ηGuD =
PN + PN G D = ηG + ηD 1 − ηG Q˙
(14.6)
zuG
geschrieben werden. Der Index G steht hier f¨ ur den Gasturbinen- und D f¨ ur den Dampfturbinenteil. Man erkennt aus (14.6), daß ein nachgeschalteter Dampfkraftprozeß immer eine Verbesserung des Wirkungsgrades gegen¨ uber dem Gasturbinenprozeß bringt. Der Einfluß des Gasturbinenwirkungsgrades auf ηGuD kann wie folgt abgesch¨ atzt werden: ∂η ∂ηGuD = 1 + D 1 − ηG − ηD . ∂ηG ∂ηG
(14.7)
Eine Erh¨ ohung von ηG ist nur dann sinnvoll, wenn ηGuD dadurch zumindest nicht abnimmt. Aus (14.7) folgt f¨ ur den Grenzfall ∂ηGuD /∂ηG = 0
1 − ηD ∂ηD
=− . (14.8)
∂ηG
1 − ηG Grenz
352
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
Eine Verbesserung von ηG ist also nur dann angebracht, wenn dadurch ηD nicht st¨ arker abnimmt als der durch (14.8) gegebene Grenzwert. Eine Abnahme von ηD ergibt sich haupts¨ achlich aus einer Verminderung der Gasturbinen-Abgastemperatur. Diese Temperatur h¨ angt stark vom Druckverh¨altnis ab. Zwar ist bei einem gr¨ oßeren Druckverh¨ altnis ηG gr¨ oßer, wegen (14.7) und (14.8) kann aber der Gesamtwirkungsgrad geringer sein. Eine Gasturbine mit maximalem Wirkungsgrad ergibt deshalb noch keinen optimalen Kombiprozeß. Beispiel 14.1. Zu untersuchen ist der in Abb. 14.5 im Schaltschema und in Abb. 14.8 im T,s-Diagramm dargestellte GuD-Prozeß. Im Vorschaltprozeß wird die Luft bei 300 K angesaugt, die Turbineneintrittstemperatur betr¨ agt 1 300 K und das Druckverh¨ altnis sei 8. Der Wirkungsgrad des Verdichters betrage 85% und derjenige der Turbine 90%. Das Arbeitsmittel ist ein thermisch und kalorisch perfektes Gas mit κ = 1,4 und cp = 0,994 kJ/kgK. Beim Nachschaltprozeß handelt es sich um einen einfachen Dampfkraftprozeß. Der Frischdampfzustand betrage 400◦ C, 30 bar und der Kondensatordruck 0,1 bar. Der Wirkungsgrade der Speisepumpe und der Turbine liegen bei 85 bzw. 90%. Unter Ber¨ ucksichtigung eines Druckverlustes im Abhitzekessel von 1 bar und 0,03 bar im Kondensator liefert ein zu Beispiel 3.2 analoger Rechengang die Daten des Dampfkraftprozesses: h1 = 191,83 kJ/kg,
h3 = 3 232,5 kJ/kg,
h2 = 195,50 kJ/kg,
h4 = 2 297,5 kJ/kg.
r
r
Die Abgastemperatur TRG hinter dem Abhitzekessel betrage 400 K. Man bestimme unter Benutzung der Ergebnisse von Beispiel 3.5: a) die spezifische Nutzarbeit des Gases, die zuzuf¨ uhrende spezifische W¨ arme und den thermischen Wirkungsgrad des realen Gasturbinenprozesses, b) das Verh¨ altnis der Massenstr¨ ome durch die Dampf- und Gasturbine, c) die spezifische Nutzarbeit des Dampfes und den thermischen Wirkungsgrad des Dampfkraftprozesses, sowie d) den thermischen Wirkungsgrad des GuD-Prozesses. L¨ osung. a) Der Gasturbinenprozeß wurde unter Voraussetzung einer verlustfreien Verdichtung und Expansion im Beispiel 3.5 untersucht. Die spezifische Verdichterbzw. Turbinenarbeit ergab sich zu wV = 242,0 kJ/kg und wT = −578,8 kJ/kg. Mit den vorgegebenen Wirkungsgraden folgt f¨ ur den verlustbehafteten Prozeß wV wV = = 284,7 kJ/kg r ηV und wT = ηT wT = −521,0 kJ/kg. r
F¨ ur die Temperatur nach Verdichter T2 gilt wegen
cp T2 − T2
r
und T2 = 543,4 K
r
= wV − wV r
14.2 Kombinierte Kraftwerksprozesse mit Gas- und Dampfturbinen
353
T Brennkammer Q Br
Gasturbine
Verdichter Abhitzekessel
Dampfturbine
Kondensator Q K
s
T2 = T2 +
1 − ηV wV ηV
r
Analog gilt
cp T4 − T4
r
cp
Abbildung 14.8. Schematische Darstellung des GuDProzesses im T,s-Diagramm
= 586,4 K.
= wT − wT . r
Die darin enthaltene Temperatur T4 bestimmt man nach (3.36) zu
T4 = T3
p3
1−κ κ
p4
= 717,7 K.
Damit erh¨ alt man die Temperatur nach Turbine
T4 = T4 + 1 − ηT
wT
cp
r
= 775,9 K.
Der Prozeß liefert die spezifische Nutzarbeit
wN = wT − wV = 236,3 kJ/kg, r r G
f¨ ur die eine spezifische W¨ arme
qzuG = cp T3 − T2
r
= 709,3 kJ/kg
zugef¨ uhrt werden muß. Damit folgt f¨ ur den Wirkungsgrad des Gasturbinenprozesses wN G ηG = = 0,333. qzuG Der Wirkungsgrad des idealen Prozesses war 45%. Der Gasturbinenprozeß reagiert offensichtlich empfindlich auf Irreversibilit¨ aten im Verdichter und in der Turbine.
354
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
b) F¨ ur den Dampfkraftprozeß steht als W¨ armezufuhr
qzu = cp T4 − TRG
= 373,6 kJ/kg,
r
D
bezogen auf das Rauchgas, zur Verf¨ ugung. Aus der W¨ armebilanz
m ˙ D h3 − h2
=m ˙ G cp T4 − TRG
r
r
berechnet man das Verh¨ altnis der Massenstr¨ ome durch die Dampf- und Gasturbine
y=
m ˙D
=
m ˙G
cp T4 − TRG r
h3 − h2
= 0,123.
r
c) F¨ ur die spezifische Arbeit des Dampfprozesses pro kg Dampf erh¨ alt man
wN = wT − wSp = h3 − h4 r r D
r
− h2 − h1
r
= 931,8 kJ/kg.
F¨ ur den Wirkungsgrad des Dampfkraftprozesses folgt
ηD =
wN
D
qzu
=
h3 − h4
r
− h2 − h1
h3 − h2
r
= 0,307.
r
d) Die spezifische Arbeit des GuD-Prozesses pro kg Rauchgas ergibt sich zu wN
GuD
= wN + y wN = 350,9 kJ/kg. G
D
Schließlich folgt f¨ ur den Wirkungsgrad des GuD-Prozesses wN GuD ηGuD = = 0,495. qzuG Es ist zu beachten, daß hier bereits die Abgasverluste ber¨ ucksichtigt sind. Der Wirkungsgrad des Kombiprozesses ist also gr¨ oßer als die Wirkungsgrade der Einzelprozesse.
14.2.1.1 Gasturbinenprozeß mit Wassereinspritzung Zu einer Alternative zum GuD-Prozeß k¨ onnte sich f¨ ur Anlagen kleinerer Leistung der Gasturbinenprozeß mit Wassereinspritzung entwickeln (STIGProzeß).3 Bei diesem Prozeß wird der mit der Abgasw¨arme der Gasturbine im Abhitzekessel erzeugte Dampf durch Eind¨ usung in die Brennkammer f¨ ur den Prozeß nutzbar gemacht. F¨ ur die Durchf¨ uhrung des Prozesses ist neben der Gasturbine nur noch ein Abhitzekessel erforderlich, was zu einer im Vergleich zum GuD-Prozeß einfacheren Anlagentechnik bei einem immer noch beachtlichen Wirkungsgrad f¨ uhrt, vgl. Abb. 14.9 und [8], [10]. Wegen des reduzierten Luftmassenstroms ist die erforderliche Antriebsleistung f¨ ur den Verdichter
14.2 Kombinierte Kraftwerksprozesse mit Gas- und Dampfturbinen Dampfeinspritzung Brennkammer 3
4
5
T
5
2 7a Verdichter 1 7 Luft Wasser zum Kamin
4
Turbine
3
1
6 7a
2 6
355
7
s
Abbildung 14.9. Schema und T,s-Diagramm f¨ ur einen Gasturbinenprozeß mit Wassereinspritzung
geringer als beim einfachen Gasturbinenprozesß und die Turbinenleistung infolge der Dampfeind¨ usung h¨ oher. Im Vergleich zu einer GuD Anlage ist der erreichbare Wirkungsgrad um ca. 6% Punte geringer (ηW E = ca.0, 94ηGuD ). Den Vorteilen dieses Prozesses – einfacher Aufbau und geringe Investitionskosten – stehen im Vergleich zum GuD-Prozeß als Nachteile der Wasserverbrauch und der geringere Wirkungsgrad gegen¨ uber. Die Anlagentechnik f¨ ur den STIG-Prozeß ist ausgereift, der Prozeß wird f¨ ur Anlagen bis ca. 40 MW Leistung weltweit eingesetzt. Eine weitere Prozeßvariante ist der sogenannte HAT-Prozeß 4 , bei dem zus¨atzlich zur Abw¨ arme der Gasturbine noch die durch Zwischenk¨ uhlung der Verbrennungsluft zwischen zwei Verdichterstufen entzogene W¨arme zur Dampferzeugung genutzt wird. Wie beim STIG-Prozeß wird der erzeugte Dampf in die Brennkammer eingef¨ uhrt. Wegen der Zwischenk¨ uhlung verbessert sich im Vergleich zum STIG-Prozeß der Verdichterwirkungsgrad und infolge der gr¨ oßeren Dampfmenge ergibt sich weiter eine h¨ohere Turbinenleistung. Bei einer optimierten Anlagentechnik ist zwar der resultierende Wirkungsgrad ηHAT gr¨ oßer als ηSTIG aber immer noch geringer als ηGuD . Durch die aufwendige Zwischenk¨ uhlung geht gegen¨ uber dem GuD-Prozeß der Vorteil des einfacheren Aufbaus verloren. 14.2.1.2 Kombiprozeß mit integrierter Kohlevergasung Grundlegende Voraussetzung f¨ ur den Kombiprozess mit integrierter Kohlevergasung5 ist die Bereitstellung gasturbinenvertr¨aglicher Rauchgase. Die zur Zeit in Form von Demoanlagen ausgef¨ uhrten Projekte werden bei Gasturbineneintrittstemperaturen von ca. 1 000◦ C in der Regel ohne Zusatzfeuerung betrieben. Ein vereinfachtes Blockschema der 250 MW-Anlage Bug” 3
4 5
Dieser Prozeß ist in der amerikanischen Literatur auch als Cheng- Prozeß bekannt. STIG steht f¨ ur STeam Injected Gasturbine cycle. HAT steht f¨ ur: Humid Air Turbine In der Literatur IGCC-Anlagen bezeichnet, IGCC: Integrated Gasification Combined Cycle.
356
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
genum“ [18], die 1993 in den Niederlanden in Betrieb genommen wurde, ist in Abb. 14.10 dargestellt. Dieses Kombikraftwerk, das mit einer Flugstrom-Sauerstoffvergasung der Firma Shell ausger¨ ustet ist, erreicht einen Wirkungsgrad von 43%. Die spezifischen Investitionskosten wurden mit ca. 3 400 DM/kW damaliger W¨ ahrung angegeben. F¨ ur eine ¨ ahnlich konzipierte Anlage mit 300 MW Leistung, die mit rheinischer Braunkohle betrieben werden sollte, wurden von der RWE Energie AG umfangreiche Studien durchgef¨ uhrt, aus Gr¨ unden der Wirtschaftlichkeit aber nicht weiter verfolgt. Abgas Rohkohle 80 t/h
-
Wasser
??
-
- Vergasung
6 Dampf -
Speisewasser
6
Abhitzekessel
6 Rauchgas
Rohgas
?
Speisewasser - Rohgask¨ uhler
?
Abwasser
Gasreinigung
?
Schwefel
Reingas-
Abdampf -
Dampfturbine
Kohlenstaub
Speisewasser Sauerstoff Schlacke
6
Mahltrocknung
128 MW
? Generator
Strom ≈ 250 MW
6
158 MW
Gasturbine
?
Flugstaub
Abbildung 14.10. Blockschema eines 250 MW-Kombikraftwerkes mit integrierter Kohlevergasung
14.2.1.3 Kombiprozeß mit Zusatzfeuerung Die Abgase der Gasturbinen haben noch einen Sauerstoffgehalt von 15–18%. Diese k¨ onnen nun als Sauerstofftr¨ ager f¨ ur eine Zusatzfeuerung dienen. Bei ¨ oder Gas gefeuerten Anlagen hatte sich diese L¨osung als zweckm¨aßig mit Ol erwiesen und wurde mehrfach ausgef¨ uhrt [11]. Bei mit Kohle betriebenen Zusatzfeuerungen hat es sich aus anlagentechnischen Gr¨ unden als g¨ unstiger erwiesen, die Abw¨arme aus der Gasturbine in einem separaten Abhitzekessel zu nutzen und den erzeugten Dampf vor der Mitteldruckturbine mit dem Dampfstrom aus dem Zwischen¨ uberhitzer zusammenzuf¨ uhren. Bez¨ uglich der m¨ oglichen Varianten der Zusammenf¨ uhrung, die als Verbundblock bezeichnet werden, sei auf [14] und Abb. 14.11 verwiesen. Der Wirkungsgrad eines Verbundblocks errechnet sich aus ηG Q˙ G + ηD Q˙ F + Q˙ G 1 − ηG PN + PN G D = . (14.9) ηVB = Q˙ + Q˙ Q˙ + Q˙ G
F
G
F
Hier ist Q˙ F die W¨ armeleistung der Zusatzfeuerung. ηVB wird durch die Zusatzfeuerung verbessert, wenn
14.3 Kombikraftwerke mit aufgeladener Feuerung und Heißgasreinigung
357
Erdgas
Luft
240 bar 570°C 450 kg/s G ~
G ~
600 MW
150 MW 550°C 487 kg/s
54 bar 590°C 405 kg/s 54 bar 530°C 42 kg/s 300 bar 275°C A5 - A7 25°C A4
Abhitzekessel A2, A3 A1 90°C
Abbildung 14.11. Schema eines 750 MW-Verbundblocks mit kohlegefeuertem Dampferzeuger
∂ηVB >0 ∂ Q˙
(14.10)
F
gegeben ist. Nach einigen Umformungen folgt schließlich die Bedingung ∂ηD η ≥ D ηVB − ηD . PN ∂ Q˙ F
(14.11)
D
Diese Bedingung sagt aus, daß der Wirkungsgrad des Kombiprozesses durch die Zusatzfeuerung nur dann verbessert wird, wenn sich dadurch der Wirkungsgrad des Dampfkraftprozesses st¨ arker erh¨oht als die rechte Seite von (14.11). Die Erh¨ ohung von ηD muß umso gr¨ oßer sein, je gr¨oßer die ηD und die Differenz (ηVB − ηD ) sind. Bei modernen Gasturbinen mit Eintrittstemperaullt. turen oberhalb von ca. 1 000◦ C ist (14.11) nicht mehr erf¨ Die Zusatzfeuerung mit Kohle wird bei Neuanlagen aus anderen Gr¨ unden als dem der Wirkungsgradverbesserung angewandt. Ein Gesichtspunkt ist, daß ein preiswerter bzw. immer verf¨ ugbarer Brennstoff verwendet werden kann.
14.3 Kombikraftwerke mit aufgeladener Feuerung und Heißgasreinigung 14.3.1 Allgemeines ¨ Bei dieser Variante sind Verdampfer, Uberhitzer und Zwischen¨ uberhitzer in die Brennkammer der Gasturbine integriert, und der Economizer ist hinter der
358
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
0,5 Verbundbetrieb
ηNetto [-]
0,4
Dampfprozeß
0,3
0,2 Gasturbine 0,1 0
200
400
600
800
PNetto [MW]
10 4
11
1
3
G ~
2
G ~
12 5 9 13 8
6
Abbildung 14.12. Einzel- und Summenwirkungsgrade eines Verbundblocks 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Luftansaugung Verdichter Druckwirbelschicht Heißgasentstauber Gasturbine ND-Economizer Vorw¨ armer Speisewasserbeh¨ alter Speisepumpe Dampferzeuger Turbogruppe Zwischen¨ uberhitzer Kondensator Kondensatpumpe
7 14
Abbildung 14.13. Kombianlage mit Druckwirbelschichtfeuerung
Gasturbine angeordnet, vgl. Abb. 14.13. Es besteht eine gemeinsame Feuerung f¨ ur die Gasturbine und den Dampfteil. Der Vorteil des Prozesses besteht in der kompakten Bauweise, denn bei h¨ oheren Dr¨ ucken ist wegen der gr¨ oßeren Massenstromdichte der gasseitige W¨ arme¨ ubergang besser und demzufolge die erforderliche W¨armeaustauscherfl¨ ache geringer. Als verfahrenstechnischer Vorteil kommt hinzu, daß wegen des W¨ armeabbaus in der Brennkammer die Eintrittstemperatur in die Gasturbine ohne einen zus¨ atzlichen Luft¨ uberschuß erreicht werden kann. Der Luft¨ uberschuß kann vielmehr nach den Erfordernissen der Feuerung eingestellt werden. Nach Austritt aus dem Dampferzeuger werden die unter Druck stehenden Verbrennungsgase zur Gasturbine geleitet. Vor dem Eintritt in diese sind mit Heißgasfiltern die Ballaststoffe bis auf zul¨assige Restmengen zu entfer-
14.3 Kombikraftwerke mit aufgeladener Feuerung und Heißgasreinigung
359
nen. Zur L¨ osung dieser Aufgabe werden mechanische Filter in der Form von Zyklonabscheidern und keramischen Kerzenfiltern verwendet. Da mit diesen Einrichtungen die Anforderungen der bestehenden Hochtemperaturgasturbinen nur schwer erf¨ ullbar erscheinen, wird an der Entwicklung verschleißfester Gasturbinen gearbeitet, f¨ ur die ein h¨ oherer Staubgehalt zul¨assig ist. Die Anforderungen bzgl. der Gasreinheit k¨onnen allerdings auch durch ¨ Ubergang auf den geschlossenen Gasturbinenprozeß erf¨ ullt werden. Bei diesem erfolgt die W¨ armezufuhr an das Arbeitsmittel vor der Turbine mit einem W¨ armeaustauscher. Hinter der Turbine durchstr¨omt das Arbeitsmittel einen K¨ uhler und wird danach wieder vom Verdichter angesaugt. Die Komponenten dieses Prozesses (Verdichter, W¨ armeaustauscher, Turbine und K¨ uhler) entsprechen den Komponenten einer Dampfkraftanlage [7]. 14.3.2 Anlagen mit aufgeladener Wirbelschicht Bei diesem Anlagenkonzept ist der direkte Einsatz von Kohle bei einem Kombikraftwerk m¨ oglich. Sie wird dazu als Kohle/Wasser-Suspension mit Pumpen in die unter einem Druck von ca. 12 bar stehende Wirbelschicht eingebracht. In dieser laufen zum einen die Verbrennungsreaktionen ab, und zum anderen wird durch Kalkzugabe der Brennstoffschwefel gebunden. Durch eine geeignete Reaktionsf¨ uhrung wird eine geringe NOx -Bildung sichergestellt und mit Tauchheizfl¨ achen in der Wirbelschicht die zul¨ assige Temperatur von ca. 850◦ C f¨ ur die Schwefeleinbindung eingehalten. Die abgef¨ uhrte W¨arme dient zusammen mit der Abgasw¨ arme aus der Gasturbine zum Betreiben eines hochwertigen Dampfkraftprozesses, vgl. das Anlagenschema in Abb. 14.13 sowie [7] und [1]. Vorteile des Konzeptes bestehen hinsichtlich der kompakten Bauweise und in der Integration der Umweltschutzmaßnahmen. Ein Nachteil ist die Begrenzung der Gasturbineneintrittstemperatur durch die Wirbelschicht, in der wegen der Schwefeleinbindung eine Temperatur von ca. 850◦ C einzuhalten ist. Wegen dieser Temperaturgrenze kann das Wirkungsgradpotential nicht voll ausgenutzt werden. Die erreichbaren Wirkungsgrade liegen bei 43% und damit im Bereich der Dampfkraftwerke, vgl. Abb. 14.14. Zur Zeit sind drei Druckwirbelschicht-Kombianlagen mit einer elektrischen Leistung von jeweils 70 MW im Bau oder in Betrieb. Die erste dieser Anlagen wird seit 1992 von den Stadtwerken Stockholm zur Kraft-W¨arme-Kopplung eingesetzt. 14.3.3 Anlagen mit aufgeladenen Staubfeuerungen ¨ Eine gewisse Vereinfachung der Prozeßkette bei einem gleichzeitigen Ubergang auf noch h¨ ohere Eintrittstemperaturen in die Gasturbine bietet eine unter Druck arbeitende Schmelzkammerfeuerung. Dabei wird wie bei ¨ol- und gasgefeuerten Brennkammern das Heißgas direkt zur Turbine gef¨ uhrt. Bei diesem
360
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken 1 Dampfkraftprozeß
50 4
h [%]
2 Kombikraftwerk mit Druckwirbelschicht
5
45
3 Kombikraftwerk mit Kohlevergasung
3
4 Kombikraftwerk mit Erdgasfeuerung
2
40
5 Kombikraftwerk mit Druckschmelzfeuerung
1
35 700
1100
900
JE [°C] 1300
Abbildung 14.14. Wirkungsgrad von Kombiprozessen als Funktion der Gasturbineneintrittstemperatur. Der Bereich f¨ ur den Dampfkraftprozeß ist nur zum Vergleich aufgef¨ uhrt flüssige Schlacke Kalk
2 9
Kamin
5 6 1
G ~
4
G ~
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Verdichter Brennkammer Staubfilter Gasturbine Abhitzekessel Dampfturbine Kondensator Speisepumpe ¨ Uberhitzer
88 3 Flugasche
7
Abbildung 14.15. Schema eines Kombikraftwerkes mit aufgeladener Schmelzkammerfeuerung
Anlagenkonzept sind zur Entfernung der Schadgase am kalten Ende“ REA” und DeNOx-Anlagen vorzusehen, vgl. Abb.14.15. Ein großtechnisch noch nicht gel¨ ostes Problem ist dabei allerdings die Filtrierung der Rauchgase, die bei hoher Temperatur zu erfolgen hat und die trotzdem ausreichend sein muß, um Korrosionen und Erosionen in der Gasturbine zu vermeiden. Bei der Schmelzkammer wird die Heißgasreinigung noch dadurch erschwert, daß sich die Ascheanteile noch im fl¨ ussigen Zustand befinden. Bez¨ uglich des Entwicklungsstandes sei auf die Literatur verwiesen [13].
14.4 Andere Vorschaltprozesse
361
14.4 Andere Vorschaltprozesse 14.4.1 Allgemeines Der Erh¨ ohung des Frischdampfzustandes beim Dampfkraft-Prozeß sind wegen des gleichzeitigen Auftretens hoher Temperaturen und hoher Dr¨ ucke aus Werkstoffgr¨ unden Grenzen gesetzt. Eine M¨ oglichkeit zur Erh¨ohung der Frischdampftemperatur besteht nun darin, Arbeitsmittel mit einem niedrigeren Dampfdruck als Wasser zu verwenden. An diese sind folgende Anforderungen zu stellen: • Sie m¨ ussen u ochste Prozeßtemperatur hinaus chemisch stabil sein, ¨ber die h¨ • sie d¨ urfen nicht aggressiv gegen die Werkstoffe von Kessel und Turbine sein, • der h¨ ochsten Prozeßtemperatur darf ein nicht zu hoher und der niedrigsten ein nicht zu geringer S¨ attigungsdruck entsprechen. Obgleich im Prinzip eine Reihe von Stoffen als Arbeitsmittel in Frage kommen, bleiben nach genauerer Untersuchung allein Quecksilber, Kalium und C¨asium u ¨brig. Bei den anderen Stoffen handelt es sich um organische Substanzen, die bei hohen Temperaturen zerfallen, oder es sind anorganische Verbindungen, die stark korrosiv wirken. Die Verwendung von Quecksilber als Arbeitsmittel wurde bereits um die Jahrhundertwende vorgeschlagen. In den USA wurden von 1917 bis 1948 insgesamt sieben Quecksilber-Dampfkraftwerke errichtet. Das letzte davon wurde bis 1968 betrieben. Obwohl sich diese Anlagen im Betrieb bew¨ahrten, ergaben sich technische und praktische Gr¨ unde, die eine Weiterentwicklung nicht ratsam erscheinen lassen: • Bei Temperaturen u ¨ber 620◦ C ergeben sich nicht akzeptable Korrosionsraten f¨ ur Chrom-Nickel-St¨ ahle. Mit dieser Temperaturgrenze ist der Vorteil gegen¨ uber dem klassischen Kraftwerksprozeß nur gering. • F¨ ur eine 500 MW-Anlage wird eine Quecksilbermenge von 1,8 · 106 kg ben¨ otigt; dies ist ca. 20% der Weltjahresproduktion. • Quecksilberd¨ampfe sind hochgiftig. C¨ asium scheidet f¨ ur absehbare Zeit wegen seines hohen Preises als Arbeitsmittel aus, so daß als Alternative Kalium u ¨brigbleibt. 14.4.2 Zweistoff-Kraftwerksprozesse mit Kalium und Wasser Dieser Kraftwerksprozeß besteht aus zwei gekoppelten Kreisl¨aufen mit Kalium und Wasser als Arbeitsmittel, vgl. [12]. Der Prozeß ist in Abb. 14.16 im Schaltbild und in Abb. 14.17 im T,s-Diagramm dargestellt. Die Verdampfung des Kaliums erfolgt bei einem Druck von 2,3 bar und einer Temperatur von 850◦ C. Die Zusammenf¨ uhrung mit dem Wasser/Dampfprozeß geschieht im Kondensator des Kalium-Prozesses, der gleichzeitig Verdampfer des Wasserteils ist. Bei optimaler Abstimmung betr¨agt das
362
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken 8 5
1
6
850°C 2,2 bar
530°C 200 bar
4
400 MW 9
7
G ~
200 MW Luft 2
G ~
3
15
Kamin
Kohle 10
14
13
12
560°C 0,6 bar
1 2 3 4 5
Kaliumkreislauf Kaliumverdampfer Kaliumturbine Kaliumkondensator Wasserkreislauf
6 7 8 9 10
11
¨ Verdampfer/Uberhitzer HD-Turbine Zwischen¨ uberhitzer ND-Turbine Kondensator
11 12 13 14 15
Kondensatpumpe Vorw¨ armer Speisewasserbeh¨ alter Speisepumpe Economizer
Abbildung 14.16. Schaltschema eines Kalium-Wasserdampfprozesses
T
850°C 2,2bar Kalium 560°C 0,7bar
Wasser/Dampf 45°C
530°C
s
Abbildung 14.17. T,s-Diagramm eines Kalium-Wasser-Dampfkraftprozesses (schematisch)
Verh¨ altnis der Leistungsabgabe des Kaliumkreislaufs zu der des Dampfkreislaufs 1:2. Es ergibt sich ein Nettowirkungsgrad von 48%. Trotz des hohen Wirkungsgrades ist es aber nicht sicher, ob eine solche Anlage wirtschaftliche Vorteile br¨ achte. Dies liegt vor allem am erforderlichen Einsatz von teilweise nicht gut bekannten austenitischen Werkstoffen f¨ ur Teile des Kaliumkreises und der auch damit zusammenh¨angenden Frage nach der Verf¨ ugbarkeit.
14.5 Energiespeicherung mit Luftspeicher-Gasturbinenkraftwerken
363
14.5 Energiespeicherung mit LuftspeicherGasturbinenkraftwerken Aus dem Gasturbinenprozeß kann ein im Prinzip sehr einfaches Verfahren hergeleitet werden, um Energie in einer f¨ ur die Stromerzeugung geeigneten Form zu speichern. Es besteht darin, komprimierte Luft in ein unterirdisches Reservoir zu pumpen. W¨ ahrend des Spitzenbedarfs wird diese Luft benutzt, um einen Gasturbinenprozeß zu betreiben. Zur Veranschaulichung ist der Prozeß in den Abbildungen 14.18 und 14.19 dargestellt.
1
6 d
a
G/M c
2
f
5
b
a b c d e f
Verdichter Luftk¨ uhler Motor/Generator Turbine Schieber Brennkammer
4 Brennstoff e
e
Luftspeicher
3
Abbildung 14.18. Schema eines Luftspeicherkraftwerks
Der normale Gasturbinenprozeß kann in die Teilschritte Verdichtung der Verbrennungsluft und Entspannung der Verbrennungsgase aufgeteilt werden. Beim Luftspeicherkraftwerk werden diese Teilprozesse zeitlich entkoppelt. Die Verdichtung erfolgt dabei zu Schwachlastzeiten des Hochspannungsnetzes, um billigen Grundlaststrom auszunutzen. Zu Spitzenlastzeiten kann dann die Speicherluft als Verbrennungsluft f¨ ur eine Gasturbinenbrennkammer verwendet werden. Durch Entspannen der Verbrennungsgase in einer Turbine kann mechanische Energie f¨ ur den Antrieb eines Generators bereitgestellt werden. Da die Verdichterarbeit etwa 60% der gewonnenen Turbinenarbeit erfordert, kann so f¨ ur eine beschr¨ ankte Zeit etwa das 2,5-fache an Leistung bei gleicher Turbinengr¨ oße an das Netz abgegeben werden. Ein Unterschied zum gew¨ ohnlichen Gasturbinenprozeß besteht darin, daß die verdichtete Luft nach dem Verdichter vor der Einspeicherung in die unterirdische Kaverne auf Temperaturen unter ca. 60◦ C abgek¨ uhlt werden muß. In der Kaverne k¨ uhlt sich dann die Luft weiter auf die Temperatur des Erdreichs ab. In der Brennkammer ist deshalb zus¨ atzlich eine Aufw¨armung erforderlich. Dies kann allerdings auch durch regenerativen W¨armeaustausch mit den Turbinenabgasen geschehen.
364
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
T 5
2 6
3 4
1
s
Abbildung 14.19. h,s-Diagramm f¨ ur ein Luftspeicherkraftwerk
Um m¨ oglichst viel Energie in einem vorgegebenen Volumen zu speichern, wird die Luft in der Kaverne auf ca. 70 bar verdichtet. Bei einer adiabaten Verdichtung w¨ urde sich die Luft auf eine Temperatur von etwa 800◦ C erw¨ armen. Daraus w¨ urde sich zum einen eine hohe Verdichtungsarbeit und zum anderen eine hohe Beanspruchung der Verdichterbauteile ergeben. Um beides zu vermeiden, wird die Zwischenk¨ uhlung beim Verdichter angewandt und die Temperatur nach der Verdichtung auf ca. 250◦ C gehalten. Zur optimalen Ausnutzung des zur Verf¨ ugung stehenden Druckgef¨alles erfolgt die Entspannung in zwei Stufen: mit einer HD- und einer ND-Turbine mit Zwischen¨ uberhitzung. Die Berechnung des Wirkungsgrades kann unter Beachtung der Besonderheiten nach Abschn. 3.4 erfolgen. Aber bereits die ¨ hier durchgef¨ uhrten Uberlegungen zeigen, daß der Wirkungsgrad dem eines offenen Gasturbinenprozesses entspricht. Verglichen mit der Energiespeicherung in einem Wasserpumpwerk hat dieses Prinzip im wesentlichen drei Vorteile: • Die Energiespeicherung pro Volumen ist gr¨oßer, • es kommen mehr geologische Formationen wie z.B. Salzst¨ocke und Kavernen in Felsgestein in Frage, und • der Landverbrauch ist gering. Die erste kommerzielle Speicheranlage, die nach dem hier beschriebenen Prinzip arbeitet, steht in der N¨ ahe von Oldenburg. Als Speicher werden Kavernen in einem Salzstock mit einem Volumen von 3·105 m3 verwendet. In diesen Kavernen wird die Luft bei 70 bar gespeichert. Die Anlage kann bei einer zul¨assigen Druckabsenkungsgeschwindigkeit von 10 bar/h etwa 2 Stunden lang eine Leistung von 290 MW abgeben. Als Energieaufwand f¨ ur jede abgegebene Kilowattstunde sind dabei 0,8 kWh elektrischer Energie f¨ ur die Verdichtung der Luft und 1,6 kWh an Brennstoffenergie f¨ ur die W¨armezufuhr in der Brenn¨ kammer erforderlich. Die Anlage ist seit 1979 in Betrieb [9]. Uber in den USA geplante und ausgef¨ uhrte Anlagen wird in [2] berichtet.
Literatur
365
14.6 Fazit Die Kombination des Gasturbinen- mit dem Wasserdampfprozeß ergibt im Vergleich zu beiden Einzelprozessen eine Verbesserung des Umwandlungswirkungsgrades um 5 bis 10 Prozentpunkte. Die Nutzung von Kohle ist dabei mit zwei unterschiedlichen Anlagentypen m¨ oglich: • durch Integration einer Kohlevergasungsanlage und • durch Verwendung einer druckbefeuerten Brennkammer. Zur optimalen Aussch¨ opfung des Wirkungsgradpotentials ist f¨ ur beide Typen noch die Heißgasentstaubung f¨ ur den großtechnischen Einsatz zu entwickeln. Wenn auch bei der Druckfeuerung noch grunds¨atzliche Forschungsarbeiten zu leisten sind, besteht kein Zweifel an der Eignung von Gasturbinen f¨ ur den Einsatz in kohlegefeuerten Kombikraftwerken. Aufgrund der Wirkungsgradverbesserung ergibt sich eine bedeutende Verminderung der Umweltbelastung. Eine zu den Kombiprozessen verwandte L¨osung ist der Zweistoff-Dampfkraftprozeß. Zur Erreichung von hohen Wirkungsgraden sind allerdings Temperaturen im Bereich von 800–900◦ C notwendig, was zu den bekannten Werkstoffproblemen f¨ uhrt. Durch eine zeitliche Entkoppelung des Verdichter- und Turbinenbetriebs und Zwischenspeicherung der verdichteten Luft kann mit dem Gasturbinenprozeß eine Energiespeicherung durchgef¨ uhrt werden. Solchen Speicheranlagen kommt im Hinblick auf die Nutzung regenerativer Energiequellen in Zukunft gr¨ oßere Bedeutung zu.
Literatur 1. Bunthoff, D., Meier, H.J.: Umweltfreundliches Kraftwerk mit Druckwirbelschichtfeuerung. VGB Kraftwerkstechnik 67, 751–757 (1987) 2. Clausen, B.R., Schainker, R.B.: Compressed air energy storage demonstration plant. Proc. Amer. Power Conf. 49, 204–208 (1987) 3. Friedrich, R.: Das Vorbild der heutigen Gasturbine. VGB Kaftwerkstechnik 70, 995–999, (1990) 4. H¨ ubner, K., Pavone, D., Schmidt, D. und Weber, E.: M¨ oglichkeiten der Gas˙ reinigung im temperaturbereich oberhalb 1000 ◦ CVGB Kraftwerkstechnik 68, 931–935 (1998) 5. Dibelius, G., Pitt, R., Ziemann, M.: Die Gasturbine im Wandel technologischer und wirtschaftlicher Entwicklungen. VGB Kraftwerkstechnik 61, 75–82 (1981) 6. Peter, F., K¨ onig, H.-H., Sch¨ uller, K.H.: Stand und Entwicklung der Technik thermischer Kraftwerke. BWK 33, 207–215 (1981) 7. Croonenbrock, R.: Druckaufgeladene Wirbelschichtfeuerungen – Erfahrungen und Konzepte f¨ ur gr¨ oßere Einheitsleistung. Jahrbuch der Dampferzeugertechnik, 6. Ausgabe. Vulkan, Essen 1989, 46–60 8. Franke, U.: Gasturbinenkonzepte mit Wassereinsatz. VGB Kraftwerkstechnik 73, 125–129 (1993)
366
14 Nutzung fossiler Brennstoffe in Gas– und Dampfturbinenkraftwerken
9. Herbst, H.-C., Maaß, P.: Das 290 MW-Luftspeicher-Gasturbinenkraftwerk Huntorf – Bau, Inbetriebnahme, Betriebserfahrungen. VGB Kraftwerkstechnik 60, 174–187 (1980) 10. Kail, Chr.: Analyse von Kraftwerksprozessen mit Gasturbinen unter energetischen, exergetischen und ¨ okonoischen Aspekten. Dissertation TU M¨ unchen (1998) 11. L¨ ohle, H.: Der kombinierte Gas-Dampfturbinenblock Altbach der Neckarwerke – Auslegung, Fahrweise und erste Betriebsbew¨ ahrung. VGB Kraftwerkstechnik 53, 579–592 (1973) 12. v. Lojewski, D., Urban, H.: Der Zweistoff-Dampfprozeß mit Kalium/WasserDampfkreislauf. Jahrbuch der Dampferzeugertechnik, 6. Ausgabe. Vulkan, Essen 1989, 79–99 13. Preußer, G., Spindler, K.: Kohlenstaubdruckfeuerung – Stand, Wirkungsgrad und Entwicklungsziele. VGB Kraftwerkstechnik 68, 917–921 (1988) 14. Rieder, J., Hesse, H.-G., P¨ ohler, F., Sigg, J.: Kraftwerk Franken II, 3. Ausbau, Verbundblock mit 750 MW. VGB Kraftwerkstechnik 75, 181–190 (1995) 15. Thomlinson, L.O., Anderson, R.O., Smith, R.W.: GE-STAG Combined cycle power plant. Proc. Amer. Power Conf. 49, 129–138 (1987) 16. Traupel, W.: Thermische Turbomaschinen, 2 B¨ ande. Springer, Berlin Heidelberg New York 1977 17. Weinzierl, K.: Weiterentwicklung des kombinierten Gas-/Dampfturbinenkraftwerkes (GKD) mit integrierter Kohlevergasung. VGB Kraftwerkstechnik 69, 635–640 (1989) 18. Zon, G.D., de Winter, H.M.J., Willeboer, W.: Kohlevergasung im Dienste der Stromerzeugung: die Demo-KV STEG. VGB Kraftwerkstechnik 74, 436–441 (1994)
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
15.1 Einleitung Die Entwicklung alternativer Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe wird mit dem Ziel durchgef¨ uhrt, den Umwandlungswirkungsgrad in elektrische Energie zu verbessern und die Prozeßtechnik zu vereinfachen. Bei den in den vorhergehenden Kapiteln betrachteten Prozessen f¨ uhrt man die jeweilige Prim¨ arenergie zun¨ achst in W¨ arme u ¨ber. In einem weiteren Schritt wird dann die W¨ arme mittels eines thermodynamischen Kreisprozesses in mechanische Arbeit umgewandelt. Der thermische Wirkungsgrad des Umwandlungsprozesses ist dabei durch den 2. Hauptsatz in der Form des Carnot-Faktors ηC begrenzt, welcher vom Verh¨ altnis der Temperaturen von der W¨armeabfuhr zur W¨ armezufuhr gem¨ aß (3.10) abh¨ angt. Zur Erreichung hoher Wirkungsgrade bestehen zwei M¨oglichkeiten: • Es werden Umwandlungsprozesse gew¨ ahlt, bei denen der Zwischenschritt u armeenergie vermieden, oder ¨ber die W¨ • das Temperaturverh¨ altnis minimiert wird.
15.2 Brennstoffzellen 15.2.1 Allgemeines Nach dem 2. Hauptsatz ist der Wirkungsgrad der Energieumwandlung am h¨ ochsten, wenn sie auf reversiblem Weg erfolgt. Bei dem Weg u ¨ber die Verbrennung wird die Irreversibilit¨ at durch den unkontrollierten Elektronenaustausch zwischen den Reaktionspartnern bei der Verbrennung verursacht. Der Elektronenaustausch kann auf kontrolliertem Weg vorgenommen werden, wenn die Brennkammer durch eine Elektrolysezelle ersetzt wird. In solchen Zellen werden die Elektronen u ¨ber einen Leiter ausgetauscht, der direkt mit einem Verbraucher elektrischer Energie verbunden ist. Die chemische Energie
368
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
des Brennstoffes wird direkt in elektrische Energie umgewandelt. Energieumwandlungssysteme, die nach diesem Prinzip arbeiten, nennt man Brennstoffzellen. Der Aufbau einer solchen Zelle ist in Abb. 15.1 schematisch dargestellt.
U
U
RA
I Uo
tan a= Ri
a
I
Abbildung 15.1. Schematischer Aufbau einer H2 /O2 Brennstoffzelle: Rechts: Ideale Spannung–Strom Kennlinie
Bei einer Wasserstoff-Sauerstoffzelle wird der Wasserstoff auf der Oberfl¨ ache der Anode durch Einwirkung von W¨ arme oder durch die katalytischen Eigenschaften des Anodenmaterials ionisiert. Zwischen Anode und Kathode besteht eine Potentialdifferenz, so daß freie Elektronen durch den ¨außeren Leiter und den Verbraucher zur Kathode wandern und dabei Arbeit leisten k¨ onnen. Die Wasserstoffionen verbinden sich schließlich an der Oberfl¨ache der Kathode mit den OH-Ionen zu Wasser: Anodenreaktion
H2
−→ 2 H+ + 2 e−
1 O2 + H2 O + 2 e− −→ 2 OH− 2 1 Zellreaktion H2 + O2 −→ H2 O 2 Die Summenreaktion entspricht der gew¨ ohnlichen Wasserstoffverbrennung. Als Katalysatoren dienen Platin, Nickel und Silber, als Elektrolyt werden osungen verwendet. F¨ ur einen station¨aren Betrieb muß KOH- oder H3 PO4 -L¨ dem System st¨ andig Wasserstoff und Sauerstoff zugef¨ uhrt werden. Das entstehende Wasser ist in geeigneter Weise abzuf¨ uhren. Die Umwandlung von chemischer in elektrische Energie erfolgt hier isotherm, z.B. bei Umgebungstemperatur. Man spricht deshalb auch von einer kalten Verbrennung. Brennstoffzellen sind demnach keine W¨armekraftmaschinen und ihr Wirkungsgrad ist nicht durch den Carnot-Faktor begrenzt. Kathodenreaktion
15.2 Brennstoffzellen
369
Wichtig f¨ ur die Funktion der Zelle ist, daß die Elektroden feine Poren aufweisen. Durch die Poren k¨ onnen der Wasserstoff und der Sauerstoff durch die Elektroden diffundieren und schließlich in Gegenwart des Elektrolyten unter Freisetzung von elektrischer Energie zu Wasser reagieren. Das Konzept der Brennstoffzelle wurde 1938 von Sch¨onbein 1 und 1839 von Grove2 entdeckt und ist damit genauso alt wie die Dynamomaschine zur Umwandlung von mechanischer Energie in Strom. Sch¨onbein hatte gefunden, daß zwischen zwei in eine Elektrolytl¨ osung eintauchenden Platinelektroden ein elektrischer Strom fließt, wenn in die L¨ osung Wasserstoff und Sauerstoff eingebracht werden. Das Arbeitsprinzip der Brennstoffzelle ist erstaunlich einfach. Bei der technischen Realisierung haben sich aber derartige Schwierigkeiten ergeben, daß die Vorteile des hohen Wirkungsgrades und der Einfachheit der Anordnung bisher aufgewogen wurden. 15.2.2 Thermodynamik der Brennstoffzelle Die Brennstoffzelle ist ein offenes thermodynamisches System, in dem die Energiewandlung durch W¨ armeaustausch mit der Umgebung als isothermer Prozeß abl¨ auft, vgl. Abb. 15.2. Die Einsatzstoffe und Reaktionsprodukte werden bei konstanter Temperatur und konstantem Druck zu- bzw. abgef¨ uhrt. Q˙ ab
Pel
6
m ˙H
2
m ˙O
2
-
6
-m ˙H
Brennstoffzelle
2O
6 Systemgrenze Q˙ zu
Abbildung 15.2. Massen- und Energiestr¨ ome bei einer H2 /O2 Brennstoffzelle
Die bei der Oxidation des Brennstoffes freiwerdende Enthalpiedifferenz (Heizwert) kann nach den S¨ atzen der Thermodynamik in andere Energieformen u uhrt werden. Aus dem 1. Hauptsatz folgt ¨berf¨ dh = dq + V dp = T ds + dw .
(15.1)
dw ist die der Zelle entnehmbare Arbeit, f¨ ur die bei isothermer Prozeßf¨ uhrung 1
2
Christian Friedrich Sch¨ onbein (1799 bis 1868; damals Professor an der Universit¨ at Basel) William Grove (1811–1896).
370
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
dw = (dh − T ds)
T = const
= d (h − T s)
T = const
= dg
(15.2)
gilt. g bezeichnet die spezifische freie Enthalpie (Gibb’sches Potential). Die gewinnbare Arbeit h¨ angt noch davon ab, ob das Reaktionsprodukt gasf¨ormig oder fl¨ ussig ist, d.h. der Heiz- oder Brennwert gewonnen werden kann, und bei welcher Temperatur der Prozeß abl¨ auft. F¨ ur eine Wasserstoffzelle mit fl¨ ussigem Endprodukt bei 300 K ergibt sich die spezifische Arbeit ∆w = −1,18 · 105 kJ/kg, die nach 1 ∆w = hH O(l) − hH + hO − 2 2 2 2 1 T sH O(l) − sH + sO = ∆g (15.3) 2 2 2 2 berechnet wird. Die Zahlenwerte f¨ ur die spezifische Enthalpie und Entropie k¨ onnen z.B. aus [1] und einschl¨ agigen Handb¨ uchern entnommen werden. Aus (15.2) kann der thermodynamische Wirkungsgrad der Brennstoffzelle bestimmt werden: T ∆sT = const ∆g freie Enthalpie ∆w ηth = = =1− = . (15.4) ∆h ∆h ∆h Reaktionsenthalpie Da nach der Definition die Reaktionsenthalpie ∆h – dies ist bei einer Verbrennungsreaktion der negativ gerechnete Heizwert – f¨ ur einen energieliefernden Prozeß negativ ist, kann bei einer positiven Reaktionsentropie ηth gr¨oßer als Eins werden. Es wird dabei W¨ arme aus der Umgebung aufgenommen und in elektrische Energie umgewandelt. Dies tritt bei realen Zellen jedoch nicht auf, da bei Strombelastung aufgrund des inneren Widerstands Joule’sche W¨arme entsteht und die Zelle sich aufheizt. F¨ ur eine Wasserstoffzelle folgt bei 300 K, 1 bar und fl¨ ussigem Endprodukt mit ∆h = −1,42 · 105 kJ/kg ηth(l) = 0,83. Bezieht man die Energieumwandlung auf den Heizwert, legt also gasf¨ormige Endprodukte zugrunde, erg¨ abe sich ηth(g) = 0,94. Die der Brennstoffzelle entnehmbare Arbeit kann auch aus der Zellspannung U0 und der Ladungsmenge dQ bestimmt werden. Pro H2 -Molek¨ ul werden n = 2 Elementarladungen e = 1,602 · 10−19 C transportiert. Dies ergibt pro mol H2 die Energie ∆g = n NA e U0 = n F U0 .
(15.5)
Hier ist n die Zahl der Ladungstr¨ ager pro Molek¨ ul, NA = 6,023 · 1023 die Avogadro- oder Loschmidt-Zahl und F = 9,649 · 104 C/mol die FaradayKonstante. Aus (15.2) und (15.5) kann die Zellspannung
15.2 Brennstoffzellen
371
(∆h − T ∆s) ∆g T = const = (15.6) nF nF bestimmt werden. F¨ ur die Wasserstoffzelle mit fl¨ ussigem Endprodukt ergibt sich damit bei 300 K und n = 2 U0 =
U0 = −1,23 V. U0 ist die Ruhe- oder Leerlaufspannung beim Strom Null. Wenn ein Strom I fließt, vermindert sich die abgreifbare Klemmenspannung um das Produkt aus dem inneren Widerstand RI der Brennstoffzelle und dem Strom I. F¨ ur die Klemmenspannung U gilt dann: U = U0 − RI I.
(15.7)
In Tabelle 15.1 sind die thermodynamischen Daten einer H2 /O2 -Zelle zusammengestellt. Bemerkenswert ist, daß der thermodynamische Wirkungsgrad bei gasf¨ ormigem Endprodukt h¨ oher als beim fl¨ ussigen ist. Tabelle 15.1. Enthalpie, freie Enthalpie, Zellspannung und thermodynamischer Wirkungsgrad einer Wasserstoffzelle als Funktion der Temperatur Endprodukt
T [K]
∆h ∆g U0 [kJ/mol] [kJ/mol] [V]
ηth [–]
ηa C [–]
gasf¨ ormig
300 400 500 1 000 2 000
-242,0 -243,0 -243,9 -247,8 -252,2
-228,7 -224,0 -219,2 -192,7 -135,2
-1,19 -1,16 -1,14 -1,00 -0,70
0,94 0,92 0,90 0,78 0,54
0 0,25 0,40 0,70 0,85
300 373
-285,8 -283,3
-237,4 -220,4
-1,23 -1,14
0,83 0,78
0 0,20
߬ ussig
a
ηC = 1 − T0 /T und T0 = 300 K.
Leistung einer Brennstoffzelle: Wir betrachten die in Abb. 15.1 dargestellte Schaltung einer Brennsstoffzelle mit einem inneren Widerstand RI und dem ¨ außeren Widerstand RA . Es ist klar, daß durch den Spannungsabfall am Innenwiderstand der Zelle Abw¨arme erzeugt wird, die den Wirkungsgrad mindert und aus der Zelle abgef¨ uhrt werden muß. Die entnehmbare Leistung der Zelle errechnet sich aus dem Produkt aus abgreifbarer Spannung und Stromst¨ arke: P = U I. Dabei gilt f¨ ur die Spannung U und die Stromst¨ arke I: U = U0 − RI I = RA I
und I =
U0 . RI + RA
(15.8)
372
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
Damit folgt f¨ ur die Leistung: P = (U0 − RI I)I = RA I 2 =
RA U0 2 . (RI + RA )2
(15.9)
Man sieht, daß f¨ ur RA = 0 und RA → ∞ die Leistung P = 0 ist, da entweder U oder I gleich Null ist. Dazwischen liegt f¨ ur RA = RI ein Maximum f¨ ur die Leistung Pmax =
U02 4RI
mit
I=
U0 2RI
und U =
U0 . 2
(15.10)
F¨ ur den theoretischen Spannungswirkungsgrad folgt aus 15.8: ηSp =
RI I U =1− . U0 U0
(15.11)
Bei geringen Leistungen (Str¨ omen) n¨ ahert sich ηSp dem Wert 1, bei maximaler Leistung ist ηSp = 0,5. Der real erreichbare Spannungswirkungsgrad ist wegen folgender Effekte geringer als ηSp nach 15.11: 1. In der N¨ ahe von I=0 gibt es einen steilen Spannungsabfall, bevor die Strom-Spannungskennlinie durch den linearen Ansatz 15.8 angen¨ahert werden kann, vgl. Abb.15.3. Dies beruht auf Sekund¨areffekten, Abschirmung der Elektroden durch Raumladungen, Entstehung anderer Komponenten (H2 O2 ) etc., die hier nicht weiter diskutiert werden sollen. Der theoretische Spannungswirkungsgrad 15.11 wird ersetzt durch: ηU =
tats¨achliche Zellspannung U = . reversible Zellspannung U0
(15.12)
2. Bei realen Zellen wird nicht der gesamte zugef¨ uhrte Brennstoff genutzt, dies wird durch einen Brenngasnutzungsgrad erfaßt: ηB =
genutzte Brenngasmenge . zugef¨ uhrte Brenngasmenge
(15.13)
3. F¨ ur den Gesamtwirkungsgrad ist weiter der Energiebedarf f¨ ur die Brennstoffaufbereitung, die K¨ uhlung der Zelle sowie die Zu- und Abfuhr der Stoffstr¨ ome zu ber¨ ucksichtigen. Dies wird durch einen Verlustwirkungsgrad ηV erfaßt. Der Gesamtwirkungsgrad einer Brennstoffzelle ηBZ schreibt sich dann wie folgt: ηBZ = ηth ηU ηB ηV .
(15.14)
Ein Nachteil der Brennstoffzellen ist die auf den Zellenquerschnitt bezogene geringe Energiedichte von ca. 1 Watt/cm2 oder 10 kW/m2 . F¨ ur einen Antrieb mit 60 kW ist damit eine Zelle mit 6 m2 Querschnittsfl¨ache erforderlich. Man hilft sich damit, daß man Zellen mit einer Querschnittsfl¨ache von ca. 100 unschte Spannung und Leistung zu cm2 hintereinanderschaltet, um die gew¨
15.2 Brennstoffzellen
373
Zellspannung V
1,0 0,8
0,6
Sauerstoff Luft
0,4 0,2
0,0
0
500
1000
1500
Stromdichte mA/cm2
Abbildung 15.3. StromSpannungskennlinie einer kommerziellen Brennstoffzelle.
erhalten. Im Falle eines 60 kW Antriebs sind 600 Zellen erforderlich, die mit Brennstoff und Sauerstoff versorgt werden m¨ ussen sowie mit elektrische Leitern zu verbinden sind. Beispiel 15.1. Eine H2 /O2 -Zelle wird bei einer Temperatur von 300 K betrieben und verbraucht pro Stunde 1 kg Wasserstoff. Das Produkt der Teilwirkungsgrade ηU , ηB und ηV betrage 0,55 und als Endprodukt f¨ allt Wasserdampf an. Man bestimme die Leistung der Zelle und den abzuf¨ uhrenden W¨ armestrom. L¨ osung. Nach Tabelle 15.1 ist ∆H = −242,0 kJ/mol und ∆G = −228,7 kJ/mol. Die reversibel zu gewinnende Leistung ergibt sich nach Gl. 15.2 aus der freien Enthalpie. Mit (MH = 2,016 kg/kmol) folgt: 2
P = ∆G
m ˙H
2
MH
= −31,51 kW.
2
Der thermische Wikungsgrad ergibt sich zu ηth =
∆G = 0,945. ∆H
F¨ ur den Gesamtwirkungsgrad folgt mit Gl. 15.14 ηBZ ≈ ηth ηU ηB ηV = 0,519. Es folgt die reale Zellenleistung Pr = ηBZ P = −16,35 kW und die abzuf¨ uhrende W¨ arme
Q˙ ab = 1 − ηBZ P = 15,16 kW.
374
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
Tabelle 15.2. Typen von Brennstoffzellen AFC PAFC PEFC MCFC SOFC
Alkalische Brennstoffzelle (Alkaline Fuel Cell) Phosphorsaure-BZ (Phosphoric Acid FC) Polymerelektrolyt-BZ (Proton Exchange Membrane FC) Carbonatschmelzen-BZ (Molten Carbonate FC) Festoxid-BZ (Solid Oxid FC)
15.2.3 Typenvielfalt Erste Anwendung fanden Energieumwandler auf der Basis der Brennstoffzelle als Stromquelle f¨ ur Unterseeboote und um 1960 in der Raumfahrt. Sie haben sich dabei als zuverl¨ assige, kompakt aufgebaute und einfach zu betreibende Systeme erwiesen. F¨ ur den kommerziellen Einsatz sind gegenw¨artig f¨ unf Typen in der Entwicklung, die sich hinsichtlich des verwendeten Elektrolyten und der Betriebstemperatur unterscheiden, vgl. Abb. 15.4. Die in der Abbildung verwendeten Namensk¨ urzel stehen f¨ ur: Anhand der beiden Unterscheidungsmerkmale, Betriebstemperatur und Art des Elektrolyten, lassen sich Vor- und Nachteile der f¨ unf Typen hinsichtlich Kosten und Wirkungsgrad darstellen: 1. Bei niedrigen Betriebstemperaturen, wie sie bei den AFC und PEFC zur Anwendung kommen, ist die Reaktionsgeschwindigkeit gering. Deshalb kann bei diesen Typen nur Wasserstoff als Energietr¨ager eingesetzt werden. Die Gewinnung von Wasserstoff aus Erdgas oder anderen Kohlenwasserstoffen, die als Brennstoff-Reformierung bezeichnet wird, ist ein aufwendiger und mit Verlusten verbundener Prozeß, der den Gesamtwirkungsgrad zus¨ atzlich mindert. 2. Die Anode muß aus Platin oder anderen wertvollen Metallen hergestellt werden, um die Zellreaktion zu katalysieren. Die daf¨ ur erforderliche Materialmenge ist ein bestimmender Kostenfaktor bei der Herstellung dieser Brennstoffzellen. 3. Die Temperatur der Abw¨ arme, die etwa die H¨alfte des Energieeinsatzes ausmacht, ist f¨ ur eine weitere energetische Nutzung zu niedrig, sie kann bestenfalls zur Raumheizung verwendet werden. 4. Andererseits k¨ onnen wegen der niedrigen Betriebstemperatur f¨ ur die Herstellung der Zelle und der erforderlichen St¨ utzkonstruktion billige Materialien verwendet werden. Zus¨ atzlich zu der Betriebstemperatur ist die Art des Elektrolyten von Bedeutung. Fl¨ ussige Elektrolyten haben normalerweise eine h¨ohere Ionenleitf¨ahigkeit und bieten damit geringere Zellwiderst¨ ande als Feststoffelektrolyten, sie sind aber andererseits korrosiv, was die Lebensdauer der Zellen verk¨ urzt und zu h¨ oheren Betriebs- und Investitionskosten f¨ uhrt.
15.2 Brennstoffzellen
375
Abbildung 15.4. Die verschiedenen Typen von Brennstoffzellen unterscheiden durch die Art ihrer Elektrolyten.
15.2.3.1 Entwicklungsstand Anwendung fanden Brennstoffzellen bisher in Bereichen, bei denen Kosten keine Rolle spielen, andererseits aber die gebotenen Vorz¨ uge - sie sind leichter als Batterien und leiser als Dieselgeneratoren - sehr hoch bewertet werden. Der Entwicklungsstand der verschidenen Typen kann wie folgt gekennzeichnet werden: AFC: Alkalische Brennstoffzellen (AFC) wurden seit 1960 f¨ ur die Verwendung in der Raumfahrt entwickelt und im Rahmen des Appollo- und des Shuttle- Programms auch eingesetzt. Wegen ihres hohen elektrischen Wirkungsgrads und ihrer leicht beherrschbaren Arbeitstemperatur von etwa 80 ◦ C werden sie noch heute in den Spaceshuttle-Raumf¨ahren eingesetzt. Da alkalische Brennstoffzellen jedoch f¨ ur ihren Betrieb hochreinen Wasser- und Sauerstoff ben¨ otigen - die Reaktion ist sehr empfindlich gegen¨ uber KohlendioxidVerunreinigungen im Wasserstoff und Sauerstoff -, kommen sie f¨ ur die breite Anwendung in der Energieerzeugung nicht in Frage. Ferner ist die Weiterentwicklung weitgehend eingestellt. PAFC: Dieser Typ von Zellen ist am weitesten entwickelt und hat die Kommerzialisierung erreicht. So wird z. B. von der Firma IFC (International Fuel Cells), Hartford USA, eine 200 kW Einheit unter dem Namen PC25 zu kommerziellen Bedingungen angeboten. Die PC25 hat ein Leistungsgewicht von
376
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
18 kg/kW, einen elektrischen Wirkungsgrad von 40% und eine Leistungsdichte von 1,5 kW/m2 . Die bisher gr¨ oßten PAFC Anlagen mit Leistungen von 11 MW bzw. 5 MW wurden von dem Versorgungsunternehmen Tokyo Electric Power Co. (TEPCO) erstellt. Beide Anlagen werden mit Erdgas betrieben, der Nettowirkungsgrad der gr¨ oßeren liegt bei 41,8% und die Kaltstartzeit betr¨agt ca. 5 Stunden. Die Anlagen wurden von den Firmen Toshiba/IFC und Fuiji Electric Co. geliefert. Die Arbeitstemperatur von ca. 200 ◦ C macht die phosphorsaure Brennstoffzelle ideal f¨ ur die station¨ are Energieerzeugung in kleinen Blockheizkraftwerken. Betrieben werden phosphorsaure Brennstoffzellen mit Wasserstoff. Mit einem vorgeschalteten Reformer k¨ onnen auch Erdgas oder Methanol verwendet werden. Die Anlagen reagieren empfindlich auf das Katalysatorgift CO, weshalb das Prozeßgas gereinigt werden muß. Schwachstellen der PAFC ist die Degradation der mit Platin (∼1mg/cm2 ) belegten Zellmembranen: >10% in 40000 h. PEFC: Bei dieser Zelle wird ein polyelektrolytisches Gel als Elektrolyten. Von diesem werden vom Gelnetzwerk H+ -Ionen freigesetzt, der Ladungsausgleich erfolgt ¨ ahnlich wie bei der PAFC. Die PEFC ben¨otigt hochreinen Wasserstoff, ihre Betriebstemperatur liegt gew¨ ohnlich unter 100 ◦ C. Alle namhaften Automobilfirmen bem¨ ohen sich seit Jahren, die PEFC als Kraftquelle f¨ ur den Antrieb zu nutzen und haben eine Reihe von Prototypen entwickelt. Beispiele sind die die Fahrzeuge NECAR 1 bis NECAR 5 sowie F-Cell von DaimlerChrysler. F¨ ur Busse ist diese Technik bereits soweit entwickelt, daß in mehreren St¨ adten PEFC-Busse im Linienbetrieb getestet werden. Ferner werden Prototypen f¨ ur den Einsatz in Blockheizkraftwerken erprobt. Schwachstellen sind die Lebensdauer der Membran- und Elektrodenmaterialien, sowie die Empfindlichkeit gegen Katalysatorgifte. SOFC: Dieser Zellentyp nutzt einen Effekt, nach dem ZrO2 bei Temperaturen von 1 000◦ C zwar die Migration von Sauerstoffatomen zul¨aßt, aber immer noch ein schlechter elektrischer Leiter ist [8]. Der elektrochemische Prozeß in einer Feststoffelektrolyt-Brennstoffzelle ist durch H2 + O2− −→ H2 O + 2 e− 1 Kathodenreaktion O2 + 2 e− −→ O2− 2 1 Zellreaktion H2 + O2 −→ H2 O 2 gegeben. Wichtigstes Element ist der Festelektrolyt, der bei bisher ausgef¨ uhrten Zellen aus Zirkondioxid (ZrO2 ) besteht, das mit Yttriumoxid (Y2 O3 ) stabilisiert ist. Die Elektroden sind aus einem por¨osen, hitzebest¨andigen keramischen Material hergestellt. Zur Erzeugung einer großen Kontaktfl¨ache k¨onnen die Zellen z.B. als zylinderf¨ ormige Elemente ausgebildet. Durch Parallel- und Reihenschaltung solcher Elemente ergeben sich Module beliebiger Leistung. Es erscheint m¨ oglich, Module mit Leistungsdichten von 0,4 MW/m3 zu erAnodenreaktion
15.2 Brennstoffzellen
377
halten. Die Hauptschwierigkeiten dieser Technik liegen auf der Materialseite. So steht bisher die Elektrolytkeramik nur in Form kleiner R¨ohrchen von ca. 2,5 cm Durchmesser zur Verf¨ ugung. Mit 800 bis 1000 Grad Celsius arbeitet die SOFC unter allen Brennstoffzellen mit den h¨ ochsten Temperaturen. Sie ist daher besonders f¨ ur Heizkraftwerke und industrielle Anwendungen geeignet. Aber auch Kleinsysteme f¨ ur Einfamilienh¨ auser sind in der Entwicklung. Die SOFC wird mit Wasserstoff betrieben, der dank der hohen Temperaturen in einem internen Reformierungsprozess aus Erdgas gewonnen wird. Die Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung d¨ unnerer oder alternativer Elektrolyte, die geringere Temperaturen erm¨oglichen k¨ onnen. MCFC: Bei den MCFC (Molten Carbonate Fuel Cell) besteht der Elektrolyt aus alkalischen Metallsalzmischungen (Lithium- und Calziumcarbonat), ussigen Zustand vorliegen. die bei einer Temperatuer von etwa 650◦ C im fl¨ Als Brennstoff werden Wasserstoff, Kohlegas und Erdgas verwendet. Bei Verwendung von Kohlegas und Erdgas werden in die Gaskan¨ale Katalysatoren eingebaut, an denen die im Brennstoff enthaltenen Kohlenwasserstoffe unter Nutzung der Abw¨ arme durch Zugabe von Dampf in zwei Schritten zu H2 und CO2 konvertiert werden: Dampfreformierung Konvertierung
CH4 + H2 O, −→ CO + 3H2 CO + H2 O −→ CO2 + H2 .
Der elektrochemische Prozeß in einer MCFC-Zelle ist durch die folgenden Reaktionen gegeben: Anodenreaktion
H2 + CO2− 3
−→ H2 O + CO2 + 2 e−
1 O2 + CO2 + 2 e− −→ CO2− 3 2 1 Zellreaktion H2 + O2 −→ H2 O 2 Bei den hohen Betriebstemperaturen von 650 ◦ C laufen die chemischen Reaktionen so schnell ab, daß keine Katalysatoren erforderlich sind. Wie die Reaktionsgleichungen zeigen, erfolgt die Ionenleitung innerhalb des Elektrolyts durch die CO3 -Ionen. Um eine Abreicherung des CO2 in der Schmelze uhrt zu verhindern, muß der Schmelze mit dem Sauerstoff st¨andig CO2 zugef¨ werden. Die hohe Arbeitstemperatur erm¨ oglicht bei der MCFC neben der Strom- und W¨ armeproduktion auch die Erzeugung von Dampf. Dieser kann entweder eine nachgeschaltete Dampfturbine antreiben, was den elektrischen Wirkungsgrad erh¨ oht, oder direkt in industriellen Anlagen als Prozeßdampf Verwendung finden. Aufgrund der hohen Arbeitstemperatur in der Zelle kann die Reformierung von Erdgas zu Wasserstoff und Kohlendioxid intern erfolgen. Ein externer Reformer ist nicht n¨ otig. Die hohen Temperaturen und die aggressiven fl¨ ussigen Salze des Elektrolyten stellen hohe Anforderungen an das Material. Die Lebensdauer der Zellen wird durch die langsame Aufl¨osung der Nickeloxidkathoden begrenzt. Dabei wandern Ni2+ -Ionen durch den Elekrolyten zur Anode und lagern sich dort ab. Kathodenreaktion
378
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe Wärmetauscher
Dampf Erdgas
Reformierung
Anode
Vorlauf Abgas zur
= ~
Nachverbrennung
Kathode Luft Elektrizität
Wasser
Rücklauf
Abbildung 15.5. Schema eines Brennstoffzellenkraftwerkes mit PAFC-Zellen und W¨ armeauskopplung Kamin Wärmeentzug
Dampf Gasturbine Erdgas
Reformierung
G ~ Elektrizität
Anode
Nachverbrennung
= ~
Kathode Luft Elektrizität
Wasser
Abbildung 15.6. Schema einer Kombianlage mit Feststoffelektrolytzellen und einer nachgeschalteten Gasturbine
Von der MTU-Friedrichshafen werden unter dem Namen HotModul MCFC Anlagen zur Erzeugung von Strom und Prozeßw¨arme zu kommerziellen Bedingungen angeboten. 15.2.4 Aufbau eines Brennstoffzellenkraftwerks Ein Brennstoffzellenkraftwerk, vgl. die Abbildungen 15.5 und 15.6, besteht aus drei miteinander verbundenen Hauptkomponenten: • dem System zur Aufbereitung der Reaktionsteilnehmer, • den Brennstoffzellen, • der Leistungselektronik. In der Brennstoffaufbereitung wird aus dem zu verarbeitenden fossilen Brennstoff ein wasserstoffreiches Gas extrahiert. Dabei wird angestrebt, einen Teil der in der Brennstoffzelle anfallenden Abw¨ arme zu verwerten. Die Brennstoffzelle ist eine Gleichstromquelle mit vergleichsweise niedriger Spannung. Im Hinblick auf die weitere Spannungswandlung werden von den Zellen Betriebsspannungen von wenigstens 24 V gefordert. Diese Spannung wird durch
15.2 Brennstoffzellen
379
Serienschaltung individueller Zellen zu einem Zellenpaket, einem sogenannten Stack, erreicht. noinBei Gesamtwirkungsgraden von 50–60% f¨allt ein Großteil der eingesetzten Energie als Abw¨ arme an. Das Temperaturniveau der anfallenden W¨arme ist systembedingt. Es liegt bei 200◦ C f¨ ur alkalische und saure Niedertemperaturbrennstoffzellen und bei bis zu 1 000◦ C f¨ ur Hochtemperaturzellen mit Festelektrolyten. Wie bei den W¨ armekraftwerken ist eine Nutzung der Abw¨arme in Form der Kraft-W¨ arme-Kopplung m¨ oglich, noch interessanter ist aber bei den Hochtemperaturzellen die Kombination mit einem Dampfkraftprozeß. Mit einem solchen Kombiprozeß w¨ urden sich Wirkungsgrade im Bereich von u ¨ber 60% f¨ ur die Umwandlung der Brennstoffenergie in elektrischen Strom ergeben. 15.2.5 Fazit Die Brennstoffzelle bietet die M¨ oglichkeit, chemische Energie fossiler Brennstoffe auf statischem Weg in elektrische Energie umzuwandeln. Dabei werden Energiedichten erreicht, die u ¨ber denen von Batteriespeichersystemen liegen. Diese Eigenschaft machte die Brennstoffzelle f¨ ur Anwendungen in der Raumfahrt interessant. Dies auch deshalb, weil dort die technischen Anforderungen hinsichtlich einer kompakten Bauweise und hoher Zuverl¨assigkeit gegen¨ uber den Investitions- und Betriebskosten wichtiger sind. Bei den bisherigen Anwendungen kamen ausschl. mit Wasserstoff und Sauerstoff gespeiste Zellen zum Einsatz. H2 /O2 -Niedertemperaturzellen mit sauren und alkalischen Elektrolyten sind technisch ausgereift und stehen im Prinzip f¨ ur eine Anwendung in kleinen Kraftwerkseinheiten bereit. Seit 1985 wurden in Japan mehrere Anlagen mit Leistungen von bis zu 11 MW zur Demonstration der Technik in Betrieb genommen. Besondere Vorteile der Brennstoffzellen f¨ ur den Einsatz in Kraftwerken sind: • Praktisch verz¨ ogerungsfreies Ansprechen auf Lastanforderungen, • Eignung zum vollautomatischen Betrieb, • Modulbauweise (kann einfach an eine geforderte Kapazit¨at angepaßt werden), • keine mechanisch bewegten Teile, • elektrische Nettowirkungsgrad einschl. Brennstoffaufbereitung von u ¨ber 45% m¨ oglich. Obwohl es in der j¨ ungeren Vergangenheit große Fortschritte in der Entwicklung der Brennstoffzellen gegeben hat und diese im Prinzip ihre Einsatzf¨ahigkeit bewiesen haben, bestehen nach wie vor zahlreiche Probleme, die einer Einf¨ uhrung dieser Technik entgegenstehen. Die wichtigsten davon sind: • Zuverl¨ assigkeit und Lebensdauer, • Investitions- und Wartungskosten, • Haltbarkeit der Elektroden und der Konstruktionswerkstoffe bei den Hochtemperaturzellen.
380
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
Abgesehen von der durch die niedrige Diffusionsgeschwindigkeit der Ionen im Elektrolyten bedingten geringen Energiedichte von ca. 600 W/m2 an den Elektroden besteht der Hauptnachteil der Brennstoffzellen in dem hohen Materialaufwand. Das Leistungsgewicht einer PAFC-Anlage betr¨agt einschl. der Strukturmaterialien ca. 130 kg/kW. Zum Vergleich: Das Leistungsgewicht eines Ottomotors liegt bei 1 kg/kW und das eines Gasturbinen-Kombikraftwerkes bei 10 kg/kW.
15.3 Magnetohydrodynamische Energiewandler 15.3.1 Grundlagen Die magnetohydrodynamische Energiewandlung (MHD) beruht auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion, das auch bei der konventionellen Dynamomaschine genutzt wird. Nach diesem Prinzip wird in einem elektrisch leitenden Material eine Spannung induziert, wenn sich dieses relativ zu einem Magnetfeld bewegt. Beim MHD-Generator str¨omt ein elektrisch leitendes Fluid durch das Magnetfeld. Infolge der Wirkung des Magnetfeldes kommt es in dem Fluid zu einer Separation ungleichnamiger Ladungen und damit zur direkten Umwandlung von potentieller Energie des Plasmas in elektrischen Strom. Abb. 15.7 zeigt das Schema eines MHD-Generators. Das heiße, ionisierte Gas wird in einem divergierenden Kanal entspannt. An den Seitenw¨anden des Kanals sind Elektroden angeordnet und das Magnetfeld verl¨auft parallel zur z-Achse. Bei einer solchen Anordnung werden Spannungen sowohl in transversaler als auch in axialer Richtung der Str¨omung induziert. Die erstere wird durch das Faraday’sche Induktionsgesetz3 beschrieben und die zweite resultiert aus dem Hall-Effekt4 . Das Auftreten beider Effekte ist durch eine geeignete Anordnung der Elektroden zu ber¨ ucksichtigen. Die elektrische Leitf¨ ahigkeit ist eine wichtige Eigenschaft des Arbeitsmittels in MHD-Generatoren. Will man die Rauchgase aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe als Arbeitsmittel verwenden, m¨ ussen diese im Plasmazustand vorliegen, um elektrisch leitend zu sein. Die atomaren Bindungen der Elektronen mit den Kernen sind in diesem Zustand aufgebrochen – das Gas besteht dann vorwiegend aus freien Elektronen und positiv geladenen Ionen. Die teilweise Ionisierung eines Gases erreicht man durch Erhitzen auf hohe Temperaturen (> 2 000◦ C). Aus praktischen Gr¨ unden sollte die Leitf¨ahigkeit mindestens 10 S/m betragen. Bei Verbrennungsgasen erreicht man Werte in dieser Gr¨ oßenordnung bei Temperaturen von 2 000–2 500◦ C nur durch Zusatz von leicht ionisierbaren Materialien wie C¨ asium oder Kalium. 3 4
Nach M. Faraday (1791–1867). Nach E.H. Hall (1855–1938).
15.3 Magnetohydrodynamische Energiewandler B ~
381
z x y
vxB ~ ~ -
+
B v v×B d UA RA
d
UA v ~
angelegtes Magnetfeld Str¨ omungsgeschwindigkeit Orientierung der Lorentz-Kraft Elektrodenabstand Spannung unter Last Lastwiderstand
RA
Abbildung 15.7. Schema eines MHD-Generators mit den notwendigen Komponenten Kathode, Anode, Magnet und isolierende W¨ ande
Str¨ omt ein Plasma mit der Geschwindigkeit v = (u, v, w)T durch ein homogenes Magnetfeld B, dessen Feldlinien senkrecht zur Str¨omungsrichtung stehen, werden die Ladungstr¨ ager senkrecht zur Geschwindigkeit und senkrecht zum Magnetfeld abgelenkt. Die Ablenkung resultiert aus der auf Teilchen mit der Ladung q wirkenden Lorentz-Kraft5 F = qv×B .
(15.15)
Die positiven Ionen werden somit zur Kathode und die Elektronen zur Anode abgelenkt. Durch die Ladungstrennung werden die Elektroden aufgeladen und es entsteht ein induziertes elektrisches Feld Eind = −v × B ,
(15.16)
das schließlich die Separation weiterer Ladungstr¨ager verhindert. Bei der vorgegebenen Geometrie und einem Elektrodenabstand d folgt f¨ ur die Leerlaufspannung U0 = u B d .
(15.17)
Die Spannung zwischen den beiden Elektroden kann u ¨ber einen Lastwiderstand abgegriffen und genutzt werden. Eine Maschine, die nach diesem Prinzip mechanische Energie in elektrische umwandelt, nennt man Faraday-Generator. Hohe Leerlaufspannungen ergeben sich nach (15.17) bei großen Geschwindigkeiten, hohen magnetischen Feldst¨ arken oder großem Elektrodenabstand. Die gr¨ oßte Stromdichte 5
Nach H.A. Lorentz (1853–1928), niederl¨ andischer Physiker und Nobelpreistr¨ ager.
382
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
iK =
1 (v × B) ρ
(15.18)
ergibt sich dagegen im Kurzschlußbetrieb. Darin ist ρ der spezifische Widerstand des ionisierten Gases. Wird mit einem Widerstand RA eine Spannung UA zwischen den Platten und damit ein elektrisches Feld EA eingestellt, ergibt sich eine induzierte Stromdichte 1 v × B + EA . (15.19) iind = ρ Dieser induzierte Strom erzeugt durch Wechselwirkung mit dem Magnetfeld die fl¨ achenspezifische Kraft f ind = −iind × B ,
(15.20)
welche die Bewegung des Plasmas hemmt. Dieser Kraft wird durch den Druckgradienten ∇p im Kanal das Gleichgewicht gehalten: ∇p = −f ind = −iind × B .
(15.21)
Bei der Geometrie nach Abb. 15.8 gilt bei Vernachl¨assigung der Massenkr¨afte dp = −iind B . dx Hier ist: dp/dx Druckabfall im Kanal, iind Betrag der Stromdichte, B Betrag des Magnetfeldes, x Koordinate in Str¨ omungsrichtung.
(15.22)
Die induzierte Kraft (15.20) wirkt mit unterschiedlichem Vorzeichen auf die Elektronen und Ionen des Plasmas und induziert so eine Ladungstrennung in Str¨ omungsrichtung. Die Ladungstrennung bewirkt ein elektrisches Feld (HallFeld), das ebenfalls entgegengesetzt zur Str¨ omungsgeschwindigkeit gerichtet ist, vgl. hierzu Abb. 15.8. Infolge des Hall-Feldes EH = KH iind × B
(15.23)
ergibt sich ein Spannungsgef¨ alle in Str¨ omungsrichtung, welches beim HallGenerator mit geeigneten Elektroden abgegriffen und zur Stromerzeugung genutzt wird, vgl. Abb. 15.9. Die Hall-Konstante KH kann durch die Teilchendichte ne der freien Elektronen und die Elementarladung e gem¨aß KH =
1 ne e
(15.24)
ausgedr¨ uckt werden. Das Hall-Feld ist in allen Leitern pr¨asent, hat allerdings in metallischen Leitern keinen praktischen Effekt. In MHD-Generatoren kann es im Gegensatz dazu dominieren, was auf die unterschiedliche Beweglichkeit
15.3 Magnetohydrodynamische Energiewandler z
B Find
6
Eind Fe EH
EA
v
iind
y
6
-
-
x
v B Eind EA EH Fe FI Find iind
383
Str¨ omungsgeschwindigkeit angelegtes Magnetfeld induziertes E-Feld a ¨ußeres E-Feld Hall-Feld Lorentz-Kraft auf ein Elektron Lorentz-Kraft auf ein Kation induzierte Kraft induzierte Stromdichte
FI
Abbildung 15.8. Vektoren zur Beschreibung der Bewegung geladener Teilchen in einem Magnetfeld. Das ¨ außere E-Feld resultiert aus der Spannung, mit welcher der produzierte Strom abgegeben wird
der Elektronen und Ionen im Plasma zur¨ uckzuf¨ uhren ist. Unter Ber¨ ucksichtigung des Hall-Feldes modifiziert man die Stromdichte nach (15.19) zu 1 i∗ = v × B + EA + EH . (15.25) ρ
UA
-
MHD-Kanal
UA
-
MHD-Kanal
Elektroden
Abbildung 15.9. Elektrodenanordnung bei MHD-Kan¨ alen, links: Hall-Generator, rechts: Faraday-Generator
MHD-Wandler k¨ onnen entweder als Faraday-, als Hall- oder als kombinierte Generatoren betrieben werden. Man kann sie als eine Stromquelle mit einer spezifischen Leistung von
384
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
w˙ = i∗ · EA + EH
(15.26)
ansehen. Unter Ber¨ ucksichtigung der unvermeidlichen Ohm’schen Verluste ergibt sich f¨ ur die Leistungsdichte im Kanal w˙ g = i∗ · EA + EH + i∗ · ρ i∗ . (15.27) Diese Leistung ist von der Fl¨ ussigkeitsstr¨ omung aufzubringen. Wegen (15.25) folgt f¨ ur (15.27) die Darstellung w˙ g = i∗ · EA + EH + ρ i∗ = i∗ · v × B . (15.28) Mit (15.26) und (15.28) kann der Umwandlungswirkungsgrad ηel der mechanischen in die elektrische Energie definiert werden:
E + E
w˙ A H = ηel = . (15.29) w˙ g |v × B| F¨ ur den Fall, daß kein Strom in axialer Richtung fließt, lautet (15.29) ηel =
UA RA = . UA + UP RA + RP
(15.30)
Darin ist UA die abgegriffene Spannung, UP der Spannungsabfall im Plasma, RA der ¨ außere Widerstand und RP der innere Widerstand des Plasmas. Im Unterschied zur konventionellen Dynamomaschine, die einen elektromechanischen Wirkungsgrad von nahezu 100% hat, ist die innere Leitf¨ahigkeit der Arbeitsmedien in MHD-Generatoren nur gering. Selbst bei optimaler Anpassung der inneren und ¨außeren Widerst¨ ande werden bestenfalls Wirkungsgrade von 0,5 erreicht. Die von den inneren Widerst¨ anden verursachte Joule’sche W¨arme geht allerdings nur teilweise als Verlustw¨ arme verloren, da sie in den nachfolgenden Kanalquerschnitten zus¨ atzlich zur Energieumwandlung beitr¨agt. Beispiel 15.2. Gegeben sei ein MHD-Kanal mit Bz = 4 T, einer mittleren Breite d = 1 m und Elektrodenfl¨ achen von jeweils 1 m2 . Die Geschwindigkeit des Plasmas betrage u = 1 000 m/s und der spezifische Widerstand ρ = 0,1 S/m. Der Kanal werde als Faraday-Generator betrieben. Wie groß ist sind Leerlaufspannung, Kurzschlußstrom, maximal entnehmbare elektrische Leistung und der elektrische Wirkungsgrad? L¨ osung. Die Leerlaufspannung wird nach (15.17) U0 = u B d = 4 000 V berechnet. Aus (15.18) folgt der Kurzschlußstrom IK =
uBA = 40 000 A. ρ
F¨ ur die spezifische Leistung gilt nach (15.26) und unter Ber¨ ucksichtigung des Ohm’schen Widerstands des Plasmas w˙ = i∗ UA d = i (u B − ρ i) d .
15.3 Magnetohydrodynamische Energiewandler
385
Bei maximaler Leistung ist dw˙ = uB − 2ρi = 0 . di Daraus resultiert die maximale Stromdichte imax =
uB 2ρ
und die maximale Stromst¨ arke Imax = imax A =
uBA = 20 000 A. 2ρ
Die maximale Spannung ergibt sich aus Umax = U0 − ρ imax d =
1 u B d = 2 000 V. 2
Damit ergibt sich die maximale Leistung zu
Pmax = w˙ max A = imax u B − ρ imax = 40 MW. Nach (15.29) ist den Umwandlungswirkungsgrad ηel =
Umax uB
= 0,5.
Das Beispiel zeigt, daß zur Erreichung hoher Wirkungsgrade und großer Leistungen eine große Geschwindigkeit des Gasstrahls, hohe Magnetfeldst¨arken und große Massenstr¨ ome erforderlich sind. Weiter muß zur Erreichung eines hohen Ionisierungsgrades und damit einer guten Leitf¨ahigkeit mit hohen Temperaturen gearbeitet werden. Die hohen Temperaturen bringen aber große Materialprobleme mit sich. Die vollst¨ andige Berechnung der Umwandlung von thermischer Energie in elektrische in einem MHD-Generator erfordert neben der Kenntnis der hier besprochenen elektrischen Vorg¨ ange auch die Analyse der str¨omungsmechanischen Vorg¨ ange. F¨ ur eine derartige Untersuchung stehen die Bilanzgleichungen f¨ ur Masse, Impuls und Energie sowie die thermische Zustandsgleichung des Arbeitsmittels zur Verf¨ ugung. Auch unter der vereinfachenden Annahme eines adiabaten Str¨ omungsvorganges und konstanter Stoffparameter ist die Berechnung komplex, so daß daf¨ ur auf die Literatur [9], [10] verwiesen wird. 15.3.2 MHD-Kraftwerke Bei fossil gefeuerten MHD-Anlagen hat die offene Prozeßf¨ uhrung funktionelle Vorteile. Zum einen kann die W¨ arme durch Verbrennen der Brennstoffe in der Brennkammer ohne Zwischenschaltung eines W¨armeaustauschers direkt zugef¨ uhrt werden und zum anderen k¨ onnen dadurch h¨ohere Betriebstemperaturen erreicht werden. Da die Leitf¨ ahigkeit des Plasmas mit der Temperatur stark abnimmt, kann das Arbeitsmittel in einem MHD-Kanal nur bis auf ca. 2 300 K entspannt
386
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe Kohle Brennstoffaufbereitung
G
Luft
~
HD
ND
G
~
Umspannung
Gas
Koks
Kamin MHD-Brennkammer Schlacke
CäsiumFilter
MHDGenerator
Lufterhitzer
HD
ZÜ
Eco
Gasreinigung
Abbildung 15.10. Anlagenschema eines kohlegefeuerten MHD-Kraftwerks
werden. Zur Nutzung der Restw¨ arme verkn¨ upft man den MHD-Generator zweckm¨ aßig mit einem konventionellen Kraftwerk. Das Schema einer solchen Anlage ist in Abb. 15.10 dargestellt, vgl. [11] und [12]. Der aufbereitete Brennstoff wird zur Erreichung m¨oglichst hoher Temperaturen (angestrebt werden 3 000 K) mit vorgew¨ armter Luft oder vorgew¨armtem Sauerstoff in der Brennkammer bei einem Druck von ca. 10 bar verbrannt. Die Verbrennungsgase bilden bei diesen hohen Temperaturen ein Plasma, dessen Leitf¨ ahigkeit σ durch Impfung mit Saatmaterial (Kalium oder C¨asium) zus¨atzlich erh¨ oht wird. Die Leitf¨ ahigkeit weist eine starke Temperaturabh¨angigkeit auf und betr¨ agt bei Rauchgasen mit 1 Gew.-% Kalium unter einem Druck von 10 bar bei 2 000 K ca. 1 S/m und bei 3 000 K ca. 110 S/m. Vor dem MHD-Wandler werden die Verbrennungsgase in einer D¨ use auf die ¨ weit im Uberschallbereich liegende Geschwindigkeit beschleunigt und durchstr¨ omen anschließend unter Wechselwirkung mit dem Magnetfeld den Kanal. Am Kanalaustritt ist ein Diffusor zur Druckr¨ uckgewinnung angebracht, in dem die Geschwindigkeit der Verbrennungsgase in statischen Druck umgewandelt wird. An diesen schließt sich der Lufterhitzer und die Anlage zur R¨ uckgewinnung des in der Brennkammer zugegebenen Kaliums bzw. C¨asiums an. Die R¨ uckgewinnung dieser Impfstoffe ist auch insofern von Wichtigkeit, als diese Stoffe in dem nachfolgenden Kesselheizfl¨achen Korrosion und Verschmutzungen verursachen k¨ onnen. Nach theoretischen u ¨berlegungen sollten bei MHD-Dampfkraftwerken Umwandlungswirkungsgrade von ca. 62% erreicht werden. Vom erzeugten Strom werden dabei etwa 60% vom MHD-Wandler und 40% vom Dampfteil geliefert [12].
15.3 Magnetohydrodynamische Energiewandler
387
Trotz großer Anstrengungen ist man bei den MHD-spezifischen Entwicklungsaufgaben noch weit von einer L¨ osung entfernt. Bislang wurden nur einige Testgeneratoren in Laboratorien erstellt und betrieben. Haupts¨achlich wegen des schnellen Verschleißes der Elektroden bei den hohen anliegenden Temperaturen wurden auch bei aschefreien Brennstoffen bisher nur kontinuierliche ¨ Betriebszeiten von Stunden bzw. wenigen Tagen erreicht. Uber neuere Testergebnisse mit einer kohlegefeuerten Versuchsanlage wird in [8] berichtet. Der Realisierung einer kommerziellen MHD-Anlage stehen eine ganze Reihe von offenen Fragen entgegen. Einige der Problembereiche sind: • MHD-Kanal. Aufgrund verschiedener Effekte ist die Energieausbeute im Kanal bei Testanlagen weit von den theoretisch m¨oglichen 100% entfernt. Die Hauptursachen daf¨ ur sind in der irreversible Expansion, Stromverlusten durch ungen¨ ugende Isolierung, W¨ armeverluste an die Kanalwand sowie Inhomogenit¨ aten in der Geschwindigkeits- und Temperaturverteilung zu suchen. Neben diesen funktionellen Problemen bestehen auch gravierende Schwierigkeiten bei den Werkstoffen, die haupts¨ achlich mit den hohen Temperaturen zusammenh¨ angen. Eine gute L¨ osung hierf¨ ur ist derzeit nicht abzusehen. • Lufterhitzer. Nach dem Anlagenschema soll mit den Verbrennungsgasen, die den Diffusor mit 2 300 K verlassen, die Verbrennungsluft auf 2 100 K erhitzt werden. Bisher wurden derart hohe Temperaturen auch in Pilotanlagen noch nicht f¨ ur l¨ angere Zeit erreicht. Auch die L¨osung dieser Aufgabe ist noch offen. • Saatmaterial. Die Kosten des Saatmaterials (meist K2 CO3 ) machen eine Wiedergewinnung erforderlich. Wegen des Schwefelgehaltes der Kohle wird ein großer Anteil in K2 SO4 umgewandelt, das bei niedrigen Temperaturen als Staub vorliegt und aus der Flugasche extrahiert werden muß. • Verschmutzung der W¨ armeaustauscherfl¨ achen. Die Verschmutzung und Korrosion der Kesselheizfl¨ achen und des Lufterhitzers sind wegen des Kaliumzusatzes schwerwiegender als bei herk¨ommlichen kohlegefeuerten Dampferzeugern. 15.3.3 Fazit Von allen Vorschaltprozessen f¨ ur den klassischen Dampfprozeß weist der MHD-Generator die h¨ ochste mittlere Temperatur der W¨armezufuhr auf, und hat daher auch potentiell den h¨ ochsten thermodynamischen Wirkungsgrad. Wirkungsgrade von u ber 60% scheinen nach der Theorie im Bereich des M¨ogli¨ chen zu liegen. Allerdings hat bisher keiner der in Laboranlagen getesteten MHD-Generatoren eine positive Energiebilanz gezeigt. Das Hauptproblem scheint dabei die Str¨ omung im MHD-Kanal zu sein. Die nicht vermeidbare Abk¨ uhlung des Plasmas in Wandn¨ ahe scheint zu einer Str¨ omung zu f¨ uhren, deren Zustands¨anderung eher bei konstanter Enthalpie (isenthalpe Drosselung) als bei konstanter
388
15 Alternative Prozesse zur Nutzung fossiler Brennstoffe
Entropie (isentrope Expansion) verl¨ auft. Der Stand der Komponentenentwick¨ lung in den USA ist in [13] dargestellt. Uber MHD-Entwicklungsprogramme in Europa und Japan ist nichts bekannt geworden. Auf dem Weg zu einer kommerziellen Anlage sind aber auch außerhalb des eigentlichen MHD-Generators schwierige Aufgaben zu l¨osen. Die meisten davon sind durch das hohe Temperaturniveau im Plasmakanal bedingt, f¨ ur dessen Konstruktion alle bisher bekannten metallischen Werkstoffe ausscheiden. Auch bei den Elektroden haben Erosion, Korrosion und W¨armespannungen die Betriebszeit auf weniger als 1 000 Stunden begrenzt. Trotz einer intensiven Forschung ist die kommerzielle Realisierung einer MHD-Anlage derzeit nicht abzusehen.
Literatur 1. Atkins, P. W.: Physikalische Chemie. (2. Auflage) VCH, Weinheim 1996 2. Kordesch, K.F.: Brennstoffbatterien. Springer, Wien 1974 3. Le, M.T., Holman, R.R., Liao, W.L.: Effects on operating parameters on PAFC stack performance. IECEC Proceedings 1988, Vol. 2, 251–257 ¨ 4. Baur, E., Brunner, R.: Uber das Verhalten von Sauerstoff-Elektroden in Carbonatschmelzen. Zeitschr. f¨ ur Elektrochemie 41, 794–796 (1935) 5. Broers, C.H.J.: High temperature cells with carbonate paste electrolytes fuel cells. Amerc. Inst. of Chem. Engineers, New York 1963 6. Ketelaar, J.A.A.: Molten carbonate fuel cells. In: Appleby, A.J.: Fuel cells. Trends in research and application. Springer, Berlin Heidelberg New York 1987 7. www.siemenswestinghouse.com/en/fuelcells/sofc 8. Vielstrich, M.: Brennstoffelemente. Verlag Chemie, Weinheim 1965 9. Rosa, R.J.: Magnetohydrodynamic energy conversion. McGraw-Hill, New York 1968 10. Schmidt, E.F.: Unkonventionelle Energiewandler. Elitera, Berlin 1975 11. Chapman, J.N.: Performance calculations for mature technology MHD steam combined cycle power plants. IECEC Proceedings 1987, 1 497–1 502 12. Chang, S.L. Hu, N.: System analysis of high performance MHD systems. IECEC Proceedings 1988, Vol. 4, 455–460 13. Burkhardt, T., Funk, G., Glovan, R. et. al.: Coal-fired MHD topping cycle hardware and test progress at the component development and integration facility. IECEC Proceedings 1988, Vol. 4, 445–454
Teil III
Nutzung nuklearer und regenerativer Energien
17 Kernfusion
17.1 Vorbemerkung Im Unterschied zur Nutzung der Kernspaltung, die bereits zahlreiche großtechnische Anwendungen gefunden hat, ist die Entwicklung der kontrollierten Kernfusion noch vollst¨ andig offen. Trotzdem wurde sie bereits vielfach als die Hauptenergiequelle der Zukunft dargestellt. Dies h¨angt damit zusammen, daß die mit der technischen Realisierung verbundenen Schwierigkeiten um Gr¨oßenordnungen untersch¨ atzt wurden. Dieses Kapitel bringt eine erste Einf¨ uhrung in das Gebiet, f¨ ur eine ausf¨ uhrliche Darstellung sei auf [5] verwiesen.
17.2 Grundlagen Der allergr¨ oßte Teil der Energie, die uns auf der Erde zur Verf¨ ugung steht, wird durch Verschmelzung leichter Elemente in unserer Sonne freigesetzt. In erster Linie geschieht dies durch die Fusion von vier Wasserstoffkernen zu einem Heliumkern. Dabei wird, wie in Abschn. 16.2 abgesch¨atzt, eine Energiemenge von 27 MeV pro entstandenem He-Kern frei. Der Prozeß der thermonuklearen Fusion, an dem vier Atome beteiligt sind, l¨ auft aber nicht in einem Schritt ab. Es ergibt sich vielmehr ein mehrstufiger Prozeß: 1 1H 2 1H 3 2 He
+ 11 H −→ 22 He −→ 21 H + ν + β + , + 11 H −→ 32 He + γ ,
(17.1) (17.2)
+ 32 He −→ 42 He + 2 11 H .
(17.3)
Es ist bekannt, daß der β-Zerfall der ersten Reaktion sehr langsam erfolgt, die Halbwertzeit betr¨ agt 1, 4· ∼ 1010 Jahre; deshalb verbrennt der Wasserstoff in der Sonne auch nur langsam. In einer technischen Anlage muß ein Prozeß aber schnell ablaufen. Man geht deshalb davon aus, bei der Fusion Deuterium als Brennstoff zu verwenden. Damit ergibt sich die Reaktionskette
432
17 Kernfusion 2 1H 2 1H 2 1H 2 1H
+ 21 H −→ 32 He + n (+3,2 MeV), + 21 H −→ 31 H + p (+4,0 MeV),
(17.4) (17.5)
+ 31 H −→ 42 He + n + 32 He −→ 42 He + p
(17.6) (17.7)
(+17,6 MeV), (+18,3 MeV).
Deuterium ist ein stabiles Isotop des Wasserstoffs; seine H¨aufigkeit im Vergleich zum Wasserstoff ist etwa 1 : 6 700. Es ist daher m¨oglich, Deuterium mit physikalischen oder chemischen Methoden aus Wasser zu isolieren. Von den Reaktionsprodukten ist nur das Tritium radioaktiv. Die Energiefreisetzung bei der Fusion von Deuterium betr¨ agt etwa 3 MeV pro Nukleon gegen¨ uber 1 MeV bei der Spaltung. Versucht man z.B. einen D-Kern und einen T-Kern in Kontakt zu bringen, muß zun¨ achst Energie aufgewendet werden, um die potentielle Energie infolge der positiven elektrischen Ladung beider Kerne zu u ¨berwinden (Coulomb-Barriere). Diese betr¨agt etwa 0,1 MeV. Erst bei einem Abstand von der Gr¨oßenordnung des Kerndurchmessers u ¨berwiegen die anziehenden Kernkr¨afte und ¨ die Fusion kann stattfinden. Zur Uberwindung der Ladungsabstoßung bestehen zwei M¨ oglichkeiten: • Kalte Fusion mittels eines Katalysators und • thermonukleare Fusion. Die M¨ oglichkeit, Kernfusionen zu katalysieren, wurde Ende der vierziger Jah¨ re aufgrund theoretischer Uberlegungen von Andrej Sacharow 1 vorhergesagt. Als Katalysator wurden Myonen (elektronenartige Elementarteilchen) vorausgesetzt. Myonen kommen in der kosmischen Sekund¨arstrahlung vor, die beim Auftreffen der Prim¨ arstrahlung aus dem Weltall in der oberen Atmosph¨ are entsteht. Sie k¨ onnen auch im Labor erzeugt werden, indem ein Strahl sehr schneller Ionen z.B. auf eine Probe von Kohlenstoff gelenkt wird. In den sechziger Jahren wurden von Myonen katalysierte Kernfusionen experimentell nachgewiesen, vgl. [2]. Eine von Myonen induzierte Kernfusion l¨ auft auch bei niedrigen Temperaturen in einer Kammer ab, die mit Deuterium und Tritium gef¨ ullt ist. Dringt ein Myon in die Kammer ein, stellt es eine enge Bindung zwischen einigen Wasserstoffatomen her, die dabei verschmelzen. Das Myon wird wieder freigesetzt und k¨ onnte weitere Fusionen katalysieren, vgl. Abb. 17.1. Die bei der myon-katalysierten Fusion freigesetzte W¨ armeenergie k¨onnte zum Betreiben eines Dampfkraftprozesses verwendet werden. 1
Andrej Dimitrijewitsch Sacharow (21.05.1921 – 14.12.1989); russischer Kernphysiker, Dissident und Nobelpreistr¨ ager. Er verteitigte die Menschenrechte und unterst¨ utzte die Zivilgesellschaft. Von Sacharow stammen die drei wichtigsten Verfahren zur Realisierung der kontrollierten Kernfusion: der magnetische thermonukleare Reaktor (die heutige Tokamak-Anordnung), die Myonenkatalyse von Kernfusionsreaktionen, die er kalte Fusion nannte, und der Einsatz gepulster Laserstrahlen zur Aufheizung von Deuterium.
17.2 Grundlagen Myonische Atombildung Freies Myon
Myonische Molekülbildung
Tm Dm
m
D
Tm
He m Fusion
n
433
He
Abbildung 17.1. Prinzip der myonenkatalysierten Kernfusion: das Myon ersetzt das Elektron eines Tritiumatoms und schirmt so die abstoßende Coulombkraft des Kerns ab, so daß die M¨ oglichkeit einer Fusion mit einem Deuteriumkern besteht.
Die Nutzung des beobachteten Effektes zur Energiegewinnung ist aber deshalb nicht m¨ oglich, weil die Reaktionen zu langsam ablaufen: Ein Myon hat im Mittel eine so kurze Lebensdauer, daß es bestenfalls nur eine Kernverschmelzung katalysieren kann. Der Energieaufwand f¨ ur die Darstellung eines Myons ist bei Voraussetzung einer idealen Maschine etwa sechsmal gr¨oßer als der Energiegewinn bei einer katalysierten Fusion. Unter realen Bedingungen d¨ urfte der Faktor aber eher bei zwanzig liegen. Nach dem gegenw¨artigen Kenntnisstand kann demnach kein Konzept zur Energiegewinnung mittels myonkatalysierter Kernfusionen entwickelt werden. In [2] sind die Grundlagen des hier behandelten Effekts zusammenfassend dargestellt. Erfolgversprechender erscheint die M¨ oglichkeit der thermonuklearen Fusion von Deuterium und Tritium innerhalb eines kleinen Volumens, die hier ausf¨ uhrlicher behandelt werden soll. Damit thermonukleare Fusion m¨oglich wird, muß der in einem Volumen V eingeschlossenen Brennstoff extrem zu einem Plasma erhitzt werden. Denn wenn ein Deuteriumkern eine mittlere kinetische Energie von 0,1 MeV besitzt, entspricht dies einer Temperatur von ur eine Z¨ undung noch eine ausca. 1 · 109 K. Neben der Temperatur ist aber f¨ reichende Teilchendichte n w¨ ahrend einer Zeitdauer τ erforderlich. Der f¨ ur eine Z¨ undung erforderliche Zusammenhang zwischen den drei Gr¨oßen Temperatur T, Teilchendichte n, Temperatur T und Zeitdauer τ , ergibt sich aus einer Energiebilanz. Wir betrachten dazu ein D-T-Plasma mit n/2 = nD Deuterium-, n/2 = nT Tritiumkernen und n Elektronen pro Volumeneinheit und der Temperatur T . Jedes Teilchen hat dann die Energie 3/2kT . Zum Aufheizen des Plasmas muß demnach zun¨ achst die Energiemenge 3 QH = 2n kT 2 aufgewendet werden. Damit die Energiebilanz positiv wird, muß w¨ahrend der Einschlußzeit des Plasmas eine gr¨ oßere Energiemenge durch Fusion freigesetzt werden; f¨ ur die durch Fusion freigesetzt Energie gilt: QF = nD nT σvE =
n2 σvE. 4
434
17 Kernfusion
Hierbei ist E die bei einer Fusionreaktion freigesetzte Energie und σv der Reaktionsparameter f¨ ur die Fusionsreaktion. σv ist das Produkt aus dem Wirkungsquerschnitt σ f¨ ur die Fusion und der Relativgeschwindigkeit v der stoßenden Teilchen, wobei u ¨ber die Geschwindigkeitsverteilung im Plasma zu mitteln ist; vgl. z. B. [6]. Aus der Bedingung QF > QH folgt: nτ >
12kT . σvE
(17.8)
Mit den Zahlenwerten E=17,6 MeV, T = 109 K und σv =10−22 m3 s−1 folgt schließlich die Bedingung: s n τ > 1022 3 . (17.9) m Diese Beziehung zwischen der Plasmadichte und der Zeitdauer, w¨ahrend der die hohe Dichte bei einer Temperatur von ca. 1 · 109 K vorliegen muß, heißt Lawson-Kriterium. Beispiel 17.1. Eine weitere Reaktion zur Energiegewinnung ist die Verschmelzung von Wasserstoff mit Tritium. Man berechne die Energiemenge, die bei der Reaktion von 1 kg Wasserstoff frei wird. Die Atomgewichte von 11 H, 31 H und 42 He betragen 1,007825, 3,01605 und 4,00260 u. Verwenden Sie die Lichtgeschwindigkeit c = 2,9979· 108 m/s. L¨ osung. Es gilt die Reaktionsgleichung 1 1H
+ 31 H −→ 42 He + Energie .
Danach reagieren 1,007825 kg 11 H mit 3,01605 kg 31 H und bilden 4,00260 kg 42 He. Der Massendefekt betr¨ agt
∆m = m1 + m3 1H
1H
− m4
2 He
= 0,021275 kg.
Bezogen auf die Ausgangsprodukte Wasserstoff und Tritium ist dies ein Massenverlust von ∆msp = 5,29 · 10−3 kg pro kg Brennstoff. Der Brennwert errechnet sich nach der Einstein’schen Beziehung zu B = ∆msp c2 = 4,75 · 1014 J/kg. Hieraus k¨ onnte der gegenw¨ artige globale Energiebedarf f¨ ur etwa 1 Minute gedeckt werden.
17.3 Fusionsreaktoren Seit mehr als f¨ unfzig Jahren wird wird an der zivilen Nutzung der Kernfusion geforscht. Trotz un¨ ubersehbarer Fortschritte m¨ ussen aber bis zu ihrer wirtschaftlichen Nutzung noch viele technologische Aufgaben gel¨ost werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie das heiße Plasma eingeschlossen werden kann, denn es ist klar, daß daf¨ ur normale Materialien nicht in Frage kommen. Bisher wurden daf¨ ur zwei sehr unterschiedliche L¨osungsans¨atze entwickelt:
17.3 Fusionsreaktoren
435
• Ber¨ uhrungsloser Einschluß und Erhitzung in einem magnetischen Feld. • Verdichtung und Erhitzung eines in einer Hohlkugel eingeschlossenen D-T Gemischs durch Implosion unter a¨ ußerer Bestrahlung (Tr¨agheitseinschluß). 17.3.1 Magnetischer Einschluß Bei den f¨ ur Kernfusionen notwendigen Temperaturen liegen die beteiligten Stoffe im Gaszustand vor. Die atomaren Bindungen der Elektronen an die Kerne sind aufgebrochen, so daß das Gas aus Ionen und Elektronen besteht. Dieser Zustand wird als Plasma bezeichnet. Die Materie in der Sonne, aber auch diejenige in den Neonr¨ ohren unserer Lampen, befinden sich im Plasmazustand. An einem elektrisch geladenen Teilchen, das sich mit der Geschwindigkeit v in einem magnetischen Feld B bewegt, greift nach (15.15) die Lorentz-Kraft F an, die senkrecht zu v und B steht. Bezeichnet m die Teilchenmasse, lautet die Bewegungsgleichung dv = F = qv × B. (17.10) dt Da die Beschleunigung senkrecht zur Geschwindigkeit gerichtet ist, ¨andert sich die Geschwindigkeit nicht dem Betrag nach, sondern nur in der Richtung. Zun¨ achst nehmen wir an, daß v keine Komponente in Richtung von B hat. Das Teilchen bewegt sich dann unter Einwirkung der Kraft q v B mit konstanter Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn. Der Bahnradius rG bestimmt sich aus dem Gleichgewicht zwischen der auf dem Magnetfeld beruhenden Kraft und der Zentrifugalkraft gem¨ aß m
qvB = m
v2 . rG
Hier steht v f¨ ur den Betrag des Vektors v = |v|. Die Kreisfrequenz der Umlaufbewegung ergibt sich zu v mv ωG = = . rG qB ωG heißt gyromagnetische Frequenz und rG Gyrationsradius. Hat v auch eine Komponente in Richtung von B, so ist in den vorstehenden Gleichungen v durch vs zu ersetzen, wobei mit vs die zu B senkrechte Komponente von v gemeint ist. Die zu B parallele Komponente von v bleibt un¨ ver¨ andert. Aus der Uberlagerung beider Komponenten des Geschwindigkeitsvektors folgt unmittelbar, daß das Teilchen eine wendelartige Bewegung l¨angs einer magnetischen Feldlinie als Achse durchf¨ uhrt, vgl. Abb. 17.2. Gem¨aß der durch (15.15) definierten Kraft drehen sich Ionen und Elektronen wegen des unterschiedlichen Vorzeichens von q im entgegengesetzten Sinn.
436
17 Kernfusion B ~ Ion
Elektron
Abbildung 17.2. Teilchenbewegung in einem Magnetfeld
¨ Unsere Uberlegungen f¨ uhren zu dem Ergebnis, daß die Bahnen der geladenen Teilchen an die Kraftlinien gebunden sind. Es scheint damit eine M¨oglichkeit zu bestehen, mit einem Magnetfeld ein Plasma einzuschließen. Als Anordnung denken wir zun¨ achst an einen Torus, vgl. Abb. 17.2. Wie kann man nun aber vermeiden, daß das Plasma mit der Wand in Kontakt kommt? Eine Kontraktion des Plasmas k¨ onnte durch ein azimutales Feld bewirkt werden. Ein solches Feld wird aber durch die sich parallel zum F¨ uhrungsmagnetfeld bewegenden Plasmateilchen induziert, denn nach dem Biot-Savart’schen Gesetz induziert ein in einem Leiter fließender Strom I ein azimutales Magnetfeld der St¨ arke µ I (17.11) Bϑ = 0 , 2πr worin r der radiale Abstand vom Leiter ist. Im station¨ aren Zustand wird die Kraftwirkung des selbstinduzierten Feldes auf die Teilchen in einem Volumenelement durch den Druckgradienten ausgeglichen. F¨ ur ein Element mit der Ionendichte nI und der Geschwindigkeit vI folgt nI e vI × Bϑ = −∇pI .
(17.12)
Hier ist pI der entgegen der Richtung der Oberfl¨achennormalen des Volumenelements wirkende hydrodynamische Druck und e die Ladung des Ions. Entsprechend gilt f¨ ur die Elektronen in einem Volumenelement ne e ve × Bϑ = −∇pe .
(17.13)
Hier sind ∇pI und ∇pe die durch Ionen bzw. Elektronen entstandenen Druckgradienten. In einem Wasserstoffplasma sind nI und ne gleich und werden gleich n gesetzt. Durch Addition beider Gleichungen folgt n e vI − ve × Bϑ = −∇p . (17.14) Dabei ist p der aus ucken auf die Ionen und Elektronen re den Partikeldr¨ sultierende Druck. vI − ve stellt die effektive Geschwindigkeit der Ladungs bewegung dar und der Term n e vI − ve ist dann gleich der Stromdichte i. F¨ ur zeitlich konstante Felder gilt nach den Maxwell’schen Gleichungen der Elektrodynamik ∇ × Bϑ = µ0 i
(17.15)
17.3 Fusionsreaktoren
437
mit der Induktionskonstanten µ0 = 1,2566 · 10−6 N/A2 . Damit folgt (∇ × Bϑ ) × Bϑ = −µ0 ∇p .
(17.16)
Wegen der Identit¨ at 1 ∇ × Bϑ × Bϑ = − B2 + Bϑ · ∇Bϑ 2 ϑ und Bϑ · ∇Bϑ ≡ 0 gilt f¨ ur ein Feld mit geraden, parallelen Kraftlinien
B2 ∇ −p + ϑ = 0 . 2 µ0
(17.17)
(17.18)
(17.19)
Daraus ergibt sich −p +
B2
ϑ
2 µ0
= const .
Da Bϑ in großer Entfernung vom Zentrum verschwindet, kann die Konstante o.B.d.A. zu Null gesetzt werden. Im Innern des Plasmaschlauches, d.h. f¨ ur r < R, herrscht damit nach (17.11) der Druck µ0 I 2 . (17.20) 4 π 2 R2 Hierbei ist R der Radius des Schlauches. F¨ ur den Druck im Plasma gilt nach der statistischen Thermodynamik p0 = p(r < R) =
p = nkT
(17.21)
mit der Teilchendichte n = nI + ne , der Boltzmann-Konstante k und der Temperatur T . Damit folgt aus (17.20) die Bennet-Gleichung I2 =
4πN kT . µ0
(17.22)
angeneinheit [cm−1 ]. Hier ist N = π R2 n die Teilchendichte pro L¨ Beispiel 17.2. Man berechne den erforderlichen Strom, um bei einer Temperatur angenspezifischen Teilchendichte N = 2 · 1015 cm−1 ein von T = 1 · 109 K und einer l¨ Plasma auf einem Durchmesser von D = 0,1 m zusammenzuhalten. Wie groß ist die dazu erforderliche Magnetfeldst¨ arke? L¨ osung. Der Druck im Zentrum des Plasmas ergibt sich nach (17.21) zu p = n k T = 280 bar. Damit folgt aus (17.22) f¨ ur den erforderlichen Strom I 2 = 8,76 · 1012 A2 ,
438
17 Kernfusion
und damit I = 3 · 106 A. Aus (17.11) ergibt sich die azimutale Komponente des Magnetfeldes zu Bϑ =
µ0 I πD
= 6 N/Am = 6 T.
Um ein Plasma bei den f¨ ur eine Kernfusion erforderlichen Temperaturen einzuschließen, braucht man große Str¨ ome und hohe magnetische Feldst¨ arken. Bisher ist es nicht gelungen, mit der hier skizzierten Methode Einschlußbedingungen zu erzeugen, die den f¨ ur eine Fusion erforderlichen entsprechen.
Das Erreichen der Z¨ undbedingungen bei einem magnetischen Einschluß wird durch das Auftreten von Energieverlusten erschwert. Diese haben folgende Ursachen: • Die Str¨ omung im Magnetfeld ist nicht stabil, weshalb aus dem Einschlußraum Teilchen entweichen. • W¨ ahrend die Teilchen im Plasma die Feldlinien des Magnetfeldes umkreisen, k¨ onnen sie zusammenstoßen. Dadurch k¨onnen ihre Bahnen so stark gest¨ ort werden, daß sie den Einschlußraum verlassen. • Verunreinigungen im Plasma k¨ onnen Energie in Form ultravioletter Strahlung abgeben und so das Plasma k¨ uhlen. Die Ergebnisse von theoretischen Studien u ¨ber diese Verlustquellen haben dazu gef¨ uhrt, daß man sich bei den in den vergangenen zwei Jahrzehnten gebauten Laboranordnungen den Z¨ undbedingungen zumindest ann¨aherte. Selbst wenn bei einem Experiment die Z¨ undbedingungen erreicht sind, stehen dem Bau einer kommerziellen Anlage noch technische Probleme entgegen. So sind zum Beispiel supraleitende Magnete erforderlich, da ansonsten f¨ ur die Aufrechterhalung des Magnetfeldes mit einer Feldst¨arke von ca. 6 T in einem Volumen von ca. 1 000 m3 eine Leistung im 1 000 MW-Bereich erforderlich w¨ are. 17.3.1.1 Das Tokamak-Konzept Das bisher erfolgreichste Konzept der Fusionsforschung ist als Tokamak bekannt. Dies ist eine Abk¨ urzung der russischen Worte Toroidalny kamer ma” gnitnymi katuschkami“ (Ringbrennkammer mit Magnetspule). Bei diesem Konzept wird das Plasma in einem Torus eingeschlossen. Zu diesem Zweck ist eine stromf¨ uhrende Spule um den Torus gewickelt, die ein ringf¨ormiges Magnetfeld erzeugt, welches das Plasma von der Wand fernh¨alt. Um das eingeschlossene Plasma im Gleichgewicht zu halten, ist zus¨atzlich noch ein im Plasma tangential fließender Strom erforderlich. Dieser Strom wird induziert, indem man den Plasmatorus zur Sekund¨ arspule eines Transformators macht, vgl. Abb. 17.3. Mit einem solchen Transformator kann aber der Strom im Plasmaschlauch nicht kontinuierlich in eine Richtung getrieben werden, da sonst
17.3 Fusionsreaktoren
439
die Stromst¨ arke in der Prim¨ arwicklung unendlich groß w¨ urde. Dies bedeutet aber auch, daß das thermonukleare Feuer in einem Tokamak von Zeit zu Zeit erlischt. Man rechnet mit Pulsen von jeweils 1 000 s Leistungsbetrieb und 50 s Pause. 1 2 3 4 5
5 5
Bt Tangentialfeld Bϑ Azimutalfeld
Bt 1 4
BJ
5 2
Brennkammer Plasmaschlauch Eisenjoch Prim¨ arspule Toroidspule
3
Abbildung 17.3. Grundelemente des Tokamak
Das Plasma im Tokamak bildet einen geschlossenen Stromkreis, das durch den induzierten Strom bis auf etwa 107 K aufgeheizt wird. Bei diesen Temperaturen wird das Plasma so gut leitend, daß der Strom ohne nennenswerten Widerstand fließt. F¨ ur die weitere Temperaturerh¨ohung bis zur Z¨ undung der Fusionsreaktion ist deshalb eine Zusatzheizung erforderlich. Dazu werden entweder hochfrequente Wellen oder Strahlen hochenergetischer neutraler Atome oder Molek¨ ule verwendet, vgl. [5]. F¨ ur das Einsetzen der Fusionsreaktion ist eine Temperatur von mindestens 1·109 K erforderlich. Nach dem Lawson-Kriterium (17.9) muß dieser Zustand f¨ ur eine von der Teilchendichte abh¨angende Mindestzeit aufrechterhalten werden. In Abb. 17.4 sind die wichtigsten Teilsysteme dargestellt, die allen Fusionsreaktoren mit magnetischem Einschluß gemeinsam sind. Das Magnetfeld umschließt das Plasma, ein Brennstoffkreislaufsystem h¨alt es rein und versorgt es mit thermonuklearem Brennstoff, ein Zusatzheizsystem erh¨oht seine Temperatur. Die erste Materialschicht des Reaktors muß der vom Plasma abgestrahlten W¨arme widerstehen. An diese schließt sich das Blanket an, in dem die bei der Fusion freiwerdenden Neutronen abgebremst werden und ihre Bewegungsenergie in Form von W¨ arme abgef¨ uhrt wird. Die W¨arme wird auf ein K¨ uhlmittel u ¨bertragen und schließlich zur Dampferzeugung verwendet. Mit dem heißen Dampf werden Turbogeneratoren betrieben, die die Fusionsw¨ arme in Elektrizit¨ at umwandeln. Im Blanket wird außerdem Lithium der Neutronenstrahlung ausgesetzt, um das f¨ ur den Prozeß notwendige Tritium zu gewinnen. Auch in einem Fusionsreaktor sind radioaktive Stoffe vorhanden, z.B. muß das bei der Reaktion verwendete Tritium im Reaktor eingeschlossen werden. Allerdings sind von diesem nur wenige Kilogramm im Reaktor enthalten, da
440
17 Kernfusion
6
7
3
4
2
1
1 2 3 4 5 6 7 8
Reaktor Plasmaschlauch W¨ armeabsorber Strukturmaterial K¨ uhlmittelkreislauf Dampferzeuger Dampf zur Turbine Speisewassereintritt
5
8
Abbildung 17.4. Schema eines Fusionsreaktors mit magnetischem Einschluß
der Brennstoff kontinuierlich von außen zugegeben wird. Bei einer Unterbrechung der Versorgung w¨ urde die Fusionsreaktion unverz¨ogert erl¨oschen, so daß eine unkontrollierbare Reaktion nicht m¨ oglich ist. Wegen des geringen Inhaltes des Reaktors an radioaktivem Material kann eine Strahlenbelastung der Umgebung auch bei einem Unfall ausgeschlossen werden. Bei Experimenten mit Tokamak-Anordnungen wurden bis 1995 in jeweils separaten Versuchen Teilchendichten von 2 · 1014 cm−3 , Ionentemperaturen von bis zu 4 · 108 K und Einschlußzeiten von u ¨ber 1 s erreicht. Wie Abb. 17.5 zeigt, ist das Fusionsprodukt nunmehr nur noch um einen Faktor 10 von der Z¨ undung entfernt. ······················ ······················ ···· Brennen ·············· ··· ···· ····· ······ ······················· ····· ······ ····· ······ ······ ··························································· ··········· ········ ········ ········ ····································· ·································· ····························· ························· ·················· ···········
Teilchendichte · Einschlußzeit [cm3 s]
1016
············· ······················ ········· ····································· ·································· ····························· ··· ········· ·········· ········· ·················································· ···································· bis 1994 ·········· ········· ········· ································ ··························· ······················ ············· ············· ······················ ··························· ································ ······· ······· ················································· ···························1980–1990········ ······· ········ ······· ····································· ·································· ····························· · ······· ······················ ·············
1014
1012
············· ······················ ··························· ································ ····································· ······· ·······················1970–1980······· ········ ······· ···················································· ········ ······· ······································ ····························· · ······· ······················ ············· 1010
106
107
108
Plasmatemperatur [K]
109
Abbildung 17.5. Fortschritte der Fusionsforschung
Zur weiteren F¨ orderung und Entwicklung ist in weltweiter Zusammenarbeit der Bau eines Tokamak-Testreaktors ITER (Internationaler Thermonuklearer Test Reaktor) geplant, der eine thermische Leistung von 1 000 MW
17.3 Fusionsreaktoren
441
u aume von ca. einer Stunde liefern soll.2 Nach Abschluß des ITER¨ber Zeitr¨ Projekts soll als n¨ achste Anlage ein Demonstrationsreaktor (DEMO) in Angriff genommen werden, der bereits alle Funktionen eines Fusionskraftwerkes erf¨ ullt. Schreitet die Entwicklung nach diesem Plan voran, so k¨onnte – bei Planungs-, Bau- und Testzeiten von 25 Jahren f¨ ur ITER und DEMO – ein kommerzielles Fusionskraftwerk in der zweiten H¨alfte des Jahrhunderts wirtschaftlich nutzbare Energie liefern [3], [7]. 17.3.2 Tr¨ agheitseinschluß Die Z¨ undbedingung f¨ ur einen Fusionsreaktor ist dann erreicht, wenn das Produkt aus Teilchendichte und Einschlußzeit einen Mindestwert erreicht hat, vgl. (17.9). Beim magnetischen Einschluß wird eine lange Verweilzeit (ca. 10 s) angestrebt. Die erforderliche Teilchendichte liegt dann bei ca. 1014 1/cm3 . Beim Tr¨ agheitseinschluß wird umgekehrt eine hohe Teilchendichte bei kurzer Verweilzeit angestrebt. Dies versucht man in der Weise zu erreichen, daß eine kleine Kugel (Pellet) aus Fusionsmaterial durch Zuf¨ uhrung eines großen Energiebetrages, z. B. durch Lichtpulse eines Hochleistungslasers, in kurzer Zeit (ca. 10−9 s) auf Fusionstemperatur aufgeheizt wird. Mit Zunahme der Temperatur beginnt das Pellet sich auszudehnen. Die dabei erreichte Beschleunigung wird durch die Masse der Brennstoffionen (d.h. ihre Tr¨agheit) bestimmt. Durch den R¨ uckstoß der sich ausdehnenden Materie wird der Anteil des Plasmas im Zentrum durch eine nach innen gerichtete Stoßwelle zus¨atzlich verdichtet und auf Fusionstemperatur erhitzt, so daß f¨ ur eine kurze Zeitspanne das Lawson Kriterium erf¨ ullt ist und die Fusionsreaktion einsetzen kann. Dieses Konzept wird im Prinzip bei den heutigen Wasserstoffbomben angewendet, bei denen man zur Aufheizung eine Spaltungsreaktion benutzt. F¨ ur die Realisierung in Kraftwerken denkt man an eine Energiezufuhr mit Laserlicht oder Teilchenstrahlen, die von allen Seiten her auf das Pellet gerichtet werden [1], [4]. Wegen der kurzen Impulsdauer sind Leistungen in der Gr¨oßenordnung von 1014 W erforderlich. Durch die Z¨ undung eines Pellets w¨ urde eine Energiemenge von ca. 108 J frei. Dies entspricht der Energiefreisetzung einer Explosion von etwa 20 kg TNT, die bei einem Kraftwerk periodisch wiederholt werden muß. F¨ ur eine Anlage mit von einer elektrischen Leistung 500 MW w¨ aren pro Sekunde 10 Pellets zu z¨ unden. Bisher ist nicht klar, wie z.B. die Struktur eines solchen Kraftwerkes, die einer derartigen Beanspruchung auf Dauer widersteht, gestaltet werden kann. Eine Variante des Tr¨ agheitseinschlusses ist die Fusion per Sonoluminiszenz. Damit bezeichnet man das Leuchten kollabierender Gasbl¨aschen, die sich bilden, wenn man einer Fl¨ ussigkeit z. B. intensiven Neutronenstrahlen aussetzt. In [8] wird berichtet, daß Kernverschmelzung von Deuterium zu 2
Die finanzielle Gr¨ oßenordnung wird mit 15 Mrd. US$ abgesch¨ atzt. Zum Vergleich: In Deutschland wurden pro Jahr ca. 120 Mio. Euro f¨ ur die Fusionsforschung aufgewendet.
442
17 Kernfusion
Tritium in einer Acetonl¨ osung herbeigef¨ uhrt wurde, deren Wasserstoffatome durch Deuterium ersetzt wurden. Durchgef¨ uhrte Kontrollexperimente h¨atten die Ergebnisse best¨ atigt; allerdings steht die Reproduktion der Ergebnisse durch andere Forschergruppen aus.
17.4 Fazit Die Kernfusion ist so faszinierend, weil es sich um eine unersch¨opfliche Energiequelle handelt, mit deren erfolgreicher Entwicklung das Problem der Energieversorgung f¨ ur alle Zeiten gel¨ ost w¨ are. Denn die f¨ ur den Prozeß erforderlichen Grundstoffe sind auf der Erde in großer Menge und gleichm¨aßiger Verteilung vorhanden. Die Kernfusion unterscheidet sich von der Kernspaltung schon dadurch, daß ihre kontrollierte Realisierung noch vollst¨andig offen ist. In der Waffentechnik wird die Kernfusion bereits seit 1950 f¨ ur Wasserstoffbomben benutzt. Die Existenz dieser Waffe beweist, daß die Kernfusion technisch realisierbar ist. Unter Laborbedingungen konnte bisher allein die myonenkatalysierte Kernfusion nachgewiesen werden. Das Erreichen der Z¨ undbedingungen f¨ ur ein durch ein Magnetfeld eingeschlossenes Plasma oder f¨ ur eine Fusion unter Tr¨ agheitseinschluß ist nicht sicher vorauszusagen. Unabh¨ angig davon bestehen heute noch keine auf ihre technisch Durchf¨ uhrbarkeit hin u uften Konzepte f¨ ur Fusionskraftwerke. Es handelt sich ¨berpr¨ dabei aber um eine anspruchsvolle ingenieurwissenschaftliche Aufgabe, an deren L¨ osung in allen hochentwickelten Industriel¨andern gearbeitet wird. Forschungseinrichtungen in Deutschland sind das Max-Plank Institut f¨ ur Plasmaphysik in Garching sowie die Forschungszentren Karlsruhe und J¨ ulich. Beim jetzigen Stand der Forschung ist es selbstredend nicht m¨oglich, belastbare Angaben u ¨ber Sicherheitsrisiken und m¨ogliche Umweltbelastungen durch Fusionsreaktoren zu machen. Dies kann in exakter Weise erst geschehen, wenn ein Reaktor l¨ angere Zeit in Betrieb war und Erfahrungen gesammelt wurden.
Literatur 1. Craxton, R.S., McCrory, R.L., Soures, J.M.: Laser-induzierte Kernfusion. Spektrum der Wissenschaft 1986, 10, 98–110 2. Jones, S.E.: Muon-catalysed fusion revisited. Nature 321, 127–133 (1986) 3. Grieger, G.: Stand und Aussichten der Fusionsforschung. VGB Kraftwerkstechnik 73, 17–21 (1993) 4. Kodama, R. et all: Fast heating scalable to laser fusion ignition. Nature 418, 933 (2002) 5. Raeder, J., Borraß, K., B¨ unde, R. et. al.: Kontrollierte Kernfusion. B.G. Teubner, Stuttgart 1981 6. Schuhmacher, U.: Fusionsforschung Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1993
Literatur
443
7. Sessler, A.M., Stix, T.H., Rosenbluth, M.N.: Build the international thermonuclear experimental reactor? Physics Today 49, 21–25 (1996) 8. Yiban Xu, Adam Butt: Confirmatory experiments for nuclear emissions during acoustic cavitation. Nuclear Eng. and Design 235, 1317 – 1324 (2005)
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
18.1 Einleitung Es ist vorherzusehen, daß es bei der sich abzeichnenden Verknappung der einfach nutzbaren und preiswerten fossilen Energierohstoffe aufgrund des bestehenden Nachfragedrucks zu drastischen Preiserh¨ohungen kommen wird. Diese k¨ onnen zwar von den Industriel¨ andern noch kompensiert werden, nicht aber von den Staaten der sog. dritten Welt, die vielmehr noch f¨ ur lange Zeit auf preiswerte fossile Energierohstoffe angewiesen sein werden. Wenn es gel¨ange, kurzfristig wenigstens einen Teil des wachsenden Energiebedarfs aus erneuerbaren oder regenerativen Energiequellen1 zu decken, w¨ urde dies zu einer Entspannung des Marktes f¨ ur fossile Energietr¨ager beitragen. Ein anderer Grund f¨ ur das zunehmende Interesse an erneuerbaren Energiequellen liegt in den Umweltrisiken, die sich bei der Nutzung der fossilen und nuklearen Energietr¨ ager gezeigt haben. Bei den fossilen Brennstoffen ergibt sich ein nur schwer absch¨ atzbares globales Umweltrisiko aus der Freisetzung von Kohlendioxid. W¨ ahrend der letzten dreißig Jahre hat man eine deutliche Zunahme von Kohlendioxid in der Atmosph¨are festgestellt. Es besteht die begr¨ undete Bef¨ urchtung, daß sich eine weitere Zunahme negativ auf die globalen Klimaverh¨ altnisse auswirken wird. Bei der Kernenergie ist zudem die Aufarbeitung und Lagerung von radioaktiven Abf¨allen nur im Grundsatz gel¨ ost. Ein weiterer Grund f¨ ur die Entwicklung von Energiesystemen auf der Basis erneuerbarer Energiequellen besteht darin, eine Alternative zu den fast unersch¨ opflichen Energieressourcen zu schaffen, die uns im Prinzip mit der Kernfusion und der Kernspaltung bei Einsatz der Br¨ utertechnologie zur Verf¨ ugung stehen. 1
Zu den erneuerbaren Energiequellen werden auch die in Abschnitt 2.4 behandelte Erdw¨ arme und die Biomasse gez¨ ahlt. Biomasse ist ein Kurzzeitspeicher der Sonnenenergie, deren Nutzung meist mit Rost- oder Wirbelschichtfeuerungen erfolgt.
446
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
Ein Entwicklungsschub f¨ ur die Nutzung regenerativer Energiequellen wur¨ de durch die erste Olkrise 1973 ausgel¨ ost. Ziel war es, zumindest Teilbereiche mit einer autarken Energieversorgung aus diesen Quellen zu schaffen. In diesem Kapitel werden die technischen M¨oglichkeiten zur Nutzung der auch in Mitteleuropa verf¨ ugbaren Energiequellen Sonne, Wind und Wasserkraft soweit behandelt, wie es f¨ ur eine erste Bewertung erforderlich ist. Eine detaillierte Darstellung wird in [8] gegeben.
18.2 Wasserkraft 18.2.1 Allgemeines Wasser kommt auf der Erde an vielen Orten vor. Die M¨achtigkeit dieser Vorkommen l¨ aßt sich wie folgt quantifizieren: Wasservorkommen Lokalit¨ at Fl¨ usse, B¨ ache Wasserdampf in Atmosph¨ are S¨ ußwasserseen Grundwasser Polareis Ozeane/ Meere
auf der Erde Menge kg 7, 2 · 1014 1, 27 · 1016 1, 7 · 1017 8, 6 · 1018 3, 0 · 1019 1, 4 · 1021
Anteil % 0, 0002 0, 005 0,012 0, 6 2, 1 97, 2
Der erste Hinweis auf die Nutzung der Wasserkraft mit Wasserr¨adern im Imperium Romanum findet sich bei Vitruv2 . Mit den Wasserr¨adern wurde die kinetische Energie fließenden Wassers zum Mahlen von Getreide genutzt. Diese Vorg¨ anger der heutigen Wasserturbinen wurden in Europa im 18. und 19. Jahrhundert verfeinert und weiterentwickelt. Heute wird etwa 20% der weltweit erzeugten Elektrizit¨ at mit Wasserturbinen gewonnen. Wasserkraftwerke werden auch in Zukunft eine bedeutende Rolle in der Energiewirtschaft spielen. Bei der Nutzung der Wasserkraft sind zu unterscheiden: • Laufwasser- und Speicherkraftwerke. Bei diesen macht man sich den nat¨ urlichen Wasserkreislauf aus Verdunstung, Niederschlag und Str¨omung des Wassers zum Meer zunutze. Laufwasserkraftwerke nutzen das Gef¨alle in Fl¨ ussen und Kan¨ alen. Meist handelt es sich um Niederdruckanlagen mit geringen Fallh¨ ohen und großen Massenstr¨omen. Speicherkraftwerke dagegen sind Hochdruckanlagen an Talsperren und Gebirgsseen mit großen Fallh¨ ohen, aber geringen Massenstr¨ omen. • Gezeitenkraftwerke. Durch die Gravitation des Mondes und der Sonne entstehen in den Meeren der Erde jeweils auf der von Mond und Sonne ab- und zugewandten Seite Flutberge, die ihrerseits die Entstehung von Flutt¨alern 2
Vitruv (ca. 85–22 v. Chr.), r¨ omischer Schriftsteller.
18.2 Wasserkraft
447
bedingen. Die H¨ ohendifferenz zwischen Flutberg und Fluttal kann mittels geeigneter Wehre und Turbinen zur Erzeugung von Strom genutzt werden. • Wellenkraftwerke. Wellen werden durch den Wind infolge der Reibung der Luft mit der Wasseroberfl¨ ache erzeugt. Das Anheben und Absenken des Meeresspiegels infolge der Wellenbewegung f¨ uhrt zu einer periodischen ¨ Anderung der potentiellen Energie großer Wassermassen, die im Prinzip in Nutzenergie umgewandelt werden kann. Es wurden zahlreiche Varianten zur Nutzung der Wellenenergie vorgeschlagen, von denen einige in Projekten erprobt wurden. Bisher sind allerdings keine u ¨berzeugenden Ergebnisse bekannt geworden. F¨ ur die mittlere Leistung einer Wasserwelle pro Meter Breite gilt: 1 kW . Pl ≈ H 3 √ λ m Hierbei ist: Pl : die potentielle Leistung der Welle pro Meter Breite λ: die Wellenl¨ ange H: die H¨ ohendifferenz zwischen Wellenkamm und Wellental Hauptproblem bei der Extraktion der Wellenenergie ist die geringe Energiedichte, die an der Nordseek¨ uste bei Wellenh¨ohen von 2 Metern und einer Wellenl¨ange von 100 m nur 0,8 kW pro Meter K¨ ustenl¨ange betr¨agt. Zur Erg¨ anzung sei auf die Literatur [10] verwiesen. 18.2.2 Laufwasserkraftwerke und Speicherkraftwerke 18.2.2.1 Allgemeines, Systemaufbau Etwa ein Drittel der von der Erde absorbierten Sonnenenergie wird f¨ ur die Aufrechterhaltung des Wasserkreislaufes verbraucht. Dieser Energiestrom von ca. 4·1016 W verdampft pro Sekunde 1,6·1010 kg Wasser. Wenn wir annehmen, daß ein Drittel dieser Menge u ¨ber Land als Regen niedergeht und im Mittel ein realisierbares Gef¨ alle von 50 m zur Verf¨ ugung steht, dann betr¨agt der globale Energiefluß der Wasserkraft 2,6 TW. Diese Leistung ist nicht riesig, sie entspricht in etwa dem prognostizierten weltweiten Strombedarf f¨ ur das Jahr 2010. Die heute installierten und im Bau befindlichen Wasserkraftanlagen erreichen eine Leistung von ca. 0,3 TW, was einem Beitrag von ca. 6% zum Prim¨ arenergieaufkommen entspricht. Wasserkraftwerke zur Umwandlung der potentiellen Energie des Wassers in mechanische Arbeit bestehen aus den Hauptkomponenten • • • • •
Speicheranlage (Stausee, Staubecken), Entnahmeeinrichtung (Rechen, Sch¨ utz), Leitung vom Stausee zur Turbine, Turbine und Generator, sowie einer Anlage zur Wasserabf¨ uhrung (Unterwasser).
448
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
Das mechanische Leistungspotential des mit einer Gef¨alleh¨ohe H gespeicherten Wassers ergibt sich aus Pmech = m ˙ gH .
(18.1)
Hier ist m ˙ der Massenstrom durch die Turbine und g die Schwerebeschleunigung. Die Energieumwandlung in elektrischen Strom ist mit Verlusten verbunden, die jeweils durch einen Wirkungsgrad erfasst werden. F¨ ur Leistungsabgabe des Generators Pel ergibt sich die Darstellung: Pel = ηG ηT ηS Pmech = ηN Pmech
(18.2)
Mit den Wirkungsgraden ηG = 0,96–0,98 f¨ ur den Generator, ηT = 0,90– ur die str¨omungsf¨ uhrenden Bauteile 0,95 f¨ ur die Turbine und ηS = 0,95–0,98 f¨ ergeben sich f¨ ur den Nettowirkungsgrad ηN Werte im Bereich von 0,82–0,91. Beispiel 18.1. Betrachtet werde ein 100 MW-Speicherkraftwerk mit einem realisierbaren Gef¨ alle von 200 m und einem Nettowirkungsgrad von 0,8. Berechnen Sie a) den Wirkungsgrad der Umwandlung der Sonnenenergie in Strom, b) den Einzugsbereich und c) den Landverbrauch. Nehmen Sie eine Niederschlagsmenge v = 1 500 l/m2 a an, von der f = 50% in die Oberfl¨ achengew¨ asser abfließen und gesammelt werden k¨ onnen. Das Volumen des Speichersees soll auf eine Trockenperiode von l¨ angstens 30 Tagen ausgelegt werden. L¨ osung. a) F¨ ur die zu erzeugende Leistung Pel ist nach (18.1) und (18.2) ein Massenstrom von Pel m ˙ = = 63 710 kg/s = 2,01 · 1012 kg/a ηN g H erforderlich. Dieser Massenstrom wird mit Sonnenenergie verdampft, wozu bei einer Verdampfungsenthalpie von 2,4 MJ/kg Wasser ein W¨ armestrom von 5 Q˙ = m ˙ ∆h = 1,53 · 10 MW V
notwendig ist. Der Wirkungsgrad der Umwandlung von Sonnenenergie in Strom ergibt sich daraus zu η=
Pel = 0,0654%. Q˙
b) Die Gr¨ oße des Einzugsgebietes ist A=
m ˙ = 2,7 · 109 m2 = 2 700 km2 . f ρv
c) Der Mindestinhalt des Speicherbeckens muß VSp =
m ˙ t = 1,65 · 108 m3 ρ
betragen. Bei einer mittleren Tiefe von 20 m ergibt dies eine Beckenfl¨ ache von ache ergibt sich eine 8,26 km2 oder 2,9 × 2,9 km2 . Bezogen auf die Beckenfl¨ Leistungsdichte von 12 W/m2 ; Zum Vergleich: die 14.000 M W Anlage Itaipu im Grenzgebiet zwischen Brasilien und Paraguay hat eine Beckenfl¨ ache von 1, 5 · 109 m2 und damit eine Lestungsdichte von 9, 3 W/m2 .
18.2 Wasserkraft
449
Wasserkraftwerke k¨ onnen außer zur Bereitstellung von Energie auch zur Energiespeicherung verwendet werden. Energiespeicher sind notwendig, denn die Elektrizit¨ atswerke stehen von jeher vor dem Problem, die schwankende Nachfrage nach Strom zuverl¨ assig und kosteng¨ unstig zu befriedigen. Besondere Schwierigkeiten bereiten dabei kurzzeitige Nachfragespitzen, vgl. Abb. 1.8. Dieses Problem w¨ are gel¨ ost, wenn es gel¨ ange, den zu Zeiten geringen Bedarfs, nachts und am Wochenende, produzierten Strom f¨ ur Zeiten großer Nachfrage aufzubewahren. Die einzigen Speichersysteme, die sich bisher im gr¨oßeren Maßstab f¨ ur diesen Zweck in der Stromerzeugung bew¨ahrt haben, sind die Pumpspeicherwerke. Bei diesen wird u ussiger Strom dazu verwendet, ¨bersch¨ mittels Speicherpumpen Stauseen aufzuf¨ ullen. Wird die gespeicherte Energie zu Spitzenlastzeiten des Netzes wieder ben¨ otigt, l¨aßt man das Wasser durch die Turbine wieder auf das tiefere Niveau zur¨ ucklaufen. Zur L¨osung der Aufgabe bestehen zwei M¨ oglichkeiten f¨ ur die Anordnung von Pumpe und Turbine: • Turbine/Generator und Pumpe/Motor getrennt oder • Pumpturbine mit Motor/Generator. Bei der zweiten Variante sind die Aufwendungen geringer. Allerdings ist zwischen beiden Betriebsarten eine Drehrichtungsumkehr erforderlich, so daß die Umschaltzeiten zwischen Pumpen- und Turbinenbetrieb anwachsen. Derartige Pumpspeicherwerke bestehen bereits in gr¨oßerer Zahl. Es sind Leistungen bis 200 MW und H¨ ohendifferenzen von einigen 100 m realisiert. Da sowohl beim Pump- als auch beim Turbinenbetrieb Verluste entstehen, liegt der Nettowirkungsgrad derartiger Anlagen bei 80%. 18.2.2.2 Wasserturbinen Die bei Wasserkraftwerken eingesetzten Turbinen sind Str¨omungsmaschinen. Sie funktionieren nach denselben Prinzipien wie die in Kap. 8 behandelten Dampfturbinen. Unterschiede ergeben sich aus den Eigenschaften der Arbeitsmittel. Wasser hat im Unterschied zu Wasserdampf eine gr¨oßere Dichte und ist fast inkompressibel. Aus diesem Grunde haben Wasserturbinen eine h¨ohere Leistungsdichte als Dampfturbinen; sie haben meist nur eine Stufe und die Schaufelanzahl am Radumfang ist gering. Wasserturbinen wurden f¨ ur Leistungen von bis zu 1 000 MW mit Laufraddurchmessern von bis zu 11 m ausgef¨ uhrt. Das Gef¨alle liegt bei ausgef¨ uhrten Anlagen zwischen 1 m bei Flußkraftwerken und 2 000 m bei Hochdruckanlagen mit k¨ unstlichen Stauseen im Hochgebirge. Zur Bew¨altigung dieses großen Fallh¨ohenbereiches haben sich drei Turbinentypen durchgesetzt, vgl. Abb. 18.1. Dabei ist jeder dieser Bauarten ein Fallh¨ohenbereich zugeordnet. Die Leistung einer Wasserturbine ist proportional zu Massenstrom und Fallh¨ ohe. Zur Charakterisierung der einzelnen Typen wird eine dimensionsbehaftete spezifische Drehzahl nq definiert. Man versteht darunter die Drehzahl eines gedachten, dem betreffenden Laufrad geometrisch ¨ahnlichen Rades, das
450
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
a)
b)
c)
Abbildung 18.1. Bauarten von Wasserturbinen: a) Peltonturbine,b) Francisturbine, c) Kaplanturbine
bei 1 m Fallh¨ ohe einen Durchsatz von 1 m3 /s haben w¨ urde. F¨ ur diese Gr¨oße ¨ findet man mit den Methoden der Ahnlichkeitsmechanik die Beziehung n V˙ nq = . (18.3) H 3/4 Hier ist n die Drehzahl der Maschine in min−1 , V˙ der Volumenstrom in m3 /s und H die Fallh¨ ohe in m. Nach ihrer Arbeitsweise werden die Wasserturbinen eingeteilt in • Gleichdruckturbinen, bei denen der statische Druck am Eintritt in bzw. beim Austritt aus dem Laufrad gleich groß ist, was eine Teilbeaufschlagung zul¨ aßt, sowie ¨ • Uberdruckturbinen, bei denen der statische Druck am Eintritt in das Laufrad gr¨ oßer als am Austritt ist und die daher nur Vollbeaufschlagung erlauben. Peltonturbine Es handelt sich um eine teilbeaufschlagte Gleichdruckturbine mit tangentialer Wasserzuf¨ uhrung zum Laufrad mit 1–6 Freistrahld¨ usen. Die Regelung erfolgt u ber eine Verstellung des Massenstroms durch eine Ver¨anderung des ¨ Querschnitts der D¨ usen. Der Regelbereich reicht von 20–100% Last bei fast konstantem Wirkungsgrad. F¨ ur Schnellabschaltungen werden Strahlablenker verwendet. Die Peltonturbine eignet sich besonders f¨ ur Fallh¨ohen im Bereich von 300–2 000 m. Es wurden Einheitsleistungen bis 300 MW ausgef¨ uhrt. Die charakteristische Drehzahl nq variiert zwischen 3 und 20 min−1 . Francisturbine Die Francisturbine hat ein Leit- und Laufrad, die immer von außen nach innen durchstr¨ omt werden; die Abstr¨ omung erfolgt stets axial. Das Wasser wird mit einer Einlaufspirale achsensymmetrisch in das Leitrad gef¨ uhrt, dessen Schaufeln drehbar gelagert sind. Dem Laufrad nachgeschaltet ist ein Diffusor (Saugschlauch), mit dem die kinetische Energie des Wassers m¨oglichst vollst¨andig
18.2 Wasserkraft
451
genutzt werden soll. Zur Regelung werden die Leitschaufeln verstellt; der Regelbereich liegt bei einem nahezu konstanten Wirkungsgrad zwischen 30 und 100%. Die Francisturbine eignet sich f¨ ur Fallh¨ ohen zwischen 40 und 700 m bei Einheitsleistungen bis 1 000 MW. Die spezifische Drehzahl nq liegt zwischen 20 und 100 min−1 . Die bisher gr¨ oßten Wasserkraftwerke, die Anlage Itaipu in Brasilien/Paraguay mit 14.000 MW und das 3-Schluchten Kraftwerk am Yangtse Fluß in China mit einer installierten Leistung von 18.200 MW, sind mit Turbinen der Bauart Francis ausger¨ ustet. Die Laufr¨ ader der 26 Turbineneinheiten des 3-Schluchten Werks haben einen Durchmesser von 10 m und ein Gewicht von 420 Tonnen, die Fallh¨ ohe des Wasser betr¨ agt 80 m und der Massenstrom pro Turbine betr¨ agt bei voller Leistung 950 kgs−1. Kaplanturbine Bei Kaplanturbinen sind sowohl die radialen Leitschaufeln als auch die axialen Laufschaufeln verstellbar, woraus sich gegen¨ uber der Francisturbine ein besserer Wirkungsgrad bei Teillasten ergibt. Kaplanturbinen eignen sich besonders f¨ ur niedrige und schwankende Fallh¨ ohen. Es wurden Einheitsgr¨oßen bis 200 MW ausgef¨ uhrt; die spezifische Drehzahl liegt zwischen 90 und 300 min−1 . ¨ Uber die Theorie und Anwendungstechnik der Wasserturbinen besteht eine umfangreiche Literatur; f¨ ur ein weiterf¨ uhrendes Studium sei auf [3], [16] und [15] verwiesen. 18.2.2.3 Umweltbelastungen Obgleich die Speicherkraftwerke eine emissionsfreie Energiequelle sind, hat der Bau von D¨ ammen und großen Reservoiren doch tiefgreifende Wirkungen auf Fl¨ usse und Oberfl¨ achengew¨ asser und zwar allein schon wegen der M¨achtigkeit dieser Bauwerke. Aus den Entwurfsspezifikationen der großen D¨amme ergibt sich ein Speichervolumen von insgesamt ca. 10.000 km3 ; dies ist etwa f¨ unfmal mehr als das Gesamtvolumen aller großen Fl¨ usse unserer Welt. Die Gesamtfl¨ ache aller Speicherseen mit einer Stauh¨ ohe von u ¨ber 30 m betr¨agt mehr als 600.000 km2 , sie ist damit fast doppelt so groß wie die Fl¨ache Deutschlands. ¨ Okologische Auswirkungen sind besonders von sehr großen Wasserkraftwerken bekannt. So f¨ uhrt z.B. die Wasserverdunstung beim Assuan-Staudamm in Ober¨ agypten zu einer Versalzung des aufgestauten Wassers und auch des abfließenden Nilwassers. Dies hat Folgen f¨ ur die Trinkwasserversor¨ gung des ganzen Landes. Im Dreil¨ andereck zwischen Ungarn, Osterreich und Slowakien wurde 1989 der Bau eines Laufwasserkraftwerkes in den Donauauen wegen erwarteter Nachteile f¨ ur die Umwelt eingestellt. Der Bau der großen Staud¨ amme war schon immer mit oft zwangsweiser Umsiedlung von meist armen Menschen verbunden. Es wird gesch¨atzt,daß im vergangenen Jahrhundert verbunden mit Wasserkraftprojekten mehr als 80
452
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
Millionen Menschen umgesiedelt wurden. Im Zuge des Baus des 3-SchluchtenProjekts am Yangtze Fluß mußten ca. 1,3 Millionen Menschen ihre H¨auser und H¨ ofe verlassen; meist Mitglieder b¨ auerlicher Familien, denen ihr frucht¨ bares Land durch Uberflutung verloren ging. Erschwerend kommt hinzu, daß es sich um eine Gegend handelt, wo es offensichtlich an geeignetem Land f¨ ur landwirtschaftliche Siedlungen mangelt; bez¨ uglich der Beeintr¨achtigung unserer Umwelt durch große D¨ amme sei auf [19] erwiesen. 18.2.3 Gezeitenkraftwerke 18.2.3.1 Allgemeines Die Gezeiten kommen aufgrund der Gravitation des Mondes und der Sonne zustande. Ihr Erscheinen ist mit dem Umlauf des Mondes um die Erde (Umlaufzeit 24 h 50’) bzw. der Erde um die Sonne verkn¨ upft. Die Wirkung der Sonne auf die Gezeiten ist etwa halb so groß wie die des Mondes. Eine ¨ Uberlagerung beider Effekte f¨ uhrt an den K¨ usten zu Spring- bzw. Nippfluten. Wirken Sonne und Mond in gleicher Richtung, betr¨agt der Tidenhub auf offener See ca. 1 m. In einigen Buchten und Flußm¨ undungen sind aber viel h¨ohere Tidenh¨ ube zu beobachten. Diese kommen durch Resonanzerscheinungen der periodisch auf- und ablaufenden Gezeiten unter bestimmten Randbedingungen zustande. F¨ ur eine Absch¨ atzung m¨ oglicher Resonanzerscheinungen betrachten wir die Oberfl¨ achenwellen in einem Wasserbecken der Tiefe H und der L¨ange L; die L¨ angsausdehnung sei groß gegen die Tiefe. Das Becken sei auf einer Seite offen und dort an das offene Meer angeschlossen. Zur Beschreibung der durch Wellen von Ort und Zeit abh¨ angigen Wassertiefe y(t) = H + η(t) gilt die aus der Str¨ omungsmechanik gut bekannte Gleichung f¨ ur die Ausbreitung von Oberfl¨ achenwellen ∂2η ∂2η = g H . (18.4) ∂t2 ∂x2 η ist hier die Abweichung von der mittleren Tiefe. Am offenen Ende (x = L) gelten die Randbedingungen: η(L, t) = η0 cos ωG t und ∂η (0, t) = 0 . ∂t Die L¨ osung des Randwertproblems lautet: 2πx cos λ cos ω t η(x, t) = η0 G 2πL cos λ mit
(18.5)
(18.6)
(18.7)
18.2 Wasserkraft
√ 2π gH λ= . ωG
453
(18.8)
Hier ist η0 die Wellenamplitude und ωG die Kreisfrequenz der Gezeiten auf dem offenen Meer. Man erkennt aus (18.7), daß f¨ ur cos(2 π L/λ) = 0 Resonanz vorliegt. Dann ist 2πL π = (2n − 1) , n = 1, 2, 3, . . . . (18.9) λ 2 Hieraus folgt mit (18.8), daß Resonanz m¨ oglich ist, wenn √ π gH L = (2n − 1) , (18.10) 2 ωG vgl. Abb. 18.2. H+h h(t)=h0 cos(wG. t)
H
x=0
x=L
Abbildung 18.2. Wasserstandsschwingung in einem einseitig offenen Kanal
Beispiel 18.2. Die Bay of Fundy an der kanadischen Ostk¨ uste hat eine L¨ ange von 270 km und eine mittlere Tiefe von 70 m. Am Landende treten Tidenh¨ ohen von bis zu 15 m auf. Ist dies eine Resonanzerscheinung? L¨ osung. Bei einer Dauer des Gezeitenzyklus von τG = 12 h ist die Kreisfrequenz der Gezeiten 2π = 1,45 · 10−4 s−1 . ωG = τG Aus (18.8) berechnet man die Wellenl¨ ange λ = 1,13 · 106 m . Aus (18.10) folgt n=
1 2L + = 0,977 ≈ 1 , 2 λ
es liegt also Resonanz vor. Dieses einfache Modell beschreibt allerdings die Vorg¨ ange ¨ nur im Prinzip. Uber ein genaueres Modell wird in [10] berichtet.
454
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
F¨ ur Gezeitenkraftwerke bestehen zwei M¨ oglichkeiten: 1. Nutzung der auftretenden H¨ ohenunterschiede beim Gezeitenwechsel 2. Direkte Umwandlung der kinetischen Energie der Gezeitenstr¨omung mit einer Turbine Die Gezeiten haben gegen¨ uber anderen erneuerbaren Energiequellen einen großen Vorteil: Ebbe und Flut sind periodische Erscheinungen und damit berechenbar. Dagegen ist man bei Wind- und Solarenergieanlagen von den außeren Gegebenheiten, dem Wetter, abh¨ angig. Die Gezeiten sind zuverl¨assi¨ ger! 18.2.3.2 Bauarten von Gezeitenkraftwerken Bei den bisher gebauten Anlagen nutzt man die H¨ohendifferenz zwischen den Wasserst¨ anden in mindestens zwei Becken. Hiervon ist eines meist die offene See, w¨ ahrend das andere z.B. durch Eind¨ ammung einer Bucht erzeugt wird. Der beim Gezeitenwechsel auftretende H¨ ohenunterschied der Wasserst¨ande wird genutzt, um das Wasser bei ablaufender Flut hinter einer Eind¨ammung aufzustauen und bei niedrigem Wasserstand (bei Ebbe) durch eine Turbine abfließen zu lassen. Voraussetzung f¨ ur einen Turbinenbetrieb ist eine Mindestdifferenz der Wasserspiegelh¨ ohe beider Becken, die abh¨ angig vom Tidenhub zeitweise unterschritten wird. Es entstehen somit Wartezeiten, innerhalb derer kein Strom erzeugt werden kann. Diese Wartezeiten k¨ onnen mit geeigneten Mehrbeckenanlagen verk¨ urzt werden. Die Becken k¨ onnen dann dar¨ uberhinaus als Pumpspeicher genutzt werden. Bei dieser Art der Wasserkraftnutzung wird die bei Laufwasserkraftwerken gut bew¨ ahrte Technik eingesetzt. An der M¨ undung der Rance bei St. Malo in Frankreich wurde 1966 ein Gezeitenkraftwerk mit einer Nennleistung von 10 × 24 MW in Betrieb genommen, dessen mittlere Leistungsabgabe u ¨ber 2 × 11 Stunden 70 MW betr¨agt. Es ist als Einbeckenanlage angelegt, wobei die Turbinen Wasserspiegeldifferenzen in beiden Richtungen nutzen k¨ onnen. Der 750 m lange Damm schafft eine Speicherfl¨ ache von 22 km2 und der Tidenhub betr¨agt 13 m. Die potentielle Energie der im Staubecken befindlichen Wassermenge errechnet sich zu: δ2 (18.11) 2 Hierbei ist A die Fl¨ ache des Wasserspiegels und δ der Tidenhub. Der Faktor 1/2 ber¨ ucksichtigt, daß die mittlere H¨ohe des Wasserspiegels gleich dem halben Tidenhub ist. Werden sowohl der Wasserzufluss (Ebbe → Flut) als auch der Wasserabfluß (Flut → Ebbe) zur Energiewandlung genutzt, so betr¨ agt die Zeitdauer einer Periode ca 6 h = 21600 s. Damit folgt mit Gl. 18.11 f¨ ur den mittleren Energiestrom der Anlage E = ρH2 O g A
18.2 Wasserkraft
455
E = 855 M W. (18.12) 6h Dieser Energiestrom kann mittels Wasserturbinen mit einem Wirkungsgrad von ca. 0,2 in Strom umgewandelt werden, so daß sich mit den gegebenen Zahlenwerten f¨ ur die Anlage St Malo eine mittlere elektrische Leistung von ca. 170 MW ergibt. St¨ omungskraftwerke in der Gezeitenstr¨ omung wandeln die kinetische Energie der Str¨ omung direkt mittels Turbine und Generator in elektrische Energie um. Wegen der im Vergleich zur Luft hohen Dichte des Wassers ben¨otigen sie im Vergleich zu Windturbinen weit geringere Str¨omungsgeschwindigkeiten, sie beginnen bereits bei Geschwindigkeiten von 2 m/s zu arbeiten. Eine Pilotanlage wurde im Rahmen eines deutsch-britischen Projekts Seaflow vor der K¨ uste Cornwalls in einer Tiefe von 30 m installiert und 2003 in Betrieb genommen. Die Turbine hat einen Rotordurchmesser von 5m und soll eine Leistung von 300 kW abgeben. Als n¨ achster Schritt ist der Bau einer 1 M W Anlage geplant. Gezeitenkraftwerke sind nur dort sinnvoll, wo ein hoher Tidenhub und entsprechend g¨ unstige topographische Verh¨ altnisse vorliegen. Das weltweite Potential wird auf 300 GW gesch¨ atzt. Allerdings ist hiervon aus ¨okologischen und wirtschaftlichen Gr¨ unden nur ein kleiner Teil nutzbar. P =
18.2.4 Fazit Die Wasserkraft ist eine attraktive Quelle sauberer, regenerativer Energie. Wie die anderen Energiequellen bleibt sie nicht ohne Auswirkungen auf die Umwelt. Es k¨ onnte allerdings sein, daß sich ihre Einwirkungen gegen¨ uber den anderen Energiequellen als vertretbarer erweisen. F¨ ur die Elektrizit¨ atswirtschaft bietet die Wasserkraft den großen Vorteil, daß insbesondere die Speicherkraftwerke bei nur geringen Zusatzinvestitionen außer zur Strombereitstellung auch zur Energiespeicherung und damit zur Abdeckung der Spitzenlast eines Netzes verwendet werden k¨onnen. Bei einer erwarteten Spitze kann die Wasserturbine bei kleiner Leistung in drehender Reserve gehalten werden, bei Bedarf kann die Leistung so schnell gesteigert werden wie es die Turbinenventile zulassen. Risiken bestehen haupts¨ achlich hinsichtlich der großen D¨amme. Im Jahresdurchschnitt kommt es weltweit im Zusammenhang mit diesen D¨ammen zu einem Ungl¨ uck. Das die bisher meisten Opfer fordernde Ereignis dieser Art ereignete sich 1966 am Vaiont-Damm in Norditalien. Dabei blieb der Damm zwar intakt, aber eine u ¨ber die Dammkrone hinweggehende Welle u ¨berschwemmte und zerst¨ orte ein Dorf am Dammfuß.
456
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
18.3 Sonnenenergie 18.3.1 Allgemeines Unsere Sonne ist ein gew¨ ohnlicher Durchschnittsstern der Milchstraßengalaxie. In einer klaren Nacht k¨ onnen wir unz¨ ahlige Sterne von ihrer Art mit bloßem Auge sehen. Zum großen Teil verschwimmen sie in der Ferne zu jener milchigen Struktur am Nachthimmel, die wir Milchstraße nennen. Die Sonne wird von den Astrophysikern als Hauptreihenstern der Leuchtkraftstufe V eingestuft. Hauptreihensterne decken ihren Energiebedarf durch die Fusion von Wasserstoffkernen zu Helium. Die Sterne der Hauptreihe entwickeln und ver¨ andern sich nur langsam u ¨ber einen Zeitraum von mehreren Milliarden Jahren. Nach derzeitigen Kenntnissen ist die Sonne vor ca. 4,6 Mrd. Jahren entstanden. Sie ist damit ein relativ junger Stern in unserer etwa 15 Mrd. Jahre alten Milchstraße. Seit die Sonne zu leuchten begann, hat sie in jeder Sekunde 5 Mrd. kg Wasserstoff zu Helium verbrannt. Trotz dieses gewaltigen Verbrauches w¨ are noch ausreichend Brennstoff f¨ ur weitere 100 Mrd. Jahre vorhanden. Allerdings wird nach den gegenw¨ artigen Modellen der Sternentwicklung die Leuchtkraft der Sonne zunehmen: Wenn sie ein Alter von 6 Mrd. Jahren erreicht hat, wird sich ihr Volumen um den Faktor 3 vergr¨oßert haben und ihre Leuchtkraft um 15% zunehmen. Unter diesen Bedingungen d¨ urfte sich das Klima auf der Erde drastisch ver¨ andern: Eis und Schnee sind dann in den heutigen gem¨aßigten Zonen unbekannt, und am Polarkreis werden sich Temperaturen wie heute in Nordafrika einstellen. Sofern das Leben dann nicht in ¨ außere Zonen des Sonnensystems ausgewichen ist, d¨ urfte es in ernste Schwierigkeiten kommen. Nach menschlichen Maßst¨ aben gehen die beschriebenen Ver¨ anderungen aber so langsam vor sich, daß wir die Sonne als gleichbleibend ansehen k¨onnen. Die wichtigsten Daten unserer Sonne sind in Tabelle 18.1 zusammengestellt. Die Leistungsdichte der Energiequelle“ Sonne ist mit 1,88 · 10−4 W/kg ” sehr gering. Man erkennt dies durch einen Vergleich mit dem spezifische Energiebedarf des menschlichen Gehirns. Dieses hat einen Leistungsbedarf von durchschnittlich 20 W und eine Masse von etwa 1,3 kg. Der spezifische Leistungsbedarf betr¨ agt damit etwa 15 W/kg. Die Energiedichte im Gehirn ist damit 100 000 mal h¨ oher als in der Sonne! Trotz der geringen Energiedichte Tabelle 18.1. Die heutige Sonne Alter Masse Radius Abstand zur Erde
4,6 · 109 1,99 · 1030 6,96 · 108 1,495 · 1011
a kg m m
Leuchtkraft Leistungsdichte Oberfl¨ achenenergiefluß Oberfl¨ achentemperatur
3,96 · 1026 1,88 · 10−4 6,3 · 107 5 785
W W/kg W/m2 K
18.3 Sonnenenergie
457
Photonenenergie [J] -19
4 .10
spektrale Strahlungsleistung [Wm-2 Å-1 ]
0,25
0,20
-19
2.10
-19
10
-20
5.10
Solare Strahlungsleistung außerhalb der Atmosphäre Solare Strahlungsleistung in Meereshöhe
0,15
Schwarzkörperstrahlung bei 5800 K 0,10
0,05
0
0
500
1000 1500 2000 Wellenlänge [nm]
2500
3000
Abbildung 18.3. Die Solarstrahlung am a are und auf ¨ußeren Rand der Atmosph¨ der Erdoberfl¨ ache im Vergleich mit der Schwarzk¨ orperstrahlung
pro Masseneinheit ist die Sonne die wichtigste Prim¨arenergiequelle f¨ ur die Erde. Die auf die Erde treffende Strahlungsleistung ist ca. 12 000 mal gr¨oßer als der Leistungsbedarf unserer technischen Zivilisation. Die Energie der Sonnenstrahlung weist eine spektrale Verteilung auf, die in guter N¨ aherung der Strahlung eines schwarzen K¨orpers bei einer Temperatur von 6 200 K entspricht, vgl. Abb. 18.3. Es gelten folgende Zuordnungen: 3 ≤ λ < 365 nm: ultraviolette Strahlung oder UV-Strahlung 365 ≤ λ ≤ 750 nm: sichtbares Licht und λ > 750 nm: infrarote Strahlung oder IR-Strahlung. Die spektrale Zusammensetzung ¨ andert sich allerdings beim Durchgang durch die Erdatmosph¨are infolge von Streuung und Absorption. Die Strahlung im kurzwelligen Bereich wird im wesentlichen durch Streuung geschw¨acht, w¨ ahrend im Infrarotbereich eine Verminderung durch die Absorption des Wasserdampfes und des Kohlendioxids auftritt. Aus den beiden Effekten resultiert eine Verschiebung der mittleren Bestrahlungsst¨arke zum langwelligen Bereich hin, d.h. zu Lichtquanten mit geringerer Energie. Bei einem mittleren Abstand der Erde von der Sonne von 1,495 · 1011 m betr¨ agt die Leistungsdichte der Sonnenstrahlung am ¨außeren Rand der Atmooße S wird auch als Solarkonstante bezeichsph¨ are S = 1,37 kW/m2 . Die Gr¨ net; sie schwankt zwischen Sonnenn¨ ahe und Sonnenferne der Erdbahn um ± 3%. Eine weitere Variation von ca. ±0,1% ergibt sich durch die periodisch auftretenden Sonnenflecken.
458
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen b
Y
hlung instra
e
en Sonn
j
Äquator
Abbildung 18.4. Zusammenhang zwischen Einfallwinkel und Breitengrad
Die auf den Rand der Erdatmosph¨ are auftreffende Strahlungsleistung q˙S ist allerdings geringer. Sie h¨ angt vom Einfallwinkel ψ der Strahlung und dem Abstand zur Sonne ab, vgl. Abbildung 18.4: 2 D q˙S = S cos ψ . (18.13) d Hier sind D und d der mittlere bzw. der aktuelle Abstand zwischen Erde und Sonne. F¨ ur den Einfallwinkel ψ gilt bei einer horizontalen Fl¨ache die trigonometrische Beziehung cos ψ = sin ϕ sin δ + cos ϕ cos δ cos γ .
(18.14)
Hier ist ϕ der Breitengrad und δ die Deklination, der Winkelabstand zwischen Sonnenh¨ ochststand und Himmels¨ aquator. F¨ ur δ gilt in Grad: 284 + d 360), (18.15) 365 dabei ist d der Tag im Jahr. Der Stundenwinkel γ wird von 12.00 Uhr Mittag an gez¨ ahlt, es ist: δ = 23, 45 · sin(
γ=
Minuten vor (−) oder nach (+) 12.00 Uhr Mittag 4
.
(18.16)
Ist der Kosinus des mit 18.14 berechneten Einfallwinkels negativ, so ist die Sonne unter den Horizont gesunken; die Strahlungsleistung q˙S gem¨aß 18.13 ist dann gleich Null zu setzen. Falls die betrachtete Fl¨ache um den Winkel β nach Norden oder S¨ uden geneigt ist, muß ϕ durch ϕ − β bzw. ϕ + β ersetzt werden, vgl. Abb. 18.4. Aus (18.13) und (18.14) folgt unmittelbar, daß die Sonneneinstrahlung f¨ ur die Orte n¨ ordlich bzw. s¨ udlich der Wendekreise rasch abnimmt. So betr¨ agt zum Fr¨ uhlingsbeginn (δ = 0) die maximale Sonneneinstrahlung in ¨ L¨ ubeck (ϕ = 54◦ ) nur 60% des entsprechenden Wertes am Aquator. Desweiteren spielen f¨ ur die Sonneneinstrahlung noch folgende Effekte, die Intensit¨ at und Spektrum der Strahlung beeinflussen, eine Rolle: • Reflexion an der Atmosph¨ are und der Erdoberfl¨ache, • Streuung an den Molek¨ ulen der Atmosph¨ are,
18.3 Sonnenenergie
459
• Absorption an Wasserdampf, Ozon und Aerosolen. Der erste Effekt wird durch die Albedo (das R¨ uckstrahlungsverm¨ogen) charakterisiert. Diese ist definiert als das Verh¨ altnis der reflektierten zur einfallenden Strahlung. Der Wert der Albedo h¨ angt stark von der Oberfl¨achenbeschaffenheit ab. So sind Eis, Schnee und Sand ausgezeichnete Reflektoren, Baumkronen und andere Vegetation sowie die Meere dagegen absorbieren die einfal¨ lende Strahlung gut, vgl. Tabelle 18.2. Uber die Jahreszeit und u ¨ber die Erde gemittelt betr¨ agt die Albedo ca. 0,3. Allerdings ist dieser Wert nicht genau bekannt, außerdem hat er sich mit der Zeit infolge menschlicher Aktivit¨aten – z.B. der Rodung von W¨ aldern – ver¨ andert. Ein Teil der relativ nah u ¨ber der Tabelle 18.2. Typen von Brennstoffzellen AFC PAFC PEFC MCFC SOFC
Alkalische Brennstoffzelle (Alkaline Fuel Cell) Phosphorsaure-BZ (Phosphoric Acid FC) Polymerelektrolyt-BZ (Proton Exchange Membrane FC) Carbonatschmelzen-BZ (Molten Carbonate FC) Festoxid-BZ (Solid Oxid FC)
Erdoberfl¨ ache an Wolken, Staub und Wassertr¨opfchen gestreuten Strahlung geht ebenfalls f¨ ur die Nutzung auf der Erde verloren, w¨ahrend der andere Teil die Erde als diffuse Himmelsstrahlung erreicht.3 Die auf der Erde auftreffende Einstrahlung besteht damit aus zwei Komponenten: • der direkten Einstrahlung, das ist die um Absorption und Streuung geminderte extraterrestrische Strahlung, und • der diffusen Himmelsstrahlung, die durch Streuung der direkten Einstrahlung in der Atmosph¨ are entsteht. Die Summe beider Komponenten heißt Globalstrahlung. Die Globalstrahlung ist orts- und zeitabh¨ angig. In Abb. 18.5 sind die monatlichen Mittelwerte der Globalstrahlung und ihrer Komponenten f¨ ur Hamburg w¨ahrend der Jahre 1963–1965 in Abh¨ angigkeit von der Jahreszeit dargestellt. Die Abbildung zeigt, daß der diffuse Anteil u ¨berwiegt. Bei der Berechnung der Direkteinstrahlung auf die Erdoberfl¨ ache sind die Absorptions- und Streuverluste in der Atmosph¨ are zu ber¨ ucksichtigen. N¨ aherungsweise gilt f¨ ur die Einstrahlung zur Mittagszeit 2 z D 0,3 (1 − ) cos ψ . (18.17) q˙D (z, t) = S exp − cos ψ h d Hierin ist: 3
F¨ ur eine ausf¨ uhrliche Darstellung des Strahlenklimas der Erde vgl. z. B. [18].
460
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
ψ(t): der von Jahres-, Tageszeit und Ort abh¨angige Einfallwinkel der Sonnenstrahlung z: die H¨ ohenkoordinate des betreffenden Ortes in [m] h: die Dicke der Luftschicht (10000 m) S: die Solarkonstante Der Einfluß der Bew¨ olkung wurde hier außer acht gelassen, weil man nur dann von direkter Sonnenstrahlung spricht, wenn die Sonnenstrahlen ohne direkte Wechselwirkung mit Wolken die Erde erreichen. Tabelle 18.3. Anhaltswerte f¨ ur die direkte Einstrahlung in kW/m2 , 0
0
Einfallwinkel
0
Hochgebirge Tiefebene Großstadt Industriegebiet
1,16 1,04 0,97 0,86
0
0
Schulze [18]
0
30
60
80
85
0,97 0,89 0,79 0,69
0,50 0,43 0,36 0,528
0,12 0,08 0,58 0,36
0,04 0,026 0,015 0,008
Beispiel 18.3. Es ist die Direkteinstrahlung f¨ ur Karlsruhe (ϕ = 50◦ ) um 12.00 Uhr ◦ Mittag (γ = 0 ) an einem klaren Tag zur Sommer- und Wintersonnenwende abzusch¨ atzen. Die Deklination δ und das Abstandsverh¨ altnis D/d haben an diesen Tagen die Werte (+23,45◦ ; 0,984) und (-23,45◦ ; 1,017). L¨ osung. Der Einstrahlwinkel kann aus (18.14) berechnet werden. Am Mittag der Sommersonnenwende ist cos ψ = 0,8945, und am Mittag der Wintersonnenwende ist cos ψ = 0,2849. F¨ ur die Direkteinstrahlung zur Sommersonnenwende folgt aus (18.17) 250 . q [W/m²]
6 . [kWh/m²d] q
Globalstrahlung
167
4
Direkte Sonnenstrahlung
2
83 Diffuse Himmelsstrahlung
0
0 J
F
M
A
M
J
J
A
S
O
N
D
t
Abbildung 18.5. Tagesmittelwert der Globalstrahlung und ihrer Komponenten auf eine horizontale Fl¨ ache f¨ ur Hamburg (1963–1965)
18.3 Sonnenenergie
461
q˙D = 0,949 kW/m2 ; f¨ ur die Wintersonnenwende ergibt sich q˙D = 0,247 kW/m2 . An einem klaren Tag tr¨ agt die direkte Einstrahlung 90 bis 95% zur Globalstrahlung bei und die diffuse entsprechend nur 5 bis 10%. Nach unserer Erfahrung sind aber wolkenlose Tage eher die Ausnahme. Dies zeigt sich auch in den in Abb. 18.5 dargestellten Meßwerten f¨ ur beide Strahlungskomponenten f¨ ur Hamburg. Da die Bew¨ olkung in der Bundesrepublik im Mittel nur wenig unter der von Hamburg liegt, folgt aus der Abbildung, daß in unseren Breiten die diffuse Strahlung im jahreszeitlichen Mittel von gleicher Gr¨ oßenordnung ist wie die direkte. Dies ist f¨ ur die Art der Nutzung der Solarenergie von erheblicher Bedeutung.
In Mitteleuropa betr¨ agt die direkte Einstrahlung etwa 1 000–1 500 kWh/m2 a, in den W¨ ustengebieten Nordafrikas 2 200 kWh/m2 a, vgl. Tabelle 18.4. Der schließlich vom Erdboden absorbierte Energieanteil der Strahlung wird als langwellige Infrarotstrahlung wieder an die dar¨ uberliegenden Wolken bzw. in den Weltraum abgestrahlt. Tabelle 18.4. Mittelwerte f¨ ur die globale Sonneneinstrahlung und den direkten Strahlungsanteil f¨ ur einige ausgew¨ ahlte Orte in kWh/m2 a Ort
Globalstrahlung
direkter Strahl
Albuquerque Almeria Nizza Rom Athen Stuttgart Z¨ urich Hamburg
3 250 3 107 2 405 2 280 2 268 1 729 1 653 1 497
2 630 2 580 1 790 1 664 1 622 1 067 1 089 830
18.3.2 W¨ armetransport durch Strahlung Wenn eine materielle Fl¨ ache der Sonnenstrahlung q˙S ausgesetzt wird, kann diese absorbiert, transmittiert oder reflektiert werden. Bezeichnet q˙S die Leistungsdichte der Strahlung, gilt f¨ ur die entsprechenden Strahlungsanteile die Energiebilanz q˙S = α q˙S + τ q˙S + ρ q˙S ,
(18.18)
und damit ist α(λ, T ) + τ (λ, T ) + ρ(λ, T ) = 1 .
(18.19)
462
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
Hier ist α der Absorptions-, τ der Transmissions- und ρ der Reflexionsgrad der Fl¨ ache. Die Abh¨angigkeit der Faktoren von der Wellenl¨ange λ der Strahlung f¨ uhrt z.B. zum sogenannten Treibhauseffekt: Glas absorbiert den ultravioletten Anteil der Sonnenstrahlung, reflektiert aber den im Innern des Treibhauses teilweise in Infrarotstrahlung umgewandelten Teil des sichtbaren Lichtes. Die bei einer bestimmten Temperatur T u ¨ber λ integrierten Faktoren heißen Absorptions-, Transmissions- und Reflexionskoeffizienten. F¨ ur α = 1 ist die Fl¨ ache ein schwarzer K¨ orper, der die auftreffende Strahlung vollst¨ andig absorbiert.4 F¨ ur ρ = 1 ist die Fl¨ache ein idealer Reflektor (Spiegel) und f¨ ur τ = 1 ein transparentes Medium. Dies sind idealisierte Grenzf¨ alle, die in der Natur nicht vorkommen und technisch nur n¨aherungsweise realisiert werden k¨ onnen. F¨ ur einen undurchsichtigen K¨orper (τ = 0) folgt aus der Energiebilanz α (λ, T ) = 1 − ρ (λ, T ) .
(18.20)
Neben dem schwarzen K¨ orper betrachtet man als weiteres Modell noch den grauen K¨ orper. Die Absorptionsf¨ ahigkeit eines grauen K¨orpers ist kleiner als eins, aber f¨ ur alle Frequenzen gleich und h¨ angt nur von der Temperatur, dem Material und dem Zustand seiner Oberfl¨ ache ab, es ist: αgrau (λ, T ) = α (T ) < 1. Die Erfahrung lehrt, daß K¨ orper, die Strahlung absorbieren, auch Energie abstrahlen. Die Abstrahlung wird durch den Emissionskoeffizienten ε(λ, T ) ber¨ ucksichtigt, der als das Verh¨ altnis der spezifischen Ausstrahlung eines beliebigen K¨ orpers zu der des schwarzen K¨ orpers definiert ist. Befindet sich ein K¨ orper bei einer Temperatur T im Strahlungsgleichgewicht mit seiner Umgebung, strahlt er genau soviel Energie ab wie er von der Umgebung aufnimmt. Daraus folgt ε (λ, T ) = α (λ, T ) .
(18.21)
Die Aussage wurde von Kirchhoff aus dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik abgeleitet und wird als Kirchhoffsches Gesetz bezeichnet5 . Nach dem Kirchhoffschen Gesetz strahlt ein K¨ orper, der im Intervall von λ bis λ + dλ bei gegebener Temperatur T keine Strahlung absorbiert, in diesem Intervall bei der Temperatur T auch keine Strahlung aus. Technische Oberfl¨achen k¨onnen ˙ T ) ihrer als graue Strahler behandelt werden. Die Intensit¨atsverteilung I(λ, Strahlung ist um einen konstanten Faktor kleiner als die Intensit¨at I˙s (λ, T ) des schwarzen K¨orpers bei gleicher Temperatur: ˙ T) I(λ, ε(T ) = = const. (18.22) I˙ (λ, T ) s
I˙s (λ, T ) ist durch das Planck’sche Strahlungsgesetz6 4
5 6
Ein schwarzer K¨ orper absorbiert bei beliebiger Temperatur alle auf ihn einfallende Strahlung beliebiger Frequenz. Folglich ist der Absorptionsgrad f¨ ur alle Temperaturen und Frequenzen bzw. Wellenl¨ angen gleich eins: αschw (λ, T ) = 1. Gustav R. Kirchhoff (1824–1887) Max Planck (1858–1947), deutscher Physiker und Nobelpreistr¨ ager.
18.3 Sonnenenergie
2 π h c2 exp I˙s (λ, T ) = λ5
hc kλT
463
−1 −1
(18.23)
mit der Planck’schen Konstante h = 6,626 · 1034 Js, der Boltzmann-Konstante k = 1,381 · 10−23 J/K und der Lichtgeschwindigkeit c = 2,9979 · 108 m/s gegeben. Aus einer Integration des Planck’schen Gesetzes u ¨ber λ ergibt sich das Stefan-Boltzmann’sche Gesetz, das f¨ ur graue Strahler in der modifizieren Form q(T ˙ ) = ε σS T 4
(18.24)
gilt.7 Hier ist ε der Emissionskoeffizient und σS = 5, 67 · 10−8 W m−2 K −4 die Strahlungskonstante des schwarzen K¨ orpers. Bei elektrischen Leitern ist die Strahlungsintensit¨at unregelm¨aßig u ¨ber den Wellenl¨ angenbereich verteilt. Bei drei- und mehratomigen Gasen liegt eine selektive Bandenstrahlung vor, d.h. sie absorbieren und emittieren nur in bestimmten Wellenl¨ angenbereichen. Ein- und zweiatomige Gase sind dagegen diatherm, d.h. f¨ ur W¨ armestrahlung vollst¨andig durchl¨assig, weshalb sie W¨ armestrahlung weder absorbieren noch emittieren oder reflektieren. Zur Erl¨ auterung der obigen Zusammh¨ ange wird der Energiestrom zwischen zwei unendlich ausgedehnten, parallelen Platten bestimmt, die als graue, undurchl¨ assige Strahler betrachtet werden und die Temperaturen T1 und T2 haben. Der Zwischenraum der Platten sei diatherm. Wir bezeichnen die Absorptions- und Emissionskoeffizienten mit α1 , α2 bzw. ε1 , ε2 . Jede der Fl¨ achen absorbiert, reflektiert und emittiert Strahlung. So setzt sich die Strahlungsleistung Q˙ 1 der Fl¨ ache 1 aus der Emissionsleistung E˙ 1 und der Reflextion r1 Q˙ 2 der einfallenden Strahlungsleistung Q˙ 2 zusammen. Es gilt Q˙ 1 = E˙ 1 + r1 Q˙ 2
(18.25)
und Q˙ 2 = E˙ 2 + r2 Q˙ 1 .
(18.26)
F¨ ur graue Strahler ist r =1−α=1−ε. Damit folgt f¨ ur die Strahlungsleistungen Q˙ 1 und Q˙ 2 E˙ 1 + 1 − ε1 E˙ 2 ˙ Q1 = ε1 + ε2 − ε1 ε2 bzw. Q˙ 2 = 7
E˙ 2 + 1 − ε2 E˙ 1 . ε1 + ε2 − ε1 ε2
Ludwig Boltzmann (1844 - 1906), Josef Stefan (1835 - 1893)
(18.27)
(18.28)
(18.29)
464
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
Der ausgetauschte W¨ armestrom ergibt sich als Differenz Q˙ 12 = Q˙ 1 − Q˙ 2 =
ε2 E˙ 1 + ε1 E˙ 2 . ε1 + ε2 − ε1 ε2
Mit dem Stefan-Boltzmann-Gesetz folgt Q˙ 12 = A ε12 σS T 4 − T 4 1
2
mit A als Fl¨ ache der Platten und
−1 1 1 + −1 . ε12 = ε1 ε2
(18.30)
(18.31)
(18.32)
Wie das Beispiel zeigt, ist der W¨ armeaustausch durch Strahlung von der Geometrie abh¨ angig. Wird z.B. ein K¨ orper mit der Oberfl¨ache A1 vollst¨andig von einer strahlenden Oberfl¨ ache A2 eingeschlossen, gilt f¨ ur den Austauschkoeffizienten
−1 A1 1 1 ε12 = + −1 . (18.33) ε1 A2 ε2 Durch das Fl¨ achenverh¨ altnis wird ber¨ ucksichtigt, daß alle Strahlung von K¨ oper 1 den K¨ orper 2 trifft, aber die von K¨ orper 2 nur teilweise auf K¨orper 1 auftrifft, vgl. [21]. 18.3.3 Technische Nutzung der Sonnenenergie 18.3.3.1 Thermische Solarzellen - Flachglaskollektoren Die Sonnenenergie kann f¨ ur recht unterschiedliche Zwecke einer Nutzung zug¨ anglich gemacht werden8 : • Bereitstellung von Niedertemperaturw¨ arme f¨ ur Heizzwecke und Warmwasserbereitung • Bereitstellung von Hochtemperaturw¨ arme f¨ ur thermische Kraftwerke • direkte Umwandlung in elektrischen Strom mit Solarzellen Neben dieser aktiven Nutzung ist auch eine passive Nutzung m¨oglich. Darunter versteht man die dem Klima besonders angepaßte Gestaltung von Geb¨ auden (große Fensterfl¨ achen im S¨ uden, Ost-West-Ausrichtung etc.), worauf aber hier nicht weiter eingegangen werden soll. F¨ ur Heizzwecke und Warmwasserbereitung sind Thermische Solarzellen weit verbreitet, die oft auch als Sonnenkollektoren bezeichnet werden. Ihre wichtigste Komponente ist der Absorber. Aufgabe eines Absorbers ist es, die kurzwellige Sonnenstrahlung vollst¨ andig aufzunehmen (α = 1) und einen m¨oglichst großen Teil davon in W¨ arme umzuwandeln. Ein idealer Absorber reflektiert 8
Eine Zusammenstellung m¨ oglicher Nutzungssysteme ist in [13] gegeben.
18.3 Sonnenenergie
465
langwellige (W¨ arme-) Strahlung vollst¨ andig (ρ = 1) und emittiert damit nach dem Kirchhoff’schen Gesetz keine W¨ armestrahlung. Dieses selektive Absorptionsverm¨ ogen ist kein Widerspruch zu den Haupts¨atzen der Thermodynamik. Diese verlangen nur, daß f¨ ur einen K¨ orper im Strahlungsgleichgewicht mit seiner Umgebung die abgestrahlte Energie gleich der absorbierten ist und die Temperatur der abgestrahlten Energie h¨ ochstens gleich der der absorbierten ist. Ein wellenl¨ angen-selektives Absorptionsverm¨ogen hat, wie das nachfolgende Beispiel zeigt, im Vergleich zu einem nicht-selektiven eine Temperaturerh¨ ohung des betreffenden K¨ orpers zur Folge. In Tabelle 18.5 sind die optischen Eigenschaften einiger technischer Oberfl¨achen zusammengestellt. Wir Tabelle 18.5. Optische Eigenschaften verschiedener Fl¨ achen Material
Wellenl¨ angenbereich sichtbares Licht W¨ armestrahlung α τ ρ α=ε τ ρ
Fensterglas Glas In2 O3 lackiertes Blech Schwarzchrom (Cr und CrO) Aluminium, aufgerauht
0,02 0,10 0,97 0,88 0,7
0,97 0,85 0 0 0
0,01 0,05 0,03 0,12 0,3
0,94 0,15 0,97 0,1 0,1
0 0 0 0 0
0,06 0,85 0,03 0,9 0,9
Glasspiegel, beschichtet mit Silber Aluminium
0,13 0,25
0 0
0,87 0,75
– –
– –
– –
betrachten einen grauen K¨ orper, der sich im Strahlungsgleichgewicht mit seiner Umgebung befindet. Der K¨ orper empf¨ angt Strahlung mit der Leistungsdichte q˙A und absorbiert den Anteil αA q˙A A. Hier ist αA das Absorptionsverm¨ ogen und A die Projektionsfl¨ ache des K¨ orpers in Bezug auf die Anstrahlung. Mit dem Stefan-Boltzmann’schen Gesetz folgt aus der Energiebilanz αA q˙A A = εA σS T 4 A . A
(18.34)
Im Strahlungsgleichgewicht emittiert der K¨ orper die aufgenommene Strahlung bei der Gleichgewichtstemperatur TA . Beispiel 18.4. Welche maximale Temperatur TA kann mit einem selektiven Absorber realisiert werden? Das Absorptionsverm¨ ogen f¨ ur sichtbares Licht αA sei 0,9 ur W¨ armestrahlung 0,1. Die Direkteinstrahlung und das Emissionsverm¨ ogen εA f¨ der Sonne q˙S betrage an einem klaren Tag 900 W/m2 und an einem Tag mit leichter Bew¨ olkung 400 W/m2 . Der Absorber ist in einen Flachkollektor eingebaut, der senkrecht zur Sonneneinstrahlung steht. L¨ osung. Aus der Energiebilanz (18.34) erh¨ alt man die gesuchte Absorbertemperatur
466
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
TA =
4
αA q˙A εA σS
,
wobei f¨ ur den senkrecht zur Sonneneinstrahlung stehenden Flachkollektor q˙A = q˙S gilt. An dem klaren Tag bei q˙S = 900 W/m2 ist TA = 614,8 K = 341,6◦ C, an dem bew¨ olkten Tag bei q˙S = 400 W/m2 ist TA = 502,0 K = 228,8◦ C. Diese Temperaturen w¨ urden sich ohne Entnahme von Nutzw¨ arme und ohne weitere Verluste einstellen.
Einstrahlung
Absorber Isolation Wärmeträger
Glasscheibe
Abbildung 18.6. Prinzip einer thermischen Solarzelle. Die maximal erreichbare Temperatur des W¨ armetr¨ agerfluids h¨ angt von der Intensit¨ at der Einstrahlung und der Menge der abgef¨ uhrten Nutzw¨ arme ab.
¨ In der Praxis wird die W¨ armeabstrahlung des Absorbers durch Uberdecken mit einer lichtdurchl¨ assigen aber f¨ ur W¨armestrahlung undurchl¨assigen Glasscheibe unterdr¨ uckt, vgl. Abb. 18.6. Die Glasscheibe reflektiert die vom Absorber ausgehende W¨ armestrahlung und strahlt sie wieder zum Absorber zur¨ uck. Neben der Verminderung des Strahlungsverlustes, der dann vernachl¨ assigbar klein gegen den Verlust durch Konvektion ist, wird durch die Anordnung von ein oder mehreren Glasplatten infolge der R¨ uckstrahlung das Temperaturniveau des Absorbers angehoben. In den Absorber ist ein W¨ armeaustauscher integriert, aus dem die geerntete Sonnenenergie mittels einer Fl¨ ussigkeit, die als W¨ armetr¨ ager dient, abgezogen werden kann. Es ist klar, daß die erreichbare Temperatur des W¨armetr¨agers (Tw ) von der Intensit¨ at der Sonneneinstrahlung, der entnommenen W¨armeleistung und den W¨ armeverlusten durch Konvektion abh¨ angt. Strahlungsverluste sind demgegen¨ uber bei Niedertemperatur-Kollektoren gering und k¨onnen vernachl¨assigt werden. Wegen der ungleichf¨ ormigen Temperaturverteilung auf der Oberfl¨ache des Kollektors l¨ aßt sich der Konvektionsverlust (Q˙ kv ) nur schwer berechnen, er wird vielmehr f¨ ur jede Kollektorbauart empirisch ermittelt. Zur rechnerischen Erfassung wird ein linearer Ansatz gesetzt:
18.3 Sonnenenergie
Q˙ kv = kv (Tw − Tu )Ak .
467
(18.35)
Hierbei ist: Ak die Fl¨ ache des Kollektors, Tw die Austrittstemperatur des W¨ armetr¨ agers, Tu die Umgebungstemperatur; der Verlustfaktor kv hat die Dimension Wm−2 K−1 und ist ein Maß f¨ ur den W¨arme¨ ubergang zwischen Kollektor und Umgebung. F¨ ur die nutzbare W¨ armeleistung des Kollektors gilt dann in linearer N¨aherung: (18.36) Q˙ N utz = η0 q˙s Ak − kv (Tw − Tu )Ak . q˙s ist die auf den Kollektor auftreffende Globalstrahlung des Sonnenlichts, η0 heißt Konversionsfaktor, er ist das Produkt aus Absoptionskoeffizient α des Absorbers und Transmissionskoeffizient τ der Glasplatte. Richtwerte f¨ ur Kollektoren zur Bereitstellung von Niedertemperaturw¨arme: η0 ≈ 0, 8 und kv ≈ 4 ∼ 6. Die thermischen Solarzellen zur Bereitstellung von Niedertemperaturw¨arme von Warmwasser mit ca. 600 C sind technisch ausgereift, sie sind aber aufwendig und teuer.9 Ferner haben sie einen prinzipiellen Nachteil: Die W¨armeleistung f¨ allt dann an, wenn sie am wenigsten gebraucht wird, n¨amlich bei großer Sonneneinstrahlung. 18.3.3.2 Heliostat, Rinnenkollektor, Absorber Thermische Solarkraftwerke unterscheiden sich von den klassischen thermischen Kraftwerken durch zwei Komponenten: dem Sammler (Konzentrator) des Sonnenlichts und dem Absorber, der das Sonnenlicht absorbiert und in W¨ arme umwandelt. Um hohe Wirkungsgrade bei der Energiewandlung der geernteten W¨ arme in elektrischen Strom zu erzielen, muß die W¨arme auf einem hohen Temperaturniveau (> 5000 C)dem Kraftwerksprozeß zur Verf¨ ugung gestellt werden. Wir betrachten einen Absorber f¨ ur die Bereitstellung von Hochtemperaturw¨ arme, der sich im Strahlungsgleichgewicht mit seiner Umgebung befindet. Der Absorber empf¨ angt Strahlung mit der Leistungsdichte q˙A und absorbiert den Anteil αA q˙A A. Hier ist αA das Absorptionsverm¨ogen und A die Projektionsfl¨ ache des K¨ orpers in Bezug auf die Anstrahlung. Im Strahlungsgleichgewicht emittiert der Absorber gem¨ aß (18.34) die aufgenommene Strahlung bei der Gleichgewichtstemperatur. Wird dem System eine Nutzw¨arme Q˙ N = q˙N AA entzogen, stellt sich eine niedrigere Temperatur ein. F¨ ur die H¨ ohe dieser Temperatur sind auch die auftretenden Verluste von Bedeutung: 9
Bei der f¨ ur Mitteleuropa typischen Einstrahlung von 1 000 kWh/m2 ergeben sich f¨ ur auf dem Markt angebotene Absorber-Systeme W¨ armepreise von ca. 0,2 Euro pro kWh. Diese Angabe bezieht sich auf eine Solaranlage mit einer Kollektorfl¨ ache von 2 700 m2 und einem Warmwasser-W¨ armespeicher mit 25 000 m3 . Die Anlage versorgt ein Geb¨ aude mit 20,000 m2 Nutzfl¨ ache, der solare Deckungsanteil betr¨ agt ca. 50%. Gegen¨ uber dem konventionellen W¨ armepreis von 0,06 Euro/kWh ergibt sich ein Teuerungsfaktor von 3 bis 4.
468
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
6 000
TA [K]
4 000
2 000
0 100
101
102
103
104
105
K [-]
Abbildung 18.7. Absorbertemperaturen in Abh¨ angigkeit vom Konzentrationsverh¨ altnis
• Abstrahlung im langwelligen Bereich • Reflexion am Absorber • W¨ armeverluste durch Konvektion Die Energiebilanz lautet bei Beachtung der Verluste q˙A AA =
q˙N AA + εA σS T 4 − T 4 AA + αK TA − TU AA + ρA q˙A AA . A
U
(18.37)
Hier ist ρA der Reflexions-, A der Emissionskoeffizient und αK die W¨arme¨ ubergangszahl infolge Konvektion. Aus (18.34) und (18.37) folgt, daß zur Erreichung hoher Absorbertemperatuoht werden muß. Am Einfachsten ren TA die Leistungsdichte der Strahlung erh¨ geschieht dies mit Spiegeln, die von verschiedenen Orten aus das einfallende Sonnenlicht auf die Absorberfl¨ ache konzentrieren; zur Kennzeichnung wird der Konzentrationsfaktor eingef¨ uhrt:10 K=
Absorber߬ ache Spiegel߬ ache
=
Strahlungsdichte auf Spiegel߬ ache Strahlungsdichte auf Absorber߬ ache
=
q˙A . q˙K
(18.38)
Damit folgt bei einer verlustfreien Anordnung f¨ ur die Energiestromdichte am Absorber: q˙A = K q˙S .
(18.39)
Hierbei ist q˙S die Intensit¨ at der Solarstrahlung am Spiegel. Analog zu (18.34) folgt f¨ ur die maximale Absorbertemperatur α K q˙S TA = 4 A . (18.40) εA σS 10
Nach Berichten aus der Antike hat bereits Archimedes mit Spiegeln das Sonnenlicht geb¨ undelt und damit im Jahr 212 v. Chr. die r¨ omische Flotte, die seine Heimatstadt Syrakus belagerte, in Brand gesetzt.
18.3 Sonnenenergie
469
1,00
0,75
ηA [-]
K= 125 0,50 K= 25 0,25 K= 1
K= 5
0,00 0
200
400 ϑA [◦ C]
600
800
Abbildung 18.8. Wirkungsgrad eines Absorbers in Abh¨ angigkeit von der Absorbertemperatur und dem Konzentrationsverh¨ altnis
In Abb. 18.7 ist TA als Funktion des Konzentrationsfaktors K dargestellt. Konstruktiv zu realisieren sind bei Kollektoren in der Form von Parabolrinnen K-Werte bis ca. 150, bei Paraboloiden von ca. 1 000 und bei Turmanordnungen solche von 1 000–4 000. Wird dem Absorber Nutzw¨ arme Q˙ N = q˙N AA entzogen, so stellt sich eine niedrigere Temperatur ein, die mit (18.37) berechnet werden kann. Aus der Energiebilanz ( 18.37) kann ein Absorber-Wirkungsgrad hergeleitet werden: εA σS T 4 − T 4 + αK TA − TU q˙N A U ηA = =1− − ρA . (18.41) q˙A q˙A In Abb. 18.8 ist der Wirkungsgrad ηA nach (18.41) als Funktion der Absorbertemperatur mit dem Konzentrationsverh¨ altnis K (18.38) als Parameter dargestellt. Weil die Verluste mit der vierten Potenz der Absorbertemperatur zunehmen, nimmt der Wirkungsgrad mit steigender Temperatur ab. Die relative Abnahme ist bei mittleren Werten des Emissionskoeffizienten εA gr¨oßer als bei kleinen. Zus¨ atzlich zu ber¨ ucksichtigen sind die Reflexionsverluste der Spiegel. Diese betragen bei aluminiumbeschichteten Glasspiegeln ca. 25% und bei mit Silber beschichteten ca. 15%. Um hohe Absorbertemperaturen und gute Wirkungsgrade zu erhalten, muß der Konzentrationsfaktor K Werte gr¨oßer 150 annehmen. Um dies zu erreichen, kann nur mit der direkten Komponente der Sonnenstrahlung gearbeitet werden, ferner m¨ ussen die f¨ ur die Konzentration des Sonnenlichts erforderlichen Spiegel jederzeit auf die Sonne ausgerichtet sein. 18.3.4 Thermische Solarkraftwerke Turmkraftwerke Die Umwandlung von W¨ arme in elektrischen Strom in konventionellen Dampfkraftwerken erfolgt heute bei Temperaturen bis ca. 6000 C. Die Bereitstellung
470
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen Sonnenstrahlen G ~
5
3
6
1 2 3 4 5 6
Heliostaten Receiver Verdampfer Umw¨ alzpumpe Turbine Kondensator
2 4 1
Abbildung 18.9. Aufbau eines Turmkraftwerkes
von W¨ arme in diesem Temperaturbereich durch Nutzung erfordert die Konzentration der Sonnenstrahlung mit optischen Systemen. Die zwei wichtigsten Bauarten von thermischen Solarkraftwerken sind die Turm- und Farmkraftwerke. 11 Beim Turmkraftwerk wird die Sonnenstrahlung mit beweglichen Spiegeln auf einen zentral angeordneten Empf¨ anger gerichtet, der u ¨blicherweise auf einem Turm untergebracht ist, vgl. Abb. 18.9. Systeme, welche die Sonne im Tages- und Jahresverlauf auf einen festen Empf¨anger richten – der auch als Receiver bezeichnet wird–, nennt man Heliostaten. Die empfangene solare Strahlungsenergie wird im Absorber in Form von W¨arme an einen Energietr¨ ager u armestromdichten von typischerweise 1000 ¨bergeben. Dabei werden W¨ kW/m2 erreicht, was den Einsatz von hitzebest¨andigem Material verlangt (Keramik oder Austenite). Zur K¨ uhlung der hochbeanspruchten W¨armetauscher werden geschmolzene Salze (Kalium- und Natriumnitrat) verwendet, die auch zur Energiespeicherung genutzt werden k¨onnen. Mit thermodynamischen Kreisprozessen, deren Daten mit den Betriebsdaten konventioneller Dampfkraftwerke vergleichbar sind, wird die zugef¨ uhrte W¨arme schließlich in mechanische Arbeit umgewandelt. Turmkraftwerke k¨onnen wegen der großen Strahlungskonzentration mit hohen oberen Prozeßtemperaturen arbeiten. Bei diesem Anlagentyp werden deshalb die h¨ ochsten Wirkungsgrade f¨ ur die Wandlung der Sonnenenergie in mechanische Energie erreicht. Als m¨oglich erscheinen Werte im Bereich von η = 0,2–0,30. Die Spiegelfl¨ache pro kW Nennleistung einer Anlage liegt bei einer Einstrahlungsdichte von 0,8 kW/m2 bei achenbedarf ist um den Faktor 3–4 gr¨oßer. 5–6 m2 . Der gesamte spezifische Fl¨ Das bisher gr¨ oßte Turmkraftwerk SolarTwo wurde in Barstow, Kalifornien errichtet. Es hat eine Nennleistung von 12,5 MW und wurde 1996 in Betrieb genommen. Das Heliostatenfeld besteht aus 1018 Einheiten mit jeweils 39,1 m2 Spiegelfl¨ ache und weiteren 108 Heliostaten mit je 95 m2 Spiegeln. Die Heliostaten b¨ undeln das eingefangene Sonnenlicht auf einen Absorber, der auf einem 91 m hohen Turm steht. Die Leistung des geb¨ undelten Sonnenlichts betr¨ agt bei Vollast 48 MW, die Leistungsdichte am Absorber bel¨ auft sich dabei 920 kW/m2 . Die W¨ armetauscherrohre des 11
Das erste thermische Solarkraftwerk wurde 1912 von den Amerikanern F. Shuman und C.V. Boys im Westen der USA gebaut und in Betrieb genommen [7].
18.3 Sonnenenergie
471
Absorbers werden mit mit einer Salzschmelze gek¨ uhlt. Die Schmelze wird mit einer Temperatur von 2880 C zugef¨ uhrt, sie wird im Absorber auf 5880 C erhitzt und dann in einen Beh¨ alter geleitet, der seinerseits dem Dampferzeuger die notwendige Energie liefert und auch als Energiespeicher dient. Die Stromerzeugung wird mit einem Wasserdampfprozess durchgef¨ uhrt; Dampfdaten: 10 MPa, 5380 C. Der Nettowirkungsgrad unter Nominalbedingungen betr¨ agt 21,7%. Die Anlage wurde bis 1999 betrieben.
Farmkraftwerke Bei den Farmkraftwerken ist der Absorber dezentral angeordnet und u ¨blicherweise in die einzelnen Kollektoren integriert, vgl. Abb. 18.10. Die Spiegel der Kollektoren sind als Parabolrinnen ausgef¨ uhrt. Diese fokussieren die solare Strahlung zweidimensional auf eine Linie, in der ein mit dem W¨armetr¨ ager durchstr¨ omtes Absorberrohr angeordnet ist. Die obere Prozeßtemperatur liegt bei Farmanlagen typischerweise bei 300–350◦ C. Der mechanische Aufbau wird in der Regel einfacher gew¨ ahlt als bei Turmanlagen, so wird z.B. auf eine vom Sonnenstand abh¨ angige Spiegelnachf¨ uhrung verzichtet. Die f¨ ur Solarkraftwerke typischen Betriebszust¨ ande, wie durch Wolken verursachte Leistungsschwankungen, k¨ onnen bei Farmanlagen durch W¨armespeicher, die eine Kapazit¨ at von 1–2 Stunden haben, zumindest teilweise ausgeglichen werden. Wegen der niedrigeren oberen Prozeßtemperatur ist der Wirkungsgrad deutlich geringer als bei Turmkraftwerken und liegt bei η = 0,10–0,15. Pro kW elektrischer Leistung ist bei einer Leistungsdichte der Sonnenstrahlung von 0,8 kW/m2 eine Kollektorfl¨ ache von 10–18 m2 erforderlich. Im US-Bundesstaat Kalifornien wurden seit 1984 neun hybride Farmkraftwerke mit gasbefeuerten Zusatzkesseln und einer Gesamtleistung von 354 MW erstellt. Aufgrund von Steuervorteilen f¨ ur Solarkraftwerke konnte der erzeugte Strom kosten¨ deckend abgegeben werden. Nachdem 1990 bei einer Anderung der Steuergesetze die gew¨ ahrten Vorteile teilweise zur¨ uckgenommen wurden, mußte die Betreibergesellschaft wegen finanzieller Verluste Vergleich anmelden. Seit 1990 sind keine Neuanlagen mehr erstellt worden. Die gr¨ oßten dieser Anlagen haben eine Nominalleistung von 80 MW. Ihr Spiegelfeld mit einer Aperturfl¨ ache von 484.000 m2 ist aus 95 m langen und 5,76 m breiten Parabolrinnen aufgebaut, die das einfallende Licht auf das 80-fache konzentrieren. Die Absorber werden mit Thermo¨ ol gek¨ uhlt, das dabei auf 4000 C erhitzt wird. Das heiße Thermo¨ ol liefert 75% der f¨ ur die Dampferzeugung erforderlichen Energie, die weiteren 25% werden mit einer Gas-Zusatzfeuerung zugef¨ uhrt. Die Dampfparameter am Turbineneintritt sind mit 10 MPa und 3710 C ausgef¨ uhrt. Der solar-elektrische Wirkungsgrad betr¨ agt 14,3%, die Stromgestehungskosten werden mit 8 Cent pro kWh angegeben und der Fl¨ achenbedarf der Anlage mit 1,62 km2 . Die wesentlichen Einschr¨ ankungen der Anlagen r¨ uhren von der Instabilit¨ at des eingesetzten W¨ armetr¨ ager¨ ols her, das mit einer Rate von 6% pro Jahr ausgetauscht werden muß.
Die relativ niedrigen Wirkungsgrade beider Varianten resultieren aus den Verlusten in der Umwandlungskette. Im einzelnen sind dies:
472
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen 1
WärmeträgerKreislauf
2
“A” Sonenstrahlen Parabolspiegel Absorber-Rohr
• • • • • •
G ~
4
A
1 2 3 4 5
dezentrale Absorber Dampferzeuger Umw¨ alzpumpe Turbine Kondensator
5
WasserDampfKreislauf
3
3
Abbildung 18.10. Aufbau eines Farmkraftwerkes
Verluste der Spiegel (Reflektoren) (ηR = 0,75–0,9), Verluste des Absorbers (ηA = 0,95), Wirkungsgrad des Kreisprozesses (ηKP = 0,3–0,5), Wirkungsgrad des Generators (ηG = 0,96), Eigenbedarf der Anlage (ηE = 0,95), Energiebedarf f¨ ur das Warmhalten der Anlage w¨ahrend der Nachtstunden (η = 0,9).
18.3.5 Photovoltaische Energieumwandlung 18.3.5.1 Einleitung Licht kann durch Nutzung des photovoltaischen Effekts auf direktem Weg in elektrische Energie in Form eines Stroms der St¨arke I bei einer Spannung U umgewandelt werden. Obwohl dieser Effekt schon seit mehr als 150 Jahren bekannt ist, wurde seine Ausnutzung zur Energieumwandlung erst durch die Erfindung der Halbleiterdioden im Jahre 1954 m¨oglich. Die ersten Solarzellen hatten einen Umwandlungswirkungsgrad von ca. 4%, und der von ihnen produzierte Strom war mehr als 100 mal teurer als der aus einer konventionellen Energiequelle. Heute ist der so bereitgestellte Strom nur noch etwa um den Faktor 10 teurer, und auch der Wirkungsgrad hat sich auf ca. 14% verbessert. Es besteht die begr¨ undete Erwartung, daß die Kosten durch eine Verbesserung der Herstellungsverfahren weiter gesenkt werden k¨onnen und auch f¨ ur den Wirkungsgrad noch ein Verbesserungspotential vorhanden ist. Ein großer Vorteil der Solarzellen besteht in ihrer Zuverl¨assigkeit und ihrer langen Lebensdauer. Bekannt ist ihre Verwendung bei Konsumg¨ utern wie Taschenrechnern und Armbanduhren, aber auch in der Raumfahrt z.B. als Energiequelle f¨ ur Kommunikationssatelliten. Im Jahr 2003 wurden weltweit Solarzellen mit einer Nennleistung von ca. 100 MW f¨ ur die verschiedensten Anwendungszwecke produziert und installiert. Diese Zubaurate entspricht einem Wachstum von ca. 40% pro Jahr. Ursache f¨ ur dieses exorbiante Wachstumsrate waren nicht zuletzt die Unterst¨ utzungsprogramme, die in allen der
18.3 Sonnenenergie
473
Internationalen Energieagentur (IEA) angeh¨ orenden Staaten zur F¨orderung der Solarstromindustrie aufgelegt wurden. Zur Zeit werden große Anstrengungen unternommen, die Kosten der photovoltaischen Energieumwandlung zu senken. Ziel ist es, diese Technologie f¨ ur die Bereitstellung von Strom im Leistungsbereich von 10–100 kW kommerziell nutzbar zu machen [4], [9]. Eine andere M¨ oglichkeit, das Sonnenlicht direkt zu nutzen, ist mit der Photosynthese gegeben. Bei dieser benutzt man die Photonen der Sonnenstrahlung, um Wassermolek¨ ule in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Die bisher bekannt gewordenen photoelektrischen Systeme zeigen Wirkungsgrade von ca. 10%. Sie sind damit als Energiewandler effektiver als die gr¨ unen Pflanzen. F¨ ur eine Darstellung der Grundlagen dieses Verfahrens sei auf die Literatur verwiesen [14]. 18.3.5.2 Prinzip und Technologie Eine Solarzelle ist im Prinzip eine große Diode, in welcher der Strom freier Ladungstr¨ ager in der einen Richtung verhindert und in der anderen beg¨ unstigt wird. Dies wird durch ein lokales elektrisches Feld im Inneren der Diode erreicht, das durch Verbindung zweier Halbleitermaterialien entsteht. Typischerweise handelt es sich dabei um zwei Siliziumschichten, von denen die eine durch den Einbau einer geringen Zahl von Fremdatomen in das Si-Gitter eine geringe Elektronenleitf¨ ahigkeit (n-Leiter), die andere durch Einbau anderer Fremdatome eine geringe Leitf¨ ahigkeit bzgl. des Wanderns von Elektronenfehlstellen (p-Leiter) aufweist. Photon Vorderseitenkontakt Photon Antireflexschicht
+
Kontaktgitter
_ _ +
Rückseitenkontakt
Feldregion n-Halbleiter
absorbierende Schicht aus p-Halbleitermaterial
Abbildung 18.11. Prinzipieller Aufbau einer Solarzelle
¨ Infolge der Dotierung besteht im n-Bereich ein Uberschuß an Elektronen ¨ und im p-Bereich ein Uberschuß an positiven Ladungen (Elektronenfehlstellen). Wegen dieses Konzentrationsunterschieds diffundieren Elektronen in das p-Gebiet und Elektronenfehlstellen in das n-Gebiet. Im Kontaktbereich zwischen dem n- und dem p-Leiter entsteht so ein elektrisches Feld. Dieses Feld
474
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
verursacht seinerseits Feldstr¨ ome beider Ladungstr¨ager, die den Diffusionsstr¨ omen genau entgegengerichtet sind. Im Gleichgewicht kompensieren sich diese Str¨ ome, wodurch der Gesamtstrom durch die Kontaktfl¨ache zu Null wird. Im Bereich zwischen dem n- und dem p-Leiter entstehen so Gebiete mit ortsfesten elektrischen Ladungen. Das mit den ortsfesten Ladungen verbundene elektrische Feld wird Ladungstr¨ ager eines gegebenen Vorzeichens vorantreiben und die des entgegengesetzten Vorzeichens zur¨ uckweisen, vgl. Abb. 18.12. Da eine unbeleuchtete Solarzelle im Prinzip Eigenschaften einer Diode hat, kann ihr Verhalten in einer gewissen N¨ aherung durch die Shockley’sche Diodengleichung12
eU iD = iS exp −1 (18.42) kT beschrieben werden. Hier ist iD die Dichte des Diffusionsstroms pro Fl¨acheneinheit, iS die Sperrstromdichte, U die anliegende Spannung, e die Elementarladung, k die Boltzmann-Konstante und T die Temperatur. Die Gleichung zeigt, daß beim Anlegen einer negativen Spannung an das n-Gebiet, d.h. einer Spannung in Sperrichtung (U < 0), bei einer unbeleuchteten Zelle ein kleiner Sperrschichts¨ attigungsstrom (Diffusionsstrom) ID ≈ −IS fließt und bei einer Spannung in Vorw¨ artsrichtung der Diffusionsstrom exponentiell ansteigt. Wenn Lichtquanten ausreichend hoher Energie in die Zelle einfallen, werden nach dem lichtelektrischen Effekt freie Ladungstr¨ager in Form von Elek12
William B. Shockley (1910–1989), englisch – amerikanischer Physiker, erhielt zusammen mit John Bardeen und Walter Brattain den Nobelpreis f¨ ur die Entwicklung des Transistors.
◦ Fehlstellen
p-Bereich Kontaktfl¨ ache n-Bereich ◦ ◦ ◦ ◦ • ◦ ◦ •◦•◦ • • • • •••••• ◦◦ ◦◦ • ••• ◦◦ ◦ ◦ • ◦ ◦◦◦•^ • ◦◦ ◦ ◦ ◦ ◦ • • • ◦ ◦••◦••◦ •• • ••• ◦◦ ◦◦ ••• • Elektronen ◦ ◦◦ •◦ ◦ •◦ ◦◦•• •◦••• • ••• • ◦ ◦◦ ◦ ◦ ◦ ◦ •• ◦ ◦ ◦ ◦• ◦ ◦ • • •• • • ◦◦ • ◦ ◦ • • ◦ • • • • ◦ • ••• ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ • ◦ ◦ • • ◦◦ •• Raumladungszone Elektronen 1019
Ladungstr¨ ager pro Volumen 1016 3 [mm ] 1013 Raumladungsdichte
Fehlstellen
6
Abbildung 18.12. Ladungstr¨ agerkonzentration an der pnGrenzschicht einer Solarzelle
18.3 Sonnenenergie
475
tronen und Elektronenfehlstellen erzeugt, vgl. Abb. 18.12. F¨ ur diesen Vorgang gilt die Einstein’sche Gleichung 13 hν = A + W mit der Planck’schen Konstante h und der Lichtfrequenz ν. A ist die zur Abl¨ osung der Elektronen aus ihren festen Bahnen erforderliche Arbeit und W die Restenergie des Lichtquants, die sich in der Photozelle in W¨arme umsetzt. Da der photoelektrische Effekt ein Quanteneffekt ist, h¨angt die erzeugte Spannung nicht von der Intensit¨ at der Sonnenstrahlung ab. Ebenso wirkt diffuses und direktes Licht gleich. Beispiel 18.5. Welche Energie E hat ein Lichtphoton aus dem sichtbaren Bereich? L¨ osung. Nach Abb. 18.3 liegt der sichtbare Bereich bei λ = 0,365–0,750 µm. Damit folgt E = hν = h
c . λ
Ein Photon mit der Wellenl¨ ange 0,365 µm besitzt eine Energie von E = 5,44 · 10−19 J = 3,40 eV, eines mit der Wellenl¨ ange 0,750 µm eine von E = 2,65 · 10−19 J = 1,65 eV. Offenbar ist der kurzwellige Anteil des Lichtes energiereicher.
Entscheidend f¨ ur die Umwandlung des Sonnenlichts in Elektrizit¨at ist, daß die durch die Lichteinwirkung erzeugten Ladungstr¨ager durch das elektrische Feld in entgegengesetzte Richtungen getrieben werden. Denn sowohl das Elektron als auch die Fehlstelle sind frei beweglich und w¨ urden nach kurzer Zeit unter Abgabe von Energie wieder rekombinieren, wenn sie nicht schnell voneinander getrennt w¨ urden. F¨ ur die photoelektrische Energiewandlung sind damit zwei Prozesse maßgebend: • Die Erzeugung freier Ladungstr¨ ager durch Absorption von Strahlung • die Ausbildung eines elektrischen Feldes bzw. eines a¨ußeren Stromes durch Trennung der freien Ladungstr¨ ager in dem elektrischen Feld der Sperrschicht Der so erzeugte elektrische Gleichstrom wird aufrechterhalten, solange Licht auf die Zelle trifft. Bei einer Silizium Solarzelle betr¨ agt die abgegriffene Spannung etwa 0,5 Volt. Diese Klemmenspannung ist nur schwach von der Lichteinstrahlung abh¨ angig, w¨ ahrend die Stromst¨ arke proportional mit der Beleuchtungsst¨arke zunimmt, vgl. Abb. 18.13. Die Leistung – das Produkt aus Strom und Spannung – einer Solarzelle ist temperaturabh¨ angig; h¨ohere Zelltemperaturen
476
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
3 Einstrahlung:125 mW/cm2
I [A]
100 mW/cm2
2
max. Leistung
1
0 0
0,25
0,50
U [V] 0,75
Abbildung 18.13. StromSpannungskennlinie einer SiliziumSolarzelle mit einer Fl¨ ache von 100 cm2 .
f¨ uhren zu niedrigeren Leistungen und damit auch geringeren Wirkungsgraden. Die Beleuchtung der Photozelle f¨ uhrt damit zum Fließen eines zus¨atzlichen Photostroms mit der Stromdichte i in [A/m2 ], der eine positive Spannung in Vorw¨ artsrichtung aufbaut, so daß das Verhalten einer beleuchteten Zelle durch
eU i = iK − iS exp −1 (18.43) kT beschrieben wird. Bei Leerlauf, d.h. i = 0, tritt an der Zelle die Leerlaufspannung U0 und bei Kurzschluß die Kurzschlußstromdichte iK ; iS heißt Sperrstromdichte. Die Differenz zwischen iK und i wird durch den Innenwiderstand der Zelle verbraucht und in W¨ arme umgewandelt. Die spezifische Leistung einer Zelle pro Fl¨acheneinheit p ist das Produkt aus Spannung und Strom:
eU p = U i = U iK − U iS exp −1 . (18.44) kT Ein Extremum der spezifischen Leistung ergibt sich aus der Bedingung dp/dU = 0 bei der Spannung Umax durch die Gleichung iK e Umax iS . exp = e U kT max 1+ kT Die maximale Leistungsdichte ergibt sich zu
13
1+
(18.45)
Albert Einstein (1879–1955), deutsch–amerikanischer Physiker und Nobelpreistr¨ ager.
18.3 Sonnenenergie
pmax =
477
Umax iS + iK , kT 1+ e Umax
(18.46)
und f¨ ur den maximalen Umwandlungswirkungsgrad der Zelle folgt p ηmax = max . pein
(18.47)
pein ist die Leistungsdichte der auf die Zelle auftreffenden Strahlung. Beispiel 18.6. Eine Solarzelle wird bei einer Temperatur von 27◦ C betrieben und weist eine Sperrstromdichte von 9 · 10−9 A/m2 auf. Bei einer Einstrahlung von agt die Kurzschlußstromdichte 200 A/m2 . 900 W/m2 betr¨ Gesucht sind die erforderliche Zellenfl¨ ache f¨ ur eine Leistung von 1 000 W und der Wirkungsgrad. L¨ osung. Die implizite Gleichung (18.45) f¨ ur Umax bringt man zun¨ achst in die zur Iteration geeignete Form
⎛ Umax =
kT ⎜ ln ⎜ ⎝ e
iK
1+ 1+
⎞
iS ⎟ ⎟. e Umax ⎠ kT
Die Durchf¨ uhrung der Iteration liefert Umax = 0,537 V. F¨ ur die Leistungsdichte folgt aus (18.46) pmax = 102,4 W/m2 . Die erforderliche Zellenfl¨ ache ergibt sich damit zu A=
P = 9,764 m2 . pmax
F¨ ur den Wirkungsgrad folgt schließlich ηmax =
pmax = 0,1138. q˙S
Dieses Beispiel macht deutlich, daß zur Ernte der Solarenergie große Fl¨ achen erforderlich sind.
18.3.5.3 Herstellung und Systemtechnik Am weitesten entwickelt ist die Silizium-Solarzelle aus monokristallinem Material, die im Prinzip etwa 44% des eingestrahlten Sonnenenergiestromes nutzen kann. Sie ist empfindlich f¨ ur Wellenl¨ angen zwischen 0,35 · 10−6 und −6 1,1·10 m (sichtbarer Bereich bis infrarot). Von diesem Anteil gehen ca. 16% durch W¨ armeerzeugung und andere Prozesse verloren, so daß der theoretisch
478
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
zu erreichende Grenzwirkungsgrad bei 28% liegt. Weitere Verluste – Reflexion an der Oberfl¨ ache der Zelle (3–6%) und Serienwiderstandsverluste (5–8%) – verringern den tats¨ achlichen Wirkungsgrad einer Solarzelle f¨ ur die Umwandlung von Sonnenlicht in elektrischen Strom auf ca. 20%. Durch Verwendung von Mehrschichtzellen mit unterschiedlichen Absorptionseigenschaften scheint es physikalisch m¨oglich, weit h¨ ohere Wirkungsgrade zu erreichen. In der technischen Entwicklung sind bereits Zellen, die Wirkungsgrade von 30% erreichen sollen [11], [1]. Zur Herstellung von monokristallinen Siliziumzellen ben¨otigt man hochreines Halbleitermaterial. Zu dessen Darstellung werden aus einer Siliziumschmelze monokristalline St¨ abe gezogen, die anschließend in d¨ unne Scheiben, die sogenannten Wafer, zers¨ agt werden. Dieses Verfahren ist energieaufwendig und teuer. Die kommerziell verf¨ ugbaren Zellen werden deshalb aus polykristallinem Silizium hergestellt. Dazu wird fl¨ ussiges Silizium in Bl¨ocke gegossen. Beim Erstarren entstehen allerdings unterschiedlich große Kristallstrukturen, an deren Grenzen sich Defekte ausbilden, die dann einen geringeren Wirkungsgrad der Solarzelle zur Folge haben. Eine typische kommerzielle Solarzelle aus polykristallinem Silizium hat eine Fl¨ ache von 100 cm2 und produziert bei maximaler Lichteinstrahlung von 1 kW/m2 und einem Wirkungsgrad von 10% eine elektrische Leistung von 1 W. Der Aufbau einer Zelle ist in Abb. 18.11 schematisch dargestellt. Der Materialaufwand und auch die Kosten f¨ ur die Herstellung einer Zelle werden wesentlich von der Absorptionsf¨ahigkeit des verwendeten Materials bestimmt. Die Solarzellen ben¨otigen wegen des relativ geringen Lichtabsorbtionskoeffizienten eine Dicke von mehr als 100 µm. Die Zellen werden nach dem Stand der Technik aus ca. 0,4 mm dicken Wafern gefertigt, angestrebt wird mit optimierten Produktionstechniken die Verarbeitung von 0,3 mm dicken Wafern; l¨ angerfristig scheint die Handhabung von 0,15 mm dicken Wafern realisierbar. Die so hergestellten Zellen haben eine Lebensdauer von mehr als 15 Jahren. Wegen des energieintensiven Herstellungsprozesses ist das Verh¨ altnis zwischen der von der Zelle w¨ahrend ihrer Lebensdauer eingefangenen Energiemenge zu der f¨ ur ihre Herstellung erforderlichen relativ gering. Bei einer angenommenen Lebensdauer von 20 Jahren, einem Modulwirkungsgrad von 13 % und einer Sonneneinstrahlung von 980 kWh/(m2 a), dies entspricht der Einstrahlung von Aachen, wird in etwa die Energiemenge mit der Solarzelle eingefangen (4586 MJ),die auch f¨ ur Herstellung eines 300 µm dicken Wafers erforderlich ist (4813 MJ); bei einem 150 µm dicken Wafer vermindert sich der Energieaufwand auf 2900 MJ, so daß uhungen ist es, den die Energiebilanz positiv wird.14 Ziel der derzeitigen Bem¨ notwendigen Energieeinsatz f¨ ur die Herstellung der Zellen zu vermindern. Ei¨ ne M¨ oglichkeit dazu besteht im Ubergang zu D¨ unnschichtzellen. Dabei wird das Silizium direkt aus der Schmelze auf das Tr¨agermaterial aufgebracht und 14
Der Prim¨ arenergiebedarf f¨ ur die Solarmodulproduktion ist aus [2] entnommen. Die von dem Solarmodul geerntete Energie w¨ achst proportional zur Einstrahlung. In S¨ udeuropa z. B. w¨ urde der kommulierte Energieertrag bei ca. 8.000 MJ liegen.
18.3 Sonnenenergie
479
es entsteht eine Siliziumschicht mit amorpher Struktur. Durch eine geeignete Behandlung – man l¨ aßt Wasserstoff in die Schicht diffundieren – kann ein Teil der im amorphen Silizium bestehenden Defekte geheilt“ werden. Damit wird ” es m¨ oglich, auch das amorphe Silizium zu dotieren. Die derzeit mit kommerziellen D¨ unnschichtsolarzellen erreichten Wirkungsgrade liegen bei 6%. Um den von den Solarzellen bereitgestellten Strom einer Nutzung zuzuf¨ uhren, ist die Zelle in ein Generatorsystem zu integrieren. Wegen der geringen gelieferten Gleichspannung m¨ ussen dazu zun¨achst viele Zellen in komplizierten Reihen- und parallelschaltungen zusammengef¨ uhrt werden. Sodann wird die Gleichspannung mit einem Wechselrichter in Wechselstrom umgewandelt, der mittels eines Transformators auf jede erforderliche Effektivspannung tranformiert werden kann. Die weiteren Komponenten des Systems sind demnach: • Gleichstrom/Wechselstromwandler (Wechselrichter), • Stromspannungsregler, • Batterien als St¨ utzsysteme, vgl. das Schema in Abb. 18.14. Die Umformverluste bei kommerziellen Anlagen k¨ onnen mit 5–8% bezogen auf die Stromabgabe der Solarzelle angenommen werden. Das gr¨ oßte, seit 1988 in Betrieb befindliche photovoltaische Solarkraftwerk befindet sich in Clarissa Plains in Kalifornien und hat eine Spitzenleistung von 6,4 MW. M S L P R
P Photozelle M Zellenmodul R Spannungsregler
W
T
S Speicher (Batterie) W Stromwandler T Transformator
N
L Eigenbedarf N Netz
Abbildung 18.14. Hauptkomponenten eines Solarzellenkraftwerkes
Beispiel f¨ ur eine ausgef¨ uhrte Anlage: Im Herbst 2004 wurde in Emmendingen am Kaiserstuhl eines der gr¨ oßten frei finanzierten Solarkraftwerke Deutschlands in Betrieb genommen. Die 750.000.– Euro teure Anlage hat eine Modulfl¨ ache von 1500 m2 , die auf dem Dach einer Fabrikhalle montiert ist, und wird pro Jahr ca. 163.000 kWh in das ¨ offentliche Netz einspeisen; was im Jahresmittel einer Leistung von 20 kW entspricht. Die spezifischen Investitionskosten betragen 37.000.– Euro pro kW und der spezifische Fl¨ achenbedarf ergibt sich zu 75 m2 pro kW. Als Verg¨ utung erh¨ alt der Eigent¨ umer nach dem Erneuerbaren–Energien–Gesetz 45,7
480
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
Cent pro kWh als Grundverg¨ utung plus 11,7 Cent, da es sich um eine Anlage kleiner 30 kW handelt, die auf einem Geb¨ aude montiert ist; die gesamte Verg¨ utung betr¨ agt damit 57,4 Cent pro kWh. Zum Vergleich: Strom aus Kraft-W¨ armekopplung Chemischer Fabriken wird zur Zeit mit 2,5 Cent pro kWh verg¨ utet. Zum Vergleich der Gr¨ oßenordnung: Um im Jahresmittel ein großes Braunkohlenkraftwerk mit einer Leistung von 1000 MW zu ersetzen, w¨ are bei den genannten Parametern eine Solarzellenfl¨ ache von 3,75·106 m2 = 3,75 km2 erforderlich; inclusive der notwendigen Fl¨ achen f¨ ur Instandhaltung und Servicegeb¨ aude einen Gesamtfl¨ achenbedarf von rd. 5 km2 . Nimmt man beim Braunkohlekraftwerk die anteilige Fl¨ ache eines Tagebaus hinzu, so ist die f¨ ur eine Solarzellenanlage erforderliche Fl¨ ache nur dreimal gr¨ oßer. Allerdings produziert das Braunkohlenkraftwerk seinen Strom rund um die Uhr, die Solarzellen aber nur wenn die Sonne scheint. Um dies auch mit der Solaranlage zu leisten, brauchen wir noch einen Energiespeicher, mit dem wir durch z. B. Elektrolyse Wasserstoff erzeugen (ηElektrolyse =0,75) wenn die Sonne scheint, und einen Energiewandler, z. B. eine Gasturbine (ηGuD =0,6), mit der wir auch bei Nichtverf¨ ugbarkeit der Solaranlage Strom erzeugen k¨ onnen. Die erforderliche Fl¨ ache f¨ ur die Solarzellen vergr¨ oßert sich dann den Faktor (1+(0,75· 0,6)−1 )=3,2 urden sich auch die spezifischen Investitionskoauf rd. 16 km2 . Um diesen Faktor w¨ sten ver¨ andern.
Eine gr¨ oßere Sonneneinstrahlung bei gleichzeitig h¨oherer Strahlungsleistung liegt im Weltraum vor. Es wurden deshalb auch Vorschl¨age ausgearbeitet, Sonnenenergie mittels großfl¨ achiger Solarzellensatellitenstationen, die sich in einer H¨ ohe von 36 000 km auf einer geostation¨aren Umlaufbahn befinden, abzuernten. Hier k¨ onnte durch st¨ andiges Ausrichten der Zellen gegen die Sonne nahezu permanent Energie gesammelt werden. Mit einer Fl¨ache von 100 km2 w¨ urde sich bei einem Wirkungsgrad von 10% eine Leistung von 14 000 MW erreichen lassen. Diese Leistung w¨ are dann in der Form von Mikrowellen auf Empfangsantennen auf die Erde zu u ur die Energie¨ ubertragung ¨bertragen. F¨ wird ein Wirkungsgrad von 70% f¨ ur m¨ oglich gehalten. Ob allerdings der Aufwand f¨ ur den Bau einer solchen Anlage durch den Energiegewinn je ausgeglichen wird, ist zumindest fraglich [5]. 18.3.6 Fazit Die von der Sonne eingestrahlte Energie wurde von den Menschen schon immer zu ihrem Vorteil genutzt. Das Potential der Sonnenenergie ist so groß, daß damit im Prinzip auch unser technischer Energiebedarf gedeckt werden k¨onnte. Dabei erweist sich aber die geringe Energiedichte der Sonneneinstrahlung, die das biologische Leben auf der Erde erst zugelassen hat, als entscheidender Nachteil. Der Aufwand an Material und Energie zur Bereitstellung von Hochtemperaturw¨ arme oder Elektrizit¨ at ist deshalb sehr hoch. Die Nutzung der Sonnenenergie zur Bereitstellung von Hochtemperaturw¨ arme ist technisch nur in Gegenden mit einer hohen Direkteinstrahlung m¨ oglich. In Mitteleuropa mit u ¨berwiegend diffuser Einstrahlung kann allenfalls an die Bereitstellung von Niedertemperaturw¨arme gedacht werden.
18.4 Windenergie
481
Ein Nachteil der Sonnenenergie ist ferner, daß sie entweder bei Anfall genutzt oder bis zum Verbrauch gespeichert werden muß. Die Energiespeicherung hat sich aber als aufwendig und teuer erwiesen. Großtechnisch eingesetzt werden im Bereich der Elektrizit¨ atswirtschaft bisher nur Luftspeicherkraftwerke und Wasserkraftspeicher, vgl. hierzu die Abschnitte 14.5 und 18.2. Bei den bisher bekannt gewordenen Anwendungen der Sonnenenergie wird das Speicherproblem umgangen, indem zur St¨ utzung auf konventionelle Systemkomponenten zur¨ uckgegriffen wird. Dies spricht nicht unbedingt gegen die Verwendung der Sonnenenergie; ihre teuere Nutzung kann dar¨ uberhinaus in manchen F¨ allen zwingend sein.
18.4 Windenergie 18.4.1 Allgemeines Aufgrund der zeitlichen Variation der Solarstrahlung und der lokalen Unterschiede in den Bedingungen f¨ ur die Absorption der eingestrahlten Energie kommt es zu Temperatur-, Dichte- und Druckunterschieden in der Atmosph¨ are. Der Druckunterschied l¨ ost dann eine Luftstr¨omung aus, die man als Wind bezeichnet. Nach der in Abschnitt 1.2.2 diskutierten globalen Energiebilanz werden auf diese Weise etwa 2% der eingestrahlten Sonnenenergie in kinetische Energie der Luft- und Wasserstr¨ omungen umgesetzt. Nehmen wir von dem 2% einen Anteil von 1/3 f¨ ur die Luftstr¨omungen, so entspricht das einer mittleren Leistung von 400 T erawatt (T W ) und damit pro Jahr einer verf¨ ugbaren Prim¨ arenergie von 400 T W a. Dies ist etwa 4 mal mehr Energie, als von allen Pflanzen pro Jahr in Biomasse eingepeichert wird. Der treibenden Kraft aus den Luftdruckunterschieden u ¨berlagert sich aufgrund der Rotation unseres Planeten noch die Corioliskraft. Durch das Zusammenspiel dieser Kr¨ afte und der Wirkung der inneren Reibung in den erdnahen Luftschichten kommt es zur Ausbildung von permanenten Luftstr¨omungen. ¨ Das sind die Passatwinde am Aquator, die Westwindzonen auf der n¨ordlichen und s¨ udlichen Hemisph¨ are und auch die Strahlstr¨ome in großen H¨ohen. Neben diesen globalen Luftstr¨ omungen gibt es auch lokale Winde – z.B. die K¨ ustenwinde, die ihre Ursache in der unterschiedlichen Erw¨armung der Luft u ¨ber dem Land und dem Wasser haben. Von besonderer Bedeutung f¨ ur die Nutzung der Windenergie ist die atmosph¨ arische Grenzschicht. Sie stellt den Teil der Atmosph¨are dar, der infolge der Bodenreibung und des Impulstransportes innerhalb der Luftstr¨omung in direkter Wechselwirkung mit dem Erdboden steht. Innerhalb der Grenzschicht lassen sich drei Schichten voneinander abgrenzen: die viskose Unterschicht, die am Boden haftet und nur einige Zentimeter dick ist, die durch die Bodenreibung allein bestimmte turbulente Prandtl- oder Bodenschicht und die durch das Zusammenspiel aller Kr¨ afte bedingte Ekmann-Schicht. Die Dicke
482
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
der Prandtl-Schicht wird in der Literatur mit 100m angegeben, sie ist unser unmittelbarer Lebensraum und auch die Windturbinen unterliegen ihrem Einfluß. Eine besondere Eigenschaft der Luftstr¨omung in der Prandtl-Schicht ist die B¨ oigkeit, die mit der Str¨ omungsturbulenz zusammen h¨angt. Unter ¨ B¨ oigkeit versteht man die stoßartige Anderung sowohl der Geschwindigkeit als auch der Richtung der Str¨ omung, sie h¨ angt von der Geschwindigkeit und auch der Beschaffenheit des Bodens ab. Die B¨oigkeit ist ausschlaggebend f¨ ur die Beanspruchung bzw. Belastung von Bauteilen der Windturbinen. Gemessene Windeigenschaften f¨ ur viele Orte sind im Europ¨aischen Windatlas [20] zusammengestellt. ¨ Als erste haben wohl die Menschen im Nahen Osten und Agypten bereits vor Beginn unserer Zeitrechnung damit begonnen, die Energie des Windes mit Windr¨ adern zur Bew¨ asserung ihrer Felder und f¨ ur das Mahlen von Getreide zu nutzen. Seit dem Mittelalter wurde die Windenergie zunehmend auch in Europa genutzt. Um das Jahr 1900 waren z.B. in D¨anemark Anlagen mit einer Gesamtleistung von 200 MW installiert. Die Windnutzung ging dann parallel mit dem Ausbau des Stromnetzes und der damit erreichten Verf¨ ugbarkeit preiswerter, bequem zu handhabender und jederzeit abrufbarer elektrischer Energie zur¨ uck. Bereits um 1930 war die Nutzung des Windes praktisch bedeutungslos geworden. Seit der ersten Energiekrise im Jahr 1974 ist man auch in den Industriel¨andern wieder auf die Windenergie zur¨ uckgekommen. Weltmeister in der Windenergienutzung ist derzeit Deutschland, was auf die staatliche F¨ orderung durch die sogenannte Einspeisungsverordnug zur¨ uckzuf¨ uhren ist. Die Technik der Windenergienutzung ist ausgereift, sie wird z. B. in [6] und [12] ausf¨ uhrlich dargestellt. 18.4.2 Grundlagen Die Probleme bei der Nutzung der Windenergie sind gut bekannt: Der Wind weht wo er will, er ist naturgem¨ aß unvorhersehbar und in seiner Energiedichte stark schwankend. Ebenso ist eine Speicherung unm¨oglich; eine Energienutzung ist nur zeitgleich mit dem Auftreten des Windes m¨oglich. Es ist naheliegend, den Wind durch seine Geschwindigkeit zu charakterisieren. Wegen der starken Schwankungen wird mit zeitlichen Mittelwerten 1 v= t2 − t1
t2 v(t) dt
(18.48)
t1
gerechnet. Von besonderem Interesse sind die Jahresmittelwerte vi . Daraus bildet man den langj¨ ahrigen Mittelwert 1 v . n i=1 i n
v=
(18.49)
Die Windverh¨ altnisse in Deutschland werden durch die Angabe der Jahresmittelwerte an verschiedenen Orten in Tabelle 18.6 verdeutlicht. Offenbar
18.4 Windenergie
483
Tabelle 18.6. Langzeitmittelwerte der 10 m u ¨ber dem Boden gemessensn Windgeschwindigkeit an einigen Orten; Mittelungszeit: 8 Jahre, Flaute: Windgeschwindigkeit kleiner als 5 m/s Standort
v [m/s]
Flautendauer [h/a]
l¨ angste Faute [h]
List/Sylt Cuxhaven Norderney Hannover Kahler Asten Karlsruhe Passau
7,13 5,5 7,5 4,1 5,5 2,5 1,9
2365 4030 2190 6044 3854 7796 8410
130 172 83 273 139 535 998
verlieren die Winde aufgrund von Hindernissen und der Bodenreibung an Energie. In S¨ uddeutschland wird erst in einer H¨ohe von ca. 1 200 m die mittlere Windst¨ arke an der Nordseek¨ uste in 10 m H¨ohe erreicht. Die Abnahme der Windgeschwindigkeit in Bodenn¨ ahe h¨angt mit der inneren Reibung der Luftmassen zusammen. In erster N¨ aherung kann f¨ ur die Erfassung der H¨ ohenabh¨ angigkeit der Windgeschwindigkeit bis zu einer H¨ohe von etwa 150 m u ¨ber dem Boden die sogenannte Hellmansche H¨ohenformel v(h) = vν (
h χ ) [m/s] hν
verwendet werden. Hierbei ist h die H¨ ohe u ¨ber dem Boden in Metern und v10 die mittlere Windgeschwindigkeit der Referenzh¨ohe, meist 10m, in m/s. Die Konstante χ heißt Hellmann-Exponent und h¨angt von der Gel¨andeform und auch der H¨ ohe ab; es ist χ = 0,11 f¨ ur ebenes Gel¨ande und χ = 0,26 f¨ ur Siedlungen oder h¨ ugelige Waldfl¨ achen. Die Langzeitmittelwerte geben erste Hinweise u ¨ber das Potential der Windenergie an einem bestimmten Standort. F¨ ur die Belastung von Bauteilen sind die kurzfristigen Schwankungen von Bedeutung, die durch B¨oen und Windturbulenz verursacht werden. Beispielhaft daf¨ ur ist in Abb. 18.15 ein typischer zeitlicher Geschwindigkeitsverlauf dargestellt. Die kurzzeitigen Abweichungen vom Mittelwert betragen bis zu 50%. Genau so wichtig wie die Kenntnis des Mittelwerts ist die der H¨aufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit, die sich mit der sogen. Weibull-Verteilung approximieren l¨ aßt, vgl. [20]: f (v) =
k v k−1 −( v )k ( ) ·e A . A A
Hierbei ist: v: Betrag der Windgeschwindigkeit in m/s k: Formparameter A: Skalierungsparameter in m/s
(18.50)
484
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
4 v [m/s] 2
v- = 1,7 m/s
0 0
6
18
12
h
24
Abbildung 18.15. Gemessener Verlauf der Windgeschwindigkeit an einem Tag im Herbst
Der zur Approximation von Windstatistiken passende Formfaktor liegt f¨ ur ebenes Gel¨ ande bei k = 2. Der Skalierungsparameter A ist ein Maß f¨ ur die Gleichverteilung der Geschwindigkeiten; große Werte von A bedeuten ein relativ h¨ aufiges Vorkommen starker Winde. Die Leistungsdichte des Windes wird auf eine Fl¨ache normal zur Str¨omungsrichtung bezogen. Die kinetische Energie dE eines Massenelements dM , das in der Zeit dt durch eine Fl¨ ache A str¨omt, ergibt sich zu: 1 2 1 2 1 3 dE = v dM = v ρ v A dt = ρ v A dt . (18.51) 2 2 2 F¨ ur die Leistungsdichte des Windes folgt ρ 1 1 dE = v3 = m ˙ v2 (18.52) A dt 2 2 mit der Massenstromdichte m ˙ = ρ v. Die Menge an Windenergie, die in der Zeit zwischen t1 und t2 durch eine zur Windrichtung beliebig liegende Fl¨ache A str¨ omt, ergibt sich damit zu pW =
0.14 k=2, a=6 k=1.5, a=6.5
0.12
Häufigkeit [ï]
0.1 0.08 0.06 0.04 0.02 0
0
5
10 15 Windgeschwindigkeit v [m/s]
20
25
Abbildung 18.16. Auswirkung der Variation der WeibullParameter einer Verteilung bei konstanter mittlerer Geschwindigkeit
18.4 Windenergie
485
105 Jahrhundertböe
p [W/m²]
max. 10 Min.-Mittel
103
max. Stundenmittel Jahresmittel
101 50
0
t2 E=
v [m/s]
ρ 2 v v · n dt dA . 2
100
Abbildung 18.17. Leistungsdichte des Windes
(18.53)
A t1
Hier ist n die Normale der Fl¨ ache A. Die Bandbreite der Leistungsdichte pW , die von der 3. Potenz der Windgeschwindigkeit abh¨angt, ist groß. Abb. 18.17 zeigt die Leistungsdichte f¨ ur charakteristische Mittelwerte der Geschwindigkeit. Die unterschiedlichen Gr¨ oßenordnungen bringen große Probleme f¨ ur die Bemessung von Bauteilen mit sich. Wegen der starken Abh¨ angigkeit der Leistung von der Windgeschwindigkeit ist ein hoher Jahresmittelwert der Windgeschwindigkeit f¨ ur eine effektive Nutzung entscheidend. Welcher Anteil der Windenergie kann aber durch Abbremsen der Windstr¨ omung mit technischen Hilfsmitteln extrahiert werden? 18.4.3 Windenergienutzung Zur Ernte der Windenergie werden Windr¨ ader verwendet. Wir betrachten ein solches Rad der Breite b − a mit horizontaler Achse, vgl. Abb. 18.18. Das Rad werde mit der Geschwindigkeit v1 angeblasen; infolge der Stauwirkung nimmt der Druck vor dem Rad zu und die Geschwindigkeit ab. Weiter soll noch vorausgesetzt werden, daß die mittlere Umfangsgeschwindigkeit der Fl¨ ugelenden wesentlich gr¨ oßer ist als die Windgeschwindigkeit und ferner Reibungsverluste vernachl¨ assigt werden k¨ onnen. Bei Geschwindigkeiten unter 60 m/s kann der Wind in guter N¨aherung als eine inkompressible Str¨ omung betrachtet werden. Wir setzen weiter voraus, daß die Str¨ omungsgr¨ oßen u ¨ber die jeweiligen Querschnitte konstant seien und setzen f¨ ur den eingezeichneten Kontrollraum die Bilanzgleichungen der Str¨ omungsmechanik an. Die Kontinuit¨ atsgleichung liefert die Aussage m ˙ = ρ v1 A1 = ρ v0 A0 = ρ v2 A2 .
(18.54)
486
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen 0
A1
v1,p 1
p
v2,p 2
A2
pa 8
p2=p 8
p1=p
p0 pb
v
v1
v0
x va vb
a b
v2 x
Abbildung 18.18. Druck- und Geschwindigkeitsprofil beim Durchst¨ omen einer Windturbine
Hier ist m ˙ der Massenstrom durch die Fl¨ achen A1 bzw. A2 . Nach der BernoulliGleichung der Str¨ omungsmechanik ist unter den getroffenen Voraussetzungen die Summe ρ p + v 2 = const (18.55) 2 l¨ angs einer Stromlinie konstant. Damit folgt f¨ ur die Druckdifferenz zwischen den Orten a und b des Windrades ρ 2 ρ 2 − p2 + (18.56) pa − pb = p1 + v − v2 v − v2 . a a 2 1 2 2 Wir setzen weiter voraus, daß die Turbine die Windstr¨omung nur geringf¨ ugig st¨ ort. Der Druck weit vor und weit hinter der Turbine ist dann gleich dem Umgebungsdruck p∞ : p1 = p2 = p∞ .
(18.57)
Ferner k¨ onnen wir annehmen, daß die Geschwindigkeit innerhalb des Turbinenrades sich nur wenig ¨ andert und setzen in erster N¨aherung v0 ≈ va ≈ vb .
(18.58)
Mit (18.57) und (18.58) folgt aus (18.56) f¨ ur die Kraftkomponente in Str¨omungsrichtung auf das Turbinenrad ρ 2 Fx = pa − pb A = (18.59) v − v2 A , 2 2 1 darin ist A die vom Turbinenrad u ¨berstrichene Fl¨ache. Nach dem Impulssatz der Str¨ omungsmechanik gilt f¨ ur Fx auch die Beziehung Fx = m ˙ v1 − v2 = ρ v0 v1 − v2 A . (18.60)
18.4 Windenergie
487
Durch Gleichsetzen von (18.59) und (18.60) folgt 1 v1 + v2 . (18.61) v0 = 2 Die Leistung PT , die vom Turbinenrad aus der Windstr¨omung extrahiert wird, ergibt sich aus der Differenz der Windleistungen vor und hinter dem Rad: ρ m ˙ 2 v − v2 = v1 + v2 v 2 − v 2 A PT = 1 2 2 2 1
4 2 v v ρ = v3 1 + 2 (18.62) 1 − 22 A . 4 1 v1 v 1
Das Verh¨ altnis der extrahierten Leistung zur Windleistung bzgl. der vom Rotor u ache wird als Leistungsbeiwert CP bezeichnet. Aus (18.52) ¨berstrichenen Fl¨ und (18.62) folgt
v2 v2 1 CP = 1 − 22 . (18.63) 1+ 2 v1 v 1
ur v2 /v1 = 1/3 ein Maximum hat mit Man kann einfach zeigen, daß CP f¨ 16 ≈ 0,593. 27 Auch eine ideale Windturbine kann damit nur ca. 60% der angebotenen Windleistung nutzen. Dieses Gesetz wurde 1919 von Albert Betz formuliert. Es ist u ¨berraschend, daß man in der Lage ist, eine derart allgemeine Aussage zu treffen, die f¨ ur alle Windturbinen mit scheibenf¨ ormigen Rotoren gilt. Die Leistung gem¨ aß 18.63 und 18.62 kann auch als ρ PT = CP v 3 A (18.64) 2 1 geschrieben werden. F¨ ur das am Turbinenrad angreifende Drehmoment gilt dann P r ρ r A. (18.65) L = T = PT = CP v12 ω u 2 λS CP =
Hier ist r der Radius des Turbinenrades, v1 die Windgeschwindigkeit und λS =
Umfangsgeschwindigkeit des Rotors Windgeschwindigkeit
=
u v1
(18.66)
die Schnellaufzahl. λS ist eine wichtige Kennzahl zur Klassifizierung von Turbinenr¨ adern. Eine detaillierte Betrachtung ergibt, daß der Umwandlungsgrad einer Turbine und das Drehmoment stark von λS abh¨angen. Wie Abb. 18.19 zeigt, liegen die Leistungsbeiwerte ausgef¨ uhrter Maschinen zwischen 0,3 und 0,45. Aus der Abbildung folgt ferner, daß das Anfahrmoment f¨ ur die einzelnen Rotorbauarten stark unterschiedlich ist. Dies bedeutet, daß Arbeitsmaschinen
488
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
0,6 Idealwert für Propeller-Windmühlen
Cp 0,4 am. Vielblatt-Rotor
schneller Zweiblatt-Rotor
Darrieus-Rotor
holl. Vielblatt-Rotor
0,2
0 0
2
4
6
ls
8
Abbildung 18.19. Leistungsbeiwerte verschiedener Windturbinen
mit einem hohen Anlaufmoment nur von einem Vielblattrotor angetrieben werden k¨ onnen. Aus 18.64 folgt, daß: 1. die aus der Windstr¨ omung extrahierte Leistung mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit variiert 2. die Leistung proportional zu der vom Rotor u ¨berstrichenen Fl¨ache ansteigt 3. der Leistungsbeiwert 18.4.3, der identisch mit dem Wirkungsgrad der Windturbine ist, maximal einen Wert von Cp = 0, 59 annehmen kann; die tats¨ achlich erzielten Rotorwirkungsgrade sind kleiner und liegen maximal bei ηR = 0, 5 Die Umwandlung der vom Rotor extrahierten kinetischen Energie in elektrischen ist mit weiteren Verlusten verbunden; im Einzelnen sind dies: -
elektrischer Generator: η1 = 0, 92 elektrischer Transformator: η2 = 0, 94 Rotorausrichtung nach Windrichtung und -st¨arke: η3 = 0, 95
Daraus folgt f¨ ur den Gesamtwirkungsgrad einer Windkraftanlage: ηW = ηR · η1 · η2 · η3 = 0, 41.
(18.67)
Beispiel 18.7. Eine Windturbine mit einem Rotordurchmesser von 120 m arbeitet bei einer Windgeschwindigkeit von 7 m/s mit einer Drehzahl von n = 30 s−1 und einem Leistungsbeiwert von 0,4. Die Lufttemperatur betr¨ agt 15◦ C und der Druck 1 013 mbar. Die spezifische Gaskonstante von Luft R ist 0,2869 kJ/kgK. Man bestimme die Leistungsdichte, die spezifische Rotorleistung, die abgegebene Leistung, das Drehmoment an der Welle und die Kraft auf den Rotor.
18.4 Windenergie
489
L¨ osung. Die Dichte der Luft kann mit der Zustandsgleichung eines perfekten Gases zu p ρ= = 1,225 kg/m3 RT bestimmt werden. Aus (18.52) folgt die Leistungsdichte des Windes pW =
ρ 3 v = 210 W/m2 2
von der nach (18.64) pT = CP pW = 84 W/m2 gewinnbar sind. Die Leistung des Windrades betr¨ agt nach (18.64) PT = pT
d2 π ≈ 950 kW. 4
Das Drehmoment an der Welle berechnet sich mit (18.65): L=
PT 2πn
= 5 044 Nm.
Zur Bestimmung der Kraft Fx auf das Rad benutzt man die aus (18.59) entstandene Gleichung
ρ Fx = v 2 2 1
1−
v2
2 v2 1
d2 π = 1, 567 · 105 N, 4
osung der kubischen Gleichung (18.63) wobei das Verh¨ altnis v2 /v1 = 0,7339 durch L¨ erhalten wurde.
18.4.4 Betrieb von Windanlagen Bereits aus einer Analyse der Gleichungen (18.64) und (18.65) werden die mit der Nutzung der Windenergie verbundenen Schwierigkeiten ersichtlich. Die beiden Gleichungen zeigen die starke Abh¨ angigkeit der vom Windrad aufgenommenen Leistung und des Drehmoments an der Radwelle von der Windgeschwindigkeit und dem Raddurchmesser. Wegen der Proportionalit¨at der Leistung zur 3. Potenz der Geschwindigkeit ergeben sich bereits aus vergleichs¨ weise geringen Fluktuationen der Windgeschwindigkeit große Anderungen in der aufgenommenen Leistung. So ergibt eine Abnahme der Geschwindigkeit um 20% bereits eine Leistungsabnahme um ca. 50%, und bei einer Halbierung der Geschwindigkeit w¨ urde die Leistung auf 12% zur¨ uckgehen. Weil die Verluste bei der Energieumwandlung fast unabh¨ angig von der Leistungsabgabe sind, ist die tats¨ achliche Leistungsabnahme noch gr¨oßer. Große Fluktuationen der von der Turbine abgegebenen Leistung sind aus mehreren Gr¨ unden unerw¨ unscht: Aus diesen w¨ urden sich u.a. Schwankungen in der Netzfrequenz und große Beanspruchungen der Bauteile ergeben. Zur Vermeidung dieser Nachteile werden Windr¨ ader so ausgelegt, daß bereits bei einer mittleren Geschwindigkeit die volle Leistung erreicht wird. Bei gr¨oßeren
490
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
Geschwindigkeiten wird die Leistung mit Hilfe der Regelung konstant gehalten, z.B. durch Verstellen der Fl¨ ugelanstellung, vgl. Abb. 18.20. Bei zu großen und zu kleinen Windgeschwindigkeiten wird die Anlage abgestellt. Grenzen f¨ ur die maximale Leistung einer Anlage sind durch die auftretenden Belastungen und die Randbedingung der wirtschaftlichen Umsetzung gegeben. Wenn man in erster N¨ aherung annimmt, daß die Belastungen mit denen eines Flugzeugtragfl¨ ugels vergleichbar sind, sollten Anlagen mit einem Rotordurchmesser von ca. 120 m realisierbar sein. Zu den gr¨oßten heute in Betrieb befindlichen Anlagen z¨ ahlen die drei Zweiblatt-Windturbinen in Boone (North Carolina), der Rotordurchmesser betr¨agt 91,5 m und die Nennleistung 2,5 MW. Allerdings hat die Erfahrung gezeigt, daß kleinere Anlagen wirtschaftlicher sind. Der Grund daf¨ ur liegt darin, daß die Rotorfl¨ache und damit auch die Leistung einer Anlage nur mit dem Quadrat des Durchmessers w¨ achst, die Masse des ben¨ otigten Materials aber mit der 3. Potenz. 18.4.5 Aufwindkraftwerk
Leistung
Ein Aufwindkraftwerk besteht aus einer Kombination eines Treibhauses, eines Kamins und eines Windrades, vgl. Abb. 18.21. Das durch ein lichtdurchl¨assiges Dach eingestrahlte Sonnenlicht wird am Boden absorbiert und erw¨armt die dar¨ uberliegende Luft wie in einem Treibhaus. In der Mitte des Daches steht eine Kaminr¨ ohre. Der Kamin ist an seinem Fuß unterhalb des Dachanschlusses offen, ist aber dicht mit der Dachfl¨ ache verbunden. Infolge der Kaminwirkung str¨ omt die unter dem Dach erw¨ armte Luft durch die R¨ohre nach oben und saugt dabei Luft aus der Umgebung an. Die unter dem Dach erw¨armte Luft erzeugt so einen Aufwind im Kamin, der zum Antrieb eines Windrades genutzt werden kann, vgl. [17].
b)
a)
c)
a b c
Windleistung Extrahierbare Leistung Nicht nutzbarer Anteil
I II III IV
Wind zu stark Betriebszeit bei Nennleistung Betriebszeit bei Teillast Wind zu schwach
Nennleistung
0
2500 I
II
5000 III
7500 10000 Betriebsstunden/Jahr IV
Abbildung 18.20. Leistungs-Windgeschwindigkeitscharakteristik einer Windturbine
18.4 Windenergie
491
Die Aufwindgeschwindigkeit ist umso gr¨ oßer, je w¨armer die ihm zugef¨ uhrte Luft gegen¨ uber der Umgebung und je h¨ oher der Kamin ist. F¨ ur die treibende Druckdifferenz der Kaminstr¨ omung gilt in linearer N¨aherung
p0 1 1 ∆p = ρ0 − ρi g H = g H = ∆ρ g H (18.68) − R T0 Ti mit: p0 Umgebungsdruck , T0 Umgebungstemperatur, Ti mittlere Temperatur im Kamin, H Kaminh¨ ohe, ρi mittlere Dichte im Kamin. Unter der Voraussetzung, daß ∆ρ/ρ 1 ist, folgt aus der Bernoulli-Gleichung der Str¨ omungsmechanik f¨ ur die maximale Aufwindgeschwindigkeit 2 ∆p v= . (18.69) ρi Die Leistung, die mit einer Turbine der Str¨ omung entnommen werden kann, ur diesen gilt ist h¨ ochstens gleich dem Energiestrom Pmax im Kamin. F¨ ρ 2 v =m ˙ ∆ρ g H . (18.70) 2 Der maximale Wirkungsgrad des Aufwindkraftwerkes ergibt sich damit zu Pmax = m ˙
ηmax =
Pmax gH . = ˙ cp T0 Q
(18.71)
S
In den Wirkungsgrad geht als einzige Anlagengr¨oße nur die Kaminh¨ohe H ein. Mit cp = 1 kJ/kgK f¨ ur Luft und T0 = 300 K folgt ηmax ≈ H 3,3 · 10−5 .
(18.72) a b c d
Luft (warm)
b
Lichtdurchl¨ assiges Dach Kamin Windturbine Generator
Licht
c a d
Luft (kalt)
Abbildung 18.21. Schema und Wirkungsweise eines Aufwindkraftwerkes
492
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
Kumulierte installierte Leistung in MW
18000 16000 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0 1990
1992
1994
1996
1998 Jahr
2000
2002
2004
Abbildung 18.22. Entwicklung der kumulierten installierten Leistung von Windenergieanlagen in Deutschland.
Bei einer technisch denkbaren Kaminh¨ ohe von 1 000 m ergibt sich ein auf die Turbinenleistung bezogener spezifischer Fl¨ achenbedarf a von a=
1 ηmax q˙S
≈ 30 m2 /kW.
(18.73)
F¨ ur ein Kraftwerk mit 100 MW Leistung w¨are eine Sammelfl¨ache von 3 · 106 m2 = 3 km2 erforderlich, was einem Kreis mit einem Durchmesser von 1,95 km entspricht. Der Durchmesser der Kaminr¨ohre w¨ urde bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s ca. 88 m betragen. Diese Zahlen zeigen, daß die Anlagen zur Erzeugung k¨ unstlichen Windes riesige Bauwerke w¨aren. Bei einer in Manzanares/Spanien erstellten Pilotanlage hatte das Dach eine Fl¨ ache von 50 000 m2 und der Kamin bei 2 m Durchmesser eine H¨ohe von 200 m. Bei einer Sonneneinstrahlung von 800 W/m2 lag die Temperatur unter dem Dach um 20◦ C u ¨ber der Umgebungstemperatur und die Nennleistung der Windturbine betrug 100 kW. 18.4.6 Fazit Anlagen zur Nutzung der Windenergie sind im Leistungsbereich von einigen kW bis zu zwei MW technisch gut entwickelt und haben sich an vielen Standorten im Betrieb bew¨ ahrt. Der Nachteil der Windenergie ist das mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit schwankende Energieangebot: bei einer Halbierung der Windgeschwindigkeit erzeugt ein Windrad nur noch ein Achtel des Stromes. Diese Abh¨ angigkeit macht ein jederzeit verf¨ ugbares St¨ utzsystem erforderlich. Mitte 2004 waren weltweit Windr¨ader mit einer Nennleistung von 34.000 MW installiert. Davon allein 16.543 Windanlagen in Deutschland mit einer Nennleistung von 16.630 MW, die im Jahr 2004 ca. 30,4·109 kWh Strom, das waren ca. 2% der gesamten Erzeugung, in das offentliche Netz einspeisten; dies entsprach einer u ¨ ¨ber das Jahr gemittelten Leistung von 3.470 MW. Die mittlere Jahresleistung aller 16.543 Windanlagen
Literatur
493
in Deutschland entsprach damit in etwa der Leistung des mit Braunkohle betriebenen Kraftwerkstandorts Niederaußem. Die Windenergie hat sich in Deutschland zu einer Großtechnik mit einer starken Lobby entwickelt. Anlaß f¨ ur diese Entwicklung sind die massiven Subventionen auf der Grundlage des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Durch die darin festgelegten Einspeiseverg¨ utungen kann an geeigneten Standorten viel Geld verdient werden. Eine sich auch volkswirtschaftlich rechnende Produktion von Strom mit Windkraft ist nicht abzusehen.
18.5 Folgerungen fu ¨ r die Nutzung regenerativer Energiequellen Es ist faszinierend, u opfliche Quellen zu verf¨ ugen bzw. etwas um¨ber unersch¨ sonst zu bekommen. So ist es nicht verwunderlich, daß auch in die regenerierbaren Energiequellen große Hoffnungen gesetzt werden. Diese Hoffnungen haben sich bisher insofern nicht erf¨ ullt, als sich die Erschließung dieser Quellen als technisch aufwendig und kostspielig erwiesen hat. Von den drei behandelten regenerativen Energieformen kann die Wasserkraft, deren Nutzung gut entwickelt ist, nur einen erg¨anzenden Beitrag liefern. Auch die Windenergie, f¨ ur deren Nutzung technische L¨osungen vorliegen, kann aufgrund ihres beschr¨ ankten Potentials andere Energiequellen nicht ersetzen. Es kommt hinzu, daß sie nach Anfall verbraucht werden muß. Um die Versorgung mit Energie sicherzustellen, sind daher jederzeit verf¨ ugbare St¨ utzsysteme erforderlich. Allein die Sonnenenergie ist in so großen Mengen verf¨ ugbar, daß theoretisch unser gesamter Energiebedarf daraus gedeckt werden k¨onnte. Wegen der geringen Energiedichte sind aber sehr große Fl¨ achen f¨ ur ihre Ernte erforderlich. Bei der derzeit verf¨ ugbaren Technik ist f¨ ur den Bau entsprechender Anlagen ein Energieaufwand erforderlich, der bei den in Mitteleuropa gegebenen Einstrahlverh¨ altnissen des Sonnenlichts in derselben Gr¨oßenordnung liegt wie die w¨ ahrend der Lebenszeit einer Anlage gewonnene Energie. Auch wenn außer Zweifel steht, daß noch ein erhebliches Potential f¨ ur technische Verbesserungen besteht, wird die Nutzung der Sonnenenergie f¨ ur die Bereitstellung von Elektrizit¨ at vergleichsweise teurer bleiben. Auch die Sonnenenergie erfordert St¨ utzsysteme, die auf jederzeit verf¨ ugbare Energiequellen zur¨ uckgreifen k¨ onnen und bei Nichtverf¨ ugbarkeit der Solarenergie die Versorgung u ¨bernehmen. Dies macht Doppelinvestitionen erforderlich.
Literatur 1. Bloss, Cortalan, Pfisterer: Stand und Perspektiven der Photovoltaik. Institut f¨ ur physikalische Elektronik, Universit¨ at Stuttgart, 1988
494
18 Nutzung erneuerbarer Energiequellen
2. Eversheim, W., G. Schweitzer, T. Albrecht: Energetische Bewertung eines zukunftsweisenden Produktionskonzepts f¨ ur Solarzellen. VDI Bericht Nr. 1457, 313 – 322, (1999) 3. Gieseke, J., Mosonyi, E.: Wasserkraftanlagen. Planung, Bau und Betrieb. Springer-Verlag, Heidelberg 2003 4. Gr¨ atzel, M.: Low cost and efficient photovoltaic conversion by nanocristalline solar cells. Chemie Ingenieur Technik 67, 1 300–1 305 (1995) 5. Glaser, P.E.: Economic and environmental costs of satellite solar power. Mechanical Engineering 10, 32–37 (1978) 6. Hau, E.: Windenergieanlagen. Springer, Heidelberg 1996 7. Halacy, D.S.: The coming age of solar energy. Harper & Row, New York 1963 8. Kleemann, M., Meliß, M.: Regenerative Energiequellen, 2. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg New York 1993 9. Lewerenz, H.-J., Jungblut, H.: Photovoltaik. Springer, Berlin Heidelberg New York 1995 10. Meriam, M.F.: Wind, waves and tides. Annual Review of Energy 2, 171–195 (1977) 11. Mitchell, R.L., Surek, T.: Photovoltaic research projects: A foundation of tomorrows‘s utility-scale electricity. Proc. 23rd IECEC-Conference, 107–117 (1987) 12. Molly, JP.: Windenergie. C.F. M¨ uller, Karlsruhe 1991 13. Morse, F.M., Simmons, M.K.: Solar energy. Annual Review of Energy 1, 131–158 (1976) 14. Parkinson, B. A.: An overview of the progress in photochemical energy conversion. J. Chem. Education 60, S. 338 ff (1983) 15. Quantz, L., Meerwarth, K.: Wasserkraftmaschinen, 11. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg 1963 16. Raabe, J.: Hydraulische Maschinen und Anlagen, Teil II: Wasserturbinen. VDI-Verlag, D¨ usseldorf 1970 17. Schlaich, J.: Aufwindkraftwerke – Das Prinzip, der Prototyp in Spanien, Zukunftsaussichten. VGB Kraftwerkstechnik 62, 926–929 (1982) 18. Schulze, R. W.: Strahlenklima der Erde. Steinkopf, Darmstadt 1970 19. Scudder, Thayer: The Future of Large Dams: Dealing with the Social, Environmental and Political Costs. Earthscan 2005 20. Troen, I., Petersen, E. L.: Europ¨ aischer Windatlas. Ris¨ o National Laboratory, Roskilde, Denmark 0. J. 21. VDI-W¨ armeatlas. 9. Auflage, Springer, Berlin Heidelberg 2002
Teil IV
Zukunftsperspektiven
19 Status unserer Energieversorgung
Es ist die n¨ achste und im gewissen Sinne wichtigste Aufgabe unserer bewußten Naturerkenntnis, daß sie uns bef¨ ahige, zuk¨ unftige Erfahrungen vorauszusehen, um nach dieser Voraussicht unser gegenw¨ artiges Handeln einrichten zu k¨ onnen. Heinrich Hertz (1857–1894) Das Leben muß vorw¨ arts gehen, verstehen k¨ onnen wir es aber nur r¨ uckw¨ arts. S¨ oren Kierkegaard (1813–1855)
19.1 Gegenw¨ artiger Stand Die Kraftwerkstechnik zur Erzeugung von elektrischem Strom ist eine der großen Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts. Es ist offensichtlich, daß die Nutzung der Elektrizit¨ at das t¨ agliche Leben in einer Weise ver¨andert und erleichtert hat, wie es vorher nicht vorauszusehen war. Im Jahr 2002 wurden weltweit 15,7·1012 kWh = 15.700 TWh Strom erzeugt und verbraucht, die installierte Leistung aller Kraftwerke betrug rd. 4,2·109 kW, vgl. Abb. 19.1. Trotz eines ungebrochenen Wachstums seit mehr als 100 Jahren nimmt der Stromverbrauch noch immer mit einer Rate von 3% pro Jahr zu. F¨ ur 2015 wird mit einem weltweiten Strombedarf von 21.500 GWh gerechnet; dabei liegen die Zuwachsraten in den Industriel¨ andern wie den USA und Westeuropa bei ca. 1% und in den sogenannten Schwellenl¨andern China, Indien und Indonesien eher bei 10% pro anno. F¨ ur die Einsatzenergien besteht ein Energiemix aus haupts¨achlich f¨ unf Energiearten: Kohle, Erdgas, Wasserkraft, Kernenergie und Erd¨ol, wobei regional allerdings sehr unterschiedliche Kombinationen vorzufinden sind. W¨ahrend Norwegen seinen Strombedarf fast ausschließlich aus Wasserkraft deckt, wird in S¨ udafrika der Strom zu mehr als 90% mit kohlegefeuerten Dampfkraftwerken erzeugt. Der Beitrag des Erd¨ ols ist nur noch in den Golfstaaten dominierend (fast 100%), ist aber auch in L¨ andern wie Italien (65%) und Japan
19 Status unserer Energieversorgung
Stromverbrauch TWh
498
Abbildung 19.1. Weltweite Bruttostromerzeugung in Terawattstunden; nach www.eia.doe.gov und IEA. Die Darstellung zeigt die Dominanz der USA und die großen Zuwachsraten in den sich zu Industriegesllschaften entwickelnden L¨ andern Indien und VR China.
(30%) relativ hoch. Der Anteil des Erdgases erreicht in den Niederlanden 65%, Kernkraft erreicht in Frankreich (77%), in Ungarn (50%) und in Taiwan (39%). Weltweit werden etwa zwei Drittel des Stroms aus fossilen Brennstoffen gewonnen, der Anteil der Wasserkraft liegt bei 18% und der Anteil der Kernkraft bei 16%. Obwohl L¨ ander wie Island aber auch Guatemala einen Großteil ihres Strombedarfs aus geothermischer Energie gewinnen, liegt weltweit der Anteil des aus Windkraft, Solarenergie und geothermischer Energie gewonnen Stromes in der Summe unter 0,5% und ist damit unbedeutend. An dieser Verteilung wird sich auch in der nahen Zukunft nichts a¨ndern, denn die Anlagen, mit denen der f¨ ur 2015 gesch¨ atzte Mehrbedarf gedeckt werden soll, befinden sich bereits im Bau- oder Planungsstadium. Wie der Stromverbrauch wird auch der Gesamtverbrauch an Prim¨arenergie, der im Jahr 2004 bei 14,2·109 tSKE lag und gegen¨ uber 2003 um 4,3% zugenommen hat, auf rd. 17·109 tSKE im Jahr 2015 ansteigen. Wie Abb. 1.3 zeigt, wird der Prim¨ arenergiebedarf zu rd. 85% durch Verbrennung fossiler Brennstoffe gedeckt.1 Die gesamte energiebedingte Emission von CO2 wird bis 2015 um ca. 20% auf rd. 30·109 t ansteigen. Aufgrund der in den vorhergehenden Kapiteln zusammengetragenen Fakten 1
Es gibt keine offizielle Weltenergiestatistik. Die hier mitgeteilten Zahlenwerte f¨ ur den Energieverbrauch sind aus der BP Statistical Review of World Energy (www.BP.com) und aus dem International Energy Annual der Energy Information Administration des US-Department of Energy (www.eia.doe.gov) entnommen.
19.1 Gegenw¨ artiger Stand
499
werden die beiden n¨ achsten Generationen zur Sicherung ihrer Energieversorgung eine Aufgabe von besonderer Art zu l¨ osen haben, die sich aus einem Komplex historisch gewachsener Probleme zusammensetzt, die wie folgt charakterisiert werden k¨ onnen: 1. Wir stehen mitten in einer Bev¨ olkerungsexpolsion. 2. Warum verbrauchen moderne Gesellschaften soviel Energie? 3. Die bekannten Reserven der leicht zu f¨ ordernden fossilen Energietr¨ager Erd¨ ol und Erdgas gehen ihrer Ersch¨ opfung entgegen. 4. Die Emission der Treibhausgase muß vermindert werden. 5. K¨ onnen nichtfossile Energietr¨ ager die Kohle, das Erdgas und das Erd¨ol ersetzen? 19.1.1 Bev¨ olkerungsexplosion Durch ein mehr als exponentielles Wachstum im vergangenen Jahrhundert hat die Weltbev¨ olkerung von 1 Milliarde im Jahr 1840 u ¨ber 2 Milliarden 1930 auf gegenw¨ artig 6,4 Milliarden Menschen zugenommen. Nun, da das Tempo der Zunahme seit 1970 abgenommen hat, hoffen wir, daß es bald zum Stillstand kommen wird, und sich um 2050 ein neues Gleichgewicht bei nicht mehr als 9 Milliarden Menschen einstellen wird. Die Unterschiede in der Entwicklung des Wirtschaftens in den verschiedenen L¨ andern der Erde haben zum Resultat, daß einem Bewohner der reichen L¨ ander 4 arme Menschen in der sogenannten Dritten Welt gegen¨ uberstehen. Diese Menschen sehen fern und erleben Besucher aus den Industriel¨andern, und w¨ unschen sich eine Teilhabe an deren Reichtum. So wie die Menschen in S¨ udkorea und Taiwan es geschafft haben, sich den Anschluß an den Lebensstandard der USA und der europ¨ aischen L¨ ander zu erarbeiten, werden auch die Bewohner anderer L¨ ander dies mit aller Macht anstreben und Niemand wird sie dabei aufhalten k¨ onnen. Die Aufgabe wird also sein, mehr Menschen Gelegenheit zum Erreichen eines h¨ oheren Lebensstandards zu geben, ohne ¨ gleichzeitig diesen Standard durch Uberbeanspruchung der Ressourcen unserer Erde zunichte zu machen.
19.1.2 Warum verbrauchen moderne Gesellschaften soviel Energie? Um zu existieren, ben¨ otigen alle Lebewesen den stetigen Zufluß geordneter Energie mit niedriger Entropie, sogenannter freier Energie, um den Ordnungszustand in ihrem K¨ orper und in ihrer Umgebung aufrecht zu halten. Die Zufuhr freier Energie ist u ur einen erwachsenen ¨ber die Nahrung m¨oglich; f¨ Menschen sind etwa 2400 Kilokalorien oder 10 Megajoule pro Tag erforderlich. Dies ergibt einen mittleren Energiefluss von ca. 120 Watt. Dieser Zufluß
500
19 Status unserer Energieversorgung
an freier Energie gen¨ ugt, um uns gerade am Leben zu halten. Wird k¨orperliche Arbeit verrichtet, nimmt der Nahrungsbedarf entsprechend zu. Etwa ein Sechstel der zugef¨ uhrten Energie verbraucht das menschliche Gehirn. Es verarbeitet freie Energie mit einer Dichte von 20 W/(1,35 kg), d.h. mit 15 W/kg.2 Daneben verlangt unser K¨ orper aber auch nach der richtigen Temperatur, der richtigen Feuchtigkeit etc. in seinen H¨ausern und Wohnungen. Das Schaffen dieses Mikroklimas, das dem Klima in der urspr¨ unglichen Heimat des Menschen, dem subtropischen Afrika entspricht, kostet viel Energie. Dasselbe gilt f¨ ur andere Aktivit¨ aten, die wir f¨ ur ein bequemes Leben als notwendig erachten. Allerdings ist der Energieverbrauch in den einzelnen Staatengruppen extrem unterschiedlich, je nach technischer und wirtschaftlicher Entwicklung schwankt er zwischen rd. 40 kgSKE pro Kopf und Jahr in den armen L¨andern Afrikas und rd. 11.487 kgSKE in Nordamerika. Was rechtfertigt nun die Bereitstellung eines solch ungeheueren Energiestroms in den Industriel¨andern? Es ist der geltend gemachte Bedarf ! Damit ist nat¨ urlich die Frage nach der Legitimation des Energiebedarfs nicht beantwortet, die Frage gewinnt vielmehr noch an provokativem Charakter. Viele werden mit ihr die Vorstellung von einer ihrem unwiderruflichen Untergang zutreibenden uners¨ attlichen Konsumgesellschaft verbinden. Dieser Sachverhalt macht auf ein ernstes Problem aufmerksam: Es geht um die unabl¨ assig expandierende menschliche Bed¨ urfniswelt. Der moderne Mensch hat sich in seiner Freiheit, mit seiner Vernunft und seinen W¨ unschen diese Bed¨ urfniswelt in seiner Selbstinszenierung als ein offenes System geschaffen, Grenzen ergeben sich dabei allenfalls aus der Beschr¨ankung der M¨ oglichkeiten der menschlichen Produktivit¨at und der verf¨ ugbaren Ressourcen. Nach einem solchen Verst¨ andnis ist die moderne Wirtschaft eine Innovativwirtschaft. Sie unterscheidet sich von traditionellen Formen des Wirtschaftens durch die systematische Anwendung und Ausweitung technisch rationaler Mittel zur Beschaffung, Herstellung und zum Transport von G¨ utern, die den menschlichen Bed¨ urfnissen entsprechen sollen. Diese Art des Wirtschaftens ist aber nur dann aufrecht zu erhalten, wenn ein ausreichender Energiestrom zur Verf¨ ugung steht. Im Laufe ihrer Geschichte haben die Menschen in den Industriel¨ andern kontinuierlich mehr Energie verbraucht. Dies lag zum einen an der Zunahme der Bev¨ olkerung selbst, vor allem aber an dem von Kulturstufe zu Kulturstufe zunehmenden Pro-Kopf-Verbrauch dieser wachsenden Bev¨olkerung. Bis zum Jahr 1700 wurde der Energiebedarf vollst¨andig durch Nutzung regenerativer Energiequellen gedeckt. Billig und reichlich vorhanden hat die Kohle im 19. Jahrhundert den nachwachsenden Energierohstoff Holz abgel¨ost. Sie hat die erste industrielle Revolution angetrieben und war ab 1900 die dominierende kommerzielle Energiequelle. Erst die große Flutwelle des billigen 2
Im Vergleich zu unserer Sonne, die nukleare Energie in thermische und elektromagnetische Strahlung umwandelt und eine Energiedichte von ca. 0,2 Milliwatt/kg aufweist, ist die Energiedichte in unserem Gehirn um den Faktor 100.000 gr¨ oßer.
19.1 Gegenw¨ artiger Stand
501
Erd¨ ols, die ab 1950 vom Nahen Osten, Venezuela und den Vereinigten Staaten ausging und die Weltm¨ arkte u ¨berschwemmte, hat der Kohle ihre Stellung ¨ war streitig gemacht und die Kohle als wichtigste Energiequelle verdr¨angt. Ol einfacher zu f¨ ordern, zu transportieren und zu veredeln und wurde billiger als Kohle auf den M¨arkten angeboten, was sich als entscheidender Vorteil erwies. Die niedrigen Preise f¨ uhrten seit 1900 zu einem beispiellosen Anstieg des Energiekonsums in den USA und Europa: Er nahm um den Faktor 16 zu. Parallel mit der Zunahme des Energieverbrauches wurden trotz der billigen Energiepreise die Techniken zur Energienutzung fortlaufend verbessert: 1913 waren bei der BASF noch 100 GJ erforderlich um eine Tonne Ammoniak herzustellen, heute ben¨ otigen wir daf¨ ur nur noch 26 GJ pro Tonne Ammoniak. Beeindruckend ist auch die Wirkungsgradsteigerung der Dampfkraftwerke von ca. 5% im Jahr 1900 auf heute 46% bei Kohlekraftwerken und 57% bei Gas- und Dampfturbinen Kraftwerken. Durch die Steigerung der Energieeffizienz hat die tats¨ achliche Verf¨ ugbarkeit von Energie noch weit st¨arker zugenommen als der Prim¨ arenergieverbrauch, realistisch d¨ urfte der Faktor 25 sein. In diesem Zusammenhang stellt sich unweigerlich die Frage nach den M¨oglichkeiten f¨ ur unsere Energieversorgung; dies insbesondere auch deshalb, weil der H¨ ohepunkt des weltweiten Energieverbrauchs noch vor uns liegt: Sp¨atestens im Jahr 2020 wird bei einer auf ca. 8 Milliarden Menschen angewachsenen Weltbev¨ olkerung mit einer Verdoppelung des Prim¨arenergieverbrauches zu rechnen sein. Die Sicherstellung einer nachhaltigen Energieversorgung ist damit zum Kernproblem der modernen Gesellschaft geworden. Nachhaltige Entwicklung bedeutet: Eine Balance zwischen ¨ okonomischen, ¨ okologischen und gesellschaftlichen Zielen bezogen auf die heutige und kommende Generationen. 19.1.3 Die fossilen Energiequellen gehen ihrer Ersch¨ opfung entgegen Trotz jahrzehntelanger, intensiver Bem¨ uhungen, Ersatz f¨ ur die fossilen Energietr¨ ager zu finden, decken diese immer noch rd. 85% des Prim¨arenergiebedarfs. Selbst Vertreter der Energieindustrie weisen in ¨offentlichen Stellungnahmen immer wieder darauf hin, daß die leicht und mit bekannter Technik zu gewinnenden Gas- und Erd¨ olreserven, die als konventionelle Energiereserven bezeichnet werden, nur noch f¨ ur wenige Jahrzehnte reichen 3 . Damit ist ¨ und Gas aus dem Erdinnern aufaber nicht gesagt, daß dann das gesamte Ol gebraucht ist. Allerdings sind die Reserven, die dann noch vorhanden sind, schwerer zug¨ anglich und st¨ arker verunreinigt, was h¨ohere Kosten f¨ ur F¨orderung und Weiterverarbeitung mit sich bringen wird. Man bezeichnet sie deshalb als nichtkonventionelle Reserven. 3
The World has 40 years of oil and 60 years of gas; the challenge is to use it wisely. Zitat aus einer Rede von P. Sutherland, Chairmen der BP Inc., auf der Welt-Energiekonferenz 2003.
502
19 Status unserer Energieversorgung
¨ Von vielen Okonomen wird angef¨ uhrt, daß bei steigenden Preisen ein glei¨ tender Ubergang von den kosteng¨ unstigen, konventionellen, zu den teueren nichtkonventionellen Energiereserven stattfinden wird, und daß dieser Wechsel nur von den ¨ okonomischen Randbedingungen abh¨angig sei. Diese Sichtweise ber¨ ucksichtigt nicht, daß dazu neue Techniken erforderlich sind, die erst noch entwickelt werden m¨ ussen. Im Unterschied zu Erd¨ ol und Gas sind die Kohlevorr¨ate gr¨oßer, sie reichen bei gegenw¨ artiger F¨ orderung noch ca. 240 Jahre. Kohle ist aber schwieriger ¨ oder Gas, dazu schmutziger in der Handhabung und aufzu f¨ ordern als Ol wendiger in der Verarbeitung. Das Problem ist nicht nur, daß die konventionellen fossilen Energiequellen mittelfristig ersch¨opft sein werden, das noch gr¨oßere Problem sind die mit der wachsenden Nutzung fossiler Energiequellen einhergehenden Umweltver¨anderungen. Viele Erkenntnisse sprechen daf¨ ur, daß der Treibhauseffekt aufgrund der CO2 -Emissionen eine Tatsache ist. Nach Meinung maßgeblicher Experten muß die dadurch verursachte Erh¨ ohung der Temperatur unserer Atmosph¨are auf 2◦ C beschr¨ ankt werden, um dadurch verursachte nachteilige Ver¨anderungen in unserer Umwelt in Grenzen zu halten. Dazu ist es notwendig, den are bei rd. 450 ppm zu stabilisieren. Das wird nur CO2 –Anteil in der Atmosph¨ gelingen, wenn insbesondere die Industriel¨ ander, die rd. die H¨alfte des gesamten CO2 –Ausstoßes verursachen, ihre Emmissionen drastisch reduzieren. 19.1.4 Gibt es Ersatz f¨ ur die fossilen Energiequellen? Die Potentiale der regenerierbaren Energiequellen, wie Sonnen-, Windenergie, Biomasse etc., sind nur schwer abzusch¨ atzen. Gemeinsam ist den regenerativen Energiequellen die geringe Leistungsdichte pro Fl¨ache, das h¨aufig ung¨ unstige Verh¨ altnis zwischen Aufwand und Ertrag und die Abh¨angigkeit von Tagesund Jahreszeiten sowie den klimatischen Verh¨ altnissen. Im Unterschied zu den mengenbegrenzten hochkonzentrierten fossilen und nuklearen4 Energiequellen sind sie leistungsbegrenzt. Wasserkraft: Am weitesten entwickelt ist die Nutzung der Wasserkraft. Hierbei wird die potentielle Energie fallenden Wassers mittels Turbinen in mechanische bzw. elektrische Energie umgewandelt. Weltweit gibt es z.Zt. rd. 45.000 D¨ amme mit einer H¨ ohe von mehr als 10 m, mit denen das Wasser von Flußl¨ aufen aufgestaut und zur Stromerzeugung verwendet wird. Die Leistung dieser Anlagen reicht von wenigen Kilowatt bis zu 12.600 MW der derzeit gr¨ oßten Anlage Itaipu im S¨ uden von Brasilien. Die Wasserkraft deckt weltweit ca. 2 % des Energiebedarfs; ihr Potential ist in den Industriel¨andern weitgehend ausgesch¨ opft. Nutzbare Reserven f¨ ur Wasserkraftwerke befinden sich allenfalls noch in Afrika, Asien und S¨ udamerika. Windenergie: Etwa 2 % der auf die Erde eingestrahlten Sonnenenergie werden st¨ andig in Str¨ omungsenergie der Atmosph¨are umgesetzt. Daraus resultiert ein denkbares weltweites Potential an Windenergie von ca. 3·106 GW. 4
Bei Nutzung in unseren heutigen Leichtwasserreaktoren.
19.1 Gegenw¨ artiger Stand
503
Aus Gr¨ unden des Materialaufwandes und der Baustabilit¨at werden Anlagen zur Nutzung der Windenergie auf ca. 100 m Bauh¨ohe beschr¨ankt sein. Dabei muss in Kauf genommen werden, daß unter dem Einfluß der bodennahen Reibung der Luftmassen die Windgeschwindigkeit zum Boden hin stark abnimmt. Unter Ber¨ ucksichtigung dieser beiden Randbedingungen betr¨agt das technisch realisierbare Potential bestenfalls 2% der Gesamtenergie des Windes oder 60·103 GW, die global mit Windturbinen aus der Atmosph¨are entnommen werden k¨ onnten. Die im Wind enthaltene Energiedichte pro Fl¨acheneinheit ver¨ andert sich mit der dritten Potenz seiner Geschwindigkeit. Bei einer mittleren Geschwindigkeit von 10 m/s (36 km/h) ergibt sich eine Energieache. Dieses Energieangebot wird von dichte von 600 Watt pro m2 Windradfl¨ einer guten Windturbine bestenfalls zu 40% genutzt, im Idealfall zu 60%. Die Leistungsausbeute pro m2 Windradfl¨ ache betr¨agt damit ca. 0,25 kW; ein Windrad mit 100 m Durchmesser hat dann eine Leistungsabgabe von etwa 2 MW. Mittlere Windgeschwindigkeiten von 10 m/s kommen in Europa nur in K¨ ustenregionen und einigen Gebirgslagen vor; schon bei 6 m/s (21,6 km/h) vermindert sich die spezifische Leistungsausbeute auf 0,05 kW pro m2 und die Leistung des 100 m Rades von 2 MW auf 400 kW. Im u ¨brigen sind die Probleme, die mit der Nutzung der Windenergie verbunden sind, gut bekannt: Der Wind ist seiner Natur nach chaotisch, praktisch unberechenbar, in seiner Energiedichte stark schwankend und seine Energie ist nicht direkt speicherbar. Sonnenenergie: Auch bei der Nutzung der Sonnenenergie besteht das Hauptproblem darin, aus einem diffusen, schwankenden Angebot zuverl¨assige Nutzenergie zu extrahieren. In Mitteleuropa werden von der Sonne im Jahresmittel etwa 1000 kWh pro m2 eingestrahlt5 . Auf den ersten Blick scheint es deshalb vielversprechend, die kostenlose Solarenergie f¨ ur Heizzwecke zu verwenden. Die Sonne ist in unseren Breiten aber die unzuverl¨assigste aller Energiequellen. Enorme Schwankungen sind die Regel. An einem sonnigen Junitag wird im Vergleich zu einem bedeckten Tag im Januar etwa die f¨ unfzigfache Energiemenge eingestrahlt. Aber gerade in den Wintermonaten ist der Bedarf an Energie f¨ ur Heizung und Warmwasser am gr¨oßten. F¨ ur eine Direktnutzung der Sonne f¨ ur Heizzwecke ben¨ otigt man also Langzeitspeicher f¨ ur den Sommer/Winter-Ausgleich. Trotz intensiver Bem¨ uhungen sind aber solche Speicher nicht verf¨ ugbar, und niemand weiß, ob es sie jemals geben wird. Alle Sammeleinrichtungen f¨ ur Sonnenenergie, dabei besonders die Solarzellen und die Spiegelsysteme von photovoltaischen bzw. thermischen Solarkraftwerken, sind wegen ihrer großen fl¨ achenhaften Ausdehnung und notwendigerweise exponierten Bauweise vollst¨ andig der Witterung ausgesetzt - Schmutz, Regen, Schnee und St¨ urme setzen ihnen zu und setzen sie h¨aufig außer Betrieb. Es ist also unerl¨ aßlich, ein zus¨ atzliches Energiesystem vorzusehen, wenn man auf 5
Zum Vergleich: Der Jahresbedarf an Energie f¨ ur Heizung und Warmwasserbeache betr¨ agt reitung eines gut isolierten Einfamilienhauses mit 140 m2 Wohnfl¨ rd. 35.000 kWh.
504
19 Status unserer Energieversorgung
die Zuverl¨ assigkeit der Energieversorgung nicht verzichten will. In den von der Sonne benachteiligten n¨ ordlichen Industriel¨ andern scheidet wegen des hohen Anteils diffuser Strahlung an unserem Sonnenlicht die Nutzung der Solarstrahlung mittels Spiegelsystemen praktisch aus. Dies gilt auch f¨ ur die Nutzung der Photovoltaik, denn wegen des hohen Aufwandes f¨ ur die Fertigung der Solarzellen-Anlagen ist der Energieeinsatz f¨ ur die Herstellung dieser Systeme von gleicher Gr¨ oßenordnung wie die w¨ ahrend der Betriebszeit geerntete Energiemenge, vgl. Kapitel 18.3. Biomasse: Die Biomasse entspricht dem Anteil der Sonnenenergie, der global von den Pflanzen biologisch fixiert wird. Von dieser Biomasse, die einer Menge von 160 Mrd. t Trockenmasse entspricht, lebt alles was kreucht und fleucht. Von der Produktion der Landfl¨ ache beansprucht der heutige Mensch zusammen mit den von ihm gehaltenen Haustieren gut 40%. Mit dem verbliebenen Anteil m¨ ussen sich die vom Menschen unabh¨angigen Lebewesen begn¨ ugen, darunter etwa 3 Millionen Tierarten. Nennenswerte Reserven gibt es nicht, es ist vielmehr ein Leben von der Hand in den Mund. Es ist unwahrscheinlich, daß wir unseren Anteil an der Nutzung der Biomasse noch wesentlich erh¨ohen k¨ onnen. Und zwar auch dann nicht, wenn die Bev¨olkerung bis Mitte des Jahrhunderts auf dann 9 Milliarden Menschen anwachsen sollte. Wir m¨ ussen uns fragen, ob es u ur unsere Gesellschaft w¨are, wenn wir ¨berhaupt von Vorteil f¨ nach der Inanspruchnahme des Erbes der fossilen Brennstoffe nun auch noch den mit uns die Erde bev¨ olkernden Lebewesen ihren Anteil vom energetischen Einkommen der Erde streitig machen w¨ urden. Fazit: Es spricht nat¨ urlich nichts dagegen, Holzabf¨alle, Stroh, Kl¨arschlamm und M¨ ull energetisch zu nutzen und Wind- und Sonnenenergie zu ernten, wenn immer das ¨ okologisch vertretbar und technisch m¨oglich ist. Das Nutzungspotential der regenerativen Ernergiequellen ist aber bescheiden und wird uns nicht aus einer Energieklemme helfen. Selbst bei einer optimalen Nutzung werden wir immer auf St¨ utzsysteme angewiesen sein. Atomenergie–Kernspaltung und Kernfusion: Zu den nichtfossilen Energietr¨ agern geh¨ ort auch die Atomenergie, auf die in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts große Hoffnungen gesetzt wurde. Das Versprechen war, daß Strom aus Kernkraftwerken billig und f¨ ur alle Zeiten verf¨ ugbar sein wird. Obwohl weltweit 433 Reaktoren mit einer Gesamtleistung von rd. 400 GW in Betrieb sind, die rd. 16% des Strombedarfs decken, hat die Kernenergie die in sie gesetzten Hoffnungen nur zum Teil erf¨ ullt. Nicht zuletzt deshalb, weil die mit der Nutzung der Kernspaltung verbundenen unerw¨ unschten Nebeneffekte schwerwiegender waren, als vorhergesehen. Das Hauptproblem f¨ ur die Weiterentwicklung der Kernkraftwerke sind aber nicht diese Nebeneffekte, denen im Prinzip mit technischen Mitteln begegnet werden kann, sondern die Versorgung mit Kernbrennstoffen. Dem k¨ onnte nur abgeholfen werden, wenn die Entwicklung der Br¨ utertechnologie wieder aufgenommen w¨ urde. Nur mit den Br¨ utern sind wir in der Lage, das in großen Mengen vorhandene Uranisotop 238 in f¨ ur unsere Reaktoren nutzbare Kernbrennstoffe umzuwandeln. Neben den bisher nur schwer beherrschbaren Problemen der Sicherheit f¨ ur
19.2 M¨ ogliche Entwicklungen
505
den Br¨ uter, f¨ ur die noch keine befriedigenden L¨osungen erprobt sind, k¨onnen dann aber auch die Fragen der Endlagerung des radioaktiven Abfalls und der Proliferation waffenf¨ ahigen Plutoniums nicht l¨anger unbeantwortet bleiben. Zur Zeit wird nur in Japan an der L¨ osung dieser Aufgaben gearbeitet. In dieser Situation setzen viele ihre Hoffnungen auf die Kernfusion, die schon lange ein Schwerpunkt der Forschung ist. Zur Einleitung einer Fusion von zwei Deuteriumkernen zu Helium in einem k¨ unftigen Kraftwerk wird ein Gas auf sehr hohe Temperaturen erhitzt und in einem Magnetfeldk¨afig eingeschlossen. Zur Z¨ undung muß das Produkt aus Temperatur, Teilchenzahl und Einschlußzeit einen Wert von 2·1022 u ¨berschreiten. Obwohl in den vergangenen 50 Jahren der Fusionsforschung große Fortschritte gemacht wurden, muß bei dem erreichten Entwicklungsstand immer noch mehr Energie aufgewendet werden, um die Fusionsreaktion zu z¨ unden, als durch die Fusionsleistung in den bestehenden Versuchsreaktoren freisetzt wird. Der Durchbruch zur Herstellung eines kommerziellen Fusionsreaktors, der mindestens 10 mal mehr Energie liefert als er f¨ ur seinen Betrieb braucht, soll der internationale Testreaktor ITER bringen, der zur Zeit in S¨ udfrankreich gebaut wird.
19.2 M¨ ogliche Entwicklungen Unsere Welt ist ein so komplexes System, daß es uns unm¨oglich ist, ihr Verhalten gedanklich zu erfassen. Wohl erstmals f¨ ur die Erstellung des Berichts an den Club of Rome “Die Grenzen des Wachstums“, der im Jahr 1970 ver¨offentlicht wurde und großes Aufsehen erregte, wurden Rechner zu Hilfe genommen, um unsere komplexe Welt zu verstehen und zuk¨ unftige Entwicklungen zu simulieren [1]. Zu diesem Zweck wurde die Welt, d.h. die Menschen, ihre Umwelt, ihre Technik, ihre Sozialordnung, ihre Erwartungen u.s.w. in vereinfachter Form mittels Gleichungen abgebildet und zu einem mathematischen Modell des Systems Welt zusammengef¨ ugt. Nach Festlegung der Modellparameter durch Vergleich der errechneten L¨ osungen mit dem bekannten Verhalten in der Vergangenheit, konnte das Verhalten des Systems Welt in der Zukunft simuliert werden. Dabei wurde gefunden, daß bei einem andauernden Wachstum von Wirtschaft und Bev¨ olkerung mit den Gradienten der 70er Jahre die Ressourcen schon zur Jahrhundertwende ersch¨opft sein werden und bereits eine Generation sp¨ ater unter der Last der weiter wachsenden Bev¨olkerung zu einem Kollaps der Weltwirtschaft kommen w¨ urde. Die Jahrhundertwende liegt nun hinter uns und es ist nichts dramatisches passiert. Worin haben sich die Autoren des Berichts “Die Grenzen des Wachstums“ geirrt oder was haben sie nicht ber¨ ucksichtigt? Offenbar hatten sie u ¨bersehen, daß das “System Welt“ nichtlinear ist und zudem in der realen Welt so v¨ ollig unerwartete Ver¨ anderungen auftraten, die zu großen technischen, wirtschaftlichen und auch politischen Umw¨ alzungen f¨ uhrten, und durch die das dem Bericht zugrunde gelegte Weltmodell obsolet wurde, vgl. hierzu [2], [3].
506
19 Status unserer Energieversorgung
Wer h¨ atte 1970 auch den Zusammenbruch der Sowjetunion oder das Internet vorhersehen k¨ onnen. Der Mißerfolg des Berichts “Die Grenzen des Wachstums“ befreit uns aber nicht davon, Vorsorge f¨ ur den Energienachschub f¨ ur die Zukunft zu treffen, denn die technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf dem Gebiet der Energiebereitstellung ben¨ otigen Vorlaufzeiten von Jahrzehnten, wenn wir bis zum Jahr 2025 etwas ver¨ andern wollen, m¨ ussen wir praktisch jetzt damit beginnen. Um den Entscheidungstr¨ agern in der Energiewirtschaft und der Politik belastbare Grundlagen f¨ ur deren Handlungen zu schaffen, wurden von verschiedenen Institutionen sogenannte Energie-Szenarien entwickelt, vgl. z.B. [4]. Vereinfachend k¨ onnen zwei Gruppen von Ratschl¨agen unterschieden werden: – Szenarium “Weiter so“ – Alternativszenario Weiter so: Die Bef¨ urworter dieses Szenarios setzen voraus, daß es uns gelingt, die CO2 Sequestrierung umzusetzen, den Fusionsreaktor zu entwickeln und zu betreiben, die Probleme des schnellen Br¨ uters zu l¨osen und Satelliten im Weltraum zu stationieren, mit denen wir Sonnenenergie im großtechnischen Maßstab nutzbar machen k¨ onnen. Mit diesen Maßnahmen gelingt es nach Meinung dieser Autoren, das Prim¨ arenergieangebot bis 2050 auf 30 GtSKE und bis 2100 auf 46 GtSKE zu steigern6 . Vertreter dieser Gruppe sind z.B. Hoffert und Kollegen [5]. Die Schw¨ ache der in [5] entworfenen Vision ist es, daß gegenw¨ artig die technischen M¨ oglichkeiten zur großtechnischen Nutzung von CO2 Sequestrierung, Kernfusion, Br¨ utertechnologie usw. noch vollst¨andig offen sind; es wird deshalb auch auf die Forschungsanstrengungen verwiesen, die f¨ ur die Realisierung derartiger Techniken erforderlich sind. Sollte die Umsetzung des skizzierten Programms gelingen, so h¨atten wir das Energieproblem f¨ ur die Erde gel¨ ost. Die Bewohner der reichen L¨ander br¨ auchten sich keine Gedanken um Energieeinsparungen machen und es w¨are gen¨ ugend Energie verf¨ ugbar, um den Bewohnern armer L¨ander den Anstieg ihres Lebensstandards zu erm¨ oglichen. Alternativszenario: Dieses Szenario stellt Aspekte der ¨okologisch nachhaltigen Entwicklung sowie den Ausgleich zwischen den reichen L¨andern im Norden und den L¨ andern im S¨ uden in den Vordergrund, vgl. [6] und auch [3], [7], [8]. Als Annahme liegt zu Grunde, daß der Energieverbrauch in den armen L¨ andern nur in dem Maße zunimmt, wie er in den reichen L¨andern reduziert wird; ferner ist festgelegt, daß der pro Kopf Verbrauch an Prim¨arenergie sich angleicht auf mittelfristig 2,5 tSKE bzw. 3 tSKE. Dies setzt voraus, daß in den entwickelten L¨ andern der Energieverbrauch drastisch zu vermindern ist – in Deutschland z.B. auf ein Drittel. Um das Einsparziel zu erreichen und 6
Dieses Energieangebot entspricht den Vorgaben des Scenarios “ business as usual“ des IPCC (Intergovernmental Panel on Climatic Change) und auch dem sogenannten Scenario B der WEC (World Energy Conference).
19.2 M¨ ogliche Entwicklungen
507
gleichzeitig den Komfort zu halten, m¨ ußte z.B. der Bezinverbrauch eines Mittelklassewagens, der heute bei einer Fahrstrecke von 20.000 km rund 2.000 Liter betr¨ agt, auf 3,3 Liter pro 100 km reduziert werden. Eine Reduzierung des Prim¨ arenergieverbrauchs auf 3 tSKE pro Kopf ist ohne eine drastische Ver¨ anderung unser Lebensweise nicht m¨oglich. Die Wohlstandshoffnungen vieler Menschen w¨ urden sich dann nicht mehr realisieren lassen. Fazit: Das Studium dieser Extremszenarien l¨ aßt uns erkennen, daß wir vor einer schwierigen Aufgabe stehen, f¨ ur die es keine elegante und bequeme L¨osung gibt. Schon der Blick in die L¨ ander der Dritten Welt lehrt uns, daß wir allein von der Natur nicht leben k¨ onnen. Wir werden auch in Zukunft auf die von uns durch den Einsatz von Energie geschaffene Umwelt angewiesen sein. Was sollen wir also tun, wenn uns die nat¨ urlichen Energiequellen nicht ausreichen und die leicht erschließbaren ersch¨ opft sind oder nicht eingesetzt werden d¨ urfen? 1. Wir werden zur Sicherung unserer Energieversorgung, d.h. zur Sicherung unserer Lebensm¨ oglichkeiten, auf alle zug¨ anglichern Energietr¨ager zugreifen. 2. Es ist unsere Aufgabe sicherzustellen, daß wir nicht als Nebenfolge der Energiegewinnung und Energieverwendung die Stoff- und Energiekreisl¨aufe der Natur destabilisieren. 3. Wir werden pr¨ ufen, ob der jeweils angestrebte Zweck den Energieeinsatz rechtfertigt, denn Energie wird nie mehr so reichlich verf¨ ugbar und billig ¨ sein wie zur Zeit des billigen“ Ols. ” 4. Als Ingenieure haben wir die Aufgabe, effektive Prozesse zur Wandlung, zum Transport und f¨ ur den Einsatz von Energie zu entwickeln und zu optimieren. 5. Wir werden versuchen, Vorteile aus einem sich z. B. ergebenden Treibhauseffekt zu nutzen und die sich ergebenden Nachteile zu mildern. 6. Als Weltgemeinschaft d¨ urfen wir uns keinen großen Fehler erlauben, denn es wird Niemand da sein, der einen solchen korrigiert. M¨ oglicherweise sind wir als Weltgemeinschaft in eine ¨ahnliche Situation geraten wie Captain MacWhirr in der Erz¨ ahlung “Taifun“ von Josef Conrad. Captain MacWhirr bef¨ ahrt mit seinem neuen Schiff das S¨ udchinesische Meer und kommt dabei in einen Sturm. Trotz eines extrem fallenden Barometers und anderer Anzeichen f¨ ur einen Taifun fehlt ihm die Fantasie, um sich die Gewalt eines Wirbelsturms, der sein Schiff zerst¨ oren k¨ onnte, vorzustellen. MacWhirr h¨ alt starr an seinem Kurs fest und murmelt nur gelegentlich in seinen Bart: verdammt schlechtes Wetter heute; zwar hat er noch Gl¨ uck und kann sein Schiff mit letzter Kraft in den Hafen bringen – die Sch¨onheit des Schiffes ist aber dahin.
508
19 Status unserer Energieversorgung
Literatur 1. Meadows, Donella u.a.: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rom zur Lage der Menschheit. DVA, Stuttgart (1972) 2. Meadows, Donella u.a.: Die neuen Grenzen des Wachstums. DVA, Stuttgart (1992) 3. Erbrich, P.: Grenzen des Wachstums im Widerstreit der Meinungen. Kohlhammer, Stuttgart (2004) 4. Nakicenovic, N., A. Gr¨ ubler: Global Energy Perspectives. Cambridge University Press (1998) 5. Hoffert, Martin, I., u.a.: Advanced Technology Paths to Global Climate Stability: Energy for a Greenhouse Planet. Nature 298, 981 – 987, (2002) 6. Herrera, A. O., H. D. Scolnik: Grenzen des Elends. Das Bariloche-Modell. S. Fischer-Verlag, Frankfurt a. M., (1977) 7. Lovins, A. B.: Weniger Energie – mehr Gewinn. Spektrum d. Wissenschaft, 10, 44 - 53, (2005) 8. Ehrlich, P. und Ehrlich, A.: One with Niniveh: Politics, Consumption and the Human Future. Island Press, Washington (2004)
Der Himmel hat seine Beweggr¨ unde, die Erde ihre Hilfsquellen, der Mensch seine politische Ordnung und bildet so mit den beiden erstgenannten eine Dreiheit. Doch er begeht einen Fehler, wenn er die Grundlagen dieser Dreiheit mißachtet, indem er auf die beiden anderen u ¨bergreift. Xuan Quang Xunxi (3. Jahrhundert v. Chr.)
A Anhang
510
Anhang
A.1 h,s-Diagramm fu ¨ r Wasser
3200
Pa 60.0 M
Pa 40.0 M
3400
Pa 50.0 M
D
am pf
0
0 .2
1 .0 0 .8 0 .6 0 .5 0 .4 0 .3
2 .0 1 .5
10. 0 8 .0 6 .0 5 .0 4 .0 3 .0
15.
3600
Pa 30.0 M
dr uc
k
h [kJ/kg]
Pa 20.0 M
3800 600 580 560 540 520 500 480 460 440 420 400 380 360 340 320 300 280 260 240 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40◦ C
3000
2800 x=1 .0 x= 0.9
Dam pfge halt
x= 0.7
2400 x= 0. 6
2000
0 01 08 0. 0.0 .00605 4 0 0.0 .00 003 2 0 0. 00 0.
5 0. x=
2200
0 0. .100 0 0 80 0. .06 0. 05 0 04 0 0. 0 03 0 0. 02 0
x= 0.8
5.5
Dampftemperatur
2600
Pa
1 00
M
0.
6
6.5
7
7.5
8
8.5
9
s [kJ/kg K]
A.2 h,p-Diagramm f¨ ur Wasser
511
A.2 h,p-Diagramm fu ¨ r Wasser
h [kJ/kg] 600 ◦C 580 560 540 520 500 ◦C 480 460 440 420
3500
3000 24 ◦26 ◦28 ◦ 30 ◦ 32 ◦ 34 ◦ 36 ◦ 0 0 0 0 C 0 C 0 C 0 C C C C
2500
40 0◦ C
18.70 MPa
14.61 MPa
11.30 MPa
8.60 MPa
6.43 MPa
4.75 MPa
3.37 MPa 2.35 MPa 1.56 MPa
2000
x= 1. x=0 0 .9 x=0.8 x=0.7 x=0.6 x=0.5 x=0.4 x=0.3 .2 x=0 0.1 x= .0 0 x=
380 360
340 1500
320 300◦ C 280 260 240 220 200◦ C 180 160 140 120 100◦ C 80 60 40◦ C
1000
500
0
0
5
10
15
20
25
p [MPa]
30
512
Anhang
A.3 T ,s-Diagramm fu ¨ r Wasser
0.06
0.04 p[MPa] 0.02
0.01
0.002 0.001
0.006
s[kJ/kgK] 9
20
kg
0.4 0.6 1
2250
50
0.2
10
00 k J/
0.1
8
5
h= 20
2 2
4 6
1 0.5
0.1
20
50 27
30 40
0.0
2
60 v= 0.00 5 m3 /kg
0.0
00 25
0.9
6
0.8
15 00
0.0 5
7 0
0.2
175
10
x=
1
0.7
5 12 50
0.6 0.5
0.4
10 00
4
0.3
0.2
3
0. 1
0 60
2 400
1
200
600
500
400
300
200
100
T [◦ C]
0
0
A.5 Physikalische Konstanten
513
A.4 Dezimalfaktoren Bezeichnug: kilo (k) Mega (M) Giga (G) Tera (T) Peta (P)
Faktor: 1 000 103 6 1 000 000 10 109 1 000 000 000 1 000 000 000 000 1012 1 000 000 000 000 000 1015
A.5 Physikalische Konstanten Avogadro’sche oder Loschmidt’sche Zahl Boltzmann-Konstante Elementarladung Faraday’sche Konstante Induktionskonstante Planck’sche Konstante Erdbeschleunigung Solarkonstante Strahlungszahl Molvolumen bei Normalbedingungen Universelle Gaskonstante Lichtgeschwindigkeit Atomare Masseneinheit Ruhemasse eines Elektrons Ruhemasse eines Neutrons Ruhemasse eines Protons
NA = 6,022 · 1023 mol−1 k = 1,381 · 10−23 J/K e = 1,602 · 10−19 C F = 9,649 · 104 C/mol µ0 = 1,2566 · 10−6 N/A2 h = 6,626 · 10−34 Js g = 9,807 m/s2 (Mittelwert) S = 1 372 W/m2 (Mittelwert) σS = 5,67·10−8 W/m2 K4 Vm = 22,414 · 10−3 m3 /mol R = 8,3144 J/molK c = 2,9979 · 108 m/s u = 1,6598 · 10−27 kg me = 9,1096 · 10−31 kg = 0,0005486 u mn = 1,6749 · 10−27 kg = 1,0086654 u mp = 1,6726 · 10−27 kg = 1,0072766 u
514
Anhang
A.6 Einheiten A.6.1 Basiseinheiten L¨ ange Masse Zeit Temperatur Stromst¨ arke Stoffmenge Lichtst¨ arke
1 1 1 1 1 1 1
Meter Kilogramm Sekunde Kelvin Ampere Mol Candela
=1 =1 =1 =1 =1 =1 =1
m kg s K A mol cd
A.6.2 Abgeleitete Einheiten Ladung Spannung Widerstand Magnetischer Fluß Magn. Feldst¨ arke Kraft Druck Energie
Leistung
1 1 1 1 1 1 1
Coulomb Volt Ohm Weber Tesla Newton Pascal
= 1 C = 1 As = 1 V = 1 W/A = 1 Ω = 1 V/A = 1 Wb = 1 Vs = 1 T = 1 Wb/m2 = 1 N = 1 kgm/s2 = 1 Pa = 1 N/m2 = 10−5 bar 1 Joule = 1 J = 1 Nm = 1 Ws 1 Elektronenvolt = 1 eV = 1,602 · 10−19 J 1 Kilowattstunde = 1 kWh = 3,6 · 106 J 1 kg Steinkohleneinheit = 1 kg SKE = 29,3 · 106 J ¨ aquivalent 1 kg Ol¨ = 1 kg OE = 41,869 · 106 J 1 Terawattjahr = 1 TWa = 8,76 · 1012 kWh = 1,0565 · 109 t SKE 1 Watt 1 Kilowatt 1 Megawatt
= 1 W = 1 J/s = 1 kW = 103 W = 1,341 PS = 1 MW = 106 W
Sachverzeichnis
Abgasverlust, 183, 227 Abhitzekessel, 339 Abscheideflasche, 199, 209 Abscheidegrad, 300 Absorber, 464 Abw¨ arme, 46 Ackeret-Keller-Prozeß, 91 Albedo, 13, 459 Ammoniakschlupf, 309 Anergie, 66 Anstauverhalten, 325 Anzapfdampf, 79 AP-thermische Tr¨ agheit, 321 Atombombe, 398 Ausbrandluft, 153 Auslastung, 27 Austrittsverlust, 267 Becquerel, 394 Bennet-Gleichung, 437 Biflux, 219 Biomasse, 57 Blanket, 439 Braunkohle arten, 37 Entw¨ asserung, 143 Trocknung, 143 Breitengrad, 458 Brennelement, 414 Brenner, 151 Br¨ uden-, 158
Drall-, 154 Schwenk-, 219 Strahl-, 152 Wirbel, 154 Z¨ und-, 157 Brennstoffzelle, 368 –Wirkungsgrad, 372 Brennwert, 35 Burnout, 201 Bypass HD-, 274 ND-, 274 Carnotisierung, 79 Cheng-Prozeß, 354 CO2 –Abscheidung, 332 CO2 –Sequestrierung, 332 CO2 -Abfall, 149 Dampfdruckmodell, 324 Dampferzeuger Einzug-, 221 Verluste, 226 Zweizug-, 221 Dampfstrommodell, 320 Dehnwechselversuch, 246, 247 Deklination, 458 DeNOx-Anlage, siehe Rauchgasentstickungsanlage diatherm, 463 diffuse Himmelstrahlung, 459
Direkteinstrahlung, 459 Dryout, 202 D¨ unnschichtzelle, 478 Eigenbedarf, 104 Einfallwinkel, 458 Einspritzk¨ uhler, 218 Einstein’sche Gleichung, 475 Elektrofilter, 303 Elektrolyt Feststoff-, 376 geschmolzene Salze, 377 saurer, 375 Elektronenvolt, 395 Elementaranalyse, 36 Energie, 3 Enthitzer, 295 Entnahmeverhalten, 325 Entropie, 6 Entw¨ asserung mechanischthermische, 143 Erd¨ ol, konventionelles, 501 Erd¨ ol, nichtkonventionelles, 501 Erntefaktor, 22 Euler’sche Turbinengleichung, 261 Exergie, 66
516
Sachverzeichnis
verlust, 67 Fahrprogramm, 25 Farmkraftwerk, 471 Festdruckbetrieb, 268 Feuerung Schmelz-, 158 Tangential-, 153 Trocken-, 158 Feuerungsverlust, 183 Flammentemperatur, 111 Flammhalter, 181 Fliehkraftentstauber, 300 Fl¨ uchtige Bestandteile, 36 Flugstaubrezirkulation, 136 Francisturbine, 450 Gas- und Dampfturbinenprozeß, 349 Gashydrat, 42 Gasturbinenprozeß geschlossener, 92 mit Wassereinspritzung, 354 offener, 85 GAU, siehe Unfall, gr¨ oßter anzunehmender GegendruckDampfkraftprozeß, 84 Generator Faraday-, 381 Hall-, 382 Geschwindigkeitsdreieck, 258 Gewebefilter, 302 Gleitdruckbetrieb, 268 Globalstrahlung, 459 Gr¨ adigkeit, 350 grauer K¨ orper, 462 Grundlast, 25 GuD-Prozeß, siehe Gasund Dampfturbinenprozeß G¨ urtelbelastung, 162
Halbwertszeit, 394 Hardgrove-Index, 40 Heizfl¨ achenbelastung u ¨berkritische, 201 Heizwert, 35 Heliostat, 470 ideales Gasgesetz, 86 Immediatanalyse, 36 IR-Strahlung, siehe Strahlung, infrarote Isentropengleichung, 86 Isotop, 392 Jahresbelastung, 25 Kaltgaswirkungsgrad, 343 Kaplanturbine, 451 Kegelgesetz, 267 Kernbrennstoff schwacher, 396 starker, 395 Kernladungszahl, 392 Kernspaltung kontrollierte, 47, 394 k¨ unstliche, 394 spontane, 394 Kessel, 185 druckaufgeladener, 340 Kesseldynamik externe, 313 interne, 313 Kesseltrommel, 187 Kettenreaktion, 397 Kirchhoffsches Gesetz, 462 K¨ orper grauer, 13 schwarzer, 13 Kohlevergasung, 340 Kombiprozeß, 349 Kompaktlager, 49 Kondensatk¨ uhler, 295 Kondensator luftgek¨ uhlt, 284 wassergek¨ uhlt, 283 Konventionelles Erdol, 40 Konversionsrate, 408
Konzentrationsfaktor, 468 Koronaentladung, 303 Korrosion Hochtemperatur-, 180 Tieftemperatur-, 180 Kreisprozeß, 63 K¨ uhlturm, 285 Hybrid, 288 Naß-, 285 Naturzug-, 285 Trocken-, 287 K¨ uhlung Ablauf-, 285 Frischwasser-, 281 R¨ uck-, 281 Kyoto-Protokoll, 18 Last abwurf, 274 kommando, 231 Lawson-Kriterium, 434 Leistungsbeiwert, 487 Licht sichtbares, 12, 457 Lorentz-Kraft, 381 Luftvorw¨ armer, siehe Luvo Luftvorw¨ armung, 146 Luvo, 133 Regenerativ-, 146 R¨ ohren-, 150 Rotor-, 147 Stator-, 147 Mahlbarkeit, 39 Mahltrocknung, 141 Masse kritische, 398 Massenzahl, 392 MEA-W¨ asche, 333 Methanhydrat, 42 Migrationsgeschwindigkeit, 304 Mittellast, 25 Moderator, 397 MTE-Verfahren, siehe Entw¨ asserung,
Sachverzeichnis mechanischthermische M¨ uhle Schlagrad-, 141 Sch¨ ussel-, 144 M¨ ullverbrennung, 137, 138 Myon, 432 Nettoprim¨ arproduktion, 57 Neutron freies, 395 promptes, 397 thermisches, 397 verz¨ ogertes, 397 nicht-konventionelles Erd¨ ol, 40 NOx Bildungsmechanismen, 160 Brennstoff-, 161 promptes, 161 thermisches, 160 Nukleon, 392 Nutzarbeit, 65 ¨ OE: Oleinheit, 32 Ordnungszahl, 392 Oxyfuel combustion, 334 Peltonturbine, 450 Photosynthese, 57 Planck’sches Strahlungsgesetz, 462 Plasma, 435 Prim¨ arluft, 133, 151 Profilverlust, 267 Proton freies, 395 Prozeß irreversibler, 6 reversibler, 6 Pumpspeicherwerk, 449 Querschnittsbelastung, 135, 162 Radioaktivit¨ at, 393
Radreibung, 266 Rauchgas entschwefelungsanlage, 299 entstickungsanlage, 299 rezirkulation, 219 REA, siehe Rauchgasentschwefelungsanlage Reaktionsgrad, 256 Reaktivit¨ at, 403 Reaktor Leichtwasser-, 411 thermischer, 397 Reaktorperiode, 404 Receiver, 470 Redundanz, 428 diversit¨ are, 428 Regel rad, 268 stufe, 268 Reisezeit, 185 Rohkohle, 36 Rußbl¨ aser, 213 Saatmaterial, 386 Schnellaufzahl, 487 schwarzer K¨ orper, 462 SCR-Prozeß, siehe selective catalytic reduction Sekund¨ arluft, 134, 151 selective catalytic reduction, 308 Shockley’sche Diodengleichung, 474 Siedekrise erster Art, 201 zweiter Art, 201 SKE: Steinkohleneinheit, 32 Solarkonstante, 457 Spaltungsquerschnitt, 399 makroskopischer, 412 Spaltverluste, 266 Speicher f¨ ahigkeit, 324
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kapazit¨ at, 323 verhalten, 320 Speisewassereinspritzung, 219 spezifische Radarbeit, 261 Spitzenlast, 25 Spr¨ uhabsorption, 305 Spr¨ uhelektrode, 303 Stack, 379 Stefan=Boltzmann’sches Gesetz, 463 Steuerstab, 406 Strahlraum, 163 Strahltriebwerk, 92 Strahlung α-, 393 β-, 393 γ-, 393 infrarote, 12, 457 ultraviolette, 12, 457 Stromgestehungskosten, 27 Stufenluft, 155 Stundenwinkel, 458 Substanz wasser und aschefreie, 36 Temperaturdifferenz mittlere logarithmische, 282 Thermische Solarzellen, 464 Tokamak, 438 Topfpumpe, 296 Totzeitparameter, 322 Treibhaus effekt, 15 gase, 14 Trenndruck, 77 Triflux, 219 Trommel, siehe Kesseltrommel Turbine Einwellenmaschine, 345 Entnahmekondensations, 271
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Sachverzeichnis
Gegendruck-, 271 Gleichdruck-, 256 Kondensations-, 271 mehrflutig, 271 ¨ Uberdruck-, 256 Wasser-, 449 Turbinenhauptgleichung, 262 Turmkraftwerk, 470 Umw¨ alzzahl, 194 Unfall gr¨ oßter anzunehmender, 428 UV-Strahlung, siehe Strahlung, ultraviolette Ventilationsverlust, 266 Verbrennung, 111 Stufen-, 153 Verbundblock, 356 Verf¨ ugbarkeit, 27, 186 Vergasung Festbett-, 342 Flugstrom-, 344 Wirbelbett-, 343 Verteilstabilit¨ at, 200
Vier-Faktoren-Formel, 403 Volumenbelastung, 135, 162 Vorschubrost, 137
Wurfbeschickung, 136
W¨ armeaustausch innerer, 88 prozeßinterner, 79 W¨ armeverbrauch spezifischer, 27, 105 waf, siehe Substanz, wasser und aschefreie Wanderrost, 133 Warmstreckgrenze, 239 Wasserstoffbombe, 441 Wiederaufarbeitung, 49 Wirbelschichtfeuerung station¨ are, 171 zirkulierende, 173 Wirbelschichttrocknung, 144 Wirkungsquerschnitt, 399 WTA-Verfahren, siehe Wirbelschichttrocknung
Zeitdehngrenze, 239 Zeitstandfestigkeit, 239 Zeitstandversuch, 246 Zellenpaket, 379 Zerfall α-, 393 β-, 393 Zerst¨ auber Dampfdruck-, 181 Druck-, 180 R¨ ucklauf-Druck-, 181 Z¨ undtemperatur, 111 Zwischenerhitzung, 90 Zwischenk¨ uhlung, 90 Zwischen¨ uberhitzung, 75 Zyklon, 169, 300 R¨ uckf¨ uhr-, 173 Zyklus Thorium-Uran-, 408 Uran-Plutonium-, 408 Zykluszeit, 403
Yellow cake, 50