Carsten Rennhak (Hrsg.) Herausforderung Kundenbindung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Carsten Rennhak(Hrsg.)
Herausfor...
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Carsten Rennhak (Hrsg.) Herausforderung Kundenbindung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Carsten Rennhak(Hrsg.)
Herausforderung Kundenbindung
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
1. Auflage Juni2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Nicole Schweitzer Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieSlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutztwerden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheSlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0400-X ISBN-13 978-3-8350-0400-9
Vorwort Die Bedeutung des Themenkomplexes „Kundenbindung" hat seit den 80er Jahren in Wissenschaft und Praxis stark zugenommen. Eine Vielzahl von Studien belegt, dass Unternehmen aktuell die Kundenbindung als wichtigsten Erfolgsfaktor im IVlarketing ansehen. In der aktuellen Wettbewerbssituation iiaben die Unternehmen jedoch Schwierigkeiten, tatsachlich bindende Leistungsvorteile zu vermittein - die klassischen Instrumente des IVIarketing-Mix sind erschopft. Anbieter versuchen nun dieser Herausforderung zu begegnen, indem sie ein mannigfaltiges Spektrum von Programmen zum Einsatz bringen, urn ihre Kunden zu binden. Die spektakularen Erfolge von Kartenprogrammen wie IVIiles&More oder auch Payback erhohen in vielen Fallen den Druck auf das Management, auch ein eigenes, nach aufien weithin sichtbares Programm aufzulegen. Diese instrumentenfokussierten Ansatze grelfen in der Regel jedoch deutlich zu kurz, um der umfassenden und komplexen Natur der ..Herausforderung Kundenbindung" gerecht zu werden. Wahrend das transaktionsorientierte Marketing auf den Absatz von Produkten und Diensten abzielt, befasst sich das Beziehungsmarketing - oder neudeutsch Relationship Marketing - mit dem Erhalt und der Steuerung von Kundenbeziehungen. Beziehungsmarketing umfasst entsprechend MaHnahmen der Analyse, Planung, Durchfuhrung und Kontrolle, die dazu dienen, die Kundenbeziehung zu initiieren, zu stabilisieren, zu intensivieren und wiederaufzunehmen. Der ..Herausforderung Kundenbindung" macht eine Ablosung der Produktsichtweise durch eine kundenfokussierte Ausrichtung notwendig. Dazu ist zum einen eine Optimierung der Vermarktungsfahigkeiten durch verstarkte Nutzung neuer Vertriebswege, optimierte Kundensegmentierung und zielgruppenspezifische Marketingprogramme sowie ein verbesserter Service zwingend. Eine auf den Kunden ausgerichtete Strategie und kundenorientierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind entscheidende Voraussetzungen fur eine Qualitatsleistung, die Kunden an Unternehmen binden kann. Kundenzufriedenheit basiert nicht nur darauf, wie individuell Unternehmen ihre Produkte auf die Kundenbedurfnisse maflschneidern konnen, sondern auch wie bequem sie fur den einzelnen Kunden erreichbar sind. Zum anderen muss parallel zu diesen Anstrengungen der Kunde in das Zentrum samtlicher Anstrengungen rijcken; oberste Prioritat ist dabei die Weiterentwicklung des bestehenden Kundenstammes. Die ..Herausforderung Kundenbindung" besteht darin, ein Maximum des Geschaftsvolumens der jeweiligen Kunden auf das eigene Unternehmen zu vereinen. Mit welchen Produkten und Diensten dies geschieht, ist zweitrangig. Der Band richtet sich an Studierende und Wissenschaftler aller Fachrichtungen, die sich mit den Themen Kundenzufriedenheit oder -bindung befassen; Praktiker im BeV
reich Marketing, die Kundenzufriedenheit messen, Motive illoyaler Kunden verstehen Oder CRM-Systeme implementieren wollen und uber den Einsatz von Kundenbindungsprogrammen nachdenken, erhalten wertvolle Hinweise. In der vorliegenden Aufsatzsammlung wird der Komplexltat und Vielschichtigkeit des Themas Kundenbindung durch eine systematische Herangehensweise Rechnung getragen, die die Unternehmenspraxis noch zu oft vermissen lasst. Zunachst werden in der Einfuhrung mit dem Beitrag „Kundenbindung - Grundlagen und Begrifflichkeiten" von Amparo Galinanes Garcia und Carsten Rennhak die notwendigen definitorischen und inhaJtJiciien Grundlagen fur das Verstandnis des Problemfeldes gelegt. Mit dem Beitrag „Kundenwert von Marion Halfmann und Carsten Rennhak \N\r6 dann der Mafistab eingefuhrt, an dem sich alle Kundenbindungsaktivitaten ausrichten und messen lassen mussen: dem Beitrag des Kunden zum Unternehmenswert Das Kapitel schliefit mit einer Betrachtung der (engen) rechtlichen Grenzen, denen die Kundenbindung in Deutschland unterliegt. Stefan Strassner erlautert in seinem Beitrag Jndividuelle Kundenansprache aus rechtlicher Sicht" die rechtlichen Rahmenbedingungen der individuellen werblichen Ansprache des Kunden, die zu den wichtigsten Instrumenten der Kundengewinnung und Kundenbindung gehort. Das nachfolgende Kapitel Kundenverstandnis befasst sich mit der viel zu selten betrachteten Grundlage, auf der Kundenbindung eigentlich basieren sollte: der Analyse des Kunden. Zunachst arbeiten Jurgen Kaschube und Rosina Gasteiger in ihrem Beitrag ..Psychologische Grundlagen des Kundenverstandnisses" den besonderen Blick psychologischer Ansatze auf den Kunden und sein Verhalten heraus. Der darauf folgende Beitrag „Marktsegmentierung als Voraussetzung fur Kundenverstandnis" von Tobias Kesting, Carsten Rennliak und Tobias Scliutz untersucht die theoretischen Moglichkeiten der Marktsegmentierung und die tatsachliche praktische Umsetzung in Deutschland: Kundenbindung setzt in der Theorie voraus, dass Unternehmen ihre Produkte individuell auf die Kundenbedurfnisse maiischneidern konnen - in der Praxis verbleiben hier noch einige Verbesserungspotenziale. Der Beitrag „Kundenzufriedenheitsmessung bei Low-lnvolvement-Produkten" von Zoltan Bakay und Carsten Renntiak befasst sich dann mit der Messung von Kundenzufriedenheit als Basis einer echten Kundenbindung. Hierzu wird zunachst die Eignung verschiedener Mefimethoden im Rahmen einer Fragebogenerhebung am Beispiel des LowInvolvement-Produkts Strom diskutiert. Im Anschluss werden die Moglichkeiten der Kundenzufriedenheitsmessung auf der Basis von Mystery Shopping-Methoden im Beitrag ..Kundenzufriedenheitsmessung mittels Mystery Shopping" von Diana-Nadine Bohm, Christian FischI und Carsten Rennhak eriautert: Wahrend mittels Kundenzufriedenheitsanalysen die subjektive Kundenzufriedenheit gemessen werden soil, zielt
VI
Mystery Shopping auf die Messung der objektiven Servicequalitat ab. Das Themenfeld „Kundenzufriedenheitsmessung" runden Zoltan Bakay und Carsten Rennhak mit ihrem Beitrag „Treiber der Zufriedenheit von Stromkunden" ab. Die abschliefienden drei Beitrage in diesem Kapitel befassen sich mit den Motiven illoyaler Kunden: Carsten Rennhak und Marion Halfmann untersuchen „Das Wechselverhalten von Privathaushalten im Strommarkt". Markus Zinnbauer, Zoltan Bakay und Carsten Rennhak fuhren „Eine Sequenzanalyse der Informationspfade illoyaler CommodityKunden" durch. Markus Zinnbauer, Zoltan Bakay und Carsten Rennhak untersuchen schliefllich in ihrem Beitrag „Generationenfrage Kundenloyalitat?" nach Zusammenhangen soziodemographischer Variablen und Loyalitat. Die Kundeninformationen, deren muhsame Gewinnung im Kapitel ..Kundenverstandnis" beschrieben wird, sollen fur ein aktives Kundenbeziehungsmanagement zur Verfijgung stehen - die Herausforderungen in diesem Bereich sind Gegenstand des folgenden Kapitels Kundendaten. Insbesondere die Unternehmen sind erfolgreich bei der Bindung ihrer Kunden, die einerseits ihre Ressourcen gezielt und bestandig auf die Pflege des Kundenstammes ausrichten und andererseits integrierte Kundeninformationssysteme und Data Mining professionell einsetzen. Fehlende oder fehlerhafte Kundeninformationen sowie mangelhafte Systeme zu deren gezielter Auswertung gehoren zu den wesentlichen Herausforderungen bei der Kundenbindung, mit denen sich die Beitrage in diesem Kapitel auseinandersetzen. Amparo Galinanes Garcia, Carsten Rennhak und Gunter Seidel befassen sich dazu einfuhrend mit „CRM und Kundenbindung". Amparo Galinanes Garcia, Carsten Rennhak und Daniel Simonovich diskutieren in ihrem Beitrag ..Datenqualitat als kritischer Erfolgsfaktor von CRM-Losungen" den erfolgskritischen Einfluss der Datengute auf CRM-Anwendungen und Kundenbindung. Markus Zinnbauer und Markus Eberl setzen sich in ihrem Aufsatz „Eine KPI-orientierte Methode zur Steigerung der CRM-Umsetzungsstarke" mit der wohl kritischsten Phase von CRM-Projekten - der Implementierung auseinander. Markus Eberl und Markus Zinnbauer befassen sich schliedlich im Rahmen ihres Beitrags „Zielgruppenspezifisches Gebrauchsgutermarketing" mit einer CRM-Anwendung aus der Automobilindustrie. Das abschliefiende Kapitel Fallstudien befasst sich mit den verschiedenen Herausforderungen bei der konkreten Umsetzung von Kundenbindungsmafinahmen und -programmen in der Unternehmenspraxis. Als B2C-Beispiele werden in diesem Kapitel die deutsche Bankenindustrie, Fernsehsender, Sportartikelhersteller, Mobilfunkanbieter betrachtet. Carsten Rennhak und Wolfgang Zirus beschaftigen sich mit „Kundenbindungsmafinahmen von Banken im Privatkundensegment". Carsten Rennhak, Siegfried Numberger und Marion Halfmann zeigen in ihrem Beitrag „Wie setzen Banken das Thema Kundenbindung um?" die Ergebnisse einer umfangreichen Feldstudie zur Kundenbindung bei deutschen Banken. Matthias Hitzfeld, VII
Carsten Rennhak und Dieter Nickles diskutieren in „Kundenbindung bei Femsehsender - Potenziale jnteraktjver TV-Anwendungen" die Herausforderungen, denen sich Femsehsender bei der Kundenbindung gegenubersehen. Gerd Nufer erlautert in „Event-Marketing und Kundenbindung - Fallstudie adidas" die Moglichkeiten der Kundenbindung durch Events. Sonja Kapfelsberger diskutiert in ..Couponing im Mobilfunk" die IVIoglichkeiten und Grenzen der Kundenbindung durch Coupons. Weniger weit fortgeschritten als im B2C-Bereich sind Forschung und Praxis bei den Herausforderungen, denen sich B2B-Anbieter im Bereich der Kundenbindung gegenubersehen. Diana-Nadine Bohm, Carsten Rennhak und Tara Ebert fokussieren in ihrem Aufsatz ..Kundenbindung in B2B-Beziehungen" auf loyalitatssteigernde iVIafinahmen, die in der Beziehung Hersteller-Handler initiiert werden konnen. Stefan Boots, Marion IHaifmann und IHolger Statil konzentrieren sich in ihrem Beitrag ..Kundenbindung durch Auflendienstmanagement - das Konzept der Lekkerland GmbH & Co. KG" auf kundenbindungsrelevante Aktivitaten im Rahmen des Aufiendienstmanagements. Abgeschlossen werden das Kapitel und die vorliegende Aufsatzsammlung mit einer branchenubergreifenden Analyse von Kristina Brodersen zum Thema „Die Faszination als Mittel der Kundenbindung". Ich mochte dieses Vorwort nicht schliefien, ohne meinen besonderen Dank all denjenigen auszusprechen, die durch ihre Beitrage die vorliegende Aufsatzsammlung erst moglich gemacht haben. Dieser Dank gilt der Kollegin Kristina Brodersen und den Kollegen Gerd Nufer und Daniel Simonovich an der Hochschule Reutlingen ebenso dem MBA-Studenten Tobias Kesting. Danken mochte ich ebenso meinen, Kollegen Stefan Strassner und Wolfgang Zirus von der Munich Business School sowie meinem ehemaligen Studenten dort, Christian FischI und Matthias Hitzfeld. Weiterhin mochte ich meinen ehemaligen Kolleginnen Tara Ebert und Rosina Gasteiger und den ehemaligen Kollegen Markus Eberl, Jurgen Kaschube und Siegfried Numberger an der Ludwig-Maximilians Universitat in Munchen danken. Bin besonderes Dankeschon gilt selbstverstandlich auch meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen von Booz Allen Hamilton Marion Halfmann Qetzt FH Koln) und ihrem Studenten Holger Stahl sowie Gunter Seidel. Ganz besonders erfreut bin ich, dass sich so viele Praktikerinnen und Praktiker bereit erklart haben, zur vorliegenden Aufsatzsammlung beizutragen. Mein Dank gilt hier Zoltan Bakay (DaimlerChrysler), DianaNadine Bohm (Google), Stefan Boots (Lekkerland), Amparo Galifianes Garcia (O2), Matthias Hitzfeld (T.E.A.M. Marketing), Sonja Kapfelsberger (O2), Dieter Nickles (Premiere), Tobias Schutz (Mercer Management Consulting) und Markus Zinnbauer (Vivaldi Partners).
Carsten Rennhak
VIII
Inhalt 1 Einfuhrung Amparo Galihanes Garcia/Carsten Rennhak Kundenbindung - Grundlagen und Begrifflichkeiten
1 3
Marion Halfmann/Carsten Rennhak Kundenwert
15
Stefan Strassner Individuelle Kundenansprache aus rechtlicher Sicht
25
2 Kundenverstandnis
39
Jurgen Kaschube/Rosina Gasteiger Psychologische Grundlagen des Kundenverstandnisses
41
Tobias Kesting/Carsten Rennhak/Tobias Schutz Marktsegmentierung als Voraussetzung fur Kundenverstandnis
53
Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Kundenzufriedenheitsnnessung bei Low-lnvolvement-Produkten
79
Diana-Nadine Bohm/ Christian FischI/ Carsten Rennhak Kundenzufriedenheitsmessung mittels Mystery Shopping
87
Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Treiber der Zufriedenheit von Stronnkunden
95
Carsten Rennhak/Marion Halfmann Das Wechselverhalten von Privathaushalten im Strommarkt
105
Markus Zinnbauer/Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Eine Sequenzanalyse der Informationspfade illoyaler Commodity-Kunden
113
Markus Zinnbauer/Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Generationenfrage Kundenloyalitat?
119
IX
3 Kundendaten
127
Amparo Galihanes Garcia/Carsten Rennhak/Gunter Seidel CRM und Kundenbindung
129
Amparo Galihanes Garcia/Carsten Rennhak/Daniel Simonovich Datenqualitat als kritischer Erfolgsfaktor von CRM-Losungen
141
Markus Zinnbauer/Markus Eberl Erne KPI-orientierte Methode zur Steigerung der CRM-Umsetzungsstarke Markus Eberl/Markus Zinnbauer Zielgruppenspezifisches Gebrauchsgutermarketing
4 Fallstudien
153
171
187
Carsten RennhakAA/olfgang Zirus Kundenbindungsmalinahmen von Banken im Privatkundensegment
189
Carsten Rennhak/Siegfried Numberger/Marion Halfmann Wie setzen Banken das Thema Kundenbindung urn?
201
Matthias Hitzfeld/Carsten Rennhak/Dieter Nickles Kundenbindung bei Fernsehsender - Potenziale interaktiver TVAnwendungen
211
Gerd Nufer Event-i\/larketing und Kundenbindung - Fallstudie adidas
221
Sonja Kapfelsberger Couponing im Mobilfunk
249
Diana-Nadine Botim/Carsten Renniiak/Tara Ebert Kundenbindung in B2B-Beziehungen
261
Stefan Boots/Marion l-lalfmann/IHolger Stahl Kundenbindung durch AuSendienstmanagement - das Konzept der Lekkerland GmbH & Co. KG
273
Kristina Brodersen Die Faszination als Mittel der Kundenbindung
283
Autoren
293
1
Einfiihrung
Kundenbindung - Grundlagen und Begrifflichkeiten Amparo Galinanes Garcia/Carsten Rennhak Die Bedeutung der Kundenbindung hat im Rahmen des Relationship Marketings seit den 80er Jahren in der Wissenschaft und Praxis zugenommen.^ Nach einer begrifflichen Definition eriautert dieser Abschnitt zunachst die Faktoren, die zur Kundenbindung fuhren, ihren Nutzen und ihre Kosten sowie das Konzept des Kundenlebenszyklus. Abschliefiend werden die Faktoren beleuchtet, die zu einer erfolgreichen Implementierung eines Kundenbindungsprogrannms fuhren.
Definition und Begriffsabgrenzung In der Literatur findet man den Begriff der Kundenbindung unterschiedlich definiert. Meffert gibt zwei Sichtwelsen von Kundenbindung an, die kaufverhalten- und managementbezogen sind.2 Die kaufverhaltenbezogene Perspektive sieht die Kundenbindung als die Bereitschaft des Kunden zu Folgekaufen an. Hierbei ist Kundenbindung der „Grad, zu dem private oder institutionelle Nachfrager aufgrund faktischer oder emotionaler Bindungen beim Wiederkauf eine identische Entscheidung bei der Wahl einer Leistung, einer Marke, eines Anbieters oder einer Geschaftsstatte treffen."^ Dagegen fasst die managementbezogene Sichtweise die Kundenbindung als Aktivitat auf. „Kundenbindung umfasst alle Aktivitaten, die auf die Herstellung oder Intensivierung faktischer oder emotionaler Bindungen aktueller Kunden gerichtet ist.""^ Hierbei sind faktische Beziehungen als solche vertraglicher, technisch-funktionaler oder okonomischer Natur zu verstehen.^ Die Zufriedenheit der Kunden mit den Leistungen ist ein zentrales Element der emotionalen Bindung.
'
Das Relationship Marketings ist ein Konzept, das seit den 80er Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Dies iiegt in der Kritik an einem rein transaktionsorientierten IVIarketing begrundet. Wahrend der Zweck eines transaktionsorientierten Marketings uberwiegend in der Akquisition von Kunden Iiegt, befasst sich das Relationship Marketing mit dem Erhalt und der Steuerung von Kundenbeziehungen. Das Relationship Marketing enthalt Mafinahmen der Analyse, Planung, Durchfuhrung und Kontrolle, die dazu dienen, die Geschaftsbeziehung zu den Anspruchsgruppen insbesondere zu den Kunden - zu initiieren, stabilisieren, intensivieren und wiederaufzunehmen (vgl. Bruhn 2001 und Payne/Rapp 2003, S. 4).
2
Vgl. Meffert (2003), S. 129f.
3 4 ^
Me/fert (2003), S. 129. Meffert (2003), S. 129. Vgl. Meffert (2003), S. 138.
Die Definition von Homburg/Bruhn ist dagegen verhaitensorientiert. Sie betrachtet Kundenbindung als iVIaflnahme eines Unternehmens, die dazu dient, die bisherigen Verhaitensweisen und die zukunftigen Verhaltensabsichten eines Kunden gegenijber einem Anbieter oder dessen Leistung positiv zu gestalten. Das Ziel ist, die Beziehung zu diesem Kunden zu stabiJisieren.^ Aufbauend auf diese Definition stellt sich das Kundenbindungsmanagement als „die systematische Analyse, Planung, Durchfuhrung sowie Kontrolle sanntlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Mafinahmen dar, mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in Zukunft die Geschaftsbeziehungen aufrechterhalten oder intensiver pflegen."^ Schliefilich setzt Stauss die Transaktionsmerkmale der Geschaftsbeziehung in den Mittelpunkt seiner Definition von Kundenbindung. Er argumentiert so, dass Kundenbindung nur dann vorliegt, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraumes wiederholte Transaktionen zwischen zwel Geschaftspartnern stattgefunden haben oder geplant sind.^ Gaulik et al. (2002, S. 25) gehen auch auf die Transaktionsmerkmale der Geschaftsbeziehung bei ihrer Definition von Kundenbindung ein. Fur sie bezieht sIch die Kundenbindung auf den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer Geschaftsbeziehung als einer Folge von Transaktionen zwischen Anbieter und Kunde. Im Vordergrund steht nicht die einzelne Transaktion, sondern der langfristige Verlauf der Geschaftsbeziehung. Der vorliegende Beitrag definiert Kundenbindung wie folgt: Kundenbindung aus Kundensicht meint eine positive Einstellung und Verhaltensabsicht in Form von Folgetransaktionen gegenuber den Produkten bzw. Dienstleistungen eines Unternehmens. Kundenbindung aus Unternehmenssicht umfasst alle Aktivitaten, die auf die Herstellung oder Intensivierung der Bindung von Kunden gerichtet sind, um eine Stabilisierung und Ausweltung der Beziehung zu den Kunden fur die Zukunft zu errelchen.
Determinanten der Kundenbindung Homburg/Bruhn beschreiben die Determinanten, die zur Kundenbindung fuhren, in einem Modell.^ Sie stellen eine klasslsche Wirkungskette dar, die zur Kundenbindung und zum okonomischen Erfolg fiJhrt. Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, steht in der ersten Phase der Erstkontakt des Kunden mit dem Anbieter im Vordergrund.
^ 7
Vgl. Homburg/Bruhn (2003), S. 8.
^
Die Transaktionen l•
I
DienstleisterKommunikation nach auften (versprochener Service)
t
Vorsteilungen des IVlanagements von Kundenerwartungen
Abbildung 1: Das Modell der Dienstleistungsqualitat von Parasuraman et al.^^
63 64
42
Kotler/Bliemel {^99^). Nach ZeithamI et al. (1992), S. 62.
Ohne die Feinheiten des Modells zu diskutieren^^ vvird schnell klar, dass als entscheidende Lucke das Zuruckbleiben der Leistungen des Servicepersonals hinter den gegebenen Versprechen der Organisation und den Erwartungen des Kunden gesehen wird. Empirisch identifizierten Parasuraman et al. Dimensionen wie u. a. Zuverlassigkeit der AusfiJhrung versprochener Dienstleistungen, mangelndes Entgegenkommen und Eingehen auf Kundenwunsche, zu geringe allgemeine Freundlichkeit und schwache kommunikative Fahigkeiten des Dienstleisters sowie die Erreichbarkeit des Servicepersonals. Wahrgenommene Dienstleistungsqualitat und damit Kundenzufriedenheit entsteht im Sinne dieses Modells allein im Kopf des Kunden ijber den Abgleich der Erwartungen mit dem real Eriebten. Als mogliche Folgen prognostizieren Parasuraman et al. wie auch Bitner (^990) entweder Kundenbindung und Weiterempfehlungen, wenn die Erwartungen ubertroffen werden, oder Warnungen vor dem Anbieter und Wechsel des Dienstleisters, wenn sich die Hoffnungen auf einen guten Service nicht erfullen. Auf der Basis der Annahmen der Modelle zur Dienstleistungsqualitat wurde eine Vielzahl am Kunden orientierter Marketingmafinahmen entwickelt, so zum Beispiel: •
die Idee eines klar strukturierten Kundenbindungsmanagements,^^ welches Voraussagen daruber macht, welche Kunden aufgrund ihrer Attraktivitat fur die Organisation mit welchen Mittein gehalten werden sollen und welche eher zu vernachlassigen sind,
•
die Steuerung der Kundenzufriedenheit^'^ uber die Veranderung der Erwartungen und des Eriebens vor allem in der Nachkaufphase,
•
die Einfuhrung eines Beschwerdemanagements,^^ welches zur (Wieder)-Herstellung der Kundenzufriedenheit nach negativen Eriebnissen und zur Sammlung von Informationen uber mogliche Probleme dient, und
•
eine starke Standardisierung von Geschaftsraumen und Dienstleistungsablaufen,^9 die bei global agierenden Organisationen oder Franchise-Unternehmen alien Kunden uberall identische Leistungsstandards garantiert und somit Enttauschungen vorbauen will.
Wo liegen mogliche Probleme dieser Betrachtungsweise und der von ihr abgeleiteten Maflnahmen? Grundsatzlich wurde haufig diskutiert, dass eine Gleichsetzung von Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualitat zu einer zirkularen Betrach-
^5
Vgl. hierzu Nerdinger (1994).
^^ ^7 ^^ ^^
Diller/Mullner {^99S). Wimmer/Roleff {^ 998). Sfaivss (1998). Blumelhuber {^998).
43
tungsweise fuhren mtisse. So konnten bei extrem niedrigen Kundenerwartungen auch eher schlechte Dienstleistungen zu Kundenzufriedenheit fuhren, wenn die erwarteten Katastrophen ausbleiben; umgekehrt fuhren steigende Erwartungen automatisch zu einer verschlechterten Dienstleistungsqualitat bei real gleich bleibendem Standard - es kommt zu einer sich hochschraubenden EnA^artungs-Wahrnehmungsspirale/^ Aus psychologischer Sicht erscheint allerdings wesentlich zentraler, dass in einem stark ergebnisorlentierten Ansatz die Qualitat der Interaktion zwischen Dienstleister und Kunden nur unzureichend abgebildet wird und dass die Konzentration auf eine Standardisierung des Dienstleistungsprozesses die Position des Dienstleisters unnotig schwache. Drei Argumente konnen dies belegen. Erstens ist fur die Erbringung gerade qualitativ hochwertiger und kostenintensiver Dienstleistungen die permanente Mitarbeit des Kunden bei der Leistungserstellung erforderlich. NIcht nur der Patient muss den Arzt durch sein eigenes Verhalten (Benennung der Probleme, Mitarbeit bei therapeutischen Mafinahmen) unterstiitzen, auch bei Beratungs- und Verkaufsprozessen hangt die Qualitat der Losung und die Zufriedenheit mit dem erworbenen Produkt eindeutig mit der Fahigkeit zusammen, sich des eigenen Bedarfs bewusst zu sein und ihn der Situation angemessen benennen zu konnen. Die Qualitat der Dienstleistung hangt damit nicht unwesentlich von der Motivation des Kunden zur Mitarbeit und der Fahigkeit des Dienstleisters diese Motivation aufrecht zu erhalten und auszuschopfen ab. Zweitens zeigten bereits erste qualitative Studien von Parasuraman et al. selbst, dass fur das Erieben von Dienstleistungsqualitat und Zufriedenheit auf Seiten der Kunden gerade das Abweichen von standardisierten Prozessen (Entgegenkommen, Erfullen besonderer Wunsche, echte statt routinisierter Freundlichkeit) nicht unbedeutend ist, wahrend viele der oben genannten Marketingmafinahmen auf ein hohes Mali an Verlasslichkeit durch Standardisierung setzen. Abweichungen von Dienstleistungsstandards im Interesse des Kunden werden fur den Dienstleister schnell zur doppelten Bedrohung. Einerseits riskieren Sie Unzufriedenheit und Beschwerden des Kunden, wenn sie im Sinne ihrer Standards arbeiten, andererseits drohen ihnen Sanktionen der Organisation, wenn sie vorgegebene Standards, die nicht immer eindeutig formuliert vorliegen, verletzen/^
7^
Nerdinger {2003).
7^
Vgl. Kaschube/Koch (2005).
44
Drittens konnen eine vorgeschriebene Standardisierung der Prozesse und die Versprechungen des extemen Marketing zu unrealistischen Erwartungen seitens der Kunden fuliren, die Dienstleister .ausbaden' mussen, ohne die notigen Ressourcen zu besitzen. Werbeslogans wie ,Leben Sie, wie kummern uns urn die Details!' suggerieren dem Kunden, dass er erstens nahezu alles verlangen kann und zweitens sich gerade die fiir eine qualitativ hochwertige Dienstleistung notige Mitarbeit bei der Problemlosung sparen kann. Die eben genannten Argumente sprechen dafur, dass eine En^/eiterung des Qualitatsbegriffes urn eine prozessorientierte Facette eine sinnvolle Erganzung darstellen konnte. Ausgehend von diesen Gedanken lolint es sich zunachst, eine Klassifikation der direkten Interaktion von Kunden und Dienstleistern zu betrachten.
Interaktion zwischen Dienstleister und Kunden - Begegnungen und Beziehungen Nerdinger (^994, S. 54) definierte Dienstleistungen als .Problemiosetatigkeiten, die es erfordern, dass Dienstleister in face-to-face Interaktion zu Bedienten treten, mit denen sie nichts welter verbindet als der Tausch 'Leistung gegen Geld'. Unter dem Begriff der Dienstleistung wird nach dieser Definition eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungen zusammengefasst, die auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam haben. Der Kinobesuch mit dem Kauf einer Karte und der Vorfuhrung eines Films, Beratung und Verkauf eines mehr oder minder komplexen Produkts oder der Besuch eines Friseursalons mit einer vielfaltigen Veranderung des eigenen Aussehens, konnen gleichermafien als Dienstleistungen gesehen werden, da ihnen alien eine irgendwie geartete Form des Kundenkontaktes und der Interaktion zwischen Kunde und Dienstleister (so genannte .service encounters'''2) zugrunde liegt. Die Schwierigkeit einer Klassifikation wird deutlich, wenn man betrachtet, wie unterschiedlich selbst ahnliche Formen der Dienstleistungsinteraktion in ahnlichen Settings ablaufen konnen. Ein Restaurantbesuch kann sich in einem breiten Spektrum vom Fast-FoodRestaurant uber den .Italiener um die Ecke' bis hin zum Gourmettempel abspielen, der Besuch einer Bankfiliale verlauft unterschiedlich, wenn eine der zunehmend seltener werdenden einfachen Transaktionen ansteht oder wenn die Finanzierung einer Immobilie besprochen werden soil.
^"2
Czep/e/ef a/. (1985).
45
Aus Sicht des Kunden lassen sich diese unterschiedlichen Situationen klar differenzieren. Sie sind verbunden mit einem unterschiedlichem Mali an Engagement und Beteiligungsbereitschaft seitens des Kunden, klar differenzierten Erwartungen an die Kompetenz des Dienstleisters sowie einer deutlich unterschiedlichen Risikowahmehmung hinsichtlich der Verluste, die eintreten, wenn die Qualitat der Dienstleistung nicht den EnA/artungen entspricht. Nicht zuletzt treten sie in der Regel nicht gleich haufig auf. Komplexe und risikoreiche Interaktionen sind eher selten und die Kunden konnen weniger auf direkte personliche Vorerfahrungen zuruckgreifen. Eine umso grofiere Rolle spielt in solchen Situationen das dem Dienstleister entgegen gebrachte Vertrauen. Gutek et al. (^999y^ haben auf dieser Basis eine klare Differenzierung von Dienstleistungsinteraktionen in .service encounters' und .service relationships' und .pseudo-relationships' propagiert. Wahrend sie unter .service encounters' singulare Interaktionen zwischen Kunden und individuell austauschbaren Dienstleistern ohne gemeinsame Vorerfahrungen verstehen, sind .Service relationships' als langerfristige Beziehungen zu sehen, in denen der Dienstleister durch den haufigeren Kontakt mit dem Kunden ein Wares Eigeninteresse an einer langerfristigen und positiven Beziehung entwickelt hat, die sich auch auf seine Gestaltung der einzelnen Begegnung auswirken kann. Der Ablauf von Interaktionen in .service relationships' ist gepragt durch die Kenntnis von Rahmenbedingungen des Kunden und die Bereitschaft des Dienstleisters, starker von routinisierten Ablaufen abzuweichen. Diese enge Bindung mit hoher Kundenzufriedenheit kann als allgemeine Kundenbindung fur die Organisation von Nutzen sein, aufgrund der Verpflichtung des Dienstleisters gegenuber dem Kunden kann sie aber auch als Gefahr wahrgenommen werden, dass der Dienstleister - zum Beispiel in Form von Rabatten unokonomisch und zu stark im Interesse des Kunden handelt. Zur Reduzierung derartiger Risiken bemuhen sich viele Organisationen um die Etablierung von Dienstleistungsprozessen als .pseudo-relationships'. Diese dritte Form der Beziehung von Dienstleistern und Kunden ist durch den Versuch der Organisation gekennzeichnet, die Beziehung mit einem individuellen Dienstleister durch die Beziehung mit der Gesamtorganisation zu ersetzen und eine intensive Kundenbindung herzustellen, ohne von der Leistung eines Dienstleisters abhangig zu sein. Zwar ist in .pseudo-relationships' die Person des Dienstleisters nicht bekannt, die Ablaufe der Organisation sind dem Kunden aber durchaus vertraut. Auch seine personlichen Daten werden uber Kundenkarten oder Datenbanken (z. B. in Call-
7^
46
Vgl. auch Kennedy et al. (2002).
Centern) so verfugbar gehalten, dass jeder Kontaktpartner schnell darauf zugreifen und Vertrauthejt mit den Problemen des Kunden signalisieren kann. Erste empirische Studien auf dem US-amerikanischen Markt^"^ zeigen, dass solche .pseudo-relationships' unabhangig von der Art der Dienstleistung nicht das Niveau der Kundenzufriedenheit von echten .service relationships' erreichen, sondern aus Sicht der Kunden eher wie .service encounters' wahrgenommen werden. Der Schlijssel zu einer hohen Kundenzufriedenheit und Kundenblndung scheint also durchaus in der direkten Interaktion zwischen Dienstleistern und Kunden und nicht allein in einer gelungenen Standardisierung von Prozessen zu liegen. Der nachste Abschnitt versucht daher, das Wissen urn Einflussfaktoren auf Kundenzufriedenheit und Kundenblndung zusammenzufassen.
Kundenzufriedenheit und Kundenbindung - zentrale Einflussfaktoren In Modellen der DIenstleistungsqualitat wird Kundenzufriedenheit vor allem als Ergebnis der Erfullung oder Ubererfullung (.confirmatlon-disconfirmation') der Kundenerwartungen gesehen. Eine neuere Meta-Analyse empirischer Studlen^^ stutzt diesen Befund. Insbesondere zeigen die Ergebnisse, dass eher langfristige Vorstellungen von einem gerechten Austausch von Geben und Nehmen In einer Dienstleistungsbeziehung als einzelne Interaktionen fur ein Gefuhl der Zufriedenheit beim Kunden verantwortlich sind. Diese langfristige Orientierung der Kunden in der Bewertung der Dienstleistungsinteraktion ist dabei eng verknupft mit einer hohen Bereitschaft zur Bindung an den Anbieter der Dienstleistung. Hohe Bedeutung scheint dabei auflergewohnliches Handein des Service-Personals in der Interaktion mit den Kunden zu besitzen; es ist damit eInem technisch perfekten Service, wie er in stark standardisierten Prozessen angestrebt wird, deutllch uberlegen. Welche spezifischen Prozesse bewirken nun, dass Dienstleister bereit sind, die Kundenerwartungen zu ubertreffen? Bisherige Forschungen deuten auf vielfaltige Faktoren in der Person des Dienstleisters und in seinen Arbeitsbedingungen hin. Eine zentrale Rolle spielen die Personlichkeit der Dienstleister - so sind ein gewisses Mali an Offenheit und an emotionaler Stabilitat fur Aufgaben im Dienstlelstungsbereich unverzichtbarsowie gutes dienstleistungsspezifischen Fachwissen und sozial-interaktive Kompetenzen7^ Drei weitere wesentliche Faktoren werden hier beispielhaft genannt:
7^ ^5 ^^
Guteket al. {^999). Szymanski/Henard (2001). \/Q\. Nerdinger {2003).
47
•
Mitarbeiterzufriedenheit Zufriedene Mitarbeiter geben dieses positive Gefuhl ijber ihre Leistungen an die Kunden weiter. Insbesondere gilt dies fur Dienstleister-Kunden-Beziehungen, die auf einer haufigen Interaktion und auf eine intensive Einbeziehung des Kunden in die Dienstleistung selbst aufbauen/^ Umgekehrt wirkt sich Mitarbeiterunzufriedenheit negativ auf das Erieben der Kunden aus7^
•
Kundenorientierte Handlungsspielraume und Partizipationsmoglichkeiten: Dienstleister, denen von ihrer Organisation die Moglichkeit eingeraumt wird, im Interesse der Kunden ihren Arbeitsablauf zu gestalten und selbst auf Ablaufe und Ziele ihrer Arbeit einzuwirken, erhohen ihren Arbeitseinsatz und orientieren sich im Arbeitsalltag starker an den aktuell wahrgenommenen Bedurfnissen ihres Gegenubers/^ Eine starke Standardisierung von Dienstleistungsprozessen, die nicht als Unterstutzung bei haufig wiederkehrenden Arbeitsprozessen wahrgenommen wird, limitiert dagegen eher den personlichen Einsatz. Zusatzlich erieichtern gegebene Handlungsspielraume (.empowerment') es den Dienstleistern, Interessenkonflikte zwischen Organisation und Kunden direkt zu losen; dies beschleunigt Prozesse und fordert bei Dienstleister und Kunden das Erieben von Kompetenz.
•
Organisationale Dienstleistungsorientierung und Dienstleistungsklima: Uber die Gestaltung einzelner Arbeitsplatze hinaus muss fur Dienstleister und Kunden die Ausrichtung der gesamten Organisation an Kundenbedurfnissen erfahrbar sein.^^ Dies schliefit auch Mitarbeitergruppen ein, die keinen direkten Kundenkontakt haben, aber ihr Arbeitsverhalten direkt an den Bedurfnissen des eigentlichen Service-Personals ausrichten. Der Kunde registriert diese interne Kundenorientierung (.customer mind-set'^0 s's reibungslosen Ablauf von Prozessen und als Erfullung der vom Marketing gegebenen Versprechen, wahrend sie Dienstleistern dabei hilft, sich auf ihre Kernaufgabe zu konzentrieren und nicht Fehler des Systems ausbugein zu mussen.
Die Ursachen des direkten Zusammenhangs zwischen innerorganisationalen Gestaltungsregeln, Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit sind nicht abschliessend zu klaren. Plausibel ist jedoch, dass alle internen Spannungen einer Organisation sich den Kunden auf drel Wegen erschlieden.^^ Erstens erfahren sie keine aus77 7S 79
Homburg/Stock (2004). Dormann/Kaiser (2002). Dormann et al. (2003).
^0
Schneider/Bowen (1985).
S^ ^2
Kennedy et al. (2002). Vgl. auch Dormann/Kaiser {2002).
48
reichende Zuwendung durch den Dienstleister, der offensichtlich keine klaren Angebote und Zusagen machen kann. Zweitens konnen sie ihre Wunsche und Ziele im Prozess der Dienstleistung nur ungenau formulieren und ihren Beitrag zum Gelingen nicht beisteuern. Drittens vergleichen Kunden nicht nur Erwartungen einer optimalen Ergebnisqualitat mit dem real Eriebten, sondern sie besitzen auch aufgrund ihrer eigenen beruflichen Erfahrung genugend Wissen daruber, wie funktionale Prozesse und Arbeitsbedingungen aussehen, die zu einem gutem Ergebnis fuhren konnen. Es genugt ihnen nicht, eine gute Qualitat des Ergebnisses wahrzunehmen, sondern sie beziehen den Umgang der Organisation mit ihren DIenstleistern in ihre Bewertung mit ein. Ein hoher Stellenwert des Service-Personals spricht fur einen hohen Stellenwert des Kunden.
Handlungsmoglichkeiten der Organisation: Kundenorientierung Welche Handlungsmoglichkeiten besitzen Organisationen, um ein positives Dlenstleistungsklima und eine klare Kundenorientierung zu fordern? Nerdinger (2003) benennt eine breite Palette an Handlungsfeldern (vgl. Tabelle 1), die teilweise (besonders die Unterstutzung der Begegnung) im vorherigen Abschnitt bereits erwahnt wurden. Kundenorientierung der Organisation IVIerl^male des Systems
Unterstutzung der Begegnung
•
Verhinderung von Beseitigung von Fehlern
•
Behandlung der Kunden
•
Technologie
•
Empowerment der Mitarbeiter
•
Kommunikation von Standards
Fijhrungspraxis
Personalarbeit
•
Kundenorientierte Fuhrung
•
Training
•
Vision
•
Belohnungen
Tabelle 1: Dimensionen der
Kundenorientierung^^
Unter Merkmalen des Systems sind technische Prozesse und Verhaltens-Standardisierungen zu verstehen, die ihre Berechtigung daraus beziehen, dass sie Dienstleister bei ihrer Aufgabenerfullung entlasten und klare Ablaufe fur einfache, immer wiederkehrende Prozesse vorgeben. Technische Systemunterstutzung dient der von vielen Kunden erwarteten Prozessbeschleunigung und kann Transparenz uber innerorganisationale Vorgange schaffen. So reduziert die Moglichkeit, den Stand von Lieferungen uber das Internet zu verfolgen, eine VIelzahl von Kundenanfragen, die
^^
Nerdinger (2003), S. 57 in Anieiinung an Lytle et al. (1998).
49
dem Service-Personal Freiraume fur spezifische Beratungs- und Service-Leistungen geben. Die Fuhrungspraxis sollte durch eine vom Top-Management entwickelte klare und offen kommunizierte Vorstellung von gelebter Kundenorientierung gepragt sein, die auf der anderen Seite die Alltagserfahrungen des Service-Personals mit den Kundenerwartungen widerspiegelt. Fur die einzelne Fuhrungskraft bedeutet dies, ein erwartetes Verhalten vorzuleben und somit durch ein positives Beispiel die Mitarbeiter, aber gleichzeitig nicht alle Handlungswege vorzugeben. Wahrend neue Mitarbeiter von Unterstutzungsleistungen der Fuhrungskrafte stark profitieren, brauchen erfahrene Mitarbeiter die Moglichkeit, ihre Prozesse selbst zu gestalten, urn ein hohes Mafi an Leistung und Kundenzufriedenheit zu erreichen.^'^ Fur den Bereich der Personalarbeit empfehlen sich neben an Dienstleistungserfordernissen angepassten Rekrutierungs- und Auswahlstrategien vor allem Trainingsmafinahmen, die kundenorientiertes Verhalten (soziale Kompetenzen: Herausarbeiten des zu losenden Problems, geschicktes Einbeziehen des Kunden in den Problemlosungsprozess) und die Verarbeitung schwieriger und belastender Alltagssituationen (schwierige Kunden, Umgang mit Zeitdruck) erieichtern. Das Belohnungssystem muss dabei die Vision der Kundenorientierung widerspiegein und nicht nur Ergebnisse wie Umsatz belohnen, sondern auch prozessuale Komponenten wie L6sungen spezieller Kundenprobleme einbeziehen. Zusammenfassend ergibt sich daraus ein Bild von Kundenorientierung, in dem sowohl die Standardisierung von Prozessen als auch ihre Individualisierung ihre Berechtigung besitzt. Bei einer Ausbalancierung der unterschiedlichen Handlungsansatze wird eine optimale Konzentration auf die aus psychologischer Perspektive besonders wichtige Interaktion des Dienstleisters mit dem Kunden ermoglicht.
^"^
50
Ahearne et al. (2005).
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51
Marktsegmentierung als Voraussetzung fur Kundenverstandnis Tobias Kesting/Carsten Rennhak/Tobias Schutz Als wichtige Triebkraft fur die steigende Bedeutung von Marktsegmentierungsstrategien ist ein Paradigmenwechsel anzufuhren, der sich auf eine veranderte Sichtweise von Anbietern bezieht. Customer Relationship Management (CRM) gewinnt daher immer mehr an Bedeutung. Zielsetzung dieses kundenorientierten Beziehungsmanagements ist die Erhohung der Kundenloyalitat zur Steigerung der Kundenprofitabilitat.^5 Mittels modemer CRM-Systeme lasst sich jeder Geschaftsvorgang zur Gewinnung zusatzlicher Kundeninformationen nutzen,^^ u. a. zur Identifizierung von Kaufverhaltensmustern.^^ Marktsegmentierungen liefern in diesem Zusammenhang zusatzliche und detaillierte Informationen uber Markte und Kaufer und ermoglichen so auch eine leichtere Identifizierung von Kundenbedurfnissen. Dementsprechend bilden Segmentierungsanalysen und aus ihnen ermittelte Kundenprofile die Grundlage fur ein erfolgreiches CRM.s^
Marktsegmentierung In den funfziger Jahren des letzten Jahrhunderts sind die ersten Artikel uber Marktsegmentierungen erschienen.^9 Seitdem gab es zahlreiche unterschiedliche Ansatze^^ zu diesem Thema, die jedoch folgende Grundidee gemeinsam haben: Sie gehen von einem Gesamtmarkt aus, der sich aus einer grofien Anzahl tatsachlicher und potenzieller Kaufer zusammensetzt, die unterschiedliche Bedurfnisse in Bezug auf die angebotenen Produkte aufweisen. Vor diesem Hintergrund empfiehit sich eine Aufteilung des Gesamtmarktes anhand bestimmter Kaufermerkmale, so dass spezifischen Bedurfnisstrukturen von Teilmarkten durch differenzlerte Marktleistungen gezielt Rechnung getragen werden kann. Eine derartlge Ausrichtung der Unternehmenstatlgkeit an den Vorstellungen der Nachfrager spiegelt den Grundgedanken des Marketings wider.^^ Unter Marktsegmentierung wird somit die Aufteilung eines Gesamtmarktes in bezuglich ihrer Marktreaktion intern homogene und untereinander heterogene Untergruppen (sog. Marktsegmente) sowie die Bearbeitung eines Oder
^5
vgl. Becker (2001), S. 908f.
S^
Vgl.8ec/cer(2001), S. 908.
S''
Vgl. Bagozzi, et al. (2000), S. 293f.
SS
Vgl. Backer et al. (2004), S. 50.
S9 ^0 9^
Vgl. hierzu Hummel (1954), S. 34ff. und Smith (1956), S. 3ff. Vgl. hierzu Horst (1988), S. 350ff., Bauer (1989), S. 46ff. und Backhaus (1999), S. 210ff. Vgl. Meffert (2000), S. 181.
53
mehrerer dieser Marktsegmente verstanden.^2 Hauptziel der Marktsegmentierung ist dje Realisierung eines moglichst hohen Identitatsgrades zwischen dem Angebot und den spezjellen Bediirfnissen der anvisierten Kaufergruppen.^^ Somit dient sie „ (...) ejnerseits der Marktidentifizierung (...) sowie andererseits der besseren Befriedigung der Konsumentenbedurfnisse durch den differenzierten Einsatz der Marketinginstrumente."^'^ Aufgrund der Tatsache, dass das Angebot gezielt auf die Bedurfnisse bestjmmter Kaufergruppen abgestimmt werden kann, lasst sich wesentlich leichter ein Kundenstannm aufbauen, der sich mit der angebotenen Leistung identifiziert. Zudem sind Nachfrager auch eher bereit, mehr fur ein Produkt zu bezahlen, das ihren speziellen Vorstellungen und Wunschen Rechnung tragt.^^ Aufierdem kann der Wettbewerbsdruck in Segmenten geringer sein als auf einem undifferenzierten Massenmarkt. In diesem Zusammenhang empflehit sich auch eine Konzentration des Anbieters auf die fur ihn attraktivsten Segmente. Damit kann die Gefahr reduziert werden, in einigen Teilmarkten einer ubermaflig starken Konkurrenz gegenuber zu stehen, die moglicherweise uber substanzielle Wettbewerbsvorteile verfugt.^^ Gerade diese Uberlegungen verdeutlichen, dass die IViarktsegmentierung ein wesentlich flexibleres Konzept darstellt als das klassische Massenmarketing und dem Anwender somit erheblich mehr Handlungsspielraum eroffnet. Zudem ermoglichen Segmentierungsstrategien eine Verlagerung des Wettbewerbs von der reinen Preis- auf die Qualitatsebene. Dies kann sich besonders in Zeiten stagnierender Markte mit zunehmendem Verdrangungswettbewerb als bedeutsam erweisen.9^ Abgesehen davon erhohen Segmentierungsaktivitaten auch den Informationsstand uber Gesetzmafiigkeiten und Strukturen des jeweils betrachteten Marktes, denn durch eine Aufteilung in Segmente konnen Marktentwicklungen besser prognostiziert werden. Dies wiederum eriaubt eine zieladaquatere Verwendung des zur Verfugung stehenden Marketingbudgets.^^
^2
Meffert (2000), S. 181. Diese auch als Marktsegmentierung im weiteren Sinne bezeiciinete Sichtweise hat sich in der Marketingliteratur durchgesetzt (vgl. hierzu z. B. Freter 1983, S. 18 und Kotler/Bliemel 2001, S. 415). Sie umfasst demnach nicht nur die Aufteilung des Marktes, sondern auch die gezielte individuelle Bearbeitung von Teilsegmenten mittels eines auf sie abgestimmten segmentspezifischen Marketing-Mix (vgl. Freter 1983, S. 18). Unter Marktsegmentierung im engeren Sinne hingegen versteht man lediglich den Vorgang der Marktaufteilung durch Bildung von Segmenten. Diese Interpretation des Begriffes Segmentierung als blolie Aufteilung des Gesamtmarktes wurde in den siebziger Jahren des ietzten Jahrhunderts vereinzelt vertreten (vgl. Walters/Paun970, S. 61ff. und Boyd/Massy 1972, S. 87ff.).
^^ 94 95
Vgl. Meffert (2000), S. 183. Me^erf (2000), S. 183. Vgl. Bansch (1998), S. 88f.
96 97 9S
Vgl. Kotler/Bliemel{200^), S. 415 und 419. Vgl. Becker (2001), S. 289. Vgl. Meffert (2000), S. 183.
54
Obwohl sie Unternehmen grundsatzlich hohe Erfolgschancen bietet, weist auch die Marktsegmentierungsstrategie gewisse Grenzen auf. So erfordert sie meiirere, auf die jeweiligen Segmente abgestimmte, spezifische Marketing-Konzepte, was zwangslaufig mit erheblichem zeitiiciiem und finanziellem Aufwand verbunden ist. DariJber hinaus erschwert die segmentspezifische Produktdifferenzierung die iVIoglichkeit der Massenproduktion und den damit verbundenen Vorteilen. Da aus zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Grunden eine Bearbeitung aller Segmente oft nicht moglich ist, fuhrt die Auswahl bestimmter Teilmarkte letztlich zu einer Beschrankung der Marktabdeckung.^^ Konzentrieren sich segmentierende Unternehmen in diesem Zusammenhang nur auf einen oder sehr wenige Ausschnitte des Marktes, begeben sie sich in eine starke Abhangigkeit von der Marktsituation in den betreffenden Segmenten. Zur Risikostreuung bietet sich in solchen Fallen eventuell eine Kombination der Segmentierungsstrategie mit einer Diversifizierungsstrategie an.^oo Aufierdem ist noch auf zwei Gefahren hinzuweisen, die infolge unzureichend ausgearbeiteter Segmentierungskonzepte auftreten konnen. Wird ein Markt kijnstlich zu stark unterteilt, so spricht man von einer Oversegmentation. Abgesehen davon besteht noch die Gefahr, dass sich Unternehmen zu stark auf ein Segment konzentrieren und dabei gleichzeitig andere vernachlassigen. Durch diese Overconcentration wird letztlich Marktpotenzial verschenkt.^^^
Segmentierungskriterien und -ansatze Kriterien zur Segmentierung mussen bestimmte Bedingungen erfullen. In der Literatur werden ubiicherweise sechs Anforderungen an sie gestellt,^^^ dje u. a. dazu dienen, die Zweckmafiigkeit der Marktaufteilung zu gewahrleisten (vgl. Abbildung 1).^^^
99 Vgl. Pepe/s (1995), S. 127. 100 Vgl. B^nsch (1998), S. 89. '^01 Vgl.Bec/cer(2001), S. 291. ^02 Vgl. u. a. Prefer (1983), S. 43f. und Meffert {2000), S. 186f. 103 Vgl./We^eAt (2000), S. 186.
55
Anforderungen an Segmentierungskriterien Kaufverhaitensrelevanz
Messbarkeit (Operationalitat)
Erreichbarkeit bzw. Zuganglichkeit
Handlungsfahigkeit
Geeignete Indikatoren fur zukunftiges Kaufverhalten Messbar und erfassbar mit den vorhandenen Marktforschungsmethoden Gewahrleistung einer gezielten Ansprache der gebildeten Segmente Gewahrleistung des gezielten Einsatzes des Marketinginstrumentariums
Wirtschaftiichkeit
Nutzen der Erhebung sollte groRer sein als die dafur anfallenden Kosten
Zeitliche Stabilitat
Langerfristige Gultigkeit der mittels der Kriterien erhobenen Informationen
Abbildung 1: Anforderungen an
Segmentierungskriterien''^^
Die geographische Segmentierung gilt als die alteste Form der Marktsegmentierung.^^5 Dies ist zum einen auf die raumliche Verteilung der Bevolkerung zuruckzufuhren und zum anderen darauf, dass sich in bestimmten Regionen eine eigenstandige Kultur mit spezifischen Verhaltensmustem entwickelt. ^^^ Daruber hinaus konnen auch klimatische Bedingungen einen Einfluss auf das Kaufverhalten haben.^'o^ Die klassische geographische Segmentierung unterteilt den Markt in verschledene regionale Einheiten.^^^ Der Vorteil des geographischen Segmentierungsansatzes liegt in erster Linie in der leichten Verfugbarkeit der benotigten Daten. Eine Segmentierung nach geographischen Kriterien erscheint vor allem bei Produktgruppen sinnvoll, bei denen spezlfische regionale Praferenzen der Kaufer zu erkennen sind. Somit bietet dieser Segmentierungsansatz durchaus wertvolle Anregungen fur die Konzeption regionaler Marketingprogramme, was allerdings so nur fur eine
^04 vgl. Meffert {2000), S. 186ff. 105 Vgl. Bagozzi et al. (2000), 8. 304. 106 Vgl. Prefer (1983), S. 52. 107 Vgl. Bagozzi et al. (2000), 8. 304. 108 Vgl. Kotler/Bliemel (2001), 8. 432. Grofle international agierende Unternehmen segmentieren haufig nach Landern oder grofleren geographischen Regionen. Tendenziell widmen sie inzwischen aber auch den geographischen Einheiten innerhalb eines Landes mehr Aufmerksamkeit (vgl. z. B. Bagozzi et al. 2000, 8. 304). Dies konnen u. a. Bundeslander, 8tadte, Landkreise oder Gemeinden sein. Fur den deutschen Markt wird haufig die bekannte Einteilung in Nielsen-Gebiete herangezogen (vgl. hierzu Meffert 2000 8. 189f.). Dieses Konzept des Marktforschungsinstitutes ACNielsen unterteilt das Bundesgebiet in Regionen, die sich an den Bundeslandern orientieren. Daruber hinaus werden auch die bedeutsamsten Ballungsraume berucksichtigt und separat betrachtet (vgl. www.acnielsen.de).
56
sehr begrenzte Anzahl von Produktgruppen gjlt.^^^ Eine weitere Form der klassischen Segmentierung stellt neben dem geographischen Ansatz die soziodemographische Segmentierung dar.^^^ Hierbei unterscheidet man ubiichen/veise zwischen demographischen und soziookonomischen Kriterien (vgl. Abbildung 2). Soziodemographische Segmentierungskriterien Soziookonomische Kriterien
Demographische Kriterien •
Geschlecht
•
Schulabschluss
Alter
•
Ausbildung Beruf
•
Familienstand
•
Anzahl und Alter der Kinder
•
Einkommen
•
Haushaltsgrofie
•
Staatsangehorigkeit
•
Religionszugehdrigkeit
Abbildung 2: Soziodemographische
Segmentierungskriterien'^'^'^
Die soziodemographische Segmentierung bedient sich Populationscharakteristika zur Abgrenzung von Konsumentengruppen. Sie geht von einer starken Korrelation der Konsumpraferenzen mit den von ihr eingesetzten Variablen aus.^^2 Soziodemographischen Kriterien fallt im Rahmen der IVIarktsegmentierung quasi eine Schlusseirolle zu. Selbst in den Fallen, in denen nur Segmentierungskriterien aus anderen Kategorien zum Einsatz kommen, werden sie zur Beschreibung gebildeter Segmente herangezogen.^^^ Der Hauptvorteil des soziodemographischen Segmentierungsansatzes liegt In der leichten Erfass- und Messbarkeit der Kriterien.^^"^ Allerdings beinhalten sie keine direkten Informationen in Bezug auf Praferenzen und Motive der Kaufer. Sie sagen daher nur sehr begrenzt etwas uber Gewohnheiten, Einstellungen und Werte der Nachfrager aus.^^^ Aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Relevanz zur Prognose des Kaufverhaltens sowie ihrer eingeschrankten Aussagefahigkeit im Hinblick auf die Gestaltung des '^^^ Vgl. Vossebein (2000), S. 23f. Aulierdem stellt die makrogeographische Segmentierung lediglich einen indirekten bzw. groben Bezug zum tatsachlichen Kaufverhalten her (vgl. Meffert 2000, 8. 189). Folglich liefert eine ausschliefllich nach geographischen Gesichtspunkten durchgefuhrte Segmentierung nur relativ begrenzte Informationen daruber, inwieweit reale Unterschiede hinsichtlich der Einstellungen, Werte und PrSferenzen von Kunden bestehen (vgl. Bagozzi et al. 2000, S. 304). ^^0 Vgl. Srtvns (2000), S. 50. ^^^ Vgl. Meffert (2000), 8. 188 und Vossebein (2000), 8. 25. ^^2 Vgl. Bagozzi etal. (2000), 8. 300. ^^^ Vgl. Bagozzi et al. (2000), 8. 300. Sie ermoglichen u. a. Einschatzungen im Hinblick auf die Marktgrdde und die Erreichbarkeit der Nachfrager fvgl. Kotleret al. 2003, 8. 456). "^^"^ Zudem gelten die Segmentierungsergebnisse als zeitlich stabil (vgl. Meffert 2000, 8. 194). ^^5 Vgl. Bagozzi etal. (2000), 8. 300.
57
Marketinginstrumentariums verliert der ausschlieliliche Einsatz soziodemographischer Segmentierungskriterien zunehmend an Bedeutung. Stattdessen werden sie verstarkt mit Kriterien aus anderen Kategorien kombiniert.^^^ Der psychographische Segmentierung bezweckt die Definition von Kaufergruppen anhand von Merkmalen, die zur Bildung gleichartiger, psychisch verwandter Gruppierungen fuhren.^^^ Psychographische Kriterien tragen somit u. a. der Tatsache Rechnung, dass Individuen trotz ihrer Zugehorigkeit zur gleichen demographischen Gruppierung teilweise vollig unterschiedliche Ansichten und Einstellungen haben konnen.^^^ Nach wie vor besteht allerdings keine einheitliche Auffassung^^^ darijber, welche Merkmale man nun konkret unter dem Begriff der psychographischen Segmentierung zusammenfasst.^20 Dennoch lasst sich diesbezuglich zumindest eine grundsatzliche Untergliederung in allgemeine Personlichkeitsmerkmale^^y un^ ppoduktspezifische IVIerkmale vornehmen (vgl. Abbildung 3). Insbesondere die produktspezifischen Variablen der psychographischen Segmentierung lassen konkretere Aussagen im Hinblick auf das tatsachliche Konsumverhalten zu.^22 Einzelne IVIotive stellen ebenfalls einen konkreteren Bezug zum Kaufverhalten her. iViotive sind jedoch durchaus auch in Bezug auf die Markenwahl von Bedeutung, und zwar dann, wenn gewisse Marken einer Produktart in unterschiedlich hohem IVIafle dafur geeignet sind, bestimmte Bedurfnisse zu befriedigen.^23 |n diesem Zusammenhang spielen auch Praferenzen eine mafigebliche Rolle. Ein Konsument bewertet verschiedene Produkte und entwickelt dabei Praferenzen fur eine bestimmte Mar-
^^^ Vgl. Meffert (2000), S. 194f. ^^7 Vgl. 8ec/cer(2001), S.255f. ^^S Vgl. Kotleret al. (2003), S. 459. ^^9 So sind z. B. bei Bohler (1977, S. 83ff.), Freter (1983, S. 58ff.) und Kotler/Bliemel (2001, S. 438ff.) jeweils unterschiedliche Systematisierungen der Segmentierung nach psychographischen Kriterien zu finden. ^20 Vgl. Bec/cer (2001), S. 256. ^2^ Die Personlichkeit eines Menschen spiegelt sich in Charakterzugen wie Kontaktfahigkeit, Ehrgeiz Oder Risikofreude wider. Allerdings sind derartige Merkmale nur schwer messbar. Abgesehen davon ist ihr Bezug zum Kaufverhalten eher gering (vgl. Bohler ^977, S. 85ff. und Meffert 2000, S. 199). Allgemeine Einstellungen bilden ebenfalls keine besonders gute Ausgangsbasis fur verlassliche Prognosen hinsichtlich eines bestimmten Kaufverhaltens (vgl. Meffert 2000, S. 196). ^22 Dementsprechend bieten sie bessere Anhaltspunkte fur die Ausgestaltung des Marketinginstrumentariums. Sie konnen fur bestimmte Produktgruppen oder Produkte erhoben werden (vgl. G/er/1989, S. 766ff.). ^23 Vgl. Freter (1983), S. 61. Grundsatzlich ist es auch moglich, Konsumenten mit ahniichen produktspezifischen Wahrnehmungen zu Segmenten zusammenzufassen. Dies bietet sich insbesondere bei einer Aufteilung des Marktes anhand von Idealmarkenvorstellungen an. Letztere spiegein die subjektiven Kombinationen von als ideal empfundenen Eigenschaftsauspragungen wider (vgl. Freter 1983, S. 72).
58
ke.^24 Kaufabsichten konnen als letzte Vorstufe zur eigentlichen Kaufhandlung angesehen werden.^25 Psychographische Segmentierungskriterien Allgemeine Personlichkeitsmerkmale •
Soziale Orientierung
Produktspezifische Merkmale •
Spezifische Einstellungen Motive
•
Risikofreudigkeit
•
•
Allgemeine Einstellungen
•
Wahrnehmungen
•
Praferenzen
•
Kaufabsichten
Abbildung 3: Psychographische
Segmentierungskriterien^^^
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Kaufverhaltensrelevanz produktspezifischer psychographischer Merkmale wesentlich hoher einzuschatzen ist als die von allgemeinen Personlichkeitsmerkmalen. Gleiches gilt fur die Aussagekraft in Bezug auf die Gestaltung des Marketinginstrumentariums. Es darf aber nicht aufier Acht gelassen werden, dass die Messung psychographischer Kriterien nicht unproblematisch ist und in der Regel relativ aufwandige Primarerhebungen erfordert.^27 Wahrend geographische, soziodemographische und psychographische Segmentierungskriterien lediglich Hintergrundcharakteristika der Nachfrager beschreiben.^^s spiegein verhaltensorientierte Segmentierungskriterien das Ergebnis von Kaufentscheidungsprozessen wider. Analog zu den vier Marketinginstrumenten lasst sich bei diesem Segmentierungsansatz eine Untergliederung in produkt-, preis-, kommunikations-, und vertriebsbezogene Merkmale vornehmen (vgl. Abbildung 4).^29
^24 Vgl. Kotler/Bliemel (2001), S. 360f. ^25 Vg\.Howard/Sheth {^969),S.4^6. ^26 ^27 ^28 ^29
Vgl. Prefer (1983), S. 46 und l^effert (2000), S. 188. Vgl. Bec/cer (2001), S.292f. Vgl. Bagozzi et al. (2000), S. 299. Vgl. Prefer (1983), S. 87.
59
Verhaltensorientierte Segmentierungskriterien
Produktwahl
Preisverhalten
•
Kaufer/Nichtkaufer der Produktart
•
Markenwahl
'
Kaufvolumen
•
Preisklassen
'
Reaktion auf Sonderangebote Art und Zahl der Medien
Mediennutzung
Intensitat der Nutzung Betriebsformen
Wahl der Einkaufsstatten
GeschaftstreueZ-wechsel
Abbildung 4: Verhaltensorientierte
Segmentierungskriterien^^^
Im Hinblick auf die Produktwahl werden insbesondere drei Aspekte beleuchtet. Zunachst einmal ist von Interesse, ob Verbraucher bestimmte Produktarten kaufen Oder nicht. Mogliche Ansatzpunkte zur Marktsegmentierung in Bezug auf die Markenwahl konnen Markenkaufer bestimmter Marken oder Konsumenten von Marken bestimmter Marktschichten wie Premiummarken sein. Ein weiterer relevanter Aspekt ist das Kaufvolumen oder die Verbrauchsintensitat.^^^ EIne verhaltensorientierte Segmentierung bietet sich auch Im Hinblick auf das Preisverhalten an. Von Interesse sind hier insbesondere Parameter wie der Kauf in gewissen Preisklassen oder die Reaktion von Konsumenten auf Sonderangebote.^^2 Mittels einer Analyse im Hinblick auf Art und Anzahl der verwendeten Medien sowie deren Nutzungsintensitat konnen Werbetrager gezielt fur die verschiedenen Teilsegmente festgelegt werden. ^^^ Relevante Kriterien im Hinblick auf die Einkaufsstattenwahl sind in erster
^^0 In Aniehnung an Freter (1983), S. 46. ^^"^ Darunter versteht man die Kaufmenge, die Konsumenten inneriiaib eines bestimmten Zeitraums im Durciischnitt kaufen bzw. verbrauciien. Anhand dieser Angaben lassen sie sich in bestimmte Segmente wie Viel-, Normal- oder Wenig-Kaufer gliedern (vgl. Freter 1983, S. 88ff. und Becker 2001.S. 270ff.). "^^2 Allerdings mussen die ermittelten Ergebnisse zeitlich einigermaflen stabil sein, wenn daraus auf zukunftiges Kaufverhalten geschlossen werden soil (vgl. Meffert 2000, S. 210). Segmentierungen nach dem beobachtbaren Preisverhalten konnen sowohl produktbezogen als auch personenbezogen erfolgen. Ebenfalls denkbar ist eine Kombination beider Erfassungskonzepte (vgl. Bec/cer2001, 8.273). 133 \j\j\^^ daruber hinaus auch noch die interpersonelle Kommunikation beleuchtet, lasst sich zudem eine Unterteilung in Meinungsfuhrer und Meinungsfolger vornehmen (vgl. Vossebein 2000, S. 34).
60
Linie Praferenzen bezuglich bestimmter Betriebstypen sowie die Geschaftstreue.^^"^ Verhaltensorientierte Kriterien weisen im Grolien und Ganzen eine vergleichsweise hohe Kaufverhaltensrelevanz auf und sind zudem relativ leicht messbar. Letzteres trifft insbesondere auf die IVIediennutzung zu, fur die gute Sekundarstatistiken verfijgbar sind.^^^ Insgesamt gelten verhaltensorientierte Segmentierungen als wirtschaftiiciier als der psychographische Ansatz,^^^ erfassen allerdings die Entstehung von Kaufentscheidungsprozessen nicht.^^^ Im Folgenden werden nun die auf Basis der oben beschriebenen Segmentierungskriterien entwickelten Sonderformen aggregierter Segmentierung im B2C-Bereich vorgestellt. Sie zeigen auf, inwieweit Trennscharfe und Aussagekraft von Segmentierungen durch spezifische Kriterienkombinationen substanziell erhoht werden konnen. Das Konzept der sozialen Schichtung ist als Sonderfall der soziodemographischen Segmentierung anzusehen.^^^ Der sozialen Schichtung liegt ubiicherweise eine Kombination der soziookonomischen Kriterien Einkommen, Beruf und Ausbildung zugrunde.^3^ Obwohl soziale Schichten anhand der drei herangezogenen
^34 Oft werden sie in Verbindung mit psychographischen Merkmalen zur Bildung einer Einkaufsstattentypologie herangezogen (vgl. Heinemann 1989), da sich eine direkte Ansprache spezifischer Konsumentengruppen als sehr schwierig erweist, falls die Wahl der Einkaufsstatte als isoliertes Segmentierungskriterium zum Einsatz kommt (vgl. Vossebein 2000, S. 35). ^^5 Vgl. Prefer (1983), S.93ff. ^^^ Vgl. Becker (2001), S. 293. ^^^ Dementsprechend lassen sie meist keine RCickschlusse darauf zu, wie lange das beobachtete Kaufverhalten anhalt, da es keine Hinweise darauf gibt, welche der verwendeten Variablen darauf konkret Einfluss haben. Somit bietet der alleinige Einsatz verhaltensorientierter Kriterien nur eine eingeschrankte Aussagekraft zur Identifizierung homogener Segmente und gewahrleistet haufig deren gezielte Ansprache nicht. Als sinnvoller erweist sich daher der Einsatz verhaltensorientierter Merknnale in Verbindung mit Kriterien aus anderen Kategorien (vgl. Scharfet al. 1996, S. 60ff. und Meffert 2000, S. 210). "^38 Unter einer sozialen Schicht versteht man eine grolie Anzahl von Einzelpersonen oder Haushalten, die durch denselben sozialen Status sowie durch gleichartige Lebensumstande gekennzeichnet ist. Daraus abgeleitet unterstellt man eine weitgehende Einheitlichkeit bezuglich des Konsumverhaitens (vgl. Pepels 2000, S. 70). ^^^ Vgl. u. a. Meffert (2000), S. 193f. und Berekoven et al. (2004), S. 245. Konsumenten unterer Schichten zeichnen sich im Allgemeinen durch eine leichte Praferenz fiir preiswertere Geschafte mit sozialen Kontaktmoglichkeiten aus. Angehorige hoherer Schichten hingegen weisen gewohniich ein anderes Kaufverhalten auf. Sie informieren sich besser und entscheiden eher rationaler und uberlegter (vgl. Kuhlmanr) 2001, S. 1514f.).
61
Variablen relativ stabile homogene Gruppierungen verkorpern, verliert das Schichtenkonzept zunehmend an Bedeutung.^"^^ Eine weitere Sonderform der soziodemographischen Segmentierung stellt der so genannte Familien-Lebenszyklus 6ar.^^^ Gemafi dem Familien-Lebenszyklus wird das Leben von Konsumenten in mehrere Abschnitte unterteilt, denen jeweils ein spezifisches Konsumverhalten zugeordnet wird.^'^^ Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass die Stellung im Familien-Lebenszyklus stark mit dem Kauf bestimmter Produkte und Dienstleistungen korreliert, die in gewissen Lebensphasen verstarkt nachgefragt werden. Somit ist eine gewisse Aussagekraft im Hinblick auf Kaufe in der Produktart gegeben.^'^^ Wesentlich schwieriger ist allerdings eine trennscharfe Abgrenzung einzelner Segmente, die sich durch spezifische Bedurfnisse und unterschiedliche Reaktionen auf Marketing-Stimuli auszeichnen.^^^^ Analog zur sozialen Schichtung wird somit auch der Kaufverhaltensbezug dieses Konzepts dadurch eingeschrankt, dass lediglich Kriterien aus dem soziodemographischen Berelch zur Segmentbildung herangezogen werden. Die mikrogeographische Segmentierung ist eine Weiterentwicklung des herkommlichen makrogeographischen Segmentlerungsansatzes, der nur vage Bezuge zum Kaufverhalten herstellt^'^^ upd daher oft nicht aussagekraftig genug ist, um
^^^ Vgl. Becker (2001), S. 254. Fruher war es aufgrund eines viel starker ausgepragten Rollenverhaltens in der Gesellschaft wesentlich aussagekraftiger (vgl. Berekoven et al. 2004, S. 245). Das Verhalten von Konsumenten ist inzwischen jedoch verstarkt durch Individualisierungs- und Polarisierungstendenzen gekennzeichnet (vgl. Meffert 2000, S. 194) und insbesondere in nivellierten Mitteistandsgesellschaften weist die Schichtenzugehorigkeit einen eher geringen Bezug zu tatsachlichen Kaufhandlungen auf (vgl. Kuhlmann 2001, S. 1514f.). Somit fuhrt eine Segmentierung auf Basis der sozialen Schichtung oft zu Abgrenzungsproblemen und ermoglicht inzwischen nur noch selten die Bildung eindeutiger Marktsegmente zur Klassifizierung von Kaufern mit ahnlicher Lebensweise und gleichartigen Verhaltensmustern (vgl. Meffert 2000, S. 194). 'f^'f
Der Begriff Lebenszyklus bezeichnet den in mehrere Phasen eingeteilten Lebensablauf von Personen. Im vorliegenden Fall bildet die Familie das Bezugsobjekt fur diesen Lebensablauf (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 449f.). "^•^2 Der Familien-Lebenszyklus kombiniert mehrere demographische Merkmale zu einem Gesamtkonstrukt und macht dadurch Unterschiede im Kaufverhalten besser deutlich als eine herkommliche Segmentierung auf Basis einzelner soziodemographischer Angaben (vgl. Muller-Hagedorn 2001, S. 466). Als gSngige Kriterien werden hierfur der Familienstand, die Zahl der Kinder sowie das Alter der Haushaltsmitglieder bzw. Ehepartner herangezogen (vgl. u. a. Freter 1983, S. 54 und Meffert 2000, S. 193). Das Modell von Wells/Gubar (1966, S. 355ff.) unterscheidet z. B. neun Phasen im Familien-Lebenszyklus. ^^^ Vgl. Freter (1983), S. 55f. Dieser Zusammenhang ermoglicht bei vielen Produkten die Ableitung der Marktgrolie aus der Position von Personen im Familien-Lebenszyklus (vgl. Vossebein 2000, S. 27). '^^^ Vgl. Freter (1983), S. 56. Abgesehen davon wird die Aussagekraft dieses Segmentierungsansatzes zunehmend dadurch beeintrachtigt, dass immer mehr Verbraucher trotz unterschiedlicher Stellung im Familien-Lebenszyklus dasselbe Konsumverhalten hinsichtlich bestimmter Produktgruppen aufweisen (vgl. Vossebein 2000, S. 27f.). ^^5 Vgl. Me/feAt (2000), S. 189.
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eindeutig voneinander abgrenzbare Segmente zu erhalten. Die hinter dem mikrogeographischen Konzept stehende Grundidee ist die so genannte NeighbourhoodAffinitat, die von der Pramisse ausgeht, dass sich Personen mit ahnlichem Lebensstil und Sozialstatus sowie vergleichbarem Kaufverhalten raumlich konzentrieren.^'^^ Der mikrogeographische Segmentierungsansatz wurde in Deutschland in erster Linie fur Direktmarketing-Aktivitaten entwickelt,^'^'^ da Informationen uber (potenzielle) Kunden in diesem Bereicii die Grundlage fur die Segmentierung und Auswaiij von Zielgruppen bilden.^'^s IVIikrogeographische Konzepte konnen fur eine Vielzahl von Marketing-Aufgaben eingesetzt werden, u. a. fiir IVIarkt- und Kundenanalysen, fur Bewertungen von Interessenten und Kunden sowie zur Optimierung von Kommunikationsmafinahmen.^'^^ Ein professionell betriebenes Database-IVIarketing ist unabdingbare Voraussetzung fur eine erfoigreiciie iVIikrosegmentierung. Durch kontinuierliche Aktualisierung des Datenbestandes kann eine hinreichende Kaufwahrscheinlichkeit fur bestimmte Produkte vorliergesagt werden. Somit stellt die mikrogeographische Segmentierung einen wesentlich deutlicheren Bezug zum Kaufverhalten her als der herkommliche makrogeographische Ansatz und bietet dementsprechend auch sehr gute Anhaltspunkte fur einen gezielten Einsatz der IVlarketinginstrumente.^5^ Ihre Aussagekraft steigt dabei mit dem Grad der Feingliederung, mit der sich haufig auch der Homogenitatsgrad der einzelnen Segmente erhoht.^^t Der Haupt-
'^^^ Vgl. Meyer (1989), S. 343. Daher erfolgt im Rahmen dieses Segmentierungsansatzes eine raumiiciie Aufteilung der Endverbraucher in mciglichst kleine Wohngebietszeilen (vgl. Meffert 2000, S. 189). Zu diesem Zwecl< bildet man regionaie Bezugseinheiten wie Woiingebietstypen und konkretisiert sie mittels zusatziiciier demographischer und verhaltensorientierter Daten der Bewohner sowie Angaben uber die Ausstattung dieser geographischen Raume. Zur Gewinnung der hierfur benotigten informationen konnen neben Daten des Statistisciien Bundesamtes u. a. aucli Kundendaten von Telekommunikationsdiensten, Verlagen Oder Versandiiausern iierangezogen werden. Im Anschluss daran wird aus dem gesammelten Datenmaterial eine Regionaltypologie erstellt. Auch psychographische Daten aus Untersuchungen von Marktforschungsinstituten konnen hierfur mit berucksichtigt werden, denn je breiter das Spektrum an vorhandenen Informationen ist, desto besser lasst sich die Bevolkerung in den gebildeten Parzellen charakterisieren (vgl. Vossebein 2000, S. 127 und 130f. sowie Spintig 2001, S. 1128f.). Die Regionaltypologie kann mit unternehmensinternen Kundendaten kombiniert werden, so dass sich durch Zuordnung der Kunden zu Wohngebietstypen Ruckschlusse uber die Kundenverteilung innerhalb der Typologie Ziehen lassen (vgl. Meffert 2000, S. 191). Insgesamt bildet das mikrogeographische Konzept somit eine gute Ausgangsbasis zur „(...) optimalen Selektion von Zielgruppen durch die direkte und gezielte Bedienung derjenigen Gebiete Oder Adressen, in denen Kunden mit einem spezifischen Konsumverhalten zu erwarten sind" {Spintig 200^, S. 1129). ^^^ Vgl. Holland (1993), S. 83. ^"^^ Vgl. Holland (2000), S. 133. ^^^ Vgl. Holland (2000), S. 140ff. Bekannte Anbieter von Marketing-Dienstleistungen wie die Schober Information Group (www.schober.de), Acxiom Deutschland (www.acxiom.de) oder die AZ Direct GmbH (www.az-direct.com/site) fuhren umfangreiche Servicepakete zur Durchfuhrung mikrogeographischer Segmentierungen in ihrem Programm. ^50 Vgl. Meffert {2000), S. 189, 192. ^5^ Vgl. Martin (1993), S. 164ff.
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nachteil der mikrogeographischen Segmentierung ist jedoch der hohe erforderliche Aufwand in Bezug auf die Datenbeschaffung und -pfiege.^52 Das Lifestyle-Konzept beruht auf der Erkenntnis, dass die isolierte Verwendung psychographischer Segmentierungskriterien nur beschrankte Aussagen uber kaufrelevante Marktsegmente zulasst. Es knupft am Lebensstil der Konsumenten an,^53 der eine umfassende Beschreibung daruber liefert, wie Menschen ihr Leben fuhren, ihr Geld ausgeben und ihre Zeit verbringen-^^"^ Lifestyle-Untersuchungen basieren auf einem kaufertypologischen Ansatz, also der Beschreibung von Menschen anhand mehrerer Merkmale, so dass sich ahnelnde Konsumenten zu bestimmten Typen zusammengefasst werden konnen.^^s Derartige Typologien sind in erster Linie als Welterentwicklung der psychographischen Segmentierung zu verstehen.^^^ Die gangigen Kaufertypologien „(...) unterscheiden sich im wesentlichen durch die Kombination verschiedener Lebensstil-Merkmale sowie durch die Zielsetzung und das Aggregationsniveau der Typologie."^^^ Obwohl Lifestyle-Typologien in der Praxis grolien Anklang finden, existieren nur wenige etablierte Grundmodelle, die von Verlagen und Marktforschungsinstituten konzipiertwurden.^^^ Die so genannte Nutzensegmentierung (Benefit Segmentation) basiert auf dem Grundgedanken, dass das Kaufverhalten von den Nutzenerwartungen gelenkt wird,
^52 vgl. Vossebein (2000), S. 25. ^53 Vgl. Bec/cer (2001), S. 257. '^^^ Vgl. Freter (2001), S. 900. Zur Messung des Lebensstils existieren zwei unterschiedliche Vorgehensweisen. Einerseits kann er anhand der Produkte erfasst werden, die Personen erwerben. Dieses Konzept geht also davon aus, dass das Konsumverhalten die Personlichkeit und den Lebensstil von Verbrauchern widerspiegelt. Wesentlich bedeutsamer fOr Segmentierungszwecke ist allerdings der zweite Ansatz. Demnach verkOrpert der Lebensstil ein Beziehungssystem aus Aktivitaten, Interessen und Meinungen von Individuen (vgl. Frank et al. 1972, S. 58ff. und Wind/Green 1974, 8. 99ff.). ^55 Vgl. Bec/cer (2001), S. 257. ^^^ Vgl. Berekoven et al. (2004), 8. 245f. 8ie konnen jedoch - und dies ist in der Tat bei vielen neueren Typologie-Modellen auch der Fall - zus^tzlich demographische und verhaltensorientierte Variablen mit einbeziehen (vgl. Bec/cer 2001, 8. 258), wodurch sich ihre Aussagekraft deutlich erhohen lasst. ^^^ Meffert (2000), 8. 200. Der Bezugsrahmen des Lebensstilkonzepts kann dabei entweder allgemein gehalten Oder gezielt auf bestimmte Produktkategorien ausgerichtet sein. Dementsprechend unterscheidet nnan zwischen produktunabhangigen und produktbezogenen Typologien (vgl. Bec/cer 2001, S. 262ff.). Erstere bieten aufgrund der Verwendung produktunabhangiger Kriterien eine vergleichsweise hohe zeitliche Stabilitat, verfugen dafur aber nur uber eine eingeschrankte Kaufverhaltensrelevanz. Produktbezogene Typologien liefern hingegen detaillierte branchenspezifische Informationen, wahrend ihre Erhebungsergebnisse eine geringere zeitliche Stabilitat aufweisen, zumal auch Kaufmotive bei der Konzeption dieser Typologien eine bedeutsame Rolle spielen (vgl. Bauer etal. 2003, 8. 37ff.). 158 Vgl. Bauer et al (2003), S. 36ff.: Als Beispiele fur gangige Typologisierungsansatze lassen sich u. a. das 8inus Milieu-Modell von 8inus Sociovision, die Pkw-KSufer-Typoiogie von BauerMedia, die Euro-8ocio-8tyles der Gesellschaft fur Konsumforschung, die Typologie der Wunsche des Burda Advertising Center sowie die Outfit-5-Typologie des Spiegel-Verlags anfuhren.
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die Nachfrager im Hinblick auf ein bestimmtes Angebot hegen.^^p Der von (potenziellen) Kunden wahrgenommene Nutzen eines Produktes bzw. einer Dienstleistung wird dabei als Ausgangsbasis zur Bildung von Segmenten herangezogen.^^^ Indem sie unmittelbar an der Praferenzbildung der Konsumenten ansetzt, weist die Nutzensegmentierung einen vergleichsweise hohen Bezug zur Erklarung und Prognose des Kaufveriialtens auf^^^ und bietet dementsprechend auch wertvolle Anhaltspunkte fur einen zielgruppenspezifischen Einsatz des iVIarketinginstrumentariums.^^^ Ein auf NutzenenA/artungen beruhendes Segmentierungskonzept ermoglicht somit eine bessere Abstimmung des Angebots auf die Vorstellungen potenzieller Kaufer. Daruber hinaus konnen Unternehmen auch ihre Kommunikationspolitik gezielt auf den speziellen Nutzen ausrichten. Aufierdem lasst sich erkennen, inwieweit das eigene Produkt und die Angebote der Konkurrenz tatsachlich den Wunschen und Erwartungen der Kunden entspreciien.^^^ Ein weiteres Segmentierungskonzept ist der Single-Source-Ansatz auf Basis des Verbraucherpanels.^^^ Fur Segmentierungszwecke lassen sich im Rahmen des Verbraucherpanels verhaltensbezogene Variablen mit anderen Kriterienkategorien kombinieren, die gemafi dem Single-Source-Prinzip alle aus derselben Erhebungsquelle - also von den Panelteilnehmern - stammen. Gangige Verhaltensmerkmale sind in diesem Zusammenhang die Einkaufs- bzw. Verwendungsintensitat, das Markenwahlverhalten, das Preisverhalten, die Einkaufsstattenpraferenz und teilweise auch die Mediennutzung. Diese regeimafiig erhobenen Informationen lassen sich mit
^59 Vgl.Bec/cer(2001). S. 275f. ^^^ Vgl. Perrey/Holscher (2003), S. 8. Der Nutzen kann sich sowohl direkt auf Eigenschaften und Funktionen des Angebots beziehen als auch an das Gesamtimage und Prestige bestimmter Produkte gekoppelt sein (vgl. Bagozzi et al. 2000, S. 310). Die Nutzenmessung kann grundsatzlich auf zwei verschiedene Arten erfolgen. Der kompositionelle Ansatz erfasst den Gesamtnutzenwert auf Basis merkmalsspezifischer Einzelbeurteilungen, die anschlieflend addiert werden. Im Gegensatz dazu bilden bei der dekonnpositionellen Erfassungsweise Gesamtnutzenurteile den Ausgangspunkt. Aus diesen werden dann die Nutzenbeitrage der einzelnen Komponenten ermittelt (vgl. Gutsche 1995, S. 75). Kompositionelle Verfahren sind zwar vergleichsweise leicht anwendbar, weisen dafur allerdings erhebiiche Nachteile auf. Zum einen tendieren die Befragten dazu, ijbermafiig viele Eigenschaften als besonders wichtig zu beurteilen. Zum anderen wird der Prozess der Kaufentscheidung infolge isolierter Merkmalsbetrachtungen nicht realitatsnah abgebildet. Abgesehen davon berucksichtigt die kompositionelle Erfassungsweise keine Wahlentscheidungen zwischen konkurrierenden Angeboten (vgl. Balderjahn 1993, S. 76f. und Gutsche 1995, S. 76). Da mit dem dekompositionellen Ansatz die angefuhrten Nachteile weitgehend vermieden werden konnen, etabliert er sich nach und nach als Standardansatz zur Nutzenmessung (vgl. Meffert 2000, S. 205). ^^^ Vgl. Giyfsc/7e(1995), S. 4 1 . ^^2 Vgl. Meffert (2000), S. 207. ^^3 Vgl. Kotleret al. (2003), S. 463. '^^'^ Die Bezeichnung „Single Source" bedeutet, dass alle Informationen einer einzigen Quelle entnommen sind, da die gesamten Daten von Panelteilnehmern stammen (vgl. Berekoven et al. 2004, S. 250).
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den Strukturdaten der Panelteilnehmer koppeln.^^^ Aufgrund des Single-SourcePrinzips lasst sich vor allem sehr gut nachvollziehen, ob sich geaufierte Ejnstellungen und Meinungen der Panelteilnehmer tatsachlich in einem entsprechenden Kaufverhalten niederschlagen.^^® Panelerhebungen unterliegen jedoch auch gewissen Einschrankungen. Zum einen ist hier die so genannte Panelsterblichkeit zu nennen, zum anderen wirkt sich auch das Phanomen des Paneleffekts negativ auf die Aussagekraft des Single-SourceAnsatzes aus. Dariiber hinaus ist noch die Panelerstarrung anzufuhren.^^^ Aus diesen GriJnden bedurfen Panels regelmafllger und umfassender Kontrollen sowie kontinuierlicher Auffrischungen.^^^ Die Ausfuhrungen zu den Segmentierungsansatzen zeigen, dass Untemehmen zur Blldung von Marktsegmenten auf eine ganze Reihe unterschiedllcher Konzepte zurijckgreifen konnen. Besonders vielversprechend erscheinen dabei diejenigen Ansatze, die Segmentierungsknterien aus mehreren verschiedenen Kategorien miteinander kombinieren. Die dadurch erzielbare hohere Aussagekraft bringt jedoch auch mehr Aufwand mit sich. Regelmafiige Datenpflege und -aktualisierung ist daher fur eine erfolgreiche Nutzung spezieller Segmentierungskonzepte unverzichtbar, zumal insbesondere beim Einsatz verhaltenspsychologisch orientierter Ansatze wie Nutzen- Oder Lebensstil-Segmentierungen schon nach relativ kurzer Zeit mit einem Einstellungs- und Verhaltenswandel der Nachfrager zu rechnen ist.^^^ Weiterhin ist deutlich geworden, dass fortgeschrittene Segmentierungskonzepte haufig die Inanspruchnahme externer Dienstlelstungen erfordern. Nichtsdestotrotz ist es aber zur Generierung elgenen Know-hows unabdingbar, dass auch in den Unternehmen selbst adaquate Rahmenbedingungen fur Marktsegmentierungsaktivitaten geschaffen werden. In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die Bereitstellung von geeigneten Kundendatenbanken eine wichtige Rolle. Auf diese Weise verfugen Unternehmen nicht nur uber eine gute Ausgangsbasis fur ihren zukunftigen Markterfolg, sondern konnen sich so auch selbst einen besseren Uberblick uber Nutzen und
"^^^ Daruber hinaus konnen uber Paneleinfragen zusatzlich Auskunfte uber Einstellungen oder das Verbrauchs- und Verwendungsverhalten der Teilnehmer ermittelt werden. Durch die Verknupfung all dieser Daten bietet das Panel somit eine wertvolle Ausgangsbasis fur Erfolg versprechende Segmentierungsaktivitaten. ^^^ Vgl. Berekoven etal. (2004), S. 250. ^^^ Diese tritt im Laufe der Zeit aufgrund von Veranderungen soziodemographischer Merkmale wie Alter, Familienstand und Einkommen auf und fuhrt letztendlich dazu, dass die Panelstrichprobe nicht mehr der Grundgesanntheit entspricht und dadurch ihre statistische Reprasentativitat einbufit (vgl. Rogge 1981, S. 122ff. und Hansen 1982, S. 107ff.). ^^^ Vgl. Berekoven/Spintig (2001), S. 1243. ^^^ Vgl. eec/cer (2001), S. 291.
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Potenzial ihrer Segmentierungen verschaffen. Gleichzeitig reduzieren sie dadurch auflerdem ihre Abhangigkeit von extemen Dienstleistungsanbietern.
Stand der Forschung Im vorangegangenen Abschnitt zu den Segmentierungskriterien und -ansatzen^^^ wurde gezeigt, dass Unternehmen zur Bildung von Marktsegmenten viele verschiedene Moglichkeiten offen stehen. Ob diese Konzepte in der Untemehmenspraxis jedoch tatsachlich Verwendung finden, ist damit allerdings noch nicht geklart. Bis dato liegen nur wenige Forschungsergebnisse vor, die sich mit dem Segmentierungsveriiaiten von Unternehmen befasst haben. Exemplarisch werden im Folgenden die Arbeiten von Cross et al. (1990), Danneels (1996) und Sausen/Tomczak (2003) kurz vorgestellt.^^y Cross et al. (1990) konzentrieren sicii in ilirer Studie auf die praktische Umsetzung von Segmentierungsansatzen und berucksiclitigen in diesem Zusammenhang auch, dass die Unternehmensumwelt einen madgebiiciien Einfluss auf die verwendeten Segmentierungsansatze ausubt. Im Rahmen ihrer Untersuchung fuhren die Autoren 32 explorative Telefoninterviews mit Marketing- und Produktmanagern aus den Branchen KonsumgiJter, Investitionsguter sowie Dienstleistungsanbietern aus dem B2B- und B2C-Bereich durch. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Unternehmen unterschiedliche Schwerpunkte bei ihren Segmentierungsaktivitaten setzen, je nachdem, ob sie Outer oder Dienstleistungen anbieten bzw. dem B2B- oder dem B2C-Bereich zuzuordnen sind. So bilden im B2B-Bereich Firmencharakteristika (85%) und im B2C-Bereich demographische Merkmale (82%) die wichtigsten Segmentierungsvariablen. In Bezug auf die Kriterien zur Segmentbildung kommt der praktischen Durchfuhrbarkeit einer Marketingaktion insgesamt die groflte Bedeutung zu (77%). Als wichtigstes Kriterium zur Auswahl von Zielsegmenten dient insgesamt die Marktgrofie eines Segments (86%), wobei dieser Aspekt insbesondere bei Anbietern von B2B-Dienstleistungen mit einem Anteil von 93% eine uberragende Bedeutung einnimmt. Was die jeweilige Oestaltung des Marketing-Mix zur Bearbeitung der verschiedenen Segmente betrifft, zeigt sich, dass spezifische Werbebotschaften und -medien sowie segmentspezlfische Produkt- bzw. Dienstleistungsgestaltung in der Oesamtbetrachtung als wichtigste Komponenten der Kundenansprache gelten, wo-
"^^^ Auf die verschiedenen multivariaten Methoden zur Segmentierung von Markten wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Der interessierte Leser sei hierzu auf die einschiagige Literatur (z. B. Backhaus et al. 2003) verwiesen. ^^^ Weitere vergieiciibare Studien finden sich bei Meadows/Dibb (1998, S. 266ff.), Dibb/Simkin (2001, S. 609ff.) und Sausen (2003).
67
bei die Einzelwerte je nach Unternehmenskategorie stark voneinander abweichen. So ist ein segmentspezjfjsches Produkt- und Dienstleistungsangebot im B2CBereich wesentlich bedeutsamer als im B2B-Bereich. Die Autoren bemangein in ihrem Fazit u. a., dass die theoretischen Segmentierungsansatze den Einfluss der Unternehmensorganisation auf das Segmentierungsverhalten nicht erfassen und die Kosten fur die Verwendung der verschiedenen Ansatze von den Praktikern nur schwer abzuschatzen sind. Danneels (1996) analysiert das Segmentierungsverhalten im beigischen Bekleidungseinzelhandel. Zu diesem Zweck wurde eine Stichprobe von insgesamt 22 Einzelhandlern ausgewahlt. Die Durchfuhrung der Untersuchung erfolgte mittels teilstandardisierten Tiefeninterviews, in denen die Teilnehmer ihre Sichtweisen und Praktiken in Bezug auf IVlarktsegmentierungen darlegten. Die Ergebnisse zeigen, dass im beigischen Bekleidungseinzelhandel die Schritte Segmentierung, Zielmarktbestimmung und Positlonierung tendenziell nicht in einer chronologischen Abfolge stattfinden, sondern vielmehr im Rahmen eines iterativen Feedback-Prozesses miteinander verknijpft sind. Diese Erkenntnis trifft sowohl auf kleinere als auch auf grofiere Geschafte zu. So lauft beispielsweise die Gestaltung des Geschaftskonzepts bei den untersuchten Unternehmen sehr unkonventionell ab - im Gegensatz zum normativen Segmentierungsmodell fijhrte kein Unternehmen aus der Stichprobe vor der Entwicklung seines Geschaftskonzepts eine formale Segmentlerungsstudle durch. Auch die Definition der Zielmarkte erfolgt nicht nach einem bestimmten Schema. Grundsatzlich erkennen die Befragten zwar, dass sie nicht alle Kundengruppen bedienen konnen, eine genaue Festlegung auf bestimmte Zielgruppen findet jedoch in Regel nicht statt. Die Befragten fuhren als Begrundung an, dass sie ihren Absatz maximieren wollten. Markt- und Segmentierungsforschung wird im beigischen Bekleidungseinzelhandel vor allem post hoc durchgefuhrt: Solange entworfene Geschaftskonzepte die erwunschten Umsatze bringen, werden derartige Aktivitaten nicht in Betracht gezogen. Danneels kritisierte abschliefiend die mangelnde Flexibilitat des klassischen wissenschaftlichen Segmentierungsmodells, das eine strikte Schrittfolge unterstellt, ohne dabei in Betracht zu Ziehen, dass praktisches Segmentierungsverhalten offenbar eher den Charakter eines kontinuierlichen Lern- und Verbesserungsprozesses aufweist, der im direkten Gegensatz zu einem chronologischen Vorgehen steht. Die Studie von Sausen/Tomczak (2003) tragt wie die Studie von Cross et al. (1990) der Tatsache Rechnung, dass die Segmentierungsaktivitaten stark vom Umfeld des jeweiligen Unternehmens gepragt sind. Die Autoren untersuchen - getrennt nach den Branchen Dienstleistungen, Konsumguter und Handel/Distribution - das Segmentierungsverhalten von Schweizer Unternehmen. Die Untersuchungsziele fokussieren auf die Vorgehensweise bei der Segmentbildung sowie die Kriterien zur Seg68
mentierungsbewertung. Die Autoren wahlen die Erhebungsmethode der schriftlichen Befragung und erhalten Antworten von 62 Fuhrungskraften aus den Bereiclien Marketing und Vertrieb. Im Ergebnis zeigt sich, dass je nach Branche unterschiedliche Schwerpunkte bei der Marktsegmentierung gesetzt werden. So ist zu konstatieren, dass Konsumguterhersteller tendenziell intensiver segmentieren als Dienstleistungs- und Handelsunternehmen. Des Weiteren wird deutlich, dass alle Unternehmen die Segmentierungsmoglichkeiten nur in begrenztenn Mafie ausschopfen. Nur 69% der untersuchten Schweizer Dienstleistungsunternehmen setzen geographische Kriterien zur Marktsegmentierung ein, 56% von ihnen verwenden verhaltensorientierte Kriterien; der Methode der sozialen Schichtung bedienen sich 42%. Psychographisciie Merkmale werden im Konsumguterbereich wesentlich intensiver genutzt als in den beiden anderen untersuchten Branchen. Sausen/ Tomczak nehmen hier jeweils eine differenziertere Abstufung vor, indem sie zwischen allgemeinen und produktbezogenen Kriterien unterschieden. 79% der Schweizer Konsumguterhersteller setzen produktbezogene und 29% allgemeine psychographische Merkmale ein. Insgesamt ist festzuhalten, dass sich nur sehr wenige Studien mit Fragestellungen praktischer Marktsegmentierungen auseinandersetzen. Grundsatzlich besteht also weiterhin erheblicher Forschungsbedarf auf dem Gebiet der Segmentierungspraxis. Speziell fur den deutschen Markt liegen nach Kenntnis der Autoren bislang noch keine derartigen Untersuchungen vor. Dies ist umso kritischer als die vorgestellten Studien darauf hin deuten, dass sich die Vorgehensweise bei der Segmentierung je nach Geographie und betrachteter Branche doch deutlich unterscheiden kann. Der vorliegende Beitrag liefert mit seiner Untersuchung des Segmentierungsverhaltens deutscher B2C-Unternehmen einen ersten Ansatz, diese Forschungslucke zu schliefien.
Feldstudie In Aniehnung an die von Sausen/Tomczak (2003) durchgefuhrte Studie zum Stand der Marktsegmentierung in Schweizer Unternehmen untersuchen die Autoren in Deutschland ansasslge Konsumguterhersteller und Dienstleistungsunternehmen in Bezug auf gangige Segmentierungskriterien und -ansatze sowie die praktische Bedeutung multivariater Methoden zur Marktsegmentierung. Dieser Theorie-PraxisVergleich soil Aufschluss uber das Segmentierungsverhalten im deutschen B2C-Bereich geben und zielt diesbezuglich auch darauf ab, ungenutztes Segmentierungspotenzial zu identiflzieren. Als Erhebungsmethode wird aus Grunden der Erhebungsokonomie die schriftliche Befragung per E-Mail gewahlt. Abbildung 5 gibt einen Uberblick uber die Befragungsschwerpunkte. 69
Zwischen dem 12. und 25. April 2005 wurde der Fragebogen per E-Mail an 509 in Deutschland ansassige Konsumguter- und Dienstleistungsuntemehmen aus verschiedenen Branchen^'^2 verschickt. Die Rucklaufquote betrug 11,2%.^^^ Von den Teilnehmern an der Umfrage gehoren uber 84,2% der Konsumguterindustrie und knapp 15,8% der Dienstleistungsbranche an; fast 59,7% der befragten Unternehmen beschaftigen zwischen 50 und 1.000 und 31,5% der befragten Unternehmen beschaftigen mehr als 1.000 Personen; die restlichen 8,8% Prozent entfallen auf Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern. Befragungsschwerpunkte
Einsatz von Segmentierungskriterien
Einsatz spezieller Segmentierungsansatze
Einsatz muitivariater Methoden
•
Verwendung geographischer, soziodemographischer, psychographischer und verhaltensorientierter Segmentierungskriterien
•
Art und Anzahl der in der Praxis verwendeten Kriterienkategorien
•
Verwendung von sozialer Schichtung, Fannilien-Lebenszyklus, mikrogeographischer Segmentierung, Lifestyle-Typologien, Nutzensegmentierung und Single-Source-Ansatzen
•
Verwendung von Faktorenanalyse, Clusteranaiyse, Multidimensionaler Skalierung, Neuronalen Netzen, Kontrastgruppenanalyse, Diskriminanzanalyse und Conjoint Measurement
Abbildung 5: Befragungsschwerpunkte
Uber 85% der Befragten nehmen sowohl unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Dienstleistungen fur Segmentierungszwecke in Anspruch. Lediglich knapp 15% greifen ausschliefilich auf interne bzw. externe Dienste zuruck.
"^^2 Dje untersuchten Branchen umfassen Automobil, Elektro- und HaushaltsgerSte, Haushaltswaren, Mobel, Telekommunikation, Photographie, Schuh- und Bekleidungsindustrie, Sport und Freizeit, Spielwaren, Zeitsciiriften und Verlage, alkoholfreie Getranke, Tee und Kaffee, Brauereiprodukte, Milchprodukte, Suflwaren und Snacks, Lebensmittel allgemein, Korperpflege und Kosmetik, Pharmaprodukte, Tourismus, Banken und Versicherungen. 173 Im Folgenden werden die Ergebnisse auf Basis der 57 beantworteten Fragebogen dargestellt.
70
Art der Dienstleistungen zur Segmentierung n = 55
47,3%
50% n
38.2%
40% 30% 20% -
9,1% 10%n% -
5,5%
1
1
Ausschliel^lich externe
Uberwiegend externe Uberwiegend interne Ausschlielilich interne
Abbildung 6: Art der Dienstleistungen zur Segmentierung
Diejenigen Untemehmen, die beide Arten von Dienstleistungen verwenden, haben bessere Voraussetzungen zur Durchfuhrung erfolgreicher Marktsegmentlerungen, da sie nicht nur eigenes Know-how einsetzen, sondern daruber hinaus auch die Kompetenz externer Anbieter fur ihre Segmentierungsaktivitaten nutzen. Durch eine bedarfsgerechte Kombination beider Arten von Serviceleistungen kann das Spektrum an Segmentierungsmoglichkeiten definitiv besser ausgeschopft werden als bei einseitiger Konzentration auf nur eine Dienstleistungsart. Auffallend hoch ist die praktische Relevanz soziodennographischer Segmentierungskriterien, die bei uber 80% der Befragten zum Einsatz kommen. Dieses Ergebnis unterstreicht den in der Fachliteratur hervorgehobenen hohen Stellenwert soziodennographischer Informationen, die in ihrer Zusatzfunktion als segmentbeschreibende Variablen auch dann herangezogen werden, wenn inn Endeffekt nach anderen Kriterien segmentlert wird. Mit ebenfalls uber 80% Nutzungshaufigkeit erfahren auch geographische Kriterien eine breite Anwendung In der Unternehmenspraxis. Im Gegensatz dazu setzt weniger als die Halfte der Umfrageteilnehmer psychographische Segmentierungskriterlen ein. Auch den verhaltensorientlerten Kriterien konnnnt in der Segmentierungspraxis im Vergleich zu geographischen und soziodemographischen Merkmalen eine eher untergeordnete Bedeutung zu - sie werden lediglich von knapp 55% der Befragten eingesetzt (vgl. Abbildung 7).
71
Einsatz von Segmentierungskriterien n = 57
100,00%!
80,00% -
60,00% -
40,00% -
82,5%
80.7%
Soziodemographische Kriterien
Geographische Kriterien
54,4% 45,6%
20,00%-
0,00% Verhaltensorientierte Kriterien
Psychographische Kriterien
Abbildung 7: Einsatz von Segmentierungskriterien
Die Frage nach der Art der verwendeten Segmentierungskriterien ermoglicht auch eine Analyse daruber, wie viele Kriterlenkategorien bei den befragten Unternehmen kombiniert zum Einsatz kommen. Die Auswertung ergibt, dass 54,4% mindestens drel Gruppen von Kriterien heranzlehen. 33,3% der Befragten verwenden zumindest zwei Kriteriengruppen, wahrend bei den restlichen 12,3% hochstens ein Segmentierungskriterium eingesetzt wird. Grundsatzlich zeigen diese Ergebnisse aber, dass die Mehrheit der Unternehmen nach mehreren verschiedenen Kriterlenkategorien segmentiert und dadurch die Mogllchkeit wahrnimmt, aussagekraftigere Segmentierungsresultate zu erzlelen. Bel den spezlellen Segmentlerungsansatzen erweist sich die (Llfestyle-)Typologie in der deutschen Unternehmenspraxis als der mit Abstand bedeutsamste Segmentierungsansatz. 73,7% der Befragten grelfen auf dieses Konzept zuruck.^74 An zweiter Stelle folgt der Single-Source-Ansatz mittels Verbraucherpanel mit einer Anwendungshauflgkeit von knapp 52,6%. Die sozlale Schichtung (49,1%) und der FamillenLebenszyklus (47,4%) werden Jewells fast ebenso haufig wie der Slngle-Source-
^^^ Dieser Wert ist vergleichbar mit den Ergebnissen von Drieseberg (1992, 8. 18ff.), der angibt, dass 96% der von ihm befragten Unternehmen Lifestyle-Typologien kennen und immerhin 76% diese auch fur ihre MarketingaktivitSten heranzlehen.
72
Ansatz fur Marktsegmentierungen herangezogen, obwohl die Aussagekraft beider Konzepte im Vergleich zu anderen Segmentierungsansatzen aufgrund der ausschliefilichen Verwendung soziodemographischer Kriterien vergleichsweise begrenzt jst. Erheblich weniger Anklang in der Praxis findet hingegen die Nutzensegmentierung, die lediglich 38,6% der Befragten einsetzen.^^s Auffallend gering ist die Nutzungshaufigkeit der mikrogeographischen Segmentierung, die bei lediglich 21,1% der Befragten zum Einsatz kommt (vgl. Abbildung 8). Im Hinblick auf die VenA/endung multivariater Analysemethoden ist zunachst einmal feststellen, dass die Clusteranalyse ihrer in der Literatur hervorgehobenen hohen Bedeutung fur Marktsegmentierungen gerecht wird - dieses Verfahren kommt bei 59,7% der Umfrageteilnehmer zum Einsatz. Eine vergleichsweise hohe Praxisrelevanz kommt auch der Faktorenanalyse zuteil, die bei 49,1% der Befragten Anwendung findet. Weitaus weniger verbreitet in der Segmentlerungspraxis sind hingegen die Multidimensionale Skalierung sowie das Conjoint Measurement. Beide Methoden werden jeweils von lediglich 22,8% der Umfrageteilnehmer verwendet.^''^ Noch weniger Anklang in der Segmentlerungspraxis finden die Kontrastgruppenanalyse (15,8%) und die Diskriminanzanalyse (14,0%). Die mit Abstand geringste praktische Bedeutung unter den abgefragten multivariaten Analysemethoden weisen allerdings Neuronale Netze auf (5,3%).
'^^^ Dieses Ergebnis bestatigt die von Perrey/Holscher (2003), S. 8 angefijhrte „(...) Praxiszuruckhaltung in der Anwendung nutzenorientierter Segmentierungskonzepte (...)". Die Autoren fuhren als Begrundung hierfijr u. a. die Schwierigkeit einer vollstandigen und validen Erfassung des Kundennutzens an und weisen in diesem Zusammeniiang darauf hin, dass Nutzensegmentierungen oft wenig konkret und damit zu abstrakt seien. Dies verhindere eine Einbeziehung der Segmentierungsergebnisse in Strategien und Mafinahmen zur Marktbearbeitung (vgl. Perrey/ Holscher 2003, S.dff.). ^^^
Die geringe praktische Bedeutung der Conjoint Analyse bestatigt auch die Aussagen von Perrey/Holscher (2003, 8. 9), die die hohe Komplexitat der verschiedenen Conjoint-Verfahren kritisieren, die dazu fuhrt, dass Unternehmen aus Zeit- und Kostengriinden haufig auf deren Einsatz verzichten.
73
Einsatz spezielle r Segmentierungsansatze n = 57
100% 90% 80% • 70% • 60% 50% 40% 30% -
73,7% 52,6%
20% -
47,4%
38,6%
49,1%
21,1%
10% 0% Verbrauch erpanel
Nutzensegmentierung
(Lifestyle -) Typologien
Abbildung 8: Einsatz spezieller
Mikrogeographische Segmentlerung
FamilienLebenszyklus
Soziale 1 Schichtung 1
Segmentierungsansatze
Die Auswertung macht somit deutlich, dass multivariate Analysemethoden - abgesehen von der Faktoren- und der Clusteranalyse - in der Praxis nur selten fur Segmentierungszwecke eingesetzt werden. Tendenziell erfolgt der Einsatz dieser Verfaiiren in grofieren Unternehmen, wie die Befragung zeigt. Grunde fur die zuruckiiaitende Nutzung dieser Verfaiiren konnten u. a. Vorbeiiaite gegenuber mathematischen Darstellungen oder mangelnde Kenntnisse der iVIethoden und ihrer Moglichkeiten sein, wie Backhaus et al. (2003, S. 2) anfuhren.
74
Verwendung multivariater Methoden zur Marktsegmentierung n = 57
100% -
80%59,7% 60%-
49,1%
40%22,8%
22,8% 14,0%
20%-
15,8% 5,3%
1 1
0% •
Conjoint
Diskriminanz-
Kontrast-
Neuronale
Multidi-
Ouster-
Faktoren-
Measurennent
analyse
gruppen-
Netze
nnensionale
analyse
analyse
analyse
Skalierung
Abbildung 9: Verwendung multivariater Methoden zur
Marktsegmentierung
Fazit Untemehmen sehen sich heutzutage enormen Herausforderungen bei der Sicherstellung ihres Markterfolges gegenuber. Markt- und Kundenorientierung spielt hierbei eine immer wichtigere Rolle. Marktsegmentierung ist eine unabdingbare Voraussetzung fur Untemehmen, ihr Kundenverstandnis zu optimieren. Unternehmen steht zur Bildung von Marktsegmenten eine ganze Reihe unterschiedlicher Konzepte zur Verfugung. Besonders vielversprechend erscheinen dabei diejenigen Ansatze, die Segmentierungskriterien aus mehreren verschiedenen Kategorien miteinander kombinieren. Zur Umsetzung dieser Konzepte in der Unternehmenspraxis liegen bislang nur relativ wenige Forschungsarbeiten vor. Der vorliegende Beitrag liefert erste Erkenntnisse uber das Segmentierungsverhalten von B2C-Unternehmen in Deutschland. Die Analyse zeigt, dass die Mehrheit der in der Fachliteratur als bedeutsam beschriebenen Kriterien, Ansatze und multivariaten Methoden zur Marktsegmentierung im B2C-Bereich grundsatzlich auch in der Praxis oft zum Einsatz kommt. Nichts-
75
destotrotz liegt definitiv noch erhebliches Segmentierungspotenzial brach. Wahrend die Anwendung der gangigen Segmentierungskriterien inzwischen verhaltnismaflig weit verbreitet ist, kommen in der Fachliteratur als sehr aussagekraftig gelobte Ansatze wie die Nutzensegmentierung Oder die mikrogeographische Segmentierung in der Unternehmenspraxis dagegen vergleichsweise selten zum Einsatz. Das groftte ungenutzte Potenzial wurde jedoch im Bereich der multivariaten Analysemethoden identifiziert. Abgeselien von der Cluster- und der Faktorenanalyse spielen derartige Verfahren in der Segmentierungspraxis kaunn eine Rolle. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind gefordert, den notwendigen Transfer in die Unternehmenspraxis zu leisten. Mogliche Grunde fur den zurijckhaitenden praktischen Einsatz bestimmter Kriterienkategorien, Segmentierungsansatze und multivariater Analysemetiioden sind im Rahmen zukunftiger Forschungsarbeiten zum Thema zu klaren.
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78
Kundenzufriedenheitsmessung bei Low-lnvolvement-Produkten Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Vor der Liberalisierung des Strom ma rktes 1998 war die deutsche ElektrJzitatswirtschaft durch monopolistische Versorgungsstrukturen gekennzeichnet. Energieversorgungsunternehmen hatten fur vertraglich abgegrenzte Versorgungsgebiete das alleinige Recht, aber auch die Pflicht einer sicheren und moglichst kostengunstigen Versorgung. Es wurde zwischen den Mitgliedsstaaten der Europaischen Union immer wieder diskutiert, den Energiemarkt fur den Wettbewerb zu offnen. Im Dezember 1996 konnte dann durch die Richtlinie „betreffend gemeinsame Vorschriften fur den Elektrizitatsbinnenmarkt" Einigung erzielt werden. Sie wurde in Deutschland am 29.April 1998 durch eine Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes umgesetzt. Ziel dieser Richtlinie war die Einfuhrung weitreichender Wettbewerbselemente. So konnten beispielsweise Stromkunden von nun an den Anbieter frei wahlen.^^'' Durch die Liberalisierung werden Fragen zu Kundenbindung und Kundenzufriedenheit auch fur Energieversorger relevant. Die Tatsache, dass das Produkt Strom den Low-lnvolvement-Gutern zuzuordnen ist,^''^ hat Implikationen fur die Entstehung und insbesondere die Messung von Kundenzufriedenheit. Eine Analyse der in der Literatur gebrauchlichen Messtechniken zeigt, dass sie den Charakteristika des Low-lnvolvement-Produkts Strom nicht in alien Berelchen gerecht werden. Aus diesem Grund werden im Folgenden alternative Vorgehensweisen untersucht. Hierzu wird zunachst eine Zufrledenheitsstudie mit privaten Stromkunden durchgefuhrt. Auf Grundlage dieser Analyse wird dann die Messeignung verschiedener Skalen diskutiert.
Probleme der Messung von Kundenzufriedenheit mit dem Produkt Strom In der Literatur sind zahlreiche Instrumente zur Erfassung von Kundenzufriedenheit zu flnden.^79 ES besteht jedoch weitgehende Ubereinstimmung, dass eine valide Messung nur subjektive Verfahren gewahrleisten konnen. Aus diesem Grund werden diese im Folgenden kurz eriautert. Subjektive Verfahren ermittein die interindividuell unterschiedlich ausgepragte Zufriedenheit. Es werden somit keine direkt beobachtbaren Grolien, sondern das vom Kunden empfundene Zufriedenheitsurteil erfasst.^^^ Besondere Aufmerksamkeit gehort in diesem Bereich den expllziten Verfahren. Die^^7 Vgl. Fritz/Konig (2000), S. 3ff. ^^S Vgl. Bakay (2003), S. 57ff. ^''^ Vgl. Ka/ser(2002), S. 108ff. ^^^ Vgl. Homburg/Rudolph (1998), S. 48.
79
se beinhalten die direkte Befragung der Kunden.^^^ Es wird dabei in eindimensionale und mehrdimensionale (multiattributive) Techniken unterschieden: Eindimensionale Verfahren erfassen die Kundenzufriedenheit mit nur einer Frage. Daraus resultiert ein globales Kundenurteil. Problematisch hierbei ist, dass diese IVIesstechnik keinerlei Handlungsempfehlungen fur das Untemehmen zulasst.^^^ ^yf der anderen Seite konnen durch die Messung der Globalzufriedenheit - vorausgesetzt die Messung wird wiederholt durchgefuhrt - Veranderungen im Zeitablauf beobachtet werden. Auf die Erhebung der Globalzufriedenheit sollte demzufolge nicht verzichtet werden, zumal das Wissen urn eine Veranderung dieser Grofie in der Praxis einen hohen Stellenwert hat.^^^ Demgegenuber steht die multiattributive Messung von Kundenzufriedenheit. Hierbei werden Zufriedenheitswerte zu einzelnen Leistungsattributen eines Unternehmens erhoben. Fur das Ableiten konkreter Handlungsempfehlungen aus der Zufriedenheitsanalyse sind Kenntnisse hinsichtlich der Bedeutung der einzelnen Leistungsparameter unverzichtbar. Aus diesem Grund sollte Im Rahmen eines Zweikomponentenansatzes die Wichtigkeit der Teilleistungen separat erfragt werden.^^"^ Die Anwendung der multiattributiven Messtechnik im Strommarkt erscheint jedoch nicht unproblematisch. Bel Low-lnvolvement-Gutern stutzen Kunden ihr Zufriedenheitsurteil in der Regel auf sehr wenige Teilleistungen.^^^ Ein weiteres wichtiges Problem der Kundenzufriedenheitsmessung im Strommarkt ist die mangelnde kognitive Beschaftigung vieler Stromkunden mit dem Produkt. Aus diesem Grund wird die Zufriedenheitsanalyse in dieser Studie um alternative Modelle erweitert. Auf diesem Weg sollen den Befragten konkrete Anhaltspunkte fur eine bessere Produktbeurteilung gegeben werden. •
(Un-)Zufriedenheit entsteht durch die (Nicht-)Erfullung von Erwartungen: Diese Uberlegung basiert auf dem in der Kundenzufriedenheitsforschung viel beachteten Confirmation/Disconfirmation-Paradigma. Diese Theorie beinhaltet einen Vergleichsprozess zwischen der subjektiv wahrgenommenen Leistung (Ist-Leistung) und einem Vergleichsstandard (Soll-Leistung). Hierbei werden vor allem Erwartungen als Anspruchsniveau angenommen. Entspricht die Leistung dem gewahlten Anspruch, resultiert Zufriedenheit, ebenso bei posi-
^^^ Vgl. Werner {^998), S. 150. ^^2 Vgl. Topfer (1999), S. 307. ^^2 Vgl. Scharioth (1995), S. 3 1 . ^^^ Vgl. Topfer (1999), 8. 317. ^^^ Vgl. Matzler (1997), 8. 211. Diesem Sachverhalt wird jedoch eine Messung im Rahmen eines Zweikomponentenansatzes gerecht. Auf diesem Weg konnen die entscheidenden Leistungsattribute identifiziert werden.
80
tiver Diskonfirmation. Eine negative Erwartungsdiskonfirmation bewirkt hingegen Unzufriedenheit.^s^ •
(Un-)Zufriedenheit resultiert aus einer gefuhlsbetonten Einschatzung: Kundenzufriedenheit wird als affektive Reaktion auf ein wahrgenommenes Konsumerlebnis verstanden.^^^ Dieses Modell stellt somit die emotionale Komponente der Zufriedenheit in den Vordergrund.
•
(Un-)Zufriedenheit entsteht durch das Abwagen von Vor- und Nachteilen gegenuber alternativen Anbietern: Dieses Modell beinhaltet einen rationalen Vergleich zwischen verschiedenen Stromversorgungsunternehnnen.
Studiendesign und Ergebnisse Die Erhebung wird mittels eines strukturierten Fragebogens durchgefuhrt. Dieser umfasst zunachst eine traditionelle Globalbeurteilung. Des Weiteren werden globale Zufriedenheitswerte im Rahmen der vorgestellten alternativen Modelle erhoben. Hierzu werden funfstufige Ratingskalen einschliefilich einer „kann ich nicht beurteilen"-Kategorie verwendet.^^^ Die Erfassung der ennotional gepragten Zufriedenheit erfolgt durch die Kunin-Skala, eine affektiv-grafische Skala zur Messung von Kundenzufriedenheit.^^9 Im zweiten Abschnitt des Fragebogens wird die Zufriedenheit mit einzelnen Teilleistungen eines Stronnversorgers multiattributiv erfasst. Parallel erfolgt hier die Abfrage der Wichtigkeit jedes Leistungsnnerkmals im SInne des Zweikomponentenansatzes. Anschlieftend wird ermlttelt, welche Zufriedenheitsmodelle fur die Beurteilung der einzelnen Teilleistungen angenommen werden konnen. Hierzu werden die Befragten gebeten, bel jedem Leistungsattribut ihre Bewertungsgrundlage anzugeben. Analog zu Abschnitt eins konnen sie neben der „keine Angabe"-Kategorie zwischen der Erwartungsdiskonfirmation, der gefuhlsbetonten Einschatzung und der Beurteilung durch einen rationalen Vergleich wahlen. Der Abschnitt Soziodemographika umfasst Fragen nach Geschlecht und Alter, sowie eine Frage zum Beschaftigungsverhaltnis. Die Datenerhebung erfolgte im August 2003. Es wurden 170 Fragebogen an Privathaushalte versandt, nach Ausschluss der fehlerhaft oder unvollstandig beantworteten Bogen bilden 100 die Datenbasis. Die Stichprobe ist durch folgende soziodemographische Struktur gekennzeichnet: An der Befragung haben uberwiegend Manner
^^^ Vgl. Homburg/Rudolph (1998), S. 38.
^^7 Vgl. 0//Ver (1989), S. Iff. ^^^ Die Entscheidung fur eine ungerade Skala basiert auf der Uberlegung, den Befragten auch ein Urteil der Indifferenz zu ermoglichen. ^S9 Vgl. Matzler/Bailom (1999), S. 171.
81
teilgenommen (76%). Die Altersverteilung zeigt eine hohe Konzentration auf die Altersklasse von 30 bis 59 Jahre (73%). Weitere 18% der Probanden sind alter als 59 Jahre, 9% sind zwischen 20 und 29 Jahre alt. Der Grofiteil der Befragten befindet sich in einem Angestelltenverhaltnis (50%). Weitere 22% der Teilnehmer arbeiten selbststandig. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass aufgrund der typischen Stichprobenauswahl keinerlei Anspruch auf Reprasentativitat erhoben werden kann. Die Haufigkeitsverteilung der traditionellen Globalfragestellung zeigt, dass die Befragten im Durchschnitt mit ihrem Stromversorger zufrieden sind. Es wurde ein arithmetischer Mittelwert von 2,20 bei einer Standardabweichung von 0,622 berechnet. Die Analyse der Frage, wie die Probanden ihren Anbieter im Vergleich zu ihren Erwartungen einschatzen, zeigt ein anderes Bild. Uber drei Viertel der Befragten beurteilen ihren Versorger als „ungefahr so wie erwartet". Der Mittelwert dieser Verteilung liegt bei 2,93 bei vergleichsweise geringer Standardabweichung von 0,416. Die Struktur der emotionalen Beurteilung ist durch eine hohere Streuung gekennzeichnet.^^o 40% der Befragten geben hier die mittlere Antwortkategorie an. Dies kann als neutrales Empfinden interpretiert werden. 47% haben hingegen ihrem Stromversorger gegenuber eher positive Gefiihle. Dies ergibt einen arithmetischen Mittelwert von 2,53. Bei der vierten Globalfrage nach dem Ausmafi wahrgenommener Vor- oder Nachteile gegenuber alternativen Anbietern liegt der Modus der Verteilung bei der mittleren Kategorle. 49% der Befragten sehen hier weder Vor- noch Nachteile. Der arithmetische Mittelwert betragt 2,77.^^^ Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass durch die vier Fragestellungen deutlich unterscheidbare Zufriedenheitsverteilungen auf globaler Ebene zu Stande kamen. Fur die korrekte Interpretation der Kundenzufriedenheit mit dem Produkt Strom gilt es nun, die geeignete Skala zu identifizieren. Hierzu werden zunachst die Bewertungsgrundlagen der einzelnen Teilleistungen untersucht, anschliefiend wird die globale Eignung der Fragestellungen diskutiert. Die Zufriedenheit mit den einzelnen Leistungsparametern wurde multiattributiv erfasst. GemaB dem Zweikomponentenansatz wurde parallel dazu die Bedeutung der Teilleistungen erfragt. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1, geordnet nach der geauderten Wichtigkeit, dargestellt.
s = 0,705. 191 s = 0,851.
82
Leistung Zuverlassigkeit der Versorgung Korrektheit der Stromrechnung Preis-Leistungsverhaltnis Zugige Bearbeitung von Beschwerden Erreichbarkeit des Ansprechpartners Verstandlichkeit der Tarifmodelle Informationen zum Stromsparen Beratungsqualitat Freundlichkeit des Ansprechpartners Image des Versorgers
n 100 97 92 52 85 93 95 76 73 79
Zufriedenheit Streuung Mitteiwert 0,764 1,61 2,02 0,790 2.88 0,823 2,62 0,796 0,854 2,48 0,827 2,89 1,020 3,49 0,873 2,89 2,37 0,717 2,56 0,655
Abbildung 1: Zufriedenheit mit den einzelnen
Bedeutung Streuung Mitteiwert 0,545 1,19 1,25 0,479 1,68 0,723 1,97 0,969 1,98 0,932 0,772 1,99 2,16 1,032 2,22 0.949 2,32 0,942 3,29 1,149
Leistungsparametern
Bei der Betrachtung der Wichtigkeit der Teilleistungen wird deutlich, dass die zuverlassige Stromversorgung und die Korrektheit der Stromrechnung den groftten wahrgenonnmenen Stellenwert haben. Aufgrund der sehr geringen Streuung lasst sich festhalten, dass diese Aspekte sehr einheitlich als die Kernleistungen eines Stromversorgers erkannt werden. Die Analyse der Bewertungsgrundlagen dieser Leistungsattribute ist in Abbildung 2 dargestellt. Leistung
Zuverlassiglceit der Versorgung
Korrel^theit der Stromreclinung
Bewertungsgrundlage
Prozentsatz
(Nicht-) Erfullung von Erwartungen
63%
Abwagen von Vor- und Nachteilen
14%
Gefuhlsbetonte Einschatzung
22%
Keine Angabe
1%
(Nicht-) Erfullung von Erwartungen
76%
Abwagen von Vor- und Nachteilen
11%
Gefuhlsbetonte Einschatzung
8%
Keine Angabe
5%
(Nicht-) Erfullung von Erwartungen
22%
Abwagen von Vor- und Nachteilen
55%
Gefuhlsbetonte Einschatzung
18%
Keine Angabe
5%
Preis-Leistungsverhaitnis
Abbildung 2: Analyse der Bewertungsgrundlagen
Leistungsattribute
83
Bei diesen Leistungsattributen erkennt eine deutliche Mehrheit der Befragten die (NJcht-) Erfullung von Erwartungen als Grundlage fur das Zufriedenheitsurteil. Aus diesem Grund sollte die IVIessung der Zufriedenheit mit diesen Aspekten auch durch die Erhebung von Erwartungsabweichungen erfolgen. Auch dem Preis-Leistungsverhaltnis gehort ein sehr hoher Aufmerksamkeitswert. Die Verteilung der geauderten Bewertungsgrundlagen ist durch folgende Struktur gekennzeichnet: Es zeigt sich, dass die IVIehrzahl der Befragten hierbei durch ein Abwagen von Vor- und Nachteilen gegeniiber alternativen Anbietern zu ihrem Urteil gelangen. Vor dem Hintergrund, dass das Konsumentenverhalten in vielen Situationen von Preisvergleichen gepragt ist, erscheint die Abfrage wahrgenommener Vorund Nachteile als geeignete Skala zur Erfassung der Zufriedenheit mit diesem Leistungsaspekt. Bei den Teilleistungen im mittleren Bedeutungsbereich fallt die Entscheidung fur eine geeignete Skala schwer. Mit Ausnahme des Items „Beratungsqualitat" uberwiegt bei alien Aspekten die (Nicht-)Erfullung von Erwartungen als Bewertungsgrundlage. Jedoch ist keine klare Dominanz des Modells festzustellen. Insbesondere bei interaktionsbezogenen Teilleistungen, wie die Freundlichkeit der Angestellten und die Beratungsqualitat, geben etwa ein Drittel der Befragten an, ihr Urteil auf emotionaler Grundlage getroffen zu haben. Das Image eines Stromversorgers erfahrt von den Befragten nur geringe Bedeutung. Bei diesem Aspekt uberwiegt die gefuhlsbetonte Einschatzung als Bewertungsgrundlage (43%). 23% der Teilnehmer gelangen bei dieser Teilleistung durch einen ratlonalen Vergleich gegeniiber anderen Anbietern zu ihrem Urteil. Zusammenfassend lasst sich an dieser Stelle festhalten, dass fur eine umfassende Kundenzufriedenheitsanalyse im Rahmen des multiattributiven Ansatzes eine Kombination der Skalen erforderlich ist. Fur die wahrgenommenen Hauptleistungen eines Stromversorgers, die Versorgungssicherheit und die korrekte Abwicklung der Zahlungsmodalitaten, erscheint die Messung von Erwartungsabweichungen als geeignetes Instrument. Die Zufriedenheit mit Aspekten, die mit dem Preis des Produktes zusammenhangen, sollte hingegen durch die Erfassung wahrgenommener Vor- und Nachteile gegenuber anderen Unternehmen erhoben werden. Fur interaktionsbezogene Teilleistungen ist der hohe Stellenwert der gefuhlsbetonten Einschatzung zu beachten. Hierfur ware eine Kombination der Messung von Erwartungsabweichungen und der Messung der emotionalen Beurteilung denkbar. Die Zufriedenheit mit dem Image eines Versorgers kann durch eine emotional-affektive Skala wohl am besten erhoben werden.
84
Abschliefiend stellt sich die Frage nach einer geeigneten Globalskala. Aufgrund der Dominanz bei der Beurteilung der Teilleistungen erscheint hier zunachst die Messung von Erwartungsabweichungen geeignet. Es zeigte sich aber auch, dass einige Parameter deutlich auf anderem Weg beurteilt werden. Legt man der Analyse jedoch die Annaiime zugrunde, dass vor allem im Low-lnvolvement-Produktbereich die Befragten ihr Urteil auf nur sehr wenige Leistungsaspekte stutzen, erscheint es sinnvoll, die Teilleistungen mit dem hochsten Aufmerksamkeitswert zu betrachten. Fur die Leistungsparameter ..Versorgungssicherheit" und „Korrektheit der Stromrechnung" wurde deutlich die Erwartungsabweichung als Messinstrument identifiziert. Aus diesem Grund kann angenommen werden, dass eine solche Skala zur Globalbeurteilung den Charakteristika des Produkts Strom am ehesten gerecht wird.
Literatur Bakay, Z. (2003): Kundenbindung von Haushaltsstromkunden - Ermittlung zentraler Determinanten, Wiesbaden 2003. Fritz, WJKonig, S. (2000): Der liberalisierte Stromnnarkt. In: Kahmann, M./Konig, S. (Hrsg.): Wettbewerb im liberalisierten Strommarkt, Berlin et. al 2000, S. 3-25. Hamburg, Chr./Ruclolph, B. (1998): Theoretische Perspektiven zur Kundenzufriedenheit. In: Simon, H./1-lomburg, Chr. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 3. Auflage, Wiesbaden1998,S. 33-58. Kaiser, M. (2002): Erfolgsfaktor Kundenzufriedenheit: Dimensionen und Messmoglichkeiten, Berlin 2002. Matzler, K. (1997): Kundenzufriedenheit und Involvement, Wiesbaden 1997. Matzler, K./Bailom, F. (1999): Messung von Kundenzufriedenheit. In: IHinteriiuber, HJMatzler, K. (Hrsg.): Kundenorientierte Unternehmensfuhrung: Kundenorientierung - Kundenzufriedenheit Kundenbindung, Wiesbaden 1999, S. 151-184. Oliver, R. (1989): Processing of the Satisfaction Response in Consumption: A Suggested Framework and Research Propositions. In: Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behavior, Vol. 2, 1989, S. 1-16. Scharioth, J. (1995): Messung der Kundenzufriedenheit: Zwolf goldene Regeln. In: Gablers Magazin, 1995, Heft 1,S. 31-33. Topfer, A. (1999): Die Analyseverfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. In: Topfer, A. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit messen und steigern, 2. Auflage, Neuwied et al. 1999, S. 299-370. Werner, H. (1998): Merkmalsorientierte Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit. In: Simon, H./Homburg, Chr. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 3. Auflage, Wiesbaden 1998, S. 145-164.
85
Kundenzufriedenheitsmessung mittels Mystery Shopping Diana-Nadine Bohm/ Christian FischI/ Carsten Rennliak Steigender Wettbewerbsdruck, Sattigungserscheinungen des Marktes und ein hohes Anspruchsniveau der Kunden stellen fur viele Untemehmen aktuelle Herausforderungen dar. „Der Wettbewerb in Handel, Gastronomie und Dienstleistung ist gnadenlos. Viele Produkte sind weitgehend standardisiert, die Kunden immer schwerer zu fassen".^92 per Aufbau und die Gestaltung der Beziehungen zum Kunden sind zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor geworden. Die Qualitat von Service und Dienstleistung steht meist unter besonderer Beobachtung und kann daher einen direkt wahrnehmbaren und ausschlaggebenden Wettbewerbsvorteil fur das Unternehmen bedeuten. Das Produktangebot allein reicht nicht mehr aus, urn Kunden an das Unternehmen zu binden; Fokus ist vielmehr das Denken in Kundenproblemen und die optimale Befriedigung samtlicher Kundenbedurfnisse.^^^ Da eine Differenzierung der Angebote fur den Kunden kaum noch erkennbar ist, kommt der Servicequalitat am Point of Sales eine erhebliche Bedeutung zu. Der Kunde erwartet nicht nur ein bedarfsgerechtes Leistungsangebot, sondern auch zuvorkommende und qualitativ hochwertige Bedienung und Beratung. Diese personlichen Kontaktpunkte Oder „moments of truth" spielen eine entscheidende Rolle.^^"^ Wenn es nun darum geht, Zufriedenheit und Praferenzen von Kunden zu erforschen, bietet die klassische Marktforschung mit Kundenbefragungen, Fokusgruppen etc. ideale Methoden an. Soil allerdings die Qualitat des Kundenkontakts selbst, also die Qualitat der Beratung, Betreuung und die am Point of Sales gelebte Kundenorientierung erfasst werden, helfen diese Methoden nicht weiter. Doch gerade in diesem Bereich wird der Vertriebserfolg realisiert - Oder eben nicht. Urn diesen Erfolg zu maximieren, setzen viele Unternehmen auf die Einfuhrung von Service Standards, urn ihren MItarbeitern Leitfaden fur den optimalen Umgang mit dem Kunden zu geben. „Wenn die Augenblicke der Wahrheit unkontrolliert verstreichen, verkummert die Servicequalitat zu Mittelma(iigkeit."^95 pur Unternehmen ist die kontinuierliche Uberprufung der Servicequalitat somit besonders kritlsch. In den USA ist das Thema Mystery Shopping schon seit langerem vor allem bei groflen Unternehmen wie McDonald's Oder Toys "R" Us etabliert. In diesem Beitrag mochten wir mit „Mystery Shopping"
^92 vgl. Dostert (2005). S. 28. ^^^ Vgl. Simon/Homburg (1998), S. 17ff. ^9^ Vgl. Degies (1992), S.85f. ^95 Albrecht/Zemke (1987), S. 34.
87
eine hierfur geeignete Methode darstellen, die „in Deutschland stark im Kommen isf.^96
Mystery Shopping - Was ist das? „Unter Mystery Shopping^^^ versteht man eine verdeckt teilnehnnende Beobachtung, durch die subjektiv wahrgenommene Sachverhaite nnoglichst objektiv erfasst werden. Bezogen auf eine Kaufsituation heifit das, dass ein Testkaufer, der fur den Verkaufer nicht als solcher zu erkennen ist, Interesse am Kauf eines Produktes bzw. Dienstleistung simuliert und sich diesbezuglich beraten lasst. Auf diese Weise vollzieht sich eine quasi-reale Verkaufssituation, die man durch die Befragung des IVIystery Shoppers und/oder apparativ erheben kann/'^^s Wahrend mittels Kundenzufriedenheitsanalysen die subjektive Kundenzufriedenheit gemessen werden soli, zielt IVIystery Shopping auf die Messung der objektiven Servicequalitat ab (vgl. Abbildung 1).
Objektive Servicequalitat
Subjektive Kundenzufriedenheit
Mystery Shopping
Kundenzufrledenlieitsbefragung
Abbildung 1: Abgrenzung Mystery Shopping und
Kundenzufhedenlieitsanalyse
^^^ Vgl. Dostert (2005), S. 28. ^^^ Synonym werden auch die Bezeichnungen ..Secret Shopping", ..Phantom Shopping". ..Mystery Consumer". ..Anonymous Consumer Shoppers", ..Silent Shopper", ..Mystery Customer Research", ..ScheinkSufe". ..Kontrollkaufe" und ..Testkunden" verwendet (vgl. Drees/Schiller 2003, S. 161). ^^S Haas (2002), S. 279.
88
Kundenzufriedenheitsbefragungen basieren meist auf Kundenwahrnehmungen und konnen somit die Qualitat der Dienstleistung objektiv nur verzerrt erfassen. In die subjektive Zufriedenheit des Kunden gehen nicht nur die objektiven Leistungen, sondern auch das iangfristig gepragte Image und bestlmmte Erwartungshaltungen gegenijber dem Unternehmen ein. Diese Einstellungen sind stark von der Auflendarstellung des Unternehmens sowie Entwicklungen des Marktes und der Gesellschaft abhangig. Die fijr die Durchfuhrung von Mystery Shopping speziell geschulten Mystery Shopperi99 versuchen entweder personlich Oder telefonisch eine Momentaufnahme zu erheben und Hinweise auf Verbesserungsmoglichkeiten in der Leistungserstellung zu bekommen.200 Mittels Mystery Shopping kann eine Reihe unterschiedlicher Z\e\e^oi verfolgt werden: •
Uberprijfung von Service- und Qualitatsstandards,
•
Ermittlung von Schwachstellen und Verbesserungspotential,
•
Benchmarking mit Unternehmen der eigenen oder fremder Branchen oder
•
Sensibilisierung und Motivation von Mitarbeitern zu kundenorientiertem Verhalten.
Mystery Shopping Untersuchungen konnen als personliche Testkaufe (Mystery Shopping i.e.S.), telefonische Testkaufe (Mystery Calls), schriftliche Testkaufe oder internet-basierende Testkaufe (Mystery E-Shopping) durchgefuhrt werden.202 So sind schriftliche Tests beispielsweise Beschwerdebriefe oder Bestellungen, in denen Abwicklungs- und Kommunikationsqualitat getestet werden. Im Falle einer telefonischen Analyse werden sowohl die Erreichbarkeit als auch die Kommunikation bezuglich Freundlichkeit und Hoflichkeit uberpruft. Neben der schriftllchen und der telefonischen Erhebung hat die personliche Erhebung die grofite Bedeutung, da hier nicht nur Kommunikationsaspekte, sondern auch Kompetenzaspekte evaluiert werden konnen. Die Erscheinungsformen des Mystery Shopping richten sich Im Wesentlichen nach den Anforderungen, die an die Tester gestellt werden.203 Diesbezuglich kann zwischen drei Arten von Mystery Shoppern unterschleden werden: Checker,
'^^^ Die speziell geschulten Testkaufer, auch „Mystery Clients" genannt, agieren meist im Auftrag von Marktforschungsinstituten und spezialisierten Agenturen und treten verdeckt als Dienstleistungskunden auf, wobei sie eine reale Kauf- oder Beratungssituation simulieren. Im Anschluss werden diese Situationen anhand von Fragebogen bewertet und analysiert, was Mangel im Leistungserstellungsprozess ersichtlich machen soil. 200 vgl. Hohner/Schaper {2004), S. 33. 20t Vgl. Platzek (1997), S. 364f. 202 Vgl. Kt7^neAt/RaAT7me(1998). S. 71ff. ^^3 Vgl. Drees/Schiller {2003), S. 162.
89
Experten und Kunden. Checker sind autorisierte Mitarbeiter, die als Silent Shopper entweder unternehmensintern oder als Wettbewerbstester eingesetzt werden, urn ihre Kollegen bzw. Mitbewerber anonym beobachten und bewerten zu konnen.^o^ Als problematisch erweist sich jedoch, dass sich Checker im Zweifelsfall nicht wie Durchschnittskunden verhalten, deren En/vartungen falsch einschatzen und somit das Untersuchungsziel verzerren konnen. Externe Shopper, die in Bereichen eingesetzt werden, in denen eine erhebliche fachliche Kompetenz zur Uberprufung der Servicequalitat notig ist, werden Experten genannt.205 Prinzipiell setzen diese, ahnlich wie die Checker, andere Maflstabe als der durchschnittliche Kunde. Urn den Verzerrungen durch den Einsatz von Checkern und Experten entgegenzuwirken, kann die Untersuchung mittels tatsachlicher Kunden durchgefuhrt werden.206
Vorgehen beim Mystery Shopping Der Ablauf eines Mystery Shopping-Projekts lasst sich in funf Teilphasen untergliedern (vgl. Abblldung 2).
Problemdefinition
Erstellung Beobachtungskatalog
Auswahl und Schuiung Tester
Datenerhebung
Auswertung Ergebnisse
• Konkretisierung des Untersuchungsziels • Festlegung der Untersuchungsorganisation • Operationalisierung • Erstellung Stichprobenplan
• Feinabstimmung Zielgruppen • Produkt- und Prozess-Schulung
• Durchfijhrung Mystery Shopping • Messung Servicequalitat
• Auswertung Datenmaterial • Ableitung Handlungsempfehlungen
^ ^ ^ - - - ^ - - ^ ^ ^ Abbildung 2: Projektablauf Mystery Shopping
204 Vgl. Drees/ScMer (2003), S. 162. 205 Vgl. Drees/Schiller {200Z), S. 162f. 206 Vgl. /ngo/d (1994), S. 132.
90
Wahrend der ersten Phase ist es wichtig, das zu untersuchende Problem im Detail zu definieren und entsprechende UntersuchungszJele abzuleiten. Die ermittelten Ziele mussen dann in einem Zielkatalog festgehalten werden. Aus den Untersuchungszielen wird ein Beobachtungskatalog abgeleitet, dessen GiJte die Erkenntnisqualitat bestimnnt.207 Dazu werden die definierten Untersuchungsziele in messbare Indikatoren uberfuhrt. Im Stichprobenplan werden die Anzahl der Scheinkaufe, die Anzahl der Filialen und der Zeitraum, in dem das Mystery Shopping durchgefuhrt wird, festgelegt.208 in der dritten Phase erfolgt die Auswahl und Schulung der Testpersonen. Hierbei ist entscheidend, dass die Testpersonen dem Anforderungsprofil und der relevanten Zielgruppe des Auftraggebers entsprechen. Ferner sind kommunikative Fahigkeiten, Auftreten und Authentizitat fur eine adaquate Untersuchung unerlasslich. Im nachsten Schritt, der eigentlichen Simulation, werden die Daten erhoben. Die Testpersonen verhalten sich so, wie es die im Voraus definierte Sachlage vorgibt.209 Unmittelbar nach Verlassen des Shops wird der Beobachtungskatalog ausgefullt. Dies gewahrleistet eine genauere Protokollierung der Daten. In der abschllefienden Phase werden die Daten analysiert, ausgewertet und ein Ergebnisbericht erstellt. Mit Hilfe der gewonnenen Ergebnisse ist es nun moglich, innerbetriebliche Vergleiche, Vergleiche mit Wettbewerbern oder Zeitrelhenanalysen durchzufuhren.2^0
Grenzen des Mystery Shopping Mystery Shopping ist ein hervorragendes Instrument, um die Servicequalitat objektiv messen zu konnen.^^^ Mystery Shopping generiert handfeste Ergebnisse bezuglich der Zielerreichung, bietet eine klare Beurteilungsgrundlage aufgrund vorher definierter Standards und ermoglicht die Aufdeckung von Optlmierungspotenzialen.2^2 Mystery Shopping fungiert daruber hinaus auch als Motivationsinstrument, da Mitarbeiter in der Regel im Vorfeld einer Studie von derselben in Kenntnis gesetzt werden und sich somit generell engagierter verhalten. Eine eindeutige kundenspezifische Positionierung und fundierte analytische Detailkenntnisse der Kunden liefert die mogliche Verbindung von Mystery Shopping und Kundenzufriedenheitsun-
207 Vgl.Hess/er (1999), 3 . 6 1 . 208 vgl. Hohner/Schaper {2004), S. 34. 209 Vgl. Hohner/Schaper {2004), S. 34. 2^0 Vgl. Drees/Schiller {2003), S. 171. 2^^ Vgl. ESOMAR (1990). 2^2 Vgl. Platzek (1997), 8. 366.
91
tersuchungen.2^3 Mystery Shopping ist somit in Verbindung mit professionellem Qualitats- und Produktmanagement sowie Kundenzufriedenheitsanalysen ein zentraler Erfolgsfaktor. Mystery Shopping birgt allerdings auch eine Reihe von problematischen Aspekten, diese konnen inhaltlicher, formaler oder ethisch-rechtlicher Natur sein.^^^ Die Vollstandigkeit der Messung wird durch die mangelnde Erfassung des nonverbalen Verhaltens der Verkaufer erschwert.2^5 Zudem ist Mystery Shopping nicht in der Lage, die subjektive Wichtigkeit einzelner Kriterien aus Kundensicht zu erfassen. Dementsprechend sind beide Instrumente erganzend anzuwenden, urn alle Dimensionen der Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen zu erforschen. Aus formaler Sicht ergeben sich Grenzen im Hinblick auf Objektivitat, Reliabllitat und Validitat.2^6 Rechtliche und ethische Hemmnisse erschweren den Einsatz von Mystery Shopping ebenfalls. Entschliefit sich ein Unternehmen, Scheinkaufe durchzufuhren, ist z. B. fur die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsatze fur Mitarbeiter die Zustimmung des Betriebsrates notwendig.^^^ Daruber hinaus werden ethische und geschaftliche Restriktionen im internationalen Kodex fur die Praxis der Markt- und Sozialforschung und in den Richtlinien zur Durchfuhrung von Scheinkaufen regiementiert.^^s Als instrument des Qualitatscontrollings liefert Mystery Shopping Daten fur eine objektive Analyse der Prozesse an der Kundenschnittstelle, um daraus gezielt kundenorientierte Verbesserungen ableiten zu konnen. Mystery Shopping stellt somit eine optimale Erganzung zu der Kundenzufriedenheitsbefragung dar, bei der die subjektive Qualitatswahrnehmung der Kunden im Fokus steht. Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass professionell eingesetztes Mystery Shopping eine effektive Moglichkelt zur Kontrolle der Servicequalitat bietet. Jedoch ist ein kontinuierlicher Einsatz fur eine nachhaltige Optimierung und Sicherstellung der Servicequalitat notwendig. Ein einmaliger Einsatz im Sinne eines Einzelprojekts kann allenfalls punktuell auf Verbesserungspotenziale hinweisen.
2^3 vgl. Hohner/Schaper {2004), S. 36. 214 2^5 216 2^7" 218
92
Vgl. Haas (2002), 8. 279ff. Mystery Shopping bietet z. B. keine Ansatze zur Messung der Gesichts- und Korpersprache. Vgl. P/afze/c(1997), 8. 366. Gemafl § 94 Betriebsverfassungsgesetz. Vgl ESOMAR {^994).
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93
Treiber der Zufriedenheit von Stromkunden Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Die Analyse der Kundenzufriedenheit gilt bereits seit vielen Jahren als wichtige Fragestellung der marketingorientierten Konsumentenforschung. In vielen Landern haben sich Instrunnente zur regelnnafligen Erfassung der Kundenzufriedenheit etabliert; Kundenzufriedenheit gilt gemeinhin als ein zentraler Bestandteil des kundenorientierten Marketingmanagements. Mit Beginn der Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland spielte naturgemali auch fur neue und etablierte Anbieter das Thema Kundenzufriedenheit eine wichtige Rolle. Aus Branchenstudien ist bekannt, dass die hochsten Zufriedenheitswerte v.a. bei der Versorgungssicherheit erreicht werden.2^9 Vergleichsweise niedrige Werte erreichen Stromversorger z. B. in den Bereichen Problembearbeitung, Umweltberatung und Unnweltschutz.220 Bedeutet ein besonders gutes Ergebnis beim Leistungsattribut „Zuverlassigkeit", dass der Kunde ein hochst motivierter, treuer Kunde ist? Lohnt es sich (zu) niedrige Zufriedenheitswerte ijber spezielle Mafinahmen bewusst anzugehen? Gibt es Unterschiede zwischen gewechselten und nicht-gewechselten Kunden? Diesen und ahnlichen Fragen widnnet sich der vorliegende Beitrag. Insbesondere gilt es zu ermittein, welche Zufriedenheit stiftenden Merkmale besonders geeignet sind, im Rahmen von Kunden bezogenen Mafinahmen beeinflusst zu werden.
Problemstellung Allgemein ergibt sich die hohe Bedeutung der Kundenzufriedenheit aufgrund ihrer in zahllosen empirischen Untersuchungen nachgewiesenen - verstarkenden Wirkung auf nachgelagerte Aspekte wie z. B. die Kundenbindung und die Loyalitat.22^ Gemafl aktuellen Forschungserkenntnissen spielt dabei vor allem die ubergrelfend wirkende Gesamtzufriedenheit eine ausschlaggebende Rolle.222 Diese wird wiederum in entscheidendem Mafle von der Zufriedenheit mit einzelnen Leistungsmerkmalen bestimnnt.223 Als Besonderheit ist dabei im Strommarkt zu beachten, dass sich der Kunde voraussichtlich nur am Rande fur die eigentliche Kernleistung interessiert.224 Entsprechend
2^9 2. B. ServiceBarometer AG (2001), 8. 4. 220 2. B. VDEW {2000), S. 17ff. 22^ z. B. Garbarino/Johnson (1999), S. 74; l/Va/fer(1997), S. 267. ^^^ Ba/cay(2003), S. 67ff. 2^3 Peter (1997), S. 170ff. 22"^ ea/cay(2003), S. 57ff.
95
hat der Abnehmer haufig nur diffuse Vorstellungen uber einzelne Leistungen,225 was umgekehrt dazu fuhrt, dass der Zusammenhang zwischen der Gesamtzufriedenheit und Einzelzufriedenheiten moglicherweise relativ schwach ausgepragt ist bzw. dass nur sehr wenige Leistungen als Treiber der Gesamtzufriedenheit wahrgenommen werden. Zur Identifizierung tatsachlich bedeutsamer Zufriedenheitstreiber bedarf es demnach gerade im Strommarkt der Analyse von Zusammenhangen zwischen Einzelzufriedenheiten und der Gesamtzufriedenheit.
Aufbau der Studio Datenbasis dieser Untersuchung ist eine bundesweite telefonische Befragung von 591 Haushalten aus dem Jahr 2002. Aus dem breiten Spektrum moglicher Leistungsattribute zur Erfassung der Kundenzufriedenheit wurden 10 Items selektiert, denen nach Expertenmeinung eine besonders hohe Bedeutung im Strommarkt zukommt. Bei der Analyse der Befragungsergebnisse wurde zwischen internen (nur neuer Vertrag) und externen (neuer Versorger) Wechslern sowie Verharrern (weder neuer Vertrag noch neuer Versorger) differenziert.226 Diese Unterscheidung soil dazu beitragen, die voraussichtlich etwas klareren Meinungsbilder bereits gewechselter Kundensegmente herauszustellen, woraus sich unter Umstanden Hinweise fur zukunftige Entwicklungen absehen lassen. Zur Identifizierung der Zufriedenheitstreiber, wurden sog. Zufriedenheitsportfolios227' erstellt. Dieses in Forschung und Praxis gleichermafien anerkannte und verbreitete Instrument besteht aus einem 4-Felder-Tableau, an dessen Achsen zum einen die Wichtigkeiten der Leistungsattribute, zum anderen die Korrelation der Zufriedenheit mit diesen Merkmalen mit der Gesamtzufriedenheit abgetragen werden. Die Korrelationen zeigen auf, in welchem Ausmad die Gesamtzufriedenheit mit einzelnen Merkmalen zusammenhangt. Die Wichtigkeitsabfrage legt offen, welche Bedeutung der Kunde einem Merkmal direkt beimisst. Die vier Felder eriauben eine Einteilung der Leistungsmerkmale in vier Treiberkategorien (vgl. Abbildung 1).
225 Dies zeigt sich z. B. in den allgemein recht hohen Anteilen von „wei(l nicht"-Antworten in Branchenstudien (z. B. VDEW 2000, S. 17ff.). 226 Ba/cay (2003), S. 146ff. ^^^ Das dargestellte Zufriedenheitsportfolio ahnelt dem von Infratest Burke entwickelten, in der Praxis weit verbreiteten Tri:M Grid {NFO World Group 2001, S. 3).
96
Hygienefaktoren
Motivatoren
Zwar haben diese Merkmale nur geringen Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit, der Kunde schatzt sie jedoch als wichtig ein. Diese Merkmale setzt der Kunde unabhSngig von seiner Gesamtzufriedenheit immer als zu erfullend voraus.
Hierbei handelt es sich urn Aspekte, die der Kunde als wichtig einschatzt und die gleichsam fur die Globalzufriedenheit von hoher Bedeutung sind. Unternehmen soliten bestrebt sein, besonders diese Aspekte zu pflegen.
Einsparmoglichkeiten
Versteckte Chancen Diese Attribute sind dem Kunden zwar nicht wichtig, sie tragen aber dennoch in hohem Mafie zur Globalzufriedenheit bei. Sie konnen u.U. als Ansatzpunkt fur neue Themen im Zufriedenheitsmanagement dienen.
Diese Leistungsmerkmale werden vom Kunden weder als wichtig wahrgenommen, noch tragen sie zur Erhohung der Gesamtzufriedenheit bei. Es ergeben sich hier u.U. Mdglichkeiten zur Kosteneinsparung.
Korrelation mit der Gesamtzufriedenheit niedrig Abbildung 1: Grundstruktur des
• hoch
Zufriedenheitsportfolios^^^
Zur Analyse auf Basis der Zufriedenheitsportfolios sei vermerkt, dass sich Korreiationen in diesem Fall auf den Bereich zwischen 0 und +1 beschranken. Negative Zusammenhange zwischen einzelnen Zufriedenheitsattributen und der Gesamtzufriedenheit sollten bei gleichartiger Polung der Fragen nicht vorkommen. Sollte dies bei einzelnen Leistungsattributen dennoch der Fall sein, waren gesonderte Analysen angebracht. Wichtig erscheint es ferner zu vermerken, dass es bei der Wichtigkeitsabfrage haufig zu dem Phanomen der Anspruchsinflation kommt.229 Dabei wird die Bedeutung einzelner Leistungsmerkmale von den Befragten uberschatzt („alles ist wichtig"), wodurch die Leistungsattribute haufig in den oberen Bereich der Darstellung fallen, was bei der Interpretation berucksichtigt werden sollte. Bei den im Folgenden dargestellten Ergebnissen ist zu beachten, dass bei starker Oberlappung einzelner Leistungsmerkmale die graphische Darstellung manuell nachbearbeitet wurde, wodurch sich in Einzelfallen minimale Abweichungen zwischen den Portfoliodarstellungen und den exakten Koordinatenwerten ergeben. Obwohl die durchschnittlichen Zufriedenheitswerte eigentlich nicht Bestandteil der Darstellung sind, wurde zur Veranschaulichung der relativen Zufriedenheit mit einzelnen Leistungsattributen in der Darstellung zwischen unterdurchschnittlichen, durchschnittlichen und uberdurchschnittlichen Zufriedenheitsauspragungen differenziert.
228 In Aniehnung an Scharioth (1993), S. 23. 229 Meffert/Schwetje (1998), S. 79.
97
Hierbei gilt es allerdings zu beachten, dass Aussagen auf Basis durchsciinittiicher Zufriedenheitswerte insofern nur bedingt aussagekraftig sind, als relative Unterschiede zwischen den einzelnen Merkmaien voraussichtllch von den jeweils abgefragten Themengebiete mitbestimmt werden. Typischerweise ware z. B. zu erwarten, dass die relative Zufriedenheit mit dem Preis-Leistungsverhaltnis nledriger ausfallt als mit der Zuverlassigkeit der Versorgung (Preise sind immer zu hoch, Versorgungsausfalle sind meist ganzlich unbekannt). Die Frage, ob ein bestimnnter Zufriedenheitswert (zu) niedrig Oder sehr hoch ist, lasst sich daher kaum beantworten.
Ergebnisse Hygienefaktoren
.
A
Motivatoren
Legende
\ Einsparmoglichkeiten
Zufriedenheitswert
Wichtigkeit
Preis/Leistungs-Verhaitnis
0,487
1,37
2
Zuverlassigkeit der Versorgung
0,222
1,21 1,85
3
Erreichbarkeit von IVIitarbeitern
0,393
4
Freundlichkeit der MItarbeiter
0,401
1,85
5
Kompetenz der IVlitarbeiter
0.409
1,45
6
Schnelligkeit der Stoaingsbehandlung
0,255
1,28
7
Verstandlichkeit der Stromrecliung
0,316
1,52
8
Korrektheit der Stromrechung
0,417
1,14
9
Umweltorientierung des Stromversorgers
0,301
1,89
10
Tipps des Stromversorgers zur Stronneinsparung
0,318
1,97
1 +0,5
• • niedrig
Korr. mit GZ
1
Versteckte Cha ncen +0,75
Korrelation mit Gesamtzufriedenheit
D unterdurchschnittlich O durchsclinittlich
A uberdurchschnittlich
Abbildung 2: Zufriedenheitsportfolio fur die Gesamtstichprobe
Wie das Portfolio der Gesamtstichprobe (ebenso wie alle weiteren Portfolios) dokumentiert, bestatigt sich die vermutete Tendenz, alle Leistungsmerkmale als wichtig einzustufen. Relativ erscheinen dabei die Items 3, 4, 9 und 10 am unbedeutendsten. Bis auf das Prels-Leistungsverhaltnis werden alle Leistungsattrlbute deutlich als Hygienefaktoren identifiziert, wobei diese Eigenschaft am deutlichsten bei der Zuver-
98
lassigkeit der Versorgung und der Schnelligkeit der Storungsbehandlung zu Tage tritt. Neben dem Preis-Leistungsverhaltnis tendieren vor allem jene Aspekte in Richtung des Motivatorenfeldes, die mit der direkten Interaktion zwischen Kunde und EVU zu tun haben (Erreichbarkeit, Freundlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter sowie die Korrektheit der Stromrechung). Dies kann als schwacher Hinweis betrachtet werden, dass es sich fur Versorger - neben der Vermittlung des Gefuhls eines gunstigen Preis-Leistungsveriiaitnisses - noch am ehesten lohnen konnte, in Aspekte der direkten Kundeninteraktion zu investieren. Tiefergeiiende Erkenntnisse konnten diesbezijgiich im Rahmen von Kontaktpunktanalysen fur einzelne EVU gewonnen werden. Es bleiben ubergreifend folgende Empfehlungen festzuhalten: •
Stromkunden lassen sich am ehesten durch ein gutes Preis-Leistungsverhaltnis motivieren. Ubergreifend sollten EVUs daher bestrebt sein, dieses Thema kommunikativ aufzugreifen und fur alle Kundengruppen greifbar umzusetzen.
•
Die Zuverlassigkeit der Versorgung mit Strom bzw. die reibungslose Behebung von Storungen sind Aspekte, die - relativ betrachtet - am wenigsten zur Steigerung der Gesamtzufriedenheit beitragen. Wie die hohen Wichtigkeitswerte belegen, konnen diese Aspekte aber auf keinem Fall vernachlassigt werden. Es handelt sich daher um typische Hygienefaktoren, die ein EVU zwar erfijllen muss, die aber nicht wirklich dazu beitragen, die Gesamtzufriedenheit in entscheidendem Umfang zu steigern.
99
Hygienefaktoren
A
Motivatoren
'—(ToJW Korr. mit GZ Preis/Leistungs-Verhaitnis
0,463
1,40
2
Zuveriassigkeit der Versorgung
0,202
1.24
3
Erreichbarkeit von Mitarbeitern
0,338
1,85
4
Freundlichkeit der Mitarbeiter
0,331
1,87
5
Kompetenz der Mitarbeiter
0,343
1,48
6
Schnelligkeit der Stdrungsbehandlung
0,228
1,30
7
Verstandlichkeit der Stromrechung
0,287
1,50
8
Korrektheit der Stromrechung
0,396
1,16
9
Umweltorientierung des Stromversorgers
0,314
1,87
10
Tipps des Stromversorgers zur Stromeinsparung
0,322
1,95
1
Einsparmoglichkeite +0,25 ^ niedrig
Zufriedenheitswert
Wichtigkeit
1
Versteckte Chancen
+0,5 Korrelation mit Gesamtzufriedenheit
D unterdurchschnittlich O durchschnittlich
hoch ^
A uberdurchschnittlich
Abbildung 3: Zufriedenheitsportfolio der Verharrer
Vergleicht man das Portfolio der Verharrer mit dem der Gesamtstichprobe lassen sich kaum nennenswerte Unterschiede Identifizieren, was angesichts der immerhin 179 Wechsler In der Stichprobe nicht zwangslaufig zu erwarten gewesen ware. Insofern erubrlgt sich eine ausfuhrlich WIederholung der zuvor gemachten Aussagen. Auffallig ist ledlglich der Umstand, dass bel dieser Gruppe gerade die drei mitarbeiterbezogenen Items 3, 4 und 5 in ihrer Bedeutung recht deutllch zuruckfallen. Dies kann als Indiz einer relativ gleichgultigen Haltung gegeniiber dem Versorger gedeutet werden, woraus folgende Schlusse gezogen werden konnen: •
EVUs mit hohen Verharreranteilen sollten insbesondere Anstrengungen zur Erhohung der Wahrnehmung von Leistungen unternehmen. Bei der Gestaltung von Kommunikationsinhalten bletet es sich am ehesten an, das Preis-Leistungsverhaltnis und die Korrektheit der Stromrechnung herauszustellen.
•
Ferner konnte es sich gerade bel diesen EVU anbleten, die Aufmerksamkelt der Kunden von den eher wenlger beachteten Leistungsmerkmalen auf ubergreifend wirkende Aspekte wie z. B. die Unternehmensreputation, die reglonale Zusammengehorlgkeit oder sozlales Engagement zu lenken. 100
Hygienefaktoren
Motivatoren
W 1 .2* u
"E
® 0
Korr. mit GZ
Wichtigkeit
Preis/Leistungs-Verhaitnis
0,631
1,37
2
Zuveriassigkeit der Versorgung
0,285
1,18
3
Erreichbarkeit von Mitarbeitern
0.537
1,80
4
Freundlichkeit der Mitarbeiter
0.593
1,78
5
Kompetenz der Mitarbeiter
0,485
1,54
6
Sclinelligkeit der Stomngsbehandlung
0.332
1,30
7
Verstandlichkeit der Stromrecliung
0.416
1,73
8
Korrektiieit der Stromrechung
0,592
1.22
9
Umweltorientierung des Stromversorgers
0.289
2,10
10
Tipps des Stromversorgers zur Stromeinsparung
0.411
2.12
1
+0,25 • • niedrig
®
1
Einsparm&glichkeite n 0
T H
Versteckte Chancen hoch -^
Korrelation mit Gesamtzufriedenheit
Zufriedenheitswert
[
| unterdurclischnittlich
Q_) durchsclinittlich
+1
+0,75
+0,5
/\
uberdurchschnittlich
Abbildung 4: Zufriedenheitsportfolio intemer Wechsler
VerglJchen mit dem Verharrer-Portfolio zeigt sich, dass die beiden IVIitarbeiter bezogenen Items 4 und 5 deutlicii starker in RIchtung des Motivatorenfeldes geiagert sind und aucli das Preis-Leistungsverhaitnis in seiner Bedeutung fur die Gesamtzufriedenheit zugenommen hat. Voraussichtlich handelt es sich daher um das etwas preissensitivere, etwas anspruchsvollere Kundesegment. Dennoch lassen sich auch bei dieser Gruppe kaum echte Motivatoren identifizieren. Vor diesem Hintergrund beschranken sich die Handlungsempfehlungen auf die bereits bei den Verharrern diskutierten Aspekte.
101
Hygienefaktoren
A .
A
® 0 zP
A A
Motivatoren
b
Legende
Korr. mit GZ
Wichtigkeit
1
PreisA-eistungs-Verhaitnis
0.509
1,31
2
Zuveriassigkeit der Versorgung
0,301
1,16
3
Erreichbarkeit von Mitarbeitern
0,269
1,87
4
Freundlichkeit der Mitarbeiter
0.430
1,85
5
Kompetenz der Mitarbeiter
0,440
1.46
6
Schnelligkeit der Storungsbehandlung
0,349
1,20
7
Verstandlichkeit der Stromrechung
0,289
1,53
8
Korrekthelt der Stromrechung
0.301
1.09
9
Umweltorientierung des Stromversorgers
0,291
1,88
10
Tipps des Stromversorgers zur Stromeinsparung
0.206
1,98
Einsparmoglichkeite n
Versteckte Chancen |
1
+0,25 ^ niedrig
Korrelation mit Gesamtzufriedenheit
Zufriedenlieitswert
|
| unterdurchsclinittiich
Q_) durchschnittlich
hoch ^ l\
uberdurchschnittlich
Abbildung 5: Zufriedenheitsportfolio externe Wechsler
Im Gegensatz zu den bislang diskutierten Portfolios ergibt sich fur jene Kunden, die bereits einen Versorgerwechsel hinter sich haben, ein ganz anderes Bild. Neben dem Preis-Leistungsverhaltnis wirkt sich die motivierende Kraft der Mitarbeiter bzw. Kontakt bezogenen Leistungsattribute 3, 4, 5 und 8 hier wesentlich deutlicher aus. Offensichtlich ist die Verbindung zwischen der Gesamtzufriedenheit und einzelnen Leistungsmerkmalen hier starker ausgepragt, was aufgrund der vermutlich bewusst getroffenen Entscheidung fur einen neuen Versorger auch wenig uberrascht. Als Empfehlungen fur Anbieter die hohen Anteilen an neuen, d. h. von anderen Anbietern abgeworbenen Kunden, konnen folgende Aspekte festgehalten werden: •
Neben der herausragenden Stellung des Preis-Leistungsverhaltnisses sollten Anbieter besonders jene Aspekte der Kundenbeziehung kommunikativ und operativ pflegen, bei denen der unmittelbare Kontakt zum Unternehmen wichtig ist (Service Center, Telefonbetreuung und Hotlines, Internetauftritt, Hausbesuche, Rechnungsstellung)
102
Die bereits zuvor bestatigte Rolle der Zuverlassigkeit der Versorgung und die der reibungslosen Storungsbehandlung zeigt sich auch hier, diese Aspekte konnen kommunikativ zurijckgestellt werden, ebenso wie der Aspekt der Umweltorientierung.
Fazit Insgesamt dokumentieren die Ergebnisse - auch wenn sich dies bei den Verharrern bzw. internen Wechslern weitaus weniger deutlich zeigt - dass, neben einem gunstigen Preis-Leistungsverhaltnis, Leistungsmerkmale an der Kontaktschwelle zum Kunden (Items 3 bis 5, z.T. Item 8) die wesentllchen Treiber der Zufriedenheit im liberalisierten Strommarkt sind. Insbesondere stechen dabei die Erreichbarkeit und Freundlichkeit der Mitarbeiter (Items 3 und 4) heraus, die uber verglelchsweise einfache Maflnahmen wie z. B. Mitarbeiterschulungen und organisatorische Feinabstimmung verbessert werden konnen. Speziell die Resultate bei den gewechselten Stromkunden belegen, dass entsprechende Maflnahmen auch tatsachlich wahrgenommen und vom Kunden positiv registriert werden. Die In vielen Studlen ermlttelte hohe Zufriedenheit mit der Versorgungssicherheit (bzw. damit zusammenhangend Schnelligkeit der Storungsbehandlung) erweist sich als typischer Hyglenefaktor, ein Leistungsmerkmal also, dass in jedem Fall erfijllt sein muss, letztendlich aber nicht wirklich dazu beitragt, den Kunden zu motlvieren und damit an sich zu binden. Als uberraschend wenig bedeutsam erwelsen sich die in den Items 9 und 10 berucksichtigten Umweltschutzaspekte. Ihre relativ zu den ubrigen Lelstungsmerkmalen untergeordnete Bedeutung deutet darauf, dass diese Themen voraussichtlich nur in beschranktem Mafie (bzw. eventuell nur fur bestimmte Zielgruppen) geeignete Differenzierungsmerkmaledarstellen. Fur einzelne Versorger bieten die dargestellten Ergebnisse sicherlich einen ersten Ansatzpunkt zur Steuerung ihres Kundenzufriedenheitsmanagements. Die Analyse einzelner Unternehmen wurde in diesem Zusammenhang wesentliche aussagekraftigere Schlussfolgerungen ermoglichen, insbesondere wenn die entsprechenden Daten im Zeitablauf erhoben wurden, um die Wirksamkeit des Zufriedenheitsmanagements zu verfolgen.
103
Literatur Bakay, Z. (2003): Kundenbindung von Haushaltsstromkunden - Ermittlung zentraler Determinanten, Wiesbaden 2003. Garbarino, E./Johnson, M.S. (1999): The Different Roles of Satisfaction, Trust, and Commitment in Customer Relationships. In: Journal of Marketing, Vol. 63, 1999, April, S. 70-87. Meffert, H./Schwetje, T. (1998): Messprobleme der Kundenzufriedenheit: Erfahrungen aus einem Marktforschungsprojekt. In: Erichson, B./Hammann, P./Hildebrandt, L. (Hrsg.): Probleme und Trends in der Marketingforschung, Stuttgart 1998, S. 73-93. NFO World Group (Hrsg.) (2001): NFO TRI:M - Your Roadmap to Success, o.O. 2001. Peter, I. (1997): Kundenbindung als Marketingziel: Identifikation und Analyse zentraler Determinanten, Wiesbaden 1997. Scharioth, J. (1993): Wie Sie Kunden durch Kommunikation binden. In: Gablers Magazin, 1993, Heft 1,S. 22-24. ServiceBarometer AG (Hrsg.) (2001): Kundenmonitor Deutschland 2001, Branchenanalyse Stromversorgungsunternehmen, Munchen 2001 VDEW (Verband der Elektrizitatswirtschaft e.V.) (Hrsg.) (2000): Kundenzufriedenheit von Haushaltskunden - Ergebnisbericht des VDEW-Kundenfokus Haushalte 2000, Frankfurt a.M. u. a. 2001. Walter, A. (1999): Der Beziehungspromotor: Gestalter erfolgreicher Geschaftsbeziehungen - Eine theoretische und empirische Analyse. In: Marketing Zeitschrift fur Forschung und Praxis, 4. Quartal 1999. Heft 4, S. 267-283.
104
Das Wechselverhalten von Privathaushalten im Strommarkt Carsten Rennhak/Marion Halfmann Im Gegensatz zu der Euphorie, die nach dem 1.1.1998 auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt herrschte und dem damit einhergehenden Boom von Call-by-Call-Produkten, zeigen sich private Haushalte in Deutschland beim Wechsel Ihres Stromversorgers trotz aufwendiger Werbemafinahmen und offensichtlicher Preisvorteile noch sehr zuruckhaltend. Im Rahmen einer von den Autoren durchgefuhrten Marktstudie nannten 80% der befragten Privathaushalte^^o den Preis als ausschlaggebend fur einen moglichen Wechsel - dennoch gaben trotz zahlreicher Billiganbieter auf dem Markt nur 5,2 % der Interviewten an, tatsachlich bereits den Anbieter gewechselt zu haben. Das Ergebnis zeigt, dass neben moglichen Einsparpotentialen im Privatkundenmarkt noch weitere Kriterien fur einen Wechsel mafigeblich sind; unsere Untersuchung stellt neben dem Aspekt des "Preisbewusstseins" so auch die Faktoren "Bedeutung von Kundenservice" und "Fortschrittlichkeit" als potenzielle kaufrelevante Kriterien in den Mittelpunkt.
Untersuchungsdesign Aus der angefuhrten Studie wurden fur ein LISREL-Modell^^^' elf Indikatoren zur Operationalisierung der genannten Faktoren ausgewahit Abbildung 1 gibt einen Uberblick Ciber die einbezogenen Fragestellungen und deren Kurzbezeichnungen bei der Verwendung der LISREL-Software.232
230 Datenbasis ist eine telefonische Befragung von 600 zufallig ausgewahlten Privathaushalten. 23^ LISREL (Linear Structural Relations) ist ein konformatorisches Verfahren der Kovarianzstrukturanalyse und untersucht kausale Zusammenhange zwischen latenten, d. h. nicht direkt beobachtbaren Variablen. Der Ansatz beruht gedanklich auf der Faktoren- sowie der Regressionsanalyse und fugt diese beiden Verfahren in einem Konzept zusammen. Vgl. dazu z. B. Joreskog/Sorbom (1988). 232 Variablen werden zur besseren Verstandlichkeit durch Namen abgekurzt.
105
Frage Planen Sie, Ihren Stromanbieter noch in diesem Jahr zu wechsein? Haben Sie bereits Ihren Stromanbieter gewechselt?
Kurzbezeichnung pl_wech
ha_wech
Antwortmoglichkeiten -
Nein(1)
-
Eventuell (2)
-
Ja (3)
-
Nein(1)
-
Ja (2) Vollig unwichtig (1)
Wie wichtig ware (bzw. war) Kundenservice bei der Entscheidung den Anbieter zu wechsein?
Eher unwichtig (2)
ser_gru
Eher wichtig (3) Sehr wichtig (4) Vollig unwichtig (1)
Wie wichtig ist Ihnen ein Energieberatungsangebot durch Ihren Stromversorger?
Eher unwichtig (2)
wi_bera
Eher wichtig (3) Sehr wichtig (4) Vollig unwichtig (1)
Wie wichtig ist Ihnen regelmafJige Betreuung durch Ihren Stromversorger (z. j B. Kundenzeltschrift)?
Eher unwichtig (2)
wi_betr
Eher wichtig (3) Sehr wichtig (4)
|
Vollig unwichtig (1) Wie wichtig ware (bzw. war) der Preis bei der Entscheidung den Anbieter zu wechsein?
Eher unwichtig (2)
pre_gru
Eher wichtig (3) Sehr wichtig (4) -
Sind Sie prinzipiell bereit, einen Stromvertrag am Telefon abzuschliefien?
Sind Sie prinzipiell bereit, einen Stromvertrag per Internet abzuschlieflen?
Nutzen Sie alternative Telefonanbieter?
ber_tel
berjnt
altjel
Nutzen Sie das Internet?
int_nutz
Haben Sie sich bereits im Internet iiber Stromversorger und Tarife informiert?
infojnt
Abbildung 1: Uberblick uberdie verwendeten
|
Nein(1)
-
Eventuell (2)
-
Ja (3) Nein(1)
-
Eventuell (2)
-
Ja (3)
-
Nein(1)
-
Ja (2)
-
Nein(1)
-
Ja (2)
-
Nein(1)
-
Ja (2)
Fragestellungen
Auf Basis der vorgestellten Fragen sowie aufgrund erster Hypothesen zu den grundlegenden Zusammenhangen, lassen sich die vermuteten Zusammenhange graphisch mittels eines Pfaddiagramms darstellen (vgl. Abbildung 2).
106
Service als Wechselgrund
(ser_gru) -
Wichtigkeit Beratung
(wi_ber) -
Wichtigkeit Betreuung
(wi_betr) -
Preis als Wecliselgrund
(pre_gru) -
Akzeptanz Telefonvertrieb
(berjel) -
Bedeutung Service
Bedeutung Preis
(bed_pr)
Wechselbereitschaft
Akzeptanz Internetvertrieb Nutzung alternativer Telefonanbieter
Bedeutung Fortschrittlichkeit
Nutzung Internet genereli
(int_nutz)-
Nutzung des Internet zur Preisinformation
(infojnt) -
Abbildung 2: Pfaddiagramm zu den vermuteten
Zusammenhangen
Auf der Grundlage des dargestellten Pfaddiagramms lassen sich die Beziehungen zwischen den eingefuhrten Indikatorvariablen durch lineare Gleichungen modellieren und so erste Losungen zur Starke des Zusammenhangs zwischen den Variablen ermitteln. Da alle elf Indikatoren ordinal skaliert sind, wird die zu analysierende Inputmatrix in Fornn einer Korrelationsmatrix bestimmt.233. ojes bedeutet gleichzeitig, dass die Indikatoren in standardisierter Form in der Analyse verwendet werden. Die Korrelationsmatrix234 zeigt Abbildung 3.
23^ Zur Schatzung der Inputmatrix wurde das PRELIS-Programm verwendet, das in der LISRELSoftware enthalten ist. Zweck dieses Progamms ist die Erzeugung von geeigneten Inputmatrizen fur das eigentliche LiSREL-Programm. 2^"^ Fur die Korrelation zwischen pl_wech und ha_wech wurde ein Wert von 0,9983 bestimmt. Gleichzeitig weist PRELIS darauf hin, dass der Wert fur diese Korrelation nicht konvergierte und somit nicht richtig sein konnte.
107
pl_wech 1 pl_wech
ha_wech
ser_gru
wi_bera
pre_gru
ber_tel
berjnt altjel lnt_nutz lnfo_int
1.00
1 Ha_wech
1.00
1.00
ser_gru
-0.05
-0.25
1.00
1 wi bera
0.17
0.08
0.26
1.00
wi_betr
0.00
0.03
0.29
0.56
1
wl_betr
1.00
pre_gru
0.20
0.13
0.30
0.20
0.11
1.00
ber_tel
0.29
0.14
0.00
0.07
-0.15
0.00
1.00
berjnt
0.03
-0.29
0.06
0.61
1.00
0.32
0.13
-0.07
altjel
0.17
0.14
0.13
0.04
-0.01
0.07
0.35
0.32
1.00
lnt_nutz
0.22
0.13
0.00
-0.05
-0.17
0.01
0.33
0.64
0.26
1.00
info_int
0.33
0.33
0.06
-0.03
-0.11
0.00
0.23
0.52
0.18
0.67
i.oo|
Abbildung 3: Empirische Korrelationsmatrix
Auffallig in Abbildung 3 sind die negativen Korrelationen zwischen ser_gru (Service als Wechselgrund) und den beiden Indikatoren der latenten Vahablen „Wechselbereitschaft". Dies deutet darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen „Bedeutung Kundenservice" und „Wechselbereitschaft" sogar leicht negativ sein konnte.
Ergebnisse Auf der Grundlage der ermittelten Korrelationen lassen sich Aussagen zum Zusamnnenhang zwischen den eingefuhrten Indikatoren, den Bedeutungen von Service, Preis und Fortschrittlichkeit sowie schliefilich dem Wechselverhalten machen. Eingetragen in das vorgestellte Pfaddlagrannm, stellt sich die ernnlttelte Losung dar, wie in Abbildung 4 veranschaulicht.
108
Service als Wechselgrund
(ser_gru) -
Wichtigkeit Beratung
(wi_ber) -
0,0473
Wichtigkeit Betreuung
Bedeutung Service
(bed_ser)
Bedeutung Preis
(bed_pr)
(wi_betr) -
0,1335
Preis als Wechselgrund Akzeptanz Telefonvertrieb
0,5654
Akzeptanz Internetvertrieb
0,8576
Nutzung alternativer Telefonanbieter
0,3784
Nutzung Internet generell
0,7470
Nutzung des Internet zur Preisinformation
0,6864
—
Wechselbereitschaft
0,3215
Bedeutung Fortschrittiichkeit
(fort)
'
Abbildung 4: Pfaddiagramm (komplett-standardisierte Losung)
Bei der Beurteilung des Modells darf nicht vergessen werden, dass bei dem angewendeten ULS-Verfahren Werte unter Normalverteilungsannahmen berechnet wurden. Diese Kriterien sind also nur bedingt zur Messung des Modellfits geeignet. Auflerdem wurde zur Analyse eine Korrelationsmatrix verwendet. Dies ist ein zweiter Grund, wieso diese Groden mit Vorsicht interpretiert werden mussen. •
Unter Berucksichtigung dieser Einschrankungen ergeben sich auf Basis des LISREL-Modells interessante Interpretationen hinsichtlich des Wechselverhaltens von Privatkunden:
•
Den starksten Einfluss unter den einbezogenen Variablen hat die hier als "Bedeutung Fortschrittiichkeit" bezeichnete Variable. "Fortschrittiichkeit" kann in diesem Zusammenhang als Konstrukt verstanden werden, dass die Aufgeschlossenheit von privaten Kunden fur neue Kommunikationstechnologien umreifit. Bislang sind derartige Gesichtspunkte nur selten bei Untersuchungen zum Wechselverhalten explizit berucksichtigt worden; urn so mehr uberrascht der in dieser Studie ermittelte starke Zusammenhang zum Wechselverhalten, der sogar die Bedeutung von Preisunterschieden zwischen den Anbietern ubertrifft.
109
Auf der Grundlage des Modellergebnisses ergibt sich, dass der Einfluss des Kundenservice auf das Wechselverhalten von Privatkunden eher gering ist. Vor diesem Hintergrund sind die Bemuhungen vieler Anbieter, durch Servicevorteile verstarkt Neukunden zu gewinnen, kritisch zu beurteilen. Investitionen in einen verbesserten Kundenservice haben vielmehr Berechtigung zur Bindung der bestehenden Kunden; als Argument fur einen Anbieterwechsel kommt Serviceaspekten jedoch nur untergeordnete Relevanz zu. Insgesamt sind alle drei Variablen (Bedeutung des Kundenservices, Bedeutung des Preises, Bedeutung Fortschrittlichkeit) eher schlecht zur Erklarung des Wechselverhaltens geeignet. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass neben den drei angefuhrten Aspekten noch weitere Kriterien eine Rolle spielen, urn Kunden zu einem Anbieterwechsel zu bewegen. Derartige Kriterien, die Bestandteil weitergehender Untersuchungen sein konnten, sind beispielsweise die Zufriedenheit mit dem bisherigen Anbieter oder die Hohe der monatlichen/jahrlichen Stromkosten fur den EInzelnen. Bei der Interpretation des Ergebnisses bleibt aulierdem die Grofle der zugrunde liegenden Stichprobe zu beachten: Zwar sind insgesamt 579 private Stromkunden befragt worden, jedoch haben von den 579 Interviewten erst 31 Personen tatsachlich ihren Stromversorger gewechselt; weitere 55 planten einen Wechsel. Somit konnen nur 84 Befragte als wechselwillig eingestuft werden, so dass sich hier ein weiterer Grund fur die relativ geringen Auswirkungen der Variablen auf das Wechselverhalten ergibt.
Fazit Trotz genannter Einschrankungen formaler Natur zeigt die Analyse jedoch, dass das Wechselverhalten von privaten Haushalten im deutschen Strommarkt nur unwesentlich durch einen uberragenden Kundenservice bedingt wird. Auch spielen Preisunterschiede zwischen Anbietern augenscheinlich nur eine gerlngftigige Rolle. Lediglich die ..Fortschrittlichkeit" der Verbraucher vermag bisheriges Wechselverhalten zu erklaren. Auf Basis dieser Erkenntnisse ergeben sich entsprechende Konsequenzen fur die erfolgreiche Neukundengewinnung von Stromanbietern: •
Intelligente Produktbiindel (z. B. Strom kombiniert mit Telekommunikations-/ Internetprodukten) konnen die Attraktivitat des Angebots fur die Zielgruppe der Fortschrittsbegeisterten erhohen und so den Wechsel zu einem neuen Anbieter erieichtern. Die immer haufigeren Multi-Utility-Angebote von Versorgern sind daher als ein Schritt in die richtige Richtung zu verstehen und helfen, am Markt erfolgreich zu bestehen.
110
Einer professionellen Preisgestaltung kommt in mehrfacher Hinsicht Bedeutung zu: Zum einen kann durch attraktive Bundelpreise der parallele Absatz von Kommunikations-Zlntemetprodukten und Stromangeboten erhoht werden und so die Wechselbereitschaft vieler Kunden erhoht werden. Zum anderen ist durch eine entsprechende Preispolitik sicherzustellen, dass gewonnen Kunden nach erfolgtem Wechsel langfristig dem neu gewahlten Versorger treu bleiben. Letzteres erfordert, den Preis als Kundenbindungsinstrument so einzusetzen, dass gerade fur die sehr wechselwilligen, zukunftsoffenen Stromkunden langfristige Nutzenvorteile entstehen. In dieser Hinsicht kann beispielsweise ein Kundenbindungsprogramm, das langfristige Kunden durch Flugmeilen belohnt als positiv eingestuft werden, da fortschrittliche Kunden in der Regel besonders haufig auf das Flugzeug als Verkehrsmittel zurijckgreifen. Fur die Kommunikationspolitik gilt es, gezlelt die Medien zu nutzen, mit denen technikaffine und zukunftsaufgeschlossene Kunden angesprochen werden konnen. Werbung via Internet, Radio, TV und zielgruppenentsprechenden Publikumszeitschriften erscheint daher besonders geeignet. Selbstverstandlich ist auch durch die Wahl adaquater Werbebotschaften der Adressatenkreis der fortschrittlichen Nutzer systematisch anzusprechen. Die Bedeutung von E-Commerce als Vertriebskanal und Customer-Care-Instrument nimmt auch Im Strommarkt stark zu. Anbieter, die die Innovativen Medien so fruh wie moglich nutzen, werden die fortschrittlichen Kunden uberzeugen und gewinnen konnen. Insgesamt sind die einzusetzenden Vertriebskanale danach auszuwahlen, ob durch sie die identifizierte Zielgruppe der fortschrittlichen Kaufer erreicht werden kann. Der Vertrieb uber traditionelle Einzelhandelsketten und Versandhandler mit haufig stark gemischten Kauferpotential ist vor diesem Hintergrund eher kritisch zu beurteilen, wahrend etwa ein kooperativer Absatz mit einem als modern geltenden Unternehmen mit tendenziell eher jijngerem und aufgeschlossenerer Kundenbasis (z. B. Telekommunikations- Oder auch Finanzdienstleister) sehr positiv auf das Wechselverhalten wirken kann.
Literatur Joreskog, K. G./Sorbom, D (1988): LISREL 7 - A Guide to the Program and applications, 2. Auflage, Chicago.
111
Eine Sequenzanalyse der Informationspfade illoyaler CommodityKunden Markus Zinnbauer/Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Auf Grund der Homogenitat und Komplexitat ist der Strommarkt im Bereich der Privatkunden bislang von nur geringen Wechselaktivitaten gepragt. Kunden befinden sich zumeist in Unklarheit uber Moglichkeiten und Risiken eines Wechsels. Neuere Erkenntnisse deuten aber daraufhin, dass jungere Zielgruppen diese Unklarheiten verstarkt durch Informationssuche reduzieren. Urn nun derart wechselaffine Kunden moglichst effizient in der Marketing- und Kommunikationsarbeit zu adressieren, ist das Wissen unn das Informationsverhalten dieser Zielgruppe unerlasslich. Neben einer allgemeinen Analyse der Informationsquellen an Hand zweier empirischer Studien werden deshalb haufige Informationspfade nriit Hilfe einer Sequenzanalyse extrahiert.
Wechselverhalten im Strommarkt Im Privatkundensegment waren bislang seit der Liberalisierung des Strommarktes nur geringe Wechselaktivitaten zu verzeichnen, obwohl bei vielen Nachfragern zunachst eine grundsatzliche Bereitschaft zu einem Anbleterwechsel bestand und auch noch besteht. Von den anfanglich immerhin 37% Wechselbereiten^^s haben allerdings je nach Energieversorger nur 2 bis 5% der Kunden dieses bekundete Verhalten in tatsachliches umgesetzt.^^e Dies liegt bei Stromkunden, wie empirisch nachgewiesen, u. a. daran, dass Strom als homogenes Low-lnvolvement-Produkt fur den Verbraucher nur schwer differenzierbar ist und auf Grund der Informationsfulle Unklarheit aber auch eine gewisse Handlungstragheit ausl6st.237 Allerdings weisen jungste Erkenntnisse darauf hin, dass jungere Zielgruppen diese derzeit stagnierende Marksituation auf dem Haushaltsstrommarkt kunftig nachhaltig dynamisieren werden. Dies lasst sich darauf zuruckfuhren, dass jungere Alterskohorten einerseits mit einer hoheren Informationsintensitat ~ nicht zuletzt durch die alltagliche Internetverwendung bedingt - aufgewachsen sind und sich andererseits auch auf anderen Markten, wie z. B. dem Mobilfunksektor, generell durch eine geringere Anbieterloyalitat auszeichnen.
235 Grunthal{200^), S. 12. 236 prangenberg (2003). 237 Bakay/Schwaiger {2004), S. 24.
113
Um dies speziell bezogen auf die Wechselthematik zu beleuchten, wurde in einer Untersuchung mit 200 Teilnehmem neben einer Reihe weiterer wechseireievanter Themen auch das grundsatzlich empfundene Wechselhsiko abgefragt. Bei einer getrennten Untersuchung nach Aiterskiassen^^s zeigt sich nun, dass jungere Kunden das Risiko eines AnbietenA/echsels als deutlich geringer einschatzen als altere Zielgruppen. 40% 35% 30% -j 25% -| D bis 30 Jahre Suber30 Jahre
20%
• 1
15% 10% 5%
Zim
0% sehrgering
gering
mittel
groa
sehrgroft
Abbildung 1: Empfundenes Risiko eines Anbieterwechsels 2004
Ein t-Test weist den IVIittelwertunterschied bei einer 5-stufigen Skaia^^^ von 1,2 in der Altersgruppe bis 30 zu 1,86 in der Altersgruppe uber 30 Jahre als hochsignifikant240aus. Daher ist zu erwarten, dass mittelfristig Kundenbindung und Neukundenakquisition bei Energieversorgern wieder zu einem Marketingthema hoherer Prioritat avancieren wird. Die Kundenbindung umfasst grundsatzlich samtliche Mafinahmen von Anbietern, mit denen Kunden zur Aufrechterhaltung der Geschaftsbeziehung bewegt werden.24^ Neben einer erzwungenen Bindungssituation durch den Aufbau von Wech-
235 Jungere Stromkunden bis 30 Jahre und altere uber 30 Jahre. 239 1 =sehr gering bis 5=sehr hoch. 2^^ p < 0,000. 24^ z.B. Krafft {2002).
114
selkosten242 (^ B. langfristige Vertragsbindung oder spezifische Investitionskosten auf Nachfragerseite) kommt auch der Bindung durch positive Erfahrungen mit dem Anbieter und dessen Reputation eine entscheidende Rolle im CRM zu.2^^ Urn Marketing- und Komnnunikationsmafinahmen effizient zu steuern, ist es dementsprechend von Interesse das Informationsverhalten von Stromkunden und die informationspfade von Wechslern zu untersuchen. Die Ergebnisse der oben angefuhrten Studie sowie einer weiteren Untersuchung werden dazu im Folgenden dargestellt.
Informationsverhalten von (potenziellen) Wechslern In einer von den Autoren durchgefiJhrten Untersuchung, bei der 1000 bundesdeutsche Haushaltsvorstande rein zufaliig ausgewahit wurden.^^^^ zeigte sich, dass 88,6% der Befragten uber die generelle Moglichkeit, den Stromanbieter zu wechsein, informiert waren. Zum damaligen Zeitpunkt wurden als erste Informationsquellen zum Thema der generellen Wechselmoglichkeit v.a. Printanzelgen, Fernsehspots und die redaktionelle Berichterstattung genutzt. Auch von den Energieversorgungsunternehmen vertriebene Broschuren spielten in diesenri Zusammenhang eine Rolle, wahrend Internet und Plakate fur die Erstinformation eher selten als Infornnationsquellen genannt wurden. Die Internet-Erstinformation war im Ubrigen auch nach einem Aufbruch der Stichprobe nach Internetnutzern bzw. NIchtnutzern in beiden Untergruppen deutlich unterreprasentiert. Die Detailanalyse bezuglich der Beschaffung weiterer Informationen zu Tarifen und Leistungen verschiedener Stromanbieter zeigte, dass sich bereits 54,5% der befragten Personen intensiver mit dem Thema des Stromanbieterwechsels auseinandergesetzt hatte. Wechselwillige Kunden versuchen also strukturiert, die zunachst empfundene Unklarheit gegenuber dem Thema Stromanbieter zu reduzieren. Die Quellen fur diese tiefer gehende kognitive Informationssuche lleflen sich in objektive redaktionelle Quellen,^^^ relativ objektive Quellen des sozialen Umfeldes wie Freunde Oder Bekannte und anbieterseitige Quellen wie Werbung, Internetauftritt, oder Call Center unterscheiden. Auffallend war allerdings eine Verschiebung des Schwerpunkts im Vergleich mit den zuvor diskutierten Erstinformationsquellen; denn dem Internet und Meinungsfuhrern wie Freunden und Bekannten, kam bei der Suche nach weitergehender Information eine weit grofiere Bedeutung zu als zuvor. Daraus lasst sich schliefien, dass das Medium Internet v.a. fur die gezielte Informations-
2^2 Sa/cay(2003), S. 3 1 . 24^ Schwaiger/Zinnbauer (2003) 2^"^ Die Rucklaufquote betrug 10,5%. 2^5 Tageszeitungen und Zeitschriften, Radio/TV, allgemeinen Intemetinformationsdienste.
115
suche eingesetzt wird und die Energieversorgungsunternehmen die entsprechenden Details zu Tarifen und Leistungen In leicht verstandllcher Form auf Ihren Internetselten publlzleren sollten, wahrend allgemelne Werbung im Internet eher unbeachtet b\e\b{246
Konkrete Informationspfade vor einem Wechsel Die eben dargestellte Studie offenbarte nun zunachst allgemeine Informationsquellen und deckte auf, dass speziell vor einem Wechsel andere Quellen praferiert werden als zur allgemelnen Basisinformation. Fur Unternehmen der Energieversorgungsbranche ist es nun von besonderem Interesse die Reihenfolge in der bestimmte Informatlonsquellen verwendet werden zu kennen und Insbesondere bestimmte Muster in dieser Reihenfolge zu Identifizleren. Dies ermoglicht eine zlelgerichtete und damit effiziente Kommunikation. Schliefillch ist zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem eine Informatlonsquelle zum Einsatz kommt, mit einem wahrschelnlich prasenten Vorwissen eines potenziellen Wechslers zu rechnen. Um Aufschluss uber konkrete Informationspfade, also die Reihenfolge, in der bestimmte Informatlonsquellen in Anspruch genommen werden, zu erhalten, wurden dazu In einer aktuellen Folgeuntersuchung 200 Probanden zum Wechselverhalten befragt. Zur Analyse spezifischer Informatlonsmuster wurden daruber hinaus 111 Wechsler oder wechselwllllge und bereits iiber einen moglichen Wechsel informlerte Personen zu ihren Informationsschrltten befragt. Dazu wurden die Nennungen kodiert und dann je Informationsschritt aggregiert. In einem zweiten Auswertungsschritt wurden die Pfade aggregiert. Um diese Informatlonsmuster zu analysieren, wurde mit Hilfe der Datamlnlng-Software SAS Enterprise Miner eine Sequenzanalyse durchgefuhrt, bei der zeitliche Abfolgen erfasst und auf Abhangigkelten untersucht werden. Die gesuchten Muster sind also zeitliche Muster, so genannte Sequenzen, die haufig wiederkehrende Abfolgen in den Daten beschreiben.2^'^ In der nachfolgenden Abbildung 2 sind die zehn haufigsten Informationspfade geordnet nach Haufigkeit des Auftretens dargestellt.
246
zinnbauer{200^),S.247.
'^^'^ Vgl. zur Sequenzanalyse z. B. Han/Kamber {2000).
116
Supp. %
Confid. %
Schritt 1
Schritt 2
Schritt 3
20,72
47.92
Objektive Intemetseiten
Anbieter (Internet/Call Center)
Freunde/Bekannte
19,82
45,83
Objektive Intemetseiten
Freunde/Bekannte
Anbieter (Internet/Call Center)
16,22
27,27
Freunde/Bekannte
Anbieter (Internet/Call Center)
-
13,51
26,79
Anbieter (Internet/Call Center)
Freunde/Bekannte
-
8,11
33,33
Freunde/Bekannte
Anbieterwerbung
Anbieter (Internet/Call Center)
4,50
30,00
Anbieterwerbung
Anbieter (Internet/Call Center)
-
4,50
50,00
Tageszeitung/ Zeitschriften
Freunde/Bekannte
Anbieter (Internet/Call Center)
3,60
50,00
Freunde/Bekannte
Objektive Intemetseiten
Anbieter (Internet/Call Center)
2,70
60,00
Anbieter (Internet/Call Center)
Objektive Intemetseiten
Freunde/Bekannte
2,70
60,00
Objektive Intemetseiten
Tageszeitung/ Zeitschriften
Freunde/Bekannte
Abbildung 2: Die 10 wichtigsten Informationspfade illoyaler
Haushaltsstromkunden
Besonders fallt die Bedeutung objektiver Intemetseiten als zumeist erstem Schritt zur Detaiiinformation auf. Dies spiegelt auch die Erkenntnisse aus der Untersuchung aus dem Jahr 2001 wider. Schliefiiicii werden auch direkt Informationen von den Anbietern via Internet oder Call Center angefordert sowie Freunde und Bekannte urn Rat gefragt. Alle vier Kernpfade beinhalten zunnindest zwel dieser drei Informationsmoglichkeiten, wobei eine Detailanalyse offenbart, dass Webseiten objektiver Infornnationsdienste im Internet zusatzlich zumeist von jungeren Zielgruppen genutzt werden. In jedem Fall werden aber Anbieterinformationen uber das soziale Umfeld validiert. Meinungsfuhrer ubemehmen hier offensichtlich die entscheidende Funktion eines Lotsen durch das „Anbieter-Dickicht". Als statistische Made fur die Relevanz von den aufgefundenen Pfaden werden Support und Confidence herangezogen: So beruhen beispielsweise 13,51% (Support) aller erfassten Muster auf der Sequenz „Anbieterinformationen => Freunde/ Bekannte". Wenn man ausschliefilich diejenigen Personen betrachtet, die Informationen bei einem Anbieter einholen, werden 26,79 % davon (Confidence) danach noch Informationen ijber Freunde und Bekannte einholen.
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Fazit Resumierend kann festgehalten werden, dass Unterschjede bezuglich der Wahrnehmung der Wechselrisiken bei unterschiedlichen Altersgruppen festgestellt werden konnten. Daher dijrfte die zunehmende Bedeutung dieser Zielgruppen als Haushaltsstromkunden mittelfristig zu einer Re-Dynamisierung der Marktanteilssituation auf dem Haushaltsstrommarkt fuhren. Um wechselaffine Kunden von Wettbewerbern abzuwerben bzw. eigene wechselgefahrdete Kunden zu binden, ist das Wissen um die Informationspfade derartiger Kunden auRerst bedeutsam. Als erste Kerninformationsquelle werden zumeist objektive Internetseiten zum Anbietervergieicii herangezogen. Danach werden Informationen von den relevanten Anbietern selbst sowie vom sozialen Umfeld aufgenonnmen. In der Produktkommunikation sollten Unternehmen deshalb berucksichtigen, dass in den allermeisten Fallen potenziell wechselnde Kunden bereits vor einem Abruf von anbieterseitig offerierten Informationen andere Quellen genutzt haben und dementsprechend erhaltene Informationen mittels ihres Vorwissens objektivieren.
Literatur Bakay, Z. (2003): Kundenbindung von Haushaltsstromkunden, Munchen 2003. Bakay, Z./Schwaiger, M. (2004): Kundenbindung von privaten Stromkunden - Ermittlung zentraler Treiber. In: EnergiewirtschaftlicheTagesfragen, 54. Jg., 1-2/2004, S. 22-25. Grunthal, R. (2001): Der Strom-Markt: Marken, Wechselbereitschaft, alternative Energiequellen. In STERN Trendprofile, 9/2001,. Han, J./Kamber, M. (2000): Data Mining: Concepts and Techniques, New York, 2000. Krafft, M. (2002): Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg 2002. Prangenberg, 13/2003.
G. (2003): Verbraucher sind mit Stadtwerken zufrieden, in: vku-Pressemeldung,
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Generationenfrage Kundenloyalitat? Markus Zinnbauer/Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Seit ijber sechs Jahren ist der deutsche Strommarkt vollstandig liberalisiert; Stromkunden konnen seither ihren Anbieter frei wahlen, machen jedoch von dieser Moglichkeit nur selten Gebrauch - je nach EVU ist in Deutschland von einer Wechselquote im Bereich zwischen 2% und 5% auszugehen.^^^ Empirische Studien zeigen, dass Stromkunden sich nicht fur einen AnbietenA^echsel interessieren und entsprechend auch nur unzureichend uber die Materie informiert sind.2^^ Eine mogliche Erklarung dafur ist darin zu sehen, dass sicli das Gros der Kunden in angestammten Versorgerbeziehungen befindet, die noch aus der Zeit vor der Marktoffnung stammen - die Versorgung mit Stronn ist fur die moisten Kunden vollkommen erlebensfern.250 Dies wird dadurch verstarkt, dass die einst gesetzlich geregelten Gebietsmonopole den Kunden uber lange Jahre von einer Beschaftigung nnit dem Thema AnbietenA/echsei abgehalten haben. Daran konnte auch die Marktoffnung nur kurzfristig etwas andern.25^ So haben empirische Untersuchungen gezeigt, dass die niedrige Wechselquote in Deutschland weniger auf die Uberzeugungskraft der Angebote als vielmehr auf das nach wie vor dominierende Desinteresse der Kunden zuruckgeht.252 Wie aber gestaltet sich diese Haltung bei jungeren Altersgruppen? HIer sind zwei bedeutende Faktoren zu berucksichtigen: Einerseits verfugt dieser Personenkreis uber weniger Erfahrungen aus der Zeit vor der Liberalisierung des Strommarktes, andererseits ist der Umgang mit neuen Medien wie dem Internet und der Mobiltelefonie hier starker verwurzelt. Die Mobiltelefonie unterlag von Beginn an einem relativ gut funktionierenden Wettbewerb. Entsprechend ist davon auszugehen, dass insbesondere die - in der Werbung traditionell besonders stark angesprochene - Zielgruppe Jugendliche in signifikantem Ausmali das Thema Anbieterwechsel verinnerlicht hat. Die Nutzung des Internets als Informationsquelle gehort bei Jugendlichen heute faktisch zum Alltag und die hohe Verbreitung von Produktvergleichsinformationen im Netz tragt daher zu einer hoheren Markttransparenz bei, von der naturgemad am ehesten jungere Altersgruppen profitieren, die dieses Medium am starksten nutzen.
248 Prangenberg (2003) und o.V. (2003). 249 Bakay (2003), S. 175f., Bakay/Schwaiger (2004), S. 22ff., Verlagsgruppe Bauer (2000), S. 6f.; Focus (2000), S. 23; VDEW{200^), S. 40. 250 Bakay (2003), S. 146; ifm (1999), S. 12ff. u. 22ff. 251 Grunthal {200^). 252 Bakay/Schwaiger {2004), S. 25.
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Wir gehen in der vorliegen Studie deshalb der Frage nach, ob sich die vermutete hohere Wechselaffinitat dieser Zieigruppe auch in Punkto Stromanbieter nachweisen lasst.
Empirische Studie Datengrundlage der voriiegenden Untersuchung ist eine schriftliche Erhebung aus dem Zeitraum November bis Dezember 2003, im Rahnnen derer bundesweit 329 Personen befragt wurden. 53% der Befragten waren 30 oder junger, 49% weiblich.253
Kundenbindung wird gemeinhin als Oberbegriff von Loyaiitat^^^ und Treue^^s aufgefasst.256 indikatoren zur Erfassung des Konstrukts umfassen zumeist verhaltensnahe Gr6(ien.257 Daneben haben wir zwei eng mit der Bindung von Kunden zusammenhangende Indikatoren erfasst, die als maflgebliche Bestimmungsfaktoren gefestigter Bindungszustande gelten: die Kundenzufriedenheit und die Risikowahrnehmung der Wechselsituation.258 Die nachfolgende Grafik zeigt die von uns ermittelten Mittelwertunterschiede, die sich nach Durchfuhrung eines t-Tests allesamt als statistisch signifikant erwiesen:
253 Zur Altersverteilung ist anzumerken, dass die Verteilung in diesem Fall gestaucht ist, um der fur Vergleichszweck notwendigen Ubergewichtung jungerer Altersgruppen Rechnung zu tragen. 254 Inn Sinne einer Einstellung. 255 Im Sinne von Wiederkaufverhalten.
256
Peter{^997),S.9f.
257 D h vergangenes und geplantes Verhalten (vgl. Homburg et al. 2000, S. 88). 258 Ba/cay (2003), 8. 175f.
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4,53 H 16-30 D 31-90
3,14
2,31
2,29
2,24
2 A
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