Herausgegeben vo n Ernst Baltrusch , Ka i Brodersen , Pete r Funke , Stefan Rebenic h un d Uw e Walte r
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Herausgegeben vo n Ernst Baltrusch , Ka i Brodersen , Pete r Funke , Stefan Rebenic h un d Uw e Walte r
Herausgegeben von Han s Beck und Hans-Ulric h Wieme r
Feiern und Erinner n GESCHICHTSBILDER I M SPIEGE L ANTIKER FEST E
VA
VerlagAntike
Gedruckt mi t freundlicher Unterstützun g de r Gerda Henke l Stiftung, Düsseldorf.
Bibliografische Informatio n de r Deutsche n Nationalbibliothe k Die Deutsch e Nationalbibliothe k verzeichne t dies e Publikatio n i n de r Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografisch e Date n sin d im Interne t übe r http://dnb.d-nb.d e abrufbar .
© 200 9 Verla g Antik e e.K. , Berli n Satz Olive r Hihn , Gieße n Einbandgestaltung disegn o visuelle kommunikation , Wupperta l Druck un d Bindun g HenkelGmb H Druckerei , Stuttgar t Gedruckt au f säurefreiem un d alterungsbeständigem Papie r Printed i n German y ISBN 978-3-938032-34- 3
V.n« Ull,iü-;i!)tiki.\lk -
Inhaltsverzeichnis Vorwort 7 Hans Beck,/Hans-Uhich Wiemer. Feier n un d Erinner n — eine Einleitung 9 Hans Beck. Ephebi e - Ritua l - Geschichte . Polisfest und historisch e Erinnerun g im klassischen Griechenlan d 5
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Hans-Ukich Wiemer. Neue Fest e — neue Geschichtsbilder ? Zur Erinnerungsfunktio n städtische r Fest e im Hellenismu s 8
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Eene Pfiilschifter. Die Röme r au f de r Flucht . Republikanische Fest e und Sinnstiftun g durch aitiologische n Mytho s 10
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KalfBehrwaük Festkalender de r frühen Kaiserzei t als Medien der Erinnerung . 14 1 Matthäus HeU. Die Jubilarfeiern der römischen Kaiser 16
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Mischa Meier. Die Abschaffung der venationesäaich Anastasios i m J ahi 499 und di e ,kosmische' Bedeutung des Hippodroms 20
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Register 23
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Über di e Herausgeber un d Autoren 23
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Vorwort Der vorliegend e Ban d geh t au f ein e Sektio n zurück , die von de n Herausgeber n auf de m 46 . Deutsche n Historikerta g i n Konstan z i m Septembe r 200 6 aus gerichtet wurde . I n Gan g gesetz t wurd e da s Unternehme n durc h ein e lebhaft e Diskussion de s damalige n Rahmenthema s GeschichtsBilder , di e uns rasc h daz u gebracht hat , dies e allgemein e Vorgab e au f di e Vorstellungs - un d Lebenswel t der einfache n Leut e herunterzubrechen . Di e hie r versammelte n Geschichts bilder habe n deshal b nu r weni g gemeinsa m mi t de r intellektuell-reflexive n Ar t und Weise , wi e sic h ei n Thukydide s ode r Tacitu s mi t de r Vergangenhei t un d ihrer soziale n Konstruktio n al s Geschicht e auseinandergesetz t haben . Stat t dessen werfen sie Licht auf Deutungen und Lesarte n von Vergangenheit, die i n breiteren Kreise n zirkulierten : of t nu r al s mündlich e Traditione n ode r al s mimetische Ritual e un d kommunizier t zwische n Mensche n ohn e jed e elitär e Bildung, abe r mi t erhebliche r Präsenzkraft : und nachhaltige n Sinnangeboten . Der Ausnahmezustan d de s Feste s schie n un s besonder s gu t daz u geeignet , diese Form von antiken Vergangenheitsbildern einzufangen . Die Vorträg e de r Sektio n wurde n fü r die Druckfassun g überarbeitet ; hinz u kamen di e Beiträg e vo n Matthäus Hei l und Misch a Meier , die da s Thema bi s i n die hoh e un d spät e Kaiserzei t hinei n verfolgen . Dennoc h kan n un d sol l auc h gar nich t de r Anspruc h erhobe n werden , hie r ei n ganze s Millenniu m antike r Festkultur abzudecken . Di e Studie n sin d al s Diskussionsbeiträg e gedacht , di e den Zusammenhan g zwische n Feste n un d Geschichtsbilder n vo m klassische n Griechenland bis in die Spätantike exemplarisch entfalten . Daß dre i Jahre nac h de r Konstanze r Sektio n nu n ei n Buc h vorgeleg t wer den kann , verdanke n di e Herausgebe r natürlic h zuallerers t de n Kollege n un d Freunden, di e sic h al s Autoren au f da s Them a eingelasse n haben . Olive r Hih n hat die Manuskripte au f de m Weg zum Buc h mi t großer Sorgfal t bearbeitet un d die Druckvorlag e fas t allein e erstellt . E r un d Joanna Ayait a habe n di e Heraus geber auc h bei m Lese n de r Korrekture n nachhalti g unterstützt . Bei m Erstelle n des Register s hal f Catherin e MacPherson . Alle n dreie n gil t unse r herzliche r Dank. Danke n möchte n wi r schließlic h auc h de n Herausgeber n de r „Studie n zur Alten Geschichte" , insbesondere Uw e Walter , di e unser Buc h i n ihre Reih e aufgenommen un d hilfreich e Hinweis e beigesteuer t haben , sowi e de r Gerd a Henkel Stiftung , di e eine n namhafte n Zuschu ß z u de n Druckkoste n gewähr t hat. Montreal/Gießen, Dezember 200 9
Hans Bec k un d Hans-UMch Wieme r
Feiern und Erinnern - ein e Einleitung 1 Hans Beck/Hans-Ulrich Wiemer I. Wozu dieser Band? Erinnerung un d Gedächtni s stehe n sei t geraume r Zei t i m Zentru m kultur wissenschaftlicher Debatte n un d werde n i n ihre n vielfaltige n Manifestatione n gerade auc h vo n Historiker n eingehen d untersucht . Di e kollektiv e Vergegen wärtigung vo n Vergangenheit , ihr e medial e Präsentation , sinnstiftend e un d handlungsleitende Funktio n un d ihr e Verankerun g i n soziale n Praktike n un d Diskursen, fü r di e sic h di e Bezeichnun g Geschichtskultu r eingebürger t hat , gehören mittlerweil e zu m Themenkano n alle r historische n Disziplinen , Si e bilden nach wi e vor Kernbereich e aktuelle r Forschungen. Inzwische n lieg t ein e Vielzahl von Studie n zu r Geschichtskultu r i n fas t allen Epochen un d Regione n der historische n Wel t vor , un d da s Thema findet auc h außerhalb de r Universi tät groß e Beachtung . Vo n de m SteEenweit , de n e s erlangt hat , abe r auc h vo n dem Umfang , den di e ihm gewidmete n Forschunge n angenomme n haben , leg t die Tatsache , da ß e s mittlerweil e auc h durc h enzyklopädisch e Zusammenfas sungen erschlossen wird, 2 ei n beredtes Zeugnis ab . Die i n diese m Ban d versammelte n Studie n verknüpfe n de n erinnerungs geschichtlichen Ansat z mi t eine m Themenbereich , de r i n de n 70e r un d 80e r Jahren de s 20 . Jahrhunderts intensi v diskutier t wurde , inzwische n abe r wiede r weniger Aufmerksamkei t findet: de m Fes t al s eine r For m soziale n Handelns . Dieser Verknüpfun g lieg t di e Uberzeugun g zugrunde , da ß i n de r griechisch römischen Wel t wie in alle n Gesellschaften , in dene n Schriftlichkei t verhältnis mäßig gerin g entwickel t ist, 3 ei n enge r Zusammenhan g zwische n Feier n un d Erinnern besteht , wei l Fest e mi t Vorstellunge n übe r ein e de m Anspruc h nac h für alle verpflichtend e Vergangenhei t verbunde n waren , di e i m gemeinsame n Vollzug regelhafter Handlungsfolge n vergegenwärtigt un d verinnerlich t wurde . Das Fes t überwan d di e Grenzen , di e de r individuelle n Aneignun g vo n Vor 1
Wi r danke n Ral f Behrwald , Christ a Frateantonio , Ren e Pfeilschifter , Winfrie d Speitkamp, Uw e Walter und David Yates für Hinweise und Kritik. 2 Pethes/Ruchat z 2001 ; Ertt/Nünning 2008 . 3 Di e durc h Harn s 198 9 angestoßen e Debatt e übe r Ausma ß un d Eigenar t vo n Schriftlichkeit in der griechisch-römischen Wel t kan n und mu ß hie r nicht resümier t werden. I m vorliegende n Zusammenhan g genüg e de r Hinweis , da ß de r Austausc h von Idee n i n alle n antike n Gesellschafte n mch t primä r durc h Text e vermittel t wurde.
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Stellungen übe r di e Vergangenhei t durc h di e Struktu r de s Bildungswesen s gesetzt waren , inde m e s breit e Schichte n beteiligte . Zugleic h schu f e s eigen tümliche Bedingunge n fü r dies e Aneignung , di e durc h emotional e Intensitä t und Konformitätsdruc k gekennzeichne t waren. 4 Di e i m Fes t repräsentiert e Vergangenheit is t der Kriti k entzogen , solang e ma n feiert , und präg t sic h gerad e darum besonder s tie f ein . Die folgende n Bemerkungen solle n in da s Them a Feier n un d Erinner n ein führen, indem zunächs t de r wissenschaftsgeschichtlich e Kontex t skizzier t wird : die Studie n zu m „sozialen " ode r „kulturellen " Gedächtni s einerseits , diejenige n zur Festkultu r andererseits . Dara n anschließen d sol l de r Zusammenhan g zwischen Feier n un d Erinner n fü r die griechisch-römisch e Wel t nähe r betrach tet und genaue r beschrieben werden .
II. Erinnerung und Gedächtnis in der Forschung Mit de r Hinwendun g zu m Themenbereic h Erinnerun g un d Gedächtni s greif t die Geschichtswissenschaf t Konzept e auf , di e de r französisch e Soziolog e Maurice Halbwachs , ein Schüler Emile Dürkheims , bereits i n de n 1920e r Jahre n entwickelt hatte . Halbwach s hatt e i n seine r 192 5 publizierte n Untersuchun g „Les cadre s sociau x d e l a memoire " gege n di e i n Frankreic h damal s vorherr schende Lehr e de s Philosophe n Henr i Bergso n de n Nachwei s z u führe n versucht, daß da s Gedächtni s kei n individuelles, sonder n ei n soziales Vermöge n sei.5 Z u diese m Zwec k untersucht e e r di e Bedingungen , di e daz u fuhren , da ß bestimmte Sinne s Wahrnehmungen erinnert , ander e abe r ausgeblende t ode r vergessen werden , un d gelangt e z u de m Ergebnis , da ß Erinnerunge n stet s au f einen soziale n Rahme n bezoge n un d dahe r gruppenspezifisc h un d gegenwarts bezogen seien . Seine These lautete , daß Individue n stet s nu r da s erinnerten , wa s für da s Kollektiv , de m si e angehören , vo n Bedeutun g ist , wei l Erinnerunge n nicht durc h selbstreflexiv e Bewußtseinsakt e wiedergefunde n ode r wachgerufen , sondern durc h aktive s Beziehe n au f di e sozial e Umgebun g konstituier t würden .
Die Bedeutung vo n Emotionalitä t fü r die Analyse von Rituale n beton t programma tisch Chaniori s 2006 ; prägnant formulier t ist diese r Aspek t be i Chanioti s 2008 , 85 : „Feste ware n Ereigniss e mi t emotionale r Intensitä t [... ] Wede r Intensitä t noc h Emotionalität sin d quantifizierbar e Begriffe , Althistorike r nehme n si e nu r selte n i n den Mund. Studiert ma n aber die antike Religiosität un d ihre Dynamik, s o kann man ohne si e nicht auskommen." S. dazu jetzt auch Hans Beck in diesem Band, S . 75-78. Halbwachs 1925 , Z u Halbwachs ' Gedächtnistheori e vgl . jetz t Assman n 2005 ; Marcel/MucluelH 2008 . Au f ihr e philosophische n Schwäche n mach t Hein z 196 7 aufmerksam.
Feiern un d Erinner n - ein e Einleitun g
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Ohne dies e „soziale n Rahmen" , meinte Halbwachs , geb e e s kein e Erinnerung , weswegen Bilde r der Vergangenhei t i m Traum stet s undeutlich blieben un d sic h im Zustand de r Aphasie ga r nicht einstellten, 6 Da s Bil d de r Vergangenheit aber , das i m kollektive n Gedächtni s erzeug t werde , entsprech e de m Bedürfni s de s Kollektivs nac h soziale r Kontinuitä t un d werd e dahe r fortlaufen d umgeformt. 7 Obwohl Halbwach s a n di e Möglichkei t objektive r Erkenntni s de r Vergangen heit glaubte un d schar f zwische n kollektive r Erinnerun g un d geschichtswissen schaftlicher Rekonstruktio n de r Vergangenhei t („histoire" ) trennte , stellt e sein e Gedächtnistheorie de n positivistische n Glauben , di e Vergangenhei t existier e unabhängig von denen , die sic h mi t ihr beschäftigen , nachhaltig in Frage , inde m sie de n Blic k au f di e soziale n Bedingunge n fü r individuell e Gedächtnislei stungen lenkte . E s bedar f kau m de r Hervorhebung , da ß Halbwach s di e Reich weite seine r Theorie überschätzte , wen n e r glaubte , daß si e ein e psychologisch e — und, wi e ma n heute hinzusetze n muß , neurobiologisch e — Analyse de s perso nalen Gedächtnisse s erübrige . Fü r unser e Überlegunge n komm t e s lediglic h darauf an , daß sein e Studie n ein e neu e Stuf e in der Geschicht e de r Gedächtnis forschung markieren, hinte r di e nich t mehr zurückgegange n werde n kann . Die Geschichtswissenschaf t ha t Halbwachs ' Gedächtnistheori e freilic h zunächst kaum Beachtun g geschenkt , obwoh l e r zu m Umkrei s de r um di e Zeit schrift „Annales " gescharte n Historike r gehörte. 8 Mar c Bloc h war f Halbwach s in eine r ausführliche n Besprechun g vor , e r verabsolutier e un d verdinglich e da s Soziale un d vernachlässig e dahe r di e Beziehungen zwische n individuelle m un d kollektivem Gedächtnis, 9 un d umgekehr t sa h Halbwach s selbs t eine n prinzi piellen Gegensat z zwische n seine r Soziologi e de s Gedächtnisse s un d eine r historischen Analys e de r Vergangenheit. 10 Eine r Rezeptio n i n de r deutsche n 6
Halbwach s (1925 , 1-79 ) zog au s der Analyse dieser beiden Zuständ e da s Resüme: „il n'y a pa s d e memoir e possibl e e n dehor s de s cadre s don t le s homme s vivan t e n societe s e Servern pour fixer et retrouver leur s souvenirs " (79). 1 Halbwach s 1925 , 113 : „De s homme s qu i n e demanderaien t ä l a memoir e qu e d'eclairer leu r actio n immediate , e t pou r qu i I ß plaisi r pu r e t simpl e d'evoque r l e passe n'existerait pas.parce qu'i l se peindrait ä leurs yeux des meme s couleur s que le present, ou, simplement, parc e qu'ils en seraient incapables, n'auraient ä aucun degre le sen s d e l a continuit e sociale , C'es t pourquo i l a societ e oblig e le s hommes , d e temps en temps , non seulement ä reprodmre en pense e les evenement s anterieur s d e leur vie, mai s encor e ä les retoucher, ä en retrancher, ä les completer , d e fafo n ä ce que, convaincu s cependan t qu e no s souvenir s son t exacts , nou s leu r corarau niquions un prestig e que ne possedai t pa s la realite". 8 Daz u aufschlußreich Revel 2005 , 5 Bloc h 1925 . 10 Halbwach s 1950/1997 , 130-142 . Nac h Halbwach s steh t di e Geschichtswissenschaf t nicht i n eine m lebendige n Traditionszusammenhan g un d verma g e s auc h nicht , einen solche n z u schaffen , is t keine r soziale n Grupp e verbunde n un d streb t nac h
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Geschichtswissenschaft de r Weimare r Zei t dürft e nebe n de r ausgeprägte n Abwehrhaltung de r Historikerzunf t gegenüber de n aufstrebende n Sozialwissen schaften auc h di e Tatsach e hinderlic h gewese n sein , da ß di e historistisch e Richtung der Geschichtsschreibung , fü r welche di e Standortgebundenhei t jede r historischen Erkenntni s ein e Selbstverständlichkei t war , nac h de m End e de s Kaiserreiches auc h innerhal b de s eigene n Fach s i n di e Defensiv e gerate n war . Die i n Halbwachs ' Gedächtnistheori e implizi t enthalten e Relativierun g jed weder historische n Erkenntni s wa r j a gerad e das , wa s nac h Ansich t viele r deutscher Intellektuelle r überwunde n werde n mußte , dami t di e Geisteswissen schaften zu eine r „nationalen Wiedergeburt " Deutschland s beitrage n könnten . Schließlich ha t auc h da s Lebensschicksa l de s Soziologen , de r 194 4 i m Kon zentrationslager Buchenwal d um s Lebe n kam, 11 daz u beigetragen , da ß sei n Werk nahez u i n Vergessenhei t gerie t un d gleichsa m ne u entdeck t werde n mußte. Da s letzt e vo n Halbwach s selbs t publiziert e Buc h — ein e historisch e Studie, di e de r Entstehun g eine r christliche n Erinnerungslandschaf t i m spät antiken Palästin a gewidme t is t - erschie n 194 1 un d gin g i n de n Wirre n de s Zweiten Weltkriege s unter. 12 Sei n erinnerungstheoretische s Spätwerk , desse n Titel „L a memoir e collective " heut e i n alle r Mund e ist , blie b unvollende t un d wurde ers t 1950 , sech s Jahre nac h de m Tod e seine s Verfassers , au s de m Nach laß veröffentlicht . Auf Übersetzunge n in s Deutsch e mußt e ma n lang e warten : „Les cadre s sociau x d e l a memoire " erschie n ers t 196 6 unte r de m Tite l „Da s 13
Gedächtnis un d seine soziale n Bedingungen" , un d e s dauert e noc h einma l 2 4 Jahre, bi s 199 1 auc h da s postum e Hauptwer k i n deutsche r Sprach e zugänglic h gemacht wurde. 14 Die Halbwachs-Rezeptio n i n de r Geschichtswissenschaf t begann au f breite r Front ers t ein halbe s Jahrhundert, nachde m e r sein e Gedächtnistheori e erstmal s publik gemach t hatte , i n de n 1980e r Jahren. Si e stan d i m Zusammenhan g poli tischer un d wissenschaftliche r Debatte n übe r di e Genese , Reproduktio n un d Funktion kollektive r Vorstellunge n übe r di e Vergangenheit , di e diese m Them a in Europa, abe r auc h in de n Vereinigten Staate n eine weit übe r di e akademisch e einem imme r un d überal l gültigen , einheitliche n Bil d de r Vergangenheit , eine r Ar t objektiver Universalgeschichte . Dies e Oppositio n zwische n „memoire " un d „histoire" kehr t be i Nor a 1984/1997 , 23-2 5 un d be i Francis/Schulz e 2001 , 14f . wieder. Eine n Vergleic h zwische n de n Positione n vo n Halbwach s un d Nor a zieh t Große-Kracht 1996 . 11 Z u Halbwachs' Leben vgl. jetzt Becker 2003. 12 Halbwach s 194 1 /2008. Ein e deutsche Übersetzun g erschie n 2003 . 13 Halbwach s 1925 ; dt . 1966 . Sei t 199 2 is t da s Wer k auc h i n eine r englische n Übersetzung zugänglich , di e der bekannte Soziologe Lewis A. Cose r besorgt hat. 14 Halbwach s 1950/1997 ; dt . 1991 . Ein e Übersetzun g in s Englisch e erschie n bereit s 1980.
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Welt hinausreichend e Resonan z sicherten. 15 Fü r diese s sprunghaf t anwach sende Interess e a n de r soziale n Konstruktio n vo n Vergangenhei t stehe n Tite l wie de r vo n Eri c Hobsbaw m un d Terenc e Range r herausgegeben e Sammel band „Th e Inventio n o f Tradition " (1983) , Davi d Lowenthal s Geschicht e de s Umgangs mi t de r Vergangenhei t „Th e Pas t i s a Foreig n Country " (1986 ) ode r Michael Kammen s Studi e „Mysti c Chord s o f Memory . The Transformatio n o f Tradition i n America n Culture " (1991) , di e allesam t Bestselle r au f de m angel sächsischen Mark t fü r historisch-soziologische Sachbüche r wurden, 16 abe r auc h Yosef Hayi m Yerushalmi s Buc h „Zakhor : Jewish Histor y and Jewish Memory " (1982).17 Di e Ursache n fü r diese n Tren d sin d vielfälti g und könne n hie r nu r angedeutet werden . Ei n wesentliche r Impul s gin g vo n de r Frag e aus , wi e da s Gedächtnis de r Shoa h fü r künftig e Generatione n bewahr t werde n könn e un d solle, wenn di e letzten Zeuge n einma l nicht meh r a m Leben sei n werden . Die Holocaust-Problemati k wa r jedoc h nich t de r einzig e Grund , weshal b man de r Frag e nac h de r soziale n Konstruktio n vo n Vergangenhei t nunmeh r allgemein groß e Bedeutun g zumaß . Kau m wenige r wichti g waren intellektuell e Strömungen de r 1970e r un d 1980e r Jahre , di e da s überkommen e Selbstver ständnis de r Geschichtswissenschaf t nachhalti g in Frag e stellten : Ma n entlarvt e traditionelle Vorstellunge n übe r Geschicht e ideologiekritisc h al s Herrschafts instrumente, u m de r „Stimm e de r Unterdrückten " Gehö r z u verschaffen ; ma n relativierte eurozentrisch e ode r „westliche " Geschichtsbilde r i m Zeiche n de s Multikulturalismus; ode r ma n hegt e prinzipiell e Vorbehalt e gege n all e große n Erzählungen un d erklärt e dere n Dekonstruktio n zu r einzi g legitimen Aufgab e des postmoderne n Intellektuellen . Sowei t di e theoretische n Konzept e un d di e politischen Optionen , di e mit ihnen einhergingen , auc h divergiere n mochten, i n einem Punk t stimmte n all e überein : Vorstellunge n übe r di e Vergangenhei t spiegeln nich t einfac h wider , wa s einma l war , sonder n sin d da s Produk t sozia len Handeln s un d müssen al s solch e analysier t werden . In Europ a ha t de r französisch e Historike r un d Verlege r Pierr e Nor a de r Beschäftigung mi t kollektive n Vorstellunge n übe r di e Vergangenhei t nachhal tige Impuls e verliehen . Nor a konstatiert e fü r da s modern e Frankreic h di e Auflösung alle r Erinnerungsgemeinschaften , di e sic h ihr e Vergangenhei t i m 15
Ausgezeichneter , brei t angelegte r Überblick , de r auc h verschieden e Vorläufe r be rücksichtigt un d de n Schwerpunk t au f di e angelsächsisch e Forschun g legt , di e i n dieser Skizz e mch t angemesse n gewürdig t werde n kann , be i Olick/Robbin s 1998 ; einflußreich wa r Connerto n 1989 . Ei n theoretisc h anspruchsvolle r un d empirisc h fundierter Beitrag , de r anthropologisch e un d lustorisch e Perspektive n vereint , is t Fentress/Wickham 1992 . 16 Hobsbawm/Range r 1983 ; Lowenthal 1986 ; Kämmen 1991 . 17 Yerushaln u 1982 .
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Modus de s kollektive n Gedächtnisse s angeeigne t hätten ; auc h di e französisch e Geschichtswissenschaft hab e aufgehört , ei n Träge r de s nationale n Gedächt nisses z u sein , wi e noc h i n de r Dritte n Republik , un d steh e ihre r eigene n Geschichte inzwische n mi t kritische r Distan z gegenüber . Alle s Geschehen e werde sogleic h de n Archive n überantwortet , währen d di e Las t de r Erinnerun g dem einzelne n aufgebürde t sei . I n diese r Situatio n entsteh e da s Bedürfnis , sic h die national e Traditio n Frankreichs , di e nich t meh r unmittelba r präsen t sei , 18
bewußt z u vergegenwärtigen . Fü r da s Medium , da s dies e Vergegenwärtigun g einer al s bedeutsam empfundene n Vergangenheit ermöglicht , ha t e r den Begrif f des „lie u d e memoire" , de s Gedächtnis - ode r Erinnerungsortes , geprägt , de r inzwischen z u de n Schlüsselbegriffe n kulturwissenschafdiche r Forschun g ge hört un d auc h i n de n allgemeine n Sprachgebrauc h eingegange n ist . Nor a versteht darunte r Kristallisationspunkt e de s kollektive n Gedächtnisses , di e stet s eine materielle , symbolisch e un d funktional e Dimensio n besitzen. 19 Di e vo n ihm initiierte , siebenbändig e Sammlun g französische r „lieu x d e memoire " (1984-1992),20 ein e Ar t Inventa r de r nationale n Symboli k Frankreichs, 21 ver schaffte de m Begrif f groß e Publizitä t un d regt e vergleichbar e Projekt e i n anderen Länder n an . In Deutschlan d erschie n in den Jahren 2001/200 2 di e vo n Etienne Francoi s un d Hage n Schulz e herausgegebene , dreibändig e Sammlun g „Deutsche Erinnerungsorte". 22 De r Begrif f selbs t ha t sic h dabe i vo n seine n spezifisch französische n Konnotatione n gelös t un d bezeichne t außerhal b 18
Nor a 1984/1997 , 28 : „L'etud e de s lieux d e memoir e se ttouve ains i ä la croise e d e deux mouvement s qui lu i donnent , e n Franc e e t aujourd'hui , s a plac e e t so n sens : d'une par t u n mouvemen t puremen t historiographique , l e momen t d'u n retou r reflexif d e Phistoir e su r elle-meme ; d'autt e par t u n mouvemen t propremen t historique, l a fin d'u n traditio n d e memoire . L e temp s d e lieux , c'es t c e momen t precis o ü u n immens e capita l qu e nou s vivion s dan s l'intimit e d'un e memoir e disparalt pour tie plus vivre que sous le regard d'une histoire reconstituee" . 19 Nor a 1984/1997 , 37 : „Les lieux de memoir e appartiennen t au x deux regnes , c'est c e qui fai t leu r interet , mai s auss i leu r complexite : simple s e t ambigus , naturel s e t artificiels, immediatement offert s ä l'experience l a plus sensibl e et , e n mem e temps , relevant d e l'elaboratio n l a plus abstraite . Iis son t lieux , e n effet , dans le s troi s sen s du mot , materiel , symboliqu e e t fonctionnel , mai s simultanement , ä de s degre s seulement diver s [... ] C e qu i les constitu e es t u n je u d e l a memoir e e t de l'histoire , une interaction de s deux facteurs qui abouüt ä leur surdetermination reciproque" . 20 Nor a 1984/1992 ; 199 7 erschie n ein e gekürzt e Taschenbuchausgabe , di e dan n auc h ins Englisch e übersetz t wurde. 21 Nor a 1984/1997 , 15 : „L a dispariüo n rapid e d e notr e memoir e national e m'avai t semble appele r u n inventaire de s lieux o ü eil e s'es t electivemen t incarne e e t qui, par la volont e de s homme s o u l e travai l de s siecles , e n son t reste s comm e le s plu s eclatants symboles : fetes , emblemes , monument s e t commemorations , mai s auss i eloges, dictionnaires e t musees". 22 Frangois/Schulz e 2001/2002 .
Feiern un d Erinner n - ein e Einleitun g
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Frankreichs i n de r Rege l symbolisch e Figuren , welche da s Gedächtni s soziale r Gruppen stützen , inde m si e de r Erinnerun g eine n stabile n Rahmen , Prägnan z und Anschaulichkeit verleihen. 23 Unter de n Altertumswissenschaftler n wa r de r Ägyptolog e Jan Assman n de r erste, de r da s Them a systematisc h durchdacht e un d zugleic h empirisc h er forschte. 24 I n seine r wegweisenden Studi e übe r da s „kulturelle Gedächtnis", di e 1992 erstmal s erschie n un d inzwische n vielfac h neu aufgeleg t und i n mehrer e Sprachen übersetz t worde n ist, 25 untersucht e e r a m Beispie l Ägyptens , Israel s und Griechenland s da s Verhältni s vo n Schrift , Erinnerun g un d politische r Identität i n frühe n Hochkulture n un d unterschie d dabe i zwe i Type n de s kol lektiven Gedächtnisse s vo n unterschiedliche r Reichweit e un d Struktur : da s au f Alltagskommunikation beruhend e kommunikativ e Gedächtni s einerseits , da s auf kulturelle r Kodierun g beruhend e kulturell e Gedächtni s andererseits . Da s kommunikative Gedächtni s reich t nich t weite r al s dre i Generatione n zurück , weil e s nich t übe r Technike n de r Tradierun g verfügt , die Erinnerunge n übe r den To d seine r individuelle n Träge r hinau s konserviere n könnten ; jede s Ge schehen, welche s vo n de r Gegenwar t weite r entfern t is t al s dies e dre i Gene rationen, fäll t dem Vergesse n anheim . Dies e Ar t de s kollektive n Gedächtnisse s ist weni g strukturier t un d komm t ohn e di e Existen z vo n Spezialiste n aus , di e für sein e Bewahrun g zuständi g sind . I m Gegensat z daz u verma g da s kulturell e Gedächtnis Vergangenheite n festzuhalten , di e au s de r Alltagskommunikatio n verschwunden sind , wei l e s übe r Speichermedie n verfügt , di e de n einzelne n überdauern können . Dies e Unterscheidun g fäll t mi t derjenige n zwische n 23
Franpais/Schulz e 2001 , 17£ : „Erinnerungsort e könne n ebens o materielle r wi e immaterieller Natu r sei n [...] . Erinnerungsort e sin d si e nicht dan k ihrer materielle n Gegenständlichkeit, sonder n wege n ihre r symbolische n Funktion . E s handel t sic h um langlebige , Generatione n überdauernd e Kristallisationspunkt e kollektive r Erin nerung un d Identität , di e i n gesellschaftliche , kulturell e un d politisch e Üblichkeite n eingebunden sin d un d die sic h in de m Maß e verändern, in de m sic h di e Weise ihrer Wahrnehmung, Aneignung , Anwendun g und Übertragun g verändert. Wi r verstehen also ,Ort ' als Metapher , al s Topos i m buchstäblichen Wortsinn . De r Or t wird allerdings nich t al s ein e abgeschlossen e Realitä t angesehen , sonder n i m Gegentei l stet s als Ort i n einem Raum (se i er real, sozial, politisch, kulturell oder imaginär)". Nora selbs t stan d de r Übertragun g de s vo n ih m geprägte n Begriff s au f ander e Nationen un d seine r damit verbundenen Umdeutun g zunächs t skeptisc h gegenübe r (Nora 1993) , ha t si e abe r späte r gebilligt , insistier t freilich nac h wi e vo r au f de n Unterschieden zwische n den verschiedenen, national geprägten Erinnerungskulture n Europas: Nora 2002, 681-686 . 24 Zu r Genes e de s Konzept s vgl . Hart h 2008 , de r auc h die Schwierigkei t verdeutlicht , seine Leitbegaffe ins Englisch e z u übertragen . 25 Assman n 1992 . Ihre Grundgedanken skizzier t in programmatischer Kürz e Assman n 1988a.
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schriftlosen un d schriftliche n Gesellschafte n keinesweg s zusammen , den n da s Geschichtsbewußtsein schriftlose r Völker schließ t in de r Rege l ein e Urzei t ein , für di e e s kein e lebende n Zeuge n gibt. 26 W o da s kollektiv e Gedächtni s i m Modus de s kulturelle n Gedächtnisse s funktioniert , wir d Vergangenhei t durc h Riten inszenier t ode r i n Texten kodiert ; si e gil t al s vorbildhaft und verbindlich , und bestimmt e Persone n wache n darüber , da ß si e unverfälscht bewahrt wird . Wie da s gena u geschieht , is t kulturspezifi.sc h un d variier t dahe r außer ordentlich stark . Di e Spezifi k de s Alte n Ägypte n etw a lieg t nac h Assman n darin, da ß di e Vergangenhei t i n eine m monumentalen , durc h di e Pyramide n gebildeten Rahme n i n liturgische n Forme n kommemorier t wurde , u m sic h de r Unwandelbarkeit de s Kosmo s z u vergewissern , währen d sic h da s antik e Judentum i m Studiu m eine s kanonischen Textes seine r Ursprüng e un d dadurc h seiner einzigartige n Beziehun g z u Got t versicher t habe . Be i de n alte n Grieche n schließlich se i eine fü r alle verbindlich e Vergangenhei t durc h eine n Kano n vo n Texten fixier t gewesen, au s dene n konkurrierend e Ansprüch e abgeleite t werde n konnten. 27 Daß di e Altertumswissenschafte n Assman n wesentlich e Anstöß e ver danken, steh t auße r Zweifel , auc h wen n sein e Ausführunge n nicht ohn e Kriti k geblieben sind . Man ha t moniert, da ß e r ei n zu einfaches , ja verzerrtes Bil d vo n den Forme n un d Modalitäte n kollektive r Erinnerun g i m altgriechische n un d jüdischen Bereic h zeichne , un d dami t empirisch e Schwachstelle n seine s magnum opu s benannt . Grundsätzliche r Ar t is t de r Einwand , da ß de r Begrif f kulturelles Gedächtnis , wi e e r ih n verwendet , ein e Uniformitä t i n de n Vor stellungen übe r di e Vergangenhei t suggeriert , di e i n komplexe n Gesellschafte n 2g
kaum j e gegebe n ist . Diese r Einwan d is t insofer n nich t vo n de r Han d z u weisen, al s de r Begrif f kulturelle s Gedächtni s da s Mißverständni s nahelegt , e s seien „Kulturen" , di e übe r ei n kollektive s Gedächtni s verfügten , während e s i n Wahrheit soziale Gruppe n sind , die sic h ei n ihre n Bedürfnisse n entsprechende s Bild de r Vergangenhei t schaffe n un d bewahren , wi e Halbwach s seh r gena u wußte un d auc h Assman n ausdrücklic h betont . De r Begrif f „kollektive s Gedächtnis" is t zude m mi t de r Vorstellun g belastet , da s Kollekti v se i ein e aktive Substanz , da s Individuu m hingege n blo ß dere n passive r Teil. 29 Ma n ha t 26
Daz u grundlegend Vansin a 1985 . Vgl auc h Schott 1968 . Assman n 1992 , 163-292 . Z u Ägypten auc h Assmann 1988b ; Assmann 1989 ; 1991c , 28 Olic k 2008 , 158f „ 25 Fentress/Wickha m 1992 , IX : „a n importan t proble m facin g anyon e wh o want s t o follow Halbwach s i n thi s fiel d is ho w t o elaborat e a conception o f memor y which , while doin g fül l justic e t o th e collectiv e sid e o f one' s consciou s life , doe s no t rende r the individua l a sort o f automaton , passivel y obeyin g th e interiorized objectiv e will . It i s fo r thi s reaso n (a s wel l a s t o avoi d th e imag e o f a lungia n collectiv e uncon -
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auf verschiedene Art und Weis e versucht, eine m verdinglichten Verständnis de r Begriffe „kollektives" bzw . „kulturelle s Gedächtnis " vorzubeugen , etw a inde m man vo n „socia l memory" 30 ode r „socia l remembering" 31 spricht , au f „mne monic practices" 32 abheb t ode r de n Plura l „Erinnerungskulturen" 33 verwendet . Da all e Seite n dari n übereinstimmen , da ß kollektiv e Erinnerunge n einerseit s gruppenbezogen sin d un d andererseit s eine r kulturelle n Prägun g unterliegen , können Historike r sic h in de r Sach e verständigen, auc h wenn di e Begrifflichkeit uneinheitlich is t und alle r Voraussicht nac h auc h bleiben wird . Seit de n 1990e r Jahre n habe n Forschunge n zu m Them a Gedächtni s un d Erinnerung auc h i n de n Altertumswissenschafte n Hochkonjunktur , un d e s •würde viel zu weit führen, alle hier einschlägige n Arbeiten anzuführen . Es mu ß genügen, einig e herausragend e Publikatione n de r letzte n Jahr e z u nennen : Michael Jun g ha t di e große n Landschlachte n de r Perserkrieg e i n monogra phischer For m untersucht 34 un d Angel a Küh r di e thebanisch e Mythologi e i n einer exemplarische n Studi e al s Mediu m eine r vergangenheitsbezogene n Iden titätskonstruktion analysiert. 35 I m römische n Bereic h ha t di e Arbei t vo n Uw e Walter übe r „Memoria und res publica. Zu r Geschichtskultu r i m republikanische n Rom" Maßstäbe gesetzt. 36 Fas t zeitgleic h habe n Karl-Joachi m Hölkeskam p un d Elke Stein-Hölkeskam p eine n umfangreiche n Sammelban d übe r römisch e Erinnerungsorte herausgegeben , de r nu n ei n althistorische s Gegenstüc k z u de n oben erwähnte n Initiative n französische r und deutsche r Neuhistorike r bildet 37
scious) tha t w e shal l normall y us e th e ter m ,socia l memory ' rathe r tha n ,collectiv e memory', despite th e gteater recognizability of th e latter phrase". 30 So etwa Burke 1989 ; Fentress/Wickham 1992 . " So Misztal 2003. 32 I n diese m Sinn e Olick/Robbin s 1998 ; Olic k 2008 , 158 : „upon close r examination , collectlve memor y reall y refer s t o a wide variet y o f mnemom c product s an d prac tices, ofte n quit e differen t fto m another , Th e forme r (products ) includ e stories , ritual, books , statues , representation , speeches , images , pictures , records , historica l studies, surveys , etc. ; th e latte r (practices ) includ e reminiscences , recall , avowal , demal, rationalization , excuse , acknowledgement , an d man y others . Mnemom c practices - thoug h occurin g i n a n infimt y o f context s an d throug h a shifting mul tipliaty of media — ate aKvays simultaneously individual and social". 33 „Erinnerungskulturen " wa r das Markenzeichen eine s Sonderforschungsbereiche s a n der lusms-Liebig-Umversitä t Gießen , de r 200 8 auslief ; z u seine n theoretische n Grundlagen vgl etw a Cornelißen 200 3 ode r Erl l 2003 . 34 lun g 2006 . 33 Küh r 2006 . 36 Walte r 2004. 37 Stem-Hölkeskamp/Hölkeskam p 2006 . Ei n Ban d übe r „Gnechisch e Erinnerungs orte" wird 2010 folgen.
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III. Feste und Feiern in der Forschung Feste un d Feier n habe n sei t e h un d j e di e Aufmerksamkei t de r Forschun g gefunden. Theologe n un d Religionswissenschaftler , Volkskundle r un d Ethno logen, Soziologe n un d Psychologen , Literaturwissenschaftle r un d Kunst historiker habe n sic h ebens o mi t ihne n beschäftig t wi e Vertrete r de r Geschichtswissenschaft. 38 I m Zug e de r verstärkte n Hinwendun g z u Theme n der Kultur - un d Alltagsgeschicht e nah m di e Beschäftigun g mi t Feste n un d Feiern sei t Mitte der 1970e r Jahre jedoch eine n großen Aufschwung , auch wen n das Thema niemal s ein e s o herausragend e Stellun g erlangte, wie si e die Studie n zum Them a Erinnerun g un d Gedächtni s derzei t einnehmen . I n Europ a hatt e die französisch e Forschun g dabe i wiederu m ein e Vorreiterroll e inne . Dor t erschienen i m Jahr 197 6 gleich dre i Arbeiten , die Fest e i m Ancie n Regim e un d dem französische n Revolutionszeitalte r zu m Gegenstan d hatten. 39 Emmanue l Le Ro y Ladurie veröffentlichte 1979 mi t „L e Camava l d e Romans " ein e Studi e über ei n auße r Kontroll e geratenes Fes t de s 16 , Jahrhunderts i n Romans , die , in mehrere Sprache n übersetzt , z u eine m de r erfolgreichste n historische n Sach bücher de s 20 . Jahrhunderts wurde. 40 198 3 legt e Jacque s Heer s ein e Synthes e über di e Fest e de s westeuropäische n Mittelalter s vor , di e ebenfall s weit e Verbreitung fand. 41 Zwische n dies e beide n Date n fäll t di e Publikatio n eine s Sammelbandes, de r da s Them a Fes t vo m Hellenismu s bi s in s 19 . Jahrhunder t hinein verfolgt. 42 Im deutschsprachige n Rau m wurd e da s Them a etwa s später , dann abe r ent schieden aufgegriffen . Die Arbeitsgrupp e „Poeti k un d Hermeneutik " widmet e dem Fes t 198 9 eine n Tagungsband , a n de m sic h vo r alle m Iiteratur - un d Kunstwissenschaftler sowi e Philosophe n beteiligten, 43 Weni g späte r setzt e de r deutsche Mediävistenverban d da s Them a au f di e Agend a eine r Jahrestagung. 44 Die Philosophisch e Fakultä t de r Universitä t Züric h veranstaltet e 198 7 ein e epochen- un d disziplinenübergreifend e Vorlesungsreih e zu m Them a „Stad t und Fest" , dere n Beiträg e i n eine r Festschrif t zu r 2000-Jahr-Feie r de r Stad t
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Umfangreiche , abe r keinesweg s vollständig e literaturangabe n finden sic h be i Maurer 2004b. 39 Berc e 1976 ; Ozou f 197 6 (da s Buc h ist 198 8 auc h i n englische r Übersetzun g erschienen); VovelJe 1976. 40 L e Ro y Ladurie 1979 ; das Buch erschie n i m selbe n Jahr auc h i n englischer Sprache . Die deutsch e Übersetzung folgt e 1989 . 41 Heer s 1983 . Ein e deutsche Übersetzung erschien 1986 . 42 Auetore s varil 1981 . 43 Haug/Wamin g 1989 . 44 Altenbur g 1991 .
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Zürich gesammel t wurden, 45 un d Uw e Schult z initiiert e ein e Reih e vo n Sen dungen übe r „Da s Fest " i m „Hessische n Rundfunk" , di e anschließen d (1988 ) als Buc h erschiene n un d da s Them a i n ein e breit e Öffentlichkei t trugen. 199 1 zog Michae l Maure r i n de r „Historische n Zeitschrift " ein e vorläufig e Bilan z dieser Arbeite n un d skizziert e Frage n fü r künftig e Forschungen . Seitde m is t eine Füll e vo n historische n Arbeite n zu m Them a erschienen , di e hie r nich t vorgestellt ode r auch ma r aufgezählt werden können. 47 Die theoretisch e Reflexio n übe r Fest e un d Feier n is t lang e Zei t vo n de m Gedanken beherrsch t worden , da ß dies e Forme n soziale n Handeln s ihre m Wesen nac h al s Exze ß un d Ekstas e z u deute n seien . I n diese m Punk t ware n sich ansonste n s o gegensätzlich e Denke r wi e Sigmun d Freu d un d Emil e 48
Dürkheim völli g einig . Beid e formulierte n kur z vo r Ausbruc h de s Erste n Weltkrieges anhan d ethnologische n Material s di e Auffassung , da ß da s Wese n des Feste s i n de r zeitlic h begrenzte n Aufhebun g ode r Umkehrun g soziale r Regeln liege . Si e stimmte n auc h dari n überein , i m Fes t ei n Mitte l de r indivi duellen un d kollektive n Regeneratio n z u sehen , wenngleic h si e di e Ar t un d Weise, wi e sic h dies e Regeneratio n vollzieht , unterschiedlic h bestimmten : Fü r Freud wa r da s Fes t ein e Ar t Ventil , ein e Praxis , di e daz u verhilft , Triebe z u befriedigen, die im Allta g mi t große r Anstrengun g unterdrück t werde n müssen , damit di e Grupp e fortbestehe n kann; e s ermöglich t ein e zeitweilig e Aufhebun g der Scheidun g zwische n de m Ich , da s nac h grenzenlose r Lus t strebt , un d de m Ichideal, da s erstere m al s Anwal t de s Realitätsprinzip s de n Triebverzich t auf erlegt 49 Dürkhei m dagege n betrachtet e da s Fes t zwa r ebenfall s al s ein e For m
« Hugge r 1987 . 4 <s Maure r 1991 . 47 Eine n Eindruc k vo n de r Vielfal t neuhistorische r Beiträg e au s de n letzte n beide n Jahrzehnten vermittel n di e Bänd e vo n Hettiing/Nolt e 1993 ; Koselleck/Jeisman n 1994; Schmid 1995 ; Friedrich 2000 ; Müller 2004 . 44 Zu m jeweilige n biographische n un d werkgeschichtliche n Kontex t vgl . Ga y 1998 , 324-335 fü r Freud bzw . Lukes 1972 , 450-484 fü r Dürkheim. 49 Freu d 1913/1974 , 425 : „Ei n Fes t is t ei n gestatteter, vielmeh r gebotene r Exzeß , ei n feierlicher Durchbruc h eine s Verbotes . Nich t wei l Mensche n infolg e eine r Vorschrift fro h gestimm t sind , begehe n si e Ausschreitungen , sonder n de r Exze ß liegt i m Wese n de s Festes ; di e festlich e Stimmun g wir d durc h di e Freigebun g de s sonst Verbotene n erzeugt" ; Freud 1921/1974 , 122 : „Es wäre gut denkbar , da ß auc h die Scheidun g de s Ichideal s vo m Ic h nich t dauern d vertrage n wir d un d sic h zeitweilig zurückbllde n muß . Be i alle n Verzichte n un d Einschränkungen , di e de m Ich auferleg t werden, is t de r periodisch e Durchbruc h de r Verbote Regel , wi e j a di e Institution de r Fest e zeigt , di e ursprünglic h nicht s andere s sin d al s vo m Geset z gebotene Exzess e un d diese r Befreiun g auc h ihre n heitere n Charakte r verdanken . Die Saturnalie n de r Röme r un d unse r heutige r Karneva l treffe n i n diese m
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außeralltäglichen Handelns, 5 0 verstan d e s abe r al s Ritual , da s di e moralische n Grundlagen de r Gesellschaf t i n regelmäßige n Abstände n erneuert , inde m e s einen Zustan d kollektive r Euphori e („effervescence" ) erzeugt , i n welche m di e Teilnehmer sic h al s Tei l eine s größere n G a n z e n erlebe n u n d sic h au f di e gemeinsamen Grundlage n ihre r Existen z besinnen ; diese s Erlebni s festig e da s Zusammengehörigkeitsgefühl de r G r u p p e u n d geb e d e m einzelne n Kraf t u n d Selbstvertrauen. 51 E s dürft e kaum z u bestreite n sein , da ß di e ungebrochen e Attraktivitä t diese s Modells dari n liegt , soziologisch e u n d psychologisch e Ansätz e z u vereinen , indem e s di e Funktion , di e Fest e fü r Individuen u n d fü r Kollektiv e erfüllen , au f unmittelbar einleuchtend e A r t u n d Weis e z u verknüpfe n vermag. 5 2 Ma n ha t i n der historische n Forschun g auc h deswege n gern e darau f zurückgegriffen , wei l es sic h mi t Vorstellunge n v o m Gegensat z zwische n „Volkskultur " einerseits , Obrigkeit u n d / o d e r Bürgertu m andererseit s verbinde n u n d dadurc h i n sozial geschichtliche Theorie n mi t umfassende m Geltungsanspruc h wi e etw a Sozial disziplimerung ode r Modernisierun g einordne n läßt. 53 wesentlichen Zug mit den Festen der Primitiven zusammen, die in Ausschweifungen jeder Art mit Übertretung der sonst heiligsten Gebote auszugehe n pflegen". 50 Dürkhei m 1912/1968 , 547 : „toute fete , alor s mem e qu'ell e es t purement lai'qu e par ses origines , a certains caractere s d e l a ceremonie religieuse , car , dans tous le s cas , eile a pour effet de rapproche r les individus, d e mettr e e n mouvement les masse s e t de suscite r ains i u n eta t d'effervescence , parfois mem e d e delire , qui n'est pa s san s parente ave c l'eta t religieux . L'homm e es t transport e hor s d e lui , distrai t d e se s occupations e t d e se s preoccupation s ordinaires . Auss i observe-t-o n d e par t e t d'autre le s meme s manifestations : cris , chants , musique , mouvement s violents , danses, recherch e d'excitant s qu i remonten t l e nivea u vita l etc . O n a souven t remarque qu e les fete s populaire s entrainen t au x exces , font perdr e d e vue l a limite qui separ e l e licit e e t 1'iJJicite ; i l es t egalemen t de s ceremonie s religieuse s qu i deternunent comm e un besoi n d e viole r le s regle s ordinairemen t le s plu s re spectees". 51 Dürkhei m 1912/1968 , 610 : „II ne peut pas y avoir d e societ e qu i ne sent e le besoi n d'entretenir e t d e raffermir , ä intervalle s reguliers , le s sentiment s collectif s e t le s idees collective s qu i fon t so n unit e e t s a personnalite. Or , cett e refectio n moral e n e peut etr e obtenu e qu'a u moye n d e reunions , d'assemblees , d e congregation s o ü le s individus, etroitemen t rapproche s le s un s de s autres , reaffirmen t e n commu n leur s communs sentiments ; d e lä , de s ceremonie s qui , pa r leu r objet , pa r le s resultat s qu'elles produisent, pa r les procedes qu i y son t employes , n e different pas e n natur e des ceremonie s propremen t religieuses . Quell e differenc e essentiell e y a-t-i l entr e une assemble e d e chretien s celebran t le s principale s date s d e la vie d u Christ , o u d e juifs fetant soi t la sortie d 'Egypte soi t l a Promulgation d u decalogue , e t un e reunio n de citoyen s commemoran t l'institutio n d'un e nouvell e chatt e moral e o u quelqu e grand evenement d e la vie nationale?". 52 Z u psychoanalytischen Ansätzen zur Erklärung des Festes vgl. auch Maurer 2004c. 53 S o etwa bei Chartier 1987.
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Der Gedank e hingegen , da ß Fest e vo r alle m de r Besinnun g au f überzeitlich e Ordnungen un d Wert e dienen , verdank t sein e Verbreitun g philosophische n und theologische n Antrieben , de r Reflexio n über di e Grundstrukture n un d di e metaphysischen Voraussetzunge n menschliche r Existenz . E s ware n Vertrete r einer philosophische n Anthropologi e wi e Ott o Friedric h Bollno w un d Jose f Pieper, die ihn in den 1950e r un d 1960e r Jahren in s Zentrum ihrer Festtheorie n stellten.54 Di e Geschichtswissenschaf t ha t davo n zunächs t kaum Notiz genom men. De r Aspek t de r Selbstreflexio n trat in de n historische n Diszipline n ers t in dem Momen t gleichberechtig t nebe n da s Paradigm a vo n Exze ß un d Ekstase , als Sozialwissenschaftle r begannen , de r Frag e nac h de r soziale n Reproduktio n von „Sinn" , von Norme n un d Symbole n also , zentral e Bedeutung beizumessen . Der Soziolog e Winfrie d Gebhard t legt e 198 7 ein e Festtheori e vor , di e au f der mi t idealtypische r Streng e getroffene n Unterscheidun g zwische n Fes t un d Feier al s zwe i gegensätzliche n Forme n soziale n Handeln s beruh t un d i n de r deutschsprachigen Festforschun g groß e Beachtun g gefunde n hat. 55 Gebhard t definiert Fest e un d Feier n al s Vergemeinschaftungs - un d Vergesellschaftungs formen, „die, durch ihre Beziehun g auf etwa s al s außeralltäglich Gedachtes , de r individuellen wi e kollektive n Bewältigun g de s Alltag s diene n un d zwa r au f qualitativ unterschiedlich e Ar t un d Weise . Da s Fes t hilft , den Allta g z u bewäl tigen, inde m e s ihn aufhebt . Die Feie r hilft , den Allta g zu bewältigen , indem e s ihn bewuß t macht , d.h. ihn al s sinnvolles Geschehe n in s Bewußtsei n hebt" 56 Das Fes t is t diese r Theori e zufolg e ei n spontane s un d ungeregelte s Ge schehen, i n welche m di e Regel n de s Alltagslebens zeitweis e außer Kraft gesetzt werden; e s se i seine m Wese n nac h Exze ß un d Ekstase . E s entlast e da s Indivi duum vo n de n Zwänge n de s Alltag s un d vermittl e ih m da s Erlebni s seine r Einheit; durc h diese s Erlebni s stärk e e s zugleic h da s Zusammengehörigkeits gefühl der Gruppe , de r da s feiernd e Individuu m angehört . Di e Feie r dagege n hebe de n Allta g nich t auf , sonder n reflektier e ihn, inde m si e de n Feiernde n di e Sinnhaftigkeit ihre s Dasein s un d de r Ordnungen , i n dene n e s sic h vollzieht , bewußt mache . I m Gegensat z zu m Fes t lieg e da s Wese n de r Feie r dahe r i n de r Ruhe un d Kontemplation ; e s vollzieh e sic h i n strenge n Formen , di e au f di e Überhöhung, nich t au f di e Aufhebun g de r alltägliche n Wirklichkei t zielten. 57 Gebhardt is t de r Auffassung , da ß sic h mi t diese n Begriffe n ein e historisch e Entwicklung beschreibe n lasse , di e e r al s Übergan g vo n de r traditionale n zu r modernen Gesellschaf t versteht : I n de r traditionale n Gesellschaf t nämlic h 54
Bollno w 1955 ; Pieper 1963 . Z u theologischen Festtheorie n vgl. auc h Leppi n 2004 . Wi e e s scheint , handel t e s sic h um di e bislan g einzige ausformuliert e Festtheori e au s soziologischer Perspektive ; si e wird be i Homann 2004 reproduziert . 56 Gebhard t 1987 , 53. 57 Gebhard t 1987 , 53-74 . 55
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hätten sic h Feie r un d Fes t stet s al s Einhei t dargestellt ; zu r Trennun g zwische n diesen beide n Forme n de r Festlichkei t se i es ers t gekommen , al s der Glaub e a n die Selbstverständlichkei t eine r „heiligen " un d daru m unverfiigbare n Ordnun g geschwunden sei . Da s Bedürfni s nac h rationale r Vergewisserun g de r norma tiven Grundlage n de s Dasein s hab e di e traditional e Einhei t vo n Fes t un d Feie r aufgelöst und di e moderne, bewuß t inszenierte Feie r geschaffen. 58 Gegen Gebhardt s Festtheori e is t vorgebracht worden , da ß si e im Gegensat z zum landläufige n Sprachgebrauc h stehe , i n welche m di e Feie r ein e besonder e Form de s Festes , nich t abe r seine n Gegensat z bezeichne. 59 Diese r Vorbehal t trifft freilic h nu r di e sprachlich e Form . Au s historische r Sich t vie l schwere r wiegt de r Einwand , da ß di e vo n Gebhard t gebildete n Idealtype n au f viele vor moderne Gesellschafte n kau m anwendba r sind , wei l ihr e Element e dort , wi e Gebhardt selbs t einräumt , ein e Einhei t bilden . Idealtypen , di e ungeeigne t sind , die historischen Phänomen e z u klassifizieren , sin d jedoc h wenig hilfreich. 60 E s hat dahe r gut e sachlich e Gründe , wen n Gebhardt s Begriffspaa r von de r Ge schichtswissenschaft in der Regel nicht verwendet wird. 61 Es wa r erneu t Ja n Assmann , de r mi t Nachdruc k darau f hinwies , da ß ein e wesentliche Funktio n vo n Festen , vo r alle m — abe r nich t nu r - unte r vor modernen Bedingungen , dari n besteht , a n Ereigniss e un d Gestalte n z u erinnern, di e au s de r Alltagskommunikatio n verschwunde n sind . Assman n definierte das Fes t daher al s „Urform de s kulturelle n Gedächtnisses", weil e s i n schriftlosen Gesellschafte n „de r einzige , au f jede n Fal l abe r de r zentral e Or t einer Besinnun g au f di e Ursprünge , di e Orientierunge n i m Große n un d di e verbindenden Geschichten " sei. 62 Wei l Speichermedie n fehlen , di e au f Schrif t beruhen, sin d dies e Gesellschafte n auf di e Inszenierun g vo n Vergangenhei t i m Fest angewiesen, u m Erinnerun g bewahre n un d weitergebe n z u können. Gewi ß nimmt di e Bedeutun g vo n Feste n fü r di e Reproduktio n kollektive r Vorstel lungen übe r di e Vergangenhei t ab , wen n durc h Verschriftlichun g neu e Speichermedien geschaffe n werden , welch e di e Möglichkeite n eine s Zugang s zur Vergangenhei t vervielfältigen . Die s bedeute t jedoc h nicht , da ß da s Fes t durch di e Verschriftlichun g kollektive r Erinnerunge n jed e Bedeutun g al s
58 Gebhard t 1987 , 87-98 . 59 Koc h 1991 , 29-40; Maurer 2004b, 37 . « Schrm d 1995,10 £ 61 Deil e 200 4 träg t diese r Kriti k Rechnung , indem - e r vorschlägt , di e Feie t al s Sonderform de s Feste s z u definieren . Sein e Definitio n de s Feste s lautet : „I m Fes t vergegenwärtigt sic h ein e G e m e i n s c h a f t lebensbejahen d B e d e u t u n g i n besonderen äußere n Formen" (7) . Di e Feie r se i „ei n Ereignis festliche n Charakters , bei dem die Bedeutungsebene emphatisc h reflektier t und betont wird " (13f.). ® Assman n 1991b , 13 .
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Medium de s kollektive n Gedächtnisse s einbüßt . Diese r Zustan d is t auc h nac h den mediale n Revolutione n de r Postmodern e nich t eingetreten . National e Gedenktage etw a gehören nac h wie vor z u de n Praktiken des Erkmems, au f di e kein moderner Staa t verzichten möchte . Die altertumswissenschaftlich e Festforschun g ha t di e Frag e nac h de r Erinnerungsfunktion von Feste n ers t verhältnismäßi g spä t aufgenommen. Die s hängt auc h mi t de r Beharrungskiaf t fachspezifische r Orientierunge n zusam men. Di e Fest e de r griechisch-römische n Wel t wurde n lang e Zei t fas t ausschließlich unte r religionswissenschaftliche n Gesichtspunkte n untersucht . Die große n Synthese n übe r griechisch e Fest e stamme n au s de r erste n Hälft e des 20, Jahrhunderts un d sin d de r damal s herrschende n Vorstellung verpflich tet, daß der ursprüngliche, religiös e Sin n griechischer Fest e bereit s i n klassische r Zeit i n Vergessenhei t gerate n sei . Marti n Nilsso n un d Ludwi g Deubne r habe n darum Feste , di e ihre r Ansich t nac h rei n profane r Natu r waren , vo n de r Betrachtung grundsätzlic h ausgeschlosse n un d sic h darau f konzentriert , de n äußeren Ablau f un d de n ursprünglichen , abe r späte r meis t vergessene n Sin n griechischer Fest e „religiöse n Charakters " z u rekonstruieren. 63 Dies e Grund annahmen liege n auc h de r kalenderförmige n Darstellun g attische r Fest e zugrunde, di e Herber t W . Park e 197 7 vorlegte. 64 Di e Rolle , di e Fest e fü r di e Reproduktion soziale r Gruppe n spielen , war fü r diese Betrachtungsweis e eben sowenig vo n Belan g wi e ihr e Bedeutun g fü r di e Vermittlun g kollektive r Vorstellungen übe r di e Vergangenheit , Noc h ein e 199 2 unte r de m vielver sprechenden Tite l „Festival s an d Legends : Th e Formatio n o f Gree k Citie s i n the Ligh t o f Publi c Ritual " publiziert e Untersuchun g wa r nich t erinnerungs geschichtlich, sonder n quellenkritisc h angelegt : Si e betrachtet e Feste , i n dene n Ereignisse un d Gestalte n de r Vergangenhei t thematisier t wurden , u m nach zuweisen, daß di e kultisch e For m de r Kommemoratio n z u einer Verzerrun g de r Erinnerung a n das tatsächlich Geschehen e führte. 65 Zu diese r Zeit hatt e sic h i n der Forschun g übe r griechische Ritual e freilic h bereits ein e grundlegend e Neuorientierun g vollzogen , di e mi t de m Name n Walter Burkert s verbunde n ist . Burker t kombiniert e Konzept e de r funktio nalistischen Soziologi e mi t psychoanalytische n un d verhaltensbiologische n Ansätzen un d betont e di e gruppendynamischen, integrative n un d formierende n Wirkungen vo n Ritualen , währen d e r ihre r Orientierungsleistun g wenige r Beachtung schenkte. 66 Anfan g de r 1990e r Jahre legt e dan n Angelo s Chanioti s « Nilsso n 1906 ; Deubner 1932 . Parke 1977 . 65 Robertso n 1992 . 66 Ein e eingehend e Würdigun g de s opu s magnu m Burkerts biete t Gladlgo w 1983 , Di e sozialen Funktione n religiöse r Ritual e behandel t Burker t 1977 , 382-40 2 unte r de n
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die erst e eine r ganze n Seri e vo n Studie n vor, i n dene n griechisch e Fest e unte r modernen Fragestellunge n interpretier t werden ; si e wird seitde m kontinuierlic h fortgesetzt und sol l in eine Gesamtdarstellung griechischer Fest e münden, 67 Die gleich e Beharrungskraf t althergebrachte r Konzept e prägt e di e For schung z u römische n Festen . Auc h i n diese m Bereic h hiel t ma n zä h a n eine m Dekadenzmodell fest , da s di e Kris e de r römische n Religio n lang e vo r de m Einsetzen de r literarische n Uberlieferun g beginne n läßt ; e s prägt e nich t blo ß Georg Wissowa s klassisch e Darstellun g de r römische n Religio n au s de m Jahr e 1902, sonder n ebens o Kur t Latte s Neubearbeitun g au s de m Jahr e i960. 68 D a die Grundlinien der Deutun g feststanden , konzentrierte ma n sic h bis weit in die zweite Hälft e de s 20 . Jahrhundert s hinei n au f di e Pfleg e de r positivistische n Tugenden: Eine 198 1 unter de m Titel „Festivals an d Ceremonie s o f th e Roma n Republic" veröffentlichte , nach de m Kalende r geordnet e Beschreibun g einzel ner Fest e — gewissermaße n da s römisch e Pendan t z u Parke s „Festival s o f th e Athenians" — war al s Fortsetzun g un d Aktualisierun g de s 189 9 erstmal s pub lizierten Standardwerk s vo n Willia m Ward e Fowle r zu m selbe n Them a ange legt.69 Ein e Betrachtun g religiöse r Ritual e al s Element e eine s soziale n Systems , das stete m Wande l unterlag , weil es falli g war, sich neuen Rahmenbedingunge n anzupassen, ha t sic h hie r ers t i n de n 1990e r Jahre n durchgesetz t un d i n de m von Mar y Beard , John Nort h un d Simo n Pric e verfaßte n Handbuch „Religion s of Rome " dan n auc h eine n repräsentative n Ausdruc k gefunden. 70 Dieser An Stichworten „Solidarisierun g i m Spie l un d Widerspie l de r Rollen" , „Initiation " un d „Krisenbewältigung"; vgl . da s methodisch e Bekenntni s i n de r Einleitung : „De r psychologische un d de r soziologisch e Aspek t lasse n sic h i n historische r Sich t zumindest prinzipiel l vereine n durc h di e Hypothese , da ß di e Entwicklun g de r Gesellschaftsformen einschließlic h de r religiösen Ritual e un d de r Seelenfanktione n in stete r Wechselwirkung erfolgte , s o da ß vo n de r Tradition he r da s ein e j e auf da s andere abgestimm t ist " (26) , Hie r wie auc h in eine m Aufsat z übe r „Di e antik e Stadt als Festgemeinde'* (Burker t 1987 ) wird ausdrücklich auf Dürkheim verwiesen . 67 Chanioti s 1991 ; seitdem etwa 1995; 2003a; 2006; 2008 (mit weiteren Verweisen). Di e hellenistischen Prozessione n gewidmet e Arbei t vo n Köhle r 199 6 stell t dagege n aufgrund gravierende r theoretische r un d methodische r Defizit e un d zahlreiche r Detailfehlet keinen Fortschritt dar; vgl. Chaniotis 1997 , 68 Wissow a 1902/1912 ; Latt e 1960 . Di e entwicklungsgeschichdiche n Passage n au s Wissowas Handbuc h habe n dadurch , da ß si e vo r kurze m in s Englisch e übersetz t und i n eine n Reade r zu m Them a Römisch e Religio n aufgenomme n wurde n (And o 2003, 330-357), neu e Aktualität erhalten. 69 Fowle r 1899/1908 ; Scullard 1981. 70 Beard/North/Pric e 199 8 (daz u lesenswert Rive s 199 8 un d Bendli n 2001) ; vgl. auc h die Kurzfassun g be i Nort h 2000 . I m deutschsprachige n Rau m ha t Jör g Rüpk e diesem Ansat z zu m Durchbruc h verholfe n (al s Synthes e vgl , Rüpk e 2001) . Eine n informativen Überblic k übe r die Forschungen zu r römischen Religion in den 1990e r Jahren vermitteln Belayche 2000; fortgesetzt von Belayche 2003.
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satz erhielt durch die sei t einigen Jahren z u beobachtend e Hinwendun g zu eine r kulturwissenschaftlichen Betrachtun g de r römische n Republi k zusätzlich e Impulse, di e de n Blic k auc h au f di e Erinnerungsfunktio n vo n Feste n lenkten . Karl-Joachim Hölkeskam p un d ander e haben in jüngster Zei t nachdrücklich au f den enge n Zusammenhan g zwische n Kollektiverinnerun g un d Rituale n hinge 71
wiesen un d ihn in einer Reihe von Arbeiten empirisc h belegt . Die Fest e de r römischen Kaiserzei t fande n un d finden demgegenübe r auf fallend geringe s Interesse , wen n ma n vo n de n stadtrömische n Zirkusspiele n einmal absieht. 72 Zwa r wurd e auc h i n diese m Bereic h stet s solid e Grundlagen arbeit geleistet : Ma n rekonstruiert e minutiö s di e unübersehbar e Füll e of t ephemerer Kaiserfest e un d ihr e Rezeptio n i n de n Provinzen 73 un d erschlo ß durch sorgfaltig e Editione n un d präzis e Textinterpretatione n neu e Quelle n fü r den Festkalende r de r römische n Armee 74 un d fü r di e Festkultu r griechische r 75
Städte in de r Kaiserzeit . Auc h di e Jahreskalender ( Fasti) und Festverzeichniss e (Ferialiäj des römische n Italien 76 un d di e Akte n de r städtrömische n Arval brüderschaft 77 wurde n i n monumentale n Neuausgabe n vorgelegt . Innovativ e Deutungsmodelle wurde n jedoc h ers t sei t de n 1980e r Jahre n erprob t Simo n Price deutet e de n Kaiserkul t 198 4 erstmal s al s symbolische n Gabentausc h zwischen provinzialen Elite n un d de m Kaiser : Die provinziale n Elite n erwiese n dem Kaise r al s Inhabe r eine r schlechthi n überlegene n Gewal t göttlich e Ehre n und wurde n dafü r mi t de r Anerkennun g ihre r eigene n Machtpositione n belohnt. 78 Da s z u Begin n de s 2 . Jahrhundert s n.Chr . durc h di e Stiftun g de s Vibius Salutari s in Epheso s kodifiziert e Programm fü r städtisch e Prozessione n wurde Anfan g der 1990e r Jahre zu m Gegenstan d eine r Untersuchung gemacht , die Festritual e al s Spiege l von Vorstellunge n übe r di e kollektiv e Identitä t eine r Stadt betrachtete. 79 Ein e umfassend e Darstellung de r Festkultu r Rom s zu r Zei t 71
Hie r se i lediglic h au f Bec k 2005b , Hölkeskam p 200 5 un d Itgenshors t 200 5 ver wiesen, wo sic h zahlreiche Literaturhinweise finden . 72 Vgl . jetz t jedoc h di e be i Rüpk e 2008 a gesammelte n Beiträge , i n dene n di e Erinnerungsfunktion von Feste n allerdings nicht eigens thematisiert wird. 73 Her z 1978 ; Herz 2003 . 74 Editi o pnncep s de s berühmte n Papyru s 5 4 au s Dura Europos , de r Bruchstücke de s Festkalenders de r dor t stationierte n Cohor s X X Palmyrenoru m enthält , durc h Fin k u.a. 194 0 (mi t ausführliche m Kommentar) . Später e Literatur ist be i Fin k 1971 , 422 429 Nr. 11 7 verzeichnet . « Di e Demosthenes-Stiftung aus Oinoanda: Wörrle 198 8 (= SE G 38,1462) . 74 Degtass i 196 3 (= Inscrl t XIII, 2); neuere Funde bei Rüpke 199 5 un d Herz 2003. 77 Sehei d 1998 . 78 Pric e 1984 , bes. 65-77 . 79 Roger s 1991 . Di e Resultat e sin d freilic h ebens o problematisc h wi e di e sozial geschichtlichen Prämissen; vgl. zu letzteren Half mann 2001.
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der julisch-claudische n Dynasti e legt e 199 9 Stephan e Benois t vor . Schließlic h ist festzustellen , da ß di e Entstehun g un d Durchsetzun g christliche r Festkalender i n de r Spätantik e nac h wi e vor nich t systematisc h untersuch t un d dargestellt worde n ist . Immerhi n liege n inzwische n jedoc h einig e Studie n vor , die sic h mit de m Festkalende r de s spätantike n Ro m un d seine r Transformatio n durch de n Kult der Heiligen 81 sowi e mit der Festkultu r de r syrische n Metropol e Antiocheia a m Oronte s i m 4. Jahrhundert n.Chr . beschäftigen. 82 Die Forschun g zur Entstehun g de s Weihnachtsfest s ha t soebe n Han s Förste r noc h einma l zusammengefaßt un d versucht , de n Nachwei s z u erbringen , da ß e s keinesweg s an di e Stell e eine s ältere n Feste s fü r de n Sonnengot t getrete n sei , wi e sei t Hermann Usener s klassische r Studi e au s de m Jahr e 188 9 allgemei n ange nommen wurde .
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IV. Fest und Geschichte in der griechischen Welt Der Hinwei s Emil e Dürkheims , da ß Fest e zu r Reproduktio n soziale r Gruppe n beitragen, inde m si e de n Rahme n fü r di e kollektiv e Erinnerun g a n ein e al s verbindlich gedacht e Vergangenhei t bilden, 84 ha t i n de r Forschun g lang e Zei t nur gering e Beachtun g gefunden , d a ma n ander e Aspekt e un d Funktione n bevorzugt i n de n Blic k nahm . Ers t Ja n Assman n ha t di e Erinnerungsfunktio n von Feste n nachhalti g beton t un d a m Beispie l de s Alte n Ägypte n eindrucksvol l belegt. I n de r Ta t schein t evident , da ß Gesellschafte n mi t gerin g entwickelte r Schriftlichkeit auc h deswege n de r Fest e bedürfen , dami t kollektiv e Vorstel lungen übe r di e Vergangenheit fü r alle zugänglich , kommunizierba r un d durc h gemeinsames Erlebe n verinnerlich t werden . Identitätsbildun g un d Geschichts bewußtsein stehe n i n enge m Zusammenhang : Fest e fungiere n al s Fixpunkt e und al s Medie n de r kollektive n Erinnerun g un d trage n dadurc h zu r Ausfor mung vo n Geschichtsbilder n bei , di e eine n al s bedeutsa m empfundene n Konnex zwische n de r Gegenwar t un d de r Vergangenhei t herstelle n un d dadurch ihrerseits sinnstiften d und handlungsorientieren d wirken . Inde m Fest e
» Benois t 1999 . Daz u kritisch Chamberland 2003 . 81 De n stadtrömische n Festkalende r de s 4 . Jahrhundert s n.Chr . analysier t Salzma n 1990, di e Transformation de r Memorlalkultu r durc h di e Verehrun g vo n Märtyrer n Diefenbach 2007 . ® Sole r 2006. « Usene r 1889/1911 ; Förste r 2007. 84 Dürkhei m 1912/196 8 unterscheide t kategona l zwische n „rite s mimetiques " (501 530), „rite s representatif s o u commemoratifs " (531-555 ) un d „rite s piaculaires " (556-592).
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dies leisten , stärke n si e de n innere n Zusammenhal t de r Gruppe , di e a n diese r kollektiven Erinnerung teilhat . In de n Forschunge n zu r griechischen , hellenistische n un d römische n Fest kultur indesse n ha t diese r Aspek t lang e Zei t kau m ein e Roll e gespielt . Di e wichtigste Ausnahm e bilde t ein Aufsatz , de n Angelo s Chanioti s Feste n gewid met hat, die er al s historische Gedenktag e bezeichnet , weil das Ereignis ode r di e Person, dere n ma n feiern d gedachte , al s historisc h betrachte t werde n könne . Chaniotis ha t i n diese m Aufsat z wesentlich e Element e de s Geschichtsbildes , das durc h solch e Fest e vermittel t wurd e — Personalisierung , Theologisierung , Idealisierung treffen d herausgearbeite t un d ihr e i m Hellenismu s steigend e Popularität al s Reaktio n au f de n Verlus t politische r Selbständigkei t un d de n Schwund kulturelle r Identitä t au f lokaler Eben e zurückgeführt , de n di e griechi schen Bürgerstaate n au f dies e Weis e hätten kompensiere n wollen. 85 E s verklei nert die bahnbrechend e Bedeutun g diese s Aufsatze s nicht , wenn ma n bemerkt , daß di e Argumentatio n i n zweierle i Hinsich t au f Prämisse n beruht , di e heut e nicht meh r konsensfähi g sind : au f de m Dekadenzmodel l fü r di e Geschicht e griechischer Bürgerstaate n i m Hellenismu s un d au f de r strikte n Trennun g zwischen historische n un d religiöse n Festen . Natürlic h is t e s gerechtfertigt un d aufschlußreich, sic h au f Fest e z u konzentrieren , dere n Einrichtun g ein e Reak tion au f fü r un s faßbar e Ereigniss e darstellt , wen n ma n untersuche n will , wi e diese Ereigniss e i m Fes t repräsentier t werden . E) a di e Grieche n jedoc h jede s Fest au f di e Ta t von Persone n zurückführten , deren Wirke n i n de r Vergangen heit angesiedel t wurde , ohn e dabe i zwische n Mytho s un d Geschicht e grund sätzlich z u unterscheiden , kan n di e Rolle , di e Fest e fü r di e Ausbildun g vo n polisspezifischen Geschichtsbilder n spielten , ga r nich t i n de n Blic k kommen , wenn ma n sic h auf „historische " Feste beschränkt . Die Vergangenhei t reicht e i m Bewußtsei n de r meiste n Grieche n zurüc k i n eine Urzeit , i n de r Mensche n un d Götte r noc h persönlic h miteinande r verkehrten. Dies e Urzei t wa r zwa r aufgrun d ihre s große n zeitliche n Abstand s zur Gegenwar t allenfall s undeutlich erkennbar , abe r dennoc h hochbedeutsam , 85
Chanioti s 1991 , bes . 140 : „Di e Polis , di e sei t de r hellenistischen Epoch e al s Staats forni ihre historisch e Grenz e erreicht , eingebunde n zunächst i n ei n Net z zwischen staatlicher Beziehungen , späte r in eine n komplizierte n Verwaltungsapparat , konnt e ihren Zusammenhal t nich t durc h politisch e Mitte l verstärken , sonder n i n erste r Linie durc h di e Berufun g au f di e Vergangenhei t [... ] Da s tief e menschlich e Bedürfnis nac h Zusammengehörigkei t un d Identitä t konnt e vo m ideologische n Gerüst de r Weltreich e (Herrscher - un d Kaiserkult , späte r di e christlich e Religion ) nur zum Tei l befriedig t werden. Wede r i n de r nich t meh r vorhandene n politische n Selbständigkeit noc h in de r sprachliche n ode r überhaupt der kulturellen Eigenar t im Zeltalter des Weltbüigertums konnt e e s zu seinem vollen Recht kommen, doc h abe r im Geschichtsbewußtsein kleine r und großer Bürgergemeinden,"
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weil man überzeug t war, daß di e normativen Grundlage n de s Zusammenlebens , nicht zuletzt der Götterkult , in ih r gelegt worden waren. 86 Nach de m „cultura l tum " bedar f di e Feststellung , da ß di e Rolle , di e Fest e für das Geschichtsbewußtsein eine r soziale n Gruppe spielen , von viele n Fakto ren abhängi g ist , keine r umständliche n Begründun g mehr . Dies e Faktore n lassen sic h nich t au f de n Gegensat z Modern e versu s Vormodern e reduzieren , sondern verlange n ein e konkret e Analys e de r kulturspezifische n Bedingunge n und Forme n de s Feiem s un d Erinnerns . Fü r di e Wel t de r griechische n Bürger Staaten in klassische r un d hellenistische r Zei t is t davo n auszugehen , da ß s o gu t wie jede s Fes t insofer n ein e Ar t Vergangenheitsbezu g aufwies , al s ma n Geschichten darüber erzählte, wie, warum un d von we m e s eingerichtet worde n 87
war. Dies e Geschichte n erklärte n un d begründete n ein e Praxis , inde m si e ihren Ursprun g au f Tate n göttliche r ode r menschliche r Persone n zurückführ ten. Di e i n de r moderne n Wissenschaf t geläufig e — un d notwendig e — Unter scheidung zwische n historische n un d mythische n Persone n spielt e dabe i kein e Rolle. Man unterschie d zwische n Menschen , Heroe n un d Göttern . Di e Götte r waren ewig , di e Mensche n dagege n sterblich , e s se i denn , si e existierte n al s Heroen ode r Götte r auc h nach de m Tod e noc h fort . Die Vergangenhei t reicht e stets bi s z u de n Ursprünge n hinau f un d umfaßt e dami t Gestalten , di e noc h i n 88 persönlichem Umgan g mit den Göttern gestande n hatten . Nicht all e dies e Geschichten , di e ma n übe r de n Ursprun g vo n Feste n un d Kulten erzählte , wurde n verschriftlicht , un d nu r ei n Bruchtei l de r verschrift lichten Erzählunge n is t un s überliefert . Noc h wenige r fande n Eingan g i n literarische Werk e vo n panhellenische r Verbreitung . Diejenigen , di e solch e Geschichten erzählten , bildete n keine n abgesonderte n Stan d vo n Spezialiste n und verfügten auch nich t übe r ei n Monopo l zu r Verbreitun g religiöse r Lehren , weswegen ihr e Erzählunge n niemal s de n Ran g eine r fü r all e Mitgliede r de r Kultgemeinde verbindliche n Lehr e innehatten . Di e grundsätzlich e Feststellun g bleibt davo n unberührt : Ma n wollt e wissen , waru m bestimmt e Fest e au f ein e bestimmte Ar t un d Weis e gefeiert wurden, un d ma n erzählt e Geschichte n übe r den Ursprun g eine s Festes , u m diese s Bedürfni s z u befriedigen . Die s wa r s o selbstverständlich, da ß Piato n un d Polybio s e s i n bildungstheoretische m Kon text ohn e weitere s voraussetze n konnten. 89 Mi t de r Zei t stellt e sic h i n de n griechischen Bürgerstaate n freilic h ei n Bedürfni s ein , dies e Geschichte n z u sammeln un d z u ordnen . Sei t klassische r Zei t wurde n Fest e un d Opfe r daru m 86
Gehrk e 2001; Hans Beck und Hans-Ulrich Wiemer in diesem Band. Daz u grundlegen d Parke r 2005 , 369-37 9 mi t eine r List e aitiologische r Mythe n fü r attische Fest e (380-383) . «* Veyn e 1983 , bes. 39-68 . ® Plat . leg. 10,887C-E; Pol. 4,20,8 . 87
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vielfach i n Werke n lokalhistorische n u n d antiquarische n Charakter s behandelt , die freilic h bi s au f gering e Rest e verlore n sind. 9 0 Systematisch e T h e o r i e n hinge gen, i n d e n e n Fest e al s soziale s P h ä n o m e n analysier t w e r d e n , habe n sic h allen falls i n Ansätze n entwickelt , auc h w e n n d e r G e d a n k e , d a ß da s Feier n v o n Festen F r e u d e bereite t u n d v o n Alltagssorge n entlastet , durchau s geläufi g gewesen ist. 91 D e r Satz , d a ß „di e G r i e c h e n ihr e Rite n (praktizierten) , ohn e sic h über ih r rituelle s T u n reflektieren d bzw . k o m m e n t i e r e n d auszulassen", 9 2 k e n n t n u r wenig e A u s n a h m e n . Fest e galte n al s unantastbare r Bestandtei l de s Erbes , das di e Vorväte r hinterlasse n hatten , u n d ware n u n t r e n n b a r mi t d e n G ö t t e r n v e r b u n d e n , d e r e n Existen z u n d Wirksamkei t nu r v o n wenige n Außenseiter n i n Frage gestell t wurde. 9 3 Di e Sinnstiftun g durc h Fest e erfolgt e dahe r stet s i n einem religiöse n B e z u p s y s t e m . D i e Feststellung , d a ß jede s griechisch e Fes t de r klassische n u n d hellenisti schen Zei t eine n Vergangenheitsbezu g aufweist , bedar f n u n freilic h de Präzisiemng un d Modifikation . D e n n diese r Vergangenheitsbezu g wa r seh unterschiedlich ausgeprägt . E s ga b viel e Feste , i n d e n e n di e Vergangenhei t d e
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Di e Rest e diese r Schriftstellere i ha t Tres p 191 4 gesammelt. E s ga b Monographie n über de n Festkalende r einzelne r bedeutende r Städt e wie Athen , Spart a ode r Rhodos , aber auc h Spezialschrifte n übe r einzeln e Feste . Zu m Verhältni s lokale r un d univer saler Konstruktionen von Zei t un d Vergangenheit vgl jetz t auch Clarke 2008. 91 De r locu s classicu s is t Aristoph . Nub . 298-313 ; vgl . Thuk . 2,38,1 ; Ps.-Xen . 3,8 ; Isokr. or . 4,46 ; Herakleide s Kritiko s l,lf . Ein e systematisch e Untersuchun g de r Frage, wi e di e Grieche n selbs t da s Fes t al s Form soziale n Handelns deuteten , fehlt . Henrichs 1998 , 49-5 5 bespricht einig e Stellen , di e sic h auf attische Fest e beziehen ; eine da s gesamt e griechisch-römisch e Altertu m sowi e de n jüdisch-christliche n Bereich umfassend e Problemskizz e gib t Klause r 1969 . Piato n beton t i n de n „Gesetzen" di e pädagogisch e un d integtativ e Wirkun g vo n Feste n (vgl . Boyanc e 1937, 167-184 ; Morto w 1960 , 352-398) : I m zweite n Buc h (653B/C ) heiß t es, di e Götter hätte n de n vo n Müh e geplagte n Mensche n di e wechselnd e Folg e de r Fest e zur Erholun g gegebe n un d ihne n dabe i di e Musen , ApoHo n un d Dionyso s al s Festgenossen beigesellt , damit si e di e i n de r Jugend veiinnerlicht e Befähigung , gu t und schlech t z u unterscheiden , durc h Musik un d Tan z sozusage n auffrischte n (zu r Deutung diese r häufig aus de m Zusammenhan g gerissene n un d daru m mißverstan denen Stelle vgl . Kamiich t 1989 , 45£) . Da s gegenseitig e Kennenlerne n un d Sich Anfreunden der Bürger wir d im fünfte n Buch (738D/E ) anläßlic h der Empfehlung , Altäre un d Heiligtüme r einzurichten , wi e di e Traditio n e s vorsehe , al s weiter e wesentliche Funktio n vo n Feste n genannt . Boyanc e 1937 , 209-22 4 rekonstruier t au s verstreuten Hinweisen, u.a . be i Philon un d Strabon , ein e peripatetische Theorie de s Festes. De r vo n ih m beansprucht e Strabon-Tex t (10,3,9 ) wir d jedoc h sei t Kar l Reinhardt i n de r Rege l au f Poseidonio s zurückgeführ t (Poseid . F 37 0 Theile r FGrH 468 F 2). 92 Henrich s 1998,34 . 93 Drachman n 1922 .
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Gruppe, di e e s feierte , nu r ein e marginal e Roll e spielte , wei l di e Gestalte n un d Ereignisse, au f di e ma n ihre n Ursprun g zurückführte , i m Fes t selbs t nich t thematisiert wurden . De r Zusammenhan g zwische n de n Aitiologien , mi t dene n dieses Fes t erklär t wurde , un d de m Fes t selbs t wa r dahe r locker , un d de r Beitrag, de n da s Fes t zu r Reproduktio n eine s kollektive n Geschichtsbilde s leistete, gering . I n dies e Klass e dürfte n viele alt e Fest e fallen , deren Program m durch di e Auseinandersetzun g mi t natürliche n Phänomene n dominier t war, wie etwa di e Thesmophorien , di e Anthesterie n ode r di e Karneien. 94 Si e wurde n zwar oftmal s nachträglich mi t einer ode r mehrere n Erzählunge n verbunden, di e ihre Entstehun g un d ihre n Ablau f erkläre n sollten , inde m si e eine n Bezu g z u Gestalten un d Ereignisse n eine r al s weitentfern t gedachte n Vergangenhei t herstellten. Dies e Geschichte n wurde n jedoc h i m Fes t selbs t nich t thematisier t und bliebe n ih m dahe r äußerlich . I n bestimmte n Fälle n allerding s erlangte n Gestalten un d Ereigniss e de r Urzei t fü r da s Selbstverständni s eine r soziale n Gruppe ein e s o groß e Rolle , daß di e Erinnerun g a n si e auc h di e Deutun g un d Ausgestaltung de r Fest e prägte , di e au f si e zurückgeführ t wurden. De r Vergan genheitsbezug diese r Fest e is t darum star k ausgeprägt . Si e trugen wesentlich zur Vergegenwärtigung vo n Vergangenheite n bei , di e vo n konstitutive r Bedeutun g für die kollektiv e Identitä t de r Festgemeind e waren . Klar e Beispiel e dafü r sin d etwa da s neue , penteterisch e Fes t de r Artemi s Leukophryen e i n Magnesi a a m Mäander,95 di e reformierte n Mysterie n vo n Andania 96 i n Messenie n ode r di e späthellenistischen Theseien 97 i n Athen . Noch stärke r ausgepräg t war di e Erinnerungsfunktio n bei Festen , die eigen s zu de m Zwec k eingerichte t wurden , di e Erinnerun g a n Ereigniss e de r jüngste n Vergangenheit wachzuhalten ; ma n sprich t i n diese m Fal l auch vo n historische n Gedenktagen. Dies e Bezeichnun g is t durchau s berechtigt , den n ein e Reih e vo n Zeugnissen belegt , da ß di e Perpetuierun g de r Erinnerun g z u de n proklamierte n Zielen solche r neue n Fest e zählte . Di e Aitiologi e de s Feste s is t i n diese m Fal l ein zeitgenössische r un d repräsentative r Ausdruc k de s Selbstverständnisse s de r Festgemeinde, un d da s Fes t selbs t is t ei n bewuß t eingesetzte s Mitte l zu r Ver stetigung de r kollektive n Erinnerung . Da s berühmtest e Beispie l is t zweifello s das Freiheitsfes t ( Eleuthma), da s a m Or t de s Siege s vo n Plataia i begange n wurde, wenngleic h di e meisten überlieferte n Beispiele auc h hie r wiede r au s de r hellenistischen Zei t stamme n 98 Unte r erinnerungsgeschichtliche m Aspek t sin d 94
Sieh e Burker t 1977 , 234-245 ; Parke r 2005 , 270-28 3 {Thesmophorien) ; 290-32 6 (Anthesterien). 93 S . dazu Hans-Ulrich Wiemer m diesem Band , Deshours 2006 . 97 Bug h 1990 ; Kennell 1999 . 98 S . dazu Hans Beck in diesem Band .
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hier abe r auc h di e Kult e einzuordnen , di e griechisch e Bürgerstaate n fü r Wohl täter einrichteten , seie n dies e nu n auswärtig e Herrsche r ode r Mitbürger , den n sie perpetuierte n di e Erinnerun g a n konkret e Wohltate n fü r di e eigen e Ge meinde." Auc h di e Kult e griechische r Städt e fü r römisch e Magistrat e gehöre n in dies e Kategorie. 100 Die Rolle , di e ei n Fes t fü r da s Geschichtsbewußtsei n eine s griechische n Bürgerstaates spielte , hin g als o wesentlic h davo n ab , ob di e Vergangenheit, au f die sein e Entstehun g zurückgeführ t wurde, i m Fes t selbs t thematisier t wurde . War die s de r Fall , dan n konnt e dies e Vergangenhei t i m Fes t au f verschieden e Art un d Weis e inszeniert un d repräsentier t werden , je nachdem , welche Medie n dabei zu m Einsat z kamen . Ereigniss e un d Figure n de r Vergangenhei t konnte n durch da s gesprochene Wort , durch symbolisch e Handlunge n un d durc h Bilde r evoziert werden. Da s gesprochen e Wor t nah m dabe i di e For m vo n Kultlieder n auf göttliche ode r menschliche Persone n an , denen ei n Fest gewidmet war, ode r die vo n Reden , di e i m Rahme n eine s Festes , abe r ohn e direkte n Bezu g au f Kulthandlungen gehalte n wurden , un d natürlic h konnte n beid e Forme n kombiniert werden . Handelt e e s sic h u m ei n Fest , desse n Program m musisch e Agone umfaßte , dan n wurde n kollektiv e Erinnerunge n de r Festgemeind e woh l auch be i musikalische n un d theatralische n Vorstellunge n aufgegriffe n un d erneuert.101 Unte r de n symbolische n Handlungen , di e eine r Zeremoni e Sin n verleihen, ohn e selbs t au s Sprechakte n z u bestehen , komm t de r Prozessio n entscheidende Bedeutun g zu . Ein e Prozessio n folg t abe r i n de r Rege l eine r bestimmten Rout e un d verleih t dadurc h bestimmte n Orte n ein e gesteigert e Bedeutung fü r das Geschehen . Ma n sammel t sic h a n eine m vereinbarte n Punkt , passiert au f de m We g zu m Zie l bestimmte Monumente , häl t woh l auc h a n de m einen ode r andere n inne . Inde m ma n di e Rout e fü r di e Prozessio n fixierte, markierte ma n Punkt e i m Raum , a n dene n di e Erinnerun g a n Vergangene s durch Bilde r ode r gesprochen e Wort e evozier t wurde , lokalisiert e dadurc h di e Erinnerung a n bestimmt e Ereigniss e un d Gestalte n un d tru g s o z u ihre r Stabilisierung bei. Feste konnte n i n de r griechische n Wel t abe r nich t blo ß einzeln e Element e polisspezifi scher Geschichtsbilde r vermitteln , sonder n auc h al s Anla ß fü r di e
» Habich t 1 9 70; Gauthier \ 985. Souveräner Überblic k be i Chanioti s 2003b . Theriault 2001. 101 Wi e Bowie 1986 , 27-3 5 wahrscheinlic h gemach t hat , bildeten dies e Agon e scho n i n klassischer Zei t eine n institutionelle n Rahmen , i n welche m narrativ e Elegie n vorgetragen wurden , di e vo n de r nahe n un d ferne n Vergangenhei t eine r Poll s handelten. Vgl . i n diese m Zusammenhan g auc h di e durc h eine n Papyrusfun d bekannt geworden e Plataiai-Elegi e de s Simomdes : Text, englisch e Übersetzun g un d Interpretationen bei Boedeker/Sider 2001 ,
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Konstruktion un d al s Mitte l zu r Diffusio n von Geschichtsbilder n dienen , di e ein ganzheitliche s Bil d de r Vergangenhei t z u vermittel n beanspruchten . Dies e Funktion wa r ursächlic h mi t de r Ausbreitun g vo n Feste n verbunden , di e zwa r von einzelne n Bürgerstaate n ausgerichte t wurden , abe r auc h Teilnehme r au s anderen Teile n de r griechische n Wel t anzogen . De r Wille , de n Stellenwer t de r eigenen Gemeinschaf t z u steigern , inde m ma n Fest e vo n überregionale r Aus strahlung veranstaltete , läß t sic h be i de n Grieche n scho n i n archaische r Zei t beobachten. Ei n frühe s Beispie l is t di e Ausgestaltun g de r Panathenäe n z u einem penteterische n Fes t i m Athe n de s 6 . Jahrhundert s v.Chr. 102 Sei t de m frühen 3 . Jahrhundert v.Chr . häufte n sic h dies e Versuch e jedoch . Ein e Reih e griechischer Bürgerstaaten , vo r alle m i n Kleinasien , versucht e nun , möglichs t viele Grieche n z u überzeugen , da ß zumindes t eine s seine r Fest e de n vie r alte n gemeingriechischen Feste n a n Ran g gleichkomm e un d dahe r unte r Beteiligun g aller Grieche n z u feier n sei . Ma n schickt e Gesandtschafte n i n all e Himmels richtungen, u m griechisch e Staate n un d Herrsche r zu r Anerkennun g diese s Anspruchs z u bewegen. Diese s Unternehme n macht e e s erforderlich, die eigene Polis i n de r griechische n Wel t möglichs t vorteilhaf t darzustellen . Ei n wesent licher Bestandtei l diese r Werbekampagne n wa r de r Verwei s au f Verpflich tungen, di e i n de r Vergangenhei t wurzelten , se i e s au f Verwandtschafts verhältnisse, di e e o ips o zu r Unterstützun g verpflichteten, oder au f Verdienste , für di e ma n sic h jetz t z u revanchiere n habe . Dies e Fest e gabe n dahe r eine n starken Impul s fü r di e Konstruktio n vo n Geschichtsbildern , mi t dere n Hilf e man di e eigen e Gemeind e mi t Aussich t au f Erfol g al s würdige s Mitglie d de r kulturellen Gemeinschaf t alle r Grieche n erweise n konnte . D a da s z u diese m Zweck präsentiert e Geschichtsbil d di e fü r all e Mitgliede r diese r kulturelle n Gemeinschaft relevante n Traditionsbeständ e akzentuiere n mußte , ka m e s i n diesem Fal l z u eine r Selektion , di e einerseit s Gestalte n un d Ereigniss e de r Frühzeit betonte , welch e al s Beleg e griechische r Abstammun g un d Wesensar t dienten, und andererseit s Tate n hervorhob , di e al s Leistungen fü r alle Grieche n gelten konnten . Weil di e Präsen z bestimmte r Gestalte n un d Ereigniss e de r Vergangenhei t unter de n Bedingunge n schwac h entwickelte r Schriftlichkei t wesendic h davo n abhing, o b un d wi e si e mi t Feste n verbunde n waren , di e unte r große r Anteil nahme de r Bürgerschaf t gefeier t wurden , stande n Wandlunge n de s Fest kalenders i n eine m enge n Zusammenhan g mi t Veränderunge n i n de n kollektiven Vorstellunge n übe r di e Vergangenheit . Wen n Fest e i m Lauf e de r Zeit a n Attraktivitä t verloren, weil andere Feste , die neu eingeführ t oder präch tiger ausgestalte t worde n waren , mi t größere m Aufwan d un d stärkere r Betei «2 Neil s 1992 ; Parker 2005, 253-269 .
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ligung gefeiert wurden, tendierten auc h di e Vorstellungsinhalte , di e mi t diese m Fest assoziier t wurden , dazu , i n de n Hintergrun d z u treten . Umgekehrt gil t di e Regel, daß diejenigen Feste, au f dere n Pfleg e die Bürgerschaft besondere n Wer t legte, i n hohe m Maß e mi t historische r Bedeutun g aufgelade n waren . Si e mußten nich t notwendi g historisch e Gedenktag e sein , i n dene n di e jünger e oder jüngst e Vergangenhei t i m Vordergrun d stand ; gerad e di e mi t zentrale n Kulten verbundene n Fest e ware n geeignet , de n Boge n vo n de r Gegenwar t z u der Urzei t z u schlagen , di e al s besonder s bedeutsa m empfunde n wurde , wei l man glaubte , da ß zentral e Norme n de s Zusammenleben s i n ih r verwurzel t waren. Betrachtet ma n de n Festkalende r eine s griechische n Bürgerstaate s al s Gan zes, enthäl t e r di e Gesamthei t de r Rituale , di e ih m fü r di e Vergegenwärtigun g seiner Vergangenhei t zu r Verfügun g standen . Auc h wen n da s Fes t fü r di e Griechen de r klassische n un d hellenistische n Zei t natürlic h nich t da s einzig e Medium de r Konservierun g un d Repräsentatio n vo n Vergangenhei t war , brachte de r Festkalende r insgesam t relati v kohärent e Vorstellunge n übe r di e gemeinsame Vergangenhei t de r Bürgerschaft , mit andere n Worten : ei n spezifi sches Geschichtsbil d zu m Ausdruck . Veränderunge n i m Festkalende r schluge n sich daru m i m Geschichtsbil d de r Bürgerschaf t nieder : Bestimmt e Gestalte n und Ereigniss e de r entferntere n Vergangenheit trate n allmählic h a n Bedeutun g gegenüber andere n zurück ; Geschehniss e de r jüngste n Vergangenheit , di e mi t noch lebende n Persone n verbunde n sei n konnten , kame n ne u hinzu , hielte n sich freilich oft nur kur z un d verschwande n dan n spurlos . Kulte für Herrscher , die sic h als Wohltäter un d Rette r erwiese n hatten , ware n fü r ein rasche s Veral ten besonders anfällig , auch wenn e s durchaus vorkam , da ß ei n Bürgerstaat de n Kult fü r einen vergötdichten Herrsche r auc h nac h desse n To d weite r pflegte. Es wa r schließlic h nich t ohn e Bedeutun g fü r das Geschichtsbil d eine s grie chischen Bürgerstaats , o b un d i n welche m Ma ß sei n Festkalende r di e Ver gegenwärtigung unpersönliche r Prinzipien , Qualitäte n un d Potenze n bewirkte , denen ewig e Daue r zugeschriebe n wurde . Gewi ß sucht e ma n be i alle n griechischen Feste n da s Wohlwolle n de r immerseiende n Götte r z u gewinnen , die al s Garante n de r eigene n Lebensordnun g verstande n wurden . Insofer n waren Zeitlichkei t un d Ewigkei t stet s aufeinande r bezogen , un d ma n bracht e dadurch di e Uberzeugun g zu m Ausdruck , da ß di e Poli s be i alle r Veränderun g auf Grundlage n beruhe , di e de m zeitliche n Wande l entzoge n seien . Di e i n de r klassischen Zei t beginnend e kultisch e Verehrun g abstrakte r Wesenheiten , wi e Eintracht ( Homonoia) ode r Sie g (Nike), dere n Wirke n de n Fortbestan d de r eigenen Gemeind e sicher n sollte, 103 bracht e jedoc h ei n neue s Elemen t i n de n 103
Theriaul t 1996 .
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Vorstellungshaushalt, vo n de m griechisch e Bürgerstaate n zehrten : Ma n institu tionalisierte da s Gedenke n a n existentiell e Bedrohunge n de r Bürgerschaft , indem ma n de r Eintrach t unte r de n Bürger n un d de m Sie g über äußer e Feind e kultische Verehrun g erwies , Krise n de r jüngste n Vergangenhei t wurde n kom memoriert, inde m ma n ihr e Bewältigun g abstrakte n Wirkkräfte n zuschrieb, di e als unzerstörbar gedacht waren . Mit der Einrichtun g von Kulte n fü r den eigenen Demos erreichte dies e Ent wicklung ein e neu e Stufe : Inde m ma n di e Bürgerschaft , de r ma n selbs t angehörte, z u eine m göttliche n Wese n erhob , erklärt e ma n da s politisch e System, da s sic h auf de n Demos berief, für sakrosankt un d entzo g e s dami t jede r Kritik. Diese s Model l wurd e schließlic h au f ein e auswärtig e Mach t übertragen , als Ro m zu r alleinige n Vormach t de s östliche n Mittelmeerraum s aufstieg . Al s die griechische n Bürgerstaate n Fest e fü r die äea Koma und de n populus Romanus einrichteten, wurd e ei n Modu s de r rituelle n Affirmatio n römischer Herrschaf t etabliert, di e dies e i n all e Zukunf t projizierte , indem si e de r neue n Supermach t Ewigkeit zuschrieb. 104 Bevor de r Blic k au f römisch e Fest e gerichte t wird , gil t e s noch , au f eine n wesentlichen, häufi g nich t hinreichen d beachtete n typologische n Unterschie d aufmerksam z u machen . Di e hie r angestellte n Überlegunge n beziehe n sic h au f griechische Bürgerstaate n un d au f Feste , di e vo n diese n veranstalte t wurden . Feste, di e vo n Herrscher n ausgerichte t wurden , gleichgültig , o b innerhal b ode r außerhalb vo n Städten , sollte n diese m Typ nich t subsumier t werden ; si e bilde n eine Kategori e fü r sich , wei l si e nich t de r Selbstdarstellun g eine r Bürger gemeinde, sonder n derjenige n eine s Herrscher s ode r eine r Dynasti e dienten . Das klassisch e Beispie l is t da s i m ägyptische n Alexandrei a gefeiert e Fest , da s der zweit e Ptolemaie r zu m Gedenke n a n seine n vergöttlichte n Vate r einrich tete, denn hier wurde nac h eine m am Ho f verfaßte n „Drehbuch" nich t etw a di e Bürgergemeinde Alexandreia , sonder n di e ptolemäisch e Dynasti e i n Szen e gesetzt.105 Da s Memorialprogram m königliche r Fest e bracht e folglic h kei n städtisches Geschichtsbil d zu m Ausdruck , sonder n ei n dynastisches . Si e ware n Teil eine r spezifisc h königliche n Erinnerungskultur , di e mi t anderen , insbeson dere städtischen , konkurrierte . Zwa r konnt e e s z u eine r Vermischun g diese r beiden Type n kommen , wen n sic h in Residenzstädte n ein e Symbios e zwische n Herrscher un d Bürgerschaf t entwickelte , di e auc h di e Inszenierun g un d da s
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Mello r 1976 ; Mellor 1981 . 105 wjj - kennen diese s Fes t au s de r be i Athenaio s (5, 25-35 , 196A-203B ) überlieferte n Beschreibung eine s rhodische n Autor s namen s Kallixeino s (FGr H 62 7 F 2) , di e ihrerseits au f amtliche n Unterlage n fuße n dürfte ; vg l dasi u u.a . Ric e 1983 ; Thompson 2000; Wiemer 2009.
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Memoriälprogramm städtische r Fest e prägte . De r kategorial e Unterschie d bleibt davon jedoch unberührt, 106
V. Fest und Geschichte in Rom und im Imperium Romamim In de r römische n Republi k wa r de r Zusammenhan g zwische n Identitäts bildung, historischer Erinnerun g und Festkultu r nicht weniger wirkkräftig als in der Wel t de r griechische n Bürgerstaaten . Auc h hie r veranstaltete ein e Bürger gemeinde Feste , di e kollektive n Vorstellunge n vo n soziale n Ordnungsprinzi pien, dere n Ursprünge n un d Entwicklun g Ausdruc k verliehen ; da s Feier n wa r eine Praxis , di e zu m Dasei n eine s Bürger s gehört e un d i n diese m Sinn e al s „bürgerliche Religion " bezeichne t werde n kann . I n Ro m wa r de r Ablau f de s gesamten öffentliche n Lebens jedoc h vo n de r spezifische n Qualitä t abhängig , die einzelne n Tage n zuerkann t un d i n eine m Jahreskalende r erfaß t wurde , weshalb di e geschichtliche memoria noch stärke r a n die sozial e Organisatio n vo n Zeit gebunde n war , al s die s i m griechische n Bereich de r Fal l war. 107 Scho n gegen Ende de s 4 . Jahrhunderts v.Chr . existiert e wahrscheinlic h ei n verschriftlichter Kalender , de r ein e vollständig e Übersich t übe r potentiell e Gerichtstag e gegeben habe n soll . Di e römisch e Traditio n ha t sein e Veröffentlichun g durc h Cn. Flaviu s vo r alle m al s Preisgab e vo n senatorische m Herrschaftswisse n un d als Meilenstei n au f de m Weg zu m Ausgleich zwische n Patriziern un d Plebejer n verstanden.108 De r Auswei s vo n reguläre n Geschäftstage n ( dies fasti) un d solchen, a n dene n di e .Alltagsgeschäft e ausgesetz t wurde n ( nefasti), entwickelt e sich i n de r Folg e abe r rasc h z u eine r kalendarische n Kompilatio n vo n Fest tagen. Durc h ihr e Aufnahm e i n di e Fasti wurden di e Fest e un d Gedenktag e Roms kanonisch , inde m si e in ein e stet s wiederkehrend e zeitlich e Abfolg e ge stellt wurden. Der ältest e im Origina l erhalten e Jahreskalender — die Fasti Antiates maiores, deren Aufzeichnun g wohl u m 17 0 v.Chr . began n — beinhaltet e einerseit s ein e Kette sakrale r Feste , u m di e sic h die „Geschichte" de r frühe n Republik lagerte , religiöse Zeremonien , dere n AMologie n Lich t wei t zurüc k i n ein e fern e Ver gangenheit warfen , abe r auc h sogenannt e „schwarz e Tage " ( dies atri), die a n historische Unglücksfäll e de r Republi k erinnerten . Di e Einordnun g diese r Gedenk- un d Festtag e i n de n Lau f de s Jahres macht e de n Kalende r wiederu m 106
Weiter e Verweise bei Wiemer 2009 . Zu m römische n Kalende r grundlegen d Röpk e 1995 ; mi t ähnliche n Schluß folgerungen zuvor bereits Freyburger 1993 . »8 Hum m 2000 , 99-106 ; Bec k 2005a , 178-180 , beid e mi t alle n relevanten Quellen nachweisen.
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zu eine r Ar t öffentliche r Jahreschronik, mi t welche r de r Bürgerschaf t ihr e i m Fest verankert e Geschicht e imme r wiede r auf s neu e vo r Auge n geführ t wurde. 109 Deni s Feene y ha t dies e fein e Vernetzung vo n „natürlicher " Zei t un d ihre Durchdringun g mi t politische n Ordnungskategorie n jüngs t gan z richti g al s entscheidenden Schrit t z u eine r echte n Historisierun g vo n Zei t gedeutet. 110 De r Erfolg dieser Variante eine s amalgamierte n Jahres- un d Festkalenders , de r mi t der Geschicht e de r Bürgerschaf t aufgeladen war, zeigte sich auc h daran , da ß si e schon i n de r mittlere n Republi k all e andere n Forme n kalendarische r Darstel lung verdrängte . Ovid s poetisch e Kommentierun g de r Fasii markier t hie r nu r den letzte n un d freilic h wichtigsten Beitra g i n eine r lange n Reih e vo n kalenda rischen Annäherunge n a n di e römisch e Frühgeschicht e un d ihr e Pfleg e i m Fest.1"1 Unter de n i m Kalende r ausgewiesene n Feste n bote n di e sakrale n Ijid i un d die sei t de r Zei t de r Bürgerkriege dan n häufi g auftretenden Gedenkspiele eine n Rahmen fü r di e Erinnerung an di e Vergangenheit. S o waren di e a m 21 . August eines jede n Jahres ausgerichtete n Consuaäa ei n alte s Fes t z u Ehre n de r Götte r Neptun, Mar s un d Consus , di e allesam t mi t de m Schut z de r Ernt e i n Verbin dung gebrach t wurden . A n de n Consualia, deren Inaugurierun g au f Romulu s zurückgeführt wurde , hatt e nac h römische r Traditio n auc h de r Rau b de r Sabinerinnen stattgefunden . Be i de r alljährliche n Ausrichtun g de r Consualia wurde folglic h ei n einschneidende r Momen t i n de r Frühgeschicht e de r Stad t kommemoriert un d mit diese m Verweis auc h die Erinnerung a n ein e Reihe vo n grundlegenden Handlungsmotive n de r politische n Kultu r Rom s wachgehalten : die Aufnahm e fremde r Bürger , da s Asyl , abe r auc h di e sozial e Roll e de r Ehe frauen. Fü r di e i m Circu s Maximu s versammelt e Bürgerschaf t bildete n di e Consuaha daher übe r da s ephemere Erlebni s hinau s eine n memorialen Fixpunkt , weil si e Jahr fü r Jahr a n ei n al s historisch un d i n diese r Historizitä t al s verbind 112
lieh verstandene s Ereigni s erinnerten . Di e verschiedene n Spiel e erbrachte n eine vergleichbar e Erinnerungsleistung , wenngleic h de r Gra d de r historische n Konkretisierung dessen , was erinnert wurde, seh r unterschiedlic h war: So bote n die ludi Piebei seit ihrer Einrichtung um da s Jahr 21 5 v.Chr. lediglich einen vage n Verweis Zusammenhang fü r Ereignisse , di e fü r de n Stan d de r Plebeje r formati v wurden, währen d durc h Gedenkspiel e markant e Ereigniss e ode r späte r kon krete Geburts - ode r Jahrestag e regierender , teilweis e auc h verstorbene r Kaise r sowie von Mitglieder n ihrer Familien gefeiert wurden. "» Rüpk e 1995,359 .
"o Feene y 2007. 111
Eine n Zugan g zu de r für Nicht-Spezialisten nich t mehr überschaubaren Literatur zu Ovids Fasten vermittelt Fantham 2002 . 112 Wissow a 1912 , 202; Dumezil 1974,168 ; Bernstein 1 998, 34.
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Roms Aufstie g zur Herrschaf t über di e Mittelmeerwel t löst e ein e Dynami k aus , die sic h nich t zuletz t i n eine r gewaltige n Ausdehnun g de r traditionelle n Spiel e und Fest e niederschlug , Liviu s verstan d dies e Entwicklun g al s eine n „selbs t fü r opulente Königreich e kau m erträgliche n Wahnsinn", 113 un d di e älter e For schung ha t i n de r Rege l angenommen , da ß si e mi t eine m radikale n Sinnverlus t einherging: Insbesonder e di e öffentliche n Spiel e seie n i n de r späte n Republi k zu bloße n Volksbelustigunge n herabgesunken , di e als Mitte l zu r Manipulatio n des Stimmvolke s dienten , abe r kein e fü r di e Teilnehme r bedeutsame n Bot schaften und Erfahrunge n meh r vermittelten . Dies e au f de m Dekadenzmodel l beruhende Deutun g unterstellt , da ß di e Zunahm e vo n Rituale n gleichbedeu tend mi t ihre r Sinnentleerun g sei , un d verkennt , da ß si e Tei l eine s sic h verändernden System s waren , i n welche m nich t allei n neu e Fest e au f Koste n alter a n Bedeutun g gewannen , sonder n auc h alte n Feste n neue r Sin n zuge schrieben wurde ; gerad e fü r di e alte n Fest e began n jetz t ein e Such e nac h de n Ursprüngen, di e gestiegen e Ansprüch e a n di e Erklärbarkei t vo n Rite n befriedi gen sollten. 114 Tatsächlic h sprich t viele s dafür , da ß di e M i auc h i n de r späte n Republik Erfahrunge n vo n große r emotionale r Intensitä t ermöglichten . Die s gilt namentlich fü r die verschiedenen Prozessionen , di e z u Begin n de r Festlich keiten abgehalten wurden . Be i de n frühe n ludi 'Komani, von dene n ma n z u Rech t annimmt, da ß si e anfang s lediglic h ein e Verlängerun g de s Triumphzuge s dar stellten, wa r ei n solche r Zusammenhan g scho n i n ihre r Entstehungsgeschicht e angelegt. 115 Für ein e ander e For m von pornpa ist de r fü r die Teilnehmer erfahrbar e Sinn gehalt ers t vo r kurze m herausgearbeite t worden . Währen d di e viele n Zirkus prozessionen, di e a m Vorta g v on ludi abgehalten wurden , i n de r Vergangenhei t meist al s ein e Ar t religiöse s Begleitprogram m abgeta n wurden , ha t sic h nun mehr ergeben , da ß di e pornpa circensis eine prägend e Roll e i n de r Umzugskultu r der Republi k spielte: 116 Nac h de r detaillierte n Beschreibun g diese s Prozes sionstyps, di e Dionysio s vo n Halikarna ß au s de m Wer k de s älteste n römische n Geschichtsschreibers, Fabiu s Pictor , geschöpf t hat , stande n di e Zirkusparade n ganz i m Zeiche n eine r versinnbildlichte n Einhei t de s Volke s mi t seine n Ober magistraten un d de n Göttern . Gleichzeiti g wurde n di e Ordnungsprinzipie n de r
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Liv . 7,2,13: Itter altarumparvaprincipia rentm ludontm quoqueprima origo ponenia Pisa est, ut apparmt quam ob satio imtio res m hanc trix apulentis regiis tolerabilem insantam venrnt. D Äußerung steh t a m End e de s berühmte n Exkurse s übe r di e Entstehun g de r ludi scaemä i n Rom ; vgl . daz u de n Kommenta r vo n Oakle y 1998 , 40-71 , w o auc h die umfangreiche Literatur angeführt wird. 114 S . dazu Rene Pfeilschifter in diesem Band. 115 Bernstei n 1998,51-57 . i« Bec k 2005b; Hölkeskamp 2008.
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Gesellschaft betont : sozial e Hierarchie , Vermögensklasse n un d Vorran g de s Alters. Wen n de r Zu g i m Zirku s angekomme n war , wurd e de n Götter n i n Anwesenheit un d Zeugenschaf t der Bürger ei n Opfe r dargebracht, mi t de m di e Prozessionsteilnehmer noc h einma l au f dies e Grundlage n eingeschwore n wurden. Di e Zirkusumzüg e wurde n demzufolg e von de m Moti v bestimmt, de n Zusammenhalt de s Bürgerverbande s un d gleichzeiti g seine innere n Hierarchie n und normative n Fundament e z u präsentieren . Mi t diese m doppelte n Signa l evozierten di e pompae ürcenses abe r vo r alle m auc h di e Vorstellun g eine s gesell schaftlichen Kontinuums , da s sic h i n de r römische n Vorstellun g bi s i n di e Frühgeschichte de r Stad t zurückverfolge n ließ. Diese Dauerhaftigkeit wurd e i m Geschichtswerk Fabiu s Pictor s ausdrücklic h propagiert : Seine r Darstellun g zufolge wurde n di e pompae ärcenses bereit s sei t de m frühe n 5 . Jahrhundert ab gehalten, un d di e Anordnun g de s Zuge s se i dabe i imme r dieselb e geblieben . Von de n Zirkusparade n gin g somi t imme r ei n starke s Signal historischer Daue r aus: Ersten s wurd e di e Kontinuitä t de r Gesellschaftsordnun g gefeier t un d zweitens, dami t en g verbunden, di e Dauerhaftigkei t de r Lebensgrundlage n de r Republik.117 Die Grammati k stadtrömische r Fest e mußt e sic h grundlegen d ändern , al s die Herrschaf t dauerhaf t i n de n Hände n eine s Manne s z u liege n begann . De r erste Princep s ha t wi e kei n andere r versucht , sein e Herrschaf t i m festliche n Gedenken z u verankern : E r sorgt e dafür , da ß di e Vorstellung , si e markier e einen Neubegin n i n de r römische n Geschichte , durc h di e kalendarisch e Fixie rung einzelne r Feiern , di e ih m un d seine r Famili e galten , stet s auf s neu e evo ziert wurde . Währen d seine r Herrschaf t wurd e ein e vorhe r un d nachhe r unge kannte Füll e von Gedenktage n eingeführt , und ein e große Anzahl inschriftlic h erhaltener Fasti und Feriaka aus Rom un d de n angrenzende n Regione n Italien s beweist, da ß di e vo m Zentru m ausgehende n Initiative n z u eine r Vereinheit lichung un d Kanonisierun g de r Erinnerun g nich t ohn e Resonan z blieben . Denis Feene y ha t dies e Kalender- un d Festreforme n kürzlic h mi t vollem Rech t als zentrale n Bestandtei l de r vo n Augustu s eingeleitete n „cultura l revolution " beschrieben. 118 Freilich ha t diese „Revolution" keinesweg s ein e allumfassend e ode r ga r un angefochtene Neuordnun g de s römische n Geschichtsverständnisse s gezeitigt . Bereits i n de r Stad t Ro m wurd e di e vo n Augustu s ausgehende , i m Kalende r fixierte Matrix historischer Erinnerun g durchaus unterschiedlic h rezipiert . Auc h wenn Augustus * Neuerunge n au f de r Eben e lokale r Kultverein e durchau s au f fruchtbaren Bode n fielen , entstan d unte r de n Bedingunge n eine r Großstadt -
U7 Fabiu s Pictor FRH 1 F 20; dazu Beck 2005b, 90-96 . US Wallace-Hadril l 2008,239-250 .
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religion kei n einheitliches , vo n alle n Einwohner n Rom s geteilte s Geschichts bild. Selbs t i n de n 26 5 via de r Stadt , welch e di e bares Augusti sei t eine r vo m Princeps selbs t ausgehende n grundlegende n Refor m kultisc h verehrten , herr schte keine Uniformität, wenn e s um di e Festlegung der jeweilige n Är a ode r di e Rezeption neue r Fest e z u Ehre n de s Augustu s un d seine r Familie ging. 119 Ma n beschränkte sic h zwa r darauf ) au s eine r vorgegebene n Reih e auszuwählen , reproduzierte abe r keinesweg s sklavisch , wa s de r Sena t beschloß . Dies e Fest stellung gil t ers t rech t fü r di e römische n Kolonie n i n Italien . Auc h hie r enthalten di e in augusteische r Zei t al s Inschrift publizierten Jahreskalender un d Festverzeichnisse jeweil s ein e bestimmt e Auswah l vo n Date n un d Feste n un d geben dahe r eine r „individuellen " Sich t de r Vergangenhei t Ausdruck , di e sic h gegen völlig e „Gleichschaltung " sperrt. 120 Au s de r Rückscha u erweis t sic h di e „Geschichtspolitik" de s erste n Princep s ohnehi n al s Durchgangsstadium : D a das von Augustu s geschaffen e Herrschaftssystem scho n bal d fes t etabliert war , haben sein e Nachfolge r sic h be i de m Versuch , neu e Fixpunkt e historische r Erinnerung z u schaffen , vie l größer e Zurückhaltun g auferlegt , wenngleic h Geburtstage un d Regierungsjubiläe n natürlic h imme r gefeier t wurden ; di e unaufhörliche Betonun g eine s Neuanfang s wurd e unnöti g un d tra t auc h i m Kalender gegenüber de r Betonung der Kontinuität zurück . Wenn e s scho n i n Italie n niemal s z u eine r völlige n Vereinheitlichun g de r kalendarisch fixierte n Vergangenhei t komme n konnte , s o mußte n di e Diver genzen i n de n Provinze n de s Imperium Komanum naturgemäß noc h vie l stärke r ausgeprägt sein , den n dies e brachte n gan z unterschiedlich e kulturell e Tradi tionen i n da s Reic h ein , die vo n de n Kaiser n grundsätzlic h respektier t wurden . Eine einheitlich e Festkultu r konnt e e s unte r diese n Bedingunge n ebensoweni g geben wi e ein e Reichsreligion . I m römische n Ägypte n wurde n ander e Fest e gefeiert als im römischen Griechenlan d ode r i n Kleinasien , un d auc h innerhal b dieser Regione n variierte n di e Festkalende r jeweil s von Stad t z u Stad t bzw . vo n Tempel z u Tempel. 121 Noc h grundsätzliche r ware n di e Unterschied e zwische n den Provinze n de r lateinische n Reichshälfte , wo einheimisch e Kult e reorgani siert und mi t Hilf e römischer Vorstellunge n ne u interpretier t wurden, bevor si e Teil de r „bürgerliche n Religion" 122 werde n konnten , un d dene n de s griechi schen Ostens , w o ma n di e Kontinuitä t zu r vorrömische n Kultpraxi s wahrt e 119
S . dazu Ralf Behrwald in diesem Band. S o jetzt noch einmal Rüpke 2008b . 121 Z u de n Feste n i m griechisch-römische n Ägypte n Perpillou-Thoma s 1993 . Hinz u kommen naturlic h di e Fest e fü r römisch e Kaiser , i n dene n dies e nac h ägyptische m Ritus als Pharaonen verehrt wurden: Grimm 1 994. 122 Z u diesem Konzept und seinen Grenzen bei der Analyse des römischen Reiche s vgl. Woolf 1997 . 12(1
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und betonte . I n de n Städte n de s griechische n Osten s setzt e di e kultisch e Verehrung de s römische n Kaiser s ein e Praxi s fort , di e sei t hellenistische r Zei t etabliert war , un d si e vollzo g sic h i n Formen , di e bereit s sei t Jahrhunderte n existierten, auc h wen n si e variier t un d ne u kombinier t wurden. 123 Wa s ma n „Kaiserkult" z u nenne n pflegt , war ei n Bünde l ganz unterschiedliche r kultische r Aktivitäten, unte r dene n Kulte , di e einzeln e Städt e bestimmte n Kaiser n dar brachten, di e erst e Stell e einnahmen . Au f städtische r Eben e ware n dies e Kult e Teil eine s loka l spezifische n Festkalenders , de r i n diese r For m einmali g war , und fügte n sich daher in Geschichtsbilder ein , deren Fokus ein e Polis bildete . Darüber legte sic h sei t Augustus nu n freilic h ein Ensembl e vo n Kulten , di e dem Kaise r au f provinziale r Eben e dargebrach t un d vo n eigen s fü r ih n be stellten Oberpriester n geleite t wurden . Dies e provinziale n Kaiserkulte , di e für di e Selbstdarstellun g neuer , nich t meh r au f ein e Poli s fixierte r Elite n groß e Bedeutung gewannen , stellte n ei n neues, stadtübergreifende s Elemen t de r Fest kultur dar , da s au f administrative n Einheite n beruhte , di e von Ro m geschaffe n 125
und auc h imme r wiede r veränder t wurden . I n de n Provinzmetropole n frei lich, i n dene n dies e vo n Provinzialversammlunge n ausgerichtete n Kaiserfest e stattfanden, dürft e de r Unterschie d kau m z u spüre n gewese n sein , wei l ma n diese Fest e al s Teil des eigene n Festkalender s empfand . Da s Recht, einen (ode r gar mehrere ) Kaisertempe l z u besitzen , wa r begehrt , wei l ihr e Anzah l de n Status eine r Stad t in ihre r Provin z demonstrierte. 126 Dies e Kult e konnte n eine n Kaiser u m viel e Jahrzehnt e überdauern , freilic h auc h seh r rasc h wiede r ver schwinden, wen n ei n Kaise r de r stadtrömische n damnatio memoriae anheimfie l und dami t au s de m offizielle n Gedächtni s Rom s getilg t wurde . Da s i m Fes t institutionalisierte Gedenke n a n verstorben e Herrsche r unterla g somi t stete m Wandel, wei l nich t blo ß mi t de m Wechse l vo n Herrscher n stet s neu e Feier n eingeführt, sonder n imme r wiede r auc h alt e eingestell t ode r abgeschaff t wurden. Die regierenden Kaise r ware n freilic h nicht blo ß i n de n Feste n virtuel l prä sent, die z u ihren Ehre n gefeier t wurden. Ei n Gebe t fü r den regierende n Kaise r war feste r Bestandtei l alle r Feste , di e ein e Stad t i n de r Kaiserzei t ausrichtete , und Kaiserbilde r wurde n i n viele n Prozessione n mitgeführ t un d a m Or t de s Festgeschehens ausgestellt. 127 W o ma n e s sic h leiste n konnte , legt e ma n sic h einen Fundu s a n tragbare n Bilder n zu , de r sic h nich t au f de n regierende n Kaiser un d Angehörig e seine r Famili e z u beschränke n brauchte : I n Epheso s 123
Chanioti s 2003a . Her z 1997 . 125 Milet a 2008. 126 Burrel l 2004. 127 Chanioti s 2003a, 9f. ; Edelmann 2008, 160-164 . 124
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umfaßte e r Personifikatione n römische r Institutionen , Götte r de s städtische n Pantheons, de n mythische n Stadtgründe r Androklos , de n Diadoche n Lysi machos un d Augustus , di e Epheso s ne u gegründe t hatten , sowi e Personifi kationen vo n Institutione n de r eigene n Stadt . D a ma n dies e Bilde r be i alle n wichtigen öffentliche n Anlässen umhertrug , wa r dafü r gesorgt, da ß da s kollek tive Gedächtni s ein e Dimensio n besaß , di e wei t i n di e vorrömisch e Zei t zurückreichte. Bei alle n Divergenze n ga b e s einheitsstiftend e Faktoren auc h i m religiöse n Bereich. De r Expor t stadtrömische r Kult e in di e Provinzen hielt sich freilic h in engen Grenzen : Der Rechtsstatu s eine r colonia hatte zur Folge , da ß Gemeinden , die ihn erhielten , ihre inneren Verhältnisse — nicht bloß politische Institutionen , sondern auc h di e öffentlich e Kultpraxi s — nac h de m Vorbil d Rom s organisier ten; er wurde abe r nac h Augustu s nu r noc h selte n verliehen . Ei n andere r Weg , auf de m stadtrömisch e Fest e sic h i n di e Provinze n verbreiteten , war di e Orga nisation eine r Gemeind e al s municipium, deren Oberschich t di e individuell e Mitgliedschaft i m römische n Bürgerverban d erlangt e un d sic h a n Ro m orien tierte. D a da s flavisch e Munizipalgesetz , i n welche m diese r Rechtsstatu s ver 129
einheitlicht wurde , nu r fragmentarisc h erhalte n ist , bleib t jedoc h ungewiß , i n welchem Umfan g er mi t de r Imitation religiöser Institutionen Rom s verbunde n 130 war. Der wichtigst e Träge r fü r di e Verbreitun g stadtrömische r Fest e übe r da s gesamte Reic h wa r zweifello s da s vo n Augustu s geschaffen e stehend e Heer . Wie da s Feriak Duranum zeigt , wurd e i m römische n Hee r nich t blo ß ein e Anzahl vo n Kaiserfeste n gefeiert , sonder n auc h ein e Reih e jene r Feste , di e au s republikanischer Zei t stammten . Auc h wen n dies e Fest e schwerlic h noc h kon krete Vorstellunge n a n republikanisch e Institutione n transportierten , gehörte n sie noc h i m 3 . Jahrhunder t n.Chr . z u de n symbolische n Praktiken , di e da s Römertum de r Soldate n definierten. 131 Vo r alle m abe r wa r da s Hee r diejenig e Institution, di e da s offizielle , am Ho f de s Kaiser s gültig e Geschichtsbil d i n di e kultische Praxi s übersetzte , inde m si e eine r stetige m Wande l unterliegende n Auswahl vo n Kaiser n nac h zentrale n Vorgabe n Kul t darbrachte . Au f dies e Weise entstand ei n fü r das Militär spezifische s Geschichtsbild, da s sic h in eine r Auswahl „guter " Kaise r kristallisierte , di e bi s z u Caesa r un d Augustu s zurück reichte un d stet s eine n klare n Schwerpunk t au f de r regierende n Dynasti e aufwies. Vo n de n 2 7 Festen , di e i n Dur a unte r Herrschaf t de s Alexande r Severus zwische n 22 2 un d 22 7 n.Chr . z u Ehre n vo n Kaiser n gefeier t wurden , 128
I.Epheso s 27 , Z . 150-21 3 mi t Rogers 1991 , 83 . Neue r Komposittext be i Gonzalez 198 6 mit den Korrekturen be i Crawford 2008 . 130 Beard/North/Pric e 1998 , I , 313-363; Ando 2007 . 131 Vgl . daz u neben der klassischen Studie von Noc k 195 2 jetzt auch Koßmann 2008 . 129
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waren fün f de m regierende n Augustu s un d weiter e sech s ode r siebe n Ange hörigen de r severische n D3'nasti e gewidmet ; di e übrige n verteilte n sic h au f Caesar, Augustus , Germanicus , Claudius , Nerva , Trajan , Hadrian , Antoninu s Pius, Mar k Aurel , Luciu s Verus , Commodu s un d Pertina x sowi e di e kaiser lichen Frauen Matidia, Marciana und Faustina . Der Bestan d a n Kaiserfesten , der von Ziviliste n i n alle n Teilen de s Reiche s gleichzeitig begange n wurde , blie b dagege n seh r gering . Unabdingba r ware n wohl lediglich der Geburtsta g des regierende n Kaiser s und de r Tag, an welchem er zur Regierung gelangt war. Di e von de r kaiserlichen Zentral e bei bestimmte n Anlässen angeordnete n Siegesfeier n dürften dagegen scho n seh r viel weniger in die Tiefe gedrungen sein . Neben ihne n gewannen di e Jubilarfeiern fü r römisch e Kaiser, di e im erste n Jahrhundert al s Gelübdezeremonien z u verstehe n sind , im Laufe de s 2 . Jahrhunderts n.Chr . a n Bedeutung. 132 Durc h ihr e großangelegte , verschwenderische Inszenierun g wurde n di e Jubilarfeiern z u Medien, mi t dere n Hilfe die (tatsächlich e ode r vermeintliche ) Sieghaftigkei t de s Kaiser s reichswei t in Szen e gesetz t wurde . Dami t wurd e ein e Ar t historische s Kurzzeitgedächtni s etabliert, de m ein e auf s äußerst e verkürzt e Erfolgsbilan z eingeschriebe n war . Eine äußerst e Steigerun g erfuhr diese Tendenz, al s das Kaisertu m a m End e de s 4. Jahrhundert s n.Chr . nac h eine r lange n Zei t de r Mobilitä t wiede r seßhaf t wurde, nu n freilic h i m neue n Ro m a m Bosporus . I m Hippodro m vo n Kon stantinopel veranstaltet e de r Kaise r Spiele , di e ih n al s Herr n de s Kosmo s erscheinen ließe n un d dabe i zugleic h Vorstellunge n evozierten , di e sein e Herr schaft a n di e Königszei t Rom s zurückbanden . I m Fes t wurde n kosmisch e un d historische Bezüg e hergestellt , di e nich t blo ß herrschaftslegitimieren d wirkten , sondern zugleic h auc h integrativ , insofer n si e de m Hippodro m al s Or t eine r spezifischen For m de r Kommunikatio n zwische n Untertane n un d Kaise r ein e besondere Würd e zuschriebe n un d dies e i n de r entfernte n Vergangenhei t ver ankerten.133 Spezifisch christlich e Festkalende r entstanden , al s sic h a n di e wenige n Termine de r Heilsgeschichte , di e i m Zentru m de s kirchliche n Leben s standen , Gedenkfeste fü r diejenige n anlagerten , di e de r Verfolgun g ihre s Glauben s durch römisch e Statthalte r un d Kaise r Widerstand geleiste t un d dadurc h Zeug nis vo n ihre m Glaube n abgeleg t hatten . Dadurc h entstande n Festzyklen , di e eine gan z ander e Vergangenhei t kommemorierte n un d neu e Tugende n propa gierten. Di e christliche n Fest e fü r Märtyrer , di e nich t wenige r lokalspezifisc h waren al s di e heidnischen , habe n dies e auc h unte r de n erste n chiisdiche n Kai sern keinesweg s ersetzt , sonder n wurde n paralle l z u diese n gefeiert . Die voll -
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S . dazu Matthäus Hell in diesem Band. S . dazu Mlscha Meier in diesem Band.
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ständige Verdrängun g alle r Feste , di e sic h gege n ein e christlich e Interpretatio n sperrten, wa r ei n Prozeß , de r sic h übe r mehrer e Jahrhunderte hinzo g un d ers t im frühe n Mittelalter z u eine m gewisse n Abschlu ß kam. 134 Dieser Prozeß kan n freilich in diese m Band , de r nu r einzeln e Schlaglichte r au f da s Verhältni s vo n Feiern un d Erinner n werfe n soll , nich t meh r untersuch t werden . E r ha t seine n Zweck erfüllt , wenn e r den Leser zu überzeugen vermag , da ß antike Feste eine n erheblichen Beitra g zu r soziale n Konstruktio n vo n Geschichtsbilder n geleiste t haben, der längst noc h nicht erschöpfend erforsch t ist.
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Marku s 1990 , 85-135; Diefenbach 2007,488-538 .
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Ephebie - Ritua l - Geschichte , Polisfest und historische Erinnerung im klassischen Griechenlan d Hans Beck
Albert Schachter zum 22, August 2009
Am Anfan g sol l ein e schematisch e Beschreibun g de r Aufgabe n stehen , di e di e athenischen Ephebe n i m Hellenismu s z u erfülle n hatten . Di e Pflichte n de r Jungmänner lasse n sic h i n dre i Kategorie n einteilen . Ersten s di e militärisch e Seite de r Ausbildung : Zu r Ephebi e gehört e da s Trainin g i m Hoplitenkampf , Speerwurf, Bogenschieße n un d i n andere n Waffengattungen . Hinz u kame n Unterrichtseinheiten i n Kriegführun g un d Strategie. 1 Zweiten s de r Bereic h de r nicht-militärischen Bildung : Au s de n viele n Ephebeninschriften , di e vo r alle m ab de r zweite n Hälft e de s 3 . Jahrhunderts da s Bil d prägen , is t bekannt , da ß di e jungen Männe r i n verschiedene n Fächer n unterwiese n wurden . Si e erhielte n Unterricht i m Ptolemaion , Lykeio n un d i n de r Akademie ; si e wurde n durc h Attika geführt , u m Wege , Wehranlagen un d Grenze n kennenzulernen ; un d si e besuchten di e geschichtsträchtige n Ort e ihre r Heimat : Marathon , Salamis , Munichia, Sunion , Überal l dor t wurde n Kränz e niedergelegt , be i Salami s auc h eine Regatt a abgehalten . I m Amphiareio n i n de r Näh e vo n Oropos , de r sei t jeher umstrittene n Grenzlandschaf t zwische n Attik a un d Boiotien , erhielte n si e zudem ein e Ar t Geschichtsunterricht . Si e gingen , wi e e s I G II 2 100 6 heißt , „zum Amphiareio n un d erfuhre n vo n de r Geschicht e de s Heiligtum s v o n de n Anfängen a n [,.,] , opferten un d zoge n a m gleiche n Tag weiter durch die chora" 2. Allzu lan g ha t di e Unterweisun g i n de r Geschicht e de s Heiligtum s als o nich t gedauert. Di e dritt e un d letzt e Kategori e umfaß t de n weitere n Horizon t de r Polisfeste. I n ihre r Roll e al s Initianden , di e i n da s sozial e u n d religiös e Lebe n der Poli s eingeführ t wurden, fundamental e gesellschaftlich e Praktiken einübte n
[Aristot.] Ath . Pol . 42,1-5. Z u de n Ausbildungsfelder n de r hellenistische n Ephebi e in Athe n s . allgemein ; Reinmut h 1952 ; Pelekidi s 1962 ; Rosca m 1969 ; Reinmut h 1971; Rhode s 1980 ; Schröde r 1986 ; Kah 2004 ; Burckhardt 2004 . Da s Registe r vo n Kennell 2006 erlaub t jetzt einen Überblick über die mit diesen Felder n x^erbundenen öffentlichen Ämter (für Athen: S. 15-30) . IG II 2 1006 , Z.70-72 : "Hfaye v S s Ka i et ; [t o lÄ|xo(ßco |xvf|[i' äveörpc g -töSg. Thuk, 1,132,2 ; Plut. D e Herod . maügn . 42 ; Demosth. or . 59,97 . 35 Thukydide s sag t nicht s v o m Protes t de r Bündne r un d führ t di e Umformulierun g stattdessen au f da s Zerwürfni s zwische n Spart a un d seine m angeblic h exzentrische n König zurück . Demosthene s verweis t dagege n ausdrücklic h au f de n Protes t de r Bundesgenossen. 32
Ephebie - Ritua l - Geschicht e
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Krieg"- E s schließ t sic h ein e List e vo n 3 1 Mitglieder n de r hellenische n Allian z an, angefangen mit Sparta , Athen un d Korinth. 36 Währen d di e Spartaner erneu t zuerst genann t sind , dominier t ansonste n de r Kollektivitätsgedanke . Wede r unternimmt e s die Inschrift, auf di e einzelnen Schlachte n de r Jahre 48 0 und 47 9 getrennt einzugehe n un d di e jeweilige n Beiträg e de r Sjmmachoi gegeneinander aufzurechnen, noc h -wir d ein e Stad t al s solch e herausgestell t ode r au f di e Leistung ihre s Heerführer s rekurriert. Stattdesse n is t schlich t von „de m Krieg " die Rede , un d e s -wir d auc h einfac h au f „di e folgenden " verwiesen , di e diese n Krieg führten . Di e Inschrif t de r Schlangensäul e sprich t somi t ein e dezidier t panhellenische Sprache , genaue r gesagt : Si e stell t Plataia i un d di e Perserkrieg e insgesamt in s Lich t eine r konzertierte n Aktio n al l derjenige n Poleis , di e sic h zum Hellenenbun d bekann t un d di e Allian z tatkräfti g mi t Bürgersoldate n un terstützt hatten . Be i diese r For m de r mediale n Erinnerun g wurd e insofer n au f Rang un d Statu s geachtet , al s di e Spartane r i n ihre m Führungsanspruc h de s Hellenenbundes bestätig t un d zuers t genann t 'wurden. Abe r diese r Aspek t wa r nur sekundä r gegenübe r de m kollektive n Tenor , de n da s Anathe m ansonste n anstimmte. Ohn e jede n qualifizierende n Zusat z z u de n Leistunge n de r einzel nen Bündne r kommuniziert e di e Inschrif t ei n gewisse s Egalitätsprinzip ; di e Teilnehmer de r Allian z hatte n nac h ihre n beste n Möglichkeite n eine n maxima len Beitrag zu m gemeinsame n Erfol g geleistet. I n de r sprachliche n Verkürzun g lag demnac h ein e mächtig e Botschaft , Entscheiden d wa r be i diese r inschrift lichen Präsentatio n de r Vergangenheit , we r überhaup t unte r de n Bündne m aufgelistet war und we r nicht — darauf wird noc h zurückzukomme n sein . Am eigentliche n Schauplat z i n Plataiai entstanden mehrer e Monumente , di e die Erinnerun g a n di e Schlach t wachhielten . Di e Versammlun g de r Kriegsteil nehmer bewilligt e de n Plataier n 8 0 Talente , mi t dene n de r städtisch e Tempe l der Athen a wiede r aufgebau t un d mi t neue n Statue n un d Historiengemälde n 37
ausgeschmückt wurde . Ferne r wurd e ei n Heiligtu m de s Zeu s Eleutherio s er baut, da s eine n prachtvolle n Alta r erhielt . Di e Altarinschrift , di e erneu t di e Kollektivität de s griechische n Erfolge s herausstreich t un d au f de n Freiheitsge danken abhebt , is t (unvollständig ) be i Plutarc h un d (vollständig ) i n de r „Anthologia Graeca " überliefert: 38
* Syll, 3 31 = To d 1 9 = M L 27 = HGI Ü 14 ; s. die Diskussion bei Jung 2006, 248-250 . Plut . Arist, 20,3. 58 Plu t Arist . 19,7 ; Anth . Graec . 6,50 . Di e Plutarch-Handschrifte n lasse n de n erste n Pentameter aus und biete n auch sonst eine n leich t abweichenden Text .
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Hans Bec k Tov5eiro0' "EÄlrjvSi; pc&p-t] %epöKÄi]a yahav oxöpavoi q eko c|ir|6ev ev xe n f ea 7tepwt[.. .
Als ehrlicher Zeuge des Agasikles kam ich zum Tanz, und für seine edlen Vorfahren wegen ihrer Gastfreundschaf t. Damals wie heute werden sie geehrt von ihren Mitbürgern wegen de r weitbekannten Sieg e
der geschwinden Pferde, für die bei den Gestaden des ehrwürdigen Onchesto s und beim berühmten Tempel der Itonia sie ihr Haupt mit Kränzen schmückte n und in Pisa .. .
Sollte di e Datierun g de r Od e zutreffen d sein , dan n überrasch t diese r Teno r nicht. Di e „weitbekannte n Siege " de r Thebane r wurde n a n de n berühmteste n Heiligtümern Boiotien s gefeiert , dem Heiligtu m de r Athen a Itoni a be i Koronei a und de r Amphiktyoni e vo n Onchesto s (Z . 46-7), 67 Außerdem wurd e de r boioti sche Sie g „in Pisa" , d.h . in Olympi a memoriert . Di e fragliche n Ereignisse ware n demnach nich t allei n vo n lokale r Bedeutung , sonder n si e hatte n eine n weitere n politisch-militärischen Kontext , de r ihne n eine n Plat z au f de r Bühn e eine s panhellenischen Heiligtum s sicherte . I m genannte n Zeitfenste r vo n Od e 94 b kommt dafü r nu r di e Schlach t vo n Koronei a i m Jah r 44 7 i n Frage . Nachde m die Athene r zeh n Jahre zuvo r weit e Teile Boiotiens besetz t un d i n diese m Zu sammenhang auc h demokratisch e Regierunge n i n de n meiste n Polei s eingesetz t hatten, 68 gelan g de n boiotische n Exulante n 44 7 ei n fulminante r Sie g be i Koroneia, de r di e Athene r zu m Abzu g au s Boiotie n zwang . De r thebanische n Reiterei fiel in de r Schlach t di e Schlüsselroll e zu. 69 Es folgt e die Einrichtun g de s
die nac h de m athenische n Stratege n Iphikrate s Ipbikratieks genann t wurde n (Diod. 15,44,4) . Onchestos: Buc k 1979 , 88-90 ; Schachte r 1986 , 20 7 221 ; Tausend 1992 , 27 . Athen a Itonia: Schachter 1981 , 117-127 . Thüle. 1,108,2f.;Diod . 11,83,1-3 . Thuk. 1,113,1; vgl. 3,62,3 ; s . vor allem Buck 1979 , 151-153 , der den oligarchische n Hintergrund de r Exulanten i n Orchomeno s beleuchtet ; s . auc h Beck 1997 , 89f , mi t Anm. 35 ; Mafodda 2000, 54-59 .
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Boiotischen Bundes , de r de n Thebaner n ei n bi s dahi n ungekannte s Ma ß a n Wohlstand, Stabilitä t un d Sicherhei t bot . Koronei a hatt e di e Machtverhältniss e in Mittelgiiechenlan d mi t eine m Ma l au f den Kop f gestellt . D i e Schlach t ebnet e den We g zu r Gründun g eine s Bundesstaates , desse n Politi k zumindes t i n de n ersten Jahre n seine s Bestehen s v o m Interessenausgleic h seine r mächtigste n 70
Mitglieder bestimm t war . D i e Propagierun g de s Siege s i n de r alte n boioti schen Amphiktyoni e un d bei m Athen a Itonia-Heiligtum , de m Austragungsor t der panboiotischen Spiele , is t vor diese m Hintergrun d u m s o verständlicher . Während di e Landbegehungszeremoni e de r Daphnephorie n al s solch e sei t jeher daz u diente , di e Hegemonieansprüch e de r Thebane r i n Boiotie n z u arti kulieren, wurd e unte r de m Daphnephoros Agasikle s zugleic h auc h de s epochale n Sieges übe r di e Athene r gedacht . D i e Ereigniss e de s Jahre s 44 7 hatte n sic h i n den Ritu s de r Daphnephorie n hineingeschrieben . Un d umgekehr t dürft e di e Heldentat v o n 44 7 be i jede r neue n Feie r periodisc h wachgerufe n un d di e Erinnerung a n si e aufgefrisch t worde n sein . Di e Kombinatio n mi t eine r Land begehungszeremonie un d de m Initiationsritu s de r Ephebe n macht e di e geschichtliche Erinnerun g a n di e Schlachte n i n de r thebanische n Frühzei t un d in de r jüngere n Gegenwar t gege n Athe n wiederu m besonder s sinnfälli g un d 71
zielte au f de n Eindruc k eine s historische n Kontinuums . Durc h di e aktiv e Einbindung de r nächste n Generatio n v o n Bürgersoldate n wurd e diese r Zu sammenhang zugleic h al s verpflichtende r Leistungsanspor n formulier t un d i n die Zukunf t projiziert . Di e thebanische n Daphnephorie n stellte n demnac h ei n komplexes Pollsfes t dar , be i de m di e Erinnerun g a n di e mythhistorisch e Ver gangenheit zu m zentrale n Elemen t de r Selbstvergegenwärtigun g un d Selbst identifizierung de r Bürgergemeind e avancierte . D i e Einbettun g de r historische n memoria in eine n rituellen Kontex t dürft e dabe i ein e besonder e Emotions - un d Erfahrungstiefe erzeug t haben . D e n Ephebe n wurd e be i de n Daphnephorie n ein Stüc k Geschicht e weitergegeben , inde m si e selbs t i n de n Proze ß de r Erin nerungspflege eingebunde n wurde n un d di e entscheidend e Roll e be i de r Insze nierung de r Vergangenhei t einnahmen .
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Da s is t de r Bund , de r durch di e HMemka au s Oxyrhyncho s bekann t geworde n ist : Larsen 1968 , 33-40 ; Buc k 1979 , 154-162 ; Bec k 1997 , 89-94 ; Cartledg e 2000 ; Mafodda 2000, 89-100; Bleckmann 2006 , 55-90 . 71 Darau f spielte n auc h di e Symboli k de r Sonnen - un d Mondkugel n sowi e di e 36 5 violetten Bände r a m Olivenholzstam m an . I n diese r Bildsprach e wa r alle s au f Kontinuität un d dauerhafte Ordnung angeleg t
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Fest und Geschichte: die Emotionstiefe historischer Erinnerung Der Verwei s au f di e Vergangenhei t hatt e seine n feste n Platz i n de r Festtraditio n der Polis . Wi e gesehen , ware n religiös e Fest e stet s historisc h mothdert , d a be i ihnen imme r auc h de r Umständ e gedach t wurde , unte r dene n si e eingerichte t worden sei n sollen , Aitiologisch e Gründersage n un d Mythentraditione n z u de n Anfangen de s Feste s gehörte n zu m Kano n de s Rituals , si e begegnete n i n alle n Stadien de r Festzeremonie : de m Umzug , zumeis t i n For m eine s Kultbildes , da s mit de r Gründergeschicht e i n Verbindun g stand , de m Gebe t un d Festlied , de n dramatischen ode r szenische n Agonen , di e ihrerseit s au f de n Mytho s Bezu g nahmen. N e b e n diese n religiöse n Feste n steh t ein e zweit e Grupp e v o n histori schen Feste n un d Gedenkfeiern , di e de r Kommemoratio n de r unmittelbare n Vergangenheit dienten . Be i ihne n fi nden sic h dieselbe n Element e de s religiöse n Polisfestes, un d häufi g begegne n dies e Element e soga r i n derselbe n Abfolg e (Prozession, Opfer , Choraufführung , dramatisch e Darstellung) . Di e eng e An lehnung de r historische n Polisfest e a n di e religiös e Kulttraditio n is t natürlic h nicht verwunderlich , gerad e w e n n di e Erinnerun g bei m Fes t mi t de r Ehrun g der Tote n verbunde n war . I n diese m Fal l wa r de r Proze ß de s Erinnern s i n ein e der wichtigste n religiöse n Zeremonie n de r Poli s überhaup t eingebettet : da s Totenfest. Geschicht e un d Religio n verhielte n sic h hie r komplementä r zueinander. Opferfeiern z u Ehre n de r Tote n wi e diejenige n i n Plataia i ode r di e alljährli ,.
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che Zeremoni e bei m Pofyandreion i n Maratho n leistete n j a beides , historisch e Kommemoration un d Ehrun g de r T o t e n durc h di e Gemeind e bei m Fest . Bei m thebanischen Totenfes t fü r Herakle s ka m diese r Zusammenhan g prägnan t zu m Ausdruck. A m Voraben d de s Hauptfestes , da s i m Winte r a m Wendepunk t de s boiotischen Jahre s stattfand , wurd e ei n Totenopfe r dargebracht . Empfänge r dieses Opfer s ware n nebe n Herakle s sein e Fra u Megar a sowi e ihr e gemeinsa m e n Söhne , di e Alkaidai , di e v o n ihre m Vate r eins t i m Wahnsin n erschlage n wurden. Zu m Ritu s gehörte , da ß i n de r N ä h e de s Gymnasium s bei m Elektri schen To r fün f Altarfeue r entzünde t wurden , di e di e ganz e Nach t hindurc h brannten. Wi e Pinda r bezeugt , stan d de r folgend e Ta g i m Zeiche n eine s Tielge rühmten Wettkampfes , de r unte r de n Ephebe n de r Stad t ausgetrage n wurde . Das wichtigst e thebanisch e Totenfes t wurd e demnac h v om historische n Rekur s auf di e Vergangenhei t bestimmt , inde m da s allgemein e Totengedenke n i n de r Stadt mi t de r Geschicht e vo n Herakle s un d de m (tragischen ) T o d seine r Söhn e 72
Paus . 1,32,3-4 ; I G II 2 1006 ; 105 8 (maßgeblich e Beteiligun g de r Epheben) . I n de r Stadt wurd e Pa n unterhal b de r Akropoli s alljährlic h mi t Opfer n un d eine m Fackellauf geehrt : Hdt . 6,105,3 ; Paus . 1,28,4; s . insgesam t Park e 1977 , 172f. ; Hölkeskamp 2001, 339f. ; Gehrke 2003 .
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verknüpft wurde . ,Geschichte ' un d Totenkul t ginge n hie r erneu t Han d i n Hand. 7 3 D i e s e Affinitä t v on gefeierte r Vergangenhei t un d Kul t de r Gemeind e hatt e wichtige Konsequenze n fü r da s Geschichtsverständni s de r Bürger . D e n n Geschichte erhiel t durc h si e ein e eigen e Autorität . Si e wurd e v o n eine r religiö sen Aur a umkränzt , di e ih r besonder e Verbindlichkei t verlie h un d ein e beson dere Verpflichtun g fü r de n einzelne n Polite n implizierte . Ander s g e s a g t Di e Erinnerung a n di e Vergangenhei t wurd e i n diese r Variant e kultisc h überhöht , indem si e zu m integrale n Bestandtei l eine s umfassende n Ritual s wurde . Da s Stemmen v o n Rinder n au f de n Opferaltar , mi t de m di e Ephebe n be i verschie denen Feste n ihre Kraf t unte r Bewei s z u stelle n hatten, 74 war, s o besehen , nich t nur ei n v o n de r Theseus-Sag e inspirierte r Männlichkeitstest , sonder n e s rückt e die geschichtlich e Erinnerun g a n "ITieseu s auc h i n de n Mittelpunk t eine r rituel len Choreographie . D i e historisch e Referen z bildet e fü r di e Epheben , di e di e Kraftprobe vorzuführe n hatten , di e Klima x de s Rituals . Be i de n genannte n HerakJaa i n Thebe n fan d di e Heraklesgeschicht e nich t nu r i n de r allgemeine n Affinität z u Herakle s al s Patro n de r Ephebe n i m Gymnasiu m Ausdruck , de r wie kei n andere r heldenhafte s Kriegertu m un d Jugen d symbolisierte , sonder n auch i n de n bezeugte n A g o n e n de r Epheben . Z u solche n i m Ritu s überhöhte n Praktiken de r Vergegenwärtigun g v o n aitiologische m Vergangenheitswisse n zählten dan n auc h di e Selbstgeißelun g v o n Jungmännern , s o bei m Fes t de r Artemis Orthi a i n Sparta, 75 ferne r da s Wasche n v o n Grabsteinen, 76 da s Singe n v o n Päane n un d Chorliedern, 77 de r historisch e Waffentanz , Agon e un d da s Nachstellen v o n Naumachien. 7 8 D i e Einbettun g diese r Praktike n i n ein e zeremonielle Handlungskett e verlie h de n eigentliche n Gegenstände n de r Erinnerung ungeahnt e Emotionstiefe , di e ihrerseit s di e Wahrnehmungsmuste r der Bürgergemeind e prägt e un d ihre n innere n Zusammenhal t stärkte . Man kan n diese n Gedanke n noc h weite r zuspitzen . Den n wi e gesehe n wa r diese Erinnerun g j a nich t ziello s un d auc h nich t zufällig , sonder n si e hatt e ein e inhärente Agenda , un d die s 'wiederu m i n zweierle i Hinsicht . Ersten s führt e di e « Nilsso
n 1906/1995 , 446f. ; Schachter 1986,14-30 ; Kohr 2006,190-194 . io29 ; s. Ktitzas 1997 , Nilsso n 1906/1995,190-194 . 76 Plut . Alist. 2 1 (zitier t S. 60f.). 77 S o etw a Dithyrambe n (be i de n Große n Dionysien , Thargelie n un d Panathenaen) , daphnephorische Ode n (s . oben ) un d epinikisch e Hymnen . Be i de n Gjmnopaidiai wurden Päan e gesungen , i n dene n de r Helde n vo n Thyre a un d de r Theimopylen Schlacht gedach t wurde : Sosibio s FGr H 59 5 F 5 = Athen . 15,22 , 67 8 b-c ; Sud a s.v . Gymnopaidtar, s . Nilsson 1906/1995 , 141 . 7 » S . [Aristot. ] Ath. Pol. 53,4 ; Dem. 19,30 3 und schol. ; Philoch. FGrH 32 8 F 15-1 6 un d F 105 ; s. Parke 1977, 139 , 168 ; Breiich 1969 , 449-456 .
74 I G n 75
2 10Q6 ; 10Qg ; 1 0 1 1 . 1 0 2 8 .
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starke Akzentuierung der heroischen Verdienste der Vorfahren der anwesende n Bürgergemeinde vo r Augen , wa s ei n jede r z u leiste n hatte . Wenigsten s i n die sem eine n Punk t is t ein e strukturell e Vergleichbarkei t de r griechische n hypomnema mi t de r au f exempla fixierten memoria de r Röme r z u konstatieren , ohne da ß die s fteiJic h eine n zwingende n soziale n Verhaltenskode x gezeitig t hätte, wie er für die römische Wel t prägen d wurde. 79 Zweitens : Unte r de n Fest teilnehmern läß t sic h vo r alle m ein e Grupp e namhaf t machen , di e de r erst e Adressat diese r Botschaf t war , un d di e gleichzeiti g de n Zusammenhan g zwischen ruhmvolle r Vergangenhei t un d eine r hoffnungsvolle n Zukunf t ver sinnbildlichte. De n verschiedentlic h i n da s Ritua l eingebundene n Jungmänner n der Poli s ka m i m komplexe n Vorgan g de r Erneuerun g un d Weitergab e de s Wissens u m di e Vergangenhei t di e Schlüsselroll e zu . Di e Ephebe n stande n i n der Mitt e de r feierlic h inszenierte n Vergangenheit . Si e erlernte n sie , un d si e gaben ih r ei n Gesicht : i n eigene n Abteilunge n de r Prozessio n un d i n Chören , als Opferdiene r ode r al s Akteur e i n dramatische n Darstellungen . Be i Initia tionsfesten, di e di e Jungmänne r i n di e kooperative n Verhaltensnorme n de r Bürgergemeinde einführten , beinhaltet e de r Kano n de r Initiationsbeständ e (Tanz, Syssilion, Lieder ) mithi n auc h da s Wissen u m di e schicksalhaft e Vergan genheit de r Bürgergemeinde , als o ihr e - freilic h star k selektiv e - Geschichte . Die Teilhab e a n de r historische n Erinnerun g wurd e zu m wesentliche n Schrit t in Richtun g au f da s Vollbürgertum , ih r Erlerne n un d ihr e Erneuerun g zu r Pflicht und Aufgab e de r nächsten Generatio n vo n Bürgern. 80 Wo steuer t ein e solch e historisch e Erinnerun g hin , un d welche s Ge schichtsbild wir d projiziert ? Die Geschicht e bei m Fes t hatt e nu r weni g mi t de r intellektuell-reflexiven histoms apodaxis Herodots gemeinsam . I n gewisse r Hin sicht stan d si e i m Gegensat z dazu : hier , be i Herodot , de r händeringend e Ver 79
Be i de n Elaphebolie n vo n Hyampoli s i n Phoki s ka m die s mithi n a m deutlichste n zum Ausdruck . Währen d de s Fest s wurd e ei n große r Scheiterhaufe n errichtet , au f dem nac h Plut . Mul . vixt . 2 un d Paus . 10,1, 6 Götterbilder , Puppen , Kleide r un d Schmucksachen verbrann t wurden . Dami t wurd e a n de n (lustorischen? ) Krie g zwischen Phoker n un d Thessale m erinnert , i n de m di e Phoke r vo r de r letzte n Entscheidungsschlacht ihr e gesamt e Hab e zurückließe n un d Befeh l gaben , alle s i n Flammen aufgehe n z u lassen, fall s die Schlach t verlore n ging. De r Ausdruc k «Pcohdc?! öwrövoia („phokisch e Verzweiflung" ) wurd e danac h j a auc h sprichwörtlich . Di e
Schlacht gin g fü r di e Phoke r gu t aus , weshal b di e Elaphebolie n zu m Siegesfes t
wurden. Gleichzeiti g wurd e abe r di e bedingungslos e Entschlossenhei t de r Vorfahren erinnert . Literatur : Nilsso n 1906/1995 , 221-225 ; Gra f 1985 , 412-417 ; Ellinger 1993 . 80 Fü r Gra f 1985 , 41 6 stan d da s Feuerritua l vo n Hyampoli s mi t de r Initiatio n vo n Jungmannern un d ihre r Aufnahm e i n Knegerbünd e i n Verbindung . Hauptakteu r und -adressa t de r geschichtlichen Erinnerun g ware n in diese m Fal l erneu t die Jungmänner gewesen, di e beim Feueropfer die zentrale Roll e spielten .
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such einer gesamtgriechischen Betrachtung , dort ein e scharf e Privilegierung de r Polisgeschichte; au f de r eine n Seit e ei n ausgearbeitete s Narrativ , au f de r ande ren aitiologisch e Schlaglichte r un d Momentaufnahmen . Di e Zersplitterun g vo n Geschichte bei m Fes t lieg t natürlic h zuallerers t a m Mediu m de r Erinnerung . Das Fes t ha t ein e ander e Grammati k al s narrativ e Darstellunge n un d Deutungen. Ähnlic h verhäl t e s sic h mi t de r Wirkun g diese s Geschichtsbildes . Bilder vo n de r Vergangenhei t ware n i n Griechenlan d (i m klassische n wi e auc h im hellenistischen ) ni e konkurrenzlos . Geschicht e wurd e innerhal b de r enge n räumlichen un d mentale n Grenze n de r Poli s konstruiert , un d alle n Gemein samkeiten de r hellenische n koine zu m Trot z sa h da s Ergebni s diese r Kon struktion überall anders aus . Geschichte war dabei nicht nu r der Wirkkraf t eines „innate sociocentrism " ausgesetzt , d.h . eine r unreflektierte n Akzeptan z durc h die Polisbürger , fü r di e di e eigen e Lesar t de r Vergangenhei t scho n allei n des halb di e richtig e war , weil si e au s de r Mitt e de r eigene n Bürgergemeind e ka m und al s solch e nich t weite r hinterfrag t wurde. 81 Gleichzeiti g wa r historisch e Erinnerung intentiona l angelegt . Gründergeschichte n un d mythisch e Traditio nen stattete n di e Poli s nich t nu r mi t Orientierungswisse n übe r ihr e eigen e Vergangenheit aus , sonder n si e bote n auc h ein e robust e Basi s fü r di e Artiku lierung und Durchsetzun g vo n Machtansprüche n i n der Gegenwart , gan z gleich ob dies e Ansprüch e wei t gesponne n ware n un d etw a au f di e Hegemoni e i n Griechenland abzielten , ode r o b si e einfac h nu r i m Zug e vo n Gebietsstreitig keiten zwische n rivalisierende n Nachbarstädte n formulier t wurden. 82 Sozio zentrismus un d Intentionalitä t hatte n wiederu m zu r Folge , daß scho n i n eine m Gebiet, das s o kleinräumig war wie dasjenige zwischen Theben, Plataiai, Megara und Athen , divergierend e Deutunge n ein - un d derselbe n .Geschichte ' kur sierten.83 Durc h ihr e Einbettun g i n de n jeweilige n Festkalende r erhielte n dies e Deutungen ein e eigen e Verbindlichkeit , un d si e stiftete n auc h zusätzliche n sozialen Sinn , inde m si e da s Geschichtsbewußtsei n de r Bürge r au f de n Ho rizont de r eigene n Stad t lenkten . S o wirkkräfti g dies e Geschichtsbilde r i n de r einen Stadt waren, s o wenig bedeuteten si e aber i n der nächsten . Auc h i n diese r Hinsicht waren sich die Griechen uneinig .
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De r Begrif f stamm t au s der „critical-thmking-theory" . E r hat bislang keine n Wider hall i n de r Geschichtswissenschaf t gefunden , ist abe r gu t geeignet , u m ei n grund legendes Phänome n i m Proze ß de r Genese , Weitergab e un d Aktualisierun g vo n Geschichtsbildern z u benennen . 82 S . dazu nur Gehrke 1994; Gehrke 2001. 83 I n Megara wurde noch i m 4. Jahrhundert n.Chr . der Perserkriege gedacht , wobe i de r Akzent natürlic h gan z au f de m megansche n Beitra g zu r Rettun g de r Freihei t Griechenlands lag: IG VII 5 3 (s . obe n Anm . 45) .
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Neue Feste - neu e Geschichtsbilder ? Zur Erinnerungsfunktion städtischer Feste im Hellenismus 1 Hans-Ulrich Wiemer 1. Städtische Feste im Hellenismus Man ha t of t bemerkt, daß di e griechischen Bürgerstaate n i m Hellenismus noc h stärker al s frühe r danach strebten , sic h de r ideelle n Grundlage n ihre r Existen z zu vergewissern. 2 Di e Gründ e liegen au f de r Hand : di e bedrohliche Instabilitä t der vo n große n Monarchie n dominierte n Staatenwelt , di e gesteigert e Mobilitä t von Persone n un d de r rascher e Austausc h vo n Wissen , überhaup t di e dichter e und i n ungeahnte Ferne n ausgreifend e kulturelle Vernetzung der Griechen . Ei n Aspekt diese s erhöhte n Bedürfnisse s nac h Selbstvergewisserun g wa r ein e mi t erheblichem Aufwan d betrieben e Traditionspfleg e vo r alle m i m Bereic h de r Erziehung un d Religion . Di e Zeitgenosse n habe n wiederhol t ausgesprochen , daß da s Feier n vo n Feste n ei n vo n de n Vorväter n ererbter , verpflichtende r Brauch sei , un d dadurc h z u erkenne n gegeben , da ß Fest e fü r si e ei n bewuß t eingesetztes Mitte l waren , di e Verbindun g mi t de n Vorfahre n imme r wiede r neu z u bekräftigen . Zude m habe n si e die Einführun g neuer Fest e i m Hellenis mus gern e mi t de r Absich t motiviert , au f dies e Ar t un d Weis e di e Erinnerun g an ei n al s bedeutsa m empfundene s Ereigni s de r jüngste n Vergangenhei t z u konservieren. Wohlbekann t is t schließlic h auch , da ß de r Festkalende r griechi scher Bürgerstaate n i m Hellenismu s eine m beschleunigte n Wande l unterlag : Man führt e nich t blo ß i n große r Anzah l neu e Fest e ei n un d feiert e alt e mi t größerer Prach t al s zuvor. Insbesondere ga b e s erheblic h meh r Fest e von über regionaler Bedeutung , a n dene n viel e griechisch e Staate n durc h eigen e Festgesandtschaften teilnahmen . A m End e de s 3 . Jahrhundert s wurde n pan hellenische Fest e nich t meh r blo ß in Olympia und i n Delphi, in Neme a un d a m Isthmos vo n Korint h gefeiert , sonder n auc h a n viele n andere n Orte n de r griechischen Welt. 3 Nun sin d verallgemeinernd e Aussage n übe r di e äußers t vielgestaltige un d i n rascher Veränderun g begriffen e Wel t de r hellenistische n Bürgerstaate n stet s
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h dank e Jens Bartels , Han s Beck , Ral f Behrwald , Orha n Bingöl , Winfrie d Held , Rene Pfeilschifter , Wul f Raeck , Victo r Walse r un d Marti n Zimmerman n fü r Hinweise un d Anregungen . 2 Vgl . daz u etwa Herrmann 1982 ; Chankowski 2005 . 3 De n beste n Überblick vermittelt nochimmer Robert 1982 .
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problematisch un d angreifbar . Ma n kan n diese m Proble m begegnen , inde m man au s eine r möglichs t vollständige n Auflistun g bezeugte r Merkmal e hellenistischer Fest e unte r Verzich t au f regional e un d chronologisch e Differen zierung ein e Ar t Idealtypu s de s hellenistische n Feste s konstruiert. 4 Ic h möcht e eine stärke r kontextbezogen e Analys e einzelne r Fest e versuchen , di e i n griechischen Bürgerstaate n zwische n de m End e de s 3 . un d de m Anfan g de s 1 . Jahrhunderts v.Chr . reorganisier t ode r ne u eingeführ t wurden . Dabe i geh t e s mir einerseit s u m di e Frage , o b sic h i m Bereic h de r Festkultu r ei n Wande l gegenüber de r klassische n Zei t beobachte n läßt , andererseit s abe r auc h u m Entwicklungen innerhal b de r dre i Jahrhunderte , di e zwische n de m To d Alexanders un d de m Sie g de s Augustu s übe r Antoniu s un d Kleopatr a liegen . Meine Beispiel e stamme n au s Magnesi a a m Mäander , Bargyli a un d Messene . Ich mach e als o Fest e zu m Gegenstand , di e v o n hellenistische n Bürgerstaate n gefeiert wurden , nich t abe r solche , dere n Ausrichtun g be i Herrscher n griechisch-makedonischer Abkunf t lag . Herrscherfeste , di e i n eine r nichtgrie chischen Traditio n stehen , wi e wi r si e i m ptolemäische n Ägypten S ode r i m seleukidischen Babylo n finden, 6 bleibe n folglic h ebens o ausgeklammert , wi e solche, di e zwa r nac h Program m un d Semanti k griechisc h sin d — z.B . di e Fest e der Ptolemaie r i m ägyptische n Alexandrei a - , abe r de r Selbstdarstellun g v o n Herrschern un d Dynastie n un d nich t de r Selbstvergewisserun g eine r Fest gemeinde dienten. 8 V o n Herrscher n veranstaltet e Fest e ware n durc h ein e strikte Trennun g zwische n professionelle n Akteure n un d passive n Rezipiente n geprägt, weshal b ihr e Prozessione n de n Charakte r v o n Parade n annahmen . D e r intendierten Wirkun g nac h stelle n si e da s genau e Gegentei l de r Fest e dar , u m die e s mir i m folgende n gehen wird. 9 4
Chanioti s 1995 . Di e fehlend e zeitlich e Differenzierun g moniere n auc h Gauthie r 1996, 13 5 (dagege n wiederu m Chanioti s 1998 , 295 , Nr . 67 ) un d Chankowsk i 2005 , 190f. 5 Vgl . daz u de n Überblic k vo n Hölb l 1994 , 69-110 ; 141-156 ; 228-27 0 sowi e di e Spezialstudle von Dunand 1980 . « Vgl . dazu Boiy 2004,277-287 . 7 A m beste n bekann t ist die von de m Rhodie r Kallixeino s (FGr H 69 7 F 2 = Athen . 5 , 196A-203B) beschneben e Dionysos-Prozession , di e von Ptolemaio s II . i m Rahme n der 279/27 8 eingerichtete n Ptokmaieia veranstaltet wurde ; vgl . daz u Dunan d 1981 ; Rice 1983 ; Hesbeig 1989 ; Walbank 1996 ; Thompson 2000 . 8 Abzulese n auc h a n de r vo n Athenaio s i n enge m Anschlu ß a n Polybio s (Athen . 5 , 194C-195D + Diod . 31,16, 2 = Pol . 30,25,1-26,4 ) beschriebene n Parade , di e Antiochos IV . nac h de m „Sieg " übe r Ptolemaio s VI . i n Daphn e veranstaltete , wahrscheinlich i m Rahme n de s dor t gefeierte n Apollon-Festes ; daz u zuletz t Mitta g 2006, 282-295 (mit der älteren Literatur). 9 Ic h hab e dies e Unterscheidun g a n andere m Or t nähe r ausgeführt : Wieme r 2009 ; mißachtet wir d de r Unterschied z.B . vo n Köhle r 1996 , de m Chanioti s 1997a , 246f .
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Bevor indesse n di e Sach e selbs t erörter t wird , is t n o c h ei n Wor t zu r Quellen lage erforderlich : D i e Fest e de r archaische n un d Hassische n Zei t müsse n i n de r Regel au f de r Grundlag e vie l späterer , häufi g au s antiquarische r Gelehrsamkei t schöpfender Text e rekonstruier t werden . Anhan d solche r Text e läß t sic h nu r selten siche r entscheiden , wan n un d wi e lang e ei n Fes t i n de r beschriebene n Form gefeier t wurde , wenngleic h häufi g ausdrücklic h ode r stillschweigen d vorausgesetzt wird , e s hab e sic h übe r Jahrhundert e hinwe g nicht s ode r nu r wenig geändert . Au s viele n Teile n de r hellenistische n Wel t hingegen , ins besondere au s Griechenlan d un d Kleinasien , is t un s ein e stattlich e Anzah l v o n Urkunden überliefert , di e sic h au f di e Einführun g neue r ode r di e Reorga nisation bereit s bestehende r Fest e beziehen . D a e s sic h i n de r Rege l u m Beschlüsse handelt , di e v o n eine r Versammlun g gefaß t wurden , di e de n gesamten Bürgerverban d ode r ein e seine r Untereinheite n repräsentierte , enthalten dies e Urkunde n konkrete , mitunte r seh r detailliert e Handlungsan weisungen un d gebe n Aufschlu ß übe r di e Gründe , mi t dene n di e Einführun g oder Reorganisatio n v o n Feste n motivier t wurde . Intendiert e Veränderunge n des Festkalender s finde n hie r eine n unmittelbare n un d zeitgenössische n Niederschlag, weshal b unser e Chancen , solch e Veränderunge n z u kontextuali sieren, fü r de n Hellenismu s erheblic h größe r sin d al s fü r di e vorangehende n Perioden de r griechischen Geschichte . Freilich dar f ma n di e Aussagekraf t diese r Quelle n auc h wiede r nich t über schätzen. 10 D e n n v o n de m leidige n Umstand , da ß di e betreffende n Urkunde n selten vollständi g überliefer t sind , einma l gan z abgesehen , regel n si e da s Programm eine s griechische n Feste s niemal s umfassend ; viele s konnt e still schweigend vorausgesetz t werden , wei l e s i n de n hellenistische n Bürgerstaate n allgemein bekannt , zu m Tei l auc h i n schriftliche n Kodifikatione n kultische r N o r m e n niedergeleg t war . Solch e „heilige n Gesetze " (Hieroi Nomoi) abe r wurden i m Gegensat z z u Volksbeschlüsse n kau m jemal s au f Stei n geschriebe n und sin d daru m bi s au f geringfügig e Rest e verloren. 11 I m übrige n lieg t au f de r Hand, da ß Volksbeschlüss e normativ e Quelle n sind ; si e spreche n aus , wa s z u einem bestimmte n Zeitpunk t de r Will e de s Volke s war . O b diese r Will e übe r längere Zei t konstan t blie b un d tatsächlic h umgesetz t wurde , kan n daru m i n de r Regel ers t dan n entschiede n werden , wen n ein e Reih e v o n Zeugnisse n vorliegt , die sic h au f dasselb e Fes t beziehen ; diese r glücklich e Fal l is t jedoc h auc h i m Hellenismus nu r selte n gegeben .
trotz de r a n andere m Or t (Chailioti s 1997b ) geübte n scharfe n un d berechtigte n Kritik in diesem Punkt zu folge n geneigt scheint . 10 Vgl . daz u die lehrreichen Ausfuhrungen von Chankowsk i 2005, bes . 192-202 . 11 Daz u Nähere s in Wiemer 2003 , 271 f. mit Anm. 61 .
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2. Magnesia am Mäander Wer di e Bedeutun g ermesse n will , di e Fest e fü r da s Geschichtsbewußtsei n hellenistischer Bürgerstaate n hatten , komm t nich t umhin , au f da s Beispie l Magnesia a m Mäande r einzugehen . Di e Magnete n hatte n bereit s i m Jahr e 221 / 2 20 versucht , de m Fes t de r Hauptgotthei t ihre r Stadt , de r Artemis Leuko phryene, 12 z u überregionale r Anerkennun g z u verhelfen , inde m si e fü r di e Griechen Asien s eine n A g o n einrichteten , i n welche m di e Siege r mi t Geld preisen belohn t wurden ; diese r Versuc h wa r abe r ohn e rechte n Erfol g ge blieben. 13 N a c h d e m e s de r Nachbari n un d Rivali n Mile t jedoc h gelunge n war , das i n Didym a gefeiert e Apollon-Fes t i n de n Ran g eine s Kranzagon s z u erhe ben, de r nu r all e vie r Jahre gefeier t un d v o n Gesandtschafte n au s de r gesamte n Ökumene besuch t wurde, 1 4 unternahme n di e Magnete n eine n neue n Anlauf . N u n sollt e auc h da s Fes t de r Artemi s Leukophryen e all e vie r Jahr e i n Ver bindung mi t eine m Kranzago n gefeier t werden . D a die s jedoc h voraussetzte , daß sic h möglichs t viele griechische Staate n un d Herrsche r berei t erklärten , ein e eigene Delegatio n z u diese m Fes t z u entsende n un d de n Sieger n dieselbe n Privilegien einzuräumen , wi e si e Siege r be i de n vie r traditionelle n panhelle nischen A g o n e n genossen , bedurft e e s eine r Werbekampagne , di e mi t große n Mühen un d Koste n verbunde n war . Di e Magnete n schickte n i m Jahr e 20 8 nich t weniger al s 2 0 Festgesandtschafte n aus , di e fas t di e gesamt e damal s v o n Griechen bewohnt e Wel t durchreisten , v o n Sizilie n i m Weste n bi s nac h Ira n i m Osten, u m fü r di e Annahm e de r 'Leukßphryena al s panhellenische s Fes t un d isopythischen Kranzago n z u werben. 1 5 D a s Ergebni s konnt e sic h sehe n lassen : Mehr al s 15 0 Bürger - un d Bundesstaate n sowi e all e große n König e erklärte n sich bereit , di e l^eukophryena v o n Magnesi a a m Mäande r i m Ran g de n delphi schen ^ ^ g l e i c h z u s t e l l e n . 1 6 D a di e Magnete n eine n erhebliche n Tei l de r positive n Bescheide , di e ihr e Gesandten mi t nac h Haus e brachten , au f Stei n verewige n ließen, 17 könne n wi r 12
Zu m Name n vgl . Ker n 1901 , 508f . Ker n leitet e de n Beiname n vo n de m Topony m Leukophrys ab , de r durc h Xen . hell . 3,2,19 ; 4,8,1 7 al s Nam e de s Orte s bezeug t ist , wo de r alte Artemis-Tempel lag. 13 Di e Vorgescliicht e is t ers t durc h Eber t 198 2 geklär t worden , de r erkannte , da ß i n LMagnesia 1 6 = Syll. 3 55 7 = FGr H 48 2 F 2 , Z . 16-1 7 7ipfflx[o v dpyvpi] |iriv dycöva GeTvai xcöv KaxoiKOwxtov Äoiav z u lesen ist. 14 Herzo g 190 5 = Syll. 3 590 . Zu r Datierung Rigsby 1996, 174-176 . '5 Aufgeliste t bei Kern 1901 , 499-504 . 16 Nac h wie vor grundlegend Boesch 1908 . 17 Di e Antwortbrief e un d -beschlüss e sowi e di e sogenannt e Stiftungsurkund e de r Leukophryena (LMagnesia 1 6 = Syll. 3 55 7 = FGr H 48 2 F 2) lies t ma n jetz t a m beste n bei Rigsb y 1996 , Nr . 66-131 , doc h fehle n dor t di e „Gründungsgeschicht e Mag -
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n o c h ziemlic h gena u rekonstruieren , w i e dies e Gesandte n argumentierten , al s sie ih r Anliege n i n de r Volksversammlun g griechische r Bürgerstaate n vor trugen: 18 N e b e n de r Autoritä t de s Orakel s v o n Delphi , au f da s si e sic h imme r wieder beriefen, 19 führte n si e zwe i stet s wiederkehrend e Argument e an , di e di e Gegenwart au f spezifisch e Ar t un d Weis e mi t de r Vergangenhei t verknüpften . Zum eine n nämlic h betonte n si e i n graue r Vorzei t begründet e Verwandt schaftsverhältnisse, u m darau s eine n Anspruc h au f wohlwollend e Behandlun g und Unterstützun g abzuleiten , etw a inde m si e darau f hinwiesen , da ß de r vo n der Poli s Sam e au f Kephalleni a al s Gründe r verehrt e Kephalo s ei n N e f f e de s Magnes, de s namengebende n Vorvater s de r Magneten , gewese n sei. 20 Z u m an deren abe r hobe n si e hervor , da ß di e Grieche n i n de r jüngere n un d jüngste n Vergangenheit v o n de n Magnete n Wohltate n erfahre n hätten , di e e s nu n z u erwidern gelte; in derselbe n Absich t wurde dort , wo die s möglic h un d opportu n war, zusätzlic h auc h au f konkret e Leistunge n fü r einzeln e Staate n hingewiesen . So wa r de r Hinweis , da ß di e Magnete n anderthal b Jahrhundert e zuvo r 30 0 Dareiken fü r die Ummauerun g de r ne u gegründete n Stad t Megalopoli s gestifte t hatten, 21 nu r i n Arkadie n vo n werbende r Kraft , währen d di e Hilfe , di e si e i m Jahre 27 9 be i de r Abweh r de s keltische n Angriff s au f Delph i geleiste t hatten , wohl alle n Grieche n al s rühmliche Ta t galt. 22
nesias" (I.Magnesi a 1 7 = FGr H 48 2 F 3 ) un d da s gefälscht e Dekre t de s Kretische n Bundes (LMagnesi a 2 0 = FGr H 48 2 F 4). Zur Interpretation vgl. vor allem Gauthie r 1972, 209-287; Jones 1999 , 50-65 . 1« Vgl . zum folgende n bes. Curt y 1995, 107-12 9 und Gehrk e 2001, bes. 287-306 . 19 Di e Stelle n sin d z u zahlreich , u m hie r aufgelistet z u werden ; vgl . da s Registe r V I 1 bei O . Kern , I.Magnesia, S . 228 . Di e eng e Beziehun g de r Magnete n zu m Got t vo n Delplii is t auc h sons t vielfac h belegt : S o spiel t de r Got t bereit s i n de r älteste n Gründungsgeschichte de r Stad t ein e zentral e Roll e (daz u unte n Anm . 23) . Nac h Plut. d e Pyth . or . 16 , 402 A = LMagnesi a T XX I unterstützte n di e Magnete n de n delpliischen Apollon i m 3 . Heilige n Krie g gege n di e Phoke r durc h di e Entsendun g einer Mannschaf t (dvGpctwcco v dTrap^aig) ; bei m Gallierstur m 27 9 schickte n si e nac h eigenem Bekunde n ei n Hilfskorp s (LMagnesi a 4 6 = Syll. 3 56 0 = Rigsb y 1996 , Nr . 96, Z . 9 ; LMagnesia 215a , Z . 14f.) ; zwischen 27 8 un d ca . 25 0 holte n si e ei n Orake l des Gotte s vo n Delph i ein , u m di e Bedeutun g eine s Götterzeichen s z u klären , gründeten au f Apollons Gehei ß ei n neues Heiligtum de s Dionysos un d importierte n dafür drei Mainaden au s Thebe n (LMagnesi a 21 5 mi t Henrichs 1978 , 123-137) ; vo n 203/202 bi s 193/19 2 hatte n di e Magnete n eine n Sit z i n de r delphische n Amphiktyonie inne: Lefevre 1998 , 117f . Vgl. allgemein Wörrle 2000. 20
I.Magnesi a 3 5 = Rigsb y 1996 , Nr . 85 , Z . 12-15 : Encpavl^avxto v | 5 e Ka i TtEp i xäg oiKEiöxaxo? xä ? ÜTiap^ouaa g Mayvrjxoi ? JIOX I KE<paM.ava ? | icax ä xä v auyyEVEia v xä |I Mäyvrixo? Kai Kscpatam roß Ariiovo? (iero näoac, cpAo|xi|i{ag. 2 > LMagnesi a 3 8 = Syll. 3 559 = Rigsb y 1996 , Nr. 88 , Z. 22-29 . 22 LMagnesi a 4 6 = Syll. 3 56 0 = Rigsb y 1996 , Nr . 96 , Z . 8-10 : Empavl^avxE ? xäv ] xä? ÄpxE|i[i5o? ETtupdvJsia v Kai xäv yE7Evim£v[a]v | ßoa0Eiav fmd x[cö] v jt[p]o[YÖvto v a]t>xcöv
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U m ihre r Argumentatio n Nachdruc k z u verleihen , führte n di e magnetische n Gesandten ei n ganze s Dossie r v o n Texte n mi t sich , da s ihr e keinesweg s kon kurrenzlose Versio n de r magnetische n Geschichte 2 3 stütze n sollte : Z u ihne n gehörte ein e Geschicht e Magnesias , di e de r aktuelle n politische n Konstellatio n angepaßt war, 24 abe r auc h Orake l un d Beschlüss e griechische r Staaten , di e ma n zum Tei l speziel l fii r diese n Anla ß fabrizier t hatte. 25 S o wie s ma n eine n Beschluß vor, der s o aussah , al s se i e r viele Jahrhunderte zuvo r v o m Kretische n Bund gefaß t worden , al s di e Magnete n v o n Kret a au s i n ihr e neue , kleinasia tische Heima t aufbrachen ; u m ih m de n Anschei n v o n Authentizitä t z u verleihen, hatt e ma n be i seine r Abfassun g di e typische n Formel n kretische r Ur kunden benutzt , wi e si e i m Hellenismu s gebräuchlic h waren. 26 Wi e di e Resonanz au f di e Werbekampagn e de r Magnete n beweist , ha t sic h a n solche n Ungereimtheiten damal s kau m jeman d ernstlic h gestört . Vo r alle m abe r wurd e niemals bezweifelt , da ß sic h au s eine r i n undeutliche r Fern e verschwimmende n Urzeit überhaup t aktuell e Ansprüch e begründe n lassen : Wa s fü r uns i n Mytho s und Geschicht e zerfällt , wa r i m öffentliche n Diskur s hellenistische r Staate n noch imme r durc h ein e ununterbrochen e Kett e v o n Verwandtschaftsverhält nissen einerseit s un d gegenseitige n Verpflichtunge n andererseit s verknüpft , wi e es bereit s in klassische r Zei t de r Fal l gewese n war. 27 s[l