WISSENSCHAF1'LICHE UNTERSUCHUNGEN ZUM NEUEN TESTAMENT HERAUSGEGEBEN VON D.Dr. JOACHIM JEREMIAS UND D.OTTO MICHEL
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WISSENSCHAF1'LICHE UNTERSUCHUNGEN ZUM NEUEN TESTAMENT HERAUSGEGEBEN VON D.Dr. JOACHIM JEREMIAS UND D.OTTO MICHEL
13
Die Widersprüme zwismen den Evangelien Ihre po]emisme und apologetisme Behandlung in der Alten Kirche his zu Augustin von
Helmut Merkel
1971 J.C.B. MOHR (PAUL SIEBECK) TüBINGEN
© Helmut Merkel
J. C. !:'Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1971 • Alle Rechte vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung dei Verlags ißt ca auch nicht
ge.taU~t,
das Buch oder Teile
daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen Printed in Germany Offsetdruck: Gutmann & Co., Heilbronn Einband: Großbuchbinderei Heinr. Koch, Tübingen ISBN '3 16 132821 3 (Broach.) ISBN 3 16 132821 1 (Leinen)
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Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersmester 1970/71 von der Theologischen Fakultät der FriedrichAlexander- Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Sie ~;ird hier nur geringfügig ver,ändert vorgelegt, da die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und mancherlei anderweitige Verpflichtungen des Verfassers größere Eingriffe nicht erlaubten. Ein Register der wichtigsten behand~~ten Bibelstellen wurde hinzugefügt. Weiterführendes hoffe ich bald an anderer Stelle vorlegen zu können. Mein herzlicher Dank gilt meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor D. Walther v. Loewenich, der diese Arbeit angeregt und ihr Entstehen mit steter sachlicher und persönlicher Anteilnahme begleitet hat. Herrn Professor Dr. Karlmann Beyschlag danke ich für die Übernahme des Korreferates und wertvolle Hinweise. Herrn Professor Dr. Martin Hengel, dessen Assistent ich seit 3 Jahren·bin, darf ich für vielfachen Rat danken. Er hat meine Arbeit auch an die Herren Herausgeber empfohlen, denen ich für die bereitwillige Annahme ehrerbietig danke. Ich widme diese Arbeit meiner Mutter und dem Gedächtnis meiner Großmutter. Beide haben nach dem frühen Tod meines Vaters an der Ost front meinen Lebensweg mit aufopferungsvoller Treue begleitet. Erlangen, Juni 1971 Helmut
Merk~l
I n h alt s ver z e ich n i s § 1 Einleitung
1. Die Fragestellunß § 2
§
3
§ 4
§ 5
2. Zur Geschichte der Forschung Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der außerkirchlichen Polemik 1. Das Material 2. Celsus 3. Porphyrius 4. Hierokles 5. Julian 6. Manichäer 7. Zusammenfassung Die Widersprüche zwischen den Evangelien als innerkirchliches Problem 1. Anfechtung für die Gläubigen 2. Die Aloger 3. Der Osterfeststreit 4. Gnostische Polemik Die frühen dogmatischen Lösungsversuche 1. Vor der Bildung des Kanons 2. Irenäus 3. Kanon Muratori 4. Clemens Alexandrinus i 5. Tatian Exkurs: Zum Problem des Diatessaron-Einflusses auf die neutestamentliche Textüberlieferung. Origenes' Lösung der Widersprüche zwischen den Evangelien 1. Urteile über Origenes als Ausleger 2. Die Schriftauffassung des Origenes 3. Einfache Harmonisierungen 4. Assimilation und Dissimilation ähnlicher Berichte . 5. Redaktionsgeschichtliche Betrachtungsweise
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§ 6
§
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§ 8
§ 9
§ 10
6. Allegorese als ultima ratio J12 121 7. Ergebnis Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der frühen patristischen Quaestionenliteratur 122 1. Zu den nichtchristlichen literarischen Vorbildern 122 2. Julius Africanus über die Widersprüche zwischen den Genealogien 125 3. Eusebs Zetemata130 Exkurs: Weitere Äußerungen Eusebs 1% 4. Die pseudoaugustinischen Quaestiones Veteris et Novi Testamenti i50 Die Behandlung der Widersprüche zwischen den Evangelien bei den Antiochenern 160 1. Die antiochenische Schule 160 2. Theodor von Heraklea 163 3. Apollinaris von Laodicea 166 4. Epiphanius 171 5. Theodor von Mopsuestia 181 6. Johannes Chrysostomus .191 7. Zusammenfassung 199 Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der Exegese der latein. Väter vor Augustin 201 1. Die Anfänge der lat. exeget. Literatur 201 2. Ambrosius 205 3. Hieronymus 210 4. Zusammenfassung 216 Augustins Schrift De consensu evangelistarum 218 1. Zu Augustins Schriftauffassung 218 2. Die Gegner in De consensu evangelistarum 224 3. Augustins Grundsätze bei der Harmonisierung 227 4. Beispiele für Augustins Harmonistik 235 5. Augustin und die harmonistische Tradition 250 Erwägungen zum problemgeschichtlichen Ertrag der Untersuchung 262 Literaturverzeichnis 270 Register 292
§ 1:
Einleitung
1. Die Fragestellung Das Problem der Pluralität der kanonischen Evangelien kann unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. a) Es ist ein kanonsgeschichtliches Problem: Wann und warum wird die bis in die zweite Hälfte des zweiten Jahr~1Underts hinein anscheinend recht fruchtbare Pro-· duktion von Evangelienschriften gebremst und eine Auswahl aus dem Vorhandenen als endgültig verbindlich gesetzt? Die Antwort darauf ist längst gefunden: Aus einer IIdreifachen Abwehr ist der kirchliche Kanon des Neuen Testaments entstanden ll 1), nämlich als Abwehr gegen die Kenonsbildung Marcions, gegen die Vielzahl der gnostischen Evangelien und gegen die schwärmerische Geistlehre der Montanisten •. Neuerdings hat H.,v. Campenhausen in kritischer Weiterführung der bisherigen kanonsgeschichtlichen Forschungen gezeigt, daß die IIBeschränkung auf vier !kanonische ' Evangelien ••• als Resultat einer allmählichen, zunächst wohl begrenzten Entwicklung begriffen werden [muß] , die sich in der Abwehr des markionitischen Evangeliums und sonstiger
1) W.v.Loewenich, Die Geschichte der Kirche, 1938, S. 62 ( - Taschenbuchausgabe I, 1964, S. 52).
- 2 ketzerischer Evangelien verbreitet und schließlich durchgesetzt hat ll 2). Irenäus ist der erste katholische Theologe, der sich entschieden auf das IINeue Testament ll beruft und bei dem die Vier Evangelien unbezweifelbare kanonische Geltung besitzen 3). b) über die "Pluralität der Evangelien als theologisches Problem im Altertum" hat O. Cullmann 4) zusammenfassend gehandelt. Er zeigt, daß gegenüber der "doppelte [ n] Tendenz zur Vielheit und zu~ Reduktion" 5) die -theologische Lösung in der Erkenntnis gesehen wurde, es handle sich bei den kanonisierten Evangelien lI um verschiedene Glaubenszeugnisse von dem einen Evangelium" 6). c) Gerade diese theologische Lösung aber führt zu der Frage, wie sich die Kirchenväter 7) mit den konkreten Verschiedenheiten und Widersprüchen der Evangelien abgefunden haben. Diese auslegungsgeschichtliche Frage soll in unserer Arbeit behandelt werden. Damit soll nicht nur ein Beitrag zur .Geschichte der Evangelienexegese geleistet, sondern auch das Verständnis der Kirchenväter als Exegeten vertieft werden. Selbstverständlich können wir keine lückenlose Sammlung aller
2) H.v.Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel,
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1968,"
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204.
Ibid. S. 213 ff. ~) ThZ 1, 1945, S. 23-42 = o. CUllmann, Vorträge und Aufsätze, 1966, S. 548-565. 5l Vorträge und Aufsätze S. 552. Ibid. S. 565. Wir verwenden diese Sammelbezeichnung für die altkirchlichen Lehrer im folgenden" stets im undogmatischen Sinn; vgl. H.v.Campenhausen, Griechische Kirchenväter, 1955~,
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- 3 Einzelstellen bieten, sondern nur die wichtigen und charakteristischen Harmonisierungen auswerten. Aus dem Gesagten wird deutlich, daß wir eine anspruchslose historische Untersuchung vorlegen. Nun ist schon behauptet worden, es sei nichts gewonnen, wenn man die auf die Behebung der \'Jidersprüche zwischen den Evangelien gerichteten Bemühungen der Kirchenväter im Detail untersuchte 7 a ). Demgegenüber wird die Arbeit als ganze zu erweisen haben, daß die Lösungsversuche der Kirchenväter zu einem Problem, das erst seit gut 100 Jahren mit der ZweiQuellen-Theorie grundsätzliCh gelöst ist und durch die seit zwei Jahrzehnten betriebene redaktionsgeschichtliche Arbeit mancherlei weiterführende Impulse erhalten hat, durchaus des Interesses wert sind. Dabei wird sich zeigen, daß da und dort nicht nur auch vom heutigen Stand~unkt aus "richtig" gefragt wurde, sondern sogar einzelne Ergebnisse exegetische Gültigkeit beanspruchen können. Entscheidend für unsere Beurteilung wird jedoch die Frage nach dem Problembewußtsein der altkirchlichen Exegeten bzw. der außerkirchlichen Polemiker sein; denn nicht so sehr die konkreten Ergebnisse sind es, die uns bei unserer Begegnung mit der Auslegungsgeschichte bereichenn, als vielmehr die Beobachtung der Haltung, die frühere Generationen angesichts gewisser auch uns gegebener Probleme eingenommen haben; die Form und Energie ihres Fragens kann uns vorbildlich werden, ohne daß wir die Antworten unbesehen übernehmen müßten. Einen speziellen theologischen Anspruch erhebt unsere
7a) F. M. Wiles, Tbe Spiritual Gospel, 1960, S. 14.
-4 Untersuchung schließlich im Hinblick auf das von G. Ebeling aufgestellte Programm der "Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift" 8). P. Stuhlmacher hat jüngst das Ausbleiben der Durchführung dieses Programms moniert 9) und die Bedeutung desselben für die gegenwärtige Interpretationsaufgabe stark herausgestellt: "Die sich heute klar zeigenden Aporien einer sich von der Tradition emanzipierenden theologischen Exegese, welc'he Text und Gegenwart u'nmittelbar aufeinander beziehen zu können meint, hätten u.U. verr~ngert werden können, wenn die Exegese rechtzeitig von der Kirchengeschichte zur Reflexion auf die sie ermöglichende Tradition und damit zugleich die geschichtliche Bedingtheit aller exegetischen Urteile gezwungen worden wäre" 10). Unsere Arbeit soll ein Baustein zur Durchführung dieses für die Gegenwart wichtigen Programms sein 11), obgleich sie sich weitest~ehend darauf beschränkt, einen Fragenkreis abzuhandeln, der in den ersten fünf Jahrhunderten der Kirchengeschichte sowohl in der außerkirchlichen Polemik als auch in innerkirchlichen Streitigkeiten und nicht zuletzt als Anfechtung für die Gläubigen eine nicht unerhebliche Bedeutung hatte. Da wir also dem konkreten exegetischen Vollzug angesichts gewisser widersprüchlich überlieferter Texte
8) Erstmals erschienen in SgV 189, 1947; wieder abgedruckt in: G.Ebeling, .Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen, 1964 S. 9-27. 9) P.Stuhlmacher, "Das Ende des Gesetzes". Ober Ursprung und Ansatz der paulinischen Theologie, in: ZThK 67, 1970, S. 15, Anm.2 10) Ibid. 11) Weitere Aspekte, die den Nutzen auslegungsgeschichtlicher Arbeit erhellen, bei L. Vischer./ D. Lerch, Die Auslegungsgeschichte als notwendige theologische Auf~abe, in: Studia Patristica I (edd. K. Aland / F.L. Cross), 1957, S. 414-419, und in dem Sammelband La Bible et les P~res, hrsg. v. A. Benoit und P. Prigent, 'Paris 1971.
- 5 nachgehen 12), nicht aber eine Geschichte der Evangelienharmonien 13) bieten wollen, haben wir gelegentliche nai76 Harmonisierungen, die sich bei allen Vätern und auch in den apokryphen Evangelien 14) finden, nicht berücksichtigt. Dagegen haben wir. die grundsätzlichen Äußerungen zum Problem des consensus evangelistarum besprochen, da sich in·ihnen bereits die Richtung der späteren exegetischen Arbeit anzeigt. Ebenso glaubten wir dem Diatessaron Tatians unsere Aufmerksamkeit zuwenden zu solle.n, da Tatian bewußt die, vier Evangelien 15) zusammenfügt und sich die Grundsätze seiner Harmonistik wenigstens teilweise an seinem Werk ablesen lassen. Daß wir Augustins Schrift Da consensu evangelistarum als Schlußpunkt unserer Untersuchung ausgewählt haben, läßt sich damit begründen, daß Augustin die erste Gesamtdarstellung des Problems gegeben hat und daß seine Lösungen für Jahrhunderte Gültigkeit besessen haben 16): Denker vom Range eines Hrabanus Maurus, Thomas von Aquin, Cornelius Jansen schreiben Augustin aus, und - nach einer ansprechenden Vermutung von K. Beyschlag 17) - noch Lessing setzt sich in dieser Frage mit Augustin auseinander. 12) Diese Fragestellung unterscheidet uns von der Untersuchung R.M. Gra~ts, The Earliest Lives of Jesus, 1961, die teilweise zu den §§ 2-5 unserer Arbeit parallel läuft. Leider wurde uns dieses Buch erst nach Abschluß des Manuskriptes bekannt, so daß wir hier nur noch darauf verweisen können. 13) Dazu Ch. Pesch, Über Evangelienharmonien, ZKTh 10 (1886), S. 225-244; 454-480. 14) Vgl. W.Bauer, Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlichen Apokryphen, 1909 (unv. Nachdruck 1967),passim. 15) H.v.Campenhausen, a.Anm. 2 a.O., S. 202, Anm. 113, urteilt zurückhaltender: Tatians Abhängigkeit vom Vierevangelienkanon sei "wohl wahrscheinlich, aber nicht völlig sicher". 16) S. H.J.Vogels, St. Augustins Schrift De consensu evangelistarum, 1908, S. 130 ff. 17) Insel-Lessing III, S. 659.
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2. Zur Geschichte der Forschung Man wird zwar heute nicht mehr mit K. Holl klagen können: IIDie Geschichte der Auslegung gehört bei uns zu den allervernachlässigtsten GebietenIl 18), gibt es doch seit einigen Jahren sogar eine Reihe; die- speziell "Beiträge zur Geschichte der Biblischen Exegese" bringt. Aber eine Untersuchung zu unserem Fragenkreis fehlt Doch. Die großen Kanonsgeschichten von Th. v. Zahn 1 9 ), J.Leipoldt 20) und H. v. Campenhausen 2l ) befassen sich vornehmlich mit den grundsätzlichen Äußerungen der Kirchenväter und bringen nur gelegentlich Beispiele für die exegetische Behandlung von konkreten Widersprüchen zwischen den Evangelien •. Einiges Material, das die Stellungnahme der Kirchenväter zum Spezialproblem "Johannes und die Synoptiker" beleuchtet, hat F. Overbeck in seiner posthum erschienenen Forschungsgeschichte zum Vierten Evangelium zusammengetragen 22); neuerdings hat auch F.M. Wiles 23) einige Hinweise dazu gegeben. ~ine ausführliche Darstellung hat die Auseinandersetzung des Irenäus mit den Alogern durch A. Bludau 24) erfahren. Das sechsbändige Werk von H. Smith, Ante-Nicene Exegesis of the GospelS, 1925~929, stellt einen materialreichen
18) K.Holl, Gesammelte Aufsätze I, 19487 , s. 544. 19) Geschichte des Neutestamentlichen Kanons, I, 1888, 11 1892. Der neutestamentliche Kanon, I 1907, 11 1908. 20~ 21 S. Anm. 2. 22 F.Overbeck, Das Johannesevangelium. Studien zur Kritik seiner Erforschung. Aus dem Nachlaß herausgegeben von C.A. Bernoulli, 1911. 23) The Spiritual Gospel, 1960. 24) Die ersten Gegner der Johannesschriften, 1925.
- 7 Steinbruch dar; allerdings werden die Texte nur in übersetzung bzw. Paraphrase geboten, so daß ein Rückgang zu den Quellen stets erforderlich bleibt. Auch die Monographien zur Schriftauslegung der einzelnen Väter, die jeweils am Ort vermerkt sind, haben unser Problem meist nur beiläufig gestreift; im einzelnen werden wir diese Darstellungen ergänzen oder berichtigen können. Einzig die harmonistischen Anschauungen Augustins sind in der mehr als 60 Jahre alten Dissertation von H.J. Vogels ausführlich dargestellt worden 25~ Mancherlei Hinweise auf die heidnische Polemik finden sich in dem materialreichen Werk von P. de Labriolle 26) und auch bei J. Geffcken 27). Damit sind die haupt sächlichsten Werke genannt, denen wir Anregung und weiterführende Hilfe verdanken. Selbstverständlich haben wir uns darum bemÜht, in den einzelnen Paragraphen die wissenschaftliche Diskussion auf breiterer Basis aufzunehmen, ohne jedoch den für eine patristisChe Erstlingsarbeit wohl vermessenen Anspruch auf VOllständigkeit in der Literaturbenützung erheben zu wollen.
25) S. Anm. 16. 26) La R~actione~aiennee Etude sur la2Pol~mique antichr~ tienne du I au VI si~cle, 1950 • 27) Der Ausgang des griechisch-römischen Heidentums, 1920.
- 8 § 2: Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der
außer-
kirchlichen Polemik 1. Das Material, das wir in diesem Abschnitt vorlegen können, ist aus einem doppelten Grunde dürftig. Einmal hat die heidnische Welt sich lange nicht literarisch mit dem Phänomen Christentum auseinandergesetzt. Die Klage Tertullians "tanto abest, ut nostris litteris annuant homines, ad quas nemo venit nisi iam Christianus"l) ist bezeichnend für das Winkeldasein des christlichen Schrifttums. Daher behauptete E. Norden wohl zu Recht, "daß Heiden nur dann die Evangelien (und die Briefe) gelesen haben, wenn sie sie, wie Celsus, Hierokles, Porphyrios und Julian, widerlegen wOllten,,2). Damit,hat Norden schon die Namen derer genannt, mit deren Polemik gegen die Widersprüche in den Evangel-ien wir uns im folgenden zunächst befassen müssen; in dreihundert Jahren haben anscheinend nicht mehr als vier gebildete-Heiden die Evangelien einer kritischen Durchleubhtung für wert gehalten. Wenn wir diesen Satz so vorsichtig formulieren, so hängt das mit dem nun gleich anzuführenden zweiten Grunde für die Dürftigkeit unseres Materials zusammen, nämlich der späteren christlichen Taktik~ die Schriften der Gegner möglichst gründlich zu vernichten 3 ). Daher ~ besitzen wir keinerlei Originaldokumente jener Polemiker mehr, sondern sind darauf angewiesen, die Angriffe aus
1) Tertullian, test. an. 1,4 (ed. R.Willems, CChr Series Latina I, 1954, S. l7~. 5 2 ) Antike Kunstprosa II, 1958 , S. 518. 3 ) S. C.J.Neumann, Juliani imperatoris librorum contra Christianos quae supersunt, 1880, S. 8 f.; zu dem besonders erbitterten Vorgehen gegen Porphyrius vgl. A.v. Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen", 1916, S. 5.
- 9 den Widerlegungen - soweit diese die Jahrhunderte überdauert haben - zu rekonstruieren; es mag also manches vollständig verlorengegangen sein, und das Erhaltene besteht aus mehr oder weniger zufälligen Bruchstücken. 2. Der ~\~6~~ \6yo~ des Celsus 4 ), um das Jahr 178 p.Chr. verfaßt, läßt sich großenteils aus der ca. 70 Jahre später geschriebenen Widerlegung des Origenes '~Q~a Kt\aou" rekonstruieren 5). Die Polemik des Celsus erfolgt vom Standpunkt des mittleren Platonismus aus 5a ) und wird mit dem Hochmut ~.es Gebildeten gegenüber den sozial und bildungsmäßig tiefen stehenden Christen vorgetragen 6 ). Gleichwohl enthebt dies den Bestreiter nicht der Pflicht der Information .über seinen Gegner; Celsus kannte die vier Evangelien 7 ) und auch jüdische Jesustradi4) Die ältemForschung faßt zusammen Eh. Merlan, Art. Celsus, RAC II, 1954, Sp. 954-956; weiterführend C. Andresen, Logos und Nomos. Die Polemik des Celsus wider das Christentum, 1955; die jüngste Darstellung der philosophischen Kritik am Christentum bei ~.Gigon, Die antike Kultur und das Christentum, 1969 • S. 104 ff., geht besonders auf Celsus ein. 5) Textrekonstruktion von R.Bader, Der~\~8~~ A6yo~ des Kelsos, 1940; Korrekturen und Ergän"zungen dazu bei C. Andresen, a.Anm. 4 a.O., S. 9 ff. . 5a) C.Andresen, a.Anm. 4 a.O., S. 297 ff. 6) Vgl. Origenes, c.Cels. III 55 (Bader S.96):opW~EV o~ xat xa~a ~a~ toCa~ otxCa~ EP~OUPYou~ xat axu~o~6~ous ~at xvacpEr~ xat b.n:a~"SEu~a~01),.. ~E xat b.ypo~xonhou~ ... vgl. auch Origenes, c.Ceis. I 27; III 44 ff; C.Andresen, a.Anm. 4 a.O., S.167 ff. " 7) Während W.Völker, Das Bild vom nichtgnostischen Christentum bei Celsus, 1928, S. 81 ff., für sicher erweisbar nur die Kenntnis des Mt hält, nehmen Eh.Merlan (a. Anm. 4 a.O., Sp. 958) und L.Rougier, Celse le conflit de la civilisation antique et du christianisme primitif, 1925, S. 234, die Kenntnis aller vier Evangelien an, ohne dies näher zu beghünden; nach P. de Labriolle, La ~~action pa'ienne, 195~, S. 125, soll Celsus mit Mt, Lk: und Joh bekannt gewesen sein. Unsere Entscheidung stützt sich auf folgende Überlegungen: a) Die Bekanntschaft mit Mt ist ganz evident; vgl. nur c.Cels. I 34.40.58, wo auf Mt 2,1 ff Bezug genommen wird, und c.Cels. II 55 zu Mt 27,51. b) c.Cels. I 70 ist ein eindeutiges Zitat von Lk 22,15; C.Andresen (a.Anm. 4 a.O., S.89) verweist darauf, daß c.Cels. I 58 die Kenntnis von Lk 3,1 voraussetz~.
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- 10 tionen 8 ). Gründlichkeit und Grundsätzlichkeit machen die große Wirkung seines Angrifres aus 9 ). Die religionsphilosophische Kritik des Celsus am Leben Jesu muß hier nicht im einzelnen dargestellt'werden lO ). Von seinem weltanschaulichen Standpunkt aus konnte er mit den Evangeli.n naDürlich nicht viel anfangen: Das Göttliche / kann sich schlechterdings nicht in einem so schlichten Menschen wie Jesus manirestiert haben, der sogar ein schmachvolles Leiden u~d Sterben erdulden mußte. Die Züge Jesu, die normales Menschenmaß übersteigen, sind erdichtet und erlogen, z.B. sein Vorherwissen ll ), oder
c) Für die Benützung des Joh hat P. de Lab~iolle (a.a.O., S. 125, Anm. 4) ins Feld gerührt c.Cels. I 41.66; 11 36.37; wir ergänzen dazu: die deutlichen Anspielungen in c.Cels. I 70 aur Joh 4,6 r. und in I 67 aur Joh 10,23 r. d) Die Bekanntschart mit Mk läßt sich naturgemäß schwer erweisen, da sich sein Storr weitgehend bei Mt wiederrindet;aber in c.Cels. V 52 werden mit doch wohl Mt 28,2 und Mk 16,5 gegen Lk 24,4 und Joh 20,12 gestellt, so daß hier wenigstens eine Anspielung auf Mk gesehen werden darr. Vgl. M.Lods, Etude sur les sources juives da la ~ol~mi 8) que de Celse contre les chr~tiens, in: RHPhR 21 (1941), S. 1-33, und E.Bammel, Origen contra Celsum I 41 and the Jew1sh Tradition, in: JThSt XIX (1968), S. 211-213. "Le Logos Aleth~s ••• orrre la premi~re enqu~te appro9) fondie dont le, christianisme att ~t~ l'objet, du cßt~ paien, et les pol~mistes 'ult~rieurs s'~n inspireront sans y ajouter grand chose", P. de Labriolle, a.a.O., S. 112. 10) Vgl. W.Völker, Die Kritik des Celsus am Leben Jesu ' und die Korrekturen der Gnostiker, in: Th BI 5 (1926), Sp. 35-39. • ' 11) C.Cels. 11 13 gYXcx.Agt'[ sc. der Jude des Celsus] of; -ror~ ~e~-rcx.r~ w~ nAcx.acx.~lvoL~, ~-rL nav-rcx. -ra au~~av-rcx. cx.u-r~ tKgrVO~ npO~OgL xcx.t npOgLp~XgL (Bader S. 60). I
- 11 es handelt sich um billige Gauklerstücke, so bei seinen angeblichen Wundern 12). Erscheinen die Evangelien so in einem recht schlechten Licht, dann ist ein Eingehen auf Einzelprobleme der Evangelienschriften nicht notwendig. An einer Stelle jedoch scheint das Problem der Pluralität der Evangelien angesprochen zu werden. Der IIJude des Celsus ll wirft den Jüngern Jesu generell vor, sie hätten allerlei Erfindungen über Jesus gemacht, ohne jedoch ihre lügnerischen Erfindungen geschickt verbergen zu können 13). Damit in Zusammenhang steht als weiterer Vorwurf:
~E~a ~aü~&
~Lva~ ~wv ~La~Eu6v~wv ~~atv ~~ EK ~le~~ ~Kov~a~ E\~ ~O E~E a~&vaL au~ot~ ~E~axap~~~ELV EK ~~~ ~pw~~~ ypa~~~ ~O EuayylALov ~p~x~
Kat ~E~pax~ Kat ~oAAaxij Kat ~E~a~A&~~ELV, tv ~XOLEV , . '\ .L • e 14 ) • E~~YXOU~ apvELa a~ Der Jude behauptet also, die Christen würden IIdas Evangelium ll immer wieder umformen und umprägen, um so kr~tischen Einwänden entgehen-zu können. Dabei kann er entweder an die Abänderungen in der handschriftlichen überlieferung oder an die Mehrzahl der im kirchlichen Gebrauch stehenden Evangelien oder schließlich an die Vielzahl der gnostischen Evangelien gedacht haben. Jede dieser Möglichkeiten hat Verfechter gefunden 15). Es erscheint uns jedoch unwahrscheinlich, daß Celsus mit dem ~E~axapn~~ELv.und ~E~a~An~~ELv nur an einzelne Textvarianten gedacht haben sollte 16). W. Völker möchte den Text daher, wie schon Origenes, ,
~po,
~ou~
Vgl. I 28; I 6-8. 12j 13 II 26 (Bader S. 69). 14- II 27 (Bader S. 69). 15) Vgl. W. Völker, a.Anm. 7 a.O., S. 90~ 16) Ebenso H. Chadwick, Origen: Contra Celsum, 1965, Anm. 2.
s. 90,
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auf "die Umformungen, die 'das Evangelium' in gnostisChen Kreisen erfahren hat", beziehen17 ). Doch dürfte er dabei einem apologetischen Ablenkungsmanöver des Origenes zum Opfer gefallen sein17a ), der natürlich nicht zugeben'kann, daß die Verschiedenheiten der kanonischen Evangelien ein betrügerisches ~ETaxapa~TELv seien, und daher den Vorwurf an die Haeretiker abschiebt; ähnlich verhält sich Origenes auch bei seiner Auslegung des Lukasprologs, wo er das" ltOAAO'l. gnExECp~aav" sofort gegen die Gnostiker gesagt sein läßt und betont, daß es sich selbstverständlich nicht auf Mt, Mk oder Joh beziehe. Damit bleibt die an sich naheliegende Erklärung übrig, daß der Jude des Celsus gegen die drei oder vier in den Gemeinden anerkannten Evangelien polemisiere, die er ja auch kannte; mit dem ltOAAax~ wird er dann noch auf weitere, in späterer Zeit als apokryph erklärte Evangelien verweisen. Die gegen die Pluralität der Evangelien vorgebrachte Kritik erweist sich als außerordentlich scharfsichtig; denn in der Tat war das Ungenügen an den früheren Darstellung,fJ'Il Jesu mindestens ein Movens für die immerwährende Neuproduktion von Evangelienschriften. Schon ein Vergleich zwischen Mt und Hk zeigt, wie sehr der Spätere bemüht war, anstößige Züge bei seinem Vorgänger zu m~lderD oder zu streichen 18 )-tv'lxoL 1tpO~ ~ou~ gAtyXOU~ apvEtaea~ Und W. Völker hat hervorgehoben, daß die Korrekturen 17) S. Anm. 15; von H.Chadwick, a.a.O., als möglich erwogen. 17a) Auch H.v.Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel, 1968,S. 191, Anm. 64, sagt, Origenes wolle die Anklage auf Marcion, Valent in u.a. "ablenken". 18) So läßt Mt die bei Hk berichteten Gefühlsre~ngen Jesu weg (s. Mt 8,1-4 // Mk 1 1 40-45; Mt 12,9-14 // Hk 3,1-6; Mt 19,16-22 1/ Mk 10~'17-~2); Mt ändert ferner in der Nazarethperikope die Anstößige Bezeichnung "Sohn der Maria" und führt das Ausbleiben von Wundern auf Jesu Willen zurück (Mt 13,53-58 // Mk 6,1-6); Mt streicht Mk 3,21 ersatzlos. W·eiteres s. E""Klostermann, Das Matthäusevangelium (HNT 4), 1927~. S. 20 f.
- 13 des Joh an der Passionstradition "mit der Kritik, bzw. den Verbesse'rungevorschlägen des Celsus genau überein[stimmerJ ,,19). Für das Jesusbild der Gnostiker gilt dies natürlich dann erst recht: "Auch sie stimmen in ihren Korrekturen mit den Verbesserungsvorschlägen des Celsus überein, d.h. sie lassen sich von den gleichen Vorausset zungen leiten wie dieser Philosoph ••• ,,20). . Eine detaillierte Kritik der Evangelien scheint Celsus nicht vorgelegt zu haben. Immerhin stellt er die wider-/ ~üchlichen Angaben über die Engelerscheinungen bei der Auferstehung zusammen 21 ) •. Die mehr beiläufige Art der Beantwortung dieses Problems, die Origenes gibt, läßt annehmen, daß auf derartigen Einzelfragen kein Gewicht lag.
3. Erst etwa 100 Jahre später bediente sich der Neuplatoniker Porphyrius 22 ) in seiner Polemik einer minuziösen Einzeluntersuchung des NeuenTestaments. Er stellte das Christentum nicht nur von seinem philosophischen Standpunkt aus in Frage, sondern seine Kritik war auch die 19) A.Anm. 10 a.O., Sp. 36. 20) Ibid. Dem Nachweis dieser Übereinstimmung dient der ganze Aufsatz Völkers. Es ist natürlich, daß Celsus sein kritisches Augenmerk vornehmlich auf die .Synoptiker gerichtet hat. 21) V 56:~~aaTo~ 6t TO~TWV vDv nopo6ELUV~VOL 6UVOTbv xat yE-
YEVn~tvov uai 6n~WTLu6v TLVO~ ElvaL Tpono~oyCa~~ .. o~ Tflc na~o60n~ tOTl npayuoTECOC b~~~ ~a~~ov T~v ..• k~nYDTLX~V. -
22) Über Porphyrius zusammenfassend mit zahlreichen Literaturangaben A.B. Hulen, Porphyry's Work against the Christians: An Interpretation, 1933; J.Geffcken Der Ausgang des griec~isch-römischen Heidentums! 1920, S. 56 ff.; P.de Labr1011e, a.Anm. 7 a.O., S. 2~3 ff; A.v. Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen", 15 Büche_r, Zeugnisse, Fragmente u. Referate, 191Q; ders. J Kritik des NT von einem grieche Philosophen des 3.Jhdts. 1 1911.
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eines "schar:tsinnige[n] Philologe[n] ,,23); eine seiner bedeutsamsten Erkenntnisse war beispielsweise die zeitgeschichtliche Deutung des Buches Daniel au:t Antiochus l~ Epiphanes 2 ,1l) .Porphyrius'15 Bücher ')-fO:-ra XPI,(J-rI,CXVWV ,. "unstreitig das um:tangreichste und gelehrteste Werk, welches im Altertum gegen das Christentum ver:taßt worden ist,,24), sind samt den christlichen Gegens-chri:tten 24a ) gründlich vernichtet worden; aber A.v.Harnack 25 ) hat nach dem Vorgang anderer endgültig erwiesen, daß der um 400 schreibende Apologet Makarius Magnes sich gegen ein Exzerpt aus Porphyrius wendet, und hat daraus 52 Fragmente rekonstruiert; mit weiteren Fragmenten aus Hieronymus und anderen Vätern ergeben sich 97 Fragmente des porphyrianischen Werkes 26 ). über den Aufbau des Ganzen haben wir keine gesicherten Vorstellungen26~. Es ist aber wahrscheinlich, "daß Porphyrius gleich im ersten Buch - aus guten Gründen - die Glaubwürdigkeit der Apostel und Evangelisten geprüft hat,,27). Dabei sind seiner scharfen Beobachtung
23) J.Geffcken, a.a.O., s. 95. 23a)A.v.Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen" (s.Anm. 22), Frg. 43, s. 67 ff. 24) A.v.Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen" (s.Anm. 22), s. 3. 24a) Darüber Harnack, Porphyrius, "Gegen die Christen", S.6 f. 25) Kritik des NT von einem grieche Philosophen ••• 26) Die Harnacksche Rekonstruktion hat allgemeine Anerkennung gefunden; vg1. das Urteil von P.de Labrio1le, a • .AnBm. 22 a.O., S. 251: "Dans 1 l ensemb1e, 1e r~per toire de Harnack r~pond aux plus s~v~res exigences de 1a critique". 26a)A.Anm. 24 a.O., S. 11. 27) Ibid. S. 10.
- 15 natürlich auch Widersprüche in den Evangelien nicht entgangen. Im Frg 1528 )stellt Porphyrius die These auf: fOU~_EUnYYEALcr~n~ k~EupE~n~ OUX tcr~opn~ ~mv nEpt ~ov ~crouv YEYEv~a8nL ~pa~EWV lEtvUL] und begründet sie mit der Feststellung: fxna~o~ yap nu~wv ou cru~~vov &AA'E~EPO~WVOV ~&.A Lcr~n ~av AOYOV ltEP t ~oü n&.eou~ Eypn<j>Ev. Dies wird erhärtet durch Verweis auf die bekannten UnterSChiede, die sowohl zwischen den Synoptikern selbst und auch zu Joh bestehen; dabei zeigt Porphyrius sogar Kenntnis verschiedener Textfo~en, da er Hk 15,34 nicht nur in der ~anonischen, sondern auch in der abweichenden Fassung des "westlichen Textes" zitiert 29 ). Vor allem die verschiedenen Angaben über Jesu letztes Wort legen ihm die Annähme nahe, nicht nur einer, sondern mehrere hätten gelitten: gX ~nu~~~ ~fi<e:v ~Iltv 'te:'tp41J.0pCPov 'tb EuayylALov, kVL 6& nVEUlJ.a'tL ouve:x6~e:vov 46). . Mit J. Leipoldt 47)sehen wir hier eine Andeutung des Irenäus im Hinblick darauf, daß "eine Mehrzahl von Evangelien, die noch dazu von einander erheblich verschieden sind, doch ihre Schwierigkeiten mit sich bringt". In ähnlichem Sinn möchten wir auch eine weitere Äußerung des Bischofs von Lyon verstehen: Et Apostoli autem discipuli veritatis exsistentes, extra omne mendacium sunt: non enim co~unicat mendacium veritati, sicut non communicant tenebrae luci, sed praesentia alterius excludit alterum 47 a ). Die antihaeretische Fronto
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"
44) Adv. haer. 111, 11,11 (Ha. 11, S. 50). 45) So zeigt Irenäus schon Ansätze zur. Erkenntnis der Sonderstellung des JOhannesevangeliums, wie W.v.Loewenich, Das Johannesverständnis im zweiten Jahrhundert, 1932, S. 117, feEtsteIlt: "Wenn auch das Wort vom 'pneumatischen Evangelium' noch nicht fällt, so wird es doch als die Eigenart de~ 4. Ev. bezei~hnet, das ~YEIlOVL>EytvOV~o wcrEt ~j.ltpCXI. bx~w "', 0 Aouxäc;, j.lE~PEt' xcxt ~cx6~~v ~~v hj.ltpcxv, [ ••• ] EV ~ yCVE~CX~J Mäpxoc;, OE j.lE~PEt' ~ac;, j.ltcrcxc;, j.lovcxc;" xcxt OUX ~cr~1. OI.CX~wvCCX npoc;, ~O P~LOV ..• 29). Keine so leichte Rechnung läßt sich im Falle der gerasenischen Besessenenheilung anstellen: nach Mt 8,28 handelte es sich um zwei Kranke, nach Mk 5,2 // Lk 8,27 nur um einen. Natürlich muß in einem solchen Fall die größere Zahl als Grundlage genommen werden, es müssen zwei gewesen sein. Und da kommt dem Origenes die starke Kürzung des Mk-Berichts durch Mt sehr zu Hilfe: Mt bringt ja den Namen des Dämons AEY ~wv nicht 1 crxl<jJcxL. j.l~nO~E_ ~wv 060 ~ülv_ ncxpa ~~, Ma~eo:CCf Elc;, ~v 0 ~ov AEYEülva. ~xwvJ nEpt 01) LOV AOYOV Eno~~crcxv~o Cf LE Mäpxoc;, xcxt ,0 Aouxär;, J tcrLOPOÜV~Ec;, La XCXL' ednov j.lovov o~a ~O Enl.cr~j.lOLEPOV EIvcxL. xcxt nAECova. nEpt a.U~ov YEyovtvCX L • Matthäus erzählt die Heilung der beiden "in einem Aufwasch"
29),Lk Comm frg XXI (IX, 8.242). - Hier ist eirie'Harmonisierung tatsächlich möglich; vgl. K.L. 8chmidt, Der Rahmen ,der Geschichte Jesu, 1919, 8.223 f: Mk benütze die jüdische, Lk die römische Wochenzählung.
- 103 (YEVLXW~ ), während die beiden anderen den Fall des vom Dämon Legion Besessenen gesondert berichten, da Mt ihn verschweigt 30). Ein ähnliches Problem bietet die Heilung des blinden ~ar timaios (Mk 10,46 ff II Mt 20,29 ff II Lk 18,35 ff): Mt streicht den Namen, verdoppelt aber die Patienten; kompliziert wird die Lage aber dadurch, daß Lk die Heilung des namenlosen Blinden beim Einzug in Jericho geschehen läßt, während sie nach Mt und Mk beim Weggang von Jericho geschieht. Wer nach dem rein historischen Geschehen fragt und keinen Widerspruch der Evangelisten annehmen will, muß den 3 Berichten verschiedene Heilungen zugrunde legen 31) Dies Yolgt aus der Inspiration der Schrift und deren notwendiger Irrtumslosigkeit: E~nEp yap axpLpw~ nLa~Euo~EV avnYEypa~enL auv€pyoüv~o~ xnt ~oü &yCou nVEu~n~o~ Ta EunyylALn, xnt ~~ Ea~A~anv EV ~~ ano~v~~oVEUE~V 0\ ypa~nv~E~ nu~a, O~AOV Ö~~, En€t ~~ ouvn~ov EV ~~~ xnt ~~ ~u~~ EnLO~~C~ aA~eE~ Elv~~ ouo ~U~AOU~ ~EeEp~nEüae~~ xat ~v~, k~lpa ~lv ~~~ En~o~~C~ OEO~AW~~~ Lno ~oü Ma~e~Cou . k~lp~ OE Lno ~oü M~pxou, ~o~ OE x~t äAA~ uno ~oü Aoux~, w~ ~~ EnLa~~aav~L Ex ~~~ npo~ ~ou~ AOLnou~ o~~~opä~ Ea~~ xat ~oü~o ~E6app~x6~w~ ano~~vaaea~32 • Dagegen sei es nicht verwunderlich, daß sich ,nach einer erfolgreichen Heilung an derselben Stelle wieder ein Hilfesuchender mit denselben Worten an Jesus gewandt habe. Aus diesen Ausführungen wird nicht deutlich,' warum Origenes nicht wenigstens den Mt- und Mk- Bericht in ähnlicher Weise wie bei den gerasenischen Besessenen harmonisiert; der Hauptgrund liegt wohl darin, daß er mehr an der al1egori-
30) Mt Comm frg 164 (XII/1, S. 81). 31) 0 ..• ~fj ta~opCa ~~A~ nap~a~a~Evo~ xat ~~ ßouA6~EVO~ O~~~wvEtv ~ou~ EUaYYEALa~a~ EpEr OUX n~~ YEyovtva~ ~b xa~& ~ov Mn~eatov xat ~ov M5pxov, aAA& ~~v\ ~tv EnLory~Ca ~~ EV tEPLXW YEyovtva~ ~a xa~& ~ou~ avaßAl~~v~a~ ouo iu~Xou~, g~Epa OE ~& x~~a ~ov ~v~ .•• X~\ ~AA~ ~a xa~& LOV Aouxav(M~ Comm XVI 12, Kloatermann X, S. 510). 32) A.a.O., S. 510.
- 104 schen Auslegung dieses Textes interessiert ist: 0 ~~v~o~ yc ~AWV ~ou~wv ~~TWV ~aeu~~pav OL~Y~OLV ~~OcL Ö~~ ~v xat ~o atno npa:y~a o~a~opo~ • 43)
41) Fr~ 135 (Reuss, Joh:K, 8.55 f.; Zitat 8.56); vgl. auch MtK Frg 131 (Reuss, MtK, 8.45). 42) MtK Frg 133 (Reuss, 8.46). 43) JohK Frg 132 (Reuss, 8.53).
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Diese redaktions geschichtliche Erklärung berührt sich so stark mit der von Origenes 44 ) gegebenen, daß man wohl eine Abhängigkeit des Apollinaris annehmen muß; da wir ja schon gesehen haben, daß Apollinaris auch die Theorie des Julius Africanus übernommen hat, ist es nicht befremdlich, daß· er hier eine der wirklich guten Beobachtungen des Origenes übernimmt. Abschließend können wir sagen, daß das positive Urteil über Apollinaris als "Exegeten, das J.Reuss gefällt hat, berechtigt ist. Apollinaris hat die Widersprüche klar erkannt und sich um eine sachgemäße, von den Texten ausgehende Lösung bemüht. Dabei hat er sich einzelner früher gegebener Lösungen bedient, die er nicht ungeschickt ausge~ählt hat. Gegenüber. Origenes hat er noch öfter die Freiheit besessen, die redaktionelle Tätigkeit der Evangelisten für Unterschiede verantwortlich zumachen; die darin zu erkennende Überwindung einer allzu starren Inspirationsvorstellung ist neben dem Verzicht auf die Allegorese ein unbedingter Fortschritt. 4. Epiphanius Wenn wir Epiphanius, den IIbornierten Ketzerfeind Il45 ), in diesem Zusammenhang zu Wort kommen lassen, so bedarf das einer kurzen Begründung. In einem theologischen Zusammenhang mit den Antiochenern steht Epiphanius nicht; er ist vielmehr "ein typischer Vertreter einer kirchlich-theologischen Richtung, die im 4. Jh., d.h. in der nachkonstantinischen Reichskirche, das kirchliche Leben und Denken vielleicht stärker bestimmt hat als die großen theologischen Denker ••• Diese Richtung ist gekennzeichnet durch einen
44) S. oben S. 109 f. 3 45) H.v.Campenhausen, Griechische Kirchenväter, 1955 , S. 147.
- 172 starken asketischen Zug • ••• Zum anderen werden in diesen Kreisen dogmatische Fragen nicht theologisch durchdacht und weitergeführt, sondern sie gelten als gelöst; ein massiver Traditionalismus wird hier maßgebend, der sich mit dem ebenfalls vorhandenen Biblizismus nur deshalb verträgt, weil die Exegese grundsätzlich von der vor~egebenen dogmatischen Entscheidung bestimmt ist,,46J. Als Verfechter eines biblizistischen Traditionalismus mußte Epiphanius natürlich ein Gegner des Origenes und seiner Allegorese werden 47 ). Sein hermeneutisches Prinzip hat Epiphanius .einmal so ausgedrückt: ... ~av~a ~a eEra p~~a~a oux UAA~yopCa~ OEr~aL w~ ~XEL ouva~EW~J eEWpCa~ OE OEr~a~ xat atoe~OEW~ Et~ ~o EtOEVQL Exao~~~ unoeEOEW~ ~~V ouva~LV. OEr OE xat napao60EL xExpijoBaL· OU yap nav~a uno ~ij~ eECa~ ypa~ij~ buva~a~ Aa~pavE0eaL 48). Aus diesem Satze soll besonders hervorgehoben werden, daß Epiphanius das Stichwort der Antiochener" eEWpCa 11 positiv aufgenommen hat. Auch seine durchweg. historische Lösung der Widersprüche zwischen Joh und den Synoptikern entspricht der antiochenischen Tradition. Epiphanius mußte eine kräftige Medizin aus seinem Arzneimittelkasten holen, um den Bazillus der Kritik zu töten, den die Aloger mit ihren Angriffen gegen das Vierte Evangelium verbreiteten 49 ). Wir haben schon dargestellt, daß sie hauptsächlich den chronologischen Widerspruch zwischen
46) W.Schneemelcher, Art. Epiphanius von Salamis, in: RAG V, Sp. 909; vgl. auch AltanerjStuiher, a.Anm. 1 a.O., S. 315 f. 47) Vgl. z.B. seine Ausführungen in anc. 53 ff. (ed. Hell, GCS, Epiphanius I, S.61 ff.). 48) Pan. 61,6,3 ff. (Holl 11,S. 386). 49) Vgl. die ausführliche Darstellung bei A.Bludau, Die ersten Gegner der Johannesschriften, 1925, S~87 ff.
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den drei ersten und dem vierten Evangelium aufs Korn genommen hatten 50 ). Schon die bloße Annahme eines Widerspruchs zwischen den inspirierten Evangelien, so antwortet ihnen Epiphanius, beruht auf mangelhafter Einsicht: GLx otbaoLV ot &Rapaxo~o68~~CL r~L kK&O~~ SLOYYS~LO~ry u~~s~t~~~aL
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c'Y Cou ~ ~HOAou6 Co Kat ~ btbo0l-40A Co: 51) Und "da die Aloger den Anfang des Vierten Evangeliums kritisiert hatten, verweist Epiphanius darauf, daß ja auch die "Drei" nicht mit derselben Ql-4or,OUlJ Co beginnen. In dem polemischen Zusammenhang ist dies natürlich eine recht geschickte Wendung, daß Epiphanius auf mögliche Widersprüche zwischen den anderen Evangelisten hinweist, um die aus den Widersprüchen genährte Kritik an Joh zu relativieren. Darüber hinaus bemüht sich Epiphanius zu zeigen, daß die scheinbaren Widersprüche in Wirklichkeit einer bestimmten theologischen Aussage dienstbar sind. So hat der frühere Zöllner Mt sein Evangelium in besonderer Weise als Botschaft von der Vergebung der Sünden dargeboten, da er selbst ja diese Vergebung so reichlich empfangen hatte 52 ). Dieser Gedankengang wird ergänzt durch einen Vergleich der Vorgeschichten bei Mt und Lk, wobei ein gewisses D~fizit bei Mt festgestellt wird, der die beiden Annuntiationes nicht berichtet, ebenso nicht die Geburt des Täufers. Soll man 50) S. § 3.2 (S.34 ff.). 51) Pan. 51,4;11 (Holl II, S.252). 52) Pan. 51,5,1 f. (Holl II, S.253).
- 174 aber deswegen einen der beiden der Unwahrhaftigkeit zeihen? ouXt E~aa~~ E~tpLaEv 0 6EO s , 'eva OL LEaaapE s EuaYYEALaLat O~ECAOVLEs ~~pü~aL EüpwaLv ~~aaLos ~C EpyaawvLaI. xo.t LO: ~Ev G\J~~WVWr; }lat 'CauJ s xT)PUE;WaLv, 'eva oECt,waLv ÖLL EH L~~ aUL~~ nT)Y~s ~p~T)V~aL, La OE E~aaL~ napaAEL~ etvLa äAAO~ oLT)y~a~LaL, ~s ~Aa.~E napo: LOÜ nVE{,~aLos ~tpos L~S avaAoyCa s ; 53) Neben diese Ergänzungshypothese, die das Pneuma für die gesamte Disposition der Evangelien verantwortlich macht, stellt 'Epiphanius aber noch eine zweite, antihaeretische Hypothese. Die im Mt zu findende Genealogie Jesu habe nämlich mancherlei Haeretikern wie Kerinth und Ebion eine . Handhabe gegeben, Christus als (bLAO~ ~vepwnos zu betrachten 54 ). Daher hat Mk, der Gefolgsmann des Petrus, sein Evangelium auf Geheiß des Geistes erst bei der Erzählung vom dreißigjährigen Jesus begonnen und die ex.VW8EV HCXLaywy~ des göttlichen Logos nur implizit dargestellt. Allerdings hat auch dies wieder die böswilligen Haeretiker auf den Plan gerufen: können sie aus Mk die Psilanthropie auch nicht mehr belegen, so doch eine adoptianische Christologie 55 )! 80 mußte der hl. Geist nochmals eingreifen und den hl. Lukas, der ebenso wie Mk jetzt dadurch näher an die Ereignisse gerückt wird, daß er dem Kreis der 72 Jünger angehört haben sOll56), zur Abfassung eines Evangeliums anstoßen 57 ). Lk hat noch weiter als Mt ausgeholt und eine Reihe bisher übergangener Geschichten aufgezeichnet. 8eine antihaeretische Haltung hat Lk übrigens selbst im Prolog angekündigt, indem er sich gegen die vielen, die ein Evangelium zu schreiben versucht hätten, wendet derselben Auslegung des Prologs sind wir schon bei Origenes begegnet. 57a} 53) 54) 55) 56)
Ibid. 51,6,2 (8.254). Ibid. 51,6,6 ff. (8.255). Ibid. 51,6,10 ff. (8.256). Für Mk vgl. Pan.5l,6,11 (8.256), für Lk vgl. 51,11,6 (8.263). 57) Ibid. 51,7,1 ff. (8.256 f.). 5?a) S. oben S. 96.
- 175 Aber - jetzt kommen griechische Philosophen wie Porphyrius, Celsus und Philosabatios und fangen das Nachrechnen an, ob denn etwa die neugewonnenen Informationen über die Ereignisse bei der Geburt sich mit dem aus Mt Bekannten chronologisch vereinbaren lassen! Dabei lösen sich alle Probleme, wenn man nur erkennt, daß der herodianische Kindermord, wie aus Mt 2,16 zu entnehmen ist, erst zwei Jahre nach der Geburt Jesu stattfand, als nämlich die heilige Familie I-lV~I-lT)C; EVEX(X. wieder nach Beth-. lehem gepilgert war. Diese Lösung übernimmt Epiphanius in ihrem ganzen Umfang von Euseb 58 ). Für die Chronologie ergibt sich damit: Jesus wurde im 33. Jahr des Herodes geboren, im 35. Jahr kamen die Magoi, in seinem 37. Amtsjahr stirbt Herodes; auf ihn folgt Archelaos, der neun Jahre regiert. Daraufhin kehrt Joseph aus Ägypten zurück. Wer dies nicht einsieht, hat einen verdunkelten Verstand 59 )! Die Erzählung vom zwölf jährigen Jesus im Tempel hat auch antihaeretische Tendenz, zeigt sie doch, daß Jesus nicht als vollkommen erwachsener Mensch in die Welt kam, wie etwa Kerinth und Ebion annehmen. Lk beschreibt daher auch die Vorgeschichte so genau, um jenen Irrtum auszuschließen. Wenn Lk die Genealogie über Abraham bis zu Adam und schließlich zu Gott selbst hinausführt, so soll damit sowohl gegen die psilanthropische Haeresie die Gottessohnschaft als auch gegen die Gnostiker das wahre I'-lenschsein bekräftigt werden. Aber auch dieses ganz klare Zeugnis hat die Haeretiker nicht verstummen lassen 60 ). Daher zwang der hl. Geist endlich den neunzigjährigen Johannes, ~er sich aus Demut lange geweigert hatte, ein Evangelium zum völligen Erweis' der Göttlichkeit Jesu zu schreiben. Über die irdische Existenz Jesu mußte sich Joh 58) S. oben S. 135 f. 59) Ibid. 51,8,1-10,3 (S.258-261). 60) Ibid. 51,10,4 - 11,7 (S.261-263).
- 176 also nicht mehr verbreiten. Gewiß bekennt er die Fleischwerdung des Logos, aber er legt allen Nachdruck darauf, zu zeigen, daß es sich um den ewigen Logos handelt, der mit Jesus ins Dasein getreten ist 61 ). In größter Ausführlichkeit bemüht sich Epiphaniussodann um den Nachweis der Vereinbarkeit des Joh mit den Synoptikern. A.Bludau hat die weitschweifigen und nicht immer klaren Darlegungen unseres Kirchenvaters genau nachgezeichnet 62 ), und K.Holl hat in den reichen Annotationen in seiner Ausgabe alle wichtigen Berührungen des Epiphanius mit Vorgängern und Zeitgenossen festgehalten, so daß wir uns darauf beschränken können, die wichtigsten Gesichtspunkte hervorzuheben. Die zwei Fixpunkte, an denen Epiphanius seine Konstruktion aufhängt, sind der 8. Noyember, der als Tauf tag Jesu angese·hen wird 63 ), und der 6. Januar~ der als Geburtstag Jesu6~), Tag der Ankunft der Magoi 65 und Tag des Weinwunders zu Kana 66 ) gilt. Diese Daten hat Epiphanius aus der liturgischen Tradition seiner Kirche übernommen 67 ). Da nun nach Lk 3,23 Jesus bei seiner Taufe als apx6~EvOs Elvo~ ~s kTmV Tp~&uüvTa beschrieben_ wird, fand dieselbe kurz vor seinem 30. Geburtstag statt 68 ). Darauf habe sich Jesus ~O Tage in der Wüste der Versuchung
61) Ibid. 51,12,1 - 8 (8.263-265). 62) A.Anm. ~5 ?O., 8.97 ff. 63) Pan. 51,16,1 (Holl 11, 8.270). 6~) I~id. 51,16,1 (8.270) und 51,22,3 (8.284). 65) Ibid. 51,9,13 (8.261). 66) Ibid. 51,16,18 (8.272). 67) 8. K.Holl, Der Ursprung des Epiphanienfestes, in: Gesammelte Aufsätze 11, 1928, 8.128, und die Anmerkungen in der Ausgabe 8.270 ff. 68) Pan •. 51,16,2 (8.271).
- 177 ausgesetzt und sei dann für 2 Wochen und 2 Tage nach Galiläa gegangen 69 ) (an anderer Stelle 70 ) müssen es 2 Wochen und 3 Tage gewesen sein, damit die Rechnung aufgeht). Darauf folgt der Tag, an dem Jesus abermals zu Johannes dem Täufer kommt und dieser ihn jetzt nach Joh 1,29 als "Lamm Gottes" bezeichnet 71 ). Auf diese Weise hat Epiphanius die synoptische Tauferzählung in den joh.Rahmen eingepaßt. Am nächsten Tag, dem 18. nach der Versuchung, weist der Täufer zwei seiner Jünger auf Jesus hin, die daraufhin Jesus -nachfolgen (Joh 1,35 ff.)7 2 ). Am folgenden Tag erfolgte die Berufung des Philippus und Nathanael (Joh 1,43)73). Am dritten Tag, nachdem Jesus zum Täufer gekommen war, fand dann die Hochzeit in Kana statt 74 ). Damit kommen wir gen au auf den 6. Januar: 8. November + 40 Tage (Wüstenaufenthalt) + 16 Tage (Nazareth) + 2 Tage (Berufung der beiden Brüderpaare) + 1 Tag (Berufung des Philippus und Nathanael). Noch gründlicher hätte die Ergänzungshypothese nicht durchgeführt werden k~nnen75). Nach diesem ersten Wunder zog Jesus zwischen Nazareth und Kapernaum umher und tat Wunder, schließlich hielt er die Predigt in Nazareth (Lk 4,16 ff.)7 6 ). Erst nach der Gefangennahme des Täufers aber erfolgte die endgültige Berufung der Jünger, wie sie die Synoptiker be-
Ibid. 5l~16,3 (S.27l). Ibid. 51,30,4 (S.302). Ibid. 51,16,4 (S.27l). Ibid. Ibid. 51~16,6 (ß.27l). Ibid. 51,16,7 (S.27l f.). Hier interpretiert Epiphanius Joh 2,1 natürlich nicht im Sinne des Evangelisten, der die Hochzeit 3 Tage nach der letzten Jüngerberufung ansetzt. 75) Dieselben Überlegungen finden sich auch in Pan.5l,13, 7 - 10 (S.266 f.); 51,17, 2-7 (S.273 f.)j 20,1 (S.277)j 21,1 - 4 (S.278 f.)j 30,4 - 9 (S.302 f.); man sieht schon aus der Häufigkeit, wieviel dem Epiphanius daran gelegen war! 76) Pan. 51,17,8 (S~274). 69) 70) 71) 72) 73) 74)
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richten 77). Mit dieser Unterscheidung zwischen vorläufiger und endgültiger Berufung kann Epiphanius die stark differierenden Berichte ganz geschickt unter einen Hut bringen. Die törichten Gegner des Vierten Evangeliums haben nun auch die Behauptung ins Feld geführt, daß die Synoptiker nur von einem Passafeste Jesu wüßten, während Joh Jesus zwei Passafeste feiern lasse. Dagegen behauptet Epiphanius, alle (I) Evangelien wüßten sogar von drei Passafesten während der \~irksamkei t Jesu: zwei davon fallen in die Lehrtätigkeit, am dritten hat er gelitten. Zum Beweis dieser These führt Epiphanius eine recht komplizierte chronologische Berechnung vor, die mancherlei Fehler enthält 78 ); schon Petavius hat über diese Darlegung geurteilt: IIHac Epiphanii oratione nullum Sphingis aenigma perplexius esse puto ll 79). Der Leser wird mit einer solchen Fülle von Namen und Daten überschüttet, daß er dem Epiphanius gerne das Ergebnis abnimmt: Der Herr hat etwa 2 1/4 Jahre öffentlich gewirkt,. Nun weiß natürlich auch Epiphanius, daß der Prophet vom EVLav~o~ ~EK~~' KVPCOU geHproehen hat. Aber das führt ihn nicht wie etwa Clemens Alexandrinus uO ) zu der Annahme einer nur einjähriGen \Virksamkeit Jesu. Vielmehr sieht Epiphanius das erste Jahr,der \";irksamkeit Jesu, das vor allem in Joh 1-5, 15 beschrie~0n wird, als kVLav~o~ 6EK~6~ an, weil Jesus in diesem Zeitraum noch keinen öffentlichen \Jiderspruch gefunden habe; erst ab Joh 5,16 beginnen die Verfolgungen durch die Juden, die das zweite Jahr bestimmen: Ibid. 51,17,9 (5. 274). Pan. 51,22,1 ff. (S. 233 fi.); zu den Fehlern vgl. die An~erkungen von Holl und die Darstellung von A.Bludau, ~.Anm. 45 a.O., 8. 106 f. Zitiert nach Bludau, a.Anm. 45 a.O., S. 106. ci. oben S. 66 f.
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yap npw~ov EVLau~ov ~E~a ~pLaxocr~ov-~~o~ ~~~ Evcrapxou napoucrCa~ Ex~PUcrcrE xat nav~E~
xa~Ebtxov~o, xat O~~E 10ubatoL bv~tAEYov OÜ~E €eV~ OÜ~E
, "\"\ ,~ • ~ ß. ~, J _ 81) ~a~apEL~aL, anna nav~E~ nIJ~W~ nxouov au~ou Einen Beweis für die Behauptung, auch die Synoptiker '"
verträten die zweijährige Wirksamkeit Jesu, möchte Epiphanius aus Lk 6,1 entnehmen, aber auch diese Ausführungen sind recht aenigmatisch82 ). Aus den Berechnungen über den Todestag Jesu soll noch auf die Auslegung von Mt 26,2 ("Ihr wisset, daß in zweien Tagen Ostern ist ••• ") hingewiesen werden. Epiphanius deutet dieses Wort dahin um, daß das Osterfest erst in zwei Tagen gefeiert werden sollte, während die Juden ihr Passa um zwei Tage vord.atieren. Der Abschnitt, in dem unser Kirchenvater die Richtigkeit dieser Auslegung durch chronologische Rechnereien beweisen will~ "enthält ungewöhnliche Schwierigkeiten", wie K.Hol1 83 resignierend angemerkt hat. In diesen verwirrten Ausführungen 84 ) erreicht die antihaeretische Pseudogelehrsamkeit des Epiphanius einen Höhepunkt. Aber Epiphanius erreicht, was er erreichen will: Sowohl die synoptische als auch die johanneische Passionschronologie haben recht! Jesus hat nach der offiziellen Chronologie ein Passamahl gegessen lLDd dami t das Gesetz lI erfilll t 11 8 5), aber da ja das Passa eie;entlich zwei Tage später sein- sollte, hat auch Joh recht, der Jesus als wahres Passalamm darstellt. Da aber Epiphanius diese letzte Folgerung nicht ausspricht, ist sie bisher auch nicht erkannt worden; aber sie scheint uns
81) Pan. 51,25,1 (S.294); vgl. Pan.20,2~5 (Holl I, 8.229), 51,21,29 (S.283) und 51,27,4 (8.298;. 82) Pan. 51,31 (8.304 f.). 83) Anmerkung zu Pan.5l,26,1 (S.295). 84) Pan. 51,26,2 ff. (S.295 ff.). 85) Ibid. 51,27,3 (S.298).
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die naheliegende Erklärung für die eigenartige Datumsverschiebung zu sein. Wir fassen kurz die Eigenart der von Epiphanius gebotenen Apologetik zusammen: (1) Die Vierzahl der Evangelien ist antihaeretisch bedingt; der hl. Geist mußte seine jeweiligen FehlleistunGen durch ein neues Evangelium korrigieren. (2) Joh wird in traditioneller Weise die Ergänzung und Überbietung der Synoptiker zugeschrieben.
(3) Neu ist, daß Epiphanius die Übereinstimmung der Evangelien bis auf den Tag genau errechnet, wobei er Daten des Festkalenders seiner Kirche zu Grunde legt. (4) Trotz der überwältigenden Fülle von Daten, die er herbeigeschl€ppt hat, hat Epiphanius nicht eigentlich einen neuen Gesichtspunkt ins Spiel gebracht 86 ), geschweige denn, daß man eine seiner Lösungen sachgemäß nennen könnte.
(5) Mit seinem großen Gegner Origenes hat Epiphanius eines gemein: die überzeug\lng, daß es tatsächliche Widersprüche _ in -dem inspirierten Buch nicht-geben dürfe. Doch hat das enge Inspirationsverständnis bei beiden verschiedenartige Auswirkungen gezeugt: Origenes hat die Widersprüche in einem für sein System fruchtbaren Sinne mißverstanden, während Epiphanius in kleinlichep Rechnereien befangen bleibt.
86) Dieser Vorwurf würde unseren Kirchenvater allerdings nicht treffen können, hat er doch im Vorwort des Werkes die ~L~o~aeCa zu seinem Ideal erklärt (Proömium I, 2,4, Holl I, S.170).
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5. Theodor von Mopsuestia O.F. Fritzsche, der vor 125 Jahren die erste wissenschaftliche Darstellung Theodors von Mopsuestia geschrieben hat, . bezeichnete Theodor als denjenigen, "qui theologiam Antiochenam ad eam quam nacta est perfectionem evexit" 87). Interessant ist, die Entwicklung des katholischen Urteils über diesen vom fünften allgemeinen Konzil 553 verurteilten Theologen zu beobachten. Lange Zeit wird Theodor auf Grund seiner Heterodoxie abgelehnt, wobei freilich sein Scharf·sinn und seine Gelehrsamkeit doch eine gewisse Anerkennung finden. So schrieb H. Kihn: "Theodor war reich begabt, wissbegierig, allseitig gebildet, aber kein tiefer Denker ••• Er war einer jener unbändigen Geister, welche der eigenen Einsicht und Autorität unbedingt vertrauen, die Leistungen der Vorzeit missachten und für ihre persönlichen Ansichten und Aufstellungen eingenommen, die historische Entwicklung unterschätzen, welche die Glaubenswissenschaft der Gegenwart ••• mit tausend Fäden an die Vergangenheit .. ft" 88) • k nup L. Pirot faßte sein Urteil in dem lapidaren Satz zusammen: "Ubi bene, nemo melius; ubi male, nemo peius" 89). o. Bardenhewer rügte d~n "fast an Rationalismus streifenden Subjektivismus und Kritizismus" Theodors 90 ), ohne seiner positiven Leistung gerecht zu werden. Einen Wandel dieser zwiespältigen Beurteilung Theodors sucht nun R. Devreesse 91 herbeizuführen.Er will die Verurteilung von. 553 als Irrtum entlarven, hat damit aber nicht ungeteilte Zustimmung gefunden 92 ). Altaner / Stuiber 87) O.F.Fritzsche, De Theodori Mopsuesteni vita et scriptis commentatio historica theologica, 1836, zitiert nach dem Abdruck bei MPG 66, Sp. 9-78; Zitat Sp. 9/10. 88) H.Kihn, Theodor von Mopsuestia und Junilius Africanus als Exegeten, 1880, S. 44. Ähnlich schon Ph.Hergenröther, a.Anm. 3 a.O., S. 21. A.Anm. 3 a.O., S. VI. 90 A.Anm. 13 a.O., S. 312. 91 R.Devreesse, Essai sur Theodore de Mopsueste, 1948. 92 Vgl. J.Quasten, Patrology III, 1960, S. 414 f., mit weiteren Literaturangaben.
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- 182 jedoch haben sich mit Devreesse davon überzeugt, daß Theodor "in der Christologie im wesentlichen orthodox lehrte" 93~ und können nun endlich auch seine "mit einem in der al~en Kirche ganz ungewöhnlichen kritischen Scharfsinn" vorgenommene exegetische Arbeit unbefangen würdigen 9 4 ). U. Wickert hat jedoch mit Recht auf die Unsachgemäßheit solcher Urteile hingewiesen. "Reserve gegenüber dem von der Kirche verurteilten oder Wohlwollen gegenüber dem vermeint-, lieh doch ziemlich orthodoxen Theologen lassen den Bischof nicht dazu kommen, das zu sein, was er selbst wirklich ist" 95). Wir werden daher bei unserer Betrachtung seiner Evangelienexegese alle~n die exegetische Leistung Theodors am Prüfstein der vJidersprüche zwischen den Evangelien erproben. Angesichts der sonstigen beachtlichen exegetischen Leistungen Theodors - er hat beispielsweise als einziger Exeget der Alten Kirche den Charakter des Hohen Liedes erkannt und die Psalmen richtig auf Ereignisse in verschiedenen Epochen der Geschichte Israels bezogen - sehen wir dieser Untersuchung mit großen Erwartungen entgeg~n.
Als Quellen stehen uns zur Verfügung: Fragmente der Mt- und Joh- Erklärung 96) und eine syrische übersetzung der vollständigen Job- Erklärung 97), die nach den Untersuchungen von K. Scbäferdiek als insgesamt zuverlässig angesehen werden kann 98). In der älteren Literatur wird die Evangelienauslegung
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A.Anm. 1 a.O., S. 320. Ibid. S. 319. 95 U.Wickert, Studien zu den Pauluskommentaren Theodors von Mopsuestia als Beitrag zum Verständnis der antiocheniscben Theologie, 1962, S. 3. . . 96) Die Mt-Fragmente sind abgedruckt bei J.Reuss, MtK, S.96 ff.; die Joh-Fragmente bei R.Devreesse, a.Anm. 92 a.O., S. 305 ff. 97) Tbeodori Mopsuesteni Commentarius in Evangelium Johannis Aposto1i, ed. J.-M. Voste, CSCO 115, 1940; -, interpretatus est J.-M. Vost~, CSCO 116, 1940. 98) K.Schäferdiek,Das Johannesverständnis des Theodor von Mopsuestia, mschr. Diss. Bo~n 1958, I Text, II Anmerkungen, hier I, S. 20 ff.
- 183 Theodors nicht weiter berücksichtigt; noch R. Devreesse beschränkt sich auf die Ausweruung der alttestamentlichen Kommentare. Die schon erwähnte Untersuchung von U. Wickert stellt eine umfassende theologiegeschichtliche Würdigung Theodors auf Grund der Paulusauslegung dar. Unseren Fragenkreis berühren die Arbeiten von K. Schä~erdiek 99), R.A. Greer 100) und F.M. Wiles 101). Schon im Prolog der Joh-Erklärung 102) legt Theodor die Grundsätze seiner Auffassung des Verhältnis~es der vier Evangelien in präziser Weise dar. Die"Gläubigen in Kleinasien hätten Johannes die drei zuerst entstandenen Evangelien zur Prüfung vorgelegt, da er ja von Anfang an mit dem Herrn zusammen war, noch vor Mt. Der Apostel habe nun zwar den Wahrheitsgehalt dieser Schriften bestätigt, jedoch das Fehlen einiger Fakten aus dem Leben Jesu, insbesondere der haupt sächlichsten Wunder, vor allem aber das fast völlige Fehlen des Lehrgehaltes moniert: g~~a~ ••• ~paxta ~~v a~TOr, Kapa\~\~r~ea~, -
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Auf diese einigermaßen vernichtende Kritik hin Bei Johannes gebeten worden, das notwendigste Lehrmaterial und die ausgelassenen Erzählungen nachzuliefern, was er auch tat. Um des Lehrgehaltes willen beginnt Joh mit den o6y~aTa T~, e~6T~TO" bringt aber auch die Einzelheiten aus dem Leben Jesu, beginnend beim Täufer. Joh bemüht sich, die Ereignisse in chronologischer Ordnung darzubieten; von dem, was die anderen schon gebracht hatten, ließ er nur das weg, was entbehrlich war. Und diese Genauigkeit gilt auch für die folgenden Ab99) 100) 101) 102)
A.Anm. 99 a.O., I, S. 70 f. Theodore of Mopsueste, Exegete and Theologian, 1961. The Spiritual Gospel, 1960, S. 16 ff. Vgl. G (= grieche Fragmente nach Devreesse, a.Anm. 92 a.O.), S. 305,1 - 307,4; T (= syrischer Text nach Voste, a.Anm~ 98 a.O.), S. 5,18-11,19; U (= latein. Uber~etz~ng vonT durch Voste, a.Anm. 98 a.O.), S. 2,31-7,8. D~e S~g len sind die von K.Schäferdiek gebrauchten; wir zitieren nach Seite und Zeile der Ausgaben. G 305, 22-306,2; T 7,10-12; U 3,35-38.
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schnitte: Joh allein bringt das erste Wunder Jesu. Vom lehrhaften Stoff, den die anderen schon gebracht haben, wiederholt er nichts, ebensowenig die Wunderberichte der anderen, es sei denn, er verfolge damit eine besondere Absicht, wie beim Speisungswunder, das Joh wiederholen mußte, da er eine besondere Lehrunterweisung daran knüpfte. Aus dem AngefÜhrten wird deutlich, daß Theodor den Hl. Geist nicht für Abfassung oder Gestaltung des Vierten Evangeliums verantwortlich macht. Johannes hat aus seiner besseren Erinnerung oder seiner tieferen theologischen Einsicht heraus die Synoptiker korrigiert oder ergänzt. Von einer Inspiration der Evangelisten ist, anders als bei Davi~ oder den Propheten 104), nie die Rede. Theodor hat also die altbekannte Ergän2ungshypothese ganz entschlossen zu Ungunsten der, Synoptiker auch in historicis angewendet: Nur Joh hat die richtige Chronologie, selbstverständlich ist er in dogmaticis der verläßlichere Führer. Ähnliches schien uns schon bei Apollinaris der Fall zu sein. Die mühseligen Rechenkunststücke eines Epiphanius werd~n damit überflüssig. Man wird sagen müssen, daß Theodor das - eigentlich nicht recht erklärliche - Interesse des Joh an chronologischen Angaben durchaus richtig wahrgenommen hat, ebenso das weitgehende Desinteresse der Synoptiker am "Rahmen der Geschichte Jesu"; verständlicherweise vertraute er sich also Joh als Gewährsmann an. Dieser Einsicht folgt Theodor auch weiterhin. Die Hochzeit zu Kana fand am dritten Tag nach der Taufe statt; dann aber,kann die Versuchung nicht gleich anschließend an die Taufe stattgefunden haben, wie Mt berichtet: 1°5)
104) Vgl. R. Devreesse, a.Anm. 91 a.O., S. 70 f.; 79 ff. 105) T 55,18-56,2; Ü 39, 1-13.
- 185 IIDenh nicht um die Reihenfolge jener[Ereignisse] hat sich Hatthäus gekümmert, sondern die Ereignisse selbst hat er nur b~schriebenlll06). Wie befreiend wirkt dies nach den gezwungenen Versu~hen des Epiphanius, die verschiedenen Berichte so ineinander zu verschachteln, daß sie einander bis auf den Tag genau ergänzten. Auch die Bedeutung von Joh 3,23 entgeht unserem Kirchenvater nicht; er vergleicht wieder~I\lt 4,12//Nk 1,141/Lk 4,14 und stellt fest, daß Joh 2/3 die bei den Synoptikern übergangene Wirksamkeit Jesu vor der Gefangennahme des Täufers berichtet wird l07 ). Ein Problem dabei ist allerdings die Tempelreinigung, die ja von den Synoptikern so ganz anders eingeordnet wird. Hier entscheidet sich Theodor nicht: IIDieses - glauben wir - wurde entweder zwei Mal getan (auch dies ist wahrscheinlich), oder - weil es nur einmal geschehen ist -. besorgte er sich (und) gefiel[es]ihm,es zu berichten in der Erzählung in der Reihenfolge; die anderen aber haben nur 108 ) (sie) die Erzählung berichtet 11
106) T 55, 30-56,2:
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