suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 341
Benjamin über Kafka Texte, Briefzeugnisse, Aufzeichnungen
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suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 341
Benjamin über Kafka Texte, Briefzeugnisse, Aufzeichnungen
PT 2-Czi
Herausgegeben von Hermann Schweppenhäuser
»Eine Deutung des Dichters aus der Milte seiner Bilderwelt«, seiner »Sprache« und seiner »Gebärden« ist die Methode und das Ziel-von Benjamins Kafka-Studien. Komplement dieses von jahrzehntelanger germanistischer »Forschung« weder eingeholten noch gar überholten Vorgehens ist die Zurückweisung des Versuchs, ein »religionsphilosophisches Schema den Büchern Kafkas unterzuschieben«. Dabei gehört zur Dialektik von Benjamins Vorgehen, daß die als lnhalts-Schematisierungen zurückgewiesenen Desiderate der Theologie und Metaphysik in der »Deutung der Bildcrwelt« auf subtilste Weise wiederkehren. Denn in der Komposition der Sätze, Bilder und Gebärden Kafkas sieht Benjamin den geschieh dich bedingten Auflösungsprozeß von Metaphysik und Theologie sich selbst reflektieren. Als metaphysischer Abschied von der Metaphysik, der zugleich die geschichtsphilosophische Rettung ihrer Anliegen gegen ihre (Schein-)Lösungen ist, stellt Kafkas Werk die »Struktur« einer »die Frage aufhebenden Antwort«. Mit der Beschreibung dieser »Struktur« weist Benjamins Kafka-Deutung noch der neuesten strukturalistischen Kafka-Rezeption unbegangene Wege. Der vorliegende Band vereinigt die vier abgeschlossenen Texte Benjamins über Kafka, Ansätze zu einer geplanten Revision des großen Kafka-Essays und die umfangreiche Korrespondenz über Kafka, in der sich die Mehrschichtigkeit von Benjamins Studien durch die Einstellung auf die jeweiligen Adressaten und Mitunterredner (Scholem, Adorno, Kraft, Brecht) prismatisch in ihre Elemente zerlegt.
m W \ T Y OF COlOftA.no CtëRARÏES BOULDER, COLORADO
Suhrkamp
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Inhalt Texte Franz, Kafka, Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages . Franz Kafka: Beim Bau der Chinesischen Mauer Kavaliersmoral Max Brod: Franz Kafka. Eine Biographie. Prag 1937 Nachweise .., Briefzeugnisse Aus der Korrespondenz mit Gershom Scholem Aus der Korrespondenz mit Werner Kraft Aus der Korrespondenz mit Theodor W. Adorno.
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Aufzeichnungen
suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 34% Erste Auflage 1981 © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1981 Suhrkamp Taschenbuch Verlag Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile Satz: Philipp Hümmer» Waldbüttelbrunn Druck: Georg Wagner, Nördlingen Printed in Germany Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt CiP-Kurztitekufnahme der Deutschen Bibliothek
Benjamin, Walter; [Sammlung] Benjamin über Kafka; Texte, Briefzeugftisse, Aufzeichnungen / hrsg. yon Hermann Schweppenhausen l- Aufl. - Frankfurt am Main: Suhrkamp, icj&i. (Suhrkamp-Taschenbücher Wissenschaft; 341) ISBN 3-518-07941-7
1. Aufzeichnungen (bis 1928) a. Notizen zu Kafka »Der Prozeß« b. Idee eines Mysteriums . 2. Aufzeichnungen (bis 1931) a. Aufzeichnungen zu einem ungeschriebenen Essay und zum Vortrag von 1931 b. Aufzeichnungen im Tagebuch Mai-Juni 1931 3. Aufzeichnungen (bis Juni 1934) a. Motive und Disposition zum Essay von 1934 b. Diverse Aufzeichnungen zum Essay 4. Aufzeichnungen (bis August 1934) a.. Gespräche mit Brecht • b. Notizenzu dem Briefvomii. 8.1934 an Scholem .. 5. Aufzeichnungen (ab September 1934) a. Dossier von fremden Einreden und eigenen Reflexionen b. Entwürfe, Einschöbe, Notizen zu einer Umarbeitung des Essays . Editorische Notiz
¡FRANZ К АРКА
Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages Potemkin Es wird erzählt: Potemkin litt an schweren mehr oder weniger regelmäßig wiederkehrenden Depressionen, während deren sich niemand ihm nähern durfte und der Zugang zu seinem Zimmer aufs strengste verboten war. Am Hofe wurde dieses Leiden nicht erwähnt, insbesondere wußte man, daß jede Anspielung darauf die Ungnade der Kaiserin Katharina nach sich zog. Eine dieser Depressionen des Kanzlers dauerte außergewöhnlich lange. Ernste Mißstände waren die Folgen; in den Registraturen häuften sich Akten, deren Erledigung, die ohne Unterschrift Potemkins unmöglich war, von der Zarin gefordert wurde, Die hohen Beamten wußten sich keinen Rat. In dieser Zeit geriet durch einen Zufall der unbedeutende kleine Kanzlist Schuwalkin in die Vorzimmer des Kanzlerpalais, wo die Staatsräte wie gewöhnlich jammernd und klagend beisammen standen, »Was gibt es, Excellenzen? Womit kann ich Excellenzen dienen?« bemerkte der eilfertige Schuwalkin. Man erklärte ihm den Fall und bedauerte, von seinen Diensten keinen Gebrauch machen zu können. »Wenn es weiter nichts ist, meine Herren,« antwortete Schuwalkin, »überlassen Sie mir die Akten. Ich bitte darum.« Die Staatsräte, die nichts zu verlieren hatten, ließen sich dazu bewegen, und Schuwalkin schlug, das Aktenbiindel unterm Arm, durch Galerien und Korridore den Weg zum Schlafzimmer Potemkins ein. O h n e anzuklopfen, ja ohne haltzumachen, drückte er die Türklinke nieder. Das Zimmer war nicht verschlossen. Im Halbdunkel saß Potemkin auf seinem Bett, nägelkauend, in einem verschlissenen Schlafrock. Schuwalkin trat zum Schreibtisch, tauchte die Feder ein und, ohne ein Wort zu verlieren, schob er sie Potemkin in die Hand,' den erstbesten Akt auf seine Knie. Nach einem abwesenden Blick auf den Eindringling, wie im Schlaf vollzog Potemkin die Unterschrift, dann eine zweite; weiter die sämtlichen. Als die letzte geborgen war, verließ Schuwalkin ohne Umstände, wie er gekommen war, sein Dossier unterm Arm, das Gemach. Triumphierend die Akten schwenkend trat er in das Vorzimmer. Ihm 9
entgegen stürzten die Staatsräte, rissen die Papiere aus seinen Händen. Atemlos beugten sie sich darüber. Niemand sagte ein Wort; die Gruppe erstarrte. Wieder trat Schuwalkin näher, wieder erkundigte er sich eilfertig nach dem Grund der Bestürzung der Herren. Da fiel auch sein Blick auf die Unterschrift, Ein Akt wie der andere war unterfertigt: Schuwalkin, Schuwalkin, Schuwalkin.., Diese Geschichte ist wie ein Herold, der dem Werke Kafkas zweihundert Jahre vorausstürmt. Die Rätselfrage, die sich in ihr wölkt, ist Kafkas. Die Welt der Kanzleien und Registraturen, der muffigen verwohnten dunklen Zimmer ist Kafkas Welt. Der eilfertige Schuwalkin, der alles so leicht nimmt und zuletzt mit leeren Händen da steht, ist Kafkas K. Potemkin aber, der halb schlafend und verwahrlost, in einem abgelegenen Raum, zu dem der Zugang untersagt ist, dahindämmert, ist ein Ahn jener Gewalthaber, die bei Kafka als Richter in den Dachböden, als Sekretäre im Schloß hausen, und die, so hoch sie stehen mögen, immer Gesunkene oder vielmehr Versinkende sind, dafür aber noch in den Untersten und in den Verkommensten den Türhütern und den altersschwachen Beamten - auf einmal unvermittelt in ihrer ganzen Machtfülle auftauchen können. Worüber dämmern sie dahin? Vielleicht sind sie Nachkommen der Atlanten, die die Weltkugel in ihrem Nacken tragen? Vielleicht halten sie darum den Kopf »so tief auf die Brust gesenkt, daß man kaum etwas von den Augen« sieht, wie der Schloßkastellan auf seinem Porträt oder Klamm, wenn er mit sich allein ist? Die Weltkugel aber ist es nicht, die sie tragen; nur daß schon das Alltäglichste ihr Gewicht hat: »Sein Ermatten ist das des Gladiators nach dem Kampf, seine Arbeit war das Wcißtünchen eines Winkels in einer Beamtenstube.« - Georg Lukács hat einmal gesagt: um heute einen anständigen Tisch zu bauen, muß einer das architektonische Genie von Michelangelo haben. Wie Lukács in Zeitaltem so denkt Kafka in Weltaltern. Weltalter hat der Mann beim Tünchen zu bewegen. Und so noch in der unscheinbarsten Geste. Vielfach und oft aus sonderbarem Anlaß klatschen Kafkas Figuren in die Hände. Einmal jedoch wird beiläufig gesagt, daß diese Hände »eigentlich Dampfhämmer« sind. In ständiger und langsamer Bewegung - versinkend oder stei10
gend - lernen wir diese Machthaber kennen. Furchtbarer aber sind sie nirgends, als wo sie aus der tiefsten Verkommenheit sich heben: aus den Vätern. Den stumpfen altersschwachen Vater, den er soeben sanft gebettet hat, beruhigt der Sohn: »>Sei nur ruhig, du bist gut zugedeckt.< - >Nein!< rief der Vater, daß die Antwort an die Frage stieß, warf die Decke zurück mit einer Kraft, daß sie einen Augenblick im Fluge sich ganz entfaltete, und stand aufrecht im Bett. N u r eine Hand hielt er leicht an den Plafond. >Du wolltest mich zudecken, das weiß ich, mein Früchtchen, aber zugedeckt bin ich noch nicht. Und ist es auch die letzte Kraft, genug für dich, zuviel für d i c h ! . , . Den Vater muß glücklicherweise niemand lehren, den Sohn zu durchschauen.« . . . - Und er stand vollkommen frei und warf die Beine. Er strahlte vor Einsicht. - . . . »Jetzt weißt du also, was es noch außer dir gab, bisher wußtest du nur von dir! Ein unschuldiges Kind warst du ja eigentlich, aber noch eigentlicher warst du ein teuflischer Mensch !Um vorn die Haustreppe schmutzig zu machen . . . es gehört zu der Art dieses Gerichtswesens, daß man nicht nur unschuldig, sondern auch unwissend verurteilt wird««, mutmaßt K. Gesetze und umschriebene Normen bleiben in der Vorwelt ungeschriebene Gesetze. Der Mensch kann sie ahnungslos überschreiten und so der Sühne verfallen. Aber so unglücklich sie den Ahnungslosen treffen mag, ihr Eintritt ist im Sinne des Rechts nicht Zufall sondern Schicksal, das sich hier in seiner Zweideutigkeit darstellt. Schon Hermann Cohen hat es in einer flüchtigen Betrachtung der alten Schicksalsvorstellung eine »Einsicht, die unausweichlich wird,« genannt, daß es seine »Ordnungen selbst sind, welche dieses Heraustreten, diesen Abfall zu veranlassen und herbeizuführen scheinen.« So steht es auch mit der Gerichtsbarkeit, deren Verfahren sich gegen K. richtet. Es führt weit hinter die Zeit der Zwölf-Tafel-Gesetzgebung in eine Vorwelt zurück, über die einer der ersten Siege geschriebenes Recht war. Hier steht zwar das geschriebene Recht in Gesetzbüchern, jedoch geheim, und auf sie gestützt, übt die Vorwelt ihre Herrschaft nur schrankenloser. 12
Die Zustände in Amt und Familie berühren sich bei Kafka mannigfaltig. Im Dorf am Schloßberg kennt mar eine Wendung, die darein leuchtet. »>Es ist hier die Redensart, vielleicht kennst du sie: Amtliche Entscheidungen sind scheu wie junge Mädchen.< >Das ist eine gute Beobachtung«, sagte K . , . . . >eine gute Beobachtung, die Entscheidungen mögen noch andere Eigenschaften mit Mädchen gemeinsam haben.Das allerdings ist eine merkwürdige, gewissermaßen naturwissenschafdiche Erscheinung... Es kann nicht die Schuld sein, die sie schön m a c h t . . . es kann auch nicht die richtige Strafe sein, die sie jetzt schon schön m a c h t . . . es kann also nur an dem gegen sie erhobenen Verfahren liegen, das ihnen irgendwie anhaftet.«« Aus dem »Prozeß« läßt sich entnehmen, daß dieses Verfahren hoffnungslos für die Angeklagten zu sein pflegt - selbst dann hoffnungslos, wenn ihnen die Hoffnung auf Freispruch bleibt. Diese Hoffnungslosigkeit mag es sein, die an ihnen als den einzigen Kafkaschen Kreaturen Schönheit zum Vorschein bringt. Zumindest würde das sehr gut mit einem Gesprächsfragment 13
übereinstimmen., das durch Max Brod überliefert wurde. »Ich entsinne mich«, schreibt er, »eines Gesprächs mit Kafka, das vom heutigen Europa und dem Verfall der Menschheit ausging. »Wir sind«, so sagte er, »nihilistische Gedanken, Selbstmordgedanken, die in Gottes Kopf aufsteigen.« Mich erinnerte das zuerst an das Weltbild der Gnosis: Gott als böser Demiurg, die Welt sein Sündenfall. >Oh nein«, meinte er, »unsere Welt ist nur eine schlechte Laune Gottes, ein schlechter Tag.< - >So gäbe es außerhalb dieser Erscheinungsform Welt, die wir kennen, Hoffnung?« - Er lächelte: »Oh, Hoffnung genug, unendlich viel Hoffnung - nur nicht für uns.«« Diese Worte schlagen eine Brücke zu jenen sonderbarsten Gestalten Kafkas, die als einzige dem Schöße der Familie entronnen sind und für die es vielleicht H o f f n u n g gibt. Das sind nicht die Tiere, nicht einmal jene Kreuzungen oder Gespinstwesen, wie das Katzenlamm oder Odradek. Alle diese vielmehr leben noch im Bann der Familie. Nicht umsonst erwacht Gregor Samsa gerade in der elterlichen Wohnung als Ungeziefer, nicht umsonst ist das eigentümliche Tier, halb Kätzchen, halb Lamm, ein Erbstück aus des Vaters Besitz, nicht umsonst Odradek die Sorge des Hausvaters. Die »Gehilfen« aber fallen in der Tat aus diesem Ringe heraus. Diese Gehilfen gehören einem Gestaltenkreis an, der das ganze Werk Kafkas durchzieht. Von ihrer Sippe ist so gut der Bauernfänger, der in der »Betrachtung« entlarvt wird, wie der Student, der nachts auf dem Balkon als Nachbar Karl Roßmanns zum Vorschein kommt, wie auch die Narren, die in jener Stadt im Süden wohnen und nicht müde werden. Das Zwielicht über ihrem Dasein erinnert an die schwankende Beleuchtung, in der die kleinen Stücke Robert Walsers - Verfasser des Romans »Der Gehülfe«, den Kafka sehr geliebt hat - ihre Figuren erscheinen lassen. Indische Sagen kennen die Gandharwe, unfertige Geschöpfe, Wesen im Nebelstadium. Von ihrer Art sind die Gehilfen Kafkas; keinem der anderen Gestaltenkreise zugehörig, keinem fremd: die Boten, die zwischen ihnen geschäftig sind. Sie sehen, wie Kafka sagt, dem Barnabas ähnlich, und der ist ein Bote. Noch sind sie aus dem Mutterschoße der Natur nicht voll entlassen und haben darum »sich in einer Ecke auf dem Boden auf zwei alten Frauenröcken eingerichtet. Es w a r . . . ihr E h r g e i z , . . . möglichst wenig Raum zu brauchen, sie machten in 4
dieser Hinsicht, immer freilich unter Lispeln und Kichern, verschiedene Versuche, verschränkten Arme und Beine, kauerten sich gemeinsam zusammen, in der Dämmerung sah man in ihrer. Ecke nur ein großes Knäuel.« Für sie und ihresgleichen, die Unfertigen und Ungeschickten, ist die Hoffnung da. Was zart unverbindlicher am Walten dieser Boten erkennbar wird, das ist auf lastende und düstere Art Gesetz für diese ganze Welt von Kreaturen. Keine hat ihre feste Stelle, ihren festen, nicht eintauschbaren Umriß: keine die nicht im Steigen oder Fallen begriffen ist; keine die nicht mit ihrem Feinde oder Nachbarn tauscht; keine welche nicht ihre Zeit vollbracht und dennoch unreif, keine welche nicht tief erschöpft und dennoch erst am Anfang einer langen Dauer wäre. Von Ordnungen und Hierarchien zu sprechen, ist hier nicht möglich. Die Welt des Mythos, die das nahelegt, ist unvergleichlich jünger als Kafkas Welt, der schon der Mythos die Erlösung versprochen hat. Wissen wir aber eins, so ist es dies: daß Kafka seiner Lockimg nicht gefolgt ist. Ein anderer Odysseus, ließ er sie »an seinen in die Ferne gerichteten Blicken« abgleiten, »die Sirenen verschwanden förmlich vor seiner Entschlossenheit, und gerade als er ihnen am nächsten war, wußte er nichts mehr von ihnen.« Unter den Ahnen, die Kafka in der Antike hat, den jüdischen und den chinesischen, auf die wir noch stoßen werden, ist dieser griechische nicht zu vergessen. Odysseus steht ja an der Schwelle, die Mythos und Märchen trennt. Vernunft und List hat Finten in den Mythos eingelegt; seine Gewalten hören auf, unbezwinglich zu sein. Das Märchen ist die Uberlieferung vom Siege über sie. Und Märchen für Dialektiker schrieb Kafka, wenn er sich Sagen vornahm. Er setzte kleine Tricks in sie hinein; dann las er aus ihnen den Beweis davon, »daß auch unzulängliche, ja kindische Mittel zur Rettung dienen können«. Mit diesen Worten leitet er seine Erzählung von dem »Schweigen der Sirenen« ein. Die Sirenen schweigen nämlich bei ihm; sie haben »eine noch schrecklichere Waffe als den G e s a n g , . . . ihr Schweigen«. Dieses brachten sie bei Odysseus zur Anwendung. Er aber, überlieferte Kafka, »war so listenreich, war ein solcher Fuchs, daß selbst die Schicksalsgöttin nicht in sein Innerstes dringen konnte. Vielleicht hat er, obwohl das mit Menschenverstand nicht mehr zu begreifen ist, wirklich gemerkt, daß die Sirenen schwiegen, und 15
hat ihnen und den Göttern den« überlieferten »Scheinvorgang nur gewissermaßen als Schild entgegengehalten.« Bei Kafka schweigen die Sirenen. Vielleicht auch darum, weil die Musik und der Gesang bei ihm ein Ausdruck oder wenigstens ein Pfand des Entrinnens sind. Ein Pfand der Hoffnung, das wir aus jener kleinen, zugleich unfertigen und alltäglichen, zugleich tröstlichen und albernen Mittelwclt haben, in welcher die Gehilfen zu Hause sind. Kafka ist wie der Bursche, der auszog, das Fürchten zu lernen. Er ist in Potemkins Palast geraten, zuletzt aber, in dessen Kellerlöchern, auf Josefine, jene singende Maus gestoßen, deren Weise er so beschreibt: »Etwas von der armen kurzen Kindheit ist darin, etwas von verlorenem, nie wieder aufzufindendem Glück, aber auch etwas vom tätigen heutigen Leben ist darin, von seiner kleinen, unbegreiflichen und dennoch bestehenden und nicht zu ertötenden Munterkeit.« Ein Kinderbild Es gibt ein Kinderbild von Kafka, selten ist die »arme kurze Kindheit« ergreifender Bild geworden. Es stammt wohl aus einem jener Ateliers des neunzehnten Jahrhunderts, die mit ihren Draperien und Palmen, Gobelins und Staffeleien so zweideutig zwischen Folterkammer und Thronsaal standen. Da stellt sich in einem engen, gleichsam demütigenden, mit Posamenten überladenen Kinderanzug der ungefähr sechsjährige Knabe in einer Art von Wintergartenlandschaft dar. Palmenwedel starren im Hintergrund. Und als gelte es, diese gepolsterten Tropen noch stickiger und schwüler zu machen, trägt das Modell in der Linken einen übermäßig großen H u t mit breiter Krempe, wie ihn Spanier haben. Unermeßlich traurige Augen beherrschen die ihnen vorbestimmte Landschaft, in die die Muschel eines großen Ohrs hineinhorcht. Der inbrünstige »Wunsch, Indianer zu werden« mag einmal diese große Trauer verzehrt haben: »Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen Heß, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und kaum das 16
Land vor sich als glatt gemähte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf.« Vieles ist in diesem Wunsche enthalten. Die Erfüllung gibt sein Geheimnis preis. Er findet sie in Amerika. Daß es mit »Amerika« eine besondere Bewandtnis hat, geht aus dem Namen des Helden hervor. Während in den früheren Romanen der Autor sich nie anders als mit dem gemurmelten Initial ansprach, erlebt er hier mit vollem Namen auf dem neuen Erdteil seine ¡Neugeburt. Er erlebt sie auf dem Naturtheater von Oklahoma. »Karl sah an einer Straßenecke ein Plakat mit folgender Aufschrift: Auf dem Rennplatz in Clayton wird heute von sechs U h r früh bis Mitternacht Personal f ü r das Theater in Oklahoma aufgenommen! Das große Theater von Oklahoma ruft euch! Es ruft nur heute, nur einmal! Wer jetzt die Gelegenheit versäumt, versäumt sie für immer! Wer an seine Zukunft denkt, gehört zu uns ! Jeder ist willkommen! Wer Künstler werden will, melde sich! Wir sind das Theater, das jeden brauchen kann, jeden an seinem O r t ! Wer sich für uns entschieden hat, den beglückwünschen wir gleich hier! Aber beeilt euch, damit ihr bis Mitternacht vorgelassen werdet! Um zwölf U h r wird alles geschlossen und nicht mehr geöffnet! Verflucht sei, wer uns nicht glaubt! Auf nach Clayton!« Der Leser dieser Ankündigung ist Karl Roßmann, die dritte und glücklichcre Inkarnation des K., der der Held von Kafkas Romanen ist. Das Glück erwartet ihn auf dem Naturtheater von Oklahoma, das eine wirkliche Rennbahn ist, wie das »Unglücklichsein« ihn einst auf dem schmalen Teppich seines Zimmers befallen hatte, auf dem er »wie in einer Rennbahn« einherlief. Seitdem Kafka seine Betrachtungen »zum Nachdenken für Herrenreiter« geschrieben hatte, den »neuen Advokaten« »hoch die Schenkel hebend, mit auf dem Marmor aufklingendem Schritt« die Gerichtstreppen hatte hinaufsteigen und seine »Kinder auf der Landstraße« in großen Sätzen mit verschränkten Armen ins Land hatte traben lassen, ist ihm diese Figur vertraut gewesen und in der Tat kann es auch Karl Roßmann geschehen, »zerstreut infolge seiner Verschlafenheit, oft zu hohe zeitraubende und nutzlose Sprünge« zu machen. Darum also kann es nur eine Rennbahn sein, auf der er ans Ziel seiner Wünsche gelangt. Diese Rennbahn ist zugleich ein Theater, und das gibt ein Rätsel auf. Der rätselhafte Ort und die ganz rätsellose durch17
sichtige und lautere Figur des Karl Roßmann gehören aber zu sammen. Durchsichtig, lauter, geradezu charakterlos ist Karl Roßmann in dem Sinne nämlich, in dem Franz Rosenzweig in seinem »Stern der Erlösung« sagt, in China sei der innere Mensch »geradezu charakterlos; der Begriff des Weisen, wie ihn klassisch . . . Kongfutse verkörpert, wischt über alle mögliche Besonderheit des Charakters hinweg; er ist der wahrhaft charakterlose, nämlich der Durchschnittsmensch. . . Etwas ganz andres als Charakter ist es, was den chinesischen Menschen auszeichnet: eine ganz elementare Reinheit des Gefühls.« Wie immer man es gedanklich vermitteln mag - vielleicht ist diese Reinheit des Gefühls eine ganz besonders feine Waagschale des gestischen Verhaltens - in jedem Fall weist das Naturtheater von Oklahoma auf das chinesische Theater zurück, welches ein gestisches ist. Eine der bedeutsamsten Funktionen dieses Naturtheaters ist die Auflösung des Geschehens in das Gestische. Ja man darf weitergehen und sagen, eine ganze Anzahl der kleineren Studien und Geschichten Kafkas treten erst in ibr volles Licht, indem man sie gleichsam als Akte auf das Naturtheater von Oklahoma versetzt. Dann erst wird man mit Sicherheit erkennen, daß Kafkas ganzes Werk einen Kodex von Gesten darstellt, die keineswegs von Hause aus für den Verfasser eine sichere symbolische Bedeutung haben, vielmehr in immer wieder anderen Zusammenhängen und Versuchsanordnungen um eine solche angegangen werden. Das Theater ist der gegebene Ort solcher Versuchsanordnungen. In einem unveröffentlichten Kommentar zum »Brudermord« hat Werner Kraft scharfblickend das Geschehen dieser kleinen Gcschichte als ein szenisches durchschaut. »Das Spiel kann beginnen, und es wird wirklich durch ein Glockenzeichen angekündigt. Dieses entsteht auf die natürlichste Weise, indem Wese das Haus verläßt, in welchem sein Büro liegt. Aber diese Türglocke, heißt es ausdrücklich, ist >zu laut für eine Türglocke 39, N r . 104), S. 6 (Das buckliebt Männlein). D e r erste vollständige A b d r u c k erfolgte in: Walter Benjamin, Schriften, hg. von T h . W. A d o r n o und Gretei A d o r n o , Band II, F r a n k f u r t am Main 1955, S. 196-228. Druckvorlage: Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, Band II, hg. von Rolf Tiedemann u n d H e r m a n n Schweppenhausen F r a n k f u r t am Main 1977, S. 409-438 Z i t a t n a c h w e i s e : 1 1 0 , j Schuwalkin . . . ] Benjamins Nacherzählung einer Puschkinschen Anekdote; s. Alexander Puschkin, A n e k d o t e n u n d Tischgespräche, hg., übertragen u n d mit dem V o r w o r t versehen von J o hannes Guenther. Mit Illustrationen von Nicolai Saretzkij, M ü n c h e n 1924, 42 ([Nr.] 24: »Potjomkin litt häufig [ . . . ] « ) ; bei Puschkin »Petuschkow« statt Schuwalkin. — Die Nacherzählung w u r d e v o n Benjamin in ähnlicher F o r m unter dem Titel Die Unterschrift (s. Gesammelte Schriften, Bd. 4, 758 f.) 1934 dreimal veröffentlicht (davon einmal in dänischer Übersetzung; s. а. а. O., 1081); zum Blochschen Gegenstück »Potemkins Unterschrift« s. а. а. O., 1082 »Nachweise« - 1 0 , 2 5 Augen«] F r a n z Kafka, Das Schloß. R o m a n , M ü n c h e n 1926,11 - 1 0 , 3 0 Beamtenstube.Kafka, Beim Bau der Chinesischen Mauer. Ungedruckte Erzählungen u n d Prosa aus d e m Nachlaß, hg. v o n Max Brod und H a n s Joachim Schoeps, Berlin 1931,231 (»Betrachtungen ü b e r Sünde, Leid, H o f f nung und den wahren Weg«, Aph. 34) - 1 0 , 3 3 haben] s. Georg Lukács, zit. in: E r n s t B l o c h , Geist der Utopie, München, L e i p z i g l 9 i 8 , 2 2 - 1 0 , 3 8 Dampfhämmer«] Kafka, Ein Landarzt. Kleine Erzählungen, München, Leizigigig, 35 (»Auf der Galerie«)-11,17 Mensch h*] Kafka, D a s Urteil. Eine Geschichte (Bücherei »Der jüngste Tag«, Bd. 34), Leipzig 1916,22, 2 3 , 2 4 , 2 8 - 1 1 , 2 1 Ertrinkens] s. а. а. O., 28-1.1,27unsauber] s. а. а. O., 20 -iL,^gewesen«] Kafka, Das Schloß, a. a. O . , 4 6 2 - 1 2 , 8 Kafka, Beim Bau der Chinesischen Mauer, а. а. O., 218 (»Er«) - 1 2 , 2 3 ivirdt«] Kafka, D e r Prozeß. R o m a n , Berlin 1925, 85 (Drittes Kapi1 Die Ziffer vor dem Komma bezeichnet die Seitenzahl, die dahinter dît: ZeiJenzaM der betreffenden Seite im vorliegenden Band
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tel ; im folgenden in römischen Ziffern) -12,33 scheinen. * ] Hermann Cohen, Ethik des reinen Willens, 2. rev. Aufl., Berlin 1907, 362 - 1 3 , 7 haben.«!] Kafka, Das Schloß, а. а. O., 332-13,24verirren.*] a. a. O., 79L - 13,33 anhaftet.Wir sind0 nein«, meinte er, >unscre Welt ist nur eine schlechte Laune Gottes, ein schlechter Tag.< - >So gäbe es außerhalb dieser Erscheinungsform Welt, die wir kennen, 144
Hoffnung?« - Er lächelte: >Oh, Hoffnung genug, unendlich viel Hoffnung - nur nicht für uns.«« Max Brod: Der Dichter Franz Kafka (Neue Rundschau 1921)} Nüchtern wie Kafkas Sprache muß der Apfel vom Baum der Erkenntnis geschmeckt haben. Ms 227 Erwartung des zweiten Nachlaßbandes [= Franz Kafka, Vor dem Gesetz, Berlin 1934] {Redewendungen aus dem Nachwort zum »Bau« [= Beim Bau der Chinesischen Mauer, Ungedruckte Erzählungen und Prosa aus dem Nachlaß, hg. mit einem Nachwort von Max Brod und Hans Joachim Schoeps]: die unleidliche Behauptung, »daß dieser Typus, dessen Dascinsintention kraft seiner Erschütterungsfähigkeit durch Grenzerlebnisse eine tragische ist, je nach der geschichtlichen Situation, in der er sich vorfindet, eine stärkere oder schwächere Ahnung davon hat, daß es auch für die tragische Grundkonstellation seines Daseins noch eme Heilsmöglichkeit gibt.« [p 254 f.] - »Im übrigen hat Kafka auch in der für ihn charakteristischen Form des mythischen Ahnungswissens um die Schicksalhaftigkeit der geschichtlichen Zusammenhänge gewußt.« [РЯ55] Manchmal kommt die Sprache der Herausgeber in bedenkliche Nähe zu der der Existentialphilosophie .} Zu der »Dorfluft« bei Kafka - zu der Überlieferung, welche ihm zunächst liegt - zu Sancho Pansa: »>Dann aber kehrte er zu seiner Arbeit zurück, so wie wenn nichts gesehen wäre.« Das ist eine Bemerkung, die uns aus einer unklaren Fülle alter Erzählungen geläufig ist, trotzdem sie vielleicht in keiner vorkommt.« [Bau p 248] {Die Stube des alten Ehepaars, in der die Totenerweckung vor sich geht, der Keller des Kohlenhändlers, die Wirtsstube, in welcher Klamm sitzt - Dorfluft draußen, dicke, stickige Luft im Innern: beides vereinigt sich zur dörflichen Lokalfarbe.} {»Wunsch, Indianer zu werden« - im Abschnitt über das Kinderbild zu zitieren,} {Dialektik des Vergessens. Sind wir's, die vergessen haben? Oder sind wir nicht vielmehr vergessen worden? Kafka entscheidet darüber nie. Die Oberen sind vielleicht nur darum so 145
verkommen, weil wir uns um sie nicht gekümmert haben? Aber vielleicht sind sie auch nur verkommen, weil sie noch nie auf uns gekommen sind.} {Sancho Pansa hat seinen Reiter vorangeschickt, Bucephalus den seinigen überlebt; und nun sind sie beide gut dran. Ob Mensch ob Pferd ist nicht mehr so wichtig, wenn nur der Reiter beseitigt ist.} Ms 228 {Es wurde darauf hingewiesen, daß im ganzen Werke Kafkas der Name »Gott« nicht vorkommt. U n d nichts ist müßiger als in seiner Erläuterung ihn einzuführen. Wer nicht versteht, was Kafka den Gebrauch dieses Namens verbietet, versteht von ihm keine Zeile.} Werner Kraft zitiert zu »Die Wahrheit über Sancho Pansa« Gide »Suivant Montaigne« N R F Juni 1929. »Montaigne mourut (1592) avant d'avoir pu lire D o n Quichotte (1605), quel dommage! Le livre était écrit pour lui . . . C'est le propre de ce grand livre . . . de se jouer en chacun de nous; en aucun plus éloquemment qu'en Montaigne. C'est au dépens de D o n Q u i chotte que, peu à peu, grandit en lui Sancho Pansa.« Kraft sieht nicht unrichtig, daß Kafka von Brod in seinem Testament mit Bewußtsein das Unmögliche gefordert hat. {Keine menschliche Kunst erscheint bei Kafka so tief kompromittiert wie die Baukunst. Keine ist lebenswichtiger und vor keiner macht die Ratlosigkeit sich vernehmbarer. (Beim Bau der Chinesischen Mauer, Das Stadtwappen, Der Bau)} Kraft hat in seiner Auslegung des »Kübelreiters« ein Bild gefunden, das nachdrücklich den O r t des Göttlichen in Kafkas Welt festlegt. »Die Auffahrt«, sagt er von der Fahrt des Kübelreiters, ist »ein Gehobenwerden, wie das der einen Wagschale, wenn das volle Gewicht auf der andern liegt.« Das volle Gewicht der Gerechtigkeit ist es, das alles Göttliche so erniedrigt. {Zahllose Beispiele bietet Kafka für diesen Vorgang: einer will nun endlich, aller Anfechtung sich erwehrend, in einer Uberzeugung, einer Situation sich zurechtsetzen. Da geht sie ihm aus den Fugen. Eines für diese zahllosen: »Es war im Sommer, ein heißer Tag. Ich kam auf dem Nachhauseweg mit meiner Schwester an einem H o f t o r vorüber. Ich weiß nicht, schlug sie 146
aus Mutwillen ans Tor oder aus Zerstreutheit oder drohte sie nur mit der Faust und schlug gar nicht.«} Ms 229 Kafka und Brod - Laurel der seinen Hardy, Pat der seinen Patachon suchte. Daß er dem lieben Gott dieses Divertissement gab, machte Kafka für sein Werk frei, um das sich nun Gott nicht mehr zu kümmern hatte. Kafka gab aber in dieser Freundschaft wahrscheinlich gerade seinem Teufel den Spielraum frei. Er hat vielleicht zu Brod und dessen tiefen jüdischen Philosophemen so gestanden wie Sancho Pansa zu D o n Quichote und dessen tiefsinniger Chimäre vom Rittertum. Kafka hatte ziemlich stattliche Teufeleien im eignen Leibe wohnen und er konnte froh sein, sie in Gestalt von Unziemlichkeiten, faux pas und unappetitlichen Situationen vor sich tummeln zu sehen. Er hat sich wahrscheinlich für Brod mindestens ebenso verantwortlich gefühlt wie für sich selbst - ja mehr. Ob alle Komik dem Grauen d[.]i[.] dem Mythos abgewonnen ist - und ob die griechische Komödie den ersten Gegenstand des Gelächters am Grauen gefunden hat? - Daß alles Grauen eine komische Seite haben kann, n i c h t n o t w e n d i g auch alle Komik eine grauenhafte. Die erste zu entdecken, entwertet das Grauen, nicht so die zweite zu entdecken die Komik; deren Primat. Höchste Disponibilität: beide Seiten erfassen zu können. In der Geschichte nicht leben wie in der Wohnfung], Ms 963 Indem Kafkas Sprachc in den Romanen sich der Sprache der volkstümlichen Erzählung zum Verwechseln ähnlich macht, erscheint die Kluft, die den Roman von der Erzählung trennt, nur umso unüberbrückbarer. Das »Individuum, das selber unberaten ist und keinen Rat geben kann«, hat bei Kafka, so wie noch nie vorher, die Farblosigkcit, die Banalität und die glasige Transparenz des Durchschnittsmenschen. Bis auf Kafka hatte man glauben mögen, die Ratlosigkeit des Romanhclden sei eine Ausgeburt seiner besondern innern Beschaffenheit, seiner Subtilität oder seiner komplexen Beschaffenheit. Erst Kafka macht zum Mittelpunkt des Romans eben den Menschen, an den sich die H7
Weisheit der Völker richtet, den schlichtgearteten, gutgesinnten, den Mann, den das Sprichwort mit seinem Rat versieht und den der Zuspruch der alten Leute mit Trost versieht. Wenn es nun dieser wohlbeschaffene Mann ist, der aus einer Verlegenheit in die andre fällt, so kann nicht seine Natur daran schuldig sein. Es muß wohl an der Welt liegen, in die er geschickt wurde, daß er sich so ungeschickt in ihr anstellt. Ms 250 Proust und Kafka Es gibt etwas, das Kafka mit Proust gemeinsam ist, und wer weiß, ob dieses etwas sich irgendwo sonst findet. Es handelt sich um ihren Gebrauch des »Ich«. Wenn Proust in seiner recherche du temps perdu, Kafka in seinen Tagebüchern Ich sagt, so ist das bei beiden ein gleich transparentes, ein gläsernes. Seine Kammern haben keine Lokalfarbe; jeder Leser kann sie heute bewohnen und morgen ausziehen. Ausschau von ihnen halten und sich in ihnen auskennen ohne im mindesten an ihnen hängen zu müssen. In diesen Schriftstellern nimmt das Subjekt die Schutzfärbung des Planeten an, der in den kommenden Katastrophen ergrauen wird. Ms 251
4. Aufzeichnungen (bis August 1934) a. Gespräche mit Brecht1 6. Juli. Brecht, im Lauf des gestrigen Gesprächs: »Ich denke oft an ein Tribunal, vor dem ich vernommen werden würde. >Wie ist das? Ist es Ihnen eigentlich ernst?« Ich müßte dann anerkennen: Ganz ernst ist es mir nicht. Ich denke ja auch zu viel an Artistisches, an das, was dem Theater zugute kommt, als daß es mir ganz ernst sein könnte. Aber wenn ich diese wichtige Frage verneint habe, so werde ich eine noch wichtigere Behauptung anschließen: daß mein Verhalten nämlich erlaubt ist.« Freilich ist das schon eine spätere Formulierung im Gesprächsgang. Begonnen hatte Brecht nicht mit dem Zweifel an der Statthaftigkeit, wohl aber an der Durchschlagskraft seines Verfahrens. Mit dem Satze, der von einigen Bemerkungen ausging, die ich über Gerhart Hauptmann gemacht hatte: »Manchmal frage ich mich, ob das nicht eben doch die einzigen Dichter sind, die es wirklich zu etwas bringen: dit Substanz-Dichter, meine ich.« Darunter versteht Brecht Dichter, denen es ganz ernst ist. Und zur Erläuterung dieser Vorstellung geht er von der Fiktion aus, Konfuzius habe eine Tragödie oder Lenin habe einen Roman geschrieben. Man würde das als unstatthaft empfinden, so erklärt er, und als ein ihrer nicht würdiges Verhalten, [»]Nehmen wir an, Sie lesen einen ausgezeichneten politischen Roman und erfahren nachher, daß er von Lenin ist, Sie würden Ihre Meinung über beide ändern, und zuungunsten beider, Konfuzius dürfte auch kein Stück von Euripides schreiben, man hätte das als unwürdig angesehen. Nicht aber sind das seine Gleichnisse.« Kurz, all dies läuft auf die Unterscheidung zweier literarischer Typen hinaus: des Visionäre, welchem es ernst ist, auf der einen und des Besonnenen, dem es nicht ganz ernst ist, auf der andern Seite. Hier werfe ich nun die Frage nach Kafka auf. Welcher von beiden Gruppen ge1 Druckvorlage der folgenden drei Aufzeichnungen ist das Buch: Walter Benjamin, Versuche über Brecht, a.a.O., S. 154 f. und 156-160 (Gespräche mit Brecht, Tagebuchaufzeichnungen. Svendborg 1934 I)
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hört er an? Ich weiß: die Frage läßt sich nicht entscheiden. U n d eben ihre Unentscheidbarkeit ist für Brecht das Anzeichen, daß Kafka, den er für einen großen Schriftsteller hält, wie Kleist, wie Grabbe oder Büchner, ein Gescheiterter ist. Sein Ausgangspunkt ist wirklich die Parabel, das Gleichnis, das sich vor der Vernunft verantwortet und dem es deshalb, was seinen Wortlaut angeht, nicht ganz ernst sein kann. Aber diese Parabel unterliegt dann doch der Gestaltung. Sie wächst sich zu einem Roman aus. Und einen Keim zu ihm trug sie, genau betrachtet, von Haus aus in sich. Sie war niemals ganz transparent. Übrigens ist Brecht davon überzeugt, daß Kafka seine eigene Form nicht ohne den Großinquisitor von Dostojewski und jene andere parabolische Stelle in den »Brüdern Karamasoff« gefunden hätte, wo der Leichnam des heiligen Staretz zu stinken anfängt. Bei Kafka also liegt das Parabolische mit dem Visionären im Streit. Als Visionär aber hat Kafka, wie Brecht sagt, das Kommende gesehen, ohne das zu sehen was ist. Er betont, wie schon früher in Le Lavandou [s.o., S. 130] lind mir deutlicher, die prophetische Seite an seinem Werk. Kafka habe ein, nur ein einziges Problem gehabt, und das sei das der Organisation, Was ihn gepackt habe, das sei die Angst vor dem Ameisenstaat gewesen: wie sich die Menschen durch die Formen ihres Zusammenlebens sich selbst entfremden. U n d gewisse Formen dieser Entfremdung habe er vorhergesehen, wie z.B. das Verfahren der GPU. Eine Lösung aber habe er nicht gefunden und sei aus seinem Angsttraum nicht aufgewacht. Von der Genauigkeit Kafkas sagt Brecht, sie sei die eines Ungenauen, Träumenden. 5. August. Vor drei Wochen hatte ich B. meinen Aufsatz über Kafka [seil, den Essay von 1934] gegeben. Er hatte ihn wohl gelesen, war aber von sich aus nie darauf zu sprechen gekommen und hatte die beiden Male, da ich die Sprache darauf gebracht hatte, ausweichend geantwortet. Ich hatte das Manuscript schließlich stillschweigend wieder an mich genommen. Gestern abend kam er plötzlich auf diesen Aufsatz zurück. Den, etwas unvermittelten und halsbrecherischen Übergang bildete eine Bemerkung, auch ich sei nicht ganz freizusprechen vom Vorwurf einer tagebuchartigen Schriftstellerei im Stil Nietzsches. Mein Kafkaaufsatz zum Beispiel - er beschäftigte sich mit Kafka lediglich von der phänomenalen Seite - nehme das Werk als etwas für sich Ge150
wachsenes - den Mann auch - löse es aus allen Zusammenhängen - ja sogar aus dem mit dem Verfasser. Es sei eben immer wieder die Frage nach dem Wesen, auf die es bei mir herauskomme. Wie dagegen so eine Sache wohl anzufassen wäre: An Kafka müsse man mit der Frage herantreten: was tut er? wie verhält er sich? Und da vor allem zunächst mehr auf das Allgemeine sehen als das Besondere. Dann stellt sich heraus: er hat in Prag in einem schlechten Milieu von Journalisten, von wichtigtuerischen Literaten gelebt, in dieser Welt war die Literatur die Hauptrealität, wenn nicht die einzige; mit dieser Auffassungs weise hängen Kafkas Stärken und Schwächen zusammen; sein artistischer Wert, aber auch seine vielfache Nichtsnutzigkeit, Er ist ein Judenjunge - wie man auch den Begriff eines Arierjungen prägen könnte - ein dürftiges, unerfreuliches Geschöpf, eine Blase zunächst auf dem schillernden Sumpf der Kultur von Prag, sonst nichts. Aber dann gäbe es doch eben bestimmte, sehr interessante Seiten. Man könnte sie zum Vorschein bringen; man müsse sich ein Gespräch von Laotse mit dem Schüler Kafka vorstellen.Laotse sagt: »Also, Schüler Kafka, dir sind die Organisationen, Rechts- und Wirtschaftsformen, in denen du lebst, unheimlich geworden? - Ja. Du findest dich in ihnen nicht mehr zurecht. - N e i n . - Eine Aktie ist dir unheimlich? - Ja. - Und nun verlangst du nach einem Führer, an den du dich halten kannst, Schüler Kafka.« Das ist natürlich verwerflich, sagt Brecht. Ich lehne ja Kafka ab. U n d er kommt auf das Gleichnis eines chinesischen Philosophen über »die Leiden der Brauchbarkeit«. [»]Im Walde gibt es verschiedenartige Stämme, Aus den dicksten werden Schiffsbalken geschnitten; aus den weniger soliden aber immer noch ansehnlichen Stämmen macht man Kistendeckel und Sargwände; die ganz dünnen verwendet man zu Ruten; aus den verkrüppelten aber wird nichts - die entgehen den Leiden der Brauchbarkeit. In dem, was Kafka geschrieben hat, muß man sich umsehen wie in solchem Wald. Man wird dann eine Anzahl sehr brauchbarer Sachen finden. Die Bilder sind ja gut. Der Rest ist eben Geheimniskrämerei. Der ist Unfug. Man muß ihn beiseite lassen. Mit der Tiefe kommt man nicht vorwärts. Die Tiefe ist eine Dimension für sich, eben Tiefe - worin dann gar nichts zum Vorschein kommt.« Ich erkläre B. abschließend, in die Tiefe zu dringen, sei meine Art und Weise, mich zu den Antipoden zu begeben. In 151
meiner Arbeit über Kraus [s. Ges. Sehr., Bd. 2, S. 334-367] sei ich in der Tat dort herausgekommen. Ich wisse, daß die über Kafka nicht im gleichen Grad geglückt sei: den Vorwurf, so zu einer tagebuchartigcn Aufzeichnung gekommen zu sein, könnte ich nicht abwehren. In der Tat sei die Auseinandersetzung in dem Grenzraum, den Kraus und den auf andere Weise Kafka bezeichne, mir angelegen. Abschließend habe ich diesen Raum, im Falle Kafka, noch nicht erkundet. Daß da viel Schutt und Abfall stecke, viel wirkliche Geheimniskrämerei - das sei mir klar. Aber entscheidend sei doch wohl anderes und einiges davon habe meine Arbeit berührt. B.s Fragestellung müsse sich doch an der Interpretation des Einzelnen bewähren. Ich schlage »Das nächste Dorf« [in: Ein Landarzt. Kleine Erzählungen, München, Leipzig, 1919, S. 88 f.] auf. Sogleich konnte ich den Konflikt beobachten, in den B. durch diesen Vorschlag versetzt wurde. [Hanns] Eislers Feststellung, diese Geschichte sei »wertlos«, lehnte er mit Entschiedenheit ab. Auf der andern Seite aber wollte ihm ebensowenig glücken, ihren Wert kenndich zu machen. »Man müßte sie genau studieren« meinte er. Dann brach das Gespräch ab; es war zehn Uhr geworden und die Radionachrichten aus Wien kamen. 31. August. Vorgestern eine lange und erregte Debatte über meinen Kafka. Ihr Fundament: die Anschuldigung, daß er dem jüdischen Faszismus Vorschub leiste. Er vermehre und breite das Dunkel um diese Figur aus statt es zu zerteilen. Demgegenüber komme alles darauf an, Kafka zu lichten, das heißt, die praktikabeln Vorschläge zu formulieren, welche sich seinen Geschichten entnehmen ließen. Daß Vorschläge ihnen entnehmbar seien, das wäre zu vermuten und sei es nur der überlegenen Ruhe wegen, die die Haltung dieser Erzählungen ausmacht. Diese Vorschläge müsse man jedoch in der Richtung der großen allgemeinen Übelstände suchen, die der heutigen Menschheit zusetzten. Deren Abdruck in Kafkas Werk sucht Brecht aufzuweisen. Er hält sich vorwiegend an den »Prozeß«. Vor allem steckt da, wie er meint, die Angst vor dem nicht enden wollenden und unaufhaltsamen Wachstum der großen Städte. Aus eigenster Erfahrung will er den Albdruck kennen, den diese Vorstellung dem Menschen aufwälzt. Die unübersehbaren Vermittelungen, Abhängigkei152
ten, Verschachtelungen, in die die Menschen durch ihre heutigen Daseinsformen hineingeraten, finden in diesen Städten ihren Ausdruck. Sie finde[n] auf der andern Seite ihren Ausdruck in dem Verlangen nach dem »Führer« - der nämlich für den Kleinbürger den darstellt, den er - in einer Welt wo einer auf den andern verweisen kann und jeder sich ihm entzieht - haftbar für all sein Mißgeschick machen kann. Brecht nennt den »Prozeß« ein prophetisches Buch. »Was aus der Tscheka werden kann, sieht man an der Gestapo.« - K a f k a s Perspektive: die des Mannes, der unter die Räder gekommen ist. Dafür ist bezeichnend Odradek: die Sorge des Hausvaters deutet Brecht als den Hausbesorger. Dem Kleinbürger muß es schief gehen. Seine Situation ist die Kafkas. Während nun aber der heutige geläufige Typ des Kleinbürgers - der Faszist also - beschließt, angesichts dieser Lage seinen eisernen, unbezwinglichen Willen einzusetzen, widersetzt sich Kafka ihr kaum; er ist weise. Wo der Faszist mit Heroismus einsetzt, setzt er mit Fragen ein. Er fragt nach Garantien für seine Lage. Diese aber ist so beschaffen, daß die Garantien über jedes vernünftige Maß hinausgehen müssen. Es ist eine Kafkasche Ironie, daß der Mann Versicherungsbeamter war, der von nichts überzeugter erscheint als von der Hinfälligkeit sämtlicher Garantien. Übrigens ist sein uneingeschränkter Pessimismus frei von jedem tragischen Schicksalsgefühl. Denn nicht nur ist ihm die Erwartung des Mißgeschicks nicht anders als empirisch untermauert - da allerdings vollendet - sondern das Kriterium des Enderfolges legt er in unbelehrbarer Naivität an die belanglosesten und alltäglichsten Unternehmungen: den Besuch eines Geschäftsreisenden oder eine Anfrage bei der Behörde. - Das Gespräch konzentrierte sich streckenweise auf die Geschichte »Das nächste Dorf«. Brecht erklärt: sie ist ein Gegenstück zu der Geschichte von Achill und der Schildkröte, Zum nächsten Dorf kommt einer nie, wenn er den Ritt aus seinen kleinsten Teilen die Zwischenfälle nicht gerechnet - zusammensetzt. Dann ist das Leben für diesen Ritt zu kurz. Aber der Fehler steckt hier im »einer« . Denn wie der Ritt zerlegt wird, so auch der Reitende. Und wie nun die Einheit des Lebens dahin ist, so ist es auch seine Kürze. Mag es so kurz sein, wie es will. Das macht nichts, weil ein anderer als der, der ausritt, im Dorfe ankommt. - Ich für mein Teil gebe folgende Auslegung: das wahre Maß des Lebens ist die 153
Erinnerung. Sie durchläuft, rückschauend, das Leben blitzartig. So schnell wie man ein paar Seiten zurückblättert, ist sie v o m nächsten D o r f e an die Stelle gelangt, an der der Reiter den Entschluß z u m Aufbruch faßte. Wem sich das Leben in Schrift verwandelt hat, wie die Alten, die mögen diese Schrift nur rückwärts lesen. N u r so begegnen sie sich selbst, u n d nur so - auf der Flucht vor der Gegenwart - können sie es verstehen.
b. Notizen г и dem Brief vom 11. 8. 1934 an Scholem (s.o. » Brief Zeugnisse«, Nr. 18) 1} Was ist »die Welt der Offenbarung in jener Perspektive, in der sie auf ihr Nichts zurückgeführt wird« ? 2) Ich leugne den Aspekt der Offenbarung für Kafkas Welt nicht, erkenne ihn vielmehr an, indem ich sie f ü r »entstellt« erkläre. 3) Ich halte Kafkas stetes Drängen auf das Gesetz, von welchem nie etwas verlautbart, f ü r den toten Punkt seines Werkes, f ü r die Schublade des Geheimniskrämers. Gerade mit diesem Begriff will ich mich nicht einlassen. Sollte e r i n Kafkas Werk dennoch eine Funktion haben - was ich dahingestellt sein lasse - so wird auch eine Interpretation die von Bildern ausgeht - wie die meinige - auf sie führen. 4) Bitte um den offenen Brief an Schoeps, dem der Begriff einer richtig verstandenen Theologie zu entnehmen. 5) Daß eben die Schüler - »denen die Schrift abhanden gekommen ist« [s.o., S. 37,33] - nicht der hetärischen Welt angehören, ist von Beginn an von mir betont worden, indem ich gerade sie an die Spitze derjenigen Kreaturen stellte, f ü r die, nach Kafkas W o r t , »unendlich viel H o f f n u n g « vorhanden ist. 6) Ob die Schrift den Schülern abhanden gekommen ist, oder ob sie sie n u r nicht enträtseln können, k o m m t darum auf das Gleiche heraus, weil die Schrift ohne den zu ihr gehörigen Schlüssel eben nicht Schrift ist, sondern Leben. In dem Versuch einer unmittelbaren Verwandlung des Lebens in Schrift sehe ich den Sinn der »Umkehr«, auf welche Kafkas Gleichnisse, wie ich am »nächsten Dorf« und am »Kübelreitcr« ge154
zeigt habe [s.o., S. 33L u n d 3 6 f . ] , hindrängen. Sancho Pansas Dasein ist musterhaft, weil es eigentlich im Nachlesen des D o n Quichotisehen besteht. Dabei »liest« manchmal das Pferd besser als der Mensch. 7) Die auf das Benehmen der Richter gestützte Argumentation habe ich fallen lassen. Im übrigen w a r auch sie nicht gegen die Möglichkeit einer theologischen Interpretation überhaupt, sondern nur gegen deren freche H a n d h a b u n g durch die Prager gerichtet. 8) {Bitte um Bialiks Aufsatz »Hagadah und Halacha«.} 9) Das Verhältnis meiner Arbeit zu Deinem Gedicht [seil. »Mit einem Exemplar von Kafkas >ProzeßJosefine< oder in den Aufzeichnungen des Hundes. In beiden Fällen wird >Volk< dargestellt.« Das ist richtig; zu zeigen ist, wie es mit meiner Deutung der Tierwelt bei Kafka zusammenhängt. Für die »Forschungen eines Hundes« ist vielmehr Brechts »Traum des Soldaten Fewkoombey« [s. Drei Groschen Roman, Amsterdam 1934 (Epilog)] heranzuziehen, der unter Hunden das letzte halbe Jahr seines Lebens verbracht hat. 156
5) Kraft: »Jede dieser Frauen hat eine Beziehung zum Schloß, die Sie ignorieren, und wenn z.B. Frieda K. vorwirft, er frage sie nie nach ihrer Vergangenheit, so meint sie nicht >Sumpf< sondern ihr früheres Zusammenleben mit Klamm.« 6) Krafts Kommentar zu »Ein altes Blatt« einfordern. 7) Der Vergleich mit dem Schweyk [s.o., S. 36,1-3] ist vielleicht wirklich, wie Kraft behauptet, nicht akzeptabel - nämlich in dieser Kürze. Sollte man ihn nicht in eine Darlegung von Kafkas Herkunft aus Prag einsetzen? Ms 234 [Blatt] 2 8) Kraft meint, Kafkas Verhältnis zur Theosophie - wie die Tagebuchnotiz über Steiner [s.o., S. 22,11-14] es erkennen lasse - s e i eine Instanz gegen meine Auffassung. Ich kann nur finden, daß ihr Kontest einen Einblick in die Gründe gibt, aus denen Kafka scheitern mußte. 9) [Margarete] Susmans »Das Hiob-Problem bei Franz Kafka« [in: Der Morgen, Jg. 5, Berlin 1929, Heft l, p 31-49] heranzuziehen. Darin der Satz: »Kafka hat - nach einem eigenen Wort — zum erstenmal die bisher immer wenigstens zu ahnende Musik der Welt bis in alle Tiefen hinunter abgebrochen.« 10) Aus Krafts Kommentar zum »Brudermord«, das »dünne blaue Kleid« betreffend: »Blau ist sowohl die Farbe des malerischen wie des dichterischen Expressionismus. Es genügt, für die Malerei auf Franz Marc und für die Dichtung auf Georg Trakl hinzuweisen.« 11) Den Funken zwischen Prag und dem Kosmos uberspringen lassen; so das Zitat aus [A. S.] Eddington einsetzen [Das Weltbild der Physik und ein Versuch seiner philosophischen Deutung, Braunschweig 1931, p 334/35; s.o., »Briefzeugnisse«, Nr. 26] 12) »Ganz nahe dieser symbolischen . . . Diesseitigkeit steht die stille, große Erscheinung Kafkas; hier fand eine versunkene Welt oder bisher jenseitige am Leben in dieser die unheimliche Wiederkehr: sie reflektiert alte Verbote, Gesetze und Ordnungsdämonen im Grundwasser präisraelitischer Sünden und Träume, wie es im Zerfall wieder vordringt.« Ernst 157
Bloch: Erbschaft dieser Zeit Zürich 1935 p 182 13) Zu ermitteln, was ich brieflich, Kraft gegenüber, über Weisheit und Torheil bei Kafka bemerkt habe, [s.o., »Briefzeugnisse«, N r . 4] 14) Die Stellen, an denen Kafka sich »Zur Frage der Gesetze« äußert, sind zu vergleichen. Auch ist dabei zu ermitteln, ob es angängig ist, einen Unterschied /wischen »dem« Gesetz und den Gesetzen zu machen, wie Kraft das behauptet. Ob die Gesetze den toten Punkt bei Kafka darstellen? 15) Das Kapitel »Kafka als prophetischer Schriftsteller« ist vorzunehmen. [s.o., S. i3off.] 16) Zwei Briefe von Kafka an Brod in der Festschrift zu Brods 50stcm Geburtstag (Prag). 17) Näheres über Kafkas Scheitern in der Begründung eines parabolischen Schrifttums. An welchen Umständen ist er gescheitert? 18) Literatur: Festschrift zu Brods 50stem Geburtstag / [Edmond] Jaloux: Über den »Prozeß« in den Nouvelles Littéraires [1934] / [Werner] Kraft: Ein altes Blatt / Zweifel und Glauben / Aufsatz gegen Brod / [Chajim Nachman] Bialik: Hagadah und Halacha (Der Jude [IV (1919) p 61-77]) Ms 235 [Blatt] 3 19) Alter Deutungsversuch Wiesengrunds: Kafka »eine Photographie des irdischen Lebens aus der Perspektive des erlösten, von dem nichts darauf vorkommt als ein Zipfel des schwarzen Tuches, während die grauenvoll verschobene Optik des Bildes keine andere ist als die der schräg gestellten Kamera.« [Adornos] Brief [vom 17, 12. 1934; s.o., »Briefzeugnisse«, Nr. 3]) 20) »Das Verhältnis von Urgeschichte und Moderne ist noch nicht zum Begriff erhoben . . . Eine erste Leerstelle ist da . . . bei dem Lukácszitat und der Antithese von Zeitalter und Weltalter. Diese Antithese könnte nicht als bloßer Kontrast sondern selber bloß dialektisch fruchtbar werden. Ich würde sagen: daß für u n s der Begriff des Zeitalters schlechterdings unexistent ist . . . sondern bloß das Weltalter als Extrapolation der versteinten Gegenwart . . . Im Kafka . . . ist der Be158
griff des Weltalters abstrakt im Hegeischen Sinne geblieben . . . Das sagt aber nichts anderes als daß die Anamnesis - oder das »Vergessen« - der Urgeschichte bei Kafka in Ihrer Arbeit wesentlich im archaischen und nicht durchdialektisierten Sinne gedeutet ist . . . Es ist kein Zufall, daß von den . . . Anekdoten eine: nämlich Kafkas Kinderbild, o h n e Auslegung bleibt. Dessen Auslegung wäre aber einer Neutralisierung des Weltalters im Blitzlicht äquivalent. Das meint nun alle möglichen Unstimmigkeiten . . . Symptome der archaischen Befangenheit . . . Die wichtigste scheint mir die des Odradek. Denn archaisch allein ist es, ihn aus >Vorwell und Schuld« entspringen zu lassen . . . ist mit ihm nicht eben die Aufhebung des kreatürlichen Schuldverhältnisses vorbedeut e t - i s t nicht die Sorge , . . die Chiffre, ja das gewisseste Versprechen der Hoffnung, eben in der Aufhebung des Hauses? . . . so dialektisch ist Odradek, daß von ihm wirklich auch gesagt werden kann, >so gut wie nichts hat alles gut gemacht*. / Zum gleichen Komplex gehört die Stelle von Mythos und Märchen, an der . . . zu beanstanden wäre, daß das Märchen als Überlistung des Mythos auftritt oder dessen B r e c h u n g als ob die attischen Tragiker Märchendichter wären . . . und als ob nicht die Schlüsselfigur des Märchens die v o r mythische, nein die sündelose Welt wäre . . . Ì Archaisch scheint mir auch die Deutung des Naturtheaters im Ausdruck >ländliche Kirmes oder Kinderfest« - das Bild eines großstädtischen Sängerfestes der achtziger Jahre wäre gewiß wahrer, und Morgensterns >Dorfluft< war mir schon immer verdächtig. Ist Kafka kein Religionsstifter . . . so ist er gewiß auch, und in keinem Sinn, nicht ein Dichter jüdischer Heimat. Hier empfinde ich die Sätze über die Verschränkung des Deutschen und Jüdischen als ganz entscheidend.« (Brief von Wiesengrund [s. a.a.O.]) 21) »Die Delinquenten der Strafkolonie werden . . . nicht bloß auf dem Rücken sondern auf dem ganzen Leib von der Maschine beschrieben, ja es wird sogar von dem Vorgang gesprochen, wo die Maschine sie umwendet (Umwendung ist das Herz dieser Erz ählung . . . ; übrigens dürfte gerade bei dieser Erzählung, die . . . eine gewisse idealistische Abstraktheit hat . . . , der disparate Schluß nicht vergessen wer159
den mit dem Grab des alten Gouverneurs unter dem Caféhaustisch),« Brief von Wiesengrund [s. a.a.O.]) Ms 236 [Blatt] 4 22) »Die umgebundenen Flügel der Engel sind kein Manko sondern ihr >Zug< - sie, der obsolete Schein, sind die Hoffnung selber . . . Von hier aus, von der Dialektik des Scheins als vorzeitlicher Moderne scheint mir die Funktion von Theater und Geste ganz aufzugehen . . . Wollte man nach dem Grund der Geste suchen, so wäre er . . . zu suchen . . . in >ModerneVersuchsanordnung< scheint sie mir nicht zu verstehen und das einzige, was mir an der Arbeit materialfremd dünkt, ist die Hereinnähme von Kategorien des epischen Theaters . . . Kafkas Romane sind nicht Regiebücher fürs Experimentiertheater . . . Sondern sie sind die letzten, verschwindenden Verbindungstexte zum stummen Film (der nicht umsonst fast genau gleichzeitig mit Kafkas Tod verschwand); die Zweideutigkeit der Geste ist die zwischen dem Versinken in Stummheit . . . und dem Sicherheben aus ihr in Musik - so ist wohl das wichtigste Stück zur Konstellation Geste - Tier - Musik die Darstellung der stumm musizierenden Hundegruppe . . . , die ich nicht zögern möchte, dem Sancho Pansa an die Seite zu stellen.« (Brief von Wiesengrund [s. a.a.O.]) 23) »Daher gehört zur Konzeption der Welt als des >Theaters< der Erlösung, in der sprachlosen Übernahme des Wortes, konstitutiv hinzu, daß Kafkas Kunstform . . . zur theatralischen in der äußersten Antithese steht und Roman ist.« (Brief von Wiesengrund [s. a.a.O.]) 24) Im »Prozeß« steckt vor allem, wie Brecht meint, die Angst vor dem nicbtendenwollenden und unaufhaltsamen Wachstum der großen Städte. Aus eigenster Erfahrung will er den Albdruck kennen, den diese Vorstellung dem Menschen aufwälzt. Die unübersehbaren Vermittelungen, Abhängigkeiten, Verschachtlungen, in die die Menschen hineingeraten sind, finden in diesen Städten ihren Ausdruck. So findet aber auch die Reaktion auf sie den Ausdruck - in dem Verlangen
nach dem »Führer« nämlich, der für den Kleinbürger den darstellt, den er in einer Welt, wo jeder auf den andern verweisen und der Verantwortung sich entziehen kann, haftbar für ail sem Mißgeschick macht. Kafka, sagt Brecht, habe ein, und nur ein, Problem gehabt: das sei das der Organisation gewesen. Was ihn gepackt habe, das sei die Angst vor dem Ameisenstaat: wie sich die Menschen durch die Formen ihres Zusammenlebens sich selbst entfremden. Gewisse Formen dieser Entfremdung habe er vorhergesehen, wie z.B. das Verfahren der G P U . Daher sei der »Prozeß« ein prophetisches Buch, [s.o., »Gespräche mit Brecht« 6. Juli und 31. August)] 25) »Das nächste Dorf«. Brecht: Diese Geschichte ist ein Gegenstück zu der von Achill und der Schildkröte. Zum nächsten Dorf kommt einer nie, wenn er den Ritt aus seinen kleinsten Teilen - die Zwischenfälle nicht gerechnet - zusammensetzt. Dann ist das Leben für diesen Ritt zu kurz. Aber der Fehler steckt im »einer«, Denn wie der Ritt zerlegt wird, so auch der Reitende. Und wie nun die Einheit des Lebens dahin ist, so ist es auch seine Kürze. Mag es so kurz sein, wie es will, das macht nichts, weil ein anderer als der, der ausritt, im Dorfe ankommt, [s. a.a.O. (31. August)] Ms 237 [Blatt] 5 26) Brecht geht von der Fiktion aus, Konfizius habe eine Tragödie oder Lenin habe einen Roman geschrieben. Man würde das als unstatthaft empfinden, erklärt er, und als ein ihrer nicht würdiges Verhalten. »Nehmen Sie an, Sie lesen einen ausgezeichneten politischen Roman und erfahren nachher, daß er von Lenin ist; Sie werden Ihre Meinung über beide ändern, und zu ungunsten beider. Konfuzius hätte auch kein Stück von Euripides schreiben dürfen - man hätte das als unwürdig angesehen. Nicht aber sind das seine Gleichnisse.« Kurz, dies läuft auf eine Unterscheidung zweier literarischer Typen hinaus: des {Visionare} [darüber: Begeisterten], welchem es ernst ist [darüber: dem die Würde (?)], auf der einen und des Besonnenen, dem es nicht ganz ernst ist, auf der anderen Seite. Welchem von beiden Typen gehört Kafka zu? 161
Die Frage läßt sich nicht entscheiden. U n d ihre Unentscheidbarkeit ist das Anzeichen, daß Kafka wie Kleist, wie Grabbe oder Büchner, ein Gescheiterter ist. Sein Ausgangspunkt ist die Parabel, das Gleichnis, das sich vor der Vernunft verantwortet und dem es deshalb, was seine Geschichte angeht, nicht ganz ernst sein kann. Aber diese Parabel unterliegt dann doch der Gestaltung. Sie wächst sich zu einem Roman aus. Und einen Keim dazu trug sie, genau besehen, von Haus aus in sich. Sie war niemals ganz transparent. Übrigens ist Brecht überzeugt, daß Kafka seine eigene Form nicht ohne den »Großinquisitor« und jene andere parabolische Stelle in den »Brüdern Karamasoff« gefunden hätte, wo der Leichnam des Staretz zu stinken anfängt. Bei Kafka also liegt das Parabolische mit dem Visionären in Streit. Als Visionär aber hat Kafka, wie Brecht sagt, das Kommende gesehen, ohne das zu sehen, was ist. [s. a.a.O. (6. Juli)] 27) Brecht: An Kafka müsse man mit der Frage herantreten: was tut er? wie verhält er sich? U n d da vor allem zunächst mehr auf das Allgemeine sehen als das Besondere, dann stellt sich heraus : er hat in Prag in einem schlechten Milieu von J ournaIisten, von wichtigtuerischen Literaten gelebt; in dieser Welt war die Literatur die Hauptrealität, wenn nicht die einzige. Damit hängen Kafkas Stärken und Schwächen zusammen: sein artistischer Wert, aber auch seine vielfache Nichtsnutzigkeit. Er ist ein Judenjunge - man könnte auch den Begriff eines Arierjungen prägen — ein dürftiges unerfreuliches Geschöpf, eine Blase - zunächst - auf dem schillernden Sumpf der Kultur von Prag. Aber dann gäbe es doch bestimmte, sehr interessante Seiten. Alles komme darauf an, Kafka zu lichten, das heißt, die praktikablen Vorschläge zu formulieren, welche sich seinen Geschichten entnehmen lassen. Daß Vorschläge ihnen zu entnehmen seien, sei zu vermuten, und sei es nur der überlegnen Ruhe wegen, die die Haltung dieser Erzählungen ausmacht. Diese Vorschläge müsse man in der Richtung der großen, allgemeinen Ubelstände suchen, die der heutigen Menschheit zusetzten, [s. a.a.O. (5. August)] Ms 238
[Blatt] 6 28) Brecht: Man müsse sich ein Gcspräch von Laotse mit dem Schüler Kafka vorstellen. Laotse: Also, Schüler Kafka, dir sind die großen Organisations- und Wirtschaftsformen, in denen du lebst, unheimlich geworden? - Kafka: Ja. - Laotse: Du findest dich in ihnen nicht mehr zurecht? - Kafka: Nein. - Laotse: Eine Aktie ist dir unheimlich? - Kafka: Ja. - Laotse: Und nun verlangst du nach einem Führer, an den du dich halten kannst, Schüler Kafka. - Brecht, fortfahrend: »Das ist natürlich verwerflich. Ich lehne ja Kafka ab. Die Bilder sind gut. Der Rest ist aber Geheimniskrämerei. Der ist Unfug. Man muß ihn beiseite lassen.« [s. a.a.O.] 29) »Das nächste Dorf« Meine Auslegung: Das wahre Maß des Lebens ist die Erinnerung. Sie durchläuft, rückschauend, das Leben blitzartig. So schnell wie man ein paar Seiten zurückblättert, ist sie vom nächsten Dorf an die Stelle gelangt, von der der Reiter den Entschluß zum Aufbruch faßte. Wem sich das Leben in Schrift verwandelt hat, wie den Alten, die mögen diese Schrift nur rückwärts lesen. N u r so begegnen sie sich selbst und nur so - auf der Flucht vor der Gegenwart können sie es verstehen, [s. a.a.O. (31. August)] 30) An welcher Stelle handelt Freud von dem Zusammenhang zwischen Reiten und Vaterimago? 3t) Brecht: Kafkas Genauigkeit sei die eines Ungenauen, Träumenden. [s. a.a.O. (6, Juli)] 32) »Die Sorge des Hausvaters«, Odradek, deutet Brecht als den Hausbesorger, [s. a.a.O. (31. August)] 33) Die Lage Kafkas ist die hoffnungslose des Kleinbürgers. Während aber der geläufige Typ des Kleinbürgers - der Faschist - beschließt, angesichts dieser Lage seinen eisernen, unbezwinglichen Willen einzusetzen, widersetzt sich Kafka ihr nicht. Er ist weise. Wo der Faschist den Heroismus einsetzt, setzt Kafka mit Fragen ein. Er fragt nach den Garantien für seine Existenz. Diese aber ist so beschaffen, daß deren Garantien über jedes erdenkliche Maß hinausgehen müßten. Es ist eine Kafkasche Ironie, daß d e r Mann Versicherungsbeamter war, der von nichts überzeugter erscheint als von der Hinfälligkeit sämtlicher Garantien. - Die Hinfälligkeit der eigenen Lage bedingt für Kafka die seiner sämtlichen At163
tribute, einschließlich des Menschsems. Wie ist dem Kanzlisten zu helfen? Das ist der Ausgangspunkt von Kafkas Frage. Die Antwort aber lautet nach einem Umweg über die Fragwürdigkeit des Daseins überhaupt: dem Kanzlisten ist nicht zu helfen, weil er ein Mensch ist. [s. a.a.O.] 34) Während der Lehrgehalt von Kafkas Stücken in der Form der Parabel zum Vorschein kommt, bekundet ihr symbolischer Gehalt sich im Gestus. Die eigentliche Antinomie von Kafkas Werk liegt im Verhältnis von Gleichnis und Symbol beschlossen. 35) Das Verhältnis von Vergessen und Erinnern ist in der Tat wie Wiesengrund sagt [s. Adornos Brief, »Briefzeugnisse«, N r . 3] - zentral und bedarf der Behandlung. Sie ist in besonderer Rücksicht auf »Jenseits des Lustprinzips«, vielleicht auch auf [Bergsons] »Matière et mémoire« durchzuführen. Die dialektische Aufklärung Kafkas müßte an ihr einen, besonderen Stützpunkt haben. (Die Erwähnung von Haas ließe sich so vermeiden [?]) Ms 239 [Blau] 7 36) Es sind drei grundlegende Schemata einzuführen: Archaik und Moderne - Symbol und Gleichnis - Erinnern und Vergessen. 37) In einer Tagebuchnotiz denkt Hebbel sich einen Mann, der das Geschick hat, sich nichtsahnend und immer wieder als Zeuge auf dem Schauplatze von Katastrophen einzufinden. Er wird ihrer aber nicht unmittelbar gewahr sondern trifft nur auf ihre Folgen: eine gestörte Tischgesellschaft, ungemachte Betten, Zugluft im Treppenhause u.s.w. U n d immer nimmt er ernsten Anstoß an diesen Zwischenfällen ohne ihre Ursachen im entferntesten zu ahnen. Kafka gliche nun einem Mann, für welchen diese Zwischenfälle selbst die Katastrophen wären. Eine Niedergeschlagenheit, die es mit der des Predigers Salomo aufnehmen könnte, kommt bei ihm auf der Basis der Pedanterie zustande. 38) Der Tonfilm als Grenze für die Welt Kafkas und Chaplins. 39) Was Kafka als »Relikt« der Schrift angesehen haben würde, 164
bezeichne ich (p 15 [seil, der zweiten Essay-Fassung; s.o., S. 20,13f.]) als ihren »Vorläufer«; was Kafka als »vorweltliche Gewalten« betrachtet haben mag, bezeichne ich (p 23 [seil. a.a.O.; s.o., S. 26,39-27,3]) ab »weltliche unserer Tage«. 40) Kafkas Romanform als Zerfallsprodukt von Erzählung. 41) Der »Prozeß« ist selbstverständlich ein mißglücktes Werk. Er stellt die ungeheuerliche Mischung zwischen einem mystischen und einem satirischen Buch dar. So tief nun die Entsprechungen dieser beiden Elemente sein können - der mächtige Strom von Blasphemie, der durch das Mittelalter geht, beweist es - so dürften sie sich noch nie in einem Werke vereinigt haben, das den Stempel seines Mißlingens nicht auf der Stirn trägt. 42) Schematisch gesprochen stellt Kafkas Werk eines der sehr wenigen Verbindungsglieder zwischen Expressionismus und Surrealismus dar, 43) Im »Odradek« das Haus als Gefängnis. 44) Für die Parabel ist der Stoff nur Ballast, den sie abwirft, um in die Höhe der Betrachtung zu steigen. Ms 240
b. Entwürfe, Einschübe, Notizen zu einer Umarbeitung des Essays Probedispositionen zur Umarbeitung {Anschließend an das Zitat aus dem Großinquisitor [s.o., S. 22,10] der letzte Absatz des zweiten Kapitels [s.o., S. 24,8-25,2]} {Den zweiten Teil der Darstellung des Naturtheaters von Oklahoma [s.o., S. 22,31-23,28] unmittelbar an den ersten an-
schließen [s.o., S, 17,9-39]} Anschließend an die Hypothese vom »Prozeß« als einer »entfalteten Parabel« [s.o., S. 20,14]: »Nun hat der >Prozeß< in der Tat eine Seite, die sich an das Parabolische anschließt, nämlich seine satirische.« Anschließend an die Stelle über »die Motive der klassischen Satire auf die Justiz« [s.u., Ms 243]: »Es treten nun freilich zu 165
diesen Motiven bei Kafka andere - Motive, bei denen, wie m an mit vielem Recht sagen kann - der Scherz, und sei es der bitterste - für ihn aufhört.« Das ist der Alb der großen Städte, das Preisgegebensein des Individuums in der heutigen Gesellschaft - kurz »die Organisation des Lebens und der Arbeit in der menschlichen Gemeinschaft.« [s.o., S. 20,33f.] {Anschließend an das Metschnikoffzitat »deren Plan sehr oft einem gewöhnlichen Menschen unverständlich bleibt« [s.o., S. 21,38]: »Er war es bestimmt für Kafka und dieser Unverständlichkeit hat er auf ungeheuer nachdrückliche Weise in seinem Werk Ausdruck gegeben. Es gibt eine ganze große Provinz seines Werkes, deren Vorhandensein nur so zu erklären, wenn auch damit allein noch nicht hinreichend zu deuten ist. Diese Provinz ist der Gestus.« »Kafkas ganzes Werk stellt nämlich einen Kodex von Gesten dar.«} [am Rand:] er hat das Rätselhafte und Unverständliche forciert und scheint manchmal nicht fern, mit dem Großinquisitor zu sagen: [s.o., S. 22,2-10] MS241 Der stumme Film war eine ganz kurze Atempause in diesem Prozeß. Indem er die menschliche Sprache auf ihre geläufigste Dimension zu verzichten zwang, konnte er mit ihr in der des Ausdrucks eine ungeheure Verdichtung vornehmen. Von dieser Möglichkeit hat niemand mehr als Chaplin Gebrauch gemacht; auch konnte es ihm niemand nachtun, der nicht die Selbstentfremdung des Menschen in diesem Zeitalter so tief empfand, daß ihm der stumme Film, zu dem man sich den Verbindungstext noch selber ausdenken darf, als eine Gnadenfrist erschienen wäre. Diese Gnadenfrist hat auch Kafka benutzt, der zu gleicher Zeit wie der stumme Film von der Szene abtrat und dessen Prosa man in der Tat die letzten Verbindungstexte zum stummen Film nennen kann, [s.o., » D o s s i e r . . N r . 22) und 38)] Parabel Märchen für Dialektiker Parabel Befreiungsmotiv im Odradek • Märchen und Erlösung Die Erlösung und die Weltalter Märchen Satire Das schwebende Märchen und die Erlösung Ms 242 166
In die Nachbarschaft dieses |P]arabolischcn gehört das, was man als das satirische Element bei Kafka bezeichnen könnte. Denn es ist ein Satiriker an Kafka verloren gegangen. U n d es wäre auch schwer vorstellbar, daß ein Autor so sehr wie Kafka sich mit der Bürokratie befaßt hätte, ohne auf die Seiten seines Gegenstandes zu geraten, die die Satire herausfordern. In » Amerika« stößt man auf ganz andere Motive, die einer satirischen Behandlung, obwohl sie sie weniger nahelegen, nicht fern stehen. Man denke an die groteske Darstellung der Hörigkeit, in der sich . , . [Delamarche] von Bruneida befindet. So gewiß es nun ein ungeheuerliches Mißverständnis wäre Kafka als einen Satiriker darzustellen [ . . . ] , so unangebracht ist es, aus einer metaphysischen Affektation an den satirischen Motiven vorüberzugehen, wo sie [sich] so häufen wie im »Prozeß«. In diesem Buchc ist eine Satire gleichsam erstickt worden. Der schleppende Gang dieser Rechtspflege, die Bestechlichkeit ihrer Diener, die weltfremde Art ihrer Fragestellung, die Unverständlichkeit ihrer Urteile, die Unsicherheit der Exekutive - das sind Motive im »Prozeß«, es sind aber auch die Motive der klassischen Satire auf die Justiz von . . . bis Dikkens. {Bei Kafka kommt diese Satire nicht zum Durchbruch, denn so wie in der Parabel - die vom Türhüter zeigt es klar - die wolkige Stelle steckt, die dem Gleichnis seinen Gleichnischaraktcr nimmt, um es zum Symbol zu erheben, so steckt in der Satirc die Mystik. Der Prozeß ist in der Tat ein Zwitter aus Satire und Mystik. So tief nun die Entsprechungen dieser beiden Elemente sein können - so haben sie wohl nur eine vollkommene Form der Vereinigung und das ist die Blasphemie. Das letzte Kapitel des Buches hat auch wirklich etwas von ihrem Geruch. Aber weder konnte noch sollte sie die Grundlage dieses Romans abgeben, dem sein Mißlingen an der Stirn geschrieben stand.} Dies ist vielleicht die blasphem[isch]e Pointe des Prozesses: Gott selbst, der am Menschen durch das Leben, das er ihm zuweist, seine Vergeßlichkeit straft, hindert ihn durch diesen Strafprozeß, sich zu erinnern. Das denkwürdigste Aber eben damit Zeugnis dieses Mißimgens war dieses Buch an ist der Prozeß: ein Zwitter seine Grenze gelangt, aus Satire und Mystik. ohne seinen Abschluß gefunden zu haben. 167
[Rückseite:] Die Anstrengung des Träumenden, der seinen kleinen Finger bewegen will und der wirklich, wenn ihm dies gelänge, erwachen würde. Ms 243 Geplante Einschübe
[Rückseite: Variante zum vorletzten Einschub; s.o.] {Aber er war nicht nur das. / Man nehme an, Laotse habe einen Roman oder Konfuzius eine Tragödie geschrieben. Man würde das als unstatthaft empfinden und als ein ihrer nicht ganz würdiges Verhalten. Cäsar hätte auch keinen Roman schreiben dürfen}
[im Text des Hssays anzuschließen an Paraboliker, s.o., S. 24,7:] Aber er war nicht nur das. / Man nehme an, I,aotse habe eine Tragödie geschrieben. Man würde das als unstatthaft empfinden und als ein seiner nicht ganz würdiges Verhalten. Der Prediger Salomo hätte auch keinen Roman schreiben d ü r f e n - m a n hätte das als unziemlich angesehen. Dies läuft auf die Unterscheidung zweier literarischer Typen heraus: des Begeisterten, dem es mit seinen Gesichten ernst ist, und des Besonnenen, dem es mit seinen Gleichnissen nicht ganz ernst ist. Welchem von beiden Typen gehört Kafka an? Die Frage läßt sich nicht klar entscheiden. Und ihre Unentscheidbarkeit deutet an, daß Kafka, wie Kleist, wie Grabbe oder Büchner, ein Unvollendeter bleiben mußte. Sein Ausgangspunkt ist die Parabel gewesen, das Gleichnis, das sich vor der Vernunft verantwortet, und das deshalb, was seine Fabel betrifft, nicht ganz ernst sein kann. Aber was geht mit dieser Parabel vor? [s.o., Ms 238,26)] Man denke an die berühmte »Vor dem Gesetz«. Der Leser, der ihr im »Landarzt« . . . [fortzusetzen im Essay S. 20,7]
Ms 244
[im Essay anzuschließen a n « / . « , s.o., S. 31,20:] Man hat den Hausbesorger in ihm sehen wollen. Das trifft so schlecht, aber doch auch so gut wie der Hinweis auf die satirischen Momente aus dem »Prozeß«. Vielleicht erscheint jener dem Mieter wirklich »sinnlos, aber in seiner Art abgeschlossen«. Vielleicht hat der letztere auch wirklich, wenn er »aus der Tür tritt und er lehnt gerade unten am Treppengeländer, . . . Lust, ihn anzusprechen«. Aber dann will doch auch bedacht sein, daß Odradek die gleichen Orte bevorzugt, wie das Gericht, das doch bekanntlich in den Bodenkammern die Sitzungen abhält, in denen es sich mit der Schuld befaßt. Die Böden sind der Ort der ausrangierten... [fortzusetzen S. 31,22] 168
[im Essay anzuschließen anist., s.o., S. 28,2:] Das denkwürdigste Zeugnis dieses Mißlingens ist der »Prozeß«, ein Zwitter aus Satire und Mystik, So tief nun die Entsprechungen dieser beiden Elemente sein können, so haben sie wohl nur eine vollkommene Form der Vereinigung, und das ist die Blasphemie. Das letzte Kapitel des Buches steht in der Tat in ihrem Geruch. Aber eben damit war es an seine Grenze gelangt, ohne seinen Abschluß gefunden zu haben. / »Es war als sollte die Scham . . . [fortzusetzen S. 28,4] [im Essay anzuschließen an werden., s.o., S. 23,18:] betroffen werden. / Eine entfaltete Parabel nannten wir den »Prozeß«. Das Wort »entfaltet« . . . [fortzusetzen S. 20,14 bis S. 2 0 , 2 2 ] . . . Dichtung ähnlich. Sie sind Gleichnisse und sie sind doch mehr. Sie legen sich der Lehre nicht schlicht zu Füßen, wie die Hagadah sich der Halacha zu Füßen legt. Sie bäumen sich und heben unversehens eine gewichtige Tatze gegen sie. Kafka scheint manchmal nicht weit entfernt, mit D o stojewskis . , . [fortzusetzen S. 22,3 bis S. 22,10] . . . ihr Gewissen.« So steht Kafkas gesamtes Werk im Zeichen des Gegensatzes zwischen dem Mystiker und dem Paraboliker, der Geberdensprache und der Sprache der Unterweisung, dem Visionär und dem Weisen. Eines Gegensatzes, der eine Verschränkung ist. Kafka hat sie empfunden und in einem seiner merkwürdigsten, aber auch schwierigsten Stücke zu vertreten gesucht. Es heißt »Von den Gleichnissen« und beginnt mit einem Vorwurf gegen »die Worte der Weisen«, die »immer wieder nur Gleichnisse seien, aber unverwendbar im täglichen Leben«. »Wenn der Weise sagt: >Gehe hinüber«, so meint er nicht, daß man auf die andere Seite hinübergehen solle, was man immerhin noch leisten könnte, . . . sondern er meint ir16g
gendein sagenhaftes Drüben, etwas, das wir nicht kennen, das auch von ihm nicht näher zu bezeichnen ist und das uns also hier gar nichts helfen kann.« Ein anderer aber nimmt sich der Sache der Weisen an und fragt: »Warum wehrt ihr euch? Würdet ihr den Gleichnissen folgen, dann wäret ihr selbst Gleichnisse geworden und damit schon der täglichen Mühe frei.« Damit ist die kleine Untersuchung im Grunde beendet, und die anschließende Kontroverse hält den Leser zunächst nur ab, in den zitierten Hauptsatz sich zu vertiefen, ohne den er sie nicht verstehen kann. Dieser Hauptsatz mag am zutreffendsten aus der Anschauungswelt der Chinesen erläutert werden. Sie erzählen neben manchen andern Geschichten zur Magic der Malerei auch die folgende, von einem großen Maler: Er bat seine Freunde in die Kammer, an deren Wand das letzte Bild seiner Hand, die Vollendung langen Bemühens und der Malerei überhaupt hing. Die Freunde, die das Bild bewunderten, wandten sich, um ihn zu beglückwünschen, nach dem Meister um. Den fanden sie nicht, wie sie sich aber nochmals dem Bilde zuwandten, da winkte ihnen daraus der Meister zurück, der eben im Begriffe stand, in der Tür eines gemalten Pavillons zu verschwinden. Er war, um mit Kafka zu reden, selbst Gleichnis geworden. Eben damit aber hatte sein Bild magischen Charakter erlangt und war keins mehr. Sein Schicksal teilt Kafkas Welt. / Betrachten wir das Dorf, das am Fuße . . . [fortzusetzen S. 24,8] Ms 245 [im Essay anzuschließen an sehn.*, s.o., S. 19,11:] Es gibt im Traum eine bestimmte Zone, in der der Alb beginnt. An der Schwelle dieser Zone führt der Träumende alle seine körperlichen Innervationen in den Kampf, um dem Alb zu entgehen. Es entscheidet sich aber erst im Kampfe, ob diese Innervationen zu seiner Befreiung ausschlagen oder im Gegenteil den Alb noch drückender machen. Im letzten Fall sind sie dann nicht Reflex der Befreiung sondern der Unterwerfung. Es gibt keine Geberde bei Kafka, die nicht von dieser Zweideutigkeit vor der Entscheidung betroffen würde. / Wenn Max Brod sagt . . . [fortzusetzen S. 19,12] 170
[im Essay anzuschließen an nehmen,, s.o., S. 20,4:] Solche Gesten stellen einen Versuch dar, durch Nachahmung die Unvcrständlichkeit des Weltlaufs gegenstandslos oder seine Gegenstandslosigkeit verständlich zu machen. Die Tiere waren für Kafka da vorbildlich. Man kann seine Geschichten von ihnen auf eine gute Strecke lesen, ohne überhaupt wahrzunehmen, daß es sich gar nicht um Menschen handelt. Vielleicht hieß ihm Tiersein nur, aus einer Art von Scham auf das Menschsein verzichtet haben - so wie ein vornehmer Herr, der in eine Kneipe gerät, aus Scham darauf verzichtet, sein Glas auszuwischen. / »Ich ahmte nach,« sagt in seinem »Bericht für eine Akademie« der Affe, »weil ich einen Ausweg suchte, aus keinem andern Grund.« Dieser Satz enthält aber auch den Schlüssel für den Stand der Schauspieler auf dem Naturtheater. »Gleich hier« sind sie zu beglückwünschen, denn sie dürfen sich spielen, sie sind befreit von der Nachahmung. Wenn es bei Kafka etwas wie einen Gegensatz zwischen Verdammnis und Seligkeit gibt, so hat man ihn nicht in einer Entsprechung verschiedner Werke zu suchen - wie man es hinsichtlich des »Prozesses« und des »Schlosses« getan hat - sondern allein in dem Gegensatz zwischen Welt- und Naturtheater. K. scheint vor dem Ende seines Prozesses eine Ahnung . . . [fortzusetzen S. 23,10] [im Essay anzuschließen an Kafka, s.o., S. 24,31:] Die Luft von diesem Dorf weht bei Kafka; in ihr haben seine Menschen geatmet; ihre Geberden sprechen den versunkenen Dialekt dieser Gegend, der bei Kafka genau zu der gleichen Zeit zum Vorschein gekommen ist wie die ihr so überaus ähnlichen bayrischen Glasbilder, die die Expressionisten damals im Erzgebirge und rundum entdeckt haben. Zu diesem Dorf gehört . . . [fortzusetzen S. 24,32] Ms 246 [im Essay anzuschließen an Gefühls.«, s.o., S. 18,10:] An diese Reinheit des Gefühls appelliert Oklahoma. Der Name »Naturtheater« versteckt nämlich einen Doppclsinn. Sein geheimer besagt: auf diesem Theater treten die Leute ihrer Natur nach auf. Die schauspielerische Eignung, an die man 171
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zuerst denken sollte, spielt nämlich gar keine Rolle. Man kann das aber auch so . . . [fortzusetzen S. 22,37 bis S. 22,39^] . . . Möglichkeit aus. Und hier erinnern wir uns jener verspieltesten Figuren Kafkas, die in der bürgerlichen Gesellschaft gar nichts Seriöses vorstellen wollen und für die unendlich viel Hoffnung vorhanden ist. Das sind die Gehilfen. Solche, nicht mehr als sie, sind wir alle auf dem Naturtheater: Gehilfen eines Spiels, welches freilich auf eine merkwürdige und von Kafka nur ganz unbestimmt behandelte Art an den Vorgang einer Entscheidung gebunden ist. Findet er doch auf einer Rennbahn statt. Vieles scheint darauf hinzudeuten, daß es sich bei diesem Spiel um die Erlösung handelt. / An einer langen . . . [fortzusetzen S. 23,19] [im Essay anzuschließen an Fatum., s.o., S. 21,19:] Sie ist die wolkige Stelle in seinem Weltbild; die Stelle, wo es aufhört, durchsichtig zu sein. Mctschnikoff, der . . . [fortzusetzen S. 21,19]
[Rückseite:] Man kann förmlich erklären: das Verfahren der Odyssee ist das Urbild der Mythenbehandlung Kafkas. In der Gestalt des vielbewanderten und verschlagnen, nie um Rat verlegnen Odysseus meldet, im Angesicht des Mythos, die naive schuldund sündlose Kreatur ihr Recht auf die Wirklichkeit wieder an. Ein Anrecht, das im Märchen verbrieft und ursprünglicher ist als die mythische »Rechtsordnung«, mögen auch seine literarischen Zeugnisse jünger sein. Was die Rolle der Griechen im Abendland unvergleichlich macht, das ist die Auseinandersetzung mit dem Mythos, die sie auf sich genommen haben. Diese aber vollzog sich zwiefach. Während den Heroen der Tragiker am Ende ihrer Passion die Erlösung aufging, ist doch gerade der göttliche Dulder der Epik - Odysseus - mehr noch als im Erleiden ein Muster in dem Vereiteln des Tragischen. Und er ist ein Lehrmeister Kafkas gerade in dieser letzten Rolle gewesen, wie die Geschichte von den Sirenen zeigt. Ms 247
[im Essay anzuschließen an auf., s.o., S. 22,2:] Er hat sie auf ungeheuer nachdrückliche Weise in seinem Werk zu ihrem Recht kommen lassen. Er hat das Rätselhafte und Unverständliche darin forciert und scheint manchmal nicht weit entfernt, mit Dostojewskis Großinquisitor zu sagen: »So haben wir . . . [fortzusetzen S. 22,4 bis S. 22,10] . .. Gewissen.« Eine gewisse, sehr wichtige Perspektive von Kafkas Werk tut sich überhaupt nur von diesem Gesichtspunkt aus auf, wenn er auch keineswegs ausreicht, sie zu ergründen. Es ist die Perspektive des Gestus. Eine große Anzahl der Geschichten und Romanepisoden erhalten erst in ihr das gebührende Licht. Freilich hat es mit diesem Gestus seine ganz besondere Bewandtnis. Er entstammt nämlich Träumen. Es gibt im Traum . . . (1 [s.o., Einschub Ms 246, 1. Stück]) . . . die nicht von dieser Zweideutigkeit vor der Entscheidung betroffen würde. Sie erhält dadurch etwas ungeheuer Dramatisches. In einem unveröffentlichten Kommentar zum »Brudermord« hat Werner Kraft diesen dramatischen Charakter zu klarem Ausdruck gebracht. »Das Spiel . . . [fortzusetzen S. 18,29]
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[im Essay anzuschließen an darstellt, s.o., S. 18,21:] von Gesten darstellt, die immer wieder neu vom Verfasser inszeniert und beschriftet werden, ohne ihren symbolischen Gehalt einer bestimmten Stelle auszuliefern, (ań den Begriff der Beschriftung ist später bei Bezugnahme auf den stummen Film anzuschließen) [im Essay anzuschließen an Gefühls.«-, s.o., S, 18,10:] vielleicht ist diese Reinheit des Gefühls am unverwechselbarsten in Geberden [im Essay anzuschließen an solcher, s.o., S. 18,25:] solcher Veranstaltungen [dazu s.o., Brief von Adorno vom 17. 12. 1934, S. 105] [im Essay anzuschließen an echte., s.o., S. 23,28:] vielleicht echtc. Man möchte sagen: es ist Kafka eben, mit diesem Kunstgriff, noch geglückt, das zu verhüten. Echte Engel auf seinem Bild der Erlösung hätten es zu einem falschen gc173
m a c h t , (vgl. W i e s e n g r u n d : » D i e u m g e b u n d e n e n F l ü g e l d e r E n g e l s i n d kein M a n k o s o n d e r n i h r >Zug< - sie, d e r o b s o l e t e Schein, sind d i e H o f f n u n g selber u n d k e i n e a n d e r e gibt e s als diese.« [ s . o . , Brief v o n A d o r n o , a . a . O . ] ) M s 248 Z u r A n a l y s e d e r e i g e n t ü m l i c h e n H u m a n i t ä t K a f k a s ist d e r V e r gleich z w i s c h e n L a u t r é a m o n t u n d K a f k a h e r a n z u z i e h e n , d e n G a s t o n B a c h e l a r d : L a u t r é a m o n t Paris 1939 p 14/22 d u r c h f ü h r t . »Le m i e u x est d e c o m p a r e r L a u t r é a m o n t à u n a u t e u r c o m m e K a f k a , q u i vit d a n s u n t e m p s q u i m e u r t . C h e z l ' a u t e u r a l l e m a n d i l s e m b l e q u e l a m é t a m o r p h o s e soit t o u j o u r s u n m a l h e u r . . u n e n l a i d i s s e m e n t . . . . A n o t r e avis K a f k a s o u f f r e d ' u n c o m p l e x e d e L a u t r é a m o n t négatif, n o c t u r n e , n o i r . E t c e q u i p r o u v e p e u t - ê t r e l ' i n t é r ê t d e n o s r e c h e r c h e s s u r l a vitesse p o é t i q u e . . . c ' e s t q u e l a m é t a m o r p h o s e d e K a f k a a p p a r a î t n e t t e m e n t c o m m e u n étrange r a l e n t i s s e m e n t de la vie et de l ' a c t i o n . « p 15/16 D i e g e s a m t e A u s f ü h r u n g ist z u b e r ü c k s i c h t i g e n . M s 254
Editorische Notiz
Dieser Band dokumentiert die über ein Jahrzehnt sich erstreckende Befassung Benjamins mit Kafka in ihren Facetten. Er versammelt die abgeschlossenen Texte, die brieflichen Äußerungen und einen erheblichen Teil aus Hunderten von Aufzeichnungen, in denen solche Befassung Gestalt annahm. Der Rang dieser Zeugnisse - Ausdruck subtiler, die säkulare Bedeutung des Dichters erspürender Auslegung - ist, heute wie ehedem, unbestreitbar. Das allei ri rechtfertigt die Zusammenfassung der p u blikatorisch verstreuten Manifestationen Benjaimnscher Kafka-Interpretation, die Winfried Menninghaus initiierte und deren Anordnung er mitentwarf. Der Band stellt - e r s t e n s - die abgeschlossenen Texte nach Gewicht und Anlaß zusammen: voran den großen Essay von 1934 und den Vortrag von 1931, dahinter die Kafka mittelbar betreffenden Arbeiten zu Brod, die kleine Polemik von 1929 und die Kritik von 1938, Die abgedruckten Texte sind die von Hella Tiedemann-Bartels, Tülman Rexroth und vom Herausgeber für die Gesammelten Schriften seinerzeit kritisch revidierten; die Einzelnachweise finden sich im Anhang zum Textteil (s.o., S. 53 ff.), wo ferner knappe Hinweise auf Entstchungszeiten und Erstveröffentlichungen erfolgen sowie die Fundstellen der Benjaminschen Zitate verzeichnet werden. Die Prinzipien der Textherstellung und -revision sind dargelegt im »Editorischen Bericht« der Ausgabe Walter Benjamin, Gesammelte Schriften. Unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser (s. Band I, Frankfurt a.M. 1974, S. 749ft ). Die hier zugrundegelegten textkritischen Apparate, Daten zur Entstehungsgeschichte und - wo vorhanden - Paralipomena zu den einzelnen Arbeiten finden sich in den Bänden II (zu Franz Kafka. Zttr zehnten Wiederkehr seines Todestages : S. 1153 ff. ; zu Franz Kafka: Beim Bau der Chinesischen Matter : S. i458ff.), IV (zu Kavaliersmoral-. S. 1032) und III (zu Max Brod: Eine Biographie. Prag 1937: S. 686ff.) dieser Ausgabe. Es folgt - z w e i t e n s - d i e Zusammenstellung der brieflichen Äußerungen Benjamins über Kafka in der derzeit erreichbaren Vollständigkeit und nach ausschließlich oder überwiegend inhaltlichen Gesichtspunkten; Briefe mit Stellen allein entstehungs- und publikationsgeschichtlichen Interesses wurden nicht zitiert, diese Stellen jedoch dann nicht unterdrückt, wenn sie mit inhaltlichen Äußerungen in aufschlußreichen Zusam menhängen stehen. Soweit die Quellenlage es zuläßt, sind die korrespondierenden Äußerungen aus Briefen Benjaminscher Briefpartner den jeweiligen Stellen zugeordnet. Erhalten - und inzwischen publiziert 175
— ist die nahezu vollständige Korrespondenz Benjamins mit Scholem aus den dreißiger Jahren; sie bildet die Hauptvorlage f ü r den ersten Abschnitt der Briefzeugnisse. Vorlage für den zweiten und dritten Abschnitt ist die - wahrscheinlich vollständige, möglicherweise um das eine oder andere noch sich findende Stück zu ergänzende — Korrespondenz Benjamins mit Werner Kraft und Theodor W. Adorno. In allen drei Abschnitten sind die Briefstücke chronologisch angeordnet. Dabei ist im Auge zu behalten, daß der Transport der Briefe, die in der Regel über weite geographische Strecken liefen, hin und wieder sich verzögerte, eine Antwort also noch unterwegs sein konnte, als ein neuer Brief schon abgesandt war. Die Quellen, nach denen der Abdruck erfolgte, sind jeweils an O r t und Stelle verzeichnet. Hinzufügungen oder Weglassungen des Herausgebers sind durchweg in eckige Klammern gesetzt; bei den Hinzufiigungen sind Anmerkungen derrespektiven Briefeditoren stillschweigend genutzt. Den Beschluß bildet — d r i t t e n s — der Abdruck Benjaminscher Aufzeichnungen, Entwürfe und Notizen zu Kafka. Hier handelt es sich um ein überaus vielfältiges und reiches (Nachlaß-)Materiai, das den über lange Jahre währenden Umgang Benjamins mit den Schriften des Dichters eindrucksvoll bezeugt. Es setzt sich zusammen aus: ersten Aufzeichnungen zum »Prozeß«-Roman; extensiven Notizen und Überlegungen zu einem — nicht zustandegekommenen — Essay über den »Prozeß« und zu dem Vortrag von 1931; Aufzeichnungen, Dispositionen und Exzerpten zum Essay von 1934 samt einer ersten Montage-Fassung des Essays; schließlich Überlegungen, Neu- und Umformulierungen zum Zwecke einer durchgreifenden Umarbeitung des Essays zusamt einem minutiö-
sen Dossier von fremden Einreden und eigenen Reflexionen - überwiegend kommentierten Brief- und Gesprächsexzerpten aus der Diskussion mit Scholem, Kraft, Adorno und Brecht, die eine Art Leitfaden der Revisionsarbeit abgaben und weiterhin hatten abgeben sollen. Das Buch über Kafka, das einen Fluchtpunkt dieser Revisionsarbeit bildete, haben politische und persönliche Umstände Benjamin zu schreiben drastisch verhindert. Das allein verleiht den hinterlassenen Paralipomena ihr Gewicht. Sie wurden seinerzeit im Anmerkungsteil des Bandes II der Gesammelten Schriften, nach streckenweise mühseliger Entzifferung und Rekonstruktion, vollständig publiziert (s. dort, S. 1188ff.). Im vorliegenden Band werden davon etwa zwei Drittel abgedruckt; ausgeschieden wurden - vorab wegen des hier vorwaltenden Interesses an den unausgeführten Arbeiten Benjamins zu Kafka - die Montage-Fassung des Essays (s. a.a.O., S. J-222ÍÍ.), biographische Materialien u.a., hinzugefügt die Notizen über die Gespräche mit Brecht sowie das frühe Stück/¿¿с emes Mysteriums. Die Übersicht über die abgedruckten Paralipomena ist dem detaillierten Inhaltsverzeichnis am Anfang des Bandes zu entnehmen. 176
Dort - wie im Text - sind die kursiv gesetzten Untertitel vom Herausgeber, die übrigen von Benjamin selbst formuliert; die Zwischentitel strukturieren das Aufzeichnungsmaterial, soweit eruierbar, chronologisch. Die Quellen sind wiederum an O r t und Stelle nachgewiesen. Zusätze des Herausgebers - hier in der Regel Rückverweise auf die abgeschlossenen Texte, Verweise auf andere Aufzeichnungen, Briefe und Literatur - stehen in eckigen Klammern; der Gebrauch geschweifter Klammern ist anläßlich des ersten Vorkommens im Text erläutert. An dieser Stelle gedenkt der Herausgeber, zusammen mit Roif Tiedemann, Tillman Rexroths, eines der Mitherausgeber der Gesammelten Schriften, der im Dezember 1979 seinem Leben ein Ende setzte. März 1980 Der Herausgeber
Walter Benjamin im Suhrkamp Verlag
Gesammelte Scbrißen Unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem Herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser In Zusammenarbeit mit Tillman Rexroth und Hella Tiedemann-Bartels Band I: Abhandlungen. 3 Teilbände. Herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. 1974. 1275 Seiten Band Iis Aufsätze. Essays. Vorträge. 3 Teilbände. Mit beigegebenem 7oseitigem vorläufigen Inhaltsverzeichnis der Bände I-IV. Herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. 1977. 1528 Seiten Band III: Kritiken und Rezensionen. Herausgegeben von Hella Tiedemann-Bartels. 1972. 727 Seiten Band IV: Kleine Prosa. Baudelaire-Übertragungen, 2 Teilbände. 1972. Herausgegeben von Tillman Rexroth. 1148 Seiten edition suhrkamp Briefe. 2 Bände Herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem es 930. 1978. 884 Seiten Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit es 28. 1963. 158 Seiten Uber Kinder, Jugend, Erziehung Mit Abbildungen von Kinderbüchern und Spielzeug aus der Sammlung Benjamin es 391. 1969. 128 Seiten Versuche über Brecht Herausgegeben und Nachwort von Rolf Tiedemann es 172. 1966. 168 Seiten Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze Mit einem Nachwort versehen von Herbert Marcuse es 103. 1965. 109 Seiten
Bibliothek Suhrkamp Berliner Chronik Nachwort von Gershom Scholem BS 2 j i . 1970. 136 Seiten Berliner Kindheit um 1900 BS 2. 1950. 184 Seiten Denkbilder BS 407. 1974. 144 Seiten Deutsche Menschen Eine Folge von Briefen. Auswahl u n d Einleitung von Walter Benjamin. Mit einem Nachwort von Theodor W. A d o r n o BS 547. 1977. 134 Seiten Einbahnstraße. Aphorismen BS 27. 1955. 130 Seiten Uber Literatur BS 232. 1969. 208 Seiten
suhrkamp taschenbücber Der Stratege im Literaturkampf Zur Literaturwissenschaft st 176. 1974. 146 Seiten Illuminationen. Ausgewählte Schriften Herausgegeben v o n Siegfried Unseld st 345. 1977. 414 Seiten Uber Haschisch Novellistisches, Berichte, Materialien. Herausgegeben v o n Tillman Rexroth. Einleitung von H e r m a n n Schweppenhäuser st 21. 1972. 160 Seiten suhrkamp taschenbücber Wissenschaft Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus. Zwei Fragmente Herausgegeben u n d mit einem N a c h w o r t u n d Rolf Tiedemann stw 47. 1974. 196 Seiten Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen R o m a n t i k Herausgegeben von H e r m a n n Schweppenhäuser stw 4. 1973. 120 Seiten Ursprung des deutschen Trauerspiels Herausgegeben von Rolf Tiedemann stw 22 5. 1977. 240 Seiten
Ernst Tugendhat Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie stw 4j. JJ4 Seiten Gegenüber der Vorstellung, die analytische Philosophie habe die Perspektiven der zentralen Themen der traditionellen Philosophie verloren, möchte Tugendhat zeigen, d a ß eine »erste Philosophie« - in der Antike die Ontologie, in der Neuzeit die Transzendentalphilosophie - sich nur auf einer sprachanalytischen Basis erneuern läßt. Es sind die t r a d i tionellen Leitbegriffe selbst - die Begriffe des Apriori, des Seins, des Gegenstandes, der Wahrheit, der Vernunft -, die in diese Richtung weisen, sobald man versucht, sie scharfer zu klären, als es mit den traditionellen Mitteln möglich war. Auf diesem Weg, der von den traditionellen G r u n d positionen zur analytischen Philosophie f ü h r t , soll zugleich die analytische Philosophie ihrerseits in einen Reflexionsprozeß über ihre G r u n d f r a g e n u n d Methoden gebracht w e r den.
Ernst Tugendhat Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung Sprachanalytische Interpretationen stw 221. 364 Seiten Tugendhat will die philosophische Relevanz der Selbstbeziehung reaktualisieren, h ä l t aber die strukturellen Modelle, an denen sich die traditionelle Selbstbewußtseinstheorie orientiert, f ü r i n a d ä q u a t . Im Mittelpunkt seiner sprachanalytischen Interpretationen stehen deswegen drei Philosophen, die diese Modelle in Frage stellen und sich dabei gegenseitig ergänzen: Wittgenstein, der der Vorstellung von einem Ich die Verwendung des Wortes »ich« entgegenhält; Heidegger, der den Selbstbezug statt als Reflexion als ein Verhalten zur Existenz versteht; und G. H. Mead, dem zufolge m a n sich zu sich nur verhalten kann, indem man mit sich redet, und dies nur, indem man mit anderen redet. Die Auffassung des Zusammenhangs von Selbstbeziehung, Freiheit und Vernunft, die sich herausstellt, f ü h r t am Ende des Buchs zu einer schroffen K o n frontation mit Hegel.
Alphabetisches Verzeichnis der suhrkamp taschenbücher Wissenschaft Adorno, Äscher Luche Theorie 2 - Drei Studien zu Hegel iso - Einleitung in die Musiksoziologie 14z - Kierkegaard 7 - Negative Dialektik 113 - Philosophie der D Über den Begriff der Geschichte« tu Bernfeld, Sisyphos 37 Bili, Studien über Angst und Schmerz 44 - Wie frei ist der Mensch? 17 Bloch, Das Prinzip Hoffnung 3 - Geist der Utopie 3 j - Naturredit 250 - Philosophie d. Renaissance 152 - Subjekt/Objekt iyi - Tübinger Einleitung ijj Materialien zu Blochs >Fricizip Hoffnung' rn Blumenberg, Aspekte der Epexhenschwelle: Cusaner und Nolan er 174 - Der Prozeß der theoretischen Neugierde 24 - Säkularisierung und Selbstbehauptung 79 - Sdiiffbruch mit Zuschauer 285 Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit 163 Böhme/van deu Daele/Krohn, Experimentelle Philosophie zoj; Böhme/y, Engelhardt (Hrsg.), Entfremdete Wissenschaft ¿78 Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Prasis 231 - Zur Soziologie der symbolischen Formen 107 Broué/T¿mime, Revolution und Krieg in Spanien.
Danto, Analytische Geschithtsphilosophie 328 Deborin/Budiarin, Kontroversen 64 Dileuze/Guattari, Anti-Ödipus 114 Denninger (Hrsg.). Freiheitliche demokratische Grundordnung. л Bde. ijo Denninger/Lviderssen, Póliza und Strafprozeß »28 Derrida, Die Schrift und die Differenz 177 Dreeben, Was wir in der Sdiule lernen 294 Dubiel, Wissenschaftsorganisation 258 Durkheim, Soziologie und Philosophie 176 Ecks ta e dt/K Iii wer (Hrsg.), Zeit allein heilt keine Wunden 308 Eco, Das offene Kunstwerk 222 Eder, Die Entstehung Staad. organisierter Gesellschaften 332 Ehlieh (Hrsg.), Erzählen im Alltag 323 Einführung in deal Strukturalismus 10 Eliade. Schamanhmus 12Í Elias, Ober den Prozeß der Zivilisation, BcL t 158 - Ober den Prozeß der Zivilisation, Bd, z r у 9 Materialien zu Elias' ZivjlisationStheorie 133 Erikson, Der junge Mann Luther 117 - Dimensionen einer neuen Identität ioo - Gandhis Wahrheit ítíj - Identität unti Lebenszyklus ií Erlich, Russischer Formalismus IX Ethnomethodologie (hrsg. v. Weingarten/Sach/ Schenhein) 71 Euch ner, Naturrecht und Politik hei John Locke zSo Fetschei, Rousseaus politische Philosophie 143 Ficht«, Politische Schriften (hrsg. v. Batsdia/Saage) 101
Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache 311 Foucault (Hrsg.), Der Fall Rivière 128 - Die Ordnung def Dinge - Überwachen und Strafen 184 - Wahnsinn und Gesellschaft 39 Frank, Das Sagbare und das Unsagbare 317 Friedensutopien, Kant/Fich*-e/S Kritische Darstellung der Metaphysik 3TS Furth* Intelligenz und Erkennen 160 Goffman, Rahmen-Analyse 32g - Stigma 40 Gombrich, Meditationen über ein Steckenpferd 237 Goudsblom, Soziologie auf der Waagschale 223 Grewendorf (Hrsg.)» Sprechakttheorie und Semantik 276 2 Bd«- "8 Griewank, Der neuzeitliche Revolutions!«griff fz Butharin/Deborinv Kontroversen 64 Groethuysen, Die Entstehung