Springer-Lehrbuch
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Basiswissen Urologie 5., vollständig überarbeitete Auflage Mit 131 Abbildungen und 1...
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Springer-Lehrbuch
Thomas Gasser
Basiswissen Urologie 5., vollständig überarbeitete Auflage Mit 131 Abbildungen und 13 Tabellen
123
Professor Dr. med. Thomas Gasser Urologische Universitätsklinik Basel – Liestal Klinik Liestal Rheinstr. 26 4410 Liestal, Schweiz
ISBN 978-3-642-21134-8 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Christine Ströhla, Heidelberg Projektmanagement: Axel Treiber, Heidelberg Lektorat: Ursula Illig, Gauting Titelbild: © photos.com PLUS Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz und Reproduktion der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN 80021255 Gedruckt auf säurefreiem Papier.
15/2117 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort zur 5. Auflage Sie halten bereits die 5. Auflage des 1997 von Prof. G. Rutishauser begründeten »Basiswissen Urologie« in den Händen. Allen Unkenrufen zum Trotz, die im Zeitalter des Internet das Ende des Buches prophezeit hatten, erfreut sich das »Basiswissen« nach wie vor großer Beliebtheit. Über die Gründe kann man spekulieren. Sicher hat in jüngster Zeit eine Veränderung des Lernens stattgefunden. Während die herkömmliche Aufgabe von Lehrbüchern war, vor allem Wissen zu vermitteln, ist dieser Aspekt heute in den Hintergrund gerückt. Dank dem Internet mit seinen zahlreichen medizinischen Plattformen ist jegliches Wissen immer und für alle zugänglich. Allerdings ist das Internet unkontrolliert, ungeordnet und unsystematisch. Sich in diesem »Informationssmog« zu Recht zu finden und richtig zu gewichten, wird immer schwieriger. Hier mag ein kleines, kompaktes Kompendium wie das »Basiswissen« willkommene Hilfestellung leisten. Das Büchlein wurde umfassend überarbeitet und auf den aktuellen Wissensstand hin kontrolliert und wo nötig angepasst. Das Fallquiz wurde leicht erweitert und umfasst nun die häufigsten, klinisch relevanten urologischen Probleme. Auch die Überprüfungsfragen wurden neu so formuliert, dass die Antwortmöglichkeiten eindeutig sind und mehr dem gewohnten Prüfungsablauf entsprechen. Schliesslich wurde im Antwortteil jeweils begründet, weshalb eine Antwort richtig oder falsch ist. Die Erklärungen der Antworten wurden so gestaltet, dass sie auch ohne mühsames Hin- und Herblättern verständlich sind und für sich genommen ein kleines Repetitorium darstellen. Den modernen medialen Konsumgewohnheiten entsprechend, wurde erstmals ein Farbdruck gewählt. Die Abbildungen sind vierfarbig, und es wurden vermehrt Fotografien, die die Memorisierung erleichtern sollen, eingebaut. Die konsequentere Unterteilung zwischen Text, den Überprüfungsfragen am Ende der Kapitel, den MC-Fragen und dem Fallquiz erlaubt es zu »zappen« und sich mehr dem einen oder anderen Lernweg zuzuwenden. Am Grundaufbau des Basiswissens wurde aber nichts verändert. Der Grundsatz der Beschränkung auf das absolut Notwendige wurde auch in der neuesten Ausgabe konsequent verfolgt – selbst das Vorwort wurde gekürzt. Die Urologie bleibt ein überblickbares und doch in die Tiefe gehendes, hochinteressantes Gebiet, das sich in einem kontinuierlichen Wandel befindet. Über die letzten Jahre hat sich der Trend zu immer aufwändigerer medizinischer Technik fortgesetzt; parallel dazu ist eine weitere Verschiebung vom rein chirurgischen Fach zu vermehrter ambulanter Tätigkeit fest zu stellen. Diese Entwicklung wird weiter gehen. Das »Basiswissen« will sich auch diesen Veränderungen anpassen. Entsprechend sind wie immer Rückmeldungen und konstruktive Kritik hoch willkommen. Nur so kann das »Basiswissen« die Anforderungen der Leser erfüllen und gleichzeitig fachlich aktuell bleiben. Möge dieses kleine Büchlein dem einen oder der anderen als Kompass in Zeiten der übermäßigen Informationsflut dienen. Thomas Gasser Liestal, im Sommer 2011
Basiswissen Urologie
Inhaltliche Struktur: Klare Gliederung durch alle Kapitel
Leitsystem führt durch die Sektionen
Examen: Das wurde schon geprüft (hier Stex Frühjahr 2009)
Tabellen: Kurze Übersicht der wichtigsten Fakten
Fallbeispiele: Typische Fälle zum Thema
F09
Navigation: Kapitel und Seitenzahlen für die schnelle Orientierung
Zahlreiche farbige Abbildungen veranschaulichen komplexe Sachverhalte
Wichtig: Zentrale Informationen auf einen Blick
Übungsfragen und Lösungen zur Wissensüberprüfung
IX
Inhaltsverzeichnis Symptome und Diagnostik 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.2 1.3 1.4
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.4 2.4.1
Urologische Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolik (Nieren-, Harnleiterkolik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierenschmerzen (»mal aux reins«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blasenschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prostataschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hoden- bzw. Nebenhodenschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungen der Harnmenge und Harnzusammensetzung . Miktionsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptome aus dem Sexualbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 4 4 4 5 5 5 5 6 7
Urologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Penis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skrotum und Testes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektalstatus (Prostatabeurteilung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vaginalstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurourologische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige urologische Laboruntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . Serum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Urinuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung der Nierenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildgebende Untersuchungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konventionelle Uroradiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nuklearmedizinische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Computertomographie (CT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kernspintomographie/Magnetresonanztomographie (MRT) . . . . . . . . Instrumentell-endoskopische Untersuchung und Endourologie . Katheterismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9 10 10 10 11 11 12 12 12 13 13 13 14 14 15 15 15 16 18 18 18 19
X
2.4.2 2.4.3 2.5 2.5.1 2.5.2
Inhaltsverzeichnis
Blasenspülung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urodynamische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blasendruck- und Sphinkterdruckmessung (Zystomanometrie) Harnflussmessung (Uroflowmetrie) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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22 22 24 24 25
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29 32 32 33 33 34 34 34 34 35 35 36 37 38 38 40 40 40 40 41 41 43 44 44 44 44 45 45 45 45
Urologische Erkrankungen 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.1.9 3.1.10 3.1.11 3.2 3.2.1 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.5 3.5.1
Wichtige Anomalien der Urogenitalorgane . . Nierenanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variationen von Größe, Zahl, Lage und Form der Nieren Hypoplasie (kleiner als 50%) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrfachbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rotationsanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschmelzungsanomalien (Hufeisennieren) . . . . . . . Dystopien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierengefäßanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zystische Nierenfehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . Polyzystische Nierenfehlbildungen . . . . . . . . . . . . . Markschwammniere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nephroptose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anomalien des Nierenhohlsystems . . . . . . . . . . . Hydronephrose (»Sackniere«) . . . . . . . . . . . . . . . . Ureteranomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlenmäßige Anomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lageanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturelle Anomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anomalien an der ureterovesikalen Einmündung . . . . Reflux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ektopische Uretermündung . . . . . . . . . . . . . . . . . Ureterozele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Retroperitoneale Fibrose (M. Ormond) . . . . . . . . . . . Blasenanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urachusfistel/Urachuszyste . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blasenekstrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blasendivertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anomalien der Urethra und der Genitalorgane . . . . Harnröhrenstenosen und -klappen . . . . . . . . . . . . .
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XI Inhaltsverzeichnis
3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6
Hypospadie . . . . . . . . . . . . . . Epispadie . . . . . . . . . . . . . . . . Phimose . . . . . . . . . . . . . . . . Paraphimose (Notfall) . . . . . . . . Deszensusanomalien des Hodens
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45 46 46 46 46
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Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der unspezifische Harnwegsinfekt (HWI) . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionswege und pathogenetische Faktoren . . . . . . . . . Allgemeine Infektdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Infekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Infekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unspezifische Entzündungen der Urethra und der Adnexe Prostatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamente zur Behandlung von Harnwegsinfekten . . . Spezifische Entzündungen des Urogenitalsystems . . . . . Harnwegs- und Genitaltuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . Bilharziose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Echinokokkenerkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gonorrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lues (Syphilis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spitze Kondylome (Condylomata accuminata) . . . . . . . . . .
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49 50 50 50 52 53 53 54 56 57 58 59 59 62 63 63 63 64
5.1 5.1.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.4.1
Harnsteinerkrankung (Urolithiasis) . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harnsteinbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammensetzung, Form und Lage der Harnsteine . Klinik und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steinkolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie und Metaphylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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66 67 67 69 71 71 71 76 76
6
Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren) . . . . . . . . .
84 85 87 87 90 90
4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.5 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.6.6
5
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6.1 Gutartige Tumoren des Nierenparenchyms . . . . . . . 6.2 Bösartige Nierentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Nierenzellkarzinom (Adenokarzinom, »Hypernephrom«) 6.2.2 Nephroblastom (Wilms-Tumor) . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Liposarkom, Fibrosarkom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XII
Inhaltsverzeichnis
6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.6 6.7
Tumoren des Urothels . . . . Nierenbeckentumoren . . . . Uretertumoren . . . . . . . . . Blasentumoren . . . . . . . . . Prostatakarzinom . . . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . . . Pathologie . . . . . . . . . . . . Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . Prognose . . . . . . . . . . . . . Hodentumoren . . . . . . . . Diagnose . . . . . . . . . . . . . Therapie und Prognose . . . . Seminome . . . . . . . . . . . . Nichtseminomatöse Tumoren Peniskarzinom . . . . . . . . . Skrotalkarzinom . . . . . . . .
7
Störungen der Harnentleerung und -speicherung . . . . . . . . 117
7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4 7.6.5 7.6.6
Prostatahyperplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prostatakarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurogene Blasenfunktionsstörungen . . . . . Harnröhrenstrikturen . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Harnröhrenerkrankungen . . . . Inkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belastungsinkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . Dranginkontinenz (engl. Urge) . . . . . . . . . . . . Mischinkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harninkontinenz bei chronischer Harnretention Extraurethrale Inkontinenz . . . . . . . . . . . . . . Sonderformen der Harninkontinenz . . . . . . . .
8
Sexualpathologie des Mannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
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8.1 Erektile Dysfunktion . . . . . . . . . 8.1.1 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Infertilität . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Varikozele . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Vasektomie und Familienplanung
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91 91 92 92 98 100 100 100 101 102 107 109 110 112 112 113 114 115
118 120 124 128 128 131 132 132 133 134 135 135 135 136
140 141 142 144 144
XIII Inhaltsverzeichnis
8.5 8.6 8.6.1 8.6.2
Klimakterium virile . . . . . . . . . . . . . . . . Orgasmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . Vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio praecox) Verzögerter oder fehlender Samenerguss . .
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145 147 147 148
9
Urologie und Sexualpathologie der Frau . . . . . . . . . . . . . . . 149
9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6
Infektionen und Reizsyndrome . . . . . . . . . Interstitielle Zystitis . . . . . . . . . . . . . . . . Harnröhrenerkrankungen . . . . . . . . . . . . Inkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fistelbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sexualpathologie mit urologischen Bezügen
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150 151 151 152 152 152
10
Urologische Erkrankungen im Kindesalter . Allgemeine Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Abflussbehinderungen . . . . . . . . Abflussbehinderung aus der Niere . . . . . . . . . . . Abflussbehinderung im terminalen Ureter . . . . . . Abflussbehinderung in der Blase . . . . . . . . . . . . Abflussbehinderung in der Harnröhre . . . . . . . . . Distale Urethrastenose beim Mädchen . . . . . . . . Primärer vesikoureteraler Reflux . . . . . . . . . . . Blasenekstrophie, Epi- und Hypospadie . . . . . . Kryptorchismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phimose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Torsion des Hodens und seiner Anhangsgebilde Tumoren des Urogenitalsystems . . . . . . . . . . . Enuresis (nocturna) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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154 155 155 155 155 155 156 156 156 157 158 158 159 159 160
10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8 10.9
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11
Verletzungen der Urogenitalorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6
Klinik der Urogenitalverletzungen Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämaturie . . . . . . . . . . . . . . . . Anurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierenverletzungen . . . . . . . . . Harnleiterverletzungen . . . . . . . Harnblasenverletzungen . . . . . . Harnröhrenverletzungen . . . . . . Verletzungen des Genitale . . . . .
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162 162 162 162 163 165 165 166 168
XIV
Inhaltsverzeichnis
Urologische Behandlung in Klinik und Sprechstunde 12
Besondere urologische Behandlungsmaßnahmen . . . . . . . . 173
12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.5.1 12.5.2 12.6 12.6.1 12.6.2 12.6.3 12.7 12.8 12.9
Nephrektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierenbeckenplastiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perkutane Nierenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blasenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harnumleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorübergehende Harndeviation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitive Harndeviation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierentransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leichennierentransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebendspendernierentransplantation . . . . . . . . . . . . . . . Urologische Komplikationen nierentransplantierter Patienten Radikale Prostatektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische (transurethrale) Eingriffe . . . . . . . . . . . Laparoskopie und Retroperitoneoskopie in der Urologie .
13
Dringliche Sprechstundensituationen in der Urologie . . . . . 185
13.1 13.1.1 13.1.2 13.1.3 13.2 13.2.1 13.2.2 13.2.3 13.2.4 13.2.5 13.3 13.3.1 13.3.2 13.3.3 13.3.4
Hämaturie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Makrohämaturie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikrohämaturie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokalisatorische Differenzialdiagnose der Blutungsquelle . Oligurie und Anurie, Harnverhaltung . . . . . . . . . . . . . Ausscheidungsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Supravesikale Transportstörung (Nierenbecken → Blase) . . Entleerungsstörungen der Blase . . . . . . . . . . . . . . . . . Vesikale Funktionsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infravesikale Harnröhrenverlegung (akute Harnverhaltung) Unfreiwilliger Harnabgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belastungsinkontinenz (früher Stressinkontinenz) . . . . . . Dranginkontinenz (Urge-Inkontinenz) . . . . . . . . . . . . . . Mischinkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harninkontinenz bei chronischer Harnretention (früher Überlauf-Inkontinenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.5 Extraurethrale Harninkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.6 Sonderformen der Harninkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Akute Urogenitalinfekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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174 175 176 176 176 176 178 180 180 181 181 182 182 182
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187 187 189 189 189 190 190 191 191 191 191 192 192 192
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193 193 193 193
XV Inhaltsverzeichnis
13.5 13.6 13.6.1 13.6.2 13.6.3 13.6.4 13.6.5 13.6.6 13.6.7 13.6.8 13.7 13.8 13.9 13.10 13.10.1 13.10.2 13.10.3 13.10.4
Steinkolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einseitige Volumenzunahme des Skrotalinhaltes, Hodenschmerzen Hodentumor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrozele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spermatozele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernia inguinalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varikozele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epididymitis/Orchitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hodentorsion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Differenzialdiagnose: Hodentorsion/Epididymitis . . . . . . . . Induratio penis plastica (M. Peyronie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priapismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paraphimose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychosomatische Aspekte der Urologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prostata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhalten bei Verdacht auf psychosomatische Beteiligung . . . . . . . .
194 195 196 196 197 197 197 199 199 201 201 202 202 202 203 203 204 204
Anhang Lösungen zu den Übungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Weiterführende Internet-Seiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
XVI
Übersichtgrafiken
Urologische Anatomie – Übersicht
XVII Übersichtgrafiken
Urologische Anatomie – Untere Harnwege
I
Symptome und Diagnostik Kapitel 1
Urologische Leitsymptome
Kapitel 2
Urologische Diagnostik
–9
–3
1 Urologische Leitsymptome 1.1
Schmerzen
–4
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5
Kolik (Nieren-, Harnleiterkolik) – 4 Nierenschmerzen (»mal aux reins«) – 4 Blasenschmerzen – 5 Prostataschmerzen – 5 Hoden- bzw. Nebenhodenschmerzen – 5
1.2
Veränderungen der Harnmenge und Harnzusammensetzung – 5
1.3
Miktionsstörungen
1.4
Symptome aus dem Sexualbereich
–6 –7
T. Gasser, Basiswissen Urologie, DOI 10.1007/978-3-642-21135-5_1, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
4
Kapitel 1 · Urologische Leitsymptome
Leitsymptome, die auf urologische Erkrankungen hinweisen sind:
1
4 4 4 4
Schmerzen, Veränderungen der Harnmenge und Harnzusammensetzung, Miktionsstörungen und Symptome aus dem Sexualbereich.
Schmerzen
1.1
Schmerzen, die ihre Ursache in den oberen Harnwegen haben, sind praktisch immer Kolikschmerzen. Echte nierenbedingte lumbale Dauerschmerzen sind selten (z. B. starke entzündliche Schwellung des Nierenparenchyms). Die Schmerzen in Blase, Prostata und Genitale haben keinen Kolikcharakter. Sie sind »dumpf«, evtl. krampfartig oder brennend.
1.1.1
Kolik (Nieren-, Harnleiterkolik)
Ursache Akute Verlegung der oberen Harnwege → Überdruck, evtl. Spasmus. Klinik »Vernichtender«, einseitiger Dauerschmerz von wechselnder Intensität, verbunden mit Übelkeit, Erbrechen, Kollaps, Darmlähmung (»vegetatives Gewitter«), Ausstrahlung in Richtung Genitalien und Oberschenkel. Im Intervall oft schmerzfrei. Therapie Rasche Therapie hat Vorrang vor ausführlicher Diagnostik! Intravenös! Analgetika (z. B. Metamizol), evtl. Opiate.
1.1.2
Nierenschmerzen (»mal aux reins«)
! Chronische Rückenschmerzen sind kaum jemals nierenbedingt (→ orthopädische Abklärung, WS-Metastasen?). Vorkommen Konstantes lumbales Druckgefühl im kostovertebralen Winkel, möglich bei Tumor (Nierenzellkarzinom, Hydronephrose, Zystennieren), bei Entzündung (Pyelonephritis, Paranephritis) und bei beginnender Steinkolik. Differenzialdiagnose Orthopädische, gynäkologische, rheumatologische, metastasenbedingte (Prostatakarzinom) Rückenschmerzen.
5 1.2 · Veränderungen der Harnmenge
1.1.3
1
Blasenschmerzen
Vorkommen Akute Retention: heftiger suprapubischer Dauerschmerz; akute bakterielle Zystitis: brennender Schmerz in der Urethra; Blasenkrämpfe (Tenesmen).
1.1.4
Prostataschmerzen
Vorkommen Bei akuter abszedierender Prostatitis, selten bei subakut-chronischer Prostatitis. Schmerzhafte Defäkation und dumpfes Druckgefühl im Dammbereich.
! Uncharakteristische Beschwerden im Unterbauch bzw. im Dammbereich genügen nicht für die bequeme Schnelldiagnose »chronische Prostatitis«. Differenzialdiagnose Hämorrhoiden, Proktalgie. Nicht selten psychosomatische
Überlagerung.
1.1.5
Hoden- bzw. Nebenhodenschmerzen
Bei Infekt, nach Trauma: akut, heftig bis »vernichtend«, oft ausstrahlend; bei Varikozele, Hydrozele, Tumor: dumpf, wenig intensiv, »ziehend«.
1.2
Veränderungen der Harnmenge und Harnzusammensetzung
Anurie (IMPP GK-2:10.2). Als Anurie wird die fehlende Urinausscheidung ( 105 E. coli pro ml. Weitere Abklärung Es wird ein CT mit Kontrastmittel durchgeführt, das eine schwer entzündlich destruierte rechte Niere mit Papillennekrosen und hydronephrotischer Aufweitung des Hohlsystems zeigt. Auch der rechte Ureter ist segmentartig erweitert. Die linke Niere ist vergrößert und das Nierenbeckenkelchsystem unauffällig. Ein Isotopennephrogramm ergibt eine Funktionsverteilung von 30 zu 70 zugunsten der linken Niere. Eine Refluxabklärung findet nicht statt. Beurteilung Schwere chronisch-entzündliche Infektnephropathie rechts mit massiver Funktionseinbuße möglicherweise auf der Basis von vesikoureteralem Reflux rechts. Therapie Nephroureterektomie rechts. Verlauf Drei Monate nach dem Eingriff ist bei einer Kontrolle der Urin steril und das CRP normal. Die Patientin hat an Gewicht zugenommen und fühlt sich völlig gesund.
4
4.4
Unspezifische Entzündungen der Urethra und der Adnexe
Urethritis Harnröhrenausfluss, Brennen, Rötung und Verklebung des Meatus
H09
urethrae. Grampositive oder gramnegative Erreger im Ausstrich → Kultur- und Resistenzprüfung. An die Möglichkeit einer Gonorrhö, einer Harnröhrenstriktur oder eines Fremdkörpers denken. Bei negativer Kultur Abklärung auf Trichomonaden, Chlamydien, Mykoplasmen. Behandlung der Wahl: Quinolone, evtl. Erythromycin. Bei Trichomonaden: Metronidazol.
57 4.4 · Unspezifische Entzündungen
4.4.1
4
Prostatitis
»Prostatitis« wird oft als Verlegenheitsdiagnose missbraucht für unklare, manchmal auch psychosomatisch bedingte Urogenitalbeschwerden. Die Diagnose muss deshalb durch einen Urologen gesichert oder ausgeschlossen werden. Keine vorschnelle Diagnose und »probatorische« oder »Ex-juvantibus«-Antibiotikagabe. Es gibt verschiedene Klassifikationen. Die heute gebräuchlichste ist die gemäß dem amerikanischem National Institute of Health (NIH), 1998. 4 Kategorie I: Akute bakterielle Prostatitis. Eindrückliche, typische Klinik: perineale oder suprapubische Schmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit, imperativer Harndrang, Pollakisurie, manchmal Harnverhalt. Extrem schmerzhafte, geschwollene Prostata. Im Blut Infektzeichen. Urin pathologisch. Therapie: Antibiotika gemäß Resistenzprüfung, Analgetika, Bettruhe. 4 Kategorie II: Chronisch bakterielle Prostatitis. Oft Ursache rezidivierender Harnwegsinfekte. Symptome weniger spezifisch: Dammbeschwerden, Blasenreizung, Miktionsbeschwerden. Kein Fieber. Im Prostatasekret Leukozyten und Bakterien. Positive Urinbakteriologie nur in 5%. Therapie: Antibiotika resistenzgerecht, meist Quinolone. Ausreichend lange, 4–12 Wochen. 4 Kategorie III: Chronisches Beckenschmerzsyndrom (engl. »chronic pelvic pain syndrome«, CPPS). Kein Bakteriennachweis. Symptome unspezifisch.
Meist Schmerzen im Damm-, Blasen- oder Genitalbereich. Irritative Miktionsbeschwerden. Gelegentlich Schmerzen bei der Ejakulation. Die entzündliche Kategorie IIIA (chronisch abakterielle Prostatitis) unterscheidet sich von der Kategorie IIIB (Prostatodynie) nur durch den Nachweis von Leukozyten im Prostatasekret. Therapie: Oft wenig erfolgreich. Keine Antibiotika. Antiphlogistika. Alphablocker. Evtl. Prostatamassage. 4 Kategorie IV: Asymptomatische inflammatorische Prostatitis. Keine Symptome. Oft Zufallsbefund in Biopsien oder Prostataresektaten. Nachweis von Entzündung in Prostatagewebe oder durch PSA-Erhöhung. Meist keine Therapie nötig, evtl. Antibiotikaprophylaxe vor endoskopischen Eingriffen. ! Nie Verlegenheitsdiagnose »Prostatitis« bei unklaren urogenitalen Beschwerden oder perinealen Schmerzen. Urologische Abklärung. Epididymitis Meist kanalikulär aszendierend bei Prostatitis oder Zystitis, durch
Dauerkatheter, nach Prostatektomie. Akute, stark schmerzhafte einseitige Skrotalschwellung, oft hohes Fieber. Wichtigste Differenzialdiagnose bei Adoleszenten ist die Hodentorsion. Die Behandlung besteht in Antibiotikaverabreichung, Bettruhe, Hodenhochlagerung, evtl. kühle Umschläge. Selten operative Revision wegen Abszedierung nötig.
58
Kapitel 4 · Entzündungen
ä Fallbeispiel Anamnese Ein 64-jähriger Weinhändler, auf der Durchreise, meldet sich auf der Notfallstation mit starkem Fieber, Schüttelfrost und Abgeschlagenheit. Er berichtet, dass 3 Tage zuvor eine Biopsie aus der Prostata wegen einer PSA-Erhöhung durchgeführt worden sei. Er habe Fieber und einmal Schüttelfrost gehabt und fühle sich nun abgeschlagen. Zudem habe er ständigen Harndrang und das Gefühl, er könne die Blase nicht vollständig entleeren. Befund Der Patient macht einen kranken Eindruck. Im Urinstatus findet sich eine massive Leukozyturie. Die Leukozyten im Blut betragen 16.000/μl und das CRP 184 mg/l. Im Ultraschall finden sich rund 100 ml Restharn. Die oberen Harnwege sind nicht dilatiert. Eine rektale Untersuchung ist wegen Schmerzen nicht möglich. Beurteilung Es liegt eine akut bakterielle Prostatitis vor, wohl als Folge der Biopsie. Gefahr von Urosepsis und Prostataabszess. Therapie Hospitalisation. Bettruhe. Intravenöse Antibiose mit einem Breitspektrum-Cephalosporin. Analgetika und Antiphlogistika zur Fiebersenkung. Alpha-Blocker zur Linderung der Miktionsbeschwerden. Ableitung der Harnblase mit einer suprapubischen Zystostomie. Verlauf In den folgenden 2 Tagen entwickelt der Patient immer wieder Fieberzacken. Ab dem 3. Tag fühlt er sich deutlich besser. Bei restharnfreier Miktion wird die Zystostomie entfernt. Entlassung des Patienten und Weiterführen der peroralen Antibiose für 10 Tage. Eine Kontrolle nach 6 Wochen zeigt einen wieder gesunden Patienten. Er berichtet noch etwas über Miktionsbeschwerden. Der PSA-Wert beträgt noch 18 ng/ml und hat sich nach weiteren 3 Monaten wieder auf 2,6 ng/ml normalisiert.
4
4.5
Medikamente zur Behandlung von Harnwegsinfekten
Sulfamethoxazol-Trimethoprim 2-mal 2 Tbl. oder 2-mal 1 forte Tbl. Spektrum: grampositive und -negative Keime, ohne Pseudomonas. Indikation: akute Infekte der oberen und unteren Harnwege. Nicht bei Neugeborenen (Kernikterus) und Schwangeren. Norfloxacin 2-mal täglich 400 mg per os. Spektrum: Alle grampositiven und -negativen Keime, inklusive Pseudomonas. Weniger gut gegen Enterokokken. Indikation: komplizierte Infektionen der oberen und unteren Harnwege. Nicht bei
Kindern und Schwangeren.
59 4.6 · Spezifische Entzündungen des Urogenitalsystems
4
Ciprofloxacin 2-mal täglich 500 mg per os, bei schweren Infekten 2-mal 750 mg p.o.. Spektrum: wie Norfloxacin, aber höhere Gewebespiegel, kann auch intra-
venös gegeben werden (intravenös 10-mal teurer!). Bei Pyelonephritis angezeigt. Nitrofurantoin 3-mal täglich 100 mg per os. Spektrum: viele grampositive und -negative Keime, ohne Pseudomonas und einige Klebsiella, Enterobacter, Proteus. Indikation: unkomplizierte Harnwegsinfekte. Amoxicillin 3-mal täglich 375–750 mg per os. Spektrum: grampositive und -negative Keime, nicht β-Laktamase-stabil. Indikation: akute Infekte der oberen
und unteren Harnwege. Als Endokarditisprophylaxe geeignet. Clavulansäure-Amoxicillin 3-mal täglich 375–625 mg per os. Spektrum: wie Amoxicillin, aber erweitert, da β-Laktamase-stabil. Evtl. auch intravenös. Cephalosporine Dosierung je nach Medikament. Spektrum: breit. Indikation:
schwere Infektionen der oberen Harnwege. Meist intravenöse Verabreichung. Nicht Medikament der ersten Wahl. Tobramycin 3-mal 80 mg i.v. Spektrum: sehr breit, meist grampositive und -negative Keime inklusive Pseudomonas. Wenig Resistenzen. Indikation: schwere
Infektionen, Urosepsis. Nur in Kombination mit anderen Antibiotika (z. B. Amoxicillin). Vorsicht bei Niereninsuffizienz, Vestibularisschäden. Carbapeneme Reserve-Breitspektrum-Antibiotika. Nur intravenöse Applikation. Spektrum: Sehr breit, inklusive Pseudomonas. Indikation: Sehr schwere
grampositive und gramnegative Mischinfektionen. In hohen Dosen nephrotoxisch. Nur in ausgewählten Fällen verwenden
4.6
Spezifische Entzündungen des Urogenitalsystems
4.6.1
Harnwegs- und Genitaltuberkulose
Wichtigste und immer noch häufigste spezifische Entzündung des Urogenitaltrakts. Rund 7% der Fälle betreffen den Urogenitaltrakt. Weltweit wird seit 1985 wieder eine Zunahme registriert, v. a. in Entwicklungsländern. AIDS-Patienten sind besonders gefährdet. ! Weltweit betrachtet ist Tuberkulose die häufigste opportunistische Infektion von AIDS-Patienten!
60
Kapitel 4 · Entzündungen
4
. Abb. 4.3 Typische Erkrankungsstellen bei Urogenitaltuberkulose, mit Hinweisen auf die Folgen der Erkrankung
Pathologie Der Primärherd liegt in der Regel in der Lunge. Von dort erfolgt eine hämatogene Streuung, häufig im Zusammenhang mit der postprimären Frühgeneralisation (Pleuritis, Erythema nodosum). Dabei bilden sich multiple disseminierte Herde im Nierenparenchym (»parenchymatöses Initialstadium«), die vollständig oder teilweise abheilen oder aber lokale Destruktion verursachen. Konglomerattuberkel brechen ins Nierenbecken durch und führen zur offenen Nierentuberkulose (»ulzerokavernöses Stadium« – Stadium 2). Nun besteht die Möglichkeit zur »Pseudoheilung« durch Abriegelung oder aber zum weiteren Umsichgreifen der Krankheit bis zur totalen Destruktion (tuberkulöse Pyonephrose, »tuberkulöse Kittniere« – Stadium 3). Die Krankheit breitet sich je nach Immunitätslage auch deszendierend weiter aus: Nierenbecken → Harnleiter → Blase → Prostata → Nebenhoden (. Abb. 4.3). Klinik Im Initialstadium (Stadium I) bestehen nur Allgemeinerscheinungen und
Tuberkelbakteriurie. Bei langdauernden, wenig spezifischen urogenitalen Symptomen ohne gute Erklärung daran denken!
61 4.6 · Spezifische Entzündungen des Urogenitalsystems
4
. Abb. 4.4 Stadieneinteilung der Nierentuberkulose mit Hinweisen für eine kombinierte medikamentös-chirurgische Therapie
Im ulzerokavernösen Stadium II findet man eine abakterielle Leukozyturie (»sterile Pyurie«), Mikrohämaturie und lokal begrenzte Destruktionen. Subjektiv besteht oft eine therapieresistente Zystitis. Im destruierenden Stadium III finden sich ausgedehnte, gravierende Veränderungen von mindestens 2 Kelchen oder 2/3 der Niere (. Abb. 4.4). ! Jede »sterile Pyurie« und jede chronisch-therapieresistente Zystitis ist verdächtig auf Harnwegstuberkulose.
Die Diagnose wird gesichert durch Nachweis von Tuberkelbazillen im Urin im Direktpräparat (Ziehl-Neelsen) oder mit Löwensteinkultur. Resultat nach 6–8 Wochen erhältlich. Morgenurin verwenden, mindestens 3 Untersuchungen, da Tuberkelbakterien intermittierend ausgeschieden werden. Radiologische Hinweise für das Vorliegen einer chronischen Harnwegstuberkulose ergeben sich oft schon aus einer Leeraufnahme (typische Verkalkungen). Wichtig für die Beurteilung des Stadiums ist die Urographie (evtl. ergänzt durch Tomogramme). Befall der Prostata zeigt sich evtl. im Urethrogramm (Kavernenbildungen). Therapie Grundlage der Behandlung der Urogenitaltuberkulose ist die tuberkulostatische Chemotherapie mit mehreren Medikamenten. Antituberkulotika der ersten Wahl sind: Rifampizin, Isoniazid, Pyrazinamid und Ethambutol. Initial wird eine 3fach-Kombination für 2–3 Monate verabreicht, dann wird zur Stabilisierung während 3–4 weiteren Monaten mit einer 2fach-Kombination weitergefahren.
62
4
Kapitel 4 · Entzündungen
Bei Einschränkung der Nierenfunktion muss die Dosierung angepasst werden. Die antituberkulöse Behandlung benötigt strenge Kontrollen und dauert minimal 6 Monate (wenn während der ganzen Behandlungsdauer Rifampizin und Isoniazid verabreicht werden konnte), sonst verlängert sich die Therapiedauer auf 9–12 Monate. Eine chirurgische Zusatzbehandlung ist selten notwendig. Sie erfolgt in der Absicht, die »Herdsanierung« zu unterstützen. Darunter versteht man die Entfernung des zerstörten Nierenabschnitts oder einer evtl. total zerstörten Niere. Funktionstüchtiges Parenchym wird nach Möglichkeit erhalten Patienten mit behandelter Urogenitaltuberkulose sollten zunächst alle 3 Monate, später halbjährlich bis jährlich nachkontrolliert werden. Die Rezidivhäufigkeit im Verlauf der anschließenden 2–8 Jahre beträgt 10–15%. Für die Praxis ist im Hinblick auf die Urogenital-Tbc bedeutsam, dass man bei chronischen, therapieresistenten Pyurien die Tuberkulose in die Differenzialdiagnose miteinbezieht. Mischinfekte mit banalen Keimen sind durchaus möglich (ca. 20%). In der Nachsorge dürfen urographische Kontrollen nicht vergessen werden. Die tuberkulostatische Therapie bewirkt »eine erwünschte Vernarbung, aber oft am unerwünschten Ort« → Strikturen → Abflussbehinderung → Nierenschaden durch Stauung.
4.6.2
Bilharziose
Bei chronisch-therapieresistenter Zystitis lohnt sich die Aufnahme einer »Reiseanamnese«. Bei Aufenthalten in Endemiegebieten sind parasitäre Infestationen möglich. Bei der Schistosomiasis verursachen die aus kleinen Blutgefäßen durch Ulzera in die Blase entleerten Eier von Schistosoma haematobium entzündliche Symptome (terminale Dysurie) und Hämaturie. Narbenbildungen und Verkalkungen führen schließlich zu Blasenschrumpfungen und Stauung bzw. Reflux, später auch zu Blasenkarzinomen. Zystoskopisch lassen sich tuberkelähnliche Knötchen oder Ulzera erkennen. Die Histologie bestätigt die Vermutungsdiagnose. Der Allgemeinzustand ist durch Fieber und Schüttelfröste beeinträchtigt und im Blutbild findet sich eine Eosinophilie. Therapie Die Behandlung erfolgt mit Praziquantel (20 mg/kg 2- bis 3-mal täglich) und wird, wenn notwendig, durch chirurgische Maßnahmen ergänzt.
63 4.6 · Spezifische Entzündungen des Urogenitalsystems
4.6.3
4
Echinokokkenerkrankung
Die Infektion mit Echinococcus multilocularis (auch granulosus) kann zu Zystenbildungen in der Niere führen, die typischerweise ringförmige Kalkeinlagerungen zeigen und bei raumverdrängenden Prozessen differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden müssen. Meist oligosymptomatisch (dumpfer Flankenschmerz). Diagnose durch CT. Gelegentlich serologische Bestätigung notwendig. Therapie Chirurgische Resektion, medikamentöse Therapie mit Albendazol.
4.6.4
Gonorrhö
Die Gonorrhö manifestiert sich bei Mann und Frau mit einer eitrigen Urethritis und wird deshalb ab und zu auch in der urologischen Praxis beobachtet. Bei der Frau führt sie überdies zu aufsteigenden Infektionen der inneren Genitale. Auch beim Mann kann sie eine Prostatitis oder Epididymitis zur Folge haben. Der verursachende gramnegative intrazelluläre Diplococcus führt typischerweise nach 3- bis 10-tägiger Inkubation zu starkem Brennen bei der Miktion, kann aber auch (bei Frauen häufiger: 50–60%) klinisch weitgehend symptomfrei vorhanden sein. Die Diagnose ist im Direktpräparat mit Gramfärbung oder in der Kultur problemlos möglich. Urethraler Abstrich und spezielle Nährböden notwendig. Therapie Die Behandlung ist einfach und erfolgreich. Die früher gebräuchlichen Penizilline sind wegen hoher Resistenzraten obsolet. Mittel der Wahl ist die intramuskuläre Einmaldosis von Ceftriaxome. Alternativen sind Ciprofloxacin oder Doxycyclin per os.
! Abklärung und Behandlung des Partners! An AIDS denken (ungeschützter Geschlechtsverkehr).
4.6.5
Lues (Syphilis)
Durch Treponema pallidum verursachte Geschlechtskrankheit. In jüngster Zeit wieder deutliche Zunahme der Fälle. Im Primärstadium singuläres, induriertes Ulkus. Da dieses schmerzlos ist, wird es oft verpasst (daran denken!). Unbehandelt verschwindet das Ulkus oft, nicht aber die Erkrankung (latentes Stadium). Im Sekundärstadium (nach 4–10 Wochen) kutane und Schleimhautmanifestationen. Tertiäres Stadium = generalisierte Erkrankung, die jedes Organ befallen kann,
F09
64
Kapitel 4 · Entzündungen
4
. Abb. 4.5 »Spitze Kondylome«: Condylomata accuminata. Warzenförmige Veränderungen an der Glans
ohne typische Zeichen (»großer Imitator«). Diagnose mit Dunkelfeldmikroskopie und serologischen Tests. Behandlung mit Penizillin G intramuskulär.
4.6.6
Spitze Kondylome (Condylomata accuminata)
Virusbedingte (durch Sexualkontakt übertragbare) warzenförmige Haut- und Schleimhauteffloreszenzen am Penisschaft, Vorhaut, Glans und Meatus, gelegentlich auch in der vorderen Urethra (. Abb. 4.5). Sehr kleine Effloreszenzen können mit Essigsäurelösung erkennbar gemacht werden. Unbehandelt können spitze Kondylome wachsen und mit der Zeit ein tumorartiges Aussehen annehmen (Buschke-Löwenstein-Tumor). Differenzialdiagnostisch muss an ein Peniskarzinom gedacht werden. Es kann eine Behandlung mit Podophyllin- oder Fluorouracillösungen versucht werden. Besser ist die Elektrooder Laserkoagulation. ä Fallbeispiel Anamnese Ein 46-jähriger Facharbeiter aus dem Balkan wird vor dem Abschluss einer Lebensversicherung ärztlich untersucht. In der Familie keine erwähnenswerten Erkrankungen. Der Patient fühlt sich gesund und hat mit Ausnahme des 6
65 4.6 · Spezifische Entzündungen des Urogenitalsystems
4
Abganges eines kleinen Ureterkonkrementes rechts vor 3 Jahren in der letzten Zeit keine Gesundheitsstörung bemerkt. Befund Im Urin finden sich ca. 20 Leukozyten und ca. 10 Erythrozyten pro Gesichtsfeld. Der bakteriologische Objektträgerkulturbefund ist negativ. Das C-reaktive Protein beträgt 15. Nach einer ungezielten zweiwöchigen Behandlung mit Ciprofloxacin ist die Pyurie unverändert nachweisbar. Weitere Abklärung Ein Computertomogramm ergibt eine rosettenartige Ausweitung der unteren Kelchgruppe rechts, wobei der unterste Kelch mit lockeren Verkalkungen gefüllt ist. Der Hauptkelch der unteren Kelchgruppe ist stenosiert. Bei der Blasenspiegelung finden sich Rötungen im Bereich des rechten Ostiums. Sonst ist die Blase unauffällig. Ebenso sind Hoden und Nebenhoden beidseits unauffällig. Auch die Prostatabetastung ergibt keine Besonderheiten. Tuberkelbazillennachweis im Urin positiv. Diagnose Ulzerokavernöse Nierentuberkulose rechts, Stadium 2. Therapie 3er-Kombinationsbehandlung mit Rifampicin, Isoniazid und Ethambutol drei Monate lang. Anschließend ist eine 4- bis 5-monatige »Stabilisierungstherapie« mit einer 2er-Kombination geplant. Vorerst besteht keine chirurgische Indikation, etwa zu einer Teilresektion. Der Verlauf wird regelmäßig, vorerst in kürzeren und dann in längeren Abständen kontrolliert.
Übungsfragen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
7. 8.
Lösungen → S. 211
Was verstehen Sie unter einem »komplizierten« Harnwegsinfekt? Welches ist der häufigste uropathogene Keim bei einer einfachen Zystitis? Welche Methode benutzen Sie zur Uringewinnung beim Mann, wenn es um die Frage geht, ob ein Harnwegsinfekt vorliegt? Und bei der Frau? Wie lange benötigt eine banale Zystitis zur Abheilung? Zu welchen Überlegungen bezüglich Pathogenese und Therapie veranlasst Sie das Auftreten von Schüttelfrostanfällen im Rahmen der Betreuung eines Patienten mit Harnwegsinfekt? Nennen Sie zwei gebräuchliche Medikamente zur Behandlung von Harnwegsinfekten! Bei welchem Harnbefund denken Sie an die Möglichkeit einer Harnwegstuberkulose?
5 Harnsteinerkrankung (Urolithiasis) 5.1
Pathophysiologie
5.1.1 Harnsteinbildung
– 67
– 67
5.2
Zusammensetzung, Form und Lage der Harnsteine – 69
5.3
Klinik und Diagnostik
– 71
5.3.1 Steinkolik – 71 5.3.2 Diagnostik – 71
5.4
Therapie und Metaphylaxe
5.4.1 Therapie
– 76
– 76
T. Gasser, Basiswissen Urologie, DOI 10.1007/978-3-642-21135-5_5, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
67 5.1 · Pathophysiologie
5
Die Erkrankung ist seit dem Altertum bekannt und weltweit verbreitet; sie tritt gehäuft in warmen, trockenen Zonen und in Gebieten mit einseitiger Mangelernährung auf. Die Häufigkeit nimmt offenbar auch in Europa eher zu: rund 3–4% der Bevölkerung leidet an Harnsteinen (größenordnungsmäßig ähnlich Diabetes mellitus).
5.1
Pathophysiologie
5.1.1
Harnsteinbildung
Die Konkremententstehung wird heute als Kristallisationsprozess aufgefasst, der in einem mit steinbildenden Substanzen übersättigten Urin (Ionenprodukt über der Löslichkeitsgrenze) abläuft. Die Kristalle lagern sich zusammen. Man spricht von Aggregation und anschließender epitaktischer Auflagerung neuer Kristalle auf die Oberfläche der Aggregate, wodurch die typische Schichtung der Harnsteine zustande kommt (. Abb. 5.1). Die Rolle eines – vermutlich organischen – Kristallisationszentrums (Matrix) als Ausgangspunkt der Steinbildung ist umstritten. Unumstritten ist aber, dass die Übersättigung des Urins mit steinbildenden Ionen (Ca, NH4, PO4, Oxalat, Urat) eine fördernde und die Anwesenheit von »Inhibitoren« (Zitrat, Pyrophosphat, saure Mukopolysaccharide u. a.) eine hemmende Wirkung haben. Weitere, den Kristallisationsvorgang beeinflussende Faktoren sind: 4 pH des Urins: Phosphate sind bei niedrigem Urin-pH besser löslich, für Harnsäure gilt das Gegenteil; die Löslichkeit der Oxalate lässt sich durch pH-Verschiebungen nicht beeinflussen (. Abb. 5.2). 4 Urinvolumen: größere Urinmengen bedeuten geringeren Sättigungsgrad. 4 Komplexbildner: Sie vereinigen sich mit steinbildenden Ionen zu leicht löslichen Verbindungen (Ca-Zitrat, Mg-Oxalat) und behindern die Kristallisation.
. Abb. 5.1 Zeichnung eines Blasensteins mit typischer Schichtung. Im Zentrum des schalenförmigen Steins, die organisches Material enthaltende »Matrix«
68
Kapitel 5 · Harnsteinerkrankung (Urolithiasis)
. Abb. 5.2 Löslichkeit steinbildender Salze und Urin-pH (schematische Darstellung). Hoher Sättigungsgrad begünstigt Steinbildung
5 Die Konzentration der steinbildenden Substanzen im Urin wird, abgesehen von der Diurese, bestimmt durch: 4 die Zufuhr mit der Nahrung (Kalzium in Milchprodukten; Oxalat in gewissen Pflanzen wie Spinat, Rhabarber, Kakao; Purinkörper in gewissen Fleischwaren usw.). Es kommt aber nicht nur auf die Menge, sondern auch auf das Verhältnis an: So vermindert vermehrte orale Kalziumzufuhr bei hoher Oxalatbelastung das Steinrisiko durch Bildung eines schwer resorbierbaren KalziumOxalates. 4 den Grad der intestinalen Absorption (z. B. Ca-Hyperabsorber). 4 die endogene Freisetzung von steinbildenden Substanzen (z. B. Oxalsäure und Harnsäure als Stoffwechselendprodukte, Kalzium durch vermehrte Resorption aus dem Knochen (Hyperparathyreoidismus). Für rund 20% der Harnsteine kennt man die Entstehungsursache oder zumindest wesentliche kausalgenetische Faktoren. Beim verbleibenden Teil spricht man von idiopathischer (ungeklärter) Steinbildung. In der Regel wirken bei der Steinentstehung mehrere Faktoren zusammen. Geklärt ist die Steinbildung bei 4 primärem Hyperparathyreoidismus (2–3%): Gesteigerte Parathormonsekretion → Hyperkalziämie → Hyperkalziurie und verminderte tubuläre Phos-
phatreabsorption. 4 Oxalose (sehr selten): Angeborene Störung des Oxalatstoffwechsels → Ne-
phrokalzinose im Kindesalter. 4 Markschwammnieren (90%), dann in abnehmender Häufigkeit die Nierenbecken, die Ureteren und die hintere Urethra.
6.3.1
Nierenbeckentumoren
Nierenbeckentumoren machen rund 10% aller Nierentumoren aus und sind fast immer (90%) papilläre Urothelkarzinome. Oft treten die Geschwülste multipel auf (30–40%) oder führen zu Ablegern in Ureter und Blase. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Ätiologie Neben der unspezifischen, chronischen Entzündung gibt es seltene, regional auftretende Nephritiden mit erhöhtem Tumorrisiko (Balkannephritis). Eine wichtige Ätiologie in Westeuropa war der Phenazetinabusus (Kopfschmerztabletten). Nikotinabusus. Weitere ätiologische Hinweise 7 Blasentumoren. Pathologie Die dünne Wand der oberen Harnwege ist rasch durchwachsen → Infiltration ins peripelvine Fettgewebe und Metastasierung in lumbale Lymphknoten. Klinik Hauptsymptom (80%) und (im Gegensatz zum Nierenzellkarzinom) auch Frühsymptom ist die Mikro- (Makro-)hämaturie. Im CT und Urogramm manifestiert sich der Tumor durch Kontrastmittelaussparung. Gelegentlich ist ein retrogrades Pyelogramm notwendig, mit dem der Füllungsdefekt besser dargestellt werden kann. Differenzialdiagnostisch kommen in Frage: Gefäßimpressionen, röntgennegative Konkremente, evtl. Tuberkulose. Hilfreich sind Urinzytologie, evtl. Ureterorenoskopie.
92
Kapitel 6 · Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren)
Therapie Nephroureterektomie, unter Mitentfernung der Uretermündung. Die vollständige Entfernung des Ureters ist notwendig wegen der Gefahr einer späteren Geschwulstentwicklung im zurückgebliebenen Ureterstumpf (bis 30%). Prognose Je nach Tumortyp und Stadium: bei bedingt malignen Tumoren 80%,
bei infiltrierenden Karzinomen 25% Überlebende nach 5 Jahren.
6.3.2
Uretertumoren
Diese sind seltener (ca. 3% aller Urotheltumoren) und entwickeln sich in der Regel im distalen Abschnitt.
6 F10
Klinik Ähnlich wie bei den Nierenbeckentumoren. Im intravenösen oder retro-
graden Kontrastbild erkennt man eine tumorbedingte Kontrastaussparung und in der Regel eine mehr oder weniger starke Stauung. Therapie Nephroureterektomie. Bei gutartigen distalen Geschwülsten ist gelegent-
lich eine Teilresektion mit Neueinpflanzung in die Blase möglich. Bei infiltrierendem Karzinomwachstum ist die Prognose ungünstig; nur wenige Prozent Überlebende nach 5 Jahren.
6.3.3
Blasentumoren
Der Blasentumor ist nach dem Prostatakarzinom der zweithäufigste Urogenitaltumor. Befallen sind vorzugsweise Männer (3 : 1) in der Altersgruppe von 50–80 Jahren. Ätiologie Bereits 1895 hat der Chirurg Rehn einen Zusammenhang zwischen
Blasentumoren und einer Exposition mit Farbstoffen nachgewiesen. Seine Bezeichnung »Anilinkrebs« ist allerdings unzutreffend. In Wirklichkeit sind es aromatische Amine (Amingruppe in Orthostellung), die im Tierversuch Blasentumoren verursachen. Gefährdet sind die Arbeiter in gewissen Sparten der Textil-, Leder-, Farb- und Gummiindustrie. Zur Tumorinduktion ist eine gewisse Expositionszeit notwendig (2 Jahre). Das Auftreten der Tumoren erfolgt nach einer Latenzzeit, die je nach Expositionsdauer und Intensität zwischen 5 und 40 Jahren beträgt. Heute selten. Auch das Zigarettenrauchen ist als blasentumorinduzierender Faktor gesichert. Die Konzentrationen der Tryptophanmetaboliten im Urin liegen bei Rauchern bis zu 50% höher. Weiter können chronische Entzündungen (besonders
93 6.3 · Tumoren des Urothels
6
. Abb. 6.3 Blasentumorstadien im TNM-System. Ta, Tis, T1–T4 bedeuten unterschiedliche Infiltrationstiefe, N0–N+ beurteilen die lymphogene Metastasierung, M0–M+ beurteilen die Fernmetastasierung
Bilharziose, evtl. Steine) zur Tumorbildung Anlass geben (→ Plattenepithelkarzinome). Urinstase und Restharn (in Divertikeln) begünstigen vermutlich die Tumorentstehung (auch in den oberen Harnwegen). Pathologie (. Tab. 6.1) Es handelt sich in der Regel (>90%) um Tumoren vom Übergangsepitheltyp (Urothelkarzinome). Vom Wachstumstyp her unterscheidet man papilläre Tumoren, oberflächliche (Carcinoma in situ) und infiltrierende Karzinome unterschiedlicher T-Stadien (. Abb. 6.3). Das Carcinoma in situ (CIS) der Harnblase ist vermutlich eine Vorstufe der invasiven Tumoren.
! Für die Klinik ist die Unterscheidung zwischen oberflächlichen (meist relativ gutartigen) und invasiven (aggressiv wachsenden und metastasierenden) Urothelkarzinomen hilfreich. Klinisches Verhalten (. Tab. 6.1) Das Wachstum erfolgt meist exophytisch, papillomatös und häufig multizentrisch. Die oberflächlichen pTa-Tumoren (»Papil-
lome«, »Tumoren mit niedrigem Malignitätspotenzial«) metastasieren praktisch nie, zeigen aber eine hohe Rezidivierungstendenz (>50%). Die muskelinvasiven (≥pT2) Blasenkarzinome verhalten sich aggressiv, metastasieren früh und haben eine ungünstige Prognose. Geschätzte 50% der Patienten haben zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Mikrometastasen. Die Metastasierung geschieht vorwiegend
H10
94
Kapitel 6 · Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren)
lymphogen → Beckenlymphknoten → paraaortokavale Lymphknoten → Lunge, Leber, Knochen (hämatogene Fernmetastasen). pT1-Tumoren sind früh entdeckte, muskelinvasive Tumoren. Eine besondere Stellung nimmt das so genannte Carcinoma in situ (Cis) ein. Es wächst ganz oberflächlich, ist manchmal schwierig zu diagnostizieren, hat aber unbehandelt ein hohes Malignitätspotenzial (ca. 50% werden muskelinvasiv). Genetische Untersuchungen zeigen, dass es den invasiven Tumoren verwandt ist. ! Das Carcinoma in situ (Cis) spricht gut auf BCG-Instillationen an. Klinik Haupt- und Frühsymptom: schmerzlose Mikrohämaturie mit Makro-
6
hämaturieepisoden (80%); seltener Pollakisurie und »Zystitis« (20%). Beginn schleichend, ohne Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens. Die Erscheinungen werden daher vom Patienten, gelegentlich aber auch vom Arzt (zu Unrecht) bagatellisiert. ! Mikro- und Makrohämaturie sowie therapieresistente Zystitiden sind immer tumorverdächtig. Diagnostik (. Tab. 6.1)
H06
4 Die Urethrozystoskopie, manchmal ergänzt durch eine Urinzytologie, zeigt den Typ, die Ausdehnung und die Anzahl der Tumoren. Gesichert wird die Diagnose mit einer transurethralen Resektion der Blase (TUR-B) (. Abb. 6.4). Durch die Anwendung der sog. photodynamischen Diagnostik (PDD) kann die Detektionsrate von flachen, schwer sichtbaren Blasentumoren verbessert
. Abb. 6.4 Zwei papilläre Harnblasentumoren. Mit der elektrischen Metallschlinge wird der Tumor abgetragen und zu histologischen Untersuchung gesandt
95 6.3 · Tumoren des Urothels
6
werden. Hexaminolävulinsäure wird ca. 2 h vor der TUR-B in die Blase instilliert und reichert dort in sich rasch vermehrenden Zellen an. Befallene Stellen leuchten rot und können mit speziellen Fluoreszenz-Zystoskopen gut gesehen werden. Kommt insbesondere bei Verdacht auf Carcinoma in situ (CIS) zur Anwendung. → Fallquiz, Fallbeispiel 7, S. F36. 4 CT oder Urographie: Füllungsdefekte in der Harnblase, gelegentlich einseitige Stauung der oberen Harnwege durch infiltratives Wachstum im Trigonumbereich. Eine Urographie oder CT-Untersuchung ist bei Hämaturie und anders motiviertem Tumorverdacht obligatorisch (. Abb. 6.5). Die Beurteilung der lokalen Ausdehnung (Infiltration in benachbarte Strukturen) und des Lymphknotenbefalls erfolgt durch die Computertomographie oder auch Magnetresonanztomographie (. Abb. 6.6). Zur Suche nach Fernmetastasen in
. Abb. 6.5 Kugeliger, papillär wachsender Tumor der linken Harnblasenwand. Kontrastmittelaufnahme. Kein Hinweis auf Infiltration
. Abb. 6.6 Magnetresonanztomogramm eines Blasentumors. Man sieht einen diffus wachsenden Tumor (Pfeil), der die Blasenwand aber noch nicht überschritten hat
96
Kapitel 6 · Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren)
Lunge, Leber und Skelettsystem eignen sich Thoraxaufnahmen, Computertomogramm und Skelettszintigramm. Therapie (. Tab. 6.1) Bei der Indikationsstellung zu berücksichtigen sind Stadium, histologischer Typ, Malignitätsgrad, Alter, Allgemeinzustand, familiäre Situation u. a. H10
6 F09 H09
H08 H10
Behandlungsmöglichkeiten: 4 Transurethrale Resektion (TUR-B): Erster diagnostischer Schritt und Basis für
die Beurteilung des weiteren Vorgehens. Ist gleichzeitig die definitive Therapie bei oberflächlichen, gut differenzierten und lokalisierten Tumoren (Ta, T1, evtl. T2 immer mit Nachresektion einige Wochen später). Vorteile: kleines Operationstrauma, geringe postoperative Beschwerden, kurze Krankheitsdauer, jederzeit wiederholbar. 4 Blasenteilresektion: Sehr selten indiziert: z. B. bei einem für die TUR-B ungünstigen Tumorsitz in der Blasenkuppe bzw. an der Blasenhinterwand und beschränkter Lebenserwartung; Gefahr der Tumorzellverschleppung. 4 Zystektomie + Lymphadenektomie + Harndeviation: Für alle infiltrierenden und multizentrisch wachsenden Tumoren, die die Möglichkeiten der TUR-B übersteigen und bei denen Heilung angestrebt wird (therapieresistentes Cis, T2/T3, N0, M0). Die Zystektomie ist nur sinnvoll, wenn kein offensichtlicher Befall der regionalen Lymphknoten besteht (präoperatives CT, Schnellschnittuntersuchung). Der Urin wird meist nach außen umgeleitet. Zur Harnumleitung am gebräuchlichsten ist ein sog. Ileumconduit mit äußerlich aufgeklebtem Auffangbeutel (. Abb. 12.8). Alternativ lässt sich ein inneres Darmbeutelreservoir (»Ersatzblase«, »Neoblase«, »Pouch«) bilden, das »kontinent« ist. Bevorzugt wird beim Mann, in letzter Zeit auch vermehrt bei der Frau, die Verbindung dieser Neoblase mit der Urethra, sofern diese tumorfrei ist (»orthotoper Blasenersatz«; . Abb. 12.7). Diese Patienten haben eine mehr oder weniger »normale« Pressmiktion. Seltener wird ein kontinenter Blasenersatz mit Verbindung zur Bauchhaut (meist im Nabelbereich) gewählt, der regelmäßig durch Katheterismus entleert werden muss. 4 Chemotherapie: Die Zytostatikabehandlung ist zu einer wichtigen Zusatztherapie geworden, die die Prognose des Blasenkarzinoms günstig beeinflusst. 5 Die intravesikale Instillationsbehandlung (in Kombination mit der TUR-B) bei diffusem oberflächlichen Tumorbefall (Mitomycin C, Adriamycin, BCG) senkt die Rezidivrate und verlangsamt die Entstehung histologisch bösartiger, infiltrierender Rezidive. Die Instillation von BCG (Bacillus-Calmette-Guerin = Tbc-Bakterien) ist für das gefürchtete Carcinoma in situ (Tis) erste Behandlungsoption. Bei infiltrativem Tumorwachstum (T2) sind Instillationsbehandlungen wertlos.
6
97 6.3 · Tumoren des Urothels
. Tab. 6.1 Blasentumoren. Schematische Übersicht über Diagnostik, Prognose und Therapie in Abhängigkeit vom Stadium
Klinische Bezeichnung
Pathologische Einteilung
Diagnostik
Therapie
Prognose
»Papillom«, »Tumor mit niedrigem Malignitätspotenzial«
pTa
TUR-B
TUR-B (Diagnostik = Therapie)
Gut. Rezidive in >50%
»Cis«
Carcinoma in situ
TUR-B, Zytologie (90% pathologisch)
BCG Instillation, selten Zystektomie
Behandelt: günstig (>90% tumorfreies 5-Jahresüberleben)
»T1-Tumoren«
pT1
TUR-B
TUR-B und BCG-Instillation oder Zystektomie
Mit frühzeitiger, aggressiver Therapie günstig
»(Muskel-) Invasive Tumoren«
≥pT2
TUR-B, evtl. Re-TUR-B
Zystektomie
Ungünstig. Mit aggressiver Therapie 50–70% tumorfreies 5-Jahresüberleben
5 Die systemische Chemotherapie mit verschiedenen Zytostatika-Kombinationen wird in chirurgischen Grenzfällen prä- und postoperativ (»neoadjuvant« und »adjuvant«) mit Erfolg eingesetzt. Auch in der Behandlung des metastasierenden Blasenkarzinoms lassen sich zumindest partielle Remissionen erreichen. Die wichtigsten Medikamente (mit ihren objektiven Ansprechraten) sind Cisplatin (30%), Gemcitabin (25%), Methotrexat (30%), Adriamycin (18%) und Vinblastin (18%). Das früher übliche M-VAC-Schema wurde zugunsten einer Kombination aus Cisplatin und Gemcitabin verlassen. Gleich gute Ansprechraten (ca. 40%), aber deutlich weniger Nebenwirkungen.
98
Kapitel 6 · Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren)
Prognose (. Tab. 6.1) Die Prognose hängt ab von der Infiltrationstiefe (T-Kategorie) und vom Malignitätsgrad (G). Die 5-Jahresüberlebensrate bei wenig invasivem Tumorwachstum (T1/T2) liegt bei rund 60% oder weniger (bei niedrigem Differenzierungsgrad); bei fortgeschrittener Infiltration der Harnblasenwand (T3/T4) 10% oder weniger. ä Fallbeispiel Anamnese »Hämorrhagische« Zystitis bei einem 61-jährigen Magazinverwalter (Nichtraucher). Nach Behandlung mit Norfloxacin über zwei Wochen gehen die Beschwerden nur teilweise zurück. Besonders die Pollakisurie bleibt und im Urin kann weiterhin eine Mikrohämaturie nachgewiesen werden. Bakterien finden sich aber bei wiederholter Untersuchung nicht. Weitere Abklärung Im CT unauffällige Nieren und unauffällige obere Harnwege. In der Blase vereinzelte Aussparungen im Kontrastbild (Koagula?). In der Urinzytologie vereinzelt unregelmäßige Urothelien, ohne dass eine sichere Malignitätsdiagnose gestellt werden kann. Deshalb wird eine flexible Zystoskopie durchgeführt, die drei nebeneinander liegende exophytische Wucherungen über dem rechten Ostium ergibt. Die übrige Blase ist unauffällig. Diagnose Multiple exophytisch wachsende Urotheltumoren der Blase. Therapie Transurethrale Abtragung der Geschwülste mit Hochfrequenzschlinge (TURB). Histologisch handelt es sich um oberflächliche Karzinome pTa (ohne Durchbruch durch die Lamina propria der Submukosa). Weiteres Vorgehen Drei Monate später Nachresektion im Operationsgebiet. Bei tumorfreiem Präparat kann von Heilung ausgegangen werden. Anschließend sind aber Kontrollen in sechsmonatigen Abständen notwendig (Urinzytologie und Zystoskopie), da bei multiplen Tumoren mit einer hohen Rezidivhäufigkeit (bis 70%) gerechnet werden muss.
6
H10
6.4
Prostatakarzinom
Es ist das häufigste Urogenitalkarzinom des Mannes und ein ausgesprochenes »Alterskarzinom«. Klinisch nicht in Erscheinung getretene »latente« Karzinome finden sich anlässlich der Autopsie von über 70-jährigen Männern in rund 40% der Fälle. In Deutschland ca. 40.000 neue Fälle pro Jahr und ca. 12.000 Todesfälle am Tumor. Es ist zudem die häufigste Krebserkrankung des Mannes überhaupt. Die jährliche Prostatakrebsinzidenzrate pro 100.000 Männer beträgt zurzeit in Basel um die 85. Die Stadieneinteilung ist in . Tab. 6.2 dargestellt. ! »Nur« jeder 3. bis 4. Mann, der an Prostatakarzinom erkrankt, stirbt daran → Gefahr der Überbehandlung.
99 6.4 · Prostatakarzinom
6
. Tab. 6.2 Prostatakarzinom. Vereinfachte TNM-Klassifikation (UICC 2002). Dunkel hinterlegt sind lokal fortgeschrittene Tumoren; alle anderen sind lokal begrenzt (potenziell heilbar)
T-Stadium
Definition
T-Primärtumor T1
Tumor klinisch nicht erkennbar (Abtasten, Bildgebung)
T1a
Zufälliger histologischer Befund (z. B. bei TUR-P), ≤5% des untersuchten Gewebes befallen
T1b
Wie T1a, aber >5% des untersuchten Gewebes befallen
T1c
Tumor durch Biopsie diagnostiziert, z. B. wegen PSA-Erhöhung
T2
Tumor begrenzt auf Organ
T2a
Befall ≤50% eines Lappens
F08
T2b
Befall >50% eines Lappens
H08
T2c
Befall beider Lappen
T3
Tumor durchbricht Prostatakapsel
T3a
Extrakapsuläre Ausbreitung
T3b
Infiltration Samenblasen
T4
Tumor ist fixiert oder infiltriert benachbarte Strukturen (z. B. Rektum)
N – Regionäre Lymphknoten (LK) Nx
LK nicht beurteilbar, nicht bekannt
N0
Keine regionären LK
N1
Regionäre LK-Metastasen
M – Fernmetastasen Mx
Fernmetastasen nicht beurteilbar
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
100
Kapitel 6 · Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren)
6.4.1
Ätiologie
Die Krankheitsursachen sind unbekannt. Alter (»Alterskarzinom«), hormonale Faktoren (Androgene stimulieren offenbar das Tumorwachstum) und Rasse (Japan: seltener, Afroamerikaner: häufiger betroffen) und möglicherweise auch die Umwelt (Ernährung zu fett!) spielen eine Rolle. Es besteht eine höhere Inzidenz in den Industrieländern. Daneben spielt die genetische Disposition eine Rolle. Bei I.-gradig Verwandten (Vater, Bruder) Risiko 2- bis 3-mal höher.
6.4.2
6
Fast immer von Drüsenepithelien ausgehend (Adenokarzinom). Selten Sarkome. Das Prostatakarzinom entwickelt sich in der Prostata entlang den Lymphspalten, durchbricht die anatomische Kapsel und infiltriert lokal zunächst die Samenblasen. Später metastasiert es in die regionalen (= iliakalen und obturatorischen) Lymphknoten und streut hämatogen bevorzugt in das Skelett (Becken, LWS). Der Tumor entwickelt sich vollständig unabhängig von – aber häufig gleichzeitig mit – einer benignen Prostatahyperplasie (BPH). Das histologische Wachstumsmuster wird nach Gleason differenziert. Ein tiefer Gleason-Score (2–6) bedeutet eine günstige, ein hoher (8–10) eine ungünstige Prognose. Ein Gleason-Score von 7 liegt dazwischen.
6.4.3
H07
F08 H08
Pathologie
Klinik
Initial liegen meist keine Symptome vor. »Klinisch-manifest« wird ein Prostatakarzinom durch sein abflussbehinderndes Tumorwachstum oder selten durch Metastasenschmerzen (»Lumbago«, »Ischias«) als erstes Krankheitssymptom überhaupt. Beim »okkulten« Karzinom werden zuerst Metastasen nachgewiesen (z. B. durch Röntgenaufnahmen). Das »inzidentielle« Karzinom findet sich unerwarteterweise bei der histologischen Untersuchung von Prostatagewebe nach TUR bei vermeintlich gutartiger Vergrößerung (ca. 10%). Von der Patientengruppe, die wegen Dysurie einen Arzt aufsucht, haben ca. 10% ein Prostatakarzinom. Bei rund der Hälfte dieser Patienten sind zu diesem Zeitpunkt bereits Metastasen vorhanden. Heutzutage werden die meisten Prostatakarzinome (>95%) nicht aufgrund von Symptomen entdeckt, sondern wegen einer PSA-Erhöhung. ! Chronische Lumbalgien bei über 60-jährigen Männern sind metastasenverdächtig.
101 6.4 · Prostatakarzinom
6.4.4
6
Diagnostik
Rektaluntersuchung 70% der Karzinome entwickeln sich im peripheren, dorsalen Anteil der Prostata und können deshalb oft vom Rektum aus getastet werden. Seitdem die Bestimmung des PSA (Prostata spezifisches Antigen) weite Verbreitung gefunden hat, ist der Anteil der tastbaren Karzinome stark zurückgegangen. Beurteilt werden: 4 Begrenzung → unscharfe Begrenzung bedeutet Infiltration. 4 Konsistenz → jede Induration ist karzinomverdächtig. 4 Oberflächenbeschaffenheit → die glatte Oberfläche des Adenoms wird durch Karzinomknoten unregelmäßig. Laboruntersuchungen Prostataspezifisches Antigen (PSA). Das PSA ist der wichtigste Parameter für die Früherkennung des Prostatakarzinoms, für die Beurteilung von dessen Aktivität und für die Erkennung eines Rezidivs nach der Behandlung. Über den genauen Stellenwert des PSA beim Prostatakarzinom-Screening herrscht eine Kontroverse, ebenso über den Norm- oder Grenzwert. Das PSA sollte deshalb stets im Kontext (Verlauf über die Zeit, Tastbefund, Alter des Patienten und therapeutische Optionen) bestimmt und beurteilt werden. Generell werden folgende Werte angenommen: 4 »Normwert«: bis 4 ng/ml (= 4 mg pro Liter) 4 »Graubereich«: 4–10 ng/ml 4 Abklärungsbedürftig: >10 ng/ml
Erhöhte Werte in der Regel kontrollieren. Steigende Werte sind abklärungsbedürftig. PSA-Erhöhung auch bei gutartiger Prostatahyperplasie, Entzündungen, transurethralen Manipulationen. Im Zweifel Beurteilung durch den Urologen. Unbestritten ist das PSA in der Tumornachsorge. Bei diagnostiziertem Prostatakarzinom sind steigende PSA-Werte mit einem Rezidiv oder einer Progression gleichzusetzen. ! Das PSA ist organ-, nicht aber karzinomspezifisch. Es ist deshalb kein eigentlicher Krebstest.
Die sehr unspezifische alkalische Phosphatase (AP) spricht, wenn sie beim Prostatakarzinom erhöht ist, für eine Skelettmetastasierung. Die saure Prostataphosphatase wird nicht mehr gemessen. Biopsie Mit rektaler Palpation und PSA kann ein Prostatakarzinom vermutet
werden. Die Sicherung der Diagnose erfolgt jedoch nur durch die ultraschallgezielte transrektale Biopsie (. Abb. 6.7).
102
Kapitel 6 · Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren)
F08 H08
6 . Abb. 6.7 Biopsie der Prostata. Transrektale Entnahme von Gewebe aus der Prostata mit einer feinen Nadel zur histologischen oder zytologischen Untersuchung
Radiologische und nuklearmedizinische Untersuchungen (. Abb. 6.8) Sind
H09
meist bei gesichertem Prostatakarzinom zum Staging (Stadieneinteilung) indiziert: 4 Kapseldurchbruch und Samenblasenbefall können im CT erkennbar sein. Harnleiterabflussbehinderung spricht für Einwachsen des Tumors im Ostiumbereich. 4 MRI nicht routinemäßig, da nicht besser als CT. Meist zu Planung einer Bestrahlung 4 Die Skelettszintigraphie ist ein sehr empfindlicher bildgebender Test für die Erfassung von Metastasen (DD: M. Paget). 4 Skelettröntgenaufnahmen sind nur ausnahmsweise nötig (osteoplastische Metastasen), Frage nach Frakturgefährdung.
6.4.5
Therapie
Alle Therapiemaßnahmen in der Chirurgie erfolgen aufgrund einer Indikationsstellung, bei der eine Vielzahl von Faktoren (z. B. Überlebenserwartung, Tumorstadium, Differenzierungsgrad usw.) berücksichtigt werden. Die Therapiemöglichkeiten aufgrund des Tumorstadiums sind in . Tab. 6.3 aufgeführt.
103 6.4 · Prostatakarzinom
a
6
b
. Abb. 6.8a,b Knochenszintigramm, a normal, b zahlreiche Metastasen (dunkle Flächen und Punkte)
F08 H08
! Für Therapie und Prognose ist entscheidend, ob der Tumor noch organbegrenzt (≤T2) ist (»Prognostische Wasserscheide«). F10
Die radikale Prostatektomie ist nur in Frühstadien (bis T2 N0) wirklich sinnvoll. Sie bedeutet ein Risiko für die Erhaltung der Erektionsfähigkeit und der Kontinenz (Belastungsinkontinenz) und für Strikturbildungen an der vesikourethralen
H10 F08 H08
104
Kapitel 6 · Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren)
. Tab. 6.3 Therapiemöglichkeiten aufgrund des Tumorstadiums
6
H10
F08 H08
T1 + T2 (N0M0)
Radikale Prostatektomie: vollständige Entfernung der Prostata mit Samenblasen in kurativer Absicht (suprapubisch, perineal, laparoskopisch, roboterassistiert) Strahlentherapie: externe Hochvoltbestrahlung oder Brachytherapie (»seeds«) Abwartende Haltung (»wait and watch«, »active surveillance«): bei hochdifferenziertem Tumor, beschränkter Lebenserwartung
T3 (NxM0)
Wie T2, in der Regel jedoch keine Prostatektomie. Bei Hochvolttherapie größere Bestrahlungsfelder und zusätzlich antiandrogene Behandlung
T3 + T4 (M+)
Hormonentzugsbehandlung: Androgensuppression (Orchiektomie oder LH-RH-Agonisten)
Anastomose. Die radikale Prostatektomie kann auf retropubischem, perinealem und laparoskopischem Weg, in jüngster Zeit auch laparoskopisch-roboterassistiert, durchgeführt werden. Das Prinzip ist bei allen 3 Zugängen identisch (. Abb. 6.9). Zurzeit ist unklar, ob eine der Methoden überlegen ist. Die Strahlentherapie mit kurativem Ansatz ist nur in lokal begrenzten Stadien (bis T3, N0–1, M0) sinnvoll. Sie kann eine vorübergehende Reizsymptomatologie der Blase und des Darms zur Folge haben. Dauerschäden sind selten. Die Potenz ist bei einem großen Teil der Patienten im späteren Verlauf ebenfalls beeinträchtigt. Eine besondere Art der Strahlentherapie ist die sog. Brachytherapie (»SeedImplantation«, »Spickung«). Dabei wird die Strahlenquelle auf perinealem Weg direkt in die Prostata eingebracht und entfaltet dort ihre Wirkung. Als Strahlenquelle verwendet man meist kleine, permanent belassene, radioaktive Metallstifte (»Seeds«; 125Iod oder 103Palladium), seltener von außen eingestochene und nach der Behandlung wieder entfernte Metallstäbe (109Iridium; sog. After-loadingTechnik). Langzeitresultate liegen erst beschränkt vor. Vorteil scheinen geringere Nebenwirkungen, v. a. auf die Sexualfunktion zu sein. Die Verlaufsbeobachtung ohne Behandlung ist in ausgewählten Fällen durchaus gerechtfertigt und wird zunehmend angewandt. Hochdifferenzierte Tumoren bleiben oft jahrelang stationär und dürfen deshalb durchaus vorerst einmal ohne Behandlung beobachtet werden (. Tab. 6.4). Obwohl sich noch kein genereller Konsens ausgebildet hat wird das beobachtende Zuwarten (»watchful waiting«) eher älteren Patienten mit beschränkter Lebenserwartung empfohlen. Die Kontrolle erfolgt mit Abtasten der Prostata und PSA-Bestimmungen. Bei der aktiven Über-
6
105 6.4 · Prostatakarzinom
a
c b . Abb. 6.9a–c Schematische Darstellung der radikalen Prostatektomie. a Prostata mit organbeschränktem Tumor. b Entfernung der gesamten Prostata mit Samenblasen und Endstücken der Ductus deferentes. Oft gleichzeitiges Entfernen der iliakalen und obturatorischen Lymphknoten zu diagnostischen Zwecken. c Anastomose zwischen Blasenhals und Urethrastumpf
wachung (»active surveillance«) handelt es sich um eine intensivierte Überwachung mit zusätzlichen Biopsien in regelmäßigen Abständen (alle 6–12 Monate). Bei Tumorprogression (z. B. höherer Gleason-Score in der Rebiopsie) wird eine Therapie in kurativer Absicht angeboten. Sie wird auch bei jüngeren Patienten angewandt. Einem erheblichen Teil der Betroffenen können so eine Behandlung (und damit auch deren Nebenwirkungen) erspart bleiben. Setzt eine gewisse Differenziertheit und eine gute Compliance voraus, ist aber manchmal psychologisch belastend. Die Indikationsstellung und Durchführung der Therapie verlangen aus den angeführten Überlegungen große Erfahrung und enge Zusammenarbeit der beteiligten Disziplinen (Urologie, Strahlentherapie, Onkologie) sowie die positive Mitwirkung des über sein Leiden aufgeklärten Patienten.
F08 H08
106
Kapitel 6 · Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren)
. Tab. 6.4 Mittlere Lebenserwartung für Männer (Quelle: Statistisches Jahrbuch der Schweiz)
6 H07
F08 H08
Alter
Ø Lebenserwartung
60 65 70 75 80 85
19,6 15,8 12,5 9,4 7,1 3,8
Behandlungsgrundsätze für das metastasierende Prostatakarzinom (M+) Endokrine Therapie: Ausschaltung der wachstumsanregenden Wirkung der Andro-
gene auf den Primärtumor und die Metastasen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: 4 Orchiektomie (chirurgische Androgensuppression): Entfernung des Hodenparenchyms unter Belassung des Nebenhodens (evtl. der Tunica albuginea). Der Patient fühlt sich nicht vollständig »kastriert« → Plasmatestosteron fällt jedoch auf Kastrationswerte (einfach, kostengünstig). 4 Medikamentöse Androgensuppression (»medikamentöse« Kastration) 5 LH-RH-Analoga: Die regelmäßige Verabreichung von LH-RH-Analogen erniedrigt – nach einer initialen Stimulationsphase – den Androgenspiegel auf Kastrationsniveau. 5 Antiandrogene: Es gibt steroidale (Cyproteronazetat) und nichtsteroidale (Flutamid, Bicalutamid) Antiandrogene, die sich in gewissen Nebenwirkungen unterscheiden. Antiandrogene blockieren die zellulären Androgenrezeptoren an Prostatazellen. 5 Östrogene wirken zentral antigonadotrop. Sie blockieren die LH-Sekretion und damit die Androgenausscheidung. Wegen kardiovaskulärer Nebenwirkungen werden Östrogene zurzeit wenig eingesetzt. ! Antiandrogene Therapie (= Hormonentzugsbehandlung) bei fortgeschrittenen Prostatakarzinomen.
In der Planung der endokrinen Therapie gibt es offene Fragen: 4 Soll die Androgensuppression unmittelbar nach der Feststellung von PSAAnstieg oder Metastasen eingeleitet werden oder soll das Auftreten von Beschwerden abgewartet werden? Nach derzeitigem Wissen ist der frühzeitige Behandlungsbeginn nicht besser. 4 Soll eine »komplette« Androgenblockade (zur Blockierung der 5% Testosteron aus der Nebenniere) durch zusätzliche Verabreichung eines Antiandrogens
107 6.4 · Prostatakarzinom
6
durchgeführt werden? Nach aktuellem Wissensstand ist die routinemäßige komplette Androgenblockade nicht indiziert. Bei einzelnen Patienten kann aber durchaus ein positiver Effekt erzielt werden. Gelegentlich auch Ansprechen des Tumors auf späteres Wiederabsetzen des Antiandrogens (sog. »Antiandrogenentzug«). 4 Chemotherapie: Bis vor kurzem galt das hormonrefraktäre Prostatakarzinom als weitgehend »chemotherapieresistent« und somit »austherapiert«. Neuere Behandlungsmodalitäten mit Taxanen (Docetaxel) und Kortikosteroiden verbessern aber nicht nur das Überleben, sondern haben vor allem einen günstigen Effekt auf die Lebensqualität. 4 Bisphosphonate: Bei generalisierter Knochenmetastasierung werden erfolgreich Bisphosphonate eingesetzt. Sie inhibieren die Osteoklastenaktivität und verringern skelettale Komplikationen (Frakturen) und Schmerzen eindrücklich. Cave: Bei nicht sanierten Zähnen erhöhte Gefahr von Unterkiefer-Osteonekrosen. Strahlentherapie Bei Metastasierung mit lokalen Metastasenschmerzen »am Ort der Not« ist die Strahlentherapie sehr wirkungsvoll. TUR Bei Harnabflussbehinderung palliative transurethrale Prostataresektion.
6.4.6
Prognose
Bei stadiengerechter Behandlung: 4 T1: ± normale Lebenserwartung, 4 T2: nach 5 Jahren 80% Überlebende, nach 10 Jahren 60% Überlebende, 4 T3/M0: nach 5 Jahren 40% Überlebende, nach 10 Jahren 25% Überlebende, 4 T3/T4/M+: Lebenserwartung einige Monate bis 1 Jahr. Leider befinden sich zum Zeitpunkt der Diagnose viele Patienten bereits im Stadium T3/T4/M+ und können nur noch palliativ behandelt werden. Die Suche nach Frühfällen ist deshalb sinnvoll. Frühe Erkennung gestattet es bei rund 40% der Karzinomträger, die Therapie in einem noch lokalisierten, von der Prognose her aussichtsreichen Stadium einzuleiten. Die Mithilfe bei der Früherkennung ist deshalb – neben der Beratung des Patienten und gegebenenfalls der Durchführung und Überwachung der antiandrogenen Therapie – eine sehr wichtige Aufgabe des Hausarztes (Rektaluntersuchung, PSA-Bestimmung).
108
Kapitel 6 · Neubildungen des Urogenitalsystems (Tumoren)
ä Fallbeispiel
6
Anamnese Ein 50-jähriger Chemiker unterzieht sich einer »Check-up«-Untersuchung, anlässlich derer – auf seinen Wunsch – auch das PSA bestimmt wird. Miktionsbeschwerden bestehen nicht. Anlass der Untersuchung war, dass sein älterer Bruder an einem Prostatakarzinom erkrankt war. Befund PSA 8 ng/ml, bei der rektalen Untersuchung erweist sich die Prostata als etwa 30 g schwer. Der rechte Lappen ist etwas asymmetrisch vergrößert und zeigt eine etwas vermehrte Konsistenz. Weitere Abklärung Es erfolgt eine mit rektalem Ultraschall gezielte Biopsie, bei der acht Gewebeproben (vier aus jedem Lappen) entnommen werden. Zwei der drei Proben aus dem rechten Lappen sind von einem Adenokarzinom (GleasonScore 7) durchsetzt. Diagnose Prostatakarzinom im rechten Lappen (Stadium T2; Gleason-Score 7). Therapie Radikale Prostatektomie unter Schonung des »neurovaskulären Bündels« links, in der Hoffnung auf Erhaltung der Potenz. Verlauf Nach Katheterentfernung ist der Patient kontinent. Es besteht noch eine Belastungsinkontinenz, die sich aber in den ersten 3 Monaten bessert und nach 1 Jahr verschwunden ist. Die Kontrolle des PSA-Wertes nach drei Monaten ergibt unmessbare Werte (50%) Teratome/Teratokarzinome Embryonale Karzinome (
Antwort 4: Der Befund ist von Lage und Größe her im Moment noch mit Erhalt der Niere entfernbar.
>
Der weitere Verlauf: Obwohl der Patient beruflich stark engagiert ist, entschließt er sich zur Operation. Im Rahmen der Nierenteilresektion wird der tumortragende Teil der Niere abgetragen. Die Schnellschnittuntersuchung des Tumorgrundes ergibt eine Resektion im Gesunden. Die definitive Histologie ergibt ein Nierenzellkarzinom von 3 cm (pT1), Resektion im Gesunden. Der weitere Verlauf ist unauffällig. Die regelmäßigen, zunächst halbjährlichen, dann jährlichen Kontrollen mit Ultraschall beider Nieren nimmt der Patient zuverlässig wahr. In den folgenden 5 Jahren tritt kein Rezidiv auf und der Patient ist als geheilt zu betrachten.
F36
Basiswissen Urologie – Fallquiz
7 Ständiger Harndrang Schritt I ä Die 69-jährige, äußerst fitte, gepflegte Unternehmersgattin leidet unter ständigem
Harndrang und Pollakisurie. Sämtliche Behandlungsversuche mit Antibiotika durch den Hausarzt schlugen fehl. Die Anamnese ist sehr suggestiv für rezidivierende Harnwegsinfekte. Der ständige Harndrang und das fehlende Ansprechen auf Antibiotika machen Sie aber stutzig. ? Frage 1: Welche diagnostischen Maßnahmen empfehlen Sie der Dame?
F37 Basiswissen Urologie – Fallquiz
7 Ständiger Harndrang Schritt II v
Antwort 1: Sie führen eine Zystoskopie sowie eine Urinspülzytologie durch. Zystoskopisch ist eine leichte Rötungen der Schleimhaut zu erkennen, die Urinspülzytologie ergibt den Verdacht auf maligne Zellen. Die Zystoskopie in Spinalanästhesie mit photodynamischer Diagnostik zeigte das folgende Bild (. Abb. F.7):
. Abb. F.7 Photodynamische Diagnostik
? Frage 2: Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie? ? Frage 3: Welche weiteren diagnostischen Untersuchungen leiten Sie ein? ? Frage 4: Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es?
F38
Basiswissen Urologie – Fallquiz
7 Ständiger Harndrang Schritt III v
Antwort 2: Sie denken an ein Carcinoma in situ der Harnblase. Die geröteten Areale sind tumorverdächtig.
v
Antwort 3: Sie führen kalte Biopsien der geröteten Stellen durch. Sie bestätigen das Carcinoma in situ der Harnblase.
v
Antwort 4: Das Carcinoma in situ ist ein maligner Tumor, der unbehandelt invasiv werden und metastasieren kann. Wegen des diffusen Erscheinungsbildes kann mit einer Operation allein nicht der gesamte Tumor entfernt werden. Das Carcinoma in situ spricht sehr gut auf eine Instillation mit BCG (Bacille Calmette Guérin) an. Die in die Blase instillierten abgeschwächten Tuberkulosebakterien führen zu einer Immunreaktion, die die Rezidiv- und Progressionsrate des Carcinoma in situ signifikant senkt.
>
Der weitere Verlauf: Nach 6 Behandlungen im Abstand von einer Woche wird die Patientin nach 3, 6, 9 und 12 Monaten zystoskopiert. Sie bleibt tumorfrei, insbesondere sind auch die irritativen Miktionsbeschwerden verschwunden.
F39 Basiswissen Urologie – Fallquiz
8 Schmerzlose Makrohämaturie Schritt I ä Der 66-jährige Wirt, ein starker Raucher, berichtet über stark rot gefärbten Urin. Da
er aber keine Schmerzen hatte und das Blut wieder verschwunden sei, habe ihn das nicht weiter beunruhigt. Er meldet sich nun aber doch auf Drängen seiner Frau. ? Frage 1: Welche Differenzialdiagnosen stellen Sie? ? Frage 2: Welche diagnostischen Schritte leiten Sie ein?
F40
Basiswissen Urologie – Fallquiz
8 Schmerzlose Makrohämaturie Schritt II v
Antwort 1: Die schmerzlose Makrohämaturie ist verdächtig auf ein Blasenkarzinom, v. a. bei einem Raucher. Infekte, Fremdkörper oder Steine sind meist mit Miktionsbeschwerden oder Schmerzen verbunden, können aber auch einmal symptomarm verlaufen.
v
Antwort 2: Zunächst wird die Hämaturie bestätigt und dem Patienten eine Zystoskopie vorgeschlagen. Dabei zeigt sich folgendes Bild (. Abb. F.8):
. Abb. F.8 Zystoskopisches Bild
? Frage 3: Welche Diagnose stellen Sie? ? Frage 4: Welche weiteren diagnostischen Untersuchungen führen Sie durch?
Benötigen Sie bildgebende Verfahren?
F41 Basiswissen Urologie – Fallquiz
8 Schmerzlose Makrohämaturie Schritt III v
Antwort 3: Es besteht der hochgradige Verdacht auf einen soliden Blasentumor.
v
Antwort 4: Dem Patienten wird die transurethrale Resektion des Blasentumors (TUR-B oder TUR-BT) zur Diagnosesicherung empfohlen. Wegen der beruflichen Belastung lässt er den Eingriff erst 3 Monate später vornehmen. Vor der Operation wird noch ein CT durchgeführt (. Abb. F.9).
. Abb. F.9 Computertomogramm der Harnblase
? Frage 5: Welches therapeutische Vorgehen ist indiziert? ? Frage 6: Welche Urinableitung empfehlen Sie dem Patienten?
F42
Basiswissen Urologie – Fallquiz
8 Schmerzlose Makrohämaturie Schritt IV v
Antwort 5: Der Blasentumor macht im Computertomogramm einen soliden Eindruck, ist aber wahrscheinlich noch auf die Blase beschränkt. Die Histologie ergibt ein wenig differenziertes Urothelkarzinom mit Muskelinvasion (mindestens pT2) der Harnblase. Dies bedeutet, dass der Tumor auf transurethralem Wege nicht geheilt werden kann. Dem Patienten wird daher die radikale Zystektomie inklusive iliakaler Lymphadenektomie nahe gelegt, da damit die besten Heilungschancen bestehen.
v
Antwort 6: Als Urinableitung wird ein kontinentes Niederdruckreservoir (»Ersatzblase«, »Pouch«) empfohlen. Damit sind – nach einer Anlernphase – eine gute Kontinenz und ein weitgehend normales Leben möglich. Auch wenn heutzutage die Ersatzblase meist erste Wahl ist, bleibt das Ileumconduit eine bewährte und sichere Option.
>
Der weitere Verlauf: Bei dem Patienten ergab die definitive Histologie ein Urothelkarzinom der Harnblase pT2 pN0 M0 G2 R0 (das bedeutet: pT2 = der Tumor war muskelinvasiv, pN0 = die Lymphknoten waren tumorfrei, M0 = es gab keine Hinweise auf Fernmetastasen, G2 = histologisch mäßig differenziertes Karzinom, R0 = Resektion im Gesunden). Der weitere Verlauf war ohne Hinweis auf eine Tumorprogression. Das 5-Jahres-Überleben beträgt bei muskelinvasiven Tumoren allerdings nur rund 50%.
F43 Basiswissen Urologie – Fallquiz
9 Juckender Penis mit Miktionsbeschwerden Schritt I ä Ein 72-jähriger ehemaliger Automechaniker berichtet über leichtes Jucken am
Penis seit ein paar Monaten. Das Wasserlösen sei »auch nicht mehr wie früher«. Sie vertiefen die Anamnese in Richtung Miktionsbeschwerden, da Sie an eine Prostatahyperplasie denken. ? Frage 1: Welche einfache Untersuchungsmethode empfehlen Sie?
F44
Basiswissen Urologie – Fallquiz
9 Juckender Penis mit Miktionsbeschwerden Schritt II v
Antwort 1: Zwingend (aber leider oft vernachlässigt) ist eine Untersuchung des äußeren Genitale. Sie finden den folgenden Befund (. Abb. F.10):
. Abb. F.10 Klinisches Bild des Genitales
? Frage 3: Welche Diagnose stellen Sie? ? Frage 4: Sind weitere Untersuchungen notwendig? Wenn ja, welche? ? Frage 5: Welche Therapie empfehlen Sie?
F45 Basiswissen Urologie – Fallquiz
9 Juckender Penis mit Miktionsbeschwerden Schritt III v
Antwort 3: Es liegt eine hochgradige, sog. absolute Phimose vor (d. h. die Vorhaut kann auch bei schlaffem Glied nicht zurückgestreift werden).
v
Antwort 4: Weitere Abklärungen sind unnötig. Die narbige Präputialhautveränderung kann durch konservative Maßnahmen nicht entscheidend beeinflusst werden. Es ist verständlich, dass der Patient auch Beschwerden beim Wasserlösen hat.
v
Antwort 5: Sie denken daran, dass ein Peniskarzinom praktisch nur bei nichtzirkumzidierten Männern vorkommt. Sie schlagen dem Patienten eine Beschneidung in Lokal- oder Spinalanästhesie vor.
>
Der weitere Verlauf: Die Zirkumzision verläuft ohne Probleme. Die darunter liegende Glans ist gerötet; es findet sich viel Smegma. Hinweise auf ein Peniskarzinom liegen nicht vor. Die erste Zeit ist die entzündete Glans noch empfindlich. Bei der Abschlusskontrolle nach 6 Wochen ist der Patient mit dem Resultat sehr zufrieden. Auch die Miktionsbeschwerden sind besser geworden, wenn auch nicht ganz verschwunden.
F46
Basiswissen Urologie – Fallquiz
10 Tumor im Unterbauch Schritt I ä Ein 81-jähriger, rüstiger ehemaliger Politiker stellte sich in der Sprechstunde vor,
weil sein »Wohlstandsbauch« trotz Gewichtsreduktion persistiere. Da die Schwellung im Blasenbereich lag, suchte er den Urologen auf. Schmerzen gab er keine an, machte sich aber doch etwas Sorgen. Bei der Untersuchung zeigte sich folgendes Bild (. Abb. F.11):
. Abb. F.11 Klinische Präsentation des Tumors im Unterbauch. Der Kopf des Patienten ist links im Bild
? Frage 1: Woran denken Sie? ? Frage 2: Welche diagnostischen Maßnahmen ergreifen Sie?
F47 Basiswissen Urologie – Fallquiz
10 Tumor im Unterbauch Schritt II v
Antwort 1: Der Befund ist sehr suggestiv für eine (über-)volle Harnblase. Differenzialdiagnostisch kommen aber auch andere intraabdominale Tumoren in Frage.
v
Antwort 2: Auf genaueres Befragen hin gibt der Patient an, schon länger inkontinent zu sein. Er trage deshalb Vorlagen. Mit einer Palpation und Perkussion kann der Verdacht einer vollen Blase erhärtet werden. Im Ultraschall bestätigt sich der flüssigkeitsgefüllte Hohlraum. Die Nieren zeigen eine beidseitige Aufweitung mit etwas verschmälertem, aber noch erhaltenem Parenchym.
? Frage 3: Welche Diagnose stellen Sie? ? Frage 4: Sind weitere Untersuchungen notwendig? Wenn ja, welche? ? Frage 5: Welche Therapie empfehlen Sie?
F48
Basiswissen Urologie – Fallquiz
10 Tumor im Unterbauch Schritt III v
Antwort 3: Es liegt eine Überlaufblase vor, wahrscheinlich aufgrund einer Prostatavergrößerung. Man spricht auch von einer Prostatahyperplasie Grad III (Rückstau in die Nieren). Es ist nicht klar, weshalb ein Teil der Patienten ein schmerzhaftes, akutes Harnverhalten erleben, und andere eine weitgehend unbemerkte Überlaufblase.
v
Antwort 4: Eine Abschätzung der Nierenfunktion ist angezeigt (Kreatinin, evtl. Clearance). Eine rektale Palpation bestätigt die – wenn auch nicht eindrücklich – vergrößerte Prostata.
v
Antwort 5: Die Blase muss entlastet werden. Da mit einer langen Katheterliegedauer zu rechnen ist, empfiehlt sich eine suprapubische Ableitung in Lokalanästhesie. Bei eingeschränkter Blutgerinnung (Cumarine, Thrombozytenaggregationshemmer) → transurethraler Ballondauerkatheter (z. B. Tiemann – Silikonkatheter Charrière 16). Festhalten der Menge des Blaseninhaltes, da dies prognostische Bedeutung hat (bei >1000 ml Blaseninhalt muss mit einer Ableitung über mehrere Wochen gerechnet werden). Das früher praktizierte »fraktionierte« Ablassen des Blaseninhaltes ist obsolet (sog. »E-vacuo-Blutungen« sind sehr selten und meist leichter Natur). Kontrolle der Elektrolyte nach der Entlastung, da gelegentlich eine Hyponatriämie auftreten kann. Im weiteren Verlauf ist eine TUR-P zu planen, meist nach 6–8 Wochen.
>
Der weitere Verlauf: Der Patient wurde hospitalisiert. Wegen Antikoagulation wurde ein transurethraler Katheter eingelegt. Der Blaseninhalt betrug 1200 ml, das Kreatinin war leicht auf 127 μmol/l erhöht. Der Verlauf war problemlos und der Patient wurde am Folgetag entlassen. Nach 6 Wochen trat er zur TUR-P wieder ein. Diese verlief problemlos. Nach Entfernen des Katheters kam die Miktion etwas zögerlich in Gang, war aber auf natürlichem Wege möglich. Bei dem alten Patienten wurden erhöhte Restharnwerte um 180 ml toleriert. Das Kreatinin sank auf 79 μmol/l. Der Patient wurde beschwerdefrei, ohne Katheter – und mit deutlich kleinerem Bauch – entlassen.