This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
.
Dabei iibernimmt das Argument 4> die Rolle des Parameters. Bereits im ersten Band haben wir als Beispiele dazu die archimedische Spirale r = c4> in der Einleitung zu § I.9 und die Lemniskate in Aufgabe 1.11.16 kennengelernt. 10. Die Kegelschnitte in Polarkoordinaten. Die Kegelschnitte lassen sich in Polarkoordinaten in einheitlicher Weise durch die Formel
(KS)
r
=
p
1 + ECOS 4>
(I: ;?:
0, P > 0)
beschreiben. Dabei ist p der Parameter des Kegelschnitts und £ die numerische Exzentrizitat. Man beachte, daB sich im Fall von Ellipse und HyperbeJ aus p und £ die Zahlen a und b berechnen lassen: Aus der Gleichung £2 = 1 - b2 / a2 = 1 - p/ a ergibt sich a und hieraus dann b = y'aP. In allen Fallen ist der Nullpunkt Brennpunkt des Kegelschnitts. Wir diskutieren die einzelnen Faile. (a) £ = 0: Kreis yom Radius p. (b) 0 < e < 1: Ellipse (x +e)2/a 2 + l/b 2 = 1. Der Nullpunkt des Koordinatensystems befindet sich also im rechten Brennpunkt F der Ellipse. Der Beweis ist einfach. Aus p = r(1 + I: cos 4» = r+l:x und p = b2 /a, I: = e/a folgt ar = b2 - ex und durch Quadrieren a2(x 2 + l) = b4 - 2b 2ex + e2x 2, woraus sich wegen e2 = a 2 - b2 mit einer einfachen Rechnung die obige FormeJ ergibt. 0 (c) I: = 1: Parabel l + 2p(x - !p) = o. Es sei daran erinnert, daB die Parabell = 2px im Nullpunkt ihren Scheitel und im Punkt (p/2, 0) ihren Brennpunkt hat und daB die x-Achse die ParabeJachse ist. Auch hier gibt der Parameter p den Abstand yom Brennpunkt zur Kurve senkrecht zur Achse an. Aus r = p/(1 + cos 4» folgt r(1 + cos 4» = r + x = p, also r2 = x 2 + y2 = (p - X)2. Diese ParabeJ ist also nach links geoffnet, und ihr Brennpunkt befindet sich im U rsprung. (d) e> 1: Hyperbel (x - e)2 /a 2 - l /b 2 = 1. Der Nullpunkt befindet sich also im linken Brennpunkt E der Hyperbel. 1st 4>0 der positive Winkel < n/2 mit I: cos 4>0 = 1, so ist der Nenner in der Darstellung (KS) fUr 14>1 < n - 4>0 positiv. LaBt man 4> in diesem Intervall variieren, so wird der linke HyperbeJast dargestellt. 1m Bereich n - 4>0 < 14>1 ~ n ist der Nenner in (KS) negativ. Durch diesen Bereich wird der rechte Hyperbelast dargestellt, wenn man vereinbart, daB die Zuordnung (r,4» -> (x, y) = r(cos 4>, sin 4» auch fUr negative r gel ten soli (das lauft darauf hinaus, daB man fUr negative r auf dem durch 4> bestimmten Strahl die Strecke Irl in der negativen Richtung abtragt). Will man diesen Schonheitsfehler vermeiden, so muB man 4> durch n - 4> ersetzen und erhaIt dann die Darstellung
r=
--'-p..,----:-
ecos 4> - 1
fUr 14>1 < 4>0 ,
5.10 Weg und Kurve
159
°
die nun in der Tat den rechten Ast mit r > beschreibt. Ubrigens ist 4>0 der (positive) Winkel, den die Asymptoten mit der x-Achse bilden. Man rechnet leicht nach, daB tan 4>0 = b/a ist. 11. Die Schraubenlinie im JR.3 ist die durch den Jordanweg x=rcost,
y=rsint,
z=at
(O~t~}';a>O;r>O)
erzeugte Jordankurve. Der bei einem Umlauf erzielte Hohenzuwachs 2an wird GanghOhe der Schraubenlinie genannt. z
y
Schraubenlinie 12. Kreise im JR.". Es seien e, YJ zwei Punkte im JR." mit lei = IYJI = 1 und e . YJ = 0. Der in dem durch e und YJ aufgespannten zweidimensionalen Unterraum gelegene Kreis yom Radius r mit dem Mittelpunkt im Nullpunkt wird durch 4>(t) =
r(~
cos t + YJ sin t)
(0
~
t
~
2n)
dargestellt. Ohne Miihe sieht man, daB 14>(t)1 = r ist und daB den Werten t = 0, n/2, n, 3n/2, 2n die Kurvenpunkte r~, rYJ, -r~, -rYJ, r~ entsprechen. Fiir n = 2, ~ = e[, YJ = e2 und r = 1 erhiilt man den Einheitskreis von Beispiel 3.
Bemerkungen. 1. Eine glatte Kurve besitzt auch Darstellungen durch nicht-differenzierbare Wege. l.B. wird durch 4>(t) = (h(t),O) in I = [0,1], wenn h : I ~ JR. stetig und streng monoton ist, ein Jordanweg definiert. Die zugehorige Kurve ist die Verbindungsgerade der Punkte (h(O),O) und (h(I),O) in der Ebene. 2. Umgekehrt kann eine Kurve auch dann Ecken oder Spitzen haben, wenn 4> stetig differenzierbar ist. Das zeigt etwa die lykloide 4>(t) = (t - sin t, 1 - cos t) von Beispiel 6. In den Spitzen, also fUr t = 2kn (k ganz) ist 4>'(t) = 0. Die Kurve y = Ixl (-1 ~ x ~ 1) wird z.B. durch den Jordanweg 4>(t) = (t 3 , W) E C 2([-I, 1)) erzeugt. In der mechanischen Deutung ist 4>' der Geschwindigkeitsvektor. Die Beispiele zeigen, daB man mit stetig veriinderlicher Geschwindigkeit auch Ecken fahren kann, wenn die Geschwindigkeit im Eckpunkt verschwindet. Aus diesem Grunde wurden glatte Kurven mit der lusatzbedingung 4>' =1= 0 definiert. Sie sichert, daB in jedem Kurvenpunkt eine eindeutig bestimmte Tangente existiert; vgl. 5.16.
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
160
Zum Abschlu13 dieses Abschnitts formulieren wir den schon in der Einleitung erwiihnten Jordanschen Kurvensatz. Er driickt aus, da13 eine geschlossene Jordankurve die Ebene in zwei Gebiete, ein beschriinktes Innengebiet und ein unbeschriinktes Au13engebiet zerschneidet. 1m Fall des Einheitskreises x2 + y2 = 1 ist dies sofort einzusehen. Innen- und Au13engebiet werden durch die Ungleichung x2 + y2 < 1 bzw. > 1 beschrieben. 1m allgemeinen Fall ist der Beweis schwierig.
Jordanscher Kurvensatz. Zu jeder ebenen geschlossenen Jordankurve C gehoren zwei Gebiete, ein beschriinktes lnnengebiet GI und ein unbeschiinktes Auj3engebiet G2 mit der Eigenschaft, daj3 C = aG I = aG 2 und lR 2 = CUG, UG 2 ist, wobei diese drei Punktmengen disjunkt sind. 5.11 Die Wegliinge. Es sei ¢ : I ~ lRn ein Weg und Z : a = to < tl < ... < tp = b eine Zerlegung des Intervalls I = [a, b]. Durch Z werden auf der Kurve C = ¢(l) p + 1 Kurvenpunkte Xi = ¢(ti) definiert. Die Zahl p
t(Z; ¢)
== t(Z)
:=
I
p
IXi - xi-II =
i=1
I
I¢(t;) - ¢(ti-dl
i=1
wird man, da der Euklidische Abstand der beiden Punkte Xi-I und Xi gleich IXi-, -x;J ist, als Liinge des Polygonzuges P(XO,XI, ... ,X p ) deuten (wir kommen auf diese Deutung zuriick).
Xs
Zur Definition der Weglange
Ais Liinge des Weges ¢ definiert man
L(¢) := supt(Z)
Wegliinge von ¢ ,
wobei aIle Zerlegungen von I zugelassen sind. 1st L(¢) < 00, so wird der Weg ¢ rektijizierbar, im FaIle L(¢) = 00 nicht rektijizierbar genannt. 1st ti-I < s < ti und x = ¢(s), so ist IXi - xi-II :s; IXi - xl + Ix - xi-II. Daran erkennt man, da13 t(Z) sich bei Hinzunahme eines weiteren Teilpunktes s vergr613ert. Anders gesagt, t(Z) ist ein beziiglich der natiirlichen Ordnung monoton wachsendes Netz. Die Wegliinge lii13t sich also nach Satz 5.5 auch als Limes definieren:
5.12 Die Weglange als Funktion von t
L(4))
161
= limz t(Z) .
Zunachst einige einfache Tatsachen iiber die WegIange. (a) 1st 4> in I = [a, b] linear, etwa 4>(t) = man t(Z; 4» = IXII(b - a) flir jede Zerlegung
14>(b) -
Xo + tXI mit xo, XI E JRn, so erhalt Z von I, also L(4)) = Ix1I(b - a) =
4>(a)l·
(b) 1st 4> in I stetig differenzierbar und 14>'(t)1 s a, so geniigt 4> in I = [a,b] nach Satz 4.2 einer Lipschitzbedingung 14>(s) - 4>(t) I s als - tl. Hieraus folgt t(Z; 4» s a(b-a) flir jede Zerlegung Z von I, also L(4)) S a(b-a). Lipschitzstetige und speziell stetig differenzierbare Wege sind also rektifizierbar. (c) Fiir rektifizierbare Wege 4>,1p : I _JRn ist IL(4)) - L(1p)1 s L(4) - tp). Denn mit der Bezeichnung C5 i 4> = 4>(ti) - 4>(ti-d, ... ist nach der Folgerung aus der Dreiecksungleichung IIC5 i4>1 - lC5 i1p11 s lC5 i(4) - 1p)I. Daraus folgt dann It(Z; 4» -t(Z ;1p)1 s t(Z; 4>-1p) s L(4)-1p), woraus sich die Behauptung ergibt. (d) Fiir jeden Weg 4>1[a,b] ist L(4)) ~ 14>(b)-4>(a)l. Der kiirzeste Weg zwischen den beiden Endpunkten 4>(a), 4>(b) verlauft also nach (a) auf der Verbindungsstrecke. Fiir die triviale Zerlegung Z = (a, b) ist namlich t(Z) = 14>(b) - 4>(a)l. Eine Aufteilung des Intervalls I = [a, b] in zwei Teile II = [a, c], h = [c, b] mit a < c < b erzeugt eine entsprechende Aufteilung des Weges 4>11 in zwei Teilwege 4>1 := 4>111 und 4>2 := 4>lh Umgekehrt kann man aus zwei Wegen 4>1111 und 4>21h wenn der Endpunkt von 4>1 mit dem Anfangspunkt von 4>2 iibereinstimmt, wenn also 4>1 (c) = 4>2(C) ist, einen Wegen 4>11 auf naheliegende Weise zusammensetzen. Wir bezeichnen den auf diese Weise erhaltenen Weg mit 4> = 4>1 EB 4>2. Die entsprechende Zerlegung bzw. Zusammensetzung iibertragt sich auf die zugehorigen Kurven, und es ist, wenn C bzw. Ci die von 4> bzw. 4>i erzeugte Kurve bezeichnet, C = C 1U C2. 1st 4> = 4>1 EB 4>2 ein Jordanweg, so sind auch 4>1 und 4>2 Jordanwege; die Umkehrung ist jedoch i.a. falsch, wie einfache Beispiele zeigen. (e) Aus 4> = 4>1 EB 4>2 folgt L(4)) = L(4)d + L(4)2). Der Weg dann rektifizierbar, wenn 4>1 und 4>2 rektifizierbar sind.
4> ist also genau
Beweis. Mit den Bezeichnungen von 5.7 gilt flir Z = (Z),Z2) offenbar t(Z,4» = t(ZI' 4>d + t(Z2' 4>2). Die Behauptung ist also ein Sonderfall von Satz 5.7. 0
Entsprechend definiert man, wenn p Wege 4>111), ... , 4>plIp mit Ii = [ti-I, til, tl < ... < tp und 4>i(ti) = 4>i+1 (ti) (i = 1, ... , P - 1) gegeben sind, mit 4> = 4>1 EB ... EB 4>p diejenige eindeutig bestimmte stetige Abbildung von [to, tp] nach JRn, welche auf Ii mit 4>i iibereinstimmt. Aus (e) folgt dann
to
p) = L(4)d + ... + L(4)p). Ein nicht rektifizierbarer Weg wird in Beispiel 6 von 5.14 beschrieben. Ferner werden wir in Satz 5.22 ein Kriterium flir die Rektifizierbarkeit beweisen.
5.12 Die Wegliinge als Funktion von t. Es sei 4>11 = [a, b] ein rektifizierbarer Weg. Die durch s(a) = 0, s(t) = L(4)I[a,t]) flir a < t S b
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
162
definierte Funktion s : I - 1R gibt an, wie lange das dem Intervall [a, t] entsprechende Wegstlick ist, welcher Weg also zur Zeit t bereits zurlickgelegt wurde. Insbesondere ist s(b) = L(¢). Flir ein Teilstlick des Weges ¢I [tl, t2] mit a ~ tl < t2 ~ b ist L(¢I[tl,t2]) = s(t2)-s(td nach 5.11 (f). Die Wegliingerifunktion s hat die folgenden Eigenschaften: Satz. Die Funktion s ist, wenn ¢II rektijizierbar ist, in I stetig und monoton wachsend, im Fall eines Jordanweges streng monoton wachsend. 1st ¢ stetig difJerenzierbar, so ist ¢II rektijizierbar nach 5.11 (b). In diesem Fall ist die Wegliingenfunktion s eberifalls stetig difJerenzierbar und
s(t) =
it
1¢'(r)1 dr,
insbesondere L(¢) =
also s'(t) = 1¢'(t)1 in I,
lb
1¢'(t)1 dt .
Die Integraldarstellung besteht nach 5.11 (f) auch dann, wenn ¢ nur stUckweise stetig difJerenzierbar ist. Beweis. Es sei a ~ tl < t2 ~ b. Aufgrund von 5.11 (d)(f) ist S(t2) - s(td = L(¢I[tI, t2]) ~ 1¢(t2) - ¢(tdl ~ 0 und im Fall ¢(td 1= ¢(t2) sogar > O. Damit ist die Monotonie nachgewiesen. Flir den Stetigkeitsbeweis betrachten wir eine Zerlegung Z = (to, ... , t p ) von I. Mit den Bezeichnungen Ii = [ti-1. til, ¢i = ¢Ih lY.i = I¢(ti) - ¢(ti-I)I ist t(Z) = L>i, L(¢) = I L(¢i) und lY.i ~ L(¢J nach 5.11 (d)(f), also fUr festes k L(¢d - IY.k ~
L (L(¢i) -
lY.i)
= L(¢) -
t(Z) .
Bestimmt man nun zu 8 > 0 zunachst ein c5 > 0 derart, daB I¢(t) - ¢(s)1 < 8 fUr It - sl < c5 ist, und sod ann eine Zerlegung Z mit IZI < c5 und L(¢) t(Z) < 8, so folgt IY.k < 8 und damit L(¢d < 8 + IY.k < 28, und zwar fUr aIle k. Wegen L(¢k) = S(tk) - s(tk-d und der Monotonie von s(t) bedeutet dies, daB als Unstetigkeitsstellen hochstens Sprlinge < 28 auftreten konnen, und daraus folgt dann die Stetigkeit von s, da 8 beliebig wahl bar ist. Nun sei ¢ in I stetig differenzierbar. Zu 8 > 0 gibt es dann ein c5 > 0 derart, daB aus Is - tl < c5 folgt I¢'(s) - ¢'(t)1 < 8. Es seien tl, t2 mit tl < t2 < tl + c5 fest gewahlt. 1m Intervall I' = [tl, t2] c I betrachten wir neben ¢ den linearen Weg 4>(t) = ¢(td + (t - tl)¢'(td sowie den durch 1p = ¢ - 4> beschriebenen Weg. Nach 5.11 (a) hat der Weg 4> die Lange L(4);I') = (t2 - tl)I¢'(tdl- Flir die Funktion 1p ist 11p'(t)1 ~ 8 in 1', also L(1p;1') < 8(t2 -td nach 5.11 (b). Aus 5.11 (c) folgt dann
IL(¢;I') - L(4);I')1 ~ L(1p;I') ~ 8(t2 - td oder, wenn man die Werte einsetzt,
IS(t2)t2 --
s(td -I¢'(tdll < tl
8
fUr tl < t2 < tl + c5 .
5.13 Aquivalente Darstellungen, Orientierung
163
Das bedeutet gerade, daB die rechtsseitige Ableitung von set) an der Stelle existiert und den Wert 14>'(t1)1 hat. Fiihrt man denselben Beweis mit ;p = 4>(t2) + (t - t2)14>'(t2) I durch, so ergibt sich s'jt2) = W(t2)1. Also ist s'(t) = 14>'(t)1 in I. Hieraus folgt die Darstellung von set) durch Integration; die Funktion WI ist namlich stetig nach 2.1 (c). 0 t1
Mit dieser wichtigen Integraldarstellung der Weglange konnen wir nun Weglangen berechnen. Sie hat iibrigens eine einfache mechanische Erklarung. Die GroBe 14>'(t)1 stellt die (richtungslose) momentane Geschwindigkeit dar, wie sie von einem Tachometer gemessen wird, und das Integral iiber die Geschwindigkeit ergibt den zuriickgelegten Weg (das wird anhand der entsprechenden Riemann-Summe besonders anschaulich). Beispiele. Man rechnet ohne Muhe nach, daB der in Beispiel 1 von 5.10 angegebene Jordanweg fUr die Strecke ab die Lange la - bl hat. Hieraus und aus (d) ergibt sich, daB dieser Jordanweg der kurzeste, die beiden Punkte a und b verbindende Weg ist. Aus (f) folgt dann, daB der Weg von Beispiel 2 fUr den Polygonzug P (ao, ... , ap ) die Lange lao - all + ... + lap-l - apl besitzt. Der Weg von Beispiel 3 fUr den Einheitskreis, ¢(t) = (cos t, sin t) (0 :0; t :0; 2n), hat die Lange 2n, da WI = 1 ist. Wir kommen darauf in 5.14 im Zusammenhang mit der Bogenliinge zuruck. Dort sind weitere Beispiele zu tinden.
5.13 Aquivalente Darstellungen, Orientierung. Wir nennen zwei Darstellungen 4>II und tplJ derselben Kurve C aquivalent, 4> '" tp, wenn es eine monoton wachsende, stetige Bijektion h : J -+ I gibt, sodaB tp(r) = 4>(h(r)) fUr r E Jist. Anschaulich bedeutet dies, daB die Kurve C in derselben zeitlichen Reihenfolge, mit denselben mehrfach durchlaufenen Strecken, ... , aber mit verschiedener Geschwindigkeit durchlaufen wi rd. Da die Bijektion h jeder Zerlegung Z' von J mit den Zwischenpunkten ri eine entsprechende Zerlegung Z von I mit den Zwischenpunkten ti = h(ri) zuordnet (und umgekehrt) und da die zugehorigen Kurvenpunkte gleich sind, Xi = 4>(ti) = tp(ri), folgt feZ) = feZ'), d.h. L(4)) = L(tp). Man priift leicht nach, daB", eine Aquivalenzrelation in der Menge aller Parameterdarstellungen von C ist. Ein Weg besitzt eine Orientierung, die Funktion 4> beschreibt, in welcher (im mechanischen Bild zeitlichen) Reihenfolge er durchlaufen wird. Durch Umorientie rung entsteht aus 4>II der Weg 4>-11 gemaB 4>-(t) = 4>(a + b - t), t E 1 = [a, b]. Beide Wege erzeugen dieselbe Kurve, jedoch sind Anfangs- und Endpunkt vertauscht, und der Bewegungsablauf verlauft umgekehrt, wie wenn man einen Film von hinten ablaufen laBt. Auch hier iiberzeugt man sich leicht davon, daB 4> und 4>- dieselbe Weglange haben. Fassen wir zusammen: (a) Es ist L(4))
= L(4)-) und aus 4> '" tp folgt L(4)) = L(tp).
Der folgende Satz zeigt, daB es fUr Jordanwege im wesentlichen, d.h. bis auf Aquivalenz und Umkehrung, nur eine einzige Darstellung gibt.
Satz. Es seien 4>II und tplJ zwei Jordanwege, welche dieselbe Jordankurve C 4>(I) = tp(J) erzeugen. Dann gibt es genau eine stetige Bijektion h : J -+ 1 derart, dafJ tp = 4> 0 h ist; sind die Wege 4> und tp glatt, so ist hEel (J) und h' =1= 0 in J.
164
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
Daraus folgt, daft entweder 11' '" ¢ oder 11' '" ¢- gilt, je nachdem, ob h monoton wachsend oder fallend ist.
I
J
Die Bijektion h =
r
cp-l 01p
Beweis. Nach 2.12 ist ¢-l : C ~ ] und damit auch h := ¢-l 011' : J ~ ] stetig und bijektiv, und es ist ¢ 0 h = ¢ 0 ¢-l 011' = 11'. Da sich aus 11' = ¢ 0 h die Gleichung ¢-l 011' = ¢-l 0 ¢ 0 h = h ergibt, sind Existenz und Eindeutigkeit von h bewiesen. SchlieBlich folgt aus dem Zwischenwertsatz, daB eine stetige und bijektive Abbildung h : J ~ IR streng monoton ist; vgl. Aufgabe 1.6.11. DifJerenzierbarkeit von h. Es sei ro E J und to = h(ro). Da ¢'(to) i= 0 ist, gibt es einen Index j mit ¢j(to) > 0 (z.B.). Dann ist ¢j(t) > 0 in einem Intervall [' c [, welches to enthiilt. Zu [' gehort ein Intervall J' c J mit l' = h(J'). In [' ist ¢ j streng monoton wachsend, und nach Satz 1.10.7 ist die Umkehrfunktion ¢jl im Intervall ¢j(I') stetig differenzierbar. Aus tp(r) = ¢(h(r» folgt tpj(r) = ¢j(h(r», also h(r) = ¢jl(tpj(r» in J'. An dieser Darstellung erkennt man, daB h E C1(J') ist. Aus 11' = ¢(h) ergibt sich nun 11" = ¢'(h)h', und wegen 11" i= 0 folgt daraus Wi=Q
0
Ein Jordanweg ¢I] priigt auch der zugehorigen Jordankurve C = ¢(I) eine Orientierung auf; da die Abbildung injektiv ist, liiBt sich eindeutig sagen, welcher von zwei Kurvenpunkten frtiher und welcher spiiter erreicht wird. Da zwei iiquivalente Darstellungen dieselbe Orientierung liefern, besitzt C genau zwei (durch Jordanwege erzeugte) Orientierungen. Ebenso wird eine geschlossene Jordankurve durch den zugehorigen geschlossenen Jordanweg orientiert; er gibt an, in welcher zyklischen Reihenfolge drei Kurvenpunkte stehen (wenn man tiber den Anfangspunkt (= Endpunkt) weitergeht). 5.14 Die Liinge einer Kurve. So lange es erlaubt ist, auf der Kurve C = ¢(I) auch hin- und herzugehen, wird die Wegliinge nichts mit der (wie auch immer erkliirten) Liinge der Kurve C zu tun haben. Betrachtet man jedoch eine von dem Jordanweg ¢I] erzeugte Jordankurve C = ¢(I), so zeigt der vorangehende Satz, daB jeder andere die Kurve C erzeugende Jordanweg 11' entweder zu ¢ oder zu 0 die Punkte ¢(t' + h) in D7 im Widersprueh zur Definition von 1'. Also ist l' = Ii und Ci c Dj . Dieselbe Beweisidee liefert aueh Dj c Ci , also Ci = Dj . Damit ist der Unabhangigkeitsbeweis abgesehlossen. 0
+
D7,
D7.
Corollar. Besitzt die J-Kurve C eine stiickweise stetig difJerenzierbare jordaniihnliche Darstellung ¢ : I -> lRn, so liijJt sich ihre Liinge nach Satz 5.12 als Integral bestimmen,
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
166
L(C) =
lb
J¢'(t)J dt
Lange der Kurve C = ¢(/) .
Wir notieren zwei Sonderfalle.
Explizite Darstellung. Die durch y ebene Jordankurve hat die Lange L
=
= f(x) (a
lb vil
~ x ~ b) mit fEe' [a, b] dargestellte
+ P(x) dx .
Das ergibt sich aus der Parameterdarstellung ¢(t) = (t,f(t» des zugehorigen Jordan weges.
Darstellung in Polarkoordinaten. Die Funktion f sei in [ex, {1] nichtnegativ und stlickweise stetig differenzierbar, und die Gleichung r = f(¢) (ex ~ ¢ ~ p) stelle eine jordanahnliche Kurve dar (fUr {1 - ex < 2n und f > 0 handelt es sich immer urn eine Jordankurve). Aus der entsprechenden Parameterdarstellung (vgl. Beispiel 9 von 5.10) x
= f (¢) cos ¢,
y = f (¢) sin ¢,
ex
~
¢
~
{1 ,
ergibt sich wegen x'2
+ y'2 = (f' cos ¢ -
f sin ¢)2
+ (f' sin ¢ + f cos ¢)2 = f2 + f'2
die Lange der Kurve zu
Beispiele. 1. Das Bogenmaj3. Nun sind wir endlich in der Lage, das BogenmaB eines Winkels anhand des Einheitskreises zu erklaren. In I.7.l6 war die Frage offen geblieben, und wir haben uns mit dem Nachweis beholfen, daB das BogenmaB x des Winkels LAO B, wobei A = (1,0), 0 der Nullpunkt und B = (cos x, sin x) ist, gleich der doppeJten Flache des Kreissektors AOB ist; vgl. 1.7.16, S. 152 und S. 156. Jetzt macht es keine Miihe, die Lange des durch 4>(t) = (cos t, sin t), 0 ::;; t ::;; to (::;; 211:), bestimmten Kreisbogens C zu berechnen: Aus 14>'(t)1 = I folgt L(C) = to. Diesem Ergebnis verdankt das BogenmaB seinen Namen. 2. Die Lange der Strecke xy betragt, wie nicht anders zu erwarten, Ix - YI. Der Polygonzug mit den Ecken XO,Xl,""Xp hat, so fern er jordanahnlich ist, die Lange Ixo - xII + ... + IXp-1 - xpl· Beides ergibt sich aus der Definition anhand der im Beispiel von 5.11 durchgeftihrten Berechnung der Weglange. 3. Als Lange des Ellipsenbogens x = a cos t,
erhalt man L=
l
to
Y = b sin t ,
o ::;; t ::;; to
Va 2 sin 2 t+b 2 cos 2 tdt=a
l
~
211: ,
t o v'1-e 2 cos 2 tdt.
J
Dabei ist a die groBe und b die kleine Halbachse und e = 1 - ~ die (numerische) Exzentrizitat der Ellipse. Dieses Integral kann nicht geschlossen ausgewertet werden.
5.14 Die Lange einer Kurve
167
Es gehort zur Gattung der eJliptischen Integrale, die ihren Namen von diesem Beispiel ableiten; vgl. § 1.12, Aufgabe 11. EJliptische Integrale und ihre U mkehrfunktionen, die elliptischen Funktionen, bildeten im 19. Jahrhundert ein zentrales Thema. Urn ihre Theorie haben sich u.a. Legendre, GauB, Abel, Jacobi, Liouville, WeierstraB und Hermite verdient gemacht.
4. Die Neilsche Parabel y = X 3/2 (vgl. die historische Einleitung vor 5.10). Der zugehorige Jordanweg cp(t) = (t, t3/2 ) hat, wenn wir das Intervall [0, b] betrachten, die Wegliingenfunktion s(t)
=
l 'Vr:T
1 + 4" x dx
0
=
8 (
27
9 3/21' 1 + 4" x) 0
=
(94 + t )3 /2
8 27 .
Das dem Intervall 0 :::;; x :::;; 1 entsprechende Kurvenstiick hat also die Lange L
8) "'" 1,43971
= s(l) = 217 (v'2197 -
.
Y y
7[
Y
y=x2/
I
I
I
2
~_I~H-J-II---
x
o........,,'----x
O&.O(1). Man nennt r{to) = 4>'{to) den Tangentenvektor (auch Tangentialvektor) an die Kurve C im Kurvenpunkt Xo = 4>{to) und die Gerade durch Xo in Richtung 4>'{to) die Tangente im Punkt Xo. In der mechanischen Deutung ist 4>'{to) nach GroBe und Richtung die momentane Geschwindigkeit. Eine Parameterdarstellung der Tangente lautet (T)
x
= 4>{to) + t4>'{to)
(-oo < t < 00) .
Die Tangente kann aufgefaBt werden als Grenzlage der entsprechenden Sekanten (Geraden durch die Kurvenpunkte Xo = 4>{to) und XI = 4>{td), x=xo+
XI
tl
-Xo t - to
(-oo{t) = Xo
+ 4>' (to)(t -
to)
+ o{t -
to)
fUr t - to - 0 .
Der lineare Teil X = xo+4>'{to)(t-to) stellt die Tangente dar (wobei der Parameter gegenuber (T) so verschoben ist, daB fUr t = to der Wert Xo herauskommt). Dieser Tatbestand ist gemeint, wenn man sagt, die Tangente stelle eine lineare Approximation an die Kurve dar. 1st tpl1 eine weitere glatte Darstellung von C, so gilt tp{u) = 4>{h(u)) mit h E CI{J) und h' =f 0; vgl. 5.13. Nach der Kettenregel ist tp'{u) = 4>'{h{u))h'{u). Daraus folgt, daB die durch 4> und tp erzeugten Tangentenvektoren im Punkt Xo E C auf dieselbe Tangente fUhren. Die zum Tangentenvektor r = r{to) = 4>'{to) orthogonale Hyperebene durch den Punkt Xo heiBt Normalenebene, jeder zu r orthogonale Vektor v = v{to) =f 0
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
170
ein Normalenvektor zur Kurve C im Punkt Xo. Ein Normalenvektor v ist durch v . r = 0, die Normalenebene im Punkt Xo durch (x - xo) . '(to)
=0
Gleichung der Normalenebene
beschrieben. Ein Tangenten- oder Normalenvektor heiBt normiert, wenn er die Lange 1 hat. Bei der Darstellung mit der Bogenlange als Parameter ist der Tangentenvektor normiert; vgl. den vorangehenden Satz.
v
Tangentenvektor r und positiver Normalenvektor v
Tangente T als Grenzlage von Sekanten SI. S2,···
5.17 Ebene Kurven, positive Normalen. In der Ebene ist ein positiver Drehsinn (entgegen dem Uhrzeiger) definiert. Dreht man den Vektor a = (ai, a2) in positivem Sinn urn den Winkel n12, so erhalt man den Vektor a-L = (-a2,al), der auch GrajJmannsche Ergiinzung von a genannt wird. In komplexer Schreibweise ist a-L = ia. Offen bar ist (a) a· a-L = 0 und det (a,a-L) = lal 2 . Nun sei C eine ebene, durch (t) = (x(t), y(t)) dargestellte Kurve und r = '(to) der Tangentenvektor im Kurvenpunkt (to). AIle Normalen sind dann
durch v = .kr-L mit A =1= 0 gegeben. 1st dabei A > 0 oder, was nach (a) dasselbe bedeutet, det(r, v) > 0, so nennt man v eine positive Normale. Es gibt genau eine normierte positive Normale v = r-L Ilrl. Sie geht aus der normierten Tangente r/lrl durch Drehung urn nl2 im positiven Sinn hervor. Komponentenweise sind der Tangentenvektor und ein positiver Normalenvektor gegeben durch
c: c:
x=(t),
y
= f(x)
y = 1jJ(t)
=
=
r
= (',1jJ'), v = (-1jJ','),
r
=
(1,f'),
v = (-f', 1) .
Eine glatte geschlossene Jordankurve C in der Ebene heiBt positiv oder entgegen dem Uhrzeigersinn orientiert, wenn das Innengebiet G "links liegt", andernfalls negativ oder im Uhrzeigersinn orientiert. 1m ersten Fall nennt man die positive Normale auch innere Normale, wei I sie nach G hineinweist. Z.B. ist die in der iiblichen Weise parametrisierte Ellipse (x, y) = (a cos t, b sin t) (O::s;; t ::s;; 2n) positiv orientiert. Eine geschlossene Kurve in Polarkoordinaten r = f( an der z-Achse).
5.19 Ebene Kunen. Der Fall n = 2 ist insofern ein Sonderfall, als es hier nur zwei normierte Normalen gibt, von denen wir eine bereits als positive Normale v ausgezeichnet haben. Zuniichst betrachten wir die normierte Darstellung von emit der Wegfunktion 1p(s). Dann ist r = 1p'(S) die normierte Tangente und v = r.l die normierte positive Normale im Kurvenpunkt 1p(s); vgl. 5.17. Die Kriimmung wird in bezug auf die positive Normale durch
=
1p" (s)
=
definiert. Nach 5.17 (a) ist det(r, v)
K(S)
= det
(1p',1p")
K(S)V (s)
1, also
Kriimmung im Kurvenpunkt 1p(s)
sowie IK(S)I = 11p"(S)I (in 5.18 haben wir dagegen K(S) = 11p"(S)I definiert). Die Kriimmung erhiilt also ein Vorzeichen, das die Lage des Kriimmungskreises bestimmt. 1st K > 0, so liegt der Kriimmungsmittelpunkt in Richtung der positiven Normale, fUr K < in entgegengesetzter Richtung. Die Formeln fUr den Kriimmungsradius und Kriimmungsmittelpunkt enthalten nur die Wegfunktion 1p und bleiben natiirlich richtig. Nun liege eine Parameterdarstellung in der allgemeinen Form (t) = r(cos t, sin t) hat die konstante Kriimmung l/r, den Kriimmungsmittelpunkt Jl = 0 und den Kriimmungsradius r (fUr aile t). Dasselbe gilt fUr einen Kreis im JR", der wie in Beispiel 12 von 5.10 durch 4>(t) = r(~ cos t + '1 sin t) dargestellt wird (~,'1 E JR", I~I = I'll = 1, ~. '1 = 0). 2. Fiir die Parabel y = x 2 , also x(t) = t, y(t) = t 2 , erhiilt man als Kriimmung
2
K(t) = -(1-+-4t--'-2---')3-"'-;2
und als Kriimmungsmittelpunkt
y
x
-4 Kriimmungsradius und Kriimmungsmittelpunkt der Parabel y = x 2 . Es ergibt sich r(O) = ~, Jl(O) = (0, ~), r(1) = ~ . 5/5 ~ 5,590, Jl( 1) = (-4, ~)
Es ist nieht unsere Absieht, tie fer in die Theorie der Kurven einzudringen. Dieser Gegenstand gehort zur Differentialgeometrie und wird in den entspreehenden Lehrbiiehern ausfUhrlich behandelt. Zum Absehlu13 des theoretisehen Teils studieren wir eine Klasse von Funktionen, die in enger Beziehung zu den rektifizierbaren Kurven steht und fUr die Theorie der Riemann-Stieltjes-Integrale im naehsten Paragraphen benotigt wird.
5.20 Funktionen von beschriinkter Variation. Die reellwertige Funktion f sei auf dem kompakten Intervall I = [a, b] c 1R definiert. Zu einer Zerlegung Z = (to, ... , t p ) von I bilden wir die p
Variation
var (Z) == var (Z;f) :=
L If(ti) -
f(ti-dl
i=1
und das iiber aIle Zerlegungen Z von I erstreekte Supremum, die
176
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
T otalvariation
V: (f) := sup var (Z ; f)
z
von f auf I. 1st vg(f) < 00, so heiBt f von beschriinkter Variation (oder beschriinkter Schwankung) auf I. Die Klasse dieser Funktionen wird mit BV(I) bezeichnet. Die Festsetzung V~(f) = 0 ist, ahnlich wie beim Integral, manchmal zweckmaBig. Diese Begriffe sind aufs engste verwandt mit jenen, welche in 5.11 zur Weglange gefUhrt haben. Es ist namlich, wenn ¢ : I -+ R einen Weg im Rl bezeichnet, t(Z; ¢) = var (Z; ¢) und L(¢) = vg(¢). Das einzig Neue besteht also darin, daB f nicht stetig zu sein braucht. Diese Verwandtschaft iibertragt sich auf die Haupteigenschaften und ihre Beweise. Zunachst stellt man fest, daB var (Z), ebenso wie friiher t(Z), bei Verfeinerung von Z zunimmt. Die Totalvariation laBt sich demnach auch als Limes in der natiirlichen Ordnung definieren:
V:(f) = limz var (Z;f) . Dies wird uns beim Nachweis der folgenden Eigenschaften von Nutzen sein. (a) Jede Funktion f E BV(I) ist beschrankt, und es ist If(a) - f(b)1 ~ vg(f). (b) Mit fund g sind auch Af, f + g und fg aus BV(I), d.h. BV(I) ist eine Funktionenalgebra. Fiir f,g E BV(I) gelten die Ungleichungen
V: (Af
+ {lg)
~
IAI V: (f) + l{ll V: (g)
V:(fg) ~ IlfllooV:(g)
(A, {l E R) ,
+ IlgllooV:(f) .
(c) Fiir a < c < b ist
Die Funktion fist also genau dann von beschrankter Variation in [a,b], wenn sie in [a, c] und in [c, b] von beschrankter Variation ist. (d) 1st f monoton in I, so ist vg(f) = If(b) - f(a)l. (e) 1st f lipschitzstetig mit der Lipschitzkonstante L, so ist vg(f) ~ L(b - a). (f) Fiir f E C 1(I) ist vg(f)
=
J: 1f'(t)ldt.
(g) Alle monotonen und alle stiickweise stetig differenzierbaren Funktionen sowie endliche Summen von solchen Funktionen sind von beschrankter Variation.
Beweis. (a) Zieht man die Zerlegungen (a, b) und (a, t, b) in Betracht, so erhalt man die Ungleichungen If(b) - f(a)1 ~ vg(f) und If(t) - f(a)1 ~ vg(f) fUr tEl. Bei (b) ergibt sich die Aussage iiber f + g aus der Dreiecksungleichung, jene iiber fg aus den Ungleichungen If(s)g(s) - f(t)g(t)1
~
If(s)llg(s) - g(t)1 + Ig(t)llf(s) - f(t)1
~
Ilflloolg(s) - g(t)1 + Ilglloolf(s) - f(t)1 ,
indem man s = ti, t = ti-l setzt und summiert. Weiter folgt (c) aus Satz 5.7 aufgrund der Limesdefinition der Variation, (d) unmittelbar aus der Definition, da die auftretenden Differenzen von f alle
5.22 Satz tiber Rektifizierbarkeit
177
dasselbe Vorzeichen haben; (e) und (f) sind Spezialfalle (n Satz 5.12, und (g) ergibt sich sofort aus (d), (f) und (b).
=
1) von 5.11 (b) bzw. 0
Eine vollstandige Beschreibung der Funktionen von beschrankter Variation gibt der folgende 5.21 Darstellungssatz von C. Jordan. Eine Funktion fist genau dann im Intervall I = [a, b) von beschriinkter Variation, wenn sie in der Form f = g - h darstellbar
ist, wobei g und h in I mono ton wachsend sind. Beweis. Die Angaben (a),... beziehen sich auf den vorigen Abschnitt. Es sei f in I = [a, b) von beschrankter Variation. Flir tEl sei g(t) := V~(f) die Totalvariation von f im Intervall [a, t). Die Funktion gist in I definiert, und flir a :-::; c < d :-::; b gilt nach (c) 0:-::; vf(f) = V:(f) - V~(f) = g(d) - g(c) . Zunachst erkennt man hieraus, daB g mono ton wachsend ist. Weiter ergibt sich in Verbindung mit (a)
f(d) - f(c) :-::; vf(f)
= g(d) - g(c) .
Flir die Funktion h = g- fist also h(c) :-::; h(d), d.h. h ist auch monoton wachsend. Damit haben wir eine Darstellung f = g - h von der im Satz angegebenen Art gefunden. DaB umgekehrt jede auf solche Weise dargestellte Funktion von 0 beschrankter Variation ist, folgt unmittelbar aus (g). Der schon in der Einleitung zu dieser Nummer beschriebene Zusammenhang zwischen Funktionen von beschrankter Variation und rektifizierbaren Wegen wird nun prazisiert. Aus den Ungleichungen Ix;! :-::; Ixl :-::; L: IXil folgt, wenn ¢(t) = (¢l'''',¢n) das Intervall I = [a, b) stetig in den IRn abbildet, var (Z; ¢i) :-::; t(Z; ¢) :-::; var (Z; ¢d
+ ... + var (Z; ¢n)
,
also Diese beiden Ungleichungen flihren zu dem folgenden 5.22 Satz tiber Rektifizierbarkeit. Der Weg ¢ : I - IRn ist genau dann rektif/zier-
bar, wenn aile Komponentenfunktionen ¢i von beschriinkter Variation in I sind. Nach 5.20 (g) ist C 1(I) c B V(I), und es drangt sich die Frage auf, ob auch aIle stetigen Funktionen von beschrankter Variation sind. Die Antwort ist negativ. In Beispiel 6 von 5.14 haben wir eine nicht rektifizierbare ebene Kurve ¢(t) = (t,f(t)) konstruiert. Die Funktion fist stetig und, wie der vorangehende Satz zeigt, nicht von beschrankter Variation. Natiirlich gibt es unstetige Funktionen von beschrankter Variation, z.B. monotone Funktionen mit Spriingen.
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
178
Anwendung: Die Keplerschen Gesetze der Planetenbewegung Das Hauptziel der folgenden Betrachtungen ist es, die KepIerschen Gesetze aus den Newtonschen Bewegungsgesetzen abzuleiten. 5.23 Die Bewegungsgleichungen. Bewegt sich ein Massenpunkt P der Masse m unter dem EinfluB einer Kraft K im dreidimensionalen Raum und wird die Bahn von P durch x = x(t) = (XI (t), X2(t), X3(t)) beschrieben, so lauten die Bewegungsgleichungen in vektorieller Schreibweise
mx(t) = K = K (t, x(t), x(t))
(B)
Bewegungsgleichung
("Kraft gleich Masse mal Beschleunigung"; hier und im folgenden werden Ableitungen nach der Zeit mit Punkten bezeichnet). Dabei kann K von der Zeit t, vom momentanen Ort x(t) und von der momentanen Geschwindigkeit x(t) = v(t) abhangen; man beachte, daB x, v und K Vektoren im IR3 sind. Urn die Bahn festzulegen, gibt man zur Zeit t = to die Lage Xo und die Geschwindigkeit Vo des Massenpunktes an. Diese Vorgaben werden (AW)
AnJangswerte
x(to)
= Xo,
x(to)
= Vo
genannt. Wir spezialisieren sogleich und nehmen an, daB es sich urn eine ZentralkraJt handelt, d.h. daB die Kraft am Ort X in die Richtung des Nullpunktes oder in die entgegengesetzte Richtung weist, also ein skalares Vielfaches von X ist. AuBerdem soIl K nur von t und vom Betrag Ixl abhangen. Damit erhalt die Bewegungsgleichung die Form (BZ)
mx
X
= - k(t, Ixl) Ixl
Bewegungsgleichung bei einer ZentralkraJt ,
wobei Ikl = IKI der Betrag der Kraft ist. Betrachten wir nun speziell die Bewegung eines Planeten urn die Sonne im vereinfachten Modell eines sogenannten Zweikorperproblems, wobei der EinfluB der iibrigen Planeten vernachliissigt wird. Nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz ziehen sich zwei Korper der Massen m und M, die einen Abstand r voneinander haben, mit der Kraft (y
= 6,685·
to-II m sec- 2 kg-I Gravitationskonstante)
gegenseitig an. Nimmt man an, daB die Masse M (Sonne) sich unbeweglich im Ursprung des Koordinatensystems befindet, so erhalt man die folgende Bewegungsgleichung fUr den Massenpunkt der Masse m (Planet) (BP)
x= -
yM
Ixl 3
X
Bewegungsgleichung des Zweikorperproblems .
Das Minuszeichen gibt an, daB die Kraft auf den Ursprung hin gerichtet ist. Zunachst be wei sen wir zwei einfache Eigenschaften von (BZ).
5.24 Die Lasung des Zweikarperproblems
179
(a) Bei einer Zentralkraft ist die Bewegungsgleichung invariant gegeniiber orthogonalen Transformationen (Drehungen, SpiegeJungen). (b) Bei einer Zentralkraft verlliuft die Bewegung in dem durch die Anfangswerte Xo -=1= 0 und Vo aufgespannten (ein- oder zweidimensionalen) Unterraum. Zum Beweis von (a) sei x(t) ein der Gleichung (BZ) geniigender Weg, S eine orthognale 3 x 3 Matrix und y(t) = Sx(t). Dann ist y = Sx und Iyl = Ixl. Multipliziert man die Gleichung (BZ) von links mit S, so erkennt man, daB y derseJben Gleichung genugt. Zum Beweis von (b) sei der Einheitsvektor c so gewahlt, daB Xo und Vo in der Ebene E = {x E 1R3 : c' x = O} liegt. Nun sei x(t) eine den Anfangsbedingungen geniigende Lasung von (BZ) und h(t) := c . x(t). Dann ist h(to) = c . Xo = 0, h(to) = c . Vo = 0 und h(t) = c . x(t) = A(t)h(t) mit ),,(t) = k(t,lx(t)l)/mlx(t)l. Die Funktion h ist als Lasung einer homogenen linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung mit verschwindenden Anfangswerten identisch Null; vgl. 1.12.10 und 5.26. Also liegt x(t) in E. 1st Vo von Xo linear abhangig, so laBt sich dieser Beweis mit jedem zu Xo orthogonalen Vektor c durchfUhren. Der Punkt x(t) liegt dann auf der Geraden durch 0 und Xo. 0 Aufgrund von (a) durfen wir annehmen, daB Xo und Vo in der (Xl, x2)-Ebene liegen, d.h. verschwindende dritte Komponenten haben, und aus (b) folgt dann, daB fUr eine durch eine Zentralkraft hervorgerufene Bewegung x(t) mit diesen Anfangswerten ebenfalls X3(t) == 0 ist. 1st Vo von Xo linear abhangig, so kannen wir sogar annehmen, daB eine durch eine einzige skalare Funktion beschriebene Bewegung, etwa langs der xl-Achse, vorliegt. Dieser Fall wird in Aufgabe 4 behandelt und soll im folgenden ausgeschlossen werden. Wir haben es also mit einer Bewegung in der (XI,x2)-Ebene zu tun.
5.24 Die Losung des Zweikorperproblems. In der (XI,x2)-Ebene fUhren wir Polarkoordinaten (x" X2) = r(cos ¢, sin (f» ein. Es erleichtert die Rechnung, wenn . man die komplexe Schreibweise heranzieht, (Xl, X2) = z = re iCP • Wir suchen also Lasungen von (BZ) in der Form z(t) = r(t)eicp(t), wobei r(t) > 0 und ¢(t) zwei unbekannte reellwertige Funktionen sind. Es ist (1)
Fur die GraBen in (BZ) gilt jetzt X = z, Ixl gleichung (BZ) ist also aquivalent mit .
..
r + 2ir¢ + ir¢ -
=r .2
r¢
und x/lxl
1
=-
m
= eiCP • Die
Bewegungs-
k.
Zerlegt man in Real- und Imaginarteil, so ergeben sich die beiden folgenden, mit (BZ) aquivalenten Gleichungen (Re)
r - r¢2 =
!m k
(1m)
2r¢ + r¢ = 0 .
Zur Festlegung der Anfangswerte wahlen wir to = 0 und leg en das Koordinaten system so, daB Xo auf der positiven x]-Achse liegt, Xo = (R, 0, 0) mit R > O. Es
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
180
seien VI, V2, 0 die Komponenten des Geschwindigkeitsvektors Vo; dabei ist V2 =1= 0, da wir angenommen haben, dal3 xo und Vo linear unabhangig sind. Es ist also z(O) = (R,O) = R, i(O) = (V\,V2). Hieraus ergibt sich wegen (1) (2)
r(O)
=
R,
4>(0)
= 0,
r(O)
= V\
,
¢(O)
= V2
R·
Zunachst folgt aus (1m), indem man diese Gleichung mit r multipliziert, dal3 fr(r2¢) = 0 ist. Demnach ist die Grol3e r2¢ konstant, (3)
r2¢
= const. = A
(wir haben V2 =1= 0 vorausgesetzt). Man erkennt, dal3 ¢ =1= 0, also 4>(t) streng monoton ist. Die Gleichung r2¢ = A hat dariiber hinaus eine einfache geometrische Bedeutung. Bezeichnet F(td die Grol3e der yom Fahrstrahl fUr 0 :$; t :$; t\ iiberstrichenen Fiache, also den Fiacheninhalt des von den Strahlen 4> = 0, 4> = 4>(td und der Kurve z = z(t) begrenzten Gebietes, so ist nach der Leibnizschen Sektorformel I.l1.9 (4)
(Substitution 4> = 4>(t)). Damit haben wir das 2. Keplersche Gesetz in seiner verallgemeinerten, fUr beliebige Zentralkrafte giiltigen Form be wiesen :
Satz fiber Zentralkrlifte. Die Bewegung eines Massenpunktes unter dem Einfluj3 einer ZentralkraJt verliiuJt in einer Ebene, und zwar derart, daj3 der Strahl vom Nullpunkt zum Ort des Punktes x(t) in gleichen Zeiten gleichgroj3e Fliichen iiberstreicht.
Das zweite Keplersche Gesetz. Die eingezeichneten Segmente sind gleich groB, der Planet durchlauft die entsprechenden Bahnstiicke in der gleichen Zeit (S Sonne, P Planet)
Wenn die Bahnkurve der Bewegung bekannt ist, so wird durch diesen Satz der zeitliche Ablauf z(t) der Bewegung auf der Bahn bestimmt. Bezeichnet t = t(4)) die Umkehrfunktion zu 4>(t) und wird die Bahnkurve in Polarkoordinaten durch r = f(4)) beschrieben, so folgt aus (3) wegen dt/d4> = 1/¢ (5)
dt(4)) = .!. f2(4)) d4> A
sowie
t(O) = 0 ,
181
5.24 Die Losung des Zweikorperproblems
letzteres wegen ef>(0) = O. Aus (5) ergibt sieh t(ef» dureh einfaehe Integration und daraus ef>(t) als Umkehrfunktion und r(t) = f(ef>(t)). Fur die derart konstruierten Funktionen r(t), ef>(t) gilt dann (3). Wir spezialisieren uns jetzt auf den Fall (BP) der Planetenbewegung. Die Gleiehung (Re) nimmt die Gestalt '2
(6)
i' -ref>
+ -yM r2
=0
an. Wir gehen nun folgendermaBen vor. Das Keplersehe Resultat, daB die Planeten sieh auf Ellipsen bewegen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht, nehmen wir als Ansatz und zeigen dann, daB dieser Ansatz, erweitert auf beliebige Kegelsehnitte, die Bewegungsgleiehung lost. AIle Kegelsehnitte mit einem Brennpunkt im Nullpunkt werden gemiiB Beispiel 10 von 5.10 in Polarkoordinaten dureh die Formel (7)
r = f(ef» :=
p
1 + eeos(ef>
-IX)
mit e ~ 0, p > 0, 0 S
IX
< 2n
besehrieben. Dort hatten wir IX = 0 angenommen, was zur Folge hat, daB die Hauptaehse des Kegelsehnitts mit der xI-Aehse zusammenfallt. Die Einftihrung von IX in (7) bedeutet geometriseh, daB der Kegelsehnitt gegenuber dieser ,Normaldarstellung' urn den Winkel IX gedreht ist. Wir nehmen also an, daB die Bahnkurve dureh die Darstellung (7) besehrieben sei. Aus (5) bestimmen wir ef>(t), setzen r(t)
p
= f(ef>(t)) = 1 + eeos (ef>(t)
-IX)
und erreiehen damit, daB der Punkt z(t) = r(t)ei(t) diesen Kegelsehnitt durehliiuft. Mit den Abkurzungen S = sin(ef>(t) - IX), C = eos(ef>(t) - IX) erhiilt man
;=
(8)
Die mit
r2
(1
epS¢ = ~ Sr2¢ = eA S + eC)2 p p'
also i' = epA C¢ .
multiplizierte Gleiehung (6) lautet nun
Sie ist offen bar genau dann riehtig, wenn man (9)
setzt. Damit haben wir bewiesen, daB man auf diese Weise tatsiiehlieh eine Losung der Bewegungsgleiehung (BP) erhiilt. Als niiehstes zeigen wir, daB die Parameter e, p und IX dureh die Anfangswerte R > 0, VI, V2 f 0 eindeutig festgelegt werden. Zuniiehst ergibt sieh p aus (9) und (3) zu p = R 2vVyM. Weiter ist naeh (2) r(O) = R = p/(1 + eeoslX) und mit (8) ;(0) = VI = -eA(sinlX)/p, also naeh Einsetzen der Werte von p und A
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kuryen
182 8 cos IX
(10)
Rv 2 -yM = _2,,--......:....-_ yM
.
8 Sill IX
RVlV2 yM
= ---.
Diese beiden Gleichungen lassen sich als Polarkoordinatendarstellung des aus den beiden rechten Seiten gebildeten Punktes in der Ebene Q = y~. (Rv~ yM, -RVlV2) auffassen: 8 = IQI, IX = arg Q. Daraus folgt auch, daB 8 2 und IX E [0,2n) eindeutig festgelegt sind, bis auf eine Ausnahme. 1m Fall VI = 0, Rv~ = yM (und nur in diesem Fall) ist Q = 0, also 8 = 0. Der dazugeharige Kegelschnitt ist ein Kreis yom Radius R = p, und dabei ist in der Tat IX (die Lage des Scheitels des Kegelschnitts) nicht eindeutig bestimmt. Anhand der Gleichung 8 = IQlliiBt sich entscheiden, ob es sich bei der Bahn um eine Ellipse (8 < 1), Parabel (8 = 1) oder Hyperbel (8 > 1) handelt. Die Fallunterscheidung wird einfach, wenn man VI = annimmt. Die Anfangsgeschwindigkeit steht dann senkrecht auf der xI-Achse, die Bewegung beginnt also zur Zeit t = in einem Scheitel des Kegelschnitts. Aus der zweiten Gleichung (10) ergibt sich dann, in Ubereinstimmung mit dieser Bemerkung, sin IX = 0, also IX = oder n und somit cos IX = 1 oder -1. Die Fallunterscheidung lautet fUr diesen Fall
°
°
°
Rv~
°
< yM:
IX
= n, Ellipse, die Bahn beginnt im Perihel;
= yM: Kreis yom Radius R; yM < Rvi < 2yM: IX = 0, Ellipse, die Bahn beginnt im Aphel; Rv~ = 2yM: Parabel yom Parameter p = 2R;
Rv~
Rv~ > 2yM: Hyperbel. Mit Aphel bzw. Perihel wird der sonnennachste bzw. sonnenfernste Punkt auf der elliptischen Bahn des Planeten bezeichnet. Wenn der Karper eine elliptische Bahn beschreibt, so lassen sich aus 8 und p die beiden Halbachsen a, b der Ellipse ausrechnen. Bezeichnet T die Umlaufszeit des Karpers, 4>(T) = 2n, so ergibt sich aus der Gleichung (4) die Flache der Ellipse zu F(T) = AT. Andererseits ist die Flache gleich abn. Durch Quadrieren und Einsetzen des Wertes aus (9) erhalt man 4n 2a2b2 = A2T2 = ypMT2. Setzt man fUr p den Wert p = b2 / a ein, so folgt ein wei teres wichtiges Ergebnis
!
(11 )
T2 = 4n 2 a3 yM
Es besagt, daB fUr alle elliptischen Bahnen der Quotient T2 / a3 einen konstanten, nur yon der Masse M des Zentralkarpers abhangenden Wert hat. Die Keplerschen Gesetze sind nun yollsHindig beisammen. 5.25 Satz iiber das Zweikorperproblem. Bewegt sich ein Massenpunkt unter dem alleinigen EinjlujJ der von einem festen Massenpunkt der Masse M erzeugten Gravitationskraft, so verliiuft die Bewegung entweder auf einer geraden Linie durch den festen Massenpunkt (ob dieser Fall vorliegt, kann aus den Anfangswerten abgelesen werden) oder auf einem Kegelschnitt, in des sen einem Brennpunkt sich der feste Massenpunkt befindet (das ist im Fall der Ellipse das 1. Keplersche Gesetz).
183
5.25 Satz tiber das Zweikorperproblem
Der Kegelschnitt ist durch Ort und Geschwindigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt to eindeutig bestimmt. seine Daten lassen sich etwa aus der Gleichung (10) berechnen. Fur aile elliptischen Bahnen verhalten sich die Quadrate der UmlauJszeiten wie die dritten Potenzen der zugehorigen grojJen Halbachsen (3. Keplersches Gesetz). Un sere BeweisfUhrung zur Losung des Zweikorperproblems enthiilt eine Lucke, die der aufmerksame Leser vielleicht entdeckt hat. Wir haben gezeigt, daB es zu jedem Anfangswertpaar (xo, vo) genau eine "Kegelschnittlosung" der Bewegungsgleichung (BP) gibt. Offen geblieben ist die Frage, ob dane ben noch andere, nicht auf einem Kegelschnitt verlaufende Losungen von (BP) existieren. Wir schlieBen diese Lucke, indem wir einen Eindeutigkeitssatz beweisen. 1m Fall der allgemeinen Bewegungsgleichung (B) mit belie big em Kraftgesetz K = K (t, x, x) handelt es sich urn eine Aussage der folgenden Art: Das Anfangswertproblem
mx = K (t, x, x),
x(to) = Xo,
x(to) = Vo
besitzt (bei geeigneten Annahmen uber K) hochstens eine Losung. Dieses Problem fUr drei skalare Differentialgleichungen zweiter Ordnung kann zuruckgefUhrt werden auf ein iiquivalentes Problem fUr x(t) und v(t) := x(t): {
X
=v
x(to) =
iJ
=
v(to) = Vo .
~~(t,x, v) ,
Xo ,
Wir haben damit das ursprungliche Problem transformiert in ein Anfangswertproblem fUr ein System von sechs skalaren Differentialgleichungen erster Ordnung. Das hat beweistechnische Vorteile. Wir werden im folgenden einen Eindeutigkeitssatz fUr ein System von n Differentialgleichungen erster Ordnung beweisen. In vektorieller Schreibweise lautet das Problem
x(t) = F(t, x(t)),
(AWP)
x(to}
= Xo .
Dabei ist x(t) = (Xt(t), ... ,xn(t)), entsprechend F = (Ft(t,x), ... ,Fn(t,x)). Nehmen wir an, das Problem (AWP) besitze, etwa im Intervall J : to ::; t ::; tt, zwei Losungen x(t) und y(t). Fur die skalare Funktion ¢(t) = Ix(t) - y(t) 12 ist dann
(p
=
2(x - y) . (x - y) ::; 21x - yllx - yl
vgl. die Ableitungsregel 5.18 (a). Nun setzen wir voraus, daB Feiner Lipschitzbedingung IF(t, x) - F(t, y)1 ::; Llx - yl
genugt. Dann ist Ix - yl = IF(t, x) - F(t, y)1 ::; Llx - yl, also nach (*) (p ::; 2L¢ in J sowie ¢(to) = 0 und ¢(t) 2': 0 nach Definition. Hieraus folgt, wie wir bei einem iihnlichen Beweis in 1.12.10 gezeigt haben, ¢(t) == 0, also x(t) == y(t) in J. Die damalige SchluBweise sei kurz in Erinnerung gerufen. Aus der Differentialungleichung fUr ¢ ergibt sich 1t(¢(t)e-2Lt ) ::; O. Die Funktion [3(t) = ¢(t)e- 2Lt 2': ist also mono ton fall end mit [3 (to) = 0, d.h. sie verschwindet identisch.
°
184
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
Damit haben wir den folgenden Eindeutigkeitssatz im wesentlichen bewiesen.
+'
5.26 Eindeutigkeitssatz. 1st die Funktion F = F(t,x) in einem Gebiet D c lRn mit (to, xo) E D erklart und geniigt sie dort einer Lipschitzbedingung beziiglich x, so hat das Problem (A WP) hochstens eine Losung. Genauer solI das heiBen: Sind x(t), y(t) zwei in einem den Punkt to enthaltenden Intervall J erkUirte Losungen, so ist x == y in J. Die Funktion x heiBt Losung in J, wenn sie in J differenzierbar ist und der Differentialgleichung sowie der Anfangsbedingung geniigt. Wir haben oben nur die Eindeutigkeit nach rechts, flir t 2': to, bewiesen. Wendet man dieses Resultat auf die Funktion u(t) := x(-t) an, welche der Differentialgleichung u(t) = - F( -t, u(t)) geniigt, so erhlilt man die Eindeutigkeit nach links. Eine weitere Bemerkung. Eindeutigkeit ist eine lokale Eigenschaft, es geniigt, die Eindeutigkeit in einer (belie big kleinen) Umgebung einer festen Stelle zu beweisen. Sind nlimlich u und v zwei verschiedene Losungen von (AWP), so gibt es ein maximales t, 2': to derart, daB u(t) = v(t) flir to :s; t :s; t" aber nicht flir to :s; t :s; t, +8 (8 > 0 beliebig) gilt. Wenn man dann "lokale" Eindeutigkeit in bezug auf die := u(td beweisen kann, so folgt, daB die Losungen Anfangsbedingung x(td = u und v noch iiber t, hinaus iibereinstimmen, im Widerspruch zur Maximalitlit von t,. Aus dieser Uberlegung folgt, daB es flir die Eindeutigkeit hinreicht, wenn die rechte Seite F(t, x) in D einer lokalen Lipschitzbedingung beziiglich x geniigt (zu jedem Punkt (i, x) E D gibt es eine Umgebung U und eine Zahl L derart, daB IF(t, x) - F(t, y)1 :s; Llx - yl flir (t, x), (t,y) E U gilt). Insbesondere reicht es aus, wenn F in D stetig ist und in D stetige partie lIe Ableitungen nach den Xi besitzt. Diese Eindeutigkeitsaussagen gelten insbesondere flir Bewegungsgleichungen, da man diese auf Systeme erster Ordnung zuriickflihren kann.
x,
Corollar. Die Kraftfunktion K = K(t,x,v) sei in einem Gebiet D c lR7 erkliirt und geniige dort einer lokalen Lipschitzbedingung in bezug auf x und v. Dann hat das Anfangswertproblem mx(t)
=
K (t, x(t), x(t)),
x(to) = Xo,
x(to)
= Vo
hochstens eine Losung. Insbesondere gilt das, wenn K E C' (D) ist. Dieser allgemeine Eindeutigkeitssatz schlieBt auch die Liicke in unserem Beweisgang flir das Zweikorperproblem. Es gibt iibrigens einen anderen Beweis, bei dem die Gestalt der Bahn nicht als Ansatz vorweggenommen wird, sondern sich im Laufe der Rechnung ergibt. 5.27 Historisches zu den Keplerschen Gesetzen. Die Astronomen bis hin zu Kepler haben versucht, die Planetenbahnen durch Uberlagerung von kreisformigen Bewegungen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit zu beschreiben; vgl. die Einflihrung zu § 1.6. Der einfachste Fall, die Addition zweier solcher Kreisbewegungen, flihrt auf die in Beispiel 7 von 5.10 untersuchten Epizykloiden. TyCHO DE BRAHE (1546-1601), kaiserlicher Mathematiker und Astronom in Prag und
5.27 Historisches zu den Keplerschen Gesetzen
185
ein Genie der astronomischen MeBkunst, hat die Fehler in der Ortsbestimmung der Himmelskorper urn eine ganze Zehnerpotenz verkleinert. Er hat daneben ein neues Weltsystem entworfen, bei dem die Erde ihre Stellung im Zentrum des Universums behalt, die inneren Planeten Merkur und Venus dagegen urn die Sonne und diese mitsamt diesen beiden Planeten urn die Erde kreist. Tycho, der Protestant war, hat diesen Zwitter zwischen dem ptolemaischen und dem kopernikanischen System ausgedacht angesichts der schroffen Ablehnung von Kopernikus durch seine Kirche - ob aus Uberzeugung, mag dahingestellt sein. Die Stellung der katholischen Kirche war zu diesem Zeitpunkt, gegen Ende des 16. Jahrhunderts, noch konziliant. Das kopernikanische System wurde als mathematisches Modell zur Berechnung der Planetenorter geduldet, seine reale Existenz aber geleugnet, solange keine unumstol3lichen Beweise vorlagen. Fiihrende Theologen der Kurie haben sich spater im Anfangsstadium des Galilei-Konflikts ahnlich geauBert und auch angedeutet, daB beim Vorliegen solcher Beweise einige Stellen der heiligen Schrift anders ausgelegt werden miiBten. 1 TYCHO hat KEPLER, der sich durch sein Jugendwerk Mysterium Cosmographicum einen Namen unter den europaischen Astronomen gemacht hatte, zu sich nach Prag eingeladen. Dahinter stand wohl die doppelte Einsicht, daB er selbst nicht in der Lage war, sein tychonisches System im Einklang mit den vorliegenden Beobachtungen zu verwirklichen, daB andererseits, wenn iiberhaupt jemand, dann Kepler der Mann war, urn diese mathematische Aufgabe zu meistern. Kepler kam im August 1600 mit seiner Familie in Prag an, und schon bald spater, am 24. Oktober 1601 starb Tycho. Kepler hat es verstanden, die Aufzeichnungen Tychos, deren unschatzbarer Wert auch den Erben nicht verborgen blieb, in Besitz zu nehmen. Er wurde Nachfolger Tychos im Amt des kaiserlichen Mathematikers. Kepler, der von der grundsatzlichen Richtigkeit des heliozentrischen Systems iiberzeugt war, hat sich (zunachst auf Tychos Anordnung) besonders der Marsbahn angenommen, die in allen Systemen besondere Schwierigkeiten bereitet. Nach langen Miihen kam er zu der Uberzeugung, daB die Bahn mit sich iiberlagernden Kreisbahnen nicht zu beschreiben ist. Unter dem Druck der Realitat - der tychonischen Daten - gab er dieses zweitausend Jahre alte, als unumst6l3lich geltende (und iibrigens von Galilei nie an get as tete) Prinzip auf und versuchte sich mit allen moglichen anderen ovalartigen Bahnkurven. Schliel3lich, es war wohl 1604, kam ihm die Erleuchtung. Wie so haufig war die richtige Antwort, gemessen an der komplizierten Epizykeltheorie, von iiberwaltigender Klarheit und Einfachheit: Der Mars bewegt sich auf einer Ellipse, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht, und die Geschwindigkeit der Bewegung ist derart, daB der Strahl von der Sonne zum Mars in gleichen Zeiten gleiche Flachen iiberstreicht. Dies ist der Inhalt der beiden ersten Keplerschen Gesetze, die in der Astronomia nova (Neue Astronomie) von 1609, seinem astronomischen Hauptwerk, enthalten sind. Kepler war ein Forscher zwischen zwei Epochen, Mittelalter und Neuzeit. Seine Versuche, die Planetengesetze physikalisch zu begriinden (seine Neue Astronomie tragt den Untertitel oder Physik des Himmels) , waren nicht erfolgreich. Er operierte 1
Vgl. A. Koestler, Die Nachtwandler, 5. Teil, Kap. I (Suhrkamp TB 579) und L. Bieberbach
(1938, S.6Q-67, Brief von Kardinal Bellarrnin an Foscarini).
186
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
mit magnetischen Kraften, angeregt durch das Buch De magnete von WILLIAM GILBERT, welches 1600 erschienen war und viel Aufsehen erregt hatte. Aber allein der Versuch dokumentiert eine revolutionare neue Denkweise. Die Vorstellung, daB die Vorgange auf Erden und am Himmel denselben physikalischen Gesetzen gehorchen, steht im schroffen Gegensatz zur aristotelischen Zweiteilung der Welt in die Gebiete "unterhalb des Mondes", wo alles in fortwahrender Veranderung begriffen ist, und jenseits des Mondes, wo die Fixsterne fUr alle Zeiten unbeweglich ruhen und die Planeten ihre festen Bahnen gleichmaBig durchlaufen. (Am Rande sei bemerkt, daB in diesem Weltbild die Kometen, welche auftauchen und wieder verloschen, Erscheinungen innerhalb der sublunaren Sphare sein miissen. Ais Tycho de Brahes Messungen am Kometen von 1577 ergaben, daB dies unmoglich so sein kann, fUhrte das zu einer schweren Erschtitterung des aristotelischen Weltbildes.) Andererseits war Kepler zeitlebens von anti ken, auf PYTHAGORAS zuriickgehenden Vorstellungen tiber die magische Bedeutung von (ganzen) Zahlen und Zahlenverhaltnissen beeinfluBt. Zu ergrtinden, warum es Gott gefallen hat, gerade sechs Planeten zu erschaffen, war fUr ihn eine aller Anstrengung wtirdige Aufgabe. Die Auffassung, daB ahnlich wie bei der schwingenden Saite, wo den einfachen ganzzahligen Verhaltnissen der Saitenlangen die harmonischen Intervalle entsprechen, sich auch die Planeten in solchen ganzzahligen harmonischen Verhaltnissen bewegen, welche AniaB zur "Spharenharmonie" geben, hat ihn nicht losgelassen. Sein Spatwerk Harmonice mundi (Weltharmonik) gibt Zeugnis von dieser unermtidlichen Suche nach Harmonien im Planetensystem. Sein kostbarster Fund ist das dritte Keplersche Gesetz: Die Quadrate der Umlaufszeiten verhalten sich wie die Kuben der graBen Halbachsen. Es fehlte auch spater nicht an physikalischen Erklarungsversuchen. Descartes' Wirbeltheorie wurde bertihmt und tibte einen nicht geringen und nicht gerade fOrdernden EinfluB auf die Entwicklung aus. Mit der Entdeckung der Grundgesetze der Mechanik war die Frage endgiiltig beantwortet. Newton fand die Gesetze in seinen "goldenen" Jugendjahren, als er noch Student in Cambridge war, veroffentlichte sie aber erst 1687 in seinem physikalischen Hauptwerk Principia. Der wesentliche Beweis fUr die Richtigkeit seiner Theorie, sozusagen das experimentum crucis, war die mathematische Deduktion der Keplerschen Gesetze aus den mechanischen Grundgesetzen. Die Erkenntnis, daB zwei so entfernte Vorgange wie der freie Fall des sprichwortlichen Newtonschen Apfels und die Bewegung der Planeten aus einem einzigen mathematischen Grundgesetz erklarbar sind, war der erste Triumpf der neuen Naturwissenschaft. Aufgaben
1. Man berechne die BogenHinge der folgenden in Polarkoordinaten angegebenen ebenen Kurven: (a)
r
= sin 4>,
0::; 4> ::; n ;
(b)
r = 4>2,
0::; 4> ::; 2n .
Urn we1che Kurve handelt es sich bei (a)?
2. FUr we1che IX > 0 ist die durch 4>(0) = 0, 4>(t) = (t, t" sin lit) fUr 0 < t::; 1 definierte lordankurve rektifizierbar?
Aufgaben
187
3. Man berechne fUr die Ellipse und die Hyperbel (BeispieIe 4 und 5 von 5.10) die Kriimmung und den KiimmungsmitteIpunkt. Wie groB ist der Kriimmungsradius in den Scheitelpunkten? 4. Das eindimensionale Zweikorperproblem. Sind beim Problem (BP) (AW) von 5.23 die Anfangsdaten Xo, Vo E JR3 linear abhangig, so kann man nach 5.23 (b) annehmen, daB die Bewegung durch eine skalare Funktion x(t) beschrieben wird, welche den Gleichungen x
=-
y ~,
x
x(O)
=
Xo
> 0,
x(O)
=
Vo
geniigt. Fiir die Losung mache man den Ansatz x(t) = a(t + W und zeige, daB man die Differentialgleichung und die Bedingung x(O) = Xo, i.a. jedoch nicht die zweite Bedingung x(O) = Vo befriedigen kann (es gibt also noch andere Losungen, die nicht von dieser Gestalt sind). Man bestimme diese Losung im Fall M = 5,97 . 1024 kg (Erdmasse), Xo = R = 6,37 . 106 m (Erdradius) und berechne die zugehorige Anfangsgeschwindigkeit x(O) = Vo. Wie verhalten sich x(t) und x(t) fUr t -+ oo? Bemerkung. Die Geschwindigkeit Vo ist die kleinste Geschwindigkeit derart, daB ein von der Erdoberflache aus senkrecht nach oben geworfener Korper (unter Negierung anderer Einfliisse wie Luftwiderstand, ... ) nicht mehr zur Erde zuriickfallt.
5. Gerichtete Mengen. Ein Element P der gerichteten Menge A heiBt maximal, wenn aus ct. E A, P -< ct. folgt P = ct.. Man zeige: (a) Es gibt hochstens ein maximales Element. (b) Besitzt A ein maximales Element p, so ist jedes Netz (fo) konvergent und limo fo = f fJ; femer gilt ct. -< P fur aile ct. E A. 6. Es sei X eine nichtleere Menge und A c P(X) die Menge aller (i) Teilmengen bzw. (ii) endlichen Teilmengen bzw. (iii) hochstens abzahlbaren Teilmengen von X. Man zeige: (a) Die Menge A ist in jedem der drei Faile in bezug auf die Inklusion (M -< N MeN fUr M, N E A) gerichtet. (b) 1m Fall (i) existiert ein maximales Element; im Fall (ii) gibt es, wenn X abzahlbar ist, konfinale Teilfolgen; im Fall (iii) gibt es, wenn X iiberabzahlbar ist, keine konfinale Teilfolge. 7. Das zweite Archimedische Postulat. Die Funktion f sei im Intervall I = [a, b] stetig und konkav, und C = graph f = 4>(1) mit 4>(t) = (t,f(t)) sei die zugehorige Jordan-Kurve mit den Endpunkten P = 4>(a) und Q = 4>(b) (wir benutzen diesel ben Bezeichnungen wie in der Einleitung zur Kurventheorie vor Abschnitt 5.10). Der Weg 1p1J, J = [ct.,P] mit denseIben Endpunkten P, Q verlaufe oberhalb von C (d.h. aus a :-:;; lpdT) :-:;; b folgt !(lpl(T)) :-:;; 1p2(T)). Dann ist L(lp) ;::: L(4)) = L(C). Jede oberhalb C verlaufende, die Punkt P und Q verbindende Kurve hat also eine Lange;::: L(C). Wir skizzieren einen moglichen Beweisweg. Man kann annehmen, daB a :-:;; 11'1 (T) :-:;; b ist (ist das nicht der Fall und ist etwa T' der letzte Punkt mit 11'1 (T') = a, so ersetze man den Teilweg 11'1 [ct., T'] durch die Strecke von P nach lp(T')). Es sei Z = (to, ... ,tp ) eine Zerlegung von I. Es geniigt, die Ungleichung t(Z ; 4» :-:;; L(lp) zu beweisen. Da der Weg 11' oberhalb C verlauft, schneidet die Gerade durch die Punkte P = 4>(to) und 4>(ttl den Weg 11' in einem Punkt R = 4>(Ttl rechts von tlo d.h. mit 11'1 (Ttl ;::: tl' Ersetzt man nun das Wegstiick 1p1[ct.,Ttl durch die Strecke PR (in passender Parametrisierung), wahrend 1p1[TloP] unveranderlich bleibt, so erhait man einen neuen, gegeniiber 11' kiirzeren Weg 11'1. Die Gerade durch die Punkte 4>(ttl und 4>(t2) schneidet den Weg 11'1 in einem Punkt S = 1p1(T2) rechts von t2. Man verkiirzt den Weg 11'1, indem man das Stiick 1p 11[TI,T2] durch die Strecke RS ersetzt. Nach hochstens p solchen Schritten erhalt man einen Weg, der bis auf die Parametrisierung mit dem durch Z erzeugten Streckenzug mit den Eckpunkten 4>(tj) iibereinstimmt.
188
§ 5. Allgemeine Limestheorie. Wege und Kurven
°
8. Es sei Lk die Lange und Sk der Schwerpunkt bei homogener Massenverteilung der Kurve y = x\ ~ x ~ 1. Man berechne lim Lk und lim Sk.
°
k-oo
k-+oo
9. Ellipsenumfang. Man zeige: Der Umfang L der Ellipse x (a> b > 0, ~ t ~ 2n) ist durch
r
L=4a}o
l2
a cos t, y
=
b sin t
Vl-e 2cos 2 tdt,
(e ist die numerische Exzentrizitat der Ellipse) gegeben. Hieraus leite man die Potenzreihenen twickl ung
L = 2na
1(1.3.5)2 {1 - ("21)2 e2 -"31(1.3)2 N e -"5 2 . 4 . 6 e 4
6 -
.••
}
ab (vgl. Beispiel 3 in 1.11.3). Man berechne L flir a = 5, b = 4 explizit unter Berlicksichtigung der Reihenglieder bis einschlieBlich e8 und schatze den Abbruchfehler abo
10. Man berechne die Lange folgender Kurven: (a) y=lnx,v'3~x~J8;
Ixl 2/3 + lyl2 /3 = 1 bei einem x = t - sin t, y = 1 - cos t,
°
(b) (c)
vollen Umlauf (Astroide); ~
t
~
2n (Zykloide).
11. Gelegentlich wird eine Kurve im lRn in der Form x = 4>(t), a ~ t < 00 gegeben. Man zeige: (a) 1st 4> in [a,oo) stetig und injektiv und existiert P = lim 4>(t), so ist C = 4>([a, 00)) U t-+oo
{P} eine (eventuell geschlossene) 10rdankurve. [Zu zeigen ist also, daB ein 10rdanweg -4 JR." mit C = 1p([a, b]) existiert.] (b) 1st zusatzlich jedes Kurvenstlick Ct = 4>([a, t]) (a < t < 00) rektifizierbar, so gilt L(C) = limL(C t ). Die Kurve ist also genau dann rektifizierbar, wenn dieser Limes endlich
1p :
ist.
[a, b]
'-+00
(c) Man berechne die Lange der exponentiellen Spirale r = e-1>, 12. Eine Peanokurve. Die Funktion g : lR 2 und in [0,1] durch
-4
°
~ 4> < 00.
lR sei gerade, periodisch mit der Periode
flirO~t(1) ist das Einheitsquadrat
Q = [0, IF.
Anleitung: Flir t = L~ ad4i mit ai E {a, I} ist gWt) = ak, also 4>(t) = (x, y) mit x = L~ a2k/2k+!, Y = L~ a2k+J/2k+!. Zum Nachweis von 4>(1) ::::> Q wende man Satz 1.5.18 und flir die Relation 4>(1) c Q eine passende Abschatzung an.
Aufgaben
189
13. Kettenlinie. Man gebe fUr die durch y = cosh x in 0 S; x S; a (a > 0 be1iebig) explizit dargestellte Kurve eine Darstellung mit der Bogenliinge als Parameter. Ferner berechne man den Kriimmungsradius und den Kriimmungsmitte1punkt der Kurve in Abhiingigkeit von x. Bemerkung. Die Kurve y = rx cosh flx (rx, fl > 0) wird Kettenlinie genannt, weil ein an zwei Punkten aufgehiingter schwerer, nicht dehnbarer Faden (= Kette) die Gestalt dieser Kurve annimmt. Galilei hatte noch irrtiimlich angenommen, die Kettenlinie sei eine Parabel. 14. Es sei I = [a,b]. Man zeige, daB der Raum BV(I) - der Vektorraum der reellen Funktionen von beschriinkter Variation auf I - ein Banachraum ist, wenn man die Norm durch oder Ilfll = If(a)1 + V;(f) Ilfll" = Ilflloo + V;(f) definiert, und daB diese Normen aquivalent sind 15. Man berechne die Totalvariation ersten Beispielen ist f(O) = 0 gesetzt):
vg(f)
(a)
V~(xlogx);
(b)
VJ(xsin 1/x);
(d)
VJ(sin rjJ(x)) ;
(e)
vg
(II
·1100 ist in 1.8 definiert).
der folgenden Funktionen (in den beiden
(~akH (x -
D);
(c)
V~1t(arctansinx);
(f)
V~(exp [x 2]).
Dabei ist rjJ in [0,1] stetig und monoton mit rjJ(O) = 0, rjJ(1) = 2n, H die Heaviside-Funktion und [x] = groBte ganze Zahl S; x. We1che Funktion ist stetig, aber nicht von beschriinkter Variation? Hinweis: Man kann (i) 5.20(f) anwenden oder (ii) das Intervall in Teilintervalle zerlegen, in denen f monoton ist, und 5.20(d) benutzen.
16. Die Kreisevolvente. Ein Faden wird auf der Peripherie des Einheitskreises im Uhrzeigersinn aufgewickelt, wobei sein Ende im Punkt (1,0) liegen mage. Wird der Faden wieder abgewickelt, jedoch so, daB er immer gespannt bleibt, so beschreibt das Fadenende einen Weg von der Form einer gegen den Uhrzeigersinn durchlaufenen sich affnenden Spirale, die man Kreisevolvente nennt. (a) Man zeige, daB sie die Parameterdarstellung x(t) =cost+tsint,
y(t) = sin t - tcos t
hat, wobei t die Lange des abgewickelten Fadens ist. (b) Man berechne die Wegliingenfunktion der Kreisevolvente. (c) Man berechne den ersten positiven t-Wert tl mit y(td = 0 mit dem Taschenrechner (man bringe die entsprechende Fixpunktgleichung t = rjJ(t) auf eine Form, die sukzessive Approximation zuliiBt; vgl. 4.1 und 1.4.10).
§ 6. Das Riemann-Stieltjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
1m Jahre 1894 veroffentlichte der hollandische Mathematiker ThOMAS-JEAN STIELTJES (1856-1894, ab 1877 an der Sternwarte in Leiden, ab 1886 als Professor der Mathematik in Toulouse tatig) eine originelle Arbeit iiber Kettenbriiche, in welcher er ein neues, spater nach ihm benanntes Integral ! dg einftihrte. Er nimmt an, daB! stetig und g monoton wachsend ist und bildet, wenn Z = (to, ... , tp ) eine Zerlegung des Intervalls I = [a, b] ist, die Summen
J:
P
0 eine Zerlegung Z, von I existiert mit IJ - u(Z, r)1
- Z, .
t erhiilt man das Riemann-Integral. Bedeutsam sind die folgenden
Beispiele. 1. Es sei H die Heaviside-Funktion, H(t) = 0 flir t sOund = 1 flir t > O. 1st < 0 < b und f stetig bei t = 0, so existiert das RS-Integral von f beziiglich H, und es hat den Wert
a
§ 6. Das Riemann-Stieltjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
192
lb f dH = f(O) . Denn zu e > 0 gibt es ein b > 0 mit der Eigenschaft If(O) - f(s)1 < e fUr 0:0:;; s :0:; b. FUr jede Verfeinerung von Z, = (a, 0, b, b) ist a(Z, ,) = f(s) mit 0 :0:; s :0:;; b, also If(O) - a(Z, ,)1 < e. Man sieht, daB die rechtsseitige Stetigkeit von f ausreicht.
1:
2. 1st jedoch f im Nullpunkt nicht rechtsseitig stetig, so existiert das Integral f dH nicht. Denn jede Zerlegung Z, besitzt eine Verfeinerung Z = (til, welche den Punkt 0= tk enthiilt, und die entsprechenden Zwischensummen haben den Wert f(s), wobei s im Intervall [0, tHd variieren kann.
6.2 Eigenschaften des Riemann-Stieltjes-Integrals. Die auftretenden Funktionen seien im Intervall I = [a, b] erklart.
J:
J:
(a) Linearitiit beziiglich lund g. Wenn die Integrale Ii dg und I dg i existieren (i = 1,2), dann existieren auch die folgenden Integrale, und es gilt
lb (Adl
+ A2h) dg
lb I d(AIg2
=
Al lb II dg
+ A21b 12 dg ,
+ A2g2) = Al lb I dg, + A21b I
dg 2 .
(b) Fur a < c < b gilt
lb I dg
=l
c
I dg
+ Ib I dg
,
wobei das linke Integral genau dann existiert, wenn die beiden rechtsstehenden Integrale existieren. Die erste Gleichung in (a) folgt durch Anwendung der Regel 5.4 (b) auf die Identitat
die zweite Gleichung in (a) aus einer ahnlichen Identitat und schlieBlich (b) aus Satz 5.7. Stetige Funktionen sind nach I.9.6 Riemann-integrierbar. Diese wichtige Eigenschaft wird im nachsten Satz verallgemeinert.
Satz. 1st IE C°(l) und g E BV(I). so existiert das Integral die Abschiitzung
J: I dg. und es besteht
Beweis. Aufgrund der gleichmaBigen Stetigkeit von I gibt es zu e > 0 ein b > 0 derart, daB aus Is - tl < b folgt II(s) - I(t)1 < e. Wir wahlen eine Zerlegung Z, = (ro, ... ,rq ) mit IZ,I < b und eine zugehorige RS-Summe a(Z"p), etwa mit Pi = rio Nun sei Z = (to, ... , t p ) eine Verfeinerung von Z" und es sei etwa tm = ri. Der erste Summand von a(Z" p) laBt sich in der Form
6.3 Partielle Integration. Satz
193 m
f(rt} [g(rt} - g(ro)] = Lf(rt}[g(ti) - g(ti-l)] i=1
schreiben. Da die ersten m Zwischenstellen 'i von a(Z, ,) in [a, rl1 liegen und da rl - a < - Ze ist dann
la(Z, ,) - a(Ze,P)1
28V:(g) .
+ la(Z', ,') -
a(Ze,p)1
J:
Also ist (a(Z, ,)) ein Cauchy-Netz, und f dg existiert. Eine einfache Abschatzung ergibt die behauptete Ungleichung:
o Bisher haben wir noch kein Mittel, urn RS-Integrale wirklich zu berechnen. DaB der direkte Weg iiber die Definition selbst beim Riemann-Integral nur in einfachen Fallen praktikabel ist, wird durch die Betrachtungen im ersten Band zur Geniige gezeigt. Die beiden folgenden Satze sind die wesentlichen Hilfsmittel zur Bewaltigung dieser Aufgabe. 6.3 Partielle Integration. Satz. Mit
lb
f dg
+
lb
g df
J: f dg existiert auch J:
g df, und es gilt
= fgl! == f(b)g(b) - f(a)g(a) .
Grundlage des Beweises ist die Identitat (a = to < tl < ... < tp = b; ti-l S 'i
S ti) p
Lg('i) [f(ti) - f(ti-t}] i=1 p
+ L{f(ti-t} [g('i) -
g(ti-l)]
+ f(ti)[g(ti) -
g('i)]}
i=1
= f(b)g(b) - f(a)g(a) , we1che man leicht bestatigt. Zu 8 > 0 gibt es eine Zerlegung Ze derart, daB la(Z,,;f dg) - JI < 8 gilt fUr aIle Z >- Ze; dabei bezeichnet J den Wert des Integrals f dg. Die erste Summe in (*) ist gleich a(Z,,;gdf), die zweite Summe
J:
§ 6. Das Riemann-Stieltjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
194
ist eine RS-Summe (J(Z*, r*;f dg), wobei Z* aIle tj und aIle rj als Teilpunkte enthalt und rj jeweils der linke oder rechte Endpunkt des betrachteten Intervalls ist (ist rj = tj-l oder tj, so tritt rj nicht als neuer Teilpunkt in Z* auf, andererseits ist der betreffende Summand gleich 0). Aus Z >- Ze folgt Z* >- Ze, also 1(J(Z*,r*;fdg)-JI < 8, und aus (*) ergibt sich 1(J(Z,r;gdf)-fgl~+JI < 8. Das bedeutet aber, daB das Integral g df existiert und den angegebenen Wert fgl~ - J hat. D
J:
6.4 Transformation in ein Riemann-Integral. Satz. 1st f E R(l) und g E C1(1), so
existiert
J: f dg, und es gilt
ib ib f dg =
Jedes Integral
ib
fg' dt .
J: fhdt liijJt sich also als RS-Integral
f(t)h(t) dt =
ib
f(t) dg(t)
mit g(t) =
schreiben, falls f Riemann-integrierbar und h stetig ist. Z.B. ist
r
Jo
costd(sint) =
(n
Jo
cos 2 tdt
it
h(s) ds
1
="i n ,
!on costd(cost) = -!on sintcostdt = O. Beweis. Die Funktion f E R(l) ist beschrankt (vgl. 1.9.1), etwa If I ::; K. Zu 8 > 0 wird ein 15 > 0 so gewahlt, daB Ig'(r) - gl(r')1 < 8 gilt, falls Ir - Til < 15 ist. Es sei IZI < 15. Nach dem Mittelwertsatz 1.10.10 kann man (J(Z, r;f dg) in der Form k
k
(J(Z, r) = If(ri)(g(ti) - g(tj-d) = If(ri)g'(r)(tj - ti-d i=l i=l schreiben, wobei r; E [tH,
ta ist. Vergleicht man dies mit der Zwischensumme k
(J*(Z, r) =
J:
I
f(rj)g'(rjHtj - tj-ll
j=l
zum Integral J = fg' dt, so findet man I(J - (J*I < K . 8 . (b - a). Da diese Ungleichung fUr aIle Zerlegungen mit IZI < 15, also insbesondere flir aIle Verfeinerungen einer fest gewahlten solchen Zerlegung gilt, sind die beiden Integrale gleich. D 6.5 Weitere Beispiele. 1m folgenden ist I = [a, b] und H(t) die Heaviside-Funktion von Beispiel 1 in 6.1.
6.6 Bemerkungen
195
3. Fiir jede in I definierte Funktion gist a(Z,T;dg) = g(b) - g(a), also g(b) - g(a).
t dg(t)
=
4. Endliche Summen ais StieItjes-Integraie. 1st f E C(I) und a ::::: c < b, so folgt f dH(t - c) = f(c) (die Bezeichnung soli andeuten, daB es sich urn If dg mit g(t) = H(t - c) handelt; vgl. Beispiel 1). Hat man die n Punkte Cj E [a,b) und n Zahlen aj und setzt man g(t) = atH(t - cd + ... + anH(t - cn), so wird nach 6.2 (a)
t
lb
f dg = ad(cd
+ ... + anf(cn) .
Man kann also endliche Summen als RS-Integrale schreiben, und zwar auf vielerlei Weise. 5. Unendliche Reihen ais StieItjes-Integraie. Es sei (Ck) eine Folge mit 0 = Co < Ct < w
C2
< ... < 1 und
I
ak eine konvergente unendliche Reihe mit den Teilsummen Sn und der
k=t
Summe S. Die Funktion
en
g(t) =
I
cd
akH(t -
k=t
ist = 0 fUr 0 ::::: t ::::: Ct, = Sn fUr Cn < t ::::: Cn+t und = S fUr lim Ck ::::: t ::::: 1. Nach Beispiel 3 ist S = I ak = 101 dg. 1st Z = (to, ... , tp ) eine Zerlegung von [0,1], we1che in jedem der Teilintervalle (CI, C2], . .. , (c n, cn+tl mindestens einen Teilpunkt und im letzten dieser Intervalle den Teilpunkt tp-t hat, so sieht man leicht, daB var (Z ;g) = lall + ... + lanl + IS - snl ist. Es ist also genau dann g E BV[O, 1], wenn I an absolut konvergiert, und in diesem Fall ist VJ(g) = I~ lanl· 1st nun f E qo, 1], so existiert 101 f dg nach Satz 6.2, und es ist
11
~ f(cdak =
f(t) dg(t) .
Urn dies einzusehen, berechne man die RS-Summe beziiglich der Zerlegung (0 = co.ct,c2 •...• cn.1) mit Tj = Cj_l. 6. Die Momente mk beziiglich der Funktion et (vgl. Einleitung zu diesem Paragraphen) haben die Werte mk =
11
tk det =
= et(tk _ kt k- I = e{1- k
11
tke t dt
+ k(k -
l)t k- 2 -
+ ... + (_I)k k! to)I~
+ k(k -1) - + ... + (-I)kk!} -
•
(_1)kk! ,
speziell mo = e - 1, ml = 1, m2 = e - 2, m3 = 6 - 2e.
6.6 Bemerkungen. 1. Beschriinktheit des Integranden. Wir haben beim RiemannIntegral in 1.9.1 die Beschranktheit von f ausdriicklich vorausgesetzt. jetzt aber beim RS-Integral keine solche Einschrankung vorgenommen. 1st aber z.B. g f dg fUr beliebige (auch unbeschrankte) konstant. so existiert das Integral Funktionen f. und entsprechendes gilt, wenn g in Teilintervallen konstant ist. 1st jedoch g in keinem Teilintervall von I konstant. so kann man leicht zeigen, daB
I:
§ 6. Das Riemann-Stieltjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
196
aus der Existenz des Integrals die Beschdinktheit von f folgt (man betrachte eine feste Zeriegung Z mit der Eigenschaft, daB la(Z, r) - a(Z, r')1 < 1 ist, halte r fest und variiere r'). Diese Bemerkung gilt insbesondere flir das Riemann-Integral Jab f dx. Wenn es als limz a(Z, r) existiert, SO folgt daraus die Beschdinktheit von f.
2. Definition des Integrals durch Unter- und Obersummen. 1st g monoton wachsend, so kann man, genau wie beim Darbouxschen Zugang zum Riemann-Integral in I.9.1-9.3, Obersummen S und Untersummen s gemaB p
p
S(Z)
= I Mi[g(ti) - g(ti-dl ,
s(Z)
i=l
=
I
mi[g(ti) - g(ti-dl
i=l
definieren. Dabei ist, wie in I.9.1, Z = (to, ... ,tp ), Ii = [ti-l,til und Mi = sup f(li), mi = inf f(li)' Die oberen und unteren RS-Integrale werden wie in § I.9 definiert, J. := sup s(Z) ,
r
:= inf S(Z) .
Es bereitet keine Miihe naehzuweisen, daB S(Z) in der natiiriichen Ordnung monoton fallend und s(Z) wachsend ist. Daraus folgt J.
= limz s(Z) ,
r
= limz S(Z) und
J.
sr.
r
Integrierbarkeit im Sinne von I.9.3 ist durch die Gleichung J. = definiert, und dieser gemeinsame Wert ist auch der Wert des Integrals. Man iibertragt dann das Lemma I.9.7, welches besagt, daB zu jeder Zeriegung Z die Teilpunkte ri so gewahlt werden konnen, daB a(Z, r) ~ s(Z) bzw. ~ S(Z) ist. Hieran erkennt man: Dieser neue Stieltjessche IntegralbegrifJ "a la Darboux" stimmt mit dem hier zugrundegelegten iiberein. Die Gleichung limz a(Z, r) = J besteht genau dann, wenn limz s(Z) = limz S(Z) = Jist. Es sei nochmals daran erinnert, daB dieser Weg nur flir monoton wachsendes g gangbar ist.
J:
3. Die metrische Ordnung. Wie bereits erwllhnt, wird von manchen Autoren das RS-Integral mit Bezug auf die metrische Ordnung definiert, f d g := lim a(Z, r). Zwischen diesem "metrisehen" Integral und unserem "natiiriichen" IZI-+O
Integral bestehen die folgenden Beziehungen. (i) Wenn das metrisehe Integral existiert, so existiert auch das natiiriiche Integral, und beide haben denselben Wert. Das folgt aus Satz 5.9. (ii) Die wichtige Eigenschaft 6.2 (b) gilt flir das metrische Integral nur in der folgenden Form: Wenn das linke Integral existiert, so existieren auch die beiden rechts stehenden Integrale; vgl. Bemerkung 3 in 5.9. (iii) Das metrische Integral existiert sieher dann nieht, wenn fund g an derselben Stelle eEl unstetig sind. Das natiiriiehe Integral existiert nicht, wenn beide Funktionen fund g an der Stelle c von derselben Seite (rechtsseitig oder linksseitig) unstetig sind. Z.B. existiert das Integral J~l H(t) dH (H = Heaviside-Funktion, vgl. Beispiel 1) weder in der metrischen noch in der natiiriichen Ordnung. Das Integral
6.8 Zweiter Mittelwertsatz fUr Riemannsche Integrale
197
J~I H(-t) dH existiert dagegen in der natiirlichen Ordnung (es hat den Wert 0), nicht jedoch in der metrischen Ordnung. Beweis als Ubungsaufgabe. 6.7 Mittelwertsiitze fUr Riemann-Stieltjes-Integrale. 1st g wachsend, so sind die in den RS-Summen auftretenden g-Differenzen nichtnegativ. Aus h :5: h folgt also (J(Z,r;h dg) :5: (J(Z,r;h dg) und eine entsprechende Ungleichung fur die Integrale. Wendet man dieses Ergebnis auf die Ungleichungen m :5: f(t) :5: Man, so ergibt sich ein Erster Mittelwertsatz. Existiert
ib f dg
J: f dg und ist
= J1 ib dg = J1[g(b) - g(a)]
g in I
= [a, b] wachsend, so ist
mit inf f(l) :5: J1 :5: sup f(l) .
1st f stetig, so gibt es ein ~ E I mit J1 = f(~). Dieser Satz verallgemeinert den Erweiterten Mittelwertsatz aus I.9.13 (man setze dazu g(t) := p(s) ds).
J:
Zweiter Mittelwertsatz. Die Funktion f sei im Intervall I
sei stetig in I. Dann existiert das Integral ib f dg = f(a)
i
C
dg
= [a, b] monoton, und
J: f dg, und es gibt ein eEl mit
g
+ f(b) lb dg
= f(a)[g(c) - g(a)]
+ f(b)[g(b) - g(c)] .
J:
Beweis. Man kann annehmen, daB f wachsend ist. Das Integral g d f existiert nach Satz 6.2, und nach dem ersten Mittelwertsatz hat es den Wert g(c) [f(b)-f(a)] mit eEl. Nach dem Satz 6.3 tiber partielle Integration existiert das Integral f dg, und es gilt
J:
ibfdg=fg'~-ibgdf = f(b)g(b) - f(a)g(a) - g(c) [f(b) - f(a)] .
o
Das ist gerade die behauptete Gleichung. Wir spezialisieren diesen Satz, indem wir annehmen, daB g(t)
J:
J:
=
J: h(s) ds mit
h E C(l) ist. Dann ist g' = h und f dg = fhdt nach Satz 6.4, und man erhlilt den folgenden Satz tiber Riemann-Integrale. Er ist auf direktem Weg mit den Mitteln von § I.9 nicht so einfach zu beweisen. 6.8 Zweiter Mittelwertsatz fUr Riemannsche Integrale. 1st f monoton und h stetig in I, so gilt mit geeignetem eEl
ib f(t)h(t) dt = f(a)
l
C
h(t) dt + f(b) lb h(t) dt .
§ 6. Das Riemann-Stieltjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
198
In den folgenden Nummern behandeln wir spezielle RS-Integrale, namlich Integrale iiber Kurven und Wege. Sie haben wichtige Anwendungen sowohl innerhalb der Mathematik als auch in der Physik.
6.9 Kurvenintegrale beziiglich der Bogenliinge. Es sei I = [a, b] und cp : I _ IRn
eine Jordansche Darstellung einer rektifizierbaren Jordankurve C = cp(I) mit der Langenfunktion s(t) := L(cpl [a, t]); vgl. 5.12. Ferner sei auf der Menge (= Kurve) C eine reellwertige Funktion f erkliirt. Das folgende Riemann-Stieltjes-Integral
1
f(x) ds :=
lb
f(cp(t» ds(t)
nennt man das Kurvenintegral von f uber die Kurve C bezuglich der Bogenliinge. Urn diese Bezeichnung zu rechtfertigen, weisen wir nach, daB das Integral tatsachlich nur von fund C und nieht von der speziellen Darstellung von C abhiingt. Dazu sei Z = (to, ... , tp) eine Zerlegung von I, ri E Ii = [ti-l, t;] und Ci = cp(Ii) (i = 1, ... ,p). Wegen L(Ci) = s(t;) - s(ti-d kann man die zur Partition (Z, r) gehOrigen RS-Summen in der Form p
p
(a) O"(Z, r) = If(cp(ri»)[s(t;) - s(ti-l)] = If(~i)L(Ci) i=1 i=1 mit ~i E C; schreiben. Nun sei cp*lI* eine zweite Jordan-Darstellung von C. Nach Satz 5.13 ist entweder cp* '" cp oder cp* '" cp-. 1m ersten Fall gibt es eine monoton wachsende Bijektion h : I - I* derart, daB cp(t) = cp*(h(t», also s(t) = s*(h(t» ist. Die Abbildung h ordnet jedem Paar (2, r) ein entsprechendes Paar (2 *, r) bezuglich I* gemaB t~ = h(t;), r~ = h(ri) zu, und umgekehrt. Fur die von (Z·, r) erzeugten GraBen It = [(-1' t~], ~; = cp·(r;), ct = cp*(It) gilt dann ~i = ~; und Ci = ct wegen cp(t) = cp*(h(t». Aus (a) folgt also (b) O"(Z, r;f(cp) ds) = O"(Z*, r* ;f(cp*) ds*) . 1m zweiten Fall cp* '" cp- gilt cp(t) = cp*(h(t» mit einer mono ton fallenden Bijektion h : I - I*. Auch in diesem Fall wird aus (Z, r) durch die Abbildung h ein entsprechendes Paar (Z·, r·) beziiglich I* hervorgebracht. Man muB aber die Numerierung andern, damit die t~ eine monoton wachsende Folge bilden. = h(rp+l-i). Fiir die von (Z·, r·) erzeugten Die Formeln lauten t; = h(tp-i), GraBen gilt jetzt ~; = ~p+1-i' = CP+I - i. Die zugeharige RS-Summe hat wieder denselben Wert wie in (a); lediglich die Reihenfolge der Summation ist geandert (Summationsindex p + 1- i statt i). Die Gleiehung (b) besteht also auch in diesem Fall. Aus (b) und der offensichtlichen Tatsache, daB in beiden Fallen ZI >- Z gleichbedeutend mit Z; >- Z· ist, ergibt sich der folgende
C;
J:
(t) = (t, t 2 ), 0 S t S 1) erhiiit man M =L(C) =
1 ~dt= 2112 ~du 1
0
0
=
~ [U~+log(u+~)]:
=
4 [2J5 + log (2 + J5)] = 1,47894
1
200
§ 6. Das Riemann-Stieltjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
0'--"--------"'---
Schwerpunkt Seines Parabelstiicks und S=
~
(11ty'l+4t2dt, 11 t2y'l+4t2dt) .
Fiir das erste Integral ist fi(l + 4t 2 )3 / 2 eine Stammfunktion, das Integral hat also den Wert fi(5V5 - 1) = 0,84836. Aus 8J
u2~du =
u(2u 2 +
1)~ -Iog(u+~)
erhalt man fUr das zweite Integral nach einfacher Rechnung den Wert [18V5 + log(2 + V5)]/64 = 0,65145 und schlieBlich S = (0,57363;0,44048). Wenn ein Massenpunkt urn eine Achse rotiert, so bezeichnet man das Produkt J = mr2 (m Masse, r Abstand von der Achse) als das Triigheitsmoment, aus 2 errechnet; vgl. 1.11.12. 1st G eine welchem sich die Rotationsenergie zu E = Gerade (Achse) im 1R 3 und r(x) der Abstand des Punktes x von der Achse G, so ergibt sich gemaB der obigen Uberlegung das Tragheitsmoment der mit Masse belegten Kurve C zu
!Jw
J
=
'i
r2(x)p(x) ds
Triigheitsmoment von C .
In unserem Beispiel errechnet sich das Tragheitsmoment bei Rotation urn die x-Achse bzw. y-Achse bzw. die zu diesen beiden Achsen senkrecht stehende z-Achse zu
Man berechne die drei Tragheitsmomente. Bemerkung. Das hier behandeIte Kurvenintegral hangt nur von der Kurve und nicht von der Dynamik des die Kurve beschreibenden Bewegungsablaufs 4> ab, und entsprechend beziehen sich die Anwendungen nur auf statische GroBen wie Masse, Schwerpunkt und Tragheitsmoment (wenn beim letzteren auch eine dynamische Bedeutung im Hintergrund steht, die jedoch nichts mit 4> zu tun hat). Es gibt aber durchaus Anwendungen, bei denen .dynamische", also von 4> abhangige RS-Integrale beziiglich der Weglange auftreten. Es beschreibe 4> etwa die Bewegung eines Gegenstandes (Auto) als Funktion der Zeit, und
6.12 Wegintegrale
201
die Funktion f(v) beschreibe den Luftwiderstand in Abhiingigkeit von der (skalaren) Geschwindigkeit v = 1. Ein weiterer Begriff bezieht sich auf eine auf C definierte Vektorfunktion F = (h, ... .in). Das Integral
wird ebenfalls Wegintegral von Filings 4> genannt. Dieses Wegintegral beziiglich einer Vektorfunktion ist also definiert als Summe von n skalaren Wegintegralen, die man erhalt, wenn man dx als Vektor (dx\, ... , dx n ) auffaJ3t und das innere Produkt bildet. 1st der Weg 4> stiickweise stetig differenzierbar, so lassen sich diese Integrale nach Satz 6.4 in Riemann-Integrale verwandeln, (a)
1 1
f(x) dXk =
F(x) . dx
=
lb f(4)(t))'(t) dt
=~
lb fd4>(t))4>~(t)
dt .
An diesen Formeln wird auch die suggestive Bezeichnungsweise dieser Wegintegrale sichtbar. Es ist dXk = 4>~(t)dt, und die erste Formel in (a) liest sich formal wie die Substitutionsregel 1.11.4 bei Riemann-Integralen. Die Bedeutung und die Anwendungsmoglichkeiten dieser Integrale ergeben sich aus den entsprechenden Zwischensummen. Mit den iiblichen Bezeichnungen Z = (to, ... , tp), ~i = 4>(ri), X; = 4>(t;) erhalt man p
(b)
a(Z,r;fdxk) = Lf(4)(ri))[4>k(ti)-4>dt;-dl i=1 p
= Lf(~J(Xi ;=1
Xi-lh ;
§ 6. Das Riemann-Stieltjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
202
n
p
a(Z, ,; F· dx) =
L F(~i) .
(Xi -
xi-d
=
L a(Z, ,; fk dxd ;
k=1 xi-dk die k-te Komponente des Vektors i=1
dabei bezeiehnet
(Xi -
Xi -
Xi-I.
Bemerkung. Das Integral "'IF· dx existiert per definitionem, wenn aIle Integrale "'I/k dXk existieren. Aus der Linearitat des Netzlimes folgt dann, daB limz a(Z,,; F . dx) existiert und gleieh dem Integral ist. Man konnte aueh das Integral dureh diesen Limes definieren. Das hatte aber die unerwiinsehte Konsequenz, daB die einzelnen Komponentenintegrale dann nieht notwendig existieren. So ist etwa im Fall n = 2, wenn man (b)
4>11 mit dem Anfangspunkt
1
Fo . dx = Fo . ('1 - ¢) .
Man iiberzeugt sich leicht, daB aile Zwischensummen 0"(2,!; Fo . dx) denselben Wert Fo· ('1- ¢) haben. Das Integral hangt also nur von den beiden Endpunkten des Weges ab; auf welchem Weg sie miteinander verbunden werden, spielt keine Rolle. 2. 1st insbesondere F = (0,0, -g) das Schwerefeld in der Umgebung eines Punktes der Erdoberflache, so ist die vom Schwerefeld geleistete Arbeit
die mit -g multiplizierte Hohendifferenz von Anfangs- und Endpunkt. In den nachsten beiden Nummern wird untersucht, welche Funktionen F die in den Beispielen sichtbar gewordene Eigenschaft haben, daB das Wegintegral nur von den Endpunkten abhangig ist. Diese Felder spielen in der Mathematik und in den physikalischen Anwendungen eine bedeutsame Rolle.
6.16 Gradientenfelder. Stammfunktion und Potential. Das Feld F = (fl, ... ,fn) G c:: JRn --+ JRn wird ein Gradientenfeld genannt, wenn F der Gradient einer reellwertigen Funktion ist, genauer, wenn es eine stetig differenzierbare Funktion V : G --+ JR mit der Eigenschaft grad V
=F
,
ausflihrlich
~ V =!k
UXk
flir k = 1, ... , n
gibt. Eine in diesem Sinn das Feld F "erzeugende" Funktion V heiBt Stammfunktion von F. Im physikalischen Sprachgebrauch wird das Gradientenfeld auch Potentialfeld und die Funktion U = - V das Potential von F genannt (das negative Vorzeichen erweist sich bei Anwendungen als zweckmaBig). Es sei ¢ : I = [a, b] --+ G c:: JRn ein stiickweise stetig differenzierbarer Weg mit dem Anfangspunkt ~ = ¢(a) und dem Endpunkt 11 = ¢(b). Daflir sagen wir im folgenden kurz, ¢ sei ein C;-Weg in G, welcher von ~ nach 11 flihrt. (Alles folgende bleibt in Kraft, wenn nur Rektifizierbarkeit vorliegt; die starkere Voraussetzung dient der Vereinfachung der Beweise.) Da F als stetig vorausgesetzt ist, existiert das Wegintegral "'IF(x)· dx flir jeden C;-Weg ¢. Hat flir je zwei Punkte ~,11 E G
207
6.16 Gradientenfelder. Stammfunktion und Potential
"'IF·
das Integral d x langs jedes in G yon ~ nach rt yerlaufenden Weges denselben Wert, so heil3t das Wegintegral in G unabhangig vom Wege. In diesem Fall ist es nur yom Anfangs- und Endpunkt des Weges abhiingig; man schreibt dann F(x)· dx. 1m allgemeinen hat ein stetiges Vektorfeld F (flir n 2:: 2) keine Stammfunktion. 1st zum Beispiel G = IR2 (x, y reell) und F(x,y) = (y,O), so mlil3te Vx = y, Vy = 0, also Vxy = 1 =1= Vyx = gelten, im Widerspruch zu Satz 3.3. Der nachste Satz beantwortet die Frage, flir welche Felder das Wegintegral unabhiingig yom Weg ist. Das trifft flir die Gradientenfelder und nur flir diese zu.
N
°
Satz. Es sei G c: IRn ein Gebiet und F : G -+ IRn ein stetiges Vektorfeld. Das Wegintegral F(x) . dx ist genau dann in G unabhangig vom Wege, wenn Fein Gradienterifeld ist. In diesem Fall hat das Wegintegral, wenn V eine Stamrrifunktion von Fist, den Wert
"'I
1~ F(x) . dx = VI~ == V(rt) - V(~)
for~, rt E G .
Eine Stamrrifunktion V zum Gradientenfeld F liij3t sich aus der Formel V(x) :=
l
x
F(y)· dy
(~ E Gfest)
berechnen, wobei man irgendeinen die Punkte ~ und x verbindenden C;-Weg wahlen kann. Dieser Satz kann als eine n-dimensionale Verallgemeinerung des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung 1.10.12 angesehen werden. In der Tat geht er flir n = 1 in diesen liber. Die formale Ubereinstimmung wird Yollkommen, wenn man grad V in der Form V' schreibt. Die erste Formel des Satzes lautet dann V' . dx = V(rt) - V(~); das entspricht dem zweiten Hauptsatz. Die zweite Formel zur Bestimmung einer Stammfunktion entspricht yollstandig dem ersten Hauptsatz. Flir eine andere Verallgemeinerung des Hauptsatzes sei auf 8.6 hingewiesen.
N
Beweis. Es sei Fein Gradientenfeld und V eine Stammfunktion yon F. Nach der Kettenregel 3.10 ist
:t
Fj(¢(t))¢j(t) =
dV~~(t))
,
j=i
also
1
F(x) . dx =
lb dV~~(t))
dt = V(¢(b)) - V(¢(a)) = V(rt) -
V(~) ,
wenn ¢ ein yon ~ nach rt flihrender C;-Weg ist. Nun nehmen wir umgekehrt an, das Wegintegral sei yom Weg unabhangig. Dann ist die im Satz auftretende Funktion V wohldefiniert. Flir Xo E G und hinreichend kleine hEIRn gilt
208
§ 6. Das Riemann-Stieltjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
xo +h
l
F(x) . dx =
lxO
~
F(x) . dx
~
und
+
jXO+h Xo
F(x) . dx
XO+h
F(xo) . dx = F(xo) . h , Xo ersteres aufgrund von 6.13 (b), letzteres naeh Beispiel 1 von 6.15. Es ist also j
1~IIV(xo + h) ~
V(xo) - F(xo) . hi
=
I~I 11:o+h[F(y) -
F(xo)] . dy
I
max{lF(y) - F(xo)1 : Iy - xol ~ Ihl} .
Dabei haben wir die Absehatzung 6.13 (e) benutzt und den Integrationsweg geradlinig von Xo naeh Xo + h geftihrt, so daB die Wegliinge gleieh Ihl ist. Da die reehte Seite mit Ihl -+ 0 gegen Null geht, ist V in Xo differenzierbar und grad V(xo) = F(xo). 0 Wir kliiren noeh eine naheliegende Frage: Wieviele Stammfunktionen gibt es? (a) Aus einer speziellen Stammfunktion eines Gradientenfeldes in einem Gebiet erhalt man dureh Addition einer Konstante aIle Stammfunktionen. Denn die Differenz V zweier Stammfunktionen hat offen bar die Eigensehaft grad V = O. Aus dem Mittelwertsatz 3.11 folgt dann, wenn x und y mitsamt ihrer Verbindungsstreeke xy in G liegen, V(x) = V(y). Also ist V aueh langs irgendeines in G verlaufenden Polygonzuges konstant. Da sieh zwei beliebige Punkte aus G 0 dureh einen Polygonzug verbinden lassen, erweist sieh V als konstant in G. 6.17 Die Integrabilitatsbedingung. Wie kann man hera us find en, ob ein vorliegendes
Vektorfeld ein Gradientenfeld ist? Betraehten wir etwa das zweidimensionale Beispiel F(x,y) = (yexY,xe xy + 2y). Man kann erraten, daB V = eXY die erste Gleiehung Vx = ye xy erftillt und daB jede Funktion V = eXY + f(y) dassel be leistet. Die zweite Bedingung ftihrt dann ohne Miihe auf f(y) = yl, und man hat damit eine Stammfunktion V = eXY + yl gefunden: F(x,y)
= (yexY,xe XY + 2y) = grad V
mit V = e XY + yl .
Ein solches Verfahren wird manehmal zum Ziele ftihren. Man konnte aueh daran denken, den vorigen Satz auszunutzen und die Wegintegrale auf Wegunabhangigkeit zu untersuehen. Das wird aber in der Praxis meist auf Sehwierigkeiten stoBen. Man moehte ja umgekehrt auf andere Weise ein Gradientenfeld als solches erkennen, urn damit die Wegintegrale zu bereehnen. Eine sehr einfaehe Uberlegung gibt eine teilweise Antwort auf die Frage. 1st Fein stetig differenzierbares Gradientenfeld und V eine Stammfunktion, so ist V E C 2 (G), und es muB VXiXj = VXjX " also ofdoxj = ofJ/OXj gel ten. Damit haben wir die I ntegrabilitiitsbedingung
ofj OXj
ofj OXj
in G fur i,j
=
1, ... ,n
209
6.17 Die Integrabilitiitsbedingung
erhalten. Jedes Cl-Gradientenfeld hat diese Eigenschaft. Die Integrabilitatsbedingung stellt also eine notwendige Bedingung fUr die Existenz einer Stammfunktion dar. Man kann mit ihrer Hilfe in vie len Fallen auf einfache Weise entscheiden, daB ein vorliegendes Feld F sicher kein Gradientenfeld ist. Zum Beispiel ergibt sich, daB F = (ye xy , xeXY + 2x) kein Gradientenfeld ist. 1st die Integrabilitatsbedingung auch hinreichend fUr die Wegunabhangigkeit des Integrals? Die Antwort hlingt yom Gebiet abo 1st etwa G eine punktierte Kreisscheibe in der Ebene, so braucht keine Wegunabhangigkeit vorzuliegen; vgl. dazu Beispiel 3. 1st jedoch G einfach zusammenhangend, so rallt die Antwort bejahend aus. Wir wollen hier auf den Begriff des einfachen Zusammenhanges nicht naher eingehen, sondern begniigen uns mit einem leichter beweisbaren schwacheren Resultat. Dazu benotigen wir den Begriff des Sterngebietes. Man nennt ein Gebiet G c 1Rn ein Sterngebiet beziiglich des Punktes Xo E G, wenn fUr jeden Punkt x E G die Verbindungsstrecke XoX ganz in G liegt. Sterngebiete sind z.B. aIle konvexen Gebiete (Kugeln, Dreiecke und Rechtecke in der Ebene). Satz. 1st G c Rn in bezug auf einen Punkt Xo E G ein Sterngebiet und genugt das stetig dif.{erenzierbare Vektorfeld F = (j1, ... ,In) : G ~ Rn der Integrabilitiitsbedingung, so ist Fein Gradientenfeld in G. Nach dem vorangehenden Satz ist
also das Integral wegunabhiingig. Beweis. Man kann durch eine Translation erreichen, daB Xo = 0 ist. Wir nehmen dies an und definieren Vex) als Wegintegraillings des geradlinigen Weges ¢(t) = tx, 0 ~ t ~ 1, von 0 nach x (x fest), Vex) :=
Es ist x . F(tx) = xl/I (tx)
1 x
F(y) . dy =
11
F(tx) . xdt .
+ ... + xnIn(tx), also
o
-;- (x . F(tx» UXI
n of= It (tx) + L Xit ~ (tx)
i=1
XI
= It (tx) + grad It (tx) . (tx) , letzteres, wei I aufgrund der Integrabilitatsbedingung 0Iii ()xl = 011/ OXi ist. Auf denselben Ausdruck fUhrt auch die t-Ableitung der Funktion tIl (tx),
Wir benotigen nun den Satz, daB man die partielle Differentiation "unter das Integralzeichen ziehen" kann, den wir erst in 7.14 beweisen werden. Nach diesem Satz ist 0 d (tIl (tx» dt - o Vex) = -;-(F(tx) . x) dt = -d OXI
11 0
11
UXI
= t It (tx)l~ = II (x)
0
.
t
210
§ 6. Das Riemann-Stieltjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
Auf diesel be Weise werden die iibrigen partiellen Ableitungen ausgewertet, und man erhalt die Formel grad V = F in G. Damit haben wir eine Stammfunk0 tion gefunden. Beispiele. Vorbemerkung zur Notation. Beim Wegintegral "'J F(x) . dx ist der Integrand das innere Produkt zweier Vektoren Fund dx. 1m Fall n = 21iige es daher nahe, (dx,dy) statt d (x, y) zu schreiben. Das ist jedoch nicht iiblich. 1. Wir behandeln das eingangs diskutierte Beispiel F(x,y) = (yexY,xe xy +2y) nach der durch den Satz nahegelegten Methode. Nachdem man festgestellt hat, daB die Integrabilitiitsbedingung erftillt ist, berechnet man V als Integral liings des Weges (t) = (tx, ty) von 0 bis 1,
11 11
V(x,y) =
=
[xtye,2 XY
+ y(txe,2 XY + 2ty)1 dt
[2txye,2 XY
+ 2t/l dt
.
Dabei sind x und y fest. Man stellt fest, daB h(t) = t 2y2 + e,2 xy eine Stammfunktion des Integranden ist und findet V (x, y) = h( 1) - h(O) = y2 + eXY - 1. 2. Das bereits erwiihnte Feld F(x,y) = (yexY,xe xy + 2x) ist kein Gradientenfeld. Wir berechnen das Wegintegral iiber drei vom NUllpunkt zum Punkt (1,1) ftihrende Wege: (I) Polygonzug von 0 iiber (1,0) nach (1,1); (II) gerade Verbindungsstrecke von 0 nach (1,1); (III) Polygonzug von 0 iiber (0,1) nach (1,1). Es ist F = grad V + G mit V = eXY , G = (0,2x). Das Integral von grad V hat in allen drei Fiillen denselben Wert V(I, 1) - V(O,O) = e - 1. Fiir das Integral von G erhiilt man im Fall (I) im Fall (II) im Fall (III) (die Integrale parallel zur x-Achse in (I) und (III) haben den Wert 0, bei den Integralen parallel zur y-Achse hat man im ersten Fall x = 1, y = t, im dritten Fall x = 0, y = t; im zweiten Fall ist x = t, Y = t). Fiir die Integrale von F ergeben sich also die Werte e + 1 (I), e (II), e - 1 (III). y
1------_ (1, I) III
II
o
----L-_ X
I < _ - -_ _
Die drei Wege von Beispiel 2 3. Das in der punktierten Ebene definierte Vektorfeld F(x,y) =
(~,~) x+y x+y
geniigt der Integrabilitiitsbedingung. Das Wegintegral Iangs des im positiven Sinne durchlaufenen Einheitskreises, (t) = (cos t, sin t) (0 ~ t ~ 2n), hat den Wert
6.17 Die Integrabilitatsbedingung
1
'" F(x,y)·d(x,y)
=
12n 0
211 (-sint,cost)·(-sint,cost)dt=
12n 0
dt=2n.
Ware das Integral unabhangig vom Wege, so mtiBte es, da Anfangs- und Endpunkt zusammenfallen, den Wert 0 haben. Es existiert also keine Stammfunktion in G = JR2 \ {O}. Dagegen ist. z.B. die rechte Halbebene x > 0 ein Sterngebiet beztiglich (1,0). Wir berechnen eine (nach dem Satz existierende) Stammfunktion V(x,y) als Wegintegral von (1,0) nach (x, y). Es ist bequem, den Polygonzug von (1,0) tiber (x,O) nach (x, y) zu wahlen. Man stellt leicht fest, daB das erste Integral langs der x-Achse verschwindet. Ftir das Integral von (x,O) nach (x, y) ist cp(t) = (x, ty), 0 ~ t ~ 1, eine Parameterdarstellung, und man erhalt V(x,y)
=11 ( =arctan - \1 =arctan - =arg(x,y) . o
1 1
2- tY2 2' 2 x 2 2)·(0,y)dt= xy 2 dt 2 2 x+tyx+ty ox+ty ty x
0
y x
Man rechne nach, daB hier eine Stammfunktion vorliegt. Es bezeichne G 1 die langs der negativen reellen Halbachse aufgeschnittene Ebene, also das Gebiet JR2 \ {(x, 0) : x ~ O}. Offen bar ist G1 ein Sterngebiet beztiglich (1,0). Wir werden im Beispiel von 6.21 zeigen, daB die durch das von (1,0) ausgehende Wegintegral definierte Stammfunktion V in G 1 gleich dem gemaB -n < IX < n normierten Argument, also z.B. in der oberen Halbebene gleich arccot (x/y) (Hauptwert) ist. Dieser Sachverhalt wirft auch Licht auf das zu Anfang berechnete Ergebnis: Das bei (1,0) beginnende Integral tiber den oberen bzw. unteren Halbkreis hat den Wert n bzw. -n.
Ftir das Folgende nehmen wir an, die Funktion F gentige im Gebiet G der Integrabilitatsbedingung. Nach dem eben bewiesenen Satz ist das Integral wegunabhangig, falls G ein Sterngebiet ist. Einfache Uberlegungen erlauben es, auch allgemeinere Faile zu behandeln. Zunachst ist klar, daB zwei Wege mit demselben Anfangs- und Endpunkt, welche in einem Sterngebiet G' c G verlaufen, denselben Integralwert ergeben. 1m allgemeinen Fall benutzt man die Technik, die Wege in Teilwege zu zerlegen und eventuell Hilfswege einzuftihren, die zweimal in entgegengesetzter Richtung durchlaufen werden. Deren Integrale heben sich dann aufgrund von 6.13 (e) auf. Wir illustrieren das Verfahren an zwei Beispielen. Es sei G = ]R2 \ {O} die punktierte Ebene von Beispiel 3. 1m ersten Bild sind zwei Wege (I) von A tiber C nach B und (II) von A tiber A', C' nach B eingezeichnet. Es gibt kein Sterngebiet G' c G, das beide Wege enthalt. Wir verbinden C und C' durch einen Hilfsweg. Die beiden Integrale von A tiber den Kreisbogen nach C und von A tiber A', C' nach C sind gleich, da beide Wege in einem Sterngebiet verlaufen (z.B. ist die Ebene ohne die negative y-Achse ein Sterngebiet beztiglich des Punktes (0,1)). Aus demselben Grund ftihren die beiden Wege von C tiber den Weg (I) nach B und von C tiber C' und Weg (II) nach B zum gleichen Integralwert. Die beiden ersten Teilwege ergeben zusammen den Weg (I), die beiden Teilwege zusammen den Weg (II) mit einem Abstecher von C' nach C und zurtick. Nach der Regel (b) von 6.13 darf man den Weg in Teilwege zerlegen, und nach Regel (e) heben sich die Integrale von C' nach C und von C nach C' gegenseitig auf. Die Integrale tiber die Wege (I) und (II) haben also denselben Wert.
212
§ 6. Das Riemann-Stie1tjes-Integral. Kurven- und Wegintegrale
1m zweiten Bild sind drei geschlossene Wege ACA tiber die Kreislinie (I) bzw. tiber den Quadratrand (II) und A' C' A' auf krummlinigem Weg (III) eingezeichnet. Wie Beispiel 3 zeigt, sind die Integrale i.a. von Null verschieden. Sie haben jedoch aIle denselben Wert. Bei den ersten beiden Wegen ist das einfach einzusehen. Die Teilwege von A nach C ergeben denselben Integralwert IX, da beide in einem Sterngebiet verlaufen. Ebenso haben die Integrale tiber die beiden Teilwege von C nach A denselben Wert {3. Aber auch flir die beiden krummlinigen Wege AA'C'C und CC' A' A haben die Integrale die Werte IX und {3. Bei der Addition heben sich die Integrale tiber die Hilfswege AA' und C' C weg, und man erkennt, daB auch flir den geschlossenen Weg (III) das Integral den Wert IX + {3 annimmt. Dahinter steckt ein allgemeineres Resultat: II
B
Verschiedene Wege von A nach B (I tiber e; II tiber A', C'; Hilfsweg von e nach e')
Drei geschlossene Wege, die den Nullpunkt im positiven Sinn umlaufen
Das Wegintegral hat for jeden geschlossenen Weg, der den Nullpunkt einmal im positiven Sinn umliiuJt (U = 1), denselben Wert,falls F in lR2 \ {O} der Integrabilitiitsbedingung genugt (vgl. 5.17 zum Begriff der UmlauJzahl U).
6.18 Nochmals Kraftfelder. Bewegt sich ein Punkt im 1R3 in einem Kraftfeld K(x) = K(X1,X2,X3) = (K1,K 2,K3) auf einem Weg
0).
2. Man berechne die Masse und den Schwerpunkt der folgenden, homogen mit Masse konstanter Dichte be1egten ebenen bzw. raumlichen Kurven: (a) (x,y,z) = (cos t,sin t,ht) , O:s; t:s; T, h > 0 ; (b) y=coshx, Ixl:s;l; (c) x = a(t - sin t), y = a(1 - cos t) , o :s; t :s; 2n, a > 0 . (a) ist eine Schraubenlinie, (b) eine Kettenlinie und (c) eine Zykloide. 3. Man zeige: Sind die Go c JRn Sterngebiete bezliglich Xo, so ist auch G = U Go ein Sterngebiet bezliglich xo. Dasselbe gilt flir H = Go. falls H offen ist (also insbesondere dann, wenn es sich urn einen endlichen Durchschnitt handelt).
n
4. Man beweise flir C1-Vektorfelder F, G die Formel grad(F· G) = GTF'
+ FT G'
(F, G Spaltenvektoren) und leite daraus die im Beweis von Satz 6.17 benutzte Identitat
grad (F(tx) . x) = (:t tF(tx)
J,
falls F' = (F') T
abo Man beachte, daB die letzte Gleichung gerade die Integrabilitatsbedingung ausdrlickt. 5. Man berechne die folgenden Wegintegrale: (a) ~J (x + y) dx + (x - y) d y langs der von links nach rechts orientierten Parabel y = x2 zwischen den Punkten (-1,1) und (1,1); (b) ~J xi dy langs der Ellipse 4x 2 + i = 4 bei einem vollen Umlauf im positiven Sinn; (c) ~J (x 2 + i) dx + (x 2 - i) dy langs des Dreiecks mit den Eckpunkten (0,0), (1,0), (0,1) bei einem vollen Umlauf im positiven Sinn. 6. Die Kardioide. Durch die Oarstellung in Polarkoordinaten r = 1 + cos oo
lb
fk(X) dg(x) =
a
lb
f(x) dg(x).
a
(b) Es sei f E C(I), und die Folge (gd aus BV(I) strebe (punktweise) gegen g. 1st die Folge der Totalvariationen beschrankt, V%(gd ~ C, so gilt lim
k-->oo
lb a
f(x) dgk(x) =
lb
f(x) dg(x).
a
11. Ein Kreisbogenstuck C vom Offnungswinkel 2cp und Radius 1 liege so auf dem Einheitskreis der xy-Ebene, daJ3 sein Symmetriepunkt mit dem Punkt (1,0) zusammenHillt. Man berechne den Schwerpunkt von C sowie das Tragheitsmoment bei der Rotation urn die x-Achse bzw. y-Achse (Dichte p = 1). We1che Werte ergeben sich fUr cp = n12?
§ 7. Jordanscher Inhalt ond Riemannsches Integral im JRn
Das Inhaltsproblem, eines der groBen und altesten mathematischen Probleme, haben wir bereits im ersten Band kennengelernt. In der Einleitung zu § 1.9 wurde iiber die Geschichte des Flacheninhalts berichtet. Die im griechischen Altertum beginnende Entwicklung fUhrte in ihrer rein arithmetischen, vom geometrischen Gegenstand losgelosten Form schlieBlich zum Riemannschen Integral. Spater, gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, wurden dann von G. PEANO (Applicazioni del calcolo irifinitesimale, Turin 1887, S. 154-158) und C. JORDAN (J. de Math. (4) 8 (1892), S. 76-79 und Cours d'Analyse 1, 2e ed., Paris 1893, S. 28-31) die dem Integral zugrundeliegenden Ideen zu einer ersten exakten Theorie des Inhalts von ebenen und raumlichen Gebilden ausgebaut. Die Jordansche Inhaltstheorie haben wir in 1.11.7 kurz und ohne Beweise skizziert. Unter Benutzung von einfachen Tatsachen aus dieser Theorie wurden dann in 1.11.8-12 ebene Flacheninhalte und Volumina von Rotationskorpern mit Hilfe der Integralrechnung bestimmt sowie Schwerpunkte und Tragheitsmomente berechnet. Wir werden jetzt die damals verbliebenen Liicken schlie Ben und zunachst einen AbriB der Jordanschen Theorie im IRn geben. Der Ubergang zum Riemannschen Integral im IRn vollzieht sich dann ganz zwanglos, da diesem dieselben geometrischen Uberlegungen zugrundeliegen. Die Inhaltstheorie geht aus von gewissen "einfachen" Mengen, denen ein "elementarer" Inhalt zukommt. Kompliziertere Mengen werden dann von innen und auBen durch einfache Mengen approximiert. 1m ebenen Fall geht man aus von Rechtecken, deren Inhalt durch das Produkt aus den Seitenlangen gemessen wird. Damit hat man auch fUr Dreiecke und fUr Polygone, die aus Dreiecken zusammengesetzt sind, ein MaB fUr den Inhalt. Mit diesem Werkzeug haben die Landmesser des Altertums die GroBe von Ackerftachen und Grundstiicken bestimmt. Griechische Mathematiker gingen dann daran, krummlinig begrenzte Flachen durch Polygone zu approximieren, und sie entwickelten in der konsequenten Verfolgung dieser Idee den Grenzwertbegriff in geometrischer Einkleidung. Diese Verfahren der Exhaustion und Kompression sind in der Einleitung zu § 1.4 und § 1.9 beschrieben. 1m IRn geht man aus von achsenparallelen Quadern, also n-dimensionalen Intervallen, deren Inhalt ebenfalls als Produkt der SeitenIangen gegeben ist. Intervallsummen, das sind Vereinigungen von endlich vielen Intervallen, bilden dann die "einfachen Mengen", die einen elementaren Inhalt haben und die zur Approximation beliebiger Mengen im IRn herangezogen werden. Die erste Aufgabe besteht darin, den elementaren Inhalt von Intervallsummen zu untersuchen. W. Walter, Analysis 2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002
7.1 Anforderungen an den Inhaltsbegriff
219
1m nachsten Schritt wird fUr eine beliebige beschrankte Menge M der innere Inhalt als Supremum des Inhalts aller in M enthaltenen Intervallsummen sowie der aufiere Inhalt als Infimum des Inhalts aller die Menge M Uberdeckenden Intervallsummen eingefUhrt. Einen Inhalt schreibt man dann jenen Mengen zu, bei denen innerer und auBerer Inhalt Ubereinstimmen. Diesen Mengen gilt unser Hauptaugenmerk. Wir merken noch an, daB Jordan bei seiner Inhaltstheorie nicht mit beliebigen Intervallen, sondern mit WUrfeln approximiert hat. DaB dies zum selben Resultat fUhrt, wird in 7.5 gezeigt. Die Integrationstheorie im IRn nach dem von Riemann in seiner Habilitationsschrift fUr n = 1 gegebenen Vorbild (vgl. die Einleitung zu § 1.9) wurde etwa zwischen 1880 und 1900 unter Beteiligung zahlreicher Mathematiker entwickelt. Viele Arbeiten aus dieser Zeit sind dem Zusammenhang zwischen dem Uber ein Quadrat Q = [a, a'] x [b,b'] erstreckten Integral IQf(x,y)d(x,y) und dem Integral
t
dx It f(x, y) dy gewidmet. Der zugehorige Satz 7.15 in der hier bewiesenen Allgemeinheit geht im wesentlichen auf C. Jordan zurUck (J. de. Math. (4) 8 (1892), S. 69, sowie Cours d'Analyse 1, S. 42--45). In dem 1899 erschienenen Enzyklopadie-Artikel wird noch beklagt, daB "auch heute noch die Theorie der mehrfachen Integrale nicht allgemein zu solcher DurchfUhrung gediehen sei", wie das fUr n = 1 der Fall ist (Enzyklopadie der mathematischen Wissenschaften, Bd. 11.1.1, S. 103). Uber die weitere Entwicklung des Inhalts- und Integrationsproblems wird in § 9 berichtet.
7.1 Anforderungen an den Inhaltsbegriff. Unser Ziel ist es, fUr eine moglichst groBe Klasse von Teilmengen M des IRn einen Inhalt IMI zu erkIaren. Der Inhalt ist eine reelle Zahl, die ein MaB fUr die GroBe von M darstellen solI. Zur Prazisierung dieser Vorstellung stellen wir vier naheliegende Anforderungen (11)-(14) an den Inhaltsbegriff. (11)
Positivitiit:
IMI~O.
(12)
Bewegungsinvarianz:
Kongruente Mengen haben denselben Inhalt.
(13)
Normierung:
Der Einheitswlirfel WI = [0, l]n hat den Inhalt 1.
(14)
Additivitiit:
FUr disjunkte Mengen M, N ist
1M U NI = IMI + IN I· Dabei heiBen zwei Mengen M, N kongruent, wenn sie durch eine Bewegung des IRn (das ist eine Abbildung, welche die Abstanden invariant IaBt, vgl. 3.20) ineinander iibergefUhrt werden konnen. Bemerkung. Eine optimale Losung des Inhaltsproblems ware es, wenn man jeder beschrankten Menge einen Inhalt zuschreiben konnte, so daB die Eigenschaften (11)-(14) gelten. F. HAUSDORFF hat in seinem 1914 erschienenen beriihmten Buch Grundzuge der Mengenlehre (S. 469 f.) gezeigt, daB dies fUr n = 3 prinzipiell unmoglich ist. S. BANACH konnte jedoch 1923 zeigen (Fundamenta Mathematica 4, S. 7-33), daB das Inhaltsproblem
§ 7. 10rdanscher Inhalt und Riemannsches Integral im R"
220
in den Fallen n = 1 und n = 2 eine optimale Losung besitzt. Man kann jeder beschrankten Menge einen Inhalt so zuordnen, daB (11) bis (14) erfUllt sind. Was noch mehr erstaunen mag, ist die Tatsache, daB es in den Fallen n = 1 und 2 mehrere Losungen des Inhaltsproblems in diesem umfassenden Sinn gibt. Fragen dieser Art werden in dem Artike1 How good is Lebesgue measure? von K. Ciesielski (Math. Intelligencer 11, No.2 (1989), 54-58) behandelt. Unser Ziel ist bescheidener. Wir wollen mit der lordanschen Theorie das Inhaltsproblem fUr eine Klasse von "gutartigen" Mengen IOsen.
7.2 Zerlegungen eines Intervalls. Vnter einem n-dimensionalen Intervall verstehen wir im folgenden immer ein kompaktes Intervall
mit a, bE 1Rn, a :s; b, Ik die Zahl
= [ak, bk]
C
1R. Der elementare Inhalt dieses Intervalls ist n-dimensionaler Inhalt von I .
1m Fall n = 1 wird eine Zerlegung Z von I durch endlich viele Teilpunkte a = to < tl < ... < tp = b oder, was auf dasselbe hinausliiuft, durch die entsprechenden Teilintervalle Ii = [ti-I, til von I beschrieben. Es ist fUr das Folgende bequem, eine Zerlegung als Menge der Teilpunkte zu definieren, Z = {to, . .. , tp} (bei einer solchen Angabe vereinbaren wir, daB die tk bereits der GroBe nach geordnet sind). Betrachten wir nun den Fall n = 2 mit den Bezeichnungen (x,y) E 1R2, 1= [al,bd x [a2,b 2] =]X x]y. Aus einer Zerlegung Zx = {xo, ... ,Xp} von ]X und einer Zerlegung Zy = {Yo, ... ,Yq} von IY entsteht eine Zerlegung Z = Zx x Zy von I mit den "Gitterpunkten" (Xi,Yj) (i = O, ... ,p; j = O, ... ,q) bzw. den entsprechenden Teilintervallen Ii x II = [Xi-\,Xi] x [Yj_\,Yj] von I.
13
33
12
32
y, II
Yo
21
31
41
Xu
Zerlegung eines Intervalls
Keine Zerlegung
Entsprechend entsteht im allgemeinen Fall I = [a, b) = II X ••. x In aus Zerlegungen Zk von Ik eine Zerlegung ZI x ... X Zn von I. Die Gitterpunkte dieser Zerlegung sind genau die Punkte x E 1Rn mit Xk E Zk fUr k = 1, ... , n, die dadurch erzeugten Teilintervalle von I sind die Intervalle J = Jl X ... x r mit der Eigenschaft, daB Jk ein durch die Zerlegung Zk erzeugtes Teilintervall von Ik = [ak, bk ] ist (k = 1, ... , n). Eine systematische Numerierung all dieser Intervalle in der Art, wie wir es im zweidimensionalen Fall durchgefUhrt haben, wiirde zu
221
7.2 Zerlegungen eines Intervalls
komplizierten Formeln mit Mehrfachindizes flihren und solI deshalb unterbleiben. Wir den ken uns die durch Z erzeugten n-dimensionalen Teilintervalle in m
irgendeiner Weise durchnumeriert, ft, ... , 1m , wobei dann I =
Uli ist. Wenn Zl i=l
von PI TeilintervalIen, ... , Zn von Pn Teilintervallen gebildet wird, so besteht Z aus PI ... Pn n-dimensionalen Teilintervallen von I. Man beachte, daB es sich bei den Teilintervallen immer urn abgeschlossene Intervalle handelt. Eine Zerlegung Z' von I heiBt Verfeinerung der Zerlegung Z, in Zeichen Z' >- Z, wenn jeder Gitterpunkt von Z auch Gitterpunkt von Z' ist, oder gleichbedeutend, wenn jedes Teilintervall von Z' in einem Teilintervall von Z enthalten ist. Offen bar ist Z -< Z' genau dann, wenn Zk -< Z~ gilt flir k = 1, ... , n. Wie in 5.6 sprechen wir von der natiirlichen Ordnung. (a) Zu zwei Zerlegungen Z', Z" von I gibt es eine gemeinsame Verfeinerung Z >- Z',Z". Man erh1ilt eine solche Verfeinerung Z, indem man in Zk aIle Teilpunkte von Z~ und von Z;: aufnimmt (k = 1, ... , n). Die Zerlegungen von I bilden also eine gerichtete Menge. (b) Sind ft, ... , 1m die durch die Zerlegung Z erzeugten Teilintervalle von I, so gilt
III = lId + ... + IIml .
Beweis. Wird I = [a,b] durch die Hyperebene
It = [al,rt] x l* mit
r
III = (b l - al)lI*l, sowie II'I = (b2 - a2) ... (b n 1
=
rt zerlegt in
und h = [rt,bd x
r
= [a2, b2] x ... x [an, bn] C IRn-l ,
so ist
IRn -
Xl
Iftl = (rt - adll*l,
Ihl = (b l
-
rt)1I*1
an). Also gilt III = IIr 1+ Ihl·
.----+------""'1 b
;······;·············f················ ·· ·
O~----_+----------~
L----''--_ _ _ _- ' -_ _ _ _ _ _ _ _ _ _- ' ' ' _
01
a
Zerlegung durch eine Hyperebene
XI
bl
Darstellung einer Intervallsumme nach 7.3 (a)
Derselbe Sachverhalt besteht, wenn I durch eine Hyperebene Xk = rt in zwei Teile zerschnitten wird. Das allgemeine Ergebnis folgt durch mehrfache Anwendung dieses Schlusses. 1st etwa Z = Zl X ... X Zn mit Zl = (~o = al, ... , ~p = bd, so teilt man I zun1ichst durch die Schnitte Xl = ~i in P Teilintervalle auf, deren Inhaltssumme gleich III ist. Sodann betrachtet man, wenn etwa Z2 = (110 =
§7. 10rdanscher Inhalt und Riemannsches Integral im Rn
222
b2 ) ist, die Sehnitte Inhaltssumme 1/1, usw.
a2, ... , '1q =
X2
= '1j und erhalt dam it pq Teilintervalle mit der 0
7.3 Intervallsummen Ein Intervall ist aueh im folgenden immer ein kompaktes Intervall im IRn. Die Intervalle h, h heiBen fremd oder nicht iiberlappend, wenn sie keine gemeinsamen inneren Punkte haben. Eine Menge S, welche Vereinigung von endlieh vielen Intervallen ist, wird Intervallsumme genannt. Die Darstellung S = II U ... U 1m einer Intervallsumme heiBt paarweise fremd oder nicht iiberlappend, wenn je zwei Intervalle Ii, I j fremd sind. Zwei Intervallsummen S, T heiBen fremd, wenn So, TO disjunkt sind (SO ist das Innere von S). Die im folgenden auftretenden Summen und Vereinigungen haben stets nur endlieh viele Glieder. (a) Es sei S = U Ii eine Intervallsumme, wobei die Ii sieh teilweise iiberlappen diirfen. Dann besitzt Seine nieht iiberlappende Darstellung S = U Ii mit der Eigensehaft, daB fUr beliebige Indizes i, j entweder Ii in Ii enthalten oder zu Ii fremd ist und daB die in Ii enthaltenen Intervalle Ii eine Zerlegung von Ii bilden. Zum Beweis wahlen wir ein Intervall I ::::> S. Wir bilden eine Zerlegung Z = ZI x ... X Zn von I, indem wir in Zk die k-ten Komponenten der Eekpunkte aller Intervalle Ii aufnehmen (k = 1, ... ,n). AIle Intervalle Ii von Z, welche in S 0 gelegen sind, haben S zur Vereinigung und die verlangte Eigensehaft. Ais elementaren Inhalt einer Intervallsumme S definieren wir, wenn S II U ... U 1m eine nieht iiberlappende Darstellung ist, die Zahl
=
Es gel ten dann die folgenden Aussagen. (b) Der Inhalt lSI ist unabhangig von der (nieht iiberlappenden) Darstellung von S, d.h. sind S = U Ii = U J j jeweils paarweise fremde Darstellungen, so ist L II;! = L IJjl. (c) 1st S = U Ii eine beliebige, nieht notwendig paarweise fremde Darstellung von S, so gilt lSI sIll;!. (d) Zu zwei Intervallsummen S und T ::::> S gibt es eine zu S fremde Intervallsumme R mit der Eigensehaft, daB SuR = T sowie lSI + IRI = ITI ist. Bei den folgenden Reehenregeln bezeiehnen S und T Intervallsummen. (e) Aus SeT folgt lSI s ITI. (f) IS UTI s lSI
+ ITI·
= lSI + ITI, falls S und T fremd sind. Beweis. (b) Wenden wir (a) auf die Darstellung S = (U Ii) U (U J j ) an, so erhalten wir eine neue nieht iiberlappende Darstellung S = U 1£ mit der Eigensehaft, (g) IS UTI
daB jedes Intervall 1£ in genau einem Ii und in genau einem Jj enthalten ist (weil die urspriingliehen Darstellungen paarweise fremd sind). Es sei etwa I, = I; U ... U I~. Da naeh (a) eine Zerlegung von I, vorliegt, folgt aus 7.2 (b) dann
7.4 AuBerer und innerer Inhalt. 10rdan-Inhalt
223
11\1 = II; I + ... + II~I. Vernihrt man mit den Intervallen h ... ebenso, so ergibt sich I IIjl = I II~I und auf genau dieselbe Weise I IJjl = I IJ~I. (c) Nach (a) gibt es eine nicht liberlappende Darstellung S = U Ii mit der Eigenschaft, daB jedes Intervall I j durch Intervalle Ii dargestellt werden kann, wobei aber bei Uberlappung der I j einige Ii mehrfach benutzt werden. Daraus folgt die behauptete Ungleichung mit Hilfe von 7.2 (b). (d) Man betrachtet, wenn S = U I j und T = U J j ist, die Darstellung T = (U J j ) U (U I j) und wendet darauf (a) an. 1st T = UI~ eine Darstellung mit den bei (a) genannten Eigenschaften, so bilden die nicht in S ge1egenen Intervalle I~ eine Intervallsumme R mit den geforderten Eigenschaften. (e) ist bereits in (d) enthalten, (f) und (g) ergeben sich, indem man (d) auf S und T' = S U T anwendet. Es ist dann T' = SuR und IT'I = lSI + IRI mit ReT im Fall (f) bzw. R = T im Fall (g). 0 Bemerkung. Der erste Teil unseres Programms ist dam it abgeschlossen. Mit den Intervallsummen besitzen wir eine Klasse von einfachen Mengen, denen ein elementarer Inhalt zugeschrieben werden kann. Dabei gelten die in 7.1 genannten Forderungen (11), (13) und (14), letzteres nach (g). Der elementare Inhalt ist auBerdem translationsinvariant, wie man leicht sieht (die Kantenlange eines Intervalls andert sich bei einer Translation nicht). Die allgemeine Bewegungsinvarianz (12) ist jetzt noch kein Thema, da wir nur achsenparallele Intervalle betrachten. Noch ein Wort tiber die Beziehung zwischen den drei Forderungen (11-14) und den drei Eigenschaften (E,M,A), die in der Einleitung zu § 1.9 im Zusammenhang mit der griechischen Inhaltslehre genannt worden sind. Die Eindeutigkeit (E) findet sich hier nicht, weil sie ein selbstverstandlicher Teil einer mathematischen Definition ist. Umgekehrt ist die Positivitat (11) mr die Anschauung so selbstverstandlich, daB sie dort weggelassen wurde. Ahnliches gilt mr die Normierung. Die Additivitat tritt an beiden Stellen auf, die Monotonie wurde hier unterschlagen, weil sie sich aus der Additivitat ergibt. Bei der Bewegungsinvarianz muB man sich vergegenwartigen, daB die geometrischen Objekte der Anschauung und der griechischen Mathematik durch gewisse Beziehungen zwischen ihren Punkten und damit bewegungsinvariant definiert sind, so daB sich das Problem gar nicht stellt. Erst dann, wenn man ein festes Koordinatensystem einmhrt und damit Richtungen auszeichnet (zur Approximation werden achsenparallele Quader benutzt), wird die Bewegungsinvarianz formulierbar und zu einem Problem. 7.4 Au8erer und innerer Inhalt. Jordan-Inhalt. Flir eine beliebige beschrlinkte Menge M c IRn erhlilt man durch Approximation von innen und auBen (Archimedische Kompressionsmethode) die beiden MaBgroBen IMlj := sup{ISI : ScM}
innerer I nhalt von M ,
IMla := inf{ITI : T => M}
iiufJerer Inhalt von M .
Das Supremum bzw. Infimum erstreckt sich liber aIle Intervallsummen ScM bzw. T => M. Flir eine nichtleere Menge M gibt es immer ein ScM, da entartete Intervalle [a, a] zuge1assen sind. Flir die leere Menge setzt man 101j = 0, und aus der Definition folgt auch 101a = O. Aus ScM c T folgt nach 7.3 (e) lSI ::s; ITI, also (a) Es ist immer 0 ::s; IMlj ::s; IMla
0 Intervallsummen S, T existieren mit ScM c T und ITI-ISI <e. Hat eine Menge den auBeren Inhalt 0, so ist sie quadrierbar, und ihr Inhalt ist O. Solche Mengen werden auch Nullmengen oder (im Unterschied zu den in §9 betrachteten Lebesgueschen Nullmengen) lordansche Nullmengen genannt. Bei den folgenden Eigenschaften sind M, N beliebige beschrankte Mengen im R.n. Mit M wird die abgeschlossene Hiille, mit MO = int M das Innere und mit (} M der Rand von M bezeichnet. Ferner ist Me = {x E R.n : dist (X, M) < e} die e-Umgebung von M; vgl. 1.17. (b) Eine Intervallsumme S ist quadrierbar, und ihr Inhalt lSI ist gleich dem frUher eingefUhrten elementaren Inhalt lSI. Die neue Bezeichnungsweise fUr den Inhalt fUhrt also nicht zu Schwierigkeiten. (c) Aus MeN folgt IMli :s; INli und IMla :s; INla. (d) Es gilt IMli = IMoli und IMla = IMla. 1st also M quadrierbar, so sind auch die Mengen MO und M sowie Mengen, die dazwischen liegen, quadrierbar, und es ist IMI = IMol = IMI und IMI = IAI ftir MeA eM. (e) Jedes (offene, halboffene, ... ) beschrankte Intervall ist quadrierbar; sein Inhalt ist das Produkt der Seitenlangen. (f) Liegt die beschrankte Menge M in einer Hyperebene Xk = const., so ist M quadrierbar und IMI = o. (g) FUr e -+ 0+ strebt IMeia gegen IMla.
Beweis. (b) ist klar aufgrund der Definition und 7.3 (e). (c) Aus ScM folgt SeN und daraus die erste Ungleichung; analog ergibt sich die zweite Behauptung. (d) Wegen T ::::> M ¢> T ::::> Mist die Aussage Uber den auBeren Inhalt evident. Beim inneren Inhalt kann man IMli > 0 voraussetzen. Wir bestimmen zunachst, wenn e > 0 vorgegeben wird, eine Intervallsumme ScM mit 1M Ii - lSI < e. Nun verkleinern wir die an S = UIi beteiligten Intervalle etwas, d.h. wir ersetzen Ii = [a, b] durch I; = [al + (X, b l - (X] X ... x [an + (X, bn - (X], (X > O. FUr die neue Intervallsumme Sf = U I; gilt dann Sf c MO und ferner, wenn man (X klein genug wahlt, ISI-IS'I < e. Also ist IMli - 2e < IS'I < IMoli :s; IMli, woraus IMli = IMoli folgt. (e) ist ein Sonderfall von (d), und (f) folgt aus (e). (g) Wegen [a, b]e c [al - e, b l + e] x ... x [an - e, bn + e] gilt die Behauptung fUr Intervalle und damit auch fUr Intervallsummen. 1st IMla < (X, so gibt es eine
225
7.5 Wiirfelsummen
Intervallsumme T ::::J M mit ITI < r:t.. Also ist ITeia < fUr kleine positive e. Daraus folgt die Behauptung.
r:t.
und damit aueh IMeia
0 die Zerlegung so fein wiihlen, daB Mi - mi < E fUr alle i gilt. Es folgt dann
d.h. I graph
fl n+1 = o.
D
Da die Vereinigung von endlich vielen Nullmengen wieder eine Nullmenge ist, gewinnt man aus (e) in Verbindung mit dem Kriterium 7.5 eine vielfach anwendbare hinreichende Bedingung fUr die Quadrierbarkeit. (f) Wird der Rand einer beschriinkten Menge M c JR.n+1 durch endlich viele Graphen von gleichmiiBig stetigen Funktionen von n Variablen iiberdeckt, so ist M quadrierbar. Es ist also zugelassen, daB z.B. der Graph beziiglich einer Darstellung X2 = f(XI, x), ... , xn+d gebildet wird. Wir erinnern dabei an Satz 2.11, wonach eine auf einer kompakten Menge stetige Funktion gleichmiiBig stetig ist. Man leitet hieraus ohne Miihe ab, daB die Einheitskugel im JR.n+1 quadrierbar ist.
Lemma iiber Bereichsapproximation. Gibt es zur beschriinkten Menge Meine Folge (Ck) von quadrierbaren Teilmengen mit 1M \ Ckla -+ 0 fur k -+ 00, so ist M quadrierbar und IMI = lim ICkl. Die Behauptung bleibt richtig, wenn zwei Folgen (C k), (Dd von quadrierbaren Mengen mit Ck c M c Dk und lim IDk \ Ckl = 0 existieren. Der zweite Teil ist wegen 1M \ Ckla ::;; IDk \ Ckl ein Sonderfall des ersten, und fUr diesen gelten die Ungleichungen ICkl ::;; IMli ::;; IMla s ICkl + 1M \ Ckl a (hier wurde 7.5 (c) benutzt). Daraus folgt zunachst IMli = IMla und sodann die Limesrelation. 0 7.7 Produktmengen. Wir leiten hier die Produktregel fUr den Inhalt von Produktmengen M x Nab. Zur Verdeutlichung wird der m-dimensionale Inhalt einer Menge A c JR.m mit IAl m bezeichnet.
Produktregel. Sind die Mengen M c JR.P und N c JR.q quadrierbar, so ist auch die Produktmenge M x N c JR.n (n = p + q) quadrierbar und
Insbesondere berechnet sich der Inhalt eines Zylinders nach der Formel "Inhalt = Grundfliiche mal Hohe",
1M x [a, pJIP+1 = (P - a)IMI P
.
228
§ 7. lordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im lRn
Beweis. 1st Seine Intervallsumme von paarweise fremden Intervallen Ii c lR.P und T eine solche von Intervallen Ij c IRq, so gilt IIi x Ijl n = IId P • IIjlq und infolgedessen IS x Tin = I IIi xIjln = ISIP·ITlq. Fiir die Wiirfelsummen Mk, Nk, ... ist Mk X Nk c M x N c Mk X N k, also IMkIP. INklq = IMk x Nkl n :::;; 1M x NI7 :::;; 1M x NI~ :::;; IMk x Nkl n = IMklP . INklq . Daraus folgt die Behauptung fUr k --. gegen IMIP . INlq strebt.
00,
da der erste und der letzte Ausdruek 0
7.8 Abbildungen von Mengen. Eine Funktion f yom Typ IRn --. IRn bildet Teilmengen des IRn in den IRn abo Wir untersuehen hier das Problem, ob Eigensehaften einer Menge wie Quadrierbarkeit, Offenheit, ... bei einer solchen Abbildung erhalten bleiben. Betrachtet man stetige Abbildungen des IRn in sieh, so liiBt sieh kein Zusammenhang zwischen dem Inhalt einer Menge und dem der Bildmenge aufstellen, es ist "alles moglieh". Nehmen wir etwa die stetige Funktion 4>, welche die Peanokurve erzeugt; sie bildet das eindimensionale Intervall I auf ein ebenes Quadrat Q ab (vgl. die Einleitung zur Kurventheorie vor 5.10). Man kann 4> auffassen als eine stetige Abbildung der Menge I x {OJ c IR2 yom Inhalt 0 auf Q. 1st B eine Teilmenge von Q, so ist A = 4>-1 (B) eine Teilmenge von I x {OJ. Hieran erkennt man, daB jede besehrankte Menge B c IR2 als stetiges Bild einer Menge yom Inhalt 0 dargestellt werden kann. Ganz anders liegen die Dinge, wenn man lipsehitzstetige Abbildungen betrachtet. Lipschitzstetige Abbildungen. Hilfssatz 1st M c IRn eine beschriinkte Menge und f : M --. IRn lipschitzstetig mit der Lipschitzkonstante L, so gilt fur die Bildmenge
Insbesondere ergibt sich aus IMI = 0, daft auch If(M) I = 0 ist. Beweis. Es sei W ein Wiirfel mit der Kantenlange 2A. Dann gilt If(x) - f(b)1 :::;; Llx - bl :::;; 2ALJn
fUr x,b E W n M .
Also ist f(M n W) in einem aehsenparallelen Wiirfel W· mit dem Mittelpunkt f(b), der Kantenliinge 4ALy'n und dem Inhalt IW·I = alWI enthalten. 1st also Mk = U Wi ~ Meine Wiirfelsumme k-ter Stufe (vgl. 7.5), so ist f(M) in der Vereinigung Uwt mit einem Inhalt :::;; I Iwt I = a I IWd = alMkl enthalten. Daraus folgt die Behauptung fUr k --. 00. 0
Satz iiber C1-Abbildungen. Es sei G c IRn eine offene und quadrierbare Menge. Die Funktion f : G --. IRn sei in G lipschitzstetig und in G stetig difJerenzierbar; ferner sei detf'(x) -=1= 0 in G. Dann ist die Menge H = f(G) offen und quadrierbar, und es ist H = f(G), iJH c f(iJG); ist f in G injektiv, so gilt iJH = f(iJG). Ferner ist fur jede quadrierbare Menge A c G die Bildmenge f(A) quadrierbar.
7.9 Lineare Abbildungen
229
Bemerkung. Nach 2.19 (b) erlaubt eine auf G lipschitzstetige Funktion eine lipschitzstetige Fortsetzung auf G. Der Satz ist also auch anwendbar, wenn f nur in G erkIart und dort lipschitzstetig ist. Beweis. Nach dem Satz 4.7 tiber offene Abbildungen ist H offen, und nach Satz 2.9 ist f(G) abgeschlossen und damit H c f(G) (H ist die kleinste abgeschlossene Obermenge von H). Hieraus folgt bereits oH
=H\H
c f(G) \ f(G) c f(oG) .
Da G quadrierbar ist, gilt loGI = 0, nach dem Hilfssatz also If(oG)1 = 0 und damit loHI = o. Die Menge H ist also quadrierbar. Nun gibt es zu jedem Punkt a E G eine Folge (ad aus G mit lim ak = a. Ftir die Bilder bk = f(ad E H und b = f(a) gilt also b = lim bk E H nach Corollar 1.14. Hieraus und aus H c f(G) folgt f(G) = H. 1st die Abbildung f in G injektiv, so wahlen wir a E oG und bestimmen ak, bk und b wie oben. Zu zeigen ist b E oH. Ware bE H, also b = f(a') mit a' E G, so gabe es nach Satz 4.6 Umgebungen U von a' und V von b mit f(U) = V. Wegen lim ak = a E oG ist, wenn man U hinreichend klein wahlt, ak ~ U und damit bk ~ V fUr groBe k im Widerspruch zu limbk = b. Demnach ist b = f(a) E oH, d.h. f(oG) = oH. 1st A c G quadrierbar, so kann man in der obigen Uberlegung G durch AO ersetzen, d.h. f(AO) ist quadrierbar. Wegen A \ AD c oA ist A \ AO eine Menge vom Inhalt 0, und nach dem Hilfssatz hat auch f(A \ AO) den Inhalt o. Nach Satz 7.6 ist also f(A) = f(A D) U f(A \ AD) quadrierbar. 0 7.9 Lineare Abbildungen. Wir untersuchen hier, wie sich der Inhalt einer Menge andert, wenn sie einer linearen Abbildung unterworfen wird. Dabei wird die von einer n x n-Matrix A = (aij) erzeugte lineare Abbildung des lRn in sich mit demselben Buchstaben A bezeichnet. (a) Der (innere, auBere) Inhalt ist invariant gegentiber Parallelverschiebungen und Spiegelungen an Koordinatenebenen. (b) Bei der durch eine Diagonalmatrix D = diag (A\, ... , An) vermittelten Abbildung multiplizieren sich die (inneren, auBeren) Inhalte urn die Zahl Jl = IA1 ... Ani. Insbesondere ist IAMli = AnlMli und lAMia = AnlMla fUr A ~ O.
Beweis. (a) Es sei F : lRn -+ lRn eine Parallelverschiebung x 1---+ c + X (c fest) oder eine Spiegelung an einer Koordinatenebene. Wir setzen B· = F(B) fUr B c lRn. Offen bar fUhrt F Intervalle (Intervallsummen) wieder in Intervalle (lntervallsummen) tiber, und es gilt 11"1 = III, IS·I = lSI, sowie S· c M· c T·
ScM cT.
Daraus folgt die Behauptung. (b) Mit der Bezeichnung B· = D(B) gilt offenbar Behauptung wie unter (a) ergibt.
11"1
= JlIII, woraus sich die 0
Bei der Ableitung des Hauptergebnisses wird das folgende Resultat aus der linearen Algebra benotigt.
§ 7. lordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im JRn
230
(c) Jede invertierbare n X n-Matrix A = (aij) laBt sich in der Form A = S2DSI darstellen, wobei SI, S2 orthogonale Matrizen und D = diag (AI,"" An) mit Ai > 0 ist. Es ist dann Idet AI = Al ... An· Beweis. Die Matrix AT A ist symmetrisch und positiv definit, denn flir x =1= 0 ist = IAxl 2 > O. Es gibt (Satz liber die Hauptachsentransformation) eine orthogonale Matrix S mit STAT AS = Dl = diag (/il, ... , /in) und /ii > O. Setzt man D = diag (Ai) mit Ai = /iii, so gilt D2 = Dl und D- l = diag (1/ Ai), also E = D- 1D1 D- l = D- ISTAT ASD- l .
Ax =1= 0, also x TAT Ax
Flir S2 = ASD- l ist sj es gilt A = S2DST.
= D- IST AT, also SjS2 = E, d.h. S2 ist orthogonal, und 0
Satz. Es sei A eine n x n-Matrix und M c IRn eine quadrierbare Menge. Dann ist auch M' = A(M) quadrierbar und IM'I
= IdetAI·IMI·
Daraus folgt insbesondere, daB der Inhalt invariant gegenliber orthogonalen Transformationen (Drehungen, Spiegelungen) ist. Da die Translationsinvarianz bereits in (a) nachgewiesen wurde, besteht das folgende
Corollar. Der lordan-Inhalt ist bewegungsinvariant, d.h. eine Bewegung im IRn fuhrt quadrierbare Mengen in quadrierbare Mengen iiber, und der Inhalt bleibt dabei ungeiindert. Beweis des Satzes. Zunachst sei A invertierbar. Die zugehorige lineare Abbildung ist dann bijektiv, und nach Satz 7.8 ist das Bild W' = A(W) eines beliebigen (achsenparallelen) Wlirfels W quadrierbar. Es sei WI der Einheitswlirfel, also IWd = 1, und a := IW:I. Flir den Wlirfel W = rWl (von der Kantenlange r > 0) ist dann IW'I = alWI nach (b), und nach (a) gilt diese Gleichung auch flir einen parallel verschobenen Wlirfel W = a + r Wj, d.h. flir jeden Wlirfel. Die entsprechende Aussage besteht dann auch flir Wlirfelsummen. Die in 7.5 definierten Wlirfelsummen M k, Mk und ihre Bilder MZ und Mk' sind durch die Beziehung IMZI = aIMkl, ... verknlipft, und aus MZ eM' c Mk' folgt Hieraus ergibt sich flir k -
00
Eine quadrierbare Menge M hat also ein quadrierbares Bild M', und die Inhalte sind durch die Gleichung IM'I = aiM I verknlipft. Es fehlt noch der Nachweis, daB a = Idet AI ist. Wir greifen auf die Darstellung A = S2DSI von (c) zurlick. Die Abbildung SI flihrt die Einheitskugel K im IRn in sich liber. Flir diese Abbildung ist also K' = K, und aus (*) ergibt sich, da K nach 7.6 (f) quadrierbar ist, a = 1. Flir die Diagonalabbildung D ist
7.9 Lineare Abbildungen
231
IY. = j.l = IAI ... Ani naeh (b), und fUr S2 ist wieder IY. = 1. Ftir die Abbildung A ist der Multiplikationsfaktor IY. also gleieh j.l, und naeh dem Determinantenmultiplikationssatz hat aueh I det AI = Idet Sl . det D . det S21 diesen Wert. Damit ist der Satz im Fall det A i= 0 und ebenso das Corollar bewiesen. Der Fall det A = 0 IaBt sieh auf versehiedene Weise erledigen, etwa dureh die Bemerkung, daB dann der IRn in eine Hyperebene abgebildet wird. Diese Hyperebene kann dureh eine Bewegung in die Koordinatenebene Xl = 0 tibergefUhrt werden, wobei sieh naeh dem Corollar der Inhalt der Bildmenge M* nieht andert. Eine besehrankte Menge in dieser Koordinatenebene hat naeh 7.4 (f) den Inhalt 0, und damit gilt die Formel auch in diesem Fall. D
Das letzte Ergebnis sei ausdrtieklieh festgehalten. (d) Eine besehrankte, in einer Hyperebene gelegene Menge hat den Inhalt O.
°
Beispiele. 1. Ellipsoid. Das Ellipsoid E im lRn mit den Halbachsen al,oo" an > und dem Nullpunkt als Mittelpunkt ist definiert als Bild der Einheitskugel B : Ixl ::0; 1 unter der linearen Abbildung A = diag (aj, 00 ., an). Fur die Bildpunkte y = Ax folgt mit einer einfachen Rechnung x T x = YT Dy ::0; 1, D = diag (ai2). Also ist E durch die Ungleichung
y2
at
y2
~+"·+--.!'. O. Die Abbildung
(x, t) 1--+ f(x, t) =
G
x, t)
ist im Halbraum t > 0 injektiy und stetig differenzierbar, und ihre Funktionaldeterminante hat den Wert t" jh" > 0, wie man leicht nachrechnet. Die Bildmenge K = f(Z) ist also nach Satz 7.8 quadrierbar. Die Menge Kist ein Kegel mit der Spitze im NuJlpunkt und der in der Hyperebene t = h gelegenen Grundflache G (bei festem Xo E Gist cjJ(t) = f(xo, t), o :5: t :5: h, eine ParameterdarsteJlung der geradlinigen Verbindung yom NuJlpunkt zum Punkt (xo, h)). Aus der DarsteJlung der Schnitte K(t) = ~ G folgt IK(t)1 = IGI(k)" nach 7.9 (b), also IKI
= IGI Jot
(t)" h Ii dt = n+ IIGI .
§ 7. Jordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im Rn
246
Flir den Kegel im R3 erhalten wir die bekannte Forme1 ~Inhalt = ~ x Grundfiache x Hohe". 2. Kugelabschnitt. Es sei B die Kugel x 2 + y2 + Z2 :s; R2 im R3. Der Schnitt Bz s 1~2 wird offenbar durch X2+y2 :s; R2_z2 beschrieben. Die Menge Mh aller Punkte (x,y,z) E B mit Z ~ R - h (0 :s; h < R) wird Kuge1abschnitt der Hohe h genannt. Ihr Volumen betragt
7.17 Die Abbildung von Gebieten. Das Lemma von Sardo Wir betrachten jetzt eine Abbildung des ]Rn in sich und fragen, wie sich der Inhalt von Mengen bei dieser Abbildung andert. Zunachst wird ein 1942 von A. SARD (The measure of the critical values of a differentiable map, Bull. Amer. Math. Soc. 48, 883-897) gefundener Satz bewiesen, der in jiingerer Zeit wichtige Anwendungen in der Differentialtopologie (u.a. bei der Theorie des Abbildungsgrades) gefunden hat. Vgl. etwa M.W. Hirsch, Differential Topology, Springer Verlag 1976, S. 68 ff. Lemma von Sard Es sei W c:]Rn ein abgeschlossener Warfel und f E cl(W,]Rn). Dann besteht for den iiufJeren Inhalt der Bildmenge die Ungleichung
If(W)la Bier bezeichnet
f' = of lax
~
iw I
detf'1 dx .
die Jacobi-Matrix.
Beweis. 1st die Behauptung faisch, so existiert ein s > 0 mit (1)
If(W)la
~
iw Idetf'ldx+sIWI·
Durch Halbierung der Kanten von W wird W in 2n abgeschlossene Wiirfel WI, ... , W2" der Kantenlange al2 zerlegt (wenn wir annehmen, daB W die Kantenlange a hat). Vnter diesen ist mindestens ein Wiirfel, sagen wir Wi, mit
Denn ware fUr alle Wk
so wiirde sich durch Addition unter Beriicksichtigung von 7.5 (c) 1M U Nla ~ IMla + INla ein Widerspruch zu (1) ergeben. Durch Fortsetzung dieses Halbierungsverfahrens gelangt man zu einer Folge Wi, W2, W 3 , ... von ineinander geschachtelten Wiirfeln mit (2)
(k
=
1,2, ...) .
7.18 Transformation von Integralen. Die Substitutionsregel
247
Nun sei ~ E W der gemeinsame Punkt aller Wk. Wir nehmen an, daB ~ = 0 ist (Paralleiverschiebung). Es sei A := /,(0). Dann gilt nach Satz 3.9 (3)
f(x) = f(O)
+ Ax + R(x)
mit IR(x)1
S;
Ixlb(lxl)
und b(r) - 0 fUr r - O+. Es sei b = ay'n = diam W, also 2- kb = diam (Wk). Flir x E Wk ist also IR(x)1 S; ek := 2- kM(2- kb). Setzt man
v=
A(W) ,
so ergibt sich aus (3), wenn Me die e-Umgebung von M bezeichnet,
(4) Flir e-Umgebungen von Mengen gilt (c + M)e = c + Me und A. . Me = (A.M).<e (A. > 0) nach 1.17 (a). Setzt man ek = 2- kbk, so strebt 15 k - O. Nun ist mit geeigneten ck E R." (5)
Nach Satz 7.9 ist IVI 7.4 (g) folgt also
= IdetAI·IWI. Ferner gilt IA.Mla = A."IMla. Aus (4), (5) und
If(Wk)la < 2-"klVbkl a = Id tAl. IVbkla -Id tAl IWkl - 2-"kIWI e IVI e
(k _ (0),
wahrend sich aus (2)
o
ergibt. Damit ist ein Widerspruch erreicht.
Corollar. Es sei G offen und quadrierbar, f : G - R." lipschitzstetig sowie f E C 1 (G). Fur jede quadrierbare Menge BeG ist dann
If(B)la Fur die Menge K
If(K)1
=
o.
=
{x
E
S;
11 det!'(x)1 dx .
G : det/'(x)
=
O} der ,kritischen Punkte' von fist
.
Das Integral existiert nach 7.10 (I). Es sei L eine Lipschitzkonstante fUr f. Nach dem Lemma gilt die Ungleichung fUr die Wlirfelsummen Bk c B von 7.5. Flir k - 00 strebt IBk - IB und If(Bk)la - If(B)la wegen If(B \ Bk)la S; (Ly'n)"IB \ Bkl - 0 (Hilfssatz 7.8). Die Behauptung liber K - sie wird haufig als Lemma von Sard bezeichnet ergibt sich als Nebenprodukt aus den Uberlegungen der folgenden Nr. (gemeint sind die Abschatzungen von G'k und G \ Gp im Zusammenhang mit (6), die auch unter den jetzigen Voraussetzungen gelten). 0 7.18 Transformation von Integralen. Die Substitutionsregel. Der eindimensionalen
Substitutionsregel I: f(x) dx = If f(c/>(u))cf/(u) du aus 1.11.4 liegt zugrunde, daB
§ 7. Jordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im JR"
248
bei einer Variablentransformation x = c/>(u) die einander entsprechenden Differenzen Llx und Llu durch die Beziehung Llx :::::: c/>'(u)Llu gekoppelt sind. Wenn in einem n-dimensionalen Integral durch die Substitution x = (u) eine neue Integrationsvariable u eingeftihrt wird, so ist zu kHiren, wie sich die einander entsprechenden Volumenelemente dx und du verhalten. Da (u) in der Niihe einer festen Stelle Uo durch die lineare Funktion u 1-+ (uo) + A(u - uo) mit A = ' (uo) (Jacobi-Matrix) approximiert wird, gibt der Satz 7.9 die Antwort: dx = I det AI duo Die Substitutionsregel erhalt dann die Gestalt (S)
I
f (X)dX = If((u))'det'(u)'dU
mit G = (H).
Der Beweis der Regel ist nicht einfach. Wir haben jedoch die Hauptarbeit im Sardschen Lemma bereits vorweggenommen. Auch die Formulierung hat ihre Tucken. In der Literatur wird meistens verlangt, daB in einer offenen Menge U ::) H definiert und Cl-umkehrbar (d.h. und -1 = If' stetig differenzierbar; vgl. 4.6) ist. In wichtigen Beispielen (etwa Polarkoordinaten) ist diese Bedingung jedoch verletzt, wodurch Sonderbetrachtungen notwendig werden. Benotigt wird indessen nur, daB in H erkliirt und injektiv ist und sich in der Niihe des Randes von H gutartig verhiilt. Urn dies zu erreichen, wird zusiitzlich die Lipschitzstetigkeit in H gefordert. Es sei daran erinnert, daB die partiellen Ableitungen von dann beschriinkt sind, daB aber umgekehrt die Beschriinktheit der Ableitungen nicht die Lipschitzstetigkeit, ja nicht einmal die Beschriinktheit von nach sich zieht (selbst dann nicht, wenn G ein beschriinktes Gebiet ist; vgl. Aufgabe 3.4). Satz. Die Menge H c Rn sei offen und quadrierbar, und die Funktion E c 1(H,Rn) sei injektiv und lipschitzstetig. Dann ist die Menge G = (H) quadrierbar und die Substitutionsformel (S) for jede auf G beschriinkte Funktion f mit dem oberen und dem unteren Integral giiltig. Insbesondere ist f genau dann iiber G integrierbar, wenn die Funktion F = (f 0 H ein Diffeomorphismus ist. Naeh den Satzen 4.7 und 7.8 ist U = qJ(V) offen und qJ(H) = G c U, und aus 3.11 (e) folgt, daB qJ in H und die Umkehrfunktion 'I' = qJ-1 in G lipsehitzstetig sind. Aufgrund von Satz 7.8 werden dureh 'I' bzw. qJ quadrierbare Teilmengen Gi von G auf quadrierbare Teilmengen Hi = 'I' (Gi ) von H abgebildet, und umgekehrt. Naeh Corollar 7.17 ist (mit qJ statt f, H statt
G und Hi statt B)
IGil
(3)
S
L' ,
det qJ'(u) I du .
Nun sei n = (G i ) eine disjunkte Partition von G. Bezeiehnet man mit mi die zugehOrigen Infima einer besehrankten Funktion f ~ 0 und mit t die Treppenfunktion t(x) = L miCG, (x), so ist 0 s t(x) S f(x) in G. Es ist dann t(qJ(u)) = L miCH,(u) sowie to qJ sf 0 qJ. Aus (3) ergibt sieh zunaehst mit 7.10 (g) s(n;f) =
L mdGd s L mi =
L
L' ,
det qJ'l du
t(qJ(u)) I det qJ'(u) I du .
Die reehte Seite wird vergroBert, wenn man t(qJ) dureh f(qJ) ersetzt und das untere Integral nimmt. Da dies fUr jede disjunkte Partition gilt, ergibt sieh fUr die unteren Integrale mit Folgerung 7.13
(4)
£f(X)dX S£f(qJ(u))ldetqJ'(u)ldU.
Nun wenden wir diese fUr jede besehrankte, niehtnegative Funktion gtiltige "Substitutionsungleichung" auf die reehte Seite der Ungleiehung (4), also auf die Funktion g(u) = f(qJ(u)) I det qJ'(u)l, und die Substitution u = 'I' (x) an und erhalten £f dx S £f(qJ) I det qJ'l du (5) S £f(X) I det qJ' ('I' (x))ll det '1" (x)1 dx .
Dieser SehluB ist erlaubt, weil 'I' aufgrund unserer verseharften Annahmen dieselben Eigensehaften hat wie qJ. Aus qJ('I'(x)) == x folgt qJ'('I'(x))'I"(x) = E (Einheitsmatrix), also det qJ' ('1'). det '1" = 1. In (5) steht demnaeh links und reehts dieselbe Zahl, d.h. die Formel (S) gilt fUr das untere Integral, (S.)
j /(x) dx = j Hf(qJ(U)) Idet qJ'(u) Idu .
1st die Funktion f ~ 0 in G stetig, so sind die auftretenden Funktionen naeh 7.10 (I) integrierbar. Insbesondere gilt die Formel (S) fUr konstante Funktionen (aueh bei negativer Konstante).
§ 7. lordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im R"
250
Nun sei / lediglich beschdinkt in G und a eine Konstante mit / + a ~ O. Dann gilt (S.) fUr /1 = / + a und 12 = -a. Man kann nun das Additionsgesetz 7.10 (m) anwenden, J.(f) = J.(fl + h) = J.(fd + J(f2) beim linken Integral und lihnlich beim rechten Integral in (S.). Die Gleichung (S.) gilt also fUr beliebige beschrlinkte Funktionen f. Zwischen dem unteren und dem oberen Integral besteht nach 7.10 (c) die Beziehung r(f) = -J.(-f). Damit haben wir die entsprechende Formel (S·) fUr das obere Integral gewonnen. Der Satz ist damit unter den scharferen (iiblichen) Voraussetzungen tiber tP vollstandig bewiesen. Nun mogen die Voraussetzungen des Satzes gelten. Es sei L eine Lipschitzkonstante fUr tP und a die entsprechende Konstante von Hilfssatz 7.8, {3 eine Schranke fUr 1/1, I' eine Schranke fUr I det tP'l und K = {u E H : det tP'(U) = O} die Menge der kritischen Punkte von tP. Auf der offenen Menge HI = H \ K ist tP nach 4.6 (a) ein Diffeomorphismus, insbesondere ist GI = tP(Hd offen. Zu s > 0 wahlen wir eine Wiirfelsumme Hp c H mit IH \ Hpl < s. Die in Hp gelegenen Wtirfel k-ter Stufe (k > p) teilen wir in zwei Wtirfelsummen ein: Die zu K disjunkten Wtirfel gehoren zu HL die anderen, welche Punkte mit K gemeinsam haben, zu H[. Es ist dann Hp = H£ U H~. Die Bildmengen seien mit Gp, G~, GZ bezeichnet; G~ ist nach Satz 7.8 quadrierbar. Wir wahlen k so groB, daB das Supremum von I det tP'l auf H~ kleiner als s ist (det tP' ist auf Hp gleichmaBig stetig). Nach Corollar 7.17 ist dann IGZla < slHI, wahrend die Ungleichung IG \ Gpl a < as aus Hilfssatz 7.8 folgt. Die Abschatzung
zeigt, daB G quadrierbar ist. Nach dem ersten Teil des Beweises gilt der Satz fUr Hie c HI. Die (quadrierbare) Restmenge G \ G~ hat nach (6) einen Inhalt < s(IHI + a), und das (untere, obere) Integral von / tiber diese Menge ist betragsmaBig kleiner als {3s(IHI + a). Die Funktion F = (f 0 tP) I det tP'l wird dem Betrage nach auf H~ bzw. H \ Hp durch {3s bzw. {3y, das zugehorige Integral also durch {3slHI bzw. {3ys abgeschatzt. Da sich die drei Integrale tiber H£, H~ und H \ Hp nach 7.10 (g) zum Integral tiber H und ebenso die Integrale tiber G~ und G\ G~ zum Integral tiber G addieren, unterscheiden sich die (oberen, ... ) Integrale fG / dx und fH F du hochstens urn const.·s. Damit ist der Beweis vollstandig 0 erbracht.
7.19 Beispiele. 1m folgenden werden n-dimensionale Polarkoordinaten und Zylinderkoordinaten behandelt. 1. Ebene Polarkoordinaten. In der tiblichen Schreibweise lautet die Transformation (vgl. 1.8.2) (x, y) = tP(r, ¢) = (r cos ¢, r sin ¢) .
Den frtihreren Bezeichnungen x und u entsprechen jetzt (x, y) und (r, ¢). Durch tP wird die offene Menge
Q=
{(r,¢) : r
> 0,0 < ¢ < 2n}
7.19 Beispiele
251
bijektiv auf die offene Menge P = ]R.2 \ Px abgebildet, wobei Px = {(x, 0) : x ~ O} ist (positive x-Achse mit Nullpunkt). Nach 4.6, Beispiel 2, ist ,8(x,y) detcP = det 8(r,cf» = r > 0
. In
Q;
also ist cP auf Q ein Diffeomorphismus, der auf beschrankten Teilmengen von Q offen bar lipschitzstetig ist. Das Bild von Q = {(r, cf» : r ~ 0, 0 ~ cf> ~ 2n} ist die ganze Ebene, doch ist die Abbildung nicht mehr bijektiv. Nach dem vorangehenden Satz mit Zusatz ergibt sich etwa fUr die abgeschlossene Kreisscheibe BR : x 2 + y2 ~ R2, ( f(x,y)d(x,y) =
J~
r {21t
h h
f(rcoscf>,rsincf»rdcf>dr,
wobei beide Integrale gleichzeitig existieren. Dies bleibt richtig, wenn auf der rechten Seite tiber einen quadrierbaren Bereich B und links tiber die (dann quadrierbare) Menge cP(B) integriert wird. Wird z.B. auf der rechten Seite beztiglich r nur von p bis R integriert (0 < p < R), so ergibt sich das Integral tiber den Kreisring p2 ~ x 2 + ~ R2, wird auBerdem cf> auf das Intervall 0 ~ cf> ~ n beschrankt, so entspricht das dem in der oberen Halbebene gelegenen Teil dieses Kreisringes.
i
tP II
n 2
y
r-I I I
r
p
R
R
(J
Raumliche Polarkoordinaten
Abbildung durch ebene Polarkoordinaten
Ein Beispiel. Die Menge B sei durch die Ungleichungen rJ. ~ cf> ~ fl, 0 ~ r ~ h(cf» beschrieben, wobei h 2: 0 und stetig und 0 ~ rJ. < fl < 2n ist. Dann ist A = cI>(B) der von den Strahlen cf> = rJ., cf> = fl und der Kurve r = h(cf» begrenzten Sektor in der (x,y)-Ebene. Mit B ist auch A quadrierbar und
IAI =
i lh(cP) p
a
0
rdrdcf>
liP
="2
a
h2 (cf»dcf>.
Das ist nichts anderes als die Leibnizsche Sektorformel, die wir schon in 1.11.8 abge1eitet hatten (dort befindet sich auch ein Bild).
2. Zylinderkoordinaten im Raum. Ftihrt man in der xy-Ebene des xyz-Raumes Polarkoordinaten ein und HiBt z ungeandert, so erhalt man die Transformation (x, y, z) = (r cos cf>, r sin cf>, z) = cP z (r, cf>, z)
Zylinderkoordinaten.
252
§ 7. Jordanscher InhaIt und Riemannsches Integral im lR"
Der Name weist darauf hin, daB den Ebenen r = canst. im (r,¢,z)-Raum unendliche Zylinder im (x, y, z)-Raum entsprechen. Die Abbildung ist auf der Menge Q' = Q x JR. ein Diffeormorphismus mit der Bildmenge P' = P x JR. (Bezeichnungen aus Beispiel 1), und das Bild von Q' ist der ganze Raum. Man sieht leicht, daB det q/z = r und 1 hat zur Folge, daB - ganz im Gegensatz zum Fall n = 1 aus der Integrierbarkeit einer Funktion ihre absolute Integrierbarkeit folgt. Ein Beweis findet sich u.a. bei A. Ostrowski [Bd. 3, S. 279] und G.M Fichtenholz [Bd. 3, S. 210]. Wir werden diesen Tatbestand von vorneherein in die Definition einflieBen lassen. Es sei jedoch erwahnt, daB andere Definitionen m6glich sind, bei denen Konvergenz ohne Absolutkonvergenz auftreten kann; vgl. Aufgabe 17. 7.20 Uneigentliche Integrate. 1m folgenden sei Br die Kugel Ixl < r und Wr der Wiirfel (_r,r)n. Wir geben flir das uneigentliche Integral IAf(x)dx eine allgemeine Definition, welche die beiden typischen Sonderfalle (i) A ist unbeschrankt, etwa A = IRn, und (ii) f hat eine singuIare Stelle, etwa A = B I , fez) = Ixl a mit a < 0, umfaBt. Damit ist auch der Fall, daB (i) und (ii) gleichzeitig vorliegen, eingeschlossen. Es sei A c IRn eine beliebige Menge. Eine monoton wachsende Folge (Cd von quadrierbaren Teilmengen von A heiBt erschOpfend, wenn flir jedes r > die Beziehung lim IA n Br \ Ckla = gilt. Da man hier Ck durch q = Ck n Br
°
°
k..... oo
ersetzen kann, zeigt Lemma 7.6, daB die Existenz einer ersch6pfenden Folge die Quadrierbarkeit der Mengen An Br nach sich zieht. 1m Fall A = IRn bilden z.B. die Kugeln Bk oder die Wiirfe1 Wk (k = 1,2, ...) ersch6pfende Folgen. 1st A quadrierbar und a E fl, so ist die Folge (A \ BI/k(a)) ersch6pfend. Definition. Zu einer Funktion f : A ~ IR bilden wir die Klasse Qf aller quadrierbaren Mengen C c A mit f E R(C). Die Funktion heiBt aber A uneigentlich integrierbar, wenn es eine (beziiglich A) ersch6pfende Folge (Cd mit Ck E Qf und eine Konstante K mit
l lf
(1)
(X)' dx
~K
flir alle C E Qt
gibt. Das uneigentliche Integral ist dann durch (2)
( f(x) dx := lim
JA
k..... oo
1 Ck
f(x) dx
eindeutig definiert, d.h. der Limes existiert, und er ist unabhiingig von der gewahlten ersch6pfenden Folge aus Qt.
Beweis. Zunachst sei f z 0. Die Folge der Integrale in (2) ist dann beschrankt und mono ton wachsend. Es sei L der in (2) auftretende Limes und S das Supremum f dx mit C E Qt. Offenbar ist L ~ S. Zum Beweis der umgekehrten der Zahlen Ungleichung sei C E Qt. Da C beschrankt ist, gibt es ein r mit C cAn B r • Also
Ic
§ 7. lordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im Rn
256
ist lim IC \ Ckl = C ist,
o. Aus
C
c
(C \ Cd U Ck folgt, wenn ex eine Sehranke fUr
f auf
Ftir k --+ 00 strebt die reehte Seite gegen L. Es ist also Ie f dx ::; Lund damit S ::; L. Aus der nun bewiesenen Gleichung S = L folgt die Unabhangigkeit des Limes von der ersehopfenden Folge. 1m allgemeinen Fall ergibt sieh die Behauptung aus der Darstellung f = f-· Da mit f aueh die Funktionen und f- tiber C integrierbar sind, und f-. Die Limites in (2) von und f- existieren also, und sie gilt (1) fUr sind unabhangig von der gewahlten ersehopfenden Folge. Dies gilt dann wegen Ie f dx = Ie dx - Ie f- dx aueh fUr den Limes beztiglieh f. 0
r-
r
r
r
r
Bemerkungen. 1. 1st A quadrierbar und f E R(A), so ist f tiber A aueh uneigentlieh integrierbar, und es ergibt sieh derselbe Integralwert. Das folgt aus 7.10 (k). 2. Die Menge Ru(A) aller tiber A uneigentlieh integrierbaren Funktionen ist ein Vektorraum, und das uneigentliche Integral ist ein lineares Funktional. Sind namlieh f,g E Ru(A) und sind (Ck), (Dd ersehopfende Folgen aus Qf bzw. Qg, so ist (Ek) mit Ek = Ck n Dk eine ersehopfende Folge aus Qf n Qg. Aus A \ Ek = (A \ Ck) U (A \ Dk) folgt namlieh mit 7.5 (e) I(A n Br) \ Ekl --+ o.
7.21 Beispiele. 1. Das Integral J = IlR2 e-(x 2+y2) d (x, y) konvergiert wegen ( e-(x 2+i) d(x,y)
JB
= n (R e- r2 2rdr = n(1
Jo
R
_ e- R2 ) --+ n ,
und es ist J = n. Andererseits ist mit JR:= J.~R e- x2 dx
aueh konvergent gegen n, also lim J R = R .....oo Integral bestimmt,
v'n.
Damit haben wir ein wiehtiges
Anhand der Substitution x2 = t erkennt man, daB das Integral gleieh der Gammafunktion r(x) fUr x = 1/2 ist, r (!) = Vn; vgl. I.12.8.
x
2
2. Wir betraehten dasselbe Beispiel im R.n und benutzen die Sehreibweise = xi + ... + x~. Naeh Beispiel 4 von 7.19 erhalt man
Wn
{R2 n-2
= "2 Jo
S
2
-s
e
ds
Wn
(n)
--+"2 r 2
7.21 Beispie1e flir R
~ 00.
257 Andererseits ergibt sich mit Beispiel 1
LR e-
x2
dx =
(i:
e- t2 dt) n =
J~ ---+ rc
Hieraus erhalt man den in 7.19 angegebenen Wert 3. Lineare Substitution. 1st f tiber den und A eine invertierbare Matrix, so gilt
J
f(x) dx = Idet AI
]Rn
flir
n/ 2
Wn
R~oo.
= 2rc n/ 2 j r (~).
uneigentlich integrierbar, a E
J
f(a + Ay) dy
(lntegrale tiber
]Rn
]Rn) ,
wobei das rechts stehende Integral konvergiert. Insbesondere ist
J
f(x) dx = An
J
flir A> 0 .
f(AX) dx
Das folgt aus der Bemerkung, daB positive Zahlen IX, f3 mit B~ c A(Bd c BfJ' also B~r c A(Br) c BfJr flir jedes r > 0 existieren. Mit (Cd ist also auch (a + A(Cd) eine erschopfende Folge und umgekehrt, und das Integral von f(x) tiber a+ A(Ck) ist nach 7.18 gleich dem Integral von f(a + Ay)1 det AI tiber Ck. 4. Die Eulersche Betafunktion. In 1.12.9 haben wir die Betafunktion
B(p, q)
=
1 o
1 p I t - (1
- t)q-I dt
=
1 (b - a)p+q-I
lb a
(s - a)P-1 (b - S)q-I ds
eingeflihrt; die zweite Form ergibt sich mit der Substitution t = (s - a)j(b - a). Das Integral existiert flir p > 0, q > O. Wir berechnen das Doppelintegral
r (p) r (q) =
11 00
00
e- X x p- I e- Y yq-I dx dy
als Limes der Integrale tiber die Dreiecke DR : x Substitution
~
0, y
s
~ R,
~
0, x + y
~
R. Bei der
= A(s) (x)y = (f(S + t») t) t 2(s -
entspricht dem Dreieck DR das Dreieck mit detA
=-!
D~
:0
~
It I ~ s, und man erhalt
§7. lordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im R"
258
Fur R -. 00 strebt die rechte Seite gegen B(p, q)r (p + q), und man erhiilt die wichtige Formel B(P ) = r (p)r (q) fUr p,q > 0 . ,q r(p+q) 1st 0 < P < 1 oder 0 < q < 1, so sind die Integrale bei 0 uneigentlich. Man betrachtet dann statt DR die Mengen D{),R : x,y ~ 0, (j ~ x + y ~ R. Bei D~,R ist dann (j ~ s ~ R, und man liiBt R -. 00 und (j -. 0+ streben.
f
5. Es sei A c JR." quadrierbar, uneigentliche Integral
r
f(x)
JA Ix -
E R(A) und a E
d
al~ x
fUr
IX
A. Dann existiert das
0 die Funktion (1)
f~(x)
;=
a- n
J
J
f(y)
tp
c:Y)
dy
=
J
f(x - ay)tp(y) dy
stetig im R n und lim
~--+O+
f~(x)
= f(x)
gleichmapig im Rn .
Die zweite Form des Integrals folgt aus der ersten durch die Substitution y'
=
~(x - y), dy = andy'. Die Funktion tp~(x) = a-ntp(~) hat dieselben Eigenschaften wie tp, insbesondere ist tpll(y) dy = 1, wie sich aus der Gleichheit der beiden Integrale flir f(y) == 1, x = 0 ergibt. Das erste Integral in (1) IaBt sich als FaItung
J
(1')
schreiben. Die Stetigkeit von
f~
Beweis der Limesrelation. Da als Integral
f~(x) -
f(x)
ist also eine unmittelbare Folge des Hilfssatzes.
J tp(y) dy = =
1 ist, kann man die Differenz f~ - f
J
[f(x - ay) - f(x)]tp(y) dy
schreiben. Nun sei e > 0 vorgegeben und R > 0 so bestimmt, daB ~YI>R Itpldy < e wird. Da f beschrankt ist, etwa If(x)1 sA, IaBt sich das Integral iiber den Bereich
7.23 Approximation durch COO-Funktionen. Mittelwerte
261
Iyl > R dem Betrag nach durch 2Ae abschatzen. Wir kommen zum Integral tiber die Kugel Iyl :::;; R. Zu dem gewahlten e gibt es ein J > 0 mit If(x + h) - f(x)1 < e fUr Ihl < J und aIle x E 1Rn (f ist gleichmaBig stetig, da supp f kompakt ist). Nun sei (X < J / R, also I(XYI < J und deshalb If(x - (Xy) - f(x)1 < e. Das Integral tiber Iyl :::;; R ist also, wenn wir J Ilpl dy = B setzen, dem Betrag nach < Be. Insgesamt erhalten wir If,,(x) - f(x)1 < e(2A + B)
fUr 0 < (X < J / R .
o
Damit ist die gleichmaBige Konvergenz bewiesen.
Unter wesentlicher Benutzung dieses Satzes werden wir nun einige Approximationsaufgaben lasen. 7.23 Approximation durch Coo-Funktionen. Mittelwerte. Wir benutzen hier eine Funktion lp mit den folgenden Eigenschaften: (M)
lp
E
C~(1Rn), lp ?: 0, supp lp c Ii,
und natiirlich
J
lp(x) dx
= 1.
(a) Man kann etwa lp(x) = cc/>(1 - x 2 ) setzen, wobei c/> die Funktion von 7.22 (a) ist und c > 0 so bestimmt wird, daB das Integral den Wert 1 erhalt. Ftir die gemaB Gleichung (I') von 7.22 zugeharige Funktion lp"(x) = (X-nlp(~) ist supp lp" c Ii". Das Faltungsprodukt f" = f * lp" kann als bewichteter Integralmittelwert von f aufgefaBt werden, wobei zur Bildung von f,,(x) nur die Funktionenwerte aus der Kugel B,,(x) herangezogen werden. Es gilt namlich (b) Aus m :::;; f(y) :::;; M fUr y E B,,(x) folgt m :::;; f,,(x) :::;; M. (c) Es sei A
= supp f. Dann ist supp f"
c
A" = {x: dist (x,A):::;; (X}.
Wegen lp ?: 0 ist namlich mlp(Y) :::;; f(x - (XY)lp(Y) :::;; Mlp(Y) fUr Iyl < 1, und durch Integration ergibt sich (b), wenn man supp lp c Ii, beachtet. 1st nun dist (x, A) > (x, so kann man in (b) m = M = 0 wahlen und erhalt (c). 1st f eine stetige Funktion mit kompaktem Trager, so ist f" aus Coo nach dem vorangehenden Hilfssatz und damit die Maglichkeit der Approximation von f durch Coo-Funktionen bereits nachgewiesen. Da wir aber beliebige stetige Funktionen zulassen und auBerdem auch die Ableitungen von f, soweit sie vorhanden sind, approximieren wollen, bedarf es einiger zusatzlicher Uberlegungen.
Approximationssatz. Die Funktion f sei aus c m (1Rn) (0:::;; m < 00). Dann gibt es zu jedem e > 0 eine Funktion g E c oo (1Rn) mit IDPf(x) - DPg(x)1 < e
for Ipl:::;; m
und x E 1Rn
.
Insbesondere kann jede in 1Rn stetige Funktion durch Coo-Funktionen beliebig gut approximiert werden. Beweis. Zunachst sei f E Cij(1Rn). Dann ist f" = f*lp" aus c oo (1Rn) und limf,,(x) = ,,-+0 f(x) gleichmaBig in 1Rn aufgrund des vorangehenden Hilfssatzes und Satzes. 1st nun m > 0, so laBt sich diese Uberlegung wegen DP(f,,) = (DPf) * lp" auch auf
262
§ 7. lordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im IRn
die Ableitungen der Ordnung ::s; m anwenden. Fur a -+ 0 streben also aIle diese Ableitungen von flY. gleichmaBig gegen die entsprechenden Ableitungen von f. Die Funktion g = flY. hat also, wenn a hinreichend klein ist, die im Satz verlangten Eigenschaften. Den allgemeinen Fall fUhren wir auf diesen Spezialfall zuruck und benutzen dabei eine Beweismethode, welche unter dem Namen Zerlegung der Eins (oder der Einheit) bekannt geworden ist und wichtige Anwendungen in der Analysis hat. 1m vorliegenden Fall handelt es sich urn die folgende Aussage. (d) Es gibt Funktionen hI. h2 , ... aus CO'(1Rn) mit den Eigenschaften supp hk C Bk+l \ Bk- 1 und L~ hk(x) = 1 in Rn. Offenbar sind fUr jeden Punkt x hochstens zwei Funktionswerte hdx) von Null verschieden. Der Name ,Zerlegung der Eins' leitet sich von der letzten Gleichung ab: die Funktion h(x) == 1 wird in glatte Funktionen mit kompaktem Trager "zerlegt". Wir benutzen zur Konstruktion der hk die Funktion ¢ von 7.22 (a) und setzen
L
Offenbar haben die Uk die erste Eigenschaft von (d), und es ist u(x) = Uk(X) > 0 in Rn. Da die Summe in beschrankten Bereichen endlich ist, gehort u zu c oo (1Rn), und die Funktionen hk = udu besitzen aIle in (d) genannten Eigenschaften. Nun sei e > 0 gegeben. Wir setzen fk = fh k und bestimmen ak < 1 derart, daB die Ungleichung des Satzes fUr h und gk = h * lpIY.k gilt. Wegen rt.k < 1 ist supp gk C Bk+2 \ B k- 2 nach (c). Nun ist f(x) = L h(x), und fUr die Funktion g= gk E c oo (1Rn) gilt
L
fUr Ipl::s;m, da jeder Summand < e ist und fUr festes x hochstens vier Summanden =1= 0 sind. Die gliedweise Differentiation ist erlaubt, da die Sum men fUr fund g in beschrankten Bereichen nur endlich viele Summanden =1= 0 haben. 0 Noch ein paar Variationen zum Thema Approximation. (e) 1st A C Rn eine abgeschlossene Menge und f : A -+ R stetig, so gibt es zu jedem e > 0 eine Funktion g E c oo (1Rn) mit If(x) - g(x)1 < e fUr x E A. Zum Beweis wird f zunachst als stetige Funktion auf den Rn fortgesetzt; dafUr haben wir in § 2 mehrere Methoden kennengelernt. Eine nach dem Approximationssatz existierende e-Approximation der Fortsetzung hat die verlangten 0 Eigenschaften. (f) Es sei G eine offene und BeG eine kompakte Menge im Rn. Es gibt dann eine Funktion g E CO'(1Rn) mit supp g c G, 0 ::s; g ::s; 1 und g(x) == 1 in einer Umgebung von B.
Beweis. Wir konnen o.B.d.A. annehmen, daB G beschrankt ist. Die abgeschlossene Menge C = R n \ G und die kompakte Menge B haben einen positiven Abstand, etwa 3rt.. Es sei d(x) = dist (x, C) und h(t) die stetige Funktion, welche = 0 fUr t ::s; rt. und = 1 fUr t ;;:: 2rt. sowie linear fUr rt. ::s; t ::s; 2a ist. Die Funktion
7.24 Der WeierstraBsche Approximationssatz
263
f(x) := h(d(x)) ist dann, wenn wir die e-Umgebung von C mit C, bezeichnen, == 0 in Ca und == 1 auBerhalb C2a, insbesondere in Ba. Sie ist femer stetig, und ihre Werte liegen zwischen 0 und 1. Der mit f gebildete Mittelwert g = fal2 hat aIle verlangten Eigenschaften: Er verschwindet in Ca12' ist gleich 1 in Bal2 und gehort zu CO'(lRn). D Wir wenden uns nun der Frage zu, inwieweit man stetige Funktionen durch Polynome approximieren kann. Wenn es urn die Approximation im lRn oder in einer unbeschrankten Menge geht, so sind Polynome dafUr ungeeignet. Jedes nichtkonstante Polynom ist unbeschrankt, taugt also nicht zur Approximation von beschrankten Funktionen. DaB man andererseits stetige Funktionen auf kompakten Mengen durch Polynome approximieren kann, ist der Inhalt eines beriihmten und wichtigen Satzes, den wir jetzt beweisen werden.
7.24 Der Weierstra8sche Approximationssatz. Die reellwertige Funktion f sei auf der kompakten Menge B c lRn stetig. Dann gibt es zu jedem e > 0 ein Polynom P(x) derart, dajJ fur x E B immer If(x) - P(x)1 < e bleibt. Anders formuliert: Es gibt eine Folge von Polynomen (Pk), welche fur k - (fJ gleichmiijJig in B gegen f konvergiert. Beweis. Vorbereitung. Wir setzen zunachst f als stetige Funktion auf den lRn fort (vgl. 2.19), und zwar so, daB f auBerhalb der Kugel Br verschwindet; das letztere laBt sich durch Multiplikation mit einer stetigen Funktion, welche auf B gleich 1 und auBerhalb einer groBen Kugel Br gleich 0 ist, erreichen. Es sei also f stetig im lRn und supp f c B r . Wir benutzen wieder Satz 7.22 und greifen fUr 1p auf das Beispiel 2 von 7.21 zuriick, mit Die Formel (1) von 7.22 lautet fUr diesen Fall (1)
fAx) = (f * 1pa)(x) = -1(IX
vIn) n
J
1p(x) dx
= 1.
J
(=)2 f(y)e-" dy,
wobei es geniigt, iiber die Kugel Br zu integrieren. Es sei Pm(t) die m-te Teilsumme der Potenzreihe von et und, in Analogie zu (1), (2)
Anhand der Gleichung Ix - yl2k = [I(xf - 2XiYi + yf)]k iiberzeugt man sich leicht, daB Pm(x) ein Polynom ist. Betrachten wir nur die Werte x mit Ixl < r, so gilt, da man in (1) und (2) Iyl < r annehmen kann, (x - y)2/ 1X 2 < (2r)2/a 2 =: R. Da die Folge (Pm(t)) gleichmaBig im Intervall [-R, R] gegen et strebt, konvergiert Pm (-(x - y)2 / a2) gleichmaBig fUr x, y E Br gegen exp( -(x - y)2 / 1X2) und deshalb Pm(x) gleichmaBig in Br gegen fa(x). Der Rest des Beweises ist einfach. Wird e > 0 vorgegeben, so bestimmt man zunachst IX > 0 derart, daB im lRn die Ungleichung Ifa(x) - f(x)1 < e besteht, und
264
§ 7. Jordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im JR"
dann m so, daB If<x(x) - Pm (x) I < B in Br gilt. Es ist dann If(x) - Pm (x) I < B r • Damit ist der Beweis abgeschlossen.
2B
in D
Bemerkungen. 1. Der Beweis benutzt in seinem vorbereitenden Teil die stetige Fortsetzung einer Funktion auf den ganzen Raum, welche nicht so einfach zu beweisen ist. In vie1en Anwendungen des Satzes ist die Menge B jedoch von einfacher Gestalt, etwa eine Kugel oder ein n-dimensionales Intervall oder allgemeiner eine konvexe Menge. In diesem Fall existiert eine stetige Projektion x f-+ Px auf B, und die Funktion x f-+ f(Px) stellt eine stetige Fortsetzung von f dar; vg!. dazu 2.19. 2. Die Frage, ob man ahnlich wie im vorangehenden Satz auch gleichzeitig Ableitungen approximieren kann, ist einfach zu beantworten, wenn f E C~(JR") ist. Zunachst folgt aus DPf. = (DPf)*1p. genau wie dort, daB DPf. fUr IX -+ 0+ gleichmaBig gegen DPf konvergiert. Bezeichnen wir die oben konstruierten Polynome mit Pm (x; f), so zeigt der Beweis, daB auch DPPm(x;f) = Pm(x;DPf) in Br gleichmaBig gegen DPf. strebt. Es gibt also zujedem e> 0 ein Polynom P, ftir welches die Ungleichungen IDPf(x) - DPP(x)1 < e in Br gelten, falls Ipi ~ kist. Interessanter ist der Fall, daB G c JR" eine beschrankte offene Menge und f aus Ck(G) ist. Gibt es ein Polynom, welches in Gauch die Ableitungen im eben genannten Sinn approximiert? Die Antwort lautet ja, wenn die Definition von Ck(G) in 3.6 etwas abgeandert wird. Es existiert dann nach einem zuerst von H. WHITNEY (Transac. Amer. Math. Soc. 36 (1934), S. 63-89) bewiesenen Satz eine Fortsetzung von f von der Klasse C~(JR"), mit der man wie oben beschrieben verfahren kann. Einfach ist die Sache dagegen fUr n = 1. Man konstruiert erst eine Fortsetzung aus der Klasse C~(JR) nach der in Aufgabe 5 von 1.10 angegebenen Methode und erhalt so das
Corollar. Es sei I = [a, b] c JR ein kompaktes Intervall und f e > 0 ein Polynom P mit If(i)(t) - p(i)(t)1 < e
for tEl und i
E Ck(l).
Dann existiert zu
~ k .
Historisches zur Approximation von Funktionen. Solange die von den Mathematikern betrachteten Funktionen durch einfache analytische Ausdriicke gegeben und ,gutartig' waren, war das Problem ihrer Approximation nicht dringend. Das Bediirfnis, stetige Funktionen durch glatte Funktionen zu approximieren, stellte sich erst, nachdem der moderne Stetigkeitsbegriff formuliert war und an Beispielen sichtbar wurde, daB in der Klasse der stetigen Funktionen hOchst bizarre und seltsame, z.B. nirgendwo differenzierbare Exemplare anzutreffen sind. Der 1885 von WEIERSTRASS (Sitzungsber. d. Konig!. Akad. Wiss. zu Berlin, S. 633-639 und 785-805 = Math. Werke, Bd. 3, S. 1-37) bewiesene Approximationssatz ist ein fundamentales Ergebnis der Analysis, das sofort die Aufmerksamkeit der Mathematiker geweckt hat. E. BOREL beschreibt 1905 in seinem Buch Ler;ons sur les fonctions des variables reelles bereits sechs inzwischen gefundene Beweise und urteilt iiber den urspriinglichen Beweis von WeierstraB, er sei sehr einfach und sein Prinzip sei fUr viele andere Fragen niitzlich (S. 51). Die weitere Entwicklung hat zu Approximationssatzen in anderen Funktionenklassen und mit anderen Normen gefUhrt (der WeierstraBsche Satz behandelt die punktweise Abschatzung mit der Maximumnorm) und sich zu einem neuen Zweig der Mathematik, der Approximationstheorie, ausgeweitet. Wir sind hier im wesentlichen den Uberlegungen von WeierstraB gefolgt. Wie niitzlich sie werden sollten, konnte Borel nur ahnen. KURT OTTO FRIEDRICHS (1901-1982, deutscher Mathematiker, 1937 nach USA emigriert) verwendet 1939 in einer fUr die moderne Theorie der partiellen Differentialgleichungen grundlegenden Arbeit On differential operators in Hilbert space (Amer. J. Math. 61, 523-544) als wesentliches Hilfsmittel die durch
7.25 Masse und Schwerpunkt
265
Faltung definierten GHittungsoperatoren f 1-+ f. = f • lp., wobei lp die Eigenschaft (M) von 7.23 hat (ein wichtiger Unterschied zu der von WeierstraB benutzten Glattung besteht darin, daB der Trager der Funktion nur wenig vergroBert wird; vgl. 7.23 (c)). Friedrichs nennt seine Operatoren mollifiers. Heute spricht man auch von der Regularisierung von f, urn den Ubergang zu f. zu beschreiben. Dieser Begriff und die daraus resultierenden Coo-Approximationen von Funktionen sind u.a. fUr die Theorie der Distributionen grundlegend; vgl. etwa Walter [1973]. Zum SchluB sei darauf hingewiesen, daB das WeierstraBsche Integral (1) eine Grundaufgabe aus der Theorie der partiellen Differentialgleichungen lost, das Cauchyproblem for die Warmeleitung. Dieses Integral ist auch in bezug auf den Parameter r:J. unter dem Integralzeichen differenzierbar, und aus L1lp2v"i(x) = f,lp2.Jr(X) und Satz 7.22 folgt, daB u(x, t) = f2.Jr(X) eine Losung der Warme1eitungsgleichung u, = L1u mit den Anfangswerten u(x,O) = f(x) ist; in 8.7 wird diese Gleichung abge1eitet. Wir behandeln nun einige physikalische Anwendungen der Integralrechnung. 7.25 Masse uod Schwerpuokt. Die in 6.11 benutzten Formeln M = L mi, S = L mi~i fUr die Masse und den Schwerpunkt eines endlichen Systems von Massen mi am Ort ~i E lR 3 iibertragen sich durch eine einfache Uberlegung auf kontinuierlich verteilte Massen; vgl. 1.11.11. 1st B c lR3 ein quadrierbarer Bereich und p(x) eine iiber B integrierbare Funktion, die wir als Dichte einer Massenverteilung auf B interpretieren, so ergeben sich fUr die Masse M und den Schwerpunkt S dieses ,Korpers'
b
M =
(MS)
1
und
p(x)dx
S
=
-.!.. ( xp(x) dx . M
JB
Bei der zweiten Formel handelt es sich urn die Vektorschreibweise von drei skalaren Integralen fB XiP(X) dx (i = 1,2,3). Die Formeln (MS) gelten auch im zwei- und eindimensionalen Fall, wenn B ein ebener oder in lR gelegener Bereich und peine ebene bzw. lineare Dichte einer Massenbelegung auf B ist. Wir formulieren deshalb den folgenden Hilfssatz, der die Berechnung von M und S manchmal erleichtert, fUr beliebiges n.
Hilfssatz. Durch den Vektor a
E
lRn und die invertierbare n x n-Matrix R sei eine
affine Abbildung X
f-+
Y
=
Tx
= a + Rx
im lRn definiert. Die Abbildung T fiihre den Bereich B in den Bildbereich A = T(B) und die Dichte p(x) auf B in die Dichte u(y) = p(R-l(y - a)) = p(x) auf A iiber. Dann besteht zwischen den Massen und Schwerpunkten der Bereiche A und B die Beziehung
Der Beweis beruht auf der linearen Substitution y MA
=
1
u(y) dy
= I det RI
1
= a +Rx in den Formeln (MS),
p(x) dx
= I det RI MB
,
266
§ 7. Jordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im Rn
SA
=
-1-1 MA
yu(y) dy
A
_1_ Jr
=
MB
(a
B
= a+R
+ Rx)p(x) dx
(~B faXP(X)dX )
= T(SB) .
0
Bemerkung. 1st f eine Funktion mit Werten im R. n, so kann man ihr Integral entweder durch die Integrale der Komponenten Jf; dx oder auch direkt als Limes der vektorwertigen Riemann-Summen u(Z, ~ ; f) definieren. Beides ftihrt aufgrund von 5.4 zum selben Ergebnis. Legt man den zweiten Gesichtspunkt zugrunde, so ist eine Gleichung J Rf dx = R(J f dx) (R n x n-Matrix), wie sie im obigen Beweis auftrat, eine Folge der Gleichung u(Z, ~; Rf) = Ru(Z, ~; f). Beispiel. Der allgemeine Kegel. Aufgrund des Hilfssatzes kann man die Bestimmung des Schwerpunktes von Ellipsoiden, schiefen Zylindern und Kegeln, ... auf einfache Sonderfalle zuriickflihren. Betrachten wir den Fall des KegeIs. Unser ,normierter' Kegel im dreidimensionalen xyz-Raum ist definiert durch eine in der xy-Ebene geIegene (quadrierbare) Grundfliiche G yom Fliicheninhalt IGI = 1 mit dem Schwerpunkt im NUllpunkt und der Spitze im Punkte (0,0,1). Flir die Schnittmenge K(z) = {(x,y) : (x,y,z) E K} ergibt sich K(z) = (1 - z)G, also IK(z)1 = (1 - z)2 (0 ~ Z ~ 1). 1st K homogen mit Masse der Dichte p == 1 belegt, so ist die Gesamtmasse gleich dem Volumen yon K, M = und flir den Schwerpunkt S = (Sx, SY' Sz) erhiilt man
t,
Sx =
31
xd(x,y,z) =
K
wegen
JG x d (x, y) Sz
=
= 0, eben so Sy =
31 K
zd(x,y,z) =
31 1 1
0
°
xd(x,y)dz =
K(z)
und
31 1 1
0
K(z)
zd(x,y)dz =
31 0
1
°
z(l-z)2dz =
~.
4
Aus dem Hilfssatz ergibt sich nun: Der Schwerpunkt eines allgemeinen Kegels liegt auf der vom Schwerpunkt der Grundfliiche zur Kegelspitze fiihrenden Strecke; sein Abstand zur Kegelspitze betriigt drei Viertel der Liinge dieser Strecke.
7.26 Potential einer Massenbelegung. Eine am Ort a E lR3 befindliche Masse m erzeugt ein Graviationsfeld K, welches ein Potential P(x) = -em/Ix - al mit grad P = -K besitzt; vgl. 6.18. Die positive Gravitationskonstante e hangt vom zugrunde1iegenden MaBsystem abo In der mathematischen "Potentialtheorie" wird eine absolute Konstante e = 1/4n gewiihlt. Fur endlich viele mit den Massen mj belegte Massenpunkte Xj E R. 3 ergibt sich das Potential durch Uberiagerung,
1" m· P(x)=-L,.--'-. 4n lx-x;! Ein mit Masse der (integrierbaren) Dichte p be1egter quadrierbarer Korper c R3 erzeugt dann aufgrund des geliiufigen Ubergangs von Riemannschen Summen zum Integral das Potential B
7.26 Potential einer Massenbelegung
(1)
P(x)
= -~
267
r~ dy
Newtonsches Potential.
4n}Blx-yl
Zunlichst dehnen wir den Begriff des Potentials auf eine beliebige Dimensionszahl n ~ 1 aus und beschreiben den Zusammenhang mit der Laplaceschen Differentialgleichung (vgl. Beispiel 2 in 3.7)
( D;=~) ax;
(2)
fUr u(x) = U(Xl, ... , xn). Eine Losung dieser Gleichung wird auch harmonische Funktion genannt. Wir bestimmen zunlichst aIle rotationssymmetrischen harmonischen Funktionen. Fur r = Ixl ist Djr = x;jr, und fUr u(x) = ¢(r) erhlilt man dann 2 ¢/Ix f ¢' ¢'x~ D· u = - - + - - -I r2 r r3 und (3)
Die Gleichung Au = 0 ist also gleichwertig mit (r n- 1¢')' = 0 oder ¢' = const.·r 1- n • Die allgemeine rotationssymmetrische Losung von Au = 0 lautet somit u(x) = ¢(Ixl) mit
¢(r)
(4)
fUr n =1= 2
= { A + Br 2- n A + Blogr
fUr n = 2 ,
wobei A und B beliebige reelle Konstanten sind. Wir betrachten eine spezielle Losung y(x) = y(lxl) mit y(r)
(5)
={
1
2-n
(2 - n)w n r
tr logr
fUr n =1= 2 fUr n = 2 ,
wobei Wn die Oberftliche der n-dimensionalen Einheitskugel ist. Die Losung y(x) wird Grundlosung der Differentialgleichung Au = 0 genannt; die Wahl der Konstante wird sich spliter als zweckmliBig erweisen. (In der Literatur wird hliufig zwischen y und y nicht unterschieden, wobei dann r je nach dem Zusammenhang eine reelle Variable oder die Norm von x bedeutet.) 1m Fall n = 3 ist f(r) = - 4~r. 1st nun B c R.n ein quadrierbarer Bereich und p E R(B), so wird die Funktion (6)
P(x) =
in
p(y)y(x - y) dy
Potential der Belegung p
genannt. Fur n = 3 geht (6) in (1) uber. Das Potential ist also, wenn man p(x) fUr x tI. B setzt, eine Faltung (6')
P=p·y.
=0
§ 7. lordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im Rn
268
Hier tritt allerdings gegenliber 7.22 die Schwierigkeit auf, daB es sich flir x E B urn ein uneigentliches Integral handelt. Die Konvergcnz des Integrals folgt aus Beispiel 5 von 7.21.
Satz. Die Menge B c JRn sei kompakt und quadrierbar, und p sei aber B integrierbar. Dann ist das zugehOrige Potential P stetig im JRn und beliebig oft stetig difJerenzierbar in JRn \ B, und es ist !::.. P = 0 in
IRn
\
B.
Kurz gesagt: Das Potential ist aberall stetig und aujJerhalb B harmonisch. Beweis. Zu ~ > 0 konstruieren wir eine Funktion a(x) E coo(JRn) mit den Eigenschaften a(x) = 1 flir Ixl < ~, a(x) = 0 flir Ix! > 2~ und 0 ::;; a(x) ::;; 1; vgl. 7.23 (f). Damit zerlegen wir das Potential P in zwei Faltungsprodukte P = p. y = p. ay + p. (1 -a)y =: PI + P2
•
Hierbei ist (1 - a)y E coo(JRn), also P2 E coo(JR) nach 7.22 (d). 1st Ip(x)1 ::;; M, so HiBt sich PI durch !PI (x) I ::;; M {
JB20 (X)
Iy(x - y)1 dy
= M (20 wnrn-IIV(r)1 dr = MI~2
Jo
abschiitzen (flir n = 2 steht rechts::;; MI~2110g~l). Nun sei e > 0 vorgegeben und ~ > 0 so gewiihlt, daB !PI I < e ist. Flir festes x ist IP(x + h) - P(x)1 ::;; !P2(X + h) - P2(x) I + !PI (x)1 + !PI (x + h)1 . Wegen der Stetigkeit von P2 gibt es ein '1 > 0 derart, daB die P2-Differenz auf der rechten Seite flir Ihl < '1 kleiner als e, also IP(x + h) - P(x)1 < 3e ist. Damit ist die Stetigkeit von P an der Stelle x nachgewiesen. Nun sei Xo f/. B und etwa dist (xo, B) = 2r > O. Flir aile x E Br(xo) und y E B ist Ix - yl :::: r, also der Integrand p(y)y(x - y) von (6) eine bezliglich des Parameters x beliebig oft stetig differenzierbare Funktion. Nach Corollar 7.14 ist P E COO(Br(xo», und die Differentiation unter dem Integralzeichen ergibt wegen !::..xy(x - y) = 0 die D Gleichung !::..P(x) = 0 in Br(xo).
7.27 Rotationssymmetrische Massenbelegungen. In diesem Abschnitt ist n ~ 3 und Beine Kugel oder Kugelschale RI ::;; Ixl ::;; R2 (0 ::;; RI < R2) und p(x) = p(lxl) eine rotationssymmetrische Belegung von B. Da auch y rotationssymmetrisch ist, ergibt sich aus 7.22 (c): (a) Das Potential einer rotationssymmetrischen Belegung ist rotationssymmetrisch. Der dortige Beweis gilt offen bar auch dann, wenn es sich urn ein uneigentliches Integral handelt. Wir schreiben im folgenden P(x) = P(lxl). Mit Hilfe von Satz 7.26 kann man das Potential der rotationssymmetrischen Belegung p(lxl) ganz ohne explizite Rechnung vollstiindig bestimmen. Zuniichst ergibt sich als Masse
7.27 Rotationssymmetrische Massen belegungen
269
Wir teilen den Raum in drei Bereiche (I)
Ixl
R2 und y E B, so ist r - R2 :::; daB y negativ, also mono ton wachsend ist)
1
Ix - yl :::; r + R2, also
(man beachte,
Nehmen wir fUr den Augenblick p ~ 0 an, so fUhrt die Multiplikation der obigen Ungleichung mit p(y) und an schlie Bender Integration iiber B auf
Fiir r --+ 00 ergibt sich zunachst Al = 0 und dann, wenn man durch y(r) dividiert und lim y(r ± R2)/y(r) = 1 beachtet, M = A2. Es ist also ' ..... 00
(III)
P(r)
= My(r)
fUr r ~ R2 .
Die Formel (III) gilt auch ohne die Voraussetzung p ~ 0, da man pals Differenz zweier nichtnegativer Funktionen darstellen kann. Der Bereich (II) laBt sich auf (I) und (III) zuriickfUhren. 1st RI < r < R2, so den ken wir uns B in zwei Kugelschalen BI : RI :::; Ixl :::; r und B2 : r :::; Ixl :::; R2 zerlegt. Das Potential im Punkt x ist also als Summe eines Innenraumpotentials (nach (I» und eines AuBenraumpotentials (nach (III» darstellbar. Dabei ist es wichtig, daB diese Formeln aus Stetigkeitsgriinden (Satz 7.26) auch noch auf dem Rand der entsprechenden Bereiche gelten. Man erhalt so (II)
P(r)
j
= 2 _1 n ,
R2
sp(s) ds
+ M(r)y(r)
,
§ 7. lordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im Rn
270
Potential einer homogen mit Masse belegten Kuge1schale (Rl = 1, R2 = 3, P = 1)
wobei M(r) ist.
= J;, wnsn-'p(s) ds
die im Teilbereich R, ~
Ixl
~
r befindliche Masse
Satz. Das Potential einer integrierbaren rotationssymmetrischen Belegung p(x) = der Kugel bzw. Kugelschale 0 ~ R, ~ Ixl ~ R2 wird durch die Formeln (1)-(111) angegeben. Sie enthalten zwei physikalisch wichtige Aussagen: (a) 1m Innenraum ist das Potential konstant; auf einen dort befindlichen Massenpunkt wird also keine Kraft ausgeubt. (b) 1m Aufienraum ist das Potential so, als ware die Gesamtmasse im Zentrum der Kugel( schale) vereinigt.
p(lxl)
Zur Illustration betrachten wir den Fall n
= 3,
p(x)
== 1. Es ergibt sich
1 2 2 -"2(R2 - R,) P(r)
=
1 2 2 1 3 3 -"2(R2 -r)-3r(r -R,) 1 3 3 - 3r (R2 - R,)
In den Anwendungen treten auch flachenhafte Belegungen auf. Dazu ein Beispiel. Die in der xy-Ebene ge1egene Kreisscheibe BR : x2 + l :;; R2 sei mit Masse x 2 + y2 be1egt. Wir betrachten das der stetigen Fllichendichte p(x, y) = p(r) mit r = Potential nur auf der positiven z-Achse,
V
P(O,O,z)
= -~ 4n
r
p(x,y)
JB RVX2+y2+z2
d(x,y)
=
_!
2
lR 0
rp(r) dr. Jr2+z2
FUr die Komponenten des Kraftfeldes K = - grad P erhlilt man, da P(x,y,z) P(-x, -y, -z) ist, Kx(O,O,z) = Ky(O,O,z) = 0 und (1)
Kz(O,O,z) =
1
-"2
lR 0
zrp(r) (r2 + z2)3/ 2 dr .
1m Spezialfall p(x, y) == Po ergibt sich (wegen z > 0) P(O,O,z) =
-~po
Vr2 + z21: = -~po [VR2 +
Z2 -
z]
7.27 Rotationssymmetrische Massenbelegungen
271
und (2)
Interessant ist das Verhalten des Kraftfeldes, wenn man sich auf der z-Achse dem Nullpunkt nahert. Als Grenzwert ergibt sich im Spezialfall - ~ Po und allgemein der Wert
Fiir den Beweis sei Ip(r) - p(O) < £ im Intervall 0 ::;; r ::;;
M gilt IMla
+ II \
MI;
= Ill.
(b) Fiir besehrankte Mengen M, N mit dist (M,N) > 0 ist 1M U NI;
=
1M I;
+ INI;
und
1M U
Nla = IMla + INla .
(e) Fiir I> > 0 sei M_, die Menge aller Punkte x E M, fUr die sogar B,(x) c M gilt. Man zeige: Fiir I> -> 0+ strebt IM_,I; gegen IMI;. 2. Innerer Inhalt von offenen Mengen. Der innere Inhalt laBt sieh fUr beliebige, nieht notwendig besehrankte Mengen auf die friihere Weise definieren, IMI; = sup {lSI : ScM}, wobei S naeh wie vor eine (endliehe) Intervallsumme ist; der innere Inhalt kann jetzt den Wert 00 annehmen. Man zeige naeheinander: (a) Additivitiit: Fiir zwei disjunkte offene Mengen G, H c JR" ist IGI; + IHI; = IGu HI;.
274
§ 7. 10rdanscher Inhalt und Riemannsches Integral im lR"
(b) a-Additivitiit: 1st G die Vereinigung von abziihlbar vielen paarweise disjunkten offenen Mengen Gk , so ist
Bei (a) verwende man 7.5 (a). Aus (b) folgt iibrigens, daB der innere 10rdan-Inhalt einer offenen Menge gleich dem Lebesgue-MaB ist. 3. Mengen vom Cantorschen Typ. Wir gehen yom kompakten Intervall 1 = [0,1] aus und nehmen aus diesem nacheinander offene Intervalle hera us. Zuniichst wird ein in der Mitte gelegenes offenes Teilintervall (= ,Mittelstiick') 111 herausgenommen, dann aus jedem der beiden Reste ein Mittelstiick hi bzw. 122 , darauf aus jedem der verbleibenden vier Reste ein Mittelstiick hl, ... ,h4, usw. Die Vereinigung Galler lij (i = 1,2, ... ; j = 1, ... ,2i- l ) ist offen, die kompakte Restmenge C = 1 \ G wird als Menge yom Cantorschen Typ bezeichnet. Wiihlt man speziell I/ijl = 3- i fUr j = 1, ... , 2i-l, so spricht man von .der" Cantorschen Menge (vgl. Abb.). Man zeige, daB die Mengen C nirgends dicht sind (eine Menge C heiBt nirgends dicht, wenn jedes Intervall ein zu C disjunktes Teilintervall enthiilt). Die bedeutende Rolle der nirgends dichten Mengen in der historischen Entwicklung wird in der Einleitung zu § 9 beschrieben. I •
I
o
2
3
Die Mengen lij fUr
(X
= ~.
Man berechne fUr 0 < (X ~ 1/3 den inneren und iiuBeren Inhalt der Mengen Go und Co. die man erhiilt, wenn man I/ijl = (Xi setzt. Das Resultat zeigt, daB nur G I/3 und C I/3 (die Cantorsche Menge) quadrierbar sind. Mit Hilfe dieser Mengen kann man nicht quadrierbare Gebiete in der Ebene angeben. Man betrachte etwa die Menge
Ko = G. x (0,1) u (0, 1) x (0,
!)
(ein Kamm mit unendlich vielen Ziihnen), liberJege sich, daB die Menge zusammenhiingend ist und berechne IKoli und IK.la .
. 4. Faltung in ~. Fiir eine Funktion F : lR --+ lR definieren wir F+(t) = F(t) fUr t > 0 und F+(t) = 0 fUr t ~ O. Demnach ist 1+ die Heaviside-Funktion und F+ = F· 1+. Wir betrachten die Faltung in der Menge C+ := {F+ : F E C(lR)}. Fiir f,g E C+ ist offenbar
und (f * g)(t) = 0 fUr t
it
(f
* g)(t)
~
O. Man zeige:
=
f(s)g(t - s) ds
fUr t > 0
(a) C+ ist eine .Faltungsalgebra", d.h. ein Vektorraum, in dem eine kommutative und assoziative Multiplikation * definiert ist, fUr die auch das Distributivgesetz gilt (es ist auch zu zeigen, daB f * g aus C+ ist!). (b) Man berechne die Faltungen (a, bE lR, n E N) und (c) Der Satz von Taylor 1.10.15 lautet fUr den Entwicklungspunkt a = 0 (und t > 0)
Aufgaben
275 f(t) = T"(t;O)
+ R"(t;O)
mit
1
R"(t;O) = "I t~ * f("+I) . n.
Man fUhre unter Benutzung von (b) einen Induktionsbeweis durch Anwendung der Formel g(t) = g(O) + 1+ * g' auf die Funktion f("+I). 5. Mittelwerte. Es sei f, = f * 1p', wobei 1p die Eigenschaft (M) von 7.23 hat und nur von r = Ixl abhangig ist. (a) Man zeige, daB fur die Funktionen f(x) = 1; Xi; XiXj der Mittelwert f, von der Form f,(x) = f(x) + c, ist und bestimme Ca. (b) Man zeige, daB fUr die Funktionen f(t) = sint; cost; e' eine Beziehung f,(t) = c,f(t) besteht, bestimme c, und beweise die Abschatzung 11 - c,1 :0; Aa2 . 6. Die Differentialgleichung von Poisson. Das Potential P einer Massenbelegung des Korpers B von der Dichte p gentigt in den inneren Punkten von B der nach dem franzosischen Mathematiker SIMEON DENIS POISSON (1781-1840) benannten Differentialgleich ung 6.P = p(x) fUr x E BO ,
wenn p etwa holderstetig in B ist. Man beweise dies fUr den in 7.27 betrachteten Fall der kugelsymmetrischen Belegung einer Kugelschale unter der Voraussetzung, daB Ii in [RJ. R2 ] stetig ist. Man benutze die Formel (3) von 7.26. Der Beweis im allgemeinen Fall ist schwieriger. 7. Anziehung zweier Kugeln. Man zeige: Zwei mit rotationssymmetrisch verteilter Masse belegte Kugeln ziehen sich mit derselben Kraft an, wie wenn die Massen jeweils im Kugelmittelpunkt vereinigt waren. 8. Approximation durch Coo-Funktionen. (a) Es sei I = [a, b] c JR" ein kompaktes Intervall. Man zeige, daB es eine Folge (4)d mit 4>k E Co(JR"), supp 4>k c r, 0 :0; 4>k :0; 1 und lim 4>dx) dx = III gibt. [Man kann Aufgabe 4 in § 1.10 verwenden.] (b) Man zeige: 1st f tiber A c JR" eigentlich oder uneigentlich integrierbar, so gibt es zu jedem I: > 0 eine Funktion 4> E Co(JR") mit supp 4> c AO, 14>(x)1 :0; If(x)1 und If - 4>1 dx < 1:.
h
L
L\w
Anleitung: Es gibt eine WUrfelsumme W c AO mit If I dx < 1:. FUr das Integral tiber W betrachtet man, wenn f z 0 ist, eine Zerlegung W = U Ii und die entsprechende Untersumme s = I mdld· Approximiert man CI, durch Funktionen 4>~ gemaB (a), so strebt fw Ii mi4>~ dx -> s fUr k -> 00. 9. Es sei (adO' eine streng monoton fallende Folge positiver Zahlen und Ki c JR" die Kugelschale a2i+1 :0; Ixl :0; a2i (i = 0,1,2, ...). Man untersuche, ob die Menge M = K o U K, U K2 U··· quadrierbar ist, und bestimme gegebenenfalls ihren Inhalt. 10. Es sei J = [a,b] ein n-dimensionales Intervall (a,b E JR", a < b). Wir bezeichnen mit fax ein Integral tiber das Intervall [a, x], x E J. 1m Raum CO(J) betrachten wir den Operator S, (Sf)(x) :=
l f(~) d~ x
fUr x E J,
f
E CO(J) ;
vgl. Beispiel 3 in 2.8 fUr n = 1. Man zeige: S ist ein linearer Operator in CO(J) mit der Norm IISII = IJI in bezug auf die Maximumnorm Ilflloo. Legt man jedoch die bewichtete Maximumnorm
Ilfll, = max {If(x)le-'s(x) : x zugrunde, so ergibt sich IISII, < -!no
E
J}
mit
s(x)
=
XI
+ ... + x", a > 0 ,
§ 7. Jordanscher Inhalt und Riemannsches Integral im JRn
276
11. Man berechne die folgenden Integrale: (a)
JBx2yd(x,y),
B = [-1,1] x [0,1] ;
B = Inneres der Ellipse 4x 2 + y2 = 4 ;
(b) JB y2 d (x, y) , (c) JB xy d (x, y) , y=x+2.
B
=
Bereich zwischen der Parabe1 y
= x2
und der Geraden
12. Man berechne den Inhalt der folgenden Teilmengen des JR4: Ml
= {(t, x, y, z) : t - x 2 -
M2 = {(t,x,y,z) :
t2
_x2
y2 -
Z2
~ 0, 0 ~ t ~ I} ,
-2y2 _Z2
~ 0, 0 ~ t ~ a}.
13. Es sei Q(x) = x TAx eine positiv definite quadratische Form (x E JRn, A symmetrische n x n-Matrix). Man berechne das uneigentliche Integral JIR.n e-Q(x) dx in Abh1lngigkeit von den Eigenwerten AI, ... ,An von A.
14. (a) Zwei gerade Kreiszylinder vom gleichen Radius R liegen so, daB ihre Achsen sich rechtwinklig schneiden. Man bestimme das Volumen der innerhalb beider Zylinder liegenden Menge. (b) Man lose die entsprechende Aufgabe fUr n > 3: Gesucht ist der Inhalt der durch die Ungleichungen xi + xj + ... + x~ ~ R2, x~ + xj + ... + x~ ~ R2 bestimmten Menge M im JRn. 15. Flir we1che Werte von IX, f3 E JR ist das uneigentliche, liber den ersten Quadranten P = (0,00)2 erstreckte Integral
1-
r
- }p
d(x,y) x·yP(1 + x + y)
konvergent? Man drlicke den Wert des Integrals mit der Gammafunktion aus. Anleitung: Man berechne zunachst das Integral foGO x-Yea + x)-~ dx. 16. Es sei 1= [a,b], 1>,lp E CI(I), 1> ~ lp in lund BO = {(x,y) : x E I, 1>(x) ~ y ~ lp(x)}. Man zeige: Sind fund fx in BO stetig, so ist das Integral
F(x) =
F'(x)
=
l
l
'P(X)
f(x,y) dy aus CI(I) und
q,(x)
'P(X)
fx(x,y) dy
+ f(x,lp(x))lp'(x) -
f(x,1>(x))1>'(x).
q,(x)
17. Uneigentliche Integrale ad libitum. Zu A c JRn bilden wir (falls moglich) ein System S von quadrierbaren Teilmengen von A mit den Eigenschaften (i) es gibt eine erschopfende Folge (Cd aus S; (ii) zu C l , C2 E S gibt es C E S mit C :::J C l U C2• Die Definition C l < C2 C l c C2 macht S zu einer gerichteten Menge. Die Funktion f : A --+ JR heiBe liber A bezliglich S uneigentlich integrierbar, f E Rs(A), falls f E R(C) fUr alle C E S und das Integral als Limes (in S) der Integrale Je f(x) dx existiert. Offenbar ist Rs(A) ein Funktionenraum, und fUr quadrierbares A ist R(A) c Rs(A). 1st z.B. A = JRn und S = {[a,b] : a < b} mit a,b E JRn, so erh1llt man fUr n = 1 genau das in 1.12.1 eingefUhrte uneigentliche Integral. Flir n = 2 wurde dieses Integral, bei dem Konvergenz ohne absolute Konvergenz auftreten kann, von Hardy (1903) untersucht.
§ 8. Die Integralsitze von Gau8, Green und Stokes
Die Integralsatze der Vektoranalysis stellen ein klassisches Beispiel eines von der Physik inspirierten neuen Gebiets dar. Gegen Ende des 18. lahrhunderts war eine verwirrende Hille elektrischer und magnetischer Phanomene bekannt. Ihre mathematische Beschreibung beginnt mit den beiden von CHARLES AUGUSTIN DE COUWMB (1736-1806, franzosischer Physiker) gefundenen Coulombschen Gesetzen fUr die Anziehung bzw. AbstoBung elektrischer Ladungen (1785) und magnetischer Pole (1786). Diese Naturgesetze haben dieselbe Gestalt wie das Newtonsche Gravitationsgesetz: die Kraft ist proportional zur Starke der beteiligten Ladungen bzw. Pole, und sie nimmt wie 1/r2 abo Hieraus entwickelt sich mit innerer Notwendigkeit eine Potentialtheorie der elektrischen und magnetischen Erscheinungen. Sie beginnt (nach Vorarbeiten von Poisson) mit GEORGE GREEN, einer erstaunlichen Gestalt, geboren 1793 in Nottingham (England) als Sohn eines Backers, der spater Mi.iller wurde. Green ging nur kurze Zeit zur Schule, arbeitete im Geschaft seines Vaters und erwarb seine Kenntnisse im Selbststudium. Seine wichtigste Arbeit An Essay on the Application of Mathematical Analysis to the Theories of Electricity and Magnetism erschien 1828 als Privatdruck, unterstiitzt von 52 Subskribenden. Sie fUhrt den Begriff der Potentialfunktion und die spater so genannte Greensche Funktion ein und enthalt die Greenschen Formeln. Als Green 1841 starb, war sein Werk in England kaum und auf dem Kontinent gar nicht bekannt. 1840 erscheint die fUr die Potentialtheorie grundlegende Arbeit Allgemeine Lehrsiitze in Beziehung auf die im verkehrten Verhiiltnisse des Quadrats der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Abstoftungskriifte von c.P. GAUSS. Hier und auch bei anderen Forschern finden sich viele der von Green gefundenen Resultate wieder. Dies veranlaBte WILLIAM THOMSON (Lord KELVIN), Greens Essay im Journal for die Reine und Angewandte Mathematik nachzudrucken (1850-54). Die wesentlichen Ergebnisse von Green und GauB gehoren in das Gebiet der partiellen Differentialgleichungen und konnen hier nicht geschildert werden. Der Divergenzsatz 8.6 und seine unmittelbaren Folgerungen bilden ein wesentliches Hilfsmittel dieser Theorie. In der Literatur wird er nach GAUSS, GREEN oder OSTROGRADSKY (Mem. Acad. Sci. St. Petersb. (6) 1 (1831), 39-53) benannt. Hier spiegelt sich wieder, daB die zugrundeliegende Beweisidee der Integration einer Ableitung nach der entsprechenden Variablen nicht tief liegt; die eigentliche Schwierigkeit besteht darin, das notwendige Instrumentarium fUr eine solide Formulierung und einen strengen Beweis bereitzustellen. W. Walter, Analysis 2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002
278
§ 8. Die Integralsatze von GauB, Green und Stokes
Der Satz von Stokes verwandelt ein Fllichenintegral in ein Wegintegral iiber die Berandung der Flliche. GEORGE GABRIEL STOKES wurde 1819 in eine angloirische Familie geboren. Der 30jlihrige wurde 1849 Lucasian Professor in Cambridge und blieb auf diesem beriihmten Lehrstuhl, der einmal von Newton besetzt war, bis er 1903 als 84jlihriger starb. Stokes bearbeitete fast alle Gebiete der Physik. Am bedeutendsten sind seine Entdeckungen und Theorien in der Hydrodynamik. Hier war es auch, wo er seinen Integralsatz fand, mit dem er ganz konkrete physikalische Vorstellungen verband. Stokes machte den Satz zunlichst als Problem fUr den Smith-Preis in Cambridge 1854 bekannt. Mit dem Stokesschen Satz ist der Begriff der Rotation eines Vektorfeldes aufs engste verbunden (in der physikalischen Literatur wird gelegentlich die Rotation iiber das entsprechende Wegintegral definiert). Damit waren die Werkzeuge zur Behandlung der Stromung von Fliissigkeiten und Gasen und ebenso zur Beschreibung der Wechselwirkung zwischen verlinderlichen elektrischen und magnetischen Feldern bereitgestellt. JAMES CLERK MAXWELL (1831-1879, britischer Physiker) formulierte urn 1860 die Maxwellschen Gleichungen und entwickelte auf dieser Grundlage eine Theorie des elektromagnetischen Feldes. Ihre gllinzende Rechtfertigung fand diese Theorie in der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen, die HEINRICH HERTZ (1857-1894, deutscher Physiker) im Jahre 1887 an der Technischen Hochschule Karlsruhe gelang. Wir behandeln hier die Integralslitze in der Ebene und im dreidimensionalen Raum. Dazu miissen zunlichst der Fllichenbegriff sowie der Fllicheninhalt und das Oberfllichenintegral entwickelt werden. Es schlieBt sich eine kurzgefaBte Theorie des m-dimensionalen Inhalts im n-dimensionalen Raum an. Eine allgemeine Theorie der Differentialformen im R.n wird nicht entwickelt. 8.1 Gau8scher Integralsatz in der Ebene. Eine in der xy-Ebene gelegene Menge B heiBt Normalbereich in y-Richtung, wenn es zwei in einem Intervall [a, b] stetige Funktionen oc, p mit oc < P in (a, b) gibt, so daB B={(x,y) :a~x~b, oc(x)~y~P(x)}
ist. Nach Corollar 7.12 ist B quadrierbar, und nach Satz 7.15 gilt fUr eine Funktion
f
E C(B)
1
(1)
f(x,y)d(x,y)
B
=l
a
blP(X)
f(x,y)dydx
!X(X)
(genau genommen wird der Satz auf ein Intervall I = [a, b] x [c, d] :;) B und die Funktion f B angewendet). Nun parametrisieren wir die geschlossene Randkurve vB durch vier Jordanwege ((u, v} die (XI,X2,X3),
§ 8. Die Integralsatze von GauB, Green und Stokes
284
Parameterdarstellung einer Kurve auf F; sie wird auch Koordinatenlinie (u-Linie) genannt. Ihr Tangentialvektor ist 4>u. Entsprechend ist 4>v Tangentialvektor an die v-Linien u = const. Die Rangbedingung in der Definition bedeutet, daB in jedem Flachenpunkt Xo = 4>(wo), Wo = (uo, vo) E G, die Vektoren 4>u und 4>v linear unabhangig sind. Sie spannen die
(1)
Tangentialebene
x
= Xo + A4>u(wo) + Jl4>v(wo)
(A,Jl E 1R)
im Punkt Xo auf. Jeder auf dieser Ebene senkrecht stehende, nicht verschwindende Vektor heiBt Normalenvektor oder Normale an F im Punkt Xo. Hat er die Lange 1, so wird er normiert oder Normaleneinheitsvektor genannt. Insbesondere ist nach 8.2 (b) 4>u(wo) x 4>v(wo) eine Normale, aus der sich ein (2)
Normaleneinheitsvektor
v
4>u x 4>v x 4>vl (wo)
= l4>u
im Punkt Xo 4>(wo) gewinnen liiBt. Jeder Punkt auf F besitzt genau zwei normierte Normalen v und -v. Mit den Abkiirzungen
und der Formel 8.2 (c) erhalt man fUr die Lange von 4>u x 4>v (3)
Die 2 x 2-Matrix (gij) wird auch MajJtensor genannt.
Beispiel. Die Kugeloberfliiche. Durch die Abbildung (r > 0 fest, (u, v) = (4),0)) (x, y, z) = 4>(4),fJ) = (r cos 4> sin e, r sin 4> sin e, r cos e) wird die Menge G : 0 < 4> < 2n, 0 < e < n, injektiv auf die Kugel x 2+y2+z2 = r2 ohne den yom Nordpol (0,0, r) iiber den Punkt (r, 0, 0) zum Siidpol (0,0, -r) fUhrenden Halbkreis K abgebildet (die Kurve K ergibt sich fUr 4> = 0 oder = 2n und 0 S e s n). Die dargestellte offene Flache Fist also die entlang K aufgeschnittene Kugel, wahrend man als abgeschlossene Flache 4>(G) die ganze Kugeloberflache erhalt. Fiir die beiden Tangentialvektoren erhaIt man 4>", = (-r sin 4> sin e, r cos 4> sin e, 0) ,
4>0 = (r cos 4> cos e, r sin 4> cos e, -r sin e)
, 4>", x 4>0 = -r2(cos 4> sin 2 e, sin 4> sin 2 e, sin ecos e) = -r sin e.4>. Die Normale ist, wie zu erwarten war, gleich A4>. Wegen 14>1 = r ist 14>", x 4>01 = r2 sin e. Explizite Darstellung einer Flache. Punkte im Raum werden im folgenden mit
(x,y,z) bezeichnet. Hat 4> die spezielle Gestalt (x,y,z) = 4>(u,v) = (u,v,f(u,v)), so liegt eine explizite Darstellung von F vor: z = f(x,y)
mit (x,y) E G ,
285
8.3 FHichen im lR3
und es ist F = graph f. In diesem Fall wird die Tangentialebene im Punkt (x,y,f(x,y)) E F von den beiden Tangentialvektoren (l,O,fx) und (0, l,fy) aufgespannt, und die Gleichung (2) lautet
(4) (a) Eine explizite Darstellung einer Flache F (eventuell mit permutierten x, y, z) kann im Kleinen stets hergestellt werden. Zum Beweis sei 0 vorgegeben wird, C so, daB IG \ Cf < B ist. Wegen G' c (G \ C) U (C n G') ist dann IG'la < B. Damit haben wir sowohl die Gleichung IG'I = 0 als auch die Quadrierbarkeit von Go bewiesen. Wieder hat auch Ho diese Eigenschaften. (iv) Abschlufi des Beweises. Flir die beiden Darstellungen cPl Go und IJ'IHo der offenen Flache Fo haben die entsprechenden Integrale in (2) liber Go und Ho nach Teil (i) denselben Wert. Da sich diese Mengen nur urn Nullmengen von G bzw. H unterscheiden, ist die Gleichung (2) bewiesen. Es ist librigens leicht zu 0 zeigen, daB Go = G und H 0 = H gilt. Beispiele. 1. Kugelzone. Es sei Fop die durch X 2 +y2+Z2 = r2, IJ( :;:; z :;:; {3 mit -r :;:; IJ( < {3 :;:; r, definierte Kugelzone. Diese Menge hat eine Parameterdarstellung in Kugelkoordinaten, wobei der Parameter bereich durch
G : 0:;:; 4>:;:; 211: ,
00
:;:;
0 :;:; OJ
mit r cos eo
definiert ist. 1m Beispiel von 8.3 wurde IcJl x cJlel erh1lit also
= r2
=
{3, r cos OJ
=
IJ(
sin 0 bereits ausgerechnet. Man
8.5 Oberfiachenintegrale
J(F'f!) =
289
il 2n
o
01
r2 sin 8 d8 d1> = 2nr2(cos 80
-
cos 8d = 2nhr ,
00
wobei h = P- I"J. die Hohe der Kugelzone ist. Die Kuge1zone hat also diese1be Flache wie ein Kreiszylinder vom Radius r und der Hohe h (das war bereits Archimedes bekannt). Fiir I"J. = -r, p = r, ergibt sich die volle Kugeloberfiache. Ihr Inhalt ist 4nr2. 2. Schraubenfiiiche. Ein zur Zeit t = 0 auf der x-Achse liegender Stab rotiere mit der Winkelgeschwindigkeit 1 urn die z-Achse und bewege sich gleichzeitig mit der Geschwindigkeit a nach oben. Die dabei iiberstrichene ,Schraubenfiache' besitzt die Parameterdarstellung ( ... ,2b; + /1b;', ... ) = 24>(... , b;, ... ) + /14>(... , b;', ... ) , und dassel be gilt flir
1p.
(iii) Es sei el, ... , en die Standardbasis im JRn. 1st q E P und Eq = (eqp ... , eqm ), so ist AT Eq = (Aq) T und det (Eq)p = 1 flir P = q und = 0 sonst, also 4>(Eq) = det Aq = 1p(Eq). (iv) Aus der Darstellung b l = I.~ bi! ei und (ii) folgt 4>(B) = I.~ bi!4>(e;, bz, ... , bm). Setzt man diese Zedegung mit bz, ... fort, so erhiilt man
sehlieBlieh die Formel
wobei iiber aIle m- Tupel r = (rl' rz, ... , r m) mit 1 entspreehende Gleiehung gilt flir 1p.
~
ri ~ n summiert wird. Eine
297
8.9 Der Inhalt von m-dimensionalen FUi.chen im JR.n
°
Bezeichnen wir fUr den Augenblick die Matrix (e rl , ••• , erm ) mit E'. Wenn es zwei Indizes i =1= j mit ri = rj gibt, so ist cfJ(E') = 1p(E') = nach (i). Anderenfalls kann E' durch Spaltenvertauschungen in die Form Eq mit q E P gebracht werden. Aus (i) und (iii) folgt also cfJ(E') = 1p(E') und damit cfJ(B) = 1p(B). 0 Filr uns ist der Fall A = B von Interesse. Die Matrix BT B bezeichnet man als die von den Vektoren bI , ... , bm erzeugte Gramsche Matrix und ihre Determinante als die Gramsche Determinante dieser Vektoren. Diese mit gr B bezeichnete Determinante hat nach dem Satz die Darstellungen (2)
gr B := detBTB = det (b i ' bj ) =
L. (detBp)2 .
pEP
(a) Filr eine orthogonale n x n-Matrix S ist gr B = gr (SB). Wegen SB = (Sb I , ... , Sb m ) kann man das auch so ausdrilcken: Die Gramsche Determinante ist invariant gegenilber einer orthogonalen Transformation der Vektoren bI , ... , bm• (b) Genau dann ist gr B =1= 0, wenn die Vektoren b), ... , bm linear unabhangig sind. (c) Filr eine m x m-Matrix C ist gr (BC) = (det C)2 gr B . 1st det C =1= 0, so spannen die Spaltenvektoren von B dense1ben Unterraum wie die Spaltenvektoren von BC auf. Hier folgt (a) aus (SB)TSB = BTSTSB = BT B, wahrend (b) sich aus der Darstellung (2) und der Tatsache ergibt, daB die bi genau dann linear unabhangig sind, wenn eine quadratische Matrix Bp mit det Bp =1= existiert. Aus (BC) T BC = C T BT BC = C T (B T B)C und dem Determinantenmultiplikationssatz ergibt sich die erste Behauptung von (c). Da die i-te Spalte d i von D = BC gleich ClibI + ... + Cmibm ist und wegen B = DC- I auch die bi durch die dj darstellbar sind, gilt die zweite Behauptung von (c). Filr m = 1 ist gr B = Ib I I2. 1m Fall m = 2, n = 3 besteht P aus den Paaren (1,2), (1,3) und (2,3). Ein Vergieich mit der Definition des Vektorprodukts zeigt, daB gr B = Ib I X b2 12 ist. Die Formein 8.2 (c) und (e) erweisen sich nun ais SonderfaUe von (2) und (b).
°
8.9 Der Inhalt von m-dimensionalen Fliichen im lRn. Eine m-dimensionale Flache F im IRn (m < n) ist im wesentlichen wie in 8.3 definiert. Sie ist analytisch gegeben als Bildmenge F = /fl(G) einer Parameterdarstellung /fl : G -+ IRn, wobei G c IRm offen und quadrierbar, /fl in G injektiv, stetig differenzierbar und lipschitzstetig mit u = (UI, ... ,Um) E G Rang /fl'(u) = m fUr ist und die beiden Mengen /fl(G) und /fl(oG) disjunkt sind. Hieraus foIgt, daB in jedem Punkt von F die Tangentialvektoren /flu; der ui-Linien (i = 1, ... , m) linear unabhangig sind; sie spannen den m-dimensionalen Tangentialraum auf. Filr ihre Innenprodukte fUhrt man die Abkilrzungen (i,k=l, ... ,m)
§ 8. Die Integralsatze von GauB, Green und Stokes
298
ein. Dann ist nach Formel (2) von 8.8 g
= det (gid = gr tI/
.
Wir werden die so definierte Flache gelegentlich auch als offene Flache bezeichnen und von einer abgeschlossenen Flache F = q,(G) mit den Untermengen q,(G) (Inneres) und q,(oG) (Rand von F) sprechen.
Definition. Unter dem m-dimensionalen Inhalt der Flache F im die GroBe J;:'(F) :=
1
Jg du
mit
]Rn
verstehen wir
g = gr q,' .
Die folgenden Bemerkungen dienen der Erlauterung und Rechtfertigung dieser Definition. (i) Flir m = 1, n :2: 2 und G = [a, b] steHt F = q,(G) eine glatte Jordankurve dar. Nach Definition 5.14 und wegen g = WI 2 ist J~(F) die Lange der Kurve F. (ii) Flir m = 2, n = 3 ergibt sich der in 8.4 behandelte Flacheninhalt, da g = gr q,' = Iq,Ul X q, u21 2 ist; vgl. die SchluBbemerkung zur vorangehenden Nummer. (iii) Der Inhalt J::' ist invariant gegenliber Bewegungen im ]Rn. Denn wird durch x ~ T(x) = a+Sx (S orthogonale n x n-Matrix) eine Bewegung dargestellt, so ist P(u) = a + Sq,(u) eine Parameterdarstellung des Bildes T(F), und aus pi = Sq,' folgt gr pi = gr q,' nach 8.8 (a). (iv) Der m-dimensionale Inhalt ist unabhangig von der ParameterdarsteHung. Flir diese wichtige Eigenschaft liiBt sich der Beweis von Satz 8.4 iibertragen. Zunachst sei P : H -+ F eine zweite ParameterdarsteHung mit den oben von q, geforderten Eigenschaften. Dann gibt es eine injektive CI-Abbildung h : H -+ G = h(H) derart, daB P = q, 0 h ist (Beweis wie in 8.3). Aus '1" = q,'(h)h' folgt mit 8.8 (c) die Gleichung gr '1" = (det h')2 gr q,' (h). Die Unabhiingigkeit ergibt sich nun, indem man die Substitutionsregel 7.18 auf die Substitution u = h(v) (v E ]Rm) anwendet, J;:'(F) =
1
Jgr q,1 du =
1
Jgr q,1(h(v)) Ideth'l dv =
1
Jgr pi dv.
DaB auch fUr abgeschlossene Flachen F = q,(G) diese Formel besteht, bedarf zusatzlicher Uberlegungen, wie sie im Beweis von Satz 8.4 durchgefUhrt wurden. (v) Die Flache F sei in dem von el, ... , em aufgespannten m-dimensionalen Unterraum gelegen. Es ist dann q,i = 0 fUr i > m und, wenn q,* die Funktion q,* = (q,I, ... , q,m) bezeichnet, gr q,' = (det q,*')2. Ein Blick auf den Zusatz 7.18 zeigt nun, daB J::'(F) gleich dem m-dimensionalen Inhalt der Menge F* = q,*(G) c]Rm ist, die mit F durch die Gleichung F = F* x {O} (0 E ]Rn-m) verbunden ist. (vi) Ais elementaren Spezialfall betrachten wir das von m linear unabhangigen Vektoren bl , ... , bm aufgespannte ParaHelotop P,
299
8.10 Der Fall m = n - 1
Setzt man B = (b[, ... ,bm) und u = (U[, ... ,Um)T, so ist die in der Definition auftretende Summe gleich Bu. Deshalb hat P(b[, ...) die Parameterdarstellung 0.
8.11 Die Rotation eines Vektorfeldes. AIle folgenden Betrachtungen spielen sich
im 1R3 abo Die mathematische Physik benutzt neben der Divergenz eine weitere Vektoroperation, die Rotation. 1st I = (jl,h,h) eine in einem Gebiet des 1R3 definierte C 1_Vektorfunktion, so wird die Vektorfunktion Rotation von
I
genannt. Mit dem Nabla-Operator V = (Dl,D2,D 3 ) kann man kurz schreiben rot I
= V x I.
I = (-wy, wx, cj>(z)) beschreibt das Geschwindigkeitsfeld einer Drehung urn die z-Achse mit der Winkelgeschwindigkeit w, der eine Bewegung in z-Richtung von der Geschwindigkeit cj>(z) iiberlagert ist. Hier ist rot 1= (0,0, 2w) ein Vektor in der Drehachse, der mit dem Drehsinn eine Rechtsschraube bildet. Das Ergebnis ist von cj> unabhangig.
Beispiel. Wir benutzen die xyz-Schreibweise. Die Funktion
I, g und eine reellwertige Funktion u gilt unter entsprechenden Differenzierbarkeitsbedingungen
Rechenregeln. Fiir die Vektorfunktionen
(a) (b) (c)
rot (AI + f.1g) = A rot I + f.1 rot g, rot (uf) = u rot I + (grad u) x I, rot grad u = 0,
(d) div rot I = 0, Die Beweise hierzu sind nicht schwierig. Nach (c) ist die Rotation eines Gradientenfeldes I = grad u immer gleich Null. Umgekehrt zeigt ein Vergleich mit 6.17, daB die Gleichung rot I = identisch mit der Integrabilitatsbedingung ist. Aus Satz 6.17 folgt also (e) In einem Sterngebiet ist eine C1-Vektorfunktion genau dann ein Gradientenfeld, wenn ihre Rotation verschwindet.
°
8.12 Der Satz von Stokes. Der klassische Stokessche Satz - nur dieser wird hier behandelt - verwandelt ein Integral iiber eine Flache F im 1R3 in ein Weginte-
gral iiber den FIachenrand. Zur Formulierung miissen die Anforderungen an die Parameterdarstellung verscharft werden, da auch auf dem Rand Differenzierbarkeit benotigt wird. In der uv-Ebene betrachten wir ein Gebiet G, das von einer stiickweise glatten geschlossenen lordankurve y = vG berandet wird (G hat also keine Locher). Es sei w(s) = (u(s), v(s)), ~ s ~ L = L(y) eine Parameterdarstellung von y mit der Bogenlange als Parameter, welche eine positive Orientierung von y erzeugt; vgl. 5.17. Die Funktion (/> sei in einer offenen Menge U :::> G injektiv und (/> E C 2 (U) mit Rang (/>' = 2 in U. Wir betrachten die (abgeschlossene)
°
§ 8. Die Integraisiitze von GauB, Green und Stokes
302
Flache F = cP(G). Der Rand von Fist dann eine geschlossene, stiickweise glatte lordankurve emit der Parameterdarstellung x = ¢(s) := cP(w(s)), 0 ::; s ::; L.
Stokesscher Satz. Uber die Fliiche F mit der Parameterdarstellung cPlG mogen die obigen Voraussetzungen gelten. Die Vektorfunktion f = (It,/2,h) sei auf einem Gebiet V, das die Fliiche F enthiilt, stetig difJerenzierbar. Bezeichnet v wie in 8.3 die Normale v = (cPu x cPv)/lcPu x cPvl, so lautet der Stokessche Satz
1 1
v . rotf do =
(S)
also
((rot f)
0
1 1It f· dx ==
dXI
cP) . (cPu x cPv) d(u, v) =
+ /2 dX2 + h
lL
dX3 ,
f(¢(s)) . ¢'(s) ds .
Dabei ist der Rand von G positiv orientiert, und diese Orientierung wird durch cP auf den Rand von F iibertragen. Der Beweis wird gefUhrt durch ZuriickfUhrung auf den GauBschen Integralsatz fUr das Gebiet Gin der uv-Ebene. Zur Abkiirzung werden die Bezeichnungen fij = ofjoxj. cP = (XI (u, v), X2(U, v), X3(U, v)), Xiu = oxjou, Xiv = ox;jov eingefUhrt. Betrachten wir etwa das letzte Wegintegral in (S),
1
h dX3 =
lL
h(¢(S))(X3uU' + X3v V') ds.
Die normierte Tangente an y ist durch (u', v'), die auBere Normale beziiglich G durch Va = (v', -u') gegeben (y ist positiv orientiert). Wegen X3uU' + X3vV' = (X3v, -X3u)'Va laBt sich das Wegintegral als Kurvenintegral fUr die Kurve y und den Integranden (h 0 cP)(X3v, -X3u) . Va schreiben, und man erhalt mit dem GauBschen Integralsatz 8.1
1
h dX3 =
1
h(cP)(X3v, -X3u) . Va ds =
1
div (f3 X3v, -h X3u) d(u, v).
Hier handelt es sich urn die Divergenz beziiglich (u, v). Aus ohlou = hlXlu + f32X2u + h3X3u und einer entsprechenden Gleichung fUr ohlov erhalt man wegen X3uv = X3vu
Wenden wir uns nun der linken Seite von (S) zu. Der Integrand rot f· (cPu x cP v) besteht aus drei Termen, von denen wir den ersten vollstandig aufschreiben und die beiden anderen nur durch die Indizes angeben (sie sind jeweils urn 1 (mod3) erhoht) :
Wir sammeln die Glieder, welche
13
31
3
I
I
3
21
12
I
2
2
1
h betreffen, und erhalten
8.12 Der Satz von Stokes
303
Genau denselben Ausdruck haben wir oben in (*) bei der Umwandlung von dX3 erhalten. Die entsprechende Ubereinstimmung zwischen der linken und rechten Seite von (S) ergibt sich auch bei den Komponenten it und h. Damit ist D der Satz bewiesen.
"'Jh
Bemerkungen. Die folgenden Bemerkungen dienen dazu, die Rolle der Parameterdarstellung bei der Formulierung des Satzes und den Zusammenhang zwischen der ausgewahlten Normale v und der Orientierung des Randes von F zu kIaren.
1. Wir wollen uns zunachst davon iiberzeugen, daB der Satz von der Parameterdarstellung unabhangig ist. Eine zweite Parameterdarstellung '1' ist nach Satz 8.3 von der Form '1' = (/J 0 h, wobei heine offene Menge V c JR2 diffeomorph auf V abbildet. Setzen wir g = h- 1 und H = g(G), so ist F = '1' (H) und oH = g(oG) =: () eine geschlossene 10rdankurve mit der Parameterdarstellung z(s) = g(w(s)). Zunachst sei det h' > 0, also auch det g' > 0. Nach 8.2 (e) erhalt man mit '1' dieselbe Flachennormale v auf F, also denselben Wert fUr das Flachenintegral. Wir zeigen nun, daB die Kurve () durch z ebenfalls positiv orientiert wird. Es sei a ein Kurvenpunkt von y mit der Tangente a, der positiven Normale fJ = a-L und dem Bildpunkt b = g(a) E (). Nach Voraussetzung gehoren die Punkte a+sfJ fUr kleine positive s zu G. Also ist g(a+sfJ) ~ b+sg'(a)fJ E H. Es sei A = g'(a) und a' = Aa, fJ' = AfJ. Nach 8.2 (g) sind a', fJ' ebenfalls positiv orientiert. Da a' die Tangente an () im Punkt b ist und fJ' ins Innere von H zeigt, weist auch die positive Normale im Punkt b nach innen. Der Weg z ist also beziiglich H positiv orientiert, und fUr das Wegintegral ergibt sich wegen '1' 0 z = (/J 0 hog 0 w = ¢ derselbe Wert. 1st dagegen det h' < 0, so wechselt das Flachenintegral das Vorzeichen, da man als Flachennormale jetzt -v erhalt. Ein Vorzeichenwechsel tritt auch beim Wegintegral ein, da der Weg z negativ orientiert ist und man deshalb zu z- iibergehen muB. 2. Nach 6.13 (f) kann man das Wegintegral in ein Kurvenintegral CJ IT ds umformen, wobei IT die Tangentialkomponente von list. Hier geht also die durch die positive Orientierung von y erzeugte Orientierung der Kurve C iiber ihre Tangente r = ¢'(s)/I¢'(S)I in die Formel ein. 3. Der Satz bleibt richtig, wenn die Flache ,Locher' hat. In diesem Fall besteht der Rand von G aus einer auBeren und einer oder mehreren inneren geschlossenen lordankurven, die so orientiert sein miissen, daB das Gebiet G zur Linken liegt. Der Beweis erfahrt keine wesentliche Anderung. 4. 1m Flachenintegral hat man in der Normale v und im Weg- bzw. Kurvenintegral bei der Orientierung von C zwei Wahlmoglichkeiten, die sich im Vorzeichen des Integrals auswirken; vgl. dazu 6.13 (d)(e). Die ,richtige' Kombination erhalten wir hier, indem wir v und ¢ aus derselben Parameterdarstellung (/J berechnen und die positive Orientierung von y verlangen. Ganz unabhangig von einer Parameterdarstellung laBt sie sich auch anhand der Flache anschaulich beschreiben. Durch die Wahl von v wird eine Seite der Flache ausgezeichnet. Wandert man auf dieser Seite der Flache entlang des Randes in Richtung der Orientierung, so liegt die Flache zur Linken. Dies ist die Bedingung fUr die richtige Orientierung. 1m folgenden wird eine prazisere Darstellung dieser Bemerkung gegeben.
304
§ 8. Die Integralsatze von GauB, Green und Stokes
5. Orientierbare Flachen. Man nennt eine Flache F orientierbar, wenn es moglich ist, auf ihr eine (in bezug auf den Flachenpunkt) stetige, auf die Lange 1 normierte Normalenfunktion v : F -+ 1R3 zu definieren. Durch die Normalenfunktion v wird, anschaulich gesprochen, eine Seite der Flache ausgezeichnet und die Flache orientiert. Man kann dann, iihnlich wie bei Hyperebenen (vgl. 1.21) von einer positiven und einer negativen Seite der Flache sprechen. Ein Beispiel einer nicht orientierbaren Fliiche ist das bekannte Mobius-Band, das man erhalt, wenn man einen Papierstreifen zu einem Ring zusammenklebt, nachdem man zuvor ein Ende urn 1800 gedreht hat. Das Mobius-Band ist eine abgeschlossene Flache im Sinne unserer Definition in 8.3; vgl. Aufgabe 5. Unter den am Arifang dieser Nr. gemachten scharferen Voraussetzungen ist die Flache F orientierbar. Es gibt eine auf F stetige Einheitsnormalenfunktion v. und jede andere stetige Einheitsnormale ist entweder gleich v oder gleich -v. Zum Beweis betrachten wir die Normalenfunktion v(w) = (cPu x cPv)/lcP u x cPvl von Gleichung (2) in 8.3. Sie ist in G stetig. Da cP- 1 : F -+ G nach Satz 2.12 stetig ist, wird durch x 1--+ v(x) = v(cP-1(x)) eine auf F stetige Normalenfunktion definiert. 1st Jl eine weitere solche Funktion, so ist Jl(x) = ±v(x), also p(x) = IJl(x) - v(x)1 = 0 oder = 2. Wir wahlen einen festen Punkt ~ E F. Da G zusammenhangend ist, kann man einen beliebigen Punkt x E F mit ~ durch eine in F verlaufende Kurve IX(t) verbinden. Die Funktion p(IX(t)) ist stetig; da sie nur die Werte 0 oder 2 annehmen kann, ist sie konstant. Hieraus folgt p(x) = const. = p(~) auf F. 1m FaIle p(~) = 0 ist Jl = v, im Fall p(~) = 2 ist o Jl = -v. 6. Positive Normale. Eine Flachennormalenfunktion bezeichnen wir als positive Normaie, wenn sie mit der Orientierung des Flachenrandes eine Rechtsschraube bildet (z.B. bildet der Einheitsvektor e3 mit der im positiven Sinn umlaufenen Einheitskreislinie in der Xlx2-Ebene eine Rechtsschraube; vgl. etwa [LA; Abschnitt 7.3.1]). Genauer: In einem Punkt w(s) = (u(s), v(s)) von y = oG betrachten wir den Tangentenvektor IX = (u', v') und den positiven Normalenvektor p = IX-.l = (-v', u') (vgl. 5.17), der wegen der positiven Orientierung der Randkurve ins Innere von G weist. Wir nennen die Normalenfunktion v auf F eine positive Normale (beziiglich der Orientierung des Randes), wenn die drei Vektoren und
v
(in dieser Reihenfolge) in jedem Punkt des Fliichenrandes C eine positiv orientierte Basis bilden (vgl. dazu 8.2 (g)). Hier ist OcP/OIX = 4>'(s) der Tangentenvektor an die Kurve C, und ocP/oP kann als eine ins Innere von F weisende Richtungsableitung gedeutet werden. Nun ist
Hieraus und aus der in 8.2 (g) bewiesenen Tatsache, daB fUr linear unabhiingige a, b die Vektoren a, b, a x b eine positiv orientierte Basis bilden, folgt:
8.12 Der Satz von Stokes
305
In bezug auf die (durch die positive Orientierung von 'Y erzeugte) Orientierung von C ist v = (cI>u x cI>v)/lcI>u x cI>vl eine positive Normale. 1m Stokesschen Satz wird also verlangt, daB v die beztiglich der Orientierung des Ftachenrandes positive Normale ist. 7. Physikalische Anwendungen. Fluj3 und Zirkulation. In der Physik bezeichnet man das Integral FJf . v do als den Fluj3 des Vektorfeldes f durch die Flache F (KraftftuB, magnetischer FluB, ... ) und das tiber einen geschlossenen Jordanweg 4>11 erstreckte Wegintegral 4>Jf ·dx als die Zirkulation des Feldes f tangs des Weges 4> (oder tangs der orientierten Jordankurve C = 4>(1)). In dieser Sprechweise lautet der Satz von Stokes: Die Zirkulation des Feldes f langs einer geschlossenen Kurve ist gleich dem Fluj3 des Fe/des rot f durch eine in die Kurve eingespannte Flache. 1st f ein Kraftfeld, so miBt die Zirkulation die bei der Verschiebung eines Massenpunktes tangs des Weges aufgewandte Arbeit. 1st das Feld rotationsfrei, also ein Potentialfeld, so ergibt sich fUr diese Arbeit der Wert 0, wie wir schon in 6.15 festgestellt haben. Der Stokessche Satz liefert dasselbe Ergebnis (falls eine Flache F mit der Berandung C existiert). Die Zirkulation tritt u.a. in der Aerodynamik auf, wo mit ihrer Hilfe der Auftrieb von Tragfttigeln berechnet wird (Kutta-Jukowskische Formel). Ais Beispiel aus der elektromagnetischen Theorie betrachten wir die Induktionsgleichung
1
E· dx
1d = ---
c dt
1
IlH· v do .
Dabei ist E die elektrische und H die magnetische Feldstarke, 11 die magnetische Permeabilitat und c die Lichtgeschwindigkeit. Das Wegintegral ist nach dem Stokesschen Satz gleich dem Flachenintegral der Funktion rot E . v. Die obige Gleichung gilt fUr jede Flache, und man erhlllt so in iiblicher Weise die sog. Zweite Hauptgleichung des elektromagnetischen Feldes J1.oH rot E = - - - . c ot
8. In der physikalischen Literatur wird vielfach ein vektorielles Flachenelement do = v . do betrachtet. Dies ist ein Vektor, dessen Richtung durch v und des sen Lange durch den Inhalt des Flachenelements bestimmt wird. Ebenso wird manchmal unter ds das vektorielle Bogenelement verstanden, welches wir mit dx bezeichnen. In dieser Schreibweise lautet der Satz von Stokes
1 f. rot
do
= } f . ds .
Das ist nichts weiter als eine Schreibweise, die durch anschauliche Uberlegungen nahegelegt wird. An der Definition des Integrals andert sich dabei nichts.
§ 8. Die Integralsatze von GauB, Green und Stokes
306 Aufgaben
1. Rotationsfliichen. Die in der oberen Halfte der xy-Ebene gelegene Kurve C rotiere urn die x-Achse. Man bestimme den F1acheninhalt der entstehenden Rotationsflache flir die Faile: (a) C ist ein gleichseitiges Dreieck der Seitenlange s, dessen eine Seite parallel zur x-Achse verlauft und den Abstand r von der x-Achse hat (die gegeniiberliegende Ecke kann oberhalb oder unterhalb dieser Seite, soli jedoch in der oberen Halbebene liegen). (b) C ist der in der oberen Halbebene ge1egene Teil der Kreislinie vom Radius 1, wobei der Kreismitte1punkt die Koordinaten (O,a) hat (-1 < a < 1).
2. Allgemeine Schraubenfliiche. Eine in der xz-Ebene gelegene glatte Kurve C : (x, z) =
rotiere mit der Winkelgeschwindigkeit 1 urn die z-Achse und bewege sich mit der Geschwindigkeit a nach oben. Man gebe eine Parameterdarstellung der bei einem einmaligen Umlauf urn die z-Achse entstehenden Flache an (unter welcher zusatzlichen Bedingung ist es eine F1ache?) und stelle die Forme1 flir ihren Flacheninhalt auf. Man berechne den F1acheninhalt, wenn C die Verbindungsstrecke der Punkte 0 und (l,b) in der xz-Ebene ist. Der Fall b = 0 flihrt auf die in Beispiel 2 von 8.4 behandelte Schraubenflache. (~(u),'(u))
3. (a) Man berechne das Integral
l(XY + yz +zx) d(x,y,z),
G = {(x,y,z) : x,y,z:2: 0, x2 + l
+ Z2
~ I}
(i) direkt und (ii) mit Hilfe des GauBschen Integralsatzes. (b) Man berechne das Oberflachenintegral oQ
r
2
3
} (x,y,z )·vdo,
Q=[-I,I)3,
v auBere Normale ,
(i) direkt und (ii) mit Hilfe des GauBschen Integralsatzes. 4. Die Fliiche von VICENZO VIVIANI (1622-1703, italienischer Mathematiker und Physiker, Schiiler Galileis) entsteht als Durchschnitt der Sphare x2 + y2 + Z2 = r2 mit dem Kreiszylinder x 2 - rx + y2 ::; 0 (Zylinderachse parallel zur z-Achse, Kreismitte1punkt (r /2,0,0), Kreisradius r /2). Man berechne den Inhalt der F1ache. 5. Mobius-Band. Wir betrachten die Funktion 4J : G (x, y, z)
-> JR3,
= 4J(r, t) = ( ( R - r sin ~) cos t, ( R - r sin ~) sin t, r cos ~) ,
in der Menge G = (-p,p) X (0,2n), wobei 0 < p < R ist. Man zeige: (a) 4J ist auf G injektiv, 4Jr • 4J t = 0, Rang 4J' = 2, 4J(oG) n 4J(G) = (/), d.h. 4JIG stellt eine offene und 4JIG eine abgeschlossene Flache dar. (b) 4J(r, t) = R(cos t, sin t, 0) + ra(t) mit la(t) I = 1. FaBt man t als Zeit auf, so beschreibt der erste Summand auf der rechten Seite eine Drehung eines Punktes in der xy-Ebene urn den Nullpunkt mit der Winke1geschwindigkeit 1, an dem ein Stab der Lange 2p angeheftet ist (2. Summand), der bei einem Umlauf seine Richtung umkehrt, a(O) = -a(2n) = e3. Hieran erkennt man, daB es sich urn ein Mobius-Band handelt. (c) Es ist 4J(r,2n) = 4J(-r,O), und flir die Normale v = (4J r x 4J t )/I4Jr x 4J t l ist v(r, 2n) = -v(-r,O). Bei einem Umlauf der F1ache kommt man wieder auf die Anfangsstrecke 4J([-p, p), 0) zuriick, und dabei hat die Normale v ihr Vorzeichen geandert. Diese Flache ist also nicht orientierbar.
Aufgaben
307
6. Man berechne den Inhalt des von der Kurve
(p> 0) in der xy-Ebene begrenzten Gebietes Gp nach der aus dem GauBschen Integralsatz abgeleiteten Formel in 8.1 (bequem ist eine Parameterdarstellung mit y = tllp). Flir p = 11k und p = 2/(2k + 1) (k = 1,2, ... ) gebe man IGpl in geschlossener Form an. 1m Fall p = 2/3 handelt es sich urn die Astroide. 7. Man berechne die Flache F(h) und den Schwerpunkt S(h) (bei konstanter Massenverteilung) der durch Rotation der Kurve y = Xl (0 :-::; x :-::; h) urn die x-Achse entstehenden Rotationsflache. Man gebe die Werte flir h = 1 an und bestimme den Limes der Verhaltnisse F(h) : nh 4 (nh 4 ist die Flache der Offnung) und Sx(h) : h flir h ~ 0+ und h ~ 00. 8. Man zeige: Die Funktion t f--+ ¢(t) = (sin t, sin 2t) bildet das offene Intervall 1= (0,2n) bijektiv auf die kompakte Menge ¢(I) c JRl ab; die Umkehrfunktion ist im Punkt (0,0) unstetig. Skizze! Das Gegenbeispiel in Bemerkung 3 von 8.3 benutzt diese Kurve. 9. Integrale uber Kugeln im JR". Man beweise flir
lR
fIx) dx =
lR oJ
fIx) do x dr =
f
E CO(JR") die Formel
lR r"-I OJ
f(rx) do x dr ;
vgl. dazu 7.19 und das Beispiel in 8.10. 10. Man bestimme einen Normaleneinheitsvektor in jedem Punkt des hyperbolischen Paraboloids z = xy und berechne den Flacheninhalt dieser Fliiche, wenn (x, y) im Einheitskreis variiert. 11. Es sei B der durch Xl -1 :-::; y :-::; x - x 3 , Ixl :-::; 1 definierte Bereich in der xy-Ebene und ¢ ein positiv orientierter (lordanscher) Randweg. Man berechne das Wegintegral
'ii
dx + (2xy
+ x) dy
sowie den Inhalt von B und begrlinde die Ubereinstimmung der Werte mit dem GauBschen Integralsatz. 12. Die Kurve C sei der Teil der Kreisevolvente yom Anfangspunkt (1,0) bis zum ersten Schnittpunkt mit der x-Achse. Man berechne den Inhalt der von der x-Achse und der Kurve C berandeten Menge. Vgl. dazu Aufgabe 5.16 und benutze den Wert von tl.
13. Man berechne Ff rot I . II do fUr die Funktion I(x, y, z) = (z, x, y) und die Flache ~ 0, z ~ 0 (a) direkt,
x + y + z = I, x ~ 0, y
(b) mit Hilfe des Integralsatzes von Stokes.
§ 9. Das Lebesgue-Integral
Urn 1870 kam Bewegung in die reelle Analysis, verursacht u.a. durch den 1872 endlich wohlfundierten Begriff der reellen Zahl und genlihrt durch die sich ausbreitende Mengenlehre. Die Darstellung willkiirlicher Funktionen durch trigonometrische Reihen war ein zentrales, stimulierendes Problem. Da die Fourierkoeffizienten einer Funktion durch Integrale bestimmt sind, tritt die Integration ganz natiirlich ins Rampenlicht. Schon DIRICHLET hatte 1829 in einer beriihmten Arbeit iiber die Konvergenz trigonometrischer Reihen (Crelles 1. 4, 157-169) versucht, die Cauchysche Integraldefinition (vgl. die Einleitung zu § 1.9) auf Funktionen zu erweitern, deren Unstetigkeitsstellen eine nirgends dichte Menge bilden (eine Menge heiBt nirgends dicht, wenn es in jedem Intervall ein Teilintervall gibt, das frei von Punkten dieser Menge ist). RIEMANNS Integraldefinition aus seiner Habilitationsschrift von 1854 iiber trigonometrische Reihen wurde erst urn 1870 allgemein bekannt (die Habilitationsschrift erschien erst 1867 im Druck). Riemann gab dort ein Beispiel einer integrierbaren Funktion, deren Unstetigkeitsstellen iiberall dicht liegen, wodurch die Allgemeinheit seines Integralbegriffs iiberzeugend demonstriert wurde. Urn so dringender war es, die unstetigen Funktionen zu klassifizieren und Kriterien fUr die Integrierbarkeit zu finden. Riemanns Schiiler HERMANN HANKEL (1839-1873, Professor in Tiibingen) schrieb 1870 einen Essay Untersuchungen uber die unendlich oft oszillierenden und unstetigen Funktionen (OK 153 = Math. Ann. 20, 63-112). Darin nennt er eine Menge ,diskret', wenn sie durch endlich viele Intervalle von belie big kleiner Gesamtllinge iiberdeckt werden kann (also den Inhalt 0 hat), und er zeigt auch, daB eine Funktion integrierbar ist, wenn ihre Unstetigkeitsstellen eine diskrete Menge bilden. Nun unterlliuft ihm ein Irrtum, der die folgende Entwicklung belebte: Er meint, daB nirgends dichte Mengen disk ret seien (die Umkehrung ist leicht zu beweisen). Der Fehler wurde 1875 von H.J.S. SMITH (1826-1883, Savilian Professor in Oxford) gefunden. Smith konstruierte nirgends dichte Mengen von positivem liuBerem Inhalt, und zwar nach dem in Aufgabe 7.3 geschilderten Verfahren; er nahm also die Cantorschen Mengen vorweg. Diese nicht-quadrierbaren Mengen S produzieren nicht-integrierbare Funktionen Cs. Auf dem Kontinent, wo der Beitrag von Smith unbekannt blieb, wurde Hankels FehlschluB erst in den 80er Jahren offenbar. Es wurde damit auch deutlich, daB man dem Phlinomen der Integrierbarkeit weniger mit topologischen (nirgends dicht), sondern eher mit metrischen Begriffen (Inhalt 0) beikommen kann. Dies wurde zu Beginn unseres Jahrhunderts auf das gIanzendste bestlitigt, als Lebesgue, Vitali und W.H. Young W. Walter, Analysis 2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002
§ 9. Das Lebesgue-Integral
309
unabhiingig voneinander erkannten, daB eine beschrankte Funktion genau dann Riemann-integrierbar ist, wenn sie fast iiberall stetig ist. Nach 1875 erscheinen die oberen und unteren Riemannschen Summen (Darboux und andere) und als Konsequenz das obere und untere Riemann-Integral, Dini-Derivierte zur genaueren Untersuchung stetiger Funktionen auf Differenzierbarkeit, im Zusammenhang damit Fragen nach der Giiltigkeit des Hauptsatzes f' dt = f(b)-f(a), schliel3lich nach Vorarbeiten von O. STOLZ und A. HARNACK (Math. Ann. 23 (1884) 152-156 und 25 (1885) 241-250) die Inhaltstheorie von PEANO (1887). Sie wurde von den oberen und unteren Integralen angeregt. Nun konnte man die alte Vorstellung, daB Flacheninhalt und Integral im Wesen dasselbe sind, als Satz (7.12) formulieren. Doch kaum war das analytische Gebaude aus Integral und Inhalt vollendet, da zeigten sich erste Risse, und schuld waren die nirgends dichten Mengen. VOLTERRA hatte 1881 noch als Student mit ihrer Hilfe eine iiberall differenzierbare Funktion konstruiert, deren Ableitung beschrankt, aber nicht integrierbar ist. CANTOR war es 1884 (Acta Math. 4, p. 385 = Werke S. 255) unter Benutzung seiner ,Cantorschen Menge' (s. Aufgabe 7.3) gelungen, eine im Intervall [0,1] stetige, nichtkonstante und monotone Funktion anzugeben, deren Ableitung auf einer offenen Menge vom Inhalt 1 gleich 0 ist. Das Beispiel ist in Aufgabe 9.4 beschrieben. Es widerlegte einen Satz von Harnack (Math. Ann. 19, S. 241, Lehrsatz 5) und machte deutlich, daB die damals versuchten Erweiterungen des Integrals nichts einbrachten: der Hauptsatz war dann nicht mehr giiltig. Kurz, fUr die subtilen Betrachtungen der 80er Jahre waren Inhalt und Riemann-Integral zu grobe Werkzeuge. Schliel3lich war die Theorie ja nicht einmal imstande, den offenen Mengen, die bei der Konstruktion der Cantor-Mengen auftraten (Aufgabe 7.3), einen Inhalt zuzuschreiben. Dabei lag doch gerade fUr offene Mengen eine ganz natiirliche Festlegung des Inhalts (oder MaBes, wie man spater sagte) auf der Hand. Jede offene Menge in lR besitzt eine eindeutige Darstellung als disjunkte Vereinigung von endlich oder abziihlbar vielen offenen Intervallen (Aufgabe 15); als ihr MaB nehme man die Summe der IntervalIangen. Dies ist der Ausgangspunkt fUr EMILE BOREL (1871-1956, franzosischer Mathematiker und Politiker, einer der Begriinder der Theorie der reellen Funktionen und der MaBtheorie, 1909 Professor an der Faculte des Sciences, Paris, ab 1934 Prasident der Akademie und des College de France, 1924-36 Vertreter der Radikalsozialisten im Abgeordnetenhaus, kurzzeitig Marineminister). 1st die Menge E die Vereinigung einer Folge (Ii) von nicht-iiberlappenden Intervallen, so wird ihr das MaB s = L IIil zugeschrieben. Fiir die Differenz E2 \ E, zweier Mengen E, c E2 mit den MaBen s" S2 wird als MaB S2 -s" schliel3lich fUr die Vereinigung einer disjunkten Folge (Ei) von Mengen Ei mit den MaBen Si als MaB die Summe + S2 + ... festgelegt. AIle Mengen, denen man durch wiederholte Anwendung dieser Regeln ein MaB zuschreiben kann, nennt Borel meBbar. Die DurchfUhrung dieses Programms hat ihre Schwierigkeiten. Wir kommen zum eigentlichen Begriinder der modernen Integrationstheorie, HENRI LEBESGUE (1875-1941, franzosischer Mathematiker, Professor am College de France). Lebesgues erstes Ziel, das er in seiner These (Doktorarbeit) von 1902 axiomatisch formuliert und auch erreicht, ist es, einer Klasse von beschriinkten
J:
s,
§9. Das Lebesgue-Integral
310
Mengen E c 1R, die er ,meBbar' nennt, ein ,MaW m(E) mit den folgenden Eigenschaften zuzuschreiben (wir benutzen moderne Termini) : (i) Die in einem Intervall I = [a, b] gelegenen meBbaren Mengen bilden eine a-Algebra, und das MaB ist a-additiv, d.h. aus Ei c I, Ei paarweise disjunkt, E = UEi folgt m(E) = m(Ed + m(E2) + .... (ii) Translationsinvarianz: m(E) = m(a + E) fUr a E 1R. (iii) Intervalle sind meBbar, m(l)
= In
Lebesgue definiert nun ein auBeres MaB ma(E) wie in 9.4 als Infimum aller Zahlen I lId, wobei die Ii Intervalle mit E c UIi sind. Das ist sozusagen eine Erweiterung des auBeren Jordan-Inhalts auf abzahlbare Uberdeckungen und wird durch Borels Arbeiten nahegelegt. Urn aber die ,gutartigen' meBbaren Mengen zu finden, braucht er auch eine Approximation von innen. Sie ist i.a. mit Intervallen nicht zu schaffen (man denke an ~), und hier bringt er eine wesentlich neue Idee ins Spiel. Er nimmt ein Intervall I ~ E und definiert das innere MaB mi(E) mit Hilfe des auBeren MaBes von I \ E :
inneres Lebesgue-MafJ . Anders gesagt: Da man E nicht von innen approximieren kann, wird die Komplementarrnenge I \ Evon auBen approximiert. MeBbar werden jene beschrankten Mengen genannt, fUr die mi(E) = ma(E) =: m(E) ist. Es bestehen dann die Aussagen (i) bis (iii). Das Integral f(t) dt einer beschrankten, meBbaren Funktion mit m :::; f(t) :::; M definiert Lebesgue nun, indem er, anders als Riemann, nicht die Abszisse, sondern die Ordinate zerlegt, etwa P : m = Yo < Yl < '" < Yp = M. Lebesgue bildet nun die Mengen Ek = {t E [a,b] : Yk :::; f(t) < Yk+d und betrachtet die Summen Sp = Ig- 1 Ykm(Ed und Sp = Ig- 1 Yk+1m(Ek). Wenn f 2 0 ist, kann man diese Summen als MaB einer der Ordinatenmenge einbeschriebenen bzw. umschriebenen ,Rechtecksumme' ansehen. Er zeigt dann, daB die Summen Sp und Sp, wenn IPI = max (Yk+1 - yd gegen 0 strebt, ein und demselben Grenzwert zustreben, den er als Wert des Integrals f(t) dt festlegt. Mit diesem Integralbegriff beweist Lebesgue dann die wesentlichen Satze der Theorie, wie sie im folgenden dargestellt werden. Etwa gleichzeitig und vollstandig unabhangig von Lebesgue entwickelt WILLIAM HENRY YOUNG (1863-1942, britischer Mathematiker, 1929 Prasident der International Union of Mathematicians) einen anderen Zugang zum "Lebesgueschen" MaB und Integral. Er knlipft (Phil os. Transac. Royal Soc. London, Ser. A, 204 (1905) 221-258) an die Riemannsche Definition des Integrals an, insbesondere an die von C. Jordan entwickelte Variante, bei welcher der Integrationsbereich nicht in Teilintervalle, sondern allgemeiner in quadrierbare Teilbereiche aufgespalten wird, mit denen dann die Ober- und Untersummen definiert werden. Young definiert das obere und untere Integral, indem er abziihlbare Zerlegungen des Integrationsbereiches in meBbare Mengen betrachtet und die zugehorigen Unter- und Obersummen bildet. Die Integrierbarkeit wird durch die Gleichheit dieser beiden Integrale festgelegt.
J:
J:
9.1 Mathematische Vorbereitung. Das Rechnen in IR
311
Die Beziehung zum Lebesgueschen Zugang ist leicht herzustellen. Die obigen Summen Sp und Sp sind (beinahe) Unter- und Obersummen beziiglich der endlichen Zedegung (Ek) von [a, b]. Ubrigens betrachtet auch Lebesgue, wenn f unbeschrankt ist, entsprechende unendliche Zerlegungen der ganzen Ordinatenachse. Die fundamentalen Satze der Lebesgueschen Theorie gehen meist auf Lebesgue selbst zuriick. Von den am weiteren Ausbau der Theorie beteiligten Mathematikern nennen wir BEPPO LEVI (1875-1961), der 1906 (Milano 1st. Lomb. Rend. (2) 39, 775-80) den nach ihm benannten Satz 9.13 bewies, GUIDO FuBINI (1879-1943, Professor in Turin), der 1907 (Rend. R. Accad. Lincei (5) 16 1, 608-14) unter Benutzung dieses Satzes das alte und schwierige Problem der ZuriickfUhrung eines mehrdimensionalen Integrals auf eindimensionale Integrale in der vollen Allgemeinheit von Satz 9.18 toste, und schlieBlich PIERRE FATOU (1878-1929, franzosischer Mathematiker, wirkte in Paris), dessen Lemma 9.15 aus seiner These von 1906 (Acta Math. 30, 335-400) sich als ein niitzliches Werkzeug erwies. Eine eingehende historische Darstellung gibt Th. Hawkins in seinem Buch Lebesgue's theory of integration, its origins and development (Univ. of Wisconsin Press 1970). In modernen Lehrbiichern der MaB- und Integrationstheorie wird vielfach ein Zugang gewahlt, der durch das einfluBreiche Lehrbuch von S. SAKS [1937] popular geworden ist. Man betrachtet zunachst nichtnegative Funktionen und approximiert nur von unten durch endliche Untersummen a la Young. Die Approximation von oben kann man entbehren, weil zuvor die nicht meBbaren Funktionen, bei denen die Prozedur keine brauchbaren Satze iiefert, ausgesondert werden. So erspart man sich die beidseitige Approximation, indem man die Bedingung fUr den Erfolg des Verfahrens (die MeBbarkeit) vorwegnimmt, ohne dies begriinden zu konnen. Wir benutzen hier die Youngsche Definition mit der Variante, daB "Riemannsche" Zwischensummen herangezogen werden. Die Beweise der elementaren Eigenschaften des Integrals verlaufen dann fast wortlich wie beim RiemannIntegral. Die Linearitat des Integrals schrumpft zu einer Trivialitat; die MeBbarkeit rallt nicht mehr yom Himmel, sondern sie ergibt sich aus der Integrierbarkeit. Die Lebesguesche Theorie hat die moderne Analysis und Funktionalanalysis iiberhaupt erst ermoglicht, und die daraus entstandene allgemeine MaB- und Integrationstheorie ist fUr viele Zweige der Mathematik unentbehrlich geworden. Die Theorie wird hier so dargestellt, daB die Ubertragung auf allgemeine MaBraume iiber weite Strecken problemlos ist; vgl. 9.32. 9.1 Mathematische Vorbereitung. Das Rechnen in JR. Die Lebesguesche Theorie
unterscheidet nicht zwischen eigentlichen und uneigentlichen Integralen, sie laBt vielmehr von vornherein unendliche Funktionswerte und unbeschrankte Gebiete zu. Aus diesem Grund erinnern wir zunachst an die Rechenregeln in der Menge JR = JR U {oo, -oo} und erweitern sie in einem wesentlichen Punkt. Die in 1.1.8 eingefUhrten Rechenregeln lauten -00 < a < 00 fUr a E JR, a + 00 = 00 fUr a > -00, a' 00 = 00 fUr a > 0, a/oo = 0 fUr a E JR, erganzt durch
312
§ 9. Das Lebesgue-Integral
jene Regeln, die sich hieraus durch Vertauschen der Operanden und Anwendung der Vorzeichenregeln ergeben. Neu hinzu kommt jetzt die Regel 0'00=0
mit seinen Derivaten wie (-00) ·0 = O. Damit ist die Multiplikation in JR immer definiert. Zur Deutung der Gleichung 0 . 00 = 0 greifen wir den Dingen etwas vor und betrachten z.B. die Formel fB IX dx = IX' A(B). Die Regel kommt hier auf zwei verschiedene Arten ins Spiel: Das Integral hat den Wert 0, wenn IX = 0 und A(B) = 00 (z.B. B = JRn) ist, und ebenso, wenn IX = 00 und A(B) = 0 ist. Es sei erwahnt, daB man zu dieser Regel gezwungen wird, wenn man allgemeine Satze tiber den Grenztibergang unter dem Integralzeichen aufstellen will. Ausdrticke der Form 00 -00 sind nach wie vor nicht definiert. (a) Unendliche Reihen. Wir betrachten jetzt auch Reihen L ak mit 0::; ak ::; 00. Die Summe dieser Reihe ist in diesem Fall immer definiert. Sie hat den Wert 00, wenn die Folge (sn) der Teilsummen gegen 00 strebt, insbesondere dann, wenn ein Glied ap = 00 ist (es ist dann Sn = 00 fUr n ~ p). Die Formel AL ak = L Aak gilt fUr beliebige A E JR. Man kann noch weiter gehen und fUr beliebige ak E JR die Reihensumme durch L ak = L at - L ak" erklaren, falls die rechte Seite definiert ist; vgl. dazu 1.5.16. Dies wird hier nicht benotigt. (b) Der Doppelreihensatz
spielt eine wichtige Rolle, da die beim Integral auftretenden Obersummen, ... unendliche Reihen sind. Nach Satz 1.5.14 ist er gtiltig, falls eine der drei auftretenden Reihen absolut konvergent ist. Er gilt aber auch unter der Voraussetzung o ::; aij ::; 00. 1st namlich eine der drei Reihen endlich, so sind aIle aij endlich, und es liegt Absolutkonvergenz vor. (c) Limes superior und inferior. Ftir ak E JR gelten die Formeln lim sup ak = inf {sup ak} , p k~p k....oo Da die GroBen
IXp =
lim inf ak k....oo
=
sup {inf ad . p k~p
sup ak, Pp = inf ak eine monoton fallende bzw. wachsende k~p
k~p
Folge bilden, ist auch lim sup ak = lim k .... oo
p .... oo
IXp ,
lim inf ak = lim Pp . k.... oo
p .... oo
Diese Formeln wurden bereits in Aufgabe 3 von § 1.4 angegeben. Ftir den Beweis setzen wir A = lim sup ak und B = inf IXp. Zunachst sei A E 1R. Nach 1.4.13 ist, wenn e > 0 vorgegeben wird, ak > A + e hOchstens fUr endlich viele k, jedoch ak > A - e fUr unendlich viele k. Daraus folgt A - e ::; IXp ::; A + e fUr groBe p und deshalb A - e ::; B ::; A + e, d.h. A = B. Die Falle A = ±oo mage der Leser erledigen.
9.2 Intervalle
313
9.2 Intervalle. Beim Jordan-Inhalt wurde mit abgeschlossenen Intervallen gearbeitet. Das hatte zur Folge, daB Intervalle nicht in disjunkte IntervalIe, sondern nur in "fremde" Intervalle ohne gemeinsame innere Punkte zerlegt werden konnen. Beim Lebesgue-MaB ist es manchmal giinstig (bei allgemeineren MaBen sogar notwendig), disjunkte Zerlegungen zu betrachten. Man muB dann beliebige Intervalle zulassen. Es sei ,In die Menge aller beschdinkten Intervalle im 1Rn, also aller n-fachen kartesischen Produkte von eindimensionalen Intervallen der Form (a, b), (a, b], [a, b) oder [a,b] mit -00 < a ~ b < 00. Fiir Intervalle I,J E,In gilt (a) I nJ E ,In;
(b) es gibt endlich viele paarweise disjunkte Ii E ,In mit I \ J
= Uh
Beweis. Fiir n = 1 beweist man (a) und (b) ohne Miihe. Nun sei n = 2 und I = I' X 12, J = J' X J2 mit 1',1 2, ... E ,I,. Dann ist I nJ das cartesische Produkt der Intervalle II n JI und 12 n J 2. Also gilt (a). Bei (b) bemerken wir zuniichst, daB 1\ J = I \10 mit 10 = I nJ c list. Setzt man 10 = 16 x IJ, so gibt es nach (b; n = 1) disjunkte Darstellungen II = 16 U If U· .. U I~ und 12 = IJ U· .. U IJ durch
eindimensionale Intervalle. Also ist I die disjunkte Vereinigung aller Intervalle i = j = 0 erhiilt man 10. Hieraus liiBt sich fortflihren. 1st n = 3, so 12, J2, ... eindimensionale Intervalle, und der Beweis bleibt gi.i1tig, usw. D
1/ x IJ (0 ~ i ~ p, 0 ~ j ~ q), und flir folgt (b) flir n = 2. Dieses Beweisschema bezeichnen I I, J' , ... zweidimensionale und
Unter Intervallen verstehen wir im folgenden Intervalle aus ,In' (c) Disjunkte Darstellung. Jede endliche bzw. abziihlbare Vereinigung von Intervallen G = U Ii besitzt eine disjunkte Darstellung G = U J j durch endlich bzw. abziihlbar viele Intervalle 1j.
Beweis. Die Menge Ghat eine disjunkte Darstellung
Es geniigt also zu zeigen, daB jede Menge Kp Vereinigung von endlich vielen, paarweise disjunkten Intervallen ist. Das ist flir KI trivial und flir K2 eine Folge von (b). Fiir K3 = (I) \ It} \ lz benutzt man zuniichst eine disjunkte Darstellung von 13 \ II durch Intervalle J i und sodann flir jedes i eine disjunkte Darstellung von J i \ h durch Intervalle J ij . Dann ist K3 die disjunkte Vereinigung aller Intervalle Jij, usw. D Ais Anwendung beweisen wir einen Darstellungssatz. 1Rn besitzt eine Darstellung G = UIi durch hochstens abzahlbar viele, paarweise disjunkte Intervalle Ii mit Ii c G.
Satz. Jede offene Menge G
c
Fiir den Beweis betrachten wir Intervalle I' = [a, b] c 1Rn mit rationalen Eckpunkten a, b E (It. Es gibt abziihlbar viele solche "rationale" Intervalle I'. Da zu jedem Punkt x E G ein 8 > 0 mit Be(x) c G existiert, gibt es auch ein Intervall I' c G mit x E I'. Also ist G die Vereinigung aller in G enthaltenen rationalen
§9. Das Lebesgue-Integral
314
Intervalle. Die Behauptung folgt nun aus (c) (nach dem Beweis ist jedes Ii in einem l' en thai ten, also Ii c G). 0
Bemerkung. Die obigen Uberlegungen lassen sich auch durchflihren, wenn man anstelle von ,In die Menge ,I; aller halboffenen Intervalle der Form I = (a, b] mit a, b E R.n und a ~ b zugrunde legt. Auch in dieser Intervallmenge gelten die Aussagen (a) und (b) (es geniigt, sich dies flir n = 1 zu iiberlegen, da der Induktionsbeweis gtiltig bleibt). Insbesondere existiert flir jede offene Menge G eine disjunkte Darstellung G = U Ii mit Ii E ,I;. 9.3 Mengen. Algebren und a-Algebren. Eine Folge (Ai)f' von Mengen wird monoton wachsend bzw. fallend genannt, wenn Ai c Ai+1 bzw. Ai ::J Ai +1 flir i = 1,2, ... gilt. 1st die Menge A Teilmenge einer ,Grundmenge' X, so wird das Komplement von A mit A' = X \ A bezeichnet. Ein nichtleeres System g von Teilmengen einer Grundmenge X heiBt Algebra (in X), wenn es die Eigenschaften (i) A E g ~ A' E g, (ii) A, BEg ~ Au BEg besitzt. Gilt auBerdem 00
(iii) AI, A2, ... E g, Ai paarweise disjunkt ~ UAi E g, i=1 so nennt man g eine a-Algebra. Satz. Eine Algebra g enthiilt die leere Menge und die Grundmenge X und mit A, Bauch die Mengen An B und A \ B. Sind AI, A 2 , ... Elemente der a-Algebra g, so folgt
i=1
i=1
Beweis. Da g nichtleer ist, gibt es ein C E g. Wegen (i)(ii) ist X = C u C' und 0 = X' aus g. Die Behauptung tiber A, B folgt aus den Darstellungen An B = (A' U B')', A \ B = An B' unter Zuhilfenahme von (i)(ii). Beim zweiten Teil benutzt man die disjunkte Darstellung
Da die Ci zu g gehoren, ist auch U Ai E g wegen (iii). Der Durchschnitt laBt I auf Komplement und Vereinigung zurtickflihren. 0 sich gema/3 Ai = (U
n
AD
Eine Algebra ist also abgeschlossen gegentiber den Operationen Differenz sowie Durchschnitt und Vereinigung von endlich vielen Mengen, wahrend eine a-Algebra auch noch in bezug auf Durchschnitt und Vereinigung von abzahlbar vielen Mengen abgeschlossen ist. Z.B. ist die Menge P(X) aller Teilmengen von X eine a-Algebra. Ein weiteres Beispiel: 1st X c R.n eine quadrierbare Menge,
9.4 Das auBere Lebesgue-MaB
315
so bilden die quadrierbaren Untermengen von X eine Algebra. Das ist der Inhalt von Satz 7.6.
9.4 Das auDere Lebesgue-MaO. Intervalle sind im folgenden besehdinkte Intervalle im IRn, die wir mit I,h, ... E ,In bezeiehnen; vgl. 9.2. Es ist III der elementare Inhalt des Intervalls I. Das auBere Lebesgue-MaB ist ahnlieh wie der auBere 10rdan-Inhalt dureh tiberdeekende ,Intervallsummen' definiert. Neu ist, daB wir zur Uberdeekung aueh abzahlbar viele Intervalle zulassen. Wir definieren also fUr eine beliebige, nieht notwendig besehrankte Menge A c IRn iiujJeres Lebesgue-MajJ , kurz iiujJeres L-MajJ oder iiujJeres MajJ. Zugelassen sind dabei aIle endliehen oder abzahlbaren Folgen (I;) von IntervaIlen, deren Vereinigung A tiberdeekt. Eine solche Vereinigung U I; wird wieder Intervallsumme genannt. Die IntervaIlsummen von § 7 sind dann endliehe IntervaIlsummen von kompakten Intervallen. Aus I c I, II I = III folgt, daB man sieh aueh hier auf kompakte IntervaIle besehranken kann. Offenbar IaBt sieh der IRn als IntervaIlsumme darsteIlen; z.B. ist IRn = U(p + W), wo W = (0, W ein halboffener Einheitswtirfel ist und die Summe sieh tiber aIle Multiindizes p E 7L n erstreekt, eine disjunkte DarsteIlung. Zu jeder Menge A existieren also tiberdeekende IntervaIlsummen. Bei den folgenden Aussagen sind A, B, A; beliebige Mengen im IRn, und IAI;, IAla bezeiehnet den inneren oder auBeren 10rdan-Inhalt von A.
A(A) ~ 00 fUr A c IRn, A(0) = o. (b) Monotonie. Aus A c B folgt A(A) ~ A(B). (e) (J-Subadditivitiit. Ftir endliehe oder abzahlbare Folgen (A;) ist (a) 0
~
(d) IAI; ~ A(A) ~ IAla fUr besehrankte Mengen A. Ftir quadrierbare Mengen stimmt also das auBere MaB mit dem Inhalt tiberein. (e) Das auBere Lebesgue-MaB ist invariant gegentiber Bewegungen.
Beweis. (a) und (b) ergeben sieh unmittelbar aus der Definition. Beim Beweis von (e) nehmen wir an, daB die reehte Seite konvergiert (sonst ist niehts zu beweisen). Es sei I: > 0 vorgegeben und (1:;) eine Folge positiver Zahlen mit II:; = I: (z.B. 1:; = I: . 2-;). Naeh der Definition gibt es zu jedem i eine Folge (Ijtj=l mit A;
cUI)
und
j
;.j
11)1 =
11)1
~ A(A;)
+1:;.
j
Die Doppelfolge aller Intervalle ergibt sieh dann
A(A) ~ L
I
L i
L
Ij
tiberdeekt die Menge A
11)1 ~ L(A(A;) + e;) =
= U A;, und daraus
LA(A;)
+ e.
§9. Das Lebesgue-Integral
316
Damit ist (c) bewiesen. Rier wurde zum ersten Mal der Doppelreihensatz angewandt. Er wird noch mehrmals in ahnlichen Situationen benutzt werden. (d) (i) Zunachst betrachten wir die zweite Ungleichung von (d). Der auBere Jordan-Inhalt IAla war definiert als Infimum der Zahlen ITI, wobei T = UIi eine endliche, die Menge A iiberdeckende Intervallsumme ist; vgl. 7.3. Da jetzt auch abzahlbare Intervallsummen zugelassen sind, folgt sofort 2(A) ::; IAla. (ii) Zum Beweis der ersten Ungleichung zeigen wir zunachst, daB fUr eine endliche Intervallsumme S im Sinne von 7.3 die Ungleichung lSI ::; 2(S) gilt. Dazu geben wir e = Lei> 0 vor und wahlen eine (abzahlbare) Uberdeckung UIi von S mit L IIil < 2(S) + e. Zu jedem Intervall Ii bilden wir nun ein etwas groBeres offenes Intervall J i ::> Ii mit IJd ::; lId + ei. Dann gilt S c UJi, und aus dem Borelschen Uberdeckungssatz folgt, da S kompakt ist, S c J I + ... + J p fUr ein geeignetes p. Nach 7.3 (c)(e) ist dann
lSI::; IJII + ... + IJpl ::; ~)Iil
+ ei) = I lId + e ::; 2(S) + 2e .
i
Damit ist die Ungleichung lSI::; 2(S) bewiesen. Nun sei A eine beschrankte Menge und SeA eine endliche Intervallsumme. Aus (b) folgt dann IS I ::; 2(S) ::; 2(A) . Geht man hier zum Supremum fUr aIle SeA iiber, so erhalt man IAli ::; 2(A). Damit ist (d) vollstandig bewiesen. (e) Die Invarianz gegeniiber Translationen ergibt sich miihelos, da hierbei Intervalle wieder in Intervalle yom gleichen Inhalt iiberfUhrt werden. Nun sei S eine orthogonale n x n-Matrix; die zugehorende lineare Abbildung wird ebenfalls mit S bezeichnet. Aus A c U Ii folgt S(A) c U S(Ii), und nach (c) und (d) ist 2(S(A)) ::; L2(S(Ii)) = L lId wegen der Invarianz des Jordan-Inhalts (Corollar 7.9). Da die A iiberdeckende Intervallsumme belie big ist, folgt 2(A) ~ 2(S(A)). Dasselbe gilt auch fUr die Abbildung ST : 2(S (A)) ~ 2(ST S(A)) = A(A) wegen ST S = E (Einheitsmatrix). Beide Ungleichungen zusammen ergeben A(A) = A(S(A)). 0 Nullmengen und "fast iiberall"-Aussagen. Eine besondere Rolle spielen in der Lebesgueschen Theorie die Mengen yom auBeren MaB Null. Sie werden (Lebesguesche) Nullmengen genannt. Wenn eine Eigenschaft, welche die Punkte einer Menge A c lRn betrifft, fUr aIle Punkte von A mit Ausnahme einer Nullmenge gilt, so sagt man, diese Eigenschaft gelte fast iiberall in A, abgekiirzt f.ii. Ein Beispiel: Die Aussage "f(x) > 0 f.ii. in A" bedeutet, daB es eine Menge N c A mit 2(N) = 0 gibt, so daB f(x) > 0 fUr x E A \ N gilt. Aus (c) ergibt sich, daB aus 2(Ni) = 0 folgt 2(U N i) = O. Da dieser Fall bei Anwendungen haufig auftritt, wollen wir ihn festhalten: (f) Die Vereinigung von hochstens abzahlbar vielen Nullmengen ist wieder eine Nullmenge. Insbesondere haben abzahlbare Mengen das MaB O. Beispiele. 1. Die Menge Q aller rationalen Zahlen im Intervall [0,1] hat nach dem Beispiel von 7.4 die Inhalte IQli = 0, IQla = 1, wah rend nach (f) A(Q) = 0 ist.
9.5 Das Lebesguesche MaB
317
Wir ziehen daraus eine Konsequenz, welche anschaulich kaum nachvollziehbar ist. Es sei etwa Q = {rt,r2,"'} und Vi = (ri - e;,ri + ei) die ei-Umgebung von ri (ei > 0). Die Vereinigung G = U Vi ist eine offene Menge, und man wird vermuten, daB G :::::> [0,1] ist. Es ist aber, wenn man z.B. ei = e . 2-i setzt, A(G) ::; L IVd = 2e L 2- i = 2e! 2. Jede Hyperebene im Rn hat das auBere MaB O. Wegen (e) geniigt es, den Fall H = {x ERn : Xn = O} zu betrachten. 1st R n-i = U Ii eine Darstellung durch (n - 1)-dimensionale Intervalle 1;, so folgt H = U Ii X {O}, und aus A(Ji x {O}) = 0 folgt die Behauptung mit (f). Ais nachstes ware nun die u-Additivitat des auBeren MaBes, also die Gleichung falls die Ai paarweise disjunkt sind, an der Reihe. Anhand von Gegenbeispielen laBt sich aber zeigen, daB diese Beziehung nicht fUr alle Mengen im Rn gelten kann (in Aufgabe 5 ist ein solches Gegenbeispiel angegeben). Es kann sich also nur darum handeln, aus allen Teilmengen von Rn eine Klasse .P von "meBbaren" Mengen so auszuwahlen, daB (i) .P eine die quadrierbaren Mengen enthaltende u-Algebra ist und (ii) fUr meBbare Mengen Ai die Aussage (*) besteht. DafUr sind mehrere spezielle Methoden, welche auf den vorliegenden Fall zugeschnitten sind, entwickelt worden. Daneben gibt es ein allgemeines, von CONSTANTIN CARATHEODORY (1873-1950, deutscher Mathematiker griechischer Abstammung, lehrte u.a. in Berlin und Miinchen) ersonnenes Verfahren, welches nicht an eine Topologie gebunden ist. Es ist einerseits nicht komplizierter als die speziellen Zugange, andererseits stellt es einen fundamentalen Bestandteil der MaBtheorie dar, und so werden wir es bevorzugen. 9.5 Das Lebesguesche MaR. Wir sagen, die Menge A eRn sei im Lebesgueschen Sinn mejJbar, kurz Lebesgue-mejJbar oder mejJbar, und schreiben A E .P, wenn die Beziehung (M)
A(E)
= A(E n A) + A(E n A') fUr aIle Mengen E eRn
gilt (A' = R n \ A ist das Komplement von A). Die Zahl A(A) wird dann kurz das (Lebesguesche) MajJ von A genannt. Bei dieser Definition wird die fest gewahlte Menge A benutzt, urn jede Menge E in zwei Teile aufzuspalten, die Menge En A der Punkte innerhalb A und die Menge E n A' der Punkte auBerhalb A. Die Bedingung (M) sagt dann aus, daB der durch A hervorgerufene Schnitt von E beziiglich A additiv ist. Die Bedeutung der Bedingung ist nicht recht einsichtig, aber der Erfolg heiligt die Mittel. Zunachst merken wir an, daB man (M) durch (M')
A(E) ~ A(E
n A) + A(E n A') fUr alle Mengen E
ersetzen kann, denn die umgekehrte Ungleichung besteht nach 9.4 (c). Wir beginnen mit drei einfachen Aussagen iiber meBbare Mengen.
§9. Das Lebesgue-Integral
318
(a) Aus }"(A) = 0 folgt A E 2, d.h. jede Nullmenge ist meBbar. (b) Die Menge 2 ist eine Algebra (vgl. 9.3). (e) Jede quadrierbare Menge ist meBbar. Beweis. (a) Aus }"(A)
= 0 folgt
}"(E
n A) = 0, und (M') reduziert sieh auf die
Monotonieungleiehung 9.4 (b). (b) Unmittelbar aus der Definition (M) folgt, daB mit A aueh A' meBbar ist. Es bleibt noeh zu zeigen, daB aus A, B E 2 folgt A u B E 2. Dazu muB die Gleiehung }"(E)
(*)
=
}"(E
n (A U B» + }"(E n (A U B)')
(E c R,n beliebig)
bewiesen werden. Da A meBbar ist, gilt ).(E
n (A U B)) = }"(E n (A U B) n A) + }"(E n (A U B) n A')
= }"(E n A) + }"(E n B n A')
.
Ferner ist (A U B)' = A' n B', also der letzte Summand in (*) gleich }"(E n A' n B'). Die reehte Seite von (*) ist also gleieh }"(E
n A) + }"(E n A' n B) + }"(E n A' n B')
= }"(E
n A) + }"(E n A')
= }"(E) ;
in der ersten Gleiehung wurde (M) mit En A' statt E und B statt A benutzt, wahrend die zweite Gleiehung mit (M) identiseh ist. Damit ist (*) bewiesen. (e) Es seien eine quadrierbare Menge A, eine beliebige Menge E und e > 0 gegeben. Wir wahlen eine Intervallsumme UIj => Emit L IIjl ::;; }"(E) + e. Da die Mengen J j = I j n A und K j = I j n A' quadrierbar und disjunkt sind und E n A dureh U J j sowie En A' dureh U K j iiberdeekt wird, haben wir naeh 9.4 (e) mit
IIjl = IJd + IKd
}"(E n A)
+ }"(E n A') ::;; L IJd + L IKd = L lId::;; }"(E) + e. o
Es besteht also die Ungleiehung (M'), und (e) ist bewiesen. Wir benotigen noeh ein wei teres Zwisehenergebnis. (d) Die Mengen AI, A2, ... seien paarweise disjunkt und meBbar, und S = sei ihre Vereinigung. Dann gilt
L }"(E n Aj) + }"(E n S')
UA
j
00
(0')
}"(E)
=
fUr jede Menge E .
j=1
Beweis. Sind die Mengen A, B E 2 disjunkt, so ist naeh (**) }"(E n (A U B)) = }"(E n A) + }"(E n B) wegen B n A' = B. Dureh vollstandige Induktion ergibt sieh daraus fUr Sp = Al U ... U Ap die Gleiehung }"(E
n Sp) = }"(E n Ad + ... + }"(E nAp)
Naeh (b) ist Sp E 2, und wir erhalten
.
9.5 Das Lebesguesche MaB
319
+ A(E n S;) ~ A(E n Sp) + A(E n S') = A(E n Ad + ... + A(E nAp) + A(E n S') .
A(E) = A(E n Sp)
LiiBt man hier p - 00 streben, so erhiilt man (0') mit Ungleichung mit ~ folgt aus 9.4 (c).
~.
Die entsprechende 0
Aus den bisherigen Resultaten ergibt sich nun ohne Muhe der Hauptsatz fiber das Lebesguesche Ma8. Die Familie .2 aller mejJbaren Mengen im Rn ist eine O'-Algebra, welche die quadrierbaren Mengen umfajJt. Die Funktion A ist ein bewegungsinvariantes MajJ auf .2, welches fur quadrierbare Mengen mit
dem lordan-Inhalt ubereinstimmt. V.a. heijJt das: Sind die Mengen A, B und aile Mengen der Folge (Ai)! mejJbar, so sind auch die Mengen A', Au B, An B und A \ B sowie U Ai und Ai mejJbar. Ferner gilt
n
A(A \ B) = A(A) - A(B) ,
falls B
A (UAi) = LA(Ai) ,
falls die Ai paarweise disjunkt sind ,
A (U Ai) = limA(Ai) ,
falls die Folge (Ai) monoton wachsend ist ,
A (nAi) = limA(Ai} '
falls die Folge (Ai) monoton fallend und A(AI) < 00 ist.
c
A und ),(B)
- nO}
= lim 1t s(n)
unteres Integral.
f(x) dx := inf {Sen) : n
>- nO}
= lim1t S(n)
oberes Integral.
Zunachst ein paar einfache Siitze. (e) Es ist f E L(B) und J(f) = rJ. genau dann, wenn Jo(f) = J"(f) = rJ. ist. (f) Integrabilitiitskriterium (a la Riemann). Es ist f E L(B) genau dann, wenn (AC) gilt und zu 8 > 0 eine Partition n E PB existiert mit
Sen) - sen)
- (V, B \ V) ist entweder Ai C V oder Ai C V'. 1m ersten Fall ist A(Ai) = 0, und der entsprechende Summand tritt nicht auf, im zweiten Fall ist f(~;) = g(~;). Es folgt also ()(n, ~; f) = ()(n, ~; g). 0 Man darf also den Integranden auf Nullmengen abandern, ohne daB das Integral davon betroffen wird. Insbesondere kann man nach (a) annehmen, daB f nur endliche Werte annimmt. Diese Bemerkung ist wichtig, wenn man die Summe h = f + g zweier integrierbarer Funktionen bildet. Sie ist nicht definiert auf der Menge Waller Punkte x E B mit f(x) = -g(x) E {oo, -oo}. Fiir x E W setzen wir hex) irgendwie fest, etwa hex) = 0; da W eine Nullmenge ist, spielt die Art der Festsetzung keine Rolle. Ubrigens ist das Produkt Af immer definiert. Mit dieser Festsetzung ist das Integral ein lineares Funktional. (i) Linearitiit. Aus f, g E L(B) und A, f.1 E 1R folgt Af + f.1g E L(B) und
l (Af(x)
+ f.1g(x)) dx = Al f(x)
dx + f.1 l g(x) dx .
Beweis. Es sei U die Menge aller x E B mit Ifl(x) = 00 oder Igl(x) = wie unter (h) sieht man, qaB fUr n = (Ai) >- (U, B \ U) ()(n, ~; Af + f.1g)
00.
A.hnlich
= A()(n, ~; f) + f.1()(n, ~; g)
ist, da der i-te Summand im Fall Ai C U wegen A(Ai) = 0 in allen drei Summen verschwindet. Die Behauptung folgt nun aus Satz 5.4 (b) (wenn nj, n; die in (Ae) auftretenden Partitionen fUr f bzw. g sind, wahlt man n- >- nj, n; und betrachtet nur Partitionen n >- nO). 0 (j) 1st f E L(B) und ({l : 1R --+ 1R lipschitzstetig mit ({l(0) = 0, so ist ({l 0 f E L(B) (unabhiingig davon, wie die Funktion auf der Nullmenge Uf von (a) definiert ist). Speziell sind f+ = max (f, 0), f- = max (- f,O) und If I = f+ + f- aus L(B).
Beweis. Nach (h) konnen wir annehmen, daB If(x) I < 00 ist. Aus Icf>(s) - cf>(t) I :=:;; lils - tl folgt zunachst Icf>(s) I :=:;; lilsl, also S(n-; Icf> 0 fl) :=:;; liS(n-; If I) < 00. Nach (f) gibt es zu B > 0 eine Partition n mit S(n;f) -s(n;f) < B. Wegen
Mi(cf> 0 f) - mi(cf> 0 f)
:=:;;
li(Mi(f) - mi(f»
ist dann S(n;cf> 0 f) - s(n;cf> 0 f) < liB und damit cf> speziellen FaIle erhalt man mit cf>(s) = lsi, s+, S-.
0
f E L(B) nach (f). Die 0
Uber den Zusammenhang mit dem Riemann-Integral besteht der folgende Satz. 1st die Funktion faber die quadrierbare Menge B Riemann-integrierbar, so ist faber Bauch Lebesgue-integrierbar, und die entsprechenden Integrale haben denselben Wert. Damit ist auch gerechtfertigt, daB wir fUr das Lebesguesche Integral dieselbe Bezeichnung 18 f(x) dx verwenden.
9.8 Nichtnegative Funktionen
325
Beweis. Der Satz reduziert sieh bei unserer Darstellung auf eine Trivialitat. Da jede endliehe disjunkte Partition von B in quadrierbare Teilmengen zu P B gehort, ist naeh Folgerung 7.13 das Riemannsehe untere Integral nieht groBer als das Lebesguesehe untere Integral und das Riemannsehe obere Integral nieht kleiner 0 als das Lebesguesehe obere Integral. Daraus folgt die Behauptung. 9.8 Nichtnegative Funktionen. Aus 9.7 (i)U) ergibt sich: (a) Die Funktion f : B -+ R ist genau dann tiber B integrierbar, wenn f+ und f- tiber B integrierbar sind, und es besteht dann die Gleichung fB f dx = fB f+ dx fB f- dx. Das Integral IaBt sich also auf Integrale iiber nichtnegative Funktionen zuriiekflihren. Das bietet manehmal beweisteehnisehe Vorteile. Es sei f eine beliebige, auf der meBbaren Menge B erkIarte niehtnegative Funktion (der Wert 00 ist zugelassen). Ober- und Untersummen sind dann immer definiert (vgl. die Ausflihrungen in 9.1 (a) iiber unendliehe Reihen), sie konnen jedoeh den Wert 00 annehmen. Naeh wie vor ist s(n) ::; s(n') ::; S(n') ::; S(n) flir n -< n'. Das (untere, obere) Integral ist wie bisher definiert, und wir sehreiben J(f) = fB f(x) dx aueh dann, wenn J. = J* = 00 ist; in diesem Fall ist jedoeh f tf- L(B). (b) Die Funktion f : B --+ [0,00] ist genau dann integrierbar, wenn J.(f) = J* (f) < 00 ist. Das ist nieht vollig trivial, weil wir jetzt die Konvergenzbedingung (AC) von 9.7 nieht vorausgesetzt haben. Sie ergibt sieh aber sofort aus J*(f) < 00. (e) Sind B und A c B meBbar, so ist fB YCA(X) dx = YA,(A) flir Fall A,(A) < 00 ist also CA E L(B).
°: ;
Y ::;
00.
1m
Beweis. Fiir n· = (A, B \ A) ist s(n·) = S(n·) = YA,(A), und das Entspreehende gilt 0 dann flir aIle n >- n· naeh der obigen Bemerkung hinter (a). (d) 1st f E L(B), f 2
°
°
und J(f) = 0, so ist f =
°
f.ii. in B.
°
Beweis. Es sei a > und B~ = {x E B : f(x) 2 a}. Zu e > gibt es eine Partition n = (Ai) mit S(n) < e. Bezeichnet Co; die Vereinigung aller Ai von n mit Mi 2 IX, so ist Bo; c C~, also
°
Da man e beliebig vorgeben kann, ist B~ eine Nullmenge. Die Menge Paller x E B mit f(x) > ist die Vereinigung der Mengen Bl, Bl/2' B 1/ 3, ••• , also ebenfalls 0 eine Nullmenge. Damit ist (d) bewiesen. Satz. Es sei (Bd eine (endliche oder unendliche) Partition der mejJbaren Menge B und f : B --+ [0,00] eine beliebige Funktion. Dann gilt die Gleichung (1)
( f(x) dx
JB
filr das obere und das untere Integral.
=I
( f(x) dx
JBk
326
§ 9. Das Lebesgue-Integral
Beweis. Aus Partitionen nk = (A7)i von Bk laBt sich eine Partition n = (Af)i,k von B zusammenbauen, und umgekehrt induziert jede Partition n = (Aj) von B, welche Verfeinerung von (Bk) ist, Partitionen nk von Bk, wobei nk aIle Aj c Bk enthalt. Aufgrund des Doppelreihensatzes gilt dann (*)
s(n;B) = Ls(nk;Bk)
und
S(n;B) = LS(nk;Bk).
Wir schreiben im folgenden einfach s(n) und s(nk) und J., J: flir die unteren Integrale. Aus (*) folgt sofort s(n) ::; L J:, also J. ::; L J:, da n beliebig ist. Umgekehrt erhalt man aus (*) flir beliebig vorgegebenes p J. 2 s(nd
+ ... + s(np)
.
Da hierin nl, ... , np willkiirlich wahlbar sind, ist J. 2 J! + ... + Jf. Demnach ist J. 2 L J:. Damit ist die Gleichung J. = L J: bewiesen. Die oberen Integrale werden auf ahnliche Weise behandelt. 0 Aufgrund von (a) lassen sich die obigen Aussagen auf Funktionen von beliebig em Vorzeichen iibertragen. Wir zeigen dies am Beispiel des Satzes.
Corollar. Es sei (Bk) eine Partition von B E .P. Die Funktion f : B genau dann zu L(B), wenn f E L(Bk) for aile k und L fBk ifi dx < dies zu, so besteht die Gleichung (1) des Satzes.
-+ 00
IR gehOrt ist. Trifft
Beweis. Bezeichnet man mit a, ak die unteren und mit A, Ak die oberen Integrale von f+ iiber B bzw. Bk, so ist a = L ak und A = L Ak nach dem Satz. Mit fist nach 9.7 U) auch aus L(B), und aus a = A < 00 und ak ::; Ak folgt ak = Ak flir aIle k und L ak < 00. 1st umgekehrt ak = Ak flir aIle k und L ak < 00, so folgt a = A < 00, also f+ E L(B). Der entsprechende Sachverhalt besteht auch flir f-, und aus (b) und (a) ergibt sich dann die Behauptung. 0
r
Ais ein Beispiel flir die Anwendung des Corollars iibertragen wir die Aussage 7.10 (i) auf Lebesgue-Integrale. (e) Die Mengen A und B ::::J A seien meBbar. Die Funktion fist genau dann aus L(A), wenn die (mit dem Wert 0 fortgesetzte Funktion) fA zu L(B) gehort. Es ist dann fB fA dx = fA f dx.
9.9 Me8bare Funktionen. Wir flihren hier einen neuen grundlegenden Begriff der MaBtheorie ein. Der Zusammenhang mit dem Integral wird sich bald ergeben. Fiir Funktionen f,g, ... : B -+ IR werden abkiirzende Bezeichnungen {f> IX} = {x E B : f(x) > IX}, {f::; g} = {x E B : f(x)::; g(x)}, ... benutzt. Definition. Die Funktion f : B -+ IR heiBt mefibar (auf B), kurz f E M(B), falls B meBbar und eine der folgenden vier gleichwertigen Bedingungen erflillt ist: (i) (iii)
{f > a} E.P flir aIle a E IR , {f < IX} E.P flir aIle IX E IR ,
(ii)
(iv)
{f 2 a} E.P flir aIle IX E IR , {f::; IX} E.P flir aIle IX E IR .
Die Gleichwertigkeit von (i) und (iv) folgt aus {f ::; IX} = B \ {f > IX}, jene von (ii) und (iii) aus {f < IX} = B \ {f 2 IX}. Aus {f 2 IX} = n{f > IX und
i}
9.10 Treppenfunktionen und Elementarfunktionen
327
!}
{f > ex} = U{f ~ ex + (jeweils k = 1,2, ... ) erhiilt man die Aquivalenz von (i) und (ii). Hier und im folgenden benutzen wir die Eigenschaften der a-Algebra ohne besonderen Hinweis. (a) 1st f meBbar, so gel ten (i) bis (iv) auch flir ex = ±oo. Hieraus folgt dann die MeBbarkeit von Mengen wie {f = ex}, {ex < f < P}, ... flir beliebige ex,p E 1R. Beweis. Es ist z.B. {f < oo} = U{f < k}, {f ~ -oo} = B. Ferner ist {f = ex} = {f ~ ex} n {f sex}. Der letzte Fall sei dem Leser liberlassen. 0
Die folgenden Siitze liber meBbare Funktionen ergeben sich meist unmittelbar aus einer der Defintionen (i)-(iv). (b) Die Funktionen f.,/z, ... seien meBbar in B. Dann sind auch die Funktionen f(x) = inf fdx) , F(x) = sup Jk(x) k
k
meBbar; das gilt auch flir das Maximum und Minimum von endlich vielen Funktionen fk. Daraus folgt die MeBbarkeit der Funktionen g(x)
= lim inf Jk(x) , k-+oo
G(x)
= lim sup Jk(x) . k-+oo
1m FaIle der (punktweisen) Konvergenz ist also x f-+ limfk(x) eine meBbare Funktion. (c) 1st f E M(B) und A c B meBbar, so ist f E M(A). Umgekehrt gilt: (d) 1st (Bk) eine endliche oder unendliche Folge meBbarer Mengen mit der Vereinigung B und ist f E M(Bd flir aIle k, so ist f E M(B). (e) 1st f E M(B) und f = g f.li. in B, so ist g E M(B). (f) Eine stetige Funktion f : B -+ 1R ist meBbar, wenn B meBbar ist. Beweis. (b) Aufgrund der Relationen {F > ex} = U{Jk > ex} und {f < ex} = U{fk < ex} erweisen sich fund F als meBbar, und aus den DarstellUngen von 9.1 (c), z.B. g(x) = SUPk (inf;;o>k fi(X)), ergeben sich die librigen Behauptungen. (c) folgt aus {x E A : f(x) > ex} = {f(x) > ex} n A und (d) aus der Bemerkung, daB {f > ex} gleich der Vereinigung der meBbaren Mengen {x E Bk : f(x) > ex} ist. Zum Beweis von (e) sei N eine NUllmenge und f = g auf B \ N. Also ist g auf B \ N meBbar. Da auf einer Nullmenge jede Funktion meBbar ist (die zugeh6rigen Mengen {f > ex} sind Nullmengen, also meBbar nach 9.5 (a)), ist g auch auf N meBbar, und die Behauptung folgt aus (d). (f) Aus f(x) > ex folgt f(y) > ex in einer Umgebung von x. Die Menge {f> ex} ist also offen in B, d.h. Durchschnitt einer offenen Menge mit B. Die Behauptung 0 folgt nun aus 9.6 (a).
9.10 Treppenfunktionen und Elementarfunktionen. Die Funktion f : B -+ 1R heiBt Treppenfunktion, wenn sie h6chstens abziihlbar viele Werte annimmt. Es sei etwa f(B) = {y., Y2, ... } und Bi = {f = yd· Die Bi sind paarweise disjunkt, und es ist B = UBi sowie f = L YiCBi (die Summe ist definiert, da an jeder Stelle h6chstens ein Summand 0 ist).
+
§ 9. Das Lebesgue-Integral
328
(a) Die Treppenfunktion / = I YiCB, mit Bi = /-1 (Yi) ist genau dann meBbar, wenn aIle Mengen Bi meBbar sind. 1st dies der Fall, so gilt
in den Fallen (i)
°: :;
Yi :::; 00 und (ii)
L lyd)'(Bi )
< 00.
Beweis. 1st / meBbar, so sind die Mengen Bi meBbar. Sind umgekehrt die Bi meBbar, so ist {f > cx} = U{ Bi : Yi > cx} meBbar. Das Integral wird im Fall (i) mit Hilfe des Satzes 9.8, im Fall (ii) mit Hilfe des Corollars von 9.8 berechnet; 0 dabei wird 9.8 (c) benotigt. Wir nennen eine Funktion t : B --+ 1R Elementarfunktion, wenn sie meBbar ist, nur endlich viele Werte annimmt und einen beschrankten Trager hat. 1st etwa t(B) = {CXI,""CXp} c 1R und Ai = {f = CXi}, so ist t(x) = If CXiCA" wobei die Mengen Ai paarweise disjunkt, meBbar und im Fall CXi f. 0 beschrankt sind. Analog sind komplexe Elementarfunktionen (mit CXi E CC) definiert. Offen bar bilden die reellen bzw. komplexen Elementarfunktionen einen Funktionenraum. (b) Je zwei Elementarfunktionen s, t besitzen eine gemeinsame Darstellung s(x) = If CXiCA, , t(x) = If PiCA" wobei die Ai paarweise disjunkt, meBbar und fUr CXi f. 0 beschrankt sind (beide Darstellungen benutzen also dieselben Mengen Ai). FUr den Beweis sei s(x) = L c5 icD" t(x) = I ejCE}" Man kann davon ausgehen, daB n = (Di) und n' = (E j ) endliche Partitionen von B sind, indem man eventuell einen weiteren Term mit c5 i = 0 bzw. ej = 0 hinzufUgt. Man schreibt dann die obigen Darstellungen auf die Partition n . n' = (Aij) = (D j n Ej ) urn; z.B. ist CD, = Lj CA,}" 0 Approximationssatz. Zu jeder mejJbaren Funktion / : B --+ [0,00] gibt es eine monoton wachsende Folge (td von nichtnegativen Elementarfunktionen mit lim tk(X) = /(x) (punktweise) in B. Zu jeder mejJbaren Funktion / : B --+ 1R gibt es eine Folge (td von Elementarfunktionen mit Itdx)1 :::; 1/(x)l. welche in B punktweise gegen / strebt.
Beweis. Zunachst sei / ~ 0 und meBbar. FUr e > 0 konstruieren wir, ahnlich wie es ursprUnglich Lebesgue getan hat (vgl. die Einleitung), eine Partition n, = (Ak, U) von B mit Ak = {ek:::; / < e(k + I)} (k = 0,1,2, ... ), U = {f = oo} und bilden die meBbare Treppenfunktion 00
t' =
I
mkCAk + 00' Cu ,
mk = inf /(Ad .
k=O
FUr sie gilt
o :::; t' :::; /
:::; t'
+e
in B .
Wir fUhren dieselbe Konstruktion mit e/2 aus und erhalten n,/2 = (Bb U) mit Bk = < i(k + I)}. Wegen Ak = B2k U B2k+1 ist n,/2 eine Verfeinerung von n" und daraus folgt auf einfache Weise t' :::; t'/2. Bezeichnet gp die auf diese
H : :; /
9.11 MeBbarkeit und Integrierbarkeit
329
Weise fUr t: = 2-P erhaltene Treppenfunktion (p = 1,2, ... ), so gilt gp lim gp = f in B. Die Funktionenfolge (tp) mit
tp(X) = min {p, gp(x)}
fUr
Ixl s p, tp(x)
=
° fUr
s
gp+l und
Ixl > p
hat dann die im Satz geforderten Eigenschaften. Es handelt sich otfenbar urn Elementarfunktionen, und sie streben mono ton wachsend gegen f (auf V n Bp ist tp(x) = p). Hat f Werte in JR, so bestimmt man die Elementarfunktionen tt, t"i: mit tt ? j+, t"i: ? f- und setzt tk = tt - fi:. Es gilt dann Itkl s If I und tk - f. 0 Ais erste Anwendung des Approximationssatzes beweisen wir einen allgemeinen Satz tiber MeBbarkeit. Satz. Sind die Koordinatenfunktionen fi von f = (iI, ... ,fp) : B - JRP mejJbar und ist
(s) = lsi (s E 1RP) eine stetige Funktion ist. Da aIle Normen im 1RP aquivalent sind, besteht eine Abschatzung If I ~ C{lftl+···+lfpl}. Nach Satz 9.11 ist also If I E L(B). Die behauptete Ungleichung folgt nun aus der Abschatzung la(n, ~ ;f)1 ~ a(n, ~; If!) und der Monotonie des Netzlimes; vgl. 5.4 (c). 1m Fall f : B -+ 1R wird der 0 Beweis einfacher. Wir kommen nun zu den zentralen Konvergenzsatzen der Lebesgueschen Theorie. 9.13 Satz von Beppo Levi. Es sei (f d eine monoton wachsende Folge von auf B mejJbaren, nichtnegativen Funktionen und f(x) = limfk(x). Dann gilt
( f(x) dx
JB
=
lim ( h(x) dx .
k-oo
JB
1st der Limes auf der rechten Seite endlich, so ist f
E
L(B).
Beweis. Nach 9.9 (b) ist f meBbar. Aus f ~ h folgt, wenn die entsprechenden Integrale mit J und h bezeichnet werden, J ~ h, also J ~ lim Jk =: R. 1m Fall R = 00 ist der Satz bewiesen. Es bleibt also zu zeigen, daB aus R < 00 folgt J :5: R. Wir zeigen zunachst, daB fUr jede meBbare Menge A c B und 0 :5: m :5: 00 aus m
~ f(x)
in A folgt mA(A)
~
JA h
lim (
k-oo
dx =: R(A) .
FUr m = 0 ist das trivial. Es sei also m positiv, 0 < a < m und Qk Dann ist
aA(Qd
~
( fk dx
JQk
~ R(A)
= {h > a} n A.
.
Die Folge (Qd ist monoton wachsend mit U Qk = A. FUr k -+ 00 ergibt sich dann nach dem Hauptsatz 9.5 aA(A) ~ R(A) und schlieBlich, da a < m beliebig ist, (*). Nun sei n = (Ai) eine Partition von B und s(n) = L miA(Ai) die zugehorige Untersumme. Wendet man (*) auf AJ, ... ,Ap an, so erhalt man mit der Bezeichnung Bp = Al U ... UAp
FUr p
-+ 00
folgt s(n)
~
R und daraus die Behauptung J
~
R, da n beliebig ist.
0
§ 9. Das Lebesgue-Integral
332
Corollar 1. Fur eine Folge
(gd'f nichtnegativer meftbarer Funktionen ist die Summe
00
S(x) = Lgk(X) meftbar und k=1
r S(x) dx = I r gk(X) dx .
JB
k=1
JB
Corollar 2. 1st (jk) eine monotone Folge von integrierbaren Funktionen und ist die Folge ihrer Integrale fB fk(X) dx beschriinkt, so ist der Limes f(x) = limfk(x) integrierbar und
k-+oo
JrBf(x) dx =
lim ( ik(x) dx .
k-+oo
JB
Beweis. Corollar 1 ist trivial, wenn ein Integral J(gp) = 00 ist. Andernfalls sind die gk und eben so die Teilsummen ik = gl + ... + gk integrierbar, und die Behauptung ergibt sich wegen J(jd = J(gd + ... + J(gk) aus dem Satz von Levi (hier und im folgenden wird 9.7 (i) benutzt). Beim Corollar 2 ist U = {If I I = oo} nach 9.7 (a) eine Nullmenge. Durch hk(X) = fdx) - fl (x) in B \ U, hk(X) = 0 in U wird, falls die Folge (jd wachsend ist, eine monoton wachsende Folge nichtnegativer, integrierbarer Funktionen definiert. Die zugehorige Folge der Integrale J(h k) = J(jd - J(jd ist beschriinkt, und nach dem Satz von Levi ist h = lim hk integrierbar, also auch f = h + fl integrierbar. Die Limesbeziehung des Satzes ergibt sich aus J(j) = J(h) + J(jd, J(jk) = J(hd + J(jd und J(hd -+ J(h). 1st die Folge (jd fallend, so betrachtet man die Folge (-ik). 0 Der wichtigste und am hiiufigsten benutzte Konvergenzsatz ist der folgende, auf Lebesgue zuriickgehende 9.14 Satz von der majorisierten Konvergenz. Die Funktionen ik : B -+ 1R. seien meftbar, und es sei Ifdx) I s g(x) in B fur k = 1,2, ... mit g E L(B). Der Limes f(x) := limfdx) existiere (punktweise) fa. in B. Dann sind die Funktionen ik und k-+oo
f uber B integrierbar, und es ist ( f(x) dx = lim ( fk(X) dx .
JB
k-+oo
JB
Der Satz gilt auch for komplexe und vektorwertige Funktionen. Beweis. Man kann wieder annehmen, daB g und die fk iiberall endlich sind und daB die Folge der fk iiberall gegen f konvergiert. Die Funktion fist meBbar, und wegen Ifk(X) I, If(x) I s g(x) sind f, ik nach Satz 9.11 auch integrierbar. Die Funktionen hp(x) = sup {lfk(X) - f(x)1 : k ~ p} sind nach 9.9 (b) meBbar, wegen Ihp(x) I s 2g(x) also integrierbar, und sie streben monoton fallend gegen O. Nach Corollar 2 zum Satz von B. Levi und der Dreiecksungleichung ist
9.16 Das Prinzip von Cavalieri
333
Ais letzten Satz in dieser Reihe beweisen wir das
9.15 Lemma von Fatou. Fur nichtnegative, auf B mejJbare Funktionen !k ist
JB( limk~ooinf !k(x) dx :::; limk~ooinf JB( !k(x) dx . Beweis. Nach 9.9 (b) sind die Funktionen gp(x) = inf {!k(x) : k 2 p} und limgp(x) = liminf fk(X) meBbar, und aus gp :::; !k fUr k 2 P folgt J(gp) :::; liminf J(!k) =: L. Da die Folge (gp) monoton wachsend ist, ergibt sich limJ(gp) = J (lim gp) = J (lim inf f d :::; L aus dem Satz von B. Levi. 0 Wir kommen nun zu jenem Teil der Theorie, der von iterierten Integralen handelt. Das Ziel ist der Satz von Fubini, welcher den entsprechenden Satz 7.15 verallgemeinert.
9.16 Das Prinzip von Cavalieri. In dieser und den nachsten drei Nummern benutzen wir die folgende Bezeichnungsweise: x E IRP, Y E IRq und z = (x,y) E IRn mit p + q = n. Fur eine Menge A c IRn betrachten wir die Schnitte Ay = {x E IRP : (x,y) E A}
mit y E IRq .
(a) Sind die Mengen B c IRP, C c IRq offen bzw. Go-Mengen, so ist A = c IRn offen bzw. eine Go-Menge. (b) 1st A c IRn offen bzw. eine Go-Menge, so sind auch die Schnitte Ay offen bzw. Go-Mengen. Fur offene Mengen sind beide Aussagen leicht zu beweisen. Fur Go-Mengen folgen sie dann aus den Formeln (Bi c IRP, Cj c IRq, Ai C IRn)
B x C
Zur Verdeutlichung wird im Raum IRm das (auBere) MaB mit Am und die Klasse der meBbaren Mengen mit fE m bezeichnet. Satz (Prinzip von Cavalieri). 1st die Menge A c IRn mejJbar, so ist fur fast alle y E IRq der Schnitt Ay in IRP mejJbar. Ferner ist die (uberall definierte) Funktion y f---+ AP(A y) im IRq mejJbar und (1)
Beweis. Wir unterteilen ihn in mehrere Schritte und diskutieren dabei die folgende Aussage E Uber Mengen A c IRn
334
§ 9. Das Lebesgue-Integral
E(A) :
A E 2'n, Ay E 2'p fUr fast aIle y, AP(Ay) meBbar, es gilt (1) .
(i) Sind ft, h beschrankte Intervalle im JRP bzw. JRq, so gilt E(1) fUr 1= ft xh Es ist namlich Iy = II fUr y E h und Iy = 0 sonst, also AP(Iy) = Iftl fUr y E 12 und AP(Iy) = 0 fUr y fj. h Hieraus und aus A,n(I) = IIti P . Ihl q folgt E(1). (ii) Gilt E (Ak) fUr k = 1,2, ... und sind die Mengen Ak paarweise disjunkt, so gilt E (U Ak). Denn zunachst ist A = U Ak meBbar. 1st A~ fUr y fj. N k meBbar, wobei N k eine Nullmenge ist, so ist Ay = U A~ fUr y fj. N = U N k meBbar, und hierbei ist N eine Nullmenge. Aus der a-Additivitat folgt nun, da die A~ paarweise disjunkt sind, A,P(Ay) = L A,P(A~) fUr y fj. N. Aus 9.9 (b) und (e) folgt zunachst die MeBbarkeit der Funktion A,P(Ay) und sodann, indem man (1) fUr Ak aufschreibt und tiber k summiert und A,n(A) = L A,n(Ak) benutzt, die Gtiltigkeit von E(A). Beim letzten Schritt wird Corollar 1 zum Satz 9.13 von B. Levi benutzt. (iii) Gilt E(Ak) fUr k = 1,2, ... und bilden die Ak eine monoton fallende Folge beschriinkter Mengen, so gilt E(A) fUr A = Ak. Das wird ahnlich wie in (ii) bewiesen. Wieder ist Ay = A~ fUr fast aIle y meBbar, und aus Corollar 2 von 9.13 folgt, daB mit A,P(A~) auch A,P(Ay) = lim A,P(A~) integrierbar ist und daB man in der Gleichung (1) fUr Ak den Grenztibergang k --+ 00 durchfUhren kann. In der obigen Gleichung fUr A,P(Ay) und eben so in der Gleichung A,n(A) = lim A,n(Ak) wird die letzte Formel im Hauptsatz 9.5 benotigt. (iv) Aufgrund von (i)(ii) und Satz 9.2 gilt E(G) fUr jede offene Menge G und wegen (iii) auch fUr jede beschriinkte G,,-Menge H = Gk. Nun sei A eine beschrankte meBbare Menge. Nach Corollar 9.6 gibt es eine beschrankte G,,Menge H => A mit A,(H \ A) = 0 sowie eine beschrankte G,,-Menge K => H \ A mit A,(K) = O. Es ist also
n
n
n
letzteres nach 9.8 (d). Wegen (H \ A)y = Hy \ Ay c Ky ist auch A,P(Hy \ Ay) = 0 fUr fast aIle y. Die Mengen Hy und Ky sind gemaB 9.16 (b) G,,-Mengen, und aus Corollar 9.6 ergibt sich nun die MeBbarkeit von Ay und die Gleichung A,P(Hy) = A,P(Ay) fUr fast aIle y. Die Funktion A,P(Ay) ist also meBbar. Da die Gleichung (1) fUr H gilt und da A,n(A) = A,n(H), A,P(A y) = A,P(Hy) ist, bleibt sie auch fUr A giiltig. Nachdem nun die Eigenschaft E (A) fUr beschrankte meBbare Mengen nachgewiesen ist, ergibt sich die Aussage des Satzes fUr unbeschrankte Mengen durch Zerlegung in beschrankte Mengen und eine erneute Anwendung von (ii). 0 9.17 Die Produktformel. 1st die Menge A mejJbar, so gilt (mit n = p + q)
= AI
X A2 mit AI
c
JRP und A2
c
JRq
9.18 Satz von Fubini (1. Form)
335
1st dabei An(A) > 0. so sind die Mengen Al und A2 mejJbar. Umgekehrt folgt aus der MejJbarkeit von Al und A2. dajJ auch A mejJbar ist. Beweis. Offenbar ist Ay = Al flir y E A2 und = 0 sonst, also AP(Ay) = AP(A I)CA2 • Die Produktformel folgt nun aus dem vorangehenden Satz mit 9.8 (c). 1st hierbei ).n(A) positiv, so ist aueh ).q (A 2) positiv, und aus der MeBbarkeit fast aller Sehnitte Ay folgt, daB Al meBbar ist. Dasselbe gilt dann aueh flir A 2. Nun seien Al und A2 meBbar. Naeh Corollar 9.6 gibt es GJ-Mengen HI ::::J Al und KI ::::J HI \ Al mit AP(H I \ Ad = 0, AP(K I ) = 0. Werden die Mengen H2, K2 entspreehend gewahlt, so gilt flir H = HI X H2 H \ A c KI
X R.q
u R.P
X
K2 .
Da auf der reehten Seite naeh 9.16 (a) zwei GJ-Mengen stehen, flir welche die Produktformel giiltig ist (vgl. den Beginn des Beweises), ist H \ A eine Nullmenge und deshalb A meBbar naeh Corollar 9.6. D 9.18 Satz von Fubini (1. Form). Die Funktion f : R.n -+ [0,00] sei mejJbar. Dann gilt (a) Die Funktion f(',y) : Xf-4 f(x,y) ist mejJbar in R.P fur fast aile y E R.q. (b) Die Funktion F(y) := IRPf(x,y)dx ist (fast uberall erkliirt und) mejJbar
in R.q.
(c) IR" f(z) dz = IRq F(y) dy == IRq(JRP f(x,y) dx) dy. Dabei wird ,stillsehweigend' angenommen, daB die Funktion F dort, wo das Integral nieht existiert, irgendwie festgelegt wird (die Art der Festlegung hat keinen EinfluB auf (b) und (c».
Beweis. Integrale beztiglieh x, yoder z = (x, y) erstreeken sieh im folgenden tiber oder R.n. 1st f = CA mit A E 2 n, so gelten (a)-(e) naeh dem CavalieriPrinzip. Aus Ay E ffp folgt namlieh naeh 9.10 (a) wegen CA(X,y) = CAy(X) die MeBbarkeit der Funktion Xf-4 CA(X,y) und die Gleiehung F(y) = I CA(x,y)dx = ).P(A y). Die Behauptung gilt damit aueh flir Elementarfunktionen t(z) = LYi ·CA,(Z). 1st nun f meBbar und niehtnegativ, so gibt es naeh dem Approximationssatz 9.10 eine monoton waehsende Folge (tk) von Elementarfunktionen mit lim tk = f. Mit geeigneten Nullmengen Nk gilt also
R.P, R.q
(ad td',y) ist meBbar flir y ¢ N k ;
= I tdx,y)dx ist meBbar; (cd I tdz) dz = I(J tk(X, y) dx) dy = I Tk(Y) dy (bd Tdy)
(wobei zuvor Tdy) auf Nk zu definieren ist). Nun ist N = U Nk eine Nullmenge. Aus dem Satz 9.13 von B. Levi, den wir im folgenden mit (BL) abktirzen, ergibt sieh nun wegen tk /' f die MeBbarkeit der Funktion f(-, y) und die Gleiehung lim Tdy) = F(y) == I f(x,y) dx flir y ¢ N. Setzt man z.B. Tdy) = F(y) = flir yEN, so zeigt eine erne ute Anwendung von (BL), daB mit Tk aueh F = lim Tk meBbar und lim I Tk(Y) dy = I F(y) dy ist. Damit sind insbesondere (a) und (b) bewiesen. Die reehte Seite von (cd strebt also gegen die reehte Seite von (e),
°
§ 9. Das Lebesgue-Integral
336
wiihrend die linke Seite nach (BL) gegen die linke Seite von (c) strebt. Damit ist 0 auch (c) bewiesen. Corollar (Zweite Form des Satzes von Fubini). 1st f : JRn eines der beiden (nach der 1. Form existierenden) 1ntegrale
-+
JR mefibar und ist
r If(z)1 dz, Lq (Lp If(x,y)1 dX) dy
JIR"
endlich, so gelten die Aussagen (a) bis (c), wobei "mefibar" durch "integrierbar" zu ersetzen ist, und fist aus L(IRn). Beweis. Die Anwendung des Satzes auf f+ und f- ergibt
mit F±(y) =
°: :;
J
f±(x,y) dx .
Die beiden ersten Integrale sind wegen f± :::; If I endlich, und das dritte Integral ist nach 9.7 (a) fUr fast aIle y endlich. Insbesondere ist f± E L(IRn). Aus den Aussagen (a)-(c) fUr und f- ergibt sich nun auf einfache Weise die 0 Behauptung.
r
Bemerkungen. 1. Nattirlich bleibt der Satz von Fubini in beiden Formen gtiltig, wenn man die Rollen von x und y vertauscht. Man darf insbesondere die Reihenfolge der Integration vertauschen. Ebenso ist klar, daB man im Fall p > 1 das innere Integral mit Hilfe des Satzes durch wiederholte Integration berechnen und durch mehrfache Anwendung dieses Schlusses ein Integral in JRn auf n eindimensionale Integrationen zurlickftihren kann. Die entstehenden Formeln sind v611ig analog zu jenen in 7.15. Wir verzichten deshalb darauf, sie nochmals aufzuschreiben. 2. Wir haben der Einfachheit halber den Satz fUr Funktionen formuliert, die auf ganz JRn definiert sind. Dadurch wird die Allgemeinheit nicht eingeschriinkt. 1st f E L(B), so ist f B E L(IRn), und in der Formel (c) wird tiber B und die entsprechenden Schnitte integriert. Das folgt aus 9.8 (e). Die Kette von Schliissen, welche zum Satz von Fubini gefUhrt hat, ist auch sonst ntitzlich. Als Beispiel verallgemeinern wir die Substitutionsregel 7.18 auf Lebesgue-Integrale. Die frtiheren Voraussetzungen tiber das Gebiet (beschriinkt und quadrierbar) und das Verhalten von
0 vorgegeben und b > 0 so gewahlt, daB fUr f die Aussage (*) gilt. Wir werden zeigen, daB (*) auch fUr g zutrifft. Es seien also ((Xi, Pi) Intervalle mit einer Gesamtlange < b. Nach 5.20 (c) ist g(Pi) - g((Xi) = V~'(f). Wahlt man nun in jedem dieser Teilintervalle eine Zerlegung (Xi = riO < ril < ... < riq, = Pi, so ist Li,j (ri,j - ri,j-d < b, also Li,j If(ri,j) - f(ri,j-dl < e. Da die tiber j genommene Summe Lj If(ri,j)- f(ri,j-I) I bei geeigneter Wahl der Zerlegung die Totalvariation V~'(f) beliebig gut approximiert, ist auch Li(g(Pi)-g((Xi)) = Li V~'(f) ~ e. Damit ist die Absolutstetigkeit VOn g nachgewiesen, und nach (a) ist auch h = g - f absolutstetig. D Die beiden Aussagen des Hauptsatzes erhalten nun eine gleichermaBen pragnante und allgemeine Form. 9.23 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung. 1st die Funktion F im Intervall I = [a, b] absolutstetig, so ist F fii. in I dijferenzierbar, F' E L(l), und es besteht die Gleichung (H2). 1st die Funktion f aus L(l), so ist die zugehorige Funktion F(t) = f(s) ds absolutstetig, und es ist F' = f fii. in I, d.h. es gilt (HI). Die absolutstetigen Funktionen sind also genau die aus integrierbaren Funktionen f entstehenden Integralfunktionen F.
J:
Dies ist ein tiefliegender Satz, und sein Beweis ist nicht einfach. Ein wesentliches Hilfsmittel dazu ist der folgende, 1907 von GIUSEPPE VITALI (1875-1932, italienischer Mathematiker, Professor in Bologna) gefundene Uberdeckungssatz. 9.24 Uberdeckungssatz von Vitali. Es sei E eine beliebige Menge in 1R. Man sagt, ein System .it von kompakten Intervallen mit positiver Lange bildet eine Vitali-Uberdeckung von E (oder iiberdeckt E im Sinne von Vitali), wenn zu x E E und e > 0 ein I E .it mit x E I und III < e existiert, wenn es also zu jedem Punkt aus E beliebig kleine, diesen Punkt enthaltende Intervalle aus .it gibt. Satz. 1st E c 1R eine beschriinkte Menge und .it ein die Menge E im Sinne von Vitali iiberdeckendes I ntervallsystem, so gibt es eine (eventuell endliche) disjunkte
9.24 Uberdeekungssatz von Vitali
Folge von Intervallen
343
It, h ... aus vIt und eine Nullmenge N mit
1st G eine offene Obermenge von E, so lassen sich die Ii so bestimmen, daft zusiitzlich Ii c G for aile i gilt. Beweis. Es sei G eine beschrankte, offene Obermenge von E. Man erkennt leicht, daB das System vito = {I E vIt : leG} ebenfalls eine Vitali-Uberdeckung von E bildet. Wir beschreiben zunachst grob die Prozedur zur Gewinnung der Intervalle h: I I sei das groBte Intervall aus vito, lz das groBte zu It disjunkte Intervall aus vito, h das groBte zu It und lz disjunkte Intervall aus vito, usw. Nun wird es ein groBtes Intervall i.a. nicht geben. Wir wahlen vielmehr bei jedem Schritt ein moglichst groBes IntervaIl, genauer: Sind II bis h-I bereits bestimmt und ist exk das Supremum der Langen aller zu II bis h-I disjunkten Intervalle aus vito, so solI Ihl > exk sein. Bezeichnet man mit Sm die Vereinigung It U ... U 1m, so gilt also:
!
(i) Es ist Ik n Sk-I
= 0,
und fUr I
E
vito mit In
Sk-I
= 0 ist III < 21hl.
Nun gibt es zwei Moglichkeiten. Entweder bricht das Verfahren nach p Schritten ab, weil keine zu Sp disjunkten Intervalle mehr vorhanden sind, oder es IaBt sich ad infinitum fortsetzen. 1m ersten Fall ist E c Sp und der Satz bewiesen. Denn gabe es ein x E E \ Sp, so ware dist (x, Sp) = f3 > 0, da Sp kompakt ist. Ein nach Voraussetzung vorhandenes Intervall I E vito mit x E I und III < f3 liefert einen Widerspruch. Wir kommen zum zweiten Fall und schreiben S = U~ h. Zu jedem Intervall Ik bilden wir nun ein konzentrisches Intervall h ~ h mit IJkl = 51hl. Es wird behauptet: (ii) Fur jedes p gilt E c Sp U Rp mit Rp
= U~p+1 h.
Zum Beweis sei x E E, aber x ~ Sp. Wegen dist (x, Sp) > 0 gibt es ein I E vito mit x E I und In Sp = 0. Nun kann I nieht zu S disjunkt sein, denn in diesem Fall wurde (i) fUr aIle k gelten. Wegen 2: Ihl ~ 2(G) < 00 strebt aber Ihl ~ 0 fUr k ~ 00, und es wurde sich III = 0 ergeben (dies ist in der Definition von vIt ausdrucklich verboten !). Es ist also InS nichtleer, und es gibt einen kleinsten Index q > p mit In Iq =1= 0. Nach (i) ist dann III < 21Iql, und daraus folgt auf einfache Weise I c J q , also x E Rp. Demnach gilt (ii). Nun strebt 2(Rp) ~ 2:;:1 IJkl = 52:;:1 Ihl gegen 0 fUr p ~ 00. Aus E c SURp fUr aIle p folgt E c SUN, wobei N = Rp eine Nullmenge ist. Damit ist dieser elegante, auf S. BANACH (Fund. Math. 5 (1924) 130-136) zuruckgehende Beweis 0 abgeschlossen.
n
1st f eine im Intervall I mono ton wachsende und differenzierbare Funktion und ist f' < ex in I, so gilt fUr das Bildintervall f(1) nach dem Mittelwertsatz If(1) I < exlII· Der folgende Satz bringt eine auBerordentlich weitgehende Verallgemeine rung dieses einfachen Sachverhalts und dient im weiteren Verlauf als Schliissel zum Beweis des Hauptsatzes. Er benutzt die in 1.12.23 eingefUhrten Dini-Derivierten D+, D+, D-, D_.
344
§ 9. Das Lebesgue-Integral
9.25 Satz. Es sei I = [a, b] ein kompaktes Intervall, oc > 0, f eine in I stetige und streng monoton wachsende Funktion und Eel eine (ansonsten beliebige) Menge mit der Eigenschaft, daft in jedem Punkt tEE eine Dini-Ableitung Df(t) < oc [bzw. Df(t) > oc] ist (es braucht nicht in allen Punk ten dieselbe Dini-Ableitung zu sein). Dann ist [bzw. A(f(E)) ~ ocA(E)]. A(f(E)) ~ ocA(E)
Beweis. Wir bezeichnen mit Q den Differenzenquotienten Q(s, t) =[f(s)-f(t)]/(s-t) und, wenn h = [OCk,lh] ein Intervall ist, mit Jk das Bildintervall f(Id. FUr jedes tEE gibt es, wenn Df(t) < ti ist, eine gegen t konvergierende Folge (td mit t f tk und Q(t, tk) < ti. FUr die Intervalle If = [t, tkl bzw. [tk, t] und die zugehorigen Intervalle JL gilt dann IILI - 0 und 0 < IJkl < ocllkl. Das System aller Intervalle A = {Ik : tEE, k = 1,2, ... } bildet eine Vitali-Uberdeckung von E, und ebenso bildet das Intervallsystem A' = {Jk} eine Vitali-Uberdeckung von f(E). Dasselbe bleibt richtig, wenn wir zu gegebenem e > 0 eine offene Menge G :::J Emit A(G) < A(E) + e konstruieren und nur die in G gelegenen Intervalle Ik zu A rechnen. Nach dem vorangehenden Satz von Vitali gibt es eine disjunkte Folge (Jk) aus A' mit f(E) c (U Jd u N, wo N eine Nullmenge ist. Da auch die zugehorige Folge (h) disjunkt ist, erhalt man A(f(E)) ~
I
IJkl ~ oc
I
Ihl ~ tiA(G) < oc(A(E) + e) .
Damit ist die erste Ungleichung des Satzes bewiesen. Man erhalt die zweite Ungleichung, indem man die erste Ungleichung auf die Umkehrfunktion g = f- I : [f(a),f(b)] - I anwendet. FUr den zu g gehorenden Differenzenquotienten ist Qg(f(s),f(t)) = l/Qj(s,t). 1st also Df(to) > oc, so ist DIg(f(to)) < ~ fUr eine geeignete Dini-Ableitung DI. FUr die Menge F = f(E) ist also A(g(F)) ~ ~ A(F), und dies ist wegen g(F) = E gerade die behauptete zweite Ungleichung. 0 Ais eine Uberraschende Folgerung aus diesem Ergebnis erhalt man einen berUhmten, auf LEBESGUE (1904) zurUckgehenden Satz Uber die Differenzierbarkeit monotoner Funktionen. 9.26 Satz. Eine im Intervall I stetige und monotone Funktion ist fii. in I differenzierbar (mit endlicher Ableitung I).
Beweis. Wir werden o.B.d.A. annehmen, daB I ein kompaktes Intervall und f streng monoton wachsend ist (man kann von f zur Funktion t ~ f(t) + t Ubergehen). FUr tEl sei Dd(t) bzw. Dzf(t) die Dini-Ableitung mit dem kleinsten bzw. groBten Wert. Nun seien r, s rationale Zahlen mit 0 < r < s und Ers
= {tEl: Dd(t) < r < s < Dzf(t)} .
Aus dem vorangehenden Satz ergibt sich
9.27 Satz
345
Die Menge E rs ist also eine Nullmenge, und aueh die liber alle rationalen Zahlen r, s mit 0 < r < s erstreekte Vereinigung E = U Ers = {tEl: Dtf(t) < D2!(t)} hat dann das MaB O. Aueh die Menge U = {tEl: f'(t) = oo} ist eine Nullmenge, da fUr sie die Absehatzung Jc(j(U» ~ sJc(U) fUr beliebiges s > 0 gilt, andererseits f(U) in [f(a),f(b)] enthalten ist. An fast allen Stellen in I haben also die vier Dini-Ableitungen denselben endliehen Wert. Daraus folgt die Behauptung. - Aus (*) folgt, daB aueh die Mengen f(Ers) und ihre Vereinigung f(E) Nullmengen sind. Das wird im naehsten Satz benutzt. 0 Corollar. Jede absolutstetige Funktion ist fii. difJerenzierbar. Das ergibt sieh aus dem Satz und Hilfssatz 9.22. 9.27 Satz. 1st f im kompakten I ntervall I = [a, b] stetig und streng mono ton wachsend. so ist f' E L(l) und. wenn U = {tEl: f'(t) = oo} gesetzt wird.
f(b) - f(a) - A(j(U»
~ lb f'(t) dt ~ f(b) -
f(a) .
Bemerkungen. Der Satz gilt aueh dann, wenn f nur sehwaeh mono ton waehsend ist. Unser Beweis der zweiten Ungleiehung bleibt fUr diesen Fall giiltig, fUr die erste Ungleiehung vergleiehe man Aufgabe 3. Hier und im folgenden wird stillsehweigend angenommen, daB die naeh dem vorangehenden Satz nur f.li. in I definierte Ableitung f' zu einer in ganz I erkHirten Funktion erganzt ist. Ferner sei darauf hingewiesen, daB der Differenzenquotient Q(t, t + h) einer stetigen Funktion f bezliglieh t stetig, also meBbar ist, woraus dann die MeBbarkeit von lim inf Q(t, t + -k1 ) = f' (t) (f.li.) folgt. k-.oo
Beweis. Setzt man f(t) = f(b) fUr l
b
Q(t, t + h) dt = lb f(t a a
t
> b, so ist fUr h > 0
+ h) h
I
f(t) dt = -1 b+h f dt - -1 l a+h f dt . hb ha
Flir h --+ 0+ strebt die reehte Seite gegen f(b) - f(a) wegen der Stetigkeit von f. Setzt man etwa h = hk = 11k, so strebt h(t) = Q(t, t + hd f.li. in I gegen f'(t) fUr k --+ 00. Aus dem Lemma von Fatou 9.15 folgt
lb limfk(t) dt
= lb f'(t) dt ~ lim lb fdt) dt = f(b) -
f(a) .
Damit ist die zweite Ungleiehung bewiesen, und wegen f' ~ 0 ist f' E L(l). Zum Beweis der ersten Ungleiehung bilden wir, wenn e > 0 vorgegeben ist, (mit den abklirzenden Bezeiehnungen von 9.9) die Mengen Ak = {ke ~ f' < (k + 1)e} (k = 0, 1,2, ... ), die zusammen mit der Menge ValIer Punkte, an denen f nieht differenzierbar ist, eine Partition no von I bilden. Wegen A(V) = 0 ist L Jc(Ad = b - a, und naeh Satz 9.25 ist A(j(Ad) ~ e(k + 1)Jc(Ad. Flir die zum Integral gehorende Untersumme ist also
§9. Das Lebesgue-Integral
346
L ekA(Ak) = L e(k + l)A.(Ak) - e(b ~ L Jc(f(Ak)) - e(b - a) ~ f(b) - f(a) -
s(n,) ~
a) Jc(f(V)) - e(b - a) ,
letzteres wegen (U f(Ak)) Uf(V) = [f(a),j(b)] und der a-Subadditivitiit 9.4 (c) des iiuBeren MaBes. Die Menge V setzt sich zusammen aus der im vorangehenden Beweis eingenihrten Menge E und der Menge U = {tEl: f'(t) = oo}. Wie dort bewiesen wurde, ist Jc(f(E)) = 0, also Jc(f(U)) = Jc(f(V)). Hieraus folgt die Behauptung. 0 9.28 AbschluB des Beweises. Aus dem eben bewiesenen Satz ergibt sich die Glei-
chung (H2), falls f(U) eine Nullmenge ist. 1m niichsten Lemma wird bewiesen, daB absolutstetige Funktionen diese Eigenschaft haben. Lemma. Eine im Intervall J absolutstetige Funktion bildet Nullmengen auf Nullmengen abo Beweis. Es sei N c J eine Nullmenge, e > 0 beliebig vorgegeben und b > 0 so gewiihlt, daB nir f die Aussage (*) in 9.22 gilt. Nach 9.2 (c) gibt es eine disjunkte Folge von Intervallen Ii c J mit N c U Ii und L lId < b. Wir betrachten nur die Intervalle mit lId> 0; die restlichen Intervalle seien zu einer abziihlbaren Menge C zusammengefaBt. Da f in Ii sein Maximum und Minimum annimmt, gibt es ein offenes Intervall I; = (Yi, bi) C Ii mit Jc(f(li)) = If(Yi) - f(bi)l. Flir jedes p > 1 ist p
also i=l
L If(Yi) -
f(bi)1 < e .
i=l
Da N durch die Intervalle Ii mit lId> 0 und C liberdeckt wird, folgt Jc(f(N)) ~
L Jc(f(li)) = L If(Yi) 00
00
i=1
i=1
f(bi)1 ~ e .
o
Demnach ist f(N) eine Nullmenge.
Aus den Ergebnissen von 9.27 und 9.28 folgt nun der erste Teil des Hauptsatzes 9.23. 1st F auf I absolutstetig, so benutzen wir die Darstellung F = g - h von Hilfssatz 9.22. Die Funktionen FI (t) = g(t) + t und F2(t) = h(t) + t sind absolutstetig und streng monoton wachsend. Flir beide gilt also die Formel (H2), und durch Differenzbildung erhiilt man die entsprechende Formel nir F. Flir den Beweis des zweiten Teils muB zuniichst die Funktion F(t) = f(s) ds untersucht werden.
J:
(a) Flir f E L(l) ist F E AC(l). Zum Beweis bestimmt man, wenn e > 0 gegeben ist, eine Funktion ljJ E (a, b) mit If -ljJl dt < e; vgl. Satz 9.21. Setzt man I!>(t) = ljJ(s) ds, so erhiilt man wegen F(t) - I!>(t) = (f -ljJ) ds
Co
J:
J:
IF(P) - F(IX) I ~ II!>(P) - I!>(IX) I +
J:
l
P
If(t) -ljJ(t)1 dt .
9.29 Satz
347
Es sei etwa 14>(t)1 ~ M in I, also I G;+d, so ist CH = lim CG i sowie IhcGil ~ Ihl, und man kann den Satz 9.14 von der majorisierten Konvergenz anwenden; (b) gilt also auch in diesem Fall. 1st schlieBlich A meBbar und H => A eine Gb-Menge mit A(H \ A) = 0, so ist hCA = hCH f.ii. Damit ist (b) fUr jede meBbare'Menge A richtig. Die Aussage (b) war der letzte Baustein, der den Beweis des Hauptsatzes vollstandig macht. 0 {h ~ O}, so folgt h
C und diam Ai < e. Beide Ungleichungen bleiben erhalten, wenn man geeignete Umgebungen der Mengen Ai wahlt, d.h. annimmt, daB die Ai offen sind. Damit wird C bereits von AI,"" Ap iiberdeckt. Die Mengen Gi = 0 ,
so konvergiert die Fourierreihe von f an der Stelle a gegen c := ~(c+
+ c).
§ to. Fourierreihen
364
Handelt es sich bei c- und c+ insbesondere urn die einseitigen Lirnites f(a-) und f(a+), so ist S(a;f) = Hf(a+) + f(a-)). Beweis. Flir die Funktion g(t)
= f(t) - ;'V(t - a)
1
mit;' = :2(c+ - c-)
(V aus Beispiel 2 von 10.4) ist f(t) -c- = g(t) -c flir t < a und f(t) -c+ = g(t)-c flir t > a, also (g(t) - c)/(t - a) E L(a - b,a + b), und naeh Satz 10.4 ist S(a; g) = c. Naeh Beispiel 2 und 10.1 (d) ist S(a; V(t - a)) = S(O; V) = 0, also S(a;f) = S(a;g) + ;'S(O; V) = c. 0
10.6 Gerade und ungerade Fortsetzung. Eine im Intervall (0, n) erklarte Funktion
f laBt sieh derart auf 1R fortsetzen, daB sieh eine gerade bzw. ungerade 2nperiodisehe Funktion ergibt. Bezeiehnet man die Fortsetzung mit fg bzw. fu, so ist fg(t) = f(-t) bzw. fu(t) = -f(-t) flir - n < t < 0 .
Bei der geraden Fortsetzung unterliegen die Werte fg(O) und fg(n) = fg(-n) keiner Einsehdinkung, falls sie nieht von vorneherein gegeben sind. Dagegen flihrt die Forderung, daB fu ungerade und 2n-periodiseh ist, mit Notwendigkeit auf die Funktionswerte fu(O) = 0 und fu(n) = fu(-n) = O. Wird die Funktion ansehlieBend 2n-periodiseh auf 1R fortgesetzt, so bleibt sie gerade bzw. ungerade. Die Fourierreihe von fg ist naeh 10.1 (i) eine Cosinusreihe, jene von fu eine Sinusreihe. Beide Reihen stellen f im Intervall (0, n) dar! Flir f == 1 in (0, n) ergibt sieh z.B. fg == 1, wlihrend fu die Vorzeiehen-Funktion V ist; fUr f(t) = t in (0, n) ist fg = A der Absolutbetrag und fu = Z die Sligezahnfunktion; vgl. 10.4. Weitere Beispiele enthalt Aufgabe 4.
10.7 Umrechnung auf andere Periodenlingen. Die Funktion f sei periodiseh mit der Periode 2T (T > 0). Die Funktion g(s) = f (~s) hat dann die Periode 2n, und unter geeigneten, die Konvergenz sieherenden Voraussetzungen erhlilt man aus der Fourier-Entwieklung g(s) = L cne ins die entspreehende Entwicklung flir f. Sie lautet f(t)
I
00
=
mit
Cneimcr/T
n=-oo
Cn
1
= 2T
jT f(t)e- . -T
mnr / T
dt
oder in reeller Form
IjT f(t)eos -tdt (n
jT
1 nn bn = f(t) sin -tdt (n ~ 1) . T -T T T -T T Wir besehlieBen die klassische Konvergenztheorie mit einem berlihmten und aueh liberrasehenden Ergebnis.
an
=-
nn
~
0) ,
10.9 GleichmaBige Konvergenz. Satz
365
10.8 Riemannscher Lokalisationssatz. Stimmen zwei Funktionen f, gEL" in einer Umgebung der Stelle a iiberein, so haben ihre Fourierreihen an der Stelle a dasselbe Konvergenzverhalten und, wenn sie konvergieren, denselben Summenwert. Obwohl die Fourierkoeffizienten cn(f) als Integrale von dem Verlauf von f im ganzen Intervall [-n, n] abhangen, sind fUr die Konvergenz der Fourierreihe an der Stelle a nur die Funktionswerte nahe bei a maBgebend - das ist das Uberraschende an dieser Aussage. Der Beweis ist hochst einfach. Da die Funktion h = f - gEL" in einem Intervall (a - 15, a + 15) verschwindet, konvergiert nach Satz 10.4 die Teilsumme sp(a;h) = sp(a;f) - sp(a;g) fUr p --+ 00 gegen 0, woraus die Behauptung folgt. 0 Der Lokalisationssatz erlaubt eine Ausdehnung auf die gleichmaBige Konvergenz.
10.9 Gleichmii8ige Konvergenz. Satz. Stimmen die Funktionen f, gEL" im offenen Intervall J iiberein und ist die Fourierreihe von f in einem kompakten Intervall I c J gleichmiij3ig konvergent, so ist auch die Fourierreihe von g in I gleichmiij3ig konvergent. Beweis. Aufgrund von 10.1 (d) kann man annehmen, daB I = [-y,y] und J = (-15,15) mit 0 < y < 6 < n ist (im Fall 6 ~ n ist f == g). Zu der in J verschwindenden Funktion h = f - g und zu vorgegebenem I: > 0 bestimmen wir eine Funktion
0 einen Index N derart, daB I:+l IIXnl2 < e ausfallt, wenn nur q > p z N ist. Fur solche Indizes p, q ist also Ilsq - spl12 < e, und hieraus ersieht man, daB die Teilsummen eine Cauehyfolge in H bilden. Wegen der Vollstandigkeit von H konvergieren die Teilsummen gegen ein Element g E H. Der Rest folgt in einfaeher Weise aus (a). Fur sp und tp = Ig Pnun ist (sp, tp) = Ig IXnPno und aus sp - g und tp - h folgt mit 1.9 (a) lim(sp, tp) = (g, h) = I;;:' IXnPn- Der Spezialfall ergibt sieh, wenn man Pn = 1, Pi = 0 fUr i =1= n setzt. 0
10.11 Fourierreihen beziiglich einer Orthonormalfolge. Fur ein Element werden die Zahlen
Yn := (f, un)
Fourierkoejfizienten von
f
E H
I
bezuglieh der ON-Folge (un)O' genannt. Zunaehst befassen wir uns mit dem Problem, I dureh eine Summe IA IXnUn mogliehst gut zu approximieren; dabei ist A wie oben in 10.10 (a) eine endliehe Indexmenge. Es besteht dann die folgende Approximationsformel
Zum Beweis sei g III - gl12
= IA IXnUn. Es ist dann
= (f - g,f - g) = IIfl12 + IIgl1 2 - (f,g) - (g,!) .
Setzt man hier die Werte und IIgl1 2 = LA IIXnl2 (naeh 10.10 (a)) ein, so ergibt sieh die Formel, wenn man IIXn - Ynl 2 = IIXnl2 + IYnl 2 - IXnYn - anYn beaehtet. 0
§ to. Fourierreihen
368
Aus der Approximationsformel kann man den folgenden Satz, der die spezielle Rolle der Fourierkoeffizienten bei der Approximationsaufgabe deutlich macht, direkt ablesen.
Approximationssatz. Es sei A eine endliche Indexmenge. Unter allen Linearkombinationen LA (XnUn stellt das Element fA = LA 1'nUn und nur dieses die beste Approximation von f dar. Es ist
Die Koeffizienten der besten Approximation sind also die von der Menge A ganz unabhangigen Fourierkoeffizienten 1'n' Wir ziehen eine weitere Folgerung. Wegen Ilf - fAil 2:: 0 haben aile endlichen Summen LA l1'nl 2 die obere Schranke IIf1l2. Die Folge l' = (1'n)O' geh6rt also zum Raum 12. Die Reihe L~ 1'nUn ist dann nach Satz 10.10 konvergent. Diese Reihe wird
Fourierreihe von f
mit 1'n
= (f, un)
bezliglich der ON-Folge (un)O' genannt.
10.12 Konvergenzsatz. Fur jedes Element f E H ist die zugehorige Fourierreihe = L~ 1'nUn, 1'n = (j, un) ist konvergent (in H). Mit der Bezeichnung
r
00
IIf - 1*112 = IIfl12 -
L l1'nl 2= IIfl12 -111'1112 o
sowie (f - f., un) = 0 fur aile n. Insbesondere ist (1'n) E 12. Das ergibt sich aus dem Approximationssatz fUr A = {O, 1, ... , p} durch Grenzlibergang p -+ 00; die Gleichung (r,u n ) = 1'n wurde bereits in Satz 10.10 bewiesen. Unser Hauptinteresse gilt natlirlich der Frage, wann f = ist, d.h. wann f durch seine Fourierreihe dargestellt wird. Dazu fUhren wir den Begriff der Vollstandigkeit einer ON-Folge ein.
r
10.13 Vollstandigkeit einer Orthonormalfolge. Die ON-Folge (un)O' wird vollstiindig (oder maximal) genannt, wenn aus (f, un) = 0 fUr aile n = 0,1, ... folgt f = 0, anders gesagt, wenn 0 das einzige zu allen Un orthogonale Element aus H ist. Mit diesem Begriff k6nnen wir nun als H6hepunkt und Abschlul3 der allgemeinen Theorie den folgenden Satz beweisen. Darstellungssatz. 1st die Orthonormalfolge (un)O' vollstiindig, so wird jedes Element E H durch seine Fourierreihe dargestellt,
f
00
f = L1'nUn n=O
10.14 Der Hilbertraum
L;
369
Zwischen fund der Foige der Fourierkoejfizienten Y = (Yn)O' besteht die
I
00
Besselsche Gleichung
IIfl12 =
IYnl 2 ,
d.h. Ilfll = IIYllp
n=O
sowie, wenn g E H die Fourierkoejfizienten bn = (g, un) besitzt. die
=I
00
Parsevalsche Gleichung
(f,g)
Ynbn
= (y,b)p
.
n=O
r,
Denn nach dem vorigen Satz ist (f Un) = 0 fUr aIle n, woraus aufgrund = 0 folgt. Die Besselsche und die der Vollstandigkeit der ON-Folge f Parsevalsche Gleichung wurden bereits in Satz 10.10 bewiesen.
r
Bemerkung. Eine vollstandige ON-Folge (un)O' vermittelt eine line are, bijektive und isometrische Abbildung V von H nach 12 , V: H _12,
mit der Umkehrabbildung V-I: 12 _ H ,
Es ist (f,g) = (Vf, Vg)p fUr f,g E H, also Ilfll = IIVfllp. Das ist der wesentliche Inhalt des Darstellungssatzes. Urn diesen abstrakten Satz zu realem Leben zu erwecken, mtissen fUr spezielle Hilbertraume vollstandige ON-Folgen gefunden werden. Wir geben nun im Hilbertraum L2(-n, n) die den klassischen Fourierreihen entsprechenden ON-Folgen an.
10.14 Der Hilbertraum L~. Der Banachraum L2(-n, n) wurde in 9.20 definiert; er wird im folgenden mit L~ bezeichnet. Wir betrachten sowohl den reellen als auch den komplexen Raum, also reeIl- bzw. komplexwertige Funktionen. Ftir f, g E L~ fUhren wir das Innenprodukt
(f, g) :=
I:
f(t)g(t) dt
ein (im reellen Fall ist g = g). Die Funktion fg ist aufgrund der Holderschen Ungleichung aus 9.20 tiber (-n, n) integrierbar. Man erkennt leicht, daB die (f, f) = IIfl12 ist. Klammer (-,.) den Anforderungen von 1.9 gentigt und daB Der Raum L~ ist also ein Hilbertraum. Die Konvergenz in diesem Raum wird auch Konvergenz im quadratischen Mittel genannt. Damit solI an die Definition erinnert werden,
J
~~~fn = f
in
L~
I:
If(t) - fn(t)12 dt - 0
fUr n -
00 .
§ 10. Fourierreihen
370
Wir flihren nun im reellen bzw. komplexen Raum L~ ON-Folgen ein: (a) Reeller Fall: (un)o = (b) Komplexer Fall: (vn)o
Offen bar gilt
In (! y'2, cos t, sin t, cos 2t, sin 2t, cos 3t, ... ), =
$
(1,eit,e-it,e2it,e-2it,e3it, ... ).
/"fr
. M2 . /2 . (c) V2n-l +V2n = y'2 U2n-l = cos nt, V2n-l -V2n = IV L. U2n = 'V it sm nt flir n = 1,2, ... und Uo = Vo. DaB (vn)o eine ON-Folge ist, ergibt sich aus einer einfachen, im Beweis von 10.1 (f) durchgeflihrten Rechnung. Der Nachweis flir (un)o kann ohne groBe Miihe durch zweimalige partielle Integration geflihrt werden. Die mit diesen Funktionen Un bzw. Vn gebildeten Fourierkoeffizienten sind nur bis auf multiplikative Konstanten gleich den friiheren Zahlen an, bn bzw. Cn. Die in den entsprechenden Fourierreihen auftretenden Produkte sind jedoch gleich,
an (f) cos nt + bn(f) sin nt = cn(f)eint + c-n(f)e- int
= (f, U2n-l )U2n-l + (f, U2n)U2n = (f, V2n-l)V2n-l + (j, V2n)V2n flir n 2 1 sowie !ao(f) = coif) = (f, uo)uo = (f, vo)vo. Die n-ten Teilsummen der friiheren Fourierreihen (1) oder (2) von 10.1 (beide sind gleich nach 10.1 (4)) sind also gleich den 2n-ten Teilsummen der Fourierreihen L~ (f, un)u n und L~ (f, vn)vn (auch diese sind gleich).
Satz (Vollstandigkeit der trigonometrischen Orthonormalfolgen). Die in den Formeln (a) und (b) angegebenen Orthonormalfolgen sind vollstiindig. Beweis. Da die Un durch die Vn ausgedriickt werden k6nnen, geniigt es, den komplexen Fall zu betrachten. Es sei also f eine Funktion aus L~, welche zu allen Vn orthogonal ist. Es muB dann nachgewiesen werden, daB f = 0 ist. Nach Satz 9.21 (mit G = (-11:,11:)) gibt es zu e > 0 eine Funktion cfJ E C; mit Ilf - cfJI12 < e. Die Teilsummen sp(t) := sp(t;cfJ) konvergieren nach Corollar 10.4 gleichmaBig gegen cfJ. Aus (f, vn) = 0 folgt (f, sp) = O. Wegen der gleichmaBigen Konvergenz gibt es ein K > 0 mit ISp(t)1 :s; K flir alle p, also If(t)sp(t) I :s; Klf(t)1 flir aIle p. Nach dem Satz von der majorisierten Konvergenz kann man also im Integral (f, sp) unter dem Integralzeichen zum Limes iibergehen und erhalt (f, cfJ) = O. Nun bestimmen wir eine Folge von Funktionen CPk aus C; mit Ilf - CPkl12 < 11k flir k = 1,2, ... Aus (f,CPk) = 0 folgt durch Grenziibergang (f,f) = 0 nach 1.9 (a). Also ist f = 0, was zu zeigen war. 0
Der Darstellungssatz 10.13 kann nun auf die klassischen Fourierreihen angewandt werden. Wir formulieren den dadurch gewonnenen Satz und benutzen dabei die in 10.1 definierten Fourierkoeffizienten.
10.15 Satz. Es sei f eine Funktion aus L~ mit den FourierkoefJizienten Cn nach 10.1 (5). Dann konvergieren die Teilsummen der Fourierreihe von f im quadratischen Mittel gegen f,
10.16 Nochmals Absolutkonvergenz
371
und es ist Besselsche Gleichung . 1st f reellwertig und sind an, bn die reellen Fourierkoejfizienten von f, so bleibt die Limesrelation mit den reellen Teilsummen erhalten (vgl. 10.1 (4)), und die Besselsche Gleichung lautet
Hieraus ergibt sich sofort ein Eindeutigkeitssatz. Haben zwei Funktionen f, g E L~ dieselben Fourierkoejfizienten, so sind sie als Elemente des Hilbertraumes L~ gleich. Daraus folgt, daft f(x) = g(x) fur fast aile x E [-n, n] ist. 10.16 Nochmals Absolutkonvergenz. Mit Hilfe der Besselschen Gleichung lassen sich scharfere Kriterien fUr die Absolutkonvergenz von Fourierreihen gewinnen. Satz. 1st f aus AC" und ist die Ableitung f' sogar aus L~, so konvergiert die Fourier-
reihe von f in IR absolut und gleichmiiftig gegen fur lipschitzstetige Funktionen, z.B. fur f E C~.
f. Diese Aussage gilt insbesondere
Beweis. Bezeichnet man die Fourierkoeffizienten von fund f' mit Cn und c~, so ist Ic~1 = Incnl nach 10.1 (j). Mit der Cauchyschen Ungleichung 1.11.24 ergibt sich fUr die iiber n =1= 0 erstreckte Summe
Die rechte Seite ist aufgrund der Besselschen Gleichung fUr f' endlich. Damit ist die gleichmaBige Absolutkonvergenz bewiesen. Die Funktion g(t) = limsp(t;f) ist also stetig. Da aus der gleichmaBigen Konvergenz die L2-Konvergenz folgt, ergibt sich aus Satz 10.15, daB f = g in L~, also f(t) = g(t) f.ii. ist. Die Funktionen f, g sind aber stetig, und deshalb gilt diese Gleichung fUr aIle t. 0 Mit Satz 10.9 ziehen wir daraus eine fUr viele praktische FaIle niitzliche Foigerung. 1st die Funktion f E L" in einem offenen Intervall J absolutstetig und E L 2 (J), so konvergiert die Fourierreihe von f in jedem kompakten Teilintervall von J gleichmiiftig gegen f.
f'
§ 10. Fourierreihen
372
Zum Beweis verschafft man sich, wenn etwa I kompakt und I c: J c: (-n, n) ist, eine Funktion 4J E AC[-n, n] mit supp 4J c: J, welche in I gleich 1 ist (z.B. einen Streckenzug). Die Funktion g = 4J. / hat dann, wenn man sie noch 2n-periodisch fortsetzt, die im Satz 10.9 von / verlangten Eigenschaften. Die Behauptung folgt 0 nun aus Satz 10.9. Beispiel. Es sei /(t) = 1/1tj'".( mit IX < 1 fUr 0 < It I ~ n, /(0) = 0 sowie / 2n-periodisch fortgesetzt. Die Fourierreihe von / konvergiert auf jeder Menge I: ~ It I ~ n (I: > 0) gleichmaBig gegen f. Zum Beweis wendet man die Folgerung auf das Intervall J = (!I:, 2n - !I:) an. Aufgaben 1. Man verifiziere die folgenden Entwicklungen:
(a) t 2 =
n2
3 +4
L ---;;2 cos (_l)n
OCJ
n=1
nt fUr It I ~ n;
(1
sin em 21X 21X 21X (b) cos IXt = - - - - Z - 12 cos t + Z - 22 cos 2t - Z - 32 cos 3t + n IX IXIXIXfUr IX i Z, It I ~ n; cos 2t cos 3t . t . (c) cost + -2- + -3- + ... = -logI2sm"21 fur 0 < It I ~ n. ..
. sm2t (d) sm t + -2-
sm3t
+ -3- + ... =
{ -(n
+ t)/2
0 (n - t)/2
... )
fUr -n ~ t < 0 fUr t = 0 fUr 0 < t ~ n .
Bei (a) kann man 10.1 Ul benutzen, bei (d) hilft Beispiel 3 von 10.4. Aus (b) folgt iibrigens fUr t = n die Partialbruchzerlegung des Cotangens aus 1.8.12. 2. Man zeige: 1st f E C~ holderstetig mit dem Holder-Koeffizienten IX E (0,1], so ist Icn(f)1 ~ K/lnl·· Anleitung: Nach 10.1 (c) ist cn(f - fa) = 2c n(f) fUr a = nln.
[2
2::::0
3. Mit der Folge (cn)g' aus wird die Potenzreihe f(z) = cnz n gebildet. 1hr Konvergenzradius ist offen bar ~ 1. Man zeige: Die Fourierreihe gr(t) = 2::~ cnrneint ist fUr 0< r ~ 1 in L; konvergent, und es gilt Ilgr - glib -> 0 fUr r -> 1-. Man setze Co = 0, Cn = lin fUr n > 0 und zeige unter Verwendung der Potenzreihenentwicklung des Logarithmus (Beispiel 3 in 4.6), daB gl (t) = log (1 - eit ) (Hauptwert) ist. Daraus leite man die Formeln (c)(d) von Aufgabe 1 abo 4. Gerade und ungerade Fortsetzung. Man berechne die Fourierreihe der geraden und ungeraden Fortsetzung der Funktionen f(t) = (t-c)+ und h(t) = f2(t), 0 < t < n. Dabei ist 0< c < n und u+ = max {u,O}. Man bestimme das Konvergenzverhalten (auch beziiglich der absoluten Konvergenz) und die Sum me der Reihen.
2::::0
5. Fourierreihen und Potenzreihen. Es sei f(z) = cnz n eine Potenzreihe mit dem Konvergenzradius R > O. Flir 0 < r < R hat dann die 2n-periodische Funktion f(re it ) die Darstellung f(re it ) = rncneint als Fourierreihe. Man benutze diesen Zusammenhang zur Bestimmung der Summe der Fourierreihen
2::::0
(a)
~
cos,nt, ~ n. n=O
(b)
~
sin,nt,
~ n. n=1
( ) ~ cos 2nt c ~ (2n)! ' n=O
OCJ
(d) "
•
sm 2nt
~ (2n)! . n=1
Aufgaben
373
6. Die Fourierreihe einer Funktion f E L~ konvergiere punktweise fUr aile x E A c [-n, n]. Man zeige, daB die Fourierreihe fUr fast aile x E A gegen f(x) konvergiert. Anleitung: Man benutze Satz 10.15 und Corollar 9.20. Bemerkung. AN. KOLMOGOROV gab 1926 (C.R. Acad. Sci. Paris 183, 1327-8) ein Beispiel einer Funktion f E Ln an, deren Fourierreihe an jeder Stelle divergent ist. Ob dasselbe fUr die Fourierreihe einer stetigen Funktion eintreten kann, war lange Zeit ein berlihmtes ungelostes Problem. L. CARLESON bewies 1966, daB dies nicht der Fall ist, noch mehr, daB die Fourierreihe einer Funktion f aus L; f.li. punktweise gegen f konvergiert (Acta Math. 116, 135-157). Das Ergebnis wurde 1967 von R.A HUNT auf Funktionen der Klasse L~ mit p > 1 ausgedehnt. In dem Buch The Carleson-Hunt theorem in Fourier series von O.G. }I'mboe und L. Mejlbro (Lecture Notes in Math., Vol. 911, Springer Verlag 1982) sind die schwierigen Beweise dargestellt.
Losungen und Losungshinweise zu ausgewahlten Aufgaben
Aufgaben in § 1.1. (a) lR; (b) to, 1, ~, ungerade).
t, ... }; (c) OU Ud U {~ + ~} (m, n ganz und
2. Die Menge wird mit M bezeichnet. (a) MO = 0, aM = M = N x lR; (b) MO = M, M = U [n~I' ~] x [0, n] U {OJ x [0, (0); (c) MO = 0, M = aM = N x N mit N = to, ±1, ±~, ±t, ... }; (d) MO = UBn, M = URn, wobei n ~ 1 und Bn := B I / n ((~, n)) ist. Allgemein ist aM = M \ MO. Man beachte, daB im Fall (d) aM =f:. U aBn ist. 3.(a) Aus A C A folgt d(A, B) ~ d(A, B). Nun gibt es zu jedem e > 0 und a E A mit d(a, a) < e, woraus mit der Dreiecksgleichung
E
A ein
a
d(a, b) S d(a, b)
+ e ===} d(A, B) s d(X, B) + e S d(A, B) + e
folgt. Es ist also, da e beliebig ist, d(A, B) = d(X, B) und deshalb auch d(X, B) d(X, ]i). (b) Aus x E A folgt d(x, A) = 0 = d(x, A) nach (a), aus x rf. A dagegen d(x, A) d(x, A> 0), da A abgeschlossen ist. (c) Filr beliebige Punkte a E A, C E C und b l , b2 E B ist
=
=
woraus man nach Definition d(A, C) S d(a, b l )
+ d(c, b2) + diam B
erhtilt. Bildet man hier bei festgehaltenem (c, b2) das infinum von d(a, bl ) tiber A x B und verflihrt dann ebenso mit d(c, b2), so sieht man, daB die beiden mittleren Terme durch d(A, B) und d(B, C) ersetzt werden konnen. Man erhtilt dann die behauptete Ungleichung. (d) Ftir A = N und B = {n + ~ : n = 2,3, ... } ist offenbar d(A, B) = 0, jedoch d(a, b) > 0 fUr beliebige a E A und bE B. Die Mengen A und B sind abgeschlossen. 4. (a) Wir benutzen die Abschtitzung (*)
Id(x, A) - d(y, A)I s d(x, y) fUr x, y E X, A C X.
Losungen und Losungshinweise zu ausgewiihlten Aufgaben
375
Sie ergibt sich aus der vorangehenden Aufgabe 3.(c), wenn man dort B = x und C = Y setzt (und dann x, y vertauscht). Zum Beweis der Gleichung in (a) bezeichnen wir die linke Seite cl Ae mit A' und die rechte Seite mit D. Zu jedem x E A' gibt es eine Folge (xn) aus Ae mit lim Xn = x (Satz 1.14), woraus sich nach (*) lim d(xn , A) = d(x, A) ~ £ wegen d(xn, A) < £ ergibt. Es ist also A' c D. Angenommen, es gibt ein y E D, Y ¢ A', also d(y, A) = £. Da A' abgeschlossen ist, ist d(y, A') = d > 0, und wegen d(y, A) = £ gibt es ein a E A mit d(y, a) < £ + ~. Durch Verschiebung von y urn! in Richtung a erhiilt man einen Punkt z = y + (!) (a - y) mit den Eigenschaften z ¢ A' und d(z, a) < £,also Z E Ae. Aus diesem Widerspruch folgt A' = D. (b) Es geniigt, die Aussage (*)
d(x, Ae) = d(x, A) - £
(falls rechte Seite positiv, sonst = 0)
zu beweisen (dies sei dem Leser iiberlassen). Nun gilt offenbar nach Definition d(C, B) = inf{d(x, B) : x E C} fiir beliebige Mengen B. Angewandt auf (*) ergibt sich d(C, Ae) = d(C, A) - £ (falls positiv, ... ) und damit auch d(C&, Ae) = d(C, Ae) - d
(falls positiv, ... ). (c) Zu a, b E If gibt es Folgen (an), (bn) aus A mit liman = a, limbn = b, also limd(an,bn) = d(a, b). Wegen d(an,bn) ~ diamA ist d(a, b) ~ diamA und damit auch diam If ~ diam A. Die umgekehrte Gleichung ist trivial. Fiir die zweite Gleichung wahlen wir a, b E Ae und dazu die Punkte a', b' aus A mit d(a, a' ), d(b, b' ) < £. Der Weg von a iiber a', b' nach b ist < diam A + 2£, und hieraus folgt diam Ae ~ diam A + 2£. Umgekehrt gibt es zu a, b E A Punkte a', b' auf der Geraden durch a, b mit d(a, a' ), d(b, b' ) < £ derart, daB d(a', b' ) beliebig nahe an d(a, b) + 2£, also bei geeigneter Wahl von a, b beliebig nahe an diam A + 2£ kommt. Hieraus folgt dann die zu beweisende Ungleichung. 5. Die Beweise sind einfach und stiitzen sich auf Satz 1.14 mit Corollar (vgl. auch Definition 1.16). Mit a, an werden Punkte aus A, mit b, bn so1che aus B bezeichnet. (a) 1st U eine Umgebung von a, so ist U + b eine Umgebung von a + b. (b) In der Folge (an + bn) kann man durch Ubergang zu einer Teilfolge (in zwei Schritten) annehmen, daB an ~ a und bn ~ b strebt. Also strebt (an + b n) gegen a+bE A+B. (c) Strebt an + bn ~ c, so ist zu zeigen, daB c E A + B ist. Man kann b n ~ b annehmen (Teilfolge), also an ~ a = c - bE A, da A abgeschlossen ist. (d) Allgemeiner Fall: Zu a' E A und b' E B gibt es Folgen (an) und (b n) mit Limes a' bzw. b' . Es strebt also (an + bn ) ~ a' + b' E A + B, da diese Menge abgeschlossen ist. Nun sei B kompakt. Es sei c = lim(an + bn ) ein Element aus A + B. Wir konnen annehmen, daB bn ~ b und an ~ c - b E A, d.h. c E A + B.
6. Man benutzt die Angaben in Beispiel 4 von 1.12 und die folgenden Formeln: Fiir nichtleere Mengen A, B eXist Ae = A fUr £ ~ 1 und = X fUr £ > 1; diam A = 1, wenn A mindestens zwei Elemente hat, sonst = 0; d(A, B) = 1, wenn A, B disjunkt sind, sonst = O.
376
LOsungen und LOsungshinweise zu ausgewlihlten Aufgaben
7. Offen sind aIle Mengen, welche 0 nicht enthalten, und aIle Obennengen yon (euklidischen) Nullumgebungen Be(O) (8 > 0). 8. (a) Die Aussage ist richtig flir p = 1 und flir p = 2, wo die Konyexkombination auf der Strecke yon XI nach X2 liegt. Fur den SchluB yon p nach p + 1 sei (i Uiuft yon 1 nach p)
z
= I).jXj +
mit Xj, Y E K, A, Aj ~ 0, LAj
AY
= 1-
A.
Dann ist
X=
1
- '" A'X' l - A L..
II
E
K
(Induktionsyoraussetzung) und
- A)X + AY E K (Fall p = 2). (b) Wir schreiben L P flir Summation bis i = p und betrachten X = L P AjXi und Y = L q ILiYi (Xi, Yi E M, Konyexkombinationen). Durch Umbenennung kann man X
z = (1
und Y als Summen X
mit
L
=L I
Ai =
L
I
AiXj(Ai
L
I
I
fUr i = 1, ... , p
= 0 flir i >
+ q schreiben, Y=L
p),
I
ILiXj(Yi
= xp+j, IL;
ILi = 1. In dieser Schreibweise ist I
Z
entsprechend)
= (1 - A)X + AY = L
I
VjXj mit Vi = (1 - A) Ai + AILi, L
Vi = 1.
Zu der angegebenen Menge cony M gehoren X und Y und auch z flir 0 < A < 1, d.h., sie ist konyex. 1st K eine konyexe Obennenge yon M, so zeigt (a), daB cony M C Kist. Also ist cony M die kleinste konyexe Obennenge yon M. (c) Es sei ai E A, bi E B und L Ai = L ILi = 1. Fur X E conY(A + B) ist
x = LAj(ai +bj) also x
E
= LAjaj +
LAibi,
cony A + cony B. Umgekehrt ist flir Y E cony A + cony B
Y = LAiai + LILjbj = LLAiILj(ai + bj ) j
da die Doppelsumme
i
Li L j Ai IL j
E conY(A
+ B),
j
= 1 ist.
(d) Fur M = {ai, a2, a3} ist offenbar cony M = D, und x = L~ Ajai liegt auf einer Dreiecksseite, wenn ein Aj = 0 ist (sind es zwei, so ist x ein Eckpunkt). 9. (a) Das abgeschlossene Funfeck mit den Eckpunkten (0,0), (0,1), (1,0), (1, ohne die Punkte auf den Koordinatenachsen; (b) ]R2; (c) {(x, Y) : I!x ~ Y < 1} U {(O, I)}.
D
(!, 1),
10. Die Uberlegungen spielen sich in den drei Raumen ]RP, ]Rq und ]Rn(n = p + q) mit den entsprechenden Nonnen und Umgebungen ab, die wir aIle mit 1. I, BeO, UO bezeichnen (es kommt also darauf an, in welchem Raum der Punkt liegt). So ist etwa
Losungen und Losungshinweise zu ausgewiihiten Aufgaben
377
Fur die zugehorigen Einheitskugeln BP, Bq, B n folgt Bn C BP x Bq C ,.[iBn, und hieraus dann
Fur Umgebungen gilt dann: U(a) x U(b) isteine Umgebung von (a, b), und zu U«a, b)) gibt es Umgebungen mit U(a) x U(b) c U«a, b)). Hieraus folgt die Gleichung uber Inneres. Einfacher ist die erste Gleichung. Dazu seien a, an E A, b, bn E B sowie a E A und bE Ii. Es gibt dann Folgen mit an ~ a und bn ~ b, woraus (an, bn) ~ (a, b) E A x Ii folgt. Mit einem ahnlichem SchluB in umgekehrter Richtung erhalt man die Gleichung. In der letzten Gleichung stelle man den Rand durch A und A0 dar. 11. (c) Die Gesetze (Nl) - (N3) von 1.7 sind fUr Iluli r leicht nachpriifbar. 1st u(x) = L Uk xk und v(x) = L Vkxk, so hat w = uv die Entwicklung w(x) = L WkX k mit Wk = L~ UiVk-i (Cauchy-Produkt; vgl. I.7.8). Nach Satz I.5.15 ist die Reihe fUr W fUr x = r absolut konvergent, also wEHr. Zum Beweis der Vollstandigkeit sei (un) mit un(z) = Lk cki eine Cauchyfolge. Aus Ic;;' - CkIrk s Ilu rn - un II folgt, daB lim ck = dk existiert. Furjedeendliche Summe L~ ist L~ Ick' -ck Irk s lIurn _un II < S n-->oo
fur m, n > no(s), also L~ Ic;;' - dklrk S s. Fur v(z) = LdkZk ist also lIurn fUr m > no(s), insbesondere urn - v E Hr und damit v E Hr. Hieraus folgt Urn Hn d.h. Hr ist vollstandig. Die Abschatzung
vii S ~
s
v in
k
Ilwllr = ~)wklrk S I>k ~)ud IVk-d = I>klukl' I>klvkl = Ilullrllvllr k
k
;=0
zeigt, daB Hr eine Banachalgebra ist. 14. Fur den ersten Teil (Banachraum) braucht man den Satz: FUr eine Folge Un) aus C1(l) mit In ~ g, I~ ~ h (gleichmaBig) ist h = g' (Beweis mit Hauptsatz 1.10.12). 1m zweiten Teil (Banachalgebra mit Norm 11/11*) ist Illgll* s 11/11*llglI* zu beweisen. Wir beschranken uns auf k = 2, d.h. I, g E C 2 (l), und schreiben I· I fUr die Maximumnorm. Dann lautet die Ungleichung
Ilgl
1
1
1
+ IUg)'1 + iIUg)"1 s (III + 1f'1 + il/"I)(lgl + 19'1 + ilg"I).
Man benutzt dazu Ilgl S
1/IIgi und II + gl sill + Igl.
15. Die Menge X = C A (l) ist ein normierter Raum, da aus I, g E X folgt I + g, AI E X, wie man sofort sieht. Eine Cauchyfolge Un) aus X konvergiert gleichmaBig gegen eine Funktion IE C(l). Da fUr aIle tEA aIle In(t) = 0 sind, ist auch I(t) = 0, d.h. I gehOrt zu X. 16. Wir schreiben X fur C8(D). Offenbar ist fUr
I
I/(x) - I(y) I
}
L f = sup {
8(lx - yl)
: x, y
E
D, x =1= y
E X
378
Uisungen und Losungshinweise zu ausgewiihlten Aufgaben
die kleinste Konstante L mit I/(x) - I(y) I :::: IAIL j, wie man leicht sieht, und fur I, g E X
+ Lg wegen IU + g)(x) - U + g)(y)1 ::::
U(lx - yl)
fur x, y
E D.
Es ist L>..j
=
Lf+g :::: Lj
I/(x) - l(y)1
+ Ig(x) -
g(y)l·
Hieraus folgt, daB X ein Vektorraum ist U, g EX=} 1+ g, AI E X) und daB die Norrnregeln (NI-N3) giiltig sind. Fur die Vollstlindigkeit nehmen wir eine Cauchyfolge Un). Zu beliebigem £ > 0 gibt es dann ein N mit Il/n - Imll < £fur m, n > N, woraus man
I/n(x) - 1m (x)1
N
erbalt. Da £ heliebig ist, erbalt man aus Satz 1.7.2 oder (urn vorzugreifen) Satz 2.15: Die Folge Un) konvergiert gleichmliBig in heschrlinkten Teilmengen von D, und der Limes I(x) = lim In (x) ist stetig in D. Es bleibt zu zeigen, daB I aus X ist und Il/n - III gegen 0 strebt fur n ~ 00. Nun gilt Ig(x) - g(y)1 :::: IIg118(lx - yD, also
IUn - Im)(x) - Un - Im)(y)1
N.
LliBt man hier m gegen 00 streben, so erhlilt man dieselhe Ungleichung mit I statt 1m und damit L fn- j < £ fur n > N. Hieraus folgt zunlichst, daB In - I aus X, also auch I aus X ist. Ferner ist I/n(a) - I(a) I < £ fur groBe n und damit Il/n - III < 2£ fur n> N (wohei evtl. N zu vergroBern ist), d.h. Il/n - III ~ 0 fur n ~ 00. 17. Offenbar ist X = BC(R) ein Banachraum mit der Maximumnorm in lR, und C 1, C2 und Co sind Unterrliume von X, also norrnierte Rliume. Angenommen die Folge Un) aus C2 kovergiere gegen I E X in der Norm. Zu £ > 0 gibt es ein N mit II In - III < £fur n > N und ein R mit I/N(t)1 < £ fur It I > R. Fur diese t ist II(t) I :::: I/N(t)1 + £ < 2£, d.h. I(t) ~ 0 fur t ~ 00 und smnit I E C2; also ist C2 ein Banachraum. Ahnlich schlieBt man im Fall C 1• Wir definieren eine Folge Un) aus Co gemliB In{t) = e- I in [0, n] und = 0 in [n + 1, (0) sowie linear in [n, n + 1] derart, daB I in [0, (0) stetig ist, und ferner I(t) = I(-t) fur t < O. Man zeigt leicht, daB Il/n - Imll :::: e- mfur n > mist. Also ist Un) eine Cauchyfolge in X mit dem Limes e- III , der nicht zu Co geh6rt, d.h. dieser Unterraum ist kein Banachraum.
18. Es istd(x, g) = min>.. la+Ab-xl. Die Funktion cf>(A) = la+Ab-xI 2 ist quadratisch in A, hat also ein Minimum genau an einer Stelle Amin. Aus cf>'(A) = 2(a+Ab-x, b) = 0 erhlilt man d(x, g) = la + (x - a, b)b - xl-
19. Die Normgesetze (NI-N3) fur Ilxll sind einfach nachzuweisen. Aus Ixil :::: ex fur aIle i :::: 1 folgt Ilx II :::: ex, also Ilxll :::: Ilxli oo . Die Nichtliquivalenz der heiden Normen lliBt sich an den 'Einheitsvektoren' ek = (e} : i :::: 1) mit e~ = 1 und e} = 0 sonst zeigen: Ilekll oo = 1 und lIekll = fur k = 1,2, .... Fur die Folge x = (0,0, ... ,0,1,0,0, ... ) mit 1 an der k-ten Stelle ist Ilxll oo = 1und Ilx II = Da k beliebig ist, sind die Normen nicht liquivalent.
t
t.
Uisungen und Uisungshinweise zu ausgewahlten Aufgaben
379
20. Die Gesetze (Nl) und (N2) sind leieht naehzupriifen. Bei der Dreiecksungleiehung
Ix + yl ::: Ixl + Iyl gibt es zwei Fiille. 1st Ix + yl = IXI + YII, so folgt sie aus IXII ::: lxi, IYII ::: lyl, und OOnlieh behandelt man den zweiten Fall.
Aufgaben in § 2. 2. 1st I in lRn lipsehitzstetig, I/(x) - l(y)1 ::: Llx - yl, so folgt I/(x) I ::: I/(x) - 1(0)1 + 1/(0)1 ::: 1/(0)1
W
+ Llxl,
d.h. bleibt beschrankt fUr Ixl -+ 00. Ftir ein Polynom vom Grad k (Bezeiehnung apxP mit dem Hauptteil Pk(X) apx P, in 2.6, Summation tiber Ipi ::: k) P(x) summiert tiber Ipi k, ist Pk(tX) t kPk(X). WOOlt man ein C E lRn mit Pk(C) =F 0, so strebt Pk~ct) ftir t -+ 00 gegen ±oo, wenn k > 1 ist, und dasselbe Verhalten hat dann
=
=
=L
=L
auch ~t). 1st also P(x) lipschitzstetig, so ist k ::: 1.
3. Aus der Vorzeichenverteilung von Iy und wegen I(x, y) fUr
= I(x, -y) ergibt sich sofort - 2< x < _!.fi 2
fUr - !2'V~ '2<x 0, so ist d(an+l, An) ~ a fUr alle n und damit d(a m , an) ~ a fiir m =F n. Die Folge (an) und jede Teilfolge davon kann also nieht konvergieren im Widerspruch zur Kompaktheit von D. Damit ist der Limes a = 0, und es gibt zu beliebigem r > 0 ein p mit d(x, Ap) < r ftir alle x, d.h. die Kugeln Br(a n) ftir n = 1,2, ... ,p tiberdecken D. 5. 1st D C lR ein Retrakt und Peine zugehOrige Retraktion, so folgt aus P(lR) = D und dem Zwisehenwertsatz 1.6.12, daB D ein Intervall ist. Strebt eine Foige (tn) aus D gegen a, so strebt auch P(tn) = tn gegen a, und es ist p(a) = a E D, d.h. D ist abgesehlossen. 6. Vorbemerkung. 1st U E CI[O, 00), u(O) ~ 0 und u' fallend, so gilt (*)
u(s
+ t) ::: u(s) + u(t) fiir s, t ~ 0,
denn bei festem t gilt (*) fUr s = 0, und ftir s > 0 stehen die Ableitungen der linken und rechten Seite von (*) in der Relation u'(t + s) ::: u'(s). Nun sei L die Menge der linearen Funktionen h(t) a+ fJt mit a ~ 0, fJ > 0 und der Eigensehaft,daB h(t) ~ ~(t) in [0, 2] ist. FiirdenneuenModul~*(t) = inf{h(t) : hE L} ist (*) nachzuweisen. Dazu gibt man s, t, e > 0 vor und bestimmt Funktionen hi, h2 E L derart, daB
=
380
Losungen und Losungshinweise zu ausgewahlten Aufgaben
Offenbar haben hi und h2 die Eigenschaft (*). Das gilt auch fUr k(t) = min{h l (t), h 2(t)} und ist trivial, wenn z.B. hi < h2 ist; wenn sie sich aber schneiden, so ist k' (t) links von der Schnittstelle gr6Ber als rechts (siehe Vorbemerkung). Damit ist 8*(s
+ t)
~ k(s
+ t)
~ k(s)
+ k(t)
~ hi (t)
+ h2(S)
0 gibt es nach 2.2(c) eine Umgebung U von; derart, daB L* - B < f(x) < L * + Bin Un D gilt; hieraus folgt w(;) < L * - L* + 2B. Nach 2.2(a) gibt es zu B > 0 in jeder Umgebung von; Punkte a, bED mit f(a) < L* + B und f(b) > L * - B, woraus > L * - L* - 2B ableitet. man
wm
B.(a) 1m folgenden sind x, z E X und y E D. Aus der Lipschitzbedingung inD und der Dreiecksungleichung folgt fUr a E D
f(y)
~
f(a)
+ Lly -
al
~
f(a)
+ Lly -
xl
+ Llx -
al
und, wenn man den Term Lly - xl nach links bringt,
F(x)
~
f(a)
+ Llx -
al < 00;
F(x) ist also wohldefiniert in X. FUr x = a ergibt sich F(a) ~ f(a); andererseits erhiilt man F(a) ~ f(a), wenn man in der Definition x = y = a wahlt. Es ist also f(a) = F(a) und damit f = Fin D. FUr beliebige Punkte x, z ist F(z)
~
f(y) - Lly - zl
~
f(y) - Lly - xl - Llx - zl,
und fUr das Supremum tiber Y E D erhiiit man
F(z)
~
F(x) - Llx - zl =? F(x) - F(z)
~
Llx - zl fUr x, Z
E
X.
Durch Vertauschen von x und z ergibt sich IF(x) - F(z) I ~ Llx - zl. (b) Der Beweis von (a) kann Ubemommen werden. (c) Der Abstand d(x, A) = d(x, D) ist lipschitzstetig mit Konstante 1 (vgl. Aufgabe 1.3(a) und Bsp. 1 in 2.1) und positiv in D', da D' offen ist. Wir wahlen ¢(t) = (1 - t)+; dann ist ¢(t) = 0 fUr t ~ 1, und /-Ln(x), /-L(x) und An (x) sind stetig in D'. Zum Beweis des Satzes von Dugundji sei c gewahlt, daB
If(y) - f(c)1
0, und 8 > 0 sei so
Iy - cl ~ 8, y E D ist.
1m folgenden ist xED' und Ix - cl < ~. Es gilt dann
d(x, D) ~ Ix - cl ~
8
"2 und Ian -
xl ~
8
"2 fUr Ian -
cl > 8.
Es ist also ~~.~~ ~ 1 und deshalb An (x) = 0 fUr Ian - cl > 8. In der Summe fUr F(x) tretendemnachnurSummandenmitlan-cl < 8auf,undfUrdieseistlf(an ) - f(c) I < B. Wegen L An (x) = 1 erhiilt man
Losungen und Losungshinweise zu ausgewiihlten Aufgaben IF(x) - l(c)1 = II)·n(X)(f(an) - I(C»I < efur Ix
- cl
a} und {f < a}. (i) 1st I stetig und a E {f > a}, so gilt die Ungleichung I(x) > a auch in einer Umgebung von a, d.h. a ist innerer Punkt von {f> a}, diese Menge ist also offen (entsprechend fUr {f < aD. (ii) Nun sei a E D und I(a) = a. Dann ist a E {f> a - e} (e > 0) und, da diese Menge offen ist, I(x) > a - e in einer Umgebung von a. Ebenso zeigt man, daB I(x) < a + e in einer Umgebng von a gilt, d.h. in einer Umgebung von a ist If(x) - l(a)1 < e. Das bedeutet, da e beliebig ist, daB I in a stetig ist.
12. Halbstetige Funktionen. Das sind, kurz gesagt, reelle Funktionen, we1che die e-8Bedingung fUr Stetigkeit nur in einer Richtung erfUllen. Man kann D = X voraussetzen, da D selbst ein metrischer Raum ist. Genauer: Die Funktion I : X -+ JR ist im Punkt ~ nach oben halbstetig, .. e-8..
I(x)
I(~) I(~)
+ e ffir alle x
E B8(~)
- e fUr alle x E
B8(~)
gilt, und gilt.
Dabei steht " .. e-8 .." fur "wenn es zu jedem e > 0 ein 8 < 0 gibt derart, daB". Diese Definition stimmt, wie man erkennen kann, mit jener von Aufgabe 12 uberein. Hier und im folgenden schlieBen wir zunachst den Fall I(x) ± 00 aus. (a) Das ist in der obigen Form sofort erkennbar. (b) Das wird ahnlich bewiesen wie in Aufgabe 11. (c) 1st 1m = inf la(~) > -00, so gibt es zu e > 0 ein a mit lam < I(x) + e und eine Umgebung U von ~ mit der Eigenschaft fa(x) < la(~) + e in U. Zusammen ergibt das f(x) < 1m + 2e in U, d.h. fist in ~ nach oben halbstetig. Die folgenden nutzlichen Eigenschaften seien dem Leser uberlassen. (d) list genau dann in g nach oben halbstetig, wenn lim sup I(x) :::: x--+~
I(~)
ist, oder
gleichwertig, wenn lim sup I(x n) :::: 1m ist fur jede Folge (x n) aus X mit lim Xn = Die entsprechende Bedingung fUr Halbstetigkeit nach unten ist lim inf I(x) ::: I(~). x--+~
g.
(e) list genau dann nach oben halbstetig, wenn - I nach unten halbstetig ist. Bemerkung zu unendlichen Werten. Aus der Definition (Aufg. 12) folgt: 1m = 00: list immer nach oben halbstetig. (In dem Buch Real and Abstract Analysis von Hewitt-Stromberg (Springer-Verlag 1969) wird Halbstetigkeit nach oben nur fUr -00 :::: 1m < 00 definiert.) 1m = -00: list nach unten halbstetig, wenn es zu n = 1, 2, 3, ... eine Umgebung Un von ~ mit I(x) < -n in Un gibt, (so auch bei Hewitt-Stromberg).
13. Zu e ist ein passendes Ii gesucht, so daB D(x, y) =
Ix 2 -ll < e gilt, wenn Ix -
yl < Ii ist.
382
Uisungen und Uisungshinweise zu ausgewlihlten Aufgaben
=
=
Fall 1: D(x, y) 0, wenn ~ < 1 ist (da x y ist). Fall 2: 1m Intervall/n = [n, !!:!;!] ist die Schwankung w(ln) n~
t
= ~n + ..!,., und der Abstand n~
d(ln, In+l) ist > fUr n > 2. Zu 8 gibt es ein p mit w(lp) < 8. Man wablt ~ so, daB D(x, y) < 8 ist fUr x, y E [1, p] mit Ix - yl < ~. Das gilt dann auch ffir x, y E In, n ~ p. Fail 3: Hier ist In = [n, n + ~] und w(ln) > 2. Zu jedem ~ > 0 gibt es ein n mit ~ < ~, und in In gibt es x, y mit D(x, y) > 2, Ix - yl = ~ < ~. Der Stetigkeitsmodul ist im Fall 1 durch ~(s) = 0 in [0, 1) und 00 fiir s ~ 1 gegeben.
14. (a) Aus (Sk /)(t) = (k~I)! f~f(s)(t - s)k-I ds folgt IIS k ll = ~; 1
-aa
(b) IISII(a) = ~
O. Das Restglied Rm-I (x). wie es im Beweis des Darstellungssatzes erscheint. behandelt man auf dieselbe Weise; so erhiilt man
00
Die Summe L Am ist nichts anderes als die obige Exponentialreihe; aus ihrer KonverI
genz folgt Am
~
0 fUr m
~ 00.
2. Aus Ixd ::s Ihd folgt IxPI die Behauptung.
::s IhPI und lapxPI ::s
= laphPI; hieraus erhiilt man
lapllhPI
(1). Ixl + Iyl + Izl
0 und setzt man 1(0) = O. so ist I stetig in R,n. Mit Aufgabe 6 folgt. daB dann sogar I E Cq-I (R,n) ist. Unter den Voraussetzungen der Aufgabe ist I = Pllxl m aus Hq mit q = k - m. und die erste Behauptung ist bewiesen. 1st sogar I E cq(R,n). so ist jede q-te Ableitung g von I konstant. Denn gist stetig und aus Ho. also konstant liings Strahlen. die vom Nullpunkt ausgehen. Es ist also (DP fHO) = 0 fUr Ipi < q und DP 1= const. fUr Ipi = q. Aus dem Taylorschen Satz 3.13 (mit ~ = 0) folgt dann. daB I ein Polynom vom Grad q ist. d.h. daB der Ausnahmefall vorliegt.
384
LOsungen und Losungshinweise zu ausgewiihlten Aufgaben
8. Aus u(t, 0, ... ,0) =: v(t) E c2( - R, R) und v(t) = 4>(ltl) ergibt sich ohne Miihe 4> E c2 [0, R) und4>'(O) = 0. Unterdieser Annahrnestrebt4>'(t)/t -+ 4>"(0) fUrt -+ 0+, und aus der Darstellung UXiX/X)
folgt U E c2 (B R) und Aufgabe 6.
4>' (r») , r
4>' (r) j ( " = Oij-+ -XiX 2 4> (r) r r -+ 0,
U Xi
U XiXj
r= lxi,
--
-+ Oijl/J"(O) fUr
X
-+ 0, also
U E
C 2 (BR); vgl.
2x . A 3x2 cos A ,uy -- - ~. A + --;:z ~ cos A ffilt . A = X 3 + y4 . DIe . 9• U x = --;A sm + -;.z r4 sm Grenzwerte von Ux und u y fUr (X, y) -+ existieren nicht (man betrachte etwa die Hille X = 0, y = 0, x = y), d.h. U ist in JR.2 stetig, aber im Nullpunkt nicht differenzierbar. Fiir v kann man die miihsame Berechnung der hOheren Ableitungen vermeiden. Es ist v(x, y) = vo(x, y)4>(x 3 + l) mit Vo = (x 3 + l)2 /r2, 4>(t) = (cos t -1)/t2 E COO (JR.). Also geniigt es, Vo zu untersuchen. Mit Aufgabe 7 (oder durch direktes Nachrechnen) ergibt sich Vo E c 3(JR.2), ¢ c\JR.2), und dasselbe gilt fUr v.
°
10. .1ra
= ra - 2a(a + n -
2),
lar =-e l ar [2 a 1 ] , .1-e a +-(n-3)--(n-3) r r r r2
.1 cosar = _ cosar [a2 + n - 3] _ sinar . a(n - 3), r r r2 r r
[2 +-n - 3] cosar a(n - 3) +-_. .
sinar sinar .1--=--- a r r
r2
°
r
Es ist .1u = fUr U = r2- n sowie, falls n .1u = -a2u fiir u = sinar und u = cosar. r r
r
= 3 ist,
Llu
= a 2u fUr U
11. Differentiation nach t ! 12. Wegen f(x, y) = f(±x, ±y) kann man sich auf X 2: 0, Y 2: r2 = x 2 + y2, E = er2 ist
fx fxx
= 2xE -
= (2 + 4x2)E -
16,
16x , fxy
°
fy
= 2yE -
= 4xyE,
°
beschranken. Mit
16l ,
= (2 + 41)E - 481. = oder (b) E = 8, r2 = log 8; fyy
°
Stationiire Punkte: Si : fx = (a) X fy = (c) y = oder (d) E = 8y2. Es gibt vier Hille: (ac): So = (0,0) (bd): E = 8, y2 = 1 ==> SI = (JIog 8 - 1, 1) = (1,0390; 1) (bc): S2 = (JIOiS,O) = (1,4420; 0) (ad): X = 0, ey2 = 8y2. Die Gleichung el = 8t hat zwei L6sungen tl = 0,1444 (Berechnung durch Iteration der Fixpunktgleichung t = und t2 = 3, 2617 (Iteration von t = log 8t). Es ist
°
°
ie')
S3
= (0, Jt\) = (0; 0,3800)
und
S4
= (0, -Jt2) = (0; 1,8060).
Losungen und Losungshinweise zu ausgewahlten Aufgaben Die Potenzreihe von
f
f(x, y) = 1-7x2 + l
die Entwicklung urn Sl
urn den Nullpunkt beginnt mit
7
X4
1
1
+"2 +x2l - 2l + 6(x 6 + i) + 2(x4l +x2l ) ,
= (a, 1) (a = Jlog 8 -
= f(SI) + 16a2(x -
f(x, y)
385
a)2
+ 32a(x -
1) mit a)(y - 1) ,
f(SI)
= 12 -
8 log 8 .
Klassijizierung der stationiiren Punkte (Aufgabe 4.11). Die Punkte So, Sl sind Sattelpunkte, bei S3 liegt ein lokales Maximum, bei S2 ein lokales Minimum mit f(S2) = 8 - 8 log 8 = -8,6355, bei S4 das absolute Minimum mit f(S4) = 4t2(2 - t2) = -16,4609 vor.
13. Wir wahlen zwei Punkte a, b E Sr und schlieBen den Fall b = -a aus. Die Funktion 4>(t)
= (1 -
t)a + tb mit 4>(0)
= a, 4>(1) = b und 4>(t) =1= 0 in [0, 1]
lauft von a nach b entlang der Strecke ab, wenn t sich von 0 nach 1 bewegt. Die Funktion h(t) =
r4>(t)
14>(t) I
ist aus C 1 in [0, 1] mit h(O) = a, h(1) Voraussetzung die Ableitung g' (t)
= b. Die reelle Funktion g(t) = f(h(t» hat nach
= I' (h(t» . h' (t) = )"'(h(t»h' (t) . h(t)
(f' ist grad fund der Punkt zeigt ein Innenprodukt an; vgl. 1.1). Durch Differentiation von Ih(t)12 = const. = r2 erhalt man h(t) . h'(t) = 0, d.h. g'(t) = 0 und damit g(O) = f(a) = g(1) = f(b). Da a, b willkiirlich sind, ist f auf Sr konstant. Den Sonderfall b = -a moge der Leser klaren. 14. 1m Punkt (x, y) = (cos t, sin t) hat die Richtungsableitung den Wert -3e sin 2t; ihr Maximum 3e wird fUr t = und t = ihr Minimum -3e fUr t = und t = ~Jr angenommen.
iJr
*Jr,
*Jr
15. Wir berechnen nacheinander den Gradienten und die Hessematrix von f(tx) und und benutzen die Bezeichnungen f' und /":
r2 f(x)
Voraussetzung: f(tx)
= t 2 f(x) => f(O) = 0
(setze x
= 0 in die Formel)
grad: tl'(tx) = t 21'(x) Hessematrix:
=> 1'(0) = 0 (ebenso) t 2!"(tx) = t 2!"(x) => !"(x) = fl/(O)
(dividiere durch t 2 und lasse t -+ 0 streben). Daraus folgt, daB aIle Ableitungen der Ordnung> 2 verschwinden. Die Taylor-Formel der Ordnung 2lautet (vgl. 3. 17(b» f(x)
1
= f(O) + f'(O)x + 2xT !,,(O)x + R2.
386
LOsungen und LOsungshinweise zu ausgewiihlten Aufgaben
Hier ist f(O)
= 0,1'(0) und R2 = 0, vgl. (5) oder (5'). Es ist also A = 1"(0).
16. (a) Formal ist F' (0) = f' (O)g(O) + f(O)g' (0), wobei aber g' (0) nicht existiert, jedoch f(O) = 0 ist. So liegt der Ansatz F' (0) = I' (O)g(O) nahe. In der Notation von 3.8(*) ist h E IR n , F(h) - F(O)
= L(h) + r(h) mit L(h) = I'(O)g(O)h, F(O) = 0,
woraus man fur r(h) r(h)
= g(h)[f(h) -
I'(O)h]
+ j'(O)h[g(h) -
g(O)]
= D\(h) + D2(h)
erhalt. Es ist zu zeigen, daB rl~? gegen 0 strebt fur h -+
o. Das folgt bei D\ (h)
aus
der Differenzierbarkeit von fund bei D2(h) aus der Beschranktheit von !'I~)h und der Stetigkeit von g. Man beachte: I' (O)h ist ein Innenprodukt zweier Vektoren (oder das Matrizenprodukt eines Zeilenvektors mit einem Spaltenvektor). (b) In der Zedegung f(x, y) - f(O, 0)
= [f(x, y) -
f(x, 0)] + [f(x, 0) - f(O, 0)]
= D\ + D2
lassen sich die beiden Terme abschatzen wie folgt (es ist 0 < 8 < 1): D\ = y fy(x, 8y) = y[fy(O.O) + 0(1)] (der Term 0(1) strebt -+ 0)
D2 = x[fx(O, 0) + 0(1)] (0(1) -+ 0 fur x -+ 0).
Der lineare Term L(h) mit h = (x, y) lautet hier yfY(O, 0) + xfx(O, 0). Offenbar strebt f(x, y) - f(O, 0) - L(h), dividiert durch Ihl, gegen 0 fUr h -+ o. 19. Fili sinx und cosx schreiben wir Sx und Cx· Die Funktion f = Sx + Sy - Sx-y ist 27l"-periodisch in x und y, und entsprechend verhlilt sich die Menge der stationliren Punkte und der Nullstellen.
Aus
= Cx - Cx- y = 0 , fy = Cy + Cx- y = 0 folgt (jeweils modulo 27l") x = ±(x - y) bzw. y = 7l" ± (x - y). In Wrr verschwindet also fx auf den Geraden y = 0, y = 2x, y = 2x + 27l", Y = 2x - 27l" und fy auf den Geraden fx
y = ~ + ~, y = ~ - ~,x = ±7l". Die Schnittpunkte der Geraden fx = 0 mit den Geraden fy = 0 (Skizze!) sind die kritischen Punkte S1,2 = (±7l", 0) und S3.4 = ± (j, 2;).
Aus f(x, ex + x) = 0 (fur aIle x) folgt Sx + Sa+x = Sa, also (Differentiation) Cx + Ca+x = 0 ===} ex = ±7l". Entsprechend erhlilt man f(x, ex) = 0 ===} Sx + Sa = Sx-a ===} Cx = Cx- a ===} ex = 0 und ebenso f(ex, y) = 0 ===} ex = ±7l". Die Gleichung derTangentialebene lautet(a)z = 2y; (b) z = y-x+2; (c) z = ~J3; (d)
z = o.
Aufgaben in § 4. 9. Hat f an der Stelle ~ ein Minimum, so ist nach 3.17(a)
Ltisungen und Ltisungshinweise zu ausgewahlten Aufgaben
387
Setzt man h = te mit e E IRn, e =I- 0, so erhalt man e T Hf(~ + 8te)e ::: O. Fur t -+ 0 ergibt sich eT H f me ::: 0, d.h. die Hessematrix ist positiv semidefinit. 11. Vgl. die Losung von Aufgabe 3.12. 14. (a) ist ein Sonderfall von (b). 1m folgenden ist E die Einheitsmatrix, a = (1,1, ... ,1), A = (aij) mit aij = 1 fUr aIle i, j = 1, ... , n. Wegen fx; = (-2Xi + a(1 - x2»e"" ist
!'(x)=O{=}x=ta mit a(l-nt 2)=2t,
t1.2=
a~ (-I±Jl+a2n)
Die Hessematrix hat in den stationiiren Punkten die Werte
Die Matrix A hat den einfachen Eigenwert n mit dem Eigenvektor a und den (n - 1)fachen EigenwertOmitden Eigenvektoren el-e2, el-e3, ... ,el-en. Wegen f(x; a) = fe-x; -a) beschrankten wir uns im folgenden auf a > 0 (a = 0 ist trivial). Wegen t2 < -2/an < 0 < tl sind die Eigenwerte von E + atlA aIle positiv, wiihrend der kleinste (einfache) Eigenwert von E + at2A negativ und der (n - 1)-fache Eigenwert positiv ist. Zusammenfassung (unter der Annahme a > 0):
x
= tla:
Index p=O, absolutes Maximum f(tla)
= (1 -
nt~)eanll;
x = t2a: Index p=l, kein Extremum, Sattelpunkt im Fall n=2.
°
Es ist Itlal < 1 < It2al, fUr a -+ Itlal -+ und It2al -+ 00.
00
streben Itlal und It2al gegen 1, fUr a -+
°
strebt
15. Zu zeigen ist f(x) = (1 + XI) ... (1 + Xn) ::: L = (1 + q)n. Nun ist einerseits f(q, ... ,q) = L, andererseits I(x) > L, falls ein Xi ::: List. Das Minimum von I wird also in der kompakten Menge aller X E [0, L]n mit P(x) = XI ... Xn = qn angenommen. Nach 4.14 sind die stationiiren Punkte von H(x, >..) = f(x)+>..(P(x) _qn) zu bestimmen. Aus Hx. = f(x) + >.. P(x) = folgt ~ = _>.. P(x) , I 1 + Xi Xi 1 + Xi I(x)
°
d.h. aIle Xi sind gleich, namlich gleich q. Das Minimum wird also nur an der Stelle (q, ... , q) angenommen, und es hat den Wert L. 16. Das Minimum der Funktion 1 = ( 1+a) ( 1+XI) ... ( 1 + Xn-I) Xn) -- ( 1+bf(x) XI X2 Xn b ergibt sich wegen a = n + 1 wird
.!!.. • :!.l ... Xl
max f(x)
x2
Xn-l xn
aa
·:!!l.b
= f (q' q2' ...
= qn+1 mit q = n+Ta!5 nach Aufgabe 15. Mit
a) = b(1 +1 q)a = (aI/a +1 bl/a)a .
'qn
388
LOsungen und Losungshinweise zu ausgewahlten Aufgaben
17.0< p < 2: m = 1, M = n 1- p / 2 ; p = 2: m = M = S(x) = 1; p > 2: m = n 1- p / 2 , M=l. Beachte: Fur 0 < p < 2 wird das Maximum, fur p > 2 das Minimum im Punkt (1 f In, ... ,If In) angenommen. 18. (a) /,(0)
=
(b b ~1).
Rang 1'(0)
= 1, Satz 4.5 ist also nicht anwendbar.
Nun ist l = tr - (x + 1) > 0 fUr x =1= 0; also hat y(x) (~ Ix12/3 f.lfi fUr kleine Ixl) ein Minimum bei o. Auch sin z = x + y(x) ist > 0 fUr 0 < Ixl < e, und dasselbe gilt fUr z(x) = arcsin (x + y(x)), d.h. z hat ebenfalls ein lokales Minimum bei o. (b) /' (0) = (
b:
~ i,
~ 1 ). eine Aufiosung nach (y, z) ist also moglich. Es ist
y' (0) = 0, z' (0) = 1, y" (0) = z" (0) = -1; also hat y ein lokales Maximum bei O. Ein Losungsweg fast ohne Rechnung: Aus y3 = -x + eZ - 1 = -x + z + Z2 + ... und y = ax + f3x 2 + ... , z = yx + DX 2 + ... folgt durch Koeffizientenvergleich y = 1, D= und dann aus der ersten Gleichung y = -x + z - ~Z3 + ... , also a = 0, 13 = D.
1
-1
19. Unorthodoxe Losung (mit Aufgabe 1): Mit '1 = Y + 1 wird y2 - 1 + Z2 = '1('1 2) + Z2 = tr Z - xz = 1 + 1x2Z2 + ~x3Z3 + ... , also
Z2
= 1 + 2'1 -
'12 + !x 3Z3 + . . . 16
1-~~
= (1 + 27J -
7J2
1) + ... )( 1 + - x 2 + ... 2
1 2 2 = 1 + ZX + 2'1- 7J + ....
= 1 + ix2 + (y+ 1) - (y+ 1)2 + .... 20. Fur die Ebene E: ax + f3y + yz = 1 ist das Tetraedervolumen V = If(6af3y). Man betrachte H(a, 13, y, }..) = V + }..(ax + f3y + yz - 1). Fiir E* : ~ + ~ + ~ = 3 erhiilt man das Minimum V* = ~abc.
Mit.Jf+S
= 1 + 1s -
ks2+ ... erhaltmanz
21. Man benutze Aufgabe 3.15. 22. Nach Aufgabe 23 und Aufgabe 3.19 kommen nur die stationiiren Punkte S1,2 (±Jr,O) und S3.4 = ± 2;) als Extremalstellen infrage: maxQ f(x, y) = f(S3)
G,
~J3, minQ f(x, y)
= f(S4) = -~J3. Aus
H = (-Sx + Sx-y, -Sx-y ) j -Sx-y, -Sy + Sx-y folgt
Hj(SI.2)
=
0,
Hj (S3)
= ~J3 (~2' ~2)
;
H j(S3) ist negativ definit, H j(S4) = - H j(S3) positiv definit. 23. Das Maximum von
f
beziiglich R ist auch Maximum bezuglich 1~.2!
=
=
Losungen und Losungshinweise zu ausgewahlten Aufgaben
Aufgaben in § 5.1. (a) rr; (b) ~(JI 2.
CJ.
+ rr 23 -
1)
389
= 92,8962.
> 3/2.
3. Ellipse x = a cos t, y = b sin t. Mit R(t) = a2 sin 2 t + b2 cos2 t (= x,2
R~~3/2'
K(t) =
/L(t) = ((a -
K(O) =
:2'
~R(t») cost, (b -
K
+ y,2) ist
(i) = :2 '
iR(t») sint) .
Hyperbel x = a cosh t, y = b sinh t. Mit R(t) = a 2 sinh2 t + b2 COSh2 t ist K(t) /L(t) = ((a
=-
ab R(t)3/2'
K(O)
+ ~R(t») cosht, (b -
a
= - b2 ' iR(t») sinht)
Flir a = b = I wird K(t) = -1/ cosh 2t und /L(t) = ((1 + cosh 2t) cosh t, (1 - cosh 2t) sinh t). 4. Die Losung lautet x(t) = aCt + b)2/3 mit a3 = ~yM und x(O) = ab2/ 3 = R. Es ist Vo = x(O) = ~ab-I/3 = J2yM/R = 11,2 kmlsec. Diese Mindestgeschwindigkeit muB ein senkrecht nach oben abgeschossener Korper haben, urn dem Anziehungsbereich der Erde zu entfliehen (bei VernachHissigung anderer Himmelskorper). 8.lim L k = 2, limSk = 10. (a) I 11. (c)
G,!).
+ 4log ~; (b) 6; (c) 8.
./2.
13. x = Arsinh s = log (s
rex)
+ Jf+S2), y = Jf+S2;
= cosh2x, /L(x) = (x -
sinhx· cosh x, 2 cosh x).
14. Es ist I/(a)1 ~ 11/1100 und I/(x)1 ~ I/(a)1 + I/(x) - I(a) I ~ I/(a)1 + vg(f), also 11/1100 ~ I/(a)1 + vg(f) und damit 11/11* ~ 211/11. Eine Cauchyfolge Uk) konvergiert wegen II I II 00 ~ II! II * gleichmaBig gegen eine Funktion I. 1st VgUk - It) < 8 fUr k, I > N, so folgt wegen lim var (Z; Ik - It) = 1-+00
var (Z; Ik - f) flir jede Zerlegung Z, daB vg(1k - f) ~ 8 ist. Also ist Ik - lund damit auch I aus BV(l) sowie IIIk - 111* ~ 8 + Illk - 11100 < 28 fUr groBe k. 15. (a) ~ + 210g2; (b) 00 (Methode (i), fol ~ cos ~ dx = 00, Substitution u 2rr; (d) 4 (Methode (ii»; (e) lall + ... + lam I; (f) e4 - 1. 16. (b) set) = 4t2. (c) tl E (rr, ~rr) (Skizze!), tl = tantl ~ tl = rr tl ~ 4,49341.
= ~); (c)
+ arctantl,
390
LOsungen und Losungshinweise zu ausgewiih1ten Aufgaben
Aufgaben in § 6.1. (a) In 120; (b) -4(eJl" + 1) = -12,0703; (c) ~(b3 - a3). 2. Fur die Masse M (Dichte p = 1) und den Schwerpunkt S ergibt sich: (a)S = (sin T, I-cos T, !hT 2 )oder(Sx, Sy) = sin (cos sin f),Sz = !hT. Die zweite Darstellung zeigt, daB (Sx, Sy) auf dem Nullpunktstrahl mit dem Winkel TI2 liegt. Es ist M = T· Jl + h 2 • (b) M = 2 sinh 1, Sx = 0, Sy = 24~~~~\2; (c) M = 8a, Sx = Jr, Sy = ~a.
+
t f
f,
5. (a) 2; (b) 2Jr; (c) O.
*
6. (a) s(¢) = 4sin flir 0 ::: ¢ ::: Jr, Lange L = 8, Inhalt 1 S = (Sx, 0) mit Sx = 0,8; (b) m(¢) = - cot ~¢ -+ 0 flir ¢ -+ Jr-; (c) 2../2Jr. 7. (a) Stammfunktion F = !(x 2yZ + x2Z2 + yZ Z2) + X (b) keine Stammfunktion, 1 = ~.
8. 101 I
dl existiert nicht,
101 I
dg
-
=
~Jr, Schwerpunkt
z, Integral 1 = ~;
= ?4, 101 g dl = i4, 101 g dg = !.
9. (a) Fur a > f3, Wert f3(a - (3)-2.
Ii
= Ii
= [b], also 1000 I
+ ... +
(b) I dg I dx - [f(1) I(p)], p L~I I(k), falls Integral und Summe konvergieren.
dg
= 1000 I
dx-
10
Ii
(c) = e- I + ... + e- P, p = [b 2], 00 = e~1 . Benutze [x 2] = K(x - 1) + K(x ../2) + K(x - -/3) + ... mit K(x) = 1 - H( -t) = 0 fur x < 0 und = 1 fur x ~ 0 und I(x) dK(x - c) = I(c) fUr stetiges lund 0 < c ::: b; vgl. Beispiel 1 in 6.l.
Ii
10. (a) Benutze I I:(f - Ik) dgl ::: III - Iklloo V:(g). (b) Beweisskizze. Fur jede Zerlegung von 1 strebt Var (Z; gk) -+ var (Z; g) ::: C, woraus V:(g) ::: C folgt. Es sei 1 = f dg, h = f dgk und O"(Z; ~) eine RS-Summe bezuglich dg, O"k(Z,~) eine solche bezuglich dgk. 1st I/(x) - I(x ' ) I < s flir Ix - x'I < 0, so gilt fUr ein Teilintervall [a, f3] mit f3 - a < 0 nach dem 1. Mittelwertsatz I I dg - 1(~)(g(f3) - g(a»1 < slg(f3) - g(a)l, also fur eine Zerlegung Z mit IZI < 0: 11 - 0"( Z, ~) I < s (g) ::: sC, und entsprechend Ih - O"k(Z, ~)I < sC. Da femer O"k(Z,~) -+ O"(Z, ~) strebt fUr k -+ 00, ist
I:
I:
I!
II 11. S
Ikl :::
Sin¢ ) = ( T'O
II -
0"1
und lx
+ 10" -
=¢ -
O"kl
V:
+ 100k - hi
1 .
2 sm2¢, ly
Aufgaben in § 7. 3. IGaii = 1~2a' IGai a = 1, IKaii = ~ + 4(1~2a)' IKaia = l. 4. eat _ I (~t - e bt ) + fUr;a ..t.. b und -+ * t!'+.t -- a-b 1+ * t~ = t~+1 j(n + 1).
< 2sC + s fUr groBe k.
. = ¢ + 21 sm2¢.
ICai i
teat +
= 0, ICai a =
::::~,
fUr a-b· -,
5. (a) Ca = 0 bzw. 0 bzw. Oija 2 A mit A = I yi1jJ(y) dy < 1; (b) Ca = 1jJ(s) cos as ds bzw. 1jJ(s) cos as ds bzw. 1jJ(s)e-as ds.
I
I
I
0
Losungen und Losungshinweise zu ausgewah1ten Aufgaben Die Abschatzung folgt aus Icos as - 11 ::: Aa 2 , Ie-as - 1 + asl a < 1 (lfJ ist gerade!).
9. IMI
Aa 2 ftir
lsi::: 1,
= Q n Lgo(a2i - a2i+,)·
11. (a) ~; (b) 2rr; (c)
12.
:::
391
IMiI =
!srr;
¥.
IM21 =
3,/za4rr.
13. 1st Seine orthogonale Matrix mit ST AS = diag (A" ... ,An), so geht das Integral durch die Variablentransformation x = Sy, Q(x) = L Aiyl tiber in das Integral J exp (- L Aiyf) dy. Wegen J~oo e- at2 dt = hat das Integral den Wert
Y1"
rrn/2 / .jA, ... An.
14. O.B.d.A. sei R = 1. (a) M sei durch die Ungleichungen x 2 + Z2 ::: 1, y2 + Z2 ::: 1 beschrieben. Die Schnittmenge von M mit der Ebene z = const. ist ein Quadrat mit der halben SeitenUinge ../f=Z2. So ergibt sich als Volumen V = 4 J~, (1 - Z2) dz = ~. (b) Mit der Bezeichnung x = x" y = X2, Z = (X3, •.. ,xn ) E jRn-2 bleibt die obige Uberlegung richtig mit der Anderung, daB z in der Einheitskugel B des jRn-2 variiert. Es ergibt sich
IMI =
41
(1 - Z2) dz = 4cvn- 2
= 2cvn- 2
1'
1'
(1 - s)s(n-4)/2 ds
r n- 3(1 - r2) dr
= 2CVn-2B (2, ~ - 1)
= 2· 2rr~-' r (~ - 1(' r(2)r (~
-
1) r (~ + 1('
4rr~-'
=r(~+l)' Ftir Zylinder vom Radius R ist das Ergebnis mit R n zu multiplizieren.
+ X)-8 dx zuniichst t = ax und danach t = (1 - y)/y, so erhiilt man Jo' ... dy = a'-y-8 B(y + 8 - 1, 1 - y). Es ergibt sich dann 1 = B(a, 1 - a)B(a + f3 - 1,1 - (3) = r(1 - a)r(1 - (3)r(a + f3 - 1), wobei a < 1, f3 < 1, a + f3 > 1 vorauszusetzen ist.
15. Substituiert man im Integral Jooo x-Y(a
Aufgaben in § S.l. (a) 6srr (b) 2rr(2.Ji=a2 + a(rr
(r ± ~.J3); +2
arcsina».
2. CP(u, t) = (;(u) cos t, ;(u) sin t, s(u) J(F) = 2rr
SpezieU fUr ;(u)
i
+ at), a::: u ::: f3, 0:::
P );12(;2 + a 2 )
= u, s(u) = bu erhalt man
t ::: 2rr,
+ ;2 S,2 duo
392
LOsungen und LOsungshinweise zu ausgewlihlten Aufgaben J(F) = 21l'
=
mit a 2 1l'JI
3. (a)
10 1 J(I + b2)u + a2 du 2
1l"/! + b2 [ JI + a2 + a 210g (1 + JI + ( 2 ) -
a 210ga]
= a2 /(1 + iJ2). Fur a = 0 handelt es sieh urn einen Kegelmantel mit der Flaehe
+ b2.
! (Integrand = ~ div (x2 y, ylz, Z2 x); (b) 16.
4. (21l' - 4)r2. Die von der Halbkugelflaehe x ~ 0 ubrigbleibende Flaehe hat also den nieht von 1l' abhangenden Inhalt 4r2, d.h. denselben Inhalt wie das Quadrat uber dem Kugeldurehmesser. 6. IGpl =
2r 0) r (1 +~) Ir 0), insbesondere 1 p- - ' - k'
IGpl
2 P=2k+I:
etwa G2/3
(k - I)! k!
= 2 (2k _ 1)!'
IG
p
1=
(2k + I) (2k)!
2 etwa IG I/2 1 = "3 '
[~ . ~ ... 2k 2 2
2
1]2
1l' ,
= i1l' = 1,1781.
7. F(h) = /21l'[2h(8h 2 + 1)Jl + 4h2 - Arsinh (2h)], S = (S ,0,0), S:x;(h) = .!. . (6h 2_1)(1+4h2)3/2+1 ; :x; 15 2h(8h2+l)J1+4hLArSinh (2h) F(h)/1l'h 4 ~ 1 fUr h ~ 00 und ~ 00 fUr h ~ 0+, S:x;(h)lh ~ ~ fUr h ~ 00 und ~ fUr h ~ O+.
FUr h 0,7820. 10. n =
= 1 ist F = ±I
../1 +x2 + y2
11. 1= IBI =
*.
i
~(l8.J5 - Arsinh2) (y, x, -1),
IFI =
2
= 3,8097 und S:x; = fs . 18]:~:nh2 = /0
31l'( 'V 8 - 1) .
Begriindung hat mit div (2xy + x, _y2) zu tun!
12. Inhalt = ~ti ~ 15,1208. 13. v = ~(1, 1, 1), rot I = (I, 1, 1), I = ~. Aufgabenin § 9.11. Furs die Behauptung.
~
oist sP ::: 1 +sq, also I/(x)iP ::: 1 + I/(x)lq. Daraus folgt
12. (a) ist in Satz 9.19 enthalten. Die erste Formel in (b) ist trivial, bei der zweiten Formel bestimmt man, wenn 8 > 0 gegeben ist, ein q, E cgo(ll~n) mit III - q,1I < 8 (LP-Norm). Es sei supp q, C Br • Wegen q,h ~ q,(x) fUr h ~ 0 gleiehmaBig im lR.n und supp q,h C Br+l fUr Ihl ::: 1 ist limllq,h - q,1I = 0, also III - Ihll ::: III - q,1I + 1Iq,-
q,hll + lIq,h - Ih II
h-+O
< 28 + 1Iq, - q,hll < 38 fUr kleine Ihl.
Ltisungen und Ltisungshinweise zu ausgewahlten Aufgaben
393
13. (a) Fiir A, B E "-n folgt nach Satz 9.17 A x B E "-2n. Also ist f(x)g(y) meBbar, wenn fund g meBbare charakteristische Funktionen sind. Das gilt dann auch fUr Elementarfunktionen und durch Grenziibergang mit Hilfe des Approximationssatzes 9.10 fiir nicht negative meBbare Funktionen und schlieBlich fiir beliebige meBbare Funktionen f, g. (b) Wegen If(y)g(x - y)1 dx) dy = If(y)llIglh dy = IIfllIilglh < 00 folgt aus dem Corollar9.18 die Integrierbarkeitder Funktion x H- f(y)g(x - y) fUr fast aIle y sowie die Integrierbarkeit von (f g) (x) = f(y)g(x - y) dy. Die Ungleichung wurde bereits nachgewiesen. (c) Aus der HOlderschen Ungleichung in 9.20 erhaIt man fUr cf> = f *g die Abschatzung Icf>(x) I ::: Ilfllpllgll q • Gehtman in derDarstellung cf>(x+h)-cf>(x) = f(y) (g(x + h - y) - g(x - y» dy zu Absolutbetragen iiber, so erhalt man Icf>(x + h) - cf>(x)1 ::: Ilfllpligh - gllq. Die gleichmiiBige Stetigkeit von cf> ergibt sich nun aus Aufgabe 12 (b).
1a (x» /t sind unabhangig von h bzw. t beschrankt. 1st x E B" so geniigt es, iiber Br+ 1 zu integrieren, und nach Aufgabe 11 ist const. . Ifey) I eine integrierbare Majorante fUr die den Differenzen r (x + h) - r (x) bzw. (r (x + tej) - r(x»/t entsprechenden Integranden (entsprechend flir hohere Ableitungen). Wendet man auf die Darstellung rex) = 11{1(y)f(x - ay) dy die HolderUngleichung an, so ergibt sich mit A + JL = I, 1{1 = 1{IA • 1{IIL (hier zeigen A, JL Potenzen an!)
Ilrll~ ::: /
Y
( / 11{I(y)f(x - ay)1 dy
dx
::: / ( / If(x - ay)IP1{IAP dY) ( / 1{IILq(y) dy Fiir A = 1/ p, JL
y/q dx.
= l/q erhalt man mit dem Satz von Fubini
IIrll~::: /
1{I(y) / If(x - ay)IP dx dy =
IIfll~ . 1.
Schatzt man Ilr - fll~ genauso ab, so ist If(x - ay)IP durch If(x - ay) - f(x)IP zu ersetzen. Da man beziiglich y nur iiber Bl zu integrieren braucht, ergibt sich IIr - flip::: IIf-ay - flip und die Behauptung folgt aus Aufgabe 12(b).
mit layl ::: a,
LOsungen und Losungshinweise zu ausgewahlten Aufgaben
394
Aufgaben in § 10. 4. Fur
°
~
c < rr ist
(rr-c)2 2I: (-l)n-cosnc {O ---+cosnt= 2rr rr n2 It I 00
n=!
00 2 ""
- ~
rr
(
(-1)
n=l
n+l rr - c
sinnc )
. sm nt =
- - - --2-
n
{
n
fUrltl~c c fUr c < It I ~ rr ,
°c
fUr It I ~ c und It I = rr tfUr c ~ t < rr t + c fUr - rr < t ~ c .
5. cosnt
.
"" - - = ecos1 cos(sm t) , ~ n! 00
n=O
00 cos2nt I: - n=O (2n)!
00
•
"" smnt ~ -n=!
.
n!
= cosh(cos t) . cos(sm t) ,
= ecos1 sin(sm. t)
00 sin 2nt I: -2-
n=l
( n)!
.
= smh(cos t) . sin(sin t) .
Literatur
LA :::: KOECHER, M.: Lineare Algebra und analytische Geometrie, 2. Auf!. Grundwissen Mathematik 2, Springer 1985 OK :::: Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften. W. Engelmann Verlag, Leipzig (vgl. Band I) BARNER, M., FLOHR, F.: Analysis I, II. W. de Gruyter Verlag 1982-1983 BIEBERBACH, L.: Galilei und die Inquisition. Mtinchen 1938 CANTOR, M.: Vorlesungen tiber die Geschichte der Mathematik I-IV, 2. Auf!. Teubner 1898-1924. Nachdruck Johnson Reprint Corp., New York 1965 DIEUDONNE, J.: History of Functional Analysis. North Holland, Amsterdam 1981 DIEUDONNE, J.: Geschichte der Mathematik 1700-1900. Friedr. Vieweg u. Sohn, Braunschweig 1985 EDWARDS, JR., C.H.: The Historical Development of the Calculus. Springer 1979 EULER, L.: Institutiones calculi differentialis (1755). Ubersetzung "Vollstandige Anleitung zur Differentialrechnung" von J.A.Chr. Michelsen 1790 FICHTENHOLZ, G. M.: Differential- und Integralrechnung I-III. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1964 FRECHET, M.: Sur quelques points du calcul fonctionnel. These, Paris 1906:::: Rend. Circ. Mat. Palermo 22 (1906) 1-74 GERICKE, H.: Mathematik in Antike und Orient. Springer 1984 GREEN, G.: Mathematical Papers, ed. by N.M. Ferrers. Chelsea Publ. Co., New York 1970 HARDY, G.H.: Notes on some points in the integral calculus (1903). Collected Papers of G.H. Hardy, Vol. V, 325-330, sowie andere Arbeiten in diesem Band HAUSDORFF, F.: Grundztige der Mengenlehre. Berlin 1914 HAWKINS, TH.: Lebesgue's Theory ofIntegration, Its Origins and Development. Univ. ofWisconsin Press, Madison 1970 HEUSER, H.: Funktionalanalysis, 3. Auf!. Teubner, Stuttgart 1992 HEUSER, H.: Lehrbuch der Analysis, Teill und 2, 9. bzw. 6. Auf!. Teubner, Stuttgart 1991 HEWITT, E., STROMBERG, K.: Real and abstract analysis, 2nd ed. Springer 1969 JORDAN, C.: Cours d' Analyse, tome 1,2. ed. Paris 1893, tome 2, 2ed. Paris 1894 V.MANGOLDT, H., KNOPP, K.: EinfUhrung in die Hohere Mathematik 1-3, 13. Auf!. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1967 OSTROWSKI, A.: Vorlesungen tiber Differential- und Integralrechnung I-III, 2. Auf!. Birkhauser Verlag, Base11967-1968 REMMERT, R.: Funktionentheorie I. Grundwissen Mathematik 5, Springer 1984 SAKS, S.: Theory of Integral. Monografie Matematyczne VII, Warszawa 1937 STOLZ, 0.: Grundztige der Differential- und Integralrechnung, Bd. 3. Leipzig 1899 WALTER, W.: EinfUhrung in die Theorie der Distributionen, 3. Auf!. B.1. Wissenschaftsverlag 1994 WALTER, W.: Gewohnliche Differentialgleichungen, 7. Auf!. Springer 2000
Bezeichnungen
Bezeichnugen aus Band lund Grundbegriffe wie Integral, partielle Ableitung, . .. wurden in die Liste nicht aufgenommen. Mit dx wird sowohl das Volumenelement im R n als auch das Wegelement bei Wegintegralen bezeichnet.
A 0 = int A Inneres 22 cl A abgeschlossene Riille 22 A' Kompliment 10, 21 8A Rand 22 As e-Umgebung 27 IAI, IAla, IAI; Inhalt 223,224 Ay Schnitte 333 (a, b), [a, b] Intervalle im R n 8 a ..( f3 gerichtete Menge 142 A Ll B symmetrische Differenz 242 AC(I) absolut stetig 341 AC1f 358 Br = Br(O) 12 Br(a) offene Kugel 12 Br(a) abgeschlossene Kugel 12 B(D) beschriinkt in D 17 BC(D) beschrankt und stetig in D 38 BV(I) beschriinkte Variation 176 C(D) = CO(D) stetig in D 41
A=
Ck(G), Ck(G) 79
C~(Rn), C~(G)
C~
258,340
358
c1 stiickweise C I
206 CA charakt. Funktion 235 CCx = cc \ {O} 120 cony A konvexe Riille 33 cl cony A abg. konvexe Hiille 33 Dj = 8/8xj, DP 77,80 diam A Durchmesser 12 div f Divergenz 280,300
d(x, y) Metrik II d(A, B) Abstand von Mengen
26, 42 el, ... ,en Standardbasis im R n epi (f) Epigraph 35
26
d(a, B) = dist(a, B)
7
j+,r 324 f: DC X
~
Y 41
Ilflloo Maximumnorm 18 f' = Jacobimatrix 78
f" =
U
Hf Hessematrix 99
Of 75
fA 235 fa = f *!/Fa 260
Ilfllp LP-Norm 339 f * g Faltung 259 (f>a},{f2:a}, ... 326 gr B Gramsche Matrix 297 grad f = V f Gradient 77 H f Hessematrix 99 'if, n' 'if, ;; Intervalle 313, 314 [I, [2, [00 Foigenraum 18,20, 139 lima 143 lim1f , liml1fl->o 232, 239 limz, limlZI->O 146, 149 £(2), L(4)), L(C) 160, 164 L(B) L-integrierbar 323 LP(B)
337
L 1f , L; 358, 369 .£ ,.£ n meBbare Mengen 317,333 /::,. Laplace-Operator 80
Bezeichnungen )"(A) (iiuBeres) L-MaB 315,318 M(f), M(f, g) 238, 239 M(B) meBbare Funktion 326 "V Nabla-Operator 77 o(g), O(g) Landau-Symbole 64 P(r) bei Potenzreihen 94 P(a, ... ,d)
7r 7r
Polygonzug 30
E
QB Partition von B 232
E
PB Partition von B 321
R(B) R-integrierbar 233
rot f Rotation 301 Sr(a) Sphiire 12 s(7r), S(7r), a(7r,~) 232, 322 span (hi, ... ,hd Unterraum 29 Upunktierte Umgebung 12 Uf f(x) unendlich 322
Wr Wiirfel im R n 94 rpll Weg 153