Springer-Lehrbuch
Springer Berlin Heidelberg ~ e York w Hongkong London Mailand Paris Tokio
Konrad Konigsberger
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Springer-Lehrbuch
Springer Berlin Heidelberg ~ e York w Hongkong London Mailand Paris Tokio
Konrad Konigsberger
Analysis 2 Fiinfte, korrigierte Auflage Mit 150 Abbildungen
Springer
Prof. Dr. Konrad Konigsberger Technische Universitiit Zentrum Mathematik Boltzmannstrde 3 85747 Garching bei Miinchen, Deutschland e-mail: kkemathematiktu-muenchen.de
Mathematics Subiect Classification
120001:26.26A
Die Deuhche Bibliothek- ClP~Einheihaufnahme
ISBN 3-540-20389-3 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York ISBN 3-540-43580-8 4. Aufl. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechflichgeschotzt.Die dadurchbegrlindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrudts.desVortraes.derEntnahmevonAbbildunrenundTabellen.derFunksendune.derMlkroverfilmuneoder
" " " Deutschland vom 9. September 1965 in der jewells geltenden Fassung zulissig. Sie ist grundsiklich verglltungs~ ~ n i ' h t i ~zuwiderhandlungen . ""terliegen den stramestimmungen des urheberrechtsgesetzes.
Springer~Verlagist ein Unternehmenvon Springer Science+BusinessMedia GmbH
Vorwort zur fiinften A d a g e
In der neuen Auflage hahe ich an einigen Stellen die Ausfiihrungen priiziser gestaltet und die bekannt gewordenen Druckfehler korrigiert. Fur Hinweise und vielfdtige Hilfe bin ich meinem Mitarbeiter DipLMathematiker Frank Hofmaier zu grogem Dank verpflichtet. Garching bei Munchen, Dezember 2003
Konrad Konigsberger
Vorwort zur vierten Auflage Fur die neue Auflage habe ich den gesamten Text noch einmal sorgfaltig durchgesehen und dabei die Kapitel zur Funktionentheorie und zum Integralsatz von Stokes auch etwas umgestaltet und erweitert. Die Arbeit am Computer hat Herr DipLMathematiker Frank Hofmaier mit groMer Sachkenntnis und Zuverlassigkeit besorgt. Dafiir bin ich ihm sehr zu Dank verpflichtet. Munchen, Juni 2002
Konrad Konigsberger
Vorwort zur dritten A d a g e In der dritten Auflage hat der Text keine einschneidenden Anderungen erfahren. Er wurde lediglich an einigen Stellen gestrafFt und an anderen erganzt; die Aufgaben wurden im AnschluE an Erprobungen mit Studierenden etwas uherarbeitet. Bei der technischen Vorhereitung der neuen Auflage hat mich mein studentischer Mitarbeiter Frank Hofmaier mit vie1 Engagement und Sachkenntnis unterstutzt; ihm gebuhrt mein ganz besonderer Dank. Munchen, Aschermittwoch 2000
Konrad Konigsberger
VI
Vorwort
Vorwort zur zweiten Auflage Fur die vorliegende zweite Auflage habe ich den gesamten Text griindlich uberarbeitet und erweitert. Neu hinzugekommen sind die drei Kapitel ,,Vektorfelder und Differentialgleichungen", ,,Die Fundamentalsatze der Funktionentheorie" und , p e r Satz von Stoked'. Beim Thema Vektorfelder habe ich vor allem auf die qualitative Seite Wert gelegt. Die Elemente der Funktionentheorie wurden unmittelbar im AnschluB an das Kapitel iiber Pfaffsche Formen und Kurvenintegrale dargest,ellt, wobei die Cauchy-Theorie sogleich ihre Homotopieversion gewinnt. Das Kapitel iiber Differentialformen und den Satz von Stokes ist als Einstieg in die Theorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten konzipiert. Die neue Auflage hatte ohne die Hilfe meiner Mitarbeiter Dr. Thomas Honold und Diplom-Mathematiker Johannes Kuster nicht die vorliegende Gestalt gewonnen. Herr Honold hat den Text mit gro%er Sorgfalt gelesen und wesentlich zu dessen Verhesserung beigetragen; Herr Kuster hat die Bugere Gestaltung des Textes meisterhaft ausgefuhrt sowie samtliche Abbildungen mit feinem Gespur neu erstellt; dabei waren nicht wenige Programmieraufgaben und technische Probleme zu losen. Beiden Herren bin ich zu grogem Dank verpflichtet. SchlieBlich danke ich herzlich meiner Frau, die stets fur die notige Arbeitsruhe gesorgt hat. Munchen, im August 1997
Konrad Konigsberger
Vorwort zur ersten Auflage Der vorliegende Band stellt den zweiten Teil eines Analysiskurses fur Studenten der Mathematik, Physik und Informatik dar und ist der mehrdimensionalen Differential- und Integralrechnung gewidmet. Die Differentialrechnung wird, aufbauend auf dem Konzept der linearen Approximation, zunachst fur Funktionen auf Gebieten in einem IRn und dann koordinatenfrei fur Abbildungen auf Gebieten in einem endlichdimensionalen normierten Raum entwickelt. In der Integralrechnung bringen wir das Lebesgue-Integral, da nur dieses eine leistungsfahige Theorie zur Vertauschung von Integration und Grenzwertprozessen ermoglicht. Die vorliegende Einfiihrung scheint in der Lehrbuchliteratur neu zu sein. Das fiir Treppenfunktionen elementar erkliirte Integral wird fortgesetzt auf die Klasse derjenigen Funktionen, die sich beliebig genau durch Treppenfunktionen approximieren lassen, wobei als ApproximationsmaB die L1-Halbnorm dient, die wir ohne Zuhilfenahme
Vorwort
VII
des Integrals fur alle Funktionen auf dem IRn definieren. Als Anwendungen der Integralrechnung im lRn behandeln wir die Approximation von Funktionen durch Faltung rnit Dirac-Folgen, den Umkehrsatz der FourierTransformation sowie quadratintegrierbare Funktionen. Bei der Integration uber Untermannigfaltigkeiten und allgemeiner uber Y1-Flachen im lRn legen wir Wert darauf, Singularitaten in hinreichender Allgemeinheit miteinzubeziehen. Als Singularitatenmengen lassen wir Hausdorff-Nullmengen einer geeigneten Dimension zu. D d u r c h wird es dann auch mijglich, den GauBschen Integralsatz in einer Allgemeinheit aufzustellen, wie sie die Theorie der partiellen Differentialgleichungen erfordert. Im abschlieflenden Kapitel studieren wir Kurvenintegrale und gehen dabei aucb auf das Zusammenspiel yon Analysis und globalen geometrischen Strukturen ein. All jenen, die mich rnit Rat und Tat unterstutzten, mochte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen. Herr Dr. G. Fritz und Frau Dr. M. RGsler haben groBe Teile des Textes grundlich durchgesehen und zahlreiche Verbesserungen angeregt. Herr DipLMath. Th. Honold hat rnit Engagement und groBter Sorgfalt die letzte Korrektur gelesen. Frau Dipl.. Math. B. Eggert fertigte rnit Prbision und Ausdauer die Abbildungen an. Die umfangreiche Arbeit der Erstellung von w - M a k r o s sowie der Erfassung und Gestaltung des Textes fuhrte Herr cand. math. J. Kiister rnit groBer Sachkenntnis aus. Ein herzlicher Dank gilt auch meiner Frau, die rnit Geduld und Verstandnis die Arbeit an diesem Buch begleitet hat. Dem Verlag schlieBlich danke ich fur manche Ermunterung und die vertrauensvolle Zusammenarheit. Munchen, im Juli 1993
Konrad KGnigsberger
Inhaltsverzeichnis
Elemente der Topologie
1
Topologie des euklidischen Ranmes IRn ...................... Topologie metrischer Raume ................................ Stetige Abbildungen ....................................... Kompakte E u m e .......................................... Zusammenhang ............................................ Potenzreihen in Banachalgebren ............................ Aufgahen ...................................................
1 6 13 28 33 38 42
Differenzierbare Funktionen
45
Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Fest.stellungen .... Mittelwertsatz und Schrankensatz ........................... Hohere Ableitungen . Der Satz von Schwarz .................. Die Taylorapproximation ................................... Zur Bedeutung der zweiten Ableitung ....................... Differentiation parameterabhangiger Integrale ............... Die Eulersche Differentialgleichung der Variationsrechnung ... Aufgaben ................................................... Differenzierbare Abbildungen
87
Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Feststellungen ..... Der Schrankensatz ......................................... Der Satz von der lokalen Umkehrbarkeit .................... Auflosen von Gleichungen. Implizit definierte Ahbildungen ... Differenzierbare Untermannigfaltigkeiten .................... Extrema unter Nebenbedingungen .......................... Aufgaben ...................................................
87 102 104 111 115 123 126
Vektorfelder
131
Vektorfelder. Koordinatensysteme ...........................
131
Inhaltsverzeichnis
Integralkurven in Vektorfeldern. Gewahnliche Differentialgleichungen ................................................. Lineare Differentialgleichungen ............................. Erste Integrale ............................................. Attraktoren und stabile Punkte ............................. Fliisse in Vektorfeldern und Divergenz ...................... Divergenz und Laplace-Operator in orthogonalen Koordinaten Aufgahen ...................................................
.
136 147 154 158 164 171 173
Felder von Linearformen. Pfaffsche Formen Kurvenintegrale
177
Begriff der PfafFschen Form ................................. Integration von l-Formen lings Kurven ..................... Exakte 1.Formen . Wegunahhangigkeit der Integration ....... Lokal exakte 1.Formen . Das Lemma von Poincark ........... Homotopieinvarianz des Kurvenintegrals lokal exakter 1.Formen ...................................... Aufgahen ...................................................
177 179 182 185
Die Fundamentalstitze der Funktionentheorie
197
Der Cauchysche Integralsatz ................................ Die Cauchysche Integralformel fiir Kreisscheihen. Der Satz von der Potenzreihenentwicklung ............................ Die Cauchysche Integralformel fiir Kreisringe . Der Satz von der Laurententwicklung ..................................... Der Residuensatz .......................................... Das Maximumprinzip . Die holomorphen Automorphismen vonIE ...................................................... Die Gammafunktion ....................................... Holomorphe Funktionen und harmonische Funktionen ....... Aufgaben ...................................................
197
Das Lebesgue-Integral
188 194
203 211 216 223 225 229 230 235
Integration von Treppenfunktionen ......................... 235 238 Die L1-Halbnorm ........................................... Definition des Lehesgue.Integrals . Elementare Feststellungen . 242 Der Kleine Satz von Beppo Levi und der 245 Kleine Satz von Fubini ...................................... MeBbarkeit von Teilmengen des IRn ......................... 252 Nullmengen ................................................ 256 Translationsinvarianz des Lebesgue.Integrals . Das Volumen von Parallelotopen .......................................... 261 Remannsche Summen ...................................... 264
Inhaltsverzeichnis
XI
7.9
Aufgaben ...................................................
8
Vollstiindigkeit des Lebesgue.Integrals Konvergenzsiitze und der Satz von Fubini
266
.
269 269
8.6
Der Vollstandigkeitssatz von Riesz-Fischer .................. Gliedweise Integration bei monotoner Konvergenz. Der Satz vonBeppoLevi ............................................. Gliedweise Integration bei majorisierter Konvergenz .......... Parameterabhangige Integrale .............................. Integration iiber einen Produktraum. Die Satze von Fubini und Tonelli ................................................. Aufgaben ...................................................
9
Der Transformationssatz
299
9.1 9.2 9.3 9.4
Formulierung des Transformationssatzes . Erste Beispiele ..... Beweis des Transformationssatzes ........................... Integration mittels Polarkoordinaten und Jacobi-Abbildung ... Aufgaben ...................................................
299 303 308 314
10
Anwendungen der Integralrechnung
317
10.1 10.2 10.3 10.4
Faltung und Approximat.ion von Fnnktionen ................ Die Fourier-Transformation ................................. Quadratint.egrierbare Funktionen ........................... Aufgaben ...................................................
317 325 334 343
11
Integration iiber Untermannigfaltigkeitendes euklidischen IRn 346
11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7 11.8
Reguliire Parameterdarstellungen ........................... Das Volumen d-dimensionaler Parallelotope ................. Integration uber ein Kartengebiet ........................... Zerlegungen der Eins ....................................... Integration uber eine Untermannigfaltigkeit. ................. Nullmengen zu einer Dimension d ........................... Integration uber V1-Flkhen ................................ Aufgaben ...................................................
346 351 353 359 362 367 371 374
12
Der Integralsatz von G a d
377
8.1 8.2 8.3 8.4 8.5
12.1 Integration von Vektorfeldern iiber orientierte regulare Hyperflachen ............................................... 12.2 V1-Polyeder ............................................... 12.3 Die Divergenz eines Vektorfeldes ............................ 12.4 Der Gaugsche Integralsatz ..................................
272 278 282 289 296
377 380 382 384
XI1
Inhaltsverzeichnis
12.5 Beweis des Gaugschen Integralsatzes ......................... 12.6 Die Greenschen Formeln .................................... 12.7 Aufgaben ...................................................
387 393 396
13
399
Der Integralsatz von Stokes
13.1 Alternierende Multilinearformen ............................ 13.2 Differentialformen auf offenen Teilmengen des IRn ........... 13.3 Differentialformen auf Untermannigfaltigkeiten des IRN ....... 13.4 Orientiernng von Untermannigfaltigkeiten ................... 13.5 Integration von Differentialformen .......................... 13.6 Glatt berandete Teilmengen einer Untermannigfaltigkeit ...... 13.7 Der Satz yon Stokes ........................................ 13.8 Die klassische Version des Satzes von Stokes ................. 13.9 Der Brouwersche Fixpunktsatz .............................. 13.10Aufgaben ...................................................
Literatur
445
Bezeichnungen
446
Namen- und Sachverzeichnis
449
1 Elemente der Topologie
Begriffe wie ,,Konvergenz", ,,Stetigkeit6',,,AbgeschlossenheitUtreten in der Analysis in verschiedenen Zusammenhangen auf und kijnnen jeweils auf einen Umgebungshegriff bezogen werden. Die mengentheoretische Topologie klart solche Begriffe und untersucht die damit gegebenen Strukturen in einem einheitlichen Rahmen. Wesentliche Beitrage dazu stammen von Cantor. Frkchet und HausdorfT.
1.1 Topologie des euklidischen Raumes IRn Der fiir Folgen in IR oder C eingefuhrte Konvergenzbegriff beruht auf dem mit dem Absolutbetrag gegebenen Abstand. Im IRn erzeugt die euklidische Norm einen analogen Ahstandsbegriff. Die euklidische Norm ist fiir einen Vektor x = (XI, . . . ,x,) E IRn durch
erklart und erfiillt folgende Regeln: fur x 0, 1. llxll > 0 fiir a E R, 2. llcvxll = Ial . llxll
+
(Dreiecksungleichung). 3. Ilx+yll 5 Il4 + l l ~ l l Die Regel 3 zeigt man mit Hilfe der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung; siehe Band 1,9.8. Der euklidische Abstand zweier Punkte a, b E IRn ist dann die Zahl
Der Raum IRn zusammen mit der euklidischen Norm und der euklidischen Metrik heigt euklidischer Rn. Wir verallgemeinern sogleich eine Bezeichnung aus Band 1: Unter der offenen Kugel mit Mittelpunkt a und Radius r > 0 versteht man die Menge
2
1 Elemente der Topologie
Konvergenz. Eine Folge (xk)von Punkten im IRn heist konvergent, wenn es einen Punkt a E IKn giht so, daJ3 gilt:
In diesem Fall heist a Grenzwert von (xk), und man schreibt lim xk = a k+ao oder xk + a fiir k + M. Geometrisch bedeutet die Forderung (I), d d jede Kugel K,(a) fast alle Folgenglieder enthat.
Lemma: Eine Folge uon Punkten, xk = (xkl,.. . ,xkn) des euklidischen IRn konuergiert genau dann gegen a = (al, .. . ,an), wenn fiir u = 1 , . . . ,n xkv + a" gilt. Konvergenz hedeutet also komponentenweise Konvergenz.
Beweis: Die Behauptung folgt aus den n Abschatzungen
Das Lemma fuhrt die Konvergenztheorie der Folgen im euklidischen IRn anf den Fall n = 1 zuruck. Nehen Rechenregeln kann damit der wichtige Satz van Bolzano-WeierstraJZ uhertragen werden. Man definiert: (i) Eine Folge (xk)heist beschrankt, wenn alle ihre Glieder in einer Kugel K,(O) mit geeignetem Radius r liegen. (ii) Eine Folge (xk) heist Cauchyfolge, wenn es zu jedem E N(E) gibt so, da& llxk -sill < E fur alle k , l > N(E).
> 0 einen Index
Satz (Bolzano-Weierstrd): I m euklidischen IRn gilt: (i) Jede beschrankte Folge besitzt eine konvergente Teilfolge (ii) Jede Cauchyfolge konuergiert
Beweis: (i) zeigt man durch vollstandige Induktion nach n. Fiir Folgen in IR und in C wurde der Satz in Band 1,5.5 gezeigt. Der Induktionsschritt von En-' auf IRn wird wie die Ausdehnung des Satzes van IR auf C durchgefuhrt, siehe lac. cit. (ii) 1st (xk) mit xk = (xkl,. . . ,xkn) eine Cauchyfolge, so sind die n Komponentenfolgen (xk,), u = 1,.. . ,n, wegen lxk, - xl,i 5 llxk - xrll Cauchyfolgen in IR. Sind al, . . . ,a, deren Grenzwerte, so konvergiert (xk) gegen 0 a := ( a ~.,. . ,an). Umgebnngen. Eine Menge U C IRn heist Umgebung von a E IRn, wenn sie eine Kugel K,(a), E > 0, mit Mitt,elpunkt a enthalt. K,(a) heist auch E-Umgebung von a.
1.1 Topologie des euklidischen Raumes IRn
3
Beispiel: Die Kugel K,(b) ist Umgebnng jedes Punktes a E K,(b). Denn fur jede positive Zahl E < r - Ilb - all liegt K,(a) in K,(b).
Elementare Regeln: 1. Der Durchschnitt zweier Umgebungen von a ist eine Umgebung von a. 2. Jede Obermenge einer Umgebung von a ist eine Umgebnng von a. 3. Je zwei verschiedene Punkte a , b besitzen punktfremde Umgebungen; 2.B. die Kugelumgebungen K,(a) nnd K,(b) mit E := $ Ilb - all. (Hausdorffsche Dennungseigenschaft) Offene Mengen. Eine Menge U C IRn heifit offen, wenn sie Umgebnng eines jeden Punktes a E U ist; ausfuhrlicher: Wenn es zu jedem Punkt a E U eine Kugel K,(a) gibt, die in U enthalten ist. Die leere Menge ist nach dieser Definition offen. Beispiel: Die offene Kugel K,(b) ist offen im Sinn dieser Definition. Insbesondere sind die Kugelumgebungen offene Umgebungen. Elementare Regeln: (01) Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist offen.
( 0 2 ) Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist offen. Abgeschlossene Mengen. Eine Menge A C IRn heifit abgeschlossen, wenn ihr Komplement AC := IRn \ A offen ist. Beispiele: 1. Die sogenannte abgeschlossene Kugel
ist abgeschlossen im Sinn der Definition. 1st namlich a ein Pnnkt auBerhalb von %(b), so lie@ auch jede Kugel K,(a) mit E < Ilb - all - r aufierhalb. 2. Der IRn und die leere Menge sind offen und abgeschlossen zugleich.
I
3. Die Menge { l l n . n E I N } C IR ist weder offen noch abgeschlossen.
Obigen Regeln fur offene Mengen entsprechen jetzt:
( A l ) Die Vereinigung zweier abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen. ( A 2 ) Der Durchschnitt beliebig vieler abgesehlossener Mengen ist abgeschlossen.
1 Elemente der Topologie
4
Abgeschlossene Mengen (und auch offene) kijnnen eine komplizierte Gestalt haben. Wir betrachten ein Beispiel aus der fraktalen Geometrie. Sei A0 die Vereinigung der abgeschlossenen Quadrate [ k ;k l]x [j;j 11 im IR2, wobei k und j ganze Zahlen sind derart, dafi k - j durch 2 teilbar ist; diese Quadrate sind wie die schwarzen Felder eines Schachbretts verteilt. die weiteren Mengen Aus A. entstehen durch Ahnlichkeit~abbildun~en
+
+
Die Komplemente IR2 \A, sind als Vereinigungen offener Quadrate offen. Alle A, sind also abgeschlossen; folglich ist es auch ihr Durchschnitt
n m
A=
A,.
n=o
Aussthitte aus A", A.
n A1 und A. n Al n Az
Der Schnitt von A mit dem abgeschlossenen Quadrat Q = [O;11 x [O;11 kann als ein 2-dimensionales Analogon des Cantorschen Diskontinuums angesehen werden; vgl. Band 1,7.5. Ein wichtiges Charakteristikum der abgeschlossenen Mengen ist ihre ,,Abgeschlossenheit" hei der Bildung von Grenzwert,en.
Satz: Eine Menge A C IRn ist genau dann abgeschlossen, wenn der Grenzwert jeder in IRn konvergenten Folge (ak) mit ak E A fur alle k ebenfalls in A liegt. Beweis: Sei A abgeschlossen. Lage der Grenzwert a einer konvergenten Folge (ah) mit ak E A fiir alle k in U := IRn \ A , so enthielte die offene Menge U als Umgebung von a fast alle ak. Widerspruch! Es habe nun A die angegebene Eigenschaft fiir Folgen. Angenommen, A ist nicht abgeschlossen, d. h. U := IRn \ A nicht offen. Dann gibt es einen Punkt a E U derart, daB keine Kugel um a in U liegt. Insbesondere enthalt jede Kugel Kllk(a), k = 1,2,. . ., einen Punkt ak mit ak 6# U . Die Folge (ah) liegt in A und konvergiert wegen llak -all < l / k ; ihr Grenzwert a jedoch gehijrt nicht zu A. Widerspruch!
1.1 Topologie des euklidischen Raumes IRn
5
Randpunkte. x E IRn heist Randpunkt der Menge M C IRn, wenn jede Umgebung von x Punkte sowohl aus M als auch aus dem Komplement M C enthalt. Die Menge aller Randpunkte von M bezeichnen wir mit a M . Aus Symmetriegriinden gilt a ( M C )= a M . Beispiele: Der Rand der Kugel K,(a) ist die Sphare { x Der Rand von $ in IR ist ganz IR.
1 llx - all = r } .
Lemma: Fiir jede Menge M C IRn gilt: a) M \ a M ist offen. Jede offene Menge U mit U C M liegt i n M b) M U a M ist abgeschlossen. Jede abgeschlossene Menge A mit urnfafit M U a M .
\ aM. A >M
c) a M ist abgeschlossen.
Beweis: a) Jeder Punkt a E M \ a M hat eine offene Umgebung V mit V C M ; sonst wiire a ein Randpunkt. V enthalt keinen Pnnkt x aus a M ; sonst enthielte V als Umgebung von x auch Punkte aus M C , im Widerspruch zur Wahl von V. Also gilt a E V C M \ a M . Mithin ist M \ a M offen. Die weitere Behauptung U C M \ a M beweist man wie soeben die Behauptung V C M \ a M . b ) folgt mittels Komplementbildung aus a): M' ist offen, also
\ a ( ~ ~ )
( M \~L ? ( M ~ = ) )M ~U L J ( M ~ = ) MU aM (*) abgeschlossen. Weiter ist AC C M C offen. Nach der zweiten Aussage in a) ) daraus folgt mit (*) M U a M c A. gilt also AC c M' \ a ( ~ ' und c) folgt aus h) wegen a M = ( M U a M ) n ( M CU a ( M C ) ) . 0 Das Lemma ergibt sofort eine Charakterisierung der offenen und der ahgeschlossenen Mengen anhand ihrer Randpunkte:
Satz: Eine Menge U C IRn ist genau dann offen, wenn sie keinen ihrer Randpunkte enthalt. Eine Menge A C IRn ist genau dann abgeschlossen, wenn sie alle ihre Randpunkte enthalt. Bezeichnungen: Fiir beliebiges M C IRn heiBen M" := M \ a M der offene Kern oder auch das Innere von M , M := M U a M die abgeschlossene Hulle von M . Nach dem Satz ist M a die groste offene Menge, die in M liegt, und M die kleinste abgeschlossene Menge, die M umfaBt.
Hgufungspunkte. x E IRn heist Haufungspunkt der Menge M C IRn, wenn jede Umgebung von x mindestens einen von x verschiedenen Punkt
1 Elemente der Topologie
6
aus M enthalt. Induktiv kann man dann unter Verwendung der Hausdorffschen Trennungseigenschaft sogar eine Folge paarweise verschiedener Punkte xk E M mit llx - xkll < l l k , k E IN, konstruieren. Die Menge aller Haufnngspunkte von M hezeichnen wir mit X ( M ) .
Lemma: Fiir jede Menge M C Rn gilt MU X ( M ) = M U a M = M.
Beweis: Ein Haufungspunkt x von M , der nicht in M liegt, ist ein Randpunkt, da jede Umgebung von x einen Punkt aus M sowie den nicht in M liegenden Punkt x enthalt. Umgekehrt ist ein Randpunkt x von M , der nicht in M liegt, ein Haufungspunkt. 0 Das Lemma und der vorangehende Satz implizieren eine weitere Charakterisierung der ahgeschlossenen Mengen:
Satz: Eine Menge A C IRn ist genau dann abgeschlossen, wenn sie alle ihre Haufungspunkte enthdt.
1.2
Topologie metrischer R5ume
Nehen dem En treten in der Analysis viele weitere Raume mit einer Umgebungsstruktur auf. Wichtige Kategorien hilden die normierten und allgemeiner die metrischen Raume. Die Letzteren spielten eine Vorreiterrolle bei der Ausformung des Begriffs des topologischen Raumes. I. Normierte Raume. Metrische m u m e
Definition (Normierter Raum): Sei K = IR oder C. Eine N o n n auf einem K-Velctorraum V ist eine Funktion 11 11 : V + IR so, d d fiir alle x, y E V und cu E IK gilt: (Nl) 11011 = 0 und 11x11 > 0 fiir x # 0, (N2) I l4 = lal .11x11> (N3) Ilx yll llxll llyll
+
2.
20
1 Elemente der Topologie
Beweis: (i) folgt rnit der Rekursionsformel (7,) aus ~ [ ~ z ( r , i p= ) ~r2. ~; (ii) Sei n 2 3. Wir konstruieren die gesuchte Umkehrabbildung rekursiv. Fiir einen Punkt x = (XI, . . . ,x,) E IRn \ (S x ELn-') setzen wir zunachst
r := Wegen (XI,x2)
d # (0,O)ist
m
1
und
.
< 1,also ip,-l
2,
:= arcsm -
ip,_,
T
E
(--.2 ' )2 . Weiter sei 71
71
Man rechnet nach, daJi 11xf11; = r2. Sei nun gn-1 die Umkehrabbildung zu P,-1 I IR+ x II. Dann wird die Umkehrabbildung zu P, I IR+ x I7 gegeben durch sn(x) := (sn-l(zl), 9,-I). 0 Beispiel 5: Die spezielle unitare Gruppe SU(2) ist homComorph zur dreidimensionalen Sphire S3 = {x E IR4 llxllz = 1).
I
SU(2) besteht aus den komplexen 2 x 2-Matrizen U rnit U U ~= E und det U = 1. Das sind genau die Matrizen der Gestalt
Jede komplexe 2 x 2-Matrix wird als Element von C4 aufgefak SU(2) wird dadurch zu einem (mit der Spurtopologie versehenen) Teilraum von C4. Wir erkliren eine Abbildung f : SU(2) + S3 durch f (U) := (XI, 22,23,x4), wobei z = 21 ixz und w = x3 ix4 gelte rnit XI, x2,x3, x4 E IR. Wegen l.#+1w1~ = 1liegt f(U) tatsachlich auf S3. f ist stetig und hat eine stetige Umkehrung f - I : S3 + SU(2); es ist
+
+
Bemerkung: SU(2) ist rnit der Matrizenmultiplikation eine Gruppe. Dabei sind die Multiplikation SU(2) x SU(2) + SU(2) und die Inversenbildung SU(2) + SU(2) stetige Abbildungen, da sie durch rationale Funktionen beschrieben werden konnen. Man sagt, SU(2) sei eine topologische Gruppe. Der Homoomorphismus SU(2) + s3verpflanzt die stetige Gruppenoperation von SU(2) auf s3. Man kann zeigen, da% nur die Sphken der Dimensionen 0, 1 und 3 stetige Gruppenmultiplikationen zulassen. In engem Zusammenhang damit steht der beriihmte Satz von Kervaire und Bott-Milnor (1958): NUT in den Dimensionen 1, 2, 4 und 8 gibt ea Divisionsalgebren uber IR.
Literatur: Der Band ,,ZahlenU,Grundwissen Mathematik 1. Springer 1992.
1.3 Stetige Abbildungen
21
111. Grenzwerte Wie der Begriff der Stetigkeit kann auch der des Grenzwertes auf Abbildungen metrischer Raume ansgedehnt werden. Er wird wie im Eindimensionalen mit,tels stetiger Fortsetzungen erklart. Im Folgenden seien X , Y beliebige metrische Raume und f : D + Y eine Abbildung auf einer Menge D C X . Definition: Die Abbildung f : D + Y hat im Haufungspunkt a E X von D den Grenzwert b E Y , wenn die Abbildung F: D U {a} + Y mit F ( x ) := f (x) fur x E D\{a), b fur x = a im Punkt a stetig ist. Man schreibt dann lim f (x) = b. z i a
Gehort der Hinfungspunkt a zu D, so besagt lim f (x) = f (a), daB f z i a in a stetig ist. Aufgrund der Anbindung des Begriffs des Grenzwertes an den Begriff der Stetigkeit kann man die E-6-Formulierung, das Folgenkriterium und die Rechenregeln des Abschnitts I. sinngemaB ubertragen. Wir notieren lediglich die E-6-Formulierung. E-&Formulierung: f : D + Y hat in einem Haufungspunkt a E X von D den Grenzwert b E Y, wenn es zu jedem E > 0 ein S > 0 gibt so, daB dy(f(x),b) < ~ f i i r xD~\ { a ) m i t d x ( x , a ) <S.
IV. G l e i c h m a i g konvergente Folgen stetiger Abbildnngen Die Konstruktion stetiger Funktionen durch gleichmaflig konvergente Folgen von Funktionen spielt auch im Hoherdimensionalen eine groBe Rolle. Wir betrachten hier sogleich Folgen von Abbildungen in einen vollstandigen metrischen Raum. Die Vollstandigkeit des Bildraumes sichert dabei die punktweise Konvergenz. Den Begriff der Vollstandigkeit eines metrischen Raumes definieren wir in Anlehnung an die Formulierung der Vollstandigkeit von IR mittels Cauchyfolgen. Definition: Ein metrischer Raum (X,d) heiBt uollstandig, wenn jede Cauchyfolge in X einen Grenzwert hat. Dabei heiBt eine Folge (xk) in X Cauchyfolge, wenn es zn jedem E > 0 einen Index N(E) gibt derart, daB d(xk, XI) < E gilt fiir alle k, 1 2 N(E). Zum Beispiel ist jede abgeschlossene Teilmenge des euklidischen IRn nach dem Folgenkriterium fiir abgeschlossene Mengen in 1.1 vollst%ndig, da jede Cauchyfolge in IRn dort konvergiert.
1 Elemente der Topologie
22
Eine besonders wichtige Kategorie vollstindiger metrischer Raume stellen die Banachranme dar. Definition: Ein normierter II-Vektorraum V heigt Banachraum, wenn er vollstandig ist, d. h., wenn jede Cauchyfolge in V einen Grenzwert hat.
Stefan Banoch (1892-1945), polniscber Mathematiker. Von ihm stammen grundlegende Beitrage zur Funktionalanalysis. Der nach ihm benannte Fixpunktsatz wird in zahlreicben Existenzbeweisen, zum Beispiel in 3.3, verwendet. Beispiele von Banachr5umen: 1. Jeder endlich-dimensionale nomierte Vektoraum (V, 11 11).
Beweis: Mit Hilfe eines IR-Isomorphismus i p : V + IRn iibertrage man die 1 ~ llip-'(z)11. Norm von V auf den IRn: Fur z E IRn setze man d a m 1 1 ~ 1 := ip bildet dann Cauchyfolgen in (V, 11 1 1 ) auf solche in (IRn, 1 1 I I p ) ab. Nach dem Satz von Bolzano-Weierstrag, siehe 1.1, und wegen der Aquivalenz zu 11 11, konvergieren die Cauchyfolgen in (IRn, 11 nnd damit von 11 auch die Cauchyfolgen in (V,11 11). 2. '&[a; b] mit der Supremumsnonn. Denn jede auf [a;b] gleichmagig konvergente Folge stetiger Funktionen besitzt dort eine stetige Grenzfunktion.
3. Die Hilbertraume.
Definition: Ein II-Vektorraum mit einem Skalarprodukt heigt Hilbertraum, wenn er mit der vom Skalarprodukt induzierten Norm vollstandig ist. Beispiel: Der Hibertsche Folgenraum e2. Die Elemente dieses Raumes sind die quadratsummierbaren F o l ~ e nkomplexer Zahlen, d. h. die F o l ~ e n
Die Gesamtheit dieser Folgen bildet einen Vektorraum: Fur quadratsummierbare Folgen a = (a,) und b = (P,) ergibt sich namlich aus der Unla,p,l I llal12 . llbl12 die absolute Konvergenz der Reihe gleichung
C:=l
(8) und damit
+
Die Summe a b ist also ebenfalls quadratsummierbar. Folglich ist Vektorraum. Durch (8) wird auf ihm ein Skalarprodukt erklart.
e2 ein
1.3 Stetige Abbildungen
23
Wir zeigen, d d e2 vollstandig ist. Die Elemente ak = ( a : , a$,. . .) E e2, k E N,mogen eine Cauchyfolge bilden, und E > 0 sei beliebig vorgegehen. Dann gibt es ein N so, d d
Dann gilt erst recht la: - a!l < E fiir k , l 2 N und jedes u E IN. Jede Komponentenfolge (cu:)kEw ist also eine Cauchyfolge und besitzt einen Grenzwert a,. Aus (*) erhalten wir ferner fur jedes n und alle k, 1 2 N die Ungleichungen C; la: - a!12 < E' und aus diesen fiir 1 + oo n
- a,I2
also
I E'
fiir k 2 N und jedes n,
u=1 m
Clcub-a,I
2
IE' f i i r k > N .
u=1
Hiernach hat die Folge a := ( a l , a 2 , . . .) die Eigenschaft, daB a - aN zu gehort sie also schon selbst zu e2. Die letzte Ungleichung kann man nun in der Form l l a k -all$ 5 E' fiir k 2 N schreihen, in der sie besagt, daB ak + a fur k + oo.
e2 gehort. Wegen a = a - aN + aN
Historisches. Der Begriff des Hilbertraumes kristallisierte sich ah etwa 1906 aus den Untersuchuneen " Hilberts und seiner Schiiler iiber Inteeraleleichuneen " " " heraus. Hilbert hatte erkannt, dali gewisse Typen von Integralgleichungen mittels einer Orthonormalbasis "on Funktionen in lineare Gleichungssysteme in t2iibergehen. Hilbertraume spielen auch in der Quantenphysik eine maligebliche Rolle.
David Hilbert (1862-1943) war der fiihrende Mathematiker in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts. Unter Mitwirkung "on Felix Klein (1849-1925) und Hermann Minkowski (1864-1909) schuf er die beriihmte Gattinger Schule, die alle Gebiete der Mathematik, einschlielilich der Mathematischen Logik und der Grundlagenforschung, sowie die Mathematische Physik pragte. Auf dem Internationden MathematikerkongreB in Paris 1900 formulierte er 23 Probleme, die fiir die Mathematik im 20. Jahrhundert richtungweisend wurden.
Wir kommen zur Konstruktion stetiger Abhildungen durch gleichmaflig konvergente Folgen. Definition: Es seien X und Y metrische Raume. Eine Folge von Ahbildungen f k : X + Y heifit gleichmgig konuergent auf X , wenn es zu jedem E > 0 ein N ( E ) giht so, d d gilt: dy(fk(x), fi(x))
<E
fiir alle x E X und k , 1
2N(E)
1 Elemente der Topologie
24
Wir setzen nun zusatzlich voraus, Y sei vollstandig. Fiir jedes x E X ist dann (fk(x)) eine Cauchyfolge in Y. Wegen der Vollstandigkeit von Y konvergiert diese. Durch limk,, fr,(x) =: f (x) wird also eine Grenzabhildung f : X + Y definiert. Aus d(fk(x), fl(x)) < E fiir alle x E X und alle k , 1 2 N(E) folgt fiir k + cc wegen der Stetigkeit der Abstandsfunktion d(f (x), fl(x)) 5 E fiir alle x E X nnd alle 1 2 N(E). Damit zeigt man wie in Band 1,15.2: Satz: Es sei Y ein uollstandiger metriseher Raum. Dann definiert eine auf X gleichmajig konuergente Folge stetiger Abbildungen f h : X + Y eine Grenzabbildung f : X + Y , und diese ist stetig. Als Anwendung heweisen wir das Fortsetzungslemma von Tietze: Jede stetige Funktion f : A + IR auf einer abgesehlossenen Teilmenge A eines metrisehen Raumes X kann zu einer stetigen Funktion F : X + IR fortgesetzt werden.
Beweis: a) Wir zeigen zunachst folgende Approximationsaussage: Zu jeder stetigen Funktion u : A + IR mit lul 5 a, a E IR, gibt es eine stetige Funktion v : X + IR mit ivl 5 +a auf X und lu - vl 5 $a auf A. Beweis der Approximationsaussage im Fall a # 0: Sei
A- und A+ sind pnnktfremde abgeschlossene Mengen. Sind heide nicht leer, so wahlen wir eine stetige Funktion g: X + [ - I ; 11 mit g 1 A- = -1 und g I A+ = 1, etwa
A-= 0und A+= 8wahlen wir g := 1 hzw. g := -1. In den Fillen A+# 0, 1 In allen Fallen leistet dann v := a g die gewiinschte Approximation. 3
b) Beweis des Lemmas unter der zusatzlichen Voraussetzung, daB 1 f 1 < 1. Wir definieren induktiv eine Folge stetiger Funktionen f k : X + IR mit
Wir beginnen mit fo := 0.
1.3 Stetige Abbildungen
25
Sei nun f k wie gewunscht definiert. Dann gibt es nach der Approximationsaussage a) zu f - f k eine stetige Funktion uk auf X mit
+
Wir setzen f k + l := f k uk. f k + l ist eine stetige Funktion auf X mit der gewunschten Approximationsgiite. Die Folge ( f k ) sei wie angegeben definiert. Dann gilt weiter: (i) (ii)
(fk) (fk)
konvergiert auf A punktweise gegen f . konvergiert auf X gleichmagig, da fur alle x E X und p > q
Die Grenzfunktion F der Folge ( f k ) ist also stetig anf X und stimmt auf A mit f uberein. c) Beweis des Lemmas im allgemeinen Fall. Wir fuhren ihn auf Fall b) zuruck. Sei dazu h : IK + (-1; 1)ein Homoomorphismus, etwa wie in (5). Die Funkt,ion ip := h o f erfullt lip1 < 1, besitzt also nach b) eine stetige Fortsetzung @ auf X. Die Funktion F := h-I o @ ist dann eine stetige 0 Fortsetzung von f .
V. Lineare Abbildungen. Die Operatornorm Nach I. Beispiel 1 ist eine lineare Abbildung eines normierten Vektorraumes V in einen anderen Lipschitz-stetig, falls dim V < m. Dagegen kann eine lineare Abbildung unstetig sein, falls dim V = m. Zum Beispiel ist die Differentiation D: W1[O; 11 + @, Df := f'(O), in dem mit der Supremumsnorm versehenen Raum W1[O; 11 unstetig, da die Normen der Funktionen fn(x) := (sinn%)/n eine Nullfolge bilden, wahrend die Folge der Ableitungen fA(0) divergiert.
Lemma: Es seien V,W n o n i e r t e Vektorraume. Eine lineare Abbildung A: V + W ist genau dann stetig, wenn es eine Konstante C gibt so, do$ llAxll C llxll fiir alle x E V gilt. In diesem Fall ist A sogar Lipschitzstetig.
0 so, dag IlAEll 5 1 gilt fur [ E V mit 6. Damit folgt fur alle x E V, x # 0,
IIcII
k. Diese Folge aber hatte keine konvergente Teilfolge. Ware K nicht abgeschlossen, so gabe es eine konvergente Folge in K, deren Grenzwert nicht in K liegt. Dann lage auch der Grenzwert 0 jeder ihrer Teilfolgen augerhalb von K . Bemerkung: Man kann fur einen beliebigen metrischen Raum X auch die Umkehrung von a) zeigen. Dagegen gilt die Umkehrung von b) nicht allgemein. Ein Beispiel liefert der Raum F[O;T ] mit der Supremumsnorm. Die abgeschlossene Einheitskugel Kl(0) = {f E Ce[O;?r] ilf llro:nl5 1) dieses Raumes ist nicht folgenkompakt und damit auch nicht kompakt. Sonst hatte die Folge der Funktionen ek E K1(0), ek(x) := eikx, eine konvergente Teilfolge, was wegen llek - erlllo;Tl= 2 fur alle k # 1 nicht der Fall ist. Die Umkehrung der Anssage b) gilt jedoch, falls X ein endlichdimensionaler normierter Raum ist.
I
Satz: Fur eine Teilmenge K C V eines endlich-dimensionalen nonnierten Raumes V sind folgende Aussagen aquivalent: 1. K ist abgeschlossen und beschrankt. 2. K ist kompakt. 3. K ist folgenkompakt. Beueis: Nach dem Lemma ist nur noch 1+. 2 zu zeigen. a) Wir behandeln zunachst den Fall V = IRn. Angenommen, {U,} sei eine offene Uberdeckung von K derart, daJ3 K nicht von endlich vielen der U, uberdeckt wird. Als beschrbkte Menge liegt K in einem abgeschlossenen Wiirfel W; dessen Kantenlange sei s. Wir zerlegen den Wurfel W in 2n abgeschlossene Wiirfel der halben Kantenlange und finden einen Teilwiirfel WI derart, dag auch K n Wl nicht von endlich vielen der U, uberdeckt wird. Durch Wiederholung dieses Verfahrens findet man eine Folge abge schlossener Wurfel Wk der Kantenlange s / Z k mit WI 3 Wz > W3 > . .. und der Eigenschaft:
30
1 Elemente der Topologie
(*) Keine der Mengen K n Wk, k E IN, wird von endlich vielen der U, uberdeckt.
Wir w a l e n dann in jeder Menge K n Wk einen Pnnkt xk. Nach Konstruktion der Wurfelfolge (Wk)ist (xk)eine Cauchyfolge. Deren Grenzwert a E IRn liegt wegen der Abgeschlossenheit von K in K. a liegt auch in einer offenen Menge U der Uberdeckung. Diese Menge U enthilt fast alle Wurfel Wk, insbesondere fast alle Durchschnitte K n Wk im Widerspruch zu (x). h) Den allgemeinen Fall fuhren wir nun mit Hilfe eines Isomorphismus i p : V + IRn auf den Fall a) zuriick. Da ip auch ein Homoomorphismus ist, gelten fur K c V die Aquivalenzen: K hat die Heine-Borel-Eigenschaft o ip(K)hat diese, K hat die Bolzano-Weierstraf-Eigenschaftu ip(K)hat diese, K ist abgeschlossen o ip(K)ist abgeschlossen; und da ip und ip-I nach 1.3.1. Beispiel 1 Lipschitz-stetig sind, gilt ferner: K ist beschrankt u ip(K)ist beschriukt. Diese Aquivalenzen reduzieren den Satz auf den Fall a).
0
Beispiel: Die Gruppe O(n) der orthogonalen n x n-Matrizen ist kompakt. Dabei ist O(n)als Teilraum von I t n X n aufzufassen.
O(n)ist beschrankt, da O(n)in der Einheitskugel K1(0)C IRnxn bezuglich der Maximumsnorm liegt. AuMerdem ist O(n) abgeschlossen, da die Matrizen durch die n2Polynomgleichungen XXT = E definiert sind. Satz: Jede ahgeschlossene Teilmenge A eines kompakten Raumes X ist kompakt.
Beweis: Sei {Ui)iEr eine Familie offener Mengen in X mit A C UiEr Ui. Dann bilden die offene Menge X \ A und die Mengen U,, i E I, eine offene Uberdeckung von X . Mit geeignet ausgewahlten U,, , . . . ,U,, gilt also X = (X \ A) U (U,, U . . . U U,-); danach wird A von Ui, U . . . U Ujs iiberdeckt. 11. Stetige Abbildungen kompakter m u m e Wichtige Existenzaussagen der Analysis heruhen auf Eigenschaften stetiger Abbildungen kompakter Raume, insbesondere auf dem Satz von der Annahme eines Maximums und dem Satz von der gleichmafiigen Stetigkeit.
1.4 Kompakte Raume
31
Beide Satze wurden fiir kompakte Teilmengen K C C bereits in Band 1 gezeigt. Wir verallgemeinern sie nun auf Abbildungen kompakter Raume.
Satz: Sei f : X + Y eine stetige Abbildung eines kompakten Ruumes X in einen beliebigen Raum Y . Dann ist aueh das Bild f ( X ) kompakt. Beweis: Sei {K) eine offene Uberdeckung von f ( X ) . Die Mengen U, := f-'(V,) bilden dann ein offene Uberdeckung von X. Gewisse endlich viele Uil,. .. ,Ui, dieser Urblider iiberdecken X, deren Bilder K,,. .. ,K/,,also der Bildmenge f ( X ) . 0 Folgerung (Satz v o m Maximum und Minimum): Jede stetige Funktion f : X + IR auf einem kompakten Raum. X nimmt ein Maximum und ein Minimum an. Beweis: Das Bild f ( X ) C IR ist beschrankt, hat also ein Supremum M nnd ein M m u m m. Ferner ist f ( X ) abgeschlossen; also sind M und m Elemente von f ( X ) . 0 Beispiel: Als Abstand zweier nicht leerer Teilmengen K und A eines metrischen Raumes ( X ,d) definiert man die Zahl
I
d ( K ,A ) := inf { d ( k ,a) k E K , a E A } Wir zeigen: Ist K kompakt, A abgeschlossen und K n A leer, so gibt es einen Punkt p E K mit d(p,A ) = d ( K ,A ) ; insbesondere ist d ( K ,A ) > 0.
Beweis: Die Fnnktion x H d(x,A ) ist stetig und nimmt auf K ein Minimum an; es gibt also einen Punkt p € K mit d(p,A ) = d ( K ,A). Da p nicht in A liegt nnd A abgeschlossen ist, gibt es eine Kugel K,(p), die A nicht 0 schneidet. Folglich ist d(p,a) 2 r fiir a E A, also d(p,A ) 2 r. Die analoge Aussage im Fall zweier nur abgeschlossener Mengen kann falsch sein. Zum Beispiel haben das Achsenkreuz A = ( ( 2 ,y) xy = 0) in R2 und die Hyperbel H = ( ( 2 ,y ) xy = 1 ) den Abstand 0.
I
I
Definition: Seien X , Y metrische Raume. Eine Abbildung f : X + Y heist gleichma$ig stetig auf X , wenn es zu jedem E > 0 ein 6 > 0 gibt so, daB fiir jedes Punktepaar X I , xz E X mit d x ( X I , 2 2 ) < S gilt:
Satz: Eine stetige Abbildung f : X + Y eines kompakten metrischen Raumes X in einen metrisehen Raum Y ist sogar gleiehmgig stetig. Beweis wiirtlich wie in Band 1.7.5.
1 Elemente der Topologie
32
111. Produktrsume mit kompaktem Faktor Tubenlemma: Es sei X ein beliebiger und K ein kompakter metrischer Raum. Sei ferner W C X x K eine offene Menge, die die ,,Fasert' uber dem P m k t xo E X, d. h. die Menge {xo} x K, enthat. Dann gibt es eine Umgebung U c X von xo dernrt, dnfl U x K c W .
Jede Umgebung W einer kompakten Faser {q}x K enthat eine Tubenumgebung U x K Beweis: Zu jedem Punkt (xo,y), y E K, wahle man offene Umgebungen U, von x0 in X und Vy von y in K mit U, x Vy C W . Die Gesamtheit der Vy, y E K, bildet eine offene Uberdeckung von K. Als kompakter Raum wird K bereits von gewissen endlich vielen Vyl,. . . ,Vyr uberdeckt. Dann ist U := Uyl n . . . n U,, eine Umgebung von xo mit U x K c W .
Folgerung: Das Produkt K x L kompakter Raume K und L ist kompakt. Beweis: Sei {W,} eine offene Uberdeckung von K x L. Jede Faser {x} x L, x E K, wird bereits von gewissen endlich vielen W,,, uberdeckt. Diese Wi,, uberdecken nach dem Tubenlemma eine Menge der Gestalt U, x L, wohei U, eine offene Umgebung von x ist. Geeignete endlich viele der U, iiberdecken K. Insgesamt findet man so endlich viele Wi, die K x L iiberdecken. 0
Anwendung: Stetigkeit parameterabhkgiger Integrale. Wichtige Funktionen der Analysis kann man als parameterabhangige Integrale darstellen; zum Beispiel die Gammafunktion, siehe 8.4, oder die sogenannten Besselfunktionen Jn: IR + IR, n E Z; diese besitzen die Darstellung 1 J,(s) = - Jcos(ssint - nt) dt. ?I
0
Wir beweisen mit Hilfe des Tubenlemmas einen Stetigkeitssatz fur parameterabhangige Integrale im Fall eines kompakten Integrationsintervalls. Den Fall eines nicht kompakten Integrationsintervalls behandeln wir erst in der Integrationstheorie; siehe 8.4.
1.5 Zusammenhang
33
Es sei f : X x [a;b] + C eine stetige Funktion auf dem Produkt eines metrischen Raumes X und eines kompakten Intervalls [a;b] C IR. Integration Iangs der ,,FasernC'{x) x [a;b] ergibt eine Funktion F:X
+ C,
b
F(x) := J f (z,t) dt. a
Satz: Die Funktion F ist stetig. Beweis: Wir beweisen die Stetigkeit in xo E X. Sei E > 0 gegeben. Die Funktion ~ ( xt), := f (x,t) - f (xo, t) auf X x [a;b] verschwindet auf der Faser {xo} x [a;b] und ist stetig. Daher ist die Menge
eine offene Umgebung von {xo} x [a;b]. W enthalt eine Menge der Gestalt U x [a;b], wobei U eine Umgebung von xo ist. Fur x E U gilt dann
Falls auch X ein kompaktes Intervall ist, X = [c;dl, kann F daruber integriert werden. Dadurch erhalt man das sogenannte iten'erte Integral
In 7.4 werden wir sehen, daB dieses den Wert des 2-dimensionalen Integrals der stetigen Funktion f auf dem Rechteck [c;dl x [a;b] darstellt.
1.5
Zusammenhang
Der Zwischenwertsatz fiir stetige Funktionen in der Version von Band 1 setzt als Definitionsbereich ein Intervall voraus. Wir verallgemeinern diesen wichtigen Satz jetzt auf stetige Abbiidungen, deren Definit,ionsbereich zusammenhangend ist. Definition: Ein metrischer Raum X heiBt zusammenhiingend, wenn es keine Zerlegung X = U U V gibt, in der U und V disjunkt, offen und nicht leer sind. Eine Teilmenge Xo C X beiBt zusammenhangend, wenn sie es als Teilraum ist.
I
Beispiel: Die Hyperbel H = {z E IR2 z? - x: = 1) hangt nicht zusammen: Ihre beiden Aste H+ = H n (IR+ x IR) und H- = H n (IF- x IR) bilden eine Zerlegung in nicht leere, punktfremde, H-offene Teilmengen.
1 Elemente der Topologie
34
Satz: Eine Menge X C R mit mindestens zwei Punkten ist genau dann zusammenhangend, wenn sie ein Intervall ist.
Beweis: Es sei X = I ein Intervall. Angenommen, es gibe eine Zerlegung I = U U V , in der U und V disjunkte, I-offene, nicht leere Mengen sind. Wir wahlen dann Punkte u E U und u E V , wobei wir u < u annehmen diirfen. Da I ein Intervall ist, liegt [u;u] in I . Sei s := sup ( [ u ; u ]n U ) . Da U = I \ V in I ahgeschlossen ist, liegt s in U . Damit folgen s < u und ( s ;u] C V . Andererseits gehijrt wegen der Offenheit von U in I ein gewisses Intervall [s;s E ) zu U . Wir erhalten also einen Widerspruch zu unv=0. Umgekehrt sei X kein Intervall. Dann gibt es Punkte u , u E X und zwischen diesen einen Punkt s 6 X . Die Mengen U := X n (-m;s) und V := X n ( s ;co)sind dann disjunkt, X-offen und nicht leer, und es gilt U U V = X . Somit hangt X nicht zusammen. 0
+
Satz: Das Bild f (X) eines zusammenhangenden Raumes X unter einer stetigen Abbildung f : X + Y ist zusammenhangend.
Beweis: Andernfalls gahe es disjunkte, nicht leere, f (X)-offeneMengen U und V mit f (X) = U U V , und man erhielte in X = f ( U )U f - l ( V ) eine analoge Zerlegung von X . Widerspruch! Folgerung (Zwischenwertsatz): Es sei X ein zusammen,h,angender Raum und f : X + R eine stetige Funktion auf ihm. Ferner seien a und b Punkte in X . Dann nimmt f jeden Wert zwischen f ( a ) und f ( b ) an.
Beweis: Im Fall f ( a ) # f (b) ist f (X) ein Intervall.
0
In der Analysis spielt noch ein weiterer Zusammenhangsbegriff eine Rolle. Definition: Ein metrischer Raum X heiBt wegzusammenhangend, wenn es zu je zwei Punkten a, b E X eine stetige Kurve y : [a;P] + X mit y ( a ) = a und y(P) = b gibt. Man sagt dann, y verbinde a und b. Beispiel 1: Jede konvexe Menge X in einem normierten Vektowaum ist wegzusammenh~ngend.X heist konvex, wenn mit je zwei Punkten a und b E X auch die Verbindungsstrecke [a;b] := { a + t(b - a ) t E [O;11) in X liegt. y ( t ) := a t(b - a ) , t E [O;11, definiert dann eine Verhindungskurve.
I
+
Beispiel 2: Fur n hangend.
> 2 sind IRn \ 10) und die Sphare SnS1 wegzusammen>
Beweis: Seien a, b E IRn \ { O ) . Wegen n 2 gibt es einen weiteren Punkt c E IRn derart, daB 0 weder auf der Strecke [a;c] noch auf der Strecke [c;b]
\ {O),
liegt. Der Streckenzug 7:[O; 21 -t I t n y(t) :=
a+t(c-
a)
c+(t-I)(h-I:)
fiir t E 10; 11; fiirt€[1;2],
verbindel dann a und b. Liegen a utid 6 aul'Sn-', aul 3"-'. die u und 11 verbindet.
yo
is1 ?/
1 :,1 2
ei~reKurve 0
L c m m a : Jeder zue,qe~~samrnenhiingende Kaum X ist zusamnacnhiingend. Reri!ezn: Angentnnmm, r s giht rinr Zerlngiing X = 'L IJ 1,. in di~j~~nh?,e: nicht lccrc, offcnc kicngcn. Wir vcrbindcn dann Punktc u t Ll und z: t 1/ mit cincr stctigcn Kurvc T : [0; 11 + X und crhaltcn in (L') U y-' ( V ) cine Zerlegung des Intemalls [O; 11 in disjunkle, uichl leere, [O:l]-olLe~~n Teilruengen. Eine solcl~egibl. es aLw Iliclil. 0
Sate: Jede zusammcnhiingende offene Mengc X i n einem normierten kktorraum ist wcgzusammcnhi~qend.Je ewei Punkte a , b t X kl;nnen nogor dsrch e i n m ,Streckmmg in
X
rierhmdm wer11en.
Lctztcrcs bcsngt.: Es gibt. Punktc ao := a , a l : . . . , a h := b dcrart, dsB jcdc Ve'erbiLdung3strecke [ ~ i - ail ~ ; in X liegt. Ueweis: Wir bctmchtcn dic hlcngc (i :=
{zt X 1 Es gibt cincn Strcckcnzug iu X' von a nsch
I }
I; hut folgende Eigenschaften: (i) C' ist offm. Drnn jedr Kngrl Kjw) C X mit Mittrlpr~nkt71, E U lie@ ganz in 17: Setvt, man namlich fiir .T E h'(i1) einm Streckenmg in .I' von a nach u mit der St.rec1ce [u; msamrnen, so erhdt man einen Strcckcmug in A' von a n x h z.
XI
(ii) V := X \ L' ist offcn. Ucnn jcdc Kugcl K(v) c .X mit Mittclpunkt .LV E V liegl g a u ~ in V : Soust gabe es eine~rSlrecken~ugin X vou o zu eine~nPutkt z E Kjv) utld d a u d such xu111 MitLelpunkl v.
Kwh (i) und (ii) ist X = CUV cine Zerlegung in disjunkte! offene Mengen. nit 17 wrgm a E I! nitht leer ist und da X 7nsarnmenhiingt, ist 1,' = S.n Bemerkmg: Der Satz gilt nicht fiir beliebige zusammenhangende Teilmengcn cincs normicrtcn Kaumcs. Zum Ucispicl ist. dic k4cngc in 1%" dic aus dcnr Nullpur~klund dcln Graplrc~idcr Fu~ili~iou s h l / x 7 z > 0: Lcslclit, LUsmmenhiiugeud, aber nichl. ~~egzusa~iinie~il~bgend; Beweis als Aul'gabe. Definition: Einc zusammcnhZngcndc offcnc hlcngc in cincm normicrtcn Raum heiB1 Cebiel.
1 Elemente der Topologie
36
Wir bringen noch ein weiteres Beispiel. Dieses hat fur den Orientierungshegriff in endlich-dimensionalen IR-Vektorraumen eine groge Bedeutung; siehe 13.4. Es seien GL(n, IR) die Gruppe der rellen n x n-Matrizen A mit det A # 0, GL+(n, IR) die Gruppe der rellen n x n-Matrizen A mit det A
> 0.
GL(n, IR) und GL+(n, IR) fassen wir als Teilraume yon IRnxn auf.
Satz: Die Gruppe GL(n, IR), n 2 1, ist nicht zusammenhangend; die Untergruppe GL+(n, IR) hingegen ist zusammenhangend. Beweis (von Thomas Honold): GL(n,IR) ist nicht zusammenhbgend. Andernfalls ware das Bild unter der stetigen Abbildung det : GL(n, IR) + IR zusammenhangend; tatsachlich aber ist dieses Bild IR*. Dem Nachweis, daB GL+(n, IR) zusammenhangt, stellen wir zwei Hilfssatze voran.
Hilfssatz 1: Es seien U, V E G L + ( ~IR) , Matrizen derart, daj3 VU-I keinen negativen Eigenwert hat. Dann liegt auch ihre Verbindungsstrecke [U;V] := {tU (1 - t)V t E [O; 11) in GL+(n, IR).
+
I
Beweis: Zu zeigen ist, dag D(t) := det(tU + (1 - t)V) > 0 fiir t E [O;11. Wegen der Stetigkeit der Funktion D und D(0) > 0, D ( l ) > 0 genugt es zu zeigen, daJi D in (0; 1)keine Nullstelle hat. Nun gilt fiir t E (0; 1) ~ ( t =) (1 - t)n det U . det
( 4 + VU-l) ~ = (1 - t)n det U .x (*) 1 -t l-t
;
dabei bezeichnet x das charakteristische Polynom von VU-I. Nach Voraussetzung ist x(X) # 0 fiir X < 0. Damit folgt die Behauptnng. 0
Hilfssatz 2: Jede Matrix A E GL+(n, IR) besitzt eine Darstellung
wobei T und B keine negatiuen Eigenwerte haben. Beweis: Wegen det A > 0 ist die Anzahl der negativen Eigenwerte von A gerade. Diese Eigenwerte seien XI,. . . ,Xzk. Nach einem einfachen Reduktionssatz, siehe etwa [Q] Kapitel 8.3.3, gibt es ein V E GL(n,R) so, daB T I A V die Gestalt
hat, wobei A eine ohere Dreiecksmatrix ist mit XI, . . . ,X2k in der Diagonale und C keine negativen Eigenwerte hat. Es genugt, den Hilfssatz fur A' zu zeigen.
1.5 Zusammenhang
37
Sei T die n x n-Matrix mit k Kbtchen I =
-
( y ):
und der (n - 2k)-
reihigen Einheitsmatrix En-2,, langs der Diagonale:
T := Diag(1,. . . ,I,En-2k). k-ma1
T hat keine negativen Eigenwerte; ferner gilt
Da auch B keine negativen Eigenwerte hat, ist der Hilfssatz damit hewiesen. 0 Wir kommen zum Nachweis, daB GL+(n, IR) zusammenhingt. Wir zeigen dazu, daf3 jedes A E GL+(n,IR) mit der Einheitsmatrix E durch , verbunden werden kann; das genugt. Sei einen Streckenzug in G L + ( ~IR) A = T% eine Darstellung wie in Hilfssatz 2. Dann ist [E;B], [B;TB], [TB;T2B] ein Streckenzug von E nach A, der nach Hilfssatz 1 ganz in GL+(n, IR) liegt. Der Zusammenhang stellt eine wichtige topologische h r i a n t e dm: Sind X und Y homoomorph,e Raume, so ist A' genau dann msammenhangend, wenn das fiir Y zutrifi. Diese Tatsache ermoglicht es manchmal, zwei %ume als nicht homoomorph zu erkennen. Wir demonstrieren das an einem fur die Dimensionstheorie bedeutsamen Beispiel. Cantor entdeckte 1878, d d IR bijektiv auf IR2 abgebildet werden kann. Ferner zeigte Peano 1890, dafi es stetige surjektive Abhildungen des Intervalls I = [O; 11 auf das Quadrat I 2 giht; siehe Band 1,12.10, Anfgabe 14. Die Abhildung von Cantor ist nicht stetig, die von Peano nicht bijektiv. Erst 1911 hewies Brouwer, da8 es keine homoomorphe Abbildung von IRm anf IRn gibt, wenn m # n ist. Der Beweis benutzt Hilfsmittel, die hier nicht zur Verfiigung stehen. Immerhin konnen wir aufgrund der Invarianz des Zusammenhangs den Satz fur m = 1 zeigen; fiir m =2 siehe 5.6 Aufgabe 13.
Satz: Rn ist fiir n > 1 nicht homoomorph zu IR Beweis: Fur n > 1 ist IRn \ {0} nach Beispiel 2 zusammenhingend, die Menge R \ {y} jedoch fiir keinen Punkt y E IR, da sie kein Interval1 ist. Gabe es einen Homoomorphismus f : IRn + IR, so induzierte dieser aber einen Homoomorphismus Rn \ {0} + IR \ {f (0)}. 0 L. E. Brouzuer (1891-1961). Begriinder des Intuitionismus. Von ihm stammen wichtige Beitrage zur Topologie, inshesondere zur Dimensionstheorie. Die KIarung des Dimensionshegriffes war im Anschld an die Mengenlehre "on Cantor unausweichlich geworden. Vgl. Band 1, 5.8 Aufgahe 20.
1 Elemente der Topologie
38
1.6 Potenzreihen in Banachalgebren m
C xk, xk
E V, in einem Banachraum V versteht man k=l wie im Fall V = C die Folge der Partialsummen Sn = Xi=, xk. Die Reihe heist konuergent, wenn die Folge ( S , ) konvergiert; gegebenenfalls heist deren Grenzwert Wert der Reihe, und man schreibt auch fur diexk. Ferner heiflt die Reihe absolut konvergent, falls die Reihe sen CF'=, llxkll konvergiert. Die Folge der Partialsummen einer der Normen absolut konvergenten Reihe ist offensichtlich eine Cauchyfolge. Somit gilt:
Unter einer Reihe
CEO=,
Satz 1: Jede absolut konuergente Reihe in einem Banachraum konuergiert. Wir betrachten im Weiteren Banachraume, die zusatzlich eine rnit der Norm vertragliche multiplikative Struktur aufweisen. Definition: Ein normierter IK-Vektorraum d heist normierte K-Algebra, wenn in ihm eine bilineare und assoziative, aber nicht notwendig kommutative Verknupfung (Multiplikation) .d x .d + d , (x, y) H xy, erklart ist und die Norm die multiplikatiue Dreieeksungleiehung (N4) IIxYII 5 llxll . l l ~ l l erfullt. Eine normierte Algebra, die zugleich ein Banachraum ist, heiflt Bnnachalgebra. Beispiele von Banaehalgebren: 1. Jede endlich-dimensionale nomierte lK-Algebra. Zum Beispiel der Matrizenraum l K n X n rnit irgendeiner Operatornorm; allgemeiner, der Raum L(X,X) der linearen Abbildungen eines endlich-dimensionalen normiert,en Vektorraums in sich. 2. Die Algebra W [a;b] rnit der Supremumsnom.
Folgerungen a n s (N4): k 1. llxkll 5 11x11 f i r k = 2 , 3 , . .. 2 . Aus xk + x und yk + y folgt xkyk + xy. Insbesondere gilt fur jede 00 konuergente Reihe und jedes Element a E d a xk) = CkZl axk.
(XZ1
Beweis im Wesentlichen wartlich wie im Fall d = C. Im Folgenden sei .d stets eine Banachalgebra rnit Einselement, d. h. rnit einem Element e derart, dafl ae = ea = a fur jedes a E d gilt. Ein solches Element ist eindeutig bestimmt und wird oft rnit 1bezeichnet. Die Algebra l K n X n etwa hat als Einselement die Einheitsmatrix. Fur jedes x E d setzen wir x0 := 1.
39
1.6 Potenzreihen in Banachalgebren
Satz 2: Sei d eine Banachalgebra uberlK mit Eins. Ist P ( z ) = CEO akzk eine Potenzreihe mit Koeffizienten an: E lK und Konwergenzradius R, so konwergiert fur jedes Elementx E K$(O) := { x E a' IlxIl < R } die Reihe
1
absolut. Die hierdurch erklarte h n k t i o n P d : K g ( 0 ) + d ist in jeder Kugel K e ( 0 ) mit r < R Lipschitz-stetig: Fur beliebige x , y E K f ( 0 ) gilt
Fur jedes x E K g ( 0 ) ist die Funktion t H P d ( t x ) im Interwall (-p; p ) differenzierbar (p := R/ llxll bzw. p = fur x = 0) und hat die Ableitung
dabei bezeichnet P' die Ableitung won P . Beweis: Die absolute Konvergenz der Reihe P d ( x ) fur x E K$(O) folgt wegen ilamxk[l5 lakl . IIxIIk aus der absoluten Konvergenz der Reihe P ( z ) fur 121 < R. Die Lipschitz-Stetigkeit ergibt sich aus der fiir x , y E d mit llxll 5 r und llyll 5 T geltenden Abschatzung llxk - ykll 5 llx - yll. krk-l, und diese folgt aus der Identitiit xk - yk = x ~ - ' - ~ (x y) yi. Zum Nachweis von (14) verwenden wir die Potenzreihe
~ t ~ i
Es sei t E ( - p ; p ) fixiert. Da @ in it1 differenzierbar ist, gibt es zu jedem E > 0 ein 6 > 0 so, daB
Fiir diese h gilt dann
Daraus folgt die Behauptung.
0
Zusatz: Fur jede Matrix A E l K n x n mit IlAll < R, wobei 11 1 1 eine belieakAk in dieser Norm; bige Operatornorm sei, konwergiert die Reihe CEO sie konwergiert ferner komponentenweise.
40
1 Elemente der Topologie
Als Beispiele betrachten wir die geometrische Reihe und die Exponentialreihe. Geometrische Reihe und Inversenbildung. Es sei d eine Banachalgebra mit Eins. Dann hat 1 - x fir jedes Element x E d mit 11x11 < 1 ein Inverses: und zwar ist
z m
( 1 - x)-I =
n=n
xn =: G d ( x ) ;
es gilt namlich
und ebenso G d ( x ). (1 - x ) = 1. Die Menge der invertierbaren Elemente einer Banachalgebra d mil Einselement bezeichnet man mit a''. d*ist mit der Multiplikation von d als Verkniipfung eine Gruppe und heiBt Einheitengruppe von d.Die Einheitengmppe der Matrizenalgebra l K n x n ist die Gruppe GL(n, lK); a l gemeiner: Die Einheitengruppe in der Algebra der linearen Abbildungen X + X eines endlich-dimensionalen normierten Vektorraums ist die Gruppe L*( X ,X ) der Isomorphismen.
Satz 3: Die Einheitengruppe & einer Banachalgebra d mit Eins ist eine offene Menge in d,und die Inuersenhildung
ist stetig. Insbesondere ist Inv: L Y ( X ,X )
+ L*(X, X ) stetig
Beweis: Sei a E &. Dann enthalt d*auch die Kugel um a mil dem Radius r := 11 Ila-' 11. Aus Ilx - all 5 1/ Ila-lI1 folgt namlich zunachst 111 - a-lxll 5 [Ia-'[l . [la- 211
< 1;
also ist a-lx invertierbar und damit auch x. Mithin ist d*offen. Ferner ist das zu x E K,(a) inverse Element gegeben durch
Die durch x
H 1 - a-lx
und durch y H ya-I definierten Abbildungen in
d sind Lipschitz-stetig und G d : K l ( 0 ) + d ist stetig nach obigem Satz. Somit ist auch x
H x-'
stetig.
Bernerkung: Die geometrische Reihe wird oft angewendet, urn Operatoren zu invertieren. Man bezeichnet sie auch als Neumannsche Rtihe nach Carl Neumann (1832-1925), der sie erstmals zur Losung gewisser Integralgleichungen einsetzte.
1.6 Potenzreihen in Banachalgebren
41
Die Exponentialabbildung. Wie im Fall d = C definiert und zeigt man
Die Exponentialabbildung in d hat dieselben charakteristischen Eigenschaften wie die Exponentialfunktion in C:
Satz 4: Fur vertauschbare Elemente x, y t d,d. h. Elemente mit xy = yx, gilt das Additionstheorem
Insbesondere ist fiir jedes x t d durch y(t) := et", t t K, ein Homomorphismus y : K + a" definiert. Dieser ist differenzierbar, und es gilt
Beweis: Das Addit,ionstheorem beweist man wie in Band 1,8.1. Damit ergibt sich auch die Invertierbarkeit von ex; es gilt namlich eZ.e-5 = e0 = 1. Die weiteren Behauptungen sind mit Satz 3 gezeigt. 0 Die Exponentialabbildung in einer Banachalgebra hat vielfaltige Anwendungen. Wegen (15) spielt sie zum Beispiel eine fundamentale Rolle bei Systemen linearer Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten; siehe 4.3. Beispiele: 1. Sei A = Diag(X1,. . . , A,) eine Diagonalmatrix mit den Diagonalelementen XI,. . . ,An. Dann ist Ak = Diag(X:, . . . , A:), und es ergibt sich
2. Sei I = et'-
-
(y i ) und t t K. Wegen IZk= ( - l ) k ~erhilt man
(I - -t2+ 2!
t4
cost
- sint
4!
Wegen dieser Formel wird die Matrix I oft als in,finitesimale Erzeugende der Drehgruppe bezeichnet.
1 Elemente der Topologie
42
3. Sei A =
(ab
-b)
a
= aE
+ bI, I
wie in Beispiel 2. E und I sind ver-
tauschhar; also gilt etA = etaE . etbr fiir t E IK. Mit Beispiel 1 nnd 2 folgt sin bt
cos bt
Bemerkung: 1st AB # BA, so hat man im allgemeinen eA+
Zum Beispiel gilt mit A = eAeB =
(;
(i9und B (: :)
# eAeB.
=
3
und
e
1.7 Aufgaben 1. Fur Mengen A, B C IRn gilt
a) AUB=AUB, b) ( A n B ) O = A 0 n B 0 . 2. Jede offene Menge M C Rn ist eine Vereinigung ahzahlbar vieler offener Kugeln.
3. Eine Norm 11 11 auf einem Vektorraum V wird genau dann von einem wenn sie Skalarprodukt ( , ) indnziert, d. h., es gilt llxll = das Parallelogramrngesetz erfullt:
m,
Welche pNormen auf IKn werden von einem Skalarprodukt induziert? 4. Es seien I , J c IR kompakte Intervalle und f : I x J + IR eine stetige Funktion. Man zeige, da%die durch F ( x ) := supgEJ{f (x, y)} definierte Funktion F : J + IR stetig ist.
+ IR mit f (0,O) = 0 und f (z, y) := ly/x2~.e-lylxz1 fur (x, y) # (O,0) ist in (0,O) unstetig, aber die Beschrejlkung f I G auf
5. Die Funktion f : IR2
jede Gerade G durch den Nullpunkt ist stetig auf G.
6. Man zeige, da% die punktierte Ebene IK2 \ 10) = C* und der Zylinxz = 1) C IR3 homoomorph sind. Ein der Z := { ( X I , X Z , X ~x:) HomGomorphismus f : C* + Z ist gegeben durch
I +
4
=
(
Rez
m. '"l') Imz
1.7 Aufgaben
43
7. Es sei A C IRnXn eine nicht-singulare, symmetrische Matrix mit k 2 1 positiven Eigenwerten. Man zeige: Die Quadrik {x E IRn I xTAx = 1) ist homiiomorph zu Sk--' x lRn-k.
8. Es seien A, B nicht leere, abgeschlossene und disjunkte Teilmengen eines metrischen Raumes X. Dann gibt es offene disjunkte Mengen U,VinXmitACUundBCV. Hinweis: Es gibt eine stetige Funktion p : X -t IR mit p I A = 0, p I B = 1. 9. Sei a E IKn. Man ermittle fur die Linearform La: lKn die Operat,ornorm hezuglich der 1-Norm auf lKn.
-t
lK, x H aTx,
e2
10. Man zeige: Die ahgeschlossene Einheitskugel in ist nicht kompakt; dagegen ist die Menge Q C der Folgen z = (21, a ,. . .) mit lz,l 5 kompakt; Q heist Hilbertwurfel.
e2
11. Es sei K ein kompakter und Y ein beliebiger metrischer h u m . Dann ist jede stetige Bijektion f : K + Y sogar ein Homiiomorphismus. 12. Es sei K eine kompakte Teilmenge eines metrischen Raumes X und {U 0 derart, dafi jede Kugel K,(x), x E K , in einer der Mengen Ui liegt. 13. Satz von Baire. Sei ( A k )eine Folge abgeschlossener Mengen im IRn derart, daB ihre Vereinigung A eine offene Kugel enthalt. Dann enthalt auch mindestens ein Ak eine offene Kugel. Hinweis: Angenommen, alle A; sind leer. Dann gibt es eine Folge abgeschlossener Kugeln Kk C A mit Kk+1 C Kk und Ak C l Kk = 0. Man zeige, dai3 Kk nicht leer ist, und leite einen Widerspruch ah.
nrzl
14. Man zeige: Zu jeder stetigen Funktion f : Sn + IR, n 2 1, giht es ein Paar antipodaler Punkte x, -x E Sn mit f (x) = f (-x). Beispiel: Bei jeder stetigen Temperaturverteilungauf der Erdoberflikhe gibt es antipodale Orte, in denen gleichzeitig dieselbe Temperatur herrscht. Hinweis: Zwischenwertsatz. 15. 1st G ein Gebiet im IRn, n 2 2, und V ein affiner Unterraum des IRn einer Dimension 5 n - 2, so ist auch G \ V ein Gebiet. 16. Je zwei Punkte einer zusammenhangenden offenen Menge U C IRn lassen sich durch eine stetig differenzierbare Kurve in U verbinden. 17. Fur jede Matrix A E (Cnxn zeige man: a) 1st T E CnXninvertierbar, so gilt T-' b) det eA = eSpurA.
.eA . T = eT-lAT.
1 Elemente der Topologie
44
18. Es sei d eine Banachalgebra mit Einselement. Man zeige: a) Sind G(z) = C r ckzk und F ( z j = =y akzk konvergente Potenzreihen mit positiven Konvergenzradien Rc bzw. RF und ist x E .a' ein Element mit llxll < RF und C y lakl . 11x11~ < Rc , so gilt
Man vergleiche Band 1,14.2. b) Fiir jedes x E .a' mit 111- xll < 1 konvergiert die Reihe
absolut, und es gilt exp(ln(l
+ 2)) = 1 + x.
19. N o n e n und konvexe Mengen im IRn. Man zeige: (i) Fiir jede Norm auf IRn ist die Kugel K1(0) konvex und symmetrisch (d.h., mit x liegt auch -x in K1(0)). (ii) Sei umgekehrt K C IRn eine kompakte Menge, die konvex und symmetrisch ist, und deren offener Kern nicht leer ist. Setzt man 11011 = 0 und
llxll so ist
1 := ,ax
( t E IR I t z E K )
11 11 eine Norm auf IRn,
fur x
# 0,
und es gilt K1(0) = K.
20. Spektralradius einer Matrix A E Cnxn.Sind XI,. . . , A n die Eigenwerte von A, so heist p(A) := max{lX11,. . . , IX,I} Spektralradius von A; llAllz bezeichne die Operatornorm von A: Cn + Cn bezuglich der euklidischen Norm auf Cn. Man zeige:
21. Seien P, Q : V + V lineare Abbildungen eines normierten Vektorraums V f 0, die die sogenannte Heisenberg-Relation PQ - QP = id erfiillen. Dann kijnnen P und Q nicht zugleich stetig sein. Hinweis: Es gilt (*) PQn - Q n P = nQn-l fiir alle n E N.W&renP und Q stetig, so folgte fir grofies n I I Q " - ~=~0, ~ also = 0. Induktiv folgte aus (*) weiter Qk = 0 fur k 5 n - 1.
2 Dzerenzierbare Funktionen
Die Differentialrechnung im IR1 wird in diesem und im nachsten Kapitel zur Differentialrechnung im IRn erweitert. Ihr Gegenstand sind wieder die Funktionen oder Abbildungen, die sich lokal hinreichend gut durch lineare Funktionen bzw. Abbildungen approximieren lassen.
2.1
Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Feststellungen
Vorbemerkung. Eine Funktion f einer reellen Veranderlichen heiBt bekanntlich an einer Stelle a differenzierbar, wenn der Grenzwert
existiert. Gleichwertig damit ist die Existenz einer (von a abhangigen) linearen Abbildung L : IR + C derart, daJi lim
htO
f (a
+ h) - f (a) - Lh = 0 Ihl
gilt; dahei ist dann Lh = f'(a)h. In dieser zweiten Formulierung hesagt die Differenzierbarkeit, daf2 der Zuwachs f (a h) - f (a) der Funktion durch den Wert Lh einer linearen Abbildung L so gut approximiert werden kann, daB der Fehler f (a h) - f (a) - Lh schneller als lhl gegen Null geht.
+
+
Das Prinzip der Approximation der Zuwachse durch die Werte einer linearen Abhildung wird auch der Differentialrechnung im IRn zugrunde gelegt . Im Folgenden treten sowohl der Punktraum IRn als auch der Vektorraum Rn auf und sollten eigentlich unterschiedlich bezeichnet werden. Mit einem Punkt a E IRn und einem Vektor h E IRn ist a h ein Punkt. Elemente von IRn schreihen wir meistens als Zeilen, hei Rechnungen mit Matrizen jedoch immer als Spalten.
+
46
2
Differenzierbare Funktionen
I. Begriff der Differenzierbarkeit Definition: Eine Funktion f : U + C auf einer offenen Menge U C IRn heist differenzierbar im Punkt a E U , wenn es eine lineare Abbildung L : IRn + G gibt derart, dai2
Dabei ist es gleichgultig, welche Norm verwendet wird, da alle Normen auf lRn zueinander aquivalent sind. Die Funktion heist differenzierbar auf U, wenn sie in jedem Punkt x E U differenzierbar ist. Oft formuliert man die Bedingung ( 1 ) anhand des durch
erklarten Restes R ( h ) ; sie lautet dann
Die Bedingung ( 1 ) wird von hijchstens einer linearen Abbildung L erfullt. 1st etwa LX eine weitere, so gilt fiir jeden Vektor v mit l l ~ l l= 1
( L - L X ) ( u= ) lim t u
( L - L')(tu)
= 0.
lltvll
Da die Menge der Einheitsvektoren den IRn aufspannt, folgt L = L*. Die eindeutig bestimmte lineare Abbildung L heist Differential oder auch Linearisiemng der Funktion f im Punkt a und wird mit df ( a ) oder df, bezeichnet. In alteren Buchern wird das Differential auch totales Differential genannt.
+
Approximation des Funktionszuwachses f (a h) - f (a) durch den Wert df(a)h des Differentials
2.1 Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Feststellungen
47
Sei e l , . . . ,en die Standardbasis des IRn. Wegen der Linearitat von df (a) gilt dann fur jeden Vektor h = ( h l ,. . . , hnjT E IRn
Die 1-zeilige Matrix
nennen wir die Ableitung von f i n a. Wir werden sie in (8) mittels partieller Ableitungen darstellen. Der Wert df ( a ) hergibt sich durcb Multiplikation der Matrix f'(a) mit dem Vektor h E IRn:
Die an-lineare Funktion (5)
+
T f ( x ;a ) := f ( a ) f f ( a ) ( x- a)
heist lineare Approximation von f in a, und bei reellem f deren Graph
die Tangentialhyperebene an den Grapben von f in (a,f ( a ) ) . Wie im Fall n = 1 gilt:
Satz: Eine in a differenzierbare finktion ist dart auch stetig. Denn in (2) gilt Lh
+ 0 und R ( h ) + 0 fur h + 0.
Beispiele: 1. Sei f ( x ) := Ax + b, A eine 1-zeilige Matrix und b E C. Die durcb Lh := Ah erklarte lineare Abbildung erfiillt die Bedingung (1). f ist also in jedem Punkt a differenzierbar, und es gilt erwartungsgems
d f ( a ) h= Ah,
f ' ( a ) = A.
2. Sei f ( x ) := x T A x , A = (aik)eine symmetrische n x n-Matrix. Es gilt
f (a
+ h ) - f ( a ) = 2aTAh + hTAh.
Lh := 2aTAh definiert eine lineare Abbildung und R ( h ) := hTAh erfiillt die Bedingung (1'); mit u := C:k=l laikl gilt n h l i c b IR(h)l 5 u llhll;. f ist also in jedem Punkt a differenzierbar, und es gilt
48
2
Differenzierbare Funktionen
11. Darstellung des Differentials durch Richtungsableitungen
Es sei f eine in a differenzierbare Funktion. Die Werte d f ( a ) h , h E IRn, sollen jetzt mit Hilfe von Rchtungsableitungen ermittelt werden. Fiir alle t E IR mit hinreichend kleinem Betrag gilt zunachst
f(a+th) = f(a)+df(a)th+R(th,). Da der Rest R die Bedingung (1') erfiillt, ergibt sich
d f ( a ) h = lim f (a + t h ) - f ( a ) t-0 t Definition: Sei f : U + C eine (nicht notwendig differenzierbare) Funktion in einer Umgebung U von a. Dann versteht man uuter der Ableitung von f im Punkt a in Richtung des Vektors h E IRn im Existenzfall den Grenzwert
Die Ahleitungen in den Richtungen e l , . . . ,en der Standardbasis heiBen partielle Ableitungen von f , und f heiBt partiell differenzierbar in a, wenn alle partiellen Ahleitungen f ( a ) ,. . . f ( a ) existieren. Weitere Bezeichnungen fiir die partiellen Ableitungen sind:
a,,
,a,,
Satz: Eine in a differenzierbare Funktion f hat dort Richtungsableitungen in jeder Richtung; sie ist dort insbesondere partiell differenzierbar. fir Differential in a hat fir jeden Vektor h = ( h l ,.. . , hn)TE lKn den Wert
und ihre Ableitung f'(a) ist die 1-zeilige Matrix
Beweis: Die Existenz aller Rchtungsableitungen ist mit der Herleitung von (7) gezeigt. Die Formeln sind wegen d f (a)e, = f ( a ) identisch mit ( 3 ) , (3') und (4).
a,
2.1 Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Feststellungen
Bereehnung partieller Ableitungen: Die Definition
mit a = ( a l , . .. ,a,) lauft darauf hinaus, in XI,.. . ,x,) alle Variahlen xk bis auf die u-te konstant = a& zu setzen und die dann nur noch von x, ahhangige Funktion als Funktion einer Veranderlichen zu differenzieren. Beispiel: f (x, y) = sin2x . e3,
111. Das Hauptkriterium Fir Differenzierbarkeit Um eine Funktion f auf Differenzierbarkeit in a zu untersuchen, klart man zunachst, oh sie partiell differenzierbar ist. Im positiven Fall pruft man weiter, ob die einzige als Differential in Frage kommende lineare Abbildung
L : IRn
+ C,
n
13, f ( a ) . h,:
Lh = v=1
die Bedingung (1) erfullt. Da% die hloge Existenz der partiellen Ableitungen nicht die Differenzierbarkeit impliziert, zeigt die Funktion f : R2 + IR mit f (0,O) = 0 und
(siehe 1.3 (4)). f ist im Nullpunkt nicht stetig, also erst recht nicht differenzierbar. f ist aber uberall partiell differenzierbar; speziell in (0,O) hat f wegen f (x, 0) = 0 und f (0, y) = 0 die partiellen Ableitungen I3, f (0,O) = 0 und a, f (0,O) = 0. In den Punkten (0, y), y # 0, gilt I3, f (0, y) = l l y ; 13, f ist also im Nullpunkt unstetig; ebenso a, f . Das folgende, weitergehende Beispiel zeigt, da%selbst die Existenz aller Richtungsableitungen nicht die Differenzierbarkeit zur Folge hat. Behiel: Sei f : IR2 f(o,b) = o u n i f(%d =
x2y 22+Y2
+ IR definiert fur
durch
(x,y) # (0,O).
Wegen f (tx, ty) = tf (x, y) fur alle t E IR besteht der G r a ~ hvon f aus Geraden durch den ~ullpunkt.
50
Differenzierbare Funktionen
2
Diese hat im Nullpunkt Ableitungen in jeder Richtung h = ( h l ,hz); und zwar gilt
a,
a,
Insbesondere sind die partiellen Ableitungen f ( O , O ) und f (0,O) Null. Als Differential im Nullpunkt kommt also hochstens L = O in Frage. Damit aher wird die Bedingung (1) nicht erfiillt, da fiir alle ( h l ,h l ) # ( O , O )
gilt. Folglich ist f im Nullpunkt nicht differenzierbar. Man stellt leicht fest, daB die partielle Ahleitung f, im Nullpunkt unstetig ist. 0 Wir zeigen nun, daB eine Funktion mit stetigen partiellen Ableitungen auch differenzierbar ist. Differenzierbarkeitskriterium: Existieren in einer Umgebung U won a E IRn alle partiellen Ahleitungen dl f, . . . f u,nd sind diese im Punkt a stetig, so ist f in a differenzierbar.
,a,
Beuieis: Wir diirfen f als reel1 voraussetzen, da ein komplexes f genau dann differenzierbar ist, wenn Ref und Im f differenzierbar sind. Wir zeigen dann, daB die Linearform L : IRn + IR mit Lh. := C:=l f ( a ) .hv die Bedingung ( 1 ) erfiillt. Sei Q ein offener achsenparalleler Quader in U mit a E Q. Jeder Punkt a h E Q kann mit a durch einen stiickweise achsenparallelen Streckenzug in Q verbunden werden. Man setze dazu a0 := a und a, := a,-1 hue,, Y = 1, . .. ,n; inshesondere ist a, = a + h. Dann gilt
a,
+
+
Die Differenzen in dieser Summe formen wir gemaB dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung einer Veranderlichen um. Wir betrachten d a m die Funktionen ip, : [O; h,] + IR, ip,(t) := f (a,-l te,). Mit diesen gilt
+
Die Funktionen ip, sind wegen der partiellen Differenzierbarkeit von f differenzierbar, und es gilt ip:(t) = f (a,-l +te,). Nach dem Mittelwertsatz gibt es ferner Zahlen 7, in [O; h,] so, d d ip,(h,) - ~ " ( 0=) h,ip1(.r,). Mit 5" := a"-I ?,e, folgt nun f (a,) - f (a,-1) = h,d, f (5").
a,
+
2.1 Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Feststellungen
Damit ergibt sich
Fiir h + 0 gilt Q + a, u = 1 , . . . , n ; wegen der Stetigkeit der partiellen Ableitungen in a erhdt man also lim
f(a+h)-f(a)-Lh
h-0
llhllW
=0
Beispiel: Differentiation rotationssymmetrischer Funktionen Es sei F: I
+ C eine Funktion
auf einem Interval1 I C [O; co).Mit F
e r k k t man auf der Kugelsehale K ( I ) := { x E IRn eine Funktion f durch
I llxllz
=
EI )
Es sei nun I offen und F stetig differenzierbar. Dann ist auch K ( I ) offen, und f hat an jeder Stelle x E K ( I ) , x # 0 , die partiellen Ableitungen
Diese sind offensichtlich stetig. Somit ist f an jeder von 0 verschiedenen Stelle x E K ( I ) differenzierbar und hat dort die Ableitung
Definition: Eine differenzierbare Funktion f : U + C auf einer offenen Menge U C IRn heist stetig differenzierbar auf U , wenn d f : U + L(IRn,C ) stetig ist; dieses ist nach dem Stetigkeitstest in 1.3.V gleichwertig zur Stetigkeit der Ableitung
Mit dem Differenzierbarkeitskriterium folgt, daB eine Funktion f : U + C genau dann stetig differenzierbar ist, wenn alle n partiellen Ableitungen & f , . .. f auf U existieren und stetig sind. Den Vektorraum der stetig differenzierbaren Funktionen auf U bezeichnet man mit V 1 ( U ) .
,an
52
2
Differenzierbare Funktionen
IV. D e r Gradient Auf lRn sei jetzt ein Skalarprodukt ( , ) gegeben. Bekanntlich kann d a m jede Linearform L: lRn + IR mit Hilfe eines eindentig bestimmten Vektors g E lRn folgenderma8en dargestellt werden: Lh = (g, h ) fur alle h E IRn. 1st L das Differential einer in a differenzierbaren reellwertigen Funktion f , so nennt man den Vektor g den Gradienten von f in a beziiglich ( , ) und bezeicbnet ihn mit grad f (a). Der Gradient von f in a beziiglich ( , ) ist also der durch die Forderung
eindeutig best,immte Vektor in lRn. Im Fall des Standardskalarproduktes etwa ist grad f (a) nach dem letzten Teil von (8) der Spaltenvektor
gesprochen ,,Nabla-f (a)".
4
gradf(a)
Beispiel: Die in (9) definierte rotationssymmetrische Funktion f hat im Fall einer reellen W1-Funktion F im Pnnkt a # 0 den Gradienten grad f (a) =
F'(llallz)
a.
llallz
Dieser im + . F'(llal12) > O Ortsvektor Oa direkt parallel und im Fall F1(llallz) < 0 antiparallel.
zmi Niveaulinlen (fett) sovie Gradienten einer rotationssymmetrischen Funktion
Es bezeichne 11 11 die zum Skalarprodukt gehijrige Norm. Aufgrund der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung gibt es einen Winkel 9 zwischen den Vektoren grad f (a) und h derart, dal3 gilt:
Nach dieser Darstellung zeichnet sich der Gradient durch folgende Maximalitatseigenschaft aus:
2.1 Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Feststellungen
53
1
(i) Seine Lhnge llgrad f ( a ) ist das Maximum aller Richtungsableitungen a h f ( a ) nach den Einheitsvektoren:
(ii) Im Fall M # 0 gibt es genau einen Einheitsuektor u n i t a, f ( a ) = M , und mit diesem ist grad f ( a ) = Mu. Der Gradient zeigt also die Ricltung des starksten Anstiegs der Funktion im Punkt a an.
Bemerkung: Wir haben den Gradienten in Bezug auf ein Skalarprodukt eingefiihrt. Er kann allgemeiner in Bezug auf eine nicht ausgeartete symmetrische Bilinearform erklkt werden; im IR4 etwa beziiglich der fiir die Relativitatstheorie bedeutsamen Minkowski-Form ( , ) M mit der Matrix ( ( e i ,ej)M) = Diag(1, 1, 1, -1). Die zu (10) analoge Forderung
erfiillt in diesem Fall grad, f ( a ) := (f,(a), f,(a), f,(a), - f t ( a ) ) T .
V. Rechenregeln Algebraische Regeln: Sind f , g : U + C differenzierbar in a E U , dann sind aueh f g und f . g in a differenzierbar, und es gilt
+
Fur die Ableitungen gelten hiernaeh dieselben Regeln wie im Fall n = 1:
(f)' ( a ) = --ff'(4 2(a)' Sind f und g in U stetig differenzierbar, dann sind es aueh f f e n e r f / g in { x E U I g ( x ) # 01.
+g
und fg;
Beweis: Wir zeigen nur die Quotientenregel, und dam, da8 die Linearform -d f ( a ) /f ' ( a ) die Bedingung ( 1 ) erfiillt.
54
2
Differenzierbare Funktionen
Fiir hinreichend kurze Vektoren h E IRn ist auch f ( a
+ h ) # 0 , und es gilt
Die heiden Summanden rechts gehen mit h + 0 gegen Null: der erste wegen der Differenzierharkeit von f in a , der zweite, weil f ( a h ) - f ( a ) gegen Null geht und der Bruch d f ( a ) h / llhll beschrinkt ist, zum Beispiel durch die Operatornorm von df ( a ) . Damit folgt die Behauptung. 0
+
Folgerung: Jede rationale Funktion ist i n ihrem Definitionsbereich stetig differenzierbar. Als weitere Rechenregel hringen wir eine erste Version der Kettenregel. In Verallgemeinerung der Richtungsableitung herechnen wir hier die Ableitung einer Funktion langs einer Kurve. Wir betrachten dazu die Situation
I ~ U L C , in der I C IR ein beliebiges Interval1 und U C IRn eine offene Menge ist. Die Kettenregel hierfiir wird uns unter anderem dazu dienen, wichtige Sachverhalte der Differentialrechnung in IR wie den Mittelwertsatz, den Schrankensatz und die Taylorformel auf Funktionen in IRn auszudehnen. Kettenregel (erste Version): Es sei y = ( y l , . . . ,7%) : I + U differenzierbar in t~ und f : U + 6: diffeerenzierbar i n a = ?(to). Dann ist f a y differenzierbar in to und hat dort die Ableitung
d(f
n
di f ( a ) . +i(to).
(to)= d f ( a ) ?(to) = f l ( a )+(to) = i=l
Mit Hilfe des Gradienten lautet diese F o n e l nach (10)
Beweis: Nach Voraussetzung gilt fiir k E IR und h E IRn mit hinreichend kleinen Betragen
to + k ) = ?(to) + +(to)k+ n ( k )Ikl ,
wohei lim r l ( k ) = 0,
f ( a + h ) = f ( a ) + d f ( a ) h + r z ( h ) llhll,
wohei lim r z ( h ) = 0.
k t 0
htO
2.1 Begriff der Differenzierharkeit. Elementare Feststellungen
Setzt man h := ?(to
+ k ) -$to), so folgt
wobei
Dieses Restglied hat offensichtlich die Eigenschaft lim k+O folgt aus (*) die Behauptung.
k
= 0. Damit 0
Beispiel: Sei f eine differenzierbare Funktion auf IR2. Wir betrachten ihre Komposition F := f o Pz mit der Polarkoordinatenabbildung Pz:
F ( r ,y ) = f ( r cos y , r sin y ) Differenziert man F bei festgehaltenem y nach r , erhalt man die partielle Ableitung F, und analog F,; in beiden Fallen ergibt die Kettenregel
F,(r, y ) = f, ( r cos y , r sin i p ) . cos
+ f, ( r cos y , r sin y ) . sin y ,
F,(r,y) = f,(rcosy,rsiny).(-rsinip)
+ f,(rcosip,rsinip).(rcosy).
Anwendung: Orthogonalitiit von Gradient und Niveaumenge. Auf IRn sei ein Skalarprodukt gegeben. Sei f : U + IR eine differenzierbare Fnnktion auf einer offenen Menge U C IRn und y : I + U eine differenzierbare Kurve, die in einer Niveaumenge von f verlauft, d.h., es ist f ( y ( t ) )= c fiir eine geeignete Konstante c und alle t E I. Dann steht der Gradient von f im Punkt y ( t ) senkrecht auf dem Tangentialvektor +(t),
Beweis: Wegen der Konstanz von f o y ergibt die Kettenregel in der Gradientenformulierung (grad f ( y( t ) )j.(t)) , = 0. Im Fall U c lR2 kann man sich den Graphen von f als Landschaft "her U mit f (x) als Hohe iiher dem Punkt x vorstellen. Die Niveaulinien von f sind dann ihre Hohenlinien. Nach dem Bewiesenen steht der Gradient von f in x senkrecht auf der Hohenlinie durch x; und zwar zeigt grad f (x) in die Richtung des stirksten Anstiegs von f und -grad f ( x ) in die des steilsten Abfalls (Fallrichtung); ferner ist llgrad f(x)II ein Ma% fur die Steilheit am Ort x.
- sad f ("1
Hohenlinien und Fallrichtungen
56
2.2
Differenzierbare Funktionen
2
Mittelwertsatz und Schrankensatz
Wir wenden uns der Aufgabe zu, den Zuwachs f (b)- f ( a ) einer differenzierbaren Funktion mit Hilfe ihrer Ableitung darzustellen oder abzuschatzen. Mit Hilfe einer im Definitionsbereich verlaufenden Kurve von a nach b fuhren wir diese Aufgabe auf den eindimensionalen Fall zuruck.
Mittelwertsatz: Es sei f eine reelle differenzierbare Funktion in einer offenen Menge U C IRn. Ferner seien a , b E U Punkte, deren Verbindungsstreeke in U liegt. Dann gibt es einen Punkt E [a;b] mit
0 ist fiir alle x 2 0, negativ definit, wenn Q(x) < 0 ist fur alle x # 0, positiu semidefinit, wenn Q(x) 2 0 ist fiir alle x, negativ semidefinit, wenn Q(x) 5 0 ist fiir alle x, indefinit, wenn Q sowohl positive als auch negative Werte annimmt. Wir kennzeichnen diese funf F a l e der Reihe nach mit
Diese fiinf Fdle lassen sich durch die Eigenwerte (EW) "on Q wie folgt charakterisieren: Q > 0 d alle EW sind > 0, Q < 0 u alle EW sind < 0, Q 2 0 d alle EW sind 2 0, Q 5 0 d alle EW sind 5 0, Q 2 0 u Q hat. EW > 0 und < 0.
Im Fall n = 2 hat man folgendes einfache Kriterium: A = positiv defmit negativ definit semidehit indefinit
detA > 0 und a > 0, det A > 0 und a < 0, u det A 2 0, d detA f ( a ) fur alle x E V \ { a ) gilt, so heist a Stelle eines isolierten lokalen Maximums bzw. Minimums.
Notwendiges Kriterium: Sei U C IRn offen. Hat f : U + IR in a ein lokales Extremum und ist f in a partiell differenzierbar, so gilt
(19)
al f ( a ) = .. . = d n f ( a ) = 0.
Ist f i n a differenzierbar, so besagt (19): d f ( a ) = 0. Beweis: Die durch F ( t ) := f (a+tek) in einem hinreichend kleinen Interval1 um 0 E IR erklarte Fnnktion hat in t = 0 ein lokales Extremum. Also is1 F'(0) = 0. Damit folgt dk f ( a ) = F'(0) = 0. 0 Eine im Punkt a differenzierbare Funktion f heifit stationiir in a , wenn d f ( a ) = 0. Nach dem soehen Bewiesenen bat eine differenzierbare Funktion auf einer offenen Menge hochstens an stationiiren Stellen lokale Extrema. 1st f in a stationar und zusatzlich elliptisch, so hat f in a tatsachlich ein lokales Extremum; ist f zusatzlich hyperbolisch, so hat f einen Sat,telpunkt und kein Extremum. Genauer:
2.5 Zur Bedeutung der zweiten Ableitung
71
Hinreichendes Kriterium: Es sei U C IRn eine offene Menge und f : U + IR eine Ce2-Funktion mit f'(a) = 0. Dann gilt:
+ f"(a) < 0 + ff'(a)3 0 +
ff'(a)> 0
f hat in a ein isoliertes lokales Minimum, f hat in a ein isoliertes lokales Maximum, f hat in a kein lokales Extremum.
Im indefiniten Fall gibt es Geraden G I und Gz durch den Punkt a derart, daj3 f I U n G I in a ein isoliertes lokales Maximum hat und f I U n G Z ein isoliertes lokales Minimum. Beweis: Sei zunachst f"(a) > 0. Wegen f'(a) = 0 gilt nach der qualitativen Taylorformel fiir hinreichend kurze Vektoren h 1 f(a+h) = f(a)+ ZhTf"(a)h+R(h), wobei R ( h ) / llh112 + 0 fiir h + 0. Die Funktion h e h T f " ( a ) hhat auf der Einheitssphire { x I llxll = 1) wegen f " ( a ) > 0 ein positives Minimum m. Da jeder Vektor h das llh,ll-fache eines Einheitsvektors ist, folgt fiir alle h
h T f " ( a ) h2 mllh1/2. Wir wahlen nun eine Kugel K,(a) C U so klein, daJ2 IR(h)l I am llh112 fiir llhll < E gilt. Fur a h E K,(a) erhalten wir dann
+
f
( a + h ) 2 f ( a )+
llh1I2.
Danach nimmt f innerhalb K,(a) genau im Punkt a ein Minimum an. Im Fall f " ( a ) > 0 ist damit die Behauptung bewiesen. Der Fall f " ( a ) < 0 wird durch Ubergang zu -f auf den soeben behmdelten zuriickgefiihrt. Es sei schlieglich f"(a) indefinit. Wir wahlen dann Vektoren v und w mit vTf"(a)u > 0 bzw. w T f " ( a ) w< 0 und betrachten die Funktionen
F,(t) := f ( a + t v ) , F,(t):= f ( a + t w ) , die in geeigneten Intervallen um 0 E IR definiert sind. Ihre ersten und zweiten Ableit,ungen in 0 sind
F:(0)=fl(a)v=O, Fh(O)=f'(a)w=O,
F~(0)=uTf"(a)v>O, F~(0)=wTf"(a)w 0 und auf den gestrichelten f < 0. Die Hohenlinien in der Nahe der Maximalstelle P2 sind Ovale, die Hohenlinien in der Nibe des Sattelpnnktes zerfallen in getrennte Aste.
,,.
;,--~
,, ,,.
, ,
-
~
~
-
~
. ...- . ~ ~ - - - - ~ ~
Bei Semidefinitheit der zweiten Ableitung kann ein lokales Extremum vorliegen oder auch nicht. Zum Beispiel haben die Fnnktionen auf IR2
f ( x , y ) = x2
+ y3
und
g ( x , y ) = x2
+ y4
an der stationaren Stelle (0,O) gleiche semidefinite zweite Ableitnngen:
f hat in (0,O) kein lokales Extremum, g dagegen hat dort sein absolutes Minimum.
2.5 Zur Bedeutung der zweiten Ableitung
73
Nach dem folgenden Satz ist die Semidefinitheit der zweiten Ableitung immerhin eine notwendige Bedingung fur ein lokales Extremum.
Satz: Hat die V2-&&ion f : U + IR, U eine offene Menge, in a E U ein lokales Maximum, so ist f"(a) 5 0; ein lokales Minimum, so ist f"(a) 2 0.
Beweis: Wir zeigen die Behauptung iiber das Maximum und nehmen im Gegenteil an, es gabe einen Vektor v mit vTf"(a)v > 0. Dann folgt wie hei der Behandlung des indefiniten Falls im vorangehenden Kriterium, daB die Beschrankung von f auf die Gerade a IRv in a ein isoliertes lokales Minimum besitzt, was einem lokalen Maximum von f in a widerspricht.
+
Als Anwendung beweisen wir eine wichtige Eigenschaft der harmonischen Funktionen. Siehe auch 12.6.
Schwaches Maximumprinzip fiir harmonische Funktionen: Es sei U C IRn eine besehrankte offene Menge und f eine stetige reelle Funktion auf U , die in U h a n o n i s e h ist. Dann nimmt f ihr Maximum und ihr Minimum auf dem Rand uon U an.
Beweis: Da mit f auch -f in U harmonisch ist, geniigt es, die Aussage uber das Maximum zu zeigen. Es sei dazu M das Maximum von f auf der kompakten Menge U und fi das Maximum auf der kompakten Teilmenge a U . Wir nehmen an, es sei p < M . Dann gibt es eine so kleine Zahl E > 0, daB das Maximum von f, := f E (x: . . . I:) auf aU ebenfalls < M ist. Das Maximum von f, in U ist 2 M ; es mug also in einem Punkt a E U angenommen werden. Dort ist dann f;(a) 5 0 , und das bedeutet, d d alle Eigenwerte dieser Matrix 5 0 sind. Damit folgt weiter
+
+ +
da die Spur die Summe der Eigenwerte ist. Tatsachlich aher gilt
da f in U harmonisch ist. Die Aunahme fi Widerspruch.
r2(1, y) := 9: xs(x,?i):= x2 - 112.
B2 + R , is1 slreng konver, ist konvex, aber nicht srreng konvex, kt, weder konvex noch konkav.
Der Graph von 21 is1 iiberall elliplisch. der vou
23
iiberall hyperboliscli.
2.6 Differentiation parameterabh5ngiger Integrale
2.6
75
Differentiation parameterabhhgiger Integrale
Wir setzen die in 1.4.111 begonnene Diskussion parameterabhangiger Integrale fort und untersucben sie auf Differenzierbarkeit. Wir beschr%nken uns wieder auf Integrale mit kompakten Integrationsintervallen und behandeln die Integrale mit nicbt kompakten Integrationsintervallen erst im Rahmen der Konvergenzsatze fur das Lebesgue-Integral. Es sei f : U x [a; b] + Q: eine Funktion auf dem Produkt einer offenen Menge U C IRn und eines kompakten Intervalls [a;b] C IR. Fur jedes x E U sei die Funktion t H f (x, t) stetig. Wir definieren dann eine Funktion F auf U durch b
(20)
1
F ( x ) := f (x, t) dt,
x E U.
a
Differentiationssatz: f habe zusatzlich folgende Eigenschaften: (i) Fur jedes t E [a;b] ist x H f (x, t) nach X U partiell differenzzirh (ii) Die Funktion (x, t) H a," f (x, t) ist stetig auf U x [a;b]. Dann ist F nach X U stetig partiell differenzierbar, und es gilt
1
aF af ( x ) = F(x, ax, a xu
t) dt.
Beweis: Es geniigt, den Satz fur U C IR1 und reelles f zu zeigen. Seien xo E U und E > 0 gegeben. Wir setzen $(x, t) := 13, f (x, t) - a, f (xo, t). $ ist stetig auf U x [a; b] und verschwindet auf der Faser {xo} x [a;b]. Somit ist W := {(x, t) E U x [a; b] I$(%, t)l < E} eine Umgebung dieser Faser und enthalt nach dem Tubenlemma eine Produktmenge I x [a; b], wobei I ein offenes Interval1 in U mit xo E I ist. In x E I \ {xo} gilt
I
Nacb dem Mittelwertsatz gibt es zwiscben x und soein c(t) so, dafi
Damit folgt wegen I x [a; b] C W und nach Definition von W
76
2
Differenzierbare Funktionen
Also ist F in xo differenzierbar und F'(x0) hat den behaupteten Wert. Die Stetigkeit von F' schiefilich ergibt sich mit dem Stetigkeitssatz in 1.4.111. 0 Als Anwendnng des Differentiationssatzes beweisen wir einen Vertauschbarkeitssatz fiir iterierte Integrale.
Satz: Ist f : [c; 4 x [a; b] + C stetig, so gilt
Beweis: Wir betrachten die auf [c; 4 wie folgt erklarten Funktionen
Der Integrand zu $1 ist stetig auf [c;4 ; die Funktion @I selbst nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung also differenzierbar mit mi( 0; oBdA nehmen wir dann a = -b, b > 0 an.
Syn>mer,~iegriinde ergehen svfort zo = 0. ZUI. Itestimniung vvn c hallen wir ~ X K I Incxh I riic G ~ I ~ I c: I:IISII ~ I I?I/C ~ = (2: ci. 11.
1 Die liier auIlreLendeFunktion J ( 1 ) = - .coslil. hat lolgende Eigetisclldlenl: t
(i) Es gil-JI eine Slelle 1.0 > I1 so?dak J in (0;lo] streng monolon Mil und in [lo; mj slreng nlonotoli wadls~.. (ii) lim~,f ( t ) = oo imd l i ~ nf ( t ) = s . t-0
t !I.
KRlrr~rur~~sn~~isr: is?, to = 1.1999 nncl := f ( t l l )= 1.5089. D a n i i ~Iblgt: Die Gleichung (*) hat Iiir a/b < p keine Liisung, f i r n / b = p genau rine und fib- a/b > p gmau nwei T.&sungen. Iteaclite[. man. dai3 die I3edingung (22) nur notwendig ist, kommt man schlielilich xu dem
L : [a;b] x lR? x IR,"'
+R,
Wie in1 Fa11 n. = I wigL mini: Uimmt J in y = (91:.. .:y,,) E 2 ein Extremum an, so eiliillt y die l a Eulerschen Differeiitialgleichungen
2.7 Die Eulersche Differentialgleichung der Variationsrechnung
83
Anwendung: Hamiltonsches Prinzip und Lagrangesche Bewegungsgleichungen. Wir betrachten ein physikalisches System, dessen Lage zum Zeitpunkt t durch n Ortskoordinaten ql(t), . . . ,q,(t) beschrieben werde. Die Bewegung des Systems sei festgelegt durch seine kinetische Energie T(q, q) = Ci,k aik(q)qiqk und seine potentielle Energie U(q). Das Hamiltonsche Prinzip besagt dafur: Zwischen zwei Zeitpunkten to, tl verliiufi die Bewegung so, dajl das n-Tupel q = (ql, . . . ,q,) das Integral
stationar macht. Nach (24) ergeben sich als notwendige Bedingung sofort die sogenannten Lagrangeschen Bewegungsgleichungen
Diese Gleichungen nehmen eine besonders einfache Gestalt an, wenn T nicbt von q abhingt, d. h., wenn die aik Konstant,en sind: T = Xi,, aikqiqk mit aik = ski. Die Bewegungsgleichungen gehen dann uber in
SchMbemerkung. Perronsches Paradoxon. Wahrend jede stetige reelle Funktion auf einem kompakten Raum ein Maximum und ein Minimum annimmt, besteht in der Variationsrechnung die Schwierigkeit, d d sinnvoll formulierte Prohleme unt,er Umstinden keine Losung besitzen, eben weil die zur Konkurrenz zugelassene Schar von Funktionen oder Kurven im allgemeinen nicht sachgemaB mit der Topologie eines kompakten Raumes versehen werden kann. Die Existenz einer Losung eines gegebenen Extremalproblems bedarf stets eines eigenen Beweises, was oft eine wesentliche Schwierigkeit bedeutet. Die Eulerschen Gleicbungen stellen nur eine notwendige Bedingung dar; unter ihren Losungen mu8 keine Losung des Extremalproblems vorhanden sein. Ein Beispiel bringt die Aufgabe 22. Den vorliegenden logischen Sachverhalt heleuchtet besonders scharf das Perronsche Paradoxon: Gesucht werde die gr&e naturliche Zahl. Diese mug 1 sein, denn fur n # 1 ist n2 eine grogere naturliche Zahl als n. Perron, Oskar (1880-1975). Vielseitiger Mathematiker mit wichtigen Arbeiten zur Analysis, Arithmetik und nichteuklidischen Geometrie.
84
2
Differenzierbare Funktionen
2.8 Aufgaben
I
1. Es sei A E IRnXn nnd N := {x E IRn xTAx = 0). Man zeige, daB die Funktion f : IRn \ N + IR, f (x) := l/xTAx, uberall differenzierbar ist, und berechne ihr Differential. 2. Die Funktion f : IR2 + IR mil f (0,O) = 0 und f (x, y) = (x, y) # (0,O) ist uberall differenzierbar.
3. Es sei f(0,O) := 0 und f(x, y) := zeige: a) f ist eine W1-Funktion auf IR2. b)
a,,f
und
a,,
z3y-zy 3 z2
+ y2
fiir (5, y)
3
2
fur
# (0,O). Man
f existieren auf IR2 und sind stetig auf IR2 \ {(O, 0)).
c) d,,f(O,O) = 1 und dy,f(O,O) = -1. 4. Es sei f : R n + C differenzierbar und homogen vom Grad k. Letzteres besagt: Es gilt f(tx) = tkf(x) fur alle t E IR+ und x E IRn. Man differenziere die Funktion t e f (tx) nnd beweise die sogenannte Eulersche Identitat f'(x) x = kf (x).
5. Sind g: U + IR, U c IRn, und f : V + C, V c R, k-ma1 stetig differenzierbar mit g(U) c V , so ist auch f o g k-ma1 stetig differenzierbar; ferner gilt (f o g)' = (f' o g) . g'. 6. Man zeige, daB
eine Wm-Funktion ist.
7. Es sei c E IR+. Man zeige: Fiir jedes f E V2(IR) und v E IRn ist
1 c2
eine Losung der Wellengleichung A$ - -$tt
= 0.
8. Sei f : IR2 + C eine V2-Funktion und F ( r , ip) := f (r cos ip, rsinip). Dann gilt in jedem Punkt (x, y) := (rcosip, r sinip) mit r # 0
Weiter zeige man damit, d d die Potenzfunktionen C + C, z e zk (k E IN), aufgefdt als Funktionen auf IR2, harmonisch sind.
2.8 Aufgaben
85
9. Fiir Y2-Funktionen f und g auf einer offenen Menge im IRn gilt
10. Man berechne das Taylorpolynom 3. Grades der Funktion xY in (1,l). 11. Man ermittle die Taylorreihe der Funktion
in (0,O).
12. Es sei f eine %p-Funktion in einer Umgebung von a E IR" und P ein Polynom eines Grades 5 p mit f (x) = P(x) o(llx - allp) fiir x + a. Dann gilt P ( s ) = Tpf (x; a).
+
13. Man untersuche folgende Funktionen auf Extrema:
+ + +
a) f (x, y) = x3 y3 3xy in IR2; b) f(x, y, z ) = x2 y2 + z 2 - 2xyz in IR3, 14. Es sei f eine V1-Funktion in einer Umgebung der abgeschlossenen Halbebene H := IR x [O; w ) und p := (a, 0) ein Randpunkt. Man zeige: Hat f lH in p ein Extremum, so gilt a, f (p) = 0. 15. Man untersuche f (x, y) = y (x - l)edx2+") in [O;w)' anf Extrema. 16. Ein Beispiel won Peano. Man zeige, daB die Funktion
f : IR2 + IR,
f(x, y) = (y - x ~ )-(2x2), ~
in (0,O) kein lokales Minimum hat, d d aber jede Beschrankung f lG auf eine Gerade G durch (0,O) dort ein isoliertes lokales Minimum hat. 17. Sei 9: IR + IR eine Vm-Funktion mit ip(x) > 0 fiir 1x1 < 1 und ip(x) = 0 fur 1x1 2 1. Man definiere 1
f : 1R2 + IR,
f (x, y) :=
i p
(
- 2)
,
fallsx # 0, falls x = 0,
und zeige: a) f E Wm(lR2\ {(0,0)}). b) f ist in keiner Umgebung von (0,O) beschrbkt. c) Fur jedes h E IR2 gibt es ein E > 0 so, d& f ((0,O) th) = 0 fur alle t E (-E;E). (Inshesondere sind alle Richtungsableitungen im Ursprung Null.)
+
18. 1st p eine stetige Funktion anf Q := [a;h] x [c;d] C IR2, so definiert,
eine harmonische Funktion anf IR2 \ Q
86
Differenzierbare Funktionen
2
19. Sei f : IR2 + IR die Funktion mit f (0,O) = 0 und f (x, t ) = (z2+ t 2 ) 2 fiir (x, t) # (0,O). Man zeige: Durch z3t
F(z)
:=So
1
f(x,t)dt
wird eine differenzierbare Funkt,ion F: IR + IR definiert, wobei
20. Man zeige: Zu jeder Vk-Funktion f in K,(a) c IRn gibt es q k - l Funktionen ql, . . . ,qn in K,(a) mit q,(a) = 13, f (a) derart, d d n
f (5) - f (a) = C q d z ) . (x, u=1
- a,,)
21. Charakterisierung des Laplace-Operators durch die Drehinuarianz. Der Differentialoperator P(D): V2(IRn) + Vo(IRn),
habe die Eigenschaft: Fur jede V2-Funktion f auf IRn und jede orthogonale Matrix A E IRnXn gilt mit der durch x ct f (Ax) erklarten Funktion fa (P(D)fa)(x) = (P(D)f)(Ax). Dann gilt P(D) = c A , c E IR. 1
22. Man zeige: Das Infimum der Integrale J (y'2 - 1)' dx unter den V20 Funktionen y: [O; 11 + IR mit y(0) = y(1) = 0 ist 0; aber keine dieser Funktionen ergibt das Infimum. 23. Die hyperbolische Lange einer Kurve y: [a; b] + (x, ~ ( x ) in ) der sogenannten PoincarbHalhebene IR x IK+ ist gegeben durch
Man zeige: Fur eine Kurve kiirzester hyperbolischer Lange zwischen zwei Punkten gilt (x - c)' + y2(x) = R2 fiir geeignete c, R E IR. Hinweis: Man vereinfache die Eulersche Differentialgleichungzu d (2121') = 0
3 Dzerenzierbare Abbildungen
Die Differentialredmnng wird in diesem Kapitel mit dem Studium differenzierbarer Abbildungen fortgefiihrt. Differenzierbare Abbildungen treten in vielfaltiger Weise auf: als Koordinatentransformationen, als Vektorfelder, bei der Darstellung von Flachen und Mannigfaltigkeiten. Ein neues, wesentliches Moment bringt der Satz uber die lokale Umkehrbarkeit. Wir betrachten sogleich Abbildungen aus einem endlich-dimensionalen normierten Vektorraum in einen weiteren solchen Raum.
3.1
Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Feststellungen
Im Folgenden seien X und Y endlich-dimensionale normierte Vektorraume uber lK = IR oder C. Ferner sei f : U + Y eine Abbildung auf einer offenen Menge U C X. Besonders wichtig ist natiirlich der Fall, da&X ein normierter lKn nnd Y ein normierter lKm ist, nnd dann f eine Abbildung
wir bezeichnen diesen Fall als Standardfall. Weiter spielt der Vektorraum L(X, Y ) der I[(-linearen Abbildungen von X in Y eine Rolle. Auf ihm verwenden wir st,ets die von den Normen auf X und Y induzierte Operatornorm; siehe dazu 1.3.V. Die Endlichkeit der Dimensionen von X und Y hat zur Folge, dai2 jede lineare Abbildung X + Y stetig ist, ferner, dal3 X, Y und L(X, Y ) vollstandige normierte Riume sind. I. Differenzierbarkeit Wie fiir eine Funktion definiert man den Begriff der Differenzierbarkeit einer Abbildnng in einem Punkt als eine qualifizierte Approximierbarkeit durch eine lineare Abbildung.
88
3 Differenzierbare Abbildungen
Definition: f : U + Y heigt differenzierbar im Punkt a E U , genauer lKdifferenzierbar, wenn es eine K-lineare Abhildnng L: X + Y gibt derart, daB der durch f (a h) = f (a) Lh R(h,)
+
+ +
erklarte Rest R die Bedingung
erfiillt Wie fur Funktionen zeigt man, daf3 es hijchstens eine solche Abbildung L gibt. Diese heiBt das Differential oder auch die Linearisierung von f in a und wird mit df (a) bezeichnet. df (a) ist ein Element des Raums L(X, Y). Bezuglich Basen in X und Y kann df ( a ) durch eine Matrix dargestellt werden; diese heist dann die Funktionalmatrix oder auch Ableitung von f in a (beziiglich der Basen) und wird mit f'(a) bezeichnet; zur Berechnung von f'(a) im Standardfall siehe (4). Im Fall dimX = dimY heiBt die Determinante von f'(a) Funktionaldetenninante von f in a.
+ IKm,
Beispiel 1: Eine affine Abbildung f : IKn
f (x) := Ax + b,
A E Mmxn, b E lKm,
ist an jedem Pnnkt a E lKn differenzierbar. Ihre Ableitung beziiglich der Standardbasen von lKn bzw. IKm ist erwartungsgemif2 die Matrix A und ihr Differential die durch h e Ah gegebene lineare Abbildung lKn + lKm:
Denn mit der genannten linearen Abbildung und mit R = 0 wird die Definition erfiillt. Beispiel 2: Sei .d eine endlich-dimensionale normierte Algebra iiber lK, zum Beispiel die Matrizenalgebra IKnXn,und sei q die Quadratabbildung: q
:
,
q(x):=x2.
Fur jedes Element h E .d gilt q(a
+ h) = q(a) + a h + ha + h2.
h H ah + ha stellt eine lineare Abbildung .d + sf dar und R(h) := h2 erfiillt wegen llh211 5 llh112 die Bedingung (2). q ist also in jedem Punkt a differenzierbar, und das Differential dq(a): .d + .d ist gegeben dnrch dq(a)h = ah
+ ha.
1st sf' kommutativ, so gilt dq(a)h = 2ah.
3.1 Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Feststellungen
89
Reduktionslemma: Eine Abbildung f = (fl, f i ) : U + YI x YZ in eine direkte Summe ist genau dann differenzierbar im Punkt a E U , wenn dort f i : U + YI und f 2 : U + Yz differenzierbar sind. Gegebenenfalls ist
Beweis:
fi
und
fi
seien differenzierbar in a. Dann gilt fiir i = 1,2
wobei Ri die Bedingung (2) erfiillt. Wir setzen Lh := (dfl(a)h, dfi(a)h). L ist eine lineare Abbildung X + Yl x Y2, und mit ihr gilt
R(h) := (Rl(h), Rz(h)) erfullt die Bedingung (2). f ist also differenzierbar in a und hat dort das Differential df (a) = L. Analog zeigt man die Umkehrung. 0 Im Standardfall liefert eine mehrmalige Anwendung des Lemmas das folgende Korollar; dabei schreiben wir Vektoren des lKn spaltenweise und demgemafi auch die rechte Seite der Formel (3). Korollar: Die Abbildung (1) ist genau dann in a E U differenzierbar, wenn dort jede der Komponentenfunktionen f i , . . . , f, differenzierbar ist. Gegebenenfalls gilt fur h E lKn df(a)h = fl(a)h, wobei die Funktionalmatrix f'(a) folgende Gestalt hat:
Eine Abbildung y = (yl,. . . ,ym)T: I + lKn eines Intervalls ist hiernach genau dann differenzierbar in t E I, wenn dort jede ihrer Komponenten T yl, . . . ,y, differenzierbar ist, und dann gilt ;i(t) = ( 1 ) . . . ; i t . Die in Band 1,12.1 gegebene Definition der Differenzierbarkeit und Ableitung einer Kurve stimmt also mit der neuen iiberein. Aufgrund des Korollars liann man das in 2.1 aufgestellte binreicbende Hauptkriterium fur die IR-Differenzierbarkeit von Funktionen unmittelbar auf Abbildungen ausdehnen:
90
3 Differenzierbare Abbildungen
Differenzierbarkeitskriterium: Eine Abbildung
f = ( f i,..., f,):
U + Rm,
U C IRn,
ist in a E U IR-differenzierbar, wenn alle n m partiellen Ableitungen d,f,, v = 1,.. . , n , fi = 1,. . . ,m, in einer Umgebung von a existieren und im Punkt a stetig sind. Das Differential einer in a differenzierbaren Abbildung kann wie fur Funktionen mit Hilfe von Richtungsableitu,ngenberechnet werden. In Verallgemeinerung von 2.1 (7) gilt
( a ) heifit Ableitung von f in Richtung h im Punkt a. Die Ableitungen in den Richtungen einer fest gewahlten Basis e l , . . . ,e, fur X heifien die partiellen Ableitungen bezuglich der Basis und werden auch wieder mit a l f ( a ) ,. .. f ( a ) bezeichnet. Mit der Funktionalmatrix f f ( a ) beziiglich der Basen in X und in Y hat man fur die Richtungsableitung die Darstellung a h f ( a ) = f'(a)h. Insbesondere ist im Standardfall 3, f ( a ) = f'(a)e, gleich der v-ten Spalte in der Funktionalmatrix: ah f
,a,
f'(4= ( a l f ( a ) ., .. ,a,f(a)) Definition: Eine differenzierbare Abbildung f : U + Y auf einer offenen Menge U C X heifit stetig differenzierbar in U , wenn ihr Differential d f : U + L ( X , Y ) , x H d f ( x ) ,stetig ist. Stetigkeitstest: Zum Nachweis der Stetigkeit von df verwendet man oft den in 1.3.V aufgestellten Test; dieser besagt hier: d f : U + L ( X , Y ) ist genau dann stetig, wenn fur jeden Vektor h E X die Abbildung U + Y , x H d f ( x ) h , stetig ist. Dieser Test zeigt unmittelbar, daB die Abbildungen der Beispiele 1 und 2 stetig differenzierbar sind. Das Reduktionslemma laBt sich offensichtlich wie folgt ergbzen: Eine Abbildung f : U + Yi x Yz in eine direkte Summe ist genau dann stetig differenzierbar, wenn ihre beiden Komponenten f i : U + K , i = 1,2, stetig differenzierbar .sind. Fur den Standardfall impliziert diese Erganzung: Die Abbildung (1) ist genau dann stetig differenzierbar, wenn alle Komponentenfunktionen f i , . . . , f m stetig differenzierbar sind.
3.1 Begriff der Differenzierbarkeit. Elementare Feststellungen
91
Beispiel 3: Die Polarkoordinatenabbildungen als differenzierbare Abbildungen. Mit dem Redukionslemma und seiner Erganzung sieht man sofort, daB die durch
und die Rekursionsformel
definierten Abbildungen P,: IRn Funktionalmatrix von P 2 lautet
+
IRn stetig differenzierbar sind. Die
cosip
-r sin y
Ihre erste Spalte d,Pz und ihre zweite d,P2 stehen bezuglich des Standardskalarproduktes aufeinander senkrecht und haben die Lange 1 bzw. Irl. Analog gilt fur jedes PA: 1. Die Spallen d,P,, a,, P,, . . . , d P, der Matrix P A bilden ein Orlhogonalsystem bezuglich des Standardskalarpmduktes. 2. Ihre Langen bezuglich der euklidischen Norm sind: % , ,
lprPnll= 1,
I~~,.,P,I
= Irl .l~~~ip,+~l...lc~sip,-~I
IlLrPnIl
f i i r ~ =i ,...,n - 2 ,
= lrl.
Beweis durch Induktion nach a: Dazu ist nur noch der Schlufl von n auf n 1 ausznfuhren. Aus (6,) erhalten wir zunachst Rekursionformeln fiir die Spalten von Pk+, (wir notieren dabei nur die wesentlichen Argumente):
+
Zu 1. Anhand der Rekursionsformeln ( 6 3 sieht man sofort, daJi aufgrund der Induktionsannahme die Spalten d,P,+l, d,,P,+1,. . . ,d,"-, P,+I orthogonal zueinander sind.
3 Differenzierbare Abbildungen
92
Ferner gilt:
wegen (d,P,, P,) = &(P,,
P,) = $,r2
= r. SchlieBlich ist fiir u
0 fur ein E > 0. Zu einer beliebig gewahlten Zahl c zwischen F,(O) = 0 und F,(l) gibt es eine Stelle t~ E (0;l ] mit F,(to) = e und F,(t) > c fiir alle t E (to; 11. Dann ist
Aus der Definition von F,(t) folgt ferner fiir alle t E (to;1]
Nun ist
Somit gibt es ein tl E (to; 1] mit ~ ( t l2)0, im Widerspruch zu (*).
104
3 Differenzierbare Abbildungen
3.3 Der Satz von der lokalen Umkehrbarkeit Wir befassen uns in diesem Abschnitt mit der Frage, wann eine stetig differenzierbare Abbildung eine ebensolche Umkehrung besitzt. Abbildungen mit dieser Eieenschaft verwendet man oft. um Probleme durch s a c h ~ e m a e
gewissen Umgebung dieses Punktes auch eine Cel-Umkehrung besitzt.
X und Y seien weiterhin endlich-dimensionale normierte K-Vektorraume und differenzierhar meint K-differenzierbar. Definition: Eine bijektive Cel-Abbildung @: U + V einer offenen Menge U C X auf eine offene Menge V C Y heiBt Diffeomorphismus, wenn die Umkehrung @-' : V + U ebenfalls eine F1-Abbildnng ist. Beispiel: Die Inversion i : IRn \ {O} + IRn \ {0}, i(z) := x/ 11x11:, ist nach 3.1.11 Beispiel 3 stetig differenzierbar; wegen i-' = i ist auch ihre Umkehrung stetig differenzierbar. i ist also ein Diffeomorphismus. Wir notieren zunachst elementare Eigenschaften von Diffeomorphismen. Lemma: Es sei @: U + V ein Diffeomorphismus und P:V + U seine Umkehrung. Dann gilt: 1. X und Y haben die gleiche Dimension. 2. Fiir jedes x E U sind die Differentiale d@(x) und d!P(y), y = @(x), zueinander inverse Isomorphismen:
Fur Funktionalmatn'zen besagt das
Beweis: Aus P o @ = idu und @ o !P = id" folgen mit der Kettenregel die Beziehungen d!P(y) a d@(z)= idx und d@(z)o d!P(y) = idy . Mittels 0 Linearer Algebra ergeben sich damit die Behauptungen. Bemerkungen: In 1.5 haben wir gezeigt, daB IR1 und IRn fur n > 1 nicht homoomorph sind. Die erste Feststellung des Lemmas ergibt nun, d d IRm und IRn fur m # n nicht diffeomorph sind. Die zweite Feststellnng impliziert, daR gewisse Eigenschaften der Differentiale eines Diffeomorphismus auch den Differentialen der Umkehrung zukommen. 1st etwa d@(z) konform, so ist auch d!P(y), y = @(x),konform.
3.3 Der
Satr vou
&I
lukalen UukelrrLurkciL
105
Cine %I-Ahbildung 0 : 'L -r V ist nach dem Lemma hoehstens dann ein L)iffeomorphismus, u m n alle Uieerentiale d@(x!, x t L', Isomorphislncn sind im Fall .Y = Y = Lt" bcdcutct dm, dak allc hblcitungcn rP '(z); r E 1,': iuverlierbw yind. Dieye nalurcndi,qe Buldvngwng r'eicltl uueh bin, rrmn ?i: T + J cine swjektine W1-Ahbilhmg cines offenen Intennlln I C R1 ouf ein offenes Interval1 J C IX1 ist. In diesem Fall hat namlich st' ein einheitliches Vorzeichen; st ist dann also streng monoton und dic Umlcchrfunktion rl, : J + 1 nnch dcn Kcgcln fur dic Uiffcrcntiation von Kmkehrfnnktionen ~ t e t i gdifferenzierbm. lin Hiiherdimensionden nteht dm Monoronirilrgiimrnt n i h t m r Vnrfii~mg,11nd die Sitnxt,ion ixr tafGchlii!h veruickelter. Zurn Beispiel ist die -4bleitung (6') der I'olarkoordinatenabbildung Pg an jeder Stelle (r: v ) E R.' x n invertierbar; Pz In' x R. 1 s t abcr uugcn scincr Ycriodizit.3tl &(r. 9 27r) = P2(r: 9): nicht cinmal cinc slelige li~nkehrungzu.
+
Wir sctzcn nun voraus, dak @: L' -t I-' cinc stctigc Umkchrung bcsitzt, [uid ~eigen,dali danu die IwerLierbarkeiL aller DilCerenliale d@(r),x E 1:: sogsr dir st,rtign lXffrrendrrhdrkrit rlrr Urnkrhrnng nub sirh 7irht.
+ V uin ntetig diffemnzierhnrer Horniiomoryhinmtts einer offenen Menge Lr C auf eine oflene Menge 1; C Y . Jedes Differential d@(x), x E U , sei ein h 0 m O ~ p h i ~ m Uann u ~ . ist ouch die Lr7nktl~rubbildu.r~y !P: 1' + 1.i alelig diJcr'enziedu1; rrnd JCr 4k.9~yeller$ die iibleilungsregelra (14) bzw. (14'). Satz: F 3 sea r l j : 1;
Rev!&: Als P ~ X T R Shrwrisnn wir din ~iffermzirrha~knit. der Umkehrahhildung. Fiir den Nachweis in einem Punkt O(xO),xo E t i , diirfen wir s o = 0 und @(xo)= U annchmcn; mdcmfalls bctrachtct man @(x 20) - @(zo). Soilann gcuiigt csl dic Diffcrcnzicrba.rkcit von I o @ in 0 zu zcigcn, wobci I der Isou~orphismuscl@(O)-' : Y + K isl; uach der KeLleure~elIial, I o @ in so = (1 das l3ifferential idx-. ,411fgn1nddieset Rednktinnen nehmen uir von vornherein an:
+
und zeigen die Differenzierbarkeit von !P irn Punkt 0. Sei k E 1' und h := P(k). Wegen (+I besteht aufgrund der Dserenzierbarkcit von @ in U cinc Uorstcllung
Uaraus folgt wcgcn @ ( h ) = k fiir rl, dic Uarstcllung
3 Differenzierbare Abbildungen
106
Wir zeigen, daf2 R' die Restbedingung fur die Differenzierbarkeit von P erfullt. Da R die Restbedingung fiir @ erfiillt und P stetig ist, gibt es Zahlen r,6 > 0 so, daB IIR(h)ll I $ Ilhll, falls llhll 5 r , und [lP(k)ll 5 T , falls llkll I 6. Nacb Definition von R' folgt,
Wir erhalten also fiir k
# 0 mit
llkll
I6
Wegen h = P(k) + 0 fur k + 0 folgt, da13 aucb R' die Restbedingung (2) erfullt. Das beweist die Differenzierbarkeit von P. Schlieglich haben wir zu zeigen, daJi d P : U + L(Y,X) stetig ist. Dazu nehmen wir o. B. d. A. an,es sei Y = X ; aufgrund der Kettenregel geniigt es namlich, die Stetigkeit des Differentials der Umkehrung im Fall i o @, i irgendein Isomorphismus X + Y zu zeigen. Des Weiteren folgt aus P o @ = idu mittels Kett,enregel dP(y) = (dm(%))-', a: = P(y). Es ist also d P = Inv o dm o P; dabei bezeicbnet Inv die Inversion im Raum L*(X,X ) der Isomorphismen X + X . P und d@ sind nach Voraussetzung stetig, Inv ist es nach 1.6 Satz 3. Somit ist auch d P : U + L ( X , X ) stetig. Beispiel: Die Polarkoordinatenabbildung P2 : IR2 + IRQildet den Halbstreifen IR+ x (-71; n) homoomorph ab auf die geschlitzte Ebene IR2 \ S, S := {(x, 0) x I 0); siehe 1.3. I1 Beispiel 4. Ihre Funktionaldeterminante det Pi(r, ip) = r hat in IR+ x (-T;T) keine Nullstelle. P z bildet also den Halbstreifen IR+ x (-n; n) diffeomorph ab auf IR2 \ S . Wir berecbnen noch die Ableitung der Umkehrabbildung P;' : IR2\S + IR+ x (-T;T) in einem Punkt (x, y) = Pz(r,ip) E IR2 \ S. Aufgrund von (14') erhalt man wegen cosip = x/r und sinip = y/r, r =
I
m,
3.3 Der Satz von der lokalen Umkehrbarkeit
107
Wir wenden uns nun der Herleitung des eingangs angekundigten Satzes iiber die lokale Umkehrbarkeit einer stetig differenzierbaren Abbildung zu. Dazu zeigen wir mit Hilfe des Banachschen Fixpunktsatzes, d d lokal eine stetige Umkehrung existiert; nach dem soehen bewiesenen Satz ist diese sogar stetig differenzierbar. Der Banachsche Fixpunktsatz erweitert den in Band 1,14.4 aufgestellten Kontraktionssatz. Er wird oft herangezogen, um die Existenz von Losungen zu beweisen, indem man diese als Losungen geeigneter Fixpunktgleichungen interpretiert.
Definition: Sei (M, d) ein metrischer Raum. Eine Abbildung y : M + M heiBt Kontraktion, wenn es eine Zahl X < 1 gibt so, daB fur alle x, y E M
Beispiel: Es sei X ein endlich-dimensionaler normierter Vektorraum und ip: K + X eine V1-Abbildung auf einer kompakten, konvexen Menge K C X mit ip(K) C K . Ferner sei lldyllK < 1. Dann ist ip: K + K eine Kontraktion; nach dem Schrankensatz gilt namlich fiir alle x, y E K
Banachscher Fixpunktsatz: Eine Kontraktion y : M + M eines uollstandigen metvisehen Raumes M besitzt genau einen Fixpunkt; darunter versteht man einen Punkt E M mit y(E) = E. Fur jeden Startwert xo E M konvergiert die Folge (x,) mit $,+I := y(x,) gegen E.
0 so, d d die Kugel Kz,(0) in U liegt und dafl fur x E Kz,(0) gilt:
3.3 Der Satz von der lokalen Umkehrbarkeit
109
Wegen d@(O)= idx und der Stetigkeit von d@ gibt es ein solches r. Nun ist dip, = idx -dm. Der Schrankensatz liefert also fur XI,x2 E K2,(0)
Hieraus folgt fur llyll
to. Diese bedarf nur in der Umgebung eines Punktes t rnit g(t) > 0 eines Beweises. In einer solchen impliziert die gegebene Ungleichung mittels G ( t ) := A J; g(s)d s + B
G = Ag 5 AG. Daraus folgt G ( t ) I G ( t o )e A ( t - t ~= ) ~ e ~ ( ~ Wegen - ~ - ) g. die Behauptung bewiesen.
I G ist damit 0
4 Vektorfelder
140
11. Eindeutigkeitssatz und lokaler Existenzsatz
Eindeutigkeitssatz: Das dgnamische System F : U + Kn,U c IR x K n , sei lokal Lipschitz-stetig beziiglich x. Stimmen zwei Integralkuruen pl, 92: I + IKn uon F in einem Punkt to E I iiberein, so gilt pl = pz auf ganz I .
Beuieis: Es sei I' C I die Menge der Punkte t E I mit p l ( t ) = pz(t). Aus Stetigkeitsgriinden ist I' abgeschlossen in I . Wir zeigen, daB I' auch offen in I ist. Sei to E I' und J x V C U eine Umgebung von (to,p l ( t o ) ) ,in der F Lipschitz-stetig beziiglich x ist etwa mit der Konstanten L. Es sei $ := pz - 91. Wegen $(to) = 0 folgt aufgrnnd der Integralversion einer Differentialgleichungfiir alle t E J n I
Nach dem Lemma von Gronwall ist li, = 0 in J n I , d. h., I' umfai2t J Da I' nicht leer ist und I zusammenh%ngt, folgt I' = I .
nI . 0
Bemerkung: Der Eindeutigkeitssatz gilt ohne die Lipschitz-Bedingung im allgemeinen nicht. Wir erinnnern an das in Band 1,13.2 diskutierte AWP x= x(0) = 0. Dieses besitzt unendlich viele Losungen auf IR, darunter x ( t ) = 0 und x ( t ) = sign t . t'.
m,
Lokaler Existenzsatz (Picard-LindelSf): Das dgnamische System F : U + Kn auf der offenen Menge U C IR x K n sei lokal Lipschitzstetig beziiglieh x. Dann gibt es zu jedem Punkt (t0,xo) E U ein Interval1 Ia(to)= (to- fi; to+a), auf dem das Anfangswertpmblem
eine (und nur eine) Losung besitzt. Genauer: Es sei Q := I,(to)x K ( x o ) irgendein kompakter Quader in U , auf dem F Lipschitz-stetig beziiglich x ist mit der Konstanten L. Ferner sei 6 5 a eine positive Zahl mit 6 llFllg 5 b und 6L < 1. Dann besitzt das AWP ( 7 ) auf Ia(t0) genau eine Losung p. Diese uerlaufi in Kb(xO),d. h., es gilt
und ist die Grenzfunktion der durch die Picard-Lindelof-Iteration (9)
:= zo,
i ~ ~ + := ~ (x0t )+
L: qS,
pk(S))
ds
definierten und auf I ~ ( t 0gleichmriflig ) konwergenten Folge ( p k )
Beweis: Es geniigt, eine stetige Iiunktion $7: Ia(t4) -t K"' konstruiereq die fiir alle t t la(t0) die Ungleichung (8) uncl die lntegralgleichung I
(101
!+$) = %o + j
~ ( 8 &)) ,
d8
to
erIulll. Wir n-ollcn (10) ak cinc Fispunkfglcichung auffasscn. Uazu sci "4dm Raum aller sleligen F d l i o n e n 3: Is(lo) + Fin mi( IIq!:(l) - zoll 5 b liir alle 1 6 I ~ ( l o j~luclP die .4lhildung, die h e r Fimklion ,(L. E -4die durch t
+ 1 F(n,+(s))(in
(P?ij)(t) := ril
1.2
crklartc k'unldion P+: ls(to)
+ K"
zuordnct. P+ ist stctig und crfiillt
Fiir u* t tist d s o nuch P$ t dl. hliltels P: -4 -t laulel die Inlegralgleicllul~(10) nun: P v = 9. IYln mif dirsr Glrichnng den Rmil~!hsvhrnFixpnnkrwt,~MIS 3.3 muwldrn nil kiinnen, fiihrnn wir in ..& pine hktrik nin: Piir ?I:! :,I)?E .A? semen wir
Rri d i r s ~ iVrt,rik r konvrrgirrt r i n r Folge (?!:+) in ..K g m m dann, wmn sir g1:leichmiiClig m f TA(ti,) konvrrgirrt, nnd (la Fl,(xil)ahgrsr!hlw.irn ist, folgt? da%(.&> d ) ein vollstandiger metrischer Raum ist. Ferner ist P : ..# + nun cinc Iiontraktion, da
Kach dcm Fixpunktsatz aus 3.3 gibt cs gcnau cin 9 t tmit Pq = 9. 9 uerlaull iu f i a ( ~ o ) uncl IGsl clas .41irm1gswerLproble1il (7). 0
142
4
Vektorfelder
111. Maximale Integralkurven Definition: Eine Integralkurve i p : I + lKn des dynamischen Syst,ems F : U + lKn durcb den Punkt (to,ip(to)) heiBt mazimal, wenn fur jede weitere Integralkurve $: J + lKn durch diesen Punkt gilt: J c I und $=ipIJ. Lemma: Ist das dynamische System F lokal Lipschitz-stetig beztiglich x, so besitzt das AWP ( 7 ) eine (und nur eine) mazimale Losung.
Beweis: Sei I die Vereinigung aller Intervalle I,, in denen d m AWP eine Losung ip, hat ( a Element einer geeigneten Indexmenge). Zu t E I wahle man ein I, mit t E I, und setze ip(t) := ip,(t). 1st Ip ein weiteres Interval1 mit t E Ip, so gilt [to;t ] C I , n Ip, und mit dem Eindeutigkeitssatz folgt ip,(t) = i p p ( t ) . Also ist ip(t) unabhhgig von I, definiert. i p : I + IKn ist 0 offensichtlicheine maximale Losung. Der folgende Satz macht eine wichtige Aussage uher die Definitionsintervalle der maximalen Integralkurven. Satz: Es sei i p : ( a ;p ) + lKn eine maximale Integralkurve des bezuglich x lokal Lipschitz-stetigen dynamischen Systems F : U + lKn. Im Fall P < m gibt es zu jeder kompakten Menge K C U in jedem Internall ( y ; P ) ein T E ( y ;p ) mit (7,~ ( 7 )4)K . Eine annloge Aussage gilt im. Fall a > -w. Kurz: Eine maximale Integralkurve, die nur eine endliche Lebensdauer hat, werlajt jedes Kompaktum.
Beweis: Angenommen, fiir alle t E ( y ; P )gelte (t,ip(t))E K . Wir behaupten dann zunachst, da8 ip auf ( a ;p] stetig fortgesetzt werden kann. Dazu genugt es zu zeigen, daf2 ip auf ( y ;P ) gleichmaig stetig ist. Das aher folgt aus der fiir alle t l , t z E ( y ;P ) giiltigen Ahschatzung
Die stetige Fortsetzung von ip auf ( a ;P] werde mit ii, bezeichnet. Wir zeigen nun, da8 auch diese eine Integralkurve von F ist. Da K abgeschlossen ist, liegt (P, ii,(P))in K , also in U . Ferner gilt fur beliebige t , to E ( a ; P )
Wegen der Stetigkeit von ii, auf ( a ;P] gilt (*) auch noch fiir t = P. Damit folgt, da8 @: ( a ; P ] + lKn die Differentialgleichung x = F ( t , x ) lost im Widerspruch zur Maximalitat der Losung i p : ( a ;P ) + lKn. 0
4.2 Integralkurven in Vektorfeldern. Gewohnliche Differentialgleichungen 143
Fiir ein dynamisches System, dessen Definitionsbereich die spezielle Gestalt I x 0 hat, enthat der Satz die folgende wichtige Aussage:
Korollar: Es sei i p : ( a ;P ) + lKn eine maximale Integralkurve des bezuglieh x lokal Lipsehitz-stetigen dynamisehen Systems F : I x 0 + Kn.Ist P nieht der rechte Ranxlpunkt des Intervalls I , so gibt es zu jeder kompakten Teilmenge K C f2 und jedem Intervall (y; P ) ein t E ( y ;P ) mit ip(t)4 K . Analog mit a . Verlauft ip in einer kompakten Teilmenge won 0 , so ist ip auf ganz I erklirt.
Beweis: [y;P] x K ist eine kompakte Teilmenge von I x 0,und auf diese kann der Satz angewendet werden. Es gibt Vektorfelder, die auf ganz IR x lKn definiert sind, beste Differenzierbarkeitseigenschaften haben und trotzdem keine auf ganz IR definierte Losung besitzen. Ein Beispiel ist x = 1 + x h u f IR x IR. Die Losungen ip,(t) = tan(t - c) auf den Intervallen I+(c) sind bereits die Losungen mit den gr6Btmoglichen Definitionsintervallen: Eine auf einem Intervall einer Lange > .rr definierte Losung miifite nach dem Eindeutigkeitssatz auf einem gewissen Intervall Irr12(c)mit ipc iibereinstimmen, was wegen lipc(t)l + M fiir t + c ~ / nicht 2 moglich ist. 1st i = 1 x2 das Bewegungsgesetz eines sich auf einer Geraden (= IR) bewegenden Punktes, so wachst dessen Geschwindigkeit mit der Entfernung 1x1 starker als p r e portional zu 1x1, und er entweicht bereits in endlicher Zeit ins Unendliche. Wachst dagegen x hochstens proportional zu 1x1, so erfordert ein solches Entweichen unendlich lange Zeit. Ein analoger Sachverhalt liegt allgemein bei linear beschrankten Feldern vor.
+
+
Definition: Eine Abbildung F : I x IKn + lKn heiBt linear besehrankt, wenn es stetige Funktionen a, b: I + IR gibt so, daB fiir alle (t,x) E I x lKn
IIFK
4 5 4)llxll + b(t).
Satz: Jede maximale Integralkurue ip eines linear besehrankten und bezuglieh x lokal Lipsehitz-stetigen dynamischen Systems F : I x lKn + K n ist auf ganz I erklart.
Beueis: Es sei ( a ;0) c I das Definitionsintervall von ip. Ware etwa p nicht der rechte Randpunkt von I , so ware ip auf [to;P ) , t o ein beliebiger Punkt in ( a ; p ) ,unbeschriinkt. Nun folgt aus ip(t) = ip(to) $o F ( s , ip(s))d s
+
Aufgrund dieser Abschatzung miiBte ip aber nach dem Lemma von Gronwall in [to;P ) beschrankt sein. Widerspruch!
144
4
Vektorfelder
Maximale Integralkurven in V e k t o r f e l d e r n Es sei v : (2 + IKn ein Vektorfeld auf einer offenen Menge (2 C Hn. Das zugeordnete dynamische System F : IR x (2 + lKn, F ( t ,x ) := u ( x ) ,wird als autonom bezeichnet, und (2 heist dessen Phasenraum. 1st u lokal Lipschitzstetig, dann hat F diese Eigenschaft beziiglich x. Wir zeigen, daJi jede naximale Integralkurve in einem lokal Lipschitz-stetigen Vektorfeld konstant oder periodisch oder doppelpunktfrei ist. Zum Nachweis stiitzen wir uns auf zwei einfache aber wichtige Bemerkungen zu Zeitverschiebungen bei Integralkurven. Notiz zur Zeitverschiebung: Es sei i p : I + (2 eine maximale Integralkurve in dem lokal Lipschitz-stetigen Vektorfeld v : (2 + lKn. Dann gilt: (i) Fur jedes c E IR ist auch 9,: I c + (2, ip,(t) := ip(t - c), eine maximale IntegraRurve von u.
+
(ii) Ist $: J + (2 eine maximale Integralkurve mit $(s) = ip(r) fiir einen Zeitpunkt s E J hzw. r E I , so gilt J = I s - r und $ = ips-,.
+
Beweis: ( i ) +,(t)= $(t - c) = v(ip(t - c ) ) = u(ip,(t)). (ii) Aus 9,-,(s) = ip(r) = $ ( s ) folgt aufgrund der Maximalitat von ips-, und von $, daB J C I s - r C J gilt und 9,-, = $. 0
+
ip und ip, sind i m allgemeinen verschiedene Kurven, ihre Spuren in Q aber sind identisch. Lost ip das AWP j: = v ( x ) mit der Anfangsbedingung x(t0) = s o , so lost ipt, das mit der Anfangsbedingung x(0) = xo. Man verwendet dies o f t , u m den Anfangszeitpunkt einer Integralkurve auf 0 zu normieren. Als Konsequenz aus (ii) ergibt sich, daB die Spuren der maximalen Integralkurven den Phasenraum (2 disjunkt zerlegen. Die Gesamtheit dieser Spuren heiBt Phasenportrait des Vektorfeldes.
Satz v o n d e n drei T y p e n maximaler Integralkurven: Es see u ein lokal Lipschitz-stetiges Vektorfeld auf Q. Dann geht durch jeden Punkt von (2 bis auf Zeitverschiebungen genau eine maximale Integrakurve, und fur jede solche t r i f i genau einer der drei folgenden Falle zu: ( i ) Fur wenigstens ein to E I ist +(to)= 0. Dann gilt I = E, und ip ist konstant, wobei ip(t) eine Nullstelle von v ist. (ii) Fur alle t E I ist $(t)# 0, und ip besitzt einen Doppelpunkt, d. h., es ist ip(r) = ip(s) fir geeignete r, s E I , r # s. Dann gilt I = IR, und ip ist periodisch; mit p := s - r gilt ip(t + p ) = ip(t) fiir alle t E IR. (iii) Fur alle t E I ist $(t)# 0 , und
ip
besitzt keinen Doppelpunkt.
Die Nullstellen von v sind nach ( i ) die Spuren der konstanten Integralkurven und heiBen kn'tische Punkte oder Gleichgewichtspunkte des Feldes.
4.2 Integralkurven in Vektorfeldern. Gewohnliche Differentialgleichungen 145
Beweis: Es seien ip und $!J maximale Integralkurven, die durch 3.0 E f2 gehen; es sei also ip(r) = $(s) fur geeignetes r bzw. s. Dann ist nach Teil (ii) der Notiz $!J = 9,-, . Zur Typeneinteilung: a) Gilt @(to) = 0, so ist xo = to) eine Nullstelle von u wegen v(p(to)) = @(to).Daher lost auch die konstante Funktion $I: IR + Q, $(t) = xo das AWP x = u(x), z(t0) = xo. Wegen der Maximalitat von ip folgt (i). b) Es sei nun ip(s) = ip(r) mit p := s - r # 0. Nach Aussage (ii) der Notiz 0 gilt dann I = I + p und ip = 9,. Hiermit folgt die Behauptung. Die konstanten und die periodischen Integralkurven in einem Vektorfeld sind als die interessanten Sonderfalle anzusehen; die doppelpunktfreien als der Regelfall. Alle drei Typen konnen in ein und demselben Vektorfeld auftreten, wie das folgende Beispiel zeigt. Beispiel: Gegeben sei das autonome System in IR2
Durch jeden Punkt von IR2 geht bis auf Zeitverschiebungen genau eine maximale Integralkurve. Der Punkt (0,O) ist die einzige Nullstelle von u, die Kurve t H (0,0), t E IR, somit die einzige konstante maximale Integralkurve. Jede nicht konstante Losungskurve verlauft ganz in IR2 \ (0,O). Solche konstruieren wir nun mit Hilfe des Ansatzes x(t) = r(t) cos ip(t), ~ ( t=) r(t) sinip(t), wohei r und 9 stetig differenzierbare Funktionen sein sollen, r > 0. Eine einfache Rechnung ergiht, daB (11) in IR2 \ (0,O) fur Kurven (x(t), y(t)) der Bauart (12) gleichwertig ist zu dem System
f = r (1- r2)ist eine Differentialgleichung mit getrennten Veranderlichen.
Typische Losungen sind: a) die konstanten Losungen r = 0 und r = 1; b) die streng monoton wachsende Losung r : IR + (0; I), r(t) = dabei gilt lim r(t) = 0 und lim r(t) = 1; ti-m
t i m
c) die streng monoton fallende Losung r : IR+ + (1;co), r(t) = dabei gilt limr(t) = co und lim r(t) = 1. tLO
t i m
d ' -
1
+ ecZt' 1
.
146
4 Vektorfelder
Dnrch Zeitverschiebung erhalt man aus diesen Losungen samtliche maximalen LGsungen von i= r (1 - r2). Setzt man diese Losungen nnd die Losung ip(t) = t von = 1 in (12) ein, erhalt man LGsungen von (11). Im Fall (a) ist diese periodisch (unendlich oft durchlaufene Kreislinie), in den Fdlen (b) und (c) sind diese doppelpunktfrei (Spiralen, die mit t + m asymptotisch gegen die Spur der periodischen Losungen gehen). Alle weiteren Losungen von (11)erhalt man schliefllich durch Zeitverschiebung.
+
Eine konstante, eine periodische und zehn doppelpunktfreie Losungen fiir (11)
IV. Die UniversalitSt der Systeme 1. Ordnung Neben den Gleichungen der Gestalt x = F ( t , x) hat man auch Gleichungen zu betrachten, in denen hohere Ableitungen auftreten. Eine solche ist zum Beispiel die Schwingungsgleichnng 2 = -x. Man fiihrt diese auf ein System 1. Ordnung zuriick, indem man xl := x und xz := xl setzt; man erhalt dadurch das zum Rotationsfeld v(xl,xz) = (xz, -21) gehorige System
Allgemein ordnet man einer Differentialgleichung n-ter Ordnung (13)
x(n) = f (t, x , x , . . . ,x+l)),
wobei f : U + IK eine skalarwertige Funktion sei, U eine offene Menge in IR x IKn, das System 1. Ordnung
147
4.3 Lineare Differentialgleichungen
zu. Offensichtlich ist i p : I + IKn, ip = ( 9 1 , .. . , i p n ) , genau dann eine Integralkurve dieses Systems, wenn sie die Bauart ip = ( 9 1 , $ 1 , . . . ,ipp-l') hat, wobei ipl : I + IK die Gleichung (13) lost. Man sieht auch sofort, da% F genau dann lokal Lipschitz-stetig beziiglich x ist, falls f es ist. Daher ergeben die Existenz- und Eindeutigkeitssatze fur Systeme erster Ordnung auch Existenz- und Eindeutigkeitssatze Kir Gleichungen n-ter Ordnung. Als Anfangswert zu to fur eine Gleichung n-ter Ordnung kann man dabei den Wert x(t0) und die n - 1Ableitungen x(to),. . . , ~ ( ~ - ' ) ( t ~ ) der gesuchten Losung vorgeben.
4.3
Lineare Differentialgleichungen
Lineare Differentialgleichungen spielen aus mehreren Griinden eine gro%e Rolle. In Naturwissenschaft und Technik treten sie immer dann auf, wenn Superponierbarkeit ins Spiel kommt, und bei vielen nicht-linearen Prohlemen dienen sie als Approximationen, an denen unter Umstanden bereits Wesentliches abgelesen werden kann; ein Beispiel liefert der Satz van PoincareLjapunow in 4.5. Lineare Differentialgleichungen sind solche der Gestalt wobei A : I + lKnxn und b: I + IKn gegebene Abbildungen auf einem Intervall I C IR sind. Im Fall b = 0 heifit die Differentialgleichung homogen, andernfalls inhomogen.
Existenz- und Eindeutigkeitssatz: Sind A u,nd b stetig, so besitzt das Anfangswertproblem
x = A(t)x
+ b(t),
x(to) = so,
genau eine auf ganz I definierte LGsung, Beweis: F ( t , x ) := A ( t ) x + b(t) ist linear beschriinkt und fur jedes kompakte Intervall J c I auf J x lKn Lipschitz-stetig beziiglich x mit der Konstanten L := max IIA(t)ll. 0 tEJ
Folgerung 1: Es seien ao, . . . , an-l, b: I + lK stetige finktionen und X O , . . . ,xn-1 E lK gegebene Zahlen. Dann besitzt jedes AWP
genau eine auf ganz I definierte LGsung,
148
4
Vektorfelder
Folgerung 2 (Der Liisungsraum der homogenen Gleichung): (i) Die Menge 2 der auf I dejinierten Losungen der homogenen Gleiehung x = A(t)x ist ein n-dimensionaler lK-Vektovaum. (ii) n Losungen 91,. . . ,ipn: I + lKn bilden genau dann eine Basis von 2, wenn die Vektoren ipl(t), . . . ,ipn(t) fur wenigstens ein t E I (und dann fur jedes t E I) eine Basis von lKn bilden.
+
+
Beweis: (i) Trivialerweise ist jede Linearkomhination clip1 . . . ekipk von Losungen ipl,. . . ,i p k der homogenen Gleichnng ebenfalls eine Losung: 2 ist also ein Vektorraum. Zur Bestimmung seiner Dimension hetrachten wir fur irgendein to E I den Anfangswerthomomorphismus cut, : 2 + lKn, cut,(ip) := ip(t0). Aufgrund des Existenzsatzes ist cut, surjektiv und aufgrund des Eindeutigkeitssatzes injektiv. Folglich hat 2 die Dimension n. (ii) Der Anfangswerthomomorphismus cut ist fur jedes t ein Isomorphis0 mus. Er fuhrt also Basen in Basen uher. Eine Basis 91,. . . ,ip, des Losungsraumes 2 der homogenen Gleichung x = Ax heist ein Fundamentalsystem. Durch spaltenweises Zusammenfassen erhalt man eine matrixwertige Ahbildung
@ heifit eine Fundamentalmatrix zu x = Ax. Fur sie gilt offensichtlich
Nach Teil (ii) der Folgerung ist @(t)fur alle t E I invertierbar. Jede weitere Losung ip E 2 ist eine Linearkomhination ip = clip1 . .+cnipn mit cc E lK, kann also mit Hilfe der Fundamentalmatrix @ und eines Vektors c E lKn in folgender Weise dargestellt werden:
+.
Satz (Liouville): Ist @ eine Fundamentalmatrix fur x = A(t)x, so genugt det @ auf I der Differentialgleiehung 9 = Spur A . y : (15)
(det @)' = Spur A . det @.
Deutung: @(t): lKn + lKn stellt eine lineare Ahhildnng dm, und ldet @(t)I ist der Faktor der von dieser hewirkten Volumenverzerrung; siehe 7.7. Die zeitliche Entwicklung dieser Verzerrung wird durch (15) heschrieben. Gilt etwa SpurA(t) = 0 fur alle t E I , so ist der Verzerrungsfaktor konstant und sogar = 1, falls @(to)= E an einer Stelle to. In einem solchen Fall bilden alle Transformationen @(t)volumentreu ah.
4.3 Lineare Differentialgleichungen
149
Beweis: Wir zeigen zunachst, daf2 (15) an jeder Stelle t E I mit @ ( t )= E gilt. Es seien 9 1 , . . . ,ip, die Spalten von @. Nach der unten gezeigten Differentiationsregel erhalt man wegen ip,(t) = e, und +,(t) = A(t)e, n
det (el,. . . ,e,-1, A(t)e,, e,+l,. ..,en) = Spur A ( t )
(det @)'(t) = u=1
Das beweist die Behauptung fur t , @ mit @ ( t )= E. Den allgemeinen Fall fiihren wir nun darauf zuriick. Fiir heliehiges, fixiertes t E I hetrachten wir dazu die Fundamentalmatrix P := @. C , C := F 1 ( t ) Auf . t , P ist das bereits Bewiesene anwendbar und ergiht (det P ) ' ( t )= Spur A ( t ) . det P ( t ) Daraus folgt nach Definition von P die Behauptung auch fiir @.
0
Differentiationsregel: Sei @: I + KnXn eine differenzierbare matrixwertige Ahbildung mit den Spalten 9 1 , . . . ,ip,. Dann gilt
Beweis: Wegen der Linearit% der Determinante in den Spalten kann der als die Summe Differenzenquotient (@(t h ) - @(t))
+
geschrieben werden. Da die Determinante als Polynom ihrer Komponenten 0 stetig ist, folgt mit h + 0 die Behauptung
Ein Fundamentalsystem i m Fall einer konstanten Matrix A Sei A E IKnXn. Das Anfangswertproblem i = Ax, x(0) = 2 0 , hat im Fall n = 1 die Losung x ( t ) = eAtxo.Mit der Exponentialfunktion fiir Matrizen gilt dasselbe bei beliebigem n 2 1; zur Definition dieser Funktion siehe 1.6.
Satz: Die Losung des Anfangswertproblems x = Ax, x(0) = xo, lavtet
Ist vl, . .. ,u, eine Basis des Kn, so stellt eAtul,.. . ,eAtu, ein Fundamentalsystem fiir 2 dar. Insbesondere bilden die Spalten von eAt ein Fundamentalsystem; d. h., eA' ist eine Fundamentalmatrix.
150
4
Vektorfelder
Beweis: x ( t ) ist eine Losung der Differentialgleichung aufgrund der Ableitungsregel (eAt)' = AeAt; dazu siehe 1.6 (15).AuBerdem gilt z ( 0 ) = zo. Die weiteren Aussagen ergeben sich aus der Folgerung 2. 0 Da die Berechnung von eAt im allgemeinen schwierig ist, ermit,teln wir anf andere Weise, und zwar basierend auf der Jordanschen Normalform, ein Fundamentalsystem. Die einfachste und zugleich wichtigste Situation liegt vor, wenn A n linear unabhangige Eigenvektoren besitzt, was zum Beispiel der Fall ist, wenn A eine reelle symmetrische Matrix ist, siehe 3.6, oder wenn A n verschiedene Eigenwerte hat.
Lemma: Ist v ein Eigenuektor won A und X sein Eigenwert, so lost
das AWP x = Ax, k ( 0 ) = u . Sind u l , . . . ,vn linear unabhangige Eigenuektoren und XI,. .. ,An jeweils ihre Eigenwerte, so bilden ip,, , .. . ,ip,, ein Fundamentalsystem.
+,
= XeXtv = Beweis: ip, ist eine Losung der homogenen Gleichung, da eMAu = Aip. Ferner: Die Losungen ip,,, . . . ,ip,,, bilden eine Basis fiir 2, da ihre Werte ip,, (0), . . . ,ip,,, ( 0 ) eine Basis fiir IKn bilden. 0
Besitzt A keine n linear unabhangigen Eigenvektoren, was hijchstens im Fall mehrfacher Eigenwerte eintritt, so kann man ein Fundamentalsystem mit Hilfe von Hauptvektoren konstruieren.
Definition: Ein Vektor u E Cn, u # 0, heist Hauptvektor der Matrix A zum Eigenwert A, wenn es eine natiirliche Zahl s gibt so, d d
Die kleinste derartige Zahl s heist die Stufe von u , Die Hauptvektoren der Stufe 1 sind genau die Eigenvektoren. Ferner gilt: 1st v ein Hauptvektor der Stufe s , so sind die Vektoren
Hauptvektoren der Stufen s , s - 1 , . . . , l . vl ist ein Eigenvektor und vi, i = 2 , . .. , s , eine Losung der Gleichung ( A- XE)u, - vi-1.
(: ::)
Beispiel: A = 0 1 2
Die Zahl 1 ist ein 3-facher Eigenwert, und el ist ein Eigenvektor dazu.
151
4.3 Lineare Differentialgleichungen
Ferner gilt:
e, ist also ein Hauptvektor der Stufe s, s = 1,2,3. Mit Hilfe des Satzes von der Jordanschen Normalform gewinnt man leicht folgenden Basissatz. Satz v o n der Hauptvektorbasis: Zu jeder Matrix A E C n x n gibt es eine Basis des C", die aus Hauptuektoren besteht und zu jedem k-fachen Eigenwert X k Hauptuektoren ul, . .. ,uk enthalt, wobei Stufe(v,) 5 s gilt. Mit einer Hauptvektorbasis h l , . . . , h, hat man in eAthl,.. . ,eAth, ein Fundamentalsystem fiir die Gleichung x = Ax. Wir analysieren die Bauart einer LGsung q,(t) := eAtv, wobei u ein Hauptvektor zum Eigenwert X und der Stufe s sei: eAt u = e XEt e (A-XE)t v = e X t . C l 1e ! ( ~ - ~ ~ ) k t k ~ . k=O Wegen ( A- XE)% = 0 fur k 2 s reduziert sich die Reihe auf eine Summe: (17)
%(t)= eUp,(t) mit p,(t)
:=
1
p, ist ein Polynom eines Grades 5 s - 1, dessen Koeffizienten ( A - A E ) k u k! Vektoren in Cn sind. Im Fall s = 1 ist p,(t) = v. Wir fassen zusammen: Anleitung zur Konstruktion eines Fundamentalsystems fiir k i:Ax: ( i ) Man emittle zu einem Eigenwert A, dessen Vielfachh,eit k ist, Hauptuektoren u1,. .. ,vk mit Stufe(us)5 s, und bilde gemajl (17)
qu,(t)= eXtp,,( t ) ,
s = I , . . ., k.
(ii) Sind X I , . .. ,A, die uerschiedenen Eigenwerte uon A wnd k l , . . . ,k7 deren Vielfachheiten, wobei kl . . . k, = n gilt, so konstruiere man nach Ted (i) 2% jedem Eigenwert A, k, LCsungen, p = 1 , . .. ,r. Auf diese Weise erhalt man insgesamt n LCsungen, und diese bilden ein Fundamentalsystem.
+ +
(: :3
Beispiel: x = A x mit A = 0 1
2
152
4
Vektorfelder
Wir haben oben bereits festgestellt: A hat den 3-fachen Eigenwert 1 und e, ist ein Hauptvektor der Stufe s. Wir erhalten damit das Fundamentalsvstem:
Der FaU n = 2. Wir wollen uns einen Uberblick uber die moglichen Integralknrven der homogenen reellen Gleichnng
verschaffen. D a m nnterscheiden wir drei Falle: Das (reelle) Polynom det(A - XE) hat zwei verschiedene reelle Nullstellen oder genau eine reelle, oder zwei verschiedene, konjugiert komplexe. Die Disknssion wird etwas verkurzt durch die Regel: Ist 9 eine Integralkurve zu x = Ax, so ist die umorientierte Kurve 9-, 9-(t) := p(-t), eine Integralkurve zu x = -Ax.
I. Zwei reelle Eigenwerte X < fi. In diesem Fall hat A zwei linear unabhangige reelle Eigenvektoren u und zu. Die allgemeine Losung der Differentialgleichnng lautet dann
In Bezug anf die Basis {u, w} des IR2 sind cleht und czeGt die Komponenten von ~ ( t )Abhangig . von der Lage von X und fi zu 0 hat man die fiinf Falle: O<X 0, ist eine kompakte Teilmenge des Quadranten lR: und enthalt aufjeder der beiden Geraden x = E und y = q genau zwei Punkte (Bezeichnung siehe Abbildung). d) Es sei nun ip = (x, y) die maximale Integralkurve rnit ip(0) = Ao, A. E E-'(a), a > 0. ip verlauft dann in E-'(a), also in einem Kompaktum, und ist daher fiir alle t E lR definiert. Wir zeigen: Es gibt ein tl E (0; co) so, daB gilt: (i) x fallt streng monoton in [O; tl] und y wachst dort streng monoton; (ii) ip(t1) = AI.
I
Beweis: Sei tl := sup{t x > [ in ganz [O; t]). Nach der zweiten Differentialgleichung ist dann y > 0 in [O; t ~ ) y, also streng monoton wachsend. Es folgt y > y(0) = q in (0; tl). Nach der ersten Differentialgleichung ist somit x < 0 in (0; tl), x also streng monoton fallend. Wir zeigen nun, daB
4.4 Erste Integrale
157
tl < co.Dazu wiihle man irgendein E E (0;t l ) . Fur t E ( E ; t l ) gilt dann y ( t ) 2 Y ( E ) > 7 und damit a ( y ( t ) )5 a ( y ( & ) )=: cu < 0. Nach der ersten ). Differentialgleichungergiht sich fur diese t weiter x ( t ) 5 ea ( t - z ) x ( ~Hiernach und wegen x ( t ) > > 0 fur alle t E [O; t l ) mu%tl < m sein. Aus der Definition von tl folgt nun sofort x(t1) = und damit y(t1) = A I . e) Wie in d) zeigt man die Existenz vonParameterstellen tl < tz < t3 < tq mit ~ ( t k=) Ah, k = 2,3,4. Inshesondere gilt mit T = t 4
0.
158
4.5
4
Vektorfelder
Attraktoren und stabile Punkte
Eine zentrale Anfgabe der Theorie der Vektorfelder besteht darin, das Langzeitverhalten der Integralkurven zu untersuchen. Wenn es gelingt, die Integralkurven explizit anzugeben, kann man diese selbst stndieren; jedoch ist eine solche Angabe nur in den seltensten Fallen miiglich. Man mu8 daher versuchen, allein anhand des Feldes Aussagen iiber das asymptotische Verhalten der Integralkurven zu gewinnen. Diese Aufgabe ist seit langem Gegenstand intensiver Forschung; eine ihrer jiingsten Facetten stellt die sogenannte Chaos-Forschung dar. Wir fiihren hier exemplarisch zwei Methoden an: die Linearisierung, bei der ein Feld in der Nahe eines kritischen Punktes durch ein lineares Feld approximiert wird, und die Methode der Ljapunow-Funktion, die an den Ideenkreis eines Ersten Integrals und einer Energiefunktion anschlieflt. Wir beginnen mit einer einfachen Beobachtung. Eine maximale Integralkurve i p : (a;p) + R eines stetigen Vektorfeldes v : f2 + IRn mug natiirlich fiir t + p nicht konvergieren; sie mu%ja nicht einmal beschrankt sein. Falls nber Konvergenz gegen einen Punkt in R stattfindet, ip(t) + 3.0 E f2 fiir t + p, so ist dieser notwendig ein kr-itiseher Punkt des Feldes, v(x0) = 0 , und die Konvergenz erfordert unendlieh lange Zeit, d. h. ,8 = m.
Beweis: Ware p < m, so gabe es zu jeder kompakten Kreisscheibe K,(xo) c R und jedem E > 0 ein t E ( p - E;p) mit ip(t) @ T ( x O im ) Widerspruch zur Konvergenz i p ( t ) + so. Zum Nachweis von u(x0) = 0 verwenden wir den Mittelwertsatz der Differentialrechnung. Mit geeigneten i-i E [t;t 11, i = 1,. ..,n , gilt komponentenweise pi(t 1) - ipi(t) = +i(.ri)= ui ( ~ ( 7 , ) ) . Wegen ip(t)+ xo und der Stetigkeit von v folgt daraus ~ ( $ 0 )= 0.
+
+
Definition (Attraktor): Ein kritischer Punkt x0 des Vektorfeldes v : R + IRn heifit Attraktor, wenn jede Umgebung K c f2 von xo eine Umgebung V mit folgender Eigenschaft enthalt: Jede maximale Integralkurve ip mit ip(0) E V ist fiir alle t 2 0 definiert und konvergiert gegen xo: ip(t)
+ xo
fiir t
+ m.
Yk5'
Beispiel 1: Es sei v: IR + IR, u ( x ) := -xp, p E IN. Der Nullpunkt ist ein kritischer Punkt dieses Feldes. Die Integralkurve mit ip(0) = x0 lautet
4.5 Attraktoren und stabile Punkte
159
Dieser Darstellung entnimmt man sofort, daB der Nullpunkt fur ungerades p ein Attraktor ist, fur gerades p aber nicht; vielmehr gilt im letzten Fall fiir jeden Anfangswert xo < 0: ip(t) + -co fiir t + &x;-~.
Losungen von i = -zp fur p = 1 und p = 2
lie1 2: Der Nullpunkt ist ein Attraktor des linearen Feldes v(x) = Ax, fallsjeder ~ i ~ e n w evon r t A einen negativen Realteil hat. Das folgt direkt daraus, dafi jede Losung eine Linearkombination der Losungen (17)ist und jede dieser Losungen wegen des Faktors ext fiir t + co gegen Null geht. Die Feststellung des letzten Beispiels gilt analog fiir jedes Cel-Vektorfeld
u mit dem kritischen Punkt xo, wenn man es in der Nahe von so mittels seiner Linearisierung approximiert; dabei verstebt man unter der Lineansiemng von u das Feld 5 : IRn + IRn mit 5(x) = Ax, wobei A := v1(xo). Satz (PoincarB-Ljapunow): Es sei xo ein kritiseher Punkt des CelVektorfeldes u: f2 + IRn. Jeder Eigenwert der Ableitung vl(xo)=: A habe einen negativen Realteil. Dann ist xo ein Attraktor. Beweis: Es sei po > 0 eine Zahl mit ReX von A und dann C eine Konstante so, dafi
< -fro fiir jeden
Eigenwert X
Eine solche Abschatzbarkeit ergibt sich zum Beispiel daraus, d d die Spalten von eAt Linearkombinationen der in (17) angegebenen Fundamentallosungen sind und diese solchen Abschatzungen genugen. Wir nehmen xo = 0 an und baben dann fiir v eine Darstellung
v(x) = Ax
+ R(x)x,
wobei R(x) + 0 fiir x
+ 0.
Die Existenz einer solchen Darstellung ergibt sich durch Anwendung der letzten Aussage in 2.2 auf die einzelnen Komponenten von v. Eine Losung ip des AWP x = v(x), x(0) = scbreiben wir in der Gestalt ip = eAtz. Wegen (eAtz)' = AeAtz e A t ilost ip dieses AWP genau dann, wenn
+
c,
160
4
Vektorfelder
Dnrch Integration und Multiplikation mit eAt folgt daraus die Identitat
P) von ip. Aufgrund Diese gilt fiir alle t 2 O des Definitionsintervalles (a; der oben gezeigten Abschatzung lieAt 5 Ce-Uot erhat man weiter
1
t
+ c JeU~(s-t)II R (ip(8)) I . llip(~)IIds.
Ilip(t)ll 5 ce-Uot I I ~ I I
0
Es sei nun K C LJ eine kompakte Kugel mit Mitt,elpunkt 0 und einem Radius r K , den wir noch festlegen werden, und M das Maximum von IlRll auf K . Falls ip(s) E K fur s E [O; t ] ,folgt die weitere Abschatzung t
eUotilip(t)ll5
c IICII + CM JeUoSilip(s)llds, 0
und diese impliziert nach dem Lemma von Gronwall
Wir legen nun den Radius von K fest: r~ sei so klein, daB C M < fro. Es sei . behaupten nun, dag eine maximale Integralkurve dann p := T K I ~ CWir 9: (a; 0) -t LJ mit ip(O) E K,(O) fur alle t E [O; P) in KO verlauft,. Ware das nicht der Fall, gabe es ein t* E (O;P) derart, daB ip(t*) E a K und ip(s) E KO fiir s E [O; t*); auf dieses t* durfte (*) angewendet werden, und . Tatsache, man erhielte den Widerspruch ilip(t*)ll < Cllip(0)ll < r ~ Die daB ip zu allen Zeiten t E [O; P) in der kompakten Kugel K bleibt, impliziert nun p = co.Die Ahschatzung (*) ergibt sodann ip(t) -t 0 fur t -t m. Fur Stabilitatsnntersuchungen spielt neben der Linearisiernng des Feldes die Methode der Ljapunow-Fnnktion eine wichtige Rolle. Diese ist auch in manchen Fallen anwendbar, in denen die Linearisierung versagt, und liefert uberdies Abschatzungen des Einzugshereichs eines Attraktors. Definition (Ljapunow-Funktion): Unter einer Ljapunow-Funktion zu einem kritischen Punkt xo eines Vektorfeldes v : LJ -t IRn versteht man eine W1-Rinktion L: LJ + IR mit den beiden Eigenschaften: (i) L hat in xo ein isoliertes Minimum mit L(xo) = 0; (ii) die Ableitung d,L von L langs des Feldes u nimmt nur Werte 5 O an oder nur Werte 2 0. Ljapunow, Alexander (1857-1918): Professor in Petersburg. Von ihm stammen richtungweisende Arbeiten zur ~heorieder gewahnlichen ~ffferential~leichun~en und zur Hydrodynamik sowie wichtige Beitrage zur Potentialtheorie.
4.5 Attraktoren und stabile Punkte
161
Im euklidischen IRn gilt d,L(x) = ( v ( x ) ,gradL(x)). Die Bedingung dvL(x) 5 0 hzw. d,L(x) 2 0 besagt dann, daJ2 der Feldvektor v ( x ) eine Komponente in Richtung des Abstiegs bzw. des Anstiegs der Funktion L hat. 41 .
1st i p : I
+ Q eine Integralkurve von v, so gilt
Die Bedingung d,L 5 0 bzw. d,L 2 0 auj Q impliziert also, da$ die Funktion L auj jeder (orientierten) Integralkurue monoton fallt bzw. wachst. Beispiel 1: Das Feld v : IR + IR, v ( x ) = -xP, p uugerade, hat in 0 einen kritischen Punkt und L : & + IR, L ( x ) = x2, ist eine Ljapunow-Funktion dazu. (i) ist trivialerweise erfullt, und fiir x # 0 gilt d,L(x) = -xp.Zx < 0. Beispiel 2: Sei E ein Erstes Integral des Vektorfeldes v. Hat E in so ein isoliertes Minimum, so ist E - E ( x o )eine Ljapunow-Funktion zu v in xo. (i) ist nach Voraussetzung erfiillt und nach (18) gilt d,E = 0. Wir fiihren noch den Begriff des stabilen Punktes ein, der den des Attraktors erweitert.
Definition (Stabiler Punkt): Ein kritischer Punkt so des Vektorfeldes u: LJ+ IRn heigt stabil, wenn jede Umgebung K C Q von so eine Umgehung V mit folgender Eigenschaft enthglt: Jede maximale Integralkurve ip mit ip(0) E V ist fiir alle t 2 0 definiert und bleibt fur alle diese t in K. Beispiel: Der Nullpunkt ist ein stabiler Punkt des Rotationsfeldes u in IR2, u ( x , y )= ( - y , x ) ; er ist aber kein Attraktor. Satz (Ljapunow): Zu dem kritischen Punkt xo des lokal Lipschitz-stetigen Vektorfeldes v : Q + IRn gebe es eine Ljapunow-Funktion L . Dann gelten die Implikationen: a) d,L 5 0 auj Q xo ist ein stabiler Punkt; b) d,L < 0 auf Q \ {so} xo ist ein Attraktor;
*
c ) d,L
>0
auf Q \
{XO}
* * xo ist kein stabiler Punkt.
162
Vektorfelder
4
Bezueis: Es sei K C (2 eine kompakte Umgebung von xo, ferner fi das Minimum von L auf aK und V := {x E K L(x) < /I). V ist eine nicht leere, in K enthaltene Umgebung von xo. Wir zeigen, daB sie die Bedingung in der Definition eines stahilen Pnnktes bzw. Attraktors erfiillt. a) Sei y : [O; p) + fl eine Integralkurve mit y(0) E V. Wir zeigen zunachst, daB y(t) E V fur alle t E [O; P). Angenommen, das wire nicht so. Dann gibt es ein t* E [O;/3) derart, daB y(t) E V fiir alle t E [O; t*), aber ip(t*) 4 V. Wegen der Abgeschlossenheit von K liegt y(t*) in K. L o p ist nach obiger Bemerkung monoton fallend; insbesondere gilt L(ip(te)) 5 L(ip(0)) < j ~ . Dies steht aber im Widerspruch zu y(t*) V. Die damit gezeigte Tatsache, daB y in dem Kompaktum K verlauft, impliziert weiter P = oo. Somit ist xo ein stabiler Pnnkt. h) Es sei y wieder eine Integralkurve mit y(0) E V. Diese ist nach dem hereits Bewiesenen anf [O; co) definiert nnd verlauft in V. Wir zeigen zunichst weiter, daf2 limt,, L(ip(t)) = 0. Da L o ip monoton fdlt und nur Werte 2 0 annimmt, besitzt L o y jedenfalls einen Grenzwert a 2 0. Wegen L(y(t)) 2 a verlauft y in der Menge Va := {x E K L(x) 2 a ) . Bezeichnet M das Maximum von d,L in der kompakten Menge K , so ist ( L o = d,L o ip 5 M ; damit folgt
I
4
I
L ( Y ( ~ )-) L(Y(O)) 5 Mt. Ware a > 0, so wire xo 4 V, und damit M < 0. Dann aber wire L auf der kompakten Menge V, nicht nach unten beschrankt. Widerspruch! L(y(t)) = 0 ergibt sich nun sofort, daB lim,,, y(t) = xo, Aus limt,, da xo die einzige Nullstelle von L in der kompakten Menge Vo ist. c) Sei K c (2 eine kompakte Umgebung von xo. Angenommen, es gabe dam eine Umgebung V C K von $0 wie in der Definition eines stabilen Punktes gefordert. Wir nehmen V als kompakt an. Weiter sei y : [O; oo) + K eine Integralkurve mit ip(0) E V \ {xo}. Die Funktion L o ip wachst monoton wegen ( L o ip)'(t) = d,L(y(t)) 2 0. Insbesondere gilt L(y(t)) 2 L(y(0)) =: c. Somit verlauft y in der Menge V, := {x E K L(x) 2 c). Bezeichnet m das Minimum von d,L in Vc , so folgt analog zu Teil b) L(y(t)) - L(y1(0)) 2 mt. Wegen y(0) # xo ist c # 0 und folglich m > 0. 0 Damit aber wire L auf K unbeschrankt. Widerspruch!
I
Der Beweis fiir die Aussagen a) und b) ergibt als zusatzliche Information eine untere Abschatzung des Einzugsbereiches eines Attraktors.
Definition: Unter dem Einzugsbereich eines Attraktors xo des Feldes v: f2 + IRn versteht man die Menge der Punkte E E (2 mit der Eigenschaft: Die maximale Integralkurve y mit y(0) = [ ist auf ganz [O; m ) definiert nnd konvergiert gegen x0 fur t + co.
4.5 Attraktoren und stabile Punkte
163
Zusatz: Es gelte d,L < 0 in Q \ { x o } ;ferner habe L die Eigenschaft, daJ f i r einen Funktionswert fi die Menge K, := { x E f2 L ( x ) 5 p } kompakt ist. Dann gehort V = { x E Q L ( x ) < /I} zum Einzugsbereich uon xo.
I
I
Beispiel: Die Li6nardsche Gleichung
x
+ f ( X ) X + x = 0.
Diese Gleichung spielt in der Theorie der elektrischen Schaltkreise eine gewisse Rolle. Ihr assoziiertes System 1. Ordnung lautet
Wir setzen voraus, daf3 f auf einem Interval1 I mit 0 E I lokal Lipschitzstetig ist und nur Werte 5 0 annimmt oder nur Werte 2 0. Der Nullpunkt ist ein kritischer Punkt des Feldes v und zwar der einzige. Eine Ljapunow-Funktion zu v ist L : I x IR + IR, L ( x , y) := x2 y 2 , da d V L ( x y, ) = -2f ( x ) y 2nur Werte 2 0 bzw. 5 0 annimmt. Also ist (0,O)
+
ein stabiler Punkt, falls f 2 0 in I, ein Attraktor, falls f > 0 in I \ {O), ein instabiler Punkt, falls f < 0 in I \ {O}. Historisches. Fragen des Langzeitverhaltens und der Stabilitat spielen in Naturwissenschaft und Technik von jeher eine besondere Rolle. Die Frage nach der Stabilitat des Sonnensystems etwa hat Astronomen und Mathematiker bald nach Newtons Philosophiae naturalis principia mathernatica (1687) bewegt. Lagrange und Laplace gaben Scheinbeweise fiir die Stabilitat; tatsachlich behandelten sie nur angenaherte Probleme. Im Jahre 1885 wurde das Problem vom schwedischen Konig Oskar 11. als Preisaufgabe ausgeschrieben. Den Preis gewann H. Poincar&,obwohl seine Arbeit keine Entscheidung brachte. Die Preisarbeit erregte aber wegen ihrer Ideen und Methoden die hochste Bewunderung von Weierstrd. Poincarb begriindete in ihr und zahlreichen weiteren Abhandlungen die glohale Theorie der Differentialgleichungen und Vektorfelder auf Mannigfaltigkeiten. Ein neues und wesentliches Element stellt dabei die wechselseitige Beziehung von analytischen Strukturen der Felder und topologischen Strukturen der Mannigfaltigkeiten dar. Neue Einsichten in das Problem der Stabilitat des Sonnensystems brachte die ab 1954 von Kolmoeorow. seinem Schiiler W. 1.Amold und J. Moser ent" wickelte sogenannte ~ A ~ - ~ h ; o r die i e , wesentlich auf Ergebnissen von Poincare aufbaut. Ihr Hauptresultat besagt, dali die Hamiltonschen Gleichungen, die das n-Korperproblem einschlieflen, quasiperiodische Losungen besitzen, wobei die Mnglichkeit besteht, daR eine beliebig kleine Storung eine quasiperiodische Losung in eine instabile umkippen 1%. Hiernach muR das Stabilitatsproblem des Sonnensystems als offen gelten.
164
4 Vektorfelder
Poincad, Henri (1854-1912): Professor in Paris und Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Sein umfangreiches Werk enthalt hahnhrechende Arheiten zu den verschiedensten Gebieten der Mathematik und Mathematischen Physik: Zur Analysis (Automorphe Funktionen, Differentialformen), zur Topologie (Homologietheorie, Fundamentalgruppen),zur hyperholischen Geometrie (PoincarBsches Modell) und zur Theorie der partiellen Differentialgleichungen. Poincark ist der Begriinder der qualitativen Theorie der gewohnlichen Differentialgleichungen. Von ihm stammen ferner grundlegende Beitrage zur Himmelsmechanik, Hydrodynamik und Optik. Poincare gilt als ein Vorlaufer Einsteins in der speziellen Relativitatstheorie. In seinem Spatwerk behandelte er Grundlagenfragen der Mathematik und Naturwissenschaft (La Science et 1'HypothLe).
4.6
Fliisse in Vektorfeldern und Divergenz
Nachdem wir bisher einzelne Integralkurven eines Vektorfeldes untersucht baben, befasen wir uns im Folgenden mit Scharen yon Integralkurven, sogenannten Fliissen. In einem stetig differenzierbaren Vektorfeld erzeugen Fliisse lokal zeitabhejlgige Diffeomorphismen, deren Volumenverzerrung zum Begriff der Divergenz eines Vektorfeldes fiihrt.
v: LJ + IRn sei im gesamten Ahschnitt 4.6 ein %?-Vektorfeld auf einer offenen Menge des IRn. Wir studieren zunachst die Deformierbarkeit einer Integralkurve langs eines kompakten Zeitintervalls. Die folgende Aussage bedeutet eine Art Stabilitat, wobei allerdings Integralkurven mit der Zeit exponentiell auseinanderdriften konnen.
Lemma: Es sei 9 : [O; b] + LJ eine Integralkurue des Vektorjeldes v. Dann, gibt es Zahlen r , L > 0 derart, daJ gilt: a) Zu jedem Punkt x E K,(xo), xo := p(O), gibt es eine Integralkurue $ mit $(0) = x, die ebenfalls fiir alle t E [O; b] erklart ist. b) Je zwei 1n.tegralkuruen $1,
$2 von v mit $i(0) E weichen uoneinander hochstens wie folgt ah:
Kr(xO),i
= 1,2,
Analoge Aussagen gelten im Fall eines Definitionsinterualls [a;0] Beweis: a) Wir wahlen eine Zahl p > 0 derart, daB die kompakte Menge K := UtE,O;bl q ( p ( t ) )in f2enthalten ist, und setzen dann L := max IIvl(x)II, zEK
T
:= p e -Lb
4.6 Fliisse in Vektorfeldern und Divergenz
165
Es sei nun x E %(so) und $: (a; p) + f2die maximale Integralkurve mit $(0) = x; dabei ist 0 < /3. Wir zeigen zuniichst, da%
(*)
d(t) := Il$(t) - v(t)II < p fur alle positiven t < min(p, b)
gilt. Angenommen, dem sei nicht so. Dann gibt es ein t* < min(P, b) so, da%d(t) < p fiir t < t*, aber d(t*) = p. Mit y(t) = ~ ( 0 ) ~ ~ ~ v ( i p ds (s)) und der analogen Identitat fur $ ergibt sich
+
ll?(t) -
Y@II
5
Il$(o) - v(0)Il + ~ l l v ( ? ( ~-) )U ( Y ( ~ ) )1 ds. 0
Fur s E [O; t*] ist $(s) E K. Aufgrund des Schrankensatzes und nach der Wahl von L gilt also ilu($(s)) - v(v(s)) 5 L ll$(s) - v(s)II. Damit folgt
11
t
d(t) 5 d(0)
+ L J d(s) ds
fiir t E [O; t*]
0
Das Lemma von Gronwall liefert weiter die Abschatzung d(t*) 5 d(0) .eLt*. Damit folgt d(t*) 5 pe-L(b-t*) < p, was der Wahl von t* widerspricht. Es ergibt sich jetzt sofort, daJ2 0 > b ist. Zum Beweis wenden wir das Korollar des Satzes uber die Lebensdauer maximaler Integralkurven auf $ und das Kompaktum K an. Im Fall P < m gibt es danach ein t E (0; P) mit $(t) 4 K. Wegen ( x ) mug t 2 b sein. Damit folgt P > b. b) Wie in a) erhilt man aus den Identitaten $i(t) = $ 0 ein 6 > 0 so, da8 fur alle T E [O; t]die Abschatzung l l A 1 ( ~-) Az(T)II 5 E besteht, sofern llhll 5 6. Fur solche h gilt d a m nach ~~] dem unten folgenden Vergleichslemma mit a := m a x , ~ [ llA1(~)11
Diese Abschatzung beweist die Stetigkeit von
im Punkt x
4.6 Fliisse in Vektorfeldern und Divergenz
169
Nachweis der Diffeomorphie der Abbildung @ t : U + U t . Die Injektivitat folgt unmittelbar aus dem Eindeutigkeitssatz in 4.2; ist also bijektiv. Die Stetigkeit der Ableitung @'(t)haben wir soeben gezeigt. Ferner ist die Ableitung @ i ( x )an jeder Stelle x invertierbar. Das folgt daraus, dafl ( I )ein Wert der Losung des AWP (22)ist, also eine Fundamentalmatrix; siehe 4.3. Nach dem Diffeomorphiesatz in 3.3 ist daher et : U + e t ( U ) ein Diffeomorphismus. 0
@i
Vergleichslemma: Es seien A1, A 2 : I + IRnXn stetige Funktionen mit llAl - Azllro;tlI E , [O;t] C I. Dann weichen die Losungen der zwei A W P
woneinander hochsten,~wie folgt ab: A~Il~o;t~ IIXl(t) - X z ( t ) l l I ~ ~ I I X 1 I I [ o ; t ~ ~ x ~ ( ( l l+&It)
Dabei hezeichnet il*llro,tldas Maximum von II*II auf 10; t].
Beweis: Die Integralversion der beiden AWP ergibt
Damit folgt
Das Lemma von Gronwall ergibt nun sofort die Behauptung.
0
@i
Wir wenden nun den Satz von Liouville in 4.3 auf die Losung t e ( x ) der Differentialgleichung (22) an ( x ist fixiert). Nach diesem Satz geniigt die Funktion t w det @ l ( x )der Gleichung (det
(x))' = Spur v' (@t ( x ) ) . det @1(x)
Diese Beziehung legt die Einfiihrung eines fiir die Theorie der Vektorfelder fundamentalen Begriffes nahe.
Definition (Divergenz eines Vektorfeldes): Unter der Divergenz eines ql-Vektorfeldes v = (01,. . . ,w , ) ~ : f2 + IRn versteht man die Funktion
4 Vektorfelder
Damit lautet die vorangehende Gleichung (det @i(z))' = divv(@,(x)) . det @l(x).
(23) Fiir
t = 0 ergibt diese wegen @o(x)= x und @b(x) = E
1
(24)
div u ( i ) = (det
@: ( i ) ) ' 1 t=o
Deutung: Die Matrix mi(%) stellt am Punkt x die lineare Approximation der Abbildung @t: U II dar und der Betrag ihrer Determinante Idet @i(x)I die Volumenverzerrung dieser Approximation; siehe 7.7. Fiir hinreichend kleine It1 ist det @l(x) positiv, d a det @b(x) = 1; daher gilt ldet (x) = det @i(x). Fafit man die lineare Approximation als ,,Approximation im Kleinen" auf, erhalt (24) folgende Deutung: Die Divergenz eines Vektorfeldes in einem Punkt gibt die Geschwindigkeit der dort von der Zustandsabbildung bewirkten Verzerrung des infinitesimalen Volumens an.
+
@: I
Wir leiten fiir die letzte Aussage auch noch eine Version im GroBen her. Dazu greifen wir auf die Integralrechnung vor und verwenden insbesondere den Transformationssatz aus Kapitel 9. Es sei A eine kompakte Teilmenge von R. Ferner sei [O;c] ein Interval1 so, dafs das Feld u: R 7- IRn einen Flu% [O; c] x A 7- R erzeugt. Fiir jedes t E [O;c] hat dann @t(A)nach dem Transformationssatz das Volumen
*:
"01 (mt(A)) = /ldet A
I dz = / det mi(z) dz A
Mit (23) folgt daraus die Formel von Liouville: d dt
- vol (&(A)) =
/ div u (@,(z)) . det
(I) dz
A
Speziell im Zeitpunkt 0 gilt also
Wir wenden die Formel von Liouville an auf die Rage der Volumentreue eines Vektorfeldes. Ein ~ l - ~ e vl:dC2 7- IRn heat uolurnentreu, wenn fiir jede kompakte Menge A C C2 und jeden F l d @: [O;c] x A gilt: vol (Gt(A)) = vol (A) fiir jedes t E [O;c] Aufgrund der Formel von Liouville ergibt sich sofort, dafs $ vol (mt(A)) fiir alle kompakten A Null ist genau dann, wenn divu = 0. Damit folgt: Satz (Liouville): Ein X I - Vektorfeld u: R 7- En ist genau dann uolurnentreu, wenn es divergenzfrei ist, d. h., wenn divu = 0 gilt.
4.7 Divergenz und Laplace-Operator in orthogonalen Koordinaten
4.7
171
Divergenz und Laplace-Operator in orthogonalen Koordinaten
Wegen des Auftretens der Divergenz in mannigfachen Zusammenhbgen leiten wir fiir sie, ankniipfend an 4.1, die Darstellung in einem beliebigen orthogonalen Koordinatensystem her. Als Folgerung gewinnen wir damit auch eine Darstellung des Laplace-Operators in einem solchen Koordinatensystem.
In diesem Abschnitt verwenden wir auf IRn die euklidische Metrik. Zunachst stellen wir die Divergenz mit Hilfe einer beliebigen Orthonormalbasis von Vektorfeldern dar.
Lemma: L9t u : R + IRn ein differenzierbar Vektorfeld, so gilt mit jeder Orthonormalbasis- 71, . . . ,vn von Vektorfeldern auf R
Beweis: Es bezeichne H ( x ) die Matrix mit den Spalten q l ( x ) ,. . . ,q n ( x ) . Da diese orthogonal ist, ergibt sich unter Beachtung von ( 1 ) :
Es sei nun P : f? + f2 ein Diffeomorphismus mit der Eigenschaft, daB an jeder Stelle ( E f? die Spalten der Funktionalrnatrix P ' ( ( ) aufeinander senkrecbt stehen. In der Terminologie von 4.1 stellt also P-l ein orthogonales Koordinatensystem auf R dar. Durch
sind dann Vektorfelder 111,. . . , q n auf R erkliirt, die eine Orthonormalbasis hilden; siehe (5). In dieser Basis hat ein beliebiges Vektorfeld u auf R die Darst,ellung u = C;='=, viqi mit v , ( x ) := (v(z),q i ( x ) ) und das nach f? zuriickgeholte Vektorfeld ir die Darstellung
dabei ist iri = v , o P = (ti, Gi)
172
4
Vektorfelder
Satz: Es sei @ 2-ma1 stetig differenzierbar. Mzt L := L1 .. . Ln hat die Divergent eines F1-Vektorfeldes u auf f2 in x = @(€) die Darstellung
Beweis: Wir nehmen zunachst zwei Reduktionen vor. 1. Aus Linearitatsgrunden genugt es, die Behauptung fur die einzelnen Summanden uiqi zu zeigen. 2. Zum Nachweis der Behauptung fiir einen einzelnen Summanden uiqi genugt es, diese im Fall ui = 1zu verifizieren. Begriindung fiir 2: Die linke Seite in (26) hat fiir uiqi nach der Produktregel den Wert div(uiqi)( x ) = a,; u i ( x ) v i ( x ) . div q i ( x ) . Mit (41) ergibt sich dafiir weiter
+
(0 + 6i ( E ) . div qi ( x ) .
1
(*)
Die rechte Seite in (26) hat fur 6iGi den Wert
Durch Vergleich mit (*) sieht man, daJ2 (26) gilt, falls 1
L ai (-) (€1 Li
div q,(x) = L(E)
Nachweis won (26'): Nach dem Lemma gilt zunachst
Wegen (d,,qi, q i ) = $dVi(qi,q i ) und ( q i , q i ) = 1 liefert der i-te Summand keinen Beitrag. Mit (5) und (41) sowie (&@,?Ik@)= hikL: geht die Summe uber in
und wegen
(&ai@, &@)
= $3i(dk@ra h @ ) = $diL; = Lk . aiLk uber in
Damit ist auch (26') gezeigt.
0
4.8 Aufgaben
173
Darstellung des Laplace-Operators Es sei f : Q + IR eine W2-Funktion auf der offenen Teilmenge Q des euklidischen IRn. Wir berechnen A f anhand der nach f? zuriickgeholten Funktion f : fi + IK; dabei sei weiterhin @ : fi + f2 ein V2-Diffeomorphismus ein orthogonales Koordinatensystem auf Q definiert. derart, daX F1 Aufgrund der Darstellung A f = divgrad f erhalten wir nach (6) und (26) im Punkt x = @(():
Der hier rechts auftretende Differentialoperator
heist der mittels @ zuriickgeholte Laplace-Operator. (27) lautet damit:
Beispiel: Die Transformation mittels der Polarkoordinatenabbildungen Pz und?'l ergibt in den Punkten mit r > 0 bzw. r > 0, cosip2 > 0
4.8
Aufgaben
1. Man skizziere das Geschwindigkeitsfeld v : lR3 + lR3, v(x) := w x
x,
einer starren Drehung im euklidischen IK3 mit der vektoriellen Drehgeschwindigkeit w E lR3 und berechne seine Divergenz.
2. Mittels Picard-Lindelof-Iteration ermittle man die Losung des AWP
3. Jedes Anfangswertproblem der Differentialgleichung j: = It sin txl hat genau eine auf ganz IR definierte Losung.
4 Vektorfelder
174
4. Sei v : IRn + Rn ein %?-Vektorfeld. Man zeige: Jede maximale Integralkurve des Feldes 6:IRn + IRn, ii(x) := sin(llxII) .v(x), ist auf ganz At definiert. Wo verlauft eine solche? 5 . Man bestimme alle konstanten und alle periodischen Integralkurven des Feldes v: IR2 + R2 rnit v(O,0) = (0,O) und
Ferner skizziere man qualitativ alle weiteren Integralkurven.
6. Es sei v: f2 + IRn ein stetiges Vektorfeld auf f2 C IRn und a: f2 + R* eine stetige Funktion. Man zeige: Die Spuren der Integralkurven der heiden Vekt,orfelder v und a u stimmen iiberein. Genauer: 1st $ eine Integralkurve des Feldes a u rnit $(TO) = xo und T = ~ ( t die ) durch
definierte Zeittransformation, so ist p := $ o T eine Integralkurve des Feldes v rnit p(t0) = s o . eine Matrix mit Eigenwerten 7. Sei A E X i ijt und y, wobei X und y negativ seien. Man skizziere die Integralkurven des Feldes u: IR3 + IR3, v(x) := Ax, und untersuche ihr Verhalten fiir t + oo. Die Abbildung zeigt einige Kurven fiir X < y.
8. 1st A E IRnXn schiefsymmetrisch, AT = -A, SO verlauft jede Losung der Gleichung x = Ax auf einer Sphare um 0. 9. Spezielle inhomogene Systeme. Es sei A E C n x n und w E C eine Zahl, die kein Eigenwert von A ist. Man zeige: Fur jedes Polynom p(t) rnit Koeffizienten in Cn besitzt die Differentialgleichung
x = Ax + ewtp(t) eine Losung der Gestalt ewtq(t),wobei q ein Polynom rnit Koeffizienten in Cn und Gradq = Gradp ist. 10. Man zeige: Fiir vertauschbare Matrizen A, B E C n x n gilt eA+B = e A . eB. Hinweis: Sowohl U(t) := e(A+B)t als auch V(t) fangswertproblem x = ( A+ B ) X , X ( 0 ) = E.
:=
eAteBt lasen das An-
11. Man zeige rnit Hilfe der Formel (15) in 4.3 fur A E C n x n
4.8 Aufgaben
175
12. Das in Band 1,10.2 eingefiihrte charakteristische Polynom einer linearen Differentialgleichung n-ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten ist bis auf einen konstanten Faktor das charakteristische Polynom der Matrix des assoziierten linearen Systems 1. Ordnung. 13. Fiir die Losungen einer homogenen linearen Differentialgleichung 2. Ordnung mit stetigen Koeffizienten auf einem Interval1 I zeige man: a) Jede von Null verschiedene Losung hat nur einfache Nullstellen, und die Menge ihrer Nullstellen hat keinen Haufungspunkt in I. b) 1st ( i p , $) ein Fundamentalsystem, so liegt zwischen je zwei Nullstellen von ip eine Nullstelle von $ (Trennungssatz). Hinweis: ip4- $$ hat keine Nullstelle. 1
14. Gegeben ist die Differentialgleichung x = - (2: - ,x2) a) Man ermittle zu dem assoziierten System LOrdnung ein Erstes Integral E und diskutiere qualitativ mit Hilfe des Lemmas von Morse dessen Niveaulinien in der Nahe der kritischen Stellen. b) Man herechne die Niveaulinien explizit. 15. Man zeige, daB (0,O) ein instabiler Punkt des der Gleichung
x + i2 sign(5) + x = 0 zugeordneten Systems 1. Ordnung ist. (Terme x2 sign(x) werden zur Beschreibung des Luftwiderstandes bei schneller Bewegung benutzt.) 16. Es sei f : 0 + lR eine V1-Funktion mit isoliertem Minimum in xo. Man zeige, daB xo ein stahiler Punkt des Feldes u := -grad f ist, und gebe eine hinreichende Bedingung dafiir an, daB xo ein Attraktor ist. 17. Eiu Feld v: 0 + IRZn auf einer offenen Menge 0 C IRn x IRn heiBt Hamiltonsches Feld, wenn es eine V2-Funktion H: 0 + IR gibt so, daB
Das zugeordnete Gleichungssystem lautet also
Man zeige: a) Das der Schwingungsgleichung x = -17'~(x) zugeordnete Vektorfeld ist ein Hamiltonsches Feld. b) H ist ein Erstes Integral des Feldes v.
176
4 Vektorfelder
c) Jede isolierte Minimalstelle von H ist ein stabiler Punkt von v. d) Ein Hamiltonsches Feld hat die Divergenz Null: divv = 0. 18. Gegeben sei das Vektorfeld v : IR2 + IR2,
a) Man ermittle die Zustandsabhildungen @t und skizziere die Bilder @I(&)undmz(Q) des QuadratesQ := {(x,y) 11s - 21 I 1, IyI 5 1). b) Man verifiziere, daB die Divergenz des Feldes konstant ist. Was folgt daraus fiir die Flacheninhalte von Bildern &(A), t E IR, von Mengen A C IR2? Man bestatige das Ergebnis am Beispiel des Quadrates Q. 19. Anstelle der Polarkoordinatenabbildung P3 verwendet man in der Physik oft die sogenannte Kugelkoordinaten-Transformation
a) Man zeige: T-I definiert auf IR3 \ {(zl,O,x3) ein orthogonales Koordinatensystem.
I
XI
5 0,
$3
E
IR}
b) Man stelle die Operatoren grad und A in Kugelkoordinaten dar. 20. Vektorfelder und Derivationen. Unter einer Derivation auf Ceg(f2) (dem Raum der reellen Vm-Funktionen auf 0 ) versteht man eine IRlineare Abbildung 93: V g ( 0 ) + Cep(f2) mit der zusatzlichen Eigenschaft 9 ( f s ) = 9 f . s + f ,939. Man zeige: Die Ableitung a, liings eines Vm-Vektorfeldes u: 0 + IRn ist eine Derivation und jede Derivation ist die Ableitung langs eines geeigneten Cem-Vektorfeldesauf 0 . Hinweis: Zum Nachweis der Umkehrung verwende man 2.8 Aufgabe 20.
5
Felder von Linearformen, Pfafsche Formen. Kurvenintegrale
Jede differenzierbare Funktion f : U + C auf U C R n definiert durch x ct df(x) eine Abbildung U + L(Rn, C). Abbildungen U + L(IRn,C) heiBen PfafFsche Formen oder auch l-Formen auf U. Mit Hilfe eines Skalarproduktes konnen die reellen l-Formen eineindeutig den Vektorfeldern auf U zugeordnet werden. Wir fiihren das Integral von l-Formen langs Kurven in U ein und untersuchen, unter welchen Bedingungen das Integral nur van Anfangs- und Endpunkt der Kurve abhangt. Fur Vektorfelder ergeben sich damit Aussagen uber die Existenz von Potentialen.
5.1 BegrifF der Pfaffschen Form Definition: Unter einer Pfaffschen Form oder auch Differentialform ersten Grades, kurz l - F o n , auf einer offenen Menge U C IRn versteht man eine Abbildung w: U + L(IRn,C). Fiir jedes x E U ist also w(x) eine IR-lineare Abbildung w(x): IRn + C. Die l-Form w heifit reell, wenn der Wert w(x)h fur alle x E U und alle h E R n reel1 ist. Beispiele von l-Formen sind die hereits erwahnten Differentiale df differenzierbarer Funktionen f : U + C. An jeder Stelle x E U ist d f (I) : IRn + C die komplexwertige Linearform mit
Mit Hilfe eines Skalarproduktes ( , ) auf IRn kann man eine eineindeutige Korrespondenz von Vektorfeldern und reellen l-Formen herstellen. Dazu assoziiert man einem Vektorfeld v: U + IRn die l-Form w, mit
178
5
Felder von Linearformen, Pfaffsche Formen. Kurvenintegrale
Umgekehrt: 1st w eine reelle 1-Form auf U , so gibt es zu jeder Linearform ~ ( x )x, E U, einen eindeutig bestimmten Vektor u,(x) E IRn derart, daB
Dmch x H u,(x) ist dann ein Vektorfeld v, erklirt. Die Zuordnungen u H w, und w H uw sind offensichtlich zueinander invers. Speziell einem Differential df wird aufgrund der den Gradienten definierenden Gleichung df (x)h = (grad f (x), h) das Gradientenfeld yon f zugeordnet: u = g r a d f o w,=df. Darstellung durch die Differentiale d x l , .
..,dx,
Es sei xi die durch (6,. . . ,&) + .$ definierte Koordinatenfunktion auf Rn. Ihr Differential dxi ist an jeder Stelle F durch dxi(()h = hi gegeben. Weiter sei w irgendeine 1-Form auf U. Durch Auswertung auf der Standardbasis e l , . . . ,en des Rn erhalt man Funktionen al, . . . ,a, : U + C: ai(5) := w(c)ei. Mit diesen ergiht sich aufgrund der Linearitat von w(c)
Dafiir schreibt man kurz (3')
w = a1 dxl
+ . .. +a,
dx,.
Die Funktionen al, . . . ,a, heiBen Koeffizienten der 1-Form w beziiglich dxl, . . . ,dx,. Zwei wichtige Fme: 1. 1st w das Differential einer Funktion, so gilt ai([) = df ( 4 > 7. = ll(x,Y)Il2>
Ihnen sind via Standardskalarprodukt die 1-Formen (4)
(5)
1 dx x dy) (Windungsfom), r2 1 w c = - ( a : dx y dy + z dz) (Gravitationsform)
ww = -(-y 73
+
+
zugeordnet. Eine 1-Form w auf U heist stetig bzw. von der Klasse W k , wenn die Abbildung w : U + L(Rn, C) stetig bzw. von der Klasse W k ist. Fur w = Cy='=,ai dxi ist das genau dann der Fall, wenn die Koeffizienten a l , . . . , a n stetig bzw. von der Klasse V k sind.
5.2
Integration von 1-Formen l h g s Kurven
Um die Arbeit, die ein Prohekijrper in einem Kraftfeld u bei Verschiehung Iangs eiues Weges von A nach B leistet, naherungsweise zu berechnen, approximiert man in der Physik den Weg durch einen Streckenzug. Die + Summe C(v(Pk), P ~ - ~ P in ~ der ) , jeder Summand das Skalarprodukt des + Kraftvektors u(Pk)mit dem Wegvektor Pk-lPk ist, dient als Naherung der Arbeit. Der Grenzwert wird als die langs des Weges geleistete Arbeit bezeichnet.
Zur Definition des Integrals einer 1-Form lejlgs einer Kurve verwenden wir ebenfalls Approximationen des Integrationsweges durch Streckenzuge. An die Stelle der Skalarprodukte (v(Pk), treten entsprechende Werte der Differentialform.
m)
180
5
Felder von Linearformen, Pfaffsche Formen. Kurvenintegrale
Sei y : [a;b] + U eine Kurve im Definitionsbereich der 1-Form w. Zu einer Zerlegung Z : a = t o < tl < . .. < t, = b und einer Menge Z' van Stutzstellen ti E [ t k - 1 ; t k ] , k = 1 , . . . ,r , bilden wir die Summe
Definition: w heiMt langs y integn'erbar, wenn eine Zahl I existiert mit der Eigenschaft: Zu jedem E > 0 gibt es ein 6 > 0 so, dafi fiir jede Zerlegung Z von [a;b] der Feinheit < 6 und jede Wahl von Stutzstellen Z' gilt:
I heifit dann das Integral von w liings y; in Zeichen: I = J w. 7
Bemerkung: Fur eine Form w = f dx auf einem Interval1 I C IR und die Kurve y : [a;b] + I , y(t) = t, sind die Summen S(Z, 2')identisch mit den Riemannschen Summen der Funktion f . 1st f eine Regelfunktion, so existiert das Kurvenintegral Jy f dz, und es gilt J7 f dz = Jab f dx. Eine stetige 1-Form ist keineswegs langs beliebiger Kurven integrierbar, nach dem folgenden Satz jedoch lings sogenannter Integrationswege. Wir nennen y = (71,. . . ,7,) : [a;b] + IRn einen Integrationsweg, wenn es Regelfunktionen + I , . . . ,jn auf [a;b] gibt so, dafi yi eine Stammfunktion zu +i ist, i = 1,.. . ,n. Zum Beispiel ist jede stuckweise stetig differenzierbare Kurve ein Integrationsweg. y: [a;b] + IRn heifit stuckweise stetig differenzierbar, wenn es eine Zerlegung a = t o < tl < . . . < t, = b gibt so, d d alle Einschrankungen y I [tk-l;tk]stetig differenzierbar sind. Jeder Integrationsweg ist Lipschitz-stetig und folglich rektifizierbar.
Satz 1: Ist w = C:=, ai dxi stetig und y = (71,. . . ,yn): [a;b] + U ein Integrationsweg, so ist w langs y integn'erbar, und es gilt
Beweis: Sei L die Bogenlejlge von y. Zu E daB fur alle t ,t' E [a;b] mit it - t'l < 6 gilt:
> 0 w a l e man
ein 6 > 0 so,
Es sei nun Z eine Zerlegung von [a;b] der Feinheit < 6 und Z' eine Menge van Stutzstellen. Wir bezeichnen das in (6) rechts stehende Integral mit I ;
5.2 Integration von l-Formen h g s Kurven
damit folgt dann wegen yi(tk) - yi(tk-1) =
?,dt
Beispiele: 1. Sei w =
u2 dx + dy und yn(t) = (t,ta), t E [O; 11, cu 2 1 1
/ w = J(tZa + cutn-')
1 dt = 2cu + 1
+
7a
0
Man beachte, daB alle Wege y, denselben Anfangspunkt und denselben Endpunkt haben; die Integrale aber haben verschiedene Werte.
k
1
- - -- -- - -
7a ;
o
1
+ IR2 ein Integrationsweg, der nicht durch den Nullpunkt fiihrt. Mit y(t) = (x(t), u(t)) lautet (6)
2. Sei w w die Windungsform (4) und y : [a;b]
1st y zusatzlich geschlossen, so ist der Wert dieses Integrals nach Band 1,12.7 (22) das 2n-fache der Windungszabl von y um den Nullpunkt:
Rechenregeln I. Sind wl wnd w2 langs y integrierbar, so auch clwl
+ czwz, und es ist
11. Sei a < b < c und sei y : [a; c] + U stetig. Ist w langs der Teilkuruen y1 := y I [a; b] und y2 := y 1 [b;c] integrierbar, so auch langs y, und es gilt
J , w = ~ ~ w + J y ~ w ~
In solchen Situationen schreiben wir manchmal kurz y = yl
+ 72.
Beide Regeln lassen sich leicht anhand der Definition beweisen.
182
5 Felder von Linearformen, Pfaffsche Formen. Kurvenintegrale
+
111. Sei t : [a;P] [a;b] eine bijektive, stetige Transformation. Ist w langs y: [a;b] + U integrierbar, so aueh langs yo t, und es gilt
dabei gilt +, falls die Funktion t monoton waehst, und -, falls sie fallt. Insbesondere gilt fiir die umorientierte Kurue y-:
Beweis: Wegen der Bijektivitat von t entspricht jeder Riemannschen Summe zur Kurve y eine Riemannsche Summe zur Kurve y o t und umgekehrt. Ferner gibt es zu jedem 6 > 0 ein S' > 0 so, daB fur T,T' E [a; P] lt(7)- t ( r f ) l < S gilt, falls 17 - 7'1 < S'. Jede Zerlegung von [a;P] der Feinheit < S' wird also durch die Transformation t in eine Zerlegung van [a;b] der Feinheit < 6 ubergefuhrt. 1st 6 eine im Sinn der Definition der Integrierbarkeit hinreichende Feinheit fur y, so ist S* eine fur y o t. Bernerkung: Wegen der Invarianz des Kurvenintegrals gegen stetige, monoton wachsende Parametertransformationen geniigt es, bei einem einmal zu durchlaufenden Integrationsweg lediglich dessen Spur und Orientierung anzugeben. Invarianz nur gegen 5f1- rans sf or mat ion en reichte dam nicht.
5.3
Exakte 1-Formen. Wegunabhbgigkeit der Integration
Jede stetige Differentialform f dx auf einem Interval1 I C IR besitzt nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung eine Stammfunktion; darunter versteht man eine stetige, fast uberall differenzierbare Funktion F mit d F = F' dx = f dx. Im Gegensatz zum eindimensionalen Fall besitzt nicht jede stetige 1-Form auf einer offenen Menge U C IRn, n > 1, eine Stammfunktion. Wir zeigen, daf2 die Existenz einer Stammfunktion zur Wegunabhingigkeit der Integration gleichwertig ist.
Definition (Stammfunktion): Unter einer Stammfunktion oder einem Potential zu einer 1-Form w = Cy=lfidxi auf einer offenen Teilmenge U C IRn versteht man eine differenzierbare Funktion f : U + Q: mit
Eine 1-Form, die auf U eine Stammfunktion besitzt, heigt exakt auf U . 1st U zusammenhingend, so unterscheiden sich zwei Stammfunktionen nach der Folgerung in 2.2 nur um eine Konstante.
5.3 Exakte 1-Formen. Wegunabhbgigkeit der Integration
183
Bei der Frage der Exaktheit einer 1-Form kommt es wesentlich auf den Definitionshereich an. Zum Beispiel hat die Windungsform auf IR2 \ {O) keine Stammfunktion (siehe die Bemerkung im AnschluJi an die Folgerung zu Satz 2), wohl aher auf jeder konvexen Teilmenge davon (siehe 5.4). Die Knrvenintegrale exakter 1-Formen lassen sich wie im Eindimensionalen mit Hilfe von Stammfunktionen herechnen.
Satz 2: Ist f auf U eine Stammfunktion der stetigen 1 - F o n w , so gilt f i r jeden Integrationsweg y in U n i t Anfangspunkt A und Endpunkt B
Beweis: Sei y: [a;b] + U die Parameterdarstellung mit y(a) = A und y(b) = B. Nach der Kettenregel in 2.1 hat die stetige Funktion f o y bis anf hijchstens abzihlhar viele Parameterstellen die Ahleitung d f (y (t))?(t); sie ist also eine Stammfunktion znr Regelfunktion t H df (y(t));i(t). Mit Satz 1und dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung folgt also
Beispiel: Die Gravitationsform (5) besitzt anf IR3 \ {O) das Potential f (x, y, Z) = l l r . Fur einen beliebigen Integrationsweg y in IR3 \ {O) von A 1 1 nach B gilt also w c = - - -, r p = IIPl12.
1 7
TB
?A
Folgerung: Besitzt die 1-Form w eine Stammfunktion auf U , so gilt: (i) Fur einen geschlossenen Integrationsweg y in U ist J, w = 0. (ii) Fur zwei Integrationswege 71 und yz in U mit gleichen Anfangspunkten und gleichen Endpunkten ist J7,w = W. Mit Teil (i) ergiht sich sofort, daJi die Windungsform (4) auf IR2 \ {O) keine Stammfunktion hesitzt; ihr Integral l h g s des positiv orienterten Einheitskreises hat nejnlich nach (7) den Wert 2 ~ # i 0. Gilt fur eine 1-Form w auf U und beliebige Integrationswege yl, y2 in U mit gleichen Anfangspunkten und gleichen Endpunkten JY1 w = JT2 W , so sagt man, w konne in U weganabhangig integriert werden. Fur das Integral langs eines beliebig gewahlten Integrationsweges in U von A nach B B schreiben wir in einem solchen Fall w.
1 A
5
184
Felder von Linearformen, Pfaffsche Formen. Kurvenintegrale
Wegunahhangigkeit lie@ zum Beispiel vor hei der Gravitationsform auf R3 \ {0}, nicht jedoch hei der Windungsform auf IR2 \ {O}. Die Wegunabhangigkeit des Kurvenintegrals ist notwendig fur die Existenz einer Stammfunktion. Der folgende Satz zeigt, daf2 sie dafur auch hinreicht, und giht eine Stammfunktion an ebenso wie im Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung in Gestalt eines Kurvenintegrals mit fest gewSh1tem Anfangspunkt und wiablem Endpunkt.
Satz 3: Eine stetige 1-Form w auf einer zusammenhangenden offenen Menge U C IRn, die in U wegunabhhngig integriert werden kann, besitzt in U eine StammfiLn,ktion,. Eine solche ist nach Wahl e k e s Punktes a E U gegeben durch
Beweis: Zu x E U sei K,(x) eine in U gelegene euklidische Kugel. Fur jeden Vektor h E IRn mit llhl12 < r liegt dann die Strecke [ x ; x h] in U . Mit y ( t ) := x t h , t E [O; 11, +(t)= h , erhalt man
+
+
f(x+h)-f(x)=l also f (x
s+h
w=hlw(x+th)hdt,
+ h ) - f ( x ) - w ( x )h = i
1
+
(w(x t h ) - w ( x ) )h dt.
Mit w ( [ )h = C a k, aber a-r # 0.
3. UnendJiche viele der KoeI!kieulen a_,, sind vou Null vel~chieden. Zum Hcispicl hat. dic Funktion cri', in 0 cinc wcscntlichc Singularit&.
z t C* , wcgcn c1Ii
=
I
n=o
I
. n! zn
Irr beliebiger N?d~eeiner wesenllicllen Siugu1uil.Bl w&L eine FunkLion ein hri&sl ex~esuiuesAbbildw~gvverhalleuad. Ek gill dw Satz von Casorati-Wcicrstrd: 1st f holomorph in einer yunkticrtcn LTnrgebp~~yI! \ { u } und I I ~ E S E I ~ L ~ I ~i Cn Iy~u l l rirn Plank! u , so 1iey:yl. jiit. j c de Lrmyebung V C I; rron a das Bild f (V \ { a ) ) dicht i n @ ! d. h.. fede Kreisnch~iheenthiilt e i n m P m k t f ( z ) : z E ir \ {a}. Beweis: Angenommen, es gibt eine Kreisscbeibe f 0 das
folgende Integral, und es gilt
/ ~ ( x ) e ' dx~ "= 27i xRes, (R(z) eiaz). m
-m
aEM
6 Die Fundamentalsatze der Funktionentheorie
220
Beweis: Wir zeigen zunachst, daB das Integral existiert. Dazu betrachten wir das Integral uber [O; w ) :
Der ausintegrierte Anteil hat fur r + w wegen R(r) + 0 einen Grenzwert und lim,,, J: R'(x)eiox dx existiert, da R' in w eine mindestens 2-fache Nullstelle hat. Das beweist die Existenz des Intezrals.
-
Wir kommen zur Herleitung der Formel. Dazu integrieren wir iiber den Rand eines Rechtecks wie in der Skizze. Fur alle hinreichend groBen positiven r gilt mit f (2) := R(z)ei""
y3 T
Wir zeigen, daf2 die drei Integrale Jyi f (2) dz fur r + w gegen Null gehen; das genugt. Dabei benutzen wir die Abschatzung IR(z) 5 M / lzl fiir alle z mit hinreichend groBem Betrag. Zu y l , ~ : Wegen z = fr + iy ergibt sich
1
Zu % : Die Standardabschatzung ergibt wegen z = x
+ ir
Beispiel: Die Laplace-Integrale. Fur a, b > 0 erhalt man unmittelbar
Fur die Imaginarteile der Integranden folgt daraus
9
-m
b cos ax + x sin ax dx = 2?reCab bzw. x2+P
9
-m
bcosax - xsinax dx = 0. x2+b2
Durch Addition und Subtraktion ergibt sich schlieBlich
b cos ax -m
m -m
x sin ax
dx = TI e P b .
6.4 Der Residuensatz
221
Der Residuensatz ist nicht nur ein starkes Werkzeug zur Berechnung von Integralen sondern auch zur Ermittlung bestimmter Reihen.
x 00
Beispiel: Die Eulerschen Formeln fiir C(2k) = Wir integrieren dazu die Funktion 1 Z f ( r ) := -. *2k+l -1
-,1 k E IN.
n=1 n2k
I
uber den Rand des Quadrates Q, mit den Eckpunkten (2m+ l ) x ( i l i i ) , m E N.Nach Band 1,14.3 gilt,
'
00
?zu -- e x - 1 v=o V .
(By: U-te Bernoulli-Zahl).
Damit erhilt man B2k Reso f = (Zk)! . . ' f hat ferner l-fache Pole in den Punkten 2nxi, n E Z, n
# 0; dort ist
Der Residuensatz ergiht also
Wir schatzen das Integral ab. Fur z E aQ, muhelos verifiziert. Damit folgt
Insbesondere geht
/
8Q-
gilt lei - 11 2 21, wie man
f (z) dz gegen Null fiir rn + m. Aus (*) folgt daher
Das Null- und Polstellen zzhlende Integral
Die fiir die Theorie wohl wichtigste Anwendung des Residuensatzes ist eine Anzahlformel fiir Null- und Polstellen meromorpher Funktionen. Unter einer meromorphen Funkt,ion auf einer offenen Menge U C C versteht man eine his auf Pole holomorphe Funktion.
6 Die Fundamentalsatze der Funktionentheorie
222
Die logarithmische Ableitung f'l f einer meromorphen Funktion f ist auBerhalb der Null- und Polstellen von f holomorph und hat in diesen Punkten Pole 1. Ordnnng: In einer hinreichend kleinen punktierten Umgebung V \ {a} einer Ni~llstelleoder einer Polstelle a besitzt f namlich eine Darstellung f(z) = ( z - a)*"(z), k E IN, wobei g in V holomorph und nullstellenfrei ist, und damit folgt
und hierbei ist g'/g holomorph in V . Die logarithmische Ableitnng hat also in a einen einfachen Pol, und das Residuum hat den Wert Res, - =
f'lf
falls a eine k-fache Nullstelle von f ist, falls a ein k-facher Pol von f ist.
Der Residuensatz fiir berandende Integrationswege ergibt damit:
Satz: Es sei f eine nicht konstante meromorphe Funktion auf einem Gebiet U ; S bezeichne die Menge ihrer Null- und Polstellen. Welter sei y ein Integrationsweg in U , der eine Teilmenge A C U berandet und S nicht trifi. Dann gilt die Anzahlformel
wobei Na die Anzahl der in A gelegenen und jeweils mit ihrer Vielfachheit geziihlten Nullstellen von f ist und PA die Anzahl der jeweils mit ihrer Vielfachheit gezahlten Pole in A. Eine d o n e Anwendung ist der
Satz von Rouch6: Es sei y ein Integrationsweg em Gebiet U , der die Teilmenge A C U berandet. Ferner seien f und g holomorphe Funktionen in U rnit Ig(z)I < If(z)I fur alle z E Spury. Dann hahen f und f + g gleich viele Nullstellen in A. (,,Kleine StGrungen" andern nicht die Anzahl der Nullstellen.)
ig/ 1
Beweis: Sei Uo C U eine offene Menge mit Spur y C Uo, in der f 1 definiert man
wobei nZmit Hilfe des reellen Logarithmus durch eClnn erklart sei. a) Man zeige, dag
C in der Halbebene H, + 1 holomorph ist.
b) Man zeige fiir beliebige z E C und n E N die Identitat
und folgere fiir z E H,
+ 1:
c) Fortsetzung der Zet,afunktion in die rechte Halbehene H,. Man zeige, daJ2 die in b) erklarte Funktion f in H, holomorph ist, und folgere, dag die Zetafunktion meromorph nach M, fortgesetzt werden kann mit einem einfachen Pol in 1 und Residuum 1. 16. Man definiert fur T E H die Thetafunktion 29 dnrch
Man zeige: 29 ist holomorph auf C, und es gilt:
+
a) O(Z 1)= 29(z),
8(z + T ) = -e-"i(r+2z)8(z).
b) 8 hat genau die Nullstellen $
+ m + n.r,
m., n E
Z.
6 Die Fundamentalsatze der Funktionentheorie
234
ist meromorph auf C und hat die Perioden 2 und 7:
17. Man zeige, da%jeder holomorphe Automorphismus f : H oheren Halbebene gegeben ist durch az+b
f (2)= a,wobei
a (c
+H
der
b d ) E GL;(IR)
18. Aus dem Erganzungssatz der Gammafunktion folgere man sin T
L ~
71
19. Es sei f holomorph in a und a sei eine einfache Stelle von f . Man zeige: Es gibt eine Umgebung U von a, in der die Niveaumengen M := { z E U
I U(Z)
= u(a)}
und
N := { z E U 1 v(z) = u(a)},
u := Ref und u := Im f , l-dimensionale Unt,ermannigfaltigkeiten sind; ferner, daB M und N in a aufeinander senkrecht stehen.
20. Es sei A := Kg(0). Man zeige: a) Die Funktion u(z) := In lzl ist harmonisch auf A b) 1st h: A + IR harmonisch, so gibt es eine Zahl a E IR so, daB h - a . In lzl der Realteil einer auf A holomorphen Funktion ist. c) 1st h : A + IR harmonisch und beschrankt, so kann h in den Nullpunkt harmonisch fortgesetzt werden.
7 Das Lebesgue-Integral
Im vorigen Jabrhundert wurden verschiedene Definitionen eines Integrals aufgestellt. Aber erst 1902 fuhrte H. Lebesgue (1875-1941) einen Integralbegriff ein, der fur viele Probleme der Integralrechnung wesentlich neue Gesichtspunkte brachte, insbesondere eine leistungsfahige Theorie zur Vertauschung von Limesbildung und Integration ermoglichte. Wir gehen hier nicht wie Lehesgue vor, sondern in gewisser Hinsicht analog zur Einfiihrung des Integrals einer Regelfunktion in Band 1. Ein fur Treppenfunktionen in nabeliegender Weise definiertes Integral wird auf Funktionen ausgedehnt, die beliebig genau durch Treppenfunktionen approximiert werden konnen, wobei jedoch ein anderes Approximationsmaii verwendet wird: Anstelle der bei der Einfuhrung des Regelintegrals benutzten Supremumsnorm venvenden wir jetzt die L1-Halbnorm. Diese definieren wir in Anlehnung an Stone ohne Integral und fiir beliebige Funktionen. Die Verwendung der L1-Halbnorm als Approximationsmd fiihrt unter anderem dazu, dag das Lebesgue-Integral mit einer Definition sowohl fur Funktionen mit kompaktem Trager als auch fur Funktionen mit nicht kompaktem Trager eingefuhrt werden kann. Schlieglich merken wir an, dag man die vorliegende Definition des Lebesgue-Integrals ohne Anderung auf Banachraum-wertige Funktionen ausdehnen kann.
7.1 Integration von Treppenfunktionen Unter einem Quader Q c IRn verstehen wir hier das direkte Produkt Il x . . . x I, von n beschrankten, nicht leeren Intervallen aus IR. Diese diirfen offen, einseitig offen, abgeschlossen oder zu einem Punkt entartet sein. Ferner definieren wir als Volumen des Quaders Q = Il x . . . x In das Produkt der Langen seiner Kanten:
Falls notig wird u(Q) mit v,(Q) bezeichnet. Ausgeartete, d. h. in einer Hyperebene liegende Quader haben das (n-dimensionale) Volumen 0.
7 Das Lebesgue-Integral
236
Definition: Eine Funktion ip: IRn + C heiUt Treppenfunktion auf IRn, wenn es endlich viele paarweise disjunkte Quader & I , . . . , Q , gibt so, daU (i) ip auf jedem Qk, k = 1,.. . ,s, konstant ist, und
(ii) ip(x) = 0 fiir alle x E IRn
\ Ui=l Qk
gilt.
Die Gesamtheit der Treppenfunktionen bildet einen C-Vektorraum, der die Eigenschaft hat, daB mit ip auch 1 91 zn ihm geh6rt; ferner mit ip und $ auch max(ip, $) und min (ip, $). Fiir die Beweise hierzu, die wir dem Leser iiberlassen, beachte man, da13 eine Vereinigung endlich vieler Quader auch als eine Vereinigung endlich vieler disjunkter Quader dargestellt werden kann, da wir ausgeartete Quader zulassen. Unter der charakteristischen finktion einer Teilmenge A C IRn versteht man die auf ganz IRn definierte Funktion l a mit lab)=
1 0
fiir x E A, fiirx€IRn\A
Damit kann jede Treppenfunktion auf IRn als Linearkombination
charakteristischer Funktionen von Quadern dargestellt werden. Umgekehrt ist jede solche Linearkombination eine Treppenfunktion, und zwar auch dann, wenn die Quader Q1,. . . ,Q, nicht disjunkt sind. Definition: Unter dem Integral einer Twppenfunktion versteht man die Zahl
ip
=
C ck lq, k=l
7.1 Integration von Treppenfunktionen
237
Satz 1: Der Wert der Summe in (1) hangt nicht von der Darstellung der Treppenfunktion ab; das Integral ist also durch (1) sinnvoll definiert. Ferner gelten folgende Rechenregeln:
Beweis durch Induktion nach n: Fur n = 1 argumentiert man analog wie in Band 1 , l l . l . Den Fall n > 1 fuhren wir durch sukzessive Integration auf den Fall niedrigerer Dimension zuruck. Sei IRn = X x Y mit X = I R P , Y = IRn-P und 0 < p < n . Entsprechend ist jeder Quader Q C X x Y das direkte Produkt Q = Q' x Q" van Quadern Q' C X und Q C Y, und fiir ( x ,y ) E X x Y gilt: l Q ( zy,) = l Q r ( x ). lQr,(V). Es sei nun ip = ck 1 ~ ~eine Treppenfunktion auf X x Y. Fur jedes y E Y definiert x H ip(x,y) eine Treppenfunktion ip, auf X,
Ck
Nach Induktionsannahme wird ihr Integral sinnvoll definiert durch
@ ist laut Darstellung eine Treppenfunktion auf Y. Nach Induktionsmnahme wird auch deren Integral sinnvoll definiert durch
/ @ ( Y ) dy = Y
x
ck vp(Q6). U,-~(Q!).
k
Der Wert der linken Seite hangt nicht von der Darstellung fiir ip ab. Das rechtfertigt die Definition des Integrals JR, ip(z)dz dmch die rechts stehende Summe, und es gilt
Anhand dieser Darstellung des Integrals iiber IRn gewinnt man schlieBlich auch die Rechenregeln in der Dimension n aus den Rechenregeln im Fall 0 kleinerer Dimensionen.
7 Das Lebesgue-Integral
238
Korollar (Satz von Fubini f i r Treppenfunktionen): Mit den Bezeiehnungen des vorangehenden Beweises gilt
7.2 Die L1-Halbnorm Vorbemerkung: Wir lassen im Folgenden Funktionen und Reihen mit Werten in C U {M) zu. In Abschnitt 7.6 iiber die Nullmengen wird gezeigt, daB es im Hinblick auf die Integration gleichgiiltig ist,, wie an den Unendlichkeitsstellen gerechnet wird. Speziell fur die Integrationstheorie regeln wir das Rechnen mit M ohne Grenzwertbetrachtung wie folgt: Iml=Z5=Rem=Imm=w
w.e=e.m=w
und
fiircEC*U{oo)
r < c o furrER,
und
m.O=O.m=O.
ScblieBlich setzen wir fur CI,ez, . . . E RU {m) mit el, ez, . . . 2 0 wie iiblicb CEO=, ek = M, falls die Reihe nicht in IR konvergiert. In diesem Abschnitt fuhren wir fur beliebige Funktionen auf IRn mit Werten in C U {m) die sogenannte L1-Halbnorm ein. Wir verwenden d a m ein Konzept, das Ideen von Stone (1948) aufgreift und in jeder Version der Lebesgueschen Integrationstheorie zumindest bei einer wichtigen Cbarakterisierung der Nullmengen auftritt; siehe Satz 12. Zur Motivation stellen wir eine geometrische Betrachtung an. Es sei f eine nicht negative finktion auf IR und M ihre Ordinatenmenge. Um einen eventuellen Flacbeninbalt von M nach oben abzuschatzen, uberdecken wir M durch Rechtecke und bilden deren Gesamtinhalt; das Infimum solcher Gesamtinhalt,e sehen wir dann als ein (aufieres) MaB fiir M und f an. Da wir Funktionen betrachten, die auf ganz IR definiert sind und unbeschrankt sein durfen, erfordert dieses Verfahren die Verwendung abzahlbar vieler Rechtecke.
239
7.2 Die ~ ~ - ~ a l b n o r m
Definition: Unter einer Hullreihe zu einer Funktion f : Rn verstehen wir eine Reihe
+ C U {co)
m
@
=x c k l ~ ,
k=l mit den Eigenschaften: (i) Die Qk sind offene Quader im IRn und die ck reelle Zahlen 2 0; (ii) fiir jedes x E IRn gilt
Ferner definieren wir als Inh,alt der Hiillreihe m
Definition: Unter der L1-Halbnom einer Funktion f : IRn verstehen wir das Infimum der Inhalte der Hullreihen zu f :
11 f 11,
+ C U {co)
I
:= inf {I(@) @ ist Hiillreihe zu f ) .
Jede Funktion f : IRn + C U {m) hat die Hiillreihe @ = 1 . lQ,, wobei Qk der offene Wurfel mit dem Mittelpunkt 0 und der Kantenlange k sei. Das Infimum l l f l l l ist also fiir jedes f definiert und ist eine nicht negative Zahl oder m. Die L1-Halhnorm erfullt nicht alle Rechenregeln einer Norm. Es kann namlich 11 f Ill = 0 sein, ohne daf3 f = 0 ist. Zum Beispiel hat die charakteristische Funktion l a eines in einer Hyperebene enthaltenen Quaders A die L1-Halhnorm 0; wegen v(A) = 0 gibt es namlich zu jedem E > 0 einen offenen Quader Q mit A c Q und u(Q) < E , weshalh @ := 1 . lQ eine Hullreihe zu l a mit I(@) < E ist. Die Bedeutung von 11 f Ill = 0 fur die Funktion f werden wir im Abschnitt uber die Nnllmengen klaren. Die L1-Halbnorm erfiillt immerhin folgende Rechenregeln: Fur f , g : IRn
+ C U {m)
und c E C gilt:
6) Ilcf Ill = Icl . Ilf Ill. Die Regeln (i) und (iii) sind unmittelhar einzusehen. Die Regel (ii) ist wegen 1 f gl 5 1 f 1 lgl und (iii) ein Spezialfall der folgenden Dreiecksungleichung fiir Reihen.
+
+
7 Das Lebesgue-Integral
240
Verallgemeinerte Dreiecksungleichung: Fur nicht negative hnktionen f l , f i , ... : IRn+IRU{m) gilt:
Beweis: Sei E > 0 gegeben. Wir wahlen zu jeder Funktion fr, eine Hullreihe @k = Xi ciklQik mit einem Inhalt
@ :=
Ck,,cik lQik ist dann eine Hullreihe der Funktion Ckf k
Hieraus folgt wegen
mit
IIC f k I I l 5 I(@)mit E J 0 die Behauptung.
0
Der Aufbau der Integrationstheorie beruht wesentlich auf der Tatsache, daB die L1-Halbnorm lliplll einer Treppenfunktion ip gleich dem Integral von lip1 ist. Wir beweisen dies zunachst fur die charakteristische Funktion eines abgeschlossenen Quaders. Dabei geht wesentlich die Vollstandigkeit des IRn ein. L e m m a 1: Fur die charaktenstische Funktion l a eines abgeschlossenen Quaders A gilt
1
~ A I ~ ~ = W ( A ) = / ~ A ~ X . Beweis: Sei Q ein offener Quader mit A C Q. Dann ist 1.lQeine Hullreihe fiir l a . Somit ist IIIAIIl5 I ( l Q ) = v(Q). Da zu jedem E > 0 ein derartiges Q so gewahlt werden kann, daB auch u(Q) 5 u(A) E , ergiht sicb zunachst
+
IIIAII1
5~ ( ~ 1 .
der Funktion l a Umgekehrt gilt fiir jede Hullreihe @ = CkCI, lQk
(*)
I(@)2
~(4,
uud folglich lllalll 2 u(A). Zum Beweis von (*) sei E > 0 vorgegehen. Zu jedem Punkt x E A giht es wegen @(x) 2 1 einen Index N(x) derart, d d
7.2 Die ~ ~ - ~ a l b n o r m
241
Diese Ungleichung gilt wegen der Offenheit der Quader Qk fur alle Punkte einer Umgebung U ( x ) von x. Da A kompakt ist, iiherdecken endlich viele U ( x l ) ,. . . ,U(x,) ganz A. Mit N := m a x { N ( x l ) ,. . . , N ( x p ) }folgt dann N die Ungleichung Ckzlclc lQI. 2 (1 - E ) . 1 ~Aus . dieser ergibt sich mittels Satz 1 (iii) ck u(Qk) 2
I ( @ )=
x N
00
1
~k
u(Qk) 2 (1 - E ) v ( A ) ,
1
und daraus folgt (*). Lemma 2: Fur jede Treppenfunktion ip auf IRn gilt
Beweis: Da lip1 und ip dieselbe L1-Halhnorm hahen, nehmen wir fiir den Beweis ip 2 0 an. Wir benutzen eine Darstellung P
i p = x ~ k l qf ~x
d i 1 ~ ~ k=l i=l mittels disjunkter Quader, in welcher die Qk offen sind und die Ri das n-dimensionale Volumen 0 haben. Eine solche erhalt man, wenn man van einer Darstellung mit disjunkten Quadern ausgeht und jeden darin vorkommenden, nicht offenen Quader zerlegt in seinen offenen Kern und Quader, die auf seinem Rand liegen. Wegen der Disjunktheit der Qk und Ri folgt aus ip 2 0, daB alle ck und alle di nicht negativ sind. Sei E > 0 heliehig gegeben. Zu jedem Quader Ri sei Rf ein offener Quader mit Ri C R: und u(R:) I E. Dann ist @ := C; ck l q , Cy di 1 ~ : eine Hiillreihe zu ip. Mit ihr ergiht sich
+
?
1 1 ~ 1 51 ~ x c k u ( ~ k+) E . x d i . Daraus folgt
1
1
Sei andererseits A ein abgeschlossener Quader so, daB ip(x) = 0 ist fur x 4 A; sei ferner m das Maximum von ip. Dann ist die Treppenfunktion $ := m . 1 -~ 9 nicht negativ, und auch fiir sie gilt 11$111 I J $ dx. Hieraus und mit Lemma 1 folgt
Zusammen mit (*) ergibt das die Behauptung.
0
7 Das Lebesgue-Integral
242
7.3 Definition des Lebesgue-Integrals. Elementare Feststellungen Nach den Vorbereitungen der beiden vorausgehenden Abschnitte kommen wir zur Definition des Lebesgue-Integrals. Wir betrachten dahei Funktionen, welche, gemessen in der L1-Halbnorm, beliebig genau durch Treppenfunktionen approximiert werden konnen. Das Lebesgue-Integral wird zunachst fur Funktionen auf IRn eingefuhrt und daran anschlieJiend fur Funktionen auf Teilmengen von IRn. I. Integration iiber d e n I&" Definition: Eine Funktion f : IRn + C U {co) heifit Lebesgue-integn'erbar Cber IRn, kurz integrierbar, wenn es eine Folge von Treppenfunktionen pk gibt mit 11 f - yklll + 0 fiir k + m. Die Folge der Integrale S pk dx hat dann einen Grenzwert in C, und dieser heist das Lebesgue-Integral won f:
1 f (z) dx
:=
lim
k+m
Wir verwenden auch die Schreibweisen
1 pk (x) dx. R"
1f (x) dnx und 1f dx
Die Definition ist sinnvoll, denn 1. die Folge der Zahlen
S pa dx ist eine Cauchyfolge, also konvergent;
2. der Grenzwert ist unahhangig von der Approximationsfolge (ipk).
Beides entnimmt man der fur beliebige Treppenfunktionen Grund von Lemma 2 giiltigen Abschatzung
ip
und $ auf
Bemerkungen: 1. Jede Treppenfunktion y ist Lebesgue-integrierbar, und ihr Lebesgue-Integral ist gleich dem in (1) definierten Integral. Fur die Approximationsfolge wahle man ipl = yz = ips = . . . = y . 2. Aus f - ykIIl + 0 kann im Augenblick nichts uber die punktweise Konvergenz der Folge (yk)geschlossen werden. In 8.1 zeigen wir, daB eine geeignete Teilfolge fast uberall auch punktweise gegen f konvergiert.
1
Wir notieren einige elementare Eigenschaften des Lebesgue-Integrals. Besondere Bedeutung kommt der folgenden zu.
7.3 Definition des Lebesgue-Integrals. Elementare Feststellungen
243
Satz 2: Mit f ist auch 1 f 1 uber IRn integrierbar, und es gilt
Beweis: Sei
(ipk)
eine Folge von Treppenfunktionen mit
if
11,
1
Aus l l f l - lipkll I - ipkl folgt I f 1 - lipkl Monotonie der L1-Halbnorm. Insbesondere gilt ist 1 f 1 integrierbar, und es folgt
11 f
- ipkII1
+ 0.
I 1l.f - i p k l l , wegen der 11 1 f 1 - 11, + 0. Somit lipkl
Zum Beweis des zweiten Teils in (3) verwenden wir die Einschliefiung
Rechenregeln: Sind f und g integrierbar, so gilt:
+ pg, a,p E C,
und
7 sind integrierbar nit
J(cuf+pg)dx=cu/fdx+pJgdx,
J~dx=Jfdx.
a) Die Funktionen cuf
-
b) Fiir reelle f und g folgt aus f
I g: J f
dx
c) 1st g zusatzlich beschran,kt, so ist auch f
.g
5 J g dx. integrierbar.
Beweis: a) Sind ( i p k ) und (N) approximierende Folgen von Treppenfunktionen fur f bzw. g, so ist (wpk pyk) eine approximierende Folge fur cu f pg und (qk)eine fiir f. h) Nach Satz 2 ist J ( g - f ) dx = llg - f 1 1 , 2 0. c ) Sei M eine positive obere Schranke fiir lgl. Zu gegebenem E > 0 wahlen wir eine Treppenfunktion ip mit f - ipIIl 5 & / 2 M und dann eine Trep, p eine positive obere Schranke penfunktion y mit llg - ylll 5 ~ / 2 pwobei fiir lip1 sei. Wegen 1 f g - ipyl I f - ipl . lgl lip1 . lg - yl folgt dann
+
+
1
K und eine Folge von Figuren Bk , die W \ K ausschopft. Die Komplemente Ak := W \ Bk hilden dann Figuren wie behauptet. 0 Beispiel: Das Lebesgue-Ma%des Cantorschen Diskontinuums C; zu dessen Definition siehe Band 1,7.5.C ist der Durchschnitt von Mengen Ck, wobei Ck die Vereinigung von 2' disjunkten Intervallen der Linge ist. Ck hat nach der anschlie8end gezeigten Additivitat des Ma8es das M d Mit (8) folgt, daB C das Ma8 Null hat: vl(C) = 0.
(i)k
7 Das Lebesgue-Integral
254
Rechenregeln: Sind A und B mejlbare Mengen, so gilt: (i) A n B und A U B sind mejlbar, und es ist
+
u ( A u B ) = v ( A ) u ( B )- u ( An B ) . Im Fall u ( A n B ) = 0 gilt insbesondere u(AU B ) = u ( A )+ v ( B ) (ii) Aus A C B folgt
4 4 ) l @I
(Additiuitat). (Monotonie).
Beweis: (i) ergibt sich aufgrund der Rechenregeln fur das Integral aus l a n s = l a . 1 s und l a u s = l a 1 s - l a m ; die Regel (ii) folgt aus l a l 1s. 0
+
Induktiv zeigt man weiter: Die Vereinigung A = A1 U . . . U Ah endlich uieler mejlbarer Mengen ist ebenfalls mejlbar; ist zusatzlich u(A, n A,) = 0 fiir alle i # j , so hat A das Majl
Wir notieren noch eine oft verwendete Verallgemeinerung der in der Rechenregel (i) festgestellten Meflbarkeit von A n B . N o t u Es sei f eine integrierbare Funktion aufA C IRn und es sei B C IRn eine mejlbare Menge. Dann ist f uber A n B integrierbar, und es gilt
Beweis: Da fa und 1 s integrierbar sind, und 1 s aufierdem beschrankt, ist es auch f a n s = f a . 1 s . Ferner gilt 1 fans1 5 I fal. Satz von Fubini und Cavalierisches Prinzip. Der Satz von Fubini ergibt ein nutzliches Reduktionsverfahren zur Berechnung von Volumina. Es sei A C IRP x IRq eine kompakte oder eine beschrankte offene Menge. Fur y E IRq bezeichne A, die Schnittmenge. Dann gilt
Inshesondere gilt das nach B. Cavalieri (1598-1647) benannte Prinzip:
Zwei kompakte Mengen A und B in IRp x IRq haben das gleiche Volumen, uienn die Schnittmengen Ay und B y fiir alle y E IRq das gleiche p-dimensionale Volumen haben.
7.5 MeRbarkeit von Teilmengen des IRn
255
Beispiel 1: Volnmen der Kugel K,(O) im euklidischen R3 = IR2 x IR. Die Schnittmenge in der Hijhe y E [-r; r] ist eine Kreisscheibe mit der Flache r ( r 2 - y2). Mittels ( 9 ) ergibt sich also:
Beispiel 2: Volnmen eines Zylinders. Es sei B C IRn-I eine kompakte oder eine beschriinkte offene Menge; ferner h eine positive Zahl. Unter dem Zylinder mit der Basis B und der Hohe h versteht man die Menge
Z := B x [O; h] C IRn. Fiir jedes y E [O; h] ist Z, = B . Als Volumen ergibt sich daher mitt,els (9)
Beispiel 3: Volnmen eines Kegels. Es sei B C En-' eine kompakte oder eine beschriinkte offene Menge; ferner h eine positive Zahl. Unter dem Kegel n i t der Basis B und der Hohe h versteht man die Menge
Die Schnittmenge zu y E [O; h] ist (1- y / h )B . Sie hat nach Aufgabe 5 das (n - 1)-dimensionale Volumen (1 - y/h)"-' . un-l(B). Mittels (9) ergibt sich daher __C--.
-.
Es sei etwa K das Standardsimplex An im IRn,
A .-
".-{
xEIRn
I
X I ,..., x n z O
und
1.
x~+.~.+z, U cincn Lndcx S gibt so, dals
\Vic fiir Zahlcnfolgcn zcigt man, daB jcdc L1-konvcrgcntc Folgc cinc L1-Caucl~srolgeisl.
8 Vollsthdigkeit. Konvergenzsatze. Satz von Fubini
270
Satz 1 (Riesz-Fischer): Jede L1-Cauehgfolge ( f k ) integrierbarer Funktionen auf IRn besitzt einen L1-Grenzwert f € Z1(IRn); fir diesen gilt:
(ii) eine geeignete Teilfolge von m e n f.
konvergiert fast uberall punktweise
(fk)
1
11,
Beweis: Wir wahlen Indizes kl < kz < . . . , so daB f k - f k 5 2-" gilt fiir alle k 2 k,. Die Teilfolge ( f k " ) hat dann insbesondere die Eigenschaft Czlllfk.+l- fk,II1 I 1. Wir SetZen
Mit der verallgemeinerten Dreiecksungleichung folgt llglll 5 1. Nach 7.6 Satz 9 gibt es eine Nullmenge N so, dafi g(x) # w fur x 6 N; es ist dann auch fk, (x) # w fiir x 6 N . Die Reihe C g , konvergiert also fast iiberall absolut. Wir definieren nun die gesnchte Funktion f : m
lim
+ C gv(x)
fk, (5) = f k l (2)
"=I
fur x E En \ N, fur x E N.
Es ist f (x) # w fur alle x E IRn. Ferner konvergiert die Teilfolge (fk,,) fast iiberall gegen f . Wir zeigen, daB f die behaupteten Eigenschaften hat. Sei dazu & > 0 gegeben und sei p ein Index derart, dafi die beiden Ungleichungen
gelten. Sei weiter
ip
eine Treppenfunktion mit
1 fkp - ipIIl 5
E.
Damit folgt
f ist also ein L1-Grenzwert von ( f k ) . Hiermit erhalt man nun auch die angegebene Formel, da
8.1 Der Vollst%ndigkeitssatz "on FLiesz-Fischer
271
Historisches. Der hier nach Riesz-Fischer henannte Satz ist ein Analogon des historischen Satzes von Riesz und Fischer. Dieser besagt, da&es zu jeder I!'-Folge komplexer Zahlen (ck) eine quadratintegrierbare Funktion gibt, deren Fourierkoeffizienten gerade die Zahlen ck sind; siehe 10.3. I1 und IV.
Im Satz von Riesz-Fischer kann man nicht auf den Ubergang zu einer Teilfolge verzichten, wenn man Konvergenz fast iiberall erhalten will. Ein Beispiel hierfiir liefert die in Band 1,17.7 als ,,Wandernder Buckel" hezeichnete Folge (fk): Zu k € IN seien v und q die eindeutig hestimmten ganzen Zahlen 0 mit k = 2" + q nnd q < 2"; ferner sei Ikdas Interval1 [q2-"; (q 1)2-"1 und f k := 11,. Dann gilt: Ilfklll = J f k dx=2-"+ 0 fur k + w . (fk) ist also eine L1-Nnllfolge, konvergiert aber fiir kein x E [O;11.
+
>
Die Integrierbarkeit einer Funktion hesagt, daf2 sie ein L1-Grenzwert einer Folge von Treppenfunktionen ist. Nach dem vorangehenden Beispiel konvergiert eine solche Folge nicht notwendig punktweise. Bei geeigneter Wahl der Treppenfunktionen erreicht man jedoch zngleich L1-Konvergenz und punktweise Konvergenz fast uherall. Es gilt: Korollar: Jede integrierbare Funktion f auf IRn ist ein L1-Grenzwert einer Folge (pk) won Treppenfunktionen mit den beiden Eigenschaften:
(ii) (pk) konuergiert fast uberall gegen f
11
11,
Beweis: Es sei (&) eine Folge von Treppenfunktionen mit f - & + 0. Diese enthalt nach dem Beweis des Satzes von Riesz-Fischer eine Teilfolge (pk), die die Eigenschaft (i) hat und fast uberall punktweise gegen einen L1-Grenzwert f konvergiert. Die L1-Grenzwerte f nnd f sind fast iiherall gleich; also gilt auch (ii). Der Banachraum L1(JEn). 11 Ill ist keine Norm anf 9'(IRn), da aus 11 f 11, = 0 nicht f = 0 folgt. Die Gesamtheit der f E 2Z1(IRn) mit 11 f [I1 = 0 bildet einen Untervektorraum J'.Wir identifizieren nun zwei Funktionen f , g E 2Z1(IRn), wenn fast uberall f = g gilt. Anf L1(IRn) := 2Z1(Rn)/J' wird ferner dnrch f + J'II, := l l f l l l eine Norm erklirt. Mit dieser ist L1(IRn) nach dem Satz von Resz-Fischer vollstandig.
1
8 Vollsthdigkeit. Konvergenzsatze. Satz von Fubini
272
8.2
GLiedweise Integration bei monotoner Konvergenz. Der Satz von Beppo Levi
Bereits in 7.4 haben wir den Satz uber die gliedweise Integration einer monoton wachsenden Folge von Treppenfunktionen, den sogenannten Kleinen Satz von Beppo Levi, als ein kraftiges Werkzeug kennengelernt. Wir dehnen ihn jetzt auf Folgen integrierbarer finktionen aus. (Beppo Levi, 1875-1961)
Satz 2 (Beppo Levi, Satz von der monotonen Konvergenz): Es sei ( f k ) eine monoton wachsende Folge integrierbarer Funktionen auf IRn. Die punktweise gebildete Grenzfunktion f = lim f k ist genau dann integrierbar, wenn die Folge der Integrale J f k dx beschrankt ist. Gegebenenfalls gilt /id.=
klim im
~fkdx.
~
Beweis: Die Bedingung ist notwendig wegen J fr, dx 5 J f dx. Es sei umgekehrt die Folge (Jf k dx) beschrankt. Da sie auch monoton ist, konvergiert sie sogar. Zu E > 0 gibt es also einen Index N so, d d fiir m k N
> >
( f k ) ist also eine L1-Cauchyfolge. Es sei f ein L1-Grenzwert dam. .f ist integrierbar, und eine geeignete Teilfolge (fr,") konvergiert fast uberall gegen f. Fast iiberall gilt f = lim fkw = f. Nach 7.6 Satz 10 ist also auch f integrierbar, und mit dem Satz von R'iesz-Fischer folgt
Jfdx=Jfdx=
k lim u+m
Jfk,dx=
lim J j k d x
k i m
Eine wichtige Konsequenz ist das oft gebrauchte Prinzip der Integration durch Ausschopfung.
Definition: Unter einer Ausschopfung einer Menge A versteht man eine aufsteigende Folge A1 c A2 c As c . . . von Teilmengen Ak c A mit
1st (Ah) eine Ausschopfung von A C IRn, so konvergiert fur jede Funktion f 0 auf A die Folge (fa,) monoton wachsend gegen fa.
>
8.2 Gliedweise Integration bei monotoner Konvergenz. Satz von B. Levi
273
Satz 3 (Integration durch AusschSpfung): Sei f eine Funktion auf A c IRn und (Ah) eine Ausschopfung von A derart, daj3 f uber jedes Ak integrierbar ist. Dann gilt: f ist genau dann uber A integrierbar, wenn die Folge der Integrale JAI.If 1 dx beschran,kt ist. In diesem Fall gilt
Beweis: 1st f integrierbar, so aucb 1 f 1 , und es gilt JAk If 1 dx 5 JA 1 f 1 dx. Die Bescbriinktbeitsbedingung ist also notwendig. Es sei umgekehrt die Folge (JAkIf 1 dx) beschrankt. Nach einer eventuellen Abanderung von f auf einer Nullmenge darf f als komplexwertig vorausgeset,zt werden und dann sogar als reel1 und 2 0. Im Fall f 2 0 ist fa die Grenzfunktion der monoton wachsenden Folge ( f a , ) . Die Folge ( J fa, dx) ist beschrankt; nach dem Satz von Beppo Levi ist also fa integrierbar, und es gilt
Wir kommen zu Anwendungen
I. a-Additivitzt des Lebesgue-MaBes Wir beweisen eine Eigenschaft des Lebesgue-MaBes, die fiir dieses eine grundlegende Bedeutung hat.
Lemma: a) Sei A1 C A2 C A3 C ... eine aufsteigende Folge mej3barer Mengen Ak C IRn. Ihre Vereinigung ist genau dann mejlbar, wenn die Folge der Volumina u(Ak) beschran,kt ist. Gegebenenfalls gilt
b) Sei B1, Bz, B 3 , . . . eine Folge mej3barer Mengen B k C IRn derart, daj3 alle Durchschnitte Bi n B j fir i # j Nullmengen sind. Ihre Vereinigung u(Bk) < M ist. Gegebenenfalb gilt ist genau dann mejlbar, wenn Cy=i=,
Beweis: Die Aussage a) ist Satz 3 fiir f = 1. Zum Beweis von b) setze man Am := B1 U . .. U Bk. ( A k )ist eine aufsteigende Folge meBbarer Mengen mit UE1Ak = U& Bk , und es gilt u(Ak) = v ( B 1 ) .. . v ( B k ) .Die Folge ( ~ ( A r n )ist ) also genau dann bescbrankt, wenn Czl u ( B i ) < m ist. 0 Aus a) folgt damit die Bebauptung.
+ +
8 Vollsthdigkeit. Konvergenzsatze. Satz von Fubini
274
Bemerkung: Das in 7.5 eingefuhrte Lehesgue-Mafi ordnet gewissen Teilmengen des IRn, zu denen alle kompakten und alle heschrankten offenen Mengen gehoren, eine n-dimensionales Volumen genannte Makahl zu, wohei folgende Gesetze gelten: (MI)
40)= 0.
(M2) Fur jede Translation a und jede meBbare Menge A ist auch a meBbar, und es gilt u(a
+ A) = u(A)
+A
(Translationsinvarianz).
(M3) Die Vereinigung abzalhar vieler, paarweise disjunkter meBbarer Mengen A1, A2,. . . mit CEO=, u(Ak) < M ist mefihar, und es gilt
(M4) Der Einheitswurfel [O; 11"' C IRn hat das Volumen 1 Man kann zeigen, da8 diese vier Eigenschaften das Lehesgue-Mag auf dem IRn eindeutig festlegen; siehe H. Bauer, Mag- und Integrationstheorie, de Gruyter 1992. In diesem Zusammenhang erheht sich die Frage, oh etwa jede heschrankte Menge im IRn Lehesgue-meBbar ist. Das folgende, auf Vitali (1875-1932) zuruckgehende Beispiel verneint diese Rage.
+
Beispiel (Vitali): Wir betrachten in IR die Mengen r $, r E IR, und wahlen in jeder einen Reprasentanten x E [O; 11. Sei X C [O; 11 die Menge dieser Repriisentanten. Mit einer Abzahlung ql, q2,. . . von $n[-1; 11bilden wir weiter A := U E l ( q k + X). Wir nehmen nun an, X sei mefihar. Dann gilt aufgrund der u-Additivitat und der Beschrinktheit von A
+
Wegen v(qk X ) = u(X) fiir alle k folgen daraus v(X) = 0 und v(A) = 0. Andererseit,~u m f d t A das Einheitsintervall [O; 11, so dafi v(A) 2 1 ist. Widerspruch! Das Beispiel von Vitali hat eine bemerkenswerte Konsequenz: Die Funktion f := 1,y ist wegen der Nicht-Mefiharkeit der Menge X nicht uber [O; 11 Lebesgue-integrierbar. Wir lernen hiermit erstmals eine beschrankte Funktion auf einem kompakten Interval1 kennen, welche nicht uber dieses Intervall Lehesgue-integrierbar ist. Zur Konstruktion von X und damit von f wurde das Auswahlaxiom benutzt. Dahinter steht ein Sachverhalt von prinzipieller Bedeutung: 1964 hewies nimlich Solovay, daB man derart,ige Funktionen ohne Zuhilfenahme des Auswahlaxioms nicht konstruieren kann.
8.2 Gliedweise Integration hei monotoner Konvergenz. Satz von B. Levi
275
Historisches. Zur Messung von Flachen und Volumina verwandten bereits die griechischen Mathematiker Eudoxos und Archimedes AusschSpfungen. Die Frage nach einem allgemeinen Inhaltsbegriff fiir Teilmengen eines IRn wurde systematisch aber erstmals von Peano (1858-1932) und Jordan (1838-1922) in Angriff genommen. Ihr Inhaltshegriffordnet gewissen beschrkkten Mengen A, den sogenannten Jordan-mefiharenMengen, eine Mazahl p(A) derart zu, d& wie heim Lebesgue-M& (MI), (M2) und (M4) gelten, statt der u-Additivitat aber nur das schwachere Axiom: Die Vereinigung endlich vieler, disjunkter Jordan-meBbarer Mengen A1,. . . ,Ar ist Jordan-meRhar und hat den Inhalt p(A1) + . . . + p(Ar). Der Lehesguesche Mabegriff ist wegen seiner a-Additivitat der mit Grenzprozessen arbeitenden Analysis gemaBer als der Peano-Jordansche und fiihrt zu hefriedigenderen Ergehnissen. Zum Beispiel ist hei ihm jede heschrankte offene und jede kompakte Menge meBbar, nicht jedoch heim Peano-Jordanschen.
11. Integration rotationssymmetrischer Funktionen Mit Hilfe der Satze dieses Abschnitts kann die Integration rotationssymmetrischer Funktionen in einem wichtigen Fall auf 1-dimensionale Integrationen zuriickgefiihrt werden. Sei f eine Funktion auf einem Intervall I C [O; oo). Es seien a, b die Randpunkte von I , und Ka,b die Kugelschale (3: E IRn a < 1 1 ~ 1 < 1 ~ b } . Dann definiert
I
eine rotationssymmetrische Funktion
f auf Ka,b.
Satz 4: Es sei f eine Regelfunktion auf (a;b). Dann gilt: f ist genau dann uber die Kuoelsehale K,.a intesrierbar, uienn die Funktion 1 f (r)I rn-' uber das interuail (a;b) integrierba; ist; in diesem Fall gilt
Dabei bezeiehnet n, das Volumen der n-dimensionalen Einheitskugel. Zur Berechnung von K , siehe 8.4 (9) Bemerkungen: 1. In 9.3 wird dieser Satz mittels Transformation auf Polarkoordinaten verallgemeinert und vertieft. 2. Ob iiber die offene Kugelschale K,,b oder die abgeschlossene K,,b integriert wird, ist gleichgultig, da Spharen Nullmengen sind (Vereinigung von Graphen!). Insbesondere ist die Integration uber eine Kugel Kb(0) aquivalent mit der uber die punktierte Kugel Kh(0) \ {O}.
Beweis: 1. Sei I = [a;b] und f eine Treppenfunktion. Aus Linearitatsgriinden genugt es, den Fall der Funktion 1 auf einem Intervall [cu; P] zu
8 Vollsthdigkeit. Konvergenzsatze. Satz von Fubini
276
behandeln. Nach 7.9 Aufgabe 5 ist
/
v(KR(o)) = Rnnn. Damit
fokt
P
i dx = V ( K , , ~ = ) rc, (pn - an)= nn,
/ F-' d r a
Ka,P
2. Sei I = [a;b] nnd f eine Regelfunktion anf [a; b]. Es geniigt, den Fall einer reellen Regelfunktion f 2 0 zu behandeln. f ist dann der Limes einer monotonen Folge von Treppenfunktionen ipk; siehe 7.4 Lemma 3. Dann konvergiert auch (&) monoton gegen f . Mit Beweisteil 1 und dem Satz von B. Levi folgt daher, daf2 f iiber K,,b integrierbar ist, und
/
f (x) dx =
lim
k-tm
Ka,b
/
@m (x) dz
Ka,b b
b
/ ipm(r)m-l dr = nn, / f (r)m-l dr.
= lim nn, k+m
n
a
3. Sei I ein beliebiges Interval1 in [O; oo). Wir schopfen I durch kompakte Teilintervalle [am;bk], k E IN, aus. Die Kugelschalen An. := bilden eine Ausschijpfung von Ka,b.Nach Teil 2 ist f iiber Ak integrierbar, und bk es gilt J f(x)I dnx = nn, JIf(r)Irn-l dr =: ~ k .
zk,bk
I
At
a*
-
Der Ausschopfungssatz ergibt nun die Aqnivalenz
/ f(x) dx existiert
)
Die Folge (Im) konvergiert,
Ka,b
b
/If
(r)lrwl dv existiert,
a
nnd im Fall der Existenz die Formel
/ Ka,b
b
f (x) dx = lim k
/ f (x) dnx = nn, / f ( r ) F 1 dr.
0
a
Ah
Beispiel 1: Das Triigheitsmoment beziiglich der z-Achse
Q := /(x2
+ Y')
d ( x , ~Z,)
A
des in 7.9 Aufgabe 4 beschriebenen Rotationskorpers. In Verbindung mit dem Kleinen Satz von Fubini ergibt sich
8.2 Gliedweise Integration bei majorisierter Konvergenz
277
1
Beispiel 2: Integration der Funktion x H 11211"'
(i) Die Funktion x H I l ~ l l - ~ist genau dann uber die Kugel KR(0) C IRn integrierbar, wenn die Funktion r H r"-l-" uber .' (0; R) integrierbar ist, also genau fur cu < n; gegebenenfalls ist
ist genau d a m uber den Augenraum Rn\ KR(O) (ii) Die Funktion Ilxll-'' mit R > 0 integrierbar, wenn die Funktion r H P-l-" uber " [R;m ) integrierbar ist, also genau fur cu > n; gegebenenfalls ist
Die Bedingung cu < n in (i) verwendet man zum Beispiel bei der Untersuchung der Integrierbarkeit von Funkt,ionen mit isolierten oo-Stellen. Wegen der Translationsinvarianz der Integrierbarkeit gilt zunachst: Fiir jeden Punkt a E IRn und jeden Exponenten cu < n ist die Funktion x H llx - all-" uber jede Kugel KR(a) und damit uber jede kompakte Menge im IRn integrierbar. Da ferner das Produkt einer integrierbaren und einer beschrankten integrierbaren Funktion integrierbar ist, erhalt man die
Folgerung: Ist K C IRn eine kompakte Menge und p : K schrankte integrierbare Funktion, so existiert das Integral
fir jeden Punkt a E Rn und jeden Exponenten cu
+ C eine be-
0 so, da%idle x E Wt mit 112 - xoll,,; < T in X liegen. Es sei femer ( h k ) eine Nullfolge reeller Zaldeu 111it[ h n1 < r uud ilk # 0 I'iiiir d l e k. Wiir seb~eudann z n := zo+hkey nnd h ~ t r a c h r ~ n
Die i
p ~sind
integrierbare Funktionen a d T ; und fiir jedes t E T gilt
Iiprner folgt am (ii') laut Schranken3atz der Diffwentialmchnung lipk 1 5 @. Kach deui S a b ~vou der ma,jorisierleu I 0 wahlen wir
abzahlbar viele offene
8 Vollsthdigkeit. Konvergenzsatze. Satz von Fubini
290
Sodann schreiben wir jeden Quader als direktes Produkt Qk = QI, x Q; von Quadern Qk C X und Q; C Y. Mit der Bezeichnung 11 1: fiir die L1-Halbnorm beziiglich X betrachten wir die Funktion a: Y Wegen l a r
5
+ R U {m),
X
a(y) := IllAY.
m
1lqk. lo; (y) ergibt die Dreiecksungleichung
k=l
m
5
C u , ( Q ~ ) .lo; (v)
k=l
Daraus folgt nach Definition der L1-Halbnorm
k=l
k=l
Y
Also ist llalll = 0. Nach 7.6 Satz 11 gibt es daher eine Nullmenge N C Y derart, dafi a(y) = IllAy :1 = 0 fiir jedes y E Y \ N. Das aber besagt, d d A, fur diese y eine Nullmenge ist. 0 Bemerkung: In diesem Lemma kann man auf Ausnahmemengen vom MaB Null nicht verzichten. Ein Beispiel liefert A = IK x $ in IR x IR: Die Schnittmenge A, ist fiir y E $ keine Nnllmenge in IR. Beweis des Satzes von Fubini: Nach dem Korollar zum Satz von RieszFischer gibt es eine Folge (vk) von Treppenfunktionen auf X x Y mit 11 f - pklll + 0 und den weiteren Eigenschaften: (i) (pk) konvergiert auBerhalb einer Nullmenge A C X x Y punktweise gegen f ; m
(ii)
C llipk+l - i p k l l l < m. k=l
Wir zeigen zunachst, daJi fur fast jedes y E Y die Folge der Treppenfunktionen pk ( . ,y) in einer zu (i) und (ii) analogen Weise gegen f ( . ,y) konvergiert. (Fur eine Funktion g auf X x Y und y E Y bezeichnet g( . ,y) die auf X definierte Funktion x H g(x, y).) Wegen (i) gibt es nach dem Lemma eine Nullmenge N' C Y derart, daB gilt: (ix) Fur y E Y \N' konvergiert (pk(. ,y)) fast uberall auf X punktweise w e n f(.,y). Ferner setzen wir H ~ Y:=) / I v k + l ( x , ~ )- v k ( x , ~ ) I d x . X
8.5 Integration iiber einen Produktraum
291
Nach dem Satz von Fubini fiir Treppenfunktionen in 7.1 gilt
und mit (ii)
OC
m
Die Folge der Partialsummen der Reihe
CHk
wachst monoton, nnd die k=l Integrale aller Partialsummen sind laut (*) beschrankt. Nach dem Satz von m
B. Levi stellt m
gilt
C Hk eine integrierbare Funktion auf Y dar. Insbesondere
k=l
C Hk(y) < m fur alle y augerhalb einer Nullmenge N" C Y:
k=l
Wir setzen N := N'U N". Sei jetzt y E Y \ N. Aus (iix) folgt dann, daB ( v k ( . ,y)) eine L1-Cauchyfolge auf X ist. Nach dem Satz von RieszFischer konvergiert eine Teilfolge punktweise fast iiberall auf X gegen eine integrierbare Funktion auf X. Wegen (ix) stimmt diese fast iiberall mit f ( . ,y) iiberein. Folglich ist auch f ( . ,y) integrierbar. Damit ist a) gezeigt. Der Satz von Riesz-Fischer ergibt augerdem
Zum Nachweis von b) setzen wir @ k ( ~ ):= Jipk(z:,y)
dx.
X
Die (iy)
@k
sind Treppenfunktionen auf Y mit folgenden Eigenschaften: (@k)
konvergiert auf Y \ N punktweise gegen F.
Die erste Behauptung ergibt sich aus (**), die zweite aus (*) wegen Imk+l(Y)- @ k ( Y ) I 5 H k ( ~ ) . Wegen (iiy ) ist (@k)eine L1-Cauchyfolgevon Treppenfunktionen auf Y. Nach dem Satz von Riesz-Fischer konvergiert eine Teilfolge punktweise fast iiberall gegen eine integrierbare Funkt,ion auf Y. Wegen (iy) stimmt diese fast iiberall mit F iiberein. Folglich ist auch F integrierbar. Der Satz von
292
8 Vollsthdigkeit. Konvergenzsatze. Satz von Fubini
Riesz-Fischer liefert schlieBlich
Beispiel: Das Gad-Integral und das Volumen der Einheitskugel im I&" nach Poisson. Wir haben am Ende des Abschnitts 8.4 das Volumen der Einheitskugel im euklidischen IRn aufgrund des Cavalierischen Prinzips unter Zuhilfenahme des Betaintegrals berechnet. Wir berechnen dieses Volumen jetzt erneut zusammen mit dem n-dimensionalen Gad-Integral unter Anwendung des Satzes von Fubini. Wir zeigen:
Beweis: Nach dem Satz iiber die Integration rotationssymmetrischer Funktionen ist die Funktion x H e l x l 2 iiher IRn integrierhar, und es gilt
Das links stehende Integral formen wir augerdem mit Hilfe des Satzes van Fubini um: Wegen e-1"Il2 = e-": . . .e d erhalten wir
Komhiniert man die erhaltenen Identitaten speziell im Fall n = 2, erhalt man wegen KZ = 71 und r(2)= 1 erneut das Gad-Integral
Einset,zendieses Wertes in (**) ergibt die erste der Formeln (11). Mit dieser 0 folgt schlieBlich aus (*) die Formel fiir K,.
8.5 Integration iiber einen Produktraum
293
Der Satz von Fubini kann analog bewiesen werden, wenn man znerst uber Y und dann uber X integriert: Fur eine uber X x Y integrierbare Funktion f gilt also in der zu (10) analogen Kurzfassung
Korollar (Vertauschungsregel): Ist f uberX x Y integrierbar, so gilt
Bemerkung: Die Vertauschung der Integrationsreihenfolge kann unzulassig sein, wenn der Integrand nicht iiber den Produktraum integrierbar ist. Ein Beispiel:
Die Anwendbarkeit des Satzes von Fubini setzt voraus, d d die betrachtete Funktion uber den Produktraum integrierbar ist. Ein sehr brauchbares Kriterium hierfur liefert der Satz von Tonelli (1885-1946). Dieser Satz involviert ein iteriertes Integral des Betrages der Funktion. Wieder sei X = IRp und Y = Rq.
Satz (Tonelli): Eine lokal-integrierbare oderfast uberall stetige Funldion f : X x Y + 6: ist genau dann uber X x Y integrierbar, wenn wenigstens eines der iterierten Integrale uber den Betrag won f
existiert. Gegebenenfalls gelten die Formel (10) des Satzes von fibini und die Vertauschungsregel (13). Unter der Existenz etwa des linken Integrals in (14) ist ausfuhrlicher das Folgende zu verstehen: Fur jedes y E Y augerhalb einer geeigneten Nullmenge N C Y existiert Jx 1 f ( x , y)l dx, und die durch
und durch F ( y ) := 0 fur y E N definierte Funktion ist uber Y integrierbar.
294
8 Vollsthdigkeit. Konvergenzsatze. Satz von Fubini
Beweis: Nach dem Satz von Fubini ist die Bedingung notwendig, da mit f auch 1 f 1 uber X x Y integrierbar ist. Zum Beweis der Umkehrung zeigen wir, d d If 1 uber X x Y integrierbar ist; nach den Satzen 6 und 7 ist dann auch f integrierbar. Es sei dazu Wh der Wurfel [-k; kIn c IRn und fk := min (1 f 1 ,k. lw,). fk ist integrierbar: Fur ein lokal-integrierbares f folgt das aus der Definition und fur ein fast uberall stetiges f aus 7.6 Satz 13. Die Folge (fk) konvergiert monoton wachsend gegen 1 f 1, und die Folge der Integrale der fk ist beschrankt:
hierbei haben wir den Satz von Fubini angewendet und die Existenz des linken Integrals in (14)angenommen. Nach dem Satz von B. Levi ist also If 1 = limk,, fk integrierbar. 0
Man beachte: Fur die Integrierbarkeit einer Funktion uber einen Produktraum ist die Existenz der iterierten Integrale des Betrages von f notwendig. Die Aufgabe 17 zeigt an einem Beispiel, daB die Existenz der iterierten Integrale der Funktion selbst nicht hinreicht.
Beispiel (Dirichlet): Integration won f (x,y) = xP-'yq-' mit p, q > 0 uber das Standardsimplex A = A2 C IR2. Die durch 0 trivial auf IR2 fortgesetzte Funktion fA a~ ist stetig auflerhalb des Randes von A; ferner existiert das iterierte Integral
da das zuletzt angeschriebene Integral absolut konvergiert. Bei diesem hmdelt es sich um das in (7) eingefiihrte Betaintegral. Die Funktion faisn ist somit integrierbar, und ihr Integral hat den Wert
Die Integration uber A ist aquivalent zur Integration uber A \ aA, da a A eine Nullmenge ist. Insgesamt erhalt man schliefllich
Diese Formel wird in 9.3.11 Beispiel 2 wesentlich enveitert.
8.5 Integration iiber einen Produktraum
295
AbschlieBend betrachten wir Funktionen auf X x Y , die durch Multiplikation aus Funktionen auf X und Y entstehen. Fur f : X + C U {w} und g: Y + C U {co)definiert man f 8 g: X x Y + C U {w} durch
f 8 g heiBt Tensorprodukt von f und g. Satz: (i) Mit f und g ist auch f 8 g integrierbar, und es gilt
(ii) Ist f 8 g integrierbar und verschwindet g nicht fast iiberall auf Y , so ist auch f integrierbar. Beweisskizze: (i) Vorweg zeigt man die Ahschatzung
xi
Sie beruht im wesentlichen darauf, daB mit den Hullreihen cilq, und bzw. g x i , k cidklQixpI eine Hiillreihe fur f 8 g ist. Der Beweis des Satzes wird sodann gemaB der Definition des Lebesgue Integrals in zwei Schritten erbracht. Zunachst verifiziert man den Satz fur Treppenfunktionen direkt durch Nachrechnen. (Mit Treppenfunktionen y auf X und y auf Y ist y 8 y eine Treppenfunktion auf X x Y . ) Zum Nachweis im allgemeinen Fall wahlt man Folgen (yk) und (yk) van Treppenfunktionen mit 11 f - ipkll, + 0 hzw. Ilg - ykll, + 0. Mittels (*) zeigt man leicht, daB dann f 8 g - yk 8 ykll, + 0 gilt. Somit ist f 8 g integrierbar, und das Integral hat den Wert
CkdklpI fur f
11
(ii) Nach dem Satz von Fubini gibt es eine Nullmenge N C Y derart, daB die Funktion x H f (x)g(y) fiir alle y E Y \ N integrierbar ist. Nach Voraussetzung gibt es ferner ein yo E Y\N mit g(yo) # 0. Mit der Funktion x H f (x)g(y~)ist also auch die Funktion f integrierbar. 0 Beispiel: Seien p,q E IR. Die Funktion (x, y) H xP-'ye-' ist genau dann C IR2 integrierbar, wenn die heiden Faktoren x e xP-l und iiber (0; y H yq-I uber (0; 1) integrierbar sind. Das ist genau fur p, q > 0 der Fall.
8 Vollsthdigkeit. Konvergenzsatze. Satz von Fubini
296
8.6
Aufgaben
1. Man zeige, daJi der Raum W[-1; 1]mit der L1-Norm unvollstiindig ist. Dazu zeige man, daJ2 die Funktionen f n : [-I; 11 + IR, -1 fiir x E [-I; -;I, nx f i i r x e [-A;;], 1 fiirxE[;;l], eine L1-Cauchyfolge bilden, welche in W[-1; 1]keinen L1-Grenzwert hat. Man gebe einen L1-Grenzwert in Y1([-1; 11) an. 2. Der Durchschnitt D abzihlbar vieler megbarer Mengen A1, Az, . . . im Rn ist meghar. Im Fall A1 > A2 > . . . gilt v(D) = lim u(Am). k+m
3. Es sei Kl(0) die euklidische Einheitskugel im IRn. Man zeige, daJi das dx Integral
Jmm
K1(0)
existiert, und berechne es fiir n = 2 und 3. 4. Es sei 11 11 irgendeine Norm auf IRn. Fur welche a E IR ist die Funktion (1 11x11')-' fiber IRn integrierbar?
+
5. Es seien P I , . . . , p k verschiedene Punkte im IRn und al, . . . ,ak positive Zahlen. Man beweise: Fur eine beliebige Norm auf IRn existiert
genau dann, wenn folgende zwei Bedingungen erfiillt sind: (i) ai fiir alle i = 1,. . . , k sowie (ii) a1 . . . ak > n.
+ +
-;,
kann fiir z E C durch
definiert werden. Man zeige:
Hinweis: Betaintegral
9. Es sei E die Einheitskugel im enklidischen IRn und t E IR. Man zeige:
wobei Jnlz die Besselfunktion der Ordnung n/2 ist; siehe Aufgabe 8. 10. Man zeige: Das Integral der in 2.3 angegebenen Liisung der W k m e leitungsgleichung hat fiir alle t > 0 den gleichen Wert; und zwar gilt
11. Man zeige: 1st A C IRn meBbar und f : A heschrankt, so ist f iiher A integrierbar.
+ C fast uberall stetig und
12. Es seien f k : A + C, k E IN, integrierbare Funktionen auf einer meBbaren Menge A C IRn. Die Folge (fk) konvergiere auf A gleichmaflig gegen die Funktion f . Man zeige, daB auch f uber A integrierbar ist, und
Auf die MeBbarkeit von A kann hierbei nicht verzichtet werden; man 1 betrachte auf IR etwa die Folge der Funktionen - . l[-k,kl, k E IN. k
13. Es sei f E Y1(IRn)reel1 und nicht negativ. Dann ist fur jedes c die Menge A, := {z E IRn f (x) 2 c ) meBbar und hat ein Ma%
I
1
vn(Ac)
5 ;. Hf 111
>0
(Tschebysehewsehe Ungleichung).
Hinweis: Man konstruiere eine integrierbare Funktion y : En + [O;11so, da# A, := {z E En p(z) = 1) gilt, und betrachte die Folge (&.
I
8 Vollsthdigkeit. Konvergenzsatze. Satz von Fubini
298
CEl
Es seien Ak, k E IN, megbare Mengen im Rn mit u(Ak) < co. Dann liegen fast alle x E IRn in hocbstens endlich vielen der Ak. CO
Hinweis: Man betrachte die Funktion f =
C
1~~
k=l
Fur welcbe a integrierbar?
>
0 ist
1 -
uber A = {(x, y) E (0; 1)'
1
y 5 x"}
X+Y
+. + x % ) - ~ ,1 5 m 5 n, uber den Wurfel
Fur welche a > 0 ist (x: .. [-I; 11" c IRn integrierbar?
Es sei f (x,y) := Sign(xy) auf IR2 \ (0,O) und f (0,O) = 0. Man zeix 2 + Y2 ge, etwa mit dem Satz uber die Integration rotationssymmetrischer Funktionen, dag f nicht uber R integrierbar ist, daJi aber die beiden iterierten Integrale JR(JF, f dx) dy und JR(& f dy) dx existieren und denselben Wert baben, namlich 0. Sei f : IRn + R eine stetige Funktion, deren positiver Anteil f+ und negativer Anteil f - jeweils nicht uber IRn integrierbar ist. Man zeige: Zu jedem a E IR gibt es eine Ausschopfung (Ak) des IRn mit lim
k+m
J f (x) dx = a At
CEO=,
Man zeige: Eine Reihe ga integrierbarer Funktionen auf IRn mit J lgkI dx < co konvergiert fast iiberall gegen eine integrierbare Funktion, und es gilt
CEl
m
I(?k=l gk) dx k=l zJ gk dx. =
Fur welches n ist nn am grogten ?
9 Der Transformationssatz
Wir untersuchen in diesem Kapitel das Verhalten eines Integrals unter einer Koordinatentransformation. Eine solche tritt zum Beispiel auf, wenn man zur Beriicksichtigung von Symmetrien des Integrationsbereiches passende Koordinaten wahlt, zur Integration iiber eine Kugel etwa Polarkoordinaten. Im Fall der Dimension Eins und bei stetigen Integranden hat man die mit Hilfe des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung leicht heweishare Substitutionsregel. Der Transformationssatz verallgemeinert diese Regel auf heliehige Dimensionen und beliebige integrierhare Funktionen; sein Beweis erfordert jedoch wesentlich mehr Miihe.
9.1
Formulierung des Transformationssatzes. Erste Beispiele
Zunachst formulieren wir die Suhstitutionsregel der Integralrechnnng einer Veranderlichen in einer Weise, in der auf die Zuordnung der Integrationsgrenzen nicht Bezug genommen wird. Sei t : [a;b] + [a;P] eine bijektive stetig differenzierbare Ahbildung. Im Fall t' 2 0 ist t ( a ) = a und t(b) = P, im orientierungsumkehrenden Fall t' 5 0 ist t ( a ) = P und t ( b ) = a. In heiden Fdlen gilt
Der Transformationssatz schliegt an diese Formulierung an Transformationssatz: Seien U u n d V offene Teilmengen des IRn und sei T : U + V ein Diffeomorphismus. Dann ist eine Funktion f auf V genau dann uber V integrierbar, wenn ( f o T ) . ldet T'I uber U integrierbar ist. I n diesem Fall gilt
300
9 Der Transformationssatz
Die Transformationsformel erscheint plausibel, wenn man die beiden Integrale dnrch Riemannsche Summen approximiert. Wir stellen uns U als Vereinigung kleiner Quader Qk vor; V ist dann die Vereinigung der ,,krummlinigen Parallelotope" Pk = T ( Q k ) .1st f in Pk nahezu konstant und T dort nahezu affin, so stellt die Summe C f (yk)v(Pk)mit yk E Pk eine Niherung fiir J, f ( y )dy dar. Pk hat nach 7.7 (11) nahernngsweise das Volumen ldet T1(xk)l.u(Qk),wobei xk = T-l(yk). Damit erhalt man
Diese beiden Summen sind jeweils Niherungssummen zu den in der Transformationsformel auftretenden Integralen.
Die beiden Integrale in der Transformationsformelwerden durch Riemannsche Summen approximiert, wobei v(Pk) =: ldet T ' ( Z ~ ). ~ u(Qk) Wir beweisen den Transformationssatz im nachsten Abschnitt. Zuvor formulieren wir ihn noch im Fall einer affinen Transformation sowie der Potenzabbildungen. Die besonders wichtige Integration dnrch Transformation auf Polarkoordinaten behandeln wir eingehend im iibernachsten Abschnkt.
+
Folgerung 1: Sei T : IRn + IRn, T x = Ax b, eine nieht ausgeartete afine ilansfomation. Ist f uber eine Menge K C IRn integrierbar, dann ist f a T uber die Urbildmenge T - ' ( K ) integrierbar, und es gilt
Beweis: Man wende den Transformationssatz auf U = V = IRn und f K an; dabei ist zu beachten, daf2 f K o T = ( f o T ) T - l ( K ) . Wendet man die Folgerung anf f = 1 und die Umkehrabbildung T-I anstelle von T an, so e r h a t man eine wichtige Transformationseigenschaft des Lebesgue-Mailes:
9.1 Formulierung des Transformationssatzes. Erste Beispiele
Korollar: Mit K ist auch T ( K ) meJbar, und es gilt u(T(K)) = ldet A1 . v(K). Insbesondere gilt bei einer Bewegung T
u(T(K)) = u(K). Diese Eigenschaft nennt man die Bewegungsinuarianz des Lebesgue-MaBes.
Beispiel 1: Das Volumen des Ellipsoids
I + +
E ist das Bild der Einheitskugel K = {E