Ingenieurgeologie
Helmut Prinz
Roland StrauB
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Ingenieurgeologie g eu g I I 5., bearbeitete und erweiterte Auflage
Professor Dr. Helmut Prinz Stromberger StraBe 38 55411 Bingen
Dr. Roland Straug Geologischer Dienst Nordrhein-Westfalen De-Greiff-Strage 195 47803 Krefeld
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Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer. de 5. Auflage 2011 © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
Spektrum Akademischer Verlag ist ein Imprint von Springer
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Das Werk einschlieSlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung augerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Planung und Lektorat: Frank Wigger, Dr. Christoph Iven Satz: klartext, Heidelberg Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm Titelfotografie: alter Steinbruch Dorndorf (Werratal) in Sandsteinen der Bernburg- Foige (Unterer Buntsandstein) mit salzhangbedingten Zerrspalten. Foto: S. Schmidt/J. Wunderlich, Weimar. Fotos/Zeichnungen: von den Autoren, wenn nicht anders angegeben ISBN 978-3-8274-2472-3
Vorwor zur 5. A
Die vorliegende fiinfte Auflage ist in befruchtender Gemeinschaftsarbeit entstanden und zwar einerseits der gra6eren zur Verfugung stehenden Zeit eines Pensionars und andererseits dem aUtaglichen Zugang zu den Entwicklungen in der Praxis und der neueren Literatur. Auch diese Auflage liegt noch in der Umstellungsphase auf eine einheitliche europaische Normung, was auch wieder eine teilweise Doppelbehandlung sowohl nach den neuen Europanormen als auch nach den bisherigen nationalen Normen erfordert. Der bisherigen gro6en Resonanz entsprechend, soU auch diese funfte Auflage sowohl Studierenden als auch im Beruf stehenden Geowissenschaftlern und Bauingenieuren ein praxisnahes Wissen vermitteln und auch anderen, an beruflicher Weiterbildung interessierten Lesern als Einfiihrung in die ingenieurgeologisch-geotechnischen Untersuchungsmethoden und Problemlasungen sowie die spezieUen Bauweisen dienen. Wer sich intensiver mit speziellen Fragestellungen befassen muss, findet entsprechende Literaturhinweise.
lage
Die Autoren haben auch diesmal versucht, Fehler im Text und bei den Abbildungen maglichst zu vermeiden, was aber erfahrungsgema6 bei einem derartigen Umfang nie ganz maglich ist. Hinweise auf Fehler aller Art oder auch weiterfiihrende Anregungen sind deshalb immer willkommen. Unser besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.lng. habil. R. Schwerter, Hochschule Zittau/ Garlitz, der freundlicherweise eine fachliche Durchsicht vorgenommen und viele Anregungen gegeben hat. Sehr zu danken haben wir auch den Herren Dr. S. Schmidt, Weimar und Dr. H.-M. Mabus, Freiburg i. Br. fur zahlreiche Anregungen sowie unseren Frauen, die den Zeitaufwand auch fur diese Dberarbeitung mit bewundernswerter Geduld ertragen haben.
Bingen am Rhein und Krefeld im Dezember 20 lO Helmut Prinz Roland Strau6
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 5. Auflage . . ........ . . . 1
Einleitung .................. .
1.1
Aufgabenstellung der Ingenieurgeologie .. . .. . ....... . Verbindlichkeit von Normen und Richtlinien, Baugrundrisiko ..... . Formelzeichen, Einheiten ....... .
1.2 1.3
2
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.1.8 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4
2.4 2.4.1
Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung .. ... ........ . KorngroBe, Kornverteilung ..... . . Siebanalyse ... . .. .. .. ... ...... . . Sedimentationsanalyse ... .. .. .. .. . Sieb- und Sedimentationsanalyse . . . . Darstellung und Beschreibung der Kornfraktionen ............. . . . Kornungen als Handelsbegriff ..... . . Hydraulische Instabilitiit und Filter fur DriinmaBnahmen ... .. .... . ... . Filtersande und Filterkiese fur den Brunnenbau ...... ... .. . ........ . Aufbau und Eigenschaften der Tonminerale ...... .. . . . . .... . ... . Kalkgehalt, organische und andere Beimengungen . ... . . .. . . ...... . Kalkgehalt (Vea) . . .. . . ... ..... . .. . Organische Bestandteile (Vgl) ....... . Schwefelverbindungen . ....... .. . . . Das Drei-Stoff-System Boden und Fels . . . .. . .. . . ..... . ...... . Wassergehalt (w), Siittigungszahl (S,), Wasseraufnahmevermogen (wA) • • • • • • Korndichte bzw. Reindichte (Ps) ... . . . Dichte (p) und Wichte (r) . ......... . Porenanteil (n), Porenzahl (e), Porositiit ... .. ...... ... . .. .. .. . . Lagerungsdichte (D) ........... . Lagerungsdichte nichtbindiger Lockergesteine .... . ........... . .
v
2.4.2 2.5 2.6
2 5
2.6.1 2.6.2 2.6.3
7 9 9 9 10
2.6.4 2.6.5
2.6.6 11 14
2.6.7
15
2.6.8
19
2.6.9 2.6.10
19
22 22 23 24
2.6.11 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3
24 2.7.4 24 27 27 30 31 31
2.7.5 2.7.6 2.8 2.8.1 2.8.2
Lagerungsdichte bindiger Lockergesteine, Proctorversuch. . . . . . . . . . . Zustandsform, Konsistenzgrenzen ........ . .. . .... .. . .... Verformungsverhalten, Druckund Zugfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen.. . ... . ........... . . . Wirkung des Wassers, Porenwasserdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannungs-VerformungsBeziehungen .... ... . . ..... . . ... . Bodensteifigkeit, Steifemodul (Es), Zeitsetzungsverhalten . . . . . . . . . . . . . Verformungsmodul (Ev! und Bettungsmodul (ks ) aus dem Plattendruckversuch ... . . .. . ..... . .. .. . . . . . . California Bearing Ratio (CBR)Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Verformungsmodul (Ev! aus Bohrlochaufweitungsversuchen . . . . .. Diskussion der Verformungsmoduln des Gebirges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primarspannungszustand..... ... .. Druckfestigkeit, Zugfestigkeit, Sprodigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Volumenzunahme durch Quellen . . . . . Scherfestigkeit. . . . . . . . . . . . . . . .. Grundlagen.. . .. . . ... .. . .. . .. ... Direkter Scherversuch mit vorgegebener Scherflache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsolidierte triaxiale Kompressionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Versuche zur Ermittlung der undriinierten Scherfestigkeit Cu • • • • • • • • • • GroBscherversuche . ........... . .. Diskussion der Scherfestigkeitsparameter (q>, c). . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchlassigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . Durchlassigkeit von Lockergesteinen Durchliissigkeit von Fels . . . . . . . . . . .
32 33 37 37 38 40 41
45 47 48 48 50 56 64 66 66 68 70 71 73 74 80 81 82
Inhaltsverzeichnis
VIII 2.8.3 2.8.4 2.8.5 2.8.6 2.8.7
3
3.1
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5
3.3
3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4
3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4
3.4.5
4 4.1
4.2
Laborversuche zur Ermittlung des k-Wertes ....................... 84 Feldversuche zur Ermittlung des k-Wertes ....................... 86 Durchlassigkeitsbeiwerte.......... 96 GrundwasserflieBparameter........ 99 Sickerwasser, Grundwasserneubildung, kapillare Steighohe (h k) • • • • • • • • • • •• 101
Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fur bautechnische Zwecke ...................... 103 Benennung, Beschreibung und Klassifizierung von Boden und Fels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Gruppeneinteilung der Boden nach DIN 18 196 . . . . . . . . . . . . . . .. Grobkornige Boden. . . . . . . . . . . . . .. Gemischtkornige Boden ........... Feinkornige Boden. . . . . . . . . . . . . . .. Organische und organogene Boden. .. Aufgeschuttete Bodenarten. . . . . . . .. Beschreibung und Einstufung von Boden und Fels nach den ATV der VOB .... . . . . . . . . . . . . . .. Boden- und Felsklassen nach ATV DIN 18300, Erdarbeiten. . . . . . .. Boden- und Felsklassen fur Bohrarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Boden- und Felsklassen fUr Rohrvortriebsarbeiten . . . . . . . . . . . .. Sonstige Klassifizierungen nach ATV DIN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels) ..... . . . . . . . . . . . .. Gesteinsbeschreibung fUr bautechnische Zwecke ............ Beschreibung von Gebirge (Fels), Verwitterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Trennflachen und ihre Bedeutung. . .. Ausbildung und bruchmechanische Deutung von tektonischen Storungszonen. . . . . . . . . . . . . . . . . .. Obersicht uber die tektonischen GroBstrukturen in Deutschland. . . . ..
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3
4.4 103
4.4.1
103 105 105 106 106 106
4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6
107
4.5
107
4.5.1 4.5.2
108 4.5.3 109
4.6
109
4.7
110
4.8 4.8.1 4.8.2 4.8.3 4.8.4
110 114 118
126
134 135 137 145 148 149 149 150 154 156 156 157 158 160 162 167 172 172 173 176 179 185 186 186 187 187 190
5
Einfuhrung in die Berechnungsverfahren fur Flachgrundungen und GeHindebruch ........... 193
5.1
Grundlagen .................... 193 Sicherheitsnachweise fUr Bauwerke ..................... 194 Sohldruckverteilung in Fundamentsohle ............... 197
130
Erkundungsmethoden ....... 133 Grundlagen und Erkundungsumfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 133 Spezielle Arbeiten im Rahmen der Voruntersuchung . . . . . . . . . . .. 134
Geologische und ingenieurgeologische Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Gefahrenhinweis- und Risikokarten . .. Erdbebengefahrdung.............. Rezente tektonische Spannungen und Deformationen ............... Erkundung tektonischer Storungszonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Indirekte Aufschlussmethoden ... Projektkartierungen, Luftbildauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Oberflachengeophysikalische Feldmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Gasgeochemisches Monitoring. . . . .. Direkte Aufschlussmethoden . . . .. Zu beachtende gesetzliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Art und Umfang der Baugrunderkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Einteilung der Boden- und Gesteinsproben, Probenentnahmeverfahren. .. Schurfe, Untersuchungsschachte und -stollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Bohrungen...................... Felduntersuchungen.............. Aufnahme von AufschlGssen (Schichtenverzeichnisse) ........ Aufnahme von SChurfen ........... Aufnahme von Bohrungen im Lockergestein ........................ . Aufnahme von Bohrungen im Fels ... . Erfassen der Grundwasserverhiiltnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Darstellen der Boden- und Felsarten ... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Bohrlochmessungen. . . . . . . . . . .. Bohrlochsondierungen............. Bohrlochabweichungsmessungen.... Geophysikalische Bohrlochmessungen. Verschiebungsmessungen in Bohrlochern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
5.2 5.3
IX
Inhaltsverzeichnis
5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3
Mittige und ausmittige Beanspruchung von starren Einzelfundamenten . . . . .. 198 Linien- und Einzellasten auf Streifenfundamenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 200 Grundlagen des Bettungsmodulund Steifemodulverfahrens . . . . . . . .. 200
Nachweis der Tragfahigkeit von Flachengrundungen . . . . . . . . . . . .. 201 Gleitsicherheit (EQU) . . . . . . . . . . . . .. 201 Kippsicherheit (EQU) . . . . . . . . . . . . .. 201 Sicherheit gegen Aufschwimmen (UPL) .......................... 202 Hydraulischer Grundbruch. . . . . . . . .. 203 Grundbruchsicherheit............. 204
Sohldruckverteilung und Setzungen von Flachgrundungen ........... 205 Theorie der Sohldruckverteilung . . . .. 205 Sohldruckverteilung im Baugrund . . .. 206 Ermittlung der Setzungen von Streifen- und Einzelfundamenten. . . .. 206
Grundlagen fur die Ermittlung des Erddrucks . . . . . . . . . . . . . . . . .. 212 Erddruckarten................... 213 Wahl des Erddruckansatzes. . . . . . . .. 213 Bodenkennwerte fOr Erddruckberechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
214
5.7
Standsicherheitsnachweise fUr Gelandebruch . . . . . . . . . . . . . . . . .. 215
5.7.1
Berechnungsmodelle und Sicherheiten ......................... Standsicherheit bei ebener Gleitflache ......................... Standsicherheit bei gebrochener Gleitflache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Standsicherheitsnachweis nach dem Lamellenverfahren. . . . . . . . . . .. Starrkorpermethode bzw. BlockgleitVerfahren ...................... Standsicherheit von Felsboschungen. Mechanische Wirkung des Wassers
5.7.2 5.7.3 5.7.4 5.7.5 5.7.6 5.7.7
6
6.1 6.2 6.2.1
215 217 218 219 220 221 224
Ursachen von Setzungen, zulassige Setzungsunterschiede, Risseschaden ............... 227 Setzungen und Setzungsunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 227 Ursachen von Rissen und Bauwerksschaden .............. 229 Erhohung des Wassergehaltes. Wasserdurchstromung. . . . . . . . . . . .. 230
6.2.2 6.2.3 6.2.4
Grundwasserabsenkung und Wasserentzug durch Baume . . . . . . . . . . . . .. 230 Entnahme von Erdgas und Erdol . . . .. 234 Baugrundhebungen infolge Quellerscheinungen oder Kristallisationsdruck .......................... 234
6.2.5
Einfluss von Erschutterungen ....... 235
7
FlachengrGndung, Baugrundverbesserung
7.1
Prinzip der Flachengrundung, Fundamentarten . . . . . . . . . . . . . . .. Festlegung der Grundungstiefe ... Zulassiger Sohldruck in einfachen Hillen. . . . . . . . . . . . . . .. Konstruktive und baugrundverbessernde MaBnahmen . . . . . ..
7.2 7.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4
7.4.5
8 8.1 8.1.1
8.1.2 8.2 8.2.1 8.2.2
8.2.3 8.2.4 8.2.5
Konstruktive MaBnahmen . . . . . . . . .. Abminderung des Sohldrucks . . . . . .. Mechanische Baugrundverbesserungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Baugrundverfestigung durch Einpressen von Suspensionen oder Losungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Dusenstrahlverfahren.............
241 241 241 242 244 244 245 245
248 253
PfahlgrGndung .............. 255 Einteilung und Tragverhalten der Pfahle ..................... 255 Tragverhalten der Pfahle . . . . . . . . . .. 255 Pfahlarten und Baustoffe. . . . . . . . . .. 256 Grundlagen der Pfahlbemessung 257 Ermittlung der Pfahltragfahigkeit durch Probebelastungen . . . . . . . . . .. Bemessungsverfahren fOr Bohrpfahle aus Erfahrungs- bzw. Tabellenwerten .................. Tragfahigkeit von Reibungspfahlen ... Horizontale Einwirkung auf Pfahle ... Negative Mantelreibung und Seitendruck auf Pfahle in weich en Boden. .. Tragfahigkeit von Pfahlgruppen . . . . ..
8.2.6 Rammpfahle ................... 8.3 8.3.1 Fertigpfahle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 8.3.2 Ortbetonrammpfahle. . . . . . . . . . . . .. Bohrpfahle .................... 8.4 8.4.1 Normalkalibrige Bohrpfahle . . . . . . . .. 8.4.2 GroBbohrpfahle . . . . . . . . . . . . . . . . .. 8.4.3 Pfahle mit kleinen Durchmessern . . ..
259
261 263 264 265 266 267 268 268 269 270 271 272
x 9
Schutz der Bauwerke vor Grundwasser .... . . . . . . . .
Grundwasserstande, Bemessungswasserstand . . . . . . . . Dranung von Bauwerken ........ . 9.2 9.3 Druckwasserhaltende Abdichtung von Bauwerken .. .. .. .. .. . . . . . .. 9.4 Dezentrale Regenwasserversickerung . .. . . . . . . . . ... . ... 9.5 Betonangreifende Wasser und Boden ........ ... ........ . 9.5.1 Entnahme und Untersuchung von Grundwasser- und Bodenproben . . . . . 9.5.2 Untersuchungsmethoden . ... . ..... 9.5.3 Betonaggressive Stoffe und ihre Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9.5.4 Beurteilung der Aggressivitat. . . . . . . . 9.5.5 Bauliche SchutzmaBnahmen ...... . .
Inhaltsverzeichnis
12 Erdarbeiten .. .. .......... . . .. . . 275
9.1
10
Baugruben ... . ... . . . . ... . ...
10.1 10.2 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.3.5 10.4 10.4.1 10.4.2 10.4.3 10.5 10.5.1 10.5.2
275 277 278 279 280 280 282 282 285 285 287 287 288 288 289 290 290 291 292 292 293 294 294 296 296
Baugrubenaushub . .......... . .. Geboschte Baugruben . . . . . . . . . . . Baugrubenverbau . .... . . . . . . . . . . Tragerbohlwandverbau . . . .. . . ... . . Spundwandverbau . . . . . . . . . . . . . . .. Bohrpfahlwande. . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlitzwande . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Sonderbauweisen . . .... .. . . . . . . .. Dichtwande . . .. . . . .. . .... .. . ... Dichtwande im Schlitzwandverfahren . Schmalwande. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sohldichtung von Baugruben .... ... Ankersicherung .. ........... ... Herstellung von Verpressankern .. . . . Ankersysteme von Verpressankern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 10.5.3 Prufung der Anker. . . . . . . . . . . . . . .. 299 10.5.4 Bemessung der Anker. . . . . . . . . . . .. 300
11
Wasserhaltung. . . . . . . . . . . . ..
11.1 11.2 11.3
Rechtliche Grundlagen. . . . . . . . . .. Offene Wasserhaltung .. . ... . .. . Grundwasserabsenkung mit Brunnen ..... .... ........ . . Grundwasserabsenkung mittels Vakuumverfahren . . . . . . . . . . . . . .. Elektroosmotische Entwasserung Berechnung einer Grundwasserabsenkung ...... .. ............ Grundwasserkommunikationsanlagen . . ... ..... ... ... . . .... .
11.4 11.5 11.6 11.7
303 303 305
12.1 Gewinnung und Forderung . .. . . .. 12.2 Einbau und Verdichtung . . ... . ... 12.2.1 Verdichtbarkeit der Boden- und Felsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 12.2.2 Verdichtungsgerate . ............ .. 12.2.3 Verdichtungsanforderungen nach ZTVE und RiL 836 . . . . . .. . . . . . . . . . 12.2.4 Verdichtungskontrollen . . . . . . . . . . .. 12.2.5 Vorbereiten der Dammaufstandsflache und Verdichten der Boschungsbereiche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.6 Hinterfullen und Oberschutten von Bauwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Bodenverbesserung und Bodenverfestigung . . . . . . . . . . . . .. 12.3.1 Bodenverbesserung und Bodenverfestigung mit Kalk oder hydraulischen Bindemitteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2 Bodenverfestigung . . ........ ..... 12.3.3 Verbesserung der Tragfahigkeit und der hydraulischen Stabilitat durch Geokunststoffe .. . . . . . . . . . . . . . . .. 12.4 Frostwirkung ... .. .. ... .... . . .. . 12.4.1 Frostempfindlichkeit von Erdstoffen und Fels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 12.4.2 Tragschicht und Frostschutzschicht im StraBenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.3 Bettung, Frostschutz- und Planumschutzschicht bei Gleisanlagen . . . . . .
13
Standsicherheit von Boschungen . .......... ... ...
13.1
Boschungsneigungen in Lockergesteinen . . . . . . . . . . . . . . . . Grobkornige Boden .... .. . ... .. . . . Feinkornige Boden .. . .......... . .. Gemischtkornige Boden. . . . . . . . . . .. Heterogene (geschichtete) Boden. . .. Aufgespulte Boden und Kippenboschungen ........... . .... ... . . Boschungen im Fels . . . . . . . . . . . .. Einfluss des Trennflachengefuges und der Frostbestandigkeit . . . . . . . . . Boschungsneigungen und Boschungsformen . . . . . . . . . . . . . . .. Herstellen von Felsboschungen . . . . .. SicherungsmaBnahmen .... . .... MaBnahmen beim Boschungsbau .... LebendverbaumaBnahmen ..... .. .. EntwasserungsmaBnahmen .. . . .. . ..
13.1.1 13.1.2 13.1.3 13.1.4 13.1 .5 13.2 13.2.1
306 13.2.2 309 310 311 313
13.2.3 13.3 13.3.1 13.3.2 13.3.3
315 317 319 320 321 322 324
326 327 328
328 330
330 334 334 335 336
339 340 340 340 341 341 342 342 342 343 345 345 346 348 349
Inhaltsverzeichnis Erfahrungswerte von Boschungsneigungen in den deutschen MiUelgebirgen ................. 13.4.1 Alte Gebirge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13.4.2 Schichtgesteine ................. 13.4.3 Tertiare und quartare Gesteine, Braunkohletagebaue und Tagebaurestl6cher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13.5 Standsicherheit von Boschungen in Steine- und Erdenbetrieben . . ..
XI
15.3
13.4
349 350 350
351
15.3.1 15.3.2 15.3.3 15.3.4 15.3.5 15.3.6 15.4
353 15.5
14
Standsicherheit und Verformung von Dammen ................. 355
14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.1.4
Standsicherheit von Dammen .... Grundbruchsicherheit............. Gleit- bzw. Spreizsicherheit ......... Sicherheit gegen B6schungsbruch ... Damme auf wenig tragfahigem Untergrund ..................... 14.2 Setzungen von Dammen auf tragfahigem Untergrund ....... .. 14.3 MaBnahmen zur Erhohung der Standsicherheit und Abminderung der Setzungen ..... 14.3.1 MaBnahmen bei der Dammschuttung. 14.3.2 Punkt - und streifenf6rmige Bodenstabilisierung . . . . . . . . . . . . . .. 14.3.3 Teilweiser oder volistandiger Bodenaustausch .. . . . . . . . . . . . . . ..
355 355 356 356
15
365 366 366
Rutschungen ................
15.1 Ursachen von Rutschungen ...... 15.1.1 Geologische Voraussetzungen. . . . . .. 15.1.2 Veranderungen der Neigung oder H6he eines Hanges bzw. einer B6schung . .. 15.1.3 Wirkung des Wassers .............. 15.1.4 Vegetation und menschliche Eingriffe. 15.2 Erkennungsmerkmale und Untersuchungsmethoden . . . . . . .. 15.2.1 Beschreibung der wichtigsten Begriffe einer Rutschung . . . . . . . . . .. 15.2.2 Erkennen von Rutschungen und Rutschhangen im Gelande. . . . . . . . .. 15.2.3 Lage- und h6henmaBige Aufnahme und Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . .. 15.2.4 Aufschlussarbeiten ... . . . . . . . . . . .. 15.2.5 Lagebestimmung der Gleitflache und Bewegungsmessungen . . . . . . . .. 15.2.6 Altersdatierung und Bewegungsablauf ..........................
357
15.5.1 15.5.2 15.5.3 15.5.4 15.5.5 15.5.6
358
360 360 361 363
15.6 15.6.1 15.6.2 15.6.3 15.6.4 15.6.5 15.6.6 15.6.7 15.6.8
391 395 396 398 398 399 401 401 403 404 406 407 410 412 414 416 419
Grundlagen fur die Bewertung von Oeponie- und Altlastenstandorten, FUichenrecycling, Bodenaushub sowie Bergbaufolgen . . . . . . . . . . . . . .. 421
16.1 16.2
Abfallrechtliche Grundlagen ...... Klassifikation der Abfallarten und Deponiekonzepte ........... Abfaliarten und Obertagedeponien ... Untertagedeponien . . . . . . . . . . . . . .. Deponieuntergrund.............. Standorterkundung ............... Wasserbewegung und Schadstofftransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Untersuchung und Bewertung von Verdachtsflachen ........... Grundlagen .....................
370
374 376
16.2.1 16.2.2 16.3 16.3.1 16.3.2
378
16.4
380
16.4.1
371
384 384 386 386 387 388 391
16
367 367 369 369
Arten von Rutschungen, Klassifikation .................. Fallen.......................... Kippen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Gleiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Driften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. FlieBen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Komplexe Rutschungstypen. . . . . . . .. Berechnungsansatze und Diskussion der Scherparameter .. Vorbeugende MaBnahmen und Sanierung von Rutschungen . . . . .. Verbesserung bzw. Wiederhersteliung des B6schungsgleichgewichtes . . . . .. Oberflijchendranung . . . . . . . . . . . . .. Tiefdranung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Stabilisierung von Hangrutschungen .. Grundung von Bauwerken an rutschungsgefahrdeten Hangen. . . . .. Risikobewertung,Oberwachungsund Warnanlagen. . . . . . . . . . . . . . . .. Rutschungsanfallige Schichten ... Grundgebirge ................... Buntsandsteingebiete ............. Grenze R6tjMuscheikaik und Mittlerer / Oberer Muschelkalk. . . . . . . . . . . . . .. Keuper. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Jura ....... . ................... Kreide .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Tertiar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Quartar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
421 423 423 424 426 428 430 438 438
Inhaltsverzeichnis
XII 16.4.2 Untersuchung und Gefahrdungsabschatzung .................... 440 16.5 F1achenrecycling ................ 445
16.6
Verwertung von Bodenaushub und Bauschutt ................. 446
16.6.1 16.6.2 16.6.3 16.6.4
Verwertungsgebot, Abfallarten . . . . .. Klassifikation der Abfallarten. . . . . . .. Untersuchungsumfang, Probennahme. Anforderungen an die Verwertung ....
16.7 16.7.1 16.7.2 16.7.3 16.7.4 16.7.5 16.7.6
446 447 448 449 Bergbaufolgen ................. 452 Zustandigkeit und Unterlagen der Bergbehorde . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 453 Gefahrdungsabschatzung und Risikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . .. 454 Tagesnaher und oberflachennaher Bergbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 457 Tiefer Bergbau . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 459 Auswirkungen des Grubenwasseranstiegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 460 Methangasaustritte............... 462
17 Tunnelbau . ................... 463 17.1 Grundbergriffe des Tunnelbaus ... 463 17. 2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risikomanagement ............ . 464 17.2.1 Erkundungsinhalte, Richtlinien ..... . 464 17.2.2 Risikomanagement und Gefahrdungsbilder ......................... . 17.2.3 Spezielle Erkundungsmethoden ..... . 17.2.4 Tunnelplanung in Karstgebieten ..... . 17.2.5 Erkundung und Auswirkungen der Grundwassersituation ......... . 17.2.6 Auftreten von Gasen im Gebirge .... . 17.2.7 Umweltbelastung ................ . 17.2.8 Ermittlung geotechnischer Kennwerte ..................... . 17.2.9 Losbarkeit und Erweichbarkeit .. . .. .
17.3 17.3.1 17.3.2 17.3.3
17.3.4
17.4
465 467
472 475
17.5
17.5.1 Lage, Richtung und Querschnitt des Hohlraumes, Bergschlaggefahrdung .. 17.5.2 Spannungszustand, Spannungsumlagerung, Gebirgsdruck ......... 17.5.3 Geotechnische Messungen und Verformungsverhalten bei Mittelgebirgstunneln . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17.5.4 Verbundwirkung von Gebirge und Spritzbetonausbau. . . . . . . . . . . . . . .. 17.5.5 Bemessungsannahmen fiir die Tunnelstatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
17.6
514
Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges .................. 516 517 519
525 532 536
Bauweisen .................... 545
17.6.1 Offene und halboffene Bauweisen .... 17.6.2 Konventioneller bergmannischer Vortrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17.6.3 Teilschnittmaschinen.............. 17.6.4 Tunnelvortriebsmaschinen. . . . . . . . .. 17.6.5 Grabenloser Leitungsbau. . . . . . . . . ..
545 546 549 550 560
17.7 Ausbrucharbeiten .............. 563 17.7.1 Bagger und Sprengvortrieb . . . . . . . .. 563 17.7.2 Profilhaltung und Mehrausbruch . . . .. 565 17.8
Sicherungsarbeiten, Gebirgsvergutung ..................... 566
17.8.1 Spritzbetonausbau. . . . . . . . . . . . . . .. 17.8.2 Ankersicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17.8.3 Firstsicherung durch SpieBe, Dielen oder Schirme . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17.8.4 Gebirgsvergiitung durch Injektionen .. 17.8.5 Gebirgsvergiitung durch Bodenvereisung ......................
567 569
18
Talsperrengeologie ... .......
579
18.1
Ingenieurgeologische Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 580
574 576 578
492 492
493 495 Gebirgsklassifizierung .......... . 500 Qualitative Gebirgsklassifizierung ... . 501 Quantitative Gebirgsklassifizierung .. 504 Gebirgsverhaltenstypen und Systemverhalten nach OGG-Richtlinie und SIA-Norm ...................... . 508 Darstellung und Wertung der Gebirgstypen bzw. -klassen .............. . 509
Ingenieurgeologische Baubetreuung ................. . 511
17.4.1 Ingenieurgeologisch-geotechnische Vortriebsdokumentation .......... .
17.4.2 Ingenieurgeologisches Nachtragsmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
511
18.1.1 Voruntersuchungen fUr die Planung .. 580 18.1.2 Untersuchung fUr die BauausfUhrung . . . . . . . . . . . .. 580 18.1.3 Mitarbeit bei Bauausfiihrung, Probestau und Betrieb ................. 581 18.2 Spezielle Problemstellungen ..... 581 18.2.1 Durchlassigkeit des Untergrundes ... 582 18.2.2 Ermittlung der Sickerwasserverluste.. 586 18.2.3 Raumstellung der Wasser leitenden Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 586 18.2.4 Erosionsgetahrdung durch Sickerwasserstromung . . . . . . . . . . . . . . . .. 587
XIII
Inhaltsverzeichnis 18.2.5 Veranderlich feste oder erweichbare Gesteine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 18.2.6 Erdbebensicherheit und induzierte Seismizitat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 18.2.7 Stauhaltungen in verkarstungsfahigen Gesteinen ...................... 18.2.8 Stabilitat der Hange. . . . . . . . . . . . . .. 18.3 Absperrbauwerke............... 18.3.1 Staumauern ..................... 18.3.2 Damme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 18.4 Untergrundabdichtung.......... 18.4.1 Horizontale Dichtungselemente ..... 18.4.2 Vertikale Dichtungswande. . . . . . . . .. 18.4.3 Injektionsschleier .............. ..
19
Bauen in Erdfallgebieten ....
19.1 19.2
Karstterminologie .............. Ursachen der Bodensenkungen und Erdfalle sowie ihre hauptsachliche Verbreitung ........... Karbonatkarst ................... Sulfatkarst ...................... Chloridkarst ..................... Erdfalle durch Erosions- und Suffosionserscheinungen .......... Ingenieurgeologische Untersuchungsmethoden ........ Geologisch-morphologische Verfahren ....................... Geophysikalische Messverfahren .... Geotechnische Untersuchungsverfahren .......................
19.2.1 19.2.2 19.2.3 19.2.4 19.3 19.3.1 19.3.2 19.3.3
589 589 590 592 593 593 594 597 598 598 599 605 606
19.4 Bautechnische MaBnahmen ...... 19.4.1 Schaden durch Senkungen und Erdfalle ........................ 19.4.2 Verbesserung des Untergrundes ..... 19.4.3 Konstruktive MaBnahmen .......... 19.4.4 Fruhwarneinrichtungen . . . . . . . . . . ..
20
Geotechnische Aspekte der Geothermie ..............
20.1
Grundlagen der Geothermie ................. Geothermischer Gradient. .......... Geothermische Erkundung ......... Geothermische Verfahren ........ Oberflachennahe geothermische Systeme ........................ Tiefe geothermische Systeme ... . ... Bergrechtliche und wasserrechtliche Grundlagen ....... . ... Bergrecht ................... . ... Wasserrecht. .................... Weitere umweltrechtliche Einflusse .......................
20.1.1 20.1.2 20.2 20.2.1 20.2.2 20.3
608 608 611 619
20.3.1 20.3.2 20.3.3
630 631 632 632 634
637 637 637 638 640 641 644 647 648 648 649
625
Literatur ...........................
651
626 628
Anhang ............................
697
629
Index ..............................
719
626
1
Ei lei ung
Ingenieurgeologie ist eine komplexe, interdisziplinare Wissenschaft, die das Verhalten von Lockerund Festgesteinen einzeln und im Gebirgsverband entsprechend den genetisch bedingten Materialeigenschaften im Hinblick auf eine ganzheitliche Losung von Ingenieur- und Umweltproblemen erforscht. Dabei handelt es sich in zunehmendem Mage urn Aufgaben, die heute nicht nur einen Generalisten, sondern einen Integralisten mit Problemlosungskompetenz und weitreichenden naturwissenschaftlichen und technischen Kenntnissen sowie der Bereitschaft zu einer interdisziplinaren Kooperation erfordern. Von einem Ingenieurgeologen moderner Pragung werden daher nicht nur fundierte Kenntnisse in den Natur- und Geowissenschaften vorausgesetzt, sondern auch Grundlagen der Boden- und Felsmechanik sowie die Fahigkeit zu zielorientierter Arbeit sowie zur Kommunikation und einer qualifizierten Teamarbeit. Unter Teamarbeit wird dabei eine offene und von wechselseitigem Respekt fur unterschiedliche Denkansatze gepragte Zusammenarbeit verstanden, urn die verschiedenen spezifischen Ansatze zur Problemlosung von vornherein berucksichtigen zu konnen.
1.1 Aufgabenstellung der Ingenieurgeologie Die Ergebnisse der ingenieurgeologischen Voruntersuchungen bilden in der Regel die entscheidende Grundlage fur die weitergehenden Planungs- und Ingenieurleistungen und zwar nicht nur wahrend der Bearbeitungszeit, sondern teilweise auch noch in der Betriebsphase (Langzeitsicherheit, Kontrollmessungen). Dabei ist es notig, die erforderlichen Erkundungsmagnahmen von vornherein aufgrund von FeldbeobachH. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
tungen oder Erfahrungen aus Aufgaben in vergleichbarer geologischer Situation einzugrenzen. In einer fruhen Phase der Projektbearbeitung erkennt der Ingenieurgeologe am besten, auf welche geotechnischen Einzelheiten und genetischen Zusammenhange es bei der Beurteilung des Untergrundes bzw. des Gebirges mit seinen erdgeschichtlich bedingten Problembereichen und Schwachstellen ankommt und er muss diese vorausschauend ansprechen. Daruber hinaus muss er immer bemuht sein, sich einen Oberblick uber den Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu verschaffen und uberlegen, welche geowissenschaftlichen Spezialdisziplinen zur Losung bestimmter Probleme beitragen konnen. Die Ingenieurgeologie steht heute vor erheblichen Veranderungen nicht nur hinsichtlich der Folgen der Umstrukturierung von den bisherigen Diplom-Studiengangen zu den zweistufigen Bachelor- und Masterabschlussen sowie auch den kunftigen Weiterbildungsprogrammen. Dazu kommen weiterhin die Diskussion urn die Abgrenzung hauptsachlich wirtschaftlicher Einzelinteressen in der Geotechnik, sowie auch urn die Entwicklungen auf europaischer Ebene, angefangen bei der Normung uber die Ausbildung bis hin zur Niederlassungsfreiheit (Lit. s. BOCK 2004). Ein derzeit viel diskutiertes Thema sind auch die Georisiken, d. h. das Erfassen und Bewerten der von Naturereignissen ausgehenden Gefahren. Ein weiteres relativ neues Arbeitsgebiet ist die Geothermie, die wie viele Bereiche der Ingenieurgeologie fachubergreifend behandelt werden muss. Diesen Erweiterungen mussten aus Platzgrunden die Ausfuhrungen uber Deponietechnik und die Bewertung von Altlasten zum Opfer fallen, die teilweise an Aktualitat verloren haben. Diese Aufgaben erfordern von einem Ingenieurgeologen nicht nur ein lineares, dem Prinzip von Ursache und Wirkung geltendes Denken, sondern eine rationale und intuitive Denkweise
2
entsprechend der Vernetzung und dem z. T. scheinbaren Chaos naturlicher Zusammenhange. Der Ingenieurgeologe muss versuchen, die zunachst meist unvollstandigen Einzelinformationen zu verdichten, urn logische Strukturen und geotechnische Zusammenhange zu erkennen. Dazu gehort auch, Daten und Messergebnisse schwachstellenbewusst zu interpretieren und die Erkenntnisse umzusetzen. Treten in den Losungsansatzen bei der Suche nach dem kausalen Zusammenhang Widerspruche auf, so muss geprUft werden, ob es sich hierbei einfach urn Fehler handelt, die es zu beseitigen gilt, oder urn eine Chance fUr Neuerkenntnisse. Der Ingenieurgeologe muss sich daruber hinaus bemuhen, seine Ergebnisse exakt und anschaulich vereinfacht auszudrucken und zu quantifizieren. Bei Anwendung von Rechenmodellen muss der Ingenieurgeologe auf eine entsprechende Realitatsnahe der Modellvorstellung achten und darauf drangen, dass diese durch baubegleitende Messungen und Ruckrechnungen uberpruft wird. Der enorme Zuwachs an Wissen in den gesamten Geowissenschaften und in der Geotechnik ist nur durch computergestutzte Arbeitsmethoden zu beherrschen. Mit kommerziellen Programmsystemen auf PC-Basis konnen zwar Auswertungen mit vertretbarem Aufwand vorgenommen und Berechnungen optimiert werden, fUr grundsatzliche Ideen und analytisch-naturwissenschaftliches Uberdenken der Zusammenhange ist man aber nach wie vor auf das Denkvermogen des Bearbeiters angewiesen. Urn diesem Aufgabenspektrum einigermaBen gerecht zu werden, wird nicht nur auf abgesicherte naturwissenschaftliche und geotechnische Zusammenhange eingegangen, sondern vielfach auch auf die wissenschaftliche Diskussion geowissenschaftlicher Fragestellungen verwiesen. Die Anwendung solcher Hypothesen erfordert im Einzelfall vertiefendes Literaturstudium und sorgfaltiges Abwagen der Zusammenhange. Besonderer Wert muss auch auf die Kenntnis der einschlagigen Klassifikationen, Normen und Richtlinien gelegt werden, auch wenn diese inzwischen viel zu umfangreich sind und insgesamt eine deutliche Uberregulierung nicht zu ubersehen ist, wodurch das Erfahrungswissen zunehmend unterbewertet wird. IngenieurmaBige Berechnungsansatze werden nur einfUhrend und zum Verstandnis der Zusam-
1 Einieitung
menhange gebracht. Daruber hinaus wird auf die einschlagigen Normen verwiesen. 1m Vordergrund der ingenieurgeologischen Arbeit stehen der Aufbau eines auf das Bauwerk bezogenen geologischen Modells mit dem Boden- bzw. Felsinventar (einschlieBlich der Parameter) sowie den genetisch bedingten geologischen Risiken und nicht die Berechnungsverfahren selbst. Da der begrenzte Umfang des Buches eine strenge Beschrankung erfordert, wird geologisches Grundlagenwissen vorausgesetzt. Ebenso wird auf Rechenbeispiele verzichtet und auch die verschiedenen Versuche konnen nur im Grundsatz, nicht aber in der VersuchsdurchfUhrung und Auswertung besprochen werden. Diese Beschrankung betrifft auch das inzwischen zu umfangreich gewordene Literaturverzeichnis, so dass hinsichtlich der alteren Literatur (etwa vor 1990) im Wesentlichen auf die dritte Auflage verwiesen werden muss.
1.2 Verbindlichkeit von Normen und Richtlinien, Baugrundrisiko Die nationalen Normen (DIN, ONORM, SIA bzw. SN) werden zunehmend durch Euronormen (Eurocodes, EC) des Europaischen Komitees fUr Normung (CEN) bzw. durch ISO-Normen ersetzt. Grundgedanke der Eurocodes war, eine europaweit einheitliche Ausgangslage fUr die Berechnungs- und Bemessungsnormen im Bauwesen zu erreichen. Die neuen europaischen Einzelnormen werden als EN bzw. in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation fUr Normung (ISO) als EN ISO bezeichnet. Die deutschen Fassungen erhalten zunachst den Zusatz (D). Den Status einer Nationalen Norm erreichen die Europaischen Normen durch VerOffentlichung des identischen Textes als DIN EN bzw. DIN EN ISO, wobei Definitionen oder Festlegungen aus bisherigen DIN-Normen, die keinen Eingang in die internationale Normung gefunden haben, in einem Nationalen Anhang (NA, National Annex) ausgelagert werden. Der Nationale Anhang darf nur Informationen uber Verfahren und KenngroBen enthalten, die in der Euronorm eigens der nationalen Festlegung vorbehalten
1.2 Verbindlichkeit von Normen und Richtlinien, Baugrundrisiko
sind. Die technischen Verfahren (z. B. Laborversuche) werden kiinftig in unternormativen Technical Specifications (TS) behandelt (z. B. DIN ISO/TS 17 892-1 bis 12, welche die Normenreihe DIN 18 121 bis 18 137 ersetzen sollen). In der derzeitigen Umstellungsphase von den bisherigen nationalen Normen auf die Euronormen und ihren nationalen Erganzungen ist es schwierig, mit dem Stand der VerOffentlichung neuer Normen und Normenentwiirfe Schritt zu halten. Redaktionsschluss fUr den Bearbeitungsstand dieser Auflage war Marz 2011. Die grundlegende europiiische GeotechnikNorm, Ee 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln, liegt in deutscher Fassung seit 2005 als DIN EN 1997-1 vor. Die nationale Fassung enthalt den vollstandigen Text der Euronorm. Sie stellt eine Rahmennorm dar, in der z. B. drei Nachweisverfahren fiir die geotechnische Bemessung zur Wahl gestellt werden. Urn die Euronorm in den Mitgliedstaaten praktisch anwendbar zu machen, werden in einem Nationalen Anhang (DIN EN 1997-1/NA) die in Deutschland anzuwendenden Nachweisverfahren und die zugehorigen Teilsicherheitswerte festgelegt ( s. VOGT et al. 2006; SCHUPPENER et al. 2008). Dariiber hinaus wird die bisher giiltige DIN 1054: 2005 iiberarbeitet und alle Festlegungen gestrichen, die schon in dem EC 7-1 enthalten sind. Die neue DIN 1054-101 (E 2009) enthalt nur erganzende Regelungen zur DIN EN 1997-1 und ist nur mit dieser und dem Nationalen Anhang DIN EN 1997-l/NA (E 2009) anwendbar. Beide sollen Ende 2010 als Norm veroffentlicht werden. Ab dem Ende der Koexistenzperiode (2010) besteht das betreffende deutsche Normenwerk dann aus drei Dokumenten, der DIN EN 1997-1 :2009, dem Nationalen Anhang DIN EN 1997-1/NA und der Erganzungsnorm DIN 1054-neu. In diese Norm sollen auch Teile der bisherigen DIN 4020:2003 iibernommen werden. Eine ahnliche Regelung gilt fiir Teil2 der EC 7 "Erkundung und Untersuchung des Baugrunds", die seit 2007 in deutscher Fassung als DIN EN 1997-2 vorliegt. Das endgiiltige Normenwerk besteht ebenfalls aus der DIN EN 1997-2, dem Nationalen Anhang DIN EN 1997-2/NA und einer iiberarbeiteten DIN 4020 "Erganzende Regelungen zur DIN EN 1997-2". Zu diesen Standardnormen zur Erkundung und Untersuchung
3
des Baugrunds gehoren dann noch eine Reihe von Einzelnormen, auf die in den jeweiligen Abschnitten eingegangen wird. Der Verbreitung des Buches entsprechend werden im Anhang auch die Osterreichischen und Schweizer Geotechnik-Normen (O-Norm; SIA bzw. SN) aufgelistet, soweit die Titel zur Verfiigung standen. Die entsprechenden europaischen Normen werden in Osterreich unter den Bezeichnungen ONORM EN ISO bzw. ONORM EN oder ONORM CEN ISO/TS gefiihrt und entsprechen den im Anhang genannten Dokumentnummern. In der Schweiz sind die entsprechenden Bezeichnungen SN EN bzw. SN EN ISO. Informativ wird auch auf weitere europaische Geotechniknormen verwiesen, wie die BS = British Standard, die DFG = Dansk Geotechnisk Forening, die NEN = Nederlande Norm, die NF = Norm Francaise und die SS = Svensk Standard. Das Baurecht ist in der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen Landesrecht. Normen sind zunachst privatrechtliche, allgemein anerkannte Regeln der Technik, die durch Aufnahme in die Musterliste der Technischen Baubestimmungen und Offentliche Bekanntmachung in den einzelnen Bundeslandern zu bauaufsichtlich eingefiihrten Technischen Regeln werden. Sie sind, trotz der teilweisen Dberregulie rung, schon aus juristischen Griinden bei allen entsprechenden Arbeiten zu beachten (s. a. KUNTSCHE 2009). Einschrankend muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Normen nur zum Zeitpunkt der jeweiligen Ausgabe dem Stand der Technik entsprechen. Der Anwender handelt dariiber hinaus immer in eigener Verantwortung. Auger den Normen gibt es noch eine Reihe weiterer privatrechtlicher technischer Regelwerke (Richtlinien, Merkblatter, Empfehlungen) die in der Ingenieurgeologie zu beachten sind. Augerdem sei auf weitere technische Regelwerke fUr das Stragenwesen, den Bauvorschriften und Richtlinien der Deutschen Bahn AG sowie den Empfehlungen der Arbeitskreise Baugruben (EAB) bzw. Ufereinfassungen (EAU) verwiesen. Bei den allgemein anerkannten Regeln der Technik handelt es sich urn im Bauwesen iibliche wissenschaftlich -technische und handwerkliche Erfahrungen, die generell als bekannt, richtig und notwendig zu bezeichnen sind. 1m Konfliktfall bedarf es zur Rechtsprechung der Aufklarung durch einen anerkannten Sachverstandigen.
4
Anerkannte Regeln der Technik sind z. B. DIN-Normen, EN-Normen, ISO-Normen einschlagige gesetzliche Baubestimmungen eingefuhrte Technische Baubestimmungen Merkblatter und Richtlinien Zulassungen fUr neue Bauverfahren Unfa11verhutungsvorschriften. Die anerkannten Regeln unterliegen einem standigen Anpassungsprozess, woraus sich fur a11e am Bau Beteiligten die Notwendigkeit zur Fortund Weiterbildung ergibt. Ein Baugrundgutachten ist eine normengerechte, sachverstandige Ste11ungnahme, welche die Vielgestaltigkeit des Baugrundes in eine bauwerksbezogene Mode11vorste11ung bringen sol1, mit der im Rahmen der anerkannten technischen Regeln und einem gewissen Ermessensspielraum eine hinreichend gesicherte technische Bearbeitung einer Bauaufgabe erfolgen kann. Hinweise fUr Gliederung und Inhalt von Baugrundgutachten finden sich in DIN EN 1997-1, Abs. 3.4 und in dem FGSV-Merkblatt M GUB 04. Das Gutachten muss daruber hinaus erkennen lassen, welche Tatsachen zugrunde gelegt sind und aus welchen Grunden bestimmte Annahmen yom Gutachter getroffen werden. Der Ingenieurgeologe ist in der Praxis sehr oft auf solche Annahmen angewiesen, er sollte aber ihre Aussagekraft aufzeigen und allgemein verstandlich darlegen (s. DIN 4020). Fur die spatere Verantwortlichkeit stellt sich dabei die Frage, wieweit solche pauschalen Hinweise, die nicht durch Bohrungen belegt bzw. ohne konkrete Lokalisierung sind, vertragsrelevant sein konnen. Ein Baugrundgutachten kann nicht immer sichere Aussagen uber die komplexe Materie Baugrund enthalten, sondem immer nur begrenzt nachvollziehbare Wahrscheinlichkeitsaussagen (s. DIN 4020). Dem Baugrundgutachter kann wider fachlichem Erwarten und zwischen sorgfaltig, entsprechend der einschlagigen Normen angesetzten und ausgewerteten Aufschlussen angetroffener problematischer Baugrund nicht angelastet werden. Der Baugrund wird in der deutschen Rechtsprechung als Baustoff betrachtet, der yom Auftraggeber zur VerfUgung gestellt wird (ENGLERT 2006). Das Baugrundrisiko liegt deshalb in Deutschland beim Bauherm. Diese Haftung gilt auch fUr Schaden, die bei Bauarbeiten von einem
1 Einleitung
Grundstuck ausgehen, es sei denn der Grundstiickseigentiimer hat einen Riickgriffsanspruch gegenuber Dritten. Ein echtes Baugrundrisiko liegt vor, wenn trotz den Regeln der Technik entsprechender Erkundung der Baugrundverhaltnisse und trotz ErfU11ung a11er Prufungs- und Hinweispflichten seitens des BauausfUhrenden doch Abweichungen von den erkundeten Bodenund Grundwasserverhaltnissen auftreten, die zu Leistungsanderungen, Bauverzogerungen oder gar Bauschaden fUhren. Diese unabwendbaren Umstande gehen immer zu Lasten des Auftraggebers (s. Abschn. 17.4.2). Ein unechtes oder allgemeines Baugrundrisiko ist gegeben, wenn die Boden- und Grundwasserverhaltnisse nicht ausreichend erkundet waren oder die Ausschreibung unzureichend war (§ 9 VOB/ A), aber seitens des Auftragnehmers gegen die offenkundigen Mangel in der Ausschreibung keine Bedenken angemeldet wurden (s. a. Abschn. 17.4.2). Das unechte Baugrundrisiko trifft nach der Rechtssprechung immer dann den Auftragnehmer, wenn bei gebotener Oberprufung der Ausschreibung offenkundige Fehler und Lucken hatten erkannt und damit ein unechtes Baugrundrisiko hatte verhindert werden k6nnen (ENGLERT 2002; 2006). In den Landem der Europaischen Union ist die Behandlung des Baugrundrisikos unterschiedlich. Die deutsche Rechtsordnung findet sich mit gewissen Ausnahmeregelungen im osterreichischen Recht sowie in den Niederlanden wieder. In Uindem wie Frankreich, Spanien, Belgien und GroBbritannien steht das Baugrundrisiko primar im Verantwortungsbereich des Auftragnehmers und bedarf einer vertraglichen Regelung. Die Berufsbezeichnung Sachverstiindiger ist in Deutschland weder rechtlich geschutzt noch in Rechtsnormen prazisiert. Vorausgesetzt werden entsprechende Sachkunde, Erfahrung und Objektivitat. Unterschieden werden die in speziellen Bereichen "Anerkannten Sachverstandigen" nach dem Bauordnungsrecht (z. B. der Lander-Sachverstandigen-Ordnung fur Erd- und GrundbauSEGVO) bzw. die "Offentlich bestellten und vereidigten Sachverstandigen" gem. § 38 GWO. Streng genommen darf ein vereidigter Sachverstandiger als solcher kein gerichtliches Gutachten erstellen, das nicht sein Sachgebiet betrifft, fUr das er vereidigt ist. Hinzu kommen dann noch die im "Verzeichnis der anerkannten Sachverstandigen fUr
5
1.3 Formelzeichen, Einheiten
Erd- und Grundbau" der Bundesingenieurkammer genannten Personen sowie Fachplaner und Priifingenieure bzw. Priifsachverstandige nach MBa. Seit Ende der 1990er Jahre werden auch "Sachverstandige nach § 18 Bundes-Bodenschutzgesetz" (BBodSchG, s. Abschn. 16) gefiihrt, die einen Sachkundenachweis in verschiedenen Teilbereichen der Altlasten vor der zustandigen Industrie- und Handelskammer ablegen miissen. Zu den Aufgaben eines Sachverstandigen gehoren in der Regel Schiedsgutachten, Bauschadensgutachten, Wertgutachten und ggf. weitere Gutachtenthemen. Bei Beweissicherungsverfahren ist zwischen gesetzlicher, d. h. gerichtlich beauftragter Beweissicherung zu unterscheiden, bei welcher der benannte Beweissicherungsgutachter gleichzeitig Gerichtsgutachter ist, und einer privatrechtlichen Beweissicherung. 1m Streitfall kann der privat beauftragte Beweissicherungsgutachter yom Gericht als sachverstandiger Zeuge geMrt werden, das Gericht wird aber in der Regel einen zusatzlichen Gerichtsgutachter bestellen.
1
1.3 Formelzeichen, Einheiten In der vorliegenden Auflage werden die in den Eurocodes (EN 1990:2002) vereinheitlichten Begriffe, Formelzeichen und Einheiten verwendet, die weitestgehend den internationalen SI -Einheiten entsprechen: Kraft in kN Masse in kg Moment in kNm Dichte in kg/mJ Wichte in kN/mJ Spannung, Druck, Festigkeit und Steifigkeit in kN/m 2(kPa), MN/m2 (MPa) Durchlassigkeit in m/ s. In den nationalen Normen werden auch kiinftig nur die Einheiten kN/m 2 und MN/m2 benutzt. Dariiber hinaus werden in dieser Auflage noch folgende Einheiten verwendet: K (Kelvin) bzw. mK (Millikelvin), MaBeinheit fiir Temperaturdifferenzen, wobei 1 K ~ 1 °C Bq (Becquerel), MaBeinheit fiir die Aktivitat einer radioaktiven Substanz mit! Bq = 1 Atomzerfall pro Sekunde; 1 MBq = 1 Million Bq
TabeUe 1.1 Umrechnung aus alten Einheiten fUr Flachenlasten, Spannungen, Festigkeiten und Drucke (at = Atmosphare, N = Newton, Pa = Pascal, p = pond, WS = Wassersaule). gesetzliche Einheiten
alte Einheiten kpjmZ mmWS
Mpjm2 mWS
kpjcmZ at, bar
kpjmm 2
Njm2 Pa
kNjml kPa
GPa
0,1 10 10
100
100
1000
0,1
10
1000
100
10
0,1
1000
100
10
1000
100
10
1000
10
100
100
1000
1000
0,1
6
1 Einleitung
Tabelle 1.2 SI-Einheiten fUr Teile des Vielfachen und Dezimalstellen mit Bezeichnungen. Vielfaches
mathem. Zeichen
Bruchteil
math em. Zeichen
10' - 1000
Tausend
k - kilo
10 '
1 Tausendstel
m - milli
10" - 1000000
Million
M - Mega
10 •
1 Millionstel
fl - Mikro
10" - 1000000000
Milliarde
G - Giga
10
1 Milliardstel
n - Nano
Darcy bzw. Millidarcy (mD), MaBeinheit fUr die Permeabilitat von Gesteinen 1 Darcy =0,98697 ' 10 12 m 2 Gon, in der Markscheiderei verwendete Einheit als 1/100 eines rechten Winkels (1 gon = 0,9°) Ftir eine gelegentlich noch erforderliche Umrechnung aus alten Einheiten und Dimensionen dient
~
die Tabelle 1.1. In Tabelle 1.2 sind die dezimalen Teile und die Teile des Vielfachen der SI-Einheiten sowie ihre Bezeichnung und die mathematischen Vorsatzzeichen zusammengestellt. Die Tabelle l.3 gibt eine Dbersicht tiber die Verhaltniszahlen der mit den heutigen Analysemethoden feststellbaren Spuren umweltrelevanter chemischer Stoffe.
Tabelle 1.3 Verhiiltniszahlen der mit den hochempfindlichen Analysemethoden feststellbaren Massenbruchteile.
1 Prozent ist 1 Teil von hundert Teilen
10 Gramm pro Kilogramm
109/kg
1 Promille ist 1 Teil von Tausend Teilen
1 Gramm pro Kilogramm
1 g/kg
1 ppm (part per million) ist 1 Teil von 1 Million Teilen
1 Milligramm (mg) pro Kilogramm
0,001 g/kg (10 ' )
1 ppb (part per billion) ist 1 Tei! von 1 Milliarde Teilen (b - billion; eng!. fiir Milliarde)
1 Mikrogramm (lJg) pro Kilogramm
0,000001 g/kg (10 .)
1 ppt (part per trillion) ist 1 Tei! von 1 Billion Teilen (t - trillion; engl. fUr Billion)
1 Nanogramm (ng) pro Kilogramm 0,000000001 g/kg (10 9)
1 ppq (part per quadrillion) ist 1 Teil von 1 Billiarde Teilen (q - quadrillion; engl. fUr Billiarde)
1 Picogramm (pg) pro Kilogramm
0,000000000001 g/kg (10 12)
2
de und felsmechaI e h Bodennische I<ennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung lu un u
Fur bautechnische Zwecke werden Festgestein und Lockergestein bzw. Fels und Boden unterschieden. Zwischen beiden treten, bedingt durch unterschiedliche Verwitterung oder gelegentliche Verfestigung, zahlreiehe Ubergange auf. Der Begriff "Boden" wird hier im bautechnischen Sinn als Sammelbezeichnung alIer Lockergesteine und von lockergesteinsartig verwitterten Festgesteinen gebraucht. Dieser von der bodenkundlichen Begriffswelt abweichenden Definition steht heute auch noch die umfassende Definition im Sinne des "Bodenschutzes" gegenuber (s. Abschn. 16.1). Eine ahnlich umfassende Definition wird in den einschlagigen Normen (DIN 4020, DIN 1054 : 2005) auch fur den Begriff Baugrund verwendet. Danach ist Baugrund gewachsener oder geschutteter Boden oder Fels, einschliemich Grundwasser und etwaiger Kontaminationen, auf den eine bauliche Anlage gegrundet bzw. in den eine solche Anlage eingebettet wird. Nach DIN EN 1997-1 ist Baugrund "Boden, Fels und AuffulIung, die vor Beginn der BaumaBnahme vor Ort vorhanden waren". Nach der Rechtsprechung ist Baugrund der gesamte Teil der unter der Erdoberflache liegenden Boden- und Felsschiehten, einschliemieh Grundwasser und der dort befindlichen, auch nieht durch die Natur entstandenen Einschlusse alIer Art (ENGLERT 2006). Eine Unterscheidung in Baugrund im Einflussbereich einer baulichen Anlage und dem (tieferen) Untergrund wird weder in den Normen noch in der Rechtssprechung getroffen. Bei der Behandlung von Festgesteinen muss streng unterschieden werden zwischen Gestein und Fels bzw. Gebirge. Das Gestein in der GroBenordnung einzelner Kluftkorper besitzt ganz andere Eigenschaften als der Fels im Gebirgsverband, der von Trennflachen verschiedener Art durchsetzt ist. Fels ist in der Regel inhomogen, d. h. er hat nieht in jedem Punkt die gleiehen H. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
Eigenschaften, und er ist in hohem MaBe anisotrop, was bedeutet, dass diese auch richtungsabhangig sind. Die boden- und gesteinsphysikalischen Eigenschaften werden in weitgehend genormten Labor- oder Feldversuchen ermittelt und zahlenmaBig durch Kennzahlen ausgedruckt. Das Untersuchungsprogramm ist darauf abzustelIen, dass die wesentlichen Kennwerte, die den Entwurf, die Baugrubensicherung und das Bauverfahren sowie die Kosten beeinflussen, im Baugrundgutachten angegeben werden konnen. Dabei werden vier Hauptgruppen von Versuchen unterschieden, namlich Versuche zur Bestimmung und Klassifizierung der Bodenart: KorngroBe, Kornverteilung FlieBgrenze, AusrolIgrenze, Schrumpfgrenze Plastizitiitszahl Kalkgehalt, organische und andere Beimengungen Tonmineralogie zur Bestimmung der Zustandsform: Wassergehalt Diehte Porenanteil, Porenzahl Lagerungsdiehte, Konsistenz zur Bestimmung des Verhaltens bei mechanischer Beanspruchung: Bodensteifigkeit (Verformbarkeit) Druckfestigkeit, Zugfestigkeit, Sprodigkeit Scherfestigkeit und zur Bestimmung des Verhaltens bei hydraulischer Beanspruchung: Durchlassigkeit. Nach DIN EN 1997-2 werden fiinfverschiedene Arten von Bodenproben unterschieden, gestorte,
8
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
ungestorte, aufgearbeitete (durchwalkte), wiederhergestellte und aufbereitete bzw. rekonsolidierte Proben (s. Abschn. 4.4.3). Die Untersuchung der Kornverteilung, der Korndichte, des Wassergehaltes, der Konsistenzzahlen, des Wasseraufnahmevermogens, des Kalkgehaltes und des Gliihverlustes erfolgt an strukturgestorten Proben. Zur Ermittlung der Dichte, des Porenanteils bzw. der Porenzahl, der Verformbarkeit und der Festigkeit sowie der DurchHissigkeit und der kapillaren Steighohe sind ungestorte Bodenproben bzw. rissefreie Kernstiicke erforderlich. Dabei muss man sich dariiber im Klaren sein, dass es wirklich ungestorte Proben praktisch nicht geben kann. Die Proben sind von der Entnahme iiber den Transport bis zum Einbau in die Versuchseinrichtung unvermeidlichen Einwirkungen ausgesetzt, welche ihre Struktur und auch den Wassergehalt merkbar verandern konnen. Weiche Boden sind sehr empfindlich gegen Erschiitterungen jeder Art und weisen oft keine ausreichende Festigkeit fiir die Herstellung von Teilproben auf. Bei halbfesten Boden kann es sowohl bei der Entnahme als auch beim Einbau zu Auflockerungen kommen, wodurch die Ergebnisse von Festigkeitswerten zu niedrig ausfallen konnen. Als Indexversuche werden einfache Versuche bezeichnet, die einen ersten Anhalt iiber eine Boden- bzw. Felseigenschaft liefern, die aber nieht zwingend einen reprasentativen Kennwert darstellen (DIN EN 1997-2). Bei der Ermittlung der Eigenschaften und Kennwerte von Lockergesteinen sind zahlreiche Richtlinien und Normen zu beachten. Fiir die Durchfiihrung der einzelnen Labor- und Feldversuche an Boden gelten die Grundsatznorm DIN EN 1997-2 sowie derzeit noch die Normenreihe 18121 bis 18137, die kiinftig durch die derzeitigen Vornormen der Reihe DIN ISOITS 17 892-1 bis -12 ersetzt werden sollen. Fiir Feldversuche gilt die Normenreihe DIN EN ISO 22476-1 bis -13. Fiir Versuche an Festgesteinen und im Fels gelten die Richtlinien des Arbeitskreises "Versuchstechnik Fels" der DGGT. Diese Empfehlungen erscheinen in zwangloser Reihenfolge (1979 bis 2010 die Nr. 1 bis 21) in der Fachzeitschrift "Die Bautechnik". Die Empfehlungen, die geotechnische Messungen zum Inhalt haben, sollen kiinftig durch die Normenreihe 4017 erganzt bzw. ersetzt werden (s. Anhang). Die Loseblattsammlung "Technische Priifvorschriften fiir
Boden und Fels im StraBenbau" (TP BF StB) enthalt sowohl die fachbezogenen Normen als auch die Empfehlungen ,Yersuchstechnik Fels" sowie dariiber hinausgehende spezielle Priifverfahren des Erdbaus (s. Anhang). Als weitere Grundlage fiir gesteinstechnische Versuche konnen die ISRM-Empfehlungen herangezogen werden. Eine tabellarische Dbersieht iiber aIle Laborversuche an Boden- und Gesteinsproben sowie auch die entsprechenden Feldversuche enthalt auch DIN 4020, Beiblatt 1 (2003) Tab. 7 bis 10. Laborversuche konnen die Bedingungen, wie sie in der Natur anzutreffen sind, in vielen Fallen, so besonders im Fels, nicht oder nur unvollstandig erfassen. Die Ergebnisse von Laborversuchen sind in solchen Fallen durch entsprechende Feldversuche unter natiirlichen Bedingungen oder durch groBraumige 1: 1-Versuche in Schachten oder Stollen zu iiberpriifen. Urn den Erwartungen der Praxis gerecht zu werden, sind in den einzelnen Abschnitten dieses Buches nach Moglichkeit Erfahrungswerte ffir Kennziffern von Boden bzw. Gesteinen und Fels zusammengestellt. Solche Kennziffern sind naturgemaB im Einzelfall von lokalen Umstanden und anderen Faktoren abhangig, so dass die mitgeteilten Werte nur allgemeine Giiltigkeit haben und projektbezogene Einzelbestimmungen nieht ersetzen konnen. Eine Zusammenstellung charakteristischer Bodenkennziffern enthalt auch DIN 1055-2 (E 2007). Die nachfolgende Beschreibung der Laborversuche kann nur im Grundsatz, nieht aber in der detaillierten Versuchsdurchfiihrung und Auswertung erfolgen. Dafiir wird auf die einschlagigen Normen und auf die Spezialliteratur verwiesen. Dariiber hinaus besteht zunehmend der Trend zu einer automatischen Versuchsauswertung und Datendokumentation. Fiir eine Weiterverarbeitung der Daten muss dabei allerdings auf eine Kompatibilitat der Datensysteme geachtet werden. Derzeit ist, auch im Zusammenhang mit einer starkeren Betonung von ortlichen Erfahrungen in der Geotechniknorm DIN EN 1997-1 (2009), der Aufbau einer deutschlandweiten Kennwertdatenbank von Ergebnissen bodenund felsmechanischer Laborversuche in einer Pilotphase, die spater von moglichst vielen Instituten beschickt und genutzt werden soIl. Zu jedem Kennwert eines Versuchs sollen angegeben werden, Ortlichkeit, Probenkennzeiehnung, Ent-
9
2.1 Korngr6Be, Kornverteilung
nahmestelle und -tiefe, Datum und das untersuchende Institut sowie Angaben zur Zuverlassligkeit der Ergebnisse (SCHUPPENER et a1. 2008).
Thermometer '-.
Araometer Messmarke bei 1000 em 3
2.1 KorngroBe, Kornverteilung
>--
_.
Skala
... Die Korngro6e (d) und Kornverteilung sind ein Ma6stab fur die Einteilung und Benennung der mineralischen Lockergesteine. Der Anteil der Korngro6en wird in Prozent der Gesamttrockenmasse angegeben. Die Verfahren und Gerate zur Ermittlung der Korngro6enverteilung sind in DIN 18123, Korngro6enverteilung (1996, E 20ID), bzw. der Vornorm DIN ISO/TS 17 892-4 festgelegt. Korngro6en uber 0,063 mm (Sand, Kies) werden durch Siebung, Korngro6en unter 0,125 mm durch Sedimentation ermittelt.
E E
-
a II)
...
y~
2.1.1 Siebanalyse
20 bis 50 9 Boden mit destilliertem Wasser gemiseht (Suspension)
.
Glaszylinder mit 1000 em 3 Inhalt Schrotkorner (Blei)
bereits abgesetzte IBodenteilchen
"
./
I·
'I 60mm
Die Probenmengen fur die Siebanalyse betragen je nach geschatztem Gro6tkorn 150 g bis 2 kg. Bei Boden ohne oder mit nur sehr geringen Feinanteilen 10 % wird, urn Fehlbestimmungen der KorngroBenverteilung durch Karbonatfallung zu vermeiden, das Probenmaterial mit Hydrochlorsaure bzw. 1 N HCI-Saure entkarbonatet. Die Bestimmung der Trockenmasse darf bei bindigen Boden nicht durch Trocknen vor dem Versuch erfolgen, sondern durch vorherige Probenteilung bzw. nach dem neuen DIN -Entwurf durch Tauchwagung. Bei Trocknungstemperaturen uber 100°C kommt es besonders bei Montmorillonit -Mixed -Layer-Tonmineralen zu einer Teilchenagglomeration und es ist nachher kaum noch moglich, eine Dispergierung bis hin zur Primarkornverteilung zu erreichen. Man erhalt einen erhohten Schluffkornanteil > 0,06 mm, wobei deutlich unzerteilte Tonaggregate zu beobachten sind. Der bei der Sedimentationsanalyse physikalisch -mechanisch bestimmte Feinstkornanteil < 0,002 mm (2 flm) entspricht haufig nicht dem rontgendiffraktometrisch ermittelten Tonmineralanteil, da sich nur die chemisch aktiven Tonminerale, wie z. B. Montmorillonit und auch Illit in der Fraktion < 0,002 mm wiederfinden, wahrend sich viele Primarkristallite, wie glimmerahnliche Illite, z. T. auch Kaolinit, Chlorit und besonders Feldspate in der Fraktion zwischen 0,002 mm und 0,0063 mm anreichern (SCHICK et al. 2003). Fur Kornverteilungsanalysen von stark uberkonsolidierten Tonen oder Tongesteinen besteht keine einheitliche Regelung. Die schonende Nasssiebung gibt mehr einen Anhalt uber den Verwitterungsgrad als eine Aussage uber den Feinkornanteil des Gesteins. In der Laborpraxis sind folgende Aufbereitungsmethoden ublich: 24 Stunden Einweichen und schonendes Zerdrucken von Tonsteinbrockchen sowie gegebenenfalls 6 bis 8 Stun den Schutteln oder Ruhren 2 Wochen Einweichen und Behandlung wie vor Morsern der Tonsteinproben, mehrtagiges Einweichen und schonendes Zerdrucken oder Ruhren. Je nach Festigkeit bzw. Bindemittel der Tonsteinproben ergeben sich hierbei sehr unterschiedliche K6rnungslinien und Tongehalte.
Untersuchungen mit dem Rasterelektronenmikroskop (REM) haben gezeigt, dass in vielen Fallen ein hoher Anteil von nicht zerlegten Tonmineralaggregaten in der Schluff- und Sandfraktion verbleiben. Diese Aggregate lassen sich durch eine 5 bis 30 Minuten lange Behandlung mit dem Ultraschall-Schwingstab weitgehend zerlegen. Urn zu vermeiden, dass hierbei schon eine Zerstorung groBerer Tonminerale stattfindet, sind Versuchsreihen und eine Kontrolle mit dem REM zweckmaBig. Einen anderen Weg gehen BONSCH & LEMPP (2004). Durch wiederholte Trocknung bei 40°C und Wiederbefeuchtung findet ein zunehmender Zerfall der Tonsteinaggregate statt und die Kornungslinien verschieben sich zunehmend zu den feinen Kornfraktionen. Mit jedem weiteren Zerfallsvorgang wird der Unterschied zwischen den Kornverteilungslinien geringer, wobei die Kuryen einen annahernd parallelen Verlauf zeigen. Die letzte Linie durfte weitestgehend der sog. primaren Kornverteilung entsprechen, d. h. der tatsachlichen Kornung bei der Sedimentation. Urn eine Kornverteilungsanalyse von Tonsteinmaterial bewerten zu konnen, muss auf jeden Fall die Probenaufbereitung angegeben werden. Inwieweit es bei mergeligen bzw. kalkigen Gesteinen zweckmaBig ist, karbonatische Bindemittel durch Saurebehandlung zu "zerstoren", hangt letztlich von der Aufgabenstellung abo Ais schonende Saurebehandlung empfehlen KOHLER & WEWER (1980) die mehrmalige Behandlung mit einer O,l-molaren Losung Ethylendiamintetraessigsaure (EDTE, Titriplex® O. a.). Durch Auflosung des Bindemittels wird das Ausgangsgestein verandert.
2.1.3 Sieb- und Sedimentationsanalyse Bei einem Feinkornanteil < 0,063 mm von weniger als 10 % (bis 20 %) wird meist nur eine Siebanalyse durchgefuhrt. Dementsprechend wird bei einem bindigen Boden mit einem Sandanteil von weniger als 20% ebenfalls nur eine Sedimentationsanalyse vorgenommen, gegebenenfalls mit anschlieBender Siebung der groben Kornanteile. 1st dagegen der Anteil der Korner > 0,063 mm (Sand) gr6Ber als 20 % der Trockenmasse, so
11
2.1 Korngr6Be, Kornverteilung
mussen die groben Kornanteile vor der Sedimentation durch Nasssieben abgetrennt werden.
Schluff, stark tonig, schwach feinsandig mit 30 % Ton, 60 % Schluff, 10 % Sand und 0 % Kies = 3610 (bzw. weiter unterteilt in 3.321.100.0); s. Nr. 10 der Abb. 2.2 Kiessand mit 0 % Ton, 0 % Schluff, 50 % Sand und 50% Kies =0055 (0.0.023.410); s. Nr. 5 der Abb. 2.2.
2.1.4 Darstellung und Beschreibung der Kornfraktionen
Die Neigung der Kornungslinie gibt die Gleichkornigkeit bzw. Ungleichkornigkeit eines Bodens an, die fur verschiedene Bodeneigenschaften, z. B. die Verdichtbarkeit, von Bedeutung ist (s. Abschn. 12.2). Der zahlenma:Bige Ausdruck dafur ist die Ungleichkornigkeitszahl
Die Verteilung der Kornfraktionen wird in der Regel als Kornnngslinie, auch Korngro:Benverteilung genannt, dargestellt. Die Kornungslinie wird als Summenkurve in einfach logarithmischem Ma:Bstab (Logarithmus zur Basis 10) aufgetragen, wodurch auch die kleinen Kornfraktionen entsprechend zur Gehung kommen (Abb. 2.2). Bei der Darstellung einzelner Kornungslinien ortsublicher Bodenarten kann es von Vorteil sein, obere und untere Grenzlinien fur die Korngro:Benverteilung anzugeben. Naturliche Boden sind Gemische der einzelnen Fraktionen, wobei Haupt- und Nebenanteile unterschieden werden. Bei der Bodenansprache werden die Nebenanteile in der Reihenfolge ihrer Bedeutung dem Hauptanteil als Adjektiv nachgestellt und zwar als stark - wenn Nebenanteile > 30 % schwach - wenn Nebenanteile < 15%
Dabei sind d60 und dlo die Korngro:Ben in mm, bei denen die Summenkurve die 60 % bzw. 10%Linie schneidet. Als Grenzwerte gelten nach DIN 18 196 (2006):
fein
100 80
60
Schluff mittel grob
Ton
~
/
V
/
.-----
,
@j
,;.-®,'
40 f-"
, ,
-
20
-::-.
.'
/
--
0.001 0.002
,7.,
~77
0.006
/
;: /
L®
, ,/
//
-:1 /
,'I -- f'
-- j
Y J"'l - --- '-r:- V ./ / V
eng gestuft
Cu 15
Kies mittel
-
fein
/'
SD'
/
~
0.06
0.2
0.6
V'
0/ '/
--~
V
2.0
6.0
Korngror?e [mm) Abb. 2.2 Beispiele von K6rnungslinien typischer Bodenarten.
- 20
-
6-15
(1) (2) (3) (4) (5) (6)
grob
..-;;:..- /'
/
.j/'
0.02
Cu > 6
bzw. nach EN ISO 14688-2 (2004):
grob
,I ~
/' '1
(9)(8
.--;"'
Sand mittel
fein
CU < 6
weit gestuft (W]
Die prozentualen Anteile der Korngruppen der Kornungslinie ergeben auf 10 % aufgerundet und durch 10 dividiert die Kornkennziffer. Als Beispiel seien hier zwei Bodenarten aus Abb. 2.2 angefuhrt:
%
IE)
eng gestuft
60
(flach verlaufend)
Fein-/Mittelsand (TerWir) Feinsand (Tertiar) Flugsand (Holozan) Flusssand, nass gebaggert Kiessand Hochterrassenkiese (Pleistozan) (7) Verwitterungslehm, steinigsandig (iihnlich auch Geschiebelehm) (8) Loss (9) Losslehm (10) Lehm, tonig (Schluff, stark tonig, leicht feinsandig) (11) Ton, stark schluffig (Tertiar) (12) Ton, schluffig (TerWir)
12
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
Grobkornige kohiisionslose Bodenarten sind Boden aus Kies und/oder Sand mit weniger als 10 % Feinbestandteilen. Sie werden bis zu einer Beimengung von 5 % Schluff und Ton noch als reine Sande und Kiese bezeichnet (DIN 1054 und DIN 18196). Zwischen den einzelnen Kornern treten normalerweise keine Anziehungskrafte auf. Der Ubergang von den nichtbindigen zu den bindigen Boden liegt im Schluffbereich und zwar hauptsachlich bei den KorngroBen 0,02 bis 0,006 mm (Mittelschluff). Hier beginnt sich das Wasserbindevermogen starker bemerkbar zu machen, obwohl es sich bei der gesamten Schlufffraktion noch weitgehend urn zerkleinerte Gesteinskorner, meist Quarz und Feldspat, handelt. Die feinkornigen oder bindigen Bodenarten bestehen nach der Definition der DIN ISO/TS 17 892-4 aus mehr als 40 % Feinkorn und teilweise Sand, aber nur wenig bis keine Kiesanteile. Sie bestehen immer aus einer Mischung der Tonund Schlufffraktionen mit unterschiedlichem Anteil groberer Kornfraktionen. Die Ton- und Schlufffraktion besteht meist aus Quarz, Feldspat, Glimmer, Tonmineralen und loslichen Komponenten, wie Karbonaten. Das Verhalten dieser Boden wird bestimmt von der Plastizitat, der geringen Durchlassigkeit, den Schrumpfund Quelleigenschaften, dem Konsolidierungsverhalten sowie ihrem Ruckhaltepotenzial. Gemischtkornige Boden bestehen nach DIN ISO/TS 17892-4 aus Kies und Sand mit mehr als 10 % Feinkorn. Nach der Definition nach DIN 18 196 handelt es sich urn Sand und Kies mit einem Anteil von 5 bis 40 % Ton und Schluff. Je nach Anteil der einzelnen Kornfraktionen ist das
Zur Kennzeichnung der Krummung der Kornungslinie dient die Kriimmungszahl Cc :
Nach EN ISO 14688-2 weisen eng gestufte Boden eine Krummungszahl < 1 und weit gestufte eine soiche von 1-3 auf. Eine andere Kennzeichnung der geometrischen Form der KorngroBenverteilungslinie, wie sie fUr hydraulische Fragen verwendet wird, bringt HEIBAUM (2007, darin Lit.): linear = gleichmamger Kurvenverlauf zwischen diS und dss ausfallgekornt = Zwischenkornungen fehlen und die Linie ist unterhalb d30 flach aufwartskonkav = Kornungslinie ist unterhalb d30 flach, steigt dann aber steil an. Die Benennung der mineralischen Lockergesteine erfolgt nur nach KorngroBen, unabhangig vom Material und der Kornform. Die reinen Bodenarten sind in Tab. 2.1 zusammengestellt. Die geologischen Begriffe Psephite fur die KorngroBengruppe 20 bis 200 mm, Psammite fur 0,06 bis 2,0 mm und Pelite fUr 5 %)
Auf nassem Gestein ist das Autbrausen meist etwas verzogert. In den Fallen, in denen der Kalkgehalt genauer bestimmt werden muss, erfolgt dies durch gasometrische COz-Bestimmung nach DIN 18129 (1996). Aus dem CO 2-Anteil wird der Massenanteil der gesamten Karbonatminerale mea bestimmt. Er ergibt sich aus dem COz-Anteil in Prozent der Trockenmasse aus mea = 2,273· CO 2, Der Kalkgehalt Vea ist dann
23
2.2 Kalkgehalt, organische und andere Beimengungen
2.2.2 Organische Bestandteile (Vgl ) mCa
= Massenanteil an Gesamtkarbonaten (g)
md
= Trockenmasse (g)
Der Kalkgehalt eines Bodens VCa > 5 % hat im Allgemeinen einen gunstigen Einfluss auf sein bautechnisches Verhalten und ist besonders bei Korrelationen verschiedener anderer Bodenkennwerte zu beachten. Die Wirkung der Kalkbindung kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob er fein verteilt als Zement oder in Form eines die Bodenkorner ganz oder teilweise umschlieBenden Belags mit verwachsenen Kontaktstellen (Kalkverkittung) bzw. in Aggregaten oder Wurzelrohrchen auftritt, wie beim Loss. Die Bestimmung der Karbonatverteilung erfolgt durch mikroskopische Untersuchung von Dunnschliffen an ungestorten Bodenproben. Loss, der ursprunglich einen Kalkgehalt von mehr als 10% aufweist, ist in einer unterschiedlich dicken Oberzone mehr oder weniger entkalkt und verlehmt. Der Losslehm weist gegenuber dem Loss deutlich abgeminderte Kennwerte auf (s. ENGEL & LAUER 2003). 1m Gegensatz zu diesen positiyen Auswirkungen kann ein Kalkgehalt bei Durchsickerungs- und Korrosionsvorgangen im Untergrund auch erhebliche negative Auswirkungen haben (s. Abschn. 18.2.7). Bei Tonen und Tongesteinen sind je nach Karbonatgehalt folgende Bezeichnungen ublich: Ton/Tonstein
< 2%
mergeliger Ton(stein)
2-10%
Mergelton(stein)
10- 25%
Tonmergel(stein)
25 - 50%
Mergel(stein)
50- 75%
Mergelkalkstein
75 - 90%
Kalkstein
90 - 100%
Die Mergel(steine) sind Mischgesteine mit Anteilen chemisch gefallter Karbonate und z. T. auch Silikate, die als Zement zur Verfestigung beitragen.
Der Gehalt an organischen Bestandteilen wird durch Massenverlust beim Gluhen bestimmt und auf die Trockenmasse bezogen.
-m_g _m _ d_ Vglmd md = Trockenmasse vor dem Gluhen (g) mgl = Masse nach dem Gluhen (g).
Gluhverlustbestimmungen durfen nicht ohne Temperaturkontrolle ausgefUhrt werden. In der DIN 18128 (2002) wird Gluhen im Muffelofen bei 550°C bis zur Massenkonstanz empfohlen. Die organischen Bestandteile oxidieren in Temperaturbereichen von 200 bis 500°C und entweichen als Gas (CO z). Bei Temperaturen ab 400°C kommt es bereits zur Freisetzung von Kristallwasser der Tonminerale und ab 700°C zur Dissoziation der Karbonate (s. DIN EN 1997-2, AnhangN). Andere Methoden sind die Bestimmung des Massenverlustes durch nasse Oxidation mit 20%igem Wasserstoffperoxid (s. TP BF-StB B 10). Bei dieser Nassoxidation mit HzO z konnen leicht 16sliche Karbonate mit in Losung gehen. Das Verfahren ist deshalb bei karbonathaltigen Tonen ungenau. Wenn eine Genauigkeit von mehr als 2-3 % verlangt wird, sind bei Tonen coulometrische Verfahren anzuraten. In einem Coulomat werden Gesamt-C (organisch und anorganisch) durch Verbrennen mit Sauerstoff und der anorganische C-Anteil durch Verbrennen mit Stickstoff ermittelt und auf Corg umgerechnet (RADLINGER 1997: 233). Organische Beimengungen erhOhen die Zusammendruckbarkeit eines Bodens und verringern seine Scherfestigkeit. Beim Auftreten organischer Beimengungen werden nichtbindige Boden ab 3 % und bindige Boden ab 5 % als organogene Boden bezeichnet. Sie weisen bereits erheblich veranderte plastische Eigenschaften auf. Ab organischen Beimengungen > 20 % handelt es sich urn organische Boden, die fur Grundungszwecke ungeeignet sind (s. Abschn. 3.2.4). Nach EN ISO 14688-2: 2004 kann fUr den Gehalt an organischer Substanz im Boden (% der
2
24
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte. ihre Ermittlung und Bedeutung
Trockenmasse < 2 mm) folgende Einteilung verwendet werden: schwach organisch
2-6 %
mittel organisch
6-20%
stark organisch
> 20%
2.2.3 Schwefelverbindungen Schwefelverbindungen wie Anhydrit (CaS0 4 ). Gips (CaS0 4 • 2HP), aber auch Pyrit (FeS z), bzw. seine mineralogischen Modifikationen Markasit (FeS z) und Magnetkies (FellS 1Z )' die fein verteilt im Boden bzw. Gestein oder in Aggregaten bzw. Lagen, Kluftfiillungen oder an Fossilien angereichert auftreten, konnen eine Gefahr fiir den Baugrund und auch fiir Beton darstellen. Der Umwandlungsprozess von Anhydrit zu Gips und die damit verbundene Volumenvergro6erung sowie Verkarstungsprobleme werden in Abschn. 19.2.2 behandelt. Pyrit und andere sulfidische Schwefelverbindungen konnen unter der Einwirkung von Luftsauerstoff bzw. sauerstoffreichem Niederschlagswasser (0 2 + H,o) in Eisen-II-Sulfat (FeSO.) und freie Schwefelsaure (H 2S0 4)
Eisensulfathaltige Gesteine entstehen in sauerstofffreiem Milieu, bevorzugt bei Anwesenheit organischer Substanzen und sind bei Abwesenheit von Sauerstoff recht stabil. Derartige Gesteine werden sowohl in tertiaren Lockergesteinen als auch in kretazischen, jurassischen oder palaozoischen Festgesteinen (bes. kohlehaltigen Schichten) wie auch in magmatischen oder metamorphen Gesteinen beschrieben. WISOTZKY & EISENBERG (2008) und die DIN 4030-1 (2008) bringen eine Dbersichtskarte iiber die Verbreitung pyrithaltiger Gesteine in Deutschland.
2.3 Das Drei-Stoff-System Boden bzw. Fels Ein Boden bzw. Fels besteht in der Regel aus drei Substanzen Mineralkorn - feste Phase Wasser - fliissige Phase Luft - gasformige Phase. Bei einem wassergesattigten Boden, dessen Poren vollig mit Wasser erfiillt sind, liegt ein Zweiphasensystem vor, bei nur teilweisem Sattigungsgrad ein Dreiphasensystem.
2FeS 2 + 2Hp + 70 z = 2FeSO. + 2H zSO. umgewandelt werden. Bei Abdeckung gegen sauerstoffreiches Niederschlagswasser konnen Gipskristalle (CaS0 4 • 2HP) entstehen. Die Schwefelsaure fiihrt im Sickerwasser zu einem starken Abfall des pH-Wertes, was eine vollige Zersetzung des Gesteins und andere Umweltschaden zur Folge haben kann (s. Abschn. 13.4.1 , FRIEDRICH, PRINZ & WILMERS 1976: 102 und KEMPFERT et al. 2008), wahrend die Neubildung von Gipskristallen im Boden oder in sulfathaltigem Schiittmaterial zu Baugrundhebungen fiihren kann (s. Abschn. 6.2.4). Au6erdem kann der Sulfat-Saure-Angriff Betonschaden verursachen. Zur Abschatzung der Pyritoxidationskapazitat werden Testanalysen durchgefiihrt (s. Abschn. 9.5.2). Bereits bei Pyritschwefelgehalten ab 0,1 Gew.-% ist mit schadigenden Auswirkungen zu rechnen (Abschn. 9.5.3).
2.3.1 Wassergehalt (w), Sattigungszahl (Sr)' Wasseraufnahmevermogen (w A) Beim Wasser im Boden unterscheidet man zunachst immobiles Porenwasser und frei bewegliches, der Schwerkraft folgendes mobiles Porenwasser. 1m Einzelnen kann Wasser im Boden auf folgende Arten auftreten (s. Abb. 2.9): Wasser in den Schichtgittern der Tonminerale (Hydrationswasser) Gebundene Wasserhiille der Bodenkorner, besonders der Tonminerale (Adsorptionswasser) Porenwinkelwasser bzw. Haftwasser an den Beriihrungspunkten der Wasserhiillen bzw. der Bodenkorner
25
2.3 Das Drei-Stoff-System Boden bzw. Fels
Tonaggregat (Hydralionswasser)
immoblles Porenwinkelwasser bzw. Kapillarwasser mobiles
gebundene Wasserhiille (Adsorptionswasser)
Abb. 2.9 Schematische Darstellung des mobilen und immobilen Porenwassers im Boden.
Mobiles Porenwasser, das bei der Wassergehaltsbestimmung in der Hauptsache erfasst wird. Die Festigkeit und das Verformungsverhalten eines feinkornigen Bodens (Ton) werden auBer dem Korngefiige (Anordnung der TonpHittchen) yom Wassergehalt und insbesondere von der gebundenen Wasserhiille sowie der Ionenkonzentration des Porenwassers bestimmt. Der Wassergehalt w ergibt sich als Quotient der Masse des im Boden befindlichen Wassers, das bei 105 DC verdampft (organische Boden bei 60 bis 65 DC) und der Trockenmasse.
w = Wassergehalt (%) mj = Masse des Probebehalters und der feuchten Probe (g) m 2 = Masse des Probebehalters und der getrockneten Probe (g) me = Masse des Probebehalters (g) mw = Masse des Wassers (g) md = Masse der getrockneten Probe (g)
Die Bestimmung erfolgt in der Regel nach DIN 18121-1 (1998) bzw. nach der Vornorm DIN ISO TS 17892-1 (2005) durch Ofentrocknung. Die Tatsache, dass bei tonigen Boden bei 105 DC nicht nur das Porenwasser im engeren Sinne, sondern bereits auch Haft - bzw. Adsorptionswasser abgegeben werden konnen, bleibt allgemein unberiicksichtigt. So geben vor allen Dingen tonige Bodenarten mit Montmorillonit-Mixed-LayerMineralen den Hauptteil ihres Adsorptionswassers schon bei Temperaturen unterhalb 100 DC ab,
wah rend Smektite dieses erst im Temperaturbereich oberhalb 100 DC tun. AuBer dem Standardversuch der Ofentrocknung gibt es einige Schnellverfahren fiir Baustellen (DIN 18 121-2: 2001). Die wichtigsten davon sind Schnelltrocknung mit Infrarotstrahler Schnelltrocknung mit Mikrowellenherd Luftpyknometer CM -Methode (Calciumkarbid -Methode). Die einzelnen Schnellverfahren sind nicht bei allen Bodenarten anwendbar. Eine Bewertung fiir den Baustelleneinsatz bringen KNUPPER (1990) und SENGUTTA (1998). Die natiirlichen Wassergehalte der Boden differieren in weiten Grenzen. Sie betragen fiir erdfeuchten Sand
< 0,10
Loss
0,10 bis 0,25
Lehm
0,15 bls 0,40
Ton
0,20 bis 0,6
organische Boden
0,50 bis 5,0
Der Wassergehalt ist ein wichtiges Kennzeichen zur Beurteilung bindiger Boden hinsichtlich Konsistenz und damit der Tragfahigkeit sowie auch der Verdichtbarkeit. 1m Einzelfall ist auch der Chemismus des Porenwassers bindiger Boden zu beachten. Aus Untersuchungen an marinen Tonen ist der Einfluss eines hoheren Salzgehaltes auf die Konsistenzgrenzen und auf die Scherfestigkeit bekannt (s. ENGEL 2002a). Der Wassergehalt von Festgesteinen (Porenwasser im Gestein) liegt bei Tonsteinen vielfach bei 5-10%, bei Sand- und Kalksteinen meist nur bei ± 1 %. In tonigen Gesteinen kann der Wassergehalt als Merkmal des Verwitterungsgrades herangezogen werden (s. Abschn. 3.4.2) und er zeigt bei Tonsteinen auch Scher- und Schwachezonen im Gebirge an (s. Abb. 2.10). Die Sattigungszahl Sf gibt an, in welch em AusmaB die Poren eines Bodens mit Wasser gefiillt sind: Sf = n)n = (w· ps)/(e· p) nw = mit Wasser gefiillter Porenanteil n = Gesamtporenanteil
26
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
2
Verw,l-
I
Wossergehall [ %
~ m
KalsIstenzzohllcl-l 40
,
I
UJ IIII
6
c{
III
Z
W WV2 l-
Ic{
~
±
WI
Abb.2.10 Abhiingigkeit des Wassergehalts und anderer Bodenkennwerte (bes. der Wichte) von den Verwitterungsstufen und Abweichen der Werte in einzelnen dOnnen Schwiichezonen der Riit-Tonsteine (a us MEYER-KRAUL 1989).
w Ps e Pw
= = = =
wo
9l
i i
0-0,25
feucht
0,25-0,50
sehr feucht
0,50-0,75
nass
0,75-1,00
sehr nass
1,00
wassergesattigt
21
23
2S
• t
·
'2
"
.~
..··
'" ,~
10
\.
n 2'
oJ Zuslondsgrenzen
bJKonslStenz20hl
zlml
Ubliche Grenzwerte fUr S, sind: trocken
·,
,0
Wassergehalt Korndichte (in g/cm 3) Porenzahl (s. Abschn. 2.3.4) Dichte des Wassers (in g/cm 3)
0
19
· ··· . ·
w1Il ;?; 0 Z
WlChlen IkNlm') 17
clWlchten
• v.'oUl'fgdlGlt
".
D Troc:i(tnwlCtllIt'
0
o Ft-uc:hlWJC.l'llf
"l
AUltdSgttnu
F\ltOgrf'l'\U
W A = (Wmax [g]!G,[t]) ·100 [Trockengewichts-%l W max = Wasseraufnahme bei Konstanz G, =Trockengewicht
Das Wasseraufnahmevermogen von Tonsteinen wird in der Regel nach den oben beschriebenen
1 Verb,ndungsrolll
2 """'pipcllo 1 em' oder 2 em' fOWb" 100%
3 Tnch,er m" GlasflHe'plalte
PO 85
Diabas
2,78-2,95
Steinsalz
2,10-2,30
Anhydnt
2,90-3,00
Gips
2,00-2,30
Verfahren nach DIN 18 132 ermittelt. Fur sonstige Festgesteinskornungen ist DIN EN 1097-6 heranzuziehen.
2.3.2 Korndichte bzw. Reindichte (Ps) Die Korndichte (pJ ist die Masse der festen Substanz im getrockneten Zustand in der Raumeinheit (g/cm3). Die Bestimmung der Korndichte von Boden erfolgt in der Regel nach DIN 18124 (1997, E 2007), bzw. nach der Vornorm DIN ISO TS 17892-3 mit dem Kapillarpyknometer mittels Flussigkeitsverdrangung. Das Luftpyknometer ist nur fur grobkornige Boden ohne Feinbestandteile geeignet. Die Bestimmung der Reindichte von Festgesteinen erfolgt nach DIN EN 1936:1999 bzw. mittels radiometrischer Messeinrichtungen (Gamma-Dichte). Sie ist primar abhangig vom Mineralbestand. Die Reindichte der gesteinsbildenden Minerale liegt zwischen 2,3 und 3,5 g/cm 3 (Quarz = 2,65; Calcit = 2,7; Feldspat = 2,6; Olivin = 3,3). Ab einer Reindichte von 2,9 g/cm 3 spricht man von Schwermineralen. Mittelwerte der Korndichte von Boden und Gesteinen in g/cm 3 oder tlm 3:
Die Korndichte ist ein Hilfswert zur Bestimmung des Porenanteils n und der Porenzahl e sowie fur die Auswertung der Sedimentationsanalyse. Er wird in der Regel nach Tabellenwerten angesetzt und nur in Sonderfallen versuchsmaBig ermittelt.
2.3.3 Dichte (p) und Wichte (y) Die Dichte (p) des feuchten Bodens oder Gesteins ist die Feuchtmasse (m), bezogen auf das Volumen (V) einschlieBlich der Poren und der Porenfiillung. Die Bestimmung der Dichte von kohasiven Boden erfolgt im Laborversuch nach DIN 18125-1 (1997), bzw. nach der Vornorm DIN ISO TS 17892-2 nach p = m/V in g/cm 3.
Die Ermittlung der Masse erfolgt durch Wiegen. Das Volumen wird anhand ungestorter Erdstoffbzw. Gesteinsproben berechenbaren Inhalts bestimmt. Bei erschutterungs- oder druckempfindlichen Boden ist Vorsicht geboten, da die Proben auch bei vorsichtiger Entnahme leicht gestaucht
2
28
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
werden, was zu einer Dberschatzung der Dichte (Pd) und auch anderer Laborwerte fiihrt. Bei unregelmaBigen Probekorpern kann das Volumen durch Tauchwagung oder Fliissigkeitsverdrangung ermittelt werden. Bei rolligen Boden erfolgt die Ermittlung des Volumens durch Ersatzmethoden oder indirekte Bestimmung im Feldversuch nach DIN 18 125-2 (1999). Folgende Dichten werden unterschieden: Dichte des feuchten Bodens oder Gesteins p: P = m/V in g/cm 3 Trockendichte (105°C) Pd: Pd = miV = p/(1 + w) in g/cm 3 (m d = Masse der bei 105°C getrockneten Probe) Dichte bei Wassersattigung Pr: Pr = Pd + n . Pw Dichte unter Auftrieb p': P' = Pr - Pw
Absperrflohn
Bodenflngploffe Zenlners/lfl
Dichtewerte einiger Boden (in g/cm 3 oder t/m
3 ):
Bodenart
p
p.
p'
Sand, locker
1,60
1,90
0,90
Kiessand, dicht
1,95
2,10
1,10
Loss
1,60
1,90
0,90
Lehm
1,80
1,95
0,95
Ton
1,80
1,90
0,90
Ton/Schluff,organisch
1,55
1,55
0,55
Torf
1,25
1,10
0,25
Bei nichtbindigen Boden sind die Dichten fiir erdfeuchten Zustand gegeniiber Wassersattigung (Pr) urn 0,2 g/cm 3 niedriger anzusetzen. Die iiblichen Feldmethoden zur Bestimmung der Dichte von Lockergesteinen werden nachstehend kurz beschrieben (s. DIN 18 125-2: 1999): Beim Sandersatzverfahren erfolgt die Volumenbestimmung durch Auffiillen einer kleinen Grube mit einem trockenen Priifsand bekannter Dichte (PE) aus einem Doppeltrichter (Abb. 2.12). Die verbrauchte Sandmenge me wird durch Riickwiegen des Doppeltrichters ermittelt.
md = Sandmenge im Ringraum der Stahlringplatte und des Trichters unterhalb des Absperrhahns (s. Abb. 2.12).
Siohlrmgpiolle
Abb. 2.12 Doppeltrichter fOr Volumenbestimmung nach dem Sandersatzverfahren (aus DIN 18125, T2).
AuBerdem steht auch ein Gummiblasengerat (Densitometer) zur Volumenbestimmung nach dem sog. Ballon-Verfahren zur Verfiigung, das eine sichere und schnelle Ausmessung des Bodenlochvolumens gestattet. Gerat und Durchfiihrung siehe DIN 18 125-2. Beim Gipsersatzverfahren wird in einem, mit olgetrankten Zellstoffstreifen ausgelegten Hohlraum, Gipsbrei eingegossen und glatt abgezogen. Der Gipsklumpen wird ausgegraben und sein Volumen nach 2 Stun den Wasserlagerung in einem TauchgefaB ermittelt. Beim Schiirfgrubenverfahren wird eine moglichst profilgerechte Schiirfgrube von 0,5 bis 1,0 m 3 Inhalt ausgehoben und das Volumen durch Ausmessen moglichst genau ermittelt. Durch die groBe Masse bleiben die Volumenfehler verhliltnismaBig klein. Auf GroBbaustelien kann die Dichte und der Wassergehalt von einheitlich aufgebauten, nichtbindigen oder leicht bindigen Erdstoffen auch mit radiometrischen Verfahren (Isotopen-
29
2.3 Das Drei-Stoff-System Boden bzw. Fels
sonde) ermittelt werden (s. TB BF-StB, Teil B 4.3). Die von einem radioaktiven Isotop ausgehende Gamma-Strahlung kommt je nach der Dichte des Bodens mehr oder weniger geschwacht an einem Detektor an und gibt ein Mag fUr die Dichte des durchstrahlten Mediums. Der Wassergehalt wird zusatzlich mittels einer Neutronensonde gemessen. Der Vorteil einer radioaktiven Bestimmung von Dichte und Wassergehalt liegt in dem grogeren Messvolumen und der meist grogeren Messtiefe (Abb. 2.13). Dazu kommt der geringe Zeitaufwand fUr die Einzelmessung (1 min.) und die sofortige Verfiigbarkeit der Ergebnisse. Die Wichte (y) ist die volumenbezogene Gewichtskraft, die eine Bodenmasse mit der Dichte p (in g/cm 3 ) aufgrund der Erdbeschleunigung ausiibt. Sie ergibt sich durch Multiplikation der Dichte mit der Erdbeschleunigung: y= p . g (in kN/m 3 ) g= 9,81 mls2 (== 10mls2) Zu unterscheiden sind: y= Feuchtwichte l+w l+e
y=(l-n)·y· ( l+w) =--.y ,
2
1, = Wichte bei Wassersattigung
y =(1-n).y +n.y
,w
r
= y,+e'Yw 1+e
r' = Wichte unter Auftrieb y . = (1-n ).(y -y )=y -y ,
w
r
w
=y--yw '--
1+e
Die Wichte (in kNlm 3 oder MNlm 3 ) wird fUr Lastannahmen bei erdstatischen Berechnungen benotigt. Bei Dichte- bzw. Wichteangaben von Festgesteinen muss streng unterschieden werden zwischen Gestein (mit Poren und Porenfiillung) und Fels- bzw. Gebirgswerten unter Beriicksichtigung der Kliiftung, der Anwitterung und der Gebirgsauflockerung (s. Abschn. 3.4). Anhaltswerte fiir die Wichte einiger Gesteinsbzw. Felsarten (yin kNlm 3 ): Gestein
Gesteinswerte
Sandstein
26-27
20-24
24
Tonstein
23-27
19-24
25
Tonschiefer
27 -30
19-26
28
Kalkstein
26-28
22-25
27
Granit
26-28
24-26
26
Diabas
27-29
24-26
28
s
n = Porenanteil e = Porenzahl (s. Abschn. 2.3.4) Yrl = Trockenwichte 1
Yd ={l-n).y;= l+e' Ys
(I l1elholulllen belln OenSltometetyetsuch -4000 (m) b I Mefholulllen des UP Zyl,ndets -, 000 --:'0,65
Die bezogene Lagerungsdichte ID wird nach EN ISO 14688-2: 2004 und DIN EN 1997-2 unterteilt in:
32
2
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
'0 DIN
'0 friiher
sehr locker
85
2.4.2 Lagerungsdichte bindiger Lockergesteine, Proctorversuch Bei bindigen Boden ist die Verdichtbarkeit sehr stark yom Wassergehalt des Bodens abhangig. Als Bezugswert zur Beurteilung der erreichbaren oder erreichten Lagerungsdichte (Verdichtung) dient die Proctordichte (PPr)' die in dem 1933 von PROCTOR entwickeltem Proctorversuch zusammen mit dem fiir die Verdichtung giinstigsten Wassergehalt ermittelt wird. Der Proctorversuch kann mit bindigen und nichtbindigen Lockergesteinen ausgefiihrt werden. Die beim Versuch erreichte Verdichtung entspricht etwa der mit mittelschweren Verdichtungsgeraten auch auf der Baustelle erreichbaren Verdichtungswirkung von etwa 0,6 MNm/m 3 volumenbezogener Arbeit. Die Gerateabmessungen, Fallhohen, Schlagzahlen und das zulassige Gro:Btkorn der Bodenprobe sind in DIN 18127, Proctorversuch (2008) festgelegt. In 5 Einzelversuchen werden die Bodenproben mit abnehmendem Wassergehalt (jeweils 2-4% weniger) in einem genormten Stahlzylinder in 3 Lagen eingestampft und die erreichte Verdichtung (Pd) und der zugehorige Wassergehalt ermittelt. Die erforderliche Probenmenge betragt bei dem iiblichen 100mm-Proctorzylinder 3 bis 4 kg, sonst 6 bis 30 kg; das zulassige Gro:Btkorn entsprechend 20 mm. Dariiber hinausgehende Korngro:Ben sind bis zu einem Anteil von 35 % Dberkorn erlaubt, miissen aber durch Umrechnung (w in w' und Pd in Pd') beriicksichtigt werden. Die Auftragung und Auswertung erfolgt in Form einer Proctorkurve (Abb. 2.15). Die Trockendichte Pd' die dem hochsten Punkt der Kurve
entspricht, ist die Proctordichte PPr' der zugehorige Wassergehalt der optimale Wassergehalt W pr • Die Sattigungslinie entspricht Pd und w, wenn samtliche Poren mit Wasser gefiillt sind und keine Lufteinschliisse mehr im Boden enthalten sind (Sattigungszahl Sr = 1,0). Eine volle Sattigung ist im Proctorversuch kaum zu erzielen, weshalb die Trockendichten immer unterhalb der Sattigungslinie bleiben. Das Porenwasser wirkt bei der Verdichtung als Schmiermittel. Fehlt bei zu niedrigem Wassergehalt diese Schmierwirkung, so wird zu viel Verdichtungsarbeit durch die Reibung zwischen den Bodenteilchen verbraucht und es verbleibt eine ungeordnete, sperrige Struktur der Bodenteilchen. 1st der Wassergehalt zu hoch, wird ein Teil der Arbeit durch das Porenwasser aufgenommen. Nur bei optimalem Wassergehalt wird die aufgebrachte Arbeit ohne Verluste in Verdichtungswirkung umgesetzt, und es wird eine hohe Trockendichte bzw. eine kleine Porenzahl erreicht. Neben der (normalen) Proctordichte PPr wird die modifizierte Proctordichte mod PPr unterschieden. Hierbei werden in die gleichen Versuchszylinder 5 Lagen mit teilweise erhohten 2.10-.---r----;,....----,---r----,
100 % Proclordichle =2.046 gk:m 3 2.0S-+.."..-,,-:-::t:-=--f--+-t---t----i
M
~ 2.00-+-I-+--:..-+------'r--+-\- - I f - --l
.2! ~
'5
:c :ii ~ 1,9S-f#--.--+-;--+-----r-t-\-- -+f - --l l-
1.90 -¥-~--+-_._-+_--f_L-T-l1_-\-_I
WPr 1 ,8S -t"--+--+--~+-'---f---I
6,0
8.0
12.0 14.0 10.0 Wassergehall W
Abb.2.15 Proctorkurve.
16.0
33
2.5 Zustandsform, Konsistenzgrenzen
Fallhohen, Fallgewichten und Schlagzahlen eingestampft. Die Verdichtungsarbeit und die dabei erreichte Verdichtung sind wesentlich groBer. Einige mittlere Proctordichten fur verschiedene Bodenarten: Bodenart Kiessand (Go - 35)
0,07
2,12
kiesiger Sand (Gu - 7)
0, 10
1,98
Sand (Go - 5)
0,13
1,87
Feinsand
1,70
sandiger Schluff
0,16
1,79
sandiger Ton
0,17
1,75
schluffiger Ton
0,22
1,62
Fur einen Vergleich mit Feuchtdichten vergleichbarer Boden in der Natur mussen diese gemaB Abschn. 2.3.3 auf die Trockendichte wie beim Proctorversuch umgerechnet werden. Die auf der Baustelle erzielte Verdichtung wird zahlenmaBig durch den Verdichtungsgrad DPr = piPPr ausgedruckt. Den Zusammenhang zwischen Lagerungsdichte und dem Verdichtungsgrad zeigt Tab. 2.7. Die KenngroBen Proctordichte DPr und bezogene Lagerungsdichte ID lassen sich naherungsweise wie folgt zuordnen: D",- 1,00
0,50 < 'D< 0,85
D", - 0,97
0,40 < 'D< 0,65
D", - 0,95
0,30
dichtjsehr dicht
SE, GE, SU
~ O,3/~
~
95% I~ 98%
SE, GW, SI, GE, GW, GT, SU, GU
~ O,45/~
~
98% I~ 100%
0,5 0,65
34
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
Ermittlung erfolgt nach DIN 18122-1, Bestimmung der FlieB- und Ausro11grenze (1997), bzw. nach der Vornorm DIN ISO TS 17892-12. Die Flie6grenze ist definiert als der Wassergehalt, bei dem ein Boden sich vom flussigen zum plastischen Zustand verandert. Nach der bisherigen Normung wurde die FlieBgrenze mit dem GerM von CASAGRANDE uber die Schlagzahl N ermittelt, bei der sich eine mit dem Furchenzieher in dem Ton am Boden der Schale gezogene Furche auf eine Lange von 10 mm geschlossen hat. Die Auswertung erfolgt nach Abb. 2.16. Der Wassergehalt, der 25 Schlagen entspricht, ist als FlieBgrenze wL definiert. Nach der Vornorm DIN ISO TS 17892-12 sol1 zur Bestimmung der FlieBgrenze spater der Fallkegelversuch herangezogen werden. Verwendet werden Fa11kegel mit 60 g und einer Offnungsweite von 60° oder solche mit 80 g und 30° Offnungsweite. Der Fa11kegel wird auf die geglattete Oberflache der Bodenprobe aufgesetzt und die Arretierung gelost. Das Einsinken des Fa11kegels in die Probenoberflache wird auf 0,1 mm genau gemessen. Der Versuch ist mit dem gleichen Probenmaterial, aber mit unterschiedlichen Wassergehalten mindestens dreimal, besser fUnfmal zu wiederholen. Die Auswertung erfolgt ebenfa11s in einem halblogarithmischen Diagramm mit dem Wassergahalt auf der Abszisse und der Eindingung des Fa11kegels (in mm) auf der Ordinate mit logarithmischem MaBstab. Der Wassergehalt an der FlieBgrenze ist bei einem 60 g/600-Fa11kegel bei einer Eindringung von 10 mm definiert und bei einem 80 g/30° - Fa11kegel von 20 mm.
Gegen diese Bestimmung der FlieBgrenze mit dem Fa11kegelversuch bestehen in Deutschland erhebliche Einwande. Fur die endgultige Norm wird eine Offnungsklausel fUr die bisherige FlieBgrenzenbestimmung angestrebt. Die Ausrollgrenze wp entspricht einem Wassergehalt, bei dem 3 bis 4 mm dicke Bodenrollchen beim Ausrollen auf einer Wasser aufsaugenden, nicht fasernden Unterlage zu zerbrockeln beginnen. Der Versuch ist mindestens dreimal durchzufuhren. Die Wassergehalte durfen fur die Mittelwertbildung nicht mehr als 2 % voneinander abweichen. Unter dem Begriff des Schrumpfens von Tonen wird die Volumenabnahme bei einer Minderung des Wassergehalts unter gleichbleibender Belastung verstanden. Die Schrumpfgrenze WS (DIN 18122-2) bezeichnet den Wassergehalt, unterhalb dem eine ungestorte Bodenprobe nach dem Trocknen an der Luft und bei 105°C im Ofen keine weitere Volumenanderung erfahrt (Abb. 2.17). DerWert der Schrumpfgrenze Ws kann auBerdem indirekt aus der Beziehung Ws = wL - 1,25 Ip Ip = Plastizitatszahl (s. u.)
abgeleitet werden (s. ENGEL 2002a). Die bis zum Wassergehalt der Schrumpfgrenze eingetretene Volumenanderung wird zahlenmaBig durch das SchrumpfmaB IT
r. S-
37.0 36.0
?fl
35.0
~ ~
34.0
'ai
34.0
Q)
33.0
ro
e>
UJ UJ
~
~
................... ......
-----_ .... ---- ~ "'-0......, FlleBgrenze wL = 32.9 % r--n. 32.0
31 .0
I'--
ausgedruckt. Das Schrumpfverhalten eines Bodens ist anisotrop. Die Schrumpfung normal zur Schichtung ist meist ein Vielfaches groBer als parallel zur Schichtung. Eine direkte Angabe des linearen Schrumpfverhaltens erhalt man uber die bezogene Hohenanderung (h n ) einer Probe durch Auftragen von W und h n wie in Abb. 2.17 dargestellt:
30.0 10
15
20
25
30
35
40
Schlagzahl Abb.2.16 Bestimmung der FlieBgrenze aus vier Einzelversuchen
Anfangsvolumen- Endvolumen () ·100 0/0 Anfangsvolumen
h n
h__ -hw_ =_a h
a
ha = AnfangsprobenhOhe hw = Hohe bei dem jeweiligen Wassergehalt
35
2.5 Zustandsform, Konsistenzgrenzen
2 bezeichnet. Sie ist ein MaB fUr die Plastizitiit eines bindigen Bodens. Anhaltswere fUr die Plastizitatszahlen von Boden:
° 10
,, 20
Ws
0,1
0,4
0,3
0,2
W
0,5
Abb. 2.17: Lineares Schrumpfverhalten eines schluffigen Tons mit 35 % Tonanteil « 0,002 mm).
Der Schrumpfversuch, der praktisch einem Austrocknen der Probe mit freien Oberflachen gleichkommt, gibt zwar die in der Natur gegebenen Randbedingungen der Wassergehaltsanderung und Schrumpfverformung nur sehr unvollstandig wieder, trotzdem kann aus der wassergehaltsabhangigen Hohenanderung zu Beginn des Schrumpfversuchs die GroBenordnung der zu erwartenden Bodenverformungen infolge Schrumpfen abgeschiitzt werden (s. Abschn. 6.2.2). Der geradlinige Verlauf der Schrumpfkurve ermoglicht auch eine Aussage tiber das Schrumpfverhalten von Boden mit hOheren Wassergehalten. Die Differenz zwischen FlieBgrenze und Ausrollgrenze wird als Plastizitlitszahl oder Bildsamkeitszahl
Bodenart
Bezeichnung
/p
Schluff
leicht plastisch
0,02-0,10
MagererTon
plastisch
0,10-0,25
Fetter Ton
ausgepragt plastisch
0,25-0,75
Die Plastizitatszahl dient nach DIN 18196 und dem Plastizitlitsdiagramm von CASAGRANDE zur Unterscheidung, ob nach bodenmechanischer Definition ein Schluff oder Ton vorliegt. AIle in Abb. 2.18 unterhalb der A Linie liegenden anorganischen Boden sind Schluffe oder Boden mit organischen Beimengungen, aIle oberhalb der A-Linie liegenden Boden mitIp > 7 sind Tone. Zur weiteren Unterscheidung, ob sich ein Schluff oder Ton leicht, mittel- oder ausgepragt plastisch verhalt oder ob ein organischer Schluff oder Ton vorliegt, dient dann die FlieBgrenze wL (DIN 18196, Tab. 1 und Abschn. 3.l.3). Die Plastizitatszahl von Boden mit einer FlieBgrenze < 7 ist nur ungenau zu ermitteln. Boden in dies en Zwischenbereichen werden nach EN ISO 14688-1 eingestuft.
50
40
, ausgepragl I plasl,sche / I Tone [TA] I, m lIel· - I plasllsche I Tone [TM] ", 1,25 {entspricht '" wsl
fest.
Bei gemischtkornigen Boden (Feinkornanteil ~
.l!!
100 % Gesamtsetzung
DurchHissigkeitsbeiwert k ermittelt werden (s. Abschn.2.8.3). An der Zeitsetzungslinie bindiger Boden sind drei Setzungsanteile zu unterscheiden (Abb. 2.28): Die Sofortsetzung, die unmittelbar nach der Lastaufbringung auftritt und meist von Einbaustorungen beeinflusst ist. Die Hauptphase ist die sog. primare Setzung oder Konsolidiationssetzung, in der das Kornoder das Mineralgeriist unter Abbau des Porenwasseriiberdrucks zusammengedriickt wird (Konsolidation). Sie wird ausgedriickt durch den parabelfOrmigen Teil der Zeitsetzungslinie bis zum Schnittpunkt der Tangenten. Die anschlieBende sekundare oder Langzeitsetzung bzw. Kriechsetzung tritt nur bei feinkornigen Boden auf und ist auf Kriecherscheinungen im Boden, verbunden mit Umlagerungen im Mineralgeriist bei konstantem Porenwasserdruck zuriickzufiihren.
2.6.5 Verformungsmodul (EJ und Bettungsmodul (ks ) aus dem Plattendruckversuch Der Plattendruckversuch ist ein Feldversuch zur Kontrolle der Zusammendriickbarkeit (Verformbarkeit) und damit der Tragfahigkeit bzw. der erreichten Verdichtung. Die Versuchsdurchfiihrung erfolgt nach DIN 18134: 2008 bzw. der Empfehlung Nr. 6 des Arbeitskreises "Versuchstechnik Fels". Die Versuchseinrichtung besteht aus einer Lastplatte (bis 150 mm GroBtkorn mit 300 mm
Abb. 2.28 Auftragung der Zeitsetzung einer Laststufe mit der Angabe der Setzungsanteile.
0, dariiber 600 mm bzw. 762 mm 0), der Druckvorrichtung mit Gegengewicht (Totlast) und der Messeinrichtung. Die Belastung wird bei rolligen Boden in 3 bis 4, bei bindigen Boden in 6 gleich groBen Laststufen aufgebracht, so dass die Gesamtsetzung bei der 300 mm-Platte min. 1,5 mm, max. 5,0 mm betragt oder eine Plattenpressung von etwa 0,5 MN/m 2 erreicht wird. Die Auftragung der Drucksetzungslinien erfolgt gemafS DIN 18134 nach einem Polynom zweiten Grades, dessen Konstanten durch Anpassung an die Versuchsergebnisse nach der Methode der kleinsten Fehlerquadrate gewonnen werden. Danach ist eine Berechnung von Hand kaum noch praktikabel. Die Auswertung muss mit einem PC bzw. Laptop erfolgen, die gleich die Drucksetzungslinien ausgeben. Die Ermittlung des Verformungsmoduls Bv erfolgt in der Regel fiir den Spannungsbereich 0,3 bis 0,7 der aufgebrachten Normalspannung (Abb. 2.29) nach der Beziehung Verformungsmodul Bv = 1,5· r· (1'1.(5/l'1.s) (in MN/m2), wobei r der Radius der Lastplatte ist. BYl wird hierbei aus dem Erstbelastungsast, BY2 aus dem Zweitbelastungsast ermittelt. Aus dem Verlauf der Drucksetzungslinien bzw. aus dem Verhaltnis By/ BYl konnen Hinweise auf die Lagerungsdichte des Bodens abgeleitet werden (s. Abschn. 12.2.4). Bei sandig-kiesig-steinigem Baugrund oder im Fels wird der Plattendruckversuch auch herangezogen, urn direkte Angaben iiber das Setzungsverhalten von Griindungen zu erhalten. Fiir die Bestimmung des Verformungsmoduls By mit
46
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
eingesetzt. In DIN EN 1997-2, Abs. 4.11, werden derartige Versuche als Belastungsversuch fUr Flachgrtindungen (PLT) bezeichnet. Haufig wird die Auswertung auch tiber die oben genannte Standardformel des Plattendruckversuchs vorgenommen, die einer Poissonzahl von v = 0,2 entspricht. Die Ey- Werte aus dem Erstbelastungsast liegen haufig zu niedrig. In solchen Fallen kann Ey aus dem Zweitbelastungsast ermittelt werden. Der E-Modul aus dem Entlas-
unbehinderter Seitenausdehnung werden aus dem betreffenden linearen Teil der Lastenverschiebungslinie flam und fls abgegriffen und in die Formel
Ev = m· (1 - y2). r· (MJm/fls) V = Poissonzahl (s. Abschn. 2.6.9) m = Beiwert nach Empf. Nr. 6, Versuchstechnik Fels
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Abb. 2.29 Automatische Auswertung eines Plattendruckversuchs mit Eingabewerten, Versuchsergebnissen und Drucksetzungslinie.
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47
2.6 Verformungsverhalten, Druck- und Zugfestigkeit
tungsast wird zur Ermittlung der Entlastungsverformung herangezogen. Plattendruekversuehe erfordern zwar einen geringen Aufwand, ihre Lastflaehen (00,3 bzw. 0,76 m) und ihre Tiefenwirkung sind aber verhaltnismaBig klein. 1m Felsbau bzw. im Tunnelbau werden Lastplattenversuehe untertagig in Versuehsstollen oder -sehaehten aueh als Doppellastplattenversuehe ausgefUhrt. Die dabei aufgebraehten Lasten betragen 1 bis 8 MN. Die Versehiebungen werden an der Lastplatte selbst und im Gebirge mit kleinen, 1 bis 3 m tiefen Mehrfaehextensometern gemessen. Eine Auswertung uber solche Kleinextensometer ergibt in der Regel hahere Verformungsmoduln als uber die oben genannten Formeln. Die Tiefenwirkung der Plattendruekversuehe ist abhangig yom Plattendurehmesser, dem spezifisehen Plattendruek und dem Gebirge bzw. dem Kluft- und Sehiehtungsgefuge, besonders aber harteren Einzelbanken, in denen offensiehtlieh die Spannungen bevorzugt lateral abgeleitet werden. Hierdureh ergeben Plattendruekversuehe im Fels bei der ubliehen Auswertung fur die oberste Aufloekerungszone teilweise zu niedrige, ab Tiefen von 0,5-1,0 D (D = Plattendurehmesser) haufig aber reeht hohe Verformungsmoduln (BOCK & KONIETZKY 1997). Die Bereehnung des Bettungsmoduls ks erfolgt aus dem Erstbelastungsast des Plattendruekversuehes, und zwar naeh DIN 18134 mit einer 762 mm-Lastplatte und einer mittleren Setzung von 1,25 mm naeh der Beziehung (Abb. 2.30):
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2 ~--------~--------~ 14-- - -
ao
= 0, , 86 - --+I
Abb. 2.30 Drucksetzungslinie zur Bestimmung des Bettungsmoduls k, (aus DIN 18 134).
ks = (50/5 ks = 0,186/0,00125 = 148,8 MN/m 3 Der so ermittelte Bettungsmodul kann naeh dem Modellgesetz
auf andere Plattendurehmesser umgereehnet werden (s. a. Absehn. 8.2.4).
2.6.6 California Bearing Ratio (CBR)-Versuch Ein weiterer, vor aHem in der englisehspraehigen Literatur verwendeter Parameter fur die Verdiehtung und Tragfahigkeit eines Planums ist der CBR-Wert. Der CBR-Versueh (California Bearing Ratio) wurde 1929 in den USA entwickelt und ergibt einen empirisehen Wert zur Ermittlung der relativen Tragfahigkeit. Dabei handelt es sieh urn einen Stempeleindruekversueh, bei dem ein Druekstempel (0 5 em) mit gleiehmaBiger Gesehwindigkeit (1,25 mm/min) in das zu prufende Planum bis max. 1,25 em eingedruekt wird. Dureh Vergleieh der gemessenen Stempeldrueke (N/mm 2) mit dem Wert eines Standardbodens ergibt sieh der CBR-Wert: CBR- Wert =
Messwert ·100 Wert Standardboden
Der Vergleichswert "Standardboden" wird ahnlieh dem Proetorversueh im CBR-Topf (0 = 15,2 em, h = 17,8 em) mit einem gut abgestimmten Mineralgemiseh 0/16 oder im Feldversueh bei jeweils optimaler Verdichtung ermittelt. Der CBR-Wert ist, wie aueh der Proetorwert, wassergehaltsabhangig. Einzelheiten uber Versuehsteehnik und Anwendung des CBR-Werts s. SCHULZE-MuHS (1969). Allgemein kannen zum Vergleieh folgende CBR-Werte angenommen werden: 0,02- 0,04
sehr schlechter Untergrund
0,04-0,07
schlechter Untergrund
0,07-0,15
mittelmaBiger Untergrund
2
48
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
0,15-0,40
guter Untergrund
0,40-1,00
sehr guter Untergrund.
2.6.7 Verformungsmodul (Evl aus Bohrlochaufweitungsversuchen Die Versuchsanordnung und Durchfiihrung von Bohrlochaufweitungsversuchen ist in Abschn. 4.4.6.4 beschrieben. Die Versuche haben den Vorteil, dass kein gro~flachiger Gebirgsaufschluss notig ist. Das Gebirge wird durch die Bohrung wenig gestort. Die Belastungsflachen sind allerdings ebenfalls verhiiltnismaBig klein, so dass in einem gekliifteten Gebirge der Einfluss der Trennflachen meist zu wenig erfasst wird. Die in Deutschland unter dem Begriff "Dilatometerversuch" bekannten Verfahren werden in den neuen europaischen Normen als Versuch mit dem flexiblen Dilatometer gefiihrt (DIN EN ISO 22476-5). In Deutschland sind dariiber hinaus verschiedene Bohrlochaufweitungssonden auf dem Markt. Unterschieden werden dabei Schlauchdruck- (engl. Dilatometer) und Plattendrucksonden. Bei den Ersteren wird die Bohrlochwandung isotrop, d. h. radial in jeder Richtung gleichmaBig belastet, wah rend die Plattendrucksonde eine gerichtete Belastung auf die Bohrlochwandung ausiibt. Der Dehnweg betragt bis 20 mm. Die erforderlichen Bohrlochdurchmesser betragen 96 mm, 101 mm oder 116 mm (meist 101 mm). Bei gro~er Verformbarkeit (V < 100 MPa) werden sog. Seitendrucksonden mit einem Bohrlochdurchmesser von 146 mm und einem Dehnweg von 36 mm bzw. 50 mm eingesetzt. Das Ergebnis von Bohrlochaufweitungsversuchen sind Druck-Verformungs-Kurven, deren Verbindungslinien zwischen Maximal- und Minimaldruck fiir die Auswertung herangezogen werden. Ais Hilfe fiir den Geotechniker werden fiir die drei (oder fiinf) Belastungszyklen der Erstbelastungsmodul Ey !, der Wiederbelastungsmodul Ey2 , der Verformungsmodul Ey oder V sowie der Entlastungsmodul Ee dargestellt (s. Abb. 2.24). Die Berechnung erfolgt nach der Empfehlung Nr. 8 "Versuchstechnik Fels". Die
Bewertung der Ergebnisse und die Ermittlung von Rechenwerten ist sehr komplex und muss letztendlich durch kritische Vergleiche mit ortlichen Erfahrungswerten erfolgen. Haufig werden als Rechenwerte der Erstbelastungsmodul bzw. Verformungsmodul des 1. Lastzyklus oder der Erstbelastungsmodul des 2. Lastzyklus genommen bzw. als untere und obere Grenzwerte eingesetzt (s. Abschn. 2.6.3 und 4.4.6.4). Andererseits werden wegen der geringen Reichweite des Versuchs gegeniiber dem spater belasteten Volumen haufig auch die oberen Grenzwerte verwendet (JOHN & REITER 2007). Das Gebirge ist in der Regel anisotrop und inhomogen. Vergleichsuntersuchungen haben ergeben, dass die Anisotropie zwischen Evert. und Ehoriz. bei den meisten bindigen Bodenarten und halbfesten Tonsteinen gering ist. Bei Wechselschichtung mit hiirteren Zwischenlagen ergeben sich dabei in der Regel fiir Ehoriz. ZU hohe Werte (STRAUSS 1994, darin Lit.).
2.6.8 Diskussion der Verformungsmoduln des Gebirges Das Verformungsverhalten des Gebirges beruht hauptsachlich auf der Teilkorperbeweglichkeit, d. h. der Verschiebung der Kluftkorper und der Zusarnmendriickung der KluftOffnungen bzw. der Kluftfiillungen und nur zu einem geringen Teil aus der elastischen oder plastischen Verformung der Gesteine selbst. In Tab. 2.9 sind einige Anhaltswerte von vertikalen Verformungsmoduln fiir verschiedene Gebirgsarten zusammengestellt. Dabei ist zu beriicksichtigen, dass Schichtgesteine inder Regel eine deutliche Anisotropie aufweisen und die Verformbarkeit senkrecht zur Schichtung deutlich gro~er ist als parallel dazu. Mittel- und engstandig gekliiftetes Gebirge zeigt bei Belastung oft unerwartet gro~e Verformungen. Diese Abminderung der Verformungsmoduln ergibt sich haufig bei oder mit Annaherung an Talhange (Hangzerrei~ung, Talzuschub) und in der oberflachennahen Auflockerungszone. Ein ahnliches Verhalten zeigt auch das nachgesackte, konsokidierte Deckgebirge iiber tiefem Steibkohlenbergbau, fiir das SROKA & PREUSSE (2009) Verformungsmoduln
49
2.6 Verformungsverhalten, Druck- und Zugfestigkeit
2
Tabelle 2.9 Anhaltswerte von Verformungsmoduln fOr verschiedene Gebirgsarten. Gebirgsart, Lokalitat
Oberlagerung (m)
Verformungsmodul
Versuchsart, Literatur, Bemerkungen
MN/mZ
MN/m Z
4000070000
500 - 10000
Bemessungswerte nach Druckkissenversuchen, WITIKE et al. (1974)
Tonschiefer, Taunus
5000-20000
1500- 3000
Bemessungswerte nach Druckkissen- und Bohrlochaufweitungsversuchen steil zur Schieferung.
Dickbank-Sandstein (su)
620-1970 i.M.l030
50-80
i. M. 70
Dilatometerversuch HOLZHAUSER & STEMLE 2010
BuntsandsteinWechselfolge (sm)
400 - 1000
100- 400
GroBtriaxiaiversuche, NIEDERMEYER et al. (1983) Plattendruckversuche u. Fundamentbelastungsversuch in oberflachennaher Auflockerungszone, NAUMANN & JENNEWEIN (1987)
Gneis, SGdschwarzwald
350
Sandsteinreiche Wechselfolge (sm)
15- 20
130- 160
Tonsteinreiche Wechselfolge (sm)
15- 20
30-80 z. T. weniger
Solling-Sandstein (sm)
5- 20
170 ±20
Rottonsteine (so)
5- 20
70- 140
Wellenkalk (mu)
5- 20
140
Tonsteine des Keupers
ca. 30
100-250
RGckrechnung Fundamentsetzungen, ENGELS & KATZENBACH (1992)
15- 60
GroBtriaxiaiversuche, WICHTER (1980)
75 - 100
RGckrechnung StraBentunnel Heslach, BEICHE et al. (1987)
Residualgebirge des Gipskeuper
80 - 150
Bemessungswerte, BACHERACH 2007; WITIKE & ZOCHNER 2008
Sandsteine des Keuper
750- 1500
Bemessungswerte, BEICHE et al. (1987)
Opalinuston
10
200 - 400
40- 20
GroBtriaxialversuche, WICHTER & GUDEHUS (1982)
50
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
von 46-56 MN/m 2 angeben. Auch in Kluft- und Storungszonen mit tektonischer Gebirgsauflockerung haben sich an den Tunneln der DB-Neubaustrecke Hannover-Wurzburg in Osthessen z. T. auffallend groBe Verformungen eingestellt (s. Abschn. 17.2.3). Den ersten Hinweis auf diese insgesamt recht niedrigen Verformungsmoduln des Gebirges gaben Bohrlochaufweitungsversuche, die auch eine mehr oder weniger deutliche Abhangigkeit von der Dberiagerungshohe, yom Gebirgstyp (Sandsteinbanke, dunnbankige Wechselfolgen) und auch von der Gebirgszerbrechung (Storungszonen) erkennen lieBen.
Die horizontalen Spannungsanteile (O"h' 0"2.3' O"x,) sind eine Folge der seitlichen Einspannung durch das Dberlagerungsgewicht und betragen fUr den vereinfacht angenommenen Fall eines elastischisotropen Spannungs-Dehnungsverhaltens
Ko = Ruhedruckbeiwert.
Der Ruhedruck- oder Seitendruckbeiwert Ko ist als Verhaltniswert der effektiven Horizontalspannungen O"h' zu den effektiven Vertikalspannungen O"y' definiert:
2.6.9 Primarspann ungszustand Ais Primarspannungszustand wird der vor Beginn eines groBeren Eingriffs im Untergrund herrschende Spannungszustand bezeichnet. Er ist neben den elastischen Kennwerten des Gebirges der entscheidende Parameter, urn das Deformationsverhalten eines Gebirges bei tiefreichenden Eingriffen (Untertagebauwerke, Fluidbewegungen bei tiefen Verpress- oder Geothermiebohrungen) zu ermitteln. Unter der Annahme eines homogenen Gebirges, horizontaler Gelandeoberflache und dass keine tektonischen Spannungen wirksam sind, ist die groBte Hauptnormalspannung (O"J vertikal gerichtet und nimmt mit der Tiefe linear zu (Abb. 2.31): O"z =
y. h (kN, MN).
Der Ruhedruckbeiwert gilt bei erstbelasteten bzw. normalkonsolidierten Boden als konstant. Fur die Abschatzung des Ruhedruckbeiwerts gilt fUr erstbelastete bindige oder nichtbindige Boden folgende Beziehung (s. Abb. 2.32):
Ko = 1 - sin cp Bei Lockergesteinen liegt Ko in der Regel zwischen 0,35 und 0,65 und bei Fels zwischen 0,18 und 0,5 (s. Abschn. 17.5.2). Bei Auftreten von Porenwasseruberdruck kann Ko bis 0,95 ansteigen. In uberkonsolidierten Boden konnen Ko- Werte > 1,0 auftreten. Der Ruhedruckbeiwert uberkonsolidierter Boden ist keine Konstante. Er ist abhangig von der Spannungsgeschichte, die durch die maximale geologische Vorbelastung bzw. den Dberkonsolidierungsgrad OCR ausgedruckt werden
a:v'l vlXV/),v/),v/),v;;Z:V;;Z:V - - - - -. - - - - - - - - - cr.
z
r-----------~~ O.
Raumgewicht
cr,
y
--------o._¢-Ox --.............. z
yZ
..... ... - - - - - - -
z
Abb.2.31 Prinzip der Primarspannungen im elastisch-isotropen Halbraum (nach LANG & HUDER 1994).
51
2.6 Verformungsverhalten, Druck- und Zugfestigkeit
ko ~
2
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fehlendes Uberlagerungsgew1cht
Abb. 2.33 GroBe und Richtung der Hauptspannungen in Abhangigkeit von Topografie und groBfliichiger Abtragung (nach GOTZ & VARDAR 1976). Abb. 2.32 Zusammenhang zwischen Reibungswinkel (cf», Poissonzahl (v) und Ruhedruckbeiwert (Ko) .
kann. Der OCR (over consolidation ratio) entspricht dem Verhaltnis der maximalen, jemals vorhandenen effektiven Vertikalspannung zur derzeitigen effektiven Vertikalspannung. Laborversuche und Ableitungen zur Ermittlung des Seitendruckbeiwerts Ko(oc) fiir iiberkonsolidierte Boden s. PELZ et a1. (2009). Eine weitere Kennziffer fiir das Verhaltnis Querdehnung zu Langsdehnung ist die Poissonzabl, auch Querdehnzahl genannt. Sie betragt fiir einen volumenbestandigen Stoff v = 0,5 und fUr einen normal konsolidierten Boden 0,25-0,45 mit einem Mittelwert von V = 0,33 (Abb. 2.32). Bei Gesteinen liegt die Poissonzahl zwischen 0,15 bis 0,3, meist bei v = 0,25. In der Literatur wird gelegentlich der reziproke Wert 11 = l/v angegeben. Dieser Wert ist immer groBer als 2 und darf nicht mit der Poissonzahl verwechselt werden.
2.6.9.1 Abweichende Primarspannungszustande Flir den im Gebirge tatsachlich herrschenden Primarspannungszustand ist in erster Linie die Oberlagerungshohe maBgebend. Dariiber hinaus
sind die Primarspannungen und ihre Richtungsverteilung von einer ganzen Reihe weiterer Spannungsanteile verschiedenen Ursprungs abhangig: Lokale Spannungsfelder mit den Einflussfaktoren Topografie, Anisotropie des Gebirges, ortliche tektonische Strukturen und geologische Vorbelastung. Regionale Spannungsfelder, die abhangig sind von der geologischen Vorbelastung und den regionalen tektonischen Strukturen. Der Einfluss der Gelandeform, des TrennflachengefUges und der Vorbelastung ist aus Abb. 2.33 ersichtlich. Ersterer wird bei der Abschatzung des Spannungszustandes haufig unterschatzt. In Oberflachennahe hat die Topographie einen erheblichen Einfluss auf den Primarspannungszustand, d. h. auf den Verlauf der Spannungstrajektorien. Die groBte Hauptnormalspannung kann in Hanglage naherungsweise hangparallel verlaufen. Mit zunehmendem Abstand yom Hang nehmen die aus dem Eigengewicht resultierenden Hauptspannungen wieder normalen Verlauf an. Auch das Trennflachengefiige beeinflusst die Spannungsrichtung und die Spannungsausbreitung, da an offenen Trennflachen keine Normalspannungen iibertragen werden konnen (s. Abschn. 17.5.2). Die Abhangigkeit des Primarspannungszustandes von der geologischen Vorbelastung
52
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
bzw. der flachenhaften Erosion und dem Relaxationsverhalten des Gebirges ist erst in den 1980er Jahren richtig erkannt worden. In den flach liegenden Sedimentgesteinen, z. B. der mitteleuropais chen Schichtstufenlandschaften, werden in Oberflachennahe haufig horizontale Gebirgsspannungsanteile gemessen, die nicht dem gegenwartigen Oberlagerungsdruck entsprechen. Ein Ruhedruckbeiwert nahe oder uber 1,0 bedeutet aber, dass der Horizontalspannungsanteil ungewohnlich groB bzw. groBer ist als der entsprechende Uberlagerungsdruck (Uberkonsolidierungsgrad s. oben). Diese erhohten Horizontalspannungen sind sowohl eine elastische Nachwirkung der ehemals groBeren Uberlagerung und der flachenhaften Abtragung bei gleichzeitiger seitlicher Einspannung als auch ehemals weitaus hoherer Horizontalspannungen im Zuge der tektonischen Beanspruchung. Die querdehnungsbehinderte Entlastung bewirkt einen Horizontalspannungsiiberschuss, der offensichtlich je nach den mechanischen Gesteinsparametern unterschiedlich tief reicht. In uberkonsolidierten Tonen reicht z. B. dieser Horizontalspannungsuberschuss, ausgedruckt durch einen Ruhedruckbeiwert Ko ~ 1,0, einige Zehnermeter tief. Fur den Londoner Ton werden schon von SKEMPTON (1961) Ko- Werte von 2 bis 3 angegeben, die sich mit zunehmender Tiefe vermindern. Fur die Tertiartone von Frankfurt geben FRANKE et al. (1985: 414) Ko- Werte von 1,0 bis max. 3,0 an, die in etwa 20 m Tiefe annahernd auf den lithostatischen Spannungszustand abgebaut sind. In sohlig gelagerten Sedimentgesteinen reicht der Horizontalspannungsuberschuss nach Literaturangaben 50 bis 100 m tief. Fur den Stuttgarter Raum geben BOTTCHER et al. (1998) fur die Tonsteinschichten des Unterjura (ehem. Lias <Xl) erhohte Horizontalspannungen von 1-2 MN/m2 an und fUr die Wechselfolgen des ehem. Lias <X2 von 0,5-1,0 MN/m2 (s. a. WITTKE 2009). WITTKE & ZUCHNER (2008) beschreiben eine gewisse Abnahme der Horizontalspannungen mit dem Verwitterungsgrad bzw. zunehmendem Wassergehalt. Die erhohten Horizontalspannungen wirken sich vor aHem auf den Schichtflachen aus (s. Abschn. 17.5.5.1). 1m Thuringischen Schiefergebirge wurde in den 1990er Jahren mit dem Hydraulic Fracturing-Verfahren ein NW-SE gerichteter Horizontalspannungsuberschuss urn den Faktor 2,1 bis
4,5 gemessen (JOHN & Po SCHER 2004). Messungen mit der Triaxsonde ergaben aHerdings niedrigere Werte (KONNINGS & LEIPZIGER 1997). Ab einem Verhaltnis von 5 ist in kompetenten Gesteinen mit Bergschlaggefahr zu rechnen (s, Abschn.17.5.2). In den Schweizer Voralpen (Ton-, Kalk- und Sandmergel des Wellenberges, Unterjura) wurden bis in 500 m Tiefe Einflusse der Topografie festgestellt und maximale horizontale Spannungskomponenten, die im Schnitt 2 bis 3-mal groBer waren als die Vertikalkomponente (GLAWE & BLUMING 1997). Nur im Bereich der HangzerreiBung und offener Klufte ist mit einem volligen Abbau der erhohten Horizontalspannungen zu rechnen. Der im Gebirge herrschende Primarspannungszustand und der beschriebene Horizontalspannungsuberschuss konnen teilweise auch durch rezente tektonische Vorgiinge beeinflusst sein (s. Abschn. 4.2.4). Angaben uber GroBe und Richtung dieser Spannungsanteile sind aber selbst bei Kenntnis der regionalen Tektonik praktisch nicht moglich. Der primare Spannungszustand ist somit das Ergebnis der Uberlagerungshohe und der erdgeschichtlichen Entwicklung eines Gebirgsbereiches. Es ist nicht moglich, Spannungen aus der Uberlagerungslast, tektonische Restspannungen oder rezente tektonische Spannungen getrennt zu messen. Der Horizontalspannungsuberschuss in Oberflachennahe wird meist als Restspannung ehemaliger Oberlagerung gewertet, wobei die auffallende Richtungskonstanz in Mitteleuropa als Nachwirkung tektonischer Schubbeanspruchung gesehen werden muss (s. Abschn. 4.2.4). Unabhangig davon werden auch in groBeren Tiefen ungewohnliche Primarspannungszustande beobachtet, die auf anhaltende (rezente) tektonische Beanspruchung zuruckgefuhrt werden.
.6.9.2 In-Situ Spannungs6 9 2 I" 8, u 8pannun messungen mess ng Das Erfassen von Spannungen im Gebirge ist nach wie vor eines der schwierigsten Probleme der Geomechanik. Die Bestimmung erfolgt durch indirekte Methoden, bei denen Gebirgsdeformationen oder Bruchzustande ausgelost werden, aus den en dann mit Hilfe der elastischen Konstanten
53
2.6 Verformungsverhalten, Druck- und Zugfestigkeit
des Gesteins die Spannungen riickgerechnet werden. Die einzelnen Bestimmungsverfahren unterscheiden sich in der Einsatztiefe und in dem erfassten Gebirgsvolumen sowie in ihrer Aussagekraft. AuBer der Methode der Auswertung
von Herdflachenlosungen bei Erdbeben werden nachfolgende Verfahren eingesetzt: Gebirgsentlastungsverfahren sind Bohrlochentlastung (Doorstoppper, Triaxialzelle), Einsatztiefe < 1000 m
/
focal mechaNsrn
t.-eakouts 0011 Induced frae borehole $loner
48 °
48 °
overconng hydro fractures 9801 tndcatOfS
Regime:
NF rSS e TF
U
Quality : A
B C all depths (2OOfJ1 WiVlldStN. M.Ip
46 ° 6°
go
12°
15°
46 °
Pra"eetoon~
Abb.2.34 Karte der Spannungsrichtungen in Deutschland (Quelle: HEIDBACH, 0., TINGAY, M., BARTH, A., REIN ECKER,
J., KURFESS, D. & MOLLER, B., The World Stress Map database release 2008 doi: 1O.1594/GFZ.wSM.ReI2008, 2008) .
54
2
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
Bohrlochschlitzverfahren, Einsatztiefe < 100 m Schlitzentlastung beim Ausbruch Interpretation von Bohrlochwandausbruchen Verformungsmessungen beim Ausbruch Gebirgsbelastungsverfahren sind Hydraulic Fracturing, Einsatztiefe < 2000 m Kompensationsmessung mit Druckkissen. In tieferen Bohrungen konnen au6er der Auswertung von Bohrlochwandausbruchen (BOL, Breakout Orientation Log) auch EntspannungsDeformationsmessungen an orientiert gewonnenen Bohrkernen vorgenommen werden (GROTE 1998). Fur die Auslegung eines Erkundungsprogramms sollte sowohl die tektonische Gesamtsituation berucksichtigt werden (s. Abschn. 4.2.4) als auch die Frage, welche Komponenten des Spannungstensors fur das Projekt entscheidend sind (DOE et al. 2006). Da die einzelnen Messmethoden von unterschiedlichen Annahmen ausgehen, kann deren Zuverlassigkeit nur durch Vergleich der Messergebnisse beurteilt werden. Dabei ergeben sich haufig gute Ubereinstimmungen in der Richtung der Hauptnormalspannungen, wahrend hinsichtlich ihrer Gro6e deutliche Unterschiede gemessen werden (BOCK 1992; KONNINGS & LEIPZIGER 1997; JOHN & POSCHER 2004). In der Datenbank der World-Stress-Map (Abb. 2.34) sind dementsprechend Qualitatseinstufungen verwendet worden, welche Aussagekraft den einzelnen Messungen zugewiesen werden kann. Die Qualitatstufe A zeigt die Richtung der gro6ten horizontalen Hauptspannung (SH)' die das region ale Spannungsfeld mit einer Genauigkeit von +/- 15° angibt. Messungen mit der Uberbohrmethode (Triaxialsonde), bei der sowohl die Vertikal- als auch die Horizontalspannungen direkt ermittelt werden, haben dagegen nur ortliche Bedeutung (REINECKER & WENZEL 2006). Bei der Uberbohrmethode mit der Traxialsonde wird in einem kleinen Pilotbohrloch (038 mm) eine Messpatrone verklebt und anschlie6end uberbohrt (Abb. 2.35). Die durch den Entspannungsvorgang beim Uberbohren stattfindenden Deformationen im Bohrkern werden durch Dehnungsmessstreifen gemessen. Aus diesen Deformationen konnen unter Annahme eines Modells fur das Spannungs-DehnungsVerhalten des Gebirges (meist linear-elastisch,
isotrop) und der Kenntnis der elastischen Konstanten (E v - bzw. E-Modul) die herrschenden Gebirgsspannungen ermittelt werden (s. Empfehlung 14 "Versuchstechnik Fels", 1990). Das Bohrlochschlitzverfahren ist ein Spannungsentlastungsverfahren zur Bestimmung des 2-dimensionalen Spannungszustandes in der Ebene senkrecht zur Bohrlochachse. 1m Bohrloch werden mit einem kleinen Diamantsageblatt jeweils drei Schlitze parallel zur Bohrlochachse in l20° Abstand gesagt und die Entlastungsreaktion uber einen Dehnungssensor gemessen. Die BohrWcher mussen wasserfrei sein. Ublicherweise werden pro Messtiefe mehrere Schlitzreihen in Abstanden von 10-20 em getestet (s. Empfehlung Nr. 7, Versuchstechnik Fels). Nachteil der Methode ist die geringe Einsatztiefe, wodurch die Frage der Ubertragbarkeit der Ergebnisse auf gro6ere Tiefen schwer zu beantworten ist. Bei der Kompensationsmessung mit Druckkissen (Large oder Small Flat Jack) werden die Entlastungsverformungen an einem mit einem Diamantsageblatt hergestellten Schlitz im Ge-
Setzwerkzeug
Triaxialzelle
"--... von der Normalspannung ((5) abhangig ist, muss bei bindigen Boden der Porenwasserdruck beriieksichtigt werden, der zunachst einen Teil der Spannungen aufnimmt (s. Abschn. 2.6.2). Fiir die Ermittlung der wirksamen oder effektiven Spannung d, die auf das Komgeriist wirkt, ist deshalb von der gesamten (totalen) Spannung (5 der Porenwasserdruck u abzuziehen. Hierbei wird eine Sattigung des Porenwassers bei Beginn des Abschervorganges vorausgesetzt:
d=(5-u.
68
2
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
t
Schubspannung
t fl----='-.,.,......
dichter nichtbindiger oder fester bindiger Boden
lockerer nichtbindiger oder weicher bindiger Boden
Restscherfestigkeit Verschlebung
Abb. 2.52 Scherverschiebungsdiagramm.
Je nach Aufgabenstellung, den Versuchsbedingungen und der Art der Auswertung k6nnen fUr den gleichen Boden unterschiedliche Scherparameter erhalten werden: Die wirksamen oder effektiven Scherparameter c' und ql des entwasserten (dranierten) Bodens werden aus den effektiven Spannungen im Bruchzustand ermittelt (s. Abschn. 2.7.3). Die Scherparameter c' und q/ dienen der Berechnung
ill
triaxialer Kompressionsversuch mit freier Ausbildung der Scherflache und kontrollierten Hauptspannungen.
2.7.2 Direkter Scherversuch mit vorgegebener Scherflache
der Endstandsicherheit.
Die Scherparameter der Restscherfestigkeit oder Gleitfestigkeit fPR, CR werden aus den effektiven Spannungen nach grofien Scherwegen abgeleitet. Der dabei auftretende Abfall der Scherparameter kann besonders bei hochplastischen, montmorillonithaltigen Tonen erheblich sein und ist nicht auf iiberverdichtete Tone beschrankt. 1m Versuch wird die Restscherfestigkeit durch mehrfache Umkehr der Scherbewegung ermittelt. Der Bruchwert (a/-a/)/2 des unkonsolidierten, undranierten Triaxialversuchs nach DIN ISO TS 17 892-8 wird als undriinierte Scherfestigkeit Cu bezeichnet (s. Abschn. 2.7.4). Sie dient zur Berechnung der Anfangsfestigkeit, besonders bei schnellen Belastungen. Die undranierte Scherfestigkeit ist in hohem Mafie von der Konsistenz und auch von der Vorbelastung abhangig. Zur Bestimmung der Scherparameter sind zwei Versuchsanordnungen iiblich: direkter Scherversuch mit vorgegebener (erzwungener) Scherflache
1m Rahmenscherversuch nach DIN 18137-3 (2002) bzw. der Vornorm DIN ISO TS 17892-10 wird die Bodenprobe in einem quadratischen oder kreisformigen Rahmen zwischen gezahnten Filtersteinen entweder den in situ-Bedingungen entsprechend oder ungestort, nach der Zahnung der Filtersteine zugeschnitten, eingebaut (Abb. 2.53) und nach der Konsolidation auf einer mechanisch erzwungenen horizontalen Scherflache abgeschert. Sande konnen auch mit vorgege-
t
Abb. 2.53 Prinzip eines Rahmenscherversuchs mit vorgegebener Scherfliiche.
69
2.7 Scherfestigkeit
bener Dichte eingebaut werden. Beim Versuch wird die Probe bei verhinderter Seitenausdehnung unter einer definierten Normalspannung konsolidiert und je nach Bodenart mit konstanter Schergeschwindigkeit von 0,01-0,03 mm/min (bindige Boden) bzw. bis 0,5 mm/min (kohasionslose Boden) abgeschert. Der Porenwasserdruck kann im Rahmenscherversuch nieht gemessen werden. Das Abscheren erfolgt so langsam, dass ein auftretender Porendruck tiber die Entwasserung abgebaut wird und somit die effektiven Spannungen den Normalspannungen entsprechen. Die Auswertung erfolgt tiber die ScherkraftVerschiebungslinie zur Ermittlung von r in Abhangigkeit yom Scherweg bzw. von der Restscherflache beim Bruch und Auftragung im r/a-Diagramm bei der zugehorigen Normalspannung (Abb. 2.54). Die Ergebnisse von Rahmenscherversuchen reprasentieren die Festigkeit unter konsolidierten und dranierten Bedingun-
gen und ergeben die wirksamen Reibungswinkel ql und die wirksame Kohasion c: Beim Kreisringscherversuch wird die Scherkraft durch Drehen des oberen Rahmens aufgebracht. Die Scherflache bleibt dadurch unverandert. Da der Scherweg unbegrenzt ist, kann das Gerat auch zur Ermittlung der Restscherfestigkeit verwendet werden. Die Ermittlung der Restscherfestigkeit erfolgt entweder in einem Rahmenscherversuch mit wiederholten Wechseln der Belastungsrichtung oder im sog. Wiener Routinescherversuch. Beim Wiener Routinescherversuch wird eine ungestorte Bodenprobe in ein Rahmenschergerat eingebaut, bei 500 MN/m2 konsolidiert und dann zuerst langsam abgeschert, wobei durch Veranderung der Auflast eine Vertikalverformung verhindert wird. Danach wird die Probe auf der entstandenen Gleitflache solange hin und zurtick schnell abgeschert, bis der Scherwiderstand einem Minimalwert zustrebt, der die Restscherfestigkeit liefert.
R
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Normalsponnung d IkN/ml) lobor ·Nr Bohrung
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Ent nohmtt,.f. 1101
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A\dbau..as""oH\olt
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R.. bungsw.,kol!·
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21,.5
12.5 U.t.s·
Bod.nort
V... u(i)·M. Die Auswertung uber die Wiederanstiegskurve im Brunnen bringt besonders bei Kluftgrundwasserleitern die besten Ergebnisse. Aus dem Anstieg der Kurve konnen auch qualitative Schlusse uber die Durchlassigkeitsverhaltnisse gezogen werden. 1m Prinzip zeigt ein steiler Anstieg die Reaktion einer gut durchlassigen Zone an und umgekehrt, jedoch kann man diese Einflusse nicht ohne weiteres auf das jeweilige Anstiegsniveau ubertragen. Bei Wechselfolgen von durchlassigen und praktisch nicht wasserwegsamen Schichten (Tonsteinen) kann man au£erdem anstelle der gesamten Machtigkeit des Grundwasserraumes nur einen Teil davon (z. B. M/2) in Rechnung setzen. Bei unvollkommenen Brunnen ist dagegen M urn bis zu 1/3 tiefer als die Bohrlochsohle anzunehmen.
2.8 4.2 Vel sicl<erun sversuche Versickerungsversuche an der Oberflache oder in geringer Tiefe werden nach DIN EN ISO 22 282- 5 (E 2008) als Inftltrometerversuche bezeichnet. Die Versuche konnen sowohl im ungesattigten als auch im gesattigten Bereich vorgenommen werden. Unterschieden werden sog. offene Systeme fur den Durchlassigkeitsbereich von 10-5 bis 10-8 m/s und geschlossene Systeme fur geringere Durchlassigkeiten. Die Versuchszelle fur das offene System besteht aus einem zylindrischen Ring von d, > 200 mm (sog. Ringinfiltrometer) bzw. zwei zylindrischen koaxialen Ringen (sog. Doppelring-Infiltrometer), die jeweils mindestens 5 em in die sorgfaltig vorbereitete Bodenoberflache eingedruckt werden. Als Messgro6en werden der Wasserspiegel im Messrohr bzw. die hydraulische Druckhohe und das versickerte Wasservolumen als Funktion der Zeit ermittelt. Zu Beginn des Versuchs muss uber die Auftragung der Versickerungsgeschwindigkeit die Sattigung des Versuchsbereichs (Boden) abgewartet werden. Die Sattigungsphase betragt je nach Bodenart 0,5 bis 10 Stunden. Ab einem geraden Verlauf der Kurve der Versickerungsge-
91
schwindigkeit beginnt die eigentliche Messphase, deren Mindestdauer mehrere Minuten bis einige Stunden betragt. Ober die Versuchsdurchfuhrung ist ein normengema£es Feldprotokoll zu fuhren. Das Versuchsergebnis ist die Durchflussrate bzw. die Versickerungsgeschwindigkeit v fur die jeweilige hydraulische Druckhohe (h), die nach dem DARCy'schen Gesetz v = k . i und unter Berucksichtigung der Dicke der gesattigten Zone zw' durch die der Durchfluss erfolgt, mit
den Durchlassigkeitsbeiwert k ergibt:
k = vii. Die Dicke der gesattigten Zone wird am Ende des Versuchs durch Probennahme und Bestimmung des gegenuber dem Ausgangszustand erhOhten Wassergehalts ermittelt. Einzelheiten fur die Versuchsdurchfuhrung und Auswertung sind der genannten Norm zu entnehmen (s. a. Abschn. 9.4). ? .8.4.3
AuffUlI- und Schlucl 10-6) gefahren werden. Die veranderliche Druckhohe wird durch eine momentane Anderung des hydraulischen Drucks im Bohrloch erzeugt und das Einpendeln des Wasserspiegels im Bohrloch in kurzen Zeitintervallen (30",1',1,5',2',3',4',5',10', 15' usw.) gemessen. Bei konstanter Druckhohe wird die Durchflussrate in den entsprechenden Zeitabschnitten gemessen. Fur die Protokollierung der Versuchswerte kann auf Formblatter der DIN, Anhang A, zuruckgegriffen werden. Die Auswertung erfolgt nach E DIN EN ISO 22282-2. Bei der ublichen Form des Prufabschnitts (L = 100 em, D = 10 cm) entspricht ein Wechsel der Druckhohe von H = 10 cm und einer Zuflussrate von 100l/min einem k- Wert von etwa 10-3 m/s. Bei einer Durchflussrate von etwa II/min ergibt sich ein Wert von k< 10-6 m/s. Bei einem Standrohr mit offener Sohle, konstanter Druckhohe und annahernd kreisformigem Stromungsbereich kann die Auswertung als Open-End-Test erfolgen (Abb. 2.74): k=
Q (in mls) 5,5·r·H
Q = Zufluss
r = Radius der Rohrtour H = hydraulische Druckhohe beim Versuch
2.8.4.4 Wassel drucl 1 m) verwendet. Eine Packerumlaufigkeit tauscht immer eine zu groBe Durchlassigkeit vor. Die Langen der Abpressstrecken richten sich nach den geologischen Verhaltnissen. Sie sollten 5 m nicht ubersteigen, doch werden neuerdings kurzere Abpressstrecken von jeweils 1 bis 2 m bevorzugt. Die Einsatztiefe ist derzeit auf etwa 100 m (max. 150) begrenzt. Der WD-Test ist nach dem Wasserhaushaltsgesetz (s. Abschn. 4.4.1) kein genehmigungspflichtiges Verfahren. Bei einem WD-Test (oder WPT, water pressure test) werden, zumindest wenn es gleichzeitig urn das Verformungs- bzw. AufreiBverhalten des Gebirges geht, mindestens 5 Druckstufen gefahren, 3 aufsteigende und 2 absteigende (A-B-C-BA oder DIN-gemaB PO, PI, P2, P3, P2, PI, PO).
93
2.8 Durchliissigkeit
2
Luhdl\lckllll,eh, ode, KOfnpr.ssor
Abb. 2.75 Prinzipskizze des Doppelpacker- und Einfachpacker-Wasserdruckversuchs (aus EBADY & KOWALEWSKI 1984).
Fiir eine einwandfreie Auswertung der WDTests ist eine moglichst exakte Messung der durchflie6enden Wassermenge und des Druckes in der Versuchsstrecke notig. Der iibliche Messbereich fUr die Registrierung der Wassermengen liegt bei 0-lSI! min bzw. 0-150 I! min. Die minimal registrierbare Wassermenge betragt dabei II! min, was die Anwendbarkeit der Versuchstechnik auf Durchlassigkeiten von mehr als 10-7 m/s beschrankt. Durch den Einsatz genauerer Durchflussmengenmesser < O,lI!min konnen Durchlassigkeiten bis 10-9 m/s ermittelt werden. Dabei muss bei jedem Druckschritt sowohl fUr den Einpressdruck pals auch dem Wasserdurchfluss Q der Gleichgewichtszustand (Konstanz der Werte) abgewartet werden. Die einfachste Auswertung eines WD-Versuchs ist die Angabe der Wasseraufnahme W in V(min' m), bezogen auf einen bestimmten Druck (s. Abschn. 18.2.1). Die iibliche Auswertung hinsichtlich der Gebirgsdurchlassigkeit erfolgt iiber ein Verpressdruck-Durchfluss-Diagrarnm (Abb. 2.76), das auch Riickschliisse auf das belastungsabhangige Durchlassigkeitsverhalten und iiber das Verformungsverhalten des Gebirges ermog-
licht. Bei dem iiblichen Mehrstufenversuch ergibt sich in den unteren Druckstufen (Stufe A, B und C) haufig ein lineares Druck-Mengen-Verhaltnis (a). Bei hoheren Driicken wird das Stromungsregime in den Kliiften turbulent, wodurch sich die Wasseraufnahme verringert (b). Das Aufweiten oder Aufrei6en von Trennflachen (Kliifte oder Schichtflachen) macht sich in einer iiberproportionalen Zunahme der Wassermenge in Abhangigkeit vom Verpressdruck bemerkbar (c). Bleibt der Durchfluss Q bei Druckrninderung gro6er als im aufsteigenden Ast (d), so haben sich die Flie6wege irreversibel erweitert bzw. es besteht Erosionsverdacht. In der Praxis treten haufig Mischformen auf, die von den StandardDiagrammen abweichen und entsprechend interpretiert werden miissen (EWERT 2004 und E DIN EN ISO 22282-3). Das Aufweitungs- bzw. Aufrei6verhalten von Trennflachen der verschiedenen Gebirgstypen wird von EWERT (2005) ausfUhrlich behandelt. Das Aufweiten vorhandener Wasserwege wird auch als Hydrojacking bezeichnet und findet vorzugsweise auf Kliiften statt. Das Aufrei6en latenter Trennflachen, auch Hydrofracturing
94
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
2
Q II/min)
Q II/min)
Abb. 2.76 Typische Verpressdruck-Mengendiagramme bei WD-Tests.
Plo,,)
genannt, erfolgt vorrangig an Schicht- bzw. Schieferungsflachen und ist besonders in der oberflachennahen Auflockerungszone vom Oberlagerungsdruck abhangig. Darunter sind die AufreiBvorgange der Trennflachen festigkeitsbedingt, d. h., sie sind von der Zugfestigkeit quer zu den Trennflachen abhangig. Der kritische Druck fur das Aufweiten bzw. AufreiBen von Trennflachen liegt haufig nur bei wenigen bar ( 10-6 m/s (Q > 21/s) sind Flowmetermessungen. Eine Messung bei ruhendem Wasserspiegel dient zunachst der Dberpriifung der Filterdurchlassigkeit. Eine Messung mit hochhangender Pumpe und teilabgesenkten Wasserspiegel gibt aus dem Vergleich der Umdrehungszahlen Hinweise auf die Zustromverhaltnisse in den Filterstrecken (Abb. 2.79). Die Messung wird stufenweise von unten nach oben vorgenommen.
T8llfe
Abb. 2.79 Prinzip einer Flowmetermessung (Firmenprospekt).
2.8.5 Durchlassigkeitsbeiwerte Sowohl Laborversuche als auch Feldversuche unterliegen Anwendungsgrenzen, die nicht nur yom Gestein und der Priifkorpergroge, sondern auch von der Auswertungsmethode abhangig sind. Besonders Laborwerte sind haufig nicht reprasentativ. Wenn moglich sollten immer Feldversuche vorgenommen werden (Abb. 2.80). Aufgrund von im Untergrund haufig vorhandener Inhomogenitaten ist die Angabe des k-Wertes auch dann noch mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Voraussetzung fiir eine einigermagen zutreffende Angabe der Durchlassigkeitsverhaltnisse im Untergrund, d. h. der Durchlassigkeiten, Durchlassigkeitsunterschiede und der richtungsabhangigen Durchlassigkeiten sowie des hydraulisch nutzbaren Poren- bzw. Kluftvolumens im Gebirge ist daher eine entsprechende Untergrundbeschreibung und ein gezielter Einsatz der verschiedenen Untersuchungsmethoden sowie ein kritischer Vergleich der Ergebnisse im Hinblick auf ihre Qualitat und den Untersuchungsmagstab (s. a. ENTENMANN 1998; KLEIN & DURRWANG 1994; ROSENFELD & RONSCH 1995: WAHRMUND et a1. 2006; MUHLENKAMP et a1. 2010). Die Durchlassigkeitsbeiwerte k der Lockergesteine variieren erheblich und zwar nicht nur
97
2.8 Durchlassigkeit
2
Durchlilssigkeitsbeiwert kf [m/S] 10· '0 10.9 10.8 10.7 10-6 10.5 1Q-4 10.3 10-2 10"
Pumpversuche Markierungsversuche
, "' ccp .c
£:
Einschwingverfahren
CD~ CD -roc> Drill-Stern-Test "'..c: CD CD " .~"'~ CD C CD Slug-Test ..>
...JCD
WD-Test Pulse-Test Fluid-Logging Pumpversuche Markierungsversuche
, c '" ~ CD cCD .!:
CDOIc> -..c:CD U) 0 -CD "'
~
~:ii.21 .f .*,o
Einschwingverfahren WD-Test Slug-Test Fluid-Logging Drill-Stern-Test
•
~
-- -- -~
I-
•
Abb. 2.80 Anwendungsbereiche der Bohrlochtests fUr verschiedene Durchlassigkeitsbereiche (nach DENZEL et al. 1997).
•
zwischen den verschiedenen Bodenarten (Abb. 2.81), sondern auch innerhalb vermeintlich vergleichbarer Korngemische. Selbst in einer einigermaBen einheitlich erscheinenden Kies-SandAbfolge ist immer mit einer gewissen Anderung der Kornverteilung infolge schichtiger Ablagerung und mit schichtweise wechselnden Feinanteilen zu rechnen. Dies gilt nicht nur in vertikaler, sondern auch in horizontaler Richtung, in der die
Kornzusammensetzung auf eine Entfernung von einigen Metern bis wenigen Zehnermetern ebenfalls ganz erheblich wechseln kann. Besonders ausgepragt sind diese Erscheinungen bei fluviatilen Ablagerungen. In einer solchen Kies-SandWechsellagerung kann der k- Wert zwischen 10-2 und 10-5 m/s differieren. Bei einer Grundwasserabsenkung wirken sich einzelne besser durchlassige Schichten sehr stark aus und zwar sowohl auf
Korngrof\enklossen und Ourchliisslgkeiten der Lockernesteine Kies
Steine
Abb. 2.81 Abhangigkeit des Durchlassigkeitsbeiwerts von der Korngr6Benverteilung von Lockergesteinen (aus KRAPP 1983).
98
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
die zu fordernde Wassermenge als auch auf die Absenkkurve und die Reichweite. Derartige Lagen hoher Durchlassigkeit treten in Flusstalern oft in den unteren Teilen und besonders an der Basis der Kies-Sand-Abfolgen auf. Talrandnahe Kies- und Sandablagerungen weisen dagegen infolge bindiger Einspulmassen haufig deutlich niedrigere Durchlassigkeiten auf (s. d. Abschn. 11.6). Insgesamt werden im Bauwesen folgende Grundwasserleiter unterschieden (MARTAK (2005): Freier Grundwasserleiter, in dem sich der Grundwasserspiegel bei Eingriffen zeitverschoben frei ausbilden kann Halbgespannter Grundwasserleiter, der sich druckmaBig und zeitlich deutlich verzogert dem freien Grundwasserspiegel angleicht Gespannter Grundwasserleiter, der ein eigenes Druckniveau zeigt, das von weiter entfernten Grundwassereinspeisungen abhangt (s. a. Abschn. 4.5). Die Durchlassigkeiten von Lockergesteinen und die zugehorigen hydrogeologischen Begriffe sind in Tab. 2.15 zusammengestellt. Die Angaben gelten fUr mindestens mitteldichte Lagerung. Bei lockerer Lagerung nichtbindiger oder leicht bindiger Boden konnen wesentlich hohere Werte auftreten. So weisen z. B. die relativ locker gelagerten Losse in Rheinhessen statt k = 10-6 ml s Werte von k = 10-4 mls auf. Organische Boden wei sen insgesamt geringe Durchlassigkeit auf (k = 10-8 bis 10-9 mls). Die Durchlassigkeit von Torfen kann aufgrund der Struktur, der unterschiedlichen Schluffgehalte und dem unterschiedlichen Zersetzungsgrad sehr inhomogen und auch anisotrop sein. ENTENMANN (1992) gibt fiir stark bis maBig zersetzen Torf Werte von 2,4· 10-8 (vertikal) und 1,0.10-7 (horizontal) an (s. a. ENTENMANN 1998: 149). Anisotropie der DurchHissigkeit ist bei allen geschichteten Boden- und Felsarten zu beachten. In einem Sediment wird die vertikale Durchlassigkeit von den am geringsten durchlassigen Schichten bestimmt, wahrend die horizontale Durchlassigkeit in erster Linie von einzelnen starker durchlassigen Lagen abhangig ist, selbst wenn diese nur geringmachtig sind. Diese ablagerungsbedingten Abweichungen der k-Werte
bewirken, dass die vertikale Durchlassigkeit fast immer geringer ist als die Durchlassigkeit in horizontaler Richtung (s. Abschn. 4.4.3). Die Literaturangaben differieren zwischen 1/ 1 und 1/2 bei Sanden und bis > 11100 bei bindigen Boden (Einzelwerte s. ENTENMANN 1998: 149). Auch in kiesig-sandigen Flussablagerungen gelten noch Erfahrungswerte von kh = 5 . kv bis 15· kv' Besonders ausgepragt sind diese Unterschiede bei Sedimentgesteinen, auch Tonsteinfolgen mit untergeordnet Kalk- oder Sandsteinlagen. In Festgesteinen konnen qualitative Angaben iiber die Gebirgsdurchlassigkeit genau genommen nur relativ gro6raumig gemacht werden. In Kluftgrundwasserleitern ergeben sich haufig Durchlassigkeiten, die einerseits eine deutliche Tiefenabhangigkeit zeigen (PRINZ & HOLTZ 1989; KLEIN & DURRWANG 1994) und andererseits mit k- Werten von 10-5 bis 10-7 mls an der Grenze zu schwach durchlassigem Gebirge liegen bzw. Grundwasserhemmer darstellen. So bedeutet z. B. ein Kluftvolumen von 1 % theoretisch eine Gebirgsdurchlassigkeit in der Gro6enordnung von 5 . 10-6 mls (s. Abschn. 2.8.2). Die geohydraulischen Erfahrungen bei den Tunnelbauten fur die Neubaustrecke der Deutschen Bahn AG im Buntsandsteingebirge Osthessens haben diese Werte im Wesentlichen bestatigt. Sie konnen auch auf andere Gebirge mit derartigen Wechselfolgen iibertragen werden (HANKE et al. 2001; WITTKE & ZUCHNER 2008; MUHLENKAMP et al. 2010). Fiir Residualtone von ausgelaugten Rottonsteinen geben WITTKE et al. (2010) Durchlassigkeitsbeiwerte von 5 . 10-5 bis 10-8 mls an, bei einem Rechenwert von 10-7 mls. Von Tonsteingebirgen, wie dem siiddeutschen Knollenmergel, werden k-Werte von 10-8 beschrieben und fiir den unausgelaugten Gipskeuper mit z. T. fasergipsverheilten Kliiften 10-9 mls (WITTKE & ZUCHNER 2008). Die Grundwasserbewegung findet im Festgestein in der Regel in einigen starker durchlassigen Schichtpaketen oder Kluftzonen statt, in denen besonders die horizontalen Gebirgsdurchlassigkeiten wahrscheinlich 1 bis 3 Potenzexponenten hoher liegen als die mittlere Gebirgsdurchlassigkeit (s. PRINZ & HOLTZ 1989 sowie Abschn. 17.2.5.2). Sowohl schluffig-tonige Zwischenschichten in Lockergesteinen als auch machtigere Tonsteinpakete und auch tonsteinreiche Abschnitte in Fest-
99
2.8 Durchlassigkeit
Tabelle 2.15 Definition der Durchlassigkeiten von Lockergesteinen in Anlehnung an DIN 18 130, T 1, im Vergleich mit den hydrogeologischen Begriffen fUr Grundwasserleiter. Geotechnische Begriffe
k [m/s)
Hydrogeologische Begriffe
k, [m / s]
sehr stark durchlassig
> 10
stark durchlassig
10.'- 10
Porengrundwasserleiter oder KIuftgru ndwasse rlei ter
> 10 '
durchlassig
10·'- 10 •
wie oben
> 10 '
schwach durchlassig
10 '- 10 '
Grundwasserhemmer bzw. Grundwassergeringleiter
< 10 •
sehr schwach durchlassig
< 10 ·'
Quasi-Nichtleiter oder Stauer
< 10 '
2 1
gesteins-Wechselfolgen wirken als sog. Grundwasserhemmer (DIN 4049), liber denen sich sowohl im GroBen schwebende Grundwasserstockwerke, als auch im Kleinen wasserleitende Lagen und Wasseraustritte liber Tonsteinbanken ausbilden. Diese grundwasserleitenden Systeme haben zwar haufig liber faziell bedingte Fehlstellen oder groBere Kliifte in den dann halbdurchlassigen Grundwasserstauern untereinander Verbindung, die Wasserwegsamkeit dieser Kluftzonen ist aber vielfach so gering, dass die Stockwerksgliederung erhalten bleibt und nur bei groBeren Druckunterschieden, wie z. B. bei einer Grundwasserabsenkung verloren geht. Andererseits konnen besser wasserwegsame Schiehtglieder liber weite Erstreckung dranend wirken. Auch tektonische Storungs- und Zerrlittungszonen wirken oft regelrecht dranend und sind dann die Ursache fUr stark unterschiedliche Wasserstande im Gebirge. Andererseits kann das Gebirge in StOrungszonen zu Feinkorn mylonitisiert oder tiefgrlindig vertont sein. Soiche Storungszonen sind dann weniger durchlassig als das angrenzende Gebirge, so dass sieh an oder in ihnen hohere Wasserstande aufbauen konnen (s. Abb. 17.10). Besonders schwierig abzuschatzen ist die DurchHissigkeit von Karstgebirge. Flir Kalksteingebirge werden als groBraumige mittlere Gebirgsdurchlassigkeit ein Wert von k = 10-4 bis 10- 3 m/s genannt, mit Einzelwerten je nach Grad der Verkarstung von 10-2 bis 10-8 m/s. In diesen Streuwerten kommt auch die unterschiedliche Anfalligkeit der Karbonatgesteine gegenliber der Verkarstung bzw. ihre Ausriehtung nach den
Hauptkluftrichtungen zum Ausdruck. Auch in einem Kalkstein -Karstgrundwasserleiter liegen meist starker verkarstete Horizonte oder Kluftzonen zwischen oder neben gering verkarsteten Bereiehen vor. Soiche besonders verkarstungsanfalligen Horizonte sind z. T. der zuckerkornige Dolomit im Oberjura, aber auch der Grenzdolomit an der Basis des Unteren Muschelkalk und der Basisdolomit des Mittleren Muschelkalk (SCHMIDT et al. 1999).
2.8.6 GrundwasserflieBparameter Die Grundwasserbewegung ist ein sehr komplexes hydraulisches System, das sehr stark von der Morphologie und der Struktur des Grundwasserleiters abhangig ist. Dabei herrscht in Grundwasserleitern normalerweise eine mehr oder weniger horizontal verlaufende Grundwasserstromung, die allerdings nieht in allen Tiefen gleieh sein wird. Bei unterschiedlieher Struktur der Grundwasserleiter konnen stark abweichende FlieBverhaltnisse und dadurch bedingt auch abweichende Wasserstande in Messstellen auftreten. Die wesentlichen GrundwasserflieBparameter sind die FlieBgeschwindigkeit und die FlieBriehtung. Die natiirlichen Flie6geschwindigkeiten des Grundwassers (Abstandsgeschwindigkeit va) sind abhangig von der Durchlassigkeit und dem Grundwassergefalle, die ihrerseits wieder in Abhangigkeit vom durchflusswirksamen Porenanteil nf stehen (s. Abschn. 2.3.4). Laminares
100
2 Boden- und felsmechanische Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
FlieBen vorausgesetzt, wird haufig folgende Beziehung angenommen (s. Abschn. 2.8.1): Va =
(k· l)ln f •
Die Abstandsgeschwindigkeit des Grundwassers wird durch Markierungsversuche ermittelt. Die Auswahl des Markierungsstoffes hangt ab von der Aufgabenstellung, den Standortbedingungen und der erforderlichen Nachweisempfindlichkeit. In Betracht kommen losliche Salze (Chromid, Bromid, Nitrat), Fluoreszenzfarbstoffe (Uranin, Eosin, Pyranin), Triftstoffe (z. B. Barlappsporen) oder stabile Isotope. Mit Markierungsversuchen konnen die FlieBbewegung des Grundwassers, die FlieBwege sowie die Vorgange beim Stofftransport (Dispersion, Sorptionsvorgange) untersucht werden. Die maximale Abstandsgeschwindigkeit ergibt sich als Quotient der Entfernung und dem Zeitpunkt des ersten Nachweises, die mittlere Abstandsgeschwindigkeit entspricht dem Hochstwert der Durchgangskurve. Versuchsanordnung und -durchfiihrung bediirfen einer sorgfaltigen Vorbereitung (s. MAIER 1998; HOLTING & COLDEWEY 2009:275). Fiir gut abgestufte fluvioglaziale Kiese Oberbayerns nennt SEILER (1979) bei einem Porenanteil von 0,2-0,25, einem nutzbaren Porenanteil von 0,02-0,14 und Durchlassigkeitsbeiwerten von k = 2 . 10-2 bis 4,5· 10-3 m/s gemessene Abstandsgeschwindigkeiten von 15 bis 20 mid. In sandig-kiesigen Flussablagerungen mit k = 10-4 m/s betragt z. B. das Grundwasserspiegelgefalle in der Regel < 1 % und die Abstandsgeschwindigkeit 0,5 bis 1,0 mid (s. FEISTMANTL et al. 2005). Fiir kiesig-sandige Innschotter mit Durchlassigkeiten zwischen 10-2 und 10-4 m/s geben PALLA & LEITNER (2009) eine mittlere FlieBgeschwindigkeit von 1,4 mid an. In Kluftgrundwasserleitern ist, wie schon die Gebirgsdurchlassigkeit, auch die Abstandsgeschwindigkeit des Grundwassers sehr stark anisotrop (s. Abschn. 18.2.4). Nach der oben genannten Beziehung ergibt ein Kluftabstand von 0,1 m und eine Offnungsweite von 0,1 mm bei einem Grundwassergefalle von i =0,1 eine Abstandsgeschwindigkeit von etwa 5 . 10-4 m/s oder 43 mid. Tatsachlich wurden in Kluftgrundwasserleitern des nordhessischen Buntsandsteingebirges bei einem k- Wert von 10-4 bis 10-5 m/s und einem Grundwassergefalle von j = 0,1 Abstands-
geschwindigkeiten von 173 bis 605 mid beobachtet. Die in Bohrungen gemessene ortliche GrundwasserflieBrichtung entsprach dabei nicht unbedingt dem allgemeinen Grundwassergefalle (PRINZ & HOLTZ 1989). Fiir die Karstgrundwasserleiter des Schwabischen Jura werden in der Literatur (s. PRINZ 1997) als groBraumiger Mittelwert bei i = 0,01 etwa 10 mid und als Mittelwerte der maximalen Abstandsgeschwindigkeiten 85 bis 190 m/h genannt. Allgemein werden in Karstgrundwasserleitern Abstandsgeschwindigkeiten von 10 bis 500 m/h angenommen. Die Flie6richtung des Grundwassers kann aus der Hohenlage des Grundwasserspiegels (hydrologisches Dreieck) bzw. mittels Grundwassergleichenplanen ermittelt werden. GroBflachige Grundwassergleichenplane geben jedoch nur ein generelles Bild des Grundwassergefalles und beriicksichtigen nicht das durch lithologischen Wechsel bzw. das Trennflachengefiige und die Morphologie des Grundwasserleiters bedingte differenzierte FlieBverhalten des Grundwassers. Ein neues Verfahren zur Erfassung des FlieBverhaltens des Grundwassers ist das sog. Grundwasserfluss-Visualisierungs-Messsystem (GFV) von SCHOTTLER (2004). Dabei wird der Grundwasserfluss in Bohrungen oder Grundwassermessstellen (DN 50-l75) iiber die Drift immer vorhandener Feinschwebstoffe erfasst, wobei gleichzeitig die FlieBrichtung und die Stromungsgeschwindigkeit registriert werden. Die Abschatzung der Flie6zeiten kann nach der angenaherten Beziehung erfolgen (s. a. Los EN & POMMERENING 1989): Va
~
Vw
lit", (k . i)ln f t = (1. nf)/(k . i)
k j,
nf
in m/s in s dimensionslos.
101
2.8 Durchlassigkeit
2
Tabelle 2.16 Sickerspenden in verschiedenen Boden (a us MUTH 1997). k-Wert
Sickerspende
m/s
lj(s.m 2 )
Ij(s·ha)
Sand
5· 10 \
0,05
500
lehmiger Sand
2 . 10 \
0,Q2
200
sandiger Lehm
8· 10"
0,008
80
Lehm
4· 10-·
0,004
40
toniger Lehm
2 · 10 '
0,002
20
Bodenart
2.8.7 Sickerwasser, Grundwasserneubildung, kapillare Steighohe (h k ) Als Grundwasser wird nach DIN 4049, T3, Wasser bezeichnet, das sich unter dem Einfluss der Schwerkraft frei bewegen kann und eine geschlossene Wasseroberflache bildet. Das in dem Raum darliber, der wasserungesattigten Bodenzone, enthaltene Wasser, das sich unter der Einwirkung der Schwerkraft abwarts bewegt, wird als Sickerwasser bezeichnet. Wasser, das in der ungesattigten Bodenzone entgegen der Schwerkraft zurlickgehalten wird, nennt man insgesamt Haftwasser. Dazu gehoren das Adsorptionswasser und das Kapillarwasser (s. Abschn. 2.3.1). Das Kapillarwasser wird liberwiegend durch Kapillarkrafte gehalten und gehoben. Das in den Boden einsickernde Wasser (Tabelle 2.16) flillt zunachst die Porenraume bzw. das Kluftvolumen aus. Nur der Teil des Sickerwassers, der nicht als Haftwasser zurlick-
~ --~I'
•
--
I ' h.
-icken" a \ er (eonschl Schlchtco\'a5ser und Stau\\a. scrl
gehalten wird bzw. durch die Vegetation (Evapotranspiration S. Abschn. 6.2.2) verbraucht wird, kann dem Grundwasser zusickern. Die Sickergeschwindigkeit ist sehr stark von der Bodenart und der Bodenstruktur (GroBporen) abhangig und kann zwischen < 1 em und > 100 cmld liegen. GroBraumig werden in der Literatur flir Lehmboden mittlere Gesamtsickerwerte von 100 cm/a angegeben. GroBe Unterschiede in den Mengen der jahrlichen und saisonalen Verteilung der Niederschlage flihren vor allem wahrend der Vegetationsruhe zu starkerer Versickerung, wahrend in den Sommermonaten, je nach Vegetation, vielfach keine Grundwasserneubildung stattfindet. Angaben liber die Grundwasserneubildung erfolgen als Grundwasserneubildungsspende in 1/(s . kro 2) oder als GrundwasserneubildungshOhe (in mm). Die Grundwasserneubildungsspende betragt je nach Niederschlagshohe und Untergrundaufbau im Durchschnitt 2 bis 7 1/(s· kro2) bzw. 60 bis 220 mm/a (s. d. HOLTING & COL DEWEY 2009: 232). Flir Flachen mit geringer
crdlcuchtc B"dcn/onc
t.;ap illa m ", , .. ~.arlll ..re
Stch!hohe
"~pllI.,
um
\\asscrgcsalllgtc Bodcl\Jonc
Abb. 2.82 Erscheinungsformen des Wassers im Boden (nach SCHWERTER, Zittau) S, ~ Sattigungsgrad h, ~ kapillare Steighohe.
102
2 Boden- und felsmeehanisehe Kennwerte, ihre Ermittlung und Bedeutung
Versiegelung und giinstigen Versickerungsbedingungen werden auch 8 bis 1Ol/(s·km 2 ) angegeben. Beim Kapillarwasser wird ein offener und geschlossener Kapillarwasserbereich unterschieden (Abb. 2.82). 1m geschlossenen Kapillarraum ist die Wassersattigung S, = 1,0. 1m offenen Kapillarraum treten nach oben zunehmend Lufteinschliisse auf. Die kapillare SteighOhe (h k ) gibt an, wie hoch Wasser im Boden infolge der Oberflachenspannung und der Adhasion zwischen Bodenkorn und Wasser nach oben aufsteigt bzw. an den Wandungen des Korngefiiges festgehalten wird. Die kapillare SteighOhe hangt ab von der Korngro6e, dem KorngefUge und der Porengeometrie des Bodens sowie der Wassersattigung (steigende oder fallende Grundwasseroberflache, Durchsickerung) . Die Angabe der kapillaren Steighohe erfolgt am einfachsten durch Beobachtung der Bodenverfarbung, wobei keine Trennung des offenen und geschlossenen Kapillarraums moglich ist, oder durch Wassergehaltsbestimmungen in kurzen vertikalen Abstanden. Die kapillaren Sattigungsanteile sind neb en der Korngro6enverteilung auch von der Porengeometrie abhangig. SCHICK (2002) bringt eine Darstellung der kapillaren Steighohe in Abhangigkeit vom Korndurch-
messer und den Porengro6en. 1m Labor wird die kapillare Steighohe durch den Versuch nach BESKOW ermittelt, was jedoch in der Praxis sehr selten geschieht. Die kapillaren Steighohen betragen bei Kies
bis 10 em
Sand und Kies
20 bis 100 em
Fein-, Mitteisand
100 bis 150 em
Lehm, Loss
bis 350 em
Die kapillaren Oberflachenkrafte verleihen dem Boden einen Zusammenhalt, die sog scheinbare Kohasion (s. Abschn. 2.7.1), die unter der Grundwasseroberflache bzw. durch Austrocknung verloren geht. Die kapillare SteighOhe ist im Stra6enbau hinsichtlich der Frostempfindlichkeit, im Grundbau wegen der Abdichtungsforderungen, ferner fUr die Beurteilung von Schrumpfsetzungen sowie von Vegetationsschaden bei Grundwasserabsenkung von Bedeutung (s. Abschn. 6.2.2). Die Priifung der kapillaren Wasseraufnahme (Saugfahigkeit) von Natursteinen erfolgt nach DIN EN 13765 in Abhangigkeit von der Zeit.
3
Beschreebung n und assifikat eon vo Bo en und Fels I fur bau bautechnische Zwecke e
Bei der Beschreibung und Klassifikation von Boden ist zu unterscheiden zwischen der Benennung einer Bodenart und der Klassifikation.
3.1 Benennung, Beschreibung und Klassifizierung von Boden und Fels
zung und der genetischen Herkunft sowie nach maGgebenden Eigenschaften (Verwitterung, Festigkeit u. a.) - s. Abschn. 3.4.
3.2 Gruppeneinteilung der Boden nach DIN 18 196
Fur das Benennen und Beschreiben von Boden und Fels sind folgende Normen zu beachten: EN ISO 14688-1: 2003, Benennung und Beschreibung von Boden EN ISO 14688-2: 2004, Grundlagen der Bodenklassifizierung EN ISO 14689-1: 2004. Benennung und Be-
Die nachstehende Bodenklassifizierung fur bautechnische Zwecke ist eine Zusammenfassung von Bodenarten zu Bodengruppen mit annahernd gleicher stofflicher Zusammensetzung und ahnlichen bodenphysikalischen Eigenschaften. Die Grundlage dafur bieten neben den EN ISO 14688-1 und -2 die DIN 18 196 (2006), die auGer der auf der stofflichen Zusammensetzung auf-
schreibung von Fels und
bauenden Einteilung nach
DIN EN ISO 14689-1: 2004, Benennung und Beschreibung von Fels (NA) mit Anderung A 100. Die Benennung und Beschreibung von Boden erfolgt anhand der KorngroGenanteile, der Konsistenz (wv Ip) oder organischer Anteile, nach visuellen und manuellen Techniken sowie den Ergebnissen von Feldversuchen (s. Abschn. 3.2 und 4.4.6). Die EN ISO 14688-1 enthait auch eine Benennung vulkanischer Ablagerungen. In EN ISO 14688-2 werden die Grundlagen fUr die Klassifizierung von Boden in Gruppen mit annahernd gleichem stofflichen Aufbau und ahnlichen geotechnischen Eigenschaften im Hinblick auf ihre geotechnische Eignung als Baugrund oder als Baustoff zusammengefasst. Die Benennung und Beschreibung von Fels erfolgt nach der mineralogischen ZusammensetH. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
KorngroGenbereichen und -verteilung plastischen Eigenschaften organischen Bestandteilen auch noch weitere Erkennungsmerkmale angibt sowie eine qualitative Bewertung der bautechnischen Eigenschaften und ihre Eignung als Baustoff. Letztere Angaben sind auf Tabelle 3.1 aus Platzgrunden nicht wiedergegeben. Nach DIN 18196 (2006) sollen fur die Klassifizierung einer Bodenprobe streng genommen Versuchsergebnisse herangezogen werden, nur in der geotechnischen Kategorie GK 1 (s. Abschn. 4.1) kann mit visuellen und manuellen Methoden gearbeitet werden. Diese Regelung ist allerdings in der Praxis nicht realisierbar. Die Norm gilt auGerdem nicht fur Fels und fur Boden mit > 40 % Steinen und Blacken.
104
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bautechnische Zwecke
Tabelle 3.1 Obersicht Ober die Bodenklassifikation fUr bautechnische Zwecke nach DIN 18 196. Bodengruppe
Definition Kornung, Plastizitat, Stoffwerte
Hauptgruppen
GE
Kies enggestuft
C. ~ 6, Co < 1
grobkornig
GW
Kies weitgestuft
Cu > 6, C, - 1-3
GI
Kies intermittierend
Fehlkornung vorh.
SE
Sand enggestuft
Cu < 6, C. < 1
SW
Sand weitgestuft
Cu> 6, Co - 1-3
SI
Sand intermittierend
Fehlkornung vorh.
GU
Kies schluffig
5- 15% < 0,063 mm
>
SU
Sand schluffig
Feinkorn schluffig
~
GT
Kies tonig
5- 15% < 0,063 mm
>
ST
Sand tonig
Feinkorn tonig
~
GU*
Kies stark schluffig
15- 40% < 0,063 mm
>
SUO
Sand stark schluffig
Feinkorn schluffig
~
GT'
Kies stark tonig
15-40% < 0,063 mm
>
ST*
Sand stark tonig
Feinkorn tonig
~
UL
Schluff leicht plastisch
wl < 35%
'. < 4 % oder unter A-Linie
UM
Schluff mittel plastisch
wl
TL
Ton leicht plastisch
wl < 35%
TM
Ton mittel plastisch
wl
TA
Ton ausgepragt plastisch
wl < 50%
OU
organischer Schlutt
w, · 35- 50%
OT
organischer Ton
wl < 50%
OH
humoser Boden
Vat
~
-
>40%>2mm < 5% < 0,063 mm
nichtbindig (rollig)
> 40% < 2 mm < 5% < 0,063 mm
40%> 2 mm
gemischtkornig
40%> 2 mm bindig 40%>2mm
40%> 2 mm
feinkornig
35 - 50%
'. < 7 % und Ober A-Linie
35 - 50%
< 20% pflanzt.
'. < 7 % und unter A-Linie
organogen
Kornung 40% ~ 0,063 mm
~
OK
kalkig-kieseliger Boden
Vc.
HN
Torf nicht zersetzt
v < 30% faserig
HZ
Torf zersetzt
Vat
F
Mudde (Faulschlamm)
v < 30% federnd
schwammig
1-1
Auffullung
aus natUrlichen Boden
[G, S, U, T, H, F)
A
AuffUliung
aus Fremdstoffen
Mull, Schutt
< 10 % poros
< 30% schmierig
braunlich
organisch
schwiirzlich
AuffUliung
organisch
105
3.2 Gruppeneinteilung der Boden nach DIN 18 196
Fur die Bezeichnung der Bodenarten werden Kurzzeichen oder Gruppensymbole benutzt, bestehend aus zwei GroBbuchstaben (DIN 18196, s. Tab. 3.1) bzw. GroBbuchstaben fUr den Hauptantei! und Kleinbuchstaben fur die Nebenantei!e bzw. die kennzeichnende Eigenschaft (DIN EN ISO 14688-2). Kurzzeichen fur die wichtigsten Hauptbodenarten nach DIN 18196/DIN EN ISO 14688-1: IBo = Blocke ("block") ICo =Steine ("cobble") G/Gr = Kies ("grant") S/Sa = Sand UlSi = Schluff ("silt") T/CI = Ton ("clay") OIOr = organische Boden ("organic") A/Mg = AuffUllung ("made ground") HI =Torf FI = Mudde KI = Kalk Die DIN 18 196 enthalt auch Kennbuchstaben fUr kennzeichnende Eigenschaften (s. Tab. 3.1), fur die Art der KorngroBenverteilung = weit gestufte KorngroBenverteilung W = eng gestufte KorngroBenverteilung, E = intermittierend gestufte KorngroBenverteilung, oder nach den plastischen Eigenschaften = leicht plastisch L M = mittel plastisch = ausgepragt plastisch, A bzw. nach dem Zersetzungsgrad von Torfen N = nicht bis kaum zersetzter Torf = zersetzter Torf. Z Die geologische Bezeichnung wird nach DIN EN ISO 14688-1 den oben genannten Bodenarten in Klammer nachgestellt. International wird haufig auch die USCSKlassifikation (Unified Soil Classification System, USA 1953) benutzt: G
gravel
Kies
S
sand
Sand
M
silt
Schluff
C
clay
Ton
0
organic
org. Boden
PI
peat
Torf
W
well graded
gut abgestuft
p
poorly graded
schlecht abgestuft
L
low graded
leicht plastisch
M
medium graded
mittel plastisch
H
high graded
ausgepragt plastisch
z. B.
GP-GM = schlecht abgestufter Kies mit Schluff SC-SM = toniger bis schluffiger Sand.
3.2.1 Grobkornige Boden Die Benennung erfolgt nach Gewichtsanteilen. Reine grobkornige Bodenarten konnen bis 5 % Schluff und Ton enthalten. Fur die Benennung entscheidend ist der Kornanteil > 40 %. Bodenarten wie Kies, sandig bzw. Sand, kiesig enthalten jeweils mehr als 40 % Sand- bzw. Kiesanteile. Die Grenze enggestufte-weitgestufte KorngroBenverteilung ist bei Cu = 6 festgelegt (s. Abschn. 2.1.3). Wahrend die Bodenklassifizierung nach DIN 18196 nur Korngro6en bis 63 mm berucksichtigt, werden in EN ISO 14688-2 auch "sehr grobkornige Boden" ausgehalten mit Steinen (63200 mm), Blacken (200-630 mm) und sog. groBen BlOcken (> 630 mm), sowie eine Unterteilung in geringen « 5 % bzw. < 10 %), mittleren (> 5 % bzw. 10-20 %) und hohen Block- bzw. Steinanteil (> 20%).
3.2.2 Gemischtkornige Boden Hierbei handelt es sich urn grobkornige Boden mit 5 % bis 40 % Schluff und Ton. Die weitere Unterteilung erfolgt in % der Trockenmasse: 5-15 % Schluff und Ton = gering bzw. schwach schluffig/tonig (u/T). 15-40% Schluff und Ton = hoch bzw. stark schluffig/tonig (VIT) bzw. U*/T*.
3
106
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bautechnische Zwecke
Zu den gemischtkornigen Bodenarten im weiteren Sinne gehoren auch die sog. Block-in-Matrix-Gesteine, auch Bimrocks genannt. Dabei handelt es sich urn ein Gemisch von Kiesen, Steinen und Blacken in feinkorniger Grundmasse, die sich bei nicht verfestigtem Feinkornanteil wie Lockergesteine verhalten. Zu dieser Gruppe gehoren auger entfestigten StOrungsgesteinen (s. Abschn. 3.4.4) auch Rutsch- und Bergsturzmassen.
3.2.3 Feinkornige Boden Die feinkornigen Boden enthalten iiber 40 % Schluff und Ton. Sie werden nach der Plastizitat bzw. nach der Lage zur A-Linie im Plastizitatsdiagramm von CASAGRANDE eingeteilt (Abb. 2.18). Schluffe liegen zusammen mit den organischen bzw. organogenen Boden (OT, OU) unterhalb der A-Linie: < 35%
(UL)
leicht plastische Schluffe
WL
mittel plastische Schluffe
wL - 35- 50%
(UM)
ausgepragt plastische Schluffe
wL > 50%
(UA)
Tone haben Plastizitatszahlen > 7, sie liegen oberhalb der A- Linie: (TL)
leicht plastische Tone mittel plastische Tone ausgepragt plastische Tone
WL
-
35- 50%
(TM) (TA)
Die Einstufung der feinkornigen Boden nach der Lage zur A-Linie im Plastizitatsdiagramm von CASAGRANDE fiihrt zu einer Oberbewertung der Tonboden (TL bis TA) und zu einer gewissen Vernachlassigung der weit verbreiteten Schluffbaden mit typischen geotechnischen Eigenschaften, wie relativ hohe Reibungswinkel bei kleiner Kohasion, schnell ablaufende, aber meist relativ geringe Zusammendriickbarkeit und starke Wasserempfindlichkeit (HEISE 2001, s. Abschn. 2.5 und 4.5.2).
3.2.4 Organische und organogene Boden Diese Bodengruppe wird zunachst unterteilt in organische Boden und organogene Boden bzw. Boden mit organischen Beimengungen. Organische Boden werden weiter unterteilt in Torfe (H) und Faulschlamm bzw. Mudde (F). Ais organogene Boden werden nichtbindige Boden mit mehr als 3 % und bindige Boden mit mehr als 5 % organischer Beimengungen (pfianzliche und tierische Reste) bezeichnet sowie Boden mit humosen (OH, z. B. Oberboden) bzw. kalkigen Beimengungen (OK, z. B. Wiesenkalk). Bei den Torfen werden nicht bis maBig zersetzte Torfe (HN) und zersetzte Torfe (HZ) unterschieden und weiter nach EN ISO 14688-1 faseriger Torf, schwach faseriger Torf und amorpher Torf. Die Bestimmung des Zersetzungsgrades erfolgt mittels Ausquetschversuch. Dazu wird eine nasse Torfprobe in der Faust kraftig gequetscht. Die Probe zeigt bei nicht bis maBig zersetztem Torf gut erhaltene und erkennbare Pfianzenreste und es tritt klares bis triibes Wasser aus. Bei stark bis vollig zersetztem Torf (auch amorpher Torf genannt) sind keine Pfianzenreste erkennbar und es wird wassriger Brei ausgequetscht (s. DIN 19682-12, Bestimmung des Zersetzungsgrades der Torfe). Boden mit iiber 40 % Schluff und Ton und einem Anteil an organischer Substanz bis 20 % werden als Klei oder Schlick bezeichnet. Mittlere Kennwerte dafiir s. SCHULZ (2002), HETTLER et al. (2002) und ENGEL (2002a, darin Lit.). Unterschieden werden schluff- oder tonreiche Schlicke (OU, OT) und starker sandige Schlicke. Mudden sind organische Boden mit iiber 20 % organischen Bestandteilen (s. Tab. 3.1).
3.2.5 Aufgeschuttete Bodenarten Bei den Auffiillungen werden solche aus natiirlichen Boden unterschieden, deren Gruppensymbol in eckige Klammern gesetzt wird und Auffiillungen aus Fremdstoffen (Miill, Schlacke, Bauschutt, Industrieabfalle), die das Gruppensymbol A/Mg erhalten.
3.3 Beschreibung und Einstufung von Boden und Fels nach den ATV der VOB
Bei den geschutteten Boden sind unverdichtete Schuttungen und durch Fahrverkehr oder mittels Verdichtungsgeraten verdichtete Schuttungen zu unterscheiden (s. Abschn. 14.2).
3.3 Beschreibung und Einstufung von Boden und Fels nach den ATV der VOB 3.3.1 Boden- und Felsklassen nach ATV DIN 18300, Erdarbeiten Die Bodenklassen der ATV DIN 18300 beschreiben die Losungsfestigkeit bei Erdarbeiten fiir die Ausschreibung und Abrechnung. Daruber hinaus ist im Sinne der VOB/A § 9 dem Bieter zum besseren Verstandnis zusatzlich eine Beschreibung der Bodenarten gemaB EN ISO 14688-1 und DIN 18 196 an die Hand zu geben, die ihm die tatsachliche Losbarkeit eindeutig erkennen lasst und eine entsprechende Kalkulation ermoglicht. Die ZTVE-StB 09 enthalt fur Zwecke des StraBenbaus erganzende Erlauterungen zu den Bodenklassen der DIN 18 300 und gibt die zu den einzelnen Bodenklassen gehorenden Bodengruppen der DIN 18 196 an. Die Einteilung in Boden- und Felsklassen erfolgt unabhangig von den maschinentechnischen Daten allein nach boden- und felstypischen Merkmalen, wobei fur die Einstufung der Zustand beim Losen maBgebend ist: Klasse 1: Oberboden Oberboden ist die oberste Schicht des Bodens, die neben anorganischen Stoffen, z. B. Kies-, Sand-, Schluff- und Tongemischen, auch Humus und Bodenlebewesen enthalt. Klasse 2: Flie6ende Bodenarten Bodenarten, die von flussiger bis breiiger Beschaffenheit sind und die das Wasser schwer abgeben. Hierzu gehoren nach ZTVE-StB 09: organische Boden der Gruppen HN, HZ und F feinkornige Boden der Gruppen UL, UM, TL, TM, TA sowie organogene Boden und solche
107
mit organischen Beimengungen der Gruppen OU, OT, OH und OK, wenn sie breiige oder flussige Konsistenz haben gemischtkornige Boden der Gruppen SU*, ST*, GU* und GT*, wenn sie breiige oder fliissige Konsistenz haben. Klasse 3: Leicht losbare Bodenarten Nichtbindige bis schwachbindige Sande, Kiese und Sand-Kies-Gemische mit bis zu 15 Gew.-% Beimengungen von Schluff und Ton (KorngroBe < 0,06 mm) und mit hOchstens 30 Gew.-% Steinen von uber 63 mm KorngroBe bis zu 0,01 m 3 Rauminhalt (entspricht einem Kugeldurchmesser von rd. 0,3 m). Organische Bodenarten mit einem geringen Wassergehalt (z. B. feste Torfe). Zu Klasse 3 gehoren nach ZTVE-StB 09: grobkornige Boden der Gruppen Sw, SI, SE, GW, GI,GE gemischtkornige Boden der Gruppen SU, ST, GU, undGT Torfe der Gruppen HN mit geringem Wassergehalt, soweit sie beim Ausheben standfest bleiben. Klasse 4: Mittelschwer losbare Bodenarten Gemische von Sand, Kies, Schluff und Ton mit einem Anteil von mehr als 15 Gew.-% KorngroBe < 0,06 mm. Bindige Bodenarten von leichter bis mittlerer Plastizitat, die je nach Wassergehalt weich bis fest sind und die hochstens 30 Gew.-% Steine von uber 63 mm KorngroBe bis zu 0,01 m 3 Rauminhalt enthalten. Zu Klasse 4 gehOren nach ZTVE-StB 09: feinkornige Boden der Gruppen UL, UM, TL undTM gemischtkornige Boden der Gruppen SU*, ST*, GU* und GT* organogene Boden und Boden mit organ is chen Beimengungen der Gruppen OU, OH, OK. Klasse 5: Schwer lOsbare Bodenarten Bodenarten nach den Klassen 3 und 4, jedoch mit mehr als 30 Gew.-% Steinen von uber 63 mm KorngroBe bis zu 0,1 m 3 Rauminhalt. Nichtbindige und bindige Bodenarten mit hochstens 30 Gew.-% Steinen von iiber 0,1 m 3 bis 0,1 m 3 Rauminhalt (entspricht einer Kugeldurchmesser von rd. 0,6 m).
108
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bautechnische Zwecke
Ausgepragt plastische und organische Tone, die je nach Wassergehalt weich bis halbfest sind. Klasse 6: Leicht losbarer Fels und vergleichbare Bodenarten Felsarten, die einen inneren, mineralisch gebundenen Zusammenhalt haben, jedoch stark kluftig bruchig, brocklig, schiefrig, weich oder verwittert sind, sowie vergleichbare verfestigte, nichtbindige und bindige Bodenarten mit fester Konsistenz, z. B. durch Austrocknung, Gefrieren oder Verfestigung. Nichtbindige und bindige Bodenarten mit mehr als 30 Gew.-% Steinen von uber 0,01 m 3 bis 0,1 m 3 Rauminhalt. Klasse 7: Schwer lOsbarer Fels Felsarten, die einen inneren, mineralisch gebundenen Zusammenhalt und hohe Gefugefestigkeit haben und die nur wenig kluftig oder verwittert sind. Steine von uber 0,1 m 3 Rauminhalt. Sonstige Stoffe, z. B. Recyclingmaterial, industrielle Nebenprodukte, Abfalle usw. werden nach ingenieurgeologisch -erdbautechnischen Gesichtspunkten beschrieben und in die o. g. Klassen eingestuft (s. Abschn. 12.2 und 16.6.1) Der Schwachpunkt dieser Normung liegt in der unklaren Unterscheidung der Klassen 6 und 7. Nach DIN 18300 erfolgt die Unterteilung allein nach Kluftigkeit und Verwitterungszustand. Die Einstufung sollte aber auf einer moglichst umfassenden Gebirgsbeschreibung aufbauen, bei der folgende Parameter berucksichtigt werden: Gesteinsart und -festigkeit, Abrasivitat, Verwitterungsgrad, Schichtung, Kluftung (KluftkorpergroBe) sowie die Verbandsfestigkeit (s. Abschn.3.4.3.2). 1m Erkundungsstadium konnen als zusatzliches Hilfsmittel refraktionsseismische Messungen gemaB Abschn. 4.3.2 eingesetzt werden. Die Grenze zwischen Klasse 6 und 7 wird allgemein bei Wellengeschwindigkeiten von 1600-1800 m/s angenommen (s. Abschn. 12.1). Als brauchbares Hilfskriterium hat sich auch der beim Losen anfallende Anteil von Blocken von uber 0,1 m 3 Rauminhalt erwiesen, was Kluftkorpern von rd. 0,5 . 0,5 . 0,4 m entspricht. Allgemein gelten Gesteine ab Druckfestigkeiten von 50-60 MN/m 2 und Bankdicken ab etwa 0,5 m als Sprengfels.
Bei Wechsellagerungen von Gesteinen der Klassen 6 und 7 konnen Mischfelsklassen nach prozentualer Aufteilung oder als einheitlicher Mischpreis gebildet werden (s. Abschn. 12.1 und Abb. 12.3). Wird Fels der Klasse 6 zur Erleichterung der Gewinnung durch Bohr- oder Sprengarbeit gelockert, so andert sich die Einstufung ebenso wenig, als wenn Fels der Klasse 7 noch durch ReiBgerate gelost werden kann. Die Abrechnung der Bodenpositionen von Erdarbeiten erfolgt fast immer nach festen Massen, im Gegensatz zu anzulieferndem und abzuladendem Material, das als Lieferposition in der Regel als lose Masse abgerechnet wird, d. h. in aufgelockertem Zustand, wie es auf dem Lastwagen liegt (s. Abschn. 12).
3.3.2 Boden- und Felsklassen fur Bohrarbeiten Bohrarbeiten fUr Baugrundaufschlusse und auch fur die Bohrpfahlherstellung, fur Einpressarbeiten und fUr Anker sollen nach ATV DIN 18301 (2010), Boden- und Felsklassen fUr Bohrarbeiten, ausgeschrieben und abgerechnet werden: Lockergesteins-Klasse BN: Nichtbindige Lockergesteine BN = Sand und Kies BN 1 = mit Feinkornanteil bis 15% BN 2 = mit Feinkornanteil uber 15%. Lockergesteins-Klasse BB: Bindige Lockergesteine (Hauptbestandteile Schluff, Ton bzw. Sand, Kies, mit starkem Einfluss der bindigen Anteile) BB 1 = flussig - breiig ell < 20 kN/m 2 BB 2 = weich, steif ell = 20 - 200 kN/m 2 BB 3 = halbfest ell = 200 - 600 kN/m 2 BB 4 = fest, sehr fest ell> 600 kN/m 2 • Lockergesteins-Klasse BO: Organische Boden BO 1 = zersetzte Torfe, Mudde, Humus BO 2 = unzersetzte Torfe. Festgesteins-Klasse F: Festgesteine werden weiter unterteilt nach der Verwitterung und dem Trennflachenabstand
3.3 Beschreibung und Einstufung von Boden und Fels nach den ATV der VOB
Verwitterungsgrad
LN fUr nichtbindige Lockergesteine
Trennflachenabstand bis 10cm
entfestigt
FV 1
angewittert
FV2
unverwittert
FV4
10 bis 30cm
109
Lagerung
eng gestuft
weit oder intermittierend gestuft
locker
LNE 1
LNW 1
mitteldicht
LNE 2
LNW2
dicht
LNE 3
LNW3
Ober 30 em
FV3 FV6
FV 5
sowie nach der einaxialen Druckfestigkeit qu FD 1 < 20 MN/m2 FD 2 20-80 MN/m2 FD 3 80-200 MN/m2 FD 4 200-300 MN/m 2 FD 5 > 300 MN/m 2. Ais gut bohrbar gelten Festgesteine mit einer Druckfestigkeit qu < 20 MN/m 2. Daruber hinaus ist es zweckmaBig, auch auf den Abrasivitatsgrad der Gesteine gem. Abschn. 17.2.9 hinzuweisen. Kommen in Lockergesteinen Bli:icke oder Steine (KorngroBe > 63 mm) vor, so werden sie in Abhangigkeit von der GroBe und dem Volumenanteil in die Zusatzklasse BS eingestuft:
LB fUr bindige Lockergesteine Konslstenz
mlneralisch
organogen
breiig - weich
LBM 1
LBO 1
steif - halbfest
LBM 2
LBO 2
fest
LBM 3
LBO 3
S als Zusatzklasse fUr Steine Volumenantell
5teingriiBe bis 200 mm
200-630 mm
bis 30%
S1
S3
Gber 30%
52
S4
LO fUr organische Boden (allgemein). KorngroBe
Volumenanteil bis 30%
Ober 30%
63-200mm
BS 1
BS 2
200-600mm
BS 3
B54
GroBe Blocke uber 600 mm werden gesondert beschrieben und angegeben. Auffullungen werden, so weit moglich, in die o. g. Klassen eingestuft und im Hinblick auf ihre Eigenschaften fUr Bohrarbeiten beschrieben.
3.3.3 Boden- und Felsklassen
F fUr Festgesteine und zwar hach dem Tennflachenabstand und der einaxialen Druckfestigkeit Druckfestigkeit [MN/mJ
Trenn flachenabstand Dezlmeterbereich
Trennfliichen abstand Zentlmeterbereich
fur Rohrvortriebsarbeiten
3.3.4 Sonstige KlassifizierunFur Rohrvortriebsarbeiten (s. Abschn. 17.6.5) gelten die Boden- und Felsklassen der ATV DIN 18319 (2010) und zwar:
gen nach ATV DIN Fur Nassbaggerarbeiten nach ATV DIN 18311 gilt sowohl eine eigensHindige Beschreibung von
3
110
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fOr bautechnische Zwecke
Boden und Fels als auch eine gesonderte Einstufung in Boden- und Felsklassen (Klasse A bis E). Fur Untertagebauarbeiten gilt ATV DIN 18312 (Abschn. 17.3). Fur einige Gewerke, wie z. B. Rammarbeiten (ATV DIN 18304), gibt es nach wie vor keine spezifische Einstufung von Boden und Fels (s. Abschn. 10.3.2).
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels) Die Beschreibung von Fels erfolgt in der Geotechnik nach EN ISO 14689-1: 2003 mit einem Nationalen Anhang, der DIN EN ISO 14689-1: 2004 (NA). Die Beschreibung erfolgt auf der Grundlage der geologischen Benennung und der mineralogischen Zusammensetzung sowie der Gesteinsharte bzw. Festigkeit. Das Gebirge wird zusatzlich auch nach der geologischen Struktur, d. h. der raumlichen Anordnung der Trennflachen (Schichtung, Schieferung) und des Verwitterungsprofils beschrieben. Das Gestein in der GroGenordnung einzelner Kluftkorper oder Probestucke weist ganz andere Eigenschaften auf als der Fels im Gebirgsverband, der von Trennflachen verschiedenster Art durchzogen ist und dessen Eigenschaften deshalb in hohem MaGe richtungsabhangig sind. Gebirgseigenschaften konnen daher immer nur fUr einen bestimmten Gultigkeitsbereich angegeben werden, den sog. Homogenbereich. Seine Abgrenzung ist yom Untersuchungszweck abhangig und ist gegebenenfalls fUr verschiedene Eigenschaften unterschiedlich vorzunehmen und auf diese zu beziehen. Ais solche Homogenbereiche kommen z. B. Gesteinsserien mit ahnlichen Eigenschaften oder Bereiche mit vergleichbarer Kluftung in Betracht: gleiche lithologische Abfolge gleicher Verwitterungszustand gleiches RichtungsgefUge der Trennflachen gleiche Gebirgszerlegung und Gebirgseigenschaften (Kennwerte). Relativ aufwandige, auf geostatistischen Methoden beruhende Verfahren zur Abgrenzung von Homogenbereichen in Lockergesteinen beschreiben GAU & TIEDEMANN (2004).
3.4.1 Gesteinsbeschreibung fur bautechnische Zwecke Die Beschreibung eines Festgesteins erfolgt am zweckma6igsten auf der Grundlage seiner geologischen Benennung (Mineralogie und Genese) und der Gesteinsfestigkeit. Die Kenntnis der geologischen Bezeichnung gestattet in den meisten Fallen, sich eine Vorstellung uber das Gestein, seine Lagerungsverhaltnisse und sein Verhalten bei Beanspruchung zu machen. Das gebrauchlichste petrographische Einteilungssystem gliedert die Festgesteine in Erstarrungsgesteine (Magmatite), Ablagerungsgesteine (Sedimentite) und Umwandlungsgesteine (Metamorphite), s. Tab. 3.2. Kristalline Gesteine sind ein Sammelbegriff fur magmatische und metamorphe Gesteine. Weiterhin werden monomineralische Gesteine unterschieden, z. B. reiner Sandstein bzw. Quarzit (metamorpher Sandstein) oder reiner Kalkstein sowie polymineralische Gesteine, wie kalkig- tonig gebundene Sandsteine, tonige oder kieselige Karbonatgesteine und nahezu aIle Magmatite sowie auch die meisten Metamorphite.
3.4.1.1 Petrographische Eigenschaften Die Eigenschaften eines Gesteins werden im Wesentlichen durch drei Elemente bestimmt, dem Mineralbestand und dem KristallgefUge, dem KorngefUge sowie der Porositat. Die wichtigsten gesteinsbildenden Minerale sind Quarz (12 %), Calcit (1,5 %), Dolomit (0,5 %), Feldspate (50%), Glimmer (5%). Augite, Hornblenden, OliYin (zus. 18%) und Tonminerale (4,5%). Die Zahlen in Klammern geben den durchschnittlichen Massenanteil der Minerale in der oberen Erdkruste an (MIRWALD 1997). AuGer Calcit und Dolomit gehoren aIle anderen genannten Minerale zur Gruppe der Silikate. Die Harte der Minerale wird in der Regel nach der Ritzharte, d. h. nach der zehnstufigen relativen Harteskala von MOHS (1822) angegeben bzw. nach der so genannten Schleifharte nach ROSIVAL (1896), die von der Schleifharte des Quarz als Referenzwert (= 100) ausgeht (Tab. 3.3). Die DIN EN ISO 14689-1 (NA) beschreibt die Mineralkornharte eines Gesteins mittels sechs
111
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
3
Tabelle 3.2 Gesteinsarten in Abhiingigkeit ihrer Genese. Magmatische Gesteine (Tiefen- und Ergussgesteine bzw. Plutonite und Vulkanite)
Sedimentgesteine
Metamorphe Gesteine (mechanisch und thermisch umgewandel te Gesteine mit Verformungsgefiigen)
Konglomerat
Gneis
Granit
Quarzporphyr
Syenit
Keratophyr
Brekzie
Sericitgneis
Trachyt
Sandstein
Tonschiefer
Porphyrit
Tonstein
Phyllit
Phonolith
Mergelstein
Glimmerschiefer
Andesit
Kalkstein
Quarzit
Diabas
Dolomitstein
Ouarzitschiefer
Melaphyr
Tuffstein
Marmor
Basalt
Kalktuff (Travertin, Quellsinter)
Kalkglimmerschiefer
Diorit
Gabbro
Anhydrit Gips Salz Steinkohle, Braunkohle
Tabelle 3.3 Mineralhiirten nach MOHS (ergiinzt) und Umrechnungsfaktoren auf Ouarz. Ritzharte
MOHSSCHE Harteskala
Umrechnungsfaktor auf Quarz nach der ROSSlvAL-Skala
Steinsalz
2
0,002
Kalkspat
3
0,03
Flussspat
4
004
Apatit
5
0,05
Magnetit
5,5
0,16
Orthoklas, Plagioklas Augit, Hornblende, Pyrit, Hamatit
6
0,31
Ollvin, Granat
6,5
0,55
Ouarz
7
1,0
Topas
8
Korund
9
Wolframcarbid (Widia-Stahl)
9,5
Diamant
10
Bezeichnung
Talk Mit Fingemagel ritzbar
Mit Stahl ritzbar
Fensterglas wird geritzt
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fur bautechnische Zwecke
112
Geste,nsart
1
2
MOHssche Hlirteskala 3 4 5 6 7
9
.~~
Granot. Gna's Basalt Tonsts,n
8
--
.- -
Sandsts,n Kalkste,n Dolom't
.. ~~
Tonschoefer
I-
Quarz,t
'1-
Abb. 3.1 Gesteinshiirten auf der Grundlage der Hiirteskala von MOHS (nach MIRWAlD 1997).
Hartegraden, von Hartegrad 1 und 2, mit dem Fingernagel leicht ritzbar, bis Hartegrad 6, ritzt Fensterglas. Eine Vergleichstabelle mit der in der Werkstoffkunde ublichen Hartezahl nach BRINELL bringen BAYER & HABER (2006). Der Begriff der Gesteinshiirte ist wegen der sehr variablen Zusammensetzung der Gesteine und der Anisotropieeffekte der gesteinsbildenden Minerale nur sehr eingeschrankt verwendbar. Ais Hartgesteine gelten allgemein die meisten magmatischen Gesteine und Sedimentgesteine mit kieseligem Bindemittel, wahrend die iibrigen Gesteine oft als Weiehgesteine bezeiehnet werden (s. Tab. 2.10). Die Abb. 3.1 zeigt einen Versuch, die Gesteinsharte mit der MOHs'schen Mineralharteskala zu vergleichen. Bei den monomineralischen Gesteinen wie reinen Karbonatgesteinen und Quarziten ist dies recht gut moglich, nieht hingegen bei Sandsteinen mit unterschiedlichen Bindemitteln und bei tonigen Karbonatgesteinen. Die Harte bzw. Festigkeit eines Gesteins, auch als Kornbindung bezeichnet (s. Tab. 3.5), wird in der Baupraxis durch Handprufverfahren ermittelt bzw. durch die Gesteinsdruckfestigkeit und seine Abrasivitat ausgedriickt (s. Abschn. 4.5.3 und 17.2.9). Die Kenntnis der Gesteinsfestigkeit ist fur zahlreiche Fragestellungen des Tiefbaus von Bedeutung (Losearbeiten, Bohrarbeiten, Herstellen von GroBbohrpfahlen im Fels und grobkornigen Lockergesteinen (BECKHAUS & THURO 2008). Ais Kornbindung von voll- oder teilkornigen Gesteinen kommen in Betracht toniges bzw. tonig-ferritisches,
karbonatisches, quarzitisches bzw. kieseliges Bindemittel. Entscheidend fur die Gesteinsfestigkeit ist nieht nur die Art des Bindemittels, sondern auch seine Raumausfullung. Bezuglich ihrer Festigkeitseigenschaften werden Gesteine unterteilt in kompetente Gesteine, die unelastisch mit Sprodbruch reagieren und in inkompetente Gesteine, die mehr oder weniger plastisch (duktil) reagieren (s. Abschn. 2.6.10). Unter Gefiige versteht man allgemein die Ausbildung, raumliche Anordnung sowie die £1achenhafte und/oder lineare Orientierung aller Einzelbestandteile geologischer Korper, angefangen von den Mineralen uber das Gestein bis zum Gebirge (Trenn£1achengefuge). Das Korngefiige eines Gesteins wird von den Mineralkornern und dem Porenraum bestimmt und ist oft nur mit mikroskopischen Methoden zu erfassen. Die maBgebenden Merkmale sind die Mineralart, die KorngroBe und die Kornform (Struktur), die KorngroBenverteilung bzw. Korneinregelung sowie die Verwachsungsverhaltnisse, die als texturelle Aspekte bezeiehnet werden. Letztere bestimmen die Kornbindung. Die DIN EN ISO 14689-1: 2004 (NA) verwendet fur die Kornigkeit die Begriffe vollkornig = ein Gestein, das nur aus erkennbaren Einzelkornern besteht teilkornig auch als porphyrisch bezeichnet, ein Gestein mit Einzelkornern in einer nieht kornigen Grundmasse (z. B. Bindemittel) niehtkornig oder dieht, ein Gestein, bei dem visuell keine Korner unterscheidbar sind. Hinsiehtlich des Korngefiiges werden folgende Einregelungen unterscheiden: riehtungslos-kornig = keine bevorzugte Regelung (z. B. Granit) geschichtet = regelmaBiger oder unregelmaBiger Wechsel der KorngroBe, z. T. mit plattchenformigen Einlagerungen (z. B. Glimmer) geschiefert = parallele Einregelung = Kleinstfaltenbildung, auch Rungefaltelt zelung.
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
Die Porositat (vgl. Abschn. 2.3.4) ist ein relatives MaB fUr die Dichte (RaumausfiiIlung) und die Gesteinsfestigkeit. Unter Gesamtporositat werden sowohl die verbindenden als auch die geschlossenen Poren zusammengefasst. Erstere bestimmen im Wesentlichen die Gesteinsdurchlassigkeit oder Permeabilitat. Gesteine mit einer Porositat < 1 % gelten als kompakt bzw. dicht. Dazu gehoren fast aIle Tiefengesteine und viele Metamorphite (s. Tab. 3.2). Die Gesteine zeigen aber im Verlauf der Verwitterung eine deutliche Zunahme des nutzbaren Porenraums (Granit z. B. auf 14-20%, SCHULZ 2009). Allgemein weisen Sandsteine eine Porositat von 10 bis 20 %, z. T. bis 30 % auf, Kalksteine eine solche von 1 bis 20%, selten mehr, und Vulkanite im Mittel 20 bis 30%, mit Extremwerten von 1 bis 45 %. Bei Porositaten iiber 20 % spricht man von stark porig. Fiir visuell erkennbare Poren gelten folgende Definitionen: = keine Poren erkennbar dicht poros = sandkorngroBe Poren sind gleichmaBig verteilt locherig = iiber sandkorngroBe Poren sind unregelmaBig verteilt kavernos = kleine und groBere Hohlraume sind unregelmaBig verteilt. Die Gesteinspermeabilitat Kist definiert als K = 1 Darcy, wenn eine Fliissigkeit mit der dynamischen Viskositat 1 cP (Zentipoise) bei einer Druckdifferenz von 1,013 . 105 Pa einen Gesteinskubus von 1 cm Lange und einer Querschnittsflache von 1 cm 2 in 1 s durchflieBt (s. HOLTING & COLDEWEY 2009: 23 und 28). Die Permeabilitat hat die Einheiten Darcy (D, mD) oder m 2 : K
= 1 Darcy = 0,98697· 1012 m 2 •
Die Gesteinspermeabilitaten liegen nach der Literatur haufig in der GroBenordnung von K = 10-- 1 bis 10-4 mD bzw. 10-13 bis 10- 16 m 2 (s. Abschn. 2.8.2). Diese Permeabilitaten entsprechen GesteinsdurchHissigkeitsbeiwerten von k = 10-9 bis 10-66 m/s.
113
3.4.1.2 Fest1!estein/Halbfestgestemn Ein Festgestein weist eine mineralische Bindung auf, d. h. die Mineralkomponenten sind mehr oder weniger fest untereinander verbunden bzw. verwachsen. Das Gestein darf bei 24-stiindiger Wasserlagerung keine Veranderung zeigen. Die Probe darf weder zerfallen noch an der Oberflache aufweichen. EN ISO 14689-1: 2003 unterscheidet drei bzw. weiter unterteilt fiinf Veranderlichkeitsgrade: nicht veranderlich (Grad 1) veranderlich (Grad 2 und 3) stark veranderlich (Grad 4 und 5). Gesteine, die beim Wasserlagerungsversuch Veranderungen zeigen, werden als veranderlichfeste Gesteine bzw. Halbfestgesteine bezeichnet. Sie haben im urspriinglichen Zustand weitestgehend Festgesteinscharakter, sind aber deutlich verwitterungs- bzw. wasserempfindlich und zerfallen bei Austrocknung und Wiederbefeuchtung. Ihre Abgrenzung gegeniiber den Lockerbzw. Festgesteinen erfolgt nach dem Wasserlagerungsversuch oder der Druckfestigkeit. Dabei wird die Abgrenzung der Halbfestgesteine zu den Lockergesteinen bei qu = 0,2-1,0 MN/m 2, haufig 0,6 MN/m 22 angenommen, wahrend die Grenze zu den Festgesteinen allgemein bei qu = 50-60 MN/m 22 liegt (s. Tab. 2.10). Uber diese Grenze hinaus treten zahlreiche "gering veranderliche Gesteine" auf, die in abgeschwachter Form ahnliche Reaktionen zeigen, wie die ausgewiesen veranderlichfesten Gesteine (PLINNINGER et al. 2008). Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass sowohl der Wasserlagerungsversuch als auch die Gesteinsdruckfestigkeit nicht in vollem Umfang geeignet sind, das unterschiedliche Verhalten der Gesteine bei langerfristigem Einfluss der Atmospharilien zutreffend zu erfassen. NICKMANN et al. (2005) verwenden deshalb neben einem modifizierten Wasserlagerungsversuch mit drei Trocknungs- und Befeuchtungswechseln auch noch den sog. Kristallisationsversuch sowie das Porenvolumen und unterscheiden fUnf Veranderlichkeitsklassen (Tab. 3.4). Die Porositat ist dabei ein zusatzlicher Indikator fiir schnelle Reaktionen bei Wasserzutritt, wahrend der Kristallisationsversuch besser als die Gesteinsdruckfestigkeit die Abgrenzung zu den dauerhaft festen Gesteinen
3
114
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bautechnische Zwecke
Tabelle 3.4 Veranderlichkeitsklassen von Halbfestgesteinen auf Grund des modifizierten Wasserlagerungsversuchs nach NICKMANN et al. (2005) und als Vergleich die derzeitige Einteilung nach DIN EN ISO 14 689-1 .
VK
Bezeichnung
Beschrei bung
DIN EN 14689- 1
VKO
nicht veranderlich
Bis zum 3. Wechsel keine Veranderung feststellbar, keine Reaktlon im Kristallisationsversuch.
nicht veranderlich (Grad 1)
VK 1
gering veranderlich
Bis zum 3. Wechsel keine Veranderung feststellbar, lediglich leichtes Absanden moglicherweise durch bei der Bearbeitung aufgelockerte Bestandteile (max. 5 %).
VK 2
langsam veranderlich
Bei einmaliger Wasserlagerung keine Reaktion, aber bis zum 3. Wechsel Rissbildung und/oder beginnender Zerfall bis zu 50 %.
VK3
maBig schnell veranderlich
Bei einmaliger Wasserlagerung Rissbildung bzw. Abbrechen von kleineren Bruchkorpern oder Aggregaten (bis max. 10%), Gestein bleibt aber erhalten. Bis zum 3. Wechsel Zerfall in Aggregate < 2,5 %.
VK4
schnell und stark veranderlich
Bei einmaliger Wasserlagerung deutliche Desintegration (10-75 %), bis zum 3. Wechsel Zerfall in Aggregate < 2,5%.
VK 5
unmittelbar und sehr stark veriinderlich
Unmittelbarer Zerfall bei einmaliger Wasserlagerung in Aggregate < 25 %, bis zum 3. Wechsel < 1 %.
LG
Lockergestein
markiert. Nach ZTVE-StB 09 bzw. TP BF-StB, Teil C, wird fur die Einstufung veranderlichfester Gesteine auch der Siebtrommelversuch herangezogen (Abschn. 3.4.2). Halbfestgesteine sind weit verbreitet. Wechsellagerungen mit Festgesteinen und angewitterten Festgesteinen, die ihre mineralische Kornbindung teilweise verloren haben, sind ebenso zu den Halbfestgesteinen zu rechnen wie teilverfestigte Lockergesteine (z. B. Tonsteine, Mergelsteine und tonig gebundene oder bindemittelarme Sandsteine). Mit dem Begriff Tonstein hzw. Schluffstein werden allgemein feinkornige Sedimentgesteine mit einer vorherrschenden KorngroBe im Tonbzw. Schluffbereich charakterisiert. Die Unterscheidung, ob letztlich ein Tonstein oder ein Schluffstein vorliegt, ist schwierig. EN ISO
veranderlich (Grad 2 und 3)
stark veranderlich (Grad 4 und 5)
14689-1: 2003 sprieht von Schlufftonstein bzw. bei erkennbar mehr als 50 % feinkornigen Partikeln von Schluffstein und bei mehr als 50 % sehr feinkornigen Partikeln von Tonstein (s. Abschn. 2.1.2). Klassifikationskriterien vergleichbarer Lockergesteine werden dazu in der Regel nieht angewendet (s. Abschn. 2.5).
3.4.2 Beschreibung von Gebirge (Fels), Verwitterung Die Beschreibung von Fels erfordert Angaben liber die Gesteinsart (genetischer Ursprung), die mineralogische Zusammensetzung, das Korngefiige (Struktur und Textur) das Trennflachengefiige, die Festigkeit, den Verwitterungsgrad und
115
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
gegebenenfalls andere besondere Eigenschaften (s. Abschn. 4.5.3). Die Beschreibung erfolgt in der Regel nach folgenden Merkmalen: Gesteinsart (petrographische Zusammensetzung, KorngroBe, -anordnung, -bindung) Farbe Verwitterungszustand Harte, Festigkeit Bestandigkeit gegen Atmospharilien (Erweichbarkeit, Loslichkeit, Quellbarkeit und andere Mineralumwandlungen). Die petrographische Beschreibung soll auf die ingenieurgeologische Aufgabenstellung ausgerichtet und allgemein verstandlich sein. Die Beschreibung erfolgt entweder in kurz gefasster Textform oder nach dem im Abschn. 4.5.3 beschriebenen Schema der Schichtenverzeichnisse. Eine Hilfestellung fur die Benennung der Gesteinsart auf genetischer Grundlage geben Tab. 3.2 und EN ISO 14689-1, Tab. Al. Auch das FGSV-Merkblatt zur Felsbeschreibung (1992) enthalt ein Schema fur die Felsbeschreibung, allerdings mit sehr stark vereinfachenden Kurzbezeichnungen. Noch starker vereinfacht ist die Klassifikation der DIN EN 1997-1, Anhang G, die vier Felsgruppen von Kalkstein und karbonatisch gebundenem Sandsteinen (Felsgruppe 1) bis ungebundene Ton- und Schluffsteine (Felsgruppe 4) unterscheidet (s. Abschn. 7.3). Bei den Erscheinungsformen der Verwitterung ist zwischen verwitterungsbestandigen und verwitterungsempfindlichen Gesteinen zu unterscheiden. Allgemein wird die Grenze zwischen den verwitterungsempfindlichen und den verwitterungsbestandigen Festgesteinen bei einer Gesteinsdruckfestigkeit von 50 bis 60 MN/m 2 gezogen, was etwa der o. g. Grenze der Halbfestgesteine zu den Festgesteinen entspricht. Die Grenze zu den "dauerhaft festen Gesteinen" i. S. von NICKMANN et al. (2005) ist damit allerdings nicht erfasst (s. Abschn. 3.4.1). Je nach den klimatischen Bedingungen herrscht physikalische oder chemische Verwitterung vor. Die physikalische Verwitterung infolge Temperaturwechsel und Anderung des Wasserhalts verursacht einen Zerfall des Gesteins, ohne dessen Zusammensetzung zu verandern. Bei der chemischen Verwitterung erfolgt unter der Wirkung von Wasser, Sauerstoff und warmeren
Klimabedingungen eine chemisch -mineralogische Veranderung der Gesteine, einschlieBlich der Tonminerale (s. SCHOLZ & ESSLINGER 2005). Eine Sonderstellung nehmen Pyritoxidation (s. Abschn. 2.2.3) und die hydrothermale Gesteinszersetzung ein. Letztere ist daran zu erkennen, dass sie gegenuber der von der Oberflache ausgehenden Verwitterung, die auch in tektonischen Storungszonen mit der Tiefe abnimmt, nach unten deutlich zunehmen kann. Die hydrothermale Verwitterung kann bis in groBe Tiefen zu einem vollig tonig-lehmigen Zersatz des Gesteins fuhren, der von Substanzverlusten begleitet sein kann. Die Beschreibung des Verwitterungszustandes erfolgt im Vergleich zum unverwitterten Gestein nach visuellen geologischen oder halbquantitativen versuchstechnischen Merkmalen. Die chemische Verwitterung setzt fast immer an Trennflachen an und erfasst von da ausgehend das Gestein durch Verfarbung und Entfestigung. Die Gesteinsarten sind verschieden verwitterungsanfallig (Abb. 3.2) und verwittern unter-
GESTEIH ..,_.U.rW'lgsfl's,sIHtt
V."'Wtlt.rungs-
I'ulen
GES1EIN .... 'WtIt.run9 .....randuhch
W5 WI. W3
W2 H orn 0g en _ bereich
t V.rbandl
W1
WO
O.b'fgs-Vuband
1,8 Mo •• 'ge Odl'f d.ckba"k : ~a •• !9. Tan und "'.'9111Kallt - und SO,.dll.l" ,SI.,ne . z t dun~bonI1l9' t kl . . . I' 9 9,b 1 GrouwoCktn"l ~roI 9.n . a,antt 'LT 'on,cl"II".' I
w.c., ..
Abb.3.2 Schematische Profile typischer Verwitterungszonen (WO = unverwittert, W 1 = angewittert, W2 = maBig verwittert, W3 = stark verwittert W4 = vollstandig verwittert, W5 = Bodenbildung) aus EINSELE et al.
1985.
116
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bautechnische Zwecke
schiedlich. Allgemein sind dunkle, graue und griinliche Sedimentgesteine, die unter reduzierenden Ablagerungsbedingungen entstanden sind, weitaus anfalliger als helle, rote oder violettrote Sedimentgesteine. Besonders anfallig sind schwarzgraue Gesteinsfarben, die meist auf fein verteilten Pyrit (FeS z) zuriickzufiihren sind. Unter dem Einfluss von sauerstoffreichem Kluftoder Sickerwasser erfolgt sehr rasch eine Aufhellung und Braunfarbung. Die chemische Verwitterung wird oberflachennah von einer physikalischen Gesteinszerlegung infolge Trocknung und Befeuchtung sowie Temperaturwechsel iiberpragt. In der Praxis hat sich nachfolgende Einteilung in Homogenbereiche gleicher Verwitterungsintensitaten bewahrt: unverwittert bzw. frisch
Das Gestein zeigt keine Verwitterungserscheinungen bis h6chstens Verfiirbung an den Trennfliichen
angewittert bzw. verfiirbt
Das Gestein ist weitgehend verfiirbt und zelgt an Trennfliichen leichte Entfestigung
verwittert bzw. entfestigt
Das Gestein ist weitgehend zerbrochen und entfestigt, der urspriingliche Gesteinsverband ist aber noch erhalten
zersetzt
Die mineralische Bindung ist veri oren, so dass die Eigenschaften eines lockergesteins vorliegen.
Das Merkblatt iiber Felsbeschreibung fiir den StraBenbau (FGSV 1992) verwendet fUr diese vier Verwitterungsgrade die Kennbuchstaben VU (unverwittert), VA (angewittert), VE (entfestigt) und VZ (zersetzt) und enthalt sowohl eine erweiterte Klassifikation mit Angabe von Druckfestigkeiten und Riickprallhammerwerten (s. Tab. 3.5) als auch eine spezielle Klassifikation fUr Ton- und Schluffsteine. Die ISRM -Empfehlung (1978), die IAEG (1981) und auch die DIN EN ISO 14689-1: 2004 (NA) unterscheiden 6 Verwitterungsstufen, wobei aber die Differenzierung der Stufen 1 und 2 sowie 3 und 4 in der Praxis oft schwer auszumachen ist. Das oben genannte FGSV-Merkblatt enthalt Hinweise auf Laborversuche zur Quantifizie-
rung der Verwitterungsgrade. Ublich sind die KomgroBenverteilung bei schonender Nasssiebung, der Wassergehalt, besonders in Kombination mit der Konsistenzzahl (s. Abb. 2.10), das Wasseraufnahmevermogen (BONSCH & LEMPP 2004), teilweise in Korrelation mit der Dichte und die Gesteindruckfestigkeit bzw. die Dichte und die Porositat (SCHOLZ et al. 2005; SCHOLZ 2009). Die DGGT- Empfehlung Nr. 20 "Versuchstechnik Fels" empfiehlt zur Ermittlung der Bestandigkeit gegen mechanischen Abrieb sowie Temperaturund Wassergehaltsanderung den Siebtrommelversuch und als Ergebnis den Zerfallsbestandigkeitsindex Id (s. HERZEL 2002, ZTVE-StB 09 bzw. TP-StB, Teil C und Abschn. 17.2.9). AuBerdem werden in diesem Zusammenhang immer wieder Naturstein-Priifmethoden genannt. Fiir die Beurteilung der Verwitterungsbestandigkeit gilt DIN 52008 (2006). Fiir die Bestimmung des Widerstandes gegen Frost-Tau-Wechsel wird auf DIN EN 1367-1 verwiesen (s. Abschn. 12.4.1). Die Tiefenwirkung der Verwitterung ist nicht nur yom Ausgangsgestein und den Dranagebedingungen (WasserfUhrung) abhangig, sondem auch von der tektonischen Gebirgszerlegung und -auflockerung (s. Abschn. 3.4.4). In tektonischen Storungszonen ist die Verwitterung gewohnlich viel intensiver und reicht wesentlich tiefer als in tektonisch wenig oder ungestorten Bereichen, in denen meist eine deutliche vertikale Zonalitiit zu erkennen ist (Abb. 3.2). Unabhangig von diesen vertikalen Verwitterungsprofilen ki:innen auch in gri:iBeren Tiefen einzelne, entweder besonders verwitterungsanfallige oder besonders beanspruchte Tonsteinlagen eine deutliche Plastifizierung, d. h. Verwitterung zeigen (s. Abb. 2.10 und Abschn. 2.7.6). Eine praxisrelevante Frage der Verwitterungstiefe ist haufig die nach dem sog. Verlauf der FelsoberfHiche, der in der Regel zwischen den Verwitterungsstufen WI und W2 angenommen wird. Diese bautechnisch relevante Felsoberflache muss nicht identisch sein mit der "geologischen Felsoberflache". Die Festigkeit bzw. Kornbindung eines Gesteins hangt mit dem Verwitterungsgrad eng zusammen. In Anlehnung an DIN EN ISO 14689-1 (NA) und dem FGSV-Merkblatt (1992) ki:innen die in Tab. 3.5 zusarnmengestellten Abstufungen und Abhangigkeiten verwendet werden. Die genaue Spezifikation der Gesteinsfestigkeit
117
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
erfo1gt iiber die einaxiale Druckfestigkeit nach Abschn. 2.6.10. Die Tabelle 3.5 gibt Anhaltswerte sowoh1 fur die einaxia1e Druckfestigkeit a1s auch fiir Riickprallwerte mit dem Priifhammer. Unabhangig von der im bergfrischen Zustand hohen Gesteinsdruckfestigkeit konnen auch bei einigen Tiefen- und Ergussgesteinen in einem Zeitraum von einigen Tagen bis wenigen Monaten drastische Festigkeitsverluste auftreten, die ursachlich meist auf Spurenantei1e von Smektit oder Zeolith zuriickzufiihren sind. Bekannt geworden sind solche Zerfallserscheinungen an Hartgesteinen bei Graniten (z. B. Odenwa1d), bei nephelinreichen Basalten (sog. Sonnenbrenner),
aber auch bei Andesiten und Trachyten. RIEMER (2005) beschreibt verschiedene Untersuchungsmethoden, urn derartiges Gesteinsverhalten bereits im Erkundungsstadium zu erfassen. Auf die Verwitterungsanfalligkeit von Gesteinen mit su1fidischen Feinantei1en gemaB Abschn. 2.2.3 sei noch einma1 verwiesen. Sonnenbrennerbasalte zeigen im Friihstadium weiBe bis graue F1eckung (GroBe 0,1-20 mm). Mit zunehmendem Zerfall entwicke1n sich Haarrisse und spater deutliche Risse zwischen den Flecken, bis das Gestein schlieBlich zu einem Basaltgrus zerfal1t. WEIHER et al. (2007, darin Lit.) beschreiben verschiedene Testverfahren zur
Tabelle 3.5 Gesteinsfestigkeiten in Abhiingigkeit des Verwitterungsgrades und der ublichen Feldversuche (in Anlehnung an FGSV-Merkblatt und DIN EN ISO 14 689-1). Gesteinsverwitterungsgrade
Beschreibung, Erscheinungsbild
Kornbindung, Festigkeit, einaxiale Druckfestigkeit
Feldversuche: Hammerschlag/ Riickprallhammer (Rm)
unverwittert
keine sichtbare Verwitterung, schwache Verfarbung an Trennflachen
gute Kornbindung sehr hart, hart, sehr fest bzw. hoch q. - 50- 250 MPa
heller Klang bei Hammerschlag, hinterliisst keinen Eindruck, mehrere Hammerschliige erforderlich,
Rm- 30 ±10 angewittert
Gestein fest - gering entfestigt, Verfarbung der Kluftwandungen und der angrenzenden Gesteinsbereiche. Variante: Gestein verfarbt, aber fest
maBige Kornbindung, maBig hart-fest q. - 25-50 MPa
wenig heller Klang evtl. leichte Einkerbung mit wenigen Schliigen brechbar, nicht bis schwach ritzbar Rm- 20 ±10
maBig entfestigt
Gestein ist entfestigt (spiirbar verandert), aber noch nicht miirbe. Verfarbung der Kluftwandungen und des Gesteins
geringe Kornbindung, miiBig fest, schwach absandend qu - 5- 25 MPa
dumpfer Klang, Einkerbung bei festem Schlag mit Hammer, leicht zu zerschlagen, mit Hand nicht zerbrechbar, schwer ritzbar, Rm< 10- 15
stark entfestigt
Gestein ist deutlich bis stark entfestigt. Starke Verfarbung der Kluftwandungen und des Gesteins
Gestein ist briichig miirbe, absandend halbfest qu ~ 1- 5 MPa
briichig bei Hammerschlag mit Hand zerbrechbar; gut ritzbar
Gestein ist vollig entfestigt oder zersetzt, Gesteinsgefiige jedoch erkennbar
steif- halbfest qu < 1 MPa
von Hand zerdrGckbar; in Wasser zu plastifizieren
zersetzt
Rm- 0
Erlauterungen: qu = einaxiale Druckfestigkeit des Gesteins, Rm = Werte der Prufung mit dem Ruckprallhammer DIN 1048, Teil 2, Mittel aus 10 Einzelwerten. Der Begriff "hart" bezieht sich genau genom men auf die (Mineral-)Harte eines Gesteins (s. Abschn. 3.2.1), wird aber ublicherweise auch als Festigkeitsangabe verwendet.
118
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bautechnische Zwecke
Bewertung von Sonnenbrennerbasalten (s. a. DIN 52106 bzw. DIN EN 1367-3).
3.4.3 Trennflachen L und ihre Bedeutung Fels ist praktisch immer ein Vielkorpersystem. Er ist zerbrochen und von TrennfHichen durchzogen, weIche die Entstehungsbedingungen, die Art und das AusmaB der Vorbeanspruchung (Tektonik) und auch die Gesteinseigenschaften widerspiegeln und weitgehend das Verhalten des Gebirges bei Beanspruchung und beim Losen bestimmen. Die Gesamtheit der Trennflachen (Schichtflachen, Schieferungsflachen, Kliifte) wird als Trennflachengefiige bezeichnet. Tektonische Verwerfungen oder Storungszonen werden in der Regel als Einzelelemente gewertet. Unter Trennflachen versteht man aIle (nicht immer makroskopisch sichtbaren) Unstetigkeitsflachen bzw. Diskontinuitaten, an denen die Festigkeit der Gesteine herabgesetzt ist. Sie konnen durch mechanische oder hydraulische Beanspruchung oder durch Einregelung formanisotroper Minerale entstanden sein, wie die sedimentare Anisotropie der Schichtung. Kliifte sind ± ebene Diskontinuitaten als Folge unterschiedlicher Beanspruchungen ohne ersichtliche Verschiebung endang von Bruchflachen. Sie treten in der Regel nicht einzeln, sondern in Scharen ± paralleler Kluftflachen auf. Die verschiedenen Kluftrichtungen stehen normalerweise in bestimmten Winkelbeziehungen zueinander, wobei haufig angenahert rechte Winkel auftreten. In ungefalteten Schichtgesteinen stehen die Kliifte auBerdem meist senkrecht zu den Schichtflachen. Die Brucharten und -winkel konnen sich mit dem Material- und/oder dem Spannungszustand andern. Entgegen der weit verbreiteten Meinung konnen auch in Boden neben den Schichtflachen mehr oder weniger steil stehende, mechanisch bedingte kluft- oder scherflachenartige Trennflachen auftreten, die, ebenso wie in Festgesteinen, das bautechnische Verhalten maBgeblich beeinflussen. Diese mechanisch bedingten Bruchflachen im Boden konnen eine Folge von tektonischen oder atektonischen Spannungen sein, sie konnen durch Eislast oder friihere Rutschungen
bedingt sein oder sind auf Schrumpfvorgange zuriickzufiihren. In iiberkonsolidierten Tonboden sind soIche Trennflachen relativ haufig anzutreffen, die in Bohrungen nur mit viel Erfahrung und bei griindlicher Bohrkernaufnahme erkannt bzw. nicht selten auch iibersehen werden (s. Abschn. 3.4.3.1,13.1.2 und 15.2.4). Die Schichtflachen nehmen eine gewisse Sonderstellung ein. Auf ihnen hat normalerweise kein vollstandiger Kohasionsverlust stattgefunden. Trotzdem ist an ihnen aufgrund ihrer weiten Erstreckung und haufig zu beobachtenden glatten Ausbildung oder flachenparallelen Glimmereinregelung und -anreicherung die Reibungsund Verbandfestigkeit meist stark abgemindert. AuBer dieser primaren Schwachung der Verbandsfestigkeit an Schichtflachen sind auch immer sekundare Veranderungen durch Verwitterung (Anwitterung, Quellung, Plastifizierung s. Abschn. 2.7.4) oder besonders durch mechanische oder hydraulische Beanspruchung (Harnische und andere Bewegungsanzeichen oder hydraulisches AufreiBen) zu beachten. Diese sekundaren Veranderungen konnen die Folge sehr verschiedenartiger Beanspruchungen des Gebirges sein, wie z. B. tektonische oder atektonische Schichtverstellungen, Endastungsvorgange, Hangbewegungsmechanismen u. a. m. (s. Abb. 3.3). Die als einfache Scherung bezeichnete Gleitung auf Schichtflachen setzt schon in einem sehr friihen Stadium der Beanspruchung ein und ist u. a. als Folge der plattentektonischen Schubbeanspruchung weit verbreitet. Sie bewirkt aufgrund der damit verbundenen Dilatation und Zerscherung bei Hartgesteinen oft eine Offnung der Schichtflachen und bei tonigen Gesteinen eine Wasseranreicherung und Plastifizierung von Tonsteinlagen (s. Abb. 2.10). Durch soIche Vorgange konnen Schichtflachen in ihrer mechanischen Funktion leicht zu Gleitflachen werden. Schieferungsflachen sind durch sekundare Mineraleinregelung und -plattung bzw. paralleles Wachsen von Phyllosilikaten (Glimmer, Chlorit) im Zuge der Metamorphose entstanden, wodurch eine diinnplattige Spaltbarkeit des Gesteins hervorgerufen wird. Schiefer weisen eine ausgepragte Gefiigeanisotropie auf. Die Schichtung, die Schieferung und andere metamorphe Texturerscheinungen werden nach EN ISO 14689-1: 2003 als geologische Strukturen bezeichnet.
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
119
3
Abb. 3.3 Modellvorstellung fOr das Offnen von Schichtflachen infolge Schichtverschiebungen (aus BIEWALD et al.
1997).
3.4.3.1 Entstehung nts ehung und Einteilung E nte tun 343 d
1'1"
Eine allseits zufriedenstellende Klassifikation fiir Kliifte liegt bis heute nicht vor. In der Literatur findet man verschiedene deskriptive und genetische Klassifikationsversuche. In der ingenieurgeologischen Praxis hat sich das genetische Einteilungsprinzip in Absonderungskliifte und Bewegungskliifte durchgesetzt, wobei letztere mechanisch weiter unterteilt werden in Trennungskliifte, Verschiebungskliifte und Gleitungskliifte. Soweit diese Unterscheidung nicht moglich ist, werden gewohnlich Klein-, Mittel- und GroBkliifte unterschieden, wobei die ersteren in ihrer Streichrichtung starker streuen und an Banken und Bankabfolgen stark unterschiedlicher Sprodigkeit meist absetzen (sog. bankinterne Kliifte) und z. T. andere Richtungen annehmen, wahrend Mittelkliifte bankiibergreifend sind und auch unterschiedlich sprode Banke durchschlagen. GroBkliifte sind meist nach den tektonischen Bruchrichtungen orientiert und streichen iiber mehrere Meter bis Zehnermeter durch. Aufgrund geometrischer Beziehungen zu den tektonischen Hauptstrukturen werden auBerdem Normal-, Langs-, Quer- oder Diagonalkliifte unterschieden. Kliifte Die Frage iiber die Entstehung der KlUfte wird in der international en Fachliteratur unterschiedlich diskutiert, obwohl Kliifte zu den wichtigsten geologischen Hilfsmitteln fiir die Interpretation tektonischer Strukturen und ihrer Entstehungsgeschichte gehoren. Trotz gleicher genetischer Vorstellung werden in der englisch-
sprachigen Literatur Kliifte entsprechend der urspriinglichen Definition als verschiebungsfreies Strukturelement allein als rein Offnende Bruchart streng von Verwerfungen mit verschiebender Bruchart unterschieden (s. d. MICHAEL 1994). In der deutschsprachigen Literatur geht man dagegen von der Vorstellung aus, dass die Bildung von Trenn- und Scherkliiften einen zusammengehorigen Prozess darstellt, wobei wegen der geringen Zugfestigkeit der Gesteine zuerst Zug- bzw. Trennbriiche aufreiBen, die sich bei weiterer Beanspruchung zu Scherbriichen entwickeln konnen. Bei der Entstehung von Zugbzw. Trennbriichen konnen der Porenwasserdruck und andere Randbedingungen (s. BAUCH 2005) eine erhebliche Rolle spielen. Neubriiche von Trennflachen sind z. B. bei dem scheibenformigen Zerfall von Bohrkernen oder bei Abschalungen an Tunnelwanden zu beobachten, die jeweils eine Reaktion auf den veranderten Spannungszustand sind. 1m Einzelnen ist es auBerst schwierig zu entscheiden, ob Kliifte primar als Trenn- oder Scherbriiche entstanden sind. Der hochkomplizierte Versagensmechanismus des Scherbruchphanomens wird meist anhand der stark idealisierten Vorstellung des triaxialen Druckversuches dargestellt (Abb. 3.4). Bereits GRIFFITH (1924) hat daraufhingewiesen, dass bei der Entwicklung von Rissen zunachst feine Mikrorisse, sog. GRIFFITH-Cracks, entstehen. Heute ist man nicht mehr auf solche allgemeinen Annahmen angewiesen. THERMANN et al. (2007) zeigen mit Hilfe von Computer-Tomogrammen wie sich bei einaxialer Belastung zunachst feine Zugrisse bilden, die bevorzugt an
120
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bautechnische Zwecke
3 I I I
I I ~I ,
I ' II
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~ ~
Abb. 3.4 Brucherscheinungen an einer Gesteinsprobe im dreiaxialen Druckversuch.
Kornrandern oder zwischen Kornern auftreten. Ausgehend von den Rissspitzen verbinden sich danach nahe beieinander liegende Mikrorisse zu groBeren Rissen, die sich bei beginnender Scherung entlang der Hauptrissrichtung ausbreiten und zu einem Versagen der Probe fiihren. Diese Makrorisse orientieren sich entweder nach mikrostrukturellen Vorschadigungen der Probe oder nahezu spiegelbildlich zur Hauptspannungsrichtung und es entwickeln sich Scherbruche. Die Kluftflachen sind im Anfangszustand meist eben und kornig-rau bis zackig-rau und z. T. treppenartig versetzt oder in Verzweigungen auslaufend. Scherbriiche zeigen anfangs nie Bewegungsspuren, wohl aber haufig sog. Besen- oder Ringstrukturen, aus deren Geometrie die Ausbreitungsrichtung des Bruches und die Orientierung der Hauptdruckspannung abgelesen werden konnen (KULANTER & DEAN 1985). Gelegentlich, d. h. in bestimmten Positionen, konnen auch spaltenartig geOffnete Schubbriiche (Zerrungskliifte) auftreten. Die meisten Gleitungsklufte diirften durch weitergehende oder wiederholte Beanspruchung aus einfachen Scherbriichen hervorgegangen sein. Gemeinsames Merkmal der Gleitungskliifte ist im Endzustand ihre ebene und glatte Oberflache oder das Vorliegen von Bewegungsspuren (Harnische, Striemungen). Sie durchtrennen das Gebirge iiber groBere Erstreckung. Unter Beriicksichtigung dieser genetischen Deutung kann in der Baupraxis folgendes gemischtes Einteilungsprinzip angewandt werden:
Kleinklufte
TrennungsklUfte und bankinteme Schubbruche; FliichengroBe meist < 1 m1 sellen mehr
MittelklUfte
mittlere Schubbruche bzw. einfache Scherklufte; FliichengroBe bis zu etwa 100 m1, bei groBen Bankdicken auch mehr; noch verspringende Ecken und Kanlen
GroBklufte
Gleitungsklufte; FliichengroBe in der Regel> 100 m2 Bewegungsspuren verhiiltnismiiBig selten erkennbar
Diese Einteilung hat zwar den Nachteil, dass im kleinen Aufschluss Kleinkliifte und kleine Mittelkliifte sowie auch groBere Mittelkliifte und GroBkliifte ohne erkennbare Bewegungsspuren schwer zu unterscheiden sind, es wird aber versucht, definierte Begriffe einzufiihren. Ais entscheidendes genetisches Merkmal kann in vielen Fallen die Erstreckung und die Flachenausbildung herangezogen werden. Dariiber hinaus ist es in den meisten Fallen aussichtslos, entscheiden zu wollen, ob Kliifte als Zug- oder Scherbriiche entstanden sind. AuBer diesen, im Wesentlichen bankrechten Kliiften, treten gelegentlich bankschrage oder xbzw. Y-formige Mittel- oder GroBkliifte auf, die sich haufig mit den bankrechten Kluftsystemen verschneiden bzw. diese durchtrennen. AuBer diesen weitgehend tektonisch bedingten Kluftsystemen treten in einigen Tonen und Tonsteinen haufig schichtgebundene, richtungslose Harnischgefiige auf, die auf Scherbewegungen bei der Konsolidation bzw. bei Schrumpf- oder Quellvorgangen, z. B. an Erosionsdiskordanzen wahrend der Ablagerung zuriickgefiihrt werden (s, Abschn. 3.4.3). Die betreffenden Tone weisen meist sehr hohe Plastizitat und hohe Anteile quellfahiger Tonminerale auf. Teilweise sind in diesen Schichten auch mit Feinsand gefiillte Trockenrisse anzutreffen (HOLLMANN & WEH 2009). Bei diesen Harnischgefiigen handelt es sich urn cm- bis dm-groBe richtungslose, glatte Flachen, die beim Anschneiden ein blockiges bis brockeliges Gefiige ergeben. Bekannt sind derartige Harnischgefiige von tertiaren Tonen und Tonsteinen (Miinchener Brockeltone), aber auch yom Brockelschiefer des Zechstein und auch yom Knollenmergel des Oberen Keuper. Die richtungslosen
121
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
HarnischgefUge miissen in den Bohrkernen erkannt und beschrieben werden. Sie bewirken eine stark reduzierte Gebirgsfestigkeit und eine deutliche Nachbriichigkeit des Gebirges.
3.4.3.2 Aufnahme und Beschreibung von Trennflachen Das wesentliche Ziel einer Trennflachenanalyse aus ingenieurgeologischer Sicht ist, anhand einer fUr die Praxis brauchbaren Systematik die geometrischen und mechanischen Eigenschaften der Trennflachen zu erfassen und in Gefiigemodellen zu verarbeiten. Unter Kliiftigkeit oder Klufthaufigkeit wird der Abstand der Kliifte einer Kluftschar verstanden. Das AufmaS der Kliifte sollte deshalb fUr die einzelnen Kluftscharen getrennt erfolgen. In einem flachigen Aufschluss wird das AufmaB von Kliiften entweder als Einzelkluftmessung vorgenommen, bei der nur einzelne GroBkliifte oder Kliifte besonderer Bedeutung, evtl. auch einzelne Kluftscharen kartiert und direkt in die mechanische Betrachtung einbezogen werden, oder konventionell als statistische Kluftauswertung, bei der fiir einen groBeren Bereich aIle erkennbaren Kliifte aufgemessen und im SCHMIDT'schen Netz ausgewertet werden. Hierbei ist auf raumliche Unterschiede zu achten, die getrennt analysiert, d. h. fiir unterschiedliche Homogenbereiche dargestellt werden miissen. ZweckmaBig sind systematische Messungen entlang moglichst gerader Linien (sog. "scan lines") in verschiedenen Richtungen. Auch Bohrungen stellen soIche "scan lines" dar. Fiir viele Bauaufgaben ist eine Einzelkluftmessung, ggf. in Kombination mit statistischer Kluftauswertung aussagekraftiger als eine rein statistische Darstellung (z. B. ingenieurgeologische Tunnelkartierung, Abschn. 17.4.1). Nicht sehen sind ungiinstig orientierte Einzelkliifte, die nicht einmal einem Maximum im Kluftdiagramm zuzuordnen sind, Ursache fiir einen Wandabbruch. An freien Steilwanden kann die Kluftkartierung auch mittels fotogrammetrischer Verfahren, 3 D-Laserscanner und anderen Methoden erfolgen. Derartige Messverfahren bilden zunehmend eine Alternative fUr die Gefiigeaufnahme an steilen Wanden (POTSCH et al. 2007 und Abschn. 15.2.5).
Vertikale Kernbohrungen geben bei steil stehenden Kliiften nur einen unzureichenden Aufschluss iiber das Kluftinventar. Giinstiger ist in soIchen Fallen die Aufnahme der Bohrlochwandung mit einem optischen Bohrlochwand-Scanner (s. Abschn. 4.8.3) oder mit einer Bohrlochfernsehsonde (Abschn. 4.8.1), womit besonders auch die Offnungsweiten der Kliifte erfasst werden konnen. Auch Schragbohrungen geben in gut kernfahigem Gebirge im Allgemeinen eine recht brauchbare Aussage iiber Kluftrichtungen quer bzw. schrag zur Bohrlochachse. Das AufmaB der Kliifte erfolgt am besten in bohrrichtungsgetreu ausgerichteten Holzgestellen direkt am Kern, wozu orientiert gebohrte Kernabschnitte (s. Abschn. 4.4.5.1) oder eine Orientierung der Kernstiicke iiber die Schichtung o. A. erforderlich sind. Die Darstellung der Kluftmessungen an Schragbohrungen kann mittels Lagenkugel oder nach Abb. 4.23 erfolgen. Die Bewertung von Kliiften an Bohrkernen ist relativ schwierig. Ein Hilfsmittel fiir die Bewertung der Gebirgszerbrechung ist der sog. RQD-Wert von DEERE (1963), s. Abschn. 4.5.3. Kluftrichtungen aus Bohrungen sind bei der Konstruktion tektonischer Strukturen zu beachten und sind oft aussagekraftiger als andere Kartierhilfsmittel. Fiir eine einheitliche Kennzeichnung der Trennflachen werden folgende Kennbuchstaben empfohlen: Schichtflache ss Schieferungsflache sf Kleinkluft k Kleinkluftschar kk GroBkluft K GroBkluftschar KK Storung St. In der Regel treten mehrere Kluftscharen auf, die dann mit numerischen Indizes k\, k2, k3 usw. bezeichnet werden konnen. Die Beschreibung der Trennflachen enthah je nach Aufgabenstellung folgende Angaben: Lage
nur bei GroBklGften, sonst Angabe des Homogenbereiches (5. Abschn. 3.2)
Art der Trennflachen
Schichtflachen (ss oder S~, Schieferungsflache (sf oder Sf A, GroBkluft (GK oder K ~, Mittel-/ Kleinkluft (K oder k ,(, Storung (St # )
122
3
3 Besehreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bauteehnisehe Zweeke
Raumstellung
Streiehen und Fallen (z. B. N 30· E, 70· SE) bzw. Fallriehtung und Fallwinkel (z .B. 120·/70·)
Abstand
senkreehter Abstand, getrennt naeh den einzelnen Kluftseharen; Angaben in m oder em
Erstreekung
Angabe in m oder m' (bezogen auf AufsehlussgroBe)
Besehaffenheit der Flaehen
eben, uneben, wellig, abgesetzt; Oberflaehe rau, glatt, spiegelglatt, gestriemt (Harnisehflaehen)
Belage, Verwitterungserseheinungen
Bellige (Mn, Fe, Kristallrasen), Verfarbung, Entfestigung (Tiefe in em), Losungserseheinungen
Offnungsweite
Angabe der mittleren, der groBten und der kleinsten Weite (in mm oder em)
Fullung
Quarzit, Caleit, Brekzie, Ton, Lehm usw.
Durehtrennungsgrad
Haufigkeit des Durehsetzens einer Kluft zur naehsten
Diehtigkeit
stellenweise Vernassung, Tropfwasser u. a. m. (s. d. Absehn. 17.2.5.2).
Die felsbaulich relevanten Informationen aus der Trennflachenaufnahme konnen in zwei Komplexe gegliedert werden: quantitative Angaben zu Raumlage, Abstand und GroBe (Erstreckung) qualitative Angaben zur Gesteinsausbildung, zur Oberflachenbeschaffenheit der Trennflachenwandungen und zur bffnungsweite bzw. der Fiillung sowie etwaiger Wasseraustritte. Die mechanische Wirksamkeit von Trennflachen wird auBer den genannten quantitativen Angaben und dem Grad der Durchtrennung besonders von der Ausbildung der Trennflachenwandungen und einer etwaigen Wasserfiihrung bestimmt. Die Beschreibung der Oberfliichenbeschaffenheit der Trennflachen erfolgt meist nur visuell. Dabei werden ebenflachige, stufige und wellige Oberflachenformen unterschieden, die jeweils wieder rau, glatt oder harnischartig ausgebildet sein konnen. In Anlehnung an EN ISO 14689-1: 2003 werden dabei drei GroBenbereiche unterschieden: Unebenheitsgrad im m 2-Bereich mit Unebenheiten von mehreren em Hohe
Makrorauigkeitsgrad im dm 2- Bereich mit Rauigkeiten von mehreren mm Hohe Mikrorauigkeitsgrad im cm 2 -Bereich mit Rauigkeiten bis zu 1 mm Hohe. Genaue Profilaufnahmen mit Gelande- oder Laborprofilographen bzw. die recht komplizierte Ermitdung von Rauigkeitskoeffizienten JRe nach BARTON & CHOUBY (1977) werden selten vorgenommen (Lit. s. HESSE & TIEDEMANN 1989, BROSCH et a1. 1990). Harnische sind Striemungen an der Oberflache einer Trennflache (Schicht- oder Kluftflache) infolge Bewegung und Druck. In Verwerfungsoder Storungszonen mit Paralleltextur konnen Lamellen von Harnischen auftreten, die von Lamelle zu Lamelle verschieden lang sein konnen. Wo Harnischlineationen auftreten, kann die relative Bewegungsrichtung aus der Orientierung der Lineationen und den senkrecht zur Bewegungsrichtung verlaufenden Abrissstufen, sog. Escarpments, erkannt werden (Abb. 3.5), deren Steilkanten immer gegen die Bewegungsrichtung angeordnet sind (WUSTENHAGEN et a1. 1990). Trennflachen konnen geschlossen oder geOffnet sein und zwar mit oder ohne Bestege bzw. sie konnen gefiillt sein. In der oberflachennahen Auflockerungszone sind die Kliifte haufig etwas geOffnet. Die Bestimmung der Offnungsweite von Trennfliichen ist in den meisten Fallen problematischer als dies zunachst erscheint. Die bffnungsweite ist abhangig von der Sprodigkeit und Bankigkeit des Gesteins, den Lagerungsverhaltnissen, dem tektonischen Beanspruchungsgrad,
Abb.3.5 Abrissstufen auf Harnisehfliiehen senkreeht zur Bewegungsrichtung.
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
der Exposition (Tal, Hang, Hochflache) und der Verwitterung. Die Ermittlung der Offnungsweite der Klufte ermoglicht Angaben uber die Gebirgsauflockerung und damit Ruckschlusse auf die Gebirgseinspannung (Scherfestigkeit, s. Abschn. 2.7.6), die Verformbarkeit sowie die Wasserwegigkeit. Durch Horizontalverformungen auf Schichtflachen kann es gemaB Abb. 3.3 auch zu einer partiellen Offnung der Schichtflachen und zur Ausbildung von sog. Bankungsfugen kommen. Die Offnungsweite kann wie folgt klassifiziert werden: weite oder klaffende Trennflachen 1,0-100cm offene Trennflachen 0,5-lOmm enge oder geschlossene Trennflachen < 0,5mm. Die EN ISO 14689-1: 2003 enthalt sehr detaillierte Bezeichnungen fUr die Offnungsweite mit acht Abstufungen von sehr eng « 0,1 mm) uber offen (0,5-2,5 mm) bis extrem weit (> 1 m). Klaffende Trennflachen (Spalten) sind i. d. R. nur in sproden, dicken Banken zu beobachten. In Wechselfolgen wird die Gebirgsauflockerung meist von zahlreichen kleineren Kluften ohne groBe Offnungsweiten gebildet, wobei verstarkt Ausgleichsbewegungen auf Schichtflachen anzunehmen sind. Die Tatsache, dass in Oberflachennahe die meisten Kliifte etwas offen sind, lasst hier eine etwas groBere Kluftdichte vermuten. Das Kluftschema ist aber meist das Gleiche wie in groBerer Tiefe. Auch die sog. HangzerreiBungskliifte werden selten neu gebildet, sondern folgen meist dem tektonisch angelegten Kluftsystem, wobei sich umgekehrt die Talrichtung oft nach den tektonischen Kluftsystemen ausgebildet hat. Die Ursache dieser oberflachennahen Gebirgsauflockerung sind Entspannungsvorgange im Gebirge. Bei einseitiger Entlastung sich einstellende Spannungsumlagerungen und erhohte Horizontalspannungen (s. Abschn. 2.6.9) bewirken sowohl Gleit- und Kriechvorgange als auch eine zunehmende Offnung von Kluften und eine Gebirgsauflockerung. Die Auflockerungstiefen reichen im Rheinischen Schiefergebirge durchschnittlich 30 bis 40 m hinab, wobei in einer 10 bis 15 m machtigen Oberzone haufig Lehmfiillungen zu beobachten sind. Fur die Wechselfolgen des Buntsandsteins in Osthessen werden
123
Auflockerungstiefen von 20 bis 30 m genannt, fur das dickbankige Buntsandsteingebirge bis zu 50 m, wobei zusatzlich die horizontale Reichweite der HangzerreiBung mit 100 bis 200 m angegeben wird (s. PRINZ 1997, darin Lit.). AuBer der oberflachenahen Gebirgsauflockerung tritt nach den Erfahrungen bei Tunnelbauten im Buntsandsteingebirge Osthessens an bestimmten tektonischen Strukturen auch eine tiefreichende tektonische Gebirgsauflockerung auf, mit teilweise extrem niedrigen Verformungsmoduln des Gebirges (s. Abschn. 2.6.8). Ais Ursache fUr diese erhohte Verformungsanfalligkeit des Gebirges werden ausgepragte Kluftung mit Kluftweiten bis uber 1 mm, die geringe inn ere Verspannung des Gebirges aufgrund offener Zerrungsklufte sowie die groBe Mobilitat tonsteinreicher Wechselfolgen, besonders an Trennflachen mit Bewegungsspuren, angesehen. Nach den vorliegenden Erfahrungen ist dabei zwischen kompetenten Abfolgen und inkompetenten Wechselfolgen zu unterscheiden, die eine wesentlich groBere Kluftkorperbeweglichkeit und Verformbarkeit aufweisen. Diese erhOhte Verformungsanfalligkeit trifft auch fUr den oben angesprochenen Bereich der verstarkten HangzerreiBung zu und ist besonders bei groBflachigen Bauten oder Linienbauwerken in der Nahe bzw. bei Annaherung an groBere Taleinschnitte zu beachten. Bei Angaben uber das Kluftvolumen ist zwischen dem Gesamtkluftvolumen, dem durchflusswirksamen Kluftvolumen und letztlich auch einem noch schwerer abschatzbaren verformungswirksamen Kluftvolumen zu unterscheiden. Das durchflusswirksame Kluftvolumen wird nach der WasserfUhrung ermittelt (s. Abschn. 2.8.2). Das Gesamtkluftvolumen kann bei entsprechenden Aufschlussverhaltnissen durch Aufmessen der KluftOffnungsweiten in zwei senkrecht aufeinander stehenden Aufschlussebenen abgeschatzt werden. Die Aussagekraft solcher Messungen ist jedoch begrenzt. Im Bereich der HangzerreiBung kann das Gesamtkluftvolumen 5-10 % erreichen, in ungunstiger tektonischer Situation auch mehr als 15% (Abb. 3.6). Bei den Kluftfiillungen muss grundsatzlich zwischen an Ort und Stelle entstandenen, autochthonen Zwischenmitteln sowie Fullungen aus Fremdmaterial, sog. allochthonen Zwischenmitteln unterschieden werden. Zu der erstgenannten
124
3 Besehreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bauteehnisehe Zweeke
3
Abb. 3.6 Sehematisehe Darstellung der Gebirgsaufloekerung an einem Talhang in tektoniseh ungunstiger Situation mit Spaltenoffnungen von 5 bis 8 em (aus GEISSLER & MOKER 1993)
Gruppe gehoren z. B. Verschiebungsbrekzien oder feinkornige Kataklasite, eingequetschtes Material und Verwitterungsruckstande. Zu der zweiten Gruppe von Kluftfullungen gehoren von der Oberflache eingespultes Material oder umgelagerte Residualbildungen. Hinweise auf die Genese der Kluftfiillungen ki:innen tonmineralogische oder gegebenenfalls auch mikropalaontologische Untersuchungen bringen. Der Kluftabstand ist nicht nur von der mechanischen (tektonischen) Beanspruchung des Gebirges abhangig, sondern sehr stark vom Gestein und der Bankdicke. Zahlreiche Autoren geben sogar formelmaBige Beziehungen zwischen Bankdicke und der Kliiftigkeit an (BROSCH 1983). Die Verteilung der Kluftabstande ist jedoch nicht stetig, sondern kann zonenweise zwischen eng- bis mittelstandig und weitstandig wechseln. Die MaBangaben fur den Trennflachenabstand (Kluftabstand und Bankdicke) sind nicht einheitlich. Am gebrauchlichsten ist heute die 2er- bis 6er-Einteilung der IAEG (MATULA 1981) und der EN ISO 14689-1: 2003: auBerordentlich engstiindig, laminiert bzw. geschiefert
< 20mm
sehr engstandig bzw. sehr dGnnbankig
20- 60 mm
engstiindig bzw. dGnnbankig
60 - 200 mm
mittelstandig bzw. mittelbankig
200- 600 mm
weitstandig bzw. dickbankig
600-2000 mm
sehr weitstiindig bzw. sehr dickbankig
> 2000 mm
Das FGSV-Merkblatt verwendet eine etwas andere Einteilung des Trennflachenabstandes und enthalt auch Definitionen fUr die Neigung von Flachen sowie fur den Schnittwinkel mit der Trassenachse. Als Kliiftigkeitsziffer nach STINI wird die Anzahl der Klufte pro Meter Gebirgsaufschluss bezeichnet. Die Kluftigkeitsziffer stellt somit einen reziproken Wert der Kluftabstande dar, ohne Berucksichtigung der verschiedenen Kluftscharen und der wahren Kluftabstande senkrecht zu den einzelnen Kluftflachen. Unter Zerlegungsgrad des Gebirges wird in der Praxis die Anzahl der Trennflachenausbisse auf 1 m Aufschlusslange, auch verschiedener Kluftscharen, verstanden:
20
v6liig zerlegt
125
3.4 Besehreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
Hinzu kommen dann Begriffe wie brekzios, zerschert, zermahlen bzw. verheilt. Der ebene KluftfHichenanteil bzw. Durchtrennungsgrad gibt an, in welchem MaBe das Gebirge in einer Kluftebene durchtrennt ist bzw. noch Materialbrucken vorliegen. Er ermoglicht damit eine quantitative Aussage uber die Wertigkeit der einzelnen Kliifte bzw. Kluftscharen in Bezug auf die Teilkorperbeweglichkeit, insbesondere die Scherfestigkeit des Gebirges. Der ebene Durchtrennungsgrad kann in einer Aufschlussebene, z. B. durch Angabe der Erstreckungslange ermittelt werden. Er betragt bei Schichtflachen nahe 1,0 (100%), bei GroBkluften 0,5-1,0 und bei Klein- und Mittelkluften in Wechselfolgen 0,2 bis 0,8. Der raumliche Durchtrennungsgrad, auch als Trennflachendichte bezeichnet, ergibt sich als Produkt aus dem mittleren Kluftabstand und dem ebenen Durchtrennungsgrad und wird meist in m 2 /m3 angegeben (KLEIN & DURRWANG
kompakt
keine erkennbar offenen Trennfiachen, gute Verzahnung
maBig aufgelockert
geringer Reibungsschluss innerhalb der Trennflachenschar
aufgelockert
mehrere offene Trennflachenscharen mit geringem Reibungsschluss
lose
Kluftkorper ohne Reibungssehluss, nahezu loses Haufwerk.
Die einzelnen Kluftkorper sind im Gebirge mehr oder weniger nachgiebig eingespannt. 1m Hohlraumbau gilt als maBgebend, ob es sich dabei urn kinematisch freie oder nicht freie Kluftkorper handelt (BLUMEL et al. 2002). Mit der Blocktheorie von GOODMAN & SHI (1987) ist es moglich, kinematisch freie Kluftkorper, sog. "keyblocks", zu erfassen, die allseits abgetrennt sind und deren Herausgleiten geometrisch moglich ist.
1994).
Die Klufikorpergro6e und -form ist das Produkt aus dem Kluftabstand der verschiedenen Kluftscharen und ihrem Durchtrennungsgrad und wird am besten bereits im Aufschluss ermittelt. Fur die Beschreibung der Form der Kluftkorper kann die Klassifikation nach MULLER (1990) oder die GroBeneinteilung nach EN ISO 146891, Tab. 9, mit einer Kantenlange von klein
6-20 em,
mittel
20-60 em,
groB
60-200 em und
sehr groB
> 200 em
verwendet werden. Die GroBe und Form der Kluftkorper hat z. B. Bedeutung bei der Unterscheidung der Felsklassen 6 und 7 nach DIN 18300 (s. Abschn. 3.3.1) sowie fUr die Beurteilung der Sprengbarkeit (s. Abschn. 12.1). Unter Verbandsfestigkeit wird die Einspannung der Kluftkorper, der Reibungsschluss und die Losbarkeit in einer bevorzugten Richtung verstanden. Sie ist abhangig von der Kluftigkeit, dem Durchtrennungsgrad und der Offnungsweite der Trennflachen:
.4.3.3 Darstellung es Trennflachengefuges Fur die Darstellung des TrennflachengefUges wird allgemein die Lagenkugel nach SCHMIDT verwendet. Die Darstellung der Kluftrose gibt hingegen nur die Richtungshaufigkeiten des Streichens an und berucksichtigt nicht das Einfallen und die geometrischen Beziehungen zwischen den einzelnen Flachen. In der flachentreuen Polarprojektion der unteren Halbkugel (Abb. 3.7) erscheinen geologische
W
Abb. 3.7 Sehematisehe Darstellung einer Flaehe (150/60 NE) in der Lagenkugel.
3
126
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bautechnische Zwecke
3
Abb. 3.8 Abgleiten eines von Schichtung (SS) und KIOftung (KL) begrenzten Gleitkeils in GroBkreisdarsteilung und im Blockbild (aus HEITFELD 1982).
Flachen oder Schnitte entweder als durch den Mittelpunkt gehende GroBkreise (S) oder als DurchstoBpunkte (P) der Flachennormalen im Mittelpunkt. Randnahe Flachenpole (DurchstoBpunkte) bedeuten steilstehende, mittelpunktnahe Flachenpole flachliegende Flachen. SolI dartiber hinaus die Wertigkeit einzelner Trennflachen (-scharen) dargestellt werden, so konnen den Polpunkten Symbole zugeordnet werden. Die statistische Auswertung erfolgt iiblicherweise mit Hilfe von EDV-Programmen. Die Darstellung der Raumlage von Flachen erleiehtert es, den Einfluss des Trennflachengefiiges auf gekliiftete Felsbereiehe abzuschatzen (JOHN & DEUTSCH 1978). 1m Felsbau wird haufig die Darstellung in GroBkreisen gewahlt, weil so auf relativ einfache Weise raumliche Standsieherheitsbetrachtungen durchgefiihrt werden konnen (Abb.3.8). Fiir die Streichrichtungen von Kliiften und Storungszonen werden auBer direkten Winkelangaben (besser) in Anlehnung an tektonische GroBstrukturen Mitteleuropas folgende Begriffe verwendet: rheinisch
0°-30°
Schwerpunkt
± 15° erzgebirgisch
30°-60.
Schwerpunkt
± 45° schwabisch
60°-90.
Schwerpunkt
75°
flachherzynisch
steilherzynisch
eggisch
90°_ 120·
Schwerpunkt
120·ISO·
Schwerpunkt
150 0 180·
Schwerpunkt
± lOS· ± 135· f
165 0
3.4.4 Ausbildung und bruchmechanische Deutung von tektonischen Storungszonen Grundlage der heutigen Vorstellungen tiber die tektonischen Krustenbewegungen ist, dass die kontinentalen Krustenblocke in gewisser Tiefe horizontal abgetrennt sind und sich iiber dies en Horizonten bewegen. Dabei ist es in der geologischen Vergangenheit zu betrachtlichen horizontalen Verschiebungen sowie zu Verdrehungen (Rotation) und zu einem Zerbrechen von Krustenblocken zwischen etwa parallel verlaufenden Scherbruchzonen gekommen. Die tektonische Beanspruchung wird haufig idealisiert auf eine Kombination von ebenen und nieht ebenen Schubdeformationen zuriickgefiihrt, wie dies ROSSMANITH (1989) am Beispiel der Abb. 3.9 verdeutlieht. Der Deformationsherd befindet sieh dabei meist in gri)Berer Tiefe (s. Abschn. 4.2.3.1). Nahe der Erdoberflache sind
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
127
3
,,
+
a)
"-
x
'"
I~
, \
y
'\ II-
Deckschlchlen
Abb. 3.10 Entwicklung von Scherstrukturen in den Deckschichten. Oben Blockbilddarstellung, unten Grundriss und Querschnitt (nach MANDL 1989).
Abb. 3.9 Bruchmechanische Deutung einer Erdbebenbzw. Verwerfungszone in SLidkalifornien (nach RossMANITH 1989): a) Erkennbare Bruchzonen. b) Deutung als mode-Ill-Bruch mir gr6Berer Verschiebung (Verwerfung). c) Dreidimensionale Geometrie der Verschiebungsflache.
nur die Spuren des Bruchsystems zu erkennen. Die von MANDL (1989) aufgezeigten Bruchstrukturen (Abb. 3.10) zeichnen sich im Gebirge bei entsprechend graBen Aufschlussen oft recht gut ab (s. Abschn. 17.4.1). Als Ausli:iser der Bruchvorgange im Gebirge werden Spannungskonzentrationen und plotzliche Entspannungsvorgange angenommen, die von Erdbeben begleitet sind. Da die einzelnen Erdbebenereignisse meist nur geringe Verschiebungsbetrage aufweisen (s. Abschn. 4.2.3.1), ist davon auszugehen, dass das heute vorliegende Verwerfungs- bzw. Storungs- und Kluftmuster die komplizierte Uberlagerung von einer graBen Zahl von bruchauslosenden und rissausbreitenden Ereignissen darstellt.
Die Entstehung und Ausbildung tektonischer StOrungszonen kann man sich vereinfacht wie folgt vorstellen: Geht die in Abschn. 3.4.3.1 beschriebene bruchmechanische Beanspruchung des Gebirges (zu GraBkluften) weiter, so bilden sich tektonische Scherzonen (Verwerfungen) mit vertikalen und/oder horizontalen Relativverschiebungen sehr unterschiedlicher Betrage aus. Gemeinsames Merkmal ist zunachst ihre lineare Erstreckung und die zunachst schmale Scherzone, in der sich die Gleitverschiebung der Gebirgsschollen vollzogen hat. Das tektonische Regime wird dabei von der GroBe der 3 Hauptnormalspannungen (Sv Vertikalspannung, SH groBte horizontale Hauptspannung, Sh kleinste horizontale Hauptspannung) bestimmt (Abb. 3.11). Unterschieden werden je nach dem Verhaltnis der 3 Hauptspannungen ein Abschiebungsregime, ein Aufschiebungsregime oder ein Horizontalbzw. sog. Blattverschiebungsregime. Je nach Bewegungsablauf zeigt sich im Endergebnis oft eine abwechselnde Konzentration des Schervorganges auf einzelne Scherflachen oder auf unter-
128
3 Beschreibung und Klassifikation von Boden und Fels fUr bautechnische Zwecke
3
GroBklOfle
Verwerfung
Storungszone
Abb.3.12 Schematische Darstellung von GroBklOften, einer Verwerfung und einer Storungszone, deren Bruchformen eine Horizontalverschiebung andeuten.
Blattverschiebungsregime SH SH>Sv>Sh
Abb. 3.11 Darstellung des tektonischen Regimes in Abhiingigkeit von der GroBe der drei Hauptspannungen (nach REINECKER & WENZEL 2006).
schiedlich breite Scherstrukturen. Bei der ingenieurgeologischen Ansprache kommt es in erster Linie auf die Ausbildung der Verwerfungs- bzw. StOrungszonen an, d. h. auf den Grad der Gebirgszerlegung und Bewegungsspuren auf den TrennfHichen, die bei Beanspruchung das Deformationspotential verstarken (PCITTLER et al. 2006). Eine Verwerfung ist eine mehr oder weniger ebene Verschiebungsflache, wahrend eine tektonische StOrungszone zusatzlich von einer unterschiedlich breiten Zone verstarkter Gebirgszerlegung begleitet ist (Abb. 3.12). Entscheidend ist dabei weniger das vertikale VersatzmaB als die Breite und Ausbildung der Storungszone, eine etwaige Gebirgsauflockerung (bes. unter hydrothermalen Einwirkungen) sowie die Art der einzelnen Deformationsbahnen. Storungszonen zeigen oft einen zonaren Aufbau (Abb. 3.l3). Neben cler Hauptbewegungsflache treten dann mehr oder weniger stark zerscherte oder gekliiftete Ubergangszonen zum intakten Nebengestein auf. BROSCH et al. (2006) beschreiben einen solchen inneren Aufbau einer groBeren Storungszone und bringen eine Klassifikation der unverfestigten Storungsgesteine mit chaotischer Textur, auch
Block-in -Matrix-Gesteine oder Bimrocks genannt (s. Abschn. 3.2.2). Ihr Verhalten hangt ab yom Anteil harter Gesteinsblocke aller GroBen in der feinkornigen, geringfesten Grundmasse (s. RIEDMULLER et al. 2001). Bei einem Steinanteil < 25 % und nicht verfestigter oder entfestigter Matrix liegt in der Regel Lockergesteinsverhalten VOf. Verfestigte Block-in-Matrix-Gesteine werden auch als tektonische Brekzien bezeichnet. Besonders verformungsanfallig sind Storungsgesteine mit sehr hohem, haufig hydrothermal bedingten Tonanteil, die infolge Mineralumwandlung bzw. -neubildung quellfahige Tonminerale (Montmorillonit) enthalten konnen und dann oft nur sehr geringe Scherfestigkeiten auf-
Tektonische Slorungszone starker zerkluftele Zone
Ubergangs. Kernzone
zone
slarker zerklUflele Zone
Hauplbewegungsllache
Abb. 3.13 Schematischer Aufbau einer tektonischen Storungszone mit vollig zerschertem Kern und entsprechenden Obergangsbereichen (nach BROSCH 2006).
129
3.4 Beschreibung von Gestein und Gebirge (Fels)
Defonnabonsbedingungen:
Temperaturl drucl Aufschlussarbeiten nur ausnahmsweise und im Einvernehmen mit der Wasserbehorde und den betr. Wasserversorgungsunternehmen. Schiirfe und Bohrungen sind, abgestimmt auf die urspriinglichen Verhaltnlsse, sorgfaltig und kurzfristig zu verfiillen. Die eingesetzten Gerate sind gegen 01- und Treibstoffverluste zu sichern (Olauffangwannen).
4.4 Direkte Aufschlussmethoden
Zone III
Weitere Schutzzone bis 2 km '" A
Schiirfe und Bohrungen sind, abgestimmt auf die urspriinglichen Verhaltnisse, sorgfaltig zu verfullen. Grundwassermessstelien sind in den oberen Metern notigenfalls zu zementieren. Versickerung von Wasser gefahrdenden Fliissigkeiten (Treibstoffe, Hydraulikol, Schmiermittel) ist durch Folien o. A. zu verhindern. liegen Bohrpunkte naher als etwa 500 m zu den Gewinnungsanlagen, so konnen zusatzliche MaBnahmen notig werden.
uber 2 km III B
Gewisse Erleichterungen gegenuber III A moglich.
In den Heilquellenschutzgebieten (HQSG) sind auBer den qualitativen Schutzzonen I-III (fruher I-IV) besonders die Zonen A und B (fruher A bis D) gegen quantitative Beeintrachtigung maBgebend (Zone A = engerer Zustrombereich, Zone B = weiterer Zustrombereieh). Fur den qualitativen Schutz wird auch auf das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (1995) verwiesen (s. a. HOLTING & COLDEWEY 2009:304). Wasserschutzgebiete alleine gewahrleisten keinen flachendeckenden Grundwasserschutz. Hierzu mussten der geologische Untergrundaufbau und die komplizierten Vorgange im Boden starker in den Grundwasserschutz einbezogen werden. Oberstrom von Gewinnungsanlagen sollte deshalb nur mit sauberem Wasser gebohrt werden und z. B. nieht etwa mit Wasser aus verunreinigten Bachen. In Grabungsschutzgebieten ist nach den Denkmalschutzgesetzen (DSchG) der Bundeslander fur Grabungen und auch Bohrungen, welche verborgene Kulturdenkmaler gefahrden konnen, eine Genehmigung der Unteren Denkmalschutzbehorde einzuholen. Die Denkmalschutzbehorden konnen in den meisten Fallen vorab sagen, ob in einem bestimmten Gebiet Bodendenkmaler zu erwarten sind und ob eine etwaige Bergung einzukalkulieren ist (s. Abschn. 10.1). In Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten ist gemaB BNatSchG auBerdem ein Antrag
157
auf Genehmigung zur Durchfiihrung der Aufschlussarbeiten bei der Unteren NaturschutzbehOrde zu stellen. Hierbei wird Wert darauf gelegt, dass Tiere zur Brutzeit nicht gestOrt werden, der Vegetationsbestand geschont und die Bohrstellen rekultiviert werden. Wichtig ist bei allen Aufschlussarbeiten auch die Beachtung von Ver- und Entsorgungsleitungen (Starkstrom, Strom, Telefon, Gas, Wasser, Abwasser, Fernheizung, Flugsicherungsleitungen, Pipelines u. a. m.) sowie eine Befragung, ob auf dem Gelande Kampfmittel liegen konnen. In ehemaligen Bombenabwurfgebieten ist erfahrungsgemaB mit einer Blindgangerrate von lO15 % aller abgeworfenen Bomben zu rechnen. Als Grundlage fur die Suche konnen unmittelbar nach dem Angriff aufgenommene Luftaufnahmen der Alliierten herangezogen werden, in denen die Einschlage von Blindgangern als kleine Punkte erkennbar sind. Werden auf einer Baustelle Blindganger, Munition o. A. angetroffen, so ist die Fundstelle abzusperren und die nachste Polizeidienststelle sowie der Kampfmittelraumdienst zu benachrichtigen.
4.4.2 Art und Umfang der Baugrunderkundung In DIN EN ISO 22475 sind die Voraussetzungen und die technischen Grundlagen fUr eine Baugrunderkundung im Einzelnen festgelegt (s. Abschn. 4.1). DIN EN ISO 22 475-1 behandelt die Aufschlussarbeiten durch Bohrungen, Schurfe und Kleinbohrungen sowie die Entnahme von Proben und auch Grundwassermessungen. GemaB DIN ISO/TS 22475-2 mussen die Bohrunternehmen und das eingesetzte Personal ein Sachkunde- bzw. Konformitatszertifikat nachweisen (s. Merkblatt Fortbildung und Qualifikationsnachweis, 2007). Die DIN EN ISO 22475-1 enthalt auch Angaben uber die zahlreichen Protokolle, die im Rahmen von Aufschlussarbeiten zu fiihren sind, angefangen von einem Formblatt mit Vorabinformationen uber die auszufuhrenden Arbeiten mit Angaben uber Altlasten und sonstige Gefahrdungen bis hin zu einem Verfullprotokoll der BohrlOcher. Weitere zugehOrige Einzelnormeri sind die DIN EN ISO 14 688 und 14 689 (Klassifizierung von Boden und Fels), die Nor-
4 Erkundungsmethoden
158
menreihe DIN EN ISO 22476 (Felduntersuchungen) und die Normenreihe DIN EN ISO 22282 (geohydraulische Bohrlochversuche). Auf die DVGW-Arbeitsblatter wird ebenfalls verwiesen. Der Umfang der Untersuchung, d. h. der Abstand und die Tiefe der Aufschliisse ist abhangig von den geologischen Gegebenheiten, den Bauwerksabmessungen und den bautechnischen Fragestellungen. Die Normen enthalten detaillierte Angaben dariiber. Die endgiiltige Festlegung der Bohransatzpunkte erfolgt dann nach Erhebungen vor Ort bzw. statistisch verteilt. Bei Hoch- und Industriebauten betragt der Abstand der Aufschliisse iiblicherweise 20 bis 40 m, bei grof5flachigen oder lang gestreckten Bauwerken auch bis 60 m. Die Bohrungen sind so tief zu fiihren, dass alle Schichten, welche Einfluss auf die Standfestigkeit und die Setzungen des Bauwerks sowie auf die Wasserfiihrung des Baugrundes haben, erfasst werden. Die Aufschlusstiefe (z.) betragt mindestens 6 m ab Fundamentsohle bzw. Aushubsohle, bei Pfahlgriindungen ab Pfahlfuf5ebene. Dariiber hinaus geben die Normen weitere Angaben fiir z. in Abhangigkeit yom Bauwerk (auch Erdbauwerke und Hohlraumbauten) sowie der Art und den Abmessungen der Griindungskorper bzw. der Baugrubentiefen und der Grundwasserstande. 1m Felsuntergrund darf die Bohrtiefe auf 2 bis 5 m unter Bauwerkssohle reduziert werden. Bei Trassenuntersuchungen betragen die durchschnittlichen Bohrabstande je nach Vorkenntnissen sowie den Gelande- und Untergrundverhaltnissen 20 bis 200 m, im Mittel etwa 100 m (ZTVE-StB 09), bei tiefer liegenden Tunneln auch mehr (s. Abschn. 17.2.3). In Hanglage miissen im Bedarfsfall Querprofile mit 2 oder 3 Bohrungen abgebohrt werden. Bei Briickenbauwerken soilen grundsatzlich alle Fundamentstandorte mit je 2 bis 4 Aufschliissen untersucht werden. Letztendlich hat sich aber der Untersuchungsaufwand nicht nur nach dem Bauwerk zu richten, sondern in erster Linie nach der Variabilitat des zu erwartenden Untergrundes. Je nach zu erwartenden Untergrundverhaltnissen und der Art des geplanten Bauvorhabens konnen Schiirfe, Bohrungen und/oder Sondierungen die zweckmaf5igste und wirtschaftlichste Aufschlussmethode sein. 1m Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens ist heute in der Regel der Nachweis fehlender
Schadstoffbelastung des Baugrubenaushubs zu erbringen (s. Abschn.16.6). Angaben iiber etwaige Altlasten und sonstige Gefahrdungen sind im Vorabinformationsprotokoll zu vermerken. Bei den Aufschlussarbeiten ist zusatzlich immer auf Anzeichen von Bodenkontaminationen zu achten (s. Abschn. 16.4.2.1). Sofern bei den Aufschlussarbeiten Anzeichen auf Bodengase auftreten, sind umgehend die zustandigen Behorden zu informieren (DIN 4020; s. a. Abschn. 16.7.6 und 17.2.6).
4.4.3 Einteilung der Bodenund Gesteinsproben, Probenentnahmeverfahren Nach DIN EN ISO 22475-1 werden bei der Entnahme von Bodenproben folgende Verfahren unterschieden: Durchgehende Gewinnung von Proben mittels Bohrverfahren Probenentnahme mittels Entnahmegeraten Entnahme von Blockproben. Dariiber hinaus werden drei Kategorien der Probenentnahme definiert, bezogen auf die Giiteklassen von Bodenproben fiir Laborversuche, je nachdem , welche Eigenschaften daran ermittelt werden soilen (Tab. 4.3): Kategorie A fUr Proben der Giiteklasse 1-3 (SA) Kategorie B fUr Proben der Giiteklasse 3-5 (SB) Kategorie C nur fiir Proben der Giiteklasse 5 (SC).
Die notwendige Anzahl der zu untersuchenden Bodenproben muss anhand des Schichtaufbaus, der Homogenitat des Untergrundes, der geotechnischen Fragestellung bzw. Kategorie des Projektes und letztlich nach der regionalen Erfahrung festgelegt werden. Die DIN EN 1997-2 gibt fUr einige Versuchsarten konkrete Mindestzahlen an (s. Abschn. 2.6-2.8). Nach der Norm werden auf5erdem folgende Arten von Bodenproben bzw. Probekorper unterschieden: Natiirliche Proben, gestort oder ungestort Aufgearbeitete, durchwalkte Proben
159
4.4 Direkte Aufschlussmethoden
Tabelle 4.3 GOteklassen von Bodenproben fOr Laborversuche (nach DIN EN 1997-2). Guteklasse
Feststellbar sind im Wesentlichen
Bodenproben unverandert in
l, w,
r. E.. r
Feinschichtgrenzen Kornzusammensetzung Konsistenzgrenzen Grenzen der Lagerungsdichte Kornwichte organische Bestandteile
Wassergehalt Wichte des feuchten Bodens Wasserdurchlassigkeit Steifemodul Scherfestigkeit
2
l,w,
r
Feinschichtgrenzen Kornzusammensetzung Konsistenzgrenzen Grenzen der Lagerungsdichte Kornwichte
organische Bestandteile Wassergehalt Wichte des feuchten Bodens Porenanteil Wasserdurchlassigkeit
3
l,w
Schichtgrenzen Kornzusammensetzung Konsistenzgrenzen Grenzen der Lagerungsdichte
Kornwichte organische Bestandteile Wassergehalt
4
l
Schichtgrenzen Kornzusammensetzung Konsistenzgrenzen
Kornwichte organische Bestandteile
Schichtenfolge
5 (auch l verandert, unvollstandige Bodenprobe)
Anmerkung: GOteklasse 1 zeichnet sich gegenOber GOteklasse 2 dadurch aus, dass auch das KorngefOge unverandert bleibt. Hierin bedeuten: Z
~
w
~
Kornzusammensetzung Wassergehalt
y
~
Wichte des feuchten Bodens
E,
~
r
~
Steifemodul Scherfestigkeit
Wiederhergestellte Proben Schlamm, Auffullung)
(Sand,
Kies,
Gestorte und auch wiederhergestellte Proben sollten moglichst die gleiche Zusammensetzung, Dichte und Wassergehalt haben, wie der anstehende Boden. Besonders bei der Entnahme von Bodenproben aus kiesig-sandig-schluffigen Wechsellagerungen ist darauf zu achten, dass ein nicht erkannter Sand- oder Schluffanteil, auch einzelner Lagen, zu gravierenden Fehlbeurteilungen der GebirgsdurchHissigkeit sowohl in horizontaler als auch besonders in vertikaler Richtung fiihren kann (s. Abschn. 2.8.5). Wenn keine Bohrproben ausreichender Qualitat gewonnen werden konnen, sind mittels beson-
derer Entnahmegerate ungestorte Bodenproben (ehem. Sonderproben) zu entnehmen. Die verschiedenen Entnahmegerate und die Probenbehandlung sind in DIN EN ISO 22475-1 beschrieben. Ublich sind sog. offene Gerate (OS), d. S. dunn - oder dickwandige Stahlzylinder o 120 mm, die in den Boden eingedruckt oder eingerammt werden. Die Anforderungen an die Entnahmezylinder und bei der Entnahme sind in der Norm geregelt. Die Entnahmezylinder sind sofort mittels Klebeband, Kunststoff- oder Gummikappe bzw. Ceresinverguss gegen Austrocknung zu versiegeln und unverzuglich der Untersuchungsstelle zuzuleiten. Absolut ungestorte Bodenproben aus Bohrungen gibt es nicht. Die Proben sind auch bei vor-
4
160
sichtiger Entnahme haufig etwas gestaucht, so dass die Ergebnisse der Laborversuche vielfach zu giinstig ausfallen (s. Abschn. 2.3.3). Die Verdichtung bzw. auch partielle Auflockerung der Proben bei der Entnahme haben GALLMEISTER et al. (2007) mittels Rontgen-Computertomographie analysiert und bewertet. Aus Schiirfen und anderen GroBaufschliissen ki:innen Ausstechzylinder-Proben entsprechend vorsichtig entnommen oder auch GroBproben 0 400 mm bzw. sog. Blockproben genommen werden. Die Verfahren zur Entnahme von Festgesteinsproben sind in zahlreichen internationalen und nationalen Empfehlungen und Normen angesprochen (PLINNINGER et al. 2008). Die Anzahl und die Art der Proben richtet sich einerseits nach den technischen Anforderungen der Entnahme, der Bearbeitung und der Versuchstechnik sowie andererseits nach den geotechnischen Anforderungen und der Reprasentativitat der Ergebnisse (s. Abschn. 17.2.8). Nach DIN EN ISO 22475-1 werden folgende Moglichkeiten unterschieden: durchgehende Gewinnung aus guten Kernstrecken Entnahme von Blockproben aus GroBaufschliissen ganzheitliche Probenentnahme (Integral Sampling; S. Abschn. 4.4.5.1). In der Norm sind auch fur Fels drei Kategorien der Probenentnahme definiert: Kategorie A - keine oder nur leichte Storung der Felsstruktur Kategorie B - nieht oder leicht gestorte Felsstucke in ansonsten gestortem (angewitterten) Gebirge Kategorie C - vollig entfestigte Felsstruktur (z. B. Bohrklein). Fiir Festigkeitsbestimmungen an Gesteinsproben miissen die Kategorien A oder B vorliegen, Kategorie B gibt dabei nur harte Einzelproben in einem ansonsten entfestigten Gebirge an. Die Kategorie A erfordert zumindest den Einsatz von Doppelkernrohren und sofortige Entnahme und Verpackung in Kunststoff- oder Alufolie sowie umgehenden Transport zur Priifstelle. Bei veranderlichfesten Gesteinen (Abschn. 3.4.1) ist der Einsatz von PVC-Linern von Vorteil. Bereits leicht veranderlichfeste Gesteine durfen
4 Erkundungsmethoden in der Regel keiner anfanglichen Trocknung ausgesetzt werden, von der bereits eine Gefiigelockerung ausgehen kann. Andererseits kann bei diesen Gesteinen eine Veranderung des natiirlichen Wassergehalts auch zu hoheren Festigkeitswerten fiihren (s. Abschn. 2.6.10.2 und PLINNINGER & BRUELHEIDE 2007; PLINNINGER et al. 2008). Die Beprobung anisotroper Gesteine erfordert Probekorper mit einer definierten Orientierung der Strukturelemente. Notigenfalls ist die maBgebende Gefiigeriehtung auf der Probe zu kennzeiehnen. Die entnommenen Proben miissen fiir die jeweilige Gesteins- bzw. Gebirgsart reprasentativ sein (Homogenbereich). Die ProbengroBe ist auf das Gestein und die Versuchsart abzustimmen (PLINNINGER et al. 2008). Bei Blockproben wird eine MindestgroBe von 30 x 20 x 20 cm empfohlen (DIN 52101). Die Anzahl der Proben muss auBerdem eine statistisch untermauerte Abdeckung der Kennwerte ermoglichen (s. Abb. 2.43 und Abschn. 17.2.8).
4.4.4 Schurfe, Untersuchungsschachte und -stollen Die Grabtiefe von Baggern mit Tiefli:iffel betragt 4 bis 5 m. Zur besseren Begehbarkeit und zur Erleichterung von Probenentnahmen sollte eine Seite abgetreppt oder abgeschragt werden. Bei Schurfarbeiten sind die geltenden BG-Unfallverhutungsvorschriften "Bauarbeiten" zu beachten. Schurfe sind ab einer Tiefe von 1,25 m bzw. 1,75 m zu verbauen. Urn Schiehtenprofile an den Wanden aufnehmen zu konnen, ist bei Schiirfen (als voriibergehenden Grabarbeiten) ein vertikaler Behelfsverbau mit einem Bohlenabstand von 0,3 m, in standfestem Gebirge von 0,5 m, zulassig. Auch Verbaukorbe konnen verwendet werden. Es ist zweckmaBig, die Verbauvorschriften in die Ausschreibung aufzunehmen und Schiirfe immer erst kurz vor der Aufnahme anlegen zu lassen. Bei der Aufnahme muss nach den Sicherheitsvorschriften immer eine zweite Person zugegen sein. Schiirfe (TP = "trial pit") bieten den besten Einblick in den Untergrundaufbau und die Schiehtlagerung. Sie sind uberall da zu empfehlen, wo in den oberen 3-5 m ein unregelmaBiger
Direkte Aufschlussmethoden
161
4
GOF
-1,00
l.t'hm
SoliOukliol1sschutt -3.20 ang willt'rtt'. rotbrai.ll1e TonstelllC -G,lO L Crungraut'
-8.30 Rotbraunc
ZOI1(>
...
..::
7.\ ischel1schicht .'.
-11.90
a
)C
.....
l. Gningrauc ~0.11~
•
...
-14.70 ntere rolbm~l~e' .: chichtl'll ••
Abb.4.9 Beispiel eines Erkundungsschachtes mit Angabe der einzelnen GroB- bzw. in situ.Versuche (a us STRAUSS 1996)_
Wechsel in Schichtaufbau und -lagerung sowie schwer voneinander zu unterscheidende Bodenarten vorliegen, wie z. B. Auffiillung oder wenig umgelagerter Verwitterungsschutt iiber entfestigtern Felsuntergrund, der in Bohrungen leicht zerbohrt wird und yom Verwitterungsschutt schwer zu unterscheiden ist. Auch die Raumlage und Ausbildung von Trennflachen ist am besten durch Schiirfe oder Schurfgraben zu erfassen. 1m Grundwasserbereich oder bei starkem Schiehtwasserzutritt sind Schiirfe nieht zu empfehlen. Entsprechend verbaute Erkundungsschachte mit Durchmessern ab 4 bis 6 m haben in schwie-
rigen Untergrundverhaltnissen den Vorteil eines direkten Einblicks in den tieferen Untergrund und es konnen sowohl Proben fur GroBversuche entnommen als auch in situ-Versuche durchgefiihrt werden (Abb. 4.9). Erkundungsstollen werden im Talsperrenbau und bei Untertagebauvorhaben ausgefiihrt. In schwierigen Gebirgsverhaltnissen ist ein Erkundungsstollen allen anderen Untersuchungsmethoden iiberlegen und ist der verlasslichste Gebirgsaufschluss (s. Abschn. 17.2.3).
162
4.4.5 Bohrungen Die Ausschreibung von Bohrarbeiten nach ATV DIN 18301 erfolgt nach einer eigenstandigen Klassifikation von Boden und Fels (s. Abschn. 3.3.2) unter besonderer Berucksichtigung der SteingroBe und des Massenanteils von Steinen bzw. bei Fels von der einaxialen Druckfestigkeit und dem Trennflachenabstand. Bohrarbeiten sind so auszufuhren, dass eine Verunreinigung des Grundwassers durch Oberflachenwasser oder durch Spulwasser aus Bachen vermieden wird. In DIN EN ISO 22475-1 und in dem DVGWArbeitsblatt W 115 sind die verschiedenen Bohrverfahren zur Baugrunderkundung und zur Gewinnung von Grundwasser (hier Wasserhaltungsarbeiten) beschrieben (s. Abschn. 4.4.5.4). Unterschieden werden: Trockenbohrungen, drehend oder schlagend Rotarybohrungen mit Druckspulung (Kernbohrungen) Spulbohrungen, drehend oder schlagend (Imlochhammerbohren mit Druckluftspulung). Fur die Baugrunderkundung sind alle Bohrverfahren zulassig, die einen fur den jeweiligen Untersuchungsfall hinreichenden Aufschluss sowie die notigen Bodenproben liefern. Bohrverfahren und Bohrdurchmesser richten sich also nach der Art der verlangten Bodenproben und Bohrlochversuche (s. Abschn. 4.8). Grundsatzlich sind Bohrverfahren mit unmittelbarer Probengewinnung vorzuziehen, bei denen das Bohrgut wenig gestort gewonnen wird. In Lockergesteinen und der lockergesteinsahnlichen Anwitterungs zone des Felsuntergrundes sind Trockenbohrverfahren anzuwenden. Wenn Bodeneintrieb zu erwarten ist, muss Wasser bzw. Spulung zugegeben werden und das Bohrwerkzeug so langsam gezogen werden, dass keine Kolbenwirkung auftritt, die eine Storung des Untergrundes bewirken konnte. Auf das DVGW-Arbeitsblatt W 116 (1998) wird verwiesen. Die Bohrlocher sind mit dem Bohrfortschritt zu verrohren. 1m Fels brauchen Bohrlocher nur bei Gefahr von Nachfall ganz oder teilweise verrohrt werden. Urn Nachsackungen zu vermeiden, die eine Gefahr fur die Nutzung des Grundstucks darstellen konnen, sind Bohrlocher, die nicht mehr genutzt werden, mit dem Ziehen der Verrohrung sach- und schichtengerecht sowie set-
4 Erkundungsmethoden
zungsfrei zu verfullen. Bei Grundwasserstockwerken oder gespanntem Grundwasser muss durch Verfullung mit Stuckton bzw. Quellton (Quellon bzw. Compaktonit-Pellets), notigenfalls mit Zementbrucken, die Wirkung der ursprunglichen Sperrschichten wieder hergestellt werden, da sonst Gelandesenkungen durch Entspannung von Grundwasserstockwerken auftreten konnen. Die Bohrverfahren und Gerate fur Baugrundbohrungen werden hinsichtlich ihrer Eignung fUr die verschiedenen Boden und den dabei erreichbaren Guteklassen der Bodenproben wie folgt eingeteilt: Verfahren 1 mit durchgehender Gewinnung von gekernten Bodenproben (Kernbohrungen, Rammbohrungen) Verfahren 2 mit durchgehender Gewinnung nicht gekernter Bodenproben (Drehbohrungen, Greiferbohrungen) Verfahren 3 mit Gewinnung unvollstandiger Bodenproben (Schlagbohrungen, Spiilbohrungen). Daruber hinaus werden Kleinbohrverfahren mit Durchmessern von 30 bis 80 mm zur Gewinnung geringer Probenmengen unterschieden Durchgehend gewonnene Bodenproben werden zweckmaBigerweise bis zur Aufnahme durch den Bearbeiter in Kernkisten ausgelegt, wobei bindiges Kernmaterial in Plastikbahnen einzuschlagen ist, damit der naturliche Wassergehalt einigermaBen erhalten bleibt. 1m Bedarfsfall sind Einzelproben sofort in luftdicht abschlieBbare Behalter zu fullen. Dem Bearbeiter steht dann zur Aufnahme der Bohrungen das vollstandige Bodenprofil zur Verfugung. Kernverluststrecken sind zu markieren. Bei nicht durchgehend gekernten Bohrungen (Verfahren 2) ist bei jedem Schichtwechsel, mindestens aber alle Meter, eine Probe zu entnehmen und in luftdicht verschlieBbaren Behaltern aufzubewahren. Das Bohrgut (Bodenproben, Bohrkerne) bleibt nach VOB DIN 18301 Eigentum des Auftraggebers. Bei groBeren Bauvorhaben ist es ublich, die Bohrkerne oder Bodenproben, bzw. eine charakteristische Auswahl davon, bis nach Baufertigstellung aufzubewahren. Bei langeren Lagerzeiten hat sich dies als wenig zweckmaBig erwiesen, da die Proben nach einigen Jahren nur noch sehr eingeschrankt brauchbar sind. In Streitfallen muss letzten Endes meistens doch
163
4.4 Direkte Aufschlussmethoden
nachgebohrt werden. Eine Aufbewahrung von Bodenproben ist daher nur bei gutem Kernmaterial und trockenen Lagerraumen zu empfehlen und wenn eine weitere Bearbeitung im Zuge der Planung und Bauausfiihrung wirklich in Betracht kommt.
4.4.5.1 Rotationsket nbohrungen Bei Kernbohrungen ist ein moglichst vollstandiger Kerngewinn anzustreben, wozu ein Bohrgerat mit ruhigem, schlagfreiem Lauf und der Moglichkeit einer Drehzahl- und Bohrandruckregelung sowie eine druckdosierbare Spiileinrichtung notig sind. Moderne Gerate sind mit einem elektronischen Bohrdatenschreiber ausgestattet, der alle relevanten Daten, wie Anpressdruck, Drehmoment, Bohrfortschritt, Spiilungsmenge und Spiildruck in Abhiingigkeit von der Zeit und der Bohrtiefe registriert (sog. instrumentiertes Bohren). Bei Kernbohrungen im Fels wird meist mit Wasserspiilung gebohrt. Bei instabilen Bohrlochwanden werden auch Spiilungszusatze verwendet, die eine ErhOhung der Austragsfahigkeit und eine Stabilisierung des Bohrloches bewirken. Die Verwendung von Spiilungszusatzen ist erlaubnisptlichtig (s. Abschn. 4.4.1) und ist im Bedarfsfall gesondert mit zu beantragen. Auf das DVGWMerkblatt W 116 "Verwendung von Spiilungszusatzen in Bohrspiilungen bei Bohrarbeiten im Grundwasser" von 1998 wird verwiesen.
Bestimmend fiir die Qualitat der Bohrkerne, auf die es dem Ingenieurgeologen in erster Linie ankommt, sind neben dem Gerat und dem Konnen des Geratefiihrers vor allen Dingen das eingesetzte Kernrohr und die Bohrkrone, die ihrerseits wieder vom zu durchbohrenden Gebirge abhangig sind. Bei den Kernrohren werden verschiedene Reihen (metrische Reihe, W-Reihe; s. DIN EN ISO 22475-1) und darin jeweils folgende Typen unterschieden: Einfachkernrohre mit einer einfachen Schneidkrone am unteren Ende, werden fUr Trockenbohrungen zum Durchbohren der Deckschichten und der entfestigten Oberzone des Gebirges verwendet. Dabei sollten die Kernmarsche auf < 0,5 m begrenzt werden. Bei Einfachkernrohren mit Spiilung lauft diese im Kernrohr an dem abgebohrten Kern entlang, so dass dieser in der Regel stark ausgespiilt wird. Doppelkernrohre (Abb. 4.10) sind so konstruiert, dass die Spiilung zwischen AuBen- und Innenrohr geleitet wird und erst zwischen Kernfanghiilse und Kronenlippe mit dem Kern in Kontakt kommt. Der Kern ist damit nur einer geringen Ausspiilung ausgesetzt. Das Doppelkernrohr kann wahlweise zusatzlich mit einem Kunststoffinnenrohr (sog. Liner) ausgestattet werden, das aufklappbar ist bzw. aufgeschnitten werden kann (Abb. 4.11). Es wird fiir schwer zu bohrende, wasserempfindliche oder quellfahige Gebirgsarten eingesetzt, bzw. wenn kurzzeitiges Entweichen leicht fliichtiger Kontaminationen zu
"'rrnrohrkopf, Doppell} p~
"'frllrohrkopf, rinfachc T) pc
Aus!-enrohr
Au .nroht _
Inncnrohr
Kaliherriroll K.lib .. rin~ Po"tilion rinG
K.rnf.n~hiil;e
- Jt::+ :J1
Kernfangring Kcrnbohrkron~
-
1\10==--=1/1
Kernfan~hiil .. Ktrnfangrin~
--''--.l.J
Krrnhohrkronr
20/25
> 24
> 44
> 64
42 - 58
Spitzendruck q. [MN/m l ]
DPH
DPM
DPL
SPT
N ,.
N ,.
N ,.
N3D
weich
1,0- 1,5
2- 5 (4)
3-8
3- 10
2- 8
steif
1,5- 2,5
(4) 5- 9 (8)
8-14
10-17
8- 15
halbfest
2,5- 5,0
(8) 9- 17
14- 28
17- 37
15-30
fest
> 5,0
> 17
> 28
> 37
>30
Konsistenz
Durch mehrmaliges Drehen wird der Rest-Scherwiderstand (Gleitfestigkeit) ermittelt (cRJ. Aus dem Verhiiltnis Cfv/CRy kann auf die Sensitivitiit (StJ eines Bodens geschlossen werden (s. Abschn. 2.7.2). Die Flugelsonde ist nur flir weiche und weiche bis steife Boden mit einer Obergrenze der undranierten Scherfestigkeit Cu von etwa 0,15 MN/m2 geeignet. Es lassen sich damit ganze Profile aufnehmen und Schwachezonen mit geringer Scherfestigkeit erkennen. Die undranierte Scherfestigkeit Cu nimmt in einem normal konsolidierten Boden mit der Tiefe zu. 1m Allgemeinen streuen jedoch die Ergebnisse von Flugelsondierungen recht stark und korrelieren haufig schlecht mit an vergleichbaren Proben durchgefuhrten Zylinderdruckversuchen. Fur die praktische Anwendung werden daher Korrekturfaktoren (fJ-) angesetzt (s. DIN EN 1997-2, Anhang I). Die undranierte Flugelscherfestigkeit ist dann cfu = fJ- . Cfv. Der Korrekturfaktor ist abhangig von der Flie6grenze und liegt zwischen 0,7 (fur W L = 100), 1,0 (flir wL =40) und 1,2 (fur W L =30). Weitere Korrelationen s. DIN EN 1997 -1. Anhang I.
4.4 6.4 Seltendrucl<sonde Die europaweit ublichen Seitendrucksonden werden in der Teilnormen der DIN EN ISO 22476-4
bis 8 behandelt. Die in Deutschland gangigen Sonden (s. Abschn. 2.6.7) entsprechen dem Teil2: Versuch mit dem flexiblen Dilatometer. Diese sind hauptsachlich die Stuttgarter Seitendrucksonde II oder III (0143 mm) bzw. die langere Interfels-Sonde IF 146 (0 144,5mm). Der Einsatzbereich der Sonden (max. Verschiebungsweg 50 mm) erstreckt sich auf Lockergesteine, wechselnd feste Gesteine und Gesteine geringer Festigkeit. Ais Kennwerte werden auf der Grundlage der Elastizitatstheorie der Seitendruckmodul EB bzw. der Dilatometermodul ED = V bzw. E !, der Wiederbelastungsmodul Ev2 und der Entlastungsmodul EE flir den mittleren Druckbereich von 30-70 % ermittelt. Letzterer kommt dem Elastizitatsmodul E sehr nahe (s. Abschn. 2.6.7). y
4.5 Aufnahme von Aufschlussen (Schichtenverzeichnisse)
4.5.1 Aufnahme von Schurfen Die Aufnahme von Bohrungen und Schurfen erfolgt gewohnlich nach genormten Schichten-
173
4.5 Aufnahme von AufschlUssen (Schichtenverzeichnisse)
4
15
.
L
.
I
2
S20m
Om Om
= leinsond.ger Schl ull d = Tst . voll'g enll .... tigt
... Tsl.stark bls sehr stork enllest.gt I = Tonsteln.SI-S' · dunkelgrou - grunlich
1(,
51
S20m
2S/IIO NW
Kl UI'IONW
0= Mullerboden. humos b = Is Su . Klo C
i.
Om
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2
"l1SOHE
.. ~'~/
3 L
bd oo . bOl
Abb 4.18 Darstellung einer ingenieurgeologischen Schurfaufnahme (aus HEITFELD & HESSE 1982).
verzeichnissen, die aber nur eine stichwortartige Beschreibung der einzelnen Schichten ermoglichen. Flir die Aufnahme von Schlirfen, in denen mehr Einzelheiten uber den Schichtaufbau erkennbar sind als an Bohrproben, empfiehlt sich deshalb, die Aufschlussaufnahme in Abweichung von DIN EN ISO 22475-1 in beschreibender Form vorzunehmen. Bewahrt hat sich folgende Beschreibung: Petrographische Bezeichnung, Mineralbestand, KorngroBenangabe Farbe, Kalkgehalt Verwitterungsgrad, Festigkeit (Kornbindung) Bodengruppe nach DIN 18 196. Besondere Merkmale: Schichtung, Schieferung, Klufte, besondere Strukturen Wasserfuhrung Verwitterungsbestandigkeit, Frostempfindlichkeit, ggf. Loslichkeit Boden- und Felsklasse nach DIN 18300 Geologische Einstufung. Besonders in Festgesteinen ist daruber hinaus eine zeichnerische Darstellung der Schurfwande und notigenfalls der Sohle zur Dokumentation der Lagerungsverhaltnisse und des Trennflachengefuges ublich (Abb. 4.18). In vielen Fallen ist auch eine Fotodokumentation zweckmaBig.
4.5.2 Aufnahme von Bohrungen im Lockergestein Die Ergebnisse von Bohrungen in Lockergesteinen sind in die genormten Formblatter fur Schichtenverzeichnisse (DIN EN ISO 22475-1, Anhang B) einzutragen, die aus einem Kopfblatt (B1), dem Bohrprotokoll (B2) und dem eigentlichen Schichtenverzeichnis (B4) sowie verschiedenen weiteren Protokollen bestehen: B3 - Probenentnahmeprotokoll B5 - Verfullprotokoll B6 - Protokoll uber den Ausbau von Grundwassermessstellen (Piezometer) B7 - Grundwassermessprotokoll. Fur die Beschreibung des Bohrguts gelten die Grundsatze der DIN 4020, der DIN EN ISO 14688-1 und -2 sowie EN ISO 14689-1 und erganzend dazu auch die DIN 18196. Von den Einzelangaben dieser Normen werden nachstehend nur die gebrauchlichen Bestimmungsmethoden wiedergegeben. Die DIN EN ISO 14688-1 verlangt fur die Beschreibung der Boden nur allgemeine Angaben der Korngr6Be (Haupt- und Nebenanteile), der Plastizitat und des organischen Anteils sowie
174
4 Erkundungsmethoden
Schichtenverzeichnis in Anlehnung an DIN 4022-1 Anhang B Aufschluss:
Projektbezeichnung: a) Bis
a,) Benennung und Beschreibung der Schicht m ----- -- . ----------- ...... _--_ .... _-- ......... ._---_ ..... . . _ unter a,) Erganzende Bemerkung Ansatzp.
b) b) Miichtig-
keit in m
f)
Beschaffenheit gemiiB Bohrgut
c)
Ortsiibliche Bezeichnung
g)
1 a)
Seite:
Beschaffenheit gemiiB Bohrvorgang
... - ._--
d) Farbe
Geologische Bezeichnung
e) ~
'"
~
h)
m
Gruppe
'"
2
Datum:
Bodenklassen DIN 18300 WasserfOhrung; Feststellungen beim Bohren; Bohrwerkzeuge; Werkzeugwechsel; Sonstiges 3
Entnommene Probe
Art und Nr.
Tiefe inm (Unterkante)
4+5
6
a,) a,) b) +
b)
I
c)
d)
f)
h)
g)
e)
Name des Unternehmens:
Seite:
Schichtenverzeichnis in Anlehnung an DIN EN ISO 22475-1
Name des Auftraggebers:
Bohrverfahren:
Datum:
Durchmesser:
Neigung:
Aufschluss: Projektnr. :
Name und Unterschrift des BohrgeratefOhrers:
Projektbezeichnung:
1
2
3
4
5
6
7
Tiefe bis m
Bezeichnung der Boden- bzw. Felsart Erganzende Bemerkungen
Farbe
Beschreibung der Probe
Beschreibung des Bohrfortschritls
Proben
Bemerkungen
Kalkgehalt
Geo!. Benennung (Stratigraphie)
- Konsistenz, Plastizitat, Harte einaxiale Festigkeit - Kornform, Matrix - Verwitlerung, Trennfliichen -usw.
Versuche
- Bohrbarkeit I Kernform - Typ - MeiBeleinsatz -Nr. - Tiefe - Beobachtungen etc.
- wasserfiihrung - Bohrwerkzeuge - Kernverlust - Kernliinge
Abb 4.19 Von der alten DIN 4022-1 etwas abweichendes Schichtenverzeichnis fOr die Aufnahme von Bohrungen im Vergleich mit dem Schichtenverzeichnis nach der aktuellen DIN EN ISO 22475-1.
erganzende Angaben iiber Zustandsform, sonstige Merkmale, Farbe, Geruch und die ortsiibliche Benennung einschlieBlich der geologischen Zuordnung. Auf dieser Grundlage erfolgt die Bohrkernaufnahme und das Ausfiillen der genormten Schichtenverzeichnisse (Abb. 4.19). Die Kurzbeschreibung des Bodens wird in Spalte 2 eingetragen. Eine der wichtigsten Angaben fUr die spatere bautechnische Beurteilung ist die Beschreibung der Probe in Spalte 4, namlich die Zustandsform bindiger Boden, die Lagerungsdichte rolliger Boden bzw. bei Fels die Festigkeit. Die Zustandsform eines bindigen Bodens kann im Feldversuch wie folgt ermittelt werden: breiig ist ein Boden, der in der geballten Faust gepresst, zwischen den Fingern durchquillt weich ist ein Boden, der sich leicht kneten lasst
steif ist ein Boden, der nur schwer knetbar ist, sich aber in der Hand zu 3 mm dicken Walzen ausrollen lasst, ohne zu brechen (Ausrollversuch) halbfest ist ein Boden, der beim Ausrollen zerbrockelt fest ist ein Boden, der sich nicht kneten Hi.sst, sondern zerbricht. Die Lagerungsdichte rolliger Boden kann bei den wenigsten Bohrverfahren nach dem Bohrwiderstand angegeben werden. Hierzu miissen Sondierungen im Bohrloch (Standard-Sondierung) oder zusatzliche Ramm- oder Drucksondierungen vorgesehen werden (s. Abschn. 4.4.6). Hinsichtlich der weniger gebrauchlichen Feldversuche zur Bestimmung der Bodenart, wie Trockenfestigkeit, Schiittelversuch, Reibe- und
175
4.5 Aufnahme von AufschlOssen (Schichtenverzeichnisse)
B1
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z
z z
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schici.i~ ~z
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z
+
4 . .. ... .
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+
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z Z
Plelstozliner Hang
-
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z
-~ .
hl2
+
Schlcht 7
B1 Plelstozline Flusstonasse
B2 Z Z 0 ~
2
~)
Z ZZ
au
Holozline Aue
Z
0+ 2
83
Schlcht 7
Schlcht 7
Schicht Nr.
Geologische Benennung
bodenmechanische
1 2
Auelehm FluBkies Terrassenlehm Terrassenkies L6Blehm Hochterrassenkies Granitgrus
Benennung Ton [TM] Kies, sandig [GW] Ton [TM] Kies, sandig [GW] Ton, schluffig [TL] Kies, sandig [GW] Kies,sandig, schluffig [Grus]
3 4 5 6 7
Schneidversuch sowie Riechversuch als Hinweis auf organische Beimengungen wird auf DIN EN ISO 14688-1 verwiesen. Die Farbansprache (SpaJte 3) erfolgt nach dem visuellen Eindruck bzw. nach Farbtafeln. Farbanderungen unter der Einwirkung von Luftsauerstoff sind zu vermerken. Bei der Aufnahme von Baugrundbohrungen ist immer auch auf Anzeichen von Kontaminationen durch Umweltschadstoffe sowie auf Bodengasaustritte (s. Abschn. 16.7.6 und 17.2.6) zu achten. Anzeichen dafiir sind in den Schichtenverzeichnissen zu vermerken und zu melden. Auf die Problematik der bevorzugten Anwendung der A-Linie nach Casagrande fiir die Einstufung der Boden als Tone oder Schluffe ist
+
Z
Z
z
Abb. 4.20 Schichtansprache eines Hangprofils nach rein bodenmechanischer (oben) und nach geologischer Bennenung (unten) - aus FI-Rundbrief 56 nach HEISE, Leipzig.
bereits in den Abschnitten 2.5 und 3.2.3 verwiesen. Eine Benennung allein nach diesen rein bodenmechanischen Gesichtspunkten fiihrt zu einer Dominanz von TL-, TM-, TA- sowie z. T. UL- und UM-Boden. Urn Fehleinstufungen zu vermeiden, ist es unerlasslich, die (regional)geologisch-genetische Bezeichnung mit anzugeben und auch zeichnerisch darzustellen, wie z. B. Loss, Losslehm, Hanglehm, Auelehm, Geschiebelehm und -mergel sowie die verschiedenen Verwitterungsboden. Welche Foigen eine rein bodenmechanische Ansprache von Bohrproben nach TM - bzw. TL-Boden und eine geradlinige Verbindung von Schichtgrenzen haben konnen, zeigt Abb. 4.20.
176
4
4.5.3 Aufnahme von Bohrungen im Fels Fiir das Ausfiillen der Schichtenverzeichnisse von Bohrungen im Fels gilt ebenfalls DIN EN ISO 22475-1. Die Formblatter bestehen aus dem Kopfblatt, dem Bohrprotokoll mit bohrtechnischen Angaben (Bohrfortschritt, Kronenwechsel, Verrohrung, Spiilung) und dem eigentlichen Schichtenverzeichnis, in dem die Beschreibung des Kernmaterials auch wieder zu kurz kommt. Bei schwer unterscheidbaren Gesteinsarten ist ggf. ein erfahrener Regionalgeologe zuzuziehen oder es sind petrologische Untersuchungen, notigenfalls mittels Diinnschliffanalyse, vorzunehmen, urn Fehlinterpretationen bei der Kernaufnahme zu vermeiden (DEUTSCH 2001). Insgesamt gehort zu einer routinemaEigen Bohrkernbearbeitung eine geologisch -petrografische Bohrkernbeschreibung Angabe der Beschaffenheit des Kernmaterials Aufnahme der Trennflachenstrukturen fotografische Dokumentation Darstellung eines vorHiufigen geologischen Profils Beprobung fiir die verschiedenen Zwecke etwaige Bohrkernarchivierung. Die Beschreibung der Qualitlit des Kernmaterials erfolgt in Anlehnung an EN ISO 14689-1 (mit NAD, s. Abschn. 3.1) und nach DIN EN ISO
4 Erkundungsmethoden
22475-1. Darin werden folgende Begriffe verwendet: Felsgiitebezeichnung RQD (s. u.) Vollstandiger Kerngewinn SCR (in % der Kernlange) Gesamter Kerngewinn TCR (in % der Kernmarschlange) . Dariiber hinaus sind folgende Angaben iiber die Qualitat des Kernmaterials zweckmaEig: Kernstiicke mit vollstandig erhaltener Mantelflache Kernstiicke mit nur teilweise erhaltener Mantelflache Kernstiicke, die nicht mehr zu einem Zylinder zusammengefiigt werden konnen Bohrklein, wie z. B. grusig, sandig oder feinkornig « 0,6 mm) zerriebenes Gestein. Die Beschreibung der Kernstiicke kann weiter unterteilt werden in: groBstiickig > 10 cm stiickig 10-6 cm 6- 2 cm. kleinstiickig Die Angaben iiber die Qualitat des Kernmaterials sind maBgebend fiir die Abschatzung des Zerkliiftungsgrades des Gebirges und fUr das Erkennen von Storungszonen. Diese werden haufig von Kliiften in Abstanden von wenigen Zentimetern begleitet, die den Bohrkern stiickig bis kleinstiickig zerfallen lassen. Hier ist bei der Kernaufnahme zu entscheiden, ob engstandig zerkliifte-
Abb.4.21 Bohrkerne einer Wechselfolge des Mittleren Buntsandsteins. Oben im Bild St6rungszone mit Kakirit (s. Abschn. 3.4.4); nach unten Obergang zu tektonisch wenig zerbrochenem und kompaktem Gebirge.
4.5 Aufnahme von AufschlGssen (Schichtenverzeichnisse)
tes oder "zerbohrtes" Gebirge vorliegt (Abb. 4.21). Diese Faktoren, die an Bohrkernen zweifelsohne nur unzureichend erfasst werden konnen, sind aber unverzichtbare Merkmale fur das Abschatzen der tektonischen Beanspruchung des Gebirges, besonders wenn keine optischen Bohrlochsondierungen vorgenommen werden (s. Abschn.4.8.1). Bei umfangreichem Kernmaterial vergleichbarer Gesteine wird haufig versucht, die Felsgute, d. h. den Zerbrechungsgrad der Kerne zahlenmaBig zu klassifizieren. Die bekanntesten dieser Indexzahlen sind die Kliiftigkeitsziffer von STINI (Anzahl der Trennflachen je Meter Kernstrecke) und die RQD-Zahl (Rock-Quality-DesignationZahl). Mit dem RQD-Index nach DEERE (1963) wird die Felsqualitat anhand der Stuckigkeit der Bohrkerne quantitativ beurteilt. Er ist ein indirektes Ma13 fUr den Grad der Kluftigkeit und fur die Auflockerung des Gebirges und druckt den prozentualen Anteil der Kernstucklangen > 10 em, bezogen auf die Lange der Kernstrecke, aus (Abb. 4.22). Nachteilig ist dabei die Vernachlassigung der Kernstucke < 10 em, besonders da die Lange der Kernstucke sehr stark yom Bohrvorgang, dem Bohr- bzw. Kerndurchmesser und von der Bohrrichtung in Bezug auf die Ausrichtung der Trennflachen abhangig ist. Bei stark dunnbankigen oder plattigen Gesteinen werden sich die Kerne, durch den Bohrvorgang bedingt, entlang der Schichtflachen auflosen und niedrige RQD-Werte vortauschen. Das RQD-System ist au13erdem sehr stark yom Bohrverfahren (z. B. DoppelkernrohrlSeilkernrohr) und dem Verwitterungsgrad abhangig. Bei hoheren Verwitterungsgraden sollte das Verfahren nicht mehr verwendet werden. Der RQD-Index war seinerzeit ein erster Vorschlag fur eine Klassifizierung des Gebirges gema13 Abschn. 17.3.2, wobei DEERE (1963) folgende Einteilung vorgeschlagen hat, die heute noch verwendet wird: RQD (%) Gebirgsqualitat 0-25 sehr schlecht 25-50 schlecht 50-75 maBig/mittel 75-90 gut 90-100 sehr gut Bei tieferen Bohrungen ist besonders in massigen Gesteinen (z. B. Granit) auf plattigen oder auch
177
grusigen Zerfall der Bohrkerne zu achten, was moglicherweise auch auf das Vorhandensein gro13er Primarspannungen hindeutet (s. Abschn. 3.4.2). Die Festigkeit der Gesteine wird bei der Profil- bzw. Bohrkernaufnahme zunachst durch sog. Handprufverfahren ermittelt, wie der Zerbrechbarkeit von Hand bzw. der Hammerschlagprobe (Klang beim Anschlagen mit dem Hammer und Zerschlagbarkeit einer min 5· 5 . 2 em gro13en Gesteinsprobe auf harter Unterlage) und der Ritzbarkeit (DIN EN 14 689-l/NA), ggf. auch mit dem Betonprufhammer (Abschn. 2.6.10.2). In Anlehnung an DIN EN 1997-1, Anhang G, kann folgende Einteilung verwendet werden:
-------l L = 38 em
L
~. ....>. ....>. ....>.....>.
....l.~-lt. ~
Wk
~'- . f - - 4 r . - -
16.08.05
0 ' 0 .:
0'..:.2:: _
o ...... .e-:: G,S.U
4,5
••..aJ. ::
o
@
00::
..... -....... , ~
Al
5,8
••
+----'---1 -
....... u,t
Sst,u
B2
Kst "-"------\
Abb. 4.29 Beispiel fOr die Darstellung eines Untergrundprofils gemaB DIN 4023:2006.
Bei den Bodenarten werden die Hauptanteile uber die gesamte Saulenbreite dargestellt, die Nebenanteile nur in der rechten Saulenhalfte. Die Konsistenz feinkorniger Boden und die Lagerungsdichte grobkorniger Boden werden rechts neben der Bodensaule angegeben. Die Zeichen fur Felsarten erfuhren eine vollstandige Dberarbeitung mit jetzt 18 Einzelzeichen und Kurzformen. Die Kurzformen und die Verwitterungsstufen werden rechts neben der Saule gekennzeichnet. Bei vollstandiger Verwitterung wird die Gesteinsart und das Kurzzeichen verwendet, erganzt durch das Verwitterungszeichen.
186
4 Erkundungsmethoden
Tab. 4.9 Gegenuberstellung der Kurzbezeichnungen nach DIN EN ISO 14688-1 und DIN 4023 Kurzzeichen nach DIN EN ISO 14688- 1
DIN 4023
Blocke
Bo
Y
Steine
Co
X
Kies Grobkies Mittelkies Feinkies
Gr CGr MGr FGr
G
Sand Grobsand Mittelsand Feinsand
Sa CSa MSa FSa
S
Schluff Grobschluff Mittelsand Feinsand
Si GSi MSi FSi
U
Ton
CI
T
Angaben iiber das Grundwasser und iiber entnommene Proben mit der Entnahmekategorie (A, B, C) werden durch zusatzliche Zeichen auf der linken Saulenseite dargestellt (Abb. 4.29). Bei den Kurzzeichen der Boden- und Felsarten sind die Gruppensymbole der DIN 18196 (s. Tab. 3.1), die Kurzzeichen fiir Bodenarten nach DIN EN ISO 14688-1 und die Kurzformen der DIN 4023 zu unterscheiden (Tab. 4.9). Die Gruppensymbole der DIN 18196 konnen zur besonderen Kennzeichnung in einen Kreis gesetzt werden (Abb. 4.29). Die Dokumentation und die zeichnerische Darstellung von Bohrprofilen und von Ausbauplanen der Grundwassermessstellen erfolgen heute in der Regel aufEDV-Basis. Die grafischen Gestaltungsmoglichkeiten reichen von der automatischen Zeichnung einzelner Bohrprofile bis hin zu Schnittdarstellungen mehrerer Bohrungen bei frei wahlbarem MaBstab und heute auch der Einbindung von Aufschlussergebnissen in bestehende Plane in 2D oder 3D.
4.8 Bohrlochmessungen Geophysikalische und geotechnische Bohrlochmessverfahren gewinnen besonders in Festge-
Kurzform nach
-------------------"
gG mG
fG gS mS
fS
steins bohrungen immer mehr an Bedeutung. Der Einsatz der einzelnen Verfahren richtet sich nach der ingenieurgeologischen Fragestellung bzw. der Aussagekraft des einzelnen Verfahrens und den gebirgsspezifischen Moglichkeiten. Wenn solche Messungen beabsichtigt sind, ist der notige Bohrlochdurchmesser bzw. Ausbau zu beachten.
4.8.1 Bohrlochsondierungen In nicht zu stark gekliiftetem Gebirge (Nachfallgefahr) kann die Aufnahme bzw. Uberpriifung des Trennflachengefiiges mittels Videokamerabefahrung erfolgen. Die Aufnahmen sind in axialer (nach unten) und in radialer (seitlicher) Richtung moglich. Bohrloch(farb)fernsehsonden liefern iiber der Grundwasseroberflache ein direktes Bild der Bohrlochwandung (Standfotos, Videofilme), der Raumstellung der Trennflachen, ihrer Offnungsweite und auch iiber den Wasserzulauf aus Kliiften. Durch Abpumpen und Befahren mit einer Kamera konnen Wasserzutritte in das Bohrloch lokalisiert werden. Die erforderlichen Bohrlochdurchmesser sind gerateabhangig und betragen z. B. fiir Schwarz-WeiB-Gerate 113 mm und fiir Farbfernsehsonden 146 mm. Die Einsatztiefe be-
187
4.8 Bohrlochmessungen
tragt bei den meisten Anbietern bis 100 m. Bei leicht triibem Wasser im Bohrloch ist der Einsatz bereits fraglich. Die Auswertung sollte im Vergleich mit dem Bohrkern bzw. den Kernfotos erfolgen und erlaubt eine wesentlich zutreffendere Deutung der Kernzerbrechung (auch von Kernverluststrecken) und von zerbohrtem Kernmaterial als allein die Kernansprache (s. Abschn. 4.5.3). Die Auswertung von Strukturelementen erfolgt gemag Abb. 4.31. Ein weiteres Einsatzgebiet fiir Bohrlochkameras ist die Kontrolle defekter Grundwassermessstellen.
4.8.2 Bohrlochabweichungsmessungen Wechselnde Gesteinsharte und/oder ein Einfallen der Schichten sowie gerate- und arbeitsbedingte Einflussfaktoren, bei geneigten Bohrungen oder Horizontalbohrungen dazu noch die Schwerkraft, bewirken immer eine gewisse Richtungsabweichung von Bohrungen. Bei flach einfallenden Schichten wechselnder Harte und bei geschieferten Gesteinen treten haufig Abweichungen gegen die Einfallsrichtung auf, wahrend bei steilem Schichtfallen die Bohrung in der Regel in Richtung der Schichtneigung abweicht. Die Richtungsabweichung von Bohrungen betragt bei sorgfaltig ausgefiihrten vertikalen Kernbohrungen bis 100 m Tiefe 3 %, bei tieferen Bohrungen bis zu 5 %. Bei ungiinstigen Gebirgsverhaltnissen ist mit Abweichungen bis zu 10 % zu rechnen, bei Horizontalbohrungen bis 15 %. Wenn eine Genauigkeit von mehr als 5 % erforderlich ist, wie etwa bei der Festlegung der Raumstellung von Trennflachen und der genauen Schichtmachtigkeiten, sind Bohrungen mit Stabilisatoren im Bohrstrang oder gleich Bohrlochneigungsmessungen vorzusehen. Gesteuerte Zielbohrsysteme fiir vertikale, geneigte oder horizontale Bohrungen ermoglichen eine Zielgenauigkeit von < 0,5% (NIESE 2003). Der Aufwand ist aber fiir Erkundungsbohrungen in der Regel nicht vertretbar. Die herkommlichen Bohrlochabweichungsmessungen (BA) basieren auf Single- oder Multishot-Messungen. Dabei wird das Bild eines Neigungsmessers und eines Kompasses in regel-
magjgen Zeit- bzw. Tiefenabstanden fotografiert und so die Lage und Richtung der Messsonde im Bohrloch festgehalten. Die genannten Verfahren werden fiir Vertikalbohrungen noch haufig eingesetzt. Fiir geneigte und horizontale Bohrungen werden teilweise schon Inertialmesssysteme verwendet (NIESE 2003).
4.8.3 Geophysikalische Bohrloch messungen Bei den geophysikalischen Bohrlochmessungen werden einerseits die Bohrlochspezialverfahren zur Ortung von Storungs- und Verkarstungshorizonten unterschieden (s. Abschn. 17.2.4 und 19.3.2) sowie andererseits die konventionellen Logging-Verfahren zur Erkundung der im Bohrloch unmittelbar aufgeschlossenen Gesteine. Das Loggen des Bohrlochs mittels optischer oder geophysikalischer Verfahren hat sich als rationelle Methode zur Beschaffung zusatzlicher Informationen iiber das Aufschlussergebnis und zur Ausbaukontrolle von Grundwassermessstellen erwiesen. Dabei werden verschiedene physikalische Messverfahren angewendet, die einzeln oder in Kombination eine durchgehende und objektive Bestimmung gesteinsspezifischer petrophysikalischer Parameter entlang der Bohrlochwandung ermoglichen. Die Messverfahren sind in Lockerund Festgesteinen unterschiedlich. Wahrend im Lockergestein vorwiegend Tongehalt, Lagerungsdichte, Wassergehalt und Porositat bestimmt werden, sind im Festgestein Lithologie, Entfestigung, Kliiftigkeit, Wasserfiihrung und ggf. elastische Kenngr6gen gefragt. In verrohrten Bohrungen konnen nur Ultraschall- oder radiometrische Messverfahren eingesetzt werden. Je nach Aufnahmetechnik und Auswertesoftware konnen die Bohrlochwandbilder in unterschiedlichen Darstellungen visualisiert werden. Bei den Gamma-Ray-Logs wird die natiirliche y-Eigenstrahlung der Gesteine (GR S Gamma integral) gemessen, deren Intensitat von dem Gehalt der natiirlichen radioaktiven Nuklide (in ppm) von Kalium (GR. K), Uran (GR. U) und Thorium (GR. Th) abhangt, die sich in Tonen und am Feinkorn der Gesteinsmatrix von Sedimentgesteinen anreichern. Die Gamma-Strahlung eines Sedimentgesteins ist somit ein Mag fiir
188
4 Erkundungsmethoden
dessen Tongehalt. Die Gammasonden konnen tiber und unter der Grundwasserobertlache in verrohrten oder unverrohrten Bohrungen eingesetzt werden. Auch die Kontrolle von Tondichtungen in Grundwassermessstellen oder Bohrbrunnen kann damit vorgenommen werden (s. Abschn. 4.6). Die Strahlungsintensitat von Gamma-Ray wird in API -Einheiten (standardisierte Einheit nach American Petroleum Institute) gem essen und ist abhangig yom Salzgehalt des Formationswassers (Umrechnung auf frtiher verwendete Einheiten s. BENDER 1985, S. 629). Die Gamma-Dichte-Messung ist eine aktive Dichtemessung auf der Grundlage der yom Gestein zuriickgestreuten Gammastrahlung. Die Riickstreurate ist umgekehrt proportional der Gesteinsdichte (in g/cm 3). Die Dichtemessung zeigt sowohl die lithologische Abfolge als auch Autlockerungs- bzw. Storungszonen an. Die Messung kann ebenfalls in verrohrten und unverrohrten Bohrungen iiber und unter der Grundwasserobertlache ausgeftihrt werden. Die
Messung wird meist mit Gamma-Ray-Logs sowie einer Kalibermessung und der Messung des elektrischen Widerstandes kombiniert (Abb. 4.30). Eine Kontrolle mit Gamma-Ray-Logs ist zweckmaBig, da bei einer hohen natiirlichen Gammastrahlung generell zu niedrige Dichtewerte gemessen werden. AuBerdem ist zu beachten, dass eine Dichtebestimmung nach GammaGamma-Log immer Gebirgswerte ergibt, die niedriger sind als an Bohrproben ermittelte Dichtewerte. Zur Darstellung der Bohrlochwand stehen auBer den direkten Fernsehaufnahmen (s. Abschn. 4.8.1) zwei weitere bildgebende Messsysteme zur Verfiigung, namlich optische und akustische Scanner. Bei den optischen Bohrlochscannern (ETIBS; Ettlinger Total Image Borehole System) wird die Bohrlochwand, oft im Schutze der mitgefiihrten Seilkernbohrverrohrung, mit einer Bohrlochkamera abgescannt und richtungsorientiert auf einem Monitor als echtfarbige Darstellung der Bohrlochwand wiedergegeben. Die Gefiigeelemente wie Kliiftung, Schichtung,
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Abb 4.30 Darstellung geophysikalischer Messergebnisse Ober die Bohrlochtiefe.
80 1m)
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189
4.8 Bohrlochmessungen
Schieferung u. a. werden als Verschnittlinie mit der zylindrischen Bohrlochwand dargestellt. Das Verfahren ist nur oberhalb des Grundwasserspiegels oder bei hinreichend klarem Wasser einsetzbar (FECKER & Lux 2001). Der Sondenteil mit der Optik reicht nur wenige Zentimeter aus der Verrohrung, so dass in nicht standfesten Bohrlochern kein Verlust der Sonde zu befiirchten ist. Beim Akustischen Bohrlochfernsehen (ABF, Acoustic Borehole Televiever) wird die Bohrlochwand mit einem Ultraschallimpuls nach dem Prinzip des Impuls-Echo-Verfahrens abgetastet
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und in Graustufen oder Falschfarben als Abwicklung iiber dem Bohrlochumfang, nach Norden orientiert dargestellt. Strukturelle Informationen, wie Schichtflachen, Schieferung, Kliifte und andere Schwachezonen (tektonische StOrungen, Gleitflachen) werden im Televiewerbild sinusformig wiedergegeben und konnen orientiert werden (Abb. 4.31 und HATSCH 1994). Akustische Messungen konnen in unverrohrten oder mit Kunststoffverrohrung (nicht mit Kiesfilter) ausgestatteten, mit Wasser oder Spiilung gefiillten Bohrungen eingesetzt werden. Die Bohrlochbilder eignen sich auch gut zur Korrelation bzw. Orientierung der Bohrkerne (SCHEPERS & TouMANI 1997; ALTHAUS & RAKERS 1998; FRICKE & SCHON 1999). Die bildgebenden Messverfahren werden in der Regel mit Messungen des Bohrlochkalibers (CAL) und Schallwellenmessungen (sonic) kombiniert. Bei der Kalibermessung (CAL) wird die Bohrlochwand mit federnd angedriickten Armen abgetastet. Sie dient der Korrektur anderer Bohrlochmessungen. Bohrlochwandausbriiche sind ein Anzeichen abgeminderter Gebirgsfestigkeit (Abb. 4.32). Bei der Bohrloch-Ultraschallseismik (Full Wave Sonic, FWS) werden mit einer Sonde dis-
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Abb.4.31 Aufnahme und Auswertungsschema einer ABF-Messung (Firmenprospekt).
Abb. 4.32 Bohrloch-Intervallseismik in einer Granitbohrung: bis 7,5 m vergruster Granit (Vp < 2000 m/s), bis 16 m fester Granit bis 23 m harter, klOftiger Granit (Vp = 3000-5000 m/s) bei 24 m Storungszone
190
kontinuierlich oder kontinuierlieh die Laufzeiten eines Ultraschallimpulses entlang der Bohrlochwand gemessen (Abb. 4.32). Die Kompressionswellengeschwindigkeit Vp ist ein empfindlicher Indikator fiir die Lithologie (Gesteinsdichte) und die Gebirgsfestigkeit (Kliiftigkeit, Storungszonen). Sonicsonden konnen in fliissigkeitsgefiillten offenen oder verrohrten Bohrungen ausgefiihrt werden. AuBer den hier aufgefiihrten Standardmessungen stehen noch eine Anzahl weiterer Bohrlochmessverfahren zur Verfiigung, die je nach Aufgabenstellung einzeln oder kombiniert eingesetzt werden konnen. Ein weiteres Tatigkeitsfeld ist die Kontrolle von Tonsperren im Ringraum von Grundwassermessstellen oder Absenkbrunnen sowie der Kompaktheit und Homogenitat der eingebrachten Kiesschiittung (s. Abschn. 4.6 und DVGW-Arbeitsblatt W 110 "Geophysikalische Untersuchungen in Bohrlochern und Brunnen - Zusammenstellung der Methoden". Das Messprogramm sollte im Hinblick auf die Untersuchungsziele, die Bohrlochbedingungen und die verschiedenen Moglichkeiten im Dialog mit dem Geophysiker festgelegt werden. Einzelheiten, auch iiber spezielle Messmethoden und ihre Auswertung, bringen SCHEPERS & TOUMANI (1997), ALTHAUS & RAKERS (1998), FELFER (2006) und SCHON (2006). AuBer dies en konventionellen Logging-Verfahren, die in der Regel nur eine seitliehe Erkundungstiefe von wenigen Dezimetern haben, stehen auch eine Reihe bohrlochgeophysikalischer Messverfahren zwischen zwei oder mehreren Bohrlochern zur Verfiigung. Bei dies en tomografischen Verfahren werden seismische oder geoelektrische Geber und Empfanger in zwei, nieht mehr als 50 m voneinander entfernten Bohrungen eingesetzt, die unverrohrt oder mit Kunststoffrohren verrohrt sein konnen. Das Verfahren funktioniert iiber und unter der Grundwasseroberflache und extrapoliert die Informationen in Bohrlochlangsachse auf die Flache zwischen den Bohrungen. Auch Storkorper konnen erfasst werden (LEHMANN et al. 1997; ALTHAUS & RAKERS 1998 und Abschn. 19.3.2).
4 Erkundungsmethoden
4.8.4 Verschiebungsmessungen in Bohrlochern Zur Dberwachung der Standsicherheit und der Verformungen von Hangen und von Erd- und Felsbauwerken wahrend und nach dem Bau werden zunehmend Verschiebungsmessungen langs und quer zur Bohrlochachse vorgenommen. Fiir Verschiebungsmessungen langs der Bohrlochachse werden sog. Extensometer (DGGTEmpfehlung N r. 15 und DIN 4107-2) benutzt, mit denen, wie der Name besagt, die Extension in Langsachse einer Bohrung gemessen wird. Bei Stangenextensometern erfolgt die Verschiebungsmessung mit Hilfe von im Bohrloch bzw. Gebirge verankerten Festpunkten, in denen frei bewegliche Gestange verankert sind, die einzeln in den Extensometerkopf hochgefiihrt werden (Abb. 17.34). Die Ablesung erfolgt iiber Messuhren am Extensometerkopf und muss durch Nivellements an absolute Hohenmessungen angeschloss en werden. Die hohe Messgenauigkeit von 0,01 mm ermoglicht die Erfassung selbst kleinster Verformungen, bringt aber auch eine starke Abhangigkeit von auBeren Einfliissen, wie Z. B. Schwindverformungen der Gelandeoberflache (s. Abschn. 6.2.2), die jedoch durch fachgerechten Einbau und rechtzeitig vor den Aushubarbeiten beginnende Messreihen eliminiert werden konnen. Ein weiteres Gerat zur Ermittlung der relatiyen axialen Verschiebung entlang einer Messlinie (Bohrloch) ist das Sondenextensometer oder Gleitmikrometer (Abb. 4.33). Es handelt sieh urn ein Dehnungsmessgerat, bei welchem die axialen Abstandsanderungen zwischen jeweils zwei benachbarten Messmarken (Abstand 1 m) gegeniiber einer Basislange angezeigt und in einem Zeit -Verformungs-Diagramm dargestellt werden. Hauptanwendungsgebiete beider Messverfahren sind Bewegungen infolge Ausbruch- oder Aushubarbeiten (s. Abschn. 17.5.3und 5.5.3.3) und das Verfolgen von Tiefensetzungen. Einzelheiten sind bei PAUL & GARTUNG (1991) nachzulesen. Inklinometermessungen sind Verschiebungsmessungen quer zur Bohrlochachse. Dabei wird mit einer Neigungssonde in einem in eine Bohrung eingebauten Messrohr mit Fiihrungsnuten in Abstanden von 1,0 bzw. 0,5 min zwei zuei-
191
4.8 Bohrlochmessungen
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Abb. 4.33 Arbeitsweise eines Gleitmikrometers in einer entsprechend ausgebauten Bohrung (Firmenprospekt).
nander senkrechten Richtungen der Neigungswinkel bestimmt und die sich daraus ergebenden Horizontalabweichungen polygonzugartig summiert (Abb. 4.34). Als Messrohre werden diinnwandige (3,5 mm Wandstarke) und ab 50 m Messtiefe dickwandige (5 mm) Kunststoffmessrohre (ABS) empfohlen. Als Ringraumverfiillung sollten hydraulisch abbindende, suspensionsstabile Materialien mit geringer Endfestigkeit verwendet werden, welche durch ihren geringen Dampfungsfaktor die Messergebnisse am wenigsten verfalschen (DULLMANN et al. 2009, 2010, DGGT-Empfehlung Nr. 21 und DIN 4107-3). Die Auswertung erfolgt meist reiativ, d. h. unter der Annahme, dass sich der unterste Punkt des Messrohres nicht verschoben hat (Abb. 15.10). Bewegungen an konkreten Scherflachen werden wegen der Dampfung durch das Messrohr in ihrer genauen Lage "verschmiert" wiedergegeben. Durch geodatische Einmessung des Bohrlochkopfes konnen absolute Deformationen ermittelt werden. Bei Gesamtbewegungen von 30 bis 80 mm wird die Kriimmung des Rohres zu stark, so dass die 1,0 bzw. 0,5 m lange Messsonde nicht mehr weiter eingefahren werden kann. Dieser Nachteil tritt bei festinstallierten Neigungsgebern, wie dem sog. TDR-System (Time Domain Reflectometry) nicht auf, das mit einem im Bohrloch installierten Koaxialkabel arbeitet (SINGER & THURO 2007; THURO et al. 2009). Inklinometermessungen zeigen die Verteilung der Horizontalverschiebungen entlang der vertikalen Messlinie des Bohrlochs und lokalisieren
den Bewegungshorizont. Das Hauptanwendungsgebiet sind Kontroll- bzw. Bewegungsmessungen an rutschverdachtigen Boschungen oder Hangen sowie Vertikalitatspriifungen von Bohrlochern bei Felsbauwerken.
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Abb. 4.34 Messprinzip einer Neigungsmessung mit Inklinometer (aus SIMEONOVA 1984).
192
Zur Vermessung horizontaler und starker geneigter Bohrungen werden seit Jahrzehnten Kompasssonden (Single- und Multi-Shot), Knickwinkelsonden oder mobile bzw. stationare Deflektometersonden eingesetzt (BOCK et al. 1997).
4 Erkundungsmethoden
Bei den Deflektometern handelt es sich urn gelenkig verbundene Stangen, deren Winkelabweichungen zueinander gemessen werden (s. a. DIN 4107-3).
55
• ru glin Einfuhrung die Berechn ngsverfahren Berechnungsverfahren fur Flachgrundungen und Ge andebruch Gelandebruch
5.1 Grundlagen Der erste Schritt bei der Auswertung der Ergebnisse einer Baugrunduntersuchung ist die Festlegung eines Baugrundmodells anhand der zur Verfiigung stehenden Schichtenprofile und Sondierdiagramme in Form von Langs- und Querschnitten. Das Baugrundmodell muss folgende Angaben enthalten: Aufbau des Baugrunds mit Schichtenfolge und -lagerung, Homogenitatsbereiche Grundwasserverhaltnisse mit Angabe der Wechselstande, Grundwasserleiter und -nichtleiter, Durchlassigkeiten, Angriffsgrad gegeniiber Beton, Versickerungsmoglichkeiten Baugrundkennwerte der einzelnen Schichtglieder bzw. Homogenbereiche Beschreibung von besonderen Inhomogenitaten, wie gro6ere Kliifte oder mogliche Gleitflachen, tektonische Storungszonen, Hohlraume und sonstige Storkorper. Die Hohenlage und Neigung des Gelandes, die Schichtgrenzen und Wasserspiegelhohen gelten dabei im Sinne der DIN EN 1997-1 als geometrische Vorgaben. Angaben iiber die Bereiche zwischen den Aufschliissen werden linear interpoliert oder (besser) nach geologischer Erfahrung subjektiv festgelegt (Abb. 4.20). Trennflachen bzw. Storungszonen sind moglichst winkelgetreu darzustellen. Mit Hilfe geostatistischer und stochastischer Methoden konnen solche Baugrundmodelle prazisiert und in ihrer Zuverlassigkeit verbessert werden. Trotzdem stellen diese Baugrundmodelle immer eine mehr oder weniger deutliche Vereinfachung der realen Untergrundsituation dar. Noch vorhandene Unsicherheiten miissen aufgezeigt werden und das Modell dem H. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
jeweiligen Untersuchungsstand angepasst und seine Richtigkeit beim Aushub der Baugrube kontrolliert werden. Der Baugrund erleidet unter der Lasteinwirkung eines Bauwerks Verformungen, wobei zunachst eine Verdichtung eintritt, durch die seine Festigkeitseigenschaften verbessert und seine Tragfahigkeit erhOht werden. Dies gilt aber nur bis zu einer gewissen Grenze. Wird diese iiberschritten, so treten gro6e Deformationen auf, die im Endstadium auch ohne weitere Belastung weitergehen und zu einem Versagen (z. B. Grundbruch) fiihren (Abb. 5.1). Folgende Verformungen des Baugrundes konnen unterschieden werden: Setzung = mehr oder weniger kontinuierlich verlaufende lotrechte Verformung (in Richtung der Schwerkraft) infolge einer Spannungszunahme oder von Erschiitterungen Fundament
Fundamentbelaslung
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wenig tragfahiger Untergrund
Abb.5.1 Baugrundverhalten unter Lasteinwirkung (nach SCHAR 1992).
194
5 EinfUhrung in die Berechnungsverfahren fUr Flachgriindungen und Geliindebruch
Hebung = lotrechte Lageanderung infolge einer Spannungsabnahme und Schwellen bzw. Quellen des Bodens Senkung = groBflachige Lageanderung infolge Materialentzug durch Hohlraumbildung (Verkarstung, Bergbau) oder der Entnahme von Fluiden Sackung = mehr oder weniger spontan auftretende Sattigungssetzung eines teilgesattigten Bodens bei starker Durchnassung infolge Umlagerung im Korngerust, ohne Anderung des Spannungszustandes Verschiebung = Lageanderung infolge einer Spannungsanderung oder eines Gleitvorgangs. Anstelle der Begriffe statisches System und Berechnung werden seit Vorliegen der EN 1990 die Ausdrucke Tragwerk und Tragwerksplanung verwendet. Unter Tragwerk versteht man die planmaBige Anordnung miteinander verbundener Bauteile, die so angeordnet sind, dass sie ein bestimmtes MaB an Tragfahigkeit und Steifigkeit aufweisen. Das Tragwerksmodell sind dann die tragenden und nicht tragenden Teile eines Bauwerks und die Art und Weise, wie sie zusammenwirken.
5.2 Sicherheitsnachweise fur Bauwerke Die Sicherheitsnachweise erfolgen an Hand von Baugrund- und BerechnungsmodeUen. Ein Modell ist immer eine vereinfachte Darstellung der Realitat. Vereinfachungen vermindern zwar den Bearbeitungsaufwand, bedingen aber gleichzeitig eine gewisse Unsicherheit der Resultate. Diese Unscharfe, bestehend aus fehlerbehafteten Eingabedaten und der Modellunsicherheit muss in gewissen Grenzen gehalten werden. Fur geotechnische Berechnungen im Erd- und Grundbau kommen als Rechenmodelle gemaB DIN EN 1997-1 analytische Verfahren halbempirische Verfahren numerische Verfahren in Betracht. Unabhangig von der Modellunsicherheit konnen auch die einzelnen Rechenpro-
gramme aufgrund unterschiedlicher Vereinfachungen abweichende Ergebnisse liefern. Am besten geeignet fur die Analyse von Verformungsund Stabilitatsproblemen sind numerische Verfahren wie die Finite Element Methode (FEM), s. a. Abschn. 17.5.5.2. In der Baupraxis werden auch dabei fUr die Ermittlung von Grenzzustanden meist einfache linear-elastische/ideal-plastische oder linear-viskoplastische Stoffmodelle auf der Basis des klassischen MOHR-COULOMB'schen Bruchkriteriums verwendet, mit den ublichen Bodenkennwerten cp und c. Viskoplastisches Verformungsverhalten schlieBt Festigkeitsuberschreitungen und zeitabhangige irreversible Deformationen ein (s. Abschn. 2.6.1). Derartige hoherwertige Stoffmodelle erfordern allerdings zusatzliche Eingangskennwerte fUr die Beschreibung der zeit- oder spannungsabhangigen Parameter (PELZ et al. 2009). Bei Berechnungen im Fels werden je nach Bedeutung der Trennflachen als Berechnungsmodelle ein Kontinuum (Festkorpermodell mit gleichartigen mechanischen Eigenschaften) oder ein Diskontinuum (Festkorper mit Trennflachen) unterschieden. In einem Diskontinuumsmodell liegen Kluftelemente vor, die eine Trennung und freie Beweglichkeit einzelner Teilkorper im Verband ermoglichen (Abb. 5.2). Fur Standsicherheitsnachweise werden bevorzugt Diskontinuumsmodelle verwendet, wahrend fUr Berechnungsansatze mit Spannungen und Verformungen haufig Kontinuums- bzw. Quasikontinuumsmodelle angenommen werden. Der Nachweis der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken erfolgte zuletzt auf der Basis der DIN EN 1997-1 (EC 7-1) und der bauaufsichtlich eingefuhrten DIN 1054:2005, die Ende 2010 in ihrer jetzigen Form zuruckgezogen werden solI (s. Abschn. l.2). In den zwischenzeitig als Entwurf vorliegenden nationalen Zusatzregeln zur DIN EN 1997-1 ist festgelegt, welche der drei im EC 7-1 zur Wahl gestellten geotechnischen Nachweisverfahren anzuwenden und welche Zahlenwerte bei den Teilsicherheitsbeiwerten in Deutschland anzusetzen sind. Die deutschen Erganzungsnormen sollen Ende 2010 erscheinen. Die DIN EN 1997 -1 :2009 muss dann gemeinsam mit dem Nationalen Anhang DIN EN 1997-l/NA (E 2009) und der Erganzungsnorm DIN 1054-neu (derzeit noch Entwurf DIN 1054-101:2009) bauaufsicht-
195
5.2 Sicherheitsnachweise fUr Bauwerke
c
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5
Diskontinuum
Kontinuum
00
lich eingefUhrt werden. Die neue DIN 1054 gilt kiinftig nur in Verbindung mit den beiden erstgenannten Normen. Urn die Anwendung der Normen zu vereinfachen, werden in einem "Normenhandbuch EC 7-1 und DIN 1054" alle drei Dokumente zusammengefasst und drucktechnisch gekennzeichnet, welche Regel aus welcher Norm stammt. Die Grundsiitze und Anforderungen fUr Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken sind in EN 1990:2002 festgelegt. Bei jeder Sicherheitsbetrachtung miissen zwei voneinander unabhiingige Grenzzustande beachtet werden, der Grenzzustand der Tragfahigkeit (ULS, Ultimate limit state) und der Gebrauchstauglichkeit (SLS, Servicebility limit state). Der Grenzzustand der Tragfahigkeit betrifft die Sicherheit des Tragwerks (Bauwerks) und/oder von Personen. Der Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit betrifft im Regelfall die einzuhaltenden Verformungen im Hinblick auf die Funktionen (Nutzung) und das Erscheinungsbild des Bauwerks. Die nachstehenden Grenzzustiinde der Tragfahigkeit treten an Stelle der bisherigen Bezeichnungen GZ lA, GZ 1B und GZ 1C: EQU (equilibrium) beschreibt den Gleichgewichtsverlust infolge Kippen oder Gleiten STR (structure failure) beschreibt das Versagen oder groBe Verformungen von Bauwerken oder Bauwerksteilen (z. B. einzelner Funda-
Abb. 5.2 Verhalten eines Kontinuum- und Diskontinuumsmodells bei Beanspruchung (Translation, Rotation).
mente, prahle oder Anker), wobei die Festigkeit der Baustoffe entscheidend ist GEO (geotechnic failure) beschreibt das Versagen oder sehr gro6e Verformungen des Bauwerks oder des Baugrunds, wobei die Festigkeit des Baugrunds entscheidend ist UPL (uplift) beschreibt den Gleichgewichtsverlust infolge Auftrieb und Wasserdruck HYD (hydraulic failure) beschreibt der hydraulischen Grundbruch sowie die innere Erosion und andere Versagensformen infolge Stromungsdruck (s. Abschn. 5.7.7). Von den in der DIN EN 1997-1 vorgegebenen drei Nachweisverfahren werden in DIN 1054-101 zwei Verfahren verwendet, die mit GEO 2 und 3 bezeichnet werden. Das Nachweisverfahren Geo 2 dient fiir die Ermittlung der Grundbruchsicherheit, fUr die Sicherheit gegen Gleiten, fiir Erddruckberechnungen, die Standsicherheit in der tiefen Gleitfuge, fUr die Tragfahigkeit von Pfahlen und Ankern sowie fiir die Ermittlung der einzuhaltenden Verformungen. Das Nachweisverfahren GEO 3 wird fUr den Nachweis der Gesamtstandsicherheit, d. h. der Sicherheit gegen Boschungsbruch und Geliindebruch sowie fUr konstruktive Boschungssicherungen verwendet. Anstelle der bisherigen Lastfalle (LF 1, LF 2, LF 3) treten nach DIN EN 1990:2002 vier verschiedene Bemessungssituationen (BS): stan-
196
5 EinfUhrung in die Berechnungsverfahren fUr FlachgrOndungen und Gelandebruch
dige (Persistent), voriibergehende (Transient), auBergewohnliche (Accidential situations) und Erdbeben: die Bemessungssituation BS-P sind die iiblichen, regelmaBig auftretenden und veranderlichen Nutzungseinwirkungen die Bemessungssituation BS-T sind voriibergehende, zeitlich begrenzte Bauzustande wahrend der Bauzeit (z. B. auch Baugrube) oder besondere nachherige Situationen die Bemessungssituation BS-A beschreibt zusatzliche auBergewohnliche Einwirkungen Die Bemessungssituation BS-E betrifft die Auslegung von Bauwerken auf Erdbeben gemaB DIN EN 1998-1 (EC 8). Bei einer geotechnischen Bemessung muss sichergestellt werden, dass kein maBgeblicher Grenzzustand iiberschritten wird. Die einzelnen Grenzzustande sind rechnerisch nachzuweisen, wobei sowohl die langfristigen als auch kurzfristige Bemessungssituationen zu beriicksichtigen sind. In schwierigen Fallen (GK 3) konnen anspruchsvollere Bemessungsverfahren erforderlich werden und es kann die Anwendung der Beobachtungsmethode zweckmaBig sein (s. unten). In einfachen RegeWillen (GK 1) und wenn vergleichbare Erfahrungen vorliegen, darf, ohne den Nachweis der Grundbruchsicherheit und der Verformungen, der Bemessungswert des Sohlwiderstandes von Flachengriindungen sowie fUr die Anlage von Boschungen und beim Verbau von Baugruben auf anerkannte Tabellenwerte zuriickgegriffen werden. Nach DIN EN 1900:2002 werden Lastansatze als Einwirkungen und die Widerstande im Untergrund als WiderstandsgroBen bezeichnet: Zu den Geotechnische Einwirkungen (F) zahlen auBer den iiblichen Lastansatzen (z. B. Eigenlast einschlieBlich externer Lasten, Aushubentlastung, Erddruck, Wasserdruck, Stromungskrafte, Erdbeben und andere dynamische Einwirkungen) auch Verformungen des Baugrunds durch Bewegungen im Untergrund, verursacht durch Wasserhaltungen oder Bergbau, Quellen und Schrumpfen toniger Boden (s. Abschn. 6.2), Hangkriechen oder Rutschbewegungen (s. Abschn. 15.5.5), MaterialwegfUhrung (s. Abschn. 18.2.4 und 19.4) und Frosthebung (s. Abschn. 7.2). Zu den geotechnischen Widerstandsgro6en (R) werden die Bodenwiderstande gegeniiber
Verformungen oder Bruch des Baugrunds gerechnet, wie Gleitwiderstand, Erdwiderstand, Grundbruchwiderstand, Pfahlwiderstand oder Herausziehwiderstand von Ankern sowie die zugehorigen BodenkenngroBen. Die Ermittlung der charakteristischen Widerstande des Baugrunds konnen durch Berechnung, Probebelastung oder aufgrund von Erfahrungswerten ermittelt werden. Der charakteristische Wert geotechnischer Kenngro6en wird durch den Index "k" gekennzeichnet (z. B. fiir den Reibungswinkel C(Jk' anstatt friiher C(Jcal)' Die Grundlage fUr die Auswahl charakteristischer Werte sind Versuchsergebnisse und sogenannte abgeleitete Werte (DIN EN 19971), die durch Theorie, Korrelation und vergleichbare regionale Erfahrung aus Versuchswerten gewonnen werden. Bei weichen bindigen Boden sind die Scherfestigkeitswerte moglichst iiber Triaxialversuche zu ermitteln. In den Untersuchungsberichten miissen die Beziehungen fUr die Ableitung solcher Kennwerte und auch ihre Anwendbarkeit dargelegt bzw. die Werte miissen mit dem Tragwerksplaner abgestimmt werden. Charakteristische Werte sind so zu benennen, dass die Ergebnisse der damit durchgefUhrten Berechnungen auf der sicheren Seite liegen. 1m Einzelnen ist der charakteristische Wert fur Boden- und FelskenngroBen als bereichsbezogener (Homogenbereich) Mittelwert festzulegen (s. v. Soos 2004; KISS et al. 2008). Bei statistischer Auswertung sind der Streuungsfaktor von der Art der Versuche (Laborversuche, Probebelastungen) und der Anzahl der Ergebnisse abhangig. Insgesamt ist der charakteristische Wert ein Wert, von dem angenommen werden kann, dass er mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit im Bezugszeitraum nicht unter- oder iiberschritten wird. Das Problem liegt dabei meist darin, dass keine statistisch auswertbaren Datenmengen zur VerfUgung stehen (s. SCHUPPENER 1999). Bei vergleichbaren Verhaltnissen und ortlicher Erfahrung diirfen Kennwerte von friiheren Bodenuntersuchungen iibernommen werden. Tabellenwerte von BaugrundkenngroBen diirfen nur mit groBer Vorsicht verwendet werden. Korrelationen aus einfacher bestimmbaren Kennziffern konnen herangezogen werden, wenn sie allgemein anerkannt und fiir die Bodenart nachvollziehbar sind. Derart "abgeleitete" Werte miissen immer mit regionalen Erfahrungswerten ab-
197
5.3 Sohldruckverteilung in Fundamentsohle
geglichen und gewichtet werden. Wenn keine statistisch auswertbaren Einzelergebnisse vorliegen oder die Problemstellung es erfordert, sind obere und untere Grenzwerte festzulegen, so dass Parameterstudien moglich sind. In dunnschichtigen Wechsellagerungen unterschiedlicher Bodenarten sind die ungunstigeren Werte zugrundezulegen. Die Normen sowie KISS et al. (2008) enthalten weitere Hinweise fUr die Festlegung von charakteristischen Bodenkennwerten in besonderen Fallen. Die geotechnischen Grundlagen dazu werden in Abschn. 2 diskutiert. Die Bemessungswerte fUr geotechnische Kenngrofien (Xd ) werden durch Multiplikation oder Division aus charakteristischen Werten ermittelt oder direkt festgelegt:
Die verschiedenen Bemessungswerte (d) und die zugehOrigen Oberbegriffe der Teilsicherheitsbeiwerte ywerden wie folgt bezeichnet: Xd Fd Ed Rd
MaterialkenngroBe Einwirkungen Beanspruchungen Widerstand gegen Einwirkung
YM YF YE YR
Mit Einfuhrung des neuen Sicherheitskonzepts der DIN EN 1997-1 und DIN 1054-neu (s. Abschn. 1.2) mussen auch die begleitenden Berechnungsnormen (DIN 4017:2006, DIN 4019: 1996/2009, DIN 4084:2009 und die DIN 4085: 2007) daran angepasst werden. Die Sicherheitsbeiwerte fUr das Teilsicherheitskonzept sind danach nicht mehr in den Einzelnormen festgelegt, sondern generell in der DIN 1054. Die Teilsicherheitsbeiwerte fur die Nachweisverfahren GEO 2 sind dabei weniger auf die Scherparameter Reibung und Kohasion ausgelegt, sondern indirekt auf die mit dies en Parametern ermittelten Krafte wie Grundbruchsicherheit, Gleitwiderstand oder Erddruck. Nur fur den Nachweis der Gelandebruchsicherheit (GEO 3) werden weiterhin die direkten Teilsicherheitsbeiwerte angesetzt (s. Abschn. 5.7.1, Tab. 5.3). Eine Verringerung der Scherparameter bewirkt dabei sowohl vergr6Berte Einwirkungen als auch verringerte Widerstande.
Die wichtigsten nationalen Teilsicherheitsbeiwerte sowie deren spezielle Symbole (z. B. fur Anker Ya oder die Widerstande bei Pfahlgrundungen Y" Yb' y.) werden in den jeweiligen Einzelabschnitten behandelt. Daruber hinaus sind immer die einschlagigen Normenwerke, besonders die DIN 1054-neu beizuziehen. Hinsichtlich der Bemessungswerte von Grundwasserstanden s. Abschn. 9.1. Bei komplexen Wechselwirkungen zwischen Baugrund, Bauwerk und Bauverfahren, in denen eine Vorhersage des Baugrundverhaltens und ein rechnerischer Nachweis nicht mit ausreichender Zuverlassigkeit moglich sind, wird in DIN EN 1997-1, Abs. 2.7 und DIN 1054, Abs. 2.7, die Beobachtungsmethode empfohlen. Sie besteht aus einer Kombination der ublichen rechnerischen Nachweise mit einer laufenden messtechnischen Kontrolle des Bauwerks wahrend und nach der Herstellung und kann als Nachweis der Standsicherheit herangezogen werden. Gegebenenfalls erforderliche Korrektur- oder GegenmaBnahmen sind in die AusfUhrungsplanung aufzunehmen. Ein solches Messprogramm muss notigenfalls uber die gesamte Lebensdauer des Bauwerkes fortgefUhrt werden, urn zu gewahrleisten, dass die konstruktive Anfangssicherheit erhalten bleibt. Bauwerke, bei denen die Beobachtungsmethode angewendet werden soil, sind in der Regel in die geotechnische Kategorie GK 3 einzustufen.
5.3 Sohldruckverteilung in Fundamentsohle Zum Nachweis der Tragfahigkeit und der Gebrauchstauglichkeit von Flachengrundungen ist die resultierende Beanspruchung in der Sohlflache eines Fundaments zu ermitteln. Spannungen sind eine auf eine Flacheneinheit (A) bezogene Vertikallast (N): N
CT=-
A
GemaB DIN 1054 werden auf nationaler Ebene fUr Spannungen und Krafte die Einheiten kN/m 2 und MN/m 2 verwendet (s. Tab. 1.1).
198
5 EinfUhrung in die Berechnungsverfahren fUr FlachgrOndungen und Gelandebruch
5 starra Last
A
~
c
a)
b) b)
Abb.5.3 Unterschied im Setzungsverhalten einer schlaffen Last (DammschOttung) und einer starren Last mit Darstellung der Setzungsmulde (a) und der Sohldruckverteilung (b). Bei der starren Last sind unten die theoretische Verteilung (q) nach BOUSSINESQ (1885) und die vereinfachte geradlinige Sohldruckverteilung (qm) dargestellt (nach LANG & HUDER 1994)
Die Verteilung des Sohldrucks in der Sohlflache eines Fundaments hangt ab von der Biegesteifigkeit des Fundaments, ausgedriickt durch die Grenzfalle "starr" und "schlaff" bzw. "weich" Art und GroBe der Belastung und vom Baugrund. Unter Steifigkeit eines Bauwerks wird der Widerstand des Tragwerks gegen Verformung verstanden. Ein schlaffes Bauwerk passt sich den Verformungen des Baugrundes gleichmaBig an (Abb. 5.3). Bei starren Bauwerken sind die Setzungen einigermaBen gleichmaBig, aber nicht immer gleich groK Es konnen Verkippungen auftreten (Abb.5.22). Die Ermittlung der Verteilung des Sohldrucks bei starren Fundamenten ist eine hochgradig statisch unbestimmte Aufgabe, die aber fiir den Nachweis der Grenzzustande der Tragfahigkeit und der Gebrauchstauglichkeit von Einzel- und Streifenfundamenten als geradlinig angenommen werden darf (Abb. 5.3).
5.3.1 Mittige und ausmittige Beanspruchung von starren Einzelfundamenten Wird ein starres Einzelfundament von einer Normalkraft (Vertikalkraft) mittig belastet, liegt der Fall einer gleichmaBigen, rechteckigen Verteilung des Sohldrucks vor (Abb. 5.4): N
6=-
A
N == Vertikallast A == a . b == Fundamentflache a == Fundamentlange b == Fundamentbreite. Wird eine Stiitze zusatzlich noch durch ein Moment M beansprucht (Abb. 5.5), so gilt: 6
N
1,2
M
=-+A-W
W == Widerstandsmoment (in m 3 )
5.3 Sohldruckverteilung in Fundamentsohle
199
N
~e~
~ >--- b
1
1111111
-------1
~""O
cr
Abb. 5.4 GleichmiiBige Sohldruckverteilung.
Das Widerstandsmoment W ergibt sich flir den einfachen Fall eines rechteckigen Fundaments aus dessen Geometrie: Abb. 5.6 Dreieckformige
b2·a (. 3) W =--. mm 6
b = Fundamentbreite (in m) a = Fundamentlange (in m). Die Sohldruckverteilung eines solchen, durch Normalkraft und Moment belasteten Fundaments ist trapezformig, mit einer groBeren Randspannung a 1 (Abb. 5.5) und kleineren Randspan-
nungaz: (J
I
N A
M W
N
M
A
W
=-+-
(J=---
z
Eine trapezformige Sohldruckverteilung ergibt sich auch bei ausmittiger Belastung (Abb. 5.6).
Sohldruckverteilung bzw. klaffende Sohlfuge bei exzentrischer Belastung.
Die Normalkraft greift nicht im Mittelpunkt des Fundamentes an, sondern exzentrisch (Exzentrizitat e); wobei das Moment M = N· e ist. M NWIr · d a = 0, was eme . dreIecKlor' LCoo Bel· w;'A z mige Verteilung des charakteristischen Sohldru.~ks ergibt. M N Ubersteigt der Wert die GroBe von 'A so ergibt sich eine negative Randspannung -az, was eine Zugspannung zwischen Fundament und Boden bedeuten wiirde. Da der Boden keine Zugspannungen aufnehmen kann, entsteht eine klaffende Sohlfuge (Abb. 5.6). Die Sohldruckverteilung wird hierbei nach der Gleichgewichtsbedingung
w
2·N
(J = - 1 3'a
b
a=--e
2
N
b
ermittelt. Da der Boden keine Zugspannungen aufnehmen kann, muss die resultierende charakteristische bzw. reprasentative Beanspruchung infolge der unglinstigsten Kombination standiger und veranderlicher Einwirkungen die Sohlflache innerhalb eines bestimmten Kernbereichs schneiden, so dass keine klaffende Sohlfuge auftritt (s. DIN1054).
Abb. 5.5 Trapezformige Sohldruckverteilung bei Bean-
spruchung durch Normalkraft (n) und Moment (M).
200
5
5 EinfUhrung in die Berechnungsverfahren fUr Flachgrundungen und Gelandebruch
5.3.2 Linien- und Einzellasten auf Streifenfundamenten Bei einem Streifenfundament, das durch eine Linienlast (q) belastet wird (Abb. 5.7), erfolgt die Ermittlung der Sohldruckverteilung in Querrichtung fiir einen a = 1 m langen und b breiten Fundamentabschnitt:
In Langsrichtung konnen Einzellasten gleicher GroBe und gleichen Abstands bei einem einigermaBen starren Fundament vereinfacht noch als Linienlast betrachtet werden (Abb. 5.8):
Bei einem nicht als starr anzunehmenden Streifenfundament konzentrieren sich die charakteristischen Sohldrucke unter den Lastpunkten. Bei der Ermittlung der Sohldruckverteilung sollte die Wechselwirkung von Griindung und Bauwerk beriicksichtigt werden (naheres s. Empfehlung Wechselwirkung Baugrund/Bauwerk bei Flachgriindung, 2004).
5.3.3 Grundlagen des Bettungsmodul- und Steifemodulverfahrens Das Bettungsmodulverfahren beruht auf der Annahme, dass die Setzung in jedem Punkt der Sohlflache proportional der dort vorhandenen Sohlspannungen und von der Belastung und Setzung der Nachbarpunkte unabhangig ist. Vom Baugrundgutachter ist der Bettungsmodul k, anzugeben. Er driickt das Verhaltnis zwischen der Belastung und cler Einsenkung nach folgender Beziehung aus: k, = 0"0. (inMN/m 3)
Abb. 5.7 Linienlast auf einem Streifenfundament.
Der Bettungsmodul ist keine Konstante, sondern hangt ab von der Belastung bzw. dem ebenso lastabhangigen Steifemodul, der Bodenart, der Griindungsbreite und der Griindungstiefe. Gebrauchliche Formeln zur Ermittlung des Bettungsmoduls fiir Streifenfundamente in Abhangigkeit vom Steifemodul E" der Fundamentbreite b und der Machtigkeit der zusammengedriickten Schicht t sind: JAKI:
2·E k=--'
KOGLER:
k
,
,
3b
=
2·E
'
b.ln b+2t b
N
(J
N
(J
s
Abb. 5.8 Sohldruckverteilung von Einzellasten auf
(To = Sohlspannung (in MN/m 3 ) s = Setzung (in m).
einem starren und einem nicht als starr anzunehmenden Streifenfundament.
5.4 Nachweis der Tragfiihigkeit von FliichengrGndungen
Versuchstechnisch kann der Bettungsmodul durch den Plattendruckversuch ermittelt werden (s. Abschn. 2.6.5). Genauer ist die Berechnung des Bettungsmoduls durch eine Setzungsberechnung im kennzeichnenden Punkt (s. Abschn. 5.5.2) fUr die mittlere Bodenpressung und Einsetzen in die oben genannte Beziehung. Bettungsmoduln werden hiiufig als untere oder obere Grenzwerte angegeben. SOMMER (1978: 208) vergleicht Bettungsmoduln, die aus dem Verhiiltniswert von Bodenpressung zu Setzung riickgerechnet worden sind, mit den iiblichen Rechenwerten von auf tertiaren Tonen gegriindeten Hochhausern in Frankfurt am Main. Die genannten Bettungsmoduln liegen zwischen 2,0 und 5,0, meist bei 2,5 bis 3,0 MN/m 3. Bei der Anwendung von Tabellenwerten fiir bestimmte Bodenarten oder bei nach Formeln berechneten Bettungsmoduln ist Vorsieht geboten, da dabei in der Regel die Lastabhangigkeit des Bettungsmoduls nieht beriicksiehtigt ist. Die genauere Methode der Bemessung von Plattengriindungen ist das Steifemodulverfahreno Hierbei werden die Verformungen nieht nur unter dem Lastpunkt, sondern auch seitlich daneben als die eines homogenen elastischen Halbraumes betrachtet. Das Verfahren verwendet als Bodenkennziffer den Steifemodul Es. Als RechengroBen sind die iiblichen Mittelwerte oder vonbis-Werte wenig brauchbar, da dabei die Lastabhangigkeit unberiicksichtigt bleibt. Besser ist die Bestimmung des Steifemoduls unmittelbar aus dem Druck-Setzungs-Diagramm fiir den zu erwartenden Spannungszustand bzw. entsprechend relativierte Erfahrungswerte.
5.4 Nachweis der Tragfahigkeit von Flachengru nd ungen Zu den Flachengriindungen zahlen Einzelfundamente, Streifenfundamente und Sohlplatten. Die maBgebenden Grenzzustande der TragHihigkeit sind (s. Abschn. 5.2): Versagen infolge sehr groBer Verformungen des Baugrunds oder Verlust der Standsieherheit ( Grundbruch, Gleiten, Kippen)
201
Hydraulisches Versagen infolge Aufschwimmen, hydraulischen Grundbruch oder inn ere Erosion. Auf die Nachweise der Grenzzustande Gleiten und Grundbruch kann nach DIN 1054, A 6.10, verziehtet werden: bei waagerechter Fundamentsohle und Gelandeoberflache, bei Ansatz des aufnehmbaren Sohldrucks bzw. Sohlwiderstandes nach Tab. 7.1 und entsprechender Baugrundfestigkeit wenn kein nennenwerter Porenwasserdruck auftritt.
5.4.1 Gleitsicherheit (EQU) Der Standsieherheitsnachweis fUr Gleiten ist zu fiihren, wenn auf ein Fundament Horizontalkrafte oder schrage Krafte wirken. Der Standsicherheitsnachweis gegen Gleiten erfolgt iiblieherweise nach den mechanischen Gesetzen der Gleitreibung bzw. nach DIN EN 1997-1, Abschn. 6.5.3. Der Gleitwiderstand ist dann Rd = Nk . tan Ok I YR,h Nk = charakteristischer Wert der vertikalen Bean-
spruchung YR,h = Teilsieherheitsbeiwert fUr Gleitwiderstand, YR,h = 1,1 (DIN 1054-101). Der charakteristische Wert des Sohlreibungswinkels 8k kann wie folgt angesetzt werden: fiir Ortheton bzw. Mortelbett/Boden Ok = CP'k' max CP'k = 35° fiir Fertigbeton/Boden Ok = 2/3 CP'k ohne Ansatz einer eventuellen Kohasion.
5.4.2 Kippsicherheit (EQU) Die Gefahr des Kippens ist zu priifen, wenn Krafte ausmittig angreifen oder unterschiedlich machtige setzungsfahige Schiehten im Untergrund vorliegen. Beides hewirkt zunachst ungleiche Setzungen, die zu einer Schiefstellung und Verkantung fiihren k6nnen. Eine Schiefstellung hewirkt eine Schwerpunktverlagerung, wodurch
202
5 EinfUhrung in die Berechnungsverfahren fUr Flachgrundungen und Gelandebruch
5
5.4.3 Sicherheit gegen Aufschwimmen (UPL)
I
.,!o1
lot recht
zufaUige An fangsauslenkung liefert Ml=G 'e,
~
11
Ml ~ e2 =-
M2 -=
e3
USW.
Abb. 5.9 Schema einer zunehmenden Schiefstellung infolge Schwerpunktverlagerung.
eine stark exzentrische Belastung eintritt (Abb. 5.9). Auch bei starken seitlichen Wechselbelastungen kann es zu einer schrittweise zunehmenden Verkantung kommen. Fiir den Nachweis der Sicherheit gegen Kippen sind die Teilsicherheitsbeiwerte der DIN EN 1990:2002, Tab. 1,2(A) ma6gebend, d. h. fUr ungiinstige veranderliche charakteristische Einwirkungen YQ = 1,5. Ein besonderer Nachweis der Kippsicherheit ist nicht erforderlich, wenn die Bedingungen fUr die Ausmittigkeit der Resultierenden eingehalten werden (s. Abschn. 5.3.1). Die zuIassige Schiefstellung turmartiger Bauwerke betragt 1: 250 (Abschn. 6.1). Das bekannteste Beispiel fUr eine Schiefstellung turmartiger Bauwerke ist der 58 m hohe Schiefe Turm von Pisa, der Ende der 1980er Jahre eine Schiefstellung von 5,7 m (d. s. 5,6° und fast 1: 10) erreicht hatte. Nach einigen anderen Sanierungsversuchen (Bleibarren als Gegengewicht, Mortelinjektionen, tiefe Zuganker) wurde der Turm Ende der 1990er Jahre durch Herausbohren von Boden unter der Nordseite urn 40 cm aufgerichtet. Seit Herbst 2001 ist der schiefe Turm von Pis a mit einer Neigung von 4,95° wieder fUr den Besucherverkehr geOffnet. Auch in Deutschland sind einige schiefstehende Turmbauwerke bekannt, so der schiefe Kirchturm von Suurhusen in Ostfriesland, der bei einer Hohe von 27,4 m eine Neigung von 5,07° aufweist sowie der 56 m hohe Kirchturm von Bad Frankenhausen in Thiiringen (s. Abschn. 19.4.1).
Die Porenwasserdriicke im ruhenden Grundwasser sind hydrostatisch verteilt und sind unabhangig von der Durchlassigkeit des Untergrundes. Die daraus resultierende Auftriebskraft ist eine Volumenkraft, die entgegen der Schwerkraft wirkt. Fur den Nachweis gegen Aufschwimmen (ehem. Auftrieb) gilt DIN EN 1997-1, Abschn. 10.2. Aufschwimmen tritt ein, wenn der (Poren-) wasserdruck unter einem Bauwerk oder einer wenig durchlassigen Schicht gro6er wird als die Auflast (Abb. 5.10). Die charakteristischen Werte der Bodenwichte sind entweder als Mittelwerte oder als obere und untere Grenzwerte anzugeben. Wirken auf das Bauwerk seitliche Scherkrafte ein, die der hydraulischen Auftriebskraft entgegengerichtet sind, so sind zusatzlich der Wandreibungswinkel () (s. Abschn. 5.6.3) bzw. bei einer Scherkraft in einer lotrechten Bodenfuge auch die Scherfestigkeit der Bodensaule (q/, c') anzugeben. Die einwirkende Scherkraft wird dabei als Vertikalkomponente des einwirkenden aktiven Erdruckes ermittelt (s. Abschn. 5.6). Als Bemessungswasserstand sind der ungunstigste (hochste) und der niedrigste Wasserstand anzugeben, die unter extremen Umstanden eintreten konnen (s. Abschn. 9.1). Dazu gehort auch, dass Bohrungen ausreichend tief gefuhrt werden, urn mogliche subartesisch gespannte Grundwasserstockwerke zu erfassen (Abb. 5.11).
Bauwerl
40° und stellt somit einen echten Mindestwert dar. Der Teilsicherheitsbeiwert fUr den Erdwiderstand betragt fUr die Bemessungssituation BS-P YR,e = 1.4 und fur standige Einwirkungen aus Erdruhedruck YEO,G= 1,2 (DIN 1054-101).
5.7 Standsicherheitsnachweise fur Gelandebruch Fur die Standsicherheitsnachweise bei Boschungen gelten die DIN EN 1997-1, Abschn. 11, sowie auch DIN 4084, Gelande- und Boschungsbruchberechnungen (2009). Ein Beiblatt mit erHiuternden Beispielen soli 2011 erscheinen. Der Nachweis der Gesamtstandsicherheit bezieht sich dabei auf einen Boschungsbruch, ausgelost durch das Eigengewichts des Erdkorpers, gegebenenfalls unter dem zusatzlichen Einfluss von Verkehrslasten und eines moglichen Wasserdrucks (Stromungsdruck, Porenwasserdruck). Der Gleitkorper wird dabei in der Regel als starrer Korper oder in Form mehrerer starrer Teilkorper behandelt. Der Nachweis der Standsicherheit schlieBt in der Regel den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit ein, wenn die dabei auftretenden Verformungen (z. B. Kriechen) in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Bei Gelandesprungen neben Gebauden oder Verkehrsflachen ist zusatzlich eine Begrenzung der mobilisierten Scherfestigkeit vorzunehmen oder es ist die Beobachtungsbauweise anzuwenden (DIN EN 1997-1, Abschn. 2.7).
215
Die Standsicherheit von Hangen und Boschungen wird der geotechnischen Kategorie GK 2 zugeordnet (s, Abschn. 4.1), wenn nicht besondere Verhaitnisse eine Einstufung in GK 3 erfordern. Dazu gehoren Kriechhange, das Auftreten von Porenwasserdruck, keine ebenen Bruchfiguren und dicht angrenzende Bebauung. Die Standsicherheitsnachweise erfolgen nach den Nachweisverfahren GEO 3 und beziehen sich auf Boschungs- und Gelandebruch sowie auf konstruktive Boschungssicherungen aller Art. Die Normen geiten nicht fUr die Beurteilung der Standsicherheit von Boschungen von Braunkohletagebauen.
5.7.1 Berechn ungsmodelle und Sicherheiten Fur die Beurteilung der Sicherheiten gegen Gelandebruch stehen insgesamt vier unterschiedliche Berechnungsmethoden zur VerfUgung: einfache Formeln beziehungsweise deren grafische Losungen sowie Ableitungen aus Diagrammen Lamellenverfahren fUr gekrummte Gleitflachen Starrkorpermethode bzw. Blockgleit-Verfahren Finite-Element-Methode (FEM). Fur Nachweise der Standsicherheit von Boschungen und Baugruben mit numerischen Methoden liegt eine Empfehlung der DGGT von 2004 vor. Die Wahl des Berechnungsverfahrens hangt abvon: Bruchmechanismus Untergrundaufbau (Schichtung und andere Trennflachen) Grundwassersituation (auch Sickerwasser, Porenwasserdruck) etwaigen Kriechverformungen. Die nachstehend beschriebenen einfachen Berechnungsverfahren gehen von der sog. Bruchtheorie aus, d. h. es werden immer Bruchflachen im Grenzgleichgewicht angenommen, in dem die einwirkenden mit den widerstehenden Kraften im Gleichgewicht stehen. Sofern auf StraBen in Hanglage oder auf Dammen Verkehrslasten
216
5 EinfOhrung in die Berechnungsverfahren fOr FlachgrGndungen und Geliindebruch
berucksichtigt werden mussen, werden diese mit 33,3 kN/m2 Verkehrsfliiche angesetzt. Der erste Schritt einer Standsicherheitsbetrachtung ist immer eine Vorstellung uber das bruchmechanische Modell sowie die Lage und Ausbildung der Gleitfliichen. Diese erste Vorstellung hat insofern entscheidende Bedeutung, als bei allen Berechnungsverfahren (konventionell und mittels Rechenprograrnmen) immer gewisse Vorgaben hinsichtlich des Verlaufs der Gleitflache gemacht werden mussen. Ihre Form kann je nach Untergrundaufbau ebenflachig oder kreisfOrmig sein, einsinnig gekrummt, gekrummtlanggestreckt sowie zusammengesetzt bzw. gebrochen (s. Abb. 5.26). 1m Allgemeinen treten in homogenen, bindigen Boden starker gekrummte, kreisfOrmige Gleitflachen auf, wahrend in Verwitterungsboden, die zur Tiefe hin fester werden, abgeflachte Gleitflachen die Regel sind. Ein Hilfsmittel fur die Konstruktion kreisformiger Gleitflachen ist die Annahme eines Abrisswinkels von 45° +
c: c: c:
:l
'"
Cl.
'"
C> :l
'"
If)
-
Wassergehall als Volumenanleilin 0/0
hygroskopisches Wasser
10
t '" :::;
Q.
Adsorplionswasser
S .S C>
c: c:
:l
Porenwinkelwasser
..........: : - - - - - - - - - - - - 1 0.1
c:
'0."
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'"
If)
Schichldicke des Wassers - -
Abb. 6.5 Saugspannungskurven schluffig-toniger Lockergesteine mit Angabe der Gblichen Feldkapazitat (FK) im Vergleich mit der Saugspannung (pF-Wert) der gebundenen WasserhGlie (nach DIN 4049-3). Der Markierungskreis entspricht der Saugspannung der Pflanzenwurzeln bei eingeschriinkter Bodenwasserversorgung.
Bodens. Setzungsunterschiede und dadurch bedingte Schaden an der Bebauung sind auf UnregelmaBigkeiten im Untergrundaufbau (organische Einlagerungen, rinnenformige Lagerung) oder auf unterschiedliche Griindung bzw. Lasten zuriickzufiihren. So sind z. B. Schrumpfsetzungen unter Fundamenten meist groEer als unter KellerfuEboden, was zu der vielfach beobachteten Aufwolbung letzterer fiihrt. Grofiere Grundwasserabsenkungen konnen ausgepragte Setzungsmulden bewirken, in denen Vorgange wie iiber bergbaulichen Senkungsmulden auftreten, mit deutlichen Zerrungs- und Pressungserscheinungen. In Zerrungszonen konnen Langenanderungen im Boden von 0,5-1,0% vorkommen. Ab 0,8 %, d. s. 8 mm je Meter, ist mit
Rissen im Gelande zu rechnen. ORLOWSKY & LEHMANN (2007) berichten iiber eine solche durch Steinkohlenabbau ausgeloste aktive Zerrungszone mit Rissbreiten bis 3 cm. Die Ergebnisse tomographischer Durchschallungsverfahren zeigten eine tiefreichende Festigkeitsminderung an dieser Zone, die wegen teilweiser Uberbauung mittels Dammerverpressung saniert werden musste. Die SetzmaEe sind yom AbsenkungsmaE und besonders yom Untergrundaufbau abhangig. In einem der wohl groEten kontrollierten Grundwasser -Absenkungsgebiete, dem Rheinischen Braunkohlerevier, wurden die oberflachennahen Grundwasserstockwerke seit den 1950er Jahren auf anfangs 50-100 m, seit den 1980er Jahren auf z. T. iiber 400 m Tiefe abgesenkt und die Liegendstockwerke entspannt. Die aufgetretenen Setzungen resultieren hauptsachlich aus den bindigen Schichtanteilen (Tonlagen) der hier vorwiegend feinsandig ausgebildeten Tertiarsedimente. Insgesamt hat sich groEraumig eine flache Senkungsmulde mit einem Maximum von etwa 4 m eingestellt. ZIEGLER et a1. (2007; 2009) haben fiir diese durch Grundwasserabsenkung und -wiederanstieg bedingten Bodenverformungen ein analytisches Rechenmodell entwickelt, dessen Ergebnisse mit den Setzungsmessungen recht gut iibereinstimmen. Mit groEeren Setzungsunterschieden und Schaden ist vor allen Dingen an geologischen Grenzflachen (Verwerfungen) zu rechnen, an denen auf kurze Entfernung Setzungsdifferenzen von einigen Dezimetern beobachtet wurden. Auch bei einer spateren Flutung von stillgelegten Grubenbauen und einem Wiederanstieg des Gruben- und Grundwassers konnen vieWiltige Probleme auftreten (s. Abschn. 16.7.5). Das mittlere relative SetzmaE betragt in den vorwiegend feinsandigen Tertiarsedimenten je nach Schichtausbildung insgesamt 1-5 mm auf 1 m Grundwasserabsenkung. In den vorwiegend tonig ausgebildeten Tertiarsedimenten des Mainzer Beckens wurden bei mittelfristigen Grundwasserabsenkungen relative SetzmaEe von 1-3mm/m und bei langfristigen AbsenkmaEnahmen solche von 5-10 mm/m beobachtet (PRINZ 1990). Die riicklaufigen Hebungen bei Wiederanstieg des Grundwassers betrugen 2 bis 4 mm/m. Auch hierbei sprechen nichtbindige Schichten mehr oder weniger unmittelbar an,
234
6 Ursa chen von Setzungen, zuliissige Setzungsunterschiede, Risseschiiden
wiihrend bindige Schichten wegen der nachwirken den Konsolidation zeitverzogert und mit deutlich verringerter Geschwindigkeit reagieren (s.o.). Auch bei Absenkung des flurnahen Grundwassers in Talniederungen mit ortlich weichen oder organischen Einlagerungen konnen erhebliche Setzungsunterschiede auf kurze Entfernung auftreten. Diese Erfahrungen sind besonders bei der Grundwasserabsenkung im Hessischen Ried gemacht worden, wo die Grundwasseroberflache in den Jahren 1964 bis 1982 und verstarkt durch die niederschlagsarmen Jahre 1971 bis 1976 urn 1 bis 5 m abgesenkt worden ist. Die in verschiedenen Ortschaften aufgetretenen Gebaudeschaden waren fast ausschlie6lich auf Dberbauung von alten Flussschlingen mit weichen und organischen Sedimenten zuruckzufiihren (PRINZ 1990). Die seitdem stark rucklaufigen Grundwasserentnahmen und die seitdem wieder starkere Grundwasserneubildung haben einen deutlichen Wiederanstieg der Grundwasseroberflache bewirkt, was Vernassungsschaden und auch weitere, z. T. ungleichmamge Sackungen zur Folge hatte (PAPE 2003).
6.2.3 Entnahme von Erdgas und Erdal Bei der Forderung von Erdgas und Erdol fiihrt die Abminderung des Lagerstattendrucks bei unvollkommen wirksamen Randwassertrieb zu Zusatzspannungen in der uber dem jeweiligen Forderhorizont liegenden Schichtenfolge, die ebenfalls Konsolidationssetzungen zur Folge haben, die Dezimeter- bis Meterbetrage erreichen konnen. Auch im Oberrheingraben sind in den 1960er und 1970er Jahren an einigen Stellen derartige Erscheinungen beobachtet (Lit. s. PRINZ 1997). Derartige Ereignisse werden auch vom Gasfeld Groningen und von der Po-Ebene berichtet (s. Geotechnik 1996: 4, S. 317). Die Radarsatelliten- Interferometrie erleichtert heute die Kontrolle derartiger gro6flachiger Bodenbewegungen (RIEDMANN 2007; BENECKE et al. 2007).
6.2.4 Baugrundhebungen infolge Quellerscheinungen oder Kristallisationsdruck Baugrundhebungen an niedrig belasteten Zwischenwanden bzw. von Fu6b6den infolge Quellhebung sind schon bei vielen Tonsteinen und Tonen beobachtet worden (s. Abschn. 2.6.11). Dies beruht darauf, dass bei leichten Bauwerksteilen der Quelldruck den Sohldruck ubersteigen kann, was die Hebungen auslost. Bei ausgepragt plastischen Tonen kann das Schwellen bzw. Quellen bis zu 10 % der Schichtdicke betragen. Baugrundhebungen infolge Kristallisationsdruck werden besonders von der Posidonienschiefer-Formation Baden-Wurttembergs beschrieben. Die dunnschichtigen, bituminosen Posidonienschiefer des Unterjura enthalten z. T. 5-8 % Pyrit, der bei Kontakt mit sauerstoffreichen Grundwasser oxidiert (s. Abschn. 2.2.3) und in Gips ubergeht. Ober der Grundwasseroberflache (bes. bei Grundwasserabsenkung, Dranung oder Abhalten von Niederschlagswasser infolge gro6flachiger Dberbauung, verstarkt bei Warmeabstrahlung) scheiden sich auf den Schichtflachen der dunnschichtigen Posidonienschiefer feinste Sulfatminerale (Gips CaS0 4 • 2H 20 und untergeordnet Melanterit FeS04 • 7H 20) ab, deren Kristallisationsdruck zeitverzogert nach etwa 3 bis 5 Jahren zu Baugrundhebungen von z. T. mehr als 10 cm pro Meter betroffener Gesteinsmachtigkeit fiihren kann. Unter hoher belasteten Fundamenten (a> 300kN/m2) sind Baugrundhebungen dieser Art noch nicht beobachtet worden. Bei Fundamenten werden diese Sohlpressungen oft erreicht, nicht jedoch unter erdaufliegenden Fu6boden (Lit. s. PRINZ 1997). Eine Volumenzunahme infolge Kristallisationsdrucks von Gipskristallen kann auch in anderen feinschichtigen, gipshaltigen Boden (z. B. des Unter- und Mitteljura, s. WAGENPLAST 2005) oder auch in gipshaltigen Auffullmaterialien (Schlacken) auftreten. Weitaus die meisten Schadensfalle sind jedoch aus dem Posidonienschiefer Baden -Wurttembergs bekannt geworden. HECKOTTER & SCHWALD (1994) beschreiben Hebungen eines Hallenbodens, fur dessen Unterbau ein nicht raumbestandiges Huttenmineralgemisch verwendet wurde, das ungebundenes Magnesiumoxid enthielt. Bei Feuchtigkeitszunahme
6.2 Ursachen
von Rissen und Bauwerksschaden
235
wird dieses in Mg(OH)2 umgewandelt, wobei nachtraglich im Laborversuch eine VolumenvergroBerung bis zu 40 % gemessen wurde. Volumenzunahme und Baugrundhebungen treten besonders beim Hydratationsprozess von Anhydrit zu Gips auf (s. Abschn. 2.6.11 und 17.5.2.2). Bei Griindungen im Anhydrit bzw. bei Anschneiden des Anhydritspiegels in Einschnitten oder Tunneln und gleichzeitigem Wasserzutritt ist mit einer Aktivierung der Hydratation und Hebungserscheinungen von Dezimetern bis Metern zu rechnen. An der BAB A 81 sind in Einschnitten Hebungen von an fangs 10 bis 15cml Monat gemessen worden, die nach einem Jahr auf etwa 6cm/Monat zuruckgegangen sind (KLEINERT & EINSELE 1978). Die Bewegungen sind auch nach 25 Jahren noch nicht ganz zur Ruhe gekommen. 1m Jahr 2008 ist in Staufen, Sudbaden, beim Abteufen von Geothermiebohrungen Wasser eines tieferen Stockwerks in ein bisher wasserfreies Anhydritlager aufgestiegen und hat Hebungen in DezimetergroBenordnung ausgelost, mit entsprechenden Gebaudeschaden im Stadtbereich (s. Abschn. 19.2.2.1).
breiten. Zu den Raumwellen gehOren die Longitudinalwellen, auch Kompressionswellen oder Primarwellen (P-Wellen) genannt, und die Transversalwellen bzw. Scherwellen oder Sekundarwellen (S-Wellen). Bei der Fortpflanzung der P-Wellen wird das Medium abwechselnd gepresst oder gezerrt. Bei der S-Welle tritt keine Volumenanderung ein, sondern eine reine Scherverformung mit Biegung und Schub. Die P-Wellen bewirken eine Erhohung des Porenwasserdrucks, wahrend die langsameren S-Wellen durch die Scherbeanspruchung eine Umlagerung des Korngefuges verursachen (Abb. 6.6). An freien Oberflachen werden die P- und S-Wellen reflektiert und es entsteht als Obermichenwelle die so genannte Rayleighwelle (R-Welle), die sowohl longitudinale als auch transversale Verschiebungskomponenten aufweist. Fur oberflachennahe Erschutterungsprobleme sind die R-Wellen oft von ausschlaggebender Bedeutung. An Grenzflachen von zwei Schichten treten Wellenreflexionen auf. Erschiitterungen konnen von einer Vielzahl von Erregern verursacht werden. Unterschieden werden sog. transiente (kurzzeitige), intermittente (zeitweise auftretende) oder stationare (anhaltende) Schwingungen: Stationare Erschutterungen durch Rammgerate, Verdichter, Hammer- und Brecheranlagen, Schrottscheren, Sagegatter, Stanzen u. a. Kurzzeitige Erschutterungen durch Fallimpulse, Z. B. bei Abbrucharbeiten, Sprengerschutterungen, Erdbeben (s. Abschn. 4.2.3).
6.2.5 Einfluss von L ErschllUerungen Erschutterungen sind niederfrequente (10 bis 50 Hz) Vibrationen, die sich im Boden in Form von Raumwellen oder Oberflachenwellen aus-
a) KompreutOOswel •
.. Ton. lOll Ton. wa .... rgesaUIgl Sand. KlM Sand, wa .... rgesalllgi MorAnen Motanon. wassergesAlIIgl Sendslern. $ctIaarer GraM, GfMu8
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Sr;j =p 1000
Z1-
1= 2000
~ 3000
--
4000
5000 mi.
Abb. 6.6 Schematisches Augenblicksbild der Wellenarten und Wellengeschwindigkeiten fOr verschieden Bodenarten.
236
6 Ursachen von Setzungen, zulassige Setzungsunterschiede, Risseschaden
Tabelle 6.2 Frequenzabhangige Anhaltswerte der Schwinggeschwindigkeit zur Beurteilung der Wirkung von kurzzeitigen Erschutterungen auf Gebaude (nach ERICHSEN et al. 2004). Zeile
Gebaudeart
Anhaltswerte fUr die Schwinggeschwindigkeit Fundament
Frequenz
Gewerblich genulzte Bauten, Industriebauten und ahnlich strukturierte Bauten
v" in mmjs
oberste Deckenebene, horizontal 10 bis 50 Hz
50 bis 100 *) Hz
aile Frequenzen
< 10 Hz 20
20 bis 40
40 bis 50
40
2
Wohngebaude und in ihrer Konstruktion und/oder ihrer Nulzung gleichartige Bauten
5
5 bis 15
15 bis 20
15
3
Bauten, die wegen ihrer besonderen Erschutterungsempfindlichkeit nicht denen nach Zeile 1 und 2 entsprechen und besonders erhaltenswert (z. B. unter Denkmalschulz stehend) sind
3
3 bis 8
8 bis 10
8
*) Bei Frequenzen iiber 100 Hz diirfen mindestens die Anhaltswerte fUr 100 Hz angesetzt werden.
Verkehrserschutterungen nehmen eine Mittelstellung zwischen den kurzzeitigen Einzelereignissen und den anhaltenden Erschiitterungsanregungen ein. Zu beachten ist besonders Verkehr iiber unebene Fahrwege. MASSARSCH & CORTEN (1988: Tab. 3) geben eine Obersicht iiber die typischen Erschutterungsquellen, die zu erwartenden Schwingungsintensitaten und auch deren Frequenzbereiche (s. MASSARSCH 2002 und SCHALK et al. 2004). Ein weiterer Effekt, der durch in Schwingungen versetzte Gegenstande ausgestrahlt wird, ist der sog. Sekundar-Luftschall. Diese horbaren Schallimmissionen konnen Z. B. bei U - Bahnen storender sein als Erschutterungsimmissionen. Bodenerschutterungen fuhren zu Belastigungen der Anlieger und konnen Schaden an baulichen Anlagen bewirken. Da es im Bundesimmissionsschutzgesetz (BimSchG) keine Richtwerte fur die Beurteilung von Erschiitterungen gibt, werden in der Praxis die Anhaltswerte der DIN 4150-1 bis 3 herangezogen: Teil 1 Vorermittlung von SchwingungsgroBen (2001)
Teil2 Teil3
Einwirkungen auf Menschen in Gebauden (1999) Einwirkungen auf bauliche Anlagen (1999).
Ma6gebende Schwingungsgro6e fur die Beurteilung der Erschutterungswirkung ist die Schwinggeschwindigkeit Vi (mm/s) der an Fundamenten (Kellermauern) oder Decken ankommenden Bodenerschutterung (Tab. 6.2). Bei den Tabellenwerten ist zu beachten, dass es sich urn Anhaltswerte handelt und nicht urn Grenzwerte. Bei Gebaudeerschiitterungen werden dabei die Spitzenwerte der Maximalamplitude der Schwinggeschwingigkeit Vrnax herangezogen und nicht die effektive Schwinggeschwindigkeit (KBWert) wie bei Einwirkungen auf Menschen (s. DIN 4150-2 und MULLER-BoROTTAU 2000). Durch Erschutterungen werden, von den Fundamenten ausgehend, einzelne Teile eines Gebaudes in unterschiedlicher Weise angeregt und dadurch Spannungen in den Bauteilen erzeugt. Die groBten Schwingungsamplituden sind in Deckenmitte des obersten Vollgeschosses zu erwarten. Gemessen wird an der dem Erreger
6.2 Ursachen von Rissen und Bauwerksschiiden
zugewandten Gebaudeseite. Deckenschwingungen werden im obersten Vollgeschoss gemessen und zwar der vertikale Schwingungsanteil in Deckenmitte und der horizon tale nahe einer durchgehenden Mauer. Wichtig ist eine feste Ankopplung der Messgerate an das Bauwerk (Fundament, Decke, Wand). Die Messung erfolgt mitteis 3-Komponenten-Schwinggeschwindigkeitsaufnehmern in den drei Hauptschwingungsrichtungen V z (lotrecht), V x' und Vy (waagrecht, langs bzw. quer zum Erreger). Der Beurteilung wird der gro6te Einzelwert der Schwinggeschwindigkeitskomponenten zugrunde gelegt. LEDWON (1987: 23) hat verschiedene nationale und internationale Richtlinien fUr die zuIassigen Schwinggeschwindigkeiten verglichen. In DIN 4150-2: 1999 sind auch Anhaltswerte V; fur Ingenieurbauwerke in massiver Bauweise (Blockfundamente, Widerlager) sowie fur erdverlegte Leitungen enthalten (ARNOLD 1997). In der Schweizer Norm SN 640 312a (1992) sind auch Empfindlichkeitsklassen fur Ingenieurbauwerke (Brucken, Stutzmauern), Masten, Rohrleitungen und Untertagebauten (Tunnel, Stollen) angegeben (STEIGER 1993). Fur eine zuverlassige Beurteilung von Erschutterungsproblemen ist es notwendig, die dynamischen Eigenschaften der Erschutterungsquelle, die Wellenausbreitung im Boden sowie den Einfluss der Erschutterung auf das betroffene Objekt zu beachten. In konkreten Fallen ist es notwendig, auBer der Schwinggeschwindigkeit auch die Frequenz sowie die Einwirkungsdauer bzw. die Haufigkeit der Einwirkungen uber einen Iangeren Zeitraum zu beobachten. Zur Beschreibung der Dampfung der Maximalamplituden bei Sprengerschutterungen wird in DIN 4150-1 die Abstands-Lademengen-Beziehung verwendet. Danach sind die Maximalamplituden der Schwinggeschwindigkeit (max. v) in erster Linie yom Abstand der Sprengstelle und von der Lademenge abhangig (s. Abschn. 17.7.1). Der in der Formel ebenfalls enthaltene Dampfungsexponent setzt sich aus der sog. geometrischen Dampfung und der Materialdampfung zusammen. Daruber hinaus werden die Wellenausbreitung im Boden und die Ubertragung von Erschutterungen auf Gebaude und auf darin befindliche Personen und Einrichtungen von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Dazu gehoren:
237 der Abstand zwischen der Storquelle und dem betroffenem Objekt die dynamischen Eigenschaften der Erschutterungsquelle, u. a. m. das Frequenzspektrum der Untergrundaufbau (Bodenart, Wassergehalt, Lagerungsdichte, Tennflachen, Grundwasseroberflache) Wellenuberlagerungen und Resonanzerscheinungen Dampfung infolge Energieabsorption und dadurch Abnahme der Amplitude die Grundung, die Konstruktion und der Zustand des Bauwerks und die Einleitung der Erschutterung uber das Fundament in das Bauwerk. Die Wellengeschwindigkeit im Boden ist keine Materialkonstante, sondern ist ebenso wie der Dampfungsgrad stark von den Untergrundfaktoren und der Wellenfrequenz abhiingig. Der Dampfungskoeffizient ist bei harten magmatischen Gesteinen gering, streut bei den Sedimentgesteinen je nach Festigkeit sehr stark und ist bei Lockergesteinen relativ hoch. Au6erdem werden nicht alle Frequenzen gleich stark gedampft. Die tieffrequenten Anteile der Schwingungen zwischen 1 und 10 Hz breiten sich in gut Korperschall leitendem Untergrund teilweise nahezu ungedampft uber gro6ere Entfernungen aus (REHBOCK 1995). Bodenerschutterungen konnen durch Resonanzeffekte erheblich verstarkt werden, wenn die dominierende Frequenz der sich ausbreitenden Welle mit der Eigenfrequenz der Bodenschicht zusammenfallt. Gleiches gilt fur die Bauwerksresonanz. Die Eigenfrequenzen von Wohnhausern liegen oft zwischen 10 und 20 Hz, wodurch es bei langerer Einwirkung tiefrequenter Schwingungsanteile schon bei geringer Energiezufuhr zu Resonanzerscheinungen (hohen Amplitudenausschlagen) und Schaden kommen kann (s. ARNOLD 1995). Die Wahrnehmung von Erschiitterungen durch Personen hangt nicht nur von den verschiedenen Erschutterungskenngro6en ab, sondern ist auch stark subjektiven Ma6staben unterworfen. Die menschliche Spurbarkeitsschwelle liegt etwa bei V; = 0,1 mm/s. Bei der Einwirkung auf Menschen ist au6erdem zu unterscheiden zwischen der eigentlichen Erschutterungseinwirkung (K s-Wert) und dem sekundaren Luftschall,
238
6 Ursachen von Setzungen, zulassige Setzungsunterschiede, Risseschaden
der in dBA gem essen wird. Die Erfahrung zeigt auBerdem, dass die Bewohner zeitlich begrenzte und nur tagsiiber auftretende Erschiitterungen oft tolerieren, wenn durch Erschiitterungsiiberwachung und Beweissicherung sichergestellt ist, dass die Bausubstanz schadensfrei bleibt (s. DIN 4150-2). Schaden an Bauwerken konnen sowohl durch direkte Erschiitterungseinwirkung als auch indirekt durch Setzungen, ausgelost durch Erschiitterungen, auftreten. Das AusmaB von Setzungen infolge Erschiitterungen ist schwer vorherzusagen. Ansatzpunkte dafiir liefert KLEIN (1990). Die direkte Erschutterungseinwirkung kann sowohl ein Bauwerk in seiner Gesamtheit als auch einzelne Bauteile, bei Hausern z. B. die Geschossdecken, zu Schwingungen anregen. Fur Bauwerksschaden sind haufig die horizontalen Schwingungskomponenten maBgebend, da Gebaude in horizontaler Richtung geringere Steifigkeit aufweisen. Gebaudeecken werden dagegen hauptsachlich durch vertikale Schwingungen angeregt. Bauwerksschaden sind im Allgemeinen nur im Nahbereich von Erschiitterungsquellen zu erwarten. Aus der Erregerstarke und der Entfernung kann man jedoch keine zuverlassigen Ruckschliisse auf das Schadensrisiko ableiten. Besonders die Grundwasseroberflache oder andere gut Korperschall leitende Flachen (Felsoberflache) wirken als ausgesprochener Reflexionshorizont. Fiir die Beurteilung von Schaden an Bauwerken durch kurzzeitige Erschutterungen enthalt die DIN 4150, Teil 3, Anhaltswerte, die jedoch keine Schadensgrenzen darstellen (Tab. 6.2). Fur Wohngebaude sind danach in Abhangigkeit von der Frequenz Schwinggeschwindigkeiten von v = 5 bis 20 mm zulassig. Fur anhaltende oder sich Ofter wiederholende Erschutterungen sind bedeutend niedrigere Richtwerte in der Diskussion, wobei jedoch die Angaben in der Literatur streuen. Nach ARNOLD (1986, 1988) konnen bei kurzzeitigen Sprengerschiitterungen die Anhaltswerte der Tab. 6.2 bis zu 50 % uberschritten werden, ohne dass ein erhohtes Schadensrisiko auftritt. Diese Uberschreitungen liegen aber nach Ansicht anderer Sachverstandiger bereits im Niveau der Sicherheitsmarge, auf die nicht verzichtet werden sollte. 1st das primare Schutzziel die Funktionstiichtigkeit empfindlicher Gerate, so sind die entspre-
chenden Erschiitterungsempfindlichkeiten zu beachten, die bei 1110 bis 1/100 der Spurbarkeitsschwelle liegen konnen. SCHALK et al. (1999) geben einen Uberblick iiber die Systematik des Vorgehens bei der Ermittlung der Erschiitterungsvertraglichkeit und der Beweissicherung derartiger Objekte. Bodenerschiitterungen bewirken oftmals charakteristische Schadensbilder, deren Beurteilung und Bewertung viel Erfahrung verlangt. Bei Wechselbeanspruchung entstehen an Mauerwerkswanden die sonst schwer deutbaren Kreuzrisse, eine Kombination von Fugenrissen und Steinzugversagen (Abb. 6.7 und Abschn. 6.1). Besonders im Anfangsstadium werden Gebaudeschaden durch Erschiitterungseinwirkung haufig verkannt. Hier hat sich die Methode der vergleichenden Beobachtung der Schadensentwicklung in bestimmten Zeitabstanden bei gleichzeitiger Erfassung der wesentlichen iibrigen EinflussgroBen bewahrt. Vorschaden sowie RissvergroBerungen (an Gipsmarken) und Neurissbildungen werden dabei genau dokumentiert, wobei die Uberpriifung von Gipsmarken unmittelbar nach der Erschiitterungseinwirkung erfolgen muss. Dabei ist nicht nur das DurchreiBen einer Gipsplombe maBgebend, sondern auch die Rissuferverschiebungen. Besonders zu beachten sind erschutterungsempfindliche Einrichtungen (Deckenfresken, Stuckdecken) und Gegenstande, die herabfallen konnen. Sofern auch andere Ursachen in Betracht kommen, muss versucht werden zu beurteilen, ob und gegebenenfalls in welchem Verhaltnis die verschiedenen Schadensquellen die Schaden verursacht haben. Das Ziel von Ma6nahmen gegen Bodenerschiitterungen ist, Erschutterungsimmissionen soweit abzumindern, dass die vorgegebenen Anhaltswerte eingehalten werden. Insgesamt kon-
" Abb. 6.7 Typische Schadensbilder an Mauerwerkswanden durch Wechselbeanspruchung infolge ErschGtterungseinwirkung.
6.2 Ursachen von Rissen und Bauwerksschaden
nen drei verschiedene MaBnahmen in Betracht gezogen werden: aktive Abschirmung an der QueUe passive Abschirmung am betroffenen Objekt Abschirmung im Bereich der WeUenausbreitung. Mit MaBnahmen an der QueUe lassen sich meist die besten Ergebnisse erzielen. Als wirksame IsoliermaBnahme sowohl an der Quelle als auch am Empfangsort dienen je nach Frequenzbereich verschiedene elastische Puffermaterialien. Auch zur Minderung von Erschutterungen durch den Schienenverkehr kommen spezielle Schienenlagerungssysteme zum Einsatz. Da sich die fur Bauschaden maBgebende Schwingenergie hauptsachlich in oberflachen-
239 nahen Schichten bis etwa 15 m Tiefe ausbreitet, kann durch Bodenschlitze oder steife Wande theoretisch eine Abschirmung erreicht werden. Offene oder mit Bentonitsuspension gefullte Schlitze geben zwar einen echten Abschirmeffekt, sind aber in ihrer Tiefe und besonders auch in ihrer praktischen Anwendung begrenzt. Teilweise werden auch steife Abschirmwande (z. B. Stahlspundwande) eingesetzt. Als weiteres Verfahren wird seit Mitte der 1980er Jahre der Einbau von gasgefullten Matten in vertikale Bodenschlitze empfohlen (MASSARSCH & CORTEN 1988; MASSARSCH 2002) oder Abschirminjektionen mit Schaum (Chr. Veder-Koll. 2008).
7
I··chengrundung, Baugr dverbesserung
Die Baugrundnormen fur Flach - und Pfahlgrundungen und die zugehorigen Sicherheitsnachweise (s. Abschn. 5.1 bis 5.6) sind die DIN EN 1997-1:2009 (EC 7) und die DIN 1054 (s. Abschn. 1.2). Bei Grundungsarbeiten fur Verkehrsbauwerke sind auBerdem die "Zusatzlichen Technischen Vertragsbedingungen fur lngenieurbauten" der StraBenbauverwaltung (ZTV-lNG, 2003), Teil 2 Grundbau, mit den Abschnitten Baugruben, Grundungen und Wasserhaltung zu beachten bzw. die entsprechenden Abschnitte der Richtlinie (RiL) 853 (2007) der Deutschen BahnAG.
7.1 Prinzip der Flachengrundung, Fundamentarten Bei einer Flachengrundung werden die Bauwerkslasten uber ± horizontale Sohlflachen auf oberflachennahe Baugrundschichten abgetragen. Die Grundungstiefe wird bestimmt von der Frostfreiheit, der Standsicherheit und der Konstruktion (z. B. Kellertiefe, Kocherfundamente). Folgende Fundamentarten werden unterschieden: Streifenfundamente unter durchlaufenden Konstruktionen Einzelfundamente unter Einzellasten Streifenrostgrundung, ein Raster sich kreuzender Streifenfundamente Plattengrundung, eine unter dem gesamten Bauwerk durchgehende Lastubertragungsplatte, die je nach KonstruktionshOhe verhaltnismaBig biegsam ist. Durch statische Bewehrung des Fundaments konnen Biegespannungen aufgenommen und die Fundamenthohe wesentlich reduziert werden. Urn ein nicht statisch bewehrtes StreifenfundaH. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
ment in Langsrichtung steifer auszubilden, wird konstruktive Langsbewehrung eingelegt, die zur Aufnahme der bei einer Biegebeanspruchung immer auftretenden Schubverformung verbugelt werden muss (z. B. 4 Fe 0 14mm, oben und unten, verbugelt).
7.2 Festlegung der Grlindungstiefe Die Grundungssohle muss eine fur die Lastabtragung geeignete Schicht erreichen und sie muss frostfrei liegen, d. h. mindestens 0,8 m unter Gelande. Die frostfreie Griindungstiefe hangt ab von den klimatischen Verhaltnissen, der Frostempfindlichkeit des Bodens (s. Abschn. 12.4.1) und dem Vorhandensein von Wasser. Die allgemeine Regel, dass im Flachland 0,8 m, in hoheren Lagen 1,2 m frostfrei sind, gilt nur fur normale Winter. Untersuchungen in strengen Wintern haben gezeigt, dass auch im Flachland haufig Frosteindringtiefen von 1,0 m und mehr auftreten. Ais frostfreie Grundungstiefe sollten daher generell1,0 bis 1,2 m angenommen werden. Eine frostfreie Grundung darf nicht nur fi.ir die Zeit nach Baufertigstellung ausgelegt sein, wobei auch mogliche Abgrabungen zu beachten sind, sondern sie muss fur jeden Bauzustand gewahrleistet sein, angefangen von den Fundamenten bis zum Rohbau. Der Frost kann sonst z. B. uber ungesicherte KellerOffnungen vom KellerfuBboden aus einseitig unter die Fundamente wirken, was zu einseitigem Hochfrieren, zu Verkippungen der Wande und damit zu typischen Risseschaden fuhrt. Die oben genannte frostfreie Grundungstiefe gewahrleistet auch, dass die Zone der jahreszeitlichen Volumenanderungen durch Auffrieren und Austrocknung durchgrundet wird. Das Glei-
242 che gilt auch fUr die Zone der groBeren Wurzellocher und Hohlraume durch wuhlende Tiere. Verbleibende Locher mussen so verfullt werden, dass die Steifigkeit des Baugrunds wiederhergestellt wird. In Gebieten mit tonigen Boden hat sich in niederschlagsarmen Sommern wiederholt gezeigt, dass das durch Niederschlagsarmut bedingte Schrumpfen solcher Boden bis 2 m Tiefe reicht und in 1 m Grundungstiefe noch Schrumpfsetzungen bis 1 em auftreten konnen (PRINZ 1990 und Abschn. 6.2.2).
7.3 ZuUissiger Sohldruck in einfachen Fallen Die zulassigen Sohldruckspannungen sind derjenige Sohldruck, der bei einem Bauwerk auf dem vorhandenen Untergrund zugelassen werden kann, ohne dass Schaden am Bauwerk zu befurchten sind. Er hangt nicht allein vom Baugrund ab, sondern es ist immer die Wechselwirkung BauwerkJBaugrund zu beachten. In DIN 1054-101 (E 2009) sind neue Bemessungswerte des Sohlwiderstandes ( (TRod) fUr verschiedene Bodenarten in Tabellenform angegeben (Tab. 7.1). Der Bemessungswert des Sohlwiderstandes ergibt sich aus der ungunstigsten Einwirkungskombination der charakteristischen bzw. reprasentativen Vertikalspannungen. Bei den Tabellenwerten handelt es sich urn Bemessungswerte des Sohlwiderstandes, nicht urn zulassige Sohldruckspannungen, wie in der bisherigen Norm. Die neuen Werte unterscheiden sich gegenuber den bisherigen urn den Faktor 1,4, d. i. der gewichtete Mittelwert der unten genannten Teilsicherheitsbeiwerte. Der Bemessungswert der zulassigen Sohldruekspannungen «(TE.d) fur den Grenzzustand STR (GEO 2) und die Bemessungssituation BS-P ergibt sich aus den bisherigen Sohlwiderstanden durch Division mit den Teilsicherheitsbeiwerten YGbzw. Yo YG = 1,35 fur Beanspruchungen aus standigen Einwirkungen einschl. Wasserdruck Yo = 1,50 fur Beanspruchungen aus ungunstigen veranderlichen Einwirkungen.
7 Flachengrundung, Baugrundverbesserung
Ausreichende Sicherheit gegen Grundbrueh und Gleiten ist bei dies en Werten gewahrleistet, wenn: die Fundamentsohle und die Gelandeoberflache sind waagereeht der Baugrund bis in 2-fache Fundamentbreite, mindestens aber 2 m unter Grundungssohle ausreiehende Festigkeit hat (s. Tab. 7.1) und kein nennenswerter Porenwasserdruck auftritt die Sohldruckbeanspruchung ist senkrecht und ohne klaffende Sohlfuge (s. Abschn. 5.3.1) der Nachweis gegen Kippen erfUllt ist weitere Einzelheiten s. DIN 1054-101, Abs. A.6.10. Die Eignung des Baugrunds fur diese Art der Bemessung sollte durch eine Abnahme der Baugrubensohle sichergestellt werden (DIN EN 1997-1, Abs. 2.5 und 4.3). In den Fallen, in denen diese Randbedingungen nicht erfUllt sind, mussen in jedem Fall die einzelnen Grenzzustande gem. Abschn. 5.2 nachgewiesen werden (z. B. fUr Einzelfundamente oder fur Fundamentbreiten > 2m). Bei Ansatz der Tabellenwerte (Tab. 7.1) ist bei nichtbindigen Boden und bei Fundamentbreiten bis 1,5 m mit Setzungen von 1-2 em zu rechnen, bei breiteren Fundamenten ggf. mehr. Bei bindigem Baugrund ist nach Vorliegen eines Lastenund Fundamentplans zu prufen, ob die Setzungen und Setzungsuntersehiede in ertragliehen Grenzen liegen. Bei nichtbindigem Baugrund muss mindestens mitteldichte Lagerung gegeben sein (s. Tab. 2.7 und 4.7). Bei dichter Lagerung des nichtbindigen Baugrundes ist eine Erhohung der Bemessungswerte bis zu 50 % zulassig. Bei Rechteck- und Kreisfundamenten und Einbindetiefen > 0,6b durfen die Bemessungswerte urn bis zu 20 % erhoht werden. Die Bemessungswerte fUr den Sohlwiderstand «(TRod) von Streifenfundamenten auf bindigem Baugrund bei Fundamentbreiten von b = 0,5 bis 2,0 m sind differenziert nach reinem Schluff (UL), tonig-schluffigem Boden (UM, TL, TM) oder ausgepragt plastisehem Ton (TA) . Die Tabellenwerte sind dabei abhangig von der Konsistenz des Grundungsbodens bzw. der einaxialen Druckfestigkeit naeh Abschn. 2.6.10.1. Dabei sind die von der DIN 1054: 2005 vorgegebenen Druckfestigkeitswerte fur Tonboden im Vergleich zu anderen Tabellenwerten relativ hoch
243
7.3 Zulassiger Sohldruck in einfachen Fallen
Tabelle 7.1 Zusammenstellung der Bemessungswerte des Sohlwiderstandes nach DIN 1054-101 in kN/m' Niehtbindiger Baugrund
Einbindetiefe
Streifenfundamente mit Breiten von 0,5 m
1m
1,5 m
2m
3m
Seuungsempfindliehe Bauwerke (Begrenzung der SeUungen) Kies und Sand dieht GE, GW, GI SE, SW, SI GU, SU, GT (DIN 1054-101 Tab. A 6.1 und A 6.2)
0,5 m
280
420
460
390
310
1,0 m
380
520
500
430
340
1,5m
480
620
550
480
360
2,Om
560
700
590
500
390
Setzungsunempfindliche Bauwerke (auf Basis Grundbruchsicherheit)
Bindiger Baugrund
0,5 m
280
420
560
700
700
l,Om
380
520
660
800
800
1,5 m
480
620
760
900
900
2,Om
560
700
840
980
980
Einbindetiefe
Streifenfundamente mit Breiten von::;; 2 m steif - halbfest
Schluff UL (DIN 1054-10 1 Tab. A 6.5)
O,5m
180
1,0m
250
1,5 m
310
2,Om
350
Embindetiefe
steif
q... - 120-
fest
halbfest qu - 300-700 kN/ml
q.., > 700 kN/ml
300 kN/m2 Kies und Sand schluffig-tonig GU', SU', ST, GT', SP (DIN 1054-101, Tab. A 6.6)
Schluff + Ton UM, TL, TM (DIN 1054-101 Tab. A 6.7)
Ton TA (DIN 1054- 101 Tab. A 6.8)
O,5m
210
310
460
1,0 m
250
390
530
1,5 m
310
460
620
2,Om
350
520
700
0,5 m
170
240
390
1,0m
290
290
450
1,5 m
220
350
500
2,0m
250
390
560
0,5m
130
200
280
1,0m
150
250
340
1,5m
180
290
380
2,Om
210
320
420
7
244
7 FlachengrGndung, Baugrundverbesserung
angesetzt. Fur weiche und weiche bis steife Boden sind keine Tabellenwerte vorgegeben. Hier mussen jeweils eigene Erfahrungswerte angesetzt und die Grenzzustande nachgewiesen werden. Bei einem Abstand des maBgebenden Grundwasserspiegels < b ist eine Abminderung der Tabellenwerte vorzunehmen und zwar urn bis zu 40 % bei einem Grundwasserstand in Grundungssohle oder daruber (Einzelheiten s. DIN 1054-101, A 6.10.2.3) Fur Griindungen auf Fels geht die DIN 1054101 (E 2009) nicht von den vier Felsgruppen und den entsprechenden Bemessungsdiagrammen der DIN EN 1997-1 (Abs. 6.7 undAnhang G) aus, sondern von einem einheitlichen Bemessungsdiagramm fUr den Sohldruckwiderstand auf der Basis von acht Qualitatsstufen. Darauf aufbauend konnen der Abb. 7.1 fur Einzelfundamente auf nieht veranderlichem Fels die Bemessungswerte des Sohlwiderstandes (nieht zulassiger Sohldruck) anhand von fUnf Festigkeitsstufen sehr murb murb maBigmurb maBighart hart
2
3
4
sowie der einaxialen Druckfestigkeit qu und dem Tennflachenabstand (Kluftung, Schichtung) entnommen werden. Die Setzungen konnen dabei eine GroBenordnung von 0,5 % der kleineren Fundamentbreite erreichen, d. s. 0,5 cm pro Meter. Bei offenen oder mit Kluftletten gefullten Kluften und moglichen Erscheinungen von oberflachennaher oder tektonischer Gebirgsauflockerung (s. Abschn. 3.4.3.2) konnen die Setzungen entsprechend hoher ausfallen.
7.4 Konstruktive und baugrundverbessernde MaBnahmen Die Festlegung des aufnehmbaren Sohldrucks erfolgt unter der Bedingung ausreichender Grundbruchsicherheit und unter Annahme einer fUr das Bauwerk unschadlichen Setzung bzw. entsprechender Setzungsunterschiede. Besteht Gefahr, dass die SetzmaBe uberschritten werden, so mussen dagegen MaBnahmen vorgesehen werden. Diese sind abhangig von Baugrund und Bauwerk sowie der GroBenordnung der zu erwartenden Setzungen.
5
7.4.1 Konstruktive MaBnahmen 100
E
~ "0
c: 0,1 mm)
Kliifte
(:>:0,1 mm)
252 In Feinsanden mit Schluffanteilen bis 30 % sowie bei Kluftweiten von < 1 mm konnen Verpressfliissigkeiten aus Kunstharzen verwendet werden. Die Reaktionszeiten konnen nach Bedarf eingestellt werden. Dabei bildet sich ein tragfahiger Verbundkorper, der sowohl fiir Nachgriindungen als auch fiir kleinfliichige Anhebungen verwendbar ist (HUURNE & SORETZ 2008; BERNHARD & BERG FORTH 2010). PUR-Harze schiiumen bei Kontakt mit Wasser auf und dichten abo Die Durchlassigkeitswerte konnen um bis zu zwei Potenzexponenten verbessert werden. Wahrend bei Zementinjektionen (auch von Feinstbindemitteln) nur kurzzeitige Veranderungen des den frischen Injektionskorper umstromenden Grundwassers beobachtet wurden und diese daher beziiglich der Grundwasserbelastung als unbedenklich gelten, ist bei SilikatlOsungen und den Zweikomponenten-Kunstharzen die Umweltvertraglichkeit zu beachten. Bei Silikatlosungen tritt im vorbeiflieBenden Grundwasser eine deutliche Erhohung des pH-Wertes und der Na-Ionenkonzentration auf, die jedoch nach einigen Tagen auf nur noch gering erhohte Werte absinkt (KIRSCH 1994; BRAUNS et a1. 2001). Die heute verwendeten Zweikomponenten-Polyurethanharze sind FCKW-frei und bewirken keine Beeintrachtigung von Boden und Grundwasser, so dass sie selbst in Wasserschutzgebieten eingesetzt werden (HUURNE & SORETZ 2008). Insgesamt liegen iiber die Umweltvertraglichkeit dieser Stoffe noch keine abschlieBenden Erfahrungen vor, auch nicht hinsichtlich behordlicher Einschrankungen nach dem Wasserhaushaltsgesetz (s. Abschn. 4.4.1), dem zu Folge eine Erlaubnis oder eine Bewilligung fiir das Einleiten von Stoffen in das Grundwasser nur erteilt werden darf, wenn eine schadliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veranderung seiner Eigenschaften nicht zu besorgen sind bzw. bestimmte Konzentrationswerte (Geringfiigigkeitsschwellenwerte) nicht iiberschritten werden (s. Abschn. 16.1). Eine Neuentwicklung sind einphasige Injektionen mit erhitztem, fliissigem Polyamid, das nach der Literatur absolute Umweltvertraglichkeit aufweist und sowohl zu Verfestigungs- als auch Abdichtungsinjektionen gegen stromendes Wasser in Locker- und Festgesteinen eingesetzt werden kann (WEBER 2002).
7 Fliichengriindung, Baugrundverbesserung
Zu den Niederdruckinjektionen mit hydraulischen Bindemitteln, den sog. Hydraulic-Fracturing-Verfahren, zahlen sowohl das Soil-Fracturing- als auch das Rock-Fracturing-Verfahren. Mit den Soil-Fracturing-Verfahren kann eine Stabilisierung von im herkommlichen Sinn nicht injizierbaren feinkornigen und z. T. gemischtkornigen Boden sowie auch von organischen Boden erreicht werden (STEIN & GERDES 1988; MULLER-KIRCHENBAUER et a1. 1996). Dabei werden nicht nur vorhandene groBere Porenraume verfiillt, sondern der Boden wird durch angepasste Mehrfachverpressungen ortlich aufgesprengt, so dass ein Feststoffskelett aus Einzellamellen oder Zementplatten entsteht, ohne dass die Konsistenz des Bodens selbst merkbar verbessert wird. Anfanglich bilden sich bevorzugt vertikale feine Zementlamellen aus, die zunachst eine horizontale Verspannung und Verdichtung im Boden bewirken (Abb. 7.5). Bei weiterer Verpressung kommt es zu einem Anwachsen der Vertikalspannungen und mit weiterer Verdichtung zu Hebungstendenzen, die auch Hebungsinjektionen bei Gebaudeschiefstellungen ermoglichen (s. Abschn. 17.8.4 und RAABE & ESTERS 1986; RAABE et al. 1990; KRAMER 2000). Ais Hebungsinjektionen werden auch schnell hartende Zweikomponenten-Kunstharze eingesetzt und zwar sowohl unmittelbar in der Bauwerkssohle als auch gestaffelt bis in groBere Tiefe. Die Verpressdriicke werden, beginnend beim Oberlagerungsdruck, langsam gesteigert, bei gleichzeitiger Kontrolle der Hebungen. Der Verpressdruck wird in der Regel an der Injektionspumpe im Injektionscontainer gemessen und ist nicht dem maBgeblichen Druck an der Austrittsstelle in das Gebirge gleichzusetzen. Infolge der Druckverluste in den Leitungen und im Packer sowie des AufreiBwiderstandes der Mantelmischung und des Druckverlustes bis zum Eintritt in das Gebirge betragt der wirksame Druck im Gebirge meist weniger als 50 % des Pumpendruekes. Ober die Moglichkeit einer Druckmessung am Packer, wie sie bei WD-Tests iiblich ist, liegen mit feststoffreichen Injektionsmitteln noch kaum Erfahrungen vor. Eine Weiterentwicklung zur Verfestigung nicht injizierbarer, wenig tragfahiger, aber sehr steifer bis halbfester Verwitterungsboden und Halbfestgesteine ist das Rock-Fracturing- Verfahren. Durch ausreichend hohe Verpressdriicke
253
7.4 Konstruktive und baugrundverbessernde MaBnahmen
7
2
3
5
Ersrverpressung
Mehrfochverpressung
Abb. 7.5 a) Wirkungsweise einer Manschettenrohr-Verpressung und b) des Soil-Fracturing-Verfahrens (1) Bohrrohr, (2) Mantelmischung, (3) Gummimanschette, (4) fnjektionsgut, (5) Packer (Firmenprospekt).
werden vorhandene Schichtflachen, Kliifte und andere Schwachstellen im Gebirge aufgerissen und Zementsuspension eingepresst. Durch die Verspannung des Untergrundes werden die Steifigkeit und die Scherparameter verbessert. Zur Anwendung kommt meist das Manschettenrohrverfahren (0112-1" Kunststoffrohre). Der mit Mantelmischung verfiillte Ringraum ('" 25 mm) wird mit Verpressgut oder vorher mit Wasser gecrackt und eine feststoffreiche Zementsuspension unter moglichst hohen Driicken injiziert. Die Injektion erfolgt iiber Doppelpacker meist zweiphasig, wobei bei den Vorlauferinjektionen offene Kliifte verfiillt und das Gebirge mit Injektionsgut gesattigt und bei den nachfolgenden SchlieBerinjektionen die eigentliche Verspannung des Untergrundes bezweckt wird. Dementsprechend ist bei den SchlieBerinjektionen die Verpressmenge geringer, das Druckniveau aber hoher und der Druckverlauf unruhiger als bei den Vorlauferinjektionen. Urn einen Injektionserfolg zu erreichen, miissen vorab das Injektionsraster anhand der Vorstellung iiber das Gebirge (a = 1,0-1,5 m), die Rezeptur des Injektionsgutes (W/B = 0,70,9), die Injektionstechnik (Packertyp, Abfolge der Injektionsarbeiten, Injektionsdriicke sowie die Injektionsraten mit < 10 I/min) und die Abbruchkriterien (max. Pump end ruck, max. Verpressmenge etwa 100 bzw. 50 I, etwaige Austritte von Injektionsgut und Anzeichen beginnender Hebung)
festgelegt werden. Die Injektionsvorgange werden im Injektionscontainer auf Druckmengenschreibern dokumentiert und ausgewertet.
7.4.5 Dusenstrahlverfahren Ende der 1970er Jahre kam aus Japan das sog. Hochdruck-Diisenstrahlverfahren (Jet -Grouting oder Soilcrete-Verfahren, HDI-/DSV-Verfahren), bei dem mit einem Hochdruck -Diisenstrahl aus Zementsuspension, dem auch Druckluft hinzugefiigt werden kann, der Boden aufgefrast (Abb. 7.6) und mit Injektionssuspension vermischt wird, so dass je nach Dreh- und Ziehgeschwindigkeit des eingespiilten Diisentragers unterschiedlich dicke saulen- oder wandartige bzw. auch ebenflachige Boden-Zementsteinkorper hergestellt werden konnen (s. Ausfiihrungsnorm fiir den Spezialtietbau DIN EN 12716 und ATV DIN 18 321). In Vorversuchen miissen ggf. die Diisparameter fiir einen bestimmten Saulendurchmesser (bzw. Mindestwanddicke und Dberschnitt der Saulen, meist 10 em) sowie die erforderliche Mindestdruckfestigkeit (4-5 MN/m2) ermittelt werden. In nichtbindigen Boden betragen die erreichbaren Zylinderdruckfestigkeiten 5-12 MN/m 2. In starker bindigen Boden mit quellfahigen Tonmineralen werden hiiufig nur Druckfestigkeiten < 5 MN/m 2 erreicht (WOLFF 1989: 529; BORCHERT et al. 2006). Das Diisenstrahlverfahren dient zur Ausfiihrung von Unterfangungskorpern, zur Voraussicherung des Gebirges im Tunnelbau (Abschn. 17.8.3) sowie, bei sich iiberlappenden Verfesti-
254
7
Bohren
7 FlachengrOndung, Baugrundverbesserung
Sollcretleren beginnt
~
Soilcretesaule
Wiederholung mit Uberschneidung
Abb. 7.6 Prinzip des Hochdruck-DOsenstrahlverfahrens (Firmenprospekt).
gungskorpern, auch zu Abdichtungszwecken von Wanden und Baugrubensohlen (s. Abschn. 10.4.3 und WOLFF 1989; STOCKER & LOCH MANN 1990; KWCKERT 1996 und ABERLE & MACH ON 2000; SCHOLZ & PALLA 2007; QUAST & ZANDER 2006; FEISTMANTL et al. 2009; PALLA & LEITNER 2009). Bei der Anwendung dieses Verfahrens ist besonders auf Inhomogenitaten bzw. Hindernisse verschiedener Art (Findlinge, bank- oder
linsenartige harte Einschaltungen, fossile Holzer, sonstige Storkorper) hinzuweisen, in deren Spritzschatten es zu Fehlstellen des Diisenstrahlkorpers und zu Wasserwegsamkeiten kommen kann. Hinsichtlich der Durchfiihrung von Festigkeitspriifungen bei Bodenverfestigungen s. IRNGARTINGER et al. (2007).
8
••
n ung Pfah g grundung
Sind bei einer Flachengrundung zu gro6e und (oder) ungleiche Setzungen zu erwarten, die auch durch eine Baugrundverbesserung nicht mit wirtschaftlichen Mitteln auf ein ertragliches Ma6 abzumindern sind, so muss eine Tiefgrundung vorgesehen werden. Hierbei werden die Lasten mittels lastubertragender Stutzelemente auf tiefer liegende, tragfahige Schichten ubertragen. Die alteste und haufigste Art der Tiefgrundung ist die Pfahlgrundung.
8.1 Einteilung und Tragverhalten der Pfiihle Die Pfahle werden durch nicht oder wenig tragfahige Schichten in tiefere, besser tragfahige Schichten niedergebracht, in denen die Pfahlkrafte uber die Pfahlfu6flache, meist unter Einbeziehung des tiber eine gewisse Einbindelange wirkenden Pfahlmantelwiderstandes (Mantelreibung) abgetragen werden. pfahlgrundungen werden im Normalfall in die Geotechnische Kategorie GK 2 eingestuft (s. Abschn. 4.1), bei hoch ausgelasteten Pfahlen setzungsempfindlicher Bauwerke bzw. bei Mantelund/oder Fu6verpressung, bei Seitendruck auf die Pfahle sowie geneigten Zugpfahlen in GK 3. Die Ermittlung der Pfahlwiderstande erfolgt nach dem Nachweisverfahren GEO 2. Die allgemeinen Grundsatze flir Pfahlgriindungen sind in DIN EN 1997-1 und DIN 1054 -101 (E 2009) sowie der EA prahle (2007) zusammengestellt. Letztere wird derzeit auf der Grundlage der DIN EN 1997-1 uberarbeitet. In die DIN EN 1997 -1 sind teilweise auch die Bemessung von Bohrpfahlen (ehem. DIN 4014: 1990), von Verdrangungs- bzw. Rammpfahlen (ehem. DIN 4026: 1975) und von Pfahlen mit kleinen DurchH. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
mess ern (ehem. DIN 4128: 1983) aufgenommen. Dazu kommen die deutschen Fassungen der Europaischen Spezialtiefbau-Normen bzw. Normen-Entwurfe (Ausfuhrungsnormen) fur Bohrpfahle DIN EN 1536: 1999 und DINFachbericht Nr. 129 Verdrangungspfahle DIN EN 12699: 2001 (Fachbericht in Vorbereitung) Betonfertigpfahle DIN EN 14794 (Entwurf) Pfahle mit kleinen Durchmessern EN 14 199: 2005 (Fachbericht in Vorbereitung) Einen umfassenden Oberblick uber die Pfahlsysteme und ihre Anwendungen bieten auch die DGGT-Empfehlung "Pfahle" - EA Pfahle (2007).
8.1.1 Tragverhalten der Pfahle Bei Spitzendruckpfahlen uberwiegt die Krafteinleitung uber den Pfahlfu6widerstand Rb (base resistance) und den Pfahlmantelwiderstand Rs (shaft resistance) nahe dem Pfahlfu6 (Abb. 8.1). Durch Vergro6erung der Querschnittsflachen am Pfahlfu6 kann ihre Tragfahigkeit erhoht werden. Solche Moglichkeiten sind gestampfte Fu6aufweitungen bei Ortbetonrammpfahlen, angeschnittene Fu6aufweitungen bei Bohrpfahlen und angeschwei6te Flugel bei Stahlpfahlen. Bei Pfahlgrundungen in mitteldichten rolligen Boden und in steifen bis halbfesten bindigen Boden (z. B. tertiare Tone) werden jedoch bis 80% der Lasten uber Mantelreibung abgetragen. Bei Reibungspfahlen erfolgt die Krafteinleitung uberwiegend uber den Pfahlmantelwiderstand Rs (sog. schwebende Pfahlgrundung). Hierbei sind gro6e und moglichst raue Mantelflachen von Vorteil, wie sie besonders OrtbetonpHihle aufweisen.
256
8 Pfahlgrundung
8
I I
Rsl
Abb. 8.2 Aufnahme von horizontalen Einwirkungen durch Pfiihle a) Pfahlbock, b) eingespannter, elastisch gelagerter Pfahl.
I I a)
b)
Abb.8.1 Tragverhalten eines Einzelpfahles a) Druckpfahl, b) Zugpfahl
Zugpfahle tragen ihre Krafte ausschlieBlich uber den Mantelwiderstand ab (Abb. 8.1). Pfahle sollen in der Regel nur axial auf Druck oder Zug beansprucht werden. Da Pfahle in der Praxis sehen genau in vertikaler Richtung hergestellt werden, sind in den verschiedenen Regelwerken geometrische Herstellungstoleranzen fur diese ungewollte Schiefstellung angegeben. DIN EN 1536 erlaubt fur vertikale Bohrpfahle 2% und die DIN EN 12699 fUr Verdrangungspfahle 4%. Eine Schiefstellung verursacht eine Horizontalkraft, die, wie planmaBige horizontale Einwirkungen, als Querkraft uber die Bewehrung oder uber Schragpfahle bzw. Pfahlbockkonstruktionen aufgenommen werden mussen. Bei Letzteren werden die Pfahle Druck- und Zugbeanspruchungen ausgesetzt (Abb. 8.2). Bohrpfahle mit Vollquerschnitten D > 0,3 m konnen horizontale Einwirkungen durch die Bewehrung aufnehmen, was zu einer Biegebeanspruchung der Pfahle fuhrt. Zur Setzungsreduzierung von Hochhausgrundungen werden seit den 1980er Jahren auch sogenannte kombinierte Pfahl-Plattengriindungen (KPP) ausgefuhrt (s. KPP-Richtlinie 2010 bzw. DIN-Fachbericht 130). Die Bauwerkslasten werden sowohl unmittelbar uber den Sohldruckwiderstand der Fundamentplatte als auch uber die Summe der Pfahlwiderstande in den Baugrund abgetragen. Ziel einer Pfahl-Plattengrun-
dung ist eine Verformungsbeschrankung sowohl beim Baugrubenaushub als auch des Bauwerks selbst und der Nachbarbebauung.
8.1.2 Pfahlarten und Baustoffe Bei den Pfahlen werden Bohrpfahle, Verdrangungspfahle (Rammpfahle) und Pfahle mit kleinem Durchmesser unterschieden (sog. Mikrooder Minipfahle). Nach denHersteIlungsverfahren werden weiterhin unterschieden: Fertigpfahle werden meist fabrikmiiBig vorgefertigt und auf die Baustelle transportiert. Dazu gehoren aIle Holz- und Stahlpfahle sowie Fertigbetonrammpfahle. Ortbetonpfahle werden auf der Baustelle im Boden hergestellt. Zu den Rammpfahlen gehOren neben der Gruppe der Fertigpfahle auch die Ortbetonrammpfahle. Bohrpfahle werden in Deutschland nur als Ortbetonpfahle hergestellt. Nach den verwendeten Baustoffen werden schlieBlich Holzpfahle, Stahlpfahle, Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonpfahle unterschieden. Durch den Einbau von Warmetauscherrohren (sog. Absorbern) in die Grundungspfahle konnen diese als sog. Energiepfahle zu Energiegewinnung fur Heizen und Kuhlen verwendet werden (Abschn. 20.2.1.1).
8.2 Grundlagen der Pfahlbemessung
8.2 Grundlagen der Pfahlbemessung Die Einwirkungen F setzen sieh zusammen aus den Einwirkungen des Bauwerks (Griindungslasten) und den Einwirkungen aus dem Baugrunds. Letztere konnen auftreten infolge negativer Mantelreibung (s. Abschn. 8.2.6), Biegebeanspruchung durch Horizontallasten, durch Seitendriicke infolge waagrechter Verformungen des Baugrundes oder auch durch Baugrundbewegungen, d. h. Setzungen infolge benachbarter Lasten oder Baugrundhebungen, z. B. durch Wiederanstieg des Grundwassers oder benachbarte Aushubentlastung. Der Widerstand eines Einzelpfahles in axialer Richtung wird mit R (resistance) bezeichnet (Abb. 8.1) und enthaIt die Anteile Pfahlfu6widerstand Rb (b =base) und Pfahlmantelwiderstand Rs (s = shaft). Fiir die Bemessung einer Pfahlgriindung, d. h. die Festlegung der Anzahl, des Abstandes und der Anordnung der Pfahle muss zunachst der Pfahlwiderstand eines Einzelpfahles bekannt sein. Seine Bemessung kann nach einem der nachstehenden Verfahren erfolgen: Analytische oder empirische Berechnungsverfahren anhand von Baugrundkennwerten Statische Probebelastung Dynamische Probebelastung Erfahrungen aus unmittelbar benachbarten Probebelastungen. Nach Mogliehkeit soli der axiale Pfahlwiderstand eines Einzelpfahls durch Probebelastungen festgelegt werden oder anhand vergleichbarer Probebelastungsergebnisse. Soweit beide nieht vorliegen, konnen die Werte fiir den charakteristischen Pfahlspitzendruck qb.k und der Pfahlmantelreibung qs.k auf der Grundlage von schichtbezogenen Erfahrungswerten ermittelt werden. Die entsprechenden Bodenkenngro6en sind: bei niehtbindigen Boden der mittlere Spitzenwiderstand der Drucksonde qc.k oder ersatzweise eines anderen Sondierverfahrens bei bindigen Boden die undranierte Scherfestigkeit cu•k bei Fels die einaxiale Druckfestigkeit qu.k'
257
Fiir Zugpfahle und fur Mikro- bzw. Minipfahle sind in der Regel Probebelastungen vorzunehmen. Da die Mehrzahl der auf dem Markt befindlichen Pfahlsysteme, und zwar sowohl Rammpfahle als auch die meisten Bohrpfahle und besonders die Mikropfahle, nach den geltenden Herstellungsnormen Spezialpfahle sind, ist deren Tragfahigkeit im Einzelfall seitens der Hersteller anzugeben bzw. nachzuweisen. Der charakteristische Widerstand im Baugrund Rc•k bei Druckpfahlen ist RC•k = Rb•k + RS•k Rb•k = charakteristischer Spitzendruck Rs.k = charakteristische Mantelreibung.
Der Bemessungswert des Pfahlwiderstands R ergibt sich dann aus
C•d
Die Zahlenwerte der Teilsicherheitsbeiwerte sind in Tabelle 8.1 zusammengestellt Eine angemessene Sicherheit (Gebrauchstauglichkeit) ist gegeben, wenn Fc•d = Bemessungswert der axialen Druckbelastung Bei den Sicherheitsnachweisen von axial belasteten Einzelpfahlen ist zwischen der Tragfahigkeit, d. h. der Grenzverformung eines Pfahles durch Versagen des Baugruncls in cler Pfahlumgebung und cler Gebrauchstaugliehkeit, also der Setzungsbegrenzung zu unterscheiden. Abgesehen von der Mindestpfahllange von 5 m (Bohrpfahle) miissen Pfahle immer ausreichend tief im tragfahigen Boden stehen. In ausreichend diehten Sanden und Kiesen sind dies 2,5 m. In sehr dichtem oder festem Untergrund geniigen 0,5 bis 1,0 m. Die Machtigkeit der tragfahigen Schicht unter Pfahlsohle muss drei Pfahlfu6durchmesser, mindestens aber 1,5 m betragen. Unterhalb der Tragschicht diirfen keine starker setzungsfahigen Schiehten mehr vorliegen. Das Tragverhalten von Pfahlen hangt wesentlich yom Herstellungsverfahren ab, wobei Wandrauigkeit, Verdichtung des pfahlbetons, mogliche Entspannung des Bodens bei der Pfahlherstellung, Sauberkeit von Bohrlochwand und -sohle und die tatsachlichen Pfahldurchmesser von Be-
8 PfahlgrOndung
258 Tabelle 8.1 Teilsicherheitsbeiwerte fOr Pfahlwiderstande (nach DIN 1054-101, Tab. A 2.3) Widerstand nach Probebelastung
Symbol
B5-P
FuBwiderstand
rb
1,10
1,10
1,10
Mantelwiderstand (Druck)
r.
1,10
1,10
1,10
Gesamtwiderstand (Druck)
Yo
1,10
1,10
1,10
Mantelwiderstand (Zug)
r~,
1,15
1,15
1,15
Druckpfiihle
rb' r., Yo
1,40
1,40
1,40
Zugpfiihle (im Ausnahmefalll
Y•.•
1,50
1,50
1,50
Auf Grundlage von Erfahrungswerten
deutung sind (HILLMER 1991). Bei ungleichen pfahllangen sind auBerdem die langeren Pfahle immer zuerst herzustellen, damit der Untergrund benachbarter Pfahle nicht durch den Bohrvorgang beeintrachtigt wird. Ein Rammpfahl, der beim Einrammen den Boden seitlich und unter dem PfahlfuB verdrangt, hat i. d. R. eine hOhere Tragfahigkeit als ein Bohrpfahl gleicher Abmessung (Abb. 8.3). Zur Oberprufung der Qualitat von pfahlen, besonders bei solchen, bei denen bei der Herstellung Auffalligkeiten aufgetreten sind, konnen sog. dynamische Integritatsprufungen (Hammerschlagmethode) vorgenommen werden (KIRSCH & KLINGMULLER 2003). Fur Bohrpfahle, die mit schwach bis stark CO 2-aggressivem Grundwasser nach DIN 4030-1 oder mit schadlichen Chemikalien im Untergrund in Beruhrung kommen, ist Beton mit hohem Widerstand gegen chemischen
Angriff zu verwenden (s. Abschn. 9.5). Bei sehr starkem Angriff muss en SondermaBnahmen gemaB DIN 1045-2 vorgesehen werden. Nach MANNS (1997) muss davon ausgegangen werden, dass bei starker bzw. sehr starker CO 2-Aggressivitat des Grundwassers der Zementstein am Kontakt Pfahl/Boden angegriffen und damit die Mantelreibung abgemindert wird (s. Abschn. 10.5.2). Diesen ungunstigen Annahmen steht zuniichst entgegen, dass bisher keine Nachsetzungen von in CO 2 -aggressiven Grundwasser auf Pfahlen gegrundeten Bauwerken bekannt geworden sind. Weitere gunstige Faktoren sind: geringe Durchlassigkeit des Bodens und damit entsprechend geringer Austausch des Grundwassers, wulstig-profilierte Pfahlmantelflachen und besonders eine Mantelverpressung, welche eine raue Mantelflache begunstigt und hohere Gesamtsicherheiten bewirkt.
Mantelreibung im Ton Rs 50
Spitzendruck im Ton Rb
100 150 200 250 [kNlm')
500 '000 ' 500 2000 2500
(1 10 (steif) qs,k = 4,1 . N + 37 kN/m 2 • Damit ergibt sich der charakteristische Herausziehwiderstand (R"k) eines Reibungspfahles zu
R"k = 1t . D . 1 qs,k bzw. 0 ,
Asi . qsi,k
und die erforderliche Lange der Krafteintragungsstrecke zu
Der Bemessungswert des Herausziehwiderstandes ist
R"d = R"k Iys"
Ys"
= Teilsicherheitsbeiwert fUr
Zugpfahle gem. Tab. 8.1 Die Tragfahigkeit von Reibungspfahlen als Zugpfable ist, wenn nicht spezielle Erfahrungen vorliegen, grundsatzlich durch Probebelastungen nachzuweisen, wobei die Pfahle bis zum Versagen belastet werden mussen. Die in Probebelastungen ermittelte Widerstands-Hebungs-Linie ist in der Regel als charakteristische Linie ohne Zuoder Abschlage anzusetzen. Verdrangungspfahle konnen sowohl in bindigen als auch in nichtbindigen Boden mit zunehmender Standzeit erhebliche Traglaststeigerungen aufweisen (GRABE & KONIG 2006). Die Hauptursache dafur ist eine Erhohung der Mantelreibung infolge Verkrustungen am Pfahlmantel und dem Abbau von Porenwasserdrucken. Die Traglaststeigerung kann bis zu 50% der Anfangstraglast erreichen.
8.2.4 Horizontale Einwirkung auf Pfahle Seitendruck auf Pfahle als Folge von Bodenbewegungen kann auftreten durch: Unterschiedliche seitliche Auflasten oder entsprechende Aushubentlastung Kriechende Bodenbewegungen Schragpfahle in weichen Boden. Pfahlwiderstande quer zur Pfahlachse durfen nur bei Pfahlen Db > 0,3 m angesetzt werden. Die Berechnung der Querwiderstande erfolgt in der Regel nach dem Bettungsmodulverfahren, das darauf beruht, dass der Boden vor und seitlich der Pfahle der Pfahlverschiebung entgegenwirkt. Die GroBe dieses Bodenwiderstandes wird durch den horizontalen Bettungsmodul ks (in kN/m 3 oder MN/m 3 ) bestimmt. Der Bettungsmodul ks ist keine Bodenkonstante, sondern ist von der Lastflache (Pfahldurchmesser) und der Last abhangig. Die Angabe des Bettungsmoduls ks erfolgt in einfachen Fallen, wenn es nur auf eine hinreichend genaue Ermittlung der Biegemomente ankommt, nach Erfahrungswerten (Tab. 8.5) oder nach horizontalen statischen Probebelastungen. Die DIN 1054 empfiehlt nachstehende Formel
Tabelle 8.5 Erfahrungswerte kS,k fUr Pfahldurchmesser von rd. 1 m. Boden
MN/m'
Tort und weiche Schluffe
0
steifer lehm
10
steinig-kiesiger lehm
20-40
lehmiger Kies
60- 80
Sand und Kies
40- 150
Halbfestgesteine
10- 100
Festgesteine
> 100
265
8.2 Grundlagen der Pfahlbemessung
Hierin bedeuten: k,.k charakteristischer Wert des Bettungsmoduls E,.k charakteristischer Wert des Steifemoduls D, Pfahlschaftdurchmesser D, :-:; 1,0 m; bei D, > 1,0 m darf mit D, = 1,0 m gerechnet werden.
Belastungen durch Hangschub oder ahnliche Krafte konnen damit in der Regel nicht aufgenommen werden (s. a. Abschn. 15.5.5).
Der Anwendungsbereich dieser vereinfachten Annahmen ist auf eine rechnerische Horizontalverschiebung von max. 2 cm oder 0,03 D, begrenzt. Wenn die Verformungen der Pfahlgrundung fur das Tragverhalten des Bauwerks von Bedeutung sind und keine speziellen Erfahrungen vorliegen, mussen GroBe und Verteilung des charakteristischen Bettungsmoduls k,.k langs des Pfahles durch Probebelastungen ermittelt werden (s. d. Empfehlung "Statische Probebelastungen quer zur Pfahlachse" - Geotechnik 1994, S. 104112).
Die GroBe des Bettungsmoduls andert sich mit der Uberiagerungshohe stetig oder sprunghaft. In Lockergesteinen wird allgemein eine parabolische oder dreieckformige Verteilung des Bettungsmoduls in pfahllangsachse angenommen. Bei halbfesten und festen Gesteinen kann mit konstantem Bettungsmodul gerechnet werden (Abb. 8.8). Erhalten Pfahlgruppen eine horizontale Belastung, so muss nach der bisherigen Normung mit abgeminderten k, -Werten gerechnet werden. B
8.2.5 Negative Mantelreibung und Seitendruck auf Pfahle in weichen Boden Ein Problem besonderer Art tritt bei Pfahlgrundungen in starker setzungsfahigen oder gar weichen Boden bei gleichzeitigen seitlichen Belastungen auf (s. DIN EN 1997-1, Abschn. 7.3.2). Derartige Verschiebungen bewirken in den starker setzungsfahigen Schichten Spannungsumlagerungen, die entsprechende Einwirkungen auslosen. Schichten mit derartigen Verformungen, bei denen die Relativbewegungen Baugrund - Pfahl die lastbedingten Pfahlsetzungen ubersteigen, konnen von den Pfahlen nicht nur keine Last ubernehmen, sondern hangen sich im Gegenteil noch an den Pfahlen auf, wodurch die Pfahle uber diese "negative Mantelreibung" Tn zusatzlich belastet werden. Der charakteristische Wert der negativen Mantelreibung muss als Maximalwert angesetzt werden. Er kann nach der bisherigen Normung naherungsweise wie folgt ermittelt werden:
Mantelreibung qs:k
Om
Bettungsmodul kS:k
60
120
180
kN.tn 2
0.06
0.12
0.18
~.tn2
50
100 ~3
Lehm, steif
6,1 m • 0
'"0
Lehm, sand .-kiesig
9,5m Kies, sandig 12,3 m _ Ton, schluffig
16,4 m 18,5 m
Kalkmergelstein
Abb. 8.8 Beispiel einer Bettungsmodulverteilung und Verteilung der zulassigen Mantelreibung zur Dimensionierung von GroBbohrpfahlen (0 1,0 m).
8 Pfahlgrundung
266
Bindiger Boden
ro,k
=
Nichtbindiger Boden
ro,k
= (J~, Ko' tan qJ'k
cu,k
Dabei ist: charakteristischer Wert der Scherfestigkeit des undranierten Bodens (J'v effektive Vertikalspannung Ko Ruhedruckbeiwert (s. Abschn. 2.6.9) CP'k charakteristischer Wert des Reibungswinkels der nichtbindigen Schichten.
Bei Bohrpfahlen in weichen Boden, deren Kohas ion im undranierten Zustand Cu,k:":: 10 kN/m2 betragt, ist nach DIN EN 1997-1, Abs. 7.8, auBerdem der Knicksicherheitsnachweis zu fUhren.
cu,k
Die Mantelreibungswerte von breiigen bzw. weichen Boden konnen mit qs,k =0,01-0,03 MN/m2 angesetzt werden. Die negative Mantelreibung wird bereits bei Setzungen von wenigen Millimetern « 5 mm) aktiviert. Auch eine Grundwasserabsenkung oder Schrumpfungserscheinungen im Boden (s. Abschn. 6.2.2) konnen negative Mantelreibung bewirken (s. FRUHAUF & STOIBERER 2005). Zu beachten ist, dass die negative Mantelreibung auch nach Abklingen der Bodenbewegungen noch wirksam bleibt (DIN 1054-101, Abs.7.3.2.2) . Die moglichen GegenmaBnahmen sind, abgesehen von einem vorzeitigen und nach Moglichkeit uberhohten Aufbringen der benachbarten Flachenlasten (meist Damme), in ihrer Wirkung begrenzt. Gunstig sind Pfahle mit moglichst glatter Mantelflache, Pfahle mit groBem Durchmesser oder auch dicht stehende Pfahlgruppen. Schrag nach auBen gerichtete Pfahle werden durch Setzungen zusatzlich auf Biegung beansprucht. In weichen, bindigen Boden mit nur geringen Scherfestigkeiten treten auBer den senkrechten Verformungen auch erhebliche horizontale Verschiebungen auf, die am Rande der Belastungsflache am groBten sind und 40 bis 60% der auftretenden Setzung erreichen konnen. Diese waagerechten Verschiebungen bewirken einen Seitendruck auf die Pfable, der uber die Bewehrung der Pfahle aufgenommen werden muss. Die erforderlichen Bodenkennwerte sind: Konsistenzzahl Ie unentwasserte Scherfestigkeit Cu (vgl. Tab. 2.12 und Tab. 14.1) Gluhverlust VgI' Wird die unentwasserte Scherfestigkeit Cu mit Flugelsondierungen ermittelt, so ist ein Abminderungsfaktor anzusetzen (s. Abschn. 4.4.6.3).
8.2.6 Tragfahigkeit von Pfahlgruppen Pfahlgrundungen bestehen selten aus Einzelpfahlen, sondern meist aus mehreren, nebeneinander angeordneten Pfahlreihen, den Pfahlgruppen. Wird ein bestimmter gegenseitiger Abstand unterschritten, so uberschneiden sich die Einflussbereiche der Spannungen, deren Ausdehnung vom Baugrund, von der pfahlart, dem Durchmesser und der pfahllange abhangig sind. Der Einflussbereich betragt allgemein 3 D bis 6 D, wobei die hOheren Werte fUr Rammpfahle gelten. Die Tragfahigkeit einer Pfahlgruppe ist daher, bezogen auf die Anzahl der Pfahle, immer kleiner als die eines Einzelpfahles. Wegen dieser gegenseitigen Beeinflussung ist ein bestimmter Achsabstand der Pfahle zu beachten. Setzungen von Pfahlgruppen setzen sich zusammen aus der Setzung, die das Bauwerk insgesamt i. S. einer tief gelegten Flachengrundung erfahrt und der Setzung der einzelnen Pfahle. Fur den erstgenannten Setzungsanteil wird eine Flache in PfahlfuBebene zugrunde gelegt, deren Umrisse 3 D, max. 2 m, auBerhalb der Achsen der Randpfahle verlauft (s. Abb. 8.9). Bei Reibungspfahlen wird das Setzungsverhalten von der Zusammendruckung des Bodens zwischen und neb en den Pfahlen mit bestimmt, deren Betrag zu den Setzungen unter der PfahlfuBebene zu addieren ist (Abb. 8.10). Die Setzungen einer Pfahlgruppe sind, ausgenommen reine Aufstandspfahle, im Vergleich zum Einzelpfahl immer groBer. Fur die rechnerische Ermittlung des LastSetzungsverhaltens von Pfahlgruppen liegen verschiedene Ansatze vor (s. RATHEL et al. 2006). Sichere Angaben sind nur aus Setzungsbeobachtungen von Grundungen auf Pfahlgruppen moglich. In der Literatur werden fur die Setzungen von kleinen Gruppen von GroBbohrpfahlen in tertiaren Tonen der 2- bis 4-fache Wert der Setzung eines vergleichbaren Einzelpfahles angegeben, gleichzeitig aber weniger als die Halfte der
267
8.3 Rammpfahle
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zu beurteilen als vergleichbare Flachgriindungen . Dies gilt nicht nur bei pfahlrosten mit durchgehender Pfahlkopfplatte, sondern auch fiir Griindungen auf Einzelpfahlen. Auch sie bewirken meist eine deutliche Verringerung der Setzungsunterschiede.
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8.3 Rammpfahle
Abb. 8.9 Gesamtspannung in der PfahlfuBebene von Pfahlgruppen.
Betrage aus einer Setzungsberechnung als tief liegende Flachgriindung. Die Setzungen von Pfahlgriindungen sind im Allgemeinen immer gleichmaBiger und giinstiger
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Fiir Rammpfahle gelten die Ausfiihrungsnormen DIN EN 12699 (gerammte Verdrangungspfahle) und DIN EN 12794 (Betonfertigpfahle), z. Zt. noch Entwurf. Rammpfahle werden in den Boden eingerammt oder eingeriittelt. Dem Rammprozess entgegen wirken der Spitzendruck und die Mantelreibung. Eine eigenstandige Klassifikation fUr die Rammbarkeit von Boden gibt es nicht (s. Abschn. 3.3.2). Allgemein sollen Rammpfahle bei ausreichend tragfahigen nichtbindigen Boden bzw. annahernd halbfesten bindigen Boden (Ie ~ 1,0) mindestens 3 m einbinden, sofern nicht aus besonderen Griinden eine andere Einbindetiefe erforderlich oder
Pfahlkopfplatte - - - - - . ~---rr--'nr--IT~
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Ansatz der sPannun9svertei,ung _ _ ...... fOr die SelZungsberechnung
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Abb. 8.10 Spannungsverteilung von Spitzendruckpfahlen in PfahlfuBebene und von Reibungspfahlen, bei denen die Zusammendruckung des Bodens zwischen den Pfahlen mit zu berucksichtigen ist.
268
ausreichend ist. Letzteres gilt besonders fur nichtbindige Boden dichter Lagerung bzw. bindige Boden von fester Beschaffenheit. StoBt ein Pfahl auf ein Hindernis, so ist das Rammen zu beenden. 1st er fast ausgerammt, kann er verwendet werden, andernfalls ist er zu ersetzen. Die Bemessung der verschiedenen Rammpfahlarten, insbesondere fiir gerammte Verdrangungspfahle, erfolgt in der Regel nach Herstellerangaben (s. a. BECKER & KEMPFERT 2008). Bei den Rammpfahlen wird zwischen der groBen Gruppe der Fertigpfahle aus Holz, Stahl oder Stahlbeton und den weit verbreiteten Ortbetonrammpfahlen unterschieden.
8 PfahlgrGndung
Stahlbetonpfahle mit quadratischem, rechteckigem oder auch rundem Querschnitt werden bei bekanntem Untergrundaufbau haufig verwendet. Auf mogliche Rammhindernisse ist deutlich hinzuweisen. Oberlangen konnen gekappt werden. Einige Systeme von Stahlbetonpfahlen konnen auch mit sog. Pfahlschuhen verlangert (aufgestandert) werden, was aber in der Regel aufwandiger ist als das Kappen. Die Angaben der Pfahllangen sollten daher mogliehst auf der sicheren Seite liegen. Stahlbetonpfahle sind umweltvertraglich und sind auch verhaltnismaBig unempfindlieh gegen betonaggressives Grundwasser.
8.3.2 Ortbetonrammpfahle 8.3.1 Fertigpfahle Fertigpfahle werden fabrikmaBig nach MaB hergestellt, wozu die Pfahllangen entweder aus Erfahrung oder nach vorherigen Proberammungen moglichst zutreffend angegeben werden miissen. Holzpfahle sind im Mittelalter und bis in das 17. Jahrhundert haufig fiir Griindungen von schweren Massivbauten wie Kirchen, Schlosser und Rathauser auf schlechtem Untergrund, kaum dagegen fiir Fachwerkbauten o. A. verwendet worden. Eiehenpfahle zeiehnen sieh dabei durch lange Lebensdauer aus, solange sie unter Wasser verbleiben und nieht zeitweise dem Luftsauerstoff ausgesetzt sind oder waren. Heute finden Holzpfahle fast nur fur provisorische Bauwerke (z. B. Lehrgeriiste) Anwendung. In schwer rammbaren Boden verlaufen Holzpfahle beim Rammen leicht, wobei dann die axiale Belastung nicht mehr gegeben ist. Stahlpfahle werden ebenfalls meist nur fiir provisorische oder kleinere Bauwerke bzw. fur Sonderzwecke verwendet. Sie zeichnen sieh durch leichte Handhabung und gute Rammeigenschaften aus und konnen beliebig verlangert werden. Ihre Nachteile sind die geringere Reibung im Boden und die Anfalligkeit gegen Korrosion, die durch groBere Wandstarken und z. T. kathodischen Oberflachenschutz abgemindert werden kann. Die haufigsten Profiltypen sind Stahlrohrprofile, Tragerprofile oder Kastenprofile, vielfach auch Spundwandprofile (s. BECKER & KEMPFERT 2008).
Bei den verschiedenen, teilweise patentierten Systemen von Ortbetonrammpfahlen wird zunachst ein Vortreibrohr in den Boden gerammt oder geriittelt und der pfahlbeton beim Herausziehen des Vortreibrohres eingefullt und verdiehtet, so dass ein inniger Kontakt zwischen Beton und Boden entsteht. Ortbetonrammpfahle konnen sehr gut den ortlichen Untergrundverhaltnissen angepasst werden und verbinden die bodenverdichtende Wirkung des Rammens mit der Moglichkeit einer FuBaufweitung sowie einer rauen Mantelflache und haben damit entscheidende Vorteile gegeniiber Bohrpfahlen gleichen Durchmessers. Dies gilt besonders in verdiehtbaren niehtbindigen Boden und auch bei sehr steifen bis halbfesten bindigen Boden sowie bei zur Tiefe hin fester werdenden Verwitterungsboden. Ein weiterer Vorteil der Ortbetonrammpfahle ist, dass bei der Pfahlherstellung keine Bodenforderung erforderlich wird. Die iiblichen Durchmesser von Ortbetonrammpfahlen betragen 30 bis 60 cm. Die durchschnittlichen Pfahllangen liegen zwischen 10 und 20 m. Pfahllangen bis 30 m sind moglich, doch treten dabei haufig Schwierigkeiten beim Ziehen des Vortreibrohres auf (s. Abschn. 8.4). Bei groBeren Rammhindernissen (z. B. Basisblocke an Quartarbasis) ist auch bei Ortbetonrammpfahlen Vorsieht geboten. Zur Aufnahme von Horizontallasten konnen Schragpfahle bis 4: 1 geneigt ausgefuhrt werden. Bei den meisten Ortbetonpfahlsystemen erfolgt die Rammung mittels Dieselrammen oben
8.4 Bohrpfiihle
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Abb. 8.11 Herstellungsprinzip eines Frankipfahles (Firmenprospekt).
am Vortreibrohr, ausgenommen der sog. Frankipfahl, bei dem ein Freifallbar im Vortreibrohr eingesetzt wird (sog. Innenrammung), mit dem aueh der Beton verdiehtet wird (Abb. S.ll). Ortbetonpfahle haben den Vorteil, dass die endgultige Pfahllange naeh dem Eindringwiderstand beim Rammen festgelegt und notigenfalls die Pfahlbelastung den ortliehen Baugrundverhaltnissen angepasst werden kann. Die Tragfahigkeiten betragen z. B. bei Frankipfahlen mit einem Pfahldurehmesser von 61 em bis zu 2600 kN und werden naeh den Rammsehlagen fur die letzten Meter im tragfahigen Boden festgelegt bzw. es muss gerammt werden, bis diese Sehlagzahlen erreieht werden. Fur andere Pfahlsysteme werden zulassige Gebrauehslasten bis zu 2000 kN fUr 50 em und bis zu 3000 kN bei 60 em Pfahldurehmesser angegeben.
8.4 Bohrpfahle Die Bohrarbeiten fUr Bohrpfahle werden naeh den in Absehn. 3.3.2 besehriebenen Boden- und
Felsklassen fur Bohrarbeiten naeh VOB DIN IS 301 ausgesehrieben und abgereehnet. Dies gilt insbesondere fUr die Festgesteinsklassen FD und FZ, die naeh dem Trennflaehenabstand (Sehiehtung, Kluftung) und der einaxialen Druekfestigkeit klassifiziert werden. Daruber hinaus ist eine eingehende ingenieurgeologisehe Besehreibung zu empfehlen, mit besonderer Berueksichtigung der Abrasivitat der Fest- und aueh Loekergesteine gem. Absehn. 17.2.9 (s. a. BECKHAUS & THURO 200S). Fur die Herstellung von Bohrpfahlen gilt die AusfUhrungs-Norm DIN EN 1536: 1999 und der DIN-Faehbericht Nr. 129. AusfUhrliche Hinweise fUr die Bauausfuhrung geben aueh SEITZ & SCHMIDT (2000, darin Lit.). 1m unmittelbaren Einflussbereieh einer benaehbarten Grundwasserhaltung mittels Tiefbrunnen ist z. B. darauf zu aehten, dass es dureh die erhohte Grundwasserstromung nieht zu einer oberflaehigen Erosion des Frisehbetons der Pfahle kommt (FRANKE & WOLDT 2004). Ortbetonbohrpfahle werden mit Durehmessern von 0,3 bis uber 2 m hergestellt. Unter den Verfahrensteehniken dominieren heute Dreh-
8
270
bohrverfahren mit Kellystange, die von einem maklergefiihrten Kraftdrehkopf angetrieben wird. Als Bohrwerkzeug dienen Schnecken oder Bohreimer, z. T. auch Spezialwerkzeuge. Die Bohrungen konnen verrohrt oder in standfesten Boden auch unverrohrt abgeteuft werden. Das Bohrrohr wird als Stiitz- bzw. Schutzrohr drehend oder oszillierend, d. h. durch alternierende Drehbewegung eingebracht und wieder gezogen. Ein weiteres Bohrverfahren sind seilgefiihrte Bohrgreifer und zum Beseitigen von Bohrhindernissen bzw. zum Bohren von Gesteinsbanken BohrmeiBel. Auf solche Erschwernisse ist bei der geologischen Ansprache des Untergrundes zu achten und im Gutachten bzw. in der Ausschreibung ebenso darauf hinzuweisen wie auf erhohte Mantelreibungskrafte in weichen bis steifen bindigen Lockergesteinen sowie auch auf erhohten Werkzeug- und MaterialverschleiB durch abrasive Gesteine (s. oben). Die Mantelreibung des Bohrrohres bzw. die tangentiale Adhasion erhohen sich proportional mit der Plastizitat des Bodens (s. Abschn. 2.7.1). Der Mantelreibungswert fiir die Gleitreibung variiert je nach Art und Konsistenz des Bodens und der Beschaffenheit der Stahloberfliiche zwischen 2 bis 50 kN/m 2• Fiir iiberschlagige Berechnungen wird- meist ein Durchschnittswert von 7,5kN/m 2 angenommen. Zu beachten ist, dass die Haftreibung im Ruhezustand groBer ist als die Gleitreibung bei Bewegung. In flieBfahigen Boden unter der Grundwasseroberflache muss die Verrohrung dem Bohrvorgang immer 1-2 m vorauseilen und im Bohrrohr ein Wasseriiberstand gehalten werden, auch beim Herausziehen des gefiillten Bohrwerkzeuges. Bei letzterem Arbeitsgang darf an der Bohrlochsohle kein Unterdruck auftreten. In sandigen Boden ist immer mit einer gewissen Auflockerung durch die Pfahlbohrung zu rechnen, die bei der Festlegung des Tragverhaltens durch einen Zuschlag von 1 cm bei den bezogenen Pfahlkopfsetzungen beriicksichtigt werden kann.
8 Pfahlgrlindung
Die iiblichen Durchmesser normalkalibriger Bohrpfahle betragen 30 bis 60 cm. Schragpfahle diirfen nur hergestellt werden, wenn sich die durchbohrten Schichten nicht nennenswert setzen. Die Neigung darf nicht flacher sein als 4: 1. Die zulassigen Belastungen werden nach Abschn. 8.2.2 ermittelt. Sie liegen im Allgemeinen bei 200 bis 400 kN. Dariiber hinaus sind Probebelastungen erforderlich. Die Vorteile von Bohrpfahlen sind die geringe Larmbelastigung und geringe Erschiitterungen. Die Kenntnis des durchfahrenen Bodenprofils ermoglicht eine Anpassung der pfahllangen an den Untergrundaufbau. Bohrhindernisse konnen durchmeiBelt werden. Diesen Vorteilen stehen einige Nachteile gegeniiber, namlich die Gefahr einer Auflockerung nichtbindiger Schichten, die wesentlich geringere Tragfahigkeit gegeniiber Ortbetonrammpfahlen und die Schwierigkeit des Betonierens unter Wasser bei kleinen Querschnitten. AuBer den konventionellen Bohrpfahlen sind seit Mitte der 1990er Jahre sog. Schneckenbohrpfahle (Abb. 8.12), auch Schnecken-OrtbetonPfahle (SOB-pfahle) genannt, auf dem Markt. Beide sind unverrohrt oder verrohrt hergestellte Bohrpfahle bei denen der Bodenaushub iiber die rotierenden Schneckenfliigel nach oben transportiert wird. Betoniert wird durch das Schne-
8.4.1 Normalkalibrige Bohrpfahle Der Pfahldurchmesser richtet sich nach der Belastung und der zu erwartenden Pfahllange.
Abb. 8.12 Herstellungsphasen eines SchneckenbohrPfahles (aus ARZ et al. 1994).
271
8.4 Bohrpfiihle
ckenrohr, bei gleichzeitigem Ziehen der Schnecke bzw. der Verrohrung. Der Bewehrungskorb wird in den frischen Pfahl eingedriickt. Gema6 der ehem. DIN 4014 sollen sie nicht in gleichformigen Sanden unter Grundwasser und nicht in weichen bindigen Boden mit eu < 15 kN/m 2 eingesetzt werden (s. KOPPELBERG 2004). Dariiber hinaus sind auch spezielle Verdrangungs-Bohrpfahle (00,4-0,6 m) im Einsatz, deren Vortreibrohr mit verlorener Spitze in den Boden eingedreht und der verdichtungsfahige Boden verdrangt wird. Die Bohrtiefen werden mit bis zu 22 m angegeben.
8.4.2 GroBbohrpfahle Als Gro6bohrpfahle zahlen Bohrpfahle mit einem Schaftdurchmesser > 0,6 m. Die iiblichen Durchmesser betragen 0,8 bis 1,2 m, z. T. 3 m. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine ganze Anzahl von Gro6bohrpfahlsystemen, die sich in der Art und Gro6e des Geriites sowie im Bohr- und im Betoniervorgang mehr oder weniger unterscheiden (Drehbohrverfahren mit unterschiedlichen Bohrschnecken, Greiferbohrverfahren, Fallmei6el; s. Abb. 8.13). Die bekann-
a) Gre'fbohrer
Oretlor
3 Elnbau des Bewehrungskorbes
2 LOsen des Bodens mrt :
1 N,ed 30 ... 60
> 60 ... 100
Magnesium (Mg")[mg/IJ
300 ... 1000
> 1000 ... 3000
> 3000 bis zur Sattigung
Sulfat (SO/ ) (mg/kg]
200 ... 600
> 600 ... 3000
> 3000 und S
Boden Sulfat (SO/ ) [mg/kg] Insgesamt Sauregrad
~
> 3000
> 12000 und
s 3000
2000 ...
s 12000
s 24000
> 200 Baumann-Gully
in der Praxis nicht anzutreffen
Die SchutzmaBnahmen konzentrieren sich auf die Auswahl und einem bestimmten Mindestgehalt des Zements sowie die Herstellung eines hochwertigen, dichten Betons mit begrenzter
Wassereindringtiefe. 1m Einzelnen sind die Anforderungen an Bauten aus Beton und Stahlbeton der DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 zu entnehmen.
110
Baugr 8augrubenn
In den Stadten werden zunehmend Tiefgeschosse von Gebauden oder auch Verkehrseinrichtungen tief unter die Erde gelegt. Solche sog. "in den Baugrund eingebettete Bauwerke" erfordern entsprechend tiefe und Z. T. lange Baugruben, in denen mit erheblichen Verschiebungen und plastischen Deformationen zu rechnen ist. Offensichtlich werden vom Untergrund gro~e Entlastungen schlechter vertragen als Belastungen. Durch die Entlastung hebt sich nicht nur die Baugrubensohle urn Zentimeterbetrage, sondern die vertikale Entlastung hat auch einen horizontalen Entspannungseffekt zur Folge. Solche Verformungen von tiefen und langen Baugruben werden nicht nur von tertiaren Tonen beschrieben, sondern auch von rolligen Boden (GOLLUB & KLOBE 1995) und auch von halbfesten bis festen, geschichteten Tonsteinen (MORGENSTERN 1990, darin Lit. und Abschn. 10.5.4). Der horizontale Entspannungseffekt wird hauptsachlich als Folge der im Abschnitt 2.6.9 diskutierten Restspannungen bzw. des horizontalen Spannungsiiberschusses angesehen. Da sowohl die Restspannungen als auch das Dehnungsverhalten von den mechanischen Gesteinsparametern abhangig sind, kommt es besonders auf Schichtflachen zu Differenzbewegungen, denen im freien Anschnitt nur der durch die Entlastungswirkung teilweise abgeminderte Scherwiderstand auf diesen Flachen entgegenwirkt (s. Abschn. 13). Reicht dieser aus, den Schichtstapel im Verband zu halten, so stellen sich an der entlasteten Wand mehr oder weniger bruchlose Schubverformungen ein. Bei niedrigen Scherfestigkeiten auf Schichtflachen (s. Abschn. 2.7.6) kann es zu Gleitbewegungen und progressivem Versagen kommen (MORGENSTERN 1990). Diese Erscheinungen mussen bei der Planung und Ausfuhrung sowohl von Baugruben als auch von tiefen Einschnitten berucksichtigt werden. Eine rechnerische Abschatzung der Hebungen infolge Entlastung kann mit Hilfe der EntlasH. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
tungsmoduls aus dem Kompressionsversuch vorgenommen werden (s. Abschn. 2.6.4 und 5.5.3.3 sowie SCHMIDT 1993). Je nach Untergrundaufbau konnen solche Hebungen in wenigen Wochen oder einigen Jahren ablaufen (s. Abb. 5.20).
10.1 Baugrubenaushub Die Erdarbeiten flir die Herstellung von Baugruben werden nach DIN 18300, "Erdarbeiten", in VOB Teil C, ausgeschrieben und abgerechnet (s. Abschn. 3.3.1). Wasser- und erschutterungsempfindliche Bodenarten (organische Boden, sandiger Lehm, Loss, Feinsand) durfen nahe der Grundwasseroberflache oder nach starken Niederschlagen nicht befahren werden. Die Fundamentsohlen muss en von Hand, bei Baugruben im Fels ggf. mit Druckluft von Lockermaterial gesaubert und anschlie~end mit Unterbeton versiegelt werden. Bei Baugruben- und Grabarbeiten sind auch die Denkmalschutzgesetze (DSchG) der Bundeslander zu beachten (s. Abschn. 4.4.1). Bodendenkmaler sind im Boden befindliche Dberreste oder Spuren menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Lebens aus vergangenen Epochen und Kulturen. Wer Bodendenkmaler antrifft, hat diese der Denkmalfachbehorde oder der Unteren Denkmalschutzbehorde (Kreisverwaltung) anzuzeigen. Anzeigepflichtig ist der Finder, der Eigentumer des Grundstucks oder der Bauleiter. Fund und Fundstelle sind eine Woche in unverandertem Zustand zu halten und der Fund zu schutzen. Der Denkmalschutz ist daruber hinaus auch in zahlreichen Bundesgesetzen (ROG, BauGB, BBergG u. a. m.) verankert.
288
10
10.2 Geboschte 8augruben Baugrubenwande miissen nach DIN 4124 (2002) ab einer Tiefe von 1,25 m geboscht oder abgestiitzt werden. Die Boschungsneigung ist abhangig von den Baugrund- und Grundwasserverhaltnissen, der Zeit, iiber welche die Baugrube offen zu halten ist, und von moglichen Belastungen und Erschiitterungen in oder am Rande der Baugrube. Nach DIN 4124, 4.2.2, konnen bei Baugrubentiefen bis 5 m ohne rechnerischen Nachweis folgende Boschungsneigungen f3 vorgesehen werden: bei nichtbindigen oder weichen bindigen Boden f3 = 45°, bei steifen und halbfesten bindigen Boden bei Fels Diese Werte gelten nicht fiir aufgefUllte Boden und bei Wasserzutritt. Die fUr Fels angegebene Boschungsneigung von 80° ist sehr steil, da Baugrubenboschungen im Fels sehr stark von der Raumstellung der Trennflachen abhangig sind (s. Abschn. 13.2). Muss damit gerechnet werden, dass sich die Boschungsflachen im Laufe der Zeit nachteilig verandern (Wasseraustritte, Quellvorgange, Austrocknung, Frostwirkung), so sind diese durch Abdecken mit Folien oder Spritzbeton zu schiitzen. Die Standsicherheit einer Baugrubenboschung ist rechnerisch nachzuweisen, wenn die oben angegebenen Boschungswinkel iiberschritten werden, die Boschungshohe mehr als 5 m betragt, das Gelande mehr als 1: 10 geneigt ist oder vorhandene Anlagen gefahrdet werden bzw. auBere Einfliisse die Standsicherheit der Boschung beeintrachtigen (DIN 4124 sowie der Empfehlungen des AK Baugruben, EAB). Eine Besonderheit bilden Baugruben in weichen Boden (EAB 2006 und WEISSENBACH 2002). Zu den weich en Boden im Sinne der Empfehlung zahlen junge marine Tone, Seetone im Bereich von Binnengewassern, eiszeitliche Beckenschluffe oder Bandertone, Klei und sonstige schluffige Tone oder tonige Schluffe mit einer Zustandszahl Ie < 0,50 und einer undranierten Scherfestigkeit von eu < 30 kN/m2 • Die Empfehlung fiihrt aus, welche Scherfestigkeiten bei dra-
10 Baugruben
nierten oder undranierten Randbedingungen anzusetzen sind (s. Abschn. 2.7.6) und welche Bauverfahren jeweils angewendet werden konnen (s. Abschn. 5.5.3.4 und HETTLER et al. 2002; KRIEG et al. 2004, darin Lit.).
10.3 8augrubenverbau Als Baugrubenverbau (s. DIN 18313) dienen Wande aus Stahl, Holz oder Stahlbeton, die den Untergrund stiitzen und damit eine steilere Boschungsneigung ermoglichen als im Abschn. 10.2 genannt ist. Die Standsicherheit eines Baugrubenverbaus hangtab von Tiefe und Abmessung der Baugrube Beschaffenheit und Kennwerten des Baugrunds Grundwasserstanden. Die Wahl der Verbaumethode erfolgt dann unter Beriicksichtigung von: Tiefe und Abmessungen der Baugrube Baugrundverhalten und Grundwassersituation Einheitskosten fiir den Verbau und den Erdaushub Grundstiicksgrenzen, Abstand angrenzender Bauwerke, Leitungen u. dgl. Belastungen und Erschiitterungen innerhalb und auBerhalb der Baugrube. Je nach zulassiger Verformung werden nach EAB (1994) folgende Begriffe fUr die Stiitzung des Baugrubenverbaus verwendet (s. Abschn. 5.6.2): Als nachgiebig gestiitzt gelten Baugrubenwande mit sog. einfachen Baugrubenverbau und ggf. gering vorgespannten Ankern. Wenig nachgiebig gestiitzt sind Baugrubenwande bei kraftschliissig verkeilten Steifen oder auf mindestens 80 % vorgespannten Ankern. Als annahernd unnachgiebig gestiitzt bezeichnet man Baugrubenwande, wenn sie auf erhohten aktiven Erddruck bemessen (s. Abschn. 5.6.2) und die Steifen bzw. Anker ansprechend vorgespannt sind. Als unnachgiebig gestiitzt werden Baugrubenwande nur dann bezeichnet, wenn sie fiir
289
10.3 Baugrubenverbau
10 / 1
1
4-
/
1__.;..I_I__ 'zweng"ll\ftlCh. I/ I I / ..i ver Erd 3 mm) und der Filterleistung. Der Abstand der Filter betragt 2 bis 4 m.
Tabelle 11.1 Anhaltswerte fUr die Wassermengen in Abhangigkeit von der Bodenart, dem d lO-Wert der Kornungslinie (KorngroBe) und dem Durchlassigkeitsbeiwert (aus MERTZENICH 1994). Ton
Bodenarten
KorngroBe inmm
von
< 0,002
bis
Kies
Sand
Schluff fein
mittel
grob
fein
mittel
grob
fein
mittel
grob
0,002
0,005
0,Q2
0,05
0,2
0,5
2
6
20
0,005
0,Q2
0,05
0,2
0,5
2
6
20
60
10
> 1
>1
>1
>1
>1
cmjs
10 ' -10
6
10-'
10 -'
10
m/s
10 '- 10-'
10.1
10
10-5
10 -'
10
FlieBgeschwindigkeit
cmjs
0,000001
0,00001
0,0001
0,001
0,01
0,1
Wasseranfall in m' jh je Ifd. m Filtergalerie bei Absenkung von ... m
1m 2 3 4 5 6 7 8 9
0,03 m' jh
0,3 0,3 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4
0,4 0,45 0,5 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6
0,9 1,1 1,3 1,5 1,7 1,9 2,1 2,3 2,5
2,2 2,5 2,8 3,2 3,7 4,3 5 5,8 6,7
Durchlassigkeitsziffer k
0,2
6
3
2
10 '
J
3 3,6 4 5,2 6,5 8 9,4 11,1 13
10
2
10 '
>1
6,3 7,1 8,1 9,3 10,8 12,5 14,5 17 20
11
308
11 Wasserhaltung
11
...
Grund wasser vor der Absenk ung 'V 1
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3 ~_ It . \0. 5 mi'S 4 ~- k
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5
\0-4 mi.
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6 - 10-4 m/s) werden Spiilfilteranlagen nach dem Vakuumverfahren eingesetzt. Bei den am haufigsten anzutreffenden Tiefbrunnenanlagen (Abb. 11.7) wird in jeden Brunnen eine Unterwasserpumpe eingebaut, die das Wasser iiber eine Brunnenleitung in die Sammelleitung driickt. Tietbrunnen eignen sich fiir gro6e Absenktiefen. Die Bohrverfahren fiir die Herstellung der Brunnen miissen einen schichten- und tiefengerechten Aufschluss gewahrleisten, der eine Anpassung des Ausbauplans an das jeweilige Bohrprofil ermoglicht. Nach Fertigstellung der Brunnenbohrung ist die Bohrlochsohle nach Erfordernis gegen Bodeneintrieb zu sichern (Betonplombe) und das Bohrloch zu spiilen. Dber den Brunnenausbau ist ein Bohrbericht (Formblatt)
zu fertigen. Der Abstand von Tietbrunnen betragt in der Regel 15-25 m. Wenn sich zu Beginn der Wasserhaltung zeigt, dass der gewahlte Brunenabstand zu groB oder unnotigerweise zu gering geplant worden ist, so ist dieser zu modifizieren (s. Abschn. 11.6). Liegen mehrere Grundwasserstockwerke vor, so werden mehrstockige Brunnen als sog. Kombinationsbrunnen gebaut. 1m Gravitationsbetrieb wird jedes Stockwerk mit einem angepassten Filterrohr und entsprechenden Kies- oder Sandfilter ausgebaut und der Brunnen ohne Sperrschicht mit nur einer Tauchpumpe betrieben (s. LEITNER et al. 2003). Erfordert dagegen eines der Stockwerke eine Vakuumbeaufschlagung, so ist eine Zwischenabdichtung einzubringen, so dass jedes Stockwerk getrennt abgesenkt
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Abb. 11.5 Prinzip einer einstaffeligen Flachbrunnenabsenkung (vollkommender Brunnen). R = Reichweite, s = Absenktiefe, a =Sicherheits· abstand, H = Eintauchtiefe, h'= benetzte Filterfliiche, 2 r = Brunnendurchmesser.
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309
11.4 Grundwasserabsenkung mittels Vakuumverfahren
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Baugruben bose hung
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SpUlspl\ze
Abb. 11.6 Welipoint- oder SpGlfilterlanze aus Kunststoff oder Stahl; SpGlfilterrohrlange 1-2 m; Schlitzweite 0,3-0,5 mm (Firmenprospekt).
werden kann (s. Abb. 17.14). Die Trennung der einzelnen Grundwasserstockwerke muss auch bei einem spateren Riickbau der Brunnen beriicksichtigt werden, damit keine hydraulischen Kurzschliisse auftreten.
2··-Me rohr
teigrohr Tonabdiehlung
Die Absenkung in den einzelnen Brunnen wird iiber ein Messrohr im Ringraum des Kiesfilters kontrolliert. Nach Erreichen des Absenkziels konnen ggf. einzelne Brunnen versuchsweise abgeschaltet werden, urn die durch die Gesamtanlage erreichte Absenkung im Beharrungszustand zu halten. Wenn der Ausfall eines oder mehrerer Brunnen einen kurzfristigen Grundwasseranstieg und damit eine Gefahrdung des Bauvorhabens bewirken kann, muss sowohl die Absenkwirkung als auch die Wassermenge taglich kontrolliert werden (s. Abschn. 17.2.5.5).
Vollrohr
Kie filler Fi llerrohr ehwimm chalter Abstandhaltcr Tauchpumpc
umpfrohr Abb. 11.7 Ausbauschema eines Tiefbrunnens zur Grundwasserabsenkung, Bohrdurchmesser 600 mm, Ausbau 12" (Firmenprospekt).
11.4 Grundwasserabsenkung mittels Vakuumverfahren In mittel- und feinkornigen Sanden mit leichten Schluffanteilen folgt das Wasser der Schwerkraft nur noch unzureichend. In solchen Boden mit einem Durchlassigkeitsbeiwert von 10-4 bis lO-s m/s wird daher eine Schwerkraftabsenkung nicht nur unwirtschaftlich, sondern es lasst sich oft keine nennenswerte Absenkwirkung erzielen. In diesen Fallen muss das Vakuumverfahren eingesetzt werden, urn das Wasser in die Spiilbrunnen zu ziehen. Beim Vakuumverfahren (Abb. 11.8) wird das Wasser im Boden durch einen Unterdruck von 0,3 bis 0,5 bar in den Vakuumlanzen angezogen. Da die Entwasserungslanzen in der Regel ohne einen Filterkies eingebracht werden, muss die Schlitzbreite auf den maBgebenden Korndurchmesser (je nach Fachmeinung dID' dl2' d,s) ausgelegt werden. Trotzdem bleiben viele Lanzen nur begrenzt funktionsfahig, sie versanden und miissen ausgetauscht werden. Der Unterdruck wirkt nur in einem Umkreis von 1 bis 1,5 m, weshalb die Lanzen in Abstanden von etwa 2 m eingespiilt oder in Bohrlocher eingestellt werden. Der Unterdruck bewirkt gleichzeitig eine Stabilisierung der Baugrubenwande, so dass selbst Feinsand auf 2 bis 3 m Hohe noch unter steiler Boschung steht. Damit sich der Unterdruck voll ausbilden kann, darf keine Falschluft in den Boden gelangen (Tonabdichtung des Brunnens und notigenfalls Folienabdeckung der Baugrubenwand). Die erreichbare Absenktiefe betragt 4
1
310
11 Wasserhaltung
11
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Abb. 11.9 Wirkungsweise einer osmotischen Entwasserung.
11.5 Elektroosmotische Entwasserung Vokuuml/ocflbrunnen Abb. 11.8 Wirkungsweise nens.
eines
Vakuum-Flachbrun-
bis 6 m. Bei groBeren Absenktiefen ist eine Staffelabsenkung erforderlich. Da in Vakuumanlagen nicht standig und oft nur wenig Wasser gefOrdert wird, mussen sie in Frostperioden vor Kalteeinwirkung geschutzt werden. Bei groBeren Absenktiefen kann die Vakuumentwasserung von feinkornigen Sand- und Schluffboden mittels Vakuum- Tiefbrunnen erfolgen. Sie unterscheiden sich von normalen Bohrbrunnen durch luftdichten Abschluss sowohl des Kiesfilters als auch der gesamten Brunnenanlage. Das zuflieBende Wasser wird durch eine gesteuerte Unterwasserpumpe gefordert. Die Brunnen konnen je nach Bedarf ohne oder mit Vakuum betrieben werden. AuBerdem werden auch sog. Kombinationsbrunnen (Kombibrunnen) mit einem Gravitationsbrunnen im oberen Grundwasserstockwerk und einem VakuumTiefbrunnen im unteren Grundwasserstockwerk gebaut (s. Abschn. 17.2.5.5).
Urn das Wasser in schluffig-tonigen Boden zum FlieBen zu bringen, wird beim Elektroosmoseverfahren (Abb. 11.9) als zusatzliche Kraft das elektrische Potenzialgefalle zwischen zwei Elektroden genutzt. Unter der Wirkung eines elektrischen Gleichstromfeldes flieBt das Wasser der als kleinkalibrigen Brunnen ausgebildeten Kathode zu und wird hier abgeschopft. Das Verfahren funktioniert nur in tonmineralhaltigen homogenen Schluff- oder Tonboden ohne wasserfuhrende Zwischenschichten. Die Wirkung lasst mit abnehmendem Wassergehalt rasch nacho Ais Anoden werden gewohnlich Rundstahle, als Kathoden Stahlfilterrohre (0 1/2 ") in Bohrungen verwendet. Der Elektrodenabstand betragt 3 bis 5 m. Das Verfahren ist verhaltnismaBig aufwandig und hat fur Baugrubenentwasserung praktisch keine Bedeutung. Diese Boden konnen in der Regel in offener Wasserhaltung entwassert werden. Der Einsatz des Verfahrens beschrankt sich praktisch auf die Entwasserung von tonigen Rutschmassen.
311
11.6 Berechnung einer Grundwasserabsenkung
11.6 Berechnung einer Grundwasserabsenkung Die Berechnung einer Grundwasserabsenkung und auch Berechnungsbeispiele sind bei HERTH & ARNDTS (1994) und dem Grundbautaschenbuch, Teill (200S) nachzulesen. Eine Baugrube mit gedrungenem Grundriss wird zunachst als groBer flachengleicher Brunnen aufgefasst mit einem Radius A, der wie folgt ermittelt wird:
ff
A= -
·b
1t
lagern sie sich mit den aushubbedingten Sohlhebungen - s. Abschn. 5.5.3.3) als auch auf den Nahbereich der Baugrube. Die groBten Setzungsunterschiede sind dabei im steilen Bereich der Absenkkurve von etwa RI4 bis RI3 zu erwarten. In bebauten oder von Verkehrseinrichtungen durchzogenen Gebieten sind besonders in diesen Bereichen immer BeweissicherungsmaBnahmen zu veranlassen. Bei Erreichen stationarer Bedingungen lasst sich die Absenkung s in einem Abstand R' zum Brunnen nach einer Formel von DUPUIT & THIEM berechnen:
Q
R
2·1t-T
R'
s=--·ln-
a, b = LangenmaBe der Baugrube, zzgl. Abstand der Brunnen vom Baugrubenrand. Fur lang gestreckte Baugruben (alb> 3) gilt: A = 0,2 a + 0,37 b Danach werden die zu fordernde Absenktiefe s (Abb. 1l.5) und die benetzte Filterhohe h' ermittelt und zwar in der Regel nach dem Gefalle der Absenklinie, fUr das man in vielen Fallen anfanglich 1: 10, im Endzustand bis 1: 100 zugrunde legen kann. Die Reichweite R der Absenkung betragt nach der empirischen Formel von SICHARDT:
s = Absenkung im Abstand R' (in m) Q = Entnahmemenge (in m 3 /s) T = Transmissivitat des Grundwasserleiters (in m 3 /s), s. Abschn. 2.S.4 R = Reichweite des Absenktrichters (in m) R'= radialer Abstand zum Brunnen (in m).
Die Berechnung des Grundwasserzuflusses in die Baugrube erfolgt fur vollkommene Brunnen nach der Formel fUr Einzelbrunnen von DUPUIT & THIEM (s. Abschn. 2.S.4)
R=3OOJ·s'·!k
bzw. nach KUSSAKIN:
R=575·s'·~k·H
Q = Fordermenge (sonstige Bezeichnungen s. Abb.l1.5)
Brunnenwasserspiegels (s' =H- h') H = Machtigkeit des Aquifer, s. Abb. 11.5 R unds' in m kin m/s.
Diese Wassermenge muss nun uber eine festzulegende Anzahl Brunnen (n) in, den Baugrubenabmessungen angepassten Abstanden abgefUhrt werden. Die Berechnung des Fassungsvermogens q' eines Einzelbrunnens erfolgt nach der Gleichung von SICHARDT
Diese empirisch entwickelte Formel hat sich in der Praxis recht gut bewahrt. Eine Grundwasserabsenkung bewirkt immer gewisse Setzungen infolge Auftriebwegfall bzw. die dadurch bedingte Lasterhohung (s. Abschn. 6.2.2). Die Setzungen wirken sich mittelfristig sowohl auf den Baugrubenbereich aus (hier uber-
r = Brunnenradius, Filtermantel (in m) h' = benetzte Filterhohe im Brunnen (in m) 2 1t . r· h' = benetzte Filterflache (in m) q' = Entnahmemenge (in m 3 /s),
s' = Absenkung des
11
11 Wasserhaltung
312
Das Produkt n· q' solI mindestens gleich groB, aber nur wenig groBer als Q sein. Ais rechnerischer Brunnenradius r wird bei Ummantelung des Brunnens mit genormtem Filterkies (z. B. 2-8 mm) der Radius der Bohrung, bei anderem Material haufig der Abstand Brunnenmittelpunkt/Mitte Filterschicht angenommen. Uber die Mehrbrunnenformel von FORCHENHEIMER ist dann noch zu priifen, ob die gewahlte Brunnenzahl und Brunnenanordnung ausreichen, den Grundwasserspiegel in Baugrubenmitte auf die notige Absenktiefe s abzusenken. Die Planung und Dimensionierung einer WasserhaltungsmaBnahme fur langgestreckte Baugruben eines Linienbauwerks s. Abschn. 17.2.5.5. Die Naherungsformel von DUPUIT & THIEM gilt nur fiir volIkommene Brunnen. Flir unvollkommene Brunnen wird in der Literatur auf die so errechneten Wassermengen ein Zuschlag von 10 bis 30% gegeben. Bei Vorhandensein starker durchlassiger Schichten unterhalb der Brunnensohle ist ein solcher Zuschlag zu gering. NENDZA & GABENER (1979: 23) empfehlen, anstelIe eines Zuschlags die theoretische Berechnungshohe H nicht nur bis Brunnensohle sondern bis zur Grundwassersohlschicht, maximal jedoch 1,6· H anzusetzen. Die bei einer Splilfilter- bzw. Vakuumabsenkung anfallenden Wassermengen liegen insgesamt wesentlich niedriger. MERTZENICH (1994) bringt eine Auswertung nach welcher der Wasseranfall einer Vakuumanlage liberschlagig ermittelt werden kann. Die Berechnung der bei einer Grundwasserhaltung anfallenden Wassermengen und auch der Reichweite sind mit groBen Unsicherheiten behaftet. Dies liegt zunachst schon in dem liblichen Berechnungsansatz homogen-isotroper Gebirgsverhaltnisse. Dazu kommt dann die ungenaue Kenntnis des Durchlassigkeitsbeiwertes k. 1m Laborversuch ermittelte k- Werte konnen immer nur einen groben Anhalt geben und solI ten nicht pauschal der Dimensionierung einer Grundwasserabsenkung zugrunde gelegt werden. Wirklichkeitsnahe Ergebnisse liber die Durchlassigkeitsverteilung eines Bodens konnen in der Regel nur mit Hilfe von Probeabsenkungen an Ort und Stelle gewonnen werden (s. a. MUHLENKAMP et al. 2010). Wurde keine Probeabsenkung vorgenommen, so kann in dem zuerst fertiggestellten Brunnen
einer Grundwasserabsenkungsanlage sofort ein Pumpversuch durchgeflihrt werden, urn die getroffenen Annahmen zu liberprlifen und etwaige Anderungen rechtzeitig veranlassen zu konnen. Die Auswertung kann in einfachen Fallen liber die o. g. Formel des Fassungsvermogens q' (Brunnenergiebigkeit) erfolgen, aufgelost nach k: k
lS'q inm/s 2·n·r ·h'
Weitere Naherungsformeln s. Abschn. 2.8.4. Auch bei Ermittlung der k- Werte durch eine Probeabsenkung stecken in den Berechnungsergebnissen einer Grundwasserhaltung immer noch zahlreiche Fehlerquellen, welche die maBgebenden GroBen wesentlich beeinflussen konnen. Die in vielen Gebirgsarten anzutreffenden wechselhaften hydraulischen Eigenschaften lassen sich manchmal auch nicht liber eine Probeabsenkung mit Einzelbrunnen ermitteln, sondern erfordern einen anfanglich stufenweisen Probebetrieb und einen flexiblen Betriebsablauf (M UHLENKAMP et al. 2010). Erhebliche Wassermengen sind vor allem in Baugruben zu erwarten, deren Absenkbrunnen im tieferen Tei! deutlich starker wasserwegsame Schichten angeschnitten haben. Eine Talflillung ist fast immer mit starker und weniger stark durchlassigen Zwischenschichten und anderen Storfaktoren durchsetzt. Reicht z. B. ein Brunnen in eine sandarme, starker durchlassige Kiesschicht, so kann seine Fordermenge urn mehrere hundert Prozent von den ermittelten Durchschnittswerten abweichen. Ein solches Vorhandensein starker durchlassiger Schichten im Basisbereich wird auch den Verlauf der Absenkkurve maBgeblich verandern (Abb. 11.10). Die Genauigkeit der Berechnung von WasserhaltungsmaBnahmen darf daher nicht liberschatzt werden. In vielen Fallen scheinen Grenzwert-Vergleichsrechnungen noch die sicherste Methode zu sein, wobei eine Angabe 10-3 oder 10-2 m/s eine VergroBerung der Wassermenge urn den Faktor 10 bedeutet. Der Absenktrichter, der anfanglich eng begrenzt ist, wird mit zunehmender Dauer immer flacher, wobei gleichzeitig die Wassermenge zurlickgeht. Dieser instationare Fall geht schlieBlich in einen stationaren Zustand liber, bei dem der Absenktrichter die Reichweite R erreicht hat und bei dem dann auch eine gleichbleibende Wasser-
11.7 Grundwasserkommunikationsanlagen
313
unbettnflulltfr (jrundwosurspl.fgel_
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Ab5CnkU!l9~
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Abb. 11.10 Beeinflussung der Grundwasserabsenkung dureh eine starker durehlassige Sieht im Basisbereieh (aus NENDZA
& GABENER
1997).
menge anfallt (s. Abb. 17.14). Die Zeitdauer dieser Anlaufphase einer Grundwasserabsenkung ist sehr unterschiedlich und hangt von der anfanglichen Fordermenge abo Die Anzahl der Brunnen und die Pumpenleistung werden zuniichst auf den stationaren Zustand bernessen, zuzuglich einer entsprechenden Sicherheit fur Unwagbarkeiten im Baugrund und fUr die Mehrbelastung in der Anlaufphase. Dieser Sicherheitszuschlag liegt allgemein bei 50 bis z. T. uber 100%. Der tatsachliche Aufwand einer Wasserhaltung lasst sich auch damit von vornherein sehr schwer festlegen. Dadurch tritt zwangslaufig das Problem der Massenmehrung bzw. -minderung gegenuber der Ausschreibung auf, das im Bauvertrag geregelt werden muss. Dieselben Unsicherheiten treten auch bei Versickerungsbrunnen auf. Erfahrungen haben gezeigt, dass die nach THIEM-DUPUIT berechnete Anzahl benotigter Sickerbrunnen meist nicht ausreichend ist. Dies liegt einerseits auch daran, dass Sickerbrunnen eine geringere Leistungsfahigkeit aufweisen als Entnahmebrunnen und andererseits daran, dass sich urn die Sickerbrunnen herum ein kunstlicher Grundwasserberg aufbaut, der die Versickerungsleistung deutlich vermindert. Bei groBeren MaBnahmen bildet sich im Bereich des Wassereintrags eine unterirdische kunstliche Wasserscheide aus, welche die Richtung und die Menge des Grundwasserabstroms maBgeblich beeinflusst. In sauerstoffarmen, reduzierten Grundwassern kann es durch die Einleitung von sauerstoffreichem Wasser zu einer Oxidation von Pyrit (FeS 2) bzw. Markasit (FeS 2) kommen wodurch gelOstes zweiwertiges Eisen oxidiert und als
Eisen-II1-Hydrat (Ocker; FeO(OH)} ausfallt (s. Abschn. 2.2.3 und 9.2). Dadurch kann es zu einer Verockerung der Filterkiesschuttung und auch zu einer Verringerung des Ablaufquerschnittes des GrundwasserIeiters kommen.
11.7 Grundwasserkom m unikationsan lagen Lang gestreckte unterirdische Bauwerke, die in die Grundwasseroberflache eintauchen und quer oder schrag zur Stromungsrichtung verIaufen, stellen eine Barriere fUr die naturliche Grundwasserstromung dar. In der Regel staut der Grundwasserspiegel anstromseitig auf und sinkt abstromseitig ab (Abb. 11.11). Die Spiegeldifferenz t.h betragt im Regelfall etwa 2i· B (i = Grundwassergefalle, B = Baugrubenbreite), die Reichweite oberstrom bis zu R""I000·s·Jk (BREYMANN 1997). Bei schwierigen Verhaltnissen sind genauere Aussagen nur uber numerische Grundwassermodelle zu erhalten (GLITSCH & SPANG 2009). Als Sperre im Grundwasserstrom kann sowohl das Bauwerk selbst als auch der Baugrubenverbau wirken. Ein solcher Aufstau an Bauwerken sowie auch die Umleitung eines Grundwasserstromes sind genehmigungspflichtig. Als zulassiges Bewertungskriterium wird haufig eine Aufstauhohe am Bauwerk von max. 0,1 m angenommen. Daruber hinaus sind AusgleichsmaBnahmen zur Grundwasserkommunikation (Duker) vorzusehen. Urn den Grundwasserquerstrom so wenig wie moglich zu behindern muss en nach Moglichkeit
11
314
1
Abb. 11.11 Verhalten des Grundwasserspiegels bei langen Bauwerken quer zur Grundwasserstromung und Prinzip einer GrundwasserdOkerung (a us HAILER
11 Wasserhaltung
NolOberlauf h
& HOFMANN 1995).
Verbauarten eingesetzt werden, die nach Beendigung der MaBnahme wieder entfernt werden konnen. Bohrpfahlwande mussen notigenfalls einzelne Pfahle nachtraglich aufgebohrt werden. Bauzeitlich kann auf der Anstromseite Grundwasser uber Vertikalbrunnen abgepumpt und auf der Abstromseite wieder versickert werden. Als aktive MaBnahme konnen verschiedene Typen von Grundwasserkommunikationsanlagen (GWK-Anlagen) vorgesehen werden (GLITsCH & SPANG 2009). Sofern ein Arbeitsraum zur Verfiigung steht, kann als einfache Grundwasserdukerung der seitliche Arbeitsraum mit Kiessand verfullt und das anfallende Wasser im Sohlbereich uber Quersammler zum unterstromigen Bauwerksrand geleitet werden, wo es wieder an den Grundwasserleiter abgegeben wird. Andernfalls sind technisch ausgereiftere Losungen zur Grundwasserdukerung erforderlich, wie z. B. seitliche Brunnenschachte mit sternformig angeordneten Horizontalfilterstrangen. Fur die Bemessung einer Diikeranlage sind die Ausbildung und Machtigkeit des Grundwas-
DOker
Filtermaterial=I.!~~~~!J
serleiters, die Durchlassigkeitsbeiwerte, der Wasserchemismus, das Gefalle der Grundwasseroberflache und die GrundwasserflieBrichtung sowie die Eintauchtiefe des Bauwerks (Verbauungsverhaltnis) anzugeben. Dazu sind ein flachiges Aufschluss- bzw. Messstellennetz und eine vorab ausreichend lange Grundwasserbeobachtung erforderlich. Problematisch ist dabei immer die Angabe des fur die Grundwasserversickerung maBgebenden vertikalen Durchlassigkeitsbeiwerts kv der im Allgemeinen mit ~ = 0,25 k angenommen wird (RUCKERT 1994). Das Messstellennetz zur Erkundung dient nach dem Bau gleichzeitig zur Kontrolle der Wiederherstellung der groBraumigen Grundwasserstromungsverhaltnisse. 1m Nahbereich der Tiefbauwerke sind dabei gewisse systembedingte Veranderungen der Grundwasserstromung mehr oder weniger unvermeidbar. Ein weiteres Problem ist die Gefahr von Verockerung, Verschleimung oder Versinterung einer GWK-Anlage infolge des Wasserchemismus (s. Abschn. 9.2 und GLITSCH & SPANG 2009).
12 2
Er arbeiten
Fur Erdarbeiten und den Bau von Verkehrswegen gelten in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche MerkbHitter und Richtlinien, die bei der ingenieurgeologischen Beratung zu beachten sind (s. Anhang). Dies beginnt schon mit der Terminologie fUr den Stra6enbau (Abb. 12.1). Der Oberbau umfasst die Fahrbahndecke und die Tragschichten (s. Abschn. 12.4.2). Das Planum ist die Oberflache des Unterbaus (Dammkorper) bzw. des Untergrundes. Der Untergrund ist der anstehende Boden im Einschnittsplanum oder an der Dammaufstandsflache. Ahnliche Begriffe gibt es auch bei der Deutschen Bahn AG mit der Richtlinie fur Erdbauwerke RiL 836 (1999/2002), s. Abb. 12.6. Bei BaumaBnahmen in Wasserschutzgebieten sind au6er dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG, s. Abschn. 4.3.1) auch die "Richtlinien fur bautechnische Ma6nahmen an Stra6en in Wasserschutzgebieten", RiStWag 2002, sowie die "Hinweise fur Ma6nahmen an bestehenden StraBen in Wasserschutzgebieten", BeStWag 1993, zu beachten (s. a. Floss 2006) bzw. die "Richtlinien fUr die Anwendung von Wasserrecht aufBetriebsanlagen der DB AG" von 1992. Diese Richtlinien legen neb en den technischen Vorgaben fur Bau-
stoffe und Bauweisen sowie der konstruktiven Gestaltung (Abb. 12.2) besonderes Augenmerk auf die Zuverlassigkeit und Sicherheit der Abdichtungsma6nahmen, auch unter Einsatz von Kunststoffdichtungsbahnen oder geosynthetischen Tondichtungsbahnen (Bentonitmatten) - s. a. DGGT-Empfehlung fUr die Anwendung von geosynthetischen Tondichtungsbahnen (EAG-GTD 2002 und ZTVE-StB 09 sowie Abschn. 12.3.3). Dranagesysteme aus Geokunststoffen ersetzen zunehmend Dranschichen aus mineralischen Baustoffen. Bei gro6eren Erdarbeiten fUr Verkehrswege ist man immer bemuht, einen Massenausgleich zu erreichen, d. h. bei einer wirtschaftlich vertretbaren Forderweglange alle in den Einschnitten anfallenden brauchbaren Massen in die Dammabschnitte wieder einzubauen. 1st dies nicht der Fall, muss en neben unbrauchbaren Boden auch brauchbare Uberschussmassen deponiert werden oder es muss Material aus Seitenentnahmen zugefahren werden, um Fehlmassen auszugleichen. Hinsichtlich der Erkundung von moglichen Seitenentnahmen s. DIN 4020, Anhang D. Seitenentnahmen und Deponiegelande mussen bereits bei den Planfeststellungsverfahren ausge-
Anlchnltt I Elnschnltt
Oamm
~ ' ~'
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~~------------U~~ru~ Asphalldect 15
>0,8
>20
>0,9
>30
> 1,0
>45
> 1,2
1m Einflussbereich der Witte rung bzw. des Grundwassers ist bei bindigen Boden eine Konsistenz > 1.0 selten gegeben. Ev2 -Moduln von > 45 MN/m 2 lassen sich daher meist nur mittels Bodenverbesserung erreichen (s. Abschn. 12.3). Besondere Vorsicht ist auch bei starker angewitterten veranderlich-festen Tonsteinen im Erdplanum gegeben (z. B. Keuper- und Jura-Tonsteine). Durch die Entspannung und die geanderten Wasserwegigkeiten kann es zu einem Abfall der Festigkeit kommen. Zur Gewahrleistung der Tragfahigkeit kann in solchen Fallen ebenfalls eine Verbesserung oder Verfestigung mit hydraulischen Bindemitteln gemiiB Abschn. 12.3.1 und erforderlich werden.
L 12.2.4 Verdichtungskontrollen Die Verdichtungsanforderungen sind auf der Baustelle zu kontrollieren. Der Umfang der Kontrollen ist in der ZTVE-StB 09 festgelegt. Als
Priifarten werden Eignungspriifungen. Eigeniiberwachungspriifungen des Auftragnehmers. Kontrollpriifungen des Auftraggebers sowie notigenfalls Schiedsuntersuchungen unterschieden. Bei den Priifmethoden (M) werden nach ZTVEStB 09. 14.2. weiterhin genannt M 1: Priifplan mit statistisch verteilten Stichproben M 2: Flachendeckende. an der Walze installierter Messverfahren M 3: Uberwachung des Arbeitsverfahrens. Zur Methode M3 gehoren u. a. eine Uberwachung hinsichtlich der geeigneten Verdichtungsgerate der maximalen Schiitthohen der zulassigen Einbauwassergehalte der erforderlichen Ubergange und der Arbeitsgeschwindigkeit. Grundlage der versuchstechnischen Verdichtungskontrolle ist die erreichte Trockendichte Pd in Bezug auf die erreichbare Proctordichte PPf' Die wichtigsten Dichtemessungen sind im Abschn. 2.3.3 beschrieben: Ausstechzylinder, Sandersatzverfahren. Ballonverfahren. Gipsersatzverfahren. Lasst sich die Proctordichte nicht zuverlassig ermitteln. konnen als Ersatz die Trockendichte Pd oder der Porenanteil n bzw. der Luftporenanteil na verwendet werden. Bei grob- und gemischtkornigen Boden mit einem Feinanteil < 15 M.-% konnen als Ersatz auch der Ev2 - hzw. der EVd-Modul aus dem Plattendruckversuch (Abschn. 2.6.5) verwendet wer-
325
12.2 Einbau und Verdichtung
Tabelle 12.3 Zuordnungswerte DpJE" nach ZTVE-StB 09 und aus Erfahrungswerten hergeleitete Zuordnungswerte fUr den E,d-Modul Bodengruppe nach DIN 18 196
Verdichtungsgrad D..
Verformungsmodul Ed
dynamisches Verformungsmodul E..,
%
MN/m'
MN/m'
~
100
~
100
~55
~
98
~
80
~45
GE,SE SW,SI
~
100
~
80
~
35
~98
~
70
~
30
gemischt- und feinkornige BOden
~
100
~45
~
25
~
97
~
30
~
20
~
95-
~
20'
~
15·
GW,GI
* Werte gelten fOr Schutzwiille
den. Richtwerte fur die Zuordnung der VerformungsmoduliEv2 bzw. EVd zu dem Verdiehtungsgrad Dp, enthalt Tab. 12.3. Zur Beurteilung der Verdichtungswirkung ist gemiill ZTV-StB zusatzlich das Verhaltnis EvlEvl heranzuziehen. Dieses darf bei einem Verdiehtungsgrad von 103% nieht groger sein als 2,2 und bei einem Verdiehtungsgrad > 103% nieht groger als 2,5. Diese Verhaltniszahlen haben nur Richtliniencharakter und gelten nach FLOSS (2006) nur fur grobkornige und nieht fur gemischt - und feinkornige Boden. Auger dem normalen Plattendruckversuch (s. Abschn. 2.6.5 und DIN 18 134) wird auch der dynamische Plattendruckversuch mit Hilfe des "Leiehten Fallgewiehtsgerates" eingesetzt (s. Abb. 12.7). Das Prufverfahren eignet sieh fur grobund gemischtkornige Boden sowie auf steifen oder halbfesten feinkornigen Boden mit geringen Kornanteil > 63 mm. Beim dynamischen Plattendruckversuch wird der Boden uber eine kreisformige Platte durch ein Fallgewicht stogartig belastet, wobei die maximale Normalspannung a unter der Lastplatte 0,1 MN/m2 betragt. Der dynamische Verformungsmodul EVd wird nach der Gleichung
ermittelt (s. d. TP BF-StB, Teil B, Dynamischer Plattendruckversuch mit Leiehtem Fallplattengerat, 2003). Tabelle 12.3 enthalt aus Erfahrungswerten hergeleitete Zuordnungswerte gegenuber dem Ev2 -Modul.
(I) w'pl."e (Dun:hmeuer • JOO mm)
(2) T"B'vitro (3) Se1lUnllftlt.6einridnun. (4) Fon,ewkbl (10 _. :!; 0.' k.)
IS) r...s.relemetu (6) R1lwna""'" bzw. R1h"'n.....,,'e (7) Au khnkYOITich,unS (8)
Ki""",hulLvonichlu".
(3) (I)
EVd
= 1,5 . r . (J Is bzw.
EVd
= 22,5/ s
s = Mittelwert der gemessenen Setzungen in mm
Abb. 12.7 Geriit fUr den dynamischen Plattendruckversuch (a us TPBF-StB, B B.3, geiindert).
12
326
12 Erdarbeiten
12
Besch leu nlg ungskennwe r t
11---
- --I
Be schleumgung s oufnehmer
schlecht verdichtet
':T:"'_:" '-';'.
....... ....:_.-' 0.5 N/mm 2 betragt (ZTVE-StB 09, 12.4.3 und TP BF-StB, Teil B).
L
12.3.2 Bodenverfestigung
Bodenverfestigungen werden sowohl mit Mischbindemitteln bzw. Zement vorgenommen als auch mit Feinkalk oder Kalkhydrat. Die Bindemittelmenge betragt bei den Letzteren min. 4 M.-%, die erforderliche Zylinderdruckfestigkeit min. 0,2 MN/m 2. Zementverfestigung wird vorwiegend bei grobkornigen Boden eingesetzt (Abb. 12.9). Die Verfestigungswirkung durch Zementzugabe beruht auf der chemischen Abbindewirkung des
Zements, wobei durch das Einmischen des trockenen Zements auch der Wassergehalt verringert wird. Die Verwendung von Zement oder anderen Spezialbindemitteln aufZementbasis hat den Vorteil, dass diese Boden danach gegen hohe Luftfeuchtigkeit und Regen wenig empfindlich sind. Der erforderliche Zementanteil betragt bei gemischkornigen Kiesen und Sanden 4-7%, bei gleichkornigen Sanden 8-12% und bei gemischtkornigen Boden mit gewissen Schluffanteilen 6-12 M.% des getrockneten Bodens (105°CTrocknung). Ausfiihrung und Anforderungen s. ZTVT-StB 95/02 und TP BF-StB,Teil BILl, Eignungspriifung fiir Bodenverfestigung mit hydraulischen Bindemitteln (2005).
12.3.3 Verbesserung der Tragfahigkeit und der hydraulischen Stabilitat durch Geokunststoffe Geokunststoffe werden seit den 1960er Jahren im Erdbau zunehmend eingesetzt. Geokunststoffe sind Produkte aus synthetischen Rohstoffen, wie z. B. Polypropylen (PP), Polyethylen (PE, PEHD, PELD) oder Polyester (PET), die bei Anwendungen im Bauwesen in Kontakt mit Boden oder anderen Baustoffen stehen. Mit EinfUhrung der DIN EN ISO 10 318: 2005 "Geokunststoffe, Begriffe" sind sowohl die Begriffe international vereinheitlicht, als auch die Beschreibung der Eigenschaften und die Anwendung von Geokunststoffen. AuBerdem unterliegen die Geotextilien und geotextilverwandte Produkte der CE-Kennzeichnungspflicht nach dem Bauproduktengesetz (BauPG) und es liegen zwischenzeitig eine ganze Reihe Anwendungsnormen, Regelwerke, Merkblatter und Empfehlungen fiir den Gebrauch von Geokunststoffen in der Geotechnik und im Wasserbau vor, die in der "Empfehlung fUr den Entwurf und die Berechnung von Erdkorpern mit Bewehrungen aus Geokunststoffen" EBGEO (2010) zusammengestellt sind. Geokunststoffe werden nach ihrer Struktur eingeteilt in: Geotextilien (Vliesstoffe, Gewebe, Maschenware) Geotextilverwandte Produkte (Geogitter, Geomatten, Geozellen)
12.3 Bodenverbesserung und Bodenverfestigung
331
12
Geoverbundstoffe (Geogitter mit Vlies, Dranmatten) Undurchlassige Produkte (z. B. Dichtungsbahnen). Vliesstoffe bestehen aus flachig aufeinander liegenden und mechanisch oder thermisch verfestigten Endlosfaden oder kurzen Spinnfasern. Sie eignen sich zum Trennen und Filtern. Vliesstoffe haben hohe Dehnungseigenschaften und eine gute Anpassungsfahigkeit an unebene Oberflachen. Gewebe werden aus kreuzweise verwebten Garnfaden hergestellt. Sie sind zugfester als Vliesstoffe und werden auch als Bewehrungseinlagen verwendet. Geogitter sind Gewebe aus einem offenen Netzwerk mit festen Verbindungen. Sie werden fur Bewehrungsaufgaben eingesetzt, wobei es auf eine moglichst hohe Kraftaufnahme bei moglichst kleinen Verformungen des Geogitters ankommt. Diese Eigenschaften sind wesentlich yom Herstellungsprozess abhangig. Geogitter sind gewebt, geschweiBt oder extrudiert, d. h. im Produktionsprozess verstreckt (Abb. 12.10). Die beste Knotensteifigkeit weisen geschweiBte oder (besser) extrudierte Geogitter auf, die eine gleiche Zugfestigkeit in Langs- und Querrichtung (biaxiale Geogitter) aufweisen. Bei Bewehrungsaufgaben zur Gelande- und Boschungsbruchsicherung werden haufig uniaxiale Bewehrungsprodukte eingesetzt, als Tragschichtbewehrung biaxiale bzw. neuerdings sog. "TriAxGeogitter". Verbundstoffe bestehen aus miteinander verbundenen Geogittern, Geweben und Vliesstoffen oder anderen Flachengebilden, Z. B. Dranmatten. Geogitter mit einem Vliesstoff ermoglichen eine Trennungs- und Bewehrungsfunktion im Verbund. Geozellen bestehen aus miteinander verbundenen, wabenformigen Einzelzellen, die wegen ihrer dreidimensionalen Struktur mit Fullmaterial ein komplexes Verbundsystem bilden (Abb.
Abb. 12.10 Gewebtes und verstrecktes Geogitter.
Abb. 12.11 Geozellen mit Fullmaterial aus Kies (aus EIMERSLEBEN 2010).
12.11). Bei Belastung verhindern die Zellen ein seitliches Ausweichen des Fullmaterials, wodurch die Tragfahigkeit verbessert und die Vertikalspannungen auf den Untergrund reduziert werden (EMERSLEBEN 2010). Geozellen werden bisher vorwiegend als Erosionsschutz eingesetzt. Ihre Anwendung im Verkehrswegebau zur Tragfahigkeitserhohung uber wenig tragfahigem Untergrund steckt noch in den Anfangen Geokunststoffe sind gegen Rotteprozesse im Boden und gegen Mikroben ausreichend bestandig. Wegen ihrer Alkalienempfindlichkeit sollten aber Polyesterprodukte nicht in Boden bzw. Grundwasser mit pH-Werten > 9 eingesetzt werden und auch nicht mit Betonteilen oder mit zement- oder kalkbehandelten Boden in Kontakt kommen, es sei denn, ihre Unempfindlichkeit ist nachgewiesen. Geokunststoffe sind auf der Baustelle gegen Witterungseinflusse geschutzt zu lagern. Urn eine Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften durch UV-Strahlung (Restfestigkeit) zu vermeiden, betragt die zulassige Freiliegedauer einen Tag (niedrig wetterbestandig), zwei Wochen (mittel wetterbestandig) oder einen Monat (hoch wetterbestandig). Fur eine langere Freiliegedauer stehen UV-stabilisierte Produkte zur Verfiigung. Allgemein werden Vliesstoffe zum Trennen, Filtern, Dranen, Schutzen Geogitter, Gewebe und Geozellen zum Bewehren, Tragen und Sichern Dichtungsbahnen zum Abdichten verwendet. Bei den Einsatzmoglichkeiten werden folgende Funktionen unterschieden:
332
12
Trennfunktionen zur Verhinderung des Vermischens grob- und feinkorniger Boden Bewehrungsfunktion zur Verbesserung des Tragverhaltens und der Verringerung der Dicke von Tragschichten Filterfunktion zur Verhinderung von Korninstabilitat bei hydraulischer Beanspruchung zwischen nicht filterstabilen Boden Entwasserungsfunktion zur erosionsfreien Ableitung von Wasser. Die haufigsten Anwendungen im Erd- und Grundbau sind: TragfahigkeitserhOhung und Verlangerung der Nutzungsdauer von StraBen mit ungebundenem Oberbau Bewehren von Dammen und Boschungen gegen Boschungsoder Grundbruch (s. Abschn. 14.1.3 und 14.3.1) TragfahigkeitserhOhung von Griindungspolstern (s. Abschn. 7.4.3) TeilsicherungsmaBnahmen in Erdfall- und Bergschadensgebieten (s. Abschn. 19.4.3). Bei Entwasserungsma6nahmen hat das geotextile Dranelement die Aufgabe, den Wasserdurchfluss zu ermoglichen und dabei den Boden vor Erosionseinwirkungen zu schiitzen. Dransysteme werden als Einzelelemente oder als Verbundelemente verwendet. Verbundelemente bestehen aus einer Filterschicht und einer formstabilen Sickerschicht mit entsprechender Abflussleistung. Das Bodenriickhaltevermogen wird durch die sog. charakteristische Offnungsweite 0 90 der Filterschicht bestimmt (s. Abschn. 2.1.6). Dbliche Mittelwerte sind (ZTVE-StB 09, 3.3.3.3): Vliesstoffe 0,06mm < 0 90 < 0,20mm (entspricht dem Wert fiir bindigen Boden) Gewebe 0,06 mm < 0 90 < 0,40 mm. Fiir die Anwendung von Dichtungsbahnen im Erd- und Wasserbau gelten die Normen DIN EN 13 382 (Anwendung in Verkehrswegen) und DIN EN 13 361 (Anwendung bei Riickhaltebecken und Staudammen). In der erstgenannten Norm sind die RiStWag-Anwendungen inbegriffen (Abschn. 12). Die Eigenschaften von Geokunststoffprodukten werden nach ihren Komponenten und deren Anordnung sowie der Art der Verfesti-
12 Erdarbeiten Tabelle 12.5 Geotextilrobustheitsklassen fOr Vliesstoffe nach FGSV-Merkblatt 1994. Geotextilrobustheitsklasse (GRK)
Stempeldurchdriickkraft (x' -s) in kN
Masse pro Flacheneinhe it in gjm'
2
3
~
1,5
4
~
2,5
~
250
5
~
3,5
~
300
Fur Vliesstoffe wird der Mittelwert der Stempeldurchdruckkraft (x*) minus Standardabweichung (s) verwendet.
gung bzw. Bindung bestimmt. Die Zuordnung zu definierten Gruppen erfolgt in Deutschland nach Geotextilrobustheitsklassen (GRK) und zwar bei Vliesstoffen nach der Stempeldurchdriickkraft (in kN) gemaB EN ISO 12236 und nach der Masse pro Flacheneinheit (in g/m2; s. Tab. 12.5). Die flachenbezogene Masse reicht von 80 g/m2 bei einem leichten Vlies der GRK 1 bis zu 2000 g/m2 bei einem schweren Schutzvlies. Die entsprechenden Materialdicken betragen 1,5 bis 12,5 mm. Bei Geweben und Geogittern erfolgt die Einordnung in die GRK nach der Hochstzugkraft (in kN/m). Geotextilien diirfen beim Einbau nicht direkt befahren werden. Dehnfahige Vliesstoffe (auch Maschenware und Gewebe) werden zum Trennen, z. B. zwischen Schiittmaterial und Untergrund, eingesetzt. Sie bewirken damit eine tragfahigkeitserhaltende und in begrenzten Umfang auch eine tragfahigkeitsverbessernde Wirkung. Erstere wird durch Verhindern des Einwanderns von Feinkorn in das meist grobere Schiittmaterial erzielt (sog. Mechanische Filterwirksamkeit). Die tragHihigkeitserhOhende Wirkung ergibt sich aus der stabilisierenden Wirkung des Vliesstoffes an der Schichtgrenze zum weichen Untergrund. Diese Eigenschaften werden z. B. zur Verbesserung der Tragfahigkeit von Baustra6en genutzt, wo oft nur ein kraftiges Baustellenvlies auf dem weichen Erdplanum verlegt wird, urn eine Reduzierung der Verformungen zu erreichen. Reicht dies bei sehr weichem Untergrund nicht aus, so
333
12.3 Bodenverbesserung und Bodenverfestigung
12
Verankerungseffekt Zugkrafte im Geogltler
Abb. 12.12 Schematische Darstellung des Membraneffekts von Geogittern (a us EIMERSLEBEN 2010).
kann das Tragverhalten durch die zusatzliche Einlage einer oder mehrerer Lagen Geogitter verbessert werden (s. EBGEO, Abschn. 6). Fur den Einsatz als Trennlage ohne Bewehrungsfunktion wird auf das FGSV-Merkblatt M Geok E (2005) verwiesen. Die bewehrende Wirkung von Geogittern wird nach der Membrantheorie vorwiegend durch Reibung des Schuttmaterials mit dem hochzugfesten Geokunststoff und seiner Anfangsdeformation erreicht (Abb. 12.12). Das Reibungsverhalten Geokunststoff/Schuttmaterial wird dabei meist mit 0,5 tan
60 MN/m 2 allgemein als frostsicher, solche von qu = 30-60 MN/m 2 als schwach frostempfindlich und bei Druckfestigkeit qu < 30 MN/m 2 als stark frostempfindlich. Bei veranderlichfesten Gesteinen ist die Frostempfindlichkeit des Verwitterungsproduktes ma6gebend. Bei der Beurteilung der Frostempfind-
335
12.4 Frostwirkung
12
Tabelle 12.6 Klassifikation der Frostempfindlichkeit von Bodengruppen (aus ZTVE-StB 09). Frostempfindlichkeitsklasse
Frostempfindlichkeit
F1
nicht frostempfindlich
Bodengruppen (DIN 18 196)
GW, GI, GE SW, SI, SE
F2
TA
gering bis mittel frostempfindlich
QT,
OH, OK
ST,GT'I SU ,GU '
F3
TL, TM UL, UM, UA
sehr frostempfindlich
OU
ST', GT' SU',GU' Anmerkung: 1) zu F1 gehiirig bei einem Anteil an Korn unter 0,063 mm von 5,0 Gew.-% bei Cc > 15,0 oder 15,0 Gew.-% bei Cc ~ 6,0.
lichkeit von Fels im Gebirgsverband ist auch das Trennflachengefuge zu beachten. 1m Erdbau erfolgt die Beurteilung der Frostempfindlichkeit eines Festgesteins gema6 TL Gestein-StB nach der Wasseraufnahme nach DIN 1097 -6 und nach dem Frost-Tau -Wechselversuch nach DIN EN 1367-1.
12.4.2 Tragschicht und Frostschutzschicht im StraBenbau Bei der Beurteilung des Frostgefahrdungsgrades sind au6er der Frostempfindlichkeit des Untergrundes auch die Verkehrsbedingungen (Bauklassen I bis VI), die Lage der Stra6e sowie das Frosteinwirkunsgebiet mit den unterschiedlichen Frosteindringtiefen sowie das Mikroklima und die hydrogeologischen Bedingungen entscheidend. Fur die Frostsicherheit einer Stra6e zahlt die Gesamtdicke der Oberbaus (Abb. 12.1), bestehend aus der Decke, ein oder mehreren Tragschichten (ungebunden oder gebunden) und der eigentlichen Frostschutzschicht. Diese bildet die erste Tragschicht uber dem Planum. Sie ist in der Regel ungebunden. Aufgrund ihrer Kornung solI sie verhindern, dass Wasser aus dem Untergrund kapillar aufsteigen kann und sie muss von oben eingedrungenes Wasser seitlich ableiten. Das verwendete Material muss frostsicher und verwitterungsbestandig sein. Verwendet werden sowohl
Kies-Sand-Gemische der Gruppen GE, GI, Gw, SE, SI und SW (DIN 18196) als auch BrechsandSchotter-Gemische der Lieferkornung 0/56 und auch industrielle Nebenprodukte (Schlacken) oder Recycling -Baustoffe, soweit sie den Richtlinien fur Tragschichten im Stra6enbau (ZTVTStB 95/02) entsprechen. Der Anteil an Feinkorn < 0,063 mm darf im eingebauten Zustand nicht mehr als 7 Gew.-% betragen. Die Bemessung der Frostschutzschicht (FSS) erfolgt nach der vorhandenen standardisierten Oberbaudicke, der Frostempfindlichkeitsklasse (FIIF3) und den vier verschiedenen frostsicheren Bauweisen nach ZTVT-StB 95/02 (Tragschichten) unter Berucksichtigung von Zu- bzw. Abschlagen nach RStO 01 je nach den ortlichen Frosteinwirkungsgebieten (Zone I-III). Die Gesamtdicke des frostsicheren Stra6enaufbaus betragt damit je nach Bauklasse (I bis VI) und der Frostempfindlichkeitsklasse (F2, F3) in cm: , -II
III IV
V VI
F2
55
50
40
F3
65
60
50
Eine Bodenverfestigung (Abschn. 12.3) der obersten Zone des Untergrundes oder des Unterbaus kann mit bis zu 20 cm auf die Dicke der Frostschutzschicht angerechnet werden (Abb. 12.14).
336
12 Erdarbeiten
12 Oberbau
45 MNlm'
bau
55 an
70 MNlm'
55cm
65 em
45 MNlm'
F2Boden
Oher-
Oherbau
F3Boden F3Boden
Abb. 12.14 Erforderliche Dicke des frostsicheren Oberbaus bei Bauklasse I-II fOr die Frostempfindlichkeitsklasse F 2 und F 3 und Reduzierung durch eine qualifizierte Bodenverbesserung (nach RstO 01 und ZTV E StB 09; nach SCHADE 2010).
Auf der Frostschutzschicht muss ein Verdichtungsgrad von DPr = 103 bzw. 100% oder ein Verformungsmodul Ev2 = 120 bzw. 100 MN/m 2 erreicht werden (Einzelheiten s. ZTV SoB-StB 04/07).
12.4.3 Bettung, Frostschutzund Planumschutzschicht bei Gleisanlagen Die bei der Zugfahrt entstehenden StoBbelastungen und Schwinggeschwindigkeiten mussen von den Tragschichten des Bahnkorpers aufgenommen werden. Die Tragfahigkeitsanforderungen an das Erdplanum (Unterbaukrone) sind aus Abb. 12.6 ersichtlich. 1st die Tragfahigkeit auf dem Erdplanum nicht gewahrleistet, muss der Untergrund bzw. Unterbau ertuchtigt werden. Die Tragschichten des klassischen Oberbaus von Gleisanlagen sind die Schotterbettung und die Planumschutzschicht (Abb. 12.6). Die Anforderungen an den Gleisschotter sind in den Technischen Prufbestimmungen fUr die Prufung von Gleisschotter der DB und den Technischen Lieferbedingungen fur Gleisschotter geregelt. Die
Anforderungen an die Lieferkornung 25/65 sind im Abschn. 2.1.5 angesprochen. Die Planumschutzschicht (PSS) ist ein Teil der Frostschutzschicht bzw. Tragschicht. Sie hat die Aufgabe, die Gebrauchsfahigkeit der Erdbauwerke gegenuber Einwirkungen der Verkehrslasten und von Witterungseinflussen (Niederschlag, Frost) zu erhalten und das Schotterbett vor dem Eindringen feinkorniger Bodenteile aus dem Unterbau bzw. dem Untergrund zu schutzen. Als Material werden Mineralstoffgemische (Brechsand, Splitt oder Kiessand 0-56 bzw. 0-32 mit Cu > 15) verwendet. Das Mineralstoffgemisch muss den Technischen Lieferbedingungen der DB AG entsprechen, d. h. es muss gering wasserdurchlassig (k < 10-6 m/s) und filterstabil gegenuber dem Schotter und dem Unterbau bzw. Untergrund sein. Die Dicke der Planumschutzschicht betragt in der Regel 30 cm. Die Dicke der Frostschutzschicht einschlieBlich der Planumschutzschicht wird nach Frosteinwirkungsgebieten festgelegt und betragt z. B. fur durchgehende Hauptgleise 0,5-0,7 m. Die Verdichtungsanforderungen sind aus Abb. 12.6 ersichtlich. Bei weichem Untergrund kommt auch hier der Einsatz von Geokunststoffen in Betracht (s. Abschn. 12.3.3 und EBGEO, Abschn. 6.3). Mit zunehmenden Achslasten und Geschwindigkeiten unterliegt der Schotteroberbau einer verstarkten Verschmutzung und mechanischen Zerstorung, was einen deutlich erhohten Instandhaltungsaufwand erfordert. Fur Fahrgeschwindigkeiten uber 200 km/h wird deshalb weitgehend die sog. Feste Fahrbahn (FF) eingesetzt. Bei der Festen Fahrbahn wird die durch die Schotterbettung bedingte labile Auflage durch eine Tragschicht aus Beton (BTS) oder Asphalt (ATS) in eine dauerhaft stabile Lage gebracht. Mit dieser Ausbildung sollen der Fahrkomfort verbessert und die spateren Instandhaltungskosten minimiert werden. Die Anforderungen an die Tragschichten des Unterbaus und an den Untergrund sind in einem "Anforderungskatalog zum Bau der Festen Fahrbahn" (AK FF, Ausgabe 1995), in der RiL 836 (1999/2002) und bei DARR & FIEBIG (2006) zusammengestellt. Danach soll der Untergrund bis 4m Tiefe unter Schienenoberkante (SO) keine bindigen Boden mit Ie < 0,5 (sehr weich) aufweisen. Der Katalog definiert auBerdem einen
111111111111 zusehen. Immer Mufiger werden deshalb Damm12 schiittungen und Bauwerkshinterfullungen durch-
_12_._4_F_r_os_t_w_ir_ku_n~g_____________________________________________________3_3_7___ erhohten Erkundungs- und Untersuchungsaufwand. Der hochstmogliche Grundwasserstand darf nieht hoher als 1,5 m unter SO ansteigen, urn Walkerscheinungen durch dynamische Beanspruchung zu vermeiden. Bei der Festen Fahrbahn ist eine Gleislagekorrektur durch Unterstopfen der Gleise nicht mehr moglich. Erddamme sind deshalb so fruh zu schutten, dass die Setzungen des Untergrundes und die Eigensetzungen weitestgehend abgeklungen sind. Die zu erwartenden Restsetzungen durfen ab Beginn des Einbaus der Festen Fahrbahn 10-15 mm nicht uberschreiten. Sind in Dammabschnitten gro6ere Restsetzungen zu erwarten, so sind besondere Ma6nahmen vor-
gangig mit hydraulisehen Bindemitteln stabilisiert, urn die Eigensetzungen des Schiittkorpers zu minimieren (s. Abschn. 14.2). Auch bei Gelandegleichlage oder in Einschnitten konnen anteilige Entlastungshebungen oder Quellhebungen des Erdplanums auftreten, die eine stabilisierte Tragschicht (SCHULZ et al. 2004) bzw. einen Bodenaustausch und im Bedarfsfall zur Verhinderung von Wasserzutritten auf dem Planum des Bodenaustausehpolsters auch eine Dichtschicht erforderlieh machen. Auch die Ubergange von Briicken oder Tunneln zu Erdbauwerken erfordem besondere Ma6nahmen (s. Abschn. 12.2.6).
33
tandsicher •I Standsicherheit von Boschu Boschungen gen
In und hinter jeder Boschung treten infolge Eigenlast und moglicher auBerer Belastungen Schubspannungen auf, die bei An- oder Einschnitten von den in Kapitel 10 diskutierten Entlastungseffekten sowie den Auswirkungen horizontaler Restspannungen iiberlagert werden (Abb. 13.1). Diese Spannungen losen Deformationen aus, deren GroBenordnung yom Spannungszustand, dem Verformungsmodul und der Scherfestigkeit, besonders auf vorgegebenen Flachen, abhiingig ist und die bei einem entsprechenden Untersuchungsprogramm auch durch Bodenkennwerte belegt werden konnen (BURKLE & KUNTSCHE 2005). Diese Entlastungsverformungen konnen durch rechtzeitig eingebaute Extensometer (in vertikaler und horizontaler Richtung) bzw. Inklinometer (in horizontaler Richtung) in verschiedenen Ebenen gemessen werden (s. Abb. 5.20). Bei geringen rechnerischen Sicherheiten konnen solche Schubverformungen bzw. Kriechbewegungen (s. Abschn. 15.4) iiber Jahrzehnte anhalten. Wenn die Schubspannung die Scherfestigkeit auf ungiinstig liegenden Flachen iibersteigt oder diese infolge Entlastung und anhaltender Schubverformungen auf die Restfestigkeit abfallt (s. Abschn. 2.7.6), konnen Boschungsbriiche auftreten. Die Neigung und Standfestigkeit einer Boschung sind in erster Linie von der Gelandeform, dem geologischen Aufbau und den Wasserverhaltnissen abhangig. 1m Einzelnen sind folgende Faktoren zu beachten: Untergrundaufbau, Schichtung, Kliiftung (besonders GroBkliifte und Storungszonen), Spannungszustand, HangzerreiBung Scherfestigkeit (qJ, c), bes. auf Trennflachen zeitabhangige Entlastungs- und Spannungsanderungen, Alterung von Boschungen Sickerwasser in der Boschung Belastungen auf der Boschung Art der Boschungsbefestigung und des Bewuchses H. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
Einwirkung der Witterung auf die Boschungsoberflache (Erosion, Frost, Verwitterung). Dariiber hinaus spielen fiir die Festlegung der Boschungsneigung noch folgende Faktoren eine Rolle, die Grundinanspruchnahme, Zwangspunkte durch vorhandene Bebauung, Planfeststellungsgrenzen, die Eignung der Abtragmassen als Erdbaustoffe und der Massenausgleich, der Zeitpunkt und die Dauer des Boschungsabtrags, vorbeugende MaBnahmen nach Abschn. 13.3 sowie auch die Inkaufnahme eines kalkulierten Risikos im Hinblick auf mogliche Rutschungen. AuBerdem miissen die Alterung von Boschungen sowie Unterhaltungsarbeiten und spatere SanierungsmaBnahmen beriicksichtigt werden. Bei einem Einschnitt ist die Boschungshohe (h) die Hohendifferenz zwischen Planum bzw. BoschungsfuB und dem Schnittpunkt der nicht ausgerundeten Boschung mit dem Gelande. Lockergesteinsboschungen haben in der Regel streng geometrische Formen. Felsboschungen sind aus landschaftsplanerischen Griinden moglichst unregelmaBig auszubilden (s. Abschn. 13.2). Die Boschungsneigungen werden zunachst nach den iiblichen Regelboschungen bzw. nach Erfahrungswerten festgelegt (s. a. DIN 1054-101, Abs. 2.5). Bei Boschungsneigungen bis 45° (1 : 1) ..::/
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Abb. 13.1 Rechnerisch ermittelte Kriechverformungen einer B6schung (einfaches theoretisches Modell).
13 Standsicherheit von Boschungen
340
geschieht dies als Verhaltniszahl (1:1; 1:1,25 [= 40°], 1:1,5 [= 33°], 1:2 [= 26°)), bei steileren Boschungen in Gradangaben, seltener in Verhaltniszahlen (Abb. 13.3). Anhaltswerte uber Boschungsneigungen enthalten auch die Erdbaurichtlinien der Deutschen Bahn AG (1999/2002). Boschungen bis 10 m Hohe werden in der Regel nach der Geotechnischen Kategorie GK 2 behandelt, daruber hinaus nach GK 3 (s. Abschn. 5.2). Weitere Einstufungskriterien fur GK 3 sind eine Kriechtendenz oder die Gefahr von SetzungsflieBen sowie Erdbebeneinfluss. Fur Boschungen in GK 2 ist der Nachweis der Standsicherheit nach DIN 4084 mit den Nachweisverfahren GEO 3 zu erbringen. In bindigen Boden werden hiiufig ab 5 m BoschungshOhe Standsicherheitsberechnungen gefordert. Rechenverfahren und Teilsicherheitsbeiwerte s. Abschn.
13.1.1 Grobkorn ige Boden In grobkornigen Boden wird die Boschungsneigung (/1) in erster Linie vom Reibungswinkel (cp) bestimmt, der seinerseits wieder von der KorngroBenverteilung, der Kornform und von der Lagerungsdichte abhangig ist. Die Boschungshohe spielt eine untergeordnete Rolle. Allgemein gelten fur grobkornige Boden folgende Anhaltswerte fur die Boschungsneigung: Bodengruppe
Boschungs h6he
Boschungsneigung
GW, GI, SW, SI
< 10 m > 10m
1 : 1,5 1: 1,5-1 : 1,8
GE,SE
< 10m > 10m
1 : 1,8 1 : 1,8- 2,0
5.7.
Bei hOheren FelsbOschungen kann die Boschungsform auch bei sorgfaltiger Vorerkundung nicht immer exakt im Voraus angegeben werden. Deshalb ist wahrend der Bauausfuhrung eine standige Beratung zweckmaBig, wobei mit Anderungen von den angenommenen Gegebenheiten aufgrund ortlicher Abweichungen gerechnet werden muss. Hierbei sind besonders das Trennflachengefiige und die Wasserfuhrung in der Boschung zu beachten.
13.1 Boschungsneigungen in lockergesteinen Nach den Richtlinien fur die Anlage von StraBen (RAS) sollen Boschungen ab 2 m Hohe eine einheitliche Boschungsneigung von 1:1,5 erhalten, mit Ausrundung am Dbergang zwischen Boschung und Gelande. Wenn diese Regelneigung aus geologischen oder erdstatischen Grunden nicht ausgefuhrt werden kann, konnen in Abhiingigkeit von der Bodenart und der Boschungshohe abweichende Boschungsneigungen angegeben werden. Dies ist besonders bei als rutschungsanfallig bekannten Schichtpaketen zu beachten (s. Abschn. 13.4 und 15.6). Vorab unbedacht festgelegte Regelneigungen haben schon ofters zu erheblichen Mehraufwendungen gefuhrt (QUICK et a1. 2004).
Voraussetzung ist, dass die Boschungen einigermaBen frei von Sickerwasseraustritten sind und keine bindigen Zwischenlagen auftreten, die als Gleitflachen wirken konnen. Unterschiede in der Kornverteilung, besonders aber Zwischenlagen mit schluffig-tonigen Beimengungen, konnen wasserstauend wirken und zu Sickerwasseraustritten fuhren. Besonders Feinsande tertHiren Alters, aber auch anderer Formationen, weisen haufig schluffige Lagen oder oft nur Millimeter dicke Tonlagen auf, die schon bei geringer Schichtneigung zu Boschungsbruchen fuhren konnen. In solchen Fallen sind Abflachungen gegenuber den oben genannten Boschungsneigungen oder sonstige SicherungsmaBnahmen zu empfehlen.
13.1.2 Feinkornige Boden
L...--
Bei bindigen Boden, deren Bruchscherfestigkeit T entsprechend der MOHR-CouLoMB'schen Bruchbedingung T=
c' + cr· tan qf
vom Reibungswinkel cp, der Kohasion c und der Normalspannung (J (s. Abschn. 2.7) bestimmt wird, ist die zuHissige Boschungsneigung sehr stark von der BoschungshOhe abhangig. Allgemeingilt:
341
13.1 Biischungsneigungen in Lockergesteinen
Bodengruppe
8iischungsh6he
Boschungsneigung
UL, UM, TL
6 m.
1: 1,5 bis 1: 2
Diese Werte gelten fUr homogene, leicht- bis mittelplastische Boden von mindestens steifplastischer Konsistenz, ohne ungiinstig einfallende Schicht- oder Kluftflachen und ohne wasserfiihrende Schichten. Als soIche konnen z. B. schon starker feinsandig-schluffige Lagen iiber oder in starker tonigen Schichten wirken. Bei starker plastischen Boden (TM, TA) spielt die Kohasion eine entscheidende Rolle. Ihre Wirkung ist bei langzeitlichen Standsicherheitsbetrachtungen, insbesondere bei Vorhandensein von Schichtflachen oder quelWihigen Tonmineralen, mit Vorsicht anzusetzen. Die oben genannten Boschungsneigungen sind dann haufig sehr steil, zumal gerade in tonigen Boden gerne Oberboden- oder Flachrutschungen auftreten. Besonders in tektonisch oder durch Verwitterungsbzw. Umlagerungsvorgange gestorten Tonen konnen Trennflachen verschiedener Art auftreten, auf denen ein Abfall der Scherfestigkeit, besonders der Kohasion zu verzeichnen ist. Boschungsneigungen in soIchen Boden sollten daher nicht steiler als 1:2 angelegt werden.
13.1.3 Gemischtkornige Boden Bei gemischtkornigen Boden kiinnen folgende Boschungsneigungen angesetzt werden: 8iischungsneigung
80dengruppe
GU,GT
GU·, GT", SU, ST, SU·, ST"
10
1: 1,5 bis 1: 1,B
20 m
Kippenmaterial
8oschungsneigung
< 5 Jahre
1: 1
> 5 Jahre
1: 1,5
< 5 Jahre
1: 1,5
> 5 Jahre
1 :2,5
< 20 m
1: 2
>20 m
1: 4
Wenn rutschungsanfallige Schichten vorliegen, die Boschungen im Einflussbereich des Grundwassers stehen (besonders Grundwasserseen) oder zu schiitzende Objekte vorliegen, sind in jedem Einzelfall Standsicherheitsberechnungen nach Abschn. 5.7 vorzunehmen. Bei den Anforderungen fiir die Standsicherheit von Abbauboschungen im Festgestein ist grundsatzlich zu unterscheiden zwischen den in Betrieb befindlichen Boschungen und den Endboschungen nach dem Einstellen der Abbautatigkeit. Nach dem Einstellen der Abbautatigkeit ist vom Steinbruchbetreiber ein Zustand herzustellen, bei dem von den Boschungen keine Gefahrdung der bffentlichkeit ausgehen darf. Bei Festgesteinsboschungen ist im Allgemeinen bis zu einer Boschungshohe von 15 m eine Neigung bis zu 60° zulassig, wenn
353
die Lockergesteinsiiberdeckung standsicher ist, kein Grundwassereinfluss vorhanden ist und keine ungiinstig ausstreichenden Trennflachen bzw. deren Verschneidungen vorliegen. Andernfalls sind Standsicherheitseinschatzungen auf der Grundlage von Erfahrungen und Analogieschliissen vorzunehmen bzw., wenn die vorliegenden Rechenannahmen es ermoglichen, Standsicherheitsnachweise nach Abschn. 5.7.6 zu fiihren. Bei Unterwasserboschungen in Baggerseen entspricht die Boschungsneigung eines durch Baggerarbeiten oberflachig aufgelockerten rolligen Bodens anfangs seinem Reibungswinkel und kann fiir einen kiesigen Sand mit 1:1,5 (= 33,6°) angenommen werden. 1m Laufe der Zeit verflacht eine solche Boschung unter der Einwirkung der Grundwasserstromung sowie von Wasserbewegungen durch Baggerbetrieb und Wind auf 1:2 bzw. im Endzustand 1:3, was einer Endboschung unter Wasser von tan f3 = 0,5 tan cp entspricht. Allgemein gelten fiir UnterwasserbOschungen in Baggerseen folgende Erfahrungswerte (FLOSS 2006): Kies
1 : 1,5 bis 1 : 2
Grobsand
1: 3 bis 1: 4
Mittel- und Feinsand
1: 5 bis 1:8
Bei Fragen des zuliissigen Grenzabstandes der Abbauboschungen von der zu schiitzenden Grundstiicksgrenze ist dariiber hinaus ein Freistreifen vorzusehen, der eine ausreichende Gewahr fiir den Bestand der angrenzenden Grundstiicke bietet. Ein solcher Grenzabstand von 5 m ist auch in den einzelnen Lander-Bodenabbaugesetzen verankert. Fiir die Rekultivierung von Sand- und Kiesgruben sowie anderen Erd- und Gesteinsaufschliissen konnen die Richtlinien der Landesstellen fur Naturschutz und Landschaftspflege sowie die Richtlinie fUr die Gestaltung und Nutzung von Baggerseen des Deutschen Verbandes fiir Wasserwirtschaft und Kulturbau (DVWKRegel W108/1992) herangezogen werden.
3
14
Sta ta dsicherhe-t dsicherheet und n Ve formung von vo Dammen Verformung a-- m n
Damme und auch Halden bzw. Kippen als Relikte von Abbautatigkeiten (Abschn. 16.7) sind Erdbauwerke, die den Untergrund belasten und an deren Boschungsflachen Spreiz- und Schubspannungen auftreten. Dementsprechend miissen gewisse Standsicherheitsbedingungen erfiillt sein, urn schadliche Verformungen zu verhindern: Grundbruchsicherheit Gleitsicherheit Sicherheit gegen Boschungsbruch Dammsetzungen. Erddamme bis 3 m Hohe auf tragHihigem Untergrund sind nach DIN 1054-101 (E 2009) als Geotechnische Kategorie GK 1 zu behandeln, dariiber hinaus als GK 2 (s. Abschn. 5.2). Die entsprechenden Untersuchungsmethoden sind in Abschn. 5 beschrieben. Hier sollen nur davon abweichende Einflussfaktoren behandelt werden. Damme auf stark geneigtem Gelande oder auf wenig tragfahigem Untergrund erfordern in der Regel eine Zuordnung nach GK 3 mit entsprechend erhohtem Untersuchungsaufwand. Wie bei Einschnitten, sind auch bei Dammboschungen vom Schiittmaterial abhangige Regelboschungen iiblich, deren Boschungsneigungen den Angaben im Abschn. 13.1 entsprechen. Zu den Dammbaustoffen und ihrer Verdichtbarkeit siehe Abschn. 12.2.1.
sich in einem Einsinken eines Dammabschnitts und mit Hebung des Untergrundes vor dem Dammfu6 (Abb. 14.0. In der Praxis wird die Grundbruchuntersuchung fUr Damme meist als Gleitkreisuntersuchung nach Abschn. 5.7.3 ausgefiihrt. Infolge der meist breiten Dammaufstandsflache reicht die Grundbruchfigur verhaltnismamg tief. Bei begrenzter Tiefe der weichen Schicht verlauft die Grundbruchfigur entlang der Grenzschicht zum tragfahigeren Untergrund, so dass nur ein Teil des Dammkorpers von einem moglichen Grundbruch erfasst wird. Die Breite des betroffenen Dammabschnitts ergibt sich aus dem Reibungswinkel der weichen Schicht und ihrer Machtigkeit. Bei moglichen vorgegebenen Gleitflachen im Dammuntergrund sind deren Raumlage und die ggf. abgeminderten Scherfestigkeiten zu beachten. Die Anfangsstandsicherheit von Dammen ist au6erdem mit der undranierten Scherfestigkeit (cJ zu ermitteln (s. Abschn. 2.7.6 ). Zur Standsicherheit von Dammen auf wenig tragfahigem Untergrund siehe Abschn. 14.1.4.
14.1 Standsicherheit von Dammen L 14.1.1 Grundbruchsicherheit Grundbruch eines Dammes infolge zu geringer Tragfahigkeit des Dammuntergrundes au6ert H. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
Abb. 14.1 Grundbruchfigur und zerstorter Dammkorper nach einem Grundbruch eines 10 m hohen Dammes auf nicht tragfahigen Untergrund.
356
14
14.1.2 Gleit- bzw. Spreizsicherheit
14 Standsicherheit und Verformung von Dammen
L •
-
Die Schubkraft S in Dammsohle betragt
S=O,5·y·H 2 ·tan 2 ( 45°_ cp'/2) H = Dammhohe q/ = Reibungswinkel des Dammschiittmaterials y = Wichte des Schiittmaterials. Die in Dammsohle auftretenden Schubspannungen miissen von der Scherfestigkeit des Materials in der Sohlfuge aufgenommen werden (Abb. 14.2). Die Ermittlung der Gleit- und Spreizsicherheit von Dammen kann auf der Grundlage der Scherfestigkeit des Untergrundes und des Dammschiittmaterials an hand von Tabellen (BRAUNS 1980) oder mit Rechenprogrammen erfolgen.
14.1.3 Sicherheit gegen Boschungsbruch Boschungsbriiche ohne oder mit geringer Verformung des Untergrundes werden ausgelost durch Spannungsiiberschreitung bei zu steiler Boschungsneigung, durch zu geringe Scherfestigkeit im Untergrund oder durch Auftreten von Stromungsdruck bei eingestauten Dammen. Die Ermittlung der Sicherheit gegen Boschungsbruch erfolgt nach den Berechnungsmethoden des Abschn. 5.7. Bei Dammen aus nichtbindigem Material ohne ungiinstige au6ere Einfliisse ergibt sich die Boschungsneigung /3 vereinfacht aus tan /3= y . tan cp' q/ = Reibungswinkel des Schiittmaterials
y= 1,25 (Sicherheitsfaktor). Bei bindigem Schiittmaterial sind Gleitkreisuntersuchungen erforderlich, wobei bei Boden mit q/ > 5° davon ausgegangen werden kann, dass die ungiinstige Lage der Gleitflache durch den Boschungsfu6punkt geht. Fiir gemischtkomiges Dammschiittmaterial bringen GUSSMANN &
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Abb. 14.2 Schematische Darstellung der Schubspannungen unter einem Damm, hier mit ReibungsfuB.
SCHAD (1996) dafiir ein Standsicherheitsdiagramm. Liegt unter dem Damm eine weiche Schicht geringer Scherfestigkeit, so geht die Gleitlinie nicht mehr durch den Boschungsfu6punkt, sondem beriihrt die Sohlflache der weichen Schicht (s. Abschn. 14.1.1). Regelboschungen von 1: 1,5 erfordem bei Ansatz der Sicherheitsbeiwerte nach DIN 1054 (s. Tab. 5.3) mit Y'l" und Yc = 1,25 bereits Scherfestigkeitswerte q/ = 32,5°, c' =0, was entsprechend hochscherfestes Schiittmaterial und gute Verdichtung voraussetzt. Bei Schiittmaterialien, deren Scherfestigkeit nur wenig iiber den o. g. Werten liegt, treten sowohl in der Rechnung als auch in der Praxis flache Gleitkreise mit ungeniigenden Sicherheiten auf. Diese Gleitkreise haben eine Tiefenwirkung von 1 bis 3 m und zahlen zu den flachen Hautrutschungen, den en durch eine entsprechend gute Verdichtung der Boschungsbereiche entgegen gewirkt werden muss. Durch Zwischenschalten von 3 m breiten Bermen in Abstanden von etwa 8 m kann eine 1: 1,5 geneigte Boschung auf eine Gesamtneigung von 1: 1,8 abgeflacht werden. Die Standsicherheit von Boschungen kann durch die Einlage von Geogittern gem. Abschn. 12.3.3 wesentlich verbessert werden (Abb. 14.3). Die Geogitterbahnen werden je nach Bodenart in Abstanden von 50 bis 100 em, also etwa jede zweite Schiittlage, iiberlappend eingelegt und ermoglichen wesentlich steilere Boschungen bis hin zu geokunststoffbewehrten Stiitzkonstruktionen mit Frontelementen aus Fertigteilen. Die Bauweise wird auch als kunststoffbewehrte Erde (KBE) bezeichnet. Die Bemessung erfolgt nach EBGEO, Abschn 3 und 7. Geokunststoffbewehrte Konstruktionen weisen relativ geringe Verformungen auf, die au6erdem zu 70 bis 80% schon wahrend des Baus auftreten (HEROLD 2007). tiber den Einsatz solcher Systeme berichten VOLLMERT et a1. (2008) und ALEXIEN (2007).
357
14.1 Standsicherheit von Dammen
14
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= 16 kNlm2
Abb. 14.3 Verbesserung der Standsicherheit durch eine Geogitterlage in der Dammbasis (aus EBGEO E 2009).
14.1.4 Oamme auf wenig L tragfahigem Untergrund Unter wenig tragfahigen Schichten i. S. des FGSV-Merkblatts von 1988 werden quartare, sehr setzungsfahige Boden mit hohem Wassergehalt verstanden, die nie zuvor einer groBeren wirksamen Normalspannung ausgesetzt waren. Dazu gehoren vor allen Dingen organogene Schluffe und Tone (Schlick, Klei) oder organische Boden (Faulschlamm, Torf) und auch junge Seetone oder Beckenschluffe (s. Abschn. 3.2.4 und 10.2). Dazu kommen junge Auffullungen, auch Deponien und sonstige Kippen oder Spulflachen. Sofern solche Boden unter der Dammaufstandsflache aus wirtschaftlichen oder technischen Grunden nicht entfernt werden konnen, sind besondere MaBnahmen bei der Planung und Bauausfiihrung notwendig. Grundsatzlich ist zu beach ten, dass der weiche Untergrund nicht im unmittelbaren Einfluss der dynamischen Krafte und Schwingungen aus dem Verkehr liegen darf, da die hierdurch verursachten Untergrundverformungen in der Regel zu einer Zerstorung des Verkehrsweges fiihren, da sich ihre Masse in einem ungunstigen Verhaltnis zu dem mitschwingenden weichen Untergrund befindet. Deshalb muss sichergestellt sein, dass die dynarnischen Einwirkungen aus dem Verkehr in einem ausreichend dicken, yom Grundwasser unbeeinflussten Massekorper oberhalb des weichen Untergrundes kompensiert werden. Dies kann durch eine entsprechende Sandschuttung erfolgen. Ab 2 m Dicke der Gesamtkonstruktion
wirkt sich bei StraBen die Verkehrsbelastung nicht mehr wesentlich auf den Untergrund aus (ZTVE-StB 09). Der Verkehrsweg unterliegt nur den Eigenverformungen und den durch die Dammlasten erzeugten ungleichmaBigen Untergrundverformungen. Wenig tragfahiger, weicher Untergrund zeigt folgendes Verformungsverhalten: Unmittelbar mit der Lastautbringung entstehen ein Porenwasseruberdruck und dreidimensionale volumenkonstante Schubverformungen, die sich als Grundbruch mit seitlichem Ausweichen bemerkbar machen (Abb. 14.1). Da das Porenwasser keine Schubspannungen ubertragen kann, hangt die Anfangsstandsicherheit und die GroBe der Sofortsetzungen des Dammes maBgeblich von der Anfangsscherfestigkeit Cu des weichen Untergrundes abo Durch anfangliche Zusammendruckung nimmt Cu zu (s. FGSV-Merkblatt 1988). Die Tab. 14.1 gibt Anhaltswerte fur Cu im Vergleich zur Gesamtscherfestigkeit nach Abbau des Porenwasseruberdrucks (Endfestigkeit). Die Anfangsstandsicherheit fur eine groBtmogliche anfangliche Schiitthohe kann mit Hilfe von Diagrammen aus dem FGSV-Merkblatt (1988) oder einer Netztafel von SIEDEK & DIESLER (in FLOSS 1997:420) ermittelt werden. Aus der Netztafel ergibt sich Z. B., dass ein Damm mit 6 m Hohe und einer Boschungsneigung von 1: 1,5 bis 1: 2 erst standsicher ist, wenn die Anfangsfestigkeit der weichen Schicht Cu = 40 kN/m 2 betragt (vgl. dazu Tab 14.1). Bei ausreichender Standsicherheit ist immer noch mit erheblichen und Z. T. lang dauernden Setzungen zu rechnen, die sich aus der Sofortset-
358
14 Standsicherheit und Verformung von Dammen
Tabelle 14.1 Scherfestigkeitsparameter Cu und cp' fOr erstkonsolidierte, weiche Boden fOr Vorkalkulation (aus FLOSS
1997).
Bodenart
Cu [kN/m2)
cp' [a)
Torf
5 bis 25
5 bis 15
Mudde
5 bis 15
5 bis 15
Faulschlamm
5 bis 15
10 bis 20
Seekreide
10 bis 30
20 bis 25
Auelehm
20 bis 30
25 bis 30
Klei, stark sandig
25 bis 40
25 bis 30
Klei, stark organisch
10 bis 25
15 bis 25
zung so, der Primarsetzung SI und der Sekundarsetzung S2 zusammensetzen (s. Abschn. 5.5.3.5). Die Sofortsetzung tritt zum gro6ten Teil wahrend der Schiittung auf und entsteht durch Verdrangung des weichen Bodens und Kompression der Porenluft. In der Primarsetzungsphase baut sich anfanglich ein Porenwasseriiberdruck auf, der durch Konsolidation allmahlich abgebaut wird. Nach dieser Erstverdichtungsphase folgt die Sekundarsetzung. Berechnungsmoglichkeiten fiir die einzelnen Setzungsphasen enthalt das FGSVMerkblatt (1988). Die Horizontalverformungen in dem weichen Untergrund betragen je nach Dammauflast und Steifigkeit des Untergrundes etwa 10 bis 15% der primaren Dammsetzungen und konnen seitlich iiber 20 m weit reichen. Sie klingen in der Regel mit den Primarsetzungen abo Mit gro6eren Horizontalbewegungen ist nur in sehr weichen tonigen Boden und bei beginnenden Bruchzustanden zu rechnen, In solchen Fallen ist es erforderlich, die Verformungen und die Porenwasserdriicke im Untergrund wahrend und nach dem Schiittvorgang zu kontrollieren. Die hierzu notigen Messungen sind in dem FGSV-Merkblatt (1988) beschrieben. Die Standsicherheit von Dammen auf wenig tragfahigen Untergrund kann durch die Einlage einer Geokunststoffbewehrung in der Dammbasis deutlich erhoht werden. Die Setzungen werden dadurch zwar nicht verringert, wohl aber vergleichmaBigt (EBGEO, Abschn. 4 ).
14.2 Setzungen von Dammen auf tragfahigem Untergrund Bei gegebener Standsicherheit miissen die Setzungen abgeschatzt und die Setzungsdauer, die notig ist, urn den gro6ten Teil der Setzungen wahrend der Bauzeit abklingen zu lassen, angegeben werden. Dabei ist zu beach ten, dass die Sekundarsetzungen lange nachwirken und zu Fahrbahnunebenheiten fiihren konnen, Besonders daraufhinzuweisen ist auch, wenn nachtragliche Grundwasserabsenkungen nicht auszuschlie6en sind, durch welche die Setzungen erneut aktiviert werden konnen (s. Abschn. 6.2.2). Aufgrund der gro6en Belastungsflache von Dammen reichen die Spannungen bis in gro6e Tiefe. Die Erkundungstiefe unter Dammen muss daher mindestens 6 bis 10 m betragen, bei tief reichenden setzungsfahigen Schichten bis in eine Tiefe, die der vereinfachten Sohlbreite b entspricht (Abb. 14.4). Die vertikalen Spannungen in der Sohlfuge (0') betragen
O'=H·y y= Wichte des Dammschiittmaterials
b
Abb. 14.4 Spannungsverteilung in Dammsohle und im Dammuntergrund.
359
14.2 Setzungen von Dammen auf tragfahigem Untergrund
und nehmen unter den BoschungsfHichen entsprechend der Boschungshohe abo Die Ermittlung der Spannungsverteilung im Untergrund erfolgt fur die schlaffe Belastungsflache eines Dammkorpers nach den Tafeln von STEINBRENNER (s. Abschn. 5.5.2). Urn das Setzungsverhalten eines Dammes genau zu erfassen, muss die Setzungsberechnung fiir verschiedene Punkte des Dammquerschnitts (Dammmitte, Dammschulter, Dammfug) unter Beriicksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Spannungen (s. Abschn. 5.5.3) erfolgen. Fiir einfachere Falle kann die mittlere Gesamtsetzung eines Dammes nach der Annahme fiir die vereinfachte Sohlbreite b und der vollen Sohlspannung a = y . H mit Hilfe der Tafeln von STEINBRENNER ermittelt werden. Setzungsberechnungen von Dammen unterliegen wegen der gragen Tiefenwirkung und den damit verbundenen Schwierigkeiten in der Einschatzung der Spannungsverteilung und des Steifemoduls den in Abschn. 5.5.3.4 diskutierten Unsicherheiten in verstarktem Mage. Leider liegen auch wenig Setzungsbeobachtungen mit Grundpegeln in der Dammaufstandsflache und Tiefenpegeln (Extensometer) in vorher abgeteuften Bohrungen vor. Dies gilt auch fiir das Zeitsetzungsverhalten des Dammuntergrundes. Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass in nichtbindigen und normal konsolidierten bindigen Boden 60 bis 80% der Gesamtsetzung innerhalb von einigen Wochen bis Monaten auftreten. Die Setzungen von iiberkonsolidierten bindigen Boden konnen dagegen iiber viele Monate anhalten und Verformungen der fertigen Fahrbahn bewirken. Ein Dammkorper erleidet auger dies en Untergrundsetzungen immer eine gewisse Eigenkonsolidation, die yom Dammschiittmaterial, der Verdichtung und der Dammhohe abhangig ist. Sie betragt bei guter Verdichtung 0,2 bis 1,0% der Schiitthohe und klingt einige Monate nach der Dammherstellung aus. Rechnerisch konnen die Eigenverformungen eines ordnungsgemag verdichteten Dammkorpers nach der Formel
(y in MN/m 2, h in m, Es in MN/m2,
SE
in m)
oder vereinfacht nach der empirischen Funktion SE
=
0,025 . h2 (h in m; SE in em)
ermittelt werden (s. a. SCHULZ 1999). Infolge dieser doch erheblichen und auger bei gut abgestuftem Kiesmaterial praktisch nicht ganz vermeidbaren Eigensetzungen von hohen Dammen diirfen hochgesetzte Widerlager nur bei entsprechender Stabilisierung der Erdbaustoffe mit Zement O. a. flach in der Dammschiittung gegriindet werden (Abb. 14.5) Bei zu steilen Boschungen, ungiinstigem Schiittmaterial und besonders bei geneigtem Dammauflager oder weichem Dammuntergrund konnen die Konsolidationssetzungen auch von merkbaren Horizontalverformungen im Dammkorper und in der Oberzone des Dammuntergrundes begleitet sein. Schlecht verdichtete Damme konnen Eigensetzungen bis zu 5% der Schiitthohe erfahren, die iiber Jahre anhalten konnen. Der direkte Nachweis solcher mangelhafter Verdichtung ist manchmal schwierig. In verhaltnismaBig locker gelagerten Dammschiittungen aus gemischtkornigen Bodenarten (Tonstein-, Sandsteinmaterial) bringt die iibliche Entnahme von Sonderpraben eine Nachverdichtung und zu hohe Dichtewerte, so dass hier Sondierungen zuverlassigere Werte liefern.
mrn u Houzooiol "'e"rsduebungen Hoht dt' M.npuf\!oclt untfthalb dt-r Gflandt
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""----''-----'60,...---- 20 m Tiefe
sehr tiefe Rutschungen.
Die Form und Tiefenlage der Gleitflache sind Grundlage jeder weiteren Bearbeitung. Erste Anhaltspunkte daftir erhiilt man aus den morphologischen Gegebenheiten. Mit der Aufnahme des oberen Hangabrisses und des Ausbisses einer Rutschung nach Abschn. 15.2.1 sind zwei Punkte der Gleitflache bekannt und es liegen auch erste Hinweise vor, wie steil oder flach sie einfallt bzw. ausstreicht. Innerhalb der Rutschung wird die Gleitflache dann nach den Ergebnissen der Aufschlussbohrungen festgelegt, die jedoch haufig keine eindeutige Aussage erlauben. Oft liegen auch mehrere Gleitflachen tibereinander, die sich in ihrer Wirkung erganzen oder ablosen konnen. Die einzelnen Gleitflachen mtissen nicht immer tiber die ganze Lange anhalten. Dies ist besonders bei sehr tief reichenden oder langsamen Bewegungen der Fall. Ftir die endgtiltige Festlegung der Tiefenlage der Gleitflache und des Versagensmechanismus sind Bewegungsmessungen erforderlich. Die von vornherein in Anpassung an den zu erwartenden Bewegungsmechanismus gezielt angesetzt werden mtissen (POISEL et al. 2007). Die an der Gelandeoberflache gemessenen zweidimensionalen und besonders die raumlichen Bewegungsvektoren geben nicht nur Aussagen tiber das Be-
wegungsmaB, sondern auch erste Angaben tiber Tiefenlage und Form der Gleitflache (Abb. 15.43). Widersprtichliche Einzelergebnisse der Bewegungsvektoren zeigen an, dass der Bewegungsablauf und -mechanismus einer Rutschung noch nicht richtig erfasst ist und der Bewegungsmechanismus neu durchdacht werden muss. Mit automatischen Messeinrichtungen konnen jeweils auch permanente Oberwachungseinrichtungen installiert werden (BAUMANN 1990 und Abschn. 15.5.6). Relative Bewegungsmessungen erfolgen in einfachen Fallen tiber Lattengestelle, die waagerecht angebracht, eine Messung der Vertikal- und Horizontalverschiebungen in bestimmten Zeitabstanden ermoglichen. In steilem Gelande (Abrissspalten) und bei Blockbewegungen konnen auch Messungen mit Felsspionen bzw. mit zwischen den Blocken fest installierten Drahtextensometern vorgenommen werden. Die Neigung von einzelnen groBeren Blocken kann mittels mobiler oder stationarer Neigungsmessgerate gemessen werden. Absolute geodatische oder fotogrammetrische Messungen ermoglichen ein Bild tiber die raumliche und zeitliche Verlagerung von Festpunkten auf der Oberflache der Rutschmassen. Die Anordnung der Festpunkte erfolgt auf der Grundlage des bisherigen Kenntnisstandes (Rutschungskartierung, zu erwartender Bewegungsmechanismus) und nach den ortlichen Gegebenheiten. Die Messgenauigkeit der einzelnen Messverfahren S. Tabelle 15.2. Eine Punktverschiebung gilt im Allgemeinen dann als real, wenn tiber mehrere Messungen hinweg eine Tendenz erkennbar ist oder wenn sie das 3-fache der Messgenauigkeit tiberschreitet. An steilen Felswanden kann zur Beobachtung der raumlichen und zeitlichen Veranderungen der Wandgeometrie auch ein terrestrischer Laserscanner (TLS) eingesetzt werden. Die Methode liefert detailgenaue Aufzeichnungen der Wandflache, die bei Wiederholungsmessungen alle Veranderungen an der Wand erkennen lassen (KUHN & PRUFER 2009). Mit Hilfe des Global Positioning System (GPS), dessen ziviler, Offentlich zuganglicher Teil seit 2000 freigegeben ist, konnen tiber mobile oder feste GPS-Empfanger Punkte im Gelande in ihrer Lage auf den Meter und in der Hohe auf wenige Millimeter genau ermittelt werden. Das
379
15.2 Erkennungsmerkmale und Untersuchungsmethoden Tabelle 15.2 Obersicht Qber verschiedene Messverfahren (nach HERMSMEYER et al. 2008) Messverfahren
Messgenauigkeit
Bemerkungen
Nahbereich bis 120 m
- 0,5 mm
Aufmessung und Absteckung, Prazisionsmessungen fUr Distanzen bis zu 1 km
Winkelmessung (horizontal, vertikal)
1 mmj200 m
stark von Refraktion abhangig
Prazisionsnivellement
0,3 mm/ 1 km Doppelnivellement
automatisierte Digitalnivelliere zum Bestimmen relativer und absoluter Hohenunterschiede
differntielles GPS/GNSS
5mm
Himmelsfreiheit notwendig
Nahbereichsphotogrammetrie
0,5 mm/abhangig vom
fOr die Erfassung von Flachenparametern
elektrooptische Distanzmessung
Biidmassstab
europaische System "Galileo" ist nicht vor 2014 zu erwarten. In den letzten Jahren wird in der Literatur auch die SAR-Interferometrie, eine satellitengestiitzte Fernerkundung mittels Synthetik Apertur Radar (SAR) als geeignetes, wenn auch kostenaufwendiges Instrument zur Fertigung digitaler Gelandemodelle sowie zur Dberwachung von groBflachigen Bodenbewegungen zwischen zwei oder mehreren Aufnahmezeitpunkten propagiert. Verwendet werden in der Regel SAR-Daten der europaischen Fernerkundungssatelliten ERS 1 oder ERS 2, die seit 1991 Daten liefern. Voraussetzung sind langzeitstabile Objektpunkte, sog. Persistent Scatterer (PS), wie sie an Gebauden oder anderen kiinstlichen Objekten, auch groBeren Felspartien, vorliegen. Wurde ein Gebiet aus nahezu identischer Position zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommen, so konnen auch riickwirkend Veranderungen erfasst werden. Landwirtschaftliche Flachen und solche mit veranderbarer Vegetation ohne PS sind weniger geeignet. Bei giinstigen Bedingungen liegen die horizontalen Auflosungen im Sub-Meterbereich, die Hohenmessgenauigkeit angeblich im Millimeterbereich (BENECKE et al. 2007; RIEDMANN 2007; BAMLER et al. 2008 und Abschn. 19.4.4). Bei sehr geringen, geodatisch kaum erfassbaren BewegungsmaBen sind Inklinometermessungen (Abschn. 4.8.4) bzw. Messungen mit dem TDR-System (SINGER & THURO 2007; FESTL et al. 2009) die zuverlassigsten Methoden, nicht nur die Bewegungen zu erfassen, sondern auch die
Tiefenlage der Gleitflache bzw. von Differenzbewegungen zu erkennen. Die Auswertung erfolgt meist relativ, d. h. unter der Annahme, dass sich der unterste Punkt des Messrohres nicht verschoben hat (s. Abb. 15.lO). Der Aufwand von absoluten geodatischen Messungen ist betrachtlich, so dass sie meist nur in groBeren zeitlichen Abstanden durchgefiihrt werden konnen. Sie stellen damit nur Momentaufnahmen in gewissen Zeitabstanden dar, die keine Interpretation des Bewegungsablaufes dazwischen ermoglichen. Bewegungsmessungen werden entweder in regelmamgen Zeitabstanden (Monate oder Jahre) bzw. entsprechend den rutschungsfordernden Faktoren, wie z. B. nach jedem Friihjahr oder nach niederschlagsreichen Perioden, vorgenommen. Hangbewegungen verlaufen selten iiber langere Zeit konstant, sondern zeigen instationares, haufig zyklisches Verhalten, das meist von externen Faktoren abhangig ist. Die groBten Bewegungsraten treten gewohnlich im Friihjahr oder im Friihsommer auf bzw. sind auf niederschlagsreiche Jahre beschrankt. Aus einer detaillierten Auswertung der raumlichen Entwicklung der Verschiebungen der einzelnen Festpunkte konnen auch einzelne Homogenbereiche oder Aktivitatszonen mit unterschiedlicher Bewegungscharakteristik abgegrenzt werden (HE ITFELD et al. 2005; POISEL et al. 2005). Die Erfahrung lehrt, dass Gleitflachen in der Regel flacher verlaufen als vielfach angenommen wird, und sich fast immer nach geologisch vorge-
15
380
15
Aehse A-
15 Rutschungen
A -
A
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Abb.15.10 Integrierte Verschiebungen eines Inklinometermessrohres in zwei Achsrichtungen. Messreihenvergleich verschiedener Messungen.
gebenen FHichen richten, anstatt nach theoretischen Gleitkreisen. Nur Gro6rutschungen, die teilweise unter morphologisch anderen Bedingungen eingetreten sind, weisen oft sehr tief liegende Gleitflachen auf.
15.2.6 Altersdatierung und Bewegungsablauf Rutschungen sind, wenn die geologischen, morphologischen und klimatischen Voraussetzungen gegeben waren, zu allen Zeiten der Erdgeschichte aufgetreten. Eine genaue zeitliche Einordnung ist sehr schwierig, da echte Datierungshilfen in Form von Radiokarbondatierungen (an Fossilien, Holzresten, Pollen, Kalkausscheidungen u. a. m.) selten vorliegen oder auch zu wenig untersucht werden. Au6erdem ist die Anwendung der C4_ Methode auf ein Maximalalter von 40 000 bis 50000 Jahren begrenzt. In der Regel ist man letztlich auf palaoklimatische Betrachtungswei-
sen und geomorphologische Merkmale angewiesen. Mitte der 1990er Jahre wurden mehrfach geomorphologisch-chronologische Untersuchungen vorgenommen, die bessere Datierungsmoglichkeiten erwarten lassen. Abb. 15.11 zeigt eine solche Altersdatierung einer Gro6rutschung in der Schweiz, deren alte Gleithorizonte bis in eine Tiefe von 38 m erbohrt worden sind. Die Bewegungen von 1994 fanden auf solchen alten Gleithorizonten statt. Die "landschaftsgenetisch altesten" Rutschungen eines Gebietes k6nnen schon unmittelbar im Anschluss an die gebirgs- oder landschaftsbildenden Vorgange durch gravitatives Abgleiten ganzer Schollen aufgetreten sein. Sie werden aufgrund der Schichtverstellungen haufig als tektonische Schollen gedeutet (s. v. POSCH INGER 1998 und Abb. 15.12). In den europaischen Mittelgebirgen werden sehr alte Rutschungen, die unter anderen morphologischen Bedingungen aufgetreten und heute im Gelande kaum noch zu erkennen sind, allgemein in das Pleistozan datiert. Sie werden
15.2 Erkennungsmerkmale und Untersuchungsmethoden
381
Prolil
Tiefe und Cl4·Datierung
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1I1mm
Glen· Horilonte 0
750 I
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,. -2,1 m, 2400 +1- 30 BP
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,. -14,4m 2800 -.-,- 40 BP ~
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15
Verschiebungen
Tiefe In Metem
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auch als fossile Rutschungen bezeichnet (KLENGEL & PASEK 1974: 129). Dazu gehOrt z. B. die FuBschollengeneration ACKERMANNS (1959). Wo soIche sehr alten Rutschungen im h6heren Teil die Hange noch erhalten sind, sind sie durch periglaziale Formungsvorgange sehr stark uberpragt und oft kaum noch erkennbar. Ein groBer Teil der noch mehr oder weniger deutlich erkennbaren alten Rutschungen ist wahrscheinlich jungeiszeitlich, beziehungsweise fallt in die fruhe Nacheiszeit, d. i. vor 8000-12000 Jahren. Dazu gehoren z. B. tiefreichende, talzuschubartige Entlastungsbruche durch die jiingste Talerosion, deren Erkennen an den meist nur schwach ausgepragten morphologischen Merkmalen oder in Bohrungen auBerst wichtig ist, da sie bei Eingriffen in das Hanggleichgewicht leicht wieder in Bewegung kommen konnen. In dieser Zeit sind sieher auch viele tiefreichende Massenbewegungen an alpinen Talflanken ausgelost worden, als mit dem Ruckzug der Gletscher die stiitzende Wirkung des Eises verloren gegangen ist (s. Abschn. 15.3.1). Neuerdings wird die Zunahme von Massenbewegungen an alpinen Talflanken mit dem Anstieg der Temperaturen in der Nacheiszeit differenzierter betrachtet, da nach heutigem Kenntnisstand die Anstiegskurve
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Abb. 15.11 Alte Gleithorizonte und ihre C-14 Datierung der GroBrutschung Falli Holli (Schweiz). Rechts die Ergebnisse neuerer Bewegungsmessungen (nach RAETZO-BRULHART (1997: 158).
der Temperaturen nach der letzten Vereisung wesentlich komplexer verlaufen ist, als bisher angenommen wurde. Bei der zeitlichen Einschiitzung der nacheiszeitlichen Rutschungen sind die einzelnen nie-
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Abb. 15.12 Schematische Darstellung des Anfangsstadiums einer Rotationsrutschung in einem Schichtgestein und Luftaufnahme einer solchen Rutschung im Grand Canyon, USA (Foto PRINZ).
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derschlagsreichen Perioden zu beriicksichtigen. Danach ist vor allen Dingen das Atlantikum, also die Zeit vor etwa 8000 bis 5000 Jahren teilweise sehr niederschlagsreich gewesen. Besonders landesweit verbreitete, vergleiehbare grofSere Massenverlagerungen miissen mit solchen klimatischen Perioden im Zusammenhang gesehen werden. Die landschaftsformenden geomorphologischen Prozesse waren zu dieser Zeit weitgehend abgeschlossen, so dass die Rutschungsformen meist recht deutlich erkennbar sind. Seit diesem europaweit ausgepragten Klimawandel sind noch mehrfach niederschlagsreiche Perioden zu verzeichnen gewesen. Solche Jahre, die mit zahlreichen mittelalterlichen Rutschungsereignissen in Verbindung gebracht werden, sind 1096, 1342 sowie 1709 und 1720-1730 bzw. insgesamt in der sog. kleinen Eiszeit von 1400 bis 1850. Besonders in den Jahren 1783/84 und 1816 haben weltweit extreme Niederschlagsverhaltnisse geherrscht, ausge16st durch Vulkanausbriiche bzw. durch die infolge Aschenauswurfverringerte Sonneneinstrahlung. Auch in der Jetztzeit sind immer wieder niederschlagsreiche Jahre mit verstarkten Rutschungsaktivitaten aufgetreten (z. B. 1946, 1956, 1965, 1977, 1981, 1987 und 2002). KLENGEL & PASEK (1974) bezeichnen Rutschungen, die unter den gegenwartigen klimatischen und morphologischen Bedingungen entstanden sind, als rezente Rutschungen. Sie sind definitionsgemafS in den letzten Jahrhunderten « 1000 Jahre) aufgetreten. Beim zeitliehen Abschatzen jiingster morphologischer Rutschungsformen ist zu beriicksiehtigen, dass Rutschungen oft keine einmaligen Ereignisse sind, sondern iiber Jahrhunderte oder Jahrtausende hinweg immer wieder in Bewegung gewesen sein konnen. Aktive Rutschungen sind noch mehr oder weniger in Bewegung. Auch hierbei ist zu beriicksiehtigen, dass es sich meist nicht urn Erstrutschungen handelt, sondern urn alte Bewegungsmechanismen, die in Abhangigkeit von den Niederschlagen anhaltende oder periodische Bewegungen unterschiedlieher GroBe aufweisen konnen. Falls kiinftig merkbare Niederschlagsanderungen auftreten, muss mit erhohter Aktivitat solcher Rutschungen gerechnet werden. Fiir die Altersbestimmung jiingerer Rutschungen kann aufSer dem Zustand ihrer Oberfla-
15 Rutschungen
chenformen auch der Versatz quartarzeitlicher Zeitmarken, wie Terrassenablagerungen oder Bodenbildungen, herangezogen werden bzw. die Storung von menschlichen Einrichtungen, wie Wege, Feldraine, Baumreihen und auch das Alter und der Zustand ihres Baumbestandes (s. Abschn. 15.2.2). Die Frage nach der Gefahrdungssituation ist bei Rutschungen oft aufSerst schwer zu beantworten (s. Abschn. 15.5.6). Die meisten aktiven Rutschungen sind keine Erstereignisse, sondern sind seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden mehrfach aufgetreten. Alte GroBrutschungen zeigen haufig eine Wiederkehrperiode von mehreren hundert Jahren bis iiber tausend Jahre (Abb. 15.11). Die Wiederkehrperioden und die damit verbundene statistische Eintrittswahrscheinlichkeit (in %) konnen, ausgehend von einem menschlichen Beobachtungszeitraum von 50 Jahren wie folgt eingeteilt werden: sehr selten < 15 %
>300 Jahre
selten 15- 40%
100 bis 300 Jahre
mittel 40-80%
30 bis 100 Jahre
hiiufig > 80 %
2 m) mit einer Gesamtsturzmasse von < 5 m 3 (HAFNER 1993; KRAUTER 1996: KRAUTBLATTER & MOSER 2005 und Abschn. 13.3.1). Berg- und Felsstiirze werden definiert als das Ablosen eines Gesteinspakets aus dem Gebirgsverband, das wahrend des Sturzes und beim Aufprall in Blocke und Steine zerfallt, die mit hoher Geschwindigkeit (Sekunden oder wenige Minuten) aus Bergflanken niedergehen und eine gewisse Flache einnehmen. Unterschieden werden Felsstiirze mit meist 100 bis mehrere 100000 m 3 Absturzmassen und die groBeren Bergstiirze ab etwa 1 Mio. m 3• Urn eine Felssturzgefahrdung zu bewerten, miissen folgende Daten erhoben werden (NEUMANN & BAUER 2005): Geologie und Morphologie des Abbruch- und des Ablagerungsgebietes historische Daten friiherer Ereignisse Geomechanik der Ablose- und Sturzprozesse externe Einfliisse als Ausloser. Bei der Abschatzung des Sturzvorganges und seiner Reichweite sind die Diimpfung des Untergrundes, die Rauhigkeit der Gelandeoberflache und der Bewuchs (Waldbestockung) zu beriicksichtigen. Sturzprozesse konnen sich zu jeder Jahreszeit ereignen, besonders aber in den jahreszeitlichen Frost-Tau-Zyklen. Ais externe Einfliisse kommen auBerdem Starkregenereignisse, und Erdbeben in Betracht. Entscheidend ist immer die Situation direkt im Abbruchgebiet. Der mit hoher Geschwindigkeit ablaufende Verlagerungsprozess bewirkt eine starke Zerbrechung des Materials. Die Transportdistanzen konnen auch bei geringem Gefalle mehrere km betragen. In den bayerischen Alpenregionen hat man versucht, Richtlinien zur Ermittlung von potenziellen Gefahrdungsbereichen durch Felssturzereignisse zu erarbeiten (NEUMANN & BAUER 2005). Bei den Gelandeaufnahmen ist besonders auf sog. stumme Zeugen zu achten, d. S. reliktische Blocke, noch frische Abloseflachen oder Bewegungsspuren als Hinweise auf vorausgegangene Ereignisse.
385 1m Hinblick auf die derzeitige Bergsturzgefahr ist in den vergangenen Jahren durch den rasanten Gletscherschwund in den alpinen Regionen eine deutliche Zunahme derartiger Ereignisse festzustellen. Mit dem Riickzug der Gletscher entfallt der Druck auf die seitlichen Felswande. Durch die dadurch ausgeloste Hangentspannung bilden sich zunehmend Risse im Fels, bis sich dann ein Felssturz entwickelt. Ein Beispiel dafiir sind die Felssturzereignisse am Eiger im Berner Oberland in den Jahren 200512006, wo der Grindelwaldgletscher seit etwa 25 Jahren urn 25 m an Hohe verloren hat. Bergstiirze werden unterteilt in kleine Bergsrurze (bis 10 Mio. m 3 ), groBe Bergstiirze (1050 Mio m 3 ) und sehr groBe Bergsrurze (> 50 Mio. m 3 ). In Hochgebirgen und in Mittelgebirgen mit steiler Morphologie treten immer wieder Bergsrurze auf. Sie konnen eine Landschaft nachhaltig verandern. AuBer den unmittelbaren Folgen durch den Bergsturz selbst konnen dabei eine Talverdammungen und Wasserriickstau auftreten und, wenn die inhomogen aufgebauten Sturzmassen instabil werden, talabwarts auch Oberflutungen oder Schuttstrome bzw. Murgange. Zu den zuganglichen Bergstiirzen in den Alpen, die teilweise soIche Talverdammungen bewirkt haben, zahlen u. a. die Ereignisse vom Eibsee bei Grainau (Zugspitze), von Flims im Vorderrheintal, vom Tschirgant, vom KOfel im Otztal und von Mallnitz. Diese groBen Bergstiirze, die bisher als spatglazial bis friihpostglazial datiert waren, werden heute als wesentlich jiinger eingestuft (v. POSCHINGER & HAAS 1997). Die bekanntesten alpinen Bergstiirze der letzten Jahrzehnte sind der Bergsturz in den VajontStausee bei Longarone von 1963 (s. Abschn. 18.2.8) und der Felssturz im Veltlintal von 1987 (BECKER & LITSCHER 1988). Nach tagelangen Regenfallen stiirzten Ende Juli 1987 etwa 50 Mio. m 3 Gesteinsmassen von den Hangen des Pizzo Copetto ab und begruben zwei Ortschaften unter sich, die zum Gliick evakuiert waren, so dass nur 20 Todesopfer zu beklagen waren. Der Bergsturz war so gewaltig, dass die abgerutschten Massen am Gegenhang 400 m hochbrandeten und sich im Tal ein 40 m hoher Damm aufgebaut hat. Die dahinter gestauten Wassermassen mussten mit groBem Aufwand abgeleitet werden. Weltweit treten Fels- bzw. Bergstiirze besonders im Zusammenhang mit Erdbeben auf. Einer
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386
der folgenschwersten Felsstiirze der letzten Jahrzehnte mit 20 Toten ereignete sich im Februar 1996 auf der japanischen Insel Hokkaido, als ein Felsblock von 50 000 t auf den Einfahrtsbereich eines Tunnels stiirzte. Ein ahnlicher Felssturz ereignete sich 2006 in der Schweiz an der Zufahrt zum Gotthard -Tunnel. Mehrere zimmergroBe Felsblocke stiirzten aus groBer Hohe auf die Autobahn und eine KantonstraBe. Ein Pkw wurde getroffen, die beiden Insassen waren tot. Die gefahrdete Felswand wurde abgesprengt. Weitere Fachaufsatze und Literaturhinweise iiber Bergstiirze s. HEINIMANN et al. 1998 und Felsbau 2004: 2. Von den deutschen Mittelgebirgen beschreiben KRAUTER (1973,1996) sowie KRAUTER et al. (1979, 1993) einige felssturzahnliche Rutschungen aus dem Rheinischen Schiefergebirge, besonders in aufgelassenen Steinbriichen (s. Abschn. 15.6.1).
15.3.2 Kippen Kippbewegungen mit Vorwartsrotation aus dem Hang treten vor allen Dingen an Steilwanden kompetenter Gesteinskomplexe auf. Besonders gefahrdet sind Hartgesteine auf plastifizierbarer tonig-mergeliger Unterlage. Dieses Versagensprinzip "hart auf weich" ist als Anfangsbewegung zahlreicher GroBrutschungen weit verbreitet. Beispiele werden im Abschn. 15.6 beschrieben. Auch die Erscheinungen der HangzerreiBung sind gelegentlich mit einem groBraumigen Kippversagen verbunden.
Abb. 15.14 Typ einer Translationsrutschung in einem Schichtgestein (a us ZARUBA & MENCL
1969).
15 Rutschungen
15.3.3 Gleiten Die Grundtypen von Gleitungen sind Block- oder Schollenbewegungen auf vorgegebenen Trennflachen. Die Rutschungsoberflache bleibt oft relativ ungestort. Bei den Gleitungen werden dann verschiedene Untertypen unterschieden, deren gemeinsames Merkmal Bewegung auf einer Gleitflache unterschiedlicher Konfiguration ist. Die Form der Gleitflache wird dadurch vorgegeben, wo gerade die Scherfestigkeit entsprechend niedrig oder der Einfluss des Grundwassers besonders ungiinstig sind. Ebene Gleitfliichen (sog. Translationsrutschungen) sind Bewegungen auf vorgegebenen Trennflachen (haufig Schicht- oder Schieferungsflachen) oder sonstigen Schwachezonen, und zwar bevorzugt an der Grenze von kompetenten zu inkompetenten Gesteinen (Ton stein zwischenlagen). Am haufigsten treten Gleitungen in veranderlichfesten Schichtgesteinen und in metamorphen Schiefern auf (Abb. 15.14). Translatiosrutschungen konnen groBe Flachen einnehmen und z. T. auch erhebliche Machtigkeit erreichen. Die Bewegung kann auf einer oder mehreren Flachen stattfinden, die sich gegenseitig ablosen oder erganzen konnen (BRAUTIGAM et al. 1989). Besonders in diinnbankigen oder geschieferten Gesteinen sind stufenartig absetzende Gleitflachen oder -zonen weit verbreitet und wirken haufig im Sinne eines progressiven Bruchs (s. Abb. 15.29). Bei groBeren Gleitungen kann sich hinter der Rutschungskrone ein keilformiger Block grabenartig einsenken, der dann einen zusatzlichen Schub auf den Rutschkorper ausiibt.
387
15.3 Arten von Rutschungen, Klassifikation
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Abb. 15.16 Aus einer anfanglichen Gleitung hat sich eine Schuttstromrutschung (a) und ein Schuttkegel (b) entwickelt (nach ZARUBA & MENCL 1969). Abb. 15.15 Grundtypen von kreisfiirmigen und abgeflachten Rotationsrutschungen.
sehr komplexe Gerollstrom- oder Schuttstromrutschungen entwickeln (Abb. 15.16). Kombinierte Rutschungen sind ebenfalls weit verbreitet, wobei besonders viele GroBrutschungen (auch fossile Rutschungen) zu diesem Typ gehoren. Die Gleitflache ist aus unterschiedlich gekriimmten und ebenen (meist vorgegebenen) Bruchflachen (Schichtung, Verwitterungszone, Kliiftung, Storungen) zusammengesetzt (s. Abb. 15.17). Hierbei tritt gewohnlich eine starkere Zerr- und Scherbeanspruchung der Rutschmassen auf. Bei groBerer Horizontalbewegung entsteht am oberen Abriss haufig eine typische Grabenbildung.
SchalenfOrmige Gleitflachen (sog. Rotationsrutschungen, Abb. 15.15) sind ebenfalls ein haufig anzutreffender Typ. In homogenem Material ist die Gleitflache haufig angenahert kreisformig. Bei ausgepragter Rotationsbewegung sind die bewegten Massen begrenzt und wenig durchbewegt. Bei Rutschungen in der Verwitterungszone und bei zur Tiefe hin fester werdendem Untergrund verlauft die Gleitflache meist flachschalig bzw. unter Ausnutzung vorhandener Trennflachen auch blockartig oder treppenfOrmig, was zu den kombinierten Rutschungen iiberleitet. Bei groBerer Horizontalbewegung tritt dabei eine starkere Beanspruchung der Rutschmasse auf. In Hanglage konnen sich bei entsprechendem Wasseranfall aus anfanglichen Gleitbewegungen
15.3.4 Driften Unter Driften versteht man die Bewegung von Felsmassen durch oder bei Einsinken in eine
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Abb. 15.17 Typ einer mehrfach ruckschreitenden Rutschung in einer Sandstein/Tonstein-Wechselfolge.
388
15 Rutschungen
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Abb. 15.18 Driften von Sandsteinb6cken (a = Labiatus-Sandstein) auf Lehmgrund-Mergel (b) im Elbsandsteingebirge (a us JOHNSEN 1984). c = liegende Sandsteine; d = plastifizierte Merge!.
plastifizierbare Unterlage nach dem Versagensprinzip "hart auf weich" (Abb. 15.18). Dem Driften gehen meist Kippbewegungen voraus. Die Gesteinsblocke losen sich an vorgegebenen Trennflachen und driften auf der tonigen Unterlage abo 1m Pleistozan sind derartige Hangbewegungen besonders in den Auftauperioden aufgetreten. Hangabwarts gehen die Bewegungen in Blockkriechen von Z. T. "schwimmenden" Einzelblocken in tonigen Schuttmassen iiber. Beispiele werden im Abschn. 15.6 beschrieben.
15.3.5 FlieBen Beim FlieBen handelt es sieh urn sehr unterschiedlieh schnelle Bewegungen von aufgeweichten Bodenmassen mit Gesteinsschutt bzw. Gerollen aller KorngroBen. Das FlieBverhalten ist nieht nur von der Bodenart und dem Wassergehalt abhangig, sondern auch yom GefUge und der Struktur (Beispiel Quicktone). FlieBvorgange ergeben lang gestreckte, gelappte oder murenartige Formen, innerhalb derer haufig Viskositatsbewegungen mit linearen Bewegungsflachen erkennbar sind. Der Vorgang des FlieBens wird allgemein mit hohen Wassergehalten (Wasser: Feststoffe = 1 : 1) in Zusammenhang gesehen, was auch fUr die meisten FlieBvorgange zutrifft. Es haben sieh jedoch auch FlieBereignisse zugetragen, bei denen der Wassergehalt der bewegten Massen sehr niedrig war. Das Verfliissigungsmedium sind in diesen Fallen Lufteinschliisse gewesen und der
meist sehr schnell ablaufende Bewegungsvorgang spielte sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf einem komprimierten Luftpolster ab (SHARP & GLAZNER 1993). Bei den FlieBvorgangen wird zwischen Schuttbzw. Gerollstromrutschungen und Erd- bzw. SchlammflieBen unterschieden. Gerollstromoder Schuttstromrutschungen enthalten einen relativ hohen Prozentanteil grobkornigen Materials (80%) wahrend Erd- oder Schlammstrome mindestens 50% Sand-, Schluff- und Tonmaterial enthalten. Ausloser alpiner Schuttstrome, die sich vorher iiber Jahrzehnte in kriechender Bewegung mit sehr unterschiedlichen Bewegungsraten befunden haben konnen, sind haufig Bergstiirze an instabilen Talflanken, Erdbeben, Extremniederschlage oder menschliche Eingriffe. In Gebieten mit rezenter Tektonik mit jungen Hebungen und Z. T. 1000 m hohen iibersteilten Hangen sind solche Schuttstromrutschungen weit verbreitet und stellen eine permanente Gefahr dar. y. POSCH INGER (1992, 1993) beschreibt den Mechanismus eines Schuttstromes bei Inzell im Jahre 1991. Am Rande solcher Schuttstrome kommt es infolge unterschiedlicher Bewegungsgeschwindigkeit innerhalb des Stromes vielfach zu wallartigen Aufpressungen. In Mittelgebirgen konnen sich solche Gerollstrome auch aus Wandabbriichen in aufgelassenen Steinbriichen mit Wasserfiillung entwickeln (KRAUTER et al. 1979). Auch Halden- und Kippenrutschungen entwickeln sieh haufig zu Stromrutschungen (s. Abschn. 13.1.5). In den Bergen wirken Starkniederschlage (von Z. T. iiber 200 mm in 24 Stunden) an Abhangen
15.3 Arten von Rutschungen, Klassifikation
und in Gerinnen erodierend und es werden haufig zahlreiche, oft nur kleine Rutschungen ausgelost, die sich zu Murgangen entwickeln konnen. Diese bestehen aus einem heterogenen Gemisch von Wasser und 30 bis 60% Feststoffanteil unterschiedlicher KorngroBen und auch Wurzelstocken oder Baumstammen. An der Front eines Murganges befinden sich in der Regel vermehrt groBe Blocke. AuBer diesen "Gerinne-Murgangen" konnen sich an steilen Hangen bei hohen Wasseranfall flachgriindige Hangmure entwickeln. Ihre Auslosung erfolgt meist anlasslich von Starkniederschlagen oder bei intensiver Schneeschmelze. Die Bewegungsmechanismen in Muren sind noch nicht vollig geklart. Obwohl sie einen vom Wasser ausgelosten Abflussvorgang darstellen, sind ihre Fronten oft relativ trocken. Auch kommen die trotz hoher FlieBgeschwindigkeiten teilweise nach wenigen Zehnermetern zum Stehen. In Gerinnen konnen sich auch groBere Murgange entwickeln, z. T. mit sehr groBen Reichweiten bis hinunter auf die Schwemmkegel vorangegangener Ereignisse. Das bekannte Phlinomen der Solifluktion ist ein ± langsames FlieBen oberflachennaher Bodenschichten bei Wasseriibersattigung, wobei im Pleistozan Hangneigungen von 2° bis 4° ausgereicht haben, die Bewegungen auszulOsen. Quicktonrutschungen sind eine Sonderform in den marinen Quicktonen des Spat- und Postglazials in Norwegen, England und Kanada. Die Ursachen sind eine erhohte Empfindlichkeit soIcher schwach konsolidierter mariner Tone gegeniiber hydrostatischen Wechselbelastungen oder Erschiitterungen, die zu einem thixotropen Gefiigezusammenbruch und quasiviskosen FlieBbewegungen fiihren (s. Abschn. 2.7.4). Kriechen wird als Sonderform des FlieBens angesehen. Es ist eine iiber langere Zeitraume anhaltende, langsame meist unstete, zeitabhangige Verformung bei ± gleich bleibender Spannung bzw. ohne Lastanderung, die sowohl in Locker- als auch in Festgesteinen auftreten kann. Bei entsprechenden Kontrollmessungen kann man in vielen Fallen ein Grundkriechen und kurzzeitige Bewegungsschiibe aufgrund von Starkniederschlagsereignissen unterscheiden. Die BewegungsmaBe betragen mm- bis cmBetrage pro Jahr und hinterlassen im Gegensatz zu anderen Rutschungstypen kaum merkbare
389 Formveranderungen in der Landschaft (Lit. s. PRINZ 1997). In der Praxis sind zu unterscheiden das Tiefkriechen von Festgesteinen instabiler Talflanken (Talzuschub, BergzerreiBung) und Kriechbewegungen von Schuttmassen und der obersten Auflockerungszone. Kriechbewegungen von Schuttmassen, die auch die oberste Auflockerungs- bzw. Anwitterungs zone mit erfassen konnen, treten besonders in tonigen Gesteinen auf. Beim Oberflachenkriechen werden zunachst witterungsbedingte Volumenanderungen, d. h. Quell- und Schrumpfvorgange infolge Temperatur- und Wassergehaltsanderungen, von einer horizontalen Bewegungskomponente iiberlagert. In der Auflockerungs- und Anwitterungszone findet dariiber hinaus unter der standigen Einwirkung von Schubspannungen entweder eine bruchlose kontinuierliche Verformung oder ein diskontinuierliches Kriechen mit Gleitvorgangen auf zahlreichen kleinen Trennflachen statt. Kriechbewegungen der oberflachennahen Schichten sind nicht nur eine fossile Erscheinung, sondern auch rezent weiter verbreitet als allgemein angenommen wird (KRAUTER 1973). Unter Schuttstromkriechen versteht man unmerklich langsame Bewegungen von Gesteinsschuttmassen in Hangdepressionen als Vorlaufer oder Zwischenstadium von FlieBbewegungen. Bei langsamer Bewegungsgeschwindigkeit « 1 m/a) bleibt die in der Regel baumlose Vegetationsdecke erhalten. Das Tiefkriechen von Festgesteinen instabiler Talflanken bzw. die Talzuschuberscheinungen sind seit den Arbeiten von STINI (1941) bekannt. Es handelt sich urn z. T. tiefreichende (> 100 m) Kriech- bzw. Scherbewegungen in Gleitzonen oder an Trennflachen verschiedenster Art mit und ohne Zwischenmittel, wobei besonders bindige Storungs- und Kluftfiillungen oder Schichtbzw. Schieferungsflachen mit niedriger Scherfestigkeit die Kriechbewegungen begiinstigen (s. Abb. 15.19). Die sehr differenzierten Bewegungsablaufe und der Mechanismus sind im Einzelnen noch unzureichend bekannt. 1m Wesentlichen handelt es sich urn von auBeren Faktoren beeinflusste, schwerkraftbedingte Bewegungen auf geologisch vorgegebenen Flachen. In der osterreichischen Literatur wird fiir soIche Bewegungen, die nach der Tiefe ausklingen und keine deutliche basale Gleitflache aufweisen, der
15
390
Abb. 15.19 BergzerreiBung (1) und Talzuschub (2) eines alpinen Talhanges (aus KRAUTER 1996).
yom englischen "Sagging" abgeleitete Begriff Sackungen verwendet (KOHLER 1985; MOSER 1993). Nach neuer Definition (s. Abschn. 15.2.1) wird der Begriff der Sackung auch auf andere vergleichbare Rutschungsarten verwendet. Diese Begriffsanwendung entspricht aber in beiden Fallen nicht der Definition gemaB Abschn. 5. Folge solcher tiefreichender Kriechbewegungen sind die Phanomene der Bergzerrei6ung, wie Zerrspalten und HangzerreiBungskliifte, Doppelgrate in den hoheren Hangbereichen oder hangparallel verlaufende Nackentalchen (SCHOBER 1991), die nieht nur bis in die Gipfelregionen reichen konnen, sondern teilweise am Gegenhang ausstreichen (Abb. 15.4). Dariiber hinaus sind die Erscheinungen des Talzuschubs haufig auch an der Hangmorphologie erkennbar mit konkaven, von Rissen und Spalten durchsetzten Formen (Dilatanz, Massenverlust) im hoheren Teil der Hange und konvexen, vorgewolbten Formen des Massenzuwachses im unteren Teil, wobei die einzelnen Abschnitte in Teilschollen mit sehr unterschiedlicher Auspragung zerlegt sein konnen. 1m Obergangsbereich liegen oft talbodenartige Verebnungen vor, die z. T. bevorzugte Siedlungsflachen darstellen (Abb. 15.19). Die charakteristischen Besonderheiten dieser Form von Massenbewegungen sind die ausgepragte Zeitabhangigkeit der Bewegung bzw. von Bewegungsanderungen. Eine anhaltende Beschleunigung kann die Annaherung an den Versagenspunkt bedeuten. Derartige instabile Talflanken mit langsamen Kriech- und Gleitbewegungen (Bewegungsraten von einigen Zentimetern bis mehrere Meter pro
15 Rutschungen
Jahr, meist 5-10 cm/a) ohne Gefahr plotzlicher Kollapsmechanismen, sind in alpinen Gebieten weit verbreitet. Besonders betroffen sind metamorphe Gesteine (Phyllite, Gneise, Schiefer) und z. T. auch Sedimentgesteine (MOSER 1993). Einige dieser Talzuschiibe stellen eine direkte Gefahr fiir Siedlungen (z. B. Gradenbach/Karnten), Talsperren (Gepatschspeicher/Tirol) oder FernstraBen (Reppwand-Gleitung/Karnten) dar. Derartige Gro6hangbewegungen treten nicht nur an alpinen Hangen auf, sondern sind als mehr oder weniger fossile Bewegungsformen auch in vielen Mittelgebirgshangen verborgen. Die geologischen Voraussetzungen fiir solche groBraumigen Massenbewegungen sind starke tektonische Gebirgszerlegung, ungiinstig einfallende Schicht- oder Schieferungsflachen mit partiell abgeminderter Scherfestigkeit sowie tief greifende Entspannung durch Talbildung oder auch Auslaugungsvorgange in den unteren Hangbereichen. GroBhangbewegungen zeigen in der Regel ein sehr komplexes Bewegungsbild mit einer Uberlagerung von rotationsfOrmigen und translationsformigen Bewegungen, teilweise verbunden mit Kriechbewegungen. Der rezente Bewegungsablauf wird weitgehend von auBeren Faktoren bestimmt, vor allen Dingen den Niederschlagssummen und der Hohe des Grundwasserspiegels. Hange von Stauraumen bediirfen einer besonders kritischen Untersuchung und Kontrolle (WEISS 1964; MULLER 1967; NEUHAUSER & SCHOBER 1970 - s. a. Abschn. 18.2.8). Bekannt geworden sind solche Talzuschubbewegungen in den 60er Jahren am Gepatschspeicher im Kaunertal. Beim ersten Aufstau 1964/65 sind hier Gesamthorizontalbewegungen bis zu 10,8 em gemessen worden. Danach haben sich die Bewegungen deutlich verlangsamt und betrugen in den Jahren danach etwa 3,5 cm/a. 1m Zusammenhang mit dem Tiefkriechen und dem Talzuschub ist auch auf die AufwOlbung plastischer Schichten in Talsohlen als Folge der Entspannung im Tal und unter Auflast der angrenzenden Hange hinzuweisen (Abb. 15.20). Der Grenzdruck, ab dem Tone plastisch ausgequetscht werden konnen, liegt haufig nur bei 400 bis 600 kN/m 2 , was einer Steilboschung von 20 bis 30 m Hohe entspricht. Hinzu kommen Schubverformungen durch den Horizontalspannungsanteil, besonders bei niedriger Schichtfla-
15.4 Berechnungsansatze und Diskussion der Scherparameter
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15
Abb. 15.20 Aufw61bung plastischer Ton(steine) in der Talsohle (aus
chenreibung. Plastische Verformungen von Tonsteinen in der Talsohle und die hangwartigen leichten Verkippungen sind bei gunstigen Aufschlussverhaltnissen nicht selten nachweisbar (ZARUBA & MENcL 1961: 271; REIK 1985: 104). Zu beach ten sind die abgeminderten Festigkeiten derart beanspruchter bzw. verformter, meist toniger Gesteine (s. a. Abb. 15.38).
15.3.6 Komplexe Rutschungstypen Viele Rutschungen weisen nicht nur einen Bewegungstyp auf, sondern bestehen aus mehreren der beschriebenen Rutschungstypen (Fallen, Kippen, Gleiten, Driften, FlieBen). Diese Rutschungen werden nach der internationalen Nomenklatur als komplexe Rutschungen bezeichnet: Treten zwei oder mehr Bewegungstypen gleichzeitig in verschiedenen Teilen einer Rutschung auf, so wird diese als zusammengesetzte Rutschung angesprochen Zwei unmittelbar benachbarte Rutschungen gleichen Typs, die nacheinander aufgetreten sind, werden als sukzessive Rutschung bezeichnet Eine Mehrfachrutschung weist eine wiederholte Entwicklung des gleichen Bewegungstyps auf (Abb. 15.17}. Daruber hinaus werden in der im Abschn. 15.2.1 genannten internationalen Nomenklatur verschiedene Rutschungsaktivitaten unterschieden: In einer fortschreitenden Rutschung breitet sich die Gleitflache entgegen der Bewegungsrichtung hangaufwarts aus
ZARUBA
& MENCL 1961).
In einer sich vergroBernden Rutschung breitet sich die Gleitflache in zwei oder mehr Richtungen aus In einer sich verkleinernden Rutschung verringert sich das Volumen des verlagerten Materials. In einer beschrankt ausgebildeten Rutschung tritt zwar ein Abriss auf, am RutschungsfuB ist jedoch keine Gleitflache ausgebildet In einer sich fortsetzenden Rutschung bewegt sich die Rutschmasse ohne sichtbare Veranderung oder Gleitflache und des Volumens des verlagerten Materials In einer sich ausweitenden Rutschung breitet sich die Gleitflache in einer oder in beiden Flanken aus.
15.4 Berechnungsansatze und Diskussion der Scherparameter Die Berechnung von Rutschungen setzt die Kenntnis des Bruchmechanismus und des mechanischen Verhaltens der bewegten Masse unter dem Einfluss der abschiebenden und ruckhaltenden Krafte voraus. Fur eine umfassende Berechnung sind folgende Vorarbeiten erforderlich: Digitalisierung eines Hohenmodells mit Langsschnitt Festlegung der Geometrie der Rutschung und des Bewegungsmechanismus Geologisches Untergrundmodell und Festlegung der Eingangsparameter sowie ihre flachige Verbreitung
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15
Auswahl des Berechnungsmodells Parameterstudien und Variation des Einflusses des Grundwassers (Ausloseschwellenwert) Vergleich verschiedener Modelle und deren Resultate Vergleich der Berechnungsergebnisse mit der Gelandebeobachtung (Verschiebungsvektoren). Grundvoraussetzungen fur die ublichen Berechnungsverfahren sind die Annahme einer Gleitflache und des Bruchzustandes. Diese Idealisierungen sind fur eine rechnerische Behandlung nach den Rechenansatzen des Abschnitts 5.7 unerlasslich. Die Rechenansatze werden femer als ebenes Problem behandelt, d. h., es wird allein ein Gelandeschnitt senkrecht zu den Hohenlinien und in der Ebene der Bewegung betrachtet. Diese Vereinfachung ist bei den geometrisch ebenen Boschungsrutschungen gut hinnehmbar, bei groBeren Gelandebruchen oder Hangrutschungen stellt sie dagegen eine stark vereinfachende Annahme der Umgebungsbedingungen dar. Raumliche Standsicherheitsberechnungen stecken noch in den Anfangen (GOLDSCHEIDER & LIZCANOPELAEZ 2003), genauso wie sog. mechanisch-hydrologische Modelle, bei denen die versickemde Niederschlagsmenge einbezogen wird, die notig ist, den Sicherheitsfaktor zu unterschreiten. Die Ausbildung bzw. der Verlauf der Gleitflache mussen mit Hilfe der beschriebenen Untersuchungsmethoden sowie notigenfalls mit Naherungsberechnungen ermittelt werden. Dabei kommt dem wirklichkeitsnahen Erfassen des geologischen und mechanisch-kinematischen Modells einer Rutschung groBere Bedeutung zu als der Genauigkeit technischer Berechnungen. Auf keinen Fall konnen fehlende ingenieurgeologische Informationen durch komplizierte und scheinbar genaue mathematische Methoden ersetzt werden. Treffen die ingenieurgeologischen Faktoren einer Rutschung zu, liefem oft auch einfache Berechnungsmethoden brauchbare Ergebnisse. Andererseits entziehen sich die im Abschn. 15.1 angefiihrten, oft minimalen auslosenden Faktoren jeder Berechenbarkeit, so dass die Berechnungsansatze fur Rutschungen immer Naherungsverfahren bleiben. Hinzu kommt, dass Rutschungsvorgange der niehtlinearen Dynamik zuzuordnen sind, bei welcher die Wirkungen nieht gradlinig von den Ursachen abhangen, son-
15 Rutschungen dem sie konnen sogar ruckwirkend diese selbst wieder beeinflussen. Nach Lage und Form der Gleitflachen konnen drei GrundfaIle unterschieden werden, die sich mit den ublichen Berechnungsmethoden erfassen lassen: Gerade oder ebene Gleitflache gekrummte Gleitflache (kreisformig oder polygonal) gebrochene Gleitflache (aus geraden oder gekrummten Teilabschnitten), auch Starrkorper bzw. Blockgleitungen. Bei vielen, auch flacheren Rutschungen konnen die wahrscheinlichen Gleitflachen noch durch Kreisausschnitte mit groBerem Radius einigermaBen erfasst und rechnerisch behandelt werden. In vielen anderen Fallen lassen sich die Abriss- und Gleitflachen auch durch gebrochene, aus kreisformigen und geraden Teilabschnitten zusammengesetzte Gleitflachen ersetzen. Mit dem Verfahren nach JANBU (1955) kann man praktisch jede beliebige Gleitflachenform berechnen (s. Abschn. 5.6.3). GOLDSCHEIDER & GUDEHUS (1974) und BICZOK (1997) arbeiten mit Bruchmechanismen aus gegeneinander beweglichen starren Bruchkorpem mit zusammengesetzt ebenen Gleitflachen. Damit konnen Teilschollenbewegungen innerhalb einer Rutschung erfasst werden. Bewegungen des FlieBens und Kriechens ohne definierte Gleitflachen sowie Entlastungsbruche nach Abschn. 15.2.6 und progressive Bruche lassen sich mit den konventionellen Rechenverfahren nicht erfassen, wohl aber z. T. mit numerischen Rechenmethoden (FE-Methode). Bei kompliziertem Untergrundaufbau oder starker angewitterten kluftigen Fels werden Standsieherheitsberechnungen oft weniger durch die Wahl des Berechnungsverfahrens beeinflusst als vielmehr durch die Annahmen uber die Boden- und Felskennwerte und uber eine mogliche Sickerwasserstromung. Der Einfluss dieser Parameter kann durch eine Sensibilitatsanalyse eingegrenzt werden, bei welcher aIle fur die Standsicherheit maBgebenden Faktoren entsprechend variiert werden: Scherfestigkeitsparameter, notigenfalls von einzelnen Abschnitten Ansatz dranierter bzw. undranierter Scherfestigkeiten
15.4 Berechnungsansiitze und Diskussion der Scherparameter
Einfluss von Hang- oder Sickerwasserstromung auf die Rutschmassen Verschiedene Modelle des Versagensmechanismus Verschiedene Sieherungs- und Stabilisierungsma6nahmen. Der Berechnungsgang (Abschn. 5.7) besteht in der Regel aus mehreren Schritten: Bei einer bereits eingetretenen Rutschung wird die Berechnung zunachst mit der angenommenen Gleitflache und den ermittelten Kennwerten sowie den iibrigen stabilitatsbestimmenden Parametern durchgefiihrt. Liegen dabei die Sicherheiten > 1 und sind alle rutschungsfordernden Gegebenheiten beriicksiehtigt, so sind einzelne Parameter zu giinstig angenommen worden und miissen modifiziert werden. Dies gilt auch fUr die Lage und Form der Gleitflache, falls sie nieht geologisch vorgegeben bzw. bekannt ist. Bei einer Sicherheit YIP' y, = 1 (s. Tab. 5.3) ist die Rutschung fiir den jeweiligen Versagensmechanismus (Rechenmodell) rechnerisch erfasst und im Grenzgleichgewicht. 1m nachsten Schritt werden die Auswirkungen der beabsichtigten Sanierungsma6nahmen rechnerisch abgeschatzt. Vielfach reicht eine Erhohung der Sieherheit auf 1,1 bis 1,15 aus, urn Hangbewegungen weitgehend zum Stillstand zu bringen (SOMMER 1978; GODECKE et al. 2003) bzw. die Bewegungen auf ein unschadliches Ma6 zu bremsen (s. Abschn. 5.7.1). Ein solcher verhaltnismamg niedriger Sieherheitsfaktor erscheint vertretbar, wenn langer anhaltende Nachbewegungen (Nachkriechen s. Abschn. 15.2.6) hingenommen werden konnen, Kontrollmessungen durchgefiihrt werden (JAHNEL & KOSTER 1993) und eine spatere Verstarkung der Sicherheitsmafinahmen moglich ist (GODECKE et al. 2003). Bei Rutschungen, bei denen das Wasser eine entscheidende Rolle spielt, sollten nach Moglichkeit entsprechend hohere Sieherheiten angestrebt werden. Bei der rechnerischen Abschiitzung der Stabilitiit eines (noch nieht gerutschten) Hanges bzw. Boschung muss durch Variation der Gleitflache und der ma6gebenden Parameter die ungiinstigste Gleitflache bzw. der ungiinstigste Bruchkorper gesucht werden. Bei natiirlichen Hangen liegt die rechnerische Sicherheit haufig nur wenig iiber 1, so dass im Bebauungsfall die nach DIN 4084 bzw. DIN 1054 erforderliehen
393
Sicherheiten (s. Tab. 5.3) ohne zusatzliche Ma6nahmen nicht zu erreichen sind. In solchen Fallen konnen die Gesamtstandsicherheit des Hanges sowie die Tiefenlage der Gleitflache und die moglichen bzw. wahrscheinlichen Rutschkorper nach ingenieurgeologischen Gesichtspunkten abgeschatzt und die verschiedenen Bruchkorper notigenfalls mit unterschiedlichen Sieherheiten beaufschlagt werden. Wahrscheinlichen Bruchkorpern muss mit Sicherheiten von 1,25 begegnet werden, wahrend mogliche, aber nach der ingenieurgeologischen Erfahrung wenig wahrscheinliche Bruchkorper gegebenenfalls nur mit einer rechnerischen Sicherheit von 1,15 oder 1,2 beriicksichtigt werden konnen (s. WINKLER & VOGT 2005 und Abschn. 5.7.1). Die Kontrolle des Verformungsverhaltens kann iiber die Beobachtungsmethode erfolgen, d. h. einem Vergleich der nach den Berechnungen zu erwartenden und den mehr oder weniger unvermeidlichen gemessenen Hangverschiebungen. Vorsicht ist in allen Fallen geboten, wo infolge geringer Anfangsbewegungen mit einem Abfall der Scherfestigkeit oder mit der Entwicklung eines progressiven Bruchvorganges zu rechnen ist. Die Entwicklung einer solchen langzeitigen Abminderung der Scherfestigkeit kann mehrere Jahre dauern (4 bis 12 Jahre). Sie ist meistens von einer Zunahme von Kriechbewegungen begleitet. Die Wirkung des Wassers kann in den Berechnungsansatzen au6er der Auflastanderung infolge Auftriebswirkung auch als hydrostatischer Kluftwasserdruck, als Porenwasserdruck oder als Stromungsdruck bzw. durch einen von Stromungsdruck beeinflussten, abgeminderten Reibungswinkel beriicksiehtigt werden (s. Abschn. 5.7.7). Besonders schwierig zu beherrschen sind gro6flachige, flachgriindige Massenverlagerungen deren Bewegungsmechnaismus sehr stark yom Niederschlagsgeschehen abhangig ist. Bei tiefen Rutschungen geniigt oft eine dauerhafte Grundwasserabsenkung, urn einen standsicheren Zustand zu erreichen (HAFNER & KRIECHBAUM 1997). Zunehmend werden auch computergestiitzte geotechnische Modellrechnungen von Steinschlaggefahrdungen, Felssturzereignissen und auch oberflachennahen Rutschungen vorgenommen. Von den im Abschn. 2.7 behandelten Scherfestigkeitsparametern wird fiir den Lastfall "ex-
15
394
treme Niederschlage" wegen des dabei auftretenden moglichen Porenwasserdruckes, wie bei einem schnellen Belastungsfall (Abschn. 2.7.4), als unterer Grenzfall die unentwasserte Scherfestigkeit Cu angesetzt (FRANKE 1976: 103). Fur einfache Entlastungsfalle und fur die Endfestigkeit von Belastungsfallen werden die effektiyen oder wirksamen Scherparameter q/ und c' aus dem CAD- oder CAU-Versuch verwendet. Hierbei ist zu beachten, dass bei langsam ablaufenden Bewegungen bereits rheologischer Effekte auftreten konnen, durch welche die Scherparameter urn 10 bis 15 % unter die sonst ublichen Werte absinken konnen. Bei flachgrundigen Rutschungen ist dagegen, besonders in Waldgebieten, die sog. Wurzelkohasion zu berucksichtigen. Bei Tonen kann die Scherfestigkeit mit zunehmender Verschiebung und Ausbildung einer Gleitflache auf die sog. Restscherfestigkeit CfJR abfallen (s. Abschn. 2.7.6). Diese betragt in der Regell/3 bis 2/3 CfJ', wobei cR meist 0 ist. Die Restscherfestigkeit wird auch auf allen vorgegebenen Gleitflachen mit tonigen Belagen angesetzt, besonders bei Tonen mit quellfahigen Tonmineralen. AuBer der Tonmineralogie sind dabei auch rasterelektronenoptische Untersuchungen der Gleitflachenbelage auf Einregelung und Auswalzung der Tonminerale von Bedeutung (BROSCH & RIEDMULLER 1988). Fur die Abschatzung der Langzeitstabilitat sind auch Anderungen der Kationenbelegung quellfahiger Tonminerale, Z. B. durch CaS0 4 - oder NaCI-haltige Wasser und eine damit verbundene mogliche Verringerung der Scherfestigkeit zu beachten. Nach LAGALY (1988) kann die Gegenwart von Montmorillonit und Natriumionen die FlieBgrenze eines Tons betrachtlich erhohen, was sich besonders auf die Restscherfestigkeit auswirkt. Kriechen als langzeitige Erscheinung oder als die einen Bruch vorausgehende Anfangsbewegung, ist nicht nur messtechnisch schwer zu erfassen, sondern auch rechnerisch nur uber Grenzwertbetrachtungen einzugrenzen (DENZER & LXCHLER 1988: 51). Kriechen kann infolge langsam zunehmender Schubspannung bereits bei weniger als 50% der Bruchscherfestigkeit einsetzen. Diese sog. kritische Schubspannung oder Kriechgrenze liegt damit im Vergleich teilweise noch unter der Restscherfestigkeit. Hindernisse (z. B. Grundungen), die der Kriechbewegung im Wege stehen, werden durch Kriechdruck bean-
15
Rutschungen
sprucht. Sein GroBtwert kann ein Mehrfaches des aktiven Erdruckes betragen, erreicht aber nur selten den passiven Erddruck. Die Risiken oberflachennahen Kriechens sind im Einzelfall sehr schwer abzuschatzen. An den beruchtigten Mitteljura-Hangen (ehem. Dogger) des Aichelbergaufstiegs der A 8 mit buckeligen Oberflachenformen und krummen Baumen konnten Z. B. in zwei Jahre vorauslaufenden Inklinometermessungen keine signifikanten Kriechverformungen gemessen werden (DENZER & LACHLER 1988: 50). Die rechnerische Erfassung von tiefreichenden, kriechend-gleitenden GroBhangbewegungen ist auBerst schwierig, da weder die Tiefenlage und Form der Gleitzone(n) noch die festigkeitsmechanischen Kennziffern bekannt sind. Morphologische Studien und der Bewegungsablauf lassen darauf schlieBen, dass in groBen Teilen der Gleitzonen nur noch die Restreibungswinkel wirken (MOSER 1993, darin Lit.). 1m Zusammenhang mit Kriecherscheinungen kann es in der Natur zu einem allmahlichen Abbau der Scherfestigkeit kommen, der als progressiver Bruch bezeichnet wird. Durch ortliche Dberschreitungen der Scherfestigkeit und dabei auftretende geringe Gleitbewegungen konnen zunachst eng begrenzte Bewegungszonen entstehen. Infolge der dabei auftretenden Dberlastung der Nachbarbereiche dehnen sich diese Schwachezonen aus und es entstehen immer groBere Flachen, in denen die Scherfestigkeit auf die Restscherfestigkeit abfallt. Sobald diese Flachen ein kritisches AusmaB erreicht haben, kommt es zum Bruch. Die Erscheinung dieses progressiv entstehenden Bruches ist mehr oder weniger auf Boden mit ausgepragter Restscherfestigkeit oder auf vorgegebene Flachen, insbesondere tonig belegte Schichtflachen, beschrankt. Sie ist in solchen Boden aber eine verhiiltnismaBig haufige Erscheinung. In vorbelasteten Tonen unter Grundwassereinfluss hangt der Effekt des zeitverzogerten progressiven Bruchs wesentlich von der Entwicklung des Porenwasserdrucks abo Bei schneller Aushubentlastung fallt der Porenwasserdruck zunachst auf negative Werte ab, was den Ausdehnungsvorgang behindert und die Boschung standfest halt (Blcz6K 1997). Erst bei allmahlichem Ausgleich des Porenwasserdrucks setzt der Quellvorgang und die Entfestigung des Bodens, besonders auf
15.5 Vorbeugende MaBnahmen und Sanierung von Rutschungen
vorgegebenen Flachen ein. Die Scherfestigkeit, insbesondere die Kohasion nehmen ab und auf vorgegebenen Fliichen kann sich die Restscherfestigkeit einstellen. Erste Anzeichen solcher progressiver Brucherscheinungen sind haufig die Offnung von Zugrissen in oder oberhalb der Boschung und Ausbauchung der Boschungsflache. Bei Festgesteinen ist gemaG Abschn. 2.7.6 immer zwischen der Gebirgsscherfestigkeit und der Scherfestigkeit auf Trennflachen zu unterscheiden. Von der Letzteren ist die Scherfestigkeit auf Schichtflachen noch einigermaGen abzuschatzen bzw. aus GroGversuchen oder der Ruckrechnung von Felsgleitungen bekannt. Je nach Ausbildung der Flachen bzw. vorhandenen Belagen (Glimmer, schuppige Mylonite, dunne schmierige Tonlagen) sind Abminderungen zu treffen, wobei jeweils auch die FlachengroGe, fur welche diese Abminderungen gelten sollen, abzuschatzen ist. Die Scherfestigkeit von Kluftflachen ist sehr stark yom Einspannungszustand, der Flachenausbildung, der Kluftweite bzw. der Kluftfullung abhangig und ist wesentlich schwieriger anzugeben.
15.5 Vorbeugende MaBnahmen und Sanierung von Rutschungen Fur die Festlegung von vorbeugenden MaGnahmen oder SanierungsmaGnahmen ist es unerlasslich, die ursachlichen Faktoren fUr die Rutschgefahr oder fUr eine aufgetretene Rutschung richtig zu erkennen. Die vorzuschlagenden MaGnahmen muss en dann die einzelnen Faktoren so weit wie moglich ausschalten, das Gleichgewicht wieder herstellen oder die Rutschmassen stabilisieren. Solche vorkehrenden oder SanierungsmaGnahmen sind in der Regel kostenaufwandig, so dass diesem Aufwand immer die Notwendigkeit und auch der zu erwartende Erfolg der MaGnahme gegenubergestellt werden mussen. In vielen Fallen ist eine Plannngsiinderung wirtschaft licher als eine Sanierung, vor allen Dingen, wenn die Gefahrensituation rechtzeitig erkannt und die Umplanung fruhzeitig vorgenommen wird.
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Bei Bauvorhaben an rutschgefahrdeten Hangen ist nach dem "Prinzip der kleinsten Massenbewegnngen" vorzugehen, d. h. die Eingriffe in das Gelande mussen minimiert werden und es durfen jeweils nur so wenig Massen wie moglich ab- bzw. aufgetragen werden. Abb. 15.21 zeigt ein Beispiel fUr eine rechtzeitige Umplanung der Trassenfuhrung eines Autobahnprojekts auf der Grundlage einer Rutschungskartierung, von Aufschlussbohrungen und Standsicherheitsberechnungen. Das Prinzip des kleinsten Massenabtrages gilt auch bei Steinschlag- nnd Felssturzgefahr. Hierbei handelt es sich haufig nur urn einige m 3 Gestein, die an ubersteilten Boschungen abzustiirzen drohen. Das Problem ist in der Regel, die Absturz gefahrdeten Partien zu erreichen und abzutragen, ohne Schaden anzurichten. Oft ist es kostengunstiger, den GroGteil der Absturz gefahrdeten Massen in der Wand zu sichern. Urn diese Arbeiten ausfuhren zu konnen, muss notigenfalls bergsteigerisch am Seil gearbeitet werden oder es sind extrem hohe Hubbuhnen, gelegentlich auch Einrustungen erforderlich (s. Abschn. 13.3.1, SPANG & KARDEL 2002 sowie KEUSEN 2002). Erwahnt werden sollen hier auch die Felssicherungsarbeiten am Drachenfels, der 1970/71 mit massiven Stahlbetonholmen und insgesamt 89 Felsankern von 15-42 m Lange gesichert worden ist. An schwer zu sichernden Steilwanden konnen auch Schutzbauten vorgesehen werden. Instabile Felspartien, die abzusturzen drohen, mussen notigenfalls gezielt zum Absturz gebracht werden. Ein solcher Abtrag ist sorgfaltig vorzubereiten, wobei nach Bedarf Auffangwande fur die Absturzmassen vorgesehen werden muss en (BRASSER & GRUNER 2002 und KRAUTER et al. 1993). Bei der Sanierung aufgetretener Rutschungen genugt es auch oft, die Bewegungen so weit zu verlangsamen bzw. das Risiko weiterer Bewegungen soweit einzuschranken, dass man damit auf absehbare Zeit bestehen kann. Eine vollstandige Ausschaltung jeglicher Gefahr ist in vielen Fallen zu aufwandig. Gegen Murenabgange und ihre Folgen konnen Ablenkungsdamme, z. T. in Form von Winkelstutzmauern oder sonstige Murfangsperren errichtet werden (HOFMANN et al. 2002).
15
396
15 Rutschungen
1
B Gleitkreise fur BAB-Einschnitt Gleitkreise fUr BAB in Dammlage
mNN A 420 400
I Dammlage
380 360 340 Verwerfung
Abb. 15.21 Rutschungskartierung fUr ein Autobahnprojekt im Bereich der Riit/Muschelkalk-Grenze (so4/mu1). Die Trasse musste wegen unzureichender Sicherheiten fOr den tiefen Einschnitt in mittlerer Hanglage talwiirts verlegt werden. (s. d. MEYER & PRINZ 1997 und Abschn. 15.6.2).
15.5.1 Verbesserung bzw. Wiederherstellung des Boschungsgleichgewichtes Zur Verbesserung bzw. Wiederherstellung des Boschungs- oder Hanggleichgewichts stehen eine ganze Reihe von MaBnahmen zur Verfiigung, die einzeln oder in Kombination eingesetzt werden konnen (s. SCHUMACHER & LIPPOMANN 2005).
Flache Boschungsrutschungen konnen mit etwa 1 m dicken Steinschiittungen, sog. Steinmatratzen, saniert werden. Tiefer reichende, kleinere Rutschmassen werden vielfach bis auf die Gleitflache abgetragen und zwar entweder unter Boschungsabflachung (Abb. 15.22a) bzw. ganz oder teilweiser Wiederherstellung der Boschungsflache mit standfestem Material als sog. Steinplomben (Abb. 15.22b). Der Abtrag der Rutschmassen bis unter die Gleitflache soH zur besseren Verzahnung moglichst treppenartig erfolgen. Die
397
15.5 Vorbeugende MaBnahmen und Sanierung von Rutschungen
_' GLEITFLACHE "
STEINPlOHBE SICKE RSCHICHT
b
AEIBUNGSFUSS
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SICURSTR.t.NGE
Abb. 15.22 MaBnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts einer 86schung a. B6schungsabflachung b. Wiederherstellung der 86schungsfliiche nach Einbau einer Steinplombe bzw. eines ReibungsfuBes.
Sohlschichten sind notigenfalls durch Sickerschichten mit Sickerstrangen zu entwassern. Die Verbesserung des Gleichgewichts kann durch Einbau eines ReibungsfuBes aus hochscherfestern, gebrochenem Gesteinsmaterial oder durch Aufbau eines Gegengewichtes bzw. Ausziehen des BoschungsfuBes verstarkt werden. Ein solcher Massenabtrag und Bodenaustausch kann bei unvertraglichem Risiko und eindeutiger Gefahrensituation auch schon vorab bei der Boschungsherstellung erfolgen. Bei Mehrfachrutschungen oder fortschreitenden Rutschungen geniigt vielfach auch eine Teilauskofferung, ggf. im Schutze oder mit Unterstiitzung
eines massiven Verbaus und dem Aufbau eines ausreichenden ReibungsfuBes (Abb. 15.23). Bei Gefahr von Entlastungsbriichen konnen eine flachig verteilte Ankerung (TRISCHLER & DURRWANG 1989; JAHNEL & KOSTER 1993 und Abb. 13.8), Bodenvernagelung (LIPPOMANN & SCHWING 1997) oder auch ein Belastungsfilter in Form von 2 bis 3 m Kiessand oder Schotterabdeckung dieser entgegenwirken und eine Abminderung der Scherfestigkeit verhindern. Beim Hydro-Zementations-Verfahren werden in Abstanden von 5 bis 10 m meist 2 m breite Erdbetonstutzscheiben hergestellt, indem mittels gelandegangiger Schreitbagger oder spezieller Kletterbagger der anstehende Boden streifenweise in 4 bis 6 m tiefen Schlitzen aufgearbeitet und mit Additiva auf Zement- und Silikatbasis verfestigt wird. Die so erstellten Zement-BodenStiitzkorper konnen mit EntwasserungsmaBnahmen kombiniert werden (GXSSLER et al. 1989; KRAUTER & KNoCHE 1992). FEUER BACH (1996) gibt als Festigkeitswerte der HZV-Erdbetonkorper eine einaxiale Druckfestigkeit qu = 5-10 MNI m 2 cp = 40°-50°, c' = bis 500 kN/m 2 an. Die Tiefe der Stiitzscheiben richtet sich nach den maBgebenden Gleitflachen (Abb. 15.24). Der Abstand der Scheib en wird so festgelegt, dass sich dazwischen keine Teilrutschungen entwickeln k6nnen. Eine ahnliche Entwicklung ist das sog. FrasMisch-In;ektionsverfahren, bei dem 0,5-1,0 m breite und 4 bis 6 m (max. 9 m) tiefe Stiitzkorper mittels eines Frasarms auf Raupenfahrwerk hergestellt werden (FEUER BACH 1996, s. Abschn. 14.3.2).
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Dr.insystem
.
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Abb. 15.23 Stabilisierung einer Mehrfachrutschung durch Teilauskofferung und Aufbau eines ReibungsfuBes (Zeichn. KRAUTER) .
5
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15 Rutschungen
15
I
-
I
I
I
I
I
Abb. 15.24 Dimensionierung von ErdbetonstOtzscheiben nach der kritischen Gleitflache (nach REINHOLD & KUDLA 2008).
Eine sehr wirkungsvolle MaBnahme ist auch eine Vorschiittung als Gegengewicht, die, wenn entsprechende Massen rasch verfiigbar sind, auch als SofortmaBnahme zweckmaBig sein kann, urn die Bewegungen rasch zum Stillstand zu bringen (s. HEITFELD et a1. 2005).
15.5.20berWichendranung Oberflachenwasser muss durch offene Graben, meist Hanggraben, von der Rutschung abgehalten und abgefiihrt werden. Notigenfalls sind diese mit dichter Sohle (Betonhalbschalen) zu versehen. Urn das Einsickern von Oberflachenwasser zu verhindern, sind freigelegte Flachen mit bindigem Boden, voriibergehend auch mit Folien abzudecken. Risse im Boden sind mit bindigem Material oder Zementsuspension zu verschlieBen. Durch rasche Begriinung mit wasserverbrauchendem Bewuchs kann die Versickerungsrate und auch das Auftreten von Trockenrissen abgeschwacht werden. Die Versickerungsrate kann auch durch ein System von flachen Sickerstrangen oder Sickerschlitzen in Abstanden von 6 bis 8 m abgemindert werden (s. d. Abschn. 13.3.3). Abflusslose Senken sind gesondert zu entwassern. Aufgeweichte tonige Rutschmassen konnen notigenfalls durch elektroosmotische Entwasserung stabilisiert und befahrbar gemacht werden (s. Abschn. 11.5). Eine Dauerwirkung ist dam it allein allerdings nicht zu erzielen, es sei denn, es wird auch eine elektrochemische Verfestigung vorgenommen.
kritische Gleitlinie in Scheibenebene
15.5.3 Tiefdranung Tiefere wasserfiihrende Schichten oberhalb und in Rutschungen konnen durch 3 bis 5 m tiefe Sickerschlitze bzw. Hangsickerstrange mit einem Sickerrohr an der Sohle und einem Misch- oder Stufenfilter, notigenfalls mit Vliesummantelung, entwassert werden. Diese sollten moglichst im Hangefalle oder Y-fOrmig angelegt werden. Sickeranlagen oberhalb von Rutschungen miissen in einem sicheren Abstand zur Boschungskrone verlaufen. In Boschungen konnen Sickerstiitzscheiben aus Schotter, Gabionen oder Einkornbeton vorgesehen werden. Flache Sickerstiitzscheiben werden gewohnlich als Rigolen bezeichnet (s. Abschn. 13.3.3). Bei groBerer Tiefe der wasserfiihrenden Schicht kann die Entwasserung durch Tiefdranschlitze nach der GroBbohrpfahlmethode aus durchlassigem Einkornbeton (Abb. 15.25) oder auch Schotterpfahlen erfolgen. Bei groBeren Langen sind in der Sohle Sickerrohre zu verlegen, deren Wasser notigenfalls iiber Querschlitze oder Horizontalbohrungen abgefiihrt werden muss. Die Langzeitwirkung einer solchen MaBnahme hangt allerdings stark von der Qualitat der Ausfiihrung ab, wobei bei allen TiefdranmaBnahmen die Moglichkeit des Zusinterns die Dranrohre durch kalkhaltiges Wasser oder durch Kalkauswaschung aus dem Beton (s. Abschn. 17.2.5.3) zu beachten ist. Mit Horizontaldranung kann weniger eine direkte Entwasserung, wohl aber eine Umlenkung des Stromungsdruckes erreicht werden (Abb. 15.26). Die Entwasserungsbohrungen miis-
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15.5 Vorbeugende MaBnahmen und Sanierung von Rutschungen
15
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MaGnahmen verbessert oder vervollstandigt werden. Dies gilt im Ausnahmefall auch fUr Standorte, an denen keine naturliche geologische Barriere vorhanden ist. Die technischen ErsatzmaGnahmen mussen die genannten Bedingungen erfUllen. Die Anforderungen an die geologische Barriere sind ein Kompromiss an ungunstige Standorte und entsprechen nicht den Vorstellungen und Moglichkeiten der Geologie. Zielvorstellung fUr einen gunstigen Deponiestandort musste sein, dass die geologische Barriere langzeitlich die Ruckhaltung bzw. Minderung des Schadstoffaustrags ubernehmen kann. An einem geeigneten Standort mussen deshalb hohe Anforderungen bezuglich Machtigkeit, Dichtigkeit und Mineralogie des Barrieregesteins gestellt werden, wobei man sich daruber im Klaren sein muss, dass es keinen absolut "dichten" Standort gibt. Dies zeigen letztlich zahlreiche Beispiele in der Natur, die belegen, dass uber lange Zeitraume auch Tone in der oberflachennahen Auflockerungszone (s. Abschn. 15.1.1 und Abb. 16.2) fur Ionenwanderung durchlassig sein konnen, wie die Bildung von Kalkkonkretionen oder Gipsrosetten in der Anwitterungszone von kalkhaltigen 1m u Gel. I
Palaorellef
Entlastung5 lone
Festgesteln
s.
Wenn die geologische Barriere diese Anforderungen nicht erfUllt, kann sie durch technische
Abb. 16.2 Zonen der Gebirgsdurchliissigkeit in einem Tonsteinuntergrund, festgestellt im Bereich der SAD MOnchehagen (aus DORHOFER & FRITZ 1991).
6
428
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Flachenrecycling
Tonen bzw. solchen mit fein verteiltem Pyrit, sowie auch tief reichende Entfarbung und Verwitterung oder eine kalk- und sulfatfreie Oberzone zeigen (SCHERMANN 1991). Andererseits sind aus der Geologie auch Beispiele fUr eine fast uneingeschrankte Isolationskapazitat von Tonen bekannt, wie die gut erhaltene organische Holzsubstanz von 2 Millionen Jahren alten Baumstammen in einer Tongrube in der italienischen Provinz Umbrien belegt. Die Anforderungen fUr Deponiestandorte werden in erster Linie von tonig-schluffigen Gesteinsserien erfUllt, die nicht nur Grundwasserhemmer bzw. Grundwasserstauer darstellen, sondern aufgrund ihres Tonmineralanteils auch erhebliche Schadstoffriickhalteeigenschaften aufweisen. Ais solche Barrieregesteine kommen in der Bundesrepublik Deutschland in Betracht: machtige tonige Verwitterungsbildungen oder Verwitterungslehme tonig-schluffiger Geschiebemergel Beckentone tonig-schluffige Serien des Tertiars (z. B. Rupelton, Reuver-Ton) Tonsteine der Unterkreide Tonsteine des Unter- und Mitteljura (z. B. Amaltheenton, Opalinuston) Tonsteine der Trias (z. B. Keuper- und z. T. Rottonsteine) Tonschiefer des Palaozoikums (z. B. Hunsriickschiefer) . Die einzelnen Barrieregesteine sind selten homogen, vielmehr treten haufig petrographische Inhomogenitaten in Form von sandigen Lagen, Sandstein - oder Kalksteinzwischenschichten, Geodenlagen und anderen Einlagerungen auf, die eine erhohte Wasserwegsamkeit bewirken. Gleiches gilt fUr Kluft- oder Storungszonen, die z. T. sogar von tektonischer Gebirgsauflockerung begleitet sein konnen, wie die tief greifenden Entfestigungs- und Verwitterungserscheinungen in tektonischen Storungszonen zeigen (s. Abschn. 3.4.4). Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass auch relativ undurchlassige Gesteinsserien fast immer deutliche Inhomogenitaten mit teilweise recht hohen Gebirgsdurchlassigkeiten aufweisen. Diese Unsicherheiten hinsichtlich der Homogenitat miissen durch eine moglichst gro6e Machtigkeit der Barrieregesteine ausgeglichen werden (DORRHOFER 1988).
Ein weiterer Faktor bei der Standortwahl ist die Lage der GrundwasseroberfHiche. Reicht die Deponie bereichsweise in das Grundwasserniveau, so erfolgt der Schadstoffaustrag nicht zuerst iiber die ungesattigte Zone, sondern aus der Deponie direkt ins Grundwasser. Eine Deponierung oberhalb des Grundwassers ist zweifellos giinstiger zu bewerten, da hier die chemischen Prozesse schneller ablaufen als in der gesattigten Bodenzone. Die Schadstoffriickhaltekapazitiit der ungesattigten Zone wird jedoch haufig iiberschatzt (DORRHOFER 1987). Bei durchlassigem Untergrund mit geringer kapillarer Aufstiegshohe sollte der Abstand zur Grundwasseroberflache sogar nicht mehr als 1 bis 2 m betragen, da sonst mit einer allmahlichen Austrocknung der mineralischen Dichtungsschicht einer Kombinationsdichtung an der Deponiebasis zu rechnen ist.
16.3.1 Standorterkundung Die Anforderungen an den Untergrund aIs geologische Barriere sind abhangig von der Deponieklasse und den geologischen bzw. hydrogeologischen Gegebenheiten. Die Eignung eines Standorts kann jedoch nur aus der Gesamtbeurteilung aller relevanten Einflussfaktoren im Multibarrierensystem beurteilt werden, wobei der Machtigkeit und Ausbildung des Barrieregesteins im Untergrund langfristig eine wesentliche Rolle bei der Verminderung des Schadstoffaustrags in das Grundwasser zukommt. Ais Ausschlusskriterien fiir Deponiestandorte gelten Karstgebiete, stark kliiftige und besonders wasserwegsame Festgesteine sowie Steinbriiche und Gruben, aus denen eine Ableitung von Sickerwasser in freiem Gefalle nicht moglich ist. Weitere Ausschlussgebiete sind Naturschutzgebiete, Wasserschutz- und -vorranggebiete, Uberschwemmungsgebiete, Erdbebengebiete, tektonisch aktive Storungszonen, Bergsenkungsgebiete sowie Rutsch- und Erdfallgebiete (s. AUST et al. 1997). Fiir die Standortbeurteilung sind nachfolgende Faktoren ma6gebend.
16.3 Deponieuntergrund
Untergrundverhaltnisse: Untergrundaufbau, Schichtenfolge und deren stratigraphische Zuordnung, Machtigkeiten, Unregelmamgkeiten Verwitterungszustand und -bestandigkeit, oberflachennahe Auflockerungszone, Loslichkeit Lagerungsverhaltnisse, tektonische Storungen, Trennflachengeflige, Kluftbelage, Oxidationssaume, tektonische Gebirgsauflockerung (s. Abschn. 3.4.4) Geologische Besonderheiten, wie Verbreitung und Zustand verkarstungsfahiger Gesteine sowie Erdfalle und Bodensenkungen, HangzerreiBung, Rutschungen, Erdbeben, Bergbau und oberirdischer Abbau, Lagerstatten, Bodendenkmale.
Grundwassersituation: Vorflutverhaltnisse, Hochwasser (auch Tideeinfluss), Quellen, Vernassungen Grundwasserschutz- oder Vorranggebiete, Heilquellen-Schutzgebiete, Wassergewinnungsanlagen, Wasserrechte Ober- und unterirdische Grundwassereinzugs- und -abstromgebiete Besondere unterirdische Abflusswege Niederschlagsdaten und Grundwasserneubildung Grundwasserstande und -stockwerke, jahreszeitliche Wechselstande Raumlage, Verbreitung und Machtigkeit von Grundwasserleitern und Hemmschichten GrundwasserflieBrichtung und -flieBgeschwindigkeit Geochemische Charakterisierung des Grundwassers (auch einzelner Stockwerke) unter Berucksichtigung geogener oder anthropogener Belastungen. Ausgehend von einer moglichst umfassenden Ermittlung dieser Faktoren und Daten sollten fur eine geologische Barriere folgende Kriterien erflillt sein: Tone oder Tonsteine in entsprechender Dicke und mit gunstiger Tonmineralogie Schwaches oder latent ausgebildetes Trennflachengefuge
429
Keine oder nur geringe fazielle und tektonische Anisotropien Geringe Gebirgsdurchlassigkeit Geringe Grundwasserneubildungsrate Moglichkeiten des Nachdichtens bzw. UmschlieBens bei einem Storfall. Nach den heute vorliegenden Erfahrungen sind Tone des Tertiars, mit in der Regel nur untergeordnet wasserwegsamen Trennflachen, Tonsteinen der Trias oder der Kreide vorzuziehen, die fast immer ein ausgepragtes Trennflachensystem aufweisen. Dies gilt besonders, wenn in Grubendeponien die vertonte und plastifizierte oberflachennahe Anwitterungszone ausgeraumt worden ist. In den machtigen Tonsteinserien (z. B. Opalinuston, Unterkreide-Tonsteine) werden gemaB den Verwitterungsintensitaten (s. Abschn. 3.4.2) drei Zonen der Gebirgsdurchlassigkeit unterschieden (Abb. 16.2): Eine oberflachennahe Verwitterungszone mit Durchlassigkeiten von 10-8 bis 10- 10 mis, die bis durchschnittlich 5 bis 15 m unter Gelande reicht. Darunter kann eine Zone entlastungs- und kluftungsbedingter Gebirgsdurchlassigkeit ausgehalten werden, mit k- Werten von 10-5 bis 10-6 ml s, die etwa 10 bis 30 m unter Gelande reicht. Ab dies en Tiefen nimmt die Durchlassigkeit wieder auf Werte von 10-7 bis 10-9 m/s ab (HENKEL 1990, SCHETELIG 1991). Die tatsachlichen Machtigkeiten der einzelnen Zonen sind von der jeweiligen Exposition, d. h. von der Hang- oder Tallage abhangig. Besonders beachtet werden mussen von tektonischer Gebirgsauflockerung begleitete Kluftund StOrungszonen. Sie sind bei der Erkundung sehr schwer zu erfassen, da sie nicht immer durch Bewegungsspuren, Eisenhyroxidbelage oder Oxidationssaume erkennbar sind. In solchen Zonen werden jedoch teilweise deutlich erhohte Gebirgsdurchlassigkeiten beschrieben. HElL et al. (1989) sowie DUMMER & MULLER (1990) berichten von durch Feldversuche ermittelten Gebirgsdurchlassigkeiten von 2· 10-5 ml s in mit steil stehenden Kleinstorungen durchzogenen Liastonsteinen am Rand der Herforder Liasmulde, nahe den Scherbruchzonen der Osning-Storungszone. Auch vom Opalinuston der Schwabischen Alb werden von HENKEL (1990) erhOhte Durchlassigkeitswerte in Kluft- bzw. Storungszonen von k = 10-5 m/s in 25 m Tiefe und von
16
430
16 Grundlagen fur die Bewertung von Oeponie- und Altlastenstandorten, Fliichenrecycling
Tabelle 16.1 Ourch Feldversuche ermittelte Zonen der Gebirgsdurchliissigkeit und erhohte Ourchliissigkeiten an einzelnen Storungszonen (Lit. siehe Text). Tonsteine Unterkreide Niedersachsen
Opalinuston Nord-Bayern
Opalinuston Baden-Wurttemberg
< 5-10 m 5-10 -9 m/s
10 9- 10
< 5- 15 m 10 8 m/s
8 · 10 '-8 . 10 · m/s
10
~- 10
12
m/s
Lias-Tonstein Herford
m/s
> 30 m 1 · 10 m/s
> 20 m
in Storungszonen
25 m: 10 -~ m/s 51 m: 10 ' m/s
k = 10-7 m/s in 51 m Tiefe beschrieben. Nach den bisherigen Erfahrungen ist damit zu rechnen, dass die Durchlassigkeit derartiger Zonen etwa einen Potenzexponenten hOher ist als die groBflachig ermittelten Durchschnittswerte (Tab. 16.1)
16.3.2 Wasserbewegung und Schadstofftransport Der Transport von Schadstoffen aus einer Deponie erfolgt hauptsachlich mit dem Wasser (Abb. 16.3). Allgemein lassen sich bei der Stoffmigration ein advektiv-dispersiver, yom Druckgradienten abhangiger und ein diffusiver, yom Konzentrationsgradienten abhangiger Stofftransport unterscheiden. Das Migrationsverhalten wird auBerdem durch Sorptionsprozesse beeinflusst. 1m Einzelnen konnen folgende Prozesse unterschieden werden: Advektion (Grundwassertransport) - haufig auch als Konvektion bezeichnet Dispersion (Verteilung durch Vermischung) Diffusion (Konzentrationsausgleich aufgrund des Konzentrationsgefalles) Sorption (Summe aus Filtration, Ausfallungl Losung, chemischer Bindung, Isotopenaustausch, Oberflachensorption, elektrostatische Bindung) Abbau (biochemischer Abbau oder Umbau). Das Porenwasser in den mehr oder weniger vernetzten Porenkanalen einer tonigen Matrix be-
10 '_ 10.9 m/s 1O ~
m/s
steht aus beweglichen (mobilen) und unbeweglichen (immobilen) Anteilen (s. Abb. 2.9). Der mobile Wasseranteil reagiert auf das hydraulische Druckfeld, wahrend das immobile Wasser davon unbeeinflusst bleibt. Aufgrund von Diffusion findet jedoch auch zwischen dem immobilen und dem mobilen Wasser Stoffaustausch statt. In Abb. 16.3 sind die Teilprozesse des Schadstofftransports schematisch zusammengestellt. In der ungesattigten Zone erfolgt die Sickerwasserausbreitung hauptsachlich der Schwerkraft folgend (vertikaler Transport) und zwar periodisch, je nach Sickerwasseranfall. Die Sickerwassermenge kann durch die mittlere jahrliche klimatische Wasserbilanz abgeschiitzt werden. Bei Wechsellagerungen und in gekliifteten Gesteinen kann die Sickerwasserstromung in Abhiingigkeit von der Raumlage der wasserwegsamen Schichten oder Kliifte auch deutlich von der vertikalen Ausbreitungsrichtung abweichen. Die Schadstoffmigration durch die Deckschichten ist abhangig von der Vegetation, der Durchwurzelung, der Anzahl der Wurmrohren, von Rissen im Boden, der Bodenauflage (Humusoder Streuauflage), der Niederschlagsmenge und -verteilung, der Morphologie und Exposition, der Bodenstruktur, der Verweilzeit des Sickerwassers in der ungesattigten Zone (Grundwasserflurabstand, Durchlassigkeit, Speicherfahigkeit) sowie der Mobilitat und der Persistenz der Schadstoffe, d. h. deren Bestandigkeit gegeniiber chemischen oder biologischen Um- und Abbauvorgangen. In der ungesattigten Bodenzone liegt fast immer eine yom Sattigungsgrad abhiingige Mehr-
431
16.3 Deponieuntergrund
16
Verunrelnigung
.. .. .g c
.!3
MehrphasenlluO
~H20
1
F
::I
Advekllon
=
!
Konveklion
..
=
Oiffusion
j
Dispersion
~
z
~
==
--=-
=
....
Grundwassernichlleiler
Abb.16.3 Schematische Darstellung der Reaktionen und Transportvorgange im Untergrund (aus
phasenstromung mit Luft- und Wasseranteilen vor, die bewirkt, dass der DurchHissigkeitsbeiwert der ungesattigten Zone urn einen halben bis ganzen Potenzexponenten niedriger anzusetzen ist, ais bei Wassersattigung (s. Abschn. 2.8.1). Durch AusHillung von Eisen- und Manganhydroxiden stellt sich im Laufe der Zeit eine weitere Verminderung der Durchsickerung ein. Dieses sog. Selbstreinigungsvermogen der ungesattigten Bodenzone durch Sorptionsprozesse darf jedoch aus den verschiedensten Grunden nicht uberschatzt werden. In der gesiitligten Zone erfolgt standig eine Schadstoffausbreitung in Richtung des Grundwassergefalies durch Advektion und in geringem Ma6e auch quer dazu durch Dispersion. Beim Stofftransport in der gesattigten Bodenzone muss au6erdem zwischen mit Wasser mischbaren bzw. lOslichen und mit Wasser nicht mischbaren bzw. unioslichen Stoffen unterschieden werden. Unter Advektion versteht man die passive Bewegung der Inhaltsstoffe mit der Grundwasserstromung. Die Flie6bewegung des Grundwassers ist abhangig von der Porengro6e und der Porenverteilung (Durchgangigkeit). Grobporen (010-50 flm und gro6er) sind schon bei gerin-
GOLWER
1991).
gen hydrostatischen Gradienten flie6fahig. Mittelporen mit Durchmessem von 0,2-10 flm erfordem fur eine Wasserbewegung hydrostatische Drucke bis zu 15 bar. In Feinporen mit < 0,2 flm Durchmesser fmdet nur noch bei hoheren Druckgradienten (Saugspannungen, S. Abschn. 6.2.2) Flie6bewegung statt. Hinzu kommen weitere Faktoren, wie die chemische Beschaffenheit und Temperatur der durchstromenden Flussigkeit sowie mobilitatsverandemde Mechanismen. Die in Abschn. 2.8 behandelte Durchliissigkeit, ausgedruckt durch den Durchiassigkeitsbeiwert k, bezieht sich definitionsgema6 auf Wasser ohne EIektroIytgehalt und mit einer Temperatur von 10 0c. Diese Bedingungen treffen fUr Deponiesickerwasser nicht zu. Bei einer Temperatur von 40°C ist aber die Viskositat des Wassers nur noch halb so gro6 wie bei 10°C, was eine Verdoppelung der Durchiassigkeit zur Folge hat. Fur eine rechnerische Abschiitzung genugt es auch nicht, eine mittlere Gebirgsdurchiassigkeit auf der Basis von Laborversuchen oder einzeiner FeIdversuche (s. Abschn. 2.8.4) anzugeben, sondem es muss versucht werden, die fUr die Gelandebedingungen gultigen Durchiassigkeitsbeiwerte und ihre Verteilungsfunktion zu erfassen
432
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Flachenrecycling
und zwar unter Berucksichtigung der im Abschn. 16.3.1 beschriebenen Zonen besonderer Wasserwegsamkeit. Vergleichsmessungen ergaben in Feldversuchen lO-mal bis 1000-mal hohere Durchhissigkeitsbeiwerte als an ungestorten Tonproben des gleichen Materials in Laborversuchen, was u. a. auf hiiufig auftretende feine Risse in den anstehenden Tonen zuriickzufUhren ist (ADAMcaVA 2005). Hinzu kommt, dass fUr die verschiedenen chemischen Stoffgruppen unterschiedliche Durchlassigkeiten bekannt sind. Der hydraulische Gradient i fUr die Deponiebasisabdichtung ist von der Hohe des Sickerwasseruberstaus uber der Deponiesohle und der Dicke der Dichtungssohle abhangig (Abb. 16.4). Bei funktionierender Sohldranage bildet sich kein Sickerwasseraufstau, so dass der hydraulische Gradient mit i = 1 anzusetzen ist. Die aus Gleichenplanen konstruierten hydraulischen Gradienten im Deponieuntergrund sind haufig noch wesentlich kleiner (1: 10 bis 1:100. z. T. 1:1000). Welcher Wert den Modellrechnungen zugrunde zu legen ist, hangt yom Gesamtsicherheitskonzept ab und muss mit dem Entwurfsbearbeiter abgestimmt werden (GDAEmpfehlung E 6-2). Der im Abschnitt 2.8.1 diskutierte "stromungslose Bereich" bei kleinen Gradienten wird bei Deponiefragen nicht in Rechnung gesetzt, auch wenn in tonigen Sedimen ten bei kleinen Druckgradienten nichtlineare FlieBbedingungen anzunehmen sind. Die haufig verwendete Formel
(s. Abschn. 2.8) ergibt streng genommen nur die wahre FlieBgeschwindigkeit Vw und nicht die Abstandsgeschwindigkeit va' fUr deren Ermittlung Feldversuche notig sind. SCHNEIDER & GOTTNER (1991) haben bei Feldversuchen in Kreidetonen mit k = 2 .10-9 m/s Porenwassergeschwindigkeiten Va von 0,027 bis 0,043 cm/d ermittelt. Unter Dispersion versteht man die Vermischung gelOster Stoffe im bewegten Grundwasser infolge unterschiedlicher Durchlassigkeiten und FlieBbedingungen (longitudinale und transversale Dispersion, s. Abb. 16.5). Die Dispersion ist abhangig von der FlieBgeschwindigkeit und der Dispersivitat (ein Parameter der Porenraumgeometrie und der Kornung). Die Dispersionslange a betragt in Sanden und Kiesen Zentimeter bis z. T. Meter. Sie kann experimentell nur mittels Stofftransportversuchen ermittelt werden. Die Querdispersivitat betragt etwa 1/10 bis 1/5 davon (ENTENMANN 1998: 172). Nach bisherigen Erfahrungen ist die Dispersionslange von gering durchlassigen tonigen Boden (k:5, 10-9 m/s; va :5, 0,02 em/d) im Vergleich zur Diffusion relativ unbedeutend (SCHNEIDER & GOTTNER 1991). Mit abnehmender Durchlassigkeit und bei niedrigen Gradienten treten Stromungsvorgange zuruck. Als Migrationsform von gelosten Stoffen im Porenwasser uberwiegt bei kleinen Filterge-
k·i
va/ w = nf
EntwauerungsrOl'lr
-
l'IaI1um
Abb. 16.4 Definition des hydraulischen Gradienten fUr Deponiebasisabdichtungen (aus DRESCHER 1988).
Abb. 16.5 Auswirkungen der Dispersion auf den Stofftransport im Grundwasser (nach PFAFF 1995, geiindert).
16.3 Deponieuntergrund
schwindigkeiten die Diffusion infolge Konzentrationsunterschieden. Die Diffusion ist ein Transport von Atomen, Molekiilen und lonen in fliissiger oder gasformiger Phase zwischen kommunizierenden Poren und im Schichtgitterraum der Tone. Die treibende Kraft sind der Konzentrationsgradient oder das Temperaturgefalle. Die Stoffe wandern von Bereichen hoher Konzentration in Bereiche niedriger Konzentration, bis im Porenwasser ein Konzentrationsgleichgewicht entstanden ist. Der Diffusionskoeffizient im Porenraum eines Bodens wird fUr die freie Losung mit Do und als Summe aller behindernden Wechselwirkungen mit Deff (in mlls) bezeichnet. Der Diffusionskoeffizient wird durch Diffusionsversuche an wassergesattigten Tonscheiben ohne advektive Wasserbewegung ermittelt. Nach einer gewissen Diffusionszeit wird die Probe ausgebaut und die Konzentrationsverteilung gemessen. Ein einheitliches Verfahren zur Ermittlung des Diffusionskoeffizienten besteht bis jetzt nicht. Fiir nahezu ideale Tracer, wie z. B. Chlorid, werden in der Literatur abfangliche Diffusionskoeffizienten von Do = 10- 10 mlls angegeben. Dieser Wert zeigt gleichzeitig die GroBenordnung fiir die meisten gelosten Stoffe in Tonen (10- 9 bis 10- 11 mlls). Schwermetalllosungen weisen im AIIgemeinen einen geringeren Diffusionskoeffizienten auf (Einzelwerte s. WIENBERG 1998 und ENTENMANN 1998: 179). Diffusionsvorgange organischer Molekiile (KW, CKW) finden auch durch handelsiibliche Kunststoffdichtungsbahnen statt (RADLINGER 1997: 82). Bei mineralischen Basisabdichtungen, an deren Oberflache langfristig mit hohen Losungskonzentrationen gerechnet werden muss, kann die Diffusion die stromungsabhangige Komponente des Stofftransports des mobilen Porenwassers deutlich iiberwiegen bzw. dieser vorauseilen. Untersuchungen von Verschmutzungsfronten im Untergrund verschiedener Deponien haben gezeigt, dass ein diffusionsbedingter Durchbruch einzelner Chemikalien durch eine Tonbarriere schon in wenigen Jahren erfolgen kann. QUIGLEY et al. (1984) beschreiben die Eindringtiefe diffusiver Stoffwanderung in einem jungeiszeitlichen Geschiebemergel (k = 1,5· 10-10 m/s) unter einer 15-jahrigen Hausmiilldeponie mit
433
0,7 -1,0 m fUr Na+ -, Cal +- und Cl--lonen, 0,2 m fUr Schwermetalle (Cu, Zn, Fe, Pb) und 0,9 m fiir organisch gebundenen Kohlenstoff. Ahnliche Angaben iiber die Mobilitat von Clund Schwermetallionen bringt auch ADAMCOVA (2005). Eine Verminderung der Diffusion ware nur durch eine drastische Verringerung der GroBe der Porenraume in der mineralischen Dichtung moglich oder durch den Einbau von Diffusionssperrren. 1m Laufe der Zeit verringert sich die diffusive Schadstoffmigration durch allmahlichen Abbau des Konzentrationsgradienten (sog. instationare Diffusion) und durch Sorptionsvorgange. Die Permeationsrate bzw. Emissionsrate (in mg/ml. s bzw. g/ml. a) gibt die Stoffmenge an, die pro Zeiteinheit durch eine Einheitsflache einer Tonschicht transportiert wird. Bei geringen Durchlassigkeiten « 10-9 ml s) sind die Permeationsrate und die Zeitspanne, die ein nichtreaktiver Stoff benotigt, um durch eine Tonschicht zu gelangen, abhangig yom Konzentrationsgradienten, yom Diffusionskoeffizienten Do und von der Schichtdicke. Eine Erhohung der Verweilzeit ist in dies en Fallen nur durch die Reduzierung des Diffusionskoefizienten und durch die ErhOhung der Schichtdicke zu erreichen und weniger durch Verringerung des Durchlassigkeitsbeiwertes. Fiir eine Deponiebasisabdichtung ist die ErhOhung der Verweilzeit mit zunehmender Dicke von Vorteil, da einerseits der Schadstoffaustrag verzogert wird und andererseits die Reaktionen der Schadstoffriickhaltung zeitabhangig sind.
16.3.3 Schadstoffruckhaltung (Sorption) Geloste Stoffe werden im Grundwasser grundsatzlich langsamer transportiert als die FlieBgeschwindigkeit des Wassers selbst. Dieser Effekt beruht darauf, dass die Inhaltsstoffe in den Gesteinsporen oder an Kluftwanden zuriickgehalten werden, wodurch der Transport von lnhaltsstoffen vermindert wird. Die Schadstofftransportprognose im Grundwasser erfordert auBer den genannten hydraulischen Parametern auch Angaben tiber die Schadstoffriickhaltung (Sorption), wobei zwi-
16
434
16 Grundlagen fOr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Fliichenrecycling
schen Transportverzi:igerung (Retardation) und dem Riickhaltevermogen (Retention) zu unterscheiden ist. Die wichtigsten Sorptionsfaktoren sind Adsorption und Fallung (auch Mitfallung). Hinzu kommen Pufferung sowie Zerfalls- bzw. Abbauprozesse durch chemische und mikrobielle Vorgange. Diese Reaktionen finden bevorzugt in der ungesattigten Zone, in abgeschwachter Form auch in der gesattigten Zone statt. SCHNEIDER & GOTTNER (1991: 100) haben die Mobilitat verringemden Vorgange fiir verschiedene Schadstoffgruppen wie folgt zusammengestellt: Schwermetalle: Fiillung » Mitfiillung > Adsorption pol are Organika: Abbau > Adsorption> Wasserloslichkeit unpolare Organika: Wasserloslichkeit » Adsorption> Abbau
Die Schadstoffruckhaltekapazitat hangt ab yom Tonmineralanteil (Komgri:igeneffekt, Porenanteil, Porenraumstruktur) und der Art der Tonminerale, dem Kalkgehalt, dem Anteil an organischen Bestandteilen sowie dem pH-Wert des Gesteins und des Sickerwassers, femer dem Schwermetallangebot, der Kontaktzeit und den chemischen Wechselwirkungen (SCHNEIDER & BAERMANN 1991; AZZAM et al. 1997). Ein Kalkgehalt bewirkt eine Pufferungvon sauren Losungen, was ein ausgepragtes Schwermetall-Fallungsvermi:igen zur Folge hat. In der Oxidationszone kommt es zur AusfaIlung von Eisen- und Manganhydroxiden, unter Mitfallung zahlreicher Schwermetalle. 1m sauerstofffreien Bereich bilden sich vorwiegend Eisensulfide und andere Schwermetallsulfide. Bei zahlreichen Oxidations- und Reduktionsvorgangen sind Mikroorganismen wesentlich beteiligt. Fallungsprodukte konnen zu einer Verringerung des durchfluss-nutzbaren Porenraumes fiihren. Die mikrobiologische Aktivitat im Boden hangt ab von der Persistenz des Schadstoffes gegeniiber biologischen Prozessen sowie dem Nahrstoffangebot und den Milieubedingungen (pH-Wert, Eh-Wert, Feuchte u. a. m.). Der maggebende Faktor fiir die Schadstoffriickhaltung ist jedoch die Adsorption von Fremdatomen oder Molekiilen im geli:isten Zustand an den grogen Oberflachen und im Zwi-
schengitterraum der Tonminerale sowie an sedimenteigenen organischen Substanzen und an Oxiden. Tonbarrieren weisen in Abhangigkeit von ihrem strukturellen Aufbau und ihrer materiellen Zusammensetzung unterschiedlich hohe Adsorptionskapazitaten auf (RADLINGER 1997). Es handelt sich dabei urn einen begrenzten und reversibien Vorgang (Desorption), der bei quellfahigen Dreischichtmineralen erheblich gri:iger ist als bei nicht aufweitbaren Dreischicht- oder den Zweischichtmineralen (s. Abschn. 2.1.8). Bei der selektiven Anlagerung von kationischen Metallen werden hi:iherwertige Kationen gegeniiber niedrig wertigen bevorzugt. Bei den organischen Beimengungen ist der wichtigste sorptionsbestimmende Faktor der Humusstoffgehalt. Huminstoffe weisen nicht nur eine groge Oberflache auf, sondem auch eine hohe Kationenaustauschkapazitat. Bei den Untersuchungen iiber das Sorptionsverhalten werden bekannte Feststoffmengen mit wasserigen Li:isungen ins Gleichgewicht gebracht und anschliegend die Konzentrationen in der wassrigen Phase und im Feststoff ermittelt (Schiittelversuche, Saulen-Perkulationsversuche, s. WIENBERG 1998). Durch Adsorption und Fallung kann auch eine weniger hochwertige Tonbarriere eine erstaunliche Sorptionsleistung aufweisen, die auch als "Geochemische Barriere" bezeichnet wird (RADLINGER 1997). Voraussetzung ist eine entsprechend hohe Verweilzeit der Schadstoffe in der Barriere. Die Kationenaustauschkapazitat (KAK) bzw. das Kationenadsorptionsvermogen der am meisten verbreiteten Tonminerale ist in Tab. 16.2 zusammengestellt. Die KAK wird in (mmollz)/kg (ehemals Milliaquivalent mval/ 100 g) angegeben (s. a. GDA-Empfehlung E 1-11). Die Hohe der KAK ist abhangig yom Anteil der Tonfraktion, dem Tonmineralbestand, der Zuganglichkeit der Zwischenschichten (innere Oberflache) und dem Gehalt an organischer Substanz. Die Bestimmung der Kationennaustauschkapazitat (KAK) erfolgt entweder nach DIN 11 260 mit Bariumsalzli:isung oder mit Ammoniumacetatlosung (Bestimmungsmethoden und KAKWerte s. RADLINGER 1997 und GDA-Empfehlung E 3-3-3). Hi:iherwertige Kationen werden starker sorbiert als niederwertige. Danach lasst sich etwa folgende Rangfolge der Sorption aufstellen:
16.3 Deponieuntergrund
435
Tabelle 16.2 Kationenaustauschkapazitiit (KAK) von Tonmineralen und organischer Substanz in (mmol/z)/ kg = mmol,q/ 100 g TS). Tonmineral
KAK
Kaolinit
3- 15
Smeklit
SO- 120
Illit
20- 50
Vermiculit
150- 200
Chlorit
10- 40
Org. Substanz
lS0- 300
Cl < Na < NH4 < K < Mg < Zn < Pb/Hg Die Rangfolge zeigt die geringe Sorption von Chlorid und die relativ starke Sorption von Schwermetallen (s. a. ADAMCOVA 2005). Die Adsorption von Anionen und von organischen Schadstoffen an Tonen ist dagegen gering. Besonders mobil und kaum wirksamen Minderungsmechanismen unterworfen sind die niehtreaktiven Anionen Chlorid, Nitrat und Sulfat. Die Riickhaltung organischer Verbindungen ist vor allem vom Gehalt an organischen Beimen-
Abbau, Sorption
gungen im Ton abhangig, die auch sonst eine recht hohe Adsorptionskapazitat aufweisen (GDA-Empfehlung E 1-11). Ihre Wirkung als Hauptabsorbent tritt allerdings erst ab einem Anteil von etwa 2% auf (s. Abschn. 2.2.2). Der Abbau von organischen Schadstoffen bzw. ihre Umwandlung zu sog. Metaboliten im Untergrund ist ein sehr komplexer Vorgang, bei dem besonders die Aktivitat von Mikroorganismen und das Nahrstoffangebot eine Rolle spielen. Davon wird heute bei den biologischen Bodenreinigungsverfahren in groBem Umfang Gebrauch gemacht. Bei Tonsteinen wird die Wasserwegsamkeit weitestgehend durch hydraulisch wirksame Kliifte bestimmt (s. Abschn. 16.3.1). Bei den bekannten GroBenordnungen der Kluft- und Matrixdurchlassigkeiten wird allgemein angenommen, dass ein advektiver Transport in der Matrix vernachlassigbar ist und daher das Riickhaltepotenzial der Tonsteinmatrix nieht voll genutzt werden kann. Die Tonsteinmatrix wird nieht durchsiekert, sondern nur in diffusionszuganglichen Bereiehen durch Randdiffusion von den groBen Kluftflachen aus benetzt (Abb. 16.6). Hinzu kommt eine erheblich geringere Adsorptionsfahigkeit der Tonsteine, da ein Teil der Tonmineraloberflachen durch das Bindemittel bzw. durch die diagenetische Verfestigung blockiert ist. Auch
steinsmatrix
c
.... t;
~
.... p n n n )} )} )}
o
C Q) N C
o
~
U5 2c
19 I/) c
o
~
1 1
Gesteinsmatrix (porOs)
Matnxdlffuslon
Sorption I Gestemsoberfli:lche Konvektlon, DisperSion
----------I~~
.... :~
Diffusion Sorption I Gestelnsoberfli:lche
Abbau, Sorption I
111
Abbau
Kluft
steinsmatrix
Gestemsmatrix (porOs)
------~------------------------------------~
Abb. 16.6 Schematische Darstellung des Transports wasserl6slicher Stoffe in einem geklufteten Tongestein (ROSENFELD
& RONSCH 1995).
6
436
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Flachenrecycling
auf den Kluftflachen selbst ist die Adsorptionskapazitat geringer als in der Gesteinsmatrix, wobei allerdings dunne Kluftflachenbelage von Eisen- und Manganhydroxiden die Sorption von Schwermetallen in Form von EisenhydroxidKomplexen begunstigen. Die Schadstoffadsorption und die Ausfallreaktionen bewirken, dass die Schadstoffmigration in der flussigen Phase in der Regel erheblich niedriger ist als die Abstandsgeschwindigkeit des mobilen Porenwassers (Abb. 16.7). Diese Transportverzogerung (Retardation) wird durch den Retardationsfaktor Rd ausgedruckt:
keitsbeiwert, hydraulischer Gradient, effektive und Gesamtporositat, Konzentrationsgradient, Diffusionsgradient, die Dispersivitat sowie die entsprechenden Koeffizienten der Sorptionsprozesse quantifiziert werden. Hierbei miissen haufig viele Prozesse, die das Verhalten von Stoffen im Untergrund mitbestimmen, vernachlassigt oder zumindest stark vereinfacht werden (GDAEmpfehlung E 1-10). Hinsichtlich der Langzeitwirkung toniger Barrieren ist immer wieder in der Diskussion, anstelle des k-Wertes und der chemischen Bestandigkeit der Tone entweder das Sorptionspotenzial, also das Riickhaltevermogen fUr Schadstoffe oder die Verweilzeit sowie die Permeationsraten (in mg/m2. s) zum Bemessungsund Beurteilungskriterium fiir tonige Barrieren zu machen (SCHNEIDER & GOTTNER 1991; DEMMERT et a1. 1995). Hierbei stellt die Verweilzeit nur ein Anfangskriterium dar, wahrend die Permeationsrate fUr die Langzeitwirkung maBgebend ist. Fiir nicht abbaubare Stoffe erfolgt dabei zwar eine Reduzierung der Schadstoffmengen, bei Oberschreiten der Riickhaltekapazitaten wird jedoch der Austrag nicht verhindert, sondern nur zeitlich verzogert, denn die Sorption ist eine reversible Reaktion. Durch Veranderungen von pH-Wert, Temperatur oder Redoxpotenzial sowie durch andere Losungsvermittler kann es zu Desorption bzw. einer Remobilisierung von Schadstoffen kommen. Durch das Auftreten von meist organischen Komplexbildnern kann z. B. die Schwermetallbindung praktisch vollkommen aufgehoben werden. Solange der Komplex stabil bleibt, findet keine Riickhaltung von Schwermetallen statt. Ihre Mobilitat kann dann derjenigen eines nichtreaktiven Stoffes entsprechen (SCHNEIDER & GOTTNER 1991). Urn das Sorptionsvermogen von Tongesteinen moglichst langfristig zu erhalten, ist darauf zu
mittlere Abstandsgeschwindigkeit des Wassers V, = mittlere Transportgeschwindigkeit des Schadstoffes (s. d. KLOTZ 1990, der weitere hydraulische KenngroBen beschreibt). Va
=
Die mittlere Transport- bzw. Migrationsgeschwindigkeit eines Schadstoffes v, ist dann: va_= __ k·i =__
v t
no . Rd
no . Rd
(s. a. Abschn. 2.8.1 und 2.8.6 sowie WIENBERG 1998).
Die Schadstoffrlickhaltung oder Sorption bewirkt eine wesentliche Verminderung der Permeationsrate bzw. eine Erhohung der Verweilzeit urn den Faktor 10 bis 1000. Urn eine numerische Simulation der Schadstoffausbreitung in Deponieabdichtungen durchfUhren zu konnen, miissen die Transportmechanismen Advektion, Dispersion, Diffusion und Sorption sowie ihre Parameter, d. h. Durchlassig-
Transpotl rnt dem Grundwa_r
---..
RlChtung • Geschwlndlllkert
nur KonvektlOn Abb. 16.7 Schadstofftransportmechanismen im Grundwasser und die entsprechende Konzentrationsverteilung.
16.3 Deponieuntergrund
achten, dass Stoffe ferngehalten werden, die das Reaktionssystem negativ beeinflussen. Verhindern lasst sieh die Remobilisierung von Schadstoffen nieht, da in Hausmiilldeponien langfristig Garungsprozesse und andere biologisch-chemische Reaktionen ablaufen, welche sowohl den pH -Wert als auch die Siekerwasserkonzentration mit der Zeit verandern (SCHNEIDER & GOTTNER 1991: 117).
16.3 4 Chemische Bestandigkeit der Tonmmel ale Die Wirksamkeit von Tonmineralen in natiirlichen und technischen Schadstoftbarrieren wurde u. a. von KOHLER &, USTRICH (1988) beschrieben. Wahrend die Zusammensetzung und das Gefiige von Tonen, die speziellen physiko-chemischen Eigenschaften sowie die Transportvorgange innerhalb der Tone in ihren qualitativen Beziehungen relativ gut bekannt sind, besteht bis heute Forschungsbedarfhinsiehtlieh des komplexen Zusammenwirkens der unterschiedlichen Einflussfaktoren und der chemischen Bestandigkeit der Tonminerale. Fiir die Langzeitbetrachtung des Schadstofftransportes ist die chemische Bestandigkeit toniger Barrieregesteine bei langfristigem Kontakt mit den verschiedenen Abfallarten bzw. kontaminierten Siekerwassern zu beachten. Nach der GDA-Empfehlung E 3-1 und anderen Autoren hangt die Langzeitbestandigkeit toniger Barrieregesteine von folgenden Prozessen ab: Anderung der Durchlassigkeit Anderung der Tonmineralanteile (Mineralbestand) Anderung des Bindemittels Anderung der Kornverteilung Anderung des Quellverhaltens Anderung der Plastizitat Anderung der Wasseraufnahme. Die Untersuchung solcher Alterationsprozesse von Tonen ist die Grundlage fiir die Bewertung und Prognostizierung ihrer Langzeitbestandigkeit (s. d. a. TADJERPISHEH & KOHLER 1998). REUTER (1987, 1988) beriehtet iiber Langzeituntersuchungen an drei verschiedenen Kreidetonen aus Niedersachsen, die mit anorganischen und organischen Sauren sowie SchwermetallsalzlO-
437
sung und organischem, synthetischem Siekerwasser durchstromt worden sind. Dabei zeigte sieh bei allen Priiffliissigkeiten anfanglieh eine mehr oder weniger deutliehe Erhohung der Durchlassigkeit, die sieh aber mit langerer Versuchsdauer stabilisiert hat, allerdings auf einem hoheren Niveau als zu Versuchsbeginn. WAGNER (1988) und KOHLER (1989) beschreiben auch Veranderungen des Mineralbestandes von Tonen und ihrer plastischen Eigenschaften (Quellvermogen) beim Kontakt mit schwermetallsalzhaltigen bzw. elektrolytreichen oder organischen Losungen. Die bisherigen Ergebnisse solcher LangzeitPerkulationsversuche sind eine: Auflosung des Kalzits, Reduzierung der Quellfahigkeit der Smektite, Abnahme der Plastizitat und eine Kornvergroberung durch Aggregatbildung. SMYKATZ-KLOSS & BURCKHARDT (1986. darin Lit.) sowie ECHLE et a!. (1988) und DULLMANN et a!. (1989) berichten ebenfalls iiber Wechselwirkungen zwischen Tonen und sauren Deponiesickerwassern, die zu Veranderungen der Tone gefiihrt haben. Nach 8-jahriger Einwirkung von Deponiesickerwasser auf eine mineralische Basisabdiehtung aus Reuver-Ton war eine tiefenabhangige Veranderung im Mineralbestand und in den geotechnischen Eigenschaften der oberen 15 bis 45 cm der Diehtungsschieht festzustellen. Unter Sickerwassereinfluss erfolgte eine Reduzierung des Smektitanteils infolge Umwandlung der Tonminerale in Mixed-Layers und schlieBlich in Illit sowie eine teilweise Auflosung des karbonatischen Bindemittels und Neubildung von Schwermetallkarbonaten. Damit verbunden war eine Abnahme der Plastizitat, der Sorptionskapazitat sowie der Quellfahigkeit der Tone. USTRICH (1991) hat bei drei nord- und siiddeutschen Tonen keine derartigen Veranderungen des k- Wertes festgestellt und auch PIERSCHKE & WINTER (1994) beriehten, dass die Beaufschlagung von verschiedenen Tonen des Rheinischen Braunkohlereviers mit Deponiesickerwassern die abdiehtende Wirkung der Tone nieht gemindert hat. Fliissige Kohlenwasserstoffe, die in Wasser loslich (Alkohole) oder mischbar sind, verandern die GroBe der Doppelschichten urn die Tonpartike!. HASENPATT et a!. (1988) zeigten, dass bei
16
438
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Flachenrecycling
montmorillonithaltigen Tonen durch Einlagerungen von organischen Schadstoffionen sowohl die Bruch- und Scherfestigkeit signifikant erhoht als auch die Quelldriicke deutlich emiedrigt wurden. Allgemein ist danach von einer deutlichen Veranderung der bodenmechanischen Kennwerte, auch der Durchlassigkeit, auszugehen, wenn fliissige Kohlenwasserstoffe auf Tone, insbesondere Smektite, einwirken (Lit. s. WIENBERG 1990; BEHRENS (1995) und HOFMANN (1997). Die Ergebnisse zeigen, dass Tone nicht ohne genauere Untersuchung der wichtigsten tonmineralogischen und bodenphysikalischen Parameter und der Wechselwirkungen mit Sickerwassem als Barrieregestein eingesetzt werden sollten. Insgesamt ist festzustellen, dass in den 1980er Jahren bei der Eignungspriifung von Tonen die Bedeutung zu sehr auf QuelWihigkeit, geringe (Anfangs- )Durchlassigkeit und hohem Kationenaustauschvermogen der Tonminerale gelegt worden ist, was zwangslaufig zu einer Bevorzugung quelWihiger Dreischichtsilikate der Smektitgruppe gefUhrt hat. Diese und besonders die kiinstlich aktivierten Na-Bentonite sind aber gegeniiber physiko-chemischen Wechselwirkungen mit den Sickerwasserinhaltsstoffen verhaltnismaBig instabil und konnen strukturelle Veranderungen in Form von Rissebildung, Erhohung der Durchlassigkeit und der Diffusionseigenschaften erleiden (RADLINGER 1997). Die nicht quelWihigen Illite und besonders die ZweischichtSilikate der Kaolinitgruppe sind chemisch weitaus stabiler, weisen allerdings nur eine geringe Kationenaustauschfahigkeit auf. Als Konsequenz fUr die Langzeitbestandigkeit von mineralischen Dichtungsschichten bietet sich an, die zwei Gruppen der Tonmineraltypen einer Basisabdichtung zu kombinieren, d. h. in unterschiedlichen Schichten einzubauen. Die GDA-Empfehlung E 2-38 unterscheidet dafiir drei unterschiedliche Dichtungssysteme: verschiedene bentonitische Adsorptionsschichten iibereinander kaolinitische bzw. illitische Dichtschicht iiber bentonitischer Adsorptionsschicht (ehem. Hannover Modell) bentonitische Adsorptionsschicht iiber kaolinitischer bzw. illitischer Dichtschicht (ehem. Karlsruher Modell).
Die GDA-Empfehlung gibt ausfUhrliche Hinweise zur Materialauswahl und zum Einbau dieser und weiterer Dichtungssysteme dieser Art.
16.4 Untersuchung und Bewertung von Verdachtsflachen 16.4.1 Grundlagen Die Untersuchung und Bewertung von Verdachtsflachen und Altlasten ist seit EinfUhrung des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) und des untergesetzlichen Regelwerks der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) im Jahre 1999 (s. Abschn. 16.1) bundeseinheitlich geregelt. Dazu gehoren auch nachfolgende Begriffsbestimmungen: Boden im Sinne des Bodenschutzgesetzes ist die oberste Schicht der Erdkruste, soweit sie Trager der im Gesetz genannten natiirlichen Bodenfunktionen ist. Dazu gehoren auch der Sickerwasserbereich und der wassergesattigte Boden, nicht aber das Grundwasser selbst, das unter den Regelungsbereich des Wasserrechts Wit. Schadliche Bodenveranderungen i. S. des BBodSchG sind Beeintrachtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren bzw. erhebliche Nachteile oder erhebliche Belastigungen fUr den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizufiihren. Altlastverdachtige Flachen sind Altablagerungen und Altstandorte, bei denen der Verdacht auf derartige schadliche Bodenveranderungen besteht. AItablagerungen sind stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstiicke, auf denen Abfalle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind. Altstandorte sind Grundstiicke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstiicke, auf denen mit umweltgefahrdenden Stoffen umgegangen worden ist. Altlasten im Sinne des BBodSchG sind Altablagerungen und Altstandorte, durch die schadliche Bodenveranderungen oder sonstige Gefah-
439
16.4 Untersuchung und Bewertung von Verdachtsfliichen
ren fiir den Einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden. Ziel des BBodSchG ist eine einheitliche und verbindliche Vorgehensweise fUr die Erfassung, Bewertung und Sanierung von schadlichen Bodenveranderungen und auch von Grundwasserverunreinigungen. Eine gewisse Besonderheit stellen, auch i. S. des BBodSchG (§ 3, Abs. 2 und § 23), militarisch genutzte Liegenschaften bzw. Konversionsliegenschaften und Kriegsaltlasten dar. Fiir solche Riistungsaltstandorte ist die Handlungsanweisung "Erkundung von Altstandorten der Militarproduktion und des Militarbetriebs (Riistungsaltstandorte) - Entmunitionierung" (1999) zu beachten. Grundsatzlich weisen militarische Liegenschaften, auch auslandischer Streitkrafte, ahnliche Kontaminationsprofile auf wie industrielle oder gewerbliche Altstandorte, doch sind je nach Flachennutzung spezielle Kontaminationen zu erwarten und der Untersuchungsumfang dar-
auf abzustellen (KLOCKOW & GOLLMER 1998 und WaBoLu-Liste fiir sprengstofftypische Verbindungen 1994). Die Untersuchung und Bewertung von Verdachtsflachen erfolgt auf der Grundlage des BBodSchG in abgestuften Schritten (Tab. 16.3) nach standardisierten Untersuchungsmethoden gemaB Anhang 1 BBodSchV. Die Untersuchungen erfolgen getrennt fUr die Wirkungspfade Boden-Mensch, Boden-Nutzpflanze und BodenGrundwasser unter Einbeziehung der Bodenluft. Bei den Untersuchungen zum Wirkungspfad Boden-Mensch sind als Nutzungen Kinderspielflachen, Wohngebiete, Park- und Freizeitanlagen sowie Industrie- und Gewerbegrundstiicke und beim Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze Ackerbau und Nutzgarten sowie Griinland zu unterscheiden. Weitere Schutzgiiter sind Gewasser einschlieBlich Grundwasser (Wasserhaushaltsrecht) und auch die Luft (Immissionsschutzrecht).
TabeUe 16.3 Ablaufschema fUr die Untersuchung und Bewertung von Verdachtsfliichen. 1 Erfassung- und Gefiihrdungsabschiitzung Erfassung beprobungslose Bewertung Sammlung und Auswertung relevanter Daten GefahrdungsabschiHzung Erstbewertung erste Risikoeinschatzung Prioritatensetzung zur weiteren Vorgehensweise Orientierende Untersuchung Fragestellung nach der Gefahr fur die 6ffentliche Ordnung Verifizierung und Qualifizierung auf der Grundlage harter Daten Detaillierte Untersuchung Umfassende Ermittlung von Art und AusmaB der festgestellten Gefahrdung Darstellung und Charakterisierung der Gefiihrdung sowie Quantifizierung. 2 Sanierungsuntersuchung Ermittlung der zweckmaBigen und verhaltnismaBigen MaBnahmen, nutzungsbezogen. Vorschlag des Gutachters fUr Art und Umfang der Sanierung, Konkretisierung und Festlegung der Schutz- u. Sanierungsziele, auf den Einzelfall bezogene Grundlagenermittlung und Vorplanung. Vorauswahl geeigneter Sicherungs- oder Dekontaminationsverfahren. Priifung der Verfahren mittels vorgegebener Beurteilungskriterien. ----------------------------~
3 Sanierungsplanung 4 SanierungssausfUhrung 5 Oberwachung 6 Nachsorge
6
440
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Flachenrecycling
Die Bewertung erfolgt anhand von Tabellenwerten der BBodSchV, Anhang 2. Diese beschranken sich auf Pruf- und z. T. MaBnahmenwerte fUr Boden, Prufwerte fur Sickerwasser im Obergangsbereich zur Grundwasseroberflache sowie Vorsorgewerte fUr Boden. Andere, in der Praxis haufig gefragte Angaben, wie Bodenluftwerte, Sanierungszielwerte, Einleit- oder Einbauwerte sind in der BBodSchV nicht definiert, sind aber in zahlreichen Verwaltungsvorschriften der Bundeslander enthalten (s. d. 4. Auflage). Nach dem Grundgedanken, dass es im Wasser- und Bodenschutzrecht keine unterschiedlichen BeurteilungsmaBstabe hinsichtlich der Gefahrdungseinschatzung geben sol1te, werden entsprechend den Prufwerten der BBodSchV fur den Wirkungspfad Boden - Grundwasser fUr Letzteres sog. GeringfUgigkeitsschwellenwerte diskutiert (s. Abschn. 16.1). Nach dem BBodSchG kann von den zustandigen Behorden verlangt werden, dass bestimmte Aufgaben von Sachverstandigen oder Untersuchungsstellen nach § 18 durchgefUhrt werden, welche die fUr diese Aufgaben erforderliche Sachkunde und Zuverlassigkeit aufweisen sowie uber die erforderliche geratetechnische Ausstattung verfUgen. Die Bestellung der Sachverstandigen erfolgt durch den Deutschen Akkreditierungsrat (DAR) und zwar fur verschiedene, z. T. recht enge Sachgebiete (z. B. Probenahme, Analytik usw.). Zulassungsstelle ist dann die regionale IHK. Der DAR fUhrt eine Liste der akkreditierten Ingenieurburos und Pruflaboratorien.
16.4.2 Untersuchung und Gefahrdungsabschatzung Liegen Anhaltspunkte fUr das Vorliegen einer schadlichen Bodenveranderung oder einer Altlast vor (s. BBodSchV § 3, Abs. 1 und 2), so wird die betreffende Flache nach der Erfassung zunachst einer orientierenden Untersuchung unterzogen (Tab. 16.3). Hierbei werden bereits erste Aufschlusse und Parameteruntersuchungen von Bodenmaterial, Bodenluft und Sickerwasser gemaB Anhang 1 der BBodSchV vorgenommen. Die Ergebnisse der orientierenden Untersuchung sind unter Beachtung der Standortbestimmung und Nutzung anhand der Prufwerte der BBo-
dSchV, Anhang 2 (s. Tab. 16.4) zu bewerten. Liegen die Schadstoffgehalte unter den jeweiligen Prufwerten, ist der Verdacht einer schadlichen Bodenveranderung oder Altlast ausgeraumt. Auch bei geogen bedingten Schadstoffgehalten (s. Abschn. 16.4.2.3) liegt keine schadliche Bodenveranderung vor, es sei denn, sie konnen in erheblichen Umfang freigesetzt werden. Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, die einen hinreichenden Verdacht einer schadlichen Bodenveranderung oder Altlast begrunden, solI eine Detailuntersuchung durchgefUhrt werden, bei der auch eine Abgrenzung der Flache vorgenommen wird. Derartige konkrete Anhaltspunkte sind gegeben, wenn eine Oberschreitung der Prufwerte der BBodSchV, Anhang 2 zu erwarten ist oder vorliegt. Die Ergebnisse der Detailuntersuchung sind unter Beachtung der ortlichen Gegebenheiten (Standort, Nutzung) anhand der MaBnahmewerte in Anlage 2 der BBodSchV zu bewerten. Pruf- und Ma6nahmewerte liegen nur fur eine begrenzte Anzahl von Stoffen fUr unterschiedliche Nutzungen und Wirkungspfade vor. Soweit in der BBodSchV fUr einzelne Stoffe kein Prufoder MaBnahmenwert festgesetzt ist, sind zunachst die Situation zu beschreiben und die relevanten Gefahren, etwa aufgrund der Mobilitat der Schadstoffe, aufzuzeigen. Bei Sanierungsuntersuchungen ist zu prufen, mit welchen MaBnahmen eine Sanierung erreicht werden kann. Dabei sind auch SicherungsmaBnahmen in Betracht zu ziehen, wenn sichergestellt ist, dass danach dauerhaft keine Gefahr fUr die Allgemeinheit besteht. Auf land- und forstwirtschaftlich genutzten Flachen konnen auch Nutzungsbeschrankungen vorgesehen werden. Liegt eine akute Gefahrensituation vor, so sind unabhangig yom Phasenkonzept umgehend MaBnahmen zur Gefahrenabwehr zu veranlassen.
16.4.2.1 Erkundungsarbeiten Die Untersuchungen muss en sich auBer dem Bodenmaterial auch auf die leichtfluchtigen Schadstoffe in der Bodenluft, auf das Sickerwasser und den Dbergang in das Grundwasser erstrecken. Bei Detailuntersuchungen sind dabei die maBgeblichen Emissionswege der einzelnen Wir-
16.4 Untersuchung und Bewertung von Verdachtsflachen
kungspfade zu erfassen. Art und Auswahl der Aufschluss- und Probenahmeverfahren richten sich nach der Zielsetzung, dem Untergrund und dem zu erwartenden Schadstoffinventar. Die Anordnung der Bohrpunkte richtet sieh nach der Aufgabenstellung und der Mogliehkeit, das Bohrpunktraster bei Bedarf in mehreren Schritten zu verdiehten. Die Aufnahme des Bohrgutes erfolgt bevorzugt nach bodenkundliehen Gesiehtspunkten (s. Kartieranleitung AG Bodenkunde der Geologischen Dienste von 2006). Die Schiehtenverzeiehnisse nach oder in Anlehnung an DIN ISO EN 22475-1 (s. Abschn. 4.5) sind dafur unzureiehend. Bei der Bodenansprache muss verstarkt auf die Bodenverfarbung geachtet werden, die Auswaschungs- bzw. Anreieherungshorizonte erkennen lasst (z. B. Oxidations- oder Reduktionsflecken). Auch der Humus-, Kalkoder Tongehalt sind wiehtige Indikatoren, ebenso die Intensitat von Wurzelrohren oder anderen GroBporen. AuBerdem ist auf bodenfremde Bestandteile zu achten, wie RuB, Holz, kohlige Substanzen, Schlacken, Aschen, Metallteile, Scherben, Plastik, Beton- und Ziegelbrocken u. a. m. (s. SCHULZ & WIENBERG 1994; BLUME 1994). Die organoleptische bzw. sensorische Ansprache der Bohrproben hat sofort nach der Entnahme aus dem Bohrwerkzeug zu erfolgen oder es mussen Schlauchkernrohre eingesetzt werden, bei denen das Bohrgut in einem Folienschlauch oder einer Kunststoffhulse, einem sog. Liner, gewonnen wird (s. Abschn. 4.4.5.1). Eine wirksame Ruckhaltung fluchtiger Schadstoffe erfolgt nur durch Liner. Folienschlauche verlangsamen die Ausgasung lediglich. Auch die Probennahme fur chemische Untersuchungen hat sofort nach der Gewinnung der Proben zu erfolgen. Fur die Entnahme und Untersuchung von Boden- und Wasserproben liegt eine Vielzahl von Normen, Regeln, Richtlinien, Merkblattern (DVWK) und Handlungsempfehlungen vor. Eine reprasentative Probe solI eine moglichst zutreffende Aussage uber die Schadstoffkonzentration eines bestimmten Entnahmebereichs ermoglichen. Die Anzahl der Proben hangt ab von der Heterogenitat des Bodens und der Schadstoffkonzentration sowie der benotigten Aussagesieherheit. Bei allen Aufschlussarbeiten und Probenahmen in kontaminierten Bereiehen sind die berufsgenossenschaftlichen Regeln fur Sicherheit
441
und Gesundheitsschutz fur Arbeiten in kontaminierten Boden (BGR 128) zu beachten (Sicherheitsstiefel, Schutzhandschuhe, Schutzanzuge, Atemschutzgerate). Das von Rustungsaltlastverdachtsflachen ausgehende Gefahrdungspotenzial ist insgesamt deutlieh hoher einzustufen als das von herkommlichen kontaminierten Flachen. Bei allen Aufschlussarbeiten ist ferner zu beachten, dass keine schadliehen Verlagerungen im oder in das Grundwasser entstehen (sog. Verlagerungsverbot), was allerdings in der Praxis kaum zu gewahrleisten ist.
16.42.2 Analysenergebnisse nd Bewertung Die Gefahrdungsabschatzung basiert auf chemischen Analysenergebnissen gemaB Anhang 1 der BBodSchV, in der sowohl die Probenvorbehandlung als auch die Extraktions- und die Analysenverfahren festgelegt sind. Obwohl an die Qualitat der Labore hohe Anforderungen gestellt werden (ausgewahlte Untersuchungsstellen gemaB § 18 BBodSchG) und die Analysenverfahren genormt sind, ist jedes Analysenergebnis nieht nur mit einem meist nieht exakt bestimmbaren systematischen Analysenfehler behaftet, sondern es liegen daruber hinaus eine Reihe weiterer Fehlermoglichkeiten mit erheblich groBeren Prozentanteilen vor, wie Z. B. Probennahme und -behandlung (s. BREDER 1994). Dazu kommt die Heterogenitat der Schadstoffverteilung in Boden, so dass Abweiehungen mit einem Ungenauigkeitsfaktor 2 nieht selten sind. Aus diesen Grunden sollten Messergebnisse aus dem Labor immer Angaben zur Analysengenauigkeit enthalten und die Werte durfen nieht nur in Tabellen aufgelistet sein, sondern muss en aufbereitet und zu verstandliehen Informationen verdiehtet werden. Ungewohnlich hohe Messwerte muss en nach den Bedingungen des Einzelfalls kommentiert werden. Ein reiner Wertevergleieh ist nieht sachgerecht. Auch yom weiteren Bearbeiter ist jeweils eine Plausibilitatsprufung vorzunehmen. In Zweifelsfallen und bei Ergebnissen in der Nahe eines vorgegebenen Grenzwertes sind, falls Ruckstellproben vorhanden sind, Kontrollanalysen vorzunehmen, die in entscheidenden Fallen von einem anderen Labor durchgefiihrt werden sollten. Sofern eine Neube-
16
442
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Flachenrecycling
probung erforderlich wird, ist auf eine reprasentative Probennahme sowie auf vergleichbare Mengen, Lagerung und Behandlung der Proben zu achten.
16423 Geogene Grundbelastung und ublquita e Hmtergrundgehalte Besondere Bedeutung in der i:ikologischen Diskussion haben die Begriffe geogene Grundbelastung und ubiquitare Hintergrundgehalte. Die geogene Grundbelastung wird bestimmt durch die lithogenen Gehalte des Ausgangsgesteins, aus denen im Zuge der Bodenbildung die geogerte Grundbelastung entsteht (BAUER et al. 1992). Der Hintergrundgehalt eines Bodens setzt sich zusammen aus der geogenen Grundbelastung und der ubiquitaren Stoffverteilung als Folge diffuser, z. B. durch die Bewirtschaftung bedingter Eintrage. In Anlehnung an diese Definitionen der LABO (1995) werden auch beim Grundwasser sinngemaBe Zustandsbeschreibungen hinsichtlich natiirlicher Inhaltsstoffe verwendet. Erster Anhaltspunkt fiir eine natiirliche geochemische Grundbelastung geben die sog. Boden -Clarke-Werte, d. s. Durchschnittswerte der Bi:iden der gesamten Erde (s. VOLAND et al. 1994). Ie nach geochemischer Provinz kann die geogene Grundbelastung jedoch sehr unterschiedlich sein. Einige Boden-Clarke-Werte sind z. B.: Pb - 12 ppm
As
5ppm
Cd - 0,5 ppm Zu
- 50ppm
Cu - 20ppm
Sn - 10 ppm
Die regionale geogene Grundbelastung weist besonders bei Eisen, Mangan, Nickel, Chrom, Kupfer, Blei, Zink und z. T. auch Arsen sowie bei Sulfat und Chlorid oft Werte auf, die z. T. weit oberhalb aller Richtwerte liegen (Tab. 16.4 und HARRES et al. 1985; GOLWER 1989; HINDEL & FLEIGE 1990; METZNER et al. 1994; VOLAND et al. 1994).
Regional treten besonders bei Chrom (variszische Tonschiefer, Grundgebirge), Nickel (Vulkangebiete) oder Arsen (Erzgebirge, Vogtland - s. METZNER et al. 1994) Tabellenwertiiberschreitungen auf, ebenso wie bei zahlreichen Erzbegleitmineralen (Chrom, Kupfer, Cadmium, Nickel, Arsen, Blei, Zink) in den Austrichgebieten des Kupferschiefers (Zechstein), des Unter- und Mitteljura und auch spezieller erzhaltiger Banke des Keuper (Vitriolschiefer des kul), im Muschelkalk (Bleiglanzbank, mul/2) oder auch Tertiar (Fischschiefer - s. HAID & HAMMER 2009). Arsen kann auch in Ausscheidungen von Mineralwassern auftreten (s. ROSENBERG & MITTELBACH 1996). Ober spezielle Untersuchungen geogener Schwermetallgehalte von Li:issbi:iden berichten BAUER et al. (1992) und BECK (1993). Einen bundesweiten Uberblick iiber charakteristische Elementgehalte in Abhangigkeit von den verschiedenen Gesteinstypen und auch aus verschiedenen Bodenhorizonten bringt das BGR-Methoden Handbuch Deponieuntergrund, Bd. 6: 46 ff, darin Lit.). Auch in den Erlauterungen moderner geologischer Karten 1: 25000 sind oft Analysenergebnisse regionaler Boden- und Gesteinsarten zu finden. Bei der Bewertung geogener Schwermetallgehalte ist zu beriicksichtigen, dass geogene Verbindungen im Allgemeinen wesentlich stabilere Bindungsformen aufweisen als anthropogene Anreicherungen von potentiellen Schadstoffen. In Gebieten mit oberflachennah ausstreichenden vererzten Gesteinen und in Bergbaugebieten mit z. T. alten erzhaltigen Halden treten haufig auch Schwermetallgehalte im Grundwasser und in den i:irtlichen Vorflutern auf, welche die zulassigen Grenzwerte iiberschreiten ki:innen (REINHARDT 1987). Abgesehen von einer verbreiteten Belastung mit Schwermetallen (s. Tab. 16.5) ist eine ubiquitare Hintergrundbelastung mit chlorierten Kohlenwasserstoffen, die entgegen friiherer Annahmen teilweise auch natiirlichen Ursprungs (Synthese durch Makroalgen) sein ki:innen (WENDLAND & LEBSCHER 1990) zum iiberwiegenden Tei! aber diffuse Verunreinigungen durch Auswaschung aus der Atmosphare darstellen, keine Seltenheit. Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) werden z. B. nicht nur bei industriellen Prozessen freigesetzt, sondern treten auch als Abbauprodukte bei natiirlichen Ver-
443
16.4 Untersuchung und Bewertung von Verdachtsflachen
Tabelle 16.4 PrOfwerte der BBodSchV fOr die direkte Aufnahme von Schadstoffen bei verschiedenen Nutzungen. Prutwerte [mg/kg Tg] Stoff
Klndersplelflachen
Wohngebiete
Park- u. Freizeitanlagen
Industrie- und Gewerbegrundstucke
Arsen
25
50
125
140
Blei
200
400
1000
2000
Cadmium
10')
20')
50
60
Cyanide
50
50
50
100
Chrom
200
400
1000
1000
Nickel
70
140
350
900
Quecksilber
10
20
50
80
Aldrin
2
4
10
Benzo(a)pyren
2
4
10
DDT
40
80
200
Hexachlorbenzol
4
8
20
200
Hexachlorcyclohexan (HCHGemisch oder fj-HCH)
5
10
25
400
Pentachlorphenol
50
100
250
250
Polychlorierte Biphenyle (PCB.)~)
0,4
0,8
2
40
12
1) In Haus- und Kleingarten, die sowohl als Aufenthaftsbereich fOr Kinder als auch fOr den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden, ist fOr Cadmium der Wert von 2,0 mgjkg und fOr B(a)p vom 1 mgjkg TM als PrOfwert anzuwenden. 2) Soweit PCB-Gesamtgehalte bestimmt werden, sind die ermittelten MeBwerte durch den Faktor 5 zu divdieren.
brennungsvorgangen auf. AuBer den ubiquitaren Eintragen treten auch lokale Kontaminationen auf, z. B. durch Autoabgase, Reifenabrieb von AsphaltstraBen und aus Miill- und Klarschlammkomposten. Durch ihre geringe Wasserloslichkeit reichern sie sieh in der feinkornigen Bodenmatrix an. Dber PAK- und PCB-Gehalte (Polychlorierte Biphenyle, seit 2004 verboten) landwirtschaftlieh genutzter Oberboden beriehten JONEK & PRINZ (1994). Auch Dioxine und Furane werden landesweit immer wieder festgestellt. Dioxine natiirliehen Ursprungs sind Ende der 1990er Jahre in Tonrohstoffen des Westerwaldes (s. Abschn. 2.1.8) gefunden worden. Dariiber hinaus wird das Auftreten von Dioxinen und Furanen meist auf diffusen
Luftschadstoffeintrag (sog. Schwebstaub) aus atmospharischem Ferntransport oder lokalen Emissionen zuriickgefiihrt. Auch sie entstehen in Spuren nieht nur durch industrielle Tatigkeiten (z. B. Stahlwerke oder Miillverbrennungsanlagen), sondern auch durch Waldbrande oder sonstige Feuerstatten, wo behandelte Holzreste (Spanplatten, Mobelstiicke) oder Verpackungsabfalle und besonders PCB-haltige Diehtungsmassen verbrannt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass schon in vor einhundert Jahren abgelagerten Sedimenten des Bodensees Dioxine und Furane auftreten, deren Konzentration im Zeitraum 1940 bis 1950 stark ansteigt, aber ab 1975 wieder deutlich abnimmt (MULLER & NEGENDANK 1991). Der AusstoB dieser Giftstoffe wurde
6
Tone bis karbonatische Tone
66-'49
9-22
19'7 -6349
< 3-7
54-141
28-92
114-276
< 0,05
34' -591
10-11
155-183
11- 14
2636-3235
< 3-5
70-98
50-70
106-185
Cd
Cr
Ga
Ni
Pb
Ti
U
V
Zn
Zr
Mergelsteine
3
5
61-100
29-71
29-102
< 3-6
1018-2935
6-37
8-25
< 8-32
< 3-5
'20-1078
5-9
nn 56-95 39-69 463-562
178-425 33-36 320-323
18-75
9-22
16-20
5-27
< 3-4
7-19 13-38
16-24
56-78
26-84
2-6
4792"
'0-22
32-42 29-49
39-46
29-32
6-14
18569-19827
18-48
1-6
10-14
347-456
30-49
46-63
nn
15-60
11-39
72-106
16-51
104-124
406-452
nn nn
< 8-26
1-7
29-144
6-'9
nn
30-226
5-35
nn
nn
3-9
9
: n=34
,
< 0,05
n'" 15
8
n = 36
,I
< 0,05-0,11
~
7
0,06-0,'4
n=5
"
II
II
nn-18
-~I
Losslehm
6
4-21
n=2
11
14-113
II I'
I
~
i~ Basaltzersatz
I.
nn-14
n=4
Karbonate bis tonige Karbonate
4
3-11
:. n = 3
I
II
~
Hinweis: Werte der Spalten 1-6 und 8 wurden rontgenspektrometrisch bestimmt (Ausnahme Cd). die Spalten 7 und 9 nach Konigswasseraufschluss gem. DIN 38414, s. Text (Unterbefunde bei Cr); nn = nicht nachweisbar « Nacheisgrenze); * nur ein Wert (Hess. LA Bodenbodenforschung)
15-26
22-91
< 0,05-0,12
10-220
11-235
B
9-69
3-8
" n=7
I
As
n=3
Glimmersand
2
Tabelle 16.5 Geogene Grundbelastung einiger Elemente in tertiaren und quartaren Lockergesteinen des Rhein-Main-Gebietes in mg/kg TS (nach Hess. LA Bodenforschung, Spalten 6 bis 9 erganzt).
......
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C1> "0
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0
lOundZ 1.1 bzwZ 1.2
2
eingeschrankter offener Einbau mit definierten technischen SicherungsmaBnahmen (.nicht oder nur gering wasserdurchlassige Bauweise")
> Z 1.1 bzw. Z 1.2 und !':Z2
3-5
Einbau/ Ablagerung in Deponien
>Z2
o
Tabelle 16.9 Zuordnungswerte fUr Bodenmaterial im Feststoff und Eluat fUr bodeniihnliche Anwendungen (Z O-Z 2), zusammengestellt nach LAGA-TR Boden (2003). Parmeter
Dimension
Z O·
ZO
ZO
ZO
Sand
lehm/ Schluff
Ton
pH-Wert '
Z1 Z 1.1
Z2 Z 1.2
6,5 - 9,5
6- 12
5,5- 12 2000
Leitfahigkeit '
IlS/cm
250
1500
Chlorid
mg/I
30
50
100
Sulfat'
mg/I
20
50
200
Arsen
mg/kg TS
10
15
20
15 14
Ilg/I Blei
mg/kg TS
40
70
100
140
mg/kg TS
0,4
1,0
1,5
mg/kg TS
30
60
100
mg/kg TS
20
40
60
80
mg/kg TS
15
50
70
mg/kg TS
60 400
60 150
15
6 600
25 120
100
IJg/1 Thallium
3
20
200 10
180 12,5
Ilg/I Nickel
80 3,0
120
60 700
1,5
Ilg/l Kupfer
210
1,0
Ilg/I Chrom (gesamt)
150 20
40
Ilg/I Cadmium
45
20
100 500 70
0,4
0,7
1,0
0,7
2,1
7
0,1
0,5
1,0
1,0
1,5
5
Ilg/i Quecksilber
mg/kg TS
0,5
Ilg/i link
mg/kg TS Ilg/I
60
150
200
300
2 450
150
200
1500 600
451
16.6 Verwertung von Bodenaushub und Bauschutt
16
Tabelle 16.9 (Fortsetzung) Parmeter
Cyanide, gesamt
Dimension
ZO
ZO
ZO
Sand
Lehmj Schluff
Ton
Z O'
EOX
mg/kg TS
Kohlenwasserstoffe
mg/kg TS
BTX
mg/kgTS
lHKW
mg/kg TS
PCB 6
10
5 0,5 (I,OP
100
100
100
200 (400)'
mg/kg TS
0,05
0,05
0,05
0,1
PCB ,.
mg/kg TS
3
3
3
3
Benzo(a)pyren
mg/kg TS
0,3
0,3
0,3
0,6
Phenolindex
10
3
I-Ig/I Masse-%
Z 1.2
Z 1.1
mg/kg TS
TOC
Z2
Z1
5
3
10 1000 (2000)
0,15
0,5
9
30 3
0,9 20
~g/I
1,5
300 (600)
3
20
40
100
1 Eine Uberschreitung dieser Parameter allein ist kein Auschlusskriterium 2 Auf die Offnungsklausel in Nr. 6.3 wird besonders hingewiesen. 3 Bei einem C:N-Verhaltnis > 25 betragt der Zuordnungswert 1 Masse-%. 4 Die angegebenen Zuordnungswerte ohne Klammer gelten fUr Kohlenwasserstoffverbindungen mit einer Kettenlange von C 10 bis C22, diejenigen in Klammer fUr Kohlenwasserstofverbindungen mit einer Kettenlange von C 10 bis C40.
konnen Ausnahmen zugelassen werden, soweit keine nachteiligen Auswirkungen auf die Bodenfunktionen zu erwarten sind. Gleiehes gilt auch fUr Eluatwerte bei regional erhohten Grundwasserwerten.
16.6.41 Unemgeschrankter Embau m bodenahnhchen Anw ndungen Ein uneingeschrankter Einbau von humusarmen Bodenmaterial oder Baggergut in bodeniihnlichen Anwendungen, d. h. im Landschaftsbau und zur VerfUllung von Abgrabungen ist moglich bei unbelasteten Bodenaushub gem. Abschn. 16.6.2 und Einbauklasse ZOo Bei Einbauklasse ZO ist keine Eluatuntersuchung erforderlich. Bei Bodenmaterial, das nieht bodenspezifisch zugeordnet werden kann (z. B. Wechselfolgen), gelten die Zuordnungswerte ZO fUr Lehm/Schluff (Feststoffgehalte) sowie die ZO* -Werte der Eluatkonzentrationen. Fur Bodenmaterial aus einer Bodenbehandlung gelten die bodenspezifischen
Zuordnungswerte und ebenfalls die Eluatkonzentrationen nach ZO*. Fur die VerfUllung von Abgrabungen von Gewinnungsstatten der Steine und Erden sowie auch bestimmter Tagebaue darf Bodenmaterial bis ZO* eingesetzt werden, wenn Die Zuordnungswerte ZO* im Eluat eingehalten werden Eine Abdeckung mit einer durchwurzelten Bodenschieht >2m erfolgt Die Verfullung auBerhalb einer Wasserschutzzone I-III liegt Wenn der oberflachennahe Untergrund nieht verkarstet bzw. stark zerkluftet und wasserwegsam ist (z. B. ausgepragte tektonische StOrungszone). Eine Verfullung mit anderem Bodenmaterial oder anderen Abfallen ist auch bei gunstigen hydrogeologischen Bedingungen nieht zulassig. Mineralische Fremdbestandteile (Bauschutt, Ziegelbruch) darf in einigen Bundeslandern bis zu 10 Vol.-% enthalten sein, in anderen Landern
452
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Fliichenrecycling
darf geeigneter, aufbereiteter Bauschutt (max. Z 1) nur fUr betriebstechnische Zwecke (Wegebau) verwendet werden. Auch Boden, dessen pH -Wert < 5,5 ist, darf nicht ohne Kalkung eingebaut werden. Fur die Herste11ung der abdeckenden durchwurzelten Bodenschicht (DB) von in der Regel 2m Dicke darf nur unbelastetes Bodenmaterial verwendet werden, bzw. solches, das die Zuordnungswerte der Tab. 16.9 nicht uberschreitet und das die naturlichen Bodenfunktionen erfu11t. Der Anteil an mineralischen Fremdbestandteilen darf 1 Vol.-% nicht ubersteigen. Die Dicke der humusreichen Oberbodenschicht richtet sich nach der Folgenutzung (0,2 bis 0,5 m). Die Verfiillung von Abbaustiitten des iibertiigigen Bergbaus ist nach dem sog. Tongrubenurteil des BVerwG von 2005 ein Verwertungsvorgang, bei dem der Grundsatz der Vorsorge des BBodSchG zu beachten ist. Da die LAGA TR Boden (2003) diese Vorgaben berucksichtigt, ist sie derzeit eine geeignete Grundlage fUr die Bewertung einer solchen VerfU11maBnahme. Das BBerG und nachgeordnete Vorschriften haben keinen Vorrang gegenuber dem Bodenschutzrecht.
16.6.4.2 Eingeschrankter Einbau techni chen Bauwerken
In
Unter eingeschriinkten offenen Einbau (Einbauklasse 1) wird der Einbau von Bodenmaterial der Qualitatsstufen ZO bis Z 1 im Feststoff und bis Z 1.1 bzw. Z 1.2 im £luat (Tab. 16.9) in technischen Bauwerken in wasserdurchlassiger Bauweise (keine Dichtschichten) verstanden. 1m Eluat gelten grundsatzlich die Z 1.1-Werte. Soweit entsprechende Landerbestimmungen vorliegen, kann in hydrogeologisch gunstigen Gebieten Z 1.2 zugelassen werden. Wenn als VerfUllmaterial Bauschutt verwendet werden sol1, ist auBerden LAGA TR Bauschutt zu beachten. In einigen BundesIandern wird bei Z 1.1 ein Mindestabstand zum hochsten Grundwasserstand von 1m gefordert. Ais hydrogeologisch gunstig gelten Z. B. Flachen, bei denen der Grundwasserleiter durch flachig verbreitete gering durchlassige Bodenschichten mit hohem Ruckhaltevermogen von mindestens 2m Dicke geschutzt ist.
Ein eingeschriinkter Einbau mit definierten technischen Sicherungsmcillnahmen (Einbauklasse 2 bzw. Z 2; S. a. Abschn. 12.3) umfasst einerseits die Nivellierung von Flachen und andererseits die Herstellung von Erdbauwerken mit bestimmter Geometrie, wie Verkehrsdamme, Larm- oder Sichtschutzwa11e. Die Oberflache dieser Bauwerke muss mit einer Dichtschicht versehen werden, die das Eindringen von Niederschlagswasser verhindert (wasserundurchlassige Bauweise, Einzelheiten S. LAGA-M 20, 2003 oder Landerrichtlinien) . Nicht zulassig ist der Einbau von Z 2-Bodenmaterial in Wasserschutzzone I und II sowie in Uberschwemmungs- und Karstgebieten.
16.642 Behandlung von Boden >Z 2 Boden mit einem Feststoffzuordnungswert >Z 2 sind geHi.hrliche Abfalle, die in der Regel auf Deponien verwertet (z. B. als Fahrspuren) oder entsorgt bzw. einer Bodenbehandlung zugefiihrt werden muss en, damit durch Umlagerung von gefahrlichen Abfa11en keine weiteren Altlasten entstehen. Schlacken und Aschen aus mit Steinkohle befeuerten Kraftwerken, Heizkraftwerken und auch Anlagen der Eisen - und Stahlindustrie sind aufgrund ihrer Herkunft und ihres Z. T. besonderen Schadstoffinhalts in vielen Fallen Sonderabfa11e. Die bekanntesten Falle von als Baustoff verwendeten kontaminierten Schlacken sind die unter dem Produktnamen "Kieselrot" als Sportund Spielplatzbelag verwendeten Marsberger Kupferschlacken sowie die zu Pflastersteinen verarbeiteten Mansfelder Kupferschlacken.
16.7 8ergbaufolgen In den traditionellen Lagerstattenrevieren mit Z. T. Jahrhunderte langen Bergbauaktivitaten zur Gewinnung von Bodenschatzen, insbesondere Erze und Kohle, ist noch lange nach Einstellen der Gewinnung mit Auswirkungen auf die Tagesoberflache zu rechnen. Neben Kohle- und Erzbergbau kommen auch Kali- und Steinsalzbergbau, Gips- und Dachschiefergruben sowie
16.7 Bergbaufolgen
untertagiger Abbau von Steinen und Erden in Betracht. Fiir die Erkundung von Altbergbaufolgen liegt eine Empfehlung der DGGT "Geotechnischmarkscheiderische Untersuchung und Bewertung von Altbergbau" von 2004 vor (Anlage zum 4. Altbergbau-Kolloquium). Zu den unerwiinschten Bergbaufolgen gehoren im Einzelnen: Tagesbriiche, Bohrloch-, Schacht- und Mundlochverbriiche Senkungen oder Hebungen der Tagesoberflache, z. T. mit Differenzbewegungen auf engstern Raum oder Spaltenbildungen Unkontrollierte Austritte von Grubenwasser oder Grubengas (Methan, Kohlensaure). Zu den Objekten bergmannischer Tiitigkeiten sind noch weitere Gefahrdungspotentiale zu nennen. Die davon ausgehenden Gefahren sind Gegenstand einer weiteren DGGT-Empfehlung "Geotechnisch-markscheiderische Untersuchung und Bewertung von Tagebaurestlochern, Halden und Kippen des Altbergbaus" (Anlage zum 9. Altbergbau-Kolloquium, 2009). Sie sind in den Abschnitten 13.1.5, l3.4.3 und 15.3.5 behandelt.
16.7.1 ZusUindigkeit und Unterlagen der Bergbehorde Die Uberwachung der Auswirkungen des unter-
tagigen Bergbaus, auch nach Stilllegung und bis hin zur Wiedernutzbarmachung der in Anspruch genommenen Flachen bzw. der Entlassung aus der Bergaufsicht, gehort neb en der Kontrolle aller bergbaulichen Tatigkeiten zu den Kernaufgaben der LandesbergbehOrden. Bei den BergbehOrden stehen aIle dokumentierten Daten iiber den behordlich zugelassenen Bergbau zur VerfUgung. Ais Objekte des AItbergbaus gelten Anlagen von bergbaulichen Gewinnungsbetrieben, die nicht der Bergaufsicht nach dem Bundesberggesetz (BBergG von 1980, zuletzt geandert 2009) unterliegen und fUr die kein Bergbauberechtigter oder Rechtsnachfolger feststellbar ist. Die Grubenfelder sind aber, soweit bekannt, bei den BergbehOrden dokumentiert. In Nordrhein-Westfalen, mit vielen solchen alten Bergbaustandorten, liegt z. B. ein EDV-gestiitztes Informationssystem iiber diesen Altbergbau vor (NORTHEN 2006).
453
Etwas anders ist es bei Anlagen des sog. Uraltbergbaus. Der Abbau von Erz und Kohle hat schon im Altertum an zu Tage ausstreichenden Flozen, bzw. als Pingenbergbau und spater als Stollenbergbau begonnen. Erst mit der Technik des Wasserhebens konnte zu tieferem Schachtbergbau iibergegangen werden. Aus dies en Zeiten, d. h. vor der Verpflichtung zum Anfertigen von Grubenbildern, und auch von dem sog. wilden Bergbau in Notzeiten, liegen keine oder nur sehr unvollstandige Fachdaten iiber die Abbautatigleiten vor. Eine Entlassung aus der Bergaufsicht nach DurchfUhrung eines AbschluBbetriebsplans kann normalerweise nur erfolgen, wenn nicht mehr damit zu rechnen ist, dass kiinftig noch Gefahren fUr Leben und Gesundheit Dritter oder gemeinschadliche Einwirkungen auftreten. Nicht der Bergaufsicht unterliegen Betriebe, die vor Inkrafttreten des BBergG 1982 bereits endgiiltig eingestellt waren. Fiir die neuen Bundeslander gilt hier das Jahr 1990. Die von unterirdischen Abbauhohlraumen ausgehenden Gefahrdungen solcher Betriebe, die nicht dem Geltungsbereich des BBergG unterliegen, konnen auf Grund von Landergesetzen wieder in die Zustandigkeit der Bergamter zuriickfallen oder sie erfiillen die Merkmale von schadlichen Bodenveranderungen im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG, S. Abschn. 16.1). In bestimmten Fallen ist deshalb auch das Bodenschutzrecht anzuwenden (MUGGENBORG 2006). Die bei den Bergbehorden dokumentierten Unterlagen stehen im Bedarfsfall den Grundeigentiimern oder deren Beauftragten fiir grundstiickbezogene Auskiinfte hinsichtlich der Baugrundstabilitat und des Risikos kiinftiger Bergschaden zur VerfUgung und sind eine unverzichtbare Unterlage fUr eine Gefahrdungsabschatzung und Risikobewertung (KAISER 2002; ACHTZEHN et a1. 2002). Dariiber hinaus sind die Bergbehorden bei regionalen PlanungsmaBnahmen als Trager offentlicher Belange eingeschaltet und geben vorab eine Bewertung hinsichtlich Bergschadensgefahrdung abo Fiir die Untersuchung und Bewertung von Bergbaufolgen sind auBerdem verschiedene landerspezifische Rechtsvorschriften und Richtlinien des Baurechts, des Wasserrechts und ordnungsrechtliche Vorschriften zu beachten (s. DGGT-Empfehlung 2004). Beziiglich der berg-
16
454
16 Grundlagen fOr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Fliichenrecycling
rechtlichen Situation in Osterreich wird auf RANDJBAR & SCHUSCHA (2005) und BAUMGARTNER et al. (2009) verwiesen.
16.7.2 Gefahrdungsabschatzung und Risikobewertung Die bergbaulichen Auswirkungen auf die Gelandeoberflache werden bestimmt von der relativen Tiefenlage der Abbaue und den Festigkeitseigenschaften des umgebenden und iiberlagernden Gebirges, dem Abbauverfahren sowie der Art, GroBe und Form der Lagerstatte und der aufgefahrenen Hohlraume, einschliemieh deren Verbau. Bei den Abbauverfahren wird nach der Bauweise (stoBartig, frontartig, pfeilerartig, kammerartig, blockartig) und nach der Langzeitstandfestigkeit (Bruchbau, Versatzbau, Pfeileroder Festenbau) unterschieden.
1672.1 Erkundung me hoden Die Methoden zur Erkundung der Auswirkungen von Bergbauaktivitaten in bruchauslosenden Tiefenlagen hangen sehr von den zur VerfUgung stehenden Ausgangsdaten abo In erster Linie sind die Datenbanken der zustandigen Bergbehorde auszuwerten, insbesondere die Abbaukartenwerke (Grubenrisse) und Daten iiber die Abbauverfahren und den Zustand der aufgefahrenen Grubenraume, den Ausbau einzelner Strecken (abschnitte) sowie etwaige Versatz- oder VerwahrungsmaBnahmen. Hinzu kommen ggf. historische Recherchen in Archiven. Weitere Informationsquellen sind Luftbilder, historische Karten und Stadtplane, Firmenchroniken, Heimatliteratur und die Befragung von Zeitzeugen. Bei der Auswertung der Bergbauunterlagen ist die Kenntnis der Normen und Symbole fUr das bergmannische Risswerk (DIN 21 901 bis 21 921) zweckmaBig. Bei einem eingetretenen Ereignis stellt sich zunachst die Frage nach einer moglichen Zuordnung zu einem Bergbaugeschehen. 1st dies grundsatzlich gegeben, so ist der nachste Schritt ein Abgleieh des vorhandenen Datenmaterials iiber den Abbau auf seine Richtigkeit und eine Einpassung in die topografischen Karten bzw. Plane. Erschwerend wirkt sieh hier meist aus,
dass gerade der alte Bergbau auf Kohle iiberwiegend siedlungsnah stattgefunden hat, also in Gegenden, die seit vielen Jahren bebaut sind und das zur Orientierung dienende urspriingliche Wegenetz nieht mehr bekannt ist. AuBerdem miissen bisher aufgetretene Schadensereignisse sowie durchgefiihrte Sieherungs- und SanierungsmaBnahmen erfasst und eingemessen werden. Die weiteren Erkundungsschritte sind geophysikalische Feldmethoden gemaB Abschn. 4.3.2, Suchbohrungen, ggf. mit geophysikalischen Bohrlochmessungen (Lux & SCHEFFEL 2005 und Abschn. 4.8.3) bzw. bei Antreffen von Hohlraumen auch eine Befahrung mit Kamera- oder Messsonden (s. Abschn. 19.3.2) sowie Sondierungen zur Erkundung von Gebirgsauflockerung (Abschn. 4.4.6). Uber die Erkundung risslich nicht ausreichend dokumentierter Schachtstandorte mittels Geophysik (Geoelektrik, Geomagnetik, Georadar, Geothermie) berichten NESTLER & PREUSS (2009). Werden bei den Erkundungsarbeiten bisher nicht bekannte Grubenbaue oder sonstige Hohlraume erfasst, so sind diese der zustandigen Bergbehorde zu melden.
16.7.2.2 6 72 G Geotechnische 0 ech I che Absch Abschatzung t un sb chg fahrdun der Tagesbruchgefahrdung Bergbauaktivitaten konnen in Anlehnung an MEIER (2009, darin Lit.) und GRIGO et al. (2007) entsprechend der Tiefenlage der Abbaue und ihrer Auswirkungen auf die Tagesoberflache unterteilt werden in Tagesnaher Bergbau 0 - 20 m, im Steinkohlenbergbau des Ruhrgebiets 0-100 m und < 30 m Festgesteinsiiberlagerung - anhaltende Senkungs- und Tagesbruchgefahrdung Oberflachennaher Bergbau 20-60 m, bzw. wie oben bis 100 m und > 30 m Festgesteinsiiberlagerung - Senkungen hiiufig, geringere, aber ebenfalls anhaltende Tagesbruchwahrscheinlichkeit Tiefer Bergbau > 60 m, bzw. wie oben ab 100 m - nach Ende der Absenkungsphase nur geringe Einwirkungen auf die Tagesoberflache. AuBerdem sind die Auswirkungen auf die Tagesoberflache abhangig von der Art der Lagerstatte: Steilstehender Gangabbau (> 45°), Z. B. Erzund Spatbergbau
16.7 Bergbaufolgen
Steilstehender Floz- und Lagerabbau (> 45°), z. B. Steinkohle, Kupferschiefer Flachliegender Abbau (< 45°), z. B. Steinkohle, Braunkohle, Eisenerz, Natursteine. Durch die bergbaulichen Hohlraume wird der primare Spannungszustand im Gebirge verandert. Es bildet sich ein sekundarer Spannungszustand aus, mit einer spannungslosen Auflockerungszone iiber der Firste (s. Abschn. 17.5.2). Das AusmaG dieser Auflockerungszone ist abhangig von der Hohlraumbreite, der Standfestigkeit bzw. Nachbriichigkeit des Gebirges, dem Ausbau und der Zeit. Ein Grubenausbau hat nur die Funktion, die Sicherheit der Baue wahrend der Betriebsphase zu gewahrleisten. Dariiber hinaus kommt es infolge der Reduzierung der Tragwirkung im Laufe der Zeit zu einem schwerkraftbedingten Versagen der Hangendschichten und zu allmahlichen Deformationen bis plotzlichen Bruchvorgangen. Je nach der GroGe der bergbaulichen Hohlraume sowie der Machtigkeit, dem Trennflachengefiige und der Verbandsfestigkeit der Deckschichten bildet sich ein neues Traggewolbe aus oder die Deformationen bzw. der Bruchvorgang setzen sich zunachst bis zur Obergrenze Festgestein fort. Die weitere Entwicklung hangt ab von der Ausbildung und Machtigkeit der Deckschichten und dem Grundwassereinfluss. In halbfesten bis festen bindigen Deckschichten entwickelt sich haufig ein enger Verbruchschlot mit nahezu senkrechten Wandungen. In nichtbindigen Terrassensedimenten kommt es dagegen zu einer trichterfOrmigen Ausweitung des Verbruchhohlraums, der entweder relativ schnell zu Tage durchbricht oder von der oft lOssartigen obersten Deckschicht zunachst iiberbriickt wird, bis es dann zu einem Einbrechen auch dieser Deckschicht kommt (MAINZ et al. 2007). Die komplexen Vorgange im Gebirge machen eine Risikoabschatzung derartiger Deformationen bzw. Verbriiche auGerst schwer. 1m Allgemeinen fallen Tagesbriiche punktuell oder reihen sich entsprechend dem Grubenbild perlschnurartig auf. Haufig gehen dem Verbruchvorgang an der Tagesoberflache auch Vorabsenkungen und Eindellungen mit konzentrischen Rissbildungen voraus. Urn die Gefahr von Verbruchereignissen abschiitzen zu konnen, miissen folgende Angaben vorliegen:
455
Bisher eingetretene Bergschaden und ihr zeitlicher Ablauf, bzw. wann Messungen eingestellt worden sind Gebirgsbau, Art und Tiefenlage der Lagerstatte Festigkeitseigenschaften und Verbandsfestigkeit der umgebenden und iiberlagernden Schichten Raumstellung tektonischer Flachen und des Trennflachengefiiges, bes. von GroGkliiften Friihere und derzeitige Grundwasserverhaltnisse, Wasserhaltung und Wiederanstieg des Grundwassers. Die seitliche Abgrenzung des Gefahrdungsbereichs an der Gelandeoberflache, bei Schachten Schachtschutzzone genannt (GILLES & HOLLMANN 2005), hangt ab von der Tiefenlage der Grubenbaue, den Lagerungsverhaltnissen, der GroGe der Abbauhohlraume, dem Gebirgsbau bzw. dem Gebirgsverhalten und den Wasserverhaltnissen. Die Bemessung des Einwirkungsbereichs erfolgt im Allgemeinen nach dem in der Einwirkungsbereich-Bergverordnung von 1982 vorgegebenen Einflusswinkel von 50 gon (45°). Als Alternative zu dies em auf der sicheren Seite liegenden Wert werden in der Literatur auch Winkel von 75 gon (67,5°) bis 90 gon (81°), haufig 75°, diskutiert. 1m Tunnelbau wird fiir mitteltief liegende Tunnel ein Grenzwinkel von 45 + cp/2 angenommen, d. h. 60-65° (s. Abschn. 17.5.3). HEITFELD et al. (2005, 2006) und MAINZ et al. (2007) bringen bodenmechanische Bemessungsverfahren, deren Ergebnisse meist zwischen den oben genannten Werten liegen. Ein besonderes Problem bei der Bergschadensbewertung stellen Schiichte dar, die nicht nach der bergamtlichen "Richtlinie fiir das Verfiillen und Abdecken von Tagesschachten" verfiillt worden sind, sondern zu Zeiten, als eine Teil- oder Vollverfiillung mit Lockermassen als ausreichend erachtet worden ist (NEUMANN 2009). Solche Schachte konnen Einbriiche am Schachtausbau, an den Holzeinbauten oder auch Fehlstellen in der Fiillsaule aufweisen, bzw. sind nur oberhalb einer nicht auf Dauer standfesten Plombierung verfiillt und konnen nachsacken oder nachbrechen. An Fehlstellen in der Fiillsaule konnen sich auch seitliche Nachbriiche entwickeln. Hinzu kommt, dass das Gebirge in der unmittelbaren Schachtumgebung als Folge des
16
456
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Flachenrecycling
Schachtabteufens und der langen Standzeit mit teilweise unzureichender Sicherung immer eine gewisse Gebirgsauflockerung zeigt und damit in diesem Bereich eine abgeminderte Standfestigkeit und Tragfahigkeit aufweist. Diese Betrachtungen zeigen, dass bei Schachten, ja nach Versagensart, mit sehr unterschiedlichen Einflussbereichen gerechnet werden muss. Der Einsatz von Versatz verhindert nicht nur Verbruche, sondern reduziert je nach Lagerungsdichte und Anfangsfestigkeit auch ein Nachsacken des Deckgebirges und stabilisiert die Pfeiler. Eine solche Sicherung oder Verwahrung der Abbauhohlraume ist allerdings nur im Erzbergbau haufiger vorgenommen worden. VerwahrungsmaBnahmen mit Holzverbau weisen in lufterfiillten Grubenbauen und in der Luft-Wasser-Wechselzone keine Langzeitfestigkeit auf (MEIER 2006). Die Abschatzung der Tagesbruchgefahrdung erfolgt empirisch oder mit Hilfe von Modellrechnungen. Die empirischen Verfahren beruhen auf der statistischen Auswertung bereits eingetretener Tagesbruche unter Berucksichtigung der geologischen und tektonischen Situation. Die rechnerische Abschatzung erfolgt nach folgenden Modellen: Maximalwertverfahren (Hullkurvenverfahren) Hohlraum-Bruchmassen-Bilanz (HBB-Methode) Numerische Verfahren. Bei Vorliegen von Grubenrissen und sonstigen Abbaudaten, aber keinen Angaben uber den Zustand der Grubenbaue wird haufig das mehr oder weniger empirische Maximalwertverfahren angewendet (HOLLMANN & MUHLENBECK 2004). Die damit ermittelten Grenztiefen und Durchmesser der Bruchverformungen ergeben Anhaltspunkte uber die ortliche Gefahrdungssituation. Das Hohlraum-Bruchmassen-Modell basiert auf einer Bewertung der Hohlraum/Deckgebirgsverhaltnisse (MEIER 1978; MEIER & MEIER 2007). Bei dem Verbruch eines Hohlraums kommt es zu einer deutlichen Volumenzunahme der mehr oder weniger losen Bruchmassen gegenuber der ursprunglichen Gebirgskubatur. Der Auflockerungsfaktor betragt je nach Gestein 30 bis 50% (Tab. 12.1). Wenn die Bruchmassen nicht in tiefere Abbaubereiche abwandern kon-
nen oder durch flieBendes Wasser abtransportiert werden, fiillen sie zunachst unter einem bestimmten Schuttwinkel den verbrochenen Hohlraum und danach den sich entwickelnden Nachbruchhohlraum daruber weitgehend auf. Bei geringer Deckgebirgsmachtigkeit kann sich dabei ein Hohlraum in Abhangigkeit yom Trennflachengefiige schlotartig bis zur Gelandeoberflache hocharbeiten und es entsteht ein Tagesbruch. Ab einer bestimmten Grenzmiichtigkeit des Deckgebirges wird sich der aufsteigende Nachbruchhohlraum aufgrund des Auflockerungsfaktors der Bruchmassen totlaufen. Ais maBgebende Deckgebirgsmachtigkeit wird dabei meist nur der Bereich des Festgesteins gewertet, nicht die Verwitterungszone und die Deckschichten. Bei den numerischen Berechnungsmethoden werden der Hohlraum und der betroffene Deckgebirgsbereich in kleine Volumeneinheiten unterteilt, denen entsprechende Eigenschaften (Kennwerte) zugeordnet werden. Diese Materialeigenschaften hangen ab yom Modelltyp, dem wiederum ein Stoffgesetz zugrunde liegt, das ausdruckt, wie das Gebirge auf Belastungen reagiert. Die gegenseitigen Wechselwirkungen werden nach der Finite-Differenz-Methode ermittelt und ergeben durch Variation der Kennwerte eine Annaherung an den Versagensfall (s. Abschn. 17.5.5.2). AuBer den geometrischen Daten uber die Abbausituation und die Gebirgsverhaltnisse sind in der Regel folgende Parameter anzugeben: Wichte des Gebirges Elastizitatsmodul Gebirgsscherfestigkeit (cp, c) Poissonzahl oder Querdehnzahl Druck- und Zugfestigkeit. Die Ergebnisse derartiger Berechnungen werden maBgeblich von der primaren Hohlraumgeometrie, den Gebirgseigenschaften und seiner Machtigkeit sowie auch der Grundwassersituation bestimmt. Damit sind die Eingangsdaten weitgehend unbestimmt und mussen in den meisten Fallen uber Schatzwerte abgedeckt werden, weshalb es sich bei derartigen Berechnungsergebnissen immer nur urn naherungsweise Abschatzungen handeln kann, die mit groBeren Unsicherheiten behaftet sind.
457
16.7 Bergba ufolgen
16.7.2.3 Risikoanalyse und Bewertung e: 1m Rahmen der geotechnischen Bewertung eines Gebietes werden zunachst die moglichen Einflussbereiche von Bergbauaktivitaten festgelegt. Die nachsten Schritte fiir eine Risikoanalyse sind: Spezifizierung moglicher Schadensereignisse Abschatzen der Eintrittswahrscheinlichkeit Ermittlung des moglichen SchadensausmaBes. Die Festlegung und Bewertung dieser Einflussfaktoren kann nur sehr allgemein ausgedriickt werden. Fiir die Eintrittswahrscheinlichkeit werden Begriffe wie praktisch nicht moglich, wenig wahrscheinlich, wahrscheinlich und sehr wahrscheinlich verwendet. Das SchadensausmaB wird nach den moglichen Auswirkungen (Tagesbruch, Senkungen, Schiefstellung) und der Flachennutzung bzw. der Bedeutung und Empfindlichkeit der Bebauung sowie der Gefahrdung von Personen festgelegt. In der ersten Risikobewertung geht das mogliche SchadensausmaB zunachst auch nur mit Begriffen wie unbedeutend, klein, hoch oder sehr hoch ein. Die Wertung der einzelnen Einflussfaktoren muss dabei nachvollziehbar sein. Ein Risiko ist definiert als Produkt von Eintrittswahrscheinlichkeit und dem moglichen SchadensausmaB (s. Abschn. 17.2.2). Die Festlegung der Risikoklasse erfolgt dann nach Abb. 16.8. Die Felder unterhalb der Linie "Grenzrisiko" bedeuten Risikoklasse IV, kein Handlungsbedarf. Es verbleibt nur das nicht ausschaltbare Restrisiko. Die Felder oberhalb dieser Linie zeigen die Risikoklassen III bis I der DGGT-Empfehlung (2004). Die abschlieBende Bewertung
dieser Klassen erfolgt danach, wo und wann (mittel- oder langfristig) mit einem Schadensereignis zu rechnen ist und welche MaBnahmen ggf. ergriffen werden konnen, urn die Eintrittswahrscheinlichkeit oder das SchadensausmaB soweit abzusenken, dass die Klasse IV erreicht wird (s. a. Abschn. 19.3.1). Die einzelnen Faktoren einer solchen Risikoanalyse sind weitgehend zeitabhangig und konnen sich im Laufe der Jahre andern. Diese Tatsache kommt bei der Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeit und auch im SchadensausmaB meist nicht geniigend zum Ausdruck. In solchen Fallen muss auf die Notwendigkeit einer standigen Beobachtung bzw. auf entsprechende Folgeuntersuchungen hingewiesen werden.
16.7.3 Tagesnaher und oberflachennaher Bergbau Tagesnaher und oberflachennaher Bergbau stellen praktisch immer eine latente Gefahrdung dar. Durch den Abbau wird der Spannungszustand im Gebirge verandert (Abschn. 17.5.2). Aufgrund der Topographie und der durch die Trennflachen bedingten Anisotrophie des Gebirges treten im tagesnahen Bergbau haufig Spannungszustande mit einem Horizontalspannungsiiberschuss auf (s. Abschn. 2.6.9), die zusammen mit den abgeminderten Festigkeitseigenschaften des den Hohlraum umgebenden Gebirges Absenkungen und Bruchvorgange begiinstigen (s. WAGNER WAGNER 2006). Bei relativer Nahe der Tagesoberflache und entsprechend geringer Gebirgsfestigkeit rei-
m
~
sehr wahrscheinlich
IV
III
II
I
a '"$! '"
wahrscheinlich
IV
IV
III
II
wenig wahrscheinlich
IV
IV
IV
III
praktisch unmoglich
IV
IV
IV
IV
unbedeutend
klein
hoch
sehr hoch
~
Cil (") ~
~ c:;. ~
"~
SchadensausmaB Abb. 16.8 Matrix fOr die Festlegung des Risikos (nach MEIER et al. 2004). RG = Grenzrisiko
RG
16
458
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Fliichenrecycling
chen die raumliche Entwicklung der Gebirgsentspannung und ihre Auswirkungen bis an die Gelandeoberflache und es ist zeitnah mit einem Tagesbruch zu rechnen. Die Senkungs- und Verbruchanfalligkeit des oberflachennahen Bergbaus ergibt sich aus dem Verhaltnis der Gr06e bzw. der Spannweite der Abbaue zur Tiefe und der Gebirgsfestigkeit. Hohe Gebirgsfestigkeiten weisen in der Regel dickbankige Schichtgesteine und fast aile magmatischen Gesteine auf. Relativ stabil sind demnach Abbauhohlraume von Erzlagerstatten sowie Untertageabbauhohlraume von Kalkstein, Gips und Schiefer. Zu den Gebirgsarten geringer Festigkeit zahlen wenig verfestigte Lockergesteine, diinnbankige Gesteine sowie insgesamt stark gekliiftete oder starker angewitterte Gesteinsarten. Das Standardbeispiel tages- oder oberflachennahen Bergbaus mit Deckgebirge geringer Festigkeit ist der ehemalige Braunkohlentietbau. Der Abbau erfolgte meist im Pfeilerbruchbau unter Wasserhaltung. Zur Stiitzung des Hangenden lie6 man zunachst Kohlepfeiler stehen, die aber nachtraglich meist gewonnen wurden. Das Deckgebirge verstiirzte dabei, was zu einer Auflockerung der in der Regel aus Tonen, Feinsanden und den quartaren, oft lOssartigen Ablagerungen bestehenden Deckschichten fiihrte. Die tonigen Schichtglieder reagieren weitgehend plastisch, d. h. mit Kriechverformungen unter Beteiligung von vorgegebenen Trenn- und Gleitflachen. Die typischen Auswirkungen sind Bruchverformungen im abbaunahen Bereich und dariiber flachige Senkungen. Die Hohlraume kriechen mehr oder weniger kontinuierlich zu. Die Verformungen im Gelande setzen je nach Tiefe und Abmessungen der Abbaue in der Regel bereits nach wenigen Monaten ein und sind nach einigen Jahren weitgehend abgeschlossen. Der Absenkfaktor liegt meist bei etwa 90%. 1m Laufe der Jahre erfolgt eine gewisse Konsolidierung des Bruchgebirges. Mit spaten Tagesbriichen ist bevorzugt in Bereichen verbauter Streckenabschnitte und in der Umgebung von Schachten zu rechnen. Eine Sonderform von Tagesbriichen iiber derartigen Bruch- und Senkungsfeldern des oberflachennahen Bergbaus sind Erdfalle durch Losssubrosion (Abschn. 19.2.4), ausgelost durch neu entstandene wasserwegsame Bruchflachen im Deckgebirge als Folge der abbaubedingten Verformungen.
Zu den Bergbauaktivitaten in Gebirgen mit geringer Festigkeit zahlen auch fast aile tagesund oberfliichennahen Kohlelagerstiitten des Altbergbaus. Dieser konzentrierte sich auf die ausstrichnahen Bereiche von Kohleflozen und auf oberflachennahe Sattelstrukturen. In Oberflachennahe ist zwar der Gebirgsdruck gering, es ist aber immer mit einer gewissen Entfestigung des Gebirges zu rechnen. In Sattelstrukturen kommt dazu noch eine mechanisch bedingte Gebirgsauflockerung, die Verbriiche begiinstigt (s. Abschn. 17.5.1). Die gr06te Verbreitung von tages- und oberflachennahen Altbergbau findet sich im siidostlichen Randbereich des Ruhrreviers, im Bereich der Stadte Miihlheim, Essen, Bochum, Dortmund, Hattingen und Witten. Die Einwirkungen auf die Tagesoberflache sind unterschiedlich. Bei geringer Machtigkeit der iiberlagernden Schichten oder ungiinstigen Ausstrich der Floze bzw. Lager konnen sich die Abbauhohlraume auch mehr oder weniger direkt bis zu Tage durchpausen. Au6er flachen Senkungsmulden im Dezimeterbereich ist, ohne zeitliche Begrenzung, mit Tagesbriichen zu rechnen. Eine besondere Tagesbruchgefahr geht auch von nicht vorschriftsmamg gesicherten Schachten und anderen TagesOffnungen aus. Ein vollig anderes Gebirgs- und Verformungsverhalten zeigt oberflachennaher Bergbau in Festgesteinen hoher Gebirgsfestigkeit. Bei besserer Standfestigkeit des Deckgebirges treten weniger flachige Ansenkungen auf, sondern bevorzugt Tagesbriiche unterschiedlicher Gr06enordnung, deren Gefahrdungspotential iiber einen fast unbegrenzten Zeitraum anhalt. 1m oberflachennahen Erzbergbau handelt es sich meist urn mehr oder weniger steilstehende Gangsysteme, die als unregelmamge Vererzungszonen das Gebirge durchziehen und an Querstorungen zerblockt sind. Sowohl die Gangfiillungen als auch das Nebengestein sind in der Regel recht standfest. Bei Verbruch der in den Anfangen tagesnahen Abbaue entstehen Pingen, deren Pingenziige den Gangausbiss verfolgen lassen. Mit den Wasserhaltungsma6nahmen (z. T. Wasserlosestoilen, ROSSEL & DRESSLER 2005) war eine Erschlie6ung der Lagerstatten in groBeren Tiefen moglich und man ist hinsichtlich des Verlaufs der Gangsysteme auf Grubenbilder bzw. auf eine lagerstattenkundliche Einschatzung abgewiesen. Die Streckenabbaue wurden
16.7 Bergbaufolgen
zur Sicherung des laufenden Betriebs teilweise versetzt. Grubenbaue mit lagestabilem Versatz gelten als tagesbruchsicher. Sand, Bergemassen und Recyclingmaterial sind dies nur, wenn ein Abwandern in angrenzende offene Grubenbaue auszuschlie6en ist. Resthohlraume konnen, ausgehend von vorhandenen Schwachezonen des Gebirges und verstarkt durch au6ere Einfliisse, im Laufe der Zeit zu Bruch gehen. Die Tagesbriiche stehen bei tagesnahem Abbau haufig in Zusammenhang mit den alten Pingen(ziigen). Mit zunehmender Tiefe der Abbaue nimmt die Tagesbruchgefahr ab und ist ab etwa 50 m nur noch sehr gering. Bei ± sohliger Lagerung und flachigem Abbau werden haufig pfeiler- oder kammerartige Abbauverfahren ohne oder mit Versatz angewendet. Derartige Baufelder stehen je nach Bemessung der Pfeiler haufig iiber viele Jahre offen (WAGNER et a1. 2006). Kritische Situationen entstehen, wenn sich iiber den Abbauen mittelfristig kein standsicheres Traggewolbe ausbilden kann bzw. wenn die Festigkeit einzelner Pfeiler mit der Zeit iiberschritten wird. Die weitere Entwicklung der Verbruchvorgange hangt vom Systemverhalten des Deckgebirges abo Tagesnahe Abbaufelder neigen zu einem plotzlichen Versagen und der friihzeitigen Entwicklung von Tagesbruchen. Bei Oberlastung einzelner Pfeiler kann es auch zu progressiven Versagen und zu gro6flachigen Verbruchen kommen. Entscheidende Kriterien sind in beiden Fallen die Lagerungsverhaltnisse, das Abbauverfahren, d. h. die Dimensionierung der pfeiler, und das Gebirgsverhalten. Derartige Verbruchereignisse sind z. B. von (meist aufgelassenen) Kalkstein- und Gipsgruben bekannt. FRIEDRICH et a1. (2006) berichten von einem ehemaligen Kammer-Pfeiler-Gipsabbau, iiber dem nach Stilllegung der Grube in wenigen Jahren sechs Einbriiche mit Abmessungen bis 10 m und ein gro6flachiger Tagesbruch von 50 x 34 x 5 m aufgetreten sind. Die kleineren, schlotartigen Einbriiche korrelieren gut mit den aufgefahrenen Kammern mit 7 m Spannweite, uber denen die stark zerkliifteten und teilweise entfestigten Kalkmergelsteine kein sicheres Traggewolbe ausbilden konnten. Unter dem gro6flachigen Einbruch ist es offenbar zu einem Versagen unzureichend dimensionierter Pfeiler gekommen. Die Tiefe dieses Tagesbruchs von 5 m entspricht etwa der AbbauhOhe, d. h. der Absenk-
459
faktor betragt auch hier 90 bis 95%. Bei Gipsgrub en kommen als zusatzlicher Faktor fur eine Schwachung des Deckgebirges Auslaugungserscheinungen gema6 Abschn. 19.2.2 hinzu. ROGALL & BROMEN (2009) berichten auch iiber die Tagesbruchgefahrdung und Sicherungsma6nahmen iiber gro6flachigen unterirdischen Basaltabbaukammern in der Eifel und MEIER et a1. (2005) iiber die Erkundung und Verwahrung von tagesnahen Kalksteinabbaufeldern unter Wohnbebauung.
16.7.4 Tiefer 8ergbau Bei Bergbauaktivitaten in gro6eren Tiefen und hOherer Systemsteifigkeit des Hangendgebirges sollten an der Erdoberflache keine Tagesbriiche auftreten. Generell geht man davon aus, dass ab Abbautiefen von 80-100 m keine unsteten Reaktionen bis zur Tagesoberflache durchschlagen. Bei flachigen Bruchbaufeldern ist allerdings mit entsprechenden Senkungsmulden mit z. T. erheblichen Absenkbetragen und Zerrungszonen bzw. Schiefstellungen in den Flankenbereichen oder an Abbaugrenzen bzw. tektonischen Grenzflachen zu rechnen. Die Zusammenhange, welche diese Senkungen bewirken, lassen sich nach der Literatur wie folgt zusammenfassen: Ober den Abbauhohlraumen bildet sich eine Bruchzone zerriitteten Gebirges. Ihre Hohe (B) ist abhangig von den Abmessungen des Abbauhohlraumes, vor allem der Hohe (M) und den Festigkeitseigenschaften des Gebirges, die nach SROKA & PREUSSE (2009) durch den empirischen Faktor A = 2 bis 4 beriicksichtigt werden (B = A . M). Die aufgelockerte Bruchzone, die in der Regel einen Auflockerungsfaktor von 10% des abgebauten Volumens aufweist, wird durch die Last des Deckgebirges wieder kompaktiert, wodurch sich eine Absenkung der Hangendschichten entwickelt, die sich bis zur Tagesoberflache durchpaust. Die Auswirkungen tie fer Abbaue laufen ebenfalls relativ zeitnah abo Sie gelten allgemein nach einem Zeitraum von etwa 5 Jahren nach Ende der Abbautatigkeit als abgeschlossen. Diese abbauinduzierten Bodenbewegungen werden in den meisten Fallen iiberlagert von einem durch die Grundwasserabsenkung bedingten Anteil der Gelandesenkungen (s. Abschn. 6.2.2). Fur einen sicheren Betrieb der bis > 1000 m
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460
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten, Flachenrecycling
tief liegenden Forderstrecken war eine betriebsinterne Grubenwasserhaltung iiber die Forderschachte notwendig, die im Ruhrrevier ab 2000 durch eine zentrale Wasserhaltung auch der Bereiche, in denen der Abbau bereits eingestellt war, erganzt wurde. Damit wurde ein Uberlaufen von Wasser in die aktiven Bergbaubetriebe verhindert. Nur der Altbergbaubereich im Siidteil des Reviers liegt teilweise auBerhalb des Einflussbereiches der zentralen Wasserhaltung (GRIGO et a1. 2007). Als Folge dieser groBflachigen Wasserhaltung ist der Grundwasserspiegel in weiten Gebieten stetig abgesunken, wobei trotz ortlicher Differenzen im Zehnermeterbereich von einer insgesamt groBflachigen Absenkwirkung auszugehen ist. Die Folgen dieser beiden auslosenden Faktoren, namlich groBflachige Bruchbaufelder und Grundwasserabsenkung, waren entsprechende Gelandesenkungen von mehreren Metern, die haufig zu Schaden an der 1nfrastruktur und der Bebauung gefiihrt haben. Die natiirlichen Vorflutverhaltnisse wurden massiv gestort. 1m Emschergebiet musste das Gewassersystem umstrukturiert und am Niederrhein die Damme erhoht werden, urn den Hochwasserschutz zu gewahrleisten. Derzeit und auch kiinftig sind umfassende EntwasserungsmaBnahmen erforderlich, urn auf Flachen, die tiefer ais die Vorfluter liegen, Vernassungen und Dberflutungen zu verhindern.
16.7.5 Auswirkungen des Grubenwasseranstiegs Die Bergbautatigkeiten bewirken nachhaltige Veranderungen der Grundwasserverhaltnisse im Gebirge. Durch das Auffahren der Hohlraume und den entsprechenden Reaktionen des Gebirges wird die Gebirgsdurchlassigkeit massiv verandert. Ehemals geschlossene KIiifte werden hydraulisch wirksam und es kann zu hydraulischen Verbindungen zwischen verschiedenen Grundwasserstockwerken kommen. Wenn mit Stilllegung des Bergbaubetriebs die Wasserhaltung eingestellt wird, kommt es zu einem langfristigen Wiederanstieg des Grundwassers, der, wie auch die vorangegangene betriebsbedingte Grundwasserabsenkung, Bereiche erfassen kann, die selbst nicht direkt yom Bergbau in Anspruch genommen worden sind. Der
Wiederanstieg des Gruben- bzw. Grundwassers hangtabvon dem flutbaren Resthohlraumvolumen und dessen Verteilung, dem Wasserleitvermogen bzw. dem Grubenwasserstrom in den Strecken und Abbauen, dem Poren- bzw. Kluftvolumen und def Gebirgsdurchlassigkeit des liegenden, umgebenden und iiberlagernden Gebirges, unter Beachtung der Auflockerungsbereiche bzw. von Stauhorizonten und Stockwerksbildung, Zufliissen iiber tektonischen Storungssystemen, sowohl aus dem Liegenden als auch dem Hangenden. Die Anstiegsgeschwindigkeit des Grundwassers wahrend def Flutung hangt ab von den jeweiligen Zuflussraten, die einige Zehnerkubikmeter pro Minute bis wenige m 3/min betragen konnen. Die AnstiegsmaBe betragen im Festgestein haufig viele Zehnermeter im Jahr und gehen im Bereich der Deckschichten z. T. auf wenige Meter im Jahr zuriick. Bei einem Zufluss aus tieferen Schichten baut sich mit ansteigendem Wasserspiegel ein Gegendruck auf, der allein einen Riickgang der Zulaufmenge bewirkt. Die mit dem Ende der Wasserhaltung und der Flutung der Grubengebaude auftretenden ProbIerne konnen sehr vielgestaltig sein. Zunachst ist eine veranderte chemische Beschaffenheit des Flutungswassers zu beachten. Tiefenwasser aus tektonischen Storungszonen kann aufgesaizen sein oder Kohiensaure enthalten. Ein Tiefenzulauf kann auBerdem zu einer Durchspiilung der Grubenbaue fiihren, unter Mitnahme von Schadstoffen aus dem Grubengebaude. Durch die vorausgegangene Absenkung des Grundwassers und die Beliiftung ist das Gestein auBerdem einem sauerstoffhaltigen Milieu ausgesetzt gewesen, mit entsprechenden geochemischen Prozessen, wie z. B. Pyritoxidation. Das Flutungswasser weist deshalb haufig erhOhte Werte an CaS0 4• MgS04 und FeS0 4 oder auch veranderte pH-Werte auf (ECKART et a1. 2006; HEITFELD et a1. 2007). Bei starkerem Wasserzulauf aus dem Hangenden kann es auch zu einer Schichtung des Flutungswassers kommen. Gellindehebungen als Folge von flutungsbedingten Gruben- bzw. Grundwasserwiederanstieg sind seit langem bekannt (Lit. s. SROKA 2005 und SROKA & PREUSSE 2006). Die Ursache sind
461
16.7 8ergbaufolgen
die mit dem Wiederanstieg des Grundwassers wieder einsetzenden Auftriebskrafte und die damit verbundene Verringerung der Normalspannungen (Abschn. 6.2.2). Die riickiaufigen Hebungen sind im Vergleich zu den vorangegangenen Senkungen sehr gering. Sie liegen in der GroBenordnung von < 10% der vorherigen Senkungen, haufig sogar bei < 5%. Schaden an der Infrastruktur und an Gebauden sind bei diesen GroBenordnungen nicht zu erwarten, ausgenommen die im Jahr 2000 im Erkelenzer Revier erstmals beobachteten Schadensfalle. Die hier aufgetretenen schadensverursachenden Differenzbewegungen auf engstem Raum (Abb. 16.9) sind an Unstetigkeiten im Verlauf tektonischer Storungszonen gebunden, hier dem sog. Rurrand-Sprung und einigen Begleitstorungen (HEITFELD et al. 2004; BAGLIKOW 2006; SROKA & PREUSSE 2009). Kartendarstellungen von den weitflachigen Hebungen der Jahre 1997-2003 zeigen ein differenziertes Zeit -Hebungs-Verhalten mit abnehmender Tendenz, dessen Schwerpunkte aber nicht mit den in den Jahren 1953-1997 vorausgegangenen Senkungen iibereinstimmen. Die Hebungen gehen auch randlich iiber die friiheren Abbauflachen hinaus. Ein erhOhtes Tagesbruchrisiko ist nur bei Einstau nicht dauerstandsicher verfullter Schachte und im Bereich oberflachennahen Altbergbaus gegeben. Uber eine Schadensersatzpflicht bei
3 T
4
5
Mai 01
Nov 01
Mai 01
Jun 02
Mai 01
•
Nov 01 h [mm)
Jun 02 h [mm)
Jun 02 r h [mm)
Nov 02 h [mm]
Nov 02 r h [mm)
1 2 3 4 5 6 7 8 9
0 - 1 +16 +18 +17 +17 +17 +17 +16
0 + 1 +18 +18 +18 +19 +19 +19 +17 (-1 )
0 0 +34 +36 +36 +36 +36 +36 +33 neu
0 0 +8 +9 +9 +9 +9 +8 +8
0 0 +42 +45 +45 +45 +45 +44 +41 fortgef.
-
\
Pkt.
6
Verwerfung
8
Bergschaden infolge Wiederanstieg des Grundwassers berichten FRENZ (2006), LENZ (2006), REINHARDT (2006) und TERWIESCHE (2005, 2006). Infolge der vorangegangenen Gelandesenkungen urn Meterbetrage kann ein Wiederanstieg des Grundwassers bis in das Vorflutniveau zu einer Vernassung gro6erer Flachen, zu Wassereintritten in Kellerraume und ggf. zu einer Flutung von Deponien oder Altlasten fuhren. Die Wasserspiegel im Flutungsbereich mussen so niedrig gehalten werden, dass keine Gefahr fur betroffene Flachen und Anlagen besteht. Eine andere Gefahr ist das Eindringen von Flutungswasser in benachbarte Trinkwasseraquifere oder Mineralwasserbrunnen bzw. verstarkte Methangasaustritte (Abschn. 16.7.6). Fur die rechnerische Behandlung von Grubenflutungen stehen heute eine Reihe analytischer und numerischer Modelle zur Verfiigung (FISCHER & WILD HAGEN 2006; ECKART et al. 2005, 2006, darin Lit.). Zum Grnndwassermanagement von Grubenflutungen gehort auch immer ein Beweissicherungsprogramm zur Beherrschung und Uberwachung der moglichen Auswirkungen des Gruben- und Grundwasseranstiegs auf den Grundwasserchemismus, auf genutzte Grundwasserleiter, auf die Tagesoberflache sowie ggf. auch auf benachbarte aktive Baufelder (HEITFELD et al. 2007).
•
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Abb. 16.9 Extrem engriiumige Differenzbewegungen uber einer tektonischen Struktur infolge Grundwasser-Wiederanstieg ( aus 8AGLIKOW 2006).
16
462
16 Grundlagen fUr die Bewertung von Deponie- und Altlastenstandorten. Flachenrecycling
16.7.6 Methangasaustritte AuBer der landesweit nur geringen Gefahr von Methangasaustritten aus gasabspaltenden Muttergesteinen (s. Abschn. 4.3.3) kommt es in den Steinkohlenregionen haufig zu mehr oder weniger starken Methangasaustritten. Ftir NordrheinWestfalen liegt eine Methangasverbreitungskarte vor (STRAUSS 2008). Das Methan stammt zum groBten Teil aus den Steinkohleflozen. Es ist wahrend der Inkohlung in groBen Mengen abgespaltet worden. Das meiste Gas ist aber im Laufe der Erdgeschichte bereits tiber das Deckgebirge in die Atmosphare entwichen. Von den Restmengen findet in den unverritzten Kohleflozen fast keine weitere Freisetzung statt. Erst durch die Gebirgsentspannung infolge der Abbauaktivitaten wird das in der Kohle und auch im umgebenden Gestein gespeicherte restliche Methan freigesetzt und entweicht tiber das gestorte Gebirge zur Tagesoberflache. Die Art der Methangasemmissionen (flachig. punktuell. linienhaft) wird von der Ausbildung der Deckschichten. dem Grundwasserstand und den tektonischen Strukturen bestimmt (OPAHLE 2005; HEITFELD et a1. 2007). Die Austritte sind teilweise auch an Vegetationsschaden erkennbar. Methan (CH 4 ) ist ein geruch- und farbloses, ungiftiges Gas, das mit einer Dichte von 0,717 kg/m3 leichter ist als Luft. Methan und auch andere Kohlenwasserstoffe sind in bestimmten Mischungsverhaltnissen mit Luft explosiv. Bei Methan liegt die untere Explosionsgrenze (UEG) je nach Literaturzitat bei 4,4 bis 5 Vo1.-% und die obere Explosionsgrenze (OEG) bei 14 bis 16,5 Vo1.-%. Bei hoheren Methananteilen ist das Methan -Luft -Gemisch brennbar. Methangasaustritte stellen ein Gefahrenpotenzial fUr die Bebauung dar und erfordern ggf. SicherungsmaBnahmen in Form von Gasdransystemen an Gebauden und Gasbarrieren in Leitungstrassen (NOTACKER et a1. 2005; STRAUSS 2007). Methan kann sich unter Deckschichten in besser durchlassigen Bereichen sammeln und bei
engraumigen Ausschachtungen zu Gefahrensituationen fUhren (Verpuffungsgefahr). Methangas kann auch in handelstibliche Kunststoffrohre diffundieren und sich mit dem Leitungsinhalt vermischen, was gewisse Gefahrensituationen herbeifUhren kann. Beim Abbau von Steinkohle werden in den umgebenden Flozbereichen groBe Mengen Methan frei, die sich nach Einstellen der Bewetterung in den Grubenbauen ansammeln. Dieser Prozess halt je nach GroBe des Restgasinhalts tiber Jahre bis Jahrzehnte an. Bei Wiederanstieg des Grubenwassers ist deshalb mit verstarktem Methanzustrom im Deckgebirge zu rechnen (Abschn. 16.7.5). Durch den Anstieg des Wassers wird das in den abgeworfenen Abbauhohlraumen angesammelte Methangas verdrangt. Der Gasdruck steigt an, was sich auch auf den Gasanstieg bis zur Tagesoberflache auswirkt. Sobald der Wasserdruck hoher wird als der Restgasdruck im Gebirge, geht die Entgasung deutlich zurtick. Urn das Risiko von Methangasaustritten im Gelande zu verringern und den hohen Energiegehalt von Methan zu nutzen. werden heute groBe Mengen Grubengas mit Methangehalten bis zu 90% aus aktiven oder stillgelegten Bergwerken tiber alte Schachte oder Bohrungen abgesaugt und energetisch genutzt (OPAHLE 2005; PREUSSE et a1. 2006; OPAHLE & HEGEMANN 2006). Methan ist auch Hauptbestandteil geogener Bodengase (Abschn. 4.3.3) und von Deponiegasen. Deponiegas und auch Ausgasungen anderer Kontaminationen konnen nicht nur unmittelbar am Standort auftreten. sondern tiber nattirliche Pfade (abgedeckte durchlassige Schichten. Kluftzonen) oder Leitungsgraben mehrere hundert Meter entfernt austreten oder in Gebaude eindringen. Diese GeHihrdung wird allgemein unterschatzt. So wanderte 1995 in Belgien das Gas aus einer Deponie mehr als einen Kilometer weit durch den sandigen Untergrund in die Keller einer Siedlung. In England zustorte 1985 eine Deponiegasexplosion ein Wohnhaus in der Nahe einer Deponie.
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un elbau
Der Tunnelbau ist ein komplexes Aufgabengebiet, in dem nicht nur in der Erkundungsphase, sondern auch wahrend der Vortriebsarbeiten zahlreiche spezielle ingenieurgeologische Fragestellungen auftreten. Ihre Bearbeitung setzt gewisse Kenntnisse in den Verfahrenstechniken voraus, urn die Wechselwirkungen zwischen dem Bauverfahren und dem Verhalten des Gebirges vorab abschatzen bzw. wahrend des Vortriebs bewerten zu konnen.
17.1 Grundbergriffe des Tunnelbaus Das Gebirge ist beim Tunnelbau nicht nur Baugrund, sondern zugleich Baustoff, mittragendes Element (Widerstand) und gleichzeitig Belastung (Einwirkung). Diese "Mehrfachfunktion" birgt zwangslaufig ein hoheres technisches und wirtschaftliches Risikopotenzial, als wir es sonst kennen. Dabei ist der "Baustoff Gebirge" in der Regel zunachst unveranderbar vorgegeben und liegt nie ungestort vor, sondern ist bereits immer mehr oder weniger stark bis iiber die Bruchgrenze hinaus tektonisch und z. T. auch anderweitig beansprucht worden. Deshalb miissen schon in der Erkundungsphase die moglichen Gefahrdungen durch geologisch bedingte Schwachstellen (Tektonik, hydrothermale oder verwitterungsbedingte Entfestigungen, Verkarstung, Hangbewegungen) und ungiinstige Wasserverhaltnisse so genau wie moglich erfasst werden. Die Entwurfsbearbeitung eines Tunnelbauwerks besteht heute aus einer griindlichen ingenieurgelogisch-geotechnischen Erkundung mit entsprechender Bewertung der Gebirgs- und Grundwasserverhaltnisse sowie einem realitatsH. Prinz et al., Ingenieurgeologie © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
nahen felsmechanischen Modell und darauf aufbauenden Standsicherheitsnachweisen. Bei der Bauausfiihrung erfolgt dann eine baubegleitende Kontrolle der Annahmen aus der Erkundung und eine Dberpriifung der Berechnungsergebnisse (Standsicherheit und Verformungsverhalten). Nachfolgend werden im Wesentlichen Aufgabenstellungen des Tunnelbaus in Halbfest- und Festgesteinen der Mittelgebirge behandelt. Der innerstadtische Tunnelbau in Lockergesteinen und der Hochgebirgstunnelbau, der sich in vielen Dimensionen deutlich unterscheidet (s. Tab. 17.1), konnen nur kurz angesprochen werden. Die wichtigsten Begriffe fUr den Tunnelvortrieb sind aus Abb. 17.1 ersichtlich. Bei maschinellen Vortrieben werden Kreisquerschnitte aufgefahren, bei konventionellen (bergmannischen) Vortrieben sog. Maulprofile und bei offener Bauweise Stahlbetonrahmen und z. T. auch Gewolbequerschnitte. Kreisquerschnittahnliche Formen werden bei konventionellen Vortrieben nur geplant, wenn diese statisch erforderlich sind, wie z. B. bei hohem Wasserdruck oder in quellfahigem Gebirge zur Aufnahme des Quelldrucks. Die Querschnittsabmessungen sind aus Abb. 17.2
Tabelle 17.1 Einteilung der Hohlraumbauten nach der Oberlagerungshohe hinsichtlich ingenieurgeologischer Prognose und Gebirgsverhalten. Hochgebirgsverhiiltnisse
Mittelgebirgsverhaltnisse
Seicht liegende Tunnel Oberlagerung bis 300 m
Seicht liegende Tunnel Oberlagerung < 30 m
(2D) Mitteltief liegende Tunnel Oberlagerung 300 bis 1000 m
Mitteltief liegende Tunnel Oberlagerung 30 bis 60 m (40)
Tief liegende Tunnel Oberlagerung> 1000 m
Tief liegende Tunnel Oberlagerung > 60 m
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17 Tunnelbau
17
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STROSSE
besonderem MaBe ein kontinuierlicher interaktiver Prozess, bei dem standig Anpassungen und Optimierungen an die dazugewonnenen Erkenntnisse tiber den Gebirgsbau und die Wasserfiihrung des Gebirges vorzunehmen sind. Dies erfordert nicht nur eine interdisziplinare, reibungslos tibergreifende Zusammenarbeit, sondem auch Kompetenz und Kontinuitat in der Zusammensetzung des Planungsteams (s. BRUGGER & SACHS 2009).
SOHLGEwOLBE
17.2.1 Erkundungsinhalte, Richtlinien
Abb. 17.1 Begriffe im Tunnelbau.
ersichtlich. Lange Verkehrstunnel (> 1 km) werden aus Sicherheitsgrtinden meist als zwei eingleisige (Richtungs-)Tunnelrohren mit Seitenabstanden von 20 bis 40 m und Querschlagen in Abstanden von 300 bis 1000 m ausgefiihrt. Die tibliche Nutzungsdauer von Verkehrstunneln wird allgemein mit 100 bis 150 Jahren angegeben. Einige alte Eisenbahntunnel haben inzwischen eine Nutzungsdauer von 150 Jahren erreicht.
17. 2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risi komanagement Die ingenieurgeologisch-geotechnische Beratung, die Planung und der Bau eines Tunnels sind in
2-spurige Richtungsfahrbahn mit Standstreifen
Aufgabe der ingenieurgeologischen Erkundung ist die tunnelbautechnische Beschreibung und Beurteilung des Gebirges. Dazu gehort nicht nur die Beschreibung der Gesteine und des Trennflachengefiiges sowie die Erkundung der Grundwasserverhaltnisse, sondem vor allen Dingen eine Darstellung der Lagerungsverhaltnisse und eine Beschreibung der tektonischen Beanspruchung des Gebirges sowie moglicher anderer geologischer Besonderheiten. AuBerdem sind die Eigenschaften und Kennwerte der Gesteine und des Gebirges, die Raumstellung der maBgeblichen Trennflachen, insbesondere der tektonischen Storungszonen, sowie ihre Ausbildung, einschlieBlich einer moglichen Festigkeitsabminderung des Gebirges relevant. Auch auf die Mineralogie einiger Gesteinsarten ist frtihzeitig hinzuweisen. Liegen quarzitisch gebundene Gesteinsarten vor, besteht GeHihrdung durch silikogenen Staub. Bei Grundgebirgs-
2-gleisiger Eisenbahntunnel
2-spuriger StraBentunnel
Abb. 17.2 Regelquerschnitte fUr Verkehrstunnel bei bergmannischer Bauweise (nach
EDLMAIR
&
PACHER
2009).
17.2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risikomanagement
und Schiefergebirgstunneln ist je nach Geologie besonders auf die Moglichkeit des Auftretens asbestfaserartiger Minerale (meist in Kluftfullungen) zu achten (AESCHBACH 2004). In der DAUB-Empfehlung fUr Tunnelvortriebe in asbestbelasteten Gesteinen (2007) sind verschiedene Dbersichtskarten mit Angabe derartiger Gebiete enthalten (s. a. Tunnelbautaschenbuch 2008, S. 141-160). Eine mogliche Asbestgefahrdung ist zu beschreiben, wobei der Tunnel in asbestfreie und asbestgefahrdete Abschnitte zu unterteilen ist. Notigenfalls ist ein sachkundiger Kristallinmineraloge beizuziehen (s. Abschn. 17.2.7). Besonderes Augenmerk ist auch auf sulfidhaltige Gesteine gemaiS Abschn. 2.2.3 zu rich ten, deren primare Sulfide in sekundare Sulfide oder Sulfate umgesetzt werden, wobei freie Schwefelsaure entstehen kann. Diese Vorgange fuhren nicht nur zu einer Zersetzung des Gesteins (s. Abschn. 13.4.1} sondern bedeuten aufgrund des starken Abfalls des pH-Werts und der hohen Sufatgehalte eine Gefahrdung fUr Oberflachenund Sickerwasser (s. Abschn. 17.2.7 und KEMPFERT et al. 2008). Auch auf die Zerfallserscheinungen einiger anderer Festgesteine gemaiS Abschn. 3.4.2 sei hier noch einmal verwiesen. Die tunnelbautechnische Beschreibung und Beurteilung des Gebirges dient einerseits fur die Ermittlung der Gebirgs- bzw. Ausbruchsklassen, fUr das Tragverhalten des Gebirges und fur die Losbarkeit beim Ausbruch und andererseits als Grundlage fur ein geotechnisches Gebirgsmodell fUr numerische Berechnungen. Weiterhin mussen Ruckschlusse auf die Wahl des Bauverfahrens einschlieglich der Einsatzmoglichkeit von Tunnelbohrmaschinen gezogen werden konnen. Die geotechnische Prognose ist Grundlage fUr die Planung und Ausschreibung, angefangen yom Vortriebskonzept mit der Auswahl der Vortriebsmethode und der Stutzmittel bis hin zu den im Bedarfsfall erforderlichen Bauhilfsmagnahmen im Zuge des Vortriebs und sie muss den anbietenden Firmen eine moglichst einwandfreie Preiskalkulation ermoglichen. Die zunehmende Mechanisierung des Tunnelbaus und der Einsatz von Tunnelbohrmaschinen mit ihrer nur bedingten Anpassungsfahigkeit an wechselnde Gebirgsverhaltnisse, steigert die Bedeutung der ingenieurgeologisch-geotechnischen Erkundung. Der Einsatz von Tunnelbohrmaschinen erfordert haufig umfangreichere Vor-
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arbeiten als ein herkommlicher Sprengvortrieb (s. Abschn. 17.6.4.4). Auger den Normen sind bei Tunnelprojekten besonders die einschlagigen Richtlinien und Merkbliitter zu beach ten. Bei Eisenbahntunneln sind dies die Richtlinie (RiL) 853 (2007) der Deutschen Bahn AG. Fur den Stragentunnelbau steht mit der ZTV-ING von 2007 (BRUMMERMANN 2008), Teil 5, Tunnelbau, ein umfassendes Regelwerk, bestehend aus 5 Abschnitten zur VerfUgung: 1. Geschlossene Bauweise 2. Offene Bauweise 3. Maschinelle Schildvortriebsverfahren 4. Betriebstechnische Ausstattung 5. Abdichtung. Fur maschinelle Vortriebsverfahren wird augerdem auf die DAUB-Empfehlungen verwiesen (s. Anlage). Daruber hinaus kann es zweckmalSig sein, auch die einschlagigen osterreichischen und schweizerischen Normen und Richtlinien zu kennen. Die osterreichischen Regelwerke sind in den Zeitschriften Felsbau 2003: 4 und Tunnel 2006:4 zusammengestellt, die aktuellen Schweizer SIA-Tunnelnormen in der Zeitschrift Tunnel 2005: 4.
17.2.2 Risikomanagement und Gefahrdungsbilder 1m Tunnelbau ist immer eine gewisse latente Gefahrdung gegeben. Dieses erhohte Risikopotenzial ergibt sich schon aus der Mehrfachfunktion des Gebirges (s. Abschn. 17.1) und dem oft schwer vorhersehbaren, zeitabhangigen Verhalten des Gebirges bei Eingriffen. In keinem anderen Bereich des Bauwesens haben sich in den letzten Jahrzehnten derart viele Grogschaden ereignet, wie im Tunnelbau, wobei es sich meist urn Einsturzereignisse wahrend der Vortriebsarbeiten gehandelt hat (WANNICK 2007). Seit 2009 ist bei Tunnelbauprojekten ein wirksames Risikomanagementsystem (RMS) ublich, welches auch die operativen Projektrisiken der gesamten Leistungserstellung abdeckt (HOFBAUER 2009). Fur eine professionelle Risikominimierung wird auf die deutsche Fassung der ITIG-Richtlinie zum Risikomanagement von
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Tunnelprojekten verwiesen (REINER 2006; WANNICK 2007; WANNICK & BRETZ 2008). Hauptziele der Richtlinie sind Mindestanforderungen an ein Risikomanagement (u. a. ausreiehende Voruntersuchungen), eine klare Definition der Zustandigkeiten sowie ein MaBnahmenkatalog und eine baubegleitende Fachberatung. Risikoanalysen (RA) sind im Prinzip abstrakte Denkmodelle auf der Grundlage komplexer und haufig zueinander in Wechselwirkung stehender Einzelfaktoren. Sie dienen dazu, die mogliehen Risiken zu ermitteln, iiberschaubar zu machen sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Schadenshohe abzuschatzen und durch geeignete MaBnahmen soweit zu reduzieren, dass ein akzeptables Restrisiko erreicht wird. Den Umgang mit einer bestehenden Risikosituation regelt dann das Risikomanagement. Das Konzept dazu besteht im Wesentlichen aus drei Schritten: Risikoanalyse (erkennen, zusammenstellen und bewerten) Risikosteuerung (vermeiden, vermindern, verlagern) Risikoiiberwachung (Steuerung und Kontrolle). Bei der iiblichen Aufschlussdichte kann bei Mittelgebirgstunneln im Allgemeinen erwartet werden, dass in der ingenieurgeologischen Prognose keine erheblichen Abweiehungen und keine unerkannten Risiken auftreten. Moglich sind Abweiehungen im Gebirgsverhalten. Bei tief liegenden Tunneln sind aufgrund der begrenzten Aufschlussmoglichkeiten gewisse Abweiehungen und auch unerkannte Risiken nieht ungewohnlich, insbesondere was das Gebirgs- bzw. Systemverhalten angeht. Die beste Methode, den Gebirgsbau und das Gebirgsverhalten moglichst zutreffend zu erfassen, liegt in beiden Fallen in der regionalen und tunnelbautechnischen Erfahrung des Ingenieurgeologen und in der Zusammenarbeit mit dem Planungsteam. Urn einen Tunnel sieher, kostengiinstig und termingerecht ausfiihren zu konnen, miissen die Problembereiehe erkannt und sog. Risikozonen und Gefahrdungsbilder zusammengestellt werden. Gefahrdungsbilder setzen eine sorgfaltige Problemanalyse voraus (was ist aufgrund der geotechnischen Gegebenheiten moglich und was zeigt die Erfahrung?) und sie bestehen aus einer bildhaften und beschreibenden Vorstellung iiber
17 Tunnelbau
gebirgsbedingte Schwachstellen, die zu Schadensereignissen fiihren konnen. Die Bedeutung dieses Vorgehens ergibt sich daraus, dass nur erkannte Risiken Eingang in das Risikomanagement finden konnen. Als geologische Risikofaktoren konnen auftreten: groBe und breite Storungszonen, insbesondere spitzwinklig oder schleifend, z. T. auch den Tunnel wellenformig, d. h. teilweise im Profil, teilweise tangierend begleitende Strukturen lithologische Schwachezonen, insbesondere starker beanspruchte Ton- und Schiefergesteine, wie Phyllite und glimmerhaltige Gesteine tiefwirkende Hangbewegungen tiefreichende Gebirgsentfestigung (alte Landoberflachen) oder verdeckte Lockergesteinsmulden (tektonische Storungszonen) starker Wasseranfall, insbesondere in wenig kohasiven Baugrund Auftreten von Gasen quellfahige Gesteine Karstgebirge (auch verdeckter Karst an alten Landoberflachen) Altbergbau Bodenkontaminationen (besonders asbestund sulfidhaltige Gesteine) ungewohnlieher Primarspannungszustand Gebirge mit Tendenz zu allmahlieher Entfestigung oder zu Kriechverformungen. Ein Risiko wird definiert als Schaden, mit dem in der Folge einer MaBnahme zu rechnen ist, und zwar SchadensausmaB multipliziert mit der Eintrittswahrscheinlichkeit (Abschn. 16.7.2.3). Wo es wegen mangelnder Vorhersehbarkeit nicht moglich ist, Auftretenswahrscheinliehkeit und AusmaB moglicher Ereignisse zu quantifizieren, begniigt man sieh haufig mit qualitativen Methoden der Risikobewertung. Sie stiitzen sich im Wesentliehen auf Erfahrungen bei vergleiehbaren Projekten. Bei der Abschatzung der Risiken sind zu unterscheiden, das eigentliehe Baugrundrisiko, d. h. Abweichungen gegeniiber den prognostizierten Gebirgs- und Grundwasserverhaltnissen und das sogenannte Systemrisiko, d. s. nieht vorhersehbare Reaktionen im Gebirgsverhalten beim Vortrieb. Die Auswirkungen beider Risiken konnen unzulassig groBe Setzungen der Tunnel-
17. 2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risikomanagement
schale sein (sog. Setzungsrisiko) oder ungiinstigenfalls auch ein Nachbruch bzw. Verbruch. Dazu kommen Wassererschwernisse, bis hin zu einem Wassereinbruch (s. Abschn. 17.2.5.2). Bei einer quantitativen analytischen Risikobewertung versucht man, die Eintrittswahrscheinlichkeit und das SchadensausmaB auf der Grundlage von Erfahrungswerten und Simulationen quantitativ zu ermitteln. Das Problem dabei ist, dass beide Eingangswerte in hohem MaBe unbestimmt sind. Unabhangig von der Schwierigkeit, das SchadensausmaB einigermaBen zutreffend anzugeben, kann die Eintrittswahrscheinlichkeit im Tunnelbau nicht oder nur sehr grob abgeschatzt werden, zumal sie sehr stark von den Vortriebsarbeiten, den WasserhaltungsmaBnahmen und moglichen Ausflihrungsmangeln abhangt. Die Bewertung des Risikos kann anhand einer Bewertungsmatrix nach dem zu erwartenden SchadensausmaB (sehr hoch ist z. B. ein Verbruch mit Gefahr flir Menschen und Sachen, auch Dbertage) und der Eintrittswahrscheinlichkeit erfolgen (Abb. 16.8). Darin bedeuten z. B.: Risikoklasse I, die Notwendigkeit einer Anderung der Ausfiihrungsplanung Risikoklasse II und III eine planerische Verstarkung der Sicherungsmittel oder Anderung der Vortriebsklasse Risikoklasse IV, vorsorgliche MaBnahmen wahrend des Vortriebs diirften ausreichend sein. Detaillierte Berechnungen werden im Allgemeinen erst bei hoher Eintrittswahrscheinlichkeit vorgenommen (s. OGG-Richtlinie 2005). Ein Beispiel flir eine solche Risikosimulationsrechnung bringen FRENZL et al. (2005; 2007). Aus den Ergebnissen der Risikoanalyse werden Entscheidungen iiber die Vorgehensweise und die bestmogliche Handhabung bei Eintritt eines Risikos getroffen. Ziel dieser Risikosteuerung ist die Entwicklung und Abstimmung sicherheitstechnischer MaBnahmen und Losungen flir aIle Eventualitaten in den verschiedenen Bauphasen der Projektabwicklung, mit dem Ziel, ein akzeptables MaB an Sicherheit gegeniiber den erkannten Risiken zu erreichen. Nur wenn mittels detaillierter Ablaufe vorab festgelegt wird, was in kritischen Situationen zu tun ist, kann auch iiberwacht bzw. gepriift werden, ob es zu
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einer entsprechenden Umsetzung der Vorgaben gekommen ist (s. a. Abschn. 17.4.2). Die Risikoiiberwachung wahrend der Bauausflihrung bedient sich dann der bekannten Beobachtungsmethoden (s. Abschn. 5.2 und 17.5.3), mit denen aber auch nur zeitlich verzogert eintretende Ereignisse beherrscht werden konnen, nicht dagegen Bruchereignisse ohne Vorankiindigung. Unter Restrisiko versteht man in der Regel ein Risiko aufgrund vorab nicht feststellbarer Inhomogenitaten und Kennwertabweichungen im Gebirge, das von den Verfahrensbeteiligten in Kauf genommen wird. Das Baugrundrisiko verbleibt auch dabei beim Bauherrn.
17.2.3 Spezielle Erkundungsmethoden Die Erkundung des Gebirges und der Grundwasserverhaltnisse erfolgt zweckmaBigerweise in mehreren, dem Planungsstand angepassten Untersuchungsstufen (Tab. 17.2). Wo keine modernen geologischen Karten zur Verfiigung stehen, ist zu Beginn der Untersuchungsarbeiten von einem mit der regionalen Geologie vertrauten Geologen eine Streifenkartierung i. M. 1: 10 000 oder 1: 5000 durchzuflihren. Dabei miissen besonders die Tektonik und geologische Besonderheiten beriicksichtigt werden. Die Bedeutung einer rechtzeitigen geologischen Gelandeerkundung wird vielfach unterschatzt. Die Folge davon ist, dass geologische Besonderheiten und Risiken nicht rechtzeitig erkannt und die aufwandigen Bohraufschliisse nicht von vornherein zielgerichtet angesetzt werden. Ein geologisch -tektonisches Modell allein auf der Basis linear angesetzter Aufschlussbohrungen kann die raumlichen Schichtlagerungsverhaltnisse nur unzureichend erfassen. Besonders schwer zu erkunden sind flachliegende, z. T. wellig verlaufende Storungszonen. Sofern in der Projektumgebung Bauten, Verkehrswege oder Versorgungseinrichtungen (z. B. Trinkwassergewinnungsanlagen) vorhanden sind, die durch die geplante BaumaBnahme beeintrachtigt werden konnen, sind die Untersuchungen daraufhin auszudehnen und BeweissicherungsmaBnahmen vorzusehen (z. B. Dokumentation der Schadensfreiheit bzw. der Risseentwicklung,
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1
17 Tunnelbau
Tabelle 17.2 Untersuchungsprogramm in Anpassung an den jeweiligen Planungsstand (in Anlehnung an DB AG). Untersuchungsabstand
Planungs-/ Genehmigungsphase
Planung
Untersuchungslnhalte
Untersuchungsstufe
Linienfindung
Variantenuntersuchungen
Geologische, hydrologische und wasserwirtschaftliche Verhaltnisse
Auswertung vorhandener Unterlagen
Raumordnung
Vorplanung
Planfeststellung
Entwurfsplanung
- Bauwerksspezifische Vortriebs- und Standsicherheitsbetrachtungen - Abgrenzung der Auswirkungen auf Grundwasser und Gewasser
,. Erkundungsprogramm - Bohrungen, Sondierungen, Schurfe - Grundwassermessstell en - Feld- und Laborversuche - Luftbildauswertung - Geophysik. - Hydrologische 8eweissicherung u. Kartierung
500- 1000 m
Ausschreibung
Ausschreibungsplanung
Tunnelbautechnisches Vorlriebs-, Sicherungsund Wasserhaltungskonzept
2. Erkundungsprogramm - Bohrungen, Sondierungen, Schurfe - Grundwassermessstellen - Feld- und Laborversuche - numerische Grundwassermodellierung - hydrologische Beweissicherung - BaugrundgroBaufschlusse (Erkundungsschachte/-stollen)
100- 500 m
Realisierung
AusfUhrungsplanung
Untersuchungen bezuglich spezieller, noch zu klarender bautechnischer Fragestellung zur Absicherung der AusfGhrungsplanung
3. Erkundungsprogramm Feinuntersuchungen zur AusfUhrungsplanung und BauausfUhrung
Vertiefende Voruntersuchungen,geol. Streifenkartierungen
17. 2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risikomanagement
Setzungsmessungen, Erschiitterungsmessungen). Ober die Rechtssituation bei der Unterfahrung bebauter Privatgrundstiicke und etwaige Entschadigungsanspriiche berichtet MARKUS (2008). In Bezug auf Erschiitterungen und Schallemissionen werden in der Regel drei Zonen unterschieden, weniger als 100 m Entfernung zum Tunnel, 100 bis 300 m und dariiber hinaus (s. d. Abschn. 6.2.5, ARNOLD 1995; CZOPAK & NEUMULLER 2009). Die Erkundung ist auch darauf auszudehnen, ob im Querschnitt des Tunnels von angrenzenden Bauprojekten ausgehende Baubehelfsmittel im Untergrund verblieben sein konnen, wie Teile eines Baugrubenverbaus, Anker oder ahnliche Bauteile. Die iiblichen ingenieurgeologischen Untersuchungsmethoden und ihre Auswertung sind im Abschn. 4 behandelt. Aufschlussbohrungen sind so anzusetzen, dass daraus keine nachteiligen Folgen fUr das Bauwerk entstehen (z. B. Bohrungen neben die Trasse legen oder notigenfalls mit Betonpfropfen abdichten). Besondere Aufmerksamkeit ist immer den Portalbereichen zu widmen sowie Tunnelabschnitten mit geringer Oberdeckung, besonders unter Seitentalern und Muldenformen am Hang. Die Bohrabstande entlang der Tunnelstrecke betragen je nach Oberlagerungshohe etwa 100 bis 500 m, bei tief liegenden Tunneln auch mehr. Die Tiefe der Bohrungen solI dabei mindestens bis in einfache Ausbruchbreite unter die Tunnelsohle reichen. Kluft- oder Storungszonen mussen notigenfalls durch gezielt angesetzte Schragbohrungen erkundet werden, die nicht nur eine Aussage iiber die Kluftdichte ermoglichen sondern auch iiber Breite und Ausbildung der tektonischen Strukturen (s. Abschn. 3.2.6 und KONNINGS & LEIPZIGER 1997). Fur die Portalbereiche sind moglichst genaue Informationen iiber die Grenzflache Lockergestein/Fels sowie iiber die Ausbildung und Standfestigkeit der Schichten und iiber die Lage des Grundwasserspiegels zu liefern. 1m Allgemeinen werden bei Mittelgebirgstunneln die Portalbereiche mit jeweils zwei bis drei Bohrungen erkundet, davon meist eine Schrag- oder Horizontalbohrung. Untersuchungsziel ist dabei weniger der eigentliche Portalstandort, sondern die bergmannische Anschlagwand. Sie wird in der Regel bei einer Firstiiberlagerung von 6 bis 10 m angesetzt (Mindestuberdeckung '" 1/2 D). Die An-
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Abb. 17.3 Portallangsschnitt mit Anschlagwand und Gelandegestaltung.
schlagwand (Abb. 17.3) wird bis etwa 3 m iiber Firstniveau moglichst steil angesetzt (4:1 bis 2:1), dariiber den Erfordernissen entsprechend abgeflacht. Die Standsicherheit ist nachzuweisen (Berechnungsansatze s. Abschn. 5.7). Entwasserungsbohrungen miissen bis hinter die Systemgrenze gefUhrt werden (s. Abschn. 10.5.4). Die bei steilen und hohen Boschungen unvermeidbaren Entlastungsverformungen, die mit einem Abfall der Scherfestigkeit auf sich Offnenden Kluftflachen verbunden sind, miissen in den Berechnungen beriicksichtigt und vermessungstechnisch kontrolliert werden. Bei tief liegenden Tunneln sind direkte Aufschliisse nur in sehr begrenzten Umfang moglich (Bohrtiefe, Zuganglichkeit). Hier gilt es in verstarktem Malk vorhandene Unterlagen und Detailkartierungen auszuwerten und anhand moglichst realistischer geologischer Langsprofile tektonische Storungszonen und andere geologische Schwachezonen herauszuarbeiten (SCHNEIDER 1997; POTTLER et al. 2006). Die weitere Erkundung wird bei tiefliegenden Tunneln in der Regel auf Untertage verlegt. Dabei kommen auBer Pilotstollen folgende Techniken in Betracht: Erkundungsbohrungen aus dem (stillstehenden) Vortrieb Erkundungsbohrungen aus Pilotstollen, Seitenstollen, Bohrnischen Preventerbohrungen bei zu erwartenden hohen Wasserdrucken (s. Abschn. 4.6). Erkundungsbohrungen yom Tunnel aus konnen als Vollbohrungen ohne Kerngewinn mit Vortriebsgeraten ausgefUhrt werden oder als Kernbohrungen mit Fremdgeraten. Bei Vollbohrungen beruht die Auswertung im Wesentlichen auf den Bohrparametern (Anpressdruck, Bohrfortschritt, Pumpendruck) und Farbanderungen des Spiilwassers. Damit konnen Wasserzutritte, klei-
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nere Storungszonen und Karsthohlraume erkundet werden, allerdings ohne genaue Lokalisierung und ohne qualitative Bewertung (ZIEGLER 2008). Hinsichtlich der zu erwartenden Bohrlochabweichungen von langen Kernbohrungen siehe Abschn. 4.8.2. Auch den hydrogeologischen Verhiiltnissen (hydrogeologische Kartierungen und Langzeitbeobachtungen von Quellen u. a.) sowie den Wassertemperaturen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Allgemein steigen die Gebirgs- bzw. Wassertemperaturen mit zunehmender Oberlagerungshohe an (s. Abschn. 20.1.1), konnen aber in gut wasserwegsamen Storungszonen mit Kaltwasserzutritten von weiter oben im Gebirge auch deutlich niedriger ausfallen. Fur eine Temperaturprognose (geothermische Tiefenstufe) durfen die Temperaturprofile in Bohrungen nicht unmittelbar nach Abschluss der Bohrarbeiten gemessen werden, sondern erst Tage spater, nachdem sich stabile TemperaturverhaItnisse eingestellt haben. Auger den Arbeitstemperaturen beim Vortrieb (Grenzwert meist 28°C, bei Vortriebsmaschinen z. T. 30°, s. HOME 2009) und dem rascheren Erhartungsverhalten des Spritzbetons und des Ankermortels geht die Verteilung der Felstemperatur entlang des Tunnels auch in die Dimensionierung der Tunnelliiftung ein. Ungewohnlich niedrige Temperaturen konnen ebenfalls eine Arbeitserschwernis darstellen. Ein Erkundungsschacht oder Erkundungsstollen im Bereich des geplanten Projekts ist allen
Abb. 17.4 Anordnungsmoglichkeiten fOr einen Erkundungsstollen.
17 Tunnelbau
anderen Untersuchungsmethoden uberlegen. Zu unterscheiden sind hierbei Erkundungsstollen, die vorab die gesamte schwierige Strecke durchfahren und Pilotstollen, die erst im Rahmen des Hauptvortriebs ausgefUhrt werden. Die nachste Frage ist, wo im Profil der Stollen angesetzt werden soli, was von der jeweiligen Zweckbestimmung abhangig ist (Abb. 17.4). Vorab ausgefuhrte Erkundungsstollen sollten nicht als Fifststollen aufgefahren werden. Ein Erkundungsstollen seitlich parallel oder mittig zwischen den spateren Hauptvortrieben kann mehrere Funktionen erfiillen (Entwasserung, Gelegenheit zu vorlaufender Gebirgsverbesserung, Flucht- oder Dienststollen). Die ublichen Abmessungen sind 20-25m2 Ausbruchsquerschnitt bzw. 4 bis 6m Durchmesser. Bei langeren Tunneln stellt sich dann die Frage, ob der Erkundungsstollen konventionell oder maschinell aufgefahren werden soli. Fur einen konventionellen Ausbruch sind die ublichen Querschnitte etwas beengt und es stehen kaum geeignete Vortriebsgerate zur Verfiigung. Von Vorteil ist dabei aber die zugangliche Ortsbrust (ingenieurgeologische Information) und die flexiblere Bauweise in grogeren Storungszonen oder bei starkeren Wasserzutritten. Konventionell aufgefahrene Erkundungsstollen konnen augerdem leichter zu einem Probeausbruch aufgeweitet werden. Wenn dagegen der Haupttunnel mit einer Vortriebsmaschine aufgefahren werden soli, sprechen einige Faktoren dafiir, auch den
17.2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risikomanagement
Erkundungsstollen maschinell aufzufahren, urn die entsprechenden Techniken zu testen. Grundlage der Entscheidung bleiben aber auch dann geologisch-geotechnische und hydrogeologische Fragestellungen (s. Abschn. 17.6.4.3 und SCHNEIDER et al. 2007). Ein Erkundungsstollen ersetzt bei rechtzeitiger Planung einen Gro6teil der sonstigen Aufschlussarbeiten. Er ermoglicht einen direkten Einblick in den Gebirgsbau und gibt Hinweise auf das Gebirgsverhalten sowie auf den Grundwasseranfall (Menge, Druck, Chemismus). Er bietet daruber hinaus Gelegenheit zu vorgezogenen felsmechanischen Messungen und Versuchen am Objekt und hat Vorteile beim spateren Vortrieb. Bei der Bewertung der Auffahrergebnisse von Erkundungs- oder Pilotstollen ist immer zu bedenken, dass schwierige Gebirgsabschnitte oder Storungszonen sowie auch der Wasseranfall im kleinen Profil meist wesentlich leichter zu beherrschen sind, als im spiiteren Gro6profil (Abb. 17.26 und LORSCHEIDER & DIETZ 1996) und dass die Auflockerung urn den ausgebrochenen Erkundungsstollen eine Schwachung des Gebirges oft urn eine Gebirgsklasse bedeuten kann. Besondere Aufmerksamkeit ist auf die Erkundung tektonischer Storungszonen zu legen, die mehrfach Ursache fUr gr06ere Erschwernisse und auch von Verbruchereignissen gewesen sind. Bei einem moglichen Einsatz von Tunnelbohrmaschinen muss Storungszonen, insbesondere flach liegenden Storungszonen, erhohte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Au6er den in Abschn. 4.2.4 und 4.2.5 beschriebenen Erkundungsmetho den sind in den 1990er Jahren gute Erfahrungen mit gezielt eingesetzten geophysikalischen Untersuchungen gemacht worden (s. Abschn. 4.3.2 und 17.2.4 sowie KONNINGS & LEIPZIGER 1997; ALTHAUS & RAKERS 1998; QUICK et al. 2000 und DOLZLMULLER et al. 2000). 1m Zuge der Vorerkundung muss bereits versucht werden, aus der tektonischen Gesamtsituation die in Frage kommenden Richtungen gr06erer Storungszonen zu erfassen. Dabei ist zwischen bautechnisch weniger relevanten Storungszonen und solchen mit hoher bautechnischer Relevanz zu unterscheiden (WAGNER et al. 2009). Zu Letzteren gehoren Storungszonen mit gr06erem Wasserandrang, breite Storungszonen mit heterogenem Internaufbau, dickeren Kataklasiten und mit
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tonbelegten Scherbahnen (s. Abschn. 3.4.4) sowie Scherbruchzonen mit Verdacht auf tektonische Gebirgsauflockerung und hoher Verformbarkeit gem. Abschn. 3.4.3.2. Solche Strukturen konnen ggf. mit Bohrlochaufweitungsversuchen nach Abschn. 2.6.7 erfasst werden. Besonders verformungsanrallig sind hydrothermal vertonte Storungsgesteine in und als Begleitstrukturen gr06erer Storungszonen (PRINZ 2001). Beim Tunnelvortrieb in tektonisch starker gestorten Bereichen sind notigenfalls Vorauserkundungsma6nahmen vorzusehen, urn nicht unvorbereitet in eine, den Vortrieb zumindest stark behindernde Storungszone einzufahren. Dabei konnen geophysikalische Methoden, vor allem Seismik (s. a. Abschn. 17.6.4.2) und langere Vorausbohrungen nach Abschn. 17.2.4 kombiniert werden, urn Lage und Aufbau der Storungszone sowie deren WasserfUhrung zu erkunden. Bei konventionellen Vortrieben ist auch verstarkt auf tektonische Begleitstrukturen zu achten, die moglicherweise eine gr06ere Storungszone ankundigen, sowie auf die Anfangssetzungen der Tunnelschale. Ein weiteres Erkundungsziel ist die Wiederverwendbarkeit des Tunnelausbruchmaterials, sei es als Betonzuschlagstoff (s. Abschn. 2.1.5) oder sonstige Rohstoffe der Steine und Erden, als Frostschutzmaterial oder Erdbaustoff gema6 Abschnitt 12, bzw. als nicht weiter verwertbares, zur Endlagerung bestimmtes Ausbruchsmaterial. In der Regel ist im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens ein Massenverwertungs- bzw. Entsorgungskonzept zur ordnungsgema6en Verwertung oder Endlagerung des Tunnelausbruchsmaterials einzureichen. Ziel ist heute, eine wirtschaftliche und umweltschonende Wiederverwertung und moglichst geringe Restmassen zur Deponierung (s. RESCH et al. 2009). Das Problem dabei ist, dass das Ausbruchmaterial bis auf Ausnahmen als sehr heterogene Boden- und Felsmassen in stark wechselnder Qualitat und Korngr06e anrallt. Fur eine Sortierung und Bewertung der Brauchbarkeit waren auf der Baustelle gro6e Flachen fur Zwischenlager notig. Au6erdem mussten im Nahbereich der Baustelle Abnehmerbetriebe fUr die jeweiligen Fest- und Lockergesteine vorhanden sein, die bereit sind, das Material anzunehmen und zu verwerten. Hinzu kommt, dass das Tunnelausbruchsmaterial von TBM-Vortrieben zum gr06ten Teil aus Feinkorn
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besteht und selbst zur Deponierung oft erst einbaufahig gemacht werden muss. Sofern das Ausbruchsmaterial geogen oder vortriebsbedingt Verunreinigungen aufweist, ist jeweils zu prufen, ob eine Geflihrdung fUr Natur und Umwelt, insbesondere des Grundwassers, vorliegen kann (s. Abschn. 16.4.2.3 und 17.2.7). 1m Rahmen des Genehmigungsverfahrens sind dann eine Gefahrdungsabschiitzung und Vorschlage fUr Beweissicherungsmcillnahmen einzureichen (HAID & HAMMER 2009).
17.2.4 Tunnelplanung L in Karstgebieten 17.2.41 Erkundung und Gefahrdungsdefinltlon Tunnelprojekte in Karstgebirgen stellen eine besondere Herausforderung an alle am Bau Beteiligten dar. Die ublichen Erkundungsmethoden gemaB Abschn. 4 und Abschn. 19 liefern in der Regel keine verlasslichen Angaben uber das AusmaB der Verkarstung und uber die Art und Lage der Karsthohlraume in Bezug auf den Vortrieb. Eine Baugrunderkundung in Karstgebieten erfolgt zweckmaBigerweise immer mehrstufig. AuBer einer grundlichen Vorerkundung (Literaturstudium, Luftbildauswertung, breite Streifenkartierung nach karstmorphologischen Gesichtspunkten) ist es bei flach liegenden Tunnelbauwerken zweckmaBig, zunachst geophysikalische Messverfahren gemaB Abschn. 4.3.2 zur Erkundung der Tiefenlage der Felsoberflache, von tektonischen Schwachezonen, Erdfallstrukturen und Zonen starker Verkarstung einzusetzen (s. Abschn. 19.3.2). Anhand der Ergebnisse der Geophysik konnen die erforderlichen Bohraufschlusse gezielt angesetzt und geophysikalisch ermittelte Anomalien mit einem abgestuften Bohrprogramm untersucht werden (POTTLER et al. 2002). Insgesamt ist in Karstgebieten immer mit einem wesentlich hoheren Erkundungsaufwand und mit deutlich mehr Erkundungsbohrungen zu rechnen (s. Abschn. 19.3.3). Besonders anfallig fur groBere Karststrukturen sind maschinelle
17 Tunnelbau
Vortriebe (ROGOWSKI 2005). Bei Antreffen von offenen Hohlraumen in Bohrungen konnen zur Ermittlung der Geometrie der Karststrukturen auch Kamerabefahrungen oder Echolog-Messungen (Abschn. 19.3.2) vorgesehen werden. Auch bei groBem Untersuchungsaufwand besteht keine Gewahr, dass mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln die maBgebenden Karststrukturen zutreffend erfasst werden, so dass ggf. ein vorgezogener Erkundungsstollen in Erwagung zu ziehen ist. Bei tiefer liegenden Tunnelprojekten ist aufgrund der Tiefenbegrenzung der geophysikalischen Messverfahren vorab meist nur eine orientierende Karsterkundung moglich. Die weitere Erkundung der Karststrukturen im hohlraumnahen Bereich muss dann durch einen vorgezogenen Erkundungsstollen im spateren Tunnelquerschnitt erfolgen, von dem aus die Verkarstungsstrukturen mittels geophysikalischer Methoden und auch Bohrungen erkundet und falls notig vor Baubeginn saniert werden konnen (Abb. 17.5 und MARQUART et al. 2007). Alternativ konnen diese MaBnahmen auch aus dem Vortrieb heraus erfolgen, was jedoch zu Behinderungen fUr den Vortrieb und zu Bauzeitverzogerungen fUhrt. Ziel der ErkundungsmaBnahmen ist es, anhand der zu erwartenden Karststrukturen zunachst grundsatzliche Gefahrdungszonen auszuweisen (s. Abschn. 19.3.1 und MICHAEL et al. 2003), z. B.: Zone 0
kein verkarstungsanfiilliges Gebirge im Trassenbereich
Zone 1
Gebirge mit geringer Verkarstung
Zone 2
kompaktes Gebirge mit starker Verkarstung
Zone 3
zerriittetes Gebirge mit starker Verkarstung. Erdfallformen im Geliinde
und Gefahrdungsbilder zu definieren. Eine solche Definition ingenieurmaBig abgrenzbarer Gefahrdungen ist Grundlage fUr eine Risikoanalyse gemaB Abschn. 17.2.2. Fur einen Tunnelvortrieb sind die Karststrukturen im direkten Bauwerksbereich maBgebend, d. h. deren GroBe, ihre Lage zum Bauwerk sowie die Ausbildung des Gebirges in den Randbereichen (s. d. Abschn.
17. 2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risikomanagement
Abb. 17.5 Geophysikalische Erkundung von Karsthohlraumen von den Erkundungsstollen (aus WITTKE 2004).
19.2.1). Anzugeben ist nach Moglichkeit, weIehe Art von Karststrukturen oder Hohlraume beim Vortrieb in kritischer Entfernung zum Bauwerk (IO-lSm) auftreten konnen (Abb. 17.6 und MATTLE et al. 2003). 1m Kalksteinkarst ist z. B. mit folgenden Karststrukturen zu rechnen (JOHN & STRAPPLER 2003; MARQUART 2004): Kluftkarst in Form von korrosiv erweiterten Kliiften bis 10 em Breite Karstschlauche oder Karstlocher mit einer maximalen Offnungsweite bis 1 m Lochkarst mit sehr unregelmamgen Formen und Offnungsweiten Karsthohlen durch Auslaugung oder Versturz, horizontal oder vertikal.
Abb. 17.6 Kritische GroBe von Karsthohlraumen in Abhangigkeit von der Entfernung zum Tunnel (MAIDL & MAIDL 2006).
473
Die verschiedenen Karsthohlraume konnen frei sein bzw. teilweise oder ganz mit steinig-Iehmigem Lockermaterial verfiillt bzw. durch verstiirzte Blocke verschlossen sein (REICHL et al. 2009). An der NBS Ingolstadt-Niirnberg wurden mehrfach soIehe ausgedehnte und begehbare, z. T. mit Blockwerk verlegten Karsthohlraumsysteme angetroffen. Die groBte hier angetroffene Karsthohle hatte ein Volumen von etwa 1000 m 3 (Irslahiill-Tunnel im Baulos Mitte). Von auBergewohnlichen Karstphanomenen, die bei Eisenbahntunneln in Siidchina angetroffen worden sind, berichten KREUTZER & HOLZHAUSER (2008). Die Gefahrdung selbst besteht dann in erster Linie aus Instabilitiiten des Karstgebirges in Form von: Einsturz bzw. Nachbrechen von Hohlraumen einer Einsenkung iiber offenen, verzweigten Strukturen lang anhaltenden Setzungen iiber groBeren bindigen Karstfiillungen Erosion in Karststrukturen bei Veranderung der Grundwasserstromung Abrieseln von Material aus dem Gleisunterbau in offene Kliifte und Spalten Steifigkeitsdifferenzen, besonders iiber sog. Felstiirmen. Grundsatzlich zu unterscheiden sind Vortriebe unterhalb des Karstwasserspiegels mit der Gefahr von Wasser- und Schlammeinbriichen (TEUSCHER et al. 2002; KREUTZER & HOLZHAUSER 2008) und soIehe ohne Karstwassereinfiuss, die beide entsprechend unterschiedliche MaBnahmen erfordern. Dabei ist zu beachten, dass der Karstwasserspiegel niederschlagsbedingt kurzfristig Wechselstande im Dekameterbereich aufweisen kann. Bei Vortrieben im Bereich des Karstwasserspiegels sind folgende Gefahrdungen zu unterscheiden: Plotzlicher massiver Wasser- oder Schlammeinbruch (Abb. 17.7) Unterschiedlicher Wasserzulauf infolge von Grundwasserwechselstanden Versinterung von Dranleitungen gemaB Abschn. 17.2.5.3 Beeinflussung benachbarter Quellen und Gewinnungsanlagen. Karstquellen im moglichen Einflussbereich eines Projektes sind langfristig zu kontrollieren. Die
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17 Tunnelbau
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17
20
I----.!!!.....I
95m
Bohrung Nr
--------
JZ-tll5-04-L7
6 m Kalksle,n.slark velWllten 12 m Kalksleln. sehr stark velWlltert 9.5 m Kalksle,n. verkarslel I zerbrochen
VerbnJchmasse (Schlamm mil GeslelnsslOcken)
26.3 m Kalksteln. klOftl\l 1 slark zerbrOChen
44 .2 m Kalksteln. unvelWlltert 4_----~---+----~----+---~~--_+----4_----~~~~--jt~ LA"'II8(ml
1060
1080
1100
Abb. 17.7 AusflieBen von ca. 2000 m3 lehmig-sandiger SchlottenfGllung und Verbruchkrater an einem Karstschlot (nach KREUTZER & HOLZHAUSER 2008).
Schiittungen einzelner Karstquellen konnen saisonal zwischen 0 1/ s und 1000 1/ s wechseln (s. Abschn. 2.8.5 sowie 17.2.5.2 und FLUDER & FORSTER 2005). Dariiber hinaus ist ein Karstgebirge ein stark durchlassiges System mit schwierig abschatzbaren Wasserwegen (s. Abschn. 2.8.5 und 17.2.5.1). Gutachterliche Aussagen und konkrete wasserrechtliche Auflagen wegen einer moglichen Beeintrachtigung des Grundwassers durch den Vortrieb sind nur sehr eingeschrankt moglich. Bewahrt hat sich in solchen Fallen die Auflage, bei Antreffen von Karstgerinnen oder Hohlen, die notwendigen Sicherungsma6nahmen mit der zustandigen Wasserbehorde abzustimmen (BOHLKE 2010).
17.2.4.2 MaBnahmen beim Vortraeb Bei den Vortriebsarbeiten ist eine systematische ingenieurgeologische Betreuung unerlasslich (PLINNINGER et al. 2005). Dabei ist zu beachten, dass sich Karststrukturen und Hohlraume in einem Kalksteingebirge meist nicht durch vorab erkennbare Veranderungen des Randgesteins ankiindigen. Au6er einer sorgfaltigen Ortsbrustaufnahme mit standiger Bewertung der Gebirgsverhaltnisse sind im Bedarfsfall zusatzliche geophysikalische Erkundungsma6nahmen vom
Tunnel aus bzw. Vorausbohrungen an der Ortsbrust und im Sohlbereich in Betracht zu ziehen. Der Einsatz vom Tunnel aus bietet eine bessere Eindringtiefe und Auflosung als Oberflachengeophysik (s. Abschn. 19.3.2). Einzelne Karstschlotten von weniger als 1 m 2 Querschnitt konnen allerdings auch damit nicht zuverlassig dedektiert werden. Au6erdem ist zu beachten, dass die metallischen Sicherungsmittel im Vortrieb (Anker, Ausbaubogen, Bewehrung) alle elektrischen Verfahren beeinflussen. Seismische Methoden konnen durch den Baubetrieb gestort werden (s. MAIDL & MAIDL 2006). Die geophysikalischen Messungen sollten deshalb immer durch direkte Aufschliisse (Bohrungen) erganzt werden (RADLINGER 2003; ZIEGLER 2008). Dariiber hinaus konnen sog. Bohrloch-Spezialverfahren eingesetzt werden, d. S. seismische oder elektromagnetische Messungen von Vorausbohrungen aus und zwar im Reflexionsmodus oder als tomographische Messung (Abschn. 19.3.2). Die aussagekraftigste Vorauserkundungsmethode vom Tunnel aus sind Vorausbohrungen. In den meisten Fallen reichen zerstorende Vollbohrungen mit den Vortriebsgeraten aus, die allerdings von einem Ingenieurgeologen iiberwacht und interpretiert werden miissen (z. B. hart/weich/hohl) sowie Farbung des Spiilwassers. Die Lange der Bohrungen betragt in der Regel
17. 2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risikomanagement
6-10 m, die der Sohlbohrungen 8-15 m. Falls Karststrukturen angetroffen werden, muss das Bohrraster notigenfalls verdichtet werden (JOHN & STRAPPLER 2003). Bei tiefer liegenden Tunneln unterhalb des Karstwasserspiegels werden zur Erkundung wasserfiihrender Strukturen ublicherweise Kernbohrungen von 50 bis z. T. uber 100 m Lange eingesetzt. Bei starkeren Wasserzutritten mussen Preventer vorgesehen werden (s. Abschn. 4.6). Die Lage der Bohrungen ist darauf auszurichten, die jeweilige Position sowie die Schuttmenge der spater durch den Tunnel aufzufahrenden wasserfiihrenden Strukturen zu erfassen (s. PESENDORFER & LOEW 2007; ZIEGLER 2008). Auf der Grundlage der ingenieurgeologischen Erkundung wird vorab ein moglichst zutreffendes Gebirgsmodell erstellt, Gefg
OW.. 11 • 10-6 m/s (s. Abschn. 2.8.5), die unter der Grundwasseroberflache liegen und bei den en der aufzufahrende Bereich frei zuganglich sein soIl, muss das Grundwasser durch WasserhaltungsmaBnahmen yom Vortrieb ferngehalten werden. Darunter werden im Tunnelbau nicht nur WasserhaltungsmaBnahmen im engeren Sinn verstanden, sondern auch MaBnahmen wie: SchirmgewOlbe (Abschn. 17.8.3) Injektionen (Abschn. 17.8.4) Bodenvereisung (Abschn. 17.8.5) Vortrieb unter Luftdruck. Die Eigenschaften der Grundwasserleiter sind in den Abschn. 2.8.1 und 2.8.4 bis 2.8.6 beschrieben. Allgemeine Abgaben uber die WasserhaltungsmaBnahmen siehe Abschn. 11.2-11.4. Die moglichen Auswirkungen einer Grundwasserabsenkung auf die Gelandeoberflache und eine etwaige Bebauung sind in Abschn. 6.2.2 angesprochen. Die Wirkung einer WasserhaltungsmaBnahme hangt zunachst ab yom Untergrundaufbau und den Eigenschaften der Grundwasserleiter. Dabei lassen sich das nutzbare hydraulische Hohlraumvolumen, die Inhomogenitaten und die Anisotropie eines Grundwasserleiters durch die ublichen VorerkundungsmaBnahmen selten wirklich zutreffend ermitteln, sondern konnen nur in einem Langzeitversuch einigermaBen erfasst werden (MUHLENKAMP et al. 2010). Oft liegen zwei oder mehrere Grundwasserstockwerke mit unterschiedlichen hydraulischen Eigenschaften vor, die durch grundwasserstauende Zwischenschichten getrennt sind. Wenn die wasserstauenden Schichten k- Werte von 10-5 bis 10-7 m/s aufweisen oder faziell bzw. tektonisch bedingte Lucken (z. B. groBere sanderfullte Klufte) haben,
487
so spricht man von halbdurchliissigen Grundwasserstauern, die einen Druckausgleich und langfristig auch einen Mengenausgleich zulassen (s. Abschn. 2.8.5). Ein solcher halbgespannter Grundwasserleiter gleicht sich verzogert dem freien Grundwasser an. Urn eine hydraulisch wirksame Trennung der Stockwerke zu gewahrleisten, muss die grundwasserstauende Zwischenschicht mindestens 2,5 m dick sein. In solchen Fallen kann bzw. muss das obere sandig-kiesige Quartarstockwerk mittels Schwerkraftabsenkung und das untere feinkornige Stockwerk uber Vakuumabsenkung entwassert werden. Bei den sog. Konbinationsbrunnen, d. S. Gravitationsbrunnen und Vakuumbrunnen in einer Rohrtour, ist fur beide Stockwerke nur eine Brunnenbohrung mit nur einer Filterrohrtour erforderlich (Abb. 17.14 und Abschn. 11.4). Die Wirksamkeit einer Wasserhaltungsma6nahme hangt weiterhin von der Anzahl der Brunnen, dem AbsenkmaB des Brunnenwasserspiegels, der Forderung der einzelnen Brunnen und der Vorlaufzeit ab (Abb. 17.15). Letztere betragt bei einer Schwerkraftabsenkung mehrere Wochen bis einige Monate. Das Abschatzen der Vorlaufszeit kann ggf. durch Auswertung des Entsandungsvorganges als Kurzpumpversuch erleichtert werden (MUHLENKAMP et al. 2010). Zur Entwasserung von Feinsandschichten mussen die Brunnen enger gesetzt und auf Vakuumbetrieb umgestellt werden konnen. Ein solcher bedarf einer wesentlich kurzeren Vorlaufzeit von nur einigen Wochen. Der Tunnelvortrieb sollte in dem Zeitfenster durchgefiihrt werden, das zwischen der Vorlaufs- bzw. Entwasserungszeit liegt und einem langerfristig zu starken Austrocknen des Gebirges. Letzteres fiihrt bei einem KiesSand-Boden zu einem voHigen Wegfall der scheinbaren Kohasion und der Boden wird roHig bzw. ein feinkorniger Boden neigt dann zu Schollenabbruchen an der arts brust, denen ggf. mit Ortsbrustankern und einem Teilflachenausbruch begegnet werden muss. Die Absenkwirkung einer Wasserhaltung muss sowohl in der Vorlaufzeit bis zum Erreichen des Absenkziels als auch wahrend der weiteren Betriebszeit der Anlage in engen Abstanden, in der Betriebszeit praktisch taglich, kontrolliert werden und die einzelnen Brunnen mussen ggf. mit einer Ausfall-Alarmeinrichtung ausgestattet werden. In der Winterzeit mussen die Brunnen-
7
488
17
17 Tunnelbau
Gravitationsbrunnen
+
=
Tiefvakuumbrunnen
Kombibrunnen
Kies
Ton
Sand
Ton
Absenkung nur im 1. GrundwasserStockwerk Absenkung nur im 2. GrundwasserStockwerk
Absenkung in beiden Grundwasser-Stockwerken
Abb. 17.14 Schematische Darstellung und Arbeitsweise der verschiedenen Brunnenarten (Firmenprospekt).
kopfe und das Leitungssystem auBerdem vor Frost geschiitzt werden. Die Oberwachung der Brunnen und Messstellen erfolgt heute vielfach vollelektronisch. Dabei werden permanent die Wasserstande der Brunnen und Messstellen, die Forderleistung der einzelnen Brunnen und die Gesamtforderung registriert (HEISSENBERGER et al. 2008). Ein Ausfall eines oder mehrerer Brunnen kann binnen weniger Stun den zu einem Anstieg des Grundwassers urn einige Meter fiih-
50 ./
40
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Ok! Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mal Jun Jul Aug
ren, der die Vortriebsarbeiten gefahrden kann. Insbesondere feinsandig-grobschluffige Boden zeigen neben der schlechten Entwasserbarkeit die unangenehme Eigenschaft, dass sie bei einem schnellen Anstieg des Grundwassers fast schlagartig zum FlieBen kommen konnen. Die Berechnung einer Grundwasserabsenkung, insbesondere die Mengenvorhersage und auch die Prognose der notwendigen Vorlaufszeit sind mit groBen Unsicherheiten behaftet
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Stand vcr Beglnn der Wasserhallung
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Abb. 17.15 F6rderraten und Absenktrichter einer WasserhaltungsmaBnahme (nach FILLIBECK et al. 2005).
500
489
17. 2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risikomanagement
(s. Abschn. 11.6). Besonders fUr Vakuumbrunnen stehen kaum geeignete rechnerische Modelle zur VerfUgung. In der Regel konnen diese Unwagbarkeiten nur durch die planmaBige Moglichkeit des Zwischensetzens von weiteren Brunnen oder von vornherein durch ein bewusstes ObermaB an der Gesamtinstallation beherrscht werden. In manchen Fallen kann das Grundwasser aufgrund des Untergrundaufbaus oder wasserrechtlicher Auflagen (MUHLENKAMP et al. 2010) bzw. zu groBer Brunnenabstande nieht vollstandig bis in eine sohlaufbruchsiehere Tiefe unter Aushubsohle abgesenkt werden. Besonders anf 5, s. Tab. 3.3) Struktur und Textur des Mikrogefiiges (Anisotropie), KorngroBe, Kornform, Kristallentwicklung, Verzahnung des Kornverbandes, Matrix Bindemittel (Kornbindung) und sein Raumausfiillungsgrad Gesteinsdruckfestigkeit und Elastizitatseigenschaften (Sprodigkeit, Zahigkeit) Gesteinswechsel (hart, weich) Trennflachengefiige, Kluftabstand und -ausbildung (Offnungsweite, Kluftfiillung) Primarspannungszustand Wasserempfindlichkeit und Anteil quelWihiger Tonminerale Erweichbarkeit, Verklebungspotenzial. Der Mineralbestand, das Mikrogefiige und das Bindemittel werden im Diinnschliff ermittelt und ihre VerschleiBscharfe nach der Mineralharte eingestuft. Ais hart und verschleiBscharf gelten Minerale, die harter sind als Stahl (Harte> 5). Dazu gehoren auBer Quarz, frische Feldspate (Plagioklas, Orthoklas, Mikroklin), Albit, Augit, Hornblende, Olivin, Granat, Epidot, Magnetit, Hamatit und Pyrit. Die Volumenprozente dieser als verschleiBscharf geltenden Minerale werden
17
496
17 Tunnelbau
mit einem Faktor analog ihrer Harte nach ROSSIVAL multipliziert (s. Tab. 3.3) und ergeben den sog. aquivalenten Quarzgehalt (AQu). Die Gesteinsdruckfestigkeit ist yom Mineralbestand, dem MikrogefUge und der Kornbindung abhangig. Eine Klassifikation der Gesteine nach der Druckfestigkeit ist zwar kein alleiniger MaBstab fiir die Schneidbarkeit von Gesteinen, doch gibt es verschiedene Korrelationen der Gesteinsdruckfestigkeit mit der Standzeit der Bohrkronen und der Bohrgeschwindigkeit sowie auch fUr den SchneidwerkzeugverschleiB bei mechanischen Gewinnungsverfahren. Die Bohrgeschwindigkeit und Standzeit sind auBerdem yom MikrogefUge (vernetzte GefUge mit hoher Verzahnung) und damit auch von den Elastizitatseigenschaften der Gesteine abhangig. Bei den Elastizitatseigenschaften wird hierbei meist das Verhaltnis qjqz gemaB Abschn. 2.6.8 verwendet. Bei mittleren und hohen Druckfestigkeiten fUhrt eine hohe Verformbarkeit (Zahigkeit) zu einem Abfall der Bohrgeschwindigkeit. Bei der Abschatzung der Bohrgeschwindigkeit und der Schneidleistung von Vortriebsmaschinen spielt die Abrasivitat der Gesteine eine wesentliehe Rolle. Sie bedingt nieht nur den WerkzeugverschleiB, sondern beeinflusst die gesamte Bohrleistung (abgestumpfte Schneidwerkzeuge, Werkzeugwechsel) und damit in hohem MaBe die Vortriebskosten. Die wesentli-
chen Einflussfaktoren fUr die Abrasivitat sind die mineralogisch -petrographische Zusammensetzung des Gesteins sowie einige geotechnische Kennwerte. Dies gilt nicht nur fUr Festgesteine, sondern auch fiir grobkornige Lockergesteine, die ebenfalls einen merkbaren Einfluss auf den VerschleiB der Abbauwerkzeuge haben konnen. Fiir Festgesteine sind seit den 1970er Jahren verschiedene Testverfahren mit Priifstiften entwiekelt worden (HOLTZRAUSER & NILSEN 2006; PLINNINGER 2008; PLINNINGER & REsTNER 2008; BECKRAUS & TRURO 2008; TRURO & KASLING 2009). Am haufigsten Anwendung findet in Mitteleuropa der CAI- bzw. Cerchar-Abrasivitats-Test. Bei diesem Test wird ein Priifstift bei konstanter Auflast iiber 10 mm einer bruchrauen Gesteinsoberflache bewegt und seine kegelstumpffOrmige Abnutzung ausgewertet (Abb. 17.19 und MAIDL et al. 2001; PLINNINGER et al. 2002,2005; KASLING et al. 2007).Vergleichswerte fUr die Abrasivitat sind auf Tab. 17.3 zusammengestellt. Ais weiteren Gesteinsversuch wird neuerdings auch der LCPC-Abrasivitatsversuch an gebrochenen Festgesteinsproben der Kornung 4 bis 6,3 mm vorgenommen. Der LAK-Wert gibt den VerschleiB in g/t an (s. Lockergesteinstest). TRURO & KASLING (2009) bringen Korrelationen CAI-Index/AQu sowie LAK-Wert/CAI-Index und eine entsprechende Klassifikationstabelle (Tab. 17.3).
Ritzspur des PrGfstiftes auf einem Quarzsandstein
Abb. 17.19 Prinzip des CercharGeriits, die entsprechenden Ritzspuren und Ablesen der Prufstiftabnutzung (nach Kii.SLlNG et al. 2007).
1, 3 Schraubstock 2 Handgriffl -kurbel 4 PrGfstift 5 PrGfstiftfGhrung 6 Gewicht
Ansicht
Aufsicht
Ablesung der PrGfstiftabnutzung
497
17. 2 Aufgaben und Grenzen der ingenieurgeologischen Erkundung, Risikomanagement
Tabelle 17.3 Klassifikation der CAI-Werte und der LCPC-Abrasivitatskoeffizienten LAK fOr verschiedene Gesteinsarten (nach BECKHAus & THURO 2008). AbrasivitiitsBezeichnung
Beispiele fUr Festgesteine
50-100
0,3-0,5
kaum abrasiv
Ton-Schluffstein, Mergel
100-250
0,5-1,0
schwach abrasiv
Tonschiefer, Sandstein (feink6rnig, schwach tonig gebunden), Kalkstein bzw. Oolomitstein (karbona tisch gebunden)
250-500
1,0-2,0
abrasiv
verkieselter Kalk- bzw. Oolomitstein, Sandstein, Phyllit
500-1250
2,0-4,0
stark abrasiv (sehr abrasiv)
Quarzsandstein, Porphyr, Andesi!, Basalt, Glimmerschiefer
1250-2000
4,0-6,0
extrem abrasiv
(Gang-)Quarz, Quarzit, Granit, Oiorit, Syenit, Gneis, Eklogit, Amphibolit
Daneben kommen aber nach wie vor geotechnisch-mineralogische Methoden mit den klassischen Parametern zum Einsatz, wie Gesteinsdruckfestigkeit, Spaltzugfestigkeit, MineralkorngroBe und dem aquivalenten Quarzgehalt (AQu). Der aquivalente Quarzgehalt ist der Anteil an verschleiBscharfen Hartmineralen (> Harte 5,5), bezogen auf Quarz nach der ROSSIvAL-Skala (Tab. 3.3). Am haufigsten anzutreffen ist hier der Abrasivitatsbeiwert nach SCHIMAZEK (Tab. 17.4). F SCHIM
d·v·q z = ___ 100
d [mm] = mittlerer Korndurchmesser des Quarzanteils v [%] = Vol.-% an Hartmineralen, bezogen auf Quarz (s. Tab. 3.3) qz [MPa] = Spaltzugfestigkeit (s. Abschn. 2.6.8) Eine einfache Beziehung ist auch der sog. Rock Abrasivity Index (RAI), der nur den prozentualen Anteil an Hartmineralen und die einaxiale Gesteinsdruckfestigkeit beriicksichtigt: RAI= v·qu 100
v = Vol.-% an Hartmineralen, bezogen auf Quarz (s. Tab. 3.3) qu = einaxiale Gesteinsdruckfestigkeit (MN/m 2).
Der 2002 eingefiihrte RAI -Wert findet besonders Verwendung als Kennwert fiir den VerschleiB von Bohrwerkzeugen bei Sprengvortrieben und auch bei GroBbohrpfahlen. AulSer der Einstufung nach Tabelle 17.4 bringt PLINNINGER (2010) Vergleichsdiagramme mit dem Cerchar-Abrasivitats-Index sowie mit der Standzeit von Stiftbohrkronen (m/Krone). Obwohl der Sprengvortrieb hinsichtlich der Bohrbarkeit recht anpassungsfahig ist, bedeuten diese Angaben einen maBgeblichen Beitrag zur Kalkulation, da die Vortriebsleistung wesentlich von der Bohrleistung und dem VerschleilS der Bohrgerate abhangt und damit auf die gesamten Tabelle 17.4 Einstufung der Abrasivitat nach dem Abrasivitatsbeiwert von SCHIMAZEK & KNATZ (1976) bzw. dem RAI-Index (a us PUNNINGER 2010). FSCH'M
RAI-Inde)(
Abrasivitatsbeurteilung
< 0,01
3,0
> 120
hoch bis ext rem abrasiv
17
498
17 Tunnelbau
Ausbruchskosten durchschlagt. Bei harten Gesteinen mit hohen Quarzgehalten kommt es zu einer verstarkten Abnutzung der Hartmetallstifte von Stiftbohrkronen. Auch bei weniger harten Gesteinen wird durch den quarzhaltigen Bohrschmant der Kronendurchmesser abgeschliffen. In Konglomeraten konnen harte Gerolle zu Verklemmungen der Bohrkronen und damit zu Leistungsminderungen bis hin zu einem Gestangebruch fiihren (THURO 1993; THURO & PLINNINGER 1997). Bei einem moglichen Einsatz von Schildmaschinen ist auch die Abrasivitlit von Lockergesteinen zu bewerten. Fiir Lockergesteine lagen bis vor einigen Jahren nur wenig Ansatze zur Beschreibung des Abrasivitat vor, ausgehend von Angaben iiber die Lagerungsdichte, die KorngroBe und -form sowie dem Gehalt an abrasiven Mineralkomponenten. HOLTZHAUSER & NILSEN (2006) sowie THURO et al. (2006) und BECKHAUS & THURO (2008) beschreiben auch Testverfahren fUr Lockergesteine. Der LCPC-Abrasionskoeffizient entspricht dem Massenverlust eines rotierenden Metallfliigels in einem Behalter mit 500 g Material der Kornung 4-6,3 mm. Der entsprechende LAK -Wert kann zwischen 0 und 2000 g/t liegen (Abb. 17.20). Die Grenzen und verbalen
.' (emk Komgem,sehe I mil qU9rz,t Stem· Reme,Ou9fZ Komponent"n IfJfltJrochen)
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3m
I - 3m
0,3-1 m
5- 30 cm
5 mm dick oder Kluft5ffnung > 5 mm, durchgehende Kruftung
I.
25
20
12
6
0
Gebirgswasser
Zufluss auf 10 m Tunnellange
Verhiiltnis Kluftwasserdruck zur groSlen Hauptspannung
allg. Verhaltnisse
6
3 - 10 MN/m'
< 251/min
oder
oder
Oder
oder
0
0- 0,2
0,2-0,5
> 0,5
oder
oder
Oder
oder
vollstandig Irocken
feucht
Wasser unter niedrigem Druck
schwierige Gebirgswasserprobleme
10
7
4
0
25-1251/min
sehr gunstig
giinstig
maSig gul
ungiinstlg
sehr ungiinslig
Tunnel (s. Tab. 7.8)
0
-2
-5
- 10
-12
Griindungen
0
-2
-7
- 15
- 25
Boschungen
0
-5
-25
- 50
- 60
Streich- und Fallrichtung der KlOfte
I,
> 1251/min
kein Zufluss
17
17 Tunnelbau
506
1
Tabelle 17.7 (Fortsetzung) Bestimmung der Gebirgsklasse l:1 ~
81 - 100
- I, + ... + 16
Klasse sehr guter Fels
Beschreibung
61 - 80
41 - 60
21 - 40
< 20
II
III
IV
V
guter Fels
miiBig guter Fels
schlechter Fels
sehr schlechter Fels
Die Einzelnen Wertungszahlen fUr das Q-System bedeuten: 0< 1
sehr schlechtes Gebirge
0 - 4- 10
miiBig gules Gebirge
0 - 10- 100
gutes Gebirge
0> 100
sehr gutes Gebirge.
173.2.4 Der Rock Mas Index
Die nachstehende Korrelation bietet eine vereinfachende Methode zu Festlegung der Gebirgsqualitat Q anhand der Kompressionswellengeschwindigkeit vp von Schallwellensonden (Bohrlochseismik) gemaG Abschn. 4.8.2: v. (m/s) 1500 2500 3500 4500 5500 6500
o
0,01
0,1
Verwitterungsgraden und ergibt zahlenmaGige GSI -Werte von 10-100. Die Einschatzung und Bewertung des TrennflachengefUges ist dabei sehr subjektiv (Abb. 17.22).
10
100
1000
Ein weiteres Klassifizierungssystem ist der RMIndex (Rock Mass Index) von PALMSTROM (1995). Als EingangsgroBen werden dafiir die (kleinste) einaxiale Gesteinsdruckfestigkeit, eine Kennziffer fUr die Eigenschaften der Trennflachen (Erstreckung und Durchtrennung, Oberflachenausbildung. Belage, Trennflachenfiillung) und die KluftkorpergroGe verwendet. Fiir den Bedarfsfall beschreibt SOMMER (2009) das System und seine Anwendungsmoglichkeiten.
ngth 17.3.2.3 Der Geological1St Strength Index
17.3.2.5 173.2 5 Anw Anwendung ndung der de interna lOt n tlon Ilen tiona n Systeme Sy teme in 10 Deutschland Deutschl nd
Eine weitere Gebirgsklassifikation, der GSI-Faktor (Geological Strength Index) von HOECK (1999), basiert auf rein geologischen Faktoren wie Kliiftigkeit (Gebirgszerbrechung) und fiinf
Abgesehen von der Problematik, die einzelnen Parameter zahlenmaGig festzulegen, bestehen in Deutschland starke Einwendungen hinsichtlich derartiger Indexwerte anhand von Bohrauf-
Tabelle 17.8 Einfluss der Raumstellung der Trennflachen auf die RMR-Bewertungszahlen bei Tunneln (s. d. Tab. 17.7). Einfluss der Raumstellung (Streichen und Fallen) der KlUfte im Tunnelbau
----
Streichen parallel zur Tunnelachse
Streichen normal zur Tunnelachse Fallen in Vortriebsrichtung
Fallen gegen Vortriebsrichtung
sehr giinstig
rniiBig gut
giinstig
ungiinstig
Fallwinkel
f3:
0 0 _20 0 unabhiingig vorn Streichen
sehr ungiinstig
rniiBiggut
ungiinstig
507
17.3 Gebirgsklassifizierung
schlussen. Trotzdem sind das RMR-, das Q- und das GSI-System international weit verbreitet und der Anwender bewegt sich in anerkannten Bahnen bzw. Standards. Die Systeme werden heute auch fur die Abschatzung des Gebirgsdrucks und des Verformungsverhaltens verwendet. Die Ableitung von
II)
100000
0=0
Q)
~
:c Q)
(9 II)
~N
- E ~-Cz 0:::2;
E~
0=0
ungestort
90 m) vorliegt. Dann ist das Ausweichprinzip vorzuziehen, des sen Knautschzone einen Teil der Hebungen aufnehmen kann, so dass insgesamt geringere Hebungen der Tunnelrohre zu erwarten sind (s. BACHERACH 2007). Die kritische Bauphase beim Widerstandsprinzip liegt zwischen dem Ausbruch und den ersten Sicherungsarbeiten sowie dem spateren Einbringen einer entsprechend dicken Betoninnenschale. Wenn sich wahrend des Vortriebs bereits groGere quellbedingte Hebungen einstellen, mussen notigenfalls Sohlankerungen vorgenommen und es muss eine Umstellung auf das kostenaufwandigere Ausweichprinzip vorgesehen werden (z. B. Engelberg Basistunnel; BACHERACH 2007). Bei unsicheren Bedingungen hinsichtlich der Wasserwegigkeit im Gebirge ist deshalb ein nachgiebiger Ausbau vorzuziehen (ANAGNOSTOU 2007).
17.5.3 Geotechnische Messungen und Verformungsverhalten bei Mittelgebirgstunneln Die Sicherheit eines Tunnelvortriebs wird maGgeblich gepragt von der Qualitat der BauausfUhrung und den begleitenden Kontrollmessungen der ausbruchsbedingten Verformungen. Durch
526
die beim Ausbruch eines Hohlraumes stattfindende Spannungsumlagerung wird das Gebirge gegeniiber dem primaren Spannungszustand in einigen Bereichen entlastet, in anderen zusatzlich belastet (s. Abb. 17.28). Diese Spannungsumlagerungen losen Verformungen im Gebirge und am Ausbau aus. Ihre GroGenordnung ist bei angepassten Vortriebsarbeiten und Stiitzmitteln in erster Linie von der Spannungsverteilung und dem Verformungsmodul des Gebirges abhangig. Dabei hat sich gezeigt, dass, wenn ein gewisses MaG an Deformationen zugelassen wird, der notige Ausbauwiderstand zur Stabilisierung des Hohlraums erheblich reduziert werden kann. Geotechnische Messungen, besonders der Setzungen am Ausbau durch First- und KalottenfuGnivellements, dienen der Kontrolle des Tragverhaltens und sind Standard moderner Tunnelbauweisen. Sie werden seit Beginn der 1990er Jahre iiber EDV-gestiitzte, trigonometrische Messdatenerfassungssysteme vorgenommen, bei denen mittels spezieller Reflex-Zielzeichen und Lasertheodoliten Absolutbewegungen registriert werden (Abb. 17.32). Die Bestimmung der dreidimensionalen Absolutlage der Messpunkte erfolgt mit einer Genauigkeit von ± Imm (Standardabweichung). Die 3D-Verformungsmessungen der Spritzbetonschale ermoglichen eine raumliche Verformungsanalyse, wodurch auch Horizontalverschiebungen der Tunnelschale erkannt und ihre Auswirkungen gedeutet werden konnen. Die absolute raumliche Verformungsanalyse ist heute ein unverzichtbares Element der Sicherheit im Tunnelbau, wenn nicht nur Messdaten produziert und gespeichert werden, sondern mit Problemverstandnis und Erfahrung interpretiert werden (s. a. NAUMANN & PRINZ 1988; VAVROVSKY 1994; STEINDORFER et al. 1995; SCHUBERT et al. 1997). AuGer den gebrauchlichen Weg-Zeit-Diagrammen des Verformungsverhaltens einzelner Messpunkte mit Darstellung des jeweiligen Vortriebsstandes (Abb. 17.33) konnen kurzfristig auch vortriebsorientierte Darstellungen oder Interpretationen in Tunnellangsrichtung sowie Querschnittdarstellungen und andere Auswertungen abgerufen werden (SCHUBERT et al. 1997; MORITZ & SCHUBERT 2009). Mit laufenden Langsauswertungen der Deformationen konnen Zonen unterschiedlicher Gebirgssteifigkeit ausgewiesen und kritische Spannungsumlagerungs-
17 Tunnelbau
prozesse im Vortriebsbereich rechtzeitig erkannt und entsprechende SicherungsmaGnahmen getroffen werden. Die Messprinzipien und Messgerate sind in der Empfehlung Nr. 18 "Versuchstechnik Fels" beschrieben (REIK & VOLTER 1996). Das kompIette Messprogramm besteht aus der Ermittlung der dreidimensionalen Absolutlage von Firstund Kalotten- bzw. StrossenfuGpunkten im Tunnel sowie bei oberflachennahen Tunneln auch Nivellements von GeIandepunkten und gegebenenfalls Extensometer- und Inklinometermessungen. Hinzu kommen in bestimmten Messquerschnitten Druckmessdosen zur Feststellung des Radialdruckes in der Fuge Spritzbeton/ Gebirge (Gebirgsdruck) bzw. fUr den Tangentialdruck im Spritzbeton (Betondruck). Besondere Problemstellungen konnen dariiber hinaus zusatzliche Messeinrichtungen erfordern, Z. B. zur Ermittlung des Wasserdrucks oder Rissbreitemessungen (s. d. SCHUCK & FECKER 1998). RegelmaGige Verformungsmessungen der Spritzbetonschale in Abstanden von 10 bis 20 m, gehoren zu den Standardmessungen im modernen Tunnelbau. Die First - und KalottenfuGMessbolzen miissen unmittelbar nach Einbringen der Stiitzmittel gesetzt werden, urn einen moglichst groGen Teil der Gesamtverformungen zu erfassen. Der Zeitpunkt der Nullmessung und der Abstand des Messpunktes zur Ortsbrust bei der Nullmessung sind zu protokollieren. Die Messungen werden bis zum Abklingen der Bewegungen taglich, spater wochentlich oder monatlich durchgefUhrt (Abb. 17.33). Unter Konvergenz wird die ausbruchsbedingte seitliche Profileinengung eines Hohlraumes (Stauchung) aufgrund von Lastumlagerungen im umgebenden Gebirge verstanden. Die Profilaufweitung eines Hohlraumes wird als Divergenz (Spreizung) bezeichnet. Messungen im Tunnel erfassen immer nur den Verformungsanteil nach Anbringen der Messbolzen und der Nullmessung. Die dem Ausbruch bis zu diesem Zeitpunkt vorauseilenden Verformungen konnen, soweit sie bis zur Oberflache durchschlagen, mittels Oberflachennivellement in Achsrichtung und in Querprofilen ermittelt werden (Abb. 17.34). Sofern menschliche Einrichtungen im Bereich der zu erwartenden Setzungsmulde liegen, sind diese in die (taglichen) Kontrollmessungen einzubeziehen. In
527
17.5 Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges
17
Zieltafel, Prisma oder Reflektor
Abb. 17.32 Prinzip geodatischer Winkelmessung mit spezieller Objektpunktvermarkung und Darstellung der absoluten Bewegungsvektoren im Messquerschnitt. lunten) (Firmenprospekt).
stadtischen Bereichen werden dazu haufig elektronische (Druck)schlauchwaagen eingesetzt, ein stationares Vielstellenmesssystem fiir eine kontinuierliche Erfassung relativer Hohenanderungen an Bauwerken (GABENER et al. 2010). Bei ungiinstiger Verformungsentwicklung (Messergebnisse), die ein Erreichen der vorgegebenen Grenzwerte erwarten lasst, sind entsprechende MaBnahmen zu veranlassen. Die Setzungsmulde an der Geliindeoberfliiche entspricht im Normalfall der Verteilung der
Spannungsumlagerung im Untergrund. KOSTER & SCHETELIG (1988) haben bei der Untersuchung von 157 EinzelHillen bei 68 % der FaIle Grenzwinkel zwischen 31 ° und 510, im Mittel 41° festgestellt und damit erhebliche Abweichungen von der Grenzwinkeltheorie (45 + q>/2, s. Abb. 17.34). In Kluftgesteinen hiing1 die Ausbildung der Setzungsmulde sehr stark vom Trennflachengefiige sowie auch von Auflockerungszonen im Gebirge ab und fiihrt zu asymmetrisch ausgebildeten Gelandesetzungen (Abb. 17.35) bzw.
528
17 Tunnelbau
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Abb. 17.33 Zeitsetzungsverlauf der First- und KalottenfuBpunkte (Geotec).
zu entsprechenden Verformungsdifferenzen der First- und KalottenfuBpunkte. Mit Extensometer- bzw. Gleitmikrometermessungen (Abschn. 4.8.4) werden in einem Bohrloch Relativbewegungen zwischen dem Ansatzpunkt (haufig Gelandeoberflache) und bis zu 5 verschiedenen Verankerungspunkten im Gebirge gemessen (Abb. 17.35). Auf diese Weise konnen bei rechtzeitigem Einbau die Verteilung
der Verformungen in Bohrlochlangsachse tiber und neben einem Hohlraum vor, wahrend und nach dem Ausbruch erfasst werden (z. B. Hohe der Auflockerungszone). Mit Inklinometern (s. Abschn. 4.8.4 und 15.2.5) konnen HOrizontalverformungen quer zur Bohrlochachse gemessen und damit z. B. das raumliche Verformungsverhalten vor der Ortsbrust und neben dem Hohlraum erfasst werden.
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Abb. 17.34 Theoretischer Verlauf der Setzungsmulde im Querschnitt und in Vortriebsrichtung (nach JAGER).
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529
17.5 Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges
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Abb. 17.35 Ergebnisse eines Extensometermessquerschnitts im Buntsandsteingebirge. Unten Ergebnisse der Tunnelkartierung mit GroBklOften und flexurartigen Schichtverbiegungen, die z. T. in St6rungszonen Obergehen. Die Zahlen bedeuten mm Setzung.
Mit Messquerschnitten einschliemieh Oberflachennivellement und Extensometermessungen, eventuell auch noch Inklinometermessungen, konnen die Entspannungsvorgange der einzelnen Bauphasen ermittelt und Angaben liber die Vorausverformungen vor der Ortsbrust und damit liber den Entspannungsfaktor gemacht werden. In einem setzungsempfindlichen Gebirge konnen (meist schnell ablaufende) Verformungen der Ortsbrust in den Hohlraum von mehreren Zentimetern auftreten, die im Tunnel nieht bzw. nur in besonderen Fallen gem essen werden. Die Ortsbrust ist damit der einzige vermessungstechnisch nieht kontrollierte Bereich eines Vortriebs. Das Verhalten der Ortsbrust nach dem Abschlag und bis zum Einbringen der Brustsicherung sowie meist auch danach bis zum nachsten Abschlag, wird immer nur visuell beobachtet bzw. nach dem gesamten Verformungsverhalten
eingeschatzt. EGGER & SCHUKOFF (2007) berichten liber erste systematische Ortsbrustdeformationsmessungen zum Erkennen von kritischen Zustanden an der Ortsbrust. Die dreidimensionale Spannungsumlagerung bewirkt einerseits eine Spannungskonzentration an den Ulmen, die zu erh6hten Setzungen und zu Festigkeitsliberschreitungen fiihren kann, und andererseits eine Spannungszunahme vor der Ortsbrust, einen Spannungsabfall im Vortriebsbereich und einen Spannungsanstieg in einem Abstand von 1,5 bis 2 D hinter der Ortsbrust (Abb. 17.36). Die sieh zunachst aufbauende Liingstragwirkung geht dabei mit zunehmendem Abstand zur Ortsbrust in eine Quertragwirkung liber, die sieh ab dem 1,5-fachen Durchmesser hinter der Ortsbrust einstellt und wodurch die Spritzbetonschale in diesem Bereich ihre volle Belastung erbalt. Daraus ergibt sich bei wenig tragfahigem Gebirge die Notwendigkeit des
17
530
17 Tunnelbau
17 SpannungsI raje k torien First-
setlungen
Abb. 17.37 Querst6rung im Ortbrustbereich behindert die Spannungsumlagerung und bewirkt erh6hte Firstsetzungen. Abb. 17.36 Schema der Spannungsumlagerungen im Vortriebsbereich.
rechtzeitigen Einbringens der Stiitzmittel und eines raschen Ringschlusses. Auch der Spritzbeton muss in dies em Abstand zur Ortsbrust eine gewisse Festigkeit erreicht haben, urn den voUen Ringdruck aufnehmen zu konnen. Die Spritzbetonschale weist bei einer Vortriebsgeschwindigkeit von etwa 3 m/ d in diesem Bereich ein Alter von 5 bis 6 Tagen auf. Gleichzeitig hat die Schale hier bereits einen Grogteil ihrer Verformungen erhalten. Die Spannungsausbreitung und damit das Verformungsbild sind sehr stark yom TrennflachengefUge abhangig. Steil stehende Schichtung oder den Vortrieb begleitende Grogkliifte behindem die Spannungsausbreitung und konnen die Firste oder den Ulmenbereich einseitig belasten und erhohte Setzungen verursachen. Querschlagige Grogkliifte im Bereich der Ortsbrust behindem die Spannungsumlagerung in Langsrichtung und bewirken damit eine Spannungskonzentration und erhohte Verformungen der Ortsbrust, bzw., wenn sie in den Tunnel einstreichen, Spannungskonzentrationen im Aushubbereich und damit erhohte Firstsetzungen (Abb. 17.37). Messungen haben gezeigt, dass sowohl die anfanglichen Spannungsumlagerungen als auch die damit verbundenen Verformungen dem Ausbruch urn ein bis zwei Tunneldurchmesser (D)
vorauseilen, aber etwa im selben Abstand hinter der Ortsbrust weitgehend zum Stillstand kommen (Abb. 17.38). Die voreilenden Gebirgsverformungen sind auf den Spannungsanstieg vor der Ortsbrust zuriickzufUhren. Sie konnen 30 bis 50 % der Gesamtverformungen erreichen und bilden die theoretische Grundlage fUr den rechnerischen Ansatz der Vorentlastung bei der Tunnelstatik (s. Abschn. 17.5.5). Entscheidend fUr die Grogenordnung der Vorausverformungen ist der Zeitpunkt des Einbaus der Spritzbetonschale und bei den konkreten Messwerten auch der Zeitpunkt der Nullmessungen des Firstpunktes. Die Vorausverformungen schlagen auch bei Dberlagerungshohen von 50 bis 100 m teilweise noch bis zur Gelandeoberflache durch. Die Grogenordnung dieser, durch vorlaufende OberflachenniveUements gemessenen Verformungen gibt vorab Hinweise auf die Gebirgsqualitat und auf ortliche Schwachezonen. Die Vorausverformungen und die anfangliche Verformungsgeschwindigkeit sowie die Grogenordnung der Verformungen sind Ausdruck des Tragverhaltens des Gebirges. Nach Abklingen der ausbruchsbedingten Spannungsumlagerungen bzw. Verformungen stellt sich ein sekundarer Spannungszustand ein, der zunachst ein Gleichgewicht zwischen dem Ausbauwiderstand und den Umlagerungsspannungen bedeutet. Ein anhaltendes Nachkriechen der Verformungen zeigt immer ein ungiinstiges Gebirgsverhalten an.
17.5 Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges
531
17
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Abb. 17.38 Anteil der Vorausverformungen und messtechnisch erfassbare Verformungen bei einem Kalottenvortrieb (nach
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Bei Mittelgebirgstunneln zeigen ausreichend tief reichende Extensometer- und auch Gleitmikrometermessungen seitlich der Tunnelrohre Vertikalverformungen bis unter das Aushubniveau, die belegen, dass es sich bei den gemessenen Verformungen tatsachlich urn Setzungen infolge Spannungszunahme handelt (s. Abb. 17.35). 1m Entlastungsbereich unterhalb der Tunnelrohre wurden entsprechend auch leichte Hebungen beobachtet. Gleitmikrometermessungen mit Darstellung der Verteilung der Verformungen in Bohrlochachse zeigen, dass uber dem Ausbruch eine Abnahme der spezifischen Verformungen nach oben stattfindet, was eine Zone vertikaler Dehnungen bedeutet, wahrend die Verformungen vor der Ortsbrust und seitlich neben dem Tunnel Stauchung, d. h. Kompression anzeigen. Die Vertikalverformungen infolge Spannungszunahme werden iiberlagert durch einen Horizontalverformungsanteil als Folge der freien Hohe des Tunnelausbruchs (s. Abschn. 10). Die GroBenordnung dieser Horizontalverformungen ist abhangig von der Spannungsumlagerung und der Gebirgsfestigkeit, insbesondere der Gebirgsscherfestigkeit auf Trennflachen. Eine Horizontalverformung macht sich besonders im Ortsbrustbereich bemerkbar. Bei flachliegenden Tunneln kann ein direkter Zusammenhang zwischen dem AusmaB der Oberflachensetzungen und den Ortsbrustverformungen festgestellt werden (MORITZ et al. 2008). Die horizontalen Konvergenzen bzw. Divergenzen sind vielfach recht gering (NAUMANN &
BERWANGER
& LINDNER
1989).
PRINZ 1988). In Gebirgsbereichen, in denen die Spannungskonzentrationen am Ausbruchrand in die GroBenordnung der Gebirgsfestigkeit (auch geringe Scherfestigkeit auf vorgegebenen Flachen) kommt, ist mit groBeren Verformungen der Spritzbetonschale und auch mit entsprechenden Konvergenzen zu rechnen, die besondere MaBnahmen verlangen (SCHUBERT & MARINKO 1989). Ein zu definierendes zuliissiges Verformungsma6 hangt wesentlich von der Tiefenlage des Tunnels und yom Sprodbruchverhalten bzw. einem mehr zahen (duktilen) Bruchverhalten des Gebirgsbereiches ab (s. Abschn. 2.6.10.3). Bei einem sprode reagierenden Gebirge konnen sich bereits ab 5 bis 10 em (gemessene) Verformungen unmittelbar Bruchvorgange anschlieBen, wahrend bei mehr duktilem Gebirgsverhalten Verformungen von 10 bis 15 em (und mehr) noch nicht zum Versagen fUhren miissen (s. a. RABCEWICZ 1944). Bei den Uberlegungen iiber das jeweils zulassige VerformungsmaB ist zu beachten, dass eine beim Kalottenausbruch in der Firste gemessene Setzung NF von 50 mm zusammen mit Setzungen aus dem Strossen- und Sohlvortrieb von etwa 30 bis 60% von Np sowie mit den nicht gemessenen voreilenden Setzungen (die i. Allg. bei 30-50% von NF liegen), bereits eine Gesamtsetzung des Gebirges von etwa 80-105 mm ergibt. Allgemein giiltige Kriterien fUr die Bewertung von Verformungskurven liegen nicht vor. Die theoretische Moglichkeit, die Standsicherheit
532 abzuschatzen, ware ein Vergleieh von gemessenen und berechneten Verformungen (Soll/IstVergleieh). Die Verformungen gelten dabei als zulassig und die Standsieherheit als nachgewiesen, solange die gemessenen Verformungen nieht groBer werden, als die im statischen Nachweis als zulassig erkannten Werte. Die statischen Berechnungen liefem jedoch, wie im Abschn. 17.5.5 dargelegt wird, keine derart zuverlassigen Aussagen (s. QUICK et al. 2000). Die Bewertung der Verformungen erfolgt deshalb praktisch nach dem Erfahrungswissen bzw. der Methode der vergleichenden Betrachtung. Aus der Ahnlichkeit der Kurvenverlaufe werden dabei Ruckschlusse auf das Gebirgsverhalten gezogen. Als abgestufte Alarmwerte gelten sowohl bestimmte Grenzwerte (in mm) als auch Auffalligkeiten im Setzungsverhalten der einzelnen Messpunkte. Entscheidendes Kriterium ist das Abklingen der Verformungen nach 3 bis 4 Tagen, wobei als kritischer Verformungszuwachs Anfangssetzungen von 0,1 % des Tunneldurchmessers pro Tag uber mehr als 3 Tage, auch wenn sie sieh durch Ausbauverstarkung beruhigen, als Anzeichen fUr ungenugende Tragreserven angesehen werden muss en. AuBerdem sollten die Verformungsdifferenzen der First - und Kalottenpunkte auf 20 bis 30 mm begrenzt werden (SCHUBERT et al. 1997). Besonders kritisch sind asymmetrisches Verformungsverhalten und Konvergenzen bzw. Divergenzen zu bewerten, fUr die nieht nur wesentlich niedrigere Alarmwerte gelten, sondem bei denen vor allen Dingen keine langer anhaltende Tendenz auftreten darf. Verformungsmessungen allein geben jedoch noch keine Aussage uber den letztlieh auf dem Tunnelausbau lastenden Gebirgsdruck. Hierzu werden in bestimmten Messquerschnitten Druckkiss en fUr Spannungsmessungen Beton/Gebirge und im Beton installiert (Abb. 17.39), die getrennt den Tangentialdruck im Spritzbeton sowie den Radialdruck am Kontakt Spritzbeton/Gebirge anzeigen. Bei dies en stationaren Druckkissen bzw. Druckmessdosen handelt es sieh urn direkte Spannungsmessverfahren (s. Empfehlung Nr. 19, Versuchstechnik Fels). Die Ergebnisse sind in hohem MaBe von der Einbauqualitat abhangig und sind haufig erst nach mehreren Messungen einigermaBen zu deuten. Einzelne Messquerschnitte geben damit keine ausreichende Aussage, welche Spannungen in der Spritzbeton-
17 Tunnelbau
Gillerbogen Druckmestldo&e
DruckmeUdose
Abb. 17.39 Einbau von Druckmessdosen fOr Tangentiaid ruck (oben) und Radialdruck (unten) im Spritzbeton (Zeichn. SAUER, Salzburg).
schale vorliegen und welche Tragreserven bei welchen Verformungen noch vorhanden sind. Mit Hilfe von FE-Berechnungen wird daher versucht, eine nachvollziehbare Aussage uber den Auslastungsgrad der Spritzbetonschale und damit uber die noch vorhandenen Tragreserven zu erhalten (ROKAHR 2000). Der Auslastungsgrad ist definiert als das Verhaltnis zwischen vorhandener Spannung und aufzunehmender Spannung. Betragt der Auslastungsgrad 100%, ist die Bruchfestigkeit des Spritzbetons erreicht.
17.5.4 Verbundwirkung von Gebirge und Spritzbetonausbau Voraussetzung fUr einen erfolgreichen Tunnelvortrieb ist eine realitatsnahe Einschatzung des Gebirges sowie der Verbundwirkung von Gebirge und den eingesetzten Sieherungsmitteln, wobei das Gebirge die eigentliche Tragwirkung zu ubernehmen hat und den Sicherungsmitteln nur unterstutzende Funktion zukommt. Die konventionellen Tunnelbaumethoden nutzen diese Verbundwirkung aus. Sie basieren im Wesentlichen auf der Neuen Osterreichischen Tunnelbauweise (NOT, engl. NATM), die allgeme in als Spritzbetonbauweise bezeiehnet wird. Dabei handelt es sich urn eine Baumethode auf der Grundlage praktischer Erfahrungen und mo-
17.5 Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges
derner geotechnischer Erkenntnisse unter Verwendung von Spritzbeton, Ankern und sonstigen Stiitzmitteln in Verbindung mit Messungen zur Kontrolle der Dimensionierung (ROKAHR 1995, darin Lit.). Die Spritzbetonbauweise setzt die Verbundwirkung Gebirge/Bauwerk voraus, die durch einen gebirgsschonenden Ausbruch und eine sofortige Versiegelung mit Spritzbeton erreicht wird (s. Abschn. 17.8.1). Der Spritzbeton passt sich den Unebenheiten der Ausbruchflache voll an, was entscheidend zur Lastabtragung beitragt. Diese erfolgt durch das Gebirge selbst, in Kombination mit der Spritzbetonschale. Dber die Kontaktflache Gebirge/Spritzbeton werden sowohl radiale als auch tangentiale Spannungen auf die Spritzbetonschale iibertragen. Die relativ diinne Spritzbetonschale, gegebenenfalls verstarkt durch Stahlbogen, Bewehrungsmatten und Anker, blockiert eine Initialbewegung
533
der Kluftkorper, wodurch die Gebirgsauflockerung im Wesentlichen auf eine pseudoelastische Entspannungsbewegung reduziert wird. Es tritt keine weitere Entfestigung und damit keine grogere Gebirgsauflockerung ein. Die diinne und schlaffe Spritzbetonschale hat damit nicht die Aufgabe, Gebirgsdruck aufzunehmen, sondern nur die Gebirgsauflockerung zu minimieren und verbessert damit die Eigentragfahigkeit des Gebirges. Andererseits kann die schlaffe Spritzbetonschale, im Gegensatz zum friiheren massiyen Holzverbau, die durch die Spannungsumlagerung bedingten Verformungen mitmachen, ohne gleich Schaden zu erleiden oder zu versagen (Abb. 17.40). Nach dem urspriinglichen Text des osterreichis chen Nationalkomitees wird das den Hohlraum umgebende Gebirge durch "Aktivierung eines Gebirgstragringes" zu einem tragenden Bauteil. Unter Gebirgstragring wird dabei der
Abb. 17.40 Gegeniiberstellung der alten Tunnelbauweisen mit Holzverbau und die zweischalige Neue Osterreichische Tunnelbauweise (Zeichn. KNITTEL, Hallein).
17
534
17 Tunnelbau
den Hohlraum umgebende Gebirgsbereich verstanden, in dem die wesentlichen Spannungsumlagerungen stattfinden. Urn diese Tragwirkung zu erhalten, ist es in einem nicht standfesten Gebirge erforderlich, den Hohlraumrand zu stiitzen bzw. zu stabilisieren (VAVROVSKY 1994; ROKAHR 1995). Fur die Dimensionierung der Spritzbetonschale und der Stutzmittel ist und bleibt das Tragverhalten des Gebirges selbst von ausschlaggebender Bedeutung. Die durch die Spannungsumlagerungen ausgelOsten Verformungen bewirken zunachst eine deutliche Abnahme der Belastung. Der Druck steigt jedoch bei fortschreitender Verformung wieder an. Dberschreiten die vertikalen Verformungen ein bestimmtes MaB, so kann es zunachst zu lokalen Festigkeitsuberschreitungen an groBeren und an ubereinander liegenden kurzeren Trennflachen kommen. Hierbei konnen sich Scherzonen ausbilden, die sich durch fortschreitende Uberlastung der Nachbarbereiche wie ein progressiver Bruch fortpflanzen (Abb. 17.41 und NAUMANN &PRINZ 1988; SCHUBERT 1994). Nach der Literatur (s. PREH & POISEL 2009) kann der Versagensablauf wie folgt unterteilt werden: In einer Anfangsphase bleiben die Bruchflachen auf den Nahbereich begrenzt. Bei zunehmenden Verformungen, insbesondere groBeren Horizontalverformungen, bilden sich tief in das Gebirge reichende Scherbruchflachen aus, die im Endstadium zu Scherbruchkorpern fiihren. Allgemein gehen Verbruchereignissen zunehmend groBere Setzungen voraus, welche die oben genannten Vorgange anzeigen. Werden diese ,
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Abb. 17.41 Ausbildung von Scherzonen und Bruchmechanismen im Kalottenstadium (nach SCHUBERT & MARINKO
1988).
Verformungen durch Verstarkung oder rechtzeitige Stutzung des Ausbaus mit Stempeln o. A. gebremst, so kann der Verbruchvorgang trotz verhaltnismaBig groBer Setzungen meist noch verhindert werden. In sprode reagierenden Gebirgsarten (z. B. von GroBkluften durchzogene harte Kalkstein- oder Sandsteinbanke) konnen Brucherscheinungen auch ohne vorherige groBere Setzungen eintreten. Die GroBe der Niederbruche ist abhangig von der Gebirgsfestigkeit, den Trennflachenabstanden und ihrer Raumlage zum Tunnel, etwaigen Wasserzutritten sowie dem Tunnelquerschnitt. Kleinere Niederbruche fiihren zur Entstehung von sog. Kaminen. GroBere Niederbruche oder Verbruche konnen den gesamten Tunnelquerschnitt verschutten. Bei flachliegenden Vortrieben schlagen sie meistens bis zur Gelandeoberflache durch (sog. Tagesbruche). Weitere Anzeichen auf unzureichende Standsicherheit, auf die ein Tunnel standig beobachtet werden muss, sind Risse im Spritzbeton und die Verformung von Ankerplatten, die eine Uberbeanspruchung der Anker anzeigen. Aus dem Rissebild kann auf die Art der Beanspruchung geschlossen werden. Radialrisse an Bogen sind in der Regel Biegebruche aus unterschiedlichen Beanspruchungen (Verformungen) in Tunnellangsrichtung, wahrend Langsrisse im First- bzw. Kampferbereich meist eine Schubbeanspruchung der Schale anzeigen, die verschiedene Ursachen haben kann. Bei linear begrenzter Schubbeanspruchung, z. B. an tektonischen Flachen, konnen auch riedelartige Risse im Spritzbeton auftreten, welche das Durchstreichen der Flache nachzeichnen. Die Rissebilder sind zu kartieren (Abb. 17.42) und mit den raumlichen Verformungsmessungen, der ingenieurgeologischen Tunnelaufnahme sowie dem Zustand der Ankerkopfe zu vergleichen, was meist weitergehende Schlusse auf die Beanspruchungsart ermoglicht. Das weitere Verhalten der Risse ist durch Rissbreitenmessungen, zusatzliche Messbolzen, Gipsplomben und andere Zeitmarken zu kontrollieren. Das Rissebild und die weiteren VerformungsmaBe bzw. -geschwindigkeiten sind ein wichtiges Beurteilungskriterium fur den jeweiligen Gefahrdungsgrad. Die Frage nach den zuilissigen Verformungen (Setzungen, Konvergenzen bzw. Divergenzen), ohne dass es zu Rissbildungen an der Spritzbe-
535
17.5 Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges
17 ®
AbpIolzungIn Sprilm.ton zo. t RiIlstOrl<e in 111m
Slot 710
Stol . 680 Abb. 17.42 Raumliche Darstellung einer Rissekartierung (Iinke Tunnelhalfte).
tonschale und zu einem Verlust der Tragfahigkeit kommt, kann nur unter Beriicksichtigung der Verformungsentwicklung auf der Grundlage moglichst raumlicher Absolutmessungen diskutiert werden (Alarmwerte s. Abschn. 17.5.3). Die Auswertung zahlreicher Schadensereignisse zeigt, dass sich Schwachstellen und kritische Bauzustande in der zeitlichen und raumlichen Verformungsentwicklung meist ankiindigen und dass durch eine den Vortrieb begleitende griindliehe Analyse der geotechnischen Messungen im Vergleich mit der ingenieurgeologischen Tunnelkartierung rechtzeitig GegenmaBnahmen ergriffen werden konnen (NAUMANN & PRINZ 1988; VAVROVSKY 1994; PURRER & JOHN 1994; SCHUBERT 1994). In einem Sicherheitsmanagementplan wird deshalb fUr ein solches vom Sollwert abweichendes Verformungsverhalten ein abgestuftes Alarmsystem festgelegt (MORITZ & SCHUBERT 2009). Nach allen Erfahrungen ist im Tunnelbau ein Zustand erst wirklich kritisch, wenn keine Zeit mehr gegeben ist, Verstarkungen der Sieherungsmittel zur Stabilisierung des Tragsystems einzubauen.
Diese Bauweise ist unter dem Begriff "Beobachtungsmethode" in der DIN EN 1997-1 verankert (s. Abschn. 5.2). 1m Tunnelbau, der zu den komplexen geotechnischen Aufgaben gehOrt, bedeutet dies, dass MaBnahmen, die im Rahmen der Ausfiihrungsplanung festgelegt worden sind, wahrend der Vortriebsarbeiten laufend kontrolliert werden. Die Prognosen iiber das Systemverhalten, d. h. den Wechselwirkungen zwischen Gebirge und Vortriebsverfahren sind wahrend der Bauausfiihrung zu iiberpriifen und ggf. die Kennwerte anzupassen, wenn sich das Verhalten von Bauwerk und Gebirge nicht wie erwartet einstellt. Bei sich abzeichnenden zu groBen Verformungen oder einer Gefahrdung der Standsicherheit sind entsprechende GegenmaBnahmen einzuleiten (SCHUBERT 201O). Aufgabe des Ingenieurgeologen ist dabei, das Tragverhalten des Gebirges mit einzuschatzen und durch verbale Beschreibung auf mogliche Gefahrdungssituationen hinzuweisen, wobei Erfahrungen aus vergleichbaren Gebirgsverhaltnissen bei der Risikobewertung durchaus von ahnlichem Gewicht sein sollten, wie Berech-
536
nungsergebnisse (DUDDECK 1994; SCHUBERT 20lO). Eine solche geotechnische Interpretation hat umso mehr Bedeutung, als die Rahmenbedingungen (Geologie, Tektonik, Gebirgsverhalten, Einfluss des Grundwassers) stark variieren und sehr komplex sein ki:innen.
17.5.5 Bemessungsannahmen fur die Tunnelstatik Unter dem Begriff Tunnelstatik werden sowohl komplizierte Rechenmethoden als auch einfache statische Oberlegungen uber die Tragwirkung der Tunnelschale verstanden. Da Tunnel heute nicht nur im Festgestein, sondern auch in stark entfestigten Gebirgen bis hin zu einem Lockergestein aufgefahren werden, wachst mit abnehmender Gebirgsqualitat die Bedeutung statischer Berechnungen. Der Tunnelbau ist zwar im Eurocode 7 bzw, in der DIN EN 1997-1 (s. Abschn. 5.2) nicht explizit erwahnt, die darin definierte Beobachtungsmethode ist jedoch immer schon wichtiger Bestandteil der Bemessungspraxis von Tunneln gewesen. Unabhangig davon kommt mit den neuen Normvorschriften auch bei der Berechnung und Bemessung von Tunneln das Teilsicherheitskonzept zur Anwendung (STADING & KROCKER 20lO). 1m Tunnelbau sind die Wechselwirkungen zwischen Gebirge und Bauwerk komplexer als bei vielen anderen geotechnischen Aufgabenstellungen, da das Gebirge, wie Eingangs bereits erwahnt, nicht nur als Einwirkung, sondern auch als Widerstand wirkt. Die wesentlichen standigen Einwirkungen auf den Tunnel sind das Eigengewicht, der Erddruck aus der Uberlagerung, der Seitendruck und der Wasserdruck sowie ggf. echter Gebirgsdruck. Die Annahmen bzw. charakteristischen Kennwerte fur diese Lasten werden nachstehend behandelt (Abschn. 17.2.8). Hinzu kommen veranderliche Einwirkungen aus Temperatur und Verkehr sowie als auBergewi:ihnliche Einwirkungen noch der Lastfall Brand. 1m Tunnelbau sind heute statische Untersuchungen mit Hilfe numerischer Berechnungen allgemein ublich. Ziel dieser Untersuchungen sind moglichst realistische Voraussagen uber das Verformungsverhalten von Gebirge und Bauwerk sowie der gegenseitigen Wechselwirkungen. Die
17
Tunnelbau
Ergebnisse dienen in der Regel auch als Basis fur die Bemessung. 1m oberflachennahen Tunnelbau kommen seit einigen Jahren dazu noch die Forde rung nach Standsicherheitsnachweisen gegen Durchstanzen der Tunnelfirste im Bereich des noch nicht geschlossenen Tragrings sowie gegen einen mi:iglichen Verbruch der Ortsbrust oder einen Grundbruch des KalottenfuBauflagers. Mit der Verfeinerung der Berechnungsmethoden gewinnt auch die Ermittlung der maBgebenden Berechnungskennwerte zunehmend an Bedeutung.
1755 1 Annahmen fur d n pritzbetonausbau Die Standsicherheit im Tunnelbau wird im Wesentlichen durch das Verbundsystem Gebirge, Ausbau und Anker gewahrleistet. Die Belastungsseite und die Widerstandsseite konnen dabei nicht streng getrennt werden. Bei der Bemessung des Spritzbetonausbaus sind folgende FaIle zu unterscheiden: Der Spritzbeton dient lediglich als Versiegelung Der Spritzbeton verhindert das Herausfallen von Kluftkorpern und eine Gebirgsauflockerung Der Spritzbeton wird auf einen Stutzdruck (Ausbauwiderstand) bemessen. Die rechnerischen Nachweise der Standsicherheit von Tunnelbauwerken beruhen auf einer Anzahl von Parametern, die z. T. nur naherungsweise erfasst werden ki:innen. Die Berechnungen basieren deshalb zwangsIaufig auf stark idealisierten ModeIlvorsteIlungen. Die Standsicherheitsuntersuchungen im Tunnelbau haben damit einen anderen Stellenwert als sonst im konstruktiven Ingenieurbau. Die Sicherheit ist nach wie vor auf die Beobachtung und Messung wahrend der Vortriebsarbeiten angewiesen. Die angetroffenen geologischen Verhaltnisse muss en mit den der Bauausfuhrung zugrunde gelegten Bemessungsannahmen fur die statistischen Berechnungen verglichen und gegebenenfalls die Kennwerte bzw. die ursprunglich festgelegten Stutzmittel angepasst werden. Das Problem dabei ist, dass mit den Messwerten bzw. darauf aufbauenden Ruckrechnungen nur der integrale
17.5 Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges
537
17
Einfluss samtlieher Parameter erfasst werden kann und nieht einzelne Einflussfaktoren (s. ROKAHR
1995).
Ausgehend yom ingenieurgeologischen Gutachten werden fUr die Tunnelstatik Homogenbereiche definiert, in welchen die Felseigenschaften soweit homogen angenommen werden, als sie innerhalb einer charakteristischen Bandbreite liegen. Nach DIN 1054 sind fUr die Dimensionierung charakteristische Kennwerte (s. Abschn. 5.2) maBgebend. Urn die Auswirkung der Streubreite der Gebirgskennwerte zu erfassen, sind nach RiL 853.0004 fiir untere Kennwertkombinationen Parameterstudien vorzunehmen. Diese haben aber nicht unbedingt Einfluss auf die Dimensionierung. Auf die Grundlagen der Tunnelstatik kann hier nur in groben Ziigen eingegangen werden, praktisch nur zu dem Zweck, urn die Notwendigkeit und die Verwendung der yom Ingenieurgeologen mitzuliefernden Bemessungsannahmen darzulegen. Fiir die in der Praxis iiblichen statischen Berechnungen sind im Wesentliehen zwei Verfahren gebrauchlich: Berechnung mit gebetteten Stabwerken (Stabwerks- oder Bettungsmodulverfahren) Berechnung mit Kontinuums- bzw. Diskontinuumsmodellen (Finite Element Methode, FEM). Beim Stabwerksmodell wird die Tunnelauskleidung als ein von auBen durch die Uberlagerungslast bzw. durch die Last der Auflockerungsglocke und gleiehzeitig durch einen gewissen Seitendruck belastetes System betrachtet, bei dem das umgebende Gebirge als Bettung fungiert (Abb. 17.43). Die Wechselwirkung zwischen Gebirge und Ausbau wird durch elastische Federn simuliert und der Gebirgsdruck (Auflockerungsdruck) geschatzt. Die Wirkung der elastischen Federn wird iiber den Bettungsmodul in die Rechnung eingefUhrt. Das Berechnungsverfahren liefert ausschlieBlich Verformungen und Beanspruchungen des Tunnelausbaues. Der Bettungsmodul ks wird naherungsweise aus dem Verformungsmodul ermittelt und wird gewohnlich als oberer und unterer Grenzwert angegeben: k = V-Modul s r
E Geb . bzw. (1 +v)·r
h
Abb. 17.43 Berechnungsmodell gebetteter Stabzug
(aus NAUMANN & PRINZ 1988). h = Oberlagerungsh6he bzw. H6he der Auflockerungsglocke Ko = Ruhedruckbeiwert (s. Abschn. 17.2.2)
ks =C· V - Modul (inkN/m 3 ) r
v = Poissonzahl,
r = Radius eines kreisformigen Tunnels, sonst H/2 bzw. D12, C = eine Konstante, deren Wert von verschiedenen Autoren zwischen 0,66 und 3,0 meist mit 0,8 bis 1,0 angegeben wird. Die rechnerisch anzunehmende Auflast auf den Tunnelausbau wird in der Regel iiber die Tunnelbreite als konstant angenommen. Bis zu einer Uberlagerungshohe H =D wird bei Lockergesteinen und bei stark angewitterten, nachbriichigem Gebirge die volle Uberlagerungslast als vertikale Auflast angesetzt (Abb. 17.44). Bei einer UberlagerungshOhe bis 1,5-2 D ist der untere Teil bis etwa 1 D mit der vollen Uberlagerungslast anzusetzen, dariiber mit einer ellipsenfOrmigen Ab-
538
17 Tunnelbau
17
Abb. 17.44 Annahmen fUr die Auflast auf den Tunnelausbau (nach DUDDECK 1990) H = Oberlagerungsh6he, h = H6he der Auflockerungsglocke, Ko = Ruhedruckbeiwert.
minderung der Druckflache auf maximal 50% der anteiligen Last. Der Seitendruck wird im Fels uber die Tunnelhohe mit konstantem Wert angesetzt, bei geringen Seitendrucken ggf. auch mit nach unten abnehmender Last. In Lockergesteinen ist bei flachliegenden Tunneln fallweise zu entscheiden, ob mit einer solchen Rechtecklast oder mit einer nach unten zunehmenden Trapezlast zu rechnen ist. Das Seitendruckverhiiltnis bezieht sich auf die in Firsthohe (bzw. z. T. auf Kalottenniveau) anzunehmende Auflast. Die Abminderung des Seitendrucks geht rechnerisch uber das Seitendruckverhiiltnis in die Tunnelstatik ein (s. Abschn.
Abb. 17.45 Schematische Darstellung einer den Klufttreppen folgenden Auflockerungs- bzw. Nachbruchglocke.
Gebirgsklasse entsprechenden Hohe der Auflockerungsglocke und Begrenzung der zulassigen Verformungen. Die Hohe der Auflockerungsgloeke ist auGer vom Gebirge und seinen Trennflachen (Gebirgsscherfestigkeit) vom Querschnitt des Hohlraumes und von den Vortriebsarbeiten abhiingig. Zur Abschatzung der Auflockerungshohe stehen verschiedene Verfahren zur Verfugung, die von unterschiedlichen Bruchmechanismen ausgehen. Nach RABCEWICZ (1944) betragt die Hohe der Lastglocke im spannungsfreien Raum fur lockergesteinsartiges Gebirge d 2·sin qJ
17.5.5.2).
d = halbe Ausbruchsbreite D
Bei oberflachennahen Tunneln mussen die Sicherungsmittel einen GroGteil der Lasten aufnehmen. Bei groGeren OberlagerungshOhen und groGen Tunnelquerschnitten von >10 m Breite wurde eine solche Berechnung eine Auflast von 600 bis 700 kN/m 2 bedeuten, was in der Praxis zu unrealistischen Spritzbetonstarken fiihren wiirde. Die Sicherungsmittel konnen dann nur eine unterstutzende Funktion ubernehmen. Die Dimensionierung erfolgt in dies en Fallen nach einer der
Diese empirische Ableitung liefert recht brauchbare Werte, die auch durch andere Oberlegungen erhartet werden (Abb. 17.45). 1m Endzustand wirkt zwar im Regelfall nicht die gesamte Last des aufgelockerten Bereichs, es stellen sich aber daruber hinaus Verformungen im Gebirge ein, die ebenfalls eine Belastung des Ausbaus bewirken, so dass die rechnerische Auflockerungsglocke nicht zu knapp bemessen sein darf. Durch unsach-
539
17.5 Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges
gemaBes Arbeiten kann der Auflockerungsdruck unnotig groB werden. In Gebirgsbereichen, in denen die Spannungsumlagerung behindert ist, konnen iiber die Auflockerungsglocke hinausgehende, groBere Oberlagerungslasten auf den Ausbau einwirken (s. Abschn. 17.5.5.1). Bei standfesten bis gebrachen Gebirge und einer UberlagerungshDhe ab etwa dem 2-fachen Durchmesser wird fUr die verschiedenen Gebirgsklassen mit folgenden Ersatz-Belastungsannahmen gearbeitet (Abb. 17.46): Standfestes Gebirge, das praktisch keinerlei Sicherung des Hohlraumes bedarf, erfordert eine hohe Gebirgsfestigkeit, einschlie6lich Gebirgszugfestigkeit und eine Gebirgsscherfestigkeit von cp > 45° (Ko = 0,2 bis 0,3). Diese Anforderungen sind nur bei weitstandiger Kliiftung und geringem Durchtrennungsgrad gegeben. In mittelund diinnbankigen Sedimentgesteinen sind diese Voraussetzungen in der Regel nieht erfiillt. Der Spritzbeton dient bei standfestem Gebirge nur der Versiegelung und verhindert eine Gebirgsauflockerung. Bei ausreichender Gebirgsfestigkeit, aber nachbriichigem Gebirge erfolgt die Dimensionierung haufig nach einer empirisch geschatzten oder nach obigem Verfahren ermittelten Hohe der Auflockerungsglocke (cp = 35° bis 30°, Ko = 0,35 bis 0,5). Der Spritzbeton hat hier die Aufgabe, Nachbriiche zu verhindern und durch eine gewisse Stiitzwirkung die Eigentragfahigkeit
nahme wird durch die einfache Betrachtung des moglichen Bruchkorpers entlang sog. Klufttreppen gestiitzt (Abb. 17.45). Bei gebrachem Gebirge muss die Spritzbetonauskleidung nahezu die gesamten Umlagerungsspannungen aufnehmen. Dazu wird bei den heutigen Verkehrstunneln als Ersatzlast unabhangig von der Uberlagerung, ein elliptischer Gebirgskorper von etwa 10 m Hohe angenommen (cp '" 20°, Ko = 0,66), dessen rechnerische Grundflache seitlich unter einem Austellwinkel von 45 +cp/2 verbreitert ist (Abb. 17.46b). Bei stark gebrachem bis leicht druckhaftem Gebirge, bei dem die Druck- oder Scherfestigkeit des Gebirges in den Ulmen iiberschritten werden kann, wird in der Regel gepriift, ob die rechnerische lotrechte Spannung am Ausbruchrand die einaxiale Druckfestigkeit des Gebirges moglicherweise iibersteigt (Abb. 17.47). In solchen Gebirgsarten geringer Festigkeit (qu = 1-5 MN/ m 2) und entsprechender Uberlagerungshohe ist das Gebirge nach dieser Vorstellung im Bereich der Spannungsumlagerung bis an die Grenze seiner Tragfahigkeit beansprucht und es ist mit groBen Verformungen oder Brucherscheinungen zu rechnen (s. Abschn. 17.5.2). Bei derartigen Verformungen kann es bereits zur Ausbildung einer Zone plastischen Materialverhaltens kommen, in der das Gebirge den Ausbau allseitig belastet. Ein solches plastisches Gebirgsverhalten bedeutet eine Oberbeanspruchung des Gesteins bzw. des
des Gebirges zu erhalten. Fiir mittelbankige Sedi-
Gebirges auf den Trennfliichen.
mentgesteine entsprieht die Mindestbelastung etwa der halben Ausbruchbreite, d. s. bei zweispurigen Verkehrstunneln etwa 6 m. Diese An-
Bei der Abschatzung der Druckhaftigkeit des Gebirges werden zunachst zwei Eingangsparameter unterschiedlich diskutiert. Erstens kann dabei die einaxiale Gesteinsdruckfestigkeit herangezogen werden oder muss die niedrigere Gebirgsdruckfestigkeit angesetzt werden und zweitens reicht die Uberlagerungslast (Jv = r· Hti aus oder muss die hohere Spannungskonzentration am Ausbruchrand beriicksiehtigt werden:
o
Hti = UberlagerungshDhe (s. Abb. 17.47)
Abb. 17.46 Schematische Darstellung der Ersatz-Belastungsannahmen bei nachbruchigem (a) und gebrachem (b) Gebirge.
Diese Ansatze, die insgesamt zu iiberdimensionierten Ausbaustarken gefiihrt und in ihren Auswirkungen in der Praxis keine Bestatigung gefunden haben, werden schon seit Jahren kontrovers diskutiert. Verschiedene Studien (s. PREH &
7
540
17 Tunnelbau
17
Einaxiale Gesteinsfestigkeiten
Schichtenprofil
710
20
30 (MPaJ
Oberer Donzdorfer Sandstein
Abb. 17.47 Schichtenprofilausschnitt aus dem Braunen Jura mit Darstellung der einaxialen Gesteinsdruckfestigkeiten von Tonsteinlagen, die hier teilweise niedriger sind als die rechnerische Oberlagerungslast (MARQUART
Unterer Donzdorfer Sandsteln Ton.fT'onmergelsteine
2004).
POISEL 2009) haben gezeigt, dass Druckversuche an Gesteinen nur bedingt mit der Beanspruchung des Gebirges am Ausbruchrand vergleichbar sind und dass Brucherscheinungen bzw. eine Bruchausbreitung am ungestiitzten Hohlraumrand erst bei Tangentialspannungen von einem Mehrfachen der einaxialen Druckfestigkeit auftreten. Unter druckhaftem Gebirge versteht man Gesteine geringer Festigkeit und hoher Verformbarkeit, in denen bei groBeren Dberlagerungshohen die Tangentialspannungen am Ausbruchsrand die Gesteinsdruckfestigkeiten iiberschreiten und lang anhaltende groBe Deformationen auf den Ausbau einwirken. Dazu gehoren in erster Linie phyllitische Gesteine und tektonisch stark beanspruchte Schiefergesteine sowie Storungszonen, besonders wenn sie zusammen mit engstandigen Trennflachen (Schieferung oder engstandige Schichtung) achsparallel oder unter spitzen Winkel zur Tunnelachse verlaufen. Eine iiberschlagige Bewertung der Druckhaftigkeit kann ggf. durch Division der Gesteinsfestigkeit durch die vertikale Primarspannung erfolgen (JOHN & REITER 2007, darin Lit.): > 0,45
nachbrilchig
0,45 - 0,28
leicht druckhaft
< 0,28
stark druckhaft.
In sproden Gesteinen konnen auch schlagartig aUftretende Spannungsumlagerungen vorkommen.
II
-110 m
1 o
o
In einem druckhaften Gebirge sind die auf den Tunnelausbau wirkenden Lasten so groB, dass eine wirtschaftliehe Bemessung eines steifen Spritzbetonausbaus in der Regel nieht mehr moglich ist. Der Ausbau wird deshalb nach dem Nachgiebigkeitsprinzip dimensioniert (s. Abschn. 17.8.1). Es kommt zu relativ groBen Verformungen, die eine duktile Stiitzung des Gebirges erforderlich machen. Durch die dabei erfolgten Verformungen werden die Gebirgsspannungen soweit reduziert, dass der Ausbau die verbleibenden Beanspruchungen aufnehmen kann und eine hinreiehende Stiitzung des Gebirges erreieht wird. Der Lastfall echter Gebirgsdruck wird in erster Linie durch groBe, langer anhaltende Verformungen angezeigt. Sie erreiehen bei flachliegenden Tunneln GroBenordnungen 30-50 cm und mehr, bei tiefliegenden Tunneln oft > 1 m. Derartige Verformungen sind haufig auch von Sohlhebungen begleitet, die anfangs oft nicht erkannt werden. In den letzten Jahren haben Projekte mit druckhaftem und z. T. stark druckhaftem Gebirge deutlieh zugenommen (JOHN & MATTLE 2007). In tektonischen Storungs- und Zerriittungszonen ist nach heutigem Kenntnisstand maBgebend, ob es sich urn Scherbruchzonen mit Gebirgsauflockerung i. S. von NAUMANN & PRINZ (1989) und PRINZ & MICHAEL (1998) mit mangelhafter Gebirgseinspannung handelt oder nieht (s. Abschn. 3.4.3.2 und 3.4.4). In solchen Fallen
17.5 Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges
muss mit groBen Verformungen und gegebenenfalls mit mehr als 20 m hoch reichenden Auflockerungsglocken gerechnet werden. In nicht zu breiten Storungs- und Zerriittungszonen ohne solche Gebirgsauflockerung werden sich hingegen gewolbeartige Verspannungen einstellen, die den auf den Tunnel wirkenden Druck auf eine Bruchhohe von 10 bis 20 m begrenzen. In breiten Storungszonen kann ebenfalls echter Gebirgsdruck auftreten mit entsprechend groBen, allseitigen Verformungen, die schwer zu beherrschen sind. Der Einfluss von Kluftkorpern kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Liegt die KluftkorpergroBe im Dezimeterbereich, so konnen im Vergleich zur Hohlraumabmessung in der Regel isotrope Verhaltnisse angenommen werden. Mit den abgeminderten Werten der Festigkeit und Steifigkeit wird der Einfluss der Trennflachen pauschal beriicksichtigt. Dariiber hinaus ist die Standsicherheit der Tunnellaibung gegen die Druckwirkung einzelner groBerer Kluftkorper aus dem Gebirgsverband (ausgenommen sog. Extremblocke) durch die Spritzbetonschale und die Systemankerung gegeben. Der horizontal wirkende Gebirgsdruckanteil wird bei rechnerischen Untersuchungen in der Regel iiber den Seiten- oder Ruhedruckbeiwert Ko beriicksichtigt. Er wird iiblicherweise als unterer und oberer Grenzwert angesetzt. Alternativ kann auch die Poissonzahl angegeben werden (s. Abschn. 17.5.2.1). 1st aufgrund eines erhohten Horizontalspannungsanteils (s. Abschn. 2.6.9.1) oder ungiinstig einstreichender Flachen eine stark asymmetrische Belastung zu erwarten, so ist ein entsprechender Lastfall zu untersuchen. Eine erhohte Horizontalspannung kann auf Schichtflachen seitlich iiber eine Querschnittsbreite hinausreichende Bewegungen auslosen (WITTKE 2009). In Gebirgen mit Horizontalspannungsiiberschuss konnen sich an groBeren Storungs- oder Verwerfungsflachen die rezenten Gebirgsspannungen konzentrieren und konnen bei ortlicher Entlastung durch den Tunnelausbruch zu erhohten Beanspruchungen bzw. Deformationen und auch zu einem Bruchversagen der Spritzbetonschale fiihren. Einen wesentlichen Beitrag zur Erhohung der Tragfahigkeit bewirkt in der Regel ein schneller Ringschlnss, sei es in Form einer temporaren Kalottensohle oder als Ringschluss im Gesamt-
541
system in Form eines Sohlgewolbes aus Spritzbeton oder Ortbeton. Ein Ringschluss iiberfiihrt den zunachst offenen und verformbaren Querschnitt in eine geschlossene und wesentlich steifere Form. Die Spritzbetonschale erhalt eine groBere Auflagerflache, was die Gesamtverformungen meist deutlich abmindert oder zum Stillstand bringt. AuBerdem wirkt ein Ringschluss bei erhohtem horizontalem Gebirgsdruck als Druckriegel. Bei oberflachennahen Tunneln und in gebrachern bis druckhaftem Gebirge bzw. bei Scharung ungiinstig einstreichender Trennflachen ist der Nachweis der Standsicherheit des KalottenfuBauflagers nach der Grundbruchtheorie sowie der Nachweis der Ortsbruststabilitiit zu fiihren (s. KATZENBACH & STRUBER 2004, darin Lit.). Die Standsicherheit der Ortsbrust ist ein wesentliches Kriterium fiir die Gesamtsicherheit eines Tunnelvortriebs. Mit den Bestrebungen, Tunnel kiinftig zunehmend im Vollausbruch aufzufahren, gewinnen dieser Nachweis, eine messtechnische Kontrolle der Ortsbrust (s. Abschn. 17.5.3) und die technischen MaBnahmen zur Stabilisierung der Ortsbrust (s. Abschn. 17.8.1) an Bedeutung. Der Spannungszustand bzw. die Spannungsumlagerungen an der Ortsbrust werden beeinflusst yom Entspannungsprozess des Gebirges vor der Ortsbrust, dem Trennflachengefuge, den Gebirgseigenschaften und dem Vortriebskonzept. Grundlage fiir die Nachweisverfahren an ebenen oder raumlichen Gleitkorpern sind Angaben iiber das Trennflachengefiige, iiber kinematisch mogliche Bruchkorper bzw. den Versagensmechanismen (Abb. 17.48) sowie iiber die Reibungswinkel und die Kohasion des Gebirges und an moglichen Gleitflachen. Die Praxis zeigt jedoch, dass Instabilitaten an der Ortsbrust kaum einmal nach derartigen Modellen auftreten, sondern meist auf Grund ungiinstig einstreichender Flachen abgeminderter Scherfestigkeit, was durch die Rechnung meist nicht abgedeckt ist. Haufig liegen die maBgebenden Flachen auBerhalb der bisherigen Ausbruchlaibung. Ortsbrustversagen kiindigt sich haufig (aber nicht immer) durch starkere Verformungen, wiederholten kleinen Ausbriichen bzw. nachbrechendem Gestein und Z. T. auch durch Gerausche an. GroBere Verschiebungsraten konnen besonders bei groBen Vortriebsgeschwindigkeiten auftreten.
17
542
17 Tunnelbau
17 ?
Abb. 17.48 Typische Versagensmodelie bei oberfliichennahen Tunnelvortrieben (nach EGGER & SCHUKOFF
2007).
I Gebrauchszustand IIVersagenszustand
17.5.5.2 Bemessungswerte fUr N merisrhe Berer:hnungeon Das Ziel der Standsicherheitsuntersuchungen fUr Tunnel, namlich die ausbruchsbedingten Spannungsumlagerungen im Gebirge und die daraus resultierenden Verformungen der Tunnelschale und an der Geliindeoberfliiche sowie die Belastung und die Bemessung der Spritzbetonschale und die Dimensionierung der Sicherungsmittel einschlieBlich einer vorauseilenden Sicherung moglichst realistisch zu erfassen, wird am besten mit numerischen Berechnungsmethoden erreicht. Dabei hat sich die Finite-ElementMethode (FEM) als Standardverfahren durchgesetzt (s. Abschn. 5.2). Grundlage dieser Rechentechnik ist eine systematische Unterteilung der Berechnungsfliiche in (kleine) Elemente endlicher GroBe (finite Elemente), die durch randliche Knotenpunkte miteinander verkniipft sind und deren Verhalten unter Belastung iiber die Knotenpunktverschiebungen ermittelt wird (Abb. 17.49). Fiir gekliifteten Fels haben sich elastischviskoplastische Stoffmodelle bewiihrt (s. Abschn. 5.2). In der Praxis werden meist noch zweidimensionale Berechnungsverfahren verwendet, bei denen durch vereinfachte Annahmen versucht wird, das riiumliche Tragverhalten niiherungsweise zu erfassen (z. B. Vorentlastung, s. u.). Sofern die Stiitzmittel in die Rechnung einbezogen werden, konnen die einzelnen Steifigkeiten bzw. Festigkeiten addiert werden, wobei allerdings der jeweilige Einbauzeitpunkt zu beachten ist. Fiir eine wirklichkeitsnahe Erfassung des Spannungsdehnungsverhaltens von kliiftigem Fels miissen neben der Gesteinsdruckfestigkeit, die gegeniiber dem Gestein deutlich groBere Verformbarkeit und geringere Festigkeit des Gebir-
II
IVersagenszustand III
ges auf den Trennfliichen beriicksichtigt werden. Dazu gehort zuniichst ein vereinfachter Gebirgsbau mit Angabe eines Modells des TrennfliichengefUges. Hinzu kommen dann im Bedarfsfall die Kenntnis des primiiren Spannungszustandes und Angaben zur Grundwasserstromung. Die verschiedenen Gebirgseigenschaften konnen beispielsweise wie folgt vereinfacht werden: Kleinkliiftigkeit (als "verschmierte" Steifigkeitsabminderung) TrennfliichengefUge (z. B. Schichtung und Hautkluftscharen) Einzelne GroBkluft- oder Storungszonen mit abgeminderten Kennwerten Wasserdruck und Wasserstromung und ggf. zeitabhiingige Kriech- oder Quellerscheinungen.
Abb. 17.49 Berechnungsmodell nach der Finite-Element-Methode (a us NAUMANN & PRINZ 1988).
543
17.5 Standfestigkeit und Tragverhalten des Gebirges
Die verwendeten Stoffmodelle (elastisch-plastisches oder elastisch-viskoplastisches Spannungsdehnungsverhalten) sollten moglichst wenige Eingangsparameter enthalten, die auch mit den geotechnischen Standardversuchen bestimmbar sind (s. Abschn. 5.2). Durch Variation einzelner Parameter kann deren Einfluss iiberpriift werden. 1m Allgemeinen sind folgende Kennwerte anzugeben (charakteristische Werte und untere Grenzwerte): Wichte des Gebirges rOn kN/m 2) Poissonzahl v (bzw. Querdehnungszahl) oder Ruhedruckbeiwert Ko Verformungsmodul V oder Bv (in MN/m 2) Bettungsmodul ks (in MN/m 3 ) Gesteins- bzw. Gebirgsfestigkeit qu (in MN/m 2) Gebirgsscherfestigkeit ((i, C (in 0, kN/m 2) Scherfestigkeit auf Trennflachen ((is' Cs bzw. ((ik' ck (in 0, kN/m 2) Vorentspannungsfaktor 0,3-0,5 (30-50 %)
interpretiert und angepasst werden (sog. back analysis). Ein weiterer Begriff fUr die Tunnelstatik ebener Systeme ist die Vorentlastung bzw. Vorentspannung. Darunter versteht man den Lastanteil, der als Folge der raumlichen Spannungsumlagerung im Bereich der Ortsbrust und der dadurch bedingten vorauseilenden Verformungen schon vor dem Einbringen des Spritzbetonausbaus seitlich des Querschnitts und in Langsrichtung abgetragen worden ist und somit den Ausbau nicht mehr belastet. Dieser Effekt der Vorentlastung wird bei zweidimensionalen Berechnungsverfahren durch eine Abminderung der Stiitzkrafte (Stiitzlastverfahren) bzw. durch eine E-Modulreduktion (Stiitzkernverfahren) in die Tunnelstatik eingebracht. Die Angabe der Vorentspannung erfolgt iiber den Abminderungsfaktor (auf etwa 0,5-0,8). Er hangt ab yom Gebirgsverhalten, von der Vortriebsart bzw. Abschlagslange (be ide bedingen Vorverformung; keine Vorverformung bedeutet einen Faktor ,,0" mit nur geringen Spannungsumlagerungen), der Dicke und dem Zeitpunkt des Einbaus der Spritzbetonschale. Durch eine hohere Vorentspannung ergeben sich geringere Ausbauwiderstande bzw. eine geringere Beanspruchung der Spritzbetonschale und somit nominell hOhere Sicherheiten, die aber nicht fUr das Gesamtsystem Ausbau/Gebirge gelten. Auch bei der Anwendung numerischer Berechnungsmethoden muss man sich dariiber im Klaren sein, dass trotz des rechnerischen Aufwandes keine absoluten Rechenergebnisse erwartet werden diirfen. Der Grund sind die mehr
Haufig werden allerdings nur die Gesteinsdruckfestigkeit qu (in MN/m 2 ) Gebirgsmodul (E-Modul) (in MN/m 2) Trennflachenscherfestigkeit ((is' cs; ((ik' ck (in ° bzw. kN/m2) angegeben (s. Tab. 17.10). 1m Bereich der Auflockerungszone urn den Tunnel ist ggf. ein abgeminderter E-Modul anzusetzen. Die Kennwerte sollten im Zuge der BauausfUhrung iiberpriift und auf der GrundIage von Riickrechnungen anhand der Verformungsdaten
Tabelle 17.10 Zusammenstellung einiger Kennwerte fOr FE-Berechnungen aus der Literatur.
1)
Unterer Muschelkalk
Oberer Muschelkalk
Unterer Keuper
Engstandige Wechselfolge
Oberwiegend Kalksteln
Wechselfolge
100- 300 11
E [MN/m 2]
50-100'1
100- 400 21
400- 1000
50- 100'1
Gestein q. [MN/ml ]
0,5- 10'1
5- 50 11
20-100
5 - 30
Trennflachen
Schichtung
Kliiftung
Schichtung
Kliiftung
Schichtung
KlUftung
rp [0]
15-20
25- 30
20- 25
30-35
15- 30
20- 25
c {kN/m2]
0
0-10
0
0-20
0
0- 30
Fels mGrbe, entfestigt 2) Fels gesteinshart, unverwittert
7
544
oder weniger unzureichend bekannten Stoffgesetze, die Streuung der Eingangsparameter sowie das Problem, das raumliche Tragverhalten und die einzelnen Ausbruchsfolgen rechnerisch zu erfassen. In die Berechnung gehen zunachst charakteristische Gebirgskennwerte ein. Legt man in Parameterstudien untere Kennwerte bzw. deren ungiinstigste Kombination zugrunde, so ist ein rechnerischer Nachweis oft nicht mehr moglich bzw. ergibt vollig unwirtschaftliche Abmessungen, die auBerhalb aller Erfahrungen liegen. Lokal begrenzte Schwachstellen im Gebirge, die haufig zu kritischen Bauzustanden fiihren, konnen mit statischen Berechnungen in der Regel nicht erfasst werden (KIRSCHKE 1991). Dementsprechend sollten Erfahrung und Messung sowie konstruktive MaBnahmen vor Ort neben den Berechnungen gleichrangig bewertet werden. Wasserdruck wird auf den Spritzbetonausbau in der Regel nicht angesetzt. Es sei denn, es ist infolge von Stauhorizonten mit Sohlwasserdruck (Auftrieb) zu rechnen. Bei ungedranten, undurchlassigen Tunnel(innen)schalen muss ein Wasserdruck beriicksichtigt werden, der sich aus der Hohe des Bemessungswasserstandes ergibt (Abschn. 17.2.5.2) und sich iiber den gesamten Umfang auswirkt. Das Gebirge unterhalb des Grundwasserspiegels steht unter Auftrieb. Bei tiefen Tunneln sind die wichtigsten Einflussfaktoren meist die Oberlagerungshohe und die Wasserverhaltnisse. Hinzu kommen in der Regel zusatzliche Erschwernisse durch die groBeren Unsicherheiten des geologisch-geotechnischen Gebirgsmodells und in der Bestimmung realistischer Kennwerte iiber das Gebirgsverhalten, das in dies en Tiefen haufig duktil ist. Die Prognose der zulassigen Verformungen muss unter Anwendung der Beobachtungsbauweise iiberwacht und das geotechnische Modell und die Kennwerte jeweils angepasst werden.
17.5 5.3 Annahmen fur die Innenschale Beim Tunnelbau unterscheidet man drei Phasen, den Vortrieb, die Ausbruchssicherung und die Herstellung der Innenschale. Die Herstellung der Innenschale erfolgt entweder durch einen einschaligen Ausbau in Spritzbeton (Kavern en, Stollen, seltener Verkehrstunnel) bzw. bei einem
17 Tunnelbau
maschinellen Vortrieb mit Tiibbingen, oder durch einen zweischaligen Ausbau mit einer gebirgssichernden temporaren AuBenschale (meist Spritzbeton, z. T. auch Tiibbinge) und einer tragenden Innenschale aus bewehrtem oder unbewehrtem Schalbeton. Bei bewehrten Innenschalen kann die Abdichtung sowohl durch wasserundurchlassigen Beton (WU-Beton) als auch durch eine auf die AuBenschale aufgebrachte Kunststoffdichtungsbahn (KDB) erreicht werden (s. Abschn. 17.2.5.4). Die einschalige Bauweise in Spritzbeton setzt sich zusammen aus dem primaren Sicherungsspritzbeton und ein oder zwei Lagen Ausbauspritzbeton als innere Verkleidung (WILLIAMS et al. 2004). An den Spritzbeton fUr die Innenschale werden erhohte Anforderungen gestellt, u. a. ein gutes Haftvermogen auf der Abdichtungsfolie. Bei der zweischaligen Bauweise ist fUr die Bemessung der Innenschale in der Regel davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt ihres Einbaus die Verformungen im Gebirge zur Ruhe gekommen sind und der Grundwasserspiegel abgesenkt ist. Die Innenschale wird zunachst spannungsfrei in die Spritzbetonschale eingebaut. Sie bekommt erst Last, wenn das Grundwasser wieder ansteigt und wenn die AuBenschale durch Betonkriechen und Festigkeitsverluste (z. B. infolge aggressiven Grundwassers) mit der Zeit ihre Tragf 30%) bzw. in Tongesteinen mit guter Zerfalls- und Verbreiungsfahigkeit eingesetzt (s. Abb. 17.58 und Abschn. 17.2.9), die auf Grund der Verbreiung extrudierbar sind, d. h. mit einer Forderschnecke aus der Abbaukammer gefOrdert werden konnen. Der Erdbrei aus abgebautem Bodenmaterial muss dazu eine weiche bis breiige Konsistenz aufweisen (Ie = 0,4-0,75), ein hohes Wasserbindevermogen, eine geringe innere Reibung und eine geringe Wasserdurchlassigkeit. Der Autbereitungsprozess des anstehenden Bodens zu einem effizienten Stiitzmedium wird durch Zugabe von Konditionierungsstoffen unterstutzt. Bei feinkornigen Boden werden in der Regel Wasser, Polymeroder Bentonitsuspensionen zugesetzt. In grobund gemischtkornigen Boden werden ublicherweise Schiiume (Tenside und andere Zusatzmittel) verwendet. Diese verringern in Tonboden auch
6.0
20
60
Abb. 17.58 Typische Anwendungsbereiche von FIGssig- und ErddruckstGtzung.
die Verklebungserscheinungen (s. GATTERMANN & KIEHL 2004; LANG MAACK 2006 und bes. THEWES & BUDACH 2010). Bei der Auswahl der Bodenkonditionierungsmittel ist deren Auswirkung auf die Umwelt zu beachten (Abschn. 17.2.7). Ansatze fur toxikologische und okologische Untersuchungen und erste Ergebnisse bringen LANGMAACK (2006) und EGLI & LANGMAACK (2008). Durch eine dem Untergrundautbau angepasste Auswahl und Steuerung der Konditionierungsstoffe uberschneiden sich heute die Anwendungsbereiche der beiden Vortriebsverfahren weitgehend. Es sind inzwischen sowohl SlurryTBM als auch EPB-TBM in tonigen Boden und auch in stark durchlassigen Kiesboden eingesetzt worden (MAIDL 2001; BABENDERERDE 2003; THEWES 2004; GATTERMANN & KIEHL 2004). Mit den gangigen Schildmaschinen konnen Wasserdriicke bis zu 3-4 bar beherrscht werden. Bei hoheren Drucken muss en sowohl die Vortriebsmas chine als auch der Tubbingausbau auf diese Randbedingungen ausgelegt werden (HOLZHAUSER et al. 2007). Die technische Entwicklung der Schneidwerkzeuge (auch Disken am Schneidrad) zum Abbau von felsartigen Einlagerungen an der Ortsbrust oder von Findlingen sowie Steinbrecher in der Sohle des Schildes zum Zerkleinern von Steinen und sonstige MafSnahmen zur Hindernisbeseitigung haben die Einsatzmoglichkeiten und die Leistung von Schildmaschinen wesentlich verbessert. Dazu kommen Ausriistungen zur Vorauserkundung und zur Gebirgsverbesserung (KOGLER 2008). Wahrend fur die Durchfuhrung
556
von Erkundungsbohrungen das Schneidrad der TBM in der Regel stillstehen muss (s. a. MULLER et a1. 2010), sind die Messgerate fur das seismische Vorauserkundungssystems SSP (Seismic Softgound Probing) im Schneidrad der Schildmas chine integriert. Die Messung erfolgt ohne den Vortrieb zu unterbrechen. Die derzeitigen Verfahren sind aufVortriebe mit fliissigkeit- bzw. bentonitgestiitzter Ortsbrust beschrankt. 1m praktischen Einsatz werden zwar Erkundungsweiten bis 40 m erreicht, mit zunehmender Entfernung nimmt aber das Auflosungsvermogen abo ErfahrungsgemaB lassen sich bis 20 m vor der Ortsbrust Objekte von etwa 1 m GroBe erkennen, wie Gesteinsblocke, Karsthohlraume oder markante Grenzflachen (s. GEHRIG et a1. 2008, 2010). Ein Mixschild, auch Multi-Mode-Machine genannt, ist eine konvertierbare Schildmaschine mit aktiver Ortsbruststiitzung, bei der in heterogenem Baugrund der Betriebsmodus nach Bedarf umgestellt werden kann: Hydroschild mit fliissigkeitgestiitzter Ortsbrust Schild mit erddruckgestiitzter Ortsbrust Halboffene TBM mit Bandaustrag. Der Wechsel zwischen den verschiedenen Betriebsarten erfolgt im Tunnel. Die Notwendigkeit einer Umstellung der Vortriebsart muss aber vorab eingeplant sein (WEH et a1. 2009; LEHMANN & BAPPLER 2010). HERREN KNECHT et a1. (2009) beschreiben den Einsatz eines Mixschildes fiir den Abbau im offenen Hartgesteinsmodus mit hohen Druckfestigkeiten und blockigen Ortsbrustverhaltnissen sowie fUr einen Lockergesteinsvortrieb im geschlossenen Slurry-Modus bei hohem Wasserdruck. Die Maschinendurchmesser betragen heute sowohl bei Hartgesteins-TBM als auch bei Schildmaschinen 10-15 m. Die groBten Durchmesser der letzten Jahre waren: Zweite Rohre Elbtunnel Hamburg und StraBentunnel Moskau (Mixschild) = 14,2 m Eisenbahntunnel Rotterdam-Briissel (Hydroschild) = 14,87 m Autobahntunnel Madrid (EPB-Schild) 15,2 m (2005/06)
Niagra Wassertunnel (Hartgesteins-TBM) 14,44 m (2007/2008)
Unterquerung des Yangtze, Shanghai (Mixschild) = 14,93 m (2007/2009)
17 Tunnelbau
StraBentunnel Chongming/Shanghai (Mixschild) = 15,49 m Dreispuriger Autobahntunnel Bologna -Florenz (Erddruckschild) = 15,55 m (2011). Bei den statischen Berechnungen fUr einen Schildvortrieb ist zu unterscheiden zwischen der Berechnung der Tunnelrohre im Endausbau (meist Tiibbingausbau) und der statischen Berechnung der Vortriebsmaschine gemaB DAUB-Empfehlung 2005. In den statischen Berechnungen fiir den Tiibbingausbau wird von der Annahme ausgegangen, dass der Tiibbingring iiber den gesamten Umfang gebettet ist. 1m Wesentlichen sind folgende Einwirkungen zu beriicksichtigen: Oberlagerungshohe bzw. Auflockerungsdruck Eigengewicht Erddruck, Wasserdruck, Verpressdruck Stiitzdruck in der Abbaukammer ggf. Gebirgsdruck, Quelldruck. Die maBgebenden Gebirgskennwerte dafiir sind: Wichte y (in kN/m2) Scherparameter cp, c (in 0, kN/m 2) Steifemodul E, (in MN/m 2 ) Ruhedruckbeiwert Ko Einaxiale Druckfestigkeit qu (in MN/m 2 , MPa) ggf. Gebirgsdruck, Quelldruck. Die vertikale Auflast wird in der Regel vereinfacht als gleichformige Last auf die Schildmaschine angesetzt. Ab einer Uberdeckung von H > D darf eine Abminderung in Anlehnung an die Silotheorie beriicksichtigt werden (Teilsicherheitsbeiwerte s. o. Empfehlung). Die Tunnelauskleidung erfolgt im Schutze des Schildschwanzes in der Regel einschalig mit vorgefertigten wasserundurchlassigen Betontiibbingen mit oder ohne eingeklebten ElastomerDichtungsprofilen in den Langs- und Ringfugen. Bei zweischaligem Ausbau mit (diinneren) Stahlbeton-Tiibbingen und einer Ortbetoninnenschale kann zur Abdichtung auch eine Kunststoffdichtungsbahn dazwischen verlegt werden. Geschwei6te Stahltiibbinge oder Gusstiibbinge werden nur noch fiir Sonderkonstruktionen verwendet (Anschliisse zu Notausstiegen oder Zugangen). Die Vortriebsgeschwindigkeit von Schildmaschinen ist nicht nur von der Gebirgsqualitat
17.6 Bauweisen
abhangig sondern auch von weiteren Einfliissen, wie der (manuellen) Steuerung der Maschine bei weichen/harten Mischboden und Einschrankungen bei der Abforderung (s. a. TARKOY 2009; MAIDL & WINGMANN 2009). Von einem Hydroschildvortrieb in stark abrasiven Gebirge mit aufwendigen Werkzeugkontrollen und -wechseln unter Druckluft berichtet KOHLER (2009). Die durchschnittlichen Vortriebsleistungen liegen bei taglich 18 Stunden Betriebszeit bei 10-20 m/ AT, mit Spitzenleistungen bis 60 m/ AT und mehr. Schwierige, bzw. fUr den eingesetzten Maschinentyp ungiinstige geologische Verhaltnisse (auch Grundwasser), konnen die Vortriebsleistung auf weniger als 5 m/AT reduzieren (s. SCHMID 2006). Schildvortriebe gelten allgemein als setzungsarmes Bauverfahren, obwohl auch dabei aufgrund der unvermeidbaren Entspannung des Gebirges mit Verformungen gemaB Abschn. 17.5.3 zu rechnen ist, und zwar sowohl mit gewissen vorlaufenden Verformungen als auch einer mehr oder minder starken Verformung im Schildbereich unmittelbar nach dem Durchgang des Bohrkopfes sowie danach im Ringspaltbereich. Auf Abb. 17.59 sind der Ablauf der Setzungen und die moglichen Ursachen im Einzelnen zusammengestellt. Auch die Dberlagerungshohe und eventuelle Stillstandszeiten haben Einfluss auf das Setzungsverhalten. Die freie Standzeit des Gebirges bis zum Einbau des Tiibbingrings und der Ringspaltverfiillung lasst in begrenzten Umfang Deformationen zu (Ringspaltbreite s. Abschn. 17.6.4.1). Die moglichen Gesamtsetzungen eines Schildvortriebs werden je nach Untergrundverhaltnissen mit bis zu 2 Vol.-% des Ausbruchsquerschnitts angegeben. Bei einem Durchmesser von 10 m wiirde dies einer Setzungsmulde mit bis zu 10 em Setzung iiber der Tunnelfirste entsprechen. Durch setzungsmindernde MaBnahmen, wie die Verminderung der Bohrkopfdrehzahl und der Vortriebsgeschwindigkeit sowie die Erhohung des Vorschubdruckes, kann dieser Wert etwa halbiert und durch ZusatzmaBnahmen auf < 0,5 Vol.-% gedriickt werden (SCHUBERT & RIEKER 2004). Zu diesen MaBnahmen gehort nicht zuletzt auch die Erfahrung der Vortriebsmannschaft, die iiber die Justierung weiterer Maschinendaten wesentlich zur Verminderung der Verformungen beitragen kann (GABENER et al. 2010). Der Anteil der
557
vorauseilenden Verformungen (Abb. 17.59) liegt in der GroBenordnung von 5-40%. Sie werden maBgeblich yom Stiitzdruck an der Ortsbrust bestimmt, der allerdings nicht beliebig erhOht werden kann (Gefahr von Hebungen oder Bodenaufbriichen). Die Setzungen im Schildbereich sind verfahrensbedingt in erster Linie durch den Ringspalt beeinflusst und wenig kontrollierbar. Durch die Ringspaltverpressung konnen die nachlaufenden Setzungen reduziert werden. Insgesamt sind die Methoden zur Setzungsprognose nicht zufriedenstellend. FIKKIBECK & VOGT (2010) bringen ein empirisches Verfahren zur Ermittlung der Setzungsmulde oberflachennaher Tunnelvortriebe in Lockergesteinen anhand des Volumenverlusts infolge des Mehrausbruchs beim Vortrieb. Die bauwerksvertraglichen Setzungen fiir den Vortrieb zweier Rohren werden meist mit 20 bis 30 mm angenommen. Anhand der Beurteilung der unter verschiedenen Annahmen berechneten Setzungen bzw. Setzungsmulden und Setzungsdifferenzenzen sowie einer auf die Empfindlichkeit der Gebaude bezogenen Risikobetrachtung miissen die Entscheidungen iiber Zusatz- und SicherungsmaBnahmen, wie Fundamentsicherung durch Unterfangung (z. B. mittels Diisenstrahlverfahren), Verfestigungsinjektionen oder Kompensationsschirme (s. Abschn. 17.8.4) rechtzeitig vor der Schildfahrt in dem entsprechenden Bereich getroffen werden (s. MAYER et al. 2004; BUCKER et al. 2006; FILLIBECK &VOGT 2010).
176.43 Ems tzb dmgung n merTVM Die DAUB-Empfehlung 1997 beschreibt die Einsatzmoglichkeiten der TVM in Bezug auf die geologischen Verhaltnisse. Der Einsatz von Tunnelvortriebsmaschinen setzt mehr noch als konventionelle Vortriebsmethoden eine sorgfJOm
I
Abb. 18.3 Zulassige Grenzwerte bei der WasserdruckprGfung (aus HEITFELD 1979).
Bei der Festlegung der Grenzwerte fur die WD-Ergebnisse sind folgende Faktoren zu beachten: Projektbedingungen (StauhOhe, Wasserverluste) Standsicherheit des Absperrbauwerks (einschlieBlich Sohlwasserdruck und Erosion)
~
Kalkstcm
ISil
Tonschlcfer mit Kalkemlagcn
~
verkarsteter Kalkslem
geologische Verhaltnisse Injizierbarkeit des Gebirges mogliche Auswirkungen auf Dritte, etwa durch weitflachige Anhebung der Grundwasseroberflache, auch in Nebentalern (Abb. 18.4).
l ..... Wasserverluste
Sc.l, lO.. tO-"'O=_.....O,;.O='"~IOO reel
!il:a massiger Kalkstem
Abb. 18.4 Wasserverluste aus dem Stauraum und Quellaustritte in benachbarten, tiefer gelegenen Talern (nach GOODMAN
1993).
586
1
Auf den Ergebnissen der WD-Tests aufbauend werden haufig Probeinjektionen vorgenommen, deren DurchfUhrung im Abschn. 18.4.3 behandelt ist.
18.2.2 Ermittlung der Sickerwasserverluste Die Sickerwasserverluste im Stauraum infolge Unterlaufigkeit und Umlaufigkeit sind abhangig von der iiberstauten Flache Stauhohe Grundwasserstand im Staubereich Machtigkeit der abdichtenden Schichten Durchlassigkeit des Untergrundes, ausgedriickt durch den Durchlassigkeitsbeiwert k. Untersuchungen fUr Talsperrenbauten in den verschiedensten Gebirgstypen haben gezeigt, dass in einer oberflachennahen Auflockerungszone das wirksame Kluftvolumen und damit die Wasserzirkulation durch zusatzliche und aufgeweitete Trennflachen wesentlich groBer ist als im tieferen Untergrund. Ihre Intensitat und Tiefenwirkung hangen ab von der Entwicklungsgeschichte des Landschaftsreliefs, der Exposition (Tal, Hang, Hochflache), der tektonischen Beanspruchung und den Lagerungsverhaltnissen sowie der Gesteinsausbildung und Verwitterung. Die Wasserverluste aus den Becken hangen zunachst davon ab, ob bei tiefliegendem Grundwasserstand eine Vertikalversickerung stattfinden und sich der Speicherraum zwischen Grundwasseroberflache und dem Stauniveau auffUllen kann, oder ob mit einem standigen Abfluss zu rechnen ist. Durch die Aufhohung des Grundwasserstandes treten auBerdem FlieBvorgange nach den Seiten, zum Unterwasser und in etwaige tiefer gelegene Nachbartaler auf (Abb. 18.4). Grundsatzlich ist dabei zu priifen, ob groBfliichige Versickerungen vorliegen, die mit einem mittleren Durchlassigkeitsbeiwert erfasst werden konnen, oder ob die Versickerung auf einigen wenigen Wasserwegen stattfindet, die gezielt gedichtet werden konnen. Langfristig kann hierbei auch eine gewisse Selbstdichtung des Beckens, vor allen Dingen des Stauraumbodens, angenommen werden.
18 Talsperrengeologie
GroBflachige Sickerwasserverluste konnen iiberschlagig nach folgender Formel berechnet werden (Rechenbeispiel s. HOLTZ & SCHOPPE 1978):
k·F-D Q=-d
k
=
Durchlassigkeitsbeiwert
Q = Versickerungsmenge (m3/s) F = Stauflache (m2 )
d = Dicke der abdichtend wirksamen Schicht (m) D = mittlere StauhOhe + d (m). Die auf dieser Basis ermittelten Versickerungsverluste sind jedoch nur grobe Anhaltswerte, die mit den spater gemessenen Versickerungsraten haufig keine Ubereinstimmung zeigen. Sie bilden jedoch zusammen mit der Frage des Druckabbaues und des Erosionsverhaltens die Entscheidungsgrundlage fUr die notigen DichtungsmaBnahmen an einer Stauanlage. LINORTNER et al. (2009) nennen als MaB fUr die maximal akzeptable Sickerwassermenge 1% der mittleren Zuflussmenge.
18.2.3 Raumstellung der Wasser leitenden Elemente Die Raumstellung wasserleitender oder wassersperrender Elemente zu dem erwarteten Sickerwassergefalle hat ganz entscheidenden Einfluss auf die Sickerwasserverluste und auch auf die Standsicherheit des Absperrbauwerks. Dazu gehoren: tektonische Storungs- und Zerriittungszonen, besonders auch Zonen mit tektonischer Gebirgsauflockerung (s. Abschn. 3.4.3.2 und 17.2.3).
HangzerreiBungskliifte, die zwar fast immer tektonisch vorgegebenen Trennfliichen folgen, in ihrer Offnungsweite aber sehr yom Gestein und der Hangneigung abhangig sind (s. Abschn. 3.4.3.2). Wechselschichtung von starker durchliissigen Gesteinen (Sandstein, Kalkstein) und tonigen Schichten. Die tonigen Schichten wirken normal zur Schichtung wassersperrend, und selbst Kliifte weisen eine erheblich geringere
18.2 Spezielle Problemstellungen
587
18
.. ~~. ~,--
Abb. 18.5 Abhangigkeit der Unterstr6mung von Stauanlagen von der geologischen Situation (a us
ZARUBA
&
MENCL 1961).
Wasserwegsamkeit auf als in sproden Gesteinsarten. Schichtparallel bietet dagegen eine solche Wechselfolge gute Sickerwege (Abb. 18.5 u. Abschn. 2.8.5) unregelmaBige Abfolgen von Sedimenten oder von feinkornigen Tuffen mit Basaltdecken und -stromen.
Ersosions- bzw. Suffosionsvorgange in Lockergesteinen und an Schichtgrenzen bzw. Bauwerksfugen Erosion von KluftfUliungen und Storungsmyloniten sowie Erosion an Trennflachen weniger verfestigter Gesteine
Bei den UberJegungen bezuglich wasserleitender Elemente ist besonders in palaogeographischen Schwellen - oder Rinnenbereichen, aber auch in weiten Schwemmebenen, an einen engraumigen Fazieswechsel in horizontaler Richtung zu denken. Als vertikale durchlassige Einlagerungen kommen z. B. auch Basalt - oder Quarzgange in Betracht.
und den hydraulischen Faktoren, wie dem hydraulischen Gef.me und der wahren FlieBgeschwindigkeit (s. Abschn. 2.8.6) des sich in den Poren bzw. in den Fugen und Kluften bewegenden Wassers.
18.2.4 Erosionsgefahrdung durch Sickerwasserstromung Erosionsvorgange im Untergrund sind ein maBgebendes Kriterium bei der Frage, welche Durchlassigkeiten bei einer Talsperre noch vertraglich sind. Beim Abschatzen des Erosionsverhaltens des Gebirges ist grundsatzlich zu unterscheiden zwischen gebirgsbedingten Faktoren, wie
Die Grundlagen fUr Suffosions- und Erosionsvorgange in Lockergesteinen, die heute insgesamt als hydrodynamische Instabilitat bezeichnet werden, sind im Abschn. 2.1.6 ausfUhrlich behandelt. Die Suffosions- und Erosionsanfalligkeit der Lockergesteine ist abhangig von der KorngroBe, der KorngroBenverteilung (Ungleichkonigkeit, Wechselschichtung), der Lagerungsdichte bzw. der Plastizitat und Kohasion sowie der GroBe der Porenkanale. Bei einem Einstau erhoht sich das hydraulische Gefalle und mit ihm die daraus resultierenden Stromungskrafte. Bei Uberschreiten des kritischen Gefalles (i kti ,) konnen Korner aus dem Korngerust gelost werden und es kommt zu
588
1
18 Talsperrengeologie
einem Transport von Bodenmaterial (sog. Piping; s.a. DIN EN 1997-1, Abs. 10.5). Besondere Gefahr besteht bei luftseitigen Austrittsstellen. Die Ausspiilungen fUhren zu einer Reduktion der Standfestigkeit eines Dammes und im Extremfall zu einem ortliehen, daun progressiv fortschreitenden Dammbruch. Fiir die Beurteilung der Filterstabilitiit eines Lockergesteins werden geometrische und hydraulische Kriterien herangezogen. Die iiblichen Filterregeln basieren im Wesentlichen auf geometrischen Kriterien. Sie gelten jeweils nur unter bestimmten Voraussetzungen (s. Abschn. 2.1.6). Fiir bindige Boden mit Ip = 0,15 (mittelplastisch) und Cu < 10 kN/m 2 (schwach bindig) wird im Filtermerkblatt BAW MAK (1989) ein Filter mit DIO < 0,016 mm und D60 < 2 mm empfohlen. PERTLMEIER & HASELSTEINER (2006) bringen zahlreiche weitere Filterkriterien fUr einsetzende bzw. fortschreitende Erosion. Gewisse Kornumlagerungen sind auch bei gegebener geometrischer Filterstabilitat unvermeidlieh. Ausgelost durch Schadenfalle, besonders im Grenzbereich zwischen zwei Bodenkorpern (Kontakterosion), werden im Dammbau verstarkt hydraulische Kriterien zur Einschatzung der Erosionsgefahr herangezogen, die im Wesentlichen auf dem Zusammenhang zwischen dem Durchmesser der erodierten Partikel und der Stromungsgeschwindigkeit basieren. Die hydraulische Belastung kann entweder durch mittlere Gradienten entlang des gesamten Siekerwegs oder durch lokale Gradienten am Austrittspunkt des Siekerwassers beschrieben werden. Letztere konnen von der Stromungsgeschwindigkeit urn eine Zehnerpotenz abweichen (PERZLMEIER & HASELSTEINER 2006). Bei der Abschatzung der kritischen Flie:6geschwindigkeit war man auf Versuche und Beobachtungen in offenen Gerinnen angewiesen (EWERT 1985). Danach setzt die Erosion von Fein- und Mittelsanden bei einer Flie:6geschwindigkeit von 10 bis 15 cm/s ein. Schluffkorngro6en werden schon ab etwa 11 cm/s mitgerissen. Heute
liegen umfangreiche Studien iiber die Vorgange bei der inneren Erosion vor, auch mit theoretischen Ableitungen fUr das Versagen durch hydrodynamische Bodendeformation (PERZLMEIER & HASELSTEINER 2006). Danach konnen die Anhaltswerte fUr das zulassige Gefalle der Tabelle 18.2 weiterhin als kritischer hydraulischer Gradient verwendet werden (s. a. ANGERER & HOFMANN 2006). Die Kluftfiillungen, Storungsmylonite und auch Ruschelzonen eines Festgesteins sind ebenfalls meist feinkornige Lockergesteine, deren ma6gebende Korngro6en haufig im Schluff- und Fein- bis Mittelsandbereieh liegen. Hinzu kommt, dass hier durchaus Sickerwege und damit vorgegebene Erosionskanale in Form von offenen Kluftabschnitten oder solchen mit groberkornigen, besser wasserwegsamen Fiillungen vorliegen konnen. In der Praxis ist es deshalb schwierig, die ortlieh sehr unterschiedliehen wahren Flie6geschwindigkeiten in den Kliiften und Fugen einigerma:6en abzuschatzen. Markierungsversuche ergeben nur mittlere Abstandsgeschwindigkeiten. Erfahrungswerte aus dem Rheinischen Schiefergebirge sind in Abb. 18.6 zusammengestellt. Sie scheinen nach Untersuchungen im nordhessischen Buntsandstein auch auf andere Formationen iibertragbar zu sein. PRINZ & HOLTZ (1989) geben fUr die oberflachennahen, tonsteinreiehen Wechselfolgen im Einstauzustand Abstandsgeschwindigkeiten von 0,2 bis 0,7 cm/s an. 1m Talsperrenbau werden Abstandsgeschwindigkeiten fiir das Abschatzen der Erosionsgefahr mit einem Umwegfaktor von 1,5 verwendet, der beriicksichtigt, dass das Wasser wegen des verlangerten Flie:6weges urn die Kluftkorper herum tatsachlich schneller flie:6t (s. Abschn. 2.8.6 und Abb. 2.66). Unabhangig davon miissen bei allen Stauanlagen die Veranderungen der Wasserdurchlassigkeit des Untergrundes sowie Triibungen u. A. wahrend des Probestaus und auch in der Betriebszeit standig verfolgt werden. Sobald ortlieh auffallige Anderungen auftreten, ist zu priifen,
Tabelle 18.2 Anhaltswerte fOr das zulassige Gefalle an Talsperren. Boden
dichter Ton
schluffiger Ton
Schluff/Feinsand
Mittelsand
Grobsand Kies
zul. I
0,25- 0,5
0,20- 0,26
0,05- 0,15
0,15-0,20
0,25-0,35
589
18.2 Spezielle Problemstellungen
• •
10-8 10.5
I
i
10-8 10.3
"".
i
~~ i
10-4 10. 1
-.-
.~
~-
i
i
10.2
101
Verkarsteter Kalkstein Devoniseher Massenkalk Oberdevonisehe Kalke Loekerungszonen (Hange, Storungsbereiehe) Devoniseher Sandstein Devoniseher Tonsehiefer
II_~
•• ~.
••
I
I
100
10 3
i
I
102 Va [em/s] 10SVa [mid]
inwieweit diese mit Erosionsvorgangen zusammenhangen konnen.
18.2.5 Veranderlich feste oder erweichbare Gesteine Veranderlich feste oder erweichbare Gesteine (s. Abschn. 3.4.1), deren Eigenschaften sich unter Wassereinwirkung negativ verandern konnen (z. B. Aufweichen von Tonsteinen oder Mergeln) sind fUr die Anlage einer Talsperre wenig geeignet. Bei miirben Sandsteinen besteht auBerdem erhohte Erosionsgefahr. Hinzu kommt, dass veranderlich feste Gesteine sowohl beim WD-Test anders reagieren (HEITFELD & KRAPP 1985) als auch nach dem Freilegen der Felsoberflache innerhalb von Tagen und Wochen zu einem Grus von cm- bis mm-groBen Brockchen zerfallen konnen.
18.2.6 Erdbebensicherheit und induzierte Seismizitat Fiir Talsperren der Klassen 1 und 2 ist gemaB DIN 19700 eine iiber die Vorgaben der DIN 4149 (2005) hinausgehende seismologische Bewertung eines Standorts notwendig (s. Abschn. 4.2.3). Dies gilt sowohl fUr die Standsicherheit des Absperrbauwerks als auch fiir die Stabilitat der Hange (SCHWARZ er al. 2004). In DIN 19700 wird dabei eine Wiederholungsperiode fiir das Bemessungserdbeben von 1000 bzw. 2500 Jahren gefordert, was eine Neubearbeitung der Gefahrdungszonen und im Einzelfall ein wesentlich starkeres Auslegungserdbeben bedeutet, als nach
18 Abb. 18.6 Abstandsgeschwindigkeit nach Untersuchungen im Rechtsrheinischen Schiefergebirge (nach HEITFELD 1966, aus KRAPP
1979).
der Erdbebenzonenkarte der DIN 4149. Bei den Auslegungserdbeben werden auBerdem Bemessungserdbeben und Betriebserdbeben unterschieden, die sich sowohl in der Intensitat als auch in der Eintrittswahrscheinlichkeit unterscheiden. Falls der Untergrund des Absperrbauwerks von groBeren tektonischen Briichen durchzogen wird, ist auch zu priifen, ob im Erdbebenfall mit unterschiedlichen Schollenbewegungen zu rechnen ist. Auf dynamisch weichen Talfiillungen iiber Fels kann es auBerdem zu einer Amplitudenerhohung kommen (s. KOLEKOWA et aI. 1996). Eine umfassende Studie iiber die wenigen Erdbebenschaden an Talsperren haben HUBER & LINSBAUER (1996) erarbeitet. Der Bruch des Lower San Fernando Dammes als Folge des Erdbebens vom 09.02.1971 mit M = 6,6 wird auf die Liquefaktion (Verfliissigung) eines Abschnitts der wasserseitigen Dammschiittung zuriickgefiihrt (5. Abschn. 4.2.3.3). AuBer den natiirlichen seismischen Ereignissen sind bei Stauanlagen auch immer durch diese ausgeloste seismische Aktivitliten zu beachten (Abschn. 4.2.3.1). Dabei handelt es sich meist urn kleinere Erdbeben der Magnitude M = 0 bis 3, gelegentlich aber auch urn starkere Ereignisse der Magnitude M = 5 bis 6, die Schaden auslosen konnen. Weltweit sind bisher an iiber 100 Projekten induzierte Beben aufgetreten (Lu & KRAPP 1990). Die Fragen fliissigkeitsinduzierter Seismizitat sind seit Mitte der 1960er Jahre in zahlreichen Fachaufsatzen und internationalen Kongressen behandelt worden. Ausgehend von den klassischen Beispielen in den USA, wo an dem 1935 aufgestauten Lake Mead (Hoover Staudamm) am Colorado-River eine auffallende lokale Erdbebentatigkeit beobachtet worden ist, sind inzwischen zahlreiche Beispiele von fliissigkeitsindu-
590
1
zierter Seismizitat bekannt geworden (Tab. 18.3), wobei unterschieden werden muss zwischen Ereignissen an Stauseen und solchen beim Einpressen von Fliissigkeiten in das Gebirge (s. Abschn. 4.2.3.2). Am bekanntesten diirften die stauseeinduzierten Beben mit katastrophalen Ausmagen von Kremasta (1966 in Griechenland) und Koyna (1967 in Indien) sein. Auch das Schadensbeben vom Mai 2008 in Wenchuan (Siidchina) wird als durch Stauseen bedingte induzierte Seismizitat angesehen. Als allgemein giiltige Kriterien fUr die Einschiitzung des Risikos fliissigkeitsinduzierter Seismizitat konnen genannt werden: Induzierte Seismizitat tritt bevorzugt in sproden, gekliifteten und wasserwegsamen Gesteinsformationen wie Kalksteinen, Graniten, Basalten usw. auf (Lu & KRAPP 1990). Induzierte Seismizitat tritt auch in Gebieten auf, die historisch aseismisch sind oder nur eine geringe Seismizitat hatten. Sie zeigt eine starke Abhangigkeit von der tektonischen Situation und dem regionalen Spannungsfeld (Primarspannungszustand) und auch von den hydrologischen Bedingungen (Wasserwegsamkeiten) und der morphologischen Situation. Die Ereignisse zeigen haufig eine deutliehe Korrelation nieht nur mit der Stau- bzw. Druckhohe, sondern vor allen Dingen mit deren Anderung, bzw. Anderungshaufigkeit und -geschwindigkeit. Stauseeinduzierte Seismizitat tritt nieht erst ab Stauhohen groger als 100 m auf, sondern kann bei ungiinstiger regionalgeologisch-tektonischer Situation schon bei Stauhohen von etwa 50 m einsetzen. Teilweise tritt die verstarkte seismische Aktivitat kurz nach der ersten Fiillung auf und korreliert deutlich mit den Spiegelschwankungen, besonders mit raschem Abstau; grogere Ereignisse konnen aber auch einen deutliehen zeitlichen Abstand und weiter entfernte Bebenherde aufweisen (z. B. Koyna). Als wahrscheinliche Ursachen, die zur Auslosung, oder Erhohung der seismischen Aktivitaten durch Stauanlagen fiihren konnen, werden heute diskutiert: Durch die Wasserauflast werden zusatzliche Spannungen in den Untergrund eingebracht.
18
Talsperrengeologie
Rasche Lastanderungen (Auf- und Abstau) bewirken elastische Deformationen mit entsprechendem Poren- und Kluftwasseriiberdruck bzw. -unterdruck, der die effektiven Normalspannungen verringert und zu einem kurzzeitigen Abfall der Scherfestigkeit fiihren kann. Bei Vorhandensein eines Primarspannungsiiberschusses (s. Abschn. 4.2.4) kann es an Schwachezonen zu einer Uberschreitung der Bruchspannungen und zu ruckartigen Ausgleichsbewegungen kommen. In Zonen besonderer Wasserwegsamkeit konnen sieh die hydraulischen Druckanderungen tief in das Gebirge und auch iiber grogere Entfernungen auswirken (z. B. Koyna). Obwohl nach den Empfehlungen der UNESCO von 1972 eine seismische Uberwachung erst ab Stauhohen von iiber 100 m vorzusehen war, empfiehlt sieh in tektonisch starker gestorten Regionen auch bei niedrigeren Anlagen die rechtzeitige Einriehtung hochempfindlicher seismischer Messstationen, urn durch die Erfassung und Auswertung von Mikroerdbeben zusatzliehe Informationen iiber die seismische Empfindlichkeit eines Talsperrenstandorts zu erhalten (STEINWACHS 1988). Augerdem liegen damit fiir den Bedarfsfall eindeutige Vergleichswerte tiber den natiirlichen Seismizitatspegel eines Gebietes vor.
18.2.7 Stauhaltungen in verkarstungsfiihigen Gesteinen Die Loslichkeit chemischer Sedimentgesteine, wie Salze, Gips, Anhydrit, Kalkstein und Dolomit, unter humiden Klimabedingungen (s. Abschn. 19), in tropischem Klima auch von silikatischen Gesteinen, ist bei der Planung von Talsperren strengstens zu beachten. In bzw. unmittelbar iiber Salzgesteinen sind bis jetzt keine Talsperrenprojekte zur Ausfiihrung gekommen. Dagegen sind schon eine Reihe von Talsperren in Gebieten mit untergeordneten Anhydrit- und Gipseinlagerungen und vor allen Dingen in Kalksteingebieten errichtet worden. Hier sind sehr sorgfaltige und umfangreiehe Untersuchungsarbeiten vorzunehmen und die
591
18.2 Spezielle Problemstellungen
Tabelle 18.3 Auflistung von Talsperren, bei denen induzierte Seismizitat aufgetreten ist {a us MULLER-SALZBURG & SCHNEIDER 1977}. Sperre
GraBte Magnitude
GraBte StauhOhe
1m) Monteynard
(Europa)
Vouglans
Seevolumen 1m' )
Seismische Aktivitat vor dem Sperrenbau
Korrelation mit Aufstau
5
130
275
x 10·
nein
sicher
4,5
110
605
x 10·
?
sicher
6
93
13
?
?
261
150 x 10·
ja
sicher
x 10·
Piastra
(E)
Vajont
(E)
Bajina Basta
IE)
4,5-5
89
340
x 10·
ja
moglich
Granbarevo
(E)
3fache Energiezunahme des Beben nach Aufstau
120
128 x 10·
ja
sicher
Grand Val
(E)
5
78
292
nein
sicher
PI ave d! Cadore
(E)
112
69
x
10·
ja
sicher
Kremasta
(E)
6,3
160
47
x 10'
ja
maglich
Marathon
(E)
1-3
63
41
x 10·
ja
unsicher
Kariba
(Afrika)
4,7-5,8
120
160
nein
sicher
Hendrik-Verwoerd Damm
(AF)
2
66
5 x 10·
nein
sicher
Nurek-Damm
[Asien)
4-4,5 bei 120 m Stauhohe
300 [geplant)
11
ja
sicher
Koyna-Damm
(AS)
6
103
28
ja
sicher
Hsinfengxiang
[AS)
6,2
105
11,5
x 10'
gering
sicher
TalbingcrStausee
(Australien)
3,5
170
888
x
gering
sicher
Benmore-See
(Neuseeland)
3-6
96
2,04
x 10·
Mead-See
(Amerika)
5
221
37,5
x 10·
moglichen Folgen bzw. die notigen AbdichtungsmaBnahmen rechtzeitig aufzuzeigen und auch die Langzeitwirkung, der Sperre zu bedenken. Seichter Oberflachenkarst ist noch einigermaBen beherrschbar. Wesentlich schwieriger sind die Probleme in tief reichendem Karstgebirge und
x 10·
x 10·
x 10·
x
10·
10·
sic her nein
sicher
bei fossilen, an der Oberflache teilweise kaum erkennbaren Karstformen, die oft zu spat erkannt werden. In Karstgebieten sind schon Talsperren gebaut worden, deren Stauraum nie gefiillt werden konnte. In zahlreichen anderen Fallen ist es nur mit sehr aufwendigen zusatzlichen MaBnah-
8
592 men gelungen, die Talsperren in Betrieb zu nehmen (Lit. s. PRINZ & STRAUSS 2006) . Der Bau von Talsperren in Karstgebieten erfordert einen erhohten und auf die speziellen Fragestellungen ausgerichteten Untersuchungsaufwand mit verstarktem Einsatz der Geophysik und einem weit erhohten Bohraufwand. Zu unterscheiden sind einerseits die Auswirkungen vorhandener Hohlraume im Karstgestein im Hinblick auf eine Gefahrdung der Absperrbauwerke und von Wasserverlusten bzw. Einbruchen im Stauraum sowie eine zunehmende Umlaufigkeit bei gleichzeitiger Anhebung des Grundwasserspiegels im Vorland oder in Nachbartalern. Die Erfahrung mit kleinen Anlagen, die in solchen Situationen errichtet worden sind, zeigen, dass sich im Laufe von Jahrzehnten die Wasserwegigkeit erhOht, sich Schlucklocher ausbilden und auch Erdfalle auftreten konnen (DEUTSCH 2007). Die Moglichkeiten einer Sanierung durch Injektions- und AbdichtungsmaBnahmen sind begrenzt und sehr kostenaufwendig. Trotz dieser Schwierigkeiten werden auch heute noch Talsperren in tiefreichenden Karstgebirgen geplant, wenn auch mit sehr aufwendigen DichtungsmaBnahmen (LINORTNER et al. 2009 und Abschn. 18.4.3). Ein Beispiel, das auch in Gesteinsserien mit untergeordneten Kalksteineinlagerungen erhebliche Schwierigkeiten und vor allen Dingen Langzeitprobleme auftreten konnen, zeigen die Erfahrungen bei der Henne-Talsperre im ostlichen Sauerland (HEITFELD 1965: 45 ff) sowie die Arbeiten fUr das Pumpspeicherwerk Ronkhausen im Sauerland. In der Bundesrepublik Deutschland sind einige Hochwasserruckhaltebecken ohne Dauerstau im Sulfatkarst (HEITFELD & KRAPP 1991) bzw. in Kalksteinen der Kreide Ostwestfalens (WEBER 1977) sowie die Oberbecken der Pumpspeicherwerke Glems (KRAUSE & WEIDENBACH 1966) und Happurg (BRETH 1958) in Kalksteinen des Oberjura errichtet worden, letztere allerdings mit totaler Flachenabdichtung,
18.2.8 Stabilitat der Hange Einige groBe Talsperrenkatastrophen der letzten Jahrzehnte hatten ihre Ursache in der Instabilitat der Hange. Hier sei nur an die Gro6rutschung
18 Talsperrengeologie vom Monte Toe in die Vajont-Talsperre erinnert, bei der 1963 mehr als 250 Mill. m 3 Felsmassen in den Stausee abrutschten und eine Flutwelle auslosten, welche die 260 m hohe Staumauer ubersprang und die Ortschaft Longarone im Piavetal zerstort hat. Die Beurteilung der Standsicherheit der Talhange bei wechselndem Stauspiegel erfordert haufig einen hohen Untersuchungsaufwand. Hierbei ist besonders auf alte Bewegungszonen an tektonischen Strukturen und Grenztlachen, auf fossile Rutschungen und auf Kriechhange zu achten (s. Abschn. 15.1.1 und 15.3.5). Die Anzeichen fur solche instabilen Hangbereiche und die Untersuchungsmethoden sind im Abschn. 15.2 beschrieben. Anhand charakteristischer Querprofile muss untersucht werden, mit welchen Hangbewegungen bei einem Aufstau zu rechnen ist, wobei fUr Talsperrenprojekte haufig auch Erkundungsstollen angelegt werden. Besondere Aufmerksamkeit ist auf den Wechselbereich des Stauspiegels zu legen. Der Untersuchungsaufwand geht dabei in der Regel weit uber die in der DIN 19 700-11 geforderten Nachweise hinaus. Die Hange von Stauanlagen weisen, wie aIle steileren Hangformen, immer naturliche reversible Bewegungen in der Gro6enordnung von einigen Millimetern auf, die in erster Linie durch die Wechselstande des Grundwasserspiegels bedingt sind (LOEW et al. 2007). Diese naturlichen Hangbewegungen werden durch die Reaktionen des Gebirges auf die Wechselstande des Seewasserspiegels in Form von elastischen Hebungen beim Aufstau und ausklingenden Setzungen beim Abstau uberlagert (NEUHAUSER & SCHOBER 1970). Die mehr oder weniger elastischen Deformationen konnen bei Vorhandensein alter Rutschschollen Gro6enordnungen erreichen, die beim Gepatschspeicher in den ersten Aufstauperioden 1964/65 insgesamt 7,4 m und 1965 bis zu 3,5 m, zusammen bis zu 11,15 m betragen haben. In SondierstoIlen, die durch die Gleittlache gehen, sind Bewegungen von mehreren Metern gemessen worden. Die Bewegungen haben sich in den Folgejahren zunehmend verlangsamt und zuletzt nur noch MillimetergroBenordnung erreicht (LAUFFER et al. 1971). Ais Ursache fur die groBen BewegungsmaBe in den Anfangsjahren wird bei den gut wasserwegsamen Rutschmassen Auftriebswirkung und weniger ein Stromungsdruck bei Spiegelabsenkung angenommen. Beim Ge-
18.3 Absperrbauwerke
patschspeicher sind die Bewegungen jeweils rasch abgeklungen. Sie miissen unter Kontrolle gehalten werden, urn Instabilitaten und ihr Ausma6 rechtzeitig zu erkennen. Zum Einsatz kommen sowohl geodatische Bewegungsmessungen als auch Inklinometermessungen in Bohrlochern (Abschn. 15.2.5). Solche Bohrlochmessungen sollten bereits im Zuge der ersten Erkundungsma6nahmen eingerichtet werden, urn geringe Instabilitaten und ihre Tiefenwirkung rechtzeitig zu erfassen. Die Bohrungen miissen bis in den einwandfrei stabilen Untergrund hinuntergefUhrt werden. Das Messprogramm muss so konzipiert werden, dass neben den von Au6en einwirkenden meteorologischen und hydrologischen Parametern (Stauspiegelanderungen) auch die davon abhangigen Einflussgro6en auf die Rutschmasse (Grundwasserstande, Sickerwasseraustritte, ggfs. Porenwasserdriicke) sowie die Bewegungen in der Flache und nach der Tiefe erfasst werden. Hinzu kommt die Abschatzung einer moglichen rutschungsinduzierten SchwaIlwelle (Wasserverdrangung) und ihrer Folgen fUr das Absperrbauwerk und die Unterlieger. Fiir den Mittelgebirgsraum ist hier die Talsperre SchOnbrunn im Thiiringer Wald zu nennen. Das Absperrbauwerk besteht aus einem 65 m hohen Steinschiittdamm mit Asphaltau6enhautdichtung. Bereits bei den Voruntersuchungen Mitte der 1960er Jahre sind alte Rutschungsareale festgestellt und in der Folgejahren eingehend untersucht worden. Die Hangbewegung "Gabel" wird seitdem mit einem umfangreichen Monitoringsystem iiberwacht. Die Messungen zeigen eine deutliche Abhangigkeit vom Niederschlagsgeschehen (Monatssummen, Starkregenereignisse, Schneeschmelze). Der Einfluss von Stauspiegeliinderungen kann kaum getrennt ermittelt werden, da ein schneller Anstieg der Stauhi:ihen immer mit entsprechenden Niederschlagen verbunden ist. Seit Beginn des Probestaus 1975 sind bis 1999 an Extensometermessstellen in Stollen Verschiebungen von 30 bis 45 em gemessen worden, so dass die Auswirkungen von Stauspielgelanderungen als gering eingeschatzt werden und sich kaum Einschrankungen fUr den Betrieb der Talsperre ergeben (s. a. WITTER & KONIETZKY 2004). Die Ma6nahmen, urn solche Hangbewegungen im Ansatz zu beherrschen, sind in erster Linie Vorschiittungen zur Stabilisierung der
593
unteren Hangbereiche sowie Entwasserungsma6nahmen alier Art, einschl. Dranagestollen.
18.3 Absperrbauwerke Die Aufgabe eines Absperrbauwerkes einer Stauhaltung ist einmal die Sperrung des Talquerschnitts zur Schaffung des Stauraumes, zum anderen den Staudruck des Wassers aufzunehmen und sicher auf den Untergrund zu iibertragen. Die Wahl des Absperrbauwerkes und seines giinstigsten Querschnitts hangen ab von den topografischen Verhaltnissen der geologischen Situation der Durchlassigkeit des Untergrundes bzw. den notigen Dichtungsma6nahmen der Stauhi:ihe den zur VerfUgung stehenden Dammbaustoffen und speicherwirtschaftlichen Bedingungen.
18.3.1 Staumauern Staumauern erfordern in der Regel eine Engstelle im Talquerschnitt und stellen hochste Anforderungen an die Tragfahigkeit und Dichtigkeit des Untergrundes und ki:innen daher grundsatzlich nur auf Fels errichtet werden. Sie sind deshalb in Mittelgebirgen verhaltnismamg selten anzutreffen, kommen aber iiberall da in Betracht, wo kein geeignetes Dammschiittmaterial zur VerfUgung steht und die Morphologie und Geologie einen Mauerbau zulassen. Nach der Formgebung und statischen Wirkung werden folgende Bauarten von Staumauern unterschieden, die auch in kombinierter Form errichtet werden ki:innen: Gewichtstaumauern leiten ihre resultierenden Krafte aus der Mauerlast und dem Wasserdruck unmittelbar in die Griindungssohle ein. Die Abtragung der Horizontalkrafte setzt eine ausreichende Scherfestigkeit in der Sohle voraus. Bogenstaumauern iibertragen den Druck der Wassermassen vor allem auf die Widerlager in den Talflanken, welche die Kiimpferkrafte unter Beriicksichtigung der Kluftsysteme und der Gebirgsfestigkeit aufnehmen miissen.
18
594
18
pfeilerstaumauern bestehen aus Pfeilern, gegen die sich eine Stauwand aus Platten oder Gewolben stiitzt. Die Griindung kann auf einer durchgehenden oder auf einzelne Felder beschrankten Grundplatte erfolgen. An das Gebirge in Griindungssohle, besonders seine Scherfestigkeit, werden sehr hohe Anforderungen gestellt. In breiteren Talquerschnitten wurden haufig pfeilerstaumauern errichtet. Die Griindung von Staumauern erfolgt in der Regel auf gesundem Fels, der beim Freilegen schonend zu behandeln und mit Druckwasser oder Druckluft zu saubern ist. Die Mauer bildet mit dem Felsuntergrund ein zusammenwirkendes System, dessen Aufstandsbereich sowohl durch die von der Sperre einwirkenden Krafte als auch vom anstehenden Wasserdruck beansprucht wird, einschlieBlich des Sohlwasserdrucks und des Wasserdrucks im Kluftsystem. Besondere Anforderungen werden an die Lagerungsverhaltnisse und die Scherfestigkeit des Untergrundes sowie auf das Verformungsverhalten und seine Durchlassigkeit gestellt. Ungiinstiges Schichtfallen oder Streichen von Kluftscharen bzw. Diskontinuitaten konnen die Gleitsicherheit entscheidend herabsetzen Zur Beherrschung der Sohlwasserdriicke sind Driinagen im Aufstandsbereich sowie Dranbohrungen im Untergrund vorzusehen. Dabei sind die konstruktive Ausbildung des Aufstandsbereichs, das Dransystem und der Dichtschirm Zur Reduzierung der Durchsickerung immer als Gesamtsystem zu sehen. OBERNHUBER & STAUBLE (2007) bringen einen Dberblick iiber die gegenseitigen Wechselwirkungen sowie Fallbeispiele groBer alpiner Sperrenanlagen. Ais besonderes Problem hat sich in den letzten Jahren die Standsicherheit alter Staumauern ergeben, die hiiufig auf sehr kompliziert aufgebautem Untergrund mit erosionsgef 2,8
2,3
2,2
Vielfaches bez. auf CaCO, Dichte (tj m3)
2,7
620
19 Bauen in Erdfailgebieten
einigen Salzverbreitungsgebieten (auch von Salzstocken) sind natiirliche Solquellen bekannt, die Anzeichen fUr die anhaltenden Losungsprozesse in der Tiefe sind. Durch Schiittungsmessungen und Analyse der Salzgehalte lasst sich die abgefUhrte Salzfracht ermitteln. Sie betragt oft viele tausend Tonnen pro Jahr. Trotzdem verlauft die Steinsalzsubrosion in der Natur in der Regel sehr verhalten, da sich im Niveau des Salzlagers eine Zone weitestgehend gesattigten Grundwassers hOherer Dichte einstellt. Erst bei Anderung der hydraulischen Situation und Zustrom frischen Grundwassers, sei es durch Solbetrieb oder bergbaubedingte Wasserhaltung, wird die Subrosion beschleunigt, mit entsprechenden Folgen an der Erdoberflache. Seit WEBER (1930, 1967) wird die vom Tagesausstrich fortschreitende Subrosion als "regulare Salzauslaugung" bezeichnet. Hierbei kommt es zur Ausbildung eines sog. Salzhanges, das ist der Ubergang von der unversehrten Salzfolge zu dem mehr oder weniger salzfreien Gebiet. Die "irregulare Salzauslaugung" erfasst dagegen die Lagerstatte innerhalb des geschlossenen Salzgebietes durch Eindringen von Wasser an Storungs- und Zerriittungszonen. Beide Typen zeigen grundsatzlich denselben Mechanismus und fUhren zu ahnlichen Auswirkungen an der Erdoberflache,
Irregul6te
doch bilden sich bei der irregularen Salzauslaugung in der Regel ausgepragte trichter- und kesselformige Senken (Subrosionssenken), die von mehr oder weniger steilen lokalen Salzbangen umgeben sind, wahrend die Formen vor dem regularen Salzhangbereich meist flache Senkungsmulden sind, die in der Landschaft wenig auffallen. Die reguJare Salzauslaugung und die weitergehende Zonengliederung von WEBER (1967) ist modellhaft am Tagesausstrich der Zechsteinfolge am siidlichen Harzrand anzutreffen, wo die Anhydrit- und Salzlager unter wenigen hundert Metern Uberdeckung liegen (Abb. 19.14). Bei machtigerer Uberdeckung des Zechsteinsalinars, wie in Osthessen, zeichnen sich die oben genannten Auslaugungsbezirke WEBERS weniger deutlich abo 1m Westteil des Werra-Fulda-Beckens scheinen die Salzhange nach LAEMMLEN, PRINZ & ROTH (1979) und PRINZ (1980) mehr von der Palaogeographie des Zechsteinmeeres abhangig zu sein als von der fortschreitenden Subrosion. Die verschiedenen Randbecken des Zechsteinmeeres mit 100 bis 300 m machtigen Steinsalzablagerungen im Zechstein 1 werden hier von Schwellen mit Sulfatfazies begrenzt, die offensichtlich noch heute weitgehend den Salzhangbereich markieren. In dies en teilweise sehr breiten
l.agefwtAl1e Intakt
Auslaugung
Stalns.alz IlusgeIaugt
W Zechslein OtJaff3r
rnas
1~ 1Abschlammalerial 1-~ 1Sandstein
1:;=::1 Saltton 1c
3) Erdfalle oder Senkungen in der naheren Umgebung.
ggf. mit weiterer Unlerteilung von c und d nach den Anfangsdurchmessern.
Der Subrosionskataster Thiiringen basiert auf einem ausfUhrlichen Erfassungsbogen, der danach in einem EDV-Eingabeformular umgesetzt wird. Die Gefahrdungsklassen werden ebenfalls nach einer Buchstaben/Zahlenkombination definiert. Andere, regional z. T. wesentlich detailliertere Gefahrdungszonen und -bilder wurden fiir den Bau der NBS Niirnberg-Ingolstadt durch die Frankenalb entwiekelt (s. Abschn. 17.2.4). Auch die Handlungsempfehlungen der StraBenbauverwaltungen der Lander Sachsen-Anhalt und Thiiringen enthalten auf den StraBenbau zugeschnittene Gefahrdungsklassen. Fiir eine allgemeingiiltige Risikobewertung haben sich folgende Definitionen bewahrt (s. a. Abschn. 16.7.2.3): Akute Gefahrdung liegt vor, wenn in absehbarer Zeit mit hinreiehender Wahrscheinlichkeit ein Ereignis zu erwarten ist, das eine ernste Bedrohung von Schutzgiitern bedeutet. Eine solche Situation erfordert in der Regel einen zeitnahen Handlungsbedarf bzw. die Einleitung von SofortmaBnahmen. Potentielle Gefahrdung ist gegeben, wenn ein Schadensereignis mittelfristig (einige Monate bis wenige Jahre) mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Es besteht ein planmaBiger Handlungsbedarf fUr eine umfassende Erkundung und Bewertung der Situation und fUr ein intensives Monitoring. Latente Gefahr ist anzunehmen, bei geringer Eintrittswahrscheinlichkeit fUr ein Ereignis, das weder nach Zeit, Ort und AusmaB naher zu bemessen ist. Eine allgemeine Erkundung und Bewertung der Situation miisste ausreichend sein.
19.3.2 Geophysikalische Messverfahren Je nach Ausbildung und Tiefenlage der Karsthorizonte und der Erdfallhaufigkeit muss die Erkundung von Erdfall- und Senkungsgebieten
mogliehst flachendeckend erfolgen. Dazu sind in erster Linie geophysikalische Oberflachenmessungen geeignet. Die Methoden sind im Abschn. 4.3.2 im Einzelnen beschrieben. Bei der Erkundung von Karstphanomenen haben sieh in den letzten Jahren hochauflosende kombinierte Methoden der Reflexions- und Refraktionsseismik bewahrt, z. T. auch Radarmessungen, geoelektrische Widerstandssondierungen und ggf. Mikrogravimetrie. Die Geophysik gibt immer nur indirekte Hinweise (Anomalien) auf gestorte Bereiehe. Oberflachennahe Hohlraumbildungen konnen ggf. auch direkt dedektiert werden (PLINNINGER et al. 2005). Eine Lokalisierung von tieferen Karsthohlraumen ist mit den heutigen Standardmethoden der Geophysik nicht moglich, da das Auflosungsvermogen mit zunehmender Tiefe stark abnimmt. Beim Baumleite-Tunnel der DBStrecke Ebensfeld-Erfurt konnte ein in 5 bis 11 m Tiefe (spater) aufgefahrener Hohlraum mit einem Querschnitt von 3,5 auf 4,5 m mit vorher durchgefUhrter Reflexionsseismik nieht dedektiert werden (KIND & SCHULZ 2004). Die Eignung und Aussagekraft der angebotenen Methoden sollte daher aus vergleiehbaren Projekten bekannt sein oder vorab in Testmessungen iiber bekannten Karststrukturen iiberpriift werden. AuBer den Oberflachenmessungen konnen auch von zwei oder mehreren Bohrungen aus elektromagnetische oder seismische Durchschallungsverfahren eingesetzt werden. Die seismische Tomographie liefert ein flachenhaftes Abbild iiber die Verteilung der Kompressionswellengeschwindigkeit und der Amplitudenverteilung zwischen den Bohrungen und damit indirekt ein Abbild von der Verteilung gewisser Materialeigenschaften in dieser Schnittebene. Mit der wiehtigste Parameter ist dabei die Dichte, die von der Kliiftigkeit des Gebirges, einer eventuellen Gebirgsauflockerung oder gar Hohlraumen im Gebirge beeinflusst wird. Bei verfUllten Hohlraumen sind die Laufzeitanomalien allerdings weniger deutlich und die Erfahrungen mit der Methode unterschiedlich. In Bohrungen angetroffene Hohlraume konnen mittels Kamerabefahrung oder echometrisch durch Ultraschall- bzw. Sonarvermessung (HASSELKUS 2005) bzw. mit optischen Scannern (ETIBS) oder iiber lasergestiitzte 3D-Hohlraumvermessung (ROGOWSKI 2002; HELLMANN 2009) vermessen werden (Abb. 19.19).
629
19.3 Ingenieurgeologische Untersuchungsmethoden
Bohrung B 1? Ihmlingstraf'1e
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30mu GO
Abb. 19.19 Mittels Sonarvermessung ermittelter Hohlraumquerschnitt (nach SCHWEIKARDT 2007).
19.3.3 Geotechnische Untersuch ungsverfah ren
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Fur Bauwerke in Erdfall- und Senkungsgebieten mussen die Baugrundaufschlussbohrungen mit groBerem Aufwand betrieben und in kleineren Abstanden angesetzt werden als sonst. ZweckmaBig ist eine Verbindung mit geophysikalischer Vorerkundung. Aufschlussbohrungen mussen immer als Kernbohrungen angesetzt werden. Die auslaugungsgeschadigten, unterschiedlich stark entfestigten und z. T. plastifizierten Ton- und Mergelsteine sowie besonders halbfeste oder plastische Residualbildungen sind oft schwer zu kernen. Der Konsolidationsgrad solcher entfestigter Tongesteine bzw. Residualbildungen ist je nach Alter des Verkarstungsprozesses sehr unterschiedlich (BEICHE et al. 1995). Er kann mittels Rammsondierungen dokumentiert werden. Oberflachennah kommen dafiir Sondierungen mit der schweren Rammsonde in Betracht (Abb. 4.14), in groBeren Tiefen Standard-Penetration-Tests (s. Abschn. 4.4.6.1). Urn die Steifigkeit versuchstechnisch belegen zu konnen, muss en auch in groBeren Bohrtiefen ausreichend Sonderproben entnommen und untersucht werden. Die allgemeine Regel, dass bei Halbfest- und Festgesteinen Laboruntersuchungen an Kleinproben hohere Festigkeitswerte liefern als Feldversuche und Ruckrechnungen aus Bauwerken, gilt fur Residualgesteine nicht oder nur sehr eingeschrankt. Fur den ausgelaugten Gipskeuper geben WITTKE & ZUCHNER (2008) Verformungsmoduln aus Laborversuchen mit 10-40 MN/m 2. aus Lastplattenversuchen mit 20-80 MN/m 2 und aus Ruck-
rechnung mit bis zu 150 MN/m2 an. Das Verformungsverhalten nachgesackter, murbfester Tongesteine ist daher nur mittels in situ-Versuchen zu ermitteln (STRAUSS 1994). Wahrend des Bohrens mussen der Andruck und der Bohrfortschritt genau verfolgt und moglichst durch Schreiber registriert werden, urn weiche Zonen oder Hohlraume zu erfassen. AuBerdem ist eine genaue Spulungskontrolle notwendig. Bei der ingenieurgeologischen Aufnahme der Bohrkerne ist besonders auf Lagerungsstorungen, Entfestigungen, nicht profilgerechte Einlagerungen u. a. m. zu achten. Auch der stratigraphischen Einstufung der Schichtenfolge ist mehr Bedeutung beizumessen als sonst ublich. Baugrundaufschlussbohrungen mussen grundsatzlich bis in den nachsttieferen, ungestorten und einwandfrei einzustufenden stratigraphischen Horizont niedergebracht werden. Zur flachendeckenden Erganzung der Aufschlussbohrungen konnen auch rasterformig angesetzte Sondierungen mit einer Rammsonde vorgesehen werden, die oberflachennahe Auflockerungszonen erkennen lassen (s. Abb. 4.12). In Gebieten, in denen mit einem Anhalten von Senkungen zu rechnen ist, kann deren Intensitat und Verteilung durch ein Beobachtungsnetz von Messpunkten mit Nivellements verfolgt werden (Abb. 19.20 und HECKNER et al. (1999). Senkungen der letzten 10 Jahre konnen ggf. auch mittels SAR-Interferometrie groBflachig erfasst werden (s. Abschn. 15.2.5).
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Abb. 19.20 Isolinien der Setzungsmessungen von April 1991 bis Marz 1992 des Beispiels von Abb. 19.9 (a us MAGAR 1993).
19
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19.4 Bautechnische MaBnahmen Die Forderung nach vollkommener Sicherheit in Erdfallgebieten ist auch bei sehr groBem Aufwand kaum erfUllbar. Wo Karstgebiete von Bebauung freigehalten werden konnen, sollte dies angestrebt werden. Die Schadensquote ist jedoch, von Sonderfallen abgesehen, meist nur gering, was vielerorts dazu fUhrt, dass ohne Riicksicht auch aufbekannte Erdfall- und Senkungserscheinungen gebaut wird. Obersteigerte Forderungen sind zwar wirtschaftlich nicht zu vertreten, doch sollte verhindert werden, dass heute noch Siedlungen und Verkehrswege in Karstgebieten entstehen, ohne dass entsprechende MaBnahmen vorgesehen werden. Eine Bauleitplanung kann zwar dem Bautriiger das Baugrundrisiko nicht abnehmen, Kenntnisse oder Anhaltspunkte iiber ein Gefahrenpotenzial miissen jedoch von den BehOrden mitgeteilt werden. Bauplanung in potenziellen Erdfallgebieten wird aber immer umstritten bleiben. Die Entstehung von Erdfallen natiirlichen Ursprungs (Verkarstung) und die moglichen bautechnischen MaBnahmen sind weitgehend vergleichbar mit der Behandlung von Senkungen oder Tagesbriichen iiber bergbaulichen Hohlriiumen in mittleren Tiefen. In beiden Fiillen handelt es sich urn den aktiven Senkungs- bzw. Verbruchsprozess eines Ausgangshohlraumes im Untergrund, der sich durch stetes Nachbrechen der spannungsfreien Zone im Firstbereich (Abschn. 17.5.2 und 17.5.5) unter Einwirkung der Schwerkraft und in Abhiingigkeit des Kluftgefiiges bzw. der Kluftkorpergeometrie mehr oder weniger senkrecht durch das Deckgebirge bis zur Erdoberfliiche hocharbeitet. Der Nachbruchprozess kann zeitweise zum Stillstand kommen, was auf die Hohlraum-Bruchmassen-Bilanz (Abschn. 16.7.2.2) oder auf die Ausbildung gewolbeartiger, labiler Gleichgewichtszustiinde im Hangenden zuriickzufUhren ist, die aber auf Dauer nicht stabil sind. Ober die verschiedenen Modelle zur numerischen Abschatzung von Erdfallereignissen im Lockergestein und die moglichen iiquivalenten Durchmesser von Erdfallen in Abhiingigkeit von den Deckschichten berichten zuletzt FENK & AST (2004), MEIER & MEIER (2007) und ROGALL &
19 Bauen in Erdfallgebieten
BROMEN (2008). In den letzten Jahren wurde mehrfach versucht, den Verbruchprozess und die Gebirgsstabilitiit iiber Hohlriiumen mit Hilfe numerischer Losungen zu ermitteln (SCHWEIKARDT 2007, darin Lit.). Der Verbruch eines Hohlraums ist abhiingig von seinen Abmessungen, der Miichtigkeit und Verbandsfestigkeit der Deckgebirges und etwaiger Schwiichezonen an Trennfliichen. Als Gebirgsparameter werden fUr die verschiedenen Schichten in der Regel folgende Kennwerte benotigt: Wichte Elastizitiitsmodul Poissonzahl v bzw. Querdehnzahl Reibungswinkel