Andrea Kranzer Auswirkungen und Erfolgsfaktoren von Disease Management
WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
Andrea Kranzer
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Andrea Kranzer Auswirkungen und Erfolgsfaktoren von Disease Management
WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
Andrea Kranzer
Auswirkungen und Erfolgsfaktoren von Disease Management Versorgungsansätze für chronisch kranke Patienten am Beispiel von Asthma und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Mannheim, 2007
1. Auflage Oktober 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Britta Göhrisch-Radmacher Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0929-5
Vorwort und Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2007 von der Fakultät für Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre, Abteilung Volkswirtschaftslehre, der Universität Mannheim als Dissertationsschrift angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als externe Doktorandin am Lehrstuhl für Volkswirtschafslehre, insb. Planung und Verwaltung öffentlicher Wirtschaft, von Professor Dr. Eberhard Wille. Der Versorgungsansatz der Disease Management-Programme wurde im Jahre 2001 in Deutschland gesetzlich verankert und ist seither für vier Indikationsgebiete, u.a. chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, speziell Asthma und COPD, eingeführt. Im Rahmen der Arbeit werden auf Basis eines integrierten Versorgungsprogramms in der Rhein-Neckar-Region die Auswirkungen und Erfolgsfaktoren einer systematischen und strukturierten Behandlung einer ausgewählten Patientengruppe mit Asthma und COPD untersucht. Dabei werden die Schlüsselaspekte eines effektiven und effizienten Disease Management-Programms für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen erläutert und dessen potentielle Auswirkungen dargestellt. Bei der Entstehung dieser Arbeit haben eine Vielzahl von Kollegen, Bekannten und Familienmitgliedern eine Rolle gespielt, denen ich im Folgenden danken möchte: In erster Linie möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Eberhard Wille, danken, der mich als externe Doktorandin an seinem Lehrstuhl annahm, diese Arbeit ermöglichte und mich in den ganzen Jahren, vor allem aber auch während des hier beschriebenen Projekts mit Rat, Interesse und wertvollen Hinweisen unterstützte. Ich möchte auch herzlich Herrn Prof. Dr. Hans H. Bauer für die Übernahme des Zweitgutachtens, sein Interesse an meiner Arbeit und seine Unterstützung danken. Dank gebührt des Weiteren all jenen Kollegen des Lehrstuhls, die mich in der Anfertigung der Arbeit unterstützt haben. Für seine kritischen Anmerkungen und konstruktiven Diskussionen sowie die motivierenden Gespräche sei an dieser Stelle insbesondere Christian Igel gedankt. Ferner möchte ich Monika Sander für ihre tatkräftige Unterstützung während des Projektes danken. Der empirische Teil meiner Arbeit wäre ohne die Hilfe des Gesundheitsprojekts niedergelassener Ärzte, speziell der Dres. med. Werner Besier, Manfred Mayer und Uwe Gordt aus Mannheim, nicht möglich gewesen, denen ich hierfür nochmals danken möchte. Ich hoffe, dass die hier aufgezeigte Verbesserung der Versorgung Bestand und auf weitere Indikationen positive Auswirkungen hat. Dank sagen möchte ich auch meinen Freunden Johanna Rausch, Christina Detmers und Beatrix Dietz sowie allen anderen, die mich im Laufe meiner Dissertation auf vielfältige Weise unterstützt haben. Ein besonderer Dank gilt meiner Familie – meinen Eltern, meinem Bruder Ulli, meinem Mann Hamid und meinem Sohn Daniel – für ihre inhaltliche und mentale Unterstützung, ihre unerschöpfliche Geduld und ihr bedingungsloses Verständnis. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Mannheim, im Juli 2007
Andrea Kranzer
Inhaltsverzeichnis Vorwort und Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V VII XI XI XIII
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Strukturelle Probleme der Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Prozessuale Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Qualitäts- und Effizienzprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Fehlende Anreiz- bzw. Sanktionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Spezifische Mängel in der Chronikerversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Probleme bei Chronikern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Über-, Unter- und Fehlversorgung als Folge der Probleme . . . . . 2.6 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 5 9 10 14 16 17 21 22
3 Reformansätze zur Verbesserung der medizinischen Versorgung . . . . . . . . . . 3.1 Reformansätze im deutschen Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Überblick über die Reformen zwischen 1977 und 2000 . . . . . . . . 3.1.2 Probleme dieser Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Handlungsempfehlungen des Sachverständigenrates . . . . . . . . . . 3.1.4 Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung (2002) . . . . . . . . . . . . . 3.2 Managed Care und Integrierte Versorgung als struktureller Rahmen für Disease Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Grundzüge von Managed Care . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.1 Definition und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.2 Kennzeichen von Managed-Care-Organisationen . . . . 3.2.1.3 Organisationsformen von Managed Care . . . . . . . . . . . 3.2.1.4 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.5 Nutzen/Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.6 Schwierigkeiten und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.7 Managed Care in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Darstellung der Integrierten Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.1 Definition und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.2 Kennzeichen von Integrierter Versorgung . . . . . . . . . . .
25 25 25 27 28 29 32 33 33 34 40 42 43 43 44 45 45 48
VIII
Inhalt
3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.2.5 3.2.2.6
Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzen/Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwierigkeiten und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenüberstellung von Integrierter Versorgung und Managed Care . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Vertragliche Organisationsformen der Integrierten Versorgung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.1 Strukturverträge (§ 73 a SGB V) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.2 Modellvorhaben (§§ 63–65 SGB V) . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.3 Integrierte Versorgungsformen (§ 14 a–d SGB V) . . . . . 3.2.3.4 Gegenüberstellung der Formen der Integrierten Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.5 Die hausärztliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 51 51 53 53 53 54 55 56 57 57
4 Darstellung von Disease Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.1 Operationalisierung von Disease Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.1.1 Definitorische Abgrenzung von Disease Management . . . . . . . . 59 4.1.1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.1.1.2 Abgrenzung Disease Management und Case Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4.1.2 Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.1.3 Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4.1.4 Vergleich von Disease Management und traditioneller Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.2 Instrumente und Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.2.1 Evidenzbasierte Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.2.2 Patientenintegration, -Empowerment und schulung . . . . . . . . . . . 75 4.2.3 Ärztliche Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4.2.4 Datenmanagement auf Basis von Dokumentations- und Informationssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.2.5 Messung, Bewertung und Management von Prozessen und Ergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2.6 Feedback-Routinen und Erinnerungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.2.6.1 Erinnerungssysteme/Reminder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.2.6.2 Feedback-Systeme und Reports . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.2.7 Risikostratifizierung und Patientenselektion . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.2.8 Anreize und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.2.9 Ergebnisorientierte Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4.2.10 Qualitätsmanagement und -messung im Disease Management . . 94 4.3 Vor- und Nachteile von Disease-Management-Programmen . . . . . . . . . . 96 4.3.1 Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.3.2 Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.4 Erfahrungen mit Disease Management in den USA und der Schweiz . . . 100 4.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Inhalt
IX
5 Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland . . . . . 5.1 Ansatzpunkte für Verbesserungsmöglichkeiten in der Versorgung von Asthmatikern und COPD-Patienten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Asthma und COPD in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Spezifische Versorgungsprobleme bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Rechtliche Regelungen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Allgemeine Anforderungen an die Programme für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Spezifische Anforderungen für Asthma bronchiale . . . . . . . . . . . 5.2.4 Spezifische Anforderungen für COPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“ . . . . . . . . . . . 6.1 Hintergrund und Zielsetzungen des Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Methodisches Vorgehen im Rahmen der Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Erhebung der medizinischen und ökonomischen Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Untersuchung der Schwachstellen des Projekts mittels einer Ärztebefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Disease-Management-Elemente im Rahmen des Projekts . . . . . . . . . . . . 6.4 Erfüllung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme . 6.5 Ergebnisse der Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Teilnehmende Praxen und eingeschriebene Patienten . . . . . . . . . 6.5.2 Die Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3 Zielerreichung im Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3.1 Verbesserung der medizinischen Indikatoren . . . . . . . . 6.5.3.2 Koordination zwischen den Leistungserbringern . . . . . 6.5.3.3 Leitlinienorientierte, medikamentöse Therapie . . . . . . 6.5.3.4 Krankenhausaufenthalte und Notfallbehandlungen . . . 6.5.3.5 Reduktion von Arbeitsausfallzeiten . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3.6 Reduktion von Folgeerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3.7 Steigerung der Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3.8 Reduktion der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3.9 Entwicklung des Rauchverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3.10 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Probleme und Herausforderungen des Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.1 Methodische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.2 Strukturelle Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.3 Prozessuale Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.4 Sonstige Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.5 Anmerkungen der Ärzte zum Projekt – die Ärztebefragung . . . . 6.7 Beurteilung des Projekts und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119 119 120
103 103 106 109 109 110 115 116 118
120 122 123 127 132 132 133 136 136 142 144 145 147 149 150 152 155 156 156 156 159 160 161 161 166
X 7 Erfolgsfaktoren und Probleme bei der Implementierung von Disease-Management-Programmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Erfolgsfaktorenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Indikationen für DMPs in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Einbindung aller Beteiligten und Einsatz von Anreizsystemen . . . . . . . . 7.3.1 Ärzteseitige Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Patientenseitige Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Qualitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Daten- und Outcome Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Kooperation der Beteiligten und Schnittstellenmanagement . . . . . . . . . . 7.7 Knowledge Management und Schulungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Daten- und Übertragbarkeitsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Patientenorientierte Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Reduktion der Mortalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Auswirkungen auf die Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Gesundheitliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Verbesserung der Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Rückgang von Krankenhausfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Veränderungen bei der Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Integrierte Versorgung zwischen allen Leistungserbringern . . . . 8.4.2 Auswirkungen von Disease Management auf die Arzt-Patienten-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Neue Rollendefinition und Veränderungen in der Versorgung . . . 8.4.4 Umsetzung evidenzbasierter Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.5 Negative Auswirkungen auf die Leistungserbringung . . . . . . . . . 8.5 Kostenaspekte von Disease-Management-Programmen . . . . . . . . . . . . . 8.6 Sonstige Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Die Gesamtauswirkungen von Disease Management . . . . . . . . . . . . . . . 8.8 Auswirkungen durch die Verbindung von Disease Management und RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9 Grenzen und Hindernisse von Disease Management . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhalt
169 169 170 171 171 174 177 178 180 181 185 185 186 186 186 188 188 190 191 191 193 195 196 197 198 203 205 207 208
9 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 9.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 9.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
Abbildungsverzeichnis Abbildung 6-1: Abbildung 6-2: Abbildung 6-3: Abbildung 6-4: Abbildung 6-5: Abbildung 6-6: Abbildung 6-7: Abbildung 6-8: Abbildung 6-9: Abbildung 6-10: Abbildung 6-11: Abbildung 6-12: Abbildung 6-13: Abbildung 6-14:
Auswertungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Patientenzahlen im Projektverlauf . . . . . . . . Beschreibung der Gesamt-Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die Schweregrade der Asthmatiker . . . . . . . . . Lungenfunktionswerte bei Ersterhebung unterteilt nach Erkrankungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Lungenfunktionswerte über vier Quartale . . Entwicklung der Schweregrade bei Asthmatikern nach 4 Quartalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Schweregrade bei COPD-Patienten nach 4 Quartalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchschnittliche Anzahl an Exazerbationen und Asthmabeschwerden pro Quartal über vier Quartale . . . . . . . . Entwicklung der Krankenhaustage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage und -kosten . . . . . . Entwicklung der Krankenhaustage und -kosten . . . . . . . . . . . Überblick über die Zufriedenheit im Projekt . . . . . . . . . . . . . .
121 133 134 135 137 138 139 140 141 146 149 153 155 162
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4:
Übersicht über die Gesundheitsreformen von 1977 bis 2000 . . . . . . . 26 Vor- und Nachteile von Integrierter Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Überblick über die Reihenfolge der Unzufriedenheiten (RdU) . . . . . 164 Überblick über die Rückgänge von Krankenhausfällen diverser amerikanischer DMP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Abkürzungsverzeichnis AIHP Abb. Abs. ABUS AEV AFAS AOK AWMF ÄZQ BKK BMI BMJ bspw. bzw. ca. CME COPD d. h. DM DMAA DMP DPS DRG EbM evtl. FÄ FEV1 FVC G-BA ggf. GKV GKV-SolG GMG GRG GSG HAM HEDIS HHBG HMO ICD IGDM IGES
America’s Health Insurance Plans Abbildung Absatz Asthma-Behandlungs- und Schulungsprogramm Arbeiter-Ersatzkassen-Verband Fürther Asthma-Schulungsprogramm Allgemeine Ortskrankenkasse – die Gesundheitskasse Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin Betriebskrankenkasse Body-Mass-Index British Medical Journal beispielsweise beziehungsweise circa Continuing Medical Education Chronic Obstructive Pulmonary Disease/Chronisch obstruktive Lungenkrankheit das heißt Disease Management Disease Management Association of America Disease-Management-Programme Diversified Pharmaceutical Services Diagnosis Related Groups Evidence-based Medicine/evidenzbasierte Medizin eventuell Fachärzte Einsekundenausatemkapazitäts-Wert forcierter Vitalkapazitäts-Wert Gemeinsamer Bundesausschuß gegebenenfalls Gesetzliche Krankenversicherung Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der Gesetzlichen Krankenversicherung Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung Gesundheitsreformgesetz Gesundheitsstrukturgesetz Hausarztmodell Healthplan Employer Data and Information Set Haushaltsbegleitgesetz Health Maintenance Organization International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems/Internationale Klassifizierung von Krankheiten Interessengemeinschaft Disease Management Institut für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH
XIV IKK IQWiG JAMA JCAHO Jg. KBV KHK KHKDG KPMCP KV KVB KVEG KVKG MCO Mio. Mrd. N NAPI NCQA NHS NOG Nr. NRC o. S. PHO POS PPO QZ RdU RSA RSAV S. SGB V SVR Gesundheit TK TQM u. a. u. U. VdAK vgl. VU z. B. z. T. ZaeFQ ZfW ZögU
Abkürzungsverzeichnis
Innungskrankenkasse Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Journal of the American Medical Association Joint Commission for Accreditation of Healthcare Organizations Jahrgang Kassenärztliche Bundesvereinigung Koronare Herzkrankheiten Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz Kaiser Permanente Medical Care Program Kassenärztliche Vereinigung Kassenärztliche Vereinigung Bayern Kostendämpfungsergänzungsgesetz Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz Managed Care Organization Millionen Milliarden Anzahl der Fälle niedergelassene Hausärzte/Allgemeinärzte, Internisten und Pädiat er National Committee for Quality Assurance National Health Service Gesetze zur Neuordnung der Gesetzlichen Krankenversicherung Nummer National Research Corporation ohne Seitenangabe Physician Hospital Organization Point of Service Organization Preferred Provider Organization Qualitätszirkel Reihenfolge der Unzufriedenheiten Risikostrukturausgleich Risikostrukturausgleichsverordnung Seite Fünftes Sozialgesetzbuch Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, heute: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Techniker Krankenkasse Total Quality Management unter anderem unter Umständen Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. vergleiche Voruntersuchung (pneumologische VU) zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung Zeitschrift für Wirtschaftspolitik Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen
1
Einleitung
Das deutsche Gesundheitswesen zeichnete sich über Jahrzehnte durch seine im internationalen Vergleich hohe medizinische Qualität aus. In den letzten Jahren jedoch werden die Auswirkungen von steigender Lebenserwartung und zunehmender Prävalenz chronischer Erkrankungen auf das Gesundheitswesen immer deutlicher. Im Jahr 2001 attestierte der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (SVR Gesundheit) in seinem Gutachten „Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit“ (Band III) der deutschen Gesundheitsversorgung – insbesondere der Behandlung chronisch kranker Patienten – eine Über-, Unter- und Fehlversorgung.1 Der SVR Gesundheit wies darauf hin, dass chronisch Kranke durch ihren intensiven Ressourcenverbrauch zu erheblichen direkten und indirekten Krankheitskosten führen und deshalb deren Versorgung „die wichtigste und größte Herausforderung für das Gesundheitswesen“2 darstelle. Die Ergebnisse dieses Gutachtens bewirkten ein wesentliches Umdenken sowie neue Reformansätze in der Gesundheitspolitik, die in der Entstehung und Einführung von Disease-Management-Programmen (DMP) in Deutschland mündeten und die Anforderungen an die Versorgung chronisch Kranker in den Mittelpunkt rückten. Im Jahre 2001 wurde im Rahmen der „Reform des Risikostrukturausgleichs“ in Deutschland die neue Versorgungsform der strukturierten Behandlungsprogramme eingeführt, die zu einer systematischen, integrierten Versorgung chronisch kranker Patienten nach evidenzbasierten Leitlinien und einer Beseitigung der Über-, Unterund Fehlversorgung führen soll. Disease-Management-Programme sind bereits seit Jahren eine international gängige Intervention bei Chronikern und verzeichnen vor allem in den USA positive Resultate. Dabei werden Schulungen der Patienten und Weiterbildung der Ärzte von Evaluationen und weiteren Qualitätssicherungsmaßnahmen begleitet. Der Ansatz der Behandlungsprogramme geht dahin, durch ein stärkeres Maß an strukturierter Behandlung und Prävention sowie durch Überwindung sektoraler Schnittstellen mehr Effizienz im Gesundheitswesen zu generieren, Kosten zu reduzieren und die Versorgung chronisch Kranker zu verbessern. Einen wesentlichen Anteil der chronisch Erkrankten machen Patienten mit chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen aus. Hierunter sind vor allem Asthma bronchiale und chronisch obstruktive Lungenkrankheiten (COPD) zu verstehen, die in der Bevölkerung einen Anteil von ca. 5–10% ausmachen. Da es sich damit um wesentliche Volkskrankheiten handelt und diese Gruppe von Erkrankungen von der Bundesregierung für die ersten vier strukturierten Behandlungsprogramme in Deutschland ausgewählt wurde, wird sich die vorliegende Arbeit speziell mit den Programmen zu Asthma bronchiale und COPD beschäftigen.
Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 35 ff., Punkt 93 ff. 2 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 33, Punkt 86. 1
2
1 Einleitung
Die Arbeit hat sich die Übertragung des amerikanischen Versorgungsansatzes und die Einführung und Umsetzung der Disease-Management-Programme in Deutschland zum Forschungsgegenstand genommen. Dabei soll untersucht werden, welche Faktoren maßgeblich den Erfolg der Programme bestimmen. Des Weiteren soll ermittelt werden, mit welchen potentiellen Auswirkungen in Deutschland aufgrund der eingeführten Programme gerechnet werden kann. Ziel der Arbeit ist es, durch das Aufzeigen von Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren, aber auch Problemen dazu beizutragen, Schwierigkeiten bei der Einführung von Asthma- und COPD-Programmen zu vermeiden bzw. frühzeitig aufzudecken. Daneben versucht die Arbeit aber auch, die an die Programme gestellten Erwartungen zu relativieren und die Auswirkungen realistisch einzuschätzen. Die Einführung von Disease-Management-Programmen erfolgt in Deutschland vor dem Hintergrund der Beseitigung unterschiedlichster struktureller und prozessualer, aber auch qualitativer Probleme, die insbesondere bei chronisch Kranken zu einer Über-, Unter- und Fehlversorgung geführt haben. Aus diesem Grunde erscheint es notwendig, zu Beginn der Arbeit in Kapitel 2 die Schlüsselprobleme und Hauptdefizite in der Leistungserbringung im deutschen Gesundheitswesen darzustellen. Dabei wird insbesondere auf die spezifischen Mängel in der Chronikerversorgung vor der Einführung der Disease-Management-Programme eingegangen. Die Reform des Risikostrukturausgleichs mit den darin verbundenen strukturierten Behandlungsprogrammen stellt einen Ansatz für strukturelle Veränderungen dar, der auf eine Vielzahl von Reformen im deutschen Gesundheitswesen folgte. Das 3. Kapitel gibt hierüber einen kurzen Überblick und ordnet das Disease Management in unterschiedliche Systeme und Versorgungsansätze ein. Dabei wird ausführlicher auf die Systeme des Managed Care und der Integrierten Versorgung eingegangen, die einen strukturellen Rahmen für Disease-Management-Programme bieten können. Integrierte Versorgung wird hier als eine mögliche Ausgestaltung für Managed Care in Deutschland betrachtet, die durch die neuen Versorgungsmodelle umgesetzt werden kann. Die vertraglichen Gestaltungsräume dieser neuen Versorgungsmodelle (Strukturverträge, Modellvorhaben und Integrierte Versorgungsformen) werden hier ebenfalls kurz skizziert. Das 4. Kapitel befasst sich ausführlich mit der Darstellung von Disease Management in seiner allgemeinen Form. Nach einer kurzen definitorischen Abgrenzung werden die Elemente und Instrumente des Disease Managements ausführlich erläutert sowie die Vor- und Nachteile möglicher Programme beschrieben. Ziel des Kapitels ist es, einen Überblick über das Spektrum der Einflussmöglichkeiten von DMP auf die Versorgung zu geben und die Besonderheit des Disease-Management-Ansatzes – die systematische und strukturierte Verbesserung der Versorgung einer Population von Patienten mit dem gleichen chronischen Krankheitsbild – zu verdeutlichen.3 Zum Abschluss des Kapitels werden kurz die internationalen Erfahrungen mit Disease Management beschrieben. 3
Vgl. Lehmann, H. (2003), S. 38.
1 Einleitung
3
Im 5. Kapitel wird der deutsche Disease-Management-Ansatz für Asthma bronchiale und COPD dargestellt. Disease-Management-Programme können in Deutschland als strukturierte Behandlungsprogramme gemäß § 137 f SGB V in Verbindung mit § 137 g SGB V zugelassen werden. In dieser Art stellen sie insoweit eine Sonderform von Disease-Management-Programmen dar, als ihre Zulassung an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist, die in diesem Kapitel ausführlich erläutert werden. Die erfolgte Zulassung beim Bundesversicherungsamt erlaubt den Krankenkassen, für die in DMP eingeschriebenen, chronisch kranken Versicherten einen angemessenen finanziellen Beitragsbedarf aus dem Risikostrukturausgleich (RSA) zugerechnet zu bekommen. Nach einer kurzen Erläuterung der epidemiologischen und versorgungspolitischen Aspekte von Asthma bronchiale und COPD werden die strukturierten Behandlungsprogramme in Deutschland kurz dargestellt. Der empirischen Evaluation dieses Forschungsgegenstandes dient ein Pilotprojekt, das bis April 2005 in der Region Mannheim die Ansätze des DMP für Asthma bronchiale und COPD aufnahm. Dieses wird in Kapitel 6 dargestellt. Bei dem Projekt handelt es sich um einen Vertrag zur Integrierten Versorgung nach § 140 a SGB V, der damit – anders als bei den strukturierten Behandlungsprogrammen nach § 137 f SGB – ohne Anbindung an den RSA bestand. Zu Beginn des Kapitels wird überprüft, inwiefern das Projekt die Elemente und gesetzlichen Anforderungen von Disease Management Programmen im Allgemeinen und strukturierten Behandlungsprogrammen im Speziellen erfüllt. Das Kapitel beschreibt ferner die erzielten patientenorientierten, gesundheitlichen und ökonomischen Ergebnisse einer Erhebung bei 513 Patienten. Darüber hinaus werden die Probleme und Herausforderungen während des Projekts aufgezeigt. Ein wesentlicher Teil der Arbeit ist der Untersuchung der Erfolgsfaktoren und potentiellen Auswirkungen von Disease-Management-Programmen in Deutschland gewidmet. Auf diese beiden Aspekte wird ausführlich in den Kapiteln 7 und 8 eingegangen. Auf Basis einer umfassenden wissenschaftlichen Recherche werden die in der Literatur genannten Erfolgsfaktoren und Auswirkungen analysiert und dargestellt. Dabei wird detailliert auf die Veränderung der Leistungserbringung infolge von Disease Management sowie auf die medizinischen, patientenorientierten und finanziellen Auswirkungen der Programme eingegangen. Den Hindernissen und Grenzen von Disease Management wird abschließend ebenfalls ein Kapitel gewidmet. In Deutschland sind ca. 90% der Bevölkerung Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse.4 Aus diesem Grund und um die Komplexität des Themas nicht unnötig zu erhöhen bleibt im Folgenden der Bereich der privaten Krankenversicherung weitgehend ausgeklammert und es wird in der vorliegenden Arbeit das Hauptaugenmerk auf die Probleme und Lösungsmöglichkeiten für gesetzliche Krankenkassen gelegt. Trotzdem soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass Disease-Management-Programme auch von privaten Krankenversicherungen eingesetzt werden können, um die Effizienz und Effektivität der medizinischen Versorgung ihrer chronisch kranken Versicherten zu verbessern. 4
Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 49.
4
1 Einleitung
Die Arbeit untersucht die vielfältigen Behandlungsalternativen im Rahmen der Therapie und des Managements von Asthma bronchiale und COPD. Da es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine Dissertation der Wirtschaftswissenschaften handelt, wird auf spezifisch medizinische und pharmakologische Aspekte nicht eingegangen. Darüber hinaus wird nur der Aspekt der Leistungserbringung und hierbei vorwiegend der ambulante Bereich untersucht.
2
Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
Das deutsche Gesundheitswesen zeichnet sich im internationalen Vergleich vor allem durch den umfassenden Versicherungsschutz, die hohe Qualität der medizinischen Einrichtungen, den schnellen Zugang zu medizinischer Versorgung sowie durch die Tatsache aus, dass der Leistungsanpruch nicht am Einkommen, sondern an der medizinischen Notwendigkeit bemessen wird.5 Jedoch weist die gesundheitliche Versorgung in Deutschland, trotz zahlreicher Reformbemühungen in der Vergangenheit, eine Vielzahl an Schwachstellen und Problemen auf. Vor allem strukturelle und prozessuale Defizite in Form der fragmentierten Versorgung und fehlenden Kooperation zwischen ambulantem und stationärem Sektor sowie ein fehlendes bzw. unzureichendes Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsmanagement haben dazu geführt, dass das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich hinsichtlich zahlreicher Surrogat-Parameter der Versorgung hinterherhinkt:6 In Bezug auf die Mortalitätsrate bei mehreren Volkskrankheiten findet sich Deutschland beispielsweise nur auf den mittleren Plätzen und die durchschnittliche Krankenhausverweildauer ist in Deutschland im Vergleich zu den wesentlichen Wirtschaftsnationen mit am höchsten.7 Diese Defizite der Gesundheitsversorgung waren die Hauptursache für die Einführung von Disease-Management-Programmen (DMP) im deutschen Gesundheitssystem. Um die Notwendigkeit und die Wirkungsweise der Programme untersuchen zu können, werden die Schwachstellen des deutschen Systems vor Einführung der Disease-Management-Programme in den folgenden Abschnitten kurz beschrieben.
2.1
Strukturelle Probleme der Versorgung
Charakteristisch für das deutsche Gesundheitssystem ist die fragmentierte Versorgung in einzelnen Sektoren, d. h. im ambulant-hausärztlichen, fachärztlichen und stationären Bereich. Es existiert eine Vielzahl medizinischer Einrichtungen, die nur in geringem Maße miteinander vernetzt sind und sich als hochspezialisierte Einzeleinheiten präsentieren.8 Zwischen diesen Leistungssegmenten besteht nur in seltenen Fällen eine integrierte medizinische Versorgung, so dass eine optimale Arbeitsteilung und Verzahnung nicht gewährleistet ist.9
Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (2002), S. 5. Vgl. Hajen, L. / Paetow, H. / Schumacher, H. (2000), S. 137 f.; Friedrich-Ebert-Stiftung (2002), S. 5. 7 Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (2002), S. 5. 8 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 169. 9 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 24. 5 6
6
2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
Als ein Grund für die starke Zerteilung in spezialisierte Organisationseinheiten ist zum einen das fachliche und soziale Anforderungsprofil an die Leistungsanbieter zu nennen, das zu starker Spezialisierung führt.10 Zum anderen tragen die z.T. divergierenden Zielvorstellungen der verschiedenen Interessengruppen und Leistungserbringer und die damit verbundenen Bestrebungen zur Einzeloptimierung von Teilbereichen zu einer Desintegration der Gesundheitsversorgung bei.11 Die Folgen der sektoralen Trennung sind vielfältig und wirken sich negativ sowohl auf die Effizienz als auch die Effektivität der Versorgung aus.12 Zum einen entstehen an den Schnittstellen im Behandlungsverlauf Informationsverluste, die mit Überweisungen, Arztbriefen und Befunden aufgefangen werden müssen.13 Zum anderen führt die sektorale Trennung zu oft unnötigen und daher teuren Doppeluntersuchungen, die vor allem an den Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung erfolgen.14 Schließlich ist diese historisch bedingte Trennung auch häufig Ursache für eine Fehlversorgung der Patienten (vgl. auch Kapitel 2.5.2), da die Erkrankten, aufgrund mangelnder Kommunikation zwischen den Leistungserbringern, mit unnötigen, redundanten, divergierenden und teilweise gefährdenden Diagnostiken und Behandlungen belastet werden.15 Untermauert wird die Trennung durch die Vergütungsformen, die rein sektorspezifisch ausgelegt sind (Komponentenbudgets).16 Im ambulanten Bereich rechnen Ärzte ihre erbrachten Behandlungen als Einzelleistungen nach einem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) ab. Durch die Einzelleistungsvergütung trägt der Arzt lediglich die medizinische, nicht aber die finanzielle Verantwortung für sein Handeln.17 Hinzu kommt, dass auch die Kosten seiner Entscheidung aufgrund der geltenden Vergütungsform für ihn nicht spürbar sind. Für den einzelnen Arzt entsteht dadurch ein Anreiz zur Leistungsausweitung seines Anteils am Budget der Kassenärztlichen Vereinigung. Ein weiterer Anreiz zur Mengenausweitung besteht durch den ökonomischen Zwang der Ärzte, angeschaffte Diagnosegeräte auszulasten und entsprechende Leistungen bei den Krankenkassen abzurechnen.18 Aufgrund der angebotsinduzierten Nachfrage, durch die der einzelne Arzt die Nachfrage in erheblichem Umfang beeinflussen und erhöhen kann, wird diese Tendenz noch verstärkt. Darüber besitzen die Versicherten keine Überprüfungsfunktion hinsichtlich der erbrachten Leistungen. Eine Kontrolle der ärztlichen Leistung in Menge und Qualität Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 55. Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 52 und 55. 12 Vgl. Wille, E. (2004), S. 3; Oberender, P. / Fleischmann, J. (2002), S. 64. 13 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 54 f.; Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 593. 14 Vgl. Oberender, P. / Fleischmann, J. (2002), S. 64; Becker, J. / Hensgen, R. (2000), S. 275. 15 Vgl. Henke, K.-D. / Hesse, M. (1999), S. 266; Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 25; Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 593. 16 Vgl. Oberender, P. / Fleischmann, J. (2002), S. 64. 17 Vgl. Baumberger, J. (1997), S. 252. 18 Vgl. Bäcker, G. et al. (2000), S. 73. 10 11
2.1 Strukturelle Probleme der Versorgung
7
ist für den Patienten nur schwer möglich, da die Leistungen nicht mit ihm, sondern mit seiner Krankenkasse abgerechnet werden.19 Auch im Krankenhausbereich sind strukturelle Probleme durch die sektorale Leistungsvergütung sichtbar. In Deutschland gibt es die duale Krankenhausfinanzierung: Während die Länder die Investitionskosten übernehmen, wird mit den Krankenkassen(-verbänden) für die laufenden Betriebskosten ein jährliches Budget ausgehandelt, das die Leistungen über Fallpauschalen, Sonderentgelte, Abteilungs- und Basispflegesätze vergütet.20 Mehrleistungen der Krankenhäuser werden nur zu ca. 25% von den Krankenkassen übernommen.21 Dieses duale System hat den Nachteil, dass keine Institution die Gesamtverantwortung für die Kosten trägt und somit eine einheitliche Steuerung erschwert wird.22 Seit im Jahr 2002 das Fallpauschalengesetz in Kraft trat, müssen die Leistungen in der stationären Versorgung verbindlich über leistungsorientierte, pauschalisierte Preise (Diagnosis Related Groups, DRG) vergütet werden.23 Dadurch soll ein Wettbewerb in Form von gleichen Preisen für gleiche Leistung zwischen den Krankenhäusern ermöglicht und die Kostenstruktur transparenter werden. Durch diese strikte Trennung in ambulante und stationäre Budgets kommt es zwischen und in beiden Bereichen zu Verteilungskämpfen und Leistungsverschiebungen. Darüber hinaus verhindert die sektorale Budgetierung eine sektorübergreifende Gestaltung der Versorgung, die für einen ganzheitlichen Prozess der Patientenbehandlung notwendig wäre.24 Ein weiteres strukturelles Problem besteht in der freien Arztwahl in Deutschland. Im ambulanten Sektor sind niedergelassene Allgemein- und Fachärzte selbständig tätig und praktizieren zum überwiegenden Teil freiberuflich in Einzelpraxen.25 Anders als z. B. im amerikanischen Gesundheitswesen, steht dem Patienten der direkte Zugang zu Fachärzten jederzeit offen.26 Somit entfällt die Hälfte der Patientenbesuche im ambulanten Sektor auf den Allgemeinmediziner, die andere Hälfte auf Fachärzte und Heilpraktiker.27 Der Patient hat die Möglichkeit, beliebig viele Ärzte und Leistungen zu konsumieren („doctor hopping“). Dem Hausarzt bleibt es vielfach verborgen, wenn der Patient einen Facharzt aufsucht, diagnostische Verfahren wie z. B. Röntgen und Laboruntersuchungen vorgenommen und Arzneimittel verordnet werden. Dadurch entstehen zum einen den Krankenkassen Mehrausgaben, die bei einer gezielten Steuerung des
Vgl. Rosenbrock, R. / Gerlinger, T. (2004), S. 134. Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 37 und 41. 21 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 42. 22 Vgl. Baumann, M. / Stock, J. (1996), S. 17. 23 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 42. 24 Vgl. Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 245. 25 Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 115, sowie Baur, R. et al. (2000), S. 40. 26 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 36. 27 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 40. 19 20
8
2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
Patienten vermieden werden könnten. Zum anderen kommt es für den Patienten zu Nachteilen wie Doppeluntersuchung und Zeitverzögerungen durch den fehlenden Datenfluss zwischen den Verordnern.28 Ein weiteres strukturelles Problem ist im mangelnden Einfluss der gesetzlichen Krankenkassen auf den Umfang und die Struktur der von den Ärzten erbrachten Leistungen zu sehen. Aufgrund des Verbots, mit einzelnen Ärzten Verträge abschließen zu dürfen, besteht für die Krankenkassen – bis auf wenige Versorgungsmodelle (vgl. Kapitel 3.2.2) – keine Möglichkeit, auf das Leistungsgeschehen einzuwirken.29 Die Verbände der Krankenkassen schließen meist mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Gesamtverträge auf Landesebene ab, die für alle zugelassenen Vertragsärzte gleichermaßen gelten.30 Es können weder finanzielle Anreize zu einer wirtschaftlichen Versorgung gesetzt noch Maßnahmen zu qualitativ hochwertigem Verhalten getätigt werden. So haben die Kassen keinen nennenswerten Einfluss auf die Bedarfsplanung und die Koordination zwischen den Leistungsanbietern.31 Darüber hinaus sind zwischen den Ärzten teilweise starke qualitative Unterschiede erkennbar. Auch auf diese Qualitätsunterschiede können die Krankenkassen, z. B. durch Maßgabe von Mindestqualitätsstandards, keinen Einfluss nehmen. In anderen Ländern ist eine solche Qualitätskontrolle sehr wohl möglich. So haben bspw. die Krankenversicherer in der Schweiz den gesetzlichen Auftrag, für eine wirtschaftliche und wirksame Gesundheitserbringung zu sorgen.32 Ein Grund für den fehlenden Einfluss besteht darin, dass den Krankenkassen die notwendigen handlungsrelevanten Behandlungsdaten über ihre Versicherten fehlen. Ihnen liegen lediglich versichertenbezogene Behandlungsinformationen hinsichtlich Arzneiverordnungen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Krankenhausaufnahmen und -entlassungsdaten sowie der Heil- und Hilfsmittelverordnungen vor.33 Ferner ist die Vernetzung zwischen ambulanten und stationären Daten eines Patienten, z. B. mittels einer elektronischen Patientenakte, nicht gegeben.34 Vor allem hinsichtlich der vorgenommenen Behandlung kommt es für die Kassen zu einem erheblichen Informationsdefizit. Daraus folgt, dass die mögliche Regulierungskraft der Krankenkassen, die zu marktwirtschaftlichen Verhältnissen führen könnte, sehr stark begrenzt ist.35 Dieses Fehlen von Steuerungsmechanismen hat zur Folge, dass die Leistungserbringer ihre Leistungen tendenziell ausweiten können.36 Da gesetzlich versicherte Patienten aufVgl. Lorenz, K.-P. et al. (2000), S. 127 und Becker, J. / Hensgen, R. (2000), S. 275. Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 39; Lankers, C. H. R. (1997), S. 115. 30 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 39. 31 Vgl. Baumann, M. / Stock, J. (1996), S. 19. 32 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 18. 33 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 49; Lankers, C. H. R. (1997), S. 133. 34 Vgl. Salfeld, R. / Wettke, J. (2000), S. 3. 35 Vgl. Baumann, M. / Stock, J. (1996), S. 19. 36 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 41. 28 29
2.2 Prozessuale Probleme
9
grund des Sachleistungsprinzips einer Nulltarifregelung unterliegen und in der Regel kein Wissen über die tatsächlich entstandenen Kosten der Leistungserbringung haben, werden sie sich zumeist nicht der Leistungsausweitung widersetzen. Eine Möglichkeit, diese Kosten- und Qualitätsprobleme zu lösen, bestünde in der Möglichkeit des selektiven Kontrahierens für die Kassen:37 Durch Einzel- oder Grup penverträge der Kassen mit Ärzten könnten Anreize für eine wirtschaftlichere und qualitativ höhere Versorgung gesetzt werden.
2.2
Prozessuale Probleme
Neben den strukturellen Problemen können in der Gesundheitsversorgung in Deutschland auch prozessuale Defizite verzeichnet werden. Ein wesentliches Problem liegt im mangelhaften Informationsfluss und in der Intransparenz des Gesundheitsmarktes. Der Austausch an Informationen zwischen den Leistungserbringern hinsichtlich der erbrachten Leistungen erfolgt im Behandlungsprozess nicht systematisch. Jeder Leistungsanbieter kann daher ausschließlich den für ihn relevanten Teil der Behandlung überblicken. Die Ursachen für diese Intransparenz liegen u. a. in den strengen Regelungen des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht, die eine Datenerhebung und deren Austausch in Deutschland verhindern.38 Ein weiterer Grund liegt in der fehlenden EDV-Vernetzung. Die Uneinheitlichkeit der Praxissoftware muss in der Regel mit Überweisungs- und Arztbriefen, Befunden und Behandlungsaufträgen überbrückt werden. Dies ist personal- und zeitaufwendig und birgt die Gefahr einer Informationsreduktion.38 Auch wenn die Bestrebungen für eine elektronische Patientenakte seit langem bestehen, so ist diese bis heute noch nicht einsatzfähig. Darüber hinaus empfinden sich häufig die Versorger durch ein ähnliches Leistungsangebot als Konkurrenten.40 Sie haben Angst, Patienten durch Überweisung zu verlieren, weshalb sie versuchen, diese „künstlich“ an ihre Praxis zu binden.41 Diese Angst wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass Krankenhäuser teilstationäre und ambulante Bereiche aufbauen, die in Konkurrenz zur niedergelassenen Arztpraxis stehen.42 Aufgrund eines geringen Vertrauens in die medizinischen Fähigkeiten der jeweils anderen Seite sowie mangelhafter Kommunikation und Transparenz zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern werden oftmals Untersuchungen, die bereits ambulant vorgenommen wurden, in der Klinik nochmals wiederholt.43 Auch Vgl. Rachold, U. (2000), S. 46; Neuffer, A. B. (1997), S. 112–114. Vgl. Glaeske, G. / Stillfried, D. Graf v. (1996 a), S. 49. 39 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 54. 40 Vgl. Becker, J. / Hensgen, R. (2000), S. 276. 41 Vgl. Glaeske, G. / Kellermann-Wachtel, P. / Matthesius, G. (1999), S. 26. 42 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 38. 43 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 38. 37 38
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2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
hierdurch entstehen den Krankenkassen vermeidbare Mehrkosten und den Patienten oftmals unnötige Verzögerungen.44 Darüber hinaus verhindert der mangelhafte Informationsfluss eine ganzheitliche Versorgung des Patienten.45 Der einzelne Arzt erlangt keine Kenntnis darüber, welche Diagnosen und Verordnungen die mitbehandelnden Ärzte gestellt haben, so dass ein abgestimmtes Verhalten nicht möglich ist.46 Der Arzt entscheidet sich somit situativ für eine bestimmte Maßnahme, wodurch es häufig zu Mehrfachuntersuchungen kommt.47 Für den Patienten hat dies u. U.ß?ßogra„Verzögerungen s oder Gefährdungen der gesundheitlichen Wiederherstellung“48 zur Folge. Auch auf Seiten der Patienten können Intransparenz und Informationsdefizite beobachtet werden. Diese entstehen durch die fehlende Konsumentensouveränität aufgrund der Komplexität der medizinischen Behandlung und die fehlende Patienteneinbindung von Seiten der Ärzte. Durch die Informationsasymmetrie zwischen Arzt und Patient kann der Patient folglich die Qualität der Behandlung nicht oder nur schwer beurteilen. Lösungen können dabei sowohl beim Arzt als auch beim Patienten ansetzen. Durch die Medien steht dem Patienten eine kontinuierlich steigende Anzahl an medizinischen Informationen in einfach verständlicher Form zur Verfügung, so dass er in Zukunft eine immer stärkere Rolle im Entscheidungsprozess um seine Gesundheit einnehmen wird.49 Auf der anderen Seite wird die Schaffung von technischer Vernetzung z. B. über die elektronische Patientenakte, aber auch durch Angleichung von Computersystemen die Basis für den Informationsaustausch zwischen den Ärzten schaffen. Allerdings wird es entscheidend davon abhängen, inwieweit bei den Leistungserbringern die Bereitschaft be- bzw. entsteht, eine Transparenz der Behandlung herzustellen.
2.3
Qualitäts- und Effizienzprobleme
Qualität wird im Bereich der Krankheitsversorgung häufig als „die Fähigkeit (bezeichnet), ein erwünschtes Ergebnis zu erzielen und dabei unerwünschte Wirkungen zu vermeiden“50, bzw. kurz gefasst als ein erwünschter Prozess oder angestrebtes Ergebnis.51 Alle Maßnahmen und Instrumente, die sich auf die Erzielung dieses Ergebnisses beziehen, werden folglich als Qualitätssicherung beschrieben, d. h., die im Vgl. Lorenz, K.-P. et al. (2000), S. 128. Vgl. Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 594. 46 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 50. 47 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 54; Flintrop, J. (2003), S. A1038. 48 Eichhorn, S. / Schmidt-Rettig, B. (1998), S. 6–7. 49 Vgl. Seidman, J. J. (2002), S. 226 und 231. 50 Vgl. Rosenbrock, R. / Gerlinger, T. (2004), S. 219. 51 Vgl. Clauser, S. B. (2002), S. 234. 44 45
2.3 Qualitäts- und Effizienzprobleme
11
Rahmen eines Programms definierten Maßnahmen sowie die an den Programmen beteiligten Dienstleister werden einer ständigen Überprüfung unterzogen.52 Während Qualitätsmanagement die bestehenden Mängel beseitigen soll, zielt die Qualitätssicherung auf die Erhaltung des erreichten Standards ab. Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen strebt vorrangig danach, die Effizienz und Effektivität der medizinischen Versorgung zu verbessern, d. h. sie nach dem neuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterzuentwickeln.53 Obwohl in Wirtschaftsunternehmen bereits seit den 70er Jahren bekannt ist, dass ein kontinuierliches Qualitätsmanagement während des Produktionsprozesses eines Produkts oder einer Dienstleistung besser und günstiger als die nachträgliche Kontrolle wirkt,54 gehen die Qualitätsaktivitäten im Gesundheitswesen erst auf die 90er Jahre zurück. Im Jahre 1984 forderte die WHO die aktive Qualitätssicherung in der Patientenversorgung.55 Infolge dieser Forderung wurden die bekannten Qualitätsmanagementkonzepte mit dem Ziel einer kontinuierlichen Qualitätsverbesserung auf den Versorgungsprozess übertragen. Dies bedeutet zum einen den Einsatz eines Qualitätsmanagements vom Vorbereitungsprozess bis zur Entlassung des Patienten.56 Zum anderen ist es notwendig, die Prozessschritte transparenter und messbarer zu machen und sie fortwährend zu evaluieren.57 Dem Qualitätsmanagement und der Qualitätssicherung wird seit vielen Jahren eine hohe Bedeutung beigemessen.58 Zahlreiche Quellen weisen darauf hin, dass das deutsche Gesundheitswesen eine Vielzahl von Qualitätsdefiziten aufweist.59 Die oben beschriebenen Aspekte der Segmentierung und vor allem Intransparenz haben zu erheblichen Qualitätsmängeln in der Versorgung geführt.60 Aber auch andere Gründe sind für die Effizienz- und Qualitätsmängel ursächlich. Problematisch in der ambulanten Krankenversorgung ist u. a. das Lehrsystem, das keine kontinuierliche Weiterbildung der Ärzte verlangt.61 Der SVR Gesundheit kritisierte in seinem Gutachten „Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit“ (Band II und III) die unzureichende Qualifikation der Ärzte.62 Das Arztbild von heute sei durch neue Aspekte und Anforderungen geprägt, wie z. B. Telematik, komplexe Gesundheitsprobleme und Betreuungsfragen, verändertes Krankheitsspektrum und Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 166. Vgl. Deming, W. E. (1986), zitiert in: Berchtold, P. et al. (2000), S. 1. 54 Vgl. Reibnitz, C. v. (1996), S. 89. 55 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 35; Baur, R. et al. (2000), S. 45. 56 Vgl. Reibnitz, C. v. (1996), S. 89. 57 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 108. 58 Vgl. Oedekoven, C. / Volmer, T. / Meyer, A. (2000), S. 11. 59 Vgl. Rachold, U. (2000), S. 22 und 43. 60 Vgl. Rosenbrock, R. / Gerlinger, T. (2004), S. 220; Rachold, U. (2000), S. 22. 61 Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 8. 62 Vgl. zum Folgenden Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 18, Punkt 5 f. und (2001 b), S. 40, Punkt 121. 52 53
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2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
gesundheitsökonomische Fragestellungen, die bereits im Studium vermittelt werden sollten. Darüber hinaus bedürfen Ärzte heute vermehrt psychosozialer und kommunikativer Kompetenzen, deren Vermittlung jedoch in der ärztlichen Ausbildung zu kurz kommt. Der Rat hat speziell darauf hingewiesen, dass die Weiterentwicklung der ärztlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung einen unmittelbaren Einfluss auf die Versorgung chronisch Kranker hat. Hier sind insbesondere die Aspekte der Prävention, Rehabilitation sowie Information und Beratung der Patienten zu nennen. Eine Anpassung der medizinischen Approbationsordnung hinsichtlich der intensiveren Wissensvermittlung von Gesundheitsökonomie, Prävention und Rehabilitation wurde im Juni 2002 vorgenommen. Dennoch muss auch weiterhin ein Großteil der Wissenserweiterung durch das Selbststudium der Ärzte erfolgen. Ein weiterer Qualitätsmangel liegt in der fehlenden Standardisierung der Behandlung und Berücksichtigung des aktuellen medizinischen Wissens. Die Wissenschaft produziert jährlich eine unüberschaubare Anzahl an entscheidungsrelevanten Studien, die weder durch die medizinische Aus-, Fort- und Weiterbildung vermittelt noch durch das tägliche Studium des Arztes überblickt und aufgenommen werden können. Die Folge ist, dass die tägliche medizinische Versorgung hinter dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zurückbleibt.63 Eine Lösung für dieses Problem bietet der Ansatz der evidenzbasierten Medizin (EbM). Dies ist „der der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten“64. Die Anwendung von EbM bedeutet die Verbindung individueller klinischer Expertise des Arztes mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung.65 EbM erzielte vor allem Bedeutung aufgrund von „regionalen Ungleichheiten der Prozess- und Ergebnisqualität der medizinischen Versorgung“ und nachweisbaren Versorgungsdefiziten, die zum wesentlichen Teil aus „verzögerte(r) oder fehlerhafte(r) Rezeption und Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die praktische Versorgung“66 resultierten. Ziel von EbM ist die Vermittlung von Techniken und Instrumenten, „um die für medizinische Entscheidungen relevante wissenschaftliche Evidenz zu recherchieren, hinsichtlich ihrer Aussagekraft (…) zu bewerten (…), umzusetzen und im Nachhinein die auf dieser Basis getroffenen Entscheidungen zu evaluieren“67. Zur Unterstützung der Ärzte in der täglichen Praxis werden systematisch entwickelte Entscheidungshilfen (Leitlinien) erstellt, die auf evidenzbasierten Kriterien Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 70, Punkt 174. 64 Sackett, D. L. et al. (1996), S. 71. Deutsche Übersetzung in: Sacket, D. L. et al. (1997), S. 645. 65 Vgl. Sackett, D. L. et al. (1996), S. 71. Deutsche Übersetzung in: Sacket, D. L. et al. (1997), S. 645. 66 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 70, Punkt 174. 67 Sacket, D. L. et al. (1997), zitiert in: Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 70, Punkt 174. 63
2.3 Qualitäts- und Effizienzprobleme
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beruhen und deren Effektivität in zahlreichen Studien bestätigt wurde.68 „Evidenzbasierte Leitlinien sind Orientierungshilfen im Sinne von systematisch entwickelten und evidenzbasierten ‚Handlungs- und Entscheidungskorridoren‘, von denen in individuell begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss.“69 Ziele von Leitlinien sind u. a. die Verbesserung der Versorgungsqualität und Effizienz, die Standardisierung von Interventionen, die Risikoreduktion sowie die Budgetkontrolle.70 Damit stellen evidenzbasierte Leitlinien ein wesentliches Instrument des Qualitätsmanagements dar.71 In Deutschland hat sich zwar in den letzten Jahren die Einsicht über den Nutzen von Leitlinien verfestigt, dennoch ist deren Umsetzung in die ärztliche Praxis noch mangelhaft. Das „Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin“ (ÄZQ) und die „Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften“ (AWMF) beschäftigen sich derzeit aktiv mit der Entwicklung und Veröffentlichung von Leitlinien. Auch die Cochrane Collaboration widmet sich in Deutschland der Aufbereitung klinischer Forschung für den medizinischen Anwender.72 Um die Qualitätssicherung bemüht sich außerdem das 2004 gegründete unabhängige „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG). Zu seinen Aufgaben gehört u. a. die Bewertung von Operations- und Diagnoseverfahren, Arzneimitteln und Behandlungsleitlinien.73 Für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement ist schließlich auch die kontinuierliche Überprüfung aller durchgeführten Maßnahmen sowie der beteiligten Leistungserbringer erforderlich.74 Dies ermöglicht, Verbesserungen zu identifizieren. Bis heute gibt es jedoch hierfür im deutschen Gesundheitswesen kein übergeordnetes Überprüfungsorgan. Für die Krankenkassen ist, wie oben beschrieben, schon aufgrund von fehlenden Daten die Einhaltung der Qualität kaum überprüfbar. Auch wenn, wie eben erwähnt, das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ eine zentrale Überprüfungsfunktion zur Qualitätssicherung wahrnehmen soll, so beurteilt das Institut jedoch nicht die Behandlungsqualität der einzelnen Leistungserbringer. Obwohl diverse Aktivitäten zur Qualitätssicherung in der medizinischen Versorgung bereits in den 70er Jahren entstanden,75 wurde erst im Rahmen des GesundVgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 89, Punkt 234 f. 69 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 84, Punkt 226. 70 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 85 f., Punkt 229 f. Hier werden auch weitere Ziele evidenzbasierter Leitlinien genannt. 71 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 86, Punkt 229. 72 Vgl. für mehr Informationen zur Cochrane Collaboration im Internet unter: www.cochrane.de. 73 Nähere Informationen zum IQWiG sind im Internet zu finden unter: www.iqwig.de. 74 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 166. 75 Vgl. zu den Ausführungen in diesem Absatz Baur, R. et al. (2000), S. 45. 68
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2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
heitsreformgesetzes im Jahre 2000 die Einführung von Qualitätssicherungsverfahren in den §§ 135–137 SGB V für den ambulanten und den stationären Bereich gesetzlich vorgeschrieben. Der § 135 SGB V sieht u. a. vor, neue, aber auch bereits praktizierte Methoden einer Wirksamkeits-, Nutzen- und Kostenprüfung zu unterziehen und davon eine weitere Zulässigkeit abhängig zu machen. Die Umsetzung von Qualitätssicherungssystemen in Deutschland ist jedoch vor allem aufgrund der strengen gesetzlichen Datenschutzvorschriften sowie der ärztlichen Schweigepflicht schwierig, wodurch hinsichtlich der Transparenz an den Schnittstellen Einschnitte hingenommen werden müssen.76 Trotzdem sind sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich eine Vielzahl von Projekten wie Qualitätszirkel niedergelassener Ärzte oder Qualitätsmanagement in Krankenhäusern bis hin zu externen Zertifizierungen zu beobachten.77 Hier hat das Gesundheitsministerium durch Förderung von Pilotprojekten einen wesentlichen Beitrag geleistet. Auch die Bundesärztekammer ist bestrebt, durch ihr Zertifizierungsverfahren für Krankenhäuser zu mehr Transparenz im Gesundheitswesen beizutragen. Die Projekte entstehen allerdings vorwiegend aus Einzelinitiativen, sind von unterschiedlicher Qualität und folgen keinem einheitlichen Programm.
2.4
Fehlende Anreiz- bzw. Sanktionssysteme
Anreize werden gesetzt, um das Verhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken bzw. zu einer bestimmten Handlung anzuregen, da ansonsten voraussichtlich eine unerwünschte Handlung erfolgen würde.78 In der Literatur werden vielfältige Unterscheidungskriterien für Anreize definiert. Zum einen kann zwischen Incentives, d. h. fördernden Anreizen, und Desincentives, d. h. hemmenden Anreizen, unterschieden werden.79 Als Incentives können bspw. Bonuszahlungen genannt werden, als Desincentives hingegen Honorarreduzierungen. Zum anderen kann nach der Art der gewählten Anreize differenziert werden, z. B. in ökonomische Anreize (wie bspw. Sondervergütungen) oder strukturelle Anreize (wie bspw. das ärztliche Standesrecht).80 Anreize sollen nicht nur dem Ziel, sondern auch der Person, die der Anreiz anregen soll, nützen.81 Darüber hinaus ist bei Incentives und Desincentives zu beachten, dass vielfach Ausweichreaktionen den Grad der Zielerreichung mindern.82 Speziell für Ärzte ist das deutsche Gesundheitswesen durch fehlende oder falsch gesetzte Anreize geprägt. „Einzelleistungsvergütung, sektorspezifische LeistungsVgl. Glaeske, G. / Stillfried, D. Graf v. (1996 a), S. 49. Vgl. für die folgenden Ausführungen Baur, R. et al. (2000), S. 45. 78 Vgl. Stoddart, G. L. (1991), S. 83. 79 Vgl. Schulenburg, J.-M. Graf v. d. / Greiner, W. (2000), S. 176. 80 Vgl. Schulenburg, J.-M. Graf v. d. / Greiner, W. (2000), S. 176. 81 Vgl. Ackoff, R. L (1986), S. 52. 82 Vgl. Schulenburg, J.-M. Graf v. d. / Greiner, W. (2000), S. 177. 76 77
2.4 Fehlende Anreiz- bzw. Sanktionssysteme
15
komplexe und Fallpauschalen schaffen insbesondere in Kombination mit sektorspezifischen Budgets Anreize für angebotsinduzierte Nachfrage, Leistungsverschiebungen zwischen den Sektoren und verdeckte Rationierung“83. Da wirtschaftliches Handeln der Leistungserbringer nicht belohnt wird, kommt es häufig zu einer „unnötigen Ausweitung der medizinischen Leistung“.84 Darüber hinaus gibt es, wie beschrieben, für das medizinische Angebot in Deutschland nur in seltenen Fällen eine effektive Kontrolle.85 Es wird zwar versucht, die Arzt- und Bettendichte zu regulieren, doch kann der einzelne Arzt sein Leistungsangebot im Rahmen seiner ärztlichen Spezialisierung nach Belieben ausweiten, ohne kontrolliert zu werden. Schließlich besteht für den niedergelassenen Arzt auch kein Anreiz für eine intensivere Zusammenarbeit mit dem stationären Sektor. Dies zeigt, dass die bestehenden Anreizstrukturen sowie die vorhandenen Sanktionen nicht qualitätsorientiert und damit falsch gesetzt sind. Auch auf Seiten der Patienten sind die Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten gering. Da der Patient für die empfangenen Leistungen kein Entgelt entrichtet, sieht er sich nicht gezwungen, seine Zahlungsbereitschaft zu offenbaren. Zudem besitzt er in der Regel keinen Einblick in die tatsächlich entstehenden Kosten seiner Behandlung hat, so dass ihm ein kostenbewusstes Handeln nicht möglich ist. Bisherige Versuche der Regierung, über Selbstbeteiligungen steuernd auf das Nachfrageverhalten einzuwirken, haben beim Patienten meist den Eindruck von Finanzierungsproblemen der Versicherer hinterlassen. Viel mehr noch versucht der einzelne Patient seinen Nutzen zu maximieren, indem er bereitwillig alle ihm vom Arzt angebotenen Leistungen annimmt und diese sogar teilweise selbst fordert.86 Darüber hinaus verfügen die Patienten auch nicht über die für sie notwendigen Informationen, um wirtschaftliche und qualitative Maßnahmen und Einrichtungen beurteilen zu können. Auch qualitativ sind die Anreize bei den Versicherten bisher nicht erfolgreich: Die für den Patienten kostenlosen Leistungen der Krankenkassen bieten derzeit kaum einen Anreiz für eine gesundheitsbewusste Lebensführung. Stattdessen ziehen die Patienten es vielfach vor, sich später medizinisch behandeln zu lassen, als frühzeitig durch gesunde Lebensweise einer Behandlung vorzubeugen. Die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten sind für sie nicht spürbar.87 Dabei ist jedoch die Entstehung und Therapie vieler Krankheiten entscheidend vom Verhalten des Patienten abhängig. So kann durch Ernährung und Bewegung Erkrankungen vorgebeugt, diese jedoch durch den Konsum spezieller Genussmittel wie Tabak und Alkohol gefördert werden. Rauchen gilt bspw. als eine der Hauptursachen für die Entstehung von COPD (vgl. Kapitel 5.1.1). Gerade hier greift bisher jedoch die Patientenversorgung zu kurz, da weder aktive Vorbeugung bzw. hohes Patienteninvolvement während der Krankheit belohnt noch ungesunde Lebensführung sanktioniert wird. Dies wird darüTophoven, C. (2001), S. 30. Böcken, J. / Butzlaff, M. / Esche, A. (2000), S. 13. 85 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Böcken, J. / Butzlaff, M. / Esche, A. (2000), S. 13. 86 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 23. 87 Vgl. Kopetsch, T. (2005), S. 62. 83 84
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2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
ber hinaus insofern noch verstärkt, als die Patienten vielfach nicht über die positiven Folgen ihrer aktiven Teilnahme am Behandlungsprozess informiert werden. Mangelnde oder falsch gesetzte Anreize sind auch bei den Krankenkassen zu verzeichnen. Für diese war es bis zur Einführung der Reformansätze (vgl. Kapitel 3.1) nicht lukrativ, in chronisch kranke Patienten zu investieren (vgl. hierzu speziell Kapitel 2.5). Zwar entfallen ca. 60–80% der Arzneimittelkosten auf Chroniker,88 so dass eine effizientere Versorgung von chronisch kranken Patienten für die Krankenkassen vorteilhaft sein müsste. Jedoch waren bis zur Änderung des Risikostrukturausgleichs im Jahre 2002 derartige Verbesserungsanstrengungen für die gesetzlichen Krankenkassen und Ärzte mit finanziellen Risiken bzw. Einkommenseinbußen verknüpft.89 Als mögliche Lösung obiger Probleme werden in der Regel finanzielle Anreize diskutiert, die bei Ärzten an unterschiedlichen Punkten ansetzen können: an der Einhaltung von Leitlinien, an der Häufigkeit der Überweisung oder am wirtschaftlichen Verordnungsverhalten. So will bspw. die KV Nordrhein ihren beteiligten Ärzten finanzielle Anreize bieten, um hohe Verordnungskosten zu reduzieren.90 Auch für Patienten kann ein präventives Verhalten oder die aktive Teilnahme an Therapie- und Schulungsmaßnahmen durch finanzielle Anreize belohnt werden.91 Als Beispiele hierfür seien Beitragsrückerstattungen oder die Gewährung von Boni genannt. Sanktionen könnten dagegen z. B. durch höhere Selbstbehalte für Raucher eingeführt werden. Kopetsch schlägt z. B. ein Anreizsystem mit „individuellen Gesundheitssparkonten“ vor.92 Diese Gesundheitssparkonten dienen dem Ansparen von Geldbeträgen für die eventuelle Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen und können bei gesundheitsbewusstem Verhalten und fehlender Inanspruchnahme anderweitig vom Patienten genutzt werden.93 Schließlich bietet sich die Möglichkeit, die Anreize in ein Vertragsverhältnis zwischen den Leistungserbringern, Kassen und Patienten einzubauen. So können bestimmte Verhaltensformen festgelegt werden, deren Einhaltung dann kontinuierlich überprüft und Nichteinhaltung sanktioniert wird.
2.5
Spezifische Mängel in der Chronikerversorgung
Nach Angaben des SVR Gesundheit leiden in Deutschland ca. 40% der Bevölkerung an einer chronischen Krankheit wie z. B. Asthma, Diabetes, Herzinsuffizienz, Hypertonie, koronaren Herzkrankheiten. Die Versorgung dieser chronischen Krankheiten
Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 10. Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 40, Punkt 119. 90 Vgl. Naundorf, F. (2002), S. 16. 91 Vgl. DIHK (2003). 92 Solche Gesundheitssparkonten haben sich im Gesundheitswesen von Singapur bewährt. Vgl. Kopetsch, T. (2005), S. 62. 93 Vgl. Kopetsch, T. (2005), S. 62. 88 89
2.5 Spezifische Mängel in der Chronikerversorgung
17
verursacht in Deutschland mehr als 60% der Kosten für Krankenhaustage, ambulante Arztkontakte und Arzneimittelverschreibungen.94 Allein die Behandlung der sieben häufigsten chronischen Indikationen ist ursächlich für über 60% des Ausgabenvolumens der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).95 Die Behandlung chronisch Kranker stellt in allen entwickelten Ländern einen Hauptaspekt der Versorgung dar und nimmt einen großen Anteil der Gesundheitsausgaben ein.96 In zahlreichen Studien wurden chronische Krankheiten als Hauptursachen für die hohen Ausgaben im Gesundheitswesen ermittelt.97 Dies ist auch damit zu begründen, dass Chroniker in der Regel an Multimorbidität leiden und damit meist mehr als eine Erkrankung aufweisen.98 Aus diesem Grunde sollte der Effizienz und Effektivität ihrer Behandlung besonderes Augenmerk geschenkt werden.
2.5.1 Probleme bei Chronikern Der SVR Gesundheit zeigt in seinem Gutachten u. a. auf, dass bei der Versorgung chronisch kranker Patienten erhebliche krankheitsübergreifende Struktur- und Qualitätsprobleme bestehen.99 Er wies bei allen chronischen Krankheiten auf ein Defizit in der Prävention und Rehabilitation hin und bemängelte dabei die fehlende Krankheitsprozessbetrachtung.100 Neben den bereits erwähnten Problemen des Gesundheitswesens benennt der Rat als weitere Ursachen für die Über-, Unter- und Fehlversorgung eine Dominanz akutmedizinischer Versorgung, eine mangelnde Patienteneinbindung, die Vernachlässigung von Prävention und Rehabilitation, die unzureichende Information, Schulung und Partizipation, einen Mangel an interdisziplinären und flexiblen Versorgungskonzepten sowie die somatische Fixierung des Gesundheitssystems.101 Chroniker unterscheiden sich von Akutpatienten zum einen durch den verlängerten Zeithorizont der Behandlung und zum anderen durch den Behandlungsprozess: Während akut Erkrankte vor allem auf die schnelle und korrekte Diagnose und wirksame Therapie eines Leistungserbringers angewiesen sind, besteht die Herausforderung der Behandlung chronisch Kranker in der konstanten, langfristigen und leistungs-
Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 33, Punkt 89. 95 Vgl. Schönbach, K.-H. (2003), S. 215. 96 Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 536; Norris, S. L. et al. (2003), S. 478. 97 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 18. 98 Vgl. Flaum, M. (2001), S. 28. 99 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 11, Punkt 2. 100 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 11, Punkt 2. 101 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 35, Punkt 93ff. 94
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2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
erbringerübergreifenden Therapie sowie der aktiven Mitwirkung des Patienten hinsichtlich Einnahme von Medikamenten, Diät und Reaktion auf akute Krankheitsausbrüche.102 In Deutschland besteht derzeit jedoch eine Dominanz der akuten und episodenhaften Versorgung von Krankheiten gegenüber Prävention und Rehabilitation.103 In Deutschland ist nach wie vor das traditionelle Modell des „sequentiellen Krankheitsverlaufs“ maßgeblich, wonach Gesundheitsförderung, Prävention, Kuration, Rehabilitation und Pflege nacheinander anstelle aufeinander abgestimmt und z. T. nebeneinander erfolgen sollte.104 Der Patient geht nicht einen durch ärztliches Wissen bestimmten Weg, sondern durchläuft – je nach Behandlungsfall – die einzelnen Leistungsstellen situativ.105 Eine Transparenz der Behandlungsschritte ist nicht gegeben, so dass jeder Leistungserbringer nur einen Ausschnitt des Behandlungsverlaufs überblickt.106 Dies kann speziell bei multimorbiden Patienten zu erheblichen Versorgungsproblemen führen. Das System ist damit nicht ausreichend an die Bedürfnisse einer effizienten und effektiven Versorgung von Chronikern angepasst. Ein weiteres Problem besteht in der fehlenden Einbindung der Patienten in den Versorgungsprozess. Diese werden zumeist als passive Empfänger von medizinischen Leistungen betrachtet, weshalb die Aspekte Reparatur, Kur und Schonung in der Behandlung besondere Bedeutung haben.107 Der Patient nimmt die Stelle des Leistungsempfängers ein. Seine Position wird vorwiegend als „schwach“108 und sein Urteilsvermögen als das eines unmündigen Patienten beschrieben, der die Mehrzahl der ihm angebotenen Leistungen nicht einschätzen kann. Hinzu kommt, dass der Patient durch das Überangebot und die Intransparenz an Gesundheitsdienstleistungen meist überfordert ist.109 Damit ist sein Verhalten durch Informationsdefizite und Entscheidungen unter Unsicherheit geprägt.110 In den letzten Jahren stieg jedoch, aufgrund der verbesserten Informationsbedingungen z. B. durch Internet, die Transparenz und damit auch die Entscheidungsfähigkeit der Patienten deutlich. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sie eine zunehmend kritischere Bewertung gegenüber Qualität, Leistung und Kosten im Gesundheitswesen vornehmen.111
Vgl. DeBusk, R. F. et al. (1999), S. 2739. Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 117, Punkt 8; Lauterbach, K. W. (2001), S. 17. 104 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 35, Punkt 96. 105 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 54. 106 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 54. 107 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 13, Punkt 8 sowie S. 37 f., Punkt 102 f. 108 Lankers, C. H. R. (1997), S. 116. 109 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 169. 110 Vgl. Baumann, M. / Stock, J. (1996), S. 15. 111 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 18.
102 103
2.5 Spezifische Mängel in der Chronikerversorgung
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Ferner deckte der Sachverständigenrat eine ernstzunehmende Unterversorgung mit Präventions- und Rehabilitationsleistungen bei chronisch Kranken auf.112 Der Prävention kommt bei chronischen Krankheiten eine besondere Bedeutung zu, da hier kurative Maßnahmen eine deutlich geringere Wirksamkeit und Effizienz haben. Deshalb sollte eine Chronifizierung der Krankheit im Vorhinein vermieden werden. Die Besonderheit der Rehabilitation besteht in der „umfassenden und multidimensionalen Versorgung chronisch Kranker“113. Die Effektivität ist auch empirisch belegt.114 Problematisch ist dabei, dass die Rehabilitation in der heutigen Patientenversorgung von Ärzten und Patienten vielfach als kurzfristige, stationäre Maßnahme betrachtet wird. Damit unterbleibt häufig die nachhaltige Veränderung des Gesundheitsverhaltens und die Risikofaktoren werden nicht beeinflusst.115 Stattdessen sollte aber die Rehabilitation als kontinuierlicher, begleitender Prozess angestrebt werden, um neue, für die Behandlung relevante Verhaltensformen nachhaltig implementieren und erlernen zu können. Darüber hinaus hat der Sachverständigenrat in seinem Gutachten auf fehlende Anreize und Motivationsprobleme hingewiesen.116 Diese beziehen sich vor allem Investitionen in chronisch Kranke. Sowohl für Krankenkassen als auch für Leistungserbringer seien die Anreizssysteme „inadäquat“, so dass chronisch Kranke zu schlechten Risiken würden. Die Folge sei ein fehlendes Interesse an der Verbesserung der Versorgung dieser Patienten.117 Für den Abbau der Über- und Fehlversorgung bedarf es folglich einer Änderung von Anreizen und Strukturen im Gesundheitswesen, so dass es zu einer Ausbalancierung von Prävention, Kuration, Rehabilitation und Pflege kommt.118 Ziel muss es sein, Institutionen, Qualifikationen und Anreize in der Patientenversorgung so zu setzen, „dass möglichst jeder Mensch eine qualitativ hochwertige, kontinuierliche, integrierte, auf seine Individualität und auf seine soziale Lage zugeschnittene Versorgung seiner Gesundheitsprobleme erfährt“119.
Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 38, Punkt 103 ff. 113 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 38, Punkt 105. 114 Vgl. zu den Ausführungen in diesem Absatz Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 38, Punkt 105. 115 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 38, Punkt 105. 116 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 40, Punkt 119. 117 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 40, Punkt 119. 118 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 118, Punkt 11. 119 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 210, Punkt 299.
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2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
Wie bereits in Kapitel 2.1 verdeutlicht, besteht in Deutschland eine stark sektorale Trennung zwischen den Leistungserbringern. Bei der Behandlung von schwer oder chronisch kranken Patienten sind viele Leistungserbringer nicht mehr in der Lage, alle Phasen der Patientenversorgung zu überschauen und zu koordinieren.120 So sind speziell bei der Behandlung chronischer Erkrankungen Defizite zu erkennen, die auf Schnittstellenprobleme zwischen den einzelnen sektorierten Behandlungsstrukturen zurückgehen.121 Auch der SVR Gesundheit zeigte diesen Mangel an interdisziplinären und flexiblen Versorgungskonzepten auf und wies dabei vor allem auf die Probleme hierdurch bei der Versorgung von chronisch Kranken hin.122 Anstatt einer ganzheitlichen Behandlung und Interdisziplinarität in der Versorgung besteht – auch aufgrund von rechtlichen und finanziellen Hindernissen – eine fragmentierte Einzelbehandlung der Chroniker.123 Information ist eines der wesentlichen Elemente der heutigen Gesellschaft und nimmt auch im Gesundheitswesen einen besonderen Stellenwert ein. Informationen bieten die Möglichkeit, Effektivität und Effizienz einer Behandlung zu beurteilen bzw. darauf maßgeblichen Einfluss zu nehmen. Informierte Patienten sind befähigter im Umgang mit ihrer Krankheit und können deshalb eine aktivere Rolle in der Therapie einnehmen.124 Zahlreiche Studien haben bewiesen, dass Patienten, die über ihre Krankheit informiert sind, bewusster und aktiver ihre Krankheit managen und damit – durch die Verhinderung von Komplikationen und Notfällen – die Gesundheitskosten langfristig reduziert werden können.125 Daneben führt das stärkere Involvement zu einer verbesserten Lebensqualität.126 Ferner wirkt sich intensive Information auch auf die Compliance (vgl. zu diesem Begriff Kapitel 6.5.3.7) aus: Durch ein informatives und motivierendes Arzt-Patienten-Gespräch kann speziell bei chronisch kranken Patienten die Compliance deutlich gesteigert werden.127 Gute Compliance ist vor allem bei Chronikern von besonderer Bedeutung, da die Therapie und Einhaltung von Verhaltensrichtlinien ein langfristiges Mitwirken des Patienten erfordert.128 Studien haben speziell bei Chronikern eine verstärkte Non-Compliance festgestellt, die ursächlich für eine ineffiziente Nutzung von Gesundheitsleistungen und damit hohe Gesundheitskosten ist.129 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 54. Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 3. 122 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 39 f., Punkt 115 f. 123 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 39 f., Punkt 115 f. 124 Vgl. Reeder, L. (1999), S. 41. 125 Vgl. Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 60. 120 121
Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 31. Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 85. 128 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 2. 129 Vgl. Volmer, T. / Kielhorn, A. (1998), S. 45–72, zitiert in: Mühlig, S. / Petermann, F. / Bergmann, K.-C. (2001), S. 163. 126 127
2.5 Spezifische Mängel in der Chronikerversorgung
21
Ziel einer effektiven und effizienten Versorgung muss es deshalb sein, mittels Schulungen und aktiver Information den Patienten derart zu befähigen, dass er seine Erkrankung erfolgreich selbst managen kann.130 Daneben sind auch die Selbstbeobachtung und Selbstbewertung elementare Bestandteile einer Befähigung des Patienten.131 Dieses neue Patientenverständnis, indem dem Patienten mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zugewiesen wird, muss jedoch auch von den Leistungserbringern noch erlernt werden. In Deutschland wird der Patient jedoch noch meist als „erduldeter Behandelter“132 angesehen, anstatt dass seine aktive Rolle „als Fachmann in eigener Sache“ unterstützt wird.133 Der behandelnde Arzt trifft fast vollständig die Wahl der Behandlung und (Anschluss-)Betreuung und überweist den Patienten an weitere Leistungserbringer.134 Der SVR Gesundheit beschreibt daher die Information, Schulung und Partizipation chronisch Kranker als „defizitär“135. Es kann „zu einem partiellen oder totalen Wirksamkeitsverlust an sich effektiver und indizierter präventiver und kurativer Maßnahmen infolge unzureichender Compliance und/oder fehlerhafter Anwendung durch den Patienten kommen.“136 Schließlich kritisiert der Rat eine unzureichende Berücksichtung von sozialen, psychischen, lebensweltlichen und biographischen Aspekten chronisch Kranker und ihrer Angehörigen, was er als „somatische Fixierung des Gesundheitswesens“137 bezeichnet. Diese „Organfixierung“ sei auf langfristig gebildete Strukturen in der medizinischen Ausbildung zurückzuführen, die nicht ausreichend auf die sich verändernden demographischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gegebenheiten eingehen.138
2.5.2 Über-, Unter- und Fehlversorgung als Folge der Probleme Als Ergebnis der oben aufgezeigten Probleme und Schwachstellen des deutschen Gesundheitswesens kommt der SVR Gesundheit zu dem Ergebnis, dass in Deutschland bei der Versorgung chronisch kranker Patienten eine Unter-, Über- und Fehlversorgung festzustellen sei. Dabei sei im Bereich der Prävention und Rehabilitation eher Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 109; Schenk, R. (2001), S. 10. Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 34. 132 Grimmel, R. / Hägele, M. / Leopold, C. (2003), S. 24. 133 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 43. 134 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 47. 135 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 39, Punkt 113. 136 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 39, Punkt 113. 137 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 36, Punkt 98 f. 138 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 36, Punkt 99. 130 131
22
2 Schlüsselprobleme in der Leistungserbringung vor der Einführung der Reformansätze
eine Unterversorgung zu finden, im kurativen Bereich hingegen eher eine Überversorgung und z. T. auch Fehlversorgung.139 Der Sachverständigenrat definiert die Begriffe Über-, Unter- und Fehlversorgung folgendermaßen:140 • Unter Überversorgung versteht man die Versorgung der Patienten, die über die Bedarfsdeckung hinausgeht. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Versorgung mit nicht-indizierten Leistungen, der medizinischen Überversorgung mit Leistungen ohne gesicherten gesundheitlichen Netto-Nutzen und der ökonomischen Überversorgung mit ineffizienten Leistungen. • Unterversorgung beschreibt eine teilweise oder gänzliche Verweigerung des notwendigen, anerkannten Bedarfs an Versorgung, die trotz vorliegender Leistungen mit hinreichend gesichertem gesundheitlichen Netto-Nutzen in effizienter Form oder Wirtschaftlichkeit nicht erfolgt. • Fehlversorgung bezeichnet eine Form der Versorgung, die einen vermeidbaren Schaden verursacht, da notwendige Leistungen nicht fachgerecht, nicht bedarfsgerecht, nicht rechtzeitig oder gar nicht erbracht werden. Über- und Fehlversorgung stellen ineffizientes Handeln dar, weshalb sie unter dem Gesichtspunkt des großen Kostenblocks für chronische Krankheiten weitreichende Einsparpotentiale bieten.
2.6
Zwischenfazit
Aus den beschriebenen Strukturproblemen wird ersichtlich, dass die Versorgungssituation von Patienten, speziell jedoch die von Chronikern in Deutschland vor Einführung der Reformansätze und der Disease-Management-Programme als nicht effizient angesehen werden musste. Es kann ferner abgeleitet werden, dass der hohe Grad an Desintegration im deutschen Gesundheitswesen nicht nur zu negativen Folgen und inadäquaten Versorgungsstrukturen in Form von Doppel- und Mehrfachuntersuchungen für die Patienten führt, sondern sich auch ausgabensteigernd auf das Gesundheitssystem als Ganzes auswirkt.141 Instrumente zur Verbesserung der Versorgungssituation können folglich zum einen bei einer verbesserten Koordination der Leistungserbringer ansetzen.142 Die Bundesregierung hat hierfür drei verschiedene Formen der Integration vorgesehen, die seit dem Jahr 1997 auch gesetzlich verankert sind: Integrierte Versorgung, ModellvorhaVgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 43, Punkt 138. 140 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 19 f., Punkt 29. 141 Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 3; Lorenz, K.-P. et al. (2000), S. 128; Becker, J. / Hensgen, R. (2000), S. 275. 142 Vgl. Rachold, U. (2000), S. 62.
139
2.6 Zwischenfazit
23
ben und Strukturverträge. Auf diese Formen der Integration der Sektoren wird in den Kapiteln 3.2.3.1 bis 3.2.3.3 eingegangen. Zum anderen können durch eine Ausweitung des Angebots an Schulungen und Information Selbstmanagementfähigkeiten beim Patienten aktiviert werden, die zu einer aktiveren Vorsorge und besseren Compliance führen. Ferner kann durch kontinuierliche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Ärzte und die systematische Nutzung von evidenzbasierten Leitlinien die Qualität und Effizienz der Versorgung deutlich gesteigert werden. Eine kontinuierliche Evaluation der erzielten Ergebnisse könnte dieses Qualitätsmanagement unterstützen. Die Umsetzung dieser Interventionen in Form eines „Gesamtpaketes“ kann u. a. durch Disease-Management-Programme erfolgen.
3
Reformansätze zur Verbesserung der medizinischen Versorgung
3.1
Reformansätze im deutschen Gesundheitswesen
Das Gesundheitssystem wird seit 1977 in regelmäßigen Zeitabständen reformiert, um qualitativ hochstehende Leistungen bei effizienter Mittelverwendung zu ermöglichen.143 Ziel der Reformen war, neben der Kosten- bzw. Ausgabendämpfung, die wesentlichen Fehlsteuerungen zu beheben, um so die Effizienz der Versorgung zu verbessern.144 Einige Reformen bezweckten die Schaffung der sektorübergreifenden Versorgung und die Beseitigung von Intransparenzen und Ineffizienzen. Zusätzlich strebte man seit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) im Jahre 1993 die verstärkte Einführung von Wettbewerb an.145 Jedoch setzt ein effizienz- und effektivitätssteigernder Wettbewerb voraus, „dass die Krankenkassen bei der Vertragsgestaltung, bei den Versorgungs- und Vergütungsformen und – zumindest begrenzt – beim Leistungskatalog über hinreichend spezifische Aktionsparameter verfügen“146. Diese wurden den Kassen ab den Neuordnungsgesetzen schrittweise bzw. anfangs in bescheidenem Umfang gewährt.
3.1.1 Überblick über die Reformen zwischen 1977 und 2000 Dieses Kapitel stellt ausschließlich diejenigen Aspekte der Gesundheitsreformen dar, die sich auf die Verbesserung der Leistungserbringung durch mehr Transparenz, Qualitätssicherung, Wettbewerb und Kooperation sowie auf die Einführung neuer Versorgungsmodelle beziehen. Die ersten Reformen von 1977 bis 1989 beschäftigten sich fast ausschließlich damit, neue Strukturen für Krankenhäuser zu erstellen sowie Ausgaben- und Finanzierungsprobleme zu reduzieren bzw. zu beseitigen. Erst mit den Gesundheitsreformund -strukturgesetzen wurden Regelungen erlassen, die an der Struktur des gesamten Gesundheitswesens ansetzten. Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) von 1993 wurde ein wesentlicher Schritt in Richtung Wettbewerb durch die Einführung der Kassenwahlfreiheit gemacht, der vom Risikostrukturausgleich (RSA) flankiert wurde (vgl. Kapitel 3.1.4). Neben dem Wettbewerb sollte damit auch Einfluss auf das marktorientierte Verhalten von Krankenkassen genommen werden.147 Zwar war bereits im Gesundheitsreform-
Vgl. Kopetsch, T. (2005), S. 62. Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 15. 145 Vgl. Weber, M. (2001), S. 255. 146 Wille, E. (1997), S. 32. 147 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 138. 143 144
26
3 Reformansätze zur Verbesserung der medizinischen Versorgung
Tabelle 1: Übersicht über die Gesundheitsreformen von 1977 bis 2000 (eigene Darstellung)
Datum
Name
Abkürzung
1977
Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz
KVKG
1982
Kostendämpfungsergänzungsgesetz
KVEG
1982
Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz
KHKDG
1983
Haushaltsbegleitgesetz
HHBG
1985
Krankenhaus-Neuordnungsgesetz
KHNG
1989
Gesundheitsreformgesetz
GRG
1993
Gesundheitsstrukturgesetz
GSG
1997
Gesetze zur Neuordnung der Gesetzlichen Krankenversicherung
1. und 2. NOG
1999
Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der Gesetzlichen Krankenversicherung
GKV-SolG
2000
Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung
GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000
gesetz (GRG) von 1989 die Einführung verbesserter Steuerungsinstrumente bei den Leistungsanbietern sowie mehr Leistungs- und Kostentransparenz vorgesehen, doch wurden diese damals auf Druck der Gesundheitsverbände wieder im Vorfeld der Einführung zurückgezogen.148 Es wurden erstmals die Versorgungsstrukturen reformiert: Der Bereich der hausärztlichen Versorgung wurde gestärkt.149 In Bezug auf die Qualitätssicherung schrieb das GSG für alle in der ambulanten Versorgung tätigen Ärzte die Weiterbildung gesetzlich vor. Schließlich strebten die Gesundheitsreformen von 1989 und 1993 eine stärkere Verzahnung zwischen stationärem und ambulantem Bereich an, indem Krankenhäusern die ambulante Behandlung ermöglicht und die vor- und nachstationäre Versorgung eingeführt wurde.150 Trotz all dieser Maßnahmen blieb die sektorübergreifende Versorgung jedoch mangelhaft.151 Erste Ansätze zur Schaffung neuer Versorgungsmodelle, mit denen die Schwächen des Systems abgebaut werden sollten, wurden erstmals mit den GKV-Neuordnungsgesetzen (NOG) – speziell dem 2. NOG von 1997 – gelegt. Es wurden zwei Regelungen geschaffen, die zur Erprobung neuer Versorgungsmodelle in Deutschland eingesetzt werden sollten.152 Damit sollten auch Elemente von Managed Care Vgl. Hartmann, A. K. (2002), S. 152. Vgl. Bäcker, G. et al. (2000), S. 135. 150 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 42. 151 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 42. 152 Vgl. Rachold, U. (2000), S. 50. 148 149
3.1 Reformansätze im deutschen Gesundheitswesen
27
auf das deutsche Gesundheitswesen übertragbar werden.153 Der Gesetzgeber wollte damit vor allem beim Aufbau einer effizienteren Versorgung aktiver werden.154 In vertraglicher Gemeinschaft der Kassen (bzw. ihrer Verbände), der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Ärzte sollten neue Formen von Leistungen und Verfahren, wie z. B. die Übernahme von Budgetverantwortung, einführbar und testbar werden. Für die Krankenkassen sollten diese Modelle die Möglichkeit bieten, sich durch effektivere Versorgung im Wettbewerb zu positionieren und zu profilieren. Neue Honorierungs- und Kooperationsstrukturen wurden somit für die Erprobung in Deutschland möglich.155 Während die wissenschaftlich begleiteten Modellvorhaben nach § 63–65 SGB V eher der Verbesserung der Organisation und medizinischen Versorgung dienen sollten, hatten die Strukturverträge die Erprobung neuer Versorgungsund Vergütungsstrukturen zum Ziel.156 Die im Zuge dieser Reformen entwickelten Modellvorhaben und Strukturverträge bilden u. a. auch eine mögliche vertragliche Basis für die Umsetzung von DiseaseManagement-Modellen in Deutschland.157 Im Rahmen des GKG-Solidaritätsstärkungsgesetzes von 1999 wurden die Strukturverträge und Modellvorhaben leicht überarbeitet. Die Durchführung von Modellvorhaben wurde insofern erleichtert, als die notwendigen Angaben in den Satzungen der Kassen reduziert wurden.158 Das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 erweiterte die Möglichkeiten für neue Versorgungsmodelle um die Integrierten Versorgungsformen nach §§ 140 a–d SGB V (ursprünglich §§ 140 a–h SGB V).159 Daneben schränkte das Gesetz die Macht der Kassenärztlichen Vereinigung wesentlich ein, die bis dahin die Möglichkeit hatte, Modellvorhaben an ihrem Veto scheitern zu lassen. Seit 2000 ist es für die Krankenkassen möglich, Modellvorhaben und Integrierte Versorgungsformen nach §§ 140 a–d SGB V direkt mit den Ärzten abzuschließen, wodurch die Kassen eine wesentliche Einflussmöglichkeit auf die Leistungserbringung erhielten.
3.1.2 Probleme dieser Reformen Problematisch an den dargestellten Reformen waren vor allem drei Aspekte: • Zahlreiche Reformen hatten lediglich Einsparungen und Kostenbegrenzungen zum Ziel, ohne tief greifende strukturelle Änderungen vorzunehmen.
Vgl. Rachold, U. (2000), S. 1. Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 11. 155 Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 11. 156 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 25. Beide Vertrags modelle werden in den Kapiteln 3.2.3.1 und 3.2.3.2 detaillierter beschrieben. 157 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 34. 158 Vgl. Rachold, U. (2000), S. 50. 159 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 38. 153 154
28
3 Reformansätze zur Verbesserung der medizinischen Versorgung
• Die durchgeführten strukturellen Änderungen, wie z. B. die Schaffung von mehr Wettbewerb und die Einführung neuer Versorgungsmodelle griffen aufgrund mangelnden Nachdrucks zur Umsetzung vielfach zu kurz. • Angestrebte Strukturänderungen waren weder effektiv noch effizient, da sie nicht die Hauptkostenverursacher „Chroniker“ zur Zielgruppe hatten. Viele Reformen setzten bei Senkungen der Entgelte bzw. Erstattungen, Negativlisten oder globalen Budgetierungen an.160 Diese Maßnahmen führten jedoch nur zu kurzfristigen Einsparungen, die mittelfristig durch die Umschichtung von Leistungen wieder kompensiert wurden. Ein weiterer Grund für die lediglich kurzfristige Wirkung der Reformen ist der Mangel an strukturellen Elementen in den Reformen.161 Dabei wurde unterlassen, die „expansiv wirkenden Anreizstrukturen zu verändern“162. Zwar wurde im Rahmen des GSG der Kassenwettbewerb verstärkt, doch erhielten die Kassen zu diesem Zeitpunkt keine Instrumente (wie z. B. selektive Verträge), um diesen Wettbewerb marktorientiert einzusetzen.163 Ein drittes großes Problem der bisherigen Reformen lag in der fehlenden Ausrichtung der Versorgung auf chronisch kranke Patienten. Wie bereits in Kapitel 2.5 beschrieben, richtet sich das deutsche Gesundheitswesen vor allem an die Behandlung von Akutkrankheiten.164 Im Gegensatz zur Versorgung von Akutkrankheiten benötigt die Behandlung chronischer Krankheiten eine systematische, sektorübergreifende und evidenzbasierte Patientenversorgung anstatt der bestehenden fragmentierten, episodenhaften Therapie.165
3.1.3 Handlungsempfehlungen des Sachverständigenrates Zum Abbau der Über-, Unter- und Fehlversorgung bei chronisch Kranken gab der SVR Gesundheit sechs Handlungsempfehlungen für die Versorgung chronisch Kranker vor.166 Drei dieser Vorschläge beziehen sich auf eine Stärkung der Rehabilitation, wobei sowohl ein bedarfsgerechtes ambulantes Rehabilitationsangebot geschaffen werden soll als auch das Verständnis über die Rehabilitation geändert werden muss. Der SVR Gesundheit fordert ein stärkeres Selbstverständnis der Rehabilitation im Krankheitsprozess und die vermehrte, den Krankheitsverlauf begleitende Prozess-
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Baumberger, J. (1996), S. 67. Vgl. Wiechmann, M. (2004), S. 80; Böcken, J. / Butzlaff, M. / Esche, A. (2000), S. 15. 162 Böcken, J. / Butzlaff, M. / Esche, A. (2000), S. 15. 163 Vgl. Böcken, J. / Butzlaff, M. / Esche, A. (2000), S. 15. 164 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 212, Punkt 302 f. 165 Vgl. Schönbach, K.-H. (2003), S. 214. 166 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 607, Anhang 4, Tabelle A1. 160 161
3.1 Reformansätze im deutschen Gesundheitswesen
29
betrachtung, die sowohl somatische und psychische als auch berufliche, biographische und soziale Aspekte mit einschließt.167 In Bezug auf die Rehabilitation fordert der SVR Gesundheit „krankheitsphasenspezifische, zielgruppenorientierte und abgestufte Behandlungsprogramme für unterschiedliche Patientengruppen, u. a. wohnortnahe ambulante oder teilstationäre Rehabilitationsstrukturen sowie geeignete Rehabilitationsangebote in Alten- und Pflegeheimen“168. Die fehlenden Angebote an Rehabilitationsleistungen sind auf rechtliche Probleme oder fehlende Ausnutzung des bestehenden Gestaltungsspielraums zurückzuführen.169 Aus diesem Grund fordert der SVR Gesundheit eine Vereinheitlichung der gesetzlichen Vorschriften für alle beteiligten Organisationen. Die fehlenden Angebote an Rehabilitationsleistungen seien auf rechtliche Probleme oder fehlende Ausnutzung des bestehenden Gestaltungsspielraums zurückzuführen.170 Ein weiterer Vorschlag richtet sich an die bessere Versorgung unheilbar Kranker und fordert den Ausbau von Hospizen und anderen spezialisierten ambulanten und stationären Angeboten.171 Zudem fordert der SVR Gesundheit in den beiden wichtigsten Handlungsempfehlungen des Gutachtens eine Umsetzung von Disease-Management-Programmen, um kurzfristig durch diesen leitliniengestützten Versorgungsansatz die Über-, Unter- und Fehlversorgung der Chroniker abzubauen. Während die langfristige Umstrukturierung eine zusätzliche Änderung von Strukturen, Anreizen, Wissen und Werten fordert, könnte eine Verbesserung der Versorgung und damit ein Abbau der Über-, Unter- und Fehlversorgung bereits durch eine stärkere Vernetzung aller Beteiligten erreicht werden. Um diesen neuen Versorgungsansätzen Nachdruck zu verleihen, fordert der SVR Gesundheit deren schnelle, flächendeckende Umsetzung. Mit seinen beiden letzten Vorschlägen des SVR Gesundheit wurden in Deutschland neue Versorgungskonzepte initiiert, die zu einer effizienteren und effektiveren Versorgung von Chronikern beitragen sollen.
3.1.4 Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung (2002) Situation vor der Einführung des Risikostrukturausgleichs (RSA) Für die gesetzlichen Krankenversicherungen – anders als für die privaten – besteht im deutschen Gesundheitswesen Kontrahierungszwang, d. h. sie sind zur Aufnahme Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 607, Anhang 4, Tabelle A1. 168 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 38, Punkt 108. 169 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 38, Punkt 109. 170 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 38, Punkt 109. 171 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 607, Anhang 4, Tabelle A1.
167
30
3 Reformansätze zur Verbesserung der medizinischen Versorgung
neuer Mitglieder unabhängig von deren Gesundheitsstatus oder finanzieller Leistungskraft verpflichtet.172 Bis Anfang der 90er Jahre handelte es sich bei dem Großteil der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen um zugewiesene Pflichtversicherte. Lediglich Angestellten stand ein eingeschränktes Wahlrecht zwischen der zuständigen Primärkasse und den Ersatzkassen zu. Der geringe Wettbewerb, die differenzierte Behandlung zwischen Arbeitern und Angestellten sowie berufsbezogene Mitgliederbeschränkungen der einzelnen Krankenkassen führten jedoch zu unterschiedlichen Risikostrukturen bei den Krankenkassen, wodurch – trotz gesetzlich vorgeschriebener gleicher Leistungen – große Unterschiede bei den Beitragssätzen entstanden. Bei der AOK bestand darüber hinaus insofern ein Sonderfall, als sie bis 1996 die Primärzuständigkeit für gesetzlich versicherte Patienten innehatte. Dadurch kam es, dass sich ihr Mitgliederstamm überproportional aus Älteren zusammensetzte, die häufiger und länger stationär behandelt werden, was damit zu deutlich höheren Beiträgen führte.173 Darstellung des ursprünglichen RSA Um die bestehenden Ungleichgewichte in den Risikoprofilen und Beitragssätzen nicht noch zu zementieren, wurde im Vorfeld der stärkeren Wettbewerbsorientierung ein finanzieller Ausgleich der gesetzlichen Kassen über diejenigen Risikofaktoren geschaffen, die für die Krankenkassen im Prinzip exogene, d.h. nicht beeinflussbare, Faktoren darstellen. Der bundesweite und kassenartenübergreifende Risikostrukturausgleich (RSA) trat am 01. 01. 1994 mit dem Gesundheitsstrukturgesetz in Kraft. Mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse nehmen daran alle gesetzlichen Kassen teil.174 Das Ziel des RSA besteht darin, durch einen Ausgleich zwischen den Krankenkassen eine relative Gleichstellung in der Risikobelastung zu erreichen und Beitrags- und Wettbewerbsverzerrungen durch ungünstige Versichertenprofile in der Art zu kompensieren, als hätten alle Kassen eine vergleichbare Versichertenstruktur.175 Beitragssatzunterschiede sollen nicht auf unterschiedlichen Risikostrukturen, sondern auf den Wirtschaftlichkeitsbemühungen der Krankenkassen beruhen. Dabei wurden als Ausgleichsfaktoren die beitragspflichtigen Einnahmen, das Alter und Geschlecht, die Zahl beitragsfrei mitversicherter Familienangehöriger, Krankengeldansprüche sowie Berufs- und Erwerbsminderung erfasst.176 Darüber hinausgehende Unterschiede in den Leistungsausgaben der Krankenkassen wurden nicht ausgeglichen.
Vgl. AOK-Lexikon. Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 120. 174 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 40. 175 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 39. 176 Vgl. AOK-Lexikon. 172 173
3.1 Reformansätze im deutschen Gesundheitswesen
31
Ohne den RSA wären die Beitragssätze durch die kassenspezifischen Solidarlasten geprägt.177 Eine Krankenkasse mit einer vorwiegend älteren und kranken Klientel hätte keine Chance, am Wettbewerb über die Beitragssätze mit Aussicht auf Erfolg teilzunehmen. Durch den RSA wird der Anreiz zur Risikoselektion abgeschwächt und ein zielorientierter Wettbewerb gefördert. Es handelt sich damit um ein Instrument der Solidaritäts- und Wettbewerbssicherung. Die finanzielle Verrechnung des RSA übernimmt die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Im Jahr 2004 betrug das Ausgleichsvolumen rund 15,4 Mrd. Euro.178 Notwendigkeit einer Änderung des RSA Dennoch bestand in der beschriebenen Form von 1994 auch weiterhin für die Kassen ein Anreiz zur Risikoselektion, da Morbiditätsunterschiede im RSA nur indirekt berücksichtigt wurden. Dies betrifft Morbiditätsunterschiede innerhalb einer Altersund Geschlechtsgruppe. Damit waren Beitragssatzvorteile möglich, wenn die Kasse innerhalb der einzelnen Alters- und Geschlechtsgruppen viele gesunde und wenig kranke (insbesondere chronisch kranke) Versicherte aufwies. Dies führte dazu, dass für die Kassen kein Anreiz bestand, in ein gezieltes Vorsorgemanagement für chronische Erkrankungen zu investieren, da sie damit befürchten mussten, mit diesen Maßnahmen Versicherte anzuziehen, die im bisherigen RSA als ungünstige Risiken mit negativer Beitragssatzwirkung galten. Für die Krankenkassen war damit Risikoselektion vorteilhafter als Programme zur Krankheitsprävention oder zum Krankheitsmanagement. Am 10. 12. 2001 wurde vom Gesetzgeber das „Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der Krankenversicherung“ beschlossen. Ziel ist es, den RSA in der Art weiterzuentwickeln, dass Anreize zur Risikoselektion reduziert und die Beachtung morbiditätsorientierter Aspekte verstärkt wird. Bis zu einer langfristigen Änderung des RSA sollen kurzfristige Maßnahmen getroffen werden, die stärkere Anreize zur Verbesserung der Versorgung insbesondere von Chronikern bieten. Diese Anreize werden dadurch gesetzt, dass zukünftig – zumindest teilweise – Leistungsausgaben für chronisch kranke Patienten im RSA berücksichtigt werden. Das Gesetz sieht vor, dass speziell definierte Leistungsausgaben von Patienten, die in zugelassenen, qualitätsgesicherten strukturierten Behandlungsprogrammen (Disease-Management-Programmen, DMP) eingeschrieben sind, im RSA besonders berücksichtigt werden. Damit wurden Disease-Management-Programme erstmals im Sozialgesetzbuch verankert. Die in DMPs eingeschriebenen chronisch kranken Versicherten werden nun als eine eigene Versichertengruppe im RSA behandelt, wodurch für die Krankenkassen veränderte Ausgleichsansprüche entstehen. Durch den Ausgleich der speziellen Kosten eingeschriebener Chroniker im RSA sollen zukünftig diejenigen Kassen im Wettbewerb nicht schlechter gestellt werden, die für durch das Angebot von Programmen und eine Vielzahl von eingeschriebenen chronisch kranken Patienten sorgen. Die Be177 178
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Jacobs, K. (2003), S. 208. Vgl. http://www.bundesversicherungsamt.de am 20. 02. 2006.
32
3 Reformansätze zur Verbesserung der medizinischen Versorgung
rücksichtigung der neuen Versichertengruppe erfolgte erstmals im Jahre 2003. Die hier beschriebene Reform des RSA stellt jedoch lediglich eine Zwischenstufe für eine langfristigere Änderung des RSA dar, der über eine noch stärkere Morbiditätsorientierung verfügen soll.179 Die neue Form des finanziellen Ausgleichs zwischen den Kassen ist an mehrere Voraussetzungen gebunden. So müssen die Krankenkassen strukturierte Behandlungsprogramme anbieten, die bestimmten Qualitätsanforderungen genügen. Daneben müssen die Programme zugelassen sein und evaluiert werden. Ferner dürfen im Programm nur Patienten eingeschrieben sein, die zugleich auch Zielgruppe des Programms sind. Schließlich wünscht der Gesetzgeber, dass mit Hilfe der zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern vereinbarten Verträge, die auf Basis der Vertragstypen der Integrierten Versorgungsformen (§ 140 a–d SGB V), Strukturverträge (§ 73 a SGB V) und Modellvorhaben (§§ 63–65 SGB V) erfolgen können, eine sektorübergreifende Versorgung sichergestellt wird.180
3.2
Managed Care und Integrierte Versorgung als struktureller Rahmen für Disease Management
Bei der Suche nach dem besten Ansatz für das deutsche Gesundheitssystem standen, neben staatlichen Systemansätzen wie z. B. in England, vor allem das ManagedCare-System, die Integrierte Versorgung sowie Bestandteile daraus (Disease Management) zur Auswahl. Über den Zusammenhang zwischen Managed Care, Integrierter Versorgung und Disease Management gibt es in der Literatur vielfältige Auffassungen. Während die Mehrzahl der Autoren Integrierte Versorgung und Managed Care als zwei ähnliche, jedoch nicht gleiche Systemansätze verstehen, die für Disease Management den strukturellen Rahmen bilden, drehen andere die Abhängigkeiten der Begriffe um. Seitz/Fritz sehen z. B. die Integrierte Versorgung als einen Bestandteil von Disease Management an, der wiederum Element von Managed Care ist.181 Die vorliegende Arbeit sieht, ähnlich der Mehrheit der Autoren, Disease Management als ein Versorgungskonzept für Chroniker, das sich zu seiner effektiven Umsetzung des Rahmens der Integrierten Versorgung bzw. des Managed Care bedient.182
Neben dem Ausgleich in Verbindung mit den strukturierten Behandlungsprogrammen wurde im Januar 2003 ein Risikopool eingeführt, der überdurchschnittliche Ausgaben für Versicherte – d. h. Ausgaben über 20.450 Euro pro Jahr, z. B. aufgrund von stationärer Versorgung – ausgleichen soll. 180 Die Auswirkungen und Anreizwirkungen der Verbindung von RSA und strukturierten Behandlungsprogrammen sind in Kapitel 8.8 dargestellt. 181 Vgl. Seitz, R. / Fritz, N. (2005), S. 52. 182 Vgl. z. B. Roick, C. / König, H.-H. (2006), S. 418; Villagra, V. G. (2004), S. 281. 179
3.2 Managed Care und Integrierte Versorgung als struktureller Rahmen für Disease Management
3.2.1
33
Grundzüge von Managed Care
3.2.1.1 Definition und Ziele Eine abschließende Definition von Managed Care ist weder in der englischen noch in der deutschen Literatur zu finden,183 da der Begriff in der Regel für eine Vielzahl struktureller und ablauforganisatorischer Instrumente und Organisationsformen verwendet wird.184 Im weiteren Sinne ist Managed Care ein Sammelbegriff für sämtliche Instrumente und Strukturen zur integrierten Steuerung und zum Management in der Gesundheitsversorgung.185 Im engeren Sinne wird hierunter ein Versorgungs- und Versicherungskonzept mit einer Vielzahl zielgerichteter Elemente gefasst, die zur systematischen Steuerung der medizinischen Versorgung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eingesetzt werden.186 Im Gegensatz zu den amerikanischen Managed-Care-Definitionen, die rein marktwirtschaftlich ausgelegt sind, unterscheidet sich der europäische Ansatz durch die Einhaltung „staatlicher Zielvorgaben für die öffentliche Gesundheit“187. Damit ist Managed Care eine Ergänzung des Sozialversicherungsgedankens und nicht seine Abschaffung.188 Der Managed-Care-Ansatz ist als ein Bestandteil von Managed Competition zu betrachten.188 Hierbei steht der wettbewerbliche Gedanke von konkurrierenden, integrierten Versicherungsunternehmen im Vordergrund. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich der Managed-Care-Begriff auf die Arzt-Krankenkasse-Beziehung bezieht und die Gestaltung des Versorgungsprozesses betrifft, wohingegen Managed Competition das Verhältnis zwischen Versichertem und Versicherung beschreibt.190 Dieser Arbeit liegt folgende Definition von Managed Care zugrunde: Managed Care wird als ein integrierter Versicherungs- und Behandlungsansatz bezeichnet, der durch sektorübergreifende Versorgung, strikte Kontrolle und integrierte Finanzierung und Leistungserbringung sowie Einsatz eines Bündels von Instrumenten danach strebt, die Qualität und Wirtschaftlichkeit des medizinischen Prozesses zu erhöhen. Das Managed-Care-Konzept entstand Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA vor dem Hintergrund steigender Kosten bei gleichzeitig mangelnder Qualität in der medizinischen Versorgung.191 Die älteste, bestehende Managed-Care-Organisation Vgl. Lorenz, K.-P. et al. (2000), S. 127 und Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 5. 184 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 3 und Rachold, U. (2000), S. 52. Eine Auswahl von Definitionen findet sich bspw. bei Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 3. 185 Vgl. Sandifer, Q. D. (1997), S. 301 sowie Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 3. 186 Vgl. Lorenz, K.-P. et al. (2000), S. 127 und Rosleff, F. / Lister, G. (1995), S. 27. 187 Baumberger, J. (2001), S. 51. 188 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 51. 189 Vgl. Reuter, W. (1995), S. 11. 190 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 7. 191 Vgl. Lankers, C. (1997), S. 23; Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 3. 183
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3 Reformansätze zur Verbesserung der medizinischen Versorgung
(MCO) ist „Kaiser Permanente“, die im Jahre 1940 gegründet wurde.192 Durch den Health-Maintenance-Organizations-Act (HMO-Act) erhielten ab 1973 HMOs staatliche Subventionen, was zu einem deutlichen Aufschwung dieser Versicherungsform führt.193 Seit einigen Jahren wird Managed Care auch in vielen europäischen Gesundheitssystemen als Lösung der derzeitigen Probleme diskutiert. So kam es 1990 in der Schweiz aufgrund der gestiegenen Gesundheitskosten zur Gründung der ersten HMO in Europa.194 Ursprünglich wurden die Tarife der MCO als einheitliche Kopfprämien erhoben, deren Höhe vom durchschnittlichen Risiko aller Versicherten einer MCO abhing.195 Dieses „community rating“ entsprach damit dem deutschen Verfahren einer Umlage der Risiken. Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks zwischen den Versicherern werden den Arbeitgebern, die in den USA die Versicherungskosten für ihre Mitarbeiter übernehmen, heute meistens so genannte „group experience rating“-Tarife angeboten, deren Höhe sich am spezifischen Risiko der Versicherten des Unternehmens, dessen Besonderheiten sowie an dessen bisheriger Leistungsinanspruchnahme bemisst.196 Ziel des Managed-Care-Ansatzes ist es, durch aktive Kontrolle und Steuerung des Leistungsgeschehens eine effiziente Allokation des Versorgungsprozess zu erreichen, d. h. unter Ausschluss überflüssiger und fragwürdiger Leistungen und durch Einsatz wettbewerblicher Anreize gleichzeitig die Kosten zu senken und die Qualität zu erhöhen.197 Hauptcharakteristikum von Managed Care ist die verstärkte (bis vollständige) Steuerung der Leistungserbringung durch den Versicherungsträger. 3.2.1.2 Kennzeichen von Managed-Care-Organisationen In der Literatur wird eine Vielzahl von Elementen als Instrumente von Managed Care genannt.198 Das Hauptcharakteristikum von Managed Care besteht in der Beteiligung der Leistungserbringer am ökonomischen Risiko. Ärzte tragen damit die Verantwortung sowohl für das medizinische, als auch ökonomische Ergebnis des Behandlungsprozesses.199 Für die Risikobeteiligung ist eine direkte Beteiligung (z. B. durch Gewinnbeteiligung) oder eine indirekte Beteiligung (z. B. durch wirtschaftliche Leistungsbeurteilung) möglich:200 Am häufigsten erfolgt jedoch die Beteiligung über die Vergütung in Form der Kopfpauschale. Vgl. Sandifer, Q. D. (1997), S. 301. Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 46. 194 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 8. 195 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 8. 196 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 8. 197 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 42 und Schell, H. / Lauterbach, K. W. (2002), S. 38 sowie Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 5; Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 4. 198 Vgl. Ewers, M. (1996), S. 42; Hildebrandt, H. / Domdey, A. (1996), S. 52; Sandifer, Q. D. (1997), S. 301; Kayser, B. / Schwefing, B. (1998), , S. 56 f. 199 Vgl. Baumberger, J. (1997), S. 254. 200 Vgl. Lauterbach, K. W. (1997), S. 169. 192 193
3.2 Managed Care und Integrierte Versorgung als struktureller Rahmen für Disease Management
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Eine Besonderheit von Managed-Care-Organisationen ist die Art der Vergütung der zumeist angestellten Ärzte. Sie erfolgt nicht nach dem Prinzip der Einzelleistungsvergütung, sondern in der Regel nach verschiedenen Formen des Prospective Payments, d. h., unabhängig von der tatsächlich erbrachten Leistung wird der Arzt zumeist im Vorhinein vergütet. Mögliche Formen sind Kopfpauschale, Fallpauschale, festes Gehalt oder eine Mischform daraus.201 Eine zusätzliche erfolgsabhängige Komponente ist ebenfalls möglich.202 Vorteil der einzelleistungsunabhängigen Vergütung ist der Anreiz für den Arzt, nicht mehr die Anzahl der Leistungen zu maximieren, sondern sie zu minimieren.203 Während im deutschen Gesundheitswesen eine strikte Trennung zwischen Leistungserbringung und Versicherungsfunktion besteht, kommt es bei Managed Care durch die vertragliche Einbindung der Leistungserbringer zu einer Integration dieser beiden Funktionen bei den MCOs. Dadurch wird gleichzeitig die Rolle der Krankenversicherungsunternehmen verändert: Durch die Verträge mit Ärzten nehmen die Versicherer entscheidenden Einfluss auf den medizinischen Behandlungsprozess, indem bestimmte Leistungen im Vorfeld definiert werden.204 Sie sind damit nicht mehr nur Finanzierer, sondern treten gleichzeitig als Leistungserbringer auf.205 In der Mehrzahl der Managed-Care-Organisationen (ca. 90%)206 wird der Zugang zu medizinischen Leistungen durch so genannte Primärärzte (Gatekeeper) geregelt, d. h. eine Gruppe von Ärzten, die – mit Ausnahme von Notfällen – darüber entscheidet, ob und welche anderen Leistungserbringer in der Behandlung hinzugezogen werden.207 Versicherte müssen zunächst einen als Gatekeeper arbeitenden Arzt konsultieren, bevor sie weitergehende Leistungen in Anspruch nehmen können. Der Gatekeeper entscheidet dann für den Versicherten, ob die benötigten Leistungen von ihm selber, von einem Facharzt oder von einem Krankenhaus erbracht werden sollen.208 Damit fungiert er als „Wächter“ über die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen209 und übernimmt die Patientenversorgung bis zu seinen persönlichen und technischen Grenzen.210 Darüber hinaus agiert er häufig auch als Case Manager, der die gesamte Versorgung während des Krankheitsprozesses eines Patienten steuert.211 Im Fall der Überweisung haben alle Stellen die Pflicht, über die Behandlung und deren Ergebnisse die anderen Beteiligten zu informieren. Vgl. Rachold, U. (2000), S. 76; Arnold, M. / Jelastopulu, E. (1996), S. 77. Vgl. Rachold, U. (2000), S. 76. 203 Vgl. Rachold, U. (2000), S. 76. 204 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 43. 205 Vgl. Rychlik, R. et al. (2000), S. 310. 206 Vgl. Franks, P. et al. (1992), S. 424. 207 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 12 sowie Lankers, C. H. R. (1997), S. 29. 208 Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 98. 209 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 12. 210 Vgl. Arnold, M. / Jelastopulu, E. (1996), S. 76. 211 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 12. 201 202
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Ziel des Gatekeepings ist eine Versorgung nach dem Prinzip „die richtige Behandlung am richtigen Ort“.212 Der Gatekeeper soll einen koordinierten und sektorübergreifenden Behandlungsablauf sicherstellen.213 Darüber hinaus soll er die teuren fachärztlichen und stationären Leistungen weitmöglichst vermeiden. Gatekeeping wird deswegen häufig auch als „Instrument zur Begrenzung von unangemessenem ‚overtreatment‘ “ diskutiert.214 Ein weiteres Ziel besteht darin, Patienten vom „doctor hopping“215 abzuhalten und die dadurch häufig entstehenden Doppeluntersuchungen und Kosten zu reduzieren.216 Als kritisch wird dabei z. T. der Eingriff der Krankenversicherer in die Arzt-Patienten-Beziehung gesehen.217 Laut einer Studie von Shapiro et al. führt Managed Care nicht nur zu einer Veränderung des Verordnungsverhaltens infolge der Anwendung von Leitlinien, sondern auch zu Einschränkungen im Überweisungsverhalten infolge der Angst vor zu hohen Kosten. Darüber hinaus ergab die Studie, dass Managed-Care-Ärzte aufgrund des Blicks aufs Budget ihre Sprechstundenzeit reduzieren. Unter selektivem Kontrahieren versteht man, dass Krankenkassen direkt mit einzelnen medizinischen Leistungserbringern Verträge abschließen. Dies erfolgt bei Managed-Care-Organisationen in unterschiedlicher Intensität. Während Staff-Modelle die Ärzte direkt beschäftigen, existieren bei Network-Modellen nur Versorgungsverträge mit einzelnen Ärzten bzw. Ärztegruppen (vgl. Kapitel 3.2.1.3). Dies hat zum einen eine Kostenreduktion und -kontrolle zum Ziel, da durch die Vertragsverhandlungen zwischen den Ärzten Wettbewerb erzeugt wird, wodurch Preissenkungen für die Kassen möglich werden.218 Ferner ist durch die vertragliche Einbindung der Ärzte eine stärkere Forderung nach Einhaltung festgesetzter Qualitätskriterien möglich. Schließlich besteht die Möglichkeit der Kapazitätskontrolle, indem lediglich diejenigen Kapazitäten vorgehalten werden, die auch tatsächlich von den Versicherten benötigt werden. Der Nachteil des selektiven Kontrahierens liegt vor allem in der eingeschränkten Arztwahl für die Versicherten. Hier kann es zu einer Gefährdung der Arzt-Patienten-Beziehung und in ländlichen Gegenden zu Versorgungsengpässen kommen. Für Ärzte besteht die Gefahr, durch erhöhten Wettbewerb unter den Leistungserbringern auf höhere Honorare zu verzichten, um nicht aus den Netzwerken ausgeschlossen zu sein. Durch die enge Vernetzung aller Beteiligten in einem Verbund aus Versicherung und Leistungserbringung besteht für die Versicherten in Managed-Care-Organisatio-
Baumberger, J. (1997), S. 255. Vgl. Böhlert, I. et al. (1997), S. 488. 214 Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 99. 215 Unter „doctor hopping“ versteht man, wenn ein Patient für denselben Behandlungsfall unterschiedliche Ärzte aufsucht. Vgl. Baumann, M. / Stock, J. (1996), S. 123. 216 Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 102. 217 Vgl. zu den Ausführungen in diesem Absatz Shapiro, R. S. et al. (2000), S. 71. 218 Vgl. Wiechmann, M. (2003), S. 57 f. 212 213
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nen das Angebot einer umfassenden sektorübergreifenden Versorgung.219 In einigen MCOs werden, neben dem ambulanten und stationären Sektor, auch Apotheken und Pflegedienste in das Gesamtpaket mit eingeschlossen.220 Die sektorübergreifende Versorgung stellt dabei sowohl eine klinische als auch eine informationelle Kontinuität über den Versorgungsprozess dar.221 Darum ist bei der Organisation von MCOs die Zusammenführung aller Informationen der Leistungserbringer über den Krankenfall und seine Verlaufsgeschichte notwendig.222 Leitlinien (Guidelines) sind ein wesentliches Element von Managed Care.223 Nach einer Definition des Sachverständigenrates Gesundheitswesen sind Clinical-practice Guidelines (bzw. evidenzbasierte Leitlinien, Richtlinien, Empfehlungen) systematisch entwickelte, evidenzbasierte Entscheidungs- und Orientierungshilfen für medizinische Maßnahmen.224 Diese sollen entsprechend dem Institute of Medicine eine „individuell angemessene gesundheitliche Versorgung gewährleisten“225. Sie beziehen sich auf ein definiertes Krankheitsbild, für das schriftliche Handlungsempfehlungen zur Diagnostik und Behandlung sowie zum Umgang in schwierigen Situationen gegeben werden.226 In Amerika wird zwischen Guidelines (Verfahrensrichtlinien, die dem Arzt einen Handlungsspielraum lassen) und Protocols (bindende Verfahrensvorschriften) unterschieden.227 Da Letztere in Deutschland wohl aber kaum durchsetzbar wären, stellen Guidelines hier nur Orientierungshilfen dar, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann.228 In der Literatur wird für den Einsatz von Leitlinien eine Vielzahl von Gründen genannt. Dazu gehören u. a.: • Anleitung des Arztes zu wissenschaftlich begründetem und ökonomischem Handeln, • Ersatz von fallweise getroffenen Entscheidungen durch standardisierte, • Reduktion der Anzahl überflüssiger medizinischer Maßnahmen (und Kosten), • Abbau von Versorgungsdefiziten,
Vgl. Holdford, D. (1998), S. 260; Hildebrandt, H. / Domdey, A. (1996), S. 50. Vgl. Holdford, D. (1998), S. 264. 221 Vgl. Rosenbrock, R. (1999), S. 21. 222 Vgl. Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 593. 223 Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 107. 224 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 84, Punkt 226. 225 Scherenberg, V. (2003), S. 54. 226 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 54 sowie Oedekoven, C. / Volmer, T. / Meyer, A. (2000), S. 13. 227 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 81. 228 Vgl. Oedekoven, C. / Volmer, T. / Meyer, A. (2000), S. 13; Baumberger, J. (2001), S. 83; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 a), S. 84, Punkt 226. 219 220
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• Definition optimaler Behandlungsstrategien sowie • Information der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit bestimmter ärztlicher Eingriffe.229 Bei den Leitlinien kann zwischen arzt- und patientenbezogenen Leitlinien unterschieden werden.230 Erstere können nochmals unterteilt werden hinsichtlich symptom-, diagnose- oder an bestimmten Behandlungsverfahren orientierten Guidelines,231 die den Einsatz spezifischer Maßnahmen bei der Patientenbehandlung beschreiben. Darüber hinaus können Leitlinien nach dem Grad der Verbindlichkeit unterschieden werden. Die mittels Guidelines erzielten Verbesserungen sind vielfältig. Zum einen ist die Verbesserung der medizinischen Versorgung bereits vielfach wissenschaftlich erwiesen.232 Darüber hinaus wird die Variationsbreite der Behandlungen ein- und derselben Krankheit reduziert, was gleichzeitig zu einer Qualitätssicherung, aber auch Kostenreduktion führt.233 Als Hauptnachteil von Guidelines werden meist die starke Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit und die damit einhergehende geringe Akzeptanz bei den Leistungserbringern genannt.234 Vielfach werden Guidelines von den Ärzten als „Kochbuchmedizin“ kritisiert, doch kann dieser Kritik entgegengehalten werden, dass die endgültige Therapie durch die Integration der Empfehlungen aus den Leitlinien, der individuellen Erfahrungen und des Patientenwunsches nicht doktrinartig festgelegt ist, sondern vom Einzelfall abhängt.235 Es geht dabei nicht um eine Vorwegnahme der ärztlichen Entscheidung, sondern die Unterstützung im Behandlungsfall. Unter Utilization Management, einem weiteren Managed-Care-Element, versteht man die prospektive, begleitende und retrospektive Beobachtung und Beeinflussung der Inanspruchnahme von Leistungen.236 Dieses Instrument wird sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich eingesetzt. Dabei wird versucht, durch „strikte Kontrolle des Leistungsgeschehens die Kosten zu senken, die Effizienz zu erhöhen und die Qualität zu verbessern“237. Die Kontrolle der Inanspruchnahme (Utilization Review) erfolgt dabei von der stationären Einweisung bis zur Entlassung sowie bei Leistungen im ambulanten Bereich.238 Neben der Reduktion der Notwendigkeit staVgl. Bloch, R. E. et al. (1997), S. A 2154, sowie Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 106. 230 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 38. 231 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 16. 232 Vgl. Nesse, R. E. et al. (2000), S. 43. 233 Vgl. Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 65; Armstrong, E. P. / Langley, P. C. (1996), S. 55. 234 Vgl. Lepping, M. (1996), S. 144. 235 Vgl. Sackett, D. et al. (1996), S. 72. 236 Vgl. Neuffer, A. B. (1997), S. 132. 237 Arnold, M. et al.(1996), S. 8. 238 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 15.
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tionärer Behandlungen zielt das Utilization Management auf die Bereitstellung handlungsrelevanter Informationen ab, um so ein kosten- und qualitätsoptimales Leistungsangebot ermöglichen zu können.239 Im Gegensatz zum Disease Management, welches sich auf die systematische und standardisierte Versorgung einer Gruppe von chronisch kranken Patienten bezieht, versteht man unter Case Management bzw. Fallmanagement die individuelle, koordinierende und unterstützende Versorgung spezieller Pflegebedürftiger (Schwerkranke, Behinderte, Ältere) im Rahmen eines Prozesses, in dem Umfang und Art der notwendigen Therapieanforderungen und -möglichkeiten ermittelt, geplant, implementiert, koordiniert, gemonitort und evaluiert werden, um ein qualitatives und kosteneffektives Behandlungsergebnis zu erzielen.240 Es handelt sich dabei um die ausschließliche Konzentration auf das Management einzelner kostenintensiver Patienten. Durch den Ansatz der Einzelbetreuung des Patienten kann Case Management die spezifischen Bedürfnisse des Patienten hinsichtlich Therapie, Pflege oder sozialen Umfeldes wesentlich genauer beantworten, ist aber dadurch ressourcen- und kostenintensiver.241 In der Regel wird diese Art der Versorgung von speziell ausgebildeten Case Managern durchgeführt, die als bereichsübergreifende Koordinatoren fungieren.242 Ihr Handeln zielt folglich darauf ab, kostenintensive Behandlungen durch alternative Formen zu ersetzen. Bspw. können so Krankenhausaufenthalte durch temporäre Betreuung in Rehabilitationszentren oder zu Hause substituiert werden. Man unterscheidet dabei zwischen personenorientiertem Case Management, bei dem die individuelle Betreuung des Patienten im Vordergrund steht, und fallorientiertem Case Management, das sich eher an dem medizinischen Problem eines bestimmten Patienten ausrichtet.243 Case Management kann sowohl prospektiv (in Form der Vorbereitung und Entlassungsplanung von Krankenhausaufenthalten) als auch retrospektiv erfolgen. Bei Letzterem werden spezielle Versorgungspläne für Patienten mit häufigen Krankenhauseinweisungen oder Notfällen entwickelt, um sie bei ihrer Lebensführung zu unterstützen.244 Case Management hat zwei Aspekte: Zum einen wird die Behandlung von Individuen (und teilweise auch ihrer Familien) organisiert, zum anderen werden Prozesse im Rahmen der Therapie entwickelt, die zu einer Kontinuität der Versorgung führen sollen.245 Teilweise kann die Unterstützung durch den Case Manager auch bis zur Beantwortung finanzieller Fragen reichen.246 Vor allem aber sollen durch die optimale Vgl. Neuffer, A. B. (1997), S. 133. Vgl. Radzwill, M. A. (2002), S. 279; Szathmary, B. (1999), S. 166. 241 Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 131. 242 Vgl. Neuffer, A. B. (1997), S. 135; Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 597. 243 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 166. 244 Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 132. 245 Vgl. Gerson, V. (1997), S. 78. 246 Vgl. Wiechmann, M. (2003), S. 63. 239 240
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Nutzung der verfügbaren Ressourcen und durch bessere Kommunikationsprozesse zwischen allen Beteiligten die Kosteneffektivität und Qualität der Versorgung verbessert werden.247 In amerikanischen Studien konnte die positive Wirksamkeit von Case Management hinsichtlich reduzierter Einweisungen und kürzerer stationärer Verweildauer nachgewiesen werden.248 Die Qualitätssicherung ist eines der wesentlichen Elemente von Managed Care, da das ganze System auf die kosteneffektive Behandlung bei hoher Qualität abzielt. Um die durch Kostenaspekte systemimmanenten Gefahren der Qualitätsverschlechterung zu vermeiden, sind Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei Managed Care elementar.249 Das Qualitätsmanagement zielt darauf ab, Anreize und Organisationsmodelle zu entwickeln, die die Qualität im Rahmen der gesetzten Ziele der Managed Care Organisation fördern.250 Als Instrumente hierfür werden bspw. Anleitungen (Quality Assurance Documents) oder Gremien (Quality Assurance Committees) genutzt.251 Darüber hinaus werden regelmäßige Outcome-Studien durchgeführt, um die Qualität zu überwachen und Änderungsanforderungen aufzudecken.252 Utilization Review Committees bzw. Quality Management Committees untersuchen kontinuierlich die Kosten und Qualität der Organisation. 3.2.1.3 Organisationsformen von Managed Care Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationsformen. Sie unterscheiden sich vor allem in der Wahl der Träger (Gewerkschaften, Ärztegruppen, etc.), der eigenen medizinischen Kapazitäten, der Art des Vertragsverhältnisses zu den Ärzten, der Größe der Managed-Care-Organisation, den eingesetzten Instrumenten sowie im Grad der Wahlfreiheit der Patienten.253 Die typische und am meisten verbreitete MCO-Form ist die Health Maintenance Organization (HMO). Ihr Kennzeichen ist die vollständige Integration der Finanzierung und Leistungserbringung, d. h. sie tritt am Markt sowohl in der Funktion als Versicherer als auch als Leistungserbringer auf.254 Für eine feste Prämie werden die medizinischen Leistungen entweder durch sie selber oder durch vertraglich angeschlossene Ärzte und Krankenhäuser erbracht.255 In sehr großen HMOs sind alle notwendigen Versorgungseinrichtungen – vom Primärarzt bis zum Spezialkrankenhaus – vertreten.256 Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 131. Vgl. hierzu bspw. Naylor, M. D. et al. (1999), S. 613–620. 249 Vgl. Wiechmann, M. (2003), S. 68. 250 Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 146. 251 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 15. 252 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 15. 253 Vgl. Arnold, M. / Jelastopulu, E. (1996), S. 75; Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 7. 254 Vgl. Arnold, M. / Jelastopulu, E. (1996), S. 75; Lankers, C. H. R. (1997), S. 21. 255 Vgl. Arnold, M. / Jelastopulu, E. (1996), S. 75. 256 Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 37. 247 248
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In Abhängigkeit der unterschiedlichen Vertragsverhältnisse zu den Ärzten lassen sich vier Typen von HMOs unterscheiden:257 • Staff Model (Belegschaftsmodell): Hier beschäftigt die HMO die Ärzte direkt; diese sind weisungsgebunden und unterliegen somit der direkten Kontrolle. Es handelt sich um die strengste Form von Managed Care mit der stärksten Integration von Versicherung und Leistungserbringung. • Group Model (Gruppenmodell): Hier hat die HMO ein Vertragsverhältnis mit meist freiberuflichen Ärzten. Die medizinische Behandlung ist an bestimmte Leitlinien der HMO gebunden. • Network Model (Netzwerkmodell): Es besteht ein Versorgungsvertrag mit einem Netzwerk von kleinen Ärztegruppen. • Independent Practice Associations (individuelles Praxismodell): Es besteht ein Versorgungsvertrag mit einzelnen Ärzten oder Zusammenschlüssen unabhängiger Ärzte. Sonderform ist hier die Physician Hospital Organization (PHO) für den stationären Bereich. Neben den HMOs existieren noch weitere Formen von Managed-Care-Organisationen: • Preferred Provider Organizations (PPO): Sie unterscheiden sich von den HMOs vor allem dadurch, dass die Ärzte nicht am Versicherungsrisiko beteiligt sind, das Gatekeeper-Prinzip selten angewendet wird und die Leistungen als Einzelleistungsvergütung (ambulanter Bereich) bzw. Fallpauschalen (stationärer Bereich) abgerechnet werden. Stattdessen ist die Eigenbeteiligung erhöht und die Leistungserbringer gewähren z. T. Preisrabatte.258 • Point of Service Organizations (POS): Diese Versicherungsform stellt eine Mischform aus PPO und HMO dar: Der Patient hat die Wahl, ob er entweder Leistungen innerhalb des HMO-Netzwerks mit Steuerung des Behandlungsablaufs durch den Gatekeeper, eingeschränkter Wahlfreiheit aber geringeren Versicherungsprämien bevorzugt, oder gegen Zuzahlung einen höheren Grad an Wahlfreiheit und Leistungen auch außerhalb der HMO erhält.259 Darüber hinaus können Managed-Care-Organisationen nach weiteren Gesichtspunkten unterschieden werden: Zum einen kann zwischen gewinnorientierten und nicht gewinnorientierten Organisationen differenziert werden,260 wobei sich die „for profit“-Gesellschaften vor allem durch ihren steuerlichen Status und das Streben nach hoher Rendite für die Kapitalgeber von den „non for profit“-Unternehmen unterscheiden.261 Zum anderen bestehen Unterschiede in den Aufnahmeprinzipien für weitere Leistungserbringer.262 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 7. Vgl. hierzu bspw. Erdmann, Y. (1995), S. 104–110 sowie Seitz, R. / König, H.-H., Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 8 f. 259 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H., Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 8 f. 260 Vgl. Rachold, U. (2000), S. 78. 261 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 10. 262 Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 39.
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Schließlich können die Modelle auch im Grad der Wahlfreiheit unterschieden werden, der den Patienten in der Organisation gewährt wird. Während HMOs die Wahlfreiheit für den Patienten deutlich einschränken, bieten PPOs und POSs unter dem Kompromiss der Zuzahlung deutlich größere Wahlleistungen. Ähnliche Einschränkungen sind jeweils auch immer für die Leistungserbringer vorhanden. 3.2.1.4 Voraussetzungen Hauptvoraussetzung zum Betrieb einer Managed-Care-Organisation ist ein ausreichend großes Netz an Leistungserbringern. Nur wenn die Organisation eine weitgehend flächendeckende und sektorenübergreifende Patientenversorgung bereitstellen kann, hat sie die Möglichkeit, einen hohen Anteil an Versicherten anzuziehen und diesen auch wirtschaftlich zu betreuen.263 Die Ausübung der im Rahmen von Managed Care geforderten Management-Funktionen erfordert eine spezielle Qualifikation der Ärzte. Weder Gatekeeping noch Case Management kann ohne zusätzliche Weiterbildung vom Arzt durchgeführt werden. Darüber hinaus müssen die organisatorischen Rahmenbedingungen an diese Managementtechniken angepasst werden.264 In seiner neuen Rolle ist der Hausarzt auch für die kosten- und qualitätsoptimale Leistungserstellung zuständig. Dies wird nochmals verstärkt, wenn er über Kopfpauschalen vergütet wird und er somit auch das finanzielle Risiko der Behandlung trägt. Er übernimmt nun nicht nur die medizinische, sondern auch die wirtschaftliche Verantwortung für den Patienten im Rahmen des Versorgungsprozesses.265 Gleichzeitig besteht darin auch ein Anreiz für ihn: Aufgrund von Vorbeugung bzw. guter Therapie nicht entstandene Leistungen erhöhen seinen individuellen Gewinn. Darüber hinaus wird die Rolle der Leistungserbringer durch die Gestaltung der neuen Beziehungen zueinander erweitert, da die Ärzte durch die vertikale Vernetzung zu intensiverer Zusammenarbeit verpflichtet sind. Der Arzt wird damit zu einem Gruppenmitglied mit breiterer Verantwortung,266 der sich über die Aufgabenteilung zwischen seiner Rolle und der des Spezialisten im Klaren sein muss.267 Auch der Patient übernimmt im Managed Care eine neue Rolle, da er in Form von Selbstmanagement stärkere Verantwortung für seine Gesundheit bzw. Krankheit trägt. Durch finanzielle Anreize von Seiten der Kassen wird dieses aktive Rollenverständnis belohnt.268 Schließlich verändert sich auch die Rolle der Krankenkassen, die von bloßen Leistungszahlern zu Einkäufern von qualitativ hochwertigen Versorgungselementen werden.269 Vgl. Neuffer, A. B. (1997), S. 128. Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 17. 265 Vgl. Baumberger, J. (1997), S. 255. 266 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 187 und 191. 267 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 190. 268 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 62. 269 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 96. 263 264
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3.2.1.5 Nutzen/Vorteile Als großer Vorteil von Managed Care ist die kontinuierliche Betreuung des Versicherten durch seinen Hausarzt, den Gatekeeper, zu nennen. Durch das GatekeeperSystem wird der Präventionsgedanke gefördert270 und Doppeluntersuchungen sowie überflüssige Facharzt- und Klinikbehandlungen vermieden. Dies hat zu niedrigeren Kosten bei Managed-Care-Organisation im Vergleich zu traditionellen Versicherungsunternehmen geführt.271 Managed Care kann jedoch nicht nur zu einer kostengünstigeren Versorgung, sondern auch zu gleichzeitigen Qualitätssteigerungen führen,272 was vor allem aus dem stärkeren Fokus auf Prävention und Koordination sowie aus der Beschränkung auf nachweislich effektive Leistungen in Form von Guidelines resultiert.273 Darüber hinaus führt Managed Care aufgrund des aktiven Managements von Daten und deren Evaluation zu einer hohen Transparenz des Behandlungsablaufs, wodurch die Qualität der Behandlung nochmals erhöht wird. Bei den Versicherten resultieren finanzielle Vorteile aus Managed Care aus niedrigeren bzw. weniger stark ansteigenden Prämien.274 3.2.1.6 Schwierigkeiten und Nachteile Baumberger nennt vor allem vier Gefahren, die durch die Einführung von ManagedCare-Systemen auftreten können:275 • Probleme bei der System-Einführung: Durch die Implementierung von Managed Care entstehen neue Rollenverteilungen und Aufgaben für die Beteiligten, was vielfach zu Konflikten bis hin zum möglichen Scheitern des Netzwerkes führen kann. • Gefährdung der Versorgungsqualität: Durch die Übernahme der wirtschaftlichen Verantwortung bzw. des Morbiditätsrisikos durch die Leistungserbringer besteht die Gefahr, dass diese aufgrund von Profitmaximierung Leistungen unterlassen oder in ungenügender Weise und Menge erbringen. Darüber hinaus ist es möglich, dass teuere Leistungen durch billigere substituiert werden, auch wenn dadurch deutliche Einschnitte in der Qualität in Kauf genommen werden müssen. Schließlich kann es im Rahmen des selektiven Kontrahierens zu Qualitätseinbußen kommen, wenn die Krankenkassen ihre Leistungserbringer ausschließlich nach finanziellen Gesichtspunkten ausgewählen. • Risikoselektion durch die Managed-Care-Organisationen und Leistungserbringer: Es besteht die Gefahr, dass Leistungserbringer und MCOs das System benützen, Vgl. Arnold, M. / Jelastopulu, E. (1996), S. 77. Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 18. 272 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 18; Lankers, C. H. R. (1997), S. 16; Baur, A. / Böcker, K. (2000), S. 10; Arnold, M. / Jelastopulu, E. (1996), S. 78. 273 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 18. 274 Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 18. 275 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 104. 270 271
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um sich auf gute Morbiditäts- und Versicherungsrisiken zu konzentrieren. Dies birgt vor allem für chronisch Kranke mit hohen Krankheitskosten oder Patienten in niedriger sozialer Lage, die mit einem tendenziell höheren Krankheitsrisiko ausgestattet sind, die Gefahr, nicht oder nur zu hohen Beiträgen in den MCOs aufgenommen zu werden. • Monopolistische Strukturen: Durch Managed-Care-Organisationen kann es sowohl zu einem Angebotsmonopol (neue Leistungserbringer haben aufgrund eines großen Managed-Care-Netzwerkes keine Möglichkeit der Niederlassung, wenn ein Versicherer weitgehend das Gebiet abdeckt) als auch zu einem Nachfragemonopol von Seiten der Versicherer als Nachfrager kommen (um im Netzwerk vertreten sein zu können, müssten Ärzte u.U. ihre Preise für Leistungen derart reduzieren, dass die erwünschte Behandlungsqualität nicht mehr gegeben wäre.). Als weiterer Kritikpunkt ist die Einschränkung der Handlungsfreiheit für Patienten und Ärzte zu nennen. Für die Patienten besteht der „Freiheitsentzug“ in der Begrenzung der freien Arztwahl durch das Gatekeeper-System. Hierfür muss den Versicherten ein nennenswerter Gegenwert geboten werden, der entweder qualitativ oder finanziell erfolgen kann.276 Für die Ärzte kann es durch die vorgegebenen Guidelines zu einer starken Einschränkung der Therapiefreiheit kommen. Darüber hinaus muss der durch die Primärarztstruktur erzeugte Anreiz, die Leistungen vorwiegend im ambulanten Bereich zu erbringen, nicht unbedingt zu einer Reduktion der Gesamtkosten führen. Dies wäre bspw. der Fall, wenn es sich lediglich um eine Kostenüberwälzung vom stationären in den ambulanten Bereich handelt oder wenn die durch niedergelassene Ärzte erbrachten Leistungen nicht kostengünstiger sind.277 Baur/Böcker weisen darauf hin, dass das US-Gesundheitssystem trotz Managed Care als das teuerste der Welt gilt (gemessen in Prozent vom Bruttosozialprodukt).278 3.2.1.7 Managed Care in Deutschland Seit einigen Jahren wird Managed Care als Modell auch für Deutschland angeregt. Dabei sind einige MC-Elemente nicht nur im deutschen Gesundheitswesen bereits zu finden. In der Unfallversicherung werden bspw. schon seit langem das Leistungsgeschehen gesteuert, die Versorgung vernetzt und der Zugang zu Leistungen geregelt.279 Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung werden Managed-Care-Elemente, wie z. B. Netzwerkmanagement, Integrationsgedanken und neue Vergütungsformen bisher jedoch vor allem in Praxisnetzen angewendet.280
Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 103. Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 18. 278 Vgl. Baur, A. / Böcker, K. (2000), S. 10. 279 Vgl. Lorenz, K.-P. et al. (2000), S. 128. 280 Vgl. Lorenz, K.-P. et al. (2000), S. 128. 276 277
3.2 Managed Care und Integrierte Versorgung als struktureller Rahmen für Disease Management
45
Zahlreiche Autoren argumentieren, dass Managed Care in Deutschland erst in den Kinderschuhen steckt281 bzw. gar nicht in seiner Grundform (oder der amerikanischen Weise) auf Deutschland übertragbar ist.282 Als Gründe werden hierfür genannt, dass die erzielten Einsparungen nicht an die Versicherten weitergegeben werden können,283 was jedoch, wie man im Fall der Modellvorhaben sieht, nicht zutrifft. Gegen die Einführung von Managed Care spricht für Lorenz et al. unter anderem der sozialstaatliche Gedanke der GKV, dessen Strukturen bei einer Managed-CareEinführung abgeschafft werden müssten.284 Richtig ist, dass die vollständige Übertragung des Managed-Care-Modells auf das deutsche Gesundheitswesen einem Komplettumbau des Systems gleichkäme.285 Aus diesem Grunde wird man auch zukünftig für das deutsche System lediglich diejenigen Elemente herausgreifen, die sowohl die Effizienz als auch Effektivität der Versorgung verbessern.
3.2.2 Darstellung der Integrierten Versorgung Um die mangelnde Kooperation und Koordination der deutschen Leistungserbringer und das Fehlen einzelvertraglicher Lösungen zu beseitigen, wurde im Rahmen der Gesundheitsstrukturreform im Jahre 2000 die Vertragsform der Integrierten Versorgungsformen in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen. Das Ziel der Reformen bestand darin, den Handlungsspielraum der Krankenkassen deutlich zu erweitern, um damit einen weiteren Schritt in Richtung Wettbewerb und effiziente Versorgung zu gehen.286 In Deutschland wird vielfach die Integrierte Versorgung mißverständlicherweise mit der Vertragsform der ‚Integrierten Versorgungsform‘ des § 140 a–d SGB V gleichgesetzt. Das folgende Kapitel beschreibt die Grundform der Integrierten Versorgung, die im weiteren Sinne eine mögliche Ausgestaltungsform von Managed Care darstellt. Die gesetzlichen Regelungen in Deutschland, Modellvorhaben (§§ 63–65 SGB V), Strukturverträge (§ 73 a SGB V). und Integrierte Versorgungsformen (§ 140 a–d SGB V), werden dann in den Kapiteln 3.2.3.3 bis 3.2.3.2 erläutert. Auch bei den strukturierten Behandlungsprogrammen (§ 137 f in Verbindung mit § 137 g SGB V), den sogenannten DMPs, handelt es sich medizinisch wie ökonomisch um Integrierte Versorgung. 3.2.2.1 Definition und Ziele Unter „Integrierter Versorgung“ versteht man einen übergreifenden Versorgungsprozess, der die verschiedenen Leistungssektoren des Gesundheitswesens ergebnisVgl. Rychlik, R. et al. (2000), S. 311. Vgl. Neuffer, A. B. (1997), S. 5; Rychlik, R. et al. (2000), S. 312; Lankers, C. H. R. (1997), S. 133; Lorenz, K.-P. et al. (2000), S. 128. 283 Vgl. Arnold, M. / Jelastopulu, E. (1996), S. 79. 284 Vgl. Lorenz, K.-P. et al. (2000), S. 128. 285 Vgl. Arnold, M. / Jelastopulu, E. (1996), S. 79 f. 286 Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 43, Glaeske, G. (2002), S. 4.
281 282
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orientiert miteinander verknüpft.287 Dabei kann es sich sowohl um die sektoren- als auch fachübergreifende Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten sowie Krankenhäusern und Einrichtungen der Rehabilitation und Pflege handeln.288 Während die sektorübergreifende Zusammenarbeit Versorger der ambulanten und stationären Leistungserbringung miteinander verbindet, erfolgt bei der fachübergreifenden Zusammenarbeit ein Zusammenschluss von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen.289 Angestrebt wird der kontinuierliche Behandlungsprozess nach evidenzbasierten Leitlinien von der Prävention über die Therapie bis hin zur Rehabilitation und Pflege im Rahmen eines entsprechenden Netzwerkes.290 Mühlbacher definiert den Beitrag der Integrierten Versorgung als „funktionenübergreifende, patientenorientierte, rationelle Versorgung mit Dienstleistungen des Gesundheitswesens über das gesamte Kontinuum von Gesundheitsbedürfnissen.“291 Dabei unterscheidet er zwischen Integration, als Neukomposition zwei oder mehrerer Einheiten, und Verzahnung, welche die ursprüngliche Trennung beibehält und lediglich die Schnittflächen neu ordnet.292 Bei der Integrierten Versorgung schließen Krankenkassen mit Leistungserbringern Verträge über eine Gesamtheit an erforderlichen Leistungen ab, die dann mit Blick auf die Patientenbedürfnisse unter Beachtung von Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsaspekten erbracht werden.293 Dies ist unabhängig davon, ob der Patient haus- oder fachärztlich, ambulant oder stationär behandelt wird und welche vorbeugenden oder rehabilitativen Maßnahmen er erhält.294 Es können zwei Grundformen der Integrierten Versorgung unterschieden werden: • die indikationsspezifische Versorgung, die auf die Versorgung vor allem chronisch kranker Patienten abzielt und sich auf bestimmte Krankheitsbilder konzentriert, und • die populationsbezogene Versorgung, die durch Versorgungsnetze erbracht werden kann.295 Alle beteiligten Gesundheitseinrichtungen der Krankheitsfrüherkennung, Behandlung und Rehabilitation müssen derart strukturiert verknüpft werden, dass sie auf das Gesamtziel der optimalen gesundheitlichen Versorgung ausgerichtet sind.
Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im deutschen Gesundheitswesen (2003), S. 226, sowie § 140 a SGB V i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 1 der Rahmenvereinbarung zur integrierten Versorgung. 288 Vgl. Heberer, J. (2004), o. S. 289 So geregelt in § 140 a, Abs. 1, Satz1 SGB V. 290 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 18. Stamm, J. (2005), S. IV/4. 291 Mühlbacher, A. (2002), S. 63. 292 Vgl. Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 595. 293 Vgl. Jacobs, K. / Wasem, J. (2003), S. 4. 294 Vgl. Jacobs, K. / Wasem, J. (2003), S. 4. 295 Vgl. Windhorst, K. (2002), S. 19.
287
3.2 Managed Care und Integrierte Versorgung als struktureller Rahmen für Disease Management
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In der Literatur finden sich u.a. folgende Ziele und Funktionen von Integrierter Versorgung:296 • Senkung der Kosten und Verbesserung der Qualität der Behandlung, • Aufbau von Netzwerken, die die gesamte Patientenversorgung überspannen und Schnittstellen reduzieren, • Verbesserung der Information, Kommunikation und Koordination zwischen den einzelnen Behandlungsebenen, • Berücksichtigung von Leitlinien im Rahmen von Therapiekorridoren, • Aufbau von ökonomischer Verantwortung der Leistungsanbieter in den Versorgungsprozess, • die Repositionierung der Optimierung des Behandlungsablaufs in den Mittelpunkt des gesamten Prozess. Darüber hinaus gibt es folgende zielgruppenspezifische Ziele: • Auf Seiten der Patienten ist hier vor allem die effektivere und effizientere Krankenversorgung zu nennen, die durch erhöhte Abstimmung der Leistungserbringer erzielt werden soll. Der Patient soll bei der Integrierten Versorgung im Mittelpunkt stehen.297 • Für die Leistungserbringer stehen dagegen die Aspekte der verbesserten Nutzung und Teilung medizinisch-technischer Ressourcen und die damit einhergehende Reduktion der Überkapazitäten im Vordergrund. Darüber hinaus besteht für Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte die Möglichkeit, über die Verträge der Integrierten Versorgung ein umfassendes Versorgungsangebot von ambulanter, teilstationärer oder stationärer Diagnostik, Behandlung und Nachsorge aus einer Hand anzubieten.298 Damit können sie ihre Position im Wettbewerb stärken und zu einer Sicherung ihrer Arbeit beitragen.299 Erklärte Ziele von Praxisnetzen sind neben der adäquaten Versorgung der Patienten im ambulanten Bereich, die Reduzierung der Zahl der Krankenhauseinweisungen sowie eine Einflussnahme auf die Begrenzung der Krankenhausverweildauer auf das medizinisch notwendige Maß.300 • Auf Seiten der Krankenkassen und deren Verbänden zielt Integrierte Versorgung zum einen auf die Entwicklung innovativer Versorgungsstrukturen ab. Mit Hilfe Integrierter Versorgung können die Kassen einzelvertragliche Regelungen mit Ärzten abschließen, die bis dahin nicht möglich waren. So können Netzwerke von Ärzten gefördert werden, durch deren Testbetrieb die Funktionsfähigkeit dieser Strukturen überprüft werden kann. Zum anderen bietet sich durch die wissenschaftliche Evaluation die Möglichkeit, Zugang zu neuen Therapiestandards zu erlangen und evidenzbasierte Leitlinien zu entwickeln. Darüber hinaus können auch innovative Managementformen erprobt werden, da die Organisation der Netze in der Regel Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 64 und 67; Glaeske, G. (2002), S. 3 und 14; Plassmann, W. (2001), S. 15; Schenk, R. (2001), S. 9. 297 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 18. 298 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 141. 299 Vgl. Plassmann, W. (2001), S. 15. 300 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 45.
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nicht den gängigen Steuerungsregeln der ambulanten und stationären Versorgung entspricht. • Beim Gesetzgeber besteht das Ziel, einen Ansatz zur Problemlösung zu schaffen, um die skizzierten Schwachstellen in der Gesundheitsversorgung zu beseitigen.301 Durch die Überwindung der mangelhaften Kooperation zwischen den Gesundheitsdienstleistern sollen die Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsdefizite reduziert werden.302 Damit kann eine funktionenübergreifende, patientenorientierte, rationale Gesundheitsversorgung über alle Sektoren ermöglicht werden.303 Dies käme vor allem den (z. T. multimorbiden) chronischen kranken Patienten zugute, die häufig zugleich einer fachübergreifenden Behandlung bedürfen.304 3.2.2.2 Kennzeichen von Integrierter Versorgung Ein Großteil der Elemente von Managed Care ist auch in der Integrierten Versorgung zu finden, die Anzahl ist jedoch geringer. Als Elemente von Integrierter Versorgung werden in der Literatur die leistungsstellenübergreifende Versorgung, die zumindest teilweise finanziele und qualitative Verantwortungsübernahme der Ärzte, sowie die Kooperation und Kommunikation der Versorger genannt.305 Daneben können weitere Besonderheiten der Integrierten Versorgung beschrieben werden, wie die Interdisziplinarität, die eingeschränkte Arztwahl und die Steuerung der Patientenkarrieren durch den Leistungserbringer. Das wesentlichste, auch den Namen prägende Element der Integrierten Versorgung ist die leistungsstellenübergreifende Versorgung. Dieser Aspekt schließt die Prävention, Kuration, Rehabilitation und die Pflege mit ein. Es können zwei Arten der Integration unterschieden werden:306 • Die horizontale Integration verbindet Leistungsanbieter derselben Leistungsstufe mit dem gleichen medizinischen und pflegerischen Angebot. Hier liegt jedoch nur dann eine Integrierte Versorgung vor, wenn die Leistungserbringer sich gleichfalls zur Übernahme der Verantwortung für den gesamten Versorgungsprozess verpflichten. • Bei der vertikalen Kooperation erfolgt die Zusammenarbeit entlang des Versorgungskontinuums. Ein weiteres Kennzeichen der Integrierten Versorgung ist eine zumindest teilweise Übertragung der finanziellen und qualitativen Verantwortung auf das Versorgungsnetz.307 „Nur wenn neben der medizinischen auch die finanzielle VerantworVgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 18. Vgl. Jacobs, K. / Wasem, J. (2003), S. 4. 303 Vgl. Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 595 f. 304 Vgl. Jacobs, K. / Wasem, J. (2003), S. 4. 305 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Mühlbacher, A. (2002), S. 65 f. 306 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 65; Friedman, N. et al. (1999), S. 356; Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 596. 307 Vgl. Henke, K.-D. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (1998), S. 526. 301 302
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tung auf die Gruppe übertragen wird, entwickelt diese gleichgerichtete Verhaltensmuster, die ein möglichst hohes Maß an Effizienz wahrscheinlich machen.“308 Ferner ist die Kooperation und Zusammenarbeit der Versorger in der Integrierten Versorgung entscheidend.309 Sie bilden zugleich die Voraussetzung für die leistungsstellenübergreifende Versorgung.310 Die teilnehmenden Ärzte, Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen müssen teamorientiert zusammenarbeiten und ihre Prozesse kooperativ aufeinander abstimmen. Die Kooperation ist zum einen für den reibungslosen Versorgungsprozess, zum anderen für die Vollständigkeit der Patientendaten notwendig.311 Dadurch werden die notwendige Transparenz und die Basis für den Informationsaustausch geschaffen. Die Einführung neuer Versorgungsmodelle erfordert von allen Beteiligten neue Fähigkeiten in der Zusammenarbeit. Insbesondere die Kommunikation bildet einen zentralen Erfolgsfaktor für das Gelingen des Netzwerkes.312 Hierbei ist vor allem die Information über bereits durchgeführte bzw. veranlasste Behandlungsschritte zu nennen.313 Entscheidend ist auch die Schaffung eines verbindlichen Handlungsrahmens für Absprachen und Vereinbarungen, der bei vertragswidrigem Verhalten Sanktionen nach sich zieht.314 In Bezug auf das Merkmal der Interdisziplinarität ist darauf zu achten, dass alle relevanten Fachdisziplinen integriert werden, weshalb auch die Rehabilitation, Pflege und Sozialarbeit einzuschließen sind.315 Die gemeinsame Behandlung und Therapie erfolgt durch die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Leistungsanbieter auf verschiedenen Versorgungsstufen. Ziel sollte ein „komplettes, alle Behandlungsaspekte umfassendes Versorgungssystem“316 sein. Ferner besteht ein Kennzeichen der Integrierten Versorgung in der eingeschränkten Arztwahl für den Patienten. Diese hat den Vorteil, dass im Netzwerk eine verbesserte Abstimmung zwischen den Leistungserbringern erfolgt, wodurch es zu abgestimmteren Versorgungsprozessen kommt. Eine Besonderheit der Integrierten Versorgung ist außerdem die Steuerung der Patientenkarrieren durch die Leistungserbringer.317 Der Arzt gibt damit dem Patienten die Struktur des Behandlungsablaufs vor und organisiert für ihn den Versorgungsprozess, wie dies im Case Management des Managed Care ebenfalls der Fall ist.
Plassmann, W. (2001), S. 22. Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 65. 310 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 19. 311 Vgl. o. V. (1999), S. 786. 312 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 23, 66 und 84. 313 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 66. 314 Vgl. Richard, S. (2001), S. 8. 315 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 65. 316 Mühlbacher, A. (2002), S. 45. 317 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 66. 308 309
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3.2.2.3 Voraussetzungen Die sektorübergreifende Verbindung der Integrierten Versorgung setzt leistungsfähige Informationssysteme voraus, die eine Vernetzung der Leistungserbringer ermöglichen.318 Ziel dieser Systeme ist es, allen Beteiligten die notwendigen Informationen zu jedem Zeitpunkt bereitstellen zu können.319 Durch den Einsatz elektronischer Medien wird die Kommunikation zwischen den Leistungsanbietern vereinfacht, vereinheitlicht und beschleunigt. Beispiele hierfür sind elektronische Patientenakten, Überweisungsbriefe und Therapie-Empfehlungen, die den Informationsaustausch der Behandlung (z. B. Diagnosen, Medikation, Röntgenbilder etc.) ermöglichen.320 Darüber hinaus dienen die modernen Informationssysteme der Speicherung und Auswertung aller benötigten Daten, die später in die Evaluation und Qualitätssicherung eingehen.321 Durch die Verzahnung soll die Effektivität und Effizienz der Einzelnen und damit auch des gesamten Netzes gesteigert werden.322 Auf der Schaffung einer vernetzten Informationsplattform liegt auch bisher der Schwerpunkt aller bisherigen neuen Versorgungsmodelle.323 Problematisch in Deutschland gestalten sich jedoch derzeit noch die datenschutzrechtlichen Bedingungen, die vor allem an die Speicherung und Zugriffsmöglichkeiten von Patientendaten besondere Anforderungen stellen. Für ein Zustandekommen Integrierter Versorgungsmodelle ist ferner das selektive Kontrahieren der Krankenkassen zwingend notwendig. Ferner wird der Aufbau neuer Honorierungssysteme vorausgesetzt.324 Neben Festbetrag, Kopfpauschale, Fallpauschale oder Einzelleistungsvergütung können auch Kombinationen dieser Entgelte eingesetzt werden. Ferner setzt die Einführung von Integrierter Versorgung voraus, dass, neben den Leistungserbringern, auch die Patienten ein erhöhtes Maß an Verantwortung durch ein verstärktes Selbstmanagement ihrer Krankheit übernehmen.325 Für die Patienten sollte die Teilnahme an der Integrierten Versorgung freiwillig sein. Um ihnen einen Anreiz zu setzen, können u. U. Einsparungen an die Patienten weitergegeben werden.326 „Ideelle Werte reichen für die Teilnahme an den integrierten Versorgungsformen kaum aus.“327 Studien zeigen, dass neben finanziellen Anreizen auch Sachwerte die Beteiligten zur Teilnahme motivieren können.328 Schließlich muss auch ein funkVgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 23. Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 69. 320 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 46. 321 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 69. 322 Vgl. Pilkington, G. / Pilkington, G. (1997), S. 124; Mühlbacher, A. (2002), S. 84. 323 Vgl. Eichhorn, S. / Schmidt-Rettig, B. (1998), S. 28. 324 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 67. 325 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 84. 326 Vgl. Meyer-Lutterloh, K. (1998), S. 68 f. 327 Baur, A. / Böcker, K. (2000), S. 14. 328 Vgl. Baur, A. / Böcker, K. (2000), S. 14. 318 319
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tionsfähiges Qualitätsmanagement sichergestellt sein, um die Bedürfnisse der Patienten optimal zu befriedigen.329 3.2.2.4 Nutzen/Vorteile Zu den Hauptzielen der Integrierten Versorgung zählt, wie bereits erwähnt, die verbesserte und sektorübergreifende Koordination der Versorgung. Durch intensiveren Austausch (im Rahmen von Qualitätszirkeln und Fortbildungen) und durch bessere Dokumentation des Behandlungsablaufs soll eine effizientere und qualitativ höherwertige Versorgung der Patienten erreicht werden. Für die Krankenkassen bringt der Einsatz von Integrierter Versorgung entscheidende Kostenersparnisse durch die stufenübergreifende Versorgung und das Prinzip „ambulant vor stationär“.330 Die Kassen können aber auch durch die verbesserte Qualität der Versorgung Wettbewerbsvorteile generieren. Die Patienten können bei Teilnahme an Programmen der Integrierten Versorgung eine qualitativ bessere und patientenorientiertere Versorgung erwarten. Der Gatekeeper ermöglicht dem Patienten eine gesteuerte und sektorübergreifende Behandlung, die die Koordination der prä- und postoperativen Prozesse übernimmt. Dadurch werden Doppeluntersuchungen z. B. im Rahmen von Diagnoseerstellungen vermieden und stationäre Aufenthalte reduziert. Für die niedergelassenen Ärzte bestehen die Vorteile vor allem in der Stärkung ihrer Position. Durch ihre Rolle als Koordinator nehmen sie größeren Einfluss auf den Behandlungsprozess des Patienten, als dies bis dahin der Fall war. Durch die Integrierte Versorgung können niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser auch finanzielle Vorteile erzielen, da die neuen Verträge in der Regel mit veränderten Vergütungsformen einhergehen. Ferner kommt es für die Leistungserbringer zu einer Absicherung ihrer Position, da die sektorübergreifende Zusammenarbeit im Ärztenetzwerk vertraglich gefordert ist. Im Rahmen der speziell festgelegten Behandlungskorridore ist damit die Teilnahme des jeweiligen Leistungserbringers gefestigt. Für Krankenhäuser kann es darüber hinaus auch u. U. zu einer Ausweitung des Angebotsspektrums kommen, wenn im Rahmen der Verträge besondere Behandlungs- oder Therapieformen vereinbart werden, die bis dahin nicht oder nur selten durchgeführt wurden. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn ein bis zum Zeitpunkt der Einführung der Integrierten Versorgung noch nicht spezialisiertes Krankenhaus sich vertraglich zum Aufbau eines Lungenfachbereichs mit Pneumologen verpflichtet. 3.2.2.5 Schwierigkeiten und Nachteile Die Umsetzung der Integrierten Versorgung birgt jedoch auch einige Schwierigkeiten. Die Krankenkassen müssen nun neue Aufgaben übernehmen, die bislang vor allem im Tätigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung lagen, wie z. B. die Abrechnung und Verteilung der Honorare. Ferner müssen die Kassen ein sektorüber329 330
Vgl. Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 596. Vgl. Selbmann, H.-K (1997), S. 257.
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greifendes Budget zur Verfügung stellen, das für die gesamte Integrationsversorgung gilt.331 Integrierte Versorgung hat zum Ziel, effizienter und effektiver zu sein als die normale Versorgung. In diesem Falle könnte im Umkehrschluss eingewendet werden, dass die in der traditionellen Versorgung verbleibenden Patienten weniger effizient und effektiv behandelt werden, so dass sie zu den Verlierern dieses Versorgungsmodells gehören würden.332 Von den teilnehmenden Patienten kann auch die eingeschränkte Arztwahl und die Weitergabe ihrer Patientendaten im Ärztenetzwerk kritisiert werden. Teilnehmende Ärzte müssen ein Mehr an Arbeit für Organisation in Kauf nehmen, die durch ihrer Funktion als Gatekeeper erwächst. Für die nicht teilnehmenden Leistungserbringer bestünde die Gefahr, dass sie ihre Patienten in einem solchen Maße verlieren, dass sie vor der Entscheidung stehen, entweder an der Integrierten VersorTabelle 2: Vor- und Nachteile von Integrierter Versorgung (Quelle: in Anlehnung an Schiedernoch, A. / Özyurt, E.L. (2004), S. 53 f.)
Vorteile Krankenkassen – Wettbewerbsvorteile (Qualität) – Kosteneinsparungen Patienten – Qualitativ bessere Versorgung der Teilnehmer – aktive Steuerung und prä-/postoperative Betreuung durch Gatekeeper – Vermeidung von Doppeluntersuchungen – Reduktion von Krankenhausaufenthalten
Nachteile – Neue Organisationsaufgaben, wie z. B. Abrechnung – Sektorübergreifendes Budget – Eingeschränkte Arztwahl – Weitergabe der Patientendaten – „gläserner Patient“
Nieder– finanzielle Anreize neuer Vergütungsformen – (Druck zur Teilnahme am gelassene – Stärkung der Position Netz) Ärzte – Imageförderung auch gegenüber Patienten – ggf. Mehrarbeit – Sicherheit durch feste Einbindung ins Ärztenetzwerk – Druck zur Teilnahme am Netz Kranken- – finanzielle Anreize neuer Vergütungsformen – (ggf. Reduktion der häuser – ggf. Ausweitung des Angebotsspektrums Patientenfälle) – Sicherheit durch feste Einbindung ins Ärztenetz – ggf. Reduktion der Patientenfälle
331 332
Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 15. Vgl. Plassmann, W. (2001), S. 16.
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gung teilzunehmen oder ihre Praxis zu schließen.333 Auch für die Krankenhäuser kann es z. T. zu einem Rückgang der Behandlungsfälle kommen, da das Ziel „ambulant vor stationär“ die ambulante Versorgung stärken soll.334 Beide Aspekte sind jedoch gesamtwirtschaftlich positiv zu bewerten. 3.2.2.6 Gegenüberstellung von Integrierter Versorgung und Managed Care Unterscheidet man die beiden Ansätze nach dem Grad der Zusammenführung von Finanzierung und Leistungserbringung, so steht die Integrierte Versorgung, im Vergleich zu Managed Care, erst am Anfang. Während Managed Care im Fall von HMOs beide Funktionen vollständig integriert, stellt die Integrierte Versorgung lediglich die vertragliche Basis hierfür dar: Bei den Verträgen der Integrierten Versorgung steht es den Krankenkassen frei, Einzelverträge mit Ärzten abzuschließen und diese auch entsprechend finanziell zu beteiligen. Ein Angestelltenverhältnis entsprechend dem Managed-Care-Modell besteht hier aber nicht. Damit sind beide Modelle zwar im Grad der horizontalen Integration – d. h. der sektoralen Zusammenarbeit der Leistungserbringer – gleich, jedoch unterscheiden sie sich im Grad der vertikalen Integration der Finanzierungs- und Leistungserbringerfunktion. Vergleicht man die Elemente von Integrierter Versorgung und Managed Care, so finden sich an vielen Stellen große Übereinstimmungen.335 Dennoch sind einzelne Elemente des Managed Care – z. B. Utilization Management, Guidelines und Qualitätsmanagement – für die Integrierte Versorgung nicht zwingend oder maßgeblich. Andere Elemente wiederum sind nicht im selben Maße ausgeprägt, wie dies z. B. bei der Integration der Versicherungs- und Leistungserbringungsfunktion der Fall ist.
3.2.3 Vertragliche Organisationsformen der Integrierten Versorgung in Deutschland 3.2.3.1 Strukturverträge (§ 73 a SGB V) Eigentlich sollten Strukturverträge in der GKV-Gesundheitsreform 2000 abgeschafft werden, worauf dann jedoch verzichtet wurde.336 Die Verträge haben das Ziel, neue Versorgungs- und Vergütungsstrukturen für Hausärzte bzw. vernetzte Praxen, d. h. Verbünde aus Haus- und Fachärzten, zu ermöglichen. Strukturverträge unterscheiden sich von Modellvorhaben durch die zwingende Einbindung der Kassenärztlichen Vereinigung als Vertreter der Ärzte. Sie werden in der Regel auf Landesebene geschlossen. Von Seiten der Krankenkassen kann der Vertrag nur auf Verbandsebene zustande kommen.337 Ferner ist es im Rahmen dieser
Vgl. Plassmann, W. (2001), S. 16. Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 14. 335 Vgl. z. B. Wiechmann, M. (2004), S. 80. 336 Vgl. Windhorst, K. (2002), S. 29. 337 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 171. 333 334
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Verträge möglich, Budgetvereinbarungen zu treffen, die den Praxisverbünden die Verantwortung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung übertragen.338 Als weiteres Unterscheidungsmerkmal zu den Modellvorhaben ist die unbefristete Dauer der Strukturverträge zu nennen. Nachteilig ist bei Strukturverträgen die Beschränkung auf den vertragsärztlichen Bereich; der stationäre Sektor kann nicht Bestandteil des Vertrags werden.339 Eine Einbindung der Krankenhäuser ist nur über dreiseitige Verträge möglich, die dann jedoch, bei gleichzeitiger Beteiligung des vertragsärztlichen Bereichs, der Zustimmung der KVen bedürfen.340 Damit ist eine sektorübergreifende Integration meist nicht oder nur schwer möglich. 3.2.3.2 Modellvorhaben (§§ 63–65 SGB V) Modellvorhaben dienen der Erprobung neuer, wettbewerbsorientierter Versorgungsformen.341 Ihre gesetzliche Regelung findet sich in den §§ 63–65 SGB V. Ihr Ziel war ursprünglich die Schaffung von Anreizen zu verstärkter Wirtschaftlichkeit in der Versorgung.342 Im Gesetz ist jedoch als grundsätzliches Ziel die Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung festgehalten.343 Bei den Modellvorhaben nach §§ 63–65 SGB V können zwei verschiedene Ausgestaltungsformen unterschieden werden: • Mittels Strukturmodellen haben Ärzte, Verbände und Krankenkassen die Möglichkeit, die „Weiterentwicklung der Verfahrens- Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen der Leistungserbringung“344 zu erproben. • Leistungsmodelle bilden dagegen die Rahmenvoraussetzung für „Leistungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten sowie zur Krankenbehandlung“345, wobei keine Leistungen beinhaltet sein dürfen, die von den Bundesausschüssen abgelehnt wurden.346 Modellvorhaben bieten Krankenkassen die Möglichkeit, Einsparungen an die Versicherten z. B. in Form von Beitragsrückzahlungen weiterzugeben. Im Unterschied zu Strukturverträgen sind Modellvorhaben in der Regel längstens auf acht Jahre befristet. Neben der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Projekte wird die Berücksichtigung der Zahl und Risikostruktur der betroffenen Versicherten beim Abschluss der Modellversuche vorausgesetzt. Als besondere Merkmale der Modellvorhaben gilt die Möglichkeit der Kassen, Verträge direkt – ohne Einbindung der KasVgl. Meyer-Lutterloh, K. (1998), S. 68 f. Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 37. 340 Vgl. Wille, E. (2004), S. 4. 341 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 34. 342 Vgl. Windhorst, K. (2002), S. 23. 343 Vgl. § 63 Abs. 1 SGB V. 344 § 63, Abs. 1 SGB V. 345 § 63, Abs. 2 SGB V. 346 § 63, Abs. 4 SGB V. 338 339
3.2 Managed Care und Integrierte Versorgung als struktureller Rahmen für Disease Management
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senärztlichen Vereinigung – mit den Vertragsärzten bzw. Krankenhäusern abzuschließen. 3.2.3.3 Integrierte Versorgungsformen (§ 140 a–d SGB V) Seit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 haben Krankenkassen die Möglichkeit, auf Basis der §§ 140 a–d SGB V Verträge abzuschließen, die eine sektorübergreifende Versorgung ermöglichen sollen. Die ursprünglich breit angelegte Vertragsform wurde im Jahre 2004 durch das GKV-Modernisierungsgesetz nochmals entscheidend konkretisiert. Dies war notwendig, da die Relevanz der neuen Versorgungsformen als Innovationskomponente in der ursprünglichen Form hinter den Erwartungen zurückblieb.347 Laut Gesetz sind zwei Arten von Integrationsversorgung möglich: Verträge über • sektorübergreifende Leistungen bzw. • interdisziplinär-fachübergreifende Leistungen.348 Darüber hinaus kann die Versorgung „indikationsspezifisch“ (Versorgungsketten für Patienten mit speziellen chronischen und versorgungsintensiven Krankheitsbildern) oder „nicht indikationsspezifisch/umfassend“ erfolgen.349 Als Beteiligte und Vertragspartner der Krankenkassen kommen, entsprechend § 140 b SGB V, neben einzelnen zugelassenen Ärzten und Praxisgemeinschaften, auch Träger von Krankenhäusern, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen sowie Träger medizinischer Versorgungszentren in Frage. Die Möglichkeit, direkt mit einzelnen Vertragsärzten zu kooperieren, wurde neu geschaffen und erweitert die Handlungsfähigkeit der Krankenkassen entscheidend.350 Während bis 2004 noch Kassenärztliche Vereinigungen als Vertragspartner anerkannt waren, ist in der neuen Fassung der §§ 140 a–d SGB V die vertragliche Einbindung der Kassenärztlichen Vereinigung ausdrücklich nicht mehr zugelassen. Auch wenn die vertragliche Einbeziehung der Krankenkassenverbände in den §§ 140 a–d SGB V nicht explizit erwähnt ist, so weist die Formulierung in § 140 d, Abs. 2, Satz 3 SGB V doch darauf hin, dass der Gesetzgeber auch die Verbände der Krankenkassen als Vertragspartner vorgesehen hatte.351 Neben den erwähnten Partnern können so genannte Managementgesellschaften – d. h. Träger von Einrichtungen, die Integrierte Versorgung mit zugelassenen Leistungserbringern anbieten – als Vertragspartner auftreten. An Verträge für Integrierte Versorgungsformen wird eine Reihe von gesetzlichen Anforderungen gestellt. Die Leistungserbringer haben zum einen eine „qualitätsgesicherte, wirksame, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Vgl. Baur, R. et al. (2000), S. 43. Vgl. § 140 a, Abs. 1, Satz 1 SGB V. Hierdurch wurde im Jahr 2004 der Spielraum für Integrierte Versorgungsformen erweitert. 349 Vgl. Späth, M. (2000), S. 1952. 350 Bis 2004 waren lediglich Gemeinschaften von Vertragsärzten als Vertragspartner anerkannt. 351 „… können auch die Krankenkassen oder ihre Verbände, die Vertragspartner der Verträge nach § 140 a sind …“ vgl. § 140 d, Abs. 2, Satz 3 SGB V.
347 348
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3 Reformansätze zur Verbesserung der medizinischen Versorgung
Versicherten“ zu gewährleisten.352 Die Leistungserbringung – auch in organisatorischer, betriebswirtschaftlicher und medizinisch-technischer Sicht – muss dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Darüber hinaus legt § 140 b verbindlich die koordinierte Zusammenarbeit aller Beteiligten fest, die ausreichend dokumentiert werden und allen zugänglich sein muss. Ferner darf es sich um ausschließlich von der GKV zugelassene Leistungen handeln. Die ursprüngliche Empfehlung zur wissenschaftlichen Begleitung wurde in den überarbeiteten §§ 140 a–d SGB V aufgehoben. Die Integrationsversorgung erlaubt den Krankenkassen, finanzielle Anreize sowohl bei den Leistungserbringern als auch bei den Patienten zu setzen. Für die Vertragspartner der Krankenkassen kann die Vergütung speziell vertraglich vereinbart werden, wofür ein Budget aus der Kürzung der vertragsärztlichen Gesamtvergütung und der Krankenhausrechnung um 1% aufgebaut wird. Es standen für dieses Budget im Jahr 2003 maximal 680 Mio.353 Euro zur Verfügung. Dadurch soll aber auch für Krankenkassen ein Anreiz geschaffen werden, neue Versorgungsformen einzuführen bzw. zu erproben. Ferner besteht die Möglichkeit, für Patienten eine Bonusregelung zu gestalten. Zwar wurde die ursprüngliche Bonusregelung des § 140 g SGB V gestrichen, doch steht nun die Bonusgewährung nach § 65 a, Abs. 2 SGB V und zusätzlich die Möglichkeit der Ermäßigung der Zuzahlung zur Verfügung. Die Besonderheit der Integrationsversorgung ist die einzelvertragliche Basis, d. h. die Möglichkeit, direkt mit einzelnen Leistungsanbietern Verträge abzuschließen. Dies schließt auch die neue Rolle der Kassenärztlichen Vereinigung ein, die nun weder Vertragspartner noch Rahmenvertragspartner ist.354 Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung für die ambulante Versorgung (§ 72 SGB V) geht dadurch an die Vertragspartner, speziell an die Krankenkassen über.355 Diese müssen die Bereitstellung der notwendigen und ausreichenden Anzahl an Facharztgruppen und die auch qualitativ gesicherte medizinische Versorgung sicherstellen.356 Eine zeitliche Befristung von Integrierten Versorgungsverträgen ist nicht vorgesehen. 3.2.3.4 Gegenüberstellung der Formen der Integrierten Versorgung Ein wesentlicher Unterschied der Verträge besteht vor allem in der Zahl und Art der Vertragspartner, speziell der Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung. Während es sich bei den Strukturverträgen um so genannte Kollektivverträge handelt, die mit Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung geschlossen werden, ist bei den Integrierten Versorgungsformen die Vertragsteilnahme der Kassenärztlichen Vereinigung explizit ausgeschlossen. Auch bei den Modellvorhaben handelt es sich um Ein§ 140 b Abs. 3, Satz 1. Vgl. Sundmacher, T. (2005), S. 35. 354 Vgl. Sundmacher, T. (2005), S. 34. 355 Vgl. § 140 a, Abs. 1 SGB V; Mühlbacher, A. (2002), S. 60. 356 Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 15. 352 353
3.3 Zwischenfazit
57
zelverträge, die sowohl mit KVen als auch mit einzelnen Vertragsärzten geschlossen werden können. Des Weiteren können Strukturverträge nur auf Verbandsebene geschlossen werden, Modellvorhaben dagegen auch auf Landes- oder Bundesebene der einzelnen Krankenkasse.357 Ein weiterer Unterschied besteht in der Dauer der Verträge. Hier liegt eine zeitliche Befristung (auf acht Jahre) lediglich bei den Modellvorhaben vor, während die Strukturverträge auf Dauer angelegt sind. Darüber hinaus sind die möglichen Inhalte der Strukturverträge auf Hausarztmodelle bzw. vernetzte Praxen begrenzt, während Modellvorhaben und Integrierte Versorgungsverträge auch neue Verfahrens-, Vergütungs- oder Organisationsformen zum Inhalt haben können. Eine Besonderheit der Modellvorhaben ist die Anforderung der wissenschaftlichen Begleitung. Nach § 65 SGB V müssen die Krankenkassen bzw. ihre Verbände eine wissenschaftliche Begleitung veranlassen, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards die Zielerreichung der Modellvorhaben überprüft und auswertet. Derartiges ist weder bei den Strukturverträgen noch bei den Integrationsverträgen vorgesehen, da diese zur sogenannten Regelversorgung gehören. Allen drei Versorgungsformen gemein ist die Freiwilligkeit der Teilnahme von Versicherten und Vertragsärzten. Diese wird zwar in den Gesetzen unterschiedlich stark herausgestellt, doch spätestens in den Gesetzesbegründungen betont.358 3.2.3.5 Die hausärztliche Versorgung Ein zusätzliches Vertragsmodell, die hausärztliche Versorgung (§ 73 b SGB V) wurde mit der Gesundheitsreform 2004 eingeführt. Ziel ist die Stärkung der hausärztlichen Versorgung. Hintergrund ist hier das aus dem Managed Care bekannte GatekeeperModell, wonach der Patient sich freiwillig für mindestens ein Jahr für einen Hausarzt als ständigen Partner (Lotsenfunktion/Gatekeeper) entscheidet, der vor jedem Facharztbesuch zu konsultieren ist (Überweisungspflicht). Alle Untersuchungsergebnisse werden beim Hausarzt gesammelt. Der Hausarzt ist u. a. zur Teilnahme an Schulungen und Qualitätszirkeln sowie zur Anwendung evidenzbasierter Leitlinien und eines praxisinternen Qualitätsmanagements verpflichtet. Für die Patienten ist bei Teilnahme ein finanzieller Bonus durch die Kassen möglich. Alle Krankenkassen sind dazu verpflichtet, neben der normalen hausärztlichen Versorgung den „Versicherten eine qualitativ besonders hoch stehende hausärztliche Versorgung anzubieten“359.
3.3
Zwischenfazit
Die bisherigen Reformen seit 1977 hatten unterschiedliche Schwerpunkte. Dabei wurde jedoch zumeist lediglich auf Einsparungen gesetzt, statt fehlende strukturelle Vgl. Rachold, U. (2000), S. 99. Vgl. Rachold, U. (2000), S. 100. 359 Bundesministerium für Gesundheit (2006), o. S. 357 358
58
3 Reformansätze zur Verbesserung der medizinischen Versorgung
Änderungen sowie Maßnahmen für die Gruppe der chronisch kranken Patienten vorzusehen. Doch gerade diese Patientengruppe, die im Jahre 2000 46% der Weltbevölkerung ausmachte,360 ist für den Großteil der Kosten im Gesundheitswesen ursächlich. Mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung wurde im Jahre 2001 erstmalig eine Strukturmaßnahme gesetzlich verankert. Das Gesetz greift die Vorschläge des Sachverständigenrates auf und rückt, durch ein Bündel vielfältiger Maßnahmen, eine bessere Versorgung chronisch kranker Patienten in den Vordergrund. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen wären für Deutschland sowohl der Ansatz des Managed Care, als auch der Integrierten Versorgung möglich gewesen.
360
Vgl. Gerlach, F. M. / Gensichen, J. (2005), im Internet unter www.uni-protokolle.de am 25. 9. 2006.
4
Darstellung von Disease Management
4.1
Operationalisierung von Disease Management
4.1.1 Definitorische Abgrenzung von Disease Management 4.1.1.1 Definition Analog zur Vielzahl von Begriffsbestimmungen für Managed Care gibt es auch für Disease Management keine allgemein verbindliche Definition.361 In der Literatur finden sich verschiedenartige Erklärungen, die sich z. B. nach den notwendigen Elementen, den Organisationsformen, den Voraussetzungen und Zielen unterscheiden.362 Auch im deutschen Sozialgesetzbuch wurde bei der Einführung von strukturierten Behandlungsprogrammen keine eindeutige Definition vorgegeben.363 § 137 f SGB V nennt lediglich die relevanten Kriterien für DMPs und überlässt die Definition der Inhalte den Krankenkassen.364 Die wörtliche Übersetzung des englischen Begriffs „Disease Management“ in „Krankheitsmanagement“ wird im Deutschen – auch aufgrund der negativen Konnotation des Krankheitsbegriffs – zwar verwendet, ist aber in der Literatur nicht sehr geläufig. Mühlbacher et al. beschreiben Disease Management als ein Versorgungsmanagement, das auf einzelne Krankheiten konzentriert ist.365 Neben Bezeichnungen wie Chroniker- oder Versorgungsprogramme sowie strukturierten Behandlungsprogramme für chronisch Kranke werden in der deutschen Literatur vielfach die englischen Begriffe Disease (State) Management und Patient Management verwendet.366 Einige Ärzte propagieren, dass Disease Management kein neues Konzept ist, sondern lediglich ein neuer Begriff für lange bewährte und eingesetzte Interventionen.367 Vgl. hierzu z. B. Nissenson, A. R. (2000), S. 36; Szathmary, B. (1999), S. 165; Häussler, B. et al. (2001), S. 31. 362 Vgl. hierzu z. B. Coons, S. J. (1996), S. 1322 f.; Epstein, R. S. / McGlynn, M. G. (1997), S. 3 und 7; Fromer, L. M. (1995), S. 76I. 363 In der ursprünglichen Fassung des § 137 f, Abs. 1 SGB V im „Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ wurde eine Bedeutungsgleichheit der Begriffe „strukturierte Behandlungsprogramme“ und „Disease Management Programme“ hergestellt, indem beide Begriffe gleichermaßen verwendet wurden. Im „Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ wurde der § 137 f geändert und enthält nun nicht mehr den Begriff „Disease Management“. 364 Vgl. Schönbach, K.-H. (2003), S. 217. 365 Vgl. Mühlbacher, A. et al. (2000), S. 595 f. 366 In der englischsprachigen Literatur finden sich z. B. bei Reeder, L. (1999), S. 41 die Begriffe „wellness management“, „health management“ und „health risk management“ sowie bei Radzwill, M. A. (2002), S. 279 die Begriffe „disease corridor management“ und „population management“. Fuller verwendet den Begriff „disease state management“; Fuller, M. C. (1999), S. 29. 367 Vgl. Romberg, H.-P., S. A 412.
361
60
4 Darstellung von Disease Management
In der Kombination an Einzelmaßnahmen ist Disease Management jedoch in Deutschland neuartig. Je nach Intention werden unter Disease Management unterschiedliche Inhalte subsumiert, die von Qualitätsmanagement bis zur „Ökonomisierung der Versorgung“ reichen.368 Im Folgenden wird versucht, die Vielfalt der Ansätze zu strukturieren, die unter Disease Management gefasst werden. Zum anderen wird in zahlreichen Definitionen der strukturelle Charakter von Disease Management hervorgehoben, der die Integration der unterschiedlichen Leistungserbringer zum Ziel hat.369 Hier werden bei der Begriffsabgrenzung vor allem die Aspekte der Schnittstellenverknüpfung sowie die sektorübergreifende Zusammenarbeit angesprochen.370 Damit unterscheidet sich Disease Management ganz eindeutig von der herkömmlichen Versorgung. Ferner wird in einer Vielzahl von Begriffserläuterungen der Prozesscharakter von Disease Management hervorgehoben.371 Dabei wird darauf abgestellt, dass für Disease Management der Gesamtlebenszyklus der Krankheit und ihrer Behandlung im Vordergrund steht, anstatt ausschließlich einzelne Behandlungsmomente zu betrachten.372 Diese Gesamtsichtweise der Erkrankung des Patienten ist elementarer Bestandteil vieler Disease-Management-Definitionen. Die Betrachtung des gesamten Krankheitsverlaufs ist damit entscheidend für die Versorgung im Rahmen von Disease Management.373
Vgl. Abholz, H.-H. (2002), S. 170. So z. B. bei Schönbach, K.-H. (2003), S. 217 f. („Der zentrale Ansatz von DMP ist die ‚sektorübergreifende Steuerung‘ der Versorgung, womit den Krankenkassen eine besondere Verantwortung zukommt.“). 370 Beispielhaft können hier folgende Definitionen angeführt werden: „Disease Management befasst sich daher u. a. mit Fragen der Schnittstellenverknüpfung oder wie die Allokation von Ressourcen optimiert werden muß, um die Effizienz des Gesamtsystems zu steigern.“ Hildebrandt, H. (1996), S. 119. 371 Vgl. Oberender, P. / Zerth, J. (2003), S. 189 („Beim Disease Management handelt es sich um einen Versuch, den Prozessverlauf der Intervention zielgerichteter und erfolgreicher zu steuern.“). 372 „It views patients as clients who are experiencing the clinical course of a disease, rather than viewing their care as series of specific episodes or as fragmentary encounters with different parts of the health care system.“ Kesteloot, K. / Defever, M. (1998), S. 28. Weitere Vertreter des prozessualen Begriffs sind z. B. Berchtold / Greulich: „Disease Management fokussiert nicht auf einzelne Krankheitsepisoden, sondern betrachtet ganzheitlich gesamte ‚Lebenszyklen‘ von Gesundheitsstörungen und umfasst damit sämtliche Maßnahmen der Betreuung und Behandlung, aber auch Prävention und Gesundheitsförderung.“ (Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 1.) oder auch Hunter / Fairfield: „Disease-Management: An die Stelle der heute fragmentierten Patientenbehandlung, welche auf einzelne Krankheitsepisoden und einzelne Leistungserbringer fokussiert ist, tritt eine ganzheitliche, integrale Betrachtung effektiver und effizienter Behandlungs- und Betreuungspfade über ganze Krankheitsverläufe hinweg.“ (Hunter, D. J. / Fairfield, G. (1997), S. 50.). 373 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 21 („Es wird eine Gesamtsichtweise des Patienten und seiner Erkrankung zugrunde gelegt.“). 368 369
4.1 Operationalisierung von Disease Management
61
Schließlich heben Autoren in ihren Definitionen die veränderte Verwendung von Ressourcen als ein wesentliches Charakteristikum hervor. Hier wird dem DiseaseManagement-Ansatz vor allem die effizientere Ressourcenverwendung zugesprochen374 oder die Koordinierung der medizinischen Ressourcen im Versorgungsprozess adressiert.375 Stark betont werden in vielen Definitionen die Begriffe „systematisch“, „strukturiert“, „populationsbezogen“ sowie „optimale Behandlung“.376 Zahlreiche Definitionen gehen auf die einzelnen Elemente des Disease Managements ein oder heben ihre Kombination hervor. Hier sind vor allem die Begriffe „Guidelines“377, „Datenmanagement“378 und „IT-Basierung“379 in Kombination mit Definitionen in der Literatur zu finden. Bei den umfassenden Begriffserläuterungen muss vor allem die Definition der Disease Management Association of America (DMAA) genannt werden, die Disease Management als „a system of coordinated healthcare interventions and communica-
So z. B. bei Mason, A. et al. (1999), S. 70 („Disease management attempts to co-ordinate resources across the entire health care delivery system and throughout the life cycle of disease shifting the focus of cost control from component management to the broader issue of cost-effectiveness and the integration of care.“) oder Neuffer, A. B. (1997), S. 118 („Disease Management ist ein Ansatz, der die Ressourcenallokation über die Grenzen der einzelnen Leistungserbringer hinweg und über den gesamten Verlauf einer Krankheit – von der Prävention bis zur Nachbehandlung – koordiniert und optimiert.“). 375 Vgl. The Boston Consulting Group (1995), zitiert in: Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 58. („Another way to view disease management is as an approach to patient care that coordinates medical resources for patients across the entire health care delivery system.“). 376 Beispiele hierfür sind die Definitionen von Lauterbach, K. W. (1997), S. 170 („Dabei ist im Disease Management die Versorgung in der Tendenz im Vergleich zur Standardversorgung systematisch, agierend, populationsbezogen, präventiv, häufig nicht ärztlich und auf eine Krankheit spezialisiert.“), Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 26 („Disease Management bezeichnet systematische Ansätze, die Erkrankungsverläufe bestimmter Patientenpopulationen durch eine kontinuierliche, sektorübergreifende und an evidenzbasierter Medizin orientierte Versorgung positiv beeinflussen.“) oder Abholz, H.-H. / Berger, M. (2002), S. 90 („Zu den Charakteristika von DMP gehört somit der Bevölkerungsbezug sowie die strukturierte Versorgung mit einem Regelwerk im Hintergrund.“). 377 Hierzu z. B. „Disease Management gründet auf der Anwendung von Leitlinien in der Diagnostik und Therapie sowie deren kontinuierlicher Weiterentwicklung.“ Caeser, M. (1996), S. 159. 378 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 154 („Disease Management ist ein informations- und datengetriebener Ansatz zur systematischen Verbesserung der Versorgungsqualität chronisch Kranker“). 379 So z. B. „It is a systematic information-driven approach in which clinical encounters are computerized, summarized, and shared; opportunities for intervention are not always detected solely at the bedside, but sometimes from a central database; practice guidelines may be implemented by computer screens in the practice setting; and initiatives are measured and compared in terms of health outcomes.” Epstein, R. S. / Sherwood, L. M. (1996), S. 832. 374
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4 Darstellung von Disease Management
tions for populations with conditions in which patient self-care efforts are significant“380 definiert. „Disease Management • supports the physician or practitioner/patient relationship and plan of care, • emphasizes prevention of exacerbations and complications utilizing evidencebased practice guidelines and patient empowerment strategies, and • evaluates clinical, humanistic, and economic outcomes on an going basis with the goal of improving overall health.“381 Auch Lauterbach gibt eine umfassende Definition vor, indem er die Datenbasis, das Qualitätsmanagement und die Integration als wesentliche Elemente hervorhebt.382 In der Literatur wird häufig die Reduzierung des Ansatzes auf ein Instrument zur Kosteneinsparung für Krankenkassen kritisiert, da dies in dem umfassenden Konzept zu kurz greifen würde.383 Hauptmerkmal von Disease Management ist jedoch die systematische und strukturierte Verbesserung der Versorgung einer Population von Patienten mit dem gleichen chronischen Krankheitsbild.384 Dieser Aspekt, dass die gewählten Maßnahmen des Disease Managements speziell bei chronischen Krankheiten ansetzen, ist auch fast allen Definitionen gemein, auch wenn heut zu Tage vielfach Programme zu finden sind, die sich nicht nur an chronische Krankheiten richten (vgl. Kapitel 9). Für die vorliegende Arbeit wird folgende Arbeitsdefinition verwendet, die die wesentlichen hier beschriebenen Bestandteile umfasst: Disease Management bezeichnet einen systematischen, standardisierten und evidenzbasierten Ansatz, der Patientenpopulationen mit einer bestimmten chronischen Krankheit unter Verwendung verschiedener Elemente, wie z. B. Leitlinien, Selbstmanagement, Schulungen sowie kontinuierlicher Ergebnisevaluation, über den gesamten Krankheitsverlauf sektorübergreifend versorgt. 4.1.1.2 Abgrenzung Disease Management und Case Management Häufig wird Disease Management (fälschlicherweise) mit Case Management gleichgesetzt, doch handelt es sich hierbei um zwei unterschiedliche Ansätze in der PatienDMAA (2006), o. S. DMAA (2006), o. S. 382 Vgl. Lauterbach K., W. (2001), S. 23 („Die drei Säulen des Disease Management sind eine Datenbasis (Krankheitskostenstruktur, Leitlinien), ein sektorübergreifendes Gesundheitsversorgesystem und ein kontinuierlicher Qualitätsverbesserungsprozess“.) Weitere aufzählende Begriffserläuterungen finden sich bei Hreben, J. J. (1996), S. 1419; Homer, Ch. J. (1997), S. 1461 oder National Pharmaceutical Council. Inc. (2002), S. 1. 383 So z. B. bei Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 28 („Disease Management darf nicht als Instrument zur kurzfristigen Kosteneinsparung verstanden werden.“) oder Doyle, J. B. (1997), S. 61 („Too often disease management is bought and sold as strictly a financial risk management tool.“). 384 Vgl. Lehmann, H. (2003), S. 38. 380 381
4.1 Operationalisierung von Disease Management
63
tenversorgung. Wie bereits in Kapitel 3.2.1.2 dargestellt, versteht man unter Case Management die spezifische Betreuung besonders kostenintensiver Patienten. Der Unterschied der Ansätze liegt vor allem in der Anzahl der betrachteten Patienten: Während Disease Management sich auf die Betreuung von Patientenpopulationen mit bestimmten Krankheitsbildern konzentriert, besteht der Ansatz des Case Managements in der Behandlung von Einzelfällen, die sich durch hohe Kosten und aufwendige Abstimmung zwischen mehreren Leistungserbringern auszeichnen.385 Ein weiterer Unterschied besteht im Betrachtungshorizont: Während Case Management meist kurzfristige Behandlungsfälle zu koordinieren versucht, strebt Disease Management nach systematischen und präventiven Lösungen für langfristige Komplikationen, wie sie bei chronischen Krankheiten der Fall sind.386 Als weitere Differenzierungsmöglichkeit kann der Kostenaspekt genannt werden. Aufgrund der standardisierten Behandlung ganzer Patientenkollektive ist die Versorgung des einzelnen Kranken bei Disease Management wesentlich ressourcenschonender als die Behandlung der individuellen Besonderheiten einzelner Fälle im Rahmen des Case Managements.387 Deswegen setzt sinnvolles Case Management bei komplizierten und kostenintensiven Patienten an, um die intensive Auseinandersetzung mit dem Patienten auch zu rechtfertigen. Beim Case Management wird im Gegensatz zum Disease Management in der Regel auf eine Risikostratifizierung des einzelnen Patienten verzichtet und seine akuten Bedürfnisse behandelt.388 Dagegen versuchen Disease Manager vor allem hochriskante bzw. unidentifizierte chronisch kranke Patienten innerhalb einer Patientenpopulation aufzudecken, um durch präventive Maßnahmen potentiellen kostenintensiven Behandlungen und Komplikationen entgegenzuwirken. Es können aber auch Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Ansätzen genannt werden. Beide Ansätze zielen auf die Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Koordination der Leistungsprozesse erkrankter Patienten ab und versuchen diese unter optimalem Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu erreichen.389 Ferner stehen in beiden Ansätzen die integrativen, koordinierenden und kontinuierlichen Aspekte im Vordergrund, die sich über alle Leistungserbringer und den gesamten Krankheitsverlauf erstrecken. Erfolgreiches Case Management setzt voraus, dass Case Manager in die Prozesse bei den Leistungserbringern mit einbezogen werden. Andernfalls wird ihre Mitwirkung als Kontrolle der Ärzte verstanden und die Behandlungsprozesse können nicht aufeinander abgestimmt verlaufen. Darüber hinaus müssen Case Manager über ein profundes Wissen hinsichtlich der medizinischen Abläufe, der Selbstmanagement-Fähigkeiten der Patienten und des Managements der verfügbaren Ressourcen verfügen, um die Versorgung der Patienten effizient und effektiv mitgestalten zu können.390 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 80. Vgl. Mayzell, G. (1999), S. 380. 387 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 168. 388 Vgl. Radzwill, M. A. (2002), S. 279. 389 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 166. 390 Vgl. Reeder, L. (1999), S. 43. 385 386
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4 Darstellung von Disease Management
Im Rahmen von Disease Management kann dem Case Management eine entscheidende Rolle zukommen, in dem der Case Manager die Versorgung einzelner schwerkranker Patienten übernimmt und diese damit effizienter und qualitativ besser gestaltet.391 Hier sind z. B. multimorbide Patienten mit mehreren chronischen Krankheiten zu nennen, deren Behandlung eine ausgiebigere Auseinandersetzung erfordern würde, als sie im Rahmen des standardisierten Disease-Management-Prozesses gegeben werden kann. Entscheidend ist jedoch, dass durch die Risikostratifizierung im Rahmen von Disease Management diejenigen Patienten identifiziert werden können, die durch ihre starke Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen als Ansprechpartner für Case Management in Frage kommen. Damit sind Disease und Case Management im Versorgungsprozess eng miteinander verbunden.
4.1.2 Entstehung Das eigentliche Krankheitsmanagement geht bereits auf die ersten Aktivitäten von Pasteur (1822–1895) zurück, der durch die systematische Behandlung versuchte, Epidemien zu vermeiden.392 Disease Management wurde erstmals im Bereich der Agrarwissenschaften zum Management von Pilzen und Pflanzenschädlingen eingesetzt.393 Der in dieser Arbeit vorgestellte Ansatz der strukturierten Behandlung chronischer Krankheiten entstand jedoch erst in den frühen 1990er Jahren und wurde damals vor allem durch die pharmazeutische Industrie und Managed-Care-Unternehmen in den USA geprägt.394 Die erstmalige Verwendung des „Disease Management“-Ausdrucks wird einer Studie der Boston-Consulting-Group (BCG) für das Pharmaunternehmen Pfizer aus dem Jahre 1991 zugeschrieben, in der BCG dem pharmazeutischen Unternehmen aufgrund einer schlechten Prognose für deren Umsätze mit Pharmazeutika den Wechsel in das „management of diseases“ empfiehlt.395 Das Konzept entstand in einer Zeit, in der die amerikanische Pharmaindustrie starke Einschnitte in der Vergütung für Arzneimittel durch die Managed-Care-Organisationen befürchtete, ähnlich wie dies bereits zuvor bei Ärzten und Krankenhäusern geschehen war. Man erhoffte sich durch den Ansatz, die Managed-Care-Organisationen sowie die Arbeitgeber vom Kauf der angebotenen Serviceleistungen zu überzeugen, um so den Absatz der eigenen Produkte zu sichern und zu stärken.396 Die Umsetzung dieser Vorschläge erfolgte jedoch erst im Jahre 1993, als das Pharmaunternehmen Merck&Co. das Service-Unternehmen Medco Cost ContainVgl. Baumberger, J. (2001), S. 80. Vgl. Goldstein, R. (1998), S. 99. 393 Vgl. Glabman, M. (2005), o. S. 394 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 1. 395 Vgl. Zitter, M. (1997), S. 17 oder The Boston Consulting Group (1993 b), S. 143–157, zitiert in: Bernard, S. (1977), S. 180. 396 Vgl. Bodenheimer, T. (1999), S. 1202. 391 392
4.1 Operationalisierung von Disease Management
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ment Services kaufte.397 Kurze Zeit später stiegen weitere Unternehmen in die Disease-Management-Bewegung ein: SmithKline Beecham kaufte Diversified Pharmaceutical Services (DPS) und Eli Lilly, Inc. erwarb PCS Health Systems zur Entwicklung von Disease-Management-Tätigkeiten.398 Die durch diese Serviceunternehmen erstellten Dienstleistungen wurden dann Managed-Care-Unternehmen zum Kauf angeboten. Problematisch war dabei die unerlaubte Form der Vorteilnahme in Form der Verbindung von kostenlosem Disease Management im Gegenzug für Verordnungen, die z. B. auch im Fall von Schering bestraft wurde.399 Darüber hinaus boten die ersten pharmazeutischen DM-Anbieter Programme vor allem für deren Hauptindikationsfelder an, die jedoch in der Regel nicht mit den kostenintensiven Bereichen der MCO übereinstimmten.400 Von den amerikanischen Managed-Care-Unternehmen wurde Disease Management vor allem zur Qualitätssicherung und Stabilisierung explodierender Kosten eingesetzt, nachdem sich herausstellte, dass die Vielzahl der Einzelmaßnahmen wie z. B. Leitlinien, sektorale Budgets und Ressourcenmanagement nicht erfolgreich waren.401 In Abkehr von diesen Einzelmaßnahmen versuchte man nun, durch die Umsetzung eines integrativen, sektorübergreifenden Konzepts, Qualität und Kosten zugleich in Einklang zu bringen,402 indem man mittels evidenzbasierter Programme die Versorgung ganzer Populationen mit einer Krankheit standardisierte. So gründeten seit 1997 ca. zwei Drittel der HMOs eigene Disease-Management-Unternehmen mit dem Ziel der Kostenkontrolle und des effektiven Kostenmanagements im Krankheitsfall.403 Zugleich bildeten zahlreiche pharmazeutische Unternehmen Disease-Management-Unternehmen, die sich auf das Management von chronischen Krankheiten und die dabei relevanten Prozesse konzentrierten. Diese Welle an Neugründungen führte dazu, dass in Amerika bereits im Jahr 1999 ca. 200 Disease-ManagementUnternehmen für die unterschiedlichsten Krankheiten, vor allem aber Diabetes mellitus und Asthma bronchiale, auf dem Markt waren.404 Die letzten Jahre waren in den USA geprägt von einer Fülle von Bestrebungen unterschiedlichster Marktteilnehmer, Disease Management für die großen Volkskrankheiten zu etablieren. Dies rührte daher, dass Leistungserbringer und Versicherungen nach immer neuen Wegen suchen, die Versorgung von Patienten mit chronischen Krankheiten zu verbessern bei gleichzeitiger Stabilisierung (oder gar Reduktion) der Kosten. Heute ist fast jedes Unternehmen im amerikanischen GesundheitsVgl. Couch, J. B. (1998), S. 1. Vgl. Couch, J. B. (1998), S. 1. 399 Vgl. Glabman, M. (2005), o. S. 400 Vgl. Glabman, M. (2005), o. S. 401 Vgl. Lauterbach, K. W. / Evers, T. / Stock, S. (2002), S. 1210 oder Lauterbach, K. W. (2001), S. 19 oder Bodenheimer, T. (2000), S. 563. 402 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 19. 403 Vgl. West, P. (1998), S. 31, bzw. The Boston Consulting Group (1993 a), zitiert in: Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 57. 404 Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 563. 397 398
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4 Darstellung von Disease Management
wesen in irgendeiner Weise in Disease-Management-Aktivitäten involviert, sei es in die Erstellung, Implementierung, Messung oder das Outsourcing dieser Serviceleistungen.405 Auch im deutschen Gesundheitswesen hat in den letzten Jahren eine kritische Diskussion über den Versorgungsprozess stattgefunden, der im Jahre 2002 zu einer Verankerung von Disease-Management-Programmen im Sozialgesetzbuch führte. Auch wenn anfangs vor allem die bei amerikanischen Programmen vorherrschende Kostenorientierung zu Lasten von Qualität kritisiert wurde,406 konnten die vielfältigen Qualitätsvorteile für die Chronikerversorgung in Deutschland in den Vordergrund gerückt werden. Seitdem sind sowohl Dienstleistungs- als auch Versicherungsunternehmen auf der Suche nach den effektivsten Versorgungsprozessen für bestimmte chronische Krankheiten. Der Trend zu Integrierter Versorgung und strukturierten Behandlungsprogrammen für chronisch kranke Patienten wird auch in den nächsten Jahren anhalten. Hierfür sprechen eine Vielzahl von Anzeichen, wie z. B. die kontinuierliche Weiterentwicklung im medizinischen Datenmanagement, das wachsende Qualitätsbewusstsein und die steigenden Anforderungen an die Behandlung von Seiten der Patienten sowie die Entwicklung und Akzeptanz standardisierter Prozesse in der Medizin.407
4.1.3 Ziele In der Literatur wird eine Vielzahl von Zielen genannt, die mit Disease-ManagementProgrammen verfolgt werden. Hauptziel von DM ist danach, durch die Sicherstellung einer optimalen Patientenversorgung mittels verbesserter Qualitätsstandards eine effizientere und effektivere Therapie in Verbindung mit erhöhter Wirtschaftlichkeit und damit Kostenreduktion zu ermöglichen,408 d. h. die „Vermeidung von Ineffizienzen und die Steigerung der Versorgungsqualität“409. Disease Management zielt damit auf die „Optimierung von Versorgungsprozessen unter medizinischen, pflegerischen und ökonomischen Gesichtspunkten“ ab.410 Fast allen Quellen ist ferner als Ziel die Reduktion der Kosten gemein.411 Dabei werden von der Ausnutzung bestehender Kosteneinsparungspotentiale412, der Kostenkontrolle413 bis hin zur Rationalisierung der Ressourcen414 die unterschiedlichsten Vgl. Todd, W. E. (2001), S. 1. Vgl. Korzilius, H. (2001), S. 2001. 407 Vgl. Kesteloot, K. / Defever, M. (1998), S. 30. 408 Vgl. Jersch, N. (1996), S. 173; Neuffer, A. B. (1996), S. 52; Coons, S. J. (1996), S. 1321. 409 Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 139; Jersch, N. (1996), S. 173. 410 Haubrock, M. / Hagmann, H. / Nerlinger, T. (2000), S. 63; Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 28. 411 Vgl. Arnold, M. (2000), S. XIII. 412 Vgl. o. V. (2003 e), o. S. 413 Vgl. Berger, M. L. / Nebenfuhr, P. / Murray, R. K. (2000), S. 182. 414 Vgl. Gebhart, K. N. (1996), S. 193; Neuffer, A. B. (1996), S. 53. 405 406
4.1 Operationalisierung von Disease Management
67
Formen der Kostenreduktion genannt. DMPs sollen außerdem ein tieferes Verständnis für die Kostenelemente bei speziellen Krankheiten und deren Beziehung zueinander ermöglichen.415 Diesem Ziel in der Wichtigkeit gleichgesetzt wird das Streben nach Verbesserung der Qualität. Durch die Orientierung an Leitlinien und Einführung neuer Vergütungssysteme soll eine Qualitätsverbesserung in Form einer patientengerechteren Versorgung erreicht werden.416 Auch die Verbesserung der Kommunikation und Transparenz zwischen den Leistungserbringern sowie mehr Informationsbereitstellung für alle Beteiligten dienen diesem Ziel.417 Während einige Autoren das Wirtschaftlichkeitsprinzip („Maximierung der Effektivität der Gesundheitsversorgung mit vorgegebenen Ressourcen“)418 heranziehen, fordern andere eine gleichzeitige Zielerreichung von Qualitätsverbesserung und Kosteneinsparung.419 Diese optimale Versorgung bezieht sich dabei zugleich auf medizinische wie auch finanzielle Aspekte. In diesem Rahmen sollen • die Häufigkeit und Länge von Krankenhausaufenthalten verringert,420 • durch stärkere Prävention der Anteil an stationären und rehabilitativen Maßnahmen reduziert421 sowie die Krankheiten auf einem „subakuten Niveau gehalten“422, • der Krankheitsverlauf gebremst oder wenn möglich umgedreht,423 • die symptomorientierten Behandlungen zugunsten einer strukturierten krankheitsbezogenen Intervention verschoben424 und • das Gesamtverständnis über die Krankheit sowie ihre Prozesse verbessert werden.425 Oft genannt wird in der Literatur auch das Koordinationsziel, das zugleich auch ein Mittel der verbesserten Versorgung darstellt. Es wird angestrebt, den „Anteil unkoorVgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 52 und 54. Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 27; o. V. (2003 e), o. S.; Arnold, M. (2000), S. XIII. 417 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 27; Benner, V. (2003), S. 63. 418 Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 28; Szathmary, B. (1999), S. 170. 419 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 170 f.; Neuffer, A. B. (1996), S. 53; Lauterbach, K. W. (1997), S. 169; Bernard, S. (1977), S. 194; Coons, S. J. (1996), S. 1321; Epstein, R. S. / McGlynn, M. G. (1997), S. 9. 420 Vgl. Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 31; Lankers, C. H. R. (1997), S. 31; Goldstein, R. (1998), S. 99 f.; Benko, L. B. (2002), S. 30. 421 Vgl. Hildebrandt, H. (1996), S. 118; o. V. (2003 e), o. S.; Scherenberg, V. (2003), S. 26. 422 Lankers, C. H. R. (1997), S. 31. 423 Vgl. Doyle, J. B. (1997), S. 64; Goldstein, R. (1998), S. 99. 424 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 26. 425 Vgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 52; o. V. (2003 e), o. S.
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4 Darstellung von Disease Management
dinierter, ineffizienter und unwirtschaftlicher Untersuchungen“426 zu reduzieren und damit die negativen Folgen der sektoriell orientierten Behandlung zu minimieren oder gar zu vermeiden, wie z. B. Mehrfachuntersuchungen, Überdiagnostik, mangelnde Prävention und Selbstmanagement, Probleme bei den Übergängen der Behandlungsprozesse sowie Konflikte zwischen Leistungsträgern und -anbieter.427 Auch folgende Aspekte können sowohl als (Unter-)Ziele als auch als Mittel von Disease Management angesehen werden: • Aktivierung des Patienten in Bezug auf ausgeprägtere Selbstmanagementfähigkeiten,428 • Orientierung an Qualitätskriterien durch Anwendung von Leitlinien,429 • Standardisierung der Versorgung für gleiche Patientensegmente.430 Disease Management wird in der Regel mit vielfältigen Erwartungen eingeführt, die sich je nach Betrachter unterscheiden können: • Bei Patienten stehen Ziele wie die Steigerung der Lebensqualität, Zufriedenheit und Compliance sowie das Verständnis über die Krankheit im Vordergrund.431 Deswegen sollte eine ausschließliche Kostenorientierung im Rahmen des Disease Managements beim Arzt vermieden werden, da es den Fokus auf den Patienten und dessen gesundheitliche Resultate verhindert.432 • Der Gesetzgeber erhofft sich von Disease Management eine Steigerung der Effizienz in der Versorgung speziell chronisch Kranker.433 In Deutschland werden derzeit weniger als 50% der Chroniker nach neuesten wissenschaftlichen Standards behandelt.434 Durch eine Standardisierung mittels Leitlinien erhofft man sich eine Erhöhung dieses Wertes auf mindestens 80% evidenzbasiert versorgter Patienten.435 Gleichzeitig sollen die durch den Sachverständigenrat aufgezeigte Unter-, Über- und Fehlversorgungen im Gesundheitswesen reduziert bzw. ver-
Szathmary, B. (1999), S. 170. Vgl. Hildebrandt, H. / Domdey, A. (1996), S. 51; Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 28. 428 Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 30; Benner, V. (2003), S. 63; Lee, S. S. (2002), S. 2; o. V. (2003 e), o. S. 429 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 27; Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 30. 430 Vgl. White, E. B. / Roughan, J. (2000), S. 46; Szathmary, B. (1999), S. 170; Benner, V. (2003), S. 63; Scherenberg, V. (2003), S. 26; Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 30. 431 Vgl. Gebhart, K. N. (1996), S. 193; Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 31; Szathmary, B. (1999), S. 170. 432 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 31. 433 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 170. 434 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 9. 435 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 9.
426 427
4.1 Operationalisierung von Disease Management
69
mieden werden,436 indem Doppeluntersuchungen und Überdiagnostik verhindert werden.437 • Ärzte erwarten von Disease Management, neben der Verbesserung der PatientenCompliance, eine Steigerung des medizinischen Wohlbefindens der Patienten.438 Ferner erhoffen sie sich durch das verbesserte Krankheitsmanagement eine intensivere Arzt-Patienten-Beziehung.439 • Für die Krankenkassen besteht das Hauptziel darin, Risikopatienten zu identifizieren und diese durch optimale, krankheitspezifische Therapienformen entsprechend ihrem Bedarf zu versorgen.440 Darüber hinaus erwarten sie, dass es durch die Anwendung von standardisierten Leitlinien zu einer Verbesserung des medizinischen Outcomes der Patienten und einer Reduzierung der verwendeten Ressourcen bei den Leistungserbringern, speziell zu gesenkten Krankenhaus- und Arztkosten sowie einer Einschränkung der Arzneimittelverwendung kommt. Ferner wird durch die Einführung der Evidenzbasierung eine Reduktion von Komplikationen und Komorbiditäten bewirkt, was mittelfristig für die Krankenkassen zu Einsparungen führen kann.441 Durch die Verknüpfung von Disease Management mit dem Risikostrukturausgleich erwarten speziell diejenigen Krankenkassen eine finanzielle Entlastung, die über einen hohen Anteil an Chronikern in ihrem Patientenstamm verfügen. • Arbeitgeber versprechen sich durch Disease-Management-Programme eine Steigerung der Produktivität inkl. Verringerung der Krankheitsquote, da die Patienten durch die Programme besser versorgt werden und Fehlzeiten infolge der Krankheit reduziert werden.442 Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, dass die Ziele von Disease Management in der effektiveren und effizienteren Versorgung chronischer Krankheiten über den gesamten Krankheitsprozess und einer daraus folgenden Verbesserung der medizinischen, finanziellen und patientenorientierten Auswirkungen liegen. Die im Hinblick auf Qualität und Wirtschaftlichkeit bessere Versorgung soll dadurch erreicht werden, dass die Leistungserbringer besser integriert und vor allem koordiniert werden.
Vgl. Lauterbach K., W. (2001), S. 24 f. Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 28; Hildebrandt, H. / Domdey, A. (1996), S. 51. 438 Vgl. Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 31; Gebhart, K. N. (1996), S. 193. 439 Vgl. o. V. (2003 e), o. S. 440 Vgl. White, E. B. / Roughan, J. (2000), S. 46; Szathmary, B. (1999), S. 170; Sellers, K. F. et al. (2000), S. 201. 441 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 9. 442 Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 31.
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4 Darstellung von Disease Management
4.1.4 Vergleich von Disease Management und traditioneller Versorgung Der wesentlichste Unterschied zur Regelversorgung besteht in dem kombinierten Einsatz verschiedenartiger Elemente, die zu einer systematischen, evidenzbasierten und standardisierten Behandlung aller (eingeschriebenen) Patienten mit der selben chronischen Krankheit nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand führt. Disease Management unterscheidet sich ferner vom traditionellen Versorgungssystem im deutschen Gesundheitswesen durch die sektorübergreifende Behandlung der Patienten.443 Dies ist im Wesentlichen auf die Rahmenbedingungen der Integrierten Versorgung zurück zu führen. Bisher war die Versorgung durch eine Aneinanderreihung einzelner Aktionen bei unterschiedlichen Leistungserbringern charakterisiert, die z. T. an den Schnittstellen wenig abgestimmt und im Krankheitsprozess regellos und teilweise unkoordiniert wirkten.444 An die Stelle dieser fragmentierten Patientenbehandlung tritt nun die ganzheitliche, integrierte Patientenversorgung, die zu effektiveren und effizienteren Betreuungsprozessen führt.445 Ein weiterer Unterschied zum traditionellen Versorgungsansatz besteht in der Gesamtsichtweise des Behandlungspfades:446 Im Disease Management wird versucht, durch die koordinierte Kombination präventiver, kurativer und rehabilitativer Aktionen die Gesundheit und das Wohlbefinden des Patienten zu verbessern.447 Anders ist hier die populationsbezogene Herangehensweise des Disease Managements, die Abstand von der individuellen, anlassbezogenen Betrachtung des einzelnen Patienten nimmt448 und hin zu einer geplanten, strukturierten und krankheitsbezogenen Patientenbehandlung tendiert.449
4.2
Instrumente und Elemente
Eine der wesentlichen Voraussetzungen von Disease Management ist das Angebot abgestimmter Interventionen zur Verbesserung der Patientenversorgung. Diese werden in der Regel von den Krankenkassen finanziert und angeboten. Die im Rahmen von Disease Management verwendeten Elemente werden zumeist nicht speziell für diese Programme entwickelt, sondern bestehen im Rahmen von unterschiedlichen Versorgungsansätzen bereits seit langem.450 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 26. Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 64; Rachold, U. (2000), S. 61. 445 Vgl. Schönbach, K.-H. (2003), S. 214; Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 29. 446 Vgl. Hunter, D. J. / Fairfield, G. (1997), S. 50. 447 Vgl. o. V. (2003 e), o. S.; Berchtold, P. et al. (2000), S. 1. 448 Vgl. Lee, S. S. (2002), S. 1. 449 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 26. 450 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 138. 443 444
4.2 Instrumente und Elemente
71
Die Literatur unterscheidet eine Vielzahl möglicher Interventionen, die jedoch für Disease-Management-Programme nicht alle denselben Stellenwert in der Umsetzung haben. Ein umfassendes Spektrum an Elementen definiert Lauterbach, der folgende Komponenten für Disease-Management-Programme vorsieht:451 • Evidenzbasierte Leitlinien für Ärzte • Evidenzbasierte Patientenleitlinien • (Gruppen-)Schulung für Patienten unter Berücksichtigung lerntheoretischer/psychosozialer Methoden • Patienten- und Ärzteinformationssysteme (Videos, Internetplattformen, Datenbanken, Hotlines und Call-Center) • Erinnerungssysteme, „Watch-dogs“ (per Post, per Telefon, E-Mail, Computerprogramme) • Individuelle Patientenbehandlungspläne • Interaktive Fortbildung für Ärzte • Minimaler, standardisierter Patientendatensatz • Datenbanken für alle am Disease Management Beteiligten • Organisationsmanagement • Anreizsysteme für Ärzte und Patienten Andere Autoren fassen z. T. die oben genannten Elemente stärker zusammen bzw. nennen weitere relevante Interventionen für Disease Management.452 So wird z. B. an zahlreichen Stellen die Notwendigkeit von Risikostratifizierung und Patientenselektion zur Identifikation der potentiellen Zielgruppe und ihres Risikogrades genannt.453 Eines der wesentlichen, hier nicht erwähnten Elemente ist die kontinuierliche Sammlung und Evaluation der Ergebnisse in der Versorgung.454 Dieses Element ist nicht nur für die Kostenträger, sondern auch für Leistungserbringer notwendig, die an der Effektivität des Programms interessiert sind. Darüber hinaus wird in vielen Untersuchungen zu Disease Management ein Schwerpunkt auf die aktive Einbindung der Patienten gelegt. Die Integration des Patienten, dessen Befähigung und der Aufbau seiner Selbstmanagementfähigkeiten werden vielfach als elementare Bestandteile von Disease-Management-Programmen beschrieben.455 Auch die Relevanz von Feedback zur Verstärkung von Verhaltensänderungen sowohl bei Ärzten als auch Patienten wird immer wieder hervorgehoben.456 Die eingesetzten Elemente kommen auf unterschiedlichen Stufen im Gesundheitswesen zum Tragen. So ist bspw. für die Erzielung aussagekräftiger Kennzahlen durch den Einsatz von Outcome-Messung lediglich auf einer zentralen, übergreifenden Lauterbach, K. W. / Stock, S. (2001), S. A1936. Vgl. für eine sehr detaillierte Unterteilung der Elemente z. B. Norris, S. L. et al. (2003), S. 478. 453 Vgl. Mayzell, G. (1999), S. 381. 454 Vgl. Bernard, S. (1977), S. 186; Hreben, J. J. (1996), S. 1419. 455 Zu relevanten Quellen vgl. die in Kapitel 4.2.2 angegebene Literatur. 456 Vgl. Gillespie, J. L. / Rossiter, L. F (2003), S. 346; Ouwens, M. et al. (2005), S. 143 und 145.
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72
4 Darstellung von Disease Management
Stelle möglich, wohingegen Schulungen z. B. auf der Ebene der Leistungserbringung und bei den Patienten ansetzen.457
4.2.1 Evidenzbasierte Leitlinien Die Einführung evidenzbasierter Leitlinien stellt eines der wesentlichen Elemente von Disease Management dar, um dem Patienten eine standardisierte Behandlung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu ermöglichen.458 Die Forderung nach evidenzbasierten Leitlinien459 bietet zugleich zwei unterschiedliche Herausforderungen an die Einführung und Umsetzung eines Disease-Management-Programms: Zum einen bedarf es der Einigung auf standardisierte Therapieleitlinien für eine Krankheit, zum anderen müssen diese evidenzbasiert sein. Gemäß Sackett versteht man unter Evidence-based Medicine460 (evidenzbasierte Medizin, EbM) die Integration von größter Evidenz mit klinischer Erfahrung und Patientenbedürfnissen bei der Entscheidungsfindung zur Behandlung einzelner Patienten.461 Damit wird in der täglichen klinischen Entscheidungsfindung stärkerer Wert auf die Anwendung objektiver, wissenschaftlicher Ergebnisse aus statistisch, reproduzierbaren Studien gelegt als auf die subjektive Erfahrung des einzelnen niedergelassenen Arztes.462 Mit Hilfe der Methoden des EbM wird ermittelt, welche Maßnahmen die höchste Wirksamkeit erbringen. Die Evidenzbasierung der Therapieentscheidung garantiert für jedes Instrument und jede Maßnahme des DM-Programms, dass ihr Einsatz die Ergebnis- und Prozessqualität der Gesundheitsversorgung. signifikant verbessert.463 Diese Therapien werden als Handlungsanweisungen formuliert, die flächendeckende, standardisierte und damit auch evidenzbasierte Empfehlungen zur Behandlung der Patienten geben. Ferner definieren Leitlinien den zu durchlaufenden Behandlungspfad.464 Sie kommen daher sowohl in der Prävention, Diagnostik, Therapie, Rehabilitation also auch in der Pflege zur Anwendung. Leitlinien sollen den Ärzten eine Orientierungshilfe in Form von Entscheidungskorridoren bei speziellen gesundheitlichen Problemen geben. Mit ihrer Hilfe soll ein „Optimum an Pflegequalität, Patientenzufriedenheit, Ressourceneinsatz und damit verbundenen Kosten“465 garantiert werden. Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 140. Vgl. Eschner, M. (2001), S. 18; Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 27; Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 36; Kesteloot, K. / Defever, M. (1998), S. 29. 459 Zur Definition von Leitlinien vgl. Kapitel 3.2.3.5. 460 Zu den Arten von Evidenzgraden vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 27. 461 Vgl. Sackett, D. et al. (1996), S. 72. 462 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 80 und 107. 463 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 21. 464 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 111. 465 Haubrock, M. / Hagmann, H. / Nerlinger, T. (2000), S. 70.
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4.2 Instrumente und Elemente
73
Ziel evidenzbasierter Leitlinien im Rahmen von Disease Management ist die Einführung einer Gesundheitsversorgung nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.466 Erwiesenermaßen führen gerade Wissenslücken bei Hausärzten oft zu überflüssigen Krankenhauseinweisungen.467 Dies lässt sich vor allem auf die stetig wachsende Zahl an medizinisch relevanten Informationen zurückführen, die Ärzte kaum noch überschauen können. Kernaufgabe der Leitlinien ist die Qualitätssicherung, bei der medizinische Behandlungen auf dem neuesten Stand festgeschrieben werden.468 Darüber hinaus zielen Leitlinien auf die Standardisierung der systematischen, sektorenübergreifenden Regelversorgung ab.469 Dies setzt die Ermittlung der Bereiche mit Über-, Unterund Fehlversorgung einer Erkrankung im Vorfeld der Leitlinienentwicklung voraus. Schließlich fördern evidenzbasierte Leitlinien auch die Sicherung einer Kosteneffektivität in der Versorgung.470 Ein zusätzlicher Aspekt von Leitlinien liegt darin, dass durch die Einführung von Guidelines Ärzte beginnen, sich mit standardisiertem Vorgehen auseinanderzusetzen und diese Eingriffe in ihr Handeln zu akzeptieren.471 Jedoch kann die Erwartung, durch die Einführung von Leitlinien den Behandlungsprozess im Vorhinein fix vorstrukturieren zu können, nur zum Teil erfüllt werden. Die Erstellung evidenzbasierter Leitlinien setzt die Evaluation der zur Verfügung stehenden Literatur voraus. Damit einher geht auch die Forderung nach der notwendigen Unterstützung durch eine entsprechende Informationstechnologie, die bei der Suche und Aufarbeitung der Informationen hilft. Darüber hinaus müssen Guidelines auch von der gewünschten Zielgruppe anwendbar sein. Oftmals werden Leitlinien unter Krankenhausbedingungen erstellt und zu wissenschaftlich formuliert, so dass sie auf den niedergelassenen Bereich nicht übertragbar sind.472 Wesentlich ist schließlich die regelmäßige Anpassung der Leitlinien an den aktuellen Stand der Wissenschaft.473 Die Vorteile von evidenzbasierten Leitlinien liegen vor allem in der verbesserten medizinischen Versorgung und der möglichen Einsparung von Kosten: Die wissenschaftliche Forschung hat für fast alle chronischen Krankheiten den Nachweis erbringen können, dass eine evidenzbasierte Therapie das Auftreten von Komplikatio-
Vgl. Schell, H. / Lauterbach, K. W. (2002), S. 38. Vgl. auch zu den Zielen Kapitel 3.2.3.5. Vgl. Goldstein, R. (1998), S. 101. Eine wissenschaftliche Studie hat für die drei häufigsten chronischen Krankheiten Diabetes, Asthma und KHK eine deutliche Diskrepanz zwischen verordneter und empfohlener Behandlung festgestellt. Vgl. hierzu Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 30. 468 Vgl. Pilkington, G. / Pilkington, G. (1997), S. 124. 469 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 103. 470 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 108. 471 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 81. 472 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 82. 473 Vgl. Wille, E. (1997), S. 31.
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4 Darstellung von Disease Management
nen und Folgeerkrankungen verringern kann.474 Darüber hinaus schaffen Leitlinien sowohl für Patienten als auch Ärzte Therapiesicherheit.475 Vor der Entwicklung von Leitlinien muss die Priorität von Kosten oder Qualität bestimmt und festgelegt werden, ob durch die Leitlinien eine optimale Behandlungsqualität zu einem akzeptablen Preis angestrebt wird oder eine optimale Kosten-Nutzen-Relation für eine Leistung mit akzeptabler Qualität.476 Zu beachten ist, dass der Erfolg der evidenzbasierten Guidelines vor allem von ihrer Akzeptanz und Umsetzung durch die Ärzte abhängt. Leitlinien sind keine Richtlinien477 und so müssen entsprechende Anreize geschaffen (wie z. B. Vergleiche zu anderen Ärzten oder eine leitlinienorientierte Leistungshonorierung478) und eine fortwährende Kontrolle aufgebaut werden, um einen Rückfall der Ärzte in ihre angestammten Therapieformen zu verhindern. Ein wesentlicher Anreiz zur Akzeptanz der Leitlinien kann durch die gemeinsame Erstellung durch die Leistungserbringer erreicht werden.479 Ferner muss auf die hohen Kosten hingewiesen werden, die mit der Erstellung von evidenzbasierten Leitlinien verbunden sind. Lauterbach zeigt auf, dass die Erstellung der Leitlinien der amerikanischen Agency of Health Care Policy and Research im Durchschnitt 500.000 Dollar gekostet hat, und schätzt die Kosten für deutsche Leitlinien auf ca. 200.000–250.000 Euro.480 Seit in Deutschland im Jahr 1994 der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen den verstärkten Einsatz evidenzbasierter Leitlinien in allen Bereichen der Patientenversorgung gefordert hat, koordiniert die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften) die Entwicklung von Leitlinien für Diagnostik und Therapie durch die einzelnen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften. Die AWMF hat seit Mitte der 90er Jahre ca. 600 Leitlinien entwickelt, die im Internet verfügbar sind.481 Auch von Seiten der Pharmaindustrie werden vielfach Leitlinien als zusätzliche Dienstleistungen erstellt und angeboten.482 Für Asthma existiert bereits international eine Vielzahl von Guidelines. Drei wesentliche Aspekte werden von allen aufgegriffen: Arzneimitteltherapie auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, Notfall-Vorbeugung sowie Aufbau von Selbstmanagementfähigkeiten.483 Vgl. Welch, P. et al. (2002), S. 353; Lauterbach, K. W. / Evers, T. / Stock, S. (2002), S. 1212. Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 17. 476 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 42. In USA wird bei der Erstellung von Guidelines der Aspekt der Optimierung individueller Kosten-NutzenÜberlegungen in den Vordergrund gestellt. Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 76. 477 Vgl. Nolte, D. (2002), S. 228. 478 Vgl. Helou, A. / Schwartz, F. W. (2000), S. 154. 479 Vgl. Haubrock, M. / Hagmann, H. / Nerlinger, T. (2000), S. 70. 480 Vgl. Lauterbach, K. W. (1998), S. 99 und 102. Der Euro-Betrag wurde aus einem DM-Betrag von „400.000–500.000“ umgerechnet und gerundet. 481 Vgl. AWMF (2006), o.S.. 482 Vgl. Haubrock, M. / Hagmann, H. / Nerlinger, T. (2000), S. 70. 483 Vgl. Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 67. 474 475
4.2 Instrumente und Elemente
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4.2.2 Patientenintegration, -Empowerment und -schulung Patientenintegration und -Empowerment Patienten werden stetig mündiger und wollen im Rahmen des Behandlungsprozesses zunehmend mehr Eigenverantwortung übernehmen.484 Häufig bleiben chronisch Kranke im Behandlungsprozess passiv auf dem Niveau des „erduldeten Behandelten“485 stehen. Es kann den Patienten im Krankheitsfall allerdings nicht zugemutet werden, unterschiedliche medizinische Maßnahmen und Interventionen bezüglich Effektivität, Qualität und Preis zu evaluieren und auszuwählen. Deshalb werden die notwendigen Entscheidungen an Ärzte und anderes Gesundheitspersonal delegiert. Eine erfolgreiche Behandlungsstrategie erfordert aber die Beteiligung des Patienten, da nur befähigte Patienten eine aktive Rolle in ihrem Behandlungsprozess nehmen können.486 Im Disease Management steht der chronisch Kranke als mündiger Patient im Mittelpunkt.487 Er selbst soll als Gestalter seiner eigenen Gesundheit aktiv beteiligt sein.488 Aus diesem Grunde ist die Einbindung der Patienten in den Behandlungsprozess sowie deren Empowerment und Schulung als ein elementares Element von Disease Management zu bezeichnen. Patientenschulungen sind im Rahmen von strukturierten Behandlungsprogramen Pflicht und werden meist von den Krankenkassen initiiert und ambulant angeboten.489 „DMP können nur dann erfolgreich sein, wenn der Patient als Partner bei der Bewältigung der Krankheit und nicht als passiver Empfänger von angewandten Behandlungen betrachtet wird.“490 Patienten-Empowerment und -integration bilden nur ein Mittel zur Erlangung der notwendigen Selbstmanagement-Fähigkeiten, Patientenschulungen, -information sowie -leitlinien dienen ebenfalls deren Umsetzung. Unter Patienten-Empowerment (Befähigung des Patienten bzw. Patientenmitgestaltung und -ermächtigung) versteht man die Ermutigung von Patienten, eine aktivere Rolle in der Vorbeugung und Behandlung ihrer (chronischen) Krankheit zu übernehmen.491 Durch mehr Verantwortung, Entscheidungs- und Kontrollkompetenz sowie Aufgaben soll der Patient befähigt werden, eigenmächtiger zu handeln.492 Patientenintegration geht über die bloße Vermittlung von Schulungsinhalten hinaus. Vielmehr sind Programme wie z. B. Raucherentwöhnung und Bewegungspro-
Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 38; Scherenberg, V. (2003), S. 43. 485 Grimmel, R. / Hägele, M. / Leopold, C. (2003), S. 24. 486 Vgl. Reeder, L. (1999), S. 41; Scherenberg, V. (2003), S. 44. 487 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 144. 488 Vgl. Schenk, R. (2001), S. 10. 489 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 50. 490 Scherenberg, V. (2003), S. 44. 491 Vgl. Welch, P. et al. (2002), S. 353. 492 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 44.
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gramme erfolgreicher, wenn sie mit einer parallelen Stärkung der Eigenverantwortung und des Selbstmanagements einhergehen.493 Vorrangiges Ziel von Selbstmanagement und Empowerment im Rahmen von Disease Management ist es, Patienten (und z. T. auch deren Familien) in die Lage zu versetzen, die chronische Krankheit besser managen zu können. Ferner soll beim Patienten eine positive Einstellungs- und Verhaltensänderung in der Art bewirkt werden, dass es seiner chronischen Krankheit förderlich ist. Dies kann vor allem durch Informationstransparenz erreicht werden, wodurch der Patient mehr über seine Krankheit und die damit einhergehenden Notwendigkeiten versteht.494 Wichtig für die Integration des Patienten in den Behandlungsprozess ist die Festlegung von – möglichst schriftlichen – Handlungsempfehlungen in Form von Patientenleitlinien. Diese sollen dem Patienten helfen, Ursache, Bedeutung und Durchführung von Maßnahmen des Selbstmanagements zu verstehen und den Therapieplan richtig umzusetzen.495 Der Patient benötigt zur Selbstregulation Strategien, die ihm bei der Bewältigung problematischer Situationen helfen.496 Voraussetzung hierfür ist, dass die Patientenleitlinien in einfacher und verständlicher Sprache verfasst werden. Erfolgreiche Selbstmanagement-Programme erfordern darüber hinaus einen gemeinschaftlichen Prozess zwischen Leistungserbringern und Patienten, in dem die Probleme des Patienten mit der Krankheit definiert, Prioritäten und Ziele gesetzt werden sowie ein Behandlungsplan aufgestellt wird, der sich den Bedürfnissen des Patienten anpasst.497 Ferner hängt Patienten-Empowerment von der Einführung von Anreizen ab, die sowohl auf Patienten- als auch auf Arztseite wirken müssen. Patienten werden nur dann von den Ärzten umfassend informiert, wenn die Vergütung des zeitaufwendigeren Gespräches entsprechend gewährleistet ist. Wichtig ist auch die Anpassung des Umfangs der Integration an die Patienten-Compliance. Hindernisse auf Seiten des Patienten müssen antizipiert und in den Prozess integriert werden, um auch dauerhaft eine Verhaltensänderung zu bewirken.498 Darüber hinaus muss der Patient bereits frühzeitig in den Prozess der Diagnoseerstellung einbezogen werden.499 Auch die Krankenkassen sollten Konzepte entwerfen, die die SelbstmanagementFähigkeiten der Patienten fördern. Hier sind Kursangebote zu SelbstmanagementTechniken sowie Patienteninformationsmaterialien zu nennen. Darüber hinaus ist für die aktive Übernahme von mehr Verantwortung im Behandlungsprozess auch die Schulung der Patienten notwendig.500 Tatsächlich sind jedoch bisher nur in unzureichendem Maße die Patienten in den Behandlungsprozess der Disease-ManagementVgl. Scherenberg, V. (2003), S. 36. Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 42. 495 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 55. 496 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 32. 497 Vgl. Wagner, E. H. et al. (1999), S. 59. 498 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 40. 499 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 60. 500 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. 2000), S. 38; Welch, P. et al. (2002), S. 353. 493 494
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Programme integriert. Studien in den USA haben gezeigt, dass weniger als 25% der eingeschriebenen Patienten aktiv an den Programmen teilnehmen, was sich damit auch auf die Effektivität der Programme auswirkt.501 Dabei haben Programme mit einem aktivierenden und befähigenden Schulungselement für Patienten einen positiven Einfluss auf die klinischen und finanziellen Auswirkungen des Disease-Management-Programms.502 Problematisch ist die Patientenintegration, wenn Handlungsempfehlungen unklar oder nicht genügend abgesprochen sind. Dann kann es durch die Aktivierung des Patienten zu Fehlaktionen kommen oder notwendige Handlungen werden aus Angst vor Fehlern unterlassen.503 Darüber hinaus geben viele Patienteninformationen oft keine ausgewogenen und objektiven Informationen über die Effektivität verschiedener Therapiemöglichkeiten.504 Deshalb bedarf es eines strukturierten Konzeptes, welche Informationen den Patienten bei der Ausübung seines Krankheits-Selbstmanagements unterstützen können. Eine Möglichkeit hierfür stellt ein systematisches Patienteninformationsmanagement dar. Patientenschulung Ziel der Schulungen ist die Befähigung „des Patienten, ein höchstmögliches Maß selbstbestimmter Entscheidungen über die Ausgestaltung der Therapie mit vornehmen zu können“505. Durch das Erlernen der entsprechenden Management-Fähigkeiten sollen zukünftige Notfälle vermieden werden. Hierfür werden die Patienten darin geschult, anfällefördernde Situationen und die Symptome der Krankheit frühzeitig zu erkennen.506 Darüber hinaus wird für den Krisenfall ein Notfallplan aufgestellt.507 Dabei ist darauf zu achten, dass die angebotenen Schulungen vor allem auf das Erlernen von Selbstmanagement-Fähigkeiten Wert legen.508 Darüber hinaus müssen die notwendigen Problemlösungstechniken erarbeitet werden, um in kritischen Situationen schnell reagieren zu können. Raucherentwöhnungsprogramme, Entspannungstraining oder Sportkurse runden das Schulungsprogramm der Krankenkassen meist ab.509 In der Regel werden Schulungen im Rahmen eines ganzen Programmbündels angeboten. Für die Vermittlung der relevanten Inhalte werden persönliche, schriftliche, telefonische oder multimediale Maßnahmen genutzt.510 Dabei werden Gruppenschulungen ergänzt durch Informationsmaterialien, Hausbesuche, Mailings, telefonische Vgl. Benko, L. B. (2002), S. 30. Vgl. Shelledy, D. C. et al. (2005), 424. 503 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 32 f. 504 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 146. 505 Scherenberg, V. (2003), S. 49. 506 Vgl. Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 60. 507 Vgl. Gauting, J. N. (2003), S. 427. 508 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 109. 509 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 54. 510 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 45. 501 502
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und postalische Erinnerungen und Videos.511 Auch CD-ROMs, Internet-Schulungen und Patienten-TV kommen heute zum Einsatz.512 Die Inhalte der Schulungsprogramme sind dabei nicht auf das Management der Krankheit begrenzt, sondern beziehen auch Fragen des Lebensstils mit ein.513 Wissenschaftliche Studien haben den positiven Einfluss der Patientenintegration sowohl auf die Zufriedenheit des Patienten als auch auf die klinischen Ergebnisse vielfach nachgewiesen.514 Darüber hinaus können durch die aktive Beteiligung der Patienten – speziell bei chronischen Krankheiten – häufig Komplikationen und damit hohe Kosten vermieden werden.515 Mit einem aktiveren Krankheitsmanagement und damit besseren gesundheitlichen Befinden geht auch ein Anstieg der Lebensqualität einher.516 Die Patientenintegration sollte deshalb Bestandteil jedes Disease-Management-Programms sein.
4.2.3 Ärztliche Fortbildung In der Literatur wird „ärztliche Fortbildung“ synonym mit den Begriffen „Continuing Medical Education (CME)“, „Revalidation“ oder „Weiterbildung“ verwendet.517 Bisher wurde ärztliche Fortbildung häufig nur als bloße Wissensvermittlung medizinischer Inhalte durch Vorträge oder Selbststudium mittels Büchern und Zeitschriften verstanden.518 Bedingt jedoch durch die wachsende Kritik an diesen Schulungsmaßnahmen kommen in den letzten Jahren verstärkt auch andere Inhalte und Methoden zur Anwendung. Ärztliche Fortbildung zielt darauf ab, Ärzte auf dem aktuellen Stand der Patientenversorgung zu halten und die Akzeptanz neuer, effizienterer Behandlungsformen zu verstärken.519 Damit ermöglicht die Fortbildung den Ärzten, dem aktuellen Stand der medizinischen Weiterentwicklungen zu folgen und den Anforderungen an eine evidenzbasierte und kosteneffektive Medizin sowie an Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Patientenversorgung gerecht werden zu können. Kontinuierliche ärztliche Fortbildung stellt – neben der Patientenschulung – ein wesentliches Element im Rahmen der Qualitätsverbesserung und -sicherung der medizinischen Versorgung und damit einen relevanten Baustein des Disease Managements dar.520 Sie zielt darauf ab, Ärzte zur Umsetzung einer evidenzbasierten, effizienten und effektiven Patientenversorgung zu befähigen.521 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 109. Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 45. 513 Vgl. Lüngen, M. / Stock, S. / Lauterbach, K. W. (2002), S. 110; Myers, T. R. (2002), S. 634. 514 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 50 und 54. 515 Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 29. 516 Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 31. 517 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 175. 518 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 174. 519 Vgl. Bloom, B. S. (2005), S. 380. 520 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 25 und 31. 521 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 174. 511
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Disease-Management-Fortbildungen können sowohl medizinische als auch organisatorische oder persönlichkeitsfördernde Themen zum Inhalt haben.522 So können z. B. im Rahmen von Weiterbildungen auch Fähigkeiten zur besseren Kommunikation mit dem Patienten vermittelt werden.523 Studien haben bewiesen, dass gute zwischenmenschliche und kommunikative Fähigkeiten des Arztes einen signifikanten Einfluss auf die Patientenversorgung und verbesserte medizinische Auswirkungen haben, wohingegen bei ineffizienten Kommunikationsfähigkeiten eine Korrelation zu häufigen Beschwerden über ärztliches Versagen und Behandlungsfehler ermittelt werden konnte.524 Dies kann entweder durch unterstützende, befähigende oder verstärkende Interventionen erfolgen, wobei Erstere einen deutlich geringeren Einfluss haben.525 In Studien zeigte sich, dass eine Kombination verstärkender Maßnahmen (wie z. B. Hospitationen und Einsatz von Experten) das patientenbezogene Outcome am stärksten beeinflussten.526 Im Rahmen von Disease Management können verschiedene Fortbildungsarten eingesetzt werden:527 • Bereitstellung von Informationssystemen, wie z. B. Online-Datenbanken und -Portale • Implementierung von Experten-Hotlines (telefonisch oder per E-Mail), bei der niedergelassene Experten beratend tätig sind, • Aufbereitung und Bereitstellung evidenzbasierter Leitlinien in gedruckter oder Online-Version • Implementierung von Entscheidungsunterstützung, wie z. B. Qualitätszirkel, Experten-Hotlines, Beratungen und Sprechstunden bei Experten (persönlich, telefonisch oder per E-Mail) • Zur-Verfügung-Stellung von Erinnerungssystemen, die an den Einsatz der evidenzbasierten Leitlinien erinnern. Fortbildungen im traditionellen Stil, wie z. B. ausgehändigte Informationsmaterialien und Vorträge ohne Praxisbezug, sollten aufgrund ihres geringeren Einflusses auf das ärztliche Handeln bei Disease Management nicht eingesetzt und durch interaktive Maßnahmen (Qualitätszirkel) ersetzt werden.528 Der langfristige Erfolg derartiger Qualitätszirkel z. B. in Bezug auf das Schließen von Wissenslücken ist national und international bestätigt.529 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 178. Vgl. Rider, E. A. / Keefer, C. H. (2006), S. 626 f. 524 Vgl. Rider, E. A. / Keefer, C. H. (2006), S. 624. 525 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 179. 526 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 179. 527 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 178. 528 Vgl. Bloom, B. S. (2005), S. 381: „Didactic techniques and providing printed materials alone clustered in the range of not-to-low effects, whereas all interactive programs exhibited mostly moderate-to high beneficial effects.“ 529 Vgl. Kaltwasser, J. P. et al. (1998), S. 437. 522 523
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Voraussetzung für ärztliche Fortbildungen ist die verpflichtende Teilnahme. Die im Rahmen des Disease-Management-Programms eingeschriebenen Ärzte sollten an einer Mindestanzahl von Veranstaltungen pro Jahr teilnehmen müssen.530 Darüber hinaus muss der Fortbildungsbedarf identifiziert und in die Fortbildung eingebaut werden.531 Teilweise ist es hier notwendig, auch die individuellen Wissenslücken aufzudecken, um spezifisch auf die Teilnehmer eingehen zu können.532 Für diesen identifizierten Fortbildungsbedarf können dann speziell zugeschnittene Fortbildungskonzepte entwickelt werden, die die notwendigen medizinischen und organisatorischen Inhalte vermitteln.533 Wichtig ist auch bei diesem Element die Schaffung von Anreizen für die Ärzte, an den Fortbildungen tatsächlich teilzunehmen.534 Auch finanzielle Anreize können hier ggf. gesetzt werden.535 Unterstützt werden sollte die Fortbildung durch eine weiterbildungsförderliche Infrastruktur, in der die Ärzte motiviert werden, ohne jedoch Druck vor Versagen auszuüben. Darüber hinaus ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Fortbildungen erforderlich. Die Evaluation sollte deshalb ebenfalls Bestandteil des Konzeptes sein.
4.2.4 Datenmanagement auf Basis von Dokumentations- und Informationssystemen Für informierte Entscheidungen durch den behandelnden Arzt sind aktuelle Daten über den gesamten Behandlungsprozess des Patienten unerlässlich.536 Diese Informationen ermöglichen es ihm, die Wirksamkeit, Qualität und den gesundheitlichen Nutzen (s)einer Behandlung zu beurteilen.537 Darüber hinaus erlauben sie es, den Handlungsbedarf zu erkennen und problemorientiert zu entscheiden.538 Daten über den gesamten Behandlungsverlauf stehen ihm jedoch, aufgrund der historisch gewachsenen Trennung der Sektoren, nicht zur Verfügung.539 Wenn überhaupt, so sind diese Daten nur fragmentiert verfügbar, aufgrund meist verschiedenartiger Messungen schwer miteinander vergleichbar und wegen unterschiedlicher Datensysteme nicht miteinander kompatibel.540
Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 178. Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 175. 532 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 181. 533 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 181. 534 Vgl. Shrank, W. H. / Reed, V. A. / Jernstedt, C. (2004), S. 890. 535 Vgl. zu den weiteren Ausführungen Lauterbach, K. W. (2001), S. 175 und 182 f. 536 Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 133. 537 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 87. 538 Vgl. Jersch, N. (1996), S. 172. 539 Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 133. 540 Vgl. Preuß, K.-J. (1997), S. 262–263. 530 531
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Für eine systematische und effiziente Patientenbetreuung, wie sie durch Disease Management angestrebt wird, sind zentrale Informationssysteme und aktives Datenmanagement mit sofortiger Bereitstellung aller notwendigen Daten am relevanten Ort unerlässlich.541 Während dezentrale Datensammlungen bei einzelnen Ärzten zu hohen Informationsverlusten und damit Ressourcenverschwendung in Form von Doppeluntersuchungen und unnötigem Zeitaufwand für den Patienten führen,542 können durch zentrale Informationsplattformen die notwendigen Daten an den relevanten Stellen den Leistungserbringern zur Verfügung gestellt werden. Damit stellt die Verbesserung der Transparenz auch ein Verfahren zur Überwindung der identifizierten Über-, Unter- und Fehlversorgung in der Behandlung chronisch Kranker dar.543 Für Disease Management hat der Einsatz von Informationssystemen darüber hinaus noch eine weitere entscheidende Relevanz, da eine Vielzahl anderer Instrumente, wie z. B. Outcome-Messung, Reports, Vergütung, wie auch Leitlinien und Risikostratifizierung von der Sammlung und Auswertung von Daten abhängen.544 Damit stellt Datenmanagement für alle strategischen Anstrengungen des Disease Managements ein elementares Instrument dar.545 Neben der Bereitstellung aller notwendigen Daten haben Datenmanagementsysteme auch die Strukturierung der Daten zum Ziel. Der Arzt soll in die Lage versetzt werden, alle relevanten Informationen zu erkennen und in seinen Entscheidungsfindungsprozess einfließen zu lassen.546 Darüber hinaus bieten derartige Systeme Ansatzpunkte, evidenzbasierte Therapieinhalte zu vermitteln bzw. den Arzt im Behandlungsprozess an deren Einhaltung zu erinnern, wodurch die Qualität der Vorsorgung verbessert wird.547 Da Informationssysteme z. T. auch beim Patienten ansetzen, können diese Systeme durch Bereitstellung gezielter (individueller) Lehrinhalte auch das Selbstmanagement der Chroniker verbessern und die Motivation fördern.548 Bei Datensystemen sind Dokumentations- und Informationssysteme zu unterscheiden. Während die Dokumentationssysteme – ähnlich der bisherigen Patientenakte in Papierform – der Erfassung der Diagnose- und Behandlungsschritte dienen, bieten Informationssysteme den Beteiligten auch darüber hinausgehende Auskünfte. Hierbei ist zwischen Arzt- und Patienten-Informationssystemen zu unterscheiden. Die Vernetzung zwischen Dokumentations- und Informationssystemen ist jedoch von entscheidender Bedeutung für den gleichzeitigen Zugriff unterschiedlicher Beteiligter. Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 154. Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 160. 543 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 163. 544 Vgl. Armstrong, E. P. (1996), S. 1328. 545 „The fundamental requirement for all Disease Management Strategy efforts is an accessible database.“ Vgl. Nesse, R. E. et al. (2000), S. 43; Preuß, K.-J. (1997), S. 275 f.; Bernard, S. (1977), S. 198; Lauterbach, K. W. (2001), S. 154; Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 129; Welch, P. et al. (2002), S. 359. 546 Vgl. Lauterbach, K. W. / Stock, S. (2001), S. A1936; Lauterbach, K. W. (2001), S. 137 f. 547 Vgl. Bates, D. W. et al. (1999), S. 122. 548 Vgl. Bates, D. W. et al. (1999), S. 116. 541 542
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Auch wenn Relevanz und Ziele der diversen Informationssysteme ähnlich sind, so stellen sich doch, je nach System, unterschiedliche Anforderungen für deren Entwicklung und Einsatz. Damit Dokumentationssysteme angewandt werden können, müssen sie eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen:549 • • • • • •
Einfache Integration in den Praxisalltag Standardisierter Ablauf der Prozesse Geringer Zeitaufwand für Handhabung Problemnahe Auswertungsmöglichkeiten Möglichkeit der Integration in die Praxis-Software Finanzierbare Lösungen
Die Daten zu sammeln reicht jedoch nicht aus; sie müssen auch aufbereitet und den Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Außerdem ist die Umstellung von papiergestützter Patientendokumentation auf EDV-basierte Verarbeitung notwendig.550 Darüber hinaus muss die „bisherige chronologische Dokumentation medizinischer Daten auf eine episoden- oder indikationsbezogene Dokumentation umgestellt werden“551. Beim Aufbau eines Informationssystems sind folgende Aspekte zu beachten: • Die Systeme müssen den schnellen Datenaustausch zwischen allen Beteiligten ermöglichen, und • eine Evaluation von Qualitäts- und Ergebnisdaten sollte vorgesehen sein.552 Schließlich müssen Informationssysteme der Leistungserbringer neben den gesundheitlichen und ökonomischen Ergebnisdaten auch Strukur- und Prozessergebnisse auswerten und bereitstellen.553 Studien belegen, dass zwischen 20 und 50% der Kosten im Gesundheitswesen durch Informationsbeschaffung und -transport entstehen.554 Durch zentralere Datenbanken und ggf. elektronische Informationssysteme könnten diese Kosten gesenkt werden.555 Eingesetzt werden können diese Systeme ferner bei Schulungen und zur Aufklärung über spezifische Fragestellungen (wie z. B. unterschiedliche Therapiemöglichkeiten, Krankheitsbild, Untersuchungsergebnisse, Gesundheitswerte, Patientenleitlinien, Lebenshilfen im Alltag, Tipps zum Selbstmanagement). Durch das kombinierte Angebot von aktiver (E-Mail, Mailings und Anrufe) und passiver Informationsvermittlung (Internet) erhalten die Beteiligten eine umfassende Informationsplattform, die darüber hinaus Wiederholungs- und Erinnerungseffekte hervorVgl. Jersch, N. (1996), S. 174. Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 125. 551 Caeser, M. (1996), S. 162. 552 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 25. 553 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 78. 554 Vgl. Bales, S. (2003), zitiert in: Goetz, C. F.-J. (2003/4), S. 18; Baumberger, J. (2001), S. 86. 555 Vgl. Goetz, C. F.-J. (2003/4), S. 18. 549 550
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ruft.556 Ferner sind als Vorteile die leichte Aktualisierbarkeit der Daten und der einfache, orts- und zeitunabhängige Zugang auf die Informationen speziell bei elektronischen Datensystemen als Vorteile zu nennen.557 Schließlich besitzt ein funktionierendes Informationssystem auch einen Marketing- und Imageeffekt für Disease Management.558 Probleme im Rahmen des Datenmanagements ergeben sich im deutschen Gesundheitswesen derzeit aufgrund der sehr restrikten Bestimmungen des Datenschutzes. „Bis heute ist völlig unklar, welche Daten und Informationen bis zu welchem Grad als sensibel und persönlich anzusehen sind, wer letztlich der Eigentümer bestimmter Daten ist (Patient, Leistungserbringer oder Versicherer) und welche Verschlüsselungstechnik einzusetzen ist.“559 Hier sind vom Gesetzgeber neue Richtlinien notwendig, welche die Datensicherheit beim Disease Management hinsichtlich Speicherung, Zusammenführung und Auswertung regeln.560 Als eine optimale Umsetzung des Informationsaustauschs in Bezug auf einzelne Patienten gilt die elektronische Patientenakte.561 Bisher stehen diese Formen zur systematischen Archivierung von Daten jedoch erst im Anfangsstadium.562 Da die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte durch den § 291a SGB V bis zum 01. 01. 2006 gesetzlich festgelegt ist, wird derzeit an der schnellen Umsetzung dieses Austauschmediums für patientenspezifische Informationen gearbeitet.563 Diese Gesundheitskarte soll fall- und einrichtungsübergreifend einsetzbar sein.564
4.2.5 Messung, Bewertung und Management von Prozessen und Ergebnissen Die Prozess- und Ergebnismessung stellt eines der umfangreichsten Elemente von Disease Management dar. Hierunter fallen sowohl die Prozessmessung, die Ergebnisevaluation, die Bewertung der Ergebnisse sowie das Management aller Ergebnisse, die dann in das Feedback an die Teilnehmer münden (vgl. Kapitel 4.2.6).565 Die bloße Ergebnismessung greift im Rahmen von Disease Management zu kurz, da die Ergebnisse auch bewertet und gemanagt werden. Deshalb wird im Folgenden der Begriff „Outcome Management“ verwendet anstatt des gängigeren Begriffs „Outcome-Messung“. Vgl. Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 30. Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 138. 558 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 140. 559 Preuß, K.-J. (1997), S. 277. 560 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 164. 561 Vgl. Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 30. 562 Vgl. Salfeld, R. / Wettke, J. (2000), S. 3. 563 Vgl. Warda, F. (2003/4), S. 7. 564 Vgl. Warda, F. (2003/4), S. 8. 565 Vgl. Lauterbach, K. W. / Stock, S. (2001), S. A1937. 556 557
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Im Gesundheitswesen versteht man im Allgemeinen unter Outcome(s)566 das Ergebnis einer Behandlung oder Therapie, wie z. B. Verbesserung des Gesundheitszustandes, aber ebenso das Resultat fehlender Versorgung.567 Outcome Management ist von Outcome Research abzugrenzen. Bei Outcome Research handelt es sich um das bloße Durchführen von Studien zur Messung der Auswirkungen, während Outcome Management die Ergebnisse der Studien weiterverwertet und zur Verbesserung des Programms nutzt.568 Damit bildet Outcome Research als Form der Evaluation die Basis für die Datengenerierung. Die durch Studien erhaltenen Daten können dann bspw. zur Verbesserung der Guidelines verwendet werden.569 Mit Hilfe der durch Outcome Management gewonnenen und analysierten Daten können sowohl Ärzte und Krankenkassen als auch z. T. Patienten fundiertere Entscheidungen treffen.570 Outcome Management ist ein wesentliches Mittel, um nach einer systematischen Evaluation und der anschließenden Bewertung die optimale Versorgung für die Patienten zu bestimmen, die zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt.571 Outcome Management umfasst die Elemente Evaluation, Bewertung und Benchmarking. Es stellt einen Prozess dar, der nach der Evaluation von Daten in Empfehlungen endet, bevor ein erneuter Evaluationsprozess beginnt.572 Damit ist es nicht nur die statische Evaluation, die mittels unterschiedlichster Verfahren durchgeführt wird, sondern ein dynamischer Prozess.573 Outcome Management ist damit im Sinne von kontinuierlicher Verbesserung ein Element des Qualitätsmanagements im Disease Management. Für die „rationale Gestaltung von Strukturen, Prozessen und Ergebnissen im Gesundheitswesen“574 ist die Evaluation unerlässlich und gehört deshalb unverzichtbar zum zielorientierten Handeln.575 Bei der Evaluation von Disease-Management-Programmen finden drei Arten von Output- bzw. Ergebnisindikatoren Anwendung:576 • patientenorientierte Indikatoren, wie z. B. Lebensqualität und Patientenzufriedenheit, • ökonomische Indikatoren, wie z. B. Kosten für Krankenhaustage oder Arzneimittelverbrauch, und • klinische Indikatoren, wie z. B. Lungenfunktionswerte oder Blutdruck. Beide Schreibweisen werden im Folgenden synonym verwendet. Vgl. Maloney, K. (1999), S. 5. 568 Vgl. Fitzgerald, P. (1998), S. 90. 569 Vgl. Blaiss, M. S. (1997), S. 1874. 570 Vgl. Steinwachs, D. M. / Wu, A. W. / Skinner, E. A. (1994), S. 153 und 161. 571 Vgl. Ellwood, P. M. (1988), S. 1553 und 1556. 572 Vgl. Epstein, R. S. / Sherwood, L. M. (1996), S. 835. 573 Vgl. Epstein, R. S. / Sherwood, L. M. (1996), S. 835. 574 Badura, B. (1999), S. 17. 575 Vgl. Zitter, M. (1997), S. 16; Badura, B. (1999), S. 18; Gauting, J. N. (2003), S. 426. 576 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 139; Blaiss, M. S. (1997), S. 1874; Bernard, S. (1977), S. 195; Maloney, K. (1999), S. 4. 566 567
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Im Zentrum stehen dabei die patientenbezogenen Indikatoren. Diese Indikatoren geben Aufschluss darüber, wie die nicht heilbaren, chronischen Krankheiten durch den Einsatz der Disease-Management-Interventionen zu einer ‚Verbesserung des Wohlbefindens’ beitragen konnten.577 Vor dem Gesichtspunkt der Suche nach Effizienzreserven in der Chronikerversorgung sowie der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen kommt den ökonomischen Ergebnissen besondere Bedeutung zu.578 Hierbei werden meist Indikatoren wie die Einsparung von Kosten der stationären oder ambulanten Versorgung oder die Verminderung der Kosten durch Arbeitsunfähigkeit verwendet. Zur Untersuchung der ökonomischen Auswirkungen können Cost-Utility-, Cost-Benefit-, Cost-Identification- und Cost-Effectiveness-Analysen eingesetzt werden.579 Bei den klinischen Indikatoren werden vor allem die Ergebnisse der therapeutischen Behandlung erhoben.580 Die Programmevaluation sollte als ein kontinuierlicher Prozess gestaltet werden, der von der Datenerhebung über die Auswertung bis zur Rückmeldung an die Programmteilnehmer reicht.581 Im Anschluss an die Evaluation bedarf es eines systematischen Bewertungsverfahrens, in dem die gewonnenen Ergebnisse auf ihren Betrag zur Zielerreichung dargestellt werden. Schließlich ist auch ein Benchmarking als wesentlicher Teil des Outcome Managements zu betrachten.582 Bei dem Benchmarking, einem anerkannten Controlling-Instrument des Qualitätsmanagements, geht es um die Untersuchung hervorragender Methoden und Prozesse anderer Organisationen, um durch deren Übertragung die eigenen Leistungen zu verbessern.583 An Outcome Management und Evaluationen werden eine Reihe von Anforderungen gestellt: Zum einen benötigt Outcome Management eine Infrastruktur, in der die kontinuierliche Analyse der notwendigen Daten möglich ist.584 Diese Struktur muss gewährleisten, dass die Daten zügig für die Auswertungen zur Verfügung stehen, um den Beteiligten zeitnah Feedback auf ihr Handeln und die Erreichung der Ziele geben zu können. Dadurch ergibt sich eine standardisierte, kontinuierliche und strukturierte Datenerfassung und Auswertung. Um die Bereitschaft der Leistungserbringer zur kontinuierlichen Dokumentation zu erhalten, sollte die Erhebung Bestandteil der Teilnahmeverträge sein.585 Zum anderen sind die Qualität und Vollständigkeit der Dokumentation der Patientendaten für den Erfolg des Outcome Managements und damit des DMP entscheidend. Darüber hinaus müssen die Ergebnisse und Prozesse
Vgl. Hoffmann, C. / Schöffski, O. (2000), S. 248. Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 31; Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 136. 579 Vgl. Hoffmann, C. / Schöffski, O. (2000), S. 247. Für detailliertere Informationen zu den verschiedenen Analyseformen vgl. z. B. Blaiss, M. S. (1997), S. 1878. 580 Vgl. Maloney, K. (1999), S. 4. 581 Vgl. Lauterbach, K. W. / Stock, S. (2001), S. A1937. 582 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 298. 583 Vgl. Güntert, B. J. (1999), S. 105 und 109. 584 Vgl. Epstein, R. S. / Sherwood, L. M. (1996), S. 835. 585 Vgl. Maetzel, J. (2003/4), S. 49. 577 578
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während der Erkrankung, bei eingeschriebenen Patienten und im Lauf des Programms erhoben werden, und die Daten valide und reliabel sein.586 Bei den Auswertungen von DMPs ist zu Beginn die Sicht der Analysen zu bestimmen, die, je nach Fragestellung und Zielgruppe, zwischen einem Schwerpunkt auf strukturellen, prozessualen und ergebnisorientierten Aspekten variieren kann.587 Daneben ist aber auch zu definieren, welche Indikatoren zur Überprüfung der Hypothesen eingesetzt werden. Einzelne Indikatoren können dabei mehrere Verwendungen haben, wie z. B. die Anzahl der Krankenhaustage, die sowohl ökonomisch als auch medizinisch aussagekräftig ist. Außerdem ist auf die Validität und Reliabilität der Daten, sowie die langfristige Vergleichbarkeit mit anderen Programmen zu achten. Neben den vielen bereits genannten Vorteilen des Outcome Managements bei Disease Management besteht ein wesentlicher Pluspunkt in der Möglichkeit des tieferen Verständnisses für die chronischen Krankheiten.588 Evaluationen decken dabei die Kapazitätsreserven und Effizienzpotentiale auf und geben Hinweise über die verbesserte Versorgung der Krankheiten. Mit Hilfe der DM-Evaluation kann ferner die Effektivität einzelner eingesetzter Elemente (wie z. B. Schulungen) zur Behandlung der chronischen Krankheiten untersucht werden. Probleme im Outcome Management ergeben sich vor allem bei der Datenerhebung. Die mangelnde Einhaltung der Dokumentationsvorschriften kann die Auswertung der Daten erschweren. Dies kann nur durch strikte Erhebungskontrolle und fortwährende Schulungen zu den Fehlern in der Dokumentation vermieden werden. Schwierigkeiten zeigen sich auch in der Evaluation, da z. B. einige Berechnungen aufgrund mangelnder Daten oder fehlender Zuordenbarkeit zu den Interventionen nur schwer möglich sind.589 Dies betrifft die Kosteneinsparungen, die sich durch die einzelnen Maßnahmen ergeben würden. Ein weiteres Problem besteht im Trade-off zwischen detaillierter Erhebung und der begrenzten Zeit (und Geduld) der Ärzte. Eine aufwendige Dokumentation, die gleichzeitig eine Vielzahl von Parametern überprüft, verlangt von den Ärzten ein großes Maß an Zeit beim Ausfüllen der Erhebungsbögen. Eine umfassende Dokumentation ist in der Sprechstundenzeit im Allgemeinen nicht möglich, so dass die Erhebungsbögen erst nach Praxisschluss vom Arzt oder der Sprechstundenhilfe ausgefüllt werden. Dies widerspricht jedoch dem Qualitätsgedanken, wonach die Dokumentation auch gleichzeitig zur Qualitätssicherung beiträgt, indem die Dokumentation einzelner Indikatoren der Untersuchung des Patienten dient (z. B. Blutdruck oder Gewicht). Um jedoch einen Fragebogen zu erstellen, der im Laufe der Praxiszeit ausgefüllt werden kann, bedarf es einer Reduktion auf die wesentlichsten Fragen. Dieser Trade-off muss von den Programmverantwortlichen im Vorfeld gelöst werden. Vgl. Tacke, J. / Lauterbach, K. W. (1997), S. 159; Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 105 und 107; Scherenberg, V. (2003), S. 29; Jersch, N. (1996), S. 172; Summers, K. H. (1996), S. 1342. 587 Vgl. Oedekoven, C. / Volmer, T. / Meyer, A. (2000), S. 13. 588 Vgl. Maloney, K. (1999), S. 4. 589 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 172.
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4.2 Instrumente und Elemente
87
Schließlich bildet auch die zeitliche Komponente eine Schwierigkeit bei den Evaluationen, da viele Verbesserungen sich erst über einen langjährigen Zeitraum aufzeigen lassen.590
4.2.6 Feedback-Routinen und Erinnerungssysteme Ein weiteres relevantes Element des Disease Managements ist die Rückkopplung der Ergebnisse der Evaluationen, die in Form von Erinnerungssystemen, Feedback-Routinen und Reports erfolgen kann.591 Dabei werden die relevanten Informationen an die betreffenden Personen übermittelt und Handlungsstrategien zum weiteren Verlauf im Programm mitgeteilt. Derartige Rückkopplungsinstrumente sind notwendig, um die Compliance bei Ärzten und Patienten zu fördern und so an die Einhaltung der vereinbarten Handlungen zu erinnern bzw. Abweichungen hiervon aufzuzeigen. Zu unterscheiden ist zwischen der prospektiven Kontaktaufnahme zur Übertragung einer Botschaft in Form von Erinnerungssystemen (Remindern) und der retrospektiven Übermittlung von Informationen nach einer Untersuchung in Form von Feedback und Reports.592 Erinnerungssysteme und Feedback-Routinen können postalische, telefonische und computergestützte Systeme sein.593 Hier hat sich vor allem in den letzten Jahren das Internet erfolgreich durchgesetzt. Studien ergaben, dass speziell bei Asthma durch den Einsatz des Internets Krankenhausaufenthalte und Kosten reduziert und die Patienten-Compliance verbessert werden konnte.594 4.2.6.1 Erinnerungssysteme/Reminder Unter Erinnerungssystemen bzw. Remindern werden alle Arten von Mechanismen verstanden, mit denen proaktiv Informationen an Arzt und Patient übermittelt werden können bzw. an die Einhaltung bestimmter, vorab vereinbarter Handlungen erinnert werden kann.595 Eine weitere Möglichkeit ist die Kontaktaufnahme mit Patienten zur Abstimmung eines Nachfolgetermins für die Arztsprechstunde. Erinnerungssysteme sind ein wesentliches Element der Qualitätssicherung und der Steuerung der Patientenkarrieren. Neben ‚einseitigen Erinnerungssystemen‘, die eine Information vom Sender an den Empfänger übermitteln, können auch sogenannte „Educational Reminder“ angewendet werden, die eine Rückmeldung vom Empfänger der Nachricht an den Sender benötigen. Sie haben den Vorteil, dass sie die Nichtbeachtung der Information reduzieren und die Einhaltung der Empfehlungen erhöhen.
Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 173. Vgl. Brucksch, M. M. / Lenz, C. F. W. / Waller, T. (2001), S. A2242. 592 Vgl. Häussler, B. (2001), o. S. 593 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 120. 594 Vgl. Brucksch, M. M. / Lenz, C. F. W. / Waller, T. (2001), S. A2242. 595 Vgl. zu den Ausführungen in diesem Absatz Lauterbach, K. W. (2001), S. 120–132. 590 591
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4 Darstellung von Disease Management
Ferner kann zwischen arzt- und patientenbezogenen Erinnerungssystemen/Remindern unterschieden werden. Lauterbach unterscheidet darüber hinaus • passive (reine) Erinnerungssysteme von aktiven Systemen, die ein Handeln des Senders benötigen, • unspezifische Reminder von spezifischen Remindern, die gezielte Rückmeldung auf bestimmte Informationen geben, • und computergestützte Reminder, die neben individuellen Informationen für den Patienten auch über interaktive Möglichkeiten verfügen. Daneben können nach Art des gewählten Mediums schriftliche Reminder (Fax, Post, E-Mail oder SMS) oder mündliche Reminder (Telefon) unterschieden werden.596 Arztgerichtete Remindersysteme dienen vor allem der Erinnerung an evidenzbasierte Leitlinien und Untersuchungsformen, zu deren Einhaltung der Arzt sich bei Einschreibung in das Programm verpflichtet hat.597 Erinnerungssysteme unterstützen damit eine verbesserte Leitlinienadaption durch die Ärzte. Daneben können Reminder zur Information des Arztes infolge von durch ihn angeordneten Fremduntersuchungen und Überweisungen verwendet werden. Der Arzt erhält dann bspw. die Nachricht, den Patienten nochmals einzubestellen.598 Durch patientengerichtete Erinnerungssysteme wird die Compliance der Patienten, am Programm teilzunehmen und regelmäßig zu den notwendigen Arztbesuchen zu erscheinen, deutlich erhöht.599 Daneben werden Patienten mit bestimmten, für sie notwendigen Informationen zur Einhaltung der verordneten Therapie erinnert, wodurch das individuelle Patienten-Selbstmanagement unterstützt wird.600 Der Einsatz von Erinnerungssystemen ist vor allem unter Qualitätsgesichtspunkten vorteilhaft, da einerseits die leitlinienkonforme Versorgung und andererseits die Compliance der Patienten gestärkt wird. Darüber hinaus haben Reminder unterstützenden und steuernden Charakter, in dem sie den Arzt bei seiner Therapie fördern und den Patienten zu behandlungskonformem Verhalten anhalten. 4.2.6.2 Feedback-Systeme und Reports Feedbacks und Reports stellen Rückkopplungselemente dar, die Ärzte und Patienten retrospektiv über Ergebnisse informieren. Zum einen können Feedbacks bei Patienten eingesetzt werden, um nach erfolgtem Arztbesuch Diagnoseergebnisse, wie z. B. die Auswertung einer Laboruntersuchung, zusammen mit weiteren Handlungsanweisungen zu übermitteln. Zum anderen können Feedback-Routinen und Reports auch bei den Leistungserbringern eingesetzt werden, um den Ärzten Auskunft über die ErVgl. Scherenberg, V. (2003), S. 63. Vgl. Bindels, R. et al. (2000), S. 219 und 230 sowie Beck, S. L. (2002), S. 13–15. 598 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 122. 599 Vgl. Welch, P. et al. (2002), S. 353. 600 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 135; Scherenberg, V. (2003), S. 63. 596 597
4.2 Instrumente und Elemente
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reichung der vorab festgesetzten Programmziele zu geben.601 Dabei sollten den Ärzten nicht nur negative Ergebnisse mitgeteilt werden, sondern auch positive Beurteilungen, wie z. B. über reduzierte Notfälle in der Patientenkohorte, eingesparte Kosten durch effizienteren Ressourceneinsatz oder verbesserte Lungenfunktionswerte. Dadurch kann bei den Leistungserbringern ein weiterer Anreiz zur erfolgreichen Teilnahme gesetzt werden. Gute Reports zeichnen sich dadurch aus, dass sie gewonnene Ergebnisse in einen Vergleich setzen, wie z. B. Veränderungen spezieller Auswirkungen oder die Ergebnisse vor und nach der Programmeinführung.602 Die Sicherstellung einer „systematischen, aktuellen Information der Leistungserbringer und eingeschriebenen Versicherten“ und von „Maßnahmen mit Erinnerungs- und Rückmeldungsfunktionen“ wird ausdrücklich in der Risikostrukturausgleichsverordnung (Anlage 1, Punkt 2) für die strukturierten Behandlungsprogramme gefordert.
4.2.7 Risikostratifizierung und Patientenselektion Um die richtige Zielgruppe zu adressieren, muss für effiziente DMPs eine Patientenauswahl mittels Patientenselektion oder Risikostratifizierung vorgenommen werden.603 Unter Risikostratifizierung werden die Identifizierung des Risikos einzelner Patienten(-gruppen) und die Abstimmung der einzusetzenden Ressourcen und Maßnahmen auf diese Zielgruppe verstanden. Ferner wird hierunter der Prozess subsumiert, eine größere Patientengruppe unter Zuhilfenahme von aussagekräftigen Kategorien oder Klassifikationen zu unterteilen, um zielgerichtete Maßnahmen vornehmen zu können.604 Angewendet auf Disease Management, versteht man unter Risikostratifizierung ein System, mit dem Einflussfaktoren auf die Gesundheit untersucht und spezifische Maßnahmen zur Behandlung dieser Faktoren beschrieben werden können. Je nach Gruppenzugehörigkeit der Patienten werden dann unterschiedliche Maßnahmen angewendet. Die Notwendigkeit von Risikostratifizierung ergibt sich aus der Tatsache, dass Patienten hinsichtlich der Ausprägungen ihrer Krankheit unterscheiden und sie auf verschiedene Maßnahmen unterschiedlich reagieren.605 Die Relevanz von Risikostratifizierung wird vor allem bei der Betrachtung der Kosten deutlich: „The highrisk people are high-cost people in terms of the number of drugs, the number of visits, and so forth“.606 Risikostratifizierung und die damit einhergehende Patientenselektion sollten aus diesem Grund am Anfang eines jeden DMP stehen. Vgl. Häussler, B. (2001), S. 5. Vgl. Johnson, N. (1999), S. 456. 603 Vgl. Abholz, H.-H. / Berger, M. (2002), S. 96; Oberender, P. / Zerth, J. (2003), S. 190; Armstrong, E. P. / Langley, P. C. (1996), S. 54. 604 Vgl. Institute for Healthcare Studies (2006), im Internet unter http://www.ihcs.msu.edu/modules/ Disease%20Management/Glossary.htm am 10. 03. 2006. 605 Vgl. Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 28. 606 Vgl. Izzo, J. L. (1999), S. S751. 601 602
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Ein Problem der Stratifizierung liegt vor allem in der Bestimmung der relevanten Risikofaktoren für die Kohorte und später für die einzelnen Patienten. Die Risikostratifizierung im DMP umfasst sechs Schritte:607 • Beurteilung der gesamten Bevölkerung. Relevante Aspekte: Krankheitskosten, Prävalenz, Demographie, Verbrauchszahlen sowie medizinische Einblicke in die spezielle Krankheit • Spezifischer Identifikationsprozess und Kategorisierung der Kohorte. Relevante Aspekte: ICD-10, DRGs, Risikofaktoren etc. • Stratifizierung der einzelnen Patienten mit Zuordnung der zur Verfügung stehenden Ressourcen und Maßnahmen • Bestätigung der Diagnose und des Risikoprofils durch erneute Untersuchung • Durchführung der relevanten Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit und Veränderung des Verhaltens, wie z. B. Schulungen • Patientenspezifische und populationsbezogene Evaluation und Überprüfung der verfolgten Ziele; hierbei ist es wichtig, dass neben den allgemeinen Programmzielen auch die patientenspezifischen Zielwerte untersucht werden. Diese wurden in Abhängigkeit der Risikostratifizierung festgelegt.608 Zur Unterstützung der Risikostratifizierung können auch Software-Programme herangezogen werden, die z. B. für Asthma und Diabetes vorliegen.609 Ein Beispiel für die Anwendung von Risikostratifizierung in Deutschland ist das von Roche Diagnostics entwickelte „AccuChek Mellibase“. Es handelt sich dabei um ein Verfahren zur Risiko- und Potentialuntersuchung von Patienten mit Diabetes mellitus, das auf evidenzbasierten Studien beruht.610 Dabei werden diagnostische und anamnestische Befunddaten wie Alter, Diabetesdauer, Blutdruck und Vorerkrankungen, ausgewertet und basierend darauf ein patientenindividuelles Risikoprofil für die fünf Krankheitsfolgen von Diabetes mellitus (Herzinfarkt, Schlaganfall, Fußamputation, Nierenversagen, Erblindung) erstellt. Auf Basis dieser Risikostratifizierung können dann patientenindividuelle Behandlungsmaßnahmen entwickelt werden. Das Hauptselektionskriterium bei DMPs ist die Art der Krankheit. In vielen Programmen wird auch der Schweregrad der Erkrankung als Variable herangezogen werden.611 Ein weiteres Kriterium kann der Grad der Ressurcennutzung und Kostenverursachung sein.612 Danach ist es besonders sinnvoll, vor allem Patienten auszuwählen, die durch ihren hohen Ge-/Verbrauch an Ressourcen als Hauptkostenverur-
Vgl. Mayzell, G. (1999), S. 381; Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 64 f.; Mayzell, G. (1999), S. 381. 608 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 157. 609 Vgl. Welch, P. et al. (2002), S. 360. 610 Zu näheren Informationen vgl. Roche Diagnostics (2006), im Internet unter http://www.accu-chek.de/mellibase am 10.03.2006. 611 Vgl. Armstrong, E. P. (1996), S. 1329. 612 Vgl. Armstrong, E. P. / Langley, P. C. (1996), S. 54.
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4.2 Instrumente und Elemente
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sacher betrachtet werden.613 Ferner dienen auch Patientencharakteristika und demographische Faktoren zur Selektion der Patienten, wie z.B. die Altersgruppen.614 Für asthmatische Kinder sollten deshalb andere Schulungsprogramme eingesetzt werden als für asthmatische Erwachsene. Auch psychosoziale Faktoren – wie z. B. die Fähigkeit, an Schulungsprogrammen selbständig teilzunehmen bzw. eigenständig das Krankheitsmanagement zu verfolgen – sollten beurteilt werden, um die Maßnahmen effektiv auf den Patienten zuschneiden zu können. Während bspw. einzelne Patienten lediglich die Erinnerung durch das Call-Center benötigen, wird bei unselbständigeren Patienten ggf. ein Krankheitskoordinator in Form von Pflegepersonal benötigt.615 Zu beachten ist, dass ein effektives DMP neben den klinischen Risikofaktoren auch den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten in die Beurteilung mit einschließt.616 Da sich der Gesundheitszustand des Patienten ändern kann, muss auch die Stratifizierung in regelmäßigen Abständen überprüft werden.617 In deutschen DMPs wird Risikostratifizierung – genauso wie die Qualitäts- und Diagnosesicherung – durch das Einschreibemodul durchgeführt.618 In Studien von amerikanischen DMPs zeigte sich, dass es in der Regel zwei Ebenen der Interventionen gibt: Alle eingeschriebenen Patienten einer Krankheit erhalten bestimmte Interventionen, und diejenigen Patienten, die über bestimmte Kriterien verfügen, erhalten darüber hinaus noch intensivere Maßnahmen.619
4.2.8 Anreize und Sanktionen Für die Einführung von Disease-Management-Programmen und deren Akzeptanz durch die Ärzte sind gezielte Anreiz notwendig. Diese Anreize können Patienten und Leistungserbringer zur Teilnahme am Programm motivieren und ihr kontinuierliches Mitwirken verstärken. So können bspw. finanzielle Anreize in Form von Einzelvergütungen die Leistungserbringer anregen, dass sie im Rahmen der kontinuierlichen Evaluation die notwendigen Erhebungsbögen regelmäßig und vollständig ausfüllen. Ein effizientes Handeln, das Einhalten der gesetzten Normen des Programms oder allein die Teilnahme am Programm kann ebenfalls durch Anreize belohnt werden. Zahlreiche Studien belegen den Erfolg von Anreizen bei der Steuerung des Verhaltens von Leistungserbringern und Versicherten.620 Eine amerikanische Studie über den Einsatz von finanziellen, leistungsorientierten Anreizen zeigte positiven Einfluss Vgl. Nesse, R. E. et al. (2000), S. 44. Vgl. Zitter, M. (1997), S. 6. 615 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 172 und 193. 616 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 193. 617 Vgl. Institute for Healthcare Studies (2006), im Internet unter http://www.ihcs.msu.edu/modules/ Disease%20Management/Glossary.htm am 10. 03. 2006. 618 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 190. 619 Vgl. Welch, P. et al. (2002), S. 359. 620 Vgl. Shortell, S. M. (1997), S. 112 ff.; Lankers, C. H. R. (1997), S. 136. 613 614
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4 Darstellung von Disease Management
auf die Effektivität der Versorgung und Einsparungen von Kosten.621 Auch Schweizer HMOs konnten Einsparungen vor allem durch das Setzen von Anreizen bei Ärzten erzielen.622 Auf der Patientenseite kommen zwei Arten von Anreizen in Betracht, um sie für die Teilnahme an Disease-Management-Programmen zu gewinnen. Zum einen kann mittels qualitativer Anreize eine Programmteilnahme angeregt werden. Diese qualitativen Anreize folgen aus einer besseren medizinischen Versorgung in Form von leitlinienorientierter Behandlung, Qualitätszirkeln etc.623 Als weiterere motivationale Anreizfaktoren können die Steigerung der Lebensqualität und die Vermeidung von Folgeschäden für den Patienten genannt werden.624 Ferner kann auch der sektorübergreifende Versorgungsprozess als Anreizfaktor genannt werden. Dieser ist vor allem für Chroniker relevant, da sie im Behandlungsprozess eine Vielzahl von Einrichtungen durchlaufen und hier an einer strukturierten, übergreifenden Versorgung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen interessiert sind.625 Zum anderen können finanzielle Anreize die Patienten zur Programmteilnahme motivieren.626 Hier wäre z. B. ein reduzierter Beitragssatz in der Krankenkasse oder ein Bonus für erfolgreiche Teilnahme im Programm zu nennen. Auch die Reduktion oder Beseitigung von Zuzahlungen oder Selbstbehalten bei eingeschriebenen Mitgliedern sind als finanzielle Anreize möglich. So könnte bspw. auf die Non-Compliance der Patienten durch die finanzielle Beteiligung an den Arzneimitteln über einen Eigenanteil steuernd Einfluss genommen werden.627 In Deutschland werden derzeit sowohl qualitative als auch finanzielle Incentivierungen für die Teilnahme an DMPs angeboten. Während Ärzte vor allem die qualitativen Vorteile der Programme hervorheben (sollen), nutzen die Kassen zusätzlich finanzielle Anreize in Form der Abschaffung der Praxisgebühr bei Teilnehmern von DMPs.628 Die Schaffung von Anreizen für Ärzte ist ein wesentlicher Faktor, um die Qualität der Patientenversorgung zu sichern und zu erhöhen.629 Bei Ärzten werden in der Regel vor allem ökonomische Anreize eingesetzt, wie z. B. Zusatzvergütungen für erbrachte Leistungen (vgl. Kapitel 4.2.8). Gleichzeitig müssen aber auch explizite Sanktionen für die Nichteinhaltung von vereinbarten Zielen, Vorgaben oder Verhaltensweisen gesetzt werden.630 Daneben spielen aber auch qualitative Faktoren für die Motivation zur Teilnahme eine Rolle. Viele Ärzte empfinden Disease-ManagementProgramme als eine Bedrohung ihrer ärztlichen Behandlungsfreiheit (durch die verVgl. Lu, M. / Donaldson, C. (2000), S. 127. Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 136. 623 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 39. 624 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 39. 625 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 171. 626 Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 75. 627 Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 35. 628 Vgl. Clade, H. (2004), S. A1289. 629 Vgl. Felder, S. (2003), S. 237; Lankers, C. H. R. (1997), S. 136. 630 Vgl. Kongstvedt, P. (1996), 432 f. 621 622
4.2 Instrumente und Elemente
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bindliche Anwendung der Leitlinien) oder als eine unzumutbare zeitliche Belastung.631 Ein Ansatzpunkt, um diesen kritischen Anmerkungen entgegenzutreten, liegt in der Betonung der stärkeren Verantwortung der Ärzte und ihrer Rollenstärkung im Behandlungsprozess.632 Durch die zentrale Rolle im Versorgungsprozess erhalten Ärzte einen Anreiz, die notwendigen Maßnahmen wirtschaftlich und qualitativ hochwertig zu übernehmen.633 Auf der anderen Seite liegt das Erreichen der Kosten- und Qualitätsziele noch stärker in den Händen der Ärzte.634
4.2.9 Ergebnisorientierte Vergütung Das traditionelle deutsche Gesundheitswesen ist derzeit durch eine Vergütungsstruktur gekennzeichnet, die Quantität statt Qualität honoriert.635 Dies führte in den letzten Jahren zu einer kontinuierlichen Ausweitung der Menge erbrachter Leistungen anstatt der Konzentration auf Effizienz- und Effektivitätskriterien. Allgemein können folgende Vergütungsformen unterschieden werden: • Einzelleistungsvergütung (fee-for-service): Auf Basis eines vorher festgelegten Tarifs wird die Art und Anzahl aller erbrachten Einzelleistungen pro Behandlungsperiode vergütet, unabhängig von den tatsächlich entstandenen Kosten. Für die Leistungserbringer besteht bei dieser Vergütungsform der Anreiz, vor allem diejenigen Leistungen auszuweiten, deren Honorierung für sie vorteilhaft ist, wodurch es in einzelnen Bereichen zu Mengenausweitungen kommt. • Kopfpauschale (Capitation): Der Leistungserbringer erhält pro Abrechnungszeitraum pro Versicherten eine Pauschale über alle Versicherten, zu deren Versorgung er sich im Vorhinein verpflichtet hat.636 Dieser Betrag soll alle von ihm erbrachten Leistungen abdecken, wird aber unabhängig von der tatsächlichen Leistungserbringung bzw. -inanspruchnahme bezahlt. Problematisch hierbei ist der Anreiz, durch eingeschränkte Leistungsqualität bzw. Risikoselektion Kosteneinsparungen zu erzielen.637 Andererseits besteht auch ein finanzieller Anreiz, durch Prävention und Schulung den Patienten vorbeugend gesund zu erhalten, statt ihn später zu behandeln.638 Eine Sonderform hiervon ist das Salary, das ein Festgehalt für den Arzt darstellt. Dieses ist von der tatsächlich erbrachten Leistung bzw. Anzahl behandelter Patienten unabhängig, wodurch der Arzt faktisch zum Angestellten der Versicherungsgesellschaft wird.639 Vgl. Leider, H. L. (1999), S. 327. Vgl. Kongstvedt, P. (1996), S. 432 f. 633 Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 27. 634 Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 34. 635 Vgl. Jersch, N. (1996), S. 173. 636 Vgl. Oberender, P. / Ecker, T. (1997), S. 14. 637 Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 9. 638 Vgl. Glaeske, G. (2002), S. 10. 639 Vgl. Rachold, U. (2000), S. 58. 631 632
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• Erfolgsorientierte Vergütung: Diese Form knüpft die Vergütung an die Einhaltung vorgegebener Leistungsziele, wie z. B. Einsparungen oder Reduktion von Verordnungen. Sie erfolgt in der Regel zusätzlich zu einer der oben beschriebenen Vergütungsarten. Der gewünschte Effekt der erfolgsorientierten Vergütung liegt in der Verbesserung von Qualität und Effizienz der erstellten Leistungen.640 Die Existenz von ergebnisorientierten Vergütungselementen bildet ein zentrales Element im Rahmen von Disease-Management-Programmen.641 Dadurch sollen zusätzliche Anreize geschaffen werden, positive Entwicklungen tatsächlich auch umzusetzen.642 Bei der erfolgsorientierten Vergütung soll der Arzt direkt an der von ihm ausgelösten Einsparung oder den medizinischen Verbesserungen beteiligt werden. Dadurch können effizientes Handeln belohnt und Effizienzgewinne sichtbar gemacht werden.643 Darüber hinaus müssen die Honorarsysteme auch die Kooperation der Ärzte untereinander und die effizientere Gestaltung der Versorgung fördern.644
4.2.10 Qualitätsmanagement und -messung im Disease Management Das wichtigste Element des Disease Managements ist das Qualitätsmanagement, da dieses für die Effizienz und Effektivität des gesammten Programms entscheidend ist.645 Disease Management und Qualitätsmanagement hängen untrennbar miteinander zusammen, da Disease Management auf den Prinzipien des Qualitätsmanagements basiert.646 Eine Vielzahl der bereits beschriebenen Elemente sind Ausprägungen des Qualitätsmanagements, wie z. B. evidenzbasierte Leitlinien, Schulungen sowie das Outcome Management.647 Qualitätsmanagement kann somit als eine Grundlage des Konzeptes angesehen werden. Da sich Disease Management die Verbesserung des Managements von Krankheiten zum Ziel gesetzt hat und diesen Prozess durch vielfältige Total-Quality-Management(TQM)-Methoden untermauert (zu TQM vgl. die Ausführungen im folgenden Abschnitt), wird Disease Management vielfach in der Literatur auch als eine Möglichkeit dargestellt, Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen zu etablieren.648 Qualitätsmanagement bestimmt auch die Ziele von Disease Management, da die Verbesserung der medizinischen Qualität als eines der Hauptziele des Konzeptes bezeichnet wird.649 Vgl. Lu, M. / Donaldson, C. (2000), S. 134. Vgl. Berchtold, P. et al. (2000), S. 9. 642 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 161. 643 Vgl. Baur, A. / Böcker, K. (2000), S. 10. 644 Vgl. Glaeske, G. / Kellermann-Wachtel, P. / Matthesius, G. (1999), S. 33. 645 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 34. 646 Vgl. Berger, M. L. / Nebenfuhr, P. / Murray, R. K. (2000), S. 182. 647 Vgl. Lee, S. S. (2002), S. 10. 648 Vgl. Hildebrandt, H. (1996), S. 120; Preuß, K.-J. (1997b), S. 323. 649 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2005), S. 8 f. sowie Lauterbach, K. W. (2001), S. 294. 640 641
4.2 Instrumente und Elemente
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„Qualität ist die Gesamtheit der Merkmale, die ein Produkt oder eine Dienstleistung geeignet macht, die Kundenerwartungen zu erfüllen.“650 Bereits in den 1970er Jahren fanden Demin und Juran heraus, dass Qualität vor allem durch System-, Managementund Prozessfehler beeinträchtigt wird.651 Die Notwendigkeit und Umsetzung von kontinuierlicher Qualitätsverbesserung im Gesundheitswesen wurde vor allem durch die Ausführungen von Donabedian geprägt, der das ursprünglich produktionstechnische Konzept des Total Quality Managements von Deming auf die Patientenversorgung übertrug.652 Ziel ist die „kontinuierliche Steigerung der Output-Qualität durch die permanente Verbesserung von Versorgungsstandards“653. Im Gesundheitswesen wird der Qualitätsbegriff in der Regel als „Lebensqualität“ bzw. im Rahmen der Qualität der Therapie einer Krankheit verwendet wird.654 Die Untersuchung der Qualität im Gesundheitswesen beschäftigt sich zum einen mit der medizinischen Qualität und zum anderen mit der Art der Versorgung und der Versorgungsstruktur.655 Das Total-Quality-Management-Konzept, das als umfassender Qualtätsansatz verstanden werden kann, stellt in seinen Grundzügen die Basis des Disease Managements dar. Auch wenn sich industrielle Konzepte in der Regel nicht einfach auf das Gesundheitswesen übertragen lassen,656 können vier durch v. Reibnitz beschriebene Schwerpunkte des TQM im Disease Management im Rahmen der Ziele und Elemente gefunden werden:657 • Kundenorientierung, die den Chroniker ins Zentrum der Versorgung stellt, • Anpassung des Managementverhaltens durch stärkere Standardisierung und Kooperation mit anderen Leistungserbringern, • präventives Verhalten mit starkem Fokus auf Vorbeugung vor Komplikationen und Komorbiditäten sowie • Prozessorientierung durch vernetzte Strukturen, Outcome-Messung und Austausch zwischen den Beteilgten. Im Disease Management werden diese Qualitätsansätze in Form verschiedenster Instrumente umgesetzt und zu einem Gesamtkonzept zusammengeführt. Das wesentlichste Qualitätsmanagement-Instument der Programme stellen dabei die evidenzbasierten Leitlinien dar. Sie schaffen die Möglichkeit, Behandlungsprozesse zu strukturieren, effektiver zu steuern und auf die Umsetzung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auszurichten und zu optimieren. Darüber hinaus werden hiermit Indikatoren für die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der pflegerischen Versorgung aufgestellt, die in späteren Phasen überprüft werden können. Haubrock, M. / Hagmann, H. / Nerlinger, T. (2000), S. 63. Vgl. hierzu Haubrock, M. / Hagmann, H. / Nerlinger, T. (2000), S. 63. 652 Vgl. Donabedian, A. (1988), S. 1745. 653 Neuffer, A. B. (1997), S. 152. 654 Vgl. Rachold, U. (2000), S. 42; Reibnitz, C. v. (1996), S. 92. 655 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 35. 656 Vgl. Oedekoven, C. / Volmer, T. / Meyer, A. (2000), S. 12. 657 Vgl. Reibnitz, C. v. (1996), S. 90. 650 651
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4 Darstellung von Disease Management
Die Qualitätsmanagement-Instrumente des Disease Managements dienen sowohl der Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung als auch – wie im Fall der evidenzbasierten Leitlinien – der Qualitätsentwicklung.658 Auf die Umsetzung der Qualitätsmanagement-Instrumente sollte aus diesem Grunde besonderer Wert gelegt werden.
4.3
Vor- und Nachteile von Disease-Management-Programmen
Als Zielgruppen von DMPs kommen die Patienten, die Leistungsanbieter (Ärzte, Krankenhäuser) und Krankenkassen in Betracht.659 Für sie alle bringen DiseaseManagement-Programme sowohl Vor- als auch Nachteile.
4.3.1 Vorteile Für Patienten Vorrangiges Ziel und folglich bei guter Umsetzung auch Vorteil von DMPs ist die Verbesserung der Gesundheit der Patienten. Studien haben belegt, dass dass der Einsatz von DMPs die klinischen Auswirkungen und den Gesundheitszustand verbessern kann.660 Ferner kann das verstärkte Krankheitsmanagement der Patienten in Verbindung mit verbesserter, leitlinienkonformer und systematischer Versorgung durch die Leistungserbringer dazu führen, dass Komplikationen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes vermieden sowie die Mortalität und Hospitalisierungsrate reduziert werden.661 Darüber hinaus lassen sich durch das verbessserte Selbstmanagement der Patienten und die systematische Ausrichtung der Therapie an den spezifischen Versorgungszielen der Chroniker die Patientenzufriedenheit und die Compliance in der Therapie steigern.662 Viel stärker als bisher werden im Rahmen der Therapie auch das Alter, Komorbiditäten, die spezifischen Risikofaktoren und der psychosoziale Status der Patienten mit in den Versorgungsablauf integriert, was ebenfalls den Krankheitszustand und die Lebensqualität verbessert.663 Schließlich sind finanzielle Vorteile für den Patienten durch sinkende Beiträge möglich.664 Vgl. Berchtold, P. et al. (2000), S. 27; Lauterbach K., W. (2001), S. 23. Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 175. 660 Vgl. Piehlmeier, W. et al. (2006), S. S 208. 661 Vgl. Göhler, Alexander et al. (2006), S. 565. 662 Vgl. Fischer, T. / Lichte, T. / Popert, U. (2005), S. 16. Die Effektivität von Disease Management Programmen wird in der Literatur sehr gegensätzlich beurteilt. Die Autoren kommen zu dem Urteil, dass die Effektivität von DMP eingeschränkt ist, in Bezug auf die Paientenzufriedenheit und Adherence jedoch positiv zu beurteilen ist. 663 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 196. 664 Vgl. Felder, S. (2003), S. 239. 658 659
4.3 Vor- und Nachteile von Disease-Management-Programmen
97
Für Ärzte und Krankenhäuser Beim Hausarzt ist als Vorteil zum einen die Stärkung der Arzt-Patienten-Beziehung zu nennen, die durch die Einschreibung in die Programme vertraglich „fixiert“ wird. Der Arzt erhält die Sicherheit, dass der Patient – auch aufgrund der regelmäßigen Reminder – zu kontinuierlichen Folgebesuchen kommt. Zum anderen wird seine Position als „Krankheitsmanager“ bei den Chronikern durch die Programme gestärkt. Ein weiterer Vorteil liegt in der systematischen Weiterbildung durch Schulungen und Qualitätszirkel, die ihm strukturiert und z. T. zusammengefasst das aktuellste Wissen auf dem Gebiet der Chronikerversorgung näherbringen, ohne dass es von seiner Seite aufwendiger medizinischer Recherchen bedarf. Durch die vertraglich gesicherte, integrierte Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten kommt es auch für Krankenhäuser zu einer Sicherheit, da die Patienten in einem bestimmten Behandlungskorridor an die Krankenhäuser überwiesen werden. Für Krankenhäuser bieten DMPs damit die Möglichkeit, ihre Position im Markt zu stabilisieren, was in Anbetracht der laufenden Marktbereinigung für Krankenhäuser vorteilhaft ist. Für Krankenkassen Aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen haben die Krankenkassen in Deutschland derzeit keine Möglichkeit, patientenbezogene Behandlungsverläufe abzubilden oder zu analysieren. Für die Krankenkassen bieten DMPs nun erstmals den Zugang zu patientenspezifischen Daten.665 Zwar handelt es sich dabei nicht um Krankendaten, doch kann ein Versichertenbezug hergestellt werden. Daneben führen DMPs durch die Einführung des Elements „Outcome Management“ zu einer kontinuierlichen Überprüfung der eingesetzten Maßnahmen unter Kosten-, Relevanz- und Qualitätsaspekten und üben damit auch indirekt einen positiven Einfluss auf diese Aspekte aus.666 Ferner besteht ein Vorteil in der Möglichkeit des verbesserten Kostenmanagements. Durch das Angebot spezifischer Maßnahmen, wie z. B. Schulungen, können Krankenkassen noch aktiver in den Versorgungsprozess eingreifen und diesen effizienter und effektiver gestalten. Darüber hinaus kann es aufgrund der effizienteren Nutzung der Ressourcen und der Verbesserung der Qualität der Versorgung zumindest mittel- bis langfristig zu Kosteneinsparungen kommen (vgl. Kapitel 8.5). Diese Einsparungen können sich wiederum positiv auf die Beitragssätze der Versicherten auswirken, wodurch die Krankenkassen attraktiver für neue Patienten werden. Für Pharmaunternehmen DMPs gelten in den USA vor allem als Werbemittel von Pharmafirmen für HMOs, um im Gegenzug auf die Liste der verordneten Präparate zu kommen.667 Es waren Vgl. Richman, M. J. / Scott, P. / Kornberg, A. (1998), S. 564. Vgl. Pasternak, D. P. / Harris Jr., J. M. (1996), S. 28–33. 667 Vgl. Homer, Ch. J. (1997), S. 1461. 665 666
98
4 Darstellung von Disease Management
auch vor allem die Pharmaunternehmen, die zur Verbreitung von DMPs führten. Auch wenn Werbung in dieser Form in Deutschland wohl nicht möglich sein dürfte, so können Pharmafirmen doch durch gezielte Unterstützung für DMPs (z. B. im Rahmen von Qualitätszirkeln) als Goodwill die Meinung der teilnehmenden Ärzte positiv beeinflussen.668 Ärzten können so unterschwellig beeinflusst werden, da bestimmte Arzneimittel durch diese Maßnahmen stärker in den Wahrnehmungsbereich des Arztes rücken. Damit werden auch deutsche Pharmaunternehmen – ähnlich, wie es bereits in vielen anderen Ländern der Fall ist – noch stärker in den Non-DrugTreatment-Märkten tätig werden. Darüber hinaus bieten DMPs denjenigen Unternehmen, die sich um intensiven Kontakt zu den teilnehmenden Ärzten bemühen, wesentliche Einblicke in die Verordnungs- und Einnahmepraxis ihrer Medikamente, da es sich im Idealfall bei den teilnehmenden Patienten um intensive Konsumenten ihrer Präparate handelt. Zukünftig dürften neben pharmaökonomischen Studien auch Daten des Disease Managements zur Beurteilung von Kosten-Nutzen-Aspekten der Medikamente eine Rolle spielen werden.669 Für die Gesellschaft und Arbeitgeber Indirekt bringen DMPs, neben der besseren Gesundheitsversorgung, auch dem gesamten Gesundheitssystem, d. h. der Gesellschaft Vorteile. Die Einführung von Disease Management hat zu einer Veränderung in der Versorgung chronisch kranker Patienten geführt. Während bisher die episodenhaften, akutorientierte Behandlung der Patienten im Vordergrund stand, ist nun der kontinuierliche Krankheitsprozess ins Zentrum gerückt.670 Es geht jetzt darum, die Krankheit als Ganzes zu managen, als nur einzelne Symptome zu therapieren. Der Patient tritt aus seiner Rolle als kranker Leistungsempfänger heraus und stärker in die Position des Konsumenten von Gesundheitsleistungen.671 DMPs können ferner zu einer verminderten Ressourcennutzung führen, d. h. aufgrund des abgestimmten Behandlungsverhaltens aller beteiligten Ärzte kommt es zu einer Reduktion an Doppelbehandlungen und damit z. B. zu weniger Arztbesuchen. Darüber hinaus kann die Nutzung von DMPs, insbesondere durch die Schulung der Patienten, zu einer Verminderung von Notfällen und Krankenhausaufenthalten führen, wodurch Kosten im Gesundheitswesen gespart werden können.672 Schließlich erwächst ein weiterer Vorteil für die Gesellschaft aus der verbesserten Zusammenarbeit der Leistungserbringer.673 Dies kann zu einer abgestimmteren und systematischeren Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern führen und da-
Vgl. Preuß, K.-J. (1997b), S. 324. Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 75. 670 Vgl. Curtiss, F. R. (1997), S. 2219. 671 Vgl. Gebhart, K. N. (1996), S. 193. 672 Vgl. Richman, M. J. / Scott, P. / Kornberg, A. (1998), S. 564. 673 Vgl. Benko, L. B. (2002), S. 32. 668 669
4.3 Vor- und Nachteile von Disease-Management-Programmen
99
mit die in Kapitel 2.5.2 skizzierte Über-, Unter- und Fehlversorgung im Gesundheitswesen reduzieren. Für Arbeitgeber können Disease-Management-Programme zu einer höheren Produktivität und geringeren Ausfallzeiten der Mitarbeiter führen.674 Aufgrund des besseren gesundheitlichen Zustandes reduzieren sich so bspw. bei Asthmatikern die Anzahl der Krankenhaustage und folglich die Fehltage aufgrund der Krankheit, was für den Arbeitgeber ebenfalls zu einer Reduktion der Personalkosten führt.675
4.3.2 Nachteile Für Patienten Ein Nachteil des Disease Managements besteht vor allem für diejenigen Patienten, die aus sozioökonomischen oder morbiditätsorientierten Gründen nicht an den Programmen teilnehmen können.676 Während die eingeschriebenen Patienten in den Genuss einer verbesserten Versorgung und ggf. auch finanzieller Boni kommen, bleiben denjenigen Patienten, wie z. B. bettlägerigen Asthmatikern mit Schweregrad 3, die Vergünstigungen und Schulungen vorenthalten. Problematisch ist dabei auch, dass speziell diese schwerstkranken Chroniker für enorme Krankheitskosten sorgen, deren Reduktion durch Disease-Management-Programme nicht bewirkt werden kann.677 Für einige Patienten kann die Teilnahme an DMPs auch zu starken Veränderungen bis hin zu Einschränkungen in der Behandlung führen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die bei Patienten langjährig verordneten Präparate in den Programmen nicht als leitlinienkonform anerkannt werden. Derartige Arzneimittelwechsel sind Patienten häufig schwer verständlich zu machen und bedeuten für diese einen Nachteil der Programme. Für die Leistungserbringer Für die Ärzte ist als Hauptnachteil von Disease Management der deutlich größere administrative Aufwand zu nennen.678 Dieser resultiert zum einen aus der Sammlung und Aufarbeitung der Patientendaten in Form der Erhebungsbögen, zum anderen aus der Koordinierungsaufgabe, die niedergelassene Ärzte nun übernehmen müssen. Dieses Mehr an Administration führt gleichzeitig zu einem deutlich gestiegenen Zeitaufwand.679 Ein weiterer Nachteil aus Sicht der Ärzte ist die Forderung nach einer konsequenten Einhaltung der evidenzbasierten Leitlinien und des strukturierten, abgestimmten Verhaltens mit den anderen Leistungserbringern. Hierdurch kann es für die Ärzte zu einer Einschränkung ihrer ärztlichen Freiheit und Autonomie komVgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 28 und 31. Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 29. 676 Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 564. 677 Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 564. 678 Vgl. Benko, L. B. (2002), S. 32; Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 50. 679 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 66. 674 675
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4 Darstellung von Disease Management
men.680 Durch die verlangte Dokumentation können Abweichungen der Ärzte von den Leitlinien aufgedeckt werden, wodurch ihr Handeln transparent und kontrollierbar wird. Obwohl die Stärkung der Arzt-Patienten-Beziehung als Vorteil von DMPs genannt wurde, kann die Einführung der Programme auch dieses Verhältnis gefährden. In Studien wurde erforscht, dass sechs Voraussetzungen für eine gute Arzt-PatientenBeziehung gegeben sein müssen: Wahlmöglichkeiten, Kompetenz, Mitgefühl, Kommunikation, Kontinuität und keinerlei Interessenskonflikte.681 Und genau diese Interessenskonflikte könnten im Fall von DMPs für einen Bruch der Beziehung ursächlich sein, wenn die vom Arzt und dem Programm vorgesehenen Maßnahmen nicht mit den Vorstellungen des Patienten übereinstimmen.682 Für Pharmaunternehmen Für Pharmaunternehmen können Disease-Management-Programme zu Gewinneinbußen führen. Dies ist bei denjenigen Unternehmen der Fall, deren Produkte aufgrund von Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nicht in den entsprechenden Leitlinien vorgesehen sind. Da Ärzte an die Einhaltung der Leitlinien gebunden sind, kommt es bei den besagten Arzneimittelfällen zu einem Rückgang an Verordnungen und damit für die Unternehmen zu Umsatzeinbußen.
4.4
Erfahrungen mit Disease Management in den USA und der Schweiz
Anders als in Deutschland verfügen amerikanische Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Programme über deutlich geringere Begrenzungen und regulatorische Einschränkungen und können in stärkerem Maße Risikoselektion betreiben.683 Die Disease Management Association of America stellt in ihrer Definition sechs Elemente als Bedingung, wobei „full-service DMP“ alle sechs Elemente erfüllen müssen, um als DMP zu gelten:684 • • • •
„Population identification processes Evidence-based practice guidelines Collaborative practice models to include physician and support-service providers Patient self-management education (may include primary prevention, behavior modification programs, and compliance/surveillance) • Process and outcomes measurement, evaluation, and management;
Vgl. Kesteloot, K. / Defever, M. (1998), S. 30. Vgl. Emanuel, E. / Dubler, N. N. (1995), S. 323 und 326. 682 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 50. 683 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 33. 684 Vgl. DMAA (2006), o. S. 680 681
4.4 Erfahrungen mit Disease Management in den USA und der Schweiz
101
• Routine reporting/feedback loop (may include communication with patient, physician, health plan and ancillary providers, and practice profiling).“685 Mittlerweile ist es in Amerika zu einer Professionalisierung des DM-Bereichs gekommen ist, so dass einige Autoren von der zweiten Disease-Management-Generation sprechen:686 Die Verbreitung der Programme steigt jährlich, so dass im Jahr 2001 bereits 97% aller Managed-Care-Krankenversicherungen ihren Kunden Dienste aus DMPs anboten.687 Laut einer Studie von 2006 werden vorwiegend Programme zu Diabetes (81,5%) und Asthma (79,6%) angeboten.688 Zu beobachten ist derzeit ein Trend zur Spezialisierung auf Krankheiten mit kleineren Populationen, wie z. B. Rückenprobleme und Nierenkrankheiten, die von ca. 20–30% der HMOs offeriert werden.689 Darüber hinaus sind vielfach Organisationen, wie z. B. die Disease Management Association of America entstanden, die die Anstrengungen der Managed-CareUnternehmen unterstützen und koordinieren. Daneben stehen in den USA verschiedene Unternehmen für die Prüfungs- und Akkreditierungsverfahren zur Verfügung, die sich durch die Anzahl und Schwerpunkte im Prüfungsprozess unterscheiden:690 • National Committee for Quality Assurance (NCQA) • Joint Commission for Accreditation of Healthcare Organisations (JCAHO) • HEDIS (Healthplan Employer Data and Information Set), eine private, in allen USBundesstaaten aktive Organisation • NRC (National Research Corporation). Schließlich ist als Merkmal der DMPs der zweiten Generation das verstärkte Handeln der Unternehmen zu nennen, die sich mit ihren Programmen nicht nur an erkrankte Chroniker wenden, sondern bereits frühzeitig versuchen, durch aktives Management bei kleinsten Indizien der Volkskrankheiten vorbeugend tätig zu werden.691 Eine Weiterentwicklung, das sogenannte Health Management, integriert verstärkt Elemente des Public Health, wie z. B. die Beeinflussung des Gesundheitsverhaltens und die gesundheitsfördernde Gestaltung der Arbeitswelt, und unterstützt diese durch eine Evaluation in Form der Erfassung von Gesundheitsrisiken (Health Risk Appraisal).692 Auch darin können die Programme dem deutschen System ein Vorbild sein. Vgl. DMAA (2006), o. S. Vgl. Todd, W. E. (2001), S. 3. 687 Vgl. AHIP (2004), o. S. 688 Vgl. Walker, T. (2006), S. 60. 689 Vgl. Walker, T. (2006), S. 60. 690 Zu näheren Einzelheiten bzgl. der Prüfungs- und Akkreditierungsverfahren vgl. z. B. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 185. 691 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 182. 692 Vgl. Amelung, V. E. / Schumacher, H. (2000), S. 127; Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 182. 685 686
102
4 Darstellung von Disease Management
Disease Management ist in der Schweiz zwar seit einigen Jahren als Instrument zur Versorgung chronisch kranker Patienten anerkannt, doch hat sich dessen Einsatz bisher noch nicht durchgesetzt, so dass bisher lediglich Pilotprojekte initiiert wurden.693 Um die Akzeptanz und Verbreitung von Disease Management bei den Leistungserbringern in der Schweiz zu fördern, haben sich die führenden sechs Krankenversicherungen 2005 zu einer Interessengemeinschaft Disease Management (IGDM) zusammengeschlossen, um für die Indikation Herzinsuffizienz ein erstes gemeinsames DMP zu erstellen. In diesem Programm sollen die oben beschriebenen anerkannten Elemente, wie Schulungsprogramme, aktive Rolle der Patienten und Outcome-Messung eingesetzt werden.694
4.5
Zwischenfazit
Auch wenn sich die Umsetzung von Disease-Management-Programmen international unterscheidet, so ist ihnen doch das Ziel der effizienteren und effektiveren Versorgung chronisch kranker Patienten gleich. Unter Einsatz verschiedener Elemente wird versucht, die medizinische Versorgung zu standardisieren, indem in Fortbildungen und durch evidenzbasierte Leitlinien der aktuellste Stand der medizinischen Wissenschaft allen Leistungserbringern gleichermaßen zugänglich ist. Daneben werden die Selbstmanagementfähigkeiten der Patienten erhöht, um sie stärker in den Behandlungsprozess integrieren zu können. Das permanente Outcome Management bildet darüber hinaus die Grundlage für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und ein umfassendes Qualitätsmanagement. Als Motivation für die Teilnahme der Ärzte dienen – neben den ihnen zurückgespielten positiven medizinischen, patientenbezogenen und ökonomischen Auswirkungen – differenzierte Anreiz- und Vergütungssysteme. Nur durch das Zusammenspiel aller skizzierten Elemente kann die systematische, strukturierte und befähigende Behandlung der Chroniker zu einer effektiveren und effizienteren Versorgung führen.
693 694
Vgl. Trautmann, P. (2005), S. 947. Vgl. Trautmann, P. (2005), S. 948.
5
Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland
5.1
Ansatzpunkte für Verbesserungsmöglichkeiten in der Versorgung von Asthmatikern und COPD-Patienten in Deutschland
5.1.1 Asthma und COPD in Deutschland Die epidemiologische Situation von Asthma bronchiale und COPD wird in der Literatur vielfach als besorgniserregend bezeichnet, da es in den letzten Jahren vor allem in den Industrieländern zu einem starken Anstieg der Krankheitsfälle gekommen ist.695 Asthma wird als eine chronische entzündliche Erkrankung der Atemwege beschrieben,696 deren typische Symptome wie Giemen, Brummen, Husten und anfallartige Atemnot aufgrund von Atemwegsverengung (Bronchialobstruktion) vor allem nachts und in den Morgenstunden auftreten.697 Das auffälligste Ereignis der Krankheit ist der Asthmaanfall (Exazerbation), der z. T. stationär behandelt werden muss.698 Als Ursachen der Erkrankung werden sowohl genetische (intrinsische) Faktoren als auch Umwelteinflüsse (extrinsische Faktoren) diskutiert. Bei Kindern und Jugendlichen rufen vor allem Allergene wie z. B. Blütenpollen, Hausstaubmilben und Pilze, oder die Exposition gegenüber Tabakrauch im Kindesalter die Entzündungen hervor.699 In den letzten Jahren werden auch zunehmend entzündliche Veränderungen als Ursache der Krankheit angeführt.700 Eine Studie auf Basis von Daten gesetzlicher Krankenkassen ermittelte eine Prävalenz von Asthma bronchiale in Deutschland von ca. 6% bei Erwachsenen und ca. 10% bei Kindern und Jugendlichen.701 Asthma gilt als die häufigste chronische Erkrankung bei Kindern. International wird derzeit von einer Verbreitung der Krankheit von 3–6% bei Erwachsenen ausgegangen,702 mit stetig steigender Tendenz. Weltweite Schätzungen ermitteln ca. 150 Mio. Asthma-Patienten, für Deutschland beziffert man die Zahl auf ca. 5 Mio. Patienten.703 Bezogen auf Häufigkeit, Kosten und Sterbe-
Vgl. Hering, T. (2002), sowie Friedrich, H. J. / Severien, C. (1998), S. 956. Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2005), S. 12. 697 Vgl. Blaiss, M. S. (1997), S. 1875. 698 Vgl. Wettengel, R. / Volmer, T. (1994), S. 4. 699 Vgl. Wettengel, R. / Volmer, T. (1994), S. 8 und 10; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 55, Punkt 190. 700 Vgl. Warschburger, P. / Petermann, F. (2000), S. 9. 701 Vgl. Stock, Stephanie et al. (2005), S. 49. 702 Vgl. Wettengel, R. / Volmer, T. (1994), S. 13. 703 Vgl. Schommer, R. / Ewe, G. / Lohner, K. (2002), S. 1734. 695 696
104
5 Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland
rate rangieren in Europa Erkrankungen des Atemsystems auf dem zweiten Platz, nur knapp hinter den Herz- und Gefäßkrankheiten.704 Trotz kontinuierlicher Verbesserungen in Diagnostik und Therapie nehmen die Todesfälle infolge von Asthma bronchiale zu und liegen in Deutschland im internationalen Vergleich auf einem der Spitzenplätze.705 1999 starben an Asthma in Deutschland 3.486 Personen (0,4% aller Todesfälle).706 Dabei lassen sich 80–90% der Todesfälle vermeiden, die sich vor allem auf eine Unterschätzung der Erkrankung seitens der Ärzte und Patienten sowie schlechte Compliance bei den Patienten zurückführen lassen.707 Die Schwere der Krankheit wird einer üblichen Klassifizierung zufolge in drei Stufen angegeben: leicht, mittelschwer und schwer. Bei 64% der Patienten wird die Krankheit als sehr leicht bis leicht eingestuft.708 Die Gruppe der Patienten mit mittelschwerem Asthma umfasst 34% der Betroffenen. Diese wird in der Literatur als sehr heterogen besetzt beschrieben, weil hier am häufigsten Patienten mit einer nicht ausreichenden Behandlung anzutreffen sind. Lediglich 2% der Patienten leiden an schwerem Asthma. Bezogen auf die Entwicklung der Einstufung in die Schweregrade kann ein positiver Trend festgestellt werden. Während im Weißbuch Lunge 2000 noch die Verteilung der Schweregrade schwer/mittelschwer/leicht mit 5%/20%/75% angegeben wurde, so ist es in den letzten fünf Jahren zu einer Verschiebung gekommen, die jedoch vor allem zugunsten der mittelschweren Asthmatiker erfolgte. Eine mangelhafte Behandlung und kontinuierliche Verschlechterung der Krankheit kann zu einer Einschränkung der Lebensqualität und Verkürzung der Lebenserwartung führen. Auch wenn die chronische Krankheit Asthma bronchiale als nicht heilbar gilt, ist bei der Mehrzahl der Erkrankten eine wirksame Kontrolle möglich.709 Des Weiteren kann eine nicht ausreichende Versorgung von Asthma zu vermehrten Krankenhausaufenthalten führen, z. T. mit Betreuung auf einer Intensivstation sowie Fehlzeiten im Beruf,710 wodurch dem Gesundheitswesen, aber auch der Volkswirtschaft jährlich erhebliche Kosten entstehen. Bereiche mit hohem Einsparpotential sind laut Nowak et al. vor allem Krankenhausaufenthalte, Arbeitsunfähigkeit und asthmabedingte Frühverrentungen.711 Arbeitsunfähigkeit und Fehlzeiten tragen mit ca. 40% zu den hohen Kosten bei.712
Vgl. o. V. (2002 a), S. 4. Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2005), S. 12. 706 Vgl. Statistisches Bundesamt, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, vom 07.07.2006, Anzahl der Sterbefälle für Asthma bronchiale J45 im Jahr 1999. 707 Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2005), S. 14. 708 Vgl. Wettengel, R. / Volmer, T. (1994), S. 28. 709 Vgl. Arzneimittelkommision der deutschen Ärzteschaft (2001), S. 6. 710 Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 30. 711 Vgl. Nowak, D. / Volmer, T. / Wettengel, R. (1996), S. 364–371. 712 Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2005), S. 12. 704 705
5.1 Ansatzpunkte für Verbesserungsmöglichkeiten in der Versorgung
105
Untersuchungen in Deutschland gehen von Gesamtkosten für Asthma bronchiale von ca. 2,74 Mrd. Euro pro Jahr aus, wobei die direkten Kosten einen Anteil von ca. 25% ausmachen.713 Hauptkostenfaktor bei den direkten Kosten sind mit ca. 84% die Arzneimittel. Ursächlich für den hohen Anteil der indirekten Kosten sind vor allem Krankengeldzahlungen, Kosten aufgrund frühzeitigen Ruhestands und vorzeitigen Todes. Dieser Anteil ist jedoch in den letzten Jahren zurück gegangen. Der Begriff „chronisch obstruktive Lungenerkrankungen“ (COPD) fasst in der Medizin aufgrund schwieriger Abgrenzung drei Atemwegserkrankungen zu einem Krankheitsbild zusammen: chronisch obstruktive Bronchitis, Lungenemphysem und chronische Bronchitis mit asthmatischer Komponente. Diese Krankheiten unterscheiden sich zwar in ihrer Entstehung, weisen jedoch mit Husten, Auswurf und Atemnot ähnliche Symptome auf und können immer als chronische Erkrankung angesehen werden.714 COPD ist als „Begrenzung des Atemflusses ohne volle Rückbildungsfähigkeit“715 charakterisiert. Hauptsächlich wird jedoch auf die chronische Bronchitis, meist mit vorliegender Atemwegsobstruktion, verwiesen.716 Die Diagnose von COPD ist nicht immer einfach und kann, speziell bei den leichten Formen, nicht ohne Spirometrie erfolgen.717 Dies ist vermutlich auch einer der Gründe, warum ein Großteil der COPD-Patienten bisher noch nicht ausreichend therapiert wird.718 Eine weitere Ursache hierfür ist in der mangelnden Sensibilisierung der Bevölkerung für dieses Krankheitsbild zu suchen. Zahlreiche Untersuchungen in den letzten Jahren verweisen auf das Rauchen als die wichtigste Ursache für die Entstehung und Entwicklung von COPD.719 Viele Studien gehen davon aus, dass sich bei 10–15% der Raucher COPD entwickeln wird. Darüber hinaus gelten berufliche Exposition, Luftverschmutzung, Asthma sowie bestimmte genetische Veränderungen als Risikofaktoren für COPD.720 Aufgrund der Überschneidungen der drei Krankheitsbilder und der relativ schwierigen Differenzierung zu Asthma bronchiale ist eine epidemiologische Einschätzung schwierig.721 Die Prävalenz von COPD liegt in Deutschland bei 10–15% der Bevölkerung.722 Die Krankheit ist damit bei Erwachsenen doppelt so häufig wie Asthma vertreten. Es wird prognostiziert, dass in den nächsten Jahren speziell bei Frauen eine weitere Zunahme der Erkrankung stattfinden wird, da hier ein stärkerer schädigender Einfluss des Rauchens aufgezeigt werden konnte.723 Vgl. Stock, Stephanie et al. (2005), S. 51. Vgl. Celli, B. R. (2000), S. 15S. 715 Heitmann, R. / Schultz, K. (2002), S. 1. 716 Vgl. Mannino, D. M. (2002), S. 121. 717 Vgl. Stang, P. et al. (2000), S. 354S. 718 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Chapman, K. et al. (2006), S. 188. 719 Vgl. Stang, P. et al. (2000), S. 354S. 720 Vgl. Mannino, D. M. (2002), S. 121. 721 Vgl. Heitmann, R. / Schultz, K. (2002), S. 1. 722 Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2005), S. 29. 723 Vgl. Heitmann, R. / Schultz, K. (2002), S. 2. 713 714
106
5 Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland
COPD gilt als eine der häufigsten Todesursachen weltweit.724 Es steht bereits heute auf Platz 5 der Todesursachen in Europa725 und wird zu den fünf größten Gesundheitsproblemen der Welt gezählt.726 Laut Statistischem Bundesamt starben an COPD im Jahre 2002 in Deutschland 22.455 Personen, d. h. 2,3% aller Todesfälle.727 Es wird von einem weiteren Anstieg der Todesfälle bis zum Jahre 2020 ausgegangen.728 COPD befindet sich unter den 12 führenden Gründen für Berufsunfähigkeit.729 Analog zu den Prognosen zur Todesursache rechnet man auch hier mit einem weiteren Anstieg bis auf Platz 5 im Jahr 2020.730 Laut einer Untersuchung von Badura entfielen 1998 26% der Arbeitsunfähigkeitsfälle bzw. 30% der Krankheitstage der AOK-Versicherten auf Asthma und COPD.731 Mit Gesamtkosten von ca. 4 Mrd. Euro pro Jahr liegt COPD im Vergleich der Lungenkrankheiten auf Platz 1 (Asthma Platz 4).732 Je nach Schweregrad der Erkrankung liegen die durchschnittlichen COPDKosten pro Patient und Jahr zwischen 480 und 1.730 Euro.733
5.1.2 Spezifische Versorgungsprobleme bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in seinem Gutachten 2000/2001 „Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit“ in Band III: Über-, Unter- und Fehlversorgung, neben den allgemeinen Kritikpunkten an der Versorgung chronisch kranker Patienten, ausführlich auf Versorgungsdefizite bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen hingewiesen.734 Er beruft sich dabei auf eine Befragung der deutschen Gesellschaft für Pneumologie, die hierzu eine Stellungnahme an den Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen zum Thema „Über-, Unter- und Fehlversorgung in der Pneumologie“ verfasst hat.735 Zum einen kritisiert der Rat die mangelhafte Prävention bei Asthma und COPD durch fehlende Aufklärung, Anti-Tabak-Kampagnen und Raucherentwöh-
Vgl. Stang, P. et al. (2000), S. 354S und die dort angegebene Literatur. Vgl. o. V. (2002 b), o. S. 726 Vgl. Stang, P. et al. (2000), S. 354S. 727 Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2005), S. 29. 728 Vgl. Chapman, K. et al. (2006), S. 188. 729 Vgl. Lopez, Alan D. et al. (2006), S. 1753. 730 Vgl. Stang, P. et al. (2000), S. 354; Lopez, A. D. et al. (2006), S. 1753. 731 Vgl. Badura, B. / Litsch, M. / Vetter, C. (2001), o. S. 732 Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2005), S. 8. 733 Vgl. Rychlik, R. et al. (2001), S. 356 f. 734 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 55–59, Punkt 190–210. 735 Vgl. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (2000), S. 2 und 36. 724 725
5.1 Ansatzpunkte für Verbesserungsmöglichkeiten in der Versorgung
107
nungsprogramme.736 Gerade die frühe Aufklärung von Eltern zur Asthma- und Allergieprävention sowie Informationen in Schulen zu den Folgen des Rauchens bieten ungenutzte Potentiale. Bei bereits rauchenden Jugendlichen müssten speziell entwickelte Sekundär-Präventionsprogramme angewendet, und Raucherentwöhnungsprogramme müssten flächendeckend angeboten werden. Die vorhandenen Schulungsprogramme befinden sich weder auf dem aktuellsten Stand, noch sind sie deutschlandweit oder für die richtigen Personengruppen verfügbar. Mangels evidenzbasierter Patientenschulungen kommt es bei den Betroffenen zu mangelhafter Anwendung der verordneten Medikamente und fehlender Verhaltensänderung. Des Weiteren ist die notwendige Einbindung der Familie in die Versorgung der asthmatischen Kinder häufig nicht gegeben. Gleiches gilt für das Angebot von rehabilitativen Maßnahmen, die nicht ausreichend oder zeitlich rechtzeitig zur Verfügung stehen, um nachhaltige Verhaltensänderungen zu bewirken.737 Diese Schulungen könnten vielfältige Folgeschäden oder spätere kurative oder pflegerische Behandlungen vermeiden.738 Denn Studien deuten darauf hin, dass die – trotz Therapiefortschritten – bestehende bzw. steigende Asthmamortalität zu großen Teilen auf eine mangelnde Patienten-Compliance zurückzuführen ist.739 Bei erwachsenen Asthmatikern mit geringer Compliance findet sich zum Beispiel im Vergleich zu complianten Patienten eine erheblich ausgeprägtere Verschlechterung der Lungenfunktion, wohingegen sich bei guter Compliance Symptomatik und Anfallsrate signifikant verbessern.740 Ein Problem stellt auch, so der Sachverständigenrat, die auffallende Über-, Unterund Fehlversorgung in der Diagnose und Therapie chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen dar. Während hinsichtlich der allgemeinen Diagnose und der Qualitätssicherung in Diagnostik und Therapie von Asthma und COPD eine Unterversorgung festzustellen sei, herrsche dagegen eine Mengenausweitung und Überversorgung bei der ambulanten allergologischen Diagnostik und der Verordnung von Antiallergika.741 Eine große Anzahl von Patienten sei pharmakotherapeutisch unter- und fehlversorgt, was vielfach auf eine mangelhafte Anpassung der Medikation an den Schweregrad der Krankheit zurückzuführen sei. Des Weiteren führe die späte und z. T. falsche Behandlung von Atemwegsinfektionen zu vermeidbaren Folgekosten. Der Sachverständigenrat fordert deshalb Maßnahmen zur besseren Einhaltung der evidenzbasierten Leitlinien und zu Fort- und Weiterbildungen für die Ärzte, die ggf. an die Vergütung zu koppeln sind. Vgl. zu den Ausführungen in diesem Absatz Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 56 f., Punkt 195 und 198. 737 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 58, Punkt 199. 738 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 35, Punkt 95. 739 Vgl. Cochrane, G. M. / Horn, M. / Chanez, P. (1999), S. 765. 740 Vgl. Mühlig, S. / Petermann, F. / Bergmann, K.-Ch. (2001), S. 163. 741 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 56 f., Punkt 196f und S. 11 f., Punkt 2 und 3.
736
108
5 Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland
Darüber hinaus kritisiert der Rat die mangelhafte Fort- und Weiterbildung, die ebenfalls ursächlich für die Über-, Unter- und Fehlversorgung sei, sowie die fehlende flächendeckende Anzahl von Lungenfachärzten. In vielen Krankenhäusern mangelt es an pneumologischen Abteilungen bzw. Spezialisten, und auch die deutsche klinische Forschung und Weiterbildung hinkt dem weltweiten Standard hinterher.742 Stationäre pneumologische Abteilungen sind von anderen pneumologischen Leistungserbringern abgekoppelt und nicht ausreichend verzahnt. Das Gutachten der pneumologischen Gesellschaft weist ein Defizit von 200 Pneumologen in der ambulanten Versorgung auf, welches bei der zukünftig zu erwartenden Prävalenz der Lungenkrankheiten besonders kritisch zu sehen ist. Des Weiteren kritisieren die Fachärzte eine mangelhafte Vernetzung bei der Behandlung der Lungenerkrankten. Diese enge Zusammenarbeit in Form der Integrierten Versorgung zwischen Hausarzt, Pneumologe, Spezial- und Rehabilitationsklinik ist jedoch für die richtige effiziente und effektive Versorgung von chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen entscheidend. Insgesamt hält der Rat die Struktur der pneumologischen Versorgung – speziell der Prävention, Kuration und Rehabilitation von Asthma und COPD – für verbesserungsbedürftig. Zum Abbau der Über-, Unter- und Fehlversorgung bei Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen präzisiert er 13 Handlungsempfehlungen.743 Er unterscheidet dabei zwischen Empfehlungen für Asthmatiker und COPDPatienten. Für Asthmatiker fordert er eine frühere und häufigere Hyposensibilisierung, eine Stärkung der Primärprävention bereits bei Säuglingen und Kleinkindern, die Vermeidung der passiven Tabakrauchexposition, die Beratung der Eltern sowie die stärkere Nutzung bereits vorhandener Interventionsmaßnahmen zur Reduktion von Allergenkonzentraten. Für COPD empfiehlt er ferner die Umsetzung der „Nationalen Anti-Tabak-Kampagne“. Für beide Indikationen fordert er eine Umsetzung evidenzbasierter Leitlinien in der Pharmakotherapie und die Verbesserung der pneumologischen Fort- und Weiterbildung. Daneben empfiehlt er, das Angebot an flächendeckenden Schulungsmaßnahmen, Raucherentwöhnungen und Trainingsangeboten zu erweitern und die Qualität und Compliance durch verbesserte Information, Schulung und Anleitung zum Selbstmanagement zu optimieren. Ferner setzt der Rat in seinen Handlungsempfehlungen bei der Versorgungsstruktur der pneumologischen Erkrankungen an und fordert eine Verbesserung der pneumologischen Fort- und Weiterbildung von Hausärzten, Internisten und Pädiatern. Darüber hinaus sollten die Strukturen für ambulante Patientenschulungs- und Rehabilitationsmaßnahmen inklusive Finanzierung und Qualitätssicherung verbessert und die pneumologische Rehabilitation stärker in die Versorgung integriert werden. Schließlich sei auch eine Erweiterung der Kapazitäten von selbständigen pneumologischen Abteilungen notwendig.
742 743
Vgl. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (2000), S. 2 und 36. Vgl. zu den Ausführungen in diesem Kapitel Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 610, Anhang 4, Tabelle A4.
5.2 Strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen
5.2
109
Strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen
Am 10. 12. 2001 wurde vom Gesetzgeber das „Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der Krankenversicherung“, welches qualitätsgesicherte strukturierte Behandlungsprogramme (Disease-Management-Programmen, DMP) in der Gesundheitsversorgung chronisch kranker Patienten vorsieht. Diese strukturierten Behandlungsprogramme sollen bei den beschriebenen Defiziten ansetzen und dabei helfen, die Über-, Unter- und Fehlversorgung bei Asthmatikern und COPD-Patienten zu vermeiden.
5.2.1 Rechtliche Regelungen und Ziele Strukturierte Behandlungsprogramme sind gesetzlich im § 137 f SGB V geregelt, deren Zulassung ist im § 137 g SGB bestimmt. Relevant sind neben dem SGB V auch das Gesetz zur Reform des RSA in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Beschlussempfehlungen des Bundestagsausschusses für Gesundheit (BT-Drucksache 14/7355), die amtlichen Begründungen zum Gesetzentwurf (BT-Drucks. 14/6432) und zu den Beschlussempfehlungen des Bundestagsausschusses für Gesundheit (BT-Drucks. 14/7355) sowie die Risikostrukturausgleichsverordnung mitsamt allen Anlagen und Änderungsverordnungen. Die Regelungen des § 137 f und g wurden durch das Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. 12. 2001 nachträglich eingefügt. Der § 137 f SGB V wurde in den vergangenen Jahren vielfach angepasst und verändert. So wurde die amerikanische Bezeichnung „Disease-Management-Programme“ zu Beginn noch im Gesetz genannt, später jedoch entfernt. Außerdem werden heute die Anzahl der durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zu benennenden chronischen Krankheiten nicht mehr beziffert. Ergänzt wurde der Paragraph auch um Datenschutzregelungen in Bezug auf die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft. Gleich geblieben sind aber die wesentlichen Eckpunkte des Gesetzes, wie z. B. die Kriterien für chronische Krankheiten, die Anforderungen an die Programme sowie die freiwillige Teilnahme der Versicherten. In zahlreichen Änderungsverordnungen der Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) wurden seit Juni 2002 vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziales (BMGS) veröffentlichte und rechtsgültige allgemeine und spezielle Anforderungen für die Umsetzung von strukturierten Behandlungsprogrammen in Deutschland erlassen (Datum in Klammern): • zu DMP Diabetes mellitus: 12. RSA-ÄndV (09/2005), 9. RSA-ÄndV (03/2004), 4. RSA-ÄndV (07/2002) • zu DMP Brustkrebs: 13. RSA-ÄndV (02/2006), 4. RSA-ÄndV (07/2002) • zu DMP Koronare Herzkrankheiten (KHK): 9. RSA-ÄndV (03/2004), 7. RSA-ÄndV (05/2003) • zu DMP Asthma / COPD: 12. RSA-ÄndV (09/2005), 11. RSA-ÄndV (01/2005)
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5 Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland
Diese Anforderungen können von den Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und ihren Partnern auf Landesebene in Programme umgesetzt und dann beim Bundesversicherungsamt zur Zulassung eingereicht werden. Die Zulassung wird dann gewährt, wenn das Programm die in der Risikostrukturausgleichsverordnung formulierten Anforderungen erfüllt und Verträge zur Durchführung der Programme vorliegen, die beide beim Amt eingereicht wurden. Der Sachverständigenrat hatte in seinem Gutachten zu Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit im deutschen Gesundheitswesen eine Einführung von DiseaseManagement-Programmen vorgeschlagen.744 Er verbindet damit „einen systematischen und umfassenden Zugang zur verbesserten Versorgung einer definierten Krankheit, ggf. quer zu etablierten Sektoren und Institutionen sowie unter Anwendung von Leitlinien, Behandlungsprotokollen und Informationssystemen“745. Dadurch könnte die Versorgung „systematisch, integriert, multiprofessionell und patientenzentriert“ organisiert werden. Das Bundesministerium für Gesundheit verfolgt mit der Einführung der strukturierten Behandlungsprogramme sechs Ziele: • „effektiver Einsatz der Ressourcen, • angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis der medizinischen Versorgung chronisch Kranker, • gleichzeitiger und gleichmäßiger Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung, • finanzielle Entlastung der Krankenkassen mit einer großen Zahl an chronisch kranken Mitgliedern (...), • Vermeidung bzw. Verringerung von Komplikationen und der Häufigkeit von Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) durch evidenzbasierte Therapien, • Qualitätssicherung der Versorgung bei gleichzeitiger Senkung langfristiger Kosten.“746 Zusammenfassend strebt die Regierung damit eine effizientere und effektivere, qualitativ verbesserte Versorgung in Verbindung mit einer Kostenreduktion an.
5.2.2 Allgemeine Anforderungen an die Programme für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen Am 01. 01. 2005 sind die Empfehlungen für strukturierte Behandlungsprogramme für Patienten mit chronisch obstruktiven Atemwegskrankheiten als 11. RSA-Änderung in Kraft getreten. Seit diesem Zeitpunkt können Verträge für DMPs zu Asthma und COPD in Deutschland beim Bundesversicherungsamt akkreditiert werden. Daneben Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), z. B. S. 49 f., Punkt 162, S. 58, Punkt 199, S. 68, Punkt 240, S. 118, Punkt 10, S. 220, Punkt 320, S. 234, Punkt 345. 745 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 42, Punkt 129. 746 Bundesministerium für Gesundheit (2005), S. 8 f.
744
5.2 Strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen
111
werden die allgemeinen Anforderungen an die strukturierten Behandlungsprogramme durch die Risikostrukturausgleichsverordnung geregelt. Am 01. 09. 2005 trat mit der 12. RSA-Änderungsverordnung noch eine Überarbeitung der Anlagen 9, 10 a und 10 b in Kraft, die ebenfalls für die Anforderungen relevant ist. Behandlung und Versorgung747 In Punkt 1 der Anlage 9 (Anforderungen für Asthma) und Anlage 11 (Anforderungen für COPD) sind die weitgehend spezifisch definierten Erfordernisse an die Diagnose und Behandlung der beiden Krankheiten beschrieben. Gemeinsamkeiten bestehen vor allem in den Aspekten Therapieziele, Therapieplanung und Kooperation der Versorgungssektoren. Bei den allgemeinen Therapiezielen wird vor allem auf die Vermeidung bzw. Reduktion von krankheitsbedingten Beeinträchtigungen, der Progredienz der Krankheit und unerwünschten Therapiewirkungen sowie auf die Reduktion der krankheitsbedingten Letalität abgestellt. Aus diesen allgemeinen Therapiezielen soll der Arzt zusammen mit dem Patienten, unter Berücksichtigung der individuellen Risikoabschätzung, individuelle Therapieziele bestimmen. Für die Therapieplanung fordert die Verordnung, dass auf Basis einer individuellen Risikoabschätzung Arzt und Patient gemeinsam die Vorteilhaftigkeit einzelner Interventionen für den Patienten unter Berücksichtigung der Therapieziele prüfen und damit einen differenzierten Therapieplan festlegen, der die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen bestimmt. Bei COPD sollen zur Abschätzung des individuellen Risikos auch die Lungenfunktion und das Körpergewicht prognostisch abgeschätzt und mit einbezogen werden. Vergleichbare Anforderungen wurden für Asthma nicht bestimmt. Punkt 1.6. der Anforderungen der Anlagen 9 und 11 definiert die Kooperation der Versorgungssektoren. Darin wird darauf hingewiesen, dass die Betreuung von Patienten mit chronischem Asthma bronchiale oder COPD die Zusammenarbeit aller Sektoren und Einrichtungen erfordert, so dass eine qualifizierte Behandlung über die gesamte Versorgungskette ermöglicht wird. Die Regelungen der 11. RSA-ÄndV bestimmen, dass die Koordination und die Langzeitbetreuung der Patienten sowie die Dokumentation durch den Hausarzt erfolgen soll und nur in Ausnahmefällen durch einen ermächtigten Facharzt oder eine andere qualifizierte Einrichtung geschieht. Bei detailliert im Gesetz bestimmten Indikationen/Anlässen, die für beide Erkrankungen differenziert behandelt werden, ist eine Überweisung des Hausarztes an den qualifizierten Facharzt oder eine qualifizierte Einrichtung vorgesehen. Darüber hinaus regelt die Verordnung die Notwendigkeit der Einweisung ins Krankenhaus und die Veranlassung von Rehabilitationsleistungen. Damit gibt die Verordnung bereits ein weitgehendes Versorgungsschema für die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren vor. Qualitätssichernde Maßnahmen Zu den qualitätssichernden Maßnahmen verweist die Verordnung auf Anlage 1, Punkt 2, die für strukturierte Behandlungsprogramme für Diabetes mellitus Typ 2 die 747
Vgl. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004, Teil 1 Nr. 73, vom 28.12.2004, S. 3726.
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5 Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland
Anforderungen regelt. Diese qualitätssichernden Maßnahmen sind analog für Asthma/COPD-DMPs zu vollziehen. Ziel der Qualitätssicherung im Rahmen der DMPs ist es, eine gemeinsame, sektorübergreifende Qualitätssicherung aufzubauen. Aus diesem Grunde sind die durchgeführten Maßnahmen der Prüfungsbehörde nachzuweisen und regelmäßig offenzulegen. In Anlage 1 werden folgende wesentliche Anforderungen bestimmt: • Als Grundlage der Qualitätssicherung sind „nachvollziehbare und relevante Ziele“ zu bestimmen und zu dokumentieren. • Die in § 137 f Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB V festgelegten Anforderungen an die Qualitätssicherung, d. h. die „Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors“ ist zu erfüllen. • Die für die einzelnen Krankheiten festgelegten Kooperationsregeln der Versorgungsebenen sind zu erfüllen. • Die Dokumentation muss vollständig, qualitätsorientiert und verfügbar sein. • Die Teilnahme der Versicherten sollte aktiv sein. • Die Verhandlungspartner müssen die festgelegten und dokumentierten Qualitätsindikatoren gegenüber dem Bundesversicherungsamt nachweisen. Darüber hinaus wird festgelegt, dass die strukturierten Behandlungsprogramme Maßnahmen vorsehen müssen, die „nachweislich eine Erreichung der vereinbarten Ziele wirksam unterstützen“. Als mögliche Maßnahmen werden genannt: • Erinnerungs- und Rückmeldungssysteme sowohl für Leistungserbringer als auch Versicherte, • strukturiertes Feedback für die Leistungserbringer auf Basis der Datendokumentation mit der Möglichkeit einer regelmäßigen Selbstkontrolle, wie z. B. Qualitätszirkeln, • Maßnahmen zur Förderung der Eigeninitiative und Teilnahme der Versicherten, • Maßnahmen zur Sicherstellung der systematischen und aktuellen Information der Leistungserbringer und eingeschriebenen Versicherten, sowie • strukturierte Maßnahmen zur Beratung der Versicherten bei mangelhafter Compliance im DMP. Es sind Regelungen zur Auswertung der Daten zu treffen, die für die Qualitätssicherung notwendig sind, unter Einbezug der Dokumentations- als auch Leistungsdaten der Krankenkassen. Eine Risikoadjustierung sollte für die Interpretation der Ergebnisse sichergestellt werden. Anlage 1 weist explizit auf die Notwendigkeit wirksamer Sanktionen hin, die bei mangelhafter Durchführung der DMPs getroffen werden sollten. Freiwilligkeit der Teilnahme Die Anforderungen der Asthma- und COPD-Programme bestimmen sowohl allgemeine als auch spezifische Teilnahmevoraussetzungen (vgl. auch Kapitel 5.2.3 und
5.2 Strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen
113
5.2.4). Bezüglich der allgemeinen Teilnahmevoraussetzungen wird auf Ziffer 3.1 der Anlage 5 der Risikostrukturausgleichsverordnung verwiesen. Diese Anlage 5 bezieht sich auf die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für koronare Herzkrankheiten (KHK) und verweist wiederum auf Anlage 1 (Diabetes mellitus). Hier werden folgende Anforderungen und Voraussetzungen an Asthma-/COPDDMPs gestellt: • die schriftliche Bestätigung der gesicherten Diagnose, • die schriftliche Einwilligung zur Teilnahme und der damit verbundenen Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten, • die umfassende, auch schriftliche Information der Versicherungen über Programminhalte, über Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung und deren Übermittlung an die Krankenkassen, über die Aufgabenverteilung und Versorgungsziele, die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Widerrufsmöglichkeiten, die Mitwirkungspflichten und die Folgen der fehlenden Mitwirkung, sowie • die freiwillige Einschreibung und aktive Einbeziehung der Patienten: Der Hausarzt füllt anhand der auf Basis der evidenzbasierten Leitlinien aufgestellten Einschreibekriterien ein von der jeweiligen Krankenkasse zur Verfügung gestelltes Formular aus. In enger Zusammenarbeit mit Spezialisten und der Krankenkasse agiert der Hausarzt als Disease Manager und koordiniert die Versorgung nach den Empfehlungen des Disease Managements. Schulungsprogramme, in denen die Patienten mit den Grundlagen und dem Umgang mit der Krankheit vertraut gemacht werden, dienen dazu, den Patienten in die aktive Erreichung der Therapieziele einzubinden. Gleichermaßen dienen Erinnerungs- und Patienteninformationssysteme dazu, dass die Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen regelmäßig durchgeführt werden, um die Patienten-Compliance insgesamt zu optimieren. Mit der Teilnahmeerklärung erkennen die Versicherten die Programm- und Versorgungsziele, die Aufgabenteilung der Versorgungsebenen, die Information über verfügbare Leistungsanbieter, die Freiwilligkeit der Teilnahme und ihre Widerrufbarkeit, ihre Mitwirkung an der Erreichung der Ziele und Aufgabenteilung und die Datennutzung, -verarbeitung und erhebung an. Schulungen Entsprechend den Regelungen zu den Anforderungen an Schulungen, die für Asthma- und COPD-Programme gleichermaßen gelten, liegt die Informationspflicht über die Ziele und Inhalte der Programme gegenüber den Versicherten und Leistungserbringern bei den Krankenkassen. Die Schulungen der Leistungserbringer, die auf die Erreichung der vertraglich vereinbarten Versorgungsziele abzielen, richten sich vor allem auf die Management-Komponenten, die z. B. für die sektorenübergreifende Zusammenarbeit notwendig sind. Die Inhalte und Anforderungen der regelmäßigen Fortbildungen werden von den Vertragspartnern definiert. Ferner können die Vertragspartner auch über die Notwendigkeit des Erbringens von Teilnahmenachweisen an den Schulungen und über eine damit einhergehende Sanktionierung durch Ausschluss vom Programm bestimmen.
114
5 Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland
Die Schulungen der Versicherten sind für alle eingeschriebenen Patienten verpflichtend. Diese Patientenschulungen müssen strukturiert, evaluiert, zielgruppenspezifisch und publiziert sein. Die Schulungen sollen die Teilnehmer zu einer verbesserten Bewältigung des Krankheitsverlaufs und zu informierten Patientenentscheidungen befähigen, wobei der bestehende Schulungs- und Wissensstand der Patienten sowie die individuellen Behandlungspläne zu berücksichtigen sind. Die Schulungsprogramme müssen beim Bundesversicherungsamt angegeben und ihre Therapieziele belegt werden. Bei den Schulungsprogrammen für asthmatische Kinder und Jugendliche wird als Besonderheit die zusätzliche Schulung der ständigen Betreuer verpflichtend (bzw. bei Jugendlichen auf freiwilliger Basis) vorgesehen. Evaluation der strukturierten Behandlungsprogramme Die Evaluation durch unabhängige Sachverständige gilt als eine der sechs Voraussetzungen für strukturierte Behandlungsprogramme nach § 137 f SGB V, Abs. 2 und § 28 g RSAV. Für die DMPs von Asthma und COPD wurde wiederum auf die Ausführungen in Ziffer 5 der Anlage 1 verwiesen (Diabetes mellitus). Die Evaluation, die den Zeitraum der Zulassung umfasst, zielt auf die Überprüfung der Einhaltung der Ziele und Einschreibekriterien sowie die Ermittlung der Kosten der Versorgung im Programm ab. Sie wird auf der Grundlage der im Evaluationszeitraum erhobenen, relevanten versicherungsbezogenen Daten durchgeführt, wobei auch die Leistungsund Abrechnungsdaten hinzugenommen werden. Die Daten werden ausschließlich pseudonymisiert verwendet. Die anschließende Bewertung der Wirksamkeit des Programms soll hinsichtlich der Funktionsfähigkeit und der Auswirkungen auf die Versorgungslage unterscheiden. Während für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit vor allem die Einhaltung der „Behandlung nach Leitlinien“ und die Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen relevant ist, stellt die Untersuchung der Auswirkungen auf die Veränderung der Ausprägung von Parametern der Prozess- und Ergebnisqualität ab. Die Evaluation kann als Verlaufsbetrachtung mit einem repräsentativen Stichprobensatz der eingeschriebenen Versicherten durchgeführt werden, wobei Datensatzkriterien wie der Prozentsatz und die Versichertenstruktur der Eingeschriebenen zu berücksichtigen sind. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auch auf denjenigen Versicherten liegen, die das Programm freiwillig oder durch Ausschluss verlassen haben, um Ansatzpunkte zur Optimierung der Programme zu erhalten. Darüber hinaus beinhalten die Anforderungen an die strukturierten Behandlungsprogramme eine Evaluation subjektiver Ergebnisqualitätsparameter, wie z. B. der Lebensqualität. Diese Untersuchung soll mindestens zu Beginn und Ende des Evaluationszeitraums durch eine Stichproben-Befragung bei den eingeschriebenen Versicherten erfolgen. Des Weiteren sieht die Verordnung eine mögliche Ausdehnung der Evaluation auf nicht eingeschriebene Versicherte vor, indem die Auswirkungen durch die Programme auf diese Gruppe ebenfalls auf Wunsch der Vertragspartner evaluiert werden können. In Bezug auf die Häufigkeit der Evaluationen und Berichte fordert Anlage 1 bei Erstzulassung drei Evaluationsberichte (zwei Zwischenberichte und einen Abschlussbericht) und nach Verlängerung des Programms nochmals zwei Berichte (je
5.2 Strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen
115
einen Zwischen- und Abschlussbericht), die an die Krankenkassen und im Anschluss daran auch an das Bundesversicherungsamt zu liefern sind und von den Vertragspartner veröffentlicht werden müssen.
5.2.3 Spezifische Anforderungen für Asthma bronchiale Anlage 9 der 11. RSA-Änderungsverordnung748 gibt für Asthma bronchiale, neben der Definition, die exakte Behandlung in Form einer evidenzbasierten Leitlinie vor. Detailliert bestimmt werden darin Diagnostik (Anamnese, Symptomatik und körperliche Untersuchung; lungenfunktionsanalytische Stufendiagnostik; allergologische Stufendiagnostik), Therapieziele, differenzierte Therapieplanung und therapeutische Maßnahmen. Die Bestimmungen zu den therapeutischen Maßnahmen legen sowohl die nicht-medikamentöse Therapie fest wie die strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramme, die körperlichen Aktivitäten, Rehabilitation, psychische, psychosomatische und psychosoziale Betreuung als auch die medikamentösen Maßnahmen. Die spezifischen Teilnahmevoraussetzungen für Asthma fordern eine aktuelle oder höchstens zwölf Monate zurückliegende asthmatypische Anamnese. Die Kriterien sind für Erwachsene und Kinder zwischen 5 und 17 Jahren differenziert. Da bei unter Medikation stehenden Patienten die Kriterien in der Regel nicht aktuell vorliegen, regelt Punkt 3.2 der Verordnung auch die Teilnahme von Patienten unter Regelmedikation. Darüber hinaus wird in der Verordnung auch der Fall der Symptomfreiheit ohne Therapie behandelt, bei dem – nach erfolgter erneuter Prüfung – der Patient aus dem Programm auszuschreiben ist. Auffallend ist, dass Kinder unter 5 Jahren nicht am DMP Asthma teilnehmen können, da die Einschreibung lediglich eine Patientengruppe von 5 bis 17 Jahren vorsieht. In der Rechtsverordnung wird ausdrücklich die gleichzeitige Einschreibung in ein Asthma- und COPD-Programm ausgeschlossen. Dies ist überraschend, da chronische Bronchitis mit asthmatischer Komponente eine der drei Formen von COPD darstellt. Nicht stringent ist die Verordnung in den Evaluationsbögen, die eine Ankreuzmöglichkeit für COPD als „Andere Luftnot verursachende Begleiterkrankung“ in der Erstdokumentation von Asthma bronchiale vorsehen. Die Verordnung gibt keinerlei Hinweise darauf, in welches der beiden Programme der Patient bei Vorliegen von Asthma und COPD eingeschrieben werden soll. Eine Anmerkung hierzu wäre für den Arzt hilfreich gewesen. Für den Leistungserbringer bestehen zwischen den Programmen zwar keine Unterschiede, da in der Regel die Krankenkassen für beide Programme dieselben extrabudgetären Vergütungssätze anbieten. Für den Patienten jedoch kann es sehr wohl einen Unterschied ausmachen, wenn er z. B. nur an einer COPD-Schulung, nicht aber an der Asthma-Schulung teilnehmen kann. In Bezug auf die medizinische Versorgung der Patienten ist davon auszugehen, dass trotz der alleinigen Einschreibung bspw. in ein COPD-Programm auch eine evidenzbasierte, den Asthmaprogramm-Anforderungen entsprechende Versorgung für die andere Krankheit erfolgt. 748
Vgl. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004, Teil 1 Nr. 73, vom 28. 12. 2004, S. 3722–3729.
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5 Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland
Spezifische Anforderungen zu den Evaluationen ergeben sich für Asthma speziell aus den Erhebungsbögen. Diese bestehen, wie bei allen DMP-Erkrankungen, aus je einem Bogen zur Erst- und Folgedokumentation. Während die „administrativen Daten“ der Erstdokumentation den Erhebungsbögen aller anderen Behandlungsprogramme entsprechen, unterscheiden sich die zu erhebenden Parameter der Aspekte „Einschreibung“, „Anamnese“, „Aktuelle Befunde“, „Relevante Ereignisse“, „Behandlung“, „Schulungen“ und „Behandlungsplanung und vereinbarte Ziele“. Die Angabe des aktuellen Peakflow-Wertes ist sowohl bei der Erst- als auch bei der Folgedokumentation ein wesentliches Element und stellt damit eine zusätzliche Qualitätssicherung dar. In der Zielvereinbarung mit dem Patienten scheint beispielsweise das Diabetes-Programm wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als das Asthma-Programm, indem hier bei einzelnen medizinischen Parametern (wie z. B. HbA1C oder Blutdruck) spezifische Zielvereinbarungen zwischen Arzt und Patient getroffen werden sollen. Dagegen besteht beim AsthmaDMP ausschließlich das mögliche zu vereinbarende Ziel in einem Tabakverzicht. Auch hier könnten Lungenfunktionswerte bzw. deren Halten/Senken/Anheben als Zielparameter gefordert werden. Es ist nicht ersichtlich, warum eine Quantifizierung des Therapieerfolgs bei Asthma in der Erst- und Folgedokumentation nicht möglich ist. Bei der Dokumentation der stationären Einweisungen wird ausschließlich auf die Häufigkeit/Anzahl der notfallmäßigen Behandlungen abgestellt, nicht jedoch auf die Dauer des Aufenthalts. Aus finanzevaluatorischer Sicht scheint diese Reduktion der Angaben vertretbar, da die Abrechnung der Kosten der Aufenthalte auf DRG-Basis und damit als Einmalzahlung je Aufenthalt erfolgt. Für Aussagen z. B. zu den entstandenen Fehltagen durch Krankenhausaufenthalt wären jedoch Angaben zu der Anzahl an Krankenhaustagen notwendig, die in der Dokumentation für Asthma nicht vorgesehen sind.
5.2.4 Spezifische Anforderungen für COPD Die Anforderungen an die strukturierten Behandlungsprogramme für COPD werden in Anlage 11 aufgeführt.749 Auch für COPD beschreibt die Verordnung explizit, was unter der im Sozialgesetzbuch V im § 137 f Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 geforderten „Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft“ zu verstehen ist. Punkt 1.2 der Verordnung präzisiert die notwendigen Diagnosemaßnahmen, die zur Aufnahme in das Programm vom Arzt vorzunehmen sind. Punkt 1.5 gibt die therapeutischen Maßnahmen für die Versorgung von COPD-Patienten vor und unterscheidet dabei zwischen nichtmedikamentöser Therapie, Tabakentwöhnung, körperlichem Training, strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen, allgemeiner Krankengymnastik, psychischer, psychosomatischer und psychosozialer Betreuung sowie medikamentösen Maßnahmen. Bei den nicht-medikamentösen Interventionen stehen Maßnahmen zur 749
Vgl. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004, Teil 1 Nr. 73, vom 28. 12. 2004, S. 3737–3743.
5.2 Strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen
117
Raucherentwöhnung im Vordergrund. Die Bedeutung dieser Maßnahme soll dem Patienten durch verschiedene Interventionen deutlich gemacht werden, wie z. B. regelmäßige Abfrage des Raucherstatus sowie aktive Motivation zum Ausstieg bei jeder Konsultation. Daneben soll jeder Patient Zugang zu einem Schulungsprogramm erhalten und auf die Notwendigkeit von körperlichem Training hingewiesen werden. Eine Besonderheit des COPD-Programms stellt auch die „Allgemeine Krankengymnastik“ dar, die als Atemtherapie im Bedarfsfall verordnet werden kann. Bei vorliegender Indikation erlaubt die Leitlinie den Einsatz von Langzeit-Sauerstoff-Therapie, häuslicher Beatmung, operativen Verfahren, psychischer Betreuung oder pneumologischer Rehabilitation. Letztere ist vor allem bei denjenigen Patienten angezeigt, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der physischen und psychischen Gesundheit und der Erwerbsfähigkeit auf die Unterstützung eines multidisziplinären Teams angewiesen sind. Bei der medikamentösen Therapie wird zwischen Bedarfsund Dauermedikation unterschieden. Beide sind jeweils individuell zu bestimmen, wobei bevorzugte Wirkstoffgruppen in der Verordnung vorgegeben wurden. Auch der Einsatz von Schutzimpfungen und der frühzeitige Einsatz von Antibiotika bei bakteriellen Atemwegsinfektionen sind zu erwägen. In Bezug auf die spezifischen Teilnahmevoraussetzungen bestimmt die Verordnung detailliert die Lungenfunktionswerte, die für eine Einschreibung vorliegen müssen, und verlangt hierfür die Aktualität von maximal 12 Monaten. Für die Einschreibung ist eine Reduktion des FEV1 (Einsekundenausatemkapazitäts)-Wertes unter 80% des Sollwertes die Minimalforderung, die durch weitere Kriterien ergänzt sein muss. Anlage 11 verbietet die Teilnahme von Patienten unter 18 Jahren, wobei das Auftreten der Krankheit im jugendlichen Alter in Anbetracht der Inzidenz der Krankheit eher unwahrscheinlich ist. COPD beginnt zumeist im „vierten und fünften Lebensjahrzehnt“750, wobei die Prävalenz mit steigendem Alter zunimmt. Der Aufbau der Dokumentationsbögen (Anlage 12 a und b) entspricht im Wesentlichen dem der Bögen von Asthma bronchiale, in dem zwischen administrativen Daten, Anamnese, aktuellen Befunden, relevanten Ereignissen und Behandlung unterschieden wird. Bei Einschreibung sind zusätzlich Angaben über die vorliegende Anamnese der Lungenfunktion notwendig. Eine Qualitätssicherung der ärztlichen Praxis erfolgt für COPD durch die stetige Messung von Körpergröße, Körpergewicht und aktuellem FEV1-Wert zur Dokumentation in den Erhebungsbögen. Auch in den COPD-Bögen ist die Angabe der aktuellen Medikation in Form einer Bedarfs- oder Dauertherapie vorgesehen. Bei den zu vereinbarenden Zielen wird die Empfehlung zum Tabakverzicht ergänzt durch die Empfehlung zum körperlichen Training. Insgesamt weist die Anlage 11 (COPD) einen deutlich höheren Detaillierungsgrad und ein größeres Angebot an Interventionen auf, als dies bei den Anforderungen für Asthma bronchiale der Fall ist. Es wird damit den allgemeinen und spezifischen Besonderheiten dieser Atemwegserkrankungen Rechnung getragen. So wird z. B. die Relevanz von körperlichem Training bei beiden Erkrankungen ebenso unterstützt wie der Einsatz bspw. von Beatmung und Langzeit-Sauerstoff-Therapie für COPD. 750
Werner, M. (2005), o. S.
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5 Disease-Management-Projekte für Asthma und COPD in Deutschland
Dabei soll es insbesondere Ziel beider Programme sein, die relevanten Zielgruppen – Kinder und Jugendliche mit Asthma und Raucher mit COPD – zu erreichen, sie im richtigen Umgang mit ihrer Krankheit zu schulen und ihnen dadurch eine Steigerung der Lebenserwartung und eine verbesserte Lebensqualität ermöglichen.
5.3
Zwischenfazit
Asthma bronchiale und COPD stellen in Deutschland Volkskrankheiten dar, an denen jeweils ca. 5–10% der Bevölkerung erkrankt sind. Sie sind ursächlich für einen großen Anteil der Kosten im Gesundheitswesen. Die Versorgung dieser Krankheiten verspricht ein erhebliches Effizienzpotential und bietet sich folglich ideal für die Anwendung von Disease-Management-Programmen an. In Deutschland wurden DMPs im Jahre 2001 im Rahmen der Reform des Risikostrukturausgleichs eingeführt und sind im § 137 f SGB V gesetzlich verankert. In zahlreichen RSA-Änderungsverordnungen wurden die spezifischen Zulassungsvoraussetzungen für die Programme definiert. Für die Zulassung von deutschen DMPs sind allgemein sechs Anforderungen zu erfüllen: 1. Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors, 2. durchzuführende Qualitätssicherungsmaßnahmen, 3. Voraussetzungen und Verfahren für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm, einschließlich der Dauer der Teilnahme, 4. Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten, 5. Dokumentation und 6. Bewertung der Wirksamkeit und der Kosten (Evaluation) und der zeitlichen Abstände zwischen den Evaluationen eines Programms sowie die Dauer seiner Zulassung nach § 137 g. Seit Januar 2005 sind auch die Anforderungen für Zulassungsvoraussetzungen für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen gesetzlich bestimmt, so dass seitdem Programme für Asthma bronchiale und COPD beantragt und zugelassen werden können.
6
Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
6.1
Hintergrund und Zielsetzungen des Projekts
Der folgende empirische Teil der Dissertation befasst sich mit dem Projekt „Atemwegserkrankungen“ des Gesundheitsprojekts niedergelassener Ärzte in Mannheim, des Verbands der Angestelltenkrankenkassen (VdAK), des Arbeiter-Ersatzkassenverband (AEV), sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden (KV Nordbaden). Dabei wird ein Projekt für Asthma bronchiale und COPD auf Basis der vertraglichen Form von Integrierten Versorgungsformen evaluiert. Am 21. März 2002 unterzeichneten die oben genannten Projektmitglieder eine Vereinbarung zur Versorgung von Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen, speziell Asthma bronchiale und COPD, nach § 140 b SGB V (Verträge zu integrierten Versorgungsformen, vgl. Kapitel 3.2.3.3), die am 1. April 2002 in Kraft trat. Für die Ersatzkassen war dies bundesweit die erste Vereinbarung zum Indikationsbereich Asthma/COPD und galt als Pilotprojekt für ein mögliches strukturiertes Behandlungsprogramm (Disease-Management-Programm), weshalb es hier für die vorliegende Arbeit herangezogen wird.751 Hauptzielsetzung des Projekts war die Verbesserung der Versorgung chronisch kranker Patienten mit Asthma bronchiale und mit chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD). Hierfür wurden zahlreiche strukturelle und qualitätssichernde Maßnahmen getroffen und umgesetzt. Darüber hinaus wurde eine effizientere und effektivere Arbeitsteilung zwischen den Leistungserbringern aller Versorgungsstufen angestrebt, d. h. zwischen Hausärzten, Fachärzten und Krankenhäusern.752 Ferner hatte sich das Projekt folgende Ziele gesetzt: • eine zielgerichtete und wirtschaftliche medikamentöse Therapie gemäß Stufentherapie der aktuell geltenden wissenschaftlichen Behandlungsleitlinien zu erreichen (Behandlung nach evidenzbasierten Leitlinien), • Krankenhausaufenthalte, Arbeitsausfallzeiten und Notfallbehandlungen zu vermeiden und zu reduzieren, • die Zusammenarbeit der Patinten (Compliance) zu steigern sowie • eine Reduzierung der Folgeerkrankungen zu bewirken.753 Alle im Rahmen des Projekts gesammelten Erfahrungen sollten dazu dienen, eine mögliche Einführung eines Asthma/COPD-DMP zu unterstützen und zu vereinfa-
Vgl. § 1 der Projektvereinbarung: „Die Inhalte dieser Vereinbarung sollen die Sammlung erster Erfahrungen für die Entwicklung von Disease-Management-Programmen am Beispiel von Asthma/COPD ermöglichen“. 752 Vgl. Mayer, M. (2002), S. 42. 753 Vgl. § 1 der Projektvereinbarung.
751
120
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
chen. Vor diesem Hintergrund war geplant, durch das Projekt folgende Fragen zu beantworten: • welche Voraussetzungen für die Einführung von Integrierter Versorgung bei chronischen Erkrankungen gegeben sein müssen, • welche Einsparpotentiale und Auswirkungen sich durch ein Asthma/COPD-Projekt mit Integrierter Versorgung ergeben können und • mit welchen Hindernissen im Rahmen eines derartigen Projekts zu rechnen ist.754 Speziell für die teilnehmenden Krankenkassen lag hierin ein wesentlicher Anreiz, da durch das Projekt Erfahrungen mit evidenzbasierten Behandlungsleitlinien, Schulungsprogrammen und Einschreibungsprozeduren gesammelt werden konnten. Das Projekt wurde von ärztlicher Seite durch das Gesundheitsprojekt niedergelassener Ärzte betreut, einen Zusammenschluss von 268 Ärzten der Region Mannheim, die haus- und fachärztlich tätig sind. Von den 268 Ärzten nahmen 74 am Projekt „Atemwegserkrankungen“ teil. Die Finanzierung des Projekts erfolgte durch die KV Nordbaden und die Verbände der Ersatzkassen.
6.2
Methodisches Vorgehen im Rahmen der Evaluation
6.2.1 Erhebung der medizinischen und ökonomischen Auswirkungen Mittels einer Verlaufsbeobachtung über mehrere Quartale wurden die medizinischen und ökonomischen Auswirkungen des Projekts untersucht sowie angestrebt, Hinweise über Veränderungen patientenbezogener Faktoren zu identifizieren. Es handelte sich vorwiegend um eine Auswertung der im Rahmen des Projekt-Versorgungsprozesses dokumentierten Erhebungsbögen (vgl. Anhang 1 und 2). Zusätzlich flossen Beobachtungen sowie Dokumentationen aus dem Verlauf des Projekts (z. B. Protokolle der Qualitätszirkel) in die Untersuchung mit ein. Der Evaluationszeitraum des Projekts „Atemwegserkrankungen“ begann am 1. April 2002 und endete am 1. April 2005. Für die Datenerhebung und spätere Outcome-Messung waren zwei standardisierte Erhebungsbögen (Ersterhebungs- und Verlaufsbögen)755 vorgegeben. Über den Ersterhebungsbogen wurde bei Einschreibung des Patienten – und damit seinem Projekteintritt – der Basisstand der Erkrankung und Medikation erhoben. Der Verlaufsbogens dokumentierte kontinuierlich den Behandlungsprozesses. Die Verlaufsbögen wurden am Ende des Quartals von den Ärzten ausgefüllt, wodurch die Kontinuität § 12 Abs. 3 der Projektvereinbarung: „Sobald die Kriterien für Disease Management-Programme bekannt sind, ist die vorliegende Vereinbarung auf eventuelle Anpassung hin zu überprüfen.“ 755 Die Erhebungsbögen waren vom Projektbeirat erstellt und für die vorliegende Evaluation zur Verfügung gestellt worden. Änderungen konnten nur noch in geringem Maße einfließen. 754
6.2 Methodisches Vorgehen im Rahmen der Evaluation
121
der Datenerhebung, aber auch die stetige Messung der Parameter beim Patienten sichergestellt wurde. Die Häufigkeit der Verlaufserhebung richtete sich nach den Schweregraden der Krankheit des Patienten und war im Projektvertrag vorgegeben. Die Erhebungsbögen waren vor der vertraglichen Einbindung des wissenschaftlichen evaluierenden Instituts vom Projektbeirat entwickelt worden, so dass sie zu späteren Zeitpunkten nur noch minimal verändert werden konnten. Die Datenauswertung wurde mittels des Statistikprogramms SPSS, Version 12.0 vorgenommen. Unter Verwendung von deskriptiven Statistiken (Mittelwerte, Summen etc.), Häufigkeitstabellen, Kreuztabellen mit Chi-Quadrat-Auswertung, Korrelations- und Regressionsanalysen wurden die Daten untersucht und die Ergebnisse auf ihre Signifikanz hin überprüft.756 Um eine Verlaufsevaluation zu ermöglichen, wurden die Erhebungsbögen jedes einzelnen Patienten entsprechend dem Erhebungsdatum in eine kontinuierliche Reihe gebracht. Als Zuordnungskriterien dienten hierfür die Patientennummer und die Arztnummer, so dass jeder Patient als einmalig im Projekt identifizierbar war.
Abbildung 6-1: Auswertungspraxis
756
Die beschriebenen Unterschiede sind mit einem Signifikanzniveau von 0,1% signifikant. Nicht signifikante Unterschiede zwischen Gruppen werden weitestgehend nicht beschrieben und ansonsten detailliert ausgewiesen.
122
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Der Evaluationszeitraum mit Ersterhebungs- und vier Verlaufsbögen erstreckte sich über ca. 16 Monate. Zwischen den einzelnen Erhebungsbögen lagen im Durchschnitt 3,5 bis 4 Monate. Eine längere Evaluationsdauer war aufgrund mangelnder Erhebungsbögen nicht möglich. Es wurde für die Evaluation ein Zeitpunktverfahren gewählt, d. h., alle Patienten wurden entsprechend der Anzahl ihrer Erhebungsbögen untersucht, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt ihre Einschreibung im Projekt erfolgte. Alternativ hätte eine Verlaufsbetrachtung mögliche Veränderungen im Verlauf des Projekts aufdecken können, indem jeweils alle in einem Quartal erhobenen Patienten betrachtet worden wären. Es hätte auf diese Weise aufgezeigt werden können, dass z. B. ein Lerneffekt bei den beteiligten Ärzten zu beobachten war, der den Patienten im Projekt zugute kam. Dieses Verfahren war aufgrund der geringen Datenmengen nicht möglich, da die gebildeten Gruppen in Abhängigkeit von ihrer Erkrankung zumeist deutlich unter 30 Patienten lagen, was keine statistisch aussagekräftigen Auswertungen ermöglichte.
6.2.2 Untersuchung der Schwachstellen des Projekts mittels einer Ärztebefragung Zusätzlich zur oben beschriebenen Erhebung der medizinischen und ökonomischen Auswirkungen wurde zum Abschluss des Projekts im Dezember 2004 eine Befragung bei den Ärzten durchgeführt. Diese Umfrage hatte das Ziel, die Zufriedenheit der beteiligten Ärzte mit dem Projekt zu analysieren sowie Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge zu erfragen. Hierfür wurde ein zweiseitiger Fragebogen erstellt, der sowohl die Zufriedenheit als auch unterschiedliche Aspekte der Unzufriedenheit abfragte. In einer sechswöchigen Erhebung wurden Daten gewonnen, die Aufschluss über die Schwachstellen im Projekt liefern. Am 13. Dezember 2004 wurde der Fragebogen an alle 74 im Projekt „Atemwegserkrankungen“ teilnehmenden Ärzte versendet. Dabei handelte es sich um 68 niedergelassene Ärzte, Allgemeinärzte, Praktiker, Internisten inkl. Kinderärzte (NAPI) sowie 6 Pneumologen (Fachärzte FÄ). Der Fragebogen setzte sich aus 41 Fragen zusammen, die zu vier unterschiedlichen Fragekomplexen zusammengestellt worden waren (vgl. Anhang 3). • Die erste Frage bot durch die Einordnung der beruflichen Qualifikation für die späteren Auswertungen eine Differenzierung zwischen NAPI und FÄ. • Der zweite Fragenkomplex erfragte die Zufriedenheit der Ärzte mit dem Projekt. Hierfür wurde eine Sechser-Ratingskala gewählt, um zum einen eine möglichst starke Differenzierung der Beantwortung zu erreichen und zum anderen die Auswahl der „gleichgültigen Mitte“ zu vermeiden. Die Ratingskala wurde entsprechend dem Schulnotenprinzip gewählt (1 = sehr zufrieden und 6 = sehr unzufrieden). Die Ankreuzmöglichkeiten dazwischen ermöglichten eine entsprechende Abstufung. • Im dritten Abschnitt wurden die Ärzte um ihre Einschätzung zu 26 Statements gebeten, die sich auf mögliche Problemstellen des Projekts bezogen. Hier war als Antwortmöglichkeit ebenfalls wieder eine Sechser-Ratingskala vorgegeben, die nun aber den Grad der Zustimmung der Ärzte zu den Statements abfragte.
6.3 Disease-Management-Elemente im Rahmen des Projekts
123
• Der vierte Fragenkomplex gab den Ärzten die Möglichkeit, Kritikpunkte, Wünsche und Anregungen an das Projekt in offener Fragestellung zu äußern. Für die Zufriedenheit im Projekt wurden sieben Kernelemente („Zufriedenheitsaspekte“) im Vorfeld der Befragung identifiziert, die in allen Abschnitten die Basis der Fragen bildeten: • Organisatorische Betreuung im Programm • Informationen über Neuerungen und Veränderungen • Informationen über Inhalte, Ziele und Ablauf des Programms • Wissenschaftliche Begleitung • Fachliche Inhalte der Qualitätszirkel • Organisation und Ablauf der Qualitätszirkel • Zusammenarbeit zwischen NAPI und Fachärzten
6.3
Disease-Management-Elemente im Rahmen des Projekts
Auch wenn es sich bei dem evaluierten Projekt nach den Regeln des Gesetzes um kein Disease-Management-Programm handelt, so wurden in Vorbereitung eines solchen Programms alle notwendigen Elemente in das Projekt „Atemwegserkrankungen“ integriert, um zum Zeitpunkt einer Klärung der gesetzlichen Anforderungen eine schnelle Umsetzung des Projekts in ein „DMP Asthma/COPD“ zu ermöglichen. Es handelt sich bei dem Projekt „um das erste von Ärzten gestaltete Disease Management Projekt für chronisch obstruktive Lungenkranke“757, das auch für den Koordinierungsausschuss für Disease-Management-Programme zu Asthma und COPD von großem Interesse war. Dabei war der Lerncharakter des Projekts für spätere DMPs besonders wichtig.758 Im Rahmen der Projektvereinbarung wurde die Einhaltung evidenzbasierter Leitlinien vertraglich vereinbart. Die Pharmakotherapie nach den aktuellsten evidenzbasierten Leitlinien war für die teilnehmenden Ärzte zwar verpflichtend, Sanktionen für die Nichteinhaltung der Leitlinien waren allerdings nicht vorgesehen. Die Guidelines sahen eine verstärkte Basistherapie mit inhalativen Corticoiden bei Asthmatikern sowie eine Reduktion von inhalativen Beta-Sympathomimetika und Theophyllin-Präparaten bei Asthma bronchiale und COPD vor. Die medikamentöse Behandlung sollte bei beiden Krankheiten den teilweise auch wechselnden Schweregraden angepasst werden. Zur Prävention von Exazerbationen bei COPD-Patienten sollten bei Infektionen frühzeitig Antibiotika verordnet werden. Darüber hinaus wurde aber auch die arbeitsteilige medizinische Betreuung der Patienten zwischen Haus- und Fachärzten festgelegt, wobei für jede Krankheit ein spezifischer Behandlungskorridor vorgegeben wurde. 757 758
Vgl. Besier, W. (2003), o.S. Vgl. Lisson, M. (2002), o. S. Die in Kapitel 4.1.4 beschriebenen Elemente von DiseaseManagement-Programmen finden sich folglich auch im Projekt „Atemwegserkrankungen“ wieder.
124
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Für beide Erkrankungen wurden den Patienten kostenlose Schulungen angeboten. Hierbei handelte es sich um speziell evaluierte, edukatorische Schulungskonzepte, welche die Erkrankten befähigen sollten, die chronische Krankheit alltagsgerecht zu akzeptieren und durch ein hohes Maß an Selbstmanagement aktiv zu gestalten. Diese zertifizierten Schulungsprogramme sollten außerdem die Eigenverantwortung der Patienten stärken. Inhalte der Schulungsprogramme waren alle relevanten Informationen zum besseren Management und zur Selbstkontrolle der Krankheit. Darüber hinaus wurden den Patienten Informationen an die Hand gegeben, die Ursache und Verlauf der Krankheit erläuterten. Dadurch sollten die Patienten befähigt werden, drohende Exazerbationen und Asthmaanfälle schon im Vorfeld anhand ihrer klinischen Symptome zu erkennen und diesen (medikamentös) entgegenzusteuern. Hierfür erhielten die Patienten ferner Anleitungen zur Notfalltherapie, Infektbekämpfung sowie Selbstmedikation in stabiler und verschlechterter Krankheitsphase. Ziel war es, durch umfangreiche Information den Patienten Sicherheit im Umgang mit der Krankheit sowie das notwendige Wissen für eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Patient, Hausarzt, Facharzt und Klinik zu vermitteln. Die Kurse wurden von speziell befähigten Fachärzten angeboten und durchgeführt und waren von den ausführenden Ärzten bei den Krankenkassen abrechenbar. Die Einschreibung der Ärzte im Projekt „Atemwegserkrankungen“ setzte die verpflichtende, regelmäßige Teilnahme an den angebotenen Qualitätszirkeln voraus. Diese dienten vor allem der Fortbildung der beteiligten Ärzte. Im Rahmen der Sitzungen erhielten die Ärzte Hinweise zur leitliniengerechten Therapie und zu neuen Erkenntnissen aus der medizinischen Wissenschaft. Im Rahmen von Praxisfallstudien wurden in seltenen Fällen auch beispielhafte Patientenkarrieren besprochen. Wichtige Elemente der Qualitätszirkel bildeten ferner die Anmerkungen zu strukturellen Problemen und Veränderungen im Projekt. Dabei wurde z. B. auf Schwierigkeiten bei der Dokumentation mittels der Erhebungsbögen, fehlenden Informationsaustausch mit den Fachärzten oder anstehende Öffentlichkeitsveranstaltungen eingegangen. Die Ärzte waren laut Projektvereinbarung gehalten, innerhalb von zwölf Monaten an sechs Qualitätszirkeln teilzunehmen.759 Die niedergelassenen Ärzte arbeiten in Deutschland mit einer Vielzahl unterschiedlicher Datenverwaltungssysteme zusammen. Aus Mangel an elektronischen Schnittstellen in diesem Bereich wurden die Dokumentation und der Austausch der Patientendaten im Projekt in Papierform vorgenommen. Hierfür standen den Ärzten die in Kapitel 6.2.1 beschriebenen Erhebungsbögen zur Verfügung. Diese waren ausschließlich von den Hausärzten auszufüllen. Alle im Krankheitsverlauf entstandenen Untersuchungsergebnisse sowie die Durchschläge der Erhebungsbögen wurden in einer Patienten-Mappe zusammengefasst. Diese Mappe war vor allem notwendig, 759
Die für die Evaluation verwendeten Daten entstammen einer Übersichtstabelle von Dr. M. Mayer, die die Regelmäßigkeit der Besuche bei Qualitätszirkeln für das Jahr 2002, 2003 und 2004 dokumentieren. Für einen Teil der Ärzte wird dort auch das Datum angegeben, ab dem eine Teilnahme an den Zirkeln im Sinne der Projektstatuten „genehmigt“ war. Dadurch ist eine arztspezifische Evaluation der Teilnahmehäufigkeit möglich. Diese kann allerdings nur auf die 74 „genehmigten“ ärztlichen Projektteilnehmer abstellen.
6.3 Disease-Management-Elemente im Rahmen des Projekts
125
wenn der Patient im Rahmen der Voruntersuchung zur Einschreibung bzw. aufgrund des Überschreitens handlungsnotwendiger medizinischer Werte an den Facharzt überwiesen wurde. Dadurch wurde sichergestellt, dass der Pneumologe zum einen die Teilnahme des Patienten am Projekt erfuhr und er zum anderen über alle notwendigen Dokumente des Projekts verfügte. Um auch auf Seiten der Pulmologen eine einheitliche Dokumentation zu gewährleisten, erstellten auch die Fachärzte einen Erhebungsbogen, der auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten war und die in der Untersuchung gewonnenen medizinischen und diagnostischen Werte erfasste. Dieser Facharztbogen wurde ebenfalls in der blauen Patienten-Mappe zum Austausch zwischen den Ärzten verwahrt.760 Zeitweilig stand den Ärzten für die Eingabe der Erhebungsbögen neben der Papierform auch ein Online-Tool zur Verfügung, das über das Internet zugänglich war. Unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen und unter Nutzung eines passwortgeschützten Zugangs war es den Hausärzten möglich, online die Bögen auszufüllen und damit auch jederzeit auf die Dokumentation zuzugreifen. Die Online-Eingabe war in der Art entwickelt worden, dass fehlerhafte Angaben, wie sie in der Papierform vorkamen, durch spezielle Eingabeaufforderungen vermieden werden konnten. Die Nutzung des Online-Tools durch die Ärzte war jedoch begrenzt, so dass aufgrund des großen Programmier- und Aktualisierungsaufwands zwischen den Online- und Offline-Datenbanken der Betrieb nach einem halben Jahr wieder eingestellt wurde. Die Auswertung, Bewertung und Dokumentation der Ergebnisse erfolgte halbjährlich, die Resultate wurden dann in Berichten den Projektverantwortlichen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus erhielten die teilnehmenden Ärzte im Rahmen der Qualitätszirkel ebenfalls alle sechs Monate einen Bericht über die Ergebnisse und Verbesserungsmaßnahmen für das Projekt. Geplant war zwischenzeitlich auch ein Kinderfragebogen, um speziell auf die besonderen Umstände von Kleinkindern und Jugendlichen einzugehen. Bei dieser Patientengruppe ergab sich vielfach das Problem, dass Angaben, z. B. zu den Lungenfunktionswerten und zum Rauchverhalten, nicht sinnvoll bzw. nicht durchführbar waren. Da jedoch eine rückwirkende Einführung eines derartigen Kinderfragebogens die erneute Untersuchung aller bereits eingeschriebenen Kinder und Jugendlichen bedeutet hätte, wurde auf die nachträgliche Einführung dieses Instruments verzichtet. Ein Kinderfragebogen bietet sich jedoch für zukünftige Projekte an. Der Projektvertrag forderte von den Ärzten eine Patientenselektion, wie sie in Disease-Management-Programmen generell vorkommt. Die Teilnahme am Programm war lediglich einem begrenzten Teil von Patienten möglich, nämlich • Asthmatikern und COPD-Patienten, • Versicherten der teilnehmenden Krankenkassen, • Patienten, deren Lungenfunktionswerte in einem bestimmten Korridor lagen (vgl. 6.5.1). 760
Der Facharztbogen wurde jedoch nicht Bestandteil der Auswertungen, da sein Inhalt vorwiegend qualitativ war und dem Institut nicht zur Verfügung gestellt wurde.
126
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Ursprünglich war von den Ärzten noch eine Einschränkung der Zielgruppe in Bezug auf die Compliance gewünscht worden, die jedoch aufgrund der geringen Teilnehmerzahl nicht konsequent eingehalten wurde. Für die Projektteilnahme erhielten die Ärzte eine Vergütung in Form der Dokumentationspauschale in Höhe von 15,35 Euro (Ersterhebungsbogen) bzw. 7,67 Euro (Verlaufsbogen) und einer Strukturpauschale entsprechend der Krankheit und dem Schweregrad der Erkrankung des Patienten (zwischen 20 Euro und 255,65 Euro). Durch die Aufwandsentschädigung wurde zugleich ein finanzieller Anreiz geboten, am Projekt teilzunehmen bzw. möglichst viele Patienten in das Programm zu integrieren und diese Teilnahme durch Erhebungsbögen zu dokumentieren. Der finanzielle Anreiz, Patienten zur Teilnahme am Projekt zu bewegen, schien allerdings für die Ärzte nicht ausreichend groß. Die Zahlen der eingeschriebenen Patienten blieben weit hinter den gesteckten Zielen zurück und stagnierten im Projektverlauf teilweise. Hier hätte u. U. mit zusätzlichen Anreizen für die Ärzte gearbeitet werden können. So sind vor allem finanzielle Anreize wie Prämien pro eingeschriebenen Patienten und/oder höhere Punktwerte für deren Behandlung zu nennen. Die Barmer Ersatzkasse hat ein derartiges Vorgehen für die Einführung ihrer DiseaseManagement-Programme bereits gewählt. In ihrem Hausarzt-Vertrag, den die Barmer Ersatzkasse mit dem Hausärzteverband geschlossen hat, wurde eine zusätzliche Leistungsvergütung für diejenigen Ärzte festgesetzt, die mehr als 40% der potentiellen DMP-Teilnehmer in DMP-Programme einschreiben.761 Die Dokumentationspauschalen sollten stärker an die tatsächliche Erfüllung der Projektkriterien gebunden sein. Hier müsste, durch eine Vernetzung zwischen Erhebung der Fragebögen und Bezahlung der Dokumentationspauschale, eine stärke Kontrolle bezüglich der Einhaltung der Kriterien erfolgen. Dabei gilt es, sowohl die Richtigkeit der Einschreibekriterien als auch die tatsächliche Beteiligung des Patienten am Projekt zu überprüfen. Den Verantwortlichen des Projekts auf Seiten der Ärzte war es wichtig, dass neben der bloßen Erhebung der Patientendaten auch ein Feedback zurück an die Ärzte erfolgte. Wie bereits geschildert, wurden den Ärzten im Rahmen von vier halbjährlichen Qualitätszirkeln die Ergebnisse der Evaluation übermittelt. Dabei wurde vor allem auf die medizinischen Resultate des Projekts eingegangen und der Verlauf der Lungenfunktionswerte, Exazerbationen und Auswürfe im Projektverlauf verdeutlicht. Daneben erhielten die Ärzte eine Präsentation der ökonomischen und patientenspezifischen Ergebnisse. Ein Augenmerk jeder Feedback-Veranstaltung galt der Form der Dokumentation. Es wurde angestrebt, die hohe Fehlerquote bei der Erhebung zu verringern, wodurch spätere Korrekturen reduziert werden sollten. Hierzu wurde sehr detailliert auf die zahlreichen Erhebungs- und Dokumentationsfehler eingegangen. Zusätzlich zu den 761
Der Passus im Hausarzt-Vertrag lautet folgendermaßen: „Überschreitet bei einem teilnehmenden Hausarzt die Anzahl der DMP-Teilnehmer einen Anteil von 40 von Hundert der potentiellen DMP-Teilnehmer dieses Hausarztes, vergütet die Barmer der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft zur Weitergabe an den Hausarzt einen Betrag in Höhe von 5,10 Euro pro Quartal und pro DMP-Teilnehmer.“ Vgl. hierzu o. V. (2005 a), S. 7.
6.4 Erfüllung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme
127
Feedback-Veranstaltungen wurden die Ergebnisse auch in Form von zwei schriftlichen Ergebnisberichten dargestellt. Diese wurden alle Projektverantwortlichen zur Verfügung gestellt und gingen damit auch den Ärzten zu. Während des gesamten Projektverlaufs zeigte sich mehrfach die Relevanz dieser Feedback-Routinen und Reports. Auf der einen Seite dienten sie der regelmäßigen „Reaktivierung“ der teilnehmenden Ärzte, da sie auf diese Weise das Ergebnis ihrer Arbeit und die Wirksamkeit des Projekts auch von externer Seite bestätigt bekamen. Auf der anderen Seite wurde im Rahmen der Veranstaltungen und Reports nochmals an die Einhaltung aller gesetzten Behandlungs- und Dokumentationsrichtlinien erinnert. Die Qualitätssicherung in Form von Qualitätszirkeln für die teilnehmenden Ärzte wurde im Projektvertrag explizit erwähnt. Diese Qualitätszirkel fanden in ca. zweimonatigen Abständen statt und unterstützten den Austausch der Ärzte im Projekt. Eine weitere Form der Qualitätssicherung erfolgte durch die kontinuierliche Evaluation. Der Erhebungsbogen enthielt spezifische Qualitätselemente, die eine sorgfältige Untersuchung in jedem Patientengespräch erforderten, wie z. B. die regelmäßige Gewichtsmessung und Lungenfunktionsprüfung. Einige Angaben der Erhebungsbögen waren ausschließlich zum Zweck der Qualitätssicherung interessant wie z. B. die Angaben zur Medikamentenunverträglichkeit. Darüber hinaus bestimmte der Projektbeirat eine Vielzahl von Qualitätsindikatoren, die für den Grad der Zielerreichung, und damit auch für die Evaluation relevant waren. Diese bezogen sich bspw. auf die Einhaltung der Therapieleitlinien, die Anzahl durchgeführter Schulungen und Kuren sowie die Teilnahme an den Qualitätszirkeln. Als Qualitätsindikator wurde vom Projekt auch die Zahl neu entdeckter Patienten mit Asthma und COPD sowie die Art der durchgeführten Basisdiagnostik benannt, die in den Erhebungsbögen detailliert abgefragt wurde. Damit kann zusammengefasst werden, dass das Projekt vielfältige Elemente einsetzte, um die Qualität zu sichern. Neben den Qualitätszirkeln lag dabei der Hauptqualitätsaspekt auf der Evaluation.
6.4
Erfüllung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme
Im Folgenden soll kurz geprüft werden, inwieweit das Projekt den gesetzlichen Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme gemäß § 137 f SGB V und den spezifischen Erfordernissen der 11. RSA-Änderungsverordnung (im Folgenden Verordnung) gerecht wird und damit als ein Pilotprojekt von strukturierten Behandlungsprogrammen gelten kann. Bei einer weitgehenden Erfüllung der Anforderungen wären die vorliegenden Ergebnisse als erste Anhaltspunkte für ein Disease Management für chronische Atemwegserkrankungen zu werten.762 762
Zur Erläuterung der Begriffe im Kapitel: Es werden hier der Projektvertrag (für das Projekt) und die 11. Änderungsverordnung mitsamt allen Anlagen (für das strukturierte Behandlungsprogramm) verglichen.
128
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Definition und Therapieziele Bei der Definition von Asthma bronchiale im Projektvertrag besteht weitgehende Deckungsgleichheit mit Anlage 9 der Verordnung, als Asthma bronchiale im strukturierten Behandlungsprogramm als eine „entzündliche Erkrankung der Atemwege mit bronchialer Hyperreaktivität und variabler Atemwegsobstruktion“ beschrieben wird, womit lediglich der Bestandteil „chronisch“ in der Definition des Projekts fehlt. Dieses Fehlen wird jedoch an anderer Stelle mehrfach korrigiert. Anders als die ausführliche Definition in Anlage 11 der Verordnung, wird COPD im Projektvertrag „Atemwegserkrankungen“ lediglich als „andauernde Obstruktion der Bronchien und dadurch bedingte Atemnot in Ruhe oder bei leichter Belastung“ bezeichnet. Damit unterscheidet sie sich wesentlich von der gesetzlichen Definition, die wesentliche Aspekte der Anamnese mit einschließt. Während folglich die Definition von Asthma bronchiale im Projektvertrag der Beschreibung im strukturierten Behandlungsprogramm weitgehend gleicht, bestehen bei COPD größere Unterschiede.763 Die Therapieziele der strukturierten Behandlungsprogramme Asthma bronchiale und COPD dienen einer „Steigerung der Lebenserwartung“ und „der Erhaltung und der Verbesserung der asthmabezogenen Lebensqualität“. Während das Projekt „Atemwegserkrankungen“ ebenfalls als erstes Ziel der geplanten Maßnahmen die Verbesserung der Lebensqualität anstrebt, wird die Steigerung der Lebenserwartung nicht als Ziel des Projekts genannt. Dagegen strebt das Projekt neben den personenbezogenen und medizinischen Auswirkungen auch ökonomische Ziele an, die weder in der Verordnung noch im Gesetz für strukturierte Behandlungsprogramme angesprochen werden. Die Anlagen 9 und 11 der Verordnung beschreiben bei den Therapiezielen darüber hinaus auch die Vermeidung der Krankheitsbeeinträchtigungen, der Progredienz und der unerwünschten Wirkungen der Therapie. Diese werden zum Teil ebenfalls im Projektvertrag in der Formulierung „qualitativ bessere und wirtschaftliche begleitende medikamentöse Therapie“ und „Sicherstellung einer effizienten und wirtschaftlichen Versorgungssitutation für chronisch Kranke mit Atemwegserkrankungen“ gefordert. Therapeutische Maßnahmen Die Verordnung sieht in den Punkten 1.4 eine differenzierte Therapieplanung vor, die zwischen Arzt und Patient vorzunehmen ist. Darauf aufbauend ist zu prüfen, inwiefern zur Unterstützung der Therapieziele spezifische Maßnahmen und Interventionen zu treffen sind. Eine derartige Therapieplanung wurde im Projekt nicht schriftlich vorgesehen. Inwieweit es folglich zu derartigen strukturierten Therapieplanungen im Rahmen des Projekts kam, kann nicht beurteilt werden. Sie können damit jedoch nicht als systematisch und einheitlich im Projekt angenommen werden. Bei den therapeutischen Maßnahmen des strukturierten Behandlungsprogramms für Asthma bronchiale werden in der Verordnung, neben der medikamentösen Thera763
Eine Einschätzung der Diagnostik und Medikation für Asthma bronchiale und COPD kann aufgrund der medizinischen Spezifität nicht vorgenommen werden.
6.4 Erfüllung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme
129
pie, eine nicht-medikamentöse Therapie, Schulungsprogramme, körperliche Aktivitäten und Rehabilitation vorgeschlagen. Die Verordnung schreibt vor, dass der Arzt den Patienten auf auslösende Faktoren, wie z. B. Allergene, Rauchen und Arzneimittel hinweisen soll. Im Projekt „Atemwegserkrankungen“ wurde derartiges nicht explizit festgehalten, doch greifen die Erhebungsbögen diese drei Aspekte auf. Es ist folglich davon auszugehen, dass im Rahmen der Dokumentation zu den Punkten „Rauchen“, „Arnzeimittelallergien“ und „Art der Allergie“ die Auswirkungen der Allergene und deren Strategien zur Vermeidung behandelt wurden. Auch bei COPD wurden die „allgemeinen nicht-medikamentösen Maßnahmen“ nicht im Projektvertrag niedergeschrieben. Inwiefern folglich auf COPD-Verursacher (Rauchen, Staubbelastung), die Infektionsprophylaxe, die Ernährung und gefährdende Selbstmedikationsmittel hingewiesen wurde, kann nicht beurteilt werden. Zusammenfassend muss jedoch für die nicht-medikamentösen Maßnahmen festgehalten werden, dass der Projektvertrag diese nicht enthält. Übereinstimmungen zwischen den strukturierten Behandlungsprogrammen und dem Projekt „Atemwegserkrankungen“ können sich bei den Schulungsprogrammen und den Maßnahmen zur Raucherentwöhnung finden lassen. Unterschiede bestehen dagegen bei den Maßnahmen zu körperlichem Training, allgemeiner Krankengymnastik für COPD sowie Rehabilitation und psychischer, psychosomatischer und psychosozialer Betreuung für beide Erkrankungen. Diese Maßnahmen sieht die Projektvereinbarung nicht vor. Ebensowenig werden operative Verfahren, LangzeitSauerstoff-Therapie oder häusliche Beatmung für COPD im Projektvertrag erwähnt. Diese Maßnahmen können als implizit anzuwenden gelten, da die Projektvereinbarung die leitlinienorientierte Versorgung in Anlehnung an die „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease“, die „European Respiratory Society“ und die „Empfehlungen der deutschen Atemwegsliga“ fordert. Da auch die eben erwähnten geforderten Maßnahmen auf evidenzbasierte Leitlinien zurückgehen, ist davon auszugehen, dass die Versorgung im Rahmen des Projektvertrags ein vergleichbares Handeln von den Ärzten fordert. Kooperation der Versorgungssektoren Die strukturierten Behandlungsprogramme Asthma bronchiale und COPD legen, ebenso wie der Projektvertrag, die Verantwortung für die Koordination, Dokumentation und Langzeitbetreuung der Patienten in den Aufgabenbereich des Hausarztes. Wie auch die Verordnung verlangt die Projektvereinbarung die arbeitsteilige Versorgung der Patienten, wobei jedoch die strukturierten Behandlungsprogramme durch die Integration des stationären Sektors in ihren Maßnahmen weiter gehen als das Projekt „Atemwegsererkrankungen“. Ähnlich wie Anlagen 9 und 11 der Verordnung definiert auch der Projektvertrag die relevanten Behandlungsebenen, Schnittstellen und Überweisungszeitpunkte, allerdings ist die Verordnung zu strukturierten Behandlungsprogrammen in der Beschreibung detaillierter. Qualitätssicherung Sowohl strukturierte Behandlungsprogramme als auch das Projekt „Atemwegserkrankungen“ haben sich die Qualitätssicherung der Versorgung zum Ziel gesetzt.
130
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Die Anlage 1 der Verordnung, welche gleichermaßen für beide strukturierten Behandlungsprogramme gilt, legt zur Qualitätssicherung Maßnahmen mit Erinnerungsund Rückmeldungsfunktion für Versicherte und Leistungserbringer fest, zum strukturierten Feedback, zur Dokumentation, zur Förderung der aktiven Teilnahme durch die Patienten und zur Sicherstellung einer systematischen, aktuellen Information der Leistungserbringer und eingeschriebenen Versicherten. Dahingegen stellt die Projektvereinbarung bei den Qualitätsmaßnahmen auf die Verzahnung zwischen den Leistungserbringern und die Qualitätszirkel ab. Erinnerungs- und Rückmeldungsfunktionen für Versicherte waren im Rahmen des Programms nicht vorgesehen. Jedoch erfolgte ein strukturiertes Feedback zur Dokumentation bei den Qualitätszirkeln und die Förderung der aktiven Teilnahme der Patienten durch Information der Krankenkassen. Für die Sicherstellung der Information der Leistungserbringer waren im Projekt „blaue Mappen“ vorgesehen, die alle notwendigen Patienteninformationen einschlossen und vom Patienten zu den jeweiligen Untersuchungen mitgenommen wurden. Damit waren die in der Verordnung geforderten Maßnahmen zwar nicht im Projektvertrag verankert, wurden jedoch im Projekt selbst umgesetzt. Teilnahmevoraussetzungen Für Asthma bronchiale schreibt das strukturierte Behandlungsprogramm das Vorliegen der asthmatypischen Anamnese und eines weiteren Kriteriums vor. Hierunter ist z. B. der Nachweis einer Obstruktion bei FEV1/FVC ) 70% (bei Kindern und Jugendlichen ) 75%) zu finden. Der Projektvertrag sieht dagegen für die Teilnahmeberechtigung von Asthmatikern einen FEV1 < 80% oder das Vorliegen eines spastischen Anfall pro Woche vor und erlaubt damit einer wesentlich größeren Patientengruppe die Teilnahme am Projekt. Anders stellt sich die Situation für COPD dar. Hier wird für die Teilnahme an strukturierten Behandlungsprogrammen ein FEV1 < 80% des Sollwertes inkl. der COPD-typischen Anamnese sowie das Vorliegen eines weiteren Kriteriums gefordert, was vergleichbar mit den Anforderungen des Projekts ist (FEV1 < 80%). Die Teilnahmevoraussetzungen für die strukturierten Behandlungsprogramme für COPD sind somit mit den Projektvoraussetzungen vergleichbar, für Asthma bronchiale aber strenger gefasst und umfassen damit einen geringeren Teil an möglichen Patienten. Darüber hinaus sind Patienten, die sowohl an Asthma bronchiale als auch an COPD leiden, nicht zur Teilnahme an den strukturierten Behandlungsprogrammen berechtigt, wohingegen sich im Projekt einige Patienten mit beiden Erkrankungen befanden. Die Einschränkung, dass Patienten unter 18 Jahren nicht an den strukturierten Behandlungsprogrammen für COPD teilnehmen können, wird wohl kaum Auswirkungen auf die Anzahl der Teilnehmer haben. Im Projekt „Atemwegserkrankungen“ fanden sich keine COPD-Patienten unter 18 Jahren. Schulungen Bezüglich der Forderung nach Schulungen sowohl für Leistungserbringer als auch für Versicherte besteht bei beiden Vergleichsobjekten – dem Projektvertrag und der Verordnung – Übereinstimmung. Dabei wird im Projektvertrag sowohl die – von der
6.4 Erfüllung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme
131
Verordnung geforderte – Information der Versicherten (nicht jedoch der Leistungserbringer) durch die Krankenkassen schriftlich fixiert (vgl. § 8 Abs. 2c) als auch die Notwendigkeit der Schulungen für Leistungserbringer (§ 2, Abs. 1 und Anlage 4, „Teilnahme an dem Curriculum zum Asthma/COPD-Projekt) und Patienten (§ 2, Abs. 1 und Anlage 3) beschrieben. Die Schulungsmaßnahmen für Patienten werden im Projekt außerbudgetär vergütet. Evaluation In Bezug auf die Evaluation sind lediglich geringe Unterschiede zwischen den empfohlenen Dokumentationsbögen der Verordnung und den Erhebungsbögen des Projekts vorhanden. So wird z. B. im Projekt neben dem aktuellen FEV1-Wert auch die Dokumentation des aktuellen FVC (forcierte Vitalkapazitäts)-Werts gefordert. Dagegen erfasst der Erhebungsbogen der Verordnung wesentlich detaillierter die allgemeinen Daten des Patienten (administrative Daten). Als auffallender Unterschied ist anzumerken, dass das Projekt lediglich jeweils einen Erhebungsbogen für die Ersterhebung/Verlaufsdokumentation nutzt, wohingegen die Verordnung sowohl zwischen Asthma bronchiale/COPD als auch zwischen Raucher/Nichtraucher unterscheidet und somit insgesamt acht unterschiedliche Dokumentationsbögen vorgibt. Dadurch kann es u. U. zu einem Anstieg des Verwaltungsaufwands und zu Unsicherheiten hinsichtlich der richtigen Nutzung der Bögen kommen. Zusammenfassung Bei einem Vergleich der Anforderungen der strukturierten Behandlungsprogramme mit dem Projekt kann zusammengefasst werden, dass die beiden in den wesentlichen Punkten übereinstimmen. Dies ist sowohl bei der Definition von Asthma bronchiale als auch bei den Zielen der Programme/Projekte gegeben. Ebenso sind die Teilnahmevoraussetzungen für COPD in beiden Modellen vergleichbar. Für die strukturierten Behandlungsprogramme werden in Anlage 9 und 11 detaillierte Anforderungen an die relevanten Maßnahmen zur Versorgung der Patienten vorgeschrieben. Obwohl diese Maßnahmen nicht explizit im Projektvertrag „Atemwegserkrankungen“ erwähnt werden, ist davon auszugehen, dass sie durch die Formulierung „leitlinienorientierte Versorgung“ gleichermaßen gefordert werden. Sowohl die Verordnung als auch der Projektvertrag bestimmen klare Versorgungsstrukturen, die unterschiedlichen Leistungssektoren einschließen. Das Gesetz geht jedoch weiter, da es bei der Kooperation auch die Integration des stationären Sektors fordert. Die Verordnung zu strukturierten Behandlungsprogrammen verlangt zwar detaillierte Maßnahmen zur Qualitätssicherung, die der Projektvertrag in dieser Form nicht enthält. Dennoch kann von einer Übereinstimmung zwischen den beiden Vergleichsobjekten ausgegangen werden, da die beschriebenen Maßnahmen im Rahmen des Projekts umgesetzt wurden. Vollständige Übereinstimmung besteht bei Projektvertrag und Verordnung hinsichtlich der Maßnahmen zu Schulungen von Leistungserbringern und Patienten, die gleichermaßen ausführlich gefordert werden. Schließlich konnte auch eine weitgehende Gleichheit der Dokumentationsbögen festgestellt werden, wobei jedoch die Verordnung für strukturierte Behandlungsprogramme acht verschiedene Erhebungsbögen vorgibt.
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Unterschiede ergeben sich dahingegen bei der Definition von COPD und bei der Therapieplanung: Letztere war im Projekt nicht schriftlich vorgesehen, ebenso nicht die nicht-medikamentösen Maßnahmen, insbesondere die relevanten Hinweise auf Allergene und COPD-Verursacher. Aufgrund der Gestaltung der Erhebungsbögen ist jedoch eine Diskussion zu diesen Aspekten zwischen Arzt und Patient anzunehmen. Die strukturierten Behandlungsprogramme für Asthma zeigen sich hinsichtlich der Teilnahme strenger und erfordern für die Einschreibung schlechtere Lungenfunktionswerte, als dies für die Teilnahme am Projekt notwendig ist. Insgesamt betrachtet kann das Projekt, wie im Projektvertrag gewünscht, als ein Vorläufer von DMP Asthma bronchiale/COPD bzw. strukturierten Behandlungsprogrammen betrachtet werden und erfüllt weitgehend alle im Gesetz und der RSA-Änderungsverordnung gestellten Anforderungen. Da das Projekt Atemwegserkrankungen jedoch vor Einführung der strukturierten Behandlungsprogramme auf der vertraglichen Basis des § 140 a SGB V entstand, ist ein wesentlicher Aspekt von strukturierten Behandlungsprogrammen nach § 137 f, g SGB V – die Anbindung an den RSA und die damit verbundenen Anreizwirkungen – in diesem Programm nicht gegeben.
6.5
Ergebnisse der Evaluation
6.5.1 Teilnehmende Praxen und eingeschriebene Patienten Teilnahmeberechtigt am Projekt waren ausschließlich niedergelassene Hausärzte/ Allgemeinärzte, Internisten und Pädiater sowie Pneumologen der Region Mannheim, die Mitglied des „Gesundheitsprojekts niedergelassener Ärzte“ waren. Zur Teilnahme mussten die interessierten Ärzte einen schriftlichen Antrag bei der Kassenärztlichen Vereinigung stellen, in dem der Codex des Gesundheitsprojekts sowie die Leitlinien und Regeln des Projekts „Atemwegserkrankungen“ anerkannt wurden. An die Projektteilnahme waren für die Ärzte darüber hinaus spezielle Voraussetzungen geknüpft: Zum einen setzte die Einschreibung die Absolvierung eines spezifischen Curriculums voraus, das in mehrstündigen Sitzungen durchgeführt wurde. Darüber hinaus verpflichteten sich die Ärzte, ihre Praxis mit einem Lungenfunktionsgerät (Spirometer) auszustatten. Neben den Qualifizierungskursen zu Beginn des Projekts war für die Ärzte die kontinuierliche Teilnahme an Qualitätszirkeln verbindlich. Die Anzahl der im Projekt eingeschriebenen Ärzte blieb im Projektverlauf relativ konstant. Insgesamt nahmen (mit Stand Februar 2005) 74 Ärzte am Atemwegsprojekt teil. Darin enthalten waren sechs Pneumologen, die das Projekt fachärztlich unterstützten. Die Zielgruppe des Projekts bildeten Kinder und Erwachsene mit Atemwegserkrankungen, speziell jedoch mit Asthma und COPD. Für diese Patienten war die Teilnahme am Projekt Asthma/COPD freiwillig und kostenlos. Es konnten lediglich Versicherte der Mitgliedskassen des VdAK und AEV teilnehmen. Privatpatienten, AOKVersicherte oder Mitglieder von BKK und IKK bzw. anderen gesetzlichen Krankenkassen waren von einer Einschreibung ausgeschlossen. Die Einschreibung setzte voraus, dass die Patienten den im Rahmen des Projektvertrags festgesetzten Vorgaben hinsichtlich ihres Krankheitszustandes entsprachen.
6.5 Ergebnisse der Evaluation
133
Diese bestimmten unter anderem, dass die Patienten entweder an Asthma oder an COPD erkrankt waren. Darüber hinaus mussten sie laut Projektvereinbarung über einen FEV1-Wert < 80% Soll verfügen. Patienten, die über „normale“ Spirometriewerte mit chronischen Symptomen wie Husten und Auswurf verfügten, wurden der Gruppe „0“ zugeordnet und waren kontrollbedürftig, jedoch nicht in das Projekt einschreibbar. Zur Dokumentation ihrer Teilnahmebereitschaft mussten die Patienten einen Einschreibebogen ausfüllen. Diese Teilnahmeerklärung stellte zugleich eine Erlaubnis für einen Austausch von Daten zwischen den Leistungserbringern zum Zweck der übergreifenden Behandlung dar. Die Zahl der eingeschriebenen Patienten stieg im Projektverlauf kontinuierlich an. Einen Überblick über die Entwicklung der Patientenzahlen gibt Abbildung 6-2.
Abbildung 6-2: Entwicklung der Patientenzahlen im Projektverlauf
6.5.2 Die Datenbasis Die für die Evaluation eingesetzte Stichprobe setzte sich aus 513 Datensätzen zusammen. Hierbei handelte es sich um 220 Männer (43,6%) und 285 Frauen (56,4%). Das durchschnittliche Alter der Probanden lag bei 48,56 Jahren. Die Mehrzahl der Patienten waren zwischen 61 und 80 Jahren alt (N = 178 bzw. 34,7%), gefolgt von den 41bis 60-Jährigen (N = 96 bzw. 18,7%). Darüber hinaus war ein großer Anteil an Kindern und Jugendlichen im Projekt eingeschrieben.
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Abbildung 6-3: Beschreibung der Gesamt-Datenbasis
Im Projekt waren zum Zeitpunkt der Auswertung 168 COPD-Patienten (32,7%) und 268 Asthmatiker (52,2%) eingeschrieben. Bei 35 Patienten (6,8%) wurde als Diagnose sowohl Asthma als auch COPD angegeben.764 Diese Verteilung überrascht, da sie in keiner Weise der allgemeinen Epidemiologie dieser beiden Krankheiten entspricht. Sie kann nur auf dem starken Vorsorgebewusstsein der Eltern beruhen, die ihre asthmatischen Kinder dem Programm zuführten, und an der immer noch fehlenden Sensibilität für COPD als Krankheit. Die Gruppe der Asthmatiker setzte sich aus 124 (46,8%) männlichen und 141 (53,2%) weiblichen Patienten zusammen. Die Asthmatiker waren mit durchschnittlich 32,2 Jahren verhältnismäßig jung. Dies bestätigt die These, dass die Altersverteilung bei den Asthmatikern maßgeblich durch die Mütter beeinflusst wurde, die ihre Kinder im Projekt anmeldeten. Der Projektvertrag gab im Rahmen der Dokumentations- und Strukturpauschalen eine Einteilung der Asthma- und COPD-Patienten nach Schweregraden auf Basis ihrer FEV1-Werte wieder, die auch für die Auswertung verwendet wurde. Die Schwe764
Da die geringe Anzahl dieser Zwittergruppe keine statistisch signifikanten Aussagen gestattete, wurde auf die Gruppe der asthmatischen COPD-Patienten bei den Differenzierungen nach Erkrankung nicht näher eingegangen.
6.5 Ergebnisse der Evaluation
135
regrade der Asthmapatienten im Projekt entsprachen in etwa den Schweregraden der Asthmatiker in der bundesdeutschen Bevölkerung,765 wobei der Anteil der Patienten mit Schweregrad „schwer“ mit 15 Personen (8,1%) im Vergleich zur Gesamtbevölkerung in der Stichprobe ausgeprägter war. Von den mittelschwer erkrankten Patienten konnten 40 Patienten (21,6%) in das Projekt integriert werden. Den größten Block stellten mit 130 Patienten (70,3%) die leichten Asthmatiker dar.
Abbildung 6-4: Überblick über die Schweregrade der Asthmatiker
Die Gruppe der COPD-Patienten war im Vergleich zu den Asthmatikern um ca. 100 Personen kleiner (N = 168). Sie setzte sich aus 66 männlichen (40,2%) und 98 weiblichen (59,8%) Patienten zusammen. Die COPD-Patienten waren im Durchschnitt 69,7 Jahre alt. Die Verteilung innerhalb der Schweregrade unterschied sich bei den COPD-Patienten stark von der der Asthmatiker.766 Der größte Anteil (N = 63, 43,8%) war der Gruppe der Leichtkranken zuzuordnen. Weitere 35 Patienten (24,3%) litten mittelschwer an COPD und die Gruppe der Schwerkranken war mit 46 Die Daten basieren auf dem Weißbuch Lunge 2000. Da zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichtes die Neuauflage des Weißbuches noch nicht vorlag, werden hier diese Daten verwendet. Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2000), S. 10. 766 Die Verteilung richtete sich in ihrer Einteilung, ebenso wie bei den Asthmatikern, ausschließlich nach der Höhe des FEV1-Wertes. 765
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Patienten (31,9%) vertreten. Es konnte eine Vielzahl von schwer und mittelschwer erkrankten Patienten in das Projekt aufgenommen werden. Die Hilfe des Projekts richtete sich damit auch zu einem großen Teil an diejenigen Patienten, die zu den Hauptverursachern der Kosten in ihrer Krankheitsgruppe gehören.
6.5.3 Zielerreichung im Projekt 6.5.3.1 Verbesserung der medizinischen Indikatoren Lungenfunktionswerte Die Lungenfunktionswerte stellten im Projekt die besten Indikatoren für den Status und die Entwicklung des gesundheitlichen Befindens der Patienten dar. Hierbei war zwischen dem FEV1-Wert und dem FVC-Wert zu unterscheiden.767 Die Messung der Lungenfunktionswerte zielte darüber hinaus darauf ab, die Richtigkeit der Einschätzung der Krankheit zu kontrollieren und die kontinuierliche Überprüfung des medizinischen Zustandes sicherzustellen. Sie bildete damit auch ein Indiz für die Qualitätssicherung im Rahmen des Projekts. Leider erfolgte die Messung der Lungenfunktionswerte im Projektverlauf nicht kontinuierlich in jedem Erhebungsbogen. Aus diesem Grunde schwankten speziell bei den Verlaufsbetrachtungen Patientenzahlen in den Auswertungen stark. Insgesamt lagen Messungen des FEV1-Wertes bei Ersterhebung bei 417 (81,3%) der 513 Patienten vor. Die FVC-Werte konnten bei 411 (80,1%) der 513 Patienten gemessen werden. Die FEV1-Werte bei Ersterhebung schwankten zwischen Werten von 17 bis 200% des Sollwertes (N = 401) und lagen im Gesamtdurchschnitt bei 76,04% des Sollwertes. Bei den FVC-Werten wurden Durchschnittswerte von 83,52% Soll gemessen, wobei die Schwankungsbreite dieselbe wie bei den FEV1-Werten war. Eine Untersuchung der FEV1-Werte gruppiert nach Alter zeigte, dass die durchschnittlichen Lungenfunktionswerte mit steigendem Alter sanken, d. h. sich verschlechtern. Die besten FEV1-Werte wurden bei eingeschriebenen Kindern unter 7 Jahren gemessen; sie hatten einen durchschnittlichen FEV1-Wert von 94,9% und FVC-Wert von 91,6% des Sollwertes. Die schlechtesten FEV1-Werte wurden bei den 61- bis 80-Jährigen gemessen, der durchschnittliche FEV1-Wert betrug hier 68,99%. Bei den FVC-Werten lag der schlechteste Durchschnittswert in der Gruppe der „über 81-Jährigen“, die einen FVC-Mittelwert von 78,46% Soll aufwiesen. Bei einer Unterscheidung nach Krankheitsart lagen die Lungenfunktionswerte der COPD-Patienten bei Ersterhebung signifikant unter denen der Asthmatiker. Während bei den FEV1-Werten für die Asthmatiker Durchschnittswerte von 83,52% Soll (N = 186) gemessen wurden, wurde der FEV1-Mittelwert bei den COPD-Patienten bei Ersterhebung nur mit 63,51% Soll (N = 147) angegeben. Die Werte der Asthmatiker lagen somit im Mittel außerhalb des behandlungsnotwendigen Korridors der Schweregrade (was einer Einordnung in Schweregrad 0 zur Folge hätte), während die COPDPatienten im Durchschnitt den Schweregrad mittelschwer aufwiesen. 767
Zu näheren Informationen über die Messung von FEV1- und FVC-Werten wird auf die medizinische Fachliteratur verwiesen.
6.5 Ergebnisse der Evaluation
137
Abbildung 6-5: Lungenfunktionswerte bei Ersterhebung unterteilt nach Erkrankungsart
Hauptaugenmerk lag im Projekt vor allem auf der Entwicklung der Lungenfunktionswerte. Diese wurde für einen Zeitraum von vier Quartalen betrachtet, wobei lediglich diejenigen Patienten integriert wurden, bei denen alle Erhebungsbögen bis zum vierten Quartal vorlagen. Dadurch wurde die Zahl der in die Auswertung integrierten Patienten nochmals reduziert, weshalb sich Unterschiede in den N-Zahlen und den Angaben der Werte bei Ersterhebung ergeben. Bei den FEV1-Werten zeigte sich, dass für beide Krankheitsarten die durchschnittlichen Lungenfunktionswerte verbessert werden konnten. Bei den COPD-Patienten konnte der anfänglich schlechte FEV1-Wert bei Ersterhebung von 57,17% Soll (N = 68) auf 65,79% (N = 63) nach vier Quartalen gesteigert werden.768 Dieser Anstieg um 8,62 Prozentpunkte war in den Erhebungszeitpunkten dazwischen (nach dem ersten, zweiten bzw. dritten Quartal) z. T. deutlich größer ausgefallen. So konnte gar im zweiten Verlaufsbogen ein durchschnittlicher FEV1-Wert von 69,59% (N = 63) erreicht werden, doch fiel der Mittelwert in den darauf folgenden Quartalen wieder ab. 768
Dieser Wert unterscheidet sich von den vorab angegebenen Werten bei Einführung, da für die Verlaufsmessung lediglich bei COPD 68/66 Patienten (FEV1/FVC) bzw. bei den Asthmatikern 79/82 (FEV1/FVC) untersucht werden konnten.
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Auch bei den Asthmatikern verbesserten sich die Lungenfunktionswerte. Hier konnte der durchschnittliche FEV1-Wert bei Ersterhebung von 83,2% (N = 79) um 7,42 Prozentpunkte auf 90,62% (N = 68) gesteigert werden. In den Zwischenerhebungen wurden auch bei dieser Patientengruppe deutlich höhere Werte erreicht werden. So steigerte sich der FEV1-Wert bei den Asthmatikern im ersten Verlaufsbogen bis auf 93,78% (N = 64), um dann jedoch bis auf einen Wert von 84,97% (N = 68) im dritten Verlaufsbogen zu fallen.
Abbildung 6-6: Entwicklung der Lungenfunktionswerte über vier Quartale
Positiv entwickelten sich auch die durchschnittlichen FVC-Werte im Projektverlauf. Hier konnte für die COPD-Patienten eine Steigerung von 6,5 Prozentpunkten erreicht werden. Der FVC-Wert von 68,68% Soll (N = 66) im Ersterhebungsbogen erreichte im ersten Quartal einen Spitzenwert von 76,67% (N = 59) und pendelte sich dann bis zum vierten Verlaufsbogen bei ca. 75% Soll (N = 64) ein. Bei den Asthmatikern stiegen die FVC-Werte lediglich um 1,58 Prozentpunkte. Hier konnte nach den anfänglichen 87,37% (N = 82) eine Steigerung auf bis zu 90,44% Soll (N = 71) im zweiten Verlaufsbogen realisiert werden. Dann sank der durchschnittliche FVC-Wert im dritten Quartal wieder, und erreichte schließlich im vierten Quartal einen Wert von 88,95% (N = 75). Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass sich in allen Erkrankungsarten die Lungenfunktionswerte z. T. stark verbesserten, was sowohl für die FEV1- als auch FVC-Werte gilt.
6.5 Ergebnisse der Evaluation
139
Entwicklung der Schweregrade Die positive Entwicklung der Lungenfunktionswerte machte eine zusätzliche Untersuchung der Entwicklung der Schweregrade notwendig, da diese ja auf Basis der FEV1-Werte berechnet werden. Wie bereits in 6.5.2 dargestellt, entsprach die Verteilung der Schweregrade der Asthmatiker in etwa der bundesdeutschen Bevölkerung. Betrachtet man ausschließlich den Anteil derjenigen Patienten, die bis zum vierten Verlaufsbogen kontinuierlich behandelt wurden, so zeigte sich bei den Asthmatikern, dass im Projektverlauf der Anteil an Patienten in den Schweregraden „schwer“ und „mittelschwer“ zugunsten der Patienten mit leichtem Asthma reduziert werden konnte.
Abbildung 6-7: Entwicklung der Schweregrade bei Asthmatikern nach 4 Quartalen
Die Anzahl an leichten Asthmatikern stieg von ursprünglich 70,4% (N = 38) bei Ersterhebung auf 80,9% (N = 55) nach vier Quartale. Dieser Anstieg der Leicht-Erkrankten ist auf eine Reduktion in den mittelschweren und schweren Gruppen zurückzuführen. Von den ursprünglichen 13 mittelschweren Patienten (24,1) waren nur noch elf (16,2%), und von den drei (5,6%) schwerkranken Asthmatikern nur noch zwei (2,9%) im vierten Verlaufsbogen in den jeweiligen Gruppen vertreten. Bei den COPD-Patienten waren die Auswirkungen des Projekts in der Entwicklung der Schweregrade wesentlich deutlicher zu erkennen. Hier kam es zu einer vollständigen Verschiebung der Anteile in den Schweregraden nach vier Quartalen. Bildete bei
140
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Ersterhebung noch die Gruppe der schwerkranken Patienten den größten Anteil (N = 24, 42,9%), so war diese Gruppe im vierten Verlaufsbogen die kleinste mit 16 Patienten (25,4%). Dagegen stieg der Anteil der leichten Patienten von ursprünglich 19 (33,9%) auf 27 Patienten (42,9%) an. Auch die Gruppe der mittelschweren Patienten vergrößerte sich um 7 Patienten von ursprünglich 13 (23,2%) hin zu 20 (31,7%).
Abbildung 6-8: Entwicklung der Schweregrade bei COPD-Patienten nach 4 Quartalen
Damit fand insgesamt eine positive Veränderung der Schweregrade im Projektverlauf statt. Anzahl der Exazerbationen/Asthmabeschwerden Ein weiterer relevanter Parameter zur Beurteilung der medizinischen Auswirkungen und Entwicklung der Patienten ist die Anzahl der Exazerbationen bei COPD-Patienten bzw. der Asthmabeschwerden bei Asthmatikern. Diese wurden sowohl im Ersterhebungs- als auch in den Verlaufsbögen erhoben. Probleme bereiteten dabei jedoch die starken Veränderungen bezüglich des Bezugszeitraums in den Erhebungsbögen im Projektverlauf. Die in den Bögen verwendeten Angaben zum Bezugszeitraum der von den Ärzten zu vermerkenden Exazerbationen wurden vom Projektbeirat mehrmals derart verändert, dass eine Vergleichbarkeit der Daten nicht möglich war. Hier fanden sich für die Anfälle und Exazerbationen im Projektverlauf verschiedenste
6.5 Ergebnisse der Evaluation
141
Zeitangaben („pro Monat“, „pro Quartal“, „pro Woche“ bis hin zu keiner Zeitangabe). Es wurde nachträglich versucht, durch Vereinheitlich der Zeitangaben eine Vergleichbarkeit herzustellen. Wegen der problematischen Datenbasis können die Ergebnisse dieses Abschnitts lediglich als Tendenzaussagen gelten. Theoretisch betrachtet müsste die durchschnittliche Anzahl an Exazerbationen bzw. Asthmabeschwerden mit steigendem Schweregrad zunehmen. Diese Aussage konnte im Projekt vor allem für die COPD-Patienten bestätigt werden. Patienten mit leichtem COPD hatten in den ersten zwölf Monaten vor Ersterhebung durchschnittlich 0,82 Exazerbationen pro Quartal (N = 63). Bei Schweregrad „mittelschwer“ war die Anzahl an Exazerbationen mit durchschnittlich 1,36 (N = 35) Auswürfen signifikant höher und Schweregrad „schwer“ wies mit einer durchschnittlichen Anzahl von 4,6 Exazerbationen pro Quartal (N = 46) die meisten Auswürfe auf. Die durchschnittliche Anzahl der Asthmaanfälle lag deutlich unter der Anzahl der Exazerbationen. Asthma-Schweregrad „leicht“ verzeichnete bei Ersterhebung im Durchschnitt 1,06 Anfälle pro Woche (N = 130). Für Schweregrad „mittelschwer“ wurden durchschnittlich 1,22 Anfälle pro Woche (N = 40) angegeben und für Schweregrad „schwer“ 1,72 Anfälle pro Woche (N = 15). Zwar war auch hier die Zahl der Anfälle im Vergleich zu den Schweregraden leicht steigend, doch fielen die Unterschiede nur gering aus. Dies mag darauf zurückgehen, dass der Großteil der Patienten
Abbildung 6-9: Durchschnittliche Anzahl an Exazerbationen und Asthmabeschwerden pro Quartal über vier Quartale
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
bereits bei Einschreibung eine medikamentöse Therapie erhielt. Diese These wird auch dadurch untermauert, dass die Lungenfunktionswerte bei den Asthmatikern bei Einschreibung im Durchschnitt über dem zu behandelnden Level lagen. Die Verlaufsbetrachtung zeigte deutlich schwankende Werte sowohl bei den Exazerbationen der COPD-Patienten als auch den Asthmaanfällen, so dass Aussagen über Verbesserungen oder Verschlechterungen durch das Projekt nur schwer möglich sind.769 Für alle Schweregrade der COPD-Patienten konnte die durchschnittliche Anzahl an Exazerbationen jedoch tendenziell gesenkt werden. Bei den Asthmatikern kann hingegen über die Entwicklung der Asthmaanfälle im Projektverlauf keine Verbesserung festgestellt werden. Auch wenn in einigen Bereichen die Ergebnisse nicht deutlich zu Tage traten, so kann doch ingesamt festgehalten werden, dass sich die betrachteten medizinischen Indikatoren im Projektverlauf sowohl bei den Asthmatikern als auch den COPD-Patienten größtenteils verbessert haben. Lediglich bei der Entwicklung der Asthmaanfälle konnte keine Veränderung festgestellt werden. 6.5.3.2 Koordination zwischen den Leistungserbringern Ein weiteres Ziel des Projekts lag in der verbesserten Koordination zwischen den Leistungserbringern. Zur Untersuchung der Erreichung dieses Projektziels wurden zwei Indikatoren herangezogen: • Einhaltung der vorgegebenen Behandlungskorridore • Einhaltung des vorgegebenen Versorgungsschemas Die Projektleitlinien gaben den Ärzten Behandlungskorridore vor, um die Versorgung der Asthmatiker und COPD-Patienten zu regeln. Danach sollte die Behandlung generell auf der Hausarztebene erfolgen, mit dem Ziel, eine frühzeitige Diagnosestellung hinsichtlich Asthma und COPD zu ermöglichen und Folgeerkrankungen und -kosten sowie potentielle Einschränkungen der Lebensqualität des Patienten zu reduzieren. Für den Fall einer medizinischen Verschlechterung des Patientenzustandes (FEV1-Wert < 70% Soll für COPD bzw. mehr als zwei spastische Anfälle pro Woche bei Asthma) wurde eine Überweisung an den Facharzt gefordert. Nach erreichter Stabilisierung des Zustandes sollte wieder eine Rücküberweisung erfolgen. Für eine Klinikeinweisung war die persönliche oder telefonische Vorstellung des Patienten beim Facharzt erforderlich. Zur Untersuchung der Einhaltung der Behandlungskorridore wurden die Verlaufsbögen des ersten Quartals von 57 COPD-Patienten herangezogen, deren FEV1-Werte bei Ersterhebung unterhalb des Sollwertes von 70% lagen und bei denen damit eine Überweisung zum Facharzt notwendig gewesen wäre. Von diesen 57 COPD-Patienten hatten 32 Patienten (56,1%) im ersten oder zweiten Quartal einem Pneumologen aufgesucht. 25 Patienten (43,9%) wurden jedoch trotz der schlechten Lungenfunktionswerte nicht überwiesen bzw. kontrolliert. 769
Für die Verlaufsbetrachtung wurden wiederum nur diejenigen Patienten analysiert, deren Erhebungsbögen bis zum 4. Verlaufsbogen vorlagen.
6.5 Ergebnisse der Evaluation
143
Auch die Untersuchung der Verlaufsbögen des zweiten Quartals ergab eine ähnliche Verteilung: Von den 42 Patienten, die im ersten Quartal den Behandlungskorridor unterschritten hatten, waren lediglich 22 (52,4%) in den darauf folgenden sechs Monaten beim Facharzt. Bei den COPD-Patienten wurden somit die vorgegebenen Behandlungskorridore in Bezug auf die Zuständigkeit von Haus- und Fachärzten bei ca. der Hälfte der Patienten nicht eingehalten. Bei den Asthmatikern wurde die Beurteilung der Notwendigkeit einer fachärztlichen Vorstellung auf Basis der Zahl der Asthmaanfälle vorgenommen. Relevantes Kriterium für eine Überweisung zum Facharzt waren mindestens zwei Anfälle pro Woche. Dabei stellte sich heraus, dass die Mehrzahl der 32 Patienten, die bei Ersterhebung mehr als zwei Asthmaanfälle pro Woche hatten, in den darauf folgenden zwei Quartalen den Pneumologen vorgestellt wurde (N = 22, 68,8%). Lediglich zehn Patienten (31,3%) waren trotz ihrer häufigen Anfälle weder im ersten noch im zweiten Quartal bei einem Pneumologen. Auch hier zeigte sich in der Betrachtung einer späteren Periode ein ähnliches Ergebnis. Von allen 26 Patienten, die im ersten Verlaufsbogen über mehr als zwei Asthmaanfälle klagten, waren 16 (61,5%) in einem der darauf folgenden Quartale beim Facharzt. Damit ergibt sich für die Asthmatiker eine tendenziell bessere Einhaltung der Behandlungskorridore als für die COPD-Patienten. Bei beiden Erkrankungsarten ist jedoch festzustellen, dass jeweils mindestens 40% der Patienten, die über mangelhafte Lungenfunktionswerte oder zu häufige Asthmaanfälle verfügten, nicht entsprechend den vorgeschriebenen Richtlinien vom Facharzt mitbetreut wurden. Diese Tatsache ist allerdings nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Ärzte, sondern teilweise auch auf eine mangelhafte Compliance der Patienten zurückzuführen. Der Projektvertrag regelte darüber hinaus die arbeitsteilige medizinische Betreuung der eingeschriebenen Patienten durch Haus- und Fachärzte entsprechend eines vorgeschriebenen Versorgungsschema. Danach sollten die Patienten, je nach Schweregrad und Entwicklung der Krankheit, systematisch den Fachärzten vorgestellt werden, zumindest einmalig kurz vor bzw. nach Einschreibung in das Projekt im Rahmen der pneumologischen Voruntersuchung. Die enge Zusammenarbeit mit den Facharztpraxen, d. h. mit Pneumologen und Internisten, sollte es ermöglichen, auf kurzfristige Änderungen im Krankheitsbild der Patienten schnell reagieren zu können. Mit Hilfe der Verlaufsbögen wurde die Anzahl der Arztbesuche bei Pneumologen jeweils innerhalb des betrachteten Quartals erhoben. Dabei stellte sich heraus, dass nicht alle Patienten entsprechend dem Versorgungsschema betreut wurden: • 196 Patienten waren nicht pneumologisch voruntersucht worden, • 214 Patienten waren im Projektverlauf nie beim Pneumologen (d. h., als Angabe bei „Pneumologenbesuchen“ wurde eine Null vermerkt), und • 117 Patienten enthielten in ihren Bögen keine Angabe über Pneumologenbesuche, so dass sie ebenfalls als „Patienten ohne Pneumologenbesuch“ gezählt werden. Insgesamt waren 151 Patienten im Projekt ohne jeden Kontakt zum Pneumologen eingeschrieben. Damit entsprach die Patientenversorgung in Bezug auf die systematische Betreuung durch Haus- und Fachärzte nicht den Leitlinien des Projekts. In-
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
wiefern dieses Ausbleiben an Facharztbesuchen auf ein mangelhaftes Überweisungsverhalten der Ärzte oder eine fehlende Besuchsfreudigkeit bei den Patienten zurückgeführt werden muss, konnte aufgrund fehlender Angaben hierzu nicht festgestellt werden. Bei der Betrachtung der Koordination der Leistungserbringer sollen, neben den eben beschriebenen statistischen Ergebnissen, auch strukturelle Aspekte betrachtet werden. Das Ziel einer Integrierten Versorgung über alle drei Versorgungsstufen (Hausarzt, Facharzt und Krankenhaus) konnte nicht vollständig umgesetzt werden. Bereits zu Beginn des Projekts wurden zwar Behandlungsrichtlinien mit entsprechenden Korridoren zur Überweisung vom Haus- an den Facharzt bzw. an die Klinik niedergeschrieben, doch bestand keine vertraglich fixierte Einbindung der stationären Versorgung. Diese wurde mehrfach angestrebt, doch stellte sich die Erfüllung der projektspezifischen Voraussetzungen bei den Krankenhäusern als schwierig dar, da hier eine leitende Funktion in der Klinik mit einem Pneumologen besetzt sein musste. Zwei der drei Mannheimer Krankenhäuser erfüllten die notwendigen Voraussetzungen, personelle Hindernisse in den Kliniken verhinderten jedoch eine Vernetzung.770 Aufgrund dieser vertraglichen Umsetzungsschwierigkeiten fehlte die Schnittstelle zum stationären Sektor, so dass die Patienten sich das Krankenhaus frei auswählten. Die Koordination und der Datenaustausch der Patienteninformationen und Behandlungsergebnisse zwischen Haus- und Facharzt erfolgten im Projekt mittels einer „blauen Patientenmappe“, die die Patienten zu den Besuchen mitbrachten. Häufig vergaßen die Patienten jedoch diese Aktenmappen mit den aktuellen Befunden, so dass die Verlaufsdokumentation sowie eine Identifikation der Patienten als teilnehmende Asthmatiker/COPDler im Projekt für den Facharzt nicht immer eindeutig waren. Die Pneumologen konstatierten stattdessen ein fehlendes Überweisungsverhalten der Hausärzte, was die Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten zeitweilig erheblich gefährdete. Insgesamt gesehen wurde die Verbesserung der Koordination im Projekt zwar angestrebt, jedoch nicht in dem gewünschten Maße umgesetzt. Bei ca. 40% der Patienten wurden die vorgegebenen Behandlungskorridore nicht eingehalten und die verlangte koordinierte Behandlung zwischen Hausärzten und Pneumologen erfolgte bei ca. 150 Patienten überhaupt nicht. Das Projektziel konnte damit in dieser Hinsicht nicht erfüllt werden. 6.5.3.3 Leitlinienorientierte, medikamentöse Therapie Die Projektvereinbarung legte die Einhaltung von evidenzbasierten Leitlinien vertraglich fest und definierte, dass die Pharmakotherapie nach den aktuellsten evidenzbasierten Leitlinien für die teilnehmenden Ärzte verpflichtend war. Die Beurteilung der Einhaltung der Therapierichtlinien greift deshalb auf die geltenden Leitlinien der deutschen Atemwegsliga für Asthma und COPD zurück.771 Diese wurden nochmals von pneumologischer Seite überprüft und angepasst. Die evidenzbasierten Leitlinien 770 771
Vgl. Protokoll der Projektbeiratssitzung vom 23. 07. 2003. Vgl. Deutsche Atemwegsliga (2002); Wettengel et al. (1998), S. 591–601.
6.5 Ergebnisse der Evaluation
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sehen einen Stufenplan für die Langzeittherapie (bei Erwachsenen) vor, der auf den Schweregraden der einzelnen Krankheiten basiert. Die Überprüfung der medikamentösen Therapie in dieser Evaluation erfolgte ebenfalls auf Basis der Schweregrade. Aufgrund des hohen Detaillierungsgrades der Evaluation und des starken Anteils pharmakologischen und medizinischen Fachwissens wird an dieser Stelle auf eine detaillierte Beschreibung der Untersuchung über die Einhaltung der leitlinienkonformen Versorgung in den einzelnen Medikamentengruppen verzichtet. Stattdessen wird sowohl für Asthma als auch für COPD eine zusammenfassende Beurteilung gegeben. Für Asthma wurde ermittelt, dass in den einzelnen Schweregraden auch nicht-leitlinienkonforme Verordnungen vorgenommen wurden. Der Anteil der nicht-leitlinienkonformen Verordnungen ging im Projektverlauf in der Mehrzahl der Medikamentengruppen und Schweregrad-Klassen zurück, was auf ein Lernverhalten und eine verbesserte Adaption der Leitlinien durch die Ärzte hinweist. Ferner wurde vielfach lediglich auf die Bedarfs- statt Langzeitmedikation zurückgegriffen. Dies legt den Schluss nahe, dass eine Dauermedikation bei immer weniger Patienten notwendig war, was auf eine Verbesserung der medizinischen Indikatoren hindeutet. Auch für die COPD-Patienten sind ähnliche Feststellungen zu treffen. Bei den leichten Schweregraden wurde die leitlinienkonforme Bedarfsmedikation immer stärker angewendet und die medikamentöse Therapie durch leitlinienkonforme Inhalationshilfen und -behandlungen im Projektverlauf abgelöst. Auch bei dem Schweregrad „schwer“ fand ein Umdenken bei den Ärzten statt, so dass die Verordnung vieler nicht-leitlinienkonformer Präparategruppen sank. Beim Schweregrad „mittel“ war jedoch der Lerneffekt nicht erkennbar, da der Anteil der sonstigen nicht-leitlinienkonformen Medikamente konstant blieb. Stattdessen nahm der Anteil der Bedarfsmedikationen im Projektverlauf ab. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass in weiten Teilen bei den Ärzten eine leitlinienkonforme Therapie und auch eine Verbesserung der Patientenversorgung während der Projektlaufzeit stattfanden und damit das Projektziel weitgehend erreicht werden konnte. 6.5.3.4 Krankenhausaufenthalte und Notfallbehandlungen Der Indikator „Krankenhausaufenthalte“ wurde als „Krankenhauseinweisungen“ und als „Krankenhaustage“ in den Erhebungsbögen notiert. Die Untersuchung der Krankenhauseinweisungen in einer Verlaufskontrolle, bei der wiederum nur diejenigen Patienten untersucht wurden, deren Verlaufsbögen über vier Quartale vorlagen, ergab, dass COPD-Patienten für signifikant mehr Krankenhauseinweisungen ursächlich waren als Asthmatiker. Bei den Asthmatikern konnte die Anzahl der Krankenhauseinweisungen von 14 auf 0 Einweisungen über vier Quartale reduziert werden. Bei den COPD-Patienten dagegen blieb die Häufigkeit der Einweisungen mit ca. 8 Einweisungen konstant hoch und stieg im vierten Verlaufsbogen auf 12 Einweisungen an.772 772
17 Krankenhauseinweisungen konnten aufgrund fehlender Angaben keiner Krankheit zugeordnet werden.
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Für Aussagen zur Entwicklung der Krankenhaustage wurden wiederum ausschließlich die Fragebögen untersucht, die konstant bis zum vierten Verlaufsbogen vorlagen.773 Dabei lässt sich insgesamt im Laufe des Programms ein kontinuierlicher Rückgang der Krankenhaustage feststellen. Im ersten Quartal reduzierte sich die Anzahl der Krankenhaustage von insgesamt 511 (N = 130) bei Ersterhebung auf 133 Tage (N = 147) im ersten Verlaufsbogen. Auch im zweiten Quartal kam es nochmals zu einer Reduktion um 19 Krankenhaustage auf 114 (N = 162). Das dritte Quartal zeichnete sich durch einen sprunghaften Anstieg der Krankenhaustage auf 189 Tage aus. Im vierten Quartal sanken die Krankenhaustage dann auf 30 Tage. Bei der Unterscheidung der Krankenhaustage nach Art der Krankheit fällt auf, dass die entstandenen Krankenhaustage vor allem durch die COPD-Patienten verursacht werden. Beurteilungen zur Entwicklung sind für diese Krankheit nicht möglich, da die Höhe der Krankenhaustage im Projektverlauf stark schwankte. Zwar sanken, bei einer Betrachtung des Anfangs- und Endzustandes, die Anzahl der Tage deutlich, doch war im zweiten und dritten Verlaufsbogen wiederum ein Anstieg zu beobachten.
Abbildung 6-10: Entwicklung der Krankenhaustage 773
Aufgrund von fehlenden Angaben bzw. Erhebungsbögen ergibt sich ein Unterschied in der Summe der Krankenhaustage bei Verlaufsbetrachtung (977) zur Gesamtzahl aller entstandenen Krankenhaustage (1.306).
6.5 Ergebnisse der Evaluation
147
Bei den Asthmatikern dagegen konnte eine Verbesserung der Anzahl der Krankenhaustage festgestellt werden. Die hohe Anzahl von 309 Krankenhaustagen bei Ersterhebung reduzierte sich auf null. Zwar war auch hier im dritten Verlaufsbogen ein kurzfristiger Anstieg zu beobachten, doch sank der Wert im vierten Verlaufsbogen wieder ab. Es kam somit – insgesamt gesehen – zu einer Reduzierung der Krankenhausaufenthalte im Projektverlauf, deren Ausmaß jedoch bei den COPD-Patienten nicht so stark war wie bei den Asthmatikern. Für die Betrachtung der Anzahl der Notaufnahmen muss angemerkt werden, dass Angaben hierzu lediglich in den Verlaufsbögen, nicht jedoch in den Ersterhebungsbögen gemacht wurden. Es handelte sich bei dieser Analyse folglich ausschließlich um eine Untersuchung des Projektverlaufs ohne einen Bezug zur Ausgangsgröße. Von den betrachteten Patienten mussten 32 im gesamten Projektverlauf in der Notambulanz behandelt werden. Dabei erfolgten 9 Notaufnahmen im ersten und 9 im zweiten Quartal; im dritten Quartal kamen 11 und im vierten Quartal 3 Notaufnahmen hinzu. Bei den Männern kam es zu 8 Notaufnahmen, bei den Frauen zu 24. Patienten unter 40 Jahren wurden signifikant weniger in der Notambulanz aufgenommen als ältere Patienten. So kam es in den jüngeren Altersgruppen bis 40 Jahre lediglich zu einer Notaufnahme. Bei den über 81-Jährigen waren dagegen 21 Notaufnahmen notwendig. Der Unterschied hinsichtlich der Erkrankungsart war zwar nicht signifikant, aber doch deutlich: Bei den 168 COPD-Kranken finden sich 11, bei den 268 Asthmatikern 10 Notaufnahmen. Das Ziel der Reduktion von Krankenhausaufenthalten wurde damit im Projekt erreicht. Hinsichtlich der Erreichung des Projektziels „Reduktion der Notaufnahmen“ kann aufgrund mangelnder Daten keine Aussage getroffen werden, in der Tendenz fand eine Reduktion jedoch nicht statt. 6.5.3.5 Reduktion von Arbeitsausfallzeiten Die Erhebung der Erwerbsunfähigkeit war sowohl im Ersterhebungsbogen als auch im Verlaufsbogen vorgesehen. Hierzu dienten die Variablen „Patient nicht erwerbstätig“ sowie „Patient berentet/frühberentet (wegen Sonstigem)“ und „Patient berentet/ frühberentet wegen COPD/Asthma“. Von den 513 untersuchten Patienten waren 165 (32,2%) laut Angaben der Ärzte bei Ersterhebung nicht berufstätig. Weitere 7 (1,4%) waren aufgrund ihrer Lungenerkrankung frühverrentet und 146 (28,5%) Patienten aufgrund von anderen Gründen verrentet oder frühverrentet. Bei 195 Patienten (38%) gab es zur Berufstätigkeit keine Angabe. Bei der Untersuchung der Entwicklung der Erwerbsfähigkeit im Projektverlauf fiel auf, dass in den späteren Erhebungsbögen die Angaben zur Berufstätigkeit der Patienten nicht mehr so differenziert erfolgten wie zu Beginn. Analysiert wurden diejenigen 271 Patienten, deren Erhebungsbögen bis zum dritten Verlaufsbogen vorlagen. Im Ersterhebungsbogen waren 92 der 271 Patienten (33,9%) nicht berufstätig, 85 (31,4%) verrentet oder frühverrentet und vier (1,5%) aufgrund ihrer Atemwegserkrankung frühverrentet. Bei 90 Patienten (33,2%) wurde keine Angabe gemacht. Im ersten Quartal stieg der Anteil der Patienten, bei denen Angaben zur Erwerbs-
148
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
unfähigkeit gemacht wurden:774 Nun waren 112 Patienten (41,3%) nicht berufstätig, 82 Patienten (30,3%) (früh-)verrentet und ebenfalls 4 Patienten (1,5%) aufgrund von Asthma oder COPD frühverrentet. Die Zahl derjenigen Patienten, bei denen keine Angabe gemacht werden konnte, fiel auf 73 (26,9%). Im zweiten Quartal stieg der Anteil der Patienten, zu denen Angaben gemacht wurden, nochmals an. Nun wurde bei 118 Patienten (43,5%) „nicht berufstätig“ angegeben, 82 Patienten (30,3%) waren weiterhin (früh-)verrentet und bei nur noch 3 Patienten war eine Angabe zur Frühverrentung aufgrund der Atemwegserkrankung vorhanden. Bei 68 Patienten (25,1%) war keine Angabe möglich. Im dritten Quartal stieg der Anteil der Patienten, bei den Angaben zur (Früh-)Verrentung gemacht wurden, sprunghaft an. Nun waren 102 Patienten (37,6%) – 20 mehr als im zweiten Quartal – (früh-)verrentet. Lediglich 2 Patienten waren dies aufgrund ihrer Atemwegserkrankung. 104 (38,4%) Patienten waren nicht berufstätig und für 63 (23,2%) Patienten fehlten die Angaben. Derart sprunghafte Veränderungen sind eigentlich innerhalb eines Jahres in der Erwerbsfähigkeit nicht möglich. Folglich muss bei diesen Angaben die Verlässlichkeit der Aussagen angezweifelt werden. Die Arbeitsunfähigkeit wurde im Projekt über die Variablen „Patient aufgrund von COPD/Asthma krankgeschrieben“ und „Anzahl der Tage“ (der Krankschreibung) sowohl im Ersterhebungs- als auch im Verlaufsbogen erhoben, was eine Verlaufsbetrachtung ermöglichte. Betrachtet man die Entwicklung der Arbeitsunfähigkeit über vier Verlaufsbögen, so fällt auf, dass sich die Krankschreibungen bei den 221 betrachteten Patienten zwar tendenziell reduzierten, die durchschnittliche Anzahl an Krankheitstagen im Projektverlauf aber zunahm. In der Gesamtstichprobe sank die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage vom Ersterhebungsbogen bis zum vierten Quartal um 28 Tage von 156 Tagen (N = 13) auf 128 Tage (N = 5) in der Summe. Dabei reduzierten sich zwischenzeitlich sogar die Krankschreibungen im dritten Quartal bis auf 61 Tage (N = 4), stiegen dann jedoch zum letzten Quartal nochmals stark an. Allerdings muss festgestellt werden, dass die Anzahl der Krankheitstage im Projektverlauf zunahm und die krankgemeldeten Patienten zu Beginn deutlich kürzer krank waren. Während im Ersterhebungsbogen die Patienten noch durchschnittlich 12 Tage krank waren, meldeten sie sich im vierten Quartal im Durchschnitt 25,6 Tage von der Arbeit krank. Bei einem Vergleich der Krankschreibungen innerhalb der Krankheitsarten zeigt sich, dass im Vergleich zu den Asthmatikern die COPD-Patienten deutlich häufiger krankgeschrieben waren. So verursachten 4 der 75 COPDler bei Ersterhebung 45 Krankheitstage, die sich im ersten Verlaufsbogen bis auf 82 annähernd verdoppelten. Im zweiten und dritten Quartal reduzierte sich die Anzahl der Fehltage allerdings auf null, um im letzten betrachteten Quartal nochmals mit 22 Krankschreibungen zu erscheinen. Bei den Asthmatikern konnten im Projektverlauf deutliche Senkungen in den Krankschreibungen erreicht werden. Hier wurde der Einstandswert von 60 Krankheitstagen um 40 Krankheitstage reduziert, so dass im dritten Quartal 20 Krankheitstage anfielen. Im letzten Quartal waren keine Krankmeldungen mehr dokumentiert. 774
Der Anstieg der Angaben zur Erwerbsunfähigkeit kann im Umkehrschluss jedoch nicht bedeuten, dass der Anteil der Erwerbsunfähigen anstieg.
6.5 Ergebnisse der Evaluation
149
Abbildung 6-11: Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage
Insgesamt gesehen sank die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage über den Projektverlauf. 6.5.3.6 Reduktion von Folgeerkrankungen Das Projektziel „Reduktion der Folgeerkrankungen“ wurde auf zwei unterschiedliche Arten in der Evaluation untersucht: • Entwicklung der neu aufgetretenen Begleiterkrankungen im Projektverlauf • Entwicklung der Angaben zur Multimorbidität im Projektverlauf. Hierbei wurden die Nennungen von Erkrankungen gezählt, die in den Vorerhebungen nicht genannt worden waren. Im Programmverlauf kamen bei 32 Patienten, die bei Ersterhebung keine Begleiterkrankung hatten, neue Begleiterkrankungen hinzu. Auch bei den Nennungen zu „Multimorbidität“ wurden in den Verlaufsbögen neue Angaben gezählt: Von den 337 Patienten, die bei Ersterhebung eine Multimorbidität verneinten, waren 15 Patienten (4,5%) nach dem ersten Quartal multimorbide. Im zweiten Quartal kamen weitere 7 Patienten dazu, die bis dahin noch nicht mehrfach erkrankt waren, und im dritten Quartal 6 weitere Patienten. Im vierten Quartal waren es schließlich noch 4 „Neuzugänge“. Folglich traten trotz des Projekts „Atemwegs-
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
erkrankungen“ Folgeerkrankungen auf. Inwieweit diese vermeidbar gewesen wären, lässt sich nicht beurteilen. Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass die Anzahl der neu entstandenen Folgeerkrankungen insgesamt durch das Projekt reduziert werden konnte. 6.5.3.7 Steigerung der Compliance Unter „Compliance“ bzw. „Adherence“ wird in der medizinischen Literatur die Bereitschaft des Patienten verstanden, den therapeutischen und diagnostischen Anweisungen des Arztes zu folgen und bei dessen Maßnahmen mitzuarbeiten. Damit geht der Begriff der Compliance über die bloße Einnahme von Medikamenten hinaus und zeigt sich z. B. auch in einer Anpassung der Lebensumstände.775 Gute Compliance bildet eine essentielle Voraussetzung für den Erfolg der Therapie. Sie kann durch vertrauensbildende Maßnahmen, Anpassung der Therapieziele sowie eine intensive Schulung und Supervision verbessert werden.776 Das Nichtbefolgen der medizinischen Handlungsempfehlungen wird als NonCompliance bezeichnet. Hierfür werden in der Literatur unterschiedliche Gründe genannt, wie z. B. die schlechte Arzt-Patienten-Beziehung, speziell die Kommunikation in diesem Verhältnis, oder das fehlende Krankheitsbewusstsein des Patienten.777 Speziell bei chronischen Erkrankungen wie Asthma und COPD ist die Non-Compliance der Patienten stark ausgeprägt.778 Betrachtet man ausschließlich die mangelhafte Einhaltung medikamentöser Verordnungen, so gehen Studien von einer durchschnittlichen Non-Compliance von 50% aus.779 Andere Untersuchungen geben Non-Compliance-Raten mit einer Spannbreite von 46% bis 96% an.780 Zahlreiche Studien speziell zu Asthma gelangen zu dem Schluss, dass die – trotz des innovativen Fortschritts in der medikamentösen Therapie – steigende Asthmamortalität vorwiegend auf die schlechte Compliance zurückzuführen ist.781 So kann sich Non-Compliance in einer Verschlechterung der Lungenfunktionswerte und einer erhöhten Anzahl von Exazerbationen bei COPD- bzw. Asthmaanfällen niederschlagen.782 Hinzu tritt die ineffiziente Nutzung von Gesundheitsdienstleistungen, wodurch dem Gesundheitswesen jährlich hohe Kosten entstehen.783 Vgl. Claes, C. / Pirk, O. (2000), S. 66. Vgl. Schaumburg, D. et al. (1999), S. 622. 777 Vgl. Kayser, B. / Schwefing, B. (1998), , S. 119 f. 778 Vgl. Cochrane, G. M. (1995), S. 116–119, zitiert in: Schaumburg, D. et al. (1999), S. 619. 779 Vgl. Cochrane, G. M. (1999), S. 209 f., zitiert in: Mühlig, S. / Petermann, F. / Bergmann, K.Ch. (2001), S. 164. 780 Vgl. Mühlig, S. / Petermann, F. / Bergmann, K.-Ch. (2001), S. 164. Die große Variabilität in den empirisch ermittelten Compliance-Raten beruht vermutlich auf Unterschieden im methodischen Vorgehen und den verwendeten Messmethoden sowie in den vielfältigen Definitionen. 781 Vgl. Heinrich, J. (1995), S. 297–307. 782 Vgl. Mühlig, S. / Petermann, F. / Bergmann, K.-Ch. (2001), S. 163. 783 Vgl. Volmer, T. / Kielhorn, A. (1998), S. 46. 775 776
6.5 Ergebnisse der Evaluation
151
Trotz der erheblichen Bedeutung des Non-Compliance-Problems sowohl für den Patienten als auch für das Gesundheitswesen besteht bis heute kein allgemein anerkanntes Messverfahren. Die vorliegende Evaluation griff zur Erhebung der Compliance, auf Wunsch des Projektbeirats, auf die subjektive Beurteilung durch die Ärzte zurück. Für die Einschätzung der Compliance bzw. Non-Compliance wurden den teilnehmenden Ärzten allerdings keine expliziten Beurteilungskriterien an die Hand gegeben. So lag es im Ermessen des einzelnen Arztes, inwieweit bspw. die folgenden Aspekte für das Vorliegen von Compliance relevant waren: • Grad der medikamentösen Therapieeinhaltung, • Beachtung von Verhaltensempfehlungen und Anpassung der Lebensgewohnheiten, • Raucherentwöhnung, • Regelmäßigkeit der Arztbesuche, etc. Alternativ zur subjektiven Arzteinschätzung hätte z. B. das Führen eines AsthmaTagebuchs als Compliance-Indikator verwendet werden können, was jedoch für COPD-Patienten nicht möglich gewesen wäre. Mühlig et al. schlagen darüber hinaus zur Evaluation ein integratives Gesamtmaß vor, aus dem ein „übergreifender Compliance-Index“ berechnet wird.784 Als Indikatoren bieten sich bspw. die oben genannten Faktoren an. Um die Entwicklung der Compliance über den Projektverlauf zu untersuchen, wurden diejenigen 221 Patienten ausgewählt, bei denen Angaben zur Compliance bis einschließlich des vierten Verlaufsbogens vorlagen. Hier zeigte sich, dass der Anteil der complianten Patienten im Projektverlauf kontinuierlich zurückging. Von den ursprünglich 87,1% (N = 189), die im Ersterhebungsbogen als compliant eingestuft worden waren, waren es nach vier Quartalen nur noch 79,8% (N = 174) compliant. Bei der Untersuchung nach Erkrankungsarten fiel auf, dass die Asthmatiker im Projekt über eine höhere Compliance verfügten als die COPD-Patienten. Während die COPD-Patienten bei Ersterhebung nur eine durchschnittliche Compliance-Rate von 77,9% (N = 127) hatten, erreichten die Asthmatiker einen Durchschnittswert von 84,7% (N = 222). Dies spiegelte sich auch in der Entwicklung wider: Der Rückgang der Compliance war bei den Asthmatikern anteilsmäßig kleiner als bei den COPDPatienten. Eine Untersuchung der non-complianten Patienten ergab, dass diese Patienten sich vor allem durch ihr wesentlich höheres Durchschnittsalter von den complianten Patienten unterschieden. So zeigte sich, dass die complianten Patienten durchschnittlich 46,4 Jahre, die non-complianten Patienten im Durchschnitt dagegen 60 Jahre alt waren. Dabei war das Minimum-Alter in beiden Gruppen nicht so unterschiedlich. Damit kann die Vermutung nicht bestätigt werden, dass es sich bei den complianten Patienten vorwiegend um die Kinder aktiver Mütter handelt, wohingegen die non-complianten Patienten eher unter den Erwachsenen zu finden sind. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen war zwar unter den complianten Patienten tendenziell etwas höher, 784
Vgl. Mühlig, S. / Petermann, F. / Bergmann, K.-Ch. (2001), S. 172.
152
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
doch fand sich sowohl bei den Patienten mit hoher als auch mit geringer Compliance ein Anteil in der Gruppe zwischen 61 und 80 Jahren. Aufgrund dieses Rückgangs der Compliance konnte ein wesentliches Projektziel nicht erreicht werden. Die Untersuchung von Auswirkungen der mangelnden Compliance auf die Entwicklung der einzelnen betrachteten Indikatoren erzielte jedoch keine signifikanten Ergebnisse. 6.5.3.8 Reduktion der Kosten Die Reduktion von Kosten war kein Ziel, welches im Projektvertrag niedergeschrieben wurde. Dennoch liegt es nahe, die Reduktion der Kosten zu betrachten, da eine effizientere Versorgung durch das Projekt angestrebt wurde. Die Entwicklung ökonomischer Parameter wurde im Projekt zum einen bei den Arbeitsausfallzeiten und zum anderen bei den Krankenhausaufenthalten betrachtet. Als Kosten für einen durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitstag wurden 115 Euro angesetzt. Dieser Wert ergab sich nach Umrechnung des monatlichen Durchschnittsentgelts (West) in Höhe von 2.415 Euro gemäß § 18 SGB IV für das Jahr 2005 dividiert durch 21 Arbeitstage.785 Bei den durch Arbeitsunfähigkeit entstandenen Kosten wurden zwei verschiedene Untersuchungen vorgenommen. Durch die insgesamt 537 Krankentage aller eingeschriebenen Patienten entstanden der Volkswirtschaft Kosten im Wert von 61.755 Euro. Es bestanden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Art der Erkrankung. Asthmatiker waren insgesamt in der Summe 231 Tage krankgeschrieben, wodurch volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 26.565 Euro entstanden. Bei den COPD-Patienten summierten sich die Krankheitstage auf insgesamt 211 Tage mit Kosten von 24.265 Euro. Auffallend ist, dass die kleine Gruppe der Patienten mit beiden Krankheitsarten (N = 35) ebenfalls stark durch ihre 71 Fehltage mit damit einem Aufwand von 8.165 Euro zu den hohen Kosten beitrug. Für die Betrachtung der Entwicklung der Arbeitsunfähigkeit wurde nur derjenige Teil der Patienten herangezogen, bei denen vier kontinuierliche Verlaufsbögen vorlagen. Bei der Untersuchung fällt auf, dass es bei den 221 betrachteten Patienten insgesamt zu einer tendenziellen Reduktion der Krankschreibungen kam. In der Gesamtstichprobe sank die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage vom Ersterhebungsbogen bis zum vierten Quartal um 28 Tage von 156 Tagen (N = 13) auf 128 (N = 5) in der Summe. So konnten die Kosten von anfänglich 17.940 Euro pro Quartal auf 14.720 Euro pro Quartal nach vier Quartalen gesenkt werden. Bei einer Untersuchung der Anzahl und Kosten an Krankheitstagen bei den COPDPatienten kann – bis auf einen kurzen Peak im ersten Quartal – ein Rückgang der Krankheitskosten pro Quartal durch Arbeitsunfähigkeitstage verzeichnet werden. Im Vergleich zu den Asthmatikern waren die COPD-Patienten deutlich häufiger krankgeschrieben. Während bei Ersterhebung noch Krankheitskosten von 5.175 Euro anfielen, waren dies im vierten Quartal nur noch 2.530 Euro. Das zweite und dritte 785
Vgl. hierzu BKK Sozialversicherungslexikon, im Internet unter http://www.lexonline.info/ lexonline2/live/bkk/index_0.php .
6.5 Ergebnisse der Evaluation
153
Abbildung 6-12: Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage und -kosten
Quartal war sogar durch eine Reduktion der Krankheitskosten durch Fehltage auf null Euro gekennzeichnet. Lediglich im ersten Quartal kam es zu einem sprunghaften Anstieg auf 9.430 Euro. Bei den Asthmatikern sanken im Projektverlauf die Krankschreibungen deutlich. Hier wurde der Einstandswert von 6.900 Euro durch 60 Krankheitstage auf 2.645 Euro im ersten Quartal reduziert und erreichte im zweiten Quartal sogar nur noch 460 Euro. Ein Anstieg im dritten Quartal auf 2.300 Euro konnte dann im vierten Quartal durch eine Reduktion auf null wieder wettgemacht werden. Hauptverursacher der Krankheitstage und -kosten waren vor allem zwei Patienten, die an asthmatischem COPD („beides“) litten. Diese zwei Patienten mussten im gesamten Projektverlauf z. T. für lange Zeiträume krankgeschrieben werden und verursachten so hohe volkswirtschaftliche Kosten von bis zu 12.190 Euro im vierten Quartal. Es konnten damit sowohl die Anzahl als auch die Kosten der Arbeitsunfähigkeitstage über den Projektverlauf gesenkt werden. Lediglich bei den asthmatischen COPD-Patienten blieben die Kosten auf einem konstant hohen Niveau. Es war laut Aussage der Krankenkassen nicht möglich, die verursachten Kosten der Krankenhaustage und -einweisungen projektbezogen auszuwerten. Infolgedessen mussten für die folgenden Untersuchungen Näherungswerte herangezogen werden, um zumindest ansatzweise die im Rahmen des Projekts entstandenen Kranken-
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
hauskosten abzuschätzen. Die Erst- und Verlaufsbögen enthielten die Anzahl der Krankenhaustage. Als Kostenfaktor pro Krankenhaustag wurde der Näherungswert von 288 Euro, basierend auf Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) für die Jahre 2002 und 2003, verwendet.786 Dabei ergaben sich die folgenden Eckwerte: • Die durchschnittlichen Kosten für einen Krankenhaustag eines TK-Patienten der Mannheimer Geschäftsstelle mit der Diagnose Asthma betrugen 2002: 281,79 Euro und mit der Diagnose COPD 270,58 Euro. • Im Jahr 2003 beliefen sich die durchschnittlichen Kosten für einen Krankenhaustag eines TK-Patienten der Mannheimer Geschäftsstelle mit der Diagnose Asthma auf 369,64 Euro und mit der Diagnose COPD 288,38 Euro. • Für das Jahr 2002 ergab sich – unter Einbeziehung der Verweildauer und Fälle – für beide Krankheiten zusammen ein durchschnittlicher Krankenhaustagesatz von 298,73 Euro und für das Jahr 2003 von 277,19 Euro. • Um auch für das Jahr 2004 einen Wert zu erhalten, wurde der Mittelwert über beide Jahre gebildet, so dass im Folgenden mit durchschnittlichen Kosten für einen Krankenhaustag der Krankheiten Asthma bronchiale oder COPD in Höhe von 288 Euro gerechnet wird. Es handelt sich hierbei um Näherungswerte und nicht um die tatsächlichen projektbezogenen Aufwendungen. Die angegebenen Werte beziehen sich außerdem auf alle TK-Versicherten und nicht alle Projektbeteiligten. Aus Mangel an sonstigen Daten können diese Werte jedoch für die Berechnung der Krankenhauskosten hilfreiche Anhaltspunkte liefern. Zwischen Ersterhebung und viertem Verlaufsbogen kam es bei den 513 Patienten zu insgesamt 134 Krankenhauseinweisungen. Dadurch entstanden in den vier betrachteten Quartalen insgesamt 1.306 Krankenhaustage. Durch Verrechnung mit dem oben angegebenen Näherungswert von 288 Euro als Kostensatz für einen Krankenhaustag entstanden im Projekt insgesamt Krankenhauskosten von 376.128 Euro für die vier betrachteten Quartale. Um die Entwicklung der Kosten durch Krankenhausaufenthalte zu ermitteln, wurden wiederum ausschließlich die Fragebögen untersucht, die bis zum vierten Verlaufsbogen konstant vorlagen, wodurch die Datenbasis wieder wesentlich eingeschränkt wurde. Dabei ließ sich insgesamt im Laufe des Programms ein kontinuierlicher Rückgang der Krankenhauskosten feststellen. Im ersten Quartal reduzierten sich die Krankenhauskosten von 147.168 Euro im Ersterhebungsbogen auf 37.728 Euro. Auch im zweiten Quartal kam es nochmals zu einer Reduktion um 19 Krankenhaustage, wodurch Quartalskosten von 32.832 Euro verursacht wurden. Das dritte Quartal zeichnete sich durch einen sprunghaften Anstieg der Krankenhaustage auf 189 Tage aus, wodurch die Kosten auf 54.432 Euro zunahmen. Im vierten Quartal sanken die Krankenhaustage deutlich auf 30 Tage mit Kosten von 8.640 Euro. Für die COPD-Patienten kann aufgrund der starken Schwankungen in den Krankenhaustagen und -kosten die Entwicklung nicht abschließend beurteilt werden. Be786
Mein Dank für die freundliche Unterstützung bei der Bereitstellung der Daten gilt Frau Rockenbauch von der Techniker Krankenkasse.
6.5 Ergebnisse der Evaluation
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Abbildung 6-13: Entwicklung der Krankenhaustage und -kosten
trachtet man jedoch nur den Wert bei Ersterhebung von 46.080 Euro und vergleicht ihn mit den Quartalskosten für Krankenhausaufenthalte im vierten Quartal von 2.880 Euro, so wird eine sehr starke Reduktion deutlich. Auch bei den Asthmatikern sind diese Einsparungen zu erkennen, die sich hier jedoch auch in den dazwischen liegenden Quartalen abzeichnen. So sanken die Kosten von 88.992 Euro pro Quartal bei Ersterhebung auf 15.840 Euro im dritten Quartal bzw. null Euro im vierten Quartal. Damit kann festgehalten werden, dass die Arbeitsausfall- und Krankheitskosten im Projektverlauf sanken, was sich auch in den einzelnen Krankheitsarten widerspiegelt. 6.5.3.9 Entwicklung des Rauchverhaltens Rauchen stellt die Hauptursache für die Entstehung von COPD dar, aber auch für Asthmatiker ist Zigarettenrauch einer der auslösenden Faktoren von Asthmaanfällen. Aus diesem Grund war das Rauchverhalten eine der entscheidenden Determinanten, die es in diesem Projekt zu beeinflussen galt. Bei der Entwicklung des Rauchverhaltens wurden nur diejenigen Patienten herangezogen, deren Rauchverhalten über einen Projektverlauf bis zum vierten Verlaufsbogen untersucht werden konnte (N = 213). Bei Ersterhebung waren unter den Patienten 39 (18,3%) Raucher, 41 (19,2%) Ex-Raucher und 133 Patienten (62,4%) Nicht-Raucher. Nach vier Quartalen hat sich der Anteil der Raucher signifikant, wenn auch nur marginal reduziert: Sechs Patien-
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
ten haben mit dem Rauchen aufgehört (2,8%), jedoch haben zwei Ex-Raucher (0,9%) mit dem Rauchen wieder angefangen. 33 Patienten (15,5%) konnten über den gesamten Projektverlauf nicht vom Rauchen abgebracht werden. Positiv ist dabei anzumerken, dass von den 133 Nicht-Rauchern (62,4%) kein Patient zu rauchen begonnen hat. Es fällt auf, dass es sich bei den Patienten, die mit dem Rauchen aufgehört haben, vorwiegend um Asthmatiker handelte. Von den ursprünglich 11 asthmatischen Rauchern (8,9%) rauchten nach vier Quartalen lediglich noch 7 (5,6%). Keiner der ehemaligen Raucher hatte auch wieder mit dem Rauchen angefangen. Bei den COPDPatienten hatte von den 24 Rauchern einer (1,4%) mit dem Rauchen aufgehört und einer wieder angefangen.787 Somit konnte das Ziel der Rauchentwöhnung nur zum Teil erreicht werden. Dies kann u. U. auch auf die geringe Teilnahme der Patienten an den angebotenen Raucherentwöhnungsprogrammen zurückgeführt werden. Insgesamt nahmen lediglich 15 der 513 Patienten an Raucherentwöhnungsprogrammen teil. Eine nachhaltige Veränderung des Rauchverhaltens nach erfolgter Teilnahme an den Programmen hat jedoch nicht stattgefunden. 6.5.3.10 Zusammenfassung Zusammenfassend kann für die die Erreichung der Projektziele und damit die Auswirkungen des Projekts festgehalten werden, dass es in der Mehrzahl der betrachteten Bereiche zu einer Verbesserung der Versorgung bzw. der Ergebnisse kam. Bei den gesundheitlichen Auswirkungen wurden in beiden Erkrankungsarten die Lungenfunktionswerte z. T. stark verbessert. Auch innerhalb der Schweregrade fanden positive Verschiebungen statt. Ferner kam es im Projektverlauf zu einer Reduktion der Krankenhauseinweisungen, Arbeitsausfallzeiten und der damit einhergehenden Kosten. Die Behandlungskorridore wurden in Bezug auf die Zuständigkeit von Hausund Fachärzten bei einem Großteil der Patienten zwar nicht eingehalten und 151 Patienten waren – entgegen den Projektrahmenbedingungen – ohne jeden Kontakt zum Pneumologen eingeschrieben. Dagegen wurden z. B. bei den pharmakologischen Verordnungen z. T. deutliche Verbesserungen zugunsten einer Leitlinienkonformität erkannt. Die Compliance ging hingegen spürbar zurück.
6.6
Probleme und Herausforderungen des Projekts
6.6.1 Methodische Probleme Die methodischen Probleme im Rahmen des Projekts zeigten sich vor allem in fehlerhaften Angaben in den Fragebögen, kontinuierlichen Veränderungen der Indikatoren in den Fragebögen durch den Projektbeirat, langsamer bis mangelnder Rück787
Unterschiede in der Anzahl der Patienten ergeben sich wiederum durch fehlende Angaben in einer der Variablen.
6.6 Probleme und Herausforderungen des Projekts
157
sendung der Bögen, der fehlenden Datenerhebung beim Facharzt und der mangelnden Datenschnittstelle zwischen den Projektbeteiligten. Die Erhebungsbögen kamen bereits ein Jahr vor Beginn der Dateneingabe und -auswertung durch das Projekt zum Einsatz. Auch wenn das Insitut in gewissem Maße die Formulierung der Erhebungsbögen beeinflussen konnte, so war doch die Anpassung der Variablen aufgrund der Forderung nach Kontinuität für aussagekräftige Auswertungen begrenzt. Aus diesem Grunde mussten der Aufbau und die Wahl der Variablen für den gesamten Verlauf übernommen werden. Zudem nahm der Projektbeirat selbst im Projektverlauf mehrfach Änderungen vor (vgl. unten). Die von den Ärzten ausgefüllten Fragebögen beinhalteten vor allem am Anfang der Erhebungsphase zahlreiche Dokumentationsfehler und Unvollständigkeiten bei den Angaben, weshalb mehrfache Korrekturschleifen zwischen Institut und Ärzten erfolgten. Hierbei sind vor allem zwei Arten von Fehlern zu unterscheiden: • Fehler durch mangelnde Anleitung der Ärzte: Dies betraf z. B. fehlerhafte Angaben bei den Lungenfunktionswerten, die z. T. als Absolutwerte anstatt der gewünschten „Prozentwerte vom Soll“ angegeben wurden. • Flüchtigkeitsfehler: Hierbei handelte es sich um fehlerhafte Angaben, die z. B. aufgrund des Zeitmangels im Praxisalltag entstanden. Zu nennen sind bspw. Geburtsdaten, die anstelle des Geburtsjahres das Erhebungsjahr enthielten, oder Angaben bezüglich des Rauchverhaltens, wobei ehemalige Raucher als Nicht-Raucher statt als Ex-Raucher klassifiziert wurden. Nicht exakt einordnen lassen sich die fehlerhaften Angaben bei der Medikation. Hier wurden die verordneten Medikamente oft wahllos in Wirkungsklassen eingetragen, die keine erkennbare Übereinstimmung mit der eigentlichen Zugehörigkeit zur Verordnungsgruppe zuließen.788 Derartige Probleme bei der Datenerhebung sind auch aus anderen Erhebungsprojekten bekannt. So teilte z. B. die KV Nordbaden im August 2003 mit, dass im Rahmen ihres Disease-Management-Programms (DMP) Brustkrebs eine Fehlerquote in den Dokumentationsbögen von 15% bestand, bei deren DMP Diabetes mellitus die Fehlerrate sogar bei 70–80% lag.789 Ein Prozentsatz für den Anteil fehlerhafter Fragebögen kann für das Projekt „Atemwegserkrankungen“ nicht angegeben werden. Die Fehlerhäufigkeit konnte jedoch durch mehrfache Schulungen zur Dokumentation und durch das Aufzeigen der Fehlerschwerpunkte im Zeitablauf deutlich reduziert werden. In der zweijährigen Evaluationslaufzeit wurden die Erhebungsbögen vierfach durch den Projektbeirat, speziell das Gesundheitsprojekt niedergelassener Ärzte, verändert, was teilweise zu erheblichen Einschränkungen bei der Verwendung der Daten und bei der Auswertung führte. Zum einen entstanden hierdurch neue Variablen (wie z. B. Bedarfsmedikation und Gewicht), die sich aufgrund der mangelnden Vergleichbarkeit bzw. Datenbasis zu den bis dahin erhobenen Bögen nicht auswerten ließen. Der Aspekt der verordneten Medikamente wird aufgrund der großen Fehlerhäufigkeit hier nicht betrachtet. 789 Vgl. Krüger-Brand, H. E. (2003), S. 496. 788
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6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Zum anderen wurden die Erhebungsbögen derart verändert, dass mittels Umkodierungen die Daten zwar analysierbar waren, ihre statistische Aussagekraft aber fraglich erscheint. Dies war speziell bei den wechselnden Bezugszeiträumen für Exazerbationen und Asthmaanfälle der Fall. Teilweise hatten die Änderungen jedoch auch positive Folgen, da hierdurch Unsicherheiten in der Dokumentation vermieden werden konnten. Dies war z. B. bei einer deutlicheren Kenntlichmachung der notwendigen Angaben für die Lungenfunktionswerte der Fall. Darüber hinaus wurde mit der neu eingefügten Frage nach der Durchführung einer „pneumologischen Voruntersuchung“ ein wesentlicher Aspekt aufgenommen, der nicht nur für die Qualitätssicherung, sondern auch für die Bewertung der Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Fachärzten von großer Bedeutung war. Als eine weitere große Herausforderung bei der wissenschaftlichen Evaluation stellte sich der schleppende Rücklauf der Erhebungsbögen dar. So trafen neu erhobene Bögen z. T. erst nach einem halben Jahr im Institut ein, was ihre Verwendung im Rahmen der Zwischenberichte verhinderte. Aufgrund der vielfach notwendigen Korrekturschleifen war die effektive Verwendung der Fragebögen erst nach mehreren Monaten möglich. Zum anderen stellte sich heraus, dass ein Großteil der Fragebögen nach Rücksendung zur Korrektur beim Hausarzt verblieb, so dass auch hierdurch vielfältige Angaben nicht in die Evaluation mit einbezogen werden konnten. Als ein methodisches Hindernis erwies sich auch die einseitige Erhebung der Daten ausschließlich auf Hausarztebene. Dadurch entstand für das Projekt ein erheblicher Informationsverlust und möglicherweise auch eine Informationsverzerrung. So wurde bspw. die Anzahl der Besuche beim Pneumologen lediglich auf dem Erhebungsbogen des Hausarztes vermerkt. Die tatsächlich erfolgten Besuche beim Facharzt konnten damit jedoch nicht überprüft werden. Laut Aussage der Pneumologen wurden zu wenige Patienten überwiesen, was jedoch nach der Auswertung der Erhebungsbögen nur z. T. bestätigt werden konnte. Eine zusätzliche Erhebung bei den Fachärzten hätte u. U. bereits frühzeitig dieses Missverständnis beseitigt. Darüber hinaus hätte durch die zusätzliche Facharzterhebung valider analysiert werden können, ob die festgelegten Versorgungskorridore eingehalten und Patienten bei Überschreitung bestimmter Normwerte an die Fachärzte überwiesen wurden. Auf Basis der analysierten Hausarztbögen war dies nur z. T. möglich, da die Lungenfunktionswerte zwischen Überweisung an den Facharzt und Dokumentation im Erhebungsbogen deutlich voneinander abwichen. Da der überwiegende Teil der Asthmatiker (und damit auch Projektteilnehmer im Bereich Asthma) Kinder sind, gewinnen vor allem Untersuchungen und Aussagen zu diesem Bereich besonderes Interesse. Als problematisch stellte sich jedoch bei der Auswertung heraus, dass der Fragebogen nicht in allen Bereichen auf Kinder und Erwachsene zugleich anwendbar war. Die Möglichkeit der Einführung eines Kinderfragebogens wurde zwar erörtert, jedoch aufgrund des fortgeschrittenen Zeitpunkts wieder verworfen. Für alternative Projekte sollte dem Aspekt der Tauglichkeit der Fragen für die verschiedenen Altersklassen besondere Beachtung geschenkt werden. Bei der Gestaltung der Erhebungsbögen legten die beteiligten Projektpartner viel Wert auf die Einhaltung des Datenschutzes. So wurden mittels der Fragebögen ledig-
6.6 Probleme und Herausforderungen des Projekts
159
lich verschlüsselte Personendaten erhoben, deren Entschlüsselung über die arztindividuelle Patientennummer und das Geburtsdatum des Patienten ausschließlich dem ausfüllenden Arzt möglich war. Mögliche Zuordnungskriterien, wie z. B. Name, Krankenkasse oder Versichertennummer wurden auf den Fragebögen nicht vermerkt. Damit waren jedoch auch Datenschnittstellen, Rückkopplungen und Abgleiche zwischen dem evaluierenden Institut, der KV Nordbaden und den Krankenkassen ausgeschlossen, da jede Partei über unterschiedliche Angaben hinsichtlich der eingeschriebenen Ärzte und Patienten verfügte. Was sich positiv im Hinblick auf die Umsetzung der Datenschutzvoraussetzungen darstellte, spiegelte jedoch bezogen auf Datenmanagement-, Abrechnungs- und Evaluierungsaspekte Probleme wider. Dies soll anhand einiger Beispiele dargestellt werden: • Datenmanagement: Die KV Nordbaden, die für die Verwaltung des Patienten- und Arztstammes zuständig war, erhielt über die Einschreibung der Patienten durch die Zusendung der Teilnahmeerklärung Notiz. Der weitere Verbleib der Patienten im Projekt wurde aber lediglich im evaluierenden Institut dokumentiert, die den Fortbestand des Patienten oder dessen Ausstieg durch Abbruch oder Tod verzeichneten. Aufgrund der fehlenden Datenschnittstelle war es nicht möglich, diese Patienten an die KV Nordbaden zurückzumelden. Diese Patienten wurden folglich auf Seiten der KV Nordbaden als „Datenleichen“ weiter im Projekt mitgeführt, so dass sich die Anzahl der eingeschriebenen Patienten zwischen KV Nordbaden und Evaluationsdatenbank unterschied. • Abrechnung: Die Projektvereinbarung legte in Anlage 5 „Dokumentations- und Strukturpauschalen“ den anrechenbaren Vergütungssatz pro Ersterfassung bzw. Verlaufsbogen fest. Aufgrund der mangelnden Datenkommunikation vermochte die KV Nordbaden die tatsächliche Erhebungstätigkeit des Arztes nicht zu prüfen. Theoretisch hätte ein Arzt einen Erhebungsbogen bei der KV Nordbaden abrechnen können, ohne ihn tatsächlich dem evaluierenden Institut zur Verfügung gestellt zu haben. • Evaluierung: Die Anonymisierung der Daten verhinderte die Bildung einer Schnittstelle zwischen Institut und Krankenkassen, um personenbezogene Kostendaten auszutauschen. Da eine Zuordnung der Patienten zwischen Institut und Krankenkassen ausschließlich über das Geburtsdatum nicht möglich war, bestand keine Möglichkeit, bspw. die Arzneimittelkosten der eingeschriebenen Patienten zu ermitteln und bezogen auf ihre Krankheit auszuwerten.
6.6.2 Strukturelle Probleme Die Präambel der Projektvereinbarung enthielt das Ziel, eine Aufgabenteilung zwischen den drei Versorgungsstufen Hausarzt, Facharzt und Krankenhaus herzustellen. Dieses Ziel der Integrierten Versorgung über alle drei Sektoren wurde jedoch nicht vollständig umgesetzt, da die vertraglich fixierte Einbindung des stationären Bereichs aufgrund der fehlenden Erfüllung der projektspezifischen Voraussetzungen bei den Krankenhäusern bis zum Ende der Evaluation nicht sichergestellt werden konnte.
160
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Datenmanagement und Datenaustausch der Patienteninformationen zwischen Haus- und Facharzt erfolgten im Projekt mittels einer „blauen Patientenmappe“, die die Patienten zu den Besuchen mitbrachten. Problematisch dabei war jedoch, dass die Patienten diese Mappen mit den aktuellen Befunden häufig vergaßen, so dass die Verlaufsdokumentation sowie eine Identifikation der Patienten als teilnehmende Asthmatiker/COPDler im Projekt für den Facharzt nicht immer eindeutig waren. Die Pneumologen konstatierten stattdessen ein fehlendes Überweisungsverhalten der Hausärzte, was die Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten erheblich gefährdete. Darüber hinaus war für die Pneumologen die besondere Stellung der Patienten nicht sofort erkennbar. Die Beteiligung der Ärzte an Praxisnetzen wird in der Literatur als ein strategischer Faktor für den Erfolg von Versorgungsnetzen beschrieben.790 Auch in diesem Projekt stellte die Mitwirkung der Ärzte einen elementaren Faktor dar. Der Beteiligungsgrad wurde in der Evaluation anhand von zwei Kriterien betrachtet: • Anzahl der eingeschriebenen Patienten je Arzt und • Kontinuität der erhobenen Erhebungsbögen. Diese Kriterien ließen allerdings keinen Rückschluss auf die Qualität der erhobenen Bögen zu. Die Beteiligung etwa der Hälfte der Ärzte kann nur mit „mangelhaft“ bewertet werden. Zum einen schrieb nur ein Teil der teilnehmenden Ärzte aktiv neue Patienten ein; dabei handelte es sich um lediglich 38 der 68 teilnehmenden Hausärzte. Zum anderen unterschieden sich die Ärzte sehr stark in der Kontinuität der Erhebung. Die in den Verlaufsbögen festgeschriebene Forderung nach quartalsweiser Erhebung konnte lediglich im Durchschnitt über alle Ärzte erfüllt werden. Während einige Ärzte über den gesamten Projektverlauf mehr als 100 Verlaufsbögen lieferten, waren es bei anderen Ärzten nur weniger als 10 Bögen. Die Beteiligung der Ärzte an der Dokumentation der Projektdaten divergierte somit stark.
6.6.3 Prozessuale Probleme Bei den prozessualen Problemen ist vor allem die geringe Teilnahmerate der Patienten an den angebotenen Schulungen anzumerken. Die in der Literatur genannte Hypothese der mangelhaften Compliance bei Patienten mit Atemwegserkrankungen konnte für die vorliegende Studie nicht bestätigt werden, da die Compliance mit 81,6% relativ hoch ausfiel. Ein Rückschluss von der Compliance auf das Schulungsverhalten konnte damit nicht gezogen werden. Eine weitere Ursache könnte in dem fehlenden Bewusstsein der beteiligten Ärzte liegen, ihren Patienten die angebotenen Atemwegskurse zu empfehlen. Diese Annahme könnte durch eine Aussage eines Pneumologen bestätigt werden, wonach vorwiegend Pneumologen die Entsendung zu Schulungen initiieren. Schließlich könnte die mangelhafte Teilnahme an den Kursen auch auf ein noch nicht ausreichend ausgeprägtes Selbstmanagementverhalten 790
Vgl. Lingenfelder, M. / Kronhardt, M. (2003), S. 113.
6.6 Probleme und Herausforderungen des Projekts
161
der Patienten zurückgehen. Das Bewusstsein, seine Krankheit selbständig koordinieren zu können und zu müssen, erscheint u. U. in unserer Gesellschaft – anders als z. B. in USA – noch nicht verankert und muss erst entwickelt werden.791 Zwar bedingen sich diese beiden Elemente gegenseitig, da Selbstmanagementfähigkeiten auch wiederum Schulungen voraussetzen, doch kann die entsprechende Veranlagung auch gefördert werden. Hierauf sollten speziell Informationsangebote der Krankenkassen hinwirken. Broschüren und Mitteilungen sollten den Patienten das Angebot an Kursen und die Notwendigkeit der Eigenverantwortung aufzeigen und nahelegen. Darüber hinaus können hierin Lebenshilfen im Alltag sowie Tipps zur Nikotinentwöhnung enthalten sein.
6.6.4 Sonstige Probleme Als eine Schwachstelle im Rahmen des Projekts muss die ungenügende Teilnahme der Ärzte an den Qualitätszirkeln angemerkt werden. Auch wenn diese, wie oben beschrieben, als verpflichtend für alle Mitglieder bestimmt war, nahm lediglich ein Drittel der Ärzte an der geforderten Anzahl an Weiterbildungsveranstaltungen teil. Diese Ergebnisse sind sehr überraschend, da doch gerade die Fortbildungsveranstaltungen den Austausch unter den Ärzten ermöglichen sollen. Unter Umständen wäre dieses Ergebnis bei einer schärferen Sanktionierung der Nichtteilnahme anders ausgefallen, wodurch deutlich wird, dass die Einhaltung gesetzter Ziele und Regeln durch flankierende Maßnahmen untermauert und ggf. sanktioniert werden muss. Im Rahmen des Projekts war ein verstärter Einfluss durch einzelne Pharmaunternehmen zu beobachten. Für die Pharmafirmen bot sich in den Qualitätszirkeln eine Präsentationsplattform, die ihnen den direkten Zugang zu einer Vielzahl von Ärzten offerierte. Aufwendige und teure Referentenbesuche dieser Firmen konnten so unterbleiben. Durch ihre finanzielle und inhaltliche Unterstützung erhielten die Unternehmen im Gegenzug tiefe Einblicke in die Verschreibungspraxis. Darüber hinaus bekamen die Unternehmen weitreichende Informationen zu den – nicht veröffentlichten – Evaluationsergebnissen des Programms. Kritisch ist hierbei der Einfluss auf die Verordnungspraxis der Ärzte zu sehen, der mit dieser Unterstützung einherging. So wurden die Ärzte teilweise angehalten, vorwiegend die Produkte der werbenden Firmen zu verordnen. Ferner wurde im Rahmen der Qualitätszirkel mehrfach auf die Produkte der jeweiligen Pharmaunternehmen hingewiesen.
6.6.5 Anmerkungen der Ärzte zum Projekt – die Ärztebefragung Im Dezember 2004 wurde – zusätzlich zur Projektevaluation auf Basis der Erhebungsbögen – eine Befragung bei den teilnehmenden Ärzten durchgeführt mit dem Ziel, die Zufriedenheit der Ärzte mit dem Projekt zu analysieren sowie Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge zu erfragen. Der Fragebogen über die Zufriedenheit bestand aus vier unterschiedlichen Frageaspekten. Mit Hilfe des ersten Fragenkom791
Vgl. Kotses, H. / Harver, A. (1998), S. 163 sowie Scherenberg, V. (2003), S. 43.
162
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Abbildung 6-14: Überblick über die Zufriedenheit im Projekt
plexes wurde die Zufriedenheit der Ärzte mit dem Projekt erfragt. Um einen Überblick über die Zufriedenheitsaspekte und die Gesamtzufriedenheit im Projekt zu erhalten, wurden die Mittelwerte aller Zufriedenheitsvariablen untersucht. Die besten Beurteilungen erhielten die beiden Zufriedenheitsaspekte zu den Qualitätszirkeln. Sowohl die fachlichen Inhalte als auch die Organisation der Qualitätszirkel wurden mit einem Mittelwert von 2 (N = 28) beurteilt. Auch wenn die Anwesenheit der Ärzte bei den Qualitätszirkeln nicht den geforderten Projektkriterien entsprach, so war doch die Zufriedenheit der Ärzte mit den Qualitätszirkeln hoch. An dritter Stelle in der Reihenfolge der Zufriedenheiten wurde die organisatorische Betreuung im Programm genannt. Diese Frage wurde im Durchschnitt von allen befragten Ärzten als „positiv“ beurteilt: Der Gesamtmittelwert aller 29 Angaben lag bei 2,21, was einer Bewertung für das Management des Projektnetzes von „gut“ entspricht. Da die Erhebung der Dokumentationsbögen im Projekt einen großen Stellenwert für die Ärzte einnahm, wurde auch speziell auf die Zufriedenheit mit der wissenschaftlichen Begleitung im Projekt eingegangen. Von den Ärzten äußerten sich ca. 95,8% mit der wissenschaftlichen Begleitung zufrieden. Die wissenschaftliche Begleitung erhielt mit einem Durchschnittswert von 2,38 die Gesamtnote „zwei“. Die Versorgung mit Informationen stellt generell einen der wesentlichen Faktoren für den Erfolg eines Ärztenetzwerkes dar. Je besser die Informationsabstimmung und
6.6 Probleme und Herausforderungen des Projekts
163
die Zusammenarbeit zwischen den Ärzten funktioniert, desto erfolgreicher kann ein Netz sein. Im Zufriedenheitsaspekt „Informationen“ wurden deshalb zwei verschiedene Elemente untersucht: zum einen die Zufriedenheit mit der Informationspolitik zu Beginn des Projekts, d. h. den Informationen über Inhalte, Ziele und Ablauf des Programms. Zum anderen wurde analysiert, wie die Ärzte mit der kontinuierlichen Informierung über Neuerungen und Veränderungen während der Projektlaufzeit zufrieden waren. Mit der Informationspolitik zu Beginn des Projekts – d. h. mit Angaben zu Inhalten, Zielen und Ablauf des Programms – waren die Befragten insgesamt „zufrieden“. Der Gesamtmittelwert von 2,38 (N = 29) deutet auf eine gute Beurteilung hin. Tendenziell etwas schlechter wurde die kontinuierliche Informationspolitik im Projekt beurteilt. Der Durchschnittswert von 2,59 (N = 29) lässt darauf schließen, dass sich die Ärzte im Projekt nicht immer auf dem neuesten Stand fühlten. Lediglich als „ausreichend“ beurteilten die Befragten die Zusammenarbeit der Hausärzte und Fachärzte. Hier vergaben die 29 Befragten mit der Durchschnittsnote 3,69 die schlechteste Beurteilung. Damit lag dieser Wert auch stark unter der Gesamtzufriedenheit. Die kritische Meinung der Projektärzte bezüglich dieser Frage war nicht erst in der Befragung ans Licht gekommen. Vielmehr hatten sich die Ärzte vor der Umfrage verschiedentlich über die schlechte Koordination und Kommunikation geäußert. Die letzte Frage zielte auf die Gesamteinschätzung der Ärzte mit dem Programm ab: Mit einem Durchschnitt von 2,93 (N = 29) für die Gesamtzufriedenheit fiel dieses Bild entsprechend der Schulnotenskala „befriedigend“ aus. Dieser Eindruck ist überraschend, da – mit Ausnahme der Zusammenarbeit – alle anderen Zufriedenheitsaspekte positiv beurteilt worden waren. Damit musste der Grund für die Unzufriedenheit in anderen Bereichen gesucht werden. Dies wurde mit Hilfe einer Analyse von Statements untersucht. Mit Hilfe von 26 Statements im dritten Fragenkomplex wurden vielfältige Aspekte des Projekts untersucht. Ziel war es, die Hauptkritikpunkte zu ermitteln. Da bei den Statements die Zustimmung zu einem Unzufriedenheitsaspekt untersucht wurde, deuten hier niedrige Mittelwerte auf eine starke Unzufriedenheit hin, wohingegen die Ärzte bei hohen Mittelwerten in den befragten Aspekten eine geringe Unzufriedenheit äußerten. Zur Beantwortung standen sechs Auswahlmöglichkeiten zwischen „stimme voll zu“ und „lehne voll ab“ zur Verfügung. Wenn Statements folglich von den Befragten abgelehnt werden, so kann von einer Zufriedenheit der Ärzte mit dem genannten Problem ausgegangen werden. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in Tabelle 3 (S. 164) mit den Antworten zu den offenen Fragen des vierten Fragenkomplexes untermauert. Bringt man die Statements in eine Reihenfolge entsprechend dem Grad an Zustimmung, d. h. Unzufriedenheit, den sie repräsentieren („Reihenfolge der Unzufriedenheiten, RdU“), so kann – ebenso wie bei den Zufriedenheitsaspekten – festgestellt werden, dass kaum Unzufriedenheit bei den Ärzten mit den Qualitätszirkeln bestand. Mit Gesamtdurchschnittswerten von 4,71 bzw. 5,11 rangieren die beiden Statements in der RdU an letzter Stelle. Lediglich einige Kritiker wünschten ein verstärktes gemeinsames Erarbeiten von Themen und Fällen anstatt Frontalveranstaltungen. Derartigen traditionellen Fortbildungsveranstaltungen werden in der Literatur vielfach der Einfluss und die Effektivität abgesprochen, weshalb sie durch interaktive Maßnah-
164
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
Tabelle 3: Überblick über die Reihenfolge der Unzufriedenheiten (RdU) Gesamt
NAPI
Facharzt
Probleme, Patienten von Vorteilen zu überzeugen
2,00
2,05
1,67
Probleme, Patienten zum Weitermachen zu bewegen
2,50
2,42
3,00
Zu wenig Rückmeldung u. Kommunikation von NAPI/FÄ
2,52
2,63
2,00
Geringer gesellschaftlicher Nutzen des Programms
2,52
2,63
2,00
Zu viele Projekte
2,54
2,54
2,50
Zu langer Erhebungsbogen
2,54
2,54
2,50
Mangelnde Koordination zwischen NAPI/FÄ
2,86
2,96
2,40
Probleme, Patienten den persönlichen Benefit zu verdeutlichen
2,93
2,96
2,80
Einbindung ins Programm zu wenig streng
3,00
3,14
2,40
Probleme, den Patienten die Ziele des Programms zu erläutern
3,07
2,71
4,80
Zu hoher Aufwand
3,14
2,92
4,20
Mitarbeit im Projekt machte keinen Spaß
3,31
3,38
3,00
Zu viele Faxe
3,41
3,00
5,40
Zu langsames Feedback auf Fragebögen
3,46
3,52
3,00
Demotivation durch fehlende Aussicht auf Verlängerung
3,48
3,38
4,00
Zu geringer persönlicher Nutzen
3,59
3,50
4,00
Schlechte Vergütung des Aufwands
3,62
3,75
3,00
Auswertungen der Erhebungsbögen zu wissenschaftlich
3,66
3,75
3,20
Zu wenig Informationsmaterial zum Programm
3,75
3,67
4,25
Schlechte Erläuterung der Erhebungsbögen
3,89
3,92
3,75
Zu häufige Erhebungsintervalle
4,03
3,83
5,00
Schleppender Fragebogenversand
4,04
3,83
5,25
Unklare Ziele des Programms
4,41
4,33
4,80
Angst vor Verlust der Patienten an NAPI/FÄ
4,52
4,58
4,20
Qualitätszirkel inhaltlich wenig informativ
4,71
4,79
4,25
Schlechte Organisation der Qualitätszirkel
5,11
5,21
4,50
men ersetzt werden sollten.792 In eine ähnliche Richtung gehen auch die Anregungen von anderen Ärzten, die kleinere Gruppen und stringentere Themen wünschten. Es fiel auf, dass vor allem die beiden Fragen zum Umgang mit den Patienten im Projekt auf Rang 1 und 2 der RdU stehen. Hier zeigt sich, dass bei den Ärzten große Unsicherheit darin bestand, wie Patienten zum Mitmachen im Projekt bewegt werden 792
Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 180.
6.6 Probleme und Herausforderungen des Projekts
165
können. Aber auch die Fragen zu Vermittlungsproblemen bei Benefit und Zielen des Projekts rangieren unter den ersten zehn kritischen Statements. Hauptkritikpunkt der Ärzte war das Problem, Patienten von den Vorteilen des Programms zu überzeugen. Dieses Statement wurde von den Ärzten an die erste Stelle der Unzufriedenheiten gestellt. Dies kann u. U. auch darauf zurückzuführen sein, dass den Ärzten selbst die Vorteile des Programms nicht deutlich genug waren. Fast ebenso große Schwierigkeiten äußerten die Ärzte darin, die Patienten zum Weitermachen zu bewegen. Dieser Frage stimmten 75% der Befragten zu, so dass dieses Statement auf Rang 2 aller Unzufriedenheiten erscheint. Ferner äußerten die Ärzte „Probleme, den Patienten den persönlichen Benefit zu erläutern“. Auch hier stimmte die Mehrzahl der Befragten diesem kritischen Statement zu. Die Kommunikation der Ziele fiel den teilnehmenden Ärzten zwar nicht ebenso schwer wie die oben genannten Aspekte, doch muss auch das Statement zu Problemen bei der Vermittlung der Ziele zu den zehn Hauptkritikpunkten gezählt werden. Hier waren es 62,1% der Ärzte, die der Aussage „Ich hatte Probleme, den Patienten die Ziele des Programms zu erläutern“ zustimmten. Diese Probleme im Umgang mit dem Patienten könnten u. a. auch daher rühren, dass die Ärzte den Nutzen des Programms nicht richtig einschätzten. Der von den teilnehmenden Ärzten empfundene Aufwand und Nutzen des Projekts wurde in der Befragung in vier Statements abgefragt. Auffallend war, dass alle vier Fragen von den Ärzten ähnlich beurteilt wurden, so dass sie in der Reihenfolge der Unzufriedenheiten alle zwischen Position 11 und 17 liegen. Dies deutet zugleich auf eine „mittlere“ Unzufriedenheit mit dem Aufwand-Nutzen-Verhältnis hin. Lediglich der gesellschaftliche Nutzen des Programms wurde kritischer betrachtet und als nicht sehr hoch eingeschätzt. Er rangiert an Position 4 der Kritikpunkte. Hier ist jedoch fraglich, ob sich dies auf den geringen Anteil an Atemwegserkrankten in der Bevölkerung bezog oder die Auswirkungen des Projekts bei den Erkrankten. Eine ähnlich negative Beurteilung wie bereits bei den Zufriedenheitsaspekten erhielt die Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten. Knapp 80% der Befragten stimmten einem Mangel an Rückmeldung und Kommunikation in der Zusammenarbeit zu. Damit kann dieses Statement als drittwichtigster Grund für die Unzufriedenheit im Projekt betrachtet werden. Ebenso kritisch wurde auch die Koordination im Rahmen der Zusammenarbeit betrachtet: Auf Platz 7 der Hauptursachen für die Unzufriedenheit der Ärzte kommt die Einschätzung des Statements „die mangelnde Koordination mit den Fachärzten/Hausärzten hat mich im Programm gestört“. 69% der Ärzte beurteilten den Austausch zwischen den Ärzten im Projekt als mangelhaft. Der Grund für die schlechte Zusammenarbeit lag jedoch nicht in der „Angst, dass die Patienten von den FÄ/NAPI nicht (mehr zurück) überwiesen werden“. Dieses Statement steht auf der vorletzten Position der Unzufriedenheiten und bildete damit für die befragten Ärzte keinen großen Kritikpunkt. Die negative Beurteilung der Zusammenarbeit spiegelt sich auch in der Vielzahl von Anmerkungen der offenen Frage wider. Vor allem die fehlende Kooperationsbereitschaft wurde hier kritisiert, aber auch die fehlenden Überweisungen zur Untersuchung und Schulung thematisiert. Hauptwunsch der Ärzte war eine engere (z. T. verpflichtende) Kooperation, die durch mehr Akzeptanz und Information untermauert
166
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
wird. Darüber hinaus äußerten die Ärzte den Wunsch nach einer besseren Kennzeichnung der Projektpatienten und intensiveren Kommunikation bzgl. Diagnosen und erneuten Vorstellungsterminen. Als problematisch stellte sich für die Ärzte auch die „gesundheitspolitisch notwendige“ und gleichzeitige Teilnahme an einer Vielzahl der Projekte dar. 75% der Fachärzte gaben an, dass bei der „Vielzahl der Projekte jedes weitere zu viel ist“. Auch für 70,8% der Hausärzte gab es zu viele Projekte gleichzeitig. Hierbei wurde vor allem der hohe anfallende Verwaltungsaufwand gerügt, der aufgrund der vielen unterschiedlichen Projekte für die Ärzte offensichtlich zu einer Belastung wurde. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Kritik an dem zu langen und detaillierten Erhebungsbogen unter den ersten zehn kritischen Statements zu finden ist. Die Aussage „Der Erhebungsbogen war zu lang“ bejahten ca. 82% der befragten Ärzte. Damit rangiert diese Kritik auf Rang 5 der Reihenfolge der Unzufriedenheiten. Speziell kritisierten die Ärzte die spezifischen Angaben zu den Medikamentennamen, die im Endeffekt für die Untersuchung nicht herangezogen werden konnten. Einige Ärzte wünschten sich elektronische Fragebögen, wobei jedoch die im Projektverlauf bereitgestellten Onlinebögen von den Befragten nicht angenommen wurden. Als zusätzlicher Vorschlag wurde die Einbindung in die Praxissoftware genannt. In einem weiteren Statement wurde der Wunsch nach Verbindlichkeit im Projekt erforscht. Im Projektverlauf war mehrfach geäußert worden, dass die mangelnde Sanktionierung bei Nichteinhaltung der Projektkriterien (wie z. B. Teilnahme an den Qualitätszirkeln, Dokumentation in den Erhebungsbögen) u. U. für das Projekt hinderlich gewesen sei. Knapp 60% der Ärzte stimmten der Forderung nach einer strengeren Einbindung zu. Damit kann auch die fehlende Verbindlichkeit des Projekts mit Position 9 als einer der Hauptkritikpunkte betrachtet werden. Insgesamt wurde in der Befragung deutlich, dass die teilnehmenden Ärzte die Planung, Organisation und Durchführung des Projekts sehr positiv beurteilten, jedoch mit der Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten nicht zufrieden waren.
6.7
Beurteilung des Projekts und Ausblick
Das Projekt kann insgesamt als ein erfolgreiches Pilotprojekt zur Umsetzung von Disease Management im Bereich Asthma bronchiale und COPD bezeichnet werden. Untersucht man die Eignung des Projekts zur Lösung der Probleme im Gesundheitswesen, so kann ein großer Problemlösungscharakter bestätigt werden. Es konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz der verschiedenen (Disease-Management-)Elemente und die aktive Beteiligung von Ärzten, Patienten und Krankenkassen positive Ergebnisse in gesundheitlicher Sicht erreicht werden konnten. Daneben wurden durch die verbesserte, effizientere Versorgung finanzielle Mittel eingespart. Das Projekt zeigte noch deutlichen Verbesserungsbedarf in Bezug auf die Integration und übergreifende Kommunikation der Leistungserbringer. Ferner zeigten sich Mängel in der Dokumentation und der Zur-Verfügung-Stellung der Patientendaten bei den Fachärzten. Diese Schwachstelle sorgte im Laufe des Projekts zu zahlreichen Hindernissen und gefährdete teilweise die Fortsetzung der Bemühungen um die Chroni-
6.7 Beurteilung des Projekts und Ausblick
167
ker. Speziell auf das Outcome Management und die verbesserte Integration der Leistungserbringer sollte aus diesem Grunde bei allen Projekten geachtet werden. Versucht man die gewonnenen Ergebnisse auf ein mögliches Disease-Management-Projekt zu übertragen, können folgende Schlussfolgerungen hinsichtlich der Einschreibung der Patienten gezogen werden: • Art und Anzahl der teilnehmenden Patienten unterliegen, trotz der vorgegebenen Segmentierungsregeln, einer subjektiven Auswahl durch die behandelnden Ärzte. Dies wird durch fehlendes Involvement oder mangelndes Verständnis für das Projekt durch die Ärzte nochmals verstärkt, da die notwendige Überzeugungsarbeit von den Ärzten nicht übernommen werden kann. • Aufgrund der reduzierten Aktivität schwerkranker Patienten, die häufig bettlägrig sind oder stationär betreut werden, ist ihre Einbindung in die Programme vermindert. Dies ist problematisch, da gerade diese Gruppe für die hohen Kosten in ihrer Krankheitsgruppe ursächlich ist. Hier müssen spezielle Maßnahmen getroffen werden, um diese Schwerkranken zu integrieren und die Ärzte zur Einschreibung dieser Krankheitsgruppe zu aktivieren. Andererseits weist der Pneumologenverband darauf hin, dass gerade die Gruppe der schwerkranken Patienten durch regelmäßige Arztbesuche und stationäre Aufenthalte bereits eine leitliniengerechte Behandlung erfahren. Inwieweit deshalb durch die Programme Einspareffekte erzielt werden könnten, wäre fraglich.793 • Die Ergebnisse des Programms weisen darauf hin, dass Frauen und Mütter von Kindern eher zum Management der Krankheit tendieren als Männer. Die Gründe hierfür (wie z. B. vermindertes Gesundheitsbewusstsein oder reduziertes Zeitbudget bei den Männern) wurden im Programm nicht abgefragt. Es sollte in derartigen Programmen – und speziell bei DMPs – auch auf die Bedürfnisse der männlichen Zielgruppe hinsichtlich der Programmteilnahme eingegangen werden. Aufgrund der Gesetzesreform des für den Projektvertrag maßgeblichen § 140 SGB V wurde der Vertrag angepasst und das Patienteneinzugsgebiet flächendeckend erweitert. In Zusammenarbeit mit den bisherigen Krankenkassen, der VDAK/AEV Landesvertretung Baden-Würtemberg, dem Gesundheitsprojekt Niedergelassener Ärzte Mannheim, dem Ärzteverbund Nord-Baden (AV NB), der PneumoMed und dem Gesundheitsnetz Süd wurde das Projekt „Atemwegserkrankungen für Asthma und COPD“ (im folgenden „Folgeprojekt“) als Integrierter-Versorgungs-Vertrag im Juli 2005 auf ganz Baden-Württemberg erweitert. Ziel ist eine noch stärkere Integration von Hausärzten, Fachärzten und Krankenhäusern und die bereits im untersuchten Projekt angestrebte „qualifizierte Betreuung der Patienten auf derjenigen Versorgungsebene“, die der Krankheitszustand erfordert.794 Die Teilnahmekriterien für Patienten (Lungenfunktionswerte und Asthmaanfälle) und Ärzte (Qualifikation, Qualitätszirkel und leitliniengerechte Versorgung) sind bei dem Folgeprojekt gleichgeblieben. Dagegen wurden die Dokumentations793 794
Vgl. Hellmann, A. (2002), S. M248. Vgl. o. V. (2006), o. S.
168
6 Empirische Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“
bögen für die Patienten wesentlich überarbeitet.795 Sie umfassen nun auch darüber hinausgehende Elemente wie z. B. erfolgte Terminabsprachen mit dem Patienten, Einschätzungen des Arztes zur Erreichung des Therapieziels sowie die zukünftigen Handlungsempfehlungen im Umgang mit dem Patienten. Ferner wurden die Lungenfunktionsprotokolle mit in den Erhebungsbogen integriert. Um die Kommunikation zwischen Haus- und Fachärzten zu verbessern, wurden detaillierte Flusscharts für COPD und Asthma bronchiale in den Projektvertrag eingebaut, die in jedem Stadium der Krankheit die Versorgung beschreiben (vgl. Anhang 4 und 5). Damit wird im Folgeprojekt noch stärker auf das Zusammenspiel zwischen den Leistungserbringern eingegangen, die durch feste Regelungen im Projektvertrag niedergelegt sind.796 Ein wesentlicher Kritikpunkt am Vorgängermodell wurde dadurch beseitigt. Das Folgeprojekt wird darüber hinaus durch ein „Rehabilitations-Element“ erweitert, welches Gruppenübungen für Patienten mit einem FEV1 von weniger als 60% vorsieht. Hierfür wurde außerdem eine Extra-Vergütungseinheit von 25 Euro für die Ärzte beschlossen, um diese Maßnahme zu fördern. Darüber hinaus wurden die bisherigen Vergütungspauschalen ausgebaut und stärker nach der Betreuungsstufe, dem Leistungserbringer und dem Inhalt des Gesprächs (Erst- oder Folgegespräch) differenziert. Danach können nun auch Fachärzte eine Ersterhebung vornehmen, die von den Krankenkassen z. B. mit 10 Euro vergütet wird. Für Patientenschulungen stehen Vergütungspauschalen zwischen 20 und 475 Euro zur Verfügung. Insgesamt wurde versucht, die im Abschlussbericht des „Mannheimer Modells“ aufgezeigten Probleme zu vermeiden und die Schwachstellen zu beseitigen. Neue Ergebnisse zu dem erweiterten und überarbeiteten Asthma-/COPD-Projekt liegen jedoch noch nicht vor. Es ist außerdem noch nicht klar, wie der Übergang vom Projekt auf die Asthma-/COPD-Disease-Management-Projekte vollzogen werden soll.
Zu Inhalten des neuen IV-Projekts und den überarbeiteten Dokumentationsbögen vgl. Gesundheitsnetz Süd (2006), o. S. 796 Vgl. Gesundheitsnetz Süd (2006), o. S. 795
7
Erfolgsfaktoren und Probleme bei der Implementierung von Disease-Management-Programmen
In der Literatur wird eine Vielzahl von Erfolgsfaktoren für Disease Management genannt. Im vorliegenden Kapitel wird versucht, auf Basis der wissenschaftlichen Untersuchungen zu Disease-Management-Programmen die erfolgsentscheidenden Faktoren herauszufiltern, deren Wahl als Erfolgsfaktor zu begründen und deren Relevanz für DMPs aufzuzeigen. Der SVR Gesundheit weist in seinem Gutachten „Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit“, Band III, von 2001 darauf hin, dass der Erfolg von Ansätzen wie z. B. Disease Management nicht nur von der Qualität und Planung sowie den technischen Rahmenbedingungen abhängt, sondern auch von der Beachtung und Umsetzung neuer Regeln einer modernen Gesundheitsversorgung.797 Als „neue Regeln für das System der Gesundheitsversorgung im 21. Jahrhundert“ 798 nennt der Rat vor allem die stärkere Patientenorientierung und -einbindung, ein intensiveres Qualitätsmanagement, Information und Schulung in Verbindung mit evidenzbasierter Medizin sowie die Integration und Vernetzung der Leistungserbringer. Die folgende Beschreibung der Aspekte für den Erfolg von Disease-Management-Programmen berücksichtigt weitere Erfolgsfaktoren, wie z. B. Anreizsysteme und Knowledge Management, da diese ebenfalls für eine effiziente und effektive Wirkung der Programme entscheidend sind.
7.1
Erfolgsfaktorenforschung
Die Erfolgsfaktorenforschung stellt einen Forschungsansatz der Management-Wissenschaften dar, der mit Hilfe verschiedenster Methoden versucht, kritische Einflussfaktoren auf den Unternehmenserfolg zu ermitteln.799 Sie ist auf Untersuchungen der Unternehmensberatung McKinsey aus den 60er Jahren zurückzuführen. Bei der Erforschung der kritischen Erfolgsfaktoren oder strategischen Schlüsselfaktoren sind insbesondere die Gründe für den Unternehmenserfolg und die Beeinflussbarkeit durch das Unternehmen interessant.800 Erfolgsfaktoren stellen diejenigen Entscheidungsbereiche dar, die – für alle Unternehmen oder Projekte gleich – über die langfristige Position des Betrachtungsobjekts im Wettbewerb entscheiden.801 Mit Erfolgsfaktoren bezeichnet man die Schlüsselgrößen für die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen.802 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 235, 346. 798 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 235, 346. 799 Vgl. Lankers, C. H. R. (1997), S. 49. 800 Vgl. Göttgens, O. (1996), S. 29. 801 Vgl. Göttgens, O. (1996), S. 29. 802 Vgl. Aaker, D. A. (1989), S. 26; Hoffmann, F. (1986), S. 831 ff.; Hahn, D. / Gräb, U. (1989), S. 211.
797
170
7 Erfolgsfaktoren und Probleme bei der Implementierung
Problematisch in der Erfolgsfaktorenforschung stellt sich die große Vielfalt der möglichen Einflussgrößen auf den Erfolg dar.803 Zur Bestimmung der Erfolgsfaktoren werden zumeist empirische, statistische Analysen, Expertenwissen oder theoretische Ableitungen herangezogen.804 Aus Mangel an statistischen Quellen greift diese Arbeit für die Untersuchung der Erfolgsfaktoren auf wissenschaftliche Untersuchungen und theoretische Abhandlungen zurück.805
7.2
Indikationen für DMPs in Deutschland
In Deutschland werden derzeit strukturierte Behandlungsprogramme für vier Krankheiten angeboten: Diabetes mellitus, Brustkrebs, koronare Herzkrankheiten und Asthma/COPD, wobei die Programme für chronische Lungenkrankheiten erst seit Anfang 2005 zulassungsfähig sind. Geplant war in der ersten Fassung des § 137 f SGB V, strukturierte Behandlungsprogramme für insgesamt sieben Krankheiten zuzulassen. Diese Angabe entfiel bei der Überarbeitung des Gesetzes. Der gemeinsame Bundesausschuss, der den Auftrag hat, dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziales gemäß § 137 f Abs. 1 SGB V neue Krankheiten für strukturierte Behandlungsprogramme zu empfehlen, hat im Jahr 2005 einen Fragenkatalog erstellt, der ein Vorschlagsverfahren für neue DMPKrankheiten ermöglichen soll.806 Damit wird auch in nächster Zeit die Art der möglichen Krankheiten vorgegeben. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt die Wahl der Krankheiten für die Krankenkassen frei sein, so stellt der Aspekt der richtigen Indikationswahl einen Erfolgsfaktor im Wettbewerb der Krankenkassen dar. Das Disease-Management-Konzept ist nur bei Indikationen erfolgreich, die folgende Eigenschaften aufweisen:807 • • • •
Volkskrankheit bzw. große Inzidenz und Prävalenz der Krankheit, Krankheit, die kostenintensive Behandlungsmaßnahmen voraussetzt, Krankheit mit einem relativ gleichen und chronischen Verlauf, Krankheit, über die ausreichende Daten über die Behandlung, Ergebnisse und Patienten verfügbar sind,
Vgl. Mühlbacher, A. (2002), S. 71. Vgl. Göttgens, O. (1996), S. 32. 805 Siehe auch Peters und Waterman, die sich in ihrer Studie ebenfalls auf qualitative Aussagen beziehen. Vgl. Schäfer, S. (1995), S. 24. 806 Gemeinsamer Bundesausschuß (2005), Fragenkatalog für Empfehlungen geeigneter chronischer Krankheiten für neue strukturierte Behandlungsprogramme, Beschluss des G-BA nach § 91, Abs. 4 SGB V vom 18. 01. 2005, im Internet unter http://www.g-ba.de/cms/upload/pdf/ abs4/beschluesse/2005-01-18-dmp-Fragenkatalog.pdf am 11. 07. 2006. 807 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 31; Oberender, P. / Zerth, J. (2003), S. 189; Tacke, J. / Lauterbach, K. W. (1998), S. 161; Helou, A. / Schwartz, F. W. (2000), S. 150; Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 59; Pilnick, A. / Dingwall, R. / Starkey, K. (2001), S. 756; Lauterbach, K. W. / Stock, S. (2001), S. A1936. 803 804
7.3 Einbindung aller Beteiligten und Einsatz von Anreizsystemen
171
• Behandlungsansätze der Krankheit sind sehr variabel und uneinheitlich, • Auswirkungen durch Veränderung der Versorgung sind schnell sichtbar.808 Das Bundesgesundheitsministerium hat vergleichbare Aspekte als Auswahlkriterien vorgeschlagen.809 Daneben sollte die Krankheit auch durch Schulungsprogramme und besseres Krankheitsmanagement beeinflussbar sein.810 Entscheidend ist auch, dass es bei frühzeitiger Behandlung und verstärkter Prävention zu einer Reduktion der Komplikationen und Komorbiditäten kommen kann. 811
7.3
Einbindung aller Beteiligten und Einsatz von Anreizsystemen
Zwei wesentliche Erfolgsfaktoren des Disease Managements sind die Einbindung von Ärzten und Patienten und der Aufbau von Anreizssystemen.812 Da sie eng zusammenhängen, werden sie in diesem Kapitel zusammen beschrieben. Eine amerikanische Untersuchung der Erfolgsfaktoren von Disease-Management-Programmen stuft das Angebot von Incentives bei Ärzten und Patienten als einen wesentlichen Faktor für Erfolg bei der Durchführung von DMPs ein.813 Die Relevanz von Anreizsystemen ergibt sich vor allem daraus, dass die Programme von den Ärzten und Patienten viel Mitwirken und zusätzlichen Aufwand erfordern, der ohne motivationale Aspekte wohl nicht erbracht würde. Ebenso wie für die Patienten besteht auch für die Ärzte keinerlei Teilnahmeverpflichtung. Damit ist es entscheidend, die Ärzte durch motivationale Anreize zur Teilnahme zu bewegen. Darüber hinaus sind Anreizsysteme für die Motivierung der Ärzte und Patienten zur Einhaltung der gesetzten DMPRegeln, wie z. B. Leitlinien, Teilnahme an Schulungen und Qualitätszirkeln sowie Dokumentation erfolgsrelevant.
7.3.1 Ärzteseitige Aktivierung Die Akzeptanz hängt entscheidend von der Identifikation mit einem Ziel oder Ansatz zusammen: Je wichtiger dieses für die Person ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Modell umgesetzt und realisiert wird.814 Hinderlich für die Akzeptanz von DMPs sind vor allem die Ängste der Leistungserbringer. Diese Ängste ergeben sich häufig bei der Implementierung neuer Gesundheitsprogramme und rühren vielfach aus
Vgl. Gauting, J. N. (2003), S. 426; Pilnick, A. / Dingwall, R. / Starkey, K. (2001), S. 756. Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2005), S. 3. 810 Vgl. Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 61. 811 Vgl. Lauterbach, K. W. / Stock, S. (2001), S. A1936; Lankers, C. H. R. (1997), S. 31. 812 Vgl. Haubrock, M. / Hagmann, H. / Nerlinger, T. (2000), S. 71. 813 Vgl. o. V. (2005 b), S. 42. 814 Vgl. Andersen, Hanfrid, H. / Schwarze, J. (2002), S. 23. 808 809
172
7 Erfolgsfaktoren und Probleme bei der Implementierung
einem Informationsdefizit.815 Aber auch die bloße Tatsache einer Veränderung kann bei den Leistungserbringern zu Unsicherheit führen.816 Hierzu ist auch die Furcht der Einschränkung der Handlungs- und Vertragsfreiheit zu zählen, die mit der Einhaltung der DMP-Richtlinien verbunden ist.817 Gründe für Ängste können auch in der Befürchtung eines zu starken Eingriffs der Krankenkassen in die Arzt-Patienten-Beziehung liegen. Darüber hinaus befürchten viele (Fach-)Ärzte finanzielle Einbußen, die aufgrund der standardisierten Prozesse mit dem Verlust der Patienten und Leistungen an die Krankenhäuser einhergehen.818 Eine weitere Angst rührt schließlich von der Überprüfung ihrer Tätigkeit im Rahmen der Evaluationen her, wodurch Sanktionen eine mögliche Folge wären. Hemmend für die Akzeptanz sind auch die nicht erfüllten Erwartungen der Ärzte an DMPs, die dann zu einer Ablehnung des gesamten Systems führen. Dies kann z. B. infolge eines stark gestiegenen Verwaltungsaufwandes und fehlender entsprechender Vergütung erfolgen.819 Die Motivation zu „zeitraubendem Dokumentationsaufwand“ bei „fehlender oder unzureichender EDV-Einbindung und zusätzlicher Vergütung“ ist gering.820 Untersuchungen bei Netzärzten zeigten, dass vielfach die eingeführten finanziellen Vergütungen zu wenig auf den tatsächlichen Aufwand ausgerichtet sind.821 „Solange finanzielle Anreize fehlen oder sich kaum spürbar auswirken, werden Netzärzte kaum bereit sein, strukturierte Veränderungen zu unterstützen.“822 In Deutschland werden Disease-Management-Programme zum Teil noch immer stark durch die Leistungserbringer kritisiert und abgelehnt.823 Derzeit überwiegt jedoch als Grund für die Teilnahme bei den Ärzten die Sorge, die Patienten an die Konkurrenz zu verlieren.824 Zum Abbau der Ängste und Generierung von Akzeptanz bietet sich die frühzeitige Information und Schulung der Beteiligten an.825 Darüber hinaus ist es wichtig, dass die niedergelassenen Ärzte aktiv die Steuerung der Patienten übernehmen, um die Angst der externen Kontrolle und des Bedeutungsverlustes zu reduzieren.826 Die Einbindung der Ärzte in den Disease-Management-Prozess wird stets besonders hervorgehoben. 827 Bereits im Entstehungsprozess des Programms sollten die Ärzte in die Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 68. Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 30 und 49. 817 Vgl. Kirchner, H. (2005), S. IV/8. 818 Vgl. Armstrong, E. P. (1996), S. 1330. 819 Vgl. o. V. (2004 b), o. S. 820 Gerst, T. (2003), S. 495. 821 Vgl. Baur, A. / Böcker, K. (2000), S. 14. 822 Baur, A. / Böcker, K. (2000), S. 14. 823 Vgl. Kirchner, H. (2005), S. IV/8; Tuffs, A. (2002), S. 356; Pilnick, A. / Dingwall, R. / Starkey, K. (2001), S. 758. 824 Vgl. Gerst, T. / Korzilius, H. (2005), S. 2904. 825 Vgl. Barr, C. E. / Bouwman, D. L. / Lobeck, F. (1997), S. 145. 826 Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 80. 827 Vgl. o. V. (1995), S. 26. 815 816
7.3 Einbindung aller Beteiligten und Einsatz von Anreizsystemen
173
Entwicklung beispielsweise von Leitlinien integriert werden (vgl. Kapitel 4.2.1). Durch diese frühzeitige Mitsprache kann die spätere Ablehnung und Enttäuschung der Leistungserbringer vermieden werden.828 Daneben müssen die Ärzte auch vom Nutzen des Disease-Management-Programms überzeugt sein, um dieses später mit Leben füllen und den eigenen Patienten die Vorteile des Ansatzes glaubhaft vermitteln zu können. Dies hätte dann wiederum Auswirkungen auf die soeben beschriebene flächendeckende Umsetzbarkeit des Programms. Schwierigkeiten der Ärzte mit der Vermittlung des Nutzens und der Vorteile des Programms zeigten sich z. B. im Projekt „Atemwegserkrankungen“. Es ist davon auszugehen, dass diese Probleme für die mangelnde Einschreibeaktivität einzelner Ärzte ausschlaggebend waren, weshalb die ursprünglich geplante Anzahl eingeschriebener Patienten im Projekt nicht erreicht werden konnte. Bei den laufenden strukturierten Behandlungsprogrammen besteht ein weiterer Aspekt von Unsicherheit in dem hohen Aufwand bei der Erstellung und Korrektur der Dokumentationen.829 So kam es aufgrund der Regelungen zu Fristen von Dokumentationen zu fehlerhaften Ausschlüssen von Patienten aus den Programmen, die später wieder zurückgenommen werden mussten. Ferner ist auch der Abbau von Ängsten, die sich hinsichtlich des Verlusts von Freiheiten bei den Ärzten ergeben, zu nennen. Um ein Scheitern in der Umsetzung zu verhindern, müssen falsche Erwartungen frühzeitig beseitigt werden. Dabei ist es wichtig, die möglichen Erfolge von DMPs transparent zu machen, dabei aber Annahmen von unrealistischen Verbesserungen zu vermeiden. Die entscheidende Basis für die Integration der Ärzte legen vor allem die Krankenkassen, die durch ihre Informationen über das Vorgehen und die eingesetzten Instrumente die Leistungsbringer vom Nutzen der Programme überzeugen können. Die Relevanz von Anreizsystemen ergibt sich vor allem für Gesundheitssysteme, die ohne direkten Einfluss auf die Leistungserbringer bestehen. Während in Managed-Care-Strukturen aufgrund vertraglicher Maßgaben die Umsetzung z. B. von Guidelines oder die Einhaltung standardisierter Behandlungsvorschriften von den Ärzten direkt gefordert werden kann, benötigen freiheitlich aufgebaute Systeme, wie in Deutschland, wirkungsvolle Anreize zur Motivation der Ärzte.830 Für den Erfolg von DMPs ist entscheidend, dass der Arzt einen persönlichen Mehrwert für seine zusätzlichen Bemühungen erhält. Dieser kann beispielsweise in einem finanziellen Anreiz, wie z.B. der ergebnisorientierten Vergütung oder Kopfpauschale, liegen (vgl. Kapitel 4.2.9).831 Diese finanziellen Anreize sind speziell in der Startphase des Programms sinnvoll. Hier sind z. B. Prämien pro eingeschriebenem Patient und/oder höhere Punktwerte für deren Behandlung zu nennen, um schnell eine ausreichend große Anzahl an Patienten akquirieren zu können. Neben den finanziellen Vgl. Lauterbach, K. W. (1997), S. 178. Vgl. Kirchner, H. (2005), S. IV/8. 830 Vgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 56. 831 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 4.2.9; Baur, A. / Böcker, K. (2000), S. 10; Berchtold, P. et al. (2000), S. 9; Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 162. 828 829
174
7 Erfolgsfaktoren und Probleme bei der Implementierung
Anreizen ist als motivatorischer Aspekt auch die weitgehende Erhaltung der Vertragsfreiheit notwendig. Amerikanische DMPs gehen von einer stetigen Abneigung einiger Leistungserbringer aus, die nicht überwunden werden kann.
7.3.2 Patientenseitige Aktivierung Einer der wohl wesentlichsten Faktoren für die Durchführbarkeit eines DMP ist die Rekrutierung der richtigen Patienten. Hier spielen zwei Faktoren eine Rolle: • Werden ausreichend viele Patienten für das Programm rekrutiert? • Werden die richtigen Patienten für das Programm rekrutiert? Auf den zweiten Aspekt wurde bereits ausführlich in Kapitel 4.2.7 „Risikostratifizierung und Patientenselektion“ eingegangen. Hierbei ist es entscheidend, dass die vorgegebenen Stratifizierungsregeln konsequent umgesetzt werden. Der erste Aspekt, die Rekrutierung einer ausreichend großen Patientenbasis, stellt einen entscheidenden Erfolgsfaktor dar. Da die Patiententeilnahme einer freiwilligen Einschreibung unterliegt, die in der Regel der Hausarzt vornimmt, muss der Patient maßgeblich durch Vorteile zu seinem Nutzen zum Mitmachen bewegt werden.832 Hier können vielfältige Gründe genannt werden, wie z. B. die integriertere und systematischere Versorgung der Krankheit, die klinische Verbesserung des Gesundheitszustandes oder die Steigerung der Lebensqualität. 833 Ein weiterer Grund für die Teilnahme kann im Arzt-Patienten-Verhältnis liegen: Das Vertrauen des Patienten in seinen Hausarzt ist in vielen Fällen Garant für hohe Einschreibquoten.834 Bei der Rekrutierung sollte dem Patienten aber auch aufgezeigt werden, dass die Teilnahme für ihn kostenlos und mit keinerlei Einschränkungen bei den Leistungen verbunden ist. Auch wenn es ein Ziel ist, alle Chroniker der Hausarztpraxen in die entsprechenden Programme einzuschreiben, so werden in jeder Praxis auch Nicht-Teilnehmer zu finden sein. So gab ein Hausarzt am Niederrhein zu bedenken: „Es gibt immer Patienten, die man auch mit dem besten DMPs nicht erreicht.“835 Bei der Gestaltung und Umsetzung der Programme sollte außerdem beachtet werden, dass unter den Teilnehmern eine natürliche Selektion besteht, die sich dadurch auszeichnet, dass vor allem motivierte Patienten an den Programmen teilnehmen. Patienten mit mangelnder Motivation (und damit ggf. schlechterem Gesundheitszustand) bleiben dagegen den Programmen vielfach fern. Kossow bezeichnet 70% der allgemeinen Gesundheitsversorgung als patientengesteuert und urteilt, dass sich nicht alle Patienten in „DMP Programme pressen“ 836 lassen. Unmotivierte Patienten werden in der Regel schwer zur Teilnahme an den Programmen zu bringen sein.
Vgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 56. Vgl. Haubrock, M. / Hagmann, H. / Nerlinger, T. (2000), S. 71. 834 Vgl. Eschner, M. (2001), S. 18. 835 Vgl. Gerst, T. / Korzilius, H. (2005), S. 2904. 836 Vgl. Kossow zit. n. Hons, J. (2001), o. S. 832 833
7.3 Einbindung aller Beteiligten und Einsatz von Anreizsystemen
175
Zu beachten ist jedoch, dass vor allem die Gruppe der schwerkranken Asthmatiker für die hohen Kosten ursächlich ist. So verursachen schwerkranke Asthmatiker durchschnittlich Kosten von 1.120 Euro pro Jahr, leichte Asthmatiker hingegen nur von 126 Euro.837 Damit Disease-Management-Programme auch tatsächlich zu den gewünschten Einsparungen führen, ist auf die notwendige Beteiligung der kostenintensiven Chroniker-Gruppen besonderer Wert zu legen.838 Dies ist jedoch unter den derzeit gesetzten Anreizen der Programme nach § 137f, g SGB V erschwert, da sie eher zu einem Einschreibewettbewerb der Ärzte führen, anstatt die richtigen Patienten zu integrieren. Da der Hausarzt bei den Programmen als Koordinator und zentraler Ansprechpartner für die Einschreibung fungiert, sollte vor allem er auf die Vermeidung der Selektionseffekte achten und die Einschreibung von schwerkranken Chronikern unterstützen. Straub schlägt zudem die Entkopplung des Risikostrukturausgleichs von den strukturierten Behandlungsprogrammen vor, um zielorientierte Anreize für eine effektive Versorgung zu setzen.839 Neben der Patientenrekrutierung stellt die Patienten-Compliance einen weiteren Aspekt der Aktivierung der Patienten dar. Eine der größten Managed-Care-Organisationen Amerikas, Life-Masters, bezeichnete die Patienten-Compliance als ein Hauptproblem von Disease Management.840 Die Compliance-Sicherung und -Steuerung stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor von DMPs dar.841 Damit die angestrebte Verbesserung der Effizienz und Effektivität der Versorgung erzielt werden kann, müssen Patienten dazu bewegt werden, die im Programm bzw. in der Behandlung vorgegebenen Maßnahmen und Handlungsempfehlungen einzuhalten.842 Die Einschreibung in das Programm verlangt vom Patienten eine aktive Teilnahme, die weit über das bisher übliche hinausgeht. Der Patient verpflichtet sich bei der Einschreibung zur Einhaltung der Patientenleitlinien und der mit dem Arzt vereinbarten Behandlungsmaßnahmen. Darüber hinaus muss der Patient an der für alle Teilnehmer verpflichtenden Schulung teilnehmen, die dazu dient, ihm die Grundlagen seiner Krankheit und den Umgang mit selbiger vertraut zu machen. Problematisch erwies sich in Studien, dass die Empfehlungen des Arztes vielfach bereits kurz nach dem Arztgespräch vom Patienten vergessen wurden.843 Hier können Protokolle, Informationsblätter und z. B. telefonische Reminder bei der Erinnerung helfen.844 Diese Informationsmaterialien können durch Internetprogramme unterstützt werden, welche die Patienten im Selbstmanagement fördern und ihnen interaktive Elemente wie z. B. Tagebücher oder Communities anbieten.845 Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2000), S. 10. Vgl. Hildebrandt, H. / Domdey, A. (1996), S. 51. 839 Vgl. Straub, Ch. in Häussler, B. / Berger, U. (2004), S. 5. 840 Vgl. Benko, L. B. (2002), S. 32. 841 Vgl. Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 28; Zitter, M. (1997), S. 9. 842 Vgl. Hauss, F. (2004), S. 44. 843 Vgl. Grimmel, R. / Hägele, M. / Leopold, C. (2003), S. 24. 844 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 60. 845 Vgl. Blair, R. (2000), S. 6. 837 838
176
7 Erfolgsfaktoren und Probleme bei der Implementierung
Darüber hinaus ist für die Compliance die aktive Eigenbeteiligung und die Motivation des Patienten, sich für seine Krankheit zu engagieren entscheidend.846 „Eine solide Motivation des Patienten kann gerade bei chronisch Kranken (…) über einen langen Zeitraum nur auf der Basis der Bereitschaft zur aktiven Eigenbeteiligung und selbstverständlichen Engagements des Patienten erfolgen.“847 Eine Möglichkeit ist die Aufklärung über die Krankheit und die Einbeziehung des Patienten in die Diagnosestellung.848 Adomeit et al. weisen darauf hin, dass viele DM-Anbieter den hohen Aufwand unterschätzt haben, um bei den Patienten für eine Compliance-Sicherung zu sorgen, so dass vielfach kaum Einsparungen durch die DMPs erreicht werden konnten.849 Um derartige Probleme zu vermeiden, sollte bereits bei der Programmplanung auf den Aspekt der Compliance-Sicherung auch im Programmverlauf geachtet werden. In der Literatur werden Anreizsysteme für Patienten vielfach kritisch betrachtet, da sie den „eigenverantwortlichen Umgang mit den Krankheitsfaktoren und somit die Entwicklung der eigenen Motivation zu gesundheitsbewusstem Verhalten“ behindern können. 850 Bei den Anreizsystemen sollten deshalb Bestrafungen vermieden werden und durch ein sensibles Belohnungssystem ergänzt werden, welches langfristige Einstellungsveränderungen unterstützt und im direkten Zusammenhang zu dem Gesundheitsprozesses des Patienten steht. Im Vordergrund sollte die Aktivierung der Selbstmanagementfähigkeiten stehen, bei denen der Chroniker stärker als mündiger Patient und Kunde im Zentrum der Behandlung steht. Er soll seine Krankheit aktiver managen und sich intensiver in den Behandlungsprozess integrieren. Dies bedarf auch bei den Krankenkassen eines veränderten Verständnisses und Handelns. Während die Kassen bisher vorwiegend als „Bezahler“ am Versorgungsprozess teilnahmen, obliegt ihnen nun die Aufgabe der Befähigung der Patienten. Sie müssen zum einen „Gesundheitswissen sowie Handlungsmöglichkeiten und einen Handlungsrahmen schaffen“, um die Patientenversorgung systematisch und systemübergreifend zu gewährleisten.851 Ziel ist es, dem Patienten die Ursachen, Behandlungsverfahren und Prozesse seiner Krankheit näherzubringen. Zum anderen müssen sie Konzepte erarbeiten, um die Selbstmanagementfähigkeiten ihrer Patienten aufzubauen.852 Eine weitere Möglichkeit, um die Motivation der Patienten zu steigern, bieten finanzielle Anreize, wie z. B. kostenloser Transport zum Arzt oder Reduktion der Versicherungsgebühr bei erfolgreicher Teilnahme des Patienten.853 Der SVR GesundVgl. Schuller (2002), S. 17–19; Scherenberg, V. (2003), S. 2. Vgl. Schuller (2002), S. 17–19. 848 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 60; Zitter, M. (1997), S. 9. 849 Vgl. Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 29. 850 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 87. 851 Hauss, F. (2004), S. 43 f. 852 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 36. 853 Vgl. Zitter, M. (1997), S. 9; Hildebrandt, H. / Domdey, A. (1996), S. 51. 846 847
7.4 Qualitätsmanagement
177
heit befürwortet jede Art von zielführenden finanziellen Anreizen, die einer Verbesserung der Versorgung chronisch Kranker dienen.854 Er weist darauf hin, dass ökonomische Anreize bei Patienten die „Vermeidung kostenintensiver Folgekomplikationen fördern können“. Hier wären beispielsweise Bonus-Modelle möglich, bei denen der Patient für den regelmäßigen Kontrollbesuch finanziell belohnt wird. Der SVR Gesundheit betont aber auch, dass Bonus-Modelle nur bei definierten, effizienten und zumutbaren Maßnahmen praktikabel sind, die eine „medizinisch gravierende und kostenintensive Verschlimmerung chronischer Krankheiten verhindern oder zumindest reduzieren bzw. herauszögern können“. Daneben schlägt er auch ausdrücklich Beitragssenkungen für Teilnehmer von Disease-Management-Programmen vor. Ob und wie aktiv Patienten in Deutschland an den angebotenen strukturierten Behandlungsprogrammen teilnehmen werden, hängt „in beträchtlichem Maße davon ab, wie umfangreich und mit welchen Argumenten Versicherte über die Effekte von DMP informiert werden“.855
7.4
Qualitätsmanagement
Wie bereits in Kapitel 4.2.10 dargestellt wurde, legt das Qualitätsmanagement den Grundstein für ein erfolgreiches Disease Management und stellt damit einen der wesentlichen Erfolgsfaktoren dar.856 Wichtig ist dabei, dass bereits zu Beginn der Implementierung ein verbindlicher Qualitätsrahmen festgelegt wird, auf den sich alle Beteiligten einigen.857 Qualität kann nur in begrenztem Maße von außen auf ein Programm aufgesetzt werden, sondern muss von allen Beteiligten gelebt werden. Hierfür müssen die notwendigen Rahmenbedingungen und Anreizstrukturen geschaffen werden, um die Qualität zu fördern.858 Besondere Relevanz unter den Qualitätsmanagement-Instrumenten kommt den Qualitätszirkeln zu, da sie zur Förderung und Begleitung der Ärzte in der Praxisarbeit einen entscheidenden Einfluss auf die Aktualität der medizinischen Handlungen und die Einhaltung der Leitlinien haben. Sie sind vor allem für diejenigen Ärzte vorteilhaft, die aufgrund von hoher Arbeitsbelastung Schwierigkeiten haben, sich mit Informationen zum neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft auf dem Laufenden zu halten.859 Aufgrund der verpflichtenden Teilnahme aller eingeschriebenen Vgl. zu den Ausführungen in diesem Absatz Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 220, Punkt 320 f. 855 Schaefer, M. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2001), S. 19. 856 Vgl. Lawrence, M. / Williams, T. (1996), S. 125. „Having developed such controls, organisations can then use the three essential elements of disease management: a knowledge base that quantifies the economic structure of the disease problem and describes care guidelines; a delivery system that coordinates all carers – primary, secondary, and social; and a quality improvement system to audit performance against evolving standards“. 857 Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 160. 858 Vgl. o. V. (2004 a), S. 22. 859 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 17.
854
178
7 Erfolgsfaktoren und Probleme bei der Implementierung
Ärzte an den Qualitätszirkeln kann davon ausgegangen werden, dass das Wissen und Qualitätsniveau aller Ärzte gleichermaßen steigt. Um dieses jedoch zu gewährleisten, muss die Anwesenheitspflicht bei den Zirkeln nachgehalten werden. Ein weiteres entscheidendes Schlüsselinstrument des Disease Managements stellen die evidenzbasierten Therapieleitlinien dar, die für eine systematische und effiziente Prävention, Diagnostik und Therapie sorgen.860 Hier kann auf die bereits zur Verfügung stehenden, allgemein anerkannten, evidenzbasierten Therapieleitlinien zurückgegriffen bzw. eigene Leitlinien (unterstützend) entwickelt werden. Beim Einsatz der Therapieleitlinien ist die Festsetzung der Verbindlichkeit der Leitlinien für alle Beteiligten von großer Bedeutung. Evidenzbasierte Leitlinien sollten ebenso für Patienten erstellt werden, um auch für diese Zielgruppe die einzuhaltenden Rahmenbedingungen festzuschreiben. Ferner müssen effiziente Behandlungs- und Betreuungspfade festgelegt werden, die vertraglich die Schnittstellen in der Versorgung der Chroniker regeln. Dabei wird neben der Zuständigkeit für einzelne Maßnahmen auch der Einsatz bestimmter diagnostischer und therapeutischer Behandlungen festgesetzt.
7.5
Daten- und Outcome Management
Neben den Qualitätszirkeln und Leitlinien stellt auch das Outcome Management inkl. der Performance-Messung, der Bewertung und des Benchmarkings ein erfolgsbeeinflussendes Qualitätsinstrument dar.861 Ein funktionierendes Daten- und Outcome Management bietet die notwendige Unterstützung, um einen Großteil der Elemente des Disease Managements, vor allem aber ein kontinuierliches Qualitätsmanagement gewährleisten zu können, das für die Generierung von Effizienz- und Effektivitätsvorteilen relevant ist.862 Hierfür wird „die standardisierte, strukturierte Erfassung und Aufarbeitung von Daten“863 sowie die Analyse der Behandlungsabläufe vorausgesetzt. Darauf aufbauend werden Methoden zur Optimierung entwickelt und den Beteiligten kommuniziert. Um die Daten allen Beteiligten verfügbar zu machen, sind die systematische Vernetzung und der kontinuierliche Datenaustausch zwischen den Leistungserbringern erforderlich.864 Für ein effektives Outcome Management ist die systematische und strukturierte Messung sowohl der Ergebnisse als auch vorher definierter Indikatoren der Strukturund Prozessqualität von Disease Management entscheidend. Hierbei handelt es sich z. B. um Indikatoren zur Messung der klinischen Parameter, der Zufriedenheit oder der finanziellen Auswirkungen, aber auch um Informationen zur Weiterentwicklung und Adaption der evidenzbasierten Leitlinien für Ärzte und Patienten sowie deren Weiterbildung in Schulungen und Qualitätszirkeln. Vgl. Greulich, A. / Berchtold, P. / Löffel, N. (2000), S. 27. Vgl. Hunter, D. J. / Fairfield, G. (1997), S. 51. 862 Vgl. Armstrong, E. P. (1996), S. 1328. 863 Jersch, N. (1996), S. 172. 864 Vgl. Epstein, R. S. / Sherwood, L. M. (1996), S. 832; Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 51. 860 861
7.5 Daten- und Outcome Management
179
Das Outcome Management ist zum einen aus motivatorischer Sicht notwendig.865 Dies betrifft die initiierenden Krankenkassen, die durch das Feedback zu den Auswirkungen der Programme Ansatzpunkte für Verbesserungsvorschläge bzw. die Motivation zur Implementierung weiterer Programme zu anderen Krankheiten erhalten. Aber auch für die Ärzte und Patienten setzen positive Evaluationsergebnisse Anreize, das Programm auch weiterhin aktiv einzusetzen bzw. daran teilzunehmen. Zum anderen bieten die Ergebnisse die Basis für eine leistungsorientierte Vergütung. Ferner sind Evaluationen notwendig, um die Spielräume für weitere Effizienzreserven und Kostenreduktionsmöglichkeiten aufzudecken, die z. B. durch den Einsatz weiterer Elemente bzw. durch die verminderte Nutzung einzelner Ressourcen erzielt werden können. Schließlich ist die Evaluation auch für PR-Zwecke zur Vermarktung des Programms nützlich, um möglichen Interessenten die positiven Erfahrungen dokumentieren zu können. Bei strukturierten Behandlungsprogrammen nach § 137 f SGB V werden umfassende Evaluationen vom Gesetzgeber gemäß § 28 RSAV vorgeschrieben.866 Die Evaluation soll neben der Struktur-, Prozess und Ergebnisqualität die Wirkung auf die Kosten der Versorgung ermitteln.867 die Struktur-Eine mögliche Schwierigkeit des Outcome Managements stellt die Sammlung der Daten in Form eines einheitlichen Data Warehouses dar. Der Aufbau der hochentwickelten Informatiksysteme, die zum einen die Datensicherheit gewährleisten und zum anderen allen Anforderungen des Outcome Managements genügen sollen, stellt sich bislang noch problematisch dar. Vor allem im Datenmanagement sehen viele teilnehmende Ärzte eine große Behinderung durch DMPs, die auch durch das zusätzliche Honorar nicht vermindert wird.868 Für die Dokumentation sind Einschreibung, Erst- und Folgeerhebung sowie Korrekturen bei Fehlern in den Erhebungsbögen notwendig. Dies erfordert von den Ärzten einen erhöhten Zeit- und Verwaltungsaufwand.869 Aus diesem Grunde dürfen die Dokumentationssysteme kein zusätzliches Hindernis sein, sondern müssen einfach zu handhaben und unkompliziert in den Versorgungsablauf zu integrieren sein. Entscheidend für den Erfolg des DMP sind ferner die Transparenz und der Datenaustausch zwischen den Beteiligten, um eine systematische Abstimmung der Versorgung im Rahmen des Krankheitsprozesses zu ermöglichen.870 Die Grundlage hierfür stellen Informationssysteme dar, die die Transparenz durch schnellen und strukturierten Informationsaustausch gewährleisten.871 Im Gesundheitswesen besteht ein großes Problem in der Multimorbidität der Patienten. Chroniker leiden in der Regel nicht Vgl. Doyle, J. B. (1997), S. 79 f. Vgl. o. V. (2002 d), o. S. 867 Vgl. Morfeld, M. / Wirtz, M. (2006), S. 120. 868 Vgl. Gerst, T. / Korzilius, H. (2005), S. 2906. 869 Vgl. Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 29. 870 Vgl. Adomeit, A. / Baur, A. / Salfeld, R. (2002), S. 28; Mühlbacher, A. (2002), S. 81; Scherenberg, V. (2003), S. 81; Hunter, D. J. / Fairfield, G. (1997), S. 51. 871 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 25; Goldstein, R. (1998), S. 100. 865 866
180
7 Erfolgsfaktoren und Probleme bei der Implementierung
nur an einer, sondern meist an mehreren Krankheiten gleichzeitig.872 So müssen bspw. Diabetiker oft gleichzeitig wegen koronarer Herzkrankheiten oder Herzinsuffizienz behandelt werden. Auch für DMPs stellt diese Multimorbidität ein Hindernis dar. Bisher sind vier Disease-Management-Programme in Anwendung, die z. T. unterschiedliche Maßnahmen für ihre Patienten einsetzen. Aufgrund der Multimorbidität kann es jedoch vorkommen, dass Patienten zugleich in unterschiedliche Programme eingeschrieben sind. Eine Maßnahme, um doppelte Interventionen bei komorbiden Patienten zu vermeiden, ist bisher noch nicht angedacht.873
7.6
Kooperation der Beteiligten und Schnittstellenmanagement
Die Behandlung von Patienten mit chronischen Erkrankungen im Rahmen von Disease-Management-Programmen erfordert die Zusammenarbeit aller, d. h. der ambulanten, stationären und rehabiliativen Sektoren und Einrichtungen sowie der Patienten und Krankenkassen. Baur/Böcker weisen darauf hin, dass die Steuerung der Informations- und Patientenflüsse und deren Koordination für den Erfolg eines Netzwerkes aus verschiedenen Ärzten elementar ist.874 Im Vorfeld sollte deshalb bestimmt werden, welcher Leistungserbringer an welcher Stelle in den Behandlungsprozess eingreift und welche Leistungen von wem erbracht werden.875 Dabei sind spezielle Behandlungskorridore zu bestimmen und Maßnahmen zu definieren, wie die Einhaltung dieser Versorgungsstandards garantiert werden kann.876 Für den Erfolg eines DMPs wird es entscheidend sein, die bisherigen strukturellen Grenzen zwischen den Sektoren aufzubrechen und durch eine verstärkte Koordination und Transparenz den Versorgungsprozess ganzheitlich zu gestalten. Viele amerikanischen DMPs werden durch einen Krankheitskoordinator oder Disease-Management-Koordinator unterstützt. Ihm kommen im Disease Management vor allem koordinierende, steuernde und logistische Funktionen zu. Seine Aufgabe ist die „Navigation der Patienten im Gesundheitssystem“877. In Deutschland führen weitgehend die Hausärzte die kontinuierliche Betreuung der Patienten durch. Neben seiner medizinischen Funktion übernimmt der Hausarzt als Koordinator auch die beschriebenen steuernden und logistischen Aufgaben.878 Es ist dabei entscheidend, dass er dafür über die entsprechend notwendigen Managementfähigkeiten verfügt bzw. diese durch Weiterbildung erlernt.879 Vgl. Gerlach, F. / Szecsenyl, J. (2002), S. 21. Vgl. Tophoven, C. (2001), S. 33. 874 Vgl. Baur, A. / Böcker, K. (2000), S. 16. 875 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 28. 876 Vgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 57. 877 Scherenberg, V. (2003), S. 72. 878 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 171. 879 Vgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 56. 872 873
7.7 Knowledge Management und Schulungen
181
Der Hausarzt kann in Einzelfällen die Betreuung im Disease-Management-Programm an qualifizierte Fachärzte oder Einrichtungen übertragen, die dann für den Patienten auch die Dokumentation und Koordination aller Maßnahmen übernehmen. Als Gründe hierfür können die vor Programmeintritt erfolgte Behandlung durch den Leistungserbringer oder die fehlende Qualifizierung des Hausarztes in Spezialbereichen genannt werden. Bei der Disease-Management-Koordination kann der Hausarzt auch von hierfür speziell ausgebildeten Krankenschwestern oder Call-Centern unterstützt werden, die z. B. regelmäßig die Compliance und den Krankheitsverlauf kontrollieren. Weitere Aufgaben können die Abstimmung der stationären Anschlussbehandlung und die Einschreibung in Schulungsprogramme sein. Auch den Krankenkassen kommt bei der Koordination und im Projekt- und Schnittstellenmanagement eine entscheidende Rolle zu. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Informationsvermittlung für Patienten und Ärzte.880 Neben der Aufklärung über die Existenz des Programms benötigen Patienten Informationen über die Interventionen und Schulungen sowie Wissen, wie sie die Krankheit selbständig beeinflussen können. Ferner stellen die Kassen eine informationelle Unterstützung für die Ärzte z. B. im Rahmen der Qualitätszirkel und Leitlinien bereit. Darüber hinaus ist als wesentliche Aufgabe der Krankenkassen die Durchführung der Steuerung zu nennen.881 Hier übernehmen sie eine „übergeordnete Managementfunktion, die das gesamte System koordiniert und die einzelnen Sektoren miteinander verzahnt“882. Damit tragen auch die Kassen die Verantwortung für den Erfolg der Programme.883 Die Maßnahmen der Krankenkassen sollten jedoch nicht in den medizinischen Bereich der Ärzte eingreifen, um die Akzeptanz durch die Leistungserbringer nicht zu gefährden. Im amerikanischen Gesundheitssystem wird teilweise auch das Outcome Management durch die Krankenkassen durchgeführt. In diesem Fall übernehmen die Kassen die Kommunikation zu den Dokumentations- und Erhebungsaufgaben sowie das Feedback auf die Ergebnisse und Bewertungen.
7.7
Knowledge Management und Schulungen
Für den Aufbau des Programms und für die Selbstmanagementfähigkeiten der Patienten, für Qualitätsaspekte der kontinuierlichen Verbesserung und zur Sicherstellung einer medizinischen Versorgung auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand sind eine Vielzahl unterschiedlicher Informationen notwendig, die gemanagt und übermittelt werden müssen. Elementar sind vor allem umfangreiches Wissen über den Verlauf und die Epidemiologie der Krankheit, die möglichen Behandlungsformen, Zielgruppen und Risikofaktoren, Indikatoren für die Evaluation und Segmen-
Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 82. Vgl. Seitz, R. / König, H.-H. / Stillfried, D. Graf v. (1997), S. 6. 882 Neuffer, A. B. (1996), S. 55. 883 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 69. 880 881
182
7 Erfolgsfaktoren und Probleme bei der Implementierung
tierung der Teilnehmer, aber auch Kosten- und Nutzenaspekte der Versorgung.884 Neben den in Kapitel 7.2 beschriebenen Gründen für die Wahl der Indikation sollten deshalb lediglich Krankheiten für DMPs gewählt werden, über die ein umfangreiches Hintergrundwissen verfügbar ist.885 Dieses Wissen sollte in einer Knowledge Base, d. h. einer umfassenden Datenbank gesammelt werden. In dieser Knowledge Base werden zusätzlich die für die Bewertung notwendigen Benchmarking-Datensätze und die erarbeiteten Guidelines bereitgestellt.886 Entscheidend für den Erfolg des Programms ist jedoch nicht nur die Sammlung, sondern auch die Verteilung der Information, d. h. die Schaffung von Transparenz der Daten für alle Leistungserbringer.887 Aus diesem Grunde sollten die Informationen, je nach Interessensschwerpunkt, den Beteiligten jederzeit zugänglich sein bzw. diesen in Form von Schulungen vermittelt werden. Disease Management stellt an die Patienten ein höheres Maß an Souveränität und Eigenbeteiligung als in der traditionellen Versorgung. In zahlreichen Studien wurde, speziell auch für die Behandlung von Asthma, der Einsatz von Patientenschulung und Selbstmanagementprogrammen als elementarer Erfolgsfaktor von Disease Management-Programmen definiert,888 um dem Patienten die notwendigen Selbstmanagementfähigkeiten zu vermitteln. Dabei wird nicht gefordert, dass Patienten über den gleichen Wissensstand wie ihre Ärzte verfügen, sondern dass sie über die Ursachen und Therapiemöglichkeiten ihrer chronischen Krankheit in einem derartigen Umfang Bescheid wissen, um diese eigenverantwortlich managen zu können.889 Durch das eigenverantwortliche Management und die gesteigerte Krankheitsakzeptanz sollen die Behandlungsergebnisse, die Kostenstruktur, der Behandlungsverlauf sowie die Lebensqualität und die Compliance des Patienten verbessert werden.890 Patientenschulungen stellen zwar den Schwerpunkt der Instrumente zum Empowerment und zur Wissensvermittlung dar, sie sollten jedoch durch weitere Elemente ergänzt werden.891 Zu beachten ist deshalb, dass die bloße Wissensvermittlung ohne Anwendung des Gelernten keinen langfristigen Erfolg haben wird. Studien haben ergeben, dass die Informationsvermittlung durch Stärkung der Eigenverantwortung und des Selbstmanagements untermauert werden muss,892 um eine langfristige Einstellungsveränderung zu bewirken.893 Die Teilnahme an Schulungen sollte in jedem DMP als eine Voraussetzung für die eingeschriebenen Mitglieder gestaltet Vgl. Hildebrandt, H. / Domdey, A. (1996), S. 51; Hunter, D. J. / Fairfield, G. (1997), S. 51. Vgl. Hunter, D. J. / Fairfield, G. (1997), S. 50. 886 Vgl. Lawrence, M. / Williams, T. (1996), S. 125; Neuffer, A. B. (1996), S. 57. 887 Vgl. Raczek, K. / Bölscher, J. / Schulenburg, J.-M. Graf v. d. (2000), S. 30. 888 Vgl. Georgiou, A. et al. (2003), S. 308; Lauterbach, K. W. (2001), S. 109; Myers, T. R. (2002), S. 641. 889 Vgl. Rachold, U. (2000), S. 23; Grimmel, R. / Hägele, M. / Leopold, C. (2003), S. 24. 890 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 50 und 54. 891 Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 28. 892 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 36. 893 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 42. 884 885
7.7 Knowledge Management und Schulungen
183
werden, da speziell hier, durch die Vermeidung von kostenintensiven Notfällen, ein hohes Einsparpotential besteht. Neben der Patientenschulung sollte auch auf die Ausund Weiterbildung der Ärzte und des Pflegepersonals besonderer Wert gelegt werden.894 Dabei ist neben medizinischen Aspekten auch auf die Betreuung und Versorgung der Patienten sowie deren Management einzugehen. Vor allem Qualitätszirkel haben sich hier als bestes Instrument erwiesen (vgl. Kapitel 7.4). Wie sich im Rahmen des Projekts zeigte, ist die schriftliche Unterstützung mit Informations- und Dokumentationsmaterial notwendig für die spätere erfolgreiche Umsetzung der übermittelten Wissensmodule. Dies betrifft die Schulungen, Qualitätszirkel, Dokumentations- und Vertragsrichtlinien und richtet sich sowohl an Ärzte als auch an Patienten. So könnten bspw. ein Fragebogen-Handbuch oder eine Dokumentationsbroschüre zu den Erhebungsbögen Unsicherheiten der Ärzte beim Ausfüllen beheben und aufwendige, kostspielige Korrekturen vermeiden. Auch auf Patientenseite sind Informationssysteme relevant, um dem Patienten die Möglichkeit zu geben, sich auch außerhalb der Schulung über seine Krankheit informieren zu können. Häufig werden die Therapieempfehlungen des Arztes bereits kurze Zeit nach dem Arztgespräch vom Patienten vergessen.895 Beim Aufbau der Informationssysteme ist deren systematischer und strukturierter Einsatz während des gesamten Behandlungsprozesses sowie, wenn möglich, die individualisierte Bedürfnisbefriedigung für den Patienten entscheidend.896 Auch die Ärzte äußerten im Rahmen der Befragung im Projekt den Wunsch nach Bereitstellung von Informationsmaterial. Dieses Material dient sowohl der Sicherstellung relativ einheitlicher Kommunikation von allen Beteiligten bis hin zum Patienten. Daneben unterstützen Informationsbroschüren den Arzt, wenn dieser, wie in der Befragung geäußert, Unsicherheit bei der Vermittlung der Ziele und des Nutzens des Programms empfindet. Studien bestätigten, dass Transparenz und Koordination entscheidend zur Bildung von Vertrauen beitragen.897 Hier sollten die Krankenkassen unterstützend tätig sein.
Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 31. Vgl. Grimmel, R. / Hägele, M. / Leopold, C. (2003), S. 24. 896 Vgl. Gebhart, K. N. (1996), S. 193; Myers, T. R. (2002), S. 633. 897 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 81. 894 895
8
Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren von Disease-Management-Programmen beschrieben wurden, sollen im folgenden Kapitel die Auswirkungen näher untersucht werden. Nach einer kurzen Erläuterung der Probleme hinsichtlich fehlender Daten und der Schwierigkeiten in der Übertragbarkeit von Ergebnissen wird auf die Auswirkungen in der Veränderung der Leistungserbringung eingegangen. Anschließend werden die medizinischen, patientenorientierten und ökonomischen Auswirkungen von Disease-Management-Programmen dargestellt. In Kapitel 8.6 werden schließlich noch die Auswirkungen auf Schulkinder, arbeitende Eltern, Arbeitnehmer und Arbeitgeber betrachtet. Zum Schluss des Kapitels werden die Grenzen und Hindernisse der Programme sowie die Verbindung mit dem RSA in Deutschland vorgestellt.
8.1
Daten- und Übertragbarkeitsprobleme
Untersuchungen und Aussagen zu den möglichen Ergebnissen von Disease-Management-Programmen in Deutschland liegen – aufgrund der erst kurzen Laufzeit – bisher nur in sehr begrenztem Umfang vor. Vor allem die finanziellen Auswirkungen sind nur durch wenige Studien belegt. Daher wird für die folgenden Ausführungen vorwiegend auf amerikanische Daten zurück gegriffen. Ein weiteres Problem ergibt sich durch die Art der Studien für Disease-Management-Programme. Möchte man die Ergebnisse der Studien vergleichen, so bedarf es relativ homogener Kohorten. Die vorliegenden Disease-Management-Studien weisen jedoch eine sehr hohe Heterogenität des Datenmaterials auf. Betrachtet man bspw. die vorliegenden Studien zu Asthma-DMPs, so finden sich hier als Zielgruppen Kinder und Erwachsene, Großstadtbewohner im Vergleich zu ländlichen Bewohnern etc. Für einen Vergleich wären damit hohe Fallzahlen eine Voraussetzung.898 Neben fehlenden und inhomogenen Daten ist auch die zu kurze Laufzeit für eine Verlaufsbeobachtung als Grund für das Nichtvorhandensein aussagekräftiger Zahlen zu nennen. Disease-Management-Programme sind sowohl in den USA als auch vor allem in Deutschland erst seit einigen Jahren in Anwendung. Deshalb sind keine verlässlichen Aussagen zu Langzeitwirkungen möglich.899 Die Mehrzahl der vorliegenden empirischen Untersuchungen kommt aus Amerika. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das amerikanische Gesundheitssystem andere strukturelle Bedingungen aufweist, wodurch sich auch die spezifische Gestaltung der DMPs und deren Auswirkungen stark von den deutschen DMPs unterscheiden. Die 898 899
Vgl. Lauterbach, K. W. (1997), S. 172. Vgl. Lee, S. S. (2002), S. 11.
186
8 Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen
dort gemessenen Effekte können folglich nicht direkt übertragen werden, da die systematischen und gesellschaftlichen Bedingungen nicht vergleichbar sind. Trotz der genannten Einschränkungen wird im Folgenden aus Mangel an verlässlichen deutschen Daten auf amerikanische Untersuchungen zu den Auswirkungen zurückgegriffen, die für die Einführung der strukturierten Behandlungsprogramme in Deutschland als Anhaltspunkte gelten können. Die in den folgenden Kapiteln zitierten Studien sollen die möglichen Auswirkungen von DMPs untermauern und mögliche Tendenzen für Deutschland aufzeigen. Sie können jedoch keinesfalls direkt auf Deutschland übertragen werden.
8.2
Patientenorientierte Auswirkungen
8.2.1 Reduktion der Mortalität Ein wesentlicher Einfluss auf die Sterblichkeit von Asthma und COPD wird der Unterschätzung der Krankheiten und der mangelhaften medikamentösen Behandlung zugeschrieben.900 Disease-Management-Programme setzen an zwei Seiten an, um die Mortalität von Asthma und COPD zu reduzieren: Zum einen bewirken sie eine Aufklärung, die mit der Akquisition und Einschreibung der Patienten einhergeht. Da die Ärzte an einer Integration ihrer Patienten in die Programme interessiert sind, informieren sie die Patienten aktiv über die Risiken der Krankheit und bewegen sie damit zur Teilnahme an den Programmen. Des Weiteren erfolgt, infolge der bundesweiten Einführung der Programme, eine öffentliche Aufklärung zu den Risiken und Ursachen beider Krankheiten. Der andere Ansatzpunkt zur Reduktion der Mortalität besteht auf Seiten der Ärzte in der besseren medizinischen Versorgung. Durch die Anforderung des Einsatzes evidenzbasierter Leitlinien bei Teilnahme eines Arztes am DMP Asthma/COPD wird das Risiko medikamentöser Fehlversorgung minimiert. In einem amerikanischen DMP zu Herzinsuffizienz konnte eine signifikante Reduktion der Mortalität eingeschriebener Patienten erreicht werden.901 Eine Meta-Analyse von 33 Untersuchungen zu Herzinsuffizienz bestätigte diese Ergebnisse und verzeichnete ebenfalls eine signifikante Senkung der Mortalitätsrate um 16% der eingeschriebenen Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe.902 Vergleichbare Studien zu Asthma liegen jedoch nicht vor.
8.2.2 Auswirkungen auf die Lebensqualität Patienten mit Asthma und COPD leiden im Allgemeinen unter einer erheblichen Beeinträchtigung ihres subjektiven Wohlbefindens und ihrer Lebenszufriedenheit.903 Vgl. George, M. (1998), S. 280. Vgl. Hebert, K. A. et al. (2006), S. 482. 902 Vgl. Roccaforte, R. et al. (2005), S. 1141. 903 Vgl. Mühlig, S. / Petermann, F. (1998), S. 26. 900 901
8.2 Patientenorientierte Auswirkungen
187
Atemnot, Husten und Auswürfe schränken sowohl die körperliche Fitness als auch den nächtlichen Schlaf ein und führen dadurch zu einer Herabsetzung der Leistungsfähigkeit.904 Weitere Einschränkungen ergeben sich durch emotionale Befindlichkeitsstörungen, da die Chroniker vielfach in ihrem sozialen Umfeld als „Kranke“ stigmatisiert werden. Dies führt zu Ängsten, Depressionen und sozialer Unsicherheit bei den Betroffenen und einer Einschränkung der Lebensqualität.905 Disease-Management-Programme zielen in Bezug auf den Patienten in der Regel speziell auf die Aspekte „körperliches und psychisches Befinden“ sowie „Fähigkeit zu sozialen Interaktionen“ ab und streben eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten an.906 Durch die Disease-Management-Programme soll ein möglichst frühzeitiges Screening aller Patienten auf Asthma und COPD erfolgen.907 Ein positiver Befund führt daraufhin zu einer nach Schweregraden abgestuften Therapie, die sowohl auf die Ursachen als auch Symptome abzielt. Dadurch sollen akute Anfälle vermieden werden und das allgemeine Wohlbefinden der Patienten verbessert werden. Für asthmatische Kinder bedeutet dies speziell, dass sie nachts durchschlafen und am Sportunterricht teilnehmen können und weniger Fehltage in der Schule aufweisen.908 Des Weiteren führen die starke Einbindung und das verbesserte Selbstmanagement dazu, dass die Patienten in die Lage versetzt werden, besser mit ihrer Krankheit umgehen zu können. Für die Patienten kommt es dadurch zu einer Steigerung der Lebensqualität.909 Die Lebensqualität verbessert sich aber auch indirekt durch ein verbessertes Management, z. B. in der Konsequenz aus einer Reduktion an Notfällen und Krankenhausaufenthalten.910 Studien haben diesen positiven Einfluss der Disease-Management-Elemente auf die Lebensqualität bestätigt. So kam eine amerikanische Studie eines US-ManagedCare-Unternehmens (ConnetiCare) zu dem Ergebnis, dass durch den Einsatz von Schulungen, evidenzbasierten Leitlinien und telefonischem Case Management selbst bei non-complianten Patienten die Lebensqualität signifikant gesteigert werden konnte.911 Eine Studie des „National Jewish Medical and Research Center Disease Management Program: Asthma for Medicaid Patients“ zeigte ebenfalls positive, signifikante Auswirkungen auf die Lebensqualität der eingeschriebenen Asthmatiker innerhalb von sechs bis zwölf Monaten.912 Nach einer Studie von GlaxoWellcome berichteten die Teilnehmer eines AsthmaDMP über eine deutliche Reduktion der nächtlichen Wachphasen infolge von Vgl. Mühlig, S. / Petermann, F. (1998), S. 26. Vgl. Quirk, F. H. / Jones, P. W. (1992), S. 20 f. 906 Walker, D. R. et al. (2003), S. 56 f. 907 Vgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 61. 908 Vgl. Richman, M. J. / Scott, P. / Kornberg, A. (1998), S. 564. 909 Vgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 61. 910 Vgl. Downey, C. (2001), o. S. 911 Vgl. Delaronde, S. (2005), S. 365. 912 Vgl. Jowers, J. R. et al. (2000), S. 590 ff. 904 905
188
8 Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen
Asthma.913 Das COPD-Programm des amerikanischen Unternehmens AirLogix, bei dem die Auswirkungen von DM auf 6.500 Patienten untersucht wurden, bestätigte den positiven Einfluss auf wesentliche Parameter der Lebensqualität. In diesem Programm konnte die Häufigkeit atmungsbedingte Einschränkungen auf alltägliche Aktivitäten von 62% auf 48% reduziert werden.914 Ferner fanden nächtliche Wachphasen aufgrund von Atembeschwerden bei 14% anstatt vorher 25% der Patienten statt. Schließlich konnten bei den Patienten pfeifende Atemgeräusche um 6 Prozentpunkte gesenkt werden. Eine umfangreiche Studie von Walker et al. bei ca. 25.000 Patienten zu den Auswirkungen von DMPs auf die Lebensqualität ergab eine signifikante Verbesserung hinsichtlich des körperlichen und mentalen Wohlbefindens bei allen untersuchten Disease-Management-Programmen.915 Dabei konnten für COPD-Programme die größten Verbesserungen ausgemacht werden, nämlich eine 44%ige Verbesserung im körperlichen Befinden und eine 26%ige Verbesserung im psychischen Befinden. Auch das Asthma-Programm von Medco Health Solutions, New Jersey, konnte bei den eingeschriebenen Patienten eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität (gemessen als Asthma Related Quality of Life) erzielen.916 Dennoch kann nicht automatisch durch die Einführung von Disease-ManagementProgrammen auf eine Verbesserung der Lebensqualität der Chroniker geschlossen werden. Eine amerikanische Studie, die die Effektivität von Disease-ManagementProgrammen zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Patienten mit Herzinsuffizienz untersuchte, konnte keinen Effekt der Programme konstatieren.917 Es kann zusammengefasst werden, dass in der Regel durch ein geschulteres, aktiveres Krankheitsmanagement die Häufigkeit von Anfällen, Obstruktionen und krankheitsbedingten Beeinträchtigungen reduziert wird, was die Lebensqualität der Patienten mit Asthma und COPD verbessert.
8.3
Gesundheitliche Auswirkungen
8.3.1 Verbesserung der Gesundheit Zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Disease-Management-Programmen bei Asthmatikern oder COPD-Patienten sind in der Literatur zahlreiche Studien zu finden. Einige Studien decken statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen den Programmen und den gesundheitlichen Auswirkungen auf, andere jedoch liefern, trotz positiver Erfahrungen aus den Programmen, keinen signifikanten Nachweis für das Ursache-Wirkungs-Geflecht der Auswirkungen. Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 564. Vgl. zu den folgenden Ausführungen in diesem Absatz o. V. (2003 a), S. 510. 915 Vgl. Walker, D. R. et al. (2003), S. 58 f. 916 Vgl. Feifer, R. A. et al. (2004), S. 93. 917 Vgl. Smith, B. et al. (2005), S. 712. 913 914
8.3 Gesundheitliche Auswirkungen
189
Angaben mit signifikanten Ergebnissen konnten u. a. bei folgenden Programmen gefunden werden: • Das Asthma-Medicaid-Disease-Management-Program in Washington State verzeichnete einen Rückgang der Asthmatiker mit -Schweregrad schwer von 25% auf 16% und der mittelschweren Patienten von 62% auf 54% nach 12 Monaten.918 • Ebenfalls signifikante Auswirkungen konnten die Programme für Asthma, KHK und Diabetes mellitus von One Health Plan, Denver bei ca. 93.500 Teilnehmern erreichen. Unter aktivem Einfluss des Internets wurde bei den Teilnehmern des Asthma-Programms ein stärkeres Bewusstsein für die Krankheit geweckt, indem die Kenntnis über die eigenen Lungenfunktionswerte bei 31% der Teilnehmer gesteigert wurde. Darüber hinaus fanden sich bereits nach drei Monaten fast alle Teilnehmer mit ursprünglich Schweregrad „schwer“ in den Einstufungen „leicht“ bis „mittel“.919 Auch die „Vorher-Nachher-Vergleiche“ der nicht-signifikanten Studien können deutlich positiv gewertet werden: Das Asthma-Control-and-Education-Program des Hartford-Hospitals verzeichnete eine Reduktion der Asthma-Patienten mit Schweregrad „schwer“ innerhalb von sechs Monaten von 69,1% auf 4,4% der Teilnehmer.920 Die ersten medizinischen Erfahrungen zu einem deutschen Asthma-Pilotprojekt für Disease-Management zeigen positive Auswirkungen auf die Symptome und Lungenfunktionswerte.921 Nach zwölfmonatiger Teilnahme konnte die Anzahl der Patienten mit Asthmasymptomatik reduziert und eine Schwächung der Symptome erzielt werden. Ferner verbesserten sich die Lungenfunktionswerte der Projektteilnehmer. Neben den positiven Auswirkungen auf die klinischen Indikatoren verzeichnete das Projekt auch eine Verbesserung der Lebensqualität bei den Teilnehmern. Damit können die im Projekt „Atemwegserkrankungen“ erzielten positiven Ergebnisse durch eine weitere Pilotstudie für DMPs zu Asthma bronchiale in Deutschland bestätigt werden. Ein weiteres Ziel von Disease Management ist die Reduktion oder Verzögerung von Folgeerkrankungen und Komorbiditäten. Laut der Leitlinie sind die häufigsten Komorbiditäten von Asthma bronchiale das atopische Ekzem und die allergische Rhinokonjunktivitis. Bei Kindern sind darüber hinaus häufig Adipositas infolge des Bewegungsmangels sowie soziale, emotionale und Aufmerksamkeitsstörungen vorhanden.922 Bei COPD sind vor allem Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Osteoporose und Nierenschädigungen zu nennen.923 Aufgrund der langfristigen Wirkungsweise dieses Aspektes sind Studien bisher noch nicht verfügbar, doch geht Vgl. Lind, A. / Kaplan, L. / Berg, G. D. (2006), S. 158. Vgl. Gomaa, W. H. / Morrow, T. / Muntendam, P. (2001), S. 582. 920 Vgl. Maljanian, R. et al. (1999), S. 291. 921 Vgl. zu den Ausführungen in diesem Absatz Petro, W. et al. (2005), S. 105 f. 922 Vgl. AWMF (2006), im Internet unter http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/070-002.htm am 12. 07. 2006. 923 Vgl. Wirtz, H. R. (2005), S. 189. 918 919
190
8 Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen
man davon aus, dass die Einführung von evidenzbasierten Leitlinien im Rahmen von DMPs zu einer Vermeidung bzw. Verringerung der Komorbiditäten und Komplikationen führt.924
8.3.2 Rückgang von Krankenhausfällen Eine mangelhafte Versorgung von Asthma bronchiale und COPD führt häufig zu Komplikationen in Form von Notfällen, die ambulant, meist aber stationär behandelt werden müssen.925 Zahlreiche internationale Studien erbrachten speziell für Asthma bronchiale den Beweis, dass eine Reduktion der Krankenhausfälle inkl. der Notfälle mit Hilfe der DMPs und damit mit effektivem Krankheitsmanagement erreicht werden kann.926 So konnten Notfallaufnahmen bspw. in den Asthma-Programmen des National Heart, Lung and Blood-Institutes und des Kaiser Permanente Medical Care Program (KPMCP) of Northern California deutlich reduziert werden.927 Das AsthmaProgramm des National Jewish Center for Immunology and Respiratory Medicine verzeichnete einen Rückgang der Krankenhauseinweisungen um 83%, 82% weniger Krankenhaustage und 45% weniger Notfälle.928 Auch das DMP von Cigna Corp. in Philadelphia konnte die Zahl der Krankenhauseinweisungen (25%), der Krankenhaustage (24%) und der Notaufnahmen (8%) absenken.929 PCS Health Systems in Arizona, welche ein Asthma-DMP unter Einbindung von Apotheken betreiben, konnten die Krankenhauseinweisungen um 14%, die Krankenhaustage um 21% und die Zahl der Notfälle um 17% vermindern.930 Darüber hinaus nahm in diesem Programm die Zahl der Arztbesuche um 22% ab. Eine weitere Studie zu einem von GlaxoWellcome angebotenen Asthma-DMP ermittelte, dass die Zahl der Krankenhaustage der eingeschriebenen Patienten um 78% reduziert und asthmabedingte Notfälle um 49% gekürzt werden konnten.931 Schließlich berichtete auch Matria Healthcare Inc. in Verbindung mit seinem Asthma-Programm von einer Reduktion der Krankenhausaufenthalte um 71%, der Notaufnahmen um 50% und der ungeplanten Arztbesuche um 66%.932 Diese Angaben sind in der folgenden Tabelle dargestellt.
Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 9. Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 30. 926 Vgl. Bodenheimer, T. (1999), S. 1202; Afifi, Abdelmonem A. (2007), S. 6; Shelledy, D. C. et al. (2005), S. 426. 927 Vgl. Ignagni, K. (2001), S. 679; Lieu, T. A. et al. (1997), S. 334. 928 Vgl. Mayzell, G. (1999), S. 382. 929 Vgl. Benko, L. B. (2002), S. 31. 930 Vgl. Caldwell, B. (2001), S. 24. 931 Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 564. 932 Vgl. o. V. (2003 b), S. 503. 924 925
191
8.4 Veränderungen bei der Leistungserbringung
Tabelle 4: Überblick über die Rückgänge von Krankenhausfällen diverser amerikanischer DMP Programm
KH-Einweisungen
KH-Tage
Notfälle
National Jewish Center for Immunology and Respiratory Medicine933
minus 83%
minus 82%
minus 45%
Cigna Corp.934
minus 25%
minus 24%
minus 8%
PCS Health Systems935
minus 14%
minus 21%
minus 17%
GlaxoWellcome936
keine Angabe
minus 78%
minus 49%
Matria Healthcare Inc.937
minus 71%
keine Angabe
minus 50%
Es wird deutlich, dass die in Bezug auf Krankenhausaufenthalte und Notfälle erzielten Reduktionen sich ebenso sehr unterscheiden wie die Programme an sich. Schelledy et al. führen das Ausmaß an erzielbaren Verbesserungen in DMPs auch auf die eingesetzten Elemente zurück.938 Zusammenfassende Aussagen sind dadurch nur insofern zu treffen, als aus allen Studien eine Reduktion der Krankenhaus-Einweisungen und aufenthalte sowie der Notfälle zu erkennen ist.
8.4
Veränderungen bei der Leistungserbringung
8.4.1 Integrierte Versorgung zwischen allen Leistungserbringern Für die Gesundheitsversorgung – speziell der chronisch Kranken – in Deutschland forderte der Rat „professionen-, institutionen- und sektorenübergreifende Maßnahmen“939 und die Umsetzung struktur- und qualitätsverbessernder Schritte durch die „flächendeckende Umsetzung innovativer Versorgungsmodelle und -konzepte“. Die Betreuung von chronisch Kranken bedarf eines langfristigen, abgestimmten Systems verschiedener Leistungserbringer und Berufsgruppen, die auch die Beteiligung der Familie und Betroffenen einbeziehen.940 Prävention, Gesundheitsförderung, InforVgl. Mayzell, G. (1999), S. 382. Vgl. Benko, L. B. (2002), S. 31. 935 Vgl. Caldwell, B. (2001), S. 24. 936 Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 564. 937 Vgl. o. V. (2003 b), S. 503. 938 Vgl. Shelledy, D. C. et al. (2005), S. 423. 939 Hier und im Folgenden: Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 43, Punkt 136. 940 Vgl. Boniakowsky, D. (2005), S. 14. 933 934
192
8 Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen
mation, Behandlung, Schulung und Rehabilitation müssen in einer gesamtheitlichen Versorgung ineinander übergreifen.941 Ziel von Disease-Management-Programmen ist damit die Bildung einer sektorübergreifenden Versorgungsform.942 Bei DMP ist die Integrierte Versorgung aber auch als ein Mittel zu sehen. Sie kann nachweislich die Patientenversorgung verbessern und die Gesamtkosten reduzieren.943 Die enge, abgestimmte Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern ermöglicht den notwendigen Datenaustausch zu Maßnahmen und Auswirkungen sowie die koordinierte Kommunikation.944 „Mit Hilfe von intersektoralen Kooperationen und einer verbesserten Kommunikation zwischen den einzelnen Leistungsanbietern, mit Maßnahmen zur Sekundärprävention, wie z. B. der Einhaltung der Therapievorgaben durch Ärzte und Patienten, sowie durch eine gezielte Minimierung von Risikofaktoren als Folge präventiver Vorsorgeleistungen lassen sich häufige Arztwechsel, Doppeluntersuchungen und stationäre Einweisungen vermeiden, Krankenhausaufenthalte verkürzen und Fallzahlen senken.“945 Dabei ist die bereits in Kapitel 3.2.2.1 bezeichnete „funktionenübergreifende, patientenorientierte, rationale Versorgung mit Dienstleistungen im Gesundheitswesen“946 die Grundlage für eine effiziente Behandlung von Chronikern. Eine Meta-Analyse über die Auswirkungen multidisziplinärer Disease-Management-Programme bei Herzinsuffizienz ergab eine Reduktion der Krankenhausaufenthalte von 13% in Zusammenhang mit dem systematischen Zusammenwirken verschiedener Leistungserbringer.947 Ahmed schlägt deshalb die Integrierte Versorgung sowohl durch den langfristig behandelnden Hausarzt als auch durch den Facharzt mit seiner speziellen Expertise vor. Di Slavo/Stevenson gehen in ihrer Forderung nach Integrierter Versorgung weiter und bezeichnen ein multidiziplinäres Team aus Krankenschwestern, Haus- und Fachärzten, Psychologen, Sozialarbeitern und anderen Leistungserbringern für ein DMP als ideal, um die Qualität der Versorgung z. B. von KHK zu verbessern.948 Insbesondere die Kommunikation und Transparenz unter den Ärzten ist bei der Integrierten Versorgung entscheidend. Eine neuseeländische Studie zu den Auswirkungen eines integrierten Disease-Management-Programms bei COPD weist auf die Bedeutung der Kommunikation unter den beteiligten Leistungserbringern für die Reduktion der Krankenhaustage und die Verbesserung der Lebensqualität hin.949
Vgl. Boniakowsky, D. (2005), S. 14. Vgl. Kapitel 4.1.1.1, speziell Fußnote 369. 943 Vgl. DaSilva, R. V. (1996), S. 1374. 944 Vgl. Friedman, N. et al. (1999), S. 357 und 363. 945 Gauting, J. N. (2003), S. 428. 946 Mühlbacher, A. (2002), S. 63. 947 Vgl. Ahmed, Ali (2002), S. 1591. 948 Vgl. Di Salvo, T. G. / Stevenson, L. W. (2003), S. 89. 949 Vgl. Rea, H. et al. (2004), S. 608. 941 942
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8.4.2 Auswirkungen von Disease Management auf die Arzt-Patienten-Beziehung Die Arzt-Patienten-Beziehung bezeichnet das Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und seinem behandelnden Arzt. Laut Emanuel/Dubler bestehen sechs Voraussetzungen für ein gutes Verhältnis zwischen Arzt und Patient: die Wahl zwischen Behandlungsalternativen, die Kompetenz des Arztes, Mitgefühl, Kommunikation, Kontinuität und keine Interessenskonflikte.950 Durch die Einführung von DiseaseManagement-Programmen können diese Faktoren sowohl negativ als auch positiv beeinflusst werden.951 Die größte Störung des Arzt-Patienten-Verhältnisses kann dann entstehen, wenn der Patient die Einschreibung in ein DMP wünscht, der Arzt jedoch die Teilnahme verweigert oder selbst nicht partizipiert.952 In diesem Fall hat der Patient die Wahl, nicht am Programm teilzunehmen oder den Arzt zu wechseln. Disease Management wird auch dann für die Arzt-Patienten-Beziehung problematisch, wenn es sich nur noch um das Management einer Krankheit handelt anstatt um die Behandlung eines kranken Patienten. Dies ist dann der Fall, wenn die patientenspezifischen Besonderheiten übersehen werden und nur noch die Krankheit nach evidenzbasierten Leitlinien, Qualitätszirkelwissen und vertraglich vorgeschriebenem Regelwerk behandelt wird. Die Beratung durch den Arzt ist umso wichtiger, je chronischer die Krankheit ist.953 Während bei akuten Krankheitssituationen die Behandlung vor allem nach „den Regeln der Wissenschaft“ erfolgt, bestimmen bei Chronikern vor allem die Lebensumstände, das private und berufliche Umfeld, persönliche Strategien zur Stressbewältigung und z. B. religiöse Einstellungen den Umgang mit der Krankheit.954 Der aktive Einsatz von Call-Centern zur Abfrage von Patientendaten sowie zur Information der eingeschriebenen Chroniker ist ein mögliches Element. Dies kann jedoch sowohl für den Patienten als auch für den Arzt zu Problemen führen. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Telefondienst fehlerhafte oder missverständliche Informationen übermittelt.955 Hierdurch kann es zu einer Veränderung der Behandlung oder in der Einnahme der verordneten Medikation kommen, was sich wesentlich auf die Versorgung des Patienten auswirken kann. Darüber hinaus kann es passieren, dass die aufgenommenen bzw. gesendeten Informationen und Daten falsch interpretiert werden, wodurch es zu einem Konflikt zwischen Arzt, Patient und/oder Call-Center kommen kann. Nur durch eine klare Abgrenzung der Aufgabenbereiche und eine deutliche Definition der Schnittstellen können diese Probleme vermieden werden. Ferner ist es notwendig, dass der Arzt die zu überprüfenden Parameter und die dazuVgl. Emanuel, E. / Dubler, N. N. (1995), S. 323 und 326. Vgl. Pilnick, A. / Dingwall, R. / Starkey, K. (2001), S. 758. 952 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 77. 953 Vgl. Rüter, G. (2001), S. A-3016. 954 Rüter, G. (2001), S. A-3016. 955 Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 75. 950 951
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gehörigen Schwellenwerte für jeden Patienten genau mit dem Call-Center bespricht.956 Für den Arzt erfordert eine solche Zusammenarbeit ein Umdenken, da er eine neue Funktion in der Kommunikation mit dem Telefondienst übernimmt und die von diesem übermittelten Informationen überwachen muss. Ein weiterer Eingriff in das Arzt-Patienten-Verhältnis kann durch die Beschränkung der Therapiefreiheit des Arztes erfolgen, da hierdurch ggf. die Kontinuität der Behandlung gestört wird. So kann die Anwendung von evidenzbasierten Leitlinien eine Veränderung der Medikation erfordern, wodurch das Arzt-Patienten-Verhältnis gestört werden kann. Dies kann auch deshalb der Fall sein, weil die Behandlungsalternativen innerhalb der Leitlinien begrenzter sind. Allerdings muss hier entgegnet werden, dass die Leitlinien in Deutschland derart konzipiert wurden, dass sie für den Arzt eine Empfehlung für die Behandlung darstellen, die ihm aber gleichzeitig den notwendigen Freiraum für die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des Patienten lässt. Laut einer Entscheidung des Bundestags sollen DMPs weder die ärztliche Therapiefreiheit noch die „fachliche Verantwortung der gemeinsamen Selbstverwaltung der Krankenkassen und Ärzte“957 beschränken, sondern Prozesse und Qualität in der medizinischen Versorgung verbessern. Dennoch verlangen die Anforderungen der strukturierten Behandlungsprogramme die Anwendung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die strukturierten Behandlungsprogramme erfordern vom Arzt eine Vielzahl von Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben, die mit einem gestiegenen Zeitbedarf für die Büroarbeit verbunden sind. Die damit einhergehende Reduktion der Sprechstundenzeit für die Patienten wird in der Literatur vielfach kritisiert und kann sich ungünstig auf das Arzt-Patienten-Verhältnis auswirken.958 Auch in Deutschland hat die Einführung der Programme bei den Ärzten zu einem Anstieg der Zeit für organisatorische Aufgaben geführt.959 Um den Verwaltungsaufwand in Verbindung mit DMPs in Deutschland zu reduzieren, wurde im April 2006 eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Krankenkassen, Bundesärztekammer, KBV und des Hartmannbundes gegründet. Diese beschäftigt sich mit dem Abbau von Bürokratie und Dokumentation u. a. in Verbindung mit der Ersterhebung, Teilnahmeerklärung und Folgedokumentation.960 Erste Ergebnisse der Arbeitsgruppe sind die Reduktion auf ein Formular zur Diagnosesicherung, Teilnahmebestätigung und Einwilligungserklärung, die Beschränkung der Folgedokumentation auf aussagekräftige Daten für die Qualitätssicherung und Evaluation, sowie die Verlängerung der DMP-Zulassungszeit auf fünf Jahre. Durch diese Maßnahmen soll, nach Angaben der Leiterin der Arbeitsgruppe, der Verwaltungsaufwand für die DMPs um 70% reduziert werden.961 Ein weiterer Ansatz zur Reduktion der Bürokratie ist die Umstellung der Papierdokumentation Vgl. Simonin, C. (2002), S. 39. BT-Drucksache 15/3602 am 15.04.2006. 958 Vgl. z. B. Rieser, S. (2006), S. 737; Scherenberg, V. (2003), S. 76. 959 Vgl. Schulze, J. (2004), S. 543. 960 Vgl. Blöß, T. (2006), S. 965. 961 Vgl. Rabbata, S. (2006), S. 1576. 956 957
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auf die elektronische Bearbeitung der DMP-Erhebungen, die für Januar 2007 geplant ist. Auf der anderen Seite können DMPs auch zu einer Stärkung der Arzt-PatientenBeziehung führen. Grund dafür ist die intensivere Betreuung und Kommunikation mit dem Patienten infolge der Notwendigkeit der Dokumentation. Dies führt dazu, dass das Gespräch „zielgerichteter und systematischer auf die konkrete Problemsituation des Patienten“962 gerichtet wird. Darüber hinaus verdeutlichen die Disease-Management-Programme dem Patienten die Kompetenz seines behandelnden Arztes und geben ihm damit die Sicherheit der richtigen Wahl. Der Arzt hat im Rahmen des Programms die Möglichkeit, sein – u. a. in den Qualitätszirkeln erworbenes – Fachwissen zu vermittteln und dem Patienten seinen Sachverstand zu beweisen. Auch dadurch intensiviert sich das Arzt-Patienten-Verhältnis.
8.4.3 Neue Rollendefinition und Veränderungen in der Versorgung Die Umsetzung der Disease-Management-Programme fordert eine Neuausrichtung der Versorgungsprozesse, die sich vor allem auf die Rolle des Hausarztes, aber auch auf die Stellung von Fachärzten und Kliniken auswirken. Die gesetzlichen Anforderungen nach einer Koordinierungsfunktion durch den Hausarzt und der für die Dokumentation notwendige Verwaltungsaufwand fordern vom Hausarzt z. T. eine Umstrukturierung seiner Praxis.963 Die Rolle des „traditionellen“ Hausarztes war geprägt durch umfassende und individualisierte Versorgung des Patienten, die auch weitgehend unabhängig von anderen Leistungserbringern erfolgte.964 Fort- und Weiterbildungen nach dem Studium erfolgten in der Regel nicht, weshalb der Hausarzt zumeist erfahrungsbasiert handelte. Der Patient galt als unmündig und unwissend, der aufgrund mangelnder Schulung weder seine Therapie verstehen noch sich gegen schlechte Versorgung wehren konnte.965 Dahingegen zeichnet sich die Patientenversorgung im Disease Management durch ein aktives Zusammenspiel zwischen den Leistungserbringern aus, das durch Dokumentation und Datenaustausch geprägt ist. Dies erfordert ein Mehr an Bürokratie und Praxisverwaltung beim Arzt. Darüber hinaus verpflichtet sich der Arzt mit der Teilnahme an den Programmen zu einer kontinuierlichen Weiterbildung in Form von Qualitätszirkeln und einer Patientenversorgung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Damit wird vom Arzt eine Abkehr von seiner erfahrungsbasierten Behandlung hin zu einer evidenzbasierten Therapie gefordert. Schließlich stellt auch die veränderte Rolle des Patienten neue Anforderungen an den Arzt. Aus einem Empfänger von Behandlung soll – mit Hilfe des Arztes – ein sich selbst managender, informierter Patient werden, der die Hintergründe seiner Krankheit begreift und aktiv durch Ziele und Selbstmanagementpläne den Krankheitsprozess steuert. Scherenberg, V. (2003), S. 76. Vgl. Szecsenyi, J. / Schneider, A. (2003), S. 183. 964 Vgl. Szecsenyi, J. / Schneider, A. (2003), S. 183. 965 Vgl. bspw. Krempel, V. (1998), o. S. 962 963
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Diese neue Rolle erfordert vom Arzt und seinem Praxisteam neue Tätigkeiten und Fähigkeiten, wie z. B. die Koordination des Zusammenspiels aller relevanten Leistungserbringer für den Patienten oder das Feedback und die Erinnerung des Patienten an Termine und die Einhaltung der Medikation. Aus diesem Grunde wird es notwendig sein, das gesamte Praxisteam für die neuen Herausforderungen zu qualifizieren und sie für die Aufgaben zu motivieren. Auch hierin besteht eine neue Funktion für den Arzt, der nun noch stärker als bisher in Praxisführung und Teammanagement tätig sein muss.966 Problematisch ist hierbei jedoch, dass dies für den Arzt gleichzeitig zu höheren Investitionen in Personal und seine eigene Arbeitszeit führt, die ihm durch die Programme nicht vergütet werden. Die veränderten Rahmenbedingungen erfordern auch von den Lehranstalten eine Anpassung der Ausbildung für Mediziner. Ärzte müssen darauf vorbereitet werden, die neue Funktion als Koordinatoren ausführen zu können, kooperativer zwischen den Sektoren zu handeln und den neuen Anforderungen an Dokumentation, Praxismanagement und Wirtschaftlichkeit gerecht zu werden.967
8.4.4 Umsetzung evidenzbasierter Leitlinien Der SVR Gesundheit zeigte in seinem Gutachten 2000/2001 auf, dass mehr als die Hälfte der Jahresbehandlungskosten häusärztlicher Internisten auf die Versorgung von Chronikern entfallen.968 Ähnliches konnte für die Verteilung von Arzneimitteln festgestellt werden, wobei hier 50% der Ausgaben auf 4% der Versicherten entfallen. Speziell bei Asthmatikern liegen die jährlichen Kosten für Arzneimittel ca. 500 Euro über denen der übrigen Patienten.969 Darüber hinaus wies der SVR Gesundheit auf die unzureichende Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und die mangelnde Versorgung unter evidenzbasierten Kriterien bei Chronikern hin,970 die speziell bei den chronisch, obstruktiven Lungenerkrankungen in einer Unter- und Fehlversorgung erkennbar sind.971 In Deutschland sind, dem Gutachten zufolge, Probleme in der Einhaltung von evidenzbasierten Überweisungsrichtlinien von Hausärzten an Pneumologen entsprechend den Schweregraden zu finden. Die konsequente Umsetzung der evidenzbasierten Leitlinien hat einen großen Einfluss auf die Kosten und Qualität der Versorgung im ambulanten und stationären Bereich. Die Einhaltung der Leitlinien führt in der Regel zu Einsparungen bei den Verordnungen. Ergebnisse eines amerikanischen DMPs bestätigten, dass die Kosten für Vgl. Szecsenyi, J. / Schneider, A. (2003), S. 185. Vgl. Baumberger, J. (2001), S. 99. 968 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 33, Punkt 90. 969 Vgl. Grobe, T. G. / Dörning, H. / Schwarzt, F. W. (2002), S. 37. 970 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 40, Punkt 118. 971 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001 b), S. 343, Punkt 184. 966 967
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Arzneimittel infolge der konsequenten Anwendung von Leitlinien um 55% reduziert werden konnten.972 Beim Asthma-One-Health-Programm in Denver konnte bei 48% der Patienten eine Veränderung hin zu evidenzbasierter Medikation bewirkt werden.973 Eine Studie von Munroe et al. ermittelte aufgrund des effizienteren und leitlinienkonformen Einsatzes Einsparungen bei Arzneimittelkosten zwischen 144 und 293 $ pro Patient.974 Darüber hinaus werden nichtwirksame Therapien weitestgehend durch evidenzbasierte Medikamente ersetzt, was durch die mittel- bis langfristigen klinischen Verbesserungen ebenfalls zu Einsparungen führt. So ergab eine Studie der Universität Pennsylvania zu Patienten mit Bluthochdruck, dass durch den Einsatz von Guidelines der Blutdruck der mit einem Disease-Management-Programm behandelten Patienten effektiv verbessert werden konnte.975 Einsparungen bei Arzneimitteln sind jedoch nicht zwingend gegeben. Afifi et al. weisen darauf hin, dass DMP zu einer Steigerung der Arzneimittelverordnungen führen, wodurch die Einsparungen in anderen Bereichen wieder reduziert werden können.976 Auch Krause kommt in seiner Metaanalyse zur ökonomischen Effektivität von DMP zu dem Schluss, dass die von ihm aufgezeigten positiven ökonomischen Effekte möglicherweise durch den Anstieg der Medikation aufgehoben werden könnten.977 Schließlich bewirkt die Einbindung der Leitlinien in die Programmstruktur eine Reduktion von Arztbesuchen inkl. der damit einhergehenden Doppel- und Mehrfachuntersuchungen.978
8.4.5 Negative Auswirkungen auf die Leistungserbringung Einige Quellen merken auch eine Verschlechterung der Patientenversorgung aufgrund der DMP an. Dies liegt zum einen am erhöhten Dokumentationsaufwand, der zu einer Reduktion der Sprech- und Behandlungszeit für den Patienten führt. So befürchtet die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie, dass es aus finanziellen oder organisatorischen Gründen oder aufgrund von Bürokratisierung bei DMPs zu einer Verschlechterung der Patientenversorgung kommen könnte.979 Kritisiert wird von Seiten der Ärzte vor allem der Aufwand für das Einholen der Unterschrift der Patienten auf den Teilnahmebögen, die Dokumentation und die spätere Korrektur der Dokumentationsbögen.980 In einer Umfrage bei Hausärzten und Diabetologen zum DMP Diabetes bescheinigten lediglich 4% der Hausärzte bzw. 2% der Diabetologen eine Vgl. National Health Information (1999), zitiert in: Bodenheimer, T. (2000), S. 564. Vgl. Gomaa, W. H. / Morrow, T. / Muntendam, P. (2001), S. 586. 974 Vgl. Munroe, W. P. et al. (1997), S. 113. 975 Vgl. Townsend, R. R. / Shulkin, D. J. / Bernard, D. (1999), S. 88. 976 Vgl. Afifi, Abdelmonem A. (2007), S. 6. 977 Vgl. Krause, D. (2005), S. 129. Der Autor weist darauf hin, dass die ökonomischen Veränderungen der Arzneimittelverordnungen in DMPs noch weitgehend unerforscht sind. 978 Vgl. Lauterbach, K. W. / Evers, T. / Stock, S. (2002), S. 1210. 979 Vgl. Kümmel, U. (2002), o. S. 980 Vgl. zu den Ausführungen in diesem und im folgenden Absatz Schulze, J. (2004), S. 543. 972 973
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„hilfreiche Versorgung“981 durch die DMPs. Dagegen sahen 37% der Hausärzte und 54% der Fachärzte eine Verschlechterung der Patientenversorgung durch das DMP Diabetes. 90% der Ärzte kritisierten dabei den zu hohen Dokumentationsaufwand. Als problematisch nannten die Ärzte auch die Doppeldokumentation bei Patienten mit Multimorbidität, die bei gleichzeitiger Einschreibung in zwei Programme (wie z. B. Diabetes mellitus in Verbindung mit KHK) doppelt vorgenommen werden muss. Hier muss zukünftig geklärt werden, wie die Versorgung multimorbider, chronisch kranker Patienten in den bisherigen, an Einzeldiagnosen ausgerichteten DMP integriert werden kann.982 Eine Alternative hierfür würden die in Amerika neu entwickelten Chronic-Care-Modelle bieten, welche sich auf kostenintensive Hochrisikofälle spezialisieren, die dann indikationsübergreifend mit verschiedenen Elementen des Case- und Disease-Managements betreut werden. Außerdem kritisierten die Hausärzte und Diabetologen speziell am DMP Diabetes, dass die anzuwendenden Leitlinien hinter den Leitlinien der Fachgesellschaften zurückblieben.983 Schließlich bestehe ein mögliches Problem in einer Chronifizierung der Versicherten, um sie für eine Einschreibung in Frage kommen zu lassen.984 Dies wäre der Fall, wenn z. B. durch verstärkten (finanziellen) Druck der Kassen oder andere Anreize für die Ärzte ein intensiver Wettbewerb um die Patienten entsteht, der dazu führt, auch potentielle Chroniker in die Programme einzuschreiben.985
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Kostenaspekte von Disease-Management-Programmen
Ein Hauptziel für die Krankenkassen und das Gesundheitsministerium, DiseaseManagement-Programme anzubieten, ist die Reduktion der Behandlungskosten, die vor allem infolge der besseren Versorgung erreicht werden sollen. Aufgrund der kurzfristigen Laufzeit von Disease-Management-Programmen sind die tatsächlichen ökonomischen Auswirkungen noch nicht absehbar. Während einige Studien von Kostensenkungen durch die Maßnahmen des Disease Managements ausgehen, unterstellen andere Quellen einen Kostenanstieg, vor allem infolge der hohen Investitionskosten für die Einführung. Durch eine effizientere und effektivere Behandlung chronisch Kranker über den gesamten Krankheitszyklus hinweg können verbesserte Outcomes und weniger akute Episoden erzielt werden, die dann mit einer Reduktion der Kosten und der Verbesserung der Lebensqualität einhergehen.986 Die positiven finanziellen Folgen der Einführung von Disease Management sind, laut Studien, am stärksten im stationären Be-
Schulze, J. (2004), S. 543. Vgl. im folgenden Kirchner, H. (2005), S. IV/10. 983 Vgl. Rabbata, S. (2004), S. 503. 984 Vgl. Felder, S. (2003), S. 239. 985 Vgl. Felder, S. (2003), S. 239. 986 Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 29; Villagra, Victor G. (2001), S. 22. 981 982
8.5 Kostenaspekte von Disease-Management-Programmen
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reich erkennbar.987 Hier können durch die Verkürzung der Krankenhausaufenthaltsdauer wesentliche Einsparungen erzielt werden, weshalb die meisten (amerikanischen) DMPs vor allem diesen Bereich zum Ziel der Kostenreduktionen haben.988 Mehrere amerikanische Studien haben versucht, die Einsparungen im Krankenhausbereich zu quantifizieren. Der amerikanische HMO-Anbieter Humana konnte über alle Programme unterschiedlichster Indikationen hinweg mithilfe von Disease Management durchschnittlich 850 $ pro eingeschriebenen Patienten einsparen, da die Krankenhauseinweisungen um 60% zurückgingen.989 Bei Diabetes Treatment Centers of America belaufen sich die Einsparungen der Krankheitskosten auf 26% und wurden ebenfalls vorwiegend durch eine Reduktion der Krankenhausaufenthalte erreicht.990 Ein zweiter, wesentlicher Aspekt für mögliche Einsparungen von Krankenkassenausgaben ist die Vermeidung akuter Komplikationen und Notfälle. Diese Einsparungen sind auf ein aktiveres Krankheitsmanagement und eine bessere Patientenversorgung zurückzuführen.991 Ferner ergeben sich Kostenreduktionen – für die Krankenkassen – durch die bessere Versorgung und Einstellung der Patienten. Dieser positive Einfluss konnte durch mehrere internationale Studien belegt werden.992 So wurde ermittelt, dass schlecht eingestellte Diabetes-Patienten jährliche Kosten zwischen 3.400 und 5.600 Euro verursachen, wohin gegen die Gesundheitskosten von gut behandelten Diabetes-Patienten (ohne Komplikationen) jährlich bei 1.700 Euro liegen.993 Bei der Mehrzahl der Studien ist vor allem die Kombination der oben genannten Kosteneinsparungen für die Gesamteinsparung ursächlich. So beziffert das AsthmaProgramm des National Jewish Medical and Research Center seine Einsparungen auf ca. 1 Mio. $ bei vermiedenen Krankenhauseinweisungen, 1 Mio. $ bei ungeplanten Arztbesuchen und mehr als 10 Mio. $ wegen vermiedener Krankenhauseinweisungen aufgrund der durchgeführten Interventionen.994 Das Asthma-Programm von Colorado Medicaid kam nach einer Untersuchung von Tinckelman et al. zu einer Einsparung von 18,4% nach sechs Monaten im Vergleich zur Kontrollgruppe.995 Das Virginia-Health-Outcomes-Project Asthma-DMP konnte die Notfallaufnahmen der DMP-Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe um 6% reduzieren und damit Einsparungen von of 54.540 $ erzielen.996 Das Asthma-Programm von Geisinger Vgl. Giles, T. (1996), S. 33 ff. Vgl. Myers, T. R. / Chatburn, R. L. (2000), S. 70. 989 Vgl. National Health Information (1999) zitiert in: Bodenheimer, T. (2000), S. 564. 990 Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 564. 991 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 282; Lauterbach, K. W. / Evers, T. / Stock, S. (2002), S. 1210. 992 Vgl. z. B. Suh, D. C / Skin, S. K. / Voytovich, R. M. et al. (2000), S. 159 f. 993 Vgl. Rabbata, S. (2004), S. 503. 994 Vgl. o. V. (2003 d), S. 507. 995 Vgl. Tinkelman, D. / Wilson, S. (2004), S. 953. 996 Vgl. Gillespie, J. L. / Rossiter, L. F (20003), S. 355. 987 988
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Health Systems erbrachte eine Reduktion der Kosten von durchschnittlich 298 $ pro Teilnehmer pro Monat auf durchschnittlich 276 $ pro Teilnehmer pro Monat.997 Beim Asthma-Programm von One Health Plan, Denver, konnten, vor allem durch den aktiven Einsatz von Telemedizin und Internet, Einsparungen pro Patient in Höhe von 300 $ erzielt werden.998 Aussagekräftige positive Beurteilungen geben auch die veröffentlichten MetaAnalysen zu Disease-Management-Programmen aus den USA wieder. Krause attestierte in seiner umfassenden Untersuchung den 67 von ihm untersuchten DMPs eine signifikante, wirtschaftiche Effektivität.999 In einer von Gillespie vorgenommenen Meta-Analyse von Studien zu Asthma-DMPs wurde in allen Programmen eine Kosteneffektivität bestätigt, so dass Gillespie zu dem Schluss kommt, dass Disease Management sowohl patientenorientierte Outcomes als auch die Lebensqualität verbessern, wodurch Kosteneinsparungen möglich sind.1000 Obwohl die Mehrzahl der zitierten Studien Programme zu Asthma bronchiale betrifft, konnten auch für COPD-DMPs die Generierung vergleichbarer positiver Auswirkungen bewiesen werden. So ergab eine schwedische Studie eines COPD-DiseaseManagement-Programms, trotz einer Steigerung der Arzneimittelkosten und Hausarztbesuche, eine deutliche Reduktion der Krankenhauseinweisungen und infolge dieser der gesamten Gesundheitskosten.1001 Zu beachten ist, dass eine Reduktion der Kosten nicht mit Gewinn für die Krankenkassen gleichzusetzen ist. So gab z. B. die HMO American Healthways, Nashville, an, dass zwar in den von ihnen angebotenen DMPs eine Reduzierung der Kosten zwischen 12% und 20% im ersten Jahr erreichbar sei, Gewinne jedoch erst nach vier bis fünf Jahren zu erwarten sind.1002 Allerdings sollten die Kostensenkungen, die durch Disease-Management-Programme erreicht werden sollen und können, nicht überschätzt werden. So ermittelte eine amerikanische Studie von Interstudy, dass lediglich 43% der HMOs mit Diabetes-Programmen Kosteneinsparungen erzielen konnten.1003 Bei Asthma-Programmen meldeten nur 27% eine Reduktion der Kosten.1004 Vielfach stellte sich bei amerikanischen DMPs heraus, dass die Kosteneinsparungen wesentlich geringer waren als geplant.1005 Gründe hierfür sind meist in einem inadäquaten Programmdesign oder überzogenen Erwartungen zu finden. Eine schlechte Vorbereitung oder verfrühte Einführung des Programms ist dabei genaus hinderlich wie ein ineffektiver Einsatz z. B. der Dokumentationsbögen.1006 Zu beachten ist auch, dass die KosteneinsparunVgl. Sidorov, J. et al. (2002), S. 13. Vgl. Gomaa, W. H. / Morrow, T. / Muntendam, P. (2001), S. 585. 999 Vgl. Krause, D. S. (2005), S. 114. 1000 Vgl. Gillespie, J. L. (2002), S. 228. 1001 Vgl. Tunsäter, A. / Moutakis, M. / Borg, S. (2006), S. 1. 1002 Vgl. Sipkoff, M. (2003), o. S. 1003 Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 564. 1004 Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 563. 1005 Vgl. Ketner, L. (1999), S. 36. 1006 Vgl. Ketner, L. (1999), S. 36. 997 998
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gen, z. B. durch die Reduktion der Krankenhausaufenthalte, in der Regel nicht kurzfristig zu erzielen sind, sondern zumeist mit gleichzeitigen Investitionen (auch in andere Bereiche) verbunden sind.1007 Schließlich muss auch die wissenschaftliche Aussagekraft einzelner Studien eingeschränkt werden. Bodenheimer weist darauf hin, dass einige der Studien zwar über Verbesserungen der Outcomes berichten, jedoch häufig nicht evidenzbasiert sind.1008 Auch die Signifikanz der Ergebnisse und kausalen Zusammenhänge zwischen DMPs und ihren Auswirkungen ist in einzelnen Fällen nicht gegeben. Auf der anderen Seite muss berücksichtigt werden, dass die Einführung von Disease-Management-Programmen zu einem – zumindest kurz- bis mittelfristigen – Anstieg der Kosten für die Krankenkassen führen kann. Diese Kosten könnten durch die Entwicklung, Durchführung und Auswertung der Programme entstehen. Darüber hinaus können zusätzliche Kosten durch die notwendigen Schulungen und aufgrund der relevanten technischen Ressourcen, die für das Daten- und Outcome Management benötigt werden, anfallen.1009 In Amerika wurde 1999 eine Milliarde Dollar für die Entwicklung und Implementierung von DMPs ausgegeben.1010 Auch in Deutschland ist mit hohen Kosten für die Entwicklung, Implementierung und Verwaltung der Programme zu rechnen. Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenkassen berechnete jährliche Kosten von 160 Euro pro Patient an Verwaltungs- und Dokumentationskosten.1011 Gerst errechnete, dass sich bei einer Einschreibequote von 30% der Versicherten in das DMP Diabetes die jährlichen Kosten der Krankenversicherungen für Verwaltung, Kommunikation, Schulung, Datenmanagement, Dokumentation und Entwicklung auf ca. 150 Euro pro Teilnehmer belaufen.1012 Adomeit et al. bezifferten die steigenden Gesamtkosten durch die Einführung von DMPs auf mehrere Milliarden Euro, die dann lediglich durch den RSA umverteilt würden.1013 Auch die AOK rechnet mit höheren Projektkosten als den gewonnenen Einsparungen bzw. den durch die Umverteilung erzielten Gelder des RSA.1014 Das IGES-Institut kommt schließlich in seinem Gutachten im Auftrag der Techniker Krankenkasse im Jahre 2003 zu dem Urteil, dass den jährlichen Einsparungen von 120 Mio. Euro ein Aufwand in Höhe von 280 Mio. Euro gegenübersteht, weshalb das Kosten-Nutzen-Verhältnis der laufenden DMPs zu Diabetes mellitus Typ 2 ungünstig sei.1015 Eine Aussage, inwieweit die Einsparungen tatsächlich die NeuVgl. Benko, L. B. (2002), S. 30. Vgl. Bodenheimer, T. (2000), S. 565. 1009 Vgl. Velasco-Garrido, M. / Busse, R. / Hisashige, A. (2003), S. 9. 1010 Vgl. Walker, D. R. et al. (2003), S. 56. 1011 Vgl. Rabbata, S. (2004), S. 503. 1012 Vgl. Gerst, T. (2003), S. 495. 1013 Vgl. Adomeit, A. et al. (2002), S. 17. 1014 Vgl. Gerst, T. (2003), S. 495. 1015 Vgl. o. V. (2004 c), o. S. Diese Aussage wurde jedoch z. B. von Raspe et al. aufgrund von wissenschaftlichen und metho-do-lo-gischen Schwächen des Gutachtens kritisiert und angezweifelt. 1007 1008
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8 Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen
kosten für die Programmentwicklung und -durchführung übersteigen, wird wohl erst langfristig, d. h. in ca. fünf bis zehn Jahren möglich sein.1016 Ergebnisse zu den finanziellen Auswirkungen der deutschen Programme sind bisher noch nicht veröffentlicht worden. Aus diesem Grunde können lediglich die Annahmen beschrieben werden, die für die geplanten Programme getroffen wurden. Auch wenn einige Quellen von einem finanziellen Verlust bzw. einem zumindest kurzfristigen Anstieg der Kosten für die Krankenkassen ausgehen, so kam doch die Mehrzahl der Studien zu positiven, langfristigen Auswirkungen und einer Kosteneffektivität von Disease-Management-Programmen. Für die potentiellen Einsparungen durch Einführung aller Disease Management Projekte in Deutschland gab Neuffer ein Einsparvolumen von 15–25% an.1017 Speziell für Asthma-Programme bezifferte er die Einsparungen auf ca. 30%.1018 Auch Szathmary bezifferte die Kosteneinsparungen eines Asthma-DMPs auf ca. 25%.1019 Studien gehen davon aus, dass die Einsparpotentiale bei den Leistungsausgaben infolge von reduzierten Notfallbehandlungen und Reduktion von Krankenhausaufenthalten bei Asthma/COPD und koronaren Herzkrankheiten mit Herzinsuffizienz am größten sein werden.1020 Dabei ist zu beachten, dass Disease Management keine kurzfristige Maßnahme, sondern eine langfristige Umgestaltung der Patientenversorgung ist und auch nur dann zu der angesprochenen Reduzierung der Kosten führen kann.1021 Auch wenn bereits kurzfristig durch den Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung Kosteneinsparungen zu generieren sind,1022 so wird doch der größte Anteil an Einsparungen durch die verbesserte, evidenzbasierte Behandlung in einer langfristigen Reduktion an Komplikationen, Krankenhauseinweisungen und Komorbiditäten zu erzielen sein.1023 Insgesamt betrachtet kann gefolgert werden, dass Disease-Management-Programme voraussichtlich zu mittel- bis langfristige Einsparungen führen können, die auf eine evidenzbasierte Therapie, die Reduktion von Krankenhausweinweisungen und -aufenthalten, die Vermeidung akuter Komplikationen und Notfälle sowie das Hinauszögern von Folgeerkrankungen zurückzuführen sind. Kurzfristig gesehen ist jedoch mit Investitionskosten für die Implementierung und Verwaltung der Programme zu rechnen. Der tatsächliche finanzielle Erfolg wird jedoch deutlich von der Ausgestaltung der Programme abhängen und vermutlich nicht die von der Politik gewünschte Kostenreduktion erreichen.1024 Vgl. Hreben, J. J (1996), S. 1421. Vgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 52. 1018 Vgl. Neuffer, A. B. (1996), S. 61. 1019 Vgl. Szathmary, B. (1999), S. 173. 1020 Vgl. Adomeit, A. et al. (2002), S. 19. 1021 Vgl. Lauterbach, K. W. / Evers, T. / Stock, S. (2002), S. 1211. 1022 Vgl. Lauterbach, K. W. (2001), S. 9. 1023 Vgl. Kirchgeorg, M. / Endres, S. (2001), S. 441. 1024 Vgl. Fischer, T. / Lichte, T. / Popert, U. (2005), S. 16. 1016 1017
8.6 Sonstige Auswirkungen
8.6
203
Sonstige Auswirkungen
Bei Kindern trägt die chronische Krankheit zu einer erhöhten Anzahl an Schulfehltagen bei, die mit einem Versäumen des Unterrichtsstoffes und damit einer Benachteiligung in der Ausbildung einhergehen.1025 Darüber hinaus folgt den Fehltagen häufig eine soziale Benachteiligung, da der Kontakt zu gleichaltrigen Klassenkameraden schwerer möglich ist. Die Zahl der Fehltage in Kindergarten, Schule oder Beruf der Eltern ist ein anerkanntes Kriterium zur Messung des Erfolgs oder Misserfolgs einer Maßnahme oder eines Maßnahmenpaketes.1026 In Amerika kommt es jährlich bei Kindern und Jugendlichen zu krankheitsbedingten Fehltagen in der Schule zwischen 20 und 25%, die ausschließlich auf Asthma zurückzuführen sind.1027 Dies führt insgesamt in Amerika zu geschätzten 14 Mio. Schulfehltagen pro Jahr. In amerikanischen Studien konnten für zahlreiche DMPs die positiven Auswirkungen auf die Anwesenheit von Kindern in der Schule und die Reduktion der Fehltage bestätigt werden. Beispielsweise wurden durch die Einführung des Asthma-Programms von Matria Healthcare Inc. die Zahl der Schulfehltage innerhalb eines halben Jahres um 36% gesenkt.1028 Das Asthma-Programm des National Jewish Medical and Research Centers beim HMO „Ucare Minnesota“ erreichte eine Reduktion von 61% der Schulfehltage bei den eingeschriebenen Kindern.1029 Angaben zu möglichen Auswirkungen in Deutschland liegen hierfür nicht vor.1030 Die krankheitsbedingten Folgen eines schlecht gemanagten Asthma und COPD sind auch für die Arbeitgeber spürbar, da an Asthma und COPD erkrankte Patienten zu einer großen Anzahl von Fehltagen bis hin zu Arbeitsunfähigkeit führen. Die Kosten für Arbeitsunfähigkeit beliefen sich in Deutschland im Jahr 2002 auf 3,8 Mrd. Euro. Speziell für Asthma entstanden 2002 Gesamtkosten aufgrund von Arbeitsunfähigkeit in Höhe von 208,3 Mio. und infolge von vorzeitigen Rentenfällen von 155,8 Mio. Euro.1031 Ein weiterer, wichtiger volkswirtschaftlicher Faktor besteht in den Fehlzeiten für Arbeitnehmer, die wegen der Betreuung ihrer asthmatischen Kinder nicht am Arbeitsplatz erscheinen können.1032 Ziel von DMPs ist es folglich, krankheitsbedingte Arbeitsausfälle zu reduzieren. Auch hierfür konnten einige amerikanische Studien die Effektivität von DMPs bestätigen.1033 So wurde durch die Einführung des Asthma-Programms von Matria Healthcare Inc. die Zahl der Arbeitsfehltage von Erwachsenen um 42% und von Eltern und Erziehungsberechtigten, die ihre kranken Kinder betreuen müssen, um 89% reduVgl. Schudt, J. (2005), S. 103. Vgl. Prittwitz, M. et al. (1992), S. A183. 1027 Vgl. Reece, R. L. (2005), o. S. 1028 Vgl. o. V. (2003 b), S. 503. 1029 Vgl. o. V. (2003 d), S. 507. 1030 Vgl. Schudt, J. (2005), S. 103. 1031 Vgl. Fabel, H. / Konietzko, N. (2005), S. 9 und 14. 1032 Vgl. Schudt, J. (2005), S. 103. 1033 Vgl. Parciak, T. J. / Hyland, D. / Bhatt, N. V. (1999), S. 29. 1025 1026
204
8 Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen
ziert.1034 Beim Asthma-Programm des HMO Ucare Minnesota konnte eine Reduktion der Fehltage von Eltern und Erziehungsberechtigten um 75% bereits innerhalb der ersten sechs Monate erreicht werden.1035 Mit Hilfe des Asthma-Programms von Geisinger Health Systems konnte innerhalb von sechs Monaten die Anzahl an Fehltagen infolge von Asthma von durchschnittlich 3,2 (n = 432) Tagen auf 1,1 Tage (n = 134) vermindert werden.1036 Das Asthma-Programm von Medco Health Solutions, New Jersey, konnte schließlich eine Reduktion der Fehltage um 46% erreichen.1037 Das aktive Krankheits- und Selbstmanagement und damit die verstärkte Integration des chronisch kranken Patienten ist ein wesentliches Element der Asthma- und COPD-Programmen, um finanzielle, patientenorientierte und medizinische Auswirkungen zu erzielen.1038 Mittels Schulungen werden die Patienten trainiert, ihre Krankheit zu verstehen und potentielle Notfälle im Vorfeld zu vermeiden. Dies hat auch Einfluss auf die Compliance bei der Einhaltung der verordneten medikamentösen Therapie. Eine deutliche und signifikante Anhebung des Asthma-Selbstmanagements der eingeschriebenen Patienten konnte im Programm von One Health Plan, Denver, erzielt werden. Hier stieg die Zahl der Patienten mit privat genutztem Peakflow-Meter von 40% auf 78% nach drei Monaten an.1039 Eine weitere, signifikante Verbesserung des Managements von Asthma ergab sich im Programm von Medco Health Solutions, New Jersey. Der Anteil der Patienten, die aufgrund des Programms mit Krankheitsmanagement begonnen hatten, belief sich auf 20,7% im Vergleich zu 18,1% bei der Kontrollgruppe ohne Asthma-Disease-Management.1040 Darüber hinaus konnte eine signifikante Steigerung der Anzahl an Patienten mit einem Krankheits-Management-Plan erreicht werden. Ferner stieg der Anteil an Patienten mit Kenntnis über die eigenen Lungenfunktionswerte signifikant an. In Deutschland konnten bereits vor der Einführung von Disease Management positive Erfahrungen mit Schulungsprogrammen für Asthmatiker erzielt werden. • Das Asthma-Behandlungs- und Schulungsprogramm (ABUS), das seit 1985 im Raum Düsseldorf bei erwachsenen Asthmatikern angewendet wird, konnte eine Verminderung der Asthmaanfälle um 77% im ersten Jahr und um 79% im zweiten und dritten Jahr nach Teilnahme herbeiführen. Die Hospitalisierungsrate konnte von 42% auf 20% im ersten Jahr und auf 8% im dritten und vierten Jahr nach der Schulung gesenkt werden. Darüber hinaus konnten die patientenbezogenen Kosten im Vergleich zu ungeschulten Patienten um ca. 500 Euro im ersten Jahr und um 3.250 Euro im zweiten Jahr gesenkt werden.1041 Vgl. o. V. (2003 b), S. 503. Vgl. o. V. (2003 d), S. 507. 1036 Vgl. Sidorov, J. et al. (2002), S. 13. 1037 Vgl. Feifer, R. A. et al. (2004), S. 93. 1038 Vgl. Welch, P. et al. (2002), S. 356. 1039 Vgl. Gomaa, W. H. / Morrow, T. / Muntendam, P. (2001), S. 583. 1040 Vgl. zu den folgenden Ausführungen in diesem Absatz Feifer, R. A. et al. (2004), S. 93 und 99. 1041 Vgl. zu diesem und den folgenden beiden Punkten Schommer, R. / Ewe, G. / Lohner, K. (2002), S. 1735. 1034 1035
8.7 Die Gesamtauswirkungen von Disese Management
205
• Im Fürther Asthma-Schulungsprogramm (AFAS) konnte ein Gesamt-Netto-Nutzen von circa 1.090 Euro binnen sechs Monaten nach Schulung erzielt werden. • Das seit 1997 betriebene Asthma-Programm der Vereinten Krankenversicherung AG in Zusammenarbeit mit der Innovacare GmbH zeigte eine Verbesserung der Compliance, der subjektiven Lebensqualität und der Patientenzufriedenheit. Darüber hinaus haben Disease-Management-Programme – infolge der formalen Einbindung der Patienten – einen positiven Einfluss auf die Patienten-Compliance.1042 Einer amerikanischen Studie zufolge kann die Compliance nochmals durch eine Internetbasierung des Programms verbessert werden.1043 Dies rührt daher, dass das Internet-Programm den Patienten den Umgang mit der Krankheit wesentlich erleichtert.1044 Ein intensiveres Selbstmanagement wirkt sich somit positiv auf die Lebensqualität der Patienten und ihrer Familien, aber auch auf die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung aus.
8.7
Die Gesamtauswirkungen von Disease Management
In der DM-Literatur existiert eine Vielzahl von umfassenden Analysen bzw. MetaAnalysen, die nicht nur einzelne medizinische, patientenorientierte oder ökonomische Gesichtspunkte betrachten, sondern die gesamten Auswirkungen von DM-Programmen untersuchen. Eine Studie von McAlister et al. zeigte, dass Disease-Management-Programme einen positiven Einfluss auf den Behandlungsprozess, speziell auf die leitlinienbasierte Verordnung und die Nutzung von Risikoprofilen, bei Patienten mit Herzkrankheiten haben.1045 Darüber hinaus konnte – im Vergleich zu Patienten ohne DMP-Interventionen – die Zahl der Krankenhauseinweisungen signifikant reduziert sowie die Lebensqualität und mehrere klinische Indikatoren verbessert werden. Eine weitere umfassende Meta-Analyse von Ofman et al. bestätigte ebenfalls die Effektivität von DMPs und kommt nach Untersuchung von 102 Studien zu elf Indikationen zu dem Ergebnis, dass • • • • • •
bei 71% der Programme die Patientenzufriedenheit, bei 16% die Lebensqualität, bei 45% die Krankheitsbekämpfung, bei 40% die Leitlinienkonformität der Ärzte, bei 29% die Morbidität, bei 20% die körperliche Verfassung,
Vgl. Gerst, T. / Korzilius, H. (2005), S. 2904; Lenz, C. F. W. / Waller, T. / Brucksch, M. M. (2001), S. A2242. 1043 Vgl. Lenz, C. F. W. / Waller, T. / Brucksch, M. M. (2001), S. A2242. 1044 Vgl. Lenz, C. F. W. / Waller, T. / Brucksch, M. M. (2001), S. A2242. 1045 Vgl. zu den folgenden Ausführungen in diesem Absatz McAlister, F. A. et al. (2001), S. 960 f. 1042
206
8 Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen
• bei 24% die Mortalität signifikant verbessert, und • bei 11% der DMPs die Notfallaufnahmen und Krankenhauseinweisungen und • bei 14% die Kosten signifikant reduziert werden konnten.1046 Durch die Studie wird deutlich, dass die möglichen Verbesserungen von DMPs vor allem im medizinischen, prozessualen und patientenorientierten Bereich zu finden sind, weniger jedoch auf der Kostenseite. In einer von Gillespie vorgenommenen Meta-Analyse von Studien zu Asthma-DMPs konnte bei 83% der Studien eine Reduktion der Krankenhausaufenthalte, bei 77% eine signifikante Kürzung der Krankenhauseinweisungen und bei 85% der Studien eine signifikante Reduktion der Arztbesuche infolge der durchgeführten Interventionen festgestellt werden.1047 Positive Veränderungen konnten auch bei 88% der Studien in Bezug auf Schulfehltage festgestellt werden.1048 72% der Studien berichteten über eine Verbesserung der Lebensqualität. Weingarten et al. haben in einer umfangreichen Meta-Analyse auf Basis von 55 Studien zu unterschiedlichen Krankheitsbildern die Effektivität einzelner Elemente des Disease Managements untersucht.1049 Die Untersuchung ergab, dass bei 44,6% der Programme mit Patientenschulung, 37,5% der Programme mit Patientenremindern und 75% der Programme mit finanziellen Incentives eine Effektivität der Maßnahmen auf die Krankheitsbekämpfung bestätigt werden konnte.1050 Ähnlich positive Ergebnisse konnte im Hinblick auf die Programme mit arztgerichteten Elementen ermittelt werden. Hier ergab die Studie, dass bei 38% der Programme mit Arztschulungen, 39% der DMPs mit Feedback-Elementen und 42,9% der DMPs mit Einsatz von Erinnerungssystemen die Krankheitsversorgung signifikant verbessert wurde.1051 Eine Studie von Fischer et al. bestätigte den positiven Einfluss von DM-Elementen auf die Leitlinienkonformität.1052 Darüber hinaus stellten die Autoren fest, dass die Effekte der Programme umso größer waren, je stärker finanzielle Anreize für die Patienten gegeben und Spezialisten in das Programm eingebunden waren.1053 Schließlich ermittelte eine Studie der WHO, dass für die Mehrzahl aller evaluierten DMPs der Einfluss der Programme auf die Verbesserung des Managements und der Bekämpfung der chronischen Krankheiten sowie auf die Leitlinieneinhaltung durch die Ärzte bewiesen ist.1054 Bisher besteht jedoch keine Evidenz, dass DiseaseVgl. Ofman, J. J. et al. (2004), S. 188. Vgl. Gillespie, J. L. (2002), S. 228. Dabei ist zu beachten, dass sich die Angaben jeweils auf eine unterschiedlich große Anzahl von Studien beziehen, da nicht alle Studien über die oben beschriebenen Indikatoren berichten. 1048 Vgl. Gillespie, J. L. (2002), S. 228. 1049 Vgl. Weingarten, S. R. et al. (2002), S. 925. 1050 Vgl. Weingarten, S. R. et al. (2002), S. 929. 1051 Vgl. Weingarten, S. R. et al. (2002), S. 928. 1052 Vgl. Fischer, T. / Lichte, T. / Popert, U. (2003), S. 545. 1053 Vgl. Fischer, T. / Lichte, T. / Popert, U. (2003), S. 545. 1054 Vgl. Velasco-Garrido, M. / Busse, R. / Hisashige, A. (2003), S. 11. 1046 1047
8.8 Auswirkungen durch die Verbindung von Disease Management und RSA
207
Management-Programme einen signifikanten Einfluss auf die Reduktion der Mortalität oder die Verbesserung der Versorgungsqualität haben.1055 Neuere Meta-Analysen z. B. von Roccaforte et al. gelangen jedoch zu einem signifikanten Einfluss von DMPs sowohl auf die Mortalität als auch auf die Verbesserung der Versorgungsqualität.1056 Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass der positive Einfluß der Disease-Management-Programme auf die Effizienz und Effektivität der Versorgung chronisch kranker Patienten bestätigt ist. Folglich kann damit gerechnet werden, dass auch in Deutschland durch die Programme die gewünschten positiven Effekte in der Versorgung der Chroniker erzielt werden können. Die Größen der medizinischen, patientenorientierten und ökonomischen Auswirkungen unterscheiden sich jedoch in den einzelnen Programmen und Studien sehr stark, so dass hier kein Rückschluß auf das deutsche System vorgenommen werden kann.
8.8
Auswirkungen durch die Verbindung von Disease Management und RSA
Mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs wurde eine untrennbare Verbindung zwischen DMP und RSA geschaffen. Das Gesetz bestimmte, dass Kassen zusätzliche Mittel aus dem RSA erhalten, wenn ihre chronisch kranken Versicherten in zugelassenen Disease-Management-Programmen eingeschrieben sind. Die Verbindung von Disease Management und RSA schafft bei den Kassen sowohl positive als auch negative Anreize.1057 Als ein positiver Anreiz ist zu werten, dass die RSA-Reform die Kassen motiviert, stärker als bisher in die Verbesserung der Versorgungsqualität zu investieren und Vorsorge- und Behandlungsprogramme für chronisch Kranke anzubieten.1058 Die Reform des RSA wirkt damit auch den bisherigen Anreizen zur Risikoselektion entgegen. Ferner ermöglicht die Berücksichtigung der Leistungsausgaben für die eingeschriebenen Kranken eine Konsolidierung der Finanzsituation der Krankenkassen und verringert damit die Beitragssatzunterschiede zwischen den Kassen. Zugleich birgt die Verknüpfung von DMP und RSA auch negative Anreize und Auswirkungen. Rosenbrock/Gerlinger weisen darauf hin, dass sich Probleme daraus ergeben können, dass nun „nicht mehr wie bisher nur objektiv zuschreibbare Eigenschaften der Versicherten (Einkommen, Alter, Geschlecht, Anzahl der beitragsfrei Mitversicherten, Bezug einer Erwerbsminderungsrente) Eingang in den Finanzausgleich finden“1059, sondern auch Verhaltensaspekte, wodurch bei den Krankenkassen Manipulationsmöglichkeiten entstehen könnten. Vgl. Velasco-Garrido, M. / Busse, R. / Hisashige, A. (2003), S. 11. Vgl. Roccaforte, R. et al. (2005), 1133. 1057 Vgl. Wille, E. (2004), S. 6. 1058 Vgl. zu den folgenden Ausführungen in diesem Absatz Rosenbrock, R. / Gerlinger, T. (2004), S. 239. 1059 Rosenbrock, R. / Gerlinger, T. (2004), S. 240. 1055 1056
208
8 Potentielle Auswirkungen von Disease Management auf das deutsche Gesundheitswesen
Für die Krankenkassen besteht nun mehr der Anreiz, möglichst viele Versicherte in die strukturierten Behandlungsprogramme zu integrieren.1060 Ein Anreiz zum Angebot von qualitativ hochwertigen und effektiven Programmen ist damit nicht zwingend verbunden. Stattdessen besteht eher eine Tendenz, die Qualität der Programme zugunsten hoher Einnahmen durch eine große Zahl Eingeschriebener zu reduzieren.1061 Damit würden, wie Wille kritisiert, die DMPs „zu einem Einschreibewettbewerb auf niedrigstem Qualitätsniveau“1062 führen. Ein weiterer mangelhafter Anreiz kann in der Manifestierung ineffizienter Strukturen in der GKV liegen. Da die Erweiterung des RSA-Transfers nicht auf Effizienzkritieren, sondern lediglich auf der Einschreibung von Chronikern in zugelassene Programme basiert, kann dies zu einer Bestandssicherung ineffizienter Krankenkassen führen, wodurch Effizienzunterschiede ausgeglichen und langfristig zementiert würden. Ferner kann das gemeinsame Interesse von Ärzten und Krankenkassen, möglichst viele Chroniker in die Programme einzubinden, dazu führen, dass Manipulationen bei den Patienten und ihren Daten erfolgen.1063 So könnte es vorkommen, dass Patienten trotz mangelhafter Teilnahmekriterien nicht aus den Programmen ausgeschlossen werden. Fraglich ist außerdem, inwieweit die bei der Einführung von RSA und DMP geplante Nutzung von Wirtschaftlichkeitspotentialen tatsächlich realisiert werden kann. Tatsache ist, dass sich die Programme nur an einen Teil der Versicherten – die Chroniker – richten und in dieser Versichertengruppe wiederum nur eine begrenzte Anzahl von Personen einschreibewillig sein wird.1064 Damit wird ein großer Teil der Gesundheitsausgaben und auch Umverteilungsgelder unberührt bleiben. Des Weiteren wird nur ein begrenzter Anteil von Versicherten in den Umverteilungsmechanismus einbezogen. Dies rührt daher, dass der DMP-induzierte RSA-Transfer nur zwischen Versicherten einer Altersgruppe erfolgt. Da jedoch speziell in den Betriebskrankenkassen und Krankenkassen mit niedrigen Beitragssätzen der Versichertenanteil älterer Jahrgänge gering ist, werden diese Versichertengruppen wohl nicht in die Umverteilung mit einbezogen werden.
8.9
Grenzen und Hindernisse von Disease Management
Trotz der beschriebenen positiven Auswirkungen stößt der Einsatz von DiseaseManagement-Programmen an seine Grenzen. Dabei können drei Arten von Grenzen unterschieden werden.1065 Zum einen können Systembarrieren den Erfolg
Vgl. Scherenberg, V. (2003), S. 20. Vgl. Gerst, T. / Korzilius, H. (2005), S. 2906. 1062 Wille, E. (2004), S. 6. 1063 Vgl. zu den Ausführungen Wille, E. (2004), S. 6. 1064 Vgl. zum Folgenden Rosenbrock, R. / Gerlinger, T. (2004), S. 240. 1065 Vgl. Barr, C. E. / Bouwman, D. L. / Lobeck, F. (1997), S. 143. 1060 1061
8.9 Grenzen und Hindernisse von Disease Management
209
von Disease-Management-Programmen einschränken. Systembarrieren hängen in der Regel mit einer mangelhaften Umsetzung des Programms oder mit Einschränkungen der Krankenkassen zusammen. Hier sind bspw. mangelnde Vergütung von Schulungen oder erbrachten Beratungsleistungen zu nennen. Auch ein überproportionaler bürokratischer Aufwand bei der Dokumentation kann eine Systembarriere darstellen. Ein wesentliches Hindernis kann auch in Leitlinien liegen, die nicht für die Anwendung bei multimorbiden Patienten ausgelegt sind.1066 Dabei kann es u. U. zu gefährdenden Auswirkungen für multimorbide Patienten kommen. Eine weitere Art von Hindernissen stellen Barrieren auf Seiten der Leistungserbringer dar.1067 Hierbei handelt es sich um Aspekte, welche die Umsetzung der evidenzbasierten Leitlinien und einer verbesserten Patientenversorgung behindern. Zu nennen ist hier bspw. ein Mangel an verfügbarer Beratungszeit für den Patienten, fehlende Unterstützung bei der Stratifizierung der Patienten oder falsche Anreize. Hindernisse auf Patientenseite stellen in der Regel ein Fehlen an Compliance dar. Diese können z. B. in Unwissenheit, Missverständnissen oder fehlender Motivation, an dem Programm teilzunehmen, liegen. Auch eine Abneigung gegenüber Schulungen und Selbstmanagement kann ein wesentliches Hindernis bei der Umsetzung von Disease-Management-Programmen sein. Hier ist zu beachten, dass DMPs nicht bei allen Patienten anzuwenden sind und nur bei einem Teil der Patienten zu verbesserten Auswirkungen führen können.1068
Vgl. Lauterbach, K. W. (1997), S. 173. Vgl. Barr, C. E. / Bouwman, D. L. / Lobeck, F. (1997), S. 143. 1068 Vgl. Adomeit, A. et al. (2002), S. 17. 1066 1067
9
Zusammenfassung und Ausblick
9.1
Zusammenfassung
Der SVR Gesundheit hat in seinem Gutachten im Jahre 2001 eine Über-, Unter- und Fehlversorgung speziell in der Behandlung chronisch Kranker festgestellt und eine „Neuorientierung der Versorgung“ gefordert. Dabei schlug der Rat als kurzfristige Maßnahme die Einführung von Disease-Management-Programmen vor, die – unter der Voraussetzung eines Leitlinieneinsatzes und stärkerer Kooperation der Leistungserbringer – zumindest den partiellen Abbau der Versorgungsprobleme bewirken könnten. Neben den vom SVR Gesundheit aufgezeigten Problemen der Über-, Unterund Fehlversorgung wurde in der Arbeit auch auf die strukturellen und prozessualen Probleme, die fehlenden Qualitäts- und Effizienzansätze und die mangelnden Anreiz- und Sanktionssysteme im deutschen Gesundheitswesen vor Einführung der strukturierten Behandlungsprogramme hingewiesen. Disease Management wurde in der vorliegenden Arbeit als ein systematischer, standardisierter und evidenzbasierter Ansatz bezeichnet, der Patientenpopulationen mit einer bestimmten chronischen Krankheit, unter Verwendung verschiedener Elemente, wie z. B. Leitlinien, Selbstmanagement, Schulungen sowie kontinuierlicher Ergebnisevaluation, über den gesamten Krankheitsverlauf sektorübergreifend versorgt. Dieses Versorgungsmodell wurde im Dezember 2001 gesetzlich in Form der strukturierten Behandlungsprogramme in das Gesundheitssystem in Deutschland aufgenommen und bildet seither einen elementaren Bestandteil in der Versorgung von Chronikern. Im Rahmen dieser Arbeit wurde zum einen versucht, die relevanten Erfolgsfaktoren von Disease-Management-Programmen zu ermitteln. Neben der Wahl der Indikation stellen die Einbindung aller Beteiligten, d. h. der Ärzte und Patienten, und der Einsatz von Anreizssystemen wesentliche Erfolgsfaktoren dar. Für ein erfolgreiches Disease-Management-Programm sind darüber hinaus ein systematisches Qualitätsund Outcome Management relevant. Hierfür stellen vor allem Qualitätszirkel, Leitlinien, kontinuierliches Monitoring und Datenaustausch notwendige Elemente dar. Ferner ist auf die Kooperation aller Beteiligten und den Einsatz von Projekt- und Schnittstellenmanagement durch einen Disease-Management-Koordinator bzw. durch die Krankenkassen zu achten, wodurch auch der relevante Aspekt der Kooperation als Schlüsselfaktor nochmals untermauert wird. Schließlich bedarf es für den Erfolg eines systematischen Knowledge Managements, um für alle Beteiligten das notwendige Wissen bereitstellen zu können. Anhand der empirischen Evaluation des Projekts „Atemwegserkrankungen“ in der Region Mannheim konnte der positive Einfluss von Disease-Management-Elementen auf die Versorgung von Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen nachgewiesen werden. Die Untersuchung der eingesetzten Elemente und vertraglichen Eckpunkte ergab, dass es sich bei dem vorliegenden Projekt zwar um ein Disease-Management-Programm im allgemeinen Sinn handelt, das Projekt jedoch aufgrund der vertraglichen Bindung an den § 140 a SGB V anstelle des § 137 f, g
212
9 Zussammenfassung und Ausblick
SGB V kein strukturiertes Behandlungsprogramm darstellt. Dennoch konnten vielfältige Erkenntnisse gewonnen werden: Zum einen wurde aufgezeigt, dass sich unter Einsatz von Patientenschulungen, Qualitätszirkeln, evidenzbasierten Guidelines und weiteren Qualitätsmanagementelementen die Lungenfunktionswerte verbesserten sowie die Zahl der Krankenhausaufenthalte und Notfälle verringerte. Auch innerhalb der Schweregrade fanden positive Verschiebungen statt. Zum anderen kam es im Projektverlauf zu einer Reduktion der Kosten infolge von reduzierten Krankenhauseinweisungen und Arbeitsausfallzeiten. Neben den positiven Ergebnissen wurden jedoch auch Schwachstellen im Projekt aufgedeckt. Die gewünschte Einhaltung der Behandlungskorridore konnte lediglich bei einem Teil der Patienten festgestellt werden. Ferner fanden sich im Projekt eine Vielzahl von Patienten, die – entgegen den Projektrahmenbedingungen – ohne jeden Kontakt zum Pneumologen eingeschrieben waren. Bei den medikamentösen Verordnungen wurden, trotz einiger Abweichungen von den Leitlinien, deutliche Verbesserungen zugunsten einer Leitlinienkonformität erkannt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Projekt „Atemwegserkrankungen“ bei Asthmatikern und COPD-Kranken zu Einsparungen und zu klinischen Verbesserungen der Patienten führte. Neben der empirischen Untersuchung der Auswirkungen im Rahmen des Projekts „Atemwegserkrankungen“ wurden darüber hinaus die möglichen Auswirkungen der Einführung der strukturierten Behandlungsprogramme in Deutschland untersucht. Hier wurde deutlich, dass Disease-Management-Programme zu einer Reduktion an Krankenhausaufenthalten und einem systematischen, leitlinienorientierten Einsatz von Arzneimitteln beitragen, dass sie die Effektivität und Effizienz der Versorgung verbessern und damit zu einem Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung führen. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die Programme die Qualitätssicherung in der Versorgung stärken. Ferner können auch auf Seiten der Patienten die Programme zu einer Verbesserung der Selbstmanagementfähigkeiten und einer Steigerung der Lebensqualität beitragen. Inwieweit es zu einer Vermeidung und Verringerung von Komplikationen und Begleitkrankheiten kommen wird, kann wohl erst in einigen Jahren auf Basis von Langzeitbeobachtungen festgestellt werden. Auch zu der gewünschten finanziellen Entlastung der Krankenkassen sind – gerade im Hinblick auf den kurzfristigen Anstieg der Kosten infolge der Planung und Einführung der Programme – derzeit noch keine abschließenden Aussagen möglich.
9.2
Ausblick
Die kontinuierlich wachsende Zahl chronisch kranker Patienten wird in Zukunft noch stärker als bisher eine auf den Patienten ausgerichtete Leistungserbringung verlangen, die die Krankheit in den Mittelpunkt eines systematischen und übergreifenden Prozesses stellt. Dennoch sollte eine Optimierung der Versorgung nicht bei der Gruppe der chronisch Kranken stehen bleiben, sondern sich auf alle Patienten beziehen. Unter der Voraussetzung, dass in den kommenden Gesundheitsreformen keine Abschaffung der Programme geplant wird, werden sich Disease-Management-Program-
9.2 Ausblick
213
me auch in Deutschland als fester Bestandteil der Regelversorgung etablieren. Schaut man nach Amerika, so hat dort mittlererweile die zweite Generation der Programme begonnen. Im amerikanischen DM-Markt können folgende Trends ausgemacht werden: • Das Angebot an Disease-Management-Programmen ist deutlich erweitert und geht über den Bereich der reinen chronischen Volkskrankheiten hinaus. Es werden Programme für kostenintensive Krankheiten wie Übergewicht und sogenannte PreSick-Programs angeboten, welche die Prävention in den Mittelpunkt stellen. Einige Kassen bieten DMPs für bis zu 120 Krankheiten an und haben ihr Angebot auch auf seltene Krankheiten mit hohen Kosten wie z. B. Lupus oder Sichelzellenanämie erweitert. Außerdem sind die Programme in den jeweiligen Sprachen der Bevölkerungsgruppen erhältlich, für die sie bestimmt sind. • Der Betrieb der Mehrzahl der Programme wurde von den Krankenkassen an externe Anbieter outgesourct. • Infolge der starken Nachfragermacht ist die Bedeutung der Zertifizierung in den USA deutlich gestiegen und beinhaltet auch Aspekte der Effizienz und Effektivität der Programme. Darüber hinaus wurde durch eine Vielzahl neuer Verordnungen eine weitgehende Standardisierung der Programme erreicht. • Die Evaluation und anschließende Veröffentlichung von erfolgreichen, statistisch validierten Ergebnissen ist in den USA von großer Bedeutung. Derzeit wird an landesweiten Standards für die Evaluation von DMPs gearbeitet, um eine Vergleichbarkeit der Auswirkungen einzelner Programme zu ermöglichen. • Der Anteil der Programme mit finanziellen Anreizen für Patienten, durch die sie zum Einschreiben und zur Teilnahme an den Programmen motiviert werden sollen, ist deutlich gestiegen, nachdem Untersuchungen zeigten, dass bei Programmen mit finanziellen Anreizen die Einschreibequote bei 50–90% liegt im Vergleich zu Programmen ohne finanziellen Vorteil für die Patienten (14–20%). Die Zukunft der deutschen Disease-Management-Programme bleibt abzuwarten. Aufgrund ihres nachgewiesenen Einflusses auf die Effizienz und Effektivität der Versorgung sollte der Einsatz von DMPs in Deutschland auch für weitere Indikationen gefördert werden. Allerdings sollten dann in bestimmten Bereichen die angesprochenen Anpassungen vorgenommen werden.
Anhang Anhang 1: Ersterhebungsbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Anhang 2: Verlaufsbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Anhang 3: Fragebogen zur Ärztebefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Anhang 4: Flusschart für Asthma bronchiale des Folgeprojektes . . . . . . . . . . . . 220 Anhang 5: Flusschart für COPD des Folgeprojektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
216 Anhang 1: Ersterhebungsbogen
Anhang
Anhang
Anhang 2: Listenerhebungsbogen
217
218
Anhang
Anhang 3: Listenerhebungsbogen 1. Ihre berufliche Qualifikation: 䊊
Niedergelassener Allgemeinarzt, Internist, Hausarzt
䊊
Facharzt
Zunächst möchten wir Ihnen einige allgemeine Fragen zu Ihrer Zufriedenheit mit dem Programm „Atemwegserkrankungen“ stellen. Bitte stufen Sie Ihre Zufriedenheit anhand des Schulnotenprinzips ein (1 = sehr zufrieden 6 = sehr unzufrieden). Mit den Noten dazwischen können Sie den Grad Ihrer Zustimmung bestimmen.
2. Wie zufrieden waren Sie mit den folgenden Komponenten in Bezug auf das Programm „Atemwegserkrankungen“?
Sehr zufrieden 1
2
3
4
5
6
2.1 Organisatorische Betreuung im Programm
䊊
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䊊
䊊
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2.2 Informationen über Neuerungen / Veränderungen
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2.3 Informationen über Inhalte, Ziele und Ablauf des Programms
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2.4 Wissenschaftliche Begleitung
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2.5 Fachliche Inhalte der Qualitätszirkel
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2.6 Organisation und Ablauf der Qualitätszirkel
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2.7 Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Fachärzten im Programm
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2.8 Wie zufrieden waren Sie insgesamt mit dem Programm?
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Sehr unzufrieden
3. Im folgenden Abschnitt möchten wir Sie um Ihre Einschätzung zu einigen Statements bitten Stimme voll zu
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3.2 Ich hatte Probleme, Patienten von den Vorteilen des Programmes zu überzeugen.
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3.3 Bei der Vielzahl an Projekten ist jedes weitere zu viel.
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3.4 Der Aufwand im Projekt war sehr gut vergütet.
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3.5 Die Organisation der Qualitätszirkel war sehr gut.
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3.6 Auf die Fragebögen bekam ich zu langsames Feedback.
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3.7 Es fiel mir schwer, Patienten über die ganze Zeit des Programmes zum Weitermachen zu bewegen.
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3.8 Mir persönlich hat das Programm viel gebracht.
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3.9 Von den Fachärzten / Hausärzten (jeweils Passendes auswählen) hätte ich mir mehr Kommunikation und Rückmeldung zu den Patienten gewünscht.
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3.10 Der Erhebungsbogen war zu lang.
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3.11 Der esellschaftliche Nutzen des Programmes ist nicht sehr groß.
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3.12 Die fehlende Aussicht auf Verlängerung des Programmes fand ich demotivierend.
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3.13 Die mangelnde Koordination mit den Fachärzten / Hausärzten (jeweils Passendes auswählen) hat mich im Programm gestört.
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3.14 Manchnmal wurde ich mit Faxen zum Programm überschwemmt.
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3.15 Die Ziele des Programmes ware mir nicht klar.
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3.16 Der Fragebogenversand verlief sehr schleppend.
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3.17 Ich fand es schwierig, den Patienten die Ziele des Programmes zu erläutern.
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3.1 Die Einbindung in das Programm sollte für alle Beteiligten strenger und und verbindlicher sein.
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Anhang
Stimme voll zu
Lehne voll ab
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3.18 Die Auswertungen der Erhebungsbögen waren zu wissenschaftlich, um einen Nutzen daraus zu ziehen.
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3.19 Der Aufwand im Programm war mir zu hoch
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3.20 Die Mitarbeit im Programm hat mir viel Spass gemacht.
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3.21 Ich hatte immer Angst, dass die Patienten von den Fachärzten / Hausärzten (jeweils Passendes auswählen) nicht (mehr zurück) überwiesen werden.
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3.22 Die Erhebungsintervalle für die Fragebögen waren zu häufig.
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3.23 Ich hätte mir mehr Informationsmaterial zum Programm gewünscht.
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3.24 Ich hatte Schwierigkeiten, den Patienten den persönlichen Benefit zu verdeutlichen.
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3.25 Die Qualitätszirkel fand ich inhaltlich wenig informativ.
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3.26 Die Erhebungsbögen hätten, z. B. schriftlich, besser erläutert werden sollen.
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4. Im folgenden möchten wir Sie noch um Ihre Verbesserungsvorschläge für das Programm bitten. Sollte Ihnen zu einem der Aspekte mehr einfallen, als Platz zur Verfügung steht, möchten wir Sie bitten, dies zusammen mit der entsprechenden Fragebogennumer auf einem Extra-Blatt zu notieren und dieses gemeinsam mit dem Fragebogen zurückzusenden. 4.1 Welche weiteren Wünsche, Anliegen oder Anregungen haben Sie in Bezug auf die organisatorische Betreuung im Programm? Gibt es Aspekte, die Ihrer Meinung nach verbessert werden können?
4.2 Welche weiteren Wünsche, Anliegen oder Anregungen haben Sie in Bezug auf die Informationen über Veränderungen oder zur Umsetzung des Programmes? Gibt es Aspekte, die Ihrer Meinung nach verbessert werden können?
4.3 Welche weiteren Wünsche, Anliegen oder Anregungen haben Sie in Bezug auf die Qualitätszirkel? Gibt es Aspekte, die Ihrer Meinung nach verbessert werden können?
4.4 Welche weiteren Wünsche, Anliegen oder Anregungen haben Sie in Bezug auf die wissenschaftliche Begleitung im Programm? Gibt es Aspekte, die Ihrer Meinung nach verbessert werden können?
4.5 Welche weiteren Wünsche, Anliegen oder Anregungen haben Sie in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Fachärzten? Gibt es Aspekte, die Ihrer Meinung nach verbessert werden können?
4.6 Welche weiteren Wünsche, Anliegen oder Anregungen haben Sie insgesamt für das Programm? Gibt es Aspekte, die Ihrer Meinung nach verbessert werden können?
Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit !
Anlage 3a zur Vereinbarung über die Integrierte Versorgung bei chronischen Atemwegserkrankungen zwischen dem GNS und der VdAK/AEV-Landesvertretung Baden-Württemberg vom 1. 7. 2004
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Anhang 4: Flusschart für Asthma bronchiale des Folgeprojektes
Anhang
Anhang
221
222
Anhang 5: Flusschart für COPD des Folgeprojektes Anlage 3b zur Vereinbarung über die Integrierte Versorgung bei chronischen Atemwegserkrankungen zwischen dem GNS und der VdAK/AEV-Landesvertretung Baden-Württemberg vom 1. 7. 2004
Anhang
Anhang
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