Angewandte Funktionalanalysis
Manfred Dobrowolski
Angewandte Funktionalanalysis Funktionalanalysis, Sobolev-Räume und elliptische Differentialgleichungen 2., korrigierte und überarbeitete Auflage
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Prof. Dr. Manfred Dobrowolski Universität Würzburg Institut für Mathematik Am Hubland 97074 Würzburg Deutschland
[email protected] ISBN 978-3-642-15268-9 e-ISBN 978-3-642-15269-6 DOI 10.1007/978-3-642-15269-6 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Mathematics Subject Classification (2010): 46-01, 35-01, 65-01 c Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005, 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
F¨ ur Lisa
Vorwort
Das vorliegende Buch ist aus einem Skriptum zu einer zweisemestrigen Vorlesung mit dem Titel H¨ ohere Analysis“ entstanden, die ich mehrfach an den ” Universit¨aten Erlangen/N¨ urnberg und W¨ urzburg gehalten habe. Die Idee dieser Vorlesung besteht darin, neben der Funktionalanalysis auch Anwendun¨ gen aus der konkreten Analysis darzustellen. Ahnlich wie in einem Grundwortschatz einer Fremdsprache orientiert sich die Auswahl des Stoffs daran, daß der Leser nach der Lekt¨ ure dieses Buches m¨oglichst viele Originalarbeiten aus dem Bereich Angewandte Analysis, Theorie und Numerik elliptischer Differentialgleichungen lesen und verstehen kann. Eine Ausnahme bilden die Sobolev-R¨aume, die sehr detailliert behandelt werden. Da dieser Stoff trocken und schwierig ist, werden die technischen S¨ atze in Kapitel 6 zum Nachschlagen zusammengestellt. In meinen Vorlesungen bespreche ich dieses Kapitel nur kursorisch und stelle die konkreten Resultate erst dann vor, wenn sie tats¨achlich gebraucht werden. Diese Vorgehensweise empfehle ich auch dem Leser. F¨ ur Verbesserungsvorschl¨ age, auch Hinweise auf Tippfehler, bin ich jedem Leser dankbar (
[email protected]). Jegliche Reso¨ nanz, auch Fragen zu den Ubungsaufgaben sind erw¨ unscht. F¨ ur die Leser steht eine Internetseite (http://www.mathematik.uni-wuerzburg.de/˜dobro/af/index.html) mit Erg¨ anzungen zum Buch zur Verf¨ ugung. Mein Dank gilt allen, die beim Zustandekommen dieses Buches mitgewirkt haben: Frau Gertraud Hein f¨ ur ihre Unterst¨ utzung beim Abfassen des Manuskripts, Herrn Dr. David Seider, Herrn Dipl.-Math. Ralf Winkler und meiner Frau Helga Dobrowolski f¨ ur ihre Anregungen und ihr geduldiges Korrekturlesen, und nicht zuletzt dem Springer-Verlag.
W¨ urzburg, im Juni 2005
Manfred Dobrowolski
VIII
Vorwort
Vorwort zur zweiten Auflage Neben einigen Korrekturen habe ich f¨ ur die zweite Auflage vor allem das 6. Kapitel neu gefaßt und erweitert. Es enthalt ¨ nun auch die Charakterisierung der Sobolev-R¨ aume gebrochener Ordnung als Spurr¨aume von Funktionen in H 1,p sowie eine kurze Darstellung der Interpolation von Banach-R¨aumen mit Anwendungen auf die Theorie der Sobolev-R¨aume.
W¨ urzburg, im Juli 2010
Manfred Dobrowolski
Inhaltsverzeichnis
1
Topologische und metrische R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Topologische R¨ aume und stetige Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Metrische R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.3 Der Banachsche Fixpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.4 Kompakte R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2
Banach- und Hilbert-R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Banach-R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Endlich dimensionale R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Stetige lineare Abbildungen und der normierte Dualraum . . . . . 2.4 Hilbert-R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 R¨aume stetiger Funktionen und der Satz von Arzela-Ascoli . . . 2.6 Die H¨older-R¨ aume C m,α (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 19 21 23 28 33 36
3
Die Prinzipien der Funktionalanalysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Der Satz von Baire und das Prinzip der gleichm¨aßigen Beschr¨anktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Das Prinzip der offenen Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Hahn-Banach-S¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Lokalkonvexe topologische Vektorr¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Bidualraum und schwache Topologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Schwache Folgenkompaktheit und reflexive R¨aume . . . . . . . . . . . 3.7 Konvexit¨ at und schwache Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 43 45 47 50 53 57 60
Die 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
67 67 71 74 77 79
4
Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Lebesgue-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition der R¨ aume Lp (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mollifier und dichte Unterr¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konvergenzeigenschaften von Folgen meßbarer Funktionen . . . . Der Dualraum von Lp (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
X
5
Inhaltsverzeichnis
Die 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
Sobolev-R¨ aume H m,p (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Fundamentallemma der Variationsrechnung . . . . . . . . . . . . . Schwache Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition und grundlegende Eigenschaften der Sobolev-R¨aume Produkt- und Kettenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzenquotienten und schwache Differenzierbarkeit von Lipschitzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87 87 88 91 95 97
6
Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen 101 6.1 Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 6.2 C0∞ ( n ) ist dicht in H m,p (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 6.3 Der Transformationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 6.4 Fortsetzungss¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 6.5 Einbettungen in Lq (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 6.6 Randwerte von Sobolev-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 6.7 Kompakte Einbettungen in Lq (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 6.8 Einbettungen in R¨ aume stetiger Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6.9 Dualr¨aume von H m,p (Ω) und die R¨ aume H −m,q (Ω) . . . . . . . . . 122 s,p 6.10 Die gebrochenen Sobolev-R¨ aume H (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 6.11 Ein exakter Spur- und Fortsetzungssatz f¨ ur H 1,p -Funktionen . . 130 6.12 Reelle Interpolation von Banach-R¨ aumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6.13 Die R¨aume H s,p und N s,p als Interpolationsr¨aume . . . . . . . . . . . 138
7
Elliptische Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.1 Starke und schwache L¨ osungen der Poisson-Gleichung . . . . . . . . 147 7.2 Existenz von L¨ osungen elliptischer Differentialgleichungen . . . . 150 7.3 Die Differenzenquotienten-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 7.4 Regularit¨ at auf konvexen Gebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 7.5 Maximumprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 7.6 Die Verfahren von Ritz und Galerkin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 7.7 Finite Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
8
Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie 175 8.1 Spektrum und Resolventenmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 8.2 Struktur der Resolventenmenge und des Resolventenoperators . 177 8.3 Kompakte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 8.4 Adjungierte Operatoren, Annihilatoren und Gelfandscher Dreier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 8.5 Quotientenr¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 8.6 Operatoren mit abgeschlossenem Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 8.7 Fredholm-Operatoren und die Spektraltheorie kompakter Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 8.8 Integralgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 8.9 G˚ ardingsche Ungleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 8.10 Das abstrakte Eigenwertproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Inhaltsverzeichnis
XI
8.11 Das Eigenwertproblem f¨ ur den Laplace Operator . . . . . . . . . . . . 205 8.12 Zur Klassifikation partieller Differentialgleichungen . . . . . . . . . . 210 9
Distributionen und Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . 215 9.1 Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 9.2 Die Fourier-Transformation in S . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 9.3 Die Fourier-Transformation in S ′ und in L2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 9.4 Sobolev-R¨ aume und Fourier-Transformation, Spurr¨aume . . . . . . 231 9.5 Die G˚ ardingsche Ungleichung f¨ ur elliptische Operatoren . . . . . . 239
A
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 A.1 Konvexit¨ at und elementare Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 A.2 Fortsetzung stetiger Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 A.3 Der Weierstraßsche Approximationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 A.4 Der lokalkonvexe Raum D(Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 A.5 Harmonische Funktionen und der Satz von Liouville . . . . . . . . . 253 A.6 Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 A.7 Reelle und komplexe Vektorr¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
L¨ osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Symbolverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
1 Topologische und metrische R¨ aume
1.1 Topologische R¨ aume und stetige Abbildungen In der Analysis des n kann man mit dem Begriff der offenen Menge die Konvergenz von Folgen definieren: Eine Folge im n konvergiert gegen ein x ∈ n , wenn in jeder offenen Menge, die x enth¨alt, fast alle Folgenglieder liegen. Durch die topologischen R¨ aume werden diese Strukturen auf allgemeine Mengen u ¨bertragen. Definition 1.1. Eine Topologie τ auf einer Menge X ist ein System von Teilmengen von X, die offene Mengen genannt werden, mit: (a) ∅ und X sind offen.
(b) Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist offen. (c) Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist offen. Das Paar (X, τ ) ist dann ein topologischer Raum. Ein topologischer Raum heißt Hausdorff-Raum, wenn das folgende Trennungsaxiom erf¨ ullt ist: (T) Zu allen x, y ∈ X mit x 6= y gibt es offene Mengen A, B mit x ∈ A, y ∈ B und A ∩ B = ∅.
Wenn τ1 , τ2 Topologien auf der Menge X sind mit τ1 ⊂ τ2 , so heißt τ1 gr¨ober als τ2 und entsprechend τ2 feiner als τ1 . F¨ ur eine beliebige Menge ist die Potenzmenge von X eine Topologie auf X, die diskrete Topologie genannt wird. Sie macht (X, τ ) zu einem Hausdorff-Raum und ist die feinste u ogliche Topologie. Dagegen besteht die gr¨obste ¨berhaupt m¨ Topologie einer Menge X nur aus der leeren Menge und dem ganzen Raum. Wenn X aus mehr als einem Element besteht, so ist f¨ ur diese Topologie das Trennungsaxiom nicht erf¨ ullt. Definition 1.2. Sei (X, τ) ein topologischer Raum und A ⊂ X eine beliebige Teilmenge. Dann ist A zusammen mit den Mengen {M ∩ A : M ∈ τ } ein topologischer Raum. Diese Topologie heißt Relativtopologie auf A. M. Dobrowolski, Angewandte Funktionalanalysis, Springer-Lehrbuch Masterclass, 2nd ed., DOI 10.1007/978-3-642-15269-6_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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1 Topologische und metrische R¨ aume
Wenn A nicht selber offen in X ist, so sind die offenen Mengen der Relativtopologie nicht notwendig offen in X. Analog zu den Begriffen im n definiert man f¨ ur Teilmengen A eines topologischen Raums X: A ist abgeschlossen ⇔ Ac ist offen, (Ac = X \ A = Komplement von A) int A = Vereinigung aller in A enthaltenen offenen Mengen, A = Durchschnitt aller abgeschlossenen Mengen, die A enthalten. int A heißt das Innere von A, A der Abschluß von A. Nach Definition ist int A offen. Da die abgeschlossenen Mengen durch Komplementbildung definiert sind, gilt: Der beliebige Durchschnitt und die endliche Vereinigung abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen, insbesondere ist A abgeschlossen. In der diskreten Topologie sind alle Mengen A offen und abgeschlossen und es gilt A = int A = A. In der gr¨ obsten Topologie sind nur die leere Menge und der ganze Raum offen und abgeschlossen. Definition 1.3. Sei (X, τ ) ein topologischer Raum. Eine Menge U ⊂ X heißt Umgebung eines x ∈ X, wenn U offen ist mit x ∈ U. x heißt innerer Punkt einer Menge A ⊂ X, wenn eine Umgebung von x in A enthalten ist. x ∈ X heißt Ber¨ uhrpunkt von A ⊂ X, wenn in jeder Umgebung von x mindestens ein Punkt von A liegt. x ∈ X heißt Randpunkt von A ⊂ X, wenn in jeder Umgebung von X mindestens ein Punkt von A und mindestens ein Punkt von Ac liegt. Mit ∂A wird die Menge der Randpunkte von A bezeichnet. Mit diesen Definitionen lassen sich offene und abgeschlossene Mengen auch anders charakterisieren: Lemma 1.4. Sei (X, τ ) ein topologischer Raum und A ⊂ X. Dann gilt: (a) A ist offen ⇔ Jedes x ∈ A ist innerer Punkt von A, (b) A ist abgeschlossen ⇔ Jeder Ber¨ uhrpunkt von A geh¨ort zu A, (c) int A = Menge der inneren Punkte von A, (d) A = Menge der Ber¨ uhrpunkte von A. Beweis. (a): Die Richtung ⇐” gilt wegen A = ∪x∈A U (x), wobei U (x) eine ” ganz in A liegende Umgebung von x ist. Wenn umgekehrt A offen ist, so ist A auch eine ganz in A enthaltene Umgebung eines jeden x ∈ A. (b) folgt aus (a) durch Betrachtung des Komplements. (c) und (d) folgen direkt aus (a) bzw. (b). ⊓ ⊔ Definition 1.5. Sei (X, τ ) ein topologischer Raum. Eine Folge (xk )k∈ heißt konvergent gegen ein x ∈ X, wenn in jeder Umgebung von x alle bis auf endlich viele Folgenglieder liegen. In diesem Fall schreiben wir limk→∞ xk = x oder xk → x. Offenbar ist der Grenzwert nur in einem Hausdorff-Raum immer eindeutig, sofern er existiert. Konvergenz l¨ aßt sich um so leichter erzwingen, je weniger
1.1 Topologische R¨ aume und stetige Abbildungen
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offene Mengen es gibt. Wenn eine Menge X mit der Topologie {∅, X} versehen wird, so ist jede Folge gegen jedes x ∈ X konvergent. Im anderen Extrem, der diskreten Topologie, konvergieren nur die ab einem Index konstanten Folgen. Definition 1.6. Seien X, Y topologische R¨ aume. Eine Abbildung f : X → Y heißt stetig, wenn die Urbilder offener Mengen offen sind. Die Abbildung heißt offen, wenn die Bilder offener Mengen offen sind. Auch hier wollen wir uns die Definition an einem Extremfall veranschaulichen. Wenn der Raum X mit der diskreten Topologie ausgestattet ist, so sind unabh¨angig von der Topologie in Y alle Abbildungen stetig. Der Leser mache sich klar, daß man die Stetigkeit einer Abbildung erzwingen kann, indem man gen¨ ugend viele offene Mengen zur Topologie des Definitionsraums hinzuf¨ ugt. Direkt aus der Definition beweist man den bekannten Satz, daß die Komposition stetiger Abbildungen zwischen topologischen R¨aumen wiederum stetig ist. Weiter folgt aus der Definition der Stetigkeit durch Komplementbildung, daß eine Abbildung genau dann stetig ist, wenn die Urbilder abgeschlossener Mengen abgeschlossen sind. Definition 1.7. Seien X, Y topologische R¨ aume. Eine Abbildung f : X → Y heißt Hom¨oomorphismus, wenn sie bijektiv, stetig und die inverse Abbildung f −1 ebenfalls stetig ist. Wenn zwischen topologischen R¨ aumen eine solche Abbildung existiert, so heißen die R¨ aume hom¨oomorph. Ein Hom¨oomorphismus ist also bijektiv, stetig und offen. Hom¨oomorphe topologische R¨ aume k¨ onnen miteinander identifiziert werden, weil beide R¨aume die gleiche topologische Struktur besitzen. In der Analysis einer Ver¨ anderlicher gilt der Satz, daß die inverse Funktion einer stetigen und bijektiven Funktion ebenfalls stetig ist. In allgemeinen topologischen R¨aumen ist das nicht immer richtig.
f 0
2π
Beispiel 1.8. Sei X das Intervall [0, 2π) und Y der Einheitskreis des 2 , beide R¨aume seien mit der Relativtopologie des 1 bzw. 2 versehen. Die Abbildung f = (f1 , f2 )T mit f1 (x) = cos x,
f2 (x) = sin x,
ist bijektiv und stetig, die Inverse ist dagegen unstetig, denn die relativ offene Menge [0, a) wird nicht auf eine offene Menge abgebildet. Viele Begriffe der Analysis im n lassen sich sowohl mit offenen Mengen als auch mit Hilfe von Folgen unter Verwendung des Konvergenzbegriffs definieren. So gibt es neben dem oben eingef¨ uhrten Begriff der Stetigkeit auch die Folgenstetigkeit einer Abbildung. Ein weiteres Beispiel im n ist die Charakterisierung des Abschlusses einer Menge A ⊂ n als Menge aller H¨aufungspunkte von Folgen, die man aus Elementen von A bilden kann. In der mengentheoretischen Topologie ist man u ¨bereingekommen, als richtige” Definition ”
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1 Topologische und metrische R¨ aume
immer diejenige zu nehmen, die ohne den Folgenbegriff auskommt, und damit nur unter Verwendung von offenen und abgeschlossenen Mengen formuliert werden kann. Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, wann man eine solche rein topologische Definition auch anders mit Hilfe von Folgen ausdr¨ ucken kann und f¨ uhren daher eine weitere Strukturbedingung an den topologischen Raum ein. Definition 1.9. Sei X ein topologischer Raum und x ∈ X. Ein System von offenen Teilmengen {Ui }i∈I heißt Umgebungsbasis von x, wenn jede Umgebung von x eine dieser Mengen Ui enth¨ alt. Ein topologischer Raum erf¨ ullt das erste Abz¨ahlbarkeitsaxiom, wenn jedes Element von X eine abz¨ ahlbare Umgebungsbasis besitzt. Die offenen Kugeln mit Radius 1/k, k ∈ , und Mittelpunkt x bilden eine Umgebungsbasis f¨ ur die Standardtopologie des n , der damit das erste Abz¨ahlbarkeitsaxiom erf¨ ullt. Wie in der Analysis des n u ¨blich, nennen wir eine Abbildung f zwischen den topologischen R¨ aumen X und Y folgenstetig, wenn f¨ ur alle x ∈ X und alle Folgen in X mit xk → x gilt f (xk ) → f (x). Satz 1.10. Seien X, Y topologische R¨ aume und f : X → Y eine Abbildung. Dann gilt: (a) f ist stetig ⇒ f ist folgenstetig. (b) Erf¨ ullt X das erste Abz¨ ahlbarkeitsaxiom, so ist die Stetigkeit von f mit der Folgenstetigkeit ¨aquivalent.
Beweis. (a) Sei xk → x in X, V eine Umgebung von f (x) und U = f −1 (V ). Da f stetig ist, ist U offen und damit Umgebung von x. Nach Definition der Konvergenz liegen fast alle Folgenglieder in U. Also befinden sich fast alle Folgenglieder auch in V und die f (xk ) konvergieren gegen f (x). (b) Angenommen, f w¨ are folgenstetig, aber nicht stetig. Dann ist f¨ ur eine offene Menge V ⊂ Y die Urbildmenge U = f −1 (V ) nicht offen. Nach Lemma 1.4(a) gibt es daher ein x ∈ U, das keine Umgebung in U besitzt. Sei {Uk } eine abz¨ahlbare Umgebungsbasis von x. Aus jedem ∩ki=1 Ui w¨ahlen wir ein beliebiges xk mit xk ∈ / U aus. Dies ist m¨ oglich, denn andernfalls w¨are ∩ki=1 Ui ⊂ U k und ∩i=1 Ui w¨are Umgebung von x in U. Nun gilt xk → x, aber f (xk ) ∈ / V. Damit ist f nicht folgenstetig. ⊓ ⊔ Lemma 1.11. Wenn der topologische Raum X das erste Abz¨ ahlbarkeitsaxiom erf¨ ullt, so gibt es zu jedem Ber¨ uhrpunkt einer Menge in X eine Folge in dieser Menge, die gegen diesen Ber¨ uhrpunkt konvergiert. Insbesondere stimmt der Abschluß einer Menge mit den Grenzwerten der konvergenten Folgen in dieser Menge u ¨berein. ¨ Beweis. Ahnlich wie im Beweis von Satz 1.10 betrachten wir die Schnitte k ∩i=1 Ui der Umgebungsbasis Ui des Ber¨ uhrpunktes und w¨ahlen f¨ ur jedes k ein Element der Menge in diesem Schnitt aus. Auf diese Art gewinnen wir eine Folge, die gegen den Ber¨ uhrpunkt konvergiert. ⊓ ⊔
1.1 Topologische R¨ aume und stetige Abbildungen
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Im allgemeinen ist eine Topologie auf einer Menge nicht direkt vorgegeben, sondern wird durch ein einfaches Konstruktionsverfahren erzeugt, das auch bei der Definition der Standardtopologie des n verwendet wird. Definition 1.12. Sei X eine beliebige Menge. Ein nichtleeres System von Teilmengen {Ui (x)}i∈I heißt lokale Basis von x ∈ X, wenn x ∈ Ui (x) und es zu jedem i, j ∈ I ein k ∈ I gibt mit Uk (x) ⊂ Ui (x) ∩ Uj (x). Auf der Menge X sei f¨ ur jedes x ∈ X eine lokale Basis vorgegeben. F¨ ur eine Teilmenge A von X heißt x ∈ A innerer Punkt, wenn es ein Element der lokalen Basis von x gibt mit Ui (x) ⊂ A. A heißt offen, wenn alle Punkte von A innere Punkte sind. Wegen seiner Wichtigkeit formulieren wir das an sich selbstverst¨andliche Ergebnis dieser Konstruktion als Satz. Satz 1.13. Die so definierten offenen Mengen bilden eine Topologie auf X. Sind alle Ui (x) in dieser Topologie offen, so bilden sie eine Umgebungsbasis von x. Beweis. Es ist nur zu bemerken, daß es zu jeder endlichen Indexmenge I0 ⊂ I ein k ∈ I gibt mit Uk (x) ⊂ ∩i∈I0 Ui (x). Dies stellt sicher, daß ein endlicher Durchschnitt von offenen Mengen offen ist. ⊓ ⊔ Anmerkung 1.14. Topologien lassen sich noch einfacher konstruieren, indem man ein Teilmengensystem {Ai }i∈I als offen auszeichnet. Erkl¨art man die beliebige Vereinigung von endlichen Durchschnitten dieser Mengen als offen, so bilden diese offenen Mengen zusammen mit X und der leeren Menge eine Topologie auf X, die die von {Ai } erzeugte Topologie genannt wird. Sie ist gleichzeitig die gr¨obste Topologie, in der alle Ai offen sind. In diesem Fall heißt die Familie {Ai } Subbasis, die endlichen Durchschnitte der Ai heißen Basis der Topologie, weil jede offene Menge als Vereinigung von Basiselementen dargestellt werden kann. Sind in Satz 1.13 alle lokalen Basiselemente offen, was in unseren Anwendungen immer der Fall ist, so bilden sie eine Basis der Topologie. Das zweite Abz¨ ahlbarkeitsaxiom Offenbar k¨ onnen die Begriffe Basis und Subbasis auf allgemeine topologische R¨ aume ausgedehnt werden. Dies gibt Anlaß zu einer neuen Definition: Ein topologischer Raum erf¨ ullt das zweite Abz¨ ahlbarkeitsaxiom, wenn seine Topologie durch eine abz¨ ahlbare Basis (oder Subbasis) erzeugt werden kann. Das zweite Abz¨ ahlbarkeitsaxiom impliziert das erste. Der n mit der Standardtopologie erf¨ ullt das zweite Abz¨ ahlbarkeitsaxiom. Als Basis kann man die offenen Intervalle mit rationalen Endpunkten nehmen. Aufgabe: Zeigen Sie, daß aus dem zweiten Abz¨ ahlbarkeitsaxiom die Separabilit¨ at des Raums folgt.
Definition 1.15. Eine Teilmenge A eines topologischen Raums X heißt dicht, wenn A = X. Ein topologischer Raum heißt separabel, wenn er eine abz¨ ahlbare dichte Teilmenge besitzt.
6
1 Topologische und metrische R¨ aume
Der n mit der Standardtopologie ist separabel, weil die Punkte mit rationalen Koordinaten dicht liegen. Man kann dies wegen Lemma 1.11 mit Hilfe des Folgenabschlusses beweisen: Jeder Punkt des n l¨aßt sich durch Punkte mit rationalen Koordinaten beliebig genau approximieren. Definition 1.16. Seien (X, τX ), (Y, τY ) topologische R¨ aume. Die Produkttopologie auf X × Y ist die gr¨ obste Topologie, die alle Mengen der Form A × B mit A ∈ τX , B ∈ τY , umfaßt. Sind {Ui (x)}i∈I , {Vj (y)}j∈J Umgebungsbasen der Punkte x ∈ X und y ∈ Y , so ist {Ui ×Vj }i∈I, j∈J eine Umgebungsbasis von (x, y) bez¨ uglich der Produkttopologie. Gilt in X und Y das erste Abz¨ ahlbarkeitsaxiom, so gilt es auch in X × Y . Konvergenz in X × Y bedeutet (xk , yk ) → (x, y)
⇔
xk → x und yk → y.
1.2 Metrische R¨ aume Mit der metrischen Struktur wird der aus dem n bekannte Abstandsbegriff abstrahiert. Wir k¨ onnen uns einen metrischen Raum als eine Punktmenge vorstellen, in der Entfernungen zwischen den Punkten definiert sind, die den folgenden plausiblen Bedingungen gen¨ ugen. Definition 1.17. Sei X eine Menge. Eine Abbildung d : X × X → [0, ∞) heißt Metrik auf X, wenn: (a) d(x, y) = 0 ⇔ x = y, (b) d(x, y) = d(y, x) (Symmetrie), (c) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z)
(Dreiecksungleichung).
Das Paar (X, d) heißt dann metrischer Raum. Aus der Definition der Metrik folgt die Vierecksungleichung |d(x, y) − d(x′ , y ′ )| ≤ d(x, x′ ) + d(y, y ′ ),
y’
(1.1)
y
denn die Dreiecksungleichung liefert d(x, y) ≤ d(x, x′ ) + d(x′ , y ′ ) + d(y, y ′ ), d(x′ , y ′ ) ≤ d(x, x′ ) + d(x, y) + d(y, y ′ ),
x
x’
womit (1.1) gezeigt ist. Analog beweist man die umgekehrte Dreiecksungleichung |d(x, y) − d(y, z)| ≤ d(x, z).
Mit der Metrik lassen sich auch die Entfernung zwischen zwei Teilmengen von X angeben, n¨ amlich
1.2 Metrische R¨ aume
dist (A, B) = n
Beispiele 1.18 (i) Der
inf
x∈A, y∈B
7
d(x, y).
mit d(x, y) = |x − y| ist metrischer Raum.
(ii) Auf einer beliebigen Menge X l¨ aßt sich die diskrete Metrik definieren durch d(x, y) = 1 f¨ ur x 6= y und d(x, x) = 0. (iii) Jede Teilmenge eines metrischen Raums ist mit der gleichen Abstandsfunktion selber ein metrischer Raum. (iv) F¨ ur einen metrischen Raum (X, d) setze ˜ y) = d(x,
d(x, y) . 1 + d(x, y)
˜ metrischer Raum. Die Dreiecksungleichung erh¨alt man Dann ist auch (X, d) mit der Funktion f (t) = t/(1 + t), t ≥ 0, die monoton wachsend ist, und f¨ ur die f (b + c) ≤ f (b) + f (c) f¨ ur alle b, c ≥ 0 gilt. F¨ ur a ≤ b + c erhalten wir f (a) ≤ f (b + c) ≤ f (b) + f (c). Mit a = d(x, z), b = d(x, y), c = d(y, z) folgt die behauptete Dreiecksungleichung. (v) (Erlanger Metrik) Um in Erlangen mit dem Bus von einem Ortsteil in den benachbarten zu kommen (Fußweg 5’), muß man zuerst zum zentralen Busbahnhof fahren, dort umsteigen und dann im wesentlichen die gleiche Strecke wieder zur¨ uckfahren. Diese Metrik, die H nicht nur bei den Mathematikern, sondern y auch bei den Benutzern des ¨ offentlichen Nahverkehrs immer wieder neu auf große BegeiHugo sterung st¨oßt, kann folgendermaßen abstrakt H definiert werden: Grundraum ist der 2 mit x dem Ursprung als ausgezeichneten Punkt, die Metrik ist d(x, y) =
(
|x − y|
|x| + |y|
wenn x = λy f¨ ur ein λ ∈
,
sonst.
Der Beweis der Dreiecksungleichung macht einige Fallunterscheidungen notwendig, ist ansonsten trivial. Ich habe u ¨brigens diese Metrik unter dem Namen Franz¨osische Eisenbahn Metrik” kennengelernt (f¨ahrt immer u ¨ ber Paris), in ” einem amerikanischen Buch wird sie Washington D.C. Metrik” genannt. Die ” Probleme sind also u ¨berall die gleichen. Wir definieren die Kugeln BR (x) = {y ∈ X : d(x, y) < R},
˜R (x) = {y ∈ X : d(x, y) ≤ R}, B
8
1 Topologische und metrische R¨ aume
und machen den metrischen Raum zu einem Hausdorff-Raum, indem wir B1/k (x) zur lokalen Basis von x ∈ X erkl¨ aren (siehe Satz 1.13), insbesondere: A ⊂ X ist offen ⇔ Zu jedem x ∈ A gibt es ein k > 0, so daß B1/k ⊂ A.
Wie aus der Dreiecksungleichung sofort folgt, ist B1/k (x) selber offen. Das Mengensystem {B1/k (x)}k∈ ist daher eine Umgebungsbasis des Punktes x, womit die so definierte Topologie das erste Abz¨ahlbarkeitsaxiom erf¨ ullt. Damit ist die Stetigkeit einer Abbidung zwischen metrischen R¨aumen mit der Folgenstetigkeit ¨aquivalent (siehe Lemma 1.10). Konvergenz einer Folge xk → x bedeutet, daß in jeder Umgebung von x fast alle Folgenglieder liegen m¨ ussen, also: Zu jedem ε > 0 gibt es ein K ∈ , so daß d(xk , x) < ε f¨ ur alle k ≥ K. n ˜ Im Gegensatz zum gilt nicht immer BR (x) = BR . F¨ ur die diskrete Metrik aus Beispiel 1.18(ii), deren induzierte Topologie gerade die diskrete ˜1 (x) = X. Topologie ist, erhalten wir B1 (x) = {x} und B Die Metrik eines metrischen Raums ist folgenstetig, denn wenn xk → x und yk → y, so folgt aus der Vierecksungleichung (1.1) |d(x, y) − d(xk , yk )| ≤ d(x, xk ) + d(y, yk ) < 2ε, also d(xk , yk ) → d(x, y). Mit dem ersten Abz¨ahlbarkeitsaxiom auf X × X (vergleiche Definition 1.16) ist die Abstandsfunktion auch stetig. Analog zur Analysis des n definieren wir: Definition 1.19. Eine Folge (xk ) im metrischen Raum X heißt CauchyFolge, wenn es zu jedem ε > 0 ein K ∈ gibt mit d(xk , xl ) < ε
f¨ ur alle k, l ≥ K.
X heißt vollst¨andig, wenn jede Cauchy-Folge gegen ein x ∈ X konvergiert. Jede konvergente Folge ist Cauchy-Folge, denn aus d(xk , x) < ε, d(xl , x) < ε f¨ ur alle k, l ≥ K folgt mit der Dreiecksungleichung d(xk , xl ) < 2ε. Weiter ist jede Cauchy-Folge beschr¨ ankt, also f¨ ur ein x ∈ X in einer Kugel BR (x) enthalten. Lemma 1.20. Sei X ein vollst¨andiger metrischer Raum und A ⊂ X. Dann gilt: A ist vollst¨ andig ⇔ A ist abgeschlossen. Beweis. Sei A abgeschlossene Teilmenge des vollst¨andigen metrischen Raums X. Eine Cauchy-Folge (xk ) in A hat einen Grenzwert x ∈ X. x ist Ber¨ uhrpunkt von A und geh¨ort nach Lemma 1.4 ebenfalls zu A. Wenn umgekehrt A nicht abgeschlossen ist, so gibt es einen Ber¨ uhrpunkt von A, der nicht zu A geh¨ort. Nach Lemma 1.11 existiert eine Folge in A, die gegen diesen Ber¨ uhrpunkt konvergiert. Da eine konvergente Folge auch eine Cauchy-Folge ist, ist die Behauptung gezeigt. ⊓ ⊔
1.3 Der Banachsche Fixpunktsatz
9
Definition 1.21. Seien (X, dx ), (Y, dy ) metrische R¨ aume. Eine Abbildung T : X → Y heißt Isometrie, wenn f¨ ur alle x, x′ ∈ X gilt dx (x, x′ ) = dy (T (x), T (x′ )). Zwei metrische R¨ aume heißen isometrisch, wenn es eine bijektive Isometrie zwischen ihnen gibt. Eine Isometrie ist injektiv und stetig. Die auf dem Bildbereich definierte Umkehrabbildung einer Isometrie ist ebenfalls eine Isometrie. Daher sind isometrische R¨aume als topologische R¨ aume hom¨ oomorph und besitzen u ¨ berdies die gleiche metrische Struktur, k¨ onnen also miteinander identifiziert werden. In der elementaren Analysis konstruiert man die reellen aus den rationalen ¨ Zahlen, indem man Cauchy-Folgen in den rationalen Zahlen zu Aquivalenzklassen zusammenfaßt und diese mit einer reellen Zahl identifiziert. Die gleiche Vervollst¨andigung” kann bei allgemeinen metrischen R¨aumen durchgef¨ uhrt ” werden. Wir k¨onnen uns daher den Beweis des n¨achsten Satzes schenken. Satz 1.22. Sei X ein metrischer Raum. Dann gibt es einen vollst¨ andigen ˜ und eine Isometrie i : X → X, ˜ so daß i(X) dicht in X ˜ metrischen Raum X ist.
1.3 Der Banachsche Fixpunktsatz F¨ ur eine Abbildung T : X → X in einem metrischen Raum X m¨ochten wir die Fixpunktgleichung Tx ˜=x ˜ mit Hilfe des einfachsten Verfahrens, der sukzessiven Approximation, xk+1 = T xk ,
x0 ∈ X vorgegeben,
(1.2)
l¨osen. Da schon einfachste Beispiele im 1 zeigen, daß dieses Verfahren auch bei Existenz eines Fixpunktes nicht konvergieren muß, ben¨otigen wir einschr¨ankende Voraussetzungen an die Abbildung T. Definition 1.23. Seien (X, dx ) und (Y, dy ) metrische R¨ aume. T : X → Y heißt lipschitzstetig, wenn es ein L ∈ + gibt mit dy (T x, T x′ ) ≤ Ldx (x, x′ )
∀x, x′ ∈ X.
L heißt dann Lipschitzkonstante. Wenn X = Y und L < 1 in dieser Absch¨ atzung gew¨ ahlt werden kann, so heißt T Kontraktion. Man weist aus der Definition nach, daß eine lipschitzstetige Abbildung stetig ist.
10
1 Topologische und metrische R¨ aume
Satz 1.24 (Banachscher Fixpunktsatz). Sei (X, d) ein vollst¨ andiger metrischer Raum und T : X → X eine Kontraktion. Dann besitzt T genau einen Fixpunkt x ˜ und die Folge der sukzessiven Approximation (1.2) konvergiert f¨ ur alle Startwerte x0 ∈ X gegen x ˜. Weiter gilt die Fehlerabsch¨ atzung Lk d(x0 , T x0 ). 1−L Beweis. Es gibt h¨ ochstens einen Fixpunkt, denn f¨ ur Fixpunkte x ˜, y˜ ∈ X folgt d(xk , x ˜) ≤
d(˜ x, y˜) = d(T x ˜, T y˜) ≤ Ld(˜ x, y˜) und damit d(˜ x, y˜) = 0 und x ˜ = y˜. Aus (1.2) erhalten wir d(xk , xk+1 ) = d(T xk−1 , T xk ) ≤ Ld(xk−1 , xk ) ≤ Lk d(x0 , T x0 ) und aus der Dreiecksungleichung d(xk , xk+l ) ≤ =
l−1 X i=0
d(xk+i , xk+i+1 ) ≤
l−1 X
Lk+i d(x0 , T x0 )
i=0
Lk − Lk+l d(x0 , T x0 ). 1−L
Damit ist (xk ) Cauchy-Folge und konvergiert wegen der Vollst¨andigkeit von X gegen ein x ∈ X. Aufgrund der Stetigkeit von T kann man in der Gleichung (1.2) zum Grenzwert k → ∞ gehen und erh¨ alt x = T x. Die Fehlerabsch¨atzung ergibt sich aus der letzten Ungleichung f¨ ur l → ∞. ⊓ ⊔ Beispiel 1.25 (Gew¨ ohnliche Differentialgleichungen). F¨ ur f : [0, a]× betrachten wir das Anfangswertproblem x′ (t) = f (t, x(t)),
x(0) = x0 ∈
n
vorgegeben.
n
→
n
(1.3)
Unter einer L¨osung dieses Problems verstehen wir eine Funktion x ∈ C 1 ([0, a])n , f¨ ur die die Differentialgleichung in jedem Punkt des Intervalls erf¨ ullt ist. f sei stetig bez¨ uglich t und lipschitzstetig bez¨ uglich x, d.h. |f (t, x) − f (t, y)| ≤ L|x − y| f¨ ur alle t ∈ [0, a] und x, y ∈
n
.
(1.4)
Unter diesen Voraussetzungen ist das Anfangswertproblem zur Integralgleichung Z t x(t) = x0 + f (τ, x(τ )) dτ 0 n
osung x ∈ C([0, a]) dieser Integralgleichung ist aufgrund ¨aquivalent: Jede L¨ der Voraussetzungen an f stetig differenzierbar und eine L¨osung der Anfangswertaufgabe (1.3). Wir zeigen nun, daß die Integralgleichung eine eindeutige L¨osung im Raum C([0, a])n mit Metrik
1.3 Der Banachsche Fixpunktsatz
11
d(x, y) = max |x(t) − y(t)| e−2Lt t∈[0,a]
besitzt. Die Metrik ist aus technischen Gr¨ unden etwas anders gew¨ahlt als die u ¨ bliche Maximumsmetrik (vgl. Abschnitt 2.5), die beiden Metriken k¨onnen jedoch mit einer Konstanten gegenseitig abgesch¨atzt werden und erzeugen daher den gleichen Konvergenzbegriff. Somit ist C([0, a])n auch mit der modifizierten Metrik ein vollst¨ andiger metrischer Raum. Der Integralgleichung ordnen wir den Operator Z t T x(t) = x0 + f (τ, x(τ )) dτ 0
zu, der wegen
Z t |T x(t) − T y(t)| e−2Lt = f (τ, x(τ )) − f (τ, y(τ )) dτ e−2Lt 0
≤L
Z
0
t
|x(τ ) − y(τ )| e−2Lτ e2Lτ dτ e−2Lt
≤ Ld(x, y)
Z
0
t
e2Lτ dτ e−2Lt ≤
L d(x, y) 2L
eine Kontraktion auf (C([0, a])n , d) mit Konstante ≤ 12 ist. Nach dem Banachschen Fixpunktsatz besitzt das Anfangswertproblem genau eine L¨osung. Wenn f : [0, a] × Ω → n nur in einer offenen Menge Ω mit x0 ∈ Ω einer Lipschitzbedingung gen¨ ugt, so erhalten wir Existenz und Eindeutigkeit in einem Intervall [0, a′ ], siehe [Wal72, S. 51f.]. Wir wollen uns nun der Bedingung (1.4) zuwenden, also der Frage, wann eine Funktion einer Lipschitzbedingung gen¨ ugt. Lemma 1.26. Sei Ω ⊂ n ein konvexes Gebiet. Dann ist jede in Ω stem tig differenzierbare Funktion f : Ω → mit beschr¨ ankter Ableitung supx∈Ω |Df (x)| = K lipschitzstetig in Ω mit Lipschitzkonstante K, |f (x) − f (y)| ≤ K|x − y|
∀x, y ∈ Ω.
(1.5)
Beweis. F¨ ur x, y ∈ Ω liegt die Verbindungsstrecke ebenfalls in Ω. Aus d f (tx + (1 − t)y) = Df (. . .)(x − y) folgt dt Z 1 f (x) − f (y) = Df (tx + (1 − t)y))(x − y) dt. 0
In dieser Gleichung setzen wir Betr¨ age und sch¨atzen |Df | durch K ab.
⊓ ⊔
Eine differenzierbare Funktion mit unbeschr¨ankter Ableitung ist nicht lipschitzstetig, wie z.B. die Funktion f (x) = x2 . Die Differentialgleichung x′ = x2 zeigt dann auch, daß das Resultat aus Beispiel 1.25 nicht zu verbessern ist, denn diese Gleichung hat mit x(t) = 1/(c − t) L¨osungen, die nicht f¨ ur alle t existieren.
12
1 Topologische und metrische R¨ aume
1.4 Kompakte R¨ aume In unz¨ahligen Pr¨ ufungen spielt sich folgendes Gespr¨ach ab: P: Was ist eine kompakte Menge? S: Eine Menge ist kompakt, wenn sie abgeschlossen und beschr¨ ankt ist. P: Ich hatte nach einer Definition gefragt, aber Sie antworten mit einem Satz. S: ??? Freilich hat S nicht genug in die B¨ ucher geschaut, aber Kompaktheitsbeweise k¨onnen gef¨ uhrt werden, ohne diesen Begriff u ¨berhaupt zu erw¨ahnen. Als Beispiel f¨ ur einen typischen Kompaktheitsschluß, wollen wir den Beweis des Satzes Auf einer beschr¨ ankten und abgeschlossenen Menge nimmt eine ste” tige Funktion ihr Minimum an” kurz rekapitulieren. Sei d = inf x∈K f (x) ∈ ∪ {−∞} das Infimum der stetigen Funktion f auf der beschr¨ankten und abgeschlossenen Menge K. Sei (xk )k∈ eine Minimalfolge in K, d.h. f (xk ) → d. Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß gibt es ein x ∈ K und eine Teilfolge (xkl ) mit xkl → x. Wegen der Stetigkeit von f folgt f (xkl ) → f (x) = d. Damit ist d endlich und das Minimum wird in x angenommen. ¨ Eine Uberpr¨ ufung des Beweises zeigt, daß eine stetige Funktion auf jeder Teilmenge des n das Minimum annimmt, die die Bolzano-WeierstraßEigenschaft hat: Jede Folge in K besitzt eine konvergente Teilfolge. Im n sind dies genau die beschr¨ ankten und abgeschlossenen Mengen. Allgemeiner definieren wir: Definition 1.27. Sei X ein topologischer Raum. (a) A ⊂ X heißt kompakt, wenn jedes System von offenen Mengen, das A uberdeckt, eine endliche Teil¨ uberdeckung enth¨alt. ¨ (b) A ⊂ X heißt folgenkompakt, wenn jede Folge in A eine Teilfolge besitzt, die gegen ein x ∈ A konvergiert. (c) A ⊂ X heißt relativ kompakt, wenn A kompakt ist.
Diese Definitionen werden nat¨ urlich auch f¨ ur den Fall X = A angewendet. Der Satz, daß beschr¨ ankte und abgeschlossene Mengen kompakt sind, ist in allgemeinen topologischen R¨ aumen nicht richtig. Lemma 1.28. Wenn der topologische Raum X das erste Abz¨ ahlbarkeitsaxiom erf¨ ullt, so folgt aus der Kompaktheit von X die Folgenkompaktheit von X. Beweis. Sei X kompakt. Wir zeigen durch indirekten Beweis, daß X folgenkompakt ist. Angenommen, es gibt eine Folge (xk )k∈ , die keine konvergente Teilfolge besitzt. Als erstes beweisen wir die Zwischenbehauptung: Zu jedem x ∈ X gibt es eine Umgebung U (x), so daß U (x) nur endlich viele Folgenglieder enth¨ alt. Zum Beweis ben¨otigen wir das erste Abz¨ ahlbarkeitsaxiom. Zur Umgebungsbasis {Um }m∈ des Punktes x definieren wir die Mengen Vm = ∩m i=1 Ui . Wenn in jedem Vm unendlich viele Folgenglieder liegen, so k¨onnen wir induktiv aus Vm
1.4 Kompakte R¨ aume
13
ein Folgenglied xkm ausw¨ ahlen mit km > km−1 . Da jede Umgebung von x ein Vm enth¨alt, enth¨alt sie auch fast alle Glieder dieser Teilfolge, d.h. xkm → x. Widerspruch! ¨ Die auf diese Art gewonnenen U (x) bilden eine offene Uberdeckung, die wegen der Kompaktheit von X eine endliche Teil¨ uberdeckung enth¨alt. Nach Konstruktion liegen in dieser Teil¨ uberdeckung nur endlich viele Folgenglieder, was einen Widerspruch bedeutet. ⊓ ⊔ Satz 1.29. Die Teilmengen eines kompakten Hausdorff-Raums sind genau dann kompakt, wenn sie abgeschlossen sind. Beweis. ⇒: Sei A ⊂ X kompakt. Wir zeigen, daß Ac offen ist. Sei z ∈ Ac . Zu jedem x ∈ A gibt es nach dem Trennungsaxiom offene Umgebungen Vx von z und Ux von x mit leerem Durchschnitt. Dann ist {Ux ∩ A : x ∈ A} eine ¨ offene Uberdeckung von A bez¨ uglich der Relativtopologie. Weil A kompakt ist, existieren x1 , . . . , xk ∈ A mit A ⊂ ∪ki=1 Uxi . Dann ist V = ∩ki=1 Vxi eine Umgebung von z mit V ∩ A = ∅, also V ⊂ Ac . ¨ ⇐: Sei A abgeschlossen und {Ui }i∈I eine offene Uberdeckung von A. Dann c ¨ ist das System {Ui }i∈I , A eine offene Uberdeckung des ganzen Raums X, das wegen der Kompaktheit von X eine endliche Teil¨ ubeckung von X und damit auch von A enth¨alt. ⊓ ⊔ Im metrischen Raum lassen sich pr¨ azisere Aussagen machen. Wenn ein metrischer Raum folgenkompakt ist, so ist er vollst¨andig. Um dies einzusehen, geben wir uns eine beliebige Cauchy-Folge (xk ) vor. Diese besitzt aufgrund der Folgenkompaktheit eine Teilfolge mit xkl → x. Zu vorgegebenem ε > 0 existiert ein l ∈ und ein M ∈ mit d(xkl , x) < ε und d(xkl , xm ) < ε f¨ ur alle m ≥ M. Daher d(xm , x) < 2ε f¨ ur alle m ≥ M. Eine Cauchy-Folge ist bereits konvergent, wenn eine Teilfolge konvergent ist. Definition 1.30. Ein metrischer Raum X heißt pr¨akompakt, wenn es zu jedem ε > 0 endlich viele offene Kugeln vom Radius ε gibt, die X ¨ uberdecken. Satz 1.31. Sei X ein vollst¨ andiger metrischer Raum und A eine Teilmenge von X. (a) Die Menge A ist genau dann kompakt, wenn sie folgenkompakt ist. (b) Wenn A abgeschlossen ist, so ist auch die Pr¨ akompaktheit von A mit der Kompaktheit ¨ aquivalent. Anmerkung 1.32. Man u ¨berlege sich, daß der Abschluß einer pr¨akompakten Menge ebenfalls pr¨ akompakt ist (vergleiche Aufgabe 1.8). Daher gilt im vollst¨andigen metrischen Raum A pr¨ akompakt
⇔
A relativ kompakt.
Beweis. A kompakt ⇒ A folgenkompakt: Da ein metrischer Raum das erste Abz¨ahlbarkeitsaxiom erf¨ ullt, ist dies eine Konsequenz aus Lemma 1.28.
14
1 Topologische und metrische R¨ aume
A folgenkompakt ⇒ A pr¨ akompakt und abgeschlossen: Da jeder Grenzwert von Folgen in A zu A geh¨ oren muß, ist A abgeschlossen. Angenommen, A w¨are folgenkompakt, aber nicht pr¨ akompakt. Dann gibt es ein ε > 0 und eine Folge (xk ) in A mit d(xk , xl ) ≥ ε. Diese xk besitzen offenbar keine konvergente Teilfolge. A pr¨akompakt und abgeschlossen ⇒ A kompakt: Angenommen, {Ai }i∈I ¨ w¨are eine offene Uberdeckung von A, die keine endliche Teil¨ uberdeckung enth¨alt. A l¨aßt sich durch Kugeln B 1 , . . . , B i vom Radius 1 u ¨berdecken. Unter diesen muß es eine Kugel B0 (x0 ) geben, so daß die Menge B0 (x0 ) sich ebenfalls nicht durch endlich viele dieser Ai u ¨ berdecken l¨aßt. B0 (x0 ) wird durch endlich viele Kugeln vom Radius ε1 = 2−1 u ¨berdeckt und wieder wird eine Kugel B1 (x1 ) gefunden, die sich nicht durch endlich viele Ai u ¨berdecken l¨aßt. Dieses Argument wird mit εk = 2−k iteriert. Wir erhalten eine Folge von Kugeln Uk = B2−k (xk ), die sich nicht durch endlich viele Ai u ¨berdecken lassen. Nach Konstruktion kann auch Uk ∩ Uk+1 6= ∅ erreicht werden. Damit gilt d(xk , xk+1 ) < 2−k+1 und (xk ) ist Cauchy-Folge, die aufgrund der Vollst¨andigkeit von A einen Grenzwert x ∈ A besitzt. F¨ ur ein i ist x ∈ Ai und mit Ai offen ist Br (x) ⊂ Ai mit r > 0. Daher Uk ⊂ Ai f¨ ur gen¨ ugend großes k. Widerspruch! ⊓ ⊔ Als Anwendung dieses Satzes beweisen wir folgende Eigenschaft kompakter metrischer R¨aume. Satz 1.33. Ein kompakter metrischer Raum ist separabel. Beweis. F¨ ur εk = 1/k k¨ onnen wir den Raum durch endlich viele Kugeln mit Mittelpunkten xkl , l = 1, . . . , Nk , u ¨ berdecken. Diese Mittelpunkte liegen dicht, denn jeder Punkt des Raums l¨ aßt sich durch solche Mittelpunkte beliebig genau approximieren. ⊓ ⊔ Nun verallgemeinern wir einen aus der Analysis wohlbekannten Satz. Satz 1.34. Das stetige Bild eines kompakten Raums ist kompakt. Insbesondere nehmen auf kompakten R¨aumen stetige, reellwertige Abbildungen Maximum und Minimum an. Anmerkung 1.35. Wie das Beweisbeispiel zu Beginn dieses Abschnitts zeigt, bleibt der Satz richtig, wenn man kompakt durch folgenkompakt und stetig durch folgenstetig (siehe Lemma 1.10(b)) ersetzt. Beweis. Seien X, Y topologische R¨ aume mit X kompakt und f : X → Y ¨ sei stetig. Wir betrachten die Urbildmengen einer offenen Uberdeckung von ¨ f (X). Diese bilden eine offene Uberdeckung von X, aus der wir eine endliche Teil¨ uberdeckung ausw¨ ahlen k¨ onnen. Die zugeh¨origen Mengen im Bildbereich ¨ bilden die gesuchte endliche Uberdeckung von f (X). ⊓ ⊔ Der folgende Satz zeigt, daß es in einer Folge von Topologien (τk ) auf einer Menge X mit τk ⊂ τk+1 h¨ ochstens eine gibt, die X zu einem kompakten Hausdorff-Raum macht.
Aufgaben
15
Satz 1.36. Sei (X, τ ) ein kompakter Hausdorff-Raum. (a) Ist τg ⊂ τ , τg 6= τ , so ist (X, τg ) nicht mehr hausdorffsch. (b) Ist τf ⊃ τ , τf 6= τ , so ist (X, τf ) nicht mehr kompakt.
Beweis. In (a) ist (X, τg ) kompakt und in (b) ist (X, τf ) ein Hausdorff-Raum. F¨ ur die Beweisteile (a) und (b) gen¨ ugt es daher folgendes zu zeigen: Sind τ1 ⊂ τ2 Topologien auf der Menge X, so daß (X, τi ) kompakte HausdorffR¨ aume sind, so gilt τ1 = τ2 . Es gilt f¨ ur jedes A ⊂ X A ist τ2 -kompakt ⇒ A ist τ1 -kompakt. Nach Satz 1.29 ist eine Teilmenge eines kompakten Hausdorff Raums genau dann kompakt, wenn sie abgeschlossen ist. Daher A ist τ2 -abgeschlossen ⇒ A ist τ1 -abgeschlossen. Da τ2 mehr offene Mengen als τ1 enth¨ alt, ist dies nur m¨oglich, wenn τ1 = τ2 . ⊓ ⊔
Aufgaben Die den Aufgaben beigef¨ ugten Zahlen sollen eine grobe Information u ¨ ber den Schwierigkeitsgrad geben: 1 = trivial, 2 = heminormal, 3 = normal, 4 = doktoral, 5 = suizidal. 1.1. (2) Endliche Mengen in einem Hausdorff-Raum sind abgeschlossen. 1.2. (1) Seien X, Y topologische R¨ aume. Welche Abbildungen f : X → Y sind unabh¨ angig von den Topologien auf X, Y immer stetig? 1.3. (2) Ein offenes Intervall von ist hom¨ oomorph zu schr¨ anktes Intervall ist nicht hom¨ oomooph zu .
, ein abgeschlossenes be-
1.4. (3) Sei X eine unendliche Menge. τ bestehe aus der leeren Menge und allen Teilmengen von X, deren Komplement endlich ist. Man zeige: τ ist eine Topologie auf X, die nicht hausdorffsch ist, in der aber alle einpunktigen Teilmengen abgeschlossen sind. Wie sehen die Ber¨ uhrpunkte einer Folge aus? Welche Folgen sind konvergent? 1.5. (4) Sei l der Raum aller reellwertigen Zahlenfolgen. Zu einer Zahlenfolge a = (a(i)) mit a(i) > 0 definieren wir die Mengen Va = {x ∈ l : |x(i)| < a(i) ∀i ∈
}
und Ua (x) = x + Va ⊂ l f¨ ur x ∈ l. Das +” ist dabei komponentenweise Addition. ” Das System {Ua (x)} f¨ ur alle solchen Folgen a sei die Umgebungsbasis von x ∈ l. Charakterisieren Sie die Folgen (xk ) mit xk → 0 in dieser Topologie und konstruieren Sie eine Menge A ⊂ l, die den Ber¨ uhrpunkt 0 besitzt, ohne eine Folge (xk ), xk ∈ A, zu enthalten mit xk → 0. Bemerkung: Wegen Lemma 1.11 ist damit gezeigt, daß in dieser Topologie das erste Abz¨ ahlbarkeitsaxiom nicht gilt.
16
1 Topologische und metrische R¨ aume
1.6. (3) Ist X ein topologischer Raum, Y ein Hausdorff-Raum und f : X → Y stetig, so ist der Graph von f , G(f ) = {(x, f (x) : x ∈ X} ⊂ X × Y, abgeschlossen in X × Y . Bemerkung: Man vergleiche mit dem Satz vom abgeschlossenen Graphen 3.9. 1.7. (2) Die drei Axiome der Metrik sind redundant. Zeigen Sie, daß eine Abbildung d : X × X → mit (i) d(x, y) = 0 ⇔ x = y (ii) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(z, y) eine Metrik auf der Menge X ist. 1.8. (2) Sei X ein metrischer Raum und A ⊂ X. F¨ ur jedes ε > 0 gilt A ⊂ Aε = ∪x∈A Bε (x). 1.9. Sei l der Raum aller Zahlenfolgen in = oder = . a) (1) Jedem x ∈ l ordnen wir die Umgebungsbasis Uk (x) = x + Vk zu mit Vk = {x ∈ l : |x(i)| < 1/k ∀i ∈
}.
Was bedeutet xk → x in der so erzeugten Topologie? b) (3) Auf l definieren wir die Metrik d(x, y) =
∞ X i=1
2−i
|x(i) − y(i)| . 1 + |x(i) − y(i)|
Was bedeutet xk → x in der durch diese Metrik erzeugten Topologie? Ist (l, d) vollst¨ andig? 1.10. (3) Eine Teilmenge eines separablen metrischen Raums ist separabel. Bemerkung: Diese Aussage ist f¨ ur allgemeine topologische R¨ aume nicht richtig. 1.11. (3) F¨ ur eine Teilmenge A eines metrischen Raums X definieren wir den Durchmesser durch diam (A) = sup d(x, y). x,y∈A
Beweisen Sie: X ist genau dann vollst¨ andig, wenn eine fallende Folge nichtleerer abgeschlossener Teilmengen Ak mit limk→∞ diam Ak = 0 genau ein Element von X enth¨ alt, d.h. ∩∞ k=1 Ak = {x}. 1.12. (3) Geben Sie auf eine Metrik an, so daß die Folge (k)k∈ eine CauchyFolge ist, die keinen Grenzwert besitzt. Machen Sie den Raum vollst¨ andig, indem Sie weitere Elemente hinzuf¨ ugen. 1.13. (3) Geben Sie ein Beispiel f¨ ur hom¨ oomorphe metrische R¨ aume, so daß der eine vollst¨ andig, der andere unvollst¨ andig ist. Bemerkung: Vollst¨ andigkeit ist keine topologische Eigenschaft eines metrischen Raums.
Aufgaben
17
1.14. (4) Der Raum l∞ der beschr¨ ankten Zahlenfolgen ist mit d∞ (x, y) = supi∈ |x(i) − y(i)| offenbar ein metrischer Raum. Beweisen Sie: (Frechet) Jeder separable metrische Raum kann isometrisch auf eine Teilmenge von l∞ abgebildet werden. 1.15. (2) Sei X = C([0, 1]) versehen mit der Maximumsmetrik. Sei Z t T x(t) = x(ξ) dξ. 0
Zeigen Sie, daß T lipschitz ist und bestimmen Sie die Lipschitzkonstante. Hat T einen Fixpunkt? 1.16. (3) Sei (X, d) ein vollst¨ andiger metrischer Raum und T : X → X eine Abbildung mit der Eigenschaft, daß T m eine Kontraktion ist f¨ ur ein m ∈ . Dann besitzt T einen eindeutigen Fixpunkt. 1.17. (2) Sei X eine unendliche Menge. Gibt es eine Hausdorff-Topologie auf X, in der jede Teilmenge von X kompakt ist? 1.18. (3) Sei (X, τ ) ein nichtkompakter Hausdorff-Raum. Zu x∗ ∈ / X setze X ∗ = X ∪ {x∗ } und definiere auf folgende Weise eine Topologie τ ∗ auf X ∗ . Zu τ ∗ geh¨ oren alle Elemente von τ , der ganze Raum X ∗ sowie die Teilmengen A∗ von ∗ X mit x∗ ∈ A∗ , so daß X ∗ \A∗ kompakt in (X, τ ) ist. (X ∗ , τ ∗ ) heißt Alexandrovsche Ein-Punkt-Kompaktifizierung von (X, τ ). a) (X ∗ , τ ∗ ) ist ein kompakter Hausdorff-Raum mit X dicht in X ∗ . n b) Ist X = versehen mit der Standard-Topologie, so ist seine Ein-PunktKompaktifizierung hom¨ oomorph zur Einheitssph¨ are des n+1 . 1.19. (2) Ein System {Ai }i∈I von Teilmengen eines topologischen Raums X heißt zentriert, wenn die Ai abgeschlossen sind und ∩i∈I0 Ai 6= ∅ f¨ ur jede endliche Indexmenge I0 ⊂ I. Beweisen Sie: X ist genau dann kompakt, wenn f¨ ur jedes zentrierte System ∩i∈I Ai 6= ∅ erf¨ ullt ist. 1.20. (3) Sei X ein vollst¨ andiger metrischer Raum. Zu A ⊂ X und x ∈ X hatten wir den Abstand zwischen x und A durch dist (x, A) = inf d(x, y) y∈A
definiert. a) Zeigen Sie, daß A genau dann abgeschlossen ist, wenn f¨ ur alle x ∈ X gilt dist (x, A) = 0 ⇒ x ∈ A. b) Zeigen Sie, daß in der Definition des Abstands das Infimum angenommen wird, falls A kompakt ist. 1.21. (1) Zeigen Sie, daß die abgeschlossene Einheitskugel der Erlanger Metrik nicht kompakt ist. 1.22. (4) Jede Isometrie eines kompakten metrischen Raums in sich ist bijektiv.
18
1 Topologische und metrische R¨ aume
1.23. (3) Ist X ein kompakter Raum und gibt es stetige reellwertige Abbildungen (fk )k∈ , die die Punkte in X trennen, so ist X metrisierbar. Bemerkung und Hinweis: Punkte trennen” bedeutet, daß es zu verschiedenen ” x, y ∈ X ein k ∈ gibt mit fk (x) 6= fk (y). Man versuche, mit Hilfe der fk u ¨ berhaupt eine Metrik auf X anzugeben. F¨ ur den Nachweis, daß die Metrik die gleiche Topologie erzeugt, verwende man Satz 1.36.
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
Alle linearen R¨aume in diesem Kapitel sind reell oder komplex, entsprechend wird mit einer der K¨ orper oder bezeichnet.
2.1 Banach-R¨ aume Definition 2.1. Sei X ein linearer Raum. Eine Abbildung k·kX : X → [0, ∞) heißt Norm auf X, wenn die folgenden Bedingungen erf¨ ullt sind: (a) kxkX > 0
f¨ ur x 6= 0
(Def initheit),
(b) kαxkX = |α|kxkX f¨ ur alle α ∈ (positive Homogenit¨at), (c) kx + ykX ≤ kxkX + kykX (Dreiecksungleichung).
Das Paar (X, k·kX ) heißt dann normierter Raum. k·kX : X → [0, ∞) heißt Halbnorm, wenn nur die Axiome (b) und (c) erf¨ ullt sind. Aus den Normaxiomen folgt sofort, daß d(x, y) = kx − ykX eine Metrik auf X ist. Jeder normierte Raum ist damit auch ein metrischer Raum, so daß alle Begriffsbildungen aus dem letzten Kapitel verwendet werden k¨onnen. Die Norm k · k : X → ist stetig wegen kxk = d(x, 0). Konvergente Folgen sind beschr¨ ankt: Wenn xk → x, so gibt es ein K mit kxk k ≤ K. Die linearen Operationen Addition und Skalarmultiplikation sind stetig, xk → x und yk → y
⇒
xk + yk → x + y,
αk → α und xk → x
⇒
αk xk → αx.
Die Aussagen folgen aus der Dreiecksungleichung und der Homogenit¨at der Norm M. Dobrowolski, Angewandte Funktionalanalysis, Springer-Lehrbuch Masterclass, 2nd ed., DOI 10.1007/978-3-642-15269-6_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
20
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
k(x + y) − (xk + yk )k ≤ kx − xk k + ky − yk k, kαx − αk xk k ≤ kα(x − xk )k + k(α − αk )xk k ≤ |α| kx − xk k + |α − αk | kxk k. Ferner sieht die Topologie eines normierten Raums in jedem Punkt gleich aus: Die Kugeln {B1/k (0)} bilden eine Nullumgebungsbasis und man erh¨alt jede andere Umgebungsbasis durch Translation, B1/k (x) = x + B1/k (0), wobei wir die fast schon selbsterkl¨ arende Notation A ± B = {z = x ± y : x ∈ A, y ∈ B},
A, B ⊂ X
verwenden. Definition 2.2. Ein vollst¨andiger normierter Raum heißt Banach-Raum. Beispiel 2.3 (Die R¨ aume lp und c0 ( )). lp ist f¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ der Raum der Zahlenfolgen x = (x(1), x(2), . . .), x(i) ∈ , f¨ ur die der Ausdruck kxklp =
∞ X i=1
|x(i)|p
1/p
f¨ ur 1 ≤ p < ∞,
kxkl∞ = sup |x(i)|, i∈
beschr¨ankt ist. c0 = c0 ( ) ist der Raum der Nullfolgen, der ebenfalls mit k · kl∞ versehen wird. Wir wollen zeigen, daß diese R¨ aume Banach-R¨aume unter den angegebenen Ausdr¨ ucken sind. Abgesehen von der Dreiecksungleichung sind die Normaxiome trivialerweise erf¨ ullt. Zu ihrem Nachweis verwenden wir als technisches Hilfsmittel die H¨ older-Ungleichung: Sei 1 < p < ∞ und p−1 + q −1 = 1. F¨ ur x ∈ lp , y ∈ lq ist die Folge xy = (x(i)y(i))i∈ ∈ l1 und es gilt kxykl1 ≤ kxklp kyklq . F¨ ur kxklp = kyklq = 1 folgt dies aus der verallgemeinerten CauchyUngleichung (A.4) durch Grenz¨ ubergang, den allgemeinen Fall erh¨alt man mit einem Homogenit¨ atsargument. Nun zur Dreiecksungleichung: F¨ ur p = 1 ist sie trivial und f¨ ur 1 < p < ∞ gilt f¨ ur x, y ∈ lp |x(i) + y(i)|p = |x(i) + y(i)| |x(i) + y(i)|p−1 ≤ |x(i)| + |y(i)| |x(i) + y(i)|p−1 , sowie nach Summation und Anwendung der H¨olderschen Ungleichung mit q = p/(p − 1) X (p−1)/p kx + ykplp ≤ kxklp + kyklp |x(i) + y(i)|p .
F¨ ur kx + yklp 6= 0 folgt die Dreiecksungleichung durch Division. Damit ist lp ein Vektorraum mit Norm k·klp . Wir zeigen die Vollst¨andigkeit und beginnen mit dem Fall 1 ≤ p < ∞. F¨ ur eine Cauchy-Folge (xk )k∈ in lp folgt aus kxk − xl klp ≤ ε ∀k, l ≥ K,
2.2 Endlich dimensionale R¨ aume
21
daß (xk (i)) eine Cauchy-Folge in ist f¨ ur jedes i. Da vollst¨andig ist, folgt die punktweise Konvergenz xk (i) → x(i) f¨ ur k → ∞. F¨ ur festes j ∈ gilt j X i=1
|xk (i) − xl (i)|p ≤ εp
und nach Grenz¨ ubergang l → ∞ j X i=1
|xk (i) − x(i)|p ≤ εp .
Die rechte Seite h¨ angt nicht von j ab, so daß auch kxk − xklp ≤ ε und damit xk → x in lp und x = xk − (xk − x) ∈ lp . F¨ ur den Raum l∞ kann der Beweis analog gef¨ uhrt werden, indem die Summe durch das Supremum ersetzt wird. Sei (xk )k∈ eine Cauchy-Folge in c0 ( ). Wegen der Vollst¨andigkeit von l∞ gibt es ein x ∈ l∞ mit |xk (i) − x(i)| ≤
1 ε 2
f¨ ur alle k ≥ K und i ∈
.
Da xK ∈ c0 ( ), existiert ein I ∈ mit |xK (i)| ≤ 12 ε f¨ ur alle i ≥ I. Aus der Dreiecksungleichung folgt f¨ ur diese i auch |x(i)| ≤ |xK (i) − x(i)| + |xK (i)| ≤ ε. Damit ist x ∈ c0 ( ) und der Raum vollst¨ andig.
2.2 Endlich dimensionale R¨ aume Definition 2.4. Zwei Normen k · k1 , k · k2 eines linearen Raums X heißen ¨aquivalent, wenn es Konstanten m, M > 0 gibt mit mkxk1 ≤ kxk2 ≤ M kxk1
∀x ∈ X.
¨ Aquivalente Normen erzeugen die gleiche Topologie. Davon wurde bereits in Beispiel 1.25 Gebrauch gemacht, als die Maximumsnorm auf C([0, a]) durch eine Gewichtsfunktion modifiziert wurde. Die Quintessenz dieses Abschnitts ist die einfache Tatsache, daß man bei endlich dimensionalen R¨ aumen unsere Begriffsbildungen nicht braucht und mit der u ¨blichen linearen Algebra auskommt. Es gibt keine topologischen Fragestellungen, denn jeder endlich dimensionale Raum l¨aßt sich u ¨ber ein Skalarprodukt normieren. Satz 2.5. Auf einem endlich dimensionalen Raum sind alle Normen ¨ aquivalent. Endlich dimensionale R¨ aume sind Banach-R¨ aume. Endlich dimensionale Unterr¨aume normierter R¨ aume sind abgeschlossen und damit vollst¨andig.
22
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
Beweis. Sei e1 , . . . , en eine Basis des endlich dimensionalen Pn Raums (X, k · k). Jedem x ∈ X ordnen wir in der Entwicklung x = i=1 αi ei den Vektor α = (α1 , . . . , αn )T ∈ n zu. Die Abbildungen α 7→ x 7→ kxk sind stetig. Daher nimmt kxk auf der kompakten Menge {α : |α| = 1} Maximum und Minimum an. Das Minimum muß strikt positiv sein, denn α = 0 geh¨ort nicht zu dieser Menge. Damit sind die Normen |α(x)| und kxk f¨ ur |α| = 1 ¨aquivalent. ¨ Ein Homogenit¨atsargument liefert die Aquivalenz f¨ ur allgemeine x. Daher ist eine beliebige Norm ¨ aquivalent zur Norm |α(x)|. Die Vollst¨andigkeit von X folgt aus der Vollst¨ andigkeit des Koeffizientenraums ( n , | · |). ⊓ ⊔ Auch bez¨ uglich der Kompaktheit nehmen endlich dimensionale R¨aume eine ausgezeichnete Position ein. Wir bereiten das entsprechende Resultat mit einem n¨ utzlichen Lemma vor. Lemma 2.6 (Rieszsches Lemma). Ist U ein abgeschlossener echter Unterraum eines Banach-Raums X, so gibt es zu jedem 0 < λ < 1 ein xλ ∈ X mit kxλ k = 1 und kxλ − uk ≥ λ ∀u ∈ U. Beweis. F¨ ur x ∈ / U gilt d = dist (x, U ) > 0, weil U abgeschlossen ist (siehe Aufgabe 1.20). Wegen λ < 1 gibt es ein uλ ∈ U mit d ≤ kx − uλ k ≤ d/λ. Mit γ = 1/kx − uλ k ≥ λ/d folgt f¨ ur xλ = γ(x − uλ ), daß kxλ k = 1. F¨ ur alle u ∈ U ist dann
1 λ kxλ − uk = kγ(x − uλ ) − uk = γ x − uλ + u ≥ · d = λ. γ d | {z } ∈U
⊓ ⊔
Satz 2.7. Sei X ein Banach-Raum. Dann gilt: ˜1 (0) ist kompakt ⇔ X ist endlich dimensional. B Beweis. ⇐: Im letzten Satz hatten wir gesehen, daß endlich dimensionale R¨aume hom¨oomorph zu ( n , | · |) sind. ⇒: Zu einem beliebigen x1 , kx1 k = 1, setze U1 = span {x1 } und x2 = x1/2 mit x1/2 aus dem Rieszschen Lemma f¨ ur U = U1 . Mit U2 = span {x1 , x2 } wird die Konstruktion fortgesetzt. Wir erhalten eine Folge (xk ) mit kxk k = 1 und kxk − xj k ≥ 1/2 f¨ ur alle j < k. Diese Folge enth¨alt offenbar keine konvergente Teilfolge. ⊓ ⊔ Dieses negative Resultat z¨ ahlt zu den entscheidenden Anst¨oßen, die zur Entwicklung der Funktionalanalysis gef¨ uhrt haben. Um Kompaktheitsschl¨ usse zu gestatten, werden sp¨ ater schwache“ Topologien definiert, die gr¨ober als ” die Normtopologie sind.
2.3 Stetige lineare Abbildungen und der normierte Dualraum
23
2.3 Stetige lineare Abbildungen und der normierte Dualraum Wie in der linearen Algebra beweist man, daß f¨ ur eine lineare Abbildung T zwischen normierten R¨ aumen der Nullraum N (T ) und der Bildraum R(T ) lineare R¨aume sind. Ist T u ¨berdies stetig, so ist der Nullraum als Urbild einer abgeschlossenen Menge ebenfalls abgeschlossen. Lemma 2.8. Seien X, Y normierte R¨ aume und T : X → Y eine lineare Abbildung. Dann sind ¨ aquivalent: (a) T ist stetig. (b) T ist im Nullpunkt stetig. (c) Der Ausdruck ist beschr¨ ankt.
kT kX→Y =
kT xkY x∈X, x6=0 kxkX sup
Beweis. (a)⇒(b) ist klar. (b)⇒(c): Zu ε = 1 gibt es ein δ > 0, so daß f¨ ur alle x mit kxkX = δ gilt kT xkY ≤ 1. F¨ ur kxkX = δ ist der Ausdruck in (c) beschr¨ankt. F¨ ur allgemeine x 6= 0 setzen wir x ˜ = δx/kxkX , somit k˜ xkX = δ, und erhalten das gew¨ unschte Resultat mit Hilfe der Homogenit¨ at der Norm. (c)⇒(a): F¨ ur eine Folge xk → x folgt aus der Linearit¨at von T und aus (c) kT xk − T xkY ≤ kT kX→Y kxk − xkX → 0.
⊓ ⊔
Aufgrund der Eigenschaft (c) nennen wir stetige lineare Abbildungen zwischen normierten R¨aumen auch beschr¨ankt. Direkt aus der Definition beweist man: Lemma 2.9. Seien X, Y, Z normierte R¨ aume und T : X → Y, S : Y → Z stetige lineare Abbildungen. Dann gilt: (a) kT kX→Y = sup kT xkY : x ∈ X, kxkX = 1 , (b) kT xkY ≤ kT kX→Y kxkX ,
(c) kST kX→Z ≤ kSkY →Z kT kX→Y . Mit L(X, Y ) bezeichnen wir den Raum der linearen und beschr¨ankten Abbildungen zwischen den normierten R¨ aumen X und Y. Im Spezialfall X = Y schreiben wir k¨ urzer L(X). Satz 2.10. (L(X, Y ), k · kX→Y ) ist ein normierter Raum. Wenn Y ein Banach-Raum ist, so ist auch L(X, Y ) ein Banach-Raum. Beweis. L(X, Y ) ist offenbar Vektorraum mit der Nullabbildung 0 : y 7→ 0. Die Homogenit¨at der Norm folgt aus kαT xkY = |α| kT xkY und die Dreiecksungleichung aus
24
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
k(T1 + T2 )xkY ≤ kT1 xkY + kT2 xkY ≤ kT1 kX→Y + kT2 kX→Y kxkX .
Sei nun Y vollst¨ andig und (Tk )k∈ eine Cauchy-Folge in L(X, Y ). F¨ ur jedes x ∈ X ist auch (Tk x) eine Cauchy-Folge in Y und hat einen Grenzwert, den wir T (x) nennen. Wir m¨ ussen zeigen, daß die so gewonnene Abbildung T linear und stetig ist. Die Linearit¨ at folgt aus der punktweisen Konvergenz der Tk x, T (x + y) = lim Tk (x + y) = lim(Tk x + Tk y) = T (x) + T (y), T (αx) = lim Tk (αx) = lim αTk (x) = αT (x). Als Cauchy-Folge sind die Normen der Tk durch eine Konstante K gleichm¨aßig beschr¨ankt und es gilt kT xkY = lim kTk xkY ≤ KkxkX . Nach Lemma 2.8 ist T stetig. In der Beziehung k(Tk − Tl )xkY ≤ εkxkX k¨onnen wir wegen Tl x → T x und der Stetigkeit der Norm zum Grenzwert l→∞u ⊓ ⊔ ¨bergehen und erhalten kTk − T kX→Y ≤ ε. Wegen dieses Satzes heißt kT kX→Y die Operatornorm von T . Definition 2.11. F¨ ur einen normierten Raum X heißt der Raum L(X, ) der Dualraum von X und wird k¨ urzer mit X ′ bezeichnet mit Norm k · kX ′ = ′ k · kX→ . Die f ∈ X heißen stetige lineare Funktionale. Als Spezialfall erhalten wir aus dem vorigen Satz, daß der Dualraum eines normierten Raums vollst¨ andig ist. Beispiele 2.12 Da eine gleichm¨ aßige konvergente Folge stetiger Funktionen eine stetige Grenzfunktion besitzt, ist C([0, 1]) Banach-Raum unter der Norm kxk∞ = maxt∈[0,1] |x(t)| (siehe Abschnitt 2.5). (i) T : C([0, 1]) → C([0, 1]) mit
T x(t) =
Z
t
x(τ ) dτ
0
ist offenbar linear mit kT xk∞ ≤ kxk∞ . Die Funktion x(t) = 1 beweist kT k∞→∞ = 1. (ii) Das Funktional f : C([−1, 1]) → mit Z 0 Z fx = − x(τ ) dτ + −1
1
x(τ ) dτ
0
ist ebenfalls linear mit |f x| ≤ 2kxk∞ . Dieses Beispiel zeigt, daß in der Definition der Operatornorm das Supremum nicht angenommen werden muß. Es l¨aßt sich leicht eine Folge stetiger, st¨ uckweise linearer Funktionen xk konstruieren mit xk → sign (x) punktweise und |f xk | → 2.
2.3 Stetige lineare Abbildungen und der normierte Dualraum
25
(iii) Sei X der Raum Pder endlichen Folgen versehen mit der Norm k · kl2 . Das Funktional f (x) = i ix(i) ist linear auf X, aber offenbar unbeschr¨ankt. Die Konstruktion eines unstetigen linearen Funktionals gelingt hier leicht, weil (X, k · kl2 ) nicht vollst¨ andig ist. Wir k¨ onnen die linear unabh¨angige Menge {ek }k∈ mit {ei }i∈I zu einer Basis von l2 (im Sinne der linearen Algebra) erg¨anzen und f (ei ) = 0 setzen. Damit ist das unstetige Funktional auf ganz l2 definiert. Wie in Aufgabe 3.5 bewiesen wird, ist l2 u ¨ berabz¨ahlbar dimensional. Daher ist die Indexmenge I u ahlbar und f¨ ur die Angabe von {ei }i∈I ¨berabz¨ wird das Auswahlaxiom verwendet, so daß wir die Struktur dieser Auswahl nicht kennen. Es ist daher nicht m¨ oglich, die Werte f (x) f¨ ur x ∈ / span {ek }k∈ explizit anzugeben. Ist andererseits ein Operator auf einem Banach-Raum definiert und wird er ohne Verwendung des Auswahlaxioms konstruiert, so ist er stetig. Beispiel 2.13 (Die Dualr¨aume von lp ). Wir setzen das Beispiel 2.3 fort und zeigen, daß f¨ ur 1 < p < ∞ gilt lp′ ∼ = lq mit q = p/(p − 1) sowie l1′ ∼ = l∞ . In Aufgabe 2.20 wird u ¨berdies bewiesen, daß c0 ( )′ ∼ = l1 . Sei zun¨achst 1 < p < ∞. Jedem f ∈ lp′ k¨ onnen wir mit y(i) = f (ei ) eine Zahlenfolge zuordnen, wobei ei die kanonischen Einheitsvektoren bezeichnen. Wir zeigen nun, daß dieP Abbildung T : f 7→ y ein isometrischer Isomorphismus T : lp′ → lq ist. Wegen i≥k |x(i)|p → 0 f¨ ur k → ∞ ist die Reihe x=
∞ X
x(i)ei
(2.1)
i=1
normkonvergent. Linearit¨ at und Stetigkeit von f liefern daher f (x) = Mit der speziellen Wahl ( x(i) =
∞ X
x(i)y(i).
i=1
|y(i)|q /y(i) 0
falls i ≤ k und y(i) 6= 0 sonst
erhalten wir f¨ ur k ∈ k X i=1
|y(i)|q = f (x) ≤ kf kl′p kxklp = kf kl′p
und f¨ ur k → ∞ lp′
kyklq ≤ kf kl′p .
k X i=1
|y(i)|q
1/p
,
Damit bildet T den Raum auf lq ab. Die Linearit¨at von T ist klar. Da wir aus der H¨olderschen Ungleichung u ¨berdies |f (x)| ≤ kxklp kyklq erhalten, ist gezeigt, daß T eine Isometrie ist. ′ ∼ Ganz analog beweist man l1′ ∼ 6 l1 . Ein = l∞ . Es sei noch bemerkt, daß l∞ = entsprechender Beweisversuch scheitert daran, daß die Reihe (2.1) in l∞ nicht konvergiert.
26
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
Der folgende Satz ist sehr n¨ utzlich f¨ ur die Konstruktion von stetigen linearen Abbildungen. Satz 2.14. Seien X, Y Banach-R¨ aume, M ein dichter Unterraum von X und T : M → Y stetig und linear. Dann gibt es genau eine Fortsetzung T˜ ∈ L(X, Y ) mit T˜ |M = T und kT kM →Y = kT˜ kX→Y . Beweis. Zu x ∈ X gibt es eine Folge (xk ) in M mit xk → x. Aufgrund der Absch¨atzung kT (xk − xl )kY ≤ kT kM →Y kxk − xl kX (2.2)
ist auch (T xk ) Cauchy-Folge in Y und besitzt einen Grenzwert, den wir T˜ x nennen. Dieser Grenzwert ist unabh¨ angig von der Cauchy-Folge, denn wenn zwei Cauchy-Folgen gegen x konvergieren, so ist die Differenzenfolge eine Nullfolge und aus (2.2) folgt die Eindeutigkeit von T˜x. Wie u ¨ blich zeigt man direkt aus der Definition die Linearit¨ at von T˜. Aus kT xkY ≤ kT kM→Y kxkX f¨ ur alle x ∈ M erh¨alt man f¨ ur eine Folge xk → x, xk ∈ M, durch Grenz¨ ubergang kT˜ xkY ≤ kT kM →Y kxkX und daher kT˜kX→Y ≤ kT kM →Y . Die umgekehrte Richtung ist trivial. ⊓ ⊔ Definition 2.15. Seien X, Y Banach-R¨ aume. Eine Abbildung T : X → Y heißt kompakt, wenn sie beschr¨ ankte Mengen in X auf relativ kompakte Mengen in Y abbildet. Offenbar ist eine kompakte lineare Abbildung stetig, denn das Bild der abgeschlossenen Einheitskugel ist eine beschr¨ ankte Menge, so daß kT kX→Y = supkxk=1 kT xk existiert. Wir k¨ onnen kompakte Abbildungen auch a¨quivalent dadurch charakterisieren, daß sie beschr¨ ankte Folgen auf Folgen abbildet, die eine konvergente Teilfolge besitzen. Definition 2.16. Seien X, Y Banach-R¨ aume mit X ⊂ Y. Wir sagen, daß X eingebettet werden kann in Y und schreiben dann X → Y, wenn X ein Unterraum von Y ist mit stetiger Identit¨ at Id : X → Y, Id(x) = x. Es gilt dann die Absch¨ atzung kxkY ≤ ckxkX
∀x ∈ X.
Die Einbettung X → Y heißt kompakt, wenn die Identit¨ at eine kompakte lineare Abbildung ist. Die Einbettung X → Y heißt dicht, wenn Id(X) dicht in Y ist. Wenn X, Y endlich dimensionale R¨ aume sind mit X ⊂ Y, dann ist die Einbettung zwischen X und Y kompakt, denn die Identit¨at bildet beschr¨ankte Mengen auf beschr¨ ankte und damit relativ kompakte Mengen ab. Im unendlich dimensionalen Banach-Raum sind die Verh¨altnisse komplizierter; so ist die Einbettung eines unendlich dimensionalen Banach-Raums in sich selbst nie kompakt.
2.3 Stetige lineare Abbildungen und der normierte Dualraum
27
Beispiel 2.17. Seien lp die Banach-R¨ aume aus Beispiel 2.3. Offenbar gilt lp ⊂ l∞ mit stetiger Einbettung wegen kxkl∞ ≤ kxklp . Diese Einbettung ist aber nicht kompakt, denn die Folge (ek ) mit ek (i) = δki ist beschr¨ankt in lp , besitzt aber keine konvergente Teilfolge in l∞ . Als n¨achstes geben wir ein Beispiel f¨ ur eine nichttriviale kompakte Abbildung. Beispiel 2.18. Wir betrachten die Abbildung T : l∞ → l∞ ,
(T x)(i) =
1 x(i). i
Die R-Kugel wird dabei auf die Menge R M = x ∈ l∞ : |x(i)| ≤ , i
i∈
(2.3)
abgebildet. Wir zeigen nun, daß M und damit T kompakt ist. Dazu beweisen wir, daß jede Folge (xk )k∈ in M eine konvergente Teilfolge besitzt. Dies geschieht durch ein Argument, das Auswahl der Diagonalfolge“ genannt wird. ” Da die Folge (xk (1))k∈ beschr¨ ankt ist, besitzt sie einen H¨aufungspunkt y(1) und es existiert eine Teilfolge (xk )k∈N1 , N1 ⊂ , so daß (xk (1))k∈N1 gegen y(1) konvergiert. Wir schreiben diese Teilfolge in die erste Zeile einer quadratischen Tafel. Aus dieser Teilfolge k¨ onnen wir wiederum eine Teilfolge (xk )k∈N2 , N2 ⊂ N1 , ausw¨ahlen mit xk (2) → y(2), k ∈ N2 . Diese Teilfolge schreiben wir in die zweite Zeile der Tafel. Durch fortgesetzte Auswahl von Teilfolgen f¨ ullen wir die gesammte Tafel, so daß die Teilfolge in Zeile k in den ersten k Komponenten konvergiert. Die Teilfolge in der Diagonalen konvergiert damit punktweise in allen Komponenten, xk (i) → y(i) f¨ ur alle i. Wir m¨ ussen die gleichm¨aßige Konvergenz dieser Teilfolge zeigen. Zu einem beliebig vorgegebenem ε > 0 gibt es ein I ∈ mit |x(i)| ≤ ε f¨ ur alle x ∈ M und i > I. Weil punktweise Konvergenz gleichm¨ aßig ist auf endlichen Indexmengen, gibt es ein K ∈ mit |xk (i) − y(i)| ≤ ε f¨ ur 1 ≤ i ≤ I und k ≥ K. F¨ ur k ≥ K gilt kxk − ykl∞ = sup |xk (i) − y(i)| ≤ sup |xk (i) − y(i)| + sup |xk (i) − y(i)| i∈
i≤I
i>I
≤ ε + sup |xk (i)| + sup |y(i)| ≤ 3ε, i>I
i>I
und daher xk → y in der Norm k · kl∞ . Ein im Grunde einfacherer Beweis l¨ aßt sich mit Hilfe der Pr¨akompaktheit ¨ f¨ uhren, was dem Leser als Ubung empfohlen wird. Lemma 2.19. Seien X, Y, Z Banach-R¨ aume mit Einbettungen X → Y → Z. Wenn eine dieser Einbettungen kompakt ist, so ist auch die Einbettung X → Z kompakt.
28
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
Beweis. Eine stetige lineare Abbildung bildet beschr¨ankte Mengen auf beschr¨ankte ab und konvergente Folgen auf konvergente Folgen. Wenn daher (xk ) eine beschr¨ankte Folge in X ist, und die Einbettung X → Y kompakt ist, so k¨onnen wir eine konvergente Teilfolge in Y ausw¨ahlen, die auf eine konvergente Folge in Z abgebildet wird. Der andere Fall wird analog untersucht. ⊓ ⊔
2.4 Hilbert-R¨ aume Im folgenden bezeichnet der Querstrich die komplexe Konjugation (z = x+iy, z = x − iy). Wenn der zugrunde liegende Vektorraum reell ist, so hat er keine Bedeutung. Definition 2.20. Sei X ein linearer Raum ¨ uber . Eine Abbildung (·, ·) : X×X → heißt inneres Produkt oder Skalarprodukt in X, wenn die folgenden Bedingungen (a) (α1 x1 + α2 x2 , x3 ) = α1 (x1 , x3 ) + α2 (x2 , x3 ) (b) (x1 , x2 ) = (x2 , x1 ) (Antisymmetrie), (c) (x, x) > 0
f¨ ur x 6= 0
erf¨ ullt sind, wobei αi ∈
(Linearit¨at),
(Definitheit), und xi ∈ X.
Wegen (b) ist (x, x) ∈ . Aus (a) und (b) folgt, daß das innere Produkt eine Sesquilinearform ist, d.h. es ist linear in der ersten Komponente und antilinear in der zweiten, (x1 , α2 x2 + α3 x3 ) = (α2 x2 + α3 x3 , x1 ) = α2 (x1 , x2 ) + α3 (x1 , x3 ). Im Fall reeller R¨aume ist das innere Produkt eine Bilinearform. Als erstes wollen wir nachweisen, daß ein Raum mit innerem Produkt gleichzeitig ein normierter Raum mit Norm kxkX = (x, x)1/2 ist. Dazu ben¨otigen wir ein vorbereitendes Lemma. Lemma 2.21 (Cauchy-Ungleichung). In einem Raum mit innerem Produkt gilt f¨ ur alle x, y |(x, y)| ≤ kxkX kykX . Beweis. Aus den Axiomen f¨ ur das innere Produkt erhalten wir 0 ≤ (αx + y, αx + y) = |α|2 kxk2X + 2Re α(x, y) + kyk2X .
Wir k¨onnen x 6= 0 voraussetzen und w¨ ahlen α = −(x, y)/kxk2X , also 0 ≤ kαx + yk2X = kyk2X − Damit ist die Ungleichung bewiesen.
|(x, y)|2 . kxk2X ⊓ ⊔
2.4 Hilbert-R¨ aume
29
Lemma 2.22. kxkX = (x, x)1/2 ist eine Norm auf X. Beweis. Die beiden ersten Normaxiome folgen direkt aus der Definition der Sesquilinearform, die Dreiecksungleichung beweist man mit Hilfe der CauchyUngleichung kx + yk2X = kxk2X + 2Re (x, y) + kyk2X ≤ kxk2X + 2kxkX kykX + kyk2X = (kxkX + kykX )2 .
⊓ ⊔
Aus der Cauchy-Ungleichung folgt die Stetigkeit des inneren Produkts ( , ) : X × X → ; f¨ ur xk → x und yk → y gilt |(xk , yk ) − (x, y)| = |(xk − x, yk ) + (x, yk − y)| ≤ kxk − xkX kyk kX + kxkX kyk − ykX → 0. Durch direkte Rechnung beweist man die Parallelogramm-Gleichung 2kxk2X + 2kyk2X = kx + yk2X + kx − yk2X .
(2.4)
Definition 2.23. Ein linearer Raum mit innerem Produkt, der vollst¨ andig ist bez¨ uglich der induzierten Norm k · kX = (·, ·)1/2 , heißt Hilbert-Raum. Ein Hilbert-Raum ist damit ein spezieller Banach-Raum. Im Gegensatz zu endlich dimensionalen R¨ aumen geht nicht jeder unendlich dimensionale Banach-Raum aus einem Hilbert-Raum hervor. Beispiele 2.24 (i) Sei (·, ·)X ein inneres Produkt auf X =
n
. Mit
aij = (ei , ej )X gilt f¨ ur die zugeh¨orige Matrix A = (aij )i,j=1,...,n , daß (x, y)X = (Ax, y). Aus den Axiomen f¨ ur das innere Produkt folgt A = AT und (Ax, x) > 0 f¨ ur x 6= 0. Damit ist jedes innere Produkt des n von der Form (Ax, y) mit einer symmetrischen und positiv-definiten Matrix A ∈ n×n . Ferner gilt f¨ ur diese Matrizen die Cauchy-Ungleichung |(Ax, y)| ≤ (Ax, x)1/2 (Ay, y)1/2 . (ii) P∞ Der Raum l2 ist Hilbert-Raum mit innerem Produkt (x, y) = i=1 x(i)y(i). R (iii) Auf dem Raum C([0, 1]) ist das innere Produkt (x, y) = x(τ )y(τ ) dτ erkl¨art. Wie in Kapitel 4 ausgef¨ uhrt wird, ist der zugeh¨orige normierte Raum unvollst¨andig, C([0, 1]) mit diesem inneren Produkt daher kein Hilbert-Raum.
30
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
Jedem x ∈ X kann ein lineares Funktional fx (y) = (y, x) zugeordnet werden, das wegen |fx (y)| ≤ kykX kxkX auch stetig ist. Die Frage, ob die damit verbundene Abbildung j : X → X ′ , x 7→ fx , bijektiv ist, kann positiv beantwortet werden: Satz 2.25 (Rieszscher Darstellungssatz). (a) Zu jedem stetigen linearen Funktional f in einem Hilbert-Raum X gibt es genau ein x ∈ X mit (y, x) = f (y)
∀y ∈ X
(2.5)
und kf kX ′ = kxkX , die zugeh¨ orige Abbildung j : X → X ′ , x 7→ (·, x), ist eine bijektive, antilineare Isometrie. (b) Das x in (2.5) ist auch die eindeutig bestimmte L¨ osung des Problems F (y) = (y, y) − 2Re f (y) → Min
unter allen y ∈ X.
(2.6)
Beweis. Wir zeigen als erstes die Existenz eines Minimums in (2.6). Mit der Youngschen Ungleichung (A.1) folgt F (y) = (y, y) − 2Re f (y) ≥ kyk2X − 2kf kX ′ kykX ≥ −kf k2X ′ , F ist daher nach unten beschr¨ ankt und d = inf F (y) existiert. Wir w¨ahlen eine Minimalfolge (yk ), also F (yk ) → d. Aus der Parallelogrammgleichung (2.4) folgt kyk − yl k2X = 2kyk k2X + 2kyl k2X − kyk + yl k2X
yk + yl 2
+ 8Re f yk + yl = 2kyk k2X − 4Re f (yk ) + 2kyl k2X − 4Re f (yl ) − 4 2 2 = 2F (yk ) + 2F (yl ) − 4F
yk + yl ≤ 2F (yk ) + 2F (yl ) − 4d → 0. 2
Damit ist (yk ) Cauchy-Folge und konvergiert gegen ein x ∈ X. Aus der Stetigkeit von F folgt F (x) = d und x ist ein Minimum. F¨ ur jedes ξ ∈ und y ∈ X gilt folglich F (x) ≤ F (x + ξy), daher 0 ≤ 2Re ξ(y, x) − 2Re ξf (y) + |ξ|2 kyk2X . Wir w¨ahlen hier speziell ξ = ta mit reellem t > 0, teilen durch t, gehen zum Grenzwert t → 0 u ahlen anschließend a = ±1 sowie bei = ¨ ber und w¨ zus¨atzlich a = ±i. Dann folgt 0 = 2(y, x) − 2f (y), das ist (2.5). Die Gleichung (2.5) besitzt daher mindestens eine L¨osung. Sind x1 , x2 L¨osungen, so folgt (y, x1 −x2 ) = 0 f¨ ur alle y ∈ X. Setzen wir hier y = x1 −x2 , so x1 = x2 . Da jede L¨ osung des Minimierungsproblems der Variationsgleichung gen¨ ugt, letztere aber eindeutig l¨ osbar ist, ist auch das Minimierungsproblem eindeutig l¨osbar. Die Identit¨at kf kX ′ = kxkX folgt zum einen aus der Cauchy-Ungleichung
2.4 Hilbert-R¨ aume
kf kX ′ = sup y6=0
31
|(y, x)| kykX kxkX ≤ sup = kxkX , kykX kykX y6=0
und zum anderen aus kxk2X = (x, x) = f (x) ≤ kf kX ′ kxkX . Mit f = j(x) ist j eine bijektive Isometrie. j ist antilinear, weil das innere Produkt antilinear in der zweiten Komponente ist. ⊓ ⊔ Auch wenn die Abbildung j f¨ ur einen komplexen Hilbert-Raum keine lineare Isometrie ist, so ist die Antilinearit¨ at offenbar ausreichend, um die R¨aume X und X ′ miteinander zu identifizieren. Die intuitive Bedeutung des inneren Produkts ist ¨ahnlich wie im endlich dimensionalen Fall, was durch die folgende Definition unterstrichen wird. Definition 2.26. Zwei Elemente x, y eines Hilbert-Raums heißen orthogonal, wenn (x, y) = 0, was auch mit x ⊥ y bezeichnet wird. Zu einer Teilmenge A eines Hilbert-Raums heißt A⊥ = {x ∈ X : x ⊥ A} das orthogonale Komplement von A. A⊥ ist als Durchschnitt der Nullr¨ aume von fy (x) = (x, y), y ∈ A, ein abgeschlossener Unterraum. Die Beziehung A ⊂ A⊥⊥ = (A⊥ )⊥ folgt direkt aus der Definition. Zu einem Hilbert-Raum X und einem Unterx raum A definieren wir ebenfalls in Anlehnung an den endlich dimensionalen Fall die orthogonale Projektion P : X → A durch die Bedingung (P x, y) = (x, y) ∀y ∈ A,
Px
(2.7) 0
also x − P x ⊥ A.
A
Satz 2.27 (Projektionssatz). Sei A ein nichtleerer abgeschlossener Unterraum eines Hilbert-Raums X. (a) Die Abbildung P in (2.7) existiert und ist eindeutig bestimmt. P ist linear und stetig. Falls A 6= {0}, so kP kX→X = 1.
(b) Zu jedem x ∈ X gibt es eine eindeutige Darstellung x = y + z mit y = P x ∈ A und z ∈ A⊥ . (c) Es gilt A = A⊥⊥ . Beweis. (a) Als erstes wird gezeigt, daß in d = dist (x, A) = inf kx − ykX y∈A
32
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
das Infimum angenommen wird. Das Funktional F (y) = kx − yk2X = kxk2X − 2Re (y, x) + kyk2X ,
y ∈ A,
besitzt die gleiche Struktur wie (2.6): (·, x) ist ein stetiges lineares Funktional und kxk2X ist lediglich eine Konstante. Da der abgeschlossene Unterraum A selber Hilbert-Raum ist, nimmt nach dem Rieszschen Darstellungssatz 2.25 das Funktional F das Minimum im eindeutig bestimmten Punkt P x ∈ A an, der der Variationsgleichung (y, P x) = (y, x) ∀y ∈ A.
gen¨ ugt. P : X → A ist offenbar linear. kP kX→X ≤ 1 erh¨alt man mit (P x, P x) = (x, P x) ≤ kxkX kP xkX . kP kX→X = 1 folgt aus P y = y f¨ ur alle y ∈ A. (b) Aus x = y + z folgt (x, w) = (y, w) f¨ ur alle w ∈ A, womit nach (a) y = P x eindeutig bestimmt ist. (c) Bezeichnen wir hier die orthogonale Projektion in den abgeschlossenen Unterraum A mit PA , so folgt aus (b) Id − PA = PA⊥ , also auch Id − PA⊥ = PA⊥⊥ , zusammen daher PA = PA⊥⊥ und A = A⊥⊥ . ⊓ ⊔ Nun beweisen wir eine Verallgemeinerung des Rieszschen Darstellungssatzes auf unsymmetrische Sesquilinearformen. Definition 2.28. Eine Sesquilinearform b : X × X → wenn es eine Konstante cb gibt mit |b(x, y)| ≤ cb kxkX kykX
heißt beschr¨ankt,
∀x, y ∈ X,
und sie heißt koerziv, wenn es eine Konstante ce > 0 gibt mit |b(x, x)| ≥ ce kxk2X
∀x ∈ X.
Satz 2.29 (Lax-Milgram). Sei b(·, ·) eine beschr¨ ankte und koerzive Sesquilinearform auf dem Hilbert-Raum X. Dann gibt es ein bijektives R ∈ L(X), so daß f¨ ur jedes x ∈ X b(y, Rx) = (y, x)
∀y ∈ X.
(2.8)
−1 Ferner gilt kRk ≤ c−1 k ≤ cb . e , kR
Anmerkungen 2.30 (i) Nach dem Rieszschen Darstellungssatz gibt es damit ˜ : X ′ → X mit b(y, Rf ˜ ) = f (y) f¨ auch einen stetigen Operator R ur alle y ∈ X. ˜ Der Operator R gen¨ ugt den gleichen Absch¨ atzungen wie R. (ii) Sei X ∗ der Raum der stetigen, antilinearen Funktionale auf X, also der stetigen f mit f (x + y) = f (x) + f (y) und f (αx) = αf (x). Da die komplexe Konjugation f 7→ f eine bijektive antilineare Isometrie zwischen X ′ und X ∗ ist, besitzen die beiden R¨ aume die gleiche Struktur. Man nennt X ∗ den Antidualraum von X. Im Zusammenhang mit Hilbert-R¨aumen ist er nat¨ urlicher
2.5 R¨ aume stetiger Funktionen und der Satz von Arzela-Ascoli
33
als der Dualraum, denn in vielen Anwendungen ist zu f ∈ X ∗ ein R∗ f ∈ X gesucht mit b(R∗ f, y) = f (y) ∀y ∈ X. Man f¨ uhrt dieses Problem auf (2.8) zur¨ uck, indem man diese Gleichung auf beiden Seiten komplex konjugiert und b∗ (y, x) = b(x, y) setzt. b∗ ist ebenfalls eine beschr¨ankte, koerzive Sesquilinearform, adjungierte Sesquilinearform genannt, und die zugeh¨ orige rechte Seite f liegt in X ′ . R∗ : X ∗ → X besitzt die gleichen Stetigkeitseigenschaften wie R. Beweis. Das Funktional b(·, x) ist linear und stetig mit kb(·, x)kX ′ ≤ cb kxkX . Nach dem Darstellungssatz von Riesz existiert daher genau ein T x mit b(y, x) = (y, T x) f¨ ur alle y ∈ X. Da beide Formen sesquilinear sind, ist T : X → X linear und wegen kT xk2X = (T x, T x) = b(T x, x) ≤ cb kT xkX kxkX ,
(2.9)
auch stetig. Wegen ce kxk2X ≤ |b(x, x)| = |(T x, x)| ≤ kT xkX kxkX ,
(2.10)
ist N (T ) = {0}. Weiter folgt aus dieser Absch¨ atzung, daß der Bildraum R(T ) abgeschlossen ist. Denn wenn f¨ ur eine Folge (xk ) gilt T xk → y, so liefert (2.10) kxk − xl k ≤ c−1 e kT xk − T xl k. Damit ist (xk ) eine Cauchy-Folge, also xk → x und wegen der Stetigkeit von T auch T xk → T x = y. Sei x0 ⊥ R(T ). Aus (x0 , T x) = 0 f¨ ur alle x ∈ X folgt 0 = (x0 , T x0 ) = b(x0 , x0 ) ≥ ce kx0 k2X und damit x0 = 0. Da R(T ) abgeschlossen ist, erhalten wir R(T ) = X. Damit ist T bijektiv und R = T −1 . Die Normabsch¨atzungen f¨ ur R folgen aus (2.9) und (2.10), indem man dort x durch T −1 x ersetzt. ⊓ ⊔
2.5 R¨ aume stetiger Funktionen und der Satz von Arzela-Ascoli Sei X ein kompakter metrischer Raum und C(X) der Raum der auf X stetigen, -wertigen Funktionen mit Norm kuk∞ = max |u(x)|. x∈X
Da u und | · | stetig sind, existiert das Maximum von |u(·)| wegen Satz 1.34. Der Spezialfall X = K ⊂ n mit einer kompakten Menge K ist f¨ ur viele Anwendungen interessant genug. Mit gleichem Beweis wie in diesem Spezialfall zeigt man, daß die Elemente von C(K) gleichm¨aßig stetig sind (siehe Aufgabe 2.23). Satz 2.31. (C(X), k · k∞ ) ist Banach-Raum.
34
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
Beweis. Die Axiome einer Norm sind offenbar erf¨ ullt. Die Konvergenz uk → u in dieser Norm ist die gleichm¨ aßige Konvergenz. Wenn (uk ) eine Cauchy-Folge ist, so bedeutet das max |uk (x) − ul (x)| < ε ∀k, l ≥ K, x∈X
(2.11)
insbesondere auch, daß (uk (x)) f¨ ur alle x ∈ X Cauchy-Folge in ist. Es gibt also eine Funktion u(x) mit uk (x) → u(x) punktweise in . Da der Betrag stetig ist, k¨onnen wir in (2.11) zum Grenzwert l → ∞ u ¨bergehen und erhalten max |uk (x) − u(x)| ≤ ε x∈X
∀k ≥ K,
woraus die gleichm¨ aßige Konvergenz folgt. Wir m¨ ussen nun zeigen, daß diese Grenzfunktion stetig ist, was im Fall X = K ⊂ n ein wohlbekannter Satz der reellen Analysis ist. Der Beweis verl¨ auft hier v¨ollig analog: Sei x ∈ X und ε > 0 vorgegeben. Dann gibt es ein k mit ku−uk k∞ ≤ ε und eine Kugel Bδ (x) mit |uk (x) − uk (y)| ≤ ε f¨ ur alle y ∈ Bδ (x). Aus der Dreiecksungleichung folgt dann |u(x) − u(y)| ≤ |u(x) − uk (x)| + |uk (x) − uk (y)| + |uk (y) − u(y)| ≤ 3ε. Damit ist u stetig und (C(X), k · k∞ ) vollst¨ andig.
⊓ ⊔
Nun untersuchen wir die relativ kompakten Teilmengen von C(X). Definition 2.32. Eine Menge E ⊂ C(X) heißt gleichgradig stetig, wenn es zu jedem ε > 0 ein δ > 0 gibt mit |u(x) − u(y)| ≤ ε
f¨ ur alle x, y ∈ X mit d(x, y) ≤ δ und f¨ ur alle u ∈ E.
In der gleichgradigen Stetigkeit muß das gesuchte δ unabh¨angig von u ∈ E sein. Ein Beispiel f¨ ur eine nicht gleichgradig stetige Funktionenmenge ist uα (x) = xα ∈ C([0, 1]) f¨ ur 0 < α ≤ 1. Satz 2.33 (Arzela-Ascoli). Wenn die Funktionen in einer Menge E ⊂ C(X) gleichm¨ aßig beschr¨ ankt und gleichgradig stetig sind, so ist E relativ kompakt in C(X). Beweis. Sei (uk )k∈ eine gleichm¨ aßig beschr¨ankte und gleichgradig stetige Folge von Funktionen. Wir m¨ ussen zeigen, daß sie eine gleichm¨aßig konvergente Teilfolge besitzt. Nach Satz 1.33 existiert eine abz¨ahlbare dichte Teilmenge {xm }m∈ von X. Mit dem Diagonalfolgenargument aus Beispiel 2.18 erhalten wir eine Teilfolge, die wieder mit (uk )k∈ bezeichnet wird, mit uk (xm ) → vm f¨ ur alle m ∈ . Im folgenden zeigen wir die gleichm¨ aßige Konvergenz dieser Teilfolge. Sei ε > 0 vorgegeben und sei δ > 0 das zugeh¨ orige δ aus der Definition der gleichgradigen Stetigkeit. Aufgrund der Kompaktheit von X gibt es eine endliche
2.5 R¨ aume stetiger Funktionen und der Satz von Arzela-Ascoli
35
¨ Uberdeckung {Bi }1≤i≤I von X mit Kugeln Bi vom Durchmesser δ. Aus der gleichgradigen Stetigkeit erhalten wir |uk (x) − uk (y)| ≤ ε ∀x, y ∈ Bi . Zu jedem Bi gibt es einen Punkt xi in der dichten Teilmenge {xm } mit xi ∈ Bi . Die punktweise Konvergenz der uk liefert ein k0 ∈ mit |uk (xi ) − ul (xi )| ≤ ε
f¨ ur alle k, l ≥ k0 und i = 1, . . . , I.
Sei x ∈ X ein beliebiger Punkt und Bi eine Kugel mit x ∈ Bi . Aus den oben hergeleiteten Absch¨ atzungen folgt f¨ ur k, l ≥ k0 |uk (x) − ul (x)| ≤ |uk (x) − uk (xi )| + |uk (xi ) − ul (xi )| + |ul (xi ) − ul (x)| ≤ 3ε. ⊓ ⊔
Damit ist die Teilfolge (uk ) gleichm¨ aßig konvergent.
Es gilt auch die umgekehrte Richtung dieses Satzes. Anstatt dies zu beweisen, u ufen wir die Notwendigkeit der Voraussetzungen. Als erstes sieht man ¨ berpr¨ leicht, daß die oben angegebene Menge uα (x) = xα nicht relativ kompakt in C([0, 1]) ist. Um zu zeigen, daß auch die Kompaktheit von X notwendig ist, w¨ahlen wir beispielsweise u = x2 (1 − x)2 in (0, 1) und u = 0 in \ (0, 1). Die Folge uk ∈ C( ) mit uk (x) = u(x + k),
k∈
.
konvergiert punktweise, aber nicht gleichm¨ aßig gegen die Nullfunktion. Nach Lemma 1.26 gilt aber |uk (x) − uk (y)| ≤ K|x − y| ∀k ∈
,
was die gleichgradige Stetigkeit der Funktionenfolge impliziert. Beispiel 2.34. Wir setzen das in Beispiel 1.25 begonnene Studium des Anfangswertproblems x′ (t) = f (t, x(t)), fort, wobei f : [0, a0 ] ×
n
→
x(0) = x0 ∈ n
n
vorgegeben,
(2.12)
hier nur als stetig vorausgesetzt wird.
Satz 2.35. Sei f stetig in einer Umgebung U von (0, x0 ) ∈ n+1 . Dann existiert ein a > 0, so daß das Anfangswertproblem im Intervall [0, a] mindestens eine L¨osung besitzt. Beweis. Wie in Beispiel 1.25 gezeigt, ist die Differentialgleichung a¨quivalent zur Aufgabe Z t x(t) = x0 + f (τ, x(τ )) dτ. (2.13) 0
F¨ ur α > 0 betrachten wir die Funktionen
36
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
xα (t) =
(
f¨ ur t ≤ 0,
x0 x0 +
Rt 0
f (τ, xα (τ − α)) dτ f¨ ur t ≥ 0
.
(2.14)
Durch diese Vorschrift ist xα eindeutig bestimmt, denn um beispielsweise auf das Intervall [0, α] zuzugreifen, werden von xα nur die Werte im Intervall [−α, 0] ben¨otigt. Wegen |f | ≤ K in einer kompakten Teilmenge von U folgt |xα (t)| ≤ |x0 | + Kt f¨ ur t ∈ [0, a] f¨ ur gen¨ ugend klein gew¨ahltes a > 0. Da die Funktionen xα wegen |x′ | ≤ K gleichgradig stetig sind, existiert nach dem Satz von Arzela-Ascoli eine Folge αk → 0 mit xαk → x gleichm¨aßig im Intervall [0, a]. In der Absch¨ atzung |xαk (t − αk ) − x(t)| ≤ |xαk (t − αk ) − xαk (t)| + |xαk (t) − x(t)| konvergieren aufgrund der gleichgradigen Stetigkeit und der gleichm¨aßigen Konvergenz beide Terme auf der rechten Seite gegen Null. Aus dem Grenz¨ ubergang αk → 0 in (2.14) folgt, daß x eine L¨osung der Integralgleichung (2.13) ist. ⊓ ⊔ √ Die Differentialgleichung x′ = 2 x, x(0) = 0, besitzt die stetig differenzierbaren L¨osungen ( 0 f¨ ur t ≤ τ, xτ (t) = τ ≥ 0. 2 (t − τ ) f¨ ur t ≥ τ, Wir k¨onnen daher keine eindeutige L¨ osung erwarten.
2.6 Die H¨ older-R¨ aume C m,α(Ω) Definition 2.36. Ω ⊂ n heißt Gebiet, wenn Ω offen und zusammenh¨ angend ist. Ω0 heißt kompakt enthalten in Ω (Schreibweise Ω0 ⊂⊂ Ω), wenn Ω0 kompakt und in Ω enthalten ist. F¨ ur eine Funktion u : Ω → heißt supp(u) = {x ∈ Ω : u(x) 6= 0} der Tr¨ager (engl. support) von u. Ist Ω0 ⊂⊂ Ω, so besitzen Ω und Ω0 einen positiven Randabstand, dist (∂Ω, ∂Ω0 ) > 0 (Ω0 ist kompakt!). Definition 2.37. Sei Ω ein Gebiet des n . Zu m ∈ 0 ist C m (Ω) der Raum der reell- oder komplexwertigen Funktionen, die auf Ω definiert und dort mm mal stetig differenzierbar sind. Weiter ist C ∞ (Ω) = ∩∞ m=0 C (Ω) der Raum m der unendlich oft differenzierbaren Funktionen. C0 (Ω) und C0∞ (Ω) sind die Unterr¨aume von C m (Ω) bzw. C ∞ (Ω), die aus Funktionen mit kompaktem Tr¨ ager in Ω bestehen.
2.6 Die H¨ older-R¨ aume C m,α (Ω)
37
Die Funktionen in C0m (Ω) besitzen einen Tr¨ ager innerhalb von Ω, sie und ihre Ableitungen m¨ ussen daher in einer Umgebung von ∂Ω verschwinden. ∂ Die partiellen Ableitungen erster Ordnung ∂x u nach dem i-ten Einheitsi vektor ei werden k¨ urzer als Di u geschrieben. Der Gradient einer Funktion u ist der Vektor Du = (D1 u, .., Dn u)T . Entsprechend k¨onnen die partiellen Ableitungen der Ordnung m in Form eines Tensors angeordnet werden, Dm u = (Dim1 ,...,im u)1≤ij ≤n . Bei Tensoren bezeichnet der Absolutbetrag die euklidische Norm, beispielsP 2 weise ist |D 2 u|2 = i,j |Dij u|2 . Definition 2.38. Ein Multiindex ist ein Vektor α = (α1 , .., αn )T mit αi ∈ mit den Konventionen |α| =
n X i=1
αi ,
α! =
n Y
αi !,
αn 1 xα = xα 1 . . . xn ,
Dα u =
i=1
0
∂ |α| αn u, 1 ∂xα 1 . . . ∂xn
sowie α≤β
⇔
αi ≤ βi f¨ ur i = 1, . . . , n.
Der Satz von Schwarz rechtfertigt die Schreibweise D(1,1) u = D1 D2 u = D2 D1 u. Da die Funktionen in C m (Ω) nicht beschr¨ ankt zu sein brauchen, definieren wir außerdem: Definition 2.39. C 0 (Ω) ist der Raum der in Ω beschr¨ ankten und gleichm¨ aßig stetigen Funktionen. C m (Ω) ist der Unterraum von C m (Ω), der aus den Funktionen besteht, die beschr¨ ankte und gleichm¨ aßig stetige Ableitungen f¨ ur alle |α| ≤ m besitzen. Auf C m (Ω) definieren wir kukm,∞ = kukm,∞;Ω = max sup |Dα u(x)|. |α|≤m x∈Ω
0
Man kann eine Funktion u in C (Ω) auf eindeutige Weise zu einer auf Ω stetigen Funktion fortsetzen. Ist n¨ amlich x ein Randpunkt von Ω und (xk ) eine Folge in Ω, die gegen x konvergiert, so ist (xk ) insbesondere eine CauchyFolge und aus der gleichm¨ aßigen Stetigkeit von u folgt, daß auch (u(xk )) eine Cauchy-Folge ist, die einen Grenzwert u(x) besitzt. Dieser Grenzwert ist offenbar unabh¨angig von der gew¨ ahlten Cauchy-Folge. Daß die so konstruierte Fortsetzung von u auch auf Ω stetig ist, beweist man genauso mit Hilfe der definierenden Cauchy-Folgen. Umgekehrt l¨ aßt sich einfach zeigen, daß jede Funktion in C(K) bei kompaktem K gleichm¨aßig stetig ist (siehe Aufgabe 2.23). Damit stimmt bei beschr¨ anktem Ω der Raum C 0 (Ω) mit dem zuvor definierten Raum C(K), K = Ω, u ¨ berein. Man beachte, daß die Schreibweise
38
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
C 0 (Ω) bei unbeschr¨ anktem Ω auch eine unterscheidende Bedeutung hat: Es gilt n = n , aber C 0 ( n ) 6= C 0 ( n ). Eine auf Ω ⊂ n definierte Funktion heißt h¨ olderstetig mit Exponent α, 0 < α < 1, wenn f¨ ur alle x, y ∈ Ω gilt |u(x) − u(y)| ≤ c|x − y|α
(2.15)
mit einer von x und y unabh¨ angigen Konstanten c. F¨ ur α = 1 u ¨bernehmen wir diese Definition und nennen die Funktion u lipschitzstetig. Eine h¨older- oder lipschitzstetige Funktion ist gleichm¨ aßig stetig. Die kleinstm¨ogliche Konstante c in (2.15) ist gegeben durch |u|C α = sup x6=y
|u(x) − u(y)| . |x − y|α
Definition 2.40. C m,α (Ω), m ∈ 0 , 0 < α ≤ 1 ist der Unterraum der Funktionen in C m (Ω), deren Ableitungen von der Ordnung ≤ m h¨olderstetig mit Exponent α bzw. lipschitzstetig sind. Auf C m,α definieren wir die Ausdr¨ ucke kukC m,α = kukm,∞ + max |Dγ u|C α . |γ|=m
Im folgenden setzen wir C m,0 = C m und haben damit die C m,α -R¨aume f¨ ur alle m ∈ 0 und 0 ≤ α ≤ 1 erkl¨ art. Satz 2.41. C m,α (Ω) ist Banach-Raum unter der Norm k · kC m,α . Beweis. Die Normaxiome k¨ onnen unmittelbar nachgewiesen werden. Sei (uk )k∈ eine Cauchy-Folge in C m,α (Ω). Dann ist (Dγ uk ) f¨ ur |γ| ≤ m eine Cauchy-Folge bez¨ uglich der Norm k · k∞ und besitzt eine stetige und beschr¨ankte Grenzfunktion uγ . Die gleichm¨ aßige Stetigkeit von uγ folgt aus der gleichm¨aßigen Konvergenz durch Standardargumente. Nun zeigen wir uγ = Dγ u f¨ ur γ = ei . F¨ ur gen¨ ugend kleine h liegt mit x auch x + hei in Ω. Im Hauptsatz Z h uk (x + hei ) − uk (x) = Di uk (x + tei ) dt 0
f¨ uhren wir den Grenz¨ ubergang k → ∞ durch und erhalten mit der Stetigkeit von uγ u(x + hei ) − u(x) =
Z
h
uγ (x + tei ) dt = huγ (x) + o(h).
0
Damit ist u im Punkt x nach ei differenzierbar mit Ableitung uγ (x). Durch vollst¨andige Induktion folgt uγ = Dγ u f¨ ur alle γ und damit uk → u in C m (Ω). Sei nun α > 0 und ohne Beschr¨ ankung der Allgemeinheit m = 0. F¨ ur x, y ∈ Ω mit x 6= y f¨ uhren wir in
Aufgaben
39
|uk (x) − uk (y) − (ul (x) − ul (y))| ≤ ε ∀l ≥ k ≥ K |x − y|α
den Grenz¨ ubergang l → ∞ durch. Da die rechte Seite nicht von x, y abh¨angt, k¨onnen wir zum Supremum u ¨ bergehen und erhalten |uk − u|C α ≤ ε. Dies beweist uk → u in der Norm von C m,α . ⊓ ⊔ Satz 2.42. Sei Ω ein beschr¨ anktes Gebiet. F¨ ur alle m ∈ 1 existiert die Einbettung C m,β → C m,α und ist kompakt.
0
und 0 ≤ α < β ≤
Beweis. Dies braucht nur f¨ ur m = 0 gezeigt zu werden. F¨ ur α = 0 ist die Behauptung klar: Die Einbettung folgt aus der Definition der Norm und die Kompaktheit aus dem Satz von Arzela-Ascoli. Sei also 0 < α < β. F¨ ur jedes d > 0 gilt |u|C α ≤
|u(x) − u(y)| |u(x) − u(y)| + sup α |x − y| |x − y|α |x−y|≥d |x−y|≤d sup
(2.16)
≤ 2d−α kuk∞ + dβ−α |u|C β . Mit d = 1 ist die behauptete Einbettung gezeigt. Sei (uk ) eine Folge in C β mit kuk kC β ≤ M. Nach dem Satz von ArzelaAscoli gibt es eine Teilfolge, die genauso bezeichnet wird, mit uk → u gleichm¨aßig. Aus der Definition der C β -Norm folgt kukC β ≤ M. Sei ε > 0 vorgegeben. In (2.16) ersetzen wir u durch u − uk und w¨ahlen d so klein, daß dβ−α ku − uk kC β ≤ 2M dβ−α = ε/2.
Der Term 2d−α ku − ukk∞ wird ebenfalls durch ε/2 f¨ ur alle k ≥ K beschr¨ankt, indem K gen¨ ugend groß gew¨ ahlt wird. Damit ist uk → u in C α gezeigt. ⊓ ⊔ Ein Gegenbeispiel f¨ ur unbeschr¨ anktes Ω konstruiert man wie in Abschnitt 2.5.
Aufgaben 2.1. (3) Eine Reihe in einem normierten Raum X heißt konvergent, wenn es ein x ∈ X gibt mit k X lim kx − xj k = 0. k→∞
j=1
P∞ Eine Reihe heißt absolut summierbar, wenn k=1 kxk k < ∞. Zeigen Sie, daß X genau dann ein Banach-Raum ist, wenn jede absolut summierbare Reihe konvergent ist. 2.2. (3) Seien A, B Teilmengen eines Banach-Raums X. Beweisen Sie oder widerlegen Sie durch Gegenbeispiel: a) Ist A offen, so ist A + B offen. b) Sind A und B abgeschlossen, so ist A + B abgeschlossen. c) Sind A und B kompakt, so ist A + B kompakt.
40
2 Banach- und Hilbert-R¨ aume
2.3. (3) Wenn ein Banach-Raum X eine Teilmenge M enth¨ alt, die keine abz¨ ahlbare dichte Teilmenge besitzt, so ist X nicht separabel. 2.4. (2) Zeigen Sie, daß l∞ nicht separabel ist, aber den separablen Unterraum c0 ( ) enth¨ alt. Hinweis: Verwenden Sie Aufgabe 2.3. 2.5. Sei M eine beliebige Menge und c0 (M ) die Menge der Abbildungen u : M → so daß Mε (u) = {x ∈ M : |u(x)| ≥ ε}
,
endlich ist f¨ ur jedes ε > 0. Dieser Raum wird mit der Norm kuk∞ = sup |u(x)| x∈M
versehen. a) (1) Zeigen Sie, daß c0 (M ) ein linearer Raum ist. b) (3) Zeigen Sie, daß (c0 (M ), k · k∞ ) ein Banach-Raum ist. 2.6. (3) Eine Teilmenge E von c0 ( ) ist genau dann kompakt, wenn sie abgeschlossen ist und es ein y ∈ c0 ( ) gibt mit |x(i)| ≤ y(i) f¨ ur alle i ∈ und x ∈ E. 2.7. (2) Sei l2 ( ) der Raum der quadratsummierbaren Folgen (x(i))i∈ mit kanonischen Einheitsvektoren ek , k ∈ . X1 sei der Abschluß von span {e0 , e1 , . . .} und X2 sei der Abschluß von span {f1 , f2 , . . .},
fk = e−k + kek .
a) X1 + X2 ist dicht in l2 ( ). b) X1 + X2 ist nicht abgeschlossen. Bemerkung: Die Summe zweier abgeschlossener Unterr¨ aume ist also nicht notwendig abgeschlossen. 2.8. (3) Eine Menge M ⊂ lp , 1 ≤ p < ∞, ist genau dann pr¨ akompakt, wenn sie beschr¨ ankt ist und wenn lim sup
K→∞ x∈M
∞ X
k=K
|x(k)|p = 0.
2.9. (3) Ist eine Teilmenge eines Banach-Raums relativ kompakt, so ist auch die konvexe H¨ ulle (siehe Definition A.1(d)) dieser Teilmenge relativ kompakt. 2.10. (3) Geben Sie ein Beispiel f¨ ur eine kompakte Teilmenge M eines BanachRaums X, so daß die konvexe H¨ ulle von M nicht kompakt ist. Hinweis: Verwenden Sie X = c0 ( ) und n o e 2 e3 M = 0, e1 , , , . . . ⊂ c0 ( ). 2 3 2.11. (3) Eine Teilmenge M eines Banach-Raums X heißt σ-konvex, ur jede P∞ wenn f¨ beschr¨ a nkte Folge (x t = 1, so ist k ) in M gilt: Ist (tk ) eine Folge in [0, 1] mit k k=1 P∞ t x ∈ M. Zeigen Sie, daß jede abgeschlossene konvexe Menge σ-konvex ist. k k k=1
Aufgaben 2.12. (3) Auf dem
n
41
erkl¨ aren wir die Normen kxk1 =
n X i=1
|xi |,
kxk2 = max |xi |. 1≤i≤n
Bestimmen Sie f¨ ur n × n-Matrizen A die Normen kAki→j
f¨ ur i, j = 1, 2, (i, j) 6= (2, 1),
als Funktion der Elemente akl der Matrix A. 2.13. (2) Sind X, Y Banach R¨ aume, so ist offenbar auch X × Y Banach-Raum unter der Norm k(x, y)k = kxk + kyk. Man charakterisiere den Dualraum von X × Y mit Hilfe von X ′ , Y ′ . 2.14. (3) Um Beispiele linearer Operatoren zu gewinnen, definieren wir auf dem Raum l aller Zahlenfolgen die Shiftoperatoren (Sr x) (i) = x(i − 1) f¨ ur i ≥ 2, (Sr x) (1) = 0,
(Sl x) (i) = x(i + 1),
(2.17)
und den Multiplikationsoperator (My x) (i) = y(i)x(i) f¨ ur y ∈ l.
(2.18)
Diese Operatoren sind Abbildungen von l in sich. Der Raum l∞ ist wie immer mit der Supremumsnorm k · kl∞ versehen. Welche der Abbildungen Sr , Sl , My bilden den Raum l∞ in sich ab? F¨ ur diese Abbildungen beantworten Sie auch: Welche sind stetig? Welche sind injektiv, welche surjektiv? Welche sind kompakt? 2.15. (3) a) Beweisen Sie die stetige Einbettung lp → lq f¨ ur 1 ≤ p ≤ q ≤ ∞. b) Zeigen Sie ∪p 0 ein δ > 0 mit |u(x) − u(y)| ≤ ε
f¨ ur alle x, y ∈ X mit d(x, y) ≤ δ.
2.24. (3) Beweisen Sie: Satz (Dini). Sei X ein kompakter metrischer Raum und seien uk ∈ C(X) reellwertig. Konvergieren f¨ ur alle x ∈ X die Folgen (uk (x)) monoton fallend gegen Null, so gilt kuk k∞ → 0. Zeigen Sie auch, daß die Kompaktheit von X eine notwendige Voraussetzung f¨ ur diesen Satz ist. 2.25. (3) X sei der Raum der stetigen und beschr¨ ankten Funktionen auf (0, 1) versehen mit der Norm kuk∞ = supx∈(0,1) |u(x)|. Zeigen Sie, daß (X, k · k∞ ) ein nicht separabler Banach-Raum ist. 2.26. (2) Sei U der Unterraum von C 0 ( n ) der Funktionen mit lim|x|→∞ |u(x)| = 0. Zeigen Sie, daß U ein abgeschlossener Unterraum ist, der mit dem Abschluß von C00 ( n ) in C 0 ( n ) u ¨bereinstimmt. 2.27. (3) Sei Ω ein konvexes beschr¨ anktes Gebiet. Dann existiert die Einbettung C 1 (Ω) → C 0,α (Ω) f¨ ur 0 ≤ α ≤ 1. Die Einbettung ist kompakt f¨ ur 0 < α < 1, aber nicht kompakt f¨ ur α = 1. 2.28. (3) C 0,α (0, 1) ist nicht separabel f¨ ur 0 < α ≤ 1.
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
3.1 Der Satz von Baire und das Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit Definition 3.1. Sei X ein topologischer Raum und A ⊂ X. A heißt nirgends dicht, wenn A keine inneren Punkte enth¨ alt. A heißt mager (oder von erster Kategorie), wenn A sich als abz¨ ahlbare Vereinigung nirgends dichter Mengen darstellen l¨ aßt. Eine nichtmagere Menge heißt auch von zweiter Kategorie. c
F¨ ur eine nirgends dichte Menge A ist das Komplement A dicht in X. Denn andernfalls g¨abe es eine offene Menge U ⊂ A, was der Definition der nirgends dichten Menge widerspricht. Teilmengen magerer Mengen sind mager. Die abz¨ahlbare Vereinigung magerer Mengen ist ebenfalls mager. Der Satz von Baire besagt, daß ein vollst¨andiger metrischer Raum nichtmager ist. Durch Verneinung und/oder Komplementbildung gibt es mehrere Versionen. Satz 3.2 (Baire). In einem vollst¨andigen metrischen Raum ist der Durchschnitt von abz¨ ahlbar vielen offenen und dichten Mengen dicht. Korollar 3.3. Ein vollst¨ andiger metrischer Raum ist nichtmager (als Teilmenge von sich selbst). Korollar 3.4. Sei X ein vollst¨ andiger metrischer Raum und seien Ak abz¨ ahlbar viele abgeschlossene Teilmengen von X. Wenn ∪k Ak eine offene Kugel enth¨alt, so gibt es ein k, so daß Ak eine offene Kugel enth¨alt. Beweis. Sei (Ak )k∈ eine Folge von offenen und dichten Mengen des vollst¨andigen metrischen Raums X. Sei Bε0 (x0 ) eine beliebige offene Kugel von X. Die Menge Bε0 /2 (x0 ) ∩ A1 ist offen und dicht in Bε0 /2 (x0 ) und enth¨alt demnach eine weitere offene Kugel Bε1 (x1 ) mit 0 < ε1 < ε0 /2. Durch Fortsetzung dieser Konstruktion erhalten wir eine Folge von offenen Kugeln mit Bεk (xk ) ⊂ Bεk−1 (xk−1 ) ∩ Ak ,
εk
k folgt d(xk , x) ≤ d(xk , xl ) + d(xl , x) ≤
1 1 εk + d(xl , x) → εk , 2 2
also x ∈ Bεk (xk ) und daher auch x ∈ Ak . Damit ist x ∈ Bε0 (x0 ) und x ∈ ∩k Ak . Da Bε0 (x0 ) beliebig gew¨ ahlt war, ist ∩k Ak dicht in X. Das Korollar 3.3 beweist man durch Komplementbildung. Sei {Ek }k∈ c eine Familie von nirgends dichten Teilmengen von X. Die Mengen Ak = Ek sind offen und dicht in X. Da der Durchschnitt der Ak nach dem Satz von Baire dicht in X liegt, kann die Vereinigung der Ek nicht mit dem ganzen Raum u ¨ bereinstimmen. F¨ ur das Korollar 3.4 verwenden wir eine Folgerung aus dem Beweis des letzten Korollars: Die abz¨ ahlbare Vereinigung nirgends dichter Mengen enth¨alt keine inneren Punkte. Dies ist gerade der indirekte Beweis von Korollar 3.4. ⊓ ⊔ Da die Vereinigung magerer Mengen mager ist, muß nach Korollar 3.3 im vollst¨andigen metrischen Raum das Komplement einer mageren Menge nichtmager sein. Beispiel 3.5 (Gleichm¨ aßige Beschr¨ anktheit stetiger Funktionen). Sei H ⊂ C([0, 1]) punktweise beschr¨ ankt, zu jedem x ∈ [0, 1] soll es also ein Kx geben mit |u(x)| ≤ Kx f¨ ur alle u ∈ H. Um einzusehen, daß hieraus nicht die gleichm¨ aßige Beschr¨ anktheit von H folgt, setzen wir f¨ ur beliebiges x0 ∈ (0, 1] und gen¨ ugend großes k 0 f¨ ur 0 ≤ x ≤ x0 − 2/k und x ≥ x0 , k f¨ ur x = x0 − 1/k, uk (x) = 0 x0 1 stw. linear sonst.
Diese Funktionenmenge ist offenbar punktweise, aber nicht gleichm¨aßig beschr¨ankt. Da solche Beispiele f¨ ur verschiedene x0 miteinander kombiniert wer¨ den k¨onnen, ist das folgende Resultat eine Uberraschung: Satz. Ist die Menge H ⊂ C([0, 1]) punktweise beschr¨ankt, so gibt es ein nichtleeres offenes Intervall I ⊂ [0, 1], auf dem H gleichm¨ aßig beschr¨ ankt ist, es gibt also eine Konstante K mit |u(x)| ≤ K f¨ ur alle x ∈ I und alle u ∈ H. Beweis. Die Mengen Ak = {x ∈ [0, 1] : |u(x)| ≤ k f¨ ur alle u ∈ H} sind wegen der Stetigkeit der Funktionen u abgeschlossen und es gilt wegen der punktweisen Beschr¨ anktheit ∪k Ak = [0, 1]. Nach Korollar 3.4 gibt es ein offenes Intervall I mit I ⊂ Ak f¨ ur ein k. ⊓ ⊔
3.2 Das Prinzip der offenen Abbildung
45
F¨ ur lineare Abbildungen liefert dieses Beispiel noch mehr: Satz 3.6 (Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit, Satz von Banach-Steinhaus). Seien X, Y Banach-R¨ aume und die Menge H ⊂ L(X, Y ) sei punktweise beschr¨ ankt, also kT xkY ≤ Kx f¨ ur alle T ∈ H. Dann ist die Menge H gleichm¨ aßig beschr¨ ankt, kT kX→Y ≤ K
f¨ ur alle T ∈ H.
Beweis. Setze Ak = {x ∈ X : kT xkY ≤ k f¨ ur alle T ∈ H}. Da x 7→ T x 7→ kT xkY f¨ ur jedes T stetig ist, ist {x ∈ X : kT xk ≤ k} abgeschlossen und Ak als Durchschnitt dieser Mengen ebenfalls. Es ist X = ∪k Ak , weil H punktweise beschr¨ ankt ist. Nach Korollar 3.4 gibt es eine offene Kugel mit B2d (x0 ) ⊂ Ak f¨ ur ein k ∈ , also kT xkY ≤ k f¨ ur alle x ∈ B2d (x0 ) und alle T ∈ H. Dann gilt f¨ ur kxk = 1 kT xkY = ≤ daher kT kX→Y ≤
1 1 kT (dx)kY = kT (dx + x0 − x0 )kY d d 1 1 k k kT (dx + x0 )kY + kT x0 kY ≤ + , d d d d
2k d .
⊓ ⊔
Korollar 3.7. Seien X, Y Banach-R¨ aume und die Folge (Tk ) in L(X, Y ) sei punktweise konvergent, also Tk x → T x f¨ ur alle x ∈ X. Dann ist auch T ∈ L(X, Y ). Beweis. Die Linearit¨ at von T folgt bereits aus der punktweisen Konvergenz (siehe Beweis von Satz 2.10). Da die Tk insbesondere punktweise beschr¨ankt sind, folgt aus dem Prinzip der gleichm¨ aßigem Beschr¨anktheit kTk kX→Y ≤ K, daher kT xkY = lim kTk xkY ≤ KkxkX . ⊓ ⊔
3.2 Das Prinzip der offenen Abbildung Wir hatten eine Abbildung offen genannt, wenn offene Mengen auf offene Mengen abgebildet werden. Satz 3.8 (Prinzip der offenen Abbildung, Satz vom inversen Operator). Seien X, Y Banach-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ) sei surjektiv. Dann ist T offen. Demnach ist die Inverse T −1 stetig, wenn T bijektiv ist. Beweis. Dies ist letztlich eine nichttriviale Folgerung aus dem Satz von Baire. Der Beweis erfolgt in mehreren Schritten: (i) Sei Ua = Ba (0). T (U1 ) enth¨ alt eine offene Kugel. Es gilt X = ∪k Uk . Da T surjektiv und linear ist, folgt Y = T (X) = ∪k T (Uk ) = ∪k T (Uk ).
46
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
Nach Korollar 3.4 gibt es ein l, so daß T (Ul ) eine offene Kugel vom Radius r enth¨alt. Damit enth¨ alt T (U1 ) eine offene Kugel vom Radius r/l. (ii) 0 ist innerer Punkt von T (Uε ) f¨ ur alle ε > 0. Vorausgeschickt sei die Bemerkung, daß der Abschluß einer konvexen Menge A ebenfalls konvex ist, denn wenn (xk ) und (yk ) Folgen in A sind, so ist auch (txk + (1 − t)yk ), t ∈ [0, 1], eine Folge in A. Nach (i) gibt es ein y ∈ X und ein η > 0 mit kx − ykX < η ⇒ x ∈ T (U1 ). Da U1 symmetrisch bez¨ uglich des Nullpunkts ist, gilt dies auch mit y ersetzt durch −y. F¨ ur kxk < η folgt aus x ± y ∈ T (U1 ) und der Konvexit¨at von T (U1 ) x=
1 1 (x − y) + (x + y) ∈ T (U1 ), 2 2
daher Bη (0) ⊂ T (U1 ) und Bηε (0) ⊂ T (Uε)
(iii) 0 ist innerer Punkt von T (Uε ). P∞ Sei εk > 0 eine beliebige Folge mit ε0 = ur Uk = Bεk (0) k=1 εk . F¨ enth¨alt T (Uk ) nach (ii) eine offene Kugel Vk = Bηk (0). Da T stetig ist, gilt limk→∞ ηk = 0. Zu beliebigem y ∈ V0 definiere eine Folge (xk ) durch y ∈ V0 ⇒
y ∈ T (U0 )
⇒ ∃x0 ∈ U0 mit ky − T x0 kY < η1 ,
y − T x0 ∈ V1 ⇒ y − T x0 ∈ T (U1 ) ⇒ ∃x1 ∈ U1 mit ky − T x0 − T x1 kY < η2 , der k-te Schritt dieser Konstruktion lautet dann ∃xk ∈ Uk mit ky −
k X i=0
T xi kY < ηk+1 .
P∞ Die P Reihe ur k=0 xk konvergiert wegen kxk kX < εk . Daher folgt f¨ ∞ x = k=0 xk , daß kxkX < 2ε0 und y = T x. Somit gibt es zu jedem ε0 > 0 ein η0 mit Bη0 (0) ⊂ T (B2ε0 (0)). Damit ist (iii) gezeigt. (iv) F¨ ur M ⊂ X offen ist T (M ) offen.
Da die Translation ein Hom¨ oomorphismus ist, ist nach (iii) jeder Punkt von T (M ) innerer Punkt. ⊓ ⊔ F¨ ur beliebige Mengen X, Y und T : X → Y heißt G(T ) = (x, T x) : x ∈ X ⊂ X × Y
der Graph von T. Wenn X und Y Banach-R¨ aume sind, so l¨aßt sich die Produkttopologie auf X × Y durch k(x, y)kX×Y = kxkX + kykY . zu einem Banach-Raum normieren. Falls T : X → Y linear, so ist der Graph von T ein Unterraum von X × Y. Der Satz vom inversen Operator liefert f¨ ur den Graphen von T :
3.3 Hahn-Banach-S¨ atze
47
Korollar 3.9 (Satz vom abgeschlossenen Graphen). Seien X, Y Banach-R¨aume und T : X → Y eine lineare Abbildung. Dann gilt T ist stetig
⇔
G(T ) ist abgeschlossen in X × Y.
Beweis. ⇒: Sei (xk ) eine Folge in X mit xk → x. Weil T stetig ist, gilt T xk → T x. Wenn also (xk , T xk ) in X × Y konvergent ist, so geh¨ort der Grenzwert ebenfalls zu G(T ). Damit ist G(T ) abgeschlossen. ⇐: G(T ) ist nach Voraussetzung ein abgeschlossener Unterraum von X ×Y und damit selber ein Banach-Raum. Die Projektion π : G(T ) → X, (x, T x) 7→ x, ist bijektiv, linear und stetig; nach Satz 3.8 ist auch π −1 stetig. Da die Projektion PY : X × Y → Y stetig ist, ist auch T = PY ◦ π −1 stetig. ⊓ ⊔
3.3 Hahn-Banach-S¨ atze Die Hahn-Banach-S¨ atze besch¨ aftigen sich mit der Existenz stetiger linearer Funktionale f ∈ X ′ . Es gibt zwei Typen: Die Fortsetzungss¨atze erlauben die stetige Fortsetzung von Funktionalen, die nur auf einem linearen Unterraum definiert sind, und die Trennungss¨ atze sichern die Existenz von Funktionalen, die auf disjunkten, konvexen Mengen verschiedene Werte annehmen. Definition 3.10. Sei X ein reeller Vektorraum und p : X → sublinear, wenn
. p heißt
(a) p(tx) = tp(x) f¨ ur alle t ≥ 0 und x ∈ X, (b) p(x + y) ≤ p(x) + p(y) f¨ ur alle x, y ∈ X. Jede Halbnorm ist sublinear. Der Begriff des sublinearen Funktionals ist auch im -Vektorraum sinnvoll, denn jeder -Vektorraum ist auch ein Vektorraum. Satz 3.11 (Hahn-Banachscher Fortsetzungssatz). Sei M ein Unterraum eines reellen Vektorraums X (ohne Topologie !) und p : X → sei ein sublineares Funktional. Weiter sei f : M → linear mit f (x) ≤ p(x) f¨ ur alle x ∈ M. Dann gibt es ein lineares F : X → mit F |M = f und −p(−x) ≤ F (x) ≤ p(x)
f¨ ur alle x ∈ X.
Beweis. Sei M 6= X. W¨ ahle ein x1 ∈ X \ M und setze M1 = {x + tx1 : x ∈ M, t ∈
}.
M1 ist offenbar ein Vektorraum. F¨ ur x, y ∈ M gilt daher
f (x) + f (y) = f (x + y) ≤ p(x + y) ≤ p(x − x1 ) + p(x1 + y), f (x) − p(x − x1 ) ≤ p(y + x1 ) − f (y).
48
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
Da die rechte Seite nicht von x abh¨ angt, ist die linke f¨ ur alle x ∈ M durch eine Zahl a beschr¨ ankt. Daraus erhalten wir die beiden Absch¨atzungen f (x) − a ≤ p(x − x1 ),
f (y) + a ≤ p(y + x1 ).
(3.1)
Durch f1 (x+tx1 ) = f (x)+ta ist auf M1 ein Funktional mit f1 |M = f definiert. f1 ist nach Definition linear. F¨ ur t > 0 ersetzen wir in (3.1) x durch t−1 x und y durch t−1 y. Wir multiplizieren die beiden Ungleichungen mit t und erhalten f1 ≤ p in M1 . Der zweite Teil des Beweises verwendet transfinite Induktion. Sei P die Menge der Paare (M ′ , f ′ ), wobei M ′ ein Unterraum von X ist, der M enth¨alt, und f ′ eine lineares Funktional auf M ′ mit f ′ |M = f und f ′ ≤ p in M ′ . Wir ordnen P dadurch, daß wir (M ′ , f ′ ) ≤ (M ′′ , f ′′ ) setzen, wenn M ′ ⊂ M ′′ und ˜ die f ′′ = f ′ in M ′ gilt. Sei κ eine total geordnete Teilmenge von P. Sei M Vereinigung der Elemente von κ. Da die Elemente von κ total geordnet sind, ˜ . F¨ ˜ , d.i. x ∈ M ′ f¨ ist M ein Unterraum von M ur x ∈ M ur ein M ′ in κ, setze ′ ′ ′ ′ ′ f˜(x) = f (x), wobei f zu M im Paar (M , f ) geh¨ort. Offenbar ist f˜ linear ˜ . Damit ist (M ˜ , f˜) ∈ P eine obere Schranke von κ. und erf¨ ullt f˜ ≤ p in M Nach dem Lemma von Zorn enth¨ alt P ein maximales Element (M ∗ , f ∗ ). W¨are M ∗ 6= X, so w¨ urde der erste Teil des Beweises zu einem Widerspruch f¨ uhren. Damit ist f ∗ das gesuchte Funktional F. Die Absch¨atzung F ≤ p f¨ uhrt zu −p(−x) ≤ −F (−x) = F (x). Damit ist alles bewiesen. ⊓ ⊔ Satz 3.12. Sei M ein Unterraum des -Vektorraums X und p sei eine Halbnorm auf X. Weiter sei f : M → linear mit |f (x)| ≤ p(x) f¨ ur alle x ∈ M. Dann gibt es ein lineares F : X → mit F |M = f und |F | ≤ p in X. Beweis. Eine Halbnorm ist sublinear mit p(x) = p(−x). Die Behauptung f¨ ur = folgt daher aus dem letzten Satz. Im Falle = sei f ein lineares Funktional mit |f | ≤ p in M. Da f¨ ur jede komplexe Zahl z = Re z − iRe iz gilt, erhalten wir mit f1 = Re f, f (x) = f1 (x) − if1 (ix). f1 ist reell-linear mit |f1 (x)| ≤ p(x) in M. Nach dem letzten Satz gibt es eine reell-lineare Fortsetzung F1 von f1 auf X mit |F1 | ≤ p in X. F¨ ur diese setzen wir entsprechend F (x) = F1 (x) − iF1 (ix). F stimmt auf M mit f u ¨berein und ist komplex-linear. F¨ ur ein α ∈ mit |α| = 1 gilt |F (x)| = αF (x) = F (αx) = F1 (αx) ≤ p(αx) = p(x).
⊓ ⊔
Korollar 3.13. Sei X ein normierter -Vektorraum und M ein Unterraum von X. Ferner sei f : M → linear und stetig. Dann existiert ein F ∈ X ′ mit F |M = f und kF kX→ = kf kM → . Beweis. F¨ ur p(x) = kxkX kf kM → wenden wir den letzten Satz an. F¨ ur die Fortsetzung F gilt dann |F x| ≤ kxkX kf kM → , also kF k ≤ kf k. Die umgekehrte Richtung kF k ≥ kf k ist klar. ⊓ ⊔
3.3 Hahn-Banach-S¨ atze
49
¨ Nach unseren bisherigen Uberlegungen ist nicht klar, wie reichhaltig der Dualraum ist, insbesondere, ob es zu allen x 6= y ein f ∈ X ′ gibt mit f (x) 6= f (y). Diese Trennungseigenschaft beweisen wir in allgemeinerer Form. Satz 3.14 (Hahn-Banachscher Trennungssatz). Sei X ein normierter -Vektorraum und A, B ⊂ X seien disjunkte und konvexe Mengen. A sei offen. Dann gibt es ein F ∈ X ′ und ein γ ∈ mit Re F x < γ ≤ Re F y
f¨ ur alle x ∈ A, y ∈ B.
Beweis. Der Satz gilt f¨ ur - wie f¨ ur -Vektorr¨aume. Im Beweis von Satz 3.12 wurde gezeigt, wie man aus einem reellwertigen Funktional ein komplexwertiges konstruiert. Es gen¨ ugt also, den Fall = zu betrachten. Seien a0 ∈ A, b0 ∈ B beliebig gew¨ ahlt und sei x0 = b0 − a0 . Die Menge C = x ∈ X : x = a − b + x0 f¨ ur a ∈ A, b ∈ B ist konvex (A, B sind konvex), offen (A ist offen) und enth¨alt die Null (a0 ∈ A, b0 ∈ B). Jedem x ∈ X kann man, wenn der Halbstrahl tx, t ≥ 0, nicht ganz in C enthalten ist, ein x auf dem Rande von C zuordnen. Setze ( kxk/kxk wenn x existiert, x x p(x) = 0 sonst. 0
p gen¨ ugt den Bedingungen p(x) < 1 f¨ ur x ∈ C,
p(x) ≥ 1 f¨ ur x ∈ / C.
C
(3.2)
Weil C offen ist mit 0 ∈ C, enth¨ alt C auch eine Kugel B1/d (0). Es gilt also p(x) ≤ 1 f¨ ur kxk ≤ 1/d und, weil nach Definition p(tx) = tp(x) f¨ ur t ≥ 0, p(x) ≤ dkxk
∀x ∈ X.
Wir zeigen die Dreiecksungleichung f¨ ur p. F¨ ur x, y ∈ X mit p(x) < s, p(y) < t, gilt nach (3.2) s−1 x, t−1 y ∈ C. F¨ ur u = s + t folgt aus der Konvexit¨at von C u−1 (x + y) = und wiederum wegen (3.2),
s −1 t s x + t−1 y ∈ C u u
p(u−1 (x + y)) < 1,
also p(x + y) < u.
Damit gilt p(x + y) ≤ p(x) + p(y) und p ist sublinear. Nun konstruieren wir das gesuchte F, indem wir auf dem von x0 aufgespannten Unterraum M setzen f (tx0 ) = t. F¨ ur t ≥ 0 gilt dann f (tx0 ) = t ≤ tp(x0 ) = p(tx0 ), denn wegen A ∩ B = ∅ ist x0 ∈ / C und daher p(x0 ) ≥ 1. Nach Satz 3.11 gibt es eine Fortsetzung F von f mit F ≤ p. Insbesondere ist F ≤ 1 in C, also auch
50
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
F ≥ −1 in −C = {c : −c ∈ C}. Da C offen ist und die Null enth¨alt, erhalten wir |F | ≤ 1 in BR (0) f¨ ur gen¨ ugend kleines R > 0, daher F ∈ X ′ . F¨ ur a ∈ A, b ∈ B folgt F (a) − F (b) + 1 = F (a − b + x0 ) ≤ p(a − b + x0 ) < 1 und daher F (a) < F (b). Da jedes nichtkonstante lineare Funktional eine offene Abbildung ist, also die Bilder offener Mengen offen sind, ist F (A) offen in . Als γ nehmen wir den rechten Endpunkt in F (A). ⊓ ⊔ Die folgende einfache Variante des Trennungsprinzips ist ebenfalls sehr n¨ utzlich. Satz 3.15. Sei M ein abgeschlossener Unterraum des Banach-Raums X und x1 ∈ / M. Dann gibt es ein F ∈ X ′ mit kF kX ′ = 1, F = 0 auf M und F (x1 ) = dist (x1 , M ) > 0. Beweis. Auf M1 = M ⊕ span {x1 } definieren wir das lineare Funktional f (y + αx1 ) = α dist (x1 , M ) f¨ ur alle y ∈ M und α ∈ Da f¨ ur jedes y ∈ M und α 6= 0 gilt, folgt
dist (x1 , M ) ≤ kx1 +
.
y k α
y k = kαx1 + yk α und damit f ∈ M1′ mit kf kM1′ ≤ 1. Zu jedem ε > 0 gibt es ein yε ∈ M mit kx1 − yε k ≤ (1 + ε)dist (x1 , M ), also |f (y + αx1 )| ≤ |α| kx1 +
f (x1 − yε ) = dist (x1 , M ) ≥
1 kx1 − yε k, 1+ε
daher kf kM1′ ≥ 1. Die Behauptung folgt nun aus Korollar 3.13.
⊓ ⊔
3.4 Lokalkonvexe topologische Vektorr¨ aume Definition 3.16. Sei X ein -Vektorraum und f¨ ur eine beliebige Indexmenge I sei {pi }i∈I eine Familie von Halbnormen mit folgender Eigenschaft: Zu jedem x ∈ X \ {0} existiert ein i ∈ I mit pi (x) 6= 0.
(3.3)
Setze f¨ ur i ∈ I, r > 0 und x ∈ X Vi,r (x) = {y : pi (y − x) < r} = x + Vi,r (0).
(3.4)
3.4 Lokalkonvexe topologische Vektorr¨ aume
51
Die von der lokalen Basis von x ∈ X (vgl. Satz 1.13) UI0 ,r (x) = ∩i∈I0 Vi,r (x),
I0 ⊂ I endlich, r > 0,
erzeugte Topologie heißt lokalkonvexe Vektorraumtopologie. (X, {pi }) heißt dann lokalkonvexer topologischer Vektorraum oder kurz lokalkonvexer Raum. Ein Punkt x ∈ A ⊂ X ist genau dann innerer Punkt von A, wenn es ein r > 0 und eine endliche Indexmenge I0 ⊂ I gibt mit {y : pi (x − y) < r, i ∈ I0 } ⊂ A. F¨ ur y ∈ Vi,r (x) folgt mit d = pi (x − y) < r aus der Dreiecksungleichung, daß Vi,r−d (y) ⊂ Vi,r (x). Damit besteht Vi,r (x) nur aus inneren Punkten und die lokale Basis {UI0 ,r (x)} ist gleichzeitig Umgebungsbasis von x ∈ X. Als Durchschnitte konvexer Mengen sind alle Elemente der Umgebungsbasis konvex, was den Namen lokalkonvex“ erkl¨ art. ” Wegen Vi,r (x) = x + Vi,r (0) steckt alle Information u ¨ber die lokalkonvexe Topologie bereits in der Nullumgebungsbasis, insbesondere ist die Translation x 7→ x + y stetig. Axiom (3.3), das bei manchen Autoren auch fehlt, sorgt daf¨ ur, daß ein lokalkonvexer Raum das Trennungsaxiom erf¨ ullt. Zu x, y ∈ X, x 6= y, gibt es n¨amlich ein i ∈ I mit pi (x − y) = d > 0. F¨ ur r = d/2 gilt dann Vi,r (x) ∩ Vi,r (y) = ∅. Da eine Folge in einem topologischen Raum genau dann konvergiert, wenn in jedem Element der Umgebungsbasis fast alle Folgenglieder liegen, folgt in unserem Fall sofort, xk → x
⇔
pi (xk − x) → 0 ∀i ∈ I.
Beispiele 3.17 (i) Sei l der Raum aller -wertigen Zahlenfolgen. Die Halbnormen pi (x) = |x(i)|, i ∈ , machen l zu einem lokalkonvexen Raum. Die Konvergenz xk → x ist ¨ aquivalent zu xk (i) → x(i) f¨ ur alle i ∈ , also zur punktweisen Konvergenz. l ist mit dieser Topologie offenbar ein lokalkonvexer Raum. An diesem Beispiel sieht man wohl am besten, warum man in manchen F¨allen nicht mit normierten R¨ aumen auskommt: Bei einer Norm m¨ ussen die Konvergenzgeschwindigkeiten der einzelnen Komponenten {xk (i)} miteinander gekoppelt sein. Es ist daher klar, daß l nicht zu einem Banach-Raum normiert werden kann. (ii) Sei Ω ⊂ n ein Gebiet. F¨ ur eine aufsteigende Folge von Gebieten Ωi ⊂⊂ Ω mit ∪i Ωi = Ω setzen wir pi (u) = max max |Dα u(x)|. |α|≤i x∈Ωi
Dann ist der Raum C ∞ (Ω) mit diesen Halbnormen ein lokalkonvexer Raum, der manchmal mit E(Ω) = (C ∞ (Ω), {pi }) bezeichnet wird. Konvergenz in E bedeutet gleichm¨aßige Konvergenz aller Ableitungen bis zur Ordnung i auf Ωi . Auf analoge Art lassen sich auch C m (Ω), m ∈ 0 , zu lokalkonvexen R¨aumen topologisieren.
52
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
Ist die Indexmenge I endlich, I = {1, . . . , n}, so ist p˜(x) =
n X
pi (x)
i=1
eine Norm, die die gleiche Topologie erzeugt. Ist I abz¨ahlbar wie in den obigen Beispielen, so l¨aßt sich die lokalkonvexe Topologie durch d(x, y) =
∞ X
2−i
i=1
pi (x − y) 1 + pi (x − y)
metrisieren (vgl. Beispiel 1.18(iv)), insbesondere ist das erste Abz¨ahlbarkeitsaxiom erf¨ ullt. Bei u ¨ berabz¨ahlbaren Indexmengen ist insbesondere die Stetigkeit einer Abbildung nicht mehr notwendig zur Folgenstetigkeit ¨aquivalent. Das n¨achste Lemma kann daher nicht mit Hilfe von Folgen bewiesen werden. Lemma 3.18. Sei (X, pi ) ein lokalkonvexer Raum. Dann sind die Halbnormen pi : X → sowie Addition X × X → X und Skalarmultiplikation × X → X stetig. Beweis. Die Umgebungen sind nat¨ urlich gerade so definiert, daß die pi stetig im Nullpunkt sind. Die Stetigkeit auf X folgt aus der Stetigkeit der Translation. Wie auf Seite 19 f¨ ur Normen vorgef¨ uhrt, zeigt man genauso f¨ ur Halbnormen pi (y − y ′ ) ≤ ε, pi (x − x′ ) ≤ ε
⇒
pi ((x + y) − (x′ + y ′ )) ≤ 2ε,
|α − α′ | ≤ ε, pi (x − x′ ) ≤ ε
⇒
pi (αx − α′ x′ ) ≤ (|α| + pi (x′ ))ε,
Ist (x, y) ∈ (+)−1 (Vi,η (z)), so zeigt die erste Absch¨atzung zusammen mit der Dreiecksungleichung, daß Vi,ε (x) × Vi,ε (y) ⊂ (+)−1 (Vi,η (z)) f¨ ur gen¨ ugend kleines ε. Damit ist (x, y) innerer Punkt von (+)−1 Vi,η (z). Dieses Argument u ¨ bertr¨agt sich auch auf endliche Durchschnitte der Vi,η (z). Die Stetigkeit der Skalarmultiplikation wird genauso bewiesen. ⊓ ⊔ Nun verallgemeinern wir Lemma 2.8 auf den lokalkonvexen Fall: Lemma 3.19. Seien (X, {pi}), (Y, {qj }) lokalkonvexe R¨ aume und T : X → Y eine lineare Abbildung. Dann sind ¨ aquivalent: (a) T ist stetig. (b) T ist im Nullpunkt stetig. (c) Zu jedem j ∈ J existieren eine endliche Indexmenge I0 ⊂ I und eine Konstante K mit qj (T x) ≤ K max pi (x) ∀x ∈ X. i∈I0
3.5 Bidualraum und schwache Topologien
53
¨ Beweis. Die Aquivalenz von (a) und (b) folgt aus der Additivit¨at von T und der Stetigkeit der Translation. (b)⇒(c): Wegen der Stetigkeit muß T −1 (Vj,1 (0)) ein Element der Nullumgebungsbasis enthalten, es gibt also eine endliche Indexmenge I0 und ein r > 0 mit max pi (x) < r ⇒ qj (T x) < 1 ∀x ∈ X. (3.5) i∈I0
Schr¨anken wir dies auf maxi∈I0 pi (x) = ε < r ein, so folgt die behauptete Absch¨atzung mit K = ε−1 f¨ ur diese x. Ist pi (x) = 0 f¨ ur alle i ∈ I0 , so folgt aus (3.5), daß qj (T x) = 0. (c)⇒(b): Zu jeder endlichen Indexmenge J0 ⊂ J gibt es eine endliche Indexmenge I0 ⊂ I und eine Konstante K mit max qj (T x) ≤ K max pi (x) j∈J0
∀x ∈ X.
i∈I0
F¨ ur alle x mit max pi (x) < r/K folgt hieraus max qj (T x) < r, also ∩i∈I0 Vi,K −1 r (0) ⊂ ∩j∈J0 T −1 (Vj,r (0)). ⊓ ⊔ Im Spezialfall Y = erhalten wir: Ein lineares Funktional f : X → ist genau dann stetig, wenn es ein K und eine endliche Indexmenge I0 ⊂ I gibt mit |f (x)| ≤ K max pi (x) ∀x ∈ X. i∈I0
Auch im lokalkonvexen Fall wird der Raum der stetigen linearen Funktionale Dualraum genannt und mit X ′ notiert.
3.5 Bidualraum und schwache Topologien Sei X ein normierter Raum. Der Dualraum von X ′ heißt auch Bidualraum und wird mit X ′′ bezeichnet. Auf X × X ′ kann man die Bilinearform hx, f i = f (x) ∈
,
die Dualit¨ atsabbildung, definieren. Diese formale Setzung bringt nat¨ urlich nichts Neues, l¨aßt aber eine andere Interpretation zu: So wie f auf x wirkt, wirkt x auch auf f. Jedes x ∈ X erzeugt daher verm¨oge f 7→ hx, f i eine lineare Abbildung von X ′ nach
(3.6)
, die wegen
|hx, f i| ≤ kf kX ′ kxkX auch stetig ist. Damit kann jedes x ∈ X durch (3.6) mit einem i(x) ∈ X ′′ identifiziert werden.
54
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
Lemma 3.20. Die Abbildung i : X → X ′′ ist eine lineare Isometrie, also kxkX =
sup f ∈X ′ , kf kX ′ =1
hx, f i = ki(x)kX ′′
∀x ∈ X.
Insbesondere ist i(X) abgeschlossener Unterraum von X ′′ und damit selber Banach-Raum. Beweis. ki(x)kX ′′ ≤ kxk haben wir bereits gezeigt. F¨ ur die umgekehrte Richtung schreiben wir ki(x)kX ′′ =
sup
hx, f i ≥ F (x),
f ∈X ′ , kf kX ′ =1
wobei F mit dem Hahn-Banachschen Fortsetzungssatz folgendermaßen konstruiert wird: Setze M = span {x}, f (x) = kxk, ansonsten sei f linear auf M, also f (αx) = αkxk, α ∈ . Dann gilt kf kM ′ = 1 und es gibt eine Fortsetzung F ∈ X ′ mit F |M = f und kF kX ′ = 1. Daher ki(x)kX ′′ ≥ kxkX . ⊓ ⊔ Zusammen mit dem Prinzip der gleichm¨aßigen Beschr¨anktheit folgt hieraus ein n¨ utzliches Kriterium f¨ ur die Beschr¨anktheit von Mengen. Satz 3.21. Sei X ein Banach-Raum. Dann gilt: (a) Eine Menge M ⊂ X ist genau dann beschr¨ ankt, wenn |f (x)| ≤ Kf f¨ ur alle x ∈ M und alle f ∈ X ′ . (b) Eine Menge M ′ ⊂ X ′ ist genau dann beschr¨ ankt, wenn |f (x)| ≤ Kx f¨ ur alle f ∈ M ′ und alle x ∈ X. Beweis. (a) Die Richtung ⇒“ ist klar. Zum Beweis der anderen Richtung ” interpretieren wir die Bedingung in X ′′ . Es gilt |i(x)(f )| ≤ Kf , womit i(x) f¨ ur x ∈ M punktweise beschr¨ ankt ist. Nach dem Prinzip der gleichm¨aßigen Beschr¨anktheit ist die Menge {i(x) : x ∈ M } in X ′′ beschr¨ankt. Mit dem letzten Lemma ist daher auch M beschr¨ ankt. (b) Dies folgt direkt aus dem Prinzip der gleichm¨aßigen Beschr¨anktheit. ⊓ ⊔ Besitzt ein physikalisches System einen Zustandsraum“ X der m¨oglichen ” Zust¨ande x ∈ X und ein Energiefunktional“ f : X → , so wird der Zustand ” minimaler Energie von der Natur realisiert. F¨ ur die mathematische Physik ist es nat¨ urlich wichtig, die Existenz eines solchen Zustands auch zu beweisen, allein schon zur Rechtfertigung des konkreten physikalischen Modells. Aber auch innerhalb der Mathematik ist dieses Problem von großer Bedeutung. Beispielsweise kann X eine Menge sein, mit der ein Approximationsproblem gel¨ost werden soll, und f ist der Approximationsfehler. Existenz des Minimums bedeutet dann Existenz des Elements bester Approximation. Das Minimum kann mit einem Kompaktheitsargument nachgewiesen werden, wenn X ein folgenkompakter Raum und f unterhalbstetig ist, also
3.5 Bidualraum und schwache Topologien
xk → x in X
⇒
55
f (x) ≤ lim inf f (xk ).
Am entsprechenden Beweis in Abschnitt 1.4 hat sich fast nichts ge¨andert: Sei d = inf f (x) ∈ [−∞, ∞). Aus einer Minimalfolge (xk ) mit f (xk ) → d kann wegen der Folgenkompaktheit eine Teilfolge (xkl ) ausgew¨ahlt werden mit xkl → x. Aus der Unterhalbstetigkeit folgt f (x) ≤ lim inf f (xkl ). Damit ist f (x) = d und d ∈ . Die folgenden Konstruktionen haben unter anderem das Ziel, diesen wichtigen Beweis zu erm¨ oglichen. Enth¨alt eine Teilmenge eines unendlich dimensionalen Banach-Raums einen inneren Punkt, so ist sie nach Satz 2.7 nicht kompakt. Als Abhilfe kann man die offenen Mengen ausd¨ unnen, denn die Chancen f¨ ur Kompaktheit werden um so gr¨oßer, je weniger offene Mengen es gibt. Andererseits: Weniger offene Mengen bedeutet weniger stetige (und auch unterhalbstetige) Funktionen. Man steht hier vor einem echten Dilemma. Definition 3.22. Die schwache Topologie eines Banach-Raums X ist die lokalkonvexe Vektorraumtopologie, die von den Halbnormen
erzeugt wird.
pf (x) = |f (x)|,
f ∈ X ′,
Die Trennungseigenschaft (3.3) f¨ ur die schwache Topologie folgt aus dem Trennungssatz von Hahn-Banach. Zu jedem x 6= 0 gibt es ein f ∈ X ′ , das x von der Null trennt, also |f (x)| = pf (x) > 0. Zur Unterscheidung nennen wir die von der Norm erzeugte Topologie die starke Topologie oder auch Originaltopologie. Ist X endlich dimensional mit P Basis e1 , . . . , en , so gibt es Funktionale fi mit fi (ej ) = δij . Damit ist kxk = i |fi (x)| eine Norm; starke und schwache Topologie stimmen in diesem Fall u ¨berein. Lemma 3.23. Sei X ein unendlich dimensionaler Banach-Raum. Dann hat die schwache Topologie die folgenden Eigenschaften: (a) Die schwache Topologie ist die gr¨ obste Topologie, in der alle f ∈ X ′ stetig sind, insbesondere stimmt der Dualraum von (X, {pf }f ∈X ′ ) mit dem Dualraum von X u ¨berein. (b) Jede schwach offene Menge ist unbeschr¨ ankt, insbesondere ist die schwache Topologie echt gr¨ober als die Normtopologie. (c) Eine Folge (xk )k∈ konvergiert genau dann in der schwachen Topologie gegen ein x ∈ X (Schreibweise: xk ⇁ x), wenn f (xk ) → f (x)
∀f ∈ X ′ .
Beweis. (a) Ein lineares Funktional ist genau dann im Nullpunkt stetig, wenn die Mengen Vf,r = {x : |f (x)| < r} f¨ ur alle r > 0 offen sind. Die Nullumgebungsbasis der schwachen Topologie besteht genau aus allen endlichen Durchschnitten solcher Mengen.
56
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
(b) Die Behauptung braucht nur f¨ ur die Elemente der Nullumgebungsbasis gezeigt zu werden. Seien f1 , . . . , fk ∈ X ′ . Da X als unendlich dimensional vorausgesetzt wurde, gibt es linear unabh¨ angige x1 , . . . , xk+1 , die zu einem x 6= 0 mit fi (x) = 0, i = 1, . . . , k, linear kombiniert werden k¨onnen. Dann ist die unbeschr¨ankte Menge {tx : t ∈ } im Durchschnitt der Vfi ,r (0). (c) pf (xk − x) → 0 ist ¨ aquivalent zu f (xk ) → f (x). ⊓ ⊔ Da jede schwach offene Menge offen bez¨ uglich der Normtopologie ist, impliziert die starke Konvergenz (=Normkonvergenz) die schwache. Im unendlich dimensionalen Banach-Raum ist die Umkehrung dieser Aussage meist nicht richtig (vgl. aber Aufgabe 3.28). Als einfaches Beispiel betrachten wir die Folgenr¨aume lp f¨ ur 1 < p < ∞ mit Dualraum lq , q = p/(p−1) (siehe Beispiele 2.3 und 2.13). F¨ ur die Folge (ek ), ek (i) = δki , gilt ek ∈ lp , kek − el klp = 21/p f¨ ur k 6= l. Damit ist (ek ) keine Cauchy-Folge und kann in der Normtopologie nicht konvergent sein. Da jedes y ∈ lq die Eigenschaft hat, daß limi→∞ y(i) = 0, folgt jedoch ∞ X fy (ek ) = y(i)ek (i) = y(k) → 0 i=1
f¨ ur alle y ∈ lq . Daher ek ⇁ 0.
Lemma 3.24. Wenn xk ⇁ x, so gilt kxk k ≤ K und lim inf k→∞ kxk k ≥ kxk (=schwache Unterhalbstetigkeit der Norm). Beweis. Wenn lim f (xk ) = f (x), so sind die Mengen {f (xk )}k∈ f¨ ur jedes f ∈ X ′ beschr¨ankt. Die erste Behauptung folgt daher aus Satz 3.21(a). Analog zum Beweis von Lemma 3.20 konstruiert man ein F ∈ X ′ mit kF kX ′ = 1, F (x) = kxk. Dann folgt kxk = F (x) = lim F (xk ) ≤ kF k lim inf kxk k.
⊓ ⊔
Mit Hilfe der Abbildung i : x 7→ hx, ·i hatten wir X in einen Unterraum von X ′′ eingebettet. Dies erzeugt auf X ′ eine weitere Topologie: Definition 3.25. Die schwache∗ Topologie auf X ′ eines Banach-Raums X ist die lokalkonvexe Vektorraumtopologie, die von den Halbnormen erzeugt wird.
px (f ) = |f (x)|,
x ∈ X,
Die Trennungseigenschaft (3.3) ist hier trivialerweise erf¨ ullt. Vergleichen wir die schwache und die schwache∗ Topologie auf X ′ : Halbnormen der schwachen Topologie:
pu = |u(·)|, u ∈ X ′′ ,
Halbnormen der schwachen∗ Topologie: px = pi(x) = |i(x)(·)|, x ∈ X. Die schwache∗ Topologie auf X ′ ist gr¨ ober als die schwache Topologie, weil i(X) ⊂ X ′′ . Das folgende Lemma kann genauso wie Lemma 3.23 bewiesen werden.
3.6 Schwache Folgenkompaktheit und reflexive R¨ aume
57
Lemma 3.26. Sei X ein unendlich dimensionaler Banach-Raum. Die schwache∗ Topologie auf X ′ hat die folgenden Eigenschaften: (a) Die schwache∗ Topologie ist die gr¨obste Topologie, so daß alle i(x) ∈ X ′′ stetig sind. (b) Jede schwach∗ offene Menge ist unbeschr¨ ankt, insbesondere ist die schwache∗ Topologie echt gr¨ ober als die Normtopologie in X ′ . (c) Eine Folge (fk )k∈ ∈ X ′ konvergiert genau dann in der schwachen∗ To∗ pologie gegen ein f ∈ X ′ (Schreibweise: fk ⇁ f ), wenn fk (x) → f (x)
f¨ ur alle x ∈ X.
Schwache∗ Konvergenz ist damit punktweise Konvergenz. Da f¨ ur eine schwach∗ konvergente Folge |fk (x)| ≤ Kx f¨ ur alle x ∈ X gilt, ist die Folge (fk ) nach Satz 3.21(b) normbeschr¨ ankt, kfk kX ′ ≤ K. F¨ ur das Grenzfunktional folgt dann kf kX ′ ≤ lim inf kfk kX ′ ≤ K. Um den Unterschied zwischen der schwachen und der schwachen∗ Konvergenz herauszuarbeiten, betrachten wir den Raum l1 , der Dualraum von c0 = c0 ( ) ist und l∞ zum Dualraum hat. F¨ ur die Folge (ek )k∈ mit ek (i) = δki erhalten wir f¨ ur jedes x ∈ c0 ek (x) =
∞ X i=1
ek (i)x(i) = x(k) → 0,
∗
also ek ⇁ 0 in l1 = c′0 , aber f¨ ur u = (1, 1, . . .) ∈ l∞ u(ek ) =
∞ X
u(i)ek (i) = 1.
i=1
Da der schwache und der schwache∗ Grenzwert u ussen, so¨ bereinstimmen m¨ fern sie existieren, ist die Folge (ek ) nicht schwach konvergent in l1 . In Aufgabe 3.28 wird gezeigt, daß in l1 starke und schwache Konvergenz u ¨ bereinstimmen.
3.6 Schwache Folgenkompaktheit und reflexive R¨ aume In diesem Abschnitt wird zun¨ achst gezeigt, daß die abgeschlossene Einheitsku˜ 1 (0) schwach∗ folgenkompakt ist, sofern X ein separabler Banach-Raum gel B ist. Als Vorbereitung ben¨ otigen wir das folgende ∗
Lemma 3.27. Sei (fk )k∈ eine Folge in X ′ . Dann gilt fk ⇁ f ∈ X ′ genau dann, wenn die beiden folgenden Bedingungen erf¨ ullt sind: (a) kfk kX ′ ≤ K (b) (fk (x))k∈
f¨ ur alle k ∈
,
ist Cauchy-Folge f¨ ur alle x in einer dichten Teilmenge von X.
58
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis ∗
Beweis. ⇒: Wenn fk ⇁ f, so ist die Bedingung (b) erf¨ ullt. Da die Folgen (fk (x)) f¨ ur alle x ∈ X beschr¨ ankt sind, folgt aus Satz 3.21(b) die Bedingung (a). ⇐: Sei die Bedingung (b) in der dichten Menge A ⊂ X ullt. F¨ ur x ∈ A Perf¨ n gilt dann fk (x) → f (x) ∈ . F¨ ur y ∈ span A folgt y = i=1 αi xi , αi ∈ , und n n X X fk (y) = αi fk (xi ) → αi f (xi ). i=1
i=1
Pn
Wir setzen daher f (y) = i=1 αi f (xi ). f ist damit linear auf B = span A und es gilt fk (x) → f (x) f¨ ur alle x ∈ B. Wegen Bedingung (a) ist |f (x)| = lim |fk (x)| ≤ Kkxk ∀x ∈ B, k→∞
daher kf kB→ ≤ K. Da B dicht in X ist, kann f nach Satz 2.14 durch f˜ ∈ X ′ ˜ X ′ ≤ K fortgesetzt werden. Sei y ∈ X \ B und ε > 0 mit f˜|B = f und kfk beliebig vorgegeben. Dann gilt kx−yk < ε f¨ ur ein x ∈ B und |fk (x)−f (x)| < ε f¨ ur gen¨ ugend große k. Aus der Dreiecksungleichung erhalten wir f¨ ur diese k |fk (y) − f˜(y)| ≤ |fk (y) − fk (x)| + |fk (x) − f˜(x)| + |f˜(x) − f˜(y)| < kfk kX ′ + kf˜kX ′ kx − yk + ε < (2K + 1)ε. ∗
Damit ist fk ⇁ f˜ in X ′ gezeigt.
⊓ ⊔
Definition 3.28. (xk ) heißt schwache Cauchy-Folge in X, wenn (f (xk )) f¨ ur jedes f ∈ X ′ Cauchy-Folge in ist. (fk ) heißt schwache∗ Cauchy-Folge in X ′ , wenn (fk (x)) f¨ ur jedes x ∈ X Cauchy-Folge in ist. Schwache und schwache∗ Cauchy-Folgen sind normbeschr¨ankt. Daher ist wegen des letzten Lemmas jede schwache∗ Cauchy-Folge konvergent. F¨ ur die schwache Konvergenz ist ein entsprechendes Resultat nicht immer richtig (siehe Aufgabe 3.24). Schwache Konvergenz in X ist auch schwache∗ Konvergenz im Bidualraum. Ist (xk ) eine schwache Cauchy-Folge, so gibt es ein u ∈ X ′′ mit f (xk ) → u(f ) f¨ ur alle f ∈ X ′ . Satz 3.29. Sei X ein separabler Banach-Raum. Dann enth¨ alt jede in X ′ normbeschr¨ ankte Folge eine schwach∗ konvergente Teilfolge. Beweis. Durch Auswahl der Diagonalfolge (siehe Beispiel 2.18) wird erreicht, daß (fk (x)) f¨ ur jedes x in einer dichten Teilmenge von X eine Cauchy-Folge ist. Die Behauptung folgt dann aus dem letzten Lemma. ⊓ ⊔ Definition 3.30. Sei X ein Banach-Raum. Ist die kanonische Inklusion i : X → X ′′ bijektiv, also ein isometrischer Isomorphismus, so heißt X reflexiv.
3.6 Schwache Folgenkompaktheit und reflexive R¨ aume
59
In diesem Fall stimmen die schwache und die schwache∗ Topologie auf X ′ u ¨ berein. Jeder Hilbert-Raum ist reflexiv. Aus der Darstellung der Dualr¨aume der Folgenr¨aume lp f¨ ur 1 < p < ∞ in Beispiel 2.13 folgt, daß auch diese reflexiv sind. Schwache Kompaktheit Ohne Beweis zitieren wir (siehe z.B. [HS71, S. 62], [Rud74, S. 66]), [Wer97, S. 343]) den folgenden Satz: Satz (Alaoglu-Bourbaki). Sei X ein Banach-Raum. Dann ist die abgeschlos˜1 (0) von X ′ kompakt in der schwachen∗ Topologie. sene Einheitskugel B Dieser Satz ist allgemeing¨ ultiger als der von uns bewiesene Kompaktheitssatz, weil ˜1 (0) ⊂ X ′ X nicht separabel zu sein braucht. Auf die Folgenkompaktheit von B kann aus diesem Satz nicht geschlossen werden, weil die schwache∗ Topologie nicht notwendig das erste Abz¨ ahlbarkeitsaxiom erf¨ ullt (siehe Aufgabe 3.35). Ist die schwache∗ Topologie echt gr¨ ober als die schwache Topologie, der Banach-Raum also nicht reflexiv, so kann nach Satz 1.36 die abgeschlossene Einheitskugel von X ′ nicht schwach kompakt sein.
Satz 3.29 hat im reflexiven Banach-Raum ein einfaches Gegenst¨ uck, zu dessen Formulierung noch einige Vorbereitungen n¨otig sind. Satz 3.31. Jeder abgeschlossene Unterraum eines reflexiven Banach-Raums ist selber ein reflexiver Banach-Raum. Beweis. Sei M ein abgeschlossener Unterraum des reflexiven Raums X. Zu u ∈ M ′′ setze uM (f ) = u(f |M ), f ∈ X ′ . uM ist offenbar linear mit kuM kX ′′ ≤ kukM ′′ . Da X reflexiv ist, gibt es ein x ∈ X mit f (x) = u(f |M ) ∀f ∈ X ′ . (3.7)
Angenommen x ∈ / M. Dann k¨ onnen wir mit Satz 3.15 ein f ∈ X ′ konstruieren mit f = 0 auf M und f (x) 6= 0, was sofort einen Widerspruch ergibt. Daher ist x ∈ M . Jedes f ∈ M ′ kann mit dem Hahn-Banachschen Fortsetzungssatz zu einem ˜ f ∈ X ′ fortgesetzt werden. Mit (3.7) gilt dann u(f ) = u(f˜|M ) = f˜(x) = f (x). Damit ist i : M → M ′′ surjektiv.
⊓ ⊔
Satz 3.32. Sei X ein Banach-Raum. Ist X ′ separabel, so ist X separabel. Beweis. Sei {fk } dicht in X ′ . Nach Definition der Norm in X ′ gibt es xk mit |fk (xk )| ≥
1 kfk k, 2
kxk k = 1.
Setze Y = span {xk }. Ist f = 0 auf Y f¨ ur ein f ∈ X ′ , so folgt f¨ ur alle k
60
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
kf − fk k ≥ |f (xk ) − fk (xk )| = |fk (xk )| ≥
1 1 kfk k ≥ (kf k − kfk − f k) 2 2
und damit kf k ≤ 3 inf kf − fk k = 0, k
′
weil {fk } dicht in X ist. Aus Satz 3.15 folgt Y = X.
⊓ ⊔
Satz 3.33. Der Banach-Raum X sei reflexiv. Dann ist die abgeschlossene Einheitskugel schwach folgenkompakt. ˜1 (0). Nach Satz 3.31 ist Beweis. Sei (xk ) eine Folge in B Y = span {x1 , x2 , . . .}. ein reflexiver Banach-Raum. Es gilt also Y ′′ = i(Y ) und mit Y ′′ ist nach Satz 3.32 auch Y ′ separabel. Daher k¨ onnen wir Satz 3.29 auf die Folge (i(xk )) ∗ anwenden und erhalten i(xk ) ⇁ z in Y ′′ f¨ ur eine Teilfolge. Da i ein isometrischer Isomorphismus ist, folgt y ′ (xk ) → y ′ (i−1 (z)) f¨ ur alle y ′ ∈ Y ′ . Wegen −1 −1 xk , i (z) ∈ Y folgt hieraus auch f (xk ) → f (i (z)) f¨ ur alle f ∈ X ′ , also −1 xk ⇁ i (z) in X. ⊓ ⊔
3.7 Konvexit¨ at und schwache Topologie Satz 3.34. Ist eine Teilmenge M eines Banach-Raums konvex, so stimmt M sowohl mit ihrem Abschluß bez¨ uglich der schwachen Topologie als auch mit ihrem schwachen Folgenabschluß ¨ uberein. Insbesondere liegt der schwache Grenzwert einer Folge aus M in M . Beweis. Sei M s der schwache Abschluß von M . Da die Originaltopologie feiner als die schwache Topologie ist, gilt M ⊂ M s . Mit M ist auch M konvex. Sei x0 ∈ / M . Dann ist Bε (x0 ) ∩ M = ∅ f¨ ur gen¨ ugend kleines ε. Nach dem Hahn-Banachschen Trennungssatz gibt es ein Funktional F ∈ X ′ mit Re F (x0 ) < γ ≤ Re F (x) f¨ ur alle x ∈ M . Damit ist {x : Re F (x) < γ} eine schwache Umgebung von x0 , die kein Element von M enth¨alt, also x0 ∈ / M s. F¨ ur den schwachen Folgenabschluß M sf von M gilt ebenfalls M ⊂ M sf , denn M stimmt mit den Grenzwerten von normkonvergenten Folgen aus M u / M . Dann k¨onnen wir ¨ berein. Angenommen, xk ⇁ x0 mit xk ∈ M, aber x0 ∈ wie im vorigen Beweisteil x0 von M trennen, also Re F (x0 ) < γ ≤ Re F (x) f¨ ur alle x ∈ M . Dies ist aber ein Widerspruch zu xk ⇁ x0 . ⊓ ⊔ Man beachte, daß f¨ ur die schwache∗ Topologie dieser Satz nicht richtig ist, siehe Aufgabe 3.31. Der folgende Satz zeigt, wie man aus einer schwach konvergenten Folge eine stark konvergente Folge konstruieren kann.
3.7 Konvexit¨ at und schwache Topologie
61
Satz 3.35 (Mazur). Sei X ein Banach-Raum und (xk ) eine Folge in X mit xk ⇁ x. Dann gibt es eine Folge (yk ), die aus endlichen Konvexkombinationen der xk besteht, mit yk → x. Anmerkung 3.36. P Der Satz ist so zu verstehen, daß es Zahlen tki ∈ gibt mit ∞ 0 ≤ tki ≤ 1 und i=1 tP ur jedes k nur endlich viele tki nicht ki = 1, wobei f¨ ∞ verschwinden, mit yk = i=1 tki xi → x. Beweis. Auf die konvexe H¨ ulle M von {xk } wenden wir den vorigen Satz an. Demnach liegt x im Abschluß (bez¨ uglich der Normtopologie) von M , also yk → x f¨ ur eine Folge von Konvexkombinationen yk . ⊓ ⊔
F¨ ur die schwache∗ Konvergenz ist dieser Satz nicht richtig, wie das Beispiel ∗ X = c0 , X ′ = l1 , zeigt: F¨ ur die Folge (ek ) gilt ek ⇁ 0 in l1 , aber kykl1 = 1 f¨ ur jede Konvexkombination y der ek . Im Hilbert-Raum l¨ aßt sich der Satz von Mazur zum Satz von BanachSaks versch¨arfen: Eine in einem Hilbert-Raum beschr¨ankte Folge besitzt eine Teilfolge derart, daß die Folge der arithmetischen Mittel stark konvergiert (siehe Aufgabe 3.7). Mit dem Satz von Mazur haben wir alle Hilfsmittel f¨ ur den Kompaktheitsschluß im Banach-Raum bereitgestellt. Satz 3.37. Sei X ein reflexiver Banach-Raum, K ⊂ X sei abgeschlossen und konvex. f : K → sei stetig, konvex und gen¨ uge, falls K unbeschr¨ ankt ist, der Bedingung f (x) → ∞ f¨ ur kxk → ∞, x ∈ K. (3.8) Dann nimmt f auf K das Minimum an. Beweis. Sei d = inf x∈K f (x) und (xk ) eine Minimalfolge. Mit (3.8) sind die xk beschr¨ankt. Wegen der schwachen Kompaktheit gilt xk ⇁ x f¨ ur eine Teilfolge. Nach dem Satz von Mazur, angewendet auf die Folge xk , xk+1 , . . . , gibt es eine Folge von Konvexkombinationen yk =
∞ X
tki xi ,
tki > 0 nur f¨ ur endlich viele i,
i=k
mit yk → x in X. Da K konvex und abgeschlossen ist, gilt yk ∈ K und x ∈ K. Aus Stetigkeit und Konvexit¨ at von f folgt f (x) = lim f (yk ) ≤ lim k→∞
k→∞
∞ X
tki f (xi ) = d.
i=k
Damit ist f (x) = d und x das Minimum von f.
⊓ ⊔
62
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
Aufgaben 3.1. (2) Sei J die Menge der Irrationalzahlen im Intervall [0,1]. Es gibt keine Darstellung J = ∪∞ k=1 Ak mit abgeschlossenen Mengen Ak . 3.2. a) (4) Es gibt keine Funktion x : [0, 1] → , die in jedem rationalen Punkt stetig und in jedem irrationalen Punkt unstetig ist. b) (3) Konstruieren Sie eine Funktion x : [0, 1] → , die in jedem irrationalen Punkt stetig und in jedem rationalen Punkt unstetig ist. Hinweise und Bemerkung: In a) f¨ uhrt man einen indirekten Beweis unter Verwendung der Aufgabe 3.1. Der Aufgabenteil b) dient nur zur Illustration von a) und kann mit Gymnasialmathematik bew¨ altigt werden. Es gibt eine ganze Reihe solcher S¨ atze u ¨ber reelle Funktionen, die ohne den Satz von Baire nicht zu beweisen sind. Die Aufgaben 3.3 und 3.4 sind weitere Beispiele, eine ganze Sammlung findet man in [Boa60]. 3.3. (3) Sei (xk ) eine Folge in C([a, b]) mit xk (t) → x(t) punktweise in [a, b]. Beweisen Sie f¨ ur die Funktion x die folgenden Aussagen. a) Zu jedem abgeschlossenen Intervall I ⊂ [a, b] mit nichtleerem Innerem und jedem ε > 0 gibt es ein nichtleeres offenes Intervall I˜ ⊂ I mit |x(t1 ) − x(t2 )| ≤ ε f¨ ur alle ˜ t1 , t2 ∈ I. Hinweis: Setze ε Ak = {t ∈ I : |xk (t) − xl (t)| ≤ ∀l ≥ k}. 3 b) (Baire) Die Menge der Stetigkeitspunkte von x liegt dicht in [a,b]. 3.4. Sei X = C([0, 1]) versehen mit der Norm k · k∞;[0,1] . a) (3) Zeigen Sie, daß die Mengen ˘ 1 1 1¯ An = x ∈ X : Es gibt ein t ∈ [0, 1 − ] mit |x(t + h) − x(t)| ≤ n ∀ 0 < h < n h n
abgeschlossen in X sind. b) (4) Zeigen Sie, daß das Komplement von An dicht ist in X. c) (1) Zeigen Sie, daß die Menge der in einem Punkt von rechts differenzierbaren Funktionen mager ist in X. Insbesondere gibt es stetige Funktionen, die in keinem Punkt differenzierbar sind. 3.5. (3) Eine Basis eines Vektorraums definiert man wie sonst auch in der linearen Algebra als eine Menge von linear unabh¨ angigen Elementen {xk }k∈I , so daß sich jedes x ∈ X als endliche Linearkombination der xk darstellen l¨ aßt. Zeigen Sie, daß die Basis eines Banach-Raums nicht abz¨ ahlbar sein kann (also nur endlich oder u ahlbar). ¨ berabz¨ Hinweis: Verwenden Sie den Satz von Baire. 3.6. (2) Geben Sie zwei abgeschlossene nirgends dichte Unterr¨ aume U, V von (C[−1, 1], k · k∞ ) an, so daß U + V = C[−1, 1]. 3.7. (3) Konstruieren Sie ein Beispiel, das zeigt, daß im Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit der Raum X vollst¨ andig sein muß. Hinweis: Verwenden Sie den Raum der endlichen Folgen unter der Norm k · kl∞ .
Aufgaben
63
3.8. (1) Beweisen Sie: Satz (Resonanztheorem). Seien X, Y Banach-R¨ aume und Tk ∈ L(X, Y ) eine Folge mit supk∈ kTk kX→Y = ∞. Dann gibt es ein x ∈ X mit supk∈ kTk xkY = ∞. 3.9. (3) Sei (ai ) eine Folge reeller Zahlen mit der Eigenschaft ∞ X i=1
ai bi < ∞
f¨ ur alle reellen Folgen (bi ) mit bi → 0.
P Dann gilt ∞ i=1 |ai | < ∞. Hinweis: Dies l¨ aßt sich sowohl elementar als auch elegant mit einem funktionalanalytischen Prinzip beweisen. 3.10. (3) Seien X, Y Banach-R¨ aume und H ⊂ L(X, Y ). Gilt f¨ ur alle x ∈ X und y′ ∈ Y ′ sup hT x, y ′ i < ∞, T ∈H
so ist H in L(X, Y ) beschr¨ ankt. 3.11. (2) Seien X, Y Banach-R¨ aume und (Tk ) eine punktweise konvergente Folge in L(X, Y ). Man gebe ein Beispiel daf¨ ur an, daß die Tk nicht in der Operatornorm konvergieren m¨ ussen. 3.12. (3) Seien X, Y Banach-R¨ aume, b : X × Y → sei bilinear und in jeder Komponente stetig, also b(·, y) ∈ X ′ und b(x, ·) ∈ Y ′ f¨ ur alle y ∈ Y beziehungsweise x ∈ X. Dann ist b(·, ·) auf X × Y stetig. 3.13. (2) Seien X, Y Banach-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ) injektiv mit abgeschlossenem Bild. Dann gibt es ein m > 0 mit mkxkX ≤ kT xkY
∀x ∈ X.
3.14. (2) Der Vektorraum X sei vollst¨ andig bez¨ uglich der Normen k · k1 und k · k2 . Gilt dann kxk1 ≤ ckxk2 f¨ ur alle x ∈ X, so sind die beiden Normen a ¨quivalent, es gilt also auch kxk2 ≤ ckxk1 f¨ ur alle x ∈ X. 3.15. (2) Seien Y, Z abgeschlossene Unterr¨ aume eines Banach-Raums X mit folgender Eigenschaft: Zu jedem x ∈ X gibt es eindeutig bestimmte y ∈ Y und z ∈ Z mit x = y + z. Dann gibt es eine Konstante K mit kyk ≤ Kkxk und kzk ≤ Kkxk. 3.16. (2) Zeigen Sie ohne Verwendung des Auswahlaxioms: Wenn X ein reeller separabler Banach-Raum ist, M ein Unterraum von X und f ∈ L(M, ), so gibt es eine Fortsetzung f˜ ∈ L(X, ) mit f˜|M = f und kf˜kM→ = kf kX→ . 3.17. (3) Sei X ein Hilbert-Raum und U ein abgeschlossener Unterraum von X. Bestimmen Sie eine Fortsetzung f˜ von f ∈ U ′ auf X mit kf˜k = kf k und zeigen Sie, daß diese Fortsetzung eindeutig bestimmt ist.
64
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
3.18. (3) Sei Sl : l∞ → l∞ der Shift nach links im Raum der beschr¨ ankten Folgen ′ l∞ . Konstruieren Sie ein f ∈ l∞ mit den Eigenschaften f (Sl x) = f (x) f¨ ur alle x ∈ l∞ ,
lim inf x(i) ≤ f (x) ≤ lim sup x(i) f¨ ur alle x ∈ l∞ . i→∞
i→∞
Hinweis und Bemerkung: Definiere fk (x) =
1 (x(1) + . . . + x(k)), k
M = {x ∈ l∞ : lim fk (x) =: f (x) existiert}, k→∞
p(x) = lim sup fk (x), k→∞
und wende Hahn-Banach an. Ein solches Funktional f , das manche Eigenschaften eines echten Grenzwerts besitzt, heißt Banachlimes. 3.19. (3) Seien X, Y normierte R¨ aume mit X 6= {0}. Wenn L(X, Y ) ein BanachRaum ist, so ist Y ein Banach-Raum. 3.20. (3) Sei c00 ⊂ c0 der Raum der Folgen x, die ab einem Index I = I(x) f¨ ur alle i > I verschwinden (=Raum der endlichen Folgen). F¨ ur jede Folge a setzen wir pa (x) = supi∈ |a(i)x(i)|. Offenbar ist pa auf c00 eine wohldefinierte Halbnorm. a) (c00 , {pa }) ist ein lokalkonvexer Raum. b) Warum l¨ aßt sich diese Topologie von c00 nicht durch eine Norm erzeugen? c) Bestimmen Sie den Dualraum von (c00 , {pa }). 3.21. (1) Eine in C 0 (Ω) schwach konvergente Folge ist punktweise konvergent. 3.22. (2) a) In einem Banach-Raum X ist die schwache Konvergenz xk ⇁ x ¨ aquivalent zu den beiden Bedingungen (i) kxk k ≤ M ∀k ∈ , (ii) f (xk ) → f (x) f¨ ur alle f in einer dichten Teilmenge von X ′ . b) Als Anwendung zeige man: xk ⇁ x in c0
⇔
kxk kl∞ ≤ K und xk (i) → x(i) ∀i ∈
.
Bemerkung: Man beachte den Unterschied zu Lemma 3.27. Dort kommt der Grenzwert in Bedingung (b) nicht vor (siehe auch Aufgabe 3.24). 3.23. (2) Im Hilbert-Raum gilt xk → x
⇔
xk ⇁ x und kxk k → kxk.
3.24. (2) Geben Sie ein Beispiel f¨ ur eine schwache Cauchy-Folge in c0 , die keinen schwachen Grenzwert besitzt. 3.25. (3) Sei 1 ≤ p < ∞. Eine Folge in lp ist genau dann schwach konvergent in lp , p > 1, bzw. schwach∗ konvergent in l1 , wenn sie normbeschr¨ ankt ist und punktweise konvergiert. 3.26. (3) Sei 1 < p < ∞. Beweisen Sie: xk → x in lp
⇔
xk ⇁ x in lp und kxk klp → kxklp .
Aufgaben
65
3.27. (3) Sei X ein Banach-Raum. Beweisen Sie oder widerlegen Sie durch Gegenbeispiel. a) Ist fk → f in X ′ und xk ⇁ x in X, so fk (xk ) → f (x). ∗
b) Ist fk ⇁ f in X ′ und xk → x in X, so fk (xk ) → f (x). ∗
c) Ist fk ⇁ f in X ′ und xk ⇁ x in X, so fk (xk ) → f (x).
3.28. (5) Beweisen Sie: Eine Folge konvergiert genau dann schwach in l1 , wenn sie stark in l1 konvergiert. 3.29. (3) Sei l2 der Raum der reellwertigen quadratsummierbaren Zahlenfolgen und sei ek ∈ l2 mit ek (i) = δik . Sei M die Teilmenge von l2 mit Elementen xk,l = ek + (k − 1)el , 1 ≤ k < l. a) Bestimmen Sie den schwachen Folgenabschluß M sf von M in l2 , d.h. diejenigen x ∈ l2 , die sich als schwache Grenzwerte von Folgen in M darstellen lassen. b) Zeigen Sie, daß 0 im schwachen Abschluß von M liegt. Bemerkung: Der Folgenabschluß f¨ uhrt also nicht notwendig zu einer abgeschlossenen Menge. Weiter ist mit diesem Beispiel gezeigt, daß die schwache Topologie von l2 nicht das erste Abz¨ ahlbarkeitsaxiom erf¨ ullt (siehe Lemma 1.11). Das Gegenst¨ uck hierzu ist Aufgabe 3.30. 3.30. (3) Ist X ein separabler Banach-Raum und A ⊂ X ′ normbeschr¨ ankt, so erf¨ ullt A versehen mit der schwachen∗ Topologie das erste Abz¨ ahlbarkeitsaxiom. 3.31. (3) Sei M der Raum der endlichen Folgen. Zeigen Sie, daß der Abschluß von M in der Topologie von l∞ der Raum c0 ist, daß aber der Abschluß von M in der schwachen∗ Topologie von l∞ (aufgefaßt als Dualraum von l1 ) mit l∞ u ¨ bereinstimmt. 3.32. (3) Seien X, Y Banach-R¨ aume und T : X → Y linear. Dann gilt: T ∈ L(X, Y ) ⇔ T ist stetig bez¨ uglich der schwachen Topologien von X und Y. 3.33. (4) Sei X ein unendlich dimensionaler Banach-Raum. Zeigen Sie, daß X ′ mit der schwachen∗ Topologie mager ist in sich selbst. 3.34. In dieser Aufgabe betrachten wir Folgen der Form (x(i, j))i,j∈ . l1 ist der Raum solcher Folgen mit Norm X kxkl1 = |x(i, j)|. i,j
Entsprechend ist c0 der Raum der Folgen mit x(i, j) → 0
f¨ ur i + j → ∞
versehen mit der Supremumsnorm kxkl∞ = sup |x(i, j)|. Sei M der Unterraum von l1 der Folgen x mit ix(i, 1) =
∞ X j=2
a) (1) l1 ∼ = (c0 )′ .
x(i, j),
i∈
.
66
3 Die Prinzipien der Funktionalanalysis
b) (1) M ist abgeschlossener Unterraum von l1 . c) (3) M ist dicht in l1 bez¨ uglich der schwachen∗ Topologie von l1 , die durch a) gegeben ist. d) (3) Sei B die abgeschlossene Einheitskugel von l1 . Zeigen Sie, daß im Gegensatz zu c) der Abschluß von M ∩ B bez¨ uglich der schwachen∗ Topologie von l1 keine offene Kugel enth¨ alt. ′ 3.35. (3) Die abgeschlossene Einheitskugel von l∞ ist nicht schwach∗ folgenkompakt.
3.36. (3) Beweisen Sie: (Banach-Saks) Gilt in einem Hilbert-Raum xk ⇁ x, so gibt es eine Teilfolge (xkl ) mit l 1X xk → x. l j=1 j Hinweis: Man darf x = 0 setzen. Definiere die Teilfolge rekursiv durch xk1 = x1 ,
|(xk1 + . . . + xkl−1 , xkl )| gen¨ ugend klein.
3.37. (2) Sei X ein reflexiver Banach-Raum. Dann gibt es zu jedem f ∈ X ′ ein x ∈ X mit kxk = 1 und |f (x)| = kf k. 3.38. (3) Sei M ⊂ C([−1, 1]) die Menge der Funktionen mit Z 1 Z 0 x(τ ) dτ − x(τ ) dτ = 1. 0
−1
Dann ist M konvex und abgeschlossen, aber es gibt kein Element in M mit minimaler Norm k · k∞ . Bemerkung: C([−1, 1]) ist damit nicht reflexiv, denn alle anderen Voraussetzungen von Satz 3.37 sind erf¨ ullt.
4 Die Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω)
4.1 Das Lebesgue-Integral Es wird vorausgesetzt, daß der Leser mit den Grundlagen der LebesgueIntegration vertraut ist. Dieser Abschnitt soll nur die wichtigsten Begriffe und S¨atze wiederholen. F¨ ur eine genauere Darstellung sei z.B. auf das Buch von Halmos [Hal50] verwiesen. Definition 4.1. Eine Menge Σ von Teilmengen des n heißt σ-Algebra, wenn die folgenden Bedingungen erf¨ ullt sind: n (a) ∈ Σ, (b) Wenn A ∈ Σ, dann ist auch Ac ∈ Σ, (c) Wenn Ak ∈ Σ f¨ ur k ∈ , dann ist auch ∪∞ k=1 Ak ∈ Σ. Wegen ( n )c = ∅ folgt aus (a) und (b), daß ∅ ∈ Σ. Auf ¨ahnliche Weise zeigt man, daß ∩∞ ur Ak ∈ Σ und A \ B = A ∩ B c ∈ Σ. k=1 Ak ∈ Σ f¨ Definition 4.2. Sei Σ eine σ-Algebra. Eine Funktion µ : Σ → + ∪ {∞} heißt Maß, wenn µ die folgenden Eigenschaften besitzt: (a) µ(A) ≥ 0 f¨ ur alle A ∈ Σ, ∞ X (b) µ(∪∞ µ(Ak ) f¨ ur Ak ∈ Σ und Ak ∩ Al = ∅ f¨ ur k 6= l. k=1 Ak ) = k=1
H¨aufig wird ein allgemeinerer Maßbegriff verwendet. In diesem Fall heißt die oben eingef¨ uhrte Maßfunktion ein positives, σ-additives Maß. Satz 4.3. Es gibt eine σ-Algebra Σ von Teilmengen des n und ein Maß µ auf Σ, das Lebesgue-Maß genannt wird, mit den folgenden Eigenschaften: (a) Jede offene Menge des
n
geh¨ ort zu Σ.
(b) Zu jedem A ∈ Σ und ε > 0 gibt es eine offene Menge B ⊃ A mit µ(B \ A) ≤ ε,
(c) Wenn A ⊂ B und B ∈ Σ mit µ(B) = 0, dann ist auch A ∈ Σ und µ(A) = 0. M. Dobrowolski, Angewandte Funktionalanalysis, Springer-Lehrbuch Masterclass, 2nd ed., DOI 10.1007/978-3-642-15269-6_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
68
4 Die Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω)
n (d) Wenn : ak ≤ xk ≤ bk , k = 1, . . . , n}, dann ist A ∈ Σ und QnA = {x ∈ µ(A) = k=1 (bk − ak ).
(e) µ ist translationsinvariant, d.h.: Wenn x ∈ µ(A) = µ(x + A).
n
und A ∈ Σ, dann gilt
Die Elemente von Σ heißen die Lebesgue-meßbaren Mengen. Die Eigenschaft (d) zeigt, daß das Lebesgue-Maß die Fortsetzung der Volumenfunktion auf eine gr¨oßere Klasse von Mengen ist, die die offenen Mengen enth¨alt. Da wir keine anderen Maßfunktionen studieren wollen, wird das Wort Lebesgue“ im ” folgenden weggelassen. Eine besondere Bedeutung f¨ ur die Theorie haben die Mengen vom Maß 0, kurz Nullmengen genannt. Satz 4.3(b) besagt, daß jede Teilmenge einer Nullmenge ebenfalls eine Nullmenge ist. Aus der σ-Additivit¨at folgt, daß die abz¨ahlbare Vereinigung von Nullmengen wiederum eine Nullmenge ist. Insbesondere sind abz¨ ahlbare Mengen des n Nullmengen. Wir sagen, daß eine Bedingung fast u u.) auf einer Menge A ⊂ n erf¨ ullt ist, wenn es eine ¨berall (f.¨ Nullmenge B ⊂ A gibt, so daß die Bedingung auf A \ B gilt. Definition 4.4. Sei A ⊂ n meßbar und sei u : A → ∪ {∞} ∪ {−∞} eine Funktion. u heißt meßbar, wenn die Mengen {x : u(x) > a} meßbar sind f¨ ur alle a ∈ . F¨ ur eine meßbare Funktion u sind die Mengen Ak = {x : u(x) > a −
1 }, k
k∈
,
meßbar, damit auch die Menge {x : u(x) ≥ a}. Durch Bildung des Komplements erhalten wir daraus die Meßbarkeit der Mengen {x : u(x) < a} sowie {x : u(x) ≤ a}. Satz 4.5. (a) Wenn u meßbar ist, so sind auch |u|, u+ , u− meßbar.
(b) Wenn u, v meßbar sind, so sind auch u + v, uv, max{u, v}, min{u, v} meßbar. (c) Wenn (uk ) eine Folge meßbarer Funktionen ist, so sind auch supk∈ uk , inf k∈ uk , lim supk∈ uk , lim inf k∈ uk meßbar. (d) Wenn u : m → stetig und jede Komponente von v = (v1 , . . . , vm ) meßbar ist, so ist auch die Funktion u ◦ v(x) = u(v(x)) meßbar. Definition 4.6. Seien P A1 , . . . , Am ⊂ n meßbare Mengen und a1 , . . . , am ∈ m . Dann heißt s(x) = k=1 ak χAk eine (meßbare) Treppenfunktion.
Satz 4.7. Zu jeder meßbaren Funktion u gibt es eine Folge von Treppenfunktionen (sk ) mit sk → u punktweise. Wenn u positiv ist, so kann (sk ) monoton steigend gew¨ ahlt werden. Pm Sei A ⊂ n meßbar. F¨ ur eine Treppenfunktion s(x) = k=1 ak χAk mit Ak ⊂ A definieren wir
4.1 Das Lebesgue-Integral
Z
s(x) dx =
A
m X
69
ak µ(Ak ).
k=1
Wenn u meßbar und positiv ist, so setzen wir Z Z u(x) dx = sup s(x)dx, A
A
wobei das Supremum u ¨ber alle Treppenfunktionen genommen wird, die außerhalb von A verschwinden und der Beziehung 0 ≤ s ≤ u in A gen¨ ugen. Wenn u reellwertig und meßbar ist, und auf der rechten Seite von Z Z Z u(x) dx := u+ (x)dx − (−u− (x)) dx A
A
A
mindestens eines der Integrale endlich ist, so sagen wir, daß das Integral von u existiert mit Werten in der Menge ∪ {−∞} ∪ {∞}. Wenn beide Integrale R endlich sind, so heißt u integrierbar und A u(x)dx das Integral von u. Die Menge der integrierbaren Funktionen auf A bezeichnen wir mit L1 (A). Satz 4.8. Sei A meßbar und u, v seien meßbare Funktionen auf A. (a) Wenn a ≤ u(x) ≤ b f¨ ur alle x ∈ A und wenn µ(A) endlich ist, so gilt Z aµ(A) ≤ u(x) dx ≤ bµ(A). A
(b) Wenn u(x) ≤ v(x) f¨ ur alle x ∈ A und wenn beide Integrale existieren, so gilt Z Z u(x) dx ≤ v(x) dx. A
A
1
(c) Wenn u, v ∈ L (A), dann ist auch cu + dv ∈ L1 (A) f¨ ur c, d ∈ Z Z Z (cu(x) + dv(x)) dx = c u(x) dx + d v(x) dx. A
A
(d) Wenn µ(A) = 0, so ist
R
A
und
A
u(x) dx = 0.
Die wichtigsten Eigenschaften des Lebesgue-Integrals sind die S¨atze u ¨ ber die Vertauschung von Integration und Grenz¨ ubergang. Satz 4.9 (Monotone Konvergenz, Satz von Beppo-Levi). Sei A ⊂ n meßbar und (uk ) eine Folge monoton steigender, nichtnegativer und meßbarer Funktionen. Dann gilt Z Z lim uk (x) dx = lim uk (x) dx. k→∞
A
A k→∞
4 Die Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω)
70
Satz 4.10 (Fatous Lemma). Sei A ⊂ n und (uk ) eine Folge nichtnegativer, meßbarer Funktionen. Dann gilt Z Z lim inf uk (x) dx ≤ lim inf uk (x) dx. A k→∞
k→∞
A
Satz 4.11 (Satz von Lebesgue). Sei A ⊂ n meßbar und (uk ) eine Folge meßbarer Funktionen, die punktweise konvergiert. Wenn es eine Funktion g ∈ L1 (A) gibt mit |uk (x)| ≤ g(x) f¨ ur alle k und alle x ∈ A, so Z Z lim uk (x) dx = lim uk (x) dx. k→∞
A k→∞
A
Ebenso wichtig ist der folgende Satz u ¨ber die Vertauschung der Reihenfolge der Integrationsvariablen. Satz 4.12 (Fubini). Sei u eine meßbare Funktion auf dem n+m , so daß wenigstens eines der folgenden Integrale existiert und endlich ist Z Z Z I1 = |u(x, y)| dx dy, I2 = |u(x, y)| dx dy, n+m
m
I3 = Dann gilt: (a) u(·, y) ∈ L1 ( 1
n
Z
n
Z
m
) f¨ ur fast alle y ∈
m
(b) u(x, ·) ∈ L ( ) f¨ ur fast alle x ∈ Z (c) u(x, ·) dx ∈ L1 ( m ),
n
|u(x, y)| dy dx. m
,
n
,
n
(d)
Z
m
u(·, y) dy ∈ L1 (
n
),
(e) I1 = I2 = I3 . Der folgende Satz wird manchmal die Absolutstetigkeit des Lebesgue Integrals genannt. Satz 4.13. Sei u integrierbar auf der meßbaren Menge A. Zu jedem ε > 0 gibt es ein δ > 0, das nur von ε und u abh¨ angt, so daß f¨ ur alle meßbaren Teilmengen B von A mit µ(B) < δ gilt Z |u| dx < ε. B
Im n¨achsten Satz wird eine u ¨berraschende Stetigkeitseigenschaft meßbarer Funktionen angegeben.
4.2 Definition der R¨ aume Lp (Ω)
71
Satz 4.14 (Lusin). Sei u meßbar und u = 0 außerhalb einer offenen Menge Ω mit µ(Ω) < ∞. Dann gibt es zu jedem ε > 0 eine Funktion φ ∈ C00 (Ω) mit sup |φ(x)| ≤ sup |u(x)| und µ {x ∈ Ω : φ(x) 6= u(x)} < ε. x∈Ω
x∈Ω
F¨ ur vektorwertige Funktionen u = (u1 , . . . , um ) ∈ Z Z u(x) dx = ui (x) dx A
A
m
i=1,...,m
setzen wir
,
und f¨ ur komplexwertige Funktionen u = f + ig Z Z Z u(x) dx = f (x) dx + i g(x) dx. A
A
A
4.2 Definition der R¨ aume Lp(Ω) In diesem und den folgenden Abschnitten bezeichnen wir mit Ω ein Gebiet ¨ des n . Auf den meßbaren Funktionen auf Ω definieren wir eine Aquivalenzrelation durch u ∼ v ⇔ u = v f.¨ u. auf Ω, ¨ und betrachten statt den meßbaren Funktionen die zugeh¨origen Aquivalenzklassen. Anders ausgedr¨ uckt: Wir identifizieren meßbare Funktionen, die außerhalb einer Nullmenge u ¨bereinstimmen. Definition 4.15. F¨ ur 1 ≤ p < ∞ besteht der Raum Lp (Ω) aus allen meßbaren, reell- oder komplexwertigen Funktionen u, so daß |u|p integrierbar auf Ω ist. Eine meßbare Funktion u geh¨ ort zum Raum L∞ (Ω), wenn sie wesentlich beschr¨ankt ist, wenn also sup |u(x)| < ∞
f¨ ur eine Nullmenge N
x∈Ω\N
erf¨ ullt ist. Lploc(Ω) ist der Raum der Funktionen, die f¨ ur jede offene Teilmenge Ω0 ⊂⊂ Ω zu Lp (Ω0 ) geh¨ oren. Als erstes wird gezeigt, daß Lp (Ω) mit den Ausdr¨ ucken Z 1/p kukp;Ω = |u(x)|p dx , 1 ≤ p < ∞, kuk∞;Ω = inf Ω
sup |u(x)|,
µ(N )=0 x∈Ω\N
Banach-R¨aume sind. Dazu ben¨ otigen wir ein vorbereitendes Resultat. Lemma 4.16 (H¨ oldersche Ungleichung). Sei 1 < p, q < ∞ mit p−1 + q −1 = 1. Wenn u ∈ Lp(Ω) und v ∈ Lq (Ω), dann ist uv ∈ L1 (Ω) und kuvk1;Ω ≤ kukp;Ω kvkq;Ω .
72
4 Die Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω)
Beweis. Nach Satz 4.5(b) ist das Produkt uv meßbar, so daß wir nur zeigen m¨ ussen, daß uv durch eine integrierbare Funktion abgesch¨atzt werden kann (siehe Satz 4.8(b)). In der Youngschen Ungleichung (A.2) setzen wir ε = 1 und a = |u(x)|, b = |v(x)|, daher 1 1 |u(x)v(x)| ≤ |u(x)|p + |v(x)|q . p q Satz 4.8(b) liefert das gew¨ unschte Ergebnis f¨ ur Funktionen u, v mit kukp;Ω = kvkq;Ω = 1. Weil die Ungleichung trivialerweise erf¨ ullt ist, wenn eine der beiden Funktionen verschwindet, folgt die Ungleichung mit einem Homogenit¨atsargument. ⊓ ⊔ Satz 4.17. F¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ sind die R¨ aume Lp (Ω) Banach-R¨ aume unter der Norm k·kp;Ω . Beweis. Als erstes zeigen wir die Dreiecksungleichung, die in diesem Zusammenhang auch als Minkowski-Ungleichung bezeichnet wird. Da die F¨alle p = 1 und p = ∞ klar sind, sei 1 < p < ∞. F¨ ur u, v ∈ Lp (Ω) folgt aus der Dreiecksungleichung |u(x) + v(x)|p = |u(x) + v(x)|p−1 |u(x) + v(x)| ≤ |u(x) + v(x)|p−1 |u(x)| + |v(x)|
und aus der H¨olderschen Ungleichung f¨ ur q = p/(p − 1) Z ku + vkpp;Ω = |u(x) + v(x)|p dx ≤ ku + vkp−1 p;Ω kukp;Ω + kvkp;Ω . Ω
Da die anderen Normaxiome erf¨ ullt sind, ist Lp (Ω) ein normierter Vektorraum. Es muß noch die Vollst¨ andigkeit gezeigt werden. Sei 1 ≤ p < ∞ und sei (uk )k∈ eine Cauchy-Folge in Lp(Ω). Durch Auswahl einer Teilfolge, die immer noch mit (uk ) bezeichnet wird, kann kuk+1 − uk kp;Ω ≤ 2−k
f¨ ur alle k ∈ Pm erreicht werden. Die Funktion vm (x) = k=1 |uk+1 (x) − uk (x)| gen¨ ugt der Absch¨atzung m X kvm kp;Ω ≤ 2−k < 1, k=1
woraus wegen Fatous Lemma 4.10 folgt Z Z |v|p dx = lim |vm |p dx ≤ 1. Ω
Ω m→∞
Daher gilt v(x) < ∞ f.¨ u. in Ω und die Summe
4.2 Definition der R¨ aume Lp (Ω)
u1 +
∞ X
k=1
73
(uk+1 − uk )
konvergiert fast u u. ¨ berall gegen eine Funktion u, also limk→∞ uk (x) = u(x) f.¨ Wiederum aus Fatous Lemma erhalten wir f¨ ur gen¨ ugend große k, l Z Z p |u − ul | dx = lim |uk − ul |p dx ≤ lim kuk − ul kpp;Ω < ε. Ω
Ω k→∞
k→∞
Also u = (u − ul ) + ul ∈ Lp (Ω) und ul → u in Lp (Ω). Damit ist gezeigt, daß eine Teilfolge der Cauchy-Folge in Lp (Ω) konvergiert. Aus einem allgemeinen Prinzip (siehe S. 13) folgt, daß dann die ganze Folge gegen den gleichen Grenzwert konvergiert. F¨ ur p = ∞ ist die Vollst¨ andigkeit einfacher zu beweisen. Da die abz¨ahlbare Vereinigung von Nullmengen eine Nullmenge ist, existiert zu einer CauchyFolge (uk )k∈ eine Nullmenge N mit |uk (x)| ≤ kuk k∞;Ω ,
|uk (x) − ul (x)| ≤ kuk − ul k∞;Ω
f¨ ur alle x ∈ Ω \ N.
Auf der Menge Ω \N ist die Folge eine Cauchy-Folge bez¨ uglich der gleichm¨aßigen Konvergenz. Damit gilt uk → u in L∞ (Ω). ⊓ ⊔ Korollar 4.18. L2 (Ω) ist Hilbert-Raum unter dem inneren Produkt Z (u, v) = u(x)v(x) dx. Ω
Der folgende Einbettungssatz wird h¨ aufig ben¨otigt. Schon einfache Beispiele zeigen, daß die Voraussetzung, daß Ω beschr¨anktes Maß haben muß, nicht fehlen darf. Satz 4.19. Sei µ(Ω) < ∞. Dann gilt:
(a) Sei 1 ≤ p ≤ q ≤ ∞. Dann geh¨ ort jedes u ∈ Lq (Ω) auch zum Raum Lp (Ω) und gen¨ ugt der Absch¨ atzung 1
1
kukp;Ω ≤ µ(Ω) p − q kukq;Ω , wobei q −1 = 0 f¨ ur q = ∞ gesetzt wird.
(b) Wenn f¨ ur alle 1 ≤ p < ∞ die Funktion u ∈ Lp (Ω) ist mit kukp ≤ K, dann ist auch u ∈ L∞ (Ω) mit kuk∞ ≤ K. Beweis. (a) Der Fall q = ∞ ist offensichtlich. F¨ ur q < ∞ folgt aus der H¨olderschen Ungleichung Z kukpp;Ω = 1 · |u|p dx ≤ k1kq/(q−p);Ω kukpq;Ω . Ω
(b) Wir f¨ uhren einen indirekten Beweis und k¨onnen dazu mit Aufgabe 4.3 annehmen, daß es eine Menge A sowie eine Konstante K1 > K gibt mit µ(A) > 0 und |u(x)| ≥ K1 in A. Dann
74
4 Die Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω)
Z
p
Ω
|u| dx ≥
Z
A
|u|p dx ≥ µ(A)K1p
und daher kukp;Ω > K f¨ ur gen¨ ugend großes p.
⊓ ⊔
Ist X ein linearer Raum, so bezeichnen wir mit X k den Raum der Vektoren (x1 , . . . , xk ) mit xi ∈ X. Der Raum Lp (Ω)k wird normiert durch Z 1/p kukp;Ω = |u|p dx . Ω
Man beachte, daß |u| immer die euklidische Norm des k-Vektors u bedeutet.
4.3 Mollifier und dichte Unterr¨ aume In diesem Abschnitt wird gezeigt, daß jede Funktion u ∈ Lp (Ω), 1 ≤ p < ∞, durch Funktionen in C0∞ (Ω) beliebig genau approximiert werden kann, der Raum C0∞ (Ω) also dicht liegt in Lp (Ω). Als erstes beweisen wir ein vorbereitendes Resultat u ¨ber die Approximierbarkeit durch Funktionen im Raum C00 . Satz 4.20. (a) C00 (Ω) ist dicht in Lp (Ω) f¨ ur 1 ≤ p < ∞. (b) Lp (Ω) ist separabel f¨ ur 1 ≤ p < ∞.
Beweis. (a) Sei u ∈ Lp (Ω). Aus dem Satz von Lebesgue folgt Z lim |u|p dx = kukpp;Ω . R→∞
Ω∩BR
Daher existiert ein R ∈ , so daß die Funktion u1 mit u1 = u in Ω ∩ BR , u1 = 0 außerhalb von BR , der Absch¨ atzung ku − u1 kp;Ω < gen¨ ugt. Sei (k) u1 (x)
=
(
u1 (x) 0
ε 3
wenn |u1 (x)| ≤ k, sonst.
Wegen |u1 |p ∈ L1 (Ω) gilt µ({x : |u1 (x)| > k}) → 0 f¨ ur k → ∞. Aus der Absolutstetigkeit des Lebesgue-Integrals, Satz 4.13, folgt Z Z (k) |u1 − u1 |p dx = |u1 |p dx → 0 f¨ ur k → ∞. |u1 (x)|>k
Ω
(k)
F¨ ur die Funktion u2 = u1
gilt daher f¨ ur gen¨ ugend großes k ku2 − u1 kp;Ω
0 w¨ahle k0 mit k0 ≥ j(x) und
1 k0
≤ ε. Dann gilt
|unk (x) − u(x)| ≤ ε f¨ ur alle k ≥ k0 , also unk (x) → u(x) f¨ ur alle x ∈ Ω \ ∩Aj .
⊓ ⊔
Anmerkungen 4.26 (i) F¨ ur unbeschr¨ anktes Gebiet gilt: Ist uk → u in Lp (Ω), 1 ≤ p < ∞, so gibt es eine Teilfolge (ukl ) mit ukl → u f.¨ u. in Ω. Denn wir k¨onnen Ω in abz¨ahlbar viele beschr¨ ankte Teilgebiete zerlegen und sukzessive auf jedem dieser Teilgebiete eine f.¨ u. konvergente Teilfolge ausw¨ahlen. Die zugeh¨orige Diagonalfolge (siehe Beispiel 2.18) ist dann auf Ω f.¨ u. konvergent. (ii) Die Umkehrung dieses Satzes gilt ebenfalls, sofern die Folge durch eine integrierbare Funktion majorisiert wird. Dies ist gerade der Satz von Lebesgue.
4.5 Der Dualraum von Lp (Ω)
79
Das n¨achste Beispiel zeigt, daß in (b) die punktweise Konvergenz tats¨achlich nur f¨ ur eine Teilfolge gilt. Beispiel 4.27. Sei n = 1 und Ω = (0, 1). Jedes l ∈ l¨aßt sich eindeutig in der Form l = 2k + j schreiben mit k ∈ 0 und 0 ≤ j < 2k . Wir betrachten die Folge ul (x) = χ[j2−k ,(j+1)2−k ] , wobei χ die charakteristische Funktion des Intervalls bezeichnet. Offenbar gibt es kein x ∈ Ω mit liml→∞ ul (x) = 0, aber ul → 0 dem Maße nach.
4.5 Der Dualraum von Lp(Ω) ¨ Ahnlich wie bei den Folgenr¨ aumen lp wollen wir Resultate der Form Lp (Ω)′ ∼ = 1 1 q L (Ω) f¨ ur p + q = 1 beweisen, was allerdings technisch aufwendiger ist. Als Vorbereitung ben¨ otigen wir vier Ungleichungen, die man aus den zugeh¨origen Ungleichungen f¨ ur reelle Zahlen durch Integration gewinnt (siehe [Ada75, S. 34ff.], [Cla36], [HS71, S. 75ff.]). Lemma 4.28 (Clarksonsche Ungleichungen). Seien u, v ∈ Lp (Ω) f¨ ur 1 < p < ∞ und q = p/(p − 1). (a) Wenn 1 < p ≤ 2, so
u + v q u − v q q−1 1 1
,
+
≤ kukpp + kvkpp 2 2 2 2 p p
u + v p u − v p 1 1
+
≥ kukpp + kvkpp . 2 2 2 2 p p
(4.3) (4.4)
(b) Wenn 2 ≤ p < ∞, so
u + v p u − v p 1 1
+
≤ kukpp + kvkpp , 2 2 2 2 p p
u + v q u − v q q−1 1 1
.
+
≥ kukpp + kvkpp 2 2 2 2 p p
(4.5) (4.6)
Satz 4.29. Lp (Ω) ist f¨ ur 1 < p < ∞ gleichm¨aßig konvex, d.h.: Zu jedem ε > 0 gibt es ein δ > 0, so daß f¨ ur alle u, v ∈ Lp (Ω) mit kukp = kvkp = 1 und ku − vkp ≥ ε gilt
u + v
≤ 1 − δ. 2 p Beweis. F¨ ur u, v wie im Satz angegeben und f¨ ur 1 < p ≤ 2 folgt aus (4.3)
u + v q
≤ 1 − 2−q εq , 2 p und f¨ ur 2 ≤ p < ∞ aus (4.5)
80
4 Die Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω)
u + v p
≤ 1 − 2−p εp . 2 p
In beiden F¨allen wurde ein δ > 0 mit den geforderten Eigenschaften gefunden. ⊓ ⊔ Anschaulich bedeutet die gleichm¨ aßige Konvexit¨at, daß die Einheitskugel strikt konvex und unabh¨ angig von u, v gekr¨ ummt ist. Ein Banach-Raum ist genau dann reflexiv, wenn er gleichm¨aßig konvex ist. Wir ben¨otigen dieses Resultat jedoch nicht, weil die Reflexivit¨at aus der Charakterisierung der Dualr¨ aume folgen wird. Sei q der konjugierte Exponent zu p, also q = p/(p − 1) f¨ ur 1 < p < ∞, q = 1 f¨ ur p = ∞ und q = ∞ f¨ ur p = 1. Jedem u ∈ Lq (Ω) kann ein Lu ∈ Lp(Ω)′ zugeordnet werden durch Z Lu (v) = uv dx, (4.7) Ω
denn aufgrund der H¨ olderschen Ungleichung gilt |Lu (v)| ≤ kukq kvkp , was die Stetigkeit von Lu impliziert. Die Frage ist nun, f¨ ur welche p die Abbildung u 7→ Lu surjektiv ist: Satz 4.30 (Rieszscher Darstellungssatz f¨ ur Lp (Ω)). Sei 1 ≤ p < ∞ und p ′ q L ∈ L (Ω) . Dann gibt es genau ein u ∈ L (Ω) mit Z L(v) = uv dx f¨ ur alle v ∈ Lp (Ω). Ω
Weiter gilt kukq = kLkLp (Ω)′ , also Lp (Ω)′ ∼ = Lq (Ω). Beweis. Sei zun¨achst 1 < p < ∞, der Fall p = 1 wird anschließend durch Grenz¨ ubergang p → 1 gezeigt. Sei L ∈ Lp (Ω)′ mit kLkLp(Ω)′ = 1. Dann gibt es eine Folge (wk ) in Lp (Ω) mit kwk kp = 1 und |L(wk )| → 1. Die Folge (wk ) kann durch Multiplikation mit αk ∈ , |αk | = 1, so gew¨ahlt werden, daß L(wk ) reell ist mit L(wk ) → 1. Wir wollen zeigen, daß die so modifizierte Folge eine Cauchy-Folge in Lp (Ω) ist. Wenn das nicht der Fall w¨are, so g¨abe es eine Folge ki , li mit ki , li → ∞ und ein ε > 0 mit kwki − wli kp ≥ ε f¨ ur ki , li ∈ . Aus der uniformen Konvexit¨ at folgt k 21 (wki + wli )kp ≤ 1 − δ mit einem festen δ > 0. Daher w + w w + w −1 w + w
k ki li li ki li 1≥L = i
L kwki + wli kp 2 2 p ≥
1 1 · L(wki ) + L(wli ) . 1−δ 2
F¨ ur ki , li → ∞ konvergiert die rechte Seite gegen 1/(1 − δ), was einen Widerspruch ergibt. Daher ist (wk ) Cauchy-Folge und konvergiert gegen ein w ∈ Lp (Ω) mit L(w) = 1 und kwkp = 1. Wir zeigen nun, daß
4.5 Der Dualraum von Lp (Ω)
L(v) =
Z
Ω
uv dx f¨ ur alle v ∈ Lp
81
(4.8)
f¨ ur u = |w|p−2 w. Offenbar ist L(w) = 1; (4.8) ist demnach bewiesen, wenn folgendes gezeigt wird: Wenn L1 , L2 ∈ Lp (Ω)′ mit kL1 kLp (Ω)′ = kL2 kLp (Ω)′ = L1 (w) = L2 (w) = 1 f¨ ur ein w ∈ Lp (Ω) mit kwkp = 1, so folgt L1 = L2 .
(4.9)
Angenommen, (4.9) gilt nicht. Dann gibt es ein v ∈ Lp mit L1 (v) 6= L2 (v). Durch Skalarmultiplikation und Addition eines Vielfachen von w k¨onnen wir L1 (v) = 1,
L2 (v) = −1
erreichen. Aus L1 (w + tv) = 1 + t, L2 (w − tv) = 1 + t, t ≥ 0, folgt wegen kL1 k = kL2 k = 1 kw + tvkp ≥ 1 + t,
kw − tvkp ≥ 1 + t.
F¨ ur 1 < p ≤ 2 liefert (4.4)
(w + tv) + (w − tv) p (w + tv) − (w − tv) p
1 + tp kvkpp =
+
2 2 p p ≥
1 1 kw + tvkpp + kw − tvkpp ≥ (1 + t)p 2 2
und f¨ ur 2 ≤ p < ∞ erh¨ alt man aus (4.6)
(w + tv) + (w − tv) q (w + tv) − (w − tv) q
1 + tq kvkqp =
+
2 2 p p ≥
q−1 1 1 kw + tvkpp + kw − tvkpp ≥ (1 + t)q . 2 2
Beide Ungleichungen k¨ onnen nicht f¨ ur alle t > 0 richtig sein. Damit ist (4.9), also auch (4.8) bewiesen. (4.8) ist nun die gesuchte Darstellung von L und die Abbildung L 7→ u ist auf der Menge der L mit kLk = 1 eine Isometrie. L 6= 0 kann auf den Fall kLk = 1 durch Skalarmultiplikation zur¨ uckgef¨ uhrt werden und f¨ ur L = 0 wird u = 0 gesetzt. Damit ist f¨ ur p > 1 alles bewiesen. F¨ ur p = 1 brauchen wir ebenfalls nur die Darstellung der L ∈ L1 (Ω)′ mit kLk = 1 zu konstruieren. Zun¨ achst sei Ω maßbeschr¨ankt. Nach Satz 4.19(a) gilt dann Lp (Ω) ⊂ L1 (Ω) f¨ ur p > 1 und |L(v)| ≤ kvk1 ≤ M (p)kvkp = µ(Ω)1−1/p kvkp . Daher ist L ∈ Lp (Ω)′ f¨ ur alle p ≥ 1 und es gibt eine Darstellung up ∈ Lq (Ω) mit kukq ≤ M (p) und
82
4 Die Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω)
L(v) =
Z
up v dx Ω
∀v ∈ Lp (Ω).
F¨ ur alle v ∈ L∞ (Ω) folgt f¨ ur p1 , p2 > 1 Z Z up1 v dx = up2 v dx. Ω
Ω
Speziell w¨ahlen wir v = sign (up1 − up2 ) ∈ L∞ (Ω) und erhalten R u. Damit h¨angt u gar nicht von p Ω |up1 − up2 | dx = 0 und up1 = up2 f.¨ ab und Satz 4.19(b) liefert kuk∞ ≤ lim M (p) = 1. p→1
Da Lp (Ω) dicht liegt in L1 (Ω), kann Lu auf L1 (Ω) stetig fortgesetzt werden, |Lu (v)| ≤ kvk1 ist wegen u ∈ L∞ (Ω) erf¨ ullt. Daher Z L(v) = uv dx ∀v ∈ L1 (Ω). Ω
Im Falle eines Gebietes Ω mit unbeschr¨ anktem Maß zerlegen wir Ω in abz¨ahlbar viele meßbare, disjunkte Mengen mit endlichem Maß und wenden obiges Resultat auf jede dieser Teilmengen an. ⊓ ⊔ Die Dualit¨atsabbildung von Lp (Ω) hat die Form Z hv, Li = uv dx, Ω
woraus sofort folgt Satz 4.31. Die R¨ aume Lp (Ω) sind reflexiv f¨ ur 1 < p < ∞.
Um L∞ (Ω)′ ∼ 6 L1 (Ω) zu zeigen, konstruieren wir ein Funktional = ∞ ′ ˜ δ ∈ L (Ω) , das nicht durch eine L1 -Funktion dargestellt werden kann. F¨ ur x ∈ Ω setze δx (v) = v(x). F¨ ur v ∈ C(Ω) ist δx wohldefiniert und in der L∞ Norm auch stetig, |δx (v)| ≤ kvk∞ . Nach Korollar 3.13 zum Hahn-Banachschen Fortsetzungssatz gibt es eine Fortsetzung von δx auf L∞ (Ω), der offenbar keine L1 -Funktion entspricht. Um die schwache Konvergenz in Lp (Ω) zu untersuchen, identifizieren wir wie in (4.7) jedes u ∈ Lp(Ω) mit einem Lu ∈ Lq (Ω)′ . Satz 4.32. Eine Folge (uk ) konvergiert genau dann schwach in Lp (Ω), 1 < p < ∞, bzw. schwach∗ in L∞ (Ω), wenn die Folge normbeschr¨ ankt ist und wenn f¨ ur alle φ ∈ C0∞ (Ω) die Folgen Z uk φ dx k∈ Ω
Cauchy-Folgen in
sind.
4.5 Der Dualraum von Lp (Ω)
83
Beweis. Da schwache und schwache∗ Konvergenz f¨ ur 1 < p < ∞ u ¨bereinstimmen, k¨onnen wir Lemma 3.27 anwenden: Eine Folge (uk ) ist genau dann schwach∗ konvergent, wenn sie normbeschr¨ankt ist und wenn die Folgen Luk (φ) in konvergent sind f¨ ur alle φ in einer dichten Teilmenge von Lq (Ω). Die Behauptung folgt daher aus der Tatsache, daß C0∞ dicht in Lq ist (Satz 4.23). ⊓ ⊔ Beispiel 4.33. Sei n = 1, Ω = (0, 1), und uk = sin kπx ∈ L2 (Ω) f¨ ur k ∈ . Diese Folge ist normbeschr¨ ankt in L2 (Ω) und f¨ ur φ ∈ C0∞ (Ω) gilt Z 1 Z 1 Z 1 1 1 uk (x)φ(x) dx = − (cos kπx)′ φ(x) dx = cos kπx φ′ (x) dx → 0, kπ kπ 0 0 0 also uk ⇁ 0 nach dem letzten Satz. Offenbar konvergiert uk weder punktweise f.¨ u. noch dem Maße nach gegen die Nullfunktion. Die schwache Konvergenz ist also tats¨achlich – schwach. Eine weitere Anwendung von (Lp )′ = Lq ist das Lemma 4.34 (Kontinuierliche Minkowski-Ungleichung). Seien A ⊂ m ,R B ⊂ n Gebiete und ku(·, y)kp;A ∈ L1 (B) f¨ ur ein 1 ≤ p < ∞. Dann ist B u(x, y) dy ∈ Lp (A) mit p 1/p Z Z Z u(x, y) dy dx ≤ ku(·, y)kp;A dy. A
B
B
R
Beweis. Mit U (x) = B u(x, y) dy haben wir kU kp;A abzusch¨atzen. Sei 1 < q ≤ ∞ der konjugierte Exponent zu p. Da Lq (A) der Dualraum von Lp (A) ist, gilt nach Lemma 3.20 Z kU kp;A = sup U v dx v∈Lq (A), kvkq;A =1
=
sup v∈Lq (A), kvkq;A =1
A
Z Z A
B
u(x, y) dy v(x) dx.
Aufgrund unserer Voraussetzungen an u und v ist uv ∈ L1 (A×B). Wir k¨onnen daher den Satz von Fubini anwenden und erhalten Z Z kU kp;A = sup u(x, y)v(x) dx dy v∈Lq (A), kvkq;A =1
≤
Z
=
Z
B
B
B
sup v∈Lq (A), kvkq;A =1
A
Z
A
u(x, y)v(x) dx dy
ku(·, y)kp;A dy. ⊓ ⊔
84
4 Die Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω)
Daß das Lemma tats¨ achlich eine kontinuierliche Version der MinkowskiUngleichung darstellt, macht man sich an folgendem Beispiel klar. F¨ ur B = (0, 2) ⊂ und u(x, y) = u1 (x) f¨ ur y ∈ (0, 1) sowie u(x, y) = u2 (x) f¨ ur y ∈ (1, 2) folgt ku1 + u2 kp;A ≤ ku1 kp;A + ku2 kp;A .
Aufgaben 4.1. (1) Sei A eine Menge mit der Eigenschaft, daß sie f¨ ur jedes k ∈ durch eine meßbare Menge Zk mit µ(Zk ) → 0 u ¨berdeckt werden kann. Beweisen Sie, daß A meßbar ist und Maß 0 besitzt. 4.2. (3) Sei x : [a, b] →
2
die stetig differenzierbare Parametrisierung der Kurve ˘ ¯ C = x(t) : t ∈ [a, b] ⊂ 2 .
Zeigen Sie mit dem Kriterium aus der letzten Aufgabe, daß µ(C) = 0.
4.3. (2) Die folgende Schlußweise kommt h¨ aufig in der Maßtheorie vor und soll hier an einem einfachen Beispiel einge¨ ubt werden. Sei u meßbar auf dem n und f¨ ur die Menge Ω = {x : u(x) > 0} gelte µ(Ω) > 0. Beweisen Sie, daß es dann auch ein ε > 0 gibt, so daß µ({x : u(x) > ε}) > 0. 1 Hinweis: Setze Gk = [ k+1 , k1 ) f¨ ur k ∈ und G0 = [1, ∞). Mit Ωk = {x : u(x) ∈ Gk } ∞ gilt dann Ω = ∪k=0 Ωk . 4.4. (2) Zeigen Sie durch ein Beispiel, daß die punktweise Konvergenz nicht ausreicht, um Integration und Grenzwertbildung zu vertauschen. 4.5. (2) Sei Ω = (0, 1) ⊂ . Geben Sie eine Folge meßbarer, nichtnegativer Funktionen un : Ω → an mit Z Z lim inf un (x) dx < lim inf un dx. Ω
Ω
4.6. (3) Um kompliziertere Beispiele von meßbaren Mengen kennenzulernen, wollen wir die sogenannten cantor¨ ahnlichen Mengen konstruieren. Sei J0,1 = [0, 1] ⊂ . Aus J0,1 wird ein offenes Intervall I1,1 der L¨ ange < 1 mit Mittelpunkt 12 entfernt. Es verbleiben zwei abgeschlossene Mengen J1,1 und J1,2 . Damit ist der erste Schritt der Konstruktion abgeschlossen. In jedem weiteren Schritt werden aus den Intervallen Jn,1 , . . . , Jn,2n offene Intervalle 0 1 In+1,1 , . . . , In+1,2n so herausgenommen, daß P1 sie die gleichen Mittelpunkte wie die zuP2 geh¨ origen J-Intervalle, aber eine kleinere P3 L¨ ange besitzen. Jedes Jn,k hat demnach eine L¨ ange kleiner als 2−n . Setze 2n−1
Vn = ∪k=1 In,k ,
2n
Pn = ∪k=1 Jn,k ,
∞
∞
c
P = ∩n=1 Pn = [0, 1] ∩ (∪n=1 Vn ) .
(4.10)
Definition 4.35. Die Menge P in (4.10) heißt cantor¨ ahnliche Menge. Wenn I1,1 = ( 13 , 23 ) und die L¨ ange von In+1,k genau ein Drittel von Jn,k betr¨ agt, so heißt P Cantor-Menge.
Aufgaben
85
F¨ ur die Cantor-Menge gilt also 1 J1,1 = [0, ], 3
2 J1,2 = [ , 1], 3
1 2 I2,1 = [ , ] 9 9
usw.
a) Zeigen Sie, daß die cantor¨ ahnlichen Mengen meßbar und abgeschlossen sind und bestimmen Sie das Maß der Cantor-Menge. b) Zeigen Sie, daß die Cantor-Menge u ahlbar ist. ¨berabz¨ Hinweis: Schreiben Sie die Zahlen im Intervall [0, 1] im Dreiersystem. 4.7. (3) Konstruieren Sie eine meßbare, magere Teilmenge des Intervalls [0, 1] mit Lebesgue-Maß 1. Dabei ist das Intervall [0, 1] mit der u ¨blichen, vom Absolutbetrag erzeugten Metrik versehen. Hinweis und Bemerkung: Verwenden Sie cantor¨ ahnliche Mengen zur Konstruktion. Diese Aufgabe zeigt, daß topologisch-mager nichts mit maßtheoretisch-mager zu tun hat. 4.8. (3) Konstruieren Sie eine Funktion u : (0, R 1 1) → mit folgenden Eigenschaften. F¨ ur jedes ε > 0 ist u ∈ L1 (ε, 1) und limε→0 ε u dx existiert, aber u ∈ / L1 ((0, 1)). 4.9. (3) Konstruieren Sie ein ebenes Gebiet Ω mit {x ∈ Ω, so daß u(x) = |x1 |−1 ∈ Lp (Ω) f¨ ur alle 1 ≤ p < ∞.
2
: x2 = 0, 0 < x1 < 1} ⊂
4.10. (4) Beweisen Sie folgende leicht vereinfachte Version eines Satzes von Grothendieck: Ist µ(Ω) = 1 und M ⊂ C 0 (Ω) ein abgeschlossener Unterraum von L2 (Ω), so ist M endlich dimensional. Hinweis: Betrachten Sie Id : M → L∞ (Ω) mit dem Banach-Raum (M, k·k2 ). Zeigen Sie zun¨ achst mit dem Prinzip vom abgeschlossenen Graphen, daß es eine Konstante K gibt mit kvk∞ ≤ Kkvk2 f¨ ur alle v ∈ M. Dann entwickeln Sie einen Unterraum von M nach einer L2 -Orthonormalbasis und zeigen dim M ≤ K 2 . 4.11. (4) Sei
E = {2k : k ∈
}⊂ ˜ und M der Vektorraum der endlichen Summen der Form X g(θ) = cn einθ , cn ∈ , n∈E
˜ in L1 ((0, 2π)). Zeigen Sie: M ist abgeschlossener und sei M der Abschluß von M 4 Unterraum von L ((0, 2π)). Bemerkung und Hinweis: Das Prinzip der vorigen Aufgabe ist daher f¨ ur allgemeine Lp -R¨ aume nicht richtig. Bestimmen Sie zun¨ achst g(θ)2 und zeigen damit kgk4;(0,2π) ≤ Kkgk2;(0,2π) unter Verwendung von (eimθ , einθ ) = 2πδm,n . 4.12. (2) Geben Sie einen Unterraum von (L∞ (Ω), k · k∞;Ω ) an, der isometrisch isomorph zu (l∞ , k · kl∞ ) ist. Bemerkung: Mit den Aufgaben 2.3 und 2.4 ist damit bewiesen, daß L∞ (Ω) nicht separabel ist.
86
4 Die Lebesgue-R¨ aume Lp (Ω)
4.13. (2) Untersuchen Sie auf Konvergenz in L1loc (0, ∞) und in L1 (0, ∞) und bestimmen Sie gegebenenfalls die Grenzfunktion: P P k −kt −kt a) ∞ , b) ∞ . k=1 (−1) e k=1 e R 1/ε 1 Hinweis: Lloc (0, ∞) ist der Raum der meßbaren Funktionen f mit ε |f (t)| dt < ∞. Konvergenz in L1loc (0, ∞) liegt genau dann vor, wenn die Folge in L1 (ε, 1/ε) konvergiert f¨ ur jedes ε > 0. 4.14. (2) Sei n = 1 und Ω = (0, 1). Die Einbettung C 0 (Ω) → L2 (Ω) ist nicht kompakt. Hinweis: Verwenden Sie die Folge uk (x) = sin kπx f¨ ur k ∈ . 4.15. (3) Sei Ω ein beschr¨ anktes Gebiet und (uk ) eine Folge von Funktionen, die in L2 (Ω) beschr¨ ankt ist, also kuk k2;Ω ≤ K, und gegen eine Funktion u in L1 (Ω) (!) konvergiert. Beweisen Sie, daß auch u ∈ L2 (Ω) mit kuk2;Ω ≤ K. 4.16. (4) L2 (0, 1) ist mager in L1 (0, 1). 4.17. (3) F¨ ur f, g ∈ L2 (
n
) ist die Faltung definiert durch Z h(x) = f (y)g(x − y) dy. n
Zeigen Sie, daß h definiert und auf dem n stetig ist. Hinweis: Approximieren Sie f und g durch Funktionen in C0∞ . R1 4.18. (3) Sei g ∈ L∞ ( ) mit g(x + 1) = g(x) in und 0 g(t) dt = λ. Dann gilt f¨ ur p fn (x) = g(nx), daß fn ⇁ λ in L (I), wobei 1 < p < ∞ und I ein beliebiges offenes, beschr¨ anktes Intervall ist. 4.19. (4) Sei Ω ⊂ n ein beschr¨ anktes Gebiet. Beweisen Sie, daß der Folgenabschluß von C(Ω) bez¨ uglich der schwachen∗ Topologie von L∞ (Ω) mit dem Raum L∞ (Ω) u ¨ bereinstimmt, daß aber andererseits der Raum C(Ω) nicht dicht liegt in L∞ (Ω) bez¨ uglich der Normtopologie. 4.20. (3) Untersuchen Sie auf schwache∗ Konvergenz in L∞ (0, 1) : a) uk (x) = sin(k/x), k ∈
b) uk (x) = sin(1/(kx)), k ∈
,
4.21. (3) Sei n = 1, Ω = (0, 1). F¨ ur 1 < p < ∞ gilt: Z x Z uk ⇁ u in Lp (Ω) ⇔ kuk kp;Ω ≤ K und uk (t) dt → 0
.
x
u(t) dt f¨ ur 0 < x < 1. 0
Bermerkung: Zur Charakterisierung der schwachen Konvergenz in L1 (0, otigt R 1) ben¨ arkere Bedingung; neben der Normbeschr¨ anktheit muß A uk (t) dt → Rman eine st¨ u(t) dt f¨ ur alle meßbaren Teilmengen A von (0, 1) erf¨ ullt sein. A 4.22. (2) Beweisen Sie oder widerlegen Sie durch Gegenbeispiel. a) uk → u in L2 , vk → v in L2 ⇒ uk vk → uv in L1 , b) uk ⇁ u in L2 , vk → v in L2 2
2
c) uk ⇁ u in L , vk ⇁ v in L
⇒
⇒
uk vk ⇁ uv in L1 ,
uk vk ⇁ uv in L1 .
5 Die Sobolev-R¨ aume H m,p(Ω)
5.1 Das Fundamentallemma der Variationsrechnung In diesem Abschnitt sind ausnahmsweise alle Funktionen reellwertig. Wie zuvor bezeichnen wir mit L1loc (Ω) den Raum der meßbaren Funktionen u, die auf jeder Menge Ω0 ⊂⊂ Ω integrierbar sind. Satz 5.1 (Fundamentallemma der Variationsrechnung). u ∈ L1loc (Ω) mit Z uφ dx ≥ 0 f¨ ur alle φ ∈ C0∞ (Ω) mit φ ≥ 0.
Sei
(5.1)
Ω
Dann ist u ≥ 0 f.¨ u. in Ω. R R Anmerkung 5.2. Wenn Ω uφ dx ≥ 0 f¨ ur alle φ ∈ C0∞ (Ω), so Ω uφ dx = 0, und damit Z uφ dx ≥ 0 f¨ ur alle φ ∈ C0∞ (Ω) ⇒ u = 0 f.¨ u. in Ω. (5.2) Ω
Beweis. Um die Idee des Satzes verst¨ andlich zu machen, wird u zun¨achst als stetig vorausgesetzt. Angenommen, es gibt einen Punkt x0 ∈ Ω mit u(x0 ) < 0. Da u stetig ist, gibt es eine Umgebung Bε (x0 ) mit u(x) < 0 f¨ ur alle x ∈ ∞ Bε (x0 ). Mit Hilfe des Mollifiers Jε k¨ onnen wir eine Funktion φ ∈ C R R 0 (Bε (x0 )) konstruieren mit φ ≥ 0, φ 6= 0. Daher Ω uφ dx < 0, was Ω uφ dx ≥ 0 widerspricht. Nun sei u ∈ L1loc (Ω) und Ω0 ⊂⊂ Ω beliebig. F¨ ur φ ∈ C0∞ (Ω0 ) und ε ∞ gen¨ ugend klein gilt Jε ∗ φ ∈ C0 (Ω) und wegen des Satzes von Fubini Z Z Z 0≤ uJε ∗ φ dx = u(x)φ(y)Jε (x − y) dy dx Ω
=
Z
Ω
Ω
φ(y)
Z
|x−y| −1 besitzen die Integranden der Volumenintegrale die integrierbaren Majoranten |uα Dφ| sowie |Duα φ|. Mit dem Satz von Lebesgue k¨onnen wir f¨ ur diese Integrale den Grenz¨ ubergang ε → 0 durchf¨ uhren. Das Randintegral wird abgesch¨atzt durch Z Z νuα (x)φ(x) dσ ≤ kφk∞ εα dσ ≤ kφk∞ 2πεα+1 → 0. ∂Bε (0)
∂Bε (0)
Damit ist uα schwach differenzierbar f¨ ur α > −1.
5 Die Sobolev-R¨ aume H m,p (Ω)
90
Der n¨achste Satz verallgemeinert das Beispiel 5.5. Satz 5.7. Sei {Ωk }k=1,...,K eine Partition von Ω in st¨ uckweise glatte Teilgebiete, also Ω ⊂ ∪K Ω , Ω ∩ Ω = ∅ f¨ u r k = 6 l. Dann ist jedes u ∈ C(Ω) k l k=1 k mit u ∈ C 1 (Ωk ), k = 1, . . . , K, schwach differenzierbar mit beschr¨ ankter Ableitung, die auf ∪Ωk mit der klassischen Ableitung ¨ ubereinstimmt und beliebig ist auf ∪∂Ωk . Beweis. F¨ ur φ ∈ C0∞ (Ω) folgt mit partieller Integration Z
uDφ dx =
Ω
K Z X
k=1
Ωk
uDφ dx = −
K Z X k=1
Duφ dx +
Ωk
K Z X
k=1
νuφ dσ.
∂Ωk
Das Integral u ¨ber ∂Ω verschwindet wegen φ ∈ C0∞ (Ω), die u ¨brigen Randintegrale heben sich gegenseitig auf, weil die ¨ außeren Normaleneinheitsvektoren bei benachbarten Teilgebieten entgegengesetztes Vorzeichen haben. Daher Z
Ω
uDφ dx = −
K Z X k=1
Ωk
Duφ dx = −
Z
Duφ dx.
Ω
⊓ ⊔
Nun stellen wir einige einfache Rechenregeln f¨ ur schwache Ableitungen auf. Lemma 5.8. (a) Wenn u eine schwache Ableitung Dα u in Ω besitzt, so ist u auch schwach differenzierbar in jedem Gebiet Ω0 ⊂ Ω mit gleicher Ableitung. (b) Wenn Dα u eine schwache Ableitung Dβ (D α u) besitzt, so existiert die Ableitung D α+β u ebenfalls und Dα+β u = Dβ (Dα u).
¨ Beweis. (a) folgt direkt aus der Definition. Als kleine Ubung beweisen wir (b). Aus den beiden Identit¨ aten Z Z uDα φ dx = (−1)|α| Dα uφ dx ∀φ ∈ C0∞ (Ω), Ω
Z
Ω
Dα uDβ ψ dx = (−1)|β|
Ω
Z
Dβ (D α u)ψ dx
Ω
∀ψ ∈ C0∞ (Ω),
erhalten wir mit φ = D β ψ Z Z uDα+β ψ dx = (−1)|α+β| D β (Dα u)ψ dx. Ω
Ω
⊓ ⊔
5.3 Definition und grundlegende Eigenschaften der Sobolev-R¨ aume
91
5.3 Definition und grundlegende Eigenschaften der Sobolev-R¨ aume Definition 5.9. F¨ ur m ∈ 0 und 1 ≤ p ≤ ∞ besteht der Raum H m,p (Ω) aus allen Funktionen u ∈ Lp (Ω), die m-mal schwach differenzierbar sind mit Ableitungen im Raum Lp (Ω). Die R¨aume H m,p (Ω) werden mit den SobolevNormen X 1/p kukm,p;Ω = kukm,p = kDα ukpp , 1 ≤ p < ∞, |α|≤m
kukm,∞;Ω = kukm,∞ = max kD α uk∞ , |α|≤m
versehen. Offenbar ist H 0,p = Lp . Die Normaxiome lassen sich einfach nachweisen. Satz 5.10. H m,p (Ω) ist Banach-Raum f¨ ur alle m ∈
0
und 1 ≤ p ≤ ∞.
Beweis. Sei (uk )k∈ eine Cauchy-Folge in H m,p (Ω). Aufgrund der Definition der Sobolev Norm ist die Folge (Dα uk )k∈ eine Cauchy-Folge in Lp (Ω) f¨ ur alle 0 ≤ |α| ≤ m und besitzt wegen der Vollst¨andigkeit von Lp (Ω), einen Grenzwert uα ∈ Lp (Ω). Sei φ ∈ C0∞ (Ω). Wegen Dα uk → uα in L1 (supp(φ)) (siehe Satz 4.19(a)) k¨ onnen wir in Z Z α |α| uk D φ dx = (−1) D α uk φ dx Ω
Ω
den Grenz¨ ubergang k → ∞ durchf¨ uhren Z Z uDα φ dx = (−1)|α| uα φ dx. Ω
Ω
Daher Dα u = uα und uk → u in H m,p (Ω).
⊓ ⊔
Korollar 5.11. H m,2 (Ω) ist Hilbert-Raum mit innerem Produkt X Z (u, v)m = Dα uD α v dx. |α|≤m
Ω
Nun nehmen wir den Beweis des Hauptresultats dieses Abschnitts in Angriff, n¨amlich die Approximierbarkeit der Funktionen in H m,p (Ω), 1 ≤ p < ∞, durch Funktionen im Raum C ∞ (Ω) ∩ H m,p (Ω). Mit diesem Ergebnis u ¨ bertragen sich die meisten Eigenschaften klassisch differenzierbarer Funktionen auf Sobolev Funktionen. Die beiden folgenden Lemmata u ¨ ber die Existenz von Abschneidefunktionen sind einfach.
92
5 Die Sobolev-R¨ aume H m,p (Ω)
Lemma 5.12. Sei K ⊂ Ω eine kompakte Menge. Dann gibt es eine Abschneidefunktion bez¨ uglich {K, Ω}, das ist eine reellwertige Funktion τ ∈ C0∞ (Ω) mit 0 ≤ τ ≤ 1 und τ = 1 in K. Wenn dist (∂K, ∂Ω) = δ, so kann τ so gew¨ahlt werden, daß |Dk τ | ≤ cδ −k in Ω \ K, k ∈ , wobei die Konstante c von k und n, aber nicht von Ω und K abh¨ angt. Beweis. Wegen der Kompaktheit von K gilt δ > 0. Die Menge ˜ = ∪x∈K Bδ/2 (x) K ˜ hat Abstand δ/2 zu ∂Ω und zu ∂K. Damit ist die Funkist kompakt und ∂ K tion τ = Jδ/4 ∗ χK˜ die gesuchte Abschneidefunktion bez¨ uglich {K, Ω}. Aus |Dk Jδ/4 (x)| ≤ c(k)δ −n−k folgt Z k |D τ (x)| ≤ |Dk Jδ/4 (x−y)|χK˜ (y) dy ≤ c(k)δ −n−k µ(Bδ/4 (x)) = c(k, n)δ −k . Bδ/4
⊓ ⊔
¨ Lemma 5.13 (Zerlegung der Eins). Sei {Ωk }k=1,...,N eine offene Uberdeckung der kompakten Menge K. Dann gibt es reellwertige Funktionen ψk , k = 1, . . . , N, mit ψk ∈ C0∞ (Ωk ),
0 ≤ ψk ≤ 1,
N X
ψk = 1 in K.
k=1
Beweis. Zu jedem x ∈ Ωk gibt es einen Radius r = r(x) > 0, so daß ¨ Bx,k = Br (x) ⊂⊂ Ωk . Das Mengensystem {Bx,k } ist eine offene Uberdeckung der kompakten Menge K und besitzt eine endliche Teil¨ uberdeckung. Seien k B1k , . . . BN die Kugeln mit Index k in dieser endlichen Teil¨ uberdeckung. Die k Nk k ˜ Menge Kk = ∪i=1 Bi ist kompakt enthalten in Ωk . Sei ψk eine Abschneidefunktion bez¨ uglich {Kk , Ωk } wie in Lemma 5.12. Die ψ˜k haben die Eigenschaften 0 ≤ ψ˜k ≤ 1,
ψ :=
N X
k=1
ψ˜k ≥ 1 in K,
˜ K ⊂⊂ Ω := ∪N k=1 supp(ψk ).
Es gibt eine offene Menge Ω0 mit K ⊂ Ω0 ⊂⊂ Ω. F¨ ur eine Abschneidefunktion τ bez¨ uglich {K, Ω0 } setze ( ψ˜k (x)τ (x)/ψ(x) f¨ ur x ∈ Ω0 ψk (x) = . 0 sonst Die Funktionen ψ1 , . . . , ψN sind die gesuchte Zerlegung der Eins. Nun verallgemeinern wir die Produktregel auf Sobolev-Funktionen.
⊓ ⊔
5.3 Definition und grundlegende Eigenschaften der Sobolev-R¨ aume
93
Lemma 5.14. Wenn τ ∈ C0∞ (Ω) und u ∈ H m,p (Ω), dann ist τ u ∈ H m,p (Ω) und Y n X β βk β β α β−α D (τ u) = u, , α D τD α = αk α≤β
k=1
wobei α ≤ β die komponentenweise Halbordnung bezeichnet. Beweis. Es ist ausreichend, das Lemma f¨ ur |α| = 1 zu beweisen, der allgemeine Fall folgt durch Induktion. Sei Dα = Di . F¨ ur alle φ ∈ C0∞ (Ω) gilt (τ u, Di φ) = (u, τ Di φ) = (u, Di (τ φ) − Di τ φ) = (−Di u, τ φ) − (u, Di τ φ) = (−τ Di u − Di τ u, φ). Daher Di (τ u) = Di τ u+τ Di u. Weil τ, Di τ beschr¨ankt sind, gilt τ u ∈ H 1,p (Ω). ⊓ ⊔ Das n¨achste Lemma zeigt, daß sich Sobolev-Funktionen lokal durch den Mollifier approximieren lassen. Lemma 5.15. Sei u ∈ H m,p (Ω), 1 ≤ p < ∞, und Ω0 ⊂⊂ Ω. Dann gilt Dα (Jε ∗ u) = Jε ∗ Dα u f¨ ur |α| ≤ m, insbesondere Jε ∗ u → u in H m,p (Ω0 ). Beweis. Sei ε < dist (∂Ω0 , ∂Ω). Aus dem Satz von Fubini folgt Z Z Z Jε ∗ uDα φ dx = Jε (x − y)u(y)D α φ(x) dy dx =
Z Z
Jε (z)u(x − z)Dα φ(x) dx dz |α|
= (−1)
Z Z
α
|α|
Jε (z)D u(x − z)φ(x) dx dz = (−1)
Z
Jε ∗ Dα uφ dx.
Damit haben wir D α (Jε ∗ u) = Jε ∗ Dα u gezeigt. Wegen Dα u ∈ Lp (Ω) f¨ ur |α| ≤ m, folgt aus Lemma 4.22(c), daß Dα (Jε ∗ u) → Dα u in Lp (Ω0 ) und Jε ∗ u → u in H m,p (Ω0 ). ⊓ ⊔ Nun kommt das Hauptresultat. Satz 5.16 (Meyers und Serrin [MS64]). C ∞ (Ω) ∩ H m,p (Ω) ist dicht in H m,p (Ω) f¨ ur 1 ≤ p < ∞. Anmerkung 5.17. Die meisten Mathematiker der letzten Jahrzehnte (siehe z.B. [Agm65]) haben geglaubt, daß dieser Satz nur wahr ist, wenn der Rand des Gebietes gen¨ ugend glatt ist. Aus diesem Grund hat man fr¨ uher zwei Typen von Sobolev-R¨ aumen verwendet: Der von uns definierte Raum H m,p hieß W m,p und H m,p bestand f¨ ur 1 ≤ p < ∞ aus den Funktionen, die sich in der Norm von H m,p durch Funktionen in C ∞ (Ω) approximieren lassen. Meyers
94
5 Die Sobolev-R¨ aume H m,p (Ω)
und Serrin haben sich die M¨ oglichkeit nicht entgehen lassen, die wissenschaftliche Arbeit mit dem wahrscheinlich k¨ urzesten Titel abzufassen: H = W . Dennoch geistern beide Bezeichnungen durch die Literatur. Es bleibt zu hoffen, daß sich unsere Notation, historisch nicht korrekt ( neuer“ H m,∞ = alter“ ” ” W m,∞ ), aber an David Hilbert erinnernd, durchsetzen wird. Mit einem einfachen Beispiel wollen wir zeigen, daß der Beweis des gleichen Resultats f¨ ur Lp -Funktionen sich nicht auf den Fall m ≥ 1 u ¨ bertragen l¨aßt. Wir betrachten n = m = p = 1, Ω = (0, 1), u = 1 in Ω. Im Beweis von Lemma 4.22(c) wurde diese Funktion durch Null fortgesetzt. Bezeichnen wir diese Funktion mit u ˜, so erhalten wir eine Lp -Approximierende durch uε = Jε ∗ u ˜. Aber in den Intervallen [−ε/2, ε/2] und [1 − ε/2, 1 + ε/2] verh¨alt sich u′ε wie 1 ε und daher ist Z 1 |u′ε | dx ≥ c > 0 f¨ ur alle ε. 0
Damit konvergiert u′ε nicht gegen u′ = 0 in L1 . Der Beweis von Meyers und Serrin vermeidet diesen Effekt, indem er die Fortsetzung von u umgeht. Beweis. F¨ ur k ∈
definieren wir die offenen und beschr¨ankten Mengen
Ωk = {x ∈ Ω : dist (x, ∂Ω) >
1 und |x| < k}. k
Uk
Es gilt offenbar Ω = ∪Ωk . Die Mengen Ωk erzeugen eine Unterteilung von Ω in Streifen und wir fassen diese Streifen paarweise zusammen durch Uk = Ωk+1 ∩ (Ωk−1 )c ,
0
Ω1
Ω
Ω0 = Ω−1 = ∅.
Wie im Beweis von Lemma P 5.13 konstruiert man Abschneidefunktionen ψk ∈ C0∞ (Uk ) mit ψk ≥ 0 und ∞ k=1 ψk = 1 in Ω. Sei u ∈ H m,p (Ω). Dann haben die Funktionen ψk u kompakten Tr¨ager in Ω und wegen Lemma 5.14 gilt ψk u ∈ H m,p (Ω). Zu einem beliebig vorgegebenen ε > 0 w¨ahle εk so klein, daß und mit Lemma 5.15,
supp(Jεk ∗ (ψk u)) ⊂ Uk
kJεk ∗ (ψk u) − ψk ukm,p;Ω < 2−k ε. P∞ Die Funktion φ(x) = k=1 Jεk ∗ (ψk u)(x) ist wohldefiniert, weil f¨ ur jedes x nur endlich viele Terme nicht verschwinden. Daher φ ∈ C ∞ (Ω). In Ωk gilt u=
k+2 X j=1
ψj u,
φ=
k+2 X j=1
Jεj ∗ (ψj u),
ku − φkm,p;Ωk < ε.
Auf |Dα (u − φ)|p Ω wenden wir Satz 4.9 an und erhalten ku − φkm,p;Ω ≤ ε. k ⊓ ⊔
5.4 Produkt- und Kettenregel
95
5.4 Produkt- und Kettenregel F¨ ur Sobolev-Funktionen nimmt die Produktregel die folgende Gestalt an. Satz 5.18. Wenn u, v ∈ H 1,2 (Ω), dann ist uv ∈ H 1,1 (Ω) und D(uv) = Du v + uDv. Beweis. Wegen Satz 5.16 gibt es Folgen (uk ), (vk ) in C ∞ (Ω) ∩ H 1,2 (Ω) mit uk → u, vk → v in H 1,2 (Ω). Aus der Normbeschr¨anktheit konvergenter Folgen erhalten wir kDu v − Duk vk k1;Ω ≤ kD(u − uk )vk1;Ω + kDuk (v − vk )k1;Ω ≤ kD(u − uk )k2;Ω kvk2;Ω + kDuk k2;Ω kv − vk k2;Ω ≤ c{kD(u − uk )k2;Ω + kv − vk k2;Ω } → 0, also Duk vk → Duv in L1 (Ω). Genauso zeigt man uk Dvk → uDv und uk vk → uv in L1 (Ω). Also k¨ onnen wir den Grenz¨ ubergang k → ∞ in der Gleichung Z Z Z uk vk Dφ dx = − Duk vk φ dx − uk Dvk φ dx ∀φ ∈ C0∞ (Ω) Ω
Ω
Ω
durchf¨ uhren und erhalten D(uv) = Du v + uDv und D(uv) ∈ H 1,1 (Ω).
⊓ ⊔
Der Beweis der Kettenregel ist etwas schwieriger. Außerdem ben¨otigt man im Gegensatz zur klassischen Kettenregel die zus¨atzliche Voraussetzung, daß die ankte erste Ableitung besitzt. ¨außere Funktion eine beschr¨ Satz 5.19 (Kettenregel). Sei f ∈ C 1 ( ), |f ′ | ≤ M in folgenden Voraussetzungen erf¨ ullt f (0) = 0
oder
, und sei eine der
µ(Ω) < ∞.
Dann ist f¨ ur jede Funktion u ∈ H 1,p (Ω), 1 ≤ p < ∞, auch f (u) in H 1,p (Ω) und Df (u) = f ′ (u)Du. Beweis. Weil f ′ stetig und u meßbar ist, folgt aus Satz 4.5, daß f ′ (u) meßbar ist. Da f ′ beschr¨ankt ist, gilt f ′ (u) ∈ L∞ (Ω) und f ′ (u)Du ∈ Lp (Ω). Aufgrund der Absch¨atzungen |f (u)| ≤ M |u|
falls f (0) = 0,
|f (u)| ≤ |f (0)| + M |u|
falls µ(Ω) < ∞,
ist f (u) ∈ Lp (Ω). Es verbleibt zu zeigen, daß die schwache Ableitung von f (u) mit f ′ (u)Du u ¨bereinstimmt. Sei uk ∈ C ∞ (Ω) ∩ H 1,p (Ω) mit uk → u in 1,p H (Ω). Im folgenden wollen wir in der Gleichung
5 Die Sobolev-R¨ aume H m,p (Ω)
96
Z
′
f (uk )Duk φ dx = −
Ω
Z
f (uk )Dφ dx,
Ω
φ ∈ C0∞ (Ω),
(5.4)
den Grenz¨ ubergang k → ∞ durchf¨ uhren. Dazu ist L1 -Konvergenz von f (uk ) ′ und f (uk )Duk auf der kompakten Menge Ω0 = supp(φ) ausreichend. Aus der Absch¨atzung (siehe Satz 4.19) kf (uk ) − f (u)k1;Ω0 ≤ M kuk − uk1;Ω0 ≤ cM kuk − ukp;Ω0 → 0, erhalten wir die gew¨ unschte Konvergenz auf der rechten Seite von (5.4). Zum Nachweis der Konvergenz auf der linken Seite von (5.4) verwenden wir die Absch¨atzung Z f ′ (uk )Duk − f ′ (u)Du φ dx Ω
≤c
Z
|f ′ (uk )Duk − f ′ (uk )Du| dx + c
Ω0
≤ cM
Z
Ω0
|Duk − Du| dx + c
Z
Ω0
Z
Ω0
|f ′ (uk )Du − f ′ (u)Du| dx
|f ′ (uk ) − f ′ (u)| |Du| dx = A + B.
Der Term A konvergiert gegen Null wegen Duk → Du in L1 (Ω0 ). Bei B verwenden wir den Satz von Lebesgue: Wegen Satz 4.25 gilt f ′ (ukl ) → f ′ (u) f.¨ u. f¨ ur eine Teilfolge (ukl ) und eine Majorante des Integranden ist 2M |Du| ∈ L1 (Ω0 ). ⊓ ⊔ Satz 5.20. F¨ ur u ∈ H 1,p(Ω), 1 ≤ p < ∞, geh¨ oren auch die Funktionen u+ , u− , |u| zum Raum H 1,p (Ω) und ( ( Du wenn u > 0 0 wenn u ≥ 0 Du+ = , Du− = , 0 wenn u ≤ 0 Du wenn u < 0 Du wenn u > 0 D|u| = 0 wenn u = 0 . −Du wenn u < 0
Beweis. Es gen¨ ugt, die Behauptung f¨ ur u+ zu zeigen. F¨ ur ε > 0 setze ( (u2 + ε2 )1/2 − ε wenn u > 0 fε (u) = . 0 sonst Dann fε ∈ C 1 ( ), |fε′ | ≤ 1, und wegen Satz 5.19, Dfε (u) =
uDu (u2 + ε2 )1/2
wenn u > 0.
5.5 Differenzenquotienten und Differenzierbarkeit von Lipschitzfunktionen
97
F¨ ur festes φ ∈ C0∞ (Ω) haben wir die Majoranten |fε (u)Dφ| ≤ cu+,
|Dfε (u)φ| ≤ c|Du| u>0 ,
und k¨onnen daher mit dem Satz von Lebesgue in der Gleichung Z Z fε (u)Dφ dx = − Dfε (u)φ dx Ω
Ω
zum Grenzwert ε → 0 u ¨ bergehen.
⊓ ⊔
5.5 Differenzenquotienten und schwache Differenzierbarkeit von Lipschitzfunktionen F¨ ur i = 1, . . . , n verwenden wir den vorw¨ arts- und r¨ uckw¨artsgenommenen Differenzenquotienten, Di+h u(x) =
1 u(x + hei) − u(x) , h
Di−h u(x) =
1 u(x) − u(x − hei) . (5.5) h
Di± u ist auf einem maximalen Teilgebiet Ω0 = Ω0 (±h, i) erkl¨art. Durch einfaches Nachrechnen zeigt man die Formel der partiellen Summation: Lemma 5.21. Sind u, v ∈ L2loc (Ω) und hat eine der beiden Funktionen kompakten Tr¨ ager in Ω, so gilt f¨ ur gen¨ ugend kleines h (u, Di+h v) = −(Di−h u, v). Satz 5.22. (a) Sei 1 ≤ p < ∞. Dann gilt kDi+h ukp;Ω0 ≤ kDi ukp;Ω
f¨ ur alle u ∈ H 1,p(Ω).
(b) Sei 1 < p ≤ ∞. Ist f¨ ur u ∈ Lp (Ω) die Absch¨ atzung kDi+h ukp;Ω0 ≤ K f¨ ur alle Ω0 ⊂⊂ Ω und alle 0 < h ≤ h0 (Ω0 ) erf¨ ullt, so ist u nach xi schwach differenzierbar mit kDi ukp;Ω ≤ K. Beweis. (a) Es gen¨ ugt, die Behauptung in C ∞ (Ω) ∩ H 1,p (Ω) zu zeigen. Aus dem Mittelwertsatz folgt Di+h u(x)
1 = h
Z
h
Di u(x + ξei ) dξ.
0
Wir setzen Betr¨age, bilden die p-te Potenz, integrieren u ¨ ber Ω0 und sch¨atzen mit der H¨olderschen Ungleichung ab,
98
5 Die Sobolev-R¨ aume H m,p (Ω)
kDi+h ukpp;Ω0 = ≤ =
mit
1 hp
Z
Ω0
1 h
Z
1 h
Z
Ω0
0
Z
0
Z
hZ
h
h
p Di u(x + ξei ) dξ dx
0
|Di u(x + ξei )|p dξ dx
Ω0
|Di u(x + ξei )|p dx dξ ≤ kDi ukpp;Ω .
(b) Wegen p > 1 kann Lp (Ω) als Dualraum von Lq (Ω) aufgefaßt werden 1 + 1q = 1 f¨ ur p < ∞ und q = 1 f¨ ur p = ∞. Da kDi+h ukp;Ω0 beschr¨ankt ist, p ∗
gilt f¨ ur eine Folge hk → 0, daß Di+hk u ⇁ ui mit ui ∈ Lp (Ω0 ). F¨ ur φ ∈ C0∞ (Ω0 ) folgt daher aus Satz 4.32 Z Z Di+hk uφ dx → ui φ dx, Ω0
Ω0
und wegen Lemma 5.21 Z Z +hk Di uφ dx = − Ω0
Ω0
uDi−hk φ dx
→ −
Z
uDi φ dx,
Ω0
also ui = Di u in Ω0 und aufgrund der schwachen∗ Konvergenz kDiukp;Ω0 ≤ lim inf kDi+hk ukp;Ω0 ≤ K. Dieses Argument kann f¨ ur eine Folge von Gebieten Ω1 ⊂ Ω2 ⊂ . . . ⊂⊂ Ω mit Ω = ∪Ωl durchgef¨ uhrt werden. Wegen der Definition der schwachen Ableitung ist Di u(Ωl ) Ωm = Di u(Ωm ) f¨ ur m ≤ l. Die Behauptung des Lemmas folgt daher aus dem Satz von Beppo-Levi. ⊓ ⊔ F¨ ur p = ∞ liefert der letzte Satz:
Satz 5.23. Eine lipschitzstetige Funktion ist schwach differenzierbar und es gilt C 0,1 (Ω) ⊂ H 1,∞ (Ω) mit kDuk∞ ≤ [u]C 0,1 .
Aufgaben 5.1. (2) Gilt f¨ ur u ∈ L1loc (Ω) Z
uDφ dx = 0
Ω
so ist u konstant. Hinweis: Es gilt DJε ∗ φ = Jε ∗ Dφ.
∀φ ∈ C0∞ (Ω),
Aufgaben
99
5.2. (2) Wie viele Multiindizes α mit |α| = m gibt es f¨ ur n = 2 und n = 3? Bemerkung: Dies ist gleichzeitig die Anzahl der verschiedenen partiellen Ableitungen der Ordnung m f¨ ur u ∈ C m (Ω). 5.3. (4) Geben Sie ein Beispiel f¨ ur ein beschr¨ anktes ebenes Gebiet Ω und eine Funktion u ∈ L1loc (Ω) mit Du ∈ L2 (Ω)2 , aber u ∈ / L2 (Ω). 5.4. (3) Sei u ∈ C(Ω) mit schwacher Ableitung Du ∈ C(Ω)n . Dann ist Du auch die klassische Ableitung von u. 5.5. (2) Sei n = 1. In welchen Sobolev-R¨ aumen H 1,p (Ω), 1 ≤ p ≤ ∞, liegen die Funktionen a) u(x) = x3/2 sin( x1 ),
b) u(x) = | ln x|−1 ,
Ω = (0, 1),
Ω = (0, 1/2) ?
5.6. (3) Sei n = 1, Ω = (0, 1). a) Beweisen Sie f¨ ur u ∈ C ∞ (Ω) ∩ H 1,1 (Ω) die Absch¨ atzungen |u(x) − u(y)| ≤ kuk1,1;(x,y) ,
kuk∞;Ω ≤ kuk1,1;Ω ,
und schließen Sie daraus, daß sich jede Funktion u ∈ H 1,1 (Ω) auf einer Nullmenge so ab¨ andern l¨ aßt, daß u ∈ C 0 (Ω). b) Jedes u ∈ H 1,1 (Ω) l¨ aßt sich auf einer Nullmenge so ab¨ andern, daß Z x u(x) − u(y) = u′ (ξ) dξ ∀x, y ∈ (0, 1). y
5.7. (3) C0∞ ( n ) ist dicht in H m,p ( n ) f¨ ur m ∈ 0 und 1 ≤ p < ∞. ˜R , B2R } sowie φε,R = Hinweis: Man verwende Abschneidefunktionen τR bez¨ uglich {B Jε ∗ (τR u). 5.8. (3) Beweisen Sie: Sei (uk ) eine Folge in L1 (Ω) mit schwacher Ableitung Dα uk ∈ Lp (Ω), 1 < p < ∞, und kDα uk kp;Ω ≤ K. Wenn ferner f¨ ur ein u ∈ L1 (Ω) die Bedingung Z Z uk φ dx → uφ dx ∀φ ∈ C0∞ (Ω) Ω
Ω
erf¨ ullt ist, so existiert Dα u mit kDα ukp;Ω ≤ K. 5.9. Sei Ω ⊂ definiert durch
n
ein Gebiet. Die totale Variation einer Funktion u ∈ L1 (Ω) ist
kukV (Ω) = sup
nZ
Ω
o u div v dx : v ∈ C01 (Ω)n mit kvk∞;Ω ≤ 1 ,
Pn
wobei div u = i=1 Di vi . BV (Ω) ist der Raum der Funktionen mit beschr¨ ankter totaler Variation und wird mit kukBV (Ω) = kuk1;Ω + kukV (Ω) normiert. a) (2) Bestimmen Sie kukV (Ω) f¨ ur Ω = (−1, 1) und u(x) = sign (x). b) (3) Weisen Sie nach, daß BV mit der angegebenen Norm ein Banach-Raum ist. c) (2) Zeigen Sie die Absch¨ atzung
100
5 Die Sobolev-R¨ aume H m,p (Ω) kukBV (Ω) ≤ kuk1,1;Ω
∀u ∈ H 1,1 (Ω).
d) (4) Zeigen Sie, daß die Normen k·k1,1;Ω und k · kBV (Ω) auf H 1,1 (Ω) u ¨bereinstimmen. Bemerkung: Damit ist H 1,1 (Ω) ein abgeschlossener Unterraum von BV (Ω) mit H 1,1 (Ω) 6= BV (Ω). 5.10. (3) Sei f ∈ C 1 ( ), |f ′ (t)| ≤ M |t|p in f¨ ur 1 ≤ p < ∞, und f (0) = 0. Dann ist f¨ ur jedes u ∈ H 1,p (Ω), 1 ≤ p < ∞, die Funktion f (u) in H 1,1 (Ω) und Df (u) = f ′ (u)Du. 5.11. (3) Sei n = 1 und Ω = (0, 1). Auf dem reellwertigen Sobolev-Raum H 1,2 betrachten wir das Problem Z 1 ˘ ¯ F (u) = {u2 + min (u′ − 1)2 , (u′ + 1)2 dx → Min. 0
a) F : H 1,2 → ist stetig. b) Es gilt inf F = 0, aber es gibt kein u ∈ H 1,2 mit F (u) = 0. Warum widerspricht dies nicht Satz 3.37? 5.12. (3) Sei 1 ≤ p < ∞. Sind u, v ∈ H 1,p , so sind auch max{u, v}, min{u, v} ∈ H 1,p . 5.13. (2) Sei Ω = (−1, 1) und u ∈ L1 (Ω). Zeigen Sie, daß aus kD1+ uk1 ≤ K f¨ ur alle h > 0 nicht folgt, daß u im Raum H 1,1 (Ω) liegt. 5.14. (3) Sei J ein Mollifier mit J(x) = J(−x). Dann gilt ku − Jε ∗ uk1 ≤ cε2 kuk2,1
∀u ∈ C0∞ (
n
).
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze fu ¨r Sobolev-Funktionen
In den Abschnitten 6.1-6.10 werden alle Gebiete als beschr¨ankt vorausgesetzt.
6.1 Gebiete In der folgenden Definition schreiben wir einen Punkt x ∈ x = (x′ , xn ) mit x′ ∈ n−1 .
n
in der Form
h(y’)
Ω
x0
x0 U’
U y’
Definition 6.1. Sei m ∈ 0 und α ∈ [0, 1]. Ω ⊂ n heißt von der Klasse C m,α (∂Ω ∈ C m,α ), wenn f¨ ur jeden Randpunkt x0 ∈ ∂Ω das Koordinatensystem so gedreht und verschoben werden kann, daß eine Umgebung U von x0 durch eine Abbildung h : U ′ → , U ′ ⊂ n−1 , h ∈ C m,α (U ′ ), in der Form x′ = y ′ ,
xn = yn + h(y ′ ),
y′ ∈ U ′,
|yn | < r,
dargestellt wird, wobei die Punkte in U ∩ Ω zu yn > 0, die Punkte in U ∩ ∂Ω zu yn = 0, und die Punkte in U ∩ Ω c zu yn < 0 geh¨oren. Man sagt auch, ein Gebiet der Klasse C 0 besitzt einen stetigen Rand oder besitzt die Segmenteigenschaft Ein Gebiet von der Klasse C 0,1 heißt auch Lipschitzgebiet. Wegen der Kompaktheit von ∂Ω kommt man in dieser Definition mit endlich vielen Funktionen h1 , . . . , hJ aus. Es gibt daher offene Mengen U1 , . . . , UJ , die eine Umgebung U von ∂Ω ¨ uberdecken, und zugeh¨ orige hj ∈ C m,α . Satz 5.13 liefert eine Zerlegung der Eins φ1 , . . . , φJ mit M. Dobrowolski, Angewandte Funktionalanalysis, Springer-Lehrbuch Masterclass, 2nd ed., DOI 10.1007/978-3-642-15269-6_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
102
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
φj ∈ C0∞ (Uj ),
J X
φj (x) = 1 in U.
j=1
Wir nennen (Uj , φj ) eine C m,α -Lokalisierung von Ω. Definition 6.2. Seien Ω ′ , Ω ⊂ n Gebiete. Eine Abbildung g : Ω ′ → Ω heißt C m,α -Diffeomorphismus, m ∈ , α ∈ [0, 1], wenn g bijektiv ist mit g ∈ C m,α (Ω ′ )n , g −1 ∈ C m,α (Ω)n und det Dg 6= 0 in Ω ′ . F¨ ur einen C m,α -Diffeomorphismus g gilt wegen det Dg 6= 0 nach dem Umkehrsatz auch det Dg −1 6= 0 und daher 0 < c1 ≤ | det Dy g(y)|, | det Dx g −1 (x)| ≤ c2 . Satz 6.3. Sei m ∈
(6.1)
. Dann sind ¨ aquivalent:
m,α
(a) ∂Ω ∈ C . (b) Es gibt offene Mengen Uj , j = 1, . . . , J, mit ∪Jj=1 Uj ⊃ ∂Ω und zugeh¨orige C m,α -Diffeomorphismen gj : Uj → B1 (0) mit gj (Uj ∩ Ω) = B1+ (0),
gj (Uj ∩ ∂Ω) = B10 (0),
c
gj (Uj ∩ Ω ) = B1− (0),
wobei B1+ (0), B1− (0) die obere und untere H¨ alfte der Einheitskugel B1 (0) und B10 (0) die Menge yn = 0 bezeichnen. Ω
Uj gj
Beweis. (a)⇒(b): Sei ∂Ω ∈ C m,α f¨ ur m ≥ 1. Sei x0 ∈ ∂Ω. Da Drehung und Verschiebung unendlich oft differenzierbare Diffeomorphismen sind, k¨onnen wir annehmen, daß das Koordinatensystem x = (x′ , xn ) die Form wie in der Definition des C m,α -Randes besitzt. Nach Definition gibt es eine Umgebung U von x0 und ein h, das den Rand lokal darstellt. Ferner k¨onnen wir x′0 = 0 und U ′ = Bη (0)) erreichen. Die Abbildung g : U → V (0), (x′ , xn ) 7→ (y ′ , yn ), yn wie in Definition 6.1, mit
U
V(0) x0
g
Bb
U = {(x′ , xn ) : x′ ∈ Bη (0), xn ∈ (h(x′ ) − r, h(x′ ) + r)}, V (0) = {(y ′ , yn ) : y ′ ∈ Bη (0), yn ∈ (−r, r)},
6.1 Gebiete
103
ist bijektiv mit g(x0 ) = 0. Es gibt ein b > 0 mit Bb (0) ⊂ V (0). Mit U ′ = g −1 (Bb (0)) und der Streckung s : y 7→ b−1 y gilt dann g
s
g ′ : U ′ → Bb (0) → B1 (0). Mit h ∈ C m,α (Bη (0)) sind auch g ′ , g ′−1 ∈ C m,α . Ferner gilt det Dg ′ 6= 0 wegen det Dg = 1. Damit ist g ′ ein C m,α -Diffeomorphismus. Da es f¨ ur jedes x0 ∈ ∂Ω eine solche Umgebung U gibt, bilden diese Um¨ gebungen eine offene Uberdeckung der kompakten Menge ∂Ω. Eine endliche Teil¨ uberdeckung U1 , . . . , UJ erf¨ ullt daher (b). (b)⇒(a): Sei (b) mit gj : Uj → B1 (0) erf¨ ullt. Setze f : Uj → (−1, 1), f (x) = gj,n (x), wobei gj,n die n-te Komponente von gj bezeichnet. Da Dgj regul¨ar ist, gilt Df (x) 6= 0. Sei o.B.d.A. Dn f (x0 ) 6= 0 f¨ ur x0 ∈ Uj ∩ ∂Ω. Nach dem Satz u aßt sich das Nullstellengebilde von f , also ¨ber implizite Funktionen l¨ Uj ∩ ∂Ω, lokal nach der Variablen xn aufl¨ osen, f (x′ , h(x′ )) = 0 mit h ∈ C m . m,α h∈C erschließt man leicht aus der Formel f¨ ur Dα h und gj , gj−1 ∈ C m,α . ⊓ ⊔ Definition 6.4. Ein Gebiet Ω besitzt die Kegeleigenschaft, wenn es einen beschr¨ ankten Kegel C ⊂ n mit nichtleerem Inneren gibt, so daß jeder Punkt ˜ ˜ x ∈ Ω der Eckpunkt eines Kegels C(x) mit C(x) ⊂ Ω ist, der zu C kongruent ist. Gebiete mit st¨ uckweise glattem Rand besitzen die Kegeleigenschaft im wesentlichen dann nicht, wenn der Rand in einem Punkt eine Spitze mit innerem Winkel 0 besitzt, wie es bei einem herzf¨ ormigen Gebiet der Fall ist. Im Engli¨ schen heißt eine solche Spitze cusp“, eine gute deutsche Ubersetzung gibt es ” nicht. Jedes Polygongebiet des 2 mit der Eigenschaft, daß alle inneren Winkel durch α < 2π beschr¨ ankt sind, ist Lipschitzgebiet. Zu jedem Eckpunkt x k¨onnen wir das Koordinatensystem so verschieben und drehen, daß x auf die Null abgebildet wird und der Rand des Gebietes durch die Abbildung h(x1 ) = ±L|x1 | dargestellt werden kann. Wenn ein Polygongebiet eine einspringende Ecke mit innerem Winkel 2π besitzt, so ist das Gebiet nicht mehr lipschitz, besitzt aber noch die Kegeleigenschaft. Beispiel 6.5. Auch wenn gelegentlich in der Literatur behauptet wird, daß jeder Polyeder ein Lipschitzgebiet ist, so ist dies dennoch nicht richtig. Der nebenstehende Polyeder, der aus zwei u ¨ bereinanderliegenden Quadern besteht, erf¨ ullt im eingezeichneten x Punkt x nicht die Definition eines Lipschitzgebiets, weil es nicht gelingt, den Polyeder so zu drehen, daß das Innere hinter“ dem Rand zu liegen kommt. ” Zum Abschluß dieses Abschnitts beweisen wir ein Lemma, mit dem Sobolev-Funktionen in Randn¨ ahe untersucht oder definiert werden k¨onnen. Zu einer stetigen Funktion h : n−1 → definieren wir das Gebiet
104
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
Ω = {x ∈
n
: xn > h(x′ ), x′ ∈
n−1
∂Ω = {x ∈
n
: xn = h(x′ ), x′ ∈
n−1
mit Rand n +
Mit = Operator
n−1
×
+
} }.
bezeichnen wir den oberen Halbraum des
T u(y) = u(y ′ , yn + h(y ′ )), y ′ ∈
n−1
T ′ u(y) = u(y ′ , yn + h(y ′ )), y ′ ∈
n−1
n
. Der
, yn > 0,
bildet Lp (Ω) ab auf Lp ( n+ ), wie gleich gezeigt wird. F¨ ur Funktionen u, die auf dem n definiert sind, setzen wir außerdem , yn ∈
.
Lemma 6.6. Sei h ∈ C m−1,1 ( n−1 ) f¨ ur m ∈ . Dann sind f¨ ur alle k = 0, . . . , m und 1 ≤ p < ∞ die Operatoren T : H k,p (Ω) → H k,p ( n+ ) sowie T ′ : H k,p ( n ) → H k,p ( n ) bijektiv und bistetig zwischen den angegebenen R¨ aumen. Beweis. Wir untersuchen nur den Operator T . Ferner besitzt wegen T −1 u(x) = u(x′ , xn − h(x′ )) der Operator T −1 die gleiche Struktur wie T ; wir brauchen also nur letzteren zu betrachten. F¨ ur u ∈ Lp (Ω) folgt trivialerweise aus dem Satz von Fubini Z Z ∞ p kT ukp; n = |u(y ′ , yn + h(y ′ ))|p dyn dy ′ +
n−1
=
Z
n−1
0
Z
∞
h(x′ )
|u(x′ , xn )|p dxn dx′ = kukpp;Ω
Bei den Ableitungen entsteht nur ein Problem, wenn die innere Funktion h nicht klassisch differenzierbar ist. Wir k¨onnen uns daher auf den Fall h ∈ C 0,1 ( n−1 ) beschr¨ anken. Wir zeigen die Kettenregel f¨ ur T u durch Regularisierung von h. Sei also hε = Jε ∗ h ∈ C ∞ ( n−1 ) und Tε v(y) = v(y ′ , yn + hε (y ′ )). Ist ferner uε ∈ C 1 (Ω), so gilt die Kettenregel. Mit Dy ′ = (D1 , . . . , Dn−1 ) haben wir daher f¨ ur alle φ ∈ C0∞ ( n+ ) Z Z ′ Tε uε (y)Dy φ(y) dy = uε (y ′ , yn + hε (y ′ ))Dy′ φ(y) dy (6.2) n +
n +
=−
Z
=−
Z
n +
n +
Dx′ uε (y ′ , yn + hε (y ′ )) + Dxn uε (y ′ , yn + hε (y ′ ))Dy′ hε (y ′ ) φ(y) dy Tε Dx′ uε (y) + Tε Dxn uε (y)Dy′ hε (y ′ ) φ(y) dy.
6.2 C0∞ (
Wir zeigen Tε v → T v in Lp ( Z |h(y ′ ) − hε (y ′ )| =
|z ′ | 0 wird uj durch Null auf den n fortgesetzt. Ω Ferner wird vorausgesetzt, daß das Koordinatensystem wie in der Definition des Gebiets mit stetigem Rand vorliegt. Dann liegt der Tr¨ ager der verschobenen Funktion uj,t (x) = uj (x + ten ), t > 0, teilweise außerhalb von supp u j,t Ω. Daher folgt f¨ ur Jη ∗ uj,t ∈ C0∞ ( n ) aus Lemma 5.15 kuj,t − Jη ∗ uj,t km,p;Ω → 0 f¨ ur η → 0. Es verbleibt kuj,t − uj km,p;Ω → 0 f¨ ur t → 0 zu zeigen, was gleichbedeutend ist mit kDα uj,t − Dα uj kp;Ω → 0 f¨ ur |α| ≤ m. Dies ist aber gerade Satz 4.21. Wir w¨ahlen daher zun¨ achst t und anschließend η gen¨ ugend klein, so daß ψj = Jη ∗ uj,t der behaupteten Absch¨ atzung gen¨ ugt. ⊓ ⊔
6.3 Der Transformationssatz Seien Ω ′ , Ω ⊂ Jedem u : Ω →
Gebiete und g : Ω ′ → Ω ein C m,α -Diffeomorphismus. k¨ onnen wir durch
n
T u(y) = u(g(y)) die transformierte Funktion zuordnen. F¨ ur u ∈ Lp (Ω) folgt aus der Transformationsregel f¨ ur Integrale Z Z |u(x)|p dx = |T u(y)|p| det Dy g(y)| dy Ω′
Ω
und
Z
Ω′
|T u(y)|p dy =
Z
Ω
|u(x)|p | det Dx g −1 (x)| dx.
Daher erhalten wir aus (6.1) ckukp;Ω ≤ kT ukp;Ω ′ ≤ ckukp;Ω und T transformiert Lp (Ω) stetig auf Lp(Ω ′ ) mit stetiger Inverser. Ein ¨ahnliches Resultat gilt f¨ ur Sobolev-R¨ aume: Satz 6.8. Sei g : Ω ′ → Ω ein C m -Diffeomorphismus. Dann ist die obige Abbildung T : H m,p (Ω) → H m,p (Ω ′ ), 1 ≤ p < ∞, bijektiv und beschr¨ ankt mit beschr¨ ankter Inverser, d.h. ckukm,p;Ω ≤ kT ukm,p;Ω′ ≤ ckukm,p;Ω . Weiter sind die schwachen Ableitungen von T u durch die Kettenregel gegeben. Beweis. Wir brauchen nur den Fall m = 1 betrachten, m > 1 folgt dann durch Induktion. Ferner wird nur die Absch¨ atzung kT uk1,p;Ω ′ ≤ ckuk1,p;Ω bewiesen, die andere Richtung erh¨ alt man, indem man g durch g −1 ersetzt.
6.4 Fortsetzungss¨ atze
107
Sei u ∈ H 1,p (Ω) und sei uk ∈ C ∞ (Ω) ∩ H 1,p (Ω) eine Folge mit uk → u in H (Ω). Aus der Kettenregel folgt mit gj,i = Dyi gj 1,p
Dyi T uk (y) =
n X
Dxj uk (x)gj,i (y) =
j=1
n X
T (Dxj uk )(y)gj,i (y).
j=1
F¨ ur φ ∈ C0∞ (Ω) gilt mit partieller Integration Z
Ω′
T uk (y)Dyi φ(y) dy = −
n Z X j=1
Ω′
T (Dxj uk )(y)gj,i (y)φ(y) dy,
(6.3)
und mit Transformation auf Ω, Z uk (x)Dyi φ(g −1 (x)) | det Dg −1 (x)| dx Ω
=−
n Z X j=1
Dxj uk (x)gj,i (g −1 (x))φ(g −1 (x)) | det Dg −1 (x)| dx.
Ω
Wegen uk → u in H 1,p (Ω) k¨ onnen wir in der letzten Gleichung zum Grenzwert k→∞u ucktransformation (6.3) mit uk ersetzt ¨bergehen und erhalten nach R¨ durch u. Dies beweist die Kettenregel f¨ ur Funktionen in H 1,p . Aufgrund der Beschr¨ anktheit der gj,i (y) erschließt man aus einer einfachen Absch¨atzung Z
Ω′
|Dyi T u(y)|p dy =
Z
Ω′
n X p T (Dxj u)(y)gj,i (y) dy j=1
≤ c max
Z
|T (Dxj u)(y)| dy = c max
≤ c max
Z
|Dxj u(x)|p dx ≤ ckukp1,p;Ω .
j
j
p
Ω′
Ω
j
Z
Ω
|Dxj u(x)|p | det Dg −1 (x)| dx
⊓ ⊔
6.4 Fortsetzungss¨ atze Definition 6.9. F¨ ur m ∈ und 1 ≤ p < ∞ ist der Raum H0m,p (Ω) der ∞ Abschluß von C0 (Ω) im Raum H m,p (Ω), anders ausgedr¨ uckt H0m,p (Ω) = u ∈ H m,p (Ω) : Es gibt eine Folge uk ∈ C0∞ (Ω) mit uk → u in H m,p (Ω) .
108
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
Weil H m,p mit dem Abschluß von C ∞ ∩ H m,p f¨ ur 1 ≤ p < ∞ u ¨ bereinstimmt, ist der Raum H0m,p ein Unterraum von H m,p . Wenn wir Funktionen in C0∞ durch 0 fortsetzen, so ist C0∞ (Ω) ⊂ C0∞ (Ω1 ) f¨ ur Ω ⊂ Ω1 . Diese Beziehung u agt sich nat¨ urlich auf H0m,p , jede Funktion in H0m,p (Ω) ist ¨bertr¨ auch in H0m,p (Ω1 ). Die Struktur von H0m,p (Ω) wird in Abschnitt 6.6 genauer bestimmt. Im folgenden verwenden wir nur die einfache Tatsache, daß f¨ ur u ∈ H m,p (Ω), 1 ≤ p < ∞, und τ ∈ C0∞ (Ω) die Funktion τ u in H0m,p (Ω) liegt. Dies ist eine Folgerung aus Lemma 5.14 und Lemma 5.15. Der n¨achste Satz zeigt, daß man eine Sobolev-Funktion auf ein gr¨oßeres Gebiet fortsetzen kann, sofern der Rand des Gebietes gen¨ ugend glatt ist. Satz 6.10. Sei m ∈ , ∂Ω ∈ C m−1,1 . Zu jedem Gebiet Ω1 mit Ω ⊂⊂ Ω1 gibt es eine stetige lineare Abbildung E : H k,p (Ω) → H0k,p (Ω1 ), die nicht von 0 ≤ k ≤ m und 1 ≤ p < ∞ abh¨ angt, mit (a) Eu|Ω = u (Fortsetzungseigenschaft), (b) kEukk,p;Ω1 ≤ ckukk,p;Ω (Stetigkeit).
Beweis. Wir betrachten zuerst den Halbraum n+ = {x ∈ n : xn > 0} und setzen eine Funktion u ∈ C m ( n+ ) durch eine verallgemeinerte Spiegelung auf den n folgendermaßen fort. Das (m + 1) × (m + 1) lineare Gleichungssystem m+1 X
(−j)k λj = 1,
k = 0, 1, . . . , m,
j=1
besitzt eine eindeutige L¨ osung λ1 , . . . , λm+1 , weil die zugeh¨orige Matrix vom Vandermondschen Typ ist. Mit x = (x1 , . . . , xn ) = (x′ , xn ) definieren wir den Fortsetzungsoperator u(x) f¨ ur xn > 0, m+1 Eu(x) = X , λj u(x′ , −jxn ) f¨ ur xn ≤ 0. j=1
sowie f¨ ur jeden Multiindex α, u(x) f¨ ur xn > 0, m+1 Eα u(x) = X (−j)αn λj u(x′ , −jxn ) f¨ ur xn ≤ 0. j=1
F¨ ur alle |α| ≤ m gilt dann D α Eu(x) = Eα Dα u(x) und kDα Eukp; ckDα ukp; n+ . Damit wird u zu einer C m -Funktion fortgesetzt mit kEukk,p;
n
≤ ckukk,p;
n +
.
n
≤
(6.4)
6.5 Einbettungen in Lq (Ω)
109
Sei Ω von der Klasse C m−1,1 und (Uj , φj ), j = 1, . . . , J, die zugeh¨orige Lokalisierung nach Definition 6.1. Die Lokalisierung wird erg¨anzt um (U0 , φ0 ) P mit U0 ⊂⊂ Ω, φ0 ∈ C0∞ (U0 ), so daß Jj=0 φj = 1 in Ω ′ ⊃⊃ Ω. Nach Drehung und Verschiebung durch die Abbildung τj wird der Rand in Uj durch (−1) eine C m−1,1 -Funktion hj dargestellt. uj = φj u ◦ τj , j ≥ 1, wird fortgesetzt, indem auf Tj uj (y ′ , yn ) = uj (y ′ , yn + hj (y ′ )), yn > 0, der im ersten Schritt konstruierte Fortsetzungsoperator E angewendet wird. ETj uj wird anschließend mit Tj′−1 v(x) = v(x′ , xn − hj (x′ ), x ∈ n, am Rande verbogen. Wir erhalten den vorl¨aufigen Fortsetzungsoperator ′ EΩ u=
J X j=1
τj ◦ Tj′−1 ETj uj + φ0 u.
′ Nach Konstruktion gilt EΩ u = u in Ω. Wegen Lemma 6.6 sind die Operatoren ′−1 k,p Tj und Tj stetig in H . Zusammen mit (6.4) folgt
′ kEΩ ukk,p;
n
≤c
J X
kETj ujkk,p;
≤c
J X
kTj ujkk,p;
j=1
j=1
n +
n
+ kφ0 ukk,p;
+ kφ0 ukk,p;
n
n
≤ ckukk,p;Ω ,
wobei die Konstante c von m, p, khj kk,∞ , kφj kk,∞ abh¨angt. Zu Ω1 ⊃⊃ Ω w¨ ahlen wir eine Abschneidefunktion τ bez¨ uglich {Ω, Ω1 }. ′ Dann ist EΩ = τ EΩ der gesuchte Fortsetzungsoperator. ⊓ ⊔ Der Calderonsche Fortsetzungssatz kommt ohne h¨ ohere Randregularit¨ at aus (zum Beweis siehe z.B. [Ada75, S. 91ff.], [Wlo82, S. 100ff.]): Satz. Ist Ω ein Lipschitzgebiet mit Ω ⊂⊂ Ω1 und m ∈ 0 , 1 < p < ∞, so ˛ existiert ein stetiger linearer Operator Em,p : H m,p (Ω) → H0m,p (Ω1 ) mit Em,p u˛Ω = u
Man beachte, daß im Gegensatz zu Satz 6.10 der Fortsetzungsoperator von m und p abh¨ angt, was seine Verwendbarkeit einschr¨ ankt.
6.5 Einbettungen in Lq (Ω) Satz 6.11 (Sobolev-Ungleichung). Sei Ω ein Lipschitzgebiet. Dann gelten die stetigen Einbettungen H m,p (Ω) → Lnp/(n−mp) (Ω)
f¨ ur 1 ≤ mp < n.
F¨ ur H0m,p (Ω) gilt die gleiche Einbettung ohne Voraussetzung an Ω.
110
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
Anmerkungen 6.12 (i) Der Satz bleibt richtig, wenn das Gebiet nur die Kegeleigenschaft besitzt, siehe [Ada75, S.95ff]. Nach Aufgabe 6.1 l¨aßt sich diese Voraussetzung nicht weiter abschw¨ achen. (ii) Die Voraussetzung, daß Ω ein Lipschitzgebiet sein muß, wird nur ben¨otigt, um den Fortsetzungssatz aus dem letzten Abschnitt anwenden zu k¨onnen. F¨ ur unseren Beweis gen¨ ugt es aber, daß das Grundgebiet in Lipschitzgebiete aufgeteilt werden kann, weil aus der Einbettung f¨ ur die Teilgebiete die Einbettung f¨ ur das Grundgebiet folgt. Damit haben wir das Resultat f¨ ur alle st¨ uckweise glatten Gebiete bewiesen, insbesondere darf das Innere des Gebiets auf beiden Seiten eines Randst¨ ucks liegen. (iii) Eine Sobolev-Funktion ist f¨ ur mp = n ≥ 2 nicht notwendig beschr¨ankt. Als Gegenbeispiel f¨ ur n = 2, m = 1, betrachten wir das Gebiet Ω = B1/e (0) (ln e = 1) und die Funktion u = ln(| ln |xk), die offenbar unbeschr¨ankt ist, aber Z Z 1/e Z 1/e 2 2 |Du| dx = 2π |Dr ln(| ln r|)| r dr = 2π | ln r|−2 r−1 dr Ω
0
0
1/e = 2π| ln r|−1 = 2π. 0
Dagegen ergibt der folgende Beweis f¨ ur p = n = 1, H 1,1 (Ω) → C 0 (Ω).
(6.5)
Der Fall n = m > 1 und p = 1 wird in Aufgabe 6.3 behandelt. Beweis. Wir beweisen die Einbettung zun¨ achst f¨ ur H01,p (Ω). Wegen Satz 2.14 ∞ gen¨ ugt es, sie f¨ ur die dichte Teilmenge C0 (Ω) nachzuweisen. Im ersten Teil des Beweises zeigen wir f¨ ur u ∈ C0∞ (Ω) kukn/(n−1) ≤ n−1/2 kDuk1 . Aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung folgt Z xi |u(x)| ≤ |Di u(x1 , . . . , ξi , . . . , xn )| dξi , −∞
und damit (6.5) f¨ ur n = 1. Da diese Absch¨ atzung f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n, n ≥ 2, richtig ist, gilt |u(x)|n/(n−1) ≤
n Z Y i=1
∞
−∞
|Di u| dxi
1/(n−1)
=
n Y 1/(n−1) vi . i=1
Diese Ungleichung wird bez¨ uglich x1 integriert. Auf der rechten Seite h¨angen n − 1 Faktoren von x1 ab. Auf diese Faktoren wenden wir die verallgemeinerte H¨oldersche Ungleichung
6.5 Einbettungen in Lq (Ω)
Z
(v2 . . . vn )1/(n−1) dx1 ≤
Z
v2 dx1
1/(n−1)
...
Z
vn dx1
111
1/(n−1)
an, die durch Induktion bewiesen wird. Wiederholen wir dieses Verfahren f¨ ur die Variablen x2 . . . xn , so erhalten wir mit der Ungleichung f¨ ur das geometrische und arithmetische Mittel (A.5) kukn/(n−1) ≤
n Z Y i=1
Z X n 1/n 1 1 |Di u| dx ≤ |Di u| dx ≤ √ kDuk1 . n n Ω Ω i=1
q
Damit ist die L -Einbettung f¨ ur p = 1 bewiesen. F¨ ur p > 1 wird |u| in dieser Absch¨ atzung durch |u|γ , γ > 1, ersetzt, Z γ γ k |u|γ kn/(n−1) ≤ √ |u|γ−1 |Du| dx ≤ √ k |u|γ−1kp′ kDukp , n Ω n mit p′ = p/(p − 1). Wir w¨ ahlen γ so, daß k |u|γ kn/(n−1) und k |u|γ−1kp′ Potenzen von kukq sind, also q=
γn (γ − 1)p = n−1 p−1
⇒ γ=
(n − 1)p , n−p
q=
np . n−p
Dies beweist die Einbettung f¨ ur H01,p (Ω) mit Konstante γn−1/2 . Mit Satz 6.10 gibt es einen Fortsetzungsoperator E : H 1,p (Ω) → H01,p (Ω1 ) mit kEuk1,p;Ω1 ≤ ckuk1,p;Ω f¨ ur 1 ≤ p < ∞, f¨ ur ein beschr¨anktes Gebiet Ω1 mit Ω ⊂⊂ Ω1 . Wegen kukq;Ω ≤ kEukq;Ω1 ≤ ckEuk1,p;Ω1 ≤ ckuk1,p;Ω ist der Einbettungssatz f¨ ur m = 1 vollst¨ andig bewiesen. F¨ ur m > 1 wendet man die Einbettung sukzessive auf Dα u an, eine strengere Forderung an das Gebiet ist daher nicht erforderlich. ⊓ ⊔ Eine einfache Folgerung aus dem Beweis des letzten Satzes ist die folgende wichtige Ungleichung. Satz 6.13 (Poincar´ e-Ungleichung). F¨ ur 1 ≤ q ≤ np/(n − p), p < n, gilt kukq;Ω ≤ ckDukp;Ω
∀u ∈ H01,p (Ω),
wobei die Konstante c von µ(Ω) abh¨ angt, wenn q < np/(n − p). Beweis. Im Beweis von Satz 6.11 haben wir kuknp/(n−p);Ω ≤ ckDukp;Ω f¨ ur alle u ∈ H01,p (Ω) gezeigt. Die Behauptung folgt aus Satz 4.19(a). ⊓ ⊔
112
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
6.6 Randwerte von Sobolev-Funktionen Zur Definition des Randintegrals und der R¨ aume Lp (∂Ω) gehen wir von der Definition 6.1 aus, die lokal eine explizite Parametrisierung des Randes ∂Ω der Form {(y ′ , h(y ′ ))} erlaubt. Genauer haben wir:
Definition 6.14. Sei Ω ein Lipschitzgebiet mit zugeh¨ origer C 0,1 Lokalisierung (Uj , φj ), j = 1, . . . , J (siehe Definition 6.1). F¨ ur jedes j sei (y ′ , yn ) das zugeh¨ orige lokale Koordinatensystem mit (y ′ , hj (y ′ )) ∈ ∂Ω, y ′ ∈ Uj′ ⊂ n−1 , und einer Lipschitzfunktion hj . u : ∂Ω → heißt meßbar auf ∂Ω, wenn die Funktionen uj (y ′ ) = (φj u)(y ′ , hj (y ′ )) in Uj′ meßbar sind. u heißt integrierbar auf ∂Ω, wenn u meßbar ist und die Integrale Z Z q uj dσ = uj 1 + |Dhj |2 dy ′ Uj′
∂Ω
im Lebesgueschen Sinne existieren. In diesem Fall heißt Z J Z X u dσ = uj dσ ∂Ω
das Randintegral von u. Mit den Normen Z 1/p kukp;∂Ω = |u|p dσ , ∂Ω
j=1
∂Ω
kuk∞;∂Ω =
inf
sup
µn−1 (N )=0 x∈∂Ω\N
|u(x)|,
ist Lp (∂Ω) definiert als Raum der meßbaren Funktionen mit endlicher Norm. Die Definition des Randintegrals ist sinnvoll, weil die Funktionen hj in der De1,∞ finition des Lipschitzgebiets p lipschitzstetig sind und nach Satz 5.23 in H liegen. Insbesondere ist 1 + |Dhj |2 meßbar und beschr¨ankt. Die Definition ist unabh¨angig p von der Lokalisierung (Uj , φj ), denn nach dem Satz des Pythagoras ist 1 + |Dhj |2 gerade die lokale Fl¨achenverzerrung, die die Abbildung y ′ p 7→ (y ′ , h(y ′ )) auf ein Fl¨ achenst¨ uck in der y ′ -Hyperebene aus¨ ubt, ′ 2 kurz dσ = 1 + |Dhj | dy . Die Randwerte werden also korrekt aufsummiert. In diesem Abschnitt untersuchen wir das Randverhalten der Funktionen im Raum H 1,p (Ω). Auf den ersten Blick widerspricht dies der Definition der Sobolev-Funktionen, die nur bis auf eine Menge vom Maß Null definiert sind. Das Thema ist daher begrifflich schwierig, wir beweisen den entsprechenden Satz und erl¨autern ihn hinterher. Satz 6.15 (Spursatz). Sei Ω ein Lipschitzgebiet und 1 ≤ p < ∞. Dann gibt es einen eindeutigen stetigen linearen Operator S : H 1,p (Ω) → Lq (∂Ω), Su = u ∂Ω f¨ ur u ∈ C ∞ (Ω), mit (n − 1)p/(n − p) f¨ ur p < n q= . < ∞ f¨ ur p = n
6.6 Randwerte von Sobolev-Funktionen
113
Anmerkung 6.16. (i) Wie in Abschnitt 6.8 gezeigt wird, kann f¨ ur p > n jede Funktion u ∈ H 1,p (Ω) auf einer Nullmenge so abge¨andert werden, daß sie in Ω stetig ist. (ii) Die Anmerkung 6.12(ii) gilt sinngem¨ aß. Beispielsweise kann der Doppelquader aus Beispiel 6.5 in zwei Quader zerlegt und auf jedem dieser Quader der Spursatz angewendet werden. Beweis. Wir beginnen mit der Absch¨ atzung auf dem Referenzzylinder Q = B1 (0) × (0, 1), B1 (0) ⊂ n−1 . F¨ ur u ∈ C ∞ (Q) liefert der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung Z yn u(y ′ , 0) = − Dn u(y ′ , ξ) dξ + u(y ′ , yn ), y ′ ∈ B1 (0), (6.6) 0
und nach Absch¨atzen und Integrieren bez¨ uglich yn Z 1 |u(y ′ , 0)| ≤ |Dn u(y ′ , yn )| + |u(y ′ , yn )| dyn . 0
Wir integrieren diese Ungleichung bez¨ uglich y ′ und erhalten ku(·, 0)k1;B1 (0) ≤ kDn uk1;Q + kuk1;Q .
In dieser Absch¨atzung wird u durch |u|γ ersetzt, Z Z k |u(·, 0)|γ k1;B1 (0) ≤ γ |Dn u||u|γ−1 dx + |u|γ dx Q
Q
≤ ckDn ukp;Q k |u|γ−1 kp′ ;Q + kukγγ;Q, wobei p′ = p/(p − 1). Nun w¨ ahlen wir γ so, daß mit Satz 6.11 H 1,p (Ω) → L(γ−1)p/(p−1) (Ω),
Dann
(γ − 1)p np = , p−1 n−p
also γ =
(n − 1)p np < . n−p n−p
γ γ ku(·, 0)kγγ;B1 (0) ≤ ckDn ukp;Q kukγ−1 1,p;Q + kukγ;Q ≤ ckuk1,p;Q ,
also ku(·, 0)k(n−1)p/(n−p);B1 (0) ≤ ckuk1,p;Q
f¨ ur alle u ∈ C ∞ (Q).
(6.7)
Da C ∞ (Q) dicht in H 1,p (Q) ist, gilt diese Absch¨atzung f¨ ur alle u ∈ H 1,p (Q). 0,1 Sei Ω ein Lipschitzgebiet mit zugeh¨ origer C -Lokalisierung (Uj , φj ), j = 1, . . . , J, und Lipschitzfunktionen hj . Sei u ∈ H 1,p (Ω) und uj = φj u. Das Koordinatensystem sei so gedreht und verschoben, daß in xn = yn + hj (y ′ ) die Punkte mit yn = 0 den Randpunkten in Uj entsprechen. O.B.d.A. k¨onnen wir f¨ ur den Tr¨ager von uj annehmen, daß |y ′ |, yn < 1. Nach Lemma 6.6 ist mit
114
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
1,p uj ∈ H 1,p (Ω) die Funktion Tj uj (y ′ , yn ) = uj (y ′ , yn + hj (y ′ )) R in H (Q) und gen¨ ugt daher der Absch¨ atzung (6.7). Mit der Definition von ∂Ω , Absch¨atzung (6.7) und Lemma 6.6 bekommen wir die Kette von Ungleichungen (q = (n − 1)p/(n − p)) q Z 1/q kuj kq;∂Ω = |Tj uj (y ′ , 0)|q 1 + |Dhj |2 dy ′ B1 (0)
≤ ckTj uj (·, 0)kq;B1 (0) ≤ ckTj uj k1,p;Q ≤ ckuj k1,p;Ω ≤ ckuk1,p;Ω . P Mit kukqq;∂Ω = j kuj kqq,∂Ω ist der Satz bewiesen. ⊓ ⊔
Nach Konstruktion ist S auf C ∞ (Ω) die klassische Einschr¨ankung einer Funktion auf ∂Ω. Da die Fortsetzung von S auf den Abschluß von C ∞ (Ω), eben H 1,p (Ω), eindeutig ist, bedeutet das, daß die H 1,p -Funktionen als Grenzwerte von Funktionen in C ∞ im Sinne von Lq (∂Ω) eindeutig bestimmt sind. Anders ¨ ausgedr¨ uckt befindet sich in jeder Aquivalenzklasse einer Sobolev-Funktion ein bis auf das (n − 1)-dimensionale Maß eindeutiger Vertreter, der zielsicher von jeder approximierenden Folge in C ∞ angesteuert wird. Man h¨atte diesem Effekt schon bei der Definition der Sobolev-R¨ aume Rechnung tragen und die ¨ zugeh¨origen Aquivalenzklassen kleiner fassen k¨onnen, allerdings h¨atte dann der ganze analytische Apparat der letzten Abschnitte bereitliegen m¨ ussen. Aus (6.6) kann man ersehen, wie die Randwerte in Lp angenommen werden. Es folgt n¨amlich Z yn ′ ′ |u(y , yn ) − u(y , 0)| ≤ |Dn u(y ′ , ξ)| dξ, (6.8) 0
nach Bildung der p-ten Potenz und Integration bez¨ uglich y ′ , Z Z Z yn ′ ′ p ′ |u(y , yn ) − u(y , 0)| dy ≤ c |Dn u(y ′ , ξ)|p dξ dy ′ . 0
Aufgrund der Absolutstetigkeit des Integrals konvergiert die rechte Seite gegen 0 f¨ ur yn → 0, demnach auch die linke. Diese Formel bleibt auch nach der lokalen Transformation g¨ ultig, f¨ ur Sε uj (y ′ ) = uj (y ′ , hj (y ′ ) + ε) gilt kSε uj − Suj kp → 0 f¨ ur ε → 0. Mit dem Spursatz lassen sich die R¨ aume H0m,p (Ω) einfach charakterisieren. Satz 6.17. Sei Ω ein Lipschitzgebiet und m ∈ , 1 ≤ p < ∞. Dann besteht H0m,p (Ω) genau aus den Funktionen u in H m,p (Ω) mit SDα u = 0 f¨ ur |α| ≤ m − 1. Beweis. Es gen¨ ugt, den Fall m = 1 zu betrachten, f¨ ur m > 1 wendet man die folgenden Argumente auf Dα u an. Da C0∞ (Ω) dicht in H01,p (Ω) ist, gilt Su = 0 f¨ ur jedes u ∈ H01,p (Ω). Nun beweisen wir die umgekehrte Richtung. Sei Q = B1 (0) × (0, 1), B1 (0) ⊂ n−1 . F¨ ur u ∈ C ∞ (Q) folgt aus (6.6)
6.6 Randwerte von Sobolev-Funktionen
|u(y ′ , yn )| ≤
Z
a 0
|Dn u(y ′ , ξ)| dξ + |u(y ′ , 0)|,
und nach Integration bez¨ uglich yn und y ′ Z aZ Z aZ |u(y ′ , yn )| dy ′ dyn ≤ a 0
B1 (0)
0
+a
Z
B1 (0)
B1 (0)
115
0 ≤ yn ≤ a,
|Dn u(y ′ , yn )| dy ′ dyn
(6.9)
|u(y ′ , 0)| dy ′ .
Diese Absch¨atzung bleibt auch in H 1,1 richtig. Sei Ω ein Lipschitzgebiet mit C 0,1 -Lokalisierung (Uj , φj ). Sei u ∈ C ∞ (Ω) und uj = φj u. Nach Drehung und Verschiebung sei das Koordinatensystem von der Form xn = hj (y ′ ) + yn , wobei yn = 0 den Randpunkten in Uj entspricht. Auf T uj (y ′ , yn ) = uj (y ′ , hj (y ′ ) + yn ) wenden wir (6.9) an. Nach R¨ ucktransformation und Addition bez¨ uglich j erhalten wir f¨ ur gen¨ ugend kleine ε Z Z Z |u| dx ≤ cε {|Du| + |u|} dx + cε |u| dσ, (6.10) Uε
Uc′ ε
∂Ω
wobei Uε = {x ∈ Ω : dist (x, ∂Ω) < ε}
und c, c′ von den Funktionen hj abh¨ angen. Sei u ∈ H 1,p (Ω) mit Su = 0. F¨ ur eine Folge uk ∈ C ∞ (Ω) mit uk → u in H 1,p (Ω) gilt wegen des Spursatzes Suk → 0 in L1 (∂Ω). Daher folgt aus (6.10) durch Grenz¨ ubergang Z Z |u| dx ≤ cε {|Du| + |u|} dx ∀u ∈ H 1,p (Ω) mit Su = 0. (6.11) Uε
Uc′ ε
Nun zeigen wir, daß die durch Null auf den n fortgesetzte Funktion u im n schwach differenzierbar ist. Sei φ ∈ C0∞ ( n ) und τε eine Abschneidefunktion bez¨ uglich {Ω \ Uε , Ω} mit |Dτε | ≤ cε−1 in Uε (siehe Lemma 5.12). In Z Z uDφ dx = uD(φ(τε + (1 − τε ))) dx Ω
Ω
=
Z
uD(φτε ) dx +
Ω
gehen wir zu ε → 0 u ¨ber,
Z
Ω
uDφ(1 − τε ) dx +
Z
Ω
uφD(1 − τε ) dx
116
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
Z
Ω
Z
Ω
Z
Ω
uD(φτε ) dx = −
uDφ(1 − τε ) dx ≤
Z
Z
Uε
Ω
≤
Duφ dx,
Ω
|u| |Dφ| dx → 0 wegen µ(Uε ) → 0, Z
uφD(1 − τε ) dx ≤ cε−1 (6.11)
Duφτε → −
Z
Uε
c
Z
|u| dx
Uc′ ε
{|Du| + |u|} dx → 0
wegen µ(Uc′ ε ) → 0.
Damit ist u ∈ H 1,p ( n ) mit Du = 0 in Ω c gezeigt. Im letzten Schritt des Beweises muß nur noch eine technische Kleinigkeit bew¨altigt werden. Aus Lemma 5.15 folgt, daß Jε ∗ u → u in H 1,p (Ω), aber leider besitzt Jε ∗u den Tr¨ ager in einer etwas gr¨ oßeren Menge alsP Ω. Wir nehmen die Lokalisierung (Uj , φj ), erg¨ anzen diese um (U0 , φ0 ), so daß j φj (x) = 1 in einer Umgebung von Ω. Im lokalen Koordinatensystem (y ′ , yn) bilden wir zu uj = φj u die Funktion uj,t (y) = uj (y − ten ). Damit ist Jε ∗ uj,t ∈ C0∞ (Ω) f¨ ur gen¨ ugend kleines ε. Die Argumentation ist die gleiche wie im Beweis von Satz 6.7, nur wird hier die Funktion uj,t in Ω hinein- statt herausgezogen. ⊓ ⊔
6.7 Kompakte Einbettungen in Lq (Ω) In diesem Abschnitt wird gezeigt, daß die Einbettungen aus Abschnitt 6.5 kompakt sind, wenn in einen schw¨ acheren Raum eingebettet wird. Satz 6.18 (Rellich-Kondrachov). Sei Ω ein Lipschitzgebiet. Dann ist die Einbettung H 1,p (Ω) → Lq (Ω) kompakt f¨ ur q < np/(n − p). F¨ ur H01,p (Ω) ist die gleiche Einbettung kompakt ohne eine Voraussetzung an ∂Ω. Beweis. Wir verwenden das gleiche Fortsetzungsargument f¨ ur ein Ω1 ⊃⊃ Ω wie im Beweis von Satz 6.11, E
H 1,p (Ω) → H01,p (Ω1 )→Lq (Ω1 )→Lq (Ω). Wir brauchen daher nur die Kompaktheit der Einbettung H01,p (Ω1 ) → Lq (Ω1 ) nachzuweisen, wegen Lemma 2.19 ist dann auch H 1,p (Ω) → Lq (Ω) kompakt. Als erstes zeigen wir die Kompaktheit der Einbettung H01,1 (Ω) → L1 (Ω). Sei A die Einheitskugel von H01,1 (Ω), also kuk1,1;Ω ≤ 1 f¨ ur alle u ∈ A. F¨ ur uε = Jε ∗ u gilt Z |uε (x)| = Jε (x − y)u(y) dy ≤ c(ε)kuk1 , Z |Duε (x)| = Dx Jε (x − y)u(y) dy ≤ c(ε)kuk1 .
6.7 Kompakte Einbettungen in Lq (Ω)
117
Wegen des Mittelwertsatzes sind die Mengen Aε = {uε : u ∈ A} gleichgradig stetig f¨ ur alle ε > 0. Aufgrund des Satzes von Arzela-Ascoli ist die Menge Aε kompakt in C(Ω) und daher auch in L1 (Ω) wegen der Einbettung C(Ω) → L1 (Ω). Mit dem Mittelwertsatz Z 1 u(x) − u(y) = Du(tx + (1 − t)y) dt · (x − y) 0
gilt f¨ ur u ∈ C0∞ (Ω)
Z |u(x) − Jε ∗ u(x)| =
|x−y|1 Z 1/q kukq = |u|1/α |u|q−1/α dx Ω
≤
Z
Ω
1/(αq) Z (α−1)/(αq) |u| dx |u|(q−1/α)α/(α−1) dx .
Es gibt ein α > 1 mit
daher mit λ =
1 , αq
Ω
αq − 1 np = , α−1 n−p
0 < λ < 1, und der Einbettung H 1,p → Lnp/(n−p) ,
1−λ λ kukq ≤ kukλ1 kuk1−λ np/(n−p) ≤ kuk1 ckuk1,p .
(6.13)
Wenn A in H01,p (Ω) beschr¨ ankt ist, so ist A ebenfalls in H01,1 (Ω) beschr¨ankt (siehe Satz 4.19). Zu jedem ε > 0 gibt es daher u1 , . . . , uN in A mit A ⊂ ∪N uglich L1 . Aus der letzten Absch¨atzung folgt A ⊂ ∪N i=1 Bε (ui ) bez¨ i=1 Bcελ (ui ) q in L , was die Behauptung beweist. ⊓ ⊔ Aus (6.13) erh¨ alt man mit der verallgemeinerten Youngschen Ungleichung (A.2) f¨ ur p = 1/λ, q = p/(p − 1) = 1/(1 − λ): Satz 6.19. Sei Ω ein Lipschitzgebiet. F¨ ur 1 ≤ p < n und q < np/(n − p) gibt es zu jedem ε > 0 ein c(ε) mit kukq;Ω ≤ εkDukp;Ω + c(ε)kuk1;Ω
∀u ∈ H 1,p (Ω).
m,p Definition 6.20. Sei ΓD ⊂ ∂Ω und 1 ≤ p < ∞. Der Raum H0,Γ (Ω) ist der D Abschluß von ∞ C0,Γ (Ω) = {v ∈ C ∞ (Ω) ∩ H m,p (Ω) : v = 0 in Umgebung von ΓD } D
in der Norm k·km,p;Ω . Das im Abschnitt u ¨ber die Randwerte von Sobolev-Funktionen gesagte bleibt auch lokal g¨ ultig, auf glatten Teilbereichen von ΓD wird f¨ ur Funktionen in 1,p H0,Γ (Ω) die Nullrandbedingung angenommen. D Die folgende Variante der Poincar´e-Ungleichung wird mit einem typischen Kompaktheitsschluß bewiesen.
6.7 Kompakte Einbettungen in Lq (Ω)
119
Satz 6.21. Sei 1 ≤ p < ∞. Sei Ω ein Lipschitzgebiet und ΓD eine nichtleere 1,p offene Teilmenge von ∂Ω. Dann gilt auf H0,Γ (Ω) die Poincar´e-Ungleichung D kukp ≤ cP kDukp
1,p ∀u ∈ H0,Γ (Ω). D
Beweis. Angenommen, die Ungleichung gilt nicht. Dann gibt es Funktionen 1,p uk ∈ H0,Γ (Ω) mit kuk kp;Ω = 1 und D 1 = kuk kp;Ω ≥ kkDuk kp;Ω . Da die uk in H 1,p normbeschr¨ ankt sind, gilt f¨ ur eine Teilfolge uk ⇁ u in H 1,p (Ω) und wegen der Kompaktheit der Einbettung auch uk → u in Lp (Ω). ¨ Aus Duk → 0 erhalten wir Du = 0. Mit Ubungsaufgabe 5.1 folgt, daß u konstant ist. Nach dem Spursatz 6.15 impliziert die Konvergenz in H 1,p (Ω) auch Konvergenz in Lp (Γ ′ ), wobei Γ ′ in ΓD enthalten ist, daher u|Γ ′ = 0 und u = 0 in Ω. Widerspruch zu kukp = 1! ⊓ ⊔ Anmerkung 6.22. Auf die gleiche Weise kann die Poincar´e-Ungleichung in H 1,p (Ω) f¨ ur Funktionen mit verschwindendem Mittelwert bewiesen werden. Wegen ihrer Wichtigkeit beweisen wir diese Poincar´e-Ungleichung f¨ ur konvexe Gebiete auch direkt: Satz 6.23. Sei Ω konvex und in einer Kugel vom RDurchmesser d enthalten. F¨ ur 1 ≤ p < ∞ gilt dann f¨ ur alle u ∈ H 1,p (Ω) mit Ω u dx = 0 kukp;Ω ≤ 2n/p dkDukp;Ω .
Beweis. Wegen Satz 5.16 braucht die Ungleichung nur f¨ ur u ∈ C ∞ (Ω) ∩ 1,p H (Ω) bewiesen zu werden. Der Mittelwertsatz kann in der Form u(x) − u(y) =
Z
1 0
Du(tx + (1 − t)y)(x − y) dt,
x, y ∈ Ω,
geschrieben werden. Wir integrieren diese Beziehung bez¨ uglich y und erhalten R wegen Ω u dy = 0 u(x) =
1 µ(Ω)
Z Z Ω
1
0
Du(tx + (1 − t)y)(x − y) dt dy,
und mit |x − y| ≤ d, |u(x)| ≤
d µ(Ω)
Z Z Ω
0
1
|Du(tx + (1 − t)y)| dt dy.
Diese Absch¨atzung wird in die p-te Potenz gehoben und bez¨ uglich x integriert,
120
Z
Ω
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
|u(x)|p dx ≤
dp µ(Ω)p
Z Z Z Ω
Ω
1 0
|Du(tx + (1 − t)y)| dt dy
p
dx
Z n Z Z 1 Z Z 1 o p/q dp q p 1 dt dy |Du(tx + (1 − t)y)| dt dy dx µ(Ω)p Ω Ω 0 Ω 0 Z Z Z 1 dp = |Du(tx + (1 − t)y)|p dt dy dx. µ(Ω) Ω Ω 0 ≤
Mit dem Satz von Fubini ziehen wir die Integration bez¨ uglich t nach außen und erhalten f¨ ur ein t0 ∈ [0, 1] Z Z Z dp |u(x)|p dx ≤ |Du(t0 x + (1 − t0 )y)|p dy dx. µ(Ω) Ω Ω Ω Sei f (x) die Fortsetzung von |Du(x)|p in den n durch Null. F¨ ur t0 ∈ [0, 12 ] erhalten wir Z Z Z dp |u(x)|p dx ≤ f (t0 x + (1 − t0 )y) dy dx µ(Ω) Ω n Ω Z p =d f ((1 − t0 )y) dy. n
Mit der Transformation z = (1 − t0 )y, dy ≤ 2n dz, kann das Integral auf der rechten Seite durch 2n kDukpp abgesch¨ atzt werden. Wenn t0 > 12 , vertauschen wir die Rollen von x und y und argumentieren genauso. ⊓ ⊔
6.8 Einbettungen in R¨ aume stetiger Funktionen Satz 6.24 (Morrey). Wenn Ω die Kegeleigenschaft besitzt, so gilt f¨ ur p > n die Einbettung H 1,p (Ω) → C(Ω) ∩ L∞ (Ω),
also kuk∞;Ω ≤ ckuk1,p;Ω
∀u ∈ H 1,p (Ω),
was heißen soll, daß eine Funktion u ∈ H 1,p (Ω) auf einer Nullmenge so abge¨ andert werden kann, daß u ∈ C(Ω). Beweis. Wie immer in solchen F¨ allen ist es ausreichend, die Absch¨atzung im dichten Unterraum C ∞ (Ω) ∩ H 1,p (Ω) zu beweisen. Da der Raum aller stetigen und beschr¨ ankten Funktionen auf Ω ein Banach-Raum ist unter der Norm k·k∞;Ω , folgt dann aus Satz 2.14, daß H 1,p (Ω) → C(Ω) ∩ L∞ (Ω). Ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit k¨ onnen wir annehmen, daß 0 ∈ Ω. Sei C ⊂ Ω der Kegel mit Eckpunkt 0 aus der Kegeleigenschaft. Mit Polarkoordinaten r = |x|, ω = x/|x|, kann C in der Form C = {x ∈
n
: 0 < r < a, ω ∈ S ⊂ S n−1 }
6.8 Einbettungen in R¨ aume stetiger Funktionen
121
geschrieben werden, wobei S n−1 die Einheitssph¨are bezeichnet. Aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung folgt Z 0 u(0) = Dr u(ξ, ω) dξ + u(r, ω), r
und daher
|u(0)| ≤
Z
a 0
|Dr u(ξ, ω)| dξ + |u(r, ω)|,
und durch Integration bez¨ uglich r und ω, Z Z a Z Z aµ(S)|u(0)| ≤ a |Dr u(r, ω)| dr dω + S
0
S
a
0
|u(r, ω)| dr dω.
Diese Absch¨atzung wir durch aµ(S) dividiert und in die p-te Potenz erhoben. Dann liefert die H¨ oldersche Ungleichung Z Z a p |u(0)|p ≤c |Dr u(r, ω)| + |u(r, ω)| r(n−1)/p r−(n−1)/p dr dω S
≤c
0
Z Z
×
S
0
a
Z Z S
|Dr u(r, ω)|p + |u(r, ω)|p rn−1 dr dω × a
(r−(n−1)/p )p/(p−1) dr dω
0
p−1
.
F¨ ur p > n existiert der zweite Faktor auf der rechten Seite und der Satz wird bewiesen durch die Transformationsregel, Z Z Z a v(x) dx = v(r, ω) rn−1 dr dω. C
S
0
sowie |Dr u| ≤ |Du| (siehe (A.9)).
⊓ ⊔
Satz 6.25 (Morrey). Ω sei ein Lipschitzgebiet und m ∈ . Dann existiert die Einbettung H m,p (Ω) → C m−1,α (Ω) f¨ ur p > n mit α = 1 − n/p, d.h. es gibt eine nur von Ω abh¨angende Konstante c mit kukC m−1,α (Ω) ≤ ckukm,p;Ω
∀u ∈ H m,p (Ω).
Anmerkung 6.26. Zusammen mit Satz 2.42 folgt, daß die Einbettung H m,p (Ω) → C m−1,α (Ω) kompakt ist f¨ ur α < 1 − n/p. Beweis. Sei zun¨achst m = 1. Die behauptete Absch¨atzung braucht nur in C0∞ (Ω) bewiesen zu werden (siehe Beweis von Satz 6.11). Sei also u ∈ C0∞ (Ω), x, y beliebige Punkte mit |x − y| = ρ, Qρ ein W¨ urfel mit Kantenl¨ange ρ und x, y ∈ Qρ . Im Mittelwertsatz Z 1 u(x) − u(z) = − Du(x + t(z − x))(z − x) dt 0
122
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
integrieren wir bez¨ uglich z u ¨ ber Qρ und teilen durch µ(Qρ ) = ρn , Z Z Z 1 −n −n u(x) − ρ u(z) dz = −ρ Du(x + t(z − x))(z − x) dt dz. Qρ
Qρ
0
Hier setzen wir Betr¨ age und sch¨ atzen ab, Z Z √ u(z) dz ≤ nρ1−n u(x) − ρ−n Qρ
Qρ
Z
1 0
Du(x + t(z − x) dt dz.
Auf der rechten Seite f¨ uhren wir die Koordinatentransformation z → ξ = tz + (1 − t)x durch mit dz = t−n dξ. F¨ ur festes t ist der Integrationsbereich von ξ ein W¨ urfel mit Kantenl¨ ange tρ. Daher Z Z 1 Z √ −n 1−n −n Du(ξ) dξ dt − ρ u(z) dz ≤ nρ t u(x) Qρ
0
≤ =
√ √
Qtρ 1
nρ1−n kDukp
Z
nρ1−n kDukp
Z
1
′
t−n µ(Qtρ )1/p dt
0
t−n (tρ)n(p−1)/p dt
0
≤ cρ1−n/p kDukp . Da die gleiche Absch¨ atzung f¨ ur x ersetzt durch y gilt, folgt aus der Dreiecksungleichung |u(x) − u(y)| ≤ cρ1−n/p kDukp , womit der Fall m = 1 bewiesen ist. Ist u ∈ H 2,p (Ω), so folgt u ∈ C 0,α (Ω) und Du ∈ C 0,α (Ω)n . Aufgrund der Vollst¨andigkeit von C 1,α ist Du auch die klassische Ableitung von u, daher u ∈ C 1,α (Ω). Der Fall m = 2 reicht f¨ ur einen Induktionsschluß offenbar aus. ⊓ ⊔
6.9 Dualr¨ aume von H m,p(Ω) und die R¨ aume H −m,q (Ω) Ist X ein Banach-Raum und X N der Raum der Vektoren (x1 , . . . , xN ) mit xk ∈ X, so gilt (X N )′ = (X ′ )N (siehe Aufgabe 2.13). Ist X reflexiv, so ist auch X N reflexiv. Sei N die Zahl der Multiindizes 0 ≤ |α| ≤ m. Wir betten H m,p (Ω) in den Raum Lp (Ω)N ein mit P : H m,p (Ω) → Lp (Ω)N ,
u 7→ (D α u)|α|≤m .
(6.14)
Es gilt kukm,p = kP ukp und wegen der Vollst¨andigkeit von H m,p (Ω) ist das Bild von P ein abgeschlossener Unterraum von Lp (Ω)N . Da abgeschlossene
6.9 Dualr¨ aume von H m,p (Ω) und die R¨ aume H −m,q (Ω)
123
Unterr¨aume reflexiver R¨ aume ebenfalls reflexiv sind (siehe Satz 3.31), haben wir gezeigt: Satz 6.27. F¨ ur 1 < p < ∞ und m ∈
ist H m,p (Ω) reflexiv.
0
Mit Hilfe von (6.14) k¨ onnen auch die Dualr¨aume von H m,p (Ω) bestimmt werden. Satz 6.28. Sei 1 ≤ p < ∞ und q der zugeh¨ orige konjugierte Exponent. Zu jedem L ∈ H m,p (Ω)′ gibt es uα ∈ Lq (Ω), 0 ≤ |α| ≤ m, mit X Z L(v) = uα Dα v dx. (6.15) Ω
|α|≤m
Beweis. Die R¨aume H m,p (Ω) und RP ⊂ Lp (Ω)N sind isometrisch isomorph. Das stetige lineare Funktional L auf dem abgeschlossenen Unterraum RP kann mit dem Satz von Hahn-Banach fortgesetzt werden zu einem Funktional ˜ ∈ (Lp (Ω)′ )N , das nach Satz 4.30 die Darstellung L X Z ˜ L(v) = uα vα dx, u ∈ Lq (Ω)N |α|≤m
Ω
besitzt. Auf RP hat L die im Satz angegebene Gestalt.
⊓ ⊔
F¨ ur die Anwendungen ist der Dualraum von H0m,p (Ω), der mit H −m,q (Ω), 1 < q ≤ ∞, bezeichnet wird, erheblich wichtiger. Die Darstellung (6.15) ¨bernommen, es ist aber u ¨ blich geworden, in diesem Fall kurz Pwird u L = (−1)|α| D α uα zu schreiben, was aber immer wie in (6.15) interpretiert werden muß. Im Fall p = 2 kann mit Hilfe des Skalarprodukts eine andere Darstellung der Funktionale in H −m,2 (Ω) angegeben werden. Aufgrund der Poincar´e-Ungleichung 6.13, die sukzessive auf Dα u angewendet wird, ist auch X Z (u, v)m,0 = Dα uDα v dx |α|=m
Ω
ein zu (u, v)m ¨aquivalentes Skalarprodukt auf H0m,2 (Ω). Der Rieszsche Darstellungssatz ergibt dann: Satz 6.29. Zu jedem L ∈ H −m,2 (Ω) gibt es genau ein u ∈ H0m,2 (Ω) mit X Z L(v) = Dα vDα u dx. |α|=m
Ω
Beispiel 6.30. Sei n = 1, Ω = (−1, 1), und δ0 die Dirac-Distribution mit δ0 (v) = v(0). Der nat¨ urliche Definitionsbereich der Dirac-Distribution sind die stetigen Funktionen, mit der Einbettung aus Satz 6.24 gilt demnach
124
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
δ0 ∈ H −1,2 (Ω). Zur Darstellung der Dirac-Distribution muß ein u ∈ H01,2 (Ω) gefunden werden mit (u′ , v ′ ) = v(0) f¨ ur alle v ∈ H01,2 (Ω). Auf den Teilintervallen (−1, 0) und (0, 1) kann mit v ∈ C0∞ getestet werden. Es gilt daher u′′ = 0 und u ist linear auf diesen Teilintervallen. Daher u(x) = (1 − |x|)/2, 1 (u , v ) = 2 ′
′
Z
0
′
v dx +
−1
Z
0
1
−v′ dx = v(0).
6.10 Die gebrochenen Sobolev-R¨ aume H s,p(Ω) In diesem Abschnitt definieren und untersuchen wir die Sobolev-R¨aume H s,p (Ω) f¨ ur reelle Indizes s ≥ 0 auf allgemeinen, nicht notwendig beschr¨ankten Gebieten Ω ⊂ n . F¨ ur nichtganzzahliges s > 0 schreiben wir s = m + σ mit m ∈ 0 und 0 < σ < 1. F¨ ur 1 ≤ p < ∞ definieren wir p Z Z u(x) − u(y) p |u|σ,p;Ω = dx dy, n+σp Ω Ω |x − y| X kukps,p;Ω = kukpm,p;Ω + |Dα u|pσ,p;Ω . |α|=m
Die Ausdr¨ ucke | · |σ,p sind nur Halbnormen, weil sie f¨ ur konstante Funktionen verschwinden. Definition 6.31. F¨ ur nichtganzzahliges s > 0 und 1 ≤ p < ∞ besteht der Raum H s,p (Ω) aus den Funktionen u ∈ H m,p (Ω) mit endlicher Norm kuks,p;Ω . Im Grenzfall p = ∞ erhalten wir die H¨ older-R¨aume C m,σ (Ω), es wird daher immer p < ∞ vorausgesetzt. F¨ ur die Integrierbarkeitseigenschaften von |x|α , α ∈ , die bei der Definition dieser R¨ aume eine große Rolle spielen, wird auf Abschnitt A.6 hingewiesen. Erinnert Definition des inneren Produkts in H m,2 (Ω), n¨amlich P sei an die α (u, v)m = |α|≤m (D u, Dα v). Satz 6.32. H s,p (Ω) ist Banach-Raum unter der Norm k · ks,p;Ω . H s,2 (Ω) ist Hilbert Raum mit innerem Produkt X (u, v)s = (u, v)m + (D α u, Dα v)σ , |α|=m
(u, v)σ =
Z Z Ω
Ω
u(x) − u(y) v(x) − v(y) dx dy. |x − y|n+2σ
6.10 Die gebrochenen Sobolev-R¨ aume H s,p (Ω)
125
Beweis. Die Normaxiome sind f¨ ur k · ks,p erf¨ ullt. Die Vollst¨andigkeit brauchen wir nur f¨ ur den Fall m = 0 zu untersuchen, weil jede Cauchy-Folge in H s,p auch eine Cauchy-Folge in H m,p ist. Sei (uk ) eine Cauchy-Folge in H s,p (Ω), 0 < s < 1. Dann gibt es nach Anmerkung 4.26(i) eine Teilfolge (ukm ) mit ukm → u punktweise fast u ¨ berall. Damit gilt f¨ ur |(ukl (x) − ukm (x)) − (ukl (y) − ukm (y))|p , |x − y|n+σp
f (ukm , x, y) =
daß f (ukm , x, y) → f (u, x, y) f.¨ u. in Ω × Ω f¨ ur km → ∞. Wir k¨onnen daher in |ukl − ukm |σ,p ≤ ε mit dem Fatouschen Lemma den Grenz¨ ubergang km → ∞ durchf¨ uhren und erhalten ukl → u in H s,p . Da eine Cauchy-Folge konvergent ist, wenn eine Teilfolge konvergiert, ist die Vollst¨andigkeit gezeigt. ⊓ ⊔ Um ein Gef¨ uhl f¨ ur diese etwas unhandlichen R¨aume zu bekommen, zeigen wir die Einbettung H m+1,p ( n ) → H s,p ( n ), wozu der Fall m = 0 ausreichend ist. Wir schreiben Z Z |u(x) − u(y)|p |u(x) − u(y)|p p |u|σ,p = d(x, y) + d(x, y) n+σp n+σp |x−y|0
Mit dieser Absch¨atzung folgt dann unmittelbar Z ∞ p q kukqθ,q = t−θq−1 K(u, t)q dt ≤ kukq−p θ,∞ kukθ,p ≤ ckukθ,p . 0
⊓ ⊔ F¨ ur θ = 0 und u0 ∈ X0 gilt t−θ K(u, t) ≤ ku0 k0 . Der Raum (X0 , X1 )0,∞ ist daher nichttrivial mit X0 → (X0 , X1 )0,∞ . Analog ist f¨ ur u1 ∈ X1 und θ = 1 t−θ K(u1 , t) ≤ ku1 kX1 und damit X1 → (X0 , X1 )1,∞ . Andererseits kann man sich leicht u ur θ = 0, 1 und 1 ≤ p < ∞. ¨ berlegen, daß (X0 , X1 )θ,p = {0} f¨ Hat man einen Banach-Raum als Interpolationsraum dargestellt, so lassen sich mit Hilfe des folgenden Satzes Einbettungen beweisen: Satz 6.45. Seien (X0 , X1 ), (Y0 , Y1 ) Paare von Banach-R¨ aumen wie in Definition 6.43. Ist T linear von X0 + X1 nach Y0 + Y1 und bildet Xi nach Yi stetig ab mit kT u0kY0 ≤ M0 ku0 kX0 und kT u1 kY1 ≤ M1 ku1 kX1 , so ist T auch stetig zwischen den R¨ aumen (X0 , X1 )θ,p und (Y0 , Y1 )θ,p mit kT uk(Y0,Y1 )θ,p ≤ M01−θ M1θ kuk(X0 ,X1 )θ,p f¨ ur 0 < θ < 1 und 1 ≤ p ≤ ∞. Beweis. F¨ ur u0 ∈ X0 und u1 ∈ X1 mit u = u0 + u1 gilt K(T u, t) ≤ kT u0kY0 + tkT u1 kY1 ≤ M0 ku0 k + tM1 ku1 kX1 M1 ≤ M0 ku0 kY0 + t ku1 kX1 . M0
Bilden wir das Infimum u ¨ ber alle Zerlegungen u = u0 + u1 , so K(T u, t) ≤ M0 K u, t
M1 . M0
138
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
Mit s = tM1 /M0 folgt t−θ K(T u, t) ≤ M01−θ M1θ s−θ K(s, u) und wegen kT uk(Y0,Y1 )θ,p ≤ M01−θ M1θ ks−θ−1/p K(u, s)kLp (
+)
dt t
=
ds s
= M01−θ M1θ kuk(X0 ,X1 )θ,p ⊓ ⊔
Man kann auch die Norm in X0 ∩X1 zur Definition von Interpolationsr¨aumen heranziehen, wobei sich f¨ ur 0 < θ < 1 die gleichen R¨aume ergeben. Hierzu sei auf [AF03] und [Tar07] verwiesen.
6.13 Die R¨ aume H s,p und N s,p als Interpolationsr¨ aume Mit der im letzten Abschnitt vorgestellten Theorie k¨onnen wir die gebrochenen Sobolev-R¨aume als Interpolation von ganzzahigen R¨aumen charakterisieren. Wir beginnen mit einem n¨ utzlichen Lemma 6.46 (Hardysche Ungleichung). Sei 1 ≤ p ≤ ∞ und α < 1. Ist Rt tα−1/p u ∈ Lp( + ), so gilt f¨ ur v(t) = 1t 0 u(s) ds, daß tα−1/p v ∈ Lp ( + ) und ktα−1/p vkp,
+
≤
1 ktα−1/p ukp, 1−α
+
Rt Beweis. F¨ ur p = ∞ gilt |u(t)| ≤ Kt−α und damit |v(t)| ≤ K 0 s−α ds/t ≤ Kt−α /(1 − α). Sei nun 1 ≤ p < ∞. C0∞ ( + ) ist dicht im Raum der Funktionen mit α−1/p t u ∈ Lp( + ). F¨ ur u ∈ C0∞ ( + ) verschwindet v in Umgebung von 0 und ist c/t f¨ ur große t. Ferner gilt die Differentialgleichung tv ′ (t) + v(t) = u(t).
(6.23)
Wegen tα v → 0 f¨ ur t → ∞ k¨ onnen wir auf folgende Art partiell integrieren Z ∞ Z Z ∞ 1 ∞ αp d p ′ αp−1 p−2 tv t |v| v dt = t |v| dt = −α tαp−1 |v|p dt. p 0 dt 0 0 Wir multiplizieren (6.23) mit tαp−1 |v|p−2 v, integrieren und wenden die letzte Identit¨at an, Z ∞ Z ∞ (1 − α) tαp−1 |v|p dt = tα(p−1) t−(p−1)/p |v|p−1 · tα t−1/p u dt 0
0
≤ ktα−1/p vkp−1 ktα−1/p ukp , p wobei zum Schluß die H¨ oldersche Ungleichung verwendet wurde.
⊓ ⊔
n Satz 6.47. Sei Ω ⊂ ein beschr¨ anktes Lipschitzgebiet. Dann gilt p 1,p s,p (L (Ω), H (Ω))s,p = H (Ω) f¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ und 0 < s < 1.
6.13 Die R¨ aume H s,p und N s,p als Interpolationsr¨ aume
139
Beweis. Wir beginnen mit 1 ≤ p < ∞ und zeigen die Absch¨atzungen kuks,p;Ω ≤ ckuk(Lp(Ω),H 1,p (Ω))s,p sowie kuk(Lp (Ω),H 1,p (Ω))s,p ≤ ckuks,p;Ω . In beiden Beweisteilen verwenden wir den Fortsetzungsoperator E mit E : H k,p (Ω) → H k,p ( n ), k = 0, 1, (Satz 6.10) und E : H s,p (Ω) → H s,p ( n ), 0 < s < 1, (Satz 6.38). Eu besitzt kompakten Tr¨ager. Aus der Poincar´eUngleichung bzw. der Definition der gebrochenen Sobolev-Norm folgt daher kEuk1,p ≤ ckDEukp,
kEuks,p ≤ c|Eu|s,p
(6.24)
Sei u ∈ (Lp (Ω), H 1,p (Ω))s,p und u = u0 + u1 mit u0 ∈ Lp und u1 ∈ H 1,p . u0 und u1 werden mit dem Fortsetzungsoperator E aus Satz 6.10 stetig nach Lp ( n ) beziehungsweise H 1,p ( n ) fortgesetzt. Aus dem Mittelwertsatz und der H¨olderschen Ungleichung folgt Z Z 1 p p kEu − Eu(· − yk = DEu(x − ty) · y dt dx 0
≤
Z
0
1Z
|DEu(x − ty)|p |y|p dx dt = |y|p kDEukpp
und daher kEu − Eu(· − y)kp ≤ kEu0 − Eu0 (· − y)kp + kEu1 − Eu1 (· − y)kp ≤ 2kEu0 kp + |y| kDEu1 kp ≤ c1 (ku0 kp;Ω + |y| ku1k1,p;Ω ). Nach Definition von K(u, t) k¨ onnen u0 und u1 so gew¨ahlt werden, daß kEu − Eu(· − y)kp ≤ 2c1 K(u, |y|). ¨ Mit dieser Absch¨atzung und Ubergang zu Polarkoordinaten folgt dann Z kEu − Eu(· − y)kpp kukps,p;Ω ≤ c|Eu|ps,p = c dy |y|sp+n Z Z ∞ K(u, |y|)p K(u, r)p ≤c dy = cω dr = ckukp(Lp ,H 1,p )s,p , n−1 sp+n sp+1 |y| r 0 wobei ωn−1 das Maß der Einheitssph¨ are S n−1 bezeichnet. s,p Sei nun umgekehrt u ∈ H (Ω) f¨ ur 1 ≤ p < ∞. Mit Satz 6.38 wird u stetig fortgesetzt zu Eu ∈ H s,p ( n ). Mit F (z) = kEu − Eu(· − z)kp f¨ ur z ∈ n gilt Z Z Z |Eu(x) − Eu(y)|p F (z)p p |Eu|s,p = dx dy = dz (6.25) |x − y|sp+n |z|sp+n Sei F (y) der Mittelwert von F u are |y| = r, also ¨ber der Sph¨ Z 1 F (y) = n−1 F (y) dσ. r ωn−1 |y|=r
140
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
Mit Eu = (Eu − Jε ∗ Eu)) + Jε ∗ Eu = u0 + u1 gilt u0 ∈ Lp und u1 ∈ H 1,p . Mit der kontinuierlichen Minkowski-Ungleichung 4.34 folgt Z Z kEu−Jε ∗ Eukp ≤ Jε (y)kEu − Eu(· − ykp dy = Jε (y)F (y) dy ≤
c εn
Z
F (y) dy = |y| 0 sei s = m+σ mit m ∈ 0 und 0 < σ ≤ 1. F¨ ur 1 ≤ p < ∞ definieren wir den Nikolski-Raum N s,p (Ω) als Raum der Funktionen u ∈ H m,p (Ω) mit endlicher Norm Z X |Dα u(x + y) − Dα u(x)|p p p kukN s,p(Ω) = kukm,p;Ω + sup dx, |y|σp y∈ n Ωy |α|=m
wobei Ωy aus den Punkten x ∈ Ω besteht mit x, x + y ∈ Ω. Mit Satz 5.22 gilt N m+1,p (Ω) = H m+1,p (Ω) f¨ ur 1 < p < ∞. F¨ ur nichtganzzahliges s wird der s,p Raum N s,p auch als Besov-Raum B∞ bezeichnet. Ist u ∈ N s,p (Ω), 0 < s < 1, 1 ≤ p < ∞, so gilt f¨ ur Ω0 ⊂⊂ Ω und gen¨ ugend kleine y ku(· + y) − ukp;Ω0 ≤ c|y|s . (6.26) Hieraus erhalten wir die Fehlerabsch¨ atzung f¨ ur den Mollifier ku − Jε ∗ ukp;Ω0 ≤ cεs ,
(6.27)
142
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
weil wie im Beweis zuvor aus der kontinuierlichen Minkowski-Ungleichung 4.34 folgt Z ku−Jε ∗ ukp;Ω0 ≤ Jε (y)ku − u(· − y)kp;Ω0 dy ≤ sup ku − u(· − ykp ≤ cεs . |y| 0 Z 1−y |u(x + y) − u(x)|2 dx = y, −1
daher u ∈ N 1/2,2 im Gegensatz zu u ∈ / H 1/2,2 wie Beispiel 6.33 zeigt. n Satz 6.49. Sei Ω ⊂ ein beschr¨ anktes Lipschitzgebiet. Dann gilt p 1,p s,p (L (Ω), H (Ω))s,∞ = N (Ω) f¨ ur 1 ≤ p < ∞ und 0 < s < 1.
Beweis. Der Beweis des Fortsetzungssatzes 6.38 u ¨bertr¨agt sich problemlos auf die R¨aume N s,p . Ansonsten verf¨ ahrt man genauso wie im Beweis von Satz 6.47. ⊓ ⊔ Wegen Satz 6.44 gilt H s,p → N s,p . Umgekehrt haben wir f¨ ur jedes ε > 0 die Einbettung N s,p → H s−ε,p wegen Z Z |u(x + y) − u(x)|p p |u|s−ε,p;Ω = dy dx |y|n+(s−ε)p Ω x+y∈Ω Z Z |u(x + y) − u(x)|p ≤ sup dx |y|−n+εp dy ≤ ckukpN s,p(Ω) . sp |y| y Ωy |y| 2 richtig ist. 6.2. (3) Sei n = 1, Ω = (−1, 1). Sei H01,2,α (Ω) die Vervollst¨ andigung von C0∞ (Ω) bez¨ uglich der Norm Z 1 kuk21,2,α = |x|α |u′ |2 dx. −1
Dann existiert die Einbettung f¨ ur α ≥ 1.
H01,2,α (Ω)
→ C 0 (Ω) f¨ ur 0 ≤ α < 1, sie existiert nicht
Aufgaben
143
6.3. (3) a) Beweisen Sie die Einbettung H0n,1 (Ω) → C 0 (Ω), wozu der Nachweis von ∀u ∈ C0∞ (
kuk∞ ≤ kukn,1
n
)
ausreichend ist. b) Skizzieren Sie auch den Beweis der Einbettung H 2,1 (Ω) → C 0 (Ω) f¨ ur ein ebenes Gebiet, das die Kegeleigenschaft besitzt. 6.4. (2) Sei Ω ein Lipschitzgebiet und 1 ≤ p < ∞. Dann ist die Norm ` ´1/p kuk′m,p = kDm ukpp + kukpp
zur Norm in H m,p ¨ aquivalent. Hinweis: Man verwende Satz 6.19.
6.5. (3) Zeigen Sie, daß in der Poincar´e-Ungleichung kuk2;Ω ≤ cp kDuk2;Ω
f¨ ur alle u ∈ H 1,2 (Ω) mit
Z
u dx = 0
Ω
die optimale Konstante cp = cp (Ω) beliebig groß werden kann, wenn das Gebiet Ω nur vorgegebenen Durchmesser hat. Anders ausgedr¨ uckt: KonstruierenR Sie zu k ∈ ein ebenes Gebiet Ωk ⊂ B1 (0) und eine Funktion uk ∈ H 1,2 (Ωk ) mit Ω uk dx = 0 k und kuk k2;Ωk ≥ kkDuk k2;Ωk . 6.6. (3) Zeigen Sie, daß die Poincar´e-Ungleichung ∀u ∈ H 1,2 (Ω)
kuk2;Ω ≤ cp kDuk2;Ω f¨ ur Ω =
n
nicht gilt.
6.7. (3) Sei m ∈ und 1 ≤ p < ∞. Beweisen Sie: m,p a) Zu u ∈ H (Ω) gibt es ein eindeutig bestimmtes Polynom p ∈ Z Z Dα u dx = Dα p dx ∀|α| ≤ m − 1. Ω
m−1
mit
Ω
b) Lemma (Bramble-Hilbert). Ist F ein stetiges lineares Funktional auf H m,p (Ω), also |F (u)| ≤ ckukm,p;Ω , f¨ ur das zus¨ atzlich gilt
F (p) = 0 so
∀p ∈
|F (u)| ≤ ckDm ukp;Ω
m−1 ,
∀u ∈ H m,p (Ω).
Hinweis: Zum Beweis von b) verwenden Sie Teil a) und die Poincar´e-Ungleichung.
144
6 Fortsetzungs- und Einbettungss¨ atze f¨ ur Sobolev-Funktionen
6.8. Sei Λ ⊂ n konvex und kompakt. F¨ ur St¨ utzpunkte“ x1 , . . . , xk ∈ Λ und ” Gewichte“ ω1 , . . . , ωk ∈ heißt ” IΛ (u) = µ(Λ)
k X
ωi u(xi )
i=1
Kubaturformel. IΛ heißt von der Ordnung m ∈ 0 , wenn Z p dx = IΛ (p) ∀p ∈ m . Λ
a) (1) Man beweise, daß f¨ ur beliebiges Λ die Formel k = 1,
x1 = Schwerpunkt,
ω1 = 1,
von der Ordnung m = 1 ist. b) (1) Ist Λ ein ebenes Dreieck, so zeige man, daß die Formel k = 3,
xi = Eckpunkte des Dreiecks,
ωi =
1 , 3
ebenfalls von der Ordnung m = 1 ist. c) (3) Sei Λh ein Dreieck, das in einem Kreis vom Radius h enthalten ist und einen Kreis vom Radius cR h enth¨ alt. Man zeige, daß f¨ ur eine Formel der Ordnung 1 gilt Z ˛ ˛ ˛ (∗) u dx − IΛh (u)˛ ≤ ch2 kD2 uk1;Λh , Λh
wobei die Konstante c von cR , aber nicht von Λh abh¨ angt. Hinweis und Bemerkung: Man beweise (∗) zun¨ achst f¨ ur h = 1 mit Hilfe der SobolevUngleichung aus Aufgabe 6.3b) sowie des Bramble-Hilbert-Lemmas aus Aufgabe 6.7. Eine auf einem ebenen Polygongebiet definierte Funktion l¨ aßt sich numerisch integrieren, indem man auf jedem Dreieck einer entsprechenden Zerlegung des Gebiets die Kubaturformel anwendet. Es gilt dann mit (∗) Z X ˛ ˛ ˛ u dx − IΛh (u)˛ ≤ ch2 kD2 uk1;Ω . Ω
Λh
Nat¨ urlich lassen sich mit Formeln h¨ oherer Ordnung bei entsprechender Glattheit von u bessere Konvergenzordnungen erzielen. 6.9. (3) Man zeige, daß auf H0m,2 (Ω) die Norm kuk∗m,2 =
n `X i=1
m kDi,...,i uk22
´1/2
zur k · km,2 -Norm ¨ aquivalent ist. 6.10. (4) F¨ ur Ω = B1 (0) ⊂
2
gilt
H01,2 (Ω) = H01,2 (Ω \ {0}).
Aufgaben
145
6.11. (3) Konstruieren Sie ein u ∈ C ∞ (0, 1), so daß das Funktional Z 1 Lu (φ) = uφ dx, φ ∈ C0∞ (0, 1), 0
in keinem Raum H
−m,2
(0, 1) liegt f¨ ur alle m ∈
.
6.12. (3) Sei γ ⊂⊂ Ω eine Linie. F¨ ur welche m = m(n) ist das Funktional Z Lγ (φ) = φ dτ γ
im Raum H −m,2 (Ω)? 6.13. (3) Man stelle im Fall n = 1, Ω = (−1, 1), das Funktional δ0′ (v) = v ′ (0) durch ein u ∈ H02,2 (Ω) dar. 6.14. (3) Sei lp ( ) der Raum der Folgen (a(i))i∈ mit endlicher Norm kaklp ( ) = `P ´ p 1/p . Zeigen Sie, daß u genau dann im Raum (X0 , X1 )θ,p liegt, wenn i∈ |a(i)| a(i) = e−iθ K(u, ei ) ∈ lp ( ), und daß die Norm kaklp ( ) zur Norm in (X0 , X1 )θ,p aquivalent ist. ¨ 6.15. (3) Seien X0 , X1 wie in Definition 6.43 und sei X ein Banach-Raum mit X0 ∩ X1 ⊂ X. Wir sagen, X hat die Interpolationseigenschaft bez¨ uglich (X0 , X1 ), wenn es ein 0 < θ < 1 gibt mit kukX ≤ kuk1−θ kukθ1 0
f¨ ur alle u ∈ X0 ∩ X1 .
Man zeige, daß (X0 , X1 )θ,p f¨ ur alle 0 < θ < 1 und 1 ≤ p ≤ ∞ die Interpolationseigenschaft besitzt. 6.16. (4) Sei φ auf dem Gebiet Ω ⊂ n meßbar mit φ > 0 fast u ¨ berall. L2φ (Ω) ist der Raum der meßbaren Funktionen u mit endlicher Norm “Z ”1/2 kuk2,φ;Ω = |u|2 φ dx . Ω
Man zeige, daß
(L2φ , L2ψ )θ,2
=
L2φ1−θ ψθ
f¨ ur 0 < θ < 1.
7 Elliptische Differentialgleichungen
In diesem Kapitel ist Ω immer ein beschr¨ anktes Gebiet des tionenr¨aume sind reell.
n
und alle Funk-
7.1 Starke und schwache L¨ osungen der Poisson-Gleichung Im ersten Randwertproblem der Poisson-Gleichung suchen wir eine Funktion u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω) mit −∆u = f in Ω,
u = g auf ∂Ω, (7.1) Pn 2 wobei f, g vorgegebene Funktionen sind und ∆ = i=1 Dii den LaplaceOperator bezeichnet. Die L¨ osung u muß die Differentialgleichung in jedem Punkt von Ω erf¨ ullen und die Randwerte g stetig annehmen. Ein solches u nennt man dann klassische L¨osung. Die Poisson-Gleichung kommt in allen Natur- und Ingenieurwissenschaften in unterschiedlichen Zusammenh¨ angen vor. Das einfachste Beispiel ist eine Membran, die im Gebiet Ω ⊂ 2 lokalisiert ist. u ist die Auslenkung dieser Membran, wenn eine Kraft f, z.B. die Schwerkraft, auf diese wirkt. Die Randvorgabe u = g bedeutet, daß die Membran am Rande eingespannt ist. Ein weiteres Beispiel ist die station¨ are Temperaturverteilung u im K¨orper Ω, f ist eine Energiequelle und g die vorgegebene Randtemperatur. In beiden F¨allen h¨angt die Gleichung von einer Materialkonstanten ab, die sich in (7.1) in der rechten Seite befindet. Es muß nicht immer eine solche klassische L¨osung von (7.1) geben. Da in dieser Problemstellung die Funktionalanalysis nicht greift, wird das Konzept der schwachen L¨ osung eingef¨ uhrt. Sei zun¨achst g = 0 auf ∂Ω, die inhomogene Randbedingung wird sp¨ ater behandelt. Wir multiplizieren (7.1) mit v ∈ C0∞ (Ω) und f¨ uhren eine partielle Integration durch, (Du, Dv) = (f, v) ∀v ∈ C0∞ (Ω). M. Dobrowolski, Angewandte Funktionalanalysis, Springer-Lehrbuch Masterclass, 2nd ed., DOI 10.1007/978-3-642-15269-6_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
148
7 Elliptische Differentialgleichungen
In dieser Darstellung braucht u nur einmal (schwach) differenzierbar zu sein. Sei f ∈ L2 (Ω). Ferner soll sich die klassische L¨osung auch im Raum H01,2 (Ω) befinden. Dann k¨ onnen wir das auf C0∞ (Ω) definierte und in H 1,2 (Ω) beschr¨ankte Funktional l(v) = (Du, Dv) − (f, v) nach Satz 2.14 eindeutig auf H01,2 (Ω) fortsetzen. Die schwache L¨ osung von Problem (7.1) ist daher folgendermaßen definiert: Gesucht ist u ∈ H01,2 (Ω) mit (Du, Dv) = (f, v) ∀v ∈ H01,2 (Ω).
(7.2)
Liegt die schwache L¨ osung umgekehrt auch im Raum C 2 (Ω)∩C(Ω), was unter zus¨atzlichen Bedingungen an die Daten des Problems (rechte Seite, Rand des Gebiets) sp¨ater bewiesen wird, so ist sie auch eine klassische. Wir k¨onnen n¨amlich in (7.2) partiell integrieren und erhalten aus dem Fundamentallemma der Variationsrechnung gerade (7.1). Existenz und Eindeutigkeit der schwachen L¨osung wird mit dem Rieszschen Darstellungssatz 2.25 bewiesen. Da aufgrund der Poincar´e-Ungleichung die Norm kD ·k2 zur vollen Norm k·k1,2 ¨ aquivalent ist, kann H01,2 (Ω) auch mit dem inneren Produkt (D·, D·) versehen werden. Im Rieszschen Darstellungssatz setzen wir daher (X, (·, ·)) = (H01,2 (Ω), (D·, D·)). Ferner ist f (v) = (f, v) ein stetiges lineares Funktional wegen f ∈ L2 und |f (v)| ≤ kf k2kvk2 ≤ cP kf k2 kDvk2 . Damit existiert eine eindeutige schwache L¨ osung, die zudem L¨osung des Minimierungsproblems Z 1 F (v) = |Dv|2 − f v dx → Min Ω 2
ist. Tats¨achlich werden Differentialgleichungen h¨aufig aus solchen Variations” prinzipien“ hergeleitet. Legen wir Modell die Auslenkung R als physikalisches R einer Membran zugrunde, so ist |Dv|2 dx/2 die innere Energie und f v dx (=Kraft×Weg) die potentielle Energie der Membran. Wie so oft in der Physik wird der Zustand angenommen, der die Energiebilanz minimiert. Die inhomogene Randbedingung u = g auf ∂Ω behandelt man, indem man voraussetzt, daß es eine Funktion g˜ ∈ H 1,2 (Ω) mit Randwert g gibt (siehe Abschnitt 9.4). Man bestimmt u0 ∈ H01,2 (Ω) mit (Du0 , Dv) = (f, v) − (D˜ g , Dv) f¨ ur alle v ∈ H01,2 (Ω). u = u0 + g˜ ist dann die schwache L¨osung des inhomogenen Problems. Was geschieht, wenn an einem Randst¨ uck ΓN gar keine Randbedingung gestellt wird? Im Beispiel der Membran kann man zumindest an einem Teilst¨ uck des Randes die Membran sich frei bewegen lassen. Im Fall der Temperaturverteilung in einem K¨ orper gibt es im Vakuum ebenfalls keine vorgeschriebene Randbedingung. Generell reicht die Differentialgleichung als Modell bei freien Randbedingungen nicht aus: Man ben¨ otigt ein Variationsprinzip oder die schwache Formulierung. In dieser Hinsicht ist der schwache L¨osungsbegriff ad¨aquater zur Modellierung von Naturvorg¨ angen als der klassische.
7.1 Starke und schwache L¨ osungen der Poisson-Gleichung
149
Wir untersuchen den Fall, daß nur an einem Teilst¨ uck des Randes ΓD die Randbedingung u = 0 gestellt wird, der restliche Rand ΓN = ∂Ω \ ΓD 1,2 bleibt frei. Als Grundraum w¨ ahlen wir H0,Γ (Ω), der in Abschnitt 6.7 als D ∞ 1,2 Abschluß von C0,Γ (Ω) in H (Ω) definiert ist. Setzen wir nun noch voraus, D 1,2 1,2 daß in H0,ΓD die Poincar´e-Ungleichung 6.21 gilt, so ist (H0,Γ , (D·, D·)) ein D 1,2 Hilbert-Raum. Die zugeh¨ orige schwache L¨ osung u ∈ H0,Γ mit D 1,2 (Du, Dv) = (f, v) ∀v ∈ H0,Γ D
(7.3)
ist nach dem Rieszschen Darstellungssatz eindeutig bestimmt. Wir nehmen an, daß diese L¨osung auch im Raum C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω) liegt. Testen von (7.3) mit φ ∈ C0∞ liefert wieder −∆u = f in Ω. Nun testen wir (7.3) ein zweites ∞ Mal mit φ ∈ C0,Γ und erhalten nach partieller Integration D Z
Ω
f φ dx =
Z
Ω
DuDφ dx = −
Z
∆uφ +
Ω
Z
νDuφ dx,
∂Ω
wobei ν = ν(x), x ∈ ∂Ω, den nach außen gerichteten Normaleneinheitsvektor bezeichnet. Wegen −∆u = f gilt daher Z ∞ νDuφ dx = 0 ∀φ ∈ C0,Γ . D ∂Ω
Aus einer Variante des Fundamentallemmas der Variationsrechnung folgt auf glatten Teilst¨ ucken von ΓN die nat¨ urliche Randbedingung Dν u = 0. Im Gegensatz zur erzwungenen“ Randbedingung auf ΓD ist die nat¨ urliche Rand” bedingung implizit in der schwachen Formulierung enthalten und kann nur unter zus¨atzlichen Voraussetzungen (u ∈ C 1 (Ω), ΓN glatt) in starker Form geschrieben werden. (7.3) ist die schwache Form des gemischten Randwertproblems der Poisson-Gleichung −∆u = f in Ω,
u = 0 auf ΓD ,
Dν u = 0 auf ΓN .
Man bezeichnet das erste Randwertproblem auch als Dirichlet-Problem, ΓD entsprechend als Dirichlet-Rand, das zweite Randwertproblem (ΓN = ∂Ω) heißt auch Neumann-Problem, ΓN demnach Neumann-Rand. Das schwache L¨ osungskonzept ist uns bereits in Satz 6.29 begegnet. F¨ ur m = 1 wird jedes f ∈ H −1,2 (Ω) dargestellt durch u ∈ H01,2 (Ω) mit (Du, Dv) = f (v). Damit ist −∆ : H01,2 (Ω) → H −1,2 (Ω) ein isometrischer Isomorphismus, wenn man H01,2 mit der Norm kD · k2 versieht.
150
7 Elliptische Differentialgleichungen
7.2 Existenz von L¨ osungen elliptischer Differentialgleichungen Wir betrachten den Differentialoperator Lu = −Di (aij Dj u) + bi Di u + cu
(7.4)
mit beschr¨ankten und meßbaren Koeffizientenfunktionen aij , bi , c. Hier und im folgenden verwenden wir die Summenkonvention, u ¨ber zweifach auftretende kleine lateinische Indizes wird von 1 bis n summiert. Definition 7.1. L heißt gleichm¨ aßig elliptisch, wenn es eine Konstante λ > 0 gibt mit λ|ξ|2 ≤ aij ξi ξj ∀ξ ∈ n . (7.5) Der Laplace-Operator −∆ ist offenbar gleichm¨aßig elliptisch. Wir ordnen dem Problem eine Bilinearform zu durch Z a(u, v) = aij Dj uDi v + bi Di uv + cuv dx. (7.6) Ω
1,2 Wie im vorigen Abschnitt ist ΓD , ΓN eine Partition des Randes und H0,Γ (Ω) D ∞ 1,2 der Abschluß von C0,ΓD (Ω) in H (Ω). Es wird vorausgesetzt, daß die Poin1,2 car´e-Ungleichung 6.21 in H0,Γ (Ω) gilt. D 1,2 Gesucht ist u ∈ H0,ΓD (Ω) mit 1,2 a(u, v) = (f, v) ∀v ∈ H0,Γ (Ω). D
(7.7)
Bei einer klassischen L¨ osung und gen¨ ugend glatten Daten entspricht dies dem Randwertproblem Lu = f in Ω,
u = 0 auf ΓD ,
νi aij Dj u = 0 auf ΓN .
Es hat sich aber eingeb¨ urgert, auch im Fall unstetiger aij die Gleichung in dieser Form zu schreiben, manchmal mit dem Zusatz in schwacher Form“. ” Wir wollen (7.7) mit Hilfe des Satzes von Lax-Milgram 2.29, Anmerkung 1,2 2.30(i), l¨osen und setzen daher in der abstrakten Theorie X = H0,Γ (Ω), D 1,2 versehen mit dem Skalarprodukt von H (Ω), (u, v)1 = (u, v) + (Du, Dv), sowie f (v) = (f, v). Um die Voraussetzungen des Satzes von Lax-Milgram zu erf¨ ullen, ist folgendes zu zeigen: 1,2 1. (f, ·) ist ein stetiges lineares Funktional auf H0,Γ (Ω), D 2. Die Bilinearform a(·, ·) ist beschr¨ ankt und koerziv, d.h. es gibt positive Konstanten cb , ce mit
7.2 Existenz von L¨ osungen elliptischer Differentialgleichungen
|a(u, v)| ≤ cb kuk1,2 kvk1,2
151
1,2 ∀u, v ∈ H0,Γ (Ω), D
1,2 ce kuk21,2 ≤ a(u, u) ∀u ∈ H0,Γ (Ω). D
(f, ·) ist f¨ ur f ∈ L2 (Ω) ein stetiges lineares Funktional wegen der CauchyUngleichung |(f, v)| ≤ kf k2 kvk2 ≤ kf k2 kvk1,2 . Die Beschr¨anktheit der Bilinearform a(·, ·) folgt aus der Beschr¨anktheit der Koeffizientenfunktionen, Z |a(u, v)| ≤ |aij Dj uDi v| + |bi Di uv| + |cuv| dx Ω
≤ n2 max kaij k∞ kDuk2 kDvk2 + n max kbi k∞ kDuk2 kvk2 + kck∞ kuk2 kvk2 i,j≤n
i≤n
≤ c kuk1,2kvk1,2 . Offenbar k¨onnen die Bedingungen an bi , c noch abgeschw¨acht werden, wenn man die Sobolev-Ungleichung, Satz 6.11, f¨ ur u und v anwendet (siehe Aufgabe 7.4). Zum Nachweis der Koerzivit¨ at der Form a(·, ·) setzen wir in der Definition der Elliptizit¨at ξ = Du und erhalten nach Integration Z 2 λkDuk2 ≤ aij Dj uDi u dx. (7.8) Ω
Nach den bisherigen Voraussetzungen ist aij Dj uDi v der einzige definite“ ” Term der Differentialgleichung. Der Nachweis der Koerzivit¨at kann nur gelingen, wenn die Koeffizientenfunktionen bi , c gen¨ ugend klein sind oder eine Vorzeichenbedingung erf¨ ullen. Mit (7.8) und der Poincar´e-Ungleichung 6.21 erhalten wir bei kleinen Koeffizienten Z a(u, u) ≥ λkDuk22 + bi Di uu + cu2 dx Ω
≥ λkDuk22 − n max kbi k∞ kDuk2 kuk2 − kck∞kuk22 i≤n
≥ λkDuk22 − ncP max kbik∞ kDuk22 − c2P kck∞kDuk22 . i≤n
Wenn also ncP max kbi k∞ + c2P kck∞ < λ, i≤n
(7.9)
so ist die Form a(·, ·) koerziv. Statt (7.9) kann man auch die Bedingung Z n o 1 1,1 bi Di v + cv dx ≥ 0 f¨ ur alle v ∈ H0,Γ (Ω) mit v ≥ 0, (7.10) D 2 Ω
152
7 Elliptische Differentialgleichungen
verwenden. Im Fall ΓD = ∂Ω und glatten bi ist dies ¨aquivalent zu − 12 Di bi +c ≥ 0. Es gilt dann Z n o 1 a(u, u) ≥ λkDuk22 + bi Di (u)2 + cu2 dx ≥ λkDuk22 . 2 Ω Insgesamt haben wir bewiesen: 1,2 Satz 7.2. In H0,Γ (Ω) sei die Poincar´e-Ungleichung 6.21 erf¨ ullt. Ferner sei D f ∈ L2 (Ω) und der Operator L gleichm¨ aßig elliptisch mit beschr¨ ankten Koeffizienten. Ist eine der Bedingungen (7.9) oder (7.10) erf¨ ullt, so besitzt die schwache Formulierung (7.7) genau eine L¨osung.
Nat¨ urlich kann man im Falle der Bedingung (7.9) sorgf¨altiger absch¨atzen, ebenso kann (7.10) abgeschw¨ acht werden, aber eine Bedingung an c ist wirklich erforderlich, wie schon der eindimensionale Fall −u′′ − u = 0 in (0, π), u(0) = u(π) = 0, mit L¨ osung u(x) = c sin x zeigt. Dagegen wird eine Kleinheitsbedingung an bi oder eine Vorzeichenbedingung an Di bi zwar in vielen Arbeiten verlangt, sie ist aber bei glatten Daten unn¨otig, wie sp¨ater in Beispiel 8.38 gezeigt wird. Im Spezialfall bi = 0, aij = aji und c ≥ 0 kann man den Existenzbeweis auch mit dem Rieszschen Darstellungssatz f¨ uhren, denn dann gilt a(u, v) = 1,2 a(v, u) und a(·, ·) ist ein zu (·, ·)1 ¨ aquivalentes Skalarprodukt auf H0,Γ (Ω). D Die L¨osung l¨aßt sich hier variationell charakterisieren durch Z 1,2 F (v) = aij Dj vDi v + cv 2 − 2f v dx → Min in H0,Γ (Ω). D Ω
7.3 Die Differenzenquotienten-Technik In diesem Abschnitt studieren wir die schwachen L¨osungen u ∈ H01,2 (Ω) von ∀v ∈ H01,2 (Ω)
a(u, v) = (f, v)
(7.11)
mit der Bilinearform a(·, ·) wie in (7.6). Satz 7.3 (Innere Regularit¨ at). Der Operator L in (7.4) sei gleichm¨ aßig elliptisch und f¨ ur die Koeffizienten gelte aij ∈ C 1 (Ω), bi , c ∈ L∞ (Ω). Ferner sei u ∈ H01,2 (Ω) eine L¨ osung von (7.11). Dann ist u ∈ H 2,2 (Ω0 ) f¨ ur jedes Ω0 ⊂⊂ Ω und kuk2,2;Ω0 ≤ c kf k2;Ω + kuk1,2;Ω . (7.12) Beweis. F¨ ur den Hauptteil von a
a0 (u, v) = gilt
Z
aij Dj uDi v dx Ω
7.3 Die Differenzenquotienten-Technik
a0 (u, v) = (g, v) ∀v ∈ H01,2 (Ω)
153
(7.13)
mit g = f − bi Di u − cu ∈ L2 (Ω),
kgk2;Ω ≤ kf k2;Ω + ckuk1,2;Ω .
Wir verwenden den vorw¨ arts- und r¨ uckw¨ artsgenommenen Differenzenquotienten Dk+h , Dk−h aus Abschnitt 5.5. F¨ ur eine Abschneidefunktion τ ∈ C0∞ (Ω) mit τ = 1 in Ω0 , Ω1 = supp(τ ) ⊂⊂ Ω, setzen wir v = Dk−h (τ 2 Dk+h u) ∈ H01,2 (Ω) in (7.13) ein und erhalten mit partieller Summation, Lemma 5.21, Z Dk+h (aij Dj u)Di (τ 2 Dk+h u) dx = −(g, Dk−h (τ 2 Dk+h u)). Ω
Mit der Produktregel und ihrem diskreten Gegenst¨ uck, Dk+h (vw)(x) = v(x + hek )Dk+h w(x) + Dk+h v(x)w(x), das man leicht nachrechnet, sowie kaij k1,∞;Ω1 ≤ c folgt Z aij (x + hek )Dk+h Dj uτ 2 Dk+h Di u dx Ω
= − g, Dk−h (τ 2 Dk+h u) − Dk+ aij Dj u, Di (τ 2 Dk+h u) − 2 aij (· + hek )Dk+h Dj uτ, Di τ Dk+h u
≤ kgk2 kDk−h (τ 2 Dk+h u)k2 + ckDuk2 kD(τ 2 Dk+h u)k2 + ckτ Dk+h Duk2 kDτ Dk+h uk2 . Mit kDk±h vk2;Ω1 ≤ kDk vk2 aus Lemma 5.22(a) sowie kDτ k∞ ≤ c, τ ≤ 1 und der Youngschen Ungleichung erhalten wir Z aij (x + hek )Dk+h Dj uτ 2 Dk+h Di u dx Ω
≤ kgk2kDk (τ 2 Dk+h u)k2 + ckDuk2 kDk uk2 + kτ DDk+h uk2 + ckτ Dk+h Duk2 kDk uk2
λ ≤ c(λ) kf k22 + kuk21,2 + kτ DDk+h uk22 . 2
Auf die linke Seite wird die gleichm¨ aßige Elliptizit¨at mit ξi = Dk+h Di u angewendet, Z λ τ 2 |Dk+h Du|2 dx ≤ c kf k22 + kuk21,2 . 2 Ω Die Behauptung folgt aus Satz 5.22(b).
⊓ ⊔
154
7 Elliptische Differentialgleichungen
Satz 7.3 gilt zwar f¨ ur beliebiges Ω0 ⊂⊂ Ω, aber die Konstante c in (7.12) h¨angt vom Abstand zwischen Ω0 und dem Rande von Ω ab. Der Satz stellt also nur ein lokales Resultat dar. Um Regularit¨ at bis zum Rande zu beweisen, wird ∂Ω ∈ C 2 vorausgesetzt. Die Beweisidee ist dann, den Rand lokal gerade zu biegen und anschließend ¨ahnlich zu verfahren wie beim Beweis der inneren Regularit¨at. Als kleine Vor¨ uberlegung weisen wir die Elliptizit¨ at der transformierten Gleichung nach. Seien U, V Gebiete und sei g : U → V ein C 2 -Diffeomorphismus, also g ∈ C 2 (U )n mit g bijektiv und det Dg 6= 0 in U . F¨ ur u ∈ H 1,2 (U ) setzen wir u(x) = u ˜(g(x)) und erhalten nach der Kettenregel mit y = g(x) und gk,i = Dxi gk , Dxi u(x) = Dyk u ˜(y)gk,i (x). Die Terme niederer Ordnung gehen daher in Terme niederer Ordnung u ¨ber. Der Hauptteil der Bilinearform transformiert sich mit Z Z aij Dj uDi v dx = aij Dl u˜gl,j Dk v˜gk,i | det Dg −1 | dy, U
V
daher a ˜lk = aij gk,i gl,j | det Dg −1 | mit
˜ 2, a ˜lk ξl ξk ≥ λ | det Dg −1 | |Dg T ξ|2 ≥ λ|ξ|
da Dg gleichm¨aßig regul¨ ar ist. Halten wir also fest: Ist g ∈ C 2 (U )n ein Diffeomorphismus, so transformiert sich ein elliptischer Operator zweiter Ordnung in einen elliptischen Operator zweiter Ordnung. Ist aij ∈ C 1 , so ist auch a ˜kl ∈ C 1 . Satz 7.4 (Regularit¨ at bis zum Rande). Seien die Voraussetzungen von Satz 7.3 erf¨ ullt. Zus¨ atzlich sei aij ∈ C 1 (Ω) und ∂Ω ∈ C 2 . Dann ist jede schwache L¨ osung u von (7.11) im Raum H 2,2 (Ω) mit kuk2,2;Ω ≤ c kf k2;Ω + kuk1,2;Ω .
Beweis. Sei U eine der Mengen U1 , . . . , UJ aus der Definition des C 2 -Randes wie in Satz 6.3(b). Dann gibt es einen Diffeomorphismus g : U → B1 (0) mit g ∈ C 2 (U )n und g|U∩Ω = B1+ (0), wobei B1+ (0) die obere Halbkugel von B1 (0) bezeichnet. Die bez¨ uglich g transformierte L¨ osung u ˜(y) = u(g −1 (y)) und der ˜ transformierte Operator L sind auf der oberen Halbkugel definiert. F¨ ur beliebiges 0 < α < 1 gibt es eine Abschneidefunktion τ bez¨ uglich (Bα (0), B1 (0)). Da u ˜ = 0 f¨ ur yn = 0, k¨ onnen wir einen Differenzenquotienten der Form v˜ = Dk− (τ 2 Dk+h u ˜) ∈ H01,2 (B1+ (0)) f¨ ur k 6= n in die schwache Formulierung einsetzen. Genauso wie im Beweis der inneren Regularit¨at kontrollieren wir 2 damit alle Ableitungen Dkl u ˜ f¨ ur (k, l) 6= (n, n). Aufgrund der Elliptizit¨at gilt ˜ a ˜nn ≥ λ, so daß
7.3 Die Differenzenquotienten-Technik 2 Dnn u ˜=−
1 a ˜nn
X
(k,l)6=(n,n)
155
2 a ˜kl Dkl u ˜ + a′ (˜ u, D˜ u) ∈ L2 (B1+ (0)),
wobei a′ die Terme niederer Ordnung enth¨ alt. Damit ist u ˜ ∈ H 2,2 (Bα+ (0)) und 2,2 damit auch u ∈ H (Ω) gezeigt. ⊓ ⊔ Mit dieser Technik lassen sich unter entsprechenden Voraussetzungen nichtlineare Gleichungen, Probleme mit Nebenbedingungen, Systeme und Gleichungen h¨oherer Ordnung behandeln. Vor allem der letzte Beweisschritt, also die 2 Aufl¨osung der Differentialgleichung nach Dnn u, wird in vielen F¨allen scheitern. Man kann diesen Schritt h¨ aufig durch ein Fortsetzungsargument ersetzen, wie es im Falle von Gleichungen h¨ oherer Ordnung in [Agm65] dargestellt ist. Mit gleichem Beweis erhalten wir f¨ ur ∂Ω ∈ C m , aij ∈ C m−1 (Ω), bi , c ∈ m−2 m,2 C (Ω), daß u ∈ H (Ω) mit kukm,2 ≤ c kf km−2,2 + kuk1,2 , m ≥ 2.
Die Voraussetzungen an die Koeffizienten k¨ onnen noch etwas abgeschw¨acht werden. Aufgrund des Einbettungssatzes 6.25 sind die L¨osungen elliptischer Gleichungen bei gen¨ ugend glatten Daten auch klassische L¨osungen, bei Daten in C ∞ ist auch die L¨ osung in C ∞ . Aus dem Beweis von Satz 7.4 geht hervor, daß Regularit¨at eine lokale Eigenschaft ist. Ist ein Teilst¨ uck Γ des Randes glatt, so ist die L¨osung in Umgebung eines jeden Γ0 ⊂⊂ Γ regul¨ ar. Beim reinen Neumann-Problem ΓN = ∂Ω wird die H 2,2 -Regularit¨at genauso bewiesen. Dagegen sind beim gemischten Randwertproblem auch bei glatten R¨andern keine L¨ osungen in H 2,2 (Ω) zu erwarten. Als Beispiel betrachten wir die Funktion u(r, φ) = r1/2 cos(φ/2) auf der oberen Halbebene. 2 Wegen ∆ = r−1 Dr (rDr ) + r−2 Dφφ gilt ∆u = 0. Im Nullpunkt wechselt die Randbedingung von Dirichlet (x1 < 0) zu Neumann (x1 > 0). Beispiel 7.5. Seien Ω0 , Ω glatt berandete Gebiete mit Ω0 ⊂⊂ Ω und sei Ω1 = Ω \ Ω 0 . Wir betrachten −div (a(x)Du) = f in schwacher Form mit a(x) = a0 in Ω0 und a(x) = a1 in Ω1 mit positiven Konstanten a0 , a1 . Obwohl der Koeffizient a unstetig ist, erh¨ alt man mit der DifferenzenquotientenTechnik ein vollst¨ andiges Bild von den Differenzierbarkeitseigenschaften der L¨osung. Zun¨achst beweist man die innere Regularit¨at in Ω0 und Ω1 . Ferner l¨aßt sich der innere Rand ∂Ω0 genauso behandeln wie im Nachweis der Rand regularit¨at, dies liefert u Ω0 ∈ H m,2 (Ω0 ), u Ω1 ∈ H m,2 (Ω1 ), wobei m von den 6.25 auch Daten abh¨angt. Sei m so groß, daß nach dem Einbettungssatz u Ω0 ∈ C 1 (Ω 0 ), u Ω1 ∈ C 1 (Ω 1 ) erf¨ ullt ist. Dann folgt f¨ ur φ ∈ C0∞ (Ω) aus der schwachen Gleichung mit partieller Integration
156
7 Elliptische Differentialgleichungen
(f, φ) =
Z
Z
a0 DuDφ dx +
Ω0
=−
a1 DuDφ dx
Ω1
Z
a∆uφ dx +
Ω
Z
a0 νDuφ dσ +
∂Ω0
Z
a1 νDuφ dσ.
∂Ω1
Wegen −a∆u = f und ν(∂Ω0 ) = −ν(∂Ω1 ) auf ∂Ω0 folgt hieraus wie bei der Herleitung der nat¨ urlichen Randbedingung die Sprungbedingung a0 Dν u0 = a1 Dν u1 auf ∂Ω0 , wobei mit Dui die Randwerte von Du auf Ωi bezeichnet werden. Man beachte, daß die Glattheit des inneren Randes wesentlich f¨ ur die ganze Argumentation ist. Besitzt er beispielsweise Knicke, so versagt die Technik und es l¨aßt sich zeigen, daß schon u Ω ∈ H 2,2 (Ω0 ) i.a. nicht mehr erf¨ ullt ist. 0
7.4 Regularit¨ at auf konvexen Gebieten Wir betrachten die Gleichung Lu = −Di (aDi u) = f in Ω,
u = 0 auf ∂Ω.
(7.14)
L sei gleichm¨aßig elliptisch, also 0 < a0 ≤ a(x) ≤ a1
in Ω.
Das Ziel dieses Abschnitts ist der Beweis von Satz 7.6. Sei Ω konvex, a ∈ H 1,p (Ω) mit p > n und f ∈ L2 (Ω). Dann ist die schwache L¨ osung u von (7.14) im Raum H 2,2 (Ω) mit kD2 uk2;Ω ≤ ckf k2;Ω
mit c = 1 f¨ ur L = −∆.
F¨ ur L 6= −∆ h¨ angt die Konstante c von a0 , kak1,p;Ω , µ(Ω), aber nicht von Ω ab. Da Regularit¨at eine lokale Eigenschaft ist, liegt die L¨osung von (7.14) im Raum H 2,2 , sofern das Gebiet st¨ uckweise glatt ist und keine einspringenden Ecken oder Kanten besitzt. Satz 7.6 l¨aßt sich auf den Operator L in (7.4) verallgemeinern. F¨ ur aij ∈ C 1 (Ω) gilt auf konvexen Gebieten f¨ ur schwache L¨osungen die Absch¨atzung kD 2 uk2;Ω ≤ c(kLuk2;Ω + kuk1,2;Ω ). Der Beweis ist aufwendig, siehe [Lad85, S. 64ff.]. Der Beweis von Satz 7.6 beruht auf einer Absch¨atzung f¨ ur den LaplaceOperator, die unabh¨ angig voneinander in [HS67], [Kad64] entdeckt wurde:
7.4 Regularit¨ at auf konvexen Gebieten
157
Lemma 7.7. Sei Ω ein konvexes Gebiet von der Klasse C 2 . Dann gilt f¨ ur alle u ∈ H 3,2 (Ω) ∩ H01,2 (Ω) kD2 uk2;Ω ≤ k∆uk2;Ω .
(7.15)
Beweis. Es gilt (Summenkonvention!) 2 2 2 2 2 2 Dii uDjj u − Dij uDij u = Di (Di uDjj u − Dj uDij u),
daher Z
Ω
|∆u|2 − |D2 u|2 dx =
Z
∂Ω
1 Dν u∆u − Dν |Du|2 dσ. 2
(7.16)
Nach Verschiebung und Rotation k¨ onnen wir ein Teilst¨ uck des Randes in der Form yn = h(y ′ ), y = (y ′ , yn ), |y ′ | < R,
darstellen, wobei h ∈ C 2 und h konkav ist mit h(0) = Dh(0) = 0. Wegen u = 0 auf ∂Ω erhalten wir mit impliziter Differentiation der Gleichung u(y ′ , h(y ′ )) = 0 f¨ ur i, j = 1, . . . , n − 1 2 2 2 2 2 Di u+Dn uDi h = 0, Dij u+Din uDj h+Dn uDij h+Di h(Dnj u+Dnn uDj h) = 0.
Wegen Di h(0) = 0 folgt aus der ersten Gleichung Di u(0, 0) = 0 und damit aus der zweiten 2 2 Dij u(0, 0) = −Dn u(0, 0)Dij h(0). F¨ ur den Integranden auf der rechten Seite von (7.16) gilt daher im Punkt (0, 0) 2 2 Dn uDii u − Di uDin u = Dn u
weil h konkav ist (siehe Satz A.3).
n−1 X i=1
2 Dii u = −(Dn u)2
n−1 X i=1
2 Dii h ≥ 0,
⊓ ⊔
Zum Beweis von Satz 7.6 approximieren wir Ω durch konvexe, glatt berandete Gebiete {Ωk } mit Ωk ⊂ Ωk+1 ⊂ Ω. Man kann solche Gebiete konstruieren, indem man den Nullpunkt innerhalb von Ω legt und eine Funktion φ: n→ definiert durch φ(0) = 0 und φ(x) = λ > 0 mit λ−1 x ∈ ∂Ω f¨ ur x 6= 0. Diese Funktion ist konvex mit Ω = {x : φ(x) ≤ 1}. Sei ε > 0. Mit φε = φ + ε gilt f¨ ur gen¨ ugend kleines η, daß Ωε,η = {x : Jη ∗ φε ≤ 1} ⊂ Ω. Die Konvexit¨at von Ωε,η folgt aus (t ∈ [0, 1]) Z Jη ∗ φε (tx1 + (1 − t) x2 ) = Jη (z)φε (t(x1 − z) + (1 − t)(x2 − z)) dz ≤t
Z
Jη (z)φε (x1 − z) dz + (1 − t)
Z
= tJη ∗ φε (x1 ) + (1 − t)Jη ∗ φε (x2 ).
Jη (z)φε (x2 − z) dz
158
7 Elliptische Differentialgleichungen
Sei zun¨achst a ∈ C 2 (Ω) und f ∈ H 1,2 (Ω). Sei uk ∈ H01,2 (Ωk ) die L¨osung von Z Z aDuk Dv dx = f v dx ∀v ∈ H01,2 (Ωk ). Ωk
Ωk
Nach Satz 7.2 ist diese L¨ osung eindeutig bestimmt mit kDuk k2;Ωk ≤ cP
a1 kf k2;Ωk ≤ c(a0 , a1 )kf k2;Ω , a0
(7.17)
wobei c(a0 , a1 ) nach der Poincar´e-Ungleichung 6.13 auch von µ(Ωk ) ≤ µ(Ω) abh¨ angt. Aufgrund der glatten Daten gilt nach dem letzten Abschnitt uk ∈ H 3,2 (Ωk ). Wir schreiben daher −∆uk =
1 (DaDuk + f ). a
Dies wird quadriert und integriert. Aus Lemma 7.7 folgt dann 1 1 kD 2 uk k2;Ωk ≤ k (DaDuk + f )k2;Ωk ≤ kak1,p;Ω kDuk kq;Ωk + kf k2;Ω . a a0
Mit Satz 6.19 gilt kDuk kq ≤ εkD2 uk k2 + c(ε)kDuk k2 , wegen (7.17) daher kD2 uk k2;Ωk ≤ c(a0 , kak1,p;Ω )kf k2;Ω .
(7.18)
Die Funktion uk wird durch Null zur Funktion u˜k fortgesetzt. Da C0∞ (Ωk ) ⊂ C0∞ (Ω), gilt u˜k ∈ H01,2 (Ω) mit kD˜ uk k2;Ω = kDuk k2;Ωk . Wegen (7.17) und der Poincar´e-Ungleichung ist k˜ uk k1,2;Ω beschr¨ankt und besitzt eine in H01,2 (Ω) schwach konvergente Teilfolge, die genauso bezeichnet wird, also u ˜k ⇁ u ∈ H01,2 (Ω). F¨ ur festes φ ∈ C0∞ (Ω) gilt f¨ ur gen¨ ugend große k Z Z (f, φ) = aD˜ uk Dφ dx → aDuDφ dx. Ω
Ω
Damit ist u schwache L¨ osung von Lu = f . Nach (7.18) ist auch kuk k2,2;Ωl f¨ ur k ≥ l beschr¨ ankt. Daher ist wieder f¨ ur eine Teilfolge uk ⇁ u′ in 2,2 H (Ω l ) erf¨ ullt. Aus der Definition der schwachen Konvergenz erschließt man u′ = u Ω . Wegen D 2 uk ⇁ D 2 u in L2 (Ωl ), folgt aus der schwachen Unterhalbl stetigkeit der Norm kD2 uk2;Ωl ≤ lim inf kD2 uk k2;Ωl ≤ c(a0 , kak1,p;Ω )kf k2;Ω . k→∞
Damit ist auchkD 2 uk2;Ω beschr¨ ankt. Nun zeigen wir die Behauptung f¨ ur a ∈ H 1,p (Ω) und f ∈ L2 (Ω). Seien ∞ 1,p ak , fk ∈ C (Ω) mit ak → a in H (Ω) und fk → f in L2 (Ω). Wegen ak → a in L∞ (Ω) sind die L¨ osungen uk ∈ H01,2 (Ω) von Z Z ak Duk Dφ dx = fk φ dx ∀φ ∈ H01,2 (Ω) Ω
Ω
7.5 Maximumprinzipien
159
in H 1,2 (Ω) beschr¨ ankt. Mit uk ⇁ u in H 1,2 (Ω) f¨ ur eine Teilfolge k¨onnen wir in dieser Gleichung zum Grenzwert k → ∞ u ¨ bergehen. Da die apriori-Absch¨atzungen nur von a0 , kak1,p und kf k2 abh¨angen, ist kD2 uk k2;Ω gleichm¨aßig beschr¨ ankt. Dies impliziert die Beschr¨anktheit von kD2 uk2;Ω und damit die Behauptung.
7.5 Maximumprinzipien Wir kehren zum Operator (7.4) mit Bilinearform Z a(u, v) = aij Dj uDi v + bi Di uv + cuv dx.
(7.19)
Ω
zur¨ uck.
Satz 7.8 (Inversmonotonie f¨ ur schwache L¨ osungen). Sei ΓD ⊂ ∂Ω. Ferner sei f¨ ur die Bilinearform in (7.19) die Bedingung a(u, u) ≥ µkuk21,2 , 1,2 µ > 0, f¨ ur alle u ∈ H0,Γ (Ω) erf¨ ullt (siehe Satz 7.2). Wenn f¨ ur u ∈ H 1,2 (Ω) D gilt u ≥ 0 in ΓD sowie a(u, v) ≥ 0
1,2 f¨ ur alle v ∈ H0,Γ (Ω) mit v ≥ 0 in Ω, D
(7.20)
so folgt u ≥ 0 in Ω. Anmerkungen 7.9 (i) Man schreibt daf¨ ur salopp Lu ≥ 0 in Ω, u ≥ 0 auf ΓD
⇒
u ≥ 0 in Ω.
(ii) Bei allen S¨atzen dieses Typs erh¨ alt man eine Aussage f¨ ur Lu ≤ 0, wenn man u durch −u ersetzt, in diesem Fall Lu ≤ 0 in Ω, u ≤ 0 auf ΓD
⇒
u ≤ 0 in Ω.
Beweis. Sei u− = min{u, 0} der negative Anteil von u. Nach Satz 5.20 ist 1,2 dann u− ∈ H0,Γ (Ω) mit Du− = 0 f¨ ur {x : u(x) ≥ 0}. Wir setzen daher D v = −u− in a(u, v) ≥ 0 ein, Z 0 ≥ a(u, u− ) = aij Dj uDi u− + bi Di uu− + cuu− dx Ω
=
Z
Ω
aij Dj u− Di u− + bi Di u− u− + cu− u− dx = a(u− , u− ) ≥ µku− k21,2 ,
⊓ ⊔
daher u− = 0 in Ω.
Satz 7.10 (Maximumprinzip f¨ ur schwache L¨ osungen). Zus¨ atzlich zu den Voraussetzungen von Satz 7.8 sei c = 0 erf¨ ullt. Gilt f¨ ur u ∈ H 1,2 (Ω) die Bedingung (7.20), so inf u ≥ inf u. Ω
ΓD
160
7 Elliptische Differentialgleichungen
Beweis. Man verwende im Beweis des letzten Satzes die Funktion v = −(u − inf ΓD u)− . ⊓ ⊔ Wir gehen zu klassischen L¨ osungen u ¨ ber und betrachten den Operator 2 Lu = −aij (x)Dij u + bi (x)Di u + c(x)u,
(7.21)
unter der Voraussetzung aij = aji , was wegen des Satzes von Schwarz keine Einschr¨ankung bedeutet. Wie bereits in Abschnitt 7.1 ausgef¨ uhrt wurde, gibt die Differentialgleichung keine Hinweise auf die nat¨ urliche Randbedingung, so daß hier nur das Dirichlet-Problem ΓD = ∂Ω gestellt wird. Definition 7.11. L heißt elliptisch in x ∈ Ω, wenn es ein λ(x) > 0 gibt mit λ(x)|ξ|2 ≤ aij (x)ξi ξj
∀ξ ∈
n
,
Ist λ(x) > 0 f¨ ur alle x ∈ Ω, so heißt L elliptisch in Ω. Anmerkung 7.12. Man bezeichnet L in (7.4) als Operator in Divergenzform, weil sich der Hauptteil als div (ADu) schreiben l¨aßt mit A = (aij ), w¨ahrenddessen L in (7.21) in expliziter Form vorliegt. Beide Formen sind nur bei glatten aij ¨aquivalent, aber auch dann k¨ onnen die Voraussetzungen f¨ ur das Maximumprinzip f¨ ur schwache L¨ osungen nicht mit denen f¨ ur das folgende klassische Maximumprinzip in Einklang gebracht werden. Satz 7.13 (Maximumprinzip f¨ ur klassische L¨ osungen). Der Operator L in (7.21) sei elliptisch in Ω mit c = 0. Ferner gebe es eine Konstante b0 mit |bj (x)| ≤ b0 , f¨ ur ein j ∈ {1, . . . , n}, x ∈ Ω. (7.22) λ(x) Dann wird f¨ ur u ∈ C 2 (Ω)∩C 0 (Ω) mit Lu ≥ 0
in Ω
das Minimum auf ∂Ω angenommen, also inf u = min u. Ω
∂Ω
Beweis. Sei zun¨achst Lu > 0. Angenommen, u besitzt ein Minimum in x0 ∈ Ω. Dann gilt Di u(x0 ) = 0 und die Hesse-Matrix im Punkt x0 2 H = (Dij u(x0 ))i,j=1,...,n
ist positiv-semidefinit. Mit A = (aij (x0 ))i,j=1,...,n gilt 2 spur (AH)) = spur (aij hjk )i,k=1,...,n = aij hji = aij (x0 )Dij u(x0 ).
Da A positiv-definit und H positiv-semidefinit ist, ist −AH zu einer negativsemidefiniten Matrix ¨ ahnlich und
7.5 Maximumprinzipien
161
2 −aij (x0 )Dij u(x0 ) = spur (−AH) ≤ 0.
Daher gilt Lu(x0 ) ≤ 0, was einen Widerspruch zu Lu > 0 in Ω bedeutet. Sei nun Lu ≥ 0. Dann ist wegen ajj ≥ λ, |bj | ≤ b0 λ, L(−eγxj ) = (γ 2 ajj − γbj )eγxj ≥ (λγ 2 − b0 λγ)eγxj > 0
f¨ ur γ gen¨ ugend groß.
Damit ist L(u − εeγxj ) > 0 in Ω und nach dem 1. Schritt inf (u − εeγxj ) = min(u − εeγxj ) Ω
∂Ω
∀ε > 0.
Die Behauptung folgt durch Grenz¨ ubergang ε → 0.
⊓ ⊔
Korollar 7.14. Sei L elliptisch in Ω und die Bedingung (7.22) sei erf¨ ullt. Ferner sei c ≥ 0. Dann gilt f¨ ur u ∈ C 2 (Ω)∩C 0 (Ω) mit Lu ≥ 0 inf u ≥ min min u, 0 . Ω
∂Ω
Beweis. Aus Lu ≥ 0 folgt
2 −aij Dij u + bi Di u ≥ −cu ≥ 0 in Ω − = {x ∈ Ω : u(x) < 0}.
Damit kann das Maximumprinzip in Ω − angewendet werden.
⊓ ⊔
Korollar 7.15 (Inversmonotonie f¨ ur klassische L¨ osungen). Seien die Voraussetzungen des letzten Korollars erf¨ ullt. Dann gilt f¨ ur u ∈ C 2 (Ω)∩C 0 (Ω) Lu ≥ 0 in Ω, u ≥ 0 auf ∂Ω
⇒
u ≥ 0 in Ω.
Als Beispiel, daß eine Bedingung an die Koeffizienten niederer Ordnung im schwachen wie im klassischen Maximumprinzip notwendig ist, kann wieder Lu = −u′′ − u = 0 in (0, π) mit L¨ osung u = sin x genommen werden. Das klassische Maximumprinzip ist bei unbeschr¨anktem Grundgebiet i.a. nicht erf¨ ullt, w¨ ahrend der Beweis des schwachen Maximumprinzips durchgeht. Die Inversmonotonie, ob klassisch oder schwach, sichert die Eindeutigkeit f¨ ur das jeweilige L¨ osungskonzept, denn wenn Lu1 = Lu2 = f, so gilt L(u1 − u2 ) = 0 und damit u1 = u2 . Dar¨ uberhinaus folgt aus der schwachen Inversmonotonie die Existenz einer L¨ osung, was in Abschnitt 8.36 ausgef¨ uhrt wird. Beispiel 7.16. Ausnahmsweise soll hier ein etwas aufwendigeres Beispiel besprochen werden, um die Kraft des scheinbar harmlosen Maximumprinzips zu illustrieren. u = (u1 , u2 , u3 ) sei die Geschwindigkeit eines station¨aren Gases mit Dichte ρ. Wir nehmen an, daß f¨ ur das Gas keine Quellen und Senken vorliegen, es gilt dann die Masseerhaltung Z ν · (ρu) dσ = 0 ∀Ω0 ⊂ Ω. ∂Ω0
162
7 Elliptische Differentialgleichungen
Mit dem Divergenztheorem folgt hieraus div (ρu) = 0 in Ω. F¨ ur die Temperatur T in diesem Gas gilt −div k(T )DT + div ρucp (T )T = 0.
(7.23)
Diese Differentialgleichung setzt sich zusammen aus einem Diffusionsterm mit W¨armeleitf¨ahigkeit k(T ) > 0 und einem Transportterm mit der spezifischen W¨arme cp (T ) ≥ 0. Es gilt nun inf T ≤ T ≤ sup T, ∂Ω
∂Ω
denn die Gleichung (7.23) ergibt wegen div (ρu) = 0 −k(T )∆T − k ′ (T )|DT |2 + ρu · (c′p (T )T DT + cp (T )DT ) = 0. Mit aii = k(T ) > 0, i = 1, 2, 3, ′
bi = −k (T )Di T +
ρui (c′p (T )T
aij = 0, i 6= j
+ cp (T )), i = 1, 2, 3,
c = 0,
sind die Voraussetzungen des klassischen Maximumprinzips erf¨ ullt. Auf diese Weise wird u uft, ob das Modell sinnvoll gew¨ahlt ist, denn wenn die Rei¨berpr¨ bung des Gases nicht ber¨ ucksichtigt wird, so wird die Temperatur nur durch Diffusion und Transport gesteuert, beides sollte keine Extrema im Inneren des Gebiets aufbauen. F¨ ur gleichm¨aßig elliptische Operatoren l¨ aßt sich das Maximumprinzip noch versch¨arfen. Satz 7.17 (Starkes Maximumprinzip f¨ ur klassische L¨ osungen). Sei L in (7.21) gleichm¨ aßig elliptisch mit c = 0. F¨ ur u ∈ C 2 (Ω) sei Lu ≥ 0 erf¨ ullt. Wenn u das Minimum im Inneren von Ω annimmt, so ist u konstant. ¨ Beweis. siehe Ubungsaufgabe 7.16.
⊓ ⊔
Man kann das starke Maximumprinzip so anwenden: Gilt Lu ≥ 0 in Ω, u = 0 auf ∂Ω und ist u 6= 0, so folgt u > 0 in Ω. Ist ein Operator inversmonoton, so gilt auch ein Vergleichsprinzip : Lu ≤ Lv in Ω, u ≤ v auf ΓD
⇒
u ≤ v in Ω.
Beispiel 7.18. Hier wollen wir das Verhalten der L¨osungen von −∆u = f in Umgebung einer Ecke studieren. Wir nehmen an, ¨ unser Grundgebiet enthalte den Kegel mit Offnung 0 < ω ≤ 2π Ωω = {(r, φ) : 0 < r < 1, 0 < φ < ω}, wobei (r, φ) die Polarkoordinaten des 2 sind. Der Rand von Ωω setzt sich zusammen aus den Schenkeln Γs und dem Bogen Γb . Wir betrachten
Γs
Γb
ω Γs
7.6 Die Verfahren von Ritz und Galerkin
−∆u = 0 in Ωω ,
u = 0 auf Γs ,
u = g auf Γb ,
163
(7.24)
und setzen g als glatt auf Γb voraus mit g(0) = g(ω) = 0 Die Funktion π v(r, φ) = rπ/ω sin φ ω erf¨ ullt −∆v = 0 in Ωω wegen (vergleiche Abschnitt A.6) 1 1 2 −∆v = − Dr (rDr v) − 2 Dφφ v. r r Ferner gilt v = 0 auf Γs . Da f¨ ur glattes g wegen g(0) = g(ω) = 0 |g(φ)| ≤ c sin
π φ ω
erf¨ ullt ist, k¨onnen wir ±cv als Vergleichsfunktion nehmen und erhalten, π
|u(r, φ)| ≤ cr ω sin
π φ ω
f¨ ur jede L¨osung u ∈ C 2 (Ωω ) ∩ C 0 (Ω ω ) von (7.24). Ist zus¨atzlich g > 0 auf Γb erf¨ ullt mit g ′ (0), g ′ (ω) 6= 0, so gilt f¨ ur gen¨ ugend kleines m > 0 π m sin φ ≤ g(φ), ω also π π mrπ/ω sin φ ≤ u(r, φ) ≤ crπ/ω sin φ. ω ω In diesem Fall ist die L¨ osung nicht regul¨ ar, insbesondere u ∈ / C 1 (Ω ω ), falls ω > π. Ist Ωω Teil eines gr¨ oßeren Gebiets Ω und gilt −∆u ≥ 0 in Ω, so folgt aus dem starken Maximumprinzip bereits g = u Γ > 0 sowie g ′ (0), g ′ (ω) 6= 0 b (siehe Aufgabe 7.15). Nichtregul¨ are L¨ osungen sind bei einspringenden Ecken daher die Regel.
7.6 Die Verfahren von Ritz und Galerkin Auf einem Hilbert-Raum X mit Produkt a(·, ·) betrachten wir f¨ ur f ∈ X ′ F (v) =
1 a(v, v) − f (v) → Min in X. 2
(7.25)
Nach dem Rieszschen Darstellungssatz 2.25 besitzt dieses Problem eine eindeutig bestimmte L¨ osung u ∈ X, die außerdem die Variationsgleichung a(u, v) = f (v) ∀v ∈ X l¨ost.
(7.26)
164
7 Elliptische Differentialgleichungen
Um die Probleme (7.25),(7.26) mit einem Verfahren zu approximieren, setzen wir X als separablen Hilbert-Raum voraus. Dann gibt es endlich dimensionale Unterr¨ aume X1 , X2 , . . . ⊂ X mit dim Xk = k, die die folgende Eigenschaft besitzen: Zu jedem v ∈ X und ε > 0 gibt es ein K ∈ und wk ∈ Xk mit kv − wk kX ≤ ε ∀k ≥ K. (7.27) Es wird dabei nicht verlangt, daß es eine Inklusion der Form Xk ⊂ Xk+1 gibt. Die Ritz-Approximation von (7.25),(7.26) ist definiert durch: Gesucht ist Pk u ∈ Xk mit a(Pk u, vk ) = f (vk )
f¨ ur alle vk ∈ Xk .
(7.28)
Aus der Differenz der Gleichungen (7.26) und (7.28) erhalten wir die Orthogonalit¨ atsrelation a(u − Pk u, vk ) = 0 ∀vk ∈ Xk , was nichts anderes besagt als u−Pk u ⊥ Xk . Demnach ist Pk u die aus Satz 2.27 wohlbekannte orthogonale Projektion von u in den Raum Xk . Insbesondere ist Pk u die Bestapproximierende ku − Pk ukX = inf ku − vk kX , vk ∈Xk
(7.29)
was durch ku−Pk uk2X = a(u−Pk u, u−Pk u) = a(u−Pk u, u−vk ) ≤ ku−Pk ukX ku−vk kX bewiesen wird. Mit Bedingung (7.27) und Gleichung (7.29) folgt die Konvergenz des Ritzschen Verfahrens Pk u → u f¨ ur k → ∞. Ferner ist Pk u auch die L¨osung des Minimierungsproblems (7.25) in Xk , denn Xk ist ebenfalls Hilbert-Raum mit dem Skalarprodukt a(·, ·). F¨ ur die Berechnung der Pk u verwenden wir eine beliebige Basis {φi }i=1,...,k Pk des Raums Xk . Mit Pk u = j=1 xj φj und den Testfunktionen vk = φi in (7.28) erhalten wir k X
a(xj φj , φi ) = f (φi ),
i = 1, . . . , k,
j=1
was ¨aquivalent zur L¨ osung des linearen Gleichungssystems Ax = b,
A = (a(φj , φi ))i,j=1,...,k ,
b = (f (φi ))i=1,...,k ,
ist. Wie in Beispiel 2.24 ist die Matrix A symmetrisch und positiv definit. Es d¨ urfte klar sein, daß das Ritzsche Verfahren mehr ein Schema als ein Verfahren ist, weil die Ansatzr¨ aume Xk nicht n¨ aher spezifiziert sind. Ist a(·, ·) nur eine beschr¨ ankte und koerzive Bilinearform auf X, so ist das Problem a(u, v) = f (v) ∀v ∈ X
7.7 Finite Elemente
165
nach dem Satz von Lax-Milgram 2.29 ebenfalls eindeutig l¨osbar, allerdings gibt es keine variationelle Charakterisierung wie im symmetrischen Fall. F¨ ur endlich dimensionale Unterr¨ aume Xk ist die L¨osung Pk u ∈ Xk des GalerkinVerfahrens (eigentlich Galjorkin“) definiert durch ” a(Pk u, vk ) = f (vk )
∀vk ∈ Xk .
Existenz und Eindeutigkeit folgen wieder aus dem Satz von Lax-Milgram. Entwickelt man Pk u nach einer Basis des Raumes Xk , so l¨ost der Koeffizientenvektor das Gleichungssystem Ax = b mit einer nun nicht mehr notwendig symmetrischen Matrix A. Da wir im vorliegenden reellen Fall f¨ ur die Bilinearform a(u, u) > 0 f¨ ur u 6= 0 annehmen k¨onnen, gilt (Ax, x) > 0 f¨ ur x 6= 0. Das Galerkin-Verfahren ist keine orthogonale Projektion, es gilt aber a(u − Pk u, vk ) = 0 f¨ ur alle vk ∈ Xk und damit ce ku − Pk uk2X ≤ a(u − Pk u, u − Pk uk ) = a(u − Pk u, u − vk ) ≤ cb ku − Pk ukX ku − vk kX , also ku − Pk ukX ≤
cb inf ku − vk kX , ce vk ∈Xk
(7.30)
was auch Ceas Lemma genannt wird.
7.7 Finite Elemente Wir kehren zur konkreten Bilinearform Z a(u, v) = aij Dj uDi v dx Ω
zur¨ uck. Ω ist im folgenden ein ebenes Gebiet und die aij ∈ L∞ (Ω) seien gleichm¨aßig elliptisch, λ|ξ|2 ≤ aij ξi ξj ≤ Λ|ξ|2
∀ξ ∈
2
.
(7.31)
F¨ ur f ∈ L2 (Ω) existiert dann die schwache L¨ osung u ∈ H01,2 (Ω) von a(u, v) = (f, v)
∀v ∈ H01,2 (Ω)
(7.32)
nach Satz 7.2. Das Finite Elemente Verfahren zur Approximation von (7.32) ist das Galerkin-Verfahren mit st¨ uckweise polynomialen Ansatzfunktionen, eben den Finiten Elementen, von denen die einfachste Variante im folgenden besprochen wird. Dazu wird Ω in abgeschlossene Dreiecke {Λ} unterteilt, Ω h = ∪Λ, so daß die folgende Bedingung an die Unterteilung und an die Dreiecke erf¨ ullt ist:
166
7 Elliptische Differentialgleichungen
Bedingung R: Der Durchschnitt zweier Dreiecke ist leer oder besteht aus einer gemeinsamen Kante oder einem gemeinsamen Eckpunkt. Die Eckpunkte auf ∂Ωh sind in ∂Ω enthalten. Jedes Dreieck Λ enth¨ alt einen Kreis vom Radius c−1 h und ist in einem R Kreis vom Radius cR h enthalten, wobei die Konstante cR unabh¨angig von der Schrittweite h ist. Diese Bedingung schließt Degenerierungen der Dreiecke f¨ ur h → 0 aus, insbesondere sind die Innenwinkel der Dreiecke nach unten beschr¨ankt durch ein α > 0 und nach oben durch ein β < π. F¨ ur konvexes Ω gilt offenbar Ωh ⊂ Ω. In all unseren Absch¨atzungen darf die generische Konstante c von cR , aber nicht vom Diskretisierungsparameter h abh¨angen. Der einfachste Finite Elemente Raum ist definiert durch n o S0 = vh ∈ C(Ω h ) : vh |Λ ist linear und vh |∂Ωh = 0 . (7.33) Wir setzen zun¨achst Ω = Ωh voraus, was man f¨ ur jedes polygonale Gebiet Ω erreichen kann. Der allgemeine Fall wird sp¨ater behandelt. Die Finite Elemente Approximation von (7.32) ist definiert durch: Gesucht ist Ph u ∈ S0 mit a(Ph u, vh ) = (f, vh ) ∀vh ∈ S0 . (7.34) Die nat¨ urliche oder nodale Basis des Raums S0 l¨aßt sich folgendermaßen konstruieren. Seien P1 , . . . , PN die Eckpunkte der Triangulierung {Λ}, die im Inneren von Ω liegen, und seien ϕh,i ∈ S0 die Funktionen mit ϕh,i (Pj ) = δij ,
φ h ,i
Pi
wobei δij das Kroneckersche δ bedeutet. Da jede stetige, st¨ uckweise lineare Funktion durch ihre Werte an den inneren Eckpunkten und die Nullrandbedingung eindeutig bestimmt ist, sind die ϕh,i eindeutig festgelegt. Aus dem gleichen Grunde bilden die {ϕh,i }i=1,...,N eine Basis des Raums S0 und jedes vh ∈ S0 kann in der Form vh (x) =
N X
vh (Pi )ϕh,i (x)
i=1
dargestellt werden. Daher ist die Dimension des Raumes S0 durch die Anzahl N der inneren Eckpunkte gegeben. Wegen Satz 5.7 gilt S0 ⊂ H01,2 (Ω) und (7.34) ist das Galerkin-Verfahren mit dem speziellen Ansatzraum S0 . Zur Bestimmung von Ph u muß wieder Ax = b gel¨ost werden mit aij = a(ϕh,j , ϕh,i ) und bi = (f, φh,i ). Der Tr¨ager
7.7 Finite Elemente
167
eines jeden ϕh,i besteht aus den Dreiecken adjazent zu Pi , sodaß a(ϕh,j , ϕh,i ) verschwindet, wenn die Punkte Pi , Pj nicht benachbart sind. Wenn ein Eckpunkt Pi Ni Nachbarpunkte besitzt, dann enth¨alt die i-te Zeile von A nicht mehr als Ni + 1 nichtverschwindende Elemente, demnach ist die Matrix schwach besetzt. Bei konstanten Koeffizienten ist der Integrand von a(φj , φi ) st¨ uckweise konstant, aij daher leicht zu berechnen. Bei variablen Koeffizienten und f¨ ur (f, φi ) werden die Integrale n¨ aherungsweise mit einer Kubaturformel berechnet (siehe Aufgabe 6.8). F¨ ur u ∈ C(Ω) definieren wir die Interpolierende Ih u ∈ S0 durch Ih u(x) =
N X
u(Pi )ϕh,i (x).
i=1
Die Interpolierende ist die eindeutig bestimmte Funktion in S0 , die mit u in den inneren Knotenpunkten u ¨ bereinstimmt und am Rande von ∂Ω verschwindet. Satz 7.19. Sei f¨ ur das Dreieck Λ die Bedingung R erf¨ ullt. F¨ ur u ∈ H 2,2 (Λ) gilt die Fehlerabsch¨atzung kD(u − Ih u)k2;Λ ≤ cI hkD2 uk2;Λ ,
(7.35)
wobei die Konstante cI nicht von h, aber von cR aus Bedingung R abh¨ angt. Beweis. Mit yi = h−1 xi wird Λ auf ein Dreieck Λˆ vom Durchmesser c transˆ seien die zugeh¨ formiert. φˆ1 , φˆ2 , φˆ3 ∈ 1 (Λ) origen lokalen Basisfunktionen mit ˆ ˆ ˆ φi (Pj ) = δij , wobei Pi die Eckpunkte des Dreiecks Λˆ bezeichnen. Die InterP ˆ ˆ polierende ist dann definiert durch Iˆu ˆ(y) = u ˆ(Pi )φi (y). Bedingung R sorgt daf¨ ur, daß die so entstehenden Dreiecke gleichm¨aßig lipschitz sind, d.h. die Lipschitzkonstanten der hj in der Definition des Lipschitzgebiets h¨angen nur von cR ab. Nach Satz 6.11 und Satz 6.25 gilt daher kˆ uk∞;Λˆ ≤ ckˆ uk2,2;Λˆ, woraus die Stabilit¨ at der Interpolierenden folgt, 3
X
kDIˆu ˆk2;Λˆ = u ˆ(Pˆi )D φˆi i=1
ˆ 2;Λ
≤ ckˆ uk∞;Λˆ ≤ ckˆ uk2,2;Λˆ.
F¨ ur lineares pˆ gilt wegen Iˆpˆ = pˆ
ˆ u − pˆ)k ˆ kD(ˆ u − Iˆu ˆ)k2;Λˆ ≤ kD(ˆ u − pˆ)k2;Λˆ + kDI(ˆ 2;Λ ≤ (1 + c)kˆ u − pˆk2,2;Λˆ. R Wir w¨ahlen pˆ so, daß Dα u ˆ dy = Dα pˆ dy f¨ ur |α| ≤ 1 (siehe Aufgabe 6.7a)). Dann folgt aus der Poincar´e-Ungleichung 6.23 und D2 pˆ = 0 R
ˆ kD(ˆ u − Iˆu ˆ)k2;Λˆ ≤ ckD2 u ˆk2;Λˆ ∀ˆ u ∈ H 2,2 (Λ).
R¨ ucktransformation liefert wegen Dy = hDx die behauptete Absch¨atzung. ⊓ ⊔
168
7 Elliptische Differentialgleichungen
Dieser Beweis verwendet nur konstruktiv bewiesene S¨atze. Die Konstante cI in (7.35) ist daher moderat. Durch Quadrieren von (7.35) und Summation u ¨ ber Λ folgt kD(u − Ih u)k2;Ω ≤ cI hkD2 uk2;Ω .
(7.36)
Satz 7.19 l¨aßt sich auf Dreiecke verallgemeinern, deren gr¨ oßter Innenwinkel P3 von π wegbeschr¨ankt ist (siehe [AD92]). a Von der Bedingung an den gr¨ oßten InnenP1 P2 winkel kann man jedoch nicht abgehen, (-h, 0) (h, 0) wie das folgende Beispiel zeigt. Wir betrachten das Dreieck mit den Eckpunkten P1 = (−h, 0), P2 = (h, 0) und P3 = (0, a). F¨ ur a 2, ist. Im Fall des Laplace-Operators gilt cr = 1. Wie in Beispiel 8.19(i) gezeigt wird, folgt die Existenz von u′ ∈ H01,2 (Ω) aus einem allgemeinen Prinzip und braucht nicht vorausgesetzt zu werden, sofern die schwache L¨ osung u immer existiert1 . cb sei eine Schranke f¨ ur die Bilinearform a. Ist a symmetrisch, so kann wegen der Cauchy-Ungleichung cb = Λ mit Λ aus (7.31) gew¨ahlt werden. Satz 7.21. Sei die Elliptizit¨ atsbedingung (7.31) erf¨ ullt. Ist das Problem (7.32) auf dem Polygongebiet Ω 2-regul¨ar, so gelten f¨ ur das Finite Elemente Verfahren (7.34) die Fehlerabsch¨ atzungen 1
Dagegen ist es eine offene Frage, ob die Regularit¨ at von u in H 2,2 (Ω) auch die Regularit¨ at von u′ nach sich zieht. In der Literatur wird dies meist als richtig angesehen und z.B. aus [LM72, S. 155ff.] entnommen. Dort werden jedoch der Rand des Gebiets und die Koeffizienten als unendlich oft differenzierbar vorausgesetzt. Bei praktischen Anwendungen wie der Konvergenz der Finite Elemente Methode spielt die Differenzierbarkeit der Daten aber eine große Rolle. In dieser Hinsicht erweist sich der Beweis aus [LM72] als ausgesprochen ung¨ unstig, es ist daher besser, mit den in den vorigen Abschnitten dargestellten Methoden die Regularit¨ at von u′ separat zu beweisen.
7.7 Finite Elemente
kD(u − Ph u)k2;Ω ≤
c0 hkf k2;Ω , λ
ku − Ph uk2;Ω ≤
169
c20 2 h kf k2;Ω , λ
mit c0 = cb cI cr . Beweis. Die Elliptizit¨ at (7.31) liefert f¨ ur die Bilinearform λkDuk22;Ω ≤ a(u, u), daher mit Cea’s Lemma (7.30) sowie (7.36) und der 2-Regularit¨at kD(u − Ph u)k2;Ω ≤ ≤
cb cb inf kD(u − vh )k2;Ω ≤ kD(u − Ih u)k2;Ω λ vh ∈S0 λ cb cb cI hkD2 uk2;Ω ≤ cI cr hkf k2;Ω . λ λ
F¨ ur die L2 -Absch¨ atzung verwenden wir das sogenannte Dualit¨atsargument. Sei w ∈ H01,2 (Ω) die L¨ osung von a(v, w) = (u − Ph u, v) ∀v ∈ H01,2 (Ω).
(7.37)
w existiert und ist eindeutig bestimmt, aus der 2-Regularit¨at folgt ferner w ∈ H 2,2 (Ω) mit kD 2 wk2;Ω ≤ cr ku − Ph uk2;Ω . (7.38)
Wir setzen v = u − Ph u in (7.37) ein und nutzen die Fehlerbeziehung a(u − Ph u, vh ) = 0 aus, ku − Ph uk22;Ω = a(u − Ph u, w) = a(u − Ph u, w − Ih w) ≤ cb kD(u − Ph u)k2;Ω kD(w − Ih w)k2;Ω . Mit der Interpolationsfehlerabsch¨ atzung (7.36) und (7.38) folgt ku − Ph uk22;Ω ≤ cb cI hkD(u − Ph u)k2;Ω kD2 wk2;Ω ≤ cb cI cr hkD(u − Ph u)k2;Ω ku − Ph uk2;Ω . Division durch ku − Ph uk2;Ω liefert die behauptete Fehlerabsch¨atzung.
⊓ ⊔
In Beispiel 8.43 wird gezeigt, daß diese Fehlerabsch¨atzung abgesehen von einem konstanten Faktor von keinem anderen Ansatzraum Xk des GalerkinVerfahrens u ¨ bertroffen werden kann. Es sei noch angemerkt, daß die L2 Fehlerabsch¨atzung ein grundlegendes Prinzip der Numerik verletzt, daß n¨amlich die Konvergenzeigenschaften nur durch das Verfahren, aber nicht durch das zu approximierende Problem bestimmt werden ( Aus Stabilit¨at ” und Konsistenz folgt sogleich die Konvergenz“, Stabilit¨at und Konsistenz sind Eigenschaften des Verfahrens). Die reduzierten Konvergenzraten bei einspringenden Ecken in Aufgabe 7.20 stellen sich bei numerischen Tests genau ein, sie sind daher nicht beweistechnisch bedingt.
170
7 Elliptische Differentialgleichungen
Betrachten wir nun allgemeinere Gebiete Ω. Ist Ω konvex, so gilt Ωh ⊂ Ω und wir k¨onnen die Elemente von S0 in der Definition (7.33) durch Null auf Ω fortsetzen. Damit gilt S0 ⊂ H01,2 (Ω) und die Finite Elemente Methode ist immer noch ein Galerkin-Verfahren, insbesondere gilt Cea’s Lemma und damit die Fehlerabsch¨ atzung f¨ ur den Gradienten. F¨ ur allgemeinere Ω verl¨aßt die Finite Elemente Methode den Kontext des Galerkin-Verfahrens, weil nun die R¨aume S0 und H01,2 (Ω) inkompatibel sind. Man nennt das Verfahren dann nichtkonform. Bei 2-regul¨ aren Problemen bleibt Satz 7.21 dennoch richtig, weil die kontinuierliche Randbedingung durch das Verfahren nur leicht verletzt wird (siehe [Dob, S. 43ff.]). Jedes Verfahren zur Approximation von Differentialgleichungen besteht aus einem Ansatzraum und einem Variationsprinzip, durch das die diskre¨ te L¨osung im Ansatzraum bestimmt wird. F¨ ur eine Ubersicht u ¨ber weitere m¨ogliche Variationsprinzipien sei auf [Bra92], [Cia78] und [Vel76] verwiesen.
Aufgaben 7.1. (2) Eine station¨ are W¨ armeverteilung kann durch die Poisson-Gleichung −k∆u = 0
(∗)
beschrieben werden. Oft (z. B. bei Gasen) h¨ angt die W¨ armeleitf¨ ahigkeit k auch von der Temperatur ab, als Modell kommt daher −div (k(v)∇v) = 0 in Betracht mit einer Funktion k : → , k > 0. Diese Gleichung ist nun nichtlinear in v. Wie l¨ aßt sie sich auf die lineare Gleichung (∗) transformieren? R v(x) Hinweis: Verwenden Sie u(x) = 0 k(ξ) dξ.
7.2. (3) Sei Ω ⊂ 3 ein K¨ orper im Ruhezustand, der unter einer Kraft f ausgelenkt wird, u = Id + v sei die zugeh¨ orige Abbildung, v = (v1 , v2 , v3 )T heißt Verschiebung. Im einfachsten Fall gen¨ ugt v dem Variationsprinzip Z ˘ ¯ F (v) = λ|div v|2 + 2µ|Dv|2 − 2f v dx → Min Ω
unter der Randbedingung v = 0 auf ∂Ω. µ, λ > 0 sind hier Materialkonstanten, Du = 12 (Du + DuT ) ist der symmetrische Anteil von Du. a) Bestimmen Sie eine Konstante m > 0 mit Z Z m |Du|2 dx ≤ |Du|2 dx ∀u ∈ H01,2 (Ω)3 . Ω
Ω
b) Beweisen Sie Existenz und Eindeutigkeit f¨ ur das Variationsproblem und leiten Sie die notwendige Bedingung in starker und schwacher Form her. Bemerkung: In starker Form erhalten wir ein System von drei partiellen Differentialgleichungen, die elastische Gleichungen genannt werden. In a) ist bemerkenswert, daß 9 partielle Ableitungen von nur 6 Termen in Du kontrolliert werden.
Aufgaben
171
7.3. (3) F¨ ur das reine Neumann-Problem −∆u = f
in Ω, Dν u = 0 auf ∂Ω, R beweise man: F¨ ur f ∈ L (Ω) mit Ω f (x) dx = 0 gibt osung u, die R es eine schwache L¨ bis auf eine Konstante eindeutig bestimmt ist. F¨ ur Ω f (x) dx 6= 0 ist das NeumannProblem unl¨ osbar. Hinweis: Verwenden Sie den Raum Z X = {u ∈ H 1,2 (Ω) : u dx = 0}. 2
Ω
3
7.4. (2) Sei Ω ⊂
. Man bestimme die optimalen r und s, so daß die Bilinearform Z a(u, v) = {aij Dj uDi v + bi Di uv + cuv} dx Ω
r
s
f¨ ur bi ∈ L , c ∈ L auf
H01,2 (Ω)
beschr¨ ankt ist.
7.5. (3) Im unendlichen Streifen Ω = (0, 1) × ⊂ 2 betrachten wir das Problem −∆u = f in Ω, u = 0 auf ∂Ω. a) Zeigen Sie: F¨ ur f ∈ L2 (Ω) hat das Problem genau eine schwache L¨ osung 1,2 u ∈ H0 (Ω) mit kuk1,2;Ω ≤ ckf k2;Ω . b) Geben Sie unendlich viele linear unabh¨ angige L¨ osungen u ∈ C 2 (Ω) f¨ ur das homogene Problem −∆u = 0 in Ω, u = 0 auf ∂Ω an. 7.6. (4) Seien (r, φ) Polarkoordinaten des
2
und sei
Ω = {x = (r, φ) : 0 < r < ∞, 0 < φ < ω} ¨ der unendliche Kegel mit Offnung 0 < ω ≤ 2π. Zeigen Sie, daß die Aufgabe −∆u = f in Ω, u = 0 auf ∂Ω f¨ ur alle f ∈ C0∞ (Ω) unter der Bedingung Du ∈ L2 (Ω)2 eindeutig l¨ osbar ist. 7.7. (3) F¨ ur k ∈ lautet das erste Randwertproblem f¨ ur den polyharmonischen Operator in starker Form (−1)k ∆k u = f in Ω,
Dα u = 0 auf ∂Ω f¨ ur 0 ≤ |α| ≤ k − 1.
Man schreibe dieses Problem in schwacher Form und beweise Existenz und Eindeutigkeit f¨ ur f ∈ L2 . 7.8. (3) Sei f¨ ur 1 < p < ∞ F (v) =
Z
Ω
`1 ´ |Dv|p − f v dx. p
Zeigen Sie, daß das Problem F (v) → Min in H01,p (Ω) f¨ ur f ∈ L∞ (Ω) eine L¨ osung besitzt. Bestimmen Sie auch die zugeh¨ orige Variationsgleichung und starke Formulierung.
172
7 Elliptische Differentialgleichungen
7.9. (2) F¨ ur fi ∈ L2 (Ω) sei u ∈ H01,2 (Ω) die eindeutig bestimmte L¨ osung von (Du, Dv) = (fi , Di v)
∀v ∈ H01,2 (Ω).
Seien N s,p (Ω) die Nikolski-Raume aus Abschnitt 6.13. Beweisen Sie:Fur ¨ ¨ ∂Ω ∈C 2 und s,2 1+s,2 fi ∈ N (Ω), 0 < s ≤ 1, liegt die L¨ osung u im Raum N (Ω) mit kukN 1+s,2 (Ω) ≤ c maxi kfi kN s,2 (Ω) . 7.10. (3) In dieser Aufgabe wollen wir das Verhalten von L¨ osungen elliptischer Gleichungen in Umgebung von Kanten untersuchen. Als Modellproblem betrachten wir das Kantengebiet Ω = Kω,R × (−1, 1) mit Kω,R = {(r, φ) : 0 < r < R, 0 < φ ≤ ω} und 0 < ω ≤ 2π. u ∈ H 1,2 (Ω) erf¨ ulle (Du, Dv) = (f, v)
∀v ∈ H01,2 (Ω).
Wir untersuchen die Regularit¨ at bez¨ uglich der Kante nur lokal, also zum Beispiel in Ω0 = Kω,R/2 × (− 12 , 12 ). Sei f ∈ H m,2 (Ω). Welche Ableitungen liegen in L2 (Ω0 )? Was l¨ aßt sich u aten von u aussagen? ¨ ber die Singularit¨ 7.11. (3) Seien F0 , F1 , . . . , Fn : n → stetig differenzierbare Funktionen. F¨ ur das Problem −Di Fi (Du) = F0 (Du) gelten die Elliptizit¨ ats- und Wachstumsbedingungen λ|ξ|2 ≤ Fij (p)ξi ξj ≤ Λ|ξ|2
∀ξ ∈
|F0 (p)| ≤ c(1 + |p|)
n
∀p ∈
∀p ∈ n
n
,
,
wobei
∂ Fi (p). ∂pj u ∈ H 1,2 (Ω) sei eine schwache L¨ osung, d.h. Fij (p) =
(Fi (Du), Di v) = (F0 (Du), v)
∀v ∈ H01,2 (Ω).
Zeigen Sie f¨ ur Ω0 ⊂⊂ Ω, daß u ∈ H 2,2 (Ω0 ). Hinweis: Verwenden Sie Differenzenquotienten und die Profi-Version des Mittelwertsatzes Z 1 f (x) − f (y) = Df (tx + (1 − t)y)(x − y) dt. 0
7.12. (2) Sei Ω ⊂
2
konvex. Zeigen Sie, daß dann die Norm kuk′′2,2 = (k∆uk22 + kuk22 )1/2
zur k · k2,2 -Norm auf H 2,2 (Ω) ∩ H01,2 (Ω) a ¨quivalent ist.
7.13. (3) Eine regul¨ are Matrix A ∈ n×n heißt inversmonoton, wenn f¨ ur die L¨ osung x ∈ n von Ax = b mit b ≥ 0 ebenfalls x ≥ 0 gilt. Das Zeichen ≥ ist hier komponentenweise zu verstehen. Die Inversmonotonie ist offenbar zu A−1 ≥ 0 ¨ aquivalent. Ein einfaches, allerdings nur hinreichendes Kriterium dazu bietet der folgende Satz: Satz. A ∈ n×n gen¨ uge den Bedingungen: P (a) A regul¨ ar, (b) aii > 0, aij ≤ 0 f¨ ur i 6= j, (c) aii ≥ |aij |. j6=i Dann ist A invers monoton. Beweisen Sie den Satz!
Aufgaben
173
2 7.14. (3) Sei Lu = −aij (x)Dij u + bi (x)Di u elliptisch. Der zugeh¨ orige parabolische Operator ist dann ut + Lu, der definiert ist f¨ ur Funktionen u(x, t), x ∈ Ω, t ≥ 0, mit u stetig bis zum Rand, einmal stetig differenzierbar bez¨ uglich t und zweimal stetig differenzierbar bez¨ uglich x. Interpretiert man das elliptische Problem Lu = f als station¨ are W¨ armeverteilung, so beschreibt das parabolische Problem den W¨ armefluß in der Zeit. Beweisen Sie f¨ ur den parabolischen Operator das Maximumprinzip in der Form ut + Lu ≥ 0 ⇒ inf u ≥ inf u, Ω×(0,T )
Ω×{0}∪∂Ω×[0,T ]
Schließen Sie hieraus, daß das Anfangs-, Randwertproblem ut + Lu = f in Ω × (0, T ],
u = g auf ∂Ω × [0, T ],
u(x, 0) = u0 (x) in Ω,
h¨ ochstens eine L¨ osung besitzt. 7.15. (4) Sei Ω ⊂ n ein Gebiet. Ein Punkt x0 ∈ ∂Ω gen¨ ugt einer Innenkugelbedingung, wenn es eine offene Kugel B ⊂ Ω gibt mit x0 ∈ ∂B. 2 Sei Lu = −aij (x)Dij u+bi (x)Di u gleichm¨ aßig elliptisch mit beschr¨ ankten Koeffi2 zienten und f¨ ur u ∈ C (Ω) sei Lu ≥ 0 in Ω. Weiter seien die folgenden Bedingungen erf¨ ullt: (a) x0 ∈ ∂Ω gen¨ ugt einer Innenkugelbedingung, (b) u(x0 ) < u(x) f¨ ur alle x ∈ Ω, (c) u ist stetig in x0 . Zeigen Sie, daß dann Dν u(x0 ) < 0 erf¨ ullt ist, sofern die Normalableitung existiert. Hinweis: Sei BR (y) ⊂ Ω die von der Innenkugelbedingung garantierte Kugel mit Randpunkt x0 . Verwenden Sie die Funktion 2
2
v(x) = e−αr − e−αR , wobei r = |x− y|. Zeigen Sie, daß f¨ ur gen¨ ugend großes α gilt Lv < 0 in BR (y) \Bρ (y) f¨ ur ein ρ zwischen 0 und R. Untersuchen Sie dann die Funktion u(x) − u(x0 ) − εv in BR (y) \ Bρ (y). 7.16. (3) Beweisen Sie das starke Maximumprinzip 7.17 mit Hilfe von Aufgabe 7.15 mit einem indirekten Beweis. 7.17. (3) Sei L der Operator in (7.21). Es wird vorausgesetzt, daß er beschr¨ ankte Koeffizienten besitzt, der Bedingung c ≥ 0 gen¨ ugt, sowie gleichm¨ aßig elliptisch ist, aij (x)ξi ξj ≥ λ|ξ|2
∀ξ ∈
n
∀x ∈ Ω.
Beweisen Sie f¨ ur jede klassische L¨ osung von Lu = f die Absch¨ atzung 2
kuk∞;Ω ≤ kuk∞;∂Ω + ckf k∞;Ω .
7.18. (2) Sei Ω ⊂ im Einheitskreis enthalten. Geben Sie eine von K = kf k∞;Ω abh¨ angende Absch¨ atzung der Form |u(x)| ≤ v(x) an f¨ ur die L¨ osung u des Problems −∆u = f in Ω,
u = 0 auf ∂Ω,
Bemerkung: Im Gegensatz zur Aufgabe 7.17 soll man hier realistische Absch¨ atzungen anstreben und f¨ ur v ein quadratisches Polynom verwenden. Weicht das Grundgebiet nicht sehr vom Kreis ab, erh¨ alt man einen guten Eindruck von der Gr¨ oßenordnung der L¨ osung. Man teste das Ergebnis an −∆u = 1 im Einheitsquadrat mit Nullrandbedingung, im Mittelpunkt gilt dann u = 0.07 . . ..
174
7 Elliptische Differentialgleichungen
7.19. (3) Beweisen Sie f¨ ur einen reellen, separablen Hilbert-Raum den Satz von Lax-Milgram mit dem Galerkin-Verfahren. 7.20. (4) Das Polygongebiet Ω ⊂ 2 besitze eine einspringende Ecke im Nullpunkt mit innerem Winkel ω, π < ω < 2π. O.B.d.A. kann vorausgesetzt werden, daß B1 (0) den Rand von Ω nur in den anliegenden Schenkeln der einspringenden Ecke ˜1/2 (0), B1 (0)}. F¨ schneidet. Sei τ eine Abschneidefunktion bez¨ uglich {B ur die L¨ osung von −∆u = f in Ω, u = 0 auf ∂Ω, ist in diesem Fall bekannt, daß u = ks + w
mit s(r, φ) = τ (r)r π/ω sin
mit dem Spannungskonzentrationsfaktor k = k(f ) ∈ dem regul¨ aren Anteil w ∈ H 2,2 (Ω). Es gilt
π φ, ω
, der Singul¨ arfunktion s und
kD2 wk2;Ω + |k(f )| ≤ ckf k2;Ω . a) Beweisen Sie f¨ ur die Finite Elemente Methode auf einer Triangulierung, die der Bedingung R gen¨ ugt, die Fehlerabsch¨ atzungen kDk (u − Ph u)k2;Ω ≤ ch(2−k)π/ω kf k2;Ω ,
k = 0, 1.
b) Erweitern Sie S0 um s und beweisen Sie f¨ ur die Finite Elemente Approximation P˜h u im Raum S0 ⊕ s kDk (u − P˜h u)k2;Ω ≤ ch(2−k) kf k2;Ω ,
k = 0, 1.
8 Einfu ¨hrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
8.1 Spektrum und Resolventenmenge In diesem Abschnitt bezeichnen wir mit X, Y komplexe Banach-R¨aume. Eine Grundfrage, die zur Entwicklung der Spektraltheorie f¨ uhrt, ist die L¨osungstheorie f¨ ur die Gleichung T x−λx = y f¨ ur T ∈ L(X). Im n entspricht dies dem linearen Gleichungssystem Ax − λx = y mit einer (n × n)-Matrix A. Die L¨osungstheorie ist hier einfach. Mit N (B) bezeichnen wir den Nullraum T einer Matrix B und setzen B H = B . Dann gilt: Es gibt immer genau eine L¨ osung, wenn die Matrix A − λId regul¨ar ist, wenn also λ kein Eigenwert von A ist.
(8.1)
Ist λ ein Eigenwert von A, so ist Ax − λx = y genau dann l¨ osbar, wenn y ⊥ N (AH − λId) ist.
(8.2)
Implizit wird in dieser Theorie an zahlreichen Stellen verwendet, daß der n ein endlich dimensionaler Raum ist. Z.B. ist eine lineare Abbildung schon dann bijektiv, wenn sie injektiv oder surjektiv ist. Es fragt sich also, inwieweit diese Theorie auch auf Operatoren im BanachRaum X u ¨bertragen werden kann. Die Aussage (8.1) ist jedenfalls in dieser allgemeinen Form nicht richtig. Als Gegenbeispiel nehmen wir den Folgenraum l2 und den Shiftoperator (Sr x) (i) = x(i − 1) f¨ ur i ≥ 2,
(Sr x) (1) = 0
(8.3)
(vergleiche Aufgabe 2.14). Offenbar ist die Gleichung Sr x = e1 unl¨osbar, aber λ = 0 ist kein Eigenwert von Sr . Damit ist die Aussage, daß ein nichtregul¨arer Operator den Eigenwert λ = 0 besitzen muß, nicht richtig. Die folgende Definition schafft hier Klarheit. Definition 8.1. Sei T ∈ L(X) und Tλ = T − λId. Wenn Tλ injektiv ist, so bezeichnen wir mit Rλ die Inverse von Tλ . Rλ ist dann auf dem Bildbereich von Tλ definiert und heißt Resolventenoperator. M. Dobrowolski, Angewandte Funktionalanalysis, Springer-Lehrbuch Masterclass, 2nd ed., DOI 10.1007/978-3-642-15269-6_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
176
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
Sei T ∈ L(X). λ ∈ heißt regul¨ ar bez¨ uglich T, wenn der Resolventenoperator Rλ auf ganz X definiert ist. Wegen des Satzes vom inversen Operator ist Rλ in diesem Fall stetig, daher Rλ ∈ L(X). Die Menge ρ(T ) = λ ∈ : λ ist regul¨ ar bez¨ uglich T
heißt Resolventenmenge von T. Das Komplement der Resolventenmenge σ(T ) = \ ρ(T ) heißt Spektrum von T, die Elemente von σ(T ) heißen Spektralwerte. σ(T ) wird in drei disjunkte Mengen unterteilt: (a) Punktspektrum: σp (T ) = λ ∈ σ(T ) : Rλ existiert nicht, d.h. Tλ ist nicht injektiv
Da Tλ linear ist, gilt f¨ ur den Nullraum in diesem Fall N (Tλ ) 6= {0}. λ ∈ heißt daher Eigenwert von T, N (Tλ ) ist der Eigenraum zu λ, dim N (Tλ ) ist die Vielfachheitvon λ. (b) Kontinuierliches Spektrum: σc (T ) = λ ∈ σ(T ) : Rλ existiert, ist auf einer dichten Teilmenge von X definiert und dort unstetig
(c) Residuenspektrum: σr (T ) = λ ∈ σ(T ) : Rλ existiert, ist aber nicht auf einer dichten Teilmenge von X definiert
Jeder Eigenwert ist damit Spektralwert, aber die Umkehrung ist nach dem obigen Beispiel falsch. Es gilt nun σ(T ) = σp (T ) ∪ σc (T ) ∪ σr (T ) mit drei disjunkten Mengen auf der rechten Seite. Zum Beweis dieser Identit¨at sei angemerkt, daß der Fall eines dicht definierten, aber stetigen Resolventenoperators nicht vorkommen kann. Nach Satz 2.14 kann n¨amlich dann der ˜ λ auf ganz X fortgesetzt Resolventenoperator zu einem stetigen Operator R werden. Zu y ∈ X \ R(Tλ ) gibt es eine Folge yk ∈ R(Tλ ) mit yk → y. Wegen ˜ λ folgt xk = R ˜ λ yk → R ˜ λ y = x. Die Stetigkeit von Tλ der Stetigkeit von R f¨ uhrt dann zu Tλ xk → Tλ x = y und damit zu einem Widerspruch. Beim Residuenspektrum wird keine Aussage dar¨ uber gemacht, ob der Resolventenoperator auf dem Bildbereich von Rλ stetig ist oder nicht. Der Name Kontinuierliches Spektrum“ r¨ uhrt daher, daß solche Spektralwerte meist kon” tinuierlich vorkommen, beispielsweise ein ganzes reelles Intervall einnehmen k¨onnen.
8.2 Struktur der Resolventenmenge und des Resolventenoperators
177
Beispiele 8.2 (i) Sei X = l2 und Sr der Shiftoperator aus (8.3). Offenbar ist Sr injektiv, aber nicht surjektiv und es gilt kSr kl2 →l2 = 1. Die Inverse ist auf der Menge der x ∈ l2 mit x(1) = 0 definiert und dort auch stetig, aber dieser Definitionsbereich liegt nicht dicht in l2 . Demnach geh¨ort λ = 0 zum Residuenspektrum von Sr . (ii) Sei X = C 0 (Ω) f¨ ur ein beschr¨ anktes Gebiet Ω ⊂ n und sei T : X → X definiert durch T u = uv f¨ ur ein v ∈ X. Es gilt kT uk∞ = kuvk∞ ≤ kvk∞kuk∞ . Daher ist T ∈ L(X) mit kT k ≤ kvk∞ . Der Wertebereich von v auf Ω besteht aus einer kompakten Menge A ⊂ . Die Gleichung (v − λ)u = w
(8.4)
besitzt die formale L¨ osung u = w/(v −λ). Damit ist σ(T ) = A und ρ(T ) = \ A. Wenn v −1 (λ), also die Urbildmenge von λ, ein nichtleeres Inneres besitzt, so sind alle Funktionen mit Tr¨ ager in diesem Inneren Eigenvektoren. λ ist daher Eigenwert. Andernfalls ist die Gleichung (8.4) h¨ochstens f¨ ur diejenigen w ∈ X l¨osbar mit w(x) = 0 f¨ ur x ∈ v−1 (λ). Diese Menge liegt aber nicht dicht in X. Damit geh¨oren diese λ zum Residuenspektrum von T.
8.2 Struktur der Resolventenmenge und des Resolventenoperators Der folgende St¨orungssatz zeigt, daß die Menge der bijektiven Operatoren offen in L(X, Y ) ist. Lemma 8.3. Der Operator A ∈ L(X, Y ) sei bijektiv. Wenn f¨ ur B ∈ L(X, Y ) gilt kA − BkX→Y < so ist auch B bijektiv und B −1 =
∞ X
k=0
1 , kA−1 kY →X
k A−1 (A − B) A−1 .
(8.5)
Beweis. Wir k¨onnen B darstellen durch B = A(Id − A−1 (A − B)) = AS und m¨ ussen zeigen, daß die beiden Faktoren bijektiv in L(X, Y ) beziehungsweise in L(X) sind. Von A wurde dies vorausgesetzt, f¨ ur S verwenden wir die Neumannsche Reihe und setzen
178
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
Rk =
k X i=0
Wegen kRk k ≤
k X i=0
i A−1 (A − B) .
kA−1 ki kA − Bki ≤
k X
αi
mit α < 1
i=0
ist die Reihe konvergent, also Rk → R. Wie bei der geometrischen Reihe erschließt man, daß SRk = Rk S = Rk (Id−A−1 (A−B)) = Id−(A−1 (A−B))k+1 → Id f¨ ur k → ∞. ⊓ ⊔
Damit ist S invertierbar mit Inverser R.
Definition 8.4. Sei D ⊂ eine offene Menge und sei Aλ f¨ ur λ ∈ D eine Menge von Operatoren in L(X). Wir sagen, daß Aλ analytisch von λ abh¨ angt, wenn es f¨ ur jedes λ0 ∈ D eine Umgebung U = U (λ0 ) und Operatoren Ak ∈ L(X) gibt mit Aλ =
∞ X
k=0
(λ − λ0 )k Ak
f¨ ur alle λ ∈ U.
Satz 8.5. Sei T ∈ L(X). Dann ist das Spektrum σ(T ) nichtleer, kompakt und in der Menge {λ ∈ : |λ| ≤ kT k} enthalten. Der Resolventenoperator Rλ = Rλ (T ) h¨ angt auf der nichtleeren, offenen Menge ρ(T ) ⊂ analytisch von λ ab mit Rλ =
∞ X
k=0
(λ − λ0 )k Rλk+1 0
und die Reihe ist normkonvergent mindestens im Kreis |λ − λ0 |
kT k setzen wir in Lemma 8.3 A = −λId, B = Tλ , und erhalten kA − Bk = kT k < |λ| =
1 . kA−1 k
Damit ist Tλ bijektiv. σ(T ) ist abgeschlossen und beschr¨ankt, also kompakt. Nun zeigen wir, daß Rλ in ρ(T ) analytisch von λ abh¨angt. Wir w¨ahlen in Lemma 8.3 A = Tλ0 , B = Tλ f¨ ur λ wie in (8.6). Dann ist Rλ bijektiv mit
8.3 Kompakte Operatoren
Rλ = Tλ−1 =
∞ X
k=0
179
∞ k −1 X Tλ−1 (T − T ) T = Rλk0 (λ − λ0 )k Rλ0 . λ0 λ λ0 0 k=0
Angenommen, σ(T ) w¨ are leer. Dann ist Rλ in ganz stetig, insbesondere auf der Menge |λ| ≤ 2kT k beschr¨ ankt. F¨ ur |λ| > 2kT k folgt aus ((Id − A)−1 = P k kA ) ∞ X 1 −1 Rλ = −λ−1 Id − T =− T k λ−k−1 λ k=0 die Absch¨atzung kRλ k ≤
∞ X
k=0
kT kk |λ|−k−1 =
1 1 ≤ . |λ| − kT k kT k
Also ist Rλ in ganz beschr¨ ankt. F¨ ur beliebige x ∈ X, x′ ∈ X ′ , ist auch ′ hRλ x, x i analytisch und beschr¨ ankt in . Nach dem Satz von Liouville (siehe Satz A.11) ist damit hRλ x, x′ i in konstant, was angesichts von Rλ = (T − λId)−1 ein Widerspruch ist. ⊓ ⊔
8.3 Kompakte Operatoren Seien X, Y Banach-R¨ aume. Einen Operator T : X → Y hatten wir kompakt genannt, wenn er beschr¨ ankte Mengen auf relativ kompakte Mengen abbildet. Weil relativ kompakte Mengen beschr¨ ankt sind, ist ein kompakter linearer Operator stetig. Die linearen kompakten Operatoren bilden damit eine Teilmenge von L(X, Y ), die wir mit K(X, Y ) bezeichnen. Da in endlich dimensionalen R¨aumen beschr¨ ankte Mengen relativ kompakt sind, sind alle linearen Operatoren mit endlich dimensionalem Bild kompakt. Da im Banach-Raum Kompaktheit und Folgenkompaktheit ¨aquivalent sind, ist ein Operator genau dann kompakt, wenn er beschr¨ankte Folgen auf Folgen abbildet, die eine konvergente Teilfolge besitzen. Satz 8.6. Der Raum K(X, Y ) ist ein abgeschlossener Unterraum von L(X, Y ). Insbesondere folgt aus Tk → T in L(X, Y ) mit Tk kompakt, daß auch T kompakt ist. Beweis. Daß die kompakten Operatoren einen linearen Raum bilden, weist man direkt aus der Definition nach. Sei Tk → T in L(X, Y ) mit Tk kompakt und sei (xi ) eine beschr¨ ankte Folge in X, also kxi kX ≤ c. Es muß gezeigt werden, daß (T xi ) eine konvergente Teilfolge enth¨alt. Durch Auswahl der Diagonalfolge (siehe Beispiel 2.18) erhalten wir eine Teilfolge, die wieder mit (xi ) bezeichnet wird, so daß (Tk xi )i∈ konvergent ist f¨ ur jedes k ∈ . Zu vorgegebenem ε > 0 sei k so groß, daß kTk − T k ≤ ε/(3c) ausf¨allt. Weiter gibt es ein I, so daß kTk xi − Tk xj kY ≤ ε/3 f¨ ur alle i, j > I. F¨ ur diese i, j, k folgt aus der Dreiecksungleichung,
180
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
kT xi − T xj kY ≤ kT xi − Tk xi kY + kTk xi − Tk xj kY + kTk xj − T xj kY ≤kT − Tk kkxi kY +
ε ε ε ε + kT − Tk kkxj kY ≤ c + + c = ε. 3 3c 3 3c
Damit ist die Folge (T xi ) eine Cauchy-Folge und konvergiert in Y.
⊓ ⊔
8.4 Adjungierte Operatoren, Annihilatoren und Gelfandscher Dreier F¨ ur Banach-R¨aume X, Y bezeichnen wir mit h·, ·i das duale Paar in X beziehungsweise Y, also hx, x′ i = x′ (x) f¨ ur x ∈ X und x′ ∈ X ′ . Definition 8.7. Seien X, Y Banach-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ). Dann heißt T ′ ∈ L(Y ′ , X ′ ) mit hT x, y ′ i = hx, T ′ y ′ i
∀x ∈ X, y ′ ∈ Y ′
(8.7)
der adjungierte Operator zu T. Der folgende Satz rechtfertigt diese Definition. Satz 8.8. Durch (8.7) ist ein eindeutiger Operator T ′ ∈ L(Y ′ , X ′ ) bestimmt. Ferner gilt: (a) Der Operator ′ : L(X, Y ) → L(Y ′ , X ′ ) ist eine lineare Isometrie, insbesondere gilt kT k = kT ′ k f¨ ur alle T ∈ L(X, Y ). (b) Sind X, Y, Z Banach-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ), S ∈ L(Y, Z), so (ST )′ = T ′ S ′ . (c) Ist T ∈ L(X, Y ) invertierbar, so ist auch (T ′ )−1 ∈ L(X ′ , Y ′ ) mit (T ′ )−1 = (T −1 )′ . Beweis. Die Definition in (8.7) ergibt f¨ ur y ′ ∈ Y ′ T ′y ′ = y ′ ◦ T ∈ X ′ . (a) Zum Nachweis von kT k = kT ′ k verwenden wir die Identit¨at aus Lemma 3.20 kxkX = sup |hx, x′ i|, also
x′ ∈X ′ , kx′ kX ′ ≤1
kT k = sup hT x, y ′ i : kxkX ≤ 1, ky ′ kY ′ ≤ 1 = sup hx, T ′ y ′ i : kxkX ≤ 1, ky ′ kY ′ ≤ 1 = kT ′ k.
Aufgrund der Definitionsgleichung (8.7) ist ′ : T 7→ T ′ linear. (b) hST x, zi = hT x, S ′ zi = hx, T ′ S ′ zi.
8.4 Adjungierte Operatoren, Annihilatoren und Gelfandscher Dreier
181
(c) Ist T invertierbar, so T −1 ∈ L(Y, X) mit IdX = T −1 T, IdY = T T −1 . Aus Id′X = IdX ′ und (b) folgt dann IdX ′ = (T −1 T )′ = T ′ (T −1 )′ ,
IdY ′ = (T T −1)′ = (T −1 )′ T ′ .
Wegen T ′ (T −1 )′ x′ = x′ folgt aus der ersten Gleichung R(T ′ ) = X ′ und aus der zweiten N (T ′ ) = {0}. Damit ist T ′ invertierbar mit (T ′ )−1 = (T −1 )′ . ⊓ ⊔ Definition 8.9. Sei X ein Banach-Raum, M ein Unterraum von X und N ein Unterraum von X ′ . Die Annihilatoren von M und N sind dann M ⊥ = {x′ ∈ X ′ : hx, x′ i = 0 f¨ ur alle x ∈ M }, N⊥ = {x ∈ X : hx, x′ i = 0 f¨ ur alle x′ ∈ N }. Die Annihilatoren sind offenbar Unterr¨ aume von X ′ bzw. X. N⊥ ist als Durchschnitt von Nullr¨aumen stetiger Funktionale abgeschlossen in X. M ⊥ l¨aßt sich als Durchschnitt der Nullr¨ aume der i(x), x ∈ M , schreiben. Da die i(x) stetig bez¨ uglich der schwach∗-Topologie von X ′ sind, ist M ⊥ sogar schwach∗ abgeschlossen in X ′ . Satz 8.10. Ist M ein Unterraum eines Banach-Raums X, so (M ⊥ )⊥ = M . Beweis. Ist x ∈ M , so gilt hx, x′ i = 0 f¨ ur alle x′ ∈ M ⊥ , daher x ∈ (M ⊥ )⊥ . Da ⊥ (M )⊥ abgeschlossen ist, enth¨ alt es die Menge M . Sei nun x ∈ / M . Nach dem Trennungssatz 3.15 gibt es ein x′ ∈ M ⊥ mit hx, x′ i = 6 0, daher x ∈ / (M ⊥ )⊥ . ⊓ ⊔ Entsprechend stimmt (N⊥ )⊥ mit dem Abschluß von N in der schwachen∗ Topologie von X ′ u ¨berein (siehe [Rud74, S. 91]), was hier aber nicht ben¨otigt wird. Satz 8.11. Seien X,Y Banach-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ). Dann gilt: (a)
N (T ′ ) = R(T )⊥
und
N (T ) = R(T ′ )⊥ .
(b) Es gilt R(T ) = N (T ′ )⊥ , insbesondere ist der adjungierte Operator injektiv, wenn das Bild von T dicht ist in Y . Beweis. (a) y ′ ∈ N (T ′ ) ist ¨ aquivalent zu hx, T ′ y ′ i = 0 f¨ ur alle x ∈ X. Nach Definition des adjungierten Operators ist dies ¨aquivalent zu y ′ ∈ R(T )⊥ . Die zweite Behauptung beweist man analog. (b) Aus (a) und Satz 8.10 folgt N (T ′ )⊥ = (R(T )⊥ )⊥ = R(T ).
⊓ ⊔
Der letzte Satz liefert ein einfaches Kriterium f¨ ur die L¨osbarkeit der Gleichung T x = y. Besitzt T ein abgeschlossenes Bild, so folgt aus (b) die Bedingung y ∈ N (T ′ )⊥ . Mit der Frage, wann ein Operator ein abgeschlossenes Bild besitzt, besch¨aftigen wir uns in Abschnitt 8.6.
182
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
Satz 8.12. Seien X, Y Banach-R¨aume und T ∈ L(X, Y ). Dann ist T genau dann kompakt, wenn der adjungierte Operator T ′ kompakt ist. Beweis. Sei T kompakt. Sei (yk′ ) eine beschr¨ ankte Folge in Y ′ , kyk′ kY ′ ≤ K. Die yk′ sind auf der kompakten Menge A = T (B1 (0)) gleichm¨aßig beschr¨ankt wegen |yk′ (y)| ≤ kyk′ kY ′ kykY ≤ Kc, und sie sind auf A gleichgradig stetig wegen
|yk′ (y1 ) − yk′ (y2 )| ≤ kyk′ kY ′ ky1 − y2 kY ≤ Kky1 − y2 kY . Nach dem Satz von Arzela-Ascoli gilt yk′ → y ′ in C(A) f¨ ur eine Teilfolge, die genauso bezeichnet wird. Aus supy∈A |yk′ (y) − yl′ (y)| ≤ ε f¨ ur alle k, l ≥ K folgt kT ′ yk′ − T ′ yl′ kX ′ = sup hx, T ′ yk′ − T ′ yl′ i = sup hT x, yk′ − yl′ i ≤ ε. kxkX =1
kxkX =1
Damit ist (T ′ yk′ ) Cauchy-Folge in X ′ und der Operator T ′ kompakt. Die umgekehrte Richtung wird mit den gleichen Argumenten bewiesen. ⊓ ⊔ Im Hilbert-Raum kann der adjungierte Operator mit Hilfe des Skalarprodukts dargestellt werden. Definition 8.13. Seien X, Y Hilbert-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ). Dann heißt T ∗ ∈ L(Y, X) mit (T x, y)Y = (x, T ∗ y)X
∀x ∈ X, y ∈ Y
(8.8)
die Hilbert-Adjungierte zu T. Ist T ∈ L(X) mit T = T ∗, so heißt T selbstadjungiert. Diese Definition erinnert an den adjungierten Operator, der genaue Zusammenhang wird im folgenden herausgearbeitet. Mit jX : X → X ′ bezeichnen wir die Abbildung, die jedem x ∈ X das Funktional l(y) = jX (x)(y) = (y, x) ∈ X ′ zuordnet. Nach dem Rieszschen Darstellungssatz 2.25 ist jX eine antilineare Isometrie. Gleichung (8.8) k¨ onnen wir schreiben als jY (y)(T x) = jX (T ∗ y)(x) und, weil dies f¨ ur jedes x ∈ X richtig ist, jY (y) ◦ T = jX ◦ T ∗ y
∀y ∈ Y.
(8.9)
Andererseits liefert Gleichung (8.7) jY (y)(T x) = T ′ jY (y)(x) oder jY (y) ◦ T = T ′ ◦ jY (y), zusammen mit (8.9) −1 T ∗ = jX ◦ T ′ ◦ jY .
(8.10)
Hilbert-Adjungierte und adjungierter Operator unterscheiden sich nur in der Darstellung des Dualraums.
8.4 Adjungierte Operatoren, Annihilatoren und Gelfandscher Dreier
183
Satz 8.14. Durch (8.8) ist ein eindeutiger Operator T ∗ ∈ L(Y, X) bestimmt. Ferner gilt: (a) Der Operator
∗
: L(X, Y ) → L(Y, X) ist eine antilineare Isometrie, also kT k = kT ∗ k
sowie
(λ1 T1 + λ2 T2 )∗ = λ1 T1∗ + λ2 T2∗
∀T ∈ L(X, Y ), f¨ ur alle T1 , T2 ∈ L(X, Y ), λ1 , λ2 ∈
.
(b) Sind X, Y, Z Hilbert-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ), S ∈ L(Y, Z), so (ST )∗ = T ∗ S ∗ ,
T ∗∗ = T.
(c) Wenn T ∈ L(X, Y ) regul¨ ar, so ist (T ∗ )−1 ∈ L(X, Y ) mit (T ∗ )−1 = −1 ∗ (T ) . Insbesondere gilt λ ∈ σ(T )
⇔
λ ∈ σ(T ∗ ).
(d) T ist genau dann kompakt, wenn T ∗ kompakt ist. Beweis. Die Behauptungen folgen aus Lemma 8.8, Satz 8.12 und der Darstellung (8.10). ⊓ ⊔ Beispiel 8.15. Sei X = n , Y = m . Eine lineare AbbildungPT : n → m wird mit einer (m × n)-Matrix T identifiziert. Mit (x, y) = nk=1 xk yk folgt aus der Definition des adjungierten Operators XX (T x, y) = tkl xl yk = (x, T H y), k
∗
also ist T = T
H
=T
T
l
die adjungierte Matrix zu T .
Wie Satz 8.11 beweist man: Satz 8.16. (a) F¨ ur T ∈ L(X, Y ) gilt N (T ∗ ) = R(T )⊥
und
N (T ) = R(T ∗ )⊥ .
(b) Es gilt R(T ) = N (T ∗ )⊥ , insbesondere ist der adjungierte Operator injektiv, wenn das Bild von T dicht ist in Y . Seien X, Y Hilbert-R¨ aume mit X → Y dicht. Nach Satz 8.11 besitzt auch die adjungierte Identit¨ at Id′ : Y ′ → X ′ , Id′ : y ′ 7→ y ′ |X , dichtes Bild. Ist die Einbettung X → Y zus¨ atzlich kompakt, was in den Anwendungen fast immer der Fall ist, so ist nach Satz 8.12 auch Id′ : Y ′ → X ′ kompakt. Identifizieren wir Y mit Y ′ , so bekommen wir folgendes Schema: Id
X
→ Y ↔
x
7→ x
Y′
Id′
→
X′
. (·, y)Y 7→ (·, y)Y X
(8.11)
184
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
Das Bild von Id′ wird nat¨ urlich mit der Norm von X ′ versehen, die in diesem Zusammenhang negative Norm genannt wird, kyk−1 = k(·, y)kX ′ = sup
x∈X
(x, y)Y , kxkX
y ∈ Y.
(8.12)
Es gilt kyk−1 ≤ KkykY bereits aufgrund der Herleitung, die negative Norm kann auch direkt abgesch¨ atzt werden unter Verwendung von kxkY ≤ KkxkX . Nach dem Rieszschen Darstellungssatz gibt es zu jedem y ∈ Y ein xy ∈ X mit (·, y)Y = (·, xy )X . Durch eine elementare Rechnung weist man nach, daß das Supremum in (8.12) f¨ ur x = xy angenommen wird mit kyk−1 = kxy kX . Ist X → Y kompakt, so kann die negative Norm sehr anschaulich durch eine Fourier-Reihe charakterisiert werden (siehe Seite 204). Die Identifizierung von Y mit Y ′ ist keinesfalls harmlos, denn nun darf X nicht mehr mit X ′ identifiziert werden. Da dieser Fehler schon Arbeiten zu Fall gebracht hat, soll er an einem Spezialfall erl¨autert werden. Beispiel 8.17. F¨ ur ein beschr¨ anktes Gebiet Ω des (X, (·, ·)X ) = (H01,2 (Ω), (D·, D·)),
n
setzen wir
(Y, (·, ·)Y ) = (L2 (Ω), (·, ·)).
Da die Einbettung H01,2 (Ω) → L2 (Ω) dicht und kompakt ist, ist auch L2 (Ω)′ → H01,2 (Ω)′ dicht und kompakt. Die zugeh¨orige negative Norm wird dann mit R Ω vu dx kuk−1,2;Ω = sup , u ∈ L2 (Ω), 1,2 kDvk 2;Ω v∈H (Ω) 0
bezeichnet, was angesichts der Tatsache, daß H −1,2 (Ω) ein anderer Raum ist, zumindest verwirrend ist. Die negative Norm ist die Norm der Funktionale auf H01,2 (Ω), die sich durch L2 -Funktionen darstellen lassen. F¨ ur w ∈ H01,2 (Ω) 1,2 mit (Dv, Dw) = (v, u) f¨ ur alle v ∈ H0 (Ω) gilt wie oben ausgef¨ uhrt kuk−1 = kDwk. Gleichzeitig ist w die Darstellung von (·, u) durch das Produkt in H01,2 (Ω). Nach dem Rieszschen Darstellungssatz kann H −1,2 (Ω) mit den Funktionalen (D·, Dw) identifiziert werden mit w ∈ H01,2 (Ω). Der Raum R(Id′ ) besteht dagegen aus den Funktionalen mit Darstellung durch ein w ∈ H01,2 (Ω) mit u = −∆w ∈ L2 (Ω). Die Identifizierung von H01,2 (Ω) mit H −1,2 (Ω) w¨ urde bei Beibehaltung des Schemas (8.11) eine Identifizierung von H −1,2 (Ω) mit dem echten Unterraum R(Id′ ) bedeuten. Ganz analog definiert man kuk−m = supv∈H m,2 (v, u)/kDm vk. Man erh¨alt 0 eine Vielzahl von schwachen Normen, die sich in der Numerik partieller Differentialgleichungen großer Beliebtheit erfreuen.1 1
Die vielleicht sch¨ onste Anwendung der negativen Norm in der Konvergenzanalyse der Finite Elemente Methode soll hier skizziert werden. Das erste Randwertproblem von −∆u = f wird unter Verwendung st¨ uckweise quadratischer Elemente diskretisiert, wobei hier alle R¨ aume als reell vorausgesetzt sind. Die genaue
8.4 Adjungierte Operatoren, Annihilatoren und Gelfandscher Dreier
185
Definition 8.18. F¨ ur Hilbert-R¨ aume X, Y heißt das Schema X → Y → X ′, wobei beide Einbettungen dicht sind, Gelfandscher Dreier. Nach den obigen Ausf¨ uhrungen gen¨ ugt schon die dichte Einbettung X → Y f¨ ur einen Gelfandschen Dreier. Beispiel 8.19. Wir betrachten wie in (7.4) den Differentialoperator Lu = −Di (aij Dj u) + bi Di u + cu
(8.13)
mit beschr¨ankten und meßbaren Koeffizientenfunktionen aij , bi , c, und das zugeh¨orige erste Randwertproblem Lu = f in Ω, u = 0 auf ∂Ω. Je nach Wahl des funktionalanalytischen Rahmens erhalten wir unterschiedliche adjungierte Operatoren. (i) In der schwachen Formulierung ist eine Funktion u ∈ X = H01,2 (Ω) gesucht mit Konstruktion solcher Elemente ist hier unwichtig, sondern nur die Approximationsabsch¨ atzung f¨ ur den zugeh¨ origen Raum S0 , n¨ amlich inf vh ∈S0 kD(u − vh )k ≤ ch2 kD3 uk. Die Poisson-Gleichung sei 3-regul¨ ar (vgl. Definition 7.20): Zu jedem g ∈ H01,2 ist die L¨ osung von −∆w = g in H 3,2 mit kD3 wk ≤ ckgk1,2 . F¨ ur (DPh u, Dvh ) = (f, vh ) folgt dann wie in Satz 7.21 die Fehlerabsch¨ atzung kDk (u − Ph u)k ≤ ch3−k kf k1,2 , k = 1, 2. F¨ ur die negative Norm bekommen wir aber mehr: F¨ ur g ∈ H01,2 sei −∆w = g die L¨ osung des ersten Randwertproblems. Dann gilt mit einer Approximierenden vh von w (u − Ph u, g) = (D(u − Ph u), Dw) = (D(u − Ph u), D(w − vh )) ≤ kD(u − Ph u)k kD(w − vh )k ≤ ch2 kD3 uk ch2 kD3 wk ≤ ch4 kf k1,2 kgk1,2 . ¨ Mit kgk1,2 ≤ kDgk erhalten wir nach Division und Ubergang zum Supremum die Absch¨ atzung ku − Ph uk−1 ≤ ch4 kf k1,2 , also eine Ordnung mehr als in L2 . Mit dieser Erkenntnis l¨ aßt sich eine interessante Folgerung u ¨ ber das Verhalten des Fehlers u − Ph u ziehen. F¨ ur Ω0 ⊂⊂ Ω sei τ eine nichtnegative Abschneidefunktion bez¨ uglich {Ω0 , Ω}. F¨ ur eine Funktion v > 0 in Ω l¨ aßt sich R die negative Norm von v mit Hilfe von τ absch¨ atzen zu kvk−1 ≥ m (τ, v) ≥ m Ω v dx, wobei 0 ¨ m > 0 von Ω0 und Ω abh¨ angt. Diese Uberlegung gilt auch f¨ ur Teilbereiche von Ω. Da die Konvergenzrate in L1 mit der in L2 u ¨bereinstimmt, ist eine bessere Rate in H −1,2 gegen¨ uber L2 nur m¨ oglich, wenn der Fehler st¨ andig oszilliert. F¨ ur die Methode mit st¨ uckweise linearen Elementen beobachtet man auf dem Einheitsquadrat bei −∆u = 1, daß u − Ph u > 0 und daß die Konvergenz in Umgebung des Mittelpunkts monoton ist. Anschaulich kann man sagen, daß die linearen Elemente nicht so biegsam sind wie die Membran selbst, was der Ingenieur als steif“ ” bezeichnet. Daß der obige Beweis f¨ ur lineare Elemente scheitert, reflektiert also die Tatsachen.
186
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
a(u, v) = f (v) ∀v ∈ H01,2 (Ω),
wobei a(u, v) =
Z
Ω
aij Dj uDi v + bi Di uv + cuv dx,
f (v) =
Z
fi Di v dx,
Ω
mit fi ∈ L2 (Ω). Sei zun¨ achst alles reell. Da die Bilinearform in X × X beschr¨ankt ist, bildet der schwache Operator Lu(v) = a(u, v) den Raum X stetig auf X ′ ab. Identifizieren wir X mit X ′′ , so gilt f¨ ur den adjungierten Operator L′ v(u) = a(u, v) ebenfalls L′ ∈ L(X, X ′ ). Ist L bijektiv zwischen den angegebenen R¨aumen, was unter den Voraussetzungen von Satz 7.2 erf¨ ullt ist, so ist nach Satz 8.8(c) das adjungierte Problem L′ v = f in Ω, v = 0 auf ∂Ω, ebenfalls eindeutig l¨ osbar. Ist das Ausgangsproblem nicht reell, so muß es in den entsprechenden komplexen Sobolev-R¨ aumen untersucht werden. Der Operator L bildet nun X auf den Antidualraum X ∗ ab, der aus den stetigen, antilinearen Funktionalen auf X besteht. Wie in Anmerkung 2.30(ii) ausgef¨ uhrt ist, gilt der Satz von Lax-Milgram auch in dieser leicht ge¨ anderten Situation. Ist L bijektiv, so ist der adjungierte Operator L′ : X → X ′ , der nun antilinear ist, ebenfalls bijektiv. Man kann die Einf¨ uhrung des Antidualraums vermeiden, indem man das zu l¨osende Problem komplex konjugiert und in der Form b(v, u) = f (v) schreibt. Der adjungierte Operator wird dann definiert durch L′ v(u) = b∗ (u, v) = b(v, u). mit der adjungierten Sesquilinearform b∗ . (ii) Nun setzen wir voraus, daß der Operator L in (8.13) den Raum X = H 2,2 (Ω) ∩ H01,2 (Ω) bijektiv auf Y = L2 (Ω) abbildet, was gem¨aß Satz 7.4 bei einem elliptischen Operator und gen¨ ugend glatten Daten der Fall ist. Um die Diskussionen aus (i) zu vermeiden, betrachten wir nur den reellen Fall. Als funktionalanalytischen Rahmen nehmen wir den Gelfandschen ′ ′ Dreier X P → Y R→ X .αNach Satz 6.28 2besitzt jedes f ∈ X die Darstellung f (u) = |α|≤2 Ω fα D u dx mit fα ∈ L (Ω). Damit gibt es zu jeder Vorgabe von fα ∈ L2 (Ω) ein eindeutig bestimmtes v ∈ L2 (Ω) mit Z X Z L′ v(u) = vLu dx = fα Dα u dx ∀u ∈ X. (8.14) Ω
|α|≤2
Ω
P und kvk2;Ω ≤ c α kfα k2;Ω . Betrachten wir nun den Spezialfall L = −∆. Da die L¨osung von (8.14) eindeutig ist, stimmt sie f¨ ur f ∈ H −1,2 mit der schwachen L¨osung u ¨ berein. Durch (8.14) wird daher −∆ auf den Raum Y = L2 (Ω) eindeutig fortgesetzt. Durch ein Beispiel zeigen wir, daß diese Fortsetzung tats¨achlich nur dann m¨oglich ist, wenn die L¨osungen der Poisson-Gleichung f¨ ur f ∈ L2 (Ω) im Raum H 2,2 (Ω) liegen. Sei n = 2, Ω sei ein Polygongebiet, das eine einspringende Ecke im
8.5 Quotientenr¨ aume
187
Nullpunkt mit innerem Winkel ω enth¨ alt. Dann gilt f¨ ur s− = r−α sin αφ, α = π/ω < 1, daß −∆s− = 0. Mit einer Abschneidefunktion τ, die in Umgebung von 0 gleich 1 ist, ist dann −∆(τ s− ) = f in Ω, τ s− = 0 auf ∂Ω. Da f ∈ L2 (Ω), hat die Gleichung (8.14) eine L¨ osung v ∈ H01,2 (Ω). Man rechnet leicht nach (vgl. Beispiel 5.6), daß auch τ s− ∈ L2 (Ω), τ s− ∈ / H 1,2 (Ω), eine L¨osung im Sinne von (8.14) ist. (iii) In der Theorie partieller Differentialgleichungen wird f¨ ur gew¨ohnlich der adjungierte Operator anders definiert als in (i) oder (ii). Allgemein bezeichnet man einen Differentialoperator L∗ als formal adjungiert zu L, wenn (Lu, v) = (u, L∗ v) f¨ ur alle u, v ∈ C0∞ (Ω). In unserem Fall erh¨alt man aus der Greenschen Formel f¨ ur u, v ∈ C0∞ (Ω), Z Z ! (Lu, v) = aij Dj uDi v dx = − uDj (aij Di v) dx = (u, L∗ v), (8.15) Ω
Ω
∗
daher L v = −Dj (aij Di v). Ist das Randwertproblem Lu = f , Bu = 0 auf ∂Ω, mit einem linearen Randoperator B vorgegeben, so heißt das Paar (L∗ , B ∗ ) das adjungierte Randwertproblem, wenn (Lu, v) = (u, L∗ v) f¨ ur alle gen¨ ugend oft differenzierbaren Funktionen mit Bu = 0 und B ∗ v = 0 auf ∂Ω. Die in der Rechnung (8.15) f¨ ur allgemeine u, v auftretenden Randintegrale m¨ ussen also durch die homogenen Randbedingungen Bu = 0 und B ∗ v = 0 verschwinden. Zur Randbedingung u = 0 geh¨ ort offenbar die adjungierte Randbedingung v = 0 und zu νi aij Dj u = 0 geh¨ ort νj aij Di v = 0. Man erh¨alt das gleiche adjungierte Randwertproblem wie in (i) f¨ ur die R¨aume H01,2 bzw. H 1,2 , nur werden sie hier in starker Form geschrieben. Man beachte, daß in (i) die Abbildungseigenschaft L′ : H01,2 ↔ H −1,2 f¨ ur invertierbares L Bestandteil der Theorie ist, w¨ahrenddessen es hier unklar ist, ob aus L : H 2,2 ∩ H01,2 ↔ L2 auch L∗ : H 2,2 ∩ H01,2 ↔ L2 folgt.
8.5 Quotientenr¨ aume ¨ Sei U ein Unterraum eines Banach-Raums X. Die Aquivalenzklassen [x] = {x+U } bilden mit den Operationen [x]+[y] = [x+y], α[x] = [αx], bekanntlich einen linearen Raum, der Quotientenraum genannt und mit X/U bezeichnet wird. Auf X/U definieren wir den Ausdruck k[x]kX/U = dist (x, U ) = inf kx − ykX . y∈U
Satz 8.20. Sei U ein Unterraum eines Banach-Raums X. Dann ist k[x]kX/U eine Halbnorm auf X/U . Ist U abgeschlossen, so ist k[x]kX/U eine Norm, Quotientennorm genannt, und (X/U, k[x]kX/U ) ist ein Banach-Raum. Beweis. Der Ausdruck k[x]kX/U ist offenbar unabh¨angig vom Vertreter x der ¨ Aquivalenzklasse [x]. k[x]kX/U ≥ 0 und kα[x]kX/U = |α|k[x]kX/U sind ebenfalls klar.
188
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
Nun zum Beweis der Dreiecksungleichung. Zu x1 , x2 ∈ X seien y1 , y2 ∈ U mit kxi − yi kX ≤ dist (xi , U ) + ε. Dann k[x1 ] + [x2 ]kX/U = k[x1 + x2 ]kX/U = inf kx1 + x2 − ykX y∈U
≤ kx1 + x2 − (y1 + y2 )kX ≤ kx1 − y1 kX + kx2 − y2 kX ≤ k[x1 ]kX/U + k[x2 ]kX/U + 2ε. Damit ist die Dreiecksungleichung gezeigt. Ist U abgeschlossen, so gilt dist (x, U ) > 0 genau dann, wenn x ∈ / U. Daher k[x]kX/U = 0 genau dann, wenn [x] = 0. ZumP Beweis der Vollst¨ andigkeit verwenden wir das Kriterium aus Aufgabe ¨ 2.1. Sei k k[xk ]kX/U < ∞. Wir k¨ onnen in jeder Aquivalenzklasse einen VerP ′ −k ′ treter mit kxk kX ≤ k[xk ]kX/U + 2 w¨ ahlen. Dann gilt auch P kx k kX < ∞ k und wegen der Vollst¨ andigkeit von X gibt es ein x ∈ X mit x = k x′k . Daher k
X
[xi ]
[x] − i=1
X/U
k
h i X
= x− xi i=1
X/U
k
X
≤ x − x′i , i=1
X
womit die Konvergenz der Reihe in X/U bewiesen ist.
⊓ ⊔
Eine wichtige Anwendung der Quotientenr¨ aume ist das Herausfaktorisieren des Nullraums eines Operators. Lemma 8.21. Seien X, Y Banach-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ). Dann ist der Operator T˜ : [x] 7→ T x, T˜ : X/N (T ) → R(T ) stetig und bijektiv zwischen den angegebenen R¨ aumen. Beweis. Da der Nullraum N (T ) abgeschlossen ist, ist nach Satz 8.20 der Quotientenraum (X/N (T ), k · kX/N (T ) ) ein Banach-Raum. T˜ ist stetig, weil f¨ ur geeignet gew¨ahltes z ∈ N (T ) gilt kT xkY = kT (x − z)kY ≤ Kkx − zkX ≤ Kk[x]kX/N (T ) + ε. Die Bijektivit¨at von T˜ folgt aus der Konstruktion.
⊓ ⊔
8.6 Operatoren mit abgeschlossenem Bild In Satz 8.11(b) hatten wir f¨ ur die L¨ osbarkeit der Operatorgleichung T x = y das Kriterium R(T ) = N (T ′ )⊥ bewiesen. Allerdings kann dieses nur sinnvoll angewendet werden, wenn man bereits weiß, daß T ein abgeschlossenes Bild besitzt. Um eine erste Bedingung f¨ ur die Abgeschlossenheit des Bildes eines Operators herzuleiten, ben¨ otigen wir zwei einfache Tatsachen.
8.6 Operatoren mit abgeschlossenem Bild
189
Satz 8.22. Sei X ein Banach-Raum und X0 ein endlich dimensionaler Unterraum von X. Dann existiert eine stetige lineare Projektion P von X auf X0 mit abgeschlossenem Nullraum X1 = N (P ). Es gilt X = X0 ⊕ X1 algebraisch und topologisch, d.h. zu jedem x ∈ X existiert eine eindeutige Zerlegung x = x0 + x1 mit xi ∈ Xi und kxi kX ≤ KkxkX f¨ ur i = 0, 1. Beweis. Sei {b1 , . . . , bk } eine Basis von X0 . Dann gibt es lineare Funktionale {f1 , . . . , fk } auf X0 mit fi (bj ) = P δij . Die fi k¨onnen mit Hahn-Banach zu Fi ∈ X ′ fortgesetzt werden. P x = i Fi (x)bi ist offenbar eine stetige lineare Projektion auf X0 . X1 ist abgeschlossen, weil P stetig ist. Die Zerlegung X = X0 ⊕ X1 und die behaupteten Absch¨ atzungen folgen aus x = P x + (Id − P )x und der Stetigkeit von P. ⊓ ⊔ Man beachte den Unterschied zum Projektionssatz 2.27 f¨ ur Hilbert-R¨aume: X0 ist hier endlich dimensional, die Norm von P h¨angt von der Dimension von X0 ab und X1 h¨ angt wiederum von der Wahl von P ab. Lemma 8.23. Seien X, Y Banach-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ). Dann sind ¨ aquivalent: (a) R(T ) ist abgeschlossen in Y .
(b) Zu jedem y ∈ R(T ) gibt es ein x mit T x = y und kxkX ≤ KkykY mit K unabh¨ angig von y. Beweis. (a) ⇒ (b): Sei T˜ der zugeh¨ orige Operator aus Lemma 8.21. Nach dem Satz vom inversen Operator ist T˜ −1 stetig, daher ¨ k[x]kX/N (T ) ≤ kT˜ −1 kkT xkX . Da wir in jeder Aquivalenzklasse einen Vertreter mit kx′ kX ≤ 2k[x]kX/N (T ) finden k¨ onnen, folgt die Behauptung. (b) ⇒ (a): Bedingung (b) bedeutet gerade, daß der Operator T˜ eine stetige Inverse auf R(T ) besitzt. Damit ist R(T ) als Urbild des Banach-Raums X/N (T ) unter der Abbildung T˜ −1 abgeschlossen. ⊓ ⊔ Satz 8.24. Seien X, Y, Z Banach-R¨ aume mit X → Y kompakt und sei T ∈ L(X, Z). Dann sind ¨ aquivalent: (a) Das Bild von T ist abgeschlossen in Z und der Nullraum N (T ) ist endlich dimensional. (b) Es existiert eine Konstante K mit kxkX ≤ K(kT xkZ + kxkY )
∀x ∈ X.
(8.16)
Beweis. (a) ⇒ (b): Mit X0 = N (T ) gilt nach Satz 8.22 X = X0 ⊕ X1 mit abgeschlossenen R¨ aumen X0 und X1 . Da die Einschr¨ankung von T auf X1 bijektiv zwischen den Banach-R¨ aumen X1 und R(T ) ist, folgt aus dem Satz vom inversen Operator kx1 kX ≤ K1 kT x1 kZ
∀x1 ∈ X1 .
190
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
Als endlich dimensionaler Raum ist N (T ) auch abgeschlossen in Y , damit ist die Projektion P : Y → N (T ) (in Y ) → N (T ) (in X) stetig, es gilt also kP ykX ≤ K0 kykY
Daher
∀y ∈ Y.
kxkX ≤ kx0 kX + kx1 kX ≤ kP xkX + K1 kT x1 kZ ≤ K0 kxkY + K1 kT xkZ ≤ K(kT xkZ + kxkY ), also gerade (8.16). F¨ ur diese Richtung wurde die Kompaktheit der Einbettung X → Y nicht benutzt. (b) ⇒ (a): Wir setzen wieder X0 = N (T ). Auf X0 reduziert sich (8.16) zu kx0 kX ≤ Kkx0 kY . Wegen der kompakten Einbettung X → Y ist dies ist nur m¨oglich, wenn X0 endlich dimensional ist. Sei X = X0 ⊕ X1 wie in Satz 8.22. Wir zeigen, daß das Bild von T abgeschlossen ist. Dazu wird mit einem Standardschluß (vgl. den Beweis von Satz 6.21) nachgewiesen, daß kxkX ≤ ckT xkZ
∀x ∈ X1
(8.17)
gilt. Ist diese Bedingung nicht erf¨ ullt, gibt es eine Folge (xk ) in X1 mit kxk kX = 1 und
1 = kxk kX ≥ kkT xk kZ .
Wegen der kompakten Einbettung X → Y gilt xk → x in Y f¨ ur eine Teilfolge. Ferner ist T xk → 0 in Z. Aus (8.16) folgt dann, daß (xk ) eine Cauchy-Folge in X ist, also xk → x auch in X. Da X1 abgeschlossen ist, folgt x ∈ X1 mit T x = 0, daher x = 0. Widerspruch zu xk → x in X und kxk kX = 1 ! Die Behauptung folgt aus (8.17) und Lemma 8.23. ⊓ ⊔ Beispiel 8.25. Wir betrachten den Differentialoperator L aus Beispiel 8.19. F¨ ur gen¨ ugend glatte Daten und L elliptisch liefert Satz 7.4 die a-priori Absch¨atzung (f = Lu !) kuk2,2;Ω ≤ c(kLuk2;Ω + kuk1,2;Ω ). Mit X = H 2,2 (Ω) ∩ H01,2 (Ω), Y = H01,2 (Ω) und Z = L2 (Ω) sind alle Voraussetzungen von Satz 8.24 erf¨ ullt. N (L) ist daher endlich dimensional und R(L) ist abgeschlossen in L2 (Ω). Satz 8.26 (Satz vom abgeschlossenen Bild, Closed Range Theorem). Seien X, Y Banach-R¨ aume und T ∈ L(X, Y ). Dann sind ¨ aquivalent: (a) R(T ) ist abgeschlossen in Y . (b) R(T ) = N (T ′ )⊥ .
(c) R(T ′ ) ist abgeschlossen in X ′ . (d) R(T ′ ) = N (T )⊥ .
8.6 Operatoren mit abgeschlossenem Bild
191
F¨ ur den Beweis ben¨ otigen wir das folgende Lemma. Lemma 8.27. Gibt es ein m > 0 mit mky ′ kY ′ ≤ kT ′ y ′ kX ′ f¨ ur alle y ′ ∈ Y ′ , so ist T offen. Beweis. Sei Ua = Ba (0) ⊂ X und Va = Ba (0) ⊂ Y. Wegen der Homogenit¨at linearer Abbildungen gen¨ ugt es, Vm ⊂ T (U1 ) zu zeigen. Mit der Methode aus Schritt (iii) des Beweises von Satz 3.8 kann dies auf Vm ⊂ T (U1 ) zur¨ uckgef¨ uhrt werden. F¨ ur einen indirekten Beweis nehmen wir an, es gibt ein y0 ∈ Vm , also ky0 kY < m, aber y0 ∈ / T (U1 ). Da T (U1 ) als Abschluß der konvexen Menge T (U1 ) konvex ist, k¨ onnen wir die Mengen T (U1 ) und {y0 } mit Hahn-Banach trennen, es gibt ein y ′ ∈ Y ′ mit Re hy, y ′ i < Re hy0 , y ′ i f¨ ur alle y ∈ T (U1 ), also Re hT x, y ′ i < Re hy0 , y ′ i f¨ ur alle x ∈ U1 . Mit der Darstellung hT x, y ′ i = αr, |α| = 1, r ≥ 0, folgt Re hy0 , y ′ i > Re hT (αx), y ′ i = Re αhT x, y ′ i = r = |hT x, y ′ i|, also mky ′ kY ′ ≤ kT ′ y ′ kX ′ = sup |hx, T ′ y ′ i| = sup |hT x, y ′ i| x∈U1
x∈U1
≤ |hy0 , y ′ i| ≤ ky0 kY ky ′ kY ′ , daher ky0 kY ≥ m im Widerspruch zu y0 ∈ Vm .
⊓ ⊔
Beweis von Satz 8.26. (a) ⇔ (b) ist Satz 8.11. (a) ⇒ (d): F¨ ur x ∈ N (T ) gilt 0 = y ′ (T x) = T ′ y ′ (x), daher R(T ′ ) ⊂ ⊥ N (T ) . Zum Beweis der umgekehrten Richtung definieren wir f¨ ur x′ ∈ N (T )⊥ ein Funktional auf R(T ): Zu y ∈ R(T ) w¨ ahlen wir ein x ∈ X mit T x = y und setzen f (y) = hx, x′ i. f ist wohldefiniert, denn wenn auch T x1 = y erf¨ ullt ist, so ist x − x1 ∈ N (T ) und damit hx, x′ i = hx1 , x′ i wegen x′ ∈ N (T )⊥ . f ist offenbar linear. Zum Nachweis der Stetigkeit verwenden wir Lemma 8.23. F¨ ur y ∈ R(T ) und x mit T x = y, kxkX ≤ KkykY , gilt |f (y)| = |hx, x′ i| ≤ kx′ kX ′ kxkX ≤ kx′ kX ′ KkykY . f wird mit Hahn-Banach zu F ∈ Y ′ fortgesetzt. Wegen hx, x′ i = f (T x) = F (T x) = T ′ F (x) ∀x ∈ X ist T ′ F = x′ . Damit ist N (T )⊥ ⊂ R(T ′ ) gezeigt. (d) ⇒ (c): Der Annihilator N (T ′ )⊥ ist abgeschlossen. (c) ⇒ (a): Sei also R(T ′ ) abgeschlossen. Wir setzen Z = R(T ) und definieren S ∈ L(X, Z) durch Sx = T x. F¨ ur y ′ ∈ Y ′ und x ∈ X gilt hx, T ′ y ′ i = hT x, y ′ i = hSx, y ′ Z i = hx, S ′ (y ′ Z )i.
192
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
Diese Identit¨at l¨aßt sich auch von rechts nach links lesen, wenn man y ′ als eine beliebige Fortsetzung von y ′ Z interpretiert. Damit ist R(T ′ ) = R(S ′ ) gezeigt, insbesondere ist nach Voraussetzung R(S ′ ) abgeschlossen. Da das Bild von S dicht liegt, ist nach Satz 8.11(b) S ′ injektiv. S ′ ist also stetig und bijektiv zwischen Z ′ und R(S ′ ). Da die Inverse von S ′ stetig ist, folgt mkz ′ kZ ′ ≤ kS ′ z ′ kX ′ . Nach Lemma 8.27 ist R(S) = Z, daher R(T ) = Z = R(T ). ⊓ ⊔
8.7 Fredholm-Operatoren und die Spektraltheorie kompakter Operatoren Definition 8.28. Seien X, Y Banach-R¨aume. T ∈ L(X, Y ) heißt FredholmOperator, wenn N (T ) endlich dimensional und die Kodimension von R(T ), also codim R(T ) = dim Y /R(T ), ebenfalls endlich ist. Die ganze Zahl ind T = dim N (T ) − codim R(T ) heißt Index des Fredholm-Operators. F¨ ur einen Fredholm-Operator vom Index 0 gilt die Fredholmsche Alternative: Entweder ist die Gleichung T x = y f¨ ur alle y ∈ X eindeutig l¨osbar, d.h. T ist bijektiv, oder die Gleichung ist nicht f¨ ur alle y l¨ osbar. Dann und nur dann gibt es einen endlich dimensionalen Eigenraum von T. Das Bild eines Fredholm-Operators ist abgeschlossen wegen: Satz 8.29. Seien X, Y Banach-R¨aume. Sei T ∈ L(X, Y ) mit codim R(T ) < ∞. Dann besitzt T ein abgeschlossenes Bild. Beweis. Wie in Lemma 8.21 betrachten wir den stetigen Operator T˜ : X/N (T ) → R(T ). W sei ein endlich dimensionaler Komplement¨arraum zu R(T ), also Y = R(T ) ⊕ W. Setze S : X/N (T ) × W → Y,
S([x], w) = T˜ [x] + w.
Die Abbildung S ist linear, stetig und bijektiv auf dem Banach-Raum X/N (T ) × W, nach dem Prinzip vom inversen Operator ist S −1 stetig. Damit ist R(T ) als Urbild der abgeschlossenen Menge X/N (T ) × {0} abgeschlossen. ⊓ ⊔ Aus Satz 8.26 folgt daher, daß der adjungierte Operator T ′ : Y ′ → X ′ eines Fredholm-Operators ebenfalls ein Fredholm-Operator ist mit dim N (T ′ ) = codim R(T ) und codim R(T ′ ) = dim N (T ), daher ind T ′ = −ind T. Nachweisen l¨aßt sich die Fredholm-Eigenschaft eines Operators, indem man die a-priori Absch¨atzungen in Satz 8.24 f¨ ur T und T ′ zeigt, allerdings kann dann nichts u ¨ber den Index ausgesagt werden. Mehr Informationen erh¨alt man mit dem folgenden Satz.
8.7 Fredholm-Operatoren und die Spektraltheorie kompakter Operatoren
193
Satz 8.30 (Riesz-Schauder). Sei X ein unendlich dimensionaler BanachRaum und T ∈ K(X). Dann gilt:
(a) 0 ist Spektralwert von T. (b) Tλ = T − λId ist f¨ ur λ 6= 0 ein Fredholm-Operator vom Index 0, insbesondere ist jeder Spektralwert Eigenwert. (c) Es gibt h¨ ochstens abz¨ ahlbar viele Eigenwerte, die keinen H¨aufungspunkt haben außer eventuell Null. Der Beweis wird in mehreren Schritten erbracht. Sei S = Id − T. Lemma 8.31. Der Nullraum von S n ist endlich dimensional und das Bild von S n ist abgeschlossen. Beweis. Wegen x = Sx + T x gilt kxk ≤ kSxk + kT xk. Die Behauptungen f¨ ur n = 1 folgen hieraus wie in Satz 8.24, Richtung (b)⇒(a). Mit der binomischen Formel erhalten wir S n = (Id − T )n = Id +
n X n (−T )k = Id − Tn , k k=1
wobei Tn als Summe kompakter Operatoren kompakt ist. Damit folgt die Behauptung f¨ ur alle n. ⊓ ⊔ Lemma 8.32. Wenn N (S) = {0}, so ist R(S) = X. Beweis. Die Mengen Rj = R(S j ) bilden eine fallende Folge abgeschlossener Unterr¨aume von X. Angenommen, Rj+1 w¨ are echter Unterraum von Rj f¨ ur alle j. Nach dem Rieszschen Lemma 2.6 gibt es dann ein yj ∈ Rj mit kyj k = 1 und kyj − zk ≥ 1/2 f¨ ur alle z ∈ Rj+1 . F¨ ur j > k folgt hieraus T yk − T yj = yk + (−yj − Syk + Syj ) = yk − z
mit einem z ∈ Rk+1 ,
also kT yk − T yj k ≥ 1/2, was einen Widerspruch zur Kompaktheit von T bedeutet. Daher Rj+1 = Rj f¨ ur ein j. Sei y ∈ X beliebig gew¨ ahlt. Wegen S j y ∈ Rj = Rj+1 gilt S j y = S j+1 x f¨ ur ein x. Daher S j (y − Sx) = 0 und wegen N (S) = {0} folgt Sx = y. Damit ist S surjektiv. Lemma 8.33. Es gilt codim R(S) = dim N (S).
⊓ ⊔
194
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
Beweis. Wir zeigen zun¨ achst codim R(S) ≤ dim N (S). Nach Lemma 8.31 ist k = dim N (S) endlich. Wir f¨ uhren einen indirekten Beweis und nehmen dazu an, daß dim N (S) < codim R(S). Dann gibt es einen k-dimensionalen Raum Y , so daß Y ⊕ R(S) ein echter Unterraum von X ist. Sei PN : X → N (S) eine stetige Projektion in den endlich dimensionalen Unterraum N (S) gem¨aß Satz 8.22. Weiter sei J ein Isomorphismus zwischen den k-dimensionalen R¨aumen N (S) und Y. Der Operator T˜ = T − J ◦ PN ist kompakt, weil T kompakt ist und J ◦ PN ein endlich dimensionales Bild ˜ f¨ besitzt. Betrachte N (S) ur den Operator S˜ = Id − T˜ = S + J ◦ PN . ˜ = 0 folgt x ∈ N (S) und x ∈ N (J ◦ PN ), weil die Operatoren Bilder Aus Sx in den komplement¨ aren Unterr¨ aumen R(S) bzw. Y besitzen. Nach Lemma ˜ = X, andererseits aber auch R(S) ˜ ⊂ Y ⊕ R(S), was einen 8.32 ist also R(S) Widerspruch zu Y ⊕ R(S) 6= X ergibt. ¨ Die zweite Behauptung beweisen wir durch Ubergang zum adjungierten Operator S ′ = Id′ − T ′ : X ′ → X ′ . Da nach Satz 8.12 auch T ′ kompakt ist, sind die bisher bewiesenen Aussagen auch f¨ ur T ′ g¨ ultig, insbesondere gilt ′ ′ codim R(S ) ≤ dim N (S ). Nach dem Satz vom abgeschlossenen Bild 8.26 folgt dim N (S) ≤ codim R(S). ⊓ ⊔ Mit diesen Lemmata haben wir die Aussagen (a) und (b) von Satz 8.30 f¨ ur den Operator Tλ = T − λId = −λ(Id − λ−1 T ),
λ 6= 0,
bewiesen. Das n¨achste Lemma gibt Auskunft u ¨ ber die Struktur der Eigenwerte. Lemma 8.34. Ein kompakter Operator hat h¨ochstens abz¨ahlbar viele Eigenwerte, die keinen H¨aufungspunkt in besitzen außer eventuell 0. Jeder Eigenwert ungleich 0 hat endliche Vielfachheit. Beweis. Als erstes zeigen wir, daß wie im endlich dimensionalen Fall Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten linear unabh¨angig sind. Seien λ1 , . . . , λk paarweise verschiedene Eigenwerte des kompakten Operators T . Angenommen, f¨ ur die zugeh¨ origen Eigenvektoren w¨ urde xk =
k−1 X
αi xi
i=1
gelten mit linear unabh¨ angigen x1 , . . . , xk−1 . Dann folgt nach Anwendung von T − λk Id,
8.8 Integralgleichungen
0=
k−1 X i=1
αi (T − λk Id)xi =
k−1 X i=1
195
αi (λi − λk )xi .
Wegen λi 6= λk widerspricht dies der linearen Unabh¨angigkeit von x1 , . . . , xk−1 . Sei λ 6= 0 und seien λk nicht notwendig verschiedene Eigenwerte mit λk → λ. Nach dem vorigen Beweisschritt k¨ onnen wir annehmen, daß die zugeh¨origen Eigenvektoren xk linear unabh¨ angig sind. Auf Xk = span {x1 , . . . , xk } wenden wir das Rieszsche Lemma 2.6 an: Es gibt ein yk ∈ Xk mit kyk k = 1 und kyk − zk ≥ 1/2 f¨ ur alle z ∈ Xk−1 . F¨ ur k > l gilt −1 −1 −1 λ−1 k T yk − λl T yl = yk + (−yl + λk Tλk yk − λl Tλl yl )
= yk − z
mit einem z ∈ Xk−1 ,
denn der xk -Anteil in Tλk yk verschwindet und Tλl yl bleibt in Xl . Daher −1 kλ−1 k T yk − λl T yl k ≥
1 , 2
was wegen der Beschr¨ anktheit der Folge (λ−1 k yk ) der Kompaktheit von T widerspricht. ⊓ ⊔ Damit haben wir Satz 8.30 fast bewiesen – bis auf die Tatsache, daß λ = 0 immer Spektralwert ist. Das ist jedoch trivial, denn andernfalls w¨are R(T ) = X, was einen Widerspruch zur Kompaktheit von T bedeutet.
8.8 Integralgleichungen Auf einem beschr¨ ankten Gebiet Ω ⊂ n betrachten wir f¨ ur K ∈ L2 (Ω × Ω) die Integralgleichung Z λu(x) = K(x, y)u(y) dy. (8.18) Ω
F¨ ur den zugeh¨origen Operator T u(x) =
Z
K(x, y)u(y) dy
Ω
gilt im komplexen Hilbert-Raum X = L2 (Ω): Satz 8.35. T ∈ K(X) und der adjungierte Operator berechnet sich zu Z ∗ T v(x) = K(y, x)v(y) dy. Ω
196
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
Beweis. Nach dem Satz von Fubini ist die Funktion K(x, ·) f¨ ur fast alle x aus Ω integrierbar. F¨ ur diese x gilt daher Z Z 2 Z |T u(x)|2 = K(x, y)u(y) dy ≤ |K(x, y)|2 dy |u(y)|2 dy. Ω
Ω
Ω
Wegen K ∈ L2 (Ω × Ω) ist die Funktion auf der rechten Seite integrierbar. Daher kT uk ≤ kKkL2(Ω×Ω) kuk und T ∈ L(X) mit
kT k ≤ kKkL2(Ω×Ω) .
(8.19) 2
Zum Nachweis der Kompaktheit von T wird K in L (Ω × Ω) durch eine ˜ ∈ C0∞ (Ω×Ω) approximiert. F¨ Funktion K ur den zugeh¨origen Integraloperator gilt Z ′ ˜ ˜ ˜ ˜ ′ , y) u(y) dy |T u(x) − T u(x )| = K(x, y) − K(x Ω
˜ ˜ ′ , y)| ≤ sup |K(x, y) − K(x y∈Ω
Z
Ω
|u(y)| dy
˜ ˜ ′ , y)| kuk µ(Ω)1/2 . ≤ sup |K(x, y) − K(x y∈Ω
˜ beschr¨ Da die Funktion K ankte Ableitungen besitzt, ist die Menge {T˜ u : kuk ≤ 1} gleichm¨ aßig beschr¨ ankt und gleichgradig stetig. Damit ist T˜ : X → C(Ω) kompakt und wegen C(Ω) → X auch T˜ ∈ K(X). Die Absch¨atzung (8.19) angewendet auf T − T˜ zeigt u ¨berdies, daß T durch T˜ in der Norm von L(X) approximiert wird. Damit kann T als Grenzwert von kompakten Operatoren dargestellt werden und ist nach Satz 8.6 selber kompakt. Der Satz von Fubini liefert Z Z Z Z (T u, v) = K(x, y)u(y) dy v(x) dx = u(x) K(y, x)v(y) dy dx Ω
Ω
Ω
Ω
= (u, T ∗ v).
⊓ ⊔ Nach dem letzten Abschnitt hat die Gleichung (8.18) nur f¨ ur abz¨ahlbar viele λ nichttriviale L¨ osungen und die zugeh¨ origen L¨osungsr¨aume sind endlich dimensional.
8.9 G˚ ardingsche Ungleichung In diesem Abschnitt werden alle R¨ aume als komplex vorausgesetzt. Die Ergebnisse bleiben jedoch sinngem¨ aß auch f¨ ur reelle R¨aume richtig (siehe Abschnitt A.7).
8.9 G˚ ardingsche Ungleichung
197
Definition 8.36. Sei X → Y → X ′ ein Gelfandscher Dreier mit X → Y kompakt. Eine auf X × X beschr¨ ankte Sesquilinearform a(·, ·) erf¨ ullt eine G˚ ardingsche Ungleichung, wenn es ce > 0 und c0 ∈ gibt mit ce kxk2X − c0 kxk2Y ≤ Re a(x, x)
∀x ∈ X.
(8.20)
F¨ ur f ∈ X ′ wird im folgenden die L¨ osbarkeit des Problems a(y, x) = f (y) ∀y ∈ X
(8.21)
untersucht. Satz 8.37. Die beschr¨ ankte Sesquilinearform a(·, ·) erf¨ ulle eine G˚ ardingsche Ungleichung. Dann gilt: (a) Der zugeh¨ orige Operator T : X → X ′ , x 7→ a(·, x), ist ein FredholmOperator vom Index 0. Insbesondere ist das Problem (8.21) entweder f¨ ur jedes f ∈ X ′ eindeutig l¨ osbar, oder es gibt ein x 6= 0 mit a(y, x) = 0 f¨ ur alle y ∈ X. (b) Sei (Xk ) eine aufsteigende Folge endlich dimensionaler Unterr¨ aume von X mit ∪Xk = X. Ist x0 = 0 die eindeutige L¨ osung des homogenen Problems a(y, x) = 0 f¨ ur alle y ∈ X, so gibt es ein K ∈ , so daß die L¨osung Pk x ∈ Xk des Galerkin-Verfahrens zu (8.21), a(yk , Pk x) = f (yk )
∀yk ∈ Xk ,
(8.22)
f¨ ur alle k ≥ K existiert mit Pk x → x in X. Beweis. (a) Die Abbildung J : X → X ′,
Jx(y) = (y, x)Y ∀y ∈ X,
ist kompakt, weil X → Y kompakt ist. Ferner ist nach dem Satz von LaxMilgram der Operator T + c0 J : X → X ′ bijektiv, weil die Sesquilinearform a0 (y, x) = a(y, x) + c0 (y, x)Y beschr¨ ankt und koerziv ist. Die Gleichung T x = f kann daher umgeschrieben werden zu Id − (T + c0 J)−1 c0 J x = (T + c0 J)−1 f. Als Komposition eines stetigen und eines kompakten Operators ist (T + c0 J)−1 c0 J : X → X nach Lemma 2.19 kompakt. Die Behauptung folgt aus Satz 8.30. (b) Wir zeigen: Unter den Voraussetzungen von (b) gibt es ein K ∈ und eine Konstante c > 0 mit ckxk ≤ sup
y∈Xk
Re a(y, x) kykX
f¨ ur alle x ∈ Xk und alle k ≥ K.
(8.23)
Angenommen, dies w¨ are nicht richtig. Dann gibt es eine Teilfolge (xk ) mit xk ∈ Xk und
198
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
1 = kxk kX ≥ k sup
y∈Xk
Re a(y, xk ) . kykX
(8.24)
Hieraus folgt wieder f¨ ur eine Teilfolge xk ⇁ x in X und xk → x in Y . Sei y ∈ X. Dann gibt es nach (7.27) zu jedem ε > 0 ein l ∈ und ein yl ∈ Xl mit ky − yl kX ≤ ε. Es gilt a(yl , xk ) → 0 wegen (8.24) und a(yl , x − xk ) → 0 wegen xk ⇁ x, daher a(y, x) = a(y − yl , x) + a(yl , x − xk ) + a(yl , xk ) → a(y − yl , x). Wegen |a(y − yl , x)| ≤ cb ky − yl k · 1 ≤ cb ε folgt a(y, x) = 0 f¨ ur alle y ∈ X. Aufgrund der vorausgesetzten eindeutigen L¨ osbarkeit des homogenen Problems gilt x = 0. Wegen xk → 0 in Y folgt aus der G˚ ardingschen Ungleichung Re a(xk , xk ) ≥ ce kxk k2X − c0 kxk k2Y ≥
ce 2
f¨ ur gen¨ ugend große k. Aus (8.24) f¨ ur y = xk folgt a(xk , xk ) → 0, was einen Widerspruch zur letzten Absch¨ atzung bedeutet. (8.23) ist daher gezeigt. Mit (8.23) ist die Matrix des Galerkin-Verfahrens (8.22) f¨ ur gen¨ ugend große k regul¨ar, denn das homogene Problem ist eindeutig l¨osbar. F¨ ur beliebiges zk ∈ Xk gilt mit a(yk , x) = a(yk , Pk x) kx − Pk xkX ≤ kx − zk kX + kzk − Pk xkX ≤ kx − zk kX + c−1 sup
Re a(yk , zk − Pk x) kyk kX
= kx − zk kX + c−1 sup
Re a(yk , zk − x) ≤ (1 + c−1 cb )kx − zk k, kyk kX
yk ∈Yk
yk ∈Yk
daher Pk x → x in X.
⊓ ⊔
Beispiel 8.38. Als Anwendung betrachten wir den Operator Lu = −Di (aij Dj u) + bi Di u + cu auf einem beschr¨ ankten Gebiet Ω. Die Koeffizientenfunktionen seien reell, meßbar und beschr¨ ankt, der Operator sei elliptisch, λ|ξ|2 ≤ aij ξi ξj
∀ξ ∈
n
.
Die zugeh¨orige Form wird auf nat¨ urliche Weise zur Sesquilinearform Z a(v, u) = aij Di vDj u + bi vDi u + cvu dx Ω
auf dem komplexwertigen H 1,2 (Ω) fortgesetzt. Wie man leicht nachrechnet oder in Abschnitt A.7 nachschl¨ agt, u ¨ bertragen sich viele Eigenschaften der
8.9 G˚ ardingsche Ungleichung
199
reellen Bilinearform auf die auf diese Weise fortgesetzte Form: Der Hauptteil bleibt koerziv und eine beschr¨ ankte Form bleibt beschr¨ankt. Es gilt daher Z Re a(u, u) ≥ λkDuk22;Ω − {|bi Di uu| + |cuu|} dx Ω
≥
λkDuk22;Ω
− ckDuk2;Ω kuk2;Ω − ckuk22;Ω ,
wobei c von kbi k∞ , kck∞ abh¨ angt. Mit der Youngschen Ungleichung folgt Re a(u, u) ≥
λ kDuk22;Ω − c0 kuk22;Ω . 2
In Abschnitt 7.2 wurde bereits gezeigt, daß a(·, ·) auf H 1,2 (Ω) beschr¨ankt ist. Damit kann der letzte Satz f¨ ur jeden Hilbert-Raum X ⊂ H 1,2 (Ω) angewendet werden, sofern seine Norm mit der Norm in H 1,2 (Ω) ¨aquivalent ist. Insbesondere ist das Problem a(v, u) = f (v) schon dann f¨ ur alle f ∈ X ′ eindeutig in X l¨osbar, wenn die Inversmonotonie f¨ ur schwache L¨osungen 7.8 erf¨ ullt ist. Sind die Koeffizienten des Hauptteils komplexwertig, so kann man auf die allgemeine G˚ ardingsche Ungleichung in Satz 9.42 zur¨ uckgreifen, in diesem Fall m¨ ussen die aij allerdings stetig sein. Wir betrachten das Dirichlet-Problem f¨ ur Lu = −Di (aij Dj u) + bi Di u unter gleichen Voraussetzungen wie oben. Mit Beispiel 7.16 kann man diesen Operator als ein vereinfachtes Modell f¨ ur eine station¨are Temperaturverteilung in einem sich bewegenden Medium ansehen, wobei b = (b1 , . . . , bn ) die Geschwindigkeit dieses Mediums ist. F¨ ur das Problem Lu = f in Ω,
u = 0 auf ∂Ω,
(8.25)
wurde in Abschnitt 7.2 Existenz nur gezeigt, wenn kbi k∞ klein ist oder Di bi eine Vorzeichenbedingung erf¨ ullt. Da der Operator der Fredholmschen Alternative gen¨ ugt, braucht f¨ ur die Existenz nur die eindeutige schwache L¨osbarkeit des homogenen Problems Lu = 0 in Ω,
u = 0 auf ∂Ω,
(8.26)
nachgewiesen zu werden. F¨ ur jede schwache L¨osung u von (8.26) zeigt man bei glatten Daten mit den Methoden aus Abschnitt 7.3, daß sie auch eine klassische L¨osung ist, also u ∈ C 2 (Ω) ∩ C 0 (Ω). Dann wird auf (8.26) f¨ ur Real- und Imagin¨ arteil das Maximumprinzip f¨ ur klassische L¨osungen, Satz 7.13, angewendet und man erh¨ alt in der Tat u = 0. Damit ist (8.25) f¨ ur alle f ∈ L2 eindeutig schwach l¨ osbar.
200
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
8.10 Das abstrakte Eigenwertproblem Seien (X, a(·, ·)) und (Y, (·, ·)) reelle Hilbert-R¨ aume mit kompakter und dichter Einbettung X → Y . Die Normen bezeichnen wir mit k · kX bzw. k · k. Wir betrachten das Eigenwertproblem ∀v ∈ X
a(u, v) = λ(u, v)
(8.27)
mit dem Eigenvektor u ∈ X zum Eigenwert λ. Satz 8.39 (Courant-Hilbert). Sei X unendlich dimensional und seien die ubrigen Voraussetzungen an X und Y wie angegeben erf¨ ullt. Dann besitzt ¨ (8.27) abz¨ ahlbar unendlich viele Eigenwerte λk , k ∈ , mit Eigenvektoren uk ∈ X, kuk k = 1, wobei die Eigenwerte zu mehrfachen Eigenvektoren auch mehrfach gez¨ ahlt werden. Diese haben die Eigenschaften: (a) Es gilt 0 < λ1 ≤ λ2 ≤ . . . → ∞, die Eigenwerte besitzen daher endliche Vielfachheiten und es gibt keine H¨ aufungspunkte von Eigenwerten. (b) Die Eigenvektoren sind sowohl a(·, ·)-, als auch (·, ·)-orthogonal, (uk , ul ) = δkl ,
a(uk , ul ) = λk δkl .
Die Eigenvektoren bilden ein vollst¨andiges System in X und in Y : Zu v ∈ Y setze ci = (v, ui ) (= i-ter Fourier-Koeffizient) und k X vk = ci ui (= k-ter Fourier-Abschnitt). i=1
Dann gilt vk → v in Y sowie vk → v in X f¨ ur v ∈ X und kvk =
∞ X i=1
c2i
1/2
,
kvkX =
∞ X
λi c2i
i=1
1/2
falls v ∈ X.
(c) Die Eigenwerte lassen sich variationell charakterisieren durch λk =
min
v⊥Y Ek−1
R(v),
mit dem Rayleighquotienten R(v) = und
a(v, v) (v, v)
Ek−1 = span {u1 , . . . , uk−1 }, wobei das Minimum f¨ ur v = uk angenommen wird (=Rayleighsches Minimumprinzip). (d) Es gilt das Courantsche Minmax-Prinzip:
8.10 Das abstrakte Eigenwertproblem
λk = min
n
201
o max R(v), Mk ⊂ X, dim Mk = k ,
v∈Mk
wobei das Minimum f¨ ur Mk = Ek angenommen wird.
Anmerkungen 8.40 (i) Der Satz gilt auch f¨ ur endlich dimensionale R¨aume, es gibt dann nur dim X viele Eigenwerte und Eigenvektoren. X dicht in Y “ ” bedeutet in diesem Fall X = Y ∼ = n . Nach Beispiel 2.24 wird jedes innere Produkt durch eine symmetrische und positiv-definite Matrix erzeugt. Das Eigenwertproblem (8.27) ist daher Ax = λBx mit symmetrischen und positivdefiniten Matrizen A und B. (ii) Das Courantsche Minmax-Prinzip hat den Vorteil, daß in der Charakterisierung von λk die Eigenvektoren u1 , . . . , uk−1 nicht vorkommen. Gilt beispielsweise f¨ ur die Rayleighquotienten der Bilinearformen ai (·, ·) die Beziehung R1 (v) ≤ R2 (v) f¨ ur alle v ∈ X, so folgt λk (a1 ) ≤ λk (a2 ) f¨ ur alle k. Diesen Schluß w¨ urde das Rayleighsche Minimumprinzip nur f¨ ur den ersten Eigenwert gestatten. (iii) Mit R : X ′ → X, a(Rg, v) = g(v) f¨ ur alle v ∈ X, und J : X → X ′ , u 7→ (u, ·), ist (8.27) ¨ aquivalent zu u = λRJu oder (Id − λRJ)u = 0. Der Operator RJ : X → X ist kompakt, weil J kompakt ist. Ferner ist er selbstadjungiert wegen a(RJu, v) = Ju(v) = (u, v) = Jv(u) = a(u, RJv). Das abstrakte Eigenwertproblem ist daher die Spektraltheorie des kompakten selbstadjungierten Operators. Beweis. Zum Existenzbeweis verwenden wir die Charakterisierung in (c). Sei (vi ) eine mit kvi k = 1 normierte Minimalfolge in X f¨ ur den Rayleighquotienten, also a(vi , vi ) ց inf R(v) = λ1 . v∈X
Da die Minimalfolge in X beschr¨ ankt und die Einbettung X → Y kompakt ist, gilt vi → u1 in Y f¨ ur eine Teilfolge. Wegen der Stetigkeit der Norm ist ku1 k = 1. Mit Hilfe der Parallelogramm-Gleichung erhalten wir kvi − vj k2X = 2kvi k2X + 2kvj k2X − kvi + vj k2X ≤ 2kvi k2X + 2kvj k2X − λ1 kvi + vj k2
v + v 2
i j = 2kvi k2X + 2kvj k2X − 4λ1
2 → 2λ1 + 2λ1 − 4λ1 ku1 k2 = 0,
wegen ku1 k = 1. Damit ist (vi ) Cauchy-Folge in X und konvergiert wegen der Einbettung X → Y gegen das gleiche u1 ∈ X. u1 ist also das Minimum des Rayleighquotienten und
202
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
R(u1 + εv) ≥ R(u1 ) ist f¨ ur alle v ∈ X und ε > 0 erf¨ ullt. Dies wird ausgerechnet, ku1 k2X + 2εa(u1 , v) + ε2 kvk2X ku1 k2 ≥ ku1 k2X ku1 k2 + 2ε(u, v) + ε2 kvk2 ,
und nach Subtraktion, Division durch ε und Grenz¨ ubergang ε → 0 (ku1 k2X = λ1 , ku1 k2 = 1), a(u1 , v) ≥ λ1 (u1 , v) und, weil ±v eingesetzt werden kann, a(u1 , v) = λ1 (u1 , v)
∀v ∈ X.
Damit ist u1 6= 0 Eigenvektor zum Eigenwert λ1 > 0. Seien Eigenvektoren u1 , . . . , uk−1 zu den Eigenwerten λ1 , . . . , λk−1 konstruiert; als Induktionsvoraussetzung nehmen wir an, daß 0 < λ1 ≤ λ2 ≤ . . . ≤ λk−1 und daß u1 , . . . , uk−1 orthogonal bez¨ uglich a(·, ·) und (·, ·) sind mit kuik2X = λi und kui k = 1. Mit Ek−1 = span {u1 , . . . , uk−1 } verfahren wir genauso wie beim Existenzbeweis f¨ ur u1 , indem wir setzen λk =
inf
v∈X, v⊥Y Ek−1
R(v) ≥ λk−1 ,
denn der Raum, in dem das Infimum gesucht wird, ist gegen¨ uber dem letzten Schritt kleiner geworden. F¨ ur eine normierte Minimalfolge erhalten wir eine in Y konvergente Teilfolge (vi ), vi → uk ∈ Y. Starke Konvergenz impliziert schwache, 0 = (vi , ul ) → (uk , ul ), l = 1, . . . , k − 1, also uk ⊥Y Ek−1 , und wegen Normkonvergenz kuk k = 1. Wie vorher bekommen wir die Konvergenz auch in X, so daß uk die L¨osung des Minimierungsproblems ist. Die notwendige Bedingung f¨ ur ein Minimum errechnet sich zu a(uk , v) = λk (uk , v) f¨ ur alle v ∈ X mit v ⊥Y Ek−1 . Mit a(uk , ul ) = λl (uk , ul ) = 0, l = 1, . . . , k − 1, ist auch uk ⊥X Ek−1 . Damit ist a(uk , v) = λk (uk , v) f¨ ur alle v ∈ X erf¨ ullt und uk Eigenvektor zum Eigenwert λk . Da X als unendlich dimensional vorausgesetzt wurde, k¨onnen wir beliebig fortfahren und erhalten eine monoton wachsende Folge 0 < λ1 ≤ . . . von Eigenwerten zu Eigenvektoren {uk }. Nach Bemerkung (iii) zu diesem Satz
8.10 Das abstrakte Eigenwertproblem
203
folgt aus Abschnitt 8.7, daß die Eigenwerte sich nicht im Endlichen h¨aufen k¨onnen, also λk → ∞. Nun zeigen wir das Minmax-Prinzip. Mit Ek = span{u1 , . . . , uk } liefert Pk v = i=1 αi ui Pk λi α2i R(v) = Pi=1 ≤ λk k 2 i=1 αi und daher
min
max R(v), Mk ⊂ X dim Mk = k ≤ λk .
v∈Mk
F¨ ur Mk ⊂ X mit dim Mk = k k¨ onnen wir ein v0 ∈ Mk finden mit v0 ⊥Y Ek−1 . F¨ ur dieses gilt nach (c) λk = min R(v), v ⊥Y Ek−1 ≤ R(v0 ), womit das Minmax-Prinzip bewiesen ist. Die achst f¨ ur v ∈ X bewiesen. Mit PkFourier-Entwicklung wird zun¨ vk = i=1 ci ui gilt ci = (v, ui ) = (vk , ui ), also v − vk ⊥Y Ek . (8.28) Das Rayleighsche Minimumprinzip liefert λk+1 kv − vk k2 ≤ kv − vk k2X = kvk2X − 2a v, = kvk2X − 2
X
ci λi (v, ui ) +
X
X
X X ci ui + a ci ui , ci ui
c2i λi = kvk2X −
k X
λi c2i .
i=1
Wegen P∞ λk2 → ∞ folgt hieraus vk → v in Y und die Konvergenz der Reihe ur k, l ∈ , k < l gilt i=1 λi ci . F¨ kvl −
vk k2X
=
l X
λi c2i
i=k+1
und damit ist (vk ) Cauchy-Folge in X, vk → v auch in X. Nun ur φ ∈ Y mit P wird die Konvergenz der Fourier-Reihe in Y bewiesen. F¨ φk = ci ui , ci = (φ, ui ) erhalten wir mit (8.28) demnach
kφ − φk k2 = kφk2 − kφk k2 , kφk k ≤ kφk.
Sei v ∈ Y vorgegeben. Da X dicht in Y liegt, gibt es zu ε > 0 ein w ∈ X mit kw − vk < ε. F¨ ur die Fourierabschnitte wk , vk von w, v folgt mit der letzten Absch¨atzung
204
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
kwk − vk k ≤ kw − vk < ε, f¨ ur gen¨ ugend großes k also auch kv − vk k ≤ kv − wk + kw − wk k + kwk − vk k < 3ε. Damit vk → v in Y und k X i=1
c2i = kvk k2 → kvk2 .
Angenommen, λ w¨ are ein weiterer Eigenwert mit Eigenvektor u. Dann steht u auf allen Eigenvektoren uk mit λk 6= λ senkrecht. Wenn u einen schon vorhandenen Eigenraum erg¨ anzt, so k¨ onnen wir auf diesem Eigenraum ein Orthogonalisierungsverfahren anwenden. Damit kann immer u ⊥ uk f¨ ur alle k ∈ erreicht werden. Die Fourier-Reihe zu u ist der Nullvektor, was ihrer Konvergenz widerspricht. ⊓ ⊔ Als erste Anwendung charakterisieren wir die auf Seite 184 definierte negative Norm. Unter den Voraussetzungen des letzten Satzes bildet ja X → Y → X ′ einen Gelfandschen Dreier mit der zus¨atzlichen Eigenschaft, daß X → Y kompakt ist. Es ist kuk−1 = sup
v∈X
(u, v) (u, w) = , kvkX kwkX
wobei w die ur alle v ∈ X ist. Mit u = P L¨osung von a(w, v) = (u, v) f¨ und w = i λ−1 ci ui folgt hieraus kuk−1 =
X i
2 λ−1 i |ci |
1/2
P
i
= ci ui
.
Die Theorie von Courant-Hilbert wird nun auf das Ritzsche Verfahren zur Approximation des Problems a(u, v) = (f, v) ∀v ∈ X,
f ∈ Y.
angewendet. F¨ ur Xk ⊂ X, dim Xk = k, ist die L¨osung des Ritzschen Verfahrens Pk u ∈ Xk definiert durch a(Pk u, vk ) = (f, vk )
∀vk ∈ Xk .
Wegen X → Y gilt kukX , kPk ukX ≤ ckf k, damit existiert eine Konstante ck mit ku − Pk ukX ≤ ck kf k ∀f ∈ Y. (8.29)
8.11 Das Eigenwertproblem f¨ ur den Laplace Operator
205
Die Frage ist nun, welche Unterr¨ aume Xk optimal sind in dem Sinn, daß die Konstante ck in (8.29) am kleinsten wird. Man beachte, daß die gleiche Frage f¨ ur allgemeine rechte Seiten f ∈ X ′ sinnlos ist, wie das Beispiel X = l2 , f ∈ l2′ ∼ = l2 zeigt. In diesem Fall gilt ck = 1, denn zu jedem Xk gibt es ein f mit f ⊥ Xk . Satz 8.41. Die kleinste Konstante ck in (8.29) wird bei der Wahl Xk = Ek = span {u1 , . . . , uk } −1/2
angenommen mit ck = λk+1 . P∞ Beweis. P∞ Mit−1den Fourier-Koeffizienten fi von f gilt f = i=1 fi ui und daher u = i=1 λi fi ui . Da das Ritzsche Verfahren die orthogonale Projektion als L¨osung hat, ist f¨ ur Xk = Ek Pk u =
k X
λ−1 i fi u i ,
i=1
also ku − Pk ukX =
∞ X
2 λi (λ−1 i fi )
i=k+1
!1/2
≤
−1/2 λk+1
∞ X
i=k+1
2
|fi |
!1/2
−1/2
≤ λk+1 kf k.
Sei Xk ein beliebiger k-dimensionaler Unterraum von X. Dann gibt es ein w ∈ Ek+1 mit w 6= 0 und w ⊥X Xk . Die Ritz-Projektion Pk w von w ist daher P Pk w = 0. Aus w = k+1 i=1 wi ui erhalten wir f=
k+1 X i=1
λi wi ui ,
kf k2 =
k+1 X i=1
λ2i wi2 ,
kwk2X =
k+1 X
λi wi2 .
i=1
Damit gilt −1/2
kw − Pk wkX = kwkX ≥ λk+1 kf k.
⊓ ⊔
Da die Eigenvektoren uk im allgemeinen nicht bekannt sind, stellt dieser Satz haupts¨achlich eine Meßlatte f¨ ur andere Unterr¨aume dar, insofern er den bestm¨oglichen Fall charakterisiert.
8.11 Das Eigenwertproblem fu ¨ r den Laplace Operator In diesem Abschnitt ist Ω ein beschr¨ anktes Gebiet und alle R¨aume sind reell. Zun¨achst betrachten wir das Dirichlet-Problem −∆uk = λk uk in Ω,
uk = 0 auf ∂Ω,
206
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
oder in schwacher Form: Gesucht sind Eigenvektoren uk ∈ H01,2 (Ω) und Eigenwerte λk ∈ mit a(uk , v) = λk (uk , v) ∀v ∈ H01,2 (Ω),
wobei a(u, v) =
Z
(8.30)
DuDv dx. Ω
Aufgrund der Poincar´e-Ungleichung ist kD · k2 = a(·, ·)1/2 eine Norm auf H01,2 (Ω). Wir k¨onnen daher X = H01,2 (Ω) und Y = L2 (Ω) w¨ahlen und haben wegen der kompakten und dichten Einbettung H01,2 (Ω) → L2 (Ω) alle Voraussetzungen der abstrakten Theorie erf¨ ullt. Demnach gibt es abz¨ahlbar viele Eigenwerte 0 < λ1 ≤ λ2 . . . → ∞
und die Eigenvektoren {uk } bilden ein vollst¨andiges Orthogonalsystem in H01,2 (Ω) und in L2 (Ω). Da auf die Gleichungen −∆Dα uk = λk Dα uk sukzessive die innere Regularit¨atstechnik, Satz 7.3, angewendet werden kann, sind die Eigenvektoren unendlich oft differenzierbar in Ω. Seien Ω1 , Ω2 zwei Gebiete mit Ω1 ⊂ Ω2 . Wenn auf Ω1 definierte Funktionen mit Null fortgesetzt werden, gilt C0∞ (Ω1 ) ⊂ C0∞ (Ω2 ) und damit H01,2 (Ω1 ) ⊂ H01,2 (Ω2 ). Bezeichnen wir die Eigenwerte der zugeh¨origen 1. Randwertprobleme mit λk (Ωj ), so folgt aus dem Courantschen MinmaxPrinzip λk (Ω1 ) ≥ λk (Ω2 ), die Eigenwerte sind also gebietsmonoton. Mit Hilfe der Gebietsmonotonie kann die Verteilung der Eigenwerte abgesch¨atzt werden. Sei n = 2 und Q1 = (0, 1)2 . Die Funktionen uij = sin iπx sin jπy sind Eigenfunktionen auf Q1 zu den Eigenwerten λij = π 2 (i2 + j 2 ). Laut Aufgabe 8.19 sind dies auch alle Eigenwerte. Sei K ∈ . Dann liegen im Inter2 vall [ K4 , K 2 ] gerade 0(K 2 ) viele Eigenwerte. Es existieren daher Konstanten m, M > 0 mit mk ≤ λk ≤ M k. (8.31) Die asymptotische Verteilung (8.31) gilt f¨ ur alle Quadrate Qa = (0, a)2 , nur m, M h¨angen von a ab. Zu einem Gebiet Ω gibt es Seitenl¨angen a1 , a2 und Punkte x1 , x2 mit x1 + Qa1 ⊂ Ω ⊂ x2 + Qa2 .
Wenden wir hierauf die Gebietsmonotonie sowie (8.31) an, haben wir bewiesen: Satz 8.42. Sei Ω ⊂ 2 ein beschr¨ anktes Gebiet. Dann gibt es Konstanten m = m(Ω), M = M (Ω) > 0, so daß f¨ ur den k-ten Eigenwert λk (Ω) des ersten Randwertproblems gilt mk ≤ λk (Ω) ≤ M k.
8.11 Das Eigenwertproblem f¨ ur den Laplace Operator
207
Dieses Ergebnis bleibt auch f¨ ur allgemeinere elliptische Gleichungen 2. Ordnung richtig (siehe Aufgabe 8.21). Beispiel 8.43. Als Anwendung dieses Satzes untersuchen wir die Finite Elemente Methode aus Abschnitt 7.7 zur Approximation von −∆u = f in Ω, u = 0 auf ∂Ω. In Satz 7.21 wurde f¨ ur 2-regul¨are Probleme die Fehlerabsch¨atzung kD(u − Ph u)k2;Ω ≤ chkf k2;Ω ∀f ∈ L2 (Ω) (8.32) bewiesen. F¨ ur die Fehlerkonstante ck des optimalen Ansatzraums Xk = Ek −1/2 hatten wir in Satz 8.41 ck = λk+1 gezeigt, mit Satz 8.42 folgt daher −1/2
ck ∼ k −1/2 . In (8.32) ist andererseits auch h ∼ dim S0 = k −1/2 . Damit ist der Fehler der Finite Elemente Methode nur um einen Faktor c 6= c(k) vom optimalen Ansatzraum entfernt. Ein solches Verfahren nennt man quasioptimal. Satz 8.44. Das Nullstellengebilde der k-ten Eigenfunktion von (8.30) unterteilt das Grundgebiet in h¨ ochstens k Teilgebiete. Ferner ist der erste Eigenwert einfach, es gilt also 0 < λ1 < λ2 , und die erste Eigenfunktion kann strikt positiv in Ω gew¨ ahlt werden. Beweis. Seien Ω1 , . . . , Ωl die Teilgebiete, in denen uk ein festes Vorzeichen besitzt. Die Funktion vj stimme auf Ωj mit uk u ¨berein und verschwinde außerhalb von Ωj . Nach Konstruktion der vj ist der Raum Ml = span {v1 , . . . , vl } l-dimensional und mit Satz 5.20 gilt Ml ⊂ H01,2 (Ω). F¨ ur jedes v ∈ Ml ist R(v) = λk , daher l ≤ k wegen des Minmax-Prinzips. Der erste Eigenvektor kann demnach nichtnegativ gew¨ahlt werden. Er erf¨ ullt −∆u1 = λ1 u1 ≥ 0 und ist nach dem starken Maximumprinzip, Satz 7.17, strikt positiv in Ω. W¨ are λ2 = λ1 , so h¨ atten wir zwei linear unabh¨angige Eigenvektoren u1 , u2 zu λ. Dann gibt es eine Linearkombination von u1 , u2 mit wechselndem Vorzeichen, was einen Widerspruch zum ersten Teil des Beweises bedeutet. ⊓ ⊔ Der obige Beweis versagt bei Gleichungen h¨oherer Ordnung (siehe Aufgaben 7.7 und 8.22), weil der Rayleighquotient in diesem Fall auf einem Unterraum von H m,2 (Ω) mit m > 1 definiert ist. Wenn eine Funktion in diesem Raum abgeschnitten wird, so liegt sie i. a. nur noch in H 1,2 . F¨ ur eine Partition (ΓD , ΓN ) des Randes ∂Ω betrachten wir −∆uk = λk uk in Ω,
uk = 0 auf ΓD ,
Dν uk = 0 auf ΓN ,
1,2 oder in schwacher Form: Gesucht ist uk ∈ H0,Γ (Ω) und λk ∈ D 1,2 a(uk , v) = λk (uk , v) ∀v ∈ H0,Γ (Ω). D
mit (8.33)
ΓD sei so beschaffen, daß die Poincar´e-Ungleichung 6.21 gilt. Alternativ kann ΓN = ∂Ω gew¨ahlt werden. In diesem Fall setzen wir λ1 = 0, u1 konstant, und wenden die abstrakte Theorie auf den Raum
208
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
n X = v ∈ H 1,2 (Ω) :
Z
v dx = 0
Ω
o
an. Da auf X die Poincar´e-Ungleichung erf¨ ullt ist (vgl. Bemerkung 6.22), gilt 0 = λ1 < λ2 ≤ . . . . Die zu (8.33) geh¨ orende Fourier-Entwicklung wird auf die W¨armeleitungsgleichung vt − ∆v = 0 in Ω × + , v = 0 auf ΓD × + , (8.34) Dν v = 0 auf ΓN ×
+,
v(x, 0) = v0 (x) in Ω,
angewendet. v(x, t) kann man sich als Temperatur eines K¨orpers im Punkt x zur Zeit t vorstellen, v0 (x) ist die vorgegebene Temperaturverteilung am Anfang. Zun¨achst suchen wir partikul¨ are L¨ osungen der Form ki (t)ui (x). F¨ ur diese sind die Randbedingungen erf¨ ullt und aus (8.34) folgt die gew¨ohnliche Differentialgleichung ki′ (t) + λi ki (t) = 0 mit L¨osung ki (t) = ci e−λi t . Die zun¨ achst formale L¨osung von (8.34) ist daher v(x, t) =
∞ X
v0,i e−λi t ui (x),
(8.35)
i=1
wobei v0,i die Fourier-Koeffizienten von v0 sind, v0 (x) =
∞ X
v0,i ui (x),
v0,i = (v0 , ui ).
i=1
Gleichung (8.35) zeigt sehr sch¨ on den gl¨ attenden Charakter des W¨armeleitungsprozesses. Ist beispielsweise v0 ∈ L2 , so konvergieren alle zeitlichen Ableitungen von v f¨ ur t > 0 wegen ∞ X i=1
−2λi t |v0,i |2 λ2k ≤ c(t, k)kv0 k2 . i e
Betrachten wir nun den Fall ΓN = ∂Ω etwas genauer. Mit (8.35) folgt in diesem Fall v(x, t) → v0,1 f¨ ur t → ∞. Ingenieure haben beobachtet, daß der heißeste und k¨ uhlste Punkt mit der Zeit zum Rand laufen. Da zu λ1 der konstante Eigenvektor geh¨ ort, kann dies nur an u2 liegen, der im Vergleich zu den anderen Eigenvektoren am l¨ angsten lebt. Wir k¨onnen daher die Vermutung aussprechen, daß Maxima und Minima von u2 auf dem Rande von Ω angenommen werden. Dies ist auch f¨ ur viele Gebiete numerisch best¨atigt worden, aber ein strenger Beweis steht immer noch aus. Die schwingende Membran wird durch das Anfangs-, Randwertproblem der Wellengleichung vtt − ∆v = 0 in Ω ×
+,
v = 0 auf ΓD ×
+,
Dν v = 0 auf ΓN ×
+,
8.11 Das Eigenwertproblem f¨ ur den Laplace Operator
v(x, 0) = v0 (x) in Ω,
209
vt (x, 0) = v1 (x) in Ω,
beschrieben. v(x, t) ist die Auslenkung der Membran im Ort x zur Zeit t. Der gleiche Ansatz f¨ ur eine partikul¨ are L¨ osung wie bei der W¨armeleitungsgleichung f¨ uhrt hier zu ki′′ (t) + λi ki (t) = 0 mit der allgemeinen L¨osung p p ki (t) = ci sin λi t + di cos λi t. Die L¨osung der Wellengleichung ist daher v(x, t) =
∞ X i=1
ci sin
p p λi t + di cos λi t ui (x),
wobei ci , di leicht aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden k¨onnen. Im Gegensatz zur W¨armeleitungsgleichung ist die L¨osung zu jedem Zeitpunkt so glatt, wie es die Funktionen v0 , v1 vorgeben. Beim gemischten Randwertproblem sind die Eigenwerte im allgemeinen nicht gebietsmonoton. Ist aber Γ eine niederdimensionale Menge, so gilt λk (Ω) ≥ λk (Ω \ Γ ), denn die Differenzierbarkeitsbedingung an eine Sobolev-Funktion ist auf Ω \ Γ schw¨ acher als auf Ω. Dies gilt f¨ ur alle Modelle (Gleichungen h¨oherer Ordnung, Systeme usw.), die man der Schwingung zugrunde legen kann. Das blaue Telephon Der Dekan der physikalischen Fakult¨ at besucht den Dekan der Mathematik und entdeckt auf dessen Schreibtisch neben dem u ¨ blichen grauen auch ein blaues Telephon. Was das f¨ ur ein Telephon sei, fragt der Physiker. Das Telephon zu Gott, antwortet der Mathematiker. Ob er einmal telephonieren k¨ onne, fragt der Physiker. Leider nein“, antwortet der Mathematiker, ein einziges Gespr¨ ach verschlingt ” ” den gesamten Jahresetat der mathematischen Fakult¨ at. Das blaue Telephon wird nur f¨ ur die letzten Fragen der Mathematik benutzt.“ Einige Zeit sp¨ ater besucht der Dekan der mathematischen Fakult¨ at den Dekan der Physik und entdeckt auf dessen Schreibtisch neben dem u ¨ blichen grauen auch ein blaues Telephon. Was das f¨ ur ein Telephon sei, fragt der Mathematiker. Das Telephon zu Gott, antwortet der Physiker. Ob er einmal telephonieren k¨ onne, fragt der Mathematiker. Aber nat¨ urlich, bei uns ist das ein Ortsgespr¨ ach“. ”
Klopft man gegen einen Blumentopf, so m¨ ußten Grund- und Obert¨one tiefer werden, wenn ein Riß vorliegt. Tats¨ achlich wird der Ton scheppernd, was m¨oglicherweise dadurch zu erkl¨ aren ist, daß der Riß die Symmetrien des K¨orpers zerst¨ort und die Obert¨ one nicht mehr so gut zum Grundton passen. Aber wird der Grundton tats¨ achlich tiefer? Ich habe u ¨ ber dieses Paradox mehrere Physiker befragt und dabei verschiedene Antworten bekommen, die unm¨oglich alle gleichzeitig richtig sein k¨ onnen. Interessanterweise zeigte sich kein Physiker dar¨ uber beunruhigt, w¨ ahrenddessen die Mathematik bei einem analogen Beispiel sofort zusammengebrochen w¨are.
210
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
8.12 Zur Klassifikation partieller Differentialgleichungen Partielle Differentialgleichungen werden in elliptische, parabolische und hyperbolische klassifiziert, was den grundlegenden Naturvorg¨angen entspricht: Station¨are Zust¨ande, Diffusionsprozesse und Transport. Vor allem bei Systemen von Differentialgleichungen begegnet man allerdings unterschiedlichen Definitionen, weil die Analysis mehr methoden- als ergebnisorientiert ist. Diesem Ph¨anomen sind wir in Kapitel 7 mehrfach begegnet. Dort wurde der Existenzbeweis mit dem Satz von Lax-Milgram gef¨ uhrt, gleichzeitig erkennt der Leser sofort das allgemeine Prinzip, daß n¨amlich die Elliptizit¨at in manchen F¨allen zu koerziven Bilinearformen f¨ uhrt, und er kann es bei Gleichungen h¨oherer Ordnung oder Systemen von Differentialgleichungen selber anwenden. Die Differenzenquotienten-Technik ist ein weiteres universelles Argument, die Aufgaben dazu geben nur einen kleinen Ausschnitt ihrer m¨oglichen Anwendungen wieder. In allen F¨ allen tritt das konkrete Resultat hinter dem analytischen Argument zur¨ uck. Dies f¨ uhrt oft dazu, daß Autoren die Definition des Typs einer Differentialgleichung umkehren: Elliptisch ist eine Differentialgleichung genau dann, wenn die konkrete elliptische“ Beweistechnik des Autors ” funktioniert. 2 Bei Operatoren 2. Ordnung Lu = −aij Dij u stimmen allerdings die meisten Definitionen u ¨berein. Der elliptische Fall ist der klarste. Dazu muß in unserer Definition die Matrix A = (aij ) positiv-definit sein, was ¨aquivalent dazu ist, daß ihre Eigenwerte positiv sind. Verwendet man als Untersuchungsmethode die Fourier-Transformation (siehe Kapitel 9), so nimmt man aij ξi ξj 6= 0 f¨ ur alle ξ ∈ n \ {0} als Definition. F¨ ur n ≥ 2 ist die Menge n \ {0} zusammenh¨angend, die Funktion aij ξi ξj hat daher ein Vorzeichen. Bis auf das Vorzeichen sind also die beiden Definitionen ¨ aquivalent. Was sagt Elliptizit¨at u osungen? Die wichtigste Eigenschaft ist vielleicht die ¨ ber die Struktur der L¨ Ausbreitung der Information in allen Richtungen. Wenn die Daten des Problems lokal in einer kleinen Kugel ver¨ andert werden, so merkt das die L¨osung u ur ist das starke Maximumprinzip f¨ ur klas¨ berall. Ein sch¨ones Beispiel daf¨ sische L¨osungen. Ist die rechte Seite f > 0 in einer kleinen Kugel, ansonsten Null, so ist u ullt. ¨berall u > 0 erf¨ 2 Lu = −aij Dij u heißt hyperbolisch, wenn ein Eigenwert von A = (aij ) negativ und die anderen positiv sind. Dies gilt f¨ ur die Wellengleichung utt − ∆u = 0. Im Fall n = 1 und Ω = lautet die allgemeine L¨osung von utt − u′′ = 0 u(x, t) = F (x − t) + G(x + t),
F, G :
→
.
Die Funktionen F und G lassen sich offenbar aus den Anfangsbedingungen u(x, 0) = u0 (x), ut (x, 0) = u1 (x) eindeutig bestimmen. Ferner gilt die Formel auch f¨ ur das homogene Randwertproblem, wenn man die zugeh¨orige FourierL¨osung in der Ortsvariablen auf fortsetzt. Damit verl¨auft der Fluß der Information entlang der Charakteristiken x − t = c und x + t = c mit endlicher Geschwindigkeit, insbesondere h¨ angt der Wert von u(x, t) nur von den
Aufgaben
211
Werten der Anfangsbedingungen in zwei Punkten ab. Multiplikation der Wellengleichung utt − ∆u = 0 mit ut und Integration u ¨ber Ω × (0, T ) ergibt die Energieerhaltung Z 1 E(T ) = |ut (x, T )|2 + |Du(x, T )|2 dx = const. 2 Ω
Die Definition des parabolischen Operators allein mit Hilfe der Eigenwerte der Matrix A (einer Null, die anderen positiv), wie es in manchen B¨ uchern geschieht, ist angesichts der W¨ armeleitungsgleichung mit umgekehrter ZeiP trichtung −ut − ∆u = 0 mit formaler L¨ osung u(x, t) = ci exp(λi t)ui problematisch, denn u existiert auch bei einer glatten Anfangsbedingung nicht notwendig f¨ ur alle t > 0. Diese Gleichung entsteht bei der Rekonstruktion der Vergangenheit eines Diffusionsprozesses und zeigt, daß in der klassischen Physik die Vergangenheit ohne Zusatzannahmen unbestimmt ist. Auch die Schr¨odinger-Gleichung in Aufgabe 8.23 w¨ are bei der eingangs erw¨ahnten Definition parabolisch, ¨ ahnelt in ihrem L¨ osungsverhalten aber mehr einer hyperbolischen Gleichung. Gilt f¨ ur die Anfangsbedingung in der W¨armeleitungsgleichung u0 ≥ 0 mit u0 6= 0, so besagt das starke parabolische Maximumprinzip, daß u > 0 u ur t > 0. Die Information breitet sich hier mit unendlicher ¨ berall f¨ Geschwindigkeit aus, was die W¨ armeleitungsgleichung zu einer Gleichung der klassischen, nichtrelativistischen Physik macht. Eine Energieerhaltung gibt es f¨ ur ut − ∆u = 0 nur im Vakuum. Integrieren wir die ¨ ber R Gleichung u R Ω × (0, T ) und nutzen Dν u = 0 auf ∂Ω aus, so folgt E(T ) = Ω u(x, T ) dx = Ω u0 (x) dx.
Aufgaben 8.1. (3) Sei X ein komplexer Banach-Raum und T ∈ L(X). Sei λ ∈ σc (T ). Dann gibt es eine Folge (xk ) in X mit kxk k = 1 und k(T − λId)xk k → 0. 8.2. (3) Sei X = l2 und T : X → X mit T x(j) = αj x(j), wobei die Menge {αj } ⊂ [0, 1] dicht im Intervall [0, 1] liegt. Bestimmen Sie die Mengen ρ(T ), σp (T ), σc (T ), σr (T ) ⊂ . 8.3. (3) Seien X, Y Banach-R¨ aume und S : X → Y, T : Y ′ → X ′ linear mit hSx, y ′ i = hx, T y ′ i
∀x ∈ X, y ′ ∈ Y ′ .
Dann sind die Operatoren S und T stetig. 8.4. (3) Beweisen Sie mit Hilfe des Satzes vom abgeschlossenen Graphen: (HellingerToeplitz) Ist X ein Hilbert-Raum und T : X → X linear mit (T x, y) = (x, T y) so ist T stetig.
∀x, y ∈ X,
212
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
8.5. (1) Bestimmen Sie die Hilbert-Adjungierten der Operatoren Sr , Sl , My : l2 → l2 aus Aufgabe 2.14. 8.6. Gibt es einen Operator T ∈ K(X) mit σ(T ) = {0} und a) (1) σp (T ) = {0},
b) (3) σr (T ) = {0},
c) (4) σc (T ) = {0}?
8.7. (2) Seien X, Y Banach-R¨ aume und T : X → Y sei nuklear, d.h. es gibt λk ∈ x′k ∈ X ′ , yk ∈ Y mit ∞ X
k=1
kx′k kX ′ = 1,
|λk | < ∞,
,
kyk kY = 1,
so daß Tx =
∞ X
k=1
λk hx, x′k iyk
f¨ ur alle x ∈ X.
Zeigen Sie, daß T kompakt ist. 8.8. (3) Sei X ein normierter Raum und U ein Unterraum von X. Sind U und der Quotientenraum X/U Banach-R¨ aume, dann ist auch X ein Banach-Raum. ¨ 8.9. (2) Zeigen Sie, daß f¨ ur jeden Operator T ∈ K(X) die Aquivalenz gilt.
S(Id − T ) = Id
⇔
(Id − T )S = Id
8.10. (4) Sei X = L2 ((0, ∞)) und T u(x) =
1 x
Z
x
u(y) dy,
0
0 < x < ∞.
Dann ist T ∈ L(X), aber T 6∈ K(X). 8.11. Beweisen Sie die folgenden Aussagen: a) (4) Wenn X ein reflexiver Banach-Raum ist, so ist L(X, l1 ) = K(X, l1 ). Insbesondere gibt es keine surjektive stetige lineare Abbildung eines reflexiven Banach-Raums nach l1 . b) (1) Wenn Y ein reflexiver Banach-Raum ist, so ist L(c0 , Y ) = K(c0 , Y ). Hinweis: Bei b) k¨ onnen Sie ohne Beweis verwenden, daß ein Banach-Raum genau dann reflexiv ist, wenn sein Dualraum reflexiv ist. 8.12. (1) Geben Sie f¨ ur jedes k ∈ Operator vom Index k an.
ein Beispiel Tk ∈ L(X) f¨ ur einen Fredholm-
8.13. (3) Bestimmen Sie σp , σc , σr f¨ ur den Operator Z t T x(t) = x(ξ) dξ, T ∈ L(X) im Grundraum a) X = L2 ((0, 1)),
0
b) X = C([0, 1]).
Aufgaben 8.14. (3) Sei Ω ⊂
n
213
ein beschr¨ anktes Gebiet, K(·, ·) ∈ L2 (Ω × Ω) und Z T u(x) = K(x, y)u(y) dy Ω
der zugeh¨ orige Integraloperator. Formulieren Sie eine Bedingung an K, so daß das Problem u + T u = f f¨ ur alle f ∈ L2 (Ω) eindeutig l¨ osbar ist. Geben Sie ein Beispiel, daß ohne eine solche Bedingung das homogene Problem u + T u = 0 nichttriviale L¨ osungen besitzen kann. 8.15. (3) Sei K auf meßbar und periodisch mit Periode 1 sowie kKk1 = R1 |K(x)| dx < ∞. Zeigen Sie: Der Integraloperator 0 Z 1 T u(x) = K(x − y)u(y) dy 0
p
ist in K(L (0, 1)) f¨ ur 1 ≤ p < ∞ mit einer durch kKk1 beschr¨ ankten Operatornorm. 8.16. (3) Beim abstrakten Eigenwertproblem konnten die Normen in X und Y mit den Fourier-Koeffizienen ci der Funktion u charakterisiert werden: ∞ ∞ “X ”1/2 “X ”1/2 kukX = λi |ci |2 , kuk = |ci |2 . i=1
i=1
Allgemeiner definieren wir f¨ ur eine Folge λi mit 0 < λ 1 ≤ λ2 ≤ . . . → ∞ das Produkt (x = (x(1), x(2), . . .)) (x, y)α =
∞ X
λα i (x(i) y(i),
i=1
α∈
.
X α ist definiert als Raum aller Zahlenfolgen x mit kxkα < ∞. a) Zeigen Sie, daß (X α , (·, ·)α ) ein Hilbert-Raum ist. Man nennt daher (X α )α∈ auch eine Skala von Hilbert-R¨ aumen. b) F¨ ur α < β existiert die stetige Einbettung X β → X α und ist kompakt. 8.17. (2) Sei n = 1 und Ω = (0, 1). Die drei wichtigsten Orthonormalsysteme vom Fourier-Typ f¨ ur diesen Fall erh¨ alt man aus dem Eigenwertproblem: Gesucht ist uk ∈ X mit (u′k , v ′ ) = λk (uk , v) ∀v ∈ X. Bestimmen Sie uk und λk f¨ ur a) X = H 1,2 (Ω),
b) X = H01,2 (Ω),
1,2 c) X = Hper (Ω) = {v ∈ H 1,2 (Ω) : v(0) = v(1)}.
8.18. (3) Sei Ω = 2 \B1 (0) und g ∈ H 1,2 (0, 2π) mit g(0) = g(2π), Man konstruiere die klassische L¨ osung von −∆u = 0 in Ω,
u = g auf ∂Ω,
R 2π 0
g(φ) dφ = 0.
u(x) → 0 f¨ ur |x| → ∞.
Hinweis: Man verwende die Eigenvektoren aus Aufgabe 8.17 und bestimme abklingende L¨ osungen von −∆u = 0 der Form r αk uk (φ). Zur Erinnerung: −1 2 ∆ = r Dr (rDr ) + r−2 Dφφ .
214
8 Einf¨ uhrung in die Operatorenrechnung und Spektraltheorie
8.19. (3) Sei Q = (0, 1)2 das Einheitsquadrat. Das Eigenwertproblem −∆u = λu in Q,
u = 0 auf ∂Q,
besitzt die Eigenvektoren uij (x, y) = sin iπx sin jπy,
i, j ∈
.
Zeigen Sie, daß dies alle Eigenvektoren sind. 8.20. (2) Sei f ∈ C0∞ (Ω) und ci die Fourier-Koeffizienten von f bez¨ uglich der Eigenvektoren ui des Laplace-Operators. Zeigen Sie, daß ∞ X λki |ci |2 < ∞ ∀k ∈ . i=1
8.21. (2) Sei n = 2 und L = −Di (aij Dj u) elliptisch mit aij ∈ L∞ (Ω) und aij = aji . Beweisen Sie: Es gibt Konstanten m, M > 0, die von aij und Ω abh¨ angen, so daß f¨ ur die Eigenwerte von Luk = λk uk in Ω, uk = 0 auf ∂Ω, die Absch¨ atzung mk ≤ λk ≤ M k gilt. 8.22. Sei Ω ⊂ 2 ein beschr¨ anktes Gebiet. Das erste Randwertproblem f¨ ur die biharmonische Gleichung lautet ∆2 u = f in Ω,
u = Dν u = 0 auf ∂Ω,
oder in schwacher Form: Gesucht ist u ∈ H02,2 (Ω) mit (∗)
(∆u, ∆v) = (f, v)
∀v ∈ H02,2 (Ω).
a) (2) Zeigen Sie k∆vk2 = kD2 vk2 f¨ ur alle v ∈ H02,2 (Ω) und beweisen Sie damit die eindeutige L¨ osbarkeit von (∗). b) (3) Zeigen Sie f¨ ur das zugeh¨ orige Eigenwertproblem ∀v ∈ H02,2 (Ω)
(∆uk , ∆v) = λk (uk , v) mit einem einzeiligen Beweis die Absch¨ atzung λk ≥ ck2 .
c) (4) Geben Sie auch die Beweisidee f¨ ur die analoge Absch¨ atzung in b) nach oben an, ohne den sehr technischen Beweis auszuf¨ uhren. 8.23. (2) Das Anfangs-, Randwertproblem der Schr¨ odinger-Gleichung ist ivt − ∆v = 0 in Ω ×
v = 0 auf ∂Ω × + , v(x, 0) = v0 (x) in Ω, √ wobei v komplexwertig ist und i = −1. Bestimmen Sie die L¨ osung mit Hilfe einer Fourier-Reihe. Weisen Sie auch die Erhaltung der Energie kv(·, t)k2 = kv0 k2 nach. +,
8.24. (3) Beweisen Sie, daß das Problem
utt + ∆u = 0 in Ω × (0, 1), u(x, 0) = 0 in Ω, H01,2 (Ω)
u = 0 auf ∂Ω × (0, 1),
ut (x, 0) = u1 (x) in Ω,
nicht f¨ ur alle u1 ∈ l¨ osbar ist. Bemerkung: Analog zeigt man, daß f¨ ur utt − ∆u = 0 das Randwertproblem u(x, 0) = u0 (x), u(x, 1) = u1 (x) nicht f¨ ur alle u0 , u1 ∈ H01,2 (Ω) l¨ osbar ist. Elliptische Probleme sind daher Randwertprobleme und hyperbolische Probleme sind Anfangswertprobleme.
9 Distributionen und Fourier-Transformation
In diesem Kapitel werden alle Funktionenr¨ aume als komplex vorausgesetzt.
9.1 Distributionen Definition 9.1. Sei Ω ⊂ n ein Gebiet und (φk ) eine Folge in C0∞ (Ω). Wir D sagen, (φk ) konvergiert gegen φ ∈ C0∞ (Ω) (Schreibweise φk → φ), wenn es eine kompakte Menge K ⊂⊂ Ω gibt mit supp(φk ), supp(φ) ⊂ K und wenn Dα φk → D α φ gleichm¨ aßig in Ω f¨ ur alle Multiindizes α gilt. C0∞ (Ω) mit diesem Konvergenzbegriff wird mit D(Ω) bezeichnet. φ ∈ D(Ω) werden auch als Testfunktionen bezeichnet. Diese Begriffsbildungen lassen vermuten, daß es sich bei D(Ω) um einen lokalkonvexen Raum handelt, was in der Tat der Fall ist. Da die Konstruktion der zugeh¨origen Topologie unanschaulich ist, bauen wir die Theorie nur mit dem Konvergenzbegriff in D(Ω) auf. Der an topologischen Fragestellungen interessierte Leser sei auf Abschnitt A.4 verwiesen. Definition 9.2. T : D(Ω) → heißt Distribution, wenn T linear und folD genstetig bez¨ uglich des Konvergenzbegriffs →“ ist, wenn also f¨ ur alle Folgen ” (φk ) in D(Ω) gilt D φk → φ ⇒ T (φk ) → T (φ). Die Menge der Distributionen wird mit D′ (Ω) bezeichnet.
Aus der Definition folgt sofort, daß die Distributionen mit den punktweisen Operationen einen Vektorraum bilden. Wenn n¨amlich S und T Distributionen sind, so ist offenbar auch (αS + βT )(φ) = αS(φ) + βT (φ),
α, β ∈
,
eine Distribution. Die ¨aquivalente Bedingung des n¨ achsten Satzes wird manchmal auch zur Definition der Distribution herangezogen. M. Dobrowolski, Angewandte Funktionalanalysis, Springer-Lehrbuch Masterclass, 2nd ed., DOI 10.1007/978-3-642-15269-6_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
216
9 Distributionen und Fourier-Transformation
Satz 9.3. Ein lineares Funktional T : D(Ω) → ist genau dann eine Distribution, wenn es zu jeder Menge K ⊂⊂ Ω Konstanten c und N gibt mit |T (φ)| ≤ ckφkN,∞;K
∀φ ∈ D(K),
(9.1)
wobei D(K) aus allen Funktionen in C ∞ mit Tr¨ ager in K besteht. D
Beweis. Ist (9.1) erf¨ ullt, so ist T offenbar folgenstetig bez¨ uglich → und damit eine Distribution. F¨ ur einen Widerspruchsbeweis nehmen wir an, daß T eine Distribution ist, die (9.1) nicht erf¨ ullt. Dann gibt es eine Menge K0 ⊂⊂ Ω, f¨ ur die wir f¨ ur jedes c = N = k ein φk ∈ D(K0 ) finden k¨onnen mit |T (φk )| = 1 und D
kφk kk,∞;K0 ≤ 1/k. Damit gilt φk → 0, aber |T (φk )| = 1. T ist unstetig und damit keine Distribution. ⊓ ⊔ Wir ordnen einer Funktion f ∈ L1loc (Ω) das Funktional Z Tf (φ) = f φ dx Ω
D
zu. Wenn φk → φ, so gilt supp(φk ), supp(φ) ⊂ K ⊂⊂ Ω und wegen f ∈ L1 (K), Z Z f (φk − φ) dx ≤ max |φk − φ| |f | dx → 0. K
Ω
K
Damit ist Tf eine Distribution. Die Zuordnung f 7→ Tf ist injektiv, denn wenn Z Z T (φ) = f φ dx = gφ dx ∀φ ∈ D(Ω), Ω
Ω
so folgt aus dem Fundamentallemma der Variationsrechnung 5.1 f = g f.¨ u. Definition 9.4. Distributionen, die auf die angegebene Weise einer Funktion f ∈ L1loc (Ω) zugeordnet sind, heißen regul¨ are Distributionen.
Definition 9.5. T ∈ D′ (Ω) heißt von endlicher Ordnung, wenn es ein c und ein N ∈ 0 gibt mit |T (φ)| ≤ ckφkN,∞;Ω
∀φ ∈ D(Ω).
(9.2)
In diesem Fall heißt das minimale N in (9.2) die Ordnung von T . Regul¨are Distributionen Tf mit f ∈ L1 (Ω) sind von der Ordnung 0. Regul¨are Distributionen und Distributionen von endlicher Ordnung bilden offenbar Unterr¨aume von D′ (Ω). Erf¨ ullt ein Funktional die Bedingung (9.2), so ist es wegen Satz 9.3 bereits eine Distribution. Ferner ersehen wir aus dem Vergleich mit Satz 9.3, daß anschaulich gesprochen nur das Verhalten am Rande und im Unendlichen dazu f¨ uhrt, daß eine Distribution von unendlicher Ordnung ist. Wenn es nicht zu Zweideutigkeiten f¨ uhrt, identifizieren wir eine regul¨are Distribution Tf mit ihrer Darstellung f .
9.1 Distributionen
217
Beispiele 9.6 (i) Zu a ∈ Ω definieren wir die Dirac-Distribution durch δa (φ) = φ(a)
∀φ ∈ D(Ω).
δa ist nicht regul¨ar, denn wenn es ein f ∈ L1loc(Ω) geben w¨ urde mit Z δa (φ) = φ(a) = f (x)φ(x) dx, Ω
so w¨ urde aus dem Fundamentallemma folgen f = 0 f.¨ u. in Ω \ {a}, was gleichbedeutend mit f = 0 f.¨ u. in Ω ist. Wegen |δa (φ)| ≤ kφk∞ ist δa von endlicher Ordnung und besitzt die Ordnung 0. (ii) F¨ ur f ∈ L1loc und einen Multiindex α ist Z |α| α |α| ˜ Tf (φ) = (−1) Tf (D φ) = (−1) f Dα φ dx Ω
D
eine Distribution, denn wenn φk → φ, so Z |T˜f (φk − φ)| = f Dα (φk − φ) dx ≤ kDα (φk − φ)k∞;K kf k1;K → 0. K
Existiert die α-te schwache Ableitung von f, so ist auch T˜f eine regul¨are Distribution mit T˜f = TDα f , Dα f ∈ L1loc (Ω). F¨ ur p ∈ C ∞ (Ω) definieren wir die Multiplikation durch pT (φ) = T (pφ) ∀φ ∈ D(Ω) und f¨ ur einen Multiindex α die Differentiation durch Dα T (φ) = (−1)|α| T (Dα φ)
∀φ ∈ D(Ω).
Satz 9.7. (a) Ist T ∈ D′ (Ω), so ist f¨ ur p ∈ C ∞ (Ω) auch pT ∈ D′ (Ω). (b) Ist α ein Multiindex, so ist mit T ∈ D′ (Ω) auch Dα T ∈ D′ (Ω).
(c) Ist Tf eine regul¨ are Distribution, so ist f¨ ur p ∈ C ∞ (Ω) auch pTf = Tpf eine regul¨ are Distribution. (d) F¨ ur p ∈ C ∞ (Ω) gilt Di (pT ) = Di pT + pDi T. (e) F¨ ur Multiindizes α, β gilt D α+β T = D α (Dβ T ) = D β (Dα T ). Beweis. (a)–(c) folgen direkt aus den Definitionen. (d) Es gilt
218
9 Distributionen und Fourier-Transformation
Di (pT )(φ) = −pT (Diφ) = −T (pDiφ) = −T (Di(pφ) − Di pφ) = Di T (pφ) + Di pT (φ) = pDi T (φ) + Di pT (φ). (e) Mit Hilfe des Satzes von Schwarz erhalten wir Dα+β T (φ) = (−1)|α+β| T (Dα+β φ) = (−1)|α+β| T (Dα (Dβ φ)) = (−1)|β| D α T (Dβ φ) = Dβ (Dα T (φ)). ⊓ ⊔ Wie in Beispiel 9.6(ii) gezeigt wurde, unterscheidet sich die schwache Ableitung von der distributionellen Ableitung nur dadurch, daß die abgeleitete Funktion eine regul¨ are Distribution sein muß. Der Verzicht auf diese Forderung f¨ uhrt dazu, daß jede Distribution beliebig oft differenziert werden kann. Diese sch¨one Eigenschaft wird jedoch erstens dadurch erkauft, daß die Multiplikation pT f¨ ur allgemeinere Funktionen als p ∈ C ∞ (Ω) nicht definiert ist. Zum zweiten liest man am Raum H −m,q direkt ab, daß seine Funktionale aus der m-ten distributionellen Ableitung einer Lp -Funktion hervorgehen. Die Sobolev-R¨aume differenzieren die Glattheit“ der Funktionale besser aus. ” Beispiele 9.8 (i) Sei n = 1 und Ω = . Die Heaviside-Funktion H ist definiert durch ( 1 f¨ ur x > 0 H(x) = . 0 sonst Es gilt d TH (φ) = − dx ′ daher TH = δ0 .
Z
∞
∞
Hφ′ dx = −
Z
∞
φ′ (x) dx = φ(0),
0
(ii) F¨ ur die Dirac-Distribution δa ∈ D′ (Ω) erhalten wir D α δa (φ) = (−1)|α| δa (Dα φ) = (−1)|α| D α φ(a) und f¨ ur p ∈ C ∞ (Ω), pδa(φ) = δa (pφ) = p(a)φ(a). (iii) Bei der Ableitung einer Distribution muß der Definitionsbereich beachtet werden. Sei −1 < λ < 0 und fλ (x) = xλ f¨ ur x > 0 und fλ (x) = 0 sonst. Tf ist sowohl auf Ω = (0, ∞) als auch auf Ω = eine regul¨are Distribution. Im ersten Fall gilt nat¨ urlich Dx Tfλ = Tfλ′ , w¨ ahrenddessen f¨ ur φ ∈ D( ) −
Z
′
fλ φ dx = − lim
εց0
Z
ε
∞ λ
′
x (φ(x) − φ(ε)) dx = λ
Z
∞ 0
xλ−1 (φ(x) − φ(0)) dx
gilt. Der letzte Grenz¨ ubergang ist erlaubt wegen |φ(x) − φ(0)| ≤ cx.
9.1 Distributionen
219
Ist Ω0 ein Teilgebiet von Ω, so ist die Einschr¨ ankung von T auf Ω0 definiert durch T |Ω0 (φ) = T (φ) ∀φ ∈ D(Ω0 ). Nat¨ urlich ist T |Ω0 ∈ D′ (Ω0 ).
Definition 9.9. F¨ ur T ∈ D′ (Ω) heißt supp(T ) = {x ∈ Ω : ∀δ > 0 ist T |Ω∩Bδ (x) 6= 0} der Tr¨ager von T. Satz 9.10. (a) supp(T ) ist abgeschlossen und es gilt T (φ) = 0, falls supp(T )∩ supp(φ) = ∅. (b) Ist Tf regul¨ ar, so l¨ aßt sich f auf einer Nullmenge so ab¨ andern, daß supp(Tf ) ⊂ supp(f ). (c) Ist Tf regul¨ ar mit f ∈ C(Ω), so gilt supp(Tf ) = supp(f ).
Beweis. (a) x ∈ supp(T )c bedeutet, daß es ein δ > 0 gibt mit T Ω∩B (x) = 0. δ Also ist supp(T )c offen. (b) Ist x ∈ supp(f )c , so gibt es ein δ > 0 mit Bδ (x) ⊂ supp(f )c . Dann ist offenbar Tf (φ) = 0 f¨ ur alle φ ∈ D(Bδ (x)), also x ∈ supp(Tf )c . (c) Wegen (b) braucht nur supp(f ) ⊂ supp(Tf ) gezeigt zu werden. Die Menge Ω ′ = {y ∈ Ω : f (y) 6= 0} ist offen, weil f stetig ist. Sei x ∈ supp(f ) = Ω ′ . Zu jedem δ > 0 gibt es einR y ∈ Bδ (x) ∩ Ω ′ . Da f stetig und y innerer Punkt von Bδ (x) ∩ Ω ′ ist, gilt f (z)Jε (y − z) dz 6= 0 f¨ ur gen¨ ugend kleine ε. Damit ist x ∈ supp(Tf ). ⊓ ⊔ Satz 9.11. Besitzt T ∈ D′ (Ω) einen kompakten Tr¨ ager in Ω, so ist T von endlicher Ordnung, es gibt also ein N ∈ 0 und ein c mit |T (φ)| ≤ ckφkN,∞;Ω
∀φ ∈ D(Ω). ⊓ ⊔
Beweis. Dies folgt aus Satz 9.3.
Satz 9.12. Sei T ∈ D′ (Ω), a ∈ Ω und supp(T ) = {a}. Dann gibt es ein N ∈ 0 und bα ∈ mit X T (φ) = bα Dα δa (φ). |α|≤N
Beweis. Sei a = 0. Nach dem letzten Satz ist |T (φ)| ≤ c sup sup |Dα φ(x)|. |α|≤N x∈Ω
Mit Lemma 5.12 gibt es ψ ∈ C ∞ (
n
) mit
220
9 Distributionen und Fourier-Transformation
0 ≤ ψ ≤ 1,
ψ(x) =
(
1 f¨ ur |x| ≥ ε 0 f¨ ur |x| ≤
ε 2
,
|Dα ψ| ≤ cε−k f¨ ur |α| = k ≤ N.
Sei φ ∈ D(Ω) eine Funktion mit Dα φ(0) = 0 f¨ ur |α| ≤ N. Nach Taylor gilt dann wegen |DN +1 φ| ≤ c |Dα φ(x)| ≤ c|x|N +1−|α| ,
|α| ≤ N + 1.
Wegen T (φψ) = 0 folgt |T (φ)| = |T (φ(1 − ψ))| ≤ c sup sup |Dα (φ(1 − ψ))| |α|≤N x∈Ω
≤c ≤c
X
|α|+|β|≤N
X
sup |Dα φ| sup |Dβ (1 − ψ)|
|x|≤ε
|x|≤ε
cεN +1−|α| ε−|β| = cN ε.
|α|+|β|≤N
Da ε > 0 beliebig gew¨ ahlt werden kann, ist T (φ) = 0. F¨ ur beliebiges φ ∈ D(Ω) erhalten wir aus dem Satz von Taylor X φ(x) = cα Dα φ(0)xα + φ1 (x) |α|≤N
mit φ1 ∈ C ∞ (Ω) und Dα φ1 (0) = 0 f¨ ur |α| ≤ N. Mit ψ wie im ersten Teil des Beweises gilt dann X T (φ) = T (φ(1 − ψ)) = cα Dα φ(0)T (xα (1 − ψ)) + T (φ1 (1 − ψ)). |α|≤N
Wegen T (φ1 (1 − ψ)) = 0 folgt die behauptete Darstellung von T mit bα = (−1)|α| cα T (xα (1 − ψ)).
⊓ ⊔
Definition 9.13. Eine Folge (Tk ) in D′ (Ω) konvergiert gegen T ∈ D′ (Ω) D′
(Schreibweise Tk → T ), wenn Tk (φ) → T (φ) f¨ ur alle φ ∈ D(Ω).
Den folgenden Satz u andigkeit des Distributionenraums ben¨oti¨ ber die Vollst¨ gen wir nicht, er kommt aber in manchen Anwendungen vor. Satz 9.14. Sei Tk eine Folge in D′ (Ω), so daß (Tk (φ)) konvergiert f¨ ur alle D′
φ ∈ D(Ω). Dann gibt es ein T ∈ D′ (Ω) mit Tk → T.
9.1 Distributionen
221
Beweis. Setze T (φ) = lim Tk (φ). Die Linearit¨at von T zeigt man mit Standardargumenten. Da die Stetigkeit von T ¨aquivalent zur Stetigkeit im D Nullpunkt ist, muß gezeigt werden, daß aus φl → 0 die Konvergenz T (φl ) → 0 folgt. Wir f¨ uhren einen Widerspruchsbeweis und nehmen dazu an, daß |T (φl )| ≥ c > 0 f¨ ur eine Teilfolge. Die Tr¨ ager der φl liegen in einer kompakten Teilmenge K von Ω. In K konvergieren alle partiellen Ableitungen der φl gegen Null. Durch Auswahl einer weiteren Teilfolge erreichen wir D kφl kl,∞;K ≤ 4−l . F¨ ur ψl = 2l φl gilt dann ψl → 0 und |T (ψl )| → ∞. Wir konstruieren rekursiv eine Teilfolge (Tk′ ) von (Tk ) und eine Teilfolge ′ (ψl ) von (ψl ). Zun¨ achst w¨ ahlen wir ψ1′ mit |T (ψ1′ )| > 1. Wegen Tk (ψ1′ ) → ′ ′ T (ψ1 ) k¨onnen wir ein T1 finden mit |T1′ (ψ1′ )| > 1. Seien Tj′ und ψj′ f¨ ur 1 ≤ j < k bereits konstruiert. Wegen ψl → 0 und |T (ψl )| → ∞ gibt es ein ψk′ mit |Tj′ (ψk′ )| < 2−k+j |T ′ (ψk′ )| >
k−1 X j=1
f¨ ur j = 1, . . . , k − 1,
|T ′ (ψj′ )| + k.
(9.3) (9.4)
Wegen Tk (ψ) → T (ψ) liefert (9.4) ein Tk′ mit |Tk′ (ψk′ )|
>
k−1 X j=1
|Tk′ (ψj′ )| + k.
(9.5)
P ′ ′ Die Reihe ψ = ∞ ugen ebenfalls l=1 ψl konvergiert in D(Ω), denn die ψl gen¨ ′ −l der Absch¨atzung kψl kl,∞;K ≤ 2 . Aus (9.5) und (9.3) folgt ∞ k−1 X X ′ ′ |Tk′ (ψ)| = Tk (ψj ) + Tk′ (ψk′ ) + Tk′ (ψj′ ) j=1
(9.6)
j=k+1
k−1 ∞ X ′ ′ X ′ ′ ≥ |Tk′ (ψk′ )| − Tk (ψj ) − Tk (ψj ) > k − 1. j=1
j=k+1
Daher existiert der Grenzwert von Tk′ (ψ) nicht, was einen Widerspruch bedeutet. ⊓ ⊔ Mit einem ¨ahnlichem Argument beweisen wir die Folgenstetigkeit der Bilinearform hφ, T i = T (φ). D′
D
Satz 9.15. Ist Tk → T und φk → φ, so Tk (φk ) → T (φ). Beweis. Es gilt (Tk − T )(φk − φ) = Tk (φk ) − T (φk ) − Tk (φ) + T (φ). Wegen Tk (φ) → T (φ) und T (φk ) → T (φ) muß
222
9 Distributionen und Fourier-Transformation D′
D
Tk → 0, φk → 0
⇒
Tk (φk ) → 0.
gezeigt werden. Zum Beweis gehen wir wie im letzten Satz vor, indem wir eine D Teilfolge der φk zu einer Folge ψk normieren mit ψk → 0, |Tk (ψk )| → ∞ und P k ψk konvergent in D. Hieraus bestimmen wir eine Teilfolge kl wie folgt: Sind k1 , . . . , kj−1 bereits konstruiert, so w¨ ahle kj so, daß |Tkj (ψkl )| klein
f¨ ur l = 1, . . . , j − 1,
|Tkj (ψkj )|
(wegen Tk (ψk ) → ∞),
groß
(wegen Tk (ψ) → 0),
|Tkl (ψkj )| klein f¨ ur l = 1, . . . , j − 1, (wegen ψk → 0). P Setze ψ = l ψkl . Der Widerspruch Tkl (ψ) → ∞ folgt dann wie in (9.6).
⊓ ⊔
Im Rest dieses Abschnitts ist das Grundgebiet immer Ω = n . F¨ ur stetige Funktionen u, v, von denen eine kompakten Tr¨ager hat, ist die Faltung definiert durch Z Z u ∗ v(x) = u(x − y)v(y) dy = u(y)v(x − y) dy = v ∗ u(x). (9.7) Der Faltung sind wir bereits bei der Gl¨ attung von Funktionen begegnet. Dort wurde auch ausgenutzt, daß man sich bei der Differentiation der Faltung aussuchen kann, auf welche Funktion die Ableitung f¨allt, D α (u ∗ v) = Dα u ∗ v = u ∗ Dα v, was direkt aus (9.7) folgt. F¨ ur eine Funktion f ∈ L1loc und φ, ψ ∈ D liefert (9.7), Z Z Z f ∗ ψ(x)φ(x) dx = f (y)ψ(x − y)φ(x) dy dx, was die folgende Definition motiviert.
Definition 9.16. F¨ ur T ∈ D′ und ψ ∈ D ist die Faltung definiert durch (T ∗ ψ)(x) = T (ψ(x − •)), wobei der Punkt die Variable bezeichnet, auf die T wirkt. Die Faltung ist damit eine Funktion. Satz 9.17. Sei T ∈ D′ und ψ ∈ D. Dann ist T ∗ ψ in differenzierbar mit supp(T ∗ ψ) ⊂ supp(T ) + supp(ψ) und Dα (T ∗ ψ) = (Dα T ) ∗ ψ = T ∗ (D α ψ).
n
unendlich oft
9.1 Distributionen
223
Beweis. Die Behauptung f¨ ur den Tr¨ ager folgt aus T (φ) = 0, wenn supp(T ) ∩ supp(φ) = ∅. Wir verwenden den Differenzenquotienten und die Definition der Faltung, 1 1 (T ∗ ψ)(x + hei ) − (T ∗ ψ)(x) = T ψ(x + hei − •) − ψ(x − •) . h h Der Differenzenquotient (ψ(x + hei − y) − ψ(x − y))/h konvergiert bei festem x in D gegen Di ψ(x − y), daher Di (T ∗ ψ) = T ∗ (Di ψ) und mit Induktion Dα (T ∗ ψ) = T ∗ (Dα ψ). Die Behauptung folgt aus T ∗ (Dα ψ)(x) = T (Dα ψ(x − •)) = (−1)|α| T (D•α ψ(x − •)) = (Dα T ) ∗ ψ(x).
⊓ ⊔
Lemma 9.18. F¨ ur T ∈ D′ und φ, ψ ∈ D gilt (T ∗ φ) ∗ ψ = T ∗ (φ ∗ ψ). Beweis. Wir approximieren das Integral Z φ ∗ ψ(x) = φ(x − y)ψ(y) dy durch Riemannsche Summen fh (x) = hn
X
α∈
n
φ(x − αh)ψ(αh).
Es gilt fh ∈ D und, weil die Riemannschen Summen auch f¨ ur die Ableitungen D konvergieren, fh → φ ∗ ψ. Da in der Summe nur endlich viele Summanden nicht verschwinden, k¨ onnen wir die Linearit¨ at von T ausnutzen, X X T ∗ fh (x) = T hn φ(x − αh − •)ψ(αh) = hn T (φ(x − αh − •))ψ(αh) α
→
Z
α
T (φ(x − y − •)ψ(y) dy = (T ∗ φ) ∗ ψ(x). ⊓ ⊔
Im folgenden Satz sei an die Identifizierung einer Funktion f mit der zugeh¨origen Distribution Tf erinnert. D′
Satz 9.19. F¨ ur alle Distributionen gilt T ∗ Jε → T, insbesondere ist C ∞ dicht ′ ∞ in D und C0 ist dicht im Raum der Distributionen mit kompaktem Tr¨ ager. Beweis. Es ist T (φ) = T ∗ φ(−•)(0) und daher mit dem letzten Lemma, (T ∗ Jε )(φ) = (T ∗ Jε ) ∗ φ(−•) (0) = T ∗ (Jε ∗ φ(−•))(0) = T (Jε ∗ φ). D
Wegen Dα (Jε ∗ φ) = Jε ∗ Dα φ gilt Jε ∗ φ → φ. Die Behauptung folgt aus der Stetigkeit von T . ⊓ ⊔
224
9 Distributionen und Fourier-Transformation
9.2 Die Fourier-Transformation in S Definition 9.20. Setze f¨ ur k, l ∈
0
pk,l (φ) = sup (|x|k + 1) n
x∈
Eine Funktion φ ∈ C ∞ (
n
X
|α|≤l
|D α φ(x)|.
) heißt schnell fallend, wenn
pk,l (φ) < ∞
∀k, l ∈
0.
Mit S = S( n ) wird die Menge der schnell fallenden Funktionen bezeichnet. S Wir sagen, (φk ) konvergiert gegen φ in S (Schreibweise φk → φ), wenn pk,l (φj − φ) → 0
∀k, l ∈
0.
Konvergenz in S ist damit polynomial gewichtete gleichm¨aßige Konvergenz aller partieller Ableitungen. Da die Funktionen in S lediglich schneller als jedes |x|−k gegen 0 fallen 2 m¨ ussen, ist φ(x) = e−|x| ein Beispiel f¨ ur eine Funktion, die in S, aber nicht in D liegt. ˜ R (0), B2R (0)}, so gilt f¨ Ist τR eine Abschneidefunktion bez¨ uglich {B ur S φ ∈ S, daß τR φ → φ f¨ ur R → ∞. D ist daher dicht in S. Definition 9.21. Sei φ ∈ S. Dann heißt Z −n/2 F φ(ξ) = (2π) e−ix·ξ φ(x) dx, n
ξ∈
n
die Fourier-Transformierte von φ. Der auf S definierte Operator heißt FourierTransformation. Da f¨ ur φ ∈ S die Absch¨ atzung |φ(x)| ≤ c(1 + |x|)−n−1 gilt, folgt |F φ(ξ)| ≤ c
Z
n
|e−ix·ξ |(1 + |x|)−n−1 dx ≤ c.
Fφ existiert also und ist beschra ¨nkt. Satz 9.22. Mit φ ∈ S sind auch xα φ, Dα φ, F φ, Dα Fφ, F (Dα φ) ∈ S und es gilt D α F φ = (−i)|α| F (xα φ), ξ α Fφ = (−i)|α| F (Dα φ).
9.2 Die Fourier-Transformation in S
225
Beweis. Nat¨ urlich sind xα φ und Dα φ in S. Wir brauchen daher nur die beiden Identit¨aten nachzuweisen, um zu zeigen, daß auch die Fourier-Transformierte unendlich oft differenzierbar und schnell fallend ist, mithin in S liegt. Mit dem Differenzenquotienten 1 (v(ξ + hej ) − v(ξ)) h Z Dj+h F (φ)(ξ) = (2π)−n/2 Dj+h e−ix·ξ φ(x) dx. Dj+h v(ξ) =
folgt
(9.8)
n
Der Mittelwertsatz liefert
Dj+h e−ix·ξ = −ixj e−ix·η mit η ∈ (ξ, ξ + hej ) und daher |Dj+h e−ix·ξ | ≤ |xj |. Auf der rechten Seite von (9.8) k¨ onnen wir mit der Majorante |φ(x)| ≤ c(1 + |x|)−n−2 nach dem Satz von Lebesgue zum Grenzwert u ¨ bergehen, Z Dj F(φ)(ξ) = (2π)−n/2
n
−ixj e−ix·ξ φ(x) dx = −iF (xj φ).
Damit ist der erste Teil der Behauptung gezeigt. Zum Nachweis der zweiten Identit¨ at verwenden wir Z ξj Fφ(ξ) = (2π)−n/2 lim (−i)−1 Dxj e−ix·ξ φ(x) dx, R→∞
(9.9)
BR (0)
denn φ ist schnell fallend. Mit partieller Integration folgt Z Z −1 −ix·ξ (−i) Dxj e φ(x) dx = i−1 e−ix·ξ Dxj φ(x) dx BR (0)
BR (0)
+
Z
(−i)−1 νj e−ix·ξ φ(x) dx.
∂BR (0)
Wegen |φ(x)| ≤ c|x|−n konvergiert das Randintegral gegen 0 f¨ ur R → ∞ und wir erhalten Z ξj F φ(ξ) = (2π)−n/2 (−i)e−ix·ξ Dxj φ(x) dx = (−i)F (Dxj φ)(ξ). n
⊓ ⊔
Satz 9.23. F : S → S ist stetig, d. h. S
φk → φ
⇒
S
F φk → F φ.
226
9 Distributionen und Fourier-Transformation
Beweis. Nach dem Beweis des letzten Satzes lassen sich |ξ|j Dα F φ durch die Normen pk,l (φ) absch¨ atzen. Ersetzen wir hier φ durch φk − φ, folgt die Behauptung. ⊓ ⊔ Korollar 9.24. Die Fourier-Transformation ist auch stetig zwischen den R¨ aumen L1 ( n ) und C 0 ( n ) mit kF uk∞ ≤ (2π)−n/2 kuk1 . Ferner gilt f¨ ur u ∈ L1 ( n ), daß lim|ξ|→∞ |F u(ξ)| → 0. Beweis. Die Absch¨ atzung folgt aus der Definition der Fourier-Transformation. Da S dicht in L1 ist, liegt Fu im Abschluß von S im Raum C 0 ( n ) (vgl. Aufgabe 2.26). ⊓ ⊔ Im Fourier-Raum wird eine partielle Ableitung zu einer Multiplikation mit einem Monom, eine lineare partielle Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten wird zu einer Multiplikation mit einem Polynom. Aus der Analysis wird Algebra. Dieses m¨ achtige Instrument Fourier-Transformation kann aber nur verwendet werden, wenn es eine Umkehrtransformation gibt. Die Herleitung dieser Umkehrtransformation beruht auf dem folgenden technischen Lemma. Lemma 9.25.
F e−|x|
2
/2
(ξ) = e−|ξ|
2
/2
.
Beweis. Sei zun¨achst n = 1. F¨ ur die Funktion h(ξ) = (2π)1/2 F (e−x folgt aus den Regeln f¨ ur die Fourier-Transformation in Satz 9.22 h′ (ξ) = (2π)1/2 F ′ (e−x
2
/2
= i(2π)1/2 F (Dx ex
2
)(ξ) = −i(2π)1/2 F(xe−x
/2
2
/2
2
/2
)(ξ) ∈ S
)(ξ)
2 i ξ(2π)1/2 F (ex /2 )(ξ) = −ξh(ξ). −i
)(ξ) =
Aus der elementaren Analysis ist bekannt, daß Z ∞ √ 2 h(0) = e−x /2 dx = 2π, −∞
also folgt mit
d h′ (ξ) ln h(ξ) = = −ξ, dξ h(ξ) daß
√
ln h(r) − ln 2π = daher
Z
h(ξ) =
r
0
√
d 1 ln h(ξ) dξ = − r2 , dξ 2
2πe−ξ
2
/2
.
Im n erhalten wir aus dem Satz von Fubini durch mehrfache Anwendung dieser Identit¨at
9.2 Die Fourier-Transformation in S
F (e−
|x|2 2
)(ξ) = (2π)−n/2
Z
e−
x2 1 2
−ix1 ξ1
. . . e−
x2 n 2
−ixn ξn
227
dx1 . . . dxn
√ √ 2 2 2 = (2π)−n/2 2πe−ξ1 /2 . . . 2πe−ξn /2 = e−|ξ| /2 . ⊓ ⊔ Satz 9.26. F : S → S ist bijektiv und bistetig mit Umkehrabbildung (= inverse Fourier-Transformation) Z (F −1 φ)(x) = (2π)−n/2 eix·ξ φ(ξ) dξ, φ ∈ S. Anmerkung 9.27. Offenbar ist (F −1 φ)(x) = (F φ)(−x). Demnach ist F 4-periodisch, φ 7→ F φ 7→ F (F(φ)) = φ(−x). Beweis. Aufgrund der Anmerkung existiert die in der Behauptung angegebene Transformation und bildet S auf S ab. F¨ ur φ, ψ ∈ S folgt aus dem Satz von Fubini Z Z Z F φ(ξ)ψ(ξ)eix·ξ dξ = (2π)−n/2 φ(y)e−iy·ξ ψ(ξ)eix·ξ dy dξ = (2π)−n/2
Z
φ(y)
Z
Z ψ(ξ)ei(x−y)·ξ dξ dy = φ(y)F ψ(y − x) dy.
Wir setzen nun z = y − x und haben damit gezeigt Z Z Fφ(ξ)ψ(ξ)eix·ξ dξ = φ(z + x)F ψ(z) dz. 2
F¨ ur die Funktion ψ(x) = e−ε |x| und der Substitution xi = yi /ε
2
/2
−n/2
Fψ(z) = (2π)
erhalten wir mit Hilfe des letzten Lemmas
Z
2
e−ε
−n/2 −n
= (2π)
ε
= ε−n F (e−|x| Zusammen mit (9.10) folgt hieraus
(9.10)
2
Z
/2
|x|2 /2 −ix·z
e−|y|
e
2
dx
/2 −iy·z/ε
e
dy
2 2 z )( ) = ε−n e−|z| /(2ε ) . ε
228
9 Distributionen und Fourier-Transformation
Z
F φ(ξ)e
−ε2 |x|2 /2 ix·ξ
e
dξ = ε =
−n
Z
Z
e−|z|
e−|y|
2
/2
2
/(2ε2 )
φ(z + x) dz
(9.11)
φ(x + εy) dy,
wobei wir zum Schluß die Substitution zi = εyi verwendet haben. Auf beiden Seiten von (9.11) existieren die punktweisen Grenzwerte der Integranden f¨ ur ε → 0. Da φ und Fφ schnell fallend sind, k¨ onnen wir den Satz von Lebesgue anwenden und erhalten Z 2 (2π)n/2 F −1 (F φ)(x) = e−|y| /2 φ(x) dy = φ(x)(2π)n/2 , daher φ(x) = F −1 (F φ)(x), insbesondere ist F injektiv. Genauso zeigt man φ(x) = F (F −1 φ)(x), was die Injektivit¨ at von F −1 impliziert. ⊓ ⊔
9.3 Die Fourier-Transformation in S ′ und in L2 Mit S ′ bezeichnen wir den Raum der linearen Funktionale T : S → folgenstetig bez¨ uglich der Konvergenz in S sind, also S
φk → φ
⇒
, die
T φk → T φ.
Wegen D
S
φk → φ ⇒ φk → φ ⇒ T φk → T φ
ist jedes T ∈ S ′ eine Distribution.
Beispiele 9.28 (i) Jede Distribution mit kompaktem Tr¨ager kann zu einem Element von S ′ fortgesetzt werden wegen |T (φ)| ≤ ckφkN,∞;Ω ≤ cp0,N (φ). (ii) F¨ ur f ∈ Lp (
n
) ⊂ L1loc (
n
) setze Z Tf (φ) = f φ dx ∈ D′ .
Wir zeigen, daß sich Tf auf S fortsetzen l¨ aßt. F¨ ur p = 1 ist das sofort klar wegen |Tf (φ)| ≤ kf k1 p0,0 (φ). F¨ ur 1 < p < ∞ sei q = p/(p − 1) und f¨ ur p = ∞ sei q = 1 . Es gibt ein k ∈ mit Z (1 + |x|)−kq dx < ∞, daher folgt f¨ ur φ ∈ S mit der H¨ olderschen Ungleichung
|Tf (φ)| ≤
9.3 Die Fourier-Transformation in S ′ und in L2
Z
|f |(1 + |x|)−k (1 + |x|)k |φ| dx ≤
Z
229
|f |(1 + |x|)−k dx pk,0 (φ)
≤ kf kpk(1 + |x|)−k kq pk,0 (φ) ≤ ckf kp pk,0 (φ). Damit ist Tf ∈ S ′ .
(iii) Ist q(x) ein Polynom vom Grade ≤ k, so gehen wir wie in (ii) vor, Z |Tq (φ)| ≤ c |q|(1 + |x|)−k−n−1 dx pk+n+1,0 (φ) ≤c also Tq ∈ S ′ .
Z
(1 + |x|)k (1 + |x|)−k−n−1 dx pk+n+1,0 (φ) ≤ c pk+n+1,0 (φ),
2
(iv) f (x) = e|x| ist eine regul¨ are Distribution, die sich nicht auf S fortsetzen S l¨aßt. Ist n¨amlich (φk ) eine Folge in D mit φk → f −1 , so Tf (φk ) → ∞. F¨ ur viele andere regul¨are Distributionen mit exponentiellem Wachstum kann analog argumentiert werden. Aufgrund des letzten Beispiels nennt man S ′ den Raum der langsam wachsenden oder temperierten Distributionen, was aber angesichts von Aufgabe 9.22 irref¨ uhrend ist. Definition 9.29. F¨ ur T ∈ S ′ heißt F T (φ) = T (F φ) die Fourier-Transformierte von T. Satz 9.30. (a) Ist Tψ ∈ S ′ regul¨ar mit ψ ∈ S, so gilt F Tψ = TFψ . (b) F¨ ur T ∈ S ′ ist F T ∈ S ′ .
Beweis. (a) F¨ ur φ ∈ S gilt Z Z −n/2 −ix·ξ FTψ (φ) = (2π) e φ(x)ψ(ξ) dx dξ = φ(x)F ψ(x) dx = TF ψ (φ). S
(b) Wenn φk → φ, so gilt aufgrund der Stetigkeit von F , Lemma 9.23, S Fφk → F φ. ⊓ ⊔ Mit
F −1 T (φ) = T (F −1 φ)
gilt der Satz 9.31. F , F −1 : S ′ → S ′ sind bijektiv mit F F −1 T = F −1 F T = T.
230
9 Distributionen und Fourier-Transformation
⊓ ⊔
Beweis. folgt sofort aus der Definition. Satz 9.32. F¨ ur T ∈ S ′ gilt F
−1
T (φ(ξ)) = FT (φ(−ξ)) sowie
T
FT
F −1 T
Dα δ0
(2π)−n/2 i|α| xα
(2π)−n/2 (−i)|α| xα
xα
(2π)n/2 i|α| D α δ0
(2π)n/2 (−i)|α| D α δ0
Dα T
i|α| xα F T
(−i)|α| xα F −1 T
xα T
i|α| Dα FT
(−i)|α| Dα (F −1 T )
Beweis. Alle Aussagen lassen sich leicht aus den bisher bewiesenen Rechenregeln ableiten. Mit F −1 T (φ) = T (F −1 (φ(ξ)) = T (Fφ(−ξ)) = F T (φ(−ξ)). brauchen wir nur die Spalte f¨ ur FT nachzuweisen. Es gilt Z −n/2 F δ0 (φ) = δ0 (Fφ) = F(φ)(0) = (2π) φ(x) dx = (2π)−n/2 T1 (φ). n
′
F¨ ur die Ableitung einer Distribution in S erhalten wir F Dα T (φ) = Dα T (Fφ) = (−1)|α| T (Dα F φ) = i|α| T (F (xα φ)) = i|α| FT (xα φ) = i|α| xα F T (φ). Die Beziehung F (xα T (φ)) = (−i)|α| Dα (FT )(φ) beweist man genauso.
⊓ ⊔
Satz 9.33. F¨ ur φ, ψ ∈ S gilt die Parsevalsche Gleichung (φ, ψ) = (F φ, F ψ),
(9.12)
kφk2 = kF φk2 .
(9.13)
insbesondere Beweis. F¨ ur φ, ψ ∈ S ist wegen φ = F −1 Fφ Z Z Z −n/2 φψ dx = (2π) ψ F φ(ξ)eix·ξ dξ dx = (2π)−n/2
Z
F φ(ξ)
Z
ψeix·ξ dx dξ =
Z
F φ(ξ)F ψ(ξ) dξ. ⊓ ⊔
Gleichung (9.12) gilt wegen F −1 = F auch f¨ ur F −1 . Da S dicht in L2 ist, 2 k¨onnen die auf L ∩ S isometrischen Abbildungen F und F −1 nach Satz 2.14 eindeutig zu auf L2 stetigen Abbildungen fortgesetzt werden.
9.4 Sobolev-R¨ aume und Fourier-Transformation, Spurr¨ aume
231
Definition 9.34. Die eindeutige Fortsetzung von F auf L2 heißt FourierPlancherel-Transformation und wird ebenso mit F bezeichnet. Satz 9.35. F¨ ur die Fourier-Plancherel-Transformation gelten (9.12) und (9.13) f¨ ur alle φ, ψ ∈ L2 . Ferner stimmt die Fourier-PlancherelTransformation, abgesehen von der Identifizierung Tf ↔ f , mit der FourierTransformation in S ′ ¨ uberein, es gilt FTf = TF f f¨ ur alle f ∈ L2 . Beweis. Da das innere Produkt stetig ist, bleiben (9.12) und (9.13) auch f¨ ur den fortgesetzten Operator richtig. Zu zeigen bleibt, daß die distributionelle Definition von F in S ′ auf L2 mit der Fourier-Plancherel-Transformation u ¨bereinstimmt. Sei f ∈ L2 und (fk ) 2 eine Folge in S mit fk → f in L . Dann gilt f¨ ur φ ∈ S Z Z F Tfk (φ) = fk Fφ dx → f F φ dx = FTf (φ), andererseits mit Satz 9.30, Z Z F Tfk (φ) = fk Fφ dx = Ffk φ dx → TF f (φ).
⊓ ⊔
¨ Wir haben die folgende Ubersicht f¨ ur den Operator F: R¨aume
Eigenschaften
Herleitung
S→S
bijektiv, bistetig
Definition
bijektiv, bistetig
Bildung durch Dualisierung“ ” Definition und Kor. 9.24
′
1
S →S
′
0
L →C ( 2
L →L
n) 2
stetig isom. Isomorphismus
Fortsetzung von F : S → S auf L2
9.4 Sobolev-R¨ aume und Fourier-Transformation, Spurr¨ aume Die vor allem im nichtganzzahligen Fall unhandlichen Sobolev-Normen lassen sich mit Hilfe der Fourier-Transformation sehr einfach charakterisieren. Wir beginnen mit dem Ganzraumfall Ω = n . Satz 9.36. Sei s ≥ 0. Es gibt Konstanten c1 , c2 > 0, die von s abh¨ angen, mit Z c1 kuk2s,2; n ≤ (1 + |ξ|)2s |Fu|2 dξ ≤ c2 kuk2s,2; n n
f¨ ur alle u ∈ H s,2 (
n
).
232
9 Distributionen und Fourier-Transformation
Beweis. Sei zun¨achst s = m ganzzahlig. F¨ ur u ∈ H m,2 ( alle |α| ≤ m und mit der Parsevalschen Gleichung folgt
n
) ist Dα u ∈ L2 f¨ ur
kDα uk2 = kF (Dα u)k2 = kξ α F uk2 . Da es Konstanten c1 , c2 > 0 gibt mit X X c1 |ξ α |2 ≤ (1 + |ξ|)2m ≤ c2 |ξ α |2 , |α|≤m
|α|≤m
folgt die Behauptung f¨ ur diesen Fall. Sei nun s = σ mit 0 < σ < 1. Mit u(x) = F −1 (Fu)(x) gilt Z u(x + z) − u(x) = (2π)−n/2 eix·ξ (eiz·ξ − 1)F u(ξ) dξ = F −1 (eiz·ξ − 1)Fu (x) und mit der Parsevalschen Gleichung (9.13) Z Z |u(x + z) − u(x)|2 dx = |Fu(ξ)|2 |(eiz·ξ − 1)|2 dξ, daher Z Z
|u(x + z) − u(x)|2 dx dz = |z|n+2σ
Z
|ξ|2σ |Fu(ξ)|2
Z
|(eiz·ξ − 1)|2 dz dξ. |ξ|2σ |z|n+2σ
Im inneren Integral f¨ uhren wir die Koordinatentransformation z = |ξ|−1 y mit −n dz = |ξ| dy durch Z Z Z |(eiz·ξ − 1)|2 |(eiω·y − 1)|2 2(1 − cos(ω · y)) dz = dy = dy, |ω| = 1. 2σ n+2σ n+2σ |ξ| |z| |y| |y|n+2σ Wie man sich durch eine Drehung des Koordinatensystems u ¨berzeugt, h¨angt dieses Integral nicht von ω ab. F¨ ur den Z¨ ahler verwenden wir die Absch¨atzung 2(1− cos(ω ·y)) ≤ min{4, c|y|2 }, woraus die Beschr¨anktheit des Integrals folgt. Damit ist Z 2 |u|2,σ; n = cn,σ |ξ|2σ |Fu(ξ)|2 dξ gezeigt, wobei sich aus der Herleitung ergibt, daß cn,σ → ∞ f¨ ur σ → 0, 1.
⊓ ⊔
Lassen sich die Sobolev-Funktionen auf einem Gebiet stetig fortsetzen, so kann der Sobolev-Raum ebenfalls durch die Fourier-Transformation charakterisiert werden: n Satz 9.37. Sei s ≥ 0. Auf Ω ⊂ gebe es einen stetigen Operator s,2 s,2 n E : H (Ω) → H ( ) mit Eu Ω = u. Dann stimmt der Raum H s,2 (Ω) mit der Einschr¨ ankung der Funktionen in H s,2 ( n ) auf Ω ¨ uberein und die Norm kuk′s,2;Ω = inf k(1 + | · |)s F u ˜k2; n : u ˜ ∈ H s,2 ( n ) mit u ˜ Ω = u
ist zur Norm in H s,2 (Ω) ¨aquivalent.
9.4 Sobolev-R¨ aume und Fourier-Transformation, Spurr¨ aume
233
Beweis. Mit dem letzten Satz ist das eigentlich klar. Einerseits gilt kuk′s,2;Ω ≤ k(1 + | · |)s FEuk2;
n
≤ ckEuks,2;
n
≤ ckuks,2;Ω ,
andererseits f¨ ur jede H s,2 -Fortsetzung u˜ von u kuks,2;Ω ≤ k˜ uks,2;
n
≤ ck(1 + | · |)s F u ˜k2;
n
.
Hier bilden wir das Infimum und haben auch diese Richtung gezeigt.
⊓ ⊔
¨ Aus dem Fortsetzungssatz 6.38 folgt demnach die Aquivalenz der Normen k · ks,2 und k · k′s,2 f¨ ur beschr¨ ankte Gebiete der Klasse C m,1 . F¨ ur ganzzahliges s kann alternativ der Calderonsche Fortsetzungssatz von Seite 109 angewendet werden, der bereits f¨ ur beschr¨ ankte Lipschitzgebiete richtig ist. Als Anwendung zeigen wir, wie einfach der Beweis einer SobolevUngleichung mit Hilfe der Fourier-Transformation ist. Satz 9.38. Sei s − n/2 = l + α mit l ∈ 0 und 0 < α < 1. Gibt es f¨ ur das Gebiet Ω ⊂ n einen stetigen Fortsetzungsoperator E : H s,2 (Ω) → H s,2 ( n ), so gilt die Einbettung H s,2 (Ω) → C l,α (Ω). Beweis. Sei 0 < s − n/2 < 1, also l = 0. l > 0 wird auf diesen Fall zur¨ uckgef¨ uhrt, indem man die Ableitungen Dβ u mit |β| < l betrachtet. Aufgrund der Voraussetzung an Ω und des letzten Satzes k¨onnen wir Ω = n annehmen. Aus u(x + z) − u(x) = F −1 ((eiz·ξ − 1)F u)(x) folgt Z |u(x + z) − u(x)| −s+n/2 ix·ξ −iz·ξ = |z| e (e − 1)Fu(ξ) dξ |z|s−n/2 Z 1/2 Z 1/2 ≤ |z|−2s+n |e−iz·ξ − 1|2 (1 + |ξ|)−2s dξ (1 + |ξ|)2s |Fu(ξ)|2 dξ .
F¨ ur den ersten Faktor auf der rechten Seite verwenden wir die Transformation ξ = |z|−1 ξ ′ , dξ = |z|−n dξ ′ . Mit ω ∈ n , |ω| = 1, gilt dann Z Z ′ |z|−2s+n |e−iz·ξ − 1|2 (1 + |ξ|)−2s dξ = |e−iω·ξ − 1|2 (|z| + |ξ ′ |)−2s dξ ′ ≤
Z
min{4, c|ξ ′ |2 }|ξ ′ |−2s dξ ′ .
Wegen 2 − 2s > −n und −2s < −n existieren die Integrale u ¨ber |ξ ′ | < 1 und ′ |ξ | ≥ 1. R Nun zeigen wir kuk∞ ≤ ckuks,2 . Wegen (1 + |ξ|)−2s dξ < ∞ f¨ ur s > n/2 gilt Z Z Z 2 |F u| dξ ≤ |Fu|2 (1 + |ξ|)2s dξ (1 + |ξ|)−2s dξ ≤ ckuk2s,2, daher Fu ∈ L1 . Die Behauptung folgt aus kuk∞ ≤ (2π)−n/2 kF uk1 .
⊓ ⊔
234
9 Distributionen und Fourier-Transformation
Wir hatten in Abschnitt 6.11 auf recht technische Art bewiesen, daß es auf einem beschr¨ ankten Lipschitzgebiet einen stetigen Spuroperator S : H 1,p (Ω) → H 1−1/p,p (∂Ω) und einen stetigen Fortsetzungsoperator F : H 1−1/p,p (∂Ω) → H 1,p (Ω) gibt. F¨ ur p = 2 und allgemeine s > 1/2 wollen wir diese Operatoren mittels Fourier-Transformation konstruieren. Sei m ∈ 0 , s = m + σ mit 0 ≤ σ < 1. Sei Ω ein beschr¨anktes Gebiet der Klasse C m,1 . Die R¨ aume H s,2 (∂Ω), s = m + σ werden wie in Definition 6.40 mit Hilfe der Lokalisierung (Uj , φj ) definiert. Eine Randfunktion u liegt im Raum H s,2 (∂Ω), wenn die Funktionen uj (y ′ ) = (φj u)(y ′ , hj (y ′ )) im Raum H s,2 (Uj′ ) liegen, wobei Uj′ ⊂ n−1 der Definitionsbereich des Parameters y ′ ist. Mit Dα uj = Dyα′ uj wird H s,2 (∂Ω) normiert durch kuk2m,2;∂Ω |u|2σ,2;∂Ω
=
J X X Z
∂Ω
j=1 |α|≤m
=
J Z X j=1
∂Ω
Z
∂Ω
kuk2s,2;∂Ω = kuk2m,2;∂Ω +
|Dα uj |2 dσ
f¨ ur σ = 0,
|uj (x) − uj (y)|2 dσx dσy , |x − y|n−1+2σ X
|α|=m
|Dα u|2σ,2;∂Ω
f¨ ur 0 < σ < 1.
Satz 9.39 (Spur- und Fortsetzungssatz f¨ ur H s,2 -Funktionen). Sei Ω m,1 ein beschr¨ anktes Gebiet der Klasse C . Sei s = m + σ > 1/2 mit 0 < σ ≤ 1. (a) Der Spuroperator aus Satz 6.15 ist auch stetig zwischen den R¨aumen H s,2 (Ω) und H s−1/2,2 (∂Ω). (b) Es existiert ein stetiger Fortsetzungsoperator F : H s−1/2,2 (∂Ω) → H s,2 (Ω) mit SF = Id. Beweis. In beiden Beweisteilen beginnen wir mit dem Halbraum n n−1 × + und schreiben wieder x = (x′ , xn ). Mit F ′ bezeich+ = nen wir die Fourier-Transformation bez¨ uglich der Variablen x′ , entsprechend ist F n die Fourier-Transformation bez¨ uglich xn . (a) Sei u ∈ C ∞ ( n+ ) mit kompaktem Tr¨ ager in n . u kann wie in Satz 6.10 m+1 n zu einer Funktion in C0 ( ) fortgesetzt werden, die genauso bezeichnet wird. F¨ ur u0 (x′ ) = u(x′ , 0), x′ ∈ n−1 , gilt mit (F n )−1 F n = Id
u0 (x′ ) = (2π)−1/2
Z
ei0·ξn F n u(x′ , ξn ) dξn .
Mit Fourier-Transformation bez¨ uglich x′ folgt Z ′ ′ −1/2 F u0 (ξ ) = (2π) F u(ξ ′ , ξn ) dξn ,
9.4 Sobolev-R¨ aume und Fourier-Transformation, Spurr¨ aume
235
und mit der H¨olderschen Ungleichung f¨ ur das innere Integral Z Z Z 2 (1 + |ξ ′ |)2s−1 |F ′ u0 |2 dξ ′ ≤ c (1 + |ξ ′ |)2s−1 F u(ξ ′ , ξn ) dξn dξ ′ n−1
≤c
Z
n−1
′
n−1
(1 + |ξ |)
2s−1
Z
′
2s
2
(1 + |ξ|) |Fu(ξ , ξn )| dξn
Z
(1 + |ξ|)−2s dξn dξ ′ .
F¨ ur das letzte Integral verwenden wir die Absch¨atzung Z (1 + |ξ|)−2s dξn ≤ 2s
Z
(1 + |ξ ′ | + |ξn |)−2s dξn = 2s
2 (1 + |ξ ′ |)−2s+1 , 2s − 1
(9.14)
daher ku0 ks−1/2,2; n−1 ≤ ckuks,2; n . Die Anwendung der letzten Absch¨ atzung auf die lokale Situation am Rande erfolgt wie beim Beweis von Satz 6.41(a). F¨ ur die gebrochenen Anteile werden die Lemmata 6.35 und 6.39 zu Hilfe genommen. (b) F¨ ur u0 ∈ C0∞ ( n−1 ) setze Z 2s − 1 (1 + |ξ ′ |)2s−1 F u0 (x) = (2π)−(n−1)/2 eix·ξ F ′ u0 (ξ ′ ) dξ. (9.15) 2 (1 + |ξ ′ | + |ξn |)2s n F¨ ur xn = 0 erhalten wir aus dieser Definition mit Hilfe von (9.14) Z ′ ′ ′ −(n−1)/2 2s − 1 F u0 (x , 0) = (2π) eix ·ξ (1 + |ξ ′ |)2s−1 F ′ u0 (ξ ′ ) × 2 n−1 Z (1 + |ξ ′ | + |ξn |)−2s dξn dξ ′ = (2π)−(n−1)/2
Z
′
n−1
′
eix ·ξ F ′ u0 (ξ ′ ) dξ ′ ,
also F u0 (x′ , 0) = u0 (x′ ). Zum Nachweis der Stetigkeit von F interpretieren wir (9.15) so, daß F u0 die inverse Fourier-Transformation des Integranden auf der rechten Seite ist. Es folgt Z 2 kF u0 ks,2; n ≤ c (1 + |ξ ′ | + |ξn |)2s |FF u0 (ξ)|2 dξ n
≤c
Z
n−1
Z
(1 + |ξ ′ |)4s−2 |F ′ u0 (ξ ′ )|2 dξn dξ ′ . (1 + |ξ ′ | + |ξn |)2s
Das innere Integral wird mit (9.14) ausgerechnet,
236
9 Distributionen und Fourier-Transformation
kF u0 k2s,2;
n
≤c
Z
n−1
(1 + |ξ ′ |)2s−1 |F ′ u0 (ξ ′ )|2 dξ ′ ≤ cku0 k2s−1/2,2;
n−1
.
Die Transformation auf die lokale Situation am Rande des Gebiets erfolgt genauso wie im Beweis von Satz 6.41(b). ⊓ ⊔ Beispiel 9.40. Auf dem beschr¨ ankten Lipschitzgebiet Ω ⊂ den gleichm¨aßig elliptischen Operator Lu = −Di (aij Dj u),
n
betrachten wir
aij ∈ L∞ (Ω),
mit zugeh¨origer Form (alles reell) a(u, v) =
Z
aij Dj uDi v dx. Ω
(i) Das inhomogene Dirichlet-Problem Lu = f in Ω, u = g auf ∂Ω ist f¨ ur f ∈ H −1,2 (Ω) und g ∈ H 1/2,2 (Ω) eindeutig in schwacher Form l¨osbar. Mit dem Operator F aus dem letzten Satz bestimmen wir n¨amlich u0 ∈ H01,2 (Ω) mit a(u0 , v) = f (v) − a(F g, v) f¨ ur alle v ∈ H01,2 (Ω), es ist dann u = u0 + F g mit kuk1,2;Ω ≤ ku0 k1,2;Ω + kF gk1,2;Ω ≤ ckf k−1,2;Ω + ckgk1/2,2;∂Ω . Die schwache Form zur Bestimmung von u0 kann auch zum Nachweis der Regularit¨at verwendet werden. F¨ ur gen¨ ugend glatte Daten gilt dann u ∈ H 2,2 (Ω) mit kuk2,2;Ω ≤ c(kf k2;Ω + kgk3/2,2;∂Ω ). In diesem Fall l¨aßt sich das Problem funktionalanalytisch auch anders deuten: L : H 2,2 (Ω) → L2 (Ω) × H 3/2,2 (∂Ω),
u 7→ (Lu, Su),
(9.16)
wobei S den Spuroperator aus dem letzten Satz bezeichnet, ist bijektiv und bistetig zwischen den angegebenen R¨ aumen. (ii) Das inhomogene Neumann-Problem, in klassischer Form νi aij Dj u = g, behandelt man, indem man eine L¨ osung u ∈ H 1,2 (Ω) von Z a(u, v) = f (v) + g(v) ∀v ∈ H 1,2 (Ω), g(v) = gv dσ, (9.17) ∂Ω
sucht. Man nutzt hier den Gelfandschen Dreier H −1/2,2 (∂Ω) = H 1/2,2 (∂Ω)′ → L2 (∂Ω) → H 1/2,2 (∂Ω) und kann das Problem auch f¨ ur g ∈ H −1/2,2 (∂Ω) l¨ osen, wenn man g durch ein offensichtlich zu definierendes inneres Produkt auf H 1/2,2 (∂Ω) darstellt (vergleiche Beispiel 8.17, die Verh¨altnisse sind hier genauso). Die Bilinearform ist auf H 1,2 (Ω) nicht koerziv, es gilt aber die G˚ ardingsche Ungleichung λkuk21,2;Ω ≤ a(u, u) + λkuk22;Ω , wobei λ die Elliptizit¨atskonstante von L bezeichnet. Das Problem (9.17) ist daher l¨osbar, wenn die rechte Seite auf dem Nullraum von L′ : v 7→ a(·, v) verschwindet,
9.4 Sobolev-R¨ aume und Fourier-Transformation, Spurr¨ aume
237
1 wegen N (L′ ) = span {1} also R f (1) + Rg(1) = 0. Sind f, g durch L -Funktionen darstellbar, bedeutet das Ω f dx + ∂Ω g dσ = 0. Die Notwendigkeit dieser Bedingung kann man auch durch Integration von Lu = f u ¨ ber Ω ableiten. Die L¨osbarkeitsbedingung unterstreicht, daß funktionalanalytisch betrachtet eine inhomogene rechte Seite und eine inhomogene Neumann-Randbedingung ein und dasselbe sind. In dieser Hinsicht instruktiv ist Aufgabe 9.30, in der eine rechte Seite in stetiger Weise verschwindet und gleichzeitig in der Randbedingung wiederersteht. Zum Nachweis der Regularit¨ at kann man mit einer Variante des letzten Satzes die inhomogene Neumann-Randbedingung heraustransformieren, alternativ kann man die schwache Form in (9.17) belassen und direkt mit Differenzenquotienten angehen. F¨ ur ∂Ω ∈ C 2 , aij ∈ C 1 (Ω), f ∈ L2 (Ω) und 1/2,2 g ∈ H (∂Ω) ist die L¨ osung dann im Raum H 2,2 (Ω) und die zugeh¨orige a-priori-Absch¨atzung ist erf¨ ullt.
(iii) Mit einem kleinen Trick lassen sich auch allgemeinere Randbedingungen behandeln. Um Rechenarbeit zu sparen, betrachten wir nur den Fall n = 2 und L = −∆. F¨ ur b ∈ L∞(∂Ω) und d ∈ H 1,∞ (Ω) definieren wir f¨ ur u, v ∈ H 1,2 (Ω) Z Z a(u, v) = DuDv dx + buv dx (9.18) Ω
+
∂Ω
Z
Ω
dD1 uD2 v + D2 dD1 uv − dD2 uD1 v − D1 dD2 uv dx.
Zu f ∈ L2 (Ω) ist ein u ∈ H 1,2 (Ω) gesucht mit a(u, v) = (f, v) f¨ ur alle v ∈ H 1,2 (Ω). Wir integrieren partiell in a(u, v), beachten dabei, daß die Terme im letzten Teil der Bilinearform nur Randintegrale hinterlassen, und erhalten die klassische Form −∆u = f in Ω,
Dν u + bu + dDt u = 0 auf ∂Ω,
(9.19)
wobei Dt die Tangentialableitung bezeichnet, t = (−ν2 , ν1 ). Ein Spezialfall ist d = 0, was Randbedingung der dritten Art genannt wird, und bei W¨armeleitungsproblemen dazu dient, die Aufheizung eines K¨orpers von außen durch Strahlung zu modellieren. F¨ ur b = 0 erh¨ alt man die weniger bedeutsame, aber bei Mathematikern beliebte Randbedingung mit schiefer Ableitung. Da man in (9.19) auch durch b oder d teilen kann, sind nur die Randbedingungen, die keine Normalableitung enthalten, nicht darstellbar. Diese sind mit Ausnahme des reinen Dirichlet-Problems in jeder anderen Theorie elliptischer Differentialgleichungen1 ebenfalls verboten. 1
Damit ist haupts¨ achlich die starke Theorie elliptischer Operatoren gemeint, in der das Problem ¨ ahnlich wie in (9.16) in der Form ` ´ si ,2 L : H 2m,2 (Ω) → L2 (Ω) ×m (∂Ω), u 7→ Lu, ×m i=1 H i=1 Bi u ,
geschrieben wird, wobei L ein Operator der Ordnung 2m und Bi Randoperatoren der Ordnung mi , 0 ≤ mi ≤ 2m − 1, sind. Mit si = 2m − mi − 1/2 bildet L korrekt
238
9 Distributionen und Fourier-Transformation
Zum Nachweis der G˚ ardingschen Ungleichung f¨ ur die Bilinearform a zeigen wir zun¨achst f¨ ur jedes ε > 0 die Absch¨ atzung kuk2;∂Ω ≤ εkuk1,2;Ω + c(ε)kuk2;Ω
∀u ∈ H 1,2 (Ω).
(9.20)
Aus dem letzten Satz folgt f¨ ur jedes η > 0, daß kuk2;∂Ω ≤ kuk1/2+η,2;Ω . Da wir Ω als Lipschitzgebiet vorausgesetzt haben, k¨ onnen wir die Charakterisierung der Sobolev-R¨aume in Satz 9.37 zur weiteren Absch¨atzung von kuk1/2+η,2;Ω verwenden. Mit der verallgemeinerten Youngschen Ungleichung (A.2) gilt f¨ ur η < 1/2 (1 + |ξ|)1+2η ≤ c(1 + |ξ|1+2η ) ≤ ε|ξ|2 + c(ε), (9.21) daher mit der Notation wie in Satz 9.37 Z kuk21/2+η,2;Ω ≤ c (1 + |ξ|)1+2η |F u˜|2 dξ ≤ cεkDuk22;Ω + c(ε)kuk22;Ω ,
woraus (9.20) folgt. F¨ ur die Bilinearform gilt daher Z a(u, u) ≥ kDuk22;Ω − kbk∞;∂Ω kuk22;∂Ω − kdk1,∞;Ω {|D1 u| |u| + |D2 u| |u|} dx Ω
1 kuk21,2;Ω − c(kbk∞;∂Ω , kdk1,∞;Ω )kuk22;Ω . 2 Diese G˚ ardingsche Ungleichung bleibt auch f¨ ur die ins Komplexe fortgesetzte Form richtig (siehe Abschnitt A.7). Satz 8.37 liefert die Fredholmsche Alternative und damit die Charakterisierung des Bildraums durch den adjungierten Operator. Erw¨ahnenswert ist vielleicht noch, daß im Fall d = const, b ≥ 0 auf ∂Ω und b ≥ c0 > 0 auf einem offenen Teilst¨ uck Γ des Randes, das Problem (9.19) eindeutig l¨osbar ist, weil dann ≥
a(u, u) ≥ kDuk22;Ω + c0 kuk22;Γ ≥ c1 kuk21,2;Ω ,
c1 > 0,
erf¨ ullt ist. Die letzte Absch¨ atzung zeigt man wie in Satz 6.21. ab. Unter geeigneten Bedingungen an L und die Randoperatoren wird gezeigt, daß L ein Fredholm-Operator vom Index 0 ist. Der Beweis besteht im wesentlichen in der Konstruktion von L¨ osungen im Ganz- und Halbraum mit Hilfe der Fourier-Transformation, stellt daher eine sch¨ one Anwendung der Funktionalanalysis dar (siehe [Wlo82]). Die Methode funktioniert auch bei elliptischen Systemen (siehe [Agm64], [WRL95, Kapitel 9]) und ist sp¨ atestens hier der schwachen Theorie an Allgemeinheit u ¨berlegen. Gravierender Nachteil der Methode ist die starke Regularit¨ atsanforderung an den Rand (∂Ω ∈ C 2m ), der aber durch eine (ebenfalls starke) Eckentheorie ausgeglichen werden kann (siehe [Kon67, 1. Kapitel], [MNP91]). Insgesamt erh¨ alt man eine f¨ ur die Numerik elliptischer Differentialgleichungen n¨ utzliche Theorie auf st¨ uckweise glatten Gebieten, die nach geringen Modifikationen auch auf Probleme mit unstetigen Koeffizienten angewendet werden kann, was leider von den Autoren meist nicht erw¨ ahnt wird. Alle hier genannten B¨ ucher und Artikel stellen eine Empfehlung zum Weiterlesen dar; der erste Eindruck, daß die schwache Theorie einfach und n¨ utzlich, w¨ ahrenddessen die starke nur n¨ utzlich ist, verschwindet bald.
9.5 Die G˚ ardingsche Ungleichung f¨ ur elliptische Operatoren
239
9.5 Die G˚ ardingsche Ungleichung fu ¨r elliptische Operatoren In diesem Abschnitt ist Ω ein beschr¨ anktes Gebiet des n und alle R¨aume werden als komplex vorausgesetzt. Wir betrachten Differentialoperatoren der Ordnung 2m und definieren: Definition 9.41. Sei m ∈ und aαβ auf Ω definierte komplexwertige Funktionen. Der Differentialoperator X Lu = (−1)|α| Dα (aαβ Dβ u) |α|,|β|≤m
heißt gleichm¨aßig elliptisch, wenn es eine Konstante λ > 0 gibt mit X λ|ξ|2m ≤ Re aαβ (x)ξ α ξ β f¨ ur alle x ∈ Ω und alle ξ ∈
n
.
|α|,|β|=m
Wir betrachten das zugeh¨ orige Dirichlet-Randwertproblem in schwacher Form: Zu f ∈ H −m,2 (Ω) ist u ∈ H0m,2 (Ω) gesucht mit wobei
a(v, u) = f (v) ∀v ∈ H0m,2 (Ω), a(v, u) =
X
|α|,|β|≤m
Z
(9.22)
aαβ Dα vDβ u dx.
Bei gen¨ ugend glatten Daten ist das gleichbedeutend mit Lu = f in Ω und, wegen Satz 6.17, Dk u = 0 auf ∂Ω f¨ ur k = 0, . . . , m − 1. Satz 9.42. Sei L gleichm¨ aßig elliptisch mit meßbaren und beschr¨ ankten Koeffizienten aαβ . Ferner sei aαβ ∈ C(Ω) f¨ ur |α| = |β| = m. Dann gen¨ ugt die Sesquilinearform a(·, ·) auf X = H0m,2 (Ω) einer G˚ ardingschen Ungleichung, es gibt also Konstanten ce > 0 und c0 mit ce kuk2m,2;Ω ≤ Re a(u, u) + c0 kuk22;Ω . Beweis. Funktionen in H0m,2 (Ω) k¨ onnen durch Null zu Funktionen in H m,2 ( n ) fortgesetzt werden. Nach Satz 9.36 ist die Norm von H m,2 ( n ) ¨aquivalent zu Z (1 + |ξ|)2m |Fu|2 dξ.
Aus der H¨olderschen und der Youngschen Ungleichung mit ε, (A.1), folgt daher, daß es zu jedem ε > 0 ein c(ε) gibt mit (vergleiche (9.21)) kukm−1,2 ≤ εkukm,2 + c(ε)kuk2
∀u ∈ H0m,2 (Ω).
Mit dieser Absch¨atzung brauchen wir uns nicht mehr um die Terme niederer Ordnung zu k¨ ummern,
240
9 Distributionen und Fourier-Transformation
X
|α|+|β| 0 und m ∈ . Dann gibt es zu jedem ε > 0 ein Polynom p mit rationalen Koeffizienten mit kφ − pkm,∞;BR ≤ ε. 9.2. (3) D( n ) ist separabel. Hinweis: Man w¨ ahle eine beliebige Funktion ψ ∈ C0∞ ( Funktionen φ(x) = p(x)ψ(x/r),
n
) mit ψ = 1 in B1 (0). Die
p rationales Polynom,
liegen dann dicht. Verwenden Sie Aufgabe 9.1.
r∈
,
242
9 Distributionen und Fourier-Transformation
9.3. (3) Sei Ω = . Sei fk (x) = k f¨ ur 0 < x < 1/k und fk (x) = 0 sonst. Ferner sei δ(v) = v(0) die Dirac-Distribution. Untersuchen Sie auf Konvergenz in D′ ( ) und bestimmen Sie gegebenenfalls den Grenzwert: a) (Tfk ), b) Tf 2 , c) Tf 2 − kδ. k
k
9.4. (2) Eine Reihe von Distributionen darf gliedweise differenziert werP konvergente P den, Dα k Tk = k Dα Tk . D′
9.5. (3) Sei Ω = . Zeigen Sie f¨ ur fk (x) = sin kx, daß Tfk → 0, aber fk Tfk konvergiert in D ′ nicht gegen Null. Bemerkung: Die Multiplikation in D′ ist auch dann keine stetige Operation, wenn sie definiert ist. 9.6. (3) Bestimmen Sie in D′ ( ), lim
aց0
a . x 2 + a2
9.7. (2) Sei Ω = (0, ∞). Definiere Tφ =
∞ X
1 Dk φ( ). k k=1
a) Zeigen Sie, daß T ∈ D′ (Ω). b) Zeigen Sie, daß T nicht fortgesetzt werden kann zu einer Distribution auf gibt also kein T0 ∈ D′ ( ) mit T0 |Ω = T. 9.8. (3) Bestimmen Sie die Ordnung von Txk ∈ D′ ( ), k ∈
, es
0.
9.9. (3) Hier diskutieren wir die folgende Aussage: Ist T ∈ D′ ( n ) eine Distribution mit kompaktem Tr¨ ager K, so gilt f¨ ur p ∈ D( mit p = 0 in K, daß pT = 0. a) Die Aussage ist falsch, wenn K nur aus einem isolierten Punkt besteht. ˜1 (0), so ist die Aussage richtig. b) Ist dagegen K = B
n
)
9.10. (3) Man bestimme die Distributionen T ∈ D′ ( ), die der Gleichung (x − a)(x − b)T = 0 gen¨ ugen, f¨ ur a) a 6= b,
b) a = b
9.11. (3) Definieren Sie zu T ∈ D′ ( ) eine Stammfunktion“ S ∈ D′ ( ) mit der ” Eigenschaft S ′ = T. 9.12. (4) Sei Ω = ∪∞ beschr¨ ankt. F¨ ur Distributionen i=1 Ωi mit˛ Ωi offen und ˛ Ti ∈ D(Ωi ) sei die Bedingung Ti ˛Ω ∩Ω = Tj ˛Ω ∩Ω f¨ ur alle i, j ∈ erf¨ ullt. Dann i j i ˛ j ˛ gibt es ein eindeutig bestimmtes T ∈ D(Ω) mit T = Ti . Ωi
Aufgaben 9.13. (3) Sei φ ∈ C0∞ ( ) und n ∈ beschr¨ ankte Funktion ψ mit Z
x>ε
9.14. (3) Sei f ∈ L1 (
243
. Es gibt Zahlen a0 (φ), . . . , an−1 (φ) sowie eine
n−1 X ak (φ) φ(x) dx = + a0 (φ) ln ε + ψ(ε). n x εk k=1
n
R
) mit
f dx = 1. Dann gilt
x D′ fλ (x) = λ−n f ( ) → δ0 , λ
λ → 0,
wobei δ0 (φ) = φ(0) die Dirac-Distribution ist. 9.15. (3) Ist f ∈ L1 (
\ [−a, a]) f¨ ur alle a > 0, so bezeichnen wir mit „Z −a Z ∞ « Z ∞ Hw f (x) dx = lim + f (x) dx aց0
−∞
−∞
a
den Hauptwert von f, sofern der Grenzwert existiert. F¨ ur φ ∈ D( ) setze Z ∞ T (φ) = φ(x) ln |x| dx. −∞
Zeigen Sie T ′ (φ) = Hw
Z
∞
φ(x) dx, x
−∞
T ′′ (φ) = −Hw
Z
∞
−∞
φ(x) − φ(0) dx. x2
′
9.16. (3) Bestimmen Sie den Grenzwert in D ( ) von lim
a→0
1 1 1 (Hw − Hw ), a a+x x−a
wobei der in Aufgabe 9.15 definierte Hauptwert inR einem solchen Zusammenhang als Distribution interpretiert wird, Hwf(φ) = Hw f φ dx. 9.17. (3) T ∈ D′ (0, ∞) mit
T (φ) =
Z
∞
e1/x φ(x) dx
0
l¨ aßt sich nicht zu einer Distribution T˜ ∈ D( ) mit T˜ |(0,∞) = T fortsetzen. 9.18. (4) Sei Ω ⊂ n ein Gebiet. Geben sie eine Folge meßbarer Funktionen (fk ) an mit fk → 0 punktweise fast u ¨berall und fk → 1 in D ′ (Ω). 9.19. (3) Sei f ∈ L1loc (
\ {0}) mit |f (x)| ≤ c|x|−m ,
|x| < 1,
f¨ ur ein m > 0. Zeigen Sie, daß Tf sich zu einer Distribution auf dem l¨ aßt und bestimmen Sie die Ordnung dieser Distribution.
n
fortsetzen
244
9 Distributionen und Fourier-Transformation
9.20. (3) Sei f¨ ur φ ∈ D( ) Cλ (φ) = lim
ε→0
Z
|x|≥ε
cos λx φ(x) dx, x
λ > 0.
a) Zeigen Sie, daß Cλ eine Distribution ist. b) Bestimmen sie die Grenzwerte λ → 0 und λ → ∞ in D′ ( ). 9.21. (3) Sei f (x, y) = 1/(x + iy). a) Zeigen Sie Tf ∈ D′ ( 2 ). b) Bestimmen Sie die Distribution (Dx + iDy )f. c) Ist g ∈ C ∞ (Ω), Ω ein Gebiet des 2 , so sind die distributionellen L¨ osungen der Gleichung Dx T + iDy T = g in C ∞ (Ω). 9.22. (3) Sei n = 1. Es ist ex 6∈ S ′ , aber ex cos ex ∈ S ′ .
9.23. (2) Eine Distribution T ∈ D′ ( n ) heißt gerade, wenn T (φ(·)) = T (φ(−·)), sie heißt ungerade, wenn T (φ(·)) = −T (φ(−·)). a) Jedes T ∈ D′ ( n ) l¨ aßt sich eindeutig als Summe einer geraden und einer ungeraden Distribution darstellen. b) Was l¨ aßt sich u ¨ber Dα T aussagen, wenn T gerade oder ungerade ist? c) Was l¨ aßt sich u ¨ ber F T , T ∈ S ′ , aussagen, wenn T gerade oder ungerade ist? 9.24. (3) Sei f (x) = e−a|x| f¨ ur x ∈
. Dann gilt
Ff (ξ) = (2π)−1/2
2a . a2 + ξ 2
9.25. (3) a) Zeigen Sie r 1 π F(Hw )(ξ) = −i sign ξ. x 2 Wie in Aufgabe 9.16 wird der Hauptwert auch hier als Distribution interpretiert. b) Bestimmen Sie FH f¨ ur die Heaviside-Funktion H. 9.26. (3) Sei f ∈ L1 (
n
) und λ ∈
mit F f = λf. Was l¨ aßt sich u ¨ber λ sagen?
9.27. (4) Sei u meßbar in mit |u(x)|eb|x| integrierbar in f¨ ur ein b > 0. Dann ist Fu reell-analytisch in . Insbesondere ist Fu f¨ ur jedes integrierbare u mit kompaktem Tr¨ ager reell-analytisch. Hinweis: Eine auf einem Gebiet Ω ⊂ n definierte Funktion heißt reell-analytisch, wenn sie in C ∞ (Ω) ist und die Taylor-Reihe zu jedem Entwicklungspunkt in einer Umgebung dieses Entwicklungspunktes konvergiert. 9.28. Sei Ω = . Wir betrachten f¨ ur a > 0 die Reihen P P∞ n n (i) T1 = ∞ a δ , (ii) T n 2 = n=0 n=−∞ a δn ,
wobei δn (φ) = φ(n) die Dirac-Distribution bezeichnet. Untersuchen Sie die Reihen auf Konvergenz und Divergenz in a) (2) D′ ( ), b) (3) S ′ . c) (3) F¨ ur die a > 0, die in b) zu konvergenten Reihen f¨ uhren, bestimmen Sie auch die Fourier-Transformation der Reihe.
Aufgaben F¨ ur u0 ∈ C0∞ ( n−1 ) setze (x = (x′ , xn )) Z ′ ′ ′ 2 1/2 F u(x′ , xn ) = (2π)−(n−1)/2 eix ·ξ F ′ u0 (ξ ′ )e−(1+|ξ | ) xn dξ ′ ,
9.29. (3) Sei m ∈
245
0.
n−1
a) F u erf¨ ullt −∆F u + F u = 0 in n + = n b) Es gilt ||F u||m,2; + ≤ c||u0 ||m−1/2,2;
n−1 n−1
.
×
+
xn ≥ 0.
und F u(x′ , 0) = u0 (x′ ).
Hinweis und Bemerkung: F¨ ur (b) stelle man die rechte Seite der Definition mit Hilfe von (F ′ )−1 dar. Diese Definition des Fortsetzungsoperators h¨ angt im Gegensatz zu Satz 9.39(b) nicht von m ab und liefert u ur m = 1, weil ¨berdies die optimale Fortsetzung f¨ kF uk21,2; n+ unter allen Fortsetzungen minimal ist wegen −∆F u + F u = 0. F¨ ur nichtganzzahliges s ist die Bestimmung von kF uks,2; n+ allerdings m¨ uhsam. 9.30. (3) Sei Ω ⊂ n ein beschr¨ anktes Gebiet, fk ∈ C0∞ (Ω) mit fk → 1 in L2 (Ω). Zeigen Sie, daß die schwache L¨ osung uk ∈ H 1,2 (Ω) von Z −∆uk = Di fk in Ω, Dν uk = 0 auf ∂Ω, uk dx = 0, Ω
1,2
existiert und daß uk → u in H (Ω). Bestimmen Sie die Differentialgleichung und die nat¨ urliche Randbedingung f¨ ur u und geben Sie u explizit an.
A Anhang
A.1 Konvexit¨ at und elementare Ungleichungen Definition A.1. Sei X ein
-Vektorraum (
=
oder
).
(a) Eine Teilmenge A von X heißt konvex, wenn mit x, y ∈ A auch die Verbindungsstrecke in A liegt, wenn also tx + (1 − t)y ∈ A f¨ ur alle t ∈ [0, 1]. (b) Eine auf einer konvexen Teilmenge A des Vektorraums X definierte reellwertige Funktion f heißt konvex, wenn f¨ ur alle x, y ∈ A und t ∈ [0, 1] gilt f (tx + (1 − t)y) ≤ tf (x) + (1 − t)f (y). f heißt konkav, wenn −f konvex ist. (c) Sind P x1 , . . . , xk ∈ X und t1 , . . . , tk ∈ heißt i ti xi Konvexkombination der xi .
mit 0 ≤ ti ≤ 1 und
P
i ti
= 1, so
(d) Die konvexe H¨ ulle einer Menge A ⊂ X besteht aus allen Konvexkombinationen von Elementen von A. Satz A.2. Sei X ein
-Vektorraum.
(a) Eine Menge A ⊂ X ist genau dann konvex, wenn alle Konvexkombinationen von Elementen von A in A liegen. (b) Sei A ⊂ X konvex. Eine Funktion ist genau dann konvex, P f : A → wenn f¨ ur alle Konvexkombinationen i ti xi , xi ∈ A, gilt f
k X i=1
k X ti xi ≤ ti f (xi ). i=1
(c) Die konvexe H¨ ulle einer Menge A ⊂ X ist konvex. Beweis. (a) F¨ ur konvexes A ist die Behauptung f¨ ur k = 2 erf¨ ullt. F¨ ur k > 2 Pk verwenden wir Induktion u ur eine Konvexkombination i=1 ti xi mit ¨ ber k. F¨ 0 < tk < 1 folgt aus M. Dobrowolski, Angewandte Funktionalanalysis, Springer-Lehrbuch Masterclass, 2nd ed., DOI 10.1007/978-3-642-15269-6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
248
A Anhang
y=
k−1 X i=1
daß
k X i=1
1 ti xi ∈ A, 1 − tk
ti xi = (1 − tk )y + tk xk ∈ A.
(b) ist wie (a). (c) folgt aus der Tatsache, daß eine Konvexkombination von Konvexkombinationen wiederum eine Konvexkombination ergibt. ⊓ ⊔ Satz A.3. Sei Ω ⊂ n ein konvexes Gebiet. f ∈ C 2 (Ω) ist genau dann konvex (konkav), wenn die Matrix (D2 f (x)) f¨ ur alle x ∈ Ω positiv (negativ) semidefinit ist. Beweis. Sei x0 ∈ Ω und y ∈ n \ {0}. Die Funktion φ(t) = f (x0 + ty) ist in einer Umgebung von 0 definiert. Wir schreiben den Satz von Taylor in der Form 1 φ(t) − φ(0) − φ′ (0) t = φ′′ (τ ) t2 , τ ∈ (0, t). 2 Ist f und damit φ konvex, so ist die linke Seite nichtnegativ, weil die Tangente einer konvexen Funktion unterhalb ihres Graphen liegt. Division durch t2 und Grenz¨ ubergang t → 0 liefern φ′′ (0) ≥ 0 und damit nach der Kettenregel T 2 y D f (x0 )y ≥ 0. Die umgekehrte Richtung zeigt man analog. ⊓ ⊔ Die Youngsche Ungleichung mit ε ab ≤
ε 2 1 a + b2 2 2ε
∀a, b ≥ 0, ε > 0,
(A.1)
l¨aßt sich mit der binomischen Formel beweisen. Die verallgemeinerte Youngsche Ungleichung ab ≤
1 p p 1 −q q ε a + ε b p q
∀a, b ≥ 0, ε > 0,
(A.2)
mit p−1 + q −1 = 1, 1 < p, q < ∞, beweist man f¨ ur a, b > 0, indem man ausnutzt, daß der Logarithmus konkav ist, ln
1 p p 1 −q q 1 1 ε a + ε b ≥ ln(εp ap ) + ln(ε−q bq ) = ln(ab). p q p q
Ein anderer Typ von Ungleichung ist die Cauchy-Ungleichung |(x, y)| ≤ |x| |y| ∀x, y ∈
n
,
(A.3)
die mit einem Homogenit¨atsargument bewiesen wird, das in dieser Form h¨aufig vorkommt. Zun¨achst ist die Ungleichung richtig, wenn einer der beiden Vektoren verschwindet. F¨ ur x ˜, y˜ 6= 0 kann man die Cauchy-Ungleichung durch die
A.2 Fortsetzung stetiger Funktionen
249
Setzung x = |˜ x|−1 x ˜, y = |˜ y |−1 y˜ auf den Fall |x| = |y| = 1 zur¨ uckf¨ uhren und dadurch die Homogenit¨ at der Cauchy-Ungleichung ausnutzen. F¨ ur solche x, y erhalten wir aus der Youngschen Ungleichung mit ε = 1 n n n n X X 1X 1X 2 |(x, y)| = xi yi ≤ |xi ||yi | ≤ |xi | + |yi |2 = 1. 2 i=1 2 i=1 i=1 i=1
Die verallgemeinerte Cauchy-Ungleichung |(x, y)| ≤
n X i=1
|xi |p
n 1/p X i=1
|yi |q
1/q
∀x, y ∈
n
(A.4)
mit p−1 + q −1 = 1, 1 < p, q < ∞, beweist man genauso mit Hilfe der verallgemeinerten Youngschen Ungleichung. F¨ ur die Ungleichung des geometrischen und des arithmetischen Mittels n Y
i=1
ai
1/n
n
≤
1X ai , n i=1
ai > 0,
(A.5)
gibt es eine Vielzahl von Beweisen. Am elegantesten nutzt man die Monotonie des nat¨ urlichen Logarithmus ln aus, (A.5) ist a¨quivalent zu n
n
1X 1X ln ai ≤ ln ai . n i=1 n i=1 Diese Ungleichung ist richtig, weil der Logarithmus konkav ist.
A.2 Fortsetzung stetiger Funktionen In diesem Abschnitt besch¨ aftigen wir uns mit der stetigen Fortsetzung von Funktionen, die auf einer Teilmenge eines metrischen Raums definiert sind. Wir ben¨otigen zwei Lemmata: Lemma A.4. Sei A eine beliebige Teilmenge eines metrischen Raums X. Dann ist die Abstandsfunktion f (x) = dist (x, A) lipschitzstetig. Beweis. Zu jedem ε > 0 gibt es ein a ∈ A mit dist (y, A) ≥ dist (y, a) − ε. Daher d(x, A) − d(y, A) ≤ d(x, a) − d(y, a) + ε ≤ d(x, y) + ε, also d(x, A)−d(y, A) ≤ d(x, y). Die umgekehrte Richtung beweist man, indem man die Rollen von x und y vertauscht. ⊓ ⊔
Lemma A.5 (Lemma von Urysohn). Seien A, B nichtleere, abgeschlossene, disjunkte Teilmengen eines metrischen Raums X. Dann gibt es eine reellwertige stetige Funktion φ(x) = φ(x; A, B) auf X mit φ(x) = 1 in A, φ(x) = −1 in B und |φ(x)| ≤ 1 in X.
250
A Anhang
Beweis. Setze φ(x; A, B) =
dist (x, B) − dist (x, A) . dist (x, A) + dist (x, B)
Nach Aufgabe 1.20a) gilt dist (x, A) > 0 f¨ ur x ∈ / A, weil A abgeschlossen ist. Der Nenner ist daher immer positiv, die Behauptung folgt aus dem vorigen Lemma. ⊓ ⊔ Satz A.6 (Fortsetzungssatz von Tietze). f sei reellwertig und stetig auf der abgeschlossenen Teilmenge D eines metrischen Raums X. Dann gibt es eine auf X stetige Fortsetzung F von f mit supX F = supD f und inf X F = inf D f. Beweis. Wir zeigen die Behauptung zun¨ achst f¨ ur beschr¨anktes f . Sei u eine auf D definierte stetige und beschr¨ ankte Funktion und a = kuk∞;D . Falls a > 0 sei A die Menge der Punkte mit u ≥ a/3 und B die Menge der Punkte mit u ≤ −a/3. Definiere einen Operator T durch T u = 0 f¨ ur a = 0 und, f¨ ur a > 0, a φ(x; A, B) falls A 6= ∅ und B 6= ∅ 3 − a3 falls A = ∅ T u(x) = , x ∈ X, a falls B = ∅ 3 wobei φ(x; A, B) die Funktion aus dem Urysohnschen Lemma ist. Genau eine der drei Alternativen muß im Fall a > 0 zutreffen. Es gilt dann kT uk∞;X =
1 kuk∞;D , 3
ku − T uk∞;D =
2 kuk∞;D . 3
(A.6)
F¨ ur eine auf D definierte stetige und beschr¨ankte Funktion u definieren wir den Operator Su = u − T (u − f ), f¨ ur den nach (A.6) gilt kSu − f k∞;D = ku − f − T (u − f )k∞;D ≤
2 ku − f k∞;D . 3
(A.7)
Fortgesetzte Anwendung von S verbessert die Approximation von f . Wir setzen daher u0 = 0 und uk+1 = Suk . Aus (A.7) folgt kSu1 − f k∞;D ≤ 23 kf k∞;D und 2 k kSuk − f k∞;D ≤ kf k∞;D , 3 daher uk → f gleichm¨ aßig in D. Wir zeigen die Existenz einer stetigen Grenzfunktion der uk auf X. Wegen uk+1 − uk = −T (uk − f ) folgt aus (A.6) und (A.7) kuk+1 − uk k∞;X = kT (uk − f )k∞;X = Damit ist
2 k 1 kuk − f k∞;D ≤ c . 3 3
A.3 Der Weierstraßsche Approximationssatz
F = lim uk = k→∞
∞ X
k=1
251
(uk − uk−1 )
P stetig in X, weil die Reihe (uk − uk−1 ) gleichm¨aßig konvergent ist. Ist f auf D unbeschr¨ ankt, wenden wir die gleiche Konstruktion auf f˜ = arctan f an. Die daraus resultierende Fortsetzung F˜ wird oben und unten durch supD f˜ bzw. inf D f˜ abgeschnitten. Die abgeschnittene Funktion ist immer noch stetig. ⊓ ⊔
A.3 Der Weierstraßsche Approximationssatz Lemma A.7. Sei φ ∈ C00 ( n ) und P R > 0. Dann gibt es zu jedem ε > 0 ein k ∈ und ein Polynom p(x) = |α|≤k aα xα mit rationalen Koeffizienten aα mit kφ − pk∞;BR (0) ≤ ε. Beweis. Wir k¨onnen R = 1/2 und g ∈ C00 (B1/2 (0)) annehmen, der allgemeine Fall folgt durch eine einfache Streckung des Koordinatensystems. Auf dem W¨ urfel Q1 = [−1, 1]n setze φk (x) =
n 1 Y (1 − x2i )k ck
mit ck =
i=1
Z
1 −1
(1 − t2 )k dt
n
R
und φk (x) = 0 auf n \ Q1 . Es gilt dann φk dx = 1 und φk (x) → 0, k → ∞, gleichm¨aßig in Q1 \ Qδ f¨ ur jedes (feste) δ > 0. φk hat daher ¨ahnliche Eigenschaften wie ein Mollifier und wird im folgenden als solcher verwendet. Wegen g ∈ C00 (B1/2 ) stellt die Funktion φk ∗ g(x) =
Z
1 φk (x − y)g(y)dy = c n k
Z
n Y
B1/2 i=1
(1 − (xi − yi )2 )k g(y) dy
ein Polynom im Bereich |x| ≤ 1/2 dar. R Zu zeigen bleibt die Approximationseigenschaft von φk ∗ g. Wegen φk dx = 1 gilt Z kφk ∗ g − gk∞ ≤ sup |g(x − y) − g(x)| φk (y) dy x∈
≤
n
n
sup x∈
n , |y|≤δ
|g(x − y) − g(x)| + 2||g||∞
Z
φk (y) dy. n \B (0) δ
Zu vorgegebenem ε > 0 k¨ onnen wir wegen der gleichm¨aßigen Stetigkeit von g das δ > 0 so w¨ahlen, daß der erste Term auf der rechten Seite < ε/2 ausf¨allt. Durch die anschließende Wahl eines gen¨ ugend großen k wird auch der zweite Term klein.
252
A Anhang
Jedes Polynom kann auf einer kompakten Menge durch ein Polynom mit rationalen Koeffizienten approximiert werden. Damit ist die Behauptung vollst¨andig bewiesen. ⊓ ⊔ Satz A.8 (Weierstraßscher Approximationssatz). Sei K ⊂ n kompakt. Dann liegen die Polynome mit rationalen Koeffizienten dicht in C(K). Beweis. Jede auf K stetige Funktion kann mit Satz A.6 zu einer auf dem stetigen Funktion fortgesetzt und anschließend zu einer Funktion in C00 ( abgeschnitten werden. Das vorige Lemma liefert dann die Behauptung.
n n
) ⊓ ⊔
Interessanterweise ben¨ otigt man f¨ ur den Weierstraßschen Approximationssatz nicht den vollst¨ andigen Polynomraum. Im Fall n = 1 l¨aßt sich dazu eine pr¨azise Aussage machen: Satz A.9 (M¨ untz-Theorem). Ist 0 = n0 < n1 < n2 < . . . eine Folge in , so liegt span {xn0 , xn1 , xn2 , . . .} genau dann dicht in C([0, 1]), wenn P k 1/nk = ∞.
Beweis. Mit einem P sch¨ onen und einfachen Argument aus [Gol83] zeigen wir, daß die Bedingung k 1/nk = ∞ hinreichend ist. Sei m 6= nk . Definiere Funktionen qk der Form k X
qk (x) = xm −
aik xni ,
i=1
0 < x ≤ 1,
durch die Rekursion q0 (x) = xm , qk (x) = (nk − m)xnk
Z
1
qk−1 (t)t−1−nk dt,
k = 1, 2, . . . .
x
Da kq0 k∞ = 1 und kqk k∞ ≤ |1 − (m/nk )| kqk−1 k∞ , gilt kqk k∞ ≤
k Y
i=1
|1 − (m/ni )|.
Wegen ln
Y
ni >m
1−
X X m m m = ln 1 − =− + O(n−2 i ) ni ni ni n >m n >m i
i
konvergiert das Produkt genau dann gegen Null, wenn
P
i
1/ni = ∞.
⊓ ⊔
A.5 Harmonische Funktionen und der Satz von Liouville
253
A.4 Der lokalkonvexe Raum D(Ω) In diesem Abschnitt geben wir Halbnormen an, die auf D(Ω) den KonverD D genzbegriff →“ erzeugen. In Abschnitt 9.1 hatten wir definiert, daß φk → φ ” genau dann, wenn kφk − φkl,∞ → 0 f¨ ur alle l sowie supp(φk ) ⊂ K ⊂⊂ Ω. Vor allem die zweite Bedingung bereitet hier Schwierigkeiten. Naheliegend ist die Wahl der Halbnormen pK,l (φ) = kφkl,∞;K f¨ ur jede kompakte Menge K ⊂ Ω und jedes l ∈ . Die Konvergenz einer Folge in C0∞ (Ω) bez¨ uglich dieser Halbnormen garantiert aber nicht, daß die Grenzfunktion einen kompakten Tr¨ager besitzt. Als Beispiel kann man eine beliebige Funktion φ ∈ C0∞ ( ) nehmen Pk und φk (x) = j=1 φ(x + j)/j setzen. Wir versehen daher C0∞ (Ω) mit allen auf diesem Raum definierten Halbnormen p mit der Eigenschaft: F¨ ur jedes K ⊂ Ω gibt es eine Konstante c und ein l ∈ mit p(φ) ≤ cpK,l (φ) f¨ ur alle φ ∈ C ∞ (Ω) mit Tr¨ ager in K. Es gilt dann: Satz A.10. C0∞ (Ω) versehen mit den angegebenen Halbnormen ist ein loD kalkonvexer Raum D(Ω) = (C0∞ (Ω), {p}), dessen Konvergenzbegriff mit → ubereinstimmt. ¨ Beweis. F¨ ur eine Folge (φk ) mit p(φk ) → 0 sorgen die Halbnormen pK,l daf¨ ur, daß alle partiellen Ableitungen gleichm¨ aßig in jeder kompakten Teilmenge konvergieren. Es muß gezeigt werden, daß die φk einen gemeinsamen kompakten Tr¨ager besitzen. Angenommen, dies w¨ are nicht der Fall. Dann gibt es eine aufsteigende Folge kompakter Teilmengen Kk mit ∪K P k = Ω und Punkte xk ∈ Kk \Kk−1 mit φk (xk ) 6= 0 f¨ ur eine Teilfolge. p(φ) = k |φk (xk )|−1 |φ(xk )| ist eine auf C0∞ (Ω) definierte Halbnorm mit p(φ) ≤ cpK,0 (φ) f¨ ur jedes kompakte K ⊂ Ω. Es gilt p(φk ) ≥ 1, was der Konvergenz φk → 0 widerspricht. ⊓ ⊔
A.5 Harmonische Funktionen und der Satz von Liouville Wir k¨onnen Definition 8.4 als Definition der komplexen Differenzierbarkeit einer Funktion f : D → u ¨ bernehmen. Wie im Reellen zeigt man aufgrund der Darstellung durch eine konvergente Potenzreihe, daß f = u(x, y) + iv(x, y) nach den Variablen x und y reell differenzierbar ist. Ferner gelten die CauchyRiemannschen Differentialgleichungen Dx u = Dy v,
Dy u = −Dx v,
weil sie f¨ ur die einzelnen Glieder der Potenzreihe (z − z0 )n erf¨ ullt sind. Differenzieren wir die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen weiter, so folgt ∆u = ∆v = 0 in D. Der Satz von Liouville besagt, daß eine auf ganz komplex differenzierbare und beschr¨ ankte Funktion f konstant ist. Er folgt daher aus:
254
A Anhang
2 Satz A.11. Sei Lu = −Di (aij Dj u) gleichm¨ aßig elliptisch in (siehe Definition 7.1) mit beschr¨ ankten und meßbaren Koeffizienten aij . Sei 1,2 u ∈ Hloc ( 2 ) eine schwache L¨ osung von Lu = 0. Ist u beschr¨ ankt, so ist u konstant. ˜ R , B2R } mit |Dτ | ≤ cR−1 Beweis. Sei τ eine Abschneidefunktion bez¨ uglich {B 2 in B2R \ BR . Wir setzen v = τ u in die schwache Form ein und erhalten Z Z 2 aij Dj uDi uτ dx = − aij Dj uuDiτ 2 dx.
Auf die linke Seite wenden wir die gleichm¨ aßige Elliptizit¨at an und die rechte Seite sch¨atzen wir mit der H¨ olderschen und der Youngschen Ungleichung ab, Z Z Z Z 1 2 2 2 2 λ |Du| τ dx ≤ c |Du| |u|τ |Dτ | dx ≤ λ |Du| τ dx+c |u|2 |Dτ |2 dx. 2 Mit |u| ≤ M erhalten wir hieraus Z Z 2 2 |Du| dx ≤ cM BR
B2R \BR
|Dτ |2 dx ≤ cM 2 .
Da die rechte Seite dieser Absch¨ atzung unabh¨angig von R ist, folgt Du ∈ L2 ( 2 )2 . Mit der Poincar´e-Ungleichung in Bemerkung 6.22 gilt f¨ ur u ∈ H 1,2 (B2 \B1 ) Z Z |u − u ¯|2 dx ≤ c |Du|2 dx. B2 \B1
B2 \B1
wobei u ¯ den Mittelwert von u u ¨ber B2 \ B1 bezeichnet. Dies wird mit x = R−1 y, Dx = RDy , transformiert zu Z Z |u − u¯|2 dx ≤ cR2 |Du|2 dx. (A.8) B2R \BR
B2R \BR
Wir testen nun die schwache Gleichung mit v = τ 2 (u − u ¯), u ¯ ist der Mittelwert von u u uglich ¨ber B2R \ BR und τ eine Abschneidefunktion bez¨ ˜ R , B2R }. V¨ollig analog zum ersten Teil des Beweises erhalten wir {B Z Z Z |Du|2 dx ≤ c |Dτ |2 |u − u ¯|2 dx ≤ cR−2 |u − u ¯|2 dx BR
und mit (A.8)
B2R \BR
Z
B2R \BR
2
BR
|Du| dx ≤ c
Z
B2R \BR
|Du|2 dx.
R Wir addieren auf beiden Seiten c B2R \BR |Du|2 dx und erhalten mit einem θ < 1 (=Lochf¨ ulltechnik) Z Z 2 |Du| dx ≤ θ |Du|2 dx. BR
B2R
Diese Absch¨atzung kann iteriert werden, so daß ist.
R
BR
|Du|2 dx = 0 bewiesen ⊓ ⊔
A.6 Polarkoordinaten
255
A.6 Polarkoordinaten F¨ ur x ∈ n setzen wir r = |x| und ω = x/|x|. F¨ ur eine Funktion u(x) = u(r, ω) folgt dann mit Di |x| = |x|−1 xi aus der Kettenregel −1
Di u(x) = Dr u(r, ω)|x|
xi +
n X j=1
= Dr u ωi +
n 1X
r
j=1
Dωj u(r, ω)(|x|−1 δij − |x|−3 xi xj )
Dωj u (δij − ωi ωj ).
Diese Gleichung wird mit dem kanonischen Einheitsvektor ei multipliziert und u ¨ ber i summiert. Mit der Definition Dω u =
n X n X i=1 j=1
und D =
P
i ei Di
Dωj u (δij − ωi ωj ) ei
gilt daher 1 Du = Dr u ω + Dω u. r
(A.9)
Bereits P aufgrund der Herleitung ist ω · Dω = 0, man kann dies mit Hil2 fe von = 1 auch sofort nachrechnen. Aus (A.9) folgt daher die i |ωi | h¨aufig verwendete Beziehung |Du|2 = |Dr u|2 + r−2 |Dω u|2 , insbesondere |Dr u| ≤ |Du|. Wegen x = rω, ω ∈ S n−1 , gilt Z Z ∞Z u(x) dx = u(r, ω) rn−1 dω dr, (A.10) n
0
S n−1
wobei dω das Fl¨achenelement der Einheitssph¨ are bezeichnet. F¨ ur die Funktion u(x) = |x|α , α ∈ , ist insbesondere |x|α ∈ L1 (B1 (0)) ⇔ α > −n,
|x|α ∈ L1 (
n
\ B1 (0)) ⇔ α < −n.
|x|α ist damit f¨ ur kein α u ¨ber dem n integrierbar. Mit (A.9) und (A.10) bringen wir die schwache Form des LaplaceOperators auf Polarkoordinaten Z Z Z 1 1 DuDv dx = (Dr u ω + Dω u)(Dr v ω + Dω v)rn−1 dr dω, r r nach partieller Integration wegen ω · Dω = 0 −∆ = −
1 1 Dr (rn−1 Dr ) − 2 ∆ω rn−1 r
mit dem Laplace-Beltrami-Operator −∆ω = Dω′ Dω .
256
A Anhang
In zwei Dimensionen verwenden wir die Parametrisierung ω = (cos φ, sin φ) mit Dω u = Dφ u(− sin φ, cos φ), daher 1 1 2 −∆ = − Dr (rDr ) − 2 Dφφ . r r Selbstverst¨andlich l¨ aßt sich dies auch direkt aus u(r, φ) = u(r cos φ, r sin φ) und Dr u = D1 u cos φ + D2 u sin φ,
Dφ u = −D1 u r sin φ + D2 u r cos φ,
herleiten.
A.7 Reelle und komplexe Vektorr¨ aume Die meisten Aussagen aus den Kapiteln 8 und 9 sind nur f¨ ur komplexe R¨aume formuliert, sie lassen sich durch die folgende Konstruktion sinngem¨aß auch auf ˆ = X × X. reelle R¨aume u ¨bertragen. Ist X ein reeller Vektorraum, so setze X F¨ ur α = a + ib und xˆ = (x1 , x2 ) = x1 + ix2 definieren wir αx = ax1 − bx2 + i (bx1 + ax2 ),
x = x1 − ix2 .
ˆ zu einem Zusammen mit der u ¨blichen komponentenweisen Addition wird X komplexen Vektorraum. F¨ ur eine auf X definierte Bilinearform a(·, ·) setzen wir aˆ(ˆ x, yˆ) = a(x1 , y1 ) + a(x2 , y2 ) + i (−a(x1 , y2 ) + a(x2 , y1 )). ˆ mit a a ˆ ist offenbar sesquilinear auf X ˆ(ˆ x, x ˆ) = a(x1 , x1 )+a(x2 , x2 ). Koerzivit¨at und Beschr¨anktheit u ˆ. Ferner wird ein Skalarprodukt ¨ bertragen sich von a auf a ˆ mit zugeh¨origer Norm kxk2 = a auf X zu einem Skalarprodukt a ˆ auf X ˆ X ˆ ein Hilbert-Raum, wenn X ein Hilbert-Raum ist. kx1 k2 + kx2 k2 . Daher ist X ˆ durch Im Fall eines normierten Raums X definieren wir die Norm auf X kˆ xk2Xˆ = sup k(αx)1 k2 + k(αx)2 k2 . α∈ , |α|=1
Auf diese Weise erreichen wir kβ x ˆkXˆ = |β| kˆ xkXˆ auch f¨ ur komplexes β.
L¨ osungen
Es werden haupts¨ achlich die Aufgaben besprochen, auf denen im Text Bezug genommen wird.
Aufgaben aus Kapitel 1 1.6 Sei A das Komplement von G(f ) in X × Y. Sei ist y0 6= f (x0 ). Nach dem Trennungsaxiom besitzen y0 Umgebungen V und W in Y. Da f stetig ist, gibt es eine mit f (U ) ⊂ W . Die Umgebung U × V von (x0 , y0 ) liegt ist A offen.
(x0 , y0 ) ∈ A. Dann und f (x0 ) disjunkte Umgebung U von x0 deshalb in A. Damit
1.7 F¨ ur y = x folgt aus (ii) und (i), daß d(y, z) ≤ d(z, y), also auch die Symmetrie d(y, z) = d(z, y). Aus (ii) folgt auch d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) ≤ d(x, z) + 2d(y, z), daher d(y, z) ≥ 0. 1.8 Ist x ein Ber¨ uhrpunkt von A, so gibt es zu jedem ε > 0 ein yε ∈ A mit yε ∈ Bε (x). 1.10 Sei X ein metrischer Raum mit {xk }k∈ dicht in X. Zu A ⊂ X konstruieren wir eine dichte Teilmenge von A, indem wir zu jedem j und k ein ajk ∈ B1/j (xk ) ∩ A w¨ ahlen, sofern diese Menge nichtleer ist. Die Menge {ajk }j,k∈ ist dann abz¨ ahlbar. Zu beliebigem a ∈ A gibt es ein k mit d(a, xk ) < 1/j und ein ajk mit d(xk , ajk ) < 1/j. Aus der Dreiecksungleichung folgt dann d(a, ajk ) < 2/j. Damit ist {ajk } dicht in A. 1.11 ⇒: Wir w¨ahlen aus jedem Ak ein Element xk aus. Nach Voraussetzung bilden diese Elemente eine Cauchy-Folge, die gegen ein x ∈ X konvergiert. Da f¨ ur l ≥ k alle xl in Ak enthalten sind, ist x Ber¨ uhrpunkt aller Mengen Ak . Da diese abgeschlossen sind, gilt x ∈ ∩Ak . Wenn es zwei Punkte x, x′ im Durchschnitt der Ak gibt, so folgt d(x, x′ ) ≤ diam Ak f¨ ur alle k, also x = x′ .
258
L¨ osungen
⇐: Sei (xk ) eine Cauchy-Folge in X. Setze Ak = ∪∞ i=k {xi }. Die Ak sind nichtleer, abgeschlossen und der Durchmesser konvergiert gegen Null. Nach Voraussetzung gibt es ein x im Durchschnitt dieser Ak , das offensichtlich der Grenzwert der Folge ist. 1.14 Sei M = {xk }k∈ die dichte Teilmenge des metrischen Raums X. Setze T x(i) = d(xi , x) − d(xi , x1 ). Mit der umgekehrten Dreiecksungleichung gilt dann d∞ (T x, T y) = sup |d(xi , x) − d(xi , y)| ≤ d(x, y). i
Mit xi → x, xi ∈ M , erh¨ alt man Gleichheit in dieser Absch¨atzung. T x ∈ l∞ folgt aus sup |T x(i)| = d∞ (T x, T x1 ) ≤ d(x, x1 ).
1.20 a) Ist dist (x, A) = 0, so gibt es eine Folge (xk ) in A mit d(x, xk ) → 0. Da A abgeschlossen ist, liegt auch x in A. b) Sei (xk ) eine Minimalfolge in A, also d(x, xk ) → dist (x, A). Da A kompakt ist, besitzt (xk ) eine konvergente Teilfolge, die wieder mit (xk ) bezeichnet wird. Aus xk → y folgt dann wegen der Stetigkeit der Metrik d(x, xk ) → d(x, y). 1.23 Wir k¨onnen die fk mit einer positiven reellen Zahl multiplizieren und damit |fk | ≤ 1 in X erreichen. Dann ist d(x, y) =
∞ X
k=1
2−k |fk (x) − fk (y)|
eine Metrik auf X, weil die fk die Punkte in X trennen. Da die fk stetig sind und die Reihe gleichm¨ aßig konvergiert, ist d stetig auf X × X. Insbesondere sind die Kugeln Br (x) offen. Damit ist die von der Metrik erzeugte Topologie gr¨ober als die Originaltopologie. Die Behauptung folgt aus Satz 1.36.
Aufgaben aus Kapitel 2 2.1 Die Partialsummen einer absolut summierbaren Reihe bilden eine Cauchy-Folge. Ist also X vollst¨ andig, so konvergiert die absolut summierbare Reihe. Ist umgekehrt (xk ) eine Cauchy-Folge, so gibt es eine Teilfolge (xkl ) mit kxkl − xkl+1 k ≤ 2−l . Die zugeh¨orige Reihe ist damit absolut summierbar. Da sie nach Voraussetzung auch konvergent ist, konvergiert die Teilfolge (xkl ). Wenn eine Teilfolge einer Cauchy-Folge konvergiert, so konvergiert die gesamte Folge. 2.3 Angenommen, X w¨ are separabel. Dann gibt es eine abz¨ahlbare dichte Menge S = {si }i∈ ⊂ X. Zu jedem i ∈ und n ∈ w¨ahlen wir ein uin ∈ M mit
L¨ osungen
259
1 , n sofern ein solches Element existiert. Die Menge {uin } ist abz¨ahlbar; man beachte, daß f¨ ur ihre Bildung das Auswahlaxiom verwendet wurde. Zu vorgegebenem n ∈ und u ∈ M gibt es ein si mit ku − si k ≤ 1/n. Damit existiert auch ein uin mit kuin − si k ≤ 1/n. Aus der Dreiecksungleichung folgt ku − uink ≤ 2/n. Damit ist die Menge {uin } dicht in M , was einen Widerspruch bedeutet. kuin − si k ≤
2.4 Als M w¨ahlen wir die Menge der {0, 1}-Folgen. Diese Menge ist u alt keine abz¨ ahlbare dichte Teilmenge. ¨ berabz¨ahlbar und enth¨ Die Folgen mit rationalen Gliedern, die nur endlich viele nichtverschwindende Elemente enthalten, liegen dicht in c0 ( ) und sind abz¨ahlbar. 2.7 a) X1 P + X2 enth¨ alt die endlichen Folgen. ∞ b) x = i=1 i−1 e−i ist in l2 ( ), aber offenbar nicht in X1 + X2 . Wegen a) kann X1 + X2 nicht abgeschlossen sein.
2.13 F¨ ur f ∈ X ′ , g ∈ Y ′ ist (f, g)(x, y) = f (x) + g(y) linear und stetig. Ist umgekehrt l ein stetiges lineares Funktional auf X × Y , so setze f (x) = l(x, 0) und g(y) = l(0, y). Die Abbildung T : (X × Y )′ → X ′ × Y ′ , l 7→ (f, g) ist offenbar ein isometrischer Isomorphismus. 2.17 Beweis durch Induktion u ¨ber n. Aus T S n−1 − S n−1 T = (n − 1)S n−2 folgt T S n − S n−1 T S = (n − 1)S n−1 , daher
T S n − S n T = nS n−1 .
Hieraus erhalten wir nkS n−1 k ≤ 2kSk kT k kS n−1k, also Widerspruch zu S, T ∈ L(X).
n 2
≤ kSk kT k im
2.23 Angenommen, die Bedingung der gleichm¨aßigen Stetigkeit ist nicht erf¨ ullt. Dann gibt es ein ε > 0 und eine Folge δk → 0, so daß f¨ ur xk , yk ∈ X |u(xk ) − u(yk )| ≥ ε,
d(xk , yk ) ≤ δk .
Da X kompakt ist, besitzt (xk ) eine konvergente Teilfolge (xkl ) und (ykl ) enth¨alt ebenfalls eine konvergente Teilfolge. Insgesamt bekommen wir konvergente Teilfolgen (xl ) und (yl ) mit d(xl , yl ) ≤ δl . Es gilt daher xl , yl → x, aber |u(xl ) − u(yl )| ≥ ε, was einen Widerspruch zur Stetigkeit von u im Punkt x bedeutet.
2.26 Sei (uk ) eine Folge in U mit uk → u gleichm¨aßig. Zu beliebigem ε > 0 gibt es ein k ∈ mit ku − uk k∞ ≤ ε. Ferner gibt es ein R mit |u(x)| ≤ ε f¨ ur alle |x| ≥ R. Aus der Dreiecksungleichung folgt |u(x)| ≤ 2ε f¨ ur alle |x| ≥ R. ˜ R , BR+1 }. F¨ Sei τR eine Abschneidefunktion bez¨ uglich {B ur u ∈ U ist 0 n τR u ∈ C0 ( ) mit ku − τR uk∞ ≤ kuk∞;|x|≥R → 0 f¨ ur R → ∞.
260
L¨ osungen
Aufgaben aus Kapitel 3 3.5 Endlich dimensionale Teilr¨ aume eines Banach Raums sind nach Satz 2.5 abgeschlossen. Da sie ferner keine offene Kugel enthalten, sind sie nirgends dicht. G¨abe es eine abz¨ ahlbare Basis eines Banach Raumes, so k¨onnte man den Raum als abz¨ ahlbare Vereinigung von endlich dimensionalen R¨aumen darstellen, was dem Satz von Baire widerspricht. 3.11 F¨ ur X = Y = l2 und Tk x = x(k)ek gilt kTk xk = |x(k)| → 0, aber kTk k = 1. 3.12 Sei xk → x0 in X und yk → y0 in Y . Setze fk (x) = b(x, yk ). Dann ist fk ∈ X ′ und wegen fk (x) → b(x, y0 ) folgt aus dem Prinzip der gleichm¨aßigen Beschr¨ anktheit, daß kfk k ≤ K. Aus b(xk , yk ) − b(x0 , y0 ) = fk (xk − x0 ) + b(x0 , yk − y0 ) folgt daher b(xk , yk ) → b(x0 , y0 ). 3.14 X1 = (X, k · k1 ) und X2 = (X, k · k2 ) sind Banach-R¨aume mit Id : X2 → X1 stetig und bijektiv. Nach dem Satz vom inversen Operator ist auch Id−1 stetig. 3.17 Sei f˜(x) = f (P x), wobei P : X → U die orthogonale Projektion nach U bezeichnet. f˜ ∈ X ′ mit |f˜(x)| = |f (P x)| ≤ kf k kGk kxk, also kf˜k ≤ kf k. Wegen f˜ = f in U folgt kf˜k = kf k. Sei g eine Fortsetzung von f mit kgk = kf k. Nach dem Rieszschen Darstellungssatz gibt es ein y ∈ X mit g(x) = (y, x) und kgk = kyk. Wegen der Zerlegung X = U ⊕ U ⊥ gilt y = P y + y ⊥ . Da f = g auf U , ist f (x) = (P y, x). Wir erhalten kf k2 = kP yk2 sowie kgk2 = kP yk2 + ky ⊥k2 . Somit ist kf k = kgk nur m¨oglich, wenn y ⊥ = 0, was g = 0 auf U ⊥ impliziert. Durch die Werte auf U und U ⊥ ist ein lineares Funktional aber eindeutig bestimmt, also g = f˜. 3.25 Sei p = 1, die Argumentation f¨ urP p > 1 verl¨auft genauso. P ∗ Ist xk ⇁ x in l1 , so i y(i)xk (i) → i y(i)x(i) f¨ ur alle y in c0 . Setzen wir y = ei , so folgt xk (i) → x(i). Die Normbeschr¨anktheit der Folge bekommen wir aus dem Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨anktheit. Sei nun kxk kl1 ≤ M und o.B.d.A. punktweise konvergent gegen Null. Sei y ∈ c0 . Zu jedem ε > 0 gibt es ein Iε mit |y(i)| ≤ ε/(2M ) f¨ ur alle i ≥ Iε . Zu jedem Iε gibt es ein Kε mit |xk (i)| ≤ F¨ ur k ≥ Kε gilt
ε 2Iε (kyk + 1)
f¨ ur i = 1, . . . , Iε und alle k ≥ Kε .
L¨ osungen
261
Iε ∞ X X X y(i)xk (i) ≤ |y(i)| |xk (i)| + |y(i)| |xk (i)| i
i=1
i=Iε +1
∞ ε X |xk (i)| 2M
≤ kyk
Iε X
|xk (i)| +
≤ kyk
Iε X
∞ ε ε X + |xk (i)| 2Iε (kyk + 1) 2M i=1
≤
i=1
i=1
i=Iε +1
ε ε + M = ε. 2 2M
3.27 a) Mit kxk k ≤ K gilt |fk (xk ) − f (x)| ≤ |fk (xk ) − f (xk )| + |f (xk ) − f (x)| ≤ kfk − f kK + |f (xk ) − f (x)| → 0. b) Entsprechend folgt aus kfk k ≤ K |fk (xk ) − f (x)| ≤ |fk (xk ) − fk (x)| + |fk (x) − f (x)| ≤ Kkxk − xk + |fk (x) − f (x)| → 0. c) Diese Behauptung ist nicht richtig. In l2 sei xk = ek und fk (x) = x(k). ∗ Dann gilt fk (xk ) = 1, aber fk ⇁ 0 und xk ⇁ 0. 3.31 Der Abschluß von M in l∞ ist c0 , weil die endlichen Abschnitte einer Folge in c0 gegen diese konvergieren. Wir m¨ ussen zeigen: In jeder schwachen∗ Umgebung eines f0 ∈ l∞ , ∩i∈I0 Vxi ,r (f0 ) = {f : |f (xi ) − f0 (xi )| < r},
I0 endlich,
liegt ein f ∈ M . Sei y1 , . . . , yI eine Basis von span {xi }i∈I0 . Es gibt ein J, so daß auch die Vektoren (yi (1), . . . , yi (J)) f¨ ur 1 ≤ i ≤ I linear unabh¨angig sind. Damit besitzt die Matrix (yi (j))1≤i≤I, 1≤j≤J Rang I und das lineare PJ Gleichungssystem j=1 z(j)yi (j) P = f0 (yi ), 1 ≤ i ≤ I, hat eine L¨osung. Das zugeh¨orige Funktional f (y) = j z(j)y(j) erf¨ ullt f (yi ) = f0 (yi ), daher auch f (xi ) = f0 (xi ) f¨ ur alle i ∈ I0 . 3.32 ⇒: F¨ ur g ∈ Y ′ ist die Menge T −1 (g −1 (Br (α))) = (g ◦ T )−1 (Br (α)) schwach offen in X, weil g ◦ T ∈ X ′ . Da die Br (α) eine Basis der Topologie auf bilden, ist die Behauptung gezeigt. ⇐: F¨ ur g ∈ Y ′ ist (g ◦ T )−1 (Br (α)) schwach offen in X, daher g ◦ T ∈ X ′ . F¨ ur kxk ≤ 1 gilt demnach |g ◦ T (x)| ≤ Kg . kT xk ≤ K f¨ ur kxk ≤ 1 folgt aus Satz 3.21(a).
262
L¨ osungen
3.34 a) F¨ ur f ∈ (c0 )′ setze f (i, j) = f eij , wobei eij den kanonischen Einheitsvektor bezeichnet. F¨ ur endliche Folgen gilt dann x=
K X
x(i, j)eij ,
f (x) =
i,j=1
K X
x(i, j)f (i, j),
i,j=1
kf kc′0 ≤
X
|f (i, j)|.
Damit k¨onnen wir wegen der PStetigkeit von f den Grenz¨ ubergang K → ∞ durchf¨ uhren. kf k = |f (i, j)| beweist man durch die Wahl x(i, j) = f (i, j)/f (i, j), falls f (i, j) 6= 0. P∞ b) Ist xk → x in l1 , so auch xk (i, 1) → x(i, 1) und j=2 xk (i, j) → P∞ x(i, j). j=2 c) Jede schwache∗ Umgebung eines f ∈ l1 ist von der Form U = ∩K k=1 g ∈ l1 : |g(xk ) − f (xk )| < ε , wobei K ∈ und x1 , . . . , xK ∈ c0 . Wir m¨ ussen zeigen, daß in jeder solcher Umgebung ein Element von M liegt. Es gibt ein I, so daß f˜ ∈ l1 mit f˜(i, j) = f (i, j) f¨ ur i, j ≤ I,
f˜(i, j) = 0 sonst,
der Absch¨atzung |f˜(xk ) − f (xk )| < ε/2, k = 1, . . . , K, gen¨ ugt, denn es gibt nur endlich viele solcher xk . F¨ ur l > I sei gl ∈ M definiert durch gl (i, j) = f (i, j) f¨ ur i, j ≤ I,
gl (i, l) = igl (i, 1) −
I X j=2
g(i, j) f¨ ur i ≤ I,
f¨ ur alle anderen (i, j) sei g(i, j) = 0. Wegen xk (i, j) → 0 l¨aßt sich durch die Wahl eines gen¨ ugend großen l ereichen, daß |gl (i, l)xk (i, l)| < ε/2 f¨ ur alle k = 1, . . . , K. Daher |gl (xk ) − f (xk )| ≤ |gl (xk ) − f˜(xk )| + |f˜(xk ) − f (xk )| < ε. d) F¨ ur g ∈ B ∩ M gilt |g(i, 1)| ≤
kgkl1 1 ≤ . i i
Wir w¨ahlen x = ei,1 und f = 2ei,1 /i. Dann gilt f¨ ur die schwache∗ Umgebung von f 2 1 U = {g : |g(i, 1) − | < }, i i daß g ∈ / U f¨ ur alle g ∈ B ∩ M. Wegen kf k = 2/i enth¨alt der schwache∗ Abschluß von B ∩ M keine offene Kugel Br (0). F¨ ur andere Kugeln beweist man das ganz analog. ′ 3.35 F¨ ur i ∈ setze fi (x) = x(i). Dann ist fi ∈ l∞ mit kfi k = 1. Zu jeder Teilfolge (fik ) gibt es eine 0, 1-Folge x, so daß fik (x) = xik nicht konvergent ist.
L¨ osungen
263
Aufgaben aus Kapitel 4 4.1 Die Schnittmenge der Zk ist meßbar und besitzt Maß 0. Nach Satz 4.3(c) ist auch A eine Nullmenge. 4.3 Da die Mengen P∞ Ωk meßbar und disjunkt sind, folgt aus der σ-Additivit¨at, daß µ(Ω) = k=0 µ(Ωk ) > 0, also auch µ(Ωk ) > 0 f¨ ur ein k.
4.12 Seien Ωi ⊂ Ω, i ∈ , disjunkte meßbare Mengen mit positivem Maß. Der gesuchte Unterraum sind die Funktionen u mit u = 0 außerhalb ∪Ωi und u konstant auf jeder Menge Ωi . Der isometrische Isomorphismus auf diesen Unterraum ist y 7→ u(x) = y(i) f¨ ur x ∈ Ωi . 4.22 a) Aus der H¨ olderschen Ungleichung folgt kuk vk − uvk1 =k(uk − u)vk + u(vk − v)k1 ≤kuk − uk2 kvk k2 + kuk2 kvk − vk2 → 0. b) F¨ ur φ ∈ L∞ (Ω) gilt Z Z (uk vk − uv)φ dx = (uk (vk − v) + (uk − u)v)φ dx Ω
Ω
≤kuk k2 kvk − vk2 kφk∞ +
Z
Ω
(uk − u)vφ dx.
Der erste Term konvergiert gegen 0 wegen kuk k2 ≤ M und vk → v in L2 , der zweite Term wegen uk ⇁ u und vφ ∈ L2 . c) Dies ist nicht richtig, wie das Beispiel uk (x) = vk (x) = sin kx mit uk , vk ⇁ 0, aber Z π uk vk φ dx → d(φ) > 0 f¨ ur φ > 0, 0
zeigt.
Aufgaben aus Kapitel 5 5.1 Aus dem Satz von Fubini folgt Z Z Z Z u(x)Jε ∗ φ(x) dx = u(x)Jε (x − y)φ(y) dx dy = Jε ∗ u(y)φ(y). Wir setzen DJε ∗ φ = Jε ∗ Dφ in die Bedingung ein, Z Z 0 = uJε ∗ Dφ dx = Jε ∗ uDφ dx ∀φ ∈ C0∞ (Ω).
264
L¨ osungen
Daher Jε ∗ u = const und wegen Jε ∗ u → u in L1loc (Ω) folgt u = const.
5.11 a) Die Abbildungen T± u = (u′ ± 1)2 , T : H 1,2 → L1 sind stetig, ebenso ist die Minimumfunktion min : L1 × L1 → L1 stetig, daher ist auch F stetig. b) Wir verwenden die stetige, st¨ uckweise lineare Zickzackfunktion uk , die best¨andig zwischen 1/k und −1/k oszilliert mit Ableitung ±1. Der Minimumanteil im Funktional F verschwindet f¨ ur diese Funktionen und es gilt F (uk ) → 0 f¨ ur k → ∞. Da F nicht konvex ist, entsteht kein Widerspruch zu Satz 3.37. 5.12 Es gilt max{u, v} = (u − v)+ + v,
min{u, v} = (u − v)− + v.
Die Behauptung folgt aus Satz 5.20.
Aufgaben aus Kapitel 6 α−1 6.1 Sei u(x) = xα , 0)T . Dann gilt 1 mit Du = (αx1
Z
Ω
p
p
|Du| dx = |α|
Z
0
1
Z
x21
0
(α−1)p x1
dx2 dx1 = |α|
p
Das letzte Integral existiert f¨ ur z. B. α = − 41 und p =
Z
1
0
(α−1)p+2
x1
dx1 .
11 . 5
6.3 a) Mit x = (x1 , x′ ) gilt f¨ ur u ∈ C0∞ ( n ) Z u(y) = D1 u(x1 , y ′ ) dx1 . x1 0 und der Stetigkeit von u gibt es ein ε > 0 mit u(x) − u(x0 ) − εv(x) > 0 auf ∂Bρ (y). Diese Ungleichung ist ebenso auf ∂BR (y) erf¨ ullt, da dort v = 0 gilt. Also L(u − u(x0 ) − εv) ≥ 0 in A und u − u(x0 ) − εv ≥ 0 auf ∂A. Nach dem Maximumprinzip ist daher u − u(x0 ) − εv ≥ 0 in A. F¨ ur die Normalableitung im Punkt x0 gilt daher Dν u(x0 ) ≤ εDν v(x0 ) < 0.
L¨ osungen
267
7.16 Angenommen, das Minimum m von u wird im Inneren von Ω angenommen. Setze Ω + = {x ∈ Ω : u(x) > m}. Nach Voraussetzung gibt es mindestens einen Randpunkt von Ω + , der innerhalb von Ω liegt. Es gibt daher einen Punkt y ∈ Ω + , der n¨aher an einen solchen inneren Randpunkt liegt als an ∂Ω. Die maximale Kugel BR (y) innerhalb von Ω + ber¨ uhrt daher ∂Ω + in einem Punkt x0 ∈ Ω. Es gilt u(x0 ) < u(x) in dieser Kugel. Nach Aufgabe 7.15 gilt daher Dν u(x0 ) < 0 im Widerspruch zur Tatsache, daß x0 Minimumpunkt von u ist. 7.20 Das einzige Problem bei dieser Aufgabe ist der Beweis der Fehlerabsch¨atzung kD(s − Ih s)k2;Ω ≤ chπ/ω . F¨ ur ein am Nullpunkt anliegendes Dreieck Λ erhalten wir mit α = π/ω Z 2 kD(s − Ih s)k2;Λ ≤ 2 (|Ds|2 + |DIh s|2 ) dx Λ
≤c
Z
ch 0
r2α−2 r dr + ch2α−2 µ(Λ) ≤ ch2α .
Wegen Bedingung R h¨ angt die Anzahl dieser Dreiecke nur von der Konstanten cR ab. Außerhalb der am Nullpunkt anliegenden Dreiecke (= Ωr ⊂ Ω) verwenden wir die Interpolationsfehlerabsch¨ atzung aus Satz 7.19 Z Z c kD(s − Ih s)k22;Ωr ≤ ch2 |D2 s|2 dx ≤ ch2 r2α−4 r dr ≤ ch2α . Ωr
ch
Aufgaben aus Kapitel 8 8.17 In allen F¨allen gilt −u′′k = λk u in (0, 1). Hinzu kommen die erzwungenen und/oder nat¨ urlichen Randbedingungen: ′ ′ a): u (0) = u (1) = 0, b): u(0) = u(1) = 0, c): u(0) = u(1), u′ (0) = u′ (1). Wir erhalten daher die Eigenfunktionen: a): uk (x) = cos kπx, k ∈ c): uk (x) = cos 2kπx, k ∈
b): uk (x) = sin kπx, k ∈ , . 0 , sowie vk (x) = sin 2kπx, k ∈
0,
Die Eigenvektoren in c) werden gerne komplex geschrieben, φk (x) = e2kπix ,
k∈ .
Man u andige Orthogonalsysteme der kom¨ berlegt sich leicht, daß die φk vollst¨ 1,2 plexen R¨aume L2 (0, 1) und Hper (0, 1) sind.
268
L¨ osungen
8.19 F¨ ur u(x, y) gilt u(x, y) =
∞ X
sin(iπx) ti (y).
i=1
In die schwache Form des Eigenwertproblems setzen wir diesen Ansatz ein und testen mit v(x, y) = sin(jπx) vj (y), Z
0
also
1
j 2 π 2 tj (y)vj (y) + t′j (y)vj′ (y) dy = λ −t′′j + j 2 π 2 tj = λtj in (0, 1),
Z
1
tj (y)vj (y) dy, 0
tj (0) = tj (1) = 0,
mit L¨osung tj (y) = sin jπy. 8.21 Die zugeh¨orige Bilinearform a(u, v) =
Z
aij Dj uDi v dx
Ω
ist symmetrisch mit
λkDuk22 ≤ a(u, u) ≤ ΛkDuk22. F¨ ur den Rayleighquotienten RL (u) = a(u, u)/kuk2 folgt daher λR−∆ (u) ≤ RL (u) ≤ ΛR−∆ (u). Die Behauptung folgt aus Satz 8.42 und dem MinmaxPrinzip. 8.23 Wie in (8.35) leitet man die L¨ osungsdarstellung (∗)
v(x, t) =
∞ X
v0,i eiλi t ui (x)
i=1
her. ui sind die Eigenvektoren des Laplace-Operators und v0,i die FourierKoeffizienten von v0 . Zum Beweis der Energieerhaltung multiplizieren wir die RSchr¨odingerGleichung mit u und integrieren u ¨ber Ω. Der Imagin¨arteil von −∆uu dx = kDuk2 verschwindet und f¨ ur die zeitliche Ableitung gilt Z Z 1 d 2 Im i utu dx = |u| dx. 2 dt Ω Ω Integration bez¨ uglich t liefert die behauptete Gleichung. Man kann dies auch aus (∗) herleiten, das hier verwendete Argument gilt auch f¨ ur allgemeinere Gleichungen.
L¨ osungen
269
Aufgaben aus Kapitel 9 9.12 Sei φ ∈ D(Ω). Da K = supp(φ) kompakt ist, gibt es endlich viele Ωi , sagen wir Ω1 , . . . , ΩI , die K u ¨berdecken. Sei ψ1 , . . . , ψI die zugeh¨orige Zerlegung der 1. Setze I X T (φ) = Ti (ψi φ). i=1
¨ Diese Definition ist unabh¨ angig von der endlichen Uberdeckung {Ωi }. Ist ′ ¨ n¨amlich {Ωj } eine andere endliche Uberdeckung von K mit Zerlegung der Eins {ψj′ }, so setze ψij = ψi ψj′ ∈ D(Ωi ∩ Ωj′ ). Es gilt dann T (φ) =
XX i
Ti (ψij φ) =
j
XX j
Tj (ψij φ) =
i
X
Tj (ψj′ φ).
j
¨ Aus dieser Uberlegung folgt auch die Eindeutigkeit von T . D Nun beweisen wir, daß T eine Distribution ist. Sei φk → φ. Dann gibt es ein K ⊂⊂ Ω mit supp(φk ) ⊂ K. K kann mit endlich vielen Ωi u ¨ berdeckt werden, sagen wir i = 1, . . . , I. Mit der zugeh¨origen Zerlegung der Eins {ψi } D folgt dann f¨ ur diese i, daß Ti (ψi φk ) → Ti (ψi φ), denn ψi φk → ψi φ. Daher auch T (φk ) → T (φ). Wenn φ ∈ D(Ωi ), so gilt T (φ) = Ti (φ), weil Ωi den Tr¨ager von φ u ¨berdeckt und die Definition von T unabh¨ angig von der Wahl des u ¨berdeckenden Mengensystems ist. Daher T Ωi = Ti .
9.13 Der Tr¨ager von φ sei nach oben durch a > 0 beschr¨ankt. Nach Taylor gilt φ(x) = pn−1 (x) + r(x) mit einem RPolynom vom Grade ≤ n−1 und einer Funktion r mit |r(x)| ≤ cxn . a Damit ist ε x−n r(x) dx als Funktion von ε beschr¨ankt. F¨ ur n > 1 gilt Z
ε
a
Z
a
1 =− −n + 1
Z
pn−1 (x) 1 dx = n x −n + 1
(x−n+1 )′ pn−1 (x) dx
ε
ε
a
x−n+1 p′n−1 (x) dx +
a 1 x−n+1 p′n−1 (x) . −n + 1 ε
Auf diese Weise wird die Singularit¨ at schrittweise beseitigt, f¨ ur n = 1 bekom a (n−1) men wir den Randterm c ln x pn−1 (x) ε , der den Term a0 (φ) ln ε erzeugt. Die a0 (φ), . . . , an−2 (φ) sind damit Linearkombinationen von Ableitungen φk (0). R 9.14 Zu jedem ε > 0 gibt es ein R = R(ε) mit BR f dx = 1 − ε. Sei φ ∈ D. Mit Hilfe der Transformation y = x/λ folgt
270
L¨ osungen
Z
fλ (x)φ(x) dx = =
Z Z
−n
λ
f (x/λ)φ(x) dx =
f (y)φ(λy) dy +
BR
Z
Z
f (y)φ(λy) dy f (y)φ(λy) dy = A + B.
n \B R
F¨ ur den Term A verwenden wir φ(λy) = φ(0) + Dφ(ξ)λy. Wegen |Dφ| ≤ c folgt dann Z A →
BR
f (y)φ(0) dy = (1 − ε)φ(0).
F¨ ur B gilt
|B| ≤ kφk∞
Z
f (y) dy = εkφk∞. n \B R
9.22 Die Funktion e−x l¨ aßt sich in x < 0 abschneiden zu einer Funktion φ ∈ S. Damit ist Tex (φ) nicht definiert. d Mit dx sin ex = cos ex ex gilt Z Z d ex cos ex φ(x) dx = sin ex φ(x) dx dx Z = − sin ex φ′ (x) dx ≤ kφ′ k∞ .
9.29 a) F ′ u0 ist stark fallend. Daher darf unter dem Integral differenziert werden, Z ′ ′ ′ 2 1/2 −∆x′ F u(x′ , xn ) = (2π)−(n−1)/2 eix ·ξ |ξ ′ |2 F ′ u0 (ξ ′ )e−(1+|ξ | ) xn dξ ′ . n−1
Dies hebt sich mit den Termen F u und Dnn F u in −∆F u + F u auf. b) Es gilt ′ 2 1/2
F ′ F u(·, xn )(ξ ′ ) = F ′ u0 (ξ ′ )e−(1+|ξ |
(∗) daher Z
∞ 0
Z =
n−1
Z
0
)
xn
,
(1 + |ξ ′ |)2m |F ′ F u(·, xn )|2 dξ ′ dxn
∞
Z
′ 2 1/2
n−1
(1 + |ξ ′ |)2m |F ′ u0 (ξ ′ )|2 e−2(1+|ξ |
)
xn
Wir ziehen das Integral bez¨ uglich xn nach Innen und erhalten Z ∞ ′ 2 1/2 1 e−2(1+|ξ | ) xn dxn = . 2(1 + |ξ ′ |2 )1/2 0
dξ ′ dxn .
Damit folgt die Behauptung f¨ ur die Ableitungen D1 , . . . , Dn−1 . Zum Nachweis von Dm F u ∈ L2 differenzieren wir (∗) nach xn und sch¨atzen analog ab.
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Symbolverzeichnis
Allgemeines
0
i Re α Im α α |α| c χA δij ei ln x ez Ω ν u+ u− supp(u) supp(T ) u∗v T ∗ψ R(T )
nat¨ urliche Zahlen nat¨ urliche Zahlen einschließlich Null oder √ −1 Realteil von α Imagin¨ arteil von α komplexe Konjugation Betrag von α ∈ generische Konstante, muß nicht an jeder Stelle den gleichen Wert besitzen charakteristische Funktion der Menge A Kroneckersymbol (= 0 f¨ ur i = j, sonst = 0) kanonische Einheitsvektoren (ei (j) = δij ) reeller nat¨ urlicher Logarithmus komplexe Exponentialfunktion Gebiet des n ¨außerer Normaleneinheitsvektor positiver Anteil der Funktion u (u+ = max{u, 0}) negativer Anteil der Funktion u (u− = min{u, 0}) Tr¨ager der Funktion u (= {x : u(x) 6= 0}) Tr¨ager der Distribution T , 219 Faltung der Funktionen u und v, 222 Faltung der Distribution T mit ψ, 222 Bild der Abbildung T
276
Symbolverzeichnis
Ac m
Komplement von A Raum der Polynome vom Grad ≤ m
Multiindex und Differentialoperatoren α |α| xα α! α≤β Di
D 2 Dij Dm Dα ∆
Multiindex (∈ n0 ), 37 Ordnung des Multiindex (= α1 + . . . + αn ) αn 1 Monom (= xα 1 . . . xn ) Fakult¨ at des Multiindex (= α1 ! . . . αn !) Halbordnung f¨ ur Multiindizes (⇔ αi ≤ βi ) partielle Ableitung nach xi
(=
∂ ∂xi )
T
Gradient (= (D1 , . . . , Dn ) ) partielle Ableitung h¨ oherer Ordnung Tensor s¨ amtlicher partieller Ableitungen der Ordnung m, 37 partielle Ableitung nach dem Multiindex α, 37 Pn 2 Laplace-Operator (= i=1 Dii )
Topologische und metrische R¨ aume int A
Inneres von A, 2
A ∂A d(x, y) Br (x) ˜r (x) B
Abschluß von A, 2 Menge der Randpunkte von A, 2 Metrik offene Kugel um x vom Radius r
dist (A, B) diam A
Menge der Punkte y mit d(x, y) ≤ r Abstand der Mengen A und B, 6 Durchmesser von A, 16
D ⊂⊂ Ω
D kompakt mit D ⊂ Ω
Lineare R¨ aume N (T ) dim U codim U Id span A kxk p(x) (x, y)
Nullraum der linearen Abbildung T Dimension des Unterraums U Kodimension des Unterraums U , 192 Identit¨ at lineare H¨ ulle von A Norm auf einem Vektorraum, 19 Halbnorm auf einem Vektorraum, 19 inneres Produkt auf einem Vektorraum, 28
Symbolverzeichnis
hx, x′ i L(X, Y ) L(X) K(X, Y ) X′ X∗ X ′′ T′ T∗ x⊥y A⊥ M ⊥ , N⊥ j i Tλ Rλ
277
Dualit¨ atsabbildung, 53 Raum der stetigen linearen Operatoren, 23 L(X, X) Raum der kompakten Operatoren, 179 Dualraum des normierten Raums X, 24 Antidualraum des normierten Raums X, 32 Bidualraum des normierten Raums X, 53 adjungierte Abbildung zu T , 180 Hilbert-Adjungierte zu T , 182 x und y sind orthogonal, 31 orthogonales Komplement von A, 31 Annihilatoren, 181 f¨ ur einen Hilbert-Raum ist j : x 7→ (·, x), 31 kanonische Inklusion, i : X → X ′′ , 53 T − λId, 175 Tλ−1 , 175
Konkrete R¨ aume und Normen l Raum aller Zahlenfolgen, 51 lp Raum der in p-ter Potenz summierbaren Zahlenfolgen, 20 kxklp Norm in lp c = c( ) Raum der konvergenten Folgen, 41 c0 = c0 ( ) Raum der Nullfolgen, 20 kxkl∞ Supremumsnorm in l∞ , c, c0 , 20 c00 = c00 ( ) Raum der endlichen Folgen, 64 C(X) stetige Funktionen auf dem kompakten Hausdorff-Raum X kuk∞ Maximumsnorm in C(X) m C (Ω) Raum der m-mal stetig diff’baren Funktionen in Ω, m ∈ 0 C0m (Ω) Funktionen in C m (Ω) mit kompaktem Tr¨ager in Ω C m (Ω) kukm,∞;Ω
Funktionen in C m (Ω) mit gleichm¨aßig stetigen Ableitungen, 37 Norm in C m (Ω), 37
C m,α (Ω)
H¨older- bzw. Lipschitzr¨ aume, 38
|u|C α kukC m,α Lp (Ω) kukp;Ω Lploc (Ω)
Halbnorm in C α (Ω), 38 Norm in C m,α (Ω), 38 Raum der in p-ter Potenz integrierbaren Funktionen, 71 Norm in Lp (Ω), 71 Raum der Funktionen in Lp (Ω0 ) f¨ ur alle Ω0 ⊂⊂ Ω
278
Symbolverzeichnis
Lp (∂Ω) H m,p (Ω) kukm,p;Ω H s,p (Ω) H s,p (∂Ω) N s,p (Ω) kukN s,p(Ω) D(Ω) D′ (Ω) S pK,l (φ) S′ E(Ω) Fu
Lp -Raum auf ∂Ω, 112 Sobolev-Raum, 91 Norm in H m,p (Ω) Sobolev-Raum gebrochener Ordnung, 124 Sobolev-Raum gebrochener Ordnung auf ∂Ω, 130 Nikolski-Raum, 141 Norm in N s,p (Ω), 141 Raum der Testfunktionen auf Ω, 215 Raum der Distributionen auf Ω, 215 Raum der schnell fallenden Funktionen, 224 Halbnorm in S, 224 Raum der langsam wachsenden Distributionen, 228 Raum der Funktionen in C ∞ , 51 Fourier-Transformation in S, S ′ oder L2 , 224
Sachverzeichnis
C m,α -Diffeomorphismus, 102 C m,α -Lokalisierung, 102 K-Funktional, 136 σ-Algebra, 67 σ-additiv, 67 Abbildung beschr¨ ankte, 23 folgenstetige, 4 kompakte, 26 lipschitzstetige, 9 offene, 3 stetige, 3 abgeschlossene Menge, 2 Abschluß einer Menge, 2 Abschneidefunktion, 92 Absolutstetigkeit des Lebesgue Integrals, 70 Abz¨ ahlbarkeitsaxiom erstes, 4 zweites, 5 Alaoglu-Bourbaki Satz von, 59 Annihilator, 181 Antidualraum, 32 antilinear, 28 Approximation Finite Elemente, 166 Ritz-, 164 sukzessive, 9 Approximationssatz von Weierstraß, 252 Arzela-Ascoli
Satz von, 34 Auswahl der Diagonalfolge, 27 Baire Satz von, 43 Banach-Raum, 20 gleichm¨ aßig konvexer, 79 reflexiver, 59 Banach-Saks Satz von, 66 Banach-Steinhaus Satz von, 45 Banachlimes, 64 Banachscher Fixpunktsatz, 10 Beppo-Levi Satz von, 69 Ber¨ uhrpunkt, 2 Bestapproximierende, 164 Bidualraum, 53 biharmonische Gleichung, 214 biharmonischer Operator, 241 Bramble-Hilbert Lemma von, 143 Calderon Fortsetzungssatz von, 109 Cantor-Menge, 84 cantor¨ ahnliche Menge, 84 Cauchy-Folge im metrischen Raum, 8 schwache, 58 schwache∗, 58 Cauchy-Riemannsche Differentialgleichungen, 253
280
Sachverzeichnis
Cauchy-Ungleichung, 28, 248 verallgemeinerte, 249 Ceas Lemma, 165 Clarksonsche Ungleichungen, 79 Closed Range Theorem, 190 Courant-Hilbert Satz von, 200 Courantsches Minmax-Prinzip, 200 Diagonalfolgenargument, 27 dicht, 5 Diffeomorphismus, 102 Differentialgleichungen Cauchy-Riemannsche, 253 elliptische, 147, 210 gew¨ ohnliche, 10, 35 hyperbolische, 210 parabolische, 211 Differentialoperator elliptisch, 160 gleichm¨ aßig elliptisch, 150, 239 Differenzenquotient, 97 ∼en-Technik, 152 Dirac-Distribution, 217 Dirichlet-Problem, 149 Distribution, 215 Differentiation einer ∼, 217 Dirac-∼, 217 Einschr¨ ankung einer ∼, 219 gerade, ungerade, 244 langsam wachsende, 229 mit kompaktem Tr¨ ager, 219 Multiplikation einer ∼, 217 regul¨ are, 216 temperierte, 229 Tr¨ ager einer ∼, 219 von endlicher Ordnung, 216 Dreiecksungleichung, 6, 19 umgekehrte, 6 Dualit¨ atsabbildung, 53 Dualit¨ atsargument, 169 Dualraum, 24, 53 von S, 228 von c0 , 25 von H0m,2 , 123 von H m,p , 123 von Lp , 80 von lp , 25 Durchmesser, 16
Eigenraum, 176 Eigenwert, 176 Eigenwertproblem abstraktes, 200 fur den Laplace Operator, 205 Einbettung, 26 dichte, 26 kompakte, 26 kompakte von H 1,p nach Lq , 116 von H 1,p nach C α , 121 von H 1,p nach L∞ , 120 von H m,p nach Lq , 109 von H s,2 nach C α , 233 Elastische Gleichungen, 170 elliptisch, 160 gleichm¨ aßig, 150, 239 Energieerhaltung, 211 Erlanger Metrik, 7 Faltung einer Distribution, 222 von Funktionen, 222 fast u ¨ berall, 68 Fatous Lemma, 70 Finite Elemente Verfahren, 165 folgenkompakt, 12 folgenstetig, 4 Fortsetzung ∼ssatz von Calderon, 109 ∼ssatz f¨ ur H 1,p -Funktionen, 131 ∼ssatz f¨ ur H s,2 -Funktionen, 234 ∼ssatz f¨ ur Sobolev-Funktionen, 108, 129 ∼ssatz von Hahn-Banach, 47 ∼ssatz von Tietze, 250 stetiger linearer Abbildungen, 26 Fourier -Abschnitt, 200 -Koeffizient, 200 Fourier-Plancherel-Transformation, 231 Fourier-Transformation in S, 224 in S ′ , 229 Fredholm-Operator, 192 Fredholmsche Alternative, 192 Fubini Satz von, 70 Fundamentallemma der Variationsrechnung, 87
Sachverzeichnis Funktion gleichm¨ aßig stetige, 42 h¨ olderstetige, 38 harmonische, 241 integrierbare, 69 konkave, 247 konvexe, 247 lipschitzstetige, 38 meßbare, 68 mit beschr¨ ankter totaler Variation, 99 nirgends differenzierbare, 62 schnell fallende, 224 Funktional, 24 antilineares, 32 stetiges lineares, 24 sublineares, 47 unstetiges, 25 G˚ ardingsche Ungleichung, 196 f¨ ur Operatoren der Ordnung 2m, 239 f¨ ur Operatoren zweiter Ordnung, 199 Galerkin-Verfahren, 165 Gebiet, 36 kompakt enthalten, 36 Lipschitz∼, 101 mit stetigem Rand, 101 von der Klasse C m,α , 101 Gebietsmonotonie, 206 Gelfandscher Dreier, 185 gleichgradig stetig, 34 gleichm¨ aßig konvex, 79 gleichm¨ aßig stetig, 42 Gradient, 37 Graph einer Abbildung, 46 H¨ oldersche Ungleichung, 71 h¨ olderstetig, 38 Hahn-Banach-S¨ atze, 47 Halbnorm, 19 in D(Ω), 253 in S, 224 in C ∞ , 51 in c00 , 64 in l, 51 Hardysche Ungleichung, 138 Hauptwert, 243 Hausdorff-Raum, 1
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Heaviside-Funktion, 218 Hellinger-Toeplitz Satz von, 211 Hilbert-Adjungierte, 182 Hilbert-Raum, 29 Hom¨ oomorphismus, 3 Homogenit¨ atsargument, 248 Index eines Fredholm-Operators, 192 Innenkugelbedingung, 173 innerer Punkt, 2 Inneres einer Menge, 2 inneres Produkt, 28 Integral, 69 Integralgleichung, 195 integrierbare Funktion, 69 Interpolierende, 167 Inversmonotonie f¨ ur klassische L¨ osungen, 161 f¨ ur Matrizen, 172 fur schwache L¨ osungen, 159 Isometrie, 9 Kategorie von erster, 43 von zweiter, 43 Kegeleigenschaft, 103 klassische Losung, 147 kompakt, 12 folgen∼, 12 pr¨ a∼, 13 relativ ∼, 12 Kontinuierliches Spektrum, 176 Kontraktion, 9 Konvergenz, 2 konvex σ-∼, 40 ∼e Funktion, 247 ∼e H¨ ulle, 247 ∼e Menge, 247 Konvexkombination, 247 Kubaturformel, 144 L¨ osung klassische, 147 schwache, 148 Laplace-Beltrami-Operator, 255 Laplace-Operator, 147 Lax-Milgram
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Sachverzeichnis
Satz von, 32 Lebesgue -Integral, 67 -Maß, 67 -Raum, 71 -Raum auf ∂Ω, 112 Satz von, 70 Lemma Rieszsches, 22 von Bramble-Hilbert, 143 von Cea, 165 von Fatou, 70 von Urysohn, 249 Liouville Satz von, 254 Lipschitzgebiet, 101 Lipschitzkonstante, 9 lipschitzstetig, 9, 38 Lochf¨ ulltechnik, 254 lokale Basis, 5 Lokalisierung, 102 lokalkonvexer Raum, 50 metrisierbarer, 52 Lusin Satz von, 71 M¨ untz-Theorem, 252 mager, 43 Matrix adjungierte, 183 inversmonotone, 172 Maximumprinzip f¨ ur klassische L¨ osungen, 160 f¨ ur parabolische Gleichungen, 173 f¨ ur schwache L¨ osungen, 159 starkes, 162, 173 Mazur Satz von, 61 Maß, 67 maßkonvergent, 77 Metrik, 6 metrischer Raum, 6 Meyers und Serrin Satz von, 93 meßbare Funktion, 68 Menge, 68 Treppenfunktion, 68 Minkowski-Ungleichung, 72
kontinuierliche, 83 Mollifier, 76 Monotone Konvergenz Satz von der, 69 Morrey Einbettungssatz von, 120, 121 Multiindex, 37 Multiplikationsoperator, 41 negative Norm, 184 Neumann-Problem, 171, 236 Neumannsche Reihe, 177 Nikolski-Raum, 141 nirgends dicht, 43 nirgends differenzierbare Funktion, 62 Norm, 19 aquivalente, 21 ¨ euklidische, 37 in H m,p , 91 in H s,2 , 231 in H s,2 (∂Ω), 234 in H s,p , 124 in H s,p (∂Ω), 130 in Lp , 71 in Lp (∂Ω), 112 in lp , 20 in N s,p , 141 negative, 184 normierter Raum, 19 Nullmenge, 68 Nullumgebungsbasis, 51 offene Abbildung, 3 offene Menge, 1 Operator adjungierter, 180 analytisch abh¨ angender, 178 biharmonischer, 241 formal adjungierter, 187 Fredholm-, 192 Hilbert-Adjungierte eines ∼s, 182 in Divergenzform, 160 in expliziter Form, 160 mit abgeschlossenem Bild, 188 nuklearer, 212 parabolischer, 173 polyharmonischer, 171 regul¨ arer, 176 selbstadjungierter, 182
Sachverzeichnis Operatornorm, 24 Ordnung einer Distribution, 216 orthogonal, 31 ∼e Projektion, 31 ∼es Komplement, 31 Orthogonalitatsrelation, 164 Parallelogrammgleichung, 29 Parsevalsche Gleichung, 230 partielle Integration, 88 Summation, 97 Poincar´e-Ungleichung, 111, 119 Poisson-Gleichung, 147 polyharmonischer Operator, 171 pr¨ akompakt, 13 Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit, 45 Prinzip der offenen Abbildung, 45 Produktregel, 93, 95 Produkttopologie, 6 Projektion im Banach-Raum, 189 orthogonale, 31 Projektionssatz, 31 Punktspektrum, 176 Quotientennorm, 187 Quotientenraum, 187 Randbedingung der dritten Art, 237 Dirichlet-, 149 erzwungene, 149 mit schiefer Ableitung, 237 nat¨ urliche, 149 Neumann-, 149 Randintegral, 112 Randwertproblem adjungiertes, 187 erstes, 147 gemischtes, 149 zweites, 149 Raum Banach-, 20 Hausdorff-, 1 Hilbert- , 29 hom¨ oomorpher, 3 isometrischer, 9
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kompakter, 12 lokalkonvexer, 50 metrischer, 6 normierter, 19 topologischer, 1 vollst¨ andiger metrischer, 8 Rayleighquotient, 200 Rayleighsches Minimumprinzip, 200 reflexiver Banach-Raum, 59 regul¨ ar ∼er Operator, 176 Reihe absolut summierbar, 39 konvergent, 39 relativ kompakt, 12 Relativtopologie, 1 Residuenspektrum, 176 Resolventenmenge, 176 Resolventenoperator, 175 Riesz-Schauder Satz von, 193 Rieszscher Darstellungssatz, 30 Rieszsches Lemma, 22 Ritz-Approximation, 164 Satz Darstellungs∼ von Riesz, 30 Fixpunkt∼ von Banach, 10 Fortsetzungs∼ von Hahn-Banach, 47 Fortsetzungs∼ von Tietze, 250 Projektions∼, 31 Trennungs∼ von Hahn-Banach, 49 vom abgeschlossenen Bild, 190 vom abgeschlossenen Graphen, 47 vom inversen Operator, 45 von Alaoglu-Bourbaki, 59 von Arzela-Ascoli, 34 von Baire, 43 von Banach-Saks, 66 von Banach-Steinhaus, 45 von Beppo-Levi, 69 von Courant-Hilbert, 200 von der monotonen Konvergenz, 69 von Dini, 42 von Fubini, 70 von Hellinger-Toeplitz, 211 von Lax-Milgram, 32 von Lebesgue, 70 von Liouville, 254
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Sachverzeichnis
von Lusin, 71 von M¨ untz, 252 von Mazur, 61 von Meyers und Serrin, 93 von Rellich-Kondrachov, 116 von Riesz-Schauder, 193 Schr¨ odinger-Gleichung, 214 schwach konvergent, 55 schwach∗ folgenkompakt, 58 kompakt, 59 konvergent, 57 schwache Ableitung, 88 schwache Konvergenz, 55 in Lp , 82 in l1 , 65 schwache L¨ osung, 148 schwache Topologie, 55 schwache∗ Konvergenz, 57 in L∞ , 82 in l1 , 57 schwache∗ Topologie, 56 Segmenteigenschaft, 101 separabel, 5 Sesquilinearform, 28 adjungierte, 33, 186 beschr¨ ankte, 32 koerzive, 32 Shiftoperator, 41 Singul¨ arfunktion, 174 Skalarprodukt, 28 Sobolev-Norm, 91 Sobolev-Raum, 91 auf ∂Ω, 130, 234 gebrochener Ordnung, 124 mit Gewicht, 142 Sobolev-Ungleichung, 109 Spannungskonzentrationsfaktor, 174 Spektralwerte, 176 Spektrum, 176 Spursatz, 112, 131, 234 stetig, 3 folgen∼, 4 gleichgradig, 34 gleichm¨ aßig ∼, 42 h¨ older∼, 38 lipschitz∼, 38 sublineares Funktional, 47 Summenkonvention, 150
Tietze Fortsetzungssatz von, 250 Topologie, 1 Basis einer ∼, 5 feinere, 1 gr¨ obere, 1 schwache, 55 schwache∗, 56 Subbasis einer ∼, 5 topologischer Raum, 1 totale Variation, 99 Tr¨ ager einer Distribution, 219 einer Funktion, 36 Transformationssatz fur stetig differenzierbare Transformationen, 106 Trennungsaxiom, 1 Trennungssatz, 49, 50 Treppenfunktion, 68 Umgebung, 2 Umgebungsbasis, 4 Ungleichung des geometrischen und arithmetischen Mittels, 249 von Hardy, 138 Urysohn Lemma von, 249 Variationsprinzip, 148 Verfahren von Galerkin, 165 von Ritz, 164 Vergleichsprinzip, 162 Vervollst¨ andigung, 9 Vierecksungleichung, 6 W¨ armeleitungsgleichung, 208 Weierstraßscher Approximationssatz, 252 Wellengleichung, 208 wesentlich beschr¨ ankt, 71 Youngsche Ungleichung, 248 verallgemeinerte, 248 zentriertes System, 17 Zerlegung der Eins, 92