Grundkurs Funktionalanalysis
Winfried Kaballo
Grundkurs Funktionalanalysis
Autor Prof. Dr. Winfried Kaballo Technische Universität Dortmund Fakultät für Mathematik E-mail:
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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrover¿lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Planung und Lektorat: Dr. Andreas Rüdinger, Bianca Alton Redaktion: Bernhard Gerl Satz: Autorensatz Herstellung: Crest Premedia Solutions (P) Ltd, Pune, Maharashtra, India Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm Titelfotogra¿e: © SpieszDesign ISBN 978-3-8274-2149-4
Fu ¨r Paz, Michael und Angela
Vorwort Das vorliegende Buch gibt eine Einf¨ uhrung in die Funktionalanalysis, die nur geringe mathematische Vorkenntnisse voraussetzt. Es ist aus Vorlesungen Funktionalanalysis ” I“ bzw. Functional Analysis“ und H¨ ohere Mathematik IV“ (f¨ ur Studierende der Phy” ” sik) entstanden, die der Autor mehrmals an der TU Dortmund und an der University of the Philippines gehalten hat. Das Buch wendet sich an Studierende von Bachelor-, Master-, Diplom- und gymnasialen Lehramtsstudieng¨ angen der Fachrichtungen Mathematik, Physik, Statistik und Informatik. Es sollte als Begleittext zu einer einf¨ uhrenden Vorlesung u ¨ber Funktionalanalysis auf Bachelor-Niveau wie auch zum Selbststudium gut geeignet sein. Der Autor hat sich sehr um eine ausf¨ uhrliche und m¨ oglichst gut verst¨ andliche Darstellung bem¨ uht. Abstrakte Theorien werden durch viele Beispiele motiviert und auf konkrete Probleme der Analysis angewendet. Zur Veranschaulichung des Stoffs sollen zahlreiche Abbildungen dienen, die mit Hilfe des Programms TeXCad32 angefertigt wurden. In der vorliegenden Einf¨ uhrung entwickeln wir die Funktionalanalysis im Rahmen normierter R¨ aume. Allgemeinere topologische Vektorr¨ aume und schwache Topologien sollen erst in einem folgenden Aufbaukurs behandelt werden; hier treten nur schwach konvergente Folgen auf. Auch Distributionen und partielle Differentialgleichungen bleiben dem Aufbaukurs vorbehalten; hier behandeln wir nur schwache Ableitungen und Sobolev-R¨ aume f¨ ur Funktionen einer reellen Ver¨ anderlichen. Daher werden nur die folgenden Vorkenntnisse ben¨ otigt: Eine solide Beherrschung der Analysis I“ (Funktionen ” von einer reellen Ver¨ anderlichen), Grundkenntnisse der Linearen Algebra I“ sowie aus ” Analysis II / III“ Grundkenntnisse der Topologie metrischer R¨ aume und Vertrautheit ” mit Lebesgue-Integralen. An wenigen Stellen verwenden wir elementare Tatsachen der Differentialrechnung in mehreren reellen Ver¨ anderlichen und der Funktionentheorie. Viele der erforderlichen Vorkenntnisse (mit Ausnahme des Standardstoffs des ersten Semesters) sind im Anhang zur Auffrischung zusammengestellt; insbesondere enth¨ alt Anhang A.3 eine recht ausf¨ uhrliche Einf¨ uhrung in die Maß- und Integrationstheorie, die alle im Text ben¨ otigten Tatsachen abdeckt. ¨ Eine Ubersicht u urlich das detaillierte Inhalts¨ber den Inhalt des Buches geben nat¨ verzeichnis und auch die Einleitung; letztere gibt auch Empfehlungen f¨ ur m¨ ogliche Schwerpunkte bei der Auswahl des Stoffes und enth¨ alt ein Diagramm u ¨ber die wesentlichen Abh¨ angigkeiten der Kapitel und Abschnitte voneinander. Erfahrungsgem¨ aß erlernen Studierende eine mathematische Theorie nur durch aktive Mitarbeit, nicht durch passives Konsumieren von Vorlesungen oder B¨ uchern. Den Leserinnen und Lesern sei daher sehr empfohlen, dieses Buch mit Papier und Bleistift ” durchzuarbeiten“. Insbesondere ist eine ernsthafte Besch¨ aftigung mit den zahlreichen ¨ Ubungsaufgaben wichtig, die sich am Ende der Kapitel befinden. Dar¨ uber hinaus star-
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Vorwort
tet jedes Kapitel mit einigen Fragen, die sich an der entsprechenden Stelle bereits formulieren, aber erst mit Hilfe sp¨ ater entwickelter Methoden ohne Weiteres l¨ osen lassen (oder auch gel¨ ost werden). Ein ernsthaftes Nachdenken u ber diese Fragen vor der ¨ Lekt¨ ure des Kapitels ist f¨ ur ein wirkliches Verst¨ andnis des Textes sehr hilfreich. Dies gilt nat¨ urlich auch f¨ ur Versuche, vor der Lekt¨ ure eines Beweises einen solchen selbst ¨ zu finden. L¨ osungen zu Fragen und Ubungsaufgaben sind auf der Webseite zum Buch unter www.springer.de zu finden. Herrn Prof. Dr. B. Gramsch danke ich f¨ ur die Anregung, dieses Buch zu schreiben. F¨ ur die kritische Durchsicht von Teilen fr¨ uherer Versionen des Textes danke ich meiner Frau M. Sc. Paz Kaballo, den Mathematikern Dr. P. Furlan, Priv.-Doz. Dr. F. Guias, Dipl.-Math. M. Jaraczewski und Dr. J. Sawollek sowie den Physik-Studenten A. Behring, M. Kaballo und M. Schlupp, Herrn Dr. P. Furlan insbesondere auch f¨ ur sein Programm TeXCad32. Nicht zuletzt gilt mein Dank Herrn Dr. A. R¨ udinger vom Spektrum-Verlag f¨ ur die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Dortmund, im Oktober 2010
Winfried Kaballo
Inhaltsverzeichnis I 1
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Banachr¨ aume und lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Banachr¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Normen und Metriken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Supremums-Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Lp -Normen und Quotientenr¨ 1.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompakte Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Der Satz von Arzel` a-Ascoli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Separable R¨ aume und ein Approximationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 H¨ older- und Sobolev-Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Operatornormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Isomorphien und Fortsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Lineare Operatoren auf endlichdimensionalen R¨ aumen . . . . . . . . . . . 3.4 Lineare Integral- und Differentialoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleine St¨ orungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Banachalgebren und Neumannsche Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Lineare Integralgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Grundlagen der Spektraltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Der Banachsche Fixpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Nichtlineare Integralgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Der Satz von Picard-Lindel¨ of . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 8 8 13 15 23 26 27 31 35 38 41 41 45 48 52 55 59 59 62 64 69 71 73 75
Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Der Satz von Fej´er . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Faltung und Dirac-Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Der Weierstraßsche Approximationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Schwache Ableitungen und Sobolev-R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Punktweise Konvergenz von Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilbertr¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Die Parsevalsche Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Sobolev-Hilbertr¨ aume und Fourier-Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81 82 85 89 91 93 99 101 105 108 113 120
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Inhaltsverzeichnis
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Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Lineare Operatoren und Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Orthogonale Projektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Adjungierte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Selbstadjungierte und unit¨ are Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123 123 125 130 135 139
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Prinzipien der Funktionalanalysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Der Satz von Baire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Das Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Der Satz von der offenen Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Anwendungen auf Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stetige lineare Funktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Der Fortsetzungssatz von Hahn-Banach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Duale Operatoren und Annihilatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Kanonische Einbettung und reflexive R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Beispiele von Dualr¨ aumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Stetige Projektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwache Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Variationsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Trennung konvexer Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Uniform konvexe R¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Schwach konvergente Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Schwach konvergente Teilfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143 144 144 148 150 155 158 161 161 166 167 171 175 179 182 182 186 190 194 198 202
Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren . . Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Kompakte lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Fredholmoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Stabilit¨ at des Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Spektren kompakter Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spektralzerlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Modelle kompakter Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Der Spektralsatz f¨ ur kompakte normale Operatoren . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Hilbert-Schmidt-Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Singul¨ are Zahlen und Schmidt-Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Schatten-Klassen und Integraloperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
207 207 208 214 219 223 225 229 229 232 237 241 246
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IV 11
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Inhaltsverzeichnis
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A A.1 A.2 A.3
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12.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbeschr¨ ankte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Abgeschlossene Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Adjungierte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Symmetrische und selbstadjungierte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Regul¨ are Sturm-Liouville-Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5 Evolutionsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6 Selbstadjungierte Operatoren und Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . 13.7 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
251 256 257 264 267 272 280 283 287
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lineare Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metrische R¨ aume und Kompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maße und Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3.1 Fortsetzung elementarer Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3.2 Konvergenzs¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3.3 Messbare Mengen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3.4 Die S¨ atze von Fubini und Tonelli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3.5 Der Rieszsche Darstellungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291 291 296 304 306 312 314 319 324
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
Einleitung
Das Thema des vorliegenden Buches sind die Grundlagen der Funktionalanalysis, die im Wesentlichen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden. Am Anfang dieser Periode stehen grundlegende Arbeiten von I. Fredholm (1900/03) und D. Hilbert (1904/06) u ¨ber lineare Integralgleichungen und unendliche lineare Gleichungssysteme, der Integralbegriff von H. Lebesgue (1902) und das Konzept einer Metrik von M. Fr´echet (1906), am Ende S. Banachs Buch Th´eorie des op´erations lin´eaires“ ” (1932) mit einem Res¨ umee der bis dahin entwickelten Konzepte und Resultate zu normierten R¨ aumen und beschr¨ ankten linearen Operatoren sowie Untersuchungen von J. von Neumann (1929/30) und M.H. Stone (1932) u ankte selbstadjungierte ¨ber unbeschr¨ Operatoren in enger Verbindung zur kurz zuvor entstandenen Quantenmechanik. Als Leitfaden f¨ ur die Lekt¨ ure dieses Buches formulieren wir ein Grundproblem der Funktionalanalysis und skizzieren verschiedene Ans¨ atze und Strategien zu seiner L¨ osung. Dabei stellen wir wichtige Begriffe und Ergebnisse der Funktionalanalysis vor und geben einige historischen Anmerkungen. Problem. Gegeben sei ein linearer Operator T : E → F zwischen Vektorr¨ aumen E, F u orper der reellen oder dem der komplexen Zahlen. Zu untersuchen ¨ber dem K¨ ist die Struktur des Operators T , insbesondere die Frage nach Existenz, Eindeutigkeit und Stabilit¨ at von L¨ osungen der Gleichung Tx = y
(y ∈ F gegeben, x ∈ E gesucht).
Wichtige konkrete Beispiele sind Differential- oder Integraloperatoren zwischen geeigneten Funktionenr¨ aumen. Allgemeiner ist das soeben formulierte Problem nat¨ urlich auch f¨ ur nicht notwendig lineare Operatoren T : D → F interessant, die auf geeigneten Definitionsbereichen D ⊆ E erkl¨ art sind. Auf die Nichtlineare Funktionalanalysis gehen wir in diesem Buch in den Abschnitten 4.4–4.6 kurz ein. Im Fall endlichdimensionaler R¨ aume E, F kann man Konzepte und Methoden der Linearen Algebra verwenden. In der Funktionalanalysis versucht man, ausgehend von konkreten Gleichungen der Analysis, diese auf den unendlichdimensionalen Fall zu erweitern. Dazu kombiniert man Konzepte und Methoden der Linearen Algebra mit solchen der Analysis und der Topologie: Normen. Diese Kombination erfolgt u ¨ber Stetigkeitseigenschaften der zu untersuchenden Operatoren. Um von Stetigkeit“ sprechen zu k¨ onnen, ben¨ otigt man eine ” Topologie oder mindestens einen Konvergenzbegriff. Beides wird durch eine Norm auf einem Vektorraum induziert; das grundlegende abstrakte Konzept eines normierten W. Kaballo, Grundkurs Funktionalanalysis, DOI 10.1007/978-3-8274-2721-2_1, © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
2
Einleitung
Raumes wurde 1920 von S. Banach und N. Wiener eingef¨ uhrt, ausgehend von Beispielen konkreter Funktionenr¨ aume. Wesentliche S¨ atze u ¨ber Operatoren auf normierten R¨ aumen ben¨ otigen deren Vollst¨ andigkeit; seit etwa 1928 werden vollst¨ andige normierte R¨ aume als Banachr¨ aume bezeichnet. Supremums-Normen beschreiben gleichm¨ aßige Konvergenz; unter ihr sind R¨ aume beschr¨ ankter und stetiger Funktionen vollst¨ andig. Lp -Integralnormen beschreiben Konaume beruht vergenz im p -ten Mittel. Die Vollst¨ andigkeit der entsprechenden Lp -R¨ wesentlich auf dem Lebesgueschen Integralbegriff; sie wurde 1907 von E. Fischer und F. Riesz im Fall p = 2 und 1909 von F. Riesz f¨ ur alle 1 ≤ p < ∞ gezeigt. Integralnormen f¨ ur Ableitungen auf R¨ aumen differenzierbarer Funktionen liefern nur dann vollst¨ andige R¨ aume, wenn man den klassischen Differenzierbarkeitsbegriff erweitert. Dazu f¨ uhrte S.L. Sobolev 1936 schwache Ableitungen ein, die wir in Abschnitt 5.5 mit den zugeh¨ origen Sobolev-R¨ aumen vorstellen, allerdings nur f¨ ur Funktionen einer Ver¨ anderlichen. Auf Sobolev-R¨ aume in mehreren Ver¨ anderlichen und die umfassendere Theorie der Distributionen von L. Schwartz (1950) k¨ onnen wir in diesem Grundkurs nicht eingehen. Skalarprodukte und Fourier-Entwicklungen. Besonders wichtige und einfache Banachr¨ aume sind solche, deren Norm durch ein Skalarprodukt induziert wird. Dies ist f¨ ur den Raum 2 der quadratsummierbaren Folgen der Fall, den D. Hilbert seinen Untersuchungen u ¨ber unendliche lineare Gleichungssysteme seit 1904 zugrunde legte. F¨ ur diesen Raum b¨ urgerte sich schnell der Name Hilbertraum ein, und dieser u ¨bertrug sich auch auf L2 -R¨ aume, die nach F. Riesz (1907) zu 2 isometrisch sind. Die abstrakte Definition eines (separablen) Hilbertraumes wurde erst 1930 von J. von Neumann gegeben; jeder solche Raum ist isometrisch zu 2 . Die nach J.B. Fourier benannten Reihen wurden von diesem bereits Anfang des 19. Jahrhunderts in Verbindung mit W¨ armeleitungsproblemen eingef¨ uhrt. Grundlegende Resultate zu Fourier-Reihen stellen wir in Kapitel 5 vor; in Abschnitt 6.2 untersuchen s periodischer Funktionen, wir mittels Fourier-Entwicklung Sobolev-Hilbertr¨ aume H2π auch f¨ ur nicht ganze Exponenten s ≥ 0 . In Hilbertr¨ aumen hat man Fourier-Entwicklungen nach beliebigen Orthonormalbasen, und damit k¨ onnen lineare Operatoren durch unendliche Matrizen repr¨ asentiert werden. Mit Hilfe des Skalarprodukts lassen sich adjungierte Operatoren erkl¨ aren, und Formeln wie etwa R(T )⊥ = N (T ∗ ) liefern Informationen u ¨ber die Gleichung T x = y . Wie in der Linearen Algebra ergeben sich die interessanten speziellen Klassen der selbstadjungierten, normalen oder unit¨ aren beschr¨ ankten Operatoren. Eine Einf¨ uhrung in diese Themen geben wir in den Kapiteln 6 und 7. Die Diagonalisierung selbstadjungierter Matrizen mittels unit¨ arer Transformationen wurde von D. Hilbert (1904/06) und J. von Neumann (1929/1930) auf selbstadjungierte Operatoren in Hilbertr¨ aumen erweitert; in
Einleitung
3
diesem Grundkurs k¨ onnen wir darauf nur in Verbindung mit Kompaktheitsbedingungen eingehen (Kapitel 12 und 13). Prinzipien der Funktionalanalysis. F¨ ur lineare Operatoren zwischen allgemeinen Banachr¨ aumen k¨ onnen wir an Stelle adjungierter Operatoren duale oder transponierte Operatoren betrachten. Dies beruht auf einem der drei Prinzipien der Funktionalanalysis, einem Fortsetzungssatz f¨ ur stetige Linearformen, der nach Vorarbeiten von E. Helly (1912) von H. Hahn (1927) und S. Banach (1929) bewiesen wurde. Dieser Satz von Hahn-Banach impliziert eine gewisse Reichhaltigkeit des Dualraums X aller stetigen Linearformen auf einem Banachraum X . Er ist der Ausgangspunkt f¨ ur die Dualit¨ atstheorie von Banachr¨ aumen, die in den Kapiteln 9 und 10 behandelt wird. Man hat eine kanonische Isometrie von X in den Bidualraum X , deren Surjektivit¨ at die wichtige Klasse der reflexiven Banachr¨ aume charakterisiert. Wichtig f¨ ur konkrete Anwendungen ist eine explizite Darstellung der Dualr¨ aume von Funktionenr¨ aumen; solche Darstellungss¨ atze wurden bereits 1909 von F. Riesz f¨ ur R¨ aume stetiger Funkaume bewiesen. tionen und f¨ ur Lp -R¨ Die beiden anderen Prinzipien der Funktionalanalysis sind das Thema von Kapitel 8. Sie beruhen wesentlich auf Vollst¨ andigkeit und k¨ onnen aus einem abstrakt scheinenden topologischen Satz von R. Baire (1899) gefolgert werden. Das Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit besagt, dass eine punktweise beschr¨ ankte Menge linearer Operatoren auf einem Banachraum bereits in der Norm beschr¨ ankt ist; der Limes einer punktweise konvergenten Folge stetiger linearer Operatoren ist wieder stetig. In dieser Form stammt das Resultat nach Vorarbeiten fr¨ uherer Autoren von S. Banach und H. Steinhaus (1927). Das dritte Prinzip ist der Satz von der offenen Abbildung. Dieser stammt von S. Banach (1929) und J. Schauder (1930) und besagt, dass eine surjektive stetige lineare Abbildung zwischen Banachr¨ aumen eine offene Abbildung ist; im bijektiven Fall ist also der inverse Operator automatisch stetig. Beide Prinzipien haben eine Reihe wichtiger Anwendungen in der Analysis; in Abschnitt 8.4 stellen wir solche auf Fourier-Reihen vor. Kompaktheit. Der Begriff der Kompaktheit bildet eine wichtige Br¨ ucke“ zwischen ” endlichdimensionalen und allgemeinen unendlichdimensionalen Situationen. In Abschnitt 2 stellen wir diesen Begriff vor und charakterisieren die kompakten Teilmengen von R¨ aumen stetiger Funktionen. Der entsprechende Satz von Arzel` a-Ascoli (1883) ist f¨ ur die Operatortheorie fundamental. Die L¨ osung von Variationsproblemen beruht oft auf Kompaktheitsargumenten. In einem unendlichdimensionalen Banachraum besitzt eine beschr¨ ankte Folge i. a. keine konvergente Teilfolge, in einem reflexiven Raum aber doch eine schwach konvergente Teilfolge. Schwach konvergente Folgen wurden von D. Hilbert 1906 eingef¨ uhrt und zur exakten Begr¨ undung des Dirichletschen Prinzips der Potentialtheorie verwendet. In ¨ Kapitel 10 stellen wir diese Uberlegungen f¨ ur den einfacheren Fall von Randwertpro-
4
Einleitung
blemen bei gew¨ ohnlichen Differentialgleichungen vor. Nach I. Schur (1921) ist in dem (nicht reflexiven) Raum 1 der summierbaren Folgen jede schwach konvergente Folge bereits Norm-konvergent. Wir benutzen diese Tatsache in Abschnitt 10.4 zur Konstruktion nicht komplementierter abgeschlossener Unterr¨ aume von 1 . Schwache Topologien auf Banachr¨ aumen verwenden wir in diesem Grundkurs nicht. Dazu passt, dass diese und insbesondere schwache Kompaktheit erst seit den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts studiert wurden, obwohl das Konzept eines topologischen Raumes bereits 1914 von F. Hausdorff eingef¨ uhrt worden war. St¨ orungstheorie. Eine wichtige Methode zur Untersuchung linearer (und nichtlinearer) Gleichungen ist die St¨ orungstheorie. Die zu untersuchenden Operatoren besitzen oft eine Zerlegung T = E −S . Hierbei ist E ein einfach“ zu behandelnder linearer ” Operator, z. B. die Identit¨ at oder ein invertierbarer Operator, und S eine kleine“ oder ” kompakte St¨ orung“. ” Die Invertierbarkeit eines linearen Operators bleibt bei St¨ orungen mit gen¨ ugend kleiner Norm erhalten; dieses einfache und wichtige Resultat behandeln wir bereits in Abschnitt 4. Es beruht auf einer Operator-Version“ der geometrischen Reihe, die auf C. ” Neumann (1877) zur¨ uckgeht. Damit l¨ asst sich nach F. Riesz (1918) der wichtige Begriff ankten linearen Operators T einf¨ uhren, womit des Spektrums σ(T ) ⊆ C eines beschr¨ der Eigenwert-Begriff der Linearen Algebra erweitert wird. Auf dem Komplement des Spektrums ist die Resolvente RT : λ → (λI − T )−1 holomorph. Funktionentheoretische Methoden spielen eine große Rolle in der Spektraltheorie, worauf wir aber bis auf wenige Ausnahmen in diesem Grundkurs nicht eingehen k¨ onnen. Kompakte Operatoren zwischen Banachr¨ aumen untersuchen wir ab Kapitel 11; sie bilden beschr¨ ankte Mengen in relativ kompakte Mengen ab. Ein invertierbarer Operator E bleibt unter einer kompakten St¨ orung S i. a. nicht invertierbar, ist aber noch ein Fredholmoperator, d. h. die Dimension seines Kerns und die Kodimension seines Bildes sind endlich. Die Fredholm-Eigenschaft und der Index ind T = dim N (T ) − codim R(T ) sind unter kleinen und kompakten St¨ orungen stabil. Insbesondere ist f¨ ur obigen Operator ind(E − S) = 0 , d. h. die Gleichung (E − S)x = y ist genau dann f¨ ur alle y l¨ osbar, wenn die homogene Gleichung (E − S)x = 0 nur die L¨ osung x = 0 besitzt. Diese Alternative wurde von I. Fredholm bereits 1900/03 f¨ ur lineare Integralgleichungen bewiesen; der Begriff des Index wurde von F. Noether 1921 im Zusammenhang mit singul¨ aren Integralgleichungen eingef¨ uhrt. Die Spektraltheorie kompakter Operatoren stammt von F. Riesz (1918) mit Erg¨ anzungen von J. Schauder (1930): Das Spektrum eines kompakten Operators ist eine h¨ ochstens abz¨ ahlbare Teilmenge von C , die sich nur in 0 h¨ aufen kann.
Einleitung
5
Selbstadjungierte Operatoren. Besonders starke Resultate ergeben sich aus einer Kombination von Kompaktheitsbedingungen mit solchen an den adjungierten Operator. F¨ ur selbstadjungierte, allgemeiner normale, kompakte Operatoren auf einem Hilbertraum gilt eine Spektralzerlegung Sx =
∞
λj x|ej ej ,
x∈H,
j=0
mit der Nullfolge der Eigenwerte (λj (S)) und den orthonormalen Eigenvektoren {ej } , die auf D. Hilbert (1904) zur¨ uckgeht. Dieser Spektralsatz ist ein Hauptergebnis des Buches und besitzt zahlreiche Anwendungen in der Analysis. F¨ ur beliebige kompakte Operatoren S zwischen Hilbertr¨ aumen wird die Gr¨ oße“ von ” aren Zahlen gemessen; dieses KonS durch die Folge (sj (S) := λj (S ∗ S)) der singul¨ zept geht auf E. Schmidt (1907) zur¨ uck. Integraloperatoren mit quadratintegrierbaren Kernen sind Hilbert-Schmidt-Operatoren, d. h. man hat (sj (S)) ∈ 2 . Durch die Beur 0 < p < ∞ erh¨ alt man Operatorideale Sp , die 1946/48 dingung (sj (S)) ∈ p “ f¨ ” von R. Schatten und J. von Neumann untersucht wurden. In Abschnitt 12.5 schließen wir aus Glattheitsbedingungen an den Kern auf die Zugeh¨ origkeit eines Integraloperators zum Ideal Sp ; dies verallgemeinert Absch¨ atzungen in Abschnitt 6.2 f¨ ur FourierKoeffizienten von periodischen Funktionen mit solchen Glattheitsbedingungen. Im letzten Kapitel des Buches stellen wir unbeschr¨ ankte selbstadjungierte Operatoren in Hilbertr¨ aumen vor. Dieses Konzept wurde von J. von Neumann um 1929 entwickelt; es ist grundlegend f¨ ur eine mathematische Formulierung der Quantenmechanik und f¨ ur eine Spektraltheorie linearer Differentialoperatoren. Eine Erweiterung des Operatorbegriffs ist notwendig, da man weder die Heisenbergsche Vertauschungsrelation P Q − QP = i I noch lineare Differentialoperatoren im Rahmen beschr¨ ankter linearer Operatoren auf einem Hilbertraum (oder einem Banachraum) realisieren kann. Auch f¨ ur diese allgemeinen selbstadjungierten Operatoren gilt ein Spektralsatz, den wir hier nur f¨ ur den Spezialfall beweisen k¨ onnen, dass der Operator kompakte Resolventen bzw. einen kompakt in den Hilbertraum eingebetteten Definitionsbereich besitzt. Wir wenden diese Version des Spektralsatzes auf regul¨ are Sturm-LiouvilleRandwertprobleme f¨ ur gew¨ ohnliche Differentialgleichungen 2. Ordnung an und beweisen mit Hilfe eines auf R. Courant, E. Fischer und H. Weyl (1912) zur¨ uckgehenden ur die Eigenwerte. Anschließend verwenden MiniMax-Prinzips die Asymptotik λj ∼ j 2 f¨ wir den Spektralsatz zur L¨ osung von Evolutionsgleichungen, speziell von Diffusionsgleichungen. Im letzten Abschnitt des Buches skizzieren wir die Rolle der selbstadjungierten Operatoren in der Quantenmechanik und die L¨ osung von Schr¨ odinger-Gleichungen. Ausf¨ uhrlichere historische Bemerkungen enthalten z. B. die Lehrb¨ ucher [Schr¨ oder 1997], [Werner 2007] oder [Rudin 1973]. Eine ausf¨ uhrliche Schilderung der Entstehung
6
Einleitung
der Funktionalanalysis findet man im Anhang von [Heuser 2006], einen umfassenden ¨ Uberblick u ¨ber die Geschichte (und einen großen Teil) der Funktionalanalysis bis in die neueste Zeit in [Pietsch 2007]. Dieses Buch enth¨ alt viel Stoff f¨ ur eine einsemestrige Vorlesung. Die Kapitel 1-3 und Abschnitte 5.1-5.3 haben vorbereitenden Charakter und k¨ onnen, bei entsprechenden Vorkenntnissen der Studierenden, relativ z¨ ugig behandelt werden. Zum Kern einer einf¨ uhrenden Vorlesung u oren sicher die Kapitel und Ab¨ber Funktionalanalysis geh¨ schnitte 4.1-4.3, 6.1, 7, 8.1-8.3, 9.1-9.4, 11.1 und 12.1-12.2. Dar¨ uber hinaus kann man a) das Studium von Banachr¨ aumen und/oder beschr¨ ankten linearen Operatoren vertiefen (Abschnitt 9.5 und die Kapitel 10 und/oder 11), b) die Operatortheorie in Hilbertr¨ aumen weiterentwickeln, etwa im Hinblick auf die Quantenmechanik (Abschnitte 5.4 und 12.3-12.4 sowie Kapitel 13) oder c) weitere konkrete Anwendungen auf Fourier-Reihen und lineare Integralgleichungen behandeln (Abschnitte 5.4-5.5, 6.2, 8.4 und 12.3-12.5). Die wesentlichen Abh¨ angigkeiten der Kapitel und Abschnitte voneinander werden in dem folgenden Diagramm angegeben:
5.1
1-3 4.1 - 4.3
5.2 - 5.3 4.4 - 4.6 5.4
5.5
8.1 - 8.3 6.2 9.1-9.4 9.5
6.1
8.4 7.4
10
7.1 - 7.3
11.1 12.1 - 12.2 11.2 - 11.4 13.1 13.4 - 13.6
12.5
12.3-12.4 13.2 - 13.3
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
¨ Ubersicht 1
Banachr¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2
Kompakte Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
3
Lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
4
Kleine St¨ orungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
In diesem ersten Teil des Buches werden grundlegende Konzepte der Funktionalanalysis eingef¨ uhrt. Wir untersuchen Banachr¨ aume beschr¨ ankter, stetiger, integrierbarer und differenzierbarer Funktionen sowie Gleichungen, z. B. Integralgleichungen oder Differentialgleichungen, die durch Operatoren zwischen solchen R¨ aumen gegeben sind. Banachr¨ aume sind Vektorr¨ aume mit einem Abstandsbegriff, der durch eine Norm gegeben wird und in dem das Cauchysche Konvergenzkriterium gilt. Endlichdimensionale R¨ aume sind Banachr¨ aume, und auf ihnen sind alle Normen ¨ aquivalent. Funktionenr¨ aume sind i. a. unendlichdimensional, und zu ihrem Studium kombinieren wir Methoden der Linearen Algebra mit solchen der Analysis. Als Br¨ ucke zum Endlichdi” mensionalen“ spielt dabei der Begriff der Kompaktheit eine wichtige Rolle. In Kapitel 2 untersuchen wir kompakte Mengen in Banachr¨ aumen und beweisen insbesondere den Satz von Arzel` a-Ascoli. Wir zeigen einen Approximationssatz f¨ ur stetige Funktionen und die Separabilit¨ at von C(K) - und Lp -R¨ aumen. In Kapitel 3 stellen wir stetige lineare Operatoren vor und berechnen Operatornormen von Matrizen, Linearformen auf C(K) und linearen Integraloperatoren. Kapitel 4 gibt eine Einf¨ uhrung in die St¨ orungstheorie: Die Invertierbarkeit eines Operators bleibt unter kleinen St¨ orungen erhalten. F¨ ur lineare Operatoren beruht diese Aussage auf der geometrischen oder Neumannschen Reihe, f¨ ur nichtlineare Operatoren auf dem Banachschen Fixpunktsatz. Wir wenden diese Resultate auf Fredholm-, Volterra- und Hammerstein-Integralgleichungen an und beweisen den Existenz- und Eindeutigkeitssatz von Picard-Lindel¨ of f¨ ur gew¨ ohnliche Differentialgleichungen. Als Einf¨ uhrung in die W. Kaballo, Grundkurs Funktionalanalysis, DOI 10.1007/978-3-8274-2721-2_2, © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
8
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Spektraltheorie leiten wir grundlegende Eigenschaften von Spektrum und Resolvente im Rahmen von Banachalgebren her.
1
Banachr¨ aume
Fragen: 1. Wie l¨ asst sich die Gr¨ oße“ einer Funktion bzw. der Abstand“ zweier Funk” ” tionen messen? 2. Welche Konvergenzbegriffe f¨ ur Funktionenfolgen sind Ihnen bekannt? Lassen diese sich u ¨ber einen Abstandsbegriff definieren? 3. In welchen F¨ allen wird die Konvergenz einer Funktionenfolge durch Integration bzw. Differentiation respektiert? In diesem Kapitel werden Banachr¨ aume, d. h. vollst¨ andige normierte R¨ aume, vorgestellt; stetige lineare Operatoren zwischen Banachr¨ aumen folgen ab Kapitel 3. Die Untersuchung dieser f¨ ur die Funktionalanalysis grundlegenden Konzepte erfolgt durch ein Zusammenspiel algebraischer und analytischer Methoden. Ihr Verst¨ andnis erfordert daher eine gewisse Vertrautheit mit elementaren Tatsachen u aume ¨ber Vektorr¨ und u aume, wie sie in den Grundvorlesungen vermittelt werden. An ¨ber metrische R¨ einige dieser elementaren Begriffe und Resultate wird im Text erinnert, weitere sind in den Anh¨ angen A.1 und A.2 knapp zusammengestellt. Ausf¨ uhrlichere Darstellungen findet man nat¨ urlich in Lehrb¨ uchern u ¨ber Lineare Algebra und Analysis. Die Untersuchung von Operatoren zwischen Banachr¨ aumen wird durch das Studium von Differential- und Integralgleichungen motiviert. Diese sind in R¨ aumen stetiger, differenzierbarer oder integrierbarer Funktionen formuliert, die unter SupremumsNormen oder Integralnormen vollst¨ andig sind. F¨ ur den Umgang mit Integralnormen und R¨ aumen integrierbarer Funktionen ist eine gewisse Vertrautheit mit LebesgueIntegralen, wie sie in Analysis-Vorlesungen vermittelt wird, von Vorteil. Einige Tatsachen der Maß- und Integrationstheorie sind in Abschnitt 1.3 zusammengestellt; insbeaume ein, wodurch auch die Folgenr¨ aume p erfasst sondere f¨ uhren wir dort die Lp -R¨ werden. In Anhang A.3 werden dann ein Zugang zur Maß- und Integrationstheorie und die in diesem Buch ben¨ otigten Resultate ausf¨ uhrlich erkl¨ art.
1.1
Normen und Metriken
Wir beginnen mit der Vorstellung grundlegender Begriffe der Funktionalanalysis. Das abstrakte Konzept eines normierten Raumes wurde 1920 von S. Banach und N. Wiener eingef¨ uhrt. Vektorr¨ aume waren bereits 1888 von G. Peano definiert, aber erst 1918 von H. Weyl wiederentdeckt“ worden. ”
1 Banachr¨ aume
9
Normierte R¨ aume. Es sei X ein Vektorraum u ¨ber K = R oder K = C . Eine Abbildung : X → [0, ∞) heißt Norm auf X , falls stets gilt: x = 0 ⇔ x = 0, αx = | α | x
(1)
f¨ ur α ∈ K und x ∈ X ,
x + y ≤ x + y
(Dreiecks-Ungleichung).
(2) (3)
Das Paar (X, ) heißt normierter Raum. Statt (X, ) schreibt man kurz X , wenn klar ist, welche Norm gemeint ist. Zur Verdeutlichung schreibt man manchmal auch X f¨ ur die Norm des Raumes X . Metrische R¨ aume.
a) Auf einem normierten Raum (X, ) wird durch d(x, y) := x − y
f¨ ur x , y ∈ X
eine Metrik definiert. b) Eine Metrik auf irgendeiner Menge M ist eine Funktion d : M × M → [0, ∞) mit den Eigenschaften d(x, y) = 0 ⇔ x = y , (4) d(x, y) = d(y, x)
(Symmetrie)
d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y)
und
(Dreiecks-Ungleichung).
(5) (6)
Das Paar (M, d) heißt dann metrischer Raum. Statt (M, d) schreibt man kurz M , wenn klar ist, welche Metrik gemeint ist. Metrische R¨ aume und topologische Grundbegriffe in diesen wurden von M. Fr´echet 1906 eingef¨ uhrt. c) Die Eigenschaften (4)-(6) folgen leicht aus (1)-(3). Zum Nachweis von (5) gen¨ ugt an Stelle von (2) auch die schw¨ achere Bedingung − x = x f¨ ur alle x ∈ X “. ” d) Jede Teilmenge eines metrischen Raumes ist ebenfalls ein metrischer Raum; dagegen sind nur Unterr¨ aume normierter R¨ aume ebenfalls normierte R¨ aume. e) Eine Folge (xn ) in einem metrischen Raum M konvergiert gegen x ∈ M , falls d(xn , x) → 0 gilt; man schreibt dann x = lim xn oder xn → x . n→∞
f) Auf einem metrischen Raum ist die Metrik stetig (vgl. S. 296), auf einem normierten Raum sind auch Norm, Addition und Skalarmultiplikation stetig (vgl. Aufgabe 1.1). Vollst¨ andige R¨ aume. Cauchy-Folge, falls gilt:
a) Eine Folge (xn ) in einem metrischen Raum M heißt
∀ ε > 0 ∃ n0 ∈ N ∀ n, m ≥ n0 : d(xn , xm ) < ε .
(7)
b) Der Raum M heißt vollst¨ andig, wenn jede Cauchy-Folge in X konvergiert. Ein vollst¨ andiger Raum ist in jedem Oberraum abgeschlossen (vgl. S. 298). Die K¨ orper R und C der reellen und komplexen Zahlen sind vollst¨ andig. c) Ein vollst¨ andiger normierter Raum heißt Banachraum.
10
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
a) Es seien M ein metrischer Raum, a ∈ M und
Kugeln und konvexe Mengen. r > 0 . Mit Ur (a) Br (a)
:=
UrM (a) := {x ∈ M | d(x, a) < r}
:=
BrM (a)
und
:= {x ∈ M | d(x, a) ≤ r}
werden die offene und die abgeschlossene Kugel um a ∈ M mit Radius r > 0 bezeichnet. Die offene bzw. abgeschlossene Einheitskugel eines normierten Raumes X bezeichnen wir kurz mit U := UX := U1 (0) und B := BX := B1 (0) . b) Eine Teilmenge C eines Vektorraums E heißt konvex, wenn f¨ ur alle x, y ∈ C auch die Verbindungsstrecke co {x, y} := {(1 − t)x + ty | 0 ≤ t ≤ 1} in C enthalten ist. Allgemeiner wird f¨ ur irgendeine Menge A ⊆ E die Menge co (A) := {
n
sk xk | n ∈ N , xk ∈ A , sk ∈ [0,1] ,
k=1
n
sk = 1}
(8)
k=1
aller Konvexkombinationen von Elementen aus A als konvexe H¨ ulle von A bezeichnet. Es ist co(A) der Durchschnitt aller konvexen Obermengen von A (vgl. Aufg. 1.4).
co A x a A
y
Abb. 1.1: Eine Menge A mit konvexer H¨ ulle co A
und eine konvexe Kugel Ur (a)
c) Kugeln in normierten R¨ aumen sind konvex. F¨ ur x, y ∈ Ur (a) und 0 ≤ t ≤ 1 ist in der Tat auch (1 − t)x + ty − a
=
(1 − t)(x − a) + t(y − a)
≤
(1 − t) x − a + t y − a < r ,
ur abgeschlossene Kugeln argumentiert man genauso. und man hat [x, y] ⊆ Ur (a) . F¨
1 Banachr¨ aume
11
¨ Aquivalente Normen. Zwei Normen 1 und 2 auf einem Vektorraum X heißen ¨ aquivalent, falls die folgenden Absch¨ atzungen gelten: ∃ c , C > 0 ∀ x ∈ X : c x 1 ≤ x 2 ≤ C x 1 .
(9)
¨ Aquivalente Normen liefern den gleichen Konvergenzbegriff auf X , d. h. eine Folge (xn ) in X konvergiert gegen x ∈ X bez¨ uglich 1 genau dann, wenn dies bez¨ uglich 2 der Fall ist. Unsere ersten Beispiele normierter R¨ aume sind endlichdimensional: Normen auf Kn . a) Der Satz des Pythagoras suggeriert, insbesondere auf R2 und R3 , die Verwendung der Euklidischen Norm oder 2 -Norm (vgl. Abb. 1.2) | x | := x 2 := (
n
x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Kn .
| xj |2 )1/2 ,
j=1
x x2
x1
0 Abb. 1.2: Satz des Pythagoras: |x|2 = x21 + x22
Diese wird von dem Skalarprodukt x|y :=
n
x = (x1 , . . . , xn ) , y = (y1 , . . . , yn ) ∈ Kn
xj y j ,
j=1
mittels | x |2 = x|x induziert, und die Dreiecks-Ungleichung (3) folgt aus der Schwarzschen Ungleichung (vgl. Satz 6.1). b) Die Euklidische Norm beschreibt die koordinatenweise Konvergenz: F¨ ur eine Folge () () n n (x ) = ((xj )) in K und x = (xj ) ∈ K gilt ()
| x() − x | → 0 ⇔ xj
→ xj
f¨ ur j = 1, . . . , n .
Entsprechendes gilt f¨ ur Cauchy-Folgen; mit K ist daher auch Kn unter der Euklidischen Norm vollst¨ andig. c) In manchen Situationen ist es g¨ unstig, andere Normen auf Kn zu verwenden, z. B. bei der Berechnung von Matrizennormen auf S. 50. F¨ ur 1 ≤ p < ∞ wird auf Kn die p -Norm durch x p := (
n
j=1
| xj |p )1/p ,
x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Kn ,
(10)
12
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
erkl¨ art; die Euklidische Norm ist der Spezialfall p = 2 . Die Dreiecks-Ungleichung (3) ist f¨ ur p = 1 klar und f¨ ur p ≥ 1 die Aussage der Minkowskischen Ungleichung; diese wiederum ergibt sich aus der H¨ olderschen Ungleichung |
n
xj yj | ≤ (
j=1
n
| xj |p )1/p (
j=1
n
| yj |q )1/q ,
j=1
1 p
+
1 q
= 1.
(11)
Die beiden Ungleichungen werden in den S¨ atzen 1.3 und 1.4 allgemeiner f¨ ur Integrale gezeigt. d) Neben der 2 -Norm werden vor allem die 1 -Norm und die durch n
x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Kn ,
x ∞ := max | xj | , j=1
(12)
erkl¨ arte ∞ -Norm oder Maximum-Norm auf Kn verwendet. Die Notation wird durch x ∞ = lim x p p→∞
f¨ ur x ∈ Kn
n motiviert. F¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ schreibt man kurz n ur (Kn , p ) . p oder p (K) f¨
e) Es zeigt Abb. 1.3 die Einheitkugeln von 21 (R) , 22 (R) und 2∞ (R) . Kugeln“ sind ” also nicht immer rund“. ” B∞
B2 B1
Abb. 1.3: Einheitskugeln Bp von 2p (R) f¨ ur p = 1,2, ∞
Satz 1.1 aquivalent. Alle Normen auf Kn sind ¨ Beweis. a) Es sei eine Norm auf Kn . Die Einheitsvektoren ek := (δkj )j , 1 , k=j bequem k = 1, . . . , n , lassen sich mit dem Kronecker-Symbol δkj := 0 , k = j n notieren. F¨ ur x = xk ek ∈ Kn gilt die Absch¨ atzung k=1
x =
n k=1
xk ek ≤
n k=1
| xk | ek ≤ C x 1
1 Banachr¨ aume
13
n
mit C = max ek . Insbesondere ist : n 1 → R stetig. k=1
b) Nun ist die Einheitssph¨ are S = {x ∈ Kn | x 1 = 1} kompakt in n 1 (vgl. Kapitel 2). Die auf S stetige positive Funktion nimmt dort ihr Minimum an (vgl. Satz A.2.8); es gibt also ein α > 0 mit y ≥ α f¨ ur alle y ∈ S . Ist nun 0 = x ∈ Kn , so gilt xx1 ∈ S , also xx1 ≥ α und damit x ≥ α x 1 . ♦ Somit beschreiben alle Normen auf Kn die koordinatenweise Konvergenz, und Kn ist unter jeder Norm vollst¨ andig.
1.2
Supremums-Normen
Nun stellen wir Banachr¨ aume beschr¨ ankter Funktionen und beschr¨ ankter Folgen vor: R¨ aume beschr¨ ankter Funktionen. a) Eine Teilmenge A ⊆ Y eines normierten Raums Y heißt beschr¨ ankt, wenn es r > 0 mit A ⊆ Br (0) gibt; eine Funktion f : M → Y heißt beschr¨ ankt, wenn ihr Bild f (M ) in Y beschr¨ ankt ist. Beachten Sie bitte, dass dieser Beschr¨ anktheitsbegriff nur in normierten, nicht aber in metrischen R¨ aumen verwendet wird (vgl. dazu Aufgabe 1.8). ankten b) Auf dem Vektorraum B(M, Y ) = ∞ (M, Y ) aller auf einer Menge M beschr¨ Funktionen mit Werten in Y wird die Supremums-Norm oder sup-Norm erkl¨ art durch f sup := f ∞ := f M := sup f (t) Y ,
f ∈ B(M, Y ) .
t∈M
F¨ ur Y = K erh¨ alt man den Raum B(M ) = ∞ (M ) aller beschr¨ ankten skalaren Funktionen auf M . c) Die sup-Norm beschreibt die gleichm¨ aßige Konvergenz von Funktionenfolgen; f¨ ur eine Folge (fn ) in B(M, Y ) , eine Funktion f ∈ B(M, Y ) und ε > 0 gilt in der Tat f − fn sup ≤ ε ⇔ ∀ t ∈ M : f (t) − fn (t) Y ≤ ε .
(13)
d) F¨ ur eine endliche Menge M = {1, . . . , n} kann B(M, K) mit (Kn , ∞ ) = n ∞ (K) identifiziert werden. e) F¨ ur eine abz¨ ahlbare Menge M ist ∞ (M, Y ) ein Folgenraum; speziell hat man die aume von ∞ sind der Notation ∞ = ∞ (N0 , K) . Interessante abgeschlossene Unterr¨ Raum aller Nullfolgen c0 := {x = (xj )∞ j=0 | lim xj = 0} j→∞
und der Raum aller konvergenten Folgen c := {x = (xj )∞ j=0 | lim xj existiert} . j→∞
14
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
1
1 Abb. 1.4: Die Funktionen t, t2 , t4 , t8
R¨ aume stetiger Funktionen. Es sei K ein kompakter metrischer Raum (vgl. Kapitel 2 und Anhang 2), z. B. ein kompaktes Intervall K = [a, b] in R . F¨ ur eine stetige Funktion f ∈ C(K, Y ) ist die stetige reellwertige Funktion t → f (t) auf K beschr¨ ankt (und nimmt ihr Maximum an). Somit ist der Raum C(K, Y ) aller stetigen Funktionen von K nach Y ein Unterraum von ∞ (K, Y ) . Dieser ist abgeschlossen, da sich bei gleichm¨ aßiger Konvergenz die Stetigkeit auf die Grenzfunktion vererbt (vgl. Satz A.2.1). Bei nur punktweiser Konvergenz ist dies i. a. nicht der Fall, wie etwa das Beispiel der Funktionenfolge (fn (t) := tn ) in C([0,1], R) zeigt (vgl. Abb. 1.4). Eine Kugel Kε (f ) vom Radius ε > 0 in C([0,1], R) kann als ε -Schlauch veranschaulicht werden: f +ε f f −ε
0
1 Abb. 1.5: Ein ε -Schlauch
Satz 1.2 Es seien M eine Menge und Y vollst¨ andig, also ein Banachraum.
ein Banachraum. Dann ist auch ∞ (M, Y )
ur festes t ∈ M gilt Beweis. Es sei (fn ) eine Cauchy-Folge in ∞ (M, Y ) . F¨ fn (t) − fm (t) Y ≤ fn − fm sup ,
1 Banachr¨ aume
15
und daher ist (fn (t)) eine Cauchy-Folge in Y . Wegen der Vollst¨ andigkeit von Y ist diese konvergent, und wir definieren f : M → Y durch f (t) := lim fn (t) , t ∈ M . n→∞
Da (fn ) eine Cauchy-Folge bez¨ uglich der sup -Norm ist, gilt gem¨ aß (7) und (13) ∀ ε > 0 ∃ n0 ∈ N ∀ n, m ≥ n0 ∀t ∈ M : fn (t) − fm (t) Y ≤ ε . F¨ ur festes t ∈ M und n ∈ N liefert dann m → ∞ auch fn (t) − f (t) Y ≤ ε , und daraus folgt fn − f sup ≤ ε f¨ ur n ≥ n0 . Insbesondere gilt f − fn ∈ ∞ (M, Y ) und ♦ dann auch f = (f − fn ) + fn ∈ ∞ (M, Y ) . Folgerungen. a) Zun¨ achst ergibt sich noch einmal die Vollst¨ andigkeit von n ∞ (K) = n n (K , ∞ ) , nach Satz 1.1 also auch die des Raumes K unter jeder Norm. b) Der Raum ∞ aller beschr¨ ankten Folgen ist vollst¨ andig; dies gilt dann auch f¨ ur die abgeschlossenen Unterr¨ aume c0 und c aller Nullfolgen und konvergenten Folgen. c) F¨ ur einen kompakten Raum K und einen Banachraum Y ist C(K, Y ) als abgeschlossener Unterraum von ∞ (K, Y ) ebenfalls ein Banachraum.
1.3
Lp -Normen und Quotientenr¨ aume
Im Gegensatz zur letzten Folgerung sind R¨ aume stetiger Funktionen unter Integralnormen nicht vollst¨ andig; durch Vervollst¨ andigung erh¨ alt man dann R¨ aume integrierbarer Funktionen. Vervollst¨ andigungen. a) Eine Abbildung f : M → N zwischen metrischen R¨ aumen heißt Isometrie, falls stets d(f (x), f (y)) = d(x, y) gilt, falls sie also Distanzen nicht ¨ andert.
eingeb) Ein metrischer Raum M kann in einen vollst¨ andigen metrischen Raum M bettet werden, d. h. es gibt eine Isometrie ι : M → M , sodass ι(M ) in M dicht ist. ist bis auf Isometrie eindeutig und heißt die Vervollst¨andigung von M . Der Raum M etwa als Menge von Aquivalenzklassen ¨ der Cauchy-Folgen in M konc) Man kann M struieren, analog zu G. Cantors Konstruktion der reellen Zahlen aus den rationalen Zahlen (vgl. etwa [Kaballo 2000], 15.4); dies liefert eine abstrakte Vervollst¨ andigung“ ” von M . Eine konkretere Vervollst¨ andigung“ kann man erhalten, indem man M in ” einen konkreten“ vollst¨ andigen Raum einbettet und dort abschließt. ” ein Banachraum. Man kann diesen als Abschluss d) F¨ ur normierte R¨ aume X ist X einer isometrischen Kopie von X in dessen vollst¨ andigem Bidualraum konstruieren, vgl. Abschnitt 9.3.
16
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
e) Die L1 -Norm oder Integralnorm auf C[a, b] ist gegeben durch b f L1 : = a | f (t) | dt , f ∈ C[a, b] ; sie beschreibt die Konvergenz im Mittel. Unter dieser Norm ist der Raum C[a, b] nicht vollst¨ andig; die Vervollst¨ andigung wird mit L1 [a, b] bezeichnet. Diese kann mit dem ¨ Raum der (Aquivalenzklassen von) Lebesgue-integrierbaren Funktionen auf [a, b] (vgl. S. 19) identifiziert werden. Wir stellen nun einige Grundtatsachen der Maß- und Integrationstheorie vor, die wir aume ein. in diesem Buch ben¨ otigen; insbesondere f¨ uhren wir die Lp -R¨ Maße, Integrale und Lp -R¨ aume. a) Wir betrachten ein positives Maß μ auf einer σ -Algebra Σ in einer Menge Ω ; die Elemente von Σ heißen messbare Mengen. Diese Begriffe werden in Anhang A.3 ausf¨ uhrlich erkl¨ art. Wir k¨ onnen ohne Einschr¨ ankung der Allgemeinheit stets annehmen, dass der Maßraum (Ω, Σ, μ) vollst¨ andig ist; dies bedeutet, dass jede Teilmenge einer Nullmenge in Σ liegt und somit ebenfalls eine Nullmenge ist. b) Ein wichtiges Beispiel ist das Lebesgue-Maß λ = λn auf der σ -Algebra M(Rn ) der Lebesgue-messbaren Mengen in Rn . Dieses kann auf jede Lebesgue-messbare Menge ankt werden, insbesondere also auf offene oder auf abgeschlossene Ω ⊆ Rn eingeschr¨ Mengen. c) F¨ ur 1 ≤ p < ∞ werden die zugeh¨ origen Lp -R¨ aume definiert durch Lp (Ω, Σ, μ)
:=
{f : Ω → K | f ist Σ − messbar und 1/p | f (t) |p dμ < ∞} . f Lp := Ω
Insbesondere ist L1 (Ω, Σ, μ) der Raum der μ -integrierbaren Funktionen auf Ω . Messbarkeit f¨ ur Funktionen ist ein schwacher Regularit¨ atsbegriff, der bei punktweiser Konvergenz (fast u ¨berall) erhalten bleibt. Stetige Funktionen auf Rn sind stets Lebesguemessbar. F¨ ur r > 0 liegt die Funktion t → t−r genau dann in Lp (0,1) , wenn rp < 1 gilt. d) Wir schreiben meist k¨ urzer Lp (Ω, μ) , Lp (Ω) oder Lp (μ) , wenn klar ist, welche σ -Algebra, welches Maß bzw. welcher Grundraum gemeint ist. An Stelle von dμ schreibt man auch dμ(t) , wenn die Integrationsvariable betont werden soll, im Falle des Lebesgue-Maßes auch einfach dλn (t) = dn t oder dλ(t) = dt . e) F¨ ur eine beliebige Teilmenge A von Ω := N definieren wir μ(A) als Anzahl der Elemente von A . Dieses Z¨ ahlmaß μ liefert die Folgenr¨ aume p := {x = (xj )∞ j=0 | x p :=
∞
| xj | p
1/p
< ∞} .
j=0
F¨ ur r > 0 liegt die Folge ((j + 1)−r ) genau dann in p , wenn rp > 1 gilt.
1 Banachr¨ aume
17
f) F¨ ur Ω := {1, . . . , n} und das Z¨ ahlmaß μ ergibt sich insbesondere Lp (Ω, μ) = n p . ankt, Notation: g) Eine Σ -messbare Funktion f : Ω → K heißt wesentlich beschr¨ ur fast f ∈ L∞ (Ω, Σ, μ) , wenn es eine Konstante C ≥ 0 gibt, sodass | f (t) | ≤ C f¨ alle t ∈ Ω , d. h. außerhalb einer μ -Nullmenge gilt. Das Infimum dieser Konstanten C ≥ 0 heißt wesentliches Supremum von | f | und wird so bezeichnet: f L∞ = ess − sup | f (t) | . t∈Ω
h) F¨ ur f ∈ L∞ (Ω, μ) und k ∈ N gilt also | f (t) | ≤ f L∞ + k1 f¨ ur t ∈ Ak und
A eine Nullmenge, und man hat μ(Ak ) = 0 . Dann ist auch A := ∞ k=1 k | f (t) | ≤ f L∞
f¨ ur fast alle t ∈ Ω .
(14)
Das Infimum in g) ist also sogar ein Minimum. Satz 1.3 (H¨ oldersche Ungleichung) Es seien p, q ∈ [1, ∞] konjugierte Exponenten, d. h. es gelte f ∈ Lp (Ω, μ) und g ∈ Lq (Ω, μ) gilt f · g ∈ L1 (Ω, μ) sowie
1 1 p+q
= 1 . F¨ ur Funktionen
f · g L1 ≤ f Lp · g Lq .
(15)
Beweis. a) F¨ ur p = 1 ist q = ∞ . Nach (14) gilt dann | f (t)g(t) | ≤ | f (t) | g L∞ μ -fast u u.) und somit ¨berall (μ -f.¨ | f (t)g(t) | dμ ≤ g L∞ Ω | f (t) | dμ . Ω b) Nun gelte 1 < p, q < ∞ . F¨ ur a, b > 0 seien x = log a und y = log b ; die Konvexit¨ at der Exponentialfunktion liefert dann a · b = ex · ey = ex+y ≤
1 p
exp(px) +
1 q
exp(qy) =
1 p
ap +
1 q
bq .
(16)
Dies ist auch noch richtig f¨ ur a, b ≥ 0 . c) F¨ ur ε ≥ 0 setzen wir Aε := ( | f (t) |p dμ)1/p + ε ,
Bε := ( | g(t) |q dμ)1/q + ε .
Ω
Ω
Da A0 = 0 oder B0 = 0 m¨ oglich ist, sei nun ε > 0 . F¨ ur t ∈ Ω wenden wir (16) auf | | g(t) | , b := an und erhalten a := | fA(t) Bε ε | f (t) g(t) | Aε Bε
Integration u ¨ber Ω liefert dann 1 | f (t) g(t) | dμ Aε Bε
≤
| f (t) g(t) | dμ
+
≤
1 pAp ε
≤
1 p
≤
A ε · Bε .
Ω
p 1 | f (t) | p Ap ε
+
q 1 | g(t) | q Bεq
.
| f (t) |p dμ +
Ω 1 q
= 1,
1 qBεq
| g(t) |q dμ
Ω
also
Ω
Mit ε → 0 folgt daraus die Behauptung (15).
♦
18
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Satz 1.4 (Minkowskische Ungleichung) ur Funktionen f, g ∈ Lp (Ω, μ) gilt F¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ ist Lp (Ω, μ) ein Vektorraum, und f¨ (
Ω
| f + g |p dμ)1/p ≤ (
Ω
| f |p dμ)1/p + (
Ω
| g |p dμ)1/p .
(17)
Beweis. a) F¨ ur p = 1 ist das klar, ebenso f¨ ur p = ∞ aufgrund von (14). b) Nun sei 1 < p < ∞ . Die Konvexit¨ at der Funktion t → tp auf [0, ∞) liefert p ≤ ( a+b 2 )
p 1 2 (a
+ bp )
f¨ ur a, b ≥ 0 .
Aus f, g ∈ Lp (Ω, μ) folgt also auch f + g ∈ Lp (Ω, μ) . achst c) F¨ ur f, g ∈ Lp (Ω, μ) gilt zun¨
Ω
| f + g |p dμ
≤
Ω
| f | | f + g |p−1 dμ +
Ω
| g | | f + g |p−1 dμ ;
wegen (p − 1)q = p liefert dann die H¨ oldersche Ungleichung
Ω
| f + g |p dμ
≤ + =
| f |p dμ)1/p ( Ω | f + g |(p−1)q dμ)1/q ( Ω | g |p dμ)1/p ( Ω | f + g |(p−1)q dμ)1/q ( f Lp + g Lp ) ( Ω | f + g |p dμ)1/q . (
Ω
F¨ ur f + g Lp = 0 folgt dann (17) mittels Division durch (
Ω
| f + g |p dμ)1/q .
♦
Nullfunktionen. a) F¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ werden auf den R¨ aumen Lp (Ω, μ) durch Lp Halbnormen definiert, d. h. es gelten (2) und (3), letzteres aufgrund der Minkowskischen Ungleichung, an Stelle von (1) hat man aber nur Lp ≥ 0 . Weiter gilt f Lp = 0 ⇔ f (t) = 0 fast u ¨berall
(18)
(vgl. S. 309). Der Kern der Lp -Halbnorm ist also (unabh¨ angig von p ) gegeben durch den Raum der Nullfunktionen u.} . N = N (Ω, Σ, μ) = {f : Ω → K | f (t) = 0 f.¨ b) F¨ ur das Z¨ ahlmaß μ auf N0 ist N (N0 , μ) = {0} , und somit ist p eine Norm auf andig, also ein Banachraum (s. Aufgabe 1.9). dem Folgenraum p . Dieser ist vollst¨ ¨ Halbnormen und Aquivalenzklassen. a) Halbnormen spielen eine große Rolle in der Funktionalanalysis. Wichtige Funktionenr¨ aume k¨ onnen nicht durch eine Norm, wohl aber durch unendlich viele Halbnormen beschrieben werden; f¨ ur die Untersuchung solcher lokalkonvexer R¨ aume verweisen wir auf [Meise und Vogt 1992]. b) Zu einem halbnormierten Raum (E, ) kann man einen normierten Raum von ¨ Aquivalenzklassen assoziieren: Der Kern N := {x ∈ E | x = 0}
(19)
1 Banachr¨ aume
19
der Halbnorm ist offenbar ein Unterraum von E . Durch x ∼ y :⇔ x − y ∈ N ⇔ x − y = 0 ¨ ¨ wird eine Aquivalenzrelation (vgl. S. 293) auf E defininiert. Die Aquivalenzklassen x ˜ = {y ∈ E | y ∼ x} = x + N := {x + n | n ∈ N } ,
x∈E,
(20)
sind affine Unterr¨ aume von E
parallel“ zu N (vgl. Abb. 1.6 auf S. 21). ” ur c) Offenbar folgt aus x ∼ x und y ∼ y auch x + y ∼ x + y und αx ∼ αx f¨ ¨ Addition und Skalarmultiplikation α ∈ K . Daher kann man auf den Aquivalenzklassen
durch x ˜ + y˜ := x + y, αx ˜ := αx ,
x, y ∈ E , α ∈ K ,
(21)
definieren. Diese bilden damit einen Vektorraum, den Quotientenraum E/N . d) Auf diesem Quotientenraum wird durch x ˜ := x ,
x∈E,
dann eine Norm definiert: Aus x ˜ = 0 folgt n¨ amlich sofort x ∈ N , und somit ist x ˜ das Nullelement von E/N . Man nennt ( E/N , ) den zu (E, ) assoziierten normierten Raum. aume. Lp -R¨
Der zu (Lp (Ω, Σ, μ), Lp ) assoziierte normierte Raum wird mit Lp (Ω, Σ, μ) = Lp (Ω,Σ,μ)/N (Ω,Σ,μ)
¨ bezeichnet; er besteht also aus Aquivalenzklassen fast u ¨berall gleicher messbarer Funktionen. Die Lp -Norm beschreibt die Konvergenz im p -ten Mittel, im wichtigen Spezialfall p = 2 die Konvergenz im quadratischen Mittel. In diesem Fall wird die Norm von einem Skalarprodukt induziert; L2 (Ω, Σ, μ) ist ein Hilbertraum (vgl. Kapitel 6). In ¨ der Notation wird zwischen einer Funktion f ∈ Lp (Ω, μ) und ihrer Aquivalenzklasse ˜ f ∈ Lp (Ω, μ) meist nicht unterschieden. Theorem 1.5 andig, also Banachr¨ aume. Die R¨ aume Lp (Ω, Σ, μ) sind vollst¨ F¨ ur p = ∞ l¨ asst sich dieses wichtige Resultat wegen (14) wie Satz 1.2 beweisen, da uglich eine Cauchy-Folge in L∞ (μ) außerhalb einer Nullmenge eine Cauchy-Folge bez¨ der sup -Norm ist. F¨ ur 1 ≤ p < ∞ ist dieses Argument nicht anwendbar, da aus einer Cauchy-Bedingung f¨ ur eine Folge in Lp (μ) nicht eine punktweise Cauchy-Bedingung (fast u ¨berall) folgt (vgl. Aufgabe 1.6). Jedoch sind absolut konvergente Reihen in Lp (μ) ur fast u ¨berall punktweise und im Raum Lp (μ) konvergent; dies ist der Inhalt des f¨ die Integrationstheorie fundamentalen Satzes von Beppo Levi (vgl. die S¨ atze A.3.4 und A.3.14 im Anhang). Theorem 1.5 ergibt sich dann aus dem folgenden Satz 1.6.
20
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
a) Eine (unendliche) Reihe
ak in einem normierten Raum X heißt n ak ) konvergiert; die Summe konvergent, falls die Folge der Partialsummen (sn := Reihen.
k
k=1
der Reihe ist dann gegeben durch ∞
ak := s :=
k=1
b) Eine Reihe
k
lim sn .
(22)
n→∞
ak heißt absolut konvergent, falls
∞
ak < ∞ gilt.
k=1
Satz 1.6 Ein normierter Raum X ist genau dann vollst¨ andig, wenn in X jede absolut konvergente Reihe konvergiert. m m Beweis. ⇒“: F¨ ur m > n gilt sm − sn = ak ≤ ak ; wegen ” k=n+1 k=n+1 ∞ ak < ∞ ist (sn ) eine Cauchy-Folge in X und damit konvergent. k=1
⇐“: Es sei (sn ) eine Cauchy-Folge in X . Zu ε := 2−j gibt es dann nj ∈ N mit ” sn − sm ≤ 2−j f¨ ur n, m ≥ nj . Man kann nj > nj−1 annehmen. Es seien nun ur k ≥ 2 ; f¨ ur die Teilfolge (snj ) von (sn ) gilt dann a1 := sn1 und ak := snk − snk−1 f¨ snj =
j
ak
f¨ ur alle j ∈ N .
k=1
Nach Konstruktion ist ak ≤ 2−(k−1) , also
∞
ak < ∞ . Nach Voraussetzung ist
k=1
(snj ) konvergent, und nach dem folgenden Lemma konvergiert dann auch die Folge ♦ (sn ) gegen den gleichen Limes. Lemma 1.7 Gegeben sei eine Cauchy-Folge (xn ) in einem metrischen Raum M . Hat (xn ) eine konvergente Teilfolge xnj → x ∈ M , so konvergiert auch (xn ) gegen x . ur n, m ≥ n0 und j0 ∈ N mit Beweis. Zu ε > 0 gibt es n0 ∈ N mit d(xn , xm ) < ε f¨ ur j ≥ j0 . Man w¨ ahlt dann m = nj mit j ≥ max {j0 , n0 } und erh¨ alt d(xnj , x) < ε f¨ ur n ≥ n0 . ♦ d(xn , x) ≤ d(xn , xnj ) + d(xnj , x) < 2ε f¨ Eine weitere Anwendung von Satz 1.6 ist Satz 1.8 unten u andigkeit von ¨ber die Vollst¨ Quotientenr¨ aumen. Quotientenr¨ aume. in (19) wird durch
a) Es seien X ein Vektorraum und V ⊆ X ein Unterraum. Wie x ∼ y :⇔ x − y ∈ V
1 Banachr¨ aume
21
¨ ¨ eine Aquivalenzrelation auf X defininiert. Wie in (20) sind die Aquivalenzklassen πx := {y ∈ X | y ∼ x} = x + V = {x + v | v ∈ V } ,
x∈X,
affine Unterr¨ aume von X parallel“ zu V (vgl. Abb. 1.6) und bilden den Quotienten” X raum Q := /V .
x+V
d x V
0 ¨ Abb. 1.6: Eine Aquivalenzklasse πx = x + V in Q = X/V und ihre Norm d = πx .
b) Die Quotientenabbildung π = πV : X → Q = X/V ist linear, da wie in (21) π(x + y) = πx + πy
und
π(αx) = α πx ,
x, y ∈ X , α ∈ K ,
gilt. Weiter ist π : X → Q offenbar surjektiv. c) Ist nun X eine Norm auf X , so wird durch q Q := inf { x X | x ∈ X , πx = q}
oder
πx Q := inf { x − v X | v ∈ V }
(23) (24)
eine Halbnorm auf dem Quotientenraum Q definiert. F¨ ur x ∈ X ist πx Q nach (24) die Distanz von x zu V (vgl. Abb. 1.6 und (26) unten). Es handelt sich genau dann um eine Norm, wenn V in X abgeschlossen ist; diese heißt dann Quotientennorm von X auf Q (vgl. Aufgabe 1.14). d) Es ist π(x) Q ≤ x X f¨ ur alle x ∈ X . Daraus ergibt sich sofort πx − πy Q = π(x − y) Q ≤ x − y X f¨ ur x, y ∈ X , und somit ist die Quotientenabbildung π : X → Q (gleichm¨ aßig) stetig (vgl. auch Satz 3.1 auf S. 41). e) Weiter gilt π(UX ) = UQ nach (23). Daher ist f¨ ur jede offene Menge D ⊆ X auch π(D) offen in Q : Zu q ∈ π(D) w¨ ahlt man x ∈ D mit πx = q . Da D offen ist, gibt at von π folgt es r > 0 mit x + rUX = Ur (x) ⊆ D , und wegen der Linearit¨ Ur (q) = q + rUQ = π(x + rUX ) ⊆ π(D) . Die Quotientenabbildung ist also eine stetige und offene lineare Abbildung.
22
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Im kurzen Beweis der Aussage e) wurden die Notationen A + B := {a + b | a ∈ A , b ∈ B} ,
α B := {αb | b ∈ B}
(25)
ur {a} + B schreibt f¨ ur Teilmengen A, B eines Vektorraumes und α ∈ K verwendet. F¨ man einfach a + B . Satz 1.8 Es seien X ein Banachraum und V ⊆ X ein abgeschlossener Unterraum. Dann ist auch der Quotientenraum Q = X/V vollst¨ andig, also ebenfalls ein Banachraum. Beweis. Es sei
qk eine Reihe in Q mit
k
∞
qk < ∞ . Nach (23) gibt es xk ∈ X
k=1
mit πxk = qk und xk ≤ 2 qk . Dann ist auch existiert x :=
∞
∞
xk < ∞ , und nach Satz 1.6
k=1 ∞
xk ∈ X . Daraus folgt dann πx =
k=1
qk wegen der Linearit¨ at und
k=1
Stetigkeit von π . Wiederum nach Satz 1.6 ist also Q vollst¨ andig.
♦
Proxima. a) Es sei M ein metrischer Raum. Die Distanz oder der Abstand eines Punktes x ∈ M zu einer Teilmenge A ⊆ M von M wird definiert durch dA (x) := inf {d(x, a) | a ∈ A} .
(26)
ur x, y ∈ M (vgl. Satz A.2.2 im Anhang), und Es gilt | dA (x) − dA (y) | ≤ d(x, y) f¨ daher ist die Distanzfunktion dA (gleichm¨ aßig) stetig auf M . b) Ein Punkt a ∈ A mit d(x, a) = dA (x) heißt Bestapproximation oder Proximum zu x in A . Im Fall einer kompakten Menge A gibt es stets ein Proximum, das aber i. a. nicht eindeutig ist (vgl. Abb. 1.7 und Aufgabe 1.15). Auf die Frage der Existenz und Eindeutigkeit von Proxima gehen wir sp¨ ater mehrmals ein, insbesondere auch f¨ ur den Fall eines abgeschlossenen Unterraumes V eines Banachraumes X .
x d
d
A Abb. 1.7: Distanz d = dA (x) eines Punktes zu einer Menge
1 Banachr¨ aume
1.4
23
Aufgaben
Aufgabe 1.1 Es seien (xn ) und (yn ) Folgen in einem metrischen Raum X , und es gelte xn → x , yn → y in X . a) Zeigen Sie d(xn , yn ) → d(x, y) . b) Nun seien X ein normierter Raum und (αn ) eine Folge in K mit αn → α in K . Zeigen Sie xn → x und αn xn + yn → α x + y . Aufgabe 1.2 Definieren Sie auf einem Produkt X := X1 × . . . × Xn metrischer bzw. normierter R¨ aume analog zu (10) und (12) Metriken bzw. Normen, die die koordinatenweise Konvergenz auf X induzieren. Beweisen Sie, dass aus der Vollst¨ andigkeit von X1 , . . . , Xn auch die des Produkts X folgt. Aufgabe 1.3 a) Es sei (X, ) ein normierter Raum mit offener bzw. abgeschlossener Einheitskugel U bzw. B . Zeigen Sie x = inf {t > 0 |
1 tx
∈ U } = inf {t > 0 |
1 tx
∈ B} ,
x∈X.
b) Nun seien 1 und 2 Normen auf X , und es gelte U1 = U2 oder B1 = B2 f¨ ur die Einheitskugeln. Folgern Sie x 1 = x 2 f¨ ur alle x ∈ X . Eine Norm wird also durch ihre Einheitskugel eindeutig bestimmt. Aufgabe 1.4 Zeigen Sie, dass die nach (8) gebildete Menge co(A) die kleinste konvexe Obermenge einer Teilmenge A ⊆ E eines Vektorraumes E ist. Aufgabe 1.5 Untersuchen Sie, ob folgende Mengen A in den angegebenen normierten R¨ aumen beschr¨ ankt sind: a) A = {(z, w) | z 2 + w2 = 1} in 22 (C) , b) A = {f ∈ C[0,1] | f sup ≤ 1} in Lp [0,1] , c) A = {f ∈ C 1 [0,1] | f sup ≤ 1} in C[0,1] , d) A = {f ∈ C[0,1] | f L1 ≤ 1} in C[0,1] . Aufgabe 1.6 aquivalent ? a) Sind die Normen sup und 1 auf C[a, b] ¨ b) Sind die Normen 1 und 2 auf C[a, b] a ¨quivalent ? c) Impliziert die punktweise Konvergenz auf C[a, b] die im Mittel ? Gilt die umgekehrte Implikation ?
24
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Aufgabe 1.7 ur x ∈ Kn . Beweisen Sie die Formel x ∞ = lim x p f¨ p→∞
Aufgabe 1.8 Es sei (M, d) ein metrischer Raum. Beweisen Sie, dass durch d∗ (x, y) :=
d(x,y) 1+d(x,y)
eine neue Metrik auf M definiert wird. Zeigen Sie d∗ ≤ min {1, d} und d∗ (xn , x) → 0 ⇔ d(xn , x) → 0 f¨ ur Folgen in M . Gilt auch d ≤ C d∗ mit einer Konstanten C ≥ 0 ? Aufgabe 1.9 ur 1 ≤ p < ∞ . Beweisen Sie die Vollst¨ andigkeit der Folgenr¨ aume p f¨ Hinweis. Sie k¨ onnen ¨ ahnlich wie im Fall p = ∞ verfahren. Aufgabe 1.10 a) Es sei Ω ein Maßraum mit μ(Ω) < ∞ , z. B. Ω = [a, b] . F¨ ur 1 ≤ r < s ≤ ∞ zeigen 1/ − 1/ r s Sie Ls (Ω) ⊆ Lr (Ω) und f Lr ≤ μ(Ω) f Ls f¨ ur f ∈ Ls (Ω). ur x ∈ r und 1 ≤ r < s ≤ ∞ . b) Zeigen Sie r ⊆ s und x s ≤ x r f¨ Aufgabe 1.11 Der Raum der endlichen Folgen ist definiert durch ϕ := {x = (xj )∞ j=0 | ∃ k ∀ j > k : xj = 0} . ur 1 ≤ p ≤ ∞ . Bestimmen Sie die Abschl¨ usse von ϕ in den R¨ aumen p f¨ Aufgabe 1.12 Zeigen Sie, dass die Folgenr¨ aume c aller konvergenten Folgen und c0 aller Nullfolgen Banachr¨ aume sind und beweisen Sie dim c/c0 = 1 . Aufgabe 1.13 Es seien X ein normierter Raum, V ⊆ X ein abgeschlossener Unterraum und
π : X → Q = X/V die Quotientenabbildung. Zeigen Sie:
a) Zu einer konvergenten Folge (qn ) in Q gibt es eine konvergente Folge (xn ) in X mit πxn = qn f¨ ur alle n ∈ N . b) Eine Menge W ⊆ Q ist genau dann offen in Q , wenn π−1 (W ) offen in X ist. c) Eine Abbildung f : Q → M von Q in einen metrischen Raum M ist genau dann stetig, wenn f ◦ π : X → M stetig ist.
1 Banachr¨ aume
25
Aufgabe 1.14 Es seien (E, ) ein halbnormierter Raum und V ⊆ E ein Unterraum. Zeigen Sie, dass durch πx Q := inf { x − v E | v ∈ V }
f¨ ur πx ∈ Q = E/V
eine Halbnorm auf dem Quotientenraum Q = E/V definiert wird. Wann ist diese sogar eine Norm ? Aufgabe 1.15 a) Zeigen Sie anhand eines Beispiels, dass das Infimum in (26) nicht immer angenommen wird. b) Gegeben seien die Banachr¨ aume X = 2∞ (R) und X = 21 (R) . Finden Sie jeweils einen Unterraum V von X und einen Vektor x ∈ X\V , sodass es unendlich viele Vektoren v ∈ V mit x − v = dV (x) gibt.
26
2
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Kompakte Mengen
Fragen: 1. Gegeben sei eine punktweise konvergente Folge stetiger Funktionen. Finden Sie Bedingungen, die die Stetigkeit der Grenzfunktion implizieren. 2. Gegeben sei eine beschr¨ ankte Folge in einem konkreten Banachraum wie C[a, b] , c0 oder p . Finden Sie Bedingungen, die die Existenz einer konvergenten Teilfolge implizieren. 3. Lassen sich Banachr¨ aume der Gr¨ oße nach“ vergleichen? ” In diesem Kapitel bestimmen wir die kompakten Teilmengen des Banachraums C(K) der stetigen Funktionen auf einem kompakten metrischen Raum K (Satz von Arzel` aAscoli 1883) und beweisen auch die Separabilit¨ at dieses Raumes. Beispiele f¨ ur kompakte Teilmengen von C[a, b] sind Funktionenmengen, die bez¨ uglich einer H¨ older-Norm oder einer Sobolev-Norm beschr¨ ankt sind. Wir beginnen mit knappen Erinnerungen an den Kompaktheitsbegriff (fehlende Beweise findet man in Anhang A.2). Kompakte R¨ aume. a) Ein metrischer Raum K heißt folgenkompakt, wenn jede Folge in K eine in K konvergente Teilfolge besitzt. ¨ b) Ein metrischer Raum K heißt u ¨berdeckungskompakt, wenn jede offene Uberdeckung von K eine endliche Teil¨ uberdeckung besitzt. Dies bedeutet: Ist U ein System offener
ugen bereits endlich viele Mengen Mengen von K mit K ⊆ {U | U ∈ U} , so gen¨ ¨ von K , d. h. man hat K ⊆ U1 ∪ . . . ∪ Ur . U1 , . . . , Ur ∈ U zur Uberdeckung c) Die in a) und b) formulierten Eigenschaften sind ¨ aquivalente Formulierungen der Kompaktheit eines metrischen Raumes (Satz A.2.11). d) Es seien K, M metrische R¨ aume und K kompakt. Dann ist eine stetige Abbildung f : K → M gleichm¨ aßig stetig mit kompakter Bildmenge f (K) ⊆ M . Ist f zus¨ atzlich −1 injektiv, so ist auch die Umkehrabbildung f : f (K) → K stetig (vgl. Abb. 2.1).
f f (K) f K
−1
M Abb. 2.1: Eine injektive Abbildung
e) Ein kompakter Raum ist wegen Lemma 1.7 vollst¨ andig und daher in jedem Oberraum abgeschlossen. Kompakte Teilmengen K ⊆ X normierter R¨ aume sind beschr¨ ankt und abgeschlossen; kompakte Mengen K ⊆ R besitzen ein Maximum und ein Minimum. f) Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß ist umgekehrt in Kn jede beschr¨ ankte und
2 Kompakte Mengen
27
abgeschlossene Menge auch kompakt; dies gilt jedoch nicht in unendlichdimensionalen normierten R¨ aumen (vgl. das Beispiel auf der folgenden Seite sowie Satz 3.8 auf S. 49). Pr¨ akompakte Mengen. a) F¨ ur ε > 0 heißt eine Menge N ⊆ M ein ε -Netz des
metrischen Raumes M , wenn M ⊆ {Uε (a) | a ∈ N } gilt (vgl. Abb. 2.2).
Abb. 2.2: Ein ε -Netz
b) Ein metrischer Raum M heißt pr¨ akompakt oder total beschr¨ ankt, wenn er f¨ ur jedes ε > 0 ein endliches ε -Netz besitzt. c) Ein metrischer Raum M ist genau dann pr¨ akompakt, wenn jede Folge in M eine Cauchy-Teilfolge besitzt (Satz A.2.10). d) Aufgrund von c) ist ein metrischer Raum M genau dann kompakt, wenn er pr¨ akompakt und vollst¨ andig ist. e) Eine Teilmenge A ⊆ M eines metrischen Raumes heißt relativ kompakt in M , wenn ihr Abschluss A in M kompakt ist. Der Begriff der relativen Kompaktheit h¨ angt also von der Wahl eines Oberraums ab; im Gegensatz dazu sind kompakt“, pr¨ akompakt“ ” ” und auch vollst¨ andig“ absolute Begriffe. ” f) Relativ kompakte Mengen sind pr¨ akompakt, da wegen c) Teilmengen pr¨ akompakter R¨ aume wieder pr¨ akompakt sind. andigen R¨ aumen g) Ist A ⊆ M pr¨ akompakt, so auch A . Wegen d) sind daher in vollst¨ die Begriffe pr¨ akompakt“ und relativ kompakt“ ¨ aquivalent. ” ” g) Pr¨ akompakte Teilmengen A ⊆ X normierter R¨ aume sind beschr¨ ankt, da sie ja endliche ε -Netze besitzen. Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß ist umgekehrt in Kn jede beschr¨ ankte Menge auch pr¨ akompakt; dies gilt jedoch nicht in unendlichdimensionalen normierten R¨ aumen (vgl. wiederum das folgende Beispiel und Satz 3.8 auf S. 49).
2.1
Der Satz von Arzel` a-Ascoli
Das erste Ziel dieses Kapitels ist der Beweis des Satzes von Arzel` a-Ascoli 2.5. Dieser besagt, dass eine Teilmenge des Banachraumes C(K) der stetigen Funktionen auf einem kompakten metrischen Raum K genau dann pr¨ akompakt ist, wenn sie beschr¨ ankt und gleichstetig ist. Zur Motivation dieses Begriffs diene das folgende
28
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Beispiel. a) F¨ ur die durch fn (t) := cos 2n t definierte Funktionenfolge (fn ) in C[0,2π] (vgl. Abb. 2.3) gilt stets fn = 1 ; wegen fn (2−n π) = cos π = −1 und fm (2−n π) = ur m > n hat man fm − fn = 2 f¨ ur m = n . Daher hat die Folge cos 2m−n π = +1 f¨ (fn ) keine Cauchy-Teilfolge; die abgeschlossene Einheitskugel B von C[0,2π] ist nicht pr¨ akompakt und erst recht nicht kompakt.
1
0
2π
−1 Abb. 2.3: Die Funktionen cos 2t, cos 4t und cos 8t
b) Wegen fn = − 2n sin 2n t = 2n gilt nach dem Mittelwertsatz der Differentiur t, s ∈ [−π, π] . Folglich hat man f¨ ur fn die alrechnung | fn (t) − fn (s) | ≤ 2n | t − s | f¨ gleichm¨ aßige Stetigkeit (vgl. auch S. 297): ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ t, s ∈ [−π, π] : | t − s | < δ ⇒ | fn (t) − fn (s) | < ε
(1)
mit δ = 2−n ε . Wegen fn (0) = 1 und fn (2−n π) = −1 muss in der Tat zwingend ahlt werden. Wegen δn → 0 f¨ ur n → ∞ kann also δ nicht δ = δn ≤ π2 2−n ε gew¨ unabh¨ angig von n gew¨ ahlt werden! Das soeben beobachtete Ph¨ anomen f¨ uhrt auf den folgenden Begriff: Gleichstetige Funktionenmengen. a) Es seien M und N metrische R¨ aume. Eine Funktionenmenge H ⊆ C(M, N ) mit der Eigenschaft ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ t, s ∈ M ∀ f ∈ H : d(t, s) < δ ⇒ d(f (t), f (s)) < ε
(2)
heißt gleichstetig oder gleichgradig stetig. b) Eine Funktionenmenge H ⊆ C(M, N ) ist also genau dann gleichstetig, wenn f¨ ur jedes ε > 0 die Zahl δ > 0 aus der Stetigkeitsbedingung (1) unabh¨ angig von f ∈ H (und nat¨ urlich von t, s ∈ M ) w¨ ahlbar ist. Satz 2.1 F¨ ur eine Folge (fn ) in C(M, N ) existiere f (t) := lim fn (t) punktweise auf M , und n→∞
die Menge {fn } sei gleichstetig. Dann ist auch die Menge {fn } ∪ {f } gleichstetig, und insbesondere ist die Grenzfunktion stetig. Beweis. Zu ε > 0 gibt es δ > 0 mit d(fn (t), fn (s)) ≤ ε f¨ ur alle n ∈ N und t, s ∈ M ♦ mit d(t, s) ≤ δ . Mit n → ∞ folgt sofort auch d(f (t), f (s)) ≤ ε f¨ ur d(t, s) ≤ δ .
2 Kompakte Mengen
29
Beispiele. a) Die Menge der Monome {pn (t) := tn | n ∈ N} in C[0,1] (vgl. Abb. 1.4 auf S. 14) ist nicht gleichstetig. Dies folgt sofort aus Satz 2.1; man sieht aber auch leicht, dass (2) nicht erf¨ ullt ist. b) Die Beschr¨ anktheit der Ableitung impliziert die gleichm¨ aßige Stetigkeit einer Funkur alle tion. Ist entsprechend H ⊆ C 1 [a, b] eine Funktionenmenge mit f sup ≤ C f¨ f ∈ H und ein C > 0 , so ergibt sich aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung sofort | f (t) − f (s) | = |
t s
f (τ ) dτ | ≤ f sup | t − s | ≤ C | t − s |
f¨ ur f ∈ H und t, s ∈ [a, b] ; somit ist (2) mit δ = H ⊆ C[a, b] ist gleichstetig.
ε C
erf¨ ullt, und die Funktionenmenge
Satz 2.2 Es seien K ein kompakter metrischer Raum und H ⊆ C(K) pr¨ akompakt. Dann ist H gleichstetig. Beweis. Zu ε > 0 gibt es Funktionen f1 , . . . , fr ∈ H mit H ⊆
r
Uε (fj ) . Jede
j=1
Funktion fj ist gleichm¨ aßig stetig, d.h. es gibt δj > 0 mit | fj (t) − fj (s) | < ε f¨ ur r
d(t, s) < δj . Es seien nun δ := min δj > 0 und f ∈ H . Man w¨ ahlt j ∈ {1, . . . , r} mit j=1
alt f¨ ur d(t, s) < δ : f − fj < ε und erh¨ | f (t) − f (s) |
≤
| f (t) − fj (t) | + | fj (t) − fj (s) | + | fj (s) − f (s) |
≤
f − fj + ε + f − fj ≤ 3ε .
♦
Der Satz von Arzel` a-Ascoli besagt, dass H ⊆ C(K) genau dann pr¨ akompakt ist, wenn H gleichstetig und beschr¨ ankt ist. Dem Beweis von ⇐“ schicken wir zwei Hilfsaussagen ” voraus, die wir auch sp¨ ater noch verwenden werden: Lemma 2.3 Es seien A eine abz¨ ahlbare Menge und (fn ) eine punktweise beschr¨ ankte Folge von Funktionen auf A , d. h. f¨ ur alle a ∈ A seien die Folgen (fn (a)) in K beschr¨ ankt. Dann hat (fn ) eine punktweise konvergente Teilfolge. Beweis. Es sei A = {aj | j ∈ N} . Da (fn (a1 )) in K beschr¨ ankt ist, hat (fn ) eine (1) (1) (1) (2) ur die (fn (a1 )) konvergiert. Dann hat (fn ) eine Teilfolge (fn ) , Teilfolge (fn ) , f¨ (2) f¨ ur die (fn (a2 )) konvergiert. So fortfahrend w¨ ahlt man f¨ ur j ∈ N rekursiv Teilfolgen (j) (j−1) (j) ) , f¨ ur die (fn (aj )) konvergiert. Nach Konstruktion konvergiert (fn ) von (fn (j) ur k ≤ j . Aus diesen sukzessive ausgew¨ ahlten Teilfolgen dann (fn (ak )) f¨
30
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
f1
f2
f3
f4
f5
f6
···
(1) f1 (2) f1 (3) f1 (4) f1 (5) f1
(1) f2 (2) f2 (3) f2 (4) f2 (5) f2
(1) f3 (2) f3 (3) f3 (4) f3 (5) f3
(1) f4 (2) f4 (3) f4 (4) f4 (5) f4
(1) f5 (2) f5 (3) f5 (4) f5 (5) f5
(1) f6 (2) f6 (3) f6 (4) f6 (5) f6
···
.. .
.. .
.. .
.. .
.. .
.. .
··· ··· ··· ··· .. .
ur bildet man nun die Diagonalfolge (fn∗ ) := (fn ) . Diese ist Teilfolge von (fn ) und, f¨ (j) ∗ ur alle j ∈ N . ♦ n ≥ j , auch von (fn ) ; daher konvergiert (fn (aj )) f¨ (n)
Lemma 2.4 Es seien M, N metrische R¨ aume, und N sei vollst¨ andig. Weiter sei (gn ) eine gleichstetige Folge in C(M, N ) , die auf einer dichten Menge A ⊆ M punktweise konvergiert. aßig Dann ist (gn ) auf ganz M punktweise konvergent, und die Konvergenz ist gleichm¨ auf pr¨ akompakten Teilmengen von M . ur n ∈ N und Beweis. a) Zu ε > 0 w¨ ahlt man δ > 0 mit d(gn (t), gn (s)) < ε f¨ d(t, s) < 2δ . F¨ ur eine pr¨ akompakte Menge K ⊆ M gibt es b1 , . . . , br ∈ K mit r
Uδ (bj ) . F¨ ur j = 1, . . . , r w¨ ahlt man aj ∈ A mit d(aj , bj ) < δ . Da (gn (aj )) K⊆ j=1
konvergiert, gibt es n0 ∈ N mit d(gn (aj ), gm (aj )) < ε f¨ ur n, m ≥ n0 und j = 1, . . . , r . b) Es seien nun n, m ≥ n0 und t ∈ K . Man w¨ ahlt j ∈ {1, . . . , r} mit d(t, aj ) < 2δ und erh¨ alt d(gn (t), gm (t)) ≤ d(gn (t), gn (aj )) + d(gn (aj ), gm (aj )) + d(gm (aj ), gm (t)) < 3ε . ur n, m ≥ n0 , und wegen der Vollst¨ andigkeit Somit gilt sup d(gn (t), gm (t)) ≤ 3ε f¨ t∈K
von N ist die Folge (gn ) auf K gleichm¨ aßig konvergent (vgl. Satz 1.2). Insbesondere konvergiert dann (gn (t)) f¨ ur alle Punkte t ∈ M . ♦ Nun ben¨ otigen wir noch die Separabilit¨ at pr¨ akompakter R¨ aume: Separable R¨ aume. a) Ein metrischer Raum M heißt separabel, falls es in M eine abz¨ ahlbare dichte Teilmenge gibt. ahlbare Menge Qn der rationalen n -Tupel b) Der Raum Rn ist separabel, da die abz¨ n in R dicht ist. c) Pr¨ akompakte metrische R¨ aume M sind separabel: Zu ε := 1j gibt es ein endliches ∞
1 -Netz A in M . Dann ist A := Aj eine abz¨ ahlbare dichte Teilmenge von M . j j j=1
2 Kompakte Mengen
31
Insgesamt ergibt sich nun: Theorem 2.5 (Arzel` a-Ascoli) Es sei K ein kompakter metrischer Raum. Eine Funktionenmenge H ⊆ C(K) ist genau dann a) pr¨ akompakt, wenn H beschr¨ ankt und gleichstetig ist, b) kompakt, wenn H beschr¨ ankt, abgeschlossen und gleichstetig ist. Beweis. a) ⇒“: Pr¨ akompakte Mengen sind stets beschr¨ ankt, und die Gleichstetigkeit ” ist gerade Satz 2.2. ⇐“: Wie wir soeben gesehen haben, ist K separabel; es gibt also eine abz¨ ahlbare ” ankt ist, dichte Teilmenge A in K . Es sei nun (fn ) eine Folge in H . Da H beschr¨ besitzt diese nach Lemma 2.3 eine Teilfolge, die auf A punktweise konvergiert. Da H gleichstetig ist, muss diese Teilfolge nach Lemma 2.4 sogar gleichm¨ aßig konvergent sein. b) Wegen der Vollst¨ andigkeit von C(K) folgt nun b) aus a) und der Tatsache, dass Kompaktheit zu Pr¨ akompaktheit und Vollst¨ andigkeit ¨ aquivalent ist. ♦ Bemerkungen. a) Der Beweis des Satzes von Arzel` a-Ascoli zeigt, dass eine gleichstetige Menge H ⊆ C(K) bereits dann pr¨ akompakt ist, wenn sie nur punktweise beschr¨ ankt ist. b) Es gilt die folgende Erweiterung des Satzes von Arzel` a-Ascoli f¨ ur vektorwertige Funktionen (s. Aufgabe 2.7): F¨ ur einen kompakten metrischen Raum K und einen normierten Raum Y ist eine Menge H ⊆ C(K, Y ) genau dann pr¨ akompakt, wenn H gleichstetig ist und f¨ ur alle t ∈ K die Mengen {f (t) | f ∈ H} in Y pr¨ akompakt sind. c) Es gibt zum Satz von Arzel` a-Ascoli analoge Kompaktheitskriterien in anderen Funktionenr¨ aumen, die in diesem Buch allerdings nicht ben¨ otigt werden. Wir verweisen, insbesondere f¨ ur Lp -R¨ aume, etwa auf [Appell und V¨ ath 2005], Kapitel 3; beachten Sie auch die Aufgaben 2.8, 2.9, 2.17 und 2.18.
2.2
Separable R¨ aume und ein Approximationssatz
In diesem Abschnitt zeigen wir einen Approximationssatz, der u. a. die Separabilit¨ at wichtiger Funktionenr¨ aume impliziert. Wir beginnen mit der folgenden nicht ganz offensichtlichen Tatsache: Satz 2.6 Es sei M ein separabler metrischer Raum. Dann ist auch jede Teilmenge N ⊆ M separabel.
32
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Beweis. a) Es sei A ⊆ M eine abz¨ ahlbare dichte Menge in M . Wir betrachten das System A1 := {Ur (a) | a ∈ A , 0 < r ∈ Q} der offenen Kugeln mit rationalen Radien um Punkte aus A und dessen Teilsystem A2 := {Ur (a) ∈ A1 | Ur (a) ∩ N = ∅} ; dann ahlbare Mengen. F¨ ur jede Kugel Ur (a) ∈ A2 w¨ ahlt man ein sind A1 und A2 abz¨ b ∈ Ur (a) ∩ N und erh¨ alt so eine abz¨ ahlbare Menge B ⊆ N . Dieses Verfahren wird in Abb. 2.4 veranschaulicht. b) Es seien nun t ∈ N und ε > 0 . Man w¨ ahlt a ∈ A mit d(t, a) < 3ε und r ∈ Q mit ε ε 3 < r < 2 . Dann ist t ∈ Ur (a) und somit Ur (a) ∈ A2 ; es gibt also b ∈ B ∩ Ur (a) . ♦ Es folgt d(t, b) ≤ d(t, a) + d(a, b) < 3ε + r < ε ; B ist also dicht in N . ∈ A1
∈ A1 b
N a
∈ A2
M
Abb. 2.4: Illustration des Beweises von Satz 2.6
F¨ ur kompakte metrische R¨ aume K sind die Banachr¨ aume C(K) separabel. Zum Nachweis dieser Tatsache benutzen wir spezielle Stetige Zerlegungen der Eins. a) Es seien M ein metrischer Raum und Y ein normierter Raum. F¨ ur eine Funktion f : M → Y heißt die in M abgeschlossene Menge supp f := {t ∈ M | f (t) = 0} der Tr¨ ager (oder support) der Funktion f . b) Ein metrischer Raum M werde durch offene Kugeln {Uj = Urj (sj )}j=1...m u ur die auf M stetigen Funktionen ¨berdeckt. F¨ 1 − r1j d(sj , t) , d(sj , t) < rj γj : t → 0 , d(sj , t) ≥ rj gilt offenbar supp γj ⊆ Bj = Brj (sj ) und γ(t) :=
m
γj (t) > 0 auf M . F¨ ur die
j=1
Funktionen αj :=
γj γ
∈ C(M ) hat man dann 0 ≤ αj ≤ 1 ,
supp αj ⊆ Bj ,
m
αj = 1 ;
(3)
j=1
¨ sie bilden eine der Uberdeckung {Uj }j=1...m von M untergeordnete stetige Zerlegung der Eins (ZdE) auf M . Die folgende Abbildung illustriert die Konstruktion auf einem Intervall.
2 Kompakte Mengen
α1 γ1 0
α2 γ2
γ 1
33
2
3
4
Abb. 2.5: Illustration der Konstruktion stetiger ZdE’s
Zur bequemen Formulierung des wichtigen Approximationssatzes 2.7 unten dient die folgende Notation: Tensorprodukte. a) F¨ ur eine Menge M und einen Vektorraum E bezeichnen wir mit F(M, E) den Raum aller Funktionen von M nach E . F¨ ur Teilmengen H ⊆ F (M ) = F (M, K) und A ⊆ E wird das Tensorprodukt definiert durch H ⊗ A := {
n
φk yk | n ∈ N , φk ∈ H , yk ∈ A} ⊆ F (M, E) .
(4)
k=1
b) Es ist F(M ) ⊗ E der Raum der E -wertigen Funktionen auf M mit endlichdimensionalem Bild. In der Tat ist das Bild einer Funktion wie in (4) in der linearen H¨ ulle ur f ∈ F (M, E) gelte umgekehrt [y1 , . . . , yn ] der Vektoren y1 , . . . , yn ∈ E enthalten. F¨ f (M ) ⊆ V f¨ ur einen Unterraum V von E mit dim V < ∞ . Ist dann {v1 , . . . , vn } eine n αk (t) vk mit skalaren Funktionen αk ∈ F (M ) . Basis von V , so hat man f (t) = k=1
Theorem 2.7 (Approximationssatz) Es seien K ein kompakter metrischer Raum und Y ein normierter Raum. Zu einer Funktion f ∈ C(K, Y ) und ε > 0 gibt es g ∈ C(K) ⊗ Y mit g(K) ⊆ co (f (K)) und f − g sup ≤ ε . Beweis. Da f gleichm¨ aßig stetig ist, gibt es n ∈ N mit f (t) − f (s) ≤ ε f¨ ur r
1 1 akompakte Raum K besitzt ein endliches n -Netz: K ⊆ Uj d(t, s) ≤ n . Der pr¨ j=1
mit Uj = U 1/n (tj ) , tj ∈ K . Mit den Funktionen αj gem¨ aß (3) setzen wir g(t) :=
r
αj (t) f (tj ) ∈ C(K) ⊗ Y .
(5)
j=1
Wegen (3) ist g(t) eine Konvexkombination von Werten von f , liegt also in der konvexen H¨ ulle co f (K) des Bildes von f . Weiter gilt f¨ ur t ∈ K f (t) − g(t) =
r j=1
αj (t)(f (t) − f (tj )) ≤ ε
r
αj (t) ≤ ε ,
j=1
da ja f¨ ur αj (t) = 0 stets t ∈ Bj ist und somit f (t) − f (tj ) ≤ ε gilt. Die Argumente im Beweis des Approximationssatzes zeigen auch:
♦
34
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Satz 2.8 Es seien K ein kompakter metrischer Raum und Y ein separabler normierter Raum. Dann ist auch der Raum C(K, Y ) separabel. Beweis. a) F¨ ur festes n ∈ N ist die Menge Zn ⊆ C(K) der im Beweis von Theorem 2.7 ∞
konstruierten Funktionen {αj } endlich, ihre Vereinigung Z = Zn also abz¨ ahlbar. n=1
F¨ ur die Funktion g aus (5) gilt offenbar g ∈ Z ⊗ Y .
b) Nun sei A ⊆ Y eine abz¨ ahlbare dichte Menge; dann ist auch die Menge Z ⊗ A abz¨ ahlbar. Zu f ∈ C(K, Y ) und ε > 0 w¨ ahlt man g ∈ Z⊗Y wie in (5) und dann aj ∈ A r ur h(t) := αj (t) aj ∈ Z ⊗ A gilt dann h − g sup ≤ ε mit f (tj ) − aj < ε . F¨ j=1
und somit h − f sup ≤ 2ε . Folglich ist Z ⊗ A dicht in C(K, Y ) .
♦
Aus Satz 2.8 folgt auch die Separabilit¨ at von Lp -R¨ aumen. Dazu benutzen wir R¨ aume stetiger Funktionen mit kompaktem Tr¨ ager. definiert man den Raum
F¨ ur eine Menge M ⊆ Rn
Cc (M ) := {f ∈ C(Rn ) | supp f ist kompakte Teilmenge von M } . ager ist dicht Der Raum Cc (Rn ) der stetigen Funktionen auf Rn mit kompaktem Tr¨ n ur 1 ≤ p < ∞ (vgl. S. 319 in Anhang A.3). in Lp (R , λ) f¨ Satz 2.9 F¨ ur 1 ≤ p < ∞ und jede messbare Menge Ω ⊆ Rn ist Lp (Ω, λ) separabel. Beweis. a) F¨ ur eine kompakte Menge K ⊆ Rn ist Cc (K) ⊆ C(K) aufgrund der S¨ atze 2.8 und 2.6 bez¨ uglich der sup -Norm separabel. Dies gilt erst recht bez¨ uglich der schw¨ acheren Lp -Norm. ∞
Cc (Bj ) , da jede kompakte Teilmenge des Rn b) Mit Bj := Bj (0) gilt Cc (Rn ) = j=1
in einem geeigneten Bj liegt. Somit ist der dichte Unterraum Cc (Rn ) von Lp (Rn ) separabel und daher auch Lp (Rn ) separabel. c) F¨ ur eine messbare Menge Ω ⊆ Rn kann man Lp (Ω) mit einem abgeschlossenen Unterraum von Lp (Rn ) identifizieren, indem man die Funktionen aus Lp (Ω) durch 0 ♦ auf ganz Rn fortsetzt. Nach Satz 2.6 ist also auch Lp (Ω) separabel. Es gibt auch interessante Banachr¨ aume, die nicht separabel sind: alt ∞ die Beispiel. Der Folgenraum ∞ ist nicht separabel. In der Tat enth¨ u ahlbare Menge ¨berabz¨ E := { = (j )∞ ur j ∈ N0 } . j=0 | j = ±1 f¨
2 Kompakte Mengen
35
Man hat − = 2 f¨ ur , ∈ E mit = . Nun sei A eine dichte Menge in ∞ . ur , ∈ E mit Zu ∈ E w¨ ahlt man a ∈ A mit − a < 1 . Dann gilt a = a f¨ ahlbar sein. = , und daher kann A nicht abz¨
a
a
Abb. 2.6: Illustration zum Beispiel
Dagegen sind die Folgenr¨ aume c0 , c und p f¨ ur 1 ≤ p < ∞ separabel (s. Aufgabe 2.11).
2.3
H¨ older- und Sobolev-Normen
Nun stellen wir weitere wichtige Funktionenr¨ aume vor. H¨ older-Bedingungen wurden 1934 von J.P. Schauder f¨ ur Absch¨ atzungen bei elliptischen Differentialgleichungen verwendet; sie liefern eine Skala von R¨ aumen stetiger Funktionen durch Quantifizierung ihrer (gleichm¨ aßigen) Stetigkeit. R¨ aume H¨ older-stetiger Funktionen. a) Es seien K ein kompakter metrischer Raum und 0 < α ≤ 1 . Eine Funktion f : K → K erf¨ ullt eine O -H¨ older-Bedingung zum Exponenten α , falls es C > 0 gibt mit | f (t) − f (s) | ≤ C d(t, s)α
f¨ ur alle t, s ∈ K .
Der Raum all dieser Funktionen ist gegeben durch (s) | Λα (K) := {f : K → K | [f ]α := sup | f (t)−f < ∞} . d(t,s)α t =s
α
Der Ausdruck [ ]α ist eine Halbnorm auf Λ (K) . Mit f Λα := [f ]α + f sup erh¨ alt man eine Norm, unter der Λα (K) dann ein Banachraum ist (vgl. Aufgabe 2.15). Eine H¨ older-Bedingung zum Exponenten α = 1 heißt auch Lipschitz-Bedingung. ur 0 < α < 1 der Raum b) Ein abgeschlossener Unterraum von Λα (K) ist f¨ λα (K) := {f ∈ Λα (K) |
lim d(t,s)→0
| f (t)−f (s) | d(t,s)α
= 0}
36
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
aller Funktionen, die eine o -H¨ older-Bedingung zum Exponenten α erf¨ ullen. Satz 2.10 ankte Funktionenmenge H in C(K) relativ F¨ ur 0 < α ≤ 1 ist eine in Λα (K) beschr¨ kompakt. Beweis. Die Funktionenmenge H ist gleichstetig, da | f (t) − f (s) | ≤ [f ]α | t − s |α f¨ ur alle f ∈ H gilt. Die Behauptung folgt also aus dem Satz von Arzel` a-Ascoli.
♦
Ab jetzt beschr¨ anken wir uns auf Funktionen von einer Variablen, da wir dann bequem mit dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung argumentieren k¨ onnen. Entsprechende R¨ aume in mehreren Variablen sollen im Aufbaukurs untersucht werden. R¨ aume differenzierbarer Funktionen. a) Der Raum C 1 [a, b] der stetig differenzierbaren Funktionen ist im Banachraum (C[a, b], sup ) nicht abgeschlossen, da die aßiger Konvergenz nicht erhalten bleibt. In der Tat gibt es C 1 -Eigenschaft bei gleichm¨ aßig gegen die Betragsfunktion A : t → | t | koneine Folge in C 1 [−1,1] , die gleichm¨ vergiert (vgl. Abb. 2.7); nach dem Weierstraßschen Approximationssatz 5.6 ist sogar C 1 [a, b] dicht in C[a, b] .
|t|
0 Abb. 2.7: C 1 -Approximation der Betragsfunktion
b) Zur Vererbung der C 1 -Eigenschaft auf Grenzfunktionen ben¨ otigt man gleichm¨ aßige Konvergenz der Funktionenfolge und die der Folge der Ableitungen (vgl. etwa [Kaballo 2000], Satz 22.14 f¨ ur eine etwas sch¨ arfere Aussage); diese wird von der C 1 -Norm f C1 : = f sup + f sup beschrieben. Unter dieser Norm ist C 1 [a, b] dann ein Banachraum. c) F¨ ur 0 < α < β < 1 gelten die Inklusionen oder Einbettungen C 1 [a, b] ⊆ Λ1 [a, b] ⊆ Λβ [a, b] ⊆ λα [a, b] ⊆ Λα [a, b] ⊆ C[a, b] ,
2 Kompakte Mengen
37
und f¨ ur f ∈ C 1 [a, b] die entsprechenden Norm-Absch¨ atzungen f sup ≤ f Λα ≤ f Λβ ≤ f Λ1 ≤ f C 1 . aume C m [a, b] der m -mal stetig d) Analog zu b) hat man f¨ ur m ∈ N die Banachr¨ differenzierbaren Funktionen mit der C m -Norm f C m : =
m
f (k) sup .
(6)
k=0
e) F¨ ur m ∈ N0 und 0 < α ≤ 1 ist Λm,α [a, b] := {f ∈ C m [a, b] | f (m) ∈ Λα [a, b]} ein Banachraum unter der Norm f Λm,α := f Cm + [f (m) ]α mit dem abgeschlossenen Unterraum λm,α [a, b] := {f ∈ C m [a, b] | f (m) ∈ λα [a, b]} . Sobolev-Normen gehen f¨ ur Funktionen von einer Variablen bereits auf S. Banach (1922) zur¨ uck und wurden f¨ ur Funktionen von mehreren Variablen 1938 von S.L. Sobolev eingef¨ uhrt. F¨ ur 1 ≤ p < ∞ werden sie auf C m [a, b] definiert durch
f Wpm :=
m b k=0
a
|f
(k)
1/p (t) | dt . p
Unter diesen Normen sind die R¨ aume C m [a, b] nicht vollst¨ andig; ihre Vervollst¨ andigunm aume liefern, insbesondere f¨ ur p = 2 , gen heißen Sobolev-R¨ aume Wp (a, b) . Diese R¨ nat¨ urliche Definitionsbereiche“ f¨ ur Differentialoperatoren. Sobolev-R¨ aume in mehre” ren Variablen spielen eine große Rolle bei der Untersuchung partieller Differentialgleichungen. Satz 2.11 Es gelten die Sobolev-Absch¨ atzungen f sup ≤ C f Wp1 f Λα ≤ C f Wp1
f¨ ur 1 ≤ p < ∞ und f ∈ C 1 [a, b] ,
f¨ ur 1 < p < ∞ ,
α =
1 q
= 1−
1 p
und f ∈ C 1 [a, b] .
(7) (8)
ankte F¨ ur 1 < p < ∞ ist eine bez¨ uglich der Sobolev-Norm Wp1 in C [a, b] beschr¨ Menge H in C[a, b] relativ kompakt. 1
38
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Beweis. a) F¨ ur f ∈ C 1 [a, b] gibt es nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung einen Punkt t0 ∈ [a, b] mit 1 b−a
b a
f (s) ds = f (t0 ) .
Aus dem Hauptsatz ergibt sich dann f (t) = f (t0 ) +
t t0
f (τ ) dτ =
f¨ ur alle t ∈ [a, b] , und daraus folgt (7) mit f sup
≤
1 b−a
1 b−a 1 1 p+q
b a
f (τ ) dτ +
1 p
+
1 q
t0
f (τ ) dτ
= 1 aus der H¨ olderschen Ungleichung:
f L1 + f L1 ≤ (b − a)−
b) F¨ ur 1 < p < ∞ und
t
1/ p
f Lp + (b − a)
1/ q
f Lp .
= 1 ergibt sich weiter (8) aus
| f (t) − f (s) | = |
t s
f (τ ) dτ | ≤ f Lp | t − s |1/q .
c) Die Funktionenmenge H ist in Λ relativ kompakt.
1/ q
[a, b] beschr¨ ankt, nach Satz 2.1 also in C[a, b] ♦
Wir zeigen in Abschnitt 5.4, dass die Sobolev-R¨ aume Wp1 (a, b) als Unterr¨ aume von 1 C[a, b] realisiert werden k¨ onnen. Genauer ist Wp (a, b) der Raum der stetigen Funktionen auf [a, b] , die eine schwache Ableitung in Lp [a, b] besitzen.
2.4
Aufgaben
Aufgabe 2.1 Es seien M, N metrische R¨ aume und A ⊆ M × N kompakt. Zeigen Sie A ⊆ K × L f¨ ur geeignete kompakte Mengen K ⊆ M und L ⊆ N . Aufgabe 2.2 Es seien X ein normierter Raum und x1 , . . . , xr ∈ E . Zeigen Sie, dass die konvexe H¨ ulle co{x1 , . . . , xr } dieser Punkte kompakt ist. Aufgabe 2.3 Es sei M ein metrischer Raum, sodass es f¨ ur jedes ε > 0 ein pr¨ akompaktes ε -Netz in M gibt. Zeigen Sie, dass X pr¨ akompakt ist. Aufgabe 2.4 Es seien X ein normierter Raum und A, B ⊆ X beschr¨ ankt, pr¨ akompakt oder kompakt. Untersuchen Sie, ob auch A ∩ B , A ∪ B , A + B , A und co A beschr¨ ankt, pr¨ akompakt oder kompakt sind. Aufgabe 2.5 Gilt Lemma 2.3 auch f¨ ur u ahlbare Mengen A ? ¨berabz¨
2 Kompakte Mengen
39
Aufgabe 2.6 Es seien M , N metrische R¨ aume. Eine Funktionenmenge H ⊆ C(M, N ) heißt punktweise gleichstetig, falls folgendes gilt: ∀ a ∈ M ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ t ∈ M ∀ f ∈ H : d(t, a) < δ ⇒ d(f (t), f (a)) < ε . Zeigen Sie, dass f¨ ur kompakte metrische R¨ aume K jede punktweise gleichstetige Menge H ⊆ C(K, N ) sogar gleichstetig ist. Aufgabe 2.7 Beweisen Sie die auf S. 31 formulierte Erweiterung des Satzes von Arzel`a-Ascoli f¨ ur vektorwertige Funktionen. Aufgabe 2.8 Es sei 1 ≤ p < ∞ . Zeigen Sie, dass eine beschr¨ ankte Menge A ⊆ p genau dann pr¨ akompakt ist, falls gilt: lim
sup
∞
m→∞ x=(x )∈A j=m j
| xj |p = 0 .
Aufgabe 2.9 ¨ Zeigen Sie f¨ ur eine beschr¨ ankte Menge A ⊆ c0 die Aquivalenz der folgenden Aussagen: (a) Die Menge A ist pr¨ akompakt. (b) Es gilt lim
sup
m→∞ x=(x )∈A j
| xm | = 0 .
ur alle x ∈ A und j ∈ N . (c) Es gibt eine Nullfolge b = (bj ) ∈ c0 mit | xj | ≤ bj f¨ Aufgabe 2.10 ¨ Es sei M ein metrischer Raum. Zeigen Sie die Aquivalenz der folgenden Aussagen: (a) Der Raum M ist separabel. ¨ (b) Jede offene Uberdeckung von M besitzt eine abz¨ ahlbare Teil¨ uberdeckung. (c) F¨ ur jedes ε > 0 besitzt M ein abz¨ ahlbares ε -Netz. Aufgabe 2.11 ur 1 ≤ p < ∞ . Beweisen Sie die Separabilit¨ at der Folgenr¨ aume c0 und p f¨ Aufgabe 2.12 Bestimmen Sie den Abschluss des Raumes Cc (Rn ) in ∞ (Rn ) . Aufgabe 2.13 Zeigen Sie, dass der Raum L∞ [0,1] nicht separabel ist.
40
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Aufgabe 2.14 Es seien M und N Mengen. Eine vektorwertige Funktion f ∈ F (M, F(N )) von einer Variablen t ∈ M kann man mit einer skalarwertigen Funktion F (t, s) := f (t)(s) ,
t∈M, s∈N,
von zwei Variablen (t, s) ∈ M × N identifizieren. a) Zeigen Sie die lineare Isomorphie
K[t, s] ∼ = K[t] ⊗ K[s] f¨ ur den Raum der Polynome in zwei Variablen. b) Nun seien K und L kompakte metrische R¨ aume. Zeigen Sie C(K × L) ∼ = C(K, C(L)) im Sinne einer linearen bijektiven Isometrie. Folgern Sie, dass das Tensorprodukt C(K) ⊗ C(L) im Banachraum C(K × L) dicht ist. Aufgabe 2.15 Zeigen Sie, dass die R¨ aume Λα (K) , λα (K) , C m [a, b] , Λm,α [a, b] und λm,α [a, b] Banachr¨ aume sind. Aufgabe 2.16 ur alle k ≥ 0 mit einer von Es sei 0 < α < 1 . Zeigen Sie eikt Λα [−π,π] = 1 + ckα f¨ k unabh¨ angigen Konstanten c = c(α) > 0 . Aufgabe 2.17 Charakterisieren Sie die pr¨ akompakten Teilmengen von (C 1 [a, b], C 1 ) . Ist die abgeschlossene Einheitskugel dieses Banachraums auch im Banachraum (C[a, b], sup ) abgeschlossen ? Aufgabe 2.18 Es seien K ein kompakter metrischer Raum und 0 < α < β ≤ 1 . akompakt ist, a) Zeigen Sie, dass eine beschr¨ ankte Menge A ⊆ λα (K) genau dann pr¨ falls gilt: lim
sup
d(s,t)→0 f ∈A
| f (s)−f (t) | d(s,t)α
= 0.
akompakt ist. b) Folgern Sie, dass eine beschr¨ ankte Teilmenge von Λβ (K) in λα (K) pr¨ Aufgabe 2.19 a) Zeigen Sie, dass f¨ ur 0 < α ≤ 1 eine beschr¨ ankte Teilmenge von Λm,α [a, b] in C m [a, b] pr¨ akompakt ist. b) Zeigen Sie, dass f¨ ur 1 < p < ∞ eine bez¨ uglich der Sobolev-Norm Wpm+1 in C m+1 [a, b] beschr¨ ankte Menge auch in Λm, kompakt ist.
1/ q
[a, b] beschr¨ ankt und in C m [a, b] relativ
3 Lineare Operatoren
3
41
Lineare Operatoren
Fragen: 1. Wie kann man die Gr¨ oße“ einer Matrix messen oder absch¨ atzen? ” 2. Zeigen Sie, dass ein linearer Operator zwischen endlichdimensionalen Banachr¨ aumen automatisch stetig ist. Gilt dies auch im unendlichdimensionalen Fall? 3. Wie kann man lineare Differentialoperatoren als stetig auffassen? In diesem Kapitel stellen wir stetige oder beschr¨ ankte lineare Operatoren zwischen normierten R¨ aumen vor und behandeln erste wichtige Beispiele, insbesondere Integralund Differentialoperatoren. Wir diskutieren Isometrien und Isomorphien und zeigen ein einfaches Fortsetzungsprinzip, das u. a. bei Integralkonstruktionen verwendet wird. Lineare Abbildungen. Es seien E, F Vektorr¨ aume u ¨ber K = R oder K = C . Eine Abbildung T : E → F heißt linear, falls T (α x1 + x2 ) = α T (x1 ) + T (x2 )
f¨ ur x1 , x2 ∈ E , α ∈ K ,
gilt. Der Nullraum oder Kern von T , N (T ) = T −1 {0} = {x ∈ E | T (x) = 0} ist ein Unterraum von E , das Bild ( Range“) ” R(T ) = T (E) = {T (x) | x ∈ E} von T ist ein Unterraum von F .
3.1
Operatornormen
Wir beginnen mit Charakterisierungen der Stetigkeit linearer Abbildungen: Satz 3.1 F¨ ur normierte R¨ aume X, Y und lineare Operatoren T : X → Y sind ¨ aquivalent: (a) ∃ C ≥ 0 ∀ x ∈ X : T (x) ≤ C x . (b) T ist gleichm¨ aßig stetig auf X . (c) T ist in einem Punkt a ∈ X stetig. (d) Es gilt T := sup
x ≤1
T (x) < ∞ .
Beweis. (a) ⇒ (b)“: Man hat T (x) − T (y) = T (x − y) ≤ C x − y aufgrund ” der Linearit¨ at von T ; in (2.1) kann also δ = Cε gew¨ ahlt werden. (b) ⇒ (c)“ ist klar. ”
42
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
(c) ⇒ (d)“: Zu ε := 1 gibt es δ > 0 mit x − a ≤ δ ⇒ T (x) − T (a) ≤ 1 . F¨ ur ” x ≤ 1 gilt dann (a + δx) − a ≤ δ , also T (δx) = T (a + δx) − T (a) ≤ 1 und somit T (x) ≤ 1δ . (d) ⇒ (a)“: F¨ ur x = 0 ist xx = 1 , also T ( xx ) ≤ T , und daher ist ” T (x) ≤ T x
f¨ ur alle x ∈ E .
♦
(1)
T (δx) δx a
T
T (a) T (x)
x 0
0 Abb. 3.1: Illustration des Beweises von Satz 3.1
Bemerkungen und Definitionen. a) Nach Satz 3.1 ist also ein linearer Operator T : X → Y genau dann stetig, wenn er die Einheitskugel B = BX von X in eine beschr¨ ankte Teilmenge von Y abbildet oder wenn er alle beschr¨ ankten Teilmengen von X in beschr¨ ankte Teilmengen von Y abbildet. Daher nennt man stetige lineare Operatoren oder Linearformen auch beschr¨ ankte lineare Operatoren oder Linearformen. b) Im Fall dim X < ∞ ist ein linearer Operator T : X → Y automatisch stetig; wir zeigen dies in den Ausf¨ uhrungen a) zu Matrizen-Normen auf S. 50. Typische Beispiele unstetiger linearer Operatoren in normierten R¨ aumen sind Differentialoperatoren, vgl. das Beispiel auf S. 55. Dort wird auch ein unstetiger linearer Operator auf einem Banachraum konstruiert; die Existenz solcher Beispiele ist wegen des Satzes vom abgeschlossenen Graphen 8.10 nicht offensichtlich. c) Das in Satz 3.1 (d) definierte Supremum T ist wegen (1) die minimal m¨ ogliche Konstante C in Satz 3.1 (a) und definiert eine Norm auf dem Vektorraum L(X, Y ) aller stetigen linearen Abbildungen von X nach Y . Statt L(X, X) schreibt man einfach L(X) . Der Raum X := L(X, K) heißt Dualraum von X, seine Elemente heißen stetige Linearformen oder stetige lineare Funktionale auf X . d) F¨ ur normierte R¨ aume X , Y , Z und Operatoren T ∈ L(X, Y ) und S ∈ L(Y, Z) T
S
X −→ Y −→ Z gilt auch S T ∈ L(X, Z) sowie S T ≤ S T f¨ ur die Komposition dieser Operatoren. Wegen (1) folgt dies sofort aus ST x ≤ S T x ≤ S T x
f¨ ur x ∈ X .
3 Lineare Operatoren
43
Vollst¨ andigkeit vererbt sich von einem Zielraum Y auf den Operatorenraum L(X, Y ) : Satz 3.2 a) Es seien X, Y normierte R¨ aume. Mit Y ist dann auch L(X, Y ) vollst¨ andig. b) Der Dualraum X eines normierten Raumes X ist ein Banachraum. Beweis. Die Behauptung kann ¨ ahnlich wie in Satz 1.2 gezeigt werden: Es sei (Tn ) eine Cauchy-Folge in L(X, Y ) . F¨ ur festes x ∈ X gilt Tm (x) − Tn (x) ≤ Tm − Tn x ; daher ist (Tn (x)) eine Cauchy-Folge in Y und somit konvergent. Durch T (x) :=
lim Tn (x) , x ∈ X ,
n→∞
wird eine lineare Abbildung T : X → Y definiert. Zu ε > 0 gibt es n0 ∈ N mit Tm (x) − Tn (x) ≤ Tm − Tn x ≤ ε x
f¨ ur n, m ≥ n0 .
Mit m → ∞ folgt auch T (x) − Tn (x) ≤ ε x f¨ ur n ≥ n0 . Somit ist T − Tn , ur n ≥ n0 . Folglich also auch T = (T − Tn ) + Tn stetig, und es gilt T − Tn ≤ ε f¨ ♦ konvergiert (Tn ) in L(X, Y ) gegen T ∈ L(X, Y ) . Nach Satz 3.1 ist f¨ ur lineare Operatoren (gleichm¨ aßige) Stetigkeit ¨ aquivalent zur Beschr¨ anktheit auf der Einheitskugel des Definitionsbereichs. Dementsprechend ist f¨ ur eine Menge von linearen Operatoren Gleichstetigkeit ¨ aquivalent zu gleichm¨ aßiger Beschr¨ anktheit auf der Einheitkugel: Gleichstetige Mengen von Operatoren. F¨ ur normierte R¨ aume X, Y ist eine Menge von Operatoren H ⊆ L(X, Y ) genau dann gleichstetig, wenn C := sup { T | T ∈ H} < ∞ gilt. In der Tat folgt ⇐“ sofort aus ” Tx − Ty ≤ T x − y ≤ C x − y
f¨ ur T ∈ H .
Gilt ⇒“ nicht, so gibt es zu n ∈ N einen Operator Tn ∈ H mit Tn > n und ” ur yn := n1 xn gilt dann einen Vektor xn ∈ X mit xn ≤ 1 und Tn xn > n . F¨ 1 yn − 0 ≤ n , aber T yn − T 0 > 1 ; somit ist H nicht gleichstetig. Damit k¨ onnen wir den folgenden Spezialfall von Lemma 2.4 formulieren: Satz 3.3 Es seien X, Y normierte R¨ aume, und Y sei vollst¨ andig. Weiter sei (Tn ) eine Folge in L(X, Y ) mit C := sup Tn < ∞ , die auf einer dichten Menge A ⊆ X punktweise n∈N
konvergiert. Dann existiert T x :=
lim Tn x
n→∞
44
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
f¨ ur alle x ∈ X ; man hat T ∈ L(X, Y ) mit T ≤ C , und die Konvergenz ist gleichm¨ aßig auf pr¨ akompakten Teilmengen von X . Beweis. Zu zeigen bleiben nur die Aussagen T ∈ L(X, Y ) und T ≤ C . Diese ergeben sich sofort aus Tx =
lim Tn x ≤ C x
n→∞
f¨ ur x ∈ X .
♦
Im letzten Teil dieses Abschnitts stellen wir stetige Linearformen auf C(K) -R¨ aumen vor: Dirac-Funktionale a) Es sei K ein kompakter metrischer Raum. F¨ ur a ∈ K wird das Dirac- oder δ -Funktional δa ∈ C(K) definiert durch δa (f ) := f (a) ,
f ∈ C(K) .
ur die konstante Funktion f : t → 1 Wegen | δa (f ) | = | f (a) | ≤ f gilt δa ≤ 1 . F¨ gilt f = 1 und | δa (f ) | = 1 , und daraus ergibt sich δa = 1 . b) F¨ ur eine Linearkombination L :=
r
cj δaj ,
aj ∈ K , cj ∈ K ,
j=1
hat man L ≤
r
| cj | . Nun w¨ ahlt man eine Funktion f ∈ C(K) mit f = 1 und
j=1
ur j = 1, . . . , r (im reellen Fall ist f (aj ) = ±1 , vgl. Abb. 3.2); dann cj f (aj ) = | cj | f¨ r | cj | , und man erh¨ alt ist L(f ) = j=1
L =
r
| cj | .
(2)
j=1
1 a3 a1
a2
a5 a4
−1 Abb. 3.2: Eine Funktion mit f = 1 und L(f ) = L
F¨ ur kompakte Mengen K ⊆ Rn kann man eine integrierbare Funktion g ∈ L1 (K) mit einem stetigen linearen Funktional auf C(K) identifizieren. Dazu ben¨ otigen wir
3 Lineare Operatoren
45
Eine Dichtheitsaussage. F¨ ur 1 ≤ p < ∞ ist C(K) dicht in Lp (K) . Dies kann man darauf zur¨ uckf¨ uhren, dass Cc (Rn ) in Lp (Rn ) dicht ist (vgl. S. 34 und S. 319): Eine ur t ∈ K zu einer Lp -Funktion auf Funktion g ∈ Lp (K) setzt man durch g(t) := 0 f¨ n n R fort. Dann gibt es eine Folge in Cc (R ) , die in Lp (Rn ) gegen g konvergiert. Durch Einschr¨ ankung auf K erh¨ alt man eine Folge (gj ) in C(K) mit g − gj Lp (K) → 0 . Satz 3.4 Es seien K ⊆ Rn kompakt und g ∈ L1 (K) . Durch J(g)(f ) := K f (t) g(t) dt , f ∈ C(K) ,
(3)
wird ein stetiges lineares Funktional J(g) ∈ C(K) definiert mit J(g) = K | g(t) | dt = g L1 .
(4)
Beweis. a) Wegen | J(g)(f ) | ≤ g L1 f sup gilt J(g) ≤ g L1 ; es ist also J : L1 (K) → C(K) ein stetiger linearer Operator. g(t) b) Nun sei zun¨ achst g ∈ C(K) . Zu ε > 0 definieren wir f (t) := | g(t) |+ε . Dann ist f ∈ C(K) mit f sup ≤ 1 , und man hat | g(t) |2 −ε2 g(t) |2 J(g)(f ) = K | |g(t) |+ε dt ≥ K | g(t) |+ε dt ≥ K (| g(t) | − ε) dt = g L1 − ε λ(K) .
Somit gilt die Behauptung (4) f¨ ur g ∈ C(K) . c) Nach obiger Dichtheitsaussage ist C(K) dicht in L1 (K) . Es gibt also eine Folge (gj ) in C(K) mit g − gj L1 (K) → 0 . Aus a) und b) ergibt sich dann schließlich J(g) = lim J(gj ) = lim gj L1 = g L1 . j→∞
3.2
j→∞
♦
Isomorphien und Fortsetzungen
Isometrien und Isomorphien. a) Zwei normierte R¨ aume X und Y heißen isome∼ trisch oder auch isometrisch isomorph, Notation: X = Y , falls es eine Isometrie von X auf Y gibt, d. h. eine bijektive lineare Abbildung T : X → Y mit T x Y = x X f¨ ur alle x ∈ X . b) Zwei metrische R¨ aume M und N heißen hom¨ oomorph, falls es eine Hom¨ oomorphie von X auf Y gibt, d. h. eine bijektive Abbildung f : X → Y , so dass f und f −1 stetig sind. c) Zwei normierte R¨ aume X und Y heißen isomorph, Notation: X Y , falls es eine lineare Hom¨ oomorphie von X auf Y gibt. Isometrische R¨ aume sind nat¨ urlich auch isomorph; die folgenden Beispiele zeigen, dass die Umkehrung i. a. nicht richtig ist. d) Eine nicht notwendig surjektive lineare Abbildung T : X → Y heißt Isometrie bzw. Isomorphie von X in Y , wenn T : X → R(T ) eine Isometrie bzw. Isomorphie von X auf das Bild von T ist.
46
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
e) Die Abbildung J aus Satz 3.4 ist eine Isometrie von L1 (K) in C(K) , die nicht surjektiv ist (vgl. Aufgabe 3.5).
f B2
B1
Abb. 3.3: Eine Hom¨ oomorphie der Einheitskugeln von 22 (R) und 21 (R)
Beispiele. Die Frage, ob zwei vorgegebene Banachr¨ aume isometrisch oder isomorph sind, ist ein interessantes und oft schwieriges Thema der Funktionalanalysis. Wir geben einige Resultate dazu an: a) Normierte R¨ aume gleicher endlicher Dimension sind stets isomorph (vgl. Satz 3.6). alt Dagegen sind etwa die R¨ aume 21 (R) und 22 (R) nicht isometrisch. In der Tat enth¨ die Einheitssph¨ are S := {x ∈ X | x = 1} von 21 (R) ganze Strecken (vgl. Abb. 3.3); usste dies auch f¨ ur die g¨ abe es nun eine lineare Isometrie von 21 (R) auf 22 (R) , so m¨ Einheitssph¨ are von 22 (R) gelten, was aber nicht der Fall ist. ∼ 2 in b) F¨ ur messbare Mengen Ω ⊆ Rn (mit λ(Ω) > 0 ) zeigen wir L2 (Ω) = Satz 6.6. Diese Aussage ist wichtig f¨ ur die Quantenmechanik (vgl. S. 124 und Abschnitt 13.6). Nach einem Resultat von A. Pelczynski gilt auch L∞ [a, b] ∞ (vgl. [Lindenstrauß und Tzafriri 1973], S. 190, und Aufgabe 10.19). Dagegen ist f¨ ur p = 2, ∞ stets Lp [a, b] p . Einen Beweis dieser Aussage findet man in [Lindenstrauß und Tzafriri 1973], S. 124 oder [Woytaszcyk 1991], III.A; in diesen Quelaume angegelen ist auch eine Klassifikation nach Isometrie aller separablen Lp (μ) -R¨ ben. c) Die Klassifikation von C(K) -R¨ aumen nach Isometrie bzw. Isomorphie ist vollkommen verschieden: F¨ ur kompakte metrische R¨ aume K und L sind C(K) und C(L) genau dann isometrisch, wenn K und L hom¨ oomorph sind; dagegen sind C(K) und C(L) f¨ ur beliebige u ahlbare kompakte metrische R¨ aume K und L stets isomorph ¨berabz¨ (Satz von Milutin). F¨ ur diese Aussagen sei auf [Lindenstrauß und Tzafriri 1973], S. 153 und S. 174 verwiesen. d) F¨ ur 0 < α < 1 gilt Λα (K) ∞ und λα (K) c0 f¨ ur jede unendliche kompakte Menge K ⊆ Rn nach R. Bonic, J. Frampton und A. Tromba1 . e) Nach K. Borsuk gilt die Isomorphie C 1 [a, b] C[a, b] , und analog hat man auch
1
J. Functional Analysis, 310-320 (1969)
3 Lineare Operatoren
47
Λ1 [a, b] L∞ [a, b] . Die Beweise dieser Aussagen werden in den Aufgaben 3.93.11 skizziert. Diese Isomorphien gelten jedoch nicht f¨ ur Funktionen von mehreren Ver¨ anderlichen2 . e) F¨ ur isomorphe Banachr¨ aume X , Y heißt d(X, Y ) := inf { T T −1 | T : X → Y Isomorphismus}
(≥ 1)
(5)
die Banach-Mazur-Distanz von X und Y . Nach Aufgabe 3.7 sind die Folgenr¨ aume c und c0 nicht isometrisch, wohl aber isomorph mit d(c, c0 ) ≤ 3 . Das Produkt T T −1 wird in der Numerischen Mathematik als Konditionszahl von T bezeichnet, vgl. dazu S. 52. Der folgende einfache Fortsetzungssatz gilt auch f¨ ur halbnormierte R¨ aume X und kann z. B. f¨ ur die Konstruktion von Integralen verwendet werden (vgl. Anhang A.3). Satz 3.5 Es seien X ein normierter Raum, Y ein Banachraum, V ⊆ X ein Unterraum und T : V → Y eine stetige lineare Abbildung. Dann existiert genau eine stetige Fortsetzung T : V → Y von T , und diese ist linear mit T = T . Beweis. Es seien x ∈ V und (vn ) eine Folge in V mit x − vn → 0 . Falls eine stetige Fortsetzung T von T existiert, so gilt f¨ ur diese T (x) =
lim T (vn ) ;
n→∞
(6)
sie ist also eindeutig bestimmt. Umgekehrt ist nun wegen T (vn ) − T (vm ) = T (vn − vm ) ≤ T vn − vm die Folge (T (vn )) eine Cauchy-Folge in Y , und wegen der Vollst¨ andigkeit von Y existiert der Grenzwert lim T (vn ) . n→∞
F¨ ur eine weitere Folge (un ) in V mit x − un → 0 gilt T (vn ) − T (un ) ≤ T vn − un ≤ T ( vn − x + x − un ) → 0 , d. h. durch (6) kann T auf V (wohl)definiert werden. Offenbar ist V ein Unterraum von X , und T ist linear. Aus T (vn ) ≤ T vn folgt mit n → ∞ sofort auch T (x) ≤ T x f¨ ur x ∈ V ; somit ist T stetig, und es gilt T ≤ T . ♦
2
vgl. W. Kaballo, J. reine angew. Math. 309, 56-85 (1979)
48
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Bemerkungen und Beispiele. a) Ist in Satz 3.5 der Operator T : V → Y injektiv, so muss dies nicht f¨ ur die Fortsetzung T : V → Y von T gelten, vgl. Aufgabe 5.9. b) Ist aber T : V → Y isometrisch, so gilt dies wegen (6) auch f¨ ur T : V → Y ; dies sieht man wie in Beweisteil c) von Satz 3.4 ein . c) Nach Satz 2.11 hat man f¨ ur 1 ≤ p < ∞ die stetige Inklusion i : (C 1 [a, b], Wp1 ) → C[a, b] . Nach Satz 3.5 existiert genau eine stetige lineare Fortsetzung auf Wp1 (a, b) , die SobolevEinbettung i : Wp1 (a, b) → C[a, b] . (7) Wir zeigen in Abschnitt 5.4, dass diese Abbildung injektiv, also wirklich eine Einbettung ist; der Sobolev-Raum Wp1 (a, b) kann also tats¨ achlich mit einem Unterraum von C[a, b] identifiziert werden. F¨ ur 1 < p < ∞ l¨ asst sich die Sobolev-Einbettung 1 ankte Mengen von Wp1 (a, b) in relativ u ¨ber Λ /q [a, b] faktorisieren, bildet also beschr¨ kompakte Teilmengen von C[a, b] ab.
3.3
Lineare Operatoren auf endlichdimensionalen R¨ aumen
Endlichdimensionale normierte R¨ aume sind dadurch charakterisiert, dass ihre Einheitskugel pr¨ akompakt ist. Zwei R¨ aume gleicher endlicher Dimension sind stets isomorph, und jeder auf einem solchen Raum X definierte lineare Operator T ist automatisch stetig. Im Fall X = n asst sich die Operatornorm von T explizit angeben. 1 l¨ Satz 3.6 Ein normierter Raum V mit dim V = n < ∞ ist isomorph zu n 1 . Insbesondere ist V vollst¨ andig. Beweis. Es sei v1 , . . . , vn eine Basis von V . Durch T : (x1 , . . . , xn ) →
n
xj vj
j=1
wird eine bijektive lineare Abbildung von Kn auf V definiert. Es ist x T := T x V eine Norm auf Kn , nach Satz 1.1 gibt es also 0 < c ≤ C ∈ R mit c x 1 ≤ x T = T x V ≤ C x 1
f¨ ur x ∈ Kn .
♦
Beispiel. F¨ ur ein festes m ∈ N sei (Pn ) eine Folge von Polynomen vom Grad ≤ m , die auf [0,1] punktweise gegen eine Funktion f konvergiert. Dann ist auch f ein Polynom vom Grad ≤ m , und die Konvergenz ist gleichm¨ aßig.
3 Lineare Operatoren
49
In der Tat hat der Raum Pm aller Polynome vom Grad ≤ m die endliche Dimension m + 1 . F¨ ur verschiedene Punkte t0 , . . . , tm ∈ [0,1] wird durch m
P :=
| P (tj ) | ,
P ∈ Pm ,
j=0
eine Norm auf Pm definiert. Da alle (Pn (tj )) konvergieren, ist (Pn ) eine Cauchy-Folge in (Pm , ) . Nach Satz 3.6 existiert P := lim Pn in Pm , und die Konvergenz ist n→∞
aquivalente Norm auf Pm ist. Da auch (Pn ) gleichm¨ aßig auf [0,1] , da sup eine ¨ punktweise gegen die Funktion f konvergiert, muss schließlich f = P ∈ Pm gelten. ♦ Mittels Satz 3.6 k¨ onnen wir nun die Existenz von Proxima zu endlichdimensionalen Unterr¨ aumen zeigen: Satz 3.7 Es seien X ein normierter Raum und V ⊆ X ein endlichdimensionaler Unterraum. Zu x ∈ X existiert dann eine Bestapproximation v0 ∈ V mit x − v0 = dV (x) = inf { x − v | v ∈ V } . Beweis. Es sei B := BR (0) ∩ V die abgeschlossene Kugel mit Radius R ≥ 2 x um 0 in V . F¨ ur v ∈ V \B ist x − v ≥ R − x ≥ x ≥ dB (x) , und daher hat man dV (x) = dB (x) . Nach Satz 3.6 ist aber B kompakt, und daher nimmt die stetige ♦ Funktion v → x − v ihr Minimum auf B an. x B
d R
0 v0
Abb. 3.4: Illustration des Beweises von Satz 3.7
Im Allgemeinen kann es zu x ∈ X\V mehrere Proxima in V geben, vgl. Aufgabe 1.15. Der folgende bereits am Anfang von Kapitel 2 erw¨ ahnte Satz zeigt, dass das Argument im Beweis von Satz 3.7 f¨ ur unendlichdimensionale Unterr¨ aume V nicht anwendbar ist (vgl. auch Aufgabe 3.12): Satz 3.8 Es sei X ein normierter Raum mit pr¨ akompakter Einheitskugel B . Dann ist dim X < ∞ . Beweis. Zu ε =
1 2
gibt es endlich viele Kugeln B 1/2 (aj ) = aj + 12 B mit B ⊆
r
j=1
(aj + 12 B) ⊆ V + 12 B
50
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
mit dem endlichdimensionalen Raum V := [a1 , . . . , ar ] . Durch Iteration folgt weiter B ⊆ V + 12 B ⊆ V +
1 2
(V + 12 B) = V + 14 B ⊆ · · · ⊆ V +
1 2n B
f¨ ur alle n ∈ N . Dies bedeutet aber B ⊆ V = V , da V als vollst¨ andiger Raum in X ♦ abgeschlossen ist. Somit hat man X = V und dim X < ∞ . Nun bestimmen wir Operatornormen f¨ ur einige auf endlichdimensionalen R¨ aumen definierte lineare Operatoren: Lineare Operatoren auf n 1 .
a) Es seien ein normierter Raum Y und eine lineare n Abbildung T : K → Y gegeben. F¨ ur x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Kn gilt x = xj ej mit n
j=1
den Einheitsvektoren ej . Es folgt T (x)
=
T (
n
xj e j ) =
j=1
≤
n
j=1
j=1
n
xj T (ej ) ≤
j=1
n
max T ej
n
| xj | T (ej )
j=1
| xj | ; n
folglich ist T : n 1 → Y stetig mit T ≤ max T ej , und wegen T ej ≤ T ist j=1
n
T L(n1 ,Y ) = max T ej .
(8)
j=1
b) Aus Satz 3.6 ergibt sich nun, dass jede lineare Abbildung von einem endlichdimensionalen normierten Raum nach Y stetig ist. Spaltensummen- und Zeilensummen-Normen von Matrizen. a) Eine lineare Abbildung T ∈ L(Kn , Km ) kann eindeutig repr¨ asentiert werden durch eine Matrix A = (aij ) = M(T ) ∈ M(m, n) = MK (m, n) ; mittels der Einheitsvektoren werden die Matrixelemente aij ∈ K festgelegt durch T (ej ) =
m
aij ei ,
j = 1, . . . , n .
(9)
i=1
Im Zusammenhang mit dem Matrizenkalk¨ ul schreiben wir ab jetzt Vektoren im Kn stets als Spalten x = (x1 , . . . , xn ) , wobei “ allgemein die Transposition von Matrizen bezeichnet, bei der Zeilen und ” Spalten vertauscht werden. b) F¨ ur T ∈ L(Kn , Km ) ist also T (ej ) nach (9) die j -te Spalte der Matrix A = (aij ) , und wegen (8) ist daher n
= A SS := max T L(n1 ,m 1 )
m
j=1 i=1
| aij |
(10)
3 Lineare Operatoren
51
die Spaltensummen-Norm der Matrix A . c) Analog zu b) ist f¨ ur T ∈ L(Kn , Km ) n
m
= A ZS := max T L(n∞ ,m ∞)
i=1 j=1
| aij |
(11)
die Zeilensummen-Norm der Matrix A = (aij ) = M(T ) . a) Die von Euklidischen Normen Absch¨ atzungen von Operatornormen auf n 2 . induzierte Operatornorm l¨ asst sich nicht explizit mittels der Matrixelemente angeben. Wir zeigen aber zwei interessante Absch¨ atzungen, in denen man i. a. keine Gleichheit hat: Zun¨ achst gilt f¨ ur x ∈ Kn aufgrund der Schwarzschen Ungleichung T x 22
=
n j=1
=
m
n
|
i=1
≤
xj T ej 22 = aij xj |2 ≤
j=1
n m i=1 j=1
n
m
xj
j=1
aij ei 22 =
i=1
m n i=1 j=1
aij xj ei 22
m n n ( | aij |2 ) ( | xj | 2 ) i=1
| aij |2 · x 22 ,
j=1
j=1
also
T L(n2 ,m ≤ A HS := 2 )
n m
| aij |2
1/2
.
(12)
i=1 j=1
Die Zahl A HS heißt Hilbert-Schmidt-Norm von A bzw. T (vgl. Abschnitt 12.3). b) Eine andere Absch¨ atzung ergibt sich so: T x 22
≤
m n i=1
≤
| aij |(
| aij || xj |)
2
j=1
A ZS
≤
m n n ( | aij |) ( | aij | | xj |2 ) i=1
n m
| aij | | xj |2 = A ZS
i=1 j=1
≤
j=1 m n
j=1
| aij | | xj |2
j=1 i=1
A ZS A SS · x 22 ,
also
T L(n2 ,m ≤ 2 )
A ZS A SS .
(13)
c) Die Matrix der Identit¨ at ist die Einheitsmatrix E = (δij ) . Offenbar hat man √ n ur die (n × n) -Matrix I L(2 ) = E ZS E SS = 1 , aber E HS = n . F¨
⎛
An
⎜ ⎜ ⎜ ⎜ = ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝
1
1
1
···
1
0
0
···
1 .. .
0 .. .
0
··· .. .
1
0
0
···
⎞ 1
⎟ 0 ⎟ ⎟ ⎟ 0 ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ 0
(14)
52
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
√ gilt dagegen An ZS An SS = n , aber An HS = 2n − 1 . Folglich gilt weatzung der eine Absch¨ atzung A 2HS ≤ C A ZS A SS noch umgekehrt eine Absch¨ angigen Kon A ZS A SS ≤ C A 2HS mit von den Dimensionen n und m unabh¨ stanten . Konditionszahlen. a) F¨ ur eine invertierbare Matrix A ∈ MK (n) und eine Norm n −1 auf K heißt A A ∈ [1, ∞) die Konditionszahl von A ; dieses Produkt tritt auch bei der Banach-Mazur-Distanz (5) auf. b) F¨ ur b ∈ Kn betrachten wir das lineare Gleichungssystem Ax = b sowie ein gest¨ ortes System (A + ΔA)x = b + Δb mit gen¨ ugend kleinen“ St¨ orungen ΔA ∈ MK (n) und ” Δb ∈ Kn (vgl. S. 64). Gilt nun Aξ = b und (A + ΔA)(ξ + Δξ) = b + Δb , so folgt A Δξ + ΔA ξ + ΔA Δξ = Δb , bei Vernachl¨ assigung des quadratisch kleinen“ Terms ΔA Δξ also ” Δξ = A−1 (Δb − ΔA ξ)
und
Δξ ≤ A−1 ( Δb + ΔA ξ ) .
F¨ ur ξ = 0 folgt daraus wegen b ≤ A ξ Δξ ξ
≤ A A−1 ( Δb b +
ΔA A );
(15)
die Konditionszahl ist also eine obere Schranke f¨ ur die Verst¨ arkung der relativen Fehler.
3.4
Lineare Integral- und Differentialoperatoren
Wir untersuchen nun zun¨ achst lineare Integraloperatoren S := Sκ : f → (Sf )(t) :=
K
κ(t, s) f (s) ds ,
t∈K,
(16)
die durch stetige Kerne κ ∈ C(K 2 ) u ¨ber einer kompakten Teilmenge K von Rn deaumen ab. Man kann finiert werden, und sch¨ atzen ihre Normen in C(K) - und Lp -R¨ κ(t, s) als kontinuierliches Analogon“ einer quadratischen Matrix (aij ) betrachten. ” Anschließend diskutieren wir M¨ oglichkeiten zur Untersuchung linearer Differentialoperatoren. Lineare Integraloperatoren. a) Es seien K ⊆ Rn kompakt und κ ∈ C(K 2 ) ein stetiger Kern. In Analogie zu (10) und (11) nennen wir κ SI := sup s∈K
K
| κ(t, s) | dt
und
κ ZI := sup t∈K
K
| κ(t, s) | ds
(17)
die Spaltenintegral-Norm und Zeilenintegral-Norm des Kerns κ . Offenbar gilt stets κ SI ≤ λ(K) κ sup und κ ZI ≤ λ(K) κ sup .
3 Lineare Operatoren
53
b) Der Integraloperator S = Sκ aus (16) bildet L1 (K) in C(K) ab. Wegen der Kompaktheit von K ist in der Tat κ gleichm¨ aßig stetig auf K 2 (vgl. Satz A.2.9); zu ε > 0 ur | t1 − t2 | ≤ δ und alle s ∈ K . gibt es also δ > 0 mit | κ(t1 , s) − κ(t2 , s) | ≤ ε f¨ Daraus ergibt sich dann f¨ ur | t1 − t2 | ≤ δ
| Sf (t1 ) − Sf (t2 ) | ≤
K
| κ(t1 , s) − κ(t2 , s) | | f (s) | ds ≤ ε f L1 .
(18)
Diese Absch¨ atzung zeigt auch, dass S beschr¨ ankte Teilmengen von L1 (K) in gleichstetige Teilmengen von C(K) abbildet. c) F¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ und
1 p
1 q
+
= 1 hat man nach der H¨ olderschen Ungleichung
1 | Sf (t) | ≤ ( K | κ(t, s) |q ds) /q f Lp , Sf sup ≤ (sup t∈K
K
| κ(t, s) |q ds)
also
1/ q
f Lp .
(19)
Sf sup ≤ κ ZI f L∞ .
(20)
In den Grenzf¨ allen p = 1 und p = ∞ ist dies so zu lesen: Sf sup ≤ κ sup f L1
und
Aufgrund von b) und des Satzes von Arzel` a-Ascoli bildet also S beschr¨ ankte Teilmengen von Lp (K) in relativ kompakte Teilmengen von C(K) ab. d) Die letzte Ungleichung in (20) ist sogar eine Gleichung; insbesondere gilt Sκ L(C(K)) = κ ZI .
(21)
In der Tat gibt es τ ∈ K mit κ ZI = K | κ(τ, s) | ds , und zu ε > 0 existiert wegen (4) eine Funktion f ∈ C(K) mit f sup ≤ 1 und Sκ f ≥ | (Sκ f )(τ ) | = |
K
κ(τ, s) f (s) ds | ≥
K
| κ(τ, s) | ds − ε = κ ZI − ε .
Es gelten Normabsch¨ atzungen analog zu (10), (12) und (13): Satz 3.9 Es seien 1 < p < ∞ und Absch¨ atzungen
1 p
+
1 q
= 1 . F¨ ur den Operator S = Sκ aus (16) gelten die
Sκ f L2 ≤ κ L2 (K 2 ) · f L2 , Sκ f L1 ≤ κ SI · f L1 , 1/ q
1/ p
f ∈ L2 (K) ,
f ∈ L1 (K) ,
Sκ f Lp ≤ κ ZI κ SI · f Lp ,
(22)
und
(23)
f ∈ Lp (K) .
(24)
54
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Beweis. a) Absch¨ atzung (22) ergibt sich aus der Schwarzschen Ungleichung:
K
| Sκ f (t) |2 dt
| K κ(t, s) f (s) ds |2 dt | κ(t, s) |2 ds K | f (s) |2 ds dt . K K
=
K
≤
b) Absch¨ atzung (23) ergibt sich aus
K
| Sκ f (t) | dt
≤ ≤
K K K
K
| κ(t, s) | | f (s) | ds dt | κ(t, s) | dt | f (s) | ds ≤ κ SI · f L1 .
Hierbei wurde die Reihenfolge der Integrationen vertauscht. F¨ ur stetige Funktionen f ist dies leicht zu begr¨ unden (vgl. etwa [Kaballo 1999], Satz 2.3) und folgt daraus wegen der Dichtheitsaussage auf S. 45 f¨ ur L1 -Funktionen durch Approximation. Alternativ kann man auch den Satz von Tonelli A.3.17 verwenden; dabei benutzt man, dass die Funktion f ∈ L1 (K) auch als Funktion f : (t, s) → f (s) auf K × K messbar ist (vgl. Aussage e) auf S. 322). c) Auch zum Beweis von (24) vertauschen wir die Reihenfolge der Integrationen mit der gleichen Begr¨ undung wie in b). Mittels der H¨ olderschen Ungleichung ergibt sich:
K
| Sκ f (t) |p dt
≤ ≤ ≤ ≤ ≤
p 1 (| κ(t, s) | /p | f (s) |) ds dt p ( K | κ(t, s) | ds) /q K | κ(t, s) | | f (s) |p ) ds) dt K p/ κ ZIq K K | κ(t, s) | | f (s) |p ds dt p/ κ ZIq K K | κ(t, s) | dt | f (s) |p ds p/ κ ZIq κ SI K | f (s) |p ds . ♦ K
K
| κ(t, s) |
1/ q
Es ist κ L2 die Hilbert-Schmidt-Norm von Sκ (vgl. Abschnitt 12.3). Man kann Absch¨ atzung (24) als Interpolation“ der Absch¨ atzungen (20) f¨ ur p = ∞ und (23) ” f¨ ur p = 1 auffassen; dazu sei auf [Werner 2007], Abschnitt II.4 oder [K¨ onig 1986], Abschnitt 2c verwiesen. Absch¨ atzungen f¨ ur messbare Kerne. Satz 3.9 gilt auch f¨ ur Integraloperatoren (16) mit nur messbaren Kernen κ : Ω × Ω → K auf (vollst¨ andigen) σ -endlichen Maßr¨ aumen Ω . Dies bedeutet, dass es eine Folge (Ωj ) messbarer Teilmengen von ∞
Ωj gibt; diese Bedingung wird f¨ ur den Satz von Ω mit μ(Ωj ) < ∞ und Ω = j=1
Tonelli A.3.17 ben¨ otigt. Weiter k¨ onnen die Suprema in (17) als wesentliche Suprema (vgl. S. 17) interpretiert werden. Der Beweis von Satz 3.9 in diesen F¨ allen erfordert ¨ zus¨ atzliche Uberlegungen im Rahmen der Integrationstheorie und wird daher am Ende von Abschnitt A.3.4 im Anhang durchgef¨ uhrt.
3 Lineare Operatoren
55
Im Gegensatz zu linearen Integraloperatoren lassen sich lineare Differentialoperatoren nicht als stetige lineare Operatoren auf einem Banachraum realisieren; dies zeigt bereits das folgende einfache Beispiel: Beispiel.
a) F¨ ur b > 0 ist der lineare Differentialoperator D : f →
df dt
,
f ∈ C 1 [0, b] ,
unstetig als Operator von (C 1 [0, b], sup ) nach (C[0, b], sup ) , da aus fn sup → 0 nicht fn sup → 0 folgt; ein entsprechendes Beispiel ist die Funktionenfolge (fn (t) = n1 sin nt) . Dagegen ist D : (C 1 [0, b], C 1 ) → (C[0, b], sup ) stetig wegen D(f ) sup ≤ f C 1 . b) Man kann mittels a) auch einen unstetigen linearen Operator auf einem Banachraum konstruieren. Dazu w¨ ahlt man ein algebraisches Komplement W von C 1 [0, b] in C[0, b] , d. h. einen Unterraum W von C[0, b] mit C[0, b] = C 1 [0, b] ⊕ W . Zur Konstruktion von W erweitert man eine algebraische Basis von C 1 [0, b] zu einer solchen von C[0, b] (vgl. Satz A.1.1 im Anhang). Nun erweitert man D durch Df := 0 f¨ ur f ∈ W zu einem linearen Operator D : C[0, b] → C[0, b] , der offenbar unstetig ist. Trotz dieses desillusionierenden Beispiels gibt es f¨ ur die Untersuchung linearer Differentialoperatoren T die folgenden M¨ oglichkeiten: Methoden
zur Untersuchung von linearen Differentialoperatoren:
a) Man formuliert das Problem in eine Integralgleichung um (vgl. z. B. S. 62). Dies gelingt auch manchmal bei nichtlinearen Differentialoperatoren (vgl. den Satz von Picard-Lindel¨ of in Abschnitt 4.6). b) Man realisiert T : D(T ) → X als unbeschr¨ ankten linearen Operator in X mit einem echt in X enthaltenen Definitionsbereich D(T ) . Eine Einf¨ uhrung in die entsprechende Spektraltheorie geben wir in Kapitel 13. c) Man realisiert T als stetigen linearen Operator auf einem nicht normierbaren Raum, z.B. auf einem Raum von C ∞ -Funktionen. Solche R¨ aume und Operatoren sollen im Aufbaukurs behandelt werden.
3.5
Aufgaben
Aufgabe 3.1 Es seien X, Y normierte R¨ aume. Zeigen Sie, dass L(X, Y ) ein Vektorraum ist, auf dem durch das Supremum in Satz 3.1 (d) eine Norm definiert wird.
56
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Aufgabe 3.2 Es seien X, Y, Z normierte R¨ aume. Zeigen Sie die Stetigkeit der Abbildungen L(X, Y ) × X → Y
,
(T, x) → T (x)
L(Y, Z) × L(X, Y ) → L(X, Z)
,
(S, T ) → ST .
und
Aufgabe 3.3 1 Gegeben seien die Linearformen S : f → −1 f (t) dt und δ : f → f (0) auf C 1 [−1,1] . Untersuchen Sie, ob diese Linearformen bez¨ uglich der Normen sup , L1 , L2 oder C1 stetig sind, und berechnen Sie gegebenenfalls ihre Normen. Aufgabe 3.4 Beweisen Sie Satz 3.2 mit Hilfe von Satz 1.6. Aufgabe 3.5 In der Situation von Satz 3.4 zeigen Sie δt ∈ J(L1 (K)) f¨ ur t ∈ K . Aufgabe 3.6 Definieren Sie analog zu (3) eine Isometrie von 1 in c0 und beweisen Sie deren Surjektivit¨ at. Es gilt also c0 ∼ = 1 . Aufgabe 3.7 Konstruieren Sie eine Isomorphie T : c → c0 mit T T −1 ≤ 3 . Zeigen Sie, dass die R¨ aume c und c0 nicht isometrisch sind. Hinweis. Der Punkt x = (1,1,1, . . .) in der Einheitskugel von c hat eine spezielle Eigenschaft. Aufgabe 3.8 Sind die Banachr¨ aume c0 und C[a, b] isomorph ? Aufgabe 3.9 ur 1 ≤ p ≤ ∞ . Zeigen Sie K × c0 c0 sowie K × p p f¨ Aufgabe 3.10 Zeigen Sie C 1 [a, b] K × C[a, b] und Λ1 [a, b] K × L∞ [a, b] . Hinweis. Verwenden Sie den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung, f¨ ur die zweite Aussage dessen Version f¨ ur absolutstetige Funktionen (vgl. etwa [Kaballo 1999], Abschnitt 15 und auch Abschnitt 5.4 f¨ ur das Konzept der schwachen Ableitung). Aufgabe 3.11 a) Konstruieren Sie Isometrien Φ von c0 in C[a, b] sowie Ψ von ∞ in L∞ [a, b] . Folgern Sie, dass die R¨ aume L∞ [a, b] und Λ1 [a, b] nicht separabel sind. −j Hinweis. F¨ ur [a, b] = [0,1] definieren Sie Φ(xj )∞ ) := xj und j=0 := f durch f (2 ∞ −j−1 ur 2 < t < 2−j . lineare Interpolation sowie Ψ(xj )j=0 := g durch g(t) := xj f¨
3 Lineare Operatoren
57
b) Konstruieren Sie lineare Operatoren P : C[a, b] → c0 mit P ≤ 2 und P Φ = I auf c0 sowie Q : L∞ [a, b] → ∞ mit Q = 1 und QΨ = I auf ∞ . Folgern Sie C[a, b] c0 × N (P )
sowie
L∞ [a, b] ∞ × N (Q) .
c) Schließen Sie mittels der Aufgaben 3.9, 3.10 und 3.11 a), b) C 1 [a, b] 1
Λ [a, b]
K × C[a, b] K × c0 × N (P ) c0 × N (P ) C[a, b] sowie
K × L∞ [a, b] K × ∞ × N (Q) ∞ × N (Q) L∞ [a, b] .
Aufgabe 3.12 Es seien X ein normierter Raum und V ⊆ X ein abgeschlossener Unterraum. Zu x ∈ X sei PV (x) := {v0 ∈ V | x − v0 = dV (x)} die Menge aller Bestapproximationen an x in V . a) Zeigen Sie, dass PV (x) eine konvexe Menge ist. b) Es seien X = c0 und V := N (ϕ) der Kern der stetigen Linearform ϕ : x →
∞
2−j xj
f¨ ur x = (xj ) ∈ c0 .
j=0
Zeigen Sie PV (x) = ∅ f¨ ur x ∈ V . Aufgabe 3.13 a) Beweisen Sie das Rieszsche Lemma: Es seien X ein normierter Raum und V ⊆ X ein echter abgeschlossener Unterraum. Zu 0 < ε < 1 gibt es dann x ∈ X mit x = 1 und dV (x) ≥ ε . b) Geben Sie mit Hilfe des Rieszschen Lemmas einen weiteren Beweis von Satz 3.8. Aufgabe 3.14 Es sei 1 ≤ p ≤ ∞ . Definieren Sie eine Norm auf Lp [a, b]m+1 so, dass die lineare Abbildung f → (f, f , f , . . . , f (m) ) eine Isometrie von (C m [a, b], Wpm ) in Lp [a, b]m+1 wird, und konstruieren Sie so eine Isometrie von Wpm (a, b) in Lp [a, b]m+1 . Aufgabe 3.15 a) Zeigen Sie, dass die Translationsoperatoren Th : f → f (t−h) f¨ ur h ∈ Rn Isometrien auf Lp (Rn ) definieren. b) F¨ ur 1 ≤ p < ∞ zeigen Sie Th f − f Lp → 0 f¨ ur f ∈ Lp (Rn ) und h → 0 . Hinweis. Verwenden Sie die Dichtheit von Cc (Rn ) in Lp (Rn ) und Satz 3.3.
58
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Aufgabe 3.16 a) Beweisen Sie Formel (11). n
≥ max | aij | . b) Zeigen Sie T L(n2 ,m 2 ) i,j=1
mittels Matrixelemenc) Geben Sie f¨ ur 1 < p < ∞ eine Absch¨ atzung f¨ ur T L(np ,m p ) ten an. Aufgabe 3.17 Es seien K ⊆ Rn kompakt und κ1 , κ2 ∈ C(K 2 ) stetige Kerne auf K . a) Zeigen Sie Sκ1 Sκ2 = Sκ , wobei κ := κ1 κ2 ∈ C(K 2 ) gegeben ist durch κ(t, s) =
K
κ1 (t, u) κ2 (u, s) du ,
t, s ∈ K.
ur die drei Normen b) Beweisen Sie die Absch¨ atzungen κ1 κ2 ≤ κ1 κ2 f¨ ZI , SI und L2 (K 2 ) . Aufgabe 3.18 Es seien Ω ein σ -endlicher Maßraum und κ ein messbarer Kern auf Ω2 mit κ∗ := sup
t∈Ω
| κ(t, s) |2 ds < ∞ .
Ω
Zeigen Sie sup | Sκ f (t) | ≤ t∈Ω
√
κ∗ f L2 ,
f ∈ L2 (Ω) .
Aufgabe 3.19 ankt, σ ∈ L∞ (Ω2 ) und 0 ≤ γ < n . Zeigen Sie, Es seien Ω ⊆ Rn messbar und beschr¨ dass der schwach singul¨ are Integraloperator Sf (t) :=
σ(t,s) Ω | t−s |γ
f (s) ds
ur f¨ ur alle 1 ≤ p ≤ ∞ einen beschr¨ ankten linearen Operator auf Lp (Ω) definiert. F¨ σ(t,s) 2 welche Exponenten γ liegt der Kern κ(t, s) = | t−s |γ in L2 (Ω ) ? Aufgabe 3.20 Beweisen Sie das Lemma von Auerbach: Ein normierter Raum X mit dim X = n < ∞ ur j = 1, . . . , n , sodass auch f¨ ur hat eine Basis {x1 , . . . , xn } von X mit xj = 1 f¨ ur die durch ϕi (xj ) = δij gegebene duale Basis {ϕ1 , . . . , ϕn } von X gilt ϕi = 1 f¨ i = 1, . . . , n . Hinweis. Verwenden Sie X Kn und maximieren Sie den Betrag der Determinante auf einer geeigneten Einheitskugel!
4 Kleine St¨ orungen
4
59
Kleine St¨ orungen
Fragen: 1. Versuchen Sie, interessante Beispiele f¨ ur Eigenwerte und Eigenvektoren von stetigen linearen Operatoren auf unendlichdimensionalen Banachr¨ aumen zu finden. 2. Ein Operator mit einer bestimmten Eigenschaft, etwa (einseitiger) Invertierbarkeit, werde durch einen anderen Operator gest¨ ort. Unter welchen Bedingungen an die St¨ orung bleibt die Eigenschaft (weitgehend) erhalten? Suchen Sie Anwendungen auf Integral- oder Differentialgleichungen. In diesem Kapitel behandeln wir lineare und auch nichtlineare kleine St¨ orungen der Identit¨ at oder eines invertierbaren Operators; die Resultate beruhen auf der Neumannschen Reihe im linearen Fall und dem Banachschen Fixpunktsatz im nichtlinearen Fall. Wir entwickeln die Grundlagen der Spektraltheorie und geben Anwendungen auf Integralgleichungen und Differentialgleichungen.
4.1
Banachalgebren und Neumannsche Reihe
F¨ ur einen Banachraum X ist der Banachraum L(X) auch ein Ring unter der Komposition von Operatoren. Diese Tatsache wurde bis etwa 1930 kaum beachtet; erst seit grundlegenden Arbeiten von J. von Neumann (ab 1930) und I.M. Gelfand (1941) spielen multiplikative Strukturen eine wesentliche Rolle in der Operatortheorie. Banachalgebren. Eine Banachalgebra ist ein Banachraum A u ¨ber K = R oder K = C mit einer Multiplikation A × A → A , f¨ ur die das Assoziativ- und Distributivgesetz sowie (α x) y = x (α y) = α (xy)
f¨ ur α ∈ K , x, y ∈ A
und die Submultiplikativit¨ at der Norm xy ≤ x y
f¨ ur x, y ∈ A
gelten, sodass e = 1 f¨ ur ein Einselement e ∈ A ist. In diesem Buch kommen nur Banachalgebren mit Einselement vor. Beispiele. a) F¨ ur einen kompakten Raum K ist C(K) mit der punktweisen Multiplikation eine kommutative Banachalgebra. b) F¨ ur einen Banachraum X ist L(X) eine (nicht kommutative) Banachalgebra. Dies ur die Matrizenalgebra MK (n) etwa unter der gilt insbesondere f¨ ur L(Kn ) und auch f¨ Spaltensummen- oder Zeilensummen-Norm. c) F¨ ur einen kompakten Raum K und eine Banachalgebra A ist C(K, A) mit der punktweisen Multiplikation eine Banachalgebra. Ist A kommutativ, so gilt dies auch f¨ ur C(K, A) .
60
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
d) Abgeschlossene Unteralgebren von Banachalgebren sind wieder Banachalgebren. Die geometrische Reihe liefert das folgende einfache, aber fundamentale Resultat der St¨ orungstheorie in Banachalgebren; die Methode wurde bereits 1877 von C. Neumann zur Untersuchung von Integralgleichungen benutzt: Satz 4.1 (Neumannsche Reihe) Es seien A eine Banachalgebra und x ∈ A ein Element mit x < 1 . Dann ist die k in A absolut konvergent, und es gilt Reihe k x ∞
xk = (e − x)−1 .
(1)
k=0
Insbesondere ist also e − x invertierbar. Beweis. Die absolute Konvergenz der Reihe folgt aus xk ≤ x k und x < 1 . ∞ xk ∈ A , und man hat Nach Satz 1.6 existiert also s := k=0 ∞
(e − x) s = s(e − x) =
k=0
Bemerkungen.
∞
a) Die Summe s :=
Partialsummen sn :=
n
∞
xk −
xk = e .
♦
k=1
xk l¨ asst sich iterativ berechnen: F¨ ur die
k=0
xk gilt offenbar s0 = e , sn+1 = e + xsn und sn → s .
k=0
atzung b) F¨ ur n ∈ N hat man die Fehlerabsch¨ s − sn =
∞ k=n+1
∞
xk ≤
xk ≤
k=n+1
∞
x k =
k=n+1
x n+1 1− x
;
es liegt also mindestens lineare Konvergenz vor. Als erste Anwendung der Neumannschen Reihe stellen wir vor: Input-Output-Analyse nach V. Leontieff. a) Eine Volkswirtschaft besitze die Industrien X1 , . . . , Xn , die gewisse Outputs erzeugen. Um einen Output im Wert von 1 Euro zu erzeugen, ben¨ otigt Industrie Xj Inputs der Industrien Xi im Wert von tij Euro, i = 1, . . . , n . Dabei ist vern¨ unftigerweise 0 ≤ tij , i, j = 1, . . . , n
und
n
tij < 1 , j = 1, . . . , n ,
(2)
i=1
anzunehmen. Produziert nun jede Industrie Xi einen Output im Wert von xi Euro, n tij xj zur Verf¨ ugung. Das so stehen f¨ ur Konsumenten nur noch die Outputs xi − j=1
Problem besteht darin, genau soviel zu produzieren, dass eine gegebene Nachfrage d = (d1 , . . . , dn ) befriedigt werden kann.
4 Kleine St¨ orungen
61
b) Dazu schreibt man x = (x1 , . . . , xn ) f¨ ur den Produktionsvektor und f¨ uhrt die osen ist dann die Gleichung x − T x = d oder Matrix T := (tij ) ∈ MR (n) ein. Zu l¨ (I − T )x = d . c) Nun folgt aus (2) sofort T SS < 1 f¨ ur die Spaltensummen-Norm aus (3.10). aß obiger Bemerkung iterativ Nach Satz 4.1 existiert also (I − T )−1 und kann gem¨ ∞ −1 k T sind alle Matrixelemente von (I − T )−1 berechnet werden. Wegen (I − T ) = k=0
nichtnegativ. Eine abstraktere Anwendung der Neumannschen Reihe betrifft Ideale und Quotientenalgebren. a) Es sei A eine Banachalgebra. Ein echter Unterraum I ⊆ A heißt zweiseitiges Ideal in A , falls A I A := {xuy | x, y ∈ A , u ∈ I} ⊆ I alt I auch keine invertierbaren gilt. Wegen I = A ist e ∈ I , und wegen xx−1 = e enth¨ Elemente von A . b) Mit I ist auch I ein zweiseitiges Ideal in A : Aus A I A ⊆ I folgt sofort auch A I A ⊆ I . Nach Satz 4.1 und a) ist weiter I ∩ U1 (e) = ∅ und damit auch I ∩ U1 (e) = ∅ . c) F¨ ur ein abgeschlossenes zweiseitiges Ideal I in A ist auch der Quotientenraum A/I eine Banachalgebra. Ist in der Tat π : A → A/I die Quotientenabbildung, so kann ¨ man wegen A I A ⊆ I Aquivalenzklassen analog zu (1.21) gem¨ aß π(x) π(y) := π(xy)
f¨ ur x, y ∈ A
(3)
multiplizieren. Die Submultiplikativit¨ at der Norm ist leicht zu sehen; f¨ ur die Aussage π(e) = 1 ben¨ otigt man die Neumannsche Reihe: Ist π(e) < 1 , so gibt es x ∈ I mit e − x < 1 . Nach Satz 4.1 ist dann x = e − (e − x) invertierbar, was aber wegen x ∈ I unm¨ oglich ist. Spektralradius. Statt x < 1“ gen¨ ugt f¨ ur die Konvergenz der Neumannschen ” Reihe auch die schw¨ achere Bedingung ∞
xk < ∞ ;
(4)
k=0
diese Versch¨ arfung ist z. B. f¨ ur Volterrasche Integralgleichungen (vgl. S. 63) wesentlich. Nach dem Wurzelkriterium folgt (4) bereits aus r(x) := lim sup k xk < 1 . (5) Die Zahl r(x) ∈ [0, x ] heißt Spektralradius von x ; die Namensgebung erkl¨ aren wir in (16) und Satz 9.9. Der Limes superior in (5) ist sogar ein echter Limes (vgl. Aufgabe 4.5).
62
4.2
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Lineare Integralgleichungen
Die Neumannsche Reihe hat wichtige Anwendungen auf lineare Integralgleichungen. Wesentliche Resultate dazu stammen u. a. von V. Volterra (1896), I. Fredholm (1900/03), D. Hilbert (1904/06) und F. Riesz (1918); diese waren ein Ausgangspunkt f¨ ur ein zentrales Thema dieses Buches: die Spektraltheorie linearer Operatoren auf Hilbertr¨ aumen und Banachr¨ aumen. ⊆
Rn kompakt und
t∈K,
(6)
Fredholmsche Integralgleichungen. a) Es seien K κ ∈ C(K 2 ) ein stetiger Kern. Die Integralgleichung f (t) −
K
κ(t, s) f (s) ds = g(t) ,
hat dann nach Satz 4.1 und (3.21) im Fall κ ZI = sup t∈K
K
| κ(t, s) | ds < 1
(7)
f¨ ur jede Funktion g ∈ C(K) genau eine L¨ osung f ∈ C(K) . b) Nun seien (Ω, Σ, μ) ein σ -endlicher Maßraum und κ : Ω2 → K ein messbarer Kern, sodass eine der Absch¨ atzungen in Satz 3.9 (vgl. auch die S¨ atze A.3.18 - A.3.20 im Anhang) die Aussage Sκ L(Lp (Ω)) < 1 liefert. Dann hat (6) nach Satz 4.1 f¨ ur jede osung f ∈ Lp (Ω) . Funktion g ∈ Lp (Ω) genau eine L¨ c) Nun seien wieder K ⊆ Rn kompakt und κ ∈ C(K 2 ) . Gilt Sκ L(Lp (Ω)) < 1 f¨ ur ein 1 ≤ p ≤ ∞ , so gibt es zu g ∈ C(K) genau eine L¨ osung f ∈ Lp (K) von (I − Sκ )f = g . Nun gilt Sκ f ∈ C(K) und somit auch f ∈ C(K) ; der Operator I − Sκ ist unter der Bedingung Sκ L(Lp (Ω)) < 1“ also auch auf C(K) bijektiv. ” d) Wir kommen in Teil IV des Buches auf Fredholmsche Integralgleichungen zur¨ uck, dann ohne Kleinheitsbedingungen wie (7) oder Sκ L(Lp (Ω)) < 1“ . Wie bei Volterra” schen Integralgleichungen unten kann man nat¨ urlich auch Fredholmsche Integralgleichungen mit Matrix-wertigen Kernen betrachten. Wie am Ende von Abschnitt 3.4 angek¨ undigt, lassen sich Differentialgleichungen manchmal in Integralgleichungen umformulieren: Lineare Systeme von Differentialgleichungen. a) Es seien J ⊆ R ein kompaktes Intervall, a ∈ J , ξ ∈ Kn , A ∈ C(J, MK (n)) und b ∈ C(J, Kn ) . Das Anfangswertproblem x˙ = A(t) x + b(t) , x(a) = ξ (8) ist aufgrund des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung ¨ aquivalent zur Integralgleichung x(t) = ξ +
t a
(A(s) x(s) + b(s)) ds ,
t∈J.
4 Kleine St¨ orungen
63
b) Man f¨ uhrt den Integraloperator t (V x)(t) := a A(s) x(s) ds , t ∈ J , x ∈ C(J, Kn ) , t ein. Mit B(t) := ξ + a b(s) ds , t ∈ J , ist dann (8) a ¨quivalent zur Gleichung (I − V ) x = B
im Banachraum C(J, Kn ) .
(9)
c) Es ist V ein spezieller Volterra-Operator auf C(J, Kn ) . F¨ ur diesen zeigen wir r(V ) = 0 in (12) unten. Somit besitzt die Gleichung (9) und daher auch das Anfangswertproblem (8) genau eine L¨ osung in C(J, Kn ) (Satz von Picard-Lindel¨ of f¨ ur lineare Systeme, vgl. auch Satz 4.12 unten). Volterrasche Integralgleichungen. a) F¨ ur einen stetigen Matrix-wertigen Kern 2 κ ∈ C(J , MK (n)) wird durch t (10) (V f )(t) := (Vκ )f (t) := a κ(t, s) f (s) ds , t ∈ J , f ∈ C(J, Kn ) , ein linearer Volterra-Operator V : C(J, Kn ) → C(J, Kn ) definiert. b) Wegen V f (t) ≤ (t − a) κ sup f sup ,
t∈J,
ist V ∈ L(C(J, K )) . Aus (10) und (11) folgt weiter t t V 2 f (t) ≤ κ a V f (s) ds ≤ κ 2 f a (s − a) ds =
(11)
n
Induktiv liefert dieses Argument V j f (t) ≤ V j ≤
(b−a)j j!
(t−a)j j!
κ j
(t−a)2 2
κ 2 f .
κ j f , also
f¨ ur j ∈ N .
(12)
c) Aus (12) folgt r(V ) = 0 f¨ ur den Spektralradius von V , insbesondere also ∞ ∞ V j < ∞ und die Konvergenz der Neumannschen Reihe V j = (I − V )−1 . j=0
j=0
Somit ist die Volterrasche Integralgleichung t f (t) − a κ(t, s) f (s) ds = (I − V )f (t) = g(t)
(13)
f¨ ur alle g ∈ C(J, Kn ) durch f = (I − V )−1 g in C(J, Kn ) eindeutig l¨ osbar. Die L¨ osung kann gem¨ aß Bemerkung a) zur Neumannschen Reihe auf S. 60 iterativ berechnet werden. Mit c := (b − a) κ hat man die Fehlerabsch¨ atzung f −
n j=0
Vjg ≤
∞
V j g ≤
j=n+1
∞ j=n+1
cj j!
g ≤ ec
cn+1 (n+1)!
g ;
die Konvergenz ist also schneller als linear. d) Man kann die Volterrasche Integralgleichung (13) auch als Fredholmsche Integralgleichung (6) auffassen mit dem i. a. unstetigen aber quadratintegrierbaren Kern κ(t, s) , s ≤ t κ (t, s) = . 0 , s>t
64
4.3
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Grundlagen der Spektraltheorie
Wir kommen nun zu den Grundlagen der Spektraltheorie linearer Operatoren, die das Studium von Eigenwerten und Eigenvektoren von Matrizen auf den unendlichdimen” sionalen Fall“ verallgemeinert. Ausgangspunkte dieser Spektraltheorie waren nat¨ urlich der endlichdimensionale Fall und die im letzten Abschnitt vorgestellten Untersuchungen zu Fredholmschen Integralgleichungen; eine wichtige Rolle spielt dabei die Neumannsche Reihe. Wir formulieren die Grundlagen der Theorie hier im Rahmen von Banachalgebren; dadurch werden auch abgeschlossene Unteralgebren sowie Quotientenalgebren von Operatoralgebren L(X) erfasst. Letzteres ist wichtig f¨ ur die Untersuchung von Fredholmoperatoren (vgl. Abschnitt 11.2). Offene Gruppe und stetige Inversion.
a) F¨ ur eine Banachalgebra A sei
G(A) := GA := {x ∈ A | ∃ y ∈ A : xy = yx = e} die Gruppe der invertierbaren Elemente von A . b) F¨ ur a ∈ G(A) und x ∈ A mit x − a < a−1 −1 gilt x = a + (x − a) = (e + (x − a) a−1 ) a
und (x − a) a−1 < 1 .
Nach Satz 4.1 folgt e + (x − a) a−1 ∈ G(A) und damit auch x ∈ G(A) . Weiter ist x−1 = a−1 (e + (x − a) a−1 )−1 = a−1
∞
(−1)k ((x − a) a−1 )k ,
k=0
und daraus folgt x−1 − a−1 ≤ a−1
∞
x − a k a−1 k =
k=1
a−1 2 x − a . 1 − a−1 x − a
c) Nach b) ist also G(A) offen in A , und die Inversion a → a−1 ist stetig. Da die Inversion mit ihrer Umkehrabbildung u oomorphie ¨bereinstimmt, ist sie sogar eine Hom¨ von G(A) auf G(A) . Spektrum und Resolvente.
Es seien A eine Banachalgebra und x ∈ A .
a) Die Menge σ(x) := {λ ∈ K | λe − x ∈ G(A)} heißt Spektrum von x . b) Das Komplement ρ(x) := K\σ(x) des Spektrums heißt Resolventenmenge von x . Diese ist offen in K , da G(A) offen in A ist. Die durch Rx : λ → (λe − x)−1 definierte Funktion Rx : ρ(x) → G(A) heißt Resolvente von x ; sie ist stetig, da die Inversion auf G(A) stetig ist. c) F¨ ur λ, μ ∈ ρ(x) gilt λe − x = (μe − x) + (λ − μ)e ; Multiplikation von links mit Rx (λ) und von rechts mit Rx (μ) liefert die Resolventengleichung Rx (λ) − Rx (μ) = −(λ − μ) Rx (λ) Rx (μ) ,
λ, μ ∈ ρ(x) .
(14)
4 Kleine St¨ orungen
65
d) Diese impliziert sofort lim
λ→μ
Rx (λ)−Rx (μ) λ−μ
= −Rx (μ)2 f¨ ur μ ∈ ρ(x) ;
die Resolvente ist im Fall K = C also holomorph auf ρ(x) . Funktionentheoretische Methoden spielen eine große Rolle in der Spektraltheorie; eine erste Illustration dazu folgt in Satz 4.3. In diesem Grundkurs werden funktionentheoretische Methoden allerdings nur gelegentlich auftauchen; erst im Aufbaukurs werden sie systematisch verwendet. e) F¨ ur | λ | > r(x) existiert x −1 Rx (λ) = λ−1 (e − λ ) =
1 λ
∞
( λx )k ;
(15)
k=0
daher ist das Spektrum σ(x) kompakt mit max {| λ | | λ ∈ σ(x)} ≤ r(x) .
(16)
σ(x) r(x)
Abb. 4.1: Spektrum und Spektralradius
Im Fall K = C gilt sogar Gleichheit in (16), was den Namen Spektralradius f¨ ur r(x) erkl¨ art. Wir beweisen dieses Resultat von I.M. Gelfand (1941) in Satz 9.9 mit einem funktionentheoretischen Argument. Insbesondere ist der Spektralradius von T ∈ L(Cn ) von angig. Weiter erh¨ alt man aus (15) die Absch¨ atzung der Wahl einer Norm auf Cn unabh¨ Rx (λ) ≤
1 | λ |− x
f¨ ur | λ | > x .
(17)
Eigenwerte. Die bisherigen Konzepte und Resultate gelten nat¨ urlich insbesondere f¨ ur die Banachalgebra A = L(X) aller stetigen linearen Operatoren auf einem Banachraum X . a) F¨ ur T ∈ L(X) heißt eine Zahl λ ∈ K Eigenwert von T , falls es einen Vektor 0 = x ∈ X mit T x = λx gibt; x heißt dann Eigenvektor von T zum Eigenwert λ . b) F¨ ur λ ∈ K gilt stets N (λI − T ) = {0} ⇒ λI − T ∈ GL(X) ⇔ λ ∈ σ(T ) ,
(18)
66
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
und im Fall dim X < ∞ gilt auch die Umkehrung dieser Aussage. Eigenwerte von T liegen also stets in σ(T ) , und im Fall dim X < ∞ stimmt σ(T ) mit der Menge aller Eigenwerte von T u ¨berein. c) Im Fall dim X < ∞ hat man weiter λ ∈ σ(T ) ⇔ χT (λ) := det (λI − T ) = 0 ; die Eigenwerte von T sind also die Nullstellen des charakteristischen Polynoms von T . Die Existenz von Eigenwerten im Fall K = C und dim X < ∞ beruht daher auf dem Fundamentalsatz der Algebra und ist zu diesem sogar ¨ aquivalent, da jedes komplexe Polynom charakteristisches Polynom einer geeigneten Matrix ist. Der Fundamentalsatz der Algebra kann mit Hilfe des funktionentheoretischen Satzes von Liouville bewiesen werden. Dieser besagt, dass jede auf ganz C holomorphe beschr¨ ankte Funktion konstant ist (vgl. etwa [Kaballo 1999], Satz 22.18). d) Der spezielle Volterra-Operator (V f )(t) :=
t a
f (s) ds , t ∈ [a, b] ,
(19)
auf C[a, b] ist wegen (V f ) = f injektiv, wegen (V f )(a) = 0 oder V f ∈ C 1 [a, b] aber nicht surjektiv; die Umkehrung von (18) ist in diesem Fall also falsch. Man hat 0 ∈ σ(V ) , aber 0 ist kein Eigenwert von V . Wegen r(V ) = 0 gilt also σ(V ) = {0} , der Operator V hat aber keinen Eigenwert. e) Wir zeigen jedoch in Satz 4.3 auf S. 67, wiederum mit Hilfe des Satzes von Liouville, dass stetige lineare Operatoren stets ein nichtleeres Spektrum haben. Diese Aussage ist also eine Verallgemeinerung des Fundamentalsatzes der Algebra. Beispiel. Der Links-Shift-Operator wird f¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ auf den Folgenr¨ aumen p definert durch S− (x0 , x1 , x2 , x3 , . . .) := (x1 , x2 , x3 , x4 , . . .) . (20) ur | λ | < 1 gilt offenbar Wegen S = 1 hat man σ(S− ) ⊆ D := {λ ∈ C | | λ | ≤ 1} . F¨ S− (1, λ, λ2 , λ3 , . . .) = λ (1, λ, λ2 , λ3 , . . .) , d. h. λ ist ein Eigenwert von S− . Folglich gilt D◦ ⊆ σ(S− ) , und wegen der Kompaktheit des Spektrums muss σ(S− ) = D sein. Im Fall p = ∞ sind auch die Punkte λ ∈ C mit | λ | = 1 Eigenwerte von S− . Gerschgorin-Kreise. a) Es sei A = (aij ) ∈ MC (n) eine komplexe Matrix mit ajj = 0 f¨ ur alle j = 1, . . . , n . Mit D := diag(ajj ) und A = D − R ist die Matrix A = D (I − D −1 R) invertierbar, falls D−1 R < 1 gilt; A heißt dann diagonaldominante Matrix. F¨ ur die Spaltensummen-Norm bedeutet dies n max | a1jj | | aij | < 1 . j=1
i =j
4 Kleine St¨ orungen
67
Ein Gleichungssystem Ax = b ⇔ (I − D−1 R)x = D−1 b kann dann durch die Iteration der Neumannschen Reihe gel¨ ost werden; diese wird in der Numerik als Gesamtschrittverfahren bezeichnet. b) Nun seien A = (aij ) ∈ MC (n) und λ ∈ C mit | aij | < | λ − ajj | f¨ ur alle i =j
j = 1, . . . , n . Aus a) folgt dann λI − A ∈ GL(Cn ) , und somit liegen alle Eigenwerte von A in der Vereinigung der Gerschgorin-Kreise Gj : = { z ∈ C | | z − ajj | ≤
| aij | } ,
j = 1, . . . , n .
i =j
c) Varianten von a) und b) erh¨ alt man bei Verwendung der Zeilensummen-Norm oder der Absch¨ atzung (3.12). Abbildung 4.2 zeigt Gerschgorin-Kreise um die Zahlen 2, 5 und 6 bez¨ uglich der Spaltensummen-Norm und der Zeilensummen-Norm.
λ1 2
λ3
λ2 5
6
Abb. 4.2: Eigenwerte in Gerschgorin - Kreisen
Nach M.H. Stone (1932) und A.E. Taylor (1938) ist das Spektrum eines Elements einer Banachalgebra stets nichtleer. Zum Beweis verwenden wir den Satz von Liouville sowie die folgende Konsequenz aus dem Satz von Hahn-Banach 9.3, die f¨ ur einige konkrete Banachr¨ aume leicht zu verifizieren ist (vgl. Aufgabe 4.14) : Satz 4.2 Zu jedem Vektor x = 0 in einem Banachraum X gibt es eine stetige Linearform f ∈ X mit f (x) = 0 . Satz 4.3 Es seien A eine Banachalgebra u ¨ber C und x ∈ A . Dann gilt σ(x) = ∅ . Beweis. Andernfalls ist die Resolvente Rx auf ganz C holomorph (vgl. Aussage d) auf S. 65), und aus (17) folgt lim Rx (λ) = 0 . Ist nun Rx nicht konstant, so | λ |→∞
gibt es nach Satz 4.2 eine stetige Linearform f ∈ A , f¨ ur die f ◦ Rx nicht konstant ankte ganze Funktion, und man hat einen ist. Nun ist aber f ◦ Rx ∈ O(C) eine beschr¨
68
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Widerspruch zum Satz von Liouville. Somit ist Rx konstant, und aus Rx (λ) → 0 ♦ f¨ ur | λ | → ∞ ergibt sich schließlich der Widerspruch Rx = 0 . Nilpotente und quasinilpotente Operatoren. a) Ein Element x ∈ A einer ur ein p ∈ N gilt und quasinilpoBanachalgebra A heißt nilpotent, wenn xp = 0 f¨ tent, wenn r(x) = 0 ist. b) Nach (12) sind Volterra-Integraloperatoren quasinilpotent; der Operator aus (19) zeigt, dass sie i. a. aber nicht nilpotent sind. c) Im Fall K = C ist x ∈ A genau dann quasinilpotent, wenn σ(x) = {0} gilt. Dies folgt aus Satz 4.3 und der noch nicht bewiesenen Gleichheit in (16). Satz 4.4 Es sei X ein normierter Raum u ur einen Operator ¨ber C mit dim X = n < ∞. F¨ T ∈ L(X) sind ¨ aquivalent: (a) T ist quasinilpotent, (b) σ(T ) = {0} , (c) T ist nilpotent mit T n = 0 . Beweis. Die Aussagen (a) ⇒ (b)“ und (c) ⇒ (a)“ sind klar. ” ” (b) ⇒ (c)“: Wir betrachten die Kette der Bildr¨ aume ” X ⊇ R(T ) ⊇ R(T 2 ) ⊇ . . . ⊇ R(T j ) ⊇ R(T j+1 ) . . . Aus Dimensionsgr¨ unden gibt es 0 ≤ p ≤ n mit R(T p ) = R(T p+1 ) . Dann ist T ∈ L(R(T p )) surjektiv, also invertierbar. Ist T p = 0 , so hat T in R(T p ) einen ♦ Eigenvektor zu einem Eigenwert = 0 im Widerpruch zu σ(T ) = {0} . Kommutatoren. a) In der Quantenmechanik werden physikalische Gr¨ oßen wie Ort, Impuls, Energie usw. durch selbstadjungierte, i. a. unbeschr¨ ankte lineare Operatoren beschrieben (vgl. Abschnitt 13.6); das Spektrum eines solchen Operators ist dann reell und entspricht der Menge der m¨ oglichen Messergebnisse. b) Der Kommutator [P, Q] := P Q − QP der Operatoren Q und P von Ort und Impuls eines eindimensionalen Teilchens muss die Heisenbergsche Vertauschungsrelation P Q − QP =
i
I
(21)
erf¨ ullen, wobei 2π > 0 die Plancksche Konstante ist; diese impliziert dann die Heisenbergsche Unsch¨ arferelation (vgl. Aufgabe 13.18). Durch Qf (t) := t f (t) ,
P f (t) :=
df i dt
(22)
kann (21) leicht auf etwa den Definitionsbereichen C ∞ (R) oder dem Raum der Testfunktionen D(R) := C ∞ (R) ∩ Cc (R) (vgl. Satz 5.8) realisiert werden.
4 Kleine St¨ orungen
69
c) Andererseits kann (21) nicht durch stetige lineare Operatoren auf einem Banachraum realisiert werden: Satz 4.5 F¨ ur Elemente x, y ∈ A einer Banachalgebra A gilt stets xy − yx = e .
(23)
Beweis. F¨ ur Elemente x, y ∈ A mit xy − yx = e zeigen wir induktiv xn y − yxn = n xn−1 = 0 .
(24)
F¨ ur n = 1 ist (24) gerade (23). Gilt nun (24) f¨ ur n ∈ N , so folgt zun¨ achst xn = 0 und dann auch xn+1 y − yxn+1 = x (yxn + nxn−1 ) − yxn+1 = (xy − yx)xn + nxn = (n + 1) xn . Aus (24) erh¨ alt man dann n xn−1 = xn y − yxn ≤ 2 xn y ≤ 2 xn−1 x y und somit den Widerspruch n ≤ 2 x y f¨ ur alle n ∈ N .
♦
Die Aussage von Satz 4.5 folgt auch aus der Gleichung σ(xy) ∪ {0} = σ(yx) ∪ {0} ,
(25)
die in jeder Algebra (ohne eine Norm) g¨ ultig ist (vgl. Aufgabe 4.16).
4.4
Der Banachsche Fixpunktsatz
Das Iterationsverfahren der Neumannschen Reihe funktioniert auch f¨ ur nicht notwendig lineare Operatoren und erlaubt die Behandlung nichtlinearer kleiner St¨ orungen; diese Beobachtung geht auf S. Banach (1922) zur¨ uck. Kontraktionen. a) Es seien M, N metrische R¨ aume. Eine Abbildung g : M → N heißt Lipschitz-stetig, falls [g] := [g]1 := sup x =y
d(g(x),g(y)) d(x,y)
n folgt xn := g(xn−1 ) = g 2 (xn−2 ) = . . . = gn (x0 ) , n ≥ 1 . F¨ d(xm , xn )
m
≤ ≤
m
d(xk , xk−1 ) =
k=n+1 m
q k−n d(xn , xn−1 ) ≤
k=n+1
≤
q2 1−q
d(g k−n (xn ), g k−n (xn−1 ))
k=n+1 q 1−q
d(xn , xn−1 )
d(xn−1 , xn−2 ) ≤ . . . ≤ q n
d(x1 ,x0 ) 1−q
,
andig ist, existiert lim xn =: x∗ , d. h. (xn ) ist eine Cauchy-Folge in M . Da M vollst¨ n→∞
und es folgt sofort g(x∗ ) =
lim g(xn ) =
n→∞
lim xn+1 = x∗ .
n→∞
♦
Aus den Absch¨ atzungen im Beweis erh¨ alt man mit m → ∞ sofort die a priori- und a posteriori-Fehlerabsch¨ atzungen d(x∗ , xn ) ∗
d(x , xn )
d(x1 ,x0 ) 1−q
≤
qn
≤
q 1−q
,
n ∈ N,
d(xn , xn−1 ) ,
n ∈ N,
mit q = [g] < 1 ; man hat also lineare Konvergenz. Eine wichtige Anwendung des Banachschen Fixpunktsatzes ist ein Beweis des Satzes u ur C 1 ¨ber inverse Funktionen (vgl. etwa [Kaballo 1997], Theorem 21.6), der auch f¨ Abbildungen zwischen Banachr¨ aumen gilt. Anwendungen auf Integralgleichungen und gew¨ ohnliche Differentialgleichungen folgen in den Abschnitten 4.5 und 4.6. Zun¨ achst formulieren wir eine nichtlineare Version“ von Satz 4.1 u ber die Neumannsche Reihe: ¨ ” Satz 4.7 Es seien X ein Banachraum und A : X → X eine Kontraktion. Dann ist die Abbildung I − A : X → X eine Hom¨ oomorphie. Beweis. F¨ ur y ∈ X gilt (I − A)(x) = y ⇔ x = A(x) + y .
4 Kleine St¨ orungen
71
Da auch gy : x → A(x) + y eine Kontraktion ist, hat diese Gleichung f¨ ur jedes y ∈ X eine eindeutige L¨ osung x = (I − A)−1 (y) . Diese ist mit x0 (y) := 0 gegeben als Limes ur alle y ∈ X der Iteration xn (y) = gy (xn−1 (y)) = gyn (0) , n ≥ 1 . Wegen [gy ] = [g] f¨ hat man xn (y) − xn−1 (y) ≤ [g]n−1 x1 (y) − 0 ≤ [g]n−1 A(0) + y . Die Konvergenz ist also gleichm¨ aßig in y auf beschr¨ ankten Kugeln von X , und somit ist (I − A)−1 stetig. ♦ Folgerung. Es seien X, Y Banachr¨ aume und U ∈ L(X, Y ) invertierbar. Weiter sei −1 S : X → Y Lipschitz-stetig mit U [S] < 1 . Dann ist U − S : X → Y eine Hom¨ oomorphie. Beweis. Dies folgt sofort aus Satz 4.7 wegen (U − S)(x) = y ⇔ U (x − U −1 S(x)) = y ⇔ x − U −1 S(x) = U −1 y und [U −1 S] ≤ U −1 [S] < 1 .
4.5
♦
Nichtlineare Integralgleichungen
Nemytskij- und Hammerstein-Operatoren. a) Es seien K ⊆ Rd kompakt und Ψ : K × Rn → Rn eine stetige Funktion. Ψ definiert einen Nemytskij-Operator durch NΨ : C(K, Rn ) → C(K, Rn ) ,
NΨ f (t) := Ψ(t, f (t)) .
b) Nun sei κ ∈ C(K 2 , MR (n)) ein stetiger Kern . Durch (Hf )(t) := (Hκ,Ψ f )(t) := K κ(t, s) Ψ(s, f (s)) ds , t ∈ K ,
(27)
wird dann ein Hammerstein-Operator H auf C(K, Rn ) definiert. Es ist H = Sκ ◦ NΨ Komposition eines linearen Integraloperators mit einem Nemytskij-Operator. c) Im Fall K = J := [a, b] erh¨ alt man durch Komposition mit Vκ einen HammersteinVolterra-Operator t (V f )(t) := (Vκ,Ψ f )(t) := a κ(t, s) Ψ(s, f (s)) ds , t ∈ J . (28)
Satz 4.8 F¨ ur ein L > 0 erf¨ ulle Ψ ∈ C(K × Rn , Rn ) die Lipschitz-Bedingung Ψ(t, x1 ) − Ψ(t, x2 ) ≤ L x1 − x2
f¨ ur t ∈ K , x1 , x2 ∈ Rn .
(29)
Dann ist der Hammerstein-Operator H = Hκ,Ψ Lipschitz-stetig mit (vgl. (3.17)) [H] ≤ L κ ZI = L sup K κ(t, s) ds . (30) t∈K
72
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Beweis. F¨ ur f, g ∈ C(K, Rn ) und t ∈ J hat man (Hf )(t) − (Hg)(t)
κ(t, s) Ψ(s, f (s)) − Ψ(s, g(s)) ds ≤ L K κ(t, s) f (s) − g(s) ds ≤ L K κ(t, s) ds f − g ≤
K
L κ ZI f − g .
≤
♦
¨ Bemerkungen. a) Ahnlich wie in Beispiel b) auf S. 29 impliziert die Existenz stetiger beschr¨ ankter Ableitungen nach den x -Variablen die Lipschitz-Bedingung (29). ur alle t ∈ K und Genauer gilt diese f¨ ur Ψ ∈ C(K × Rn , Rn ) mit Ψ(t, ·) ∈ C 1 (Rn , Rn ) f¨ L := sup sup Dx Ψ(t, x) < ∞ , t∈K x∈Rn
wobei Dx die Matrix der partiellen Ableitungen nach x1 , . . . , xn bezeichnet. In der Tat hat man nach dem Hauptsatz Ψ(t, x1 ) − Ψ(t, x2 )
1
=
≤
L x1 − x2 .
0
Dx Ψ(t, x2 + s (x1 − x2 )) (x1 − x2 ) ds
atze 4.6 und 4.7 b) F¨ ur L κ ZI < 1 ist also Hκ,Ψ eine Kontraktion, und die S¨ liefern Resultate u ¨ber nichtlineare Integralgleichungen. Beachten Sie, dass in (30) eine Operatornorm κ(t, s) von κ(t, s) ∈ MR (n) ∼ ultigkeit der = L(Rn ) auftritt; die G¨ n angen. Bedingung L κ ZI < 1“ kann also von der Wahl einer Norm auf R abh¨ ” Aus den S¨ atzen 4.8 und 4.7 ergibt sich sofort: Satz 4.9 ulle eiEs sei κ ∈ C(K 2 , MR (n)) ein stetiger Kern, und Ψ ∈ C(K × Rn , Rn ) erf¨ ne Lipschitz-Bedingung (29) . F¨ ur | λ | L κ ZI < 1 hat dann die HammersteinIntegralgleichung (31) f (t) − λ K κ(t, s) Ψ(s, f (s)) ds = g(t) osung f ∈ C(K, Rn ) , und diese h¨ angt stetig f¨ ur alle g ∈ C(K, Rn ) eine eindeutige L¨ von g ab. Analog zu Abschnitt 4.2 gilt eine solche Aussage f¨ ur Hammerstein-Volterra-Operatoren sogar ohne Kleinheitsbedingung an den Parameter λ . Dies beruht auf folgender Tatsache: Satz 4.10 F¨ ur Ψ ∈ C(J × Rn , Rn ) gelte eine Lipschitz-Bedingung (29). F¨ ur ε > 0 gibt es dann n eine zu sup ¨ aquivalente Norm auf C(J, R ) , unter der der Hammerstein-VolterraOperator Vκ,Ψ aus (28) Lipschitz-stetig mit [V ] ≤ ε ist.
4 Kleine St¨ orungen
73
Beweis. F¨ ur α > 0 definieren wir f α := sup {e−αt f (t) | t ∈ J} ; aquivalente Norm auf wegen 0 < c ≤ e−αt ≤ C auf J liefert dies eine zu sup ¨ n n C(J, R ) . F¨ ur f, g ∈ C(J, R ) und t ∈ J hat man dann (V f )(t) − (V g)(t)
≤
t
κ(t, s) Ψ(s, f (s)) − Ψ(s, g(s)) ds t ≤ L a κ(t, s) f (s) − g(s) ds t ≤ L a eαs κ(t, s) ds f − g α
V f − V g α
a
≤
1 Lα (eαt − eαa ) κ sup f − g α ,
≤
L α
also
κ sup f − g α ≤ ε f − g α
♦
f¨ ur gen¨ ugend große α > 0 .
Bemerkung. Satz 4.10 gilt insbesondere f¨ ur lineare Volterra-Operatoren V (mit Ψ(t, x) = x ). Es gilt also V ≤ ε bez¨ uglich α und somit auch r(V ) ≤ ε . Da ε > 0 beliebig ist, folgt r(V ) = 0 f¨ ur den Spektralradius von V , was wir auf S. 63 bereits mit einer anderen Methode gezeigt haben. Aus den S¨ atzen 4.10 und 4.7 ergibt sich nun sofort: Satz 4.11 Es sei κ ∈ C(J 2 , MR (n)) ein stetiger Kern, und Ψ ∈ C(J × Rn , Rn ) erf¨ ulle eine Lipschitz-Bedingung (29) . Dann hat die Volterra-Hammerstein-Integralgleichung f (t) −
t a
κ(t, s) Ψ(s, f (s)) ds = g(t)
(32)
osung f ∈ C(J, Rn ) , und diese h¨ angt stetig von f¨ ur alle g ∈ C(J, Rn ) eine eindeutige L¨ g ab.
4.6
Der Satz von Picard-Lindel¨ of
Der folgende grundlegende Existenz- und Eindeutigkeitssatz f¨ ur Anfangswertprobleme bei Systemen gew¨ ohnlicher Differentialgleichungen ist ein Spezialfall von Satz 4.11 : Satz 4.12 (Globaler Satz von Picard-Lindel¨ of ) Es seien J ⊆ R ein kompaktes Intervall, a ∈ J , ξ ∈ Rn , und Ψ ∈ C(J × Rn , Rn ) erf¨ ulle eine Lipschitz-Bedingung (29). Dann hat das Anfangswertproblem x˙ = Ψ(t, x) ,
x(a) = ξ ,
eine eindeutige L¨ osung ϕ∗ ∈ C(J, Rn ) , und diese h¨ angt stetig von ξ ab.
(33)
74
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Beweis. Es ist (33) ¨ aquivalent zur Volterra-Hammerstein-Integralgleichung t x(t) = ξ + a Ψ(s, x(s)) ds , t ∈ J , analog zum Spezialfall (8), und die Behauptung folgt aus Satz 4.11.
(34)
♦
Eine Lipschitz-Bedingung (29) auf dem ganzen Raum Rn ist eine recht starke Voraussetzung. Oft hat man eine solche Bedingung nur lokal und erh¨ alt dann die folgende Version des Satzes: Satz 4.13 (Lokaler Satz von Picard-Lindel¨ of ) Es seien J ⊆ R ein kompaktes Intervall, D ⊆ Kn offen, a ∈ J , ξ ∈ D , und ulle eine Lipschitz-Bedingung Ψ ∈ C(J × D, Kn ) erf¨ Ψ(t, x1 ) − Ψ(t, x2 ) ≤ L x1 − x2
f¨ ur t ∈ J , x 1 , x 2 ∈ D .
(35)
Dann gibt es δ > 0 , sodass mit J0 := J ∩ [a − δ, a + δ] das Anfangswertproblem (33) genau eine L¨ osung ϕ∗ ∈ C 1 (J0 , Kn ) hat. Beweis. Man w¨ ahlt r > 0 mit Br (ξ) ⊆ D und setzt δ := r Ψ −1 J×Br (ξ) . Der Operator T : ϕ(t) → ξ +
t a
Ψ(s, ϕ(s)) ds
ist dann auf der Menge M := {ϕ ∈ C(J0 , Kn ) | ϕ(J0 ) ⊆ Br (ξ)} definiert. Es ist M in C(J0 , Kn ) abgeschlossen und somit ein vollst¨ andiger metrischer Raum. F¨ ur ϕ ∈ M und t ∈ J0 gilt t (T ϕ)(t) − ξ = a Ψ(s, ϕ(s)) ds ≤ δ Ψ J×Br (ξ) = r , also auch T ϕ ∈ M . Wie im Beweis von Satz 4.10 sieht man, dass T : M → M f¨ ur 1 bez¨ uglich α eine Kontraktion ist. Nach dem Banachschen Fixpunktsatz α = 2L hat T : M → M genau einen Fixpunkt ϕ∗ ∈ M ; dieser ist die eindeutig bestimmte L¨ osung der Integralgleichung (34) auf J0 und somit die des Anfangswertproblems (33) ♦ auf J0 . Bemerkungen. a) Satz 4.13 gilt insbesondere f¨ ur Funktionen Ψ ∈ C(J × D, Rn ) , f¨ ur die alle partiellen Ableitungen ∂xj Ψ in C(J × D, Rn ) existieren; die LipschitzBedingung (35) ergibt sich dann auf relativ kompakten konvexen Mengen C mit C ⊆ D wie in der Bemerkung a) nach Satz 4.8 auf S. 72. b) Der Beweis des Satzes von Picard-Lindel¨ of mittels Banachschem Fixpunktsatz ist konstruktiv: Man startet mit einem ϕ0 ∈ M , z. B. ϕ0 (t) = ξ , und erh¨ alt die L¨ osung als gleichm¨ aßigen Limes der Iteration t ϕn+1 (t) = ξ + a Ψ(s, ϕn (s)) ds , t ∈ J0 . (36)
4 Kleine St¨ orungen
75
c) In der Situation des lokalen Satzes von Picard-Lindel¨ of kann das Existenzintervall osung kleiner sein als J . F¨ ur r > 0 ist das Anfangswertproblem J0 der L¨ x˙ = 1 + r x2 ,
x(0) = 0 ,
auf ganz R × R definiert; die L¨ osung ϕ∗ (t) = tan(rt) existiert aber nur auf dem π π ur r → ∞ . Intervall J0 (r) = [− 2r , 2r ] , und man hat | J0 (r) | → 0 f¨ tan 2t tan t
tan t/2
Abb. 4.3: Die Funktionen tan t/2 , tan t und tan 2t
d) Man kann lokale L¨ osungen von Anfangswertproblemen auf eindeutige Weise zu maximalen L¨ osungen fortsetzen, die immer von Rand zu Rand“ verlaufen. Darauf ” wollen wir hier nicht mehr eingehen, sondern verweisen etwa auf [Walter 2000], § 6. Schlussbemerkung. Der Banachsche Fixpunktsatz und seine Folgerungen sind nicht sehr tiefliegend. Trotzdem k¨ onnen sie oft zur L¨ osung konkreter Gleichungen, insbesondere auch partieller Differentialgleichungen, benutzt werden. Die Schwierigkeit liegt dann darin, R¨ aume und Normen so zu konstruieren, dass die Voraussetzungen des Fixpunktsatzes erf¨ ullt sind. Der Beweis von Satz 4.10 ist ein einfaches Beispiel f¨ ur eine solche Konstruktion.
4.7
Aufgaben
Aufgabe 4.1 a) Finden Sie eine zu der C m -Norm aus (2.6) ¨ aquivalente Norm auf C m [a, b] , unter der C m [a, b] eine Banachalgebra ist. b) Es sei f ∈ C m [a, b] mit f sup < 1 . Zeigen Sie die Konvergenz der Neumannschen ∞ 1 Reihe f k (gegen 1−f ) in C m [a, b] . k=0
Aufgabe 4.2 ∞ T k x < ∞ f¨ ur alle x ∈ X . Es sei X ein Banachraum, und f¨ ur T ∈ L(X) gelte k=0
Zeigen Sie, dass I − T : X → X bijektiv ist, und versuchen Sie, die Stetigkeit von (I − T )−1 zu beweisen.
76
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Aufgabe 4.3 ∞ | ajk |2 < 1 . Es sei (ajk )∞ j,k=0 eine Matrix mit j,k=0
a) Zeigen Sie, dass das unendliche lineare Gleichungssystem xj −
∞
ajk xk = yj ,
j = 0,1,2, . . .
k=0
f¨ ur alle y ∈ 2 genau eine L¨ osung x ∈ 2 hat. b) Zeigen Sie, dass die endlichen linearen Gleichungssysteme xj −
n
ajk xk = yj ,
j = 0,1,2, . . . , n ,
k=0
eindeutige L¨ osungen (x0 , . . . , xn ) ∈ Kn+1 besitzen. Definieren Sie (n)
(n)
(n)
zn := (x0 , . . . , x(n) n ,0,0, . . .) und beweisen Sie zn → x in 2 . Aufgabe 4.4 Bestimmen Sie alle zweiseitigen Ideale der Banachalgebra L(Cn ) . Aufgabe 4.5 ur alle n, k ∈ N . Es sei (αn ) eine Folge positiver Zahlen mit αn+k ≤ αn αk f¨ 1/
1/
1/
Zeigen Sie lim sup αn n ≤ inf αn n und somit die Existenz von lim αn n . n→∞
Aufgabe 4.6 Es seien A eine Banachalgebra und x, y ∈ A mit xy = yx . Zeigen Sie r(xy) ≤ r(x) r(y)
und
r(x + y) ≤ r(x) + r(y) .
Aufgabe 4.7 Es seien Ω ein σ -endlicher Maßraum und κ ∈ L2 (Ω2 ) mit κ L2 < 1 . ur einen Kern η ∈ L2 (Ω2 ) . a) Zeigen Sie (I − Sκ )−1 = I + Sη in L(L2 (Ω)) f¨ Hinweis. Erweitern Sie Aufgabe 3.17 geeignet ! b) Wie in Aufgabe 3.18 gelte nun zus¨ atzlich κ∗ = sup t∈Ω
Beweisen Sie Sη f =
∞ j=1
Ω
| κ(t, s) |2 ds < ∞ .
Sκj f gleichm¨ aßig auf Ω f¨ ur alle f ∈ L2 (Ω) .
4 Kleine St¨ orungen
77
Aufgabe 4.8 Mit einer beschr¨ ankten Folge (αj ) in C wird ein Diagonaloperator D : 2 → 2 definiert durch D : (x0 , x1 , x2 , . . .) → (α0 x0 , α1 x1 , α2 x2 , . . .) . Berechnen Sie D , r(D) , σ(D) und die Eigenwerte von D . Aufgabe 4.9 a) F¨ ur eine kompakte Menge K ⊆ Rn und eine stetige Funktion a ∈ C(K) definiert man einen Multiplikationsoperator Ma auf L2 (K) durch Ma : f → af
f¨ ur f ∈ L2 (K) .
Berechnen Sie Ma , r(Ma ) und σ(Ma ) . Besitzt Ma Eigenwerte ? b) Es sei eine kompakte Menge K ⊆ C gegeben. Finden Sie einen Operator T ∈ L(L2 (K)) mit σ(T ) = K . c) Zeigen Sie, dass die Abbildung a → Ma eine multiplikative Isometrie von C(K) in L(L2 (K)) ist. Aufgabe 4.10 Es seien D ⊆ C offen, A eine Banachalgebra und x ∈ A mit σ(x) ⊆ D . Zeigen Sie: Es gibt ε > 0 , sodass f¨ ur y < ε auch σ(x + y) ⊆ D gilt. Aufgabe 4.11 Es sei A eine Banachalgebra. Wir definieren die Mengen G (A) := {x ∈ A | ∃ y ∈ A : yx = e} und Gr (A) := {x ∈ A | ∃ y ∈ A : xy = e} der links- bzw. rechtsinvertierbaren Elemente in A . a) Zeigen Sie, dass die Mengen G (A) , G (A)\G(A) , Gr (A) und Gr (A)\G(A) offen sind. b) F¨ ur x ∈ A sei λ ∈ ∂σ(x) . Zeigen Sie, dass λe − x weder links- noch rechtsinvertierbar ist. c) Es sei S− der Links-Shift-Operator auf p aus (20). Konstruieren Sie eine Rechtsinur | λ | < 1 . verse von λI − S− f¨ Aufgabe 4.12 Es seien A eine Banachalgebra, K ein kompakter metrischer Raum und f ∈ C(K, A) mit f (t) ∈ G (A) f¨ ur alle t ∈ K . Konstruieren Sie eine stetige Funktion g ∈ C(K, A) mit g(t) f (t) = e f¨ ur alle t ∈ K . Hinweis. Konstruieren Sie zun¨ achst g lokal und kleben“ Sie die lokalen L¨ osungen ” mittels einer Zerlegung der Eins zusammen.“ ”
78
I Banachr¨ aume und lineare Operatoren
Aufgabe 4.13 Es seien A eine Banachalgebra und x ∈ A . a) Entwickeln Sie die Resolvente Rx in eine Potenzreihe um einen Punkt μ ∈ ρ(x) . b) Zeigen Sie Rx (λ) ≥ (dσ(x) (λ))−1 f¨ ur λ ∈ ρ(x) . Aufgabe 4.14 ur die Funka) Beweisen Sie Satz 4.2 f¨ ur die Folgenr¨ aume c0 und p (1 ≤ p ≤ ∞ ), f¨ tionenr¨ aume C(K) und m¨ oglichst viele weitere konkrete Banachr¨ aume. b) Es seien X und Y Banachr¨ aume, sodass Satz 4.2 f¨ ur Y gilt. Zeigen Sie Satz 4.2 auch f¨ ur den Banachraum L(X, Y ) . Aufgabe 4.15 Folgern Sie aus Satz 4.3 den Satz von Banach-Mazur: Es sei A eine Banachalgebra mit G(A) = A\{0} . Dann ist A = C e = {ze | z ∈ C} . Aufgabe 4.16 a) Beweisen Sie Formel (25). Gilt sogar stets σ(xy) = σ(yx) ? Hinweis. F¨ ur z := (e − xy)−1 betrachten Sie e + yzx . b) Warum widerspricht (25) nicht der in (22) angegebenen Realisierung der Heisenbergschen Vertauschungsrelation durch Operatoren auf C ∞ (R) ? Aufgabe 4.17 Es seien M ein vollst¨ andiger metrischer Raum und g : M → M eine Abbildung mit [g p ] < 1 f¨ ur ein p ∈ N . Zeigen Sie, dass g genau einen Fixpunkt x∗ ∈ M hat sowie x∗ = lim g n (x0 ) f¨ ur jeden Startwert x0 ∈ M . n→∞
Aufgabe 4.18 Es sei M ein metrischer Raum. Eine Abbildung g : M → M heißt schwache Kontraktion, wenn d(g(x), g(y)) < d(x, y) f¨ ur alle x, y ∈ M gilt. a) Zeigen Sie, dass g h¨ ochstens einen Fixpunkt hat. b) Zeigen Sie die Existenz eines Fixpunktes f¨ ur kompakte R¨ aume M . Existiert ein Fixpunkt auch f¨ ur vollst¨ andige R¨ aume M ? Aufgabe 4.19 a) Zeigen Sie, dass die Gleichung cosh x = 2x genau zwei L¨ osungen ξ1 ≈ 0,6 und ξ2 ≈ 2,1 in R hat und fertigen Sie eine entsprechende Skizze an. b) Auf welchen Intervallen ist g : x → 12 cosh x eine Kontraktion ? F¨ ur welche Startwerte konvergiert die Iteration xn+1 = g(xn ) ? c) Geben Sie ein Iterationsverfahren zur Berechnung von ξ2 an.
4 Kleine St¨ orungen
Aufgabe 4.20 F¨ ur welche γ > 0 und λ ∈ R besitzen die Gleichungen f (t) − λ f (t) − λ
π 0t 0
ets sin | f (s) |γ ds
=
g(t)
sin | f (s) | ds
=
g(t)
e
ts
γ
und
f¨ ur alle g ∈ C[0, π] eindeutige L¨ osungen in C[0, π] ? Aufgabe 4.21 Transformieren Sie das Anfangswertproblem x ¨ = x , x(0) = 0 , x(0) ˙ =1 in ein System erster Ordnung und l¨ osen Sie dieses mit Hilfe der Iteration (36).
79
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
¨ Ubersicht 5
Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
6
Hilbertr¨ aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
7
Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Ein zentrales Thema des zweiten Teils des Buches sind Hilbertr¨ aume, ein weiteres grundlegendes Konzept der Funktionalanalysis. Die Norm eines Hilbertraumes wird von einem Skalarprodukt induziert, und auf diesem wiederum beruht das Konzept der Orthogonalit¨ at. Eine maximale orthonormale Menge von Vektoren bildet eine Orthonormalbasis eines Hilbertraumes. Jeder Vektor kann in eine Fourier-Reihe nach diesen Basisvektoren entwickelt werden; dabei gilt die Parsevalsche Gleichung, eine weitgehende Erweiterung des Satzes des Pythagoras. Fourier-Entwicklungen in abstrakten Hilbertr¨ aumen sind nat¨ urlich durch konkrete Fourier-Reihen motiviert, die in Kapitel 5 ausf¨ uhrlich vorgestellt werden. Dort gehen wir auf Konvergenzfragen f¨ ur Fourier-Reihen ein, auf die wir in Kapitel 8 mit Hilfe des Satzes von Baire noch einmal zur¨ uckkommen. In Abschnitt 6.2 folgen Absch¨ atzungen f¨ ur Fourier-Koeffizienten, die wir in Abschnitt 12.5 auf solche f¨ ur Eigenwerte von linearen Integraloperatoren erweitern werden. In Kapitel 7 untersuchen wir beschr¨ ankte lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen. Wir konstruieren orthogonale Projektionen und identifizieren die beschr¨ ankten Linearformen auf einem Hilbertraum mit den Vektoren dieses Raumes. Anschließend k¨ onnen wir dann adjungierte Operatoren definieren und studieren. Das Spektrum eines selbstadjungierten Operators ist reell, und f¨ ur unit¨ are Operatoren zeigen wir einen Ergodensatz.
W. Kaballo, Grundkurs Funktionalanalysis, DOI 10.1007/978-3-8274-2721-2_3, © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
82
5
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
Fragen: 1. Versuchen Sie, m¨ oglichst allgemeine [periodische] Funktionen durch [trigonometrische] Polynome zu approximieren. 2. Kann man gewissen divergenten Reihen sinnvoll eine Art Summe“ zuordnen? ” 3. Kann man gewissen nicht stetig differenzierbaren Funktionen eine Ableitung“ in ” einem Lp -Raum zuordnen, sodass der Hauptsatz gilt? In diesem Kapitel untersuchen wir u. a. die Entwicklung periodischer Funktionen in Fourier-Reihen. Diese wurden im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts von J.B.J. Fourier in Verbindung mit seinen Untersuchungen zur W¨ armeleitung eingef¨ uhrt. Das wichtige und schwierige Konvergenzproblem f¨ ur Fourier-Reihen hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Analysis seit dem 19. Jahrhundert; wir werden in diesem Buch mehrmals darauf eingehen und einige Antworten dazu liefern. Die Partialsummen sn einer Fourier-Reihe sind durch Faltung mit Dirichlet-Kernen gegeben, ihre arithmetischen Mittel σn durch Faltung mit Fej´er-Kernen. Letztere bilden eine Dirac-Folge, und daher sind die durch Mittelung gegl¨ atteten Partialsummen“ ” σn wesentlich leichter zu behandeln als die sn . Konvergenzaussagen f¨ ur die σn macht der Satz von Fej´er, den wir in Abschnitt 5.1 in mehreren Versionen beweisen. Eine Folgerung aus dem Satz von Fej´er ist der Weierstraßsche Approximationssatz u aßige Approximation stetiger Funktionen durch Polynome, woraus ¨ber die gleichm¨ sich auch die Dichtheit der Testfunktionen in Lp -R¨ aumen ergibt. Diese benutzen wir in Abschnitt 5.4 zur Einf¨ uhrung schwacher Ableitungen und von Sobolev-R¨ aumen. Schließlich gehen wir in Abschnitt 5.5 auf die Partialsummen sn einer Fourier-Reihe ein und beweisen ihre Konvergenz in speziellen Punkten z. B. unter der Annahme geeigneter H¨ older-Bedingungen. ¨ Uberlagerung harmonischer Schwingungen. a) Schwingungsph¨ anomene werden durch periodische Funktionen beschrieben. F¨ ur die Periode 2π hat man die Grundschwingungen sin t und cos t , aber auch die Oberschwingungen sin kt und cos kt f¨ ur k ≥ 2 , vgl. etwa Abb. 2.3 auf S. 28. ¨ b) Man versucht nun, m¨ oglichst allgemeine 2π -periodische Funktionen als Uberlagerungen dieser harmonischen Schwingungen zu schreiben, d. h. als Fourier-Reihen 1 2 a0
+
∞
(ak cos kt + bk sin kt ) ,
ak , bk ∈ C , t ∈ R .
(1)
k=1
Nach der Eulerschen Formel eit = cos t + i sin t ist es a ¨quivalent, Reihen der Form ∞ k=−∞
ck eikt ,
ck ∈ C , t ∈ R ,
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
zu betrachten, deren Konvergenz u ¨ber die Partialsummen (sn (t) :=
n
83
ck eikt ) defi-
k=−n
niert sei. Die Koeffizienten h¨ angen folgendermaßen zusammen: ⎧ 1 ⎪ ⎪ 2 (ak − ibk ) , k > 0 ⎨ 1 ck = , k=0 , 2 a0 ⎪ ⎪ ⎩ 1 (a + ib ) , k < 0 −k
2
d) Es sei nun die Reihe
−k
ak = ck + c−k
,
k≥0
bk = i (ck − c−k )
,
k≥1
k∈Z ck e
ikt
(2)
.
(3)
auf R gleichm¨ aßig konvergent. Dann wird durch ∞
f (t) :=
ck eikt ,
t ∈ R,
(4)
k=−∞
eine stetige und 2π - periodische Funktion f ∈ C2π := C2π (R, C) definiert. Mittels Restriktion und Fortsetzung kann man f¨ ur festes τ ∈ R den Raum C2π mit dem Unterraum C2π [τ − π, τ + π] := {f ∈ C[τ − π, τ + π] | f (τ − π) = f (τ + π)} von C[τ − π, τ + π] identifizieren. Orthogonalit¨ atsrelationen. 1 2π
π −π
F¨ ur m, n ∈ Z gilt
eint e−imt dt = δnm :=
1
,
n=m
0
,
n = m
,
wie man sofort nachrechnet. Damit lassen sich in (4) die Koeffizienten cm aus der Funktion f zur¨ uckgewinnen: 1 2π
π −π
f (t)e−imt dt =
∞ k=−∞
1 ck 2π
π −π
eikt e−imt dt =
∞
ck δkm = cm .
k=−∞
Es liegt daher der Versuch nahe, eine vorgegebene Funktion f folgendermaßen in eine Fourier-Reihe zu entwickeln: Fourier-Reihen.
a) F¨ ur f ∈ L1 [−π, π] sei f(k) :=
1 2π
π −π
f (s) e−iks ds ,
k ∈ Z,
(5)
der k-te Fourier-Koeffizient von f , und f (t) ∼
k∈Z
f(k) eikt
(6)
84
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
sei die zu f assoziierte Fourier-Reihe. b) Wie in a) kann man auch die Fourier-Reihe einer Funktion f definieren, die auf irgendeinem Intervall der L¨ ange 2π Lebesgue-integrierbar ist. Mit f bezeichnen wir deren 2π - periodische Fortsetzung auf R . c) Das Symbol ∼ “ in (6) behauptet zun¨ achst keinerlei Konvergenz der Reihe. Kon” vergiert die Reihe aber auf einem halboffenen Intervall der L¨ ange 2π , so konvergiert R gegen eine 2π -periodische Funktion. sie auf ganz d) F¨ ur gerade bzw. ungerade Funktionen f ∈ L1 [−π, π] berechnet man die FourierReihe zweckm¨ aßigerweise in der Form (1), da dann die bk bzw. ak dort verschwinden. Aus (3) und (5) folgt ak
=
bk
=
1 π 1 π
π −π π −π
f (s) cos ks ds ,
k ∈ N0 ,
f (s) sin ks ds ,
k ∈ N.
Beispiel. Es wird die Fourier-Reihe der Funktion h ∈ L∞ [0,2π] berechnet, die durch π−t , 0 < t < 2π 2 h ungerade ist, gilt h(t) := definiert sei (vgl. Abb. 5.1). Da 0 , t = 0 , 2π ak = 0 , und man hat bk
=
1 π
=
1 2π
2π
2π 1 sin ks ds = − 2π s sin ks ds 0 cos ks 2π 2π cos ks 1 1 s k 0 − 2π 0 ds = 2πk 2π cos 2πk = k 0
π−s 2
Folglich gilt h(t) ∼
∞ k=1
Wegen
∞ k=1
1 k
sin kt k
.
1 k
.
(7)
= ∞ ist es zun¨ achst unklar, ob diese Reihe konvergiert oder sogar gegen
h konvergiert. Abb. 5.1 zeigt h zusammen mit den Partialsummen s2 und s7 seiner Fourier-Reihe auf [−π, π] . s7
π 2
s2
−π π − π2
Abb. 5.1: Approximation durch Partialsummen
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
5.1
85
Der Satz von Fej´ er
Es stellt sich nun allgemein die Frage, ob und in welchem Sinne die Fourier-Reihe einer Funktion f ∈ L1 [−π, π] konvergiert und ob die Summe mit f u ¨bereinstimmt. Viele Ergebnisse dazu beruhen auf einer Darstellung der Partialsummen durch Dirichlet-Kerne.
ur die Partialsummen a) Es sei f ∈ L1 [−π, π] . F¨ n
sn (f ; t) :=
f(k)eikt ,
t ∈ R,
(8)
k=−n
der Fourier-Reihe gilt die Darstellung 1 2π
sn (f ; t) =
π −π
Dn (t − s) f (s) ds ,
t ∈ R,
(9)
mit den geraden, stetigen und 2π - periodischen Dirichlet-Kernen sin (2n + 1) u2 , u ∈ R ( Dn (2kπ) = 2n + 1 ) . Dn (u) = sin u2
(10)
15 D7
D2
−π
π −5 Abb. 5.2: Dirichlet-Kerne
b) In der Tat gilt nach (5) und (8) sn (f ; t)
= =
Dn (u)
=
n
1 2π
π −π
k=−n π 1 2π −π Dn (t n iku
e
k=−n
f (s) e−iks ds eikt = − s) f (s) ds
= 1+2
n k=1
1 2π
π −π
f (s)
n
eik(t−s) ds
k=−n
mit
cos ku =
sin((2n+1) u 2) sin u 2
,
wobei man die letzte Gleichung durch Induktion oder mit Hilfe der Eulerschen Formel beweisen kann (vgl. etwa [Kaballo 2000], 37.5).
86
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
c) Aus den Orthogonalit¨ atsrelationen ergibt sich 1 2π
π −π
π
1 2π
Dn (u) du =
−π
n
eiku du = 1 ;
(11)
k=−n
allerdings haben die Dirichlet-Kerne positive und negative Werte, und es gilt π | Dn (u) | du → ∞ f¨ ur n → ∞ (vgl. Aufgabe 5.3). Wegen dieser Eigenschaften −π sind Konvergenzuntersuchungen f¨ ur Fourier-Reihen schwierig. Wir bilden daher zun¨ achst arithmetische Mittel ihrer Partialsummen, untersuchen also die Ces` aro-Konvergenz von Fourier-Reihen. An diesen Begriff sei zuvor kurz erinnert: Ces` aro-Konvergenz.
Eine Reihe
k≥0
(σn :=
ak heißt Ces` aro-konvergent, wenn die Folge n
1 n+1
sj )
j=0
der arithmetischen Mittel der Partialsummen sn konvergiert. In diesem Fall heißt C-
∞
ak :=
lim σn
n→∞
k=0
die Ces` aro-Summe der Reihe. Bemerkungen und Beispiel. a) Eine konvergente Reihe ist auch Ces` arokonvergent; Summe und Ces` aro-Summe stimmen dann u ¨berein (vgl. Aufgabe 5.4). k hat man offenbar (sj ) = (1,0,1,0, . . .) und b) F¨ ur die divergente Reihe k≥0 (−1) ∞ aro-konvergent mit C(−1)k = lim σn = 12 . (σn ) = (1, 12 , 23 , 12 , 35 , . . .) ; sie ist Ces` k=0
n→∞
c) Die Umkehrung von a) ist also i. a. falsch; sie gilt jedoch, wenn eine Absch¨ atzung 1 | ak | = O( k ) vorliegt (vgl. [Kaballo 2000], 38.19). Wir untersuchen nun also die Ces` aro-Konvergenz von Fourier-Reihen. Die arithmetischen Mittel ihrer Partialsummen werden durch die Fej´er-Kerne dargestellt, die aufgrund von Satz 5.1 unten wesentlich leichter als die Dirichlet-Kerne behandelt werden k¨ onnen. Fej´ er-Kerne. a) Wir definieren die Fej´er-Kerne Fn ∈ C2π als arithmetische Mittel der Dirichlet-Kerne: n−1 Dj (u) , u ∈ R . (12) Fn (u) := n1 j=0
F¨ ur die arithmetischen Mittel σn (f ; t) :=
1 n
n−1 j=0
sj (f ; t)
(13)
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
87
7 F7
F2 1 −π
π
Abb. 5.3: Fej´er-Kerne
der Partialsummen sn (f ; t) der Fourier-Reihe von f ∈ L1 [−π, π] gilt dann σn (f ; t) =
1 2π
π −π
Fn (t − s)f (s) ds ,
t ∈ R.
(14)
Abb. 5.4 zeigt die Funktion h aus dem Beispiel auf S. 84 zusammen mit σ3 (h) und σ8 (h) . π 2
σ8 σ3
−π
π − π2
Abb. 5.4: Fej´er-Approximation
Satz 5.1 a) F¨ ur die Fej´er-Kerne Fn ∈ C2π gilt Fn (u) =
1 n
sin nu 2 sin u2
2
u∈R
,
( Fn (2kπ) = n ) .
(15)
b) Es ist Fn gerade und Fn ≥ 0 ; weiter gilt 1 2π
∀η>0 :
π −π
Fn (u) du = 1 ,
lim
sup
n→∞ η≤|u|≤π
Fn (u) = 0 .
(16) (17)
88
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Beweis. a) Wegen (10) ergibt sich Formel (15) aus 2 sin2 =
n−1
n−1
u 2
Dj (u) =
j=0
n−1 j=0
cos ju − cos(j + 1)u
2 sin u2 sin (2j + 1) u2 = 1 − cos nu = 2 sin2
j=0
nu 2
.
b) Die ersten Aussagen folgen sofort aus a), Formel (16) aus Formel (11). Schließur η ≤ |u| ≤ π , und daraus folgt sofort lich gibt es α > 0 mit sin2 u2 ≥ α > 0 f¨ sup Fn (u) ≤ α1n → 0 . ♦
η≤|u|≤π
Es folgt nun ein Hauptergebnis dieses Kapitels: Theorem 5.2 (Fej´ er) F¨ ur f ∈ C2π gilt σn (f ; t) → f (t) gleichm¨ aßig auf R . Beweis. a) F¨ ur t ∈ R folgt aus (14) mit der Substitution s = t − u auch t−π π 1 1 Fn (u) f (t − u) du = 2π F (u) f (t − u) du . σn (f ; t) = − 2π t+π −π n
(18)
b) Zu ε > 0 gibt es η > 0 mit | f (t) − f (t − u) | ≤ ε f¨ ur t ∈ R und | u | ≤ η , da ja aßig stetig ist. Nach (17) gibt es n0 ∈ N mit sup Fn (u) ≤ ε f¨ ur f ∈ C2π gleichm¨ η≤|u|≤π
n ≥ n0 . Mit (18) ergibt sich | f (t) − σn (f ; t) |
1 | 2π
π
Fn (u) (f (t) − f (t − u)) du | η−π F (u) | f (t) − f (t − u) | du ≤ −η n 1 + 2π η≤| u |≤π Fn (u) | f (t) − f (t − u) | du η 1 1 ≤ ε 2π F (u) du + ε 2π | f (t) − f (t − u) | du η≤| u |≤π −η n π 1 ≤ ε (1 + π −π | f (u) | du) =
1 2π
f¨ ur n ≥ n0 und alle t ∈ R .
♦
Wir zeigen in Satz 8.16, dass dieses Theorem f¨ ur die Folge (sn (f ; t)) der Partialsummen der Fourier-Reihe nicht gilt; f¨ ur f ∈ C2π ist die Folge (sn (f ; t)) i. a. nicht einmal punktweise konvergent. Einseitige Grenzwerte. Wir zeigen nun, dass f¨ ur L1 -Funktionen f noch ur t ∈ R σn (f ; t) → f (t) in Stetigkeitspunkten von f gilt. Existieren allgemeiner f¨ die einseitigen Grenzwerte f(t+ ) := lim f(s) , s→t+
so definiert man f ∗ (t) :=
1 2
f(t− ) :=
lim f(s) ,
s→t−
(f(t+ ) + f(t− ))
(19)
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
89
als ihren Mittelwert. In Stetigkeitspunkten von f gilt nat¨ urlich f ∗ (t) = f(t) . F¨ ur die ∗ Funktion h aus dem Beispiel auf S. 84 gilt h (t) = h(t) auch in den Sprungstellen. Satz 5.3 (Fej´ er) ogen die einseitigen Grenzwerte f(t+ ) und f(t− ) F¨ ur f ∈ L1 (−π, π] und t ∈ R m¨ ∗ existieren. Dann gilt σn (f ; t) → f (t) . π 1 Fn (u) du = 12 . Wie im Beweis Beweis. Da die Fn gerade Funktionen sind, gilt 2π 0 von Theorem 5.2 folgt daher 1 2
f(t− ) −
1 2π
π 0
Fn (s) f(t − s) ds
f¨ ur n → ∞ und ebenso
1 2π
0 −π
1 2π
=
π 0
Fn (s) (f(t− ) − f(t − s)) ds → 0
Fn (s) f(t − s) ds →
1 2
f(t+ ) .
♦
Beispiele und Bemerkungen. a) Ist in der Situation von Satz 5.3 die FourierReihe von f an der Stelle t ∈ R konvergent, so konvergieren auch die arithmetischen Mittel σn (f ; t) der Partialsummen gegen ihre Summe, und nach Satz 5.3 hat man ∞ f(k) eikt = f ∗ (t) . k=−∞
b) Satz 5.3 gilt insbesondere f¨ ur die Funktion h aus dem Beispiel auf S. 84. F¨ ur t = π2 ist ihre Fourier-Reihe die nach dem Leibniz-Kriterium konvergente Leibniz-Reihe, und somit ergibt sich f¨ ur deren Summe: ∞ k=0
(−1)k 2k+1
= 1−
1 3
+
1 5
−
1 7
+ · · · = h( π2 ) =
π 4
.
c) Nach dem Dirichlet-Kriterium (vgl. etwa [Kaballo 2000], 38.4) konvergiert die Fourier-Reihe von h sogar f¨ ur alle t ∈ R ; a) impliziert dann die Gleichheit in (7). Wir werden dies in (34) noch einmal ohne Verwendung des Dirichlet-Kriteriums beweisen.
5.2
Faltung und Dirac-Folgen
Die Formeln in diesem Kapitel zeigen, dass wir im Zusammenhang mit Fourier-Reihen 1 dt auf [−π, π] verwenden. Diese Notation das normalisierte Lebesgue-Maß dt ¯ := 2π werden wir in diesem Abschnitt nun benutzen, gelegentlich auch sp¨ ater. Dirac-Folgen. a) Im Beweis des Theorems von Fej´er wurden nicht die explizite Formel (15) f¨ ur die Fej´er-Kerne benutzt, sondern nur deren in Satz 5.1 b) formulierten Eigenschaften. b) Eine Folge (δn ) in C2π heißt Dirac-Folge oder eine approximative Eins, wenn sie die folgenden Eigenschaften hat: δn ≥ 0 ,
π −π
δn (u)du ¯ = 1,
(20)
90
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
lim
n→∞
η≤| u |≤π
δn (u)du ¯ = 0 f¨ ur alle η > 0 .
(21)
c) Das Theorem von Fej´er 5.2 gilt f¨ ur eine beliebige Dirac-Folge an Stelle der Fej´erKerne, obwohl Bedingung (21) nat¨ urlich schw¨ acher ist als (17). Im Beweis erh¨ alt man an Stelle von π ¯ | f (t) − σn (f ; t) | ≤ ε (1 + 2 −π | f (u) |du) mittels (21) die Absch¨ atzung π | f (t) − −π δn (t − s)f (s)ds ¯ | ≤ ε (1 +
1 π
f sup ) .
(22)
Entsprechend erh¨ alt man im Fall gerader Dirac-Folgen Satz 5.3 nur f¨ ur f ∈ L∞ (−π, π] . Gilt jedoch (17) f¨ ur die Folge (δn ) , so gilt Satz 5.3 auch f¨ ur f ∈ L1 (−π, π] . ur große n stark um den Nullpunkt konzentriert. Die Folge d) F¨ ur Dirac-Folgen ist δn f¨ ; f¨ ur n → ∞ gilt in der Tat nach (δn ) approximiert das Dirac-Funktional δ0 ∈ C2π Theorem 5.2 (vgl. Satz 3.4 und Aufgabe 3.5) π δ (s) f (s)ds ¯ → f (−0) = δ0 (f ) f¨ ur alle f ∈ C2π . −π n e) Ein weiteres Beispiel einer Dirac-Folge (f¨ ur r ↑ 1 ) liefern die in der Potentialtheorie wichtigen Poisson-Kerne Pr ∈ C2π , Pr (u) :=
1−r 2 1+r 2 −2r cos u
.
Wir gehen in Aufgabe 5.6 etwas genauer darauf ein. f) Die Dirichlet-Kerne bilden keine Dirac-Folge, da sie auch negative Werte annehmen (vgl. auch Aufgabe 5.3). Faltung. a) In (14) tritt die Faltung einer Dirac-Folge mit einer Funktion auf. Diese wird f¨ ur Funktionen g ∈ C2π und f ∈ L1 [−π, π] allgemein definiert durch π (g f ) (t) := −π g(t − s)f (s)ds ¯ , t ∈ R. (23) Dann ist g f ∈ C2π , und man hat z. B. σn (f ; t) = (Fn f )(t) f¨ ur t ∈ R . b) Wie in (18) gilt aufgrund der Substitutionsregel auch π ¯ , t ∈ R. (g f ) (t) = −π g(u)f(t − u)du
(24)
Satz 5.4 Es sei 1 ≤ p ≤ ∞ . F¨ ur g ∈ C2π und f ∈ Lp ([−π, π],dt) ¯ gilt g f Lp ≤ f Lp g L1 .
(25)
Beweis. Dies ist ein Spezialfall von Satz 3.9, insbesondere Absch¨ atzung (3.24). F¨ ur den stetigen Kern κ(t, s) = g(t − s) gilt n¨ amlich π π | κ(t, s) |ds ¯ = −π | κ(t, s) |dt ¯ = g L1 , −π also κ SI = κ ZI = g L1 .
♦
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
91
Faltung von L1 -Funkionen. a) Mittels (23) k¨ onnen wir die Faltung auch f¨ ur Funktionen f, g ∈ L1 [−π, π] definieren, wobei wir wie in (24) auch ihre 2π -periodischen Fortsetzungen benutzen. Dazu ben¨ otigen wir die Messbarkeit des Kerns κ(t, s) = 2 onnen wir annehmen, dass g Borel-messbar ist, g(t − s) auf R : Nach Satz A.3.23 k¨ und nach Aussage d) auf S. 325 gilt dies dann auch f¨ ur κ . Aufgrund von Satz A.3.20 gilt dann Absch¨ atzung (25) auch f¨ ur Funktionen g ∈ L1 [−π, π] und f ∈ Lp [−π, π] . b) Insbesondere ist L1 [−π, π] mit der Faltung eine kommutative Banachalgebra, allerdings ohne Einselement. Das fehlende“ Einselement wird nach dem folgenden Satz ” durch Dirac-Folgen approximiert, wodurch die Bezeichnung approximative Eins“ f¨ ur ” diese erkl¨ art wird. Dieser enth¨ alt insbesondere eine Version des Satzes von Fej´er f¨ ur Lp -Funktionen: Satz 5.5 Es seien (δn ) eine Dirac-Folge in C2π und 1 ≤ p < ∞ . F¨ ur f ∈ Lp [−π, π] gilt dann f − δn f L p → 0 . Beweis. Nach Satz 5.4 ist die Faltung δn : Lp [−π, π] → Lp [−π, π] mit der festen ur g ∈ C2π gilt Funktion δn ein linearer Operator mit δn ≤ δn L1 = 1 . F¨ δn g → g in Lp [−π, π] nach dem Theorem von Fej´er 5.2. Da C2π in Lp [−π, π] dicht ♦ ist, folgt die Behauptung aus Satz 3.3. Nach Satz 3.3 gilt sogar f −δn f Lp → 0 gleichm¨ aßig auf pr¨ akompakten Teilmengen von Lp [−π, π].
5.3
Der Weierstraßsche Approximationssatz
Das Theorem von Fej´er 5.2 impliziert, dass stetige 2π-periodische Funktionen gleichm¨ aßig durch trigonometrische Polynome in T = [eikt ]k∈Z approximiert werden k¨ onnen. Daraus folgt leicht auch die folgende wichtige Aussage u aßige Approxi¨ber die gleichm¨ mation stetiger Funktionen durch Polynome : Theorem 5.6 (Weierstraßscher Approximationssatz) Es seien J = [a, b] ⊆ R ein kompaktes Intervall, f ∈ C(J, C) und ε > 0 . Dann gibt es ein Polynom P ∈ C[t] mit f − P J = sup | f (t) − P (t) | ≤ ε . t∈J
Beweis. Nach einer linearer Transformation k¨ onnen wir J ⊆ (−π, π) annehmen und setzen f zu einer stetigen Funktion in C2π fort (vgl. Abb. 5.5). Nach dem Theorem von Fej´er 5.2 gibt es ein m ∈ N und Zahlen {ck }−m≤k≤m ⊆ C mit sup | f (t) − t∈J
m k=−m
ck eikt | ≤
ε 2
.
92
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
−π
f π
a b
Abb. 5.5: Fortsetzung von f
Aufgrund der auf J gleichm¨ aßig konvergenten Entwicklung eikt =
=0
nk ∈ N mit sup | ck | | eikt − t∈J
Mit P (t) :=
∞
m
ck
k=−m
nk =0
nk =0
(ikt) !
(ikt) !
| ≤
ε 2(2m+1)
(ikt) !
gibt es
.
∈ C[t] folgt dann die Behauptung.
♦
F¨ ur f ∈ C(J, R) kann nat¨ urlich P ∈ R[t] gew¨ ahlt werden; notfalls ersetzt man einfach das Polynom P durch dessen Realteil Re P . Insbesondere ist also der Raum C ∞ [a, b] dicht in C[a, b] . Nun wollen wir daraus schlieur ßen, dass der Raum D(a, b) = C ∞ (R) ∩ Cc (a, b) der Testfunktionen auf (a, b) f¨ ur diese Bezeichnung wird im n¨ achsten 1 ≤ p < ∞ in Lp [a, b] dicht ist. Der Grund f¨ Abschnitt deutlich werden. Wir ben¨ otigen
ε = 1/2 ε=1 ε=2 Abb. 5.6: Funktionen ρε
C ∞ -Abschneidefunktionen.
a) Wir w¨ ahlen eine Funktion ρ ∈ C ∞ (R) mit
ρ ≥ 0 , supp ρ ⊆ [−1,1] und
R
ρ(t) dt = 1 ,
ur | t | < 1 und ein geeignetes c > 0 sowie ρ(t) = 0 f¨ ur z. B. ρ(t) = c exp( t21−1 ) f¨ |t| ≥ 1. b) F¨ ur ε > 0 definieren wir dann ρε (t) :=
1 ε
ρ( εt ) und erhalten (vgl. Abb. 5.6)
ρε ∈ C ∞ (R) , ρε ≥ 0 , supp ρε ⊆ [−ε, ε] und
R
ρε (t) dt = 1 .
(26)
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
c) F¨ ur ein kompaktes Intervall J = [a, b] ⊆ R und ε > 0 sei b χJ,ε (t) := a ρε (t − s) ds , t ∈ R .
93
(27)
Offenbar gilt 0 ≤ χJ,ε ≤ 1 , χJ,ε (t) = 0 f¨ ur t ≤ a − ε und t ≥ b + ε sowie χJ,ε (t) = 1 f¨ ur a + ε ≤ t ≤ b − ε (vgl. Abb. 5.7).
1 0
χJ,ε a−ε
a+ε
b−ε
b+ε Abb. 5.7: Eine C ∞ -Abschneidefunktion
Satz 5.7 F¨ ur 1 ≤ p < ∞ und a < b ∈ R ist der Raum D(a, b) dicht in Lp [a, b] . Beweis. Nach dem Weierstraßschen Approximationssatz ist der Raum C ∞ [a, b] dicht in C[a, b] , also auch in Lp [a, b] . F¨ ur f ∈ C ∞ [a, b] und kleine ε > 0 definieren wir mit dem Intervall J := [a + 2ε, b − 2ε] die Testfunktion fε := f · χJ,ε in D(a, b) und erhalten b a+3ε + | f (t) (1 − χJ,ε (t)) |p dt ≤ 6 ε f psup . ♦ f − fε pLp ≤ a b−3ε
5.4
Schwache Ableitungen und Sobolev-R¨ aume
Wir f¨ uhren nun schwache Ableitungen und Sobolev-R¨ aume f¨ ur Funktionen von einer reellen Variablen ein. Diese Konzepte wurden 1938 von S.L. Sobolev auch f¨ ur Funktionen von mehreren reellen Variablen eingef¨ uhrt und sind f¨ ur das Studium partieller Differentialgleichungen sehr wichtig, vgl. etwa [Alt 1991] oder [Dobrowolski 2006]. Durch die Beschr¨ ankung auf Funktionen von einer Variablen in diesem Grundkurs lassen sich zahlreiche technische Schwierigkeiten vermeiden, wesentliche Ideen werden aber trotzdem (oder deswegen ?) deutlich. Sobolev-R¨ aume in mehreren Variablen sollen im Aufbaukurs behandelt werden, wobei schwache Ableitungen dann auch allgemeiner im Rahmen von Distributionen erkl¨ art werden. Das folgende Resultat ist grundlegend f¨ ur die Einf¨ uhrung von schwachen Ableitungen oder Distributionsableitungen: Satz 5.8 F¨ ur eine Funktion f ∈ L1 [a, b] gelte
b a
f (t) ϕ(t) dt = 0
f¨ ur alle ϕ ∈ D(a, b) .
(28)
94
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Dann ist f = 0 fast u ¨berall. ¨ Beweis. a) Nach Satz 3.4 folgt f = 0 im Raum der Aquivalenzklassen L1 [a, b], wenn (28) sogar f¨ ur alle ϕ ∈ C[a, b] gilt. Wegen der Dichtheit von C ∞ [a, b] in C[a, b] gen¨ ugt ∞ es, (28) f¨ ur alle ϕ ∈ C [a, b] zu zeigen. b) Wie im Beweis von Satz 5.7 definieren wir Intervalle J := [a + 2ε, b − 2ε] und Testfunktionen ϕε := ϕ · χJ,ε ∈ D(a, b) . Dann gelten ϕε (t) → ϕ(t) f¨ ur ε → 0 sowie ur alle t ∈ (a, b) . Mit dem Satz u die Absch¨ atzung | f (t) ϕε (t) | ≤ | f (t) | | ϕ(t) | f¨ ¨ber majorisierte Konvergenz A.3.8 folgt dann
b a
f (t) ϕ(t) dt = lim
b
ε→0
a
f (t) ϕε (t) dt = 0 .
♦
Satz 5.8 liefert eine Erkl¨ arung f¨ ur den Namen Raum der Testfunktionen“ f¨ ur D(a, b) : ” aß (28) auf alle Testfunktionen einEine L1 -Funktion ist durch ihre Wirkung“ gem¨ ” deutig festgelegt. Schwache Ableitungen. a) Insbesondere k¨ onnen wir nun Ableitungen, die ja durch punktweise Grenzwerte von Differenzenquotienten definiert sind, auch mittels Testfunktionen charakterisieren: F¨ ur Funktionen F ∈ C 1 [a, b] und f ∈ C[a, b] ist die Ausaquivalent zu sage F = f nach Satz 5.8 ¨
b a
F (t) ϕ (t) dt = −
b a
f (t) ϕ(t) dt
f¨ ur alle ϕ ∈ D(a, b) .
(29)
b) Dies l¨ asst sich nun auf eine gr¨ oßere Klasse von Funktionen verallgemeinern: Eine Funktion f ∈ L1 [a, b] heißt schwache Ableitung einer Funktion F ∈ L1 [a, b] , falls Bedingung (29) erf¨ ullt ist. c) Nach Satz 5.8 hat eine Funktion F ∈ L1 [a, b] h¨ ochstens eine schwache Ableitung, und im Fall F ∈ C 1 [a, b] stimmt diese nach a) mit der klassischen Ableitung u ¨berein. Wir k¨ onnen daher auch f¨ ur schwache Ableitungen die u ¨bliche Notation f (t) = F (t) = dF dt verwenden. d) Hat die schwache Ableitung F ∈ L1 [a, b] einer Funktion F ∈ L1 [a, b] wiederum eine schwache Ableitung (F ) ∈ L1 [a, b] , so wird diese als zweite schwache Ableitung F = (F ) von F bezeichnet. Entsprechend definiert man auch schwache Ableitungen h¨ oherer Ordnung. Beispiele. a) Die Betragsfunktion A : t → | t | liegt in C[−1,1] ⊆ L1 [−1,1] , ist in 0 aber nicht im klassischen Sinn differenzierbar. F¨ ur ϕ ∈ D(−1,1) berechnen wir
1 −1
| t | ϕ (t) dt
= = =
1 t ϕ (t) dt + 0 t ϕ (t) dt 0 1 − tϕ(t)|0−1 + −1 ϕ(t) dt + tϕ(t)|10 − 0 ϕ(t) dt 1 − −1 sign(t) ϕ(t) dt −
0
−1
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
95
1
s = A(t)
s = sign(t)
−1 Abb. 5.8: Betragsfunktion und Signum-Funktion
mit der Signum-Funktion sign(t) :=
−1
,
t −1 . F¨ ur ϕ ∈ D(0,1) und ε > 0 hat man
1 ε
tα ϕ (t) dt = tα ϕ(t)|1ε − α
1 ε
tα−1 ϕ(t) dt .
96
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Der Grenz¨ ubergang ε → 0 l¨ asst sich nur f¨ ur α ≥ 0 durchf¨ uhren, und in diesem Fall ur p ≥ 1 gilt offenbar ist dann fα : t → α tα−1 die schwache Ableitung von fα . F¨ fα ∈ Lp [0,1] ⇔ (1 − α) p < 1 . Sobolev-R¨ aume. Es seien m ∈ N0 und 1 ≤ p ≤ ∞ . Der Sobolev-Raum Wpm (a, b) wird definiert als Raum der Funktionen in Lp [a, b] , die k -te schwache Ableitungen in ur 0 ≤ k ≤ m besitzen. Auf Wpm (a, b) definieren wir die Norm Lp [a, b] f¨
f
Wpm
m f W∞
Beispiele.
:= :=
m b
k=0 m
a
1/p |f
(k)
(t) | dt p
,
1 ≤ p < ∞,
max f (k) L∞ . k=0
a) F¨ ur 1 < p < q < ∞ hat man offenbar die stetigen Inklusionen
m (a, b) ⊆ Wqm (a, b) ⊆ Wpm (a, b) ⊆ W1m (a, b) . C m [a, b] ⊆ W∞ 1 (−1,1) , und f¨ ur b) Wie soeben gezeigt, liegt die Betragsfunktion A : t → | t | in W∞ α 1 1 α > 0 liegt die Funktion fα : t → t genau dann in Wp (0,1) , wenn p < 1−α ist.
Satz 5.9 Die Sobolev-R¨ aume Wpm (a, b) sind Banachr¨ aume. (k)
ur 0 ≤ k ≤ m die Folgen (fn ) Beweis. F¨ ur eine Cauchy-Folge (fn ) in Wpm (a, b) sind f¨ aume vollst¨ andig von schwachen Ableitungen Cauchy-Folgen in Lp [a, b] . Da diese R¨ (k) ur 0 ≤ k ≤ m − 1 und sind, existieren die Grenzwerte Fk := lim fn in Lp [a, b] . F¨ n→∞
Testfunktionen ϕ ∈ D(a, b) gilt nach (29)
b a
fn (t) ϕ (t) dt = − (k)
b a
(k+1)
fn
(t) ϕ(t) dt ,
und mit n → ∞ folgt daraus sofort auch
b a
Fk (t) ϕ (t) dt = −
b a
Fk+1 (t) ϕ(t) dt . (k)
Folglich ist F0 ∈ Wpm (a, b) , und die schwachen Ableitungen F0 = Fk existieren f¨ ur ur n → ∞ . ♦ 0 ≤ k ≤ m in Lp [a, b] . Dann gilt offenbar fn − F0 Wpm → 0 f¨ Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung gilt auch f¨ ur schwache Ableitungen. Zur Vorbereitung zeigen wir zun¨ achst: Lemma 5.10 Es sei f ∈ W11 (a, b) mit schwacher Ableitung f ∈ L1 [a, b] . a) Gilt f = 0 , so ist f eine konstante Funktion. b) Gilt f ∈ C[a, b] , so folgt f ∈ C 1 [a, b] .
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
97
t Beweis. a) F¨ ur ϕ ∈ D(a, b) setzen wir Φ(t) := a ϕ(s) ds , a ≤ t ≤ b . Ist nun b I(ϕ) := a ϕ(s) ds = 0 , so folgt Φ ∈ D(a, b) , und die Voraussetzung f = 0 liefert b a
f (t) ϕ(t) dt =
b a
f (t) Φ (t) dt = −
b a
f (t) ϕ(t) dt = 0 .
Nun w¨ ahlen wir eine feste Testfunktion χ ∈ D(a, b) mit I(χ) = 1 . F¨ ur ϕ ∈ D(a, b) gilt dann I(ϕ − I(ϕ)χ) = 0 . Wie soeben gezeigt, folgt daraus b f (t) (ϕ(t) − I(ϕ) χ(t)) dt = 0 , also a b b b b (f (t) − I(f χ)) ϕ(t) dt ; 0 = a f (t) ϕ(t) dt − a f (s) χ(s) ( a ϕ(t) dt) ds = a nach Satz 5.8 stimmt daher f (fast u ¨berall) mit der konstanten Funktion I(f χ) u berein. ¨ t b) Wir setzen g(t) := a f (s) ds f¨ ur t ∈ [a, b] ; dann gilt g ∈ C 1 [a, b] und g = f . 1 ♦ Somit folgt f = g + C ∈ C [a, b] aus a). Wir zeigen nun den Hauptsatz zusammen mit einem Approximationssatz: Satz 5.11 t a) F¨ ur eine Funktion g ∈ L1 [a, b] wird durch G(t) := a g(s) ds eine stetige Funktion G ∈ W11 (a, b) definiert, und es gilt G = g im schwachen Sinne. b) Jede Funktion f ∈ W11 (a, b) ist stetig auf [a, b] , und es gilt t f (t) = f (a) + a f (s) ds f¨ ur a ≤ t ≤ b .
(30)
c) F¨ ur 1 ≤ p < ∞ gibt es zu einer Funktion f ∈ Wp1 (a, b) eine Folge (fn ) von Polynomen mit f − fn sup → 0 und f − fn Lp → 0 . Beweis. 1iEs seien 1 ≤ p < ∞ und g ∈ Lp [a, b] . Da C[a, b] in Lp [a, b] dicht ist, gibt es nach dem Weierstraßschen Approximationssatz eine Folge (pn ) von Polynomen mit ur die Polynome g − pn Lp → 0 . F¨ t Pn (t) := a pn (s) ds , a ≤ t ≤ b , (31) gilt Pn = pn und G − Pn sup ≤ C g − pn Lp → 0 . Daher ist G stetig, und man hat G = g im schwachen Sinn, da sich wie im Beweis von Satz 5.9 Bedingung (29) auf den Limes u agt. Damit ist Aussage a) bewiesen. ¨bertr¨ 1 2i Nun sei f ∈ Wp (a, b) gegeben. Wir wenden Beweisteil 1i auf g := f ∈ Lp [a, b]
an und erhalten (f − G) = 0 . Nach Lemma 5.10 ist f − G konstant, f also stetig. Wegen G(a) = 0 muss f (t) = f (a) + G(t) gelten; daher gilt (30), und Aussage b) ist bewiesen. Schließlich ergibt sich Aussage c) mit den Polynomen fn := f (a) + Pn . ♦ Es sei darauf hingewiesen, dass es in mehreren Variablen unstetige W11 -Funktionen gibt.
98
II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Folgerungen. a) F¨ ur m ∈ N0 und 1 ≤ p < ∞ sind die Polynome dicht in Wpm (a, b) . Dies ergibt sich durch Anwendung von Satz 5.11 c) auf die (m − 1) -te Ableitung einer aume Funktion in Wpm (a, b) und (m − 1) -fache Integration. Insbesondere sind die R¨ m Wp (a, b) separabel. b) Nach Folgerung a) stimmt der Sobolev-Raum Wpm (a, b) mit dem auf S. 37 als Vervollst¨ andigung von C m [a, b] unter der Norm Wpm definierten Raum Wpm (a, b) u ¨berein. c) Aus Satz 5.11 ergibt sich die G¨ ultigkeit der Formel der partiellen Integration auch f¨ ur W11 -Funktionen:
b a
f (t) g(t) dt = f (t) g(t)|ba −
b a
f (t) g (t) dt ,
f , g ∈ W11 (a, b) .
(32)
Wir k¨ onnen nun eine erste Version eines Sobolevschen Einbettungssatzes formulieren: Satz 5.12 (Sobolevscher Einbettungssatz) a) F¨ ur m ∈ N hat man die stetigen Inklusionen W1m (a, b) → C m−1 [a, b] . 1
b) F¨ ur 1 < p ≤ ∞ und p1 + 1q = 1 ist sogar Wpm (a, b) → Λm−1, /q [a, b] stetig, und eine ankte Menge ist relativ kompakt in C m−1 [a, b] . in Wpm (a, b) beschr¨ Beweis. F¨ ur f ∈ Wpm (a, b) ist in der Tat f (m−1) nach Satz 5.11 a) stetig, und eine ur j = 0, . . . , m − 1 ergibt sich mit dem Absch¨ atzung f (j) sup ≤ C f (j) Wp1 f¨ Hauptsatz (30) wie im Beweis der Absch¨ atzung (2.7) auf S. 37. Die Absch¨ atzung 1 f Λm−1,α ≤ C f Wpm f¨ ur α = q ergibt sich f¨ ur 1 < p < ∞ wie in (2.8) und f¨ ur p = ∞ und α = 1 sofort durch Anwendung des Hauptsatzes auf f (m−1) .
♦
Wegen Wp1 (a, b) = Wp1 (a, b) ist insbesondere also auch die Sobolev-Einbettung i : Wp1 (a, b) → C[a, b] aus (3.7) injektiv. Bemerkungen. a) F¨ ur f ∈ W11 (a, b) kann man f = f+ − f− als Differenz nichtnegativer L1 -Funktionen schreiben; nach dem Hauptsatz (30) ist daher f eine Differenz monoton wachsender Funktionen und somit von beschr¨ ankter Variation (vgl. Aufgabe 5.15 und [Kaballo 2000], Abschnitt 23).
b) Eine Funktion f ∈ W11 (a, b) ist sogar absolut stetig, und f (t) ist f¨ ur fast alle t ∈ [a, b] die klassische Ableitung von f in t ; umgekehrt liegt auch jede absolut stetige Funktion in W11 (a, b) . F¨ ur diese Konzepte und Resultate sei etwa auf [Kaballo 1999], Abschnitt 15 verwiesen, vgl. auch Aufgabe 5.16. c) Lipschitz-stetige Funktionen f ∈ Λ1 [a, b] sind absolut stetig und liegen aufgrund 1 1 von b) in W∞ (a, b) . Nach Satz 5.12 gilt also W∞ (a, b) = Λ1 [a, b] und dann auch m W∞ (a, b) = Λm−1,1 [a, b] f¨ ur m ∈ N .
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze
5.5
99
Punktweise Konvergenz von Fourier-Reihen
Wir untersuchen nun die Konvergenz von Fourier-Reihen ohne die Bildung arithmetischer Mittel. Grundlegend daf¨ ur ist: Lemma 5.13 (Riemann-Lebesgue) F¨ ur f ∈ L1 [a, b] gilt lim
b
| λ |→∞ a
f (s) e−iλs ds = 0 .
Beweis. a) F¨ ur f ∈ D(a, b) folgt die Behauptung mittels partieller Integration: |
b a
f (s) e−iλs ds |
= ≤
b −iλs b 1 | f (s) e−iλ + iλ f (s) e−iλs ds | a a b 1 ur | λ | → ∞ . | λ | a | f (s) | ds → 0 f¨
b b) Durch Fλ : f → a f (s) e−iλs ds werden stetige Linearformen Fλ auf L1 [a, b] mit Fλ ≤ 1 definiert. Nach Satz 5.7 ist D(a, b) dicht in L1 [a, b] , und die Behauptung ♦ folgt somit aus a) und Satz 3.3. a) Insbesondere gilt also lim f(k) = 0 f¨ ur alle Funktionen | k |→∞ π 1 | f (t) | dt hat man die lineare stetige Fourierf ∈ L1 [−π, π] . Wegen | f(k) | ≤ 2π −π Abbildung Bemerkungen.
F(f ) := (f(k))k∈Z .
F : L1 [−π, π] → c0 (Z) ,
Diese ist aufgrund von Satz 5.5 injektiv. Wir zeigen jedoch in Satz 8.17 auf S. 158, dass F : L1 [−π, π] → c0 (Z) nicht surjektiv ist. b) Aufgrund von Satz 3.3 gilt in der Situation des Lemmas von Riemann-Lebesgue sogar Fλ f → 0 gleichm¨ aßig auf pr¨ akompakten Teilmengen von L1 [a, b] , insbesondere aßig auf pr¨ akompakten Teilmengen von L1 [−π, π] . also lim f(k) = 0 gleichm¨ | k |→∞
Wir k¨ onnen nun ein wichtiges Resultat zur punktweisen Konvergenz von FourierReihen zeigen: Satz 5.14 (Dini) Es seien f ∈ L1 (−π, π] und t ∈ R , sodass s →
f(t−s)−f(t− ) s
gilt. Dann hat man
∈ L1 [0, π]
∞ k=−∞
und
s →
f(k) eikt = f ∗ (t) .
f(t−s)−f(t+ ) s
ds ∈ L1 [−π,0]
100 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Beweis. Wegen (9), (19), (11), lim
s→1
sin s s
= 1 und dem Lemma von Riemann-Lebesgue
gilt sn (f ; t) − f ∗ (t)
=
1 2π
+
1 2π
f(t − s) − f(t− ) s sin(2n + 1) ds sin 2s 2
π 0 0 −π
f(t − s) − f(t+ ) s sin(2n + 1) ds → 0 . sin 2s 2
♦
Da f¨ ur α > 0 die Funktion s → | s |α−1 in L1 [−π, π] liegt, impliziert der Satz von Dini sofort: Folgerung (Lipschitz). F¨ ur f ∈ L1 (−π, π] erf¨ ulle f f¨ ur ein 0 < α ≤ 1 in t ∈ R die (einseitige) H¨ older-Bedingung ∃ η > 0 , C > 0 ∀ t ∈ [0, η] : | f(t ± s) − f(t± ) | ≤ C | s |α . Dann gilt
∞
(33)
f(k) eikt = f ∗ (t) .
k=−∞
Insbesondere hat man die folgende Aussage: Folgerung. F¨ ur eine Funktion f ∈ L1 (−π, π] sei f in t ∈ R differenzierbar. Dann ∞ gilt f(k) eikt = f(t) . k=−∞
Beispiel. Die Funktion h aus dem Beispiel auf S. 84 erf¨ ullt die einseitige H¨ olderBedingung (33) in jedem Punkt mit α = 1 . Folglich hat man Gleichheit in (7), und es folgt ∞ π−t sin kt = , 0 < t < 2π . (34) 2 k k=1
Satz 5.15 (Riemannscher Lokalisierungssatz) h auf einem kleinen Gegeben seien Funktionen g, h ∈ L1 (−π, π] . Stimmen g und n ( g (k) − h(k)) eikt → 0 . offenen Intervall um t ∈ R u ¨berein, so gilt k=−n
Beweis. F¨ ur ein η > 0 gilt g (s) − h(s) = 0 f¨ ur | s − t | ≤ η ; die Funktion f := g − h erf¨ ullt also Bedingung (33). ♦ Die Konvergenz der Fourier-Reihe einer Funktion f ∈ L1 (−π, π] in einem speziellen Punkt t ∈ R h¨ angt also nur vom Verhalten von f in der N¨ ahe von t ab, obwohl f¨ ur die Bestimmung der Fourier-Koeffizienten f(k) nach (5) alle Funktionswerte von f auf (−π, π] ben¨ otigt werden.
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze 101
Gleichm¨ aßige Varianten der Folgerung von Lipschitz und des Riemannschen Lokalisierungssatzes werden in den Aufgaben 5.17 und 5.18 skizziert. Auch f¨ ur Funktionen von beschr¨ ankter Variation (vgl. Bemerkung a) nach Satz 5.12), 1 insbesondere also f¨ ur W1 -Funktionen, konvergiert die Fourier-Reihe punktweise. Da wir dieses Resultat im Folgenden nicht ben¨ otigen, wollen wir es hier nur skizzieren: Satz 5.16 (Dirichlet-Jordan) Es sei f ∈ L1 (−π, π] , sodass f auf einem kompakten Intervall [a, b] ⊆ R von be∞ f(k) eikt = f ∗ (t) f¨ ur t ∈ (a, b) . schr¨ ankter Variation ist. Dann gilt k=−∞
Beweis-Skizze. Nach dem Riemannschen Lokalisierungssatz kann man annehmen, dass f von beschr¨ ankter Variation auf [−π, π] ist. Dann ist f eine Differenz monotoner Funktionen, sodass die einseitigen Grenzwerte und f ∗ (t) f¨ ur alle t ∈ R existieren. ur | k | → ∞ aufgrund des zweiten Mittelwertsatzes der Weiter gilt | f(k) | = O( | k1 | ) f¨ Integralrechnung (vgl. [Kaballo 2000], 38.20 und 40.17); daher folgt die Behauptung nun aus Satz 5.3 und der Aussage b) u aro-Konvergenz auf S. 86. ¨ber Ces`
5.6
Aufgaben
Aufgabe 5.1 Berechnen Sie die Fourier-Entwicklung der S¨ agezahn-Funktion“ ” t + π2 , −π ≤ t ≤ 0 . Was ergibt sich f¨ ur t = 0 ? f (t) := −t + π2 , 0 ≤ t ≤ π Aufgabe 5.2 Zeigen Sie die absolut und gleichm¨ aßig konvergente Entwicklung | sin t | =
2 π
Was erh¨ alt man f¨ ur t = 0 und t =
− π 2
4 π
∞ k=1
cos 2kt (2k−1)(2k+1)
.
?
Aufgabe 5.3 Zeigen Sie die folgende Absch¨ atzung f¨ ur die Dirichlet-Kerne: ∃c>0∀n∈N
:
1 2π
π Dn (t) dt ≥ c log n . 0
Aufgabe 5.4 a) Zeigen Sie, dass eine konvergente Reihe aro-konvergent ist mit k≥0 ak auch Ces` ∞ ∞ Cak = ak . k=0
k=0
102 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
b) Beweisen Sie die Umkehrung von a) unter der Zusatzbedingung | ak | = o( k1 ) . ur jede Ces` aro-konvergente Reihe. c) Zeigen Sie | ak | = o(k) f¨ Aufgabe 5.5 ur alle g ∈ C2π bez¨ uglich dt ¯ = Zeigen Sie g L1 = sup { g f L1 | f L1 ≤ 1} f¨
dt 2π
.
Aufgabe 5.6 Zeigen Sie folgende Formeln f¨ ur die Poisson-Kerne von S. 90: Pr (s) (Pr f )(t)
= =
1−r 2 1+r 2 −2r cos s ∞
∞
=
r| k | eiks , 0 ≤ r < 1 ,
k=−∞
r | k | f(k) eikt ,
0 ≤ r < 1 , f ∈ L1 [−π, π] ;
k=−∞
es ist also lim Pr f die Abel-Summe der Fourier-Reihe von f (falls dieser Limes r→1−
existiert). Aufgabe 5.7 a) Definieren Sie eine Faltung f¨ ur Funktionen g ∈ Cc (Rn ) und f ∈ Lp (Rn ) durch (g ∗ f ) (t) :=
Rn
g(t − s)f (s) ds =
Rn
g(t)f (t − s) ds ,
t ∈ Rn .
b) Beweisen Sie g ∗ f ∈ C(Rn ) ∩ Lp (Rn ) und g ∗ f Lp ≤ g L1 f Lp . c) Zeigen Sie supp (g ∗ f ) ⊆ supp g + supp f
f¨ ur g ∈ Cc (Rn ) , f ∈ Lp (Rn ) .
Aufgabe 5.8 a) Zeigen Sie, dass die auf S. 92 eingef¨ uhrten Funktionen ρε eine (nicht periodische) Dirac-Folge f¨ ur ε → 0 bilden. Erweitern Sie diese Konstruktion auf Funktionen von n Variablen. b) Zeigen Sie ρε ∗ f ∈ C ∞ (Rn ) f¨ ur f ∈ Lp (Rn ) . ur ε → 0 und f ∈ Cc (Rn ) und anschließend c) Beweisen Sie ρε ∗ f − f sup → 0 f¨ ur ε → 0 und f ∈ Lp (Rn ) , 1 ≤ p < ∞ . ρε ∗ f − f Lp → 0 f¨ Es ist also D(Rn ) dicht in Cc (Rn ) und in Lp (Rn ) f¨ ur 1 ≤ p < ∞ . Aufgabe 5.9 Es sei P[−1,1] der Raum der Polynome auf [−1,1] . Zeigen Sie, dass die Restriktionsabbildung ρ : P[−1,1] → C[0,1] injektiv, ihre Fortsetzung ρ : C[−1,1] → C[0,1] aber nicht injektiv ist.
5 Fourier-Reihen und Approximationss¨ atze 103
Aufgabe 5.10 Formulieren und beweisen Sie eine Produktregel f¨ ur schwache Ableitungen. Aufgabe 5.11 Es seien A ∈ C([a, b], MC (n)) eine stetige Matrixfunktion und b ∈ C([a, b], Cn ) eine ose das stetige Vektorfunktion. Ein Tupel f ∈ W11 ((a, b), Cn ) von Sobolev-Funktionen l¨ lineare System von Differentialgleichungen f (t) + A(t) f (t) = b(t) im schwachen Sinne. Zeigen Sie, dass dann f ∈ C 1 ([a, b], Cn ) gilt und eine klassische L¨ osung des Systems ist. Hinweis. Konstruieren Sie mit dem Satz von Picard-Lindel¨ of (vgl. S. 62) eine invertierbare Matrixfunktion Ψ ∈ C 1 ([a, b], MC (n)) mit Ψ = Ψ A und beachten Sie (Ψ f ) = Ψ b . Aufgabe 5.12 a) Zeigen Sie, dass f¨ ur 1 ≤ p < ∞ der Abschluss von D(a, b) in Wp1 (a, b) gegeben ist durch ◦
Wp1 (a, b) := {f ∈ Wp1 (a, b) | f (a) = f (b) = 0} . b) Folgern Sie, dass der Raum {f ∈ Wp1 (a, b) | f (a) = f (b)} 1 der Abschluss des Raumes C2π = C2π (R) ∩ C 1 (R) der periodischen C 1 -Funktionen in Wp1 (a, b) ist.
Aufgabe 5.13 a) Definieren Sie schwache Ableitungen und Sobolev-R¨ aume u ¨ber beliebigen offenen Intervallen I ⊆ R . b) Zeigen Sie, dass Funktionen aus Wp1 (I) stetig sind und beweisen Sie eine Absch¨ atzung sup | f (t) | ≤ C f Wp1
f¨ ur f ∈ Wp1 (I) .
t∈I
c) Es sei f ∈
W21 (0, ∞) .
Zeigen Sie die Existenz von lim f (t) sowie lim f (t) = 0 . t→∞ t→0+ t 2 2 Hinweis. F¨ ur t > 1 gilt f (t) − f (1) = 2 1 f (s)f (s) ds . Aufgabe 5.14 uckweise stetig differenzierbar, Notation: Eine stetige Funktion f : [a, b] → R heißt st¨ 1 f ∈ Cst [a, b] , falls es eine Zerlegung Z = {a = t0 < t1 < . . . < tr = b} ∈ Z[a, b]
104 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
des Intervalls [a, b] gibt mit f |[tk−1 ,tk ] ∈ C 1 [tk−1 , tk ] f¨ ur alle k = 1, . . . , r . Beweisen 1 1 [a, b] ⊆ W∞ (a, b) . Sie Cst Aufgabe 5.15 Eine Funktion f heißt von beschr¨ ankter Variation, Notation: f ∈ BV[a, b] , falls V (f ) := Vab (f ) := sup {
r
| f (tk ) − f (tk−1 ) | | Z ∈ Z[a, b]} < ∞
k=1
gilt. V (f ) heißt dann totale Variation von f u ¨ber J . a) Zeigen Sie: f ist genau dann von beschr¨ ankter Variation, wenn f Differenz zweier monoton wachsender Funktionen ist (Jordan-Zerlegung). Ist f zus¨ atzlich stetig, so existiert eine solche Jordan-Zerlegung aus stetigen Funktionen. b) Finden Sie eine Funktion f ∈ C[a, b] , die nicht von beschr¨ ankter Variation ist. c) Definieren Sie eine Norm auf BV[a, b] , unter der dieser Raum vollst¨ andig ist und alt. W11 (a, b) isometrisch enth¨ Aufgabe 5.16 Eine Funktion f : [a, b] → R heißt absolut stetig, falls zu jedem ε > 0 ein δ > 0 existiert, sodass f¨ ur jedes disjunkte endliche (oder abz¨ ahlbare) System von offenen Intervallen {(ak , bk )} in [a, b] gilt:
(bk − ak ) < δ ⇒ | f (bk ) − f (ak ) | < ε . k
k
a) Zeigen Sie, dass eine Funktion f ∈ W11 [a, b] absolut stetig ist. b) Beweisen Sie: Eine absolut stetige Funktion ist gleichm¨ aßig stetig, von beschr¨ ankter Variation und bildet Nullmengen in Nullmengen ab. Aufgabe 5.17 Zeigen Sie die folgende Variante des Satzes von Lipschitz: Es sei f ∈ L1 (−π, π] , und f erf¨ ulle auf einer kompakten Menge K ⊆ R die H¨ older-Bedingung ∃ η > 0 , C > 0 ∀ t ∈ K , | s | ≤ η : | f(t) − f(t − s) | ≤ C | s |α f¨ ur ein 0 < α ≤ 1 . Dann gilt
∞
f(k) eikt = f(t) gleichm¨ aßig auf K .
k=−∞
Hinweis. Verwenden Sie Aufgabe 3.15 und Satz 3.3. Aufgabe 5.18 Zeigen Sie die folgende Variante des Riemannschen Lokalisierungssatzes: F¨ ur Funktiog= h auf einer offenen Umgebung einer kompakten Menge nen g, h ∈ L1 (−π, π] gelte n K ⊆ R . Dann folgt ( g (k) − h(k)) eikt → 0 gleichm¨ aßig auf K . k=−n
6 Hilbertr¨ aume
6
105
Hilbertr¨ aume
Fragen: 1. Wie l¨ asst sich ein Konzept der Orthogonalit¨ at“ von Vektoren erkl¨ aren? ” ∞ 2. F¨ ur welche 2π -periodischen Funktionen f gilt | f(k) | < ∞ ? k=−∞
Hilbertr¨ aume sind spezielle Banachr¨ aume, deren Norm durch ein Skalarprodukt induziert wird; die abstrakte Definition eines (separablen) Hilbertraumes stammt von J. von Neumann (1930). Auf dem Skalarprodukt beruht das wichtige Konzept der Orthogonalit¨ at. Hilbertr¨ aume besitzen Orthonormalbasen, nach denen jeder Vektor eine Fourier-Entwicklung“ hat. Zwei Hilbertr¨ aume mit gleichm¨ achtigen Orthonormalba” sen sind isometrisch. Wesentlich ist die Parsevalsche Gleichung, eine weitgehende Erweiterung des Satzes des Pythagoras. Insbesondere liegen die Fourier-Koeffizienten einer Funktion f ∈ L2 [−π, π] in 2 (Z) , und ihre Fourier-Reihe konvergiert im Hilbertraum L2 [−π, π] gegen f . Aus Glattheitsbedingungen an 2π -periodische Funktionen folgen bessere Summierbarkeitseigenschaften ihrer Fourier-Koeffizienten; dies untersuchen wir in Abschnitt 6.2 mittels einer s Skala H2π , s ≥ 0 , von Sobolev-Hilbertr¨ aumen. Die Resultate werden in Abschnitt 12.5 zur Absch¨ atzung von Eigenwerten von Integraloperatoren verwendet. Skalarprodukte.
Es sei H ein Vektorraum u ¨ber K = R oder K = C .
a) Eine Abbildung | : H × H → K heißt Halbskalarprodukt auf H , falls gilt: αx1 + x2 |y = α x1 |y + x2 |y , x|y = y|x , x|x ≥ 0 ,
α ∈ K , x1 , x2 , y ∈ H ,
(1)
x, y ∈ H ,
(2)
x∈H.
(3)
b) Gilt zus¨ atzlich x|x > 0 f¨ ur x = 0 , so heißt | definit und dann ein Skalarprodukt auf H . c) F¨ ur x, y ∈ E gilt nach (1) und (2) die binomische Formel“ ” x + y|x + y = x|x + 2 Re x|y + y|y .
(4)
Satz 6.1 (Schwarzsche Ungleichung) Es sei | ein Halbskalarprodukt auf H . F¨ ur alle x, y ∈ H gilt dann | x|y |2 ≤ x|x · y|y . Beweis. F¨ ur alle λ ∈ K gilt nach (3) und (4) 0 ≤ λx + y|λx + y = | λ |2 x|x + 2 Re λx|y + y|y .
(5)
106 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
y|x Aus x|x = 0 folgt dann auch x|y = 0 ; im Fall x|x = 0 setzt man λ = − x|x und erh¨ alt (5) aus
0 ≤ Hilbertr¨ aume.
| x|y |2 | x|y |2 + y|y . x|x
− 2 x|x 2 x|x
♦
a) F¨ ur ein (Halb-)Skalarprodukt | wird durch x|x f¨ ur x ∈ H x :=
(6)
eine (Halb-)Norm auf H definiert. In der Tat folgt die Dreiecks-Ungleichung wegen (4) und (5) aus x + y 2 ≤ x 2 + 2 x y + y 2 = ( x + y )2 . b) Ist der Raum H unter der Norm aus (6) vollst¨ andig, so heißt H ein Hilbertraum. Beispiele.
a) Der Folgenraum 2 ist ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt x|y :=
∞
xj y j
f¨ ur x = (xj ) , y = (yj ) ∈ 2 ;
(7)
j=0
ur endliche Sumf¨ ur x, y ∈ 2 ist in der Tat aufgrund der Schwarzschen Ungleichung f¨ men die Reihe in (7) absolut konvergent. Die Vollst¨ andigkeit von 2 wurde in Aufgabe 1.9 gezeigt, die Separabilit¨ at in Aufgabe 2.11. b) Allgemeiner ist f¨ ur ein positives Maß μ auf einer σ -Algebra Σ in einer Menge Ω (vgl. S. 16) der Raum L2 (Ω, μ) ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt f |g L2 :=
Ω
f (t) g(t) dμ .
(8)
Die Schwarzsche Ungleichung ist dann der Spezialfall p = 2 der H¨ olderschen Ungleichung. Die Vollst¨ andigkeit von L2 (Ω, μ) wurde in Theorem 1.5 formuliert und beruht auf Satz A.3.14 im Anhang. F¨ ur eine Lebesgue-messbare Menge Ω ⊆ Rn ist L2 (Ω, λ) nach Satz 2.9 separabel. c) F¨ ur m ∈ N0 ist der Sobolev-Raum W2m (a, b) ein separabler (vgl. Folgerung a) von Satz 5.11) Hilbertraum mit dem Skalarprodukt f |g W2m :=
m b k=0
Mit dem normierten Lebesgue-Maß dt ¯ =
a
f (k) (t) g (k) (t) dt .
dt b−a
erh¨ alt man eine ¨ aquivalente Norm.
(9)
6 Hilbertr¨ aume 107
Stetige Linearformen.
a) Es sei H ein Hilbertraum. F¨ ur y ∈ H wird durch η : x → x|y
f¨ ur x ∈ H
wegen (1) eine Linearform auf H definiert. Aufgrund der Schwarzschen Ungleichung gilt η ≤ y , und wegen η(y) = y 2 ist η = y . Die Abbildung j = jH : H → H ,
j(y)(x) := x|y ,
x, y ∈ H ,
(10)
ist eine additive Isometrie von H in H , die im Fall K = R linear und im Fall K = C antilinear ist, d. h. j(αx) = α ¯ j(x) erf¨ ullt. Im Fall dim H < ∞ gilt dim H = dim H , und daher ist jH auch surjektiv. Der Rieszsche Darstellungssatz 7.3 auf S. 129 besagt, ur unendlichdimensionale Hilbertr¨ aume surjektiv ist. dass jH auch f¨ b) Die Aussage von Satz 4.2 auf S. 67 ist also f¨ ur einen Hilbertraum H erf¨ ullt: F¨ ur 0 = x ∈ H gilt jH (x)(x) := x|x > 0 . Sie gilt auch f¨ ur den Banachraum L(H) : F¨ ur 0 = T ∈ L(H) gibt es x ∈ H mit T x = 0 . Durch ϕ : S → Sx|T x wird eine stetige Linearform auf L(H) definiert, und f¨ ur diese gilt ϕ(T ) > 0 . Nach Satz 4.3 gilt daher σ(T ) = ∅ f¨ ur jeden Operator T ∈ L(H) . Wir zeigen in Satz 6.6 auf S. 113, dass jeder separable Hilbertraum zum Folgenraum ahnliches Resultat auch f¨ ur nicht separable Hilbertr¨ aume 2 isometrisch ist. Um ein ¨ zu erhalten, betrachten wir nun auch Folgenr¨ aume“ u ber beliebigen Indexmengen. ¨ ” Summierbare und quadratsummierbare Familien. a) Es seien I eine Indexmenge und X ein Banachraum. Eine Funktion x : I → X wird in Analogie zu einer Folge auch als Familie bezeichnet, Notation: x = (xi )i∈I . Mit E(I) bezeichnen wir das System aller endlichen Teilmengen von I . b) Eine Familie (xi )i∈I heißt absolutsummierbar, im Fall X = K auch einfach summierbar, falls x 1 := xi := sup { xi | I ∈ E(I)} < ∞ (11) i∈I
i∈I
gilt. Mit 1 (I, X) wird der Raum aller absolutsummierbaren X -wertigen Familien auf I bezeichnet. Speziell ist 1 (N0 , K) = 1 der Banachraum aller Folgen, f¨ ur die die entsprechende Reihe absolut konvergiert. c) F¨ ur x ∈ 1 (I, X) ist der Tr¨ ager tr x = {i ∈ I | xi = 0} abz¨ ahlbar. In der Tat ist ur alle n ∈ N endlich, und man hat die Menge Sn := {i ∈ I | xi ≥ n1 } wegen (11) f¨
tr x = ∞ n=1 Sn . ahlt man nun eine Bijektion ϕ : N → tr x und definiert d) F¨ ur x ∈ 1 (I, X) w¨
i∈I
xi :=
∞ k=1
xϕ(k) ;
108 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
wegen der absoluten Konvergenz der Reihe ist dies von der Wahl der Bijektion unabh¨ angig (vgl. [Kaballo 2000], 32.9 oder [Kaballo 1997], 14.1). e) Auf dem Raum der quadratsummierbaren Familien
2 (I) := {x = (xi )i∈I | x 2 :=
| xi |2 < ∞}
i∈I
auf I mit Werten in K wird analog zu (7) ein Skalarprodukt gegeben durch
x|y :=
xi yi ;
(12)
i∈I
ur endliche f¨ ur x, y ∈ 2 (I) ist in der Tat aufgrund der Schwarzschen Ungleichung f¨ Summen die Familie (xi yi )i∈I summierbar. Wie in Aufgabe 2.11 sieht man, dass 2 (I) vollst¨ andig, also ein Hilbertraum ist.
6.1
Die Parsevalsche Gleichung
Wir kommen nun zum wichtigen Konzept der Orthogonalit¨ at. Orthonormalsysteme. a) Zwei Vektoren x, y ∈ H in einem Hilbertraum heißen orthogonal, Notation: x ⊥ y , falls x|y = 0 gilt. Das Orthogonalkomplement einer Menge ∅ = M ⊆ H wird definiert durch ur alle y ∈ M } . M ⊥ := {x ∈ H | x|y = 0 f¨ Es ist M ⊥ ein abgeschlossener Unterraum von H . b) Eine Menge {ei }i∈I ⊆ H heißt Orthonormalsystem, falls gilt:
ei |ej = δij =
0
,
i = j
1
,
i=j
,
i, j ∈ I .
Ein Orthonormalsystem {ei }i∈I in H mit {ei }⊥ = {0} heißt maximal. Maximalit¨ at bedeutet offenbar, dass {ei }i∈I nicht zu einem echt gr¨ oßeren Orthonormalsystem erweitert werden kann.
e3
e2 e1
Abb. 6.1: Ein Orthonormalsystem
6 Hilbertr¨ aume 109
c) Ein Orthonormalsystem in 2 (I) bilden die Einheitsvektoren“ {ek := (δki )i∈I }k∈I . ” ur alle k ∈ I , Dieses ist maximal: Ist n¨ amlich ξ = (ξi ) ∈ 2 (I) mit ξ|ek = ξk = 0 f¨ so muss offenbar ξ = 0 sein. d) Aufgrund der Orthogonalit¨ atsrelationen auf S. 83 bilden die Funktionen {eikt }k∈Z ein Orthonormalsystem im Hilbertraum L2 ([−π, π],dt) ¯ . e) Analog zur konkreten Situation in d) heißen f¨ ur ein Orthonormalsystem {ei }i∈I in einem Hilbertraum H und x ∈ H die Zahlen x (i) := x|ei ,
i∈I,
(13)
Fourier-Koeffizienten von x bez¨ uglich {ei }i∈I . Lemma 6.2 Es sei {ei }i∈I ein Orthonormalsystem in einem Hilbertraum H . F¨ ur eine endliche Teilmenge I ∈ E(I) von I gilt x −
i∈I
i∈I
ξi ei 2 =
i∈I
ξi ∈ K ,
| ξi |2 ,
x (i)ei 2 = x 2 −
i∈I
und
|x (i) |2 ,
(14)
x∈H.
(15)
Beweis. Zun¨ achst ergibt sich (14) aus
i∈I
ξi ei 2 =
i∈I
ξi ei |
j∈I
ξj ej =
ξi ξj δij =
i,j∈I
i∈I
| ξi |2 ,
daraus mit (4) und (13) dann (15): x −
i∈I
x (i)ei 2
= =
x 2 − 2 x 2 −
i∈I
i∈I
|x (i) |2 +
|x (i) |2 .
i∈I
x (i)ei 2
♦
Aussage (14) ist eine Version des Satzes des Pythagoras. Wir zeigen auf S. 128 unten, dass P x := x (i)ei die orthogonale Projektion von x ∈ H auf die lineare H¨ ulle i∈I
atzung: [ei ]i∈I der {ei }i∈I ist. Aus Formel (15) folgt sofort diese wichtige Absch¨ Satz 6.3 (Besselsche Ungleichung) F¨ ur x ∈ H gilt (x (i))i∈I ∈ 2 (I) und
i∈I
|x (i) |2 ≤ x 2 .
110 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Orthogonale Summen. a) Es seien {ei }i∈I ein Orthonormalsystem in einem Hilager tr ξ unendlich ist. F¨ ur eine bertraum H und ξ = (ξi ) ∈ 2 (I) , sodass der Tr¨ Bijektion ϕ : N → tr ξ gilt dann nach dem Satz des Pythagoras (14)
n
n
ξϕ(k) eϕ(k) 2 =
k=m
| ξϕ(k) |2 ;
k=m
wegen der Vollst¨ andigkeit von H ist daher die Reihe
k ξϕ(k) eϕ(k)
in H konvergent.
b) Die Summe x :=
ξi ei :=
i∈I
∞
ξϕ(k) eϕ(k)
k=1
ist von der Wahl der Bijektion unabh¨ angig. Dies kann man wie im Fall absolut konvergenter skalarer Reihen beweisen, vgl. etwa [Kaballo 2000], 32.9. Alternativ folgt die Behauptung auch daraus, dass die Summe x ∈ H durch die Bedingung ∀ ε > 0 ∃ I0 ∈ E(I) ∀ I ∈ E(I) : I0 ⊆ I ⇒ ξ i ei − x < ε (16) i∈I
festgelegt ist, vgl. Aufgabe 6.2. ur Reihen in Hilbertr¨ aumen. F¨ ur eine orthonormale Folge (ek )k≥0 ist also f¨ ξ e in H unbedingt konvergent, d. h. alle Umordunξ = (ξk ) ∈ 2 die Reihe k k k gen der Reihe sind konvergent. Dagegen ist die Reihe nur f¨ ur ξ = (ξk ) ∈ 1 sogar absolut konvergent. Im Gegensatz zum skalaren und zum endlichdimensionalen Fall gibt es also in jedem unendlichdimensionalen Hilbertraum unbedingt konvergente Reihen, die nicht absolut konvergieren. Nach einem Resultat von A. Dvoretzky und C.A. Rogers (vgl. [K¨ onig 1986], 1.d.8 oder [Lindenstrauß und Tzafriri 1977], 1.c.2) gibt es solche Reihen auch in jedem unendlichdimensionalen Banachraum. Die Fourier-Abbildung. Es sei {ei }i∈I ein Orthonormalsystem in einem Hilbertraum H . Aufgrund der Besselschen Ungleichung hat man die lineare Fourier-Abbildung F : H → 2 (I) ,
F(x) := (x (i))i∈I
mit F ≤ 1 . Diese ist stets surjektiv: F¨ ur ξ = (ξi ) ∈ 2 (I) setzt man x = und erh¨ alt sofort x|ej = ξj f¨ ur alle j ∈ I und somit F(x) = ξ .
ξi ei
i∈I
Die Fourier-Abbildung ist genau dann injektiv, wenn das Orthonormalsystem maximal ist. Weitere dazu ¨ aquivalente Aussagen enth¨ alt der folgende Satz 6.4 F¨ ur ein Orthonormalsystem {ei }i∈I in einem Hilbertraum H sind ¨ aquivalent: x (i)ei f¨ ur alle x ∈ H . (a) Es gilt x = i∈I
6 Hilbertr¨ aume 111
(b) F¨ ur alle x ∈ H gilt die Parsevalsche Gleichung
|x (i) |2 = x 2 .
(17)
i∈I
(c) Die Fourier-Abbildung F : H → 2 (I) ist isometrisch. (d) Die lineare H¨ ulle [ei ]i∈I von {ei }i∈I ist dicht in H . (e) Die Fourier-Abbildung F : H → 2 (I) ist injektiv. (f ) Das Orthonormalsystem {ei }i∈I ist maximal. Beweis. (a) ⇔ (b)“ folgt sofort aus (16) und (15), (b) ⇔ (c)“ und ” ” (a) ⇒ (d)“ sind klar. ” (d) ⇒ (e)“: Aus F(x) = 0 folgt x|y = 0 f¨ ur alle y ∈ [ei ]i∈I , wegen der Dichtheit ” dieser Menge in H also auch x|x = 0 . (e) ⇒ (f)“: F¨ ur x ∈ {ei }⊥ gilt F (x) = 0 , also auch x = 0 . ” (f) ⇒ (a)“: F¨ ur x ∈ H ist (x (i))i∈I ∈ 2 (I) , und daher existiert x1 := x (i)ei ” i∈I in H . Man berechnet sofort x − x1 |ei = 0 f¨ ur alle i ∈ I , und die Maximalit¨ at von ♦ {ei }i∈I impliziert dann x − x1 = 0 . Polarformel. a) Das Skalarprodukt eines Hilbertraumes kann mittels der Polarformel aus der Norm rekonstruiert werden. Diese ergibt sich leicht aus (4) und lautet im reellen Fall 4 x|y = x + y 2 − x − y 2 ; (18) im komplexen Fall hat man 4 x|y = x + y 2 − x − y 2 + i x + iy 2 − i x − iy 2 .
(19)
b) Aufgrund der Polarformel ist die Parsevalsche Gleichung (17) ¨ aquivalent zu
x (i) y(i) = x|y
f¨ ur x, y ∈ H .
(20)
i∈I
Orthonormalbasen. Ein maximales Orthonormalsystem {ei }i∈I in einem Hilbertraum H heißt vollst¨ andig oder eine Orthonormalbasis von H ; es gelten dann also die Eigenschaften (a)–(f) aus Satz 6.4. Insbesondere besitzt nach (a) dann jeder Vektor x ∈ H eine Fourier-Entwicklung“ x = x (i)ei nach den Basisvektoren {ei } . ” i∈I Die Einheitsvektoren“ {ek := (δki )i∈I }k∈I sind ein maximales Orthonormalsystem ” in 2 (I) (vgl. S. 108), bilden also eine Orthonormalbasis dieses Hilbertraumes. Ein weiteres wesentliches Beispiel liefern nat¨ urlich die konkreten“ Fourier-Reihen: ”
112 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Theorem 6.5 ¯ . Die Funktionen {eikt }k∈Z bilden eine Orthonormalbasis des Hilbertraumes L2 ([−π, π],dt) F¨ ur f ∈ L2 [−π, π] konvergiert also die Fourier-Reihe im quadratischen Mittel gegen f , d.h. es gilt n
f −
f(k)eikt L2 → 0
f¨ ur n → ∞ .
k=−n
Man hat die Parsevalsche Gleichung ∞ k=−∞
| f(k) |2 = f 2L2 =
1 2π
π −π
| f (t) |2 dt ,
f ∈ L2 [−π, π] ,
(21)
und somit die isometrische und surjektive Fourier-Abbildung F(f ) := (f(k))k∈Z .
F : L2 [−π, π] → 2 (Z) ,
Beweis. Nach dem Satz von Fej´er ist die lineare H¨ ulle [eikt ]k∈Z der Basisfunktionen dicht in C2π , nach Satz 5.7 also auch in L2 [−π, π] ; somit ist Bedingung (d) von Satz 6.4 erf¨ ullt. Man kann nat¨ urlich auch direkt Satz 5.5 verwenden. ♦ Beispiele und Folgerungen. a) Mit den Koeffizienten ak , bk der reellen FourierEntwicklung von f ∈ L2 [−π, π] (vgl. die Formeln (5.1) – (5.3)) gilt die Parsevalsche Gleichung in der Form | a0 |2 2
b) Die Entwicklung
+
∞
| ak |2 +
k=1
π−t 2
=
∞ k=1
∞
| bk |2 =
k=1 sin kt k
1 π
π −π
| f (t) |2 dt .
(22)
(vgl. Formel (5.34)) gilt nach Theorem 6.5 also in
L2 [0,2π] . Die Parsevalsche Gleichung (22) liefert dann die auf L. Euler zur¨ uckgehende Formel ∞ 2π π−t 2 2 1 1 dt = π6 . k2 = π 0 2 k=1
c) F¨ ur f ∈ L2 [−π, π] gilt die Entwicklung f (t) =
∞
f(k)eikt
(23)
k=−∞
in L2 [−π, π] , also auch in L1 [−π, π] . Es folgt
b a
f (t) dt = f(0) (b − a) +
∞ | k |=1
ikb −eika f(k) e ik
f¨ ur − π ≤ a ≤ b ≤ π .
(24)
Wir zeigen in Satz 8.15 auf S. 156, dass f¨ ur f ∈ L1 [−π, π] die Entwicklung (23) in ur alle f ∈ L1 [−π, π] richtig; dies L1 [−π, π] i. a. nicht gilt. Trotzdem ist Formel (24) f¨ kann man mit Hilfe des Satzes von Dirichlet-Jordan 5.16 zeigen, vgl. etwa [Walter 2009], Satz 7Q.
6 Hilbertr¨ aume 113
Existenz von Orthonormalbasen. Jeder Hilbertraum H besitzt eine Orthonormalbasis. Um dies einzusehen, startet man mit einem Orthonormalsystem, z. B. mit einem einzigen Einheitsvektor, und erweitert dieses so lange durch zus¨ atzliche ortho” normale Vektoren, bis dies nicht mehr m¨ oglich ist“; das so konstruierte Orthonormalsystem ist dann maximal, also eine Orthonormalbasis von H . Dieses naive“ Erweite” rungsargument kann mit Hilfe transfiniter Induktion oder des Zornschen Lemmas (vgl. Lemma A.1.2 im Anhang) pr¨ azisiert werden: Satz 6.6 a) Jeder Hilbertraum H besitzt eine Orthonormalbasis {ei }i∈I und ist dann isometrisch isomorph zu 2 (I) . b) Ein Hilbertraum H besitzt genau dann eine abz¨ ahlbare Orthonormalbasis, wenn H separabel ist. In diesem Fall ist H isometrisch isomorph zum Folgenraum 2 . Beweis. a) Die Menge S aller Orthonormalsysteme in H ist durch die Inklusion halbgeordnet. Ist nun C eine Kette, d. h. eine total geordnete Teilmenge von S , so ist die Vereinigung aller Orthonormalsysteme in C wieder ein solches und somit eine obere Schranke von C . Nach dem Zornschen Lemma besitzt dann S ein maximales Element {ei }i∈I , und dieses ist dann eine Orthonormalbasis von H . Nach Satz 6.4 ist dann die Fourier-Abbildung F : H → 2 (I) eine isometrische Bijektion. b) Hat H eine abz¨ ahlbare Orthonormalbasis, so kann man N0 als deren Indexmenge w¨ ahlen und erh¨ alt eine Isometrie von H auf 2 ; mit 2 ist dann auch H separabel. Ist jedoch {ei }i∈I ein u ahlbares Orthonormalsystem in H , so muss jede dichte ¨berabz¨ Teilmenge von H ebenfalls u ahlbar sein; wegen ei − ej 2 = 2 sieht man das ¨berabz¨ ♦ wie im Fall des Folgenraumes ∞ auf S. 34 ein. F¨ ur Aussage b) geben wir auf S. 129 mittels Gram-Schmidt-Orthonormalisierung einen weiteren Beweis, der weder die allgemeinere Aussage a) noch das Zornsche Lemma benutzt.
6.2
Sobolev-Hilbertr¨ aume und Fourier-Koeffizienten
Nach dem Lemma von Riemann-Lebesgue und der Besselschen Ungleichung definiert die Fourier-Abbildung F : f → (f(k))k∈Z stetige lineare Abbildungen F : L1 [−π, π] → c0 (Z)
und
F : L2 [−π, π] → 2 (Z) .
F¨ ur 1 < p < 2 liefert sie auch die stetigen linearen Abbildungen F : Lp [−π, π] → q (Z)
mit
1 p
+
1 q
= 1.
114 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Einen Beweis dieses Satzes von Hausdorff-Young mittels Interpolation“ findet man in ” [Rudin 1974], Theorem 12.11, vgl. auch [K¨ onig 1986], 3.a.4. F¨ ur p ≥ 2 gilt nat¨ urlich F (Lp [−π, π]) ⊆ 2 (Z) , wobei der Index 2 aber nicht verbessert werden kann. Es gibt ur alle r < 2 (vgl. sogar stetige periodische Funktionen f ∈ C2π mit F(f ) ∈ r (Z) f¨ [Zygmund 2002], V.4.9). ∞ Bessere Summierbarkeitseigenschaften | f(k) |r < ∞ f¨ ur geeignete 0 < r < 2 k=−∞
folgen aus Glattheitsbedingungen an 2π -periodische Funktionen f ; dies werden wir in diesem Abschnitt mit Hilfe der Parsevalschen Gleichung zeigen. Die folgenden Notationen sind n¨ utzlich: R¨ aume periodischer Funktionen. Es seien m ∈ N0 , 1 ≤ p ≤ ∞ und 0 < α ≤ 1 . Eine Funktion f : R → C liegt lokal in einem Funktionenraum Wpm oder Λm,α , wenn ihre Einschr¨ ankung auf jedes kompakte Intervall [a, b] in Wpm (a, b) oder Λm,α [a, b] m bezeichnen wir die R¨ aume der 2π -periodischen Funktionen liegt. Mit Wp,2π und Λm,α 2π 0 auf R , die lokal in Wpm bzw. Λm,α liegen. Speziell schreiben wir auch Lp,2π f¨ ur Wp,2π . Wir definieren nun zun¨ achst mit Hilfe der Fourier-Koeffizienten: Eine Skala von Hilbertr¨ aumen.
a) Zur Abk¨ urzung verwenden wir die Notation
k := (1 + | k |2 )
1/ 2
, k ∈ Z.
F¨ ur s ≥ 0 definieren wir den Sobolev-Raum ∞
s H2π := {f ∈ L2,2π | f 2H s :=
k 2s | f(k) |2 < ∞} .
k=−∞
Aufgrund der Parsevalschen Gleichung kann man durch Einschr¨ ankung und periodi0 s sche Fortsetzung H2π mit L2 [−π, π] identifizieren, H2π dann mit einem Unterraum von L2 [−π, π] ; auf diesem verwenden wir allerdings nicht die L2 -Norm, sondern die soeben definierte st¨ arkere H s -Norm. Das entsprechende Skalarprodukt ist gegeben durch ∞ f |g H s = k 2s f(k) g (k) . (25) k=−∞ s auf b) Die Fourier-Abbildung F : f → (f(k))k∈Z liefert dann eine Isometrie von H2π den gewichteten Folgenraum
s2 := s2 (Z) := {x = (xk )k∈Z | x 2s2 =
∞
k 2s | xk |2 < ∞} .
k=−∞
Dieser ist ein Hilbertraum (vgl. Aufgabe 6.9), und daher gilt dies auch f¨ ur den Sobolevs Raum (H2π , Hs ) . s c) Nach (25) sind die Funktionen esk (t) := k −s eikt orthonormal in H2π . Man hat
f(k) = f |e0k H 0 = k −s f |esk H s
s f¨ ur f ∈ H2π ,
(26)
6 Hilbertr¨ aume 115
und daraus folgt f −
n
n
f |esk H s esk 2H s = f −
k=−n
f(k) e0k 2H s =
k=−n
∞ | k |>n
k 2s | f(k) |2 → 0
s . f¨ ur n → ∞ . Somit ist {esk }k∈Z eine Orthonormalbasis von H2π s t s ⊆ H2π f¨ ur s > t und f H t ≤ f H s f¨ ur f ∈ H2π . Weiter ist d) Offenbar gilt H2π s t jede beschr¨ ankte Menge in 2 relativ kompakt in 2 (vgl. Aufgabe 6.10), und daher s t relativ kompakt in H2π . ist auch jede beschr¨ ankte Menge in H2π
Beispiele.
a) Aufgrund der Entwicklung h(t) :=
π−t 2
=
∞ k=1
sin kt k
in L2 [0,2π] aus
Formel (5.34) hat man h(0) = 0 und | h(k) | = 2|1k | f¨ ur k = 0 wegen (5.2). Folglich s 1 gilt h ∈ H2π ⇔ s < 2 . b) Allgemeiner gilt | f(k) | = O( | k1 | ) f¨ ur Funktionen von beschr¨ ankter Variation f ∈ BV[−π, π] , wie bereits in der Beweis-Skizze des Satzes von Dirichlet-Jordan auf S. 101 bemerkt wurde. Daher hat man s BV[−π, π] ⊆ H2π ⇔ s
s . Wir starten mit dem folgenden
Lemma 6.8 F¨ ur k ∈ Z und 0 < s < 1 sei A(k, s) :=
| eikτ − 1 |2 dτ ¯ . Dann existiert 2s | τ |1+2s −π k
lim A(k, s) =: I(s) > 0 ; folglich gibt es von k unabh¨ angige positive Zahlen π
| k |→∞
0 < c(s) ≤ C(s) mit c(s) ≤ A(s, k) ≤ C(s) f¨ ur alle k ∈ Z . Beweis. F¨ ur k = 0 berechnen wir mittels der Substitution x = kτ π | k |π ix ∞ ix | eikτ − 1 |2 | e − 1 |2 | e − 1 |2 dτ ¯ = dx ¯ → dx ¯ =: I(s) ; 2s 2s+1 2s+1 2s+1 |τ | −π | k | −| k |π | x | −∞ | x | wegen | eix − 1 |2 = 2 (1 − cos x) und 0 < s < 1 existiert dieses Integral in der Tat bei k |2s 0 und bei ±∞ . Aus lim |k ♦ 2s = 1 folgt dann die Behauptung. | k |→∞
s Wir k¨ onnen nun f¨ ur s ∈ N0 die H2π -R¨ aume durch H¨ older-Bedingungen im quadrati” schen Mittel“ charakterisieren:
Satz 6.9 F¨ ur s = m + σ mit m ∈ N0 und 0 < σ < 1 gilt
s m m = {f ∈ H2π = W2,2π | H2π
π
−π
π −π
| f (m) (t + τ ) − f (m) (t) |2 dτ ¯ dt ¯ < ∞} , | τ |1+2σ
und auf diesem Raum ist die Norm H s ¨ aquivalent zur Sobolev-Slobodeckij-Norm π π | f (m) (t + τ ) − f (m) (t) |2 dτ ¯ dt ¯. f 2W2s := f 2W2m + | τ |1+2σ −π −π Beweis. a) Nach Satz 6.7 a) k¨ onnen wir m = 0 , also σ = s annehmen. F¨ ur eine 0 periodische Funktion f ∈ H2π gilt ∞
f (t + τ ) − f (t) =
f(k) (eikτ − 1) eikt ,
k=−∞
und die Parsevalsche Gleichung liefert
π −π
| f (t + τ ) − f (t) |2 dt ¯ =
∞ k=−∞
| f(k) |2 | eikτ − 1 |2 .
(29)
6 Hilbertr¨ aume 117
| f (t + τ ) − f (t) |2 dτ ¯ dt ¯ < ∞ ; nach den S¨ atzen von Fu| τ |1+2σ −π −π bini und Tonelli (vgl. Anhang A.3) kann man dann auch die Reihenfolge der Integrationen vertauschen. Mit Lemma 6.8 folgt f¨ ur alle n ∈ N π
π
b) Nun sei zun¨ achst
n
k 2s | f(k) |2
≤
c(s)−1
k=−n
=
c(s)−1
n
A(k, s) k 2s | f(k) |2
k=−n π n ! −π
k=−n
=
c(s)−1
≤
c(s)−1
| eikτ − 1 |2 dτ ¯ | f(k) |2 | τ |1+2s
π
n
1 −π | τ |1+2s
| f(k) |2 | eikτ − 1 |2 dτ ¯
k=−n
π
π
1 −π | τ |1+2σ
−π
| f (t + τ ) − f (t) |2 dt ¯ dτ ¯
nach (29), und dies zeigt f 2H s ≤ c(s)−1 f 2W2s . s . Mit (29), dem Satz von B. Levi A.3.4 und A(k, s) ≤ C(s) folgt c) Nun sei f ∈ H2π a hnlich wie wie in b) ¨
π
−π
| f (t + τ ) − f (t) |2 dτ ¯ dt ¯ | τ |1+2σ
π
−π
∞ !
= =
k=−∞ ∞
π −π
| eikτ − 1 |2 dτ ¯ | f(k) |2 | τ |1+2s
A(k, s) k 2s | f(k) |2 ≤ C(s) f 2H s .
k=−∞
♦
Folglich sind die Normen H s und W s a ¨quivalent. Aus diesem Resultat ergibt sich nun leicht:
Satz 6.10 F¨ ur Zahlen m ∈ N0 , 0 < α ≤ 1 und s < m + α hat man die stetigen Inklusionen s s im,α : Λm,α 2π → H2π . Beweis. Wir k¨ onnen wieder m = 0 annehmen. F¨ ur f ∈ Λα 2π gilt
π π −π
−π
| f (t+τ )−f (t) |2 dτ ¯ dt ¯ | τ |1+2s
≤
π π −π
| τ |2α dτ ¯ dt ¯ −π | τ |1+2s
· [f ]2α ≤ C f 2Λα
♦
wegen s < α . Die Behauptung folgt somit aus Satz 6.9.
Aufgrund der H¨ olderschen Ungleichung hat man Inklusionen s2 (Z) ⊆ r (Z) f¨ ur geeignete Indizes s > 0 und 0 < r < 2 . Daraus ergibt sich: Satz 6.11 Es gilt ∞ k=−∞
| f(k) |r < ∞
s f¨ ur f ∈ H2π
und
2 2s+1
0.
118 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Beweis. Wir setzen p := ∞
| f(k) |r
2 r
und q := ∞
=
k=−∞
=
2 2−r
; dann ist
1 p
+
1 q
= 1 , und es folgt
( k rs | f(k) |r ) k −rs
k=−∞ ∞
∞
1 k 2s | f(k) |2 ) /p (
(
k=−∞
k −rsq )
1/ q
r ( 1r − 12 ) 2−r > 1. wegen f ∈ H2π
F¨ ur f ∈ Λm,α und r > 2π
Folgerung.
2 2(m+α)+1
∞
gilt
| f(k) |r < ∞ . Dies ergibt
k=−∞
sich unmittelbar aus den S¨ atzen 6.11 und 6.10. Beispiele.
a) Nach Satz 6.11 hat man speziell ∞
| f(k) |r < ∞
f¨ ur r >
k=−∞
2 3
1 1 und f ∈ H2π = W2,2π .
Diese Aussage gilt insbesondere f¨ ur st¨ uckweise stetig differenzierbare (vgl. Aufgabe 5.14) oder f¨ ur Lipschitz-stetige periodische Funktionen. ∞ 3 1 b) Die Reihe f (t) := k − /2 (log(1 + k ))−1 eikt konvergiert in H2π , aber es ist k=−∞ ∞
| f(k) |
2/ 3
∞
=
k=−∞
k −1 (log(1 + k )−
2/ 3
= ∞.
k=−∞ 2 3
Aussage a) ist also falsch f¨ ur r =
.
c) Im Fall r = 1 ist p = 2 im Beweis von Satz 6.11, und dieser zeigt ∞
| f(k) | ≤ Cs f H s < ∞
k=−∞
Das Beispiel der Funktion g(t) :=
∞
f¨ ur s >
1 2
s und f ∈ H2π .
k −1 (log(1 + k ))−1 eikt zeigt, dass dies f¨ ur
k=−∞
s=
1 2
nicht gilt.
d) Speziell hat man auch Auch diese Aussage
∞
| f(k) | < ∞ f¨ ur Funktionen f ∈ Λα 2π mit α >
k=−∞ ist f¨ ur α = 12 falsch (vgl. [Katznelson 1976]). s f ∈ H2π konvergiert also die Fourier-Reihe
1 2
.
von f absolut und e) F¨ ur s > 12 und gleichm¨ aßig gegen f , und es folgt insbesondere f ∈ C2π . Folglich hat man die stetige s → C2π f¨ ur s > 12 . Dies ist f¨ ur 0 ≤ s < 12 nicht richtig, da dann Einbettung js0 : H2π s alt. der Raum H2π nach (27) auch unstetige Funktionen enth¨ s Nun zeigen wir allgemeiner Einbettungen von Sobolev-R¨ aumen H2π in Λm,α aume. 2π -R¨ Dazu ben¨ otigen wir das folgende
6 Hilbertr¨ aume 119
Lemma 6.12 ur alle k ∈ Z mit einer von k Es sei 0 < α < 1 . Dann gilt eikt Λα = 1 + c | k |α f¨ unabh¨ angigen Konstanten c = c(α) > 0 . Beweis. a) F¨ ur −π ≤ s < t ≤ π und k = 0 hat man | eikt − eiks | eik(t−s) − 1 | eikx − 1 | iks = | e | | | = | t − s |α (t − s)α xα
mit 0 < x := t − s ≤ 2π .
Wir betrachten daher die (mit fk (0) := 0 auf [0,2π] stetigen) Funktionen fk (x) :=
| eikx − 1 |2 (cos kx − 1)2 + sin2 kx 1 − cos kx = = = f−k (x) 2α 2x 2x2α x2α
und bestimmen f¨ ur k > 0 ihr Maximum auf [0,2π] (vgl. Abb. 6.2):
f3
f1 0
2π
Abb. 6.2: Die Funktionen f1 und f3 f¨ ur α =
1 2
b) F¨ ur x > 0 ist fk (x) = x−4α (x2α k sin kx − 2 α (1 − cos kx) x2α−1 ) , und somit gilt fk (x) = 0 ⇔ kx sin kx − 2 α (1 − cos kx) = 0 . Die Funktion g : u → u sin u − 2 α (1 − cos u) (vgl. Abb. 6.3) besitzt in (0,2π) genau eine Nullstelle b = b(α) , und daher ist die einzige Nullstelle von fk in (0, 2π k ) gegeben durch kx = b . α = 0,2 α = 0,5 2π α = 0,8
Abb. 6.3: Die Funktionen g f¨ ur α = 0,2; 0,5; 0,8
c) Das Maximum der Funktion fk liegt also im Punkt xk = kb , und somit hat man " √ | eikt − eiks | 1 − cos b ikt [e ]α = sup = 2 =: c | k |α | t − s |α x2α t =s k
120 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
mit c = c(α) > 0 . Wegen eikt sup = 1 folgt daraus die Behauptung.
♦
Satz 6.13 (Sobolevscher Einbettungssatz) F¨ ur m ∈ N0 , 0 < α < 1 und s > m + α + 12 hat man die stetige Inklusion s → Λm,α jsm,α : H2π 2π . s Beweis. F¨ ur f ∈ H2π kann man die Fourier-Entwicklung m -mal differenzieren, da 2(j − s) < −1 f¨ ur 0 ≤ j ≤ m gilt. In der Tat gilt
f (j) (t) =
∞
f(k) (ik)j eikt
k=−∞
aufgrund der Absch¨ atzung f (j) sup
∞
≤ ≤
| f(k) | (ik)j eikt sup ≤
k=−∞ ∞
(
∞
( k s | f(k) |) k j−s
k=−∞
k 2(j−s) )
1/ 2
f H s ,
k=−∞
bei der die Schwarzsche Ungleichung benutzt wurde. Mittels dieser und Lemma 6.12 ergibt sich weiter ∞
f(k) (ik)m eikt Λα
≤
k=−∞
≤
∞
c
k=−∞ ∞
c(
| f(k) | k m+α k 2(m+α−s) )
1/ 2
f H s < ∞ ;
k=−∞ (m) die Reihe konvergiert also in Λα Λα ≤ C f H s . Somit ist 2π , und es ist f m,α f ∈ Λ2π , und es gilt f Λm,α ≤ C f H s . ♦
6.3
Aufgaben
Aufgabe 6.1 Es seien I eine Indexmenge und X ein Banachraum. a) Zeigen Sie, dass der Raum 1 (I, X) der X -wertigen absolutsummierbaren Familien auf I ein Banachraum ist. b) Definieren Sie den Raum 2 (I, X) und zeigen Sie, dass dieser ebenfalls ein Banachraum ist. Wann handelt es sich sogar um einen Hilbertraum? Aufgabe 6.2 Beweisen Sie die Charakterisierung von Summen in Formel (16). Aufgabe 6.3 Beweisen Sie die Polarformeln (18) und (19).
6 Hilbertr¨ aume 121
Aufgabe 6.4 Es sei H ein Hilbertraum. Zu ε > 0 sei δ := x = y = 1:
1 8
ε2 . Zeigen Sie f¨ ur alle x, y ∈ H mit
12 (x + y) ≥ 1 − δ ⇒ x − y ≤ ε . Aufgabe 6.5 a) Es seien {e1 , . . . , em } ein Orthonormalsystem in einem Hilbertraum H und x ∈ H . m F¨ ur welchen Vektor y = αi ei ∈ [e1 , . . . , em ] wird der Abstand x − y minimal ? i=1
b) Zeigen Sie f − sn (f ) L2 ≤ f − σn (f ) L2 f¨ ur alle f ∈ L2 [−π, π] . Aufgabe 6.6 ∞ Berechnen Sie k=1
1 k4
durch Integration der Entwicklung
π−t 2
=
∞ k=1
sin kt k
u ¨ber [0,2π]
(vgl. Formel (5.34)). Aufgabe 6.7 ∞ Es seien Ω1 ⊆ Rn und Ω2 ⊆ Rm messbare Mengen und {ϕk }∞ k=0 bzw. {ψk }k=0 eine Orthonormalbasis von L2 (Ω1 ) bzw. L2 (Ω2 ) . Geben Sie eine Orthonormalbasis von L2 (Ω1 × Ω2 ) an. Aufgabe 6.8 a) Es seien E ein Vektorraum und U, V, W ⊆ E Unterr¨ aume mit E = U ⊕ G und V ∩ G = {0} . Weiter sei U endlichdimensional. Zeigen Sie dim V ≤ dim U . ∞ b) Es seien {ek }∞ k=0 eine Orthonormalbasis eines Hilbertraums H und {fk }k=0 eine ∞ fk − ek 2 < ∞ . Zeigen Sie, dass auch {fk }∞ orthonormale Folge in H mit k=0 k=0
eine Orthonormalbasis von H ist. ∞ fk − ek 2 < 1 an und verwenden Sie die NeuHinweis. Nehmen Sie zun¨ achst k=0
mannsche Reihe. Aufgabe 6.9 F¨ ur eine Folge (ak )k≥0 positiver Zahlen definiert man den gewichteten Folgenraum 2 (a) := {x = (xk )k≥0 | x 22 (a) =
∞
a2k | xk |2 < ∞} .
k=0
a) Zeigen Sie, dass 2 (a) ein Hilbertraum ist. b) Zeigen Sie, dass der Raum ϕ der endlichen Folgen in 2 (a) dicht ist und folgern Sie die Separabilit¨ at von 2 (a) . c) Geben Sie eine Orthonormalbasis von 2 (a) an. d) Charakterisieren Sie die kompakten Teilmengen von 2 (a) analog zu Aufgabe 2.8.
122 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Aufgabe 6.10 Es seien (ak )k≥0 und (bk )k≥0 Folgen positiver Zahlen mit sup k≥0
ak bk
< ∞.
a) Zeigen Sie, dass 2 (b) stetig in 2 (a) eingebettet ist. b) Zeigen Sie, dass beschr¨ ankte Teilmengen von 2 (b) genau dann in 2 (a) relativ kompakt sind, wenn lim abkk = 0 gilt. k→∞
Aufgabe 6.11 Es sei (ak )k≥0 eine Folge positiver Zahlen. a) F¨ ur welche Folgen y = (yk )k≥0 wird durch J(y) : x = (xk )k≥0 →
∞
xk y k
k=0
eine stetige Linearform auf 2 (a) definiert ? b) Identifizieren Sie den Dualraum von 2 (a) mittels a) mit einem Folgenraum. s auch f¨ ur reelle Zahlen s < 0 . c) Definieren Sie Sobolev-R¨ aume H2π s d) Zeigen Sie L1,2π ⊆ H2π f¨ ur s < − 12 .
Aufgabe 6.12 s t Geben Sie f¨ ur s, t ≥ 0 eine Isometrie von H2π auf H2π an. Aufgabe 6.13 s−1 s ⇔ f ∈ H2π . F¨ ur s ≥ 1 zeigen Sie f ∈ H2π Aufgabe 6.14 Es sei h ∈ L2,2π die Funktion aus Formel (5.34) (vgl. Abb. 5.1). s a) Zeigen Sie h ∈ H2π ⇔s
0 .
k=−∞ s b) Es sei s > 0 . Finden Sie eine Funktion f ∈ C2π \H2π mit
∞ k=−∞
alle r > 0 .
| f(k) |r < ∞ f¨ ur
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen
7
123
Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen
Fragen: 1. Finden Sie eine Orthonormalbasis von L2 [a, b] aus Polynomen. 2. F¨ ur welche linearen Operatoren T stimmen Norm und Spektralradius u ¨berein? 3. Versuchen Sie, f¨ ur unl¨ osbare lineare Gleichungen T x = y den Fehler T x − y zu minimieren! Kann man f¨ ur gewisse lineare Operatoren eine verallgemeinerte Inverse“ ” definieren? Beschr¨ ankte lineare Operatoren zwischen Hilbertr¨ aumen lassen sich mit Hilfe von Orthonormalbasen durch (unendliche) Matrizen darstellen; dabei treten Absch¨ atzungen analog zu denen bei endlichen Matrizen oder linearen Integraloperatoren auf. Faltungsoperatoren werden bez¨ uglich der Orthonormalbasis {eikt }k∈Z von L2 ([−π, π],dt) ¯ durch Diagonalmatrizen dargestellt, was f¨ ur ihr Studium nat¨ urlich sehr n¨ utzlich ist. In Abschnitt 7.2 untersuchen wir Bestapproximationen in Hilbertr¨ aumen. Jeder Vektor besitzt in einer abgeschlossenen konvexen Menge ein eindeutig bestimmtes Proximum, das durch die orthogonale Projektion des Vektors auf diese Menge gegeben ist. F¨ ur abgeschlossene Unterr¨ aume erh¨ alt man so eine orthogonale Zerlegung des Hilbertraums in den Unterraum und sein Orthogonalkomplement. Damit k¨ onnen wir die stetigen Linearformen auf einem Hilbertraum mit den Vektoren dieses Raumes identifizieren. Dieser Rieszsche Darstellungssatz wiederum erlaubt die Konstruktion adjungierter Operatoren, die f¨ ur die Untersuchung der L¨ osbarkeit von Gleichungen T x = y hilfreich sind. Wir geben zahlreiche Beispiele adjungierter Operatoren an. In Abschnitt 7.4 diskutieren wir selbstadjungierte, unit¨ are und normale Operatoren. F¨ ur unit¨ are Operatoren U ∈ L(H) beweisen wir einen Ergodensatz u ¨ber das Verhalten ihrer Potenzen U n f¨ ur n → ∞ .
7.1
Lineare Operatoren und Matrizen
Einen linearen Operator zwischen Hilbertr¨ aumen kann man analog zum endlichdimensionalen Fall mit Hilfe von Orthonormalbasen als Matrix repr¨ asentieren: Matrix-Darstellungen. a) Es seien H, G Hilbertr¨ aume mit Orthonormalbasen {ej }j∈J und {fi }i∈I . F¨ ur T ∈ L(H, G) und x = x (j)ej ∈ H gilt j∈J
Tx =
j∈J
x (j)T ej =
j∈J
x (j)
i∈I
aij fi =
aij x (j) fi
(1)
i∈I j∈J
mit der Matrix
M(T ) := (aij )i∈I,j∈J = ( T ej |fi )i∈I,j∈J .
(2)
b) Im Fall H = G w¨ ahlt man die gleiche Orthonormalbasis {ei }i∈I f¨ ur Urbildraum und Bildraum. Mit der Fourier-Abbildung F : H → 2 (I) ist dann der auf 2 (I) wirkende
124 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
ahnlich zu T . Da F ein unit¨ arer Operator ist (vgl. Matrix-Operator M(T ) = F T F −1 ¨ S. 130 unten), ist M(T ) sogar unit¨ ar ¨ aquivalent zu T . Quantenmechanik. Beobachtbare Gr¨ oßen oder Observable der Quantenmechanik, wie etwa Energie oder Impuls, werden als (i. a. unbeschr¨ ankte selbstadjungierte) lineare Operatoren in Hilbertr¨ aumen realisiert, vgl. Abschnitt 13.6. F¨ ur messbare n aume L2 (Ω, λ) nach Satz 2.9 separabel, besitzen also Mengen Ω ⊆ R sind die R¨ abz¨ ahlbare Orthonormalbasen und sind zum Folgenraum 2 isometrisch isomorph. Observable k¨ onnen daher als (partielle Differential-) Operatoren in L2 (Ω) oder als odingers Wellenmechanik und W. Matrix-Operatoren in 2 realisiert werden; E. Schr¨ Heisenbergs Matrizenmechanik sind ¨ aquivalente Formulierungen der Quantenmechanik. Beschr¨ anktheits-Kriterien. a) Es sei A = (aij ) eine Matrix u ¨ber N0 × N0 . Wir geben nun zwei Kriterien daf¨ ur an, dass A einen beschr¨ ankten linearen Operator auf 2 oder wie in (1) einen solchen zwischen separablen Hilbertr¨ aumen H, G definiert. Diese Kriterien ergeben sich leicht aus (3.12) und (3.13) mit n, m → ∞ (vgl. auch Satz 3.9): b) Gilt f¨ ur die Hilbert-Schmidt-Norm A HS :=
∞ ∞
| aij |2
1/2
< ∞,
(3)
i=0 j=0
so wird durch (1) ein Operator T ∈ L(H, G) definiert mit T ≤ A HS . c) Gilt f¨ ur die Zeilensummen-Norm und Spaltensummen-Norm ∞
A ZS := sup
∞
| aij | < ∞
und
∞
A SS := sup
i=0 j=0
∞
| aij | < ∞ ,
(4)
j=0 i=0
so wird durch (1) ebenfalls ein Operator T ∈ L(H, G) definiert mit T ≤ A ZS A SS . Faltungsoperatoren.
a) F¨ ur eine stetige Funktion a ∈ C2π wird durch π S∗a f (t) := −π a(t − s) f (s)ds ¯
(5)
ein linearer Faltungsoperator auf L2 [−π, π] definiert, und nach Satz 5.4 hat man die ur Funktionen a ∈ L1,2π , vgl. Satz Absch¨ atzung S∗a ≤ a L1 . Dies gilt auch f¨ A.3.20 im Anhang. b) F¨ ur die Basis-Funktionen e0k (t) = eikt , k ∈ Z , hat man π π ¯ = −π a(u) e−iku ds ¯ eikt , S∗a (e0k )(t) = −π a(t − s) eiks ds S∗a (e0k ) = a(k) e0k ,
k ∈ Z.
also (6)
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen 125
Der Faltungsoperator S∗a besitzt also die Eigenwerte { a(k)}k∈Z zu den Eigenfunktiouglich der Orthonormalbasis {e0k }k∈Z von L2 [−π, π] durch nen {eikt }k∈Z ; er wird bez¨ a(k))k∈Z repr¨ asentiert: die Diagonalmatrix D := M(S∗a ) = diag( ∞
S∗a f =
a(k) f |e0k e0k , f ∈ L2 [−π, π] .
(7)
k=−∞
In Kapitel 12 zeigen wir eine solche Diagonalisierung f¨ ur beliebige kompakte normale Operatoren. a(k) → 0 nach dem Lemma von Riemann-Lebesgue; daher hat c) F¨ ur a ∈ L1,2π gilt man (vgl. Aufgabe 4.8) σ(S∗a )
=
{ a(k)}k∈Z = { a(k)}k∈Z ∪ {0}
r(S∗a )
=
max {| a(k) | | k ∈ Z} = S∗a .
und
ur a ∈ L1,2π ; die Hilbert-SchmidtInsbesondere gilt S∗a = D SS = D ZS f¨ ullt. Bedingung (3) ist aber nur f¨ ur a ∈ L2,2π erf¨ d) Jeder Punkt λ = 0 im Spektrum von S∗a ist also ein Eigenwert endlicher Vielur a ∈ L2,2π sind die Eigenwerte fachheit, d. h. es gilt dim N (λI − S∗a ) < ∞ . F¨ quadratsummierbar, und diese Aussage kann aufgrund der Resultate von Abschnitt 6.2 unter geeigneten Glattheitsbedingungen an a noch versch¨ arft werden. In Abschnitt 12.5 werden wir diese Resultate auf allgemeinere lineare Integraloperatoren erweitern.
7.2
Orthogonale Projektionen
Wir kommen nun zur Existenz und Eindeutigkeit von Bestapproximationen in Hilbertr¨ aumen. Der Beweis des folgenden Resultats beruht auf einem Variationsargument und geht auf F. Riesz (1934) und F. Rellich (1935) zur¨ uck (vgl. auch Kapitel 10): x P (x)
Abb. 7.1: Eine metrische Projektion
Satz 7.1 Es seien H ein Hilbertraum und C ⊆ H eine abgeschlossene konvexe Menge. Zu x ∈ H gibt es genau ein P (x) = PC (x) ∈ C mit x − P (x) = dC (x) = inf { x − y | y ∈ C} .
(8)
126 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Die metrische Projektion P = PC : H → C ist eine stetige Abbildung. Beweis. a) Mittels (6.6) best¨ atigt man sofort die Parallelogrammgleichung ur ξ, η ∈ H . ξ + η 2 + ξ − η 2 = 2 ( ξ 2 + η 2 ) f¨
(9)
ξ−η ξ+η
η
ξ Abb. 7.2: Die Parallelogrammgleichung
b) Nun sei (yk ) eine Minimalfolge in C f¨ ur x ∈ H , d. h. es gelte x − yk → dC (x) . Die Parallelogrammgleichung liefert dann x −
yk +yj 2
2 +
yk −yj 2
y +y
2 =
1 2
( x − yk 2 + x − yj 2 ) → dC (x)2 ; y +y
wegen k 2 j ∈ C gilt aber auch x− k 2 j 2 ≥ dC (x)2 , und es folgt yk −yj → 0 , ullt dann d. h. (yk ) ist eine Cauchy-Folge. Ihr Grenzwert P (x) := lim yk ∈ C erf¨ k→∞
offenbar (8). c) Sind y, z ∈ C mit y − x = z − x = dC (x) , so ist die Folge (y, z, y, z, y, z, . . .) eine Minimalfolge f¨ ur x , nach b) also eine Cauchy-Folge. Dies impliziert offenbar y = z . Somit wird durch (8) also tats¨ achlich eine Abbildung P = PC : H → C definiert. d) Nun sei (xk ) eine Folge in H mit xk → x . Wegen der Stetigkeit der Distanzfunktion dC (vgl. Satz A.2.2) gilt dC (x)
≤
x − P (xk ) ≤ x − xk + xk − P (xk )
=
x − xk + dC (xk ) → dC (x) ,
und (P (xk )) ist eine Minimalfolge f¨ ur x . Aufgrund der Beweisteile b) und c) folgt ♦ dann P (xk ) → P (x) . F¨ ur die stetige Abbildung PC : H → C gilt offenbar PC (x) = x f¨ ur x ∈ C ; eine solche Abbildung nennt man eine Retraktion von H auf C , vgl. Abb. 7.1. F¨ ur die Formulierung des n¨ achsten Satzes ben¨ otigen wir noch einen Begriff: Direkte und orthogonale Summen. a) Es seien E ein Vektorraum und V, W Unterr¨ aume von E . Die Summe (vgl. (1.25)) V + W = {v + w | v ∈ V , w ∈ W }
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen 127
heißt direkt, falls V ∩ W = {0} gilt; dies ist genau dann der Fall, wenn jeder Vektor x ∈ V + W eine eindeutige Zerlegung x = v + w mit v ∈ V und w ∈ W hat. Direkte Summen werden als V ⊕ W notiert. b) Nun seien H ein Hilbertraum und V, W Unterr¨ aume von H . Die Summe V + W heißt orthogonal, falls V ⊥ W gilt. Eine orthogonale Summe bezeichnen wir mit urlich stets direkt. V ⊕2 W ; sie ist nat¨ F¨ ur abgeschlossene Unterr¨ aume V ⊆ H ist die metrische Projektion PV : H → V ein linearer Operator, die orthogonale Projektion von H auf V :
x − Px
x Px
V
0 Abb. 7.3: Eine orthogonale Projektion
Satz 7.2 Es seien H ein Hilbertraum und V ⊆ H ein abgeschlossener Unterraum. a) F¨ ur x ∈ H gibt es genau einen Vektor x1 ∈ V mit x − x1 ⊥ V , n¨ amlich x1 = P (x) = PV (x) . b) Es gilt die orthogonale Zerlegung H = V ⊕2 V ⊥ = R(P ) ⊕2 N (P ) ,
(10)
und P : x1 + x2 → x1 ist die entsprechende orthogonale Projektion von H auf V . ur V = {0} ). F¨ ur x, y ∈ H gilt Man hat P ∈ L(H) , P 2 = P und P = 1 (f¨ P x|y = P x|P y = x|P y .
(11)
Beweis. a) Eindeutigkeit: Sind x1 , x1 ∈ V mit x − x1 ⊥ V und x − x1 ⊥ V , so folgt x1 − x1 = (x1 − x) + (x − x1 ) ∈ V ⊥ ∩ V , also x1 − x1 = 0 . Existenz: Wir zeigen, dass f¨ ur x ∈ H und die metrische Projektion x1 := PV x der Vektor x − x1 zu V orthogonal ist. F¨ ur y ∈ V mit y = 1 und α := x − x1 |y gilt in der Tat x − x1 2
≤
x − x1 − αy 2
=
x − x1 2 − α ¯ x − x1 |y − α y|x − x1 + | α |2
=
x − x 1 2 − | α |2 ;
128 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
aufgrund von (8); dies impliziert α = 0 und somit x − x1 ⊥ V . ur x ∈ H gilt b) Wir zeigen zun¨ achst H = V ⊕2 V ⊥ : es ist V ⊥ V ⊥ klar, und f¨ x = x1 + x2 mit x1 = P (x) ∈ V und x2 = x − x1 ∈ V ⊥ nach a). Offenbar hat man V = R(P ) und V ⊥ = N (P ) . Die Linearit¨ at von P sieht man so: F¨ ur x, y ∈ H und α ∈ K hat man (αx + y) − (αP x + P y) = α (x − P x) + (y − P y) ∈ V ⊥ , also P (αx + y) = (αP x + P y) . Wegen P (P x) = P x gilt P 2 = P , und wegen x 2 = P x 2 + x − P x 2 hat man ♦ P = 1 . Aussage (11) folgt schließlich aus P x|y − P y = x − P x|P y = 0 . Bemerkungen und Folgerungen. a) Nach Satz 6.6 besitzt jeder abgeschlossene Unterraum V von H eine Orthonormalbasis {ei }i∈I . F¨ ur x ∈ H hat man x (i) ei ⊥ V wegen x − x (i) ei |ej = 0 f¨ ur alle j ∈ I ; folglich gilt x− i∈I
i∈I
Px =
x (i) ei ,
x∈H.
(12)
i∈I
Die orthogonale Projektion von H auf einen abgeschlossenen Unterraum V l¨ asst sich also ohne Verwendung von Satz 7.1 auch mittels (12) konstruieren, wobei die Existenz einer Orthonormalbasis von V verwendet wird (vgl. Satz 6.6 und f¨ ur separable R¨ aume das auf S. 129 folgende Argument mittels Gram-Schmidt-Orthonormalisierung). b) Offenbar gilt M ⊆ (M ⊥ )⊥ und damit auch [M ] ⊆ (M ⊥ )⊥ f¨ ur jede nicht leere ⊥ nach (10). Ist nun entsprechend Menge M ⊆ H . Mit V := [M ] gilt H = V ⊕2 V x = x1 + x2 ∈ (M ⊥ )⊥ = (V ⊥ )⊥ , so folgt x2 |x2 = x2 |x1 + x2 = x2 |x = 0 und somit x = x1 ∈ V . Es gilt also M ⊥⊥ := (M ⊥ )⊥ = [M ]
f¨ ur ∅ = M ⊆ H .
(13)
c) F¨ ur einen abgeschlossenen Unterraum V von H ist die Einschr¨ ankung der Quotientenabbildung π : H → H/V auf V ⊥ eine Isometrie von V ⊥ auf H/V ; dieser Quotientenraum ist also ebenfalls ein Hilbertraum. In der Tat gilt PV x = 0 f¨ ur x ∈ V ⊥ und daher (vgl. (8) und (1.24)) x = x − PV x = dV (x) = πx H/V . F¨ ur q ∈ H/V gibt es y ∈ H mit q = πy . Dann gilt x := y − PV y ∈ V ⊥ und πx = πy , und daher ist π : V ⊥ → H/V auch surjektiv.
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen 129
Eine weitere Anwendung von Satz 7.2 ist ein Beweis der bereits auf S. 107 angek¨ undigten Surjektivit¨ at der isometrischen Abbildung j = jH : H → H eines Hilbertraums in seinen Dualraum aus (6.10). Dieser stammt von F. Riesz (1934); f¨ ur separable Hilbertr¨ aume wurde das Resultat bereits 1907 von M. Frech´et und F. Riesz unter Verwendung der Existenz einer Orthonormalbasis gezeigt. Satz 7.3 (Rieszscher Darstellungssatz) Es sei η ∈ H eine stetige Linearform auf einem Hilbertraum H . Dann gibt es genau ein y ∈ H mit η(x) = x|y
f¨ ur x ∈ H .
Beweis. F¨ ur η = 0 w¨ ahlt man y = 0 . F¨ ur η = 0 ist der Kern N (η) ein abgeschlossener ur Unterraum von H . Nach Satz 7.2 gibt es z ∈ N (η)⊥ mit z = 1 , also η(z) = 0 . F¨ x ∈ H gibt es daher α ∈ K mit η(x) = α η(z) , also η(x−αz) = 0 und x−αz ∈ N (η) . Es folgt x − αz|z = 0 , also α = αz|z = x|z , und man erh¨ alt η(x) = x|z η(z) =: x|y mit y := η(z) z ∈ N (η)⊥ .
♦
Aus jeder Folge linear unabh¨ angiger Vektoren l¨ asst sich mit einem Verfahren von J.P. Gram (1883) und E. Schmidt (1906) eine orthonormale Folge konstruieren. Damit ergibt sich auch die Existenz einer Orthonormalbasis in separablen Hilbertr¨ aumen ohne Verwendung des Zornschen Lemmas. ahlbare Menge Gram-Schmidt-Orthonormalisierung. a) Es sei {xk }k≥0 eine abz¨ linear unabh¨ angiger Vektoren in einem Hilbertraum H . Wir konstruieren induktiv ein Orthonormalsystem {ek }k≥0 in H mit [x0 , . . . , xk ] = [e0 , . . . , ek ]
f¨ ur k ≥ 0 .
(14)
ur Dazu seien e0 := xx00 und orthonormale Vektoren {e0 , . . . , en−1 } mit (14) f¨ k = 0, . . . , n − 1 schon konstruiert. Dann ist 0 = w := xn −
n−1
xn |ek ek ∈ [e0 , . . . , en−1 ]⊥ ,
k=0
und man definiert en :=
w w
.
b) Mittels Gram-Schmidt-Orthonormalisierung geben wir einen weiteren Beweis von Satz 6.6 b): In einem separablen Hilbertraum w¨ ahlen wir zun¨ achst eine abz¨ ahlbare dichte Menge und erhalten durch Weglassen u ussiger“ Vektoren eine abz¨ ahlbare ¨berfl¨ ” Menge {xk }k≥0 linear unabh¨ angiger Vektoren mit [xk ]k≥0 = H . Das gem¨ aß a) konstruierte Orthonormalsystem {ek }k≥0 ist dann eine Orthonormalbasis von H .
130 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
In Theorem 6.5 wurde eine Orthonormalbasis von L2 [−π, π] aus trigonometrischen Polynomen konstruiert. Viele Hilbertr¨ aume von Funktionen einer Variablen besitzen auch Orthonormalbasen aus Polynomen. Wir geben ein solches Beispiel jetzt an und verweisen f¨ ur weitere auf die Aufgaben 7.8 und 7.9. Legendre-Polynome. Nach dem Weierstraßschen Approximationssatz ist die lineare H¨ ulle [tk ]k≥0 der Monome dicht in C[a, b] , also auch dicht in (L2 [a, b], dt) . Ihre Gram-Schmidt-Orthonormalisierung liefert die Orthonormalbasis {Pk }k≥0 aus Legendre-Polynomen von L2 [a, b] : √ 2k + 1 d k (t − a)k (t − b)k , k ∈ N0 . (15) Pk (t) = k+ 12 (b − a) k! dt
7.3
Adjungierte Operatoren
Beim Studium von Matrizen u ¨ber K = R oder K = C spielen adjungierte Matrizen eine wichtige Rolle. Mit Hilfe des Rieszschen Darstellungssatzes lassen sich allgemeiner adjungierte Operatoren definieren: Satz 7.4 Es seien H, G Hilbertr¨ aume u ¨ber K . Zu T ∈ L(H, G) gibt es genau einen Operator T ∗ ∈ L(G, H) mit ur alle x ∈ H und y ∈ G , T x|y = x|T ∗ y f¨
(16)
den adjungierten Operator zu T . Es gilt T ∗ = T . Beweis. F¨ ur y ∈ G wird durch x → T x|y eine stetige Linearform auf H definiert. Nach dem Rieszschen Darstellungssatz 7.3 gibt es genau einen Vektor y∗ ∈ H mit T x|y = x|y∗ f¨ ur x ∈ H . Durch T ∗ : y → y ∗ wird dann ein linearer Operator von G nach H mit (16) definiert, und man hat T∗
=
sup { T ∗ y | y ≤ 1} = sup {| x|T ∗ y | | x , y ≤ 1}
=
sup {| T x|y | | x , y ≤ 1} = sup { T x | x ≤ 1} = T .
♦
¯ ∗ und Bemerkungen. Stets gilt (T ∗ )∗ = T , (T1 + T2 )∗ = T1∗ + T2∗ , (λT )∗ = λT ∗ ∗ ∗ ∗ ur T , und man hat (ST ) = T S . Ist T ein Isomorphismus, so gilt dies auch f¨ ∗ −1 −1 ∗ (T ) = (T ) . Diese Aussagen sind leicht nachzurechnen, vgl. Aufgabe 7.10. ar, Definitionen. Ein Operator T ∈ L(H) heißt selbstadjungiert, falls T ∗ = T , unit¨ falls T ∗ = T −1 und normal, falls T ∗ T = T T ∗ ist. Der Begriff unit¨ ar“ ist auch sinnvoll f¨ ur Operatoren T ∈ L(H, G) zwischen verschie” denen Hilbertr¨ aumen.
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen 131
Es folgen nun verschiedene Beispiele linearer Operatoren und ihrer adjungierten Operatoren. Zun¨ achst ist bei festen Orthonormalbasen die Matrix von T ∗ die zur Matrix von T adjungierte Matrix: Adjungierte Matrizen. a) Wie zu Beginn des Kapitels seien {ej }j∈J und {fi }i∈I Orthonormalbasen der Hilbertr¨ aume H und G , und ein Operator T ∈ L(H, G) werde asentiert. Dann gilt gem¨ aß (2) durch die Matrix M(T ) = (aij ) repr¨ aij = T ej |fi = ej |T ∗ fi = T ∗ fi |ej = a∗ji , und somit ist die Matrix von T ∗ ∈ L(G, H) bez¨ uglich der Orthonormalbasen {fi }i∈I und {ej }j∈J gegeben durch M(T ∗ ) = (a∗ji ) = (aij ) , also durch die adjungierte Matrix urlich insbesondere im endlichdimensionalen Fall. zu M(T ) . Diese Aussage gilt nat¨ b) F¨ ur einen Diagonaloperator D = diag(αk ) auf 2 hat man insbesondere D∗ = diag(αk ) und D∗ D = DD ∗ = diag(| αk |2 ) . Somit ist D stets normal; D ar, wenn ist genau dann selbstadjungiert, wenn alle αk reell sind und genau dann unit¨ | αk | = 1 f¨ ur alle k gilt. c) Die Aussagen aus b) gelten auch f¨ ur einen Faltungsoperator S∗a auf L2 [−π, π] aufgrund der Diagonalisierung (7). Dieser ist also stets normal, wegen αk → 0 allerdings nie unit¨ ar. Multiplikationsoperatoren. a) Es sei K ⊆ Rn kompakt. F¨ ur eine stetige Funktion a ∈ C(K) wird ein Multiplikationsoperator Ma ∈ L(L2 (K)) definiert durch (Ma f )(t) := a(t) f (t) ,
t ∈ K , f ∈ L2 (K) .
(17)
ur Offenbar ist Ma ≤ a sup , und nach Aufgabe 4.9 gilt sogar Ma = a sup . F¨ f, g ∈ L2 (K) hat man Ma f |g =
K
a(t)f (t) g(t) dt = f |Ma∗ g
(Ma∗ g)(t) := a(t) g(t) = (Ma¯ g)(t) ,
mit
t ∈ K , g ∈ L2 (K) ,
also Ma∗ = Ma¯ . Offenbar ist Ma stets normal; Ma ist genau dann selbstadjungiert, wenn a reellwertig ist und genau dann unit¨ ar, wenn | a(t) | = 1 f¨ ur alle t ∈ K gilt. ¯ berechnen wir die Matrix von Ma bez¨ uglich b) F¨ ur a ∈ C2π und H = L2 ([−π, π],dt) der Basis {eikt }k∈Z . Nach (2) ist akj = Ma e0j |e0k =
π −π
a(t) eijt e−ikt dt ¯ = a(k − j)
132 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
f¨ ur k, j ∈ Z ; somit ist M(Ma ) ⎛ .. . ⎜ ⎜ .. ⎜ . ⎜ ⎜ . . M(Ma ) = ⎜ ⎜ . ⎜ ⎜ ⎜ ⎝
die zweiseitig unendliche Toeplitz-Matrix ⎞ .. .. .. . . . ⎟ ⎟ ⎟ a(0) a(−1) a(−2) a(−3) ⎟ .. ⎟ ⎟, . a(1) a(0) a(−1) a(−2) ⎟ ⎟ .. ⎟ . ⎟ a(2) a(1) a(0) a(−1) ⎠ .. .. .. .. . . . .
a(0) an der Stelle (0,0) steht. Beachten Sie bitte, dass Bedingung wobei das Element s mit s > (3) nur f¨ ur a = 0 erf¨ ullt ist, Bedingung (4) aber f¨ ur a ∈ H2π 6.11).
1 2
gilt (vgl. Satz
Adjungierte Integraloperatoren. a) Es sei Ω ein σ -endlicher Maßraum, und f¨ ur den messbaren Kern κ : Ω2 → K gelte κ ∈ L2 (Ω2 )
oder
κ SI κ ZI < ∞ .
F¨ ur den linearen Integraloperator (Sκ f )(t) := Ω κ(t, s) f (s) ds ,
(18)
t ∈ Ω , f ∈ L2 (Ω) ,
und f, g ∈ L2 (Ω) hat man nach den S¨ atzen von Fubini und Tonelli (vgl. Abschnitt A.3.4 im Anhang) Sκ f |g = Ω Ω κ(t, s)f (s) ds g(t) dt = Ω f (s) Ω κ(t, s)g(t) dt ds = f |Sκ∗ g mit (Sκ∗ g)(t) = Ω κ(s, t) g(s) ds , t ∈ Ω , g ∈ L2 (Ω) . (19) Mit κ erf¨ ullt auch der adjungierte Kern κ∗ (t, s) = κ(s, t) Bedingung (18). Es ist Sκ genau dann selbstadjungiert, wenn κ = κ∗ fast u ¨berall auf Ω2 gilt. b) Die Aussagen aus a) gelten insbesondere f¨ ur Faltungsoperatoren S∗a , a ∈ L1,2π . ∗ ¯(s−t) ; der Operator S∗a ist also selbstF¨ ur den Kern κ(t, s) = a(t−s) gilt κ (t, s) = a adjungiert f¨ ur gerade reelle Funktionen oder f¨ ur ungerade rein imagin¨ are Funktionen a . Aufgrund der Diagonalisierung (7) ist S∗a stets normal. Der Shift-Operator
oder Rechts-Shift-Operator auf 2 ist definiert durch
S+ (x0 , x1 , x2 , x3 , . . .) := (0, x0 , x1 , x2 , . . .) . Er wird durch die Matrix
⎛
0
⎜ ⎜ 1 ⎜ M(S+ ) = ⎜ ⎜ 0 ⎝ .. .
0
0
0
0
1 .. .
0
···
⎞
⎟ ··· ⎟ ⎟ ⎟ ··· ⎟ ⎠ .. .
(20)
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen 133
dargestellt. F¨ ur diese gilt Bedingung (4), nicht aber Bedingung (3). Offenbar ist S+ eine Isometrie von 2 in 2 , die nicht surjektiv ist. ∞ F¨ ur Folgen x = (xk )∞ k=0 , y = (yk )k=0 ∈ 2 gilt
S+ x|y =
∞
∞
xk−1 yk =
j=0
k=1
∗ xj yj+1 = x|S+ y
mit dem Links-Shift-Operator ∗ = S− : (y0 , y1 , y2 , y3 , . . .) → (y1 , y2 , y3 , . . .) . S+
(21)
∗ Offenbar ist S+ S+ = I und ∗ (y0 , y1 , y2 , y3 , . . .) = (0, y1 , y2 , y3 , . . .) , S+ S+ ∗ die orthogonale Projektion von 2 auf den Unterraum {y ∈ 2 | y0 = 0} . also S+ S+ ∗ Insbesondere sind S+ und S+ = S− nicht normal.
Adjungierte Einbettungsoperatoren. a) F¨ ur s > u ≥ 0 hat man den stetigen s u s u → H2π . F¨ ur f ∈ H2π und g ∈ H2π gilt Sobolev-Einbettungsoperator i : H2π if |g H u =
∞
k 2u f(k) g (k) =
k=−∞
∞
k 2s f(k) k 2u−2s g (k) = f |i∗ g H s mit
k=−∞
(i∗ g)(t) =
∞
k 2u−2s g(k) eikt ,
u g ∈ H2π .
(22)
k=−∞ 2s−u enthalten ist. Man beachte, dass das Bild R(i∗ ) von i∗ in H2π 2s−u s b) Der selbstadjungierte Operator i∗ i ∈ L(H2π ) mit R(i∗ i) ⊆ H2π wird wegen
(i∗ if ) =
∞
k 2u−2s f |esk H s esk ,
s f ∈ H2π ,
(23)
k=−∞ s durch die Diagonalmatrix (vgl. (6.26)) bez¨ uglich der Orthonormalbasis {esk } von H2π ∗ 2u−2s M(i i) = diag( k
)Z×Z dargestellt. F¨ ur diese gilt stets Bedingung (4); Bedingung ullt. (3) ist genau f¨ ur s − u > 12 erf¨
Mittels adjungierter Operatoren ergeben sich Informationen u osbarkeit von ¨ber die L¨ Gleichungen T x = y : Satz 7.5 Es seien H, G Hilbertr¨ aume. F¨ ur T ∈ L(H, G) gilt R(T )⊥ = N (T ∗ ) und R(T ) = N (T ∗ )⊥ . Ist R(T ) abgeschlossen, so gilt also R(T ) = N (T ∗ )⊥ .
(24)
134 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
¨ Beweis. a) Man hat die Aquivalenzen y ∈ R(T )⊥
⇔
∀ x ∈ H : T x|y = 0 ⇔ ∀ x ∈ H : x|T ∗ y = 0
⇔
T ∗ y = 0 ⇔ y ∈ N (T ∗ ) .
b) Mit (13) ergibt sich nun R(T ) = (R(T )⊥ )⊥ = N (T ∗ )⊥ .
♦
Eine erste Anwendung von Satz 7.5 ist die folgende Charakterisierung orthogonaler Projektionen: Satz 7.6 Ein stetiger linearer Operator P ∈ L(H) ist genau dann eine orthogonale Projektion, wenn P ∗ = P = P 2 gilt. Beweis. ⇒“ folgt aus Satz 7.2, insbesondere (11). ” ⇐“: Es sei V := R(P ) . Wegen P = P 2 gilt ” y ∈ V ⇔ ∃ x ∈ H : y = P x = P 2 x ⇔ y = P y ⇔ y ∈ N (I − P ) . Somit ist V = N (I − P ) abgeschlossen, und aus Satz 7.5 folgt V ⊥ = R(P )⊥ = N (P ∗ ) = N (P ) . Daher ist P die orthogonale Projektion auf V .
♦
Satz 7.5 besagt: Hat T ∈ L(H, G) abgeschlossenes Bild, so ist die Gleichung T x = y f¨ ur y ∈ G genau dann l¨ osbar, wenn y zu allen L¨ osungen der Gleichung T ∗ z = 0 in G orthogonal ist. Lineare Gleichungen mit dieser Eigenschaft werden nach F. Hausdorff (1932) als normal aufl¨ osbar bezeichnet. Ein Kriterium f¨ ur normale Aufl¨ osbarkeit lautet:
Satz 7.7 F¨ ur T ∈ L(H, G) gelte die Absch¨ atzung ∃ γ > 0 ∀ x ∈ N (T )⊥ : T x ≥ γ x .
(25)
Dann ist R(T ) abgeschlossen. Beweis. Es sei P die orthogonale Projektion auf N (T )⊥ ; dann gilt T P = T . F¨ ur y ∈ R(T ) existiert eine Folge (xn ) in H mit T xn → y . Dann folgt auch T P xn → y , und wegen (25) ist (P xn ) eine Cauchy-Folge in N (T )⊥ . Aus P xn → x ∈ N (T )⊥ folgt ♦ dann y = lim T P xn = T x und somit y ∈ R(T ) . n→∞
Es gilt auch die Umkehrung dieser Aussage (vgl. Satz 8.9 auf S. 152). Weiter hat man:
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen 135
Satz 7.8 F¨ ur einen Operator T ∈ L(H) gelte die Absch¨ atzung ∃ γ > 0 ∀ x ∈ H : | T x|x | ≥ γ x 2 .
(26)
Dann ist T ∈ GL(H) invertierbar mit T −1 ≤ γ −1 . Beweis. Aus (26) folgt T x ≥ γ x f¨ ur x ∈ H mittels der Schwarzschen Ungleichung. Somit ist T injektiv, und nach Satz 7.7 ist R(T ) abgeschlossen. Nun gilt aber ♦ Bedingung (26) auch f¨ ur T ∗ , und nach Satz 7.5 folgt R(T ) = N (T ∗ )⊥ = H .
7.4
Selbstadjungierte und unit¨ are Operatoren
Die S¨ atze 7.7 und 7.8 liefern Informationen u ¨ber das Spektrum und die Resolvente selbstadjungierter Operatoren A = A∗ ∈ L(H) . Wegen Ax|x = x|Ax = Ax|x
gilt stets Ax|x ∈ R . Satz 7.9 Es sei H ein Hilbertraum u ur einen selbstadjungierten Operator A ∈ L(H) ¨ber C . F¨ atzung gelten σ(A) ⊆ R und die Absch¨ RA (λ) ≤ | Im λ |−1
f¨ ur λ ∈ C\R .
(27)
Beweis. F¨ ur λ = α + iβ ∈ C und x ∈ H ist Ax|x ∈ R und daher | (λI − A)x|x | = | (αI − A)x|x + iβx|x | ≥ | β | x 2 . F¨ ur β = 0 gilt also (26), und die Behauptung folgt aus Satz 7.8.
(28)
♦
Wichtig f¨ ur die Untersuchung von Operatoren auf Hilbertr¨ aumen sind die Polarformeln. a) Wir betrachten wieder Hilbertr¨ aume H u ¨ber K = R oder K = C . Die in (26) auftretende Abbildung QT : H → K ,
QT (x) := T x|x ,
(29)
heißt die quadratische Form des linearen Operators T ∈ L(H) . Eine quadratische Form mit Eigenschaft (26) heißt koerziv. b) F¨ ur A = A∗ gelten analog zu (6.18) und (6.19) die Polarformeln 4 Ax|y = QA (x + y) − QA (x − y)
bzw.
4 Ax|y = QA (x + y) − QA (x − y) + i (QA (x + iy) − QA (x − iy)) im reellen Fall bzw. im komplexen Fall.
(30) (31)
136 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Satz 7.10 Es sei H ein Hilbertraum u ¨ber K = R oder K = C . a) F¨ ur einen selbstadjungierten Operator A ∈ L(H) gilt A = sup {| Ax, x | | x ≤ 1} .
(32)
b) F¨ ur T ∈ L(H) ist T ∗ T selbstadjungiert, und man hat T ∗ T = T 2 .
(33)
Beweis. a) Offenbar ist A ≥ q(A) := sup {| Ax, x | | x ≤ 1} . Wegen ur alle z ∈ H liefert die Polarformel f¨ ur K = R und K = C QA (z) ∈ R f¨ 4 Re Ax|y = QA (x + y) − QA (x − y) .
(34)
F¨ ur x, y ∈ H mit x , y ≤ 1 gibt es α ∈ K mit | α | = 1 und | Ax|y |
=
αAx|y =
≤
1 4 1 2
≤
1 4
(QA (αx + y) − QA (αx − y))
q(A) ( αx + y 2 + αx − y 2 ) q(A) ( x 2 + y 2 ) ≤ q(A)
aufgrund von (34) und der Parallelogrammgleichung (9). b) Man hat T 2
=
sup T x 2 =
x ≤1
≤
∗
∗
sup | T x|T x | =
x ≤1
2
T T ≤ T T = T .
sup | T ∗ T x|x |
x ≤1
♦
D x
Dx 0
Abb. 7.4: Drehung um
π 2
Bemerkungen. a) F¨ ur einen selbstadjungierten Operator A ∈ L(H) folgt aus QA = 0 also bereits A = 0 . ur b) Im Fall K = C ist T ∈ L(H) genau dann selbstadjungiert, wenn T x|x ∈ R f¨ alle x ∈ H gilt. Aus QT = 0 folgt dann also immer T = 0 . Zum Beweis seien x, y ∈ H und a := T x|y , b := T y|x ∈ C . Das Ausmultiplizieren von QT (x + y) liefert a + b ∈ R , und durch das von QT (x + iy) erh¨ alt man ¯. i(b − a) ∈ R . Dies erzwingt b = a
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen 137
c) Im Fall K = R sind die Aussagen von b) nicht richtig, wie etwa das Beispiel einer Drehung D : (x1 , x2 ) → (−x2 , x1 ) des R2 um den Winkel π2 zeigt. Nun folgt eine Anwendung von Formel (33) auf Spektralradien: Satz 7.11 F¨ ur einen normalen Operator T ∈ L(H) auf einem Hilbertraum stimmen Spektralradius und Norm u ¨berein, es gilt also r(T ) = lim sup n T n = T . n→∞
Beweis. Aus (33) ergibt sich T 2 2 = (T 2 )∗ T 2 = (T ∗ T )∗ (T ∗ T ) = T ∗ T 2 = T 4 , k
k
induktiv also T 2 = T 2 f¨ ur alle k ∈ N . Da der obige Limes superior ein echter ♦ Limes ist (vgl. Aufgabe 4.5), folgt daraus die Behauptung. Die Polarformel liefert Charakterisierungen normaler und unit¨ arer Operatoren: Satz 7.12 ur alle x ∈ H Ein Operator T ∈ L(H) ist genau dann normal, wenn T x = T ∗ x f¨ gilt. Beweis. F¨ ur alle x ∈ H gilt T x 2 ∗
T x
2
= =
T x|T x = T ∗ T x|x
∗
∗
und
∗
T x|T x = T T x|x .
Da T ∗ T und T T ∗ selbstadjungiert sind, folgt die Behauptung aus der Polarformel. ♦ Satz 7.13 Ein Operator U ∈ L(H) ist genau dann unit¨ ar, wenn U eine Isometrie von H auf H ist. In diesem Fall gilt σ(U ) ⊆ S 1 = {z ∈ C | | z | = 1} . ur alle x ∈ H Beweis. a) Ist U unit¨ ar, so gilt wegen U ∗ = U −1 f¨ U x 2 = U x|U x = U ∗ U x|x = x 2 .
(35)
Umgekehrt impliziert (35) aufgrund der Polarformel wieder U ∗ U = I . Nach Voraussetzung ist U ∈ GL(H) , und es folgt U ∗ = U −1 . b) Wegen U ≤ 1 gilt σ(U ) ⊆ D := {z ∈ C | | z | ≤ 1} . F¨ ur | λ | < 1 gilt aber −1 −1 λI − U = U (λU − I) ∈ GL(H) wegen U = 1 . ♦ Abschließend zeigen wir einen auf J. v. Neumann (1932) zur¨ uckgehenden Ergodensatz:
138 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
a) Die Evolution eines physikalischen Systems kann oft
Evolution von Systemen. in der Form
t∈R
x(t) = U (t) x0 ,
Zeitvariable ,
beschrieben werden; hierbei sind die U (t) unit¨ are Operatoren auf einem Hilbertraum H und x0 ∈ H ein Anfangszustand des Systems. Dabei sollte“ stets gelten ” U (0) = I ,
t, s ∈ R .
U (t + s) = U (t) U (s) ,
(36)
F¨ ur quantenmechanische Systeme erl¨ autern wir dies in Abschnitt 13.6. Nach einem Prinzip der Thermodynamik sollten makroskopische Systeme f¨ ur t → ∞ gegen einen Gleichgewichtszustand streben; f¨ ur eine Diskussion dieses Prinzips sei auf [Reed und Simon 1972], II.5 verwiesen. b) Wir betrachten hier diskrete Zeitschritte t = n ∈ Z , wegen (36) also die Potenzen aren Operators U ∈ L(H) . Das Prinzip der Thermodynamik be(U n )n∈Z eines unit¨ ur alle x ∈ H in einem geeigneten Sinn. hauptet dann die Existenz von lim U n x f¨ n→∞
c) Im Fall dim H = 1 ist U einfach eine komplexe Zahl mit | U | = 1 , und f¨ ur U = 1 ur die arithmetischen Mittel der U n gilt jedoch existiert lim U n nicht. F¨ n→∞
Vn :=
1 n
n−1
U
j
=
j=0
1 U n −1 n U −1
→
0
,
U = 1
1
,
U =1
.
Diese einfache Beobachtung l¨ asst sich auf den allgemeinen Fall u ¨bertragen: Satz 7.14 (Ergodensatz) Es seien U ein unit¨ arer Operator auf einem Hilbertraum H und P die orthogonale Projektion auf den Eigenraum E(U ; 1) = {y ∈ H | U y = y} . F¨ ur alle x ∈ H gilt dann n−1 j 1 U x n n→∞ j=0
lim
= Px.
(37)
Beweis. a) F¨ ur x ∈ E(U ; 1) gilt nat¨ urlich U j x = x f¨ ur alle j ∈ N0 und somit auch n−1 j 1 U x = x = Px. Vn x := n j=0
b) Nach Satz 7.5 gilt E(U ; 1)⊥ = N (I − U )⊥ = R(I − U ∗ ) = R(I − U −1 ) . F¨ ur einen −1 −1 Vektor x = y − U y ∈ R(I − U ) hat man Vn x =
1 n
n−1 j=0
Ujx =
1 n
n−1 j=0
Ujy −
1 n
n−1 j=0
U j−1 y =
1 n
(U n−1 y − U −1 y) → 0
f¨ ur n → ∞ . Wegen Vn ≤ 1 gilt dann nach Satz 3.3 auch Vn x → 0 = P x f¨ ur alle ♦ x ∈ R(I − U ∗ ) = E(U ; 1)⊥ .
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen 139
7.5
Aufgaben
Aufgabe 7.1 Es seien Ω ⊆ Rn eine messbare Menge, κ ∈ L2 (Ω2 ) ein quadratintegrierbarer Kern uglich einer Orthonormalbasis und A = (aij ) die Matrix des Integraloperators Sκ bez¨ von L2 (Ω) . Zeigen Sie
| aij |2 =
i,j
Ω2
| κ(t, s) |2 d(t, s) < ∞ .
Hinweis. Beachten Sie Aufgabe 6.7. Aufgabe 7.2 Eine Matrix A = (aij ) u ¨ber N0 × N0 heißt Bandmatrix, falls es N ∈ N0 gibt mit ur | i − j | > N . Zeigen Sie, dass A = (aij ) genau dann einen beschr¨ ankaij = 0 f¨ ten linearen Operator auf 2 definiert, wenn sup | aij | < ∞ gilt und geben Sie eine i,j
Absch¨ atzung f¨ ur A an . Aufgabe 7.3 a) F¨ ur eine Matrix A = (aij ) u ¨ber N0 × N0 gelte aij = bij cij mit ∞
sup
∞
i=0 j=0
| bij |2 < ∞
und
∞
sup
∞
j=0 i=0
| cij |2 < ∞ .
ankten linearen Operator auf 2 definiert. Zeigen Sie, dass A = (aij ) einen beschr¨ 1 , j≤i i+1 b) Verifizieren Sie Bedingung a) f¨ ur die Matrix A = (aij ) mit aij = . 0 , j>i Gilt A SS < ∞ oder A ZS < ∞ ? Aufgabe 7.4 Es seien H ein Hilbertraum, V ⊆ H ein Unterraum, Y ein Banachraum und T0 ∈ L(V, Y ) . Setzen Sie T zu einem stetigen linearen Operator T ∈ L(H, Y ) mit T = T0 fort. Aufgabe 7.5 Es sei H ein Hilbertraum. Eine Abbildung β : H × H → C heißt sesquilinear, falls β in der ersten Komponente linear und in der zweiten Komponente antilinear ist. Zeigen Sie: Es gibt genau einen linearen Operator T : H → H mit β(x, y) = x|T y
f¨ ur alle x, y ∈ H ,
und man hat T = sup {| β(x, y) | | x , y ≤ 1} . Ist β bzw. T zus¨ atzlich koerziv, so gilt T ∈ GL(H) (Satz von Lax-Milgram).
140 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Aufgabe 7.6 Es seien H, G Hilbertr¨ aume, T ∈ L(H, G) mit abgeschlossenem Bild R(T ) und y ∈ G . a) Bestimmen Sie M (y) := {x ∈ H | T x − y ist minimal} . b) Zeigen Sie, dass M (y) genau ein Element T × y minimaler Norm besitzt. c) Zeigen Sie, dass die verallgemeinerte Inverse“ T × : G → H von T linear ist und ” ullt. Versuchen Sie, die Stetigkeit von T × zu beweisen ! T T × T = T , T × T T × = T × erf¨ Aufgabe 7.7 a) Verifizieren Sie Formel (15). b) Zeigen Sie, dass alle Nullstellen der Legendre-Polynome Pn einfach sind und in (a, b) liegen. Aufgabe 7.8 Zeigen Sie, dass die Tschebyscheff-Polynome T0 (t) =
√1 2π
# , Tn (t) =
2 π
cos(n arccos t) , n ∈ N ,
eine Orthonormalbasis des Hilbertraums L2 ([−1,1],
√ dt ) 1−t2
bilden.
Aufgabe 7.9 Die Hermite-Polynome werden definiert durch 2
2
d n −t ) e , Hn (t) := (−1)n et ( dt 2
a) Zeigen Sie e2ut−u =
∞ n=0
1 n!
n ∈ N0 .
Hn (t) un und schließen Sie daraus Hn = 2nHn−1 .
√ 1 t2 b) Zeigen Sie, dass die Hermite-Funktionen hn (t) := (2n n! π)− 2 Hn (t) e− 2 ein Orthonormalsystem in L2 (R) bilden. Aufgabe 7.10 Beweisen Sie die Bemerkungen u ¨ber adjungierte Operatoren auf S. 130. Aufgabe 7.11 a) Verifizieren Sie die Polarformeln (30) und (31) sowie die Parallelogrammgleichung (9). b) Es sei X ein Banachraum u ¨ber R , dessen Norm die Parallelogrammgleichung (9) erf¨ ullt. Zeigen Sie, dass X ein Hilbertraum ist. Aufgabe 7.12 a) Es sei S∗a der durch a ∈ L1,2π gegebene Faltungsoperator. Zeigen Sie R(λI − S∗a ) = N (λI − S∗a )⊥
f¨ ur λ ∈ C\{0} .
7 Lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen 141
b) Es sei λ = 0 . F¨ ur welche Funktionen g ∈ L2 [−π, π] hat die Integralgleichung π ¯ = g(t) λf (t) − −π a(t − s) f (s)ds osungen an ! L¨ osungen f ∈ L2 [−π, π] ? Geben Sie alle L¨ Aufgabe 7.13 Es sei T ∈ L(H) ein normaler Operator auf einem Hilbertraum. Zeigen Sie, dass Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten stets orthogonal sind. Aufgabe 7.14 Es sei P die orthogonale Projektion auf den abgeschlossenen Unterraum V des Hilbertraumes H . a) Zeigen Sie, dass I − P die orthogonale Projektion auf V ⊥ ist. b) F¨ ur einen Operator T ∈ L(H) zeigen Sie T (V ) ⊆ V ⇔ T ∗ (V ⊥ ) ⊆ V ⊥ ⇔ P T P = T P . c) Nun sei T normal, und es gelte T (V ) ⊆ V und T (V ⊥ ) ⊆ V ⊥ . Zeigen Sie, dass die Restriktion T |V ∈ L(V ) von T auf V ebenfalls normal ist. Aufgabe 7.15 a) Gegeben sei der durch U+ : (. . . , x−2 , x−1 , x0 , x1 , x2 , . . .) → (. . . , x−3 , x−2 , x−1 , x0 , x1 , . . .) ar ist. definierte Rechts-Shift-Operator auf 2 (Z) . Zeigen Sie, dass U+ unit¨ b) Bestimmen Sie die Einschr¨ ankung von U+ auf dessen invarianten Unterraum ur k < 0} . Ist dieser Operator normal ? V := {(xk )k∈Z ∈ 2 (Z) | xk = 0 f¨ Aufgabe 7.16 Es seien H ein Hilbertraum und T ∈ L(H) mit dim R(T ) < ∞ . m a) Zeigen Sie T x = x|yj xj f¨ ur geeignete Vektoren yj , xj ∈ H . j=1
b) Finden Sie einen Unterraum V von H mit dim V < ∞ sowie T (V ) ⊆ V und T = 0 auf V ⊥ . Aufgabe 7.17 a) Es seien H ein Hilbertraum und T ∈ L(H) . Der numerische Wertebereich von T wird definiert als W (T ) := { T x, x | x = 1} . Zeigen Sie σ(T ) ⊆ W (T ) . ur jeden Operator S ∈ L(H) . b) Zeigen Sie σ(S ∗ S) ⊆ [0, ∞) f¨
142 II Fourier-Reihen und Hilbertr¨ aume
Aufgabe 7.18 a) Berechnen Sie die Matrix-Darstellung des Volterra-Operators V f (t) =
t −π
f (s)ds ¯ ,
f ∈ L2 [−π, π] ,
¯ . bez¨ uglich der Orthonormalbasis {eikt }k∈Z von L2 ([−π, π],dt) b) Berechnen Sie den adjungierten Operator V ∗ . Ist V normal ? Aufgabe 7.19 Es sei U ein unit¨ arer Operator auf einem Hilbertraum H . a) Zeigen Sie U (M ⊥ ) = (U (M ))⊥ f¨ ur Mengen M ⊆ H . b) Zeigen Sie f¨ ur die Resolvente von U die Absch¨ atzung RU (λ) ≤ (1 − | λ |)−1
f¨ ur | λ | = 1 .
Aufgabe 7.20 Beweisen Sie den Ergodensatz f¨ ur eine gr¨ oßere Klasse von Operatoren. Aufgabe 7.21 Finden Sie m¨ oglichst viele invariante Unterr¨ aume des Shift-Operators S+ aus (20), d. h. abgeschlossene Unterr¨ aume V von 2 mit S+ (V ) ⊆ V .
III Prinzipien der Funktionalanalysis
¨ Ubersicht 8
Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
9
Stetige lineare Funktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
10
Schwache Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Unter den Prinzipien der Funktionalanalysis versteht man u ¨blicherweise das Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit, den Satz von der offenen Abbildung und den Fortsetzungssatz von Hahn-Banach. Die beiden erstgenannten Prinzipien beruhen auf dem Satz von Baire, einer scheinbar abstrakten Aussage u andige metrische ¨ber vollst¨ R¨ aume, sie sind also Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit. Beide Prinzipien haben eine Reihe konkreter Anwendungen in der Analysis, von denen wir einige hier vorstellen. Die beiden auf dem Satz von Baire beruhenden Prinzipien sind f¨ ur Hilbertr¨ aume ebenso wichtig und schwierig zu beweisen wie f¨ ur Banachr¨ aume. Im Gegensatz dazu ist der Satz von Hahn-Banach u ur Hilbert¨ber die Fortsetzung stetiger Linearformen f¨ r¨ aume aufgrund der Ergebnisse von Kapitel 7 klar. F¨ ur Banachr¨ aume impliziert er die Existenz gen¨ ugend vieler“ stetiger Linearformen. Auch dieser Satz hat viele kon” krete Anwendungen in der Analysis. Dar¨ uber hinaus ist er der Ausgangspunkt einer reichhaltigen Dualit¨ atstheorie f¨ ur Banachr¨ aume mit wichtigen Konsequenzen f¨ ur die Operatortheorie, die u. a. die Erweiterung von Resultaten im Hilbertraum-Fall auf den Banachraum-Fall erlauben. In den Kapiteln 9 und 10 identifizieren wir die Dualr¨ aume von C(K) - und Lp -R¨ aumen und untersuchen duale Operatoren, stetige Projektionen, uniform konvexe R¨ aume und reflexive Banachr¨ aume. Weiter studieren wir schwach- und schwach*-konvergente Folgen und zeigen, dass in reflexiven Banachr¨ aumen X jede beschr¨ ankte Folge eine schwach konvergente Teilfolge hat. Diese Aussage impliziert die Existenz von Minima f¨ ur geeignete Klassen nicht notwendig linearer reellwertiger Funktionale auf X . W. Kaballo, Grundkurs Funktionalanalysis, DOI 10.1007/978-3-8274-2721-2_4, © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
144 III Prinzipien der Funktionalanalysis
8
Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit
Fragen: 1. Eine Funktion f : R → R sei punktweise Limes einer Folge stetiger Funktionen. Zeigen Sie, dass f in mindestens einem Punkt stetig ist. 2. Zeigen Sie, dass es eine auf [a, b] stetige Funktion gibt, die nirgends differenzierbar ist. 3. Ist der Raum der Polynome ein Banachraum unter einer geeigneten Norm? 4. Welche Nullfolgen liegen im Bild der Fourier-Abbildung F : L1 [−π, π] → c0 (Z) ? In diesem Kapitel behandeln wir zwei grundlegende Prinzipien der Funktionalanalysis, deren G¨ ultigkeit im Wesentlichen auf einer Vollst¨ andigkeitsvoraussetzung an einen normierten Raum beruht. Ausgangspunkt ist der Satz von Baire in Abschnitt 8.1, eine scheinbar abstrakte Aussage u andige metrische R¨ aume. Dieser besitzt viele ¨ber vollst¨ konkrete Anwendungen in der Analysis; auf ihm beruhen Existenzbeweise, die sofort auch die Existenz vieler der gesuchten Objekte liefern. In Abschnitt 8.2 zeigen wir das Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit mit einigen Anwendungen, in Abschnitt 8.3 den Satz von der offenen Abbildung und den Satz vom abgeschlossenen Graphen. Weitere Anwendungen auf Fourier-Reihen und FourierKoeffizienten sind dann im letzen Abschnitt des Kapitels zusammengestellt.
8.1
Der Satz von Baire
Im Jahre 1897 zeigte W.F. Osgood den folgenden Satz 8.1 (Osgood) Es sei M eine punktweise beschr¨ ankte Menge stetiger Funktionen auf R . Dann gibt es ein nichtleeres offenes Intervall, auf dem M gleichm¨ aßig beschr¨ ankt ist. Nach R. Baire (1899) l¨ asst sich dies so zeigen: Man betrachtet f¨ ur n ∈ N die Mengen An := {t ∈ R | ∀ f ∈ M : | f (t) | ≤ n} . Diese sind in R abgeschlossen, und es ist
∞ n=1 An = R . Daraus folgt dann, dass ein An ein nichtleeres Inneres haben muss. Diese Aussage gilt nach F. Hausdorff (1914) auch u andigen metrischen R¨ aum¨ber vollst¨ en (Satz von Baire oder Satz von Baire-Hausdorff). Zwecks bequemer Formulierungen f¨ uhrt man die folgenden Begriffe ein: Bairesche Kategorien.
Es sei M ein metrischer Raum.
a) Eine Menge A ⊆ M heißt nirgends dicht, falls das Innere des Abschlusses von A ◦ leer ist, also A = ∅ gilt. b) Eine abz¨ ahlbare Vereinigung nirgends dichter Teilmengen von M heißt mager oder von erster Kategorie. Teilmengen und abz¨ ahlbare Vereinigungen magerer Mengen sind offenbar wieder mager.
8 Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit 145
c) Nicht magere Teilmengen von M heißen von zweiter Kategorie. ahlbare TeilBeispiele. a) Einpunktige Teilmengen von R sind nirgends dicht, abz¨ ur den unvollst¨ andigen Raum Q mengen daher mager in R . Dies gilt insbesondere f¨ der rationalen Zahlen. b) Es sei V ein Unterraum eines normierten Raumes X . Hat V einen inneren Punkt a ∈ V ◦ , so folgt aus UδX (a) ⊆ V f¨ ur ein δ > 0 sofort X = V . Ein echter abgeschlossener Unterraum von X ist also nirgends dicht in X . c) Es sei {xn }n∈N eine (algebraische) Basis eines normierten Raumes X (vgl. Anhang A.1). Die Unterr¨ aume Vn := [x1 , . . . , xn ] sind nach b) nirgends dicht in X , und daher
ist der Raum X = n Vn von erster Kategorie. Der Satz von Baire besagt, dass vollst¨ andige metrische R¨ aume stets von zweiter Kategorie sind. Der Beweis wird in Abb. 8.1 illustriert:
a1 r
D
a2
a r1
Abb. 8.1: Illustration des Beweises von Satz 8.2
Theorem 8.2 (Baire) Es sei M ein vollst¨ andiger metrischer Raum. Dann ist jede offene Teilmenge D von M von zweiter Kategorie. Beweis. Ist D mager, so gilt D =
∞
◦
An mit An = ∅ f¨ ur n ∈ N . Man w¨ ahlt a ∈ D
n=1 ◦
und r > 0 mit Br (a) ⊆ D . Wegen A1 = ∅ gibt es einen Punkt a1 ∈ Ur (a)\A1 , also ◦ 0 < r1 ≤ r2 mit Br1 (a1 ) ⊆ Br (a) und Br1 (a1 ) ∩ A1 = ∅ . Wegen A2 = ∅ gibt es r1 0 < r2 ≤ 2 und eine Kugel Br2 (a2 ) ⊆ Br1 (a1 ) mit Br2 (a2 ) ∩ A2 = ∅ . Induktiv findet man Radien 0 < rn ≤ 2rn und Kugeln Brn (an ) ⊆ Brn−1 (an−1 ) mit Brn (an )∩An = ∅ . Wie im Beweis des Banachschen Fixpunktsatzes ergibt sich aus d(an , an−1 ) ≤ rn−1 ≤ r 2−n+1
f¨ ur n ≥ 2 ,
146 III Prinzipien der Funktionalanalysis
dass (an ) eine Cauchy-Folge ist, und aufgrund der Vollst¨ andigkeit von X existiert ur alle n ∈ N , und man erh¨ alt a := lim an ∈ M . Offenbar gilt dann a ∈ Brn (an ) f¨ n→∞ ∞
An . ♦ den Widerspruch a ∈ D\ n=1
Nach Beispiel c) auf S. 145 kann also ein Banachraum nur endliche oder u ahlbare ¨berabz¨ algebraische Dimension haben. Bekanntlich ist der Limes f einer punktweise konvergenten Folge stetiger Funktionen etwa auf [0,1] i. a. nicht stetig (vgl. Abb. 1.4 auf S. 14). Wir beantworten nun die Eingangsfrage nach der Existenz von Stetigkeitspunkten von f mit Hilfe des Satzes von Baire. Dabei ergibt sich, dass f nicht nur einen, sondern viele“ Stetigkeitspunkte ” hat; f kann n¨ amlich nur auf einer mageren Menge unstetig sein. Dies ist typisch f¨ ur Anwendungen des Satzes von Baire: die Existenz eines Objekts ergibt sich daraus, dass die Menge der gesuchten Objekte von zweiter Kategorie ist. Satz 8.3 Es seien M , Y metrische R¨ aume und (fn ) eine Folge stetiger Funktionen in C(M, Y ) ur alle x ∈ M . Dann ist die Menge der Unstetigkeitsstellen mit lim fn (x) = f (x) f¨ n→∞
von f mager in M . Beweis. a) Wegen der Stetigkeit der Funktionen fn sind die Mengen Fm,j := {x ∈ M | d(fn (x), fm (x)) ≤
1 j
f¨ ur n ≥ m} , ∞
in M abgeschlossen, und f¨ ur alle j ∈ N hat man M =
Fm,j wegen der punktwei-
m=1 ∞
ur die offenen Mengen Dj := sen Konvergenz der fn . F¨ Djc ⊆
∞
m, j ∈ N ,
◦ Fm,j ist ihr Komplement
m=1 ◦ (Fm,j \Fm,j ) in M mager, und dies gilt dann auch f¨ ur S :=
m=1
b) F¨ ur x ∈ S c =
∞
Djc .
j=1 ∞ $
◦ Dj gibt es zu j ∈ N ein m ∈ N mit x ∈ Fm,j , also α > 0
j=1
ur n ≥ m und y ∈ Bα (x) . Mit n → ∞ folgt auch mit d(fn (y), fm (y)) ≤ 1j f¨ d(f (y), fm (y)) ≤ 1j auf Bα (x) . Wegen der Stetigkeit von fm gibt es 0 < δ ≤ α ur d(y, x) ≤ δ . F¨ ur diese y ∈ Bδ (x) gilt dann mit d(fm (y), fm (x)) ≤ 1j f¨ d(f (y), f (x)) ≤ d(f (y), fm (y)) + d(fm (y), fm (x)) + d(fm (x), f (x)) ≤ folglich ist f stetig in x und somit auf S c = M \S .
3 j
;
♦
F¨ ur vollst¨ andige metrische R¨ aume M ist nach dem Satz von Baire dann f auf einer nichtleeren Menge zweiter Kategorie stetig. Im Fall linearer Operatoren erzwingt die Stetigkeit in einem Punkt nach Satz 3.1 bereits die Stetigkeit auf dem ganzen Raum. Daher gilt:
8 Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit 147
Folgerung. Es seien X, Y normierte R¨ aume, X vollst¨ andig und (Tn ) eine Folge ur alle x ∈ X . Dann ist der lineare Operator in L(X, Y ) mit lim Tn (x) = T (x) f¨ n→∞
T : X → Y stetig.
Diese Folgerung ergibt sich auch als Teilaussage des Satzes von Banach-Steinhaus 8.5. Mit dieser Folgerung l¨ asst sich Aufgabe 4.2 sofort l¨ osen: Es seien X ein ∞ k T x f¨ ur alle x ∈ X konvergiert. Banachraum und T ∈ L(X) , sodass die Reihe
Beispiel.
Durch Sx :=
∞
k=0
T k x f¨ ur alle x ∈ X wird dann also ein stetiger linearer Operator
k=0
S ∈ L(X) definiert, der (I − T )Sx = x und S(I − T )x = x f¨ ur alle x ∈ X erf¨ ullt. Folglich gilt (I − T )−1 = S ∈ L(X) . Nach diesen ersten Anwendungen des Satzes von Baire diskutieren wir noch einige Umformulierungen, die sich z. B. f¨ ur Satz 8.16 als n¨ utzlich erweisen werden: ¨ Aquivalenzen und Beispiele. a) Eine Menge A ⊆ M in einem metrischen Raum M ist genau dann abgeschlossen und nirgends dicht, wenn ihr Komplement Ac = M \A in M offen und dicht ist. Folglich ist eine beliebige Menge N ⊆ M genau dann nirgends dicht, wenn dies auf N zutrifft, wenn also N zu einer in M offenen und dichten Menge c (n¨ amlich N ) disjunkt ist. ∞
b) Nach a) ist eine Menge S = Nj genau dann mager, wenn S zu einem abz¨ ahlbaren j=1
Durchschnitt in M offener und dichter Mengen (n¨ amlich
∞ $
c
Nj ) disjunkt ist.
j=1
c) Eine Illustration dieser Situation liefert etwa das folgende Beispiel (vgl. Abb. 8.2): ahlung von Q und A := [0,1]\Q . Dann sind die Mengen Es seien {rj }∞ j=1 eine Abz¨ Nj := A × {rj } nirgends dicht in M := [0,1]2 , und ihre abz¨ ahlbare Vereinigung ∞
Nj = A × (Q ∩ [0,1]) ist mager in M . S= j=1
1
N2 N7 N5 N3 N4 N6
0
N1 Abb. 8.2: Illustration des Beispiels c)
d) Der Satz von Baire ist ¨ aquivalent zu folgender Aussage: In einem vollst¨ andigen metrischen Raum M besitzt eine magere Menge S ⊆ M keinen inneren Punkt.
148 III Prinzipien der Funktionalanalysis
e) Wegen b) liefert Komplementbildung in d) eine weitere zum Satz von Baire aquivalente Aussage: In einem vollst¨ andigen metrischen Raum M ist ein abz¨ ahlbarer ¨ Durchschnitt offener und dichter Mengen in M dicht. Gδ -Mengen. a) Es sei M ein metrischer Raum. Eine Menge G ⊆ M heißt Gδ Menge, wenn sie Durchschnitt abz¨ ahlbar vieler offener Mengen ist. Nach obiger Bemerkung b) ist das Komplement einer dichten Gδ -Menge stets mager. b) In vollst¨ andigen R¨ aumen ist somit eine dichte Gδ -Menge von zweiter Kategorie. c) In obigem Beispiel c) ist die magere Menge S disjunkt zu der in [0,1]2 dichten Gδ -Menge [0,1] × A .
8.2
Das Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit
Es seien X, Y normierte R¨ aume. Eine Menge H ⊆ L(X, Y ) stetiger linearer Operatoren ist genau dann auf einer nichtleeren offenen Kugel gleichm¨ aßig beschr¨ ankt, wenn sie gleichstetig ist bzw. wenn die Menge der Operatornormen { T | T ∈ H} beschr¨ ankt ist (vgl. S. 43). F¨ ur einen Banachraum X ist dies nach dem Satz von Osgood bereits dann der Fall, wenn f¨ ur alle x ∈ X die Mengen {T x | T ∈ H} der Bilder unter den Operatoren aus H in Y beschr¨ ankt sind. Diese Aussage ist im Wesentlichen das Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit. Dieses wurde von mehreren Autoren seit H. Lebesgue (1909) mit der Methode des gleitenden Buckels“ bewiesen (vgl. den Satz ” 10.11 von Schur und Aufgabe 10.20); der einfachere auf den Resultaten von Osgood und Baire basierende Beweis geht auf S. Saks (1927) zur¨ uck: Theorem 8.4 (Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit) Es seien X, Y normierte R¨ aume und H ⊆ L(X, Y ) eine Menge stetiger linearer Operatoren von X nach Y . Es gebe eine Menge Z von zweiter Kategorie in X , sodass die Mengen {T z | T ∈ H} f¨ ur jedes z ∈ Z in Y beschr¨ ankt sind. Dann gilt sup { T | T ∈ H} < ∞ .
(1)
Beweis. F¨ ur n ∈ N definieren wir die abgeschlossenen Mengen Zn := {z ∈ Z | ∀ T ∈ H : T z ≤ n} . Nach Voraussetzung ist Z =
∞
Zn ; da Z von zweiter Kategorie ist, gibt es ein n ∈ N
n=1
Zn◦
mit = ∅ . Es gibt also a ∈ X und r > 0 mit Br (a) ⊆ Zn ; f¨ ur x ≤ r und alle T ∈ H gilt dann T (a + x) ≤ n , also T x ≤ n + T a ≤ 2n ; dies bedeutet aber T x ≤
2n r
x f¨ ur alle x ∈ X und T ∈ H , also (1).
♦
8 Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit 149
Die Voraussetzungen von Theorem 8.4 sind insbesondere dann erf¨ ullt, wenn X ein Banachraum ist und Z = X gilt. F¨ ur unvollst¨ andige normierte R¨ aume gilt das Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit jedoch nicht, vgl. etwa Aufgabe 8.6. Aus Theorem 8.4 ergibt sich leicht dieses Resultat aus dem Jahre 1927: Satz 8.5 (Banach-Steinhaus) Es seien X, Y normierte R¨ aume, X vollst¨ andig und (Tn ) eine Folge in L(X, Y ) , sodass der Limes T x := lim Tn x (2) n→∞
f¨ ur alle x ∈ X existiert. Dann gilt T ∈ L(X, Y ) , T ≤ supn Tn < ∞ , und man aßig auf allen kompakten Teilmengen von X . hat Tn → T gleichm¨ Beweis. Nach Voraussetzung sind die Mengen {Tn x | n ∈ N} f¨ ur alle x ∈ X beur alle n ∈ N . Mit schr¨ ankt, und nach Theorem 8.4 gibt es C > 0 mit Tn ≤ C f¨ (2) folgt sofort auch T x ≤ C x , also ein weiterer Beweis der Folgerung zu Satz 8.3. Die letzte Aussage ergibt sich dann aus Satz 3.3 auf S. 43. ♦ ¨ Aufgrund des Satzes von Banach-Steinhaus kann man folgende Aquivalenzen formulieren: Satz 8.6 Es seien X, Y Banachr¨ aume und (Tn ) eine Folge in L(X, Y ) . Dann sind die folgenden Aussagen ¨ aquivalent : (a) (Tn ) konvergiert gleichm¨ aßig auf kompakten Mengen in X . (b) (Tn ) konvergiert punktweise auf X . (c) (Tn ) konvergiert punktweise auf einer dichten Teilmenge von X , und es gilt sup { Tn | n ∈ N} < ∞ . Beweis. (a) ⇒ (b)“ ist klar. F¨ ur (b) ⇒ (c)“ benutzt man Theorem 8.4, und die ” ” Implikation (c) ⇒ (a)“ folgt wieder aus Satz 3.3. ♦ ” Wir erw¨ ahnen kurz eine Anwendung auf Quadraturformeln. durch Ausdr¨ ucke Qn (f ) :=
rn
Das Integral I(f ) :=
(n)
(n)
ck f (tk ) ,
(n)
ck
k=1
b a
f (t) dt einer stetigen Funktion f soll
(n)
∈ C , a ≤ t1
(n)
< . . . < t rn ≤ b ,
(3)
approximiert werden. Ein einfaches Beispiel ist die (summierte) Trapezregel (vgl. Abb. 8.3) T (f ) =
b−a 2n
(f (a) + 2
n−1 j=1
f (a +
j(b−a) ) n
+ f (b)) .
150 III Prinzipien der Funktionalanalysis
a = t1 t 2
t3
t4
t5
t6 b = t7 Abb. 8.3: Die Trapezregel
Es ist Qn =
rn k=1
ck δt(n) ∈ C[a, b] , und nach (3.2) hat man (n)
k
rn
Qn =
(n)
| ck | .
k=1
Aus Satz 8.6 und dem Weierstraßschen Approximationssatz 5.6 folgen daher diese Resultate von G. P´ olya- G. Szeg¨ o (1933) und W. Steklov: ur alle f ∈ C[a, b] , wenn dies f¨ ur alle Polynome richtig a) Genau dann gilt Qn f → f f¨ rn (n) ist und sup | ck | < ∞ gilt. n∈N k=1 (n)
ur alle f ∈ C[a, b] , wenn dies f¨ ur alle b) Im Fall ck ≥ 0 gilt genau dann Qn f → f f¨ Polynome richtig ist. Aus der Konvergenz der Folge ( Qn (1) =
rn
(n)
ck )
k=1
folgt in diesem Fall n¨ amlich automatisch die Beschr¨ anktheit der Folge ( Qn ) . Weitere Anwendungen des Prinzips der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit werden in Abschnitt 8.4 und in den folgenden Kapiteln des Buches vorgestellt.
8.3
Der Satz von der offenen Abbildung
Wir kommen nun zum n¨ achsten Prinzip der Funktionalanalysis, das ebenfalls auf dem Satz von Baire beruht. F¨ ur seine Formulierung ben¨ otigen wir den folgenden Begriff: Offene Abbildungen. a) Es seien M, N metrische R¨ aume. Eine Abbildung f : M → N heißt offen, wenn f¨ ur jede offene Menge D ⊆ M auch f (D) in N offen ist. Diese Eigenschaft ist a ¨quivalent zu der Bedingung ∀ x ∈ M ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 : f (UεM (x)) ⊇ UδN (f (x)) (vgl. Abb. 8.4 mit U := UεM (x) und V := UδN (f (x)) ).
(4)
8 Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit 151
N
M f V
U
f (U )
f (x)
x
Abb. 8.4: Eine offene Abbildung
b) Eine bijektive Abbildung f : M → N ist genau dann offen, wenn die Umkehrabbildung f −1 : N → M stetig ist (vgl. Satz A.2.5 im Anhang). ur alle ε > 0 . c) In einem normierten Raum X gilt Uε (x) = x + Uε (0) = x + ε U1 (0) f¨ Ein linearer Operator T : X → Y zwischen normierten R¨ aumen ist daher genau dann offen, wenn gilt: ∃ δ > 0 : f (U1X (0)) ⊇ UδY (0) . (5) Somit sind lineare offene Abbildungen stets surjektiv. d) F¨ ur Quotientenabbildungen π : X → Q = X/V gilt π(U1X (0)) = U1Q (0) (vgl. Aussage e) auf S. 21); sie sind also offen. Bis auf Isomorphie ist jede stetige und offene lineare Abbildung eine Quotientenabbildung: e) Einen linearen Operator T : X → Y zwischen normierten R¨ aumen kann man u ¨ber ˆ := X/N (T ) faktorisieren; dazu definiert man den Quotientenraum X ˆ →Y Tˆ : X
durch
Tˆ(ˆ x) := Tˆ(πx) := T x ,
x∈X.
(6)
ˆ Y ) wohldefiniert, und man hat T = Tˆ π mit der QuotientenabbilDann ist Tˆ ∈ L(X, ˆ , also das kommutative Diagramm aus Abb. 8.5. dung π : X → X X π ˆ X
T
Y Tˆ Abb. 8.5: T = Tˆ π
Stets ist Tˆ injektiv, und es gilt R(Tˆ) = R(T ) . Weiter ist Tˆ genau dann stetig, wenn ˆ dies auf T zutrifft, und in diesem Fall gilt Tˆ = T . Wegen Tˆ(U1X (0)) = T (U1X (0)) ist T schließlich genau dann offen, wenn dies auf Tˆ zutrifft. F¨ ur einen stetigen und ˆ ˆ offenen Operator T ∈ L(X, Y ) ist also T : X → Y eine Isomorphie. Wir k¨ onnen nun ein weiteres Prinzip der Funktionalanalysis formulieren:
152 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Theorem 8.7 (Satz von der offenen Abbildung) Es seien X, Y Banachr¨ aume und T ∈ L(X, Y ) , sodass das Bild R(T ) von T von zweiter Kategorie in Y ist. Dann ist T eine offene Abbildung. Wir f¨ uhren den Beweis am Ende dieses Abschnitts; zuvor notieren wir einige Spezialf¨ alle und Folgerungen. Ein wesentlicher Spezialfall von Theorem 8.7 ist: Satz 8.8 (vom inversen Operator) Es seien X, Y Banachr¨ aume und T ∈ L(X, Y ) bijektiv. Dann ist auch der inverse lineare Operator T −1 : Y → X stetig. Der Satz vom inversen Operator stammt von S. Banach (1929); der am Ende des Abschnitts vorgestellte Beweis mit Hilfe des Satzes von Baire sowie der Satz von der offenen Abbildung stammen von J.P. Schauder (1930). Aus Satz 8.8 ergibt sich sofort eine weitere L¨ osung von Aufgabe 4.2: Es ∞ seien X ein Banachraum und T ∈ L(X) , sodass die Reihe Sx := T k x f¨ ur alle Beispiel.
k=0
x ∈ X konvergiert. Dann gilt (I − T )Sx = x und S(I − T )x = x f¨ ur alle x ∈ X , und −1 somit ist I − T ∈ L(X) bijektiv. Nach Satz 8.8 ist dann (I − T ) = S ∈ L(X) stetig. Normal aufl¨ osbare Gleichungen. a) Aus Satz 8.8 ergibt sich auch die Umkehrung von Satz 7.7: Es seien H, G Hilbertr¨ aume, und T ∈ L(H, G) habe abgeschlossenes Bild. Dann ist T : N (T )⊥ → R(T ) eine stetige lineare Bijektion zwischen Banachr¨ aumen, und nach Satz 8.8 ist die Umkehrabbildung stetig. Daher gilt (7.25): ∃ γ > 0 ∀ x ∈ N (T )⊥ : T x ≥ γ x . b) Aus a) ergibt sich sofort eine L¨ osung von Aufgabe 7.6 c): Mit der orthogonalen Projektion Q von G auf R(T ) ist die verallgemeinerte Inverse“ von T gegeben durch ” T × = ( T |N (T )⊥ )−1 Q : G → H ; diese ist also linear und stetig. c) Die Argumente aus a) gelten auch im Fall von Banachr¨ aumen; die Rolle des Ortho⊥ ˆ := X/N (T ) aus gonalkomplements N (T ) wird dann von dem Quotientenraum X den obigen Ausf¨ uhrungen e) zu offenen Abbildungen u ¨bernommen: Satz 8.9 Es seien X, Y Banachr¨ aume und T ∈ L(X, Y ) . Das Bild R(T ) ist genau dann abgeschlossen, wenn die folgende Absch¨ atzung gilt: ∃ γ > 0 ∀ x ∈ X : Tx ≥ γ x ˆ = γ dN (T ) (x) .
(7)
Beweis. ⇐“: Es sei (yn ) eine Folge in R(T ) = R(Tˆ) mit yn → y in Y . Die Folge ” ˆ. (xˆn := Tˆ−1 yn ) ist wegen xˆn − xˆm ≤ γ −1 yn − ym eine Cauchy-Folge in X Nach Satz 1.8 ist dieser Quotientenraum vollst¨ andig, und f¨ ur x ˆ := lim xˆn gilt dann n→∞
Tˆx ˆ = y.
8 Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit 153
ˆ R(T )) ein bijektiver stetiger ⇒“: Da R(Tˆ) = R(T ) abgeschlossen ist, ist Tˆ ∈ L(X, ” linearer Operator zwischen Banachr¨ aumen. Nach Satz 8.8 ist Tˆ −1 stetig, und somit ♦ gilt eine Absch¨ atzung (7). Eine weitere wichtige Anwendung von Satz 8.8 betrifft Operatoren mit abgeschlossenen Graphen. a) Es seien X, Y normierte R¨ aume. F¨ ur eine lineare Abbildung T : X → Y ist der Graph Γ(T ) = {(x, T x) | x ∈ X} ein Unterraum von X × Y ; dieser ist genau dann abgeschlossen in X × Y , wenn f¨ ur jede Folge (xn ) in X gilt: xn → x in X und T xn → y in Y ⇒ y = T x .
(8)
b) Stetige lineare Operatoren T ∈ L(X, Y ) besitzen also abgeschlossene Graphen. Die Umkehrung dieser Aussage ist i. a. nicht richtig: Der Differentialoperator d dt
: (C 1 [a, b], sup ) → (C[a, b], sup ) ,
d dt f
:= f ,
(9)
d d ist unstetig. Gilt aber fn − f sup → 0 und dt fn − g sup → 0 , so folgt dt f =g d (vgl. [Kaballo 2000], 22.14), und somit ist Γ( dt ) abgeschlossen. Es gilt jedoch:
Satz 8.10 (vom abgeschlossenen Graphen) Es seien X, Y Banachr¨ aume und T : X → Y eine lineare Abbildung mit abgeschlossenem Graphen. Dann ist T stetig. Beweis. Durch j : x → (x, T x) wird eine lineare Bijektion von X auf Γ(T ) definiert. Offenbar ist j −1 stetig. Da X und Γ(T ) Banachr¨ aume sind, ist nach Satz 8.8 auch j ♦ stetig, und dies gilt dann auch f¨ ur T . Eine typische Anwendung des Graphensatzes ist der Beweis des folgenden Resultats: Satz 8.11 (Hellinger-Toeplitz) Es seien H ein Hilbertraum und T : H → H ein symmetrischer linearer Operator, d. h. es gelte T x|y = x|T y f¨ ur alle x, y ∈ H . Dann ist T stetig. ur z ∈ H ist dann Beweis. Es gelte xn → x und T xn → y in H . F¨ T x|z = x|T z =
lim xn |T z =
n→∞
lim T xn |z = y|z ,
n→∞
und es folgt y = T x . Nach (8) hat also T einen abgeschlossenen Graphen und ist somit stetig aufgrund von Satz 8.10. ♦ Wir notieren noch einige weitere Folgerungen aus Theorem 8.7:
154 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Beispiele. Ist ein stetiger linearer Operator T ∈ L(X, Y ) zwischen Banachr¨ aumen nicht surjektiv, so ist sein Bild R(T ) nach Theorem 8.7 mager in Y . So sind etwa ur k ∈ N und 0 < α ≤ 1 die R¨ aume C k+1 [a, b] oder Λk,α [a, b] mager in C k [a, b] f¨ ur 1 ≤ r < p ≤ ∞ . Die meisten“ Funktionen aus oder Lp [a, b] mager in Lr [a, b] f¨ ” Λk,α [a, b] liegen also nicht in C k [a, b] , und die meisten“ Funktionen aus Lr [a, b] nicht ” in Lp [a, b] . Nun beweisen wir Theorem 8.7 in zwei Schritten, die wir als Lemmata formulieren. Zur Abk¨ urzung seien U und V die offenen Einheitskugeln von X und Y . Lemma 8.12 Es seien X, Y normierte R¨ aume und T : X → Y ein linearer Operator, sodass das Bild R(T ) von T von zweiter Kategorie in Y ist. Dann gilt ∃ δ > 0 : T (U ) ⊇ δ V . ∞
Beweis. Wegen X =
k U gilt R(T ) =
k=1
◦
∞
(10)
T (kU ) . Da R(T ) von zweiter Kategorie
k=1
in Y ist, gibt es n ∈ N mit T (nU ) = ∅ . Somit existieren y0 ∈ Y und α > 0 mit ur y ∈ α V gilt dann y0 ∈ T (nU ) und y + y0 ∈ T (nU ) ; es gibt Vα (y0 ) ⊆ T (nU ) . F¨ ur j → ∞ . also Folgen (aj ) und (bj ) in U mit nT (aj ) → y0 und nT (bj ) → y + y0 f¨ Folglich gilt nT (bj − aj ) → y , und wegen bj − aj < 2 erh¨ alt man y ∈ T (2nU ) und α . ♦ damit α V ⊆ T (2nU ) = 2n T (U ) . Daraus folgt (10) mit δ = 2n Lemma 8.13 Es seien X ein Banachraum, Y ein normierter Raum und T : X → Y ein linearer Operator mit abgeschlossenem Graphen, so dass Bedingung (10) gilt. Dann folgt (1 + ε) T (U ) ⊇ T (U )
f¨ ur alle ε > 0 .
(11)
ulle Bedingung (10). Wir w¨ ahlen eine Beweis. a) Es sei ε1 := 1 , und δ > 0 erf¨ ∞ Nullfolge (εn )n≥2 in (0, ∞) mit εn−1 > εn und εn < ε und setzen δn = δ εn . Zu n=2
y ∈ T (U ) gibt es z1 ∈ T (U ) mit y − z1 =: y2 ∈ δ2 V . Wegen (10) gilt δ2 V ⊆ T (ε2 U ) ; zu y2 gibt es also z2 ∈ T (ε2 U ) mit y − z1 − z2 = y2 − z2 =: y3 ∈ δ3 V ⊆ T (ε3 U ) . So fortfahrend konstruieren wir f¨ ur n ∈ N Elemente zn ∈ T (εn U ) und yn ∈ δn V mit y−
n
zj = yn+1 ,
n ∈ N.
(12)
j=1
b) Nun w¨ ahlen wir xj ∈ εj U mit T xj = zj . Wegen und der Vollst¨ andigkeit von X existiert x :=
∞
∞
xj ≤ 1 +
j=1
j=1
xj → x
und
T(
n j=1
xj ) =
n j=1
εj < 1 + ε
j=2
xj ∈ (1 + ε) U . Wegen (12) gilt
j=1 n
∞
zj = y − yn+1 → y ,
8 Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit 155
und daraus folgt y = T x ∈ T ((1 + ε) U ) = (1 + ε) T (U ) , da T einen abgeschlossenen ♦ Graphen hat. Beweis von Theorem 8.7. Dieser folgt sofort aus den beiden Lemmata und (5). Wir haben sogar die folgende etwas allgemeinere Formulierung bewiesen: Es seien X ein Banachraum, Y ein normierter Raum und T : X → Y ein linearer Operator mit abgeschlossenem Graphen, sodass das Bild R(T ) von T von zweiter Kategorie in Y ist. Dann ist T eine offene Abbildung. In dieser Situation ist dann nat¨ urlich R(T ) = Y . Es gibt unvollst¨ andige normierte R¨ aume von zweiter Kategorie, vgl. [Jarchow 1981], 5.7B. Ist aber Y vollst¨ andig, so muss T nach dem Satz vom abgeschlossenen Graphen auch stetig sein. Wird umgekehrt T als stetig vorausgesetzt, so gilt Y ∼ = X/N (T ) (vgl. S. 151), und somit ist Y vollst¨ andig nach Satz 1.8.
8.4
Anwendungen auf Fourier-Reihen
Wir wenden nun die auf dem Satz von Baire beruhenden Prinzipien auf die Untersuchung von Fourier-Reihen an. Grundlegend daf¨ ur ist die folgende Absch¨ atzung: Satz 8.14 F¨ ur die Dirichlet-Kerne (vgl. (5.10)) gilt ∃0 0 mit α 2t ≤ sin
π −π
| Dn (t) |dt ¯
=
1 π
=
2 π
≥
2 π
π 0
|
t 2
2
0
k=1
≤
t 2
f¨ ur 0 ≤ t ≤ π . Daraus ergibt sich
sin((2n+1) 2t ) sin 2t
(2n+1) π n
π Dn (t) dt ¯ ≤ C log n . −π
c log n ≤
:
1 kπ
| dt ≥
2 π
| sin u | du u ≥
2 π
kπ (k−1)π
≤
2 απ 2 α
+
n+1 k=1 4 α π2
kπ
(k−1)π n k=1
1 k
0
2 απ
| sin u | du u ≤
| sin(2n + 1) 2t | dt t
n kπ k=1
| sin u | du =
(vgl. Abb. 8.6). Genauso erh¨ alt man π π | Dn (t) |dt ¯ ≤ α2π 0 | sin(2n + 1) 2t | dt t = −π ≤
π
(k−1)π 4 π2
n k=1
(2n+1) π
2 απ
0
(π +
2
n+1 k=2
| sin u | du u 1 k
| sin u | du u 1 (k−1)π
kπ (k−1)π
| sin u | du)
.
Daraus folgt nun die Behauptung aufgrund der Existenz des Grenzwerts (Eulersche n 1 ♦ Konstante, vgl. [Kaballo 2000], 18.9) γ := lim ( k − log n) . n→∞
k=1
156 III Prinzipien der Funktionalanalysis
1
0
π
3π
Abb. 8.6: Die Funktionen t →
5π | sin t | t
und t →
7π
1 t
Wir zeigen nun die Existenz einer Funktion f ∈ L1 [−π, π] , deren Fourier-Reihe nicht in L1 [−π, π] konvergiert, sowie die einer Funktion f ∈ C2π , deren Fourier-Reihe nicht punktweise konvergiert. Der Beweis mit Hilfe des Satzes von Baire zeigt sogar, dass dies f¨ ur die meisten“ Funktionen in L1 [−π, π] bzw. C2π der Fall ist. Wie in Kapitel ” 5 seien n
sn (f ; t) =
f(k)eikt = (Dn f )(t)
k=−n
die Partialsummen der Fourier-Reihe von f . Satz 8.15 Die Menge M := {f ∈ L1 [−π, π] | sup sn (f ) L1 < ∞} ist mager in L1 [−π, π] . n∈N
Beweis. Durch sn : f → sn (f ) = Dn f wird ein linearer (Faltungs-) Operator auf ¯ definiert, f¨ ur den nach Satz 5.4 die Absch¨ atzung L1 ([−π, π],dt) sn (f ) L1 ≤ Dn L1 f L1 gilt. F¨ ur eine Dirac-Folge (δj ) gilt nach Satz 5.5 sn (δj ) = Dn δj → Dn in L1 [−π, π] , are nun die Menge M nicht und wegen δj L1 = 1 hat man sn = Dn L1 . W¨ aßigen Beschr¨ anktheit; mager, so folgte sup sn < ∞ aus dem Prinzip der gleichm¨ n∈N
♦
dies widerspricht aber Satz 8.14.
1 Bemerkungen. a) Es sei 1 < p < ∞ . Dann ist der Raum C2π dicht in Lp [−π, π] 1 (vgl. Satz 5.7), und f¨ ur f ∈ C2π gilt sn (f ) → f in Lp [−π, π] (vgl. Satz 6.11 und seine Folgerungen). Nach Satz 8.6 gilt daher
f − sn (f ) Lp → 0 f¨ ur alle f ∈ Lp [−π, π] ⇔ sup sn L(Lp [−π,π]) < ∞ . n∈N
(13)
8 Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit 157
b) F¨ ur p = 2 sind diese Aussagen nach Theorem 6.5 nat¨ urlich richtig. Sie gelten in der Tat f¨ ur alle Exponenten 1 < p < ∞ (vgl. [Katznelson 1976]). Wir kommen nun zu Fourier-Reihen stetiger periodischer Funktionen. Bereits 1873 fand P. Du Bois-Reymond eine solche Funktion, deren Fourier-Reihe nicht gleichm¨ aßig gegen diese konvergiert. Mit Hilfe des Satzes von Baire k¨ onnen wir nun zeigen: Satz 8.16 a) F¨ ur t ∈ [−π, π] ist der Funktionenraum Mt := {f ∈ C2π | sup | sn (f ; t) | < ∞} n∈N
mager in C2π . b) Es gibt eine dichte Gδ -Menge G ⊆ C2π , sodass es f¨ ur alle f ∈ G eine dichte Gδ -Menge S(f ) ⊆ [−π, π] gibt mit sup | sn (f ; t) | = ∞
n∈N
f¨ ur alle t ∈ S(f ) .
Beweis. a) F¨ ur t ∈ [−π, π] ist stn : f → sn (f ; t) eine Linearform auf C2π mit sn =
π −π
| Dn (t − s) |ds ¯ = Dn L1
(vgl. Satz 3.4). Ist also Mt von zweiter Kategorie, so gilt sup stn < ∞ nach dem n∈N
Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit im Widerspruch zu Satz 8.14. b) Wir w¨ ahlen eine abz¨ ahlbare dichte Menge {tj }∞ j=1 in [−π, π] ; dann ist auch die ∞
Mtj mager in C2π . Nach einer Bemerkung auf S. 148 gibt es eine zu Menge M := j=1
M disjunkte dichte Gδ -Menge G in C2π , und f¨ ur f ∈ G gilt sup | sn (f ; tj ) | = ∞ f¨ ur n∈N
ur k ∈ N ist Sk := {t ∈ [−π, π] | sup | sn (f ; t) | > k} offen in [−π, π] , alle j ∈ N . F¨ n∈N
die Menge
S(f ) := {t ∈ [−π, π] | sup | sn (f ; t) | = ∞} = n∈N
$ k∈N
Sk
also eine Gδ -Menge, die wegen tj ∈ S(f ) f¨ ur alle j ∈ N in [−π, π] dicht ist.
♦
Bemerkungen. Als dichte Gδ -Menge in [−π, π] ist S(f ) u ahlbar, und das ¨berabz¨ Komplement von S(f ) ist mager. Allerdings ist S(f ) eine Lebesgue-Nullmenge, da nach einem tiefliegenden Satz von L. Carleson3 die Fourier-Reihe einer L2 -Funktion
3
Acta Math. 116, 135-157 (1966)
158 III Prinzipien der Funktionalanalysis
fast u ur p > 1 auch f¨ ur die ¨berall konvergent ist. R.A. Hunt zeigte 1968, dass dies f¨ Fourier-Reihe einer Lp -Funktion gilt. Bereits 1926 hatte aber A. Kolmogorov eine L1 Funktion konstruiert, deren Fourier-Reihe u ur diesen Themenkreis ¨berall divergent ist. F¨ verweisen wir auf [Zygmund 2002]. F¨ ur das Bild der Fourier-Abbildung F : L1 [−π, π] → c0 (Z) gelten diese Aussagen: Satz 8.17 a) Die Fourier-Abbildung F : L1 [−π, π] → c0 (Z) ist injektiv, aber nicht surjektiv. Ihr Bild F(L1 [−π, π]) ist mager in c0 (Z) . ur p < ∞ nicht in p (Z) enthalten. b) Es ist F (L1 [−π, π]) f¨ Beweis. a) Die Fourier-Abbildung F : L1 [−π, π] → c0 (Z) ist injektiv; aus F (f ) = 0 folgt in der Tat f = 0 aufgrund des Satzes von Fej´er 5.5. W¨ are F auch surjektiv, so atzung m¨ usste F −1 nach Satz 8.8 stetig sein, also eine Absch¨ f L1 ≤ C F (f ) sup = C sup{| f(k) | | k ∈ Z}
n (k) = 1 f¨ n (k) = 0 gelten. F¨ ur die Dirichlet-Kerne gilt aber D ur | k | ≤ n und D f¨ ur | k | > n , also F(Dn ) sup = 1 sowie Dn L1 → ∞ nach Satz 8.14. Folglich ist F : L1 [−π, π] → c0 (Z) nicht surjektiv, und nach Theorem 8.7 muss F(L1 [−π, π]) sogar mager in c0 (Z) sein. ur 1 ≤ p < ∞ , so hat F : L1 [−π, π] → p (Z) einen b) Gilt F (L1 [−π, π]) ⊆ p (Z) f¨ abgeschlossenen Graphen. Gilt in der Tat fn → f in L1 [−π, π] und Ffn → g in p (Z) , so folgt auch F fn → g in c0 (Z) und somit g = Ff . Nach dem Graphensatz ur die Dirichlet-Kerne gilt aber 8.10 ist also F : L1 [−π, π] → p (Z) stetig. F¨ 1
F (Dn ) p = (2n + 1) p
und Dn L1 ≤ C log n
nach Satz 8.14; folglich kann keine Absch¨ atzung Ff p ≤ C f L1 gelten.
♦
Aussage b) l¨ asst sich noch wesentlich versch¨ arfen (vgl. Aufgabe 8.13). Wir haben die angegebene Formulierung gew¨ ahlt, weil ihr Beweis eine typische Anwendung des Graphensatzes 8.10 ist. Es ist jedoch schwierig, das Bild der Fourier-Abbildung F : L1 [−π, π] → c0 (Z) genau zu beschreiben.
8.5
Aufgaben
Aufgabe 8.1 Konstruieren Sie eine Folge stetiger Funktionen auf Q , deren Limes auf ganz Q unstetig ist.
8 Konsequenzen der Vollst¨ andigkeit 159
Aufgabe 8.2 Zeigen Sie, dass ein Durchschnitt abz¨ ahlbar vieler dichter Gδ -Mengen in einem vollst¨ andigen metrischen Raum wieder eine dichte Gδ -Menge ist. Aufgabe 8.3 Zeigen Sie, dass f¨ ur n ∈ N die Mengen An := {f ∈ C[a, b] | ∃ x ∈ [a, b] ∀ y ∈ [a, b] : | f (x) − f (y) | ≤ n | x − y |} in C[a, b] abgeschlossen und nirgends dicht sind. Schließen Sie, dass es eine dichte Gδ -Menge in C[a, b] aus nirgends differenzierbaren Funktionen gibt. Aufgabe 8.4 Es sei {rn }n∈N die Menge der rationalen Zahlen in [0,1] . Wir definieren die Mengen
$ Mk := n∈N U2−k−n (rn ) und M := k∈N Mk ∩ [0,1] . Zeigen Sie: a) Die Menge N := [0,1]\M ist mager, hat aber Lebesgue-Maß λ(N ) = 1 . b) Es ist M eine Lebesgue-Nullmenge und eine dichte Gδ -Menge in [0,1] . Aufgabe 8.5 Es sei H ein Hilbertraum. Zeigen Sie, dass eine Menge M ⊆ H genau dann beschr¨ ankt ist, wenn sup {| x, y | | y ∈ M } < ∞ f¨ ur alle x ∈ H gilt. Aufgabe 8.6 Gegeben sei der Unterraum X := {f ∈ C[a, b] | supp f ⊆ (a, b]} von C[a, b] . Finden Sie eine Folge (ϕn ) in C[a, b] mit ϕn (f ) → 0 f¨ ur f ∈ X und ϕn → ∞ . Schließen Sie, dass X mager in C[a, b] ist. Aufgabe 8.7 Es seien X ein Banachraum sowie (An ) und (Bn ) Folgen in L(X) mit An x → Ax ur alle x ∈ X . Zeigen Sie An Bn x → ABx f¨ ur alle x ∈ X . und Bn x → Bx f¨ Aufgabe 8.8 Es seien X, Y, Z Banachr¨ aume und β : X × Y → Z eine getrennt stetige bilineare Abbildung. Zeigen Sie, dass β stetig ist. Wie lassen sich die Voraussetzungen abschw¨ achen oder variieren ? Aufgabe 8.9 Es sei X = (C[t], L1 [0,1] ) der Raum der komplexen Polynome auf [0,1] mit der Norm 1 1 p := 0 | p(t) | dt . Zeigen Sie, dass durch β(p, q) := 0 p(t) q(t) dt eine getrennt stetige, aber unstetige Bilinearform auf X definiert wird. Aufgabe 8.10 Es seien X ein Banachraum und J ein Linksideal in L(X) , d. h. es gelte J ·L(X) ⊆ J . Unter einer Norm J mit T ≤ C T J f¨ ur T ∈ J sei J ein Banachraum. Zeigen Sie, dass die Multiplikation von J × L(X) nach J stetig ist.
160 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Aufgabe 8.11 Folgern Sie Satz 8.8 aus dem Graphensatz 8.10. Aufgabe 8.12 Eine Folge (xk )k∈N0 in einem normierten Raum X heißt Schauder-Basis von X , falls ∞ jeder Vektor x ∈ X eine eindeutige Darstellung x = αk xk mit αk ∈ K hat. Zeigen k=0
Sie: a) Ein Raum mit Schauder-Basis ist separabel. b) Eine Orthonormalbasis ist eine Schauder-Basis eines Hilbertraumes. ur 1 ≤ p < ∞ besitzen eine Schauder-Basis. c) Die R¨ aume c0 und p f¨ d) Es sei X ein Banachraum mit Schauder-Basis. Dann sind die Projektionen n Pn : x → αk xk stetig, und man hat supn Pn < ∞ sowie Pn x → x gleichm¨ aßig k=0
auf pr¨ akompakten Teilmengen von X . aquivalente Norm auf X definiert. Hinweis. Durch x ∗ := supn Pn x wird eine ¨ Aufgabe 8.13 a) Es sei X ein normierter Raum. Eine Menge A ⊆ X heißt absolutkonvex (vgl. S. 186), falls tA + sA ⊆ A f¨ ur | t | + | s | ≤ 1 gilt. Eine Menge T ⊆ X heißt Tonne, falls sie
abgeschlossen und absolutkonvex ist und X = j∈N jT gilt. Zeigen Sie: Ist X von zweiter Kategorie und T eine Tonne in X , so gibt es ε > 0 mit Uε (0) ⊆ T . b) Zeigen Sie, dass die Menge S := {f ∈ L1 [−π, π] | ∃ 1 ≤ p < ∞ :
∞
| f(k) |p < ∞}
k=−∞
in L1 [−π, π] mager ist. c) Es sei (ak ) irgendeine Nullfolge positiver Zahlen. Zeigen Sie, dass auch die Menge
M := {f ∈ L1 [−π, π] | sup a−1 k | f (k) | < ∞} k∈Z
in L1 [−π, π] mager ist.
9 Stetige lineare Funktionale
9
161
Stetige lineare Funktionale
Fragen: 1. Es seien X, Y Banachr¨ aume, V ⊆ X ein Unterraum und T0 ∈ L(V, Y ) . Kann man T0 zu einem stetigen linearen Operator T ∈ L(X, Y ) fortsetzen? 2. Es seien π : Y → Q eine Quotientenabbildung von Banachr¨ aumen, X ein weiterer Banachraum und T0 ∈ L(X, Q) . Kann man T0 zu einem Operator T ∈ L(X, Y ) liften, sodass also T0 = πT gilt? 3. Versuchen Sie f¨ ur konkrete Banachr¨ aume, den Dualraum konkret anzugeben“. ” In diesem Kapitel behandeln wir ein weiteres grundlegendes Prinzip der Funktionalanalysis, den Fortsetzungssatz von Hahn-Banach. Dieser besagt, dass ein stetiges lineares Funktional auf einem Unterraum eines normierten Raumes unter Erhaltung seiner Norm auf den ganzen Raum fortgesetzt werden kann. Der Satz von Hahn-Banach hat wichtige Anwendungen in der Approximationstheorie und der Spektraltheorie, oft im Zusammenspiel mit funktionentheoretischen Methoden. Im Fall von Hilbertr¨ aumen folgt der Satz von Hahn-Banach leicht aus dem Rieszschen Darstellungssatz 7.3 oder mittels orthogonaler Projektionen. Man kann ihn dazu verwenden, die Konzepte der Orthogonalkomplemente und der adjungierten Operatoren im Rahmen von Banachr¨ aumen zu imitieren. Aufgrund des Satzes von Hahn-Banach ist ein Vektor in einem Banachraum X durch die Wirkung aller stetigen Linearformen auf ihn eindeutig festgelegt; so erh¨ alt man die kanonische Einbettung von X in den Bidualraum X . Der Raum X heißt reflexiv, wenn diese surjektiv ist; dieses Konzept spielt ab Abschnitt 9.3 eine wichtige Rolle. In Abschnitt 9.4 identifizieren wir die Dualr¨ aume von C(K) - und Lp -R¨ aumen und untersuchen ihre Reflexivit¨ at. In Abschnitt 9.5 gehen wir auf das Fortsetzungsproblem f¨ ur stetige lineare Operatoren ein und stellen eine Verbindung zu stetigen Projektionen her.
9.1
Der Fortsetzungssatz von Hahn-Banach
Motivation. a) Eine sehr wichtige Aussage der Spektraltheorie wurde in Satz 4.3 formuliert: Das Spektrum eines Elements einer Banachalgebra ist stets nicht leer. Ihr Beweis beruht auf der in Satz 4.2 formulierten Existenzaussage f¨ ur stetige Linearformen auf Banachr¨ aumen: b) Zu jedem Vektor x = 0 in einem Banachraum X gibt es eine stetige Linearform f ∈ X mit f (x) = 0 . c) Zum Beweis dieser Aussage definiert man zun¨ achst f0 : [x] → K einfach durch alt f0 ∈ [x] mit f0 (x) = x > 0 und f0 = 1 . Diese f0 (λx) := λ x und erh¨ Linearform f0 kann man dann zu einer Linearform f ∈ X mit f = 1 auf den ganzen Raum fortsetzen; dies ist ein Spezialfall des folgenden Satzes von Hahn-Banach
162 III Prinzipien der Funktionalanalysis
9.3. Dieser wurde im reellen Fall unabh¨ angig voneinander von H. Hahn 1927 und S. Banach 1929 bewiesen; der wesentliche Beweisschritt 1 geht bereits auf E. Helly (1912) zur¨ uck. S. Banach zeigte 1929 auch die allgemeinere Version 9.1 des Fortsetzungssatzes; im komplexen Fall wurde dieser erst von F. J. Murray (1936), H.F. Bohnenblust und A. Sobczyk (1938) sowie G.A. Sukhomlinov (1938) gezeigt. Wir starten mit einer allgemeinen Version 9.1 dieses Satzes im reellen Fall; dabei verwenden wir: Sublineare Funktionale. Es sei E ein Vektorraum u ¨ber R . Ein sublineares Funktional auf E ist eine Abbildung p : E → R mit den Eigenschaften p(x + y)
≤
p(x) + p(y)
f¨ ur x , y ∈ E ,
p(tx)
=
t p(x)
f¨ ur x ∈ E , t ≥ 0 .
Spezialf¨ alle sublinearer Funktionale sind Halbnormen und Normen; andere Beispiele findet man in Aufgabe 9.1. Nun gilt: Theorem 9.1 (Hahn-Banach) Gegeben seien ein reeller Vektorraum E und ein Unterraum V0 ⊆ E . Weiter seien ur alle x ∈ V0 . Dann p : E → R sublinear und f0 : V0 → R linear mit f0 (x) ≤ p(x) f¨ gibt es eine Linearform f : E → R mit f |V0 = f0 und − p(−x) ≤ f (x) ≤ p(x) , E ∪ V0
x∈E.
(1)
p f
R
f0
Abb. 9.1: Fortsetzung von f0 ≤ p zu f ≤ p
Der Beweis erfolgt in zwei Schritten. Zun¨ achst erweitern wir die Linearform f0 unter Erhaltung der Absch¨ atzung f0 ≤ p um eine Dimension und schließen daraus dann auf die allgemeine Behauptung. Beweisschritt 1.
a) Wir w¨ ahlen x1 ∈ E\V0 und setzen
V1 := V0 ⊕ [x1 ] = {x + λx1 | x ∈ V0 , λ ∈ R} . F¨ ur x, y ∈ V0 hat man f0 (x) + f0 (y) = f0 (x + y) ≤ p(x + y) ≤ p(x − x1 ) + p(x1 + y) , f0 (x) − p(x − x1 ) ≤ p(x1 + y) − f0 (y)
f¨ ur x, y ∈ V0 .
also (2)
9 Stetige lineare Funktionale 163
Nun sei α ∈ R das Supremum u ¨ber x ∈ V0 der linken Seite in (2); dann gilt f0 (x) − α ≤ p(x − x1 )
und
f0 (y) + α ≤ p(x1 + y)
(3)
f¨ ur x ∈ V0 und y ∈ V0 . b) Nun definieren wir eine lineare Fortsetzung f1 : V1 → R von f0 : V0 → R durch f1 (x + λx1 ) := f0 (x) + λ α . F¨ ur λ > 0 gilt f0 ( λy ) + α ≤ p( λy + x1 ) nach der zweiten Absch¨ atzung in (3); daraus folgt f1 (y + λx1 ) = f0 (y) + λα ≤ λ p( λy + x1 ) = p(y + λx1 ) . x x ) − α ≤ p( −λ − x1 ) nach der ersten Absch¨ atzung in (3), also F¨ ur λ < 0 gilt f0 ( −λ x f1 (x + λx1 ) = f0 (x) + λα ≤ (−λ) p( −λ − x1 ) = p(x + λx1 ) .
ur alle v ∈ V1 . Somit gilt f1 (v) ≤ p(v) f¨ Nach Beweisschritt 1 k¨ onnen wir also die Linearform unter Erhaltung der Absch¨ atzung f ≤ p stets um eine Dimension erweitern. Dies tun wir nun so lange, bis es nicht mehr ” m¨ oglich ist“; dann muss aber die Linearform auf dem ganzen Raum E definiert sein. ¨ Ahnlich wie in Satz 6.6 kann dieses naive“ Erweiterungsargument mit Hilfe transfiniter ” Induktion oder des Zornschen Lemmas A.1.2 pr¨ azisiert werden: Beweisschritt 2. Wir betrachten das System S aller Paare (V , f ) von Un terr¨ aumen V0 ⊆ V ⊆ E und Linearformen f : V → R mit f V = f0 und f ≤ p 0 auf V . Auf S definieren wir eine Halbordnung durch
(V , f ) ≺ (V , f ) : ⇔ V ⊆ V und f V = f . Nun sei C eine Kette, d. h. eine total geordnete Teilmenge von S . Die Vereinigung V ∗ aller in C vorkommenden Unterr¨ aume ist ein Unterraum von E , und durch f ∗ (x) := ur x ∈ V wird eine lineare Fortsetzung von f0 auf V ∗ mit f ∗ ≤ p definiert. f (x) f¨ Somit ist (V ∗ , f ∗ ) eine obere Schranke von C . Nach dem Zornschen Lemma besitzt daher S ein maximales Element (V, f ) . Wegen Beweisschritt 1 muss dann V = E gelten. Aus f ≤ p folgt insbesondere −f (x) = f (−x) ≤ p(−x) f¨ ur alle x ∈ E und ♦ somit schließlich (1). Nun folgt eine Version des Satzes von Hahn-Banach f¨ ur Halbnormen im reellen oder ultige Formel komplexen Fall. Dabei benutzen wir die f¨ ur z = x + iy ∈ C g¨ z = x + iy = Re z − i Re(iz) , die man durch Nachrechnen sofort best¨ atigt.
(4)
164 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Theorem 9.2 (Hahn-Banach) Es seien E ein Vektorraum u ¨ber K = R oder K = C und V0 ⊆ E ein Unterraum. Weiter seien p : E → R eine Halbnorm und f0 : V0 → K linear mit | f0 (x) | ≤ p(x) f¨ ur alle x ∈ V0 . Dann gibt es eine Linearform f : E → K mit f |V0 = f0 und | f (x) | ≤ p(x) ,
x∈E.
(5)
ur Halbnormen Beweis. a) Im Fall K = R ist Behauptung (5) a ¨quivalent zu (1), da f¨ p(−x) = p(x) gilt. Somit folgt in diesem Fall Theorem 9.2 aus Theorem 9.1. b) F¨ ur K = C betrachten wir die reelle Linearform u0 := Re f0 : V0 → R . Nach Theorem 9.1 hat u0 eine R -lineare Fortsetzung u : E → R mit u ≤ p . Wir definieren f :E→C
durch
f (x) := u(x) − i u(ix) .
Man rechnet leicht nach, dass f dann C -linear ist, und wegen (4) gilt f |V0 = f0 . Zu x ∈ E w¨ ahlen wir α ∈ C mit | α | = 1 und αf (x) = | f (x) | und erhalten | f (x) | = αf (x) = f (αx) = u(αx) ≤ p(αx) = p(x) .
♦
Schließlich formulieren wir einen wichtigen Spezialfall explizit: Theorem 9.3 (Hahn-Banach) Es seien X ein normierter Raum u ¨ber K = R oder K = C , V0 ⊆ X ein Unterraum und f0 ∈ V0 eine stetige Linearform auf V0 . Dann hat f0 eine Fortsetzung zu einer stetigen Linearform f ∈ X auf X mit f = f0 . Zum Beweis von Theorem 9.3 w¨ ahlen wir in Theorem 9.2 einfach p(x) = f0 x . Ein weiterer Beweis f¨ ur separable R¨ aume. F¨ ur separable normierte R¨ aume X l¨ asst sich Theorem 9.3 ohne Verwendung des Zornschen Lemmas beweisen: ∞ Es gibt eine abz¨ ahlbare Menge {xj }∞ j=1 in X , sodass V0 ∪ {xj }j=1 in X dicht ist. ur Durch Weglassen u ussiger“ Vektoren k¨ onnen wir xn+1 ∈ V0 ⊕ [x1 , . . . , xn ] f¨ ¨berfl¨ ” ∞ N erreichen, sodass der Raum V := V ⊕ [x ] noch dicht in X ist. Nach alle n ∈ 1 0 j j=1 Schritt 1 des Beweises von Theorem 9.1 und Teil b) des Beweises von Theorem 9.2 k¨ onnen wir die Linearform f0 unter Erhaltung ihrer Norm stets um eine Dimension erweitern. Somit liefert vollst¨ andige Induktion eine Fortsetzung f1 von f0 auf V1 mit f1 = f0 , und diese setzen wir mittels Satz 3.5 zu einer Linearform f ∈ X mit ♦ f = f0 fort.
Mit Theorem 9.3 ist nun insbesondere Satz 4.3 bewiesen: Es seien A eine Banachalgebra u ¨ber C und x ∈ A . Dann gilt σ(x) = ∅ . Satz 4.2 l¨ asst sich folgendermaßen verallgemeinern:
9 Stetige lineare Funktionale 165
Satz 9.4 Es seien V ein abgeschlossener Unterraum eines normierten Raumes X und x1 ∈ X\V . Dann gibt es eine stetige Linearform f ∈ X mit f |V = 0 und f (x1 ) = 0 . Beweis. Wir betrachten die Quotientenabbildung π : X → X/V . Wegen πx1 = 0 gibt es nach Satz 4.2 eine stetige Linearform g ∈ ( X/V ) mit g(πx1 ) = 0 . Die Behauptung ♦ folgt dann mit f := g ◦ π ∈ X . Satz 9.4 ist ein Trennungssatz f¨ ur Punkte und abgeschlossene Unterr¨ aume; er wird in Theorem 10.3 zu einem Trennungssatz f¨ ur konvexe Mengen erweitert. Satz 9.4 hat auch wichtige Anwendungen auf Approximationsprobleme. Genau dann kann jedes Element x ∈ X eines normierten Raumes durch eine Folge aus einem gegebenen Unterraum V ⊆ X approximiert werden, wenn V in X dicht ist. Eine Umformulierung von Satz 9.4 besagt dazu: Satz 9.5 Es sei V ein Unterraum eines normierten Raumes X , sodass f¨ ur jede stetige Linear form f ∈ X aus f |V = 0 bereits f = 0 folgt. Dann ist V dicht in X . Beweis. Andernfalls gibt es x1 ∈ X\V , und Satz 9.4 liefert einen Widerspruch.
♦
Satz 9.5 wird im Beweis der folgenden Verallgemeinerung des Weierstraßschen Approximationssatzes verwendet, die von H. M¨ untz (1914) und O. Sz´ asz (1916) stammt.
Theorem 9.6 (M¨ untz-Sz´ asz) Es seien (λk ) eine streng monoton wachsende Folge in (0, ∞) und V der Abschluss des Raumes [1, tλ1 , tλ2 , tλ3 , . . .] in C[0,1] . ∞ 1 a) Im Fall λk = ∞ gilt V = C[0,1] . b) Im Fall
k=1 ∞
k=1
1 λk
< ∞ gilt tλ ∈ V f¨ ur alle 0 = λ ∈ {λk }∞ k=1 .
Beweis-Skizze. Wir skizzieren nur den Beweis von a); f¨ ur einen vollst¨ andigen Beweis von a) und b) sei auf [Rudin 1974], Theorem 15.26 verwiesen. ur k ∈ N . Es sei μ ∈ C[0,1] mit μ|V = 0 , also μ(1) = 0 und μ(tλk ) = 0 f¨ z Man zeigt, dass die Hilfsfunktion h(z) := μ(t ) holomorph in der rechten Halbebene H := {z ∈ C | Re z > 0} ist. Offenbar gilt | h(z) | ≤ μ f¨ ur z ∈ H , und man hat ∞ 1 ur k ∈ N . Wegen h(λk ) = 0 f¨ λk = ∞ implizieren diese Bedingungen aufgrund k=1
eines Identit¨ atssatzes f¨ ur beschr¨ ankte holomorphe Funktionen h = 0 ; dieser beruht auf der Jensen-Formel der Funktionentheorie. Folglich gilt μ(tk ) = 0 f¨ ur alle k ∈ N und dann auch f¨ ur alle k ∈ N0 , also μ(P ) = 0 f¨ ur alle Polynome P . Der Weierstraßsche Approximationssatz impliziert nun μ = 0 , und mit Satz 9.5 folgt Behauptung a).
166 III Prinzipien der Funktionalanalysis
9.2
Duale Operatoren und Annihilatoren
Aus dem Satz von Hahn-Banach ergibt sich die Existenz gen¨ ugend vieler“ stetiger ” Linearformen auf Banachr¨ aumen. Wir k¨ onnen daher die in Hilbertr¨ aumen wichtigen Konzepte der Orthogonalkomplemente und der adjungierten Operatoren im Rahmen von Banachr¨ aumen imitieren. Allerdings liegen Annihilatoren von Teilmengen von X im Dualraum X , und ein zu T ∈ L(X) dualer Operator operiert auf X . Insbesondere gibt es keine selbstdualen“ Operatoren. ” Duale Operatoren. a) F¨ ur einen normierten Raum X , x ∈ X und eine Linearform x ∈ X verwenden wir in Analogie zu Skalarprodukten die Notation x, x X×X := x, x := x (x) . Wie in Teil c) der Motivation auf S. 161 gibt es f¨ ur x ∈ X aufgrund des Theorems von Hahn-Banach 9.3 eine Linearform x ∈ X mit x = 1 und | x, x | = x ; folglich gilt x = max {| x, x | | x ∈ X , x = 1}
f¨ ur x ∈ X .
(6)
b) Nun seien X, Y normierte R¨ aume. F¨ ur T ∈ L(X, Y ) definieren wir den dualen oder ur y ∈ Y , also transponierten Operator T : Y → X durch T y := y ◦ T f¨ T x, y = x, T y
f¨ ur x ∈ X und y ∈ Y .
(7)
c) F¨ ur T ∈ L(X, Y ) gilt T ∈ L(Y , X ) und T = T . Analog zu Satz 7.4 hat man in der Tat wegen (6) T
=
sup { T y | y ≤ 1} = sup {| x, T y | | x , y ≤ 1}
=
sup {| T x, y | | x , y ≤ 1} = sup { T x | x ≤ 1} = T .
d) Analog zu Bemerkungen auf S. 130 gilt stets (T1 + T2 ) = T1 + T2 , (λT ) = λT und (ST ) = T S . Ist T eine surjektive Isomorphie, so gilt dies auch f¨ ur T , und man hat (T )−1 = (T −1 ) . Diese Aussagen sind leicht nachzurechnen, vgl. Aufgabe 9.3. Annihilatoren. Es sei X ein normierter Raum. F¨ ur nichtleere Mengen M ⊆ X und N ⊆ X definieren wir die Annihilatoren durch M⊥ ⊥
N
:= :=
{x ∈ X | x, x = 0
{x ∈ X | x, x = 0
f¨ ur x ∈ M } , f¨ ur x ∈ N } .
Analog zu Satz 7.5 (vgl. auch Satz 13.8) ergeben sich mittels dualer Operatoren Informationen u osbarkeit von Gleichungen T x = y : ¨ber die L¨
9 Stetige lineare Funktionale 167
Satz 9.7 a) Es ist ⊥ N ein abgeschlossener Unterraum von X . b) F¨ ur ∅ = M ⊆ X gilt
⊥
(M ⊥ ) = [M ] .
c) F¨ ur T ∈ L(X, Y ) hat man R(T )⊥ = N (T ) und R(T ) = Ist R(T ) abgeschlossen, so gilt also R(T ) =
⊥
⊥
N (T ) .
(8)
N (T ) .
Beweis. Dies ergibt sich analog zu Bemerkung b) auf S. 128 und Satz 7.5. Wir zeigen nur die Inklusion ⊆ “ in b): Gilt x ∈ [M ] , so gibt es nach Satz 9.5 eine Linearform ” ♦ x ∈ M ⊥ mit x, x = 0 und somit hat man x ∈ ⊥ (M ⊥ ) . Ein Kriterium f¨ ur die Abgeschlossenheit von Bildr¨ aumen wurde in Satz 8.9 formuliert (vgl. auch Satz 7.7).
9.3
Kanonische Einbettung und reflexive R¨ aume
Man kann Vektoren eines Banachraumes X als stetige Linearformen auf dem Dualraum X auffassen, wobei beide Normen wegen Formel (6) gleich sind. Besonders interessant alt. sind R¨ aume X , f¨ ur die man so alle stetigen Linearformen auf X erh¨ Kanonische Einbettung. a) Die kanonische Einbettung ι = ιX : X → X eines normierten Raumes X in seinen Bidualraum X = (X ) ist gegeben durch x , ιx X ×X := x, x X×X
f¨ ur x ∈ X , x ∈ X ;
(9)
sie geht auf H. Hahn (1927) zur¨ uck. Nach (6) ist ιX eine Isometrie. c) Mittels der kanonischen Einbettung l¨ asst sich eine Vervollst¨ andigung eines normier einfach den Abschluss von ten Raumes X konstruieren (vgl. S. 15): Man nimmt als X ι(X) im Banachraum X . Mittels der kanonischen Einbettung untersuchen wir Schwach beschr¨ ankte Mengen. X heißt schwach beschr¨ ankt, wenn
Eine Menge M ⊆ X in einem normierten Raum
∀ x ∈ X : sup {| x, x | | x ∈ M } < ∞
(10)
gilt. Nach (9) ist dies genau dann der Fall, wenn die Menge ι(M ) in X = L(X , K) punktweise beschr¨ ankt ist. Nach dem Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit 8.4 gilt daher:
168 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Satz 9.8 Eine schwach beschr¨ ankte Menge in einem normierten Raum ist auch in der Norm des Raumes beschr¨ ankt. Als erste Anwendung beweisen wir die Gleichheit in Formel (4.16): Satz 9.9 ur den Spektralradius gilt dann Es sei A eine Banachalgebra u ¨ber C und x ∈ A . F¨ max {| λ | | λ ∈ σ(x)} = r(x) = lim k xk . (11) k→∞
Beweis. Absch¨ atzung ≤ “ wurde in (4.16) gezeigt. Im Fall r(x) = 0 hat man Gleich” heit, da nach Satz 4.3 stets σ(x) = ∅ gilt. Nun gelte 0 ≤ R := max {| λ | | λ ∈ σ(x)} < r(x) . Nach (4.15) gilt Rx (λ) =
∞ k=0
xk λk+1
∞
f¨ ur | λ | > r(x) . F¨ ur x ∈ A ist dann
k=0
xk ,x λk+1
die Laurent-Entwicklung in ∞ der skalaren Funktion Rx , x . Da diese außerhalb des ur | λ | > R (vgl. Kreises UR (0) holomorph ist, konvergiert die Laurent-Entwicklung f¨ k etwa [Kaballo 1999], 23.1). Insbesondere ist f¨ ur R < | λ | < r(x) die Menge { λxk+1 , x } ankt. Nach Satz 9.8 gibt es C = C(λ) ≥ 0 mit f¨ ur alle x ∈ A beschr¨ alle k ∈ N , und es folgt der Widerspruch r(x) ≤ | λ | .
xk λk+1
≤ C f¨ ur ♦
Die folgende wichtige Klasse von Banachr¨ aumen wurde von H. Hahn 1927 eingef¨ uhrt und wird seit E.R. Lorch (1939) so bezeichnet: Reflexive R¨ aume. a) Ein normierter Raum X heißt reflexiv, falls die kanonische Einbettung ι = ιX : X → X surjektiv ist. b) Hilbertr¨ aume sind reflexiv aufgrund des Rieszschen Darstellungssatzes 7.3. c) Reflexive normierte R¨ aume sind vollst¨ andig. d) Mit X ist auch jeder zu X isomorphe Banachraum reflexiv. e) Mit X und Y ist auch das Produkt X × Y reflexiv. f) Reflexivit¨ at bedeutet nicht, dass X irgendwie isomorph oder isometrisch zu X sein muss! Nach R.C. James gibt es einen Banachraum J mit J ∼ = J und dim J /ι(J) = 1 , der also nicht reflexiv ist (vgl. [Lindenstrauß und Tzafriri 1977], 1.d.2). Der Betrag einer stetigen Linearform x ∈ X auf einem reflexiven Raum X besitzt ein Maximum auf der Einheitskugel von X (vgl. Satz 3.1 (d)): Satz 9.10 Es sei X ein reflexiver Banachraum. Dann gilt f¨ ur alle x ∈ X x = max {| x, x | | x ∈ X , x = 1} .
(12)
9 Stetige lineare Funktionale 169
Beweis. Nach (6) gibt es x ∈ X mit x = 1 und x = | x , x | . Da X reflexiv ist, gibt es x ∈ X mit x = 1 und ι(x) = x , und nach (9) gilt dann ♦ x = | x, x | . Die Bestimmung eines Maximums oder eines Minimums geh¨ ort zu den wichtigsten Problemen der Analysis. Wir zeigen im n¨ achsten Kapitel, dass Reflexivit¨ at unter geeigneten Bedingungen die fehlende Kompaktheit der Einheitskugel kompensieren“ kann, ” sodass sich Existenzs¨ atze f¨ ur Extrema ergeben. Nach R.C. James4 ist die G¨ ultigkeit von Satz 9.10 sogar ¨ aquivalent zur Reflexivit¨ at von X . Beispiele.
a) Formel (12) gilt nicht f¨ ur die stetige Linearform
f : x = (x0 , x1 , x2 , . . .) →
∞
2−k xk
auf dem Folgenraum c0 .
k=0
Wegen | f (x) | ≤
∞
2−k x ≤ x gilt f ≤ 1 . F¨ ur die Folge x = (x0 , x1 , x2 , . . .)
k=0
n
ur 0 ≤ k ≤ n und xk = 0 f¨ ur k > n hat man f (x) = mit xk = 1 f¨
2−k , und
k=0
daher ist f = 1 . F¨ ur jede feste Nullfolge x ∈ c0 mit x ≤ 1 ist aber offenbar | f (x) | < 1 , und daher nimmt | f | sein Supremum auf der Einheitskugel von c0 nicht an. Nach Satz 9.10 ist also c0 nicht reflexiv. b) F¨ ur die stetige Linearform 0 1 μ : ϕ → −1 ϕ(t) dt − 0 ϕ(t) dt
auf C[−1,1]
(13)
gilt μ = 2 nach Satz 3.4; f¨ ur jede stetige Funktion ϕ ∈ C[−1,1] mit ϕ ≤ 1 ist aber | μ(ϕ) | < 2 (Aufgabe 9.7). Folglich ist also auch C[−1,1] nicht reflexiv. Dies ergibt sich auch aus dem folgenden Satz 9.11 Es sei X ein normierter Raum, dessen Dualraum X separabel ist. Dann ist auch X separabel. Beweis. Es gibt eine abz¨ ahlbare dichte Menge {xn }n∈N in X mit xn = 0 . Dazu w¨ ahlt man xn ∈ X mit xn = 1
und
| xn , xn | ≥
1 2
xn .
(14)
0 , aber Ist nun V := [xn ] = X , so gibt es nach Satz 9.5 ein x ∈ X mit x = xn , x = 0 f¨ ur alle n ∈ N . Es gibt eine Folge (xnk ) mit xnk → x in X , und wegen xnk − x ≥ | xnk , xnk − x | ≥ | xnk , xnk | ≥
4
Studia Math. 23, 205-216 (1964)
1 2
xnk
170 III Prinzipien der Funktionalanalysis
ergibt sich der Widerspruch x = lim xnk = 0 .
♦
k→∞
Beispiel. Es sei K ein u ahlbarer kompakter metrischer Raum. Der Banach¨berabz¨ raum C(K) ist nach Satz 2.8 separabel. Im Dualraum C(K) gilt f¨ ur die u ahlbar ¨berabz¨ ur t = s ∈ K . Wie im Fall ∞ (vgl. das vielen δ -Funktionale stets δt − δs = 2 f¨ Beispiel auf S. 34) ergibt sich daraus, dass der Dualraum C(K) nicht separabel ist. Somit kann der Raum C(K) nicht reflexiv sein. Wir kommen nun zu Permanenzeigenschaften der Reflexivit¨ at. Satz 9.12 Ein Banachraum X ist genau dann reflexiv, wenn dies auf den Dualraum X zutrifft. Beweis. a) Zun¨ achst sei X reflexiv. F¨ ur x ∈ X ist x := x ιX ∈ X . Dann folgt f¨ ur x = ιX (x) ∈ X : x , x = ιX (x), x = x, x = x , x ,
also x = ιX (x ) .
b) Nun sei X reflexiv. Ist X nicht reflexiv, so gibt es nach Satz 9.5 ein x ∈ X mit x = 0 , aber ιX (x), x = 0 f¨ ur alle x ∈ X . Nun gibt es x ∈ X mit = ιX (x ) , und es folgt x, x = ιX (x), x = 0 f¨ ur alle x ∈ X , also der x Widerspruch x = 0 und x = 0 . ♦ Reflexivit¨ at vererbt sich auch auf abgeschlossene Unterr¨ aume und Quotientenr¨ aume (Satz 9.13). Zum Beweis dieser Tatsache holen wir etwas aus: Biduale Operatoren. Es seien X, Y Banachr¨ aume. Ein Operator T ∈ L(X, Y ) kann als Restriktion von T auf ιX X “ aufgefasst werden, genauer hat man das ” kommutative Diagramm X
ι
X −→
↓ T
T ↓ Y
X
ι
Y −→
Y
F¨ ur x ∈ X und y ∈ Y gilt in der Tat y , T ιX x = T y , ιX x = x, T y = T x, y = y , ιY T x , also T ιX = ιY T .
(15)
Kanonische Isometrien. Es seien X ein normierter Raum, V ⊆ X ein abgeschlossener Unterraum und Q = X/V der entsprechende Quotientenraum. a) F¨ ur die Inklusion i : V → X und x ∈ X ist i x = x i = x V die Restriktion von x auf V . Offenbar ist V ⊥ der Kern von i : X → V . Zu v ∈ V gibt es nach dem Satz von Hahn-Banach x ∈ X mit i x = v und x = v . Daher ist die induzierte Abbildung iˆ : X /V ⊥ → V bijektiv und isometrisch.
9 Stetige lineare Funktionale 171
b) F¨ ur die Quotientenabbildung π : X → Q gilt offenbar π = π ≤ 1 und π (Q ) = V ⊥ ⊆ X . Wegen q
=
sup {| q, q | | q ≤ 1} ≤ sup {| πx, q | | x ≤ 1 + ε}
≤
(1 + ε) π q
f¨ ur alle ε > 0 ist π : Q → V ⊥ eine bijektive Isometrie. c) Die Aussagen aus a) und b) kann man verk¨ urzt so formulieren: V ∼ = X /V ⊥ ,
⊥ Q ∼ =V .
(16)
Satz 9.13 Es seien X ein reflexiver Banachraum und V ⊆ X ein abgeschlossener Unterraum.
Dann sind auch Q = X/V und V reflexiv.
Beweis. a) Wir zeigen zun¨ achst die Reflexivit¨ at von Q . F¨ ur die Quotientenabbildung π : X → Q ist nach obigen Ausf¨ uhrungen zu kanonischen Isometrien π : Q → X eine Isometrie und dann π : X → Q surjektiv. Zu q ∈ Q gibt es also x ∈ X mit q = π x . Wegen der Reflexivit¨ at von X gibt es nun x ∈ X mit x = ιX x , und f¨ ur q := πx folgt mit (15) ιQ q = ιQ πx = π ιX x = π x = q . b) Mit X ist nach Satz 9.12 auch X reflexiv, nach a) dann auch X /V ⊥ ∼ = V. ♦ Wiederum nach Satz 9.12 folgt daraus auch die Reflexivit¨ at von V .
9.4
Beispiele von Dualr¨ aumen
Wir wollen nun f¨ ur einige Folgen- und Funktionenr¨ aume die Dualr¨ aume konkret an” geben“. Im Fall 1 < p < ∞ stammt Satz 9.14 von E. Landau (1907) und Theorem 9.15 f¨ ur Ω = [a, b] von F. Riesz (1909); der Grenzfall p = 1 wurde von H. Steinhaus 1919 gezeigt. Satz 9.14 Es seien 1 ≤ p < ∞ und x, Jq y :=
1 p
+
∞
1 q
= 1 . Durch die Formel
xk y k
f¨ ur x = (xk ) ∈ p , y = (yk ) ∈ q ,
k=0
wird eine bijektive Isometrie Jq : q → p definiert, kurz: p ∼ = q .
(17)
172 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Beweis. a) Nach der H¨ olderschen Ungleichung gilt | x, Jq y | ≤ x p y q f¨ ur y ∈ q und x ∈ p ; daher ist Jq y ∈ p , und man hat Jq y ≤ y q . b) Wir betrachten die Einheitsvektoren ej = (δjk ) ∈ p . Aus Jq y = 0 folgt sofort 0 = ej , Jq y = yj f¨ ur alle j ∈ N , also y = 0 . c) F¨ ur f ∈ p setzen wir yj = f (ej ) und betrachten die Folge y := (yj ) . Im Fall p = 1 gilt dann y ∈ ∞ und y ∞ ≤ f . Im Fall 1 < p < ∞ w¨ ahlen wir αj ∈ K mit | αj | = 1 und αj yj = | yj | . F¨ ur n q − 1/p | yj | ) und definieren f = 0 und gen¨ ugend große n ∈ N setzen wir A := ( j=1 q
ur 1 ≤ j ≤ n und xj = 0 f¨ ur j > n . Dann gilt x ∈ p durch xj := Aαj | yj | /p f¨ n q 1/p | yj | ) = 1 , und man hat x p = A ( j=1
(
n
| yj |q )
j=1
1/ q
= A
n
| yj |q = |
j=1
n
xj yj | = | f (
j=1
n
xj ej ) | = | f (x) | ≤ f .
j=1
Folglich gilt y ∈ q und y q ≤ f .
∞
d) F¨ ur beliebige x = (xj ) ∈ p hat man x =
xj ej und daher
j=1
f (x) =
∞ j=1
xj f (ej ) =
∞
xj yj = x, Jq y ;
j=1
somit gilt also f = Jq y , und nach a) und c) ist y = f .
♦
Aus Satz 9.14 ergibt sich sofort die Reflexivit¨ at der Folgenr¨ aume p f¨ ur 1 < p < ∞ : Dualit¨ at und Reflexivit¨ at von Folgenr¨ aumen. ιp : p → p die kanonische Einbettung. Dann gilt
a) Es seien x ∈ p , y ∈ q und
y, Jp x = x, Jq y = Jq y, ιp x = y, Jq ιp x , also Jp = Jq ιp oder ιp = (Jq )−1 ◦ Jp ;
(18)
f¨ ur 1 < p < ∞ ist ιp daher bijektiv und p reflexiv. b) Durch Formel (17) wird auch eine bijektive Isometrie J : 1 → c0 definiert (vgl. ¨ Aufgabe 3.6), es ist also c0 ∼ kann man auch c ∼ ur den Raum = 1 . Ahnlich = 1 f¨ der konvergenten Folgen zeigen (Aufgabe 9.9). Die Dualr¨ aume von c0 und c sind also isometrisch; nach Aufgabe 3.7 sind aber die R¨ aume c0 und c zwar isomorph, aber nicht isometrisch. c) Die Abbildung J1 : 1 → ∞ ist isometrisch, aber nicht surjektiv. Andernfalls w¨ are ∞ separabel und nach Satz 9.11 auch ∞ separabel, was aber nach einem Beispiel auf S. 34 nicht der Fall ist. Somit sind die R¨ aume c0 , 1 und ∞ nicht reflexiv; dies ergibt sich nat¨ urlich auch aus Beispiel a) auf S. 169. Eine Beschreibung des Dualraums von ∞ stammt von T.H. Hildebrandt (1934), vgl. [K¨ othe 1966], § 31.
9 Stetige lineare Funktionale 173
Satz 9.14 gilt auch f¨ ur allgemeine Lp -R¨ aume, der Beweis ist dann aber wesentlich schwieriger: Theorem 9.15 Es seien μ ein positives Maß auf einem Maßraum Ω , 1 ≤ p < ∞ und Durch die Formel f, Jg :=
Ω
1 p
f¨ ur f ∈ Lp (Ω) , g ∈ Lq (Ω) ,
f (t) g(t) dμ
+
1 q
= 1.
(19)
wird eine bijektive Isometrie J : Lq (Ω) → Lp (Ω) definiert, kurz: Lp (Ω) ∼ = Lq (Ω) . F¨ ur p = 2 folgt die Aussage sofort aus dem Rieszschen Darstellungssatz 7.3. F¨ ur 1 ≤ p ≤ 2 kann sie im Wesentlichen auf diesen zur¨ uckgef¨ uhrt werden, was wir nun f¨ ur den Fall p = 1 durchf¨ uhren wollen: Beweis von Theorem 9.15 f¨ ur p = 1 . a) Offenbar gilt | f, Jg | ≤ g L∞ f L1 f¨ ur alle f ∈ L1 (Ω) und somit Jg ≤ g L∞ . b) F¨ ur μ(Ω) < ∞ hat man nach der Schwarzschen Ungleichung die stetige Inklusion i : L2 (Ω) → L1 (Ω) . F¨ ur ein Funktional F ∈ L1 (Ω) ist dann i F ∈ L2 (Ω) , und nach dem Rieszschen Darstellungssatz 7.3 gibt es genau ein g ∈ L2 (Ω) mit ϕ, F =
Ω
ϕ(t) g(t) dμ
f¨ ur ϕ ∈ L2 (Ω) .
F¨ ur ε > 0 sei A := {t ∈ Ω | | g(t) | > F + ε} und ϕ = χA ϕ L1 = μ(A) und | ϕ, F | =
Ω
ϕ(t) g(t) dμ =
A
g |g|
(20) ∈ L∞ (Ω) . Dann gilt
| g(t) | dμ ≥ μ(A) ( F + ε) .
Wegen | ϕ, F | ≤ F ϕ L1 erzwingt dies μ(A) = 0 , also g ∈ L∞ (Ω) und g L∞ ≤ F . Nach (20) gilt also F = Jg auf L2 (Ω) , und wegen der Dichtheit dieses Raumes in L1 (Ω) (vgl. dessen Definition in Anhang A.3) folgt (20) dann auch f¨ ur alle ϕ ∈ L1 (Ω) . c) Nun seien μ ein beliebiges positives Maß auf Ω und F ∈ L1 (Ω) . F¨ ur eine messbare Menge C ⊆ Ω kann man L1 (C) als Unterraum von L1 (Ω) auffassen, indem man die ur μ(A) < ∞ gibt es nach b) Funktionen aus L1 (C) durch 0 auf ganz Ω fortsetzt. F¨ Funktionen gA ∈ L∞ (A) mit gA L∞ ≤ F und ϕ, F =
A
ϕ(t) gA (t) dμ
f¨ ur ϕ ∈ L1 (A) .
Wegen der Eindeutigkeitsaussage von b) gilt stets gA |A∩B = gB |A∩B ; somit wird dadurch eine Funktion g ∈ L∞ (Ω) definiert mit g L∞ ≤ F und χA ϕ, F =
A
ϕ(t) g(t) dμ
f¨ ur μ(A) < ∞ und ϕ ∈ L1 (Ω) .
(21)
174 III Prinzipien der Funktionalanalysis
F¨ ur ϕ ∈ L1 (Ω) und k ∈ N sei Ak := {t ∈ Ω | | ϕ(t) | ≥ k1 } ; dann ist μ(Ak ) < ∞ , und man hat χAk ϕ − ϕ L1 → 0 nach dem Satz u ¨ber majorisierte Konvergenz A.3.8. ♦ Formel (21) gilt also f¨ ur A = Ak , und mit k → ∞ folgt dann die Behauptung. Nach dem auf S. 46 erw¨ ahnten Satz von A. Pelczynski sind die R¨ aume 1 ∼ = ∞ und ∼ achsten Kapitel auf S. 197, dass die L1 [a, b] = L∞ [a, b] isomorph; wir zeigen aber im n¨ R¨ aume 1 und L1 [a, b] nicht isomorph sind. Diskussion von Theorem 9.15 f¨ ur 1 < p < ∞ . a) Zun¨ achst sieht man leicht, dass J : Lq (Ω) → Lp (Ω) eine Isometrie ist: Nach der H¨ olderschen Ungleichung gilt ahlt man α ∈ L∞ (Ω) mit | α | = 1 und zun¨ achst Jg ≤ g Lq . Zu g ∈ Lq (Ω) w¨ αg = | g | fast u ur f := α | g |q−1 gilt dann Ω | f |p dμ = Ω | g |q dμ < ∞ ¨berall. F¨ und
Ω
| g |q dμ =
q/
Ω
f g dμ = f, Jg ≤ Jg f Lp = Jg g Lqp ,
also g Lq ≤ Jg . b) Zu zeigen bleibt die Surjektivit¨ at von J . F¨ ur 1 < p ≤ 2 kann dies ¨ ahnlich wie oben im Fall p = 1 erfolgen. Ein anderer Beweis f¨ ur alle 1 < p < ∞ (und σ -endliche Maße) beruht auf dem Satz von Radon-Nikodym (vgl. [Rudin 1974], Chapter 6). aume auf S. 172 die Reflexivit¨ at der c) Aus Theorem 9.15 folgt wie im Fall der p -R¨ ur 1 < p < ∞ . Diese beweisen wir in Abschnitt 10.3 mit einer anderen R¨ aume Lp (Ω) f¨ Methode, und daraus wird sich dann leicht auch ein vollst¨ andiger Beweis von Theorem 9.15 ergeben. Der Dualraum von C(K) . a) Eine erste Beschreibung des Dualraums von C[a, b] ur F ∈ C[a, b] gibt es eine Funktion von beschr¨ stammt von F. Riesz (1909): F¨ ankter Variation α auf [a, b] mit ϕ, F =
b a
ϕ(t) dα(t)
f¨ ur alle ϕ ∈ C[a, b] ,
(22)
wobei rechts ein Stieltjes-Integral steht (vgl. [Schr¨ oder 1997], Abschnitt 2.4). b) J. Radon erweiterte 1913 dieses Resultat auf Linearformen auf C([a, b]n ) und ersetzte dabei das Stieltjes-Integral durch ein Integral nach einem geeigneten Borel-Maß (vgl. S. 325). S. Banach erweiterte diese Konstruktion 1937 auf den Fall kompakter metrischer R¨ aume; das allgemeine Resultat Theorem 9.16 tr¨ agt den Namen Riesz” scher Darstellungssatz“. c) F¨ ur positive Linearformen ist die auf J. Radon zur¨ uckgehende grundlegende Konstruktion eine der m¨ oglichen Einf¨ uhrungen in die Integrationstheorie; diese erl¨ autern wir in Anhang A.3 und f¨ uhren dann den Rieszschen Darstellungssatz am Ende von Abschnitt A.3.5 darauf zur¨ uck.
9 Stetige lineare Funktionale 175
Theorem 9.16 (Rieszscher Darstellungssatz) Es seien K ein kompakter metrischer Raum und F ∈ C(K) ein stetiges lineares Funktional auf C(K) . Dann gibt es genau ein regul¨ ares positives Borel-Maß μ auf K mit μ(K) = F und genau eine Funktion g ∈ L∞ (K, μ) mit | g(t) | = 1 μ -fast u ¨berall, sodass gilt: ur alle ϕ ∈ C(K) . (23) ϕ, F = K ϕ(t) g(t) dμ f¨ Umgekehrt wird wie in Satz 3.4 durch die rechte Seite von (23) eine stetige Linearform F auf C(K) definiert mit F = K | g(t) | dμ = μ(K) .
9.5
Stetige Projektionen
Fortsetzung stetiger linearer Operatoren. F¨ ur Hilbertr¨ aume H folgt der Satz von Hahn-Banach 9.3 leicht mittels der orthogonalen Projektion P : H → V 0 . Allgemeiner ergibt sich die folgende Aussage: a) Es seien H ein Hilbertraum, Y ein Banachraum, V0 ⊆ H ein Unterraum und T0 ∈ L(V0 , Y ) . Dann hat T0 eine Fortsetzung zu einem stetigen linearen Operator T ∈ L(H, Y ) mit T = T0 . b) Zum Beweis von a) liefert Satz 3.5 zun¨ achst die Fortsetzung T 0 ∈ L(V 0 , Y ) , und man setzt T := T 0 P . c) Aussage a) gilt auch f¨ ur einen Unterraum V0 eines beliebigen Banachraumes X , wenn eine stetige Projektion von X auf V 0 existiert (vgl. Abb. 9.2). Die Existenz solcher Projektionen wollen wir nun genauer untersuchen:
P
X ∪ V0 ∪ V0
T T0 T0
Y Abb. 9.2: Fortsetzung: T = T 0 P
Projektionen. a) Es sei X ein normierter Raum. Ein linearer Operator P ∈ L(X) heißt Projektion, falls P 2 = P gilt. In diesem Fall ist auch I −P eine Projektion wegen (I − P )2 = I − 2P + P 2 = I − P . b) F¨ ur alle linearen Operatoren P ∈ L(X) gilt offenbar R(P ) + R(I − P ) = X
und
N (P ) ∩ N (I − P ) = {0} .
176 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Wie in Satz 7.6 gilt f¨ ur eine Projektion wegen P = P 2 y ∈ R(P ) ⇔ ∃ x ∈ E : y = P x = P 2 x ⇔ y = P y ⇔ y ∈ N (I − P ) . Somit ist R(P ) = N (I − P ) abgeschlossen. Weiter ist N (P ) = R(I − P ) und daher X = R(P ) ⊕ N (P ) . c) Nun gelte umgekehrt X = V ⊕ W mit Unterr¨ aumen V und W von X . F¨ ur die Abbildung P : v ⊕ w → v gilt dann P 2 = P , R(P ) = V und N (P ) = W ; P ist also die lineare Projektion von X auf V entlang W . Die direkte Summe V ⊕ W heißt topologisch direkt, wenn P stetig ist, und in diesem Fall schreiben wir X = V ⊕t W .
(24)
Nach b) m¨ ussen in diesem Fall V und W abgeschlossene Unterr¨ aume von X sein. F¨ ur Banachr¨ aume X gilt sogar: Satz 9.17 Ein Banachraum X = V ⊕ W sei die direkte Summe der Unterr¨ aume V und W . Die Summe ist genau dann topologisch direkt, wenn V und W abgeschlossen sind. In diesem Fall hat man X V × W . Beweis. ⇒“ haben wir soeben gezeigt. ” ⇐“: Sind V und W abgeschlossen, so ist der Produktraum V × W ein Banachraum. ” Die lineare Abbildung T :V ×W →X,
T (v, w) := v + w ,
ist bijektiv und stetig; nach Satz 8.8 ist also auch T −1 : X → V × W stetig. Offenbar ist die Abbildung πV : (v, w) → v eines Paares auf die erste Komponente von V × W ♦ auf V stetig, und dies gilt dann auch f¨ ur P = πV T −1 : X → V . Komplementierte Unterr¨ aume. a) Ein abgeschlossener Unterraum V eines Banachraumes X heißt komplementiert, wenn es einen abgeschlossenen Unterraum W von X mit X = V ⊕t W gibt. Nach Satz 9.17 ist dies a ¨quivalent dazu, dass V stetig projiziert ist, dass also eine stetige Projektion von X auf V existiert. b) Orthogonale Summen in Hilbertr¨ aumen (vgl. S. 126) sind stets topologisch direkt; nach Satz 7.2 ist also in Hilbertr¨ aumen jeder abgeschlossene Unterraum komplementiert. In Banachr¨ aumen ist dies i. a. nicht der Fall, ein Gegenbeispiel ist etwa der Unterraum c0 der Nullfolgen des Raumes ∞ aller beschr¨ ankten Folgen (vgl. [Meise und Vogt 1992], 10.15). In Abschnitt 10.4 konstruieren wir nicht komplementierte Unterr¨ aume von 1 .
9 Stetige lineare Funktionale 177
c) Nach einem Resultat von J. Lindenstrauß und L. Tzafriri muss ein Banachraum, in dem alle abgeschlossenen Unterr¨ aume komplementiert sind, zu einem Hilbertraum isomorph sein (vgl. [Lindenstrauß und Tzafriri 1973], S. 221). d) Nach T. Gowers und B. Maurey5 gibt es einen unendlichdimensionalen Banachraum X , in dem aus X = V ⊕t W stets dim V < ∞ oder dim W < ∞ folgt. Ein endlichdimensionaler Unterraum eines Banachraumes ist stets komplementiert: Satz 9.18 Es seien X ein normierter Raum und F ⊆ X ein Unterraum mit dim F = n < ∞ . Dann gibt es eine stetige Projektion P von X auf F . Beweis. Es sei {x1 , . . . , xn } eine Basis von F und {ϕ1 , . . . , ϕn } die durch xi , ϕj := δij
(25)
gegebene duale Basis von F . Nach dem Satz von Hahn-Banach haben die ϕj Fortsetzungen xj ∈ X . Eine stetige Projektion von X auf F ist dann gegeben durch P x :=
n
x, xj xj ,
x∈X.
♦
(26)
j=1
Normen endlichdimensionaler Projektionen. Nach dem Lemma von Auerbach kann man im Beweis von Satz 9.18 xj = xj = 1 f¨ ur alle j = 1 . . . , n erreichen (vgl. Aufgabe 3.20) und erh¨ alt dann P ≤ n . Nach einem Satz von Kadec und Snobar (vgl. [Meise und Vogt 1992], 12.14) kann man sogar eine Projektion mit P ≤ √ n konstruieren. Gibt es zu einem Banachraum X ein C ≥ 1 , sodass es auf jeden endlichdimensionalen Unterraum von X eine Projektion mit Norm ≤ C gibt, so ist X isomorph zu einem Hilbertraum (vgl. [Lindenstrauß und Tzafriri 1973], S. 222 und auch [Woytaszcyk 1991], III B f¨ ur weitere Informationen). Die Frage nach der Existenz einer stetigen Projektion l¨ asst sich so umformulieren: Satz 9.19 Es seien X ein Banachraum, V ⊆ X ein abgeschlossener Unterraum, Q = X/V und π : X → Q die Quotientenabbildung. Dann ist V genau dann in X komplementiert, wenn π eine stetige lineare Rechtsinverse R ∈ L(Q, X) besitzt, f¨ ur die also πR = IQ gilt. In diesem Fall gilt X V × Q .
5
J. Amer. Math. Soc. 6, 851-874 (1993)
178 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Beweis. ⇐“: F¨ ur P := Rπ ∈ L(X) gilt P 2 = RπRπ = R(πR)π = Rπ = P ; somit ” ist P eine stetige Projektion. Offenbar gilt P x = Rπx = 0 f¨ ur x ∈ V , und umgekehrt folgt aus P x = 0 auch 0 = πP x = πRπx = πx , also x ∈ V . Somit ist V = N (P ) , und I − P ist eine stetige Projektion von X auf V . ⇒“: Es sei X = V ⊕t W . Dann ist π|W : W → Q eine bijektive Isomorphie, da ja π ” stetig und offen ist. Durch R : q → ( π|W )−1 q wird dann ein Operator R ∈ L(Q, X) urlich die Isomorphie mit π R = IQ definiert. Wegen W Q hat man dann nat¨ X V × Q. ♦ Wie zu Beginn dieses Abschnitts seien nun X, Y Banachr¨ aume, V ⊆ X ein Unterraum und T0 ∈ L(V, Y ) . Die Existenz einer stetigen Projektion von X auf V setzen wir nicht voraus. Im Fall Y = K hat T0 nach dem Satz von Hahn-Banach eine stetige ur Y = Kn , wie lineare Fortsetzung T ∈ L(X, Y ) mit T = T0 . Dies gilt auch f¨ man durch Anwendung auf die Komponenten von T0 sieht. Dar¨ uber hinaus gilt: Satz 9.20 Es seien X ein Banachraum, V ⊆ X ein Unterraum, I eine Indexmenge und T0 ∈ L(V, ∞ (I)) . Dann hat T0 eine stetige lineare Fortsetzung T ∈ L(X, ∞ (I)) mit T = T0 . Beweis. F¨ ur j ∈ I betrachten wir die durch (ξi )i∈I , δj := ξj gegebene Linearform δj ∈ ∞ (I) . Nach dem Satz von Hahn-Banach hat T0 δj = δj ◦ T0 ∈ V eine stetige lineare Fortsetzung ηj ∈ X mit ηj = T0 δj ≤ T0 = T0 . Durch T : x → (ηi (x))i∈I ,
x∈X,
wird dann eine Fortsetzung T ∈ L(X, ∞ (I)) von T0 mit T ≤ T0 definiert.
♦
Beachten Sie bitte, dass der Beweis f¨ ur andere p -R¨ aume nicht funktioniert, da die Familie (ηi (x))i∈I nicht p -summierbar sein muss. Folgerungen und Bemerkungen. a) Satz 9.20 gilt auch f¨ ur R¨ aume, die zu ∞ (I) olderisomorph sind, insbesondere etwa im Fall 0 < α < 1 f¨ ur die R¨ aume Λα (K) H¨ n stetiger Funktionen auf kompakten Mengen K ⊆ R (vgl. entsprechende Bemerkungen auf S. 46). b) Satz 9.20 gilt auch f¨ ur R¨ aume L∞ (Ω, μ) ; einen Beweis findet man in [Woytaszcyk 1991], III.B.2. An Stelle der δ -Funktionale werden dort Mittelwerte u ¨ber Mengen positiven Maßes verwendet. c) Die R¨ aume V = ∞ (I) und V = L∞ (Ω, μ) sind in jedem Banach-Oberraum X komplementiert. In der Tat liefert eine stetige lineare Fortsetzung der Identit¨ at I : V → V zu einem Operator P : X → V eine stetige Projektion von X auf V . Ein Raum endlicher Dimension n ∈ N ist isomorph zu n ∞ , und somit haben wir einen weiteren Beweis von Satz 9.18 gefunden.
9 Stetige lineare Funktionale 179
d) Der Raum c0 aller Nullfolgen ist in jedem separablen Banach-Oberraum X komplementiert; es gibt eine Projektion P von X auf c0 mit P ≤ 2 . Einen Beweis dieses Satzes von Sobczyk findet man in [Meise und Vogt 1992], 10.10. Wie auf S. 176 angemerkt, ist c0 jedoch nicht in ∞ komplementiert. e) Jeder Banachraum Y ist isometrisch zu einem Unterraum von ∞ (I) f¨ ur eine geahlen, wenn Y separabel ist. Dazu w¨ ahlt eignete Indexmenge I ; man kann I = N0 w¨ man I als dichte Teilmenge der Einheitskugel BY von Y und definiert ι : Y → ∞ (I) ,
(ιy)(i) := y, i .
(27)
Aufgrund von Formel (6) ist ι in der Tat eine Isometrie. f) F¨ ur einen Operator T0 ∈ L(V, Y ) kann somit das Fortsetzungsproblem stets in abgeschw¨ achter Form gel¨ ost“ werden: Der verl¨ angerte“ Operator ι ◦ T0 : V → ∞ (I) ” ” hat eine stetige lineare Fortsetzung T : X → ∞ (I) . X ∪ V
T Y
T0
ι
∞ (I) Abb. 9.3: Fortsetzung von ι T0 zu T
9.6
Aufgaben
Aufgabe 9.1 F¨ ur eine beschr¨ ankte Folge x = (xj ) ∈ ∞ (N0 , R) betrachte man die Mittelwerte n 1 σn (x) := n+1 xj und die nach links verschobene“ Folge S− x := (xj+1 ) . ” j=0 a) Zeigen Sie, dass durch p1 (x) := lim sup xn
und
p2 (x) := lim sup σn (x)
sublineare Funktionale auf dem Banachraum ∞ (N0 , R) definiert werden. b) Konstruieren Sie ein stetiges lineares Funktional L ∈ ∞ (N0 , R) (Banach-Limes) mit folgenden Eigenschaften: 1i lim inf xn ≤ lim inf σn (x) ≤ L(x) ≤ lim sup σn (x) ≤ lim sup xn ; 2i L(x) = lim xn f¨ ur x ∈ c ; n→∞
3i L(S− x) = L(x) f¨ ur x ∈ ∞ ;
L(x) = lim σn (x) f¨ ur (σn (x)) ∈ c ; n→∞
L(x) ≥ 0 f¨ ur x ≥ 0 .
180 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Aufgabe 9.2 Es seien X ein normierter Raum, (xn ) eine Folge in X und (αn ) eine Folge in K . ur alle n ∈ N . Gesucht ist eine stetige Linearform f ∈ X mit f (xn ) = αn f¨ a) Zeigen Sie: Dieses Momentenproblem ist genau dann l¨ osbar, wenn gilt: ∃ C > 0 ∀ n ∈ N ∀ λ0 , . . . , λn ∈ K : |
n
λk αk | ≤ C
k=1
n
λk xk .
k=1
1 b) Es sei fn ∈ C[0,1] die Dreiecksfunktion“ auf [ n+1 , n1 ] mit H¨ ohe 1 (vgl. Abb. 9.4). ” F¨ ur welche Folgen (αn ) in K gibt es μ ∈ C[0,1] mit μ(fn ) = αn f¨ ur alle n ∈ N ?
1 f3
0
1 4
f1
f2
1 3
1
1 2
Abb. 9.4: Dreiecksfunktionen
Aufgabe 9.3 Verifizieren Sie die Aussagen d) zu dualen Operatoren auf S. 166. Aufgabe 9.4 F¨ ur einen Hilbertraum H sei j = jH : H → H ,
j(y)(x) := x|y ,
x, y ∈ H ,
die kanonische antilineare Isometrie von H auf den Dualraum H aus (10). Zeigen Sie −1 T jG f¨ ur Hilbertr¨ aume H, G und Operatoren T ∈ L(H, G) . T ∗ = jH Aufgabe 9.5 a) Es seien X ein normierter Raum und f ∈ C([a, b], X) . Zeigen Sie, dass durch F : x →
b a
f (t), x dt
ein Funktional F ∈ X definiert wird. b) Zeigen Sie F ∈ ιX (X) f¨ ur vollst¨ andige R¨ aume X . Durch b f (t) dt := ι−1 X (F ) ∈ X a l¨ asst sich also das Integral von f definieren. Hinweis. Approximieren Sie F durch Riemannsche Zwischensummen! Aufgabe 9.6 Beweisen Sie die Bemerkungen b), c), d) und e) zu reflexiven R¨ aumen auf S. 168.
9 Stetige lineare Funktionale 181
Aufgabe 9.7 Zeigen Sie, dass f¨ ur die stetige Linearform aus (13) Formel (12) nicht gilt. Aufgabe 9.8 Beweisen Sie in der Situation von Satz 9.13 die Reflexivit¨ at von Unterr¨ aumen direkt, d. h. ohne Verwendung des Resultats f¨ ur Quotientenr¨ aume. Aufgabe 9.9 Zeigen Sie, dass die R¨ aume c und 1 isometrisch sind. Hinweis. Imitieren Sie Formel (17) unter Ber¨ ucksichtigung des Grenzwerts. Aufgabe 9.10 Beweisen Sie Theorem 9.15 f¨ ur 1 < p ≤ 2 und μ(Ω) < ∞ . Aufgabe 9.11 Es seien κ : Ω × Ω → K ein messbarer Kern auf einem σ -endlichen Maßraum Ω mit κ SI < ∞ und κ ZI < ∞ und 1 < p < ∞ . Bestimmen Sie den dualen Operator des Integraloperators Sκ ∈ L(Lp (Ω)) unter Verwendung von Theorem 9.15. Aufgabe 9.12 Es sei X ein Banachraum. Zeigen Sie, dass ιX (X ) in X komplementiert ist. Ist auch ιX (X) stets in X komplementiert? Aufgabe 9.13 Zeigen Sie, dass der Raum der geraden stetigen Funktionen in C[−1,1] komplementiert ist. Aufgabe 9.14 1 Gegeben sei die Abbildung T : C[0,1] → c , T (f ) := (f ( n+1 ))n∈N0 . Konstruieren Sie eine stetige lineare Rechtsinverse zu T ! Aufgabe 9.15 Folgern Sie aus dem Satz von Sobczyk diese Fortsetzungss¨ atze: Es seien X ein separabler Banachraum, V ⊆ X ein Unterraum und T0 ∈ L(V, c0 ) sowie S0 ∈ L(V, c) . Dann haben T0 und S0 stetige lineare Fortsetzungen T ∈ L(X, c0 ) und S ∈ L(X, c) mit T ≤ 2 T0 und S ≤ 6 S0 . Aufgabe 9.16 a) Es seien π ∈ L(Y, Q) eine Surjektion zwischen Banachr¨ aumen, I eine Indexmenge und T0 ∈ L(1 (I), Q) . Konstruieren Sie ein Lifting von T0 , d. h. einen Operator T ∈ L(1 (I), Y ) mit T0 = πT . Hinweis. Liften Sie die Einheitsvektoren! b) Zeigen Sie, dass jede Surjektion π ∈ L(Y, 1 (I)) eine stetige lineare Rechtsinverse besitzt.
182 III Prinzipien der Funktionalanalysis
10
Schwache Konvergenz
Fragen: 1. In welchen Banachr¨ aumen gilt Satz 7.1? 2. Es sei (xn ) eine beschr¨ ankte Folge in einem Hilbertraum. Kann man eine in einem geeigneten Sinn schwach“ konvergente Teilfolge von (xn ) finden? ” 3. Warum sind die R¨ aume L1 [a, b] und 1 nicht isomorph? √ 4. Gibt es eine L¨ osung u ∈ C 2 [0,1] von −u (t) + 1 − t2 u(t) = cos t unter der Randbedingung u(0) = u(1) = 1 ? Der Satz von Bolzano-Weierstraß gilt nicht in unendlichdimensionalen Banachr¨ aumen; daher ist der Nachweis der Existenz eines Maximums oder Minimums einer beschr¨ ankten reellwertigen Funktion i. a. schwierig. Selbst stetige lineare Funktionale besitzen nur im Fall reflexiver Banachr¨ aume stets ein Betragsmaximum auf der abgeschlossenen Einheitskugel. Die Existenz von Minima zeigen wir in Satz 10.17 f¨ ur eine große Klasse konvexer Funktionale auf reflexiven R¨ aumen; in den Abschnitten 10.1 und 10.5 stellen wir Anwendungen auf Variationsprobleme vor, aus denen sich L¨ osungen f¨ ur Randwertprobleme bei gew¨ ohnlichen Differentialgleichungen ergeben. Die Reflexivit¨ at eines Banachraumes ist also eine auch f¨ ur Anwendungen wichtige Eigenschaft. Nach dem Satz von Milman-Pettis 10.7 folgt sie aus der uniformen Konvexit¨ at eines Raumes; insbesondere sind die Lp -R¨ aume f¨ ur 1 < p < ∞ reflexiv. Dieser Satz beruht auf einer geometrischen Version des Satzes von Hahn-Banach, n¨ amlich einem Trennungssatz 10.3 f¨ ur disjunkte konvexe Mengen in normierten R¨ aumen durch reelle affine Hyperebenen. Der Satz von Bolzano-Weierstraß gilt in reflexiven Banachr¨ aumen im Sinne der schwachen Konvergenz (vgl. Theorem 10.14); diese Aussage zusammen mit dem Trennungssatz impliziert den o. a. Satz 10.17 u ¨ber die Existenz von Minima. Schwach konvergente und schwach*-konvergente Folgen werden in den Abschnitten 10.4 und 10.5 untersucht. Im Gegensatz zum reflexiven Fall ist im Folgenraum 1 jede schwach konvergente Folge bereits in der Norm konvergent. Mit Hilfe dieser Tatsache konstruieren wir nicht komplementierte abgeschlossene Unterr¨ aume von 1 .
10.1
Variationsprobleme
In diesem Kapitel befassen wir uns u. a. mit der Frage, wann reelle Funktionen auf Teilmengen von Banachr¨ aumen Minima oder Maxima besitzen. Ein Hauptproblem besteht nat¨ urlich darin, dass die Einheitskugel BX eines unendlichdimensionalen Banachraumes X nicht kompakt ist. Nach einem Beispiel auf S. 168 gibt es z. B. auf den R¨ aumen X = c0 oder X = C[a, b] stetige Linearformen, die kein Maximum auf BX besitzen; dies liegt daran, dass diese R¨ aume nicht reflexiv sind.
10 Schwache Konvergenz 183
Wir starten mit einem konkreten Problem: Das Dirichletsche Prinzip. a) Gegeben seien reellwertige Funktionen p ∈ C 1 [a, b] und q, f ∈ C[a, b] mit p(t) > 0 und q(t) ≥ 0 f¨ ur alle t ∈ [a, b] sowie Randwerte α , β ∈ R . Wir suchen ein Minimum des quadratischen Funktionals F : v →
1 2
b a
(p v 2 + q v 2 ) dt −
b a
f v dt
(1)
unter den Randbedingungen v(a) = α ,
v(b) = β .
(2)
b) Nun ist nat¨ urlich festzulegen, in welchem Raum die Funktion v variieren soll. Naheliegend ist sicher der Raum C 1 ([a, b], R) , doch ist nach den obigen Bemerkungen die Existenz eines Minimums in diesem zu C[a, b] isomorphen nicht reflexiven Raum problematisch. Wir w¨ ahlen stattdessen den Sobolev-Hilbertraum W21 ((a, b), R) und achen. Nach dem k¨ onnen dann auch die Bedingung an f zu f ∈ L2 [a, b]“ abschw¨ ” Sobolevschen Einbettungssatz 5.12 sind die Dirac-Funktionale δa und δb auf W21 (a, b) definiert und stetig; durch die Randbedingungen (2) wird also ein abgeschlossener affiner Unterraum Rα,β von W21 (a, b) definiert. c) Wir nehmen nun an, dass das Funktional F auf Rα,β in u ∈ Rα,β ein Minimum besitzt. F¨ ur eine Testfunktion ϕ ∈ D(a, b) und s ∈ R gilt auch u + sϕ ∈ Rα,β , also F (u + sϕ) = F (u) + s
b a
(p u ϕ + q u ϕ − f ϕ) dt +
s2 2
b a
(p ϕ 2 + q ϕ2 ) dt ≥ F (u)
f¨ ur alle s ∈ R . Dies erzwingt
b a
(p u ϕ + q u ϕ − f ϕ) dt = 0
(3)
f¨ ur alle Testfunktionen ϕ ∈ D(a, b) . Folglich (vgl. Abschnitt 5.4) liegt die Funktion pu ∈ L2 [a, b] sogar in W21 (a, b) . Wegen p > 0 gilt dies dann auch f¨ ur u ; die Funktion osung der Differentialgleichung u liegt also in W22 (a, b) und ist eine schwache L¨ Lu := −(pu ) + qu = f .
(4)
Ein Minimum u des Funktionals F auf Rα,β liefert also eine (schwache) L¨ osung des Sturm-Liouville-Randwertproblems (4) und (2). ¨ d) Die Uberlegungen aus a)–c) k¨ onnen auch f¨ ur elliptische partielle Differentialoperan ∂2 durchgef¨ uhrt werden toren L , speziell f¨ ur den Laplace-Operator L = −Δ = − ∂x2 k=1
k
und sind dann als Dirichletsches Prinzip zur L¨ osung von Randwertproblemen bekannt, vgl. dazu etwa [Dobrowolski 2006], Kapitel 7.
184 III Prinzipien der Funktionalanalysis
1 u
−1
1 Abb. 10.1: Ein Minimierungsproblem
1 Beispiel. Das Funktional F : v → 12 −1 (v 2 + v 2 ) dt = 12 v 2W 1 besitzt auf Rα,β 2 Minima aufgrund von Satz 7.1. F¨ ur diese gilt u = u aufgrund von (4), und f¨ ur cosh t v(−1) = v(1) = 1 etwa ergibt sich sofort u(t) = cosh 1 . Abb. 10.1 zeigt u zusammen mit einigen anderen Funktionen aus R1,1 . Man hat F (u) = Ein Regularit¨ atssatz.
e2 (1−e−4 ) 4 cosh2 1
≈ 0,7616 .
Die Differentialgleichung (4) ist wegen p > 0 ¨ aquivalent zu
u = − pp u +
q p
u−
f p
.
(5)
F¨ ur u ∈ W22 (a, b) sind u und u stetig. Ist nun auch f stetig und u eine schwache L¨ osung von (5), so folgt u ∈ C 1 [a, b] und damit u ∈ C 2 [a, b] nach Lemma 5.10 b); folglich ist dann u sogar eine klassische L¨ osung von (5) oder (4). Ein solcher Regularit¨ atssatz (vgl. auch Aufgabe 5.11) ist f¨ ur partielle Differentialgleichungen wesentlich schwieriger zu beweisen. Minima und Proxima. In obigem Beispiel folgt die Existenz eines Minimums sofort aus Satz 7.1 u aumen. In Abschnitt ¨ber die Existenz eines Proximums in Hilbertr¨ 10.5 werden wir mit einem schwachen Kompaktheitsargument die Existenz von Minima konvexer Funktionale auf reflexiven R¨ aumen zeigen; Satz 10.17 ist anwendbar auf die Funktionale in (1) und liefert auch die Existenz von Bestapproximationen an abgeschlossene konvexe Mengen in reflexiven Banachr¨ aumen. Wir diskutieren nun zun¨ achst die Eindeutigkeit solcher Proxima: Strikt normierte R¨ aume. a) Ein normierter Raum X u ¨ber K heißt strikt normiert oder strikt konvex, wenn seine Einheitssph¨ are S = {x ∈ X | x = 1} keine Strecke enth¨ alt, wenn also gilt x = y = 1 und
1 2
(x + y) = 1 ⇒ x = y .
(6)
b) Die R¨ aume 21 und 2∞ sind nicht strikt normiert (vgl. Abb. 10.2), und Proxima zu konvexen Teilmengen sind nicht eindeutig (vgl. Aufgabe 1.15). Dies gilt allgemeiner f¨ ur alle R¨ aume mit L1 - und L∞ -Normen. c) F¨ ur 1 < p < ∞ sind Lp -R¨ aume strikt normiert, da in der Minkowskischen Ungleichung nur f¨ ur linear abh¨ angige Summanden Gleichheit gilt (Aufgabe 10.4).
10 Schwache Konvergenz 185
p=∞
p=3 p=
p=1
3 2
Abb. 10.2: Einheitssph¨ aren von 2p f¨ ur p = 1 und p = ∞ sowie f¨ ur p =
3 2
, 2 und 3
Satz 10.1 Es seien X ein strikt normierter Raum und ∅ = C ⊆ X eine abgeschlossene konvexe Menge. Zu x ∈ X gibt es dann h¨ ochstens ein Proximum c ∈ C mit x − c = dC (x) = inf { x − y | y ∈ C} . Beweis. F¨ ur dC (x) = 0 ist das klar; nun sei also dC (x) > 0 . Ist auch c ∈ C mit x − c = dC (x) , so folgt dC (x) ≤ x − F¨ ur ξ :=
x−c dC (x)
und η =
c+c 2
x−c dC (x)
=
x−c 2
+
x−c 2
≤ dC (x) .
gilt dann ξ = η nach (6), also c = c .
♦
In der Situation von Satz 10.1 hat man auch Existenz des Proximums bei uniformer Konvexit¨ at, einer gleichm¨ aßigen“ Versch¨ arfung der Bedingung der strikten Konve” xit¨ at: Definition. Ein normierter Raum X heißt uniform konvex, falls f¨ ur je zwei Folgen (xn ) und (yn ) in X mit lim xn = lim yn = 1 gilt: n→∞
n→∞
lim 12 (xn + yn ) = 1 ⇒
n→∞
lim xn − yn = 0 .
n→∞
(7)
Hilbertr¨ aume sind nach Aufgabe 6.4 uniform konvex. Die Existenz des Proximums kann in uniform konvexen R¨ aumen genauso wie der Projektionssatz 7.1 in Hilbertr¨ aumen gezeigt werden (vgl. Aufgabe 10.10). Uniform konvexe R¨ aume sind reflexiv (Satz von Milman-Pettis 10.7), und in Satz 10.18 zeigen wir die Existenz eines Proximums sogar in reflexiven Banachr¨ aumen. Beide Beweise verwenden geometrische Versionen des Satzes von Hahn-Banach, die wir im n¨ achsten Abschnitt herleiten.
186 III Prinzipien der Funktionalanalysis
10.2
Trennung konvexer Mengen
In diesem Abschnitt konstruieren wir sublineare Funktionale aus deren Einheitskugel“ ” und erhalten daraus die angek¨ undigten geometrischen Versionen des Satzes von HahnBanach, n¨ amlich Trennungss¨ atze f¨ ur disjunkte konvexe Mengen in normierten R¨ aumen durch reelle affine Hyperebenen. Damit k¨ onnen wir Satz 9.7 u ¨ber Annihilatoren zum Bipolarensatz 10.5 erweitern. Die Resultate gehen zur¨ uck u. a. auf G. Ascoli (1932), S. Mazur (1933) und M. Eidelheit (1936). Absolutkonvexe Mengen. Eine Teilmenge A ⊆ E eines reellen oder komplexen Vektorraumes heißt absolutkonvex, falls gilt ∀ x, y ∈ A ∀ s, t ∈ K : | s | + | t | ≤ 1 ⇒ s x + t y ∈ A .
(8)
Absolutkonvexe Mengen sind nat¨ urlich insbesondere konvex. F¨ ur eine beliebige Menge M ⊆ E ist ¨ ahnlich wie in (1.8) Γ(M ) := {
n
sk xk | n ∈ N , xk ∈ M , sk ∈ K ,
k=1
n
| sk | ≤ 1}
(9)
k=1
der Durchschnitt aller absolutkonvexen Obermengen von M ; diese Menge Γ(M ) heißt absolutkonvexe H¨ ulle von M ⊆ E . y
z
C x 0 −z
Γ
−x −y
Abb. 10.3: Konvexe H¨ ulle C = co{x, y, z} und absolutkonvexe H¨ ulle Γ = Γ{x, y, z} von 3 Punkten in R2
Minkowski-Funktionale. a) Eine Menge A ⊆ E heißt absorbierend, falls
ur eine absorbierende Menge A ⊆ E definieren wir das MinkowskiE = t>0 tA gilt. F¨ Funktional oder Eichfunktional pA : E → [0, ∞) durch (vgl. Abb. 10.4) pA (x) := inf {t > 0 | x ∈ tA} ,
x∈E.
(10)
b) Eine Norm l¨ asst sich mittels x = pU (x) = pB (x) aus ihren Einheitskugeln U = U1 (0) oder B = B1 (0) rekonstruieren (vgl. Aufgabe 1.3). c) Auch f¨ ur ein sublineares Funktional p : E → R (vgl. S. 162) betrachten wir die Einheitskugeln“ ” Up := {x ∈ E | p(x) < 1}
und
Bp := {x ∈ E | p(x) ≤ 1} .
(11)
10 Schwache Konvergenz 187
y 3 2A
x
1 2A
0
A
Abb. 10.4: pA (x) =
1 2
und pA (y) =
3 2
Diese sind offenbar absorbierend und konvex, f¨ ur eine Halbnorm p sogar absolutkonvex. Umgekehrt gilt: Satz 10.2 F¨ ur eine absorbierende und konvexe Menge C ⊆ E ist das Minkowski-Funktional p := pC : E → [0, ∞) sublinear, und es gilt Up ⊆ C ⊆ Bp . Ist C sogar absolutkonvex, so ist pC eine Halbnorm. Beweis. a) Man hat 0 ≤ pC (x) < ∞ . Zu x ∈ E gibt es t, s > 0 mit tx ∈ C und s(−x) ∈ C . Wegen der Konvexit¨ at von C folgt 0 ∈ C , und man hat pC (0) = 0 . b) F¨ ur λ > p(x) und μ > p(y) gilt x ∈ λC und y ∈ μC aufgrund von 0 ∈ C und der Konvexit¨ at von C . Aus dieser folgt auch 1 λ+μ
(x + y) =
λ x λ+μ λ
+
μ y λ+μ μ
∈C,
also x + y ∈ (λ + μ)C . Folglich gilt p(x + y) ≤ λ + μ und daher auch die DreiecksUngleichung p(x + y) ≤ p(x) + p(y) . c) F¨ ur t > 0 ist tx ∈ tλC , also p(tx) ≤ tp(x) . F¨ ur t > 0 gilt dann auch umgekehrt p(x) ≤ 1t p(tx) , insgesamt also p(tx) = tp(x) f¨ ur t ≥ 0 . d) Aus p(x) < 1 folgt x ∈ tC f¨ ur ein 0 < t < 1 , wegen 0 ∈ C also auch x ∈ C . Umgekehrt impliziert x ∈ C nat¨ urlich sofort p(x) ≤ 1 . e) Nun sei C sogar absolutkonvex und wieder λ > p(x) . F¨ ur α ∈ K ist dann αx ∈ αλC = | α |λC , also p(αx) ≤ | α | p(x) . Wie in Beweisteil c) folgt daraus dann ♦ auch p(αx) = | α | p(x) . Nun k¨ onnen wir den folgenden Trennungssatz zeigen (vgl. Abb. 10.5): Theorem 10.3 Es seien X ein normierter Raum u ¨ber K = R oder K = C und ∅ = D, B ⊆ X disjunkte konvexe Mengen. a) Ist D offen, so gibt es x ∈ X und γ ∈ R mit Re d, x < γ ≤ Re b, x
f¨ ur d ∈ D , b ∈ B .
(12)
188 III Prinzipien der Funktionalanalysis
b) Ist D kompakt und B abgeschlossen, so gibt es x ∈ X und γ1 < γ2 ∈ R mit Re d, x ≤ γ1 < γ2 ≤ Re b, x
f¨ ur d ∈ D , b ∈ B .
(13)
{x = γ1 }
{x = γ} B D
D
B
{x = γ2 } Abb. 10.5: Trennung konvexer Mengen
Beweis. 1i Es gen¨ ugt, dies f¨ ur K = R zu zeigen. Im Fall K = C findet man dann achst ein R -lineares Funktional y : X → R mit (12) bzw. (13). Durch zun¨ x, x := x, y − i ix, y
wird dann wegen (9.4) ein C -lineares Funktional x ∈ X mit y = Re x definiert. 2i Im Fall K = R w¨ ahlen wir d0 ∈ D , b0 ∈ B und setzen x0 := b0 − d0 . Die Menge C := D − B + x0 ist konvex und offen; wegen 0 ∈ C gibt es δ > 0 mit Uδ (0) ⊆ C . Folglich ist C absorbierend, und nach Satz 10.2 ist das Minkowski-Funktional p = pC sublinear. C x0
0 V0
δ
Abb. 10.6: Illustration des Beweises
3i Wegen D ∩ B = ∅ ist x0 ∈ C , und man hat p(x0 ) ≥ 1 . Auf V0 := [x0 ] definieren wir eine Linearform f0 : V0 → R durch f0 (αx0 ) := α . Dann gilt f0 (αx0 ) = α
≤
α p(x0 ) = p(αx0 ) f¨ ur α ≥ 0
f0 (αx0 ) = α
≤
0 ≤ p(αx0 ) f¨ ur α ≤ 0 ,
und
also
f0 ≤ p auf V0 . Nach Theorem 9.1 gibt es eine Linearform f : X → R mit f |V0 = f0 und −p(−x) ≤ f (x) ≤ p(x) f¨ ur alle x ∈ X . Aus x < δ folgt x ∈ C ∩ (−C) , also | f (x) | ≤ 1 , und somit ist x := f ∈ X stetig.
10 Schwache Konvergenz 189
4i F¨ ur d ∈ D und b ∈ B hat man d, x − b, x + 1 = d − b + x0 , x ≤ p(d − b + x0 ) < 1 , da C offen ist. Somit gilt stets d, x < b, x , und mit γ := sup d, x folgt nun d∈D
Behauptung (12), da die Menge x (D) in R offen ist. 5i Nun seien D kompakt und B abgeschlossen. Zu d ∈ D gibt es dann ε = εd > 0 mit Uε (d) ∩ B = ∅ . Wegen der Kompaktheit von D gibt es d1 , . . . , dr ∈ D mit r
Uεdj (dj ) , und mit ε := min {εd1 , . . . , εdr } setzen wir Dε := D + Uε (0) . D ⊆ j=1
Es ist Dε offen und konvex mit Dε ∩ B = ∅ . Nun wenden wir die schon bewiesene ur Behauptung a) an und erhalten x ∈ X sowie γ2 ∈ R mit x, x < γ2 ≤ b, x f¨ x ∈ Dε und b ∈ B . Mit γ1 := max d, x < γ2 folgt dann die Behauptung (13). ♦ d∈D
Wir formulieren einen wichtigen Spezialfall des Trennungssatzes: Satz 10.4 Es seien X ein normierter Raum, ∅ = A ⊆ X eine absolutkonvexe Menge und x0 ein Vektor in X\A . a) Ist A offen, so gibt es x ∈ X mit | a, x | < | x0 , x |
f¨ ur alle a ∈ A .
(14)
b) Ist A abgeschlossen, so gibt es x ∈ X mit sup | a, x | < | x0 , x | .
(15)
a∈A
Beweis. a) Mit D := A und B := {x0 } liefert der Trennungssatz 10.3 a) ein Funktional x ∈ X mit Re a, x < Re x0 , x
f¨ ur alle a ∈ A .
F¨ ur a ∈ A w¨ ahlt man α ∈ K mit | α | = 1 und | a, x | = α a, x = αa, x = Re αa, x . Wegen αa ∈ A impliziert dies sofort | a, x | < Re x0 , x , also (14). b) Nun w¨ ahlen wir D := {x0 } und B := A im Trennungssatz 10.3 b) und erhalten ein Funktional y ∈ X und eine Zahl γ ∈ R mit Re x0 , y < γ ≤ Re a, y
f¨ ur alle a ∈ A .
Wir setzen x := −y . F¨ ur a ∈ A w¨ ahlen wir wieder α ∈ K mit | α | = 1 und | a, x | = α a, x = αa, x = Re αa, x . Wegen αa ∈ A impliziert dies | a, x | ≤ −γ < Re x0 , x , also (15).
♦
190 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Polaren. Es sei X ein normierter Raum. F¨ ur nichtleere Mengen M ⊆ X und N ⊆ X werden die Polaren definiert durch M
N
:= :=
{x ∈ X | | x, x | ≤ 1
f¨ ur x ∈ M } , f¨ ur x ∈ N } .
{x ∈ X | | x, x | ≤ 1
Polaren sind stets absolutkonvex und abgeschlossen. Das folgende Resultat erweitert Satz 9.7 b); der Beweis davon beruht auf Satz 10.4 an Stelle von Satz 9.4: Satz 10.5 (Bipolarensatz) Es sei X ein normierter Raum. F¨ ur eine nichtleere Menge M ⊆ X gilt
(M ) = Γ(M ) .
(16)
Beweis. ⊇ “ ist klar. F¨ ur ⊆ “ sei A := Γ(M ) und x0 ∈ X\A . Nach (15) gibt es ” ” x ∈ X mit sup | x, x | ≤ 1 < | x0 , x | . x∈A
Dies zeigt x ∈ M und x0 ∈ (M ) .
♦
Beispiel. F¨ ur die abgeschlossenen Einheitskugeln von X und X gilt BX = BX und daher auch BX = (BX ) = BX .
10.3
Uniform konvexe R¨ aume
Der bereits auf S. 185 eingef¨ uhrte Begriff der uniformen Konvexit¨ at stammt von J.A. -R¨ a ume f¨ u r 1 < p < ∞ nachwies. Clarkson (1936), der diese Eigenschaft f¨ ur die Lp Nach D. Milman (1938) und B.J. Pettis (1939) ist jeder uniform konvexe Banachraum reflexiv. Durch Kombination dieser beiden Resultate ergibt sich die Reflexivit¨ at der Lp -R¨ aume f¨ ur 1 < p < ∞ ; f¨ ur diese Aussage gen¨ ugt aber auch die uniforme Konveur 2 ≤ p < ∞ . Wir beginnen mit dem Satz von Milman-Pettis und xit¨ at von Lp nur f¨ benutzen dazu das folgende Interpolationsresultat“ von E. Helly (1921), das wiederum ” Satz 10.4 verwendet: Satz 10.6 (Helly) Gegeben seien ein normierter Raum X , stetige Linearformen {x1 , . . . , xn } ⊆ X und Zahlen {α1 , . . . , αn } ⊆ K . Es gebe C > 0 mit |
n k=1
λk αk | ≤ C
n
λk xk
f¨ ur alle λk ∈ K .
(17)
k=1
Zu ε > 0 gibt es dann einen Vektor x ∈ X mit x < C + ε und x, xk = αk ,
k = 1, ... , n.
(18)
10 Schwache Konvergenz 191
Beweis. a) Wir definieren T ∈ L(X, Kn ) durch T x := ( x, xk )n k=1 . Dann ist die induzierte Abbildung Tˆ : X/N (T ) → R(T ) ⊆ Kn (vgl. (9.6) auf S. 151) ein Isomorphismus und daher T : X → R(T ) eine offene Abbildung. b) Ist die Behauptung f¨ ur ε > 0 falsch, so gilt also α := (αk )n k=1 ∈ A := T (UC+ε (0)) . n Gilt sogar α ∈ R(T ) , so gibt es nach Satz 9.4 ein Tupel λ = (λk )n k=1 ∈ (K ) mit ⊥ λ ∈ R(T ) und α, λ = 0 , insbesondere also | T x, λ | < | α, λ |
f¨ ur alle x ∈ UC+ε (0) .
(19)
c) Nun sei α ∈ R(T )\A . Da A in R(T ) offen ist, gibt es nach Satz 10.4 a) eine Linearform λ ∈ R(T ) mit (19); diese setzen wir zu einer Linearform λ = (λk )n k=1 auf n K fort. Nun w¨ahlen wir x ∈ UC+ε (0) mit C
n k=1
λk xk < | x,
n
λk xk | = |
k=1
n
λk x, xk | = | T x, λ |
k=1
♦
und erhalten aus (19) einen Widerspruch zu (17).
Folgerung. F¨ ur x ∈ X und αk := xk , x gilt Absch¨ atzung (17) mit C = x . Zu ε > 0 gibt es also einen Vektor x ∈ X mit x < x + ε und x, xk = xk , x ,
k = 1, ... , n.
(20)
Prinzip der lokalen Reflexivit¨ at. Obige Folgerung kann zum Prinzip der lokalen Reflexivit¨ at ausgebaut werden, das f¨ ur die lokale Theorie der Banchr¨ aume grundlegend ist (vgl. [Lindenstrauß und Tzafriri 1973], II.5.1 oder [Woytaszcyk 1991], II.E.14): aume. Es seien X ein Banachraum und V ⊆ X sowie W ⊆ X endlichdimensionale R¨ Zu ε > 0 gibt es eine Isomorphie T von W auf einen endlichdimensionalen Unterraum ur ιx ∈ W sowie von X mit T T −1 ≤ 1 + ε , T (ιx) = x f¨ T x , x = x , x f¨ ur x ∈ V und x ∈ W . F¨ ur uniform konvexe Banachr¨ aume impliziert der Satz von Helly sogar die globale Reflexivit¨ at: Theorem 10.7 (Milman-Pettis) Ein uniform konvexer Banachraum X ist reflexiv. Beweis. a) Es sei F ∈ X mit F = 1 . Es gibt eine Folge (fn ) in X mit fn = 1 ur n ∈ N . Nach obiger Folgerung aus dem Satz von Helly gibt es und F (fn ) > 1 − n1 f¨ xn ∈ X mit ur k = 1 , . . . , n fk (xn ) = F (fk ) f¨
und
xn ≤ 1 +
1 n
.
(21)
192 III Prinzipien der Funktionalanalysis
b) F¨ ur m ≥ n hat man 2−
2 n
≤ F (fn ) + F (fm ) = fn (xn ) + fm (xm ) ≤ xn + xm ≤ 2 +
2 n
,
(22)
ur n → ∞ . Wegen (7) ist dann (xn ) eine Cauchy-Folge in also 12 (xn + xm ) → 1 f¨ X und f¨ ur x0 := lim xn ∈ X gilt n→∞
x0 = 1
und
fk (x0 ) = F (fk ) f¨ ur alle k ∈ N .
(23)
c) Wie im Beweisteil b) von Satz 7.1 ist ein Vektor x0 ∈ X durch (23) eindeutig bestimmt. Gilt (23) n¨ amlich auch f¨ ur y0 ∈ X , so erf¨ ullt die Folge (x0 , y0 , x0 , y0 , x0 , . . .) Bedingung (21) und muss daher eine Cauchy-Folge sein. d) Ist nun f0 ∈ X beliebig, so betrachten wir die mit f0 beginnende Folge (fn )n≥0 . ur n ≥ 1 und zus¨ atzlich Mit dem Satz von Helly finden wir eine Folge (yn )n≥0 mit (21) f¨ f0 (yn ) = F (f0 ) f¨ ur n ≥ 0 . F¨ ur y0 := lim yn ∈ X gilt dann (23) f¨ ur alle k ≥ 0 . n→∞
Nach c) folgt y0 = x0 und somit f0 (x0 ) = F (f0 ) . Da nun f0 ∈ X beliebig war, ♦ bedeutet dies F = ιX (x0 ) . Bemerkungen. Die Umkehrung des Satzes von Milman-Pettis gilt nicht: Die R¨ aume n n und sind reflexiv, aber nicht einmal strikt konvex. Nach M.M. Day gibt es ∞ 1 sogar reflexive Banachr¨ aume, die unter keiner ¨ aquivalenten Norm uniform konvex sind. Dagegen ist jeder separable Banachraum unter einer geeigneten ¨ aquivalenten Norm strikt konvex. Hierzu verweisen wir auf [K¨ othe 1966], 26.9. aume f¨ ur 2 ≤ p < ∞ uniform konvex sind. Dazu verwenden Wir zeigen nun, dass Lp -R¨ wir zwei Hilfsaussagen: Jensensche Ungleichung. F¨ ur 0 < r ≤ s < ∞ und eine Folge (xk ) komplexer Zahlen gilt ∞ ∞ 1 1 | xk |s ) /s ≤ ( | xk |r ) /r = x r . (24) x s = ( k=0
k=0
Dies ist klar f¨ ur x r = 0 oder x r = ∞ . Andernfalls kann man nach Division durch x r sofort x r = 1 annehmen. Dann ist | xk | ≤ 1 f¨ ur alle k , und es folgt s r | xk | ≤ | xk | , also auch x s ≤ 1 = x r . Die folgende Erweiterung der Parallelogrammgleichung (7.9) geht auf J.A. Clarkson (1936) zur¨ uck: Lemma 10.8 F¨ ur 2 ≤ p < ∞ und Zahlen a, b ∈ C gilt | a + b |p + | a − b |p ≤ 2p−1 (| a |p + | b |p ) .
(25)
10 Schwache Konvergenz 193
Beweis. F¨ ur p = 2 folgt dies aus der Parallelogrammgleichung (7.9). F¨ ur p > 2 ergibt sich mit (24) daraus (| a + b |p + | a − b |p )
1/ p
≤ (| a + b |2 + | a − b |2 )
1/ 2
≤
√
2 (| a |2 + | b |2 )
1/ 2
.
(26)
Nun definieren wir r > 1 durch p2 + 1r = 1 und erhalten durch Anwendung der H¨ olderschen Ungleichung auf die Paare (| a |2 , | b |2 ) und (1,1) | a |2 + | b |2
√ 1 2 (| a |2 + | b |2 ) /2
≤ ≤
2 2
1/ r
(| a |p + | b |p )
1 1 + 2r 2
p
2/ p
p
(| a | + | b | )
, 1/ p
also = 2
p−1 p
(| a |p + | b |p )
1/ p
.
♦
Mit (26) folgt daraus die Behauptung (25).
Satz 10.9 Es sei μ ein positives Maß auf einer σ -Algebra in einer Menge Ω . F¨ ur 2 ≤ p < ∞ ist dann der Raum Lp (μ) uniform konvex. Beweis. Es seien (fn ) und (gn ) Folgen in Lp (μ) mit lim fn = lim gn = 1 . n→∞
n→∞
Wegen (25) ist dann lim sup ( fn + gn p + fn − gn p ) ≤ 2p , und aus lim 12 (fn + gn ) = 1 folgt sofort lim fn − gn = 0 . n→∞
n→∞
♦
Der Satz gilt auch f¨ ur 1 < p < 2 ; der Beweis eines zu 10.8 analogen Lemmas ist in diesem Fall aber schwieriger (vgl. [Hirzebruch und Scharlau 1991], Abschnitt 17 oder [K¨ othe 1966], 26.7). Aus dem Satz von Milman-Pettis folgt nun: Satz 10.10 Es sei μ ein positives Maß auf einer σ -Algebra in einer Menge Ω . F¨ ur 1 < p < ∞ ist dann der Raum Lp (μ) reflexiv. Beweis. F¨ ur 2 ≤ p < ∞ folgt dies unmittelbar aus den S¨ atzen 10.9 und 10.7. F¨ ur 1 < p < 2 betrachten wir den konjugierten Index q > 2 mit p1 + 1q = 1 . Nach dem schon gezeigten ist Lq (μ) reflexiv, und nach Satz 9.12 gilt dies auch f¨ ur den Dualraum Lq (μ) . Nun haben wir auf S. 174 schon bewiesen, dass Lp (μ) zu einem Unterraum at von Lp (μ) schließlich aus von Lq (μ) isometrisch ist, und somit folgt die Reflexivit¨ Satz 9.13. ♦ Nun k¨ onnen wir den Dualraum von Lp (μ) endg¨ ultig angeben:
194 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Beweis von Theorem 9.15. f, Jg :=
Ω
F¨ ur 1 < p < ∞ wird durch die Formel
f (t) g(t) dμ ,
f ∈ Lp (Ω) , g ∈ Lq (Ω) ,
eine Isometrie J : Lq (Ω) → Lp (Ω) definiert. Ist J : Lq (μ) → Lp (μ) nicht surjektiv, so gibt es nach Satz 9.5 ein Element 0 = F ∈ Lp (μ) mit F (J(Lq (μ))) = 0 . Nach Satz 10.10 gilt F = ι(f ) f¨ ur eine Funktion f ∈ Lp (μ) . Dann folgt aber Ω f (t) g(t) dμ = 0 ♦ f¨ ur alle g ∈ Lq (μ) und somit der Widerspruch f = 0 und F = 0 .
10.4
Schwach konvergente Folgen
Wir untersuchen nun schwach und schwach*-konvergente Folgen in normierten R¨ aumen und charakterisieren diese Konzepte in einigen konkreten Folgen- und Funktionenr¨ aumen. Der Banachraum 1 hat die spezielle Eigenschaft, dass jede dort schwach konvergente Folge bereits in der Norm konvergiert. R¨ aume, die diese Eigenschaft nicht besitzen, z. B. der Raum L1 [a, b] , k¨ onnen nicht zu einem Unterraum von 1 isomorph sein. Weiter ist aber jeder separable Banachraum zu einem Quotientenraum von 1 isomorph; daraus ergeben sich Beispiele nicht rechtsinvertierbarer Quotientenabbildungen und auch nicht komplementierter Unterr¨ aume. Schwach konvergente Folgen in 2 wurden von D. Hilbert 1906 eingef¨ uhrt und zur exakten Begr¨ undung des Dirichletschen Prinzips der Potentialtheorie verwendet; der Name schwache Konvergenz“ stammt von H. Weyl (1908). F. Riesz (1909) untersuch” te schwach konvergente Folgen in Lp -R¨ aumen, und die folgende allgemeine Definition stammt von S. Banach (1929): Schwach und schwach*-konvergente Folgen.
Es sei X ein normierter Raum. w
a) Eine Folge (xn ) in X konvergiert schwach gegen x ∈ X , Notation: xn → x , falls gilt xn , x → x, x f¨ ur alle x ∈ X . (27) w∗
b) Eine Folge (xn ) in X konvergiert schwach* gegen x ∈ X , Notation: xn → x , falls gilt ur alle x ∈ X . (28) x, xn → x, x f¨ Dabei handelt es sich nat¨ urlich um die punktweise Konvergenz im Dualraum X = L(X, K) . c) Schwach*-Grenzwerte sind eindeutig bestimmt; dies gilt auch f¨ ur schwache Grenzwerte aufgrund der bereits als Satz 4.2 formulierten Konsequenz des Satzes von HahnBanach. d) Norm-Konvergenz impliziert die schwache Konvergenz, und in Dualr¨ aumen impliziert diese die schwach*-Konvergenz.
10 Schwache Konvergenz 195
Beispiele. a) Es sei (en ) eine orthonormale Folge in einem Hilbertraum H . Dann w gilt en = 1 , aber en → 0 aufgrund der Besselschen Ungleichung (6.3). b) F¨ ur eine beliebige Folge in H gilt w
x − xn → 0 ⇔ xn → x und xn → x .
(29)
Aussage ⇒“ ist klar, und ⇐“ folgt aus (vgl. Formel (6.10) auf S. 107) ” ” x − xn 2 = x 2 − 2 Re xn |x + xn 2 . der n -te Einheitsvektor“ im Folgenraum p . Offenbar ist c) Es sei en = (δnj )∞ j=0 ” ∼ ur alle 1 ≤ p ≤ ∞ . F¨ ur 1 < p < ∞ und y = (yj )∞ en = 1 f¨ j=0 ∈ q = p gilt w en , y = yn → 0 ; also hat man en → 0 . w∗
ur x = (xj )∞ d) In 1 gilt en → 0 aber nicht en → 0 . F¨ j=0 ∈ c0 hat man in der Tat ∞ ur y := (1,1,1, . . .)j=0 ∈ ∞ ∼ x, en = xn → 0 , f¨ = 1 aber en , y = yn → 0 . w
e) F¨ ur die Folge (eint )n∈N gilt eint Lp = (b − a) w
1/ p
∗
w
und eint → 0 in Lp [a, b] f¨ ur
1 ≤ p < ∞ sowie eint → 0 in L∞ [a, b] . Dies folgt aus dem Lemma von Riemannur 1 ≤ p < ∞ . Beachten Sie, dass Lebesgue 5.13 und der Dualit¨ at Lp [a, b] ∼ = Lq [a, b] f¨ int w im Gegensatz zu d) auch e → 0 in L1 [a, b] gilt. Bemerkungen.
a) Es seien X und Y normierte R¨ aume und T ∈ L(X, Y ) . Aus w∗
w∗
→ y in Y folgt dann T xn → T x in Y bzw. T yn → T y in xn → x in X bzw. yn X . Dies kann man mittels der Definition sofort nachrechnen. w
w
b) Es sei V ein Unterraum des normierten Raumes X . F¨ ur eine Folge (vn ) in V gilt w
vn → v in V
⇔
w
vn → v in X .
(30)
Aussage ⇐“ folgt aus dem Satz von Hahn-Banach: Jedes stetige Funktional v ∈ V ” ist Restriktion eines stetigen Funktionals x ∈ X auf V . Die Umkehrung ⇒“ ist ” klar. c) Aufgrund des Prinzips der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit und von Satz 9.8 sind schwach konvergente Folgen in X und schwach*-konvergente Folgen in X normbeschr¨ ankt. Schwache Konvergenz in C(K) . Es sei K ein kompakter metrischer Raum. Eine Folge (fn ) konvergiert genau dann schwach gegen f in C(K) , wenn die folgende Bedingung gilt: sup fn < ∞
n∈N
und
fn (t) → f (t) f¨ ur alle t ∈ K .
(31)
In der Tat folgt Aussage ⇒“ aus obiger Bemerkung c) und ” ur t ∈ K . fn (t) = fn , δt → f, δt = f (t) f¨ Zum Beweis der Umkehrung ⇐“ verwendet man den Rieszschen Darstellungssatz ” 9.16 und den Satz u ¨ber majorisierte Konvergenz A.3.8.
196 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Schwach*-Konvergenz in p . (y
(n)
a) Es seien 1 ≤ p < ∞ und p1 + 1q = 1 . Eine Folge ∼ p , wenn ) konvergiert genau dann schwach* gegen y in q = sup y (n) < ∞
(n)
und
yk
n∈N
→ yk f¨ ur alle k ∈ N
(32)
gilt. In der Tat folgt Aussage ⇒“ aus obiger Bemerkung c) und yk = ek , y ; f¨ ur die ” in und Satz 3.3. Umkehrung ⇐“ verwendet man die Dichtheit von [ek ]∞ p k=1 ” ur 1 < p < ∞ und b) Bedingung (32) beschreibt auch die schwache Konvergenz in p f¨ die schwach*-Konvergenz in 1 ∼ = c0 . Jedoch bewies I. Schur 1921: Satz 10.11 (Schur) Eine Folge in 1 ist genau dann schwach konvergent, wenn sie Norm-konvergent ist.
≥ − 2
< 0
< M M +1
N N +1
Abb. 10.7: Ein Buckel“ der Folge (| xk |) ”
Beweis. a) Wir benutzen die Methode des gleitenden Buckels“ (vgl. Abb. 10.7): ” ∞ N F¨ ur x = (xk ) ∈ 1 gilt lim | xk | = 0 . Ist x ≥ ε > 0 und | xk | ≤ ε < n→∞ k=n+1
so gibt es M > N mit
M
k=0
ε 2
,
| xk | ≥ ε − 2ε .
k=N +1 w
b) Es sei (x(n) ) eine Folge in 1 mit x(n) → 0 . Gilt x(n) → 0 , so gibt es ε > 0 und nj ↑ ∞ mit x(nj ) ≥ ε f¨ ur alle j ∈ N . Wir schreiben kurz j f¨ ur nj . ∞
c) F¨ ur j = 1 gibt es N1 ∈ N mit
(1)
| xk |
N1 gilt dann | αk xk | ≥ 3ε | αk | = 1 f¨ 5 . k=0
w
d) Nun halten wir N1 fest. Wegen x(j) → 0 gibt es j2 > 1 mit Weiter gibt es N2 > N1 mit
∞ k=N2 +1
(j )
| xk 2 |
0 w¨ ahlen wir 0 < δ < 1 mit 1 ≤ 1 + ε . Zu x ∈ B w¨ a hlen wir n ∈ N mit x − xn0 < δ , dann n1 ∈ N0 0 0 X 1−δ 1 mit δ (x − xn0 ) − xn1 < δ , also x − xn0 − δxn1 < δ 2 , dann n2 ∈ N0 mit x − xn0 − δxn1 − δ 2 xn2 < δ 3 . So fortfahrend finden wir eine Folge (nk )k≥0 in N0 mit x −
m−1
δ k xn k < δ m
f¨ ur m ∈ N .
k=0
ur n ∈ {nk | k ∈ N0 } ; f¨ ur ξ = (ξn ) ∈ 1 gilt Nun setzen wir ξnk = δ k und ξn = 0 f¨ ∞ k 1 dann ξ ≤ δ = 1−δ ≤ 1 + ε und πξ = x . k=0
198 III Prinzipien der Funktionalanalysis
c) Nach b) ist nun die induzierte Abbildung π ˆ : 1/N (π) → X gem¨ aß (8.6) ein Iso−1 ≤ 1 und π ˆ ≤ 1 + ε. ♦ morphismus mit π Beachten Sie bitte, dass im Beweis von Satz 10.12 der Satz von der offenen Abbildung ur die nicht ben¨ otigt wird. Dieser zeigt auch die Fast-Isometrie“ d(X, 1/N (π)) = 1 f¨ ” 1 Banach-Mazur-Distanz von X und /N (π) (vgl. (3.5)). Beispiele. Es sei X ein separabler Banachraum, f¨ ur den der Satz von Schur nicht gilt, z. B. X = 2 oder X = L1 [a, b] . Ist nun π : 1 → X die in Satz 10.12 konstruierte Surjektion, so ist der in 1 abgeschlossene Unterraum N (π) nicht komplementiert. Andernfalls m¨ usste 1 N (π) × X nach Satz 9.19 gelten, X also zu einem Unterraum von 1 isomorph sein.
10.5
Schwach konvergente Teilfolgen
In diesem Abschnitt zeigen wir, dass in reflexiven Banachr¨ aumen jede beschr¨ ankte Folge eine schwach konvergente Teilfolge besitzt; dies ergibt sich im Wesentlichen bereits aus dem Beweis des Satzes von Arzel` a-Ascoli. Zusammen mit dem Trennungssatz 10.3 liefert dies ein Resultat u ber die Existenz von Minima konvexer Funktionale, das z. B. ¨ auf die Funktionale in (1) angewendet werden kann. Wir beginnen mit dem folgenden Auswahlprinzip, das f¨ ur X = C[a, b] von E. Helly (1912) und f¨ ur den allgemeinen Fall von S. Banach (1929) stammt: Satz 10.13 Es sei X ein separabler normierter Raum. Dann besitzt jede beschr¨ ankte Folge (xn ) in X eine schwach*-konvergente Teilfolge. Beweis. Es gibt eine in X dichte abz¨ ahlbare Menge A . Nach Lemma 2.3 besitzt (xn ) eine auf A punktweise konvergente Teilfolge. Diese ist gleichstetig und daher nach ♦ Lemma 2.4 (oder auch Satz 3.3) auf ganz X punktweise konvergent. Man kann Satz 10.13 auch so formulieren: F¨ ur einen separablen normierten Raum X ist die Einheitskugel BX von X schwach*-folgenkompakt. Beispiel.
a) Wir definieren stetige Linearformen auf X := L∞ [0,1] durch λε (f ) :=
1 ε
ε 0
f (t) dt ,
ε > 0.
ur f ∈ C[0,1] gilt λε (f ) → f (0) = δ(f ) . Es gibt aber keine Dann ist λε = 1 , und f¨ Nullfolge εk → 0 , f¨ ur die (λεk ) in L∞ [0,1] schwach*-konvergiert. ¨ b) Andernfalls k¨ onnen wir durch Ubergang zu einer Teilfolge ε0 = 1 >
εk+1 εk
→ 0
10 Schwache Konvergenz 199
annehmen. Dann definieren wir f ∈ L∞ [0,1] mit f = 1 durch f (t) = (−1)k f¨ ur εk+1 < t < εk (vgl. Abb. 10.8) und erhalten εk+1 k f (t) dt + (−1) (ε − ε ) , also λεk (f ) = ε1k k k+1 0 ε ε ε | λεk (f ) − (−1)k | ≤ ε1k 0 k+1 | f (t) | dt + k+1 ≤ 2 k+1 → 0 εk εk f¨ ur k → ∞ . Somit ist die Folge (λεk (f )) divergent.
1 4 0
2 3
1
0 = 1
−1 Abb. 10.8: Illustration des Beispiels
Das Beispiel zeigt, dass Satz 10.13 ohne die Annahme der Separabilit¨ at von X i. a. nicht richtig ist. Nach einem Satz von Alaoglu-Bourbaki ist aber BX stets kompakt in der schwach*-Topologie, vgl. den Aufbaukurs oder etwa [Hirzebruch und Scharlau 1991], 13.9. Das folgende Resultat gilt auch ohne die Annahme der Separabilit¨ at des Raumes X : Theorem 10.14 In einem reflexiven Banachraum X besitzt jede beschr¨ ankte Folge eine schwach konvergente Teilfolge. Beweis. a) F¨ ur separable R¨ aume folgt dies sofort aus Satz 10.13. b) Nun sei X ein beliebiger reflexiver Banachraum und (xn ) eine beschr¨ ankte Folge in X . Der abgeschlossenee Unterraum V := [xn ] von X ist separabel und nach Satz 9.13 ebenfalls reflexiv. Nach a) hat (xn ) eine Teilfolge, die in V schwach konvergiert, ♦ und nach (30) gilt dies dann auch in X . Aufgrund des Satzes von Schur gilt die Aussage von Theorem 10.14 nicht im Raum 1 . Man kann das Resultat wieder so formulieren: Die Einheitskugel eines reflexiven ˇ Banachraums X ist schwach folgenkompakt. Nach einem Satz von Eberlein-Smulian (vgl. [K¨ othe 1966], 24.2) ist diese Aussage sogar ¨ aquivalent zur Reflexivit¨ at von X . Eine Konsequenz aus dem Trennungssatz 10.3 ist: Satz 10.15 Es seien X ein normierter Raum, C ⊆ X eine konvexe abgeschlossene Menge und w
(xn ) eine Folge in C mit xn → x ∈ X . Dann folgt auch x ∈ C .
200 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Beweis. Ist x ∈ C , so gibt es nach dem Trennungssatz ein x ∈ X und γ ∈ R mit Re x, x < γ ≤ Re xn , x
f¨ ur alle n ∈ N
im Widerspruch zu xn , x → x, x .
♦
Satz 10.15 ist ohne die Konvexit¨ atsbedingung nicht richtig. So ist z. B. die Einheitsur die Einheitsvektoren sph¨ are S = {x ∈ 2 | x = 1} in 2 abgeschlossen, aber f¨ w en ∈ S gilt en → 0 nach Beispiel b) auf S. 195. Aus Satz 10.15 folgt sofort: Satz 10.16 (Mazur) w In einem normierten Raum X gelte xn → x . Zu ε > 0 gibt es dann m ∈ N und m m Zahlen sk ∈ [0,1] mit sk = 1 und sk x k − x < ε . k=1
k=1
Beweis. Es sei C := co {xn } der Abschluss der konvexen H¨ ulle der Menge {xn } . ♦ Nach Satz 10.15 gilt dann auch x ∈ C , und daraus folgt die Behauptung. Wir wollen nun einen Existenzsatz f¨ ur Minima reeller Funktionale beweisen. Dazu f¨ uhren wir die folgenden Begriffe ein: Konvexe Funktionen und halbstetige Funktionen. a) Es seien E ein Vektorraum und C ⊆ E eine konvexe Menge. Eine Funktion F : C → R heißt konvex, falls gilt: F(
n
k=1
sk x k ) ≤
n
sk F (xk ) f¨ ur xk ∈ C , 0 ≤ sk ≤ 1 und
k=1
n
sk = 1 .
(33)
k=1
b) Es seien X ein normierter Raum und Ω ⊆ X . Eine Funktion F : Ω → R heißt alfte“ der Stetigkeitsbedingung erf¨ ullt ist: unterhalbstetig in x0 ∈ Ω , wenn diese H¨ ” ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ x ∈ Ω : x − x0 < δ ⇒ F (x) > F (x0 ) − ε .
(34)
Eine Funktion F heißt oberhalbstetig, wenn sie die andere H¨ alfte“ der Stetigkeitsbe” dingung erf¨ ullt, wenn also −F unterhalbstetig ist. Satz 10.17 Es seien X ein reflexiver Banachraum und ∅ = C ⊆ X eine abgeschlossene konvexe Menge. Eine nach unten beschr¨ ankte unterhalbstetige konvexe Funktion F : C → R mit F (x) → ∞ f¨ ur x ∈ C und x → ∞ (35) besitzt ein Minimum auf C .
10 Schwache Konvergenz 201
Beweis. a) Es sei d = inf F (x) ∈ R und (xn ) eine Minimalfolge in C , d. h. es gelte x∈C
ankt, und nach Satz 10.14 gibt es eine F (xn ) → d . Wegen (35) ist dann (xn ) beschr¨ gegen x0 ∈ X schwach konvergente Teilfolge, die wir wieder mit (xn ) bezeichnen. Nach Satz 10.15 gilt x0 ∈ C . b) Zu ε > 0 w¨ ahlen wir k ∈ N mit F (xn ) < d + ε f¨ ur n ≥ k sowie δ > 0 gem¨ aß (34). Nun wenden wir den Satz von Mazur 10.16 auf die Folge (xn )n≥k an und finden eine r sj xj ∈ C mit x − x0 < δ . Wegen der Konvexit¨ at konvexe Kombination x = j=k
von F folgt F (x0 ) ≤ F (x) + ε ≤
r
sj F (xj ) + ε ≤ d + 2ε ,
j=k
♦
und mit ε → 0 ergibt sich F (x0 ) ≤ d . Nun k¨ onnen wir ein bereits auf S. 185 angek¨ undigtes Resultat zeigen:
Satz 10.18 Es seien X ein reflexiver Banachraum und ∅ = C ⊆ X eine abgeschlossene konvexe Menge. Zu x0 ∈ X gibt es dann ein Proximum c ∈ C mit x0 − c = dC (x0 ) = inf { x0 − x | x ∈ C} . Ist X strikt normiert, so ist das Proximum c eindeutig bestimmt. Beweis. Die Funktion F : x → x0 − x ist stetig und wegen x0 −
n
s k xk =
k=1
n
n
sk (x0 − xk ) ≤
k=1
sk x0 − xk
k=1
auch konvex auf C . Nat¨ urlich ist F ≥ 0 , und es gilt auch (35). Die Behauptung folgt somit aus den S¨ atzen 10.17 und 10.1. ♦ Schließlich kommen wir auf das Dirichletsche Prinzip aus Abschnitt 10.1 zur¨ uck und zeigen: Satz 10.19 Gegeben seien Funktionen p ∈ C 1 ([a, b], R) , q ∈ C([a, b], R) und f ∈ L2 ([a, b], R) mit p(t) > 0 und q(t) ≥ 0 f¨ ur alle t ∈ [a, b] sowie Randwerte α , β ∈ R . Dann besitzt das quadratische Funktional F : v →
1 2
b a
(p v 2 + q v2 ) dt −
b a
f v dt
ein Minimum auf dem affinen Raum Rα,β = {v ∈ W21 (a, b) | v(a) = α , v(b) = β} .
202 III Prinzipien der Funktionalanalysis
Beweis. Es ist Rα,β eine konvexe und abgeschlossene Teilmenge des Hilbertraums W21 (a, b) . Das Funktional F ist stetig und auch konvex, da die Funktion t → t2 konvex ist. F¨ ur v ∈ W21 (a, b) mit v(a) = α gilt aufgrund des Hauptsatzes (5.30) b 1 v sup ≤ | α | + a | v (s) | ds ≤ | α | + (b − a) /2 v L2 , also v W21 ≤ C1 + C2 v L2 mit Konstanten C1 , C2 > 0 . Wegen p > 0 , q ≥ 0 und | impliziert dies
(36)
b a
f v dt | ≤ f L2 v W21
F (v) ≥ C3 v 2L2 − f L2 v W21 ≥ C4 ( v W21 − C1 )2 − f L2 v W21 f¨ ur eine Konstante C4 > 0 und somit F (v) → ∞ f¨ ur v W21 → ∞ auf Rα,β . Die letzte Absch¨ atzung zeigt auch, dass F auf Rα,β nach unten beschr¨ ankt ist, und somit ♦ folgt die Behauptung aus Satz 10.17. Bemerkungen. a) Der Beweis von Satz 10.19 zeigt, dass F auch Minima u ¨ber 1 anderen abgeschlossenen konvexen Teilmengen C von W2 (a, b) besitzt, u ¨ber denen eine Absch¨ atzung (36) gilt, z. B. f¨ ur γ ≤ min {α, β} u ¨ber C := {v ∈ W21 (a, b) | v(a) = α , v(b) = β , v ≥ γ} . b) Insbesondere besitzt F ein Minimum u nur unter der Nebenbedingung v(α) = 0 . Wie vor (4) folgt wieder u ∈ W22 (a, b) , und Formel (3) b (p u ϕ + q u ϕ − f ϕ) dt = 0 a gilt sogar f¨ ur alle Funktionen ϕ ∈ C ∞ [a, b] , die nahe a verschwinden. Partielle Integration liefert b b (pu ϕ)(b) − a (p u ) ϕ + a (q u ϕ − f ϕ) dt = 0 , ur den freien Rand b also automatisch die Randbedingung wegen (−pu ) + qu − f = 0 f¨ u (b) = 0 .
10.6
Aufgaben
Aufgabe 10.1 1 Bestimmen Sie ein Minimum des Funktionals F : v → −1 (v 2 + v 2 ) dt im SobolevRaum W21 (−1,1) unter diesen Nebenbedingungen: a) v(−1) = −1 , v(1) = 1 ,
b) v(−1) = −1 .
Aufgabe 10.2 1 F¨ ur welche α , β ∈ R besitzt das Funktional F : v → 0 tv (t)2 dt im Sobolev-Raum W21 (0,1) unter den Randbedingungen v(0) = α , v(1) = β ein Minimum ?
10 Schwache Konvergenz 203
Aufgabe 10.3 1 Finden Sie Minima des Funktionals F : v → 0 (v 2 − 1)2 dt in W21 (0,1) unter der Randbedingung v(0) = v(1) = 0 und zeigen Sie, dass in C 1 [0,1] kein Minimum existiert. Aufgabe 10.4 a) Zeigen Sie: Ein normierter Raum X ist genau dann strikt konvex, falls f¨ ur alle x, y ∈ X aus x + y = x + y die lineare Abh¨ angigkeit dieser Vektoren folgt. b) Zeigen Sie, dass f¨ ur 1 < p < ∞ die Lp -R¨ aume strikt normiert sind. Aufgabe 10.5 Ein normierter Raum X heißt flach normiert (vgl. Abb. 10.9), wenn es zu jedem x ∈ X mit x = 1 genau ein Funktional x ∈ X mit 1 = x = x, x gibt. Zeigen Sie: a) Ist X strikt normiert, so ist X flach normiert. b) Ist X flach normiert, so ist X strikt normiert. {y = 1}
{x = 1}
{x = 1}
x 0
x
{z = 1}
0
Abb. 10.9: 22 ist flach normiert, 21 ist nicht flach normiert
Aufgabe 10.6 ormig, falls f¨ ur Es sei E ein Vektorraum u ¨ber K . Eine Menge K ⊆ E heißt kreisf¨ x ∈ K und | α | ≤ 1 stets auch αx ∈ K gilt. Zeigen Sie: K ⊆ E ist genau dann kreisf¨ ormig und konvex, wenn K absolutkonvex ist. Aufgabe 10.7 Es seien X ein normierter Raum und C, D ⊆ X konvexe und absorbierende Mengen mit Minkowski-Funktionalen pC und pD . Zeigen Sie: a) Man hat C ⊆ D ⇔ pD ≤ pC . b) Das sublineare Funktional pC ist genau dann stetig, wenn 0 ∈ C ◦ gilt. Beschreiben Sie in diesem Fall C ◦ und C mittels pC . Aufgabe 10.8 Es seien X, Y normierte R¨ aume, T ∈ L(X, Y ) und ∅ = A ⊆ X .
204 III Prinzipien der Funktionalanalysis
a) Zeigen Sie T (A) = T −1 (A ) . ur jede absolutkonvexe und abgeschlossene b) Zeigen Sie T (A) ⊆ B ⇔ T (B ) ⊆ A f¨ Menge B ⊆ Y . Aufgabe 10.9 Zeigen Sie, dass ein uniform konvexer normierter Raum auch strikt konvex ist. Aufgabe 10.10 Beweisen Sie Satz 7.1 in uniform konvexen R¨ aumen. Aufgabe 10.11 Zeigen Sie die Reflexivit¨ at der Sobolev-R¨ aume Wpm (a, b) f¨ ur 1 < p < ∞ . Aufgabe 10.12 w w∗ Es seien X ein Banachraum und (xn ) , (xn ) Folgen mit xn → x und xn → x in X und X . Zeigen Sie, dass xn , xn → x, x nicht gelten muss. Unter welchen zus¨ atzlichen Bedingungen kann man dies doch schließen ? Aufgabe 10.13 Finden Sie eine schwach konvergente Folge in C[0,1] , die nicht norm-konvergent ist. Aufgabe 10.14 Finden Sie eine schwache Cauchy-Folge in c0 , die keinen schwachen Limes in c0 besitzt. Aufgabe 10.15 a) Zeigen Sie, dass jeder Banachraum zu einem Quotientenraum von 1 (I) f¨ ur eine geeignete Indexmenge I isomorph ist. b) Zeigen Sie den Satz von Schur auch f¨ ur 1 (I) . Aufgabe 10.16 a) Es sei 1 ≤ p ≤ ∞ . Ist Lp (μ) zu einem Quotientenraum von c0 isomorph ? Aufgabe 10.17 Es sei π : X → Q eine Quotientenabbildung, und es sei (qn ) eine schwach konvergente ur alle Folge in Q . Gibt es eine schwach konvergente Folge (xn ) in X mit πxn = qn f¨ n ∈ N? Aufgabe 10.18 a) Zeigen Sie, dass ∞ zu einem komplementierten Unterraum von L∞ [0,1] isomorph ist. b) Schließen Sie, dass L∞ [0,1] und L1 [0,1] nicht reflexiv sind.
10 Schwache Konvergenz 205
Aufgabe 10.19 a) Es sei X ein separabler Banachraum. Zeigen Sie, dass X zu einem Unterraum von ∞ isomorph ist. b) Schließen Sie mittels der G¨ ultigkeit von Satz 9.20 f¨ ur L∞ [0,1] , dass dieser Raum zu einem komplementierten Unterraum von ∞ isomorph ist. c) Folgern Sie Pelczynskis Resultat L∞ [0,1] ∞ aus Aufgabe 10.18, a) und b). Hinweis. Verwenden Sie ∞ L∞ [0,1] × V und L∞ [0,1] ∞ × W und betrachten Sie den Raum L∞ [0,1] × ∞ . Aufgabe 10.20 Beweisen Sie das Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit 8.4 im Fall Z = X mit der Methode des gleitenden Buckels aus Satz 10.11. Hinweis. F¨ ur x ∈ X sei s(x) := sup { T x | T ∈ H} . Ist H unbeschr¨ ankt, so finde man sukzessive xn ∈ X und Tn ∈ H mit 1 4·3n
F¨ ur x :=
Tn ≥
s(xk ) + n , xn ≤
k t ≥ 0
(vgl. S. 115) .
β
α
i:
Wpm (a, b)
i:
s H2π
→
→C
t H2π
m−1
[a, b]
Satz 11.1 Die Identit¨ at I = IX auf einem Banachraum X ist genau dann kompakt, wenn der Raum X endlichdimensional ist. Beweis. Man hat genau dann I ∈ K(X) , wenn die Einheitskugel BX relativ kompakt ist, und nach Satz 3.8 ist dies genau dann der Fall, wenn dim X < ∞ gilt. ♦ Wir untersuchen nun Permanenzeigenschaften kompakter Operatoren: Satz 11.2 a) F¨ ur Banachr¨ aume X, Y ist K(X, Y ) ein Unterraum von L(X, Y ) . b) Es ist K(X, Y ) sogar ein abgeschlossener Unterraum von L(X, Y ) . c) F¨ ur weitere Banachr¨ aume X1 , Y1 und lineare Operatoren A ∈ L(Y, Y1 ) sowie B ∈ L(X1 , X) folgt aus S ∈ K(X, Y ) auch ASB ∈ K(X1 , Y1 ) : B
S
A
X1 −→ X −→ Y −→ Y1 . ankte Folge in Beweis. a) Es seien S1 , S2 ∈ K(X, Y ) , α ∈ K und (xn ) eine beschr¨ X . Es gibt eine Teilfolge (xnj ) , f¨ ur die (S1 xnj ) in Y konvergiert. F¨ ur die Folge (xnj ) ur die (S2 xnjk ) in Y konvergiert. Offenbar ist gibt es eine weitere Teilfolge (xnjk ) , f¨ dann auch ((αS1 + S2 )xnjk ) konvergent.
210 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
b) F¨ ur eine Folge (Sn ) in K(X, Y ) gelte nun Sn → S in L(X, Y ) . Wir zeigen, akompakt ist: Zu ε > 0 gibt es n ∈ N mit S − Sn < ε . Da dass S(BX ) pr¨ r
akompakt ist, gibt es y1 , . . . , yr ∈ Y mit Sn (BX ) ⊆ Uε (yj ) . Es folgt Sn (BX ) pr¨ S(BX ) ⊆
r
j=1
U2ε (yj ) , und somit ist S(BX ) in der Tat pr¨ akompakt.
j=1
c) Nun sei (xn ) eine beschr¨ ankte Folge in X1 . Dann ist (Bxn ) eine beschr¨ ankte Folge in X , und wegen S ∈ K(X, Y ) besitzt diese eine Teilfolge, f¨ ur die (SBxnj ) in Y ♦ konvergiert. Dann ist aber auch (ASBxnj ) in Y1 konvergent. Beispiele. a) Es seien K ⊆ Rn kompakt und κ ∈ L2 (K 2 ) ein quadratintegrierbarer Kern. Es gibt eine Folge (κj ) in C(K 2 ) mit κ − κj L2 (K 2 ) → 0 , und mit (3.22) (vgl. auch Satz A.3.18 im Anhang) folgt auch Sκ − Sκj → 0 . Da die Operatoren Sκj kompakt sind, ist nach Satz 11.2 b) somit auch der Integraloperator Sκ kompakt. b) Auch schwach singul¨ are Integraloperatoren sind kompakt auf L2 (K) , vgl. dazu die Aufgaben 3.19 und 11.5. c) Ist T ∈ K(X, Y ) invertierbar, so folgen IX = T −1 T ∈ K(X) und ebenso auch ussen dann X und IY = T T −1 ∈ K(Y ) nach Satz 11.2 c). Aufgrund von Satz 11.1 m¨ Y endlichdimensionale R¨ aume sein. Ein Produkt stetiger linearer Operatoren ist also bereits dann kompakt, wenn dies auf einen Faktor zutrifft. Die in Satz 11.2 formulierten Aussagen bedeuten, dass die kompakten Operatoren ein abgeschlossenes Operatorideal bilden. F¨ ur X = Y ist K(X) ein Ideal in L(X) im u ¨blichen Sinn: Calkin-Algebra. F¨ ur einen Banachraum X ist K(X) ein abgeschlossenes zweiseitiges Ideal in der Banachalgebra L(X) . Die Quotienten-Banachalgebra (vgl. S. 61)
achsten Ca(X) := L(X)/K(X) heißt Calkin-Algebra von X ; sie spielt eine Rolle im n¨ Abschnitt. Kompaktheit vererbt sich auch von einem Operator auf den dualen Operator; dieses Resultat von J.P. Schauder (1930) kann aus dem Satz von Arzel` a-Ascoli 2.5 gefolgert werden (vgl. auch Aufgabe 11.8): Satz 11.3 (Schauder) Es seien X, Y Banachr¨ aume. Ein stetiger linearer Operator S ∈ L(X, Y ) ist genau dann kompakt, wenn dies auf S ∈ L(Y , X ) zutrifft. ur Beweis. ⇒“: a) Es ist K := S(BX ) ⊆ Y ein kompakter metrischer Raum. F¨ ” ) in Y mit yn ≤ 1 betrachten wir die Folge (ηn := yn |K ) ihrer eine Folge (yn Einschr¨ ankungen auf K . Die Folge (ηn ) ist beschr¨ ankt in C(K) und wegen
− y2 , yn
| = | y1 − y2 , yn
| ≤ y1 − y2 | ηn (y1 ) − ηn (y2 ) | = | y1 , yn
11 Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen 211
f¨ ur y1 , y2 ∈ K auch gleichstetig. Nach dem Satz von Arzel` a-Ascoli hat daher (ηn ) eine ur die wir einfach wieder (ηn ) schreiben. in C(K) konvergente Teilfolge (ηnj ) , f¨ ) ist dann eine Cauchy-Folge wegen b) Die Folge (S yn − S ym S yn
=
sup | x , S yn − S ym
| =
x ≤1
≤
sup | Sx , yn − ym
|
x ≤1
sup | y , yn − ym
| = ηn − ηm C(K) .
y∈K
⇐“: Aus S ∈ K(Y , X ) folgt nach der schon bewiesenen Aussage ⇒“ zun¨ achst ” ” S ∈ K(X , Y ) ; aus (9.15) und Satz 11.2 dann auch ιY S = S ιX ∈ K(X, Y ) . ♦ Daraus folgt schließlich S ∈ K(X, Y ) , da ιY eine Isometrie ist. F¨ ur Operatoren S ∈ L(H, G) zwischen Hilbertr¨ aumen H und G gilt entsprechend ∗ ∈ K(G, H) , vgl. dazu Aufgabe 9.4. Andere Beweise des Satzes S ∈ K(H, G) ⇔ S von Schauder in diesem Fall folgen in Satz 11.5 und Aufgabe 11.9. Es ist naheliegend, die Kompaktheit linearer Operatoren mit schwacher Konvergenz in Verbindung zu bringen: Satz 11.4 a) Es seien X, Y Banachr¨ aume. F¨ ur S ∈ K(X, Y ) gilt dann w
xn → x in X ⇒ Sx − Sxn Y → 0 .
(2)
b) Nun sei X reflexiv, und f¨ ur S ∈ L(X, Y ) gelte (2). Dann folgt S ∈ K(X, Y ) . w
Beweis. a) Es sei also (xn ) eine Folge in X mit xn → x . Ist die Behauptung falsch, so ur alle j . Nach gibt es δ > 0 und eine Teilfolge (xnj ) von (xn ) mit Sx − Sxnj ≥ δ f¨ dem Prinzip der gleichm¨ aßigen Beschr¨ anktheit (vgl. Bemerkung c) auf S. 195) ist die Folge (xnj ) beschr¨ ankt; f¨ ur eine geeignete Teilfolge (xnjk ) gilt daher Sxnjk −y → 0 w f¨ ur ein y ∈ Y . Dann gilt Sx − y ≥ δ , und wegen Sxnjk → Sx in Y hat man einen Widerspruch aufgrund der Eindeutigkeit schwacher Grenzwerte. b) Eine beschr¨ ankte Folge (xn ) in X hat nach Theorem 10.14 eine Teilfolge mit w xnj → x in X . Mit (2) folgt dann Sx − Sxnj Y → 0 und somit S ∈ K(X, Y ) . ♦ Beispiele, Folgerungen und Bemerkungen. a) Operatoren S ∈ L(X, Y ) , die Bedingung (2) erf¨ ullen, heißen vollstetig. Nach dem Satz von Schur 10.11 ist die Identit¨ at I auf dem Raum 1 vollstetig, wegen dim 1 = ∞ nach Satz 11.1 aber nicht kompakt. Satz 11.4 b) gilt also nicht f¨ ur alle Banachr¨ aume X . b) Allgemeiner ist f¨ ur jeden Banachraum X jeder Operator S ∈ L(X, 1 ) vollstetig: w w Aus xn → x in X folgt Sxn → Sx in 1 und somit Sx − Sxn 1 → 0 aufgrund des Satzes von Schur. F¨ ur reflexive Banachr¨ aume X impliziert dies L(X, 1 ) = K(X, 1 ) nach Satz 11.4 b). Aufgrund des Satzes von Schauder und c0 ∼ = 1 gilt dann auch L(c0 , X) = K(c0 , X) .
212 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
c) F¨ ur einen reflexiven Banachraum X gilt S = max { Sx | x ≤ 1}
f¨ ur S ∈ K(X, Y ) .
(3)
Zum Beweis w¨ ahlen wir eine Folge (xn ) in BX mit Sxn → S . Nach Satz 10.14 w gibt es eine Teilfolge mit xnj → x ∈ BX . Mit (2) folgt dann Sx − Sxnj Y → 0 und somit Sx = S . d) Aussage (3) gilt schon im Fall Y = K nur f¨ ur reflexive R¨ aume X (vgl. die Bemerkungen und Beispiele nach Satz 9.10 auf S. 168). Endlichdimensionale Operatoren. a) Ein stetiger linearer Operator F ∈ L(X, Y ) heißt endlichdimensional, wenn der Rang rk F := dim R(F ) endlich ist, Notation: F ∈ F (X, Y ) . Wir schreiben wieder F (X) f¨ ur F(X, X) . b) Es sei F ∈ F (X, Y ) mit rk F = n ∈ N . Nach (9.26) gibt es eine stetige Projektion n y, yj yj von Y auf R(F ) , wobei {y1 , . . . , yn } eine Basis von R(F ) ist P : y → j=1
und die Funktionale yj ∈ Y Fortsetzungen der dualen Basis von R(F ) sind. Mit xj := F yj folgt Fx = PFx =
n
F x, yj yj =
j=1
n
x, F yj yj =
j=1
wof¨ ur wir ab jetzt abk¨ urzend F =
n
x, xj yj ,
x∈X,
j=1
n
xj ⊗ yj
(4)
j=1
schreiben wollen. Umgekehrt wird durch (4) stets ein Operator F ∈ F (X, Y ) mit rk F ≤ n definiert. c) Nun sei F ∈ F (X, Y ) mit rk F = n durch (4) gegeben. Aus x, F y = F x, y =
n
x, xj yj , y = x,
j=1
F =
n j=1
ιY yj ⊗ xj
n
yj , y xj
folgt
j=1
und dann
F =
n
ιX xj ⊗ ιY yj ,
(5)
j=1
also rk F ≤ n = rk F und rk F = rk F . Somit gilt rk F = rk F , f¨ ur Operatoren F ∈ F (H, G) zwischen Hilbertr¨ aumen entsprechend rk F ∗ = rk F . Nach (5) hat man offenbar stets F (X ) ⊆ ιY Y . d) F¨ ur F ∈ F (X, Y ) sind in R(F ) aufgrund des Satzes von Bolzano-Weierstraß beschr¨ ankte Mengen relativ kompakt, und daher gilt F (X, Y ) ⊆ K(X, Y ) . e) Wie die kompakten Operatoren bilden auch die endlichdimensionalen Operatoren ein Operatorideal, d. h. es gelten die Aussagen a) und c) von Satz 11.2. Dieses ist jedoch nicht abgeschlossen; nach d) gilt stets F(X, Y ) ⊆ K(X, Y ) .
11 Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen 213
Beispiele. a) Wie in Aufgabe 4.8 wird f¨ ur 1 ≤ p < ∞ durch eine beschr¨ ankte Folge (αj ) in C ein Diagonaloperator D ∈ L(p ) definiert durch D : (x0 , x1 , x2 , . . .) → (α0 x0 , α1 x1 , α2 x2 , . . .) . F¨ ur n ∈ N0 sind die Operatoren Dn : (x0 , x1 , x2 , . . .) → (α0 x0 , . . . , αn xn ,0,0, . . .) endlichdimensional und somit kompakt. Wegen ∞
Dx − Dn x p =
| αj |p | xj |p ≤ sup | αj |p x p
f¨ ur x = (xj ) ∈ p
j>n
j=n+1
gilt D − Dn → 0 im Fall einer Nullfolge (αj ) ; in diesem Fall ist also der Diagonaloperator D kompakt. b) Es gilt auch die Umkehrung von a): Ist D ∈ K(p ) , so gilt sup
lim
∞
n→∞ x=(x ) ≤1 j=n j
| αj xj |p = 0
nach Aufgabe 2.8, und mit den Einheitsvektoren x = en ergibt sich lim | αn |p = 0 . n→∞
Beispiele. Es seien K ⊆ R kompakt und κ ∈ C(K ) ein stetiger Kern. Aufgrund von Theorem 2.7 und Aufgabe 2.14 gibt es eine Folge (κj ) in C(K) ⊗ C(K) mit κ − κj sup → 0 . Es gibt Darstellungen n
κj (t, s) =
r
α (t) β (s)
2
mit α , β ∈ C(K) ,
=1
und daher ist der entsprechende Integraloperator Sκj f (t) =
K
κj (t, s) f (s) ds =
r =1
K
β (s) f (s) ds α (t)
auf C(K) oder Lp (K) endlichdimensional. Aufgrund der Absch¨ atzung (vgl. Satz 3.9) Sκ − Sκj ≤ λ(K) κ − κj sup → 0 ist also der Integraloperator Sκ Limes einer Folge endlichdimensionaler Integraloperatoren. Es ist eine interessante Frage, welche kompakten Operatoren Limes einer Folge endlichdimensionaler Operatoren sind: Approximationseigenschaft. a) Ein Banachraum Y hat die Approximationseigenschaft (A.E.), falls f¨ ur jeden Banachraum X der Raum F(X, Y ) in K(X, Y ) dicht ist.
214 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
b) F¨ ur R¨ aume Y mit A.E. l¨ asst sich der Satz von Schauder 11.3 auch so beweisen: Zu S ∈ K(X, Y ) gibt es eine Folge (Fn ) in F (X, Y ) mit S − Fn → 0 . Dann folgt auch S − Fn → 0 , und wegen Fn ∈ F (Y , X ) folgt sofort S ∈ K(Y , X ) . Dieses Argument gilt insbesondere f¨ ur Integraloperatoren mit stetigen Kernen und auch f¨ ur kompakte Operatoren zwischen Hilbertr¨ aumen: Satz 11.5 Ein Hilbertraum H besitzt die Approximationseigenschaft. Beweis. Es seien also X ein Banachraum und S ∈ K(X, H) . Die pr¨ akompakte Menge S(BX ) ist separabel, und daher ist R(S) ⊆ H ein separabler Hilbertraum. Wir w¨ ahlen eine Orthonormalbasis {ek }k∈N von R(S) und bezeichnen mit Pn ∈ L(H) die orthogonale Projektion von H auf [e1 , . . . , en ] . Wegen Pn = 1 und Satz 3.3 gilt aßig auf allen pr¨ akompakten Mengen von R(S) , insbesondere dann Pn y → y gleichm¨ also auf S(BX ) . Es folgt Pn S − S =
sup Pn Sx − Sx → 0
x ≤1
und wegen rk Pn S ≤ n damit die Behauptung.
f¨ ur n → ∞ ,
♦
Der Beweis von Satz 11.5 zeigt auch, dass die R¨ aume c0 und p f¨ ur 1 ≤ p < ∞ aume die A.E. haben. Die meisten konkreten Banachr¨ aume“, z. B. C(K) - und Lp -R¨ ” besitzen die A.E.; von S. Banach (1936) und A. Grothendieck (1955) wurde die Frage formuliert, ob dies nicht sogar auf alle Banachr¨ aume zutrifft. Dieses Approximationsproblem wurde von P. Enflo 1972 negativ gel¨ ost durch Konstruktion eines exotischen“ ” Unterraums von c0 ohne A.E.; dazu und auf interessante Umformulierungen des Approximationsproblems verweisen wir auf [Lindenstrauß und Tzafriri 1977], Abschnitte 1.e und 2.d sowie [Jarchow 1981], Ch. 18. Sp¨ ater bewies A. Szankowski5 , dass der konkrete Operatorenraum L(2 ) die A.E. nicht besitzt.
11.2
Fredholmoperatoren
In diesem Abschnitt stellen wir Fredholmoperatoren vor, eines der wichtigsten Konzepte der Operatortheorie. Wir diskutieren einfache Beispiele und untersuchen insbesondere den engen Zusammenhang zwischen Fredholmoperatoren und kompakten Operatoren. F¨ ur Resultate u aren Integraloperato¨ber Fredholm-Eigenschaft und Index von singul¨ ren und (Pseudo-) Differentialoperatoren verweisen wir auf [Gohberg et. al. 1990] und [Schr¨ oder 1997].
5
Acta Math. 147, 89-108 (1981)
11 Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen 215
Zur Einf¨ uhrung von Fredholmoperatoren ben¨ otigen wir den Begriff der Kodimension. a) Es seien E ein Vektorraum u ¨ber K und V ⊆ E ein Unterraum. Die Kodimension von V in E wird dann definiert durch codim V := dim E/V . Ist W ein algebraisches Komplement von V , gilt also E = V ⊕ W , so ist die Quotientenabbildung π : W → E/V bijektiv, und es folgt codim V = dim W . urlich codim V = m − dim V . b) Im Fall E = Km hat man nat¨ Fredholmoperatoren. Es seien X, Y Banachr¨ aume. Ein stetiger linearer Operator T ∈ L(X, Y ) heißt Fredholmoperator, wenn dim N (T ) < ∞ und codim R(T ) < ∞ gilt; die ganze Zahl ind T := dim N (T ) − codim R(T ) ∈ Z
(6)
heißt dann der Index von T . Mit Φ(X, Y ) bezeichnen wir die Menge aller Fredholmoperatoren von X nach Y und definieren Φm (X, Y ) := {T ∈ Φ(X, Y ) | ind T = m}
f¨ ur m ∈ Z .
(7)
F¨ ur Φ(X, X) bzw. Φm (X, X) schreiben wir einfach Φ(X) bzw. Φm (X) . F¨ ur kompakte Operatoren S ∈ K(X) gilt I−S ∈ Φ0 (X); dieses fundamentale Resultat zeigen wir in den Theoremen 11.7 und 11.11 c). F¨ ur Integraloperatoren S geht es auf I. Fredholm (1903) zur¨ uck, f¨ ur abstrakte kompakte Operatoren auf F. Riesz (1918) und J.P. Schauder (1930). F. Noether f¨ uhrte 1921 bei der Untersuchung singul¨ arer Integraloperatoren den wichtigen Begriff des Index ein und gab eine Formel zu seiner Berechnung an (vgl. dazu [Gohberg et. al. 2003], 16.6). Beispiele. a) F¨ ur einen Operator T ∈ Φ(Kn , Km ) = L(Kn , Km ) gilt bekanntlich dim N (T ) = n − rk T ; wegen codim R(T ) = m − rk T ist also ind T = n − m . Der Index eines Operators zwischen endlichdimensionalen R¨ aumen h¨ angt also nur von den Dimensionen des Definitionsbereichs und des Zielbereichs ab. b) F¨ ur einen invertierbaren Operator T ∈ GL(X) gilt T ∈ Φ(X) und ind T = 0 . c) Die Shift-Operatoren S+
:
(x0 , x1 , x2 , x3 , . . .) → (0, x0 , x1 , x2 , . . .)
S−
:
(x0 , x1 , x2 , x3 , . . .) → (x1 , x2 , x3 , x4 , . . .)
und
(vgl. (4.20), (7.20) und (7.21)) sind f¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ Fredholmoperatoren auf den Folgenr¨ aumen p mit ind S+ = 1 und ind S− = −1 . d d d) Der Differentialoperator dt : C 1 [a, b] → C[a, b] ist surjektiv mit dim N ( dt ) = 1; 1 d d folglich gilt dt ∈ Φ(C [a, b], C[a, b]) und ind dt = 1 . Aufgrund des Hauptsatzes ist eine d stetige lineare Rechtsinverse von dt gegeben durch den Volterra-Integraloperator t V : C[a, b] → C 1 [a, b] , V f (t) := a f (s) ds ;
216 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
dieser ist injektiv, und man hat R(V ) = {g ∈ C 1 [a, b] | g(a) = 0} , also codim R(V ) = 1 und ind V = −1 . Beachten Sie, dass die Konstruktion eines invertierbaren Operators von C 1 [a, b] auf d C[a, b] wesentlich schwieriger ist als die Angabe dieses Fredholmoperators dt (vgl. Aufgabe 3.11). Es ist bemerkenswert, dass in der Definition eines Fredholmoperators die Abgeschlossenheit des Bildes nicht gefordert werden muss; nach T. Kato (1958) gilt n¨ amlich: Lemma 11.6 (Kato) F¨ ur einen Fredholmoperator T ∈ Φ(X, Y ) ist das Bild R(T ) stets abgeschlossen. ˆ := X/N (T ) und den Beweis. Wie in (8.6) betrachten wir den Quotientenraum X induzierten Operator ˆ →Y , Tˆ : X
Tˆ(ˆ x) := T x
f¨ ur x ∈ X ;
dieser ist injektiv, und es gilt R(Tˆ) = R(T ) . Wegen codim R(T ) < ∞ hat man eine algebraisch direkte Zerlegung Y = R(T ) ⊕ Z mit dim Z < ∞ . Nun setzen wir ˜ := X ˆ × Z und definieren X ˜ →Y T˜ : X
durch
T˜(ˆ x, z) := T x + z
f¨ ur x ∈ X , z ∈ Z .
˜ Y ) bijektiv; da X ˜ und Y Banachr¨ ˜ Dann ist T˜ ∈ L(X, aume sind, ist T˜−1 : Y → X −1 −1 ˆ ˜ nach dem Satz vom inversen Operator stetig. Daher ist R(T ) = (T ) (X × {0}) in ♦ Y abgeschlossen. Bemerkungen und Folgerungen. a) Beachten Sie, dass im Beweis des Lemmas von Kato die Bedingung dim N (T ) < ∞“ nicht verwendet wurde, vgl. auch Aufgabe ” 11.15 f¨ ur eine noch allgemeinere Aussage. b) Es sei T ∈ Φ(X, Y ) . Da R(T ) abgeschlossen ist, ergibt sich aus (9.16) und (9.8) die Isometrie ⊥ Y /R(T ) ∼ (8) = R(T ) = N (T ) . Folglich gilt codim R(T ) = dim N (T ) und ind T = dim N (T ) − dim N (T ) .
(9)
c) F¨ ur Hilbertr¨ aume H, G und T ∈ Φ(H, G) gilt entsprechend codim R(T ) = ∗ dim N (T ) und ind T = dim N (T ) − dim N (T ∗ ) . F¨ ur einen normalen Operator T ∈ Φ(H) gilt N (T ) = N (T ∗ ) nach Satz 7.12 und somit ind T = 0 . Die Fredholm-Eigenschaft eines linearen Operators impliziert nat¨ urlich Aussagen u ¨ber die lineare Gleichung T x = y : Wie f¨ ur endliche lineare Gleichungssysteme gilt die folgende
11 Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen 217
Fredholmsche Alternative. a) Es sei T ∈ Φ0 (X, Y ) . Dann ist T genau dann surjektiv, wenn T injektiv ist. Die Gleichung T x = y ist also genau dann f¨ ur alle y ∈ Y l¨ osbar, wenn die homogene Gleichung T x = 0 nur die triviale L¨ osung x = 0 hat. angige b) Nun habe die homogene Gleichung T x = 0 genau m ∈ N linear unabh¨ L¨ osungen. Dann hat auch die duale homogene Gleichung T y = 0 genau m linear un . F¨ ur y ∈ Y ist dann die Gleichung T x = y genau dann abh¨ angige L¨ osungen y1 , . . . , ym ur j = 1, . . . , m l¨ osbar, wenn die m linear unabh¨ angigen Bedingungen y, yj = 0 f¨ erf¨ ullt sind. c) Analog lassen sich auch Alternativen f¨ ur Fredholmoperatoren mit beliebigem Index ind T ∈ Z formulieren. Ab jetzt betrachten wir der Einfachheit wegen nur noch den Fall X = Y ; f¨ ur nicht isomorphe Banachr¨ aume ist ohnehin i. a. Φ(X, Y ) = ∅ (vgl. Aufgabe 11.17). Der allgemeine Fall l¨ asst sich aber mit einfachen Modifikationen genauso behandeln. Wir zeigen nun das folgende bereits angek¨ undigte Theorem 11.7 Es seien X ein Banachraum, S ∈ K(X) ein kompakter linearer Operator und λ ∈ C\{0} . Dann ist T := λI − S ∈ Φ(X) ein Fredholmoperator. Beweis. a) Auf dem Kern N (T ) = N (λI − S) von T ist die Identit¨ at I = und aus Satz 11.1 folgt dim N (T ) < ∞ .
S λ
kompakt,
b) Trotz des Lemmas von Kato zeigen wir nun zun¨ achst, dass das Bild von T abgeˆ := X/N (T ) schlossen ist. Wie in (8.6) betrachten wir wieder den Quotientenraum X ˆ → Y und verifizieren Absch¨ und den induzierten Operator Tˆ : X atzung (8.7): ∃ γ > 0 ∀ x ∈ X : Tx ≥ γ x ˆ = γ dN (T ) (x) . ˆn = 1 und T xn → 0 . Gilt diese nicht, so gibt es eine Folge (xn ) in X mit x Wir k¨ onnen 1 ≤ xn ≤ 2 annehmen. Wegen der Kompaktheit von S gibt es eine Teilfolge (xnj ) von (xn ) mit Sxnj → x0 in X . Es folgt λxnj = T xnj + Sxnj → x0 , also x ˆ0 = | λ | > 0 . Andererseits ist aber T x0 = λ lim T xnj = 0 , und man hat n→∞
den Widerspruch x0 ∈ N (T ) , also x ˆ0 = 0 . Absch¨ atzung (8.7) ist also gezeigt, und aus Satz 8.9 folgt dann R(T ) = R(T ) . ∼ N (T ) . Nach dem Satz von Schauder 11.3 ist auch S c) Nach (8) gilt nun X/R(T ) = kompakt, und wegen T = λI − S folgt dim N (T ) < ∞ aus Beweisteil a). Somit ist ♦ codim R(T ) < ∞ . Bemerkungen. a) Es gilt sogar ind(λI −S) = 0 . Diese wichtige Aussage folgern wir in Theorem 11.11 c) aus der Stabilit¨ at des Index bei kleinen St¨ orungen; f¨ ur S ∈ F(X) wird ein einfacherer Beweis in Aufgabe 11.20 skizziert.
218 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
b) Im Fall dim X = ∞ ist ein kompakter Operator S ∈ K(X) nach Beispiel c) auf S. 210 nicht invertierbar, es gilt also 0 ∈ σ(S) . Man hat sogar S ∈ Φ(X) ; andernfalls ˆ → R(S) kompakt und invertierbar, also dim X ˆ < ∞ und dann auch w¨ are Sˆ : X dim X < ∞ . Somit gilt Theorem 11.7 nicht f¨ ur λ = 0 . Zerlegung eines Fredholmoperators. Es sei T ∈ Φ(X) . Aufgrund der S¨ atze 9.18 und 9.17 gibt es topologisch direkte Zerlegungen X = X1 ⊕t N (T ) und X = R(T )⊕t X2 mit dim X2 < ∞ (vgl. Abb. 11.1): X1 ⊕t P N (T )
T1 0
R(T ) ⊕t Q X2 Abb. 11.1: Zerlegung: T = T1 ⊕ 0
Damit zerf¨ allt T in die direkte Summe T = T1 ⊕ 0 , wobei T1 : X1 → R(T ) bijektiv ist. Nach dem Satz von der offenen Abbildung ist T1−1 : R(T ) → X1 stetig. Mit P bezeichnen wir die Projektion von X auf N (T ) mit N (P ) = X1 und mit Q die Projektion von X auf R(T ) mit N (Q) = X2 . Dann gilt offenbar P ∈ F (X) und I − Q ∈ F (X) . Beispiel.
F¨ ur den Shift-Operator (vgl. Beispiel c) auf S. 215) S+ : (x0 , x1 , x2 , x3 , . . .) → (0, x0 , x1 , x2 , . . .)
auf 2 hat man N (S+ ) = {0} , also X1 = 2 sowie R(S+ ) = {y ∈ 2 | y0 = 0} ; man ahlen. kann also etwa X2 = R(S+ )⊥ = [e0 ] w¨ Ein stetiger linearer Operator ist genau dann ein Fredholmoperator, wenn er modulo kompakter Operatoren invertierbar ist; dieses Resultat wurde 1951 von F.V. Atkinson und unabh¨ angig auch von B. Yood gezeigt. Mit π : L(X) → Ca(X) = L(X)/K(X) bezeichnen wir die Quotientenabbildung von L(X) auf die Calkin-Algebra von X . Satz 11.8 Es sei X ein Banachraum. F¨ ur T ∈ L(X) sind ¨ aquivalent: (a) T ∈ Φ(X) . (b) Es gibt L ∈ Φ(X) , sodass I − LT und I − T L endlichdimenionale Projektionen sind. (c) Es gibt L, R ∈ L(X) mit I − LT ∈ K(X) und I − T R ∈ K(X) . (d) Es ist πT ∈ Ca(X) invertierbar.
11 Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen 219
Beweis. (a) ⇒ (b)“: Wir benutzen die Zerlegung T = T1 ⊕ 0 aus Abb. 11.1 und ” setzen L := T1−1 Q . Dann ist L ∈ Φ(X) mit ind L = − ind T , und man hat LT = I − P
und
T L = Q = I − (I − Q) .
(b) ⇒ (c)“ ist klar, f¨ ur (c) ⇒ (d)“ beachtet man, dass πL eine Linksinverse und ” ” πR eine Rechtsinverse von πT in Ca(X) ist. Zum Nachweis von (d) ⇒ (c)“ w¨ ahlt ” man einfach L = R ∈ L(X) mit πL = (πT )−1 . (c) ⇒ (a)“: Aufgrund von Theorem 11.7 gelten LT ∈ Φ(X) und T R ∈ Φ(X) . Daraus ” ♦ folgt T ∈ Φ(X) wegen N (T ) ⊆ N (LT ) und R(T ) ⊇ R(T R) . Satz 11.8 impliziert sofort die Stabilit¨ at der Fredholm-Eigenschaft unter kleinen und unter kompakten St¨ orungen sowie unter der Bildung von Produkten und dualen Operatoren: Satz 11.9 a) F¨ ur einen Banachraum X ist Φ(X) offen in L(X) . b) F¨ ur T ∈ Φ(X) und S ∈ K(X) gilt auch T − S ∈ Φ(X) . c) F¨ ur U, T ∈ Φ(X) gilt auch U T ∈ Φ(X) . d) F¨ ur T ∈ Φ(X) gilt auch T ∈ Φ(X ) . Beweis. Zum Nachweis von a)–c) verwenden wir die Charakterisierung der FredholmEigenschaft aus Satz 11.8 (d). a) Die Gruppe GCa(X) der invertierbaren Elemente der Banachalgebra Ca(X) ist offen (vgl. S. 64), und dies gilt dann auch f¨ ur Φ(X) = π −1 (GCa(X)) . b) ergibt sich sofort aus π(T − S) = π(T ) . c) Mit πU und πT ist auch π(U T ) = πU πT in Ca(X) invertierbar. d) zeigen wir mittels Eigenschaft (c) in Satz 11.8: Aus I − LT = S1 ∈ K(X) und I − T R = S2 ∈ K(X) folgt auch I − T L = S1 und I − R T = S2 , und nach dem ♦ Satz von Schauder 11.3 gilt S1 , S2 ∈ K(X ) . F¨ ur einen Fredholmoperator T ∈ Φ(H) auf einem Hilbertraum H gilt auch T ∗ ∈ Φ(H) . Wegen T ∗∗ = T und (9) ist in diesem Fall ind T ∗ = dim N (T ∗ ) − dim N (T ∗∗ ) = − ind T .
11.3
(10)
Stabilit¨ at des Index
In der Situation von Satz 11.9 lassen sich auch wichtige Aussagen u ¨ber die Indizes der Operatoren treffen. Diese gehen zur¨ uck auf J. Dieudonn´e (1943), F.V. Atkinson (1951), I. Gohberg (1951) und B. Yood (1951). Zun¨ achst hat man Stabilit¨ at des Index unter kleinen St¨ orungen:
220 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Theorem 11.10 Es seien X ein Banachraum und T ∈ Φ(X) . Dann gibt es δ > 0 , sodass f¨ ur alle U ∈ L(X) mit T − U < δ gilt: a) U ∈ Φ(X) ,
b) dim N (U ) ≤ dim N (T ) ,
c) ind U = ind T .
Beweis. a) Nach Satz 11.9 a) gibt es α > 0 mit U ∈ Φ(X) f¨ ur T − U < α . b) Wir benutzen wieder die Zerlegung T = T1 ⊕ 0 aus Abb. 11.1. Da T1 : X1 → R(T ) invertierbar ist, gibt es ε > 0 mit T x1 ≥ 2ε x1
f¨ ur x1 ∈ X1 .
F¨ ur T − U < ε gilt dann U x1 ≥ T x1 − (U − T )x1 ≥ ε x1
f¨ ur x1 ∈ X1 ;
somit ist U auf X1 injektiv, und es folgt dim N (U ) ≤ dim N (T ) . Mit δ1 := min {α, ε} gelten dann a) und b) f¨ ur T − U < δ1 . c) F¨ ur U ∈ L(X) definieren wir nun U2 : X1 × X2 → X
durch
U2 (x1 , x2 ) := U x1 + x2 .
F¨ ur U = T erhalten wir dann einen bijektiven und somit invertierbaren Operator T2 (vgl. Abb. 11.1). Somit gibt es 0 < δ ≤ δ1 , sodass f¨ ur T2 − U2 ≤ T − U < δ auch U2 invertierbar ist. Daher gilt codim R(T ) = dim X2 = codim U2 (X1 × {0}) = codim U (X1 ) .
(11)
Weiter hat man X = X1 ⊕ N (U ) ⊕ Z f¨ ur einen endlichdimensionalen Raum Z , also U (X) = U (X1 ) ⊕ U (Z) . Mit (11) folgt dann schließlich ind U
=
dim N (U ) − codim R(U )
=
(dim N (T ) − dim Z) − (codim U (X1 ) − dim U (Z))
=
dim N (T ) − codim U (X1 ) = ind T .
♦
Aus Theorem 11.10 ergibt sich auch die Invarianz des Index bei Homotopien und bei kompakten St¨ orungen: Theorem 11.11 a) Es seien X ein Banachraum und H : [0,1] → Φ(X) ein stetiger Weg. Dann ist ind H(t) konstant auf [0,1] . Der Index ind : Φ(X) → Z ist also auf wegzusammenh¨ angenden Teilmengen von Φ(X) konstant. b) F¨ ur T ∈ Φ(X) und S ∈ K(X) gilt T − S ∈ Φ(X) und ind (T − S) = ind T . c) F¨ ur S ∈ K(X) gilt I − S ∈ Φ0 (X) .
11 Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen 221
Beweis. a) Wir setzen M := {t ∈ [0,1] | ind H(τ ) = ind H(0) f¨ ur 0 ≤ τ ≤ t} und s := sup M . Nach Satz 11.10 gibt es δ > 0 mit ind H(τ ) = ind H(s) f¨ ur alle τ ∈ [0,1] mit | τ − s | < 2δ . Mit τ := s − δ folgt ind H(τ ) = ind H(s) = ind H(τ ) = ind H(0) f¨ ur diese τ , und daraus ergibt sich s ∈ M und s = 1 (vgl. Abb. 11.2).
s − 2δ
0
τ
s=1
s + 2δ Abb. 11.2: Illustration des Beweises
b) Durch H(t) := T − tS wird ein stetiger Weg in Φ(X) definiert mit H(0) = T und H(1) = T − S . Die Behauptung folgt also aus a).
♦
c) Nach b) ist ind (I − S) = ind I = 0 .
Beispiele. a) Wir betrachten wieder die Shift-Operatoren S+ und S− aus Beispiel c) auf S. 215 auf den Folgenr¨ aumen p . Wegen S− S+ = I und S+ S− = I − P mit −1 rk P = 1 gilt π(S+ ) = π(S− ) in der Calkin-Algebra Ca(p ) , und wegen S± = 1 ur λ ∈ C mit | λ | < 1 sind daher auch λπ(I)−π(S± ) in hat man auch π(S± ) = 1 . F¨ Ca(p ) invertierbar (vgl. S. 64), und nach Satz 11.8 folgt λI −S± ∈ Φ(p ) f¨ ur | λ | < 1 . ur | λ | < 1 aus Theorem 11.11. Wegen ind S± = ±1 folgt auch ind(λI − S± ) = ±1 f¨ urlich λI − S± ∈ GL(p ) f¨ ur | λ | > 1 . Daraus ergibt sich b) Wegen S± = 1 gilt nat¨ μI − S± ∈ Φ(p ) f¨ ur | μ | = 1 . Andernfalls g¨ abe es nach Theorem 11.10 ein δ > 0 mit ur | λ − μ | < δ im Widerspruch zu ind(λI − S± ) = ±1 ind(λI − S± ) = ind(μI − S± ) f¨ ur | λ | > 1 (vgl. Abb. 11c). f¨ ur | λ | < 1 und ind(λI − S± ) = 0 f¨ c) Insbesondere haben wir die folgenden Spektren berechnet: σ(S± ) = {λ ∈ C | | λ | ≤ 1}
und
σ(π(S± )) = {λ ∈ C | | λ | = 1} .
μ 0
Abb. 11.3: Illustration des Beispiels
F¨ ur den Index eines Produkts von Fredholmoperatoren gilt:
222 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Satz 11.12 Es seien X ein Banachraum und U, T ∈ Φ(X) . Dann gilt U T ∈ Φ(X) und ind (U T ) = ind U + ind T . Beweis. Wir betrachten die Fredholmoperatoren % & % I 0 T und T ⊕ I := I ⊕ U := 0 U 0
0
&
I
in Φ(X × X)
sowie den stetigen Weg
% V : R → GL(X × X) ,
V (t) :=
I cos t
−I sin t
I sin t
I cos t
& .
Aufgrund von Satz 11.9 c) wird durch H(t) = (I ⊕ U ) V (t) (T ⊕ I) ein stetiger Weg in Φ(X × X) definiert, und nach Satz 11.11 a) ist ind H(t) auf R konstant. Man hat aber % & % & T 0 0 −I und H( π2 ) = , also H(0) = 0 U UT 0 ind U + ind T = ind H(0) = ind H( π2 ) = ind U T .
♦
Der Index ind : Φ(X) → (Z , +) zeigt also ein logarithmisches Verhalten“ und ist ” lokal konstant. Wegen Satz 11.11 faktorisiert er u ¨ber einen lokal konstanten Gruppenhomomorphismus i : GCa(X) → (Z , +) . Schließlich gilt wie im Hilbertraum-Fall: Satz 11.13 Es seien X ein Banachraum und T ∈ Φ(X) . Dann gilt auch T ∈ Φ(X ) und ind T = − ind T . Beweis. a) Nach (9) ist ind T = dim N (T ) − dim N (T ) . Nach Satz 11.9 d) hat man ur reflexive R¨ aume X T ∈ Φ(X ) , also auch ind T = dim N (T ) − dim N (T ) . F¨ folgt daraus bereits die Behauptung wie in (10). Im allgemeinen Fall gilt jedenfalls ιX (N (T )) ⊆ N (T ) , also dim N (T ) ≤ dim N (T ) und somit ind T ≤ ind T . b) Nach Satz 11.8 gibt es L ∈ Φ(X) mit ind L = − ind T und LT − I ∈ K(X) sowie T L − I ∈ K(X) . Es folgt auch T L − I ∈ K(X ) und L T − I ∈ K(X ) , also ind L = − ind T . Nach a) gilt ind L ≤ ind L , also ind T ≥ ind T . Zusammen mit ♦ a) folgt nun die Behauptung.
11 Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen 223
11.4
Spektren kompakter Operatoren
F¨ ur einen kompakten Operator S ∈ K(X) auf einem Banachraum X und λ ∈ C\{0} gilt nach Theorem 11.11 f¨ ur den Operator Tλ := λI − S ∈ Φ0 (X) die Fredholmsche Alternative; insbesondere ist ein Punkt λ ∈ σ(S)\{0} ein Eigenwert endlicher (geometrischer) Vielfachheit ν(S; λ) := dim N (Tλ ) von S . F. Riesz zeigte 1918, dass jeder Punkt λ ∈ σ(S)\{0} in σ(S) isoliert ist, und daher σ(S) ⊆ {0} ∪ {λn | n ∈ N}
(12)
f¨ ur eine (eventuell leere oder endliche) Nullfolge (λn ) in C gilt. Sein Beweis, der Theorem 11.11 nicht verwendet, benutzt Aussagen u ¨ber die Kerne N (T n ) und Bilder R(T n ) von Potenzen von T und ist in den meisten Lehrb¨ uchern der Funktionalanalysis zu finden. Wie in [Gohberg et. al. 2003], Thm. XIII.6.1 geben wir auf der Basis von Theorem 11.11 oder auch nur Theorem 11.7 einen wesentlich k¨ urzeren Beweis. Auf n die Kerne und Bilder der Potenzen T und somit die algebraische Vielfachheit eines Eigenwerts λ von S soll im Aufbaukurs eingegangen werden. Lineare Unabh¨ angigkeit von Eigenvektoren. Es sei T ein linearer Operator auf einem Vektorraum E . Wie im endlichdimensionalen Fall sind dann Eigenvektoren angig: {v1 , . . . , vn } zu verschiedenen Eigenwerten {λ1 , . . . , λn } linear unabh¨ angig sind, aber Andernfalls gibt es 2 ≤ k ≤ n , sodass {v1 , . . . , vk−1 } linear unabh¨ k−1 vk ∈ [v1 , . . . , vk−1 ] ist. Es gilt dann vk = αj vj f¨ ur geeignete αj ∈ K . Aus j=1
0 = T vk − λk vk =
k−1
αj (λj − λk ) vj
j=1
folgt dann αj = 0 f¨ ur j = 1, . . . , k − 1 , also der Widerspruch vk = 0 . Damit k¨ onnen wir nun zeigen (vgl. Abb. 11.4):
δ
S
Abb. 11.4: Spektrum eines kompakten Operators
224 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Theorem 11.14 (Riesz) Es seien X ein Banachraum und S ∈ K(X) ein kompakter linearer Operator. Die ur alle δ > 0 endlich. Somit ist das Spektrum Menge σ(S) ∩ {λ ∈ C | | λ | ≥ δ} ist f¨ σ(S) eine abz¨ ahlbare Menge, die h¨ ochstens 0 als H¨ aufungspunkt besitzt. Beweis. a) Andernfalls gibt es δ > 0 und unendlich viele verschiedene Punkte {λj }∞ j=1 in σ(S) mit | λj | ≥ δ . Wegen λj I − S ∈ Φ0 (X) ist λj ein Eigenwert von S zu einem Eigenvektor xj ∈ X . angig sind, gilt Vn−1 = Vn . b) Wir setzen Vn := [x1 , . . . , xn ] . Da die xj linear unabh¨ ¨ Wir w¨ ahlen eine Aquivalenzklasse ηn ∈ Vn/Vn−1 mit ηn = 1 und einen Repr¨ asentanten yn ∈ Vn mit 1 ≤ yn ≤ 2 . Da S ein kompakter Operator ist, hat die Folge (Syn ) eine konvergente Teilfolge. c) F¨ ur n > m gilt offenbar Syn − Sym = λn yn − (λn yn − Syn + Sym ) . Wegen m < n ist Sym ∈ Vm ⊆ Vn−1 . Weiter hat man yn =
n
αj xj mit geeigneten
j=1
Zahlen αj ∈ C und daher auch λn yn − Syn =
n−1
αj (λn − λj )xj ∈ Vn−1 .
j=1
Folglich ist Syn − Sym ≥ dVn−1 (λn yn ) = | λn | ηn ≥ δ > 0 , und wir haben einen Widerspruch. ♦ Bemerkungen. a) Das Spektrum σ(S) eines kompakten Operators kann endlich oder unendlich sein; im Fall dim X = ∞ gilt stets 0 ∈ σ(S) (vgl. Bemerkung b) auf S. 218). Im Fall unendlicher Spektren gilt also σ(S) = {0} ∪ {λn | n ∈ N} f¨ ur eine Nullfolge (λn ) in C . b) Zum Beweis von Theorem 11.14 gen¨ ugt auch die Aussage von Theorem 11.7; wir ben¨ otigen nur, dass die Operatoren Tλ := λI − S f¨ ur λ = 0 stets abgeschlossenes ⊥ amlich jeder Punkt λ ∈ σ(S)\{0} ein Bild haben. Wegen R(Tλ ) = N (Tλ ) ist dann n¨ Eigenwert von S oder von S ; gilt also Theorem 11.14 nicht, so gibt es δ > 0 , sodass S oder S unendlich viele Eigenwerte mit Betrag ≥ δ haben. Da nach dem Satz von Schauder auch S kompakt ist, liefern die Beweisteile b) und c) von Theorem 11.14 dann wie dort einen Widerspruch. Am Ende dieses Kapitels formulieren wir wesentliche Ergebnisse noch einmal f¨ ur Fredholmsche Integralgleichungen. a) Es seien K ⊆ Rn kompakt und ur λ ∈ C\{0} hat die Integralgleichung κ ∈ L2 (K 2 ) ein quadratintegrierbarer Kern. F¨ λ f (t) −
K
κ(t, s) f (s) ds = g(t) ,
t∈K,
(13)
11 Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen 225
genau dann f¨ ur alle g ∈ L2 (K) eine L¨ osung f ∈ L2 (K) , wenn die homogene Gleichung (14) λ f (t) − K κ(t, s) f (s) ds = 0 , t ∈ K , nur die triviale L¨ osung f = 0 hat. Beides ist der Fall f¨ ur alle λ ∈ C\{0} mit eventueller Ausnahme einer abz¨ ahlbaren Menge, die h¨ ochstens 0 als H¨ aufungspunkt haben kann. b) F¨ ur λ ∈ σ(S)\{0} besitzt der Raum aller L¨ osungen der homogenen Gleichung (14) eine endliche Dimension n ∈ N . Auch die adjungierte Gleichung ¯ f (t) − κ(s, t) f (s) ds = 0 , t ∈ K , (15) λ K besitzt dann genau n linear unabh¨ angige L¨ osungen h1 , . . . , hn ∈ L2 (K) , und in diesem osbar, falls gilt: Fall ist die Gleichung (13) f¨ ur g ∈ L2 (K) genau dann l¨ g(t) hj (t) dt = 0 f¨ ur j = 1, . . . , n . (16) K c) Die Aussagen von a) und b) gelten auch f¨ ur schwach singul¨ are Kerne, vgl. dazu die Aufgaben 3.19 und 11.5. F¨ ur stetige Kerne gilt Aussage a) auch in den Banachr¨ aumen C(K) und Lp (K) f¨ ur 1 ≤ p ≤ ∞ , und dies gilt sinngem¨ aß auch f¨ ur Aussage b).
11.5
Aufgaben
Aufgabe 11.1 a) Geben Sie einen einfachen Beweis von Satz 11.1 f¨ ur Hilbertr¨ aume an. b) Beweisen Sie Satz 11.2 b) mit einem Diagonalfolgen-Argument wie in Lemma 2.3. Aufgabe 11.2 Wie in Aufgabe 7.2 sei A = (aij ) eine Bandmatrix u ¨ber N × N . Wann definiert A einen kompakten linearen Operator auf 2 ? Aufgabe 11.3 Wie in Aufgabe 4.9 definieren wir f¨ ur eine kompakte Menge K ⊆ Rn und eine stetige Funktion a ∈ C(K) einen Multiplikationsoperator Ma auf L2 (K) durch Ma : f → af
f¨ ur f ∈ L2 (K) .
F¨ ur welche Funktionen a ∈ C(K) ist der Operator Ma kompakt? Aufgabe 11.4 Wie in (4.10) wird f¨ ur einen stetigen Kern κ ∈ C([a, b]2 ) durch t (V f )(t) := (Vκ )f (t) := a κ(t, s) f (s) ds , t ∈ [a, b] , ein Volterra-Operator definiert. Zeigen Sie V ∈ K(Lp [a, b], C[a, b]) f¨ ur 1 < p ≤ ∞ . Gilt auch V ∈ K(L1 [a, b], C[a, b]) ?
226 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Aufgabe 11.5 ankt, σ ∈ L∞ (Ω2 ) und 0 ≤ γ < n . Zeigen Sie, Es seien Ω ⊆ Rn messbar und beschr¨ dass der schwach singul¨ are Integraloperator Sf (t) := Ω |σ(t,s) t−s |γ f (s) ds einen kompakten linearen Operator auf L2 (Ω) definiert. ur ε > 0 . Hinweis. Betrachten Sie Sε f (t) := | s−t |≥ε |σ(t,s) t−s |γ f (s) ds f¨ Aufgabe 11.6 Es seien X ein Banachraum und J ein Ideal in L(X) , z. B. J = K(X) . F¨ ur einen ur einen Operator Operator S ∈ J sei I − S bijektiv. Zeigen Sie (I − S)−1 = I − S1 f¨ S1 ∈ J . Aufgabe 11.7 Es seien X, Y, Z Banachr¨ aume, S ∈ K(X, Y ) , und T ∈ L(Y, Z) sei injektiv. Beweisen Sie das Lemma von Ehrling: ∀ ε > 0 ∃ Cε > 0 ∀ x ∈ X : Sx Y ≤ ε x X + Cε T Sx Z . Aufgabe 11.8 Beweisen Sie den Satz von Schauder 11.3 ohne Verwendung des Satzes von Arzel`aAscoli. Hinweis. Es sei S ∈ K(X, Y ) . Zu ε > 0 sei {T x1 , . . . , T xn } ein ε -Netz in T (BX ) . Definieren Sie Ry := ( T xj , y ) ∈ Kn f¨ ur y ∈ Y und verwenden Sie ein ε -Netz in R(BY ) . Aufgabe 11.9 Es seien H, G Hilbertr¨ aume und S ∈ L(H, G) , sodass S ∗ S ∈ K(H) kompakt ist. Zeigen Sie, dass dann S ∈ K(H, G) ebenfalls kompakt ist. Geben Sie nun einen weiteren Beweis des Satzes von Schauder 11.3 im Hilbertraum-Fall. Aufgabe 11.10 Es seien H ein Hilbertraum und A = A∗ ∈ K(H) . Zeigen Sie, dass das Supremum in Formel (7.32) angenommen wird: A = max {| Ax|x | | x ≤ 1} . Aufgabe 11.11 Zeigen Sie, dass ein Banachraum mit Schauder-Basis (vgl. Aufgabe 8.12) die A.E. hat. Aufgabe 11.12 Es sei K ein kompakter metrischer Raum. Zeigen Sie, dass der Banachraum C(K) die A.E. hat. Hinweis. Benutzen Sie Formel (2.5).
11 Fredholmoperatoren und kompakte St¨ orungen 227
Aufgabe 11.13 Es seien X, Y Banachr¨ aume und m ∈ N fest. Eine Folge (Fn ) in F(X, Y ) mit ur alle n ∈ N konvergiere punktweise auf X gegen einen Operator rk Fn ≤ m f¨ T ∈ L(X, Y ) . Zeigen Sie T ∈ F (X, Y ) und rk T ≤ m . Aufgabe 11.14 Es seien 1 ≤ p ≤ ∞ und m ∈ Z gegeben. Finden Sie einen Fredholmoperator T ∈ Φm (p ) . Aufgabe 11.15 F¨ ur Banachr¨ aume X1 , X2 und Y seien Operatoren T1 ∈ L(X1 , Y ) und T2 ∈ L(X2 , Y ) mit R(T1 ) ⊕ R(T2 ) = Y gegeben. Zeigen Sie, dass R(T1 ) und R(T2 ) abgeschlossen sind. Aufgabe 11.16 Es seien X ein Banachraum und T ∈ Φ(X) mit ind T = 0 , ind T ≤ 0 bzw. ind T ≥ 0 . Konstruieren Sie einen endlichdimensionalen Operator F ∈ F (X) , sodass T + F bijektiv, injektiv bzw. surjektiv ist. Aufgabe 11.17 ur m ≥ 0 gilt a) Es seien X, Y Banachr¨ aume und T ∈ Φm (X, Y ) . Zeigen Sie: F¨ m −m X Y × K , und f¨ ur m ≤ 0 hat man Y X × K . ur 1 ≤ p ≤ ∞ und Φ(1 , p ) = ∅ f¨ ur 1 < p ≤ ∞ . b) Zeigen Sie Φ(c0 , p ) = ∅ f¨ Aufgabe 11.18 Es seien X ein Banachraum und T ∈ Φ(X) . Zeigen Sie R(T ) = N (T )⊥ und geben Sie damit einen weiteren Beweis von Satz 11.13. Aufgabe 11.19 Es seien X ein Banachraum und π : L(X) → Ca(X) = L(X)/K(X) die Quotientenabbildung von L(X) auf die Calkin-Algebra von X . Ein Operator T ∈ L(X) heißt linker bzw. rechter Semi-Fredholmoperator, wenn πT in Ca(X) links- bzw. rechtsinvertierbar ist. Charakterisieren Sie diese Eigenschaften durch direkte Bedingungen an die Operatoren. Aufgabe 11.20 Wir skizzieren einen kurzen Beweis eines Spezialfalls von Theorem 11.11 c): a) Es seien X ein Banachraum und F ∈ F (X) . Konstruieren Sie eine Zerlegung X = XF ⊕t NF mit dim XF < ∞ , F (XF ) ⊆ XF und F (NF ) = {0} . b) Zeigen Sie T := I − F ∈ Φ0 (X) . c) Zeigen Sie ind(U T ) = ind T f¨ ur U ∈ GL(X) und T ∈ Φ(X) . ur S ∈ F (X) . d) Beweisen Sie T := I − S ∈ Φ0 (X) f¨
228 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Aufgabe 11.21 Es seien X ein Banachraum, p ∈ N , λ ∈ C und A ∈ L(X) . a) Zeigen Sie: λ ∈ σ(A) ⇒ λp ∈ σ(Ap ) . b) Beweisen Sie λp I − Ap ∈ Φ(X) ⇒ λI − A ∈ Φ(X) . ur alle λ ∈ C\{0} und beweisen c) Nun sei Ap ∈ K(X) . Zeigen Sie λI − A ∈ Φ0 (X) f¨ Sie Theorem 11.14 f¨ ur A . d) Finden Sie einen nicht kompakten Operator A ∈ L(2 ) mit A2 = 0 . Aufgabe 11.22 Es seien X ein Banachraum, S ∈ K(X) und T = I −S . Zeigen Sie N (T p ) = N (T p+1 ) f¨ ur ein geeignetes p ∈ N .
12 Spektralzerlegungen
12
229
Spektralzerlegungen
Fragen: 1. Kann man geeignete lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen diagonalisie” ren“? 2. Zeigen Sie, dass ein Integraloperator mit quadratintegrierbarem Kern u ¨ber einer messbaren Teilmenge von Rn kompakt ist. 3. Versuchen Sie, Eigenwerte von Integraloperatoren abzusch¨ atzen. 4. Kann man f¨ ur geeignete lineare Operatoren auf Hilbertr¨ aumen eine Spur definieren? Ein wichtiges Ergebnis der Linearen Algebra besagt, dass normale Matrizen u ¨ber C ¨ mittels unit¨ arer Transformationen diagonalisiert werden k¨ onnen. Aquivalent dazu ist die Aussage, dass f¨ ur einen normalen linearen Operator S auf einem endlichdimensionalen komplexen Hilbertraum H dieser eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren von S besitzt. Einen solchen Spektralsatz bewies D. Hilbert 1904 f¨ ur Integraloperatoren mit stetigen symmetrischen Kernen. Hier zeigen wir in Theorem 12.5 den Spektralsatz f¨ ur kompakte normale Operatoren S ∈ K(H) auf beliebigen komplexen Hilbertr¨ aumen, f¨ ur kompakte selbstadjungierte Operatoren auch auf reellen Hilbertr¨ aumen: Die Eigenwerte (λj ) von S bilden eine Nullfolge, und mit orthonormalen Eigenvektoren (ej ) von S gilt der Entwicklungssatz (4) Sx =
∞
λj x|ej ej ,
x∈H,
j=0
in der Operatornorm. F¨ ur nicht notwendig normale kompakte Operatoren leiten wir in Abschnitt 12.4 daraus mittels Polarzerlegung eine Schmidt-Darstellung (2) Sx =
∞
sj x|ej fj ,
x∈H,
j=0
mit den singul¨ aren Zahlen sj = sj (S) ≥ 0 und zwei i. a. verschiedenen Orthonormalsystemen her. Integraloperatoren mit quadratintegrierbaren Kernen sind Hilbert-Schmidt-Operatoren, die wir in Abschnitt 12.3 untersuchen. Ihre singul¨ aren Zahlen sind quadratsummierbar. In Abschnitt 12.5 definieren wir f¨ ur 0 < p < ∞ die Schatten-Klassen Sp der kompakten Operatoren zwischen Hilbertr¨ aumen, deren singul¨ are Zahlen p -summierbar sind, und untersuchen insbesondere, unter welchen Glattheitsbedingungen an die Kerne Integraloperatoren u ¨ber kompakten Intervallen in Sp liegen.
12.1
Modelle kompakter Operatoren
Als Modellfall f¨ ur den Spektralsatz erinnern wir zun¨ achst an
230 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Faltungsoperatoren. tion a ∈ L1,2π durch
Wie in Formel (7.5) auf S. 124 wird f¨ ur eine periodische Funk-
π
S∗a f (t) :=
−π
a(t − s) f (s)ds ¯
ein linearer Faltungsoperator auf L2 [−π, π] definiert, und nach Satz 5.4 bzw. nach Satz 3.9 f¨ ur messbare Kerne (vgl. auch Satz A.3.20) hat man S∗a ≤ a L1 . F¨ ur die Basis-Funktionen e0k (t) = eikt , k ∈ Z , gilt a(k) e0k , S∗a (e0k ) =
k ∈ Z,
a(k) von a . Der Faltungsoperator S∗a besitzt almit den Fourier-Koeffizienten so die Eigenwerte { a(k)}k∈Z zu den Eigenfunktionen {eikt }k∈Z ; er wird bez¨ uglich 0 der Orthonormalbasis {ek }k∈Z von L2 [−π, π] durch die Diagonalmatrix M(S∗a ) = a(k))k∈Z repr¨ asentiert: diag( ∞
S∗a f =
a(k) f |e0k e0k , f ∈ L2 [−π, π] .
(1)
k=−∞
Wir zeigen nun, dass ein Diagonaloperator wie in (1) stets kompakt und normal ist. Zun¨ achst gilt: Satz 12.1 Es seien {ej }j∈N0 und {fj }j∈N0 Orthonormalsysteme in den Hilbertr¨ aumen H und G und (λj )j∈N0 eine Nullfolge in K . Durch ∞
Sx :=
λj x|ej fj ,
x∈H,
(2)
j=0
wird ein kompakter linearer Operator S ∈ K(H, G) definiert; die Reihe in (2) konvergiert unbedingt in der Operatornorm. Weiter gilt ∞ ¯ j y|fj ej , λ
S∗y =
y ∈ G.
(3)
j=0
Beweis. F¨ ur ρn := sup {| λj | | j ≥ n} gilt ρn ↓ 0 . Die Operatoren Sn x :=
n
λj x|ej fj ,
x∈H,
j=0
sind endlichdimensional, und man hat Sx − Sn x 2
=
∞
λj x|ej fj 2 =
j=n+1
≤
ρ2n+1 x 2
∞ j=n+1
f¨ ur x ∈ H ,
| λj |2 | x|ej |2
12 Spektralzerlegungen 231
also S − Sn → 0 und S ∈ K(H, G) . F¨ ur x ∈ H und y ∈ G gilt weiter Sx|y =
∞
λj x|ej fj |y = x |
j=0
∞ ¯ j fj |y ej , λ j=0
♦
und daraus ergibt sich (3).
Wir zeigen in Satz 12.10, dass jeder kompakte lineare Operator zwischen Hilbertr¨ aumen in der Form (2) dargestellt werden kann. Sind im Fall H = G die Orthonormalsysteme {ej } und {fj } gleich, so erh¨ alt man normale kompakte Operatoren: Satz 12.2 Es seien {ej }j∈N0 ein Orthonormalsystem im Hilbertraum H und (λj )j∈N0 eine Nullfolge in K . Durch ∞ λj x|ej ej , x ∈ H , (4) Sx := j=0
wird ein kompakter normaler Operator S ∈ K(H) definiert. Dieser ist genau dann selbstadjungiert, wenn alle Eigenwerte λj von S reell sind. Man hat σ(S) = {0} ∪ {λj | j ∈ N0 } und N (λj I − S) = [ei | λi = λj ]
(5)
f¨ ur λj = 0 .
(6)
Beweis. a) Nach Satz 12.1 gilt S ∈ K(H) . Aus (4) und (3) folgt sofort S ∗ S = SS ∗ , und weiter gilt genau dann S ∗ = S , wenn alle λj reell sind. b) Wegen (4) gilt Sej = λj ej ; daraus folgen λj ∈ σ(S) und ⊇“ in (6). Es sei nun P ” ur μ ∈ C gilt die orthogonale Projektion auf den Raum E := [ei | i ∈ N0 ]⊥ . F¨ ∞
(μI − S)x =
(μ − λi ) x, ei ei + μP x ,
x∈H,
(7)
i=1
(μI − S)x 2 =
∞
| μ − λi |2 | x, ei |2 + | μ |2 P x 2 .
(8)
i=1
ur λi = λj , und F¨ ur λj = 0 folgt aus (λj I − S)x = 0 also P x = 0 und x, ei = 0 f¨ somit gilt auch ⊆ “ in (6). ” c) Wegen dim H = ∞ ist S ∈ K(H) nicht invertierbar; man hat also 0 ∈ σ(S) und somit ⊇ “ in (5). F¨ ur μ ∈ C\({0} ∪ {λj | j ∈ N0 }) schließlich gibt es ε > 0 mit ” | μ | ≥ ε und | μ − λj | ≥ ε f¨ ur alle j ∈ N0 (vgl. Abb. 12.1). Aus (8) folgt dann (μI − S)x 2 ≥ ε2 x − P x 2 + ε2 P x 2 = ε2 x 2 ; folglich ist μI − S injektiv und hat ein abgeschlossenes Bild. Nach (7.24) ist R(μI − S)⊥ = N (¯ μI − S ∗ ) , und wegen Satz 7.12 gilt N (¯ μI − S ∗ ) = N (μI − S) = {0} , ♦ da ja S normal ist. Somit ist μI − S bijektiv, also μ ∈ σ(S) . Nach dem folgenden Spektralsatz 12.5 kann jeder kompakte normale lineare Operator auf einem komplexen Hilbertraum in der Form (4) dargestellt werden.
232 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
λj μ
Abb. 12.1: Illustration des Beweises
12.2
Der Spektralsatz f¨ ur kompakte normale Operatoren
Wesentlich f¨ ur einen Beweis des Spektralsatzes ist die Tatsache, dass ein kompakter normaler Operator einen Eigenwert besitzt, dessen Betrag mit seiner Norm u ¨bereinstimmt. Die Existenz von Eigenwerten kann mit funktionentheoretischen Argumenten oder durch L¨ osung eines Variationsproblems, ¨ ahnlich wie in Kapitel 10, gezeigt werden. Wir beginnen mit einem kurzen Beweis, der auf einer Reihe fr¨ uherer Ergebnisse, insbesondere auch auf einem funktionentheoretischen Argument im Beweis von Satz 9.9, beruht: Satz 12.3 Es seien H ein komplexer Hilbertraum und S ∈ L(H) kompakt und normal. Dann hat S einen Eigenwert λ ∈ C mit | λ | = S . Beweis. Wir k¨ onnen S = 0 annehmen. Aufgrund der S¨ atze 7.11 und 9.9 gilt S = r(S) = max {| λ | | λ ∈ σ(S)} ; es gibt also λ ∈ σ(S) mit | λ | = S . Nach Satz 11.7 ist T := λI − S ∈ Φ(H) ein Fredholmoperator, und es ist ind T = 0 , da T normal ist (vgl. (11.9)). Somit ist dim N (T ) > 0 , und λ ist ein Eigenwert von S . ♦ Folgerung. Es seien H ein komplexer Hilbertraum und S ∈ K(H) normal. Dann hat S einen Eigenwert λ ∈ C mit | λ | = max {| Sx|x | | x ≤ 1} = S .
(9)
ur einen Eigenvektor x0 ∈ H mit x0 = 1 zu einem In der Tat gilt λ = Sx0 |x0 f¨ Eigenwert λ ∈ C von S . Insbesondere wird also f¨ ur kompakte selbstadjungierte Operatoren das Supremum in Formel (7.32) angenommen. Nun folgt ein weiterer Beweis von Satz 12.3; dieser beruht f¨ ur selbstadjungierte kompakte Operatoren, ¨ ahnlich wie im endlichdimensionalen Fall (vgl. etwa [Kaballo 1997], S. 163), auf der Maximierung des Betrags der quadratischen Form QA auf der Einheitssph¨ are:
12 Spektralzerlegungen 233
Lemma 12.4 Es seien H ein Hilbertraum u ¨ber R oder C und A = A∗ ∈ K(H) . Dann ist A oder − A ein Eigenwert von A . Beweis. Wir k¨ onnen A = 0 annehmen. Nach Satz 7.10 gibt es eine Folge (xn ) in H mit xn = 1 und | Axn |xn | → A , und f¨ ur diese gilt auch Axn → A . Wegen Axn |xn ∈ R gibt es eine Teilfolge mit Axn |xn → λ := + A oder eine onnen wir solche mit Axn |xn → λ := − A , und wegen der Kompaktheit von A k¨ f¨ ur diese auch die Konvergenz der Folge (Axn ) annehmen. Wegen Axn − λxn 2 = Axn 2 − 2λ Axn |xn + λ2 ≤ 2λ2 − 2λ Axn |xn → 0 und λ = 0 existiert dann x0 := lim xn . Es folgt x0 = 1 und n→∞
Ax0 =
lim Axn =
n→∞
lim λxn = λx0 .
n→∞
♦
Ein weiterer Beweis von Satz 12.3. a) Es seien also H ein komplexer Hilbertraum und S ∈ K(H) normal. Dann ist S ∗ S ∈ K(H) selbstadjungiert; nach Lemma 12.4 gibt es also x ∈ H mit x = 1 und S ∗ Sx = μx mit μ = ± S ∗ S = ± S 2 . Wegen μ = S ∗ Sx|x ≥ 0 muss μ = + S 2 gelten. b) F¨ ur den Eigenraum N := N (μI − S ∗ S) gilt 0 < dim N < ∞ aufgrund von Satz 11.1, da auch S ∗ S kompakt ist. Weiter ist N invariant unter S und S ∗ : x ∈ N ⇒ (μI − S ∗ S)S (∗) x = S (∗) (μI − S ∗ S)x = 0 ⇒ S (∗) x ∈ N . Folglich ist auch S|N ∈ L(N ) normal. Es gibt 0 = x ∈ N und λ ∈ C mit Sx = λx . ¯ und dann S ∗ Sx = | λ |2 x , also | λ |2 = μ = S 2 . ♦ Aus Satz 7.12 folgt S ∗ x = λx Nun k¨ onnen wir Hilberts Spektralsatz, ein Hauptresultat dieses Buches, beweisen: Theorem 12.5 (Spektralsatz) Es seien H ein komplexer unendlichdimensionaler Hilbertraum und S ∈ L(H) kompakt ur und normal. Dann gibt es eine komplexe Nullfolge (λj )j∈N0 mit | λj | ≥ | λj+1 | f¨ j ∈ N0 und ein Orthonormalsystem {ej }j∈N0 in H , sodass die Entwicklung Sx =
∞
λj x|ej ej ,
x∈H,
(4)
j=0
und alle Aussagen von Satz 12.2 gelten. Beweis. a) Nach Satz 12.3 gibt es λ0 ∈ C mit | λ0 | = S und e0 ∈ H mit e0 = 1 ∗ ur x ∈ H1 := e⊥ und Se0 = λ0 e0 . F¨ 0 gelten Sx|e0 = x|S e0 = λ0 x|e0 = 0 und ∗ ¯ S x|e0 = x|Se0 = λ0 x|e0 = 0 , also auch Sx ∈ H1 und S ∗ x ∈ H1 . Somit ist S1 := S|H1 ∈ L(H1 ) kompakt und normal.
234 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
b) Wir wenden nun Satz 12.3 auf S1 an und fahren entsprechend fort. Induktiv erhalten wir eine Folge (λj )j∈N0 in C und ein Orthonormalsystem {ej }j∈N0 in H mit Sej = ur j ∈ N0 , wobei Sj die Einschr¨ ankung von S auf den unter λj ej und | λj | = Sj f¨ ∗ ⊥ S und S invarianten Hilbertraum Hj := [e0 , . . . , ej−1 ] ist; insbesondere gilt dann | λj | ≥ | λj+1 | f¨ ur j ∈ N0 . c) Aufgrund der Kompaktheit von S hat die Folge (Sej ) eine konvergente Teilfolge ur k → ∞ , und aus der (Sejk ) . Dann gilt | λ |2jk+1 + | λ |2jk = Sejk+1 − Sejk 2 → 0 f¨ Monotonie der Folge (| λj |) folgt | λj | → 0 f¨ ur j → ∞ . n−1 d) F¨ ur x ∈ H sei xn := x − x|ej ej ∈ Hn die orthogonale Projektion von x auf j=0
Hn . Dann folgt Sx −
n−1
λj x|ej ej = Sxn ≤ Sn xn ≤ | λn | x ,
j=0
also (4) und auch wieder die Konvergenz dieser Reihe in der Operatornorm.
♦
Bemerkungen. a) F¨ ur selbstadjungierte kompakte Operatoren gelten Lemma 12.4 und der Spektralsatz auch u aumen. ¨ber reellen Hilbertr¨ b) In der Situation des Spektralsatzes gilt genau dann dim R(S) < ∞ , wenn λj = 0 0 nur f¨ ur endlich viele j gilt. Andererseits ist S genau dann injektiv, wenn alle λj = sind und {ej }j∈N0 eine Orthonormalbasis von H ist. c) In der Situation des Spektralsatzes kann man das Orthonormalsystem {ej }j∈N0 zu ur alle zus¨ atzeiner Orthonormalbasis {ej }j∈J von H erweitern und setzt λj := 0 f¨ lichen Indizes. Dann wird S bez¨ uglich der Orthonormalbasis {ej }j∈J von H durch asentiert. Mittels der Fourier-Abbildung die Diagonalmatrix M(S) = diag(λj )j∈J repr¨ alt man eine unit¨ are Transformation von S auf den F : H → 2 (J) (vgl. S. 110) erh¨ Diagonaloperator FSF −1 = diag(λj )j∈J : 2 (J) → 2 (J) . Beispiel.
a) Gegeben sei der stetige Kern κ(t, s) = min {t, s}
auf
[0,1]2 .
Der durch κ auf L2 [0,1] definierte Integraloperator 1 S := Sκ : f → (Sf )(t) := 0 κ(t, s) f (s) ds ,
t ∈ [0,1] ,
ist nach Beispiel a) auf S. 209 kompakt und wegen κ(s, t) = κ(t, s) auch selbstadjungiert. b) F¨ ur λ = 0 und eine Eigenfunktion f von Sκ zu λ gilt 1 t 1 λ f (t) = 0 κ(t, s) f (s) ds = 0 sf (s) ds + t tf (s) ds .
(10)
12 Spektralzerlegungen 235
Daher ist f zun¨ achst stetig und dann auch stetig differenzierbar. Mittels Differentiation ist (10) ¨ aquivalent zu f (0) = 0 und 1 1 λ f (t) = tf (t) + t f (s) ds − tf (t) = t f (s) ds . ¨ Nochmalige Differentiation zeigt die Aquivalenz von (10) mit dem Randwertproblem λ f (t) = −f (t) ,
f (0) = 0 , f (1) = 0 .
(11)
(1,1,1) (0,1,0)
(0,0,0)
(1,0,0) Abb. 12.2: Der Kern κ(t, s) = min {t, s} auf [0,1]2 .
c) Mit λ = ω12 ist die allgemeine L¨ osung der Differentialgleichung f (t) + ω 2 f (t) = 0 gegeben durch f (t) = A sin ωt + B cos ωt , A , B ∈ C . Wegen f (0) = 0 muß B = 0 sein, und f (1) = 0 liefert die Bedingung cos ω = 0 , also ugt, nur k ∈ N0 zu betrachten. Der Integraloperator ω ∈ {(2k + 1) π2 | k ∈ Z} . Es gen¨ Sκ hat also die Eigenwerte λk =
4 1 π 2 (2k+1)2
, k ∈ N0 ,
(12)
mit den zugeh¨ origen orthonormalen Eigenfunktionen √ √ ek (t) = 2 sin √1λ t = 2 sin(2k + 1) π2 t .
(13)
k
L¨ osung von Gleichungen. a) Wie im Spektralsatz sei S ∈ K(H) ein kompakter normaler Operator. F¨ ur μ ∈ C\{0} gilt T := μI − S ∈ Φ0 (H) nach Theorem 11.7 und Formel (11.9); f¨ ur diesen Operator gilt also die Fredholmsche Alternative (vgl. S. 217). b) Diese ergibt sich hier auch aus Formel (7) auf S. 231: F¨ ur y ∈ H ist die Gleichung T x = y genau dann l¨ osbar, wenn y, ei = 0 f¨ ur alle i mit λi = μ gilt, d. h. wenn osungen y ∈ N (T )⊥ = N (T ∗ )⊥ gilt. Mit einem beliebigen x0 ∈ N (T ) sind dann alle L¨ von T x = y gegeben durch x = x0 +
∞ λi =μ
1 μ−λi
y|ei ei +
1 μPy
= x0 +
die letzte Gleichung ergibt sich aus P y = y −
1 μ
∞
(y +
λi =μ
λi μ−λi
y|ei ei ) ;
y|ei ei f¨ ur die orthogonale Pro-
λi =μ
jektion P von H auf den Raum [ei | i ∈ N0 ]⊥ .
∞
236 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Positive Operatoren. a) Ein selbstadjungierter Operator A ∈ L(H) heißt positiv (semidefinit), Notation: A ≥ 0 , wenn die quadratische Form nicht-negativ ist, also Ax|x ≥ 0 f¨ ur alle x ∈ H gilt. Im Fall K = C folgt A = A∗ bereits aus dieser Eigenschaft (vgl. die Bemerkungen auf S. 136). b) F¨ ur T ∈ L(H) gilt offenbar T ∗ T ≥ 0 wegen T ∗ T x|x = T x 2 ≥ 0 . c) Ein kompakter normaler Operator S ist genau dann positiv, wenn alle Eigenwerte ur ⇐“ λj = λj (S) ≥ 0 sind. In der Tat ergibt sich ⇒“ aus λj = Sej |ej , und f¨ ” ” schließen wir aus (4) Sx|x =
∞
λj | x|ej |2 ,
x∈H.
j=0
Eigenwerte und quadratische Formen. Es sei A ∈ K(H) ein positiver kompakter Operator mit den Eigenwerten λ0 ≥ λ1 ≥ . . . ≥ 0 zu den Eigenvektoren e0 , e1 , . . . wie im Spektralsatz. Nach dessen Beweis, insbesondere Formel (9), gilt dann λ0
=
max { Ax|x | x ≤ 1} ,
λ1
=
max { Ax|x | x ≤ 1 , x ∈ [e0 ]⊥ } , . . . ,
λj = max { Ax|x | x ≤ 1 , x ∈ [e0 , . . . , ej−1 ]⊥ } , j ∈ N0 .
(14)
Formel (14) kann so umformuliert werden, dass die Kenntnis der Eigenvektoren von A nicht erforderlich ist. Das folgende Resultat stammt von R. Courant, E.S. Fischer und H. Weyl (1912): Satz 12.6 (MiniMax-Prinzip) Es sei A ein positiver kompakter Operator mit den Eigenwerten λ0 ≥ λ1 ≥ . . . ≥ 0 . Dann gilt λj =
min codim V =j
max { Ax|x | x ≤ 1 , x ∈ V } , j ∈ N0 ,
(15)
wobei das Minimum u aume V von H der Kodimension ¨ber alle abgeschlossenen Unterr¨ j gebildet wird. Beweis. a) Das Maximum in Formel (15) existiert f¨ ur alle abgeschlossenen Unterr¨ aume V von H ; mit der orthogonalen Projektion P von H auf V ergibt sich dies durch Anwendung von (9) auf den selbstadjungierten Operator P A|V ∈ L(V ) . b) Nach Formel (14) gilt ≥ “ in (15). ” c) Nun sei V ein Unterraum von H mit codim V = j . Dann existiert ein Vektor j αk ek ergibt sich x0 ∈ V ∩ [e0 , . . . , ej ] mit x0 = 1 . Mit x0 = k=0
Ax0 |x0 =
j k=0
λk αk ek ,
j k=0
αk ek =
j k=0
λk | αk |2 ≥ λj
j k=0
| αk |2 = λj ,
12 Spektralzerlegungen 237
♦
und man hat auch λj ≤ max { Ax|x | x ≤ 1 , x ∈ V } . Eine unmittelbare Konsequenz aus dem MiniMax-Prinzip ist: Folgerung.
Es seien A, B ∈ K(H) positive kompakte Operatoren mit Ax|x ≤ Bx|x
f¨ ur alle x ∈ H .
F¨ ur die Eigenwerte von A und B gilt dann λj (A) ≤ λj (B) f¨ ur alle j ∈ N0 .
12.3
Hilbert-Schmidt-Operatoren
Die folgende wichtige Klasse kompakter linearer Operatoren auf Hilbertr¨ aumen wurde 1927 von J. von Neumann eingef¨ uhrt: Hilbert-Schmidt-Operatoren und -Normen. a) Es seien H, G Hilbertr¨ aume. Ein linearer Operator S ∈ L(H, G) heißt Hilbert-Schmidt-Operator, Notation: S ∈ S2 (H, G) , falls Sei 2 < ∞ f¨ ur eine Orthonormalbasis {ei }i∈I von H i∈I
gilt. b) F¨ ur Orthonormalbasen {ei }i∈I von H und {fj }j∈J von G hat man aufgrund der Parsevalschen Gleichung Sei 2 = | Sei |fj |2 = | ei |S ∗ fj |2 = S ∗ fj 2 ; (16) i,j
i∈I
i,j
j∈J
daher gilt S ∈ S2 (H, G) ⇔ S ∗ ∈ S2 (G, H) . In diesem Fall ist 1 S 2 := ( Sei 2 ) /2 i∈I
unabh¨ angig von der Wahl der Orthonormalbasis und wird als Hilbert-Schmidt-Norm von S bezeichnet. Stets gilt S ∗ 2 = S 2
f¨ ur S ∈ S2 (H, G) .
(17)
Beispiele. a) Wie auf S. 50 werde ein linearer Operator T ∈ L(Kn , Km ) durch die asentiert. Mit den Einheitsvektoren ej ergibt sich Matrix A = M(T ) = (aij ) repr¨ T 22 =
n
T ej 2 =
j=1
n m
| aij |2 = A 2HS .
j=1 i=1
b) Endlichdimensionale Operatoren sind Hilbert-Schmidt-Operatoren. Ist in der Tat F ∈ L(H, G) mit dim R(F ) < ∞ , so ist auch dim N (F )⊥ < ∞ . Wir w¨ ahlen eine Orthonormalbasis {e1 , . . . , em } von N (F )⊥ und erg¨ anzen diese durch Vektoren in N (F ) zu einer Orthonormalbasis {ei } von H . Dann gilt offenbar
i∈I
F ei 2 =
m j=1
F ej 2 < ∞ .
238 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
c) F¨ ur einen kompakten Operator S ∈ K(H, G) der Form (2) gilt Sej = λj fj , j ∈ N0 . Daher ist S genau dann ein Hilbert-Schmidt-Operator, wenn (λj ) ∈ 2 gilt, und in diesem Fall hat man ∞ | λj (S) |2 = S 22 . j=0
1 F¨ ur λj = √j+1 etwa erh¨ alt man einen kompakten Operator, der kein Hilbert-SchmidtOperator ist.
Weitere wesentliche Beispiele von Hilbert-Schmidt-Operatoren liefert der folgende Satz. F¨ ur eine Funktion f : M1 × M2 → C auf einer Produktmenge betrachten wir die partiellen Funktionen ft : s → f (t, s)
f s : t → f (t, s)
und
f¨ ur t ∈ M1 , s ∈ M2 .
(18)
Satz 12.7 Es seien Ω eine messbare Menge in Rn und κ ∈ L2 (Ω2 ) ein quadratintegrierbarer Kern. Der Integraloperator (Sf )(t) := (Sκ f )(t) := Ω κ(t, s) f (s) ds , t ∈ Ω , f ∈ L2 (Ω) , ist ein Hilbert-Schmidt-Operator auf L2 (Ω) mit S 2 = κ L2 (Ω2 ) . Beweis. F¨ ur eine Orthonormalbasis {ei }i∈N von L2 (Ω) gilt m
Sei 2
=
i=1
m i=1
≤
Ω
Ω
| κt , ei |2 dt =
m Ω
| κt , ei |2 dt
i=1
κt 2L2 (Ω) dt = κ 2L2 (Ω2 )
f¨ ur alle m ∈ N aufgrund des Satzes von Tonelli A.3.17 und der Besselschen Ungleichung. Folglich ist S ein Hilbert-Schmidt-Operator, und m → ∞ liefert S 2 = ♦ κ L2 (Ω2 ) aufgrund des Satzes von B. Levi und der Parsevalschen Gleichung. Satz 12.7 gilt auch allgemeiner u aumen, da obiger Beweis in ei¨ber σ -endlichen Maßr¨ uhrt werden kann. nem separablen Unterraum von L2 (Ω) durchgef¨ Die Menge S2 der Hilbert-Schmidt-Operatoren hat die folgenden grundlegenden Eigenschaften: Satz 12.8 Es seien E, H, G, F Hilbertr¨ aume, A ∈ L(E, H) , S ∈ S2 (H, G) und B ∈ L(G, F ) . a) Es gilt S ≤ S 2 . b) Der Raum F(H, G) ist dicht in S2 (H, G) bez¨ uglich der Hilbert-Schmidt-Norm und der Operatornorm.
12 Spektralzerlegungen 239
c) Hilbert-Schmidt-Operatoren sind kompakt: Es gilt S2 (H, G) ⊆ K(H, G) . A
S
B
d) Der Operator BSA : E −→ H −→ G −→ F liegt in S2 (E, F ) , und man hat BSA 2 ≤ B S 2 A . e) Die Hilbert-Schmidt-Norm auf S2 (H, G) wird durch das Skalarprodukt Sei |T ei
S|T 2 :=
(19)
i∈I
induziert, wobei {ei } eine Orthonormalbasis von H ist. f ) Mit dem Skalarprodukt (19) ist S2 (H, G) ein Hilbertraum. ur x ∈ H hat man Beweis. a) Es sei {ei }i∈I eine Orthonormalbasis von H . F¨ x|ei ei und somit Sx = x|ei Sei , also x= i∈I
Sx
2
≤
i∈I
| x|ei |2
i∈I
Sei 2 ≤ S 22 x 2 .
i∈I
b) Es seien S ∈ S2 (H, G) und {ei }i∈I eine Orthonormalbasis von H . Da Sei = 0 nur f¨ ur abz¨ ahlbar viele i gilt, k¨ onnen wir I = N annehmen. F¨ ur n ∈ N definieren wir n x|ej Sej . Wegen (S − Sn )ei = 0 f¨ ur Operatoren Sn ∈ F (H, G) durch Sn (x) := j=1
i ≤ n und (S − Sn )ei = Sei f¨ ur i > n gilt dann S − Sn 22 =
∞
Sei 2 → 0
f¨ ur n → ∞ .
i=n+1
Aufgrund von a) gilt dann auch S − Sn → 0 f¨ ur n → ∞ . c) folgt nun sofort aus b) und Satz 11.2. achst d) F¨ ur eine Orthonormalbasis {ei }i∈I von H gilt zun¨ BSei 2 ≤ B 2 Sei 2 ; i∈I
i∈I
daher hat man BS ∈ S2 (H, F ) und BS 2 ≤ B S 2 . Wegen (17) folgt auch A∗ S ∗ ∈ S2 (G, E) und A∗ S ∗ 2 ≤ A∗ S ∗ 2 = A S 2 , wiederum mit (17) also SA ∈ S2 (E, G) und SA 2 ≤ S 2 A . Daraus folgt die Behauptung d). e) Die Konvergenz der Summe in (19) ergibt sich aus der Schwarzschen Ungleichung. Die Skalarprodukt-Eigenschaften sind dann klar f¨ ur jede feste Orthonormalbasis des Hilbertraumes H . Aus (16) und der Polarformel (6.19) folgt schließlich die Unabh¨ angigkeit der Summe von der Wahl der Orthonormalbasis. f) Zum Nachweis der Vollst¨ andigkeit sei (Sn ) eine Cauchy-Folge in S2 (H, G) . Nach a) existiert jedenfalls S := lim Sn in L(H, G) . Zu ε > 0 gibt es n0 ∈ N mit n→∞
Sn − Sm 2 ≤ ε f¨ ur n, m ≥ n0 . F¨ ur eine Orthonormalbasis {ei }i∈I von H und jede feste endliche Indexmenge I ⊆ I folgt dann (Sn − Sm )ei 2 ≤ ε2 , i∈I
240 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
und n → ∞ liefert auch
i∈I
(S − Sm )ei 2 ≤ ε2 ,
also S − Sm 2 ≤ ε . Insbesondere hat man S = Sm + (S − Sm ) ∈ S2 (H, G) und dann ♦ lim S − Sm 2 = 0 . m→∞
Insbesondere ist also S2 (H) ein zweiseitiges Ideal in der Operatoralgebra L(H) . Dieses ist nicht abgeschlossen in der Operatornorm von L(H) , wohl aber vollst¨ andig unter der st¨ arkeren Hilbert-Schmidt-Norm. Der Entwicklungssatz f¨ ur Integraloperatoren. a) Nach den S¨ atzen 12.7 und 12.8 liegen Hilbert-Schmidt-Integraloperatoren mit quadratintegrierbaren Kernen in S2 (L2 (Ω)) und sind insbesondere kompakt. Somit gelten der Spektralsatz und seine Folgerungen f¨ ur normale Hilbert-Schmidt-Integraloperatoren, insbesondere also f¨ ur selbstadjungierte Kerne mit der Eigenschaft κ(t, s) = κ(s, t) . b) F¨ ur einen Kern gelte nun zus¨ atzlich κ∗ = sup Ω | κ(t, s) |2 ds < ∞ .
(20)
Dann ergibt sich mittels Schwarzscher Ungleichung sofort √ sup | Sκ f (t) | ≤ sup Ω | κ(t, s) | | f (s) | ds ≤ κ∗ f L2
(21)
t∈Ω
t∈Ω
t∈Ω
f¨ ur f ∈ L2 (Ω) . Nun seien {ej }j≥0 die Eigenfunktionen zu den Eigenwerten {λj }j≥0 ∞ von Sκ . Aus der Entwicklung f = f |ej ej in L2 (Ω) folgt wegen (21) j=0
Sκ f (t) =
∞
λj
Ω
j=0
f (s) ej (s) ds ej (t) ,
f ∈ L2 (Ω) ,
(22)
gleichm¨ aßig auf Ω . Diese Entwicklung konvergiert sogar absolut-gleichm¨ aßig; f¨ ur alle t ∈ Ω und n ≤ m ∈ N0 hat man in der Tat m
| λj f |ej ej (t) | ≤ (
j=n
∞ j=0
∞ j=0
| Sκ ej (t) |2 =
∞ j=0
1
| Sκ ej (t) |2 ) 2 (
m
1
| f |ej |2 ) 2
und
j=n
| κt , ej |2 ≤ κt 2L2 (Ω) ≤ κ∗
aufgrund der Besselschen Ungleichung. c) Bedingung (20) gilt insbesondere f¨ ur kompakte Mengen Ω ⊆ Rn und stetige Kerne. In diesem Fall sind auch die in der Entwicklung (22) auftretenden Eigenfunktionen ej = λ1j Sκ ej zu Eigenwerten = 0 stetig.
12 Spektralzerlegungen 241
12.4
Singul¨ are Zahlen und Schmidt-Darstellungen
In diesem Abschnitt zeigen wir, dass jeder kompakte lineare Operator S ∈ K(H, G) zwischen Hilbertr¨ aumen in der Form (2) dargestellt werden kann. Dazu schreiben ” wir S = U | S | in Polarkoordinaten“ mit einem isometrischen Operator U und dem positiven Betrag | S | ∈ K(H) . F¨ ur die Definition des Betrags ben¨ otigen wir zun¨ achst Wurzeln aus kompakten positiven Operatoren: Satz 12.9 Zu 0 ≤ A ∈ K(H) und p ∈ N gibt es genau ein 0 ≤ B ∈ K(H) mit B p = A , Notation: B := A1/p . Beweis. a) In der Spektraldarstellung (4) von A gilt λj ≥ 0 , und wir setzen ∞
Bx :=
1/p
λj
x|ej ej ,
x∈H.
(23)
j=0
b) Nun sei auch D ∈ K(H) positiv mit Dp = A . Der Spektralsatz liefert Dx =
∞
μj x|fj fj ,
x∈H,
j=0
mit einem Orthonormalsystem {fj } und einer monoton fallenden Nullfolge (μj ) in [0, ∞) . Wegen des MiniMax-Prinzips 12.6 und Dp x =
∞
μpj x|fj fj = Ax =
j=0
∞
λj x|ej ej
j=0
gilt dann μpj = λj f¨ ur alle j ≥ 0 sowie [fj | μpj = λ] = [ej | λj = λ] f¨ ur alle λ ≥ 0 . ♦ Daraus folgt D = B . Wie in (23) kann man auch Potenzen Aα f¨ ur alle α > 0 definieren. Singul¨ are Zahlen. a) Es seien H, G Hilbertr¨ aume und S ∈ K(H, G) ein kompakter linearer Operator. Der Absolutbetrag von S ist gegeben durch | S | := (S ∗ S)1/2 ∈ K(H) ; seine Eigenwerte heißen singul¨ are Zahlen von S : sj (S) := λj (| S |) ,
j ∈ N0 .
(24)
b) Ist S ein normaler kompakter Operator, so gilt aufgrund von (4) und (3) sj (S) = | λj (S) | ,
j ∈ N0 .
c) Aufgrund des MiniMax-Prinzips 12.6 hat man wegen S ∗ Sx|x
sj (S) =
min codim V =j
S|V , j ∈ N0 ,
(25) 1/ 2
= Sx (26)
wobei das Minimum u aume V von H der Kodimension ¨ber alle abgeschlossenen Unterr¨ j gebildet wird.
242 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Polarzerlegung.
F¨ ur S ∈ K(H, G) und x ∈ H gilt stets
| S | x 2 = | S | x | | S | x = | S |2 x|x = S ∗ Sx|x = Sx|Sx = Sx 2 . Durch U : | S | x → Sx wird also eine Isometrie von R(| S |) auf R(S) definiert, die man usse fortsetzen gem¨ aß Satz 3.5 zu einer Isometrie U : R(| S |) → R(S) auf die Abschl¨ kann. Dies liefert die Polarzerlegung S = U |S |,
| S | = U −1 S .
(27)
Das folgende wichtige Resultat wurde 1907 von E. Schmidt f¨ ur Integraloperatoren mit stetigen Kernen bewiesen: Satz 12.10 (Schmidt-Darstellung) F¨ ur einen kompakten Operator S ∈ K(H, G) sei (sj ) = (sj (S)) die Folge der singul¨ aren Zahlen. Dann gibt es Orthonormalsysteme {ej } in H und {fj } in G mit Sx =
∞
sj x|ej fj ,
x∈H,
(2)
sj y|fj ej ,
y ∈ G,
(3)
sj x|ej ej ,
x∈H,
(27)
y ∈ G,
(28)
j=0 ∞
S∗y =
j=0 ∞
|S |x =
j=0
| S∗ | y =
∞
sj y|fj fj ,
j=0
wobei die Reihen in der Operatornorm konvergieren. Die {ej } und {fj } sind Eigenvektoren von | S | und | S ∗ | , und man hat sj (S) = sj (S ∗ ) = sj (| S |) = sj (| S ∗ |) = λj (| S |) = λj (| S ∗ |) . Beweis. Wegen | S | ≥ 0 gilt eine Entwicklung (27) f¨ ur ein Orthonormalsystem {ej } in H . Aus (27) folgt dann (2) mit fj := U ej ; es ist {fj } ein Orthonormalsystem in G , da U isometrisch ist. Aus (2) folgt (3) nach Satz 12.1. Schließlich ergibt sich SS ∗ y =
∞
sj y|fj Sej =
j=0
also (28) wegen | S ∗ | = (SS ∗ )
∞
s2j y|fj fj ,
j=0 1/ 2
und der Eindeutigkeitsaussage von Satz 12.9.
♦
12 Spektralzerlegungen 243
Beispiel.
a) Wir berechnen die Schmidt-Darstellung des Volterra-Operators V f (t) =
t 0
f (s) ds
auf
L2 [0,1] .
Der L2 -Kern von V ist gegeben durch k(t, s) =
1
,
s≤t
0
,
s>t
; nach (7.19) hat
man daher V ∗ f (t) =
1 t
f ∈ L2 [0,2π] .
f (s) ds ,
(1,1,1)
(1,0,1)
(0,1,1)
(0,0,0)
(1,0,0) Abb. 12.3: Der obige Kern auf [0,1]2 .
b) F¨ ur λ = 0 und eine Eigenfunktion f von V ∗ V zu λ gilt dann λ f (t) =
1s t
0
f (u) du ds .
(29)
Dies ist a ¨quivalent zu f (1) = 0 und λ f (t) = −
t 0
f (u) du .
¨ Nochmalige Differentiation zeigt die Aquivalenz von (29) mit dem Randwertproblem λ f (t) = −f (t) ,
f (1) = 0 , f (0) = 0 .
c) Mit λ = ω12 ist die allgemeine L¨ osung der Differentialgleichung f (t) + ω 2 f (t) = 0 wie in Beispiel 12.2 gegeben durch f (t) = A sin ωt + B cos ωt , A , B ∈ C . Wegen f (0) = 0 muß A = 0 sein, und f (1) = 0 liefert die Bedingung cos ω = 0 , also ω ∈ {(2k + 1) π2 | k ∈ Z} . Es gen¨ ugt wieder, nur k ∈ N0 zu betrachten. Der Integraloperator V ∗ V hat also die Eigenwerte s2k =
4 1 π 2 (2k+1)2
, k ∈ N0 ,
mit den zugeh¨ origen orthonormalen Eigenfunktionen ek (t) =
√
2 cos √1λ t = k
√
2 cos(2k + 1) π2 t .
(30)
244 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
d) Die Eigenfunktionen von V V ∗ erh¨ alt man aus der Gleichung
t1
λ f (t) =
s
0
f (u) du ds ,
die analog zu b) zu dem Randwertproblem (11) λ f (t) = −f (t) ,
f (0) = 0 , f (1) = 0
aquivalent ist. Es ergeben sich wieder die Eigenwerte s2k aus (12) bzw. (30) und die ¨ orthonormalen Eigenfunktionen fk (t) =
√
2 sin
√1 λk
t =
√
2 sin(2k + 1) π2 t
aus (13). Die Schmidt-Darstellung des Volterra-Operators lautet also explizit V f (t) =
∞ k=0
4 (2k+1)π
1 0
f (s) cos(2k + 1) π2 s ds sin(2k + 1) π2 t .
Singul¨ are Zahlen und Hilbert-Schmidt-Operatoren. Aufgrund von Satz 12.10 ist nach Beispiel c) auf S. 238 ein kompakter Operator S ∈ K(H, G) genau dann ein Hilbert-Schmidt-Operator, wenn (sj ) ∈ 2 gilt, und in diesem Fall hat man ∞ j=0
sj (S)2 = S 22 .
(31)
Sobolev-Einbettungen. a) F¨ ur s > u ≥ 0 ist der Sobolev-Einbettungsoperator s u i : H2π → H2π (vgl. Abschnitt 6.2 und S. 133) kompakt. Dies folgt aus Satz 12.1 wegen if =
∞
∞
f(k) e0k =
k=−∞
k u−s f |esk H s eu k,
s f ∈ H2π .
k=−∞
b) Nach Formel (7.23) ist i∗ i durch (i∗ if ) =
∞
k 2u−2s f |esk H s esk
k=−∞
diagonalisiert. Wegen sj (i)2 = sj (i∗ i) liefert diese zweiseitig unendliche Summe s0 (i) = 1 , s2k−1 (i) = s2k (i) = k u−s . s u , H2π ) , wenn s − u > Insbesondere gilt genau dann i ∈ S2 (H2π
1 2
(32) ist.
Wir zeigen nun grundlegende Eigenschaften der singul¨ aren Zahlen:
12 Spektralzerlegungen 245
Satz 12.11 Es seien E, H, G, F Hilbertr¨ aume, S, T ∈ K(H, G) , C ∈ K(E, H) , A ∈ L(E, H) und B ∈ L(G, F ) . Dann gilt: sj (S) = 0 ⇔ rk S ≤ j , sj (λS) = | λ | sj (S) ,
j ∈ N0 ,
(33)
λ ∈ K , j ∈ N0 ,
sj+k (S + T ) ≤ sj (S) + sk (T ) , | sj (S) − sj (T ) | ≤ S − T , sj+k (SC) ≤ sj (S) · sk (C) , sj (BSA) ≤ B sj (S) A ,
(34)
j, k ∈ N0 ,
(35)
j ∈ N0 ,
(36)
j, k ∈ N0
(37)
j ∈ N0 .
(38)
Beweis. 1i Aussage (33) folgt sofort aus der Schmidt-Darstellung (2), Aussage (34) aus der MiniMax-Formel (26). 2i F¨ ur S, T ∈ K(H, G) gibt es nach (26) abgeschlossene Unterr¨ aume V, W ⊆ H mit codim V = j und sj (S) = S|V sowie codim W = k und sk (T ) = T |V . Dann ist codim(V ∩ W ) ≤ j + k , und daher gilt sj+k (S + T ) ≤ (S + T )|V ∩W ≤ S|V + T |W = sj (S) + sk (T ) . Dies zeigt (35). F¨ ur k = 0 ergibt sich insbesondere sj (S) ≤ sj (T ) + S − T , und daraus folgt (36). 3i Wie in 2i w¨ ahlen wir abgeschlossene Unterr¨ aume V ⊆ H und W ⊆ E mit codim V = j und sj (S) = S|V sowie codim W = k und sk (C) = S|W . Dann ist U := C −1 (V ) ein abgeschlossener Unterraum von E mit codim U ≤ j , und man hat codim(U ∩ W ) ≤ j + k . Damit folgt (37): sj+k (SC) ≤ SC|U ∩W ≤ S|V · C|W = sj (S) sk (T ) . ur nur stetige Operatoren F¨ ur k = 0 ergibt sich sj (SA) ≤ sj (S) A auch f¨ A ∈ L(E, H) . F¨ ur B ∈ L(G, F ) ergibt sich sj (BS) ≤ B sj (S) unmittelbar aus (26), und dies zeigt schließlich (38). ♦ Es folgt eine weitere wichtige Eigenschaft der singul¨ aren Zahlen: Satz 12.12 F¨ ur Hilbertr¨ aume H, G und kompakte Operatoren S ∈ K(H, G) gilt sj (S) = inf { S − F | F ∈ L(H, G) , rk F ≤ j} ,
j ∈ N0 .
(39)
246 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Beweis. ≤“: Es sei F ∈ L(H, G) mit rk F ≤ j . F¨ ur V := N (F ) gilt dann ” codim V ≤ j , und aufgrund der MiniMax-Formel (26) ist sj (S) ≤ S|V = (S − F )|V ≤ S − F . ≥ “: Umgekehrt sei V ⊆ H ein abgeschlossener Unterraum mit codim V = j und ” sj (S) = S|V . F¨ ur die orthogonalen Projektion P auf V ⊥ gilt rk P = j und daher rk SP ≤ j . Da I − P die orthogonalen Projektion auf V ist, ergibt sich die Behauptung nun aus S − SP = S(I − P ) = S|V . ♦ Approximationszahlen. a) Die singul¨ aren Zahlen messen also die G¨ ute der Approximation eines kompakten Operators durch endlichdimensionale Operatoren. Diese kann man auch f¨ ur stetige lineare Operatoren zwischen beliebigen Banachr¨ aumen untersuchen: b) Es seien X, Y Banachr¨ aume und T ∈ L(X, Y ) . Die Approximationszahlen von T sind gegeben durch αj (T ) := inf { T − F | F ∈ L(X, Y ) , rk F ≤ j} ,
j ∈ N0 .
(40)
ur j ∈ N0 . F¨ ur Hilbertr¨ aume H, G und S ∈ K(H, G) gilt also αj (S) = sj (S) f¨ c) Die Folge (αj (T )) in [0, ∞) ist stets monoton fallend, und man hat α0 (T ) = T . d) Aus αj (T ) → 0 folgt T ∈ K(X, Y ) . Die Umkehrung ist nur dann richtig, wenn der Banachraum Y die Approximationseigenschaft hat (vgl. S. 213).
12.5
Schatten-Klassen und Integraloperatoren
Die Schatten-Klassen Sp (0 < p < ∞ ) aller kompakten linearen Operatoren zwischen Hilbertr¨ aumen, deren singul¨ are Zahlen p -summierbar sind, wurden 1946/48 von R. Schatten und J. von Neumann eingef¨ uhrt. Man kann die R¨ aume Sp (H) als Operatorversionen“ der p -Folgenr¨ aume betrachten. Wir geben nur eine kur” ze Einf¨ uhrung in dieses Thema und verweisen f¨ ur weiterf¨ uhrende Darstellungen auf [K¨ onig 1986], [Meise und Vogt 1992] oder [Gohberg et. al. 1990]. Unser Hauptziel hier sind Absch¨ atzungen von singul¨ aren Zahlen von Integraloperatoren u ¨ber kompakten Intervallen, die nach der unten zitierten Weylschen Ungleichung (41) dann auch f¨ ur die Eigenwerte solcher Operatoren gelten. Schatten-Klassen. Schatten-Klassen
a) F¨ ur Hilbertr¨ aume H, G und 0 < p < ∞ definiert man die
Sp (H, G) := {S ∈ L(H, G) |
∞
sj (S)p < ∞}
j=0
und setzt σp (S) :=
∞ j=0
sj (S)p
1/p
f¨ ur S ∈ Sp (H, G) .
12 Spektralzerlegungen 247
b) F¨ ur S ∈ Sp (H, G) gilt σp (S) ≥ 0 und σp (S) = 0 ⇔ S = 0 ; f¨ ur λ ∈ K hat man atzung weiter σp (λS) = | λ |σp (S) nach (34). Wir zeigen in Satz 12.13 unten die Absch¨ σp (S + T ) ≤ C (σp (S) + σp (T )) mit einer Konstanten C = Cp ≥ 1 ; somit ist Sp (H, G) ein Vektorraum, und auf diesem definiert σp eine Quasinorm. c) Nach Formel (31) ist S2 (H, G) der Raum der Hilbert-Schmidt-Operatoren von H nach G , und σ2 = 2 ist eine Norm auf S2 (H, G) , unter der S2 (H, G) nach Satz 12.8 ein Hilbertraum ist. Man kann zeigen (vgl. die o. g. Literatur), dass f¨ ur p ≥ 1 auch σp eine Norm auf Sp (H, G) ist, unter der Sp (H, G) ein Banachraum ist. Operatoren in S1 (H, G) heißen auch nuklear, und S1 wird auch als Spurklasse bezeichnet (vgl. die Aufgaben 12.15–12.18). d) F¨ ur normale Operatoren S ∈ Sp (H) ist aufgrund von Formel (25) ∞
| λj (S) |p ≤ σp (S)p < ∞
(41)
j=0
f¨ ur 0 < p < ∞ . Diese Absch¨ atzung gilt sogar f¨ ur beliebige Operatoren S ∈ Sp (H) , wobei dann die Eigenwerte so oft gez¨ ahlt werden, wie ihre algebraische Vielfachheit angibt. F¨ ur einen Beweis dieser von H. Weyl 1949 bewiesenen Ungleichung verweisen wir auf den Aufbaukurs und wieder die o. g. Literatur. e) Mit Hilfe der Approximationszahlen aus (40) an Stelle der singul¨ aren Zahlen lassen sich auch R¨ aume Sp (X, Y ) von Operatoren zwischen beliebigen Banachr¨ aumen definieren. H. K¨ onig bewies 1977 eine Verallgemeinerung der Weylschen Ungleichung auf diese Situation (vgl. [K¨ onig 1986], Abschnitt 2.a). Beispiele. a) Der durch den stetigen Kern κ(t, s) = min {t, s} auf L2 [0,1] definierte Integraloperator (vgl. S. 234) liegt genau dann in Sp , wenn p > 12 ist. b) Der Volterra-Integraloperator (vgl. S. 243) liegt in Sp genau f¨ ur p > 1 . Satz 12.13 aume, S, T ∈ Sp (H, G) und Es seien p, q, r > 0 mit 1r = p1 + 1q , E, H, G, F Hilbertr¨ A ∈ L(E, H) , B ∈ L(G, F ) . Dann gilt: a) Es ist Sp (H, G) ein Unterraum von K(H, G) , und man hat σp (S + T )
≤
p
≤
σp (S + T )
A
2
1/ p
(σp (S) + σp (T )) p
p
2 (σp (S) + σp (T ) ) S
f¨ ur p ≥ 1 , f¨ ur 0 < p ≤ 1 .
B
b) Der Operator BSA : E −→ H −→ G −→ F liegt in Sp (E, F ) , und es ist σp (BSA) ≤ B σp (S) A .
248 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
c) F¨ ur S ∈ Sp (H, G) und A ∈ Sq (E, H) gilt SA ∈ Sr (H, F ) und σr (SA) ≤ 2
1/ r
σp (S) σq (A) .
(42)
Beweis. a) F¨ ur p ≥ 1 und n ∈ N gilt wegen (37) (
2n
sj (S + T )p )
1/ p
≤
n
(2
j=0
s2k (S + T )p )
1/ p
≤ 2
1/ p
k=0
≤
2
1/ p
(
n
(sk (S) + sk (T ))p )
1/ p
k=0
(σp (S) + σp (T ))
aufgrund der Minkowskischen Ungleichung. F¨ ur 0 < p < 1 erh¨ alt man entsprechend die zweite Absch¨ atzung mittels der elementaren Ungleichung | c + d |p ≤ | c |p + | d |p
f¨ ur c, d ∈ C .
b) Nach (37) hat man sj (BSA) ≤ B sj (S) A . c) Wieder wegen (37) hat man f¨ ur alle n ∈ N 2n
sj (SA)r
≤
j=0
≤
2
n
s2k (SA)r ≤ 2
k=0 n
2(
n
sk (S)r sk (A)r
k=0
sk (S)p )
k=0
r/ p
(
n
sk (A)q )
r/ q
≤ 2 σp (S)r σq (A)r
k=0
aufgrund der H¨ olderschen Ungleichung.
♦
Ein Produkt von Operatoren ist also mindestens so glatt“ oder klein“ wie einer der ” ” Faktoren; die Schatten-Klassen bilden ein Operatorideal. Dar¨ uber hinaus ist gem¨ aß (42) ein Produkt glatter“ oder kleiner“ Operatoren noch glatter“ oder kleiner“ als ” ” ” ” jeder einzelne Faktor. Sobolev-Einbettungen a) F¨ ur s > u ist der Sobolev-Einbettungsoperator (vgl. s u S. 244) i : H2π → H2π kompakt, und nach Formel (32) gilt: s u i ∈ Sp (H2π , H2π ) ⇔
∞
k p(u−s) < ∞ ⇔ p (s − u) > 1 .
(43)
k=0 m → L2 [−π, π] in Sp f¨ ur b) Insbesondere liegt f¨ ur m ∈ N die Einbettung i : H2π m 1 alle p > m . Dies gilt auch f¨ ur die Einbettung i : W2 (−π, π) → L2 [−π, π] , da der m m = W2,2π Sobolev-Raum W2m (−π, π) (vgl. Satz 6.7 und Aufgabe 5.12) den Raum H2π der 2π -periodischen W2m -Funktionen als endlichkodimensionalen Unterraum enth¨ alt. Diese Aussage gilt nat¨ urlich auch u ¨ber beliebigen kompakten Intervallen.
12 Spektralzerlegungen 249
Integraloperatoren in Schatten-Klassen. a) Nach Satz 12.7 ist ein linearer Integraloperator b (Sf )(t) := (Sκ f )(t) := a κ(t, s) f (s) ds , t ∈ [a, b] , ur 0 < p < 2 unmit stetigem Kern ein Hilbert-Schmidt-Operator auf L2 [a, b] . F¨ tersuchen wir nun, welche zus¨ atzlichen Glattheitsbedingungen an den Kern sogar Sκ ∈ Sp (L2 [a, b]) implizieren. Dabei gen¨ ugt es, eine solche Glattheitsbedingung bez¨ uglich der Variablen t zu fordern; wegen sj (Sκ∗ ) = sj (Sκ ) und (vgl. (7.19)) b (Sκ∗ g)(t) = a κ(s, t) g(s) ds , t ∈ [a, b] , g ∈ L2 [a, b] , kann man diese stattdessen auch bez¨ uglich der Variablen s fordern. aume b) F¨ ur m ∈ N0 betrachten wir die R¨ C m C([a, b]2 ) := {κ ∈ C([a, b]2 ) | ∀ 0 ≤ j ≤ m ∃ ∂tj κ ∈ C([a, b]2 )} mit den Normen κ Cm C :=
m
∂tj κ sup
j=0
und f¨ ur 0 < α ≤ 1 zus¨ atzlich die R¨ aume Λm,α C([a, b]2 ) der Funktionen in m 2 C C([a, b] ) , f¨ ur die | ∂tm κ(t, s) − ∂tm κ(t , s) | m , und wegen m 1 ur p > m mittels j Sκ ∈ L(L2 [a, b], W2 (a, b)) ergibt sich daraus Sκ ∈ Sp (L2 [a, b]) f¨ Satz 12.13 b). Dieses Ergebnis kann allerdings noch wesentlich versch¨ arft werden:
d) Nach Anwendung einer linearen Transformation der Variablen k¨ onnen wir [a, b] = [−π, π] annehmen. Weiter k¨ onnen wir annehmen, dass der Kern κ eine Einschr¨ ankung m,α einer bez¨ uglich t periodischen Funktion aus Λ2π C(R × [−π, π]) ist: e) Wir w¨ ahlen eine Funktion χ ∈ C ∞ (R) mit χ(t) = 1 f¨ ur t ≤ −2 und χ(t) = 0 f¨ ur t ≥ 2 . F¨ ur einen Kern κ ∈ Λm,α C([−π, π]2 ) setzen wir ϕ(t, s) := χ(t)
m j=0
j
(∂tj κ(π, s) − ∂tj κ(−π, s)) (t+π) ∈ C ∞ [−π, π] ⊗ C[−π, π] . j!
250 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
F¨ ur den Kern η := κ−ϕ gilt dann ∂tj η(−π, s) = ∂tj η(π, s) f¨ ur 0 ≤ j ≤ m und s ∈ [a, b] ; C( R × [−π, π]) periodisch fortgesetzt werden. dieser kann also zu einem Kern η ∈ Λm,α 2π atzungen Wegen rk Sϕ ≤ m + 1 und Satz 12.12 hat man dann die Absch¨ sj (Sκ ) ≤ sj−m−1 (Sη )
f¨ ur j ≥ m + 1 .
Nach diesen Vorbereitungen k¨ onnen wir nun zeigen: Theorem 12.14 Ein durch einen Kern κ ∈ Λm,α C([a, b]2 ) definierter Integraloperator Sκ liegt in 2 Sp (L2 [a, b]) f¨ ur p > 2(m+α)+1 . Beweis. a) Aufgrund der obigen Vorbereitungen k¨ onnen wir [a, b] = [−π, π] und C( R × [−π, π]) annehmen. Die Faktorisierung (44) von Sκ kann aufgrund κ ∈ Λm,α 2π von Satz 6.10 versch¨ arft werden zu S
j
i
κ s L2 [a, b] −→ Λm,α −→ H2π −→ L2 [−π, π] 2π
(45)
mit s = m im Fall α = 0 und s = m + σ mit 0 ≤ σ < α im Fall 0 < α ≤ 1 . s ¨ nicht nur b) Ahnlich wie in Satz 12.7 zeigen wir nun, dass j Sκ : L2 [−π, π] → H2π stetig, sondern sogar ein Hilbert-Schmidt-Operator ist. Dazu verwenden wir die Sobolevs Slobodeckij-Norm aus Satz 6.9 auf H2π :
achst c) F¨ ur eine Orthonormalbasis {ek }k∈Z von L2 [a, b] und ∈ N0 gilt zun¨
| k |≤
Sek 2W2m
=
m π −π
| k |≤ j=0
=
m π −π
| k |≤ j=0
=
m π j=0
≤ ≤
−π
| k |≤
d j | ( dt ) (Sek )(t) |2 dt
|
π −π
∂tj κ(t, s) ek (s) ds |2 dt
| ∂tj κt |ek L2 |2 dt
m π
m
j=0
j=0
∂tj κt 2L2 dt = −π
∂tj κ 2L2 ([−π,π]2 )
C κ 2Cm C
aufgrund der Besselschen Ungleichung. F¨ ur 0 < α ≤ 1 sch¨ atzen wir weiter ab π π ! ! | ∂tm κt+τ |ek − ∂tm κt |ek |2 d m ( dt ) Sek 2W2σ = dτ ¯ dt ¯ | τ |1+2σ | k |≤ | k |≤ −π −π π π ! | ∂tm κt+τ − ∂tm κt |ek |2 = dτ ¯ dt ¯ | τ |1+2σ −π −π | k |≤ π π ∂tm κt+τ − ∂tm κt 2L2 dτ ¯ dt ¯ ≤ | τ |1+2σ −π −π ≤
C ∂tm κ 2Λα C
12 Spektralzerlegungen 251
wiederum aufgrund der Besselschen Ungleichung. Insgesamt gilt also
| k |≤
Sek 2H s ≤ C κ 2Λm,α C
(46)
s ). f¨ ur alle ∈ N0 und somit j Sκ ∈ S2 (L2 [−π, π], H2π s , L2 [−π, π]) f¨ ur d) Nach Formel (43) liegt nun die Sobolev-Einbettung i in Sq (H2π 1 1 q > s . Nach Satz 12.13 c) folgt insgesamt Sκ ∈ Sp (L2 [−π, π]) f¨ ur p < 12 + s , also f¨ ur 2 . Da s < m + α beliebig gew¨ ahlt werden kann, folgt die Behauptung. ♦ p > 2s+1
Bemerkungen und Beispiele. a) F¨ ur Faltungsoperatoren (vgl. Abschnitt 12.1) liefert Theorem 12.14 genau die Folgerung zu den S¨ atzen 6.9 und 6.10 auf S. 117 u ¨ber 2 Fourier-Koeffizienten. Die Bedingung p > 2(m+α)+1 f¨ ur die Indizes ist also optimal. F¨ ur Versch¨ arfungen von Theorem 12.14 im Rahmen allgemeinerer Funktionenr¨ aume und Operatorideale sei auf [K¨ onig 1986], 3.d oder [Pietsch 1987], 6.4 verwiesen. ur b) F¨ ur Kerne κ ∈ C 1 C([a, b]2 ) oder κ ∈ Λ1 C([a, b]2 ) gilt also Sκ ∈ Sp (L2 [a, b]) f¨ α 2 2 1 ur κ ∈ Λ C([a, b] ) mit α > 2 . p > 3 , und man hat Sκ ∈ S1 (L2 [a, b]) bereits f¨ c) Aufgrund der Weylschen Ungleichung (41) gilt also f¨ ur die Eigenwerte eines Kerns κ ∈ Λm,α C([a, b]2 ) ∞
| λj (Sκ ) |p < ∞
f¨ ur p >
j=0
12.6
2 2(m+α)+1
.
Aufgaben
Aufgabe 12.1 s (1 − t) , s ≤ t Gegeben sei der auf [0,1]2 stetige Kern κ(t, s) := . Geben Sie t (1 − s) , s ≥ t die Entwicklung (4) f¨ ur den entsprechenden selbstadjungierten Integraloperator Sκ explizit an. Aufgabe 12.2 Es seien H ein Hilbertraum und S ∈ K(H) normal mit Spektralzerlegung (4). Zeigen Sie f¨ ur y ∈ H : y ∈ R(S) ⇔ y ∈ N (S)⊥
und
λj =0
1 | λj |2
| y|ej |2 < ∞ .
Aufgabe 12.3 Zeigen Sie das folgende MaxiMin-Prinzip“: Es sei A ∈ K(H) ein positiver kompakter ” Operator mit den Eigenwerten λ0 ≥ λ1 ≥ . . . ≥ 0 . Dann gilt: λj =
max dim V =j+1
min { Ax|x | x ≤ 1 , x ∈ V } , j ∈ N0 .
252 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Aufgabe 12.4 Es seien H ein Hilbertraum und S, T ∈ K(H) normale Operatoren. Zeigen Sie, dass S und T genau dann gleichzeitig diagonalisiert werden k¨ onnen, d. h. dass genau dann ein Orthonormalsystem {ej }j∈N0 in H mit Sx =
∞
λj x|ej ej
und
∞
Tx =
j=0
μj x|ej ej
j=0
existiert, wenn ST = T S und ST ∗ = T ∗ S gilt. Bemerkung: Die Bedingung ST = T S impliziert bereits ST ∗ = T ∗ S , vgl. dazu etwa [Meise und Vogt 1992], 17.23. Aufgabe 12.5 Es seien H ein Hilbertraum und S, T ∈ K(H) normale Operatoren. Zeigen Sie, dass S und T genau dann unit¨ ar ¨ aquivalent sind, also T = U −1 SU f¨ ur einen unit¨ aren Operator U ∈ L(H) ist, wenn dim(λI − S) = dim(λI − T ) f¨ ur alle λ ∈ C gilt. Aufgabe 12.6 Es sei A = (aij ) eine Matrix u ¨ber N0 × N0 mit (vgl. (7.3)) A HS :=
∞ ∞
| aij |2
1/2
< ∞.
i=0 j=0
Zeigen Sie, dass A einen Hilbert-Schmidt-Operator auf 2 mit Norm A HS definiert. Aufgabe 12.7 Es sei Ω ⊆ Rn eine messbare Menge. Zeigen Sie, dass ein Operator T ∈ L(L2 (Ω)) genau dann ein Hilbert-Schmidt-Operator ist, wenn es einen Kern κ ∈ L2 (Ω2 ) mit T = Sκ gibt. Hinweis. Benutzen Sie (2) und beachten Sie S. 110. Aufgabe 12.8 Es seien K ⊆ Rn kompakt und j : C(K) → L2 (K) die Inklusionsabbildung. Weiter seien H ein Hilbertraum und T ∈ L(H, C(K)) . Zeigen Sie jT ∈ S2 (H, L2 (K)) und jT 2 ≤ T . Aufgabe 12.9 Gegeben sei der Operator T : (x0 , x1 , x2 , x3 , . . . , xj , . . .) → (0, x0 , x21 , x32 , . . . , aren Zahlen von T . auf 2 . Berechnen Sie | T | und die singul¨
xj−1 j , . . .)
12 Spektralzerlegungen 253
Aufgabe 12.10 a) Beweisen Sie die Eigenschaften (33)–(38) f¨ ur die Approximationszahlen von Operatoren zwischen Banachr¨ aumen. b) Es sei X ein Banachraum mit dim X = j . Zeigen Sie αj−1 (IX ) = 1 und αj (IX ) = 0 . Aufgabe 12.11 Es seien X, Y Banachr¨ aume und T ∈ L(X, Y ) . Die Gelfand-Zahlen von T werden definiert durch cj (T ) =
inf codim V =j
T | V , j ∈ N0 ,
wobei das Infimum u aume V von X der Kodimension ¨ber alle abgeschlossenen Unterr¨ j gebildet wird. a) Beweisen Sie die Eigenschaften (33)–(38) f¨ ur die Gelfand-Zahlen. b) Es sei ι : Y → Z eine Isometrie von Y in einen Banachraum Z . Zeigen Sie cj (ιT ) = cj (T ) f¨ ur T ∈ L(X, Y ) und j ∈ N0 . Gilt dies auch f¨ ur die Approximationszahlen ? c) Beweisen Sie cj (T ) → 0 ⇔ T ∈ K(X, Y ) . Aufgabe 12.12 Es seien X, Y Banachr¨ aume und T ∈ L(X, Y ) . ur alle j ∈ N0 . a) Zeigen Sie cj (T ) ≤ αj (T ) f¨ b) Beweisen Sie αj (T ) ≤ cj (T ) f¨ ur alle j ∈ N0 , wenn X ein Hilbertraum ist oder ur eine Indexmenge I gilt. Y = ∞ (I) f¨ c) Schließen Sie, dass ∞ (I) die Approximationseigenschaft besitzt. d) Es sei ι : Y → ∞ (I) eine Isometrie (vgl. Bemerkung e) auf S. 179). Zeigen Sie ur alle j ∈ N0 . cj (T ) = αj (ιT ) f¨ Aufgabe 12.13 Es seien H ein Hilbertraum mit Orthonormalbasis (ei )i∈I und T ∈ L(H) . Beweisen Sie: a) Aus 0 < p ≤ 2 und T ei p < ∞ folgt T ∈ Sp (H) und σp (T )p ≤ T ei p . i∈I
b) Aus p ≥ 2 und T ∈ Sp (H) folgt
i∈I
T ei p ≤ σp (T )p < ∞ .
i∈I
Aufgabe 12.14 F¨ ur welche Indizes α , β , p > 0 liegen die Integraloperatoren mit folgenden Kernen κ ∈ C([0,1]2 ) in Sp (L2 [0,1]) ? a) κ(t, s) = tα (1 − s)β ,
b) κ(t, s) = sin(tα (1 − s)β ) ,
c) κ(t, s) = cos(tα (1 − s)β ) ?
254 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Aufgabe 12.15 a) Es seien H, G Hilbertr¨ aume. Zeigen Sie, dass S ∈ L(H, G) genau dann in S1 (H, G) liegt, wenn es Folgen (xk ) in H und (yk ) in G gibt mit ∞
xk yk < ∞
und
Sx =
k=0
∞
x|xk yk f¨ ur x ∈ H .
(47)
k=0
b) Beweisen Sie σ1 (S) = inf {
∞
xk yk | Sx =
k=0
∞
x|xk yk }
(48)
k=0
f¨ ur S ∈ S1 (H, G) und folgern Sie, dass σ1 eine Norm auf diesem Raum ist. c) Zeigen Sie, dass (S1 (H, G), σ1 ) ein Banachraum ist, der F(H, G) als dichten Unterraum enth¨ alt. Mit diesen Konzepten l¨ asst sich das Banach-Ideal (N, ν) der nuklearen Operatoren zwischen beliebigen Banachr¨ aumen definieren, vgl. etwa [Meise und Vogt 1992] oder [K¨ onig 1986]. Aufgabe 12.16 Es seien H, G, F Hilbertr¨ aume. a) F¨ ur S ∈ S2 (H, G) und T ∈ S2 (G, F ) zeigen Sie T S ∈ S1 (H, F ) und die (42) versch¨ arfende Absch¨ atzung σ1 (T S) ≤ σ2 (T ) σ2 (S) . b) Nun sei N ∈ S1 (H, F ) gegeben. Konstruieren Sie S ∈ S2 (H, F ) und T ∈ S2 (H) mit N = ST und σ1 (N ) = σ2 (T ) σ2 (S) . Aufgabe 12.17 Es seien H ein Hilbertraum und S ∈ S1 (H) . Beweisen Sie: a) F¨ ur eine Orthonormalbasis {ei }i∈I von H ist die Familie ( Sei |ei ) summierbar, und die Spur tr S :=
Sei |ei
i∈I
ist unabh¨ angig von der Wahl der Orthonormalbasis. b) Es ist tr : (S1 (H), σ1 ) → C eine stetige Linearform, und es gilt tr(S ∗ ) = tr(S) . ∞ c) F¨ ur jede nukleare Darstellung S = xk ⊗ yk wie in (47) gilt k=0
tr S =
∞
yk |xk .
k=0
d) F¨ ur A ∈ S1 (H) und B ∈ L(H) oder A, B ∈ S2 (H) gilt tr(AB) = tr(BA) .
12 Spektralzerlegungen 255
e) F¨ ur normale Operatoren S ∈ S1 (H) gilt die Spurformel tr S =
∞
λj (S) .
(49)
j=0
Formel (49) gilt auch f¨ ur beliebige Operatoren S ∈ S1 (H) , wobei die Eigenwerte so oft gez¨ ahlt werden, wie ihre algebraische Vielfachheit angibt. F¨ ur einen Beweis dieses Satzes von Lidskii sei auf [Gohberg et. al. 1990], VII.6 oder [Meise und Vogt 1992], 16.33 verwiesen, f¨ ur Spuren im Rahmen von Banachr¨ aumen auf [K¨ onig 1986], 4.a oder [Pietsch 1987], Chapter 4. Aufgabe 12.18 a) Es seien K ⊆ Rn kompakt und κ ∈ C(K)2 ein stetiger Kern mit einer Entwicklung κ(t, s) =
∞
ak (t) bk (s)
und
k=1
∞
ak sup bk sup < ∞
(50)
k=1
f¨ ur Funktionen ak , bk ∈ C(K) . Zeigen Sie Sκ ∈ S1 (L2 (K)) und die Spurformel tr Sκ =
K
κ(s, s) ds
(51)
f¨ ur den Integraloperator Sκ . 2 C(R × [−π, π]) . b) Verifizieren Sie eine Entwicklung (50) f¨ ur einen Kern κ ∈ C2π
c) Beweisen Sie die Spurformel (51) f¨ ur einen Kern κ ∈ Λα C[a, b] und α > C([−π, π], Λα 2π )
1 2
.
mittels Theorem 2.7 durch Kerne in Hinweis. Approximieren Sie κ ∈ und beachten Sie (46) und (42). C[−π, π] ⊗ Λα 2π
256 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
13
Unbeschr¨ ankte Operatoren
Fragen: 1. Definieren Sie mittels einer unbeschr¨ ankten Folge (aj )j∈N0 einen linearen Diagonaloperator auf einem geeigneten Definitionsbereich in 2 . Wie sieht dessen Spektrum aus? Geben Sie den adjungierten“ Operator an. ” ankten ste2. Definieren Sie mittels einer auf einer offenen Menge Ω ⊆ Rn unbeschr¨ tigen Funktion a ∈ C(Ω) einen linearen Multiplikationsoperator auf einem geeigneten Definitionsbereich in L2 (Ω) . Wie sieht dessen Spektrum aus? Geben Sie den adjun” gierten“ Operator an. In diesem letzten Kapitel des Buches stellen wir unbeschr¨ ankte lineare Operatoren, speziell selbstadjungierte Operatoren in Hilbertr¨ aumen vor. Diese Konzepte wurden von J. von Neumann um 1929 entwickelt; sie sind grundlegend f¨ ur eine mathematische Formulierung der Quantenmechanik und f¨ ur eine Spektraltheorie linearer Differentialoperatoren. Wie bereits auf S. 68 und S. 55 ausgef¨ uhrt, kann man weder die Heisenbergsche Vertauschungsrelation P Q − QP = i I noch lineare Differentialoperatoren im Rahmen beschr¨ ankter linearer Operatoren auf einem Hilbertraum H (oder einem Banachraum) realisieren; dies gelingt aber mittels unbeschr¨ ankter linearer Operatoren mit einem echt in H enthaltenen Definitionsbereich. Die Grundlagen der Spektraltheorie lassen sich auf Operatoren mit abgeschlossenen Graphen erweitern; dieses wichtige Konzept untersuchen wir in Abschnitt 13.1. Anschließend betrachten wir nur noch lineare Operatoren in Hilbertr¨ aumen. In Abschnitt 13.2 f¨ uhren wir adjungierte Operatoren ein und untersuchen im n¨ achsten Abschnitt symmetrische und selbstadjungierte Operatoren. F¨ ur selbstadjungierte Operatoren mit kompakten Resolventen liefert Theorem 12.5 eine Spektralzerlegung (28) Ax =
∞
λj x|ej ej
f¨ ur x ∈ D(A) ,
j=0
wobei f¨ ur die Folge der reellen Eigenwerte | λj | → ∞ f¨ ur j → ∞ gilt und die Eigenvektoren {ej }j∈N0 eine Orthonormalbasis des Hilbertraums bilden. In den darauffolgenden Abschnitten stellen wir Anwendungen dieses Spektralsatzes vor. In Abschnitt 13.4 zeigen wir einen Entwicklungssatz f¨ ur regul¨ are Sturm-LiouvilleRandwertprobleme f¨ ur gew¨ ohnliche Differentialgleichungen 2. Ordnung und beweisen die Asymptotik λj ∼ j 2 f¨ ur die Eigenwerte. Im n¨ achsten Abschnitt l¨ osen wir Evoluur selbstadjungierte Operatoren A tionsgleichungen x˙ = −Ax , x(0) = x0 ∈ D(A) f¨ mit kompakten Resolventen und h¨ ochstens endlich vielen negativen Eigenwerten. Im letzten Abschnitt 13.6 skizzieren wir kurz die Rolle der selbstadjungierten Operatoren in der Quantenmechanik und skizzieren L¨ osungen von Schr¨ odinger-Gleichungen.
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 257
13.1
Abgeschlossene Operatoren
Wir beginnen mit grundlegenden Definitionen: Lineare Operatoren und Graphen. oder K = C .
Es seien X , Y Banachr¨ aume u ¨ber K = R
a) Ein linearer Operator von X nach Y ist eine lineare Abbildung T : D(T ) → Y mit einem Unterraum D(T ) ⊆ X als Definitionsbereich. Mit R(T ) ⊆ Y bezeichnen wir das Bild von T . Im Fall X = Y nennen wir T einen Operator in X . b) Ein Operator U von X nach Y heißt Erweiterung von T , falls D(T ) ⊆ D(U ) und U x = T x f¨ ur x ∈ D(T ) gilt. c) Mit Γ(T ) := {(x, T x) | x ∈ D(T )} ⊆ X × Y bezeichnen wir, wie auf S. 153, den Graphen von T . Durch τ : D(T ) → Γ(T ) ,
τ x := (x, T x) ,
wird eine lineare Isomorphie von D(T ) auf den Graphen Γ(T ) definiert. d) Auf dem Produktraum X × Y verwenden wir die 2 -Norm (x, y) 2 := x 2 + y 2 ,
(x, y) ∈ X × Y ;
im Fall von Hilbertr¨ aumen X, Y ist dann auch X × Y ein Hilbertraum. Auf dem Vektorraum D(T ) definieren wir die Graphennorm durch x 2T := x 2 + T x 2 ,
x ∈ D(T ) ,
(1)
und f¨ uhren die Bezeichnung DT := (D(T ), T )
(2)
f¨ ur den durch die Graphennorm normierten Raum D(T ) ein. Damit wird die obige Isomorphie τ zu einer Isometrie τ : DT → Γ(T ) ,
τ x := (x, T x) .
(3)
Die Inklusion i : DT → X ,
ix := x ,
(4)
und der Operator T : DT → Y sind offenbar stetig. e) Ein Operator T von X nach Y heißt abgeschlossen, falls sein Graph Γ(T ) in X × Y abgeschlossen ist. Nach dem Satz vom abgeschlossenen Graphen 8.10 ist ein abgeschlossener Operator mit D(T ) = X automatisch stetig. f) Ein Operator T von X nach Y heißt abschließbar, falls der Abschluss Γ(T ) des Graphen wieder ein Graph in X × Y ist.
258 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Wir formulieren zun¨ achst ¨ aquivalente Bedingungen f¨ ur die Abgeschlossenheit eines Operators: Satz 13.1 Es seien X , Y Banachr¨ aume. F¨ ur einen Operator T von X nach Y sind ¨ aquivalent: (a) T ist abgeschlossen. (b) F¨ ur eine Folge (xn ) in D(T ) mit xn → x in X und T xn → y in Y folgt x ∈ D(T ) und T x = y . andig. (c) Der normierte Raum DT ist vollst¨ Beweis. Es ist (b) eine Ausformulierung der Abgeschlossenheit von Γ(T ) , also ¨ aquivalent zu (a). Weiter folgt (a) ⇔ (c)“ sofort aus der Vollst¨ andigkeit von X × Y und ” der Isometrie DT ∼ ♦ = Γ(T ) . Multiplikationsoperatoren. Es seien Ω ⊆ Rn offen und a ∈ C(Ω) eine stetige, i. a. unbeschr¨ ankte Funktion. Als erstes Beispiel betrachten wir den Multiplikationsoperator Ma : f → af in L2 (Ω) mit Definitionsbereich (5) D(Ma ) := {f ∈ L2 (Ω) | Ω | a(t) f (t) |2 dt < ∞} . ¨ messbarer Funktionen auf Ω mit Offenbar besteht D(Ma ) aus allen Aquivalenzklassen f 2Ma = Ω | f (t) |2 (1 + | a(t) |)2 dt < ∞ , und daher ist DMa = L2 (Ω, (1 + | a |2 ) dt) ein Hilbertraum. Der Operator Ma ist also abgeschlossen. Diagonaloperatoren. Nun sei a = (aj )j∈N0 eine beliebige Folge. Als diskretes ” Analogon“ zu einem Multiplikationsoperator betrachten wir in 2 den Diagonaloperator Δa = diag(aj ) : (xj ) → (aj xj ) mit Definitionsbereich D(Δa ) := {x = (xj ) ∈ 2 |
∞
| aj xj |2 < ∞} .
(6)
j=0 1
Dann ist auch DΔa = 2 ((1 + | a |2 ) /2 ) ein Hilbertraum (vgl. Aufgabe 6.9), und der Operator Δa ist ebenfalls abgeschlossen. ¨ Ein Differentialoperator. a) Uber einem kompakten Intervall J = [a, b] betrachten wir den Differentialoperator T : f → f mit Definitionsbereich D(T ) = C 1 (J) im Banachraum C(J) . F¨ ur die Folge (fn (t) := n1 sin n(t − a)) gilt fn sup → 0 , aber (fn (t) = cos n(t − a)) und somit T fn sup = 1 → 0 ; der Operator T : (D(T ), sup ) → C(J) ist also unstetig. b) Es ist jedoch T ein abgeschlossener Operator in C(J) , da C 1 (J) unter der zu C1 aquivalenten Graphennorm vollst¨ andig ist. Dies ergibt sich auch aus Satz 13.1 (b): F¨ ur ¨ 1 1 eine Folge (fn ) in C (J) mit fn → f in C(J) und fn → g in C(J) folgt f ∈ C (J) ur eine etwas sch¨ arfere Aussage). und f = g (vgl. etwa [Kaballo 2000], 22.14 f¨
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 259
c) Im Hilbertraum L2 (J) dagegen ist T nicht abgeschlossen, da man f¨ ur eine Folge (fn ) in C 1 (J) aus fn → f in L2 (J) und fn → g in L2 (J) nicht f ∈ C 1 (J) schließen kann. Der Operator ist jedoch abschließbar; zum Nachweis dieser Tatsache verwenden wir den folgenden Satz 13.2 Es seien X , Y Banachr¨ aume. F¨ ur einen Operator T von X nach Y sind ¨ aquivalent: (a) T ist abschließbar. (b)
F¨ ur eine Folge (xn ) in D(T ) mit xn → 0 in X und T xn → y in Y folgt y = 0.
andigung (c) Die stetige Fortsetzung i : DT → X der Inklusion (4) auf die Vervollst¨ von DT ist injektiv. Beweis. (a) ⇒ (b)“: In (b) gilt (0, y) ∈ Γ(T ) , also y = 0 , da Γ(T ) ein Graph ist. ” (b) ⇒ (a)“: F¨ ur (x, y) ∈ Γ(T ) und (x, y ) ∈ Γ(T ) gibt es Folgen (xn , yn ) und (xn , yn ) ” in Γ(T ) mit (xn , yn ) → (x, y) und (xn , yn ) → (x, y ) . Dann ist (xn − xn ) eine Folge in D(T ) mit xn − xn → 0 in X und T (xn − xn ) → y − y in Y . Aus (b) folgt dann y − y = 0 , und folglich ist Γ(T ) ein Graph. (a) ⇔ (c)“: Der Operator τ aus (3) l¨ asst sich zu einer surjektiven Isometrie ” τ : DT → Γ(T ) auf die Vervollst¨ andigung von DT fortsetzen. Mit der Projektion π :X ×Y →X,
π(x, y) := x ,
gilt i = πτ und somit auch i = πτ . Daher ist i genau dann injektiv, wenn dies auf ♦ π|Γ(T ) zutrifft, und dies ist genau dann der Fall, wenn Γ(T ) ein Graph ist. Beachten Sie bitte, dass die stetige Fortsetzung eines injektiven linearen Operators auf den Abschluss oder die Vervollst¨ andigung von dessen Definitionsbereich i. a. nicht injektiv ist, vgl. dazu S. 48 und Aufgabe 5.9. Abschluss von Operatoren. a) F¨ ur einen abschließbaren Operator T von X nach Y ist also Γ(T ) der Graph eines Operators T von X nach Y , und dieser Abschluss T von T ist offenbar die minimale abgeschlossene Erweiterung von T . b) F¨ ur ein Paar (x, T x) ∈ Γ(T ) = Γ(T ) gibt es eine Folge ((xn , T xn )) in Γ(T ) mit (xn , T xn ) → (x, T x) in X ×Y . Dann ist (xn ) eine Cauchy-Folge in DT und hat einen in DT . Es folgt x = ix und T (x) = Tx , wobei T : DT → Y die stetige Limes x Fortsetzung von T auf die Vervollst¨ andigung von dessen Definitionsbereich bez¨ uglich ∈ DT auch ix ∈ D(T ) ; der Graphennorm ist. Umgekehrt ist f¨ ur ein Element x aufgrund der Injektivit¨ at von i gilt also zusammenfassend D(T ) = iDT
und
T (ix ) = Tx
f¨ ur ix ∈ D(T ) .
(7)
260 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Abschluss eines Differentialoperators. a) F¨ ur den auf S. 258 betrachteten Differentialoperator T : f → f in L2 (J) stimmt die Graphennorm wegen f 2T = f 2L2 + f 2L2 = f 2W21 andigung DT auf D(T ) = C 1 (J) mit der Sobolev-Norm W21 u ¨berein; die Vervollst¨ ist also der Sobolev-Hilbertraum W21 (J) . Dieser ist nach Abschnitt 5.5 stetig in L2 (J) eingebettet, und somit ist der Operator T abschließbar. b) Man kann die Abschließbarkeit von T auch direkt mittels Satz 13.2 (b) einsehen: ur jede Es sei (fn ) eine Folge in C 1 (J) mit fn → 0 in L2 (J) und fn → g in L2 (J) . F¨ Testfunktion ϕ ∈ D(a, b) gilt dann
b a
g(t) ϕ(t) dt =
lim
b
n→∞ a
fn (t) ϕ(t) dt = − lim
b
n→∞ a
fn (t) ϕ (t) dt = 0 ,
und Satz 5.8 impliziert g = 0 . c) F¨ ur f ∈ D(T ) = W21 (J) gibt es eine Folge (fn ) in C 1 (J) mit f − fn W21 → 0 . F¨ ur jede Testfunktion ϕ ∈ D(a, b) gilt dann
b a
b n→∞ a
T f (t) ϕ(t) dt = lim
b n→∞ a
fn (t) ϕ(t) dt = − lim
fn (t) ϕ (t) dt = −
b a
f (t) ϕ (t) dt ;
folglich ist T f die schwache Ableitung von f . Summen, Produkte und Inverse von Operatoren. a) Bei der Definition von Summen und Produkten von Operatoren ist nat¨ urlich auf die Definitionsbereiche zu achten. F¨ ur Operatoren T und S von X nach Y setzen wir D(T + S) := D(T ) ∩ D(S) und (T + S)x := T x + Sx f¨ ur x ∈ D(T + S) . b) F¨ ur einen weiteren Operator U von Y nach Z sei D(U T ) := {x ∈ D(T ) | T x ∈ D(U )} und (U T )x := U T x
f¨ ur x ∈ D(U T ) .
c) F¨ ur einen injektiven Operator T definieren wir den inversen Operator von Y nach X einfach durch D(T −1 ) := R(T ) und T −1 y := x f¨ ur y = T x ; dann gilt offenbar ur die Isometrie R(T −1 ) = D(T ) . F¨ V :X ×Y →Y ×X,
V (x, y) := (y, x) ,
(8)
gilt dann Γ(T −1 ) = V Γ(T ) ; somit ist T −1 genau dann abgeschlossen, wenn dies auf T zutrifft. Nun k¨ onnen wir die grundlegenden Begriffe der Spektraltheorie f¨ ur unbeschr¨ ankte Operatoren einf¨ uhren:
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 261
Spektrum und Resolvente. Es sei T ein Operator in einem Banachraum X . Die Resolventenmenge von T wird definiert durch ankt} ; ρ(T ) := {λ ∈ C | λI − T : D(T ) → X bijektiv, (λI − T )−1 beschr¨
(9)
ihr Komplement σ(T ) := C\ρ(T ) heißt Spektrum von T . Die Resolvente wird auf ρ(T ) definiert durch RT (λ) := (λI − T )−1 ∈ L(X) . Satz 13.3 Es sei T ein abgeschlossener Operator im Banachraum X . a) F¨ ur λ ∈ C ist auch λI − T abgeschlossen. b) Die Resolventenmenge von T ist gegeben durch ρ(T ) := {λ ∈ C | λI − T : D(T ) → X ist bijektiv} .
(10)
Sie ist offen in C , und die Resolvente RT : ρ(T ) → L(X) ist holomorph. Beweis. a) Es sei (xn ) eine Folge in D(λI − T ) = D(T ) mit xn → x in X und (λI − T )xn → y in X . Dann folgt T xn → λx − y , also x ∈ D(T ) = D(λI − T ) und T x = λx − y , also (λI − T )x = y . b) Es sei μ ∈ C , sodass μI − T : D(T ) → X bijektiv ist. Da DT und X Banachr¨ aume sind und μI − T : DT → X stetig ist, ist auch die Inverse (μI − T )−1 : X → DT stetig aufgrund des Satzes vom inversen Operator 8.8. Insbesondere hat man μ ∈ ρ(T ) und RT (μ) ∈ L(X) . Nun sei λ ∈ C mit | λ − μ | < RT (μ) −1 . Nach Satz 4.1 ist dann auch λI − T = (λ − μ)I + μI − T = [(λ − μ)RT (μ) + I] (μI − T ) : D(T ) → X ein bijektiver Operator von D(T ) nach X , und man hat λ ∈ ρ(T ) . Weiter ist (λI − T )−1 = (μI − T )−1
∞
(−1)k RT (μ)k (λ − μ)k
k=0
f¨ ur | λ − μ | < RT (μ) −1 , und somit ist die Resolvente holomorph.
♦
F¨ ur abgeschlossene Operatoren T und λ ∈ ρ(T ) ist also (λI − T )−1 : X → DT stetig, insbesondere also auch stetig als Operator von X nach X . Mit der Resolventen RT (λ) ∈ L(X) ist im Folgenden immer der letztere Operator gemeint. Dann ist also RT : ρ(T ) → L(X) holomorph; der Beweis des Satzes zeigt auch, dass sogar die Funktion ( · I − T )−1 : ρ(T ) → L(X, DT ) holomorph ist.
262 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Beispiele. a) F¨ ur den Diagonaloperator Δa in 2 aus (6) ist offenbar aj ein Eigenwert mit dem Einheitsvektor ej als Eigenvektor; daher gilt {aj | j ∈ N0 } ⊆ σ(Δa ) . ur alle j ∈ N0 ; der Operator F¨ ur λ ∈ C\{aj | j ∈ N0 } gibt es δ > 0 mit | λ − aj | ≥ δ f¨ 1 ankt. Somit gilt: diag( λ−aj ) ist daher auf 2 beschr¨ σ(Δa ) = {aj | j ∈ N0 }
und
1 RΔa (λ) = diag( λ−a ) f¨ ur λ ∈ ρ(Δa ) . j
(11)
b) F¨ ur den Multiplikationsoperator Ma in L2 (Ω) aus (5) gilt analog zu a) σ(Ma ) = a(Ω)
und
RMa (λ) = M(λ−a)−1 f¨ ur λ ∈ ρ(Ma ) .
(12)
⊆ “ ergibt sich wie in a). F¨ ur einen Punkt λ = a(τ ) ∈ a(Ω) betrachten n /2 k , | t − τ | ≤ k1 √ wir die Funktionen fk (t) := . Es ist fk L2 = ωn , wobei 1 0 , |t − τ | > k ωn das Volumen der n -dimensionalen Einheitskugel ist. Weiter gilt Die Inklusion
”
(λ − Ma )fk L2 ≤
√ ωn sup {| λ − a(t) | | | t − τ | ≤
1 k}
→ 0;
daher kann keine Absch¨ atzung (λ − Ma )f ≥ c f mit einer Konstanten c > 0 gelten, und man hat λ ∈ σ(Ma ) . Beachten Sie bitte, dass λ = a(τ ) ∈ a(Ω) nicht unbedingt ein Eigenwert von Ma sein muss.
2 f4 1 f1 τ −1
τ
τ +1 Abb. 13.1: Die Funktionen fk
F¨ ur eine in C dichte Folge a = (aj )j∈N0 gilt ρ(Δa ) = ∅ nach (11), ganz im Gegensatz zum Fall beschr¨ ankter linearer Operatoren. Umgekehrt kann auch σ(T ) = ∅ gelten: Beispiele. a) Wie auf S. 258 betrachten wir den abgeschlossenen Differentialoperator T : f → f mit D(T ) = C 1 [a, b] in C[a, b] . Wegen (λI − T )eλt = 0 ist jeder Punkt λ ∈ C ein Eigenwert von T , und daher ist ρ(T ) = ∅ . b) Jetzt betrachten wir die Einschr¨ ankung T0 von T auf den Definitionsbereich 1 D(T0 ) := {f ∈ C [a, b] | f (a) = 0} . Die Eigenfunktionen eλt aus a) liegen dann nicht in D(T0 ) . Im Gegensatz zu a) ist der abgeschlossene Operator λI − T0 : D(T0 ) → C[a, b] f¨ ur alle λ ∈ C bijektiv, da das Anfangswertproblem −x(t) ˙ + λx(t) = g(t) ,
x(a) = 0 ,
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 263
f¨ ur jede Funktion g ∈ C[a, b] eine eindeutige L¨ osung f ∈ C 1 [a, b] hat (vgl. Abschnitt 4.2). Folglich gilt σ(T0 ) = ∅ . Wir wenden nun Theorem 11.14 u ¨ber das Spektrum kompakter linearer Operatoren auf die Untersuchung gewisser unbeschr¨ ankter Operatoren an. Satz 13.4 Es seien T ein abgeschlossener Operator in einem Banachraum X und μ ∈ ρ(T ) . Dann sind ¨ aquivalent: (a) Die Einbettung i : DT → X ist kompakt. (b) Die Resolvente RT (μ) : X → X ist kompakt. Beweis. (a) ⇒ (b)“: Es ist (μI − T )−1 : X → DT stetig und daher die Resolvente ” RT (μ) = i (μI − T )−1 : X → X nach (a) kompakt. (b) ⇒ (a)“: Es ist μI − T : DT → X stetig und daher i = RT (μ) (μI − T ) : DT → X ” ♦ nach (b) kompakt. Ist also eine Resolvente RT (μ) ∈ L(X) kompakt, so gilt dies f¨ ur alle Resolventen RT (λ) ∈ L(X) , λ ∈ ρ(T ) . Operatoren, die die in diesem Satz formulierten Eigenschaften besitzen, heißen Operatoren mit kompakten Resolventen oder, aufgrund von Satz 13.5 unten, Operatoren mit diskretem Spektrum. Beispiele. a) Ein Beispiel eines solchen Operators ist der Operator T0 aus Teil b) des letzten Beispiels, da ja die Einbettung i : C 1 [a, b] → C[a, b] kompakt ist. b) F¨ ur eine Folge a = (aj )j∈N0 mit | aj | → ∞ f¨ ur j → ∞ ist nach Aufgabe 6.10 die 2 1/2 Einbettung 2 ((1 + | a | ) ) → 2 kompakt. Somit besitzt der Diagonaloperator Δa eine kompakte Resolvente, da nach (11) ja auch ρ(Δa ) = ∅ gilt. In diesem Fall ist σ(Δa ) sogar eine Folge ohne H¨ aufungspunkt in C . Dies gilt allgemein: Satz 13.5 Es sei T ein abgeschlossener Operator mit kompakten Resolventen in einem Banachraum X . Dann ist das Spektrum σ(T ) h¨ ochstens abz¨ ahlbar ohne H¨ aufungspunkt in C . Beweis. Es gibt einen Punkt μ ∈ ρ(T ) , sodass die Resolvente RT (μ) ∈ K(X) kompakt ist. F¨ ur λ ∈ C gilt λI − T = (μI − T ) + (λ − μ)I = (I − (μ − λ)RT (μ)) (μI − T ) , und f¨ ur λ = μ ergibt sich daraus λ ∈ σ(T ) ⇔
1 μ−λ
∈ σ(RT (μ)) .
(13)
Nach Theorem 11.14 ist σ(RT (μ)) h¨ ochstens abz¨ ahlbar mit {0} als einzig m¨ oglichem ♦ H¨ aufungspunkt, und daraus folgt die Behauptung.
264 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
13.2
Adjungierte Operatoren
Ab jetzt betrachten wir nur noch Operatoren zwischen Hilbertr¨ aumen H , G . Das Skalarprodukt auf dem Hilbertraum H × G ist gegeben durch (x1 , y1 )|(x2 , y2 ) = x1 |x2 H + y1 |y2 G . Konstruktion adjungierter Operatoren. a) Es seien H, G Hilbertr¨ aume und T : D(T ) → G ein Operator von H nach G . Ist f¨ ur ein y ∈ G die Linearform x → T x|y stetig auf D(T ), so kann sie nach Satz 3.5 zu einer stetigen Linearform auf D(T ) fortgesetzt werden. Nach dem Rieszschen Darstellungssatz 7.3 gibt es dann genau einen Vektor z ∈ D(T ) mit T x|y = x|z ,
x ∈ D(T ) .
b) Diese Formel gilt auch f¨ ur jeden Vektor z + n mit n ∈ D(T )⊥ ; ein Vektor z ∈ H ist also durch sie genau dann eindeutig bestimmt, wenn D(T )⊥ = {0} ist, wenn also D(T ) in H dicht ist. In diesem Fall setzen wir D(T ∗ ) := {y ∈ G | x → T x|y ist stetig}
(14)
und definieren den adjungierten Operator T ∗ : D(T ∗ ) → H zu T durch x|T ∗ y = T x|y ,
x ∈ D(T ) , y ∈ D(T ∗ ) .
(15)
Beispiele. a) Der Multiplikationsoperator Ma in L2 (Ω) aus (5) ist dicht definiert wegen Cc (Ω) ⊆ D(Ma ) , und es ist Ma∗ = Ma¯ . In der Tat gilt zun¨ achst Ma f |g =
Ω
a(t)f (t) g(t) dt =
Ω
f (t) a(t)g(t) dt = f |Ma¯ g
ur f ∈ D(Ma ) und g ∈ D(Ma¯ ) = D(Ma ) , und dies zeigt Ma¯ ⊆ Ma∗ . Umgekehrt sei f¨ nun g ∈ D(Ma∗ ) und h := Ma∗ g ∈ L2 (Ω) . Dann gilt a(t)f (t) g(t) dt = Ma f |g = f |h = Ω f (t) h(t) dt (16) Ω f¨ ur alle f ∈ D(Ma ) . Nun sei K ⊆ Ω kompakt und ϕ ∈ L2 (K) . Die durch 0 auf Ω fortgesetzte Funktion ϕ liegt dann in D(Ma ) , und aus (16) folgt a(t)ϕ(t) g(t) dt = Ω a(t)ϕ(t) g(t) dt = Ω ϕ(t) h(t) dt = K ϕ(t) h(t) dt . K Dies zeigt a(t)g(t) = h(t) fast u ¨berall auf K und somit auch fast u ¨berall auf Ω . Folglich gilt a ¯g ∈ L2 (Ω) und somit g ∈ D(Ma¯ ) . b) Der Diagonaloperator Δa in 2 aus (6) ist wegen [ej ]j∈N0 ⊆ D(Δa ) dicht definiert, und analog zu a) ergibt sich Δ∗a = Δa¯ . In ung¨ unstigen F¨ allen kann D(T ∗ ) = {0} sein:
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 265
Beispiel. a) Es seien {ek }k∈N0 die Einheitsvektoren in 2 und D(T ) = [ek ]k∈N0 . F¨ ur eine Indizierung {eij }N0 ×N0 dieser Einheitsvektoren u ¨ber N0 × N0 definieren wir T : D(T ) → 2 durch T ekj = ek , k ∈ N0 , und lineare Fortsetzung. b) Nun sei y = (yk )k∈N0 ∈ D(T ∗ ) . F¨ ur k, j ∈ N gilt ekj |T ∗ y = T ekj |y = ek |y = yk . Nach der Besselschen Ungleichung ist aber
∞
| ekj |T ∗ y |2 < ∞ , und somit gilt
j=1
yk = lim ekj |T ∗ y = 0 f¨ ur alle k ∈ N0 . Folglich ist D(T ∗ ) = {0} . j→∞
Der Operator T aus dem letzten Beispiel ist nicht abschließbar aufgrund des folgenden Resultats: Satz 13.6 a) Ein adjungierter Operator T ∗ : D(T ∗ ) → H ist stets abgeschlossen. b) Es ist D(T ∗ ) genau dann dicht in G , wenn T abschließbar ist. ∗
c) F¨ ur abschließbare Operatoren gilt T = T ∗ und T ∗∗ = T . ¨ Beweis. Ahnlich wie in (8) verwenden wir die Isometrie U : G × H → H × G,
U (y, x) := (−x, y) ;
(17)
a) ergibt sich dann sofort aus der Formel U (Γ(T ∗ )) = Γ(T )⊥ .
(18)
Die Inklusion ⊆ “folgt sofort aus (15). Ist umgekehrt (u, v) ∈ Γ(T )⊥ gegeben, so gilt ” x|u + T x|v = 0 f¨ ur x ∈ D(T ) . Dies bedeutet v ∈ D(T ∗ ) und T ∗ v = −u , und es ∗ folgt (u, v) = (−T v, v) = U (v, T ∗ v) ∈ U (Γ(T ∗ )) . b) ⇒“: Es sei (xn ) eine Folge in D(T ) mit xn → 0 in H und T xn → y in G . F¨ ur ” ∗ z ∈ D(T ) gilt dann y|z =
lim T xn |z =
n→∞
lim xn |T ∗ z = 0 ,
n→∞
und wegen der Dichtheit von D(T ∗ ) in G muss y = 0 sein. ⇐“: F¨ ur z ∈ D(T ∗ )⊥ gilt (z,0) ∈ Γ(T ∗ )⊥ und somit (vgl. Aufgabe 7.19) ” (0, z) ∈ U (Γ(T ∗ )⊥ ) = (U Γ(T ∗ ))⊥ = Γ(T )⊥⊥ = Γ(T ) nach (18) und (7.13). Da nun Γ(T ) ein Graph ist, folgt z = 0 , und somit ist D(T ∗ ) dicht in G . c) Aus (18) ergibt sich weiter ⊥
U (Γ(T ∗ )) = Γ(T )⊥ = Γ(T )
∗
= Γ(T )⊥ = U (Γ(T ))
266 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
∗
und damit Γ(T ) = Γ(T ∗ ) . Schließlich wenden wir Aussage (18) auf T ∗ an. Der Isometrie U aus (17) entspricht W :H ×G→G×H,
W (x, y) := (−y, x) = −U −1 (x, y) .
Damit ergibt sich W (Γ(T ∗∗ )) = Γ(T ∗ )⊥ mittels (18), also Γ(T ∗∗ ) = W −1 (Γ(T ∗ )⊥ ) = (W −1 Γ(T ∗ ))⊥ = (U Γ(T ∗ ))⊥ = Γ(T )⊥⊥ = Γ(T ) und somit die Behauptung T ∗∗ = T .
♦
Adjungierten- und Inversenbildung sind in folgendem Sinne miteinander vertr¨ aglich: Satz 13.7 Es sei T ein injektiver Operator von H nach G mit D(T ) = H und D(T −1 ) = G . Dann existiert (T ∗ )−1 , und es ist (T ∗ )−1 = (T −1 )∗ . ur alle Beweis. a) Es sei y ∈ D(T ∗ ) mit T ∗ y = 0 . Dann gilt T x|y = x|T ∗ y = 0 f¨ x ∈ D(T ) , also z|y = 0 f¨ ur alle z ∈ R(T ) . Da aber R(T ) = D(T −1 ) in G dicht ist, folgt y = 0 . Somit ist T ∗ injektiv, und (T ∗ )−1 existiert. b) Nun seien v = T u ∈ D(T −1 ) ⊆ G und x = T ∗ y ∈ D((T ∗ )−1 ) ⊆ H . Dann gilt T −1 v|x = u|T ∗ y = T u|y = v|(T ∗ )−1 x ; daher ist v → T −1 v|x stetig, und man hat x ∈ D((T −1 )∗ ) sowie (T −1 )∗ x = (T ∗ )−1 x . Dies zeigt (T ∗ )−1 ⊆ (T −1 )∗ . ur einen Vektor c) Nun sei umgekehrt x ∈ D((T −1 )∗ ) ⊆ H und y = (T −1 )∗ x ∈ G . F¨ −1 −1 v = T u ∈ D(T ) ⊆ G folgt T v|x = v|y ; man hat also u|x = T u|y f¨ ur ♦ alle u ∈ D(T ) . Dies zeigt y ∈ D(T ∗ ) und x = T ∗ y ∈ R(T ∗ ) = D((T ∗ )−1 ) . Satz 7.5 gilt auch f¨ ur unbeschr¨ ankte Operatoren: Satz 13.8 Es sei T ein abschließbarer Operator von H nach G mit dichtem Definitionsbereich. Dann gilt R(T )⊥ = N (T ∗ ) und R(T ∗ )⊥ = N (T ) sowie (19) R(T ) = N (T ∗ )⊥
und
R(T ∗ ) = N (T )⊥ .
(20)
Beweis. a) F¨ ur y ∈ N (T ∗ ) gilt T x|y = x|T ∗ y = 0 f¨ ur alle x ∈ D(T ) , also ⊥ ⊥ y ∈ R(T ) . Ist umgekehrt y ∈ R(T ) , so ist x → T x|y (= 0) stetig auf D(T ) , also y ∈ D(T ∗ ) und T ∗ y = 0 . Dies zeigt die erste Gleichung in (19). Damit folgt auch die zweite Gleichung wegen R(T ∗ )⊥ = N (T ∗∗ ) = N (T ) aufgrund von Satz 13.6 c). b) Aussage (20) folgt sofort aus (19) durch Bildung von Orthogonalkomplementen (vgl. Formel (7.13)). ♦
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 267
Die Formeln (20) liefern wie in Abschnitt 7.3 Informationen u osbarkeit linearer ¨ber die L¨ Gleichungen T x = y und T ∗ v = u . Im Fall abgeschlossener Operatoren ist die Abgeaquivalent. Dieses wichtige Resultat schlossenheit der Bilder von T und von T ∗ sogar ¨ geht auf S. Banach (1929) und F. Hausdorff (1932) zur¨ uck und gilt auch f¨ ur abgeschlossene lineare Operatoren mit dichtem Definitionsbereich zwischen Banachr¨ aumen und ihre dualen Operatoren. Im Fall reflexiver R¨ aume l¨ asst sich der Beweis a hnlich wie ¨ f¨ ur Hilbertr¨ aume f¨ uhren, f¨ ur den allgemeinen Fall findet man einen Beweis in [Kato 1966], IV.5.13, vgl. auch [Meise und Vogt 1992], Satz 9.4 oder [Rudin 1973], 4.14 f¨ ur den Fall beschr¨ ankter Operatoren. Satz 13.9 (vom abgeschlossenen Bild) Es seien H, G Hilbertr¨ aume. F¨ ur einen abgeschlossenen Operator von H nach G mit D(T ) = H sind ¨ aquivalent: (a) R(T ) ist abgeschlossen in G . (b) R(T ) = N (T ∗ )⊥ . (c) R(T ∗ ) = N (T )⊥ . (d) R(T ∗ ) ist abgeschlossen in H . ¨ Beweis. Die Aquivalenzen (a) ⇔ (b)“ und (c) ⇔ (d)“ folgen aus Formel (20). ” ” (a) ⇒ (c)“: Es sei x ∈ N (T )⊥ gegeben. Durch ” ϕ : v → u|x
f¨ ur
u ∈ D(T ) und v = T u
wird eine Linearform auf R(T ) definiert: Gilt auch v = T u , so ist u − u ∈ N (T ) und somit u|x = u |x . aume sind, ist die Surjektion T : DT → R(T ) nach Theorem Da DT und R(T ) Hilbertr¨ 8.7 eine offene Abbildung. F¨ ur eine Nullfolge (vn ) in R(T ) gibt es daher eine Nullfolge (un ) in DT mit vn = T un , und es folgt ϕ(vn ) = un |x → 0 . Die Linearform ϕ ist also stetig auf R(T ) , und nach dem Rieszschen Darstellungssatz 7.3 gibt es genau ein y ∈ R(T ) ⊆ G mit ϕ(v) = v|y f¨ ur v ∈ R(T ) . Dies bedeutet T u|y = u|x
f¨ ur alle u ∈ D(T ) ,
also y ∈ D(T ∗ ) und x = T ∗ y ∈ R(T ∗ ) . (d) ⇒ (a)“: Nach der soeben bewiesenen Implikation (a) ⇒ (d)“ folgt aus der ” ” Abgeschlossenheit von R(T ∗ ) die von R(T ∗∗ ) = R(T ) aufgrund von Satz 13.6 c). ♦
13.3
Symmetrische und selbstadjungierte Operatoren
Ein linearer Operator in einem Hilbertraum H mit dichtem Definitionsbereich l¨ asst sich mit seinem adjungierten Operator vergleichen:
268 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Definitionen.
Es sei H ein Hilbertraum. Ein Operator A in H mit D(A) = H
a) heißt symmetrisch, falls A ⊆ A∗ gilt, b) heißt selbstadjungiert, falls A = A∗ ist. Beispiele und Bemerkungen. a) Ein Multiplikationsoperator Ma in L2 (Ω) oder ein Diagonaloperator Δa in 2 ist genau dann symmetrisch, wenn er selbstadjungiert ist, n¨ amlich genau dann, wenn a reellwertig ist. b) Nach Satz 13.6 a) ist ein selbstadjungierter Operator A abgeschlossen. Durch Einschr¨ ankung von A auf echte dichte Unterr¨ aume des Definitionsbereichs DA erh¨ alt man symmetrische Operatoren, die nicht abgeschlossen, also auch nicht selbstadjungiert sind. Symmetrische Operatoren. a) Ein Operator A in H mit D(A) = H ist also genau dann symmetrisch, falls gilt Ax|y = x|Ay
f¨ ur x , y ∈ D(A) .
(21)
Insbesondere ist dann also Ax|x ∈ R f¨ ur alle x ∈ D(A) . b) Ein symmetrischer Operator A in H ist stets abschließbar. Dies folgt sofort aus Satz 13.6 b), kann aber auch leicht direkt gezeigt werden (Aufgabe 13.5). Nach Satz ∗ 13.6 c) gilt dann also A = A∗ und A∗∗ = A . c) F¨ ur einen symmetrischen Operator A in H gilt (λI − A)x ≥ | Im λ | x ,
x ∈ D(A) , λ ∈ C .
(22)
Dies folgt wie in (7.28): F¨ ur λ = α + iβ ∈ C und x ∈ D(A) hat man (λI − A)x x
≥
| (λI − A)x|x | = | (αI − A)x|x + iβx|x |
≥
| β | x 2
wegen (αI − A)x|x ∈ R . F¨ ur Im λ = 0 ist daher der Operator λI − A injektiv. Er besitzt auch ein abgeschlossenes Bild, falls er abgeschlossen ist. Er ist jedoch i. a. nicht surjektiv, denn es gilt: Satz 13.10 Es sei A ein symmetrischer Operator in H . ¯ − A) = H f¨ a) Ist R(λI − A) = R(λI ur ein λ ∈ C , so ist A selbstadjungiert. ∗ ∗ ¯ ur ein λ ∈ C\R , so ist A selbstadjungiert. b) Ist N (λI − A ) = N (λI − A ) = {0} f¨ ur x ∈ D(A) gilt Beweis. a) Es sei y ∈ D(A∗ ) . F¨ ¯ − A∗ )y . ¯ − x|A∗ y = x|(λI (λI − A)x|y = λ x|y − Ax|y = x|λy
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 269
¯ − A surjektiv ist, gibt es z ∈ D(A) mit (λI ¯ − A∗ )y = (λI ¯ − A)z , und es folgt Da λI ¯ − A)z = (λI − A)x|z . (λI − A)x|y = x|(λI Da auch λI − A surjektiv ist, impliziert dies y = z ∈ D(A) . ¯ − A) nach (22) abgeschlossen. Die Behaupb) F¨ ur λ ∈ C\R sind R(λI − A) und R(λI tung folgt daher aus a) und der ersten Formel in (20).
♦
F¨ ur selbstadjungierte Operatoren gilt in Erweiterung von Satz 7.9: Satz 13.11 Es sei A ein selbstadjungierter Operator in H . a) Dann gilt σ(A) ⊆ R . ¯ und b) F¨ ur Im λ = 0 sind die Resolventen RA (λ) normal; man hat RA (λ)∗ = RA (λ) RA (λ) ≤
1 | Im λ |
,
Im λ = 0 .
(23)
Beweis. a) Es sei λ ∈ C\R . Der Operator λI − A ist nach Satz 13.6 a) abgeschlossen und nach (22) injektiv mit abgeschlossenem Bild. Weiter gilt ¯ − A∗ ) = N (λI ¯ − A) = {0} R(λI − A)⊥ = N (λI wiederum nach (22). Somit ist λ ∈ ρ(A) , und man hat σ(A) ⊆ R . ¯ folgt wegen (λI − A)∗ = (λI ¯ − A∗ ) = (λI ¯ − A) aus b) Die Aussage RA (λ)∗ = RA (λ) Satz 13.7, und daraus ergibt sich die Normalit¨ at dieser Resolventen. Schließlich folgt (23) sofort aus (22). ♦ Ein Differentialoperator. a) Wir haben auf S. 260 den (schwachen) Differentialoperator T : f → f in L2 [a, b] mit D(T ) = W21 (a, b) als Abschluss des Differentialoperators T : f → f in L2 [a, b] mit D(T ) = C 1 [a, b] konstruiert; T ist also ein abgeschlossener Operator. Da W21 (a, b) stetig in C[a, b] eingebettet ist, ist D(A) := {f ∈ W21 (a, b) | f (a) = f (b) = 0}
(24)
ein abgeschlossener Unterraum von W21 (a, b) , und daher ist auch der durch Af := if auf D(A) definierte Operator in L2 [a, b] abgeschlossen. b) F¨ ur f, g ∈ W21 (a, b) liefert partielle Integration (vgl. (5.32))
b a
if g dt −
b a
f ig dt = if g|ba ;
daher ist A symmetrisch. Formel (25) besagt aber Af |g = f |ig
(25)
270 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
f¨ ur alle f ∈ D(A) und alle g ∈ W21 (a, b) ; daher hat man W21 (a, b) ⊆ D(A∗ ) und ur g ∈ W21 (a, b) . Der Operator A ist also nicht selbstadjungiert. A∗ g = ig f¨ ur g ∈ D(A∗ ) setzen wir h := A∗ g ∈ L2 [a, b] . c) Wir zeigen nun D(A∗ ) = W21 (a, b) : F¨ F¨ ur eine Testfunktion ϕ ∈ D(a, b) ergibt sich mittels (25)
b a
iϕ g dt
=
Aϕ|g = ϕ|A∗ g = ϕ|h =
b a
ϕ h dt ,
also
ig = h im schwachen Sinn, und dies bedeutet g ∈ W21 (a, b) . ∗
d) Nach (24) ist also dim D(A )/D(A) = 2 . Wir suchen nun selbstadjungierte Erwei von A . Aus A ⊆ A folgt sofort A = A ∗ ⊆ A∗ , also A ⊆ A ⊆ A∗ . terungen A muss also ein D(A) enthaltender Unterraum von Der Definitionsbereich D(A) ∗ 1 nach (25) ur f, g ∈ D(A) D(A ) = W2 (a, b) der Kodimension 1 sein. Weiter muss f¨ f g(b) = f g(a) gelten. Dies kann durch eine Randbedingung f (b) = γf (a) erreicht werden, wobei wegen f g(b) = γγf g(a) offenbar γγ = 1 gelten muss. Selbstadjungierte Erweiterungen von A sind also f¨ ur γ ∈ C mit | γ | = 1 gegeben durch
γ ) := {f ∈ W21 (a, b) | f (b) = γf (a)} und A γ f = if f¨ γ ) . ur f ∈ D(A D(A
(26)
γ in Die Einbettungen iγ : DA γ → L2 [a, b] der Definitionsbereiche der Operatoren A L2 [a, b] sind kompakt; es handelt sich also um Operatoren mit kompakten Resolventen. Allgemein liefert Theorem 12.5 f¨ ur selbstadjungierte Operatoren mit kompakten Resolventen die folgende Spektralzerlegung: Theorem 13.12 (Spektralsatz) Es sei A : D(A) → H ein selbstadjungierter Operator mit kompakten Resolventen im Hilbertraum H . a) Es gibt eine Folge (λj )j∈N0 in R mit | λj | → ∞ f¨ ur j → ∞ und eine Orthonormalbasis {ej }j∈N0 von H , sodass D(A) = {x ∈ H |
∞
λ2j | x|ej |2 < ∞}
(27)
f¨ ur x ∈ D(A) .
(28)
j=0
und die folgende Entwicklung gelten: ∞
Ax =
λj x|ej ej
j=0
b) F¨ ur x ∈ D(A) konvergiert die in H geltende Fourier-Entwicklung x =
∞ j=0
unbedingt im Hilbertraum DA . ur j ∈ N 0 . c) Weiter ist σ(A) = {λj }∞ j=0 und N (λj I − A) = [ei | λi = λj ] f¨
x|ej ej
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 271 λ10 =
λ7
λ1 λ0
λ6
λ11
λ2 = . . .
λ8 λ9 λ12 λ13
= λ5
0
Abb. 13.2: Spektrum eines selbstadjungierten Operators mit kompakten Resolventen
Beweis. a) Nach Satz 13.11 gilt i ∈ ρ(A) , und die Resolvente RA (i) ist kompakt und normal. Nach Theorem 12.5 gibt es also eine komplexe Nullfolge (μj )j∈N0 und ein Orthonormalsystem {ej }j∈N0 in H mit der Entwicklung ∞
RA (i) y =
μj y|ej ej ,
y∈H.
(29)
j=0
Da RA (i) injektiv ist, muss {ej }j∈N0 eine Orthonormalbasis von H und μj = 0 f¨ ur alle j ∈ N0 sein. Weiter ist (vgl. Aufgabe 12.2) D(A) = R(RA (i)) = {x ∈ H |
∞ j=0
1 | μj |2
| x|ej |2 < ∞} ,
(30)
und man hat RA (i)−1 x =
∞ j=0
1 μj
x|ej ej ,
x ∈ D(A) .
Wegen Ax = ix − (iI − A)x = ix − RA (i)−1 x f¨ ur x ∈ D(A) folgt Ax =
∞
(i −
j=0
und somit (28) mit λj := i − ∞ j=0
1 | μj |2
1 μj
1 μj ) x|ej
ej ,
x ∈ D(A) ,
. Weiter ergibt sich (27) aus (30) und
| x|ej |2 < ∞ ⇔
∞
| λj |2 | x|ej |2 < ∞ .
j=0
b) F¨ ur x ∈ D(A) sei y = RA (i)−1 x ∈ H . Da (iI − A)−1 : H → DA stetig ist, folgt ∞ y|ej ej in H und (29) die aus der unbedingten Konvergenz der Entwicklung y = j=0
unbedingte Konvergenz der Entwicklung x = (iI − A)−1 y =
∞
y|ej (iI − A)−1 ej =
j=0
∞
μj y|ej ej =
j=0
∞
x|ej ej
j=0
im Hilbertraum DA (sie muss bzgl. A nicht orthogonal sein). c) Der Rest des Beweises verl¨ auft wie der von Satz 12.2: Wegen (28) gilt (μI − A)x 2 =
∞ i=0
| μ − λi |2 | x|ei |2
f¨ ur x ∈ D(A) .
(31)
272 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
F¨ ur μ ∈ R\{λi | i ∈ N0 } gibt es ε > 0 mit | μ − λi | ≥ ε f¨ ur alle i ∈ N0 . Aus (31) ergibt sich (μI − A)x 2 ≥ ε2 x 2
f¨ ur x ∈ D(A) ;
folglich ist μI − A injektiv und hat ein abgeschlossenes Bild. Weiter ist R(μI − A)⊥ = N (μI − A) = {0} und somit μ ∈ ρ(A) . F¨ ur μ = λj schließlich liefert (31) (λj I − A)x = 0 ⇔ x|ei = 0 f¨ ur λi = λj .
13.4
♦
Regul¨ are Sturm-Liouville-Probleme
In diesem Abschnitt wenden wir den Spektralsatz auf Rand-Eigenwertprobleme f¨ ur lineare Differentialgleichungen an. Solche Probleme treten in der klassischen Physik auf, etwa in Verbindung mit Diffusion (vgl. Abschnitt 13.5) oder Wellenausbreitung, aber auch in der Quantenmechanik (vgl. Abschnitt 13.6). Wir beschr¨ anken uns hier auf den einfachen Fall von Sturm-Liouville-Operatoren Lu := −(pu ) + qu
(32)
u ur die Koeffizienten nehmen wir ¨ber einem kompakten Intervall [a, b] . F¨ q ∈ C([a, b], R) und p ∈ C 1 ([a, b], R) mit p− := min p(s) > 0
(33)
s∈[a,b]
an; wegen p− > 0 heißen solche Probleme regul¨ ar. In Abschnitt 10 haben wir mit Variationsmethoden bereits Existenzs¨ atze f¨ ur inhomogene Gleichungen Lu = f unter Randbedingungen gezeigt. Insbesondere gibt es im Fall q ≥ 0 zu jedem f ∈ L2 [a, b] eine L¨ osung u ∈ W22 (a, b) von Lu = f , die die Dirichlet-Randbedingungen u(a) = u(b) = 0 (34) erf¨ ullt. Diese Aussage folgt auch aus dem Spektralsatz, genauer aus Theorem 13.17 unten (vgl. (45)). Es sei darauf hingewiesen, dass der f¨ ur den Spektralsatz entscheidende Satz 12.3 ebenfalls mit einem Variationsargument bewiesen werden kann (Lemma 12.4). Definitionsbereiche und Symmetrie. a) Als Definitionsbereich des Operators L onnen wir den Sobolev-Raum D(L) = W22 (a, b) aus (32) im Hilbertraum L2 [a, b] k¨ nehmen. b) F¨ ur Funktionen u, v ∈ W22 (a, b) liefert partielle Integration gem¨ aß (5.32) b b Lu|v = − a (pu ) v¯ ds + a qu¯ v ds b b b = − pu v¯ a + a pu v¯ ds + a u qv ds b b b b v a − a u(pv ) ds + a u qv ds , also = − pu v¯a + up¯
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 273
b Lu|v = u|Lv + p(u¯ v − u v¯)a .
(35)
Der Operator L ist also nicht symmetrisch, wohl aber seine Einschr¨ ankung L0 auf den in W22 (a, b) abgeschlossenen Definitionsbereich D(L0 ) := {u ∈ W22 (a, b) | u(a) = u (a) = u(b) = u (b) = 0} .
(36)
Wir zeigen nun, dass die Graphennorm von L auf D(L) = W22 (a, b) zur Sobolev-Norm W22 ¨ aquivalent ist. Dies ergibt sich aus dem folgenden Satz 13.13 Zu ε > 0 gibt es eine Zahl C > 0 , sodass f¨ ur alle Funktionen u ∈ W22 (a, b) gilt u L2 ≤ ε u L2 + C u L2 .
(37)
Beweis. a) Wir zeigen zun¨ achst die Absch¨ atzung ∀ ε > 0 ∃ C > 0 ∀ u ∈ W22 (a, b) : u W21 ≤ ε u W22 + C u L2 .
(38)
Andernfalls gibt es ε > 0 und eine Folge (un ) in W22 (a, b) mit un W22 = 1 und un W21 > ε + n un L2 . Aufgrund der Kompaktheit der Einbettung W22 (a, b) → W21 (a, b) hat (un ) in W21 (a, b) ur diesen Limes folgt einereine konvergente Teilfolge mit Limes u ∈ W21 (a, b) . F¨ seits u W21 ≥ ε und andererseits wegen n un L2 ≤ un W21 ≤ 1 aber auch u L2 = 0 ; dies ist ein Widerspruch, da die Einbettung W21 (a, b) → L2 [a, b] injektiv ist. Absch¨ atzung (38) ist damit gezeigt. ¨ b) Aus (38) ergibt sich wegen der Aquivalenz von 2 - und 1 -Norm auf K3 u L2 ≤ ε u L2 + ε u L2 + ε u L2 + C u L2 , und f¨ ur 0 < ε
0 f¨ Koeffizienten des Differentialoperators voraus. Gilt dann Lφ = g im schwachen Sinn f¨ ur Funktionen φ, g ∈ W2m (a, b) , so folgt φ ∈ W2m+2 (a, b) . ur eine Funktion b) Nun nehmen wir sogar q, p ∈ C ∞ ([a, b], R) und p > 0 an. F¨ ∞ φ ∈ L2 [a, b] gelte Lφ = g ∈ C [a, b] oder Lφ = λφ f¨ ur eine Zahl λ ∈ C im schwachen Sinn. Dann folgt φ ∈ C ∞ [a, b] . Beweis. a) Zun¨ achst hat man −(pφ ) = g − qφ ∈ W2m (a, b) , also pφ ∈ W2m+1 (a, b) und dann auch φ ∈ W2m+1 (a, b) . Daraus ergibt sich schließlich φ ∈ W2m+2 (a, b) . ∞ $ b) Es ist C ∞ [a, b] = W2m (a, b) aufgrund des Sobolevschen Einbettungssatzes 5.12. m=0
Aus φ ∈ L2 [a, b] folgt mittels a) zun¨ achst φ ∈ W22 (a, b) , dann φ ∈ W24 (a, b) usw., also ur alle m ∈ N0 . ♦ φ ∈ W2m (a, b) f¨ Eine Regularit¨ atsvoraussetzung an Lf impliziert also eine noch st¨ arkere Regularit¨ at der Funktion f ; alle Eigenfunktionen von L sind im Fall von C ∞ -Koeffizienten autoatss¨ atze f¨ ur partielle matisch C ∞ -Funktionen auf [a, b] inklusive des Randes. Regularit¨ Differentialgleichungen sind wesentlich schwieriger; wir verweisen dazu etwa auf [Alt 1991], 10.17, oder [Rudin 1973], 8.12. Ab jetzt setzen wir wieder nur q ∈ C([a, b], R) und p ∈ C 1 [a, b] mit p > 0 f¨ ur die Koeffizienten des Differentialoperators voraus. Satz 13.16 a) Es gilt L∗0 = L f¨ ur den Operator L aus (32) und seine Einschr¨ ankung L0 auf D(L0 ) aus (36). b) F¨ ur α , β ∈ R erh¨ alt man selbstadjungierte Fortsetzungen Lα,β von L0 durch Einschr¨ ankung von L auf die Definitionsbereiche D(Lα,β ) := {u ∈ W22 (a, b) | Ra u = Rb u = 0}
(39)
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 275
mit den Randoperatoren Ra u := u(a) sin α + u (a) cos α ,
Rb u := u(b) sin β + u (b) cos β .
(40)
Beweis. a) Aus (35) folgt Lu|v = u|Lv f¨ ur u ∈ D(L0 ) und v ∈ D(L) , also die ∗ Inklusion L ⊆ L0 . Umgekehrt sei nun v ∈ D(L∗0 ) und g = L∗0 v ∈ L2 [a, b] . Dann gilt
b a
Lϕ v ds =
b a
ϕ g ds
f¨ ur alle ϕ ∈ D(a, b) ,
also Lv = g im schwachen Sinn. Aus dem Regularit¨ atssatz 13.15 a) f¨ ur m = 0 ergibt sich dann v ∈ W22 (a, b) = D(L) . b) Aufgrund von (35) ist Lα,β symmetrisch; daher gilt D(L0 ) ⊆ D(Lα,β ) ⊆ D(L∗α,β ) ⊆ D(L∗0 ) = D(L) . Wegen dim D(L)/D(Lα,β ) = 2 und dim D(Lα,β )/D(L0 ) = 2 folgt daraus offenbar ♦ D(L∗α,β ) = D(Lα,β ) und daher L∗α,β = Lα,β . Der Definitionsbereich der selbstadjungierten Operatoren Lα,β wird also durch getrennte Randbedingungen fixiert. Es gilt: Theorem 13.17 (Entwicklungssatz) a) Jeder selbstadjungierte Sturm-Liouville-Operator Lα,β aus Satz 13.16 besitzt kompakte Resolventen. b) Es gibt h¨ ochstens endlich viele negative Eigenwerte; alle Eigenwerte λ0 ≤ λ1 ≤ . . . ur j → ∞ . sind einfach, und es gilt λj → ∞ f¨ c) Die entsprechenden normierten Eigenfunktionen {φj }j∈N0 bilden eine Orthonormalbasis von L2 [a, b] . Sie liegen im Raum W22 (a, b) und erf¨ ullen die Randbedingungen Ra φj = Rb φj = 0 . Man hat Lu =
∞
λj u, φj φj in L2 [a, b]
f¨ ur u ∈ D(Lα,β ) .
(41)
j=0
d) F¨ ur u ∈ D(Lα,β ) ⊆ W22 (a, b) konvergiert die Entwicklung u(s) =
∞
u, φj L2 φj (s)
(42)
j=0
unbedingt in W22 (a, b) sowie zusammen mit der Reihe der ersten Ableitungen auch absolut-gleichm¨ aßig auf [a, b] . Beweis. a) folgt sofort aus Satz 13.4, da die Einbettung von W22 (a, b) in L2 [a, b] kompakt ist.
276 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren λ0
λ1
λ2 λ3
λ4
= q−
λ5
λ6
λ7
0
Abb. 13.3: Spektrum eines selbstadjungierten Sturm-Liouville-Operators Lα,β
b) F¨ ur u ∈ D(L0 ) (vgl. (36)) liefert partielle Integration gem¨ aß (5.32) wie vor (35) b b b b b Lu|u = − a (pu ) u ¯ ds + a qu¯ u ds = − pu u ¯a + a pu u ¯ ds + a q| u |2 ds , b b (43) Lu|u = a p| u |2 ds + a q| u |2 ds ≥ q− u 2L2 mit q− := min {q(s) | s ∈ [a, b]} . Gibt es nun drei Eigenwerte ρ1 ≤ ρ2 ≤ ρ3 < q− von origen orthonormierten Eigenfunktionen ψ1 , ψ2 , ψ3 , so gilt Lα,β mit zugeh¨ Lu|u =
3
ρk | u|ψk |2 ≤ ρ3 u 2
f¨ ur u ∈ W := [ψ1 , ψ2 , ψ3 ] .
k=1
Da aber D(L0 ) Kodimension 2 in D(Lα,β ) hat, ist D(L0 ) ∩ W = {0} , und man hat einen Widerspruch. Folglich kann Lα,β h¨ ochstens zwei Eigenwerte unterhalb von q− haben und hat somit h¨ ochstens endlich viele negative Eigenwerte. ur j → ∞ folgt nun sofort aus Theorem 13.12. Es bleibt zu Die Aussage λj → ∞ f¨ zeigen, dass alle Eigenwerte einfach sind. Wegen dim N (λj I − L) = 2 ergibt sich dies einfach daraus, dass es stets L¨ osungen von Lu = λj u mit z. B. Ra u = 0 gibt. c) folgt unmittelbar aus Theorem 13.12 und dem Regularit¨ atssatz 13.15. d) Wiederum nach Theorem 13.12 konvergiert die Entwicklung (42) unbedingt in aßige Konvergenz zeiDLα,β , also in W22 (a, b) . Die Aussagen u ¨ber absolut-gleichm¨ gen wir nun ¨ ahnlich wie f¨ ur die Entwicklung (12.22) von Integraloperatoren: F¨ ur u ∈ D(Lα,β ) sei f := (iI − L)u ∈ L2 [a, b] ; nach (41) gilt dann f, φj = (i − λj ) u, φj =
1 μj
u, φj ,
j ∈ N0 ,
mit den Eigenwerten {μj } der Resolventen R = RLα,β (i) . Es folgt m
| u, φj φj (s) |
=
j=n
m
| f, φj μj φj (s) | =
j=n
≤
(
∞
m
| f, φj Rφj (s) |
j=n 1
| Rφj (s) |2 ) 2 (
j=0
m
1
| f |φj |2 ) 2 .
j=n
Da die Resolvente R : L2 [a, b] → und die Einbettung i : W22 (a, b) → C 1 [a, b] stetig sind, wird f¨ ur s ∈ [a, b] durch δs : h → Rh(s) eine stetige Linearform auf L2 [a, b] definiert mit δs ≤ iR . Nach dem Rieszschen Darstellungssatz 7.3 gilt Rh(s) = h|gs mit einer Funktion gs ∈ L2 [a, b] mit gs ≤ iR . Somit folgt W22 (a, b)
∞ j=0
| Rφj (s) |2 =
∞ j=0
| φj |gs |2 ≤ gs 2 ≤ iR 2
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 277
aufgrund der Besselschen Ungleichung. Es gilt also sup
m
| u, φj φj (s) | ≤ iR (
s∈[a,b] j=n
und wegen
∞
m
1
| f |φj |2 ) 2 ,
j=n
| f |φj |2 < ∞ ist damit die absolut-gleichm¨ aßige Konvergenz der
j=0
Entwicklung (42) bewiesen. Die gleichm¨ aßige Konvergenz der Reihe
∞
| u, φj L2 φj (s) | der Absolutbetr¨ age der
j=0
Ableitungen ergibt sich genauso, da f¨ ur s ∈ [a, b] auch durch δs : h → (Rh) (s) eine ♦ stetige Linearform auf L2 [a, b] mit δs ≤ iR definiert wird. b Beispiele. a) Sind die Randbedingungen so gew¨ ahlt, dass stets − pu u ¯a ≥ 0 ist, so ur den kleinsten Eigenwert des gilt (43) f¨ ur alle u ∈ D(Lα,β ) , und man hat q− ≤ λ0 f¨ Operators. Dies ist insbesondere der Fall f¨ ur die Neumann-Randbedingungen u (a) = u (b) = 0 .
(44)
b b) F¨ ur eine Eigenfunktion φ zum Eigenwert λ0 = q− muss nach (43) a p| φ |2 ds = 0 , also φ = 0 , gelten. Eine Randbedingung u(a) = 0 oder u(b) = 0 erzwingt dann φ = 0 und somit q− < λ0 . Insbesondere ist im Fall q(s) ≥ 0 der Operator L π/2, π/2 : {u ∈ W22 (a, b) | u(a) = u(b) = 0} → L2 [a, b] unter den Dirichlet-Randbedingungen (34) bijektiv. Asymptotik der Eigenwerte. a) Nach (12.43) liegt die Sobolev-Einbettung i2 : W22 (a, b) → L2 [a, b] in den Schatten-Klassen Sp mit p > 12 . Wie im Beweis von Satz 13.4 ergibt sich f¨ ur R = RLα,β (i) sofort auch R = i2 (iI − Lα,β )−1 ∈ Sp (L2 [a, b]) ∞ f¨ ur p > 12 . Dies bedeutet | μj |p < ∞ f¨ ur die Eigenwerte des normalen kompakten j=0
Operators R und somit
λj =0
| λj |−p < ∞
f¨ ur
p>
1 2
.
(45)
alt sich asympb) Aussage (45) kann wesentlich versch¨ arft werden: Die Folge (λj ) verh¨ 2 totisch wie j ; genauer gilt die Aussage ∃ 0 < c ≤ C ∃ j0 ∈ N0 ∀ j ≥ j0 : cj 2 ≤ λj ≤ Cj 2 . Wir zeigen (46) zun¨ achst f¨ ur ein spezielles
(46)
278 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
f0 (φ)
f3 (φ)
f2 (φ)
tanh φ
f0 (φ) f3 (φ)
f1 (φ)
Abb. 13.4: L¨ osungen von tanh φ = fj (φ) f¨ ur vier Funktionen fj
Beispiel. a) Wie betrachten den speziellen Sturm-Liouville-Operator Λu := −u , osung der also den Fall p(s) = 1 und q(s) = 0 in (32). Mit λ = ω 2 ist die allgemeine L¨ 2 ur ω = 0 gegeben durch Differentialgleichung −u = ω u f¨ u(s) = A cos ω(s − a) + B sin ω(s − a) , A , B ∈ C . Mit := b − a erhalten wir aus den Randbedingungen A sin α + Bω cos α = 0 sowie (A cos ω+B sin ω) sin β +(−Aω sin ω+Bω cos ω) cos β = 0 , also das lineare System A sin α + Bω cos α
=
0,
A(cos ω sin β − ω sin ω cos β) + B(sin ω sin β + ω cos ω cos β)
=
0.
b) Die Eigenwerte λ = ω 2 = 0 sind also die Quadrate der Nullstellen ω der Determinante dieses Systems, und diese sind gegeben durch eine Bedingung (P + Qω 2 ) sin ω + Rω cos ω = 0
(47)
ur P = Q = 0 bedeutet dies einfach cos ω = 0 , also mit Zahlen P, Q, R ∈ R . F¨ π (2j + 1) , j ∈ Z . F¨ ur (P, Q) = (0,0) ist (47) ¨ aquivalent zu ω = ωj = 2 Rω tan ω = − P +Qω 2 .
(48)
ar sein. F¨ ur rein c) Da die Eigenwerte λ = ω 2 reell sind, muss ω reell oder rein imagin¨ imagin¨ are ω = iφ ist (48) ¨ aquivalent zu Rφ tanh φ = − P −Qφ =: f (φ) . 2
(49)
Da auf beiden Seiten ungerade Funktionen stehen, ist mit φ auch −φ eine L¨ osung von (49), und beide liefern den Eigenwert λ = −φ2 < 0. Nach Beweisteil b) von Theorem 13.17 gibt es h¨ ochstens zwei negative Eigenwerte von Λα,β . Dies zeigt auch Abb. 13.4: Neben φ = 0 besitzt Gleichung (49) f¨ ur f0 (φ) = − φ1 und f1 (φ) = cφ mit c ≤ 0 keine L¨ osung, f¨ ur f2 (φ) = cφ mit c > 0 eine positive L¨ osung sowie f¨ ur f3 (φ) = positive L¨ osungen.
30φ 60+φ2
zwei
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 279
d) F¨ ur reelle ω sind ebenfalls beide Seiten von (48) ungerade; es sind also wieder nur positive L¨ osungen interessant. Wegen der π -Periodizit¨ at des Tangens gibt es genau ur große j (vgl. Abb. 13.5). Somit gilt (46), eine L¨ osung ωj ∈ ((j − 12 )π, (j + 12 )π) f¨ genauer sogar λ π2 lim j 2j = (b−a) (50) 2 . j→∞
Aus den Eigenwerten kann also die L¨ ange des zugrunde liegenden Intervalls rekonstruiert werden. f3 (ω) f1 (ω) f2 (ω) π
0
tan ω
tan ω
f3 (ω)
tan ω
tan ω
tan ω
Abb. 13.5: L¨ osungen von tan ω = fj (ω) mit f1 (ω) = cω , f2 (ω) =
6πω 4+π 2 ω2
2 , f3 (ω) = − πω
Aussage (46) f¨ ur allgemeine Sturm-Liouville-Operatoren f¨ uhren wir auf ihre G¨ ultigkeit uck. Dabei benutzen wir die folgende Variante des MiniMax-Prinzips: f¨ ur Λα,β zur¨ Satz 13.18 Es seien A, B selbstadjungierte Operatoren mit diskretem Spektrum in einem Hilbertraum H mit D(A) = D(B) und ¨ aquivalenten Graphennormen. Weiter gelte σ(A) ⊆ (0, ∞) , σ(B) ⊆ (0, ∞) und Ax|x ≤ Bx|x
f¨ ur alle x ∈ D ⊆ D(A) = D(B)
(51)
ur f¨ ur einen in DA = DB abgeschlossenen Unterraum D der Kodimension d ≥ 0 . F¨ die Eigenwerte von A und B gilt dann ∃ C ≥ 0 ∀ j ∈ N0 : λj (B) ≤ C λj+d (A) .
(52)
Beweis. a) Die Resolventen RA = RA (0) und RB = RB (0) existieren und sind 1 ) . Aufgrund kompakte positive Operatoren mit den Eigenwerten ( λj 1(A) ) und ( λj (B) ur x ∈ D(A) = D(B) von x = RA Ax ≤ RA Ax und x ≤ RB Bx f¨ ¨ folgt aus der Aquivalenz der Graphennormen eine Absch¨ atzung ∃ 0 < γ1 ≤ γ2 ∀ x ∈ D(A) = D(B) : γ1 Ax ≤ Bx ≤ γ2 Ax .
(53)
280 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
b) Nun sei j ∈ N0 . Nach dem MiniMax-Prinzip 12.6 gibt es einen abgeschlossenen Unterraum V von H der Kodimension j mit λj (B)−1 = max { RB y|y | y ≤ 1 , y ∈ V } . Der in DB = DA abgeschlossene Raum W := RB V ist dort von der Kodimension j . Es folgt codim(W ∩ D) ≤ j + d , und U := A(W ∩ D) ist ein abgeschlossener Unterraum von H der Kodimension ≤ j + d . Daher folgt nach 12.6 und (51) λj (B)−1
=
max { x|Bx | Bx ≤ 1 , x ∈ W }
≥
max { x|Bx | Bx ≤ 1 , x ∈ W ∩ D}
≥
max { x|Ax | Bx ≤ 1 , x ∈ W ∩ D}
≥
γ2−2 max { x|Ax | Ax ≤ 1 , x ∈ W ∩ D}
=
γ2−2 max { RA y|y | y ≤ 1 , y ∈ U }
≥
γ2−2 λj+d (A)−1 .
♦
Nun k¨ onnen wir beweisen: Satz 13.19 F¨ ur die Eigenwerte (λj ) eines selbstadjungierten Sturm-Liouville-Operators Lα,β wie in Theorem 13.17 gilt Aussage (46): ∃ 0 < c ≤ C ∃ j0 ∈ N0 ∀ j ≥ j0 : cj 2 ≤ λj ≤ Cj 2 . Beweis. F¨ ur u ∈ D(L0 ) gilt wie in (43) b b Lu|u = a p| u |2 ds + a q| u |2 ds
und
Λu|u =
b a
| u |2 ds ,
und daraus ergibt sich f¨ ur alle r > 0 (p− Λ + (r + q− )I)u|u ≤ (L + rI)u|u ≤ (p+ Λ + (r + q+ )I)u|u . F¨ ur gen¨ ugend großes r > 0 k¨ onnen wir Satz 13.18 anwenden. Wegen codim D(L0 ) = 2 aß (50) sowie ergibt sich dann (46) aus der G¨ ultigkeit dieser Formel f¨ ur Λα,β gem¨
13.5
λj (Lα,β + rI)
≤
C1 λj+2 (p− Λα,β + (r + q− )I)
λj−2 (p+ Λα,β + (r + q+ )I)
≤
C2 λj (Lα,β + rI) .
und
♦
Evolutionsgleichungen
In diesem Abschnitt wenden wir den Spektralsatz 13.12 auf partielle Differentialgleichungen an, die man auch als gew¨ ohnliche Differentialgleichungen mit Werten in einem Hilbertraum interpretieren kann. Als Beispiel betrachten wir ein physikalisches Ph¨ anomen:
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 281
W¨ armeleitung in einem d¨ unnen Draht. a) Einen Draht repr¨ asentieren wir durch ein kompaktes Intervall J = [a, b] . Bezeichnen wir mit u(s, t) die Temperatur an der ullt die Funktion u die W¨ armeleitungsgleichung Stelle s ∈ J zur Zeit t ∈ R , so erf¨ ∂t u(s, t) = α ∂s2 u(s, t)
(54)
mit der Temperaturleitf¨ ahigkeit α > 0 . Unter geeigneten Randbedingungen, z. B. den Neumann-Randbedingungen (44) u (a) = u (b) = 0 , soll dann aus der Kenntnis der Temperaturverteilung u(s,0) = A(s) zur Zeit t = 0 die Temperaturverteilung u(s, t) zu anderen Zeitpunkten bestimmt werden. asst sich dieses Problem b) Mit dem speziellen Sturm-Liouville-Operator Λu = −u l¨ als Anfangswertproblem u(t) ˙ = −α Λ0,0 u ,
u(0) = u0 ∈ D(Λ0,0 )
(55)
f¨ ur eine gew¨ ohnliche Differentialgleichung bez¨ uglich der Zeitvariablen t mit Werten im Hilbertraum L2 (J) schreiben. Anfangswertprobleme f¨ ur Evolutionsgleichungen. a) Allgemeiner sind Probleme x(t) ˙ = Cx(t) , x(0) = x0 ∈ D(C) , (56) mit einem i. a. unbeschr¨ ankten linearen Operator C in einem Hilbertraum (oder Banachraum) interessant. Wir betrachten hier nur den Fall C = γA mit γ ∈ C und einem selbstadjungierten Operator A mit diskretem Spektrum und der Spektralzerlegung (28). Untersuchungen allgemeiner Evolutionsgleichungen findet man etwa in [Gohberg et. al. 1990], Kap. XIX oder [Werner 2007], VII.4. b) F¨ ur eine C 1 -L¨ osung x : I → D(A) von (56) auf einem Intervall mit 0 ∈ I setzen ur j ∈ N0 und erhalten wir xj (t) := x(t)|ej f¨ ˙ x˙j (t) = x(t)|e j = γAx(t)|ej = γ x(t)|Aej = γλj xj (t) . Zusammen mit xj (0) = x0 |ej liefert dies xj (t) = eγλj t x0 |ej ;
(57)
es gibt also h¨ ochstens eine L¨ osung des Problems (56). ur die Quantenmechanik grundlegende c) Im Fall γ = − i ist Problem (56) die f¨ Schr¨ odinger-Gleichung; darauf gehen wir im n¨ achsten Abschnitt ein. d) Hier behandeln wir den Fall γ = −1 ; aufgrund von b) ist dann x(t) := S(t)x0 :=
∞
e−λj t x0 |ej ej ,
x0 ∈ D(A) ,
(58)
j=0
ein Kandidat f¨ ur die L¨ osung. Die Reihe konvergiert f¨ ur t ≥ 0 gegen ein Element in D(A) , falls A nur endlich viele negative Eigenwerte besitzt; dies ist z. B. f¨ ur einen Sturm-Liouville-Operator Lα,β der Fall.
282 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Satz 13.20 Es sei A ein selbstadjungierter Operator mit diskretem Spektrum und der Spektralzerlegung (28) mit h¨ ochstens endlich vielen negativen Eigenwerten. ∞ e−λj t ·|ej ej aus (58) in der Operatornorm a) F¨ ur t > 0 konvergiert die Reihe j=0
gegen einen kompakten selbstadjungierten Operator S(t) ∈ K(H) . Mit S(0) = I gilt S(t + t ) = S(t) S(t )
f¨ ur t, t ≥ 0 .
(59)
b) F¨ ur t ≥ 0 und x0 ∈ D(A) gilt auch x(t) := S(t)x0 ∈ D(A) , und man hat x(t) ˙ = −Ax(t) ,
d. h.
lim x(t+h)−x(t) + Ax(t) = 0 . h
h→0
Beweis. a) Die ersten Aussagen ergeben sich sofort aus Satz 12.2, und weiter gilt f¨ ur alle x ∈ H S(t)S(t ) x = S(t)
∞
e−λj t x|ej ej =
j=0
∞
e−λj t e−λj t x|ej ej = S(t + t ) x .
j=0
b) Wir w¨ ahlen j0 ∈ N mit λj ≥ 0 f¨ ur j ≥ j0 ; dann gilt ∞
| λj |2 | e−λj t x0 |ej |2 ≤
j=j0
∞
| λj |2 | x0 |ej |2 < ∞
j=j0
und somit x(t) ∈ D(A) f¨ ur t ≥ 0 . F¨ ur t, t + h ≥ 0 ist x(t+h)−x(t) h
−λj (t+h)
δj (t, h) = ( e
h
−e−λj t
+ Ax(t)
=
∞
+ λj e−λj t ) x0 |ej =
Zu ε > 0 gibt es j1 ≥ j0 mit
δj (t, h) ej
∞
1 h
h 0
(1 − e−λj s ) ds λj e−λj t x0 |ej .
| λj |2 | x0 |ej |2 ≤ ε2 , also
j=j1
Schließlich gibt es δ > 0 , sodass f¨ ur 0 ≤ h ≤ δ auch
j1 −1 j=0
daraus folgt die Behauptung.
mit
j=0
∞
| δj (t, h) |2 ≤ ε2 .
j=j1
| δj (t, h) |2 ≤ ε2 ist, und
♦
F¨ ur t < 0 ist die Reihe in (58) f¨ ur x0 ∈ [ej ]j≥0 konvergent, f¨ ur allgemeinere Anfangswerte x0 ∈ D(A) aber i. a. divergent. Das Anfangswertproblem (56) l¨ asst sich also f¨ ur t < 0 nicht ohne Weiteres l¨ osen. Operator-Halbgruppen. a) Es ist naheliegend, die L¨ osungsoperatoren S(t) aus (58) als Exponentialfunktionen S(t) = e−At des Operators A aufzufassen. Funktionen von Operatoren werden im Aufbaukurs und in vielen der im Literaturverzeichnis angegebenen Lehrb¨ ucher der Funktionalanalysis systematisch untersucht.
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 283
b) Wegen (59) bilden die Operatoren {S(t) | t ≥ 0} eine Operator-Halbgruppe. Diese ist stark stetig wegen S(h)x − S(0)x = S(h)x − x → 0
f¨ ur h → 0+ und x ∈ H .
(60)
ur Dies folgt wie im Beweis von Satz 13.20, ebenso auch lim S(t + h) − S(h) = 0 f¨ h→0
t > 0 (vgl. Aufgabe 13.14). Diffusionsgleichungen. a) Hat der Operator aus Satz 13.20 nur Eigenwerte ≥ 0 , so ist die Evolutionsgleichung in (56) eine Diffusionsgleichung. In diesem Fall hat die x|ej ej die orthogonale Halbgruppe einen Limes f¨ ur t → ∞ : Es sei P0 : x → λj =0
Projektion auf den endlichdimensionalen Eigenraum N (A) von A zum Eigenwert 0 . Mit dem kleinsten positiven Eigenwert μ > 0 hat man dann −2λj t S(t)x − P0 x 2 = e | x|ej |2 ≤ e−2μt x 2 λj ≥μ
und somit lim S(t) − P0 = 0 . t→∞
b) Ein Beispiel f¨ ur diese Situation ist etwa die W¨ armeleitungsgleichung (54). In diesem Fall strebt die Temperaturverteilung f¨ ur t → ∞ gegen die konstante Temperatur, die durch den Mittelwert der Anfangs-Temperaturverteilung gegeben ist.
13.6
Selbstadjungierte Operatoren und Quantenmechanik
In diesem letzten Abschnitt skizzieren wir kurz den allgemeinen Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren und die Rolle dieser Operatoren in der Quantenmechanik. Die folgenden Formulierungen der Grundbegriffe dieser Theorie entstanden durch Abstraktion aus den von E. Schr¨ odinger und W. Heisenberg 1925/26 entwickelten Grundlagen. Die in den folgenden Punkten c) und d) erl¨ auterte statistische Interpretation der Quantenmechanik geht auf M. Born (1926) zur¨ uck. Eine wesentlich ausf¨ uhrlichere Darstellung des Themas findet man in [Triebel 1972], Kapitel VII. Zust¨ ande und Observable. a) Ein (reiner) Zustand eines quantenmechanischen Systems wird durch einen Einheitsvektor x ∈ H in einem Hilbertraum H beschrieben. Dabei beschreiben alle Vektoren αx mit | α | = 1 den gleichen Zustand. b) Eine beobachtbare Gr¨ oße oder Observable eines quantenmechanischen Systems wird durch einen selbstadjungierten Operator im Hilbertraum H beschrieben. c) Die Menge aller m¨ oglichen Messergebnisse einer Observablen A ist durch das Spektrum σ(A) ⊆ R gegeben. F¨ ur einen Zustand x ∈ D(A) ist die Zahl Ax|x ∈ R der Mittelwert oder Erwartungswert von A in x . Die Quantenmechanik sagt jedoch das Messergebnis i. a. nicht exakt voraus, sondern gibt nur“ Wahrscheinlichkeiten daf¨ ur ” an, dass dieses in eine vorgegebene (Borel-messbare) Teilmenge des Spektrums f¨ allt.
284 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
d) Zur weiteren Erl¨ auterung besitze A ein diskretes Spektrum und die Spektralzerlegung (28). Es seien {μk }k∈N0 die Menge der verschiedenen Eigenwerte von A und
Pk x :=
x|ej ej
(61)
λj =μk
die orthogonalen Projektionen auf die Eigenr¨ aume N (μk I − A) von A . Dann gilt ∞ 2 Pk x = 1 f¨ ur alle Zust¨ ande, und es ist Pk x 2 die Wahrscheinlichkeit daf¨ ur, k=0
dass die Messung der Observablen A im Zustand x den Wert μk liefert. F¨ ur einen Eigenvektor ej von A liefert die Messung insbesondere sicher den Wert μk . Die zeitliche Entwicklung eines quantenmechanischen Systems wird beschrieben durch Hamilton-Operator und Schr¨ odinger-Gleichung. a) Zu einem quantenmechanischen System geh¨ ort ein eindeutig bestimmter selbstadjungierter Operator, der Hamilton-Operator H . Ist x(t) ∈ D(H) der Zustand des Systems zur Zeit t ∈ R , so gilt die Schr¨ odinger-Gleichung x(t) ˙ = − i Hx(t) ,
x(0) = x0 ∈ D(H) ,
(62)
mit der Planckschen Konstanten 2π > 0 und einem Anfangszustand x0 ∈ D(H) . Dies ist eine Evolutionsgleichung, die wegen des Faktors i ein wesentlich anderes Verhalten als eine Diffusionsgleichung zeigt. b) Ein Teilchen im Raum wird in der klassischen Physik durch Ortskoordinaten orige Impulse p1 , p2 , p3 sowie die die Energie repr¨ asentierende x1 , x2 , x3 und zugeh¨ odinger-Darstellung der QuanHamilton-Funktion H(xj , pj ) beschrieben. In der Schr¨ tenmechanik erkl¨ art man den Ortsoperator Qj als Multiplikationsoperator Qj := Mxj mit der Funktion xj im Hilbertraum L2 (R3 ) (vgl. die Seiten 262 und 264) und den Im∂ . Der Hamilton-Operator pulsoperator Pj durch den Differentialoperator Pj := −i ∂x j ergibt sich durch formales Einsetzen“ der Operatoren Qj und Pj in die Hamilton” Funktion. Beispiel. Ein Teilchen der Masse m > 0 bewege sich in einem ¨ außeren Kraftfeld F = − grad V mit Potential V . Die Energie ist dann gegeben durch m ˙ 2 + V (x) , die 2 x Hamilton-Funktion also durch H(xj , pj ) = also durch die Formel
p2 2m
+ V (x) . Der Hamilton-Operator sollte
2
Hu(x) = − 2m Δu(x) + V (x) u(x)
mit dem Laplace-Operator Δ =
3 j=1
∂2 ∂x2j
gegeben sein.
(63)
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 285
¨ Aus Ausdr¨ ucken wie (63) ist nun ein selbstadjungierter Operator zu bilden. Die Uberlegungen in Abschnitt 13.4 f¨ ur einfache eindimensionale F¨ alle zeigen, dass dies eine schwierige Aufgabe sein kann; wir verweisen dazu auf [Weidmann 1994]. Anschließend ist die Spektralzerlegung des selbstadjungierten Operators zu berechnen, und mit deren Hilfe gelingt dann eine L¨ osung der Schr¨ odinger-Gleichung. a) Es sei H ein Hamilton-Operator mit dis¨ kretem Spektrum und einer Spektralzerlegung (28). Ahnlich wie in (58) wird dann die Schr¨ odinger-Gleichung (62) gel¨ ost durch x(t) := U (t)x0 := e−i H x0 := t
∞
e−i
λj
t
x0 |ej ej ,
x0 ∈ D(H) .
(64)
j=0
Dies zeigt man wie im Beweis von Satz 13.20. b) Im Gegensatz zu Abschnitt 13.5 muss u ¨ber die Lage der Eigenwerte des HamiltonOperators nichts vorausgesetzt werden. Die Reihe in (64) konvergiert f¨ ur alle t ∈ R −i t H und alle x ∈ H gegen den Operator U (t) = e . Dieser ist offenbar unit¨ ar ; daher hat man keine Konvergenz in der Operatornorm. c) Es ist {U (t) | t ∈ R} eine stark stetige Operatorgruppe, d. h. es gilt lim U (t + h)x = h→0
U (t)x f¨ ur alle t ∈ R und x ∈ H , und wie in den Formeln (59) und (7.36) hat man U (0) = I ,
U (t + t ) = U (t) U (t ) ,
t, t ∈ R .
(65)
Die Bedeutung von Spektralzerlegungen selbstadjungierter Operatoren f¨ ur die Quantenmechanik sollte nun deutlich geworden sein; wir haben solche allerdings nur f¨ ur Operatoren mit diskretem Spektrum hergeleitet. Daher geben wir noch einen Ausblick auf den allgemeinen Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren: Spektralmaße und -integrale. a) Wir starten noch einmal mit dem Spektralsatz 13.12 f¨ ur Operatoren A mit diskretem Spektrum. Wie in (61) seien Pk die orthogonalen Projektionen auf die Eigenr¨ aume N (μk I − A) von A . Die Formeln (27) und (28) lauten dann so: D(A) = {x ∈ H |
∞
μ2k Pk x|x < ∞}
und
(66)
k=0
Ax =
∞
μ k Pk x
f¨ ur x ∈ D(A) .
(67)
k=0
Pk x 2 < ∞ f¨ ur x ∈ H konvergiert die Reihe Pk f¨ ur jede Indexk=0 k∈J menge J ⊆ N0 punktweise unbedingt auf H , und PJ := Pk ist die orthogonale b) Wegen
∞
k∈J
Projektion auf den Raum [R(Pk )]k∈J . Wegen Pk = 1 f¨ ur alle k hat man f¨ ur unendliche J keine Konvergenz in der Operatornorm.
286 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
c) F¨ ur eine Menge δ ⊆ R definieren wir orthogonale Projektionen E(δ) := EA (δ) :=
Pk .
(68)
μk ∈δ
Dies definiert ein (orthogonales) Spektralmaß E : P(R) → L(H) auf der Potenzmenge von R , d. h. es gilt (δ c bezeichnet das Komplement einer Menge δ in R ): 1i E(R) = I , 3i E(δ)∗ = E(δ) f¨ ur δ ⊆ R , ∞ 5i E(δ)x = E(δn )x f¨ ur disjunkte n=1
2i E(δ c ) = I − E(δ) f¨ ur δ ⊆ R , i 4 E(δ ∩ η) = E(δ) E(η) f¨ ur δ, η ⊆ R , ∞
Vereinigungen δ = δn . n=1
Diese Eigenschaften sind leicht nachzurechnen (vgl. Aufgabe 13.16). F¨ ur jeden Vektor x ∈ H ist insbesondere μx : δ → E(δ)x|x ein diskretes positives Maß auf R mit μx (σ(A)) = μx (R) = 1 . Die Formeln (66) und (67) k¨ onnen dann so formuliert werden: ∞ 2 (69) D(A) = {x ∈ H | −∞ λ d E(λ)x|x < ∞} und ∞ Ax = −∞ λ dE(λ)x f¨ ur x ∈ D(A) . (70) d) Wie in (69) und (70) lassen sich Spektralintegrale f¨ ur beliebige Spektralmaße und messbare Funktionen auf σ -Algebren erkl¨ aren; die Einzelheiten wollen wir hier nicht mehr ausf¨ uhren. Damit k¨ onnen wir den allgemeinen Spektralsatz f¨ ur selbstadjungierte Operatoren formulieren, der f¨ ur beschr¨ ankte selbstadjungierte Operatoren von D. Hilbert (1906) und f¨ ur den allgemeinen Fall von J. von Neumann (1929) stammt: Theorem 13.21 (Spektralsatz) Es sei A : D(A) → H ein selbstadjungierter Operator im Hilbertraum H . Dann gilt σ(A) ⊆ R . Es existiert genau ein Spektralmaß E : B(R) → L(H) auf den BorelMengen von R mit E(σ(A)) = I sowie D(A) = {x ∈ H | σ(A) λ2 dE(λ)x|x < ∞} und ∞ Ax = λ dE(λ)x f¨ ur x ∈ D(A) . −∞ Der Begriff Borel-Menge“ wird in Abschnitt A.3.5 des Anhangs erkl¨ art. Einen Beweis ” des Spektralsatzes findet man in den meisten Lehrb¨ uchern der Funktionalanalysis, unterschiedliche Varianten z. B. in [Gohberg et. al. 1990], [Meise und Vogt 1992] und [Weidmann 1994]. Messergebnisse in der Quantenmechanik. Es seien A eine Observable und x ∈ H ein Zustand. Dann ist μx := δ → E(δ)x|x ein positives Maß auf den ur eine Borel-Menge δ ⊆ R Borel-Mengen von R mit μx (R) = μx (σ(A)) = 1 . F¨ 2 ist μx (δ) = E(δ)x|x = E(δ)x die Wahrscheinlichkeit daf¨ ur, dass die Messung der Observablen A im Zustand x einen Wert in der Menge δ liefert.
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 287
Beispiele. Es seien Ω ⊆ Rn offen, a ∈ C(Ω, R) und Ma : f → af der selbstadjunur eine Borel-Menge δ ⊆ R ist dann gierte Multiplikationsoperator in L2 (Ω) aus (5). F¨ E(δ) = Mχa−1 (δ) der Multiplikationsoperator mit der charakteristischen Funktion der Borel-Menge a−1 (δ) . Insbesondere ist E(δ)f 2 = a−1 (δ) | f (s) |2 ds die Wahrscheinlichkeit daf¨ ur, dass die Messung der Observablen Ma im Zustand f ∈ L2 (Ω) einen Wert in der Menge δ liefert. Evolution quantenmechanischer Systeme und Hamilton-Operator. a) Der Hamilton-Operator H habe eine Spektralzerlegung wie in Theorem 13.21. Die Schr¨ odinger-Gleichung (62) wird dann gel¨ ost durch x(t) = e−i H x0 = t
∞
e−i λ dE(λ)x0 t
−∞
f¨ ur x0 ∈ D(H) .
(71)
Die Evolution des Systems wird wieder durch die stark stetige unit¨ are Operatorgruppe −i t H U : t → e beschrieben. b) Umgekehrt kann man bei der Begr¨ undung der Quantenmechanik auch von dieser Tatsache ausgehen und dann die Existenz eines Hamilton-Operators mathematisch beweisen. Nach einem Resultat von M.H. Stone (1932) besitzt n¨ amlich jede stark stetige unit¨ are Gruppe U : R → L(H) einen infinitesimalen Erzeuger“ , d. h. es gibt einen ” t eindeutig bestimmten selbstadjungierter Operator H in H mit U (t) = e−i H f¨ ur U (h)x−x und dann der Hamiltonalle t ∈ R . Dieser ist gegeben durch Hx = i lim h h→0
Operator des Systems. Einen Beweis des Satzes von Stone findet man etwa in [Schr¨ oder 1997], 5.2.10 oder [Weidmann 1994], 7.38.
13.7
Aufgaben
Aufgabe 13.1 Ein linearer Operator T in 2 wird definiert durch D(T ) := [ej ]j∈N0 und T (x0 , x1 , . . . , xn ,0,0, . . .) = (
n
(j + 1)xj , x1 , . . . , xn ,0,0, . . .) .
j=0
Zeigen Sie D(T ∗ ) = {y = (yj ) ∈ 2 | y0 = 0} und T ∗ y = y f¨ ur y ∈ D(T ∗ ) . Aufgabe 13.2 Es sei (aij )i,j∈N0 eine unendliche Matrix. a) Zeigen Sie, dass durch Ax := (
∞ j=0
aij xj )i∈N0
f¨ ur x = (xj )j∈N0
ein linearer Operator in 2 definiert wird und geben Sie dessen maximalen Definitionsbereich an.
288 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
b) Nun gelte
∞ i=1
| aij |2 < ∞ f¨ ur alle j ∈ N0 . Zeigen Sie [ej ]j∈N0 ⊆ D(A) . Setzen
aß a) zur adjungierten Matrix (aji ) Sie A0 := A|[ej ] und zeigen Sie, dass A∗0 der gem¨ gebildete Operator A× ist. ∞ | aij |2 < ∞ f¨ ur alle i ∈ N0 . Zeigen Sie, dass A = (A× )∗0 abgec) Nun gelte auch j=1
schlossen ist. d) Es sei B ein symmetrischer Operator in 2 mit [ej ]j∈N0 ⊆ D(B) . Zeigen Sie, dass B eine Einschr¨ ankung eines Operators A wie in c) ist. Aufgabe 13.3 Beweisen Sie die Resolventengleichung (4.14) f¨ ur abgeschlossene lineare Operatoren in Banachr¨ aumen. Aufgabe 13.4 Es seien T und S lineare Operatoren in einem Hilbertraum H . a) Es gelte D(T + S) = H . Zeigen Sie T ∗ +S ∗ ⊆ (T +S)∗ . Wann gilt sogar Gleichheit ? b) Nun seien D(T ) , D(S) und D(T S) dicht in H . Zeigen Sie S ∗ T ∗ ⊆ (T S)∗ . Wann gilt sogar Gleichheit ? Aufgabe 13.5 a) Beweisen Sie mittels Satz 13.1 (b), dass adjungierte Operatoren stets abgeschlossen sind. b) Beweisen Sie mittels Satz 13.2 (b), dass symmetrische Operatoren stets abschließbar sind. c) Es sei T ein dicht definierter Operator im Hilbertraum H mit Re x|T x ≥ 0 f¨ ur alle x ∈ D(T ) . Zeigen Sie, dass T abschließbar ist. Aufgabe 13.6 a) Es sei T ein linearer Operator in einem Banachraum X mit ρ(T ) = ∅ . Zeigen Sie, dass T abgeschlossen ist. b) Es sei A ein symmetrischer Operator in einem Hilbertraum H . Zeigen Sie, dass A genau dann einen abgeschlossen Graphen besitzt, wenn R(iI − A) abgeschlossen ist. Aufgabe 13.7 Es sei A ein injektiver Operator in einem Hilbertraum H mit D(A) = H . Zeigen Sie, dass A genau dann selbstadjungiert ist, wenn dies auf A−1 zutrifft. Aufgabe 13.8 Es sei T ein abgeschlossener dicht definierter Operator im Hilbertraum H . Zeigen Sie ¯ | λ ∈ σ(T )} . σ(T ∗ ) = {λ
13 Unbeschr¨ ankte Operatoren 289
Aufgabe 13.9 Es seien H, G Hilbertr¨ aume und T ein Operator von H nach G mit D(T ) = H . a) Es gelte D(T ∗ ) = G . Zeigen Sie, dass T ∗ und T stetig sind. b) Nun sei zus¨ atzlich T abgeschlossen. Zeigen Sie D(T ) = H . Aufgabe 13.10 Durch A : f → if wird ein Operator in L2 (0, ∞) mit Definitionsbereich D(A) := {f ∈ W21 (0, ∞) | f (0) = 0} definiert (vgl. Aufgabe 5.13). Zeigen Sie, dass A symmetrisch und abgeschlossen ist. Besitzt A eine selbstadjungierte Erweiterung? Aufgabe 13.11 Berechnen Sie explizit die Spektralzerlegung der Operatoren
γ aus (26), a) A b) Λ : u → −u bei Dirichlet- und bei Neumann-Randbedingungen. Aufgabe 13.12 Versch¨ arfen Sie Satz 13.19 zu π2 (b−a)2 p+
≤ lim inf
λj j2
≤ lim sup
λj j2
≤
π2 (b−a)2 p−
mit p− := min p(s) und p+ := max p(s) . s∈[a,b]
s∈[a,b]
Hinweis. Der Multiplikationsoperator Mq : W22 [a, b] → L2 [a, b] ist kompakt, und daher gilt qu ≤ ε Λu auf Unterr¨ aumen D gen¨ ugend hoher Kodimension. Aufgabe 13.13 a) Zeigen Sie, dass gekoppelte Randbedingungen u(b) = γ u(a)
und
u (b) = γ u (a)
mit γ ∈ C und | γ | = 1
mittels (32) selbstadjungierte Sturm-Liouville-Operatoren Lγ definieren. Zeigen Sie f¨ ur diese einen Entwicklungssatz und bestimmen Sie die Asymptotik der Eigenwerte. Sind diese stets einfach? b) Bestimmen Sie im periodischen Fall γ = 1 die Spektralzerlegung von Λ1 : u → −u explizit und l¨ osen Sie die entsprechende W¨ armeleitungsgleichung in einem Ring. Aufgabe 13.14 ur t > 0 f¨ ur die auf S. 282 a) Beweisen Sie (60) und lim S(t + h) − S(h) = 0 f¨ h→0
untersuchten Operator-Halbgruppen. b) Verifizieren Sie die Aussagen u osung der Schr¨ odinger-Gleichung auf S. 285. ¨ber die L¨
290 IV. Spektraltheorie kompakter und selbstadjungierter Operatoren
Aufgabe 13.15 Beweisen Sie die Eigenschaften 1i– 5i des in (68) definierten Spektralmaßes. Aufgabe 13.16 Zeigen Sie, dass in dem Beispiel auf S. 287 durch E(δ) = Mχa−1 (δ) ein Spektralmaß definiert wird. Aufgabe 13.17 Durch P : f → −if wird ein Impulsoperator in L2 (R) mit Definitionsbereich D(P ) = W21 (R) definiert (vgl. Aufgabe 5.13). Zeigen Sie, dass P selbstadjungiert ist und berechnen Sie das Spektrum von P . Aufgabe 13.18 Es seien A eine Observable und x ∈ D(A) ein Zustand. Die Zahl δ(A, x) := Ax − Ax|x x heißt Streuung von A in x . a) Zeigen Sie, dass genau dann δ(A, x) = 0 gilt, wenn x ein Eigenvektor von A ist. b) F¨ ur zwei Observable A, B heißt [A, B] := AB − BA der Kommutator von A und B . Zeigen Sie f¨ ur einen Zustand x ∈ D(A) ∩ D(B) mit Ax ∈ D(B) und Bx ∈ D(A) : δ(A, x) δ(B, x) ≥
1 2
| [A, B]x|x | .
c) F¨ ur Orts- und Impulsoperator gilt die Heisenbergsche Vertauschungsrelation arferelation [P, Q] ⊆ i I . Folgern Sie die Heisenbergsche Unsch¨ δ(P, x) δ(Q, x) ≥
2
.
Ort und Impuls sind also nicht gleichzeitig exakt messbar.
Anhang A
¨ Ubersicht A.1
Lineare Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
A.2
Metrische R¨ aume und Kompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
A.3
Maße und Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
A.1
Lineare Algebra
In diesem ersten Anhang erl¨ autern wir einige Konzepte und Resultate der Linearen Algebra, die in diesem Buch verwendet werden. Vektorr¨ aume. a) Ein Vektorraum E u orper K = R der reellen Zahlen ¨ber dem K¨ oder dem K¨ orper K = C der komplexen Zahlen ist eine nichtleere Menge E mit einer Addition + : E × E → E und einer Skalarmultiplikation · : K × E → E , sodass die folgenden Eigenschaften gelten: 1i (x + y) + z = x + (y + z) f¨ ur x, y, z ∈ E , 2i Es gibt (genau einen) Vektor 0 ∈ E mit x + 0 = x f¨ ur x ∈ E , 3i Zu x ∈ E gibt es (genau einen) Vektor −x ∈ E mit x + (−x) = 0 , 4i x + y = y + x f¨ ur x, y ∈ E , 5i λ(x + y) = λx + λy und (λ + μ)x = λx + μx f¨ ur x, y ∈ E und λ, μ ∈ K , i 6 (λμ)x = λ(μx) f¨ ur x ∈ E und λ, μ ∈ K , 7i 1x = x f¨ ur x ∈ E . Die Eigenschaften 1i - 4i bedeuten, dass (E, +) eine kommutative Gruppe ist. b) Wesentliche Beispiele sind die R¨ aume F (M, K) aller Funktionen von einer Menge M nach K , wobei Addition und Skalarmultiplikation punktweise definiert werden. c) Eine nichtleere Teilmenge V ⊆ E heißt Unterraum von E , falls f¨ ur x, y ∈ V und λ ∈ K auch λx + y ∈ V gilt. W. Kaballo, Grundkurs Funktionalanalysis, DOI 10.1007/978-3-8274-2721-2, © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2011
292 A Anhang
Lineare Abbildungen. a) Es seien E, F Vektorr¨ aume u ¨ber K . Eine Abbildung T : E → F heißt linear, falls T (λx + y) = λT (x) + T (y) f¨ ur x, y ∈ V und λ ∈ K gilt. Der Nullraum oder Kern N (T ) = T −1 {0} von T ist ein Unterraum von E , das Bild ( Range“) R(T ) = T (E) von T ist ein Unterraum von F . ” b) Die Menge L(E, F ) aller linearen Abbildungen von E nach F ist wieder ein Vektorraum mit den Operationen (T + S)x := T x + Sx und (λT )x := λ(T x) f¨ ur ∗ T, S ∈ L(E, F ) und λ ∈ K . Der Raum E := L(E, K) aller Linearformen auf E heißt algebraischer Dualraum von E . c) Ist T ∈ L(E, F ) bijektiv, so ist auch T −1 : F → E linear, und T heißt dann Isomorphismus von E auf F . Durch ιE (x)(x∗ ) := x∗ (x)
f¨ ur x ∈ E , x∗ ∈ E ∗
wird ein Isomorphismus ιE : E → E ∗∗ von E auf einen Unterraum des algebraischen Bidualraums E ∗∗ ⊆ F (E ∗ , K) definiert. Insbesondere ist also jeder Vektorraum isomorph zu einem Unterraum eines Funktionenraums F(M, K) . Lineare H¨ ullen. F¨ ur eine nichtleere Menge M ⊆ E in einem Vektorraum E wird mit [M ] die lineare H¨ ulle, d. h. der Durchschnitt aller M umfassenden Unterr¨ aume n λj xj | n ∈ N , xj ∈ M , λj ∈ K} die Menge aller von E , bezeichnet. Es ist [M ] = { j=1
Linearkombinationen von Vektoren aus M . Lineare Unabh¨ angigkeit. Eine nichtleere Menge M ⊆ E heißt linear unabh¨ angig, falls f¨ ur n ∈ N , xj ∈ M und λj ∈ K gilt: n
λj xj = 0 ⇒ λ1 = . . . = λn = 0 ;
(1)
j=1
alle anderen Mengen heißen linear abh¨ angig. Basen und Dimension. a) Eine nichtleere Menge B ⊆ E heißt Basis von E , falls sie linear unabh¨ angig ist und [B] = E gilt. Dies ist genau dann der Fall, wenn jeder n Vektor x ∈ E eine eindeutige Darstellung x = λj bj mit bj ∈ B hat. j=1
b) Ein Vektorraum E besitze eine endliche Basis {b1 , . . . , bn } . Dann ist jede Menge n aij bi }n+1 angig. In der Tat hat das zu (1) von (n + 1) Vektoren {xj = j=1 linear abh¨ i=1
aquivalente lineare System ¨ n+1 j=1
λj
n i=1
aij bi = 0 ⇔
n+1
aij λj = 0
f¨ ur i = 1, . . . , n
j=1
von n Gleichungen f¨ ur (n + 1) Unbekannte eine L¨ osung (λ1 , . . . , λn+1 ) = (0, . . . ,0) , was man mit Hilfe des Gaußschen Algorithmus einsieht.
A.1 Lineare Algebra 293
c) Besitzt also E eine endliche Basis, so hat jede Basis von E die gleiche Anzahl von Vektoren, und diese heißt dann die Dimension des Raumes. Man setzt noch dim{0} = 0 und dim E = ∞ , falls E eine unendliche linear unabh¨ angige Menge enth¨ alt. Man kann unendliche Dimensionen auch nach ihrer Kardinalit¨ at unterscheiden (vgl. [K¨ othe 1966], § 7.4), was wir hier aber nicht ben¨ otigen. Satz A.1.1 angige Menge in einem Vektorraum E = {0} . Dann gibt Es sei B0 eine linear unabh¨ es eine Basis B von E mit B0 ⊆ B . Insbesondere besitzt E eine Basis. angig. Im Fall [B0 ] = E gibt es x1 ∈ E\[B0 ] . Dann ist B1 := B0 ∪ {x1 } linear unabh¨ Ist [B1 ] = E , so gibt es x2 ∈ E\[B1 ] , und B2 := B1 ∪ {x2 } ist linear unabh¨ angig. ahrt so fort, bis die so konstruierte Im Fall [B2 ] = E gibt es x3 ∈ E\[B2 ] , und man f¨ ” linear unabh¨ angige Menge den Raum E aufspannt“. Wie in Satz 6.6 und auf S. 163 kann dieses naive“ Erweiterungsargument mit Hilfe ” transfiniter Induktion oder des Zornschen Lemmas pr¨ azisiert werden; beide Instrumente der Mengenlehre sind ¨ aquivalent zu deren Auswahl-Axiom (vgl. auch [K¨ othe 1966], § 2.2). Halbgeordnete Mengen. Eine Halbordnung ist eine Relation ≺ auf einer Menge M mit den Eigenschaften 1i x ≺ x , 2i x ≺ y und y ≺ z ⇒ x ≺ z , 3i x ≺ y und y ≺ x ⇒ x = y . Ein Element s ∈ M heißt obere Schranke von A ⊆ M , falls a ≺ s f¨ ur alle a ∈ A gilt. Eine Menge C ⊆ M heißt total geordnet oder Kette, falls f¨ ur x, y ∈ C stets x ≺ y oder y ≺ x gilt. Schließlich heißt ein Element m ∈ M maximal, falls aus m ≺ x stets x = m folgt. Damit k¨ onnen wir nun formulieren: Lemma A.1.2 (Zorn) Es sei (M, ≺) eine halbgeordnete Menge, in der jede Kette eine obere Schranke hat. Dann besitzt M ein maximales Element. Beweis von Satz A.1.1. Die Menge A aller linear unabh¨ angigen Teilmengen A ⊆ E uglich der Inklusion halbgeordnet. F¨ ur eine Kette C in A ist von E mit B0 ⊆ A ist bez¨
die Menge S := {C | C ∈ C} linear unabh¨ angig: F¨ ur Vektoren x1 , . . . , xn ∈ S gibt es Cj ∈ C mit xj ∈ Cj . Da C eine Kette ist, gibt es C0 ∈ C mit Cj ⊆ C0 und somit ur j = 1, . . . , n . Daher sind die Vektoren x1 , . . . , xn ∈ S linear unabh¨ angig. xj ∈ C0 f¨ Dies gilt dann auch f¨ ur S , und somit ist S eine obere Schranke von C . Nach dem Zornschen Lemma hat dann A ein maximales Element B ∈ A . Gibt es x ∈ E\[B] , so ist die Menge B ∪ {x} linear unabh¨ angig, und man hat einen Widerspruch. Somit ♦ ist [B] = E , und B ist eine Basis von E mit B0 ⊆ B . ¨ ¨ Aquivalenzrelationen. a) Eine Aquivalenzrelation ∼ auf einer Menge M liegt vor, wenn die folgenden Eigenschaften gelten:
294 A Anhang
1i x ∼ x ,
2i x ∼ y ⇒ y ∼ x ,
3i x ∼ y und y ∼ z ⇒ x ∼ z .
¨ b) Durch x ˜ = {y ∈ M | y ∼ x} werden entsprechende Aquivalenzklassen definiert. ¨ Wegen x ∈ x ˜ sind diese nicht leer, und ihre Vereinigung ist ganz M . Zwei Aquivalenzklassen x ˜ und y˜ sind disjunkt oder gleich: Aus z ∈ x ˜ ∩ y˜ folgt n¨ amlich wegen 3i sofort x = y . c) Umgekehrt sei M eine disjunkte Vereinigung von Teilmengen. Nennt man die Ele¨ mente einer dieser Teilmengen ¨ aquivalent, so erh¨ alt man eine Aquivalenzrelation mit ¨ diesen Teilmengen als Aquivalenzklassen. Beispiel.
Es sei m ∈ N eine nat¨ urliche Zahl. Durch a ∼ b : ⇔ b − a ist in Z durch m teilbar
¨ wird eine Aquivalenzrelation auf der Menge Z der ganzen Zahlen definiert. Die Menge ˜ ˜ ¨ Zm = {0, 1, . . . , m − 1} der Aquivalenzklassen hat genau m Elemente; eine solche ¨ Aquivalenzklasse besteht aus Zahlen, die bei Division durch m jeweils den gleichen Rest liefern. Man sieht sofort a ∼ a und b ∼ b ⇒ a + b ∼ a + b und ab ∼ a b ; daher kann man Addition und Multiplikation auf Zm definieren durch
. a ˜ + ˜b := a + b, a ˜˜b := ab Durch diese Operationen wird Zm ein Ring, f¨ ur Primzahlen m ∈ N sogar ein K¨ orper. Rechnungen mit Kongruenzen modulo m“, d. h. mit den Restklassen in Zm , sind ” eine wichtige Methode in der Zahlentheorie. Quotientenr¨ aume und Komplemente. a) Quotientenr¨ aume werden in Kapitel 1 ausf¨ uhrlich erkl¨ art. F¨ ur einen Unterraum V ⊆ E eines Vektorraumes E wird durch x ∼ y :⇔ x − y ∈ V ¨ ¨ eine Aquivalenzrelation auf E defininiert; die Aquivalenzklassen x ˜ := πx := {y ∈ E | y ∼ x} = x + V = {x + v | v ∈ V }
f¨ ur x ∈ E
sind affine Unterr¨ aume von E parallel“ zu V (vgl. Abb. 1.6) und bilden den Quoti” E entenraum Q := /V . Die Quotientenabbildung π : x → x ˜ ist eine lineare Surjektion von E auf Q . b) Direkte Summen werden auf S. 126 erkl¨ art. Ein Unterraum W von E heißt Komplement eines Unterraumes V von E , falls E = V ⊕ W gilt. Satz A.1.3 Jeder Unterraum V von E besitzt ein Komplement, und dieses ist isomorph zu E/V .
A.1 Lineare Algebra 295
Beweis. a) Wir w¨ ahlen mittels Satz A.1.1 eine Basis B von V und erweitern diese zu ur W = [B ] gilt dann offenbar E = V ⊕ W . einer Basis B ∪ B von E . F¨ ur b) Die Einschr¨ ankung der Quotientenabbildung π : E → E/V auf W ist bijektiv: F¨ w ∈ W folgt aus πw = 0 sofort w ∈ V und somit w = 0 wegen V ∩ W = {0} . Zu q ∈ E/V existiert x = v + w ∈ E mit q = πx , und wegen πv = 0 folgt q = πw . ♦ Insbesondere sind alle Komplemente eines Unterraumes V von E zueinander isour ein Komplement von V , so folgt dim W = m morph. Gilt also dim W1 = m ∈ N f¨ f¨ ur alle Komplemente von V .
296 A Anhang
A.2
Metrische R¨ aume und Kompaktheit
In diesem Anhang erl¨ autern wir einige Grundbegriffe der Topologie im Rahmen metrischer R¨ aume. Eine ausf¨ uhrlichere Darstellung findet man etwa in [Kaballo 1997], Kapitel I. Metrische R¨ aume werden in Abschnitt 1.1 eingef¨ uhrt. Wesentliche Beispiele sind Teilmengen normierter R¨ aume. Ein exotisches“ Beispiel einer Metrik ist die durch ” 0 , x=y d(x, y) := 1 , x = y auf einer beliebigen Menge M definierte diskrete Metrik; diese ist gelegentlich zur Konstruktion von Gegenbeispielen n¨ utzlich. Stetige Funktionen. Es seien M , N metrische R¨ aume. Eine Abbildung f : M → N heißt stetig in a ∈ M , falls eine der folgenden ¨ aquivalenten Bedingungen erf¨ ullt ist (vgl. Abb. A.2.1): ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ x ∈ M : d(x, a) < δ ⇒ d(f (x), f (a)) < ε ,
(1)
∀ ε > 0 ∃ δ > 0 : f (Uδ (a)) ⊆ Uε (f (a)) ,
(2)
xn → a ⇒ f (xn ) → f (a)
f¨ ur jede Folge (xn ) in M .
(3)
Weiter heißt f stetig auf M , falls f in jedem Punkt von M stetig ist. C(M, N ) bezeichnet die Menge aller stetigen Abbildungen von M nach N .
N
M a δ
f
f (a) ε
Abb. A.2.1: Stetigkeit einer Abbildung
Gleichm¨ aßige Konvergenz. Es sei N ein metrischer Raum. Eine Folge von Funkaßig auf M gegen f : M → N , falls gilt: tionen fn : M → N konvergiert gleichm¨ ∀ ε > 0 ∃ n0 ∈ N ∀ n ≥ n0 ∀ x ∈ M : d(fn (x), f (x)) < ε .
(4)
angig von Im Gegensatz zur punktweisen Konvergenz muss also n0 = n0 (ε) unabh¨ x ∈ M w¨ ahlbar sein. Bei gleichm¨ aßiger Konvergenz vererbt sich die Stetigkeit auf die Grenzfunktion:
A.2 Metrische R¨ aume und Kompaktheit 297
Satz A.2.1 Es seien M, N metrische R¨ aume, und die Funktionenfolge (fn ) in F(M, N ) konvergiere gleichm¨ aßig auf M gegen f ∈ F (M, N ) . Sind dann alle fn stetig in a ∈ X , so gilt dies auch f¨ ur die Grenzfunktion f . Beweis. Zu ε > 0 gibt es nach (4) ein n0 ∈ N mit d(fn (x), f (x)) < ε f¨ ur n ≥ n0 und ur d(x, a) < δ . x ∈ X . Da fn0 in a stetig ist, gibt es δ > 0 mit d(fn0 (x), fn0 (a)) < ε f¨ F¨ ur diese x folgt dann auch d(f (x), f (a)) ≤ d(f (x), fn0 (x)) + d(fn0 (x), fn0 (a)) + d(fn0 (a), f (a)) < 3ε .
♦
Gleichm¨ aßige Stetigkeit. a) Es seien M , N metrische R¨ aume. Eine Abbildung f : M → N heißt gleichm¨ aßig stetig auf M , falls gilt: ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ x1 , x2 ∈ M : d(x1 , x2 ) < δ ⇒ d(f (x1 ), f (x2 )) < ε .
(5)
Gleichm¨ aßige Stetigkeit bedeutet also, dass in der Stetigkeitsbedingung (1) f¨ ur alle Punkte die gleiche Zahl δ = δ(ε) > 0 gew¨ ahlt werden kann. b) Gleichm¨ aßig stetige Abbildungen sind nat¨ urlich stetig; auf kompakten R¨ aumen M gilt auch die Umkehrung dieser Aussage (Satz A.2.9). Die Funktionen t → 1t auf (0,1) aßig stetig. oder t → t2 auf [0, ∞) sind stetig, aber nicht gleichm¨ c) Gleichm¨ aßig stetige Abbildungen bilden Cauchy-Folgen wieder in Cauchy-Folgen ab; f¨ ur nur stetige Abbildungen ist dies i. a. nicht richtig. Satz A.2.2 Es seien M ein metrischer Raum und A ⊆ M . Die Distanzfunktion (vgl. (1.26)) dA : M → R ,
dA (x) := inf {d(x, a) | a ∈ A} f¨ ur x ∈ M ,
ist gleichm¨ aßig stetig auf M . Beweis. Es seien x, y ∈ M mit d(x, y) > 0 und ε > 0 . Wir w¨ ahlen a ∈ M mit d(x, a) < dA (x) + εd(x, y) und erhalten dA (y) ≤ d(y, a) ≤ d(y, x) + d(x, a) ≤ dA (x) + (1 + ε) d(x, y) , also dA (y) − dA (x) ≤ (1 + ε) d(x, y) . Nun vertauschen wir die Rollen von x und y und erhalten mit ε → 0 | dA (x) − dA (y) | ≤ d(x, y) .
♦
(6)
298 A Anhang
M
b r1 a A
r2
Abb. A.2.2: Punkte a ∈ A◦ , r1 ∈ ∂A ∩ A , r2 ∈ ∂A\A , b ∈ A
Offene und abgeschlossene Mengen. Es seien M ein metrischer Raum und A ⊆ M . Die folgenden Begriffe werden in Abb. A.2.2 veranschaulicht: a) A ⊆ M heißt offen, wenn zu jedem a ∈ A ein ε > 0 mit Uε (a) ⊆ M existiert. b) Die gr¨ oßte offene Teilmenge von A ist gegeben durch das Innere A◦ = {a ∈ A | ∃ ε > 0 : Uε (a) ⊆ A}
(7)
von A ; somit ist A genau dann offen, wenn A = A◦ gilt. c) Der Abschluss einer Menge A ⊆ M ist gegeben durch A = {x ∈ M | ∀ ε > 0 : Uε (a) ∩ A = ∅} ;
(8)
die Menge A heißt abgeschlossen, wenn A = A gilt. Dies ist genau dann der Fall, wenn f¨ ur jede Folge (an ) in A aus an → x ∈ M bereits x ∈ A folgt. Es ist A die kleinste abgeschlossene Obermenge von A . d) Der Rand von A in M ist gegeben durch ∂A = A\A◦ ; er ist stets abgeschlossen. Man hat dann A = A ∪ ∂A und A◦ = A\∂A . urlich offen in M , abgeschlossene Kugeln Bε (a) sind e) Offene Kugeln Uε (a) sind nat¨ abgeschlossen. Mengen, die ihren Rand teilweise enthalten, sind weder offen noch abgeschlossen, so etwa halboffene Intervalle in R . f) Neben anschaulichen Beispielen wie in Abb. A.2.2 gibt es auch unanschaulichere: In R gilt z. B. Q◦ = ∅ und Q = ∂ Q = R . In einem Raum M mit diskreter Metrik ist jede Teilmenge offen und abgeschlossen. g) Die Begriffe offen“ und abgeschlossen“ sind, im Gegensatz zur Vollst¨ andigkeit ” ” oder Kompaktheit, relativ zu einem Oberraum erkl¨ art. So ist etwa (−1,1] in M = R weder offen noch abgeschlossen, in M = (−∞,1] jedoch offen und in M = (−1, ∞) ¨ abgeschlossen. Beide Eigenschaften k¨ onnen also beim Ubergang zu einem gr¨ oßeren Oberraum verloren gehen.
A.2 Metrische R¨ aume und Kompaktheit 299
Im n¨ achsten Abschnitt ben¨ otigen wir die Tatsache, dass offene Mengen im Rn abz¨ ahlbare disjunkte Vereinigungen gewisser halboffener W¨ urfel sind. Genauer gilt mit
Wm := { W =
n '
[2−m aj ,2−m (aj + 1)) | aj ∈ Z } ,
m ∈ N0 :
j=1
Satz A.2.3 ahlbare disjunkte Vereinigung von W¨ urfeln aus Jede offene Menge D ⊆ Rn ist eine abz¨
W := {Wm | m ∈ N0 } . Beweis (vgl. Abb. A.2.3). a) F¨ ur festes m ∈ N0 sind die W¨ urfel aus Wm disjunkt,
n und man hat {W | W ∈ Wm } = R . b) F¨ ur j > k , W ∈ Wj und W ∈ Wk gilt stets W ⊆ W oder W ∩ W = ∅ . c) Man setzt Φ0 := {W ∈ W0 | W ⊆ D} und rekursiv
Φm := { W ∈ Wm | W ⊆ D \ {W | W ∈ Φ1 ∪ . . . ∪ Φm−1 } } .
ahlbares System disjunkter W¨ urfel aus W , die alle Dann ist Φ := ∞ m=0 Φm ein abz¨ in D enthalten sind.
d) Es bleibt D = {W | W ∈ Φ} zu zeigen. Zu einem Punkt a ∈ D gibt es ε > 0 ur 2−j < ε gibt es W ∈ Wj mit a ∈ W und mit {x ∈ Rn | x − a ∞ < ε} ⊆ D . F¨ W ⊆ D . Nach Konstruktion gilt dann W ∈ Φj oder W ⊆ W f¨ ur ein W ∈ Φk mit ♦ 0 ≤ k ≤ j − 1 , und daraus folgt die Behauptung.
D W0
W1
Abb. A.2.3: W¨ urfel Wj ∈ Wj f¨ ur Indizes j = 0 und j = 1
Satz A.2.4 a) Eine Menge A ⊆ M in einem metrischen Raum M ist genau dann abgeschlossen, wenn ihr Komplement Ac = M \A offen ist. b) M und ∅ sind offen und abgeschlossen. c) Beliebige Vereinigungen und endliche Durchschnitte offener Mengen sind offen. d) Beliebige Durchschnitte und endliche Vereinigungen abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen.
300 A Anhang
Dies ist mittels der Definitionen leicht einzusehen. Die Beispiele und
∞
n=1
∞ $
(− n1 , n1 ) = {0}
n=1
[ n1 ,1] = (0,1] zeigen, dass unendliche Durchschnitte offener Mengen i. a. nicht
offen und unendliche Vereinigungen abgeschlossener Mengen i. a. nicht abgeschlossen sind. Es gelten folgende Charakterisierungen der Stetigkeit von Abbildungen: Satz A.2.5 Es seien M, N metrische R¨ aume. F¨ ur eine Abbildung f : M → N sind ¨ aquivalent: (a) f ist stetig auf M . (b) F¨ ur alle A ⊆ M gilt f (A) ⊆ f (A) . (c) F¨ ur abgeschlossene Mengen B ⊆ N ist f −1 (B) in M abgeschlossen. (d) F¨ ur offene Mengen D ⊆ N ist f −1 (D) in M offen. Beweis. (a) ⇒ (b)“ : Zu x ∈ A gibt es eine Folge (an ) in A mit an → x . Es folgt ” f (an ) → f (x) und somit f (x) ∈ f (A) . (b) ⇒ (c)“ : F¨ ur A := f −1 (B) gilt f (A) ⊆ f (A) ⊆ B = B , und daraus folgt ” A ⊆ f −1 (B) = A . (c) ⇒ (d)“ ergibt sich durch Komplementbildung. ” (d) ⇒ (a)“ : Es seien a ∈ M und ε > 0 . Nach (d) ist f −1 (Uε (f (a))) in M offen; ” ♦ somit gibt es δ > 0 mit Uδ (a) ⊆ f −1 (Uε (f (a))) , und es gilt (2). Die Begriffe Kompaktheit und Pr¨ akompaktheit werden zu Beginn von Kapitel 2 eingef¨ uhrt und diskutiert. Wir geben hier Beweise einiger dort formulierter Aussagen:
Satz A.2.6 Es seien M, N metrische R¨ aume und f : M → N stetig. Ist M kompakt, so auch f (M ) ⊆ N . Beweis. Es sei (yn ) eine Folge in f (M ) . Wir w¨ ahlen xn ∈ M mit f (xn ) = yn . Da M kompakt ist, hat (xn ) eine Teilfolge xnj → x ∈ M . Da f stetig ist, folgt ♦ ynj = f (xnj ) → f (x) ∈ f (M ) und somit die Behauptung. Satz A.2.7 Es seien M , N metrische R¨ aume und M kompakt. Ist f : M → N stetig und injektiv, so ist auch die Umkehrabbildung f −1 : f (M ) → M stetig. Beweis. Es sei A ⊆ M abgeschlossen. Nach Satz A.2.5 ist zu zeigen, dass (f −1 )−1 (A) = f (A) in f (M ) abgeschlossen ist. Mit M ist aber A kompakt, und nach Satz A.2.6 gilt dies auch f¨ ur f (A) . Insbesondere ist f (A) abgeschlossen in f (M ) . ♦
A.2 Metrische R¨ aume und Kompaktheit 301
Satz A.2.8 Es seien M ein kompakter metrischer Raum, Y ein normierter Raum und f : M → Y stetig. Dann ist f beschr¨ ankt. Im Fall Y = R besitzt f ein Maximum und ein Minimum, d. h. es gilt: ∃ x1 , x2 ∈ M ∀ x ∈ M : f (x1 ) ≤ f (x) ≤ f (x2 ) .
(9)
Beweis. Es ist f (M ) nach Satz A.2.6 kompakt, insbesondere also beschr¨ ankt. Im Fall Y = R besitzt daher f (M ) ein Supremum und ein Infimum, und wegen der Abgeschlossenheit der Menge f (M ) sind diese sogar Maximum und Minimum. ♦ Satz A.2.9 Es seien M , N metrische R¨ aume, M kompakt und f : M → N stetig. Dann ist f gleichm¨ aßig stetig. Beweis. Ist (5) nicht richtig, so gilt: ∃ ε > 0 ∀ n ∈ N ∃ xn , yn ∈ M : d(xn , yn )
0 gebe es kein endliches ε -Netz. Dann kann man rekursiv ” eine Folge (xn ) in M w¨ ahlen, f¨ ur die stets xn+1 ∈ M \ (Uε (x1 ) ∪ · · · ∪ Uε (xn )) , ur n = m gilt. Offenbar besitzt (xn ) keine Cauchy-Teilfolge. also d(xn , xm ) ≥ ε f¨ ⇒“: Es sei (xn ) eine Folge in M . Zu ε = 1 gibt es Punkte {a1 , . . . , ar } ⊆ M mit ” M ⊆ U1 (a1 ) ∪ . . . ∪ U1 (ar ) ; folglich gibt es mindestens ein ∈ {1, . . . , r} , sodass ur unendlich viele Indizes n ∈ N gilt. Somit existiert eine Teilfolxn ∈ U1 (a ) f¨ (1) (1) (1) (2) ge (xn ) von (xn ) mit d(xn , xm ) ≤ 2 . Genauso findet man eine Teilfolge (xn ) (1) (2) (2) (k+1) ) von von (xn ) mit d(xn , xm ) ≤ 1 , und entsprechend rekursiv Teilfolgen (xn (k) (k+1) (k+1) , xm ) ≤ 2−k+1 . Wie im Beweis von Lemma 2.3 bildet man nun (xn ) mit d(xn (n) (k) die Diagonalfolge (x∗n ) := (xn ) . Da (x∗n )n≥k Teilfolge von (xn ) ist, gilt offenbar ur n, m ≥ k , d. h. (x∗n ) ist eine Cauchy-Teilfolge von (xn ) . ♦ d(x∗n , x∗m ) ≤ 2−k+2 f¨
302 A Anhang
Den Durchmesser einer Menge A in einem metrischen Raum M definieren wir durch Δ(A) := sup {d(x, y) | x, y ∈ A} ∈ [0, ∞] .
Satz A.2.11 Ein metrischer Raum M ist genau dann folgenkompakt, wenn er u ¨berdeckungskompakt ist. Beweis. ⇐“: Es sei (xn ) eine Folge in M . Gibt es zu x ∈ M keine gegen x konver” ur h¨ ochstens gente Teilfolge von (xn ) , so gibt es δ = δ(x) > 0 , sodass xn ∈ Uδ (x) f¨ endlich viele Indizes n ∈ N gilt. Ist dies nun f¨ ur alle x ∈ M der Fall, so kann die ¨ U := {Uδ(x) (x) | x ∈ M } von M keine endliche Teil¨ uberdeckung offene Uberdeckung besitzen. ¨ ⇒“: Nun sei U eine offene Uberdeckung von M . ” i 1 Eine Menge D ⊆ M heiße dick“ (bez¨ uglich U ), falls D in keiner Menge aus U ” enthalten ist. F¨ ur n ∈ N seien nun Dn ⊆ M dicke Mengen mit 0 ≤ Δ(Dn ) < n1 . Man w¨ ahlt xn ∈ Dn ; wegen der Folgenkompaktheit von M besitzt die Folge (xn ) eine konvergente Teilfolge xnj → x ∈ M . Nun gibt es U0 ∈ U und δ > 0 mit U2δ (x) ⊆ U0 . Ist nun j ∈ N so groß, dass xnj ∈ Uδ (x) und n1j < δ gilt, so folgt wegen Δ(Dnj ) < n1j < δ der Widerspruch Dnj ⊆ U2δ (x) ⊆ U0 . 2i Nach 1i gibt es λ > 0 , sodass alle Mengen mit Durchmesser < λ in einer akompakt; zu ε := λ3 gibt Menge aus U enthalten sind. Nach Satz A.2.10 ist M pr¨ es also endlich viele Punkte a1 , . . . , ar ∈ M mit M ⊆ Uε (a1 ) ∪ . . . ∪ Uε (ar ) . Wegen Δ(Uε (aj )) ≤ 2ε < λ gibt es dann Uj ∈ U mit Uε (aj ) ⊆ Uj , und daraus ergibt sich ♦ sofort M ⊆ U1 ∪ . . . ∪ Ur . ¨ Nach dem Beweis von Satz A.2.11 gibt es zu jeder offenen Uberdeckung U eines kompakten Raumes M eine Zahl λ > 0 , sodass alle Mengen mit Durchmesser < λ in einer Menge aus U enthalten sind. Eine solche Zahl λ > 0 heißt Lebesgue-Zahl der ¨ U. Uberdeckung Halbstetige Funktionen wurden auf S. 200 eingef¨ uhrt. Das folgende Resultat ist wichtig f¨ ur die Integrationstheorie (vgl. Satz A.3.3): Satz A.2.12 (Dini) Es seien M ein kompakter metrischer Raum und (fn ) eine Folge oberhalbstetiger Funktionen auf M mit f1 ≥ f2 ≥ . . . ≥ 0 und fn → 0 punktweise auf M . Dann gilt f → 0 gleichm¨ aßig.
A.2 Metrische R¨ aume und Kompaktheit 303
Beweis. Es sei ε > 0 . Zu x ∈ M gibt es nx ∈ N mit fnx (x) < ε . Da die Funktion ur fnx oberhalbstetig ist, gibt es eine offene Umgebung U (x) von x mit fnx (y) < ε f¨ ¨ alle y ∈ U (x) . Die offene Uberdeckung {U (x) | x ∈ M } von M besitzt eine endliche r
r Teil¨ uberdeckung; es gibt also a1 , . . . , ar ∈ M mit M ⊆ U (aj ) . F¨ ur n0 := max naj j=1
j=1
und n ≥ n0 gilt dann 0 ≤ fn (x) < ε f¨ ur alle x ∈ M aufgrund der Monotonie♦ Bedingung.
304 A Anhang
A.3
Maße und Integrale
Es gibt verschiedene Zug¨ ange zur Integrationstheorie; in diesem Anhang stellen wir einen funktionalanalytischen“ Zugang recht ausf¨ uhrlich vor. Zuvor wollen wir zwei ” andere Zug¨ ange knapp skizzieren. Wie in Abschnitt 1.3 nehmen wir zun¨ achst an, dass bereits ein Maß auf einer σ -Algebra gegeben ist: Maßr¨ aume. a) Es sei Ω eine Menge. Ein System Σ von Teilmengen von Ω heißt σ -Algebra, falls gilt: ∞
1i Ω ∈ Σ , 2i E ∈ Σ ⇒ E c := Ω\E ∈ Σ , 3i {Ek }k∈N ⊆ Σ ⇒ E := Ek ∈ Σ . k=1
Die Elemente von Σ heißen (Σ )-messbare Mengen. Offenbar gilt auch ∅ ∈ Σ , und Σ ist auch stabil unter der Bildung abz¨ ahlbarer Durchschnitte. b) Eine Abbildung μ : Σ → [0, ∞] heißt (positives) Maß auf Σ , wenn sie σ -additiv
ist, d.h. wenn f¨ ur eine disjunkte Folge (Ek )k∈N in Σ und E := ∞ k=1 Ek gilt: ∞ μ(Ek ) . μ(E) = k=1
Das Tripel (Ω, Σ, μ) heißt dann Maßraum, den man oft kurz als Ω schreibt. c) Ein einfaches Beispiel ist das Z¨ ahlmaß auf einer Menge Ω , das jeder Teilmenge von Ω die Anzahl ihrer Elemente zuordnet. a) F¨ ur eine Menge M ⊆ Ω wird die charakteristische Funk 1 , t∈M tion von M definiert durch χM : t → . Der Raum der einfachen 0 , t ∈ M Funktionen auf Ω bez¨ uglich Σ ist gegeben durch die lineare H¨ ulle E = E(Ω, Σ) = asst sich in der Form [χE | E ∈ Σ] . Jede Funktion ∈ E l¨ Einfache Funktionen.
r
=
αj χEj
(1)
j=1
mit disjunkten Mengen Ej ∈ Σ schreiben. c) F¨ ur eine Funktion ∈ E wie in (1) mit ≥ 0 setzt man
Ω
dμ :=
r
αj μ(Ej ) ∈ [0, ∞]
(2)
j=1
mit der Konvention 0 · ∞ = 0“. ” Messbare und integrierbare Funktionen. a) Es sei Y ein metrischer Raum. Eine Funktion f : Ω → Y heißt (Σ )-messbar, wenn f −1 (D) ∈ Σ f¨ ur jede offene Menge D ⊆ Y gilt. Mit M = M(Ω, Σ) bezeichnen wir den Raum der (Σ )-messbaren Funktionen von Ω nach C .
A.3 Maße und Integrale 305
b) F¨ ur eine messbare Funktion f : Ω → [0, ∞) definiert man durch
Ω
f dμ := sup { Ω dμ | ∈ E , 0 ≤ ≤ f } ∈ [0, ∞]
das Integral von f bez¨ uglich des Maßes μ . c) Eine messbare Funktion f ∈ M heißt integrierbar, wenn diesem Fall schreiben wir f = u1 − u2 + i(u3 − u4 )
Ω
(3)
| f | dμ < ∞ gilt. In
mit 0 ≤ uj ∈ M
(4)
und setzen
Ω
f dμ :=
Ω
u1 dμ −
Ω
u2 dμ + i( Ω u3 dμ − Ω u4 dμ) ∈ C .
(5)
Mit L1 (μ) = L1 (Ω, Σ, μ) bezeichnen wir die Menge der integrierbaren Funktionen auf Ω . Diese ist ein Vektorraum, und das Integral ist eine positive Linearform auf L1 (μ) . Eine ausf¨ uhrliche Darstellung des soeben skizzierten Zugangs zum Integralbegriff findet man in [Rudin 1974]. Interessante Beispiele von σ -Algebren und Maßen sind nicht offensichtlich, lassen sich aber aus realistischen Vorgaben“ konstruieren. Dazu zwei wichtige Beispiele: ” ' n ist ein Produkt von Intervallen, Lebesgue-Maß. Ein Quader Q = n j=1 Ij in R wobei auch einpunktige Ij zugelassen sind. Das anschauliche“ Volumen ist gegeben ” durch das Produkt der L¨ angen dieser Intervalle: λ(Q) :=
n '
| Ij | ∈ [0, ∞] .
(6)
j=1
Zu konstruieren ist dann eine Fortsetzung von λ zu einem Maß auf einer σ -Algebra in Rn . Unter der Zusatzannahme der Translationsinvarianz existiert im Wesentlichen genau ein solches Maß, das Lebesgue-Maß λ = λn auf Rn . Produktmaß. Gegeben seien zwei Maßr¨ aume (Ω1 , Σ1 , μ1 ) und (Ω2 , Σ2 , μ2 ) . Zu konstruieren ist das Produktmaß μ = μ1 × μ2 auf dem Produkt Ω = Ω1 × Ω2 mit μ(E1 × E2 ) := μ1 (E1 ) μ2 (E2 )
f¨ ur Ej ∈ Σj .
(7)
Die beiden Konstruktionsaufgaben k¨ onnen mit einer auf C. Carath´eodory (1914) zur¨ uckgehenden Erweiterungsmethode gel¨ ost werden. Das Lebesgue-Maß auf Rn ist ur eine messbare dann das n -fache Produkt von Lebesgue-Maßen auf R . Weiter kann f¨ Funktion 0 ≤ f ∈ M(Ω, Σ) das Integral an Stelle von (3) dann auch durch
Ω
f dμ := (μ × λ1 )({(t, s) ∈ Ω × R | 0 ≤ s ≤ f (t)}) ∈ [0, ∞] ,
306 A Anhang
d. h. durch das Volumen unter dem Graphen von f “ definiert werden (vgl. ” Abb. A.3.1). Eine ausf¨ uhrliche Darstellung dieses Zugangs zur Maß- und Integrationstheorie findet man in [Storch und Wiebe 1993]. F¨ ur weitreichende moderne Methoden zur Maßerweiterung verweisen wir auf [K¨ onig 1997].
R
Γ(f )
Ω Abb. A.3.1: Volumen unter einem Graphen
A.3.1
Fortsetzung elementarer Integrale
Wir wollen hier nun eine andere, mehr funktionalanalytische“ Methode ausf¨ uhrlicher ” skizzieren. Ausgehend von elementaren Daten wie in den obigen beiden Beispielen konstruieren wir zuerst das Integral mittels Satz 3.5 und erhalten daraus das Maß durch Integration charakteristischer Funktionen. Wir folgen im Wesentlichen den Darstellungen in [Hoffmann und Sch¨ afke 1992] und [Kaballo 1999]. Pr¨ a-Ringe und Inhalte. a) Es sei Ω eine Menge. Ein System P von Teilmengen von Ω heißt Pr¨ a-Ring, falls f¨ ur A, B ∈ P die Differenzmenge A\B endliche disjunkte Vereinigung von Mengen aus P ist. a-Ring in Ω , wenn ∅ ∈ P gilt und zu Mengen b) Ein System P ist genau dann ein Pr¨ A1 , . . . , Ar ∈ P disjunkte Mengen C1 , . . . , Cs ∈ P existieren, sodass jedes Aj die (disjunkte) Vereinigung gewisser Ck ist. Diese Aussage heißt Zerlegungseigenschaft von P , vgl. Abb. A.3.2. c) F¨ ur ein System P in Ω bezeichnen wir mit R(P) das System aller endlichen disjunkten Vereinigungen von Mengen aus P . Das System P ist genau dann ein Pr¨ aur A, B ∈ R(P) Ring in Ω , wenn R(P) ein Ring von Mengen in Ω ist, d. h. wenn f¨ auch A ∩ B , A ∪ B und A\B in R(P) liegen. Die Aussagen b) und c) sind leicht einzusehen. d) Eine Abbildung μ : P → [0, ∞) heißt Inhalt auf P , wenn sie additiv ist, d.h. wenn
f¨ ur disjunkte Mengen A1 , . . . , Ar ∈ P und A := rk=1 Ak ∈ P gilt: μ(A) =
r k=1
μ(Ak ) .
A.3 Maße und Integrale 307
e) Beachten Sie, dass ein Inhalt im soeben definierten Sinn stets endliche Werte hat. F¨ ur ein Maß μ auf einer σ -Algebra Σ erh¨ alt man einen Inhalt durch Einschr¨ ankung auf den Ring Σe (μ) := {A ∈ Σ | μ(A) < ∞} , der nur im Fall μ(Ω) < ∞ mit Σ u ¨bereinstimmt.
C1
C2
C3
C4
A2 C5
C6
C7
A1
Abb. A.3.2: Zerlegungen
Beispiele. a) Das System Q aller beschr¨ ankten Quader in Rn ist ein Pr¨ a-Ring, und das anschauliche“ Volumen λ : Q → [0, ∞) aus (6) ist ein Inhalt. ” b) F¨ ur zwei Maßr¨ aume (Ω1 , Σ1 , μ1 ) und (Ω2 , Σ2 , μ2 ) ist das System
P := {A1 × A2 | Aj ∈ Σj mit μj (Aj ) < ∞} aller Produktmengen endlichen Maßes ein Pr¨ a-Ring (vgl. Abb. A.3.2), und durch (7) wird ein Inhalt μ : P → [0, ∞) definiert. Treppenfunktionen. a) Der Raum der Treppenfunktionen auf Ω bez¨ uglich P ist gegeben durch T = T (Ω, P) = [χA | A ∈ P] . Aus φ ∈ T folgt auch | φ | ∈ T . r αj χAj mit Aj ∈ P ist das elementare Integral b) F¨ ur φ = j=1
Iμ (φ) :=
Ω
φ dμ :=
r
αj μ(Aj ) ∈ C
(8)
j=1
aufgrund der Zerlegungseigenschaft von Pr¨ a-Ringen wohldefiniert. Es liefert eine posiur φ ∈ T . tive Linearform I = Iμ : T (Ω, P) → C mit | I(φ) | ≤ I(| φ |) f¨ c) F¨ ur eine Menge M ⊆ Ω gilt χM ∈ T ⇔ M ∈ R(P) , und daher hat man auch T = T (Ω, R(P)) . Durch μR (M ) := Ω χM dμ wird μ zu einem Inhalt auf R(P) fortgesetzt. d) F¨ ur eine Funktion f : Ω → C bezeichnen wir mit tr f := {t ∈ Ω | f (t) = 0} den Tr¨ ager von f . F¨ ur φ ∈ T gilt tr φ ∈ R(P) . Beachten Sie, dass im Fall eines metrischen Raumes Ω der auf S. 32 definierte Tr¨ ager supp f der Abschluss von tr f in Ω ist.
308 A Anhang
Nun soll das elementare Integral mittels Satz 3.5 auf einen gr¨ oßeren vollst¨ andigen ur ist die Wahl einer geeigneten Funktionenraum L1 (Ω, P, μ) fortgesetzt werden; daf¨ Halbnorm wesentlich. F¨ ur eine Menge F von C -wertigen Funktionen bezeichnen wir + mit F die Menge der Funktionen in F mit Werten in [0, ∞) .
Definitionen. a) Eine Reihe φk von positiven Treppenfunktionen φk ∈ T + heißt μ -Majorante einer Funktion f : Ω → C , falls ∞
I(φk ) < ∞
und
| f (t) | ≤
k=1
∞
φk (t)
(9)
k=1
f¨ ur die t ∈ Ω gilt, f¨ ur die diese Reihe konvergiert. Die Zahl
∞
I(φk ) ≥ 0 heißt dann
k=1
μ -Obersumme von f . ur die b) Mit L = L(Ω, P, μ) bezeichnen wir die Menge aller Funktionen f : Ω → C , f¨ eine μ -Majorante existiert. c) F¨ ur f ∈ L wird die μ -Halbnorm oder μ -Integralnorm definiert als Infimum aller μ -Obersummen: f μ :=
∗ Ω
| f (t) | dμ := inf
∞
Iμ (φk ) |
φk ist μ−Majorante von f
.
(10)
k=1
Bemerkungen. a) Die zweite Bedingung in (9) ist im Fall der Divergenz von ∞ ∞ φk (t) automatisch erf¨ ullt. Wegen I(φk ) < ∞ kann diese Reihe allerdings k=1
k=1
h¨ ochstens auf einer Nullmenge divergent sein, vgl. Satz A.3.4. b) F¨ ur eine Funktion f : Ω → C gilt f ∈ L ⇔ | f | ∈ L und f μ = | f | μ in diesem Fall. Die Existenz einer μ -Majorante zu f ist eine reine Wachstumsbedingung an f und impliziert keinerlei Glattheitseigenschaften. c) F¨ ur f ∈ L und eine beschr¨ ankte Funktion g : Ω → C gilt auch f g ∈ L und
∗ Ω
| f (t)g(t) | dμ ≤ g sup
∗ Ω
| f (t) | dμ .
(11)
d) Es ist L ein Vektorraum, auf dem durch (10) eine Halbnorm definiert wird. Wichtig ist die folgende abz¨ ahlbare Version“ der Dreiecks-Ungleichung: ” Satz A.3.1 ∞ Es seien (gk ) eine Folge in L mit gk μ < ∞ und f : Ω → C eine Funktion mit | f (t) | ≤ f μ ≤
∞ k=1
∞
k=1
| gk (t) | f¨ ur alle t ∈ Ω . Dann folgt auch f ∈ L , und man hat
k=1
gk μ .
A.3 Maße und Integrale 309
Beweis. Zu ε > 0 hat gk ∈ L eine μ -Majorante Es folgt | f | ≤
∞
| gk | ≤
∞ ∞ k=1 j=1
k=1
(k)
φj
und
j
∞ ∞
(k)
φj
mit
(k)
∞
j=1 ∞
I(φj ) ≤
k=1 j=1
(k)
I(φj ) ≤ gk λ +
ε 2k
gk λ + ε . Daraus
k=1
folgt die Behauptung mit ε → 0 durch Anordnen der Doppelreihen positiver Terme zu einfachen Reihen. ♦ Nullmengen und Nullfunktionen. a) Eine Menge N ⊆ Ω heißt μ -Nullmenge, falls f¨ ur ihre charakteristische Funktion χN μ = 0 gilt. Mit N = N(Ω, P, μ) bezeichnen wir das System aller Nullmengen in Ω . b) Eine Eigenschaft gilt μ -fast u ¨berall (μ -f. u ¨.) auf Ω , falls sie außerhalb einer μ Nullmenge gilt. c) Wegen Satz A.3.1 sind abz¨ ahlbare Vereinigungen von Nullmengen wieder Nullmengen. ur N := {t ∈ Ω | h(t) = 0} d) Ist h ∈ L1 mit h μ = 0 , so gilt h = 0 fast u ¨berall. F¨ ∞ | h | und somit χN μ = 0 aufgrund von Satz A.3.1. gilt in der Tat χN ≤ k=1
e) Umgekehrt seien N eine Nullmenge und h : N → C eine beliebige Funktion. F¨ ur ∞ die durch 0 auf ganz Ω fortgesetzte Funktion gilt dann | h | ≤ χN und somit k=1
h μ = 0 wiederum nach Satz A.3.1. Wie in (1.18) bezeichnen wir den Raum der u.} . Nullfunktionen mit N = N (Ω, P, μ) = {f : Ω → C | f (t) = 0 μ-f.¨ ∞ f) Satz A.3.1 gilt auch dann, wenn die Absch¨ atzung | f (t) | ≤ | gk (t) | nur f¨ ur fast k=1
alle t ∈ Ω vorausgesetzt wird; um dies einzusehen, ¨ andert man f auf der Ausnahmemenge einfach zu 0 ab. aß Satz Zur Fortsetzung des Integrals Iμ : T → C auf den Abschluss von T in L gem¨ 3.5 ben¨ otigen wir eine Stetigkeitsabsch¨ atzung. Dazu gilt der folgende Satz A.3.2 F¨ ur einen Inhalt μ auf einem Pr¨ a-Ring P in einer Menge Ω sind ¨ aquivalent: (a) Der Inhalt μ ist σ -additiv auf dem Pr¨ a-Ring P . (b) Der Inhalt μR ist σ -additiv auf dem Ring R(P) . ur n ∈ N und (c) F¨ ur jede Folge (Mn ) in R(P) mit Mn+1 ⊆ Mn f¨ gilt μR (Mn ) → 0 .
$∞ n=1
Mn = ∅
(d) F¨ ur jede monoton fallende punktweise gegen 0 konvergente Folge φn ↓ 0 in T gilt Iμ (φn ) → 0 . ur alle φ ∈ T . (e) Es gilt | Iμ (φ) | ≤ φ μ f¨
.
310 A Anhang
(f ) Es gilt die Aussage | Iμ (φ) | ≤ Iμ (| φ |) = φ μ
f¨ ur alle φ ∈ T .
(12)
Beweis. (a) ⇒ (b)“ ergibt sich leicht mittels Zerlegungen. ” ∞ μR (Dj ) = μR (M1 ) < ∞ , und daraus folgt (b) ⇒ (c)“: Mit Dj := Mj \Mj+1 gilt ” j=1 ∞ μR (Mn ) = μR (Dj ) → 0 . j=n
(c) ⇒ (d)“: Zu ε > 0 sei Mn := {t ∈ Ω | φn (t) > ε} ∈ R(P) . Dann gilt Mn+1 ⊆ Mn ” ∞ $ und Mn = ∅ , nach (c) also μR (Mn ) → 0 . Weiter ist φn ≤ ε χtr φ1 + φ1 sup χMn n=1
und somit I(φn ) ≤ ε μR (tr φ1 ) + φ1 sup μR (Mn ) ≤ ε (μR (tr φ1 ) + φ1 sup ) f¨ ur gen¨ ugend große n ≥ n0 .
∞ ∞ φk (t) f¨ ur φk ∈ T + und I(φk ) < ∞ . F¨ ur die (d) ⇒ (e)“: Es sei | φ(t) | ≤ ” k=1 k=1 n Funktionen ψn := min{ φk , | φ |} ∈ T + gilt dann 0 ≤ | φ | − ψn ↓ 0 , nach (d) also k=1
| I(φ) | ≤ I(| φ |) =
lim I(ψn ) ≤
n→∞
∞
I(φk ) .
k=1
(e) ⇒ (f)“: Die umgekehrte Ungleichung φ μ ≤ I(| φ |) ist klar nach (10). ” (f) ⇒ (a)“ wird sich aus dem Satz von B. Levi A.3.4 in Satz A.3.9 ergeben. ”
♦
¨ Die obigen Aquivalenzen sind [Hoffmann und Sch¨ afke 1992] entnommen, ebenso der kurze Beweis des folgenden wichtigen Resultats: Satz A.3.3 F¨ ur das anschauliche“ Volumen λ : Q → [0, ∞) auf den beschr¨ ankten Quadern des ” Rn sind die Bedingungen (a)–(f ) aus Satz A.3.2 erf¨ ullt. Beweis. a) Wir zeigen Bedingung (d) f¨ ur n = 1 ; der Fall n ∈ N ergibt sich daraus leicht mittels Bemerkung c) u ¨ber Produktmaße auf S. 319 durch Induktion. b) Es sei also φn ↓ 0 eine monoton fallende Folge von Treppenfunktionen, die auf R punktweise gegen 0 konvergiert. Es gibt ein kompaktes Intervall [a, b] ⊆ R mit ur alle n ∈ N und C > 0 mit 0 ≤ φn ≤ C f¨ ur alle n ∈ N . tr φn ⊆ [a, b] f¨ ∞ c) Es sei ε > 0 . Wir w¨ ahlen offene Intervalle Ik mit λ(Ik ) < Cε , die die Sprungk=1
stellen aller φn enthalten. Dabei sollen I1 , . . . , Ik1 die Sprungstellen von φ1 enthalten, Ik1 +1 , . . . , Ik2 diejenigen von φ2 usw. Nun setzen wir Jn := I1 ∪ . . . ∪ Ikn und ψn := φn · (1 − χJn ) ∈ T (vgl. Abb. A.3.3).
A.3 Maße und Integrale 311
d) Dann gilt noch ψn ↓ 0 und R φn (t) dλ ≤ R ψn (t) dλ+ε f¨ ur alle n ∈ N . Die Funktionen ψn sind oberhalbstetig, und daher liefert der Satz von Dini A.2.12 ψn sup → 0 . ur n ≥ n0 , also Somit gibt es n0 ∈ N mit R φn (t) dλ ≤ R ψn (t) dλ + ε ≤ 2ε f¨ φ (t) dλ → 0 . ♦ R n
φ1
ψ1 Abb. A.3.3: Funktionen φ1 und ψ1
Es sei μ ein Inhalt auf einem Pr¨ a-Ring P mit Eigen-
Integrierbare Funktionen. schaft (12).
a) Der Raum L1 = L1 (Ω, P, μ) der μ -integrierbaren Funktionen auf Ω wird definiert als Abschluss von T (Ω, P, μ) in (L(Ω, P, μ), μ ) . Eine Funktion f ∈ L liegt also genau dann in L1 , wenn es eine Folge (ψj ) in T gibt mit f − ψj μ → 0 . b) Nach Satz 3.5 hat das Integral Iμ eine eindeutig bestimmte stetige lineare Fortsetzung Iμ : L1 (Ω, P, μ) → C mit Iμ = 1 ; wir schreiben
Ω
f dμ :=
Ω
f (t) dμ(t) := Iμ (f )
f¨ ur f ∈ L1 .
Aus f ∈ L1 folgt stets auch | f | ∈ L1 , und wegen (12) gilt
Ω
Beispiele.
| f (t) | dμ(t) =
∗ Ω
| f (t) | dμ(t) = f μ
f¨ ur f ∈ L1 .
a) Das Integral Iλ : L1 (Rn , Q, λ) → C auf Rn heißt Lebesgue-Integral.
b) Es sei f ∈ Cc (Rn ) eine stetige Funktion mit kompaktem Tr¨ ager supp f ⊆ Q ∈ Q (vgl. S. 34). Da f gleichm¨ aßig stetig ist (vgl. Satz A.2.9), gibt es eine Folge (ψj ) in T (Rn , Q, λ) mit f − ψj sup → 0 , also auch f − ψj λ ≤ λ(Q) f − ψj sup → 0 . Somit gilt Cc (Rn ) ⊆ L1 (Rn , Q, λ) . c) Es ist T dicht in L1 nach Definition. F¨ ur Q ∈ Q und ε > 0 gibt es offenbar ϕ ∈ Cc (Rn ) mit Rn | χQ − ϕ | dλ < ε (vgl. Abb. A.3.4) und daher ist auch Cc (Rn ) dicht in L1 (Rn , Q, λ) .
312 A Anhang
1 ϕ
χ[a, b] a−ε a
b b+ε
Abb. A.3.4: Approximation von χ[a,b]
A.3.2
Konvergenzs¨ atze
Im Folgenden sei μ stets ein Inhalt auf einem Pr¨ a-Ring P mit Eigenschaft (12). Die Konvergenzs¨ atze der Integrationstheorie beruhen auf dem bereits durch Satz A.3.1 vorbereiteten Satz A.3.4 (B. Levi) ∞ ∗ Es sei (gk ) eine Folge in L(Ω, P, μ) mit | gk (t) | dμ < ∞ . Dann gilt: Ω k=1
∞
a) Die Reihe
| gk (t) | konvergiert μ -fast u ¨berall.
k=1
b) Es sei g : Ω → C eine Funktion mit g(t) = g ∈ L(Ω, P, μ) und g −
n
∞
gk (t) μ -fast u ¨berall. Dann gelten
k=1
gk μ → 0 .
k=1
ur alle k ∈ N , so folgt auch g ∈ L1 (Ω, P, μ) und c) Gilt gk ∈ L1 (Ω, P, μ) f¨
g(t) dμ = Ω
Beweis. a) F¨ ur D := {t ∈ Ω |
∞
∞ k=1
Ω
gk (t) dμ . ∞
| gk (t) | = ∞} ist χD ≤
k=1
und aus Satz A.3.1 folgt χD μ ≤
∞
| gk | f¨ ur alle n ∈ N ,
k=n+1
gk μ → 0 f¨ ur n → ∞ , also χD μ = 0 .
k=n+1
b) Nach Satz A.3.1 gilt g ∈ L , und wegen g − auch g −
n k=1
gk μ ≤
∞
n k=1
gk =
∞
gk μ -f. u ¨. ergibt sich
k=n+1
gk μ → 0 .
k=n+1
c) folgt sofort aus b) und der Stetigkeit des Integrals Iμ : L1 → C .
♦
Folgerungen. a) Aus dem Satz von B. Levi ergibt sich mittels Satz 1.6 die aume L(Ω, P, μ) Vollst¨ andigkeit der R¨ aume L(Ω, P, μ) und L1 (Ω, P, μ) sowie der R¨ ¨ modulo Nullfunktionen. und L1 (Ω, P, μ) von Aquivalenzklassen b) Weiter besitzt eine in L konvergente Folge eine fast u ¨berall konvergente Teilfolge, muss aber nicht selbst f. u ¨. konvergent sein. c) Aus (10) und dem Satz von B. Levi ergibt sich ∗ | f (t) | dμ = inf { Ω h(t) dμ | | f | ≤ h ∈ L1 } Ω
f¨ ur f ∈ L .
(13)
A.3 Maße und Integrale 313 ∞ Zum Beweis von ≥ “ sei ε > 0 gegeben. Wir w¨ ahlen h = φk f¨ ur eine μ -Majorante ” k=1 ∞ Iμ (φk ) ≤ f μ + ε ; nach Satz A.3.4 gilt dann h ∈ L1 . von f mit k=1
Das folgende Resultat ist im Wesentlichen eine Umformulierung des Satzes von B. Levi: Satz A.3.5 (¨ uber monotone Konvergenz) Es sei (fn ) eine Folge reellwertiger L1 -Funktionen, die μ -f. u achst und ¨. monoton w¨ sup Ω fn (t) dμ =: C < ∞ (14) n∈N
erf¨ ullt. Dann konvergiert (fn (t)) μ -f. u ¨. gegen eine Funktion f ∈ L1 , und es gilt f (t) dμ = lim Ω fn (t) dμ . (15) Ω n→∞
Beweis. Wir setzen g1 := f1 und gk := fk − fk−1 f¨ ur k ≥ 2 . F¨ ur n ∈ N gilt dann n k=1
Ω
| gk (t) | dμ
= = ≤
also
∞ k=1
Ω
| f1 (t) | dμ +
n
(fk − fk−1 )(t) dμ | f1 (t) | dμ + Ω fn (t) dμ − Ω f1 (t) dμ Ω 2 Ω | f1 (t) | dμ + C , Ω
| gk (t) | dμ < ∞ . Wegen fn =
k=2
n
Ω
gk folgt dann die Behauptung aus dem
k=1
Satz von B. Levi.
♦
Dieser Satz gilt entsprechend f¨ ur monoton fallende Funktionenfolgen. Auf monotone ∗ Funktionenfolgen in L ist der Beweis nicht erweiterbar, da Ω auf L+ nicht additiv ist. Lemma A.3.6 Es seien g ∈ L1 (μ, R) und (fn ) eine Folge in L1 (μ, R) mit g(t) ≤ fn (t) μ -f. u ur ¨. f¨ alle n ∈ N . Dann existiert μ -f. u ¨. F (t) := inf fn (t) , und man hat F ∈ L1 (μ) . n∈N
n
Beweis. Es ist Fn := min fk ∈ L1 (μ) , da dieser Raum mit f auch | f | enth¨ alt. Nun k=1 ur gilt μ -fast u ¨berall F1 ≥ F2 ≥ . . . ≥ g , also auch Ω Fn (t) dμ ≥ Ω g(t) dμ > −∞ f¨ alle n ∈ N . Nach dem Satz u ¨ber monotone Konvergenz existiert daher das Infimum ♦ F (t) = lim Fn (t) = inf fn (t) μ -fast u ¨berall, und es gilt F ∈ L1 (μ) . n→∞
n∈N
Lemma A.3.7 (Fatou) Es sei (fn ) eine Folge in L1 (μ, R) mit sup Ω fn (t) dμ =: C < ∞ , n∈N
(14)
314 A Anhang
und es gebe g ∈ L1 (μ, R) mit g(t) ≤ fn (t) μ -f. u ur alle n ∈ N . Dann existiert ¨. f¨ f (t) := lim inf fn (t) μ -f. u ¨., es ist f ∈ L1 (μ) , und es gilt
Ω
f (t) dμ ≤ lim inf
Ω
fn (t) dμ .
(16)
Beweis. Nach Lemma A.3.6 existiert μ -fast u ¨berall Fn (t) := inf fk (t) , und es k≥n gilt Fn ∈ L1 (μ, R) . Wegen Fn ≤ fn ist Ω Fn (t) dμ ≤ C f¨ ur alle n ∈ N . Wegen Fn ≤ Fn+1 existiert nach Satz A.3.5 lim Fn (t) = lim inf fn (t) =: f (t) μ -f. u ¨., und n→∞ ♦ man hat f ∈ L1 (μ) sowie Ω f (t) dμ = lim Ω Fn (t) dμ ≤ lim inf Ω fn (t) dμ . n→∞
Die Ungleichung in (16) kann durchaus echt sein. Dazu setzt man einfach f2n = χ[0,1] und f2n+1 = χ[2,3] ; dann gilt lim inf fn (t) = 0 f¨ ur alle t ∈ R , aber R fn (t) dt = 1 f¨ ur alle n ∈ N . Satz A.3.8 (von Lebesgue u ¨ ber majorisierte Konvergenz) Es sei (fn ) eine Folge in L1 (μ) mit L1 -Majorante, d. h. ∃ g ∈ L1 (μ) ∀ n ∈ N : | fn (t) | ≤ g(t) μ − f. u ¨.
(17)
Weiter existiere lim fn (t) =: f (t) μ -fast u ¨berall. Dann folgen f ∈ L1 (μ) , n→∞
lim
n→∞ Ω
lim
| fn (t) − f (t) | dμ = 0
n→∞ Ω
fn (t) dμ =
Ω
und
f (t) dμ .
(18)
(15)
Beweis. Durch Anwendung des Lemmas von Fatou auf (Re fn ) und (Im fn ) erh¨ alt man sofort f ∈ L1 (μ) . Wegen −2g ≤ −| fn − f | ≤ 0 μ -f. u ¨. liefert dieses weiter ♦ 0 ≤ lim inf − Ω | fn (x) − f (x) | dμ(x) , also (18) und dann auch (15).
A.3.3
Messbare Mengen und Funktionen
Es sei weiterhin μ stets ein Inhalt auf einem Pr¨ a-Ring P mit Eigenschaft (12). Integrierbare und messbare Mengen. a) Eine Menge A ⊆ Ω heißt (μ -) integrierbar, A ∈ I = I(Ω, P, μ) , falls χA ∈ L1 (μ) gilt; das Maß von A wird dann definiert durch μ(A) := Ω χA (t) dμ . (19) ur alle A ∈ I b) Eine Menge E ⊆ Ω heißt (μ -) messbar, E ∈ M = M(Ω, P, μ) , falls f¨ auch A ∩ E ∈ I gilt. F¨ ur E ∈ M\I setzen wir μ(E) = +∞ . Satz A.3.9 Es ist M(Ω, P, μ) eine σ -Algebra in Ω , und μ ist ein Maß auf M(Ω, P, μ) .
A.3 Maße und Integrale 315
Beweis. a) Es ist I ein Ring: F¨ ur A, B ∈ I sieht man leicht χA∩B = χA · χB ∈ L1 , und dann folgt auch χA∪B = χA + χB − χA∩B ∈ L1 und χA\B = χA − χA∩B ∈ L1 . ur E ∈ M und A ∈ I hat man E c ∩ A = A\(A ∩ E) ∈ I , b) Offenbar gilt Ω ∈ M . F¨ also auch E c ∈ M .
ur n ∈ N betrachten wir c) Es seien (Ek ) eine Folge in M , E = ∞ k=1 Ek und A ∈ I . F¨
n ur n ≥ 2 . Mit D1 := C1 = A1 Cn := k=1 (A ∩ Ek ) ∈ I sowie Dn := Cn \Cn−1 ∈ I f¨
gilt dann auch A ∩ E = ∞ n=1 Dn , wobei diese Vereinigung disjunkt ist. Daher folgt ∞ m χA∩E = χDn , und wegen χDn ≤ χA f¨ ur alle m ∈ N ergibt sich χA∩E ∈ L1 n=1
n=1
aus dem Satz von B. Levi oder dem Satz u ¨ber monotone Konvergenz.
d) Nun sei (Ek ) eine disjunkte Folge in M und E = ∞ k=1 Ek ; wie in c) gilt dann ∞ ∞ ∞ χEk . Ist μ(Ek ) < ∞ , so folgen E ∈ I und μ(E) = μ(Ek ) aus dem χE = k=1
k=1
k=1
Satz von B. Levi. Umgekehrt folgt aus μ(E) < ∞ sofort auch alle n ∈ N , also
∞
n
μ(Ek ) ≤ μ(E) f¨ ur
k=1
μ(Ek ) < ∞ . Somit ist μ σ -additiv auf M .
♦
k=1
Vollst¨ andige Maßr¨ aume. Der Maßraum (Ω, M, μ) ist vollst¨ andig, d. h. Teilmengen von Nullmengen in M liegen ebenfalls in M und sind Nullmengen. Dieser Begriff ist nicht mit dem der Vollst¨ andigkeit bei metrischen R¨ aumen zu verwechseln! Lebesgue-messbare Mengen. integrierbar. F¨ ur die Funktionen ηn : t →
a) Kompakte Mengen K ⊆ Rn sind Lebesgue-
1 − n dK (t)
,
dK (t)