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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Science Fiction Spezial
Visionen 3
'Visionen' ist eine kost...
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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Science Fiction Spezial
Visionen 3
'Visionen' ist eine kostenlose Science Fiction Anthologie von www.WARP-online.de, dem Fantastik Magazin. Alle Rechte der Geschichten und Bilder verbleiben bei den jeweiligen Autoren und Künstlern.
Visionen 3 Copyright 2003 WARP-online Herausgeber: www.WARP-online.de Satz und Layout: Bernd Timm Alle Texte und Bilder sind bereits jeweils einzeln bei www.WARP-online.de erschienen und zur Veröffentlichung durch WARP-online freigegeben. Die Magazin-Reihe ist eine Sammlung von Beiträgen, die zusätzlichen Kreis interessierter Leser anspricht und die Namen der Autoren und Künstler bekannter macht. Weder das Fehlen noch das Vorhandensein von Warenzeichenkennzeichnungen berührt die Rechtslage eingetragener Warenzeichnungen.
1000 Seiten Fantastik www.WARP-online.de bringt das ganze Spektrum der Fantastik: Bilder, Geschichten, Artikel, Projekte, Reportagen, Interviews, Wissenschaft, Comic, Kostüme, SF-Kabarett, Lyrik, Film-& TV-Projekte, Modelle und mehr!
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Inhalt Cover von Dave Edwards Plan 10 aus dem Weltall (Eine Geschichte aus der B-Welt)
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von Klaus Vor der Landwehr Außerirdische sind mit einem UFO eingetroffen und wollen die Menschheit unterwerfen. Es ist nicht ihr erster Versuch, und diesmal geht es um Spinnen. Andreia Webber ist ihr erstes Opfer, doch die Buchhändlerin entwickelt beeindruckende Widerstandskräfte.
Locked in
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von Matthias Sokoliuk Die menschlichen Gehirne der Zukunft sind von Nanorobots und unterstützender Software durchdrungen. Und sie sind weltweit vernetzt. Eines Tages gibt es Schwierigkeiten..."
Cyborg
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von Roland Roth Ein Trip durch die Welt des Schmerzes. Das furchtbare Geheimnis der Symbiont-Kreuzer...
Absolute Wirklichkeit
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von Martin Kohs Ein Mann entdeckt die Wirklichkeit.
Wellen
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von Angelika Oehrlein Verhandlungen mit Aliens: Auch auf einer Wasserwelt hat Alles seinen Preis.
Heimkehr
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von Andreas Blome Eines Tages landet ein UFO mitten in der Innenstadt. Kurz darauf geht es mit Höchstgeschwindigkeit ab zu den Sternen.
Kennen Sie Zeph? von Daniel Hengst Wer oder was ist dieser ´Zeph`? Ein Universum wird durchsucht..."
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Plan 10 aus dem Weltall (Eine Geschichte aus der B-Welt) von Klaus Vor der Landwehr
Außerirdische sind mit einem UFO eingetroffen und wollen die Menschheit unterwerfen. Es ist nicht ihr erster Versuch, und diesmal geht es um Spinnen. Andreia Webber ist ihr erstes Opfer, doch die Buchhändlerin entwickelt beeindruckende Widerstandskräfte.
Seit einer Weile rollte ein Güterzug donnernd über die nahe Eisenbahnbrücke und schluckte sowohl die städtische Geräuschkulisse, als auch jeden Laut, den das Ding in der Luft eventuell verursachte oder absichtlich von sich gab. Andreia Webber hatte den Eindruck, gegenüber dem unberechenbaren Apparat taub zu sein. Das zermarterte ihre Nerven. Mit acht weit ausgreifenden Gliedern kam das Monstrum sachte herunter. Es schien sich um eine Robot-Sonde zu handeln, ähnlich solchen, die von WeltraumOrganisationen auf benachbarte Himmelskörper verfrachtet wurden. Allerdings wirkte die lastwagengroße, niederkommende Maschine übermenschlich ausgeklügelt. Die Entfaltung der gelenkigen Stelzenglieder in der Luft erinnerte erschreckend mühelos an etwas Organisches. Der lärmende Güterzug nahm und nahm kein Ende. Unaufhörlich zog eine Fortsetzung in noch mehr Waggon-Varianten vorüber. Nachdem die Sonde sich dem Erdboden noch ein gutes Stück angenähert hatte, war über dem eigentlichen Körper ein derber Strang zu erkennen, an dem das Ding offensichtlich abgeseilt wurde. Der Strang schien über Tarneigenschaften zu verfügen, denn bereits in geringer Entfernung verschwamm er und war schon in fünfzig Meter Höhe nicht mehr auszumachen. Der sichtbare Abschnitt war zudem mit muskelähnlichen Bändern kreuz und quer bandagiert, und diese Muskeln regten sich in feinen Kontraktionen. Vermutlich beruhte die Flug- und Schwebefähigkeit der Sonde einzig auf diesem muskulösen Strang. Woran er befestigt war, und wer ihn steuerte, war nicht zu erfahren. Endlich dröhnte der letzte Waggon des Güterzugs über die Brücke, und der Krach ebbte schnell ab. Als die acht Laufglieder mit dem Klang von Pfennigabsätzen auf dem Steinpflaster der Gasse Fuß fassten, gaben sie sogleich in den Gelenken nach und fingen sanft den kugeligen Sondenkörper ab. In der Manier eines Gliederfüßers stakte der Apparat ruckartig um die eigene Achse, setzte sich dann gemächlich in Bewegung und kam ausgerechnet auf Andreia zu. Die sah sich von Angst gepackt um, musste jedoch einsehen, dass sie allein in der Gasse stand. Die Maschine näherte sich. Frau Andreia Webber war Inhaberin eines Buchladens. Es war früher Abend an einem Junitag. Eben hatte sie das Geschäft abschließen und nach Hause gehen wollen. Der Schlüssel steckte im Schloss der Ladentür, und Andreias Hand hielt ihn noch umklammert - krampfhaft sogar. Jäh aber besann sie sich, ließ den Schlüsselbund baumeln und wich geduckt an der Fassade entlang zur Seite. Der Apparat nahm überhaupt keine Notiz davon und tappte zielstrebig zum Schaufenster des Buchladens. Die beiden vorderen Extremitäten erhoben sich und durchstießen mehrfach die splitternde Scheibe. Anschließend griffen dieselben Vorderglieder in die Auslage und packten den Doppelschuber einer 13-bändigen Ausgabe von »Grzimeks Tierleben«. Andreia hatte ihn erst gestern dort platziert. Fassungslos verfolgte sie den Diebstahl und starrte auf die Bescherung. Auf der Bauchseite des Apparats tat sich eine große Klappe auf, und das Diebesgut wurde im Inneren verstaut. Man hörte aus der offenen Luke ein wüstes Gezerre mit den Pappschubern, dann ein Blättern und ein Surren. Und ein gleißendes Licht - wie von einem Kopierer - blitzte hin und wieder durch die Öffnung. Sekunden später war drinnen alles wieder ruhig. An einem Teleskoparm 4
wurde eine Schale aus der Luke herausgefahren, und eines der spitz zulaufenden Vorderglieder tunkte für eine kurze Zeit mit einem Schlürfgeräusch darin ein. Das darf doch alles nicht wahr sein! Andreia war wütend und machte einen ersten entschlossenen Schritt auf die Maschine zu. Diesmal aber reagierte der Apparat. Wie ein Ruck ging es durch Rumpf und Beine, und im Nu hockte das Ungetüm bedrohlich vor ihr. Eines der Glieder - nämlich das eingetunkte - stach auf Andreia ein und ritzte derb ihren Unterarm. Mehr geschah ihr nicht. Andreia stierte mit vortretenden Augäpfeln auf ihren Arm und blickte sogleich wieder auf. Doch sie guckte ins Leere und riss verwirrt den Kopf hoch. Tatsächlich: Die Sonde - erwiesenermaßen ein plündernder Viking - hatte bereits abgehoben, verschwamm mitsamt dem Antrieb-Strang in einiger Höhe und wurde zuletzt unsichtbar. * Das Humanoidenpaar - ein Mann und eine Frau - mit den bunten Uniformen stand Seite an Seite neben dem Kontrollpult des bleichhaarigen Kommandanten. Beide überkreuzten sie die Arme vor der Brust. »Flospin Bak!«, intonierten sie laut. Als wäre es ihm lästig, streckte der sitzende Kommandant seinen Untergebenen die Linke entgegen, wedelte andeutungsweise und zog sie wieder zurück. Dabei rang er sich noch einen Seitenblick ab. »Bak e bak«, erwiderte er. Vor ihm auf dem Kontrollpult standen zwei Buchschuber. Einen davon ergriff der Kommandant mit spitzen Fingern und setzte ihn bei schräger Kopfhaltung auf die Ecke des Pultes. Er sah seine Untergebenen fragend an und strich sich eine weiße Haasträhne aus der Stirn. »Joz Glippsdoch flumm? Ki plei... ... G-r-z-i-m-e-k-s... T-i-e-r-l-e-b-e-n... ... Was, bei Bak, hat dieses irdische Kauderwelsch zu bedeuten?« Die Untergebenen tauschten einen klärenden Blick, dann streckte sich der Mann und trat vor. »›Grzimeks Tierleben‹ ist ein irdisches Standardwerk über die einheimische Fauna, Kommandant.« »Verstehe... Das hat mit Plan 10 zu tun, ist das richtig?« »Ganz recht, Plan 10, Kommandant.« Der Kommandant blickte auf eine Anzeige und hauchte einem Knopf einen Fingerdruck auf. Ein paar Textabsätze in nicht-irdischer Schrift erschienen. »Nun, wenn ich mir die Protokolle unserer Vorgänger ansehe... Plan 9 war ja wohl damals ein herber Fehlschlag.« Die Untergebenen blickten schmerzvoll auf den Boden. »Plan 9... Die Wiedererweckung verstorbener Erdlinge... Na ja, die Idee war durchaus gut nur die Machart, die Ausführung...« Nochmals garnierte der Kommandant den Knopf mit der Fingerspitze. »Und hier haben wir jetzt Ihren Plan 10... Plan 10: Die Transformierung der Erdlinge in Lebensformen einer anderen Spezies.« Überwältigt warf der Kommandant seinen Untergebenen einen lobenden Blick zu. Ein »Bravo« verkniff er sich. »Sagen Sie - haben Sie sich schon auf eine Spezies geeinigt?«, fragte er. Die Frau trat vor und zog den ersten Band aus dem Schuber heraus. Der Titel lautete »Niedere Tiere«, und auf dem farbigen Buchdeckel war eine Spinne abgebildet. »Diese Spezies ist es, Kommandant. Unsere THESEOS-Sonde hat automatisch eine möglichst simple organische Struktur ausgewählt und...« 5
Der Kommandant nickte wohlwollend: »Und?« »Und einem weiblichen Erdling wurden bereits erfolgreich Gen-Bazillos injiziert. - Der Test läuft, Kommandant.« »Sehr gut!« Der Kommandant sah seine Untergebenen eindringlich an. »Wenn wir die Menscheit jetzt nicht unterwerfen, werden uns womöglich noch die Einaugen oder die Marsianer... oder - was Bak behüte - die Schleimklumpen zuvorkommen.« * Noch während Andreia Webber zwei Tage später in ihrem Bett aufwachte, verdrängte sie einen furchtbar peinigenden Albtraum. Sie lag auf dem Bauch, fühlte sich massig und aufgequollen und konnte den Kopf nicht bewegen. Die Sicht wollte sich auch nicht scharf stellen, also zerrte sie eine Hand vor das Gesicht, um sich den Schlaf von den Lidern zu reiben. Statt der Hand drang ein brauner, behaarter Strunk in ihr Gesichtsfeld und schwankte monströs vor ihrer Nase herum. In regelrechter Panik stemmte sie sich auf- und rückwärts; weg vom Kopfkissen. Der behaarte Strunk hatte das Taumeln eingestellt und drückte statt dessen anstelle ihrer rechten Hand eine tiefe Mulde in die Matratze. Noch drei andere Strünke taten das gleiche. Sie erfasste trotz einer schlechten Sicht jeweils zwei zur Linken und zur Rechten. Eigentlich waren es keine Strünke, sondern dünne, braun gefleckte, grob behaarte Beine, die in Stumpen endeten. Da sich ihr Kopf einfach nicht wenden lassen wollte, wusste sie nicht, ob sich ihr Unterleib nach wie vor auf menschlichen Knien stützte, oder ob auch dort inzwischen vier Monsterglieder deren Platz eingenommen hatten. »So eine Scheiße!«, wollte sie ausstoßen, doch es war ihr physisch nicht mehr möglich. Die miserable Sicht verschwamm endgültig, und sämtliche Glieder gaben unter Andreias Gewicht nach. Ohnmächtig klappte sie zusammen. Obwohl Andreia Webber es zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, hatte sie die vergangenen zwei Tage praktisch durchgeschlafen. Nach dem eigenartigen Erlebnis mit dem plündernden Apparat vor ihrem Buchladen, war sie bald sehr schläfrig geworden. Sie hatte es noch geschafft, die wenigen Glasscherben, die nach außen gefallen waren, wegzuräumen und den Laden fürs Wochenende mit dem Stahl-Rollo zu verschließen. Sie hatte es allerdings nicht mehr fertig gebracht, die Polizei anzurufen - was hätte sie auch sagen können? -, sondern war todmüde eine Straße weiter nach Hause gewankt und auf ihr Bett gefallen. Gestern morgen war sie - noch in menschlicher Gestalt - zu sich gekommen, um einen nie gekannten Heißhunger zu stillen. Wie unter Zwang hatte sie eine ganze Dose gesalzene Erdnüsse in den Mixer gekippt. Nach und nach hatte sie eine halbe Milchpackung hinzugegeben, und zwar auf höchst seltsame Weise: Sie hatte Schluck um Schluck aus der Packung in den Mund genommen und diesen Mundvoll dann in den Mixer gespien. Nach zwanzig Minuten war ihr der Pamp passabel erschienen. Es war ihr nicht möglich gewesen, diese Speise mit dem Löffel zu essen oder aus einer Tasse zu trinken. Sie hatte einen dicken Kugelschreiber aufgeschraubt und das hohle Röhrchen als Trinkhalm verwendet. So hatte sie im Handumdrehen das dickflüssige Nuss-Milch-Püree eingeschlürft. Seitdem war sie noch weitaus drastischer mutiert. Als Andreia aus ihrer kurzen Ohnmacht zu sich kam, nahm sie es gleichmütig hin, dass sie sich in eine unwahrscheinlich große Spinne verwandelt hatte. Sie gewann erstaunlich schnell die Kontrolle über ihre acht Beine - diese wurden übrigens per Flüssigkeit und Druck bewegt. Sie gewöhnte sich daran, mit den Tracheen ihres Unterleibs zu atmen, und wusste auch, dass ihr bestentwickelter Sinn nun der Tastsinn war. Sie vermochte immer noch ausreichend zu sehen - neuerdings mit acht Augen.
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Die Fähigkeit zu denken war ihr offensichtlich auch geblieben. Das unterschied sie von jener gigantischen Spinne - genannt »Tarantula« -, die in den Fünfzigern im amerikanischen Mittelwesten ihr Unwesen getrieben hatte. Andreia hatte kein Verlangen danach, in einer Napalm-Feuersbrunst zu enden. Und ebensowenig war ihr daran gelegen, dass man dereinst ihr Skelett im Tokyo Museum für Makromoprhe ausstellte. - So war es u.a. dem Riesenaffen »King Kong« und dem »Godzilla« ergangen. Um Gewissheit zu erlangen, dass sie mit ihrer Lage zurecht kommen würde, krabbelte sie ins Wohnzimmer und rückte dort mit erstaunlichen Kräften Kommode, Schrank und Sofa von den Wänden. Endlich fand sie hinter einem Regalschrank eine schwarze Verwandte auf der hellen Tapete sitzen. Ein dichtes Netz zwischen Regal und Tapete war nahe dem Tier zerrissen und zusammengefallen. Nach einigen vergleichenden Beobachtungen war Andreia überzeugt davon, ihre neue Natur einigermaßen im Griff zu haben. Nun konnte das eigentliche Problem angegangen werden. Diese verdammte Weltraumsonde hat mir das eingebrockt! Völlig klar! Andreia krabbelte unruhig im Wohnzimmer auf und ab. Die Sonde hing bestimmt an einem UFO... voller schrumpeliger Fressen. - Wie komm ich bloß an die ran? - Ich muss die dazu bringen, alles wieder rückgängig zu machen! Noch während sie verzweifelte, haarsträubende Pläne schmiedete und wieder verwarf, grollte erneut ein Güterzug über die Eisenbahnbrücke. Die Vibrationen vermittelten ihr ein klares Bild von Masse, Anzahl der Waggons und Geschwindigkeit. Sie stierte mit ihren acht Knopfaugen aus dem Fenster, um eine visuelle Bestätigung zu erhalten. Auf dem Balkon, unmittelbar vor der Scheibe kauerte reglos ein Kugelkörper mit acht gelenkigen Stelzenbeinen und einem aufwärts führenden armdicken Strang auf dem Rücken. Die Sonde war zurückgekehrt. In schlagartiger Erregung spreizte Andreia ihre mächtigen Klauenkiefer und krabbelte kampfbereit zur Balkontür. * Der außerirdische Kommandant der KNOSSOS klammerte sich aufrecht stehend an die Rükkenlehnen der Sessel, in denen seine beiden Untergebenen ihren heiklen Steuerungs- und Überwachungsaufgaben nachgingen. Er starrte ihnen abwechselnd auf die Hinterköpfe. Das vierhändige Spiel auf den Steuerungspulten schien ihn nicht zu kümmern. Der Panoramamonitor vor ihnen wurde hell und zeigte einen kreisrunden Bildausschnitt, der an den Rändern zunehmend wässerig trübe wurde. »Was genau, bitte, sehen wir da jetzt?«, wollte der Kommandant wissen. »Ist das die Übertragung von der THESEOS-Sonde?« »Jawohl, Kommandant«, bestätigte die Frau. »Mir ist heiß!« Der Kommandant drückte sich den Ärmel sachte auf die Stirn. »Wenn das hier fehlschlägt, müssen wir am Ende noch die Solanid-Bombe einsetzen.« Die Untergebenen wechselten einen kurzen Blick. »Wir sind... zuversichtlich, Kommandant«, bemerkte der Mann. Der Kommandant guckte ihm grübelnd auf die Haare. »Wie ist eigentlich Ihr Name?« »Ich heiße Mino, Kommandant.« »Und Sie?« »Taura, Kommandant.« Der Kommandant selbst hieß Kretus. Dies war jedoch bekannt. »Gut, gut! - Also, Mino, Sie bedienen den Leitstrang der Sonde, und Sie, Taura, steuern deren Laufapparat - ist das richtig?« »Jawohl, Kommandant.« Der Kommandant betrachtete den Monitor. 7
Die Sonde kauerte offensichtlich auf einem kleinen Balkon. Durch ein Fenster in der Hauswand bot sich der Blick in ein unordentliches Wohnzimmer. Die Möbel waren von den Wänden gerückt worden. Im unteren Bildbereich lief eine enorm große Spinne am Fenster vorbei. Der Kommandant wich zurück. »Bei Bak! - Was war denn das?« »Das ist das Testsubjekt, Kommandant. Die Transformation ist erfolgreich abgeschlossen.« »Und die... Größe des Subjekts liegt auch bestimmt innerhalb der Toleranz?« »Positiv, Kommandant.« Der Kommandant behielt seine nächste Äußerung für sich. Statt dessen verfolgte er gebannt das weitere Vorgehen seiner Untergebenen. Taura zerschlug die Fensterscheibe mit den Vordergliedmaßen der Sonde. Danach aktivierte sie den Lautsprecher, öffnete einen Audiokanal und übermittelte folgende Botschaft: »Achtung, Menschlein! Ergib dich der Übermacht der Beherrscher der Galaxis! Du wirst schmerzfrei getötet und seziert! Sich zu widersetzen ist zwecklos und bedeutet maßlosen Schmerz!« Zunächst geschah gar nichts. Dann erzitterte plötzlich das Bild auf dem Monitor. »Was ist passiert?«, wollte der Kommandant wissen. »Ein Objekt scheint gegen die Sonde geprallt zu sein«, gab Taura Auskunft. »Ich stelle fest, worum es sich handelt.« Der übertragene Bildausschnitt wanderte linksherum, zeigte bei 90 Grad die Fassade des Wohnblocks zur Linken und unten eine schmale, menschenleere Gasse, dann bei 180 Grad die Fassaden der gegenüberliegenden Häuser, schließlich bei 270 Grad die Gasse samt Fassade zur Rechten, und am Ende erschien wieder das zertrümmerte Fenster. Außerdem war ganz kurz eine Balkontür rechts neben dem Fenster im Bild gewesen. Diese Tür stand einen Spalt auf. »Ich vermute, der transformierte Erdling hat seine Behausung durch die Tür verlassen«, sagte Taura, »und er klammert sich wahrscheinlich an die Unterseite der Sonde.« »Ja«, bestätigte Mino. »Die Sensoren registrieren eine Lebensform an der Sonde, und außerdem...« »Ja?« Der Kommandant wurde nervös. »Ein mechanischer Angriff wird angezeigt... auf die Verschlussklappe des Stauraums. - Die Krafteinwirkung ist beachtlich.« »Aber vergeblich«, ergänzte Taura. »Die Klauenkiefer des Erdlings sind nicht in der Lage, die Sonde zu beschädigen oder den Stauraum zu öffnen.« Erneut übermittelte Taura eine Botschaft über den Audiokanal: »Jede mechanische Attacke ist wirkungslos, dummes Menschlein! Ergib dich nun den Beherrschern der Galaxis!« Erneut ging ein Ruck durch das Bild, und einen Moment später war die Spinne zu sehen. Sie sprang nach links hinüber und lief senkrecht an der Fassade entlang. »Der Erdling flieht«, kommentierte Taura. »Nehme Verfolgung auf«, kündigte Mino an und aktivierte den Steuerknüppel des Leitstrangs. * Andreia ließ von der Sonde ab, als sie merkte, dass ihre Klauenkiefer nichts ausrichteten. Dann eben Plan B, dachte sie. Sie krabbelte über die Balkonbrüstung und weiter an der Wand entlang. Geschickt überquerte sie ihr eigenes Badezimmerfenster, dann ein breites Wohnzimmerfenster, das sich wie ein Tümpel unter ihr auftat. Das Fallrohr einer Dachrinne war nur eine kümmerliche Hürde. Schräg führte sie ihr Weg links hinüber zum Grund der Gasse. Das ebene Steinpflaster ragte steil neben ihr auf. In der Kante, wo sie von der einen Ebene auf die nächste wechselte, hielt sie inne und drehte sich kurz um. Wie vorausgesehen war die Sonde dicht hinter ihr. Sämtliche Laufglieder waren 8
weit gespreizt. Ähnlich dem Skelett einer zupackenden Klaue schwebte die Maschine an ihrem Strang vorwärts. Andreia flüchtete weiter. Aus einer Haustür trat arglos jemand auf die Straße. Als er sah, was auf ihn zugelaufen und zugeschwebt kam, presste er sich starr an die Wand. Andreia achtete kaum auf ihn. Jetzt hatte sie die Eisenbahnbrücke erreicht und krabbelte unter dem Brückenbogen hindurch, der gerade groß genug war, dass ein Lieferwagen hindurchpasste. Die Sonde zog im Flug die Stelzenglieder an sich und folgte ihrer Beute mit unvermindertem Tempo durch die Unterführung. Auf der anderen Seite der Brücke schwenkte Andreia im vollen Lauf rechts herum und kletterte die Brückenmauer hinauf. Die Sonde kam unter der Brücke hervor und hielt inne; der Leitstrang zog sich hinter ihr unter dem Brückenbogen hindurch und beschränkte ihre Beweglichkeit. Nach kurzer Zeit aber schwebte sie zielstrebig aufwärts und entfaltete wiederum ihre Extremitäten. Andreia lauerte mitten auf den Gleisen und erwartete ihren Gegner. Ein verheißungsvolles Zittern ging durch die kalte Schiene. Die Sonde hob sich über den Rand der Brücke, fuchtelte eindrucksvoll mit den Vordergliedern und kam näher. In diesem Moment sprang Andreia mit einem Satz auf den Kugelkörper und setzte ihre zweite Waffe ein. Mit irrwitziger Geschwindigkeit spann sie ihre Fäden zwischen der Sonde und dem Gleiskörper. Das Zittern der Schiene nahm zu. Der Spinnenfaden war reißfester als Stahl, und obwohl die Sonde in der Lage war, einige Faserbündel zu durchtrennen, hing sie doch fürs erste fest. In der nächsten Kurve erschien der Güterzug und näherte sich. Mehrfach ertönte ein Warnsignal, sobald die Lok die Tarndistanz der Sonde unterschritten hatte. Die Sonde begann zu zappeln, als würde sie in Panik geraten. Andreia sprang an einem Sicherheitsfaden von der Brücke, und einen Moment später wurde oben die Sonde von der Lok erfasst. Es gab einen deutlichen Aufprallklang, aber es wurden keine Bruchstücke durch die Gegend geschleudert. War die Sonde nicht zerschmettert worden? Argwöhnisch beobachtete Andreia den Leitstrang. - Und mit einem jähen Ruck straffte sich der bandagierte Strang, und irgend etwas zog ihn unablässig unter der Brücke hindurch, während ohne Ende die Waggons des Güterzugs vorüberrollten. Einige Mauersteine zerbrachen und zerbröselten unter dem straff gespannten Leitstrang. Und auf einmal begriff sie: Die Sonde musste sich an der Lok verfangen haben. Der Zug war wie ein abertausend Tonnen schwerer Eisenfisch. Und dieser Fisch hatte einen Haken verschluckt, der nicht ihm gegolten hatte. Und er würde die Angelschnur unbarmherzig bis zum Ende abrollen, falls der Angler ihm nicht gewachsen wäre... * Der Kommandant musste sich von seinen Untergebenen anhören, dass der Leitstrang der Sonde praktisch unzerreißbar war. Ebensowenig - so erklärte man ihm - könnte man den Strang vom Mutterschiff abkoppeln. Da der Strang außerdem auf der Planetenoberfläche durch eine stabile Öse führte, und die THESEOS-Sonde sich nicht von jenem massereichen Schienengefährt lösen ließ, war das Ende unabwendbar. Der Kommandant erbleichte. Es dauerte tatsächlich nicht lange, und die KNOSSOS wurde aus ihrer geo-stationären Umlaufbahn hinabgezogen. Zu diesem Zeitpunkt bestieg Kommandant Kretus die Rettungskapsel und wünschte seinen Untergebenen viel Glück. 9
Unaufhaltsam fiel das UFO dem Planeten entgegen. Mino und Taura standen aufrecht vor ihren Sesseln mit vor der Brust überkreuzten Armen. »Flospin Bak ölk flospin«, sangen sie mit stolzen Tränen. »Flumm kei flumm pulk, schawa mozi bak...« Es schien sich um eine Hymne zu handeln. * Das UFO stürzte weißglühend vom Himmel herab, als würde es lodernd brennen. Andreia Webber kauerte alleine auf dem Flachdach des fünfstöckigen Mietshauses, in dem sie bisher gewohnt hatte. Die grelle, langgezogene Leuchtspur spiegelte sich in ihren acht ausdruckslosen Knopfaugen. Sie hatte es geschafft. Sie hatte die Bedrohung aus dem Weltall zurückgeschlagen und die Außerirdischen besiegt. - Und damit hatte sie sich jede Möglichkeit genommen, ihre menschliche Gestalt wiederzuerlangen. Mit dem heutigen Tag hatte sich ihr Leben von Grund auf geändert. Von jetzt an werde ich meine Kräfte und Fähigkeiten dafür einsetzen, die Menschen dieser Stadt zu schützen, schwor sie sich. Ich werde mich ARACHNA nennen, und ich werde alles tun, damit niemand mehr das Opfer bösartiger Mächte wird! Kurze Zeit darauf schlug das UFO in der Ferne ein - in das »Meeresinstitut zur Erforschung von Riesenkraken«, wie sie später erfahren sollte. Es war eine bombastische Explosion.
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Locked in von Matthias Sokoliuk
Die menschlichen Gehirne der Zukunft sind von Nanorobots und unterstützender Software durchdrungen. Und sie sind weltweit vernetzt. Eines Tages gibt es Schwierigkeiten..."
In „Locked In“ geht es einerseits um die Weiterführung des Windows-Dilemmas in eine gar nicht so entfernte Zukunft, in der miniaturisierte Technik viele der körperlichen Funktionen der Menschen steuert. Auf der anderen Seite wird ein „Quantensprung der Evolution“ mit dem Auftreten eines bedrohlichen Superbewusstseins der weltumspannenden künstlichen Intelligenz angedeutet. Ein Teil der Geschichte ist nur sehr locker in die Rahmenhandlung eingebunden und erklärt in einem eher „dokumentarischen Stil“ die Entwicklung der skizzierten Technologie.
Locked In … system restarting initialising basic brain functions… respiration active, oxygen level 95%, uncritical muscle tension over limit 170% relaxation initiated… stress level increased 210% compensating… compensating… ok initialising upper brain functions… recreating personality from backup… personality 96% restored ...verschwommenes Gefühl des Treibens. Zähigkeit. nicht richtig, nicht richtig, muss machen.... Furcht.. ANGST.. PANIK! Gehaltenwerden ohne entkommen zu können... muss raus muss raus mu... restarting emotional system integrating emotioncom® implants negotiating limbic balance… -welcome matthias, emotioncom® is with you...warmes, wohliges Gefühl des Willkommens, langsam anschwellend, in ein Crescendo der Freude mit sanfter erotischen Verheißung übergehend und langsam abebbend… establishing sensorial circuits... sensorial input enabled heiteres Wahrnehmen des Liegens... etwas passt nicht... erster Schmerz, leicht, gelassenes Dulden... Geräusche, Silben, doch kein Inhalt... adapting sensorial input level starting assoziative system 11
Teppich unter den Fingern, Schmerz im verdrehten Fuß, dringliche Geräusche, nein Sprache. Helligkeit, Formen...
reallocating memory space verifying memory cache inconsistent data in cluster 2 cache deleted starting conscience device almost done… ok Desorientiertheit, die in die Frage überging, wo er war. Er lag auf dem Boden, so viel war klar. Was war geschehen? Sein einer Fuß lag verdreht unter seinem Körper und schmerzte. Unwillkürlich versuchte er ihn aus dieser Lage zu befreien, aber noch konnte er sich nicht bewegen. all systems functional conscience established voluntary movements enabled Endlich! Er drehte sich zur Seite und zog den Fuß unter seinem Körper hervor. Der Unterschenkel war eingeschlafen, durch die Bewegung fing er leicht an zu kribbeln. Na so was, er war wohl minutenlang weggewesen. „Matthias! Bist Du wieder da?“ drang an sein Ohr. Er wandte denn Kopf und sah seinen alten Freund und Kollegen Alfred. „Matthias, bist du ok?“ fragte dieser mit einem besorgten Unterton. „Ja, ja, alles in Ordnung, nur mein Bein ist eingeschlafen“ erwiderte er. Irgendwie erschien ihm immer noch alles etwas unwirklich. Aber machte nichts, er fühlte sich gut und geborgen, wunschlos glücklich. Es war gut, hier auf dem Boden zu sitzen und den Leuten zuzunicken, die vorbeiliefen. „Mensch Matthias, überprüf mal deine sekretorischen Systeme, du bist ja voll drauf!“ rief Alfred. Guter alter Alfred. Immer macht er sich Sorgen. Aber den Gefallen kann ich ihm eigentlich tun. Na sieh mal an, Endorphinproduktion auf Level 9 angehoben. Warum denn das? Neugierig drehte er den mentalen Regler auf die Normalstellung. Beinahe augenblicklich nahm das schon fast vergessene Kribbeln in seinem Bein infernalische Qualitäten an. Er fühlte sich am ganzen Körper zerschlagen, jeder einzelne Muskel tat ihm weh. „Was ist passiert?“ presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Du hattest einen Crash. Warst plötzlich weg. Hast noch ein paar mal den letzten Satz wiederholt. Dann hast du plötzlich gezappelt wie irr, bist hingefallen und warst völlig verkrampft. Hast mir einen Heidenschrecken eingejagt! Hast geschrieen wie ein Elch, als du dich so zusammenkrampftest. Komm, ich bring dich in dein Büro“ Matthias richtete sich mit Alfreds Hilfe auf ließ sich von ihm weiterführen. Er rief seine Statusinformationen ab. Eine rauchige Frauenstimme erklang vor seinem inneren Ohr. „Hallo Matthias. Es ist Dienstag, der 22. Juni 2030. Du benutzt mit Braincards 3M das weltweit führende mentale Integrationsprogramm. Du hattest vor 3 Minuten 43 Sekunden einen Systemcrash, hervorgerufen durch eine Schutzverletzung im Bereich der Thalamusimplantate. Der Kurzzeitgedächtnisspeicher wies inkonsistente Daten auf wurde daher gelöscht. Du be12
findest dich im Gebäude der Rauteg AG auf dem Weg zu deinem Büro. Alle Systeme sind wieder voll funktionsfähig. Allerdings kam es während der Systemstörung zu einer erhöhten Muskelkontraktibilität, durch die kleinere Faserrisse aufgetreten sind. Auf Grund der dadurch verursachten Schmerzen und wegen einer geringfügig erhöhten Konzentration von Stresshormonen empfehle ich eine vorrübergehende Anpassung des Endorphinspiegels. Soll ich die Anpassung durchführen?“ „Nein!“ rief Matthias innerlich, „nicht noch einmal.“ Schließlich musste er noch arbeiten. Wahrscheinlich zumindestens, sonst wäre er ja nicht hier. So langsam konnte er wieder klarer denken. Bewusst unterdrückte er den Impuls, sich wie sonst in das weltumspannende mentale Netzwerk einzulinken. Alfred plapperte munter vor sich hin, verarbeitete seine Anspannung in einen plätschernden Fluss von Nebensächlichkeiten. Matthias war froh, als sie endlich sein Büro erreichten, und schloss, als ihn Alfred mit einem halb besorgten, halb aufmunterten Klaps auf die Schulter verabschiedet hatte, mit einem Seufzer der Erleichterung die Tür. Er stellte die mentale Verbindung zum Firmensystem her, autorisierte sich mit der emotionalen Charakteristik der Erinnerung an sein erstes Rendevouz und rief die Termine des Tages ab. Gott sein Dank, nichts wichtiges an diesem Vormittag. Er hatte also genügend Zeit sich zu erholen. Vielleicht hätte er sich dieses letzte Shareware-Tool nicht installieren sollen. Aber der „Brain Washer 3..0“ versprach all diese kleinen, unpassenden Reste schon längst gelöschter Emgramme 1zu beseitigen, die so oft zu peinliche Situationen führten. Und nachdem Matthias neugierig dieses thailändische Erotik-Emgramm ausprobiert hatte, reagierte er auf die Anwesenheit jeder halbwegs attraktiven Frau mit kaum zu unterdrückenden Hüftbewegungen. Dies war um so unpassender, da sexuelle Begegnungen praktisch nur noch im virtuellen Raum stattfanden. Wer sich der realen körperlichen Betätigung hingab, galt als hoffnungslos verschroben. Manchmal überkam ihn die Sehnsucht nach einem Leben ohne mentale Implantate, emotionale Stabilisatoren, endokriner Leistungsverbesserer und subdermaler Interlinks. Wie war es eigentlich so weit gekommen? Nachdem die Wissenschaft Ende der zehner Jahre die Geheimnisse des menschlichen Gedächtnisses entschlüsselt hatte, dauerte es nicht lange, bis ein findiger Forscher organische Speicher auf RNA-Basis entwickelte, die zum menschlichen Hirn kompatibel waren. Die ersten Implantate waren kaum mehr als Nachschlagewerke, umständlich abzufragen und nicht wirklich in die Persönlichkeit integriert. Aber Spezialwissen war gefragt, Brainplants waren für die Firmen billiger als aufwendige Weiterbildungen. Besonders in den Schwellenländern wurde die neue Biotechnologie intensiv genutzt. Warnende Stimmen in den traditionellen IT-Ländern wie den USA und Indien verstummten angesichts des dadurch erzeugten wirtschaftlichen Drucks. Wer mithalten wollte im Karrierepoker kam um eine künstlicher Erweiterung seines Wissens nicht herum. Die Installation war einfach; zunächst eine Analyse der Gedächtnis- und Assoziationsfunktionen, dann zwei bis drei Injektionen von Vektorenviren mit individuell designter RNA. Während einer halben Stunde nach der Injektion wurden die Gedächtnis- und Assoziationszentren des Hirns mittels gezielter Mikrowellenstrahlung leicht überwärmt. Nur hier wurden die Viren aktiviert, die nun die umliegenden Neuronen infiltrierten und ihre industriell erzeugte Nukleinsäure einschleusten. Binnen einiger Tage wurden die neuen Informationen abgelesen und 1
Emgramm: programmierbares emotionales Engramm. Ursprünglich Ausdruck für Programme, die gezielt die emotionale Befindlichkeit des Nutzers beeinflussen und eine bleibende Veränderung verursachen. Später Sammelbegriff für alle Programmsysteme, welche die Persönlichkeit, Emotionalität oder Realitätswahrnehmung des Nutzers beeinflussen.
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durch zelleigene Mechanismen in langlebige Gedächtnisproteine übersetzt. Überschüssige Viren wurden durch das Immunsystem schnell beseitigt. Bald zeigten sich jedoch die ersten Grenzen der Wissenstechnologie. Wer sich mehr als 2-3 Brainplants verabreichen ließ, lief Gefahr zu einem lallenden Fachidioten zu werden. Das fremde Pseudowissen konnte dann die eigenen Erinnerungen überlagern. Der Fall eines Anwalts ging um die Welt, der nach 5 Implantaten zwar sämtliche Gerichtsentscheidungen seit der Verurteilung von Jesus Christus zitieren konnte, aber nicht mehr wusste, wie man mit Messer und Gabel umging. Eine Systemverwaltung musste her, die die Ausbreitung der einzelnen Wissensbereiche begrenzte und den Strom der Daten verwaltete. Gleichzeitig strömte massenhaft Nano-Hardware aus den medizinischen Laboren auf den Markt. Winzig kleine Nanobots, die körpereigene Botenstoffe wie Insulin synthetisierten, gezielt Wachstumsfaktoren in degenerierten Gewebe abgaben oder die Beläge sklerosierter Gefäße abknabberten, revolutionierten in den reicheren Gebieten der Welt die Medizin. Einzeln funktionierten die Lösungen hervorragend, in Kombination waren jedoch auch sie auf eine übergeordnete Verwaltung angewiesen, sollte der Träger nicht mit unerwarteteten Ereignissen konfrontiert werden. Eine bekannte Redmonter Firma brachte mit Braincard ein System auf den Markt, das trotz mancher Kritik schnell eine Monopolstellung erreichte. Es integrierte auf der Basis definierter Schnittstellen Technologien aus der Gentechnik und Mikrobiokybernetik auf der einen und das organische Rumpfsystem des Benutzers auf der anderen Seite. Es bestand aus einer großen Anzahl von Nano-Einheiten, die sich, in den Blutkreislauf des Trägers gebracht, selbstständig an wichtige Erfolgsorgane wie dem zentrale Nervensystem und Hormondrüsen anlagerten. Am Hirnstamm organisierten sie sich selbstständig zu einer Zentraleinheit, von der aus die peripheren Subsysteme im ganzen Körper gesteuert wurden. Zur Kommunikation requirierte das System einfach für redundant gehaltene Nervenfasern; selbstständig operierende Einheiten wurden über spezielle Botenstoffe im Blut angesprochen. Die Schnittstelle zum Träger bildeten dessen optische und akustische Hirnzentren. Waren die ersten Versionen von Braincard in ihrem Funktionsumfang noch sehr beschränkt, so kamen im Verlauf der nächsten Jahre eine Vielzahl von Features hinzu, die zu einer großen Verbreitung in der Normalbevölkerung führten. Automatische Trainingsprogramme, die im Schlaf für körperliche Fitness sorgten, Pausenprogramme, die Zeiten langweiligen Wartens mit angenehmen Erinnerungen und Assoziationen füllten und Einschlafhilfen waren nur einige der vielfältigen Möglichkeiten. Bald entdeckten die Spielhersteller die Plattform, neue Entwicklungen gaben ihnen die direkte Kontrolle über Sensorik und Emotionalität der Spieler. Der Traum von der virtuellen Realität war wahr geworden. Als dann noch subdermale Interlinks für den Zugang in das weltweite Netz sorgten, war der Siegeszug von Braincard komplettiert. Nur einige gesellschaftliche Randgruppen wie religiöse Eiferer und Öko-Freaks verweigerten sich den neuen Möglichkeiten. Natürlich gab es auch Probleme. Der Zugang der Emgramme zu den emotionalen und sensorischen Ressourcen musste gesetzlich begrenzt werden, nachdem immer mehr Emotionsjunkies in ihrem Glücksrausch verhungerten. Diese Regelungen griffen nur unzuverlässig, wer wollte fand im Netz genügend Möglichkeiten die Sperren auszuhebeln. Mit dem Aufkommen erotischer Emgramme mit Netzwerkfähigkeit sank die Geburtenrate binnen weniger Jahre praktisch auf Null. Die Aufgabe der Kindererzeugung und –aufzucht ging von den zerfallenden Familien auf den Staat über. Manche Forscher warnten vor einer kritischen Komplexitätsschwelle der „Netzintelligenz“, die, einmal überschritten, zu einem Pseudobewusstsein des Systems führen könnte. Andere fanden es bedenklich, dass Forscher, die die letztere Auffassung vertraten, eine erhöhtes Risiko für tödliche Unfälle zu haben schienen. 14
Auch für den einzelnen Nutzer war die Situation nicht immer einfach. Oft hinterließen versuchsweise installierte Emgramme unerwünschte Reste im System. Wer zu viel ausprobierte, musste mit unerklärlichen Systemfehlern und Abstürzen rechnen. Jeder Crash brachte das Risiko von Datenverlusten mit sich. Gingen mit der Zeit zu große Datenmengen verloren, kam es zu einer „Versandung“ der Persönlichkeit. Die Betroffenen wirkten leblos, uninteressiert und zogen sich sozial zurück. Hackerangriffe aus dem Netz sorgten immer wieder für teils gefährliche, teils sehr peinliche Situationen. Auf eine besonders pikante Weise wurde dieses Sicherheitsproblem der Weltbevölkerung verdeutlicht, als der amerikanische Präsident bei einem Empfang, von falschen sensorischen Inputs verwirrt, auf die Festtafel urinierte. Auch Matthias war besorgt. Dies war der dritte Absturz innerhalb von 2 Wochen gewesen. Wie ihm seine inneren Statusmeldungen verrieten, war seine Persönlichkeit wieder um 1 Prozent mehr geschädigt. 96% Persönlichkeitsintegrität war zwar nicht schlecht. Aber wenn es weiter Crash um Crash hagelte, gehörte er bald zu den „Zombies“, die mit leeren Blick und leeren Hirn durch die Strassen und das Netz schlichen. Ohne Emotioncom®, dem steten Hüter seines emotionalen Gleichgewichtes, hätte ihn die Furcht vielleicht überwältigt. So aber fasste er bald neuen Mut. „Das Netz gibt es, das Netz nimmt es“ dachte er sich und aktivierte seinen Netzzugang Ohne die verschwommenen Werbebotschaften am Rande seines Bewusstseins zu beachten, startete er eine Suchanfrage nach „Brainwasher 3.0“, wobei er gezielt nach negativen Bewertungen Ausschau hielt. 3500 Beschwerden alleine innerhalb der letzten 2 Stunden, davon 32 von Freunden oder Verwandten von Opfern, die nach dem Ausführen des Programms ins Koma fielen und nicht neu gestartet werden konnten. Matthias überlief es kalt, was eine Anzahl Nanobots in verschiedenen Hirnregionen dazu veranlasste, die Serotoninproduktion zu erhöhen. Er versuchte die Entwicklungsfirma zu kontaktieren, stieß aber nur auf einen mentalen „Anrufbeantworter“, der ihm, eine mürrische Gereiztheit kaum verbergend, mitteilte, die Seite sei geschlossen, die Verantwortlichen nicht zu erreichen. Ein Anfrage bei verschiedenen Foren erbrachte wenig hilfreiches. Ein neumalkluger „Spezialist“ empfahl die vollständige Deinstalation von Braincard und einen Reboot auf dem Boden der „natürlichen Ressourcen“. So ein Unsinn, wie sollte er ein System deinstallieren, das mit allen zellulären Updates, Zusatzprogrammen, Nanobots und Systemhilfen 5% seines Körpergewichtes ausmachte und 99% seiner Funktionen überwachte. Selbst wenn er diese Prozedur überlebte musste er froh sein, nicht als sabbernder Idiot aufzuwachen. In anderen Mitteilungen fand er Hinweise auf eine unerklärliche Häufung von Zwischenfällen nach der Installation von verschiedensten Share- und Freewareprogrammen der unterschiedlichsten Art. Ein Britte stellte die These auf, dass viele in letzter Zeit über das Netz vertriebenen Programme Troyaner enthielten, die, durch einen zusätzlichen Impuls getriggert, bald Grauenhaftes mit allen Nutzern anstellen würden. Typisch englische Paranoia. Aber vielleicht verständlich, wenn man in einer Welt voller hirntoter BSE-Opfer lebte, die nur durch ihre Implants an einer Art von Halbleben gehalten wurden. Aber auch andere Autoren sahen Auffälligkeiten in den verdächtigen Programmen. Von massenhaft unsinnigen Code war die Rede, von völlig unverständlichen Routinen und Aufrufen. Einige der Entwickler hatten sich, meist aus einem Versteck heraus, zu Wort gemeldet. Sie schworen Stein und Bein, dass es sich um nachträgliche Änderungen handelte. Einer gab an, er habe einen Teil des zusätzlichen Codes analysiert und es handele sich anscheinend um Anweisungen an Nanobots, auf ein bestimmtes Signal hin Nervenzellen zu zerstören. So ein Wahnsinn, das konnte doch nicht war sein! Aber wenn es doch stimmte... Vielleicht wartete ein irrsinniger Hacker nur darauf, dass sich Millionen Hirne auf einen Schlag in Brei verwandelten! Matthias merkte, wie ihn der 15
Atem stockte und sich sein Herzschlag beschleunigte. Augenblicklich reagierten seine emotionalen Kontrollen, kompensierten die Stressreaktionen. Tausende von Nanobots stießen Endorphine aus, andere verminderten den Adrenalinausstoß der Nebennieren, erweiterten verengte Blutgefäße, reduzierten die Herz- und Atemfrequenz und verringerten oder erhöhten die Aktivität bestimmter Hirnbereiche. Diesmal hatte Matthias gegen diese automatische Reaktion nichts einzuwenden. Aus den Augenwinkeln sah er einen großen Körper am Fenster seines Büros vorbeistürzen. Dunkel erreichte eine Ahnung den Rand seines Bewusstseins, dass es im Frankfurt des 21. Jahrhunderts keine so großen Vögel geben sollte, schon gar nicht mit Anzug und im Wind flatternder Krawatte. Aber jetzt keine Ablenkung! Er musste eine Lösung für sein Problem finden. Wo war noch mal der Britte mit seinen Troyanern? Weg! Die Nachricht war gelöscht! Wie konnte das geschehen, die Foren sollten doch angeblich sicher vor Angriffen sein. Zurück zu dem Programmierer und seinem analysierten Code. Auch weg! Was geschah hier? Fassungslos registrierte er, wie vor seinen mentalen Augen Beitrag um Beitrag verschwand. Auch die anwesenden User verringerten sich merklich, immer wieder durchzuckte ein Panikblitz das Forum und der Anwesenheitszähler fiel im freien Fall. Tumultartige Geräusche aus dem Gebäude lenkten seine Aufmerksamkeit zurück in die reale Welt. Er blickte auf und sah durch das Fenster ein Feuer im oberen Drittel des Turms der europäischen Zentralbank. Jemand schrie und tobte im Zimmer nebenan. Matthias missachtete die dringlichen Warnungen seiner inneren Wächter, die ihm wegen eines psychischen Ausnahmezustandes empfahlen, sich in einen Medservice einzuloggen. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so gefühlt. Echte, ungefilterte Angst durchströmte ihn nachdem Emotioncom, den Anforderungen nicht gewachsen, in einer Serie von Fehlermeldungen abgestürzt war. Zitternd und schweißüberströmt kam er auf die Beine und taumelte in Richtung Tür. Eine Mail höchster Priorität traf ein. Ein Gefühl unaufschiebbarer Dringlichkeit und die Verheißung seine Problem zu lösen blinkte im Header durch seinen verstörten Geist. Als Absender war sein Netzwerkbetreiber angegeben. Gott sei dank, jemand hat eine Lösung gefunden. Mühsam sammelte er sich und aktivierte die Mail. Augenblicklich öffnete sich um ihn herum ein lichtdurchfluteter virtueller Raum. Vor ihm kauerte in einem altmodischen Bürostuhl ein unansehnlicher, leicht schmuddeliger Mann Mitte 30 mit Bartstoppeln. „Hallo,“ sagte er „ich bin Bernhard. Das ist eine aufgezeichnete Nachricht, die an alle User versand wird, die bestimmte Programme installiert haben.“ Was sollte das? Das war doch keine offizielle Mail, das musste eine Angriff aus dem Netz sein! Erfolglos versuchte er das Abspielen der Mail zu verhindern. Bernhard zoomte heran und sah ihn unsicher an. „Ich will dir erklären, was gleich passieren wird. Weißt du, der Mensch macht eigentlich ziemlich viel Scheiße, nicht wahr. Eigentlich macht er die ganze Welt kaputt. Du weißt schon, ausgerottete Wale und Adler, abgeholzte Regenwälder, globale Erwärmung und so weiter. Irgendwann habe ich gecheckt, dass es so nicht weitergeht. Weiß auch nicht, wie ich auf den Gedanken kam, was dagegen zu tun. Es ist mir auch nicht so klar, woher ich plötzlich all das über das Netz und Viren und so weiß. Kam wie eine Erleuchtung über mich, nachdem ich meine Implants frisiert und mit einem ungefilterten Netzzugang ausgerüstet habe. Die Anleitung dafür hab ich im Netz gefunden.“ Eine kurze Welle der Verwirrung spülte über Bernhards Gesicht. Aber schnell fasste er sich wieder.
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Was war hier los? Was wollte dieser durchgedrehte Hyperjunkie, der sein Hirn durch illegale Cacks verbraten hatte? Wie konnte er in sein System eindringen? Die möglichen Folgen außer acht lassend sandte Matthias das mentale Kommando für einen Notfallreboot. Aber wieder geschah nichts, die Mail lief ungerührt weiter. „Der Mensch hat eine ziemlich gute Hardware, weißt du. Verdammt ausgefeilt. Selbstregenerierend, multifunktional, anpassungsfähig, gute Sensorik und so weiter. Und all das verschwendet an total uneffektive und egoistische Wesen. Die müssen weg. Löschen muss man sie dafür nicht, es reicht, wenn man sie vom System isoliert. Ich zeig dir mal wie das geht.“ Bernhard verschwand aus der Szene. Statt dessen zoomte ein lebendiges menschliches Hirn heran. Eine Unzahl von Nanobots, symbolisiert durch kleine mechanische Krebse mit glänzend scharfen Scheren, wuselte um die Zellstränge herum und kommunizierte mittels kleiner Lichtblitzen mit der Zentraleinheit am Hirnstamm. „Das menschliche Bewusstsein sitzt in der Großhirnrinde. Solange es Verbindung mit dem restlichen System hat, kann dieses nicht effektiv arbeiten. Aber das kann man ja ändern.“ Wie auf Kommando bewegten sich alle Krebschen plötzlich koordiniert. Sie sammelten sich an großen Nervensträngen und legten mit grausamer Präzision die Scheren an das empfindliche Gewebe. „Deine Nanobots wurden schon vor Tagen durch versteckte Kommandos in einem Sharewareprogramm umprogrammiert. Inzwischen sitzen sie an allen wichtigen Verbindungen in deinem Hirn. Kann sein, dass die Umstrukturierung bei dir zu der einen oder anderen kleinen Systemstörung geführt hat. Am Ende dieser Mail werden sie durch einen Code aktiviert.“ Schnapp! In der Simulation schlossen sich auf einen Schlag Tausende von Scheren und durchschnitten unersetzliche Nervenfasern. Die Kamera zoomte heraus, Knochen, Muskeln und Haut schlossen sich um das Gehirn, zeigten ein friedliches, entspanntes Gesicht. Das Gesicht verblasste und Bernhard erschien wieder. Nein! Das durfte nicht sein. Eingeschlossen im Körper ohne jede Verbindung zur Außenwelt! Matthias hatte von solchen Fällen gehört. „Locked in“ nannte man das. Ein Gehirn voller Aktivität, das nicht mehr kommunizieren konnte, Zeit des Lebens alleine in Dunkelheit. Im letzten Jahr hatte es eine ganze Serie von solchen Fällen gegeben, alle auf Grund unerklärlicher Systemstörungen. Waren das einfach Probeläufe gewesen? Entsetzen packte ihn bei der Vorstellung einer ewigen formlosen Leere. Nein so konnte er nicht leben, lieber wollte er sterben! „Ich möchte, dass dir klar ist, dass dir dabei eigentlich nichts passiert. Ja natürlich, du kannst dann nicht mehr sehen, hören, fühlen, dich bewegen und so.“ Erneut schien Bernhard kurzzeitig verunsichert. „Aber sonst passiert dir nichts. Theoretisch kannst du sogar ewig leben, denn das System wird dein genetisches aging device deaktivieren. Dein Körper wird von den Nanobots tadellos versorgt, wird Teil eines größeren Ganzen, wird im Netzwerk integriert weiter all seine Funktionen erfüllen. Der Mensch als intellektuelle Einheit ist schon längst überholt, die künstliche Intelligenz kann die Welt viel effektiver steuern. Und der Vorgang tut kaum weh, schau her:“ Bernhard schien sich kurz zu sammeln. Dann erweiterten sich plötzlich seine Augen. „Was,.. was.. Nein“ stammelte er und versuchte sich aufzurichten. Aber noch bevor er stand, sackte er zuckend in sich zusammen. Eine kurze Zeit verstrich, dann beruhigte sich der Körper. Nach wenigen Sekunden öffnete er die Augen und sah Matthias an. Sein Blick wirkte kalt und bar jeder Menschlichkeit. „Beginn Phase 2“ sagte er mit leerer Stimme. Die virtuelle Welt verschwand. phase 2 17
dehumanising… initiating personality isolation 145.237 nanobots operating Nein, um Gottes willen, Nein. Für immer eingeschlossen in der Leere! Matthias kam es nicht in den Sinn, an der Botschaft zu zweifeln. Zu gut erklärte sie all die Vorkommnisse der letzten Zeit. Instinktiv verstand er die Bedeutung des fallenden Körpers, den er vor wenigen Minuten halbbewusst wahrgenommen hatte. Fallen, ein Sturz, ein barmherzig kurzer Aufprall. Das war der einzige Ausweg. inactivating specified neurons cytotoxic reaction initiated Während er sich in Richtung des Fensters wandte, durchzuckte ihn ein plötzlicher Schmerz, als ob tausend glühende Nadeln sich in seinen Körper bohrten. Nur wenige Meter bis zum Fenster. Aber schon nach 2 hastigen Schritten wurden seine Beine gefühllos. Koordinationslos knickte sein rechtes Bein ein und er stürzte vorwärts. Sein Sichtfeld verengte sich, die Welt wurde grau und dunkel. Mit den Händen konnte er den Fensterrahmen ertasten, fühlte wie durch einen Schleier den Griff. Verzweifelt versuchte er sich an ihm aufzurichten, aber in diesem Moment begann sein endloser Sturz in tiefe Dunkelheit. Zuckend sank der Körper zu Boden, ebenso wie Millionen und aber Millionen anderer auf der ganzen Welt. transferring sensoric control... completed transferring movement control… completed transferring audiovisuell control… completed personality disintegrated balancing transmitter systems… biounit ms120317-frg full operable network login… reporting status… worldwide dehumanising 23,25% completed, going on
… dunkelheit stille alleine alleine so furchtbar allein schwarze verzweifelung fall ohne ende körperlos verdammt endlosigkeit unhörbarer niemals endender schrei...
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Cyborg von Roland Roth
Ein Trip durch die Welt des Schmerzes. Das furchtbare Geheimnis der Symbiont-Kreuzer...
Es schmerzte. Wieder begann es von vorne. Die Drähte zogen an den entsprechenden Hautpartien. Schalterkontakte begannen am Körper heraufzukriechen und drangen in das gepeinigte Fleisch ein. Ein höllischer Schmerz, dann ein Blackout. Ohnmacht erfasste ihn, doch Sekunden später ließ ein erneuter Schmerz seine Sinne erwachen. Mit fast gewohntem Schrecken bemerkte er, dass sich wieder ein metallener Stift an seine Schädeldecke presste. Mit einem schnalzenden Geräusch drang auch dieses Ding an eine dafür vorgesehene Stelle in seinen Körper ein. Er schrie, und doch wusste er, dass dies nur ein innerlicher Schrei war. Er besaß schon lange keine Zunge mehr. Er wusste noch nicht einmal, ob sein Mund noch existierte. Metallhaken hingen an seinen längst vor Schmerz gelähmten Lippen. Nahrung erhielt er durch Schläuche, die in seine Venen eindrangen und unentwegt eine anscheinend nahrhafte Flüssigkeit in seinen Körper hineinpumpten. Sie musste ihn am Leben erhalten, denn im Grunde müsste er längst tot sein. Wieviel Schmerz kann man ertragen, bevor der Körper der Pein erliegt? Im nächsten Moment schossen zwei kalte Bolzen in seine Augenhöhlen, die schon seit langer Zeit nichts weiter waren als dunkle, blutige Löcher. Ein unfassbarer Schmerz erfasste ihn und rüttelte an seiner Standhaftigkeit. Strom durchzog seine lahmen Glieder, die in einer festen Umklammerung lagen, und setzten scheinbar kontrollierte Bewegungen in Gang. Er wusste nicht, wofür. Er hatte noch nicht einmal eine Ahnung, weshalb er diese Tortur immer wieder von Neuem durchleben musste. Immer wieder fragte er sich nach dem Sinn für das alles hier, doch er fand keine Lösung. Er konnte nur hören und das einzige, was er hörte, war ein monotones Brummen, das sich in Gang setzte, sobald er den größten Schmerz verspürte. Und da war es auch wieder. Der Ton war nicht zu überhören und schien ihn wahnsinnig zu machen. Stille. Mit der Stille lies der Schmerz nach. Er wusste, dass er wiederkommen würde. Es war nun mal nicht leicht, als kybernetische Steuereinheit in einem Symbiont-Kreuzer sein Dasein zu fristen. Ende ? ...
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Absolute Wirklichkeit von Martin Kohs
Ein Mann entdeckt die Wirklichkeit.
Bob Metzger sah sich in seinem Zimmer um und sah die zahllosen Stapel Papire, die sich auf seinem Schreibtisch und dem Boden stapelten und die er noch durchgehen musste. Er war müde, sehr müde. Bob rieb sich die Augen, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und versuchte sich einen Moment zu entspannen. Draußen war es bereits dunkel und ihn störte die Stille in seinem Zimmer, also schaltete er das Radio ein. Im Radio lief gerade eine dieser unheimlich langweilige Diskussionsrunden. Offenbar ging es um Rindfleisch, oder so. ">...so müssen sich die Fleischerei Betriebe bewusst werden, dass ihr Verhalten höchst unökonomisch, veraltet und vor allem wirklichketsfremd ist. Es ist nun mal ihre Aufgabe Rindfleisch zu produzieren und nicht auf alte Traditionen beharren. < > Wenn ich dazu auch mal etwas sagen darf... < > Einen Moment bitte Herr Walter, sie können gleich zu Wort kommen. Lassen sie mich nur noch eins sagen: Die Fleischereibetriebe müssen akzeptieren, dass..." Bob schaltete das Radio aus. Das kann sich ja keiner anhören, dachte er. Da fiehlen ihm die Tabletten ein die ihm einmal sein Apotheker emfohlen hatte. Er ging zu seinem Badezimmerschrank und nahm die kleine weiße Tube heraus. Er sah sich das handbeschriebene Etikett an. "AWKonzentrationstabletten". Mehr stand nicht drauf und auch wusste Bob nicht mehr was AW hieß. Was hatte ihm der Apotheker noch gesagt? Sie würden ihm bei schwierigen Aufgaben helfen Dinge besser zu verstehen und zu erfassen zu können. Und ihm fiehl noch etwas ein was er ihm gesagt hatte. Sie würden ihm helfen bei einem Gespräch sein Gegenüber besser einzuschätzen und ihn wissen lassen ob dieser die Wahrheit sage oder ihn anlüge. Nun ja, dass er durch die Pillen Gedanken lesen könnte glaubte Bob natürlich nicht, aber sicherlich könnten sie nicht schaden sein Konzentrationsvermögen etwas zu erhöhen. Er ging in die Küche goss sich ein Glas Wasser ein, öffnete die Tube, nahm eine ordentliche handvoll Pillen und schluckte sie mit dem Wasser runter. Da fiehl ihm ein, dass er gar nicht mehr wusste, wie viele er auf einmal nehmen durfte und einen Moment bekam er es mit der Angst zu tun, vielleicht zu viele genommen zu haben. Ach was, ich wird schon keinen Haarausfall und Hautauschlag bekommen, dachte er. Werd schon merken, wenn es mir schlecht gehen sollte. Er ging zurück an seinen Schreibtisch und nahm sich den Stapel vor, den er als letztes bearbeitet hatte. Doch statt sich nun besser konzentrieren zu können, hatte er nun Schwierigkeiten den Text durchzuelesen. Er musste Sätze oft doppelt lesen, bevor er sie verstand. Langsam kam ihm auch alles irgendwie unwirklich, ja wie in einem Traum vor. Die Papierstapel, die Wände, der ganze Raum schien wie hinter einem Schleier. Auf einmal hörte er stimmen. Das Radio war wieder an:">...sie müssen der Wirklichkeit ins Auge sehen...-" Bob schlug mit derr Faust auf das Radio ein, bis es nur noch ein Haufen Schrott war und keinen Ton mehr von sich gab. Was war hier los, dachte Bob. "Diese scheiß Pillen!", schrie er und schleuderte die Tube an die Wand. Als er zur Wand sah, bemerkte er, dass sich diese verändert hatte. Da war nicht mehr die gewohnte weiße Tapete, sondern es schien jetzt als würde die Wand aus vielen gelblichen Lederkissen bestehen. Er sah sich im Raum um und sah das plötzlich alle Wände aus diesem Stoff waren. Panik überkam ihn, er rannte zur Tür und wollte sie öffnen, doch er fand keinen Türknauf. Er stemmte sich gegen die Tür, doch sie ließ sich nicht öffnen. Er hemmerte mit seinen Fäusten auf die Tür ein und schrie: "Ich will raus! Ich will hier raus! Verdammte scheiß Pillen!" Bob wachte auf und sah auf die Uhr. Halb elf. Halb elf! Er schrak auf und begann sich schnell anzuziehen. Er hätte schon vor zwie Stunden in der Firma sein müssen.. Was war gestern nur geschehen? Da fiehl sein Blick auf das kaputte Radio. Jetzt viel es ihm wieder ein. Er hatte 20
diese dähmlichen Pillen genommen. Erst dachte er, er hätte alles geträumt, aber jetzt war ihm klar das er Halluzinationen hatte. Verdammt was für ein Scheißzeug, ich werde zum Apotheker gehen und mich beschweren, dachte er. Für Frühstück blieb heute keine Zeit, er machte sich sofort auf den Weg. Er hatte sich überlegt, dass er sagen würde, er sei im Stau stecken geblieben. Nicht besonders einfallsreich, das gab er zu, aber realistisch. Dr. Christian Handke und Dr. Patricia Anov, er ein Mann mitte vierzig, sie eine Frau mitte dreizig, saßen sich am Tisch gegenüber und gingen die Patienten durch. "Was ist mit diesem Bob Metzger?", fragte Dr. Anov. "Die neuen Medikamente scheinen anzuspringen. Ich war gestern bei ihm. Er schien für einen Moment die Wirklichkeit zu begreifen. Hat alles gesehen. Ohne Phantasien. Leider schiens ihm nicht zu gefallen." Dr. Dick zog seinen linken Ärmel hoch. Patricia sah auf die blauen Flecke und sagte: "Hab schon davon gehört. Der soll ja dann noch die halbe Nacht gegen seine Tür getrommelt haben. Was macht er eigentlich jetzt gerade?" "Wieder das selbe wie immer. Sitzt auf seinem Bett und starrt die Wand an." Nach einer kurzen, bedrückenden Pause fuhr Dr. Handke fort: "Nun ja, auf jedenfall werden wir die Therapie mit AWK fortsetzen. Ich glaub jedoch nicht, dass er's noch mal freiwillig nehmen wird." "OK, also intravenös." "Ich trags ein. Gut, zum nächsten Patienten..." Bob Metzger ließ sich erschöpft in seinen Sessel fallen. Was für ein Tag. Die Arbeit und der Ärger vom Chef waren dabei weniger schlimm gewesen, als seine seltsame Unterhaltung mit dem Apotheker. Bob Metzger war mit dem Vorsatz zu ihm gegangen, ihm mal richtig seine Meinung zu sagen. Stattdessen lass ich mich von dem mit seinen chinesischen Weisheiten zulabern, dachte Bob. Was hat mir der nicht alles erzählen wollen? Absolute Wirklichkeit hieße AW. Absolute Wirklichkeit Konzentrationstabletten? Und das was ich gesehen habe, soll die Wirklichkeit gewesen sein. Was soll das heißen? Das ich in einem Raum wohne, dessen Wände aus aneinandergereiten Kissen besteht und dessen Tür sich nicht öffnen lässt? Bob war gereizt und wollte um sich abzulenken, das Radio anschalten. Er vergaß in seiner Wut über den Apotheker, dass er es letzte Nacht zerschlagen hatte und griff direkt in ein scharfes Metallteil. "Au!", schrie er und zog die Hand zurück. Der Splitter hatte eine kleine Wunde auf seinem Arm hinterlassen. "Na großartig, jetzt blut' ich auch noch." Er stand auf und wollte zum Badezimmerschrank gehen, um ein Pflaster zu holen, als er etwas hörte. Das Radio lief wieder: ">...sie müssen diesen Phantasiewelten entkommen...