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Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Prof. Dr. W. Eichrodt und Prof. Dr. O. Cullmann
Urchris ten turn und
Gottesdienst von
Oscar Cullmann Dr. Theol., D. D. Honorarprofessor der Universität Strasbourg
ord. Professor an der Universität Basel und der Ecole des Hautes·Etudes in Paris
Zweite vermehrte und veränderte Auflage
ZWINGLI·YERLAG ZüRICH
1950
Urchristentum und
Gottesdienst von
Oscar Cullmann
Dr. Theol., D. D.
Honorarprofessor der Universität Strasbourg
ord. Professor an der Universität Basel und der Ecole des Hautes-Etudes in Paris
Zweite vermehrte und veränderte Auflage
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JDJ
ZWINGLI-VERLAG ZORICH 1950
Alle Rechte, insbesondere da. Obersetzungsrecht in fremde Sprachen, vorbehalten
Copyright 1950 by Zwingli -Verlag Zo.rich Druck Stampfenbach AG. Zürich Printed in Switzerland
INHALT Seite
Vorwort I. Grundzüge des urchristlichen Gottesdienstes 1. 2. 3. 4. 5.
Die Quellen .. Ort und Zeit .. Die verschiedenen Bestandteile Das Ziel des Gottesdienstes Die Verbindung der verschiedenen Bestandteile: Wortgottes. dienst und Mahlfeier .. 6. Freie Geistesäusserung und liturgische Bindung 7. Der christliche Grundcharakter
ll. lohannesevangelium fUnd urch':istlicher Gottesdienst 1. Die Absicht des Evangelisten .. 2. Johannes der Täufer und die Taufe Jesu. Kap. I, ~8. 15, 19-34 3. Die Hochzeit zu Kana. Kap. 2, I-lI 4. Die Tempelreinigung. Kap. 2, 12-22 5. Das Nikodemusgespräch. Kap. 3, 1-21 6. Das letzte Täuferzeugnis. Kap. 3, 22-36 7. Das Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen. Kap. 4,1-30 8. Die Heilung von Bethesda am Schaf teich. Kap. 5, 1-19 9. Das Speisungswunder. Kap. 6, 1-13, 2~65 10. Die Heilung des Blindgeborenen am Siloahteich. Kap. 9, 1-39 11. Die Fusswaschung. Kap. 13, 1-20 12. Die Ahschiedsreden. Kap. 13, 31-Kap. 17 13. Der Lanzenstich. Kap. 19,34 14. Ergebnisse
Register
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ll-37 II 13 15 28
29 34 35 38-115 39 60 67 72 76 80 82 86 89 99 102 106 llO ll3 ll6
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VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Die Neuauflage dieser schon seit mehr als drei Jahren vergriffenen Schrüt hat länger auf sich warten lassen, als ich gewünscht hatte. Dies hängt damit zusammen, dass ich ursprünglich einen dritten Teil unter dem Titel «die neutestamentliche Tauflehre» hatte hinzufügen wollen. Nun hat jedoch diese Untersuchung, deren Ausführung ich zuerst in Angrüf nahm, nicht nur mehr Zeit, sondern auch mehr Seiten b& ansprucht, als ich geglaubt hatte. Aus diesem und andern Gründen, die ich im Vorwort zu jener Tauflehre darlege, habe ich mich entschlossen, sie ge s 0 nd e r tals Nr. 13 der Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments zu veröffentlichen (1948),und somit habe ich verzichtet, sie der vorliegenden Neuauflage einzuverleiben. Den Anhang über «Spuren einer alten Taufformel im Neuen Testament», den ich der ersten Auflage von «Urchristentum und Gottesdienst» beigefügt hatte, habe ich daher in dieser zweiten Auflage von dieser Schrift losgelöst und in jener neuen Veröffentlichung, in die sie nun besser passt, untergebracht. Wenn trotzdem meine 1944 in erster Auflage herausgegebene Arbeit, besonders in .ihrem zweiten Hauptteil, hier in ver ä n der t e r und ver m ehr t e r Gestalt vorgelegt wird, so geschieht dies hauptsächlich im Hinblick auf die inzwischen erschienenen Studien, besonders die als vervieHältigtes Manuskript im Buchhandel verbreitete Arbeit von Wilhelm Mi c h a e I i s: Die Sakramente im Johannesevangelium, 1946 (BEG-Verlag, Bern). In sorgfältiger Analyse prüft der Verfasser, Kapitel für Kapitel vornehmend, den zweiten Teil meiner Untersuchung ('Vor; 'rOv -&sov - nalr; ,{}sov» (Zeitschr. für die N. T. Wissenschaft 1935, S. 115). 41) Es ist sehr zu beachten, dass es gerade in dem von der Gottesstimme zitierten Vers Jes. 42,1 weiter heisst: «ich habe ihm (dem Ebed Jahve) meinen Gei s t gegeben». 42) Gegenüber W. Michaelis' Bestreitung der Beziehung unseres Abschnitts zur christlichen Taufe sollen hier nochmals zwei Tatsachen betont werden: 1. dass die Taufe Jesu mit dem Hinweis auf das «Lamm Gottes» deutlich so dargestellt ist, dass sie als Grundlegung einer Taufe erscheint, die durch Christi Tod erst verwirklicht wird. 2. dass der hier als Täuferzeugnis mitgeteilte Bericht über Jesu Taufe aufs engste mit der polemischen Absicht verknüpft ist, das Weiterbestehen der Johannestaufe zu bekämpfen.
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Kap. 2 eine Perikope, in der die MahHeier ihrerseits in Beziehung zum Tod Christi gesetzt wird. So wie die christliche Taufe der Johannestaufe gegenüber abgegrenzt wird, so wird nun das Abendmahl gegenüber der jüdischen «Reinigung» abgegrenzt.
3. Die Hochzeit zu Kana. Kap. 2, 1-11. Es gehört zum johanneischen «Wunder,., zum 0'YJfU;[O'V, dass in besonderer Weise in der materiellen historischen Tatsache ein Hinweis auf das in der Gemeinde fortdauernde Christusgeschehen beschlossen ist. Wir haben hier auszugehen von der Antwort, die JesU8 in V.4 gibt: «meine Stunde ist noch nicht gekommen». Was für eine Stunde ist hier gemeint? Es ist offenkundig nicht die Stunde der Verwandlung des materiellen Wassers in materiellen Wein, denn dazu ist die Stunde ja gekommen. Es ist zu bemerken, dass dieses Wort vom Kommen der Stunde im J ohannesevangelium nicht nur hier steht, sondern noch mehrere Male vorkommt. Zunächst Kap. 7, 30: die Juden suchten ihn zu ergreifen, und niemand legte Hand an ihn, denn sei n e S tun d e war n 0 c h nie h t g e kom m e n. Die Stunde, die hier gemeint ist, ist offenbar die Stunde des Todes Jesu. Dann Kap. 8,20: «Jesus sagte diese Worte, als er im Tempel lehrte, am Orte, wo der Schatz war, und niemand ergriff ihn, denn sei n e S tun d e war n 0 c h nie h t g e kom me n.,. Auch hier ist klar, dass die noch nicht gekommene Stunde die Todesstunde J esu ist. Ferner Kap. 12,23: J esus antwortete ihnen: «Die S tun dei s t ge kom m e n, wo der Menschensohn verherrlicht werden soll." Das Verherrlichtwerden Jesu fällt im Johannesevangelium zusammen mit seinem Sterben. Weiter Kap. 13, I: "Vor dem Osterfest, da J esus wusste, dass sei n e S tun d e g e kom me n war, wo er aus dieser Welt fortgehen sollte zum Vater ... " Wiederum handelt es sich um die Todesstunde. Endlich Kap. 17, I, am Anfang des hohenpriesterlichen Gebets: « Vater, die S tun d e ist ge kom m e n! Verherrliche deinen Sohn!» Es besteht kein Zweifel, dass auch hier die Todesstunde gemeint ist. Wir haben dann noch die folgende Stelle hinzuzunehmen, die das bisherige Ergebnis bestätigt: Kap. 7, 1-10. Dieser Abschnitt enthält in V. 6 den Satz: m ein e Z e i t ist n 0 c h nie h t d a.
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Obwohl hier nicht w(la, sondern xat(lor; steht, ist der Sinn der gleiche. Es handelt sich um. die Zeit, «hinaufzuziehen nach J erusalem zum Fest,., und Jesus denkt an sein letztes Hinaufziehen nach Jernsalem zum Leiden. Die Perikope stellt überhaupt eine Analogie zur Kanageschichte dar. In dieser ist es die Mutter, die Jesus nahelegt, seine messianische Herrlichkeit durch ein Wunder zu bekunden; in Kap. 7, 1 ff. sind es die BrüderJesu, also auch Vertreter seiner Familie, die ihn auffordern, sich nach J erusalem zu begeben, um öffentlich durch seine Werke seine Herrlichkeit zu offenbaren. In der Kanageschichte weigert sich Jesus, den Willen der Mutter zu erfüllen, und er gibt als Motiv an: meine Stunde ist noch nicht gekommen. Ebenso weigert er sich in Kap. 7, den Willen seiner Brüder auszuführen, und er gibt als Motiv seiner Weigerung an: Ich gehe noch nicht auf dieses Fest, meine Zeit ist noch nicht da. Es kann nur die Zeit gemeint sein, wo J esus seine 1 e t z t e Reise nach J erusalem unternehmen wird, wo er durch seinen Tod verherrlicht wird. Die Analogie geht noch weiter. Inder Erzählung von der Hochzeit zu Kana wird Jesus den Wunsch seiner Mutter, den er soeben zurückgewiesen hat, dann doch erfüllen. Der Widerspruch ist nur scheinbar. Denn die Weigerung hat sich darauf bezogen, dass die Mutter die Verwandlung des dort stehenden Wassers in Wein als ein sich seIhst genügendes Wunder angesehen hat, während Jesus in ihm den Hinweis auf ein grösseres Wunder sieht, das er jetzt noch nicht vollhringen wird, da die «Stunde dazu noch nicht gekommen ist». So vollhringt er zwar jetzt doch schon das materielle Wunder, aber eben nur als Zeichen jenes kommenden. Genau das gleiche stellen wir in Kap. 7, 1 ff. fest. Trotzdem Jesus sich geweigert hat, der Aufforderung seiner Brüder nachzukommen, jetzt schon nach J erusalem hinaufzugehen, wird er ihr doch Folge leisten. 43 ) Auch hier hat sich die Weigerung darauf bezogen, dass die Jünger diese Jerusalemreise schon als eine endgültige angesehen haben, bei der die Proklamierung seiner Herrlichkeit stattfinden soll. J esus dagegen sieht in ihr nur ein Vorzeichen auf das spätere Hinaufziehen,44) denn die 43) R. Bultmann, op. cit. will den Widerspruch literarisch durch die Annahme lösen, der Evangelist habe in 7,1-13 ein Traditionsstück zugrunde gelegt, näm· lieh die Einleitung zu einer Wundergeschichte. 44) W. BaueT. Das Johannesevangelium (Hdb. z. N. T., herausgegebe.n von H. Lietzmann), 3. Auflage 1933, S.108, schlägt vor, das Verbumlwaßalv8wm V.8 in einem Doppelsinne zu verstehen: «hinaufsteigen zum Fest» und «hinaufsteigen
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endgültige J erusalemreise zur Offenbarung seiner Herrlichkeit kann nur das Leiden zum Ziele haben. Wenn er sich also schon jetzt dem Wunsche der Brüder gemäss nach Jerusalem begibt, so geschieht dies vorerst nur iliq 8V uQvmQi, es soll lediglich ein Hinweis auf die spätere Jerusalemreise sein, wo er, anders als die Brüder es sich vorstellen, hinaufziehen wird zur Verherrlichung durch das Todesleiden, dann nämlich, wenn «die Zeit da sein wird». Zu beachten ist endlich noch eine weitere Analogie: es handelt sich in. Kap. 7 um ein jüdisches Fest, im Kap. 2, 6 ist ein Reinigungsakt erwähnt. Der Hinweis auf den jüdischen Gottesdienst, der durch den Tod Christi in ganz neuer Weise bestimmt wird, ist also beiden Perikopen gemeinsam. Vorläufig kommt es aber hauptsächlich darauf an, festzustellen, dass die «noch nicht gekommene Zeit» auch in dieser so ganz verwandten Geschichte die Zeit der Todesverherrlichung Christi ist. Nachdem der Sinn der Worte «meine Stunde ist noch nicht gekommen» nunmehr feststeht,45) können wir fortfahren und fragen, was mit Was s e run d W ein gemeint ist, da es ja zum Wesen des J ohannesevangeliums gehört, dass Worte in einem Doppelsinn gebraucht werden, dass sie einerseits eine materielle Sache bedeuten, anderseits hindeuten auf etwas anderes. So werden wir auch im Gespräch mit der Samariterin, Kap. 4, 7 ff., feststellen, dass das Wort «Wasser» ausser dem Wortsinn dort ebenfalls noch einen andern Sinn einschliesst, und in der Geschichte vom Speisungswunder, Kap. 6, werden wir sehen, dass auch das Brot einen Doppelsinn aufweist, insofern es sich einerseits um materielles Brot, anderseits um das Brot der Eucharistie handelt. Das Speisungswun~er in Kap. 6 stellt das gen aue Gegenstück zum Kanawunder dar. Dort ein Brotwunder, hier ein Weinwunder, dort zum Himmel». Das würde jedenfalls der johanneischen Art durchaus entspre· ehen. -.-: Ueherhaupt ist im Bauerschen Kommentar der Rolle der Doppelhedeu. tung verschiedener Wörter die richtige Beachtung geschenkt. 45) W. Miclwelis, op. cit. S.5, setzt auch hinter diese Bestimmung der Bedeu· tung der «Stunde» Fragezeichen, erkerillt aher an, dass hier meinen «Argumenten eine gewisse Stärke nicht ahgesprochen werden» könne (S. 6). R. Bultmann, op. cit. S. 85, zieht aus der inhaltlichen Uehereinstimmung in den Texten, die von der gekommenen oder nicht gekommenen Stunde handeln, nur den Schluss, dass «für alle Ratlosigkeit des Menschen im Wunder der Offenharung die Hilfe gegehen sei». Aher mit dieser formalen Bestimmung ist die Beziehung unserer Geschichte zur Todesstunde doch nicht genügend in Betracht gezogen.
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ein Speisungswunder, hier ein Trinkwunder. Wenn wir in Betracht ziehen, dass die Kanageschichte durch das Wort von der noch nicht gekommenen Stunde von dem Evangelisten als Hin w eis auf den Tod C h r ist i angesehen wird, dass ferner in Kap. 6 das Brot auf das Ahendmahlsbrot bezogen wird, so liegt die Erklärung mehr als nahe, dass mit dem Wein auf das in der MahHeier dargereichte Blut Christi hingedeutet werden soll. Weil die Mutter diesen Sinn des Wunders noch nicht begreifen kann, spricht Jesus wohl zu ihr 1:l ~{kO~ :Ka~ (Jol rvva~. Das würde dann heissen: du teilst noch die jüdische Auffassung von der Verherrlichung.46) Mein Mes· siasberuf ist mir von Gott gesetzt, meine Stunde ist .noch nicht gekommen, wo das Wasser in Wein verwandelt wird, nämlich die Todesstunde, wo a m Kr e u z der G run d zur E u c h a r i . s t i e gel e g t wir d. Dann ist also der Wein Hinweis auf den Wein des Abendmahls, d. h. das Blut, das Christus zur Vergebung der Sünden vergiesst. 47 ) Was bedeutet dann hier das Wasscr? Die Antwort ist durch den V.6 nahegelegt. Danach sind die Wasserkrüge zur c Re i n i gun g der J u den,. bestimmt. Damit ist die gottesdienstliche Beziehung 46) Es ist hier W. Michaelis ohne weiteres zuzugehen, dass in Jesu Antwort «das völlige Ueberspringen des Gliedes, das [nach meiner Annahme] vom materiellen Wunder zu reden hätte» (op. cit. S. 6 f.), überraschend ist. Aber entspricht solche verkürzte Argumentation nicht im allgemeinen der Art der johanneischen Reden Jesu? Ich verweise hier etwa auf meine Ausführungen über die Doppel. bedeutung johanneischer Ausdrücke. Würde man z. B. die Beziehung des jl1pru1Jvijva, in Kap. 3,14 auf Christi Kreuzigung (und nicht nur auf seine Verherrlichung) nicht als willkürliche Konstruktion empfinden, wenn wir nicht zufällig in diesem Falle an ga n z an der e r S tell e, in Kap. 12,32, diese Erklärung erhielten? Ich kann daher W. Michaelis auch nicht beistimmen, wenn er hinsichtlich meiner Deutung des Weines auf den Abendmahlswein schreibt (S. 7), der Evan· gelist pflege «unmissverständlich», wenn schon nur andeutend, zu reden. Wohl gibt er an manchen Stellen die Erklärung selber, an andern überlässt er dies jedoch den Lesern und - den Exegeten. S. dazu im übrigen das Kapitel über die Absicht des Evangelisten S. 39 ff. 47) Diese Erklärung tut R. Bultmann, op. eit. S.84, mit der Bemerkung ab, «das Blut Jesu spiele bei Johannes kaum eine Rolle». Gemäss dem Schema, das er auf das ganze Evangelium anwendet, ist die Gahe des Weines «lesu Gabe als ganze», Jesus «als Offenbarer». Dagegen ist die Beziehung zum Ahendmahl richtig erkannt von Maurice Goguel. L'Eucharistie des origines a Justin Martyr, 1910. S. 196. Ebenso u. a. von Walt:" Bauer. Das Johannesevangelium (Hdb. z. N. T.) 1933, S. 46, und von C. T. Cralg. Sacramental interest in the fourth Gospel (Journal of Bihlical Literature 1939, S. 31 ff.). - Von den Kirchenvätern, die in diesem Wunder einen Hinw'eis ~uf die Eucharistie sehen, sind zu nennen Cyrill von lerusalem (Catech. XXII. Mystag. IV,12, S. Migue P. G. 33, co!. 1098) und Cyprian (Ep. 63, 12. S. Migne
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unserer Geschichte gegeben. 48 ) Wasser dient bis dahin zu Reinigungsriten der Juden. An Stelle aller dieser Riten tritt nunmehr der Abendmablswein, das Blut Christi. Die Reinigung von den Sünden erfolgt jetzt nicht mehr durch Befolgung jener Vorschriften, sondern im Abendmahl, in dem Christus, das «Lamm Gottes,., die Vergebung der Sünden durch seinen Kreuzestod den Gläubigen anbietet. Das ist das andere Kanawunder, auf das im materiellen Wunder hingewiesen wird. Es liesse sich überhaupt zeigen, dass die Sakramente für die Kirche das gleiche bedeuten wie die Wunder des historischen Jesus für dessen Zeitgenossen.49 ) Wie in der vorherbehandelten Perikope vom Täuferzeugnis wird hier von der materiellen historischen Tatsache aus eine Gegenwartsfrage des urgemeindJichen Lebens, und im besonderen des gottesdienstlichen Lebens, beantwortet.50 ) So wie dort die Taufe des Johannes im Tod Christi des Lammes, der die Sünden der Welt fortnimmt (trägt), ersetzt wird durch eine neue Geisttaufe, in der die Sündenvergebung an Christi Tod gebunden ist, so werden hier P. L. 4, col. 383). Im Missale Gothicum (Migne P. L. 72, col. 242) heisst es: «Der Erlöser und Herr möge den Wein des Opfers in sein Blut verwandeln, wie er einst Wasser in Wein verwandelt hat.» Die bildliche Darstellung in der Kata. kombe S. Pietro e MarceIIino (Wilpert T. 57) aus der 1. Hälfte des 3. Jahrhun. derts ist mit der Darstellung des Quellwunders Moses, des Symbols der Taure, verbunden. 48) Diese hat auch Karl Ludwig Schmidt erkannt in seinem Aufsatz «Der johauneische Charakter der Erzählung vom Hochzeits1yunder in Kana» (HarnackEhrung. Beiträge zur Kirchengeschichte 1921, S. 22 ff.). Allerdings deutet er die Geschichte nicht auf das Abendmahl, sondern die Taufe Christi, die hier als Taufe des Geistes (Wein) der Wassertaufe der Johannesjünger gegenübergestellt wäre, wobei auch der Gegensatz zu den jüdischen Riten mitschwinge. Obwohl diese Erklärung den Vorzug hat, einen besonders engen Zusammenhang zur Polemik gegen die Täufersekte zu schaffen, wie wir sie im 1. Kap. schon festgestellt haben, liegt doch die Deutung des Weins auf das Abendmahl viel näher, zumal dann auch hier der von K. L. Schmidt in allen johanneischen Wundern richtig hervorgehobene Gedanke, dass Christus das, was er b r i n g t, selber ist, noch deutlicher zum Ausdruck kommt. 49) Dass trotzdem o'Y}/-teio'll nur Bezeichnung für den Hin w eis aufs Sakrament, nicht für «Sakrament» selber ist, zeigt E. Gaugler. Das Abendmahl im Neuen Testament, 1943, S. 8 f. . 50) Dass genau wie in Kap. 6 dem Verfasser aus der Evangelientradition eine Geschichte vorgelegen hat, die nur das materielle Wunder berichtet, macht es verständlich, dass Nebenzüge vorhanden sind, die sich nicht sakramental ausdeuten lassen. Das Stehenhleiben solcher Nebenzüge, das W. Michaelis unter der Voraussetzung meiner Erklärung als «fast unerträglich» empfindet (op. cit. S.8), entkräftet diese also in Wirklichkeit nicht. Es ist ebensowenig ein Gegenargument wie die von W. Michaelis op. eit. S. 9 hervorgehobene Inkongruenz zwischen Wasser zum Reinigen und Wasser zum Trinken.
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die jüdischen Reinigungsvorschriften ersetzt durch die Reinigung, die Christus am Kreuz vollbracht hat und im Wein des Sakraments den Gläubigen anbietet. 51 ) Noch eine weitere Beziehung des Kanawunders zur Eucharistie lässt sich aufzeigen. Nach urchristlicher Auffassung ist die Mahlfeier Vorwegnahme des von den Juden erwarteten 52) messianischen Mahles. In der Johannesoffenbarung Kap. 3,20 ist beides zusammengesehen: «Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe. Wenn einer meine Stimme hört, werde ich bei ihm eintreten, und ich werde mit ihm essen, und er mit mir.» Wir haben ja gesehen, dass es sich ur8prünglich um ein Zusammenessen mit Christus auch in der Eucharistie handelt. 53) So liegt wohl auch hier an dieser Stelle des Evangeliums dieser Gedanke an das messianische Mahl vor. Das Hochzeitsmahl zu Kana ist Hinweis auf das eucharistische Mahl, das seinerseits Vorwegnahme des messianischen Mahles ist. Taufe und Abendmahl: das einmalige und das wiederholhare Vergebungssakrament, beide aber in der gleichen Weise gebunden an den Kreuzestod Christi. Diesen Sinn beider Sakramente sieht der Evangelist vorgezeichnet in Tatsachen des Lebens Jesu. So schliesst sich die Kanageschichte inhaltlich direkt an das Täuferzeugnis des vorhergehenden Kapitels an. Aber auch die nun folgende Geschichte von der Tempelreinigung ist durch das gleiche Interesse am neuen christlichen Gottesdienst, in dem Christus in den Sakramenten weiterwirkt, mit der Kanageschichte verbunden.
4. Die Tempelreinigung. Kap. 2, 12-22. Von der Kultstätte, dem Tempel, ist hier die Rede. So wie die Johannestaufe und wie die jüdischen Reinigungsvorschriften als Mittel der Sündenvergebung abgelöst werden durch die Person Christi und zwar des Gekreuzigten, der in Taufe und Abendmahl der gläubigen Gemeinde gegenwärtig ist, so wird nach dem johanneischen Verständnis der Tempelreinigung der T e m p e I ku 1 t 51) Auch im Wort vom Weinstock, Kap. 15, 1, sieht der Evangelist eine Be· ziehung zum Abendmahlswein. S. unten S. 103. 52) S. z. B. Hen. 62,14---15. Weitere Texte bei F. Spitta. Zur Geschichte und Literatur des Urchristentums. 1. Bd. 1393 S. 269 ff. und A. Schweitzer. Die Mystik des Apostels Paulus, 1930, S. 232 ff. 53) S. oben S. 19 ff.
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selbst durch die Person Christi ersetzt: auf seinen gekreuzigten und am dritten Tage auferstandenen Leih weist das Tempelwort Jesu vom Abreissen und Wiederaufrichten hin (V. 19). Dabei ist im V. 22 vom Evangelisten ausdrücklich angedeutet, dass es sich bei diesem Hinweis auf den gekreuzigten und auferstandenen Leib Christi um ein nachträglich gewonnenes Verständnis jenes Wortes handelt: «als Jesus auferstanden war von den Toten, erinnerten sich seine Jünger daran, dass er dieses Wort gesprochen hatte. »54 ) Aehnlich hatte der Evangelist· im V. 17 angemerkt, dass die Jünger erst später erkannten, dass die Tat Jesu eine Erfüllung von Psalm 69,10 war. So wird also auch hier die Linie vom historischen Ereignis des Lebens J esu nach beiden Seiten, zur heilsgeschichtlichen Gegenwart und zur Vergangenheit., gezogen. Was für das ganze Johannesevangelium charakteristisch ist, an den meisten Stellen aber nur stillschweigend vorausgesetzt ist., wird hier vom Evangelisten ausdrücklich vermerkt. Was der johanneische Christus in Kap. 16, 12 verheisst: «ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommt, wird er euch leiten in alle Wahrheit», das sieht der Evangelist im Hinblick auf das neue Verständnis des Lehens J esu überall verwirklicht. 'Das in den Synoptikern in anderer Form und als falsches Zeugnis 55) erst im Prozess Jesu auftauchende Wort lautet hiec als echtes Tempelwort Jesu (V. 19) : «Zerstört diesen Tempel, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.» Welches auch sein ursprünglicher Sinn sei,56) es ist wohl sicher, dass zur Zeit des Evangelisten die Beziehung des Bildes des Tempels auf die Gemeinde geläufig war: Markus denkt bei dem «nicht von Händen gefertigten» Tempel in Kap. 14, 58 wohl sicher an die Verwertung eines zumindest von ibm auf die Gemeinde gedeuteten Jesuslogions durch die falschen Zeugen. Ferner ist 2. Kor. 6, 16 zu erwähnen: «wir sind der Tempel des lebendigen Gottes», Eph. 2,21 und 1. Petr. 2, 5, wo von der Gemeinde als dem geistlichen Haus gesprochen wird. Aber darüber hinaus sieht Ueher dieses «Erinnern» s. oben S. 49. eyw xa?;aA.v()'w, Die Fälschung dürfte wohl in dem Per· sonenW'echsel liegen. Nach Mk. 13,2 hat Jesus die Zerstörung des Tempels vorhergesagt, nicht aher, dass er selbst das Abreissen vornehmen werde. 56) Wenn Jesus gesagt hat, er werde nach der Zerstörung des Tempels in 3 Tagen (= in einer kurzen Zeitspanne) einen (