Walther Kindt · Yvonne Rittgeroth Strategien der Verständigungssicherung
VS RESEARCH Language & Cognition Herausgegeb...
82 downloads
1713 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Walther Kindt · Yvonne Rittgeroth Strategien der Verständigungssicherung
VS RESEARCH Language & Cognition Herausgegeben von Prof. Dr. Gert Rickheit, Universität Bielefeld Prof. Dr. Prisca Stenneken, Universität Bielefeld
This series comprises current empirical research on language and cognition, and its interplay in communication and interaction. Spanning a range of topics from language use and language acquisition to language disorders, the contributions are intended to substantially advance the theoretical and empirical state of knowledge in these areas. “Language & Cognition” covers a broad variety of theoretical approaches and empirical paradigms: Innovative experimental and empirical non-experimental studies are included in this series along with computer-based simulations of human or technical language processing and interaction.
Walther Kindt ·Yvonne Rittgeroth
Strategien der Verständigungssicherung Zur Lösung einer universellen Aufgabe von Kommunikation Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Gert Rickheit
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Dorothee Koch / Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-16631-5
Geleitwort
Das vorliegende Buch enthält die wichtigsten Ergebnisse des Projekts B6 „Verständigungssicherung“ des Sonderforschungsbereichs (SFB) 360 „Situierte Künstliche Kommunikatoren“, der vom 1.7.1993 bis 31.12.2005 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert worden ist. Im Mittelpunkt dieses Projekts stand die Erforschung der Strategien der situierten Verständigungssicherung. Dieses war ein wichtiger Aspekt des SFB, der sich das Ziel gesetzt hatte, die Mensch-Mensch- und die Mensch-Maschine-Kommunikation zu untersuchen, wobei Vorhaben zusammengefasst worden waren, die sich einerseits mit der Aufklärung linguistischer und kognitiver Merkmale von kommunikationsbezogenen Intelligenzfaktoren des Menschen befasst haben und die andererseits die Übertragung kognitiv begründbarer Prinzipien auf künstliche informationsverarbeitende Systeme verfolgt haben. Da im SFB die Kommunikation zwischen Menschen als Ausgangspunkt gewählt worden war, wurden entsprechende Gesprächssituationen definiert, in denen die Probanden die Aufgabe hatten, aus Baufix-Teilen gemeinsam ein Flugzeug zu konstruieren. Die Einschränkung auf einen überschaubaren Weltbereich diente vor allem der Modellierung relevanter Systemdimensionen, so dass Künstliche Kommunikatoren konzipiert werden konnten, die kontrollierbar und praktisch handhabbar sind. Es wurde also ein Basis-Szenario zugrunde gelegt, in dem verschiedene Beteiligte mit unterschiedlicher Kompetenz ihre sensorischmotorischen Aktivitäten bei der kooperativen Bewältigung von Transport-, Kombinations- und Montageaufgaben mit sprachlichen und nichtsprachlichen Mitteln koordinierten. Das Szenario diente einerseits der Erhebung empirischen Materials für die Interaktion zweier menschlicher Kommunikationspartner. Andererseits sollten daraus Fähigkeiten abgeleitet werden, die mit Hilfe eines Künstlichen Kommunikators simuliert und auch durchgeführt werden können. In diesem Projekt wurden die 22 Dialoge des Basis-Szenarios systematisch ausgewertet sowie die ermittelten Kommunikationsstrategien analysiert und kategorisiert. Leser und Leserinnen, die die analysierten Dialogpassagen auch im größeren Kontext nachvollziehen möchten, finden die im SFB erstellten Transkriptionen unter der öffentlich zugänglichen Web-Adresse http://www. sfb360.uni-bielefeld.de/transkript/b1-doc/. Das Projekt setzte sich aus einem
6
Geleitwort
kommunikationsanalytischen, einem experimentellen und einem simulativen Teil zusammen. Das SFB-Korpus wurde zuerst kommunikationsanalytisch unter der Fragestellung untersucht, unter welchen Bedingungen welche Verständigungsstrategien bevorzugt angewendet werden. Für diese Analysen stand auch ein computergestütztes Annotationstool zur Verfügung, das für diese Zwecke im Projekt entwickelt wurde. Aus der kommunikationstheoretischen Untersuchung ergab sich neben zahlreichen typologischen Erkenntnissen und Aussagen zu Häufigkeiten auch Rückschlüsse auf die Effizienz der untersuchten Strategien. Aus den empirischen Befunden wurden Hypothesen abgeleitet, die gezielt durch psycholinguistische Experimente überprüft worden sind. Die empirisch gewonnenen Resultate gingen in die Konstruktion von Prozessmodellen ein, die mit Hilfe der Computersimulation evaluiert wurden. Die daraus entstandenen Implementierungen bildeten bestimmte relevante Komponenten der entwickelten Künstlichen Systeme. Die empirisch-simulative Methode, die im SFB 360 im oben beschriebenen Sinne systematisch weiter entwickelt wurde, war zugleich das Verbindungsstück zwischen der interdisziplinär praktizierten Zusammenarbeit von Linguisten und Informatikern. Als Sprecher des SFB 360 freue ich mich, dass die Früchte der jahrelangen Arbeit in dem vorliegenden Buch zusammengefasst worden sind und einer interessierten Leserschaft vorgelegt werden können. Möge das Buch die Diskussion um Verständigungsprobleme und Verständigungsoptimierung anregen, um so den Erkenntnisfortschritt in der Erforschung der menschlichen Kommunikation zu dokumentieren. Außerdem ist es eine angenehme Pflicht des Sprechers eines Sonderforschungsbereichs, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die jahrelange Förderung zu danken; denn ohne die großzügige Förderung hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können. Für die Mithilfe bei der Manuskriptherstellung nach Ende des Projekts danken wir Grainne Delany herzlich.
Bielefeld, im Januar 2009
Gert Rickheit
Inhaltsverzeichnis
1 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2
Einleitung ............................................................................................11 Zielsetzung ...........................................................................................11 Forschungsüberblick und Untersuchungsansatz ...................................12 Illustrationsbeispiel ...............................................................................17 Transkriptionskonventionen .................................................................18 Beispieldiskussion ................................................................................20
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.5
Theoretischer Rahmen ........................................................................29 Interaktionstheoretischer Ausgangspunkt .............................................29 Zum Strategiebegriff ............................................................................30 Problembegriff, Problemtypologie und Interaktionserwartungen ..........................................................................................32 Fazit.......................................................................................................34 Semantiktheoretische Grundlagen ........................................................35 Zum Begriff der Bedeutungskonstitution .............................................35 Relevante Situationsfaktoren ................................................................36 Kontextbegriff und Kontextabhängigkeit .............................................39 Bedeutungsbegriff und systemtheoretische Konzeptualisierung ..........40 Kognitive Verfahren der Bedeutungskonstitution ................................43 Verständigung und Verständigungsprobleme .......................................48 Explikation des Verständigungsbegriffs ...............................................48 Verständigungsprobleme und ihre Ursachen ........................................49 Problemidentifizierung und prozessbezogene Lokalisierung ...............53 Resultatbezogene Problemtypisierung ..................................................57 Allgemeines ..........................................................................................57 Formulierungsprobleme .......................................................................61 Übertragungsprobleme .........................................................................68 Verstehensprobleme .............................................................................69 Allgemeines über Verständigungsstrategien ........................................71
3 3.1
Empirische Ergebnisse .......................................................................77 Eine Typologie der Verständigungsstrategien ......................................77
8
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5
Inhaltsverzeichnis
3.2.6 3.2.7 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3
Globale Strategien der prospektiven Problemvermeidung ...................78 Strategie der Markierung des Kommunikationsbeginns .......................79 Strategie der Adressierung des Kommunikationspartners ....................80 Strategie der Vorgreifenden Verdeutlichung ........................................80 Portionierung der Gesamtaufgabe in einzelne Teilaufgaben ................81 Orientierung der Montage an einer Vorlage (Bauplan oder eigenes Vorgehen) ................................................................................82 „Einfaches zuerst“ ................................................................................84 Rückgreifende Verdeutlichung .............................................................85 Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung .....................86 Lokale Aufmerksamkeitsfokussierung .................................................87 Lokale Kontextkonstitution ..................................................................88 Dreiteilung der Instruktion: Ziel – Objekte – Handlungen ...................90 Zweiteilung der Instruktion: Objekte – Handlungen ............................91 Zweiteilung der Instruktion: Ziel – Details ....................................92 Informationsstrukturelle Reihenfolge ...................................................93 Höflichkeit der Instruktionsformulierung .............................................95 Einfachheit und Kürze der syntaktischen Konstruktionen ..................104 Wahl einschlägiger Beschreibungskategorien ....................................104 Strategien der Verstehensabsicherung ................................................106 Rückmeldeverhalten ...........................................................................106 Reformulierungen ...............................................................................110 Inferenzangebote ................................................................................113 Negationen ..........................................................................................114 Explikation relevanter Informationen .................................................118 Gedächtnisorientierte Strategien .........................................................119 Situationsabgleich ..............................................................................126 Strategien der Problembehandlung und Reparaturen .........................131 Strategien der Problemidentifizierung und -manifestation .................140 Strategien zur Lösung von Formulierungsproblemen .........................152 Spezielle Strategien zur Lösung von Verstehensproblemen ...............185 Angemessenes Sozialverhalten bei Problemen ...................................199 Erwartungsprobleme und Erwartungskoordination ............................204 Rückfragen als Strategie zur Verständigungssicherung .....................216 Ein Klassifikationssystem für Rückfragen .........................................218 Quantitative empirische Analyse und ihre Resultate ..........................227 Fazit und Vergleich mit den Experimentalergebnissen ......................229
4
Zusammenfassende Darstellung der Forschungsergebnisse .........231
Inhaltsverzeichnis
9
5
Literaturverzeichnis .........................................................................237
6
Personenregister ................................................................................243
7
Sachregister........................................................................................245
1 Einleitung
1.1 Zielsetzung Erfolgreiche Verständigung zwischen Kommunikationspartnern ist seit jeher ein Thema von großer gesellschaftlicher Relevanz, denn ohne Verständigung ist ein gemeinsames Zusammenleben und Interagieren nur schwer möglich. Dies sieht man besonders in Krisensituationen, wo eventuell sogar über Leben und Tod entschieden wird. So ist eine präzise und reibungslose Kommunikation z.B. im Flugverkehr, sei es in Routine- oder in Notsituationen, von großer Bedeutung. Untersuchungen zur Kommunikation in Flugzeugcockpits haben gezeigt, dass in den Sekunden vor einem Flugzeugabsturz oftmals eine hohe Anzahl von Verständnisfragen zu beobachten ist. Ist die Crew hier in der Lage, sich trotz drohender Gefahr weiterhin erfolgreich zu verständigen, so kann manchmal ein größeres Unglück verhindert werden (vgl. Sassen 2002, 2006). Aber nicht nur in derartigen Sonderfällen, sondern auch in alltäglichen Kommunikationssituationen ebenso wie in intelligenter Mensch-Maschine-Kommunikation ist es wichtig, dass Verständigung gelingt. Eine Konstellation, in der Kommunikationspartner erfolgreich miteinander interagieren, ohne dass zumindest ein weitgehender Konsens über Bedeutungszuordnungen besteht, ist hier nur schwer vorstellbar. Hinzu kommt, dass in der heutigen Informationsgesellschaft Kommunikation zunehmend in den Vordergrund rückt, und die Fähigkeit, sich zu verständigen, als Schlüsselkompetenz zu einem zentralen sozialen und bildungspolitischen Thema wird. Bedenkt man die vielfältigen möglichen Ursachen für Verständigungsprobleme – da wären z.B. Probleme bei der Übertragung der akustischen Signale, unterschiedliche Bedeutungszuschreibungen durch die jeweiligen Kommunikationspartner oder unterschiedliche Wissens- oder Sprachvoraussetzungen –, dann ist es eigentlich ein Wunder, dass Verständigung in der Regel doch gelingt. Die Vermutung liegt daher nahe, dass Kommunikationsteilnehmer über ein umfangreiches Repertoire an Strategien zur Verständigungsherstellung verfügen. Hierbei gehen wir davon aus, dass diese Strategien den Anwendern nicht notwendigerweise vollständig bewusst sind. Vielmehr ist es eher so, dass sie während der sprachlichen Sozialisation erlernt und dann routinisiert und zumeist unbewusst
12
Einleitung
eingesetzt werden. Nur in Kommunikationssituationen, die ungewöhnlich sind oder in denen ein Standardvorgehen nicht zur Lösung eines Verständigungsproblems führt, ist damit zu rechnen, dass Verständigungsstrategien stärker ins Bewusstsein rücken. Allein aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung im Kommunikationsprozess ist es eine lohnende Forschungsaufgabe, sich mit Verständigungsstrategien zu beschäftigen. Da sie jedoch auch erlernbar sind, kann die Erforschung und die damit verbundene Darstellung effektiver Verständigungsstrategien darüber hinaus einen Beitrag zur Verbesserung kommunikativer Fähigkeiten leisten. Kompetente Kommunikationsteilnehmer sollten einerseits in der Lage sein, auftretende Verständigungsprobleme und deren Ursachen zu erkennen sowie zugehörige Problemlösungsstrategien auszuwählen. Andererseits sollten sie aber auch vorausschauend problemvermeidende (prospektive) Strategien anwenden können. Die Beschäftigung mit Verständigung, ihren Voraussetzungen und Strategien kann Kommunikationsteilnehmer für Problemsituationen sensibilisieren und ihnen verschiedene Erfolg versprechende Verhaltensmöglichkeiten aufzeigen. Das bewusste Erlernen und die Kenntnis von Verständigungsstrategien ermöglichen also letztendlich eine effizientere Kommunikation. Dies gilt sowohl für die Kommunikation zwischen Menschen als auch für die Verständigung zwischen Menschen und künstlichen Systemen. Im Folgenden wird es also darum gehen, den Nutzen geeigneter Verständigungsstrategien nachzuweisen. Es soll gezeigt werden, dass man bei erfolgreicher Anwendung von Verständigungsstrategien mit geringerem Formulierungsaufwand Verständigung schneller erreicht, dass Kommunikationsprobleme seltener vorkommen und dass auftretende Kommunikationsprobleme schneller gelöst werden können.
1.2 Forschungsüberblick und Untersuchungsansatz Die Untersuchung von Verständigungssicherung ist kein ganz neues Thema. So gibt es hierzu verschiedene Arbeiten aus der Psychologie. Sie beschränken sich jedoch hauptsächlich auf das Problem der Textverständlichkeit. Zu nennen ist hier v.a. das Hamburger Verständlichkeitskonzept von Langer, Schulz von Thun und Tausch (2002). Die Autoren stellen ein empirisch überprüftes Konzept zur Formulierung verständlicher Texte vor und entwickeln auf dieser Grundlage ein erfolgreiches Trainingsprogramm zur Formulierung verständlicher Texte. Unabhängig vom Textinhalt identifizieren die Autoren vier wichtige Dimensionen verständlicher Texte: Einfachheit, Kürze/Prägnanz, Gliederung/Ordnung und Zusätzliche Stimulanz. Zu allen vier Dimensionen werden erläuternde, jedoch
Forschungsüberblick und Untersuchungsansatz
13
relativ allgemeine Merkmale angegeben. So wird z.B. bei der Dimension Einfachheit eine konkrete, anschauliche und einfache Darstellung gefordert, ohne linguistisch differenziert und umfassend darauf einzugehen, wie eine solche Darstellung im einzelnen zu erreichen ist. Es stellt sich also heraus, dass der Ansatz des Hamburger Verständlichkeitskonzepts aus linguistischer Sicht noch weiter ausformuliert werden muss. Zugleich fehlt – wie wir später sehen werden – eine Einbettung in eine umfassendere Verständigungstheorie, für die noch weitere Dimensionen relevant sind. Ein anderer wichtiger Theorieansatz, der im Unterschied zum Hamburger Verständlichkeitskonzept nicht die Formulierungsseite, sondern den Aspekt von Verstehensstrategien betont, stammt aus der Sprachphilosophie. Gemeint ist die bekannte Theorie der Konversationsmaximen und Implikaturen von Grice (1975). Erstaunlicherweise hat man in der Verständlichkeitsforschung bisher nie gefragt, in welchem Verhältnis die Maximen von Grice zu den vier Dimensionen des Hamburger Verständlichkeitskonzepts stehen. Bei einer Beantwortung dieser Frage hätte man aber merken können, dass die vier Dimensionen alle der Maxime der Art und Weise zuzuordnen sind und dass somit auch die Rolle der anderen Maximen für verständliches Formulieren zu klären ist. Umgekehrt sind aber auch die verschiedenen Defizite des Ansatzes von Grice für eine allgemeine Verständigungstheorie bislang nicht systematisch diskutiert und erkannt worden. Eine entsprechend kritische Einschätzung werden wir später genauer begründen. Aus der Linguistik sind für unseren Zusammenhang insbesondere die konversationsanalytischen Arbeiten über Verständigungsprobleme und deren interaktive Behandlung in der (mündlichen) Kommunikation von Bedeutung sowie einige soziolinguistische und diskursanalytische Arbeiten zum Thema „misunderstanding“. Letztere Arbeiten beschäftigten sich anfangs hauptsächlich mit Verständigungsproblemen, deren Ursache in unterschiedlicher Gruppenzugehörigkeit und daraus resultierender unterschiedlicher sozialer oder kultureller Identität zu sehen ist. So wurden anfangs nur spezielle Kommunikationssituationen untersucht: „Among the most prominent of these have been social, cultural, and/or linguistic affiliation, sometimes aggregated in the notion of speech community; social class, or ethnic or racial subculture or community; gender; age, in particular studies of socialization,language aquisition, and formal educational settings; and social role – most commonly professional/bureaucratic vis-à-vis client.“ (Schegloff 1987, 202)
So wichtig derartige Untersuchungen sind, so weist Schegloff (1987) doch zu Recht auf die Notwendigkeit hin, Verständigungsprobleme zunächst in weniger speziellen Kommunikationssituationen zu untersuchen. Hierfür schlägt er Gespräche vor, in denen alle Teilnehmer derselben Gemeinschaft angehören. Die
14
Einleitung
Verständigungsprobleme, die in diesen Situationen auftreten werden, basieren dann nicht auf kulturellen Unterschieden, sondern geben Aufschluss über grundsätzlichere Probleme, die in Kommunikationssituationen auftreten können. Derartige Konstellationen stehen dementsprechend in neueren Arbeiten zum Thema im Vordergrund. Hier wird dann u.a. die Frage nach den Ursachen für Verständigungsprobleme (vgl. Schegloff 1987, Weigand 19991) und deren interaktive Behandlung im Dialog (vgl. Bazzanella/Damiano 1999) gestellt. Einen ausführlichen Überblick über die umfangreiche neuere soziolinguistische und diskursanalytische Forschung zum Thema „misunderstanding“ liefert z.B. Weigand (1999). In konversationsanalytischen Arbeiten wurde die empirische Relevanz des Themas „Verständigungsprobleme und Verständigungssicherung“ schon früh erkannt. Zu nennen sind hier v.a. die Arbeiten von Kallmeyer (1977) und Wenzel (1984). Empirisch umfangreiche und zugleich systematisch orientierte Arbeiten liegen mit Selting (1987) und Weingarten (1988) vor, die an den theoretischen Rahmen von Kindt/Weingarten (1984) anschließen und schon eine Vielzahl relevanter Strategien benennen. Nach wie vor besteht allerdings eine Diskrepanz zwischen erforderlicher theoretischer Grundlegung und empirischer Analysearbeit. Dies wird z.B. im Sammelband von Fiehler (1998) deutlich, in dem verschiedene theoretische Ansätze dargestellt sind, dessen empirische Arbeiten sich aber zu wenig auf diese Ansätze beziehen. Insgesamt gesehen liegen zwar viele (hier nicht einzeln zu nennende) kommunikationsanalytische Arbeiten über Verständigungsprobleme vor; sie müssen jedoch noch besser theoretisch fundiert und systematisiert werden. Wichtig sind in diesem Zusammenhang außerdem die Arbeiten über sogenannte Formulierungsverfahren (vgl. etwa Gülich/Kotschi 1996 und Brünner/Gülich 1997), weil dort teilweise prospektive Verfahren der Verständigungssicherung thematisiert werden. Dabei ist auch das auf Gumperz zurückgehende Konzept der Kontextualisierung von besonderer Bedeutung (vgl. Gumperz 1982, 1992; Auer 1992). Prospektive Verständigungsstrategien sind in der Konversationsanalyse aber vergleichsweise noch wenig untersucht. Im weiten Sinne gehören zu den Arbeiten über Verständigungsstrategien und die (interaktive) Behandlung von Verständigungsproblemen auch die bekannten Untersuchungen über Reparaturen (vgl. etwa Schegloff/Jefferson/Sacks 1977; Schegloff 1979; Levelt 1983). Diese Arbeiten thematisieren allerdings nur mittelbar den Strategieaspekt und die betrachteten Problem- und Reparaturtypen 1
Schegloff unterscheidet zwischen zwei wesentlichen Ursachen: „problematic reference and problematic sequential implicativeness“ (Schegloff 1987, 201) und weiteren Untergruppen. Dagegen unterscheidet Weigand (1999) die beiden Typen „misunderstanding the means and misunderstanding the purposes“ (Weigand 1999, 763).
Forschungsüberblick und Untersuchungsansatz
15
reichen nicht für eine systematische verständigungstheoretische Behandlung aus.2 Weitere Vorarbeiten, die für das Ziel der Identifizierung und Beschreibung von Verständigungsstrategien vorliegen, gehen auf einen Forschungszusammenhang zurück, der mit einem Projekt über die Analyse von Verständigungsproblemen (Kallmeyer/Kindt 1979) initiiert wurde. Hieraus resultierte zunächst die Formulierung eines verständigungstheoretischen Rahmens für eine Problemtypologie und eines generellen Behandlungsmusters für die Lösung von Verständigungsproblemen (Kindt/Weingarten 1984). Diese Arbeit wurde durch verschiedene Untersuchungsaspekte ergänzt (Kindt 1985; Henrici et al. 1985), und zwar insbesondere um die Aspekte der prospektiven Verständigungssicherung und der systematischen Ermittlung von Strategien (z.B. Portionierungsstrategie, Inferenzüberprüfung). Die Untersuchung von Reparaturen im Rahmen eines Projekts der DFG-Forschergruppe „Kohärenz" präzisierte erstmals den Zusammenhang zwischen dem Typ eines Verständigungsproblems, den Verständigungserwartungen der Kommunikationsteilnehmer und der gewählten Bearbeitungsform (Kindt/Laubenstein 1991). In Kindt (1998) wurden dann die bisherigen Ergebnisse systematisiert und zur Formulierung eines umfassenderen verständigungstheoretischen Rahmens genutzt. Auf dieser theoretischen Grundlage arbeitete auch das Projekt „Verständigungsstrategien“, das als Teil des Bielefelder Sonderforschungsbereichs „Situierte Künstliche Kommunikatoren“ von der DFG gefördert wurde und dessen Arbeitsergebnisse nun in dem vorliegenden Buch vorgestellt werden sollen.3 Als Arbeitsgrundlage diente dem Projekt das sogenannte „Bielefelder Flugzeugkorpus“. Dieses Korpus ist öffentlich zugänglich unter der Web-Adresse http://www.sfb360.uni-bielefeld.de/transkript/b1-doc/. Es enthält die Transkriptionen von 22 Dialogen, die in einer speziellen Versuchsanordnung entstanden sind: Jeweils zwei Versuchspersonen, denen die Rollen des Instrukteurs bzw. des Konstrukteurs zugewiesen wurden, bearbeiteten gemeinsam die Aufgabe, das im Folgenden abgebildete Baufix-Flugzeug zu montieren.
2
Eine übersichtliche Vorstellung grundlegender reparaturtheoretischer Grundbegriffe ist den neueren Arbeiten von Schegloff zum Thema „Reparaturen“ zu entnehmen, so z.B. Schegloff (2000). 3 An dieser Stelle möchten wir uns bei der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) für die Projektfinanzierung bedanken. Unser Dank geht auch an die Coprojektleiter Hans-Jürgen Eikmeyer und Hans Strohner† sowie an die zwischenzeitlichen Mitarbeiter Kristina Poncin, Sven Birkemeier, Gesche Schaffranietz und Jan Frederik Maas, die wichtige Vorarbeiten für die Entstehung dieses Buchs geleistet haben.
16
Einleitung
Abbildung 1: Baufix-Flugzeug
Aufgabe des Instrukteurs war es, das Flugzeug entweder zunächst selbst oder während der Instruktion simultan mit dem Konstrukteur zusammenzusetzen und dem Konstrukteur Anweisungen zu geben, was dieser zur Montage des Modells zu tun habe. Die beiden Versuchspersonen konnten jederzeit miteinander kommunizieren, allerdings konnten sie sich nicht immer sehen: Bei einigen Versuchspersonen war die Sicht blockiert oder eingeschränkt. Außerdem lagen dem Instrukteur als Bauvorlage für seine eigene Montage entweder ein Plan oder ein schon gebautes Flugzeug vor. Der Vorteil, den der Montageplan bietet, ist, dass er einen Vorschlag für eine sinnvolle Konstruktionsreihenfolge bietet, während dies nicht der Fall ist, wenn sich der Instrukteur nur am Modell orientieren kann. Durch diese verschiedenen Bedingungen ergaben sich unterschiedliche sprachliche Darstellungen und Herangehensweisen des Instrukteurs. Das Montageszenario eignet sich besonders gut für die Untersuchung von Verständigungsstrategien, da die jeweiligen Dialogpartner mit einer Situation konfrontiert sind, die durch die erschwerten Bedingungen erhöhte Verständigungsanforderungen schafft. So müssen die Dialogpartner stets ihr unterschiedliches Vorwissen bezüglich der zu lösenden Aufgabe sowie die eingeschränkten Sichtbedingungen bei ihrer Kommunikation berücksichtigen. Auch das Fehlen von Fachvokabular für die einzelnen zu verwendenden Bauteile kann die Verständigung erschweren. Die Forschungsfrage, die hieraus resultiert, ist die folgende: Wie schaffen es die Beteiligten trotz der schwierigen Situationsbedingungen und der teilweise eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten, z.B. ohne Gestik und Mimik zur Verständigung einzusetzen, sich erfolgreich zu verständigen? Konkret wollen wir zeigen, warum welche Probleme auftreten, wie sie hätten vermieden werden können und v.a. welche kommunikativ manifesten Strategien die Beteiligten zur
Illustrationsbeispiel
17
Lösung oder Vermeidung von Verständigungsproblemen anwenden. Das Ergebnis wird ein detaillierter Einblick in das Strategierepertoire sein, das Kommunikationspartnern grundsätzlich in Kommunikationssituationen zur Verfügung steht bzw. das sie beherrschen sollten.
1.3 Illustrationsbeispiel Es gibt mittlerweile etliche empirische Arbeiten, die Verständigungsprobleme im Detail untersuchen und dabei die Relevanz der Anwendung von Verständigungsstrategien an realen Beispielen nachweisen, so etwa Henrici et al. (1985), Selting (1987) oder Fiehler/Kindt/Schnieders (1999). Wie sich in diesen Untersuchungen gezeigt hat, kann das Auftreten von Verständigungsproblemen sehr unterschiedliche Ursachen haben. Aus Untersuchungen zur Bürger-Verwaltungs-Kommunikation und zur Arzt-Patienten-Kommunikation wissen wir, dass Probleme entstehen, wenn ein Kommunikationspartner keinerlei prospektive Aktivitäten der Verständigungssicherung unternimmt und seinem Gegenüber nicht klar macht, wie und ob seine aktuelle Äußerung zu vorherigen Äußerungen in Bezug steht. Missverständnisse sind auch dann vorprogrammiert, wenn Kommunikationspartner zwar denselben sprachlichen Ausdruck verwenden, aber Unterschiedliches damit meinen. Diese Situation kommt z.B. in der Bürger-Verwaltungs-Kommunikation vor, wenn der Klient ein Wort in seinem alltagssprachlichen Sinne und der Behördenmitarbeiter dasselbe in seinem fachsprachlichen Sinne versteht (Henrici et al. 1985). Verständigungsprobleme sind außerdem immer dann zu erwarten, wenn die Kommunikationsteilnehmer unterschiedliche Erwartungen an die Durchführung oder das Ziel der gemeinsamen Kommunikation richten. In der Arzt-Patienten-Kommunikation tritt dieses Phänomen z.B. dann auf, wenn der Arzt trotz ausführlicher Symptombeschreibung von Seiten des Patienten noch keine endgültige Diagnose stellen kann, sondern sich zunächst mithilfe verschiedener Tests einen genaueren Überblick verschaffen muss. Ist der Patient mit der Erwartung zum Arzt gekommen, eine schnelle Lösung für sein Problem zu erhalten, so wird er sicherlich enttäuscht sein. Versäumt es der Arzt hier, sein Vorgehen zu erklären und mit seinem Patienten eine Verständigung über das weitere Vorgehen zu erreichen, so kann es zwischen den beiden Kommunikationspartnern zu Missverständnissen oder sogar zu latenten Konflikten kommen. In der Arzt-Patienten-Kommunikation erwarten Patienten vom Arzt nicht nur fachliche Hilfe und Heilung, sondern sie wollen auch ein echtes Gespräch führen und erhoffen sich damit Verständnis und Trost in einer speziellen, für sie eventuell beängstigenden und verunsichernden Lebenssituation. Der Arzt benutzt das Gespräch dagegen hauptsächlich, um relevante Informationen zusammenzutragen
18
Einleitung
und eine Diagnose zu erstellen. „Wie zahlreiche medizinsoziologische und linguistische Studien zeigen, durchzieht dieser Interessenkonflikt zwischen Institution und Individuum alle Formen von Arzt-Patienten-Kommunikation und ist Auslöser für vielfältige Störungen“ (so Lalouschek 2002, 155). Dies sind nur einige Umstände, die möglicherweise zu Verständigungsproblemen führen. Solche Probleme können prinzipiell in jeder Kommunikationssituation auftreten, so auch in den von uns untersuchten Dialogen. Allerdings finden sich in den Dialogen des Bielefelder Flugzeugkorpus noch viele weitere Ursachen für Verständigungsprobleme und eine dementsprechend große Zahl an Verständigungsstrategien. Diesbezüglich gehen wir davon aus, dass die Kommunikationspartner in diesen Dialogen dieselben Verständigungsstrategien verwenden wie in alltäglichen Situationen. Zwar werden einige Probleme im Flugzeugkorpus durch die besonderen Situationsbedingungen evoziert – was ihre Vorkommenshäufigkeit im Gegensatz zu alltäglichen Situationen erklärt –, aber diese Probleme treten (in ähnlicher Form) auch in alltäglicher Kommunikation auf und sollten also im Prinzip von jedem Kommunikationsteilnehmer gelöst werden können. Aus diesem Grund sind die Ergebnisse unserer Untersuchungen auch auf allgemeine Kommunikationssituationen übertragbar. Um einen ersten Einblick in den Untersuchungsgegenstand und die zugrunde liegenden Dialoge zu erhalten, soll der Beginn eines Dialogs aus dem Korpus kurz vorgestellt und diskutiert werden. Diese erste Betrachtung erfüllt jedoch nicht den Anspruch einer vollständigen Detailanalyse. Zunächst ist hier ein kurzer Überblick über die wichtigsten, neben der üblichen Interpunktion verwendeten Transkriptionskonventionen notwendig.
1.3.1 Transkriptionskonventionen
Pausen: Pausen in einer Äußerung werden entweder durch ihre Länge relativ zur allgemeinen Sprechschnelligkeit spezifiziert ( für kurze und für längere Pausen) oder durch eine Angabe in Sekunden, so z.B. <sil: 8> für eine Pause von ungefähr 8 Sekunden. Fehlstarts und Abbrüche: Wortformen, die aus Fehlstarts und Abbrüchen resultieren, werden mit einem / markiert, z.B. Schrau/ für ein abgebrochenes Wort Schraube. Hesitationssignale: Die häufig benutzten Hesitationssignale werden wie alle anderen Wörter dargestellt, so z.B. äh, ähm oder hm. Phrasen und unterbrochene Wörter: längere Wortsequenzen, die Phrasen bilden, die immer in derselben Kombination vorkommen, können durch Leerzeichen ersetzende Unterstreichungen gekennzeichnet werden, so wird
Illustrationsbeispiel
19
z.B. die Phrase guten Morgen mit guten_Morgen dargestellt. Diese Darstellungsweise wird auch dann gewählt, wenn die einzelnen Fragmente eines Wortes z.B. durch ein Hesitationssignal voneinander getrennt sind: Hub_äh_schrauber. Kurzformen: Reduzierungen von Wortformen, die regulär und regelmäßig gebraucht werden, werden dargestellt, indem der ausgelassene Teil des Wortes in Klammern gesetzt wird. Die Form „nen”, die ursprünglich aus „einen” entstanden ist, würde im Transkript folgendermaßen dargestellt: (ei)nen. Ein anderer Fall wäre die Kurzform von geht es: geht(_e)s. Undeutliches Sprechen: In Fällen, in denen Teile einer Äußerung nur schwer oder gar nicht zu verstehen sind, kann der Transkribierende in einem Vorschlag spezifizieren, was er zu verstehen meint. Ist er unsicher, ob er etwas richtig verstanden hat, so wird er z.B. transkribieren; ist nichts zu verstehen, so wird dies mit ausgedrückt. Menschliche Laute: Menschliche artikulatorische Laute, z.B. ein Schmatzen, werden folgendermaßen transkribiert: . Ist der Laut parallel mit den Äußerungen wahrzunehmen, dann wird er folgendermaßen dargestellt, wenn es sich um eine kurze Überlappung handelt: {ach ja?}. In diesem Fall sind also das Lachen und die Äußerung ach ja? gleichzeitig zu hören. Bei längeren Überlappungen der Laute mit Äußerungen wird der Anfang des Lauts mit und das Ende des Lauts mit markiert, so z.B. das sieht ja komisch aus . Diese Schreibarten von Parallelität gelten auch für die Darstellung aller weiteren im Folgenden vorgestellten Charakteristika. Andere Geräusche: Alle anderen Geräusche, z.B. ein Klappern, werden mit <noise: klappern> dargestellt, wenn nur das Geräusch an sich zu hören ist oder mit <noise> ... , wenn das Geräusch den Hintergrund einer Äußerung bildet. In dem letzten Fall kennzeichnet das erste <noise> den Anfang und das zweite das Ende des Geräuschs. Ungewöhnliches: Ungewöhnliche oder auffallende Charakteristika der Sprache wie z.B. plötzliches lautes Sprechen werden mit ... dargestellt. Dialektale Variationen: Dialektale Variationen von Wörtern oder ganzen Phrasen werden nur in besonders ausgeprägten Fällen deutlich folgendermaßen gekennzeichnet: <subst> sind wir soweit . Paralleles Sprechen: Kurzes paralleles Sprechen beider Kommunikationspartner wird ebenso wie die schon erwähnte Überlappung von Lauten und Äußerungen mit geschweiften Klammern dargestellt. Hierbei ist auch
20
Einleitung
gleichzeitig zu erkennen, zu welchem Sprecher welche Äußerung gehört. In dem Beispiel {hast du?}<spk:K: Hab ich.> wird der Teil hast du? von dem Sprecher geäußert, dem der Turn zugewiesen ist, hier der Instrukteur. Hab ich. dagegen wird von Sprecher K, also dem Konstrukteur, geäußert. Längere Passagen parallelen Sprechens werden dagegen mit <par>... gekennzeichnet. Das erste <par> kennzeichnet dabei den Beginn des parallelen Sprechens, das zweite dessen Ende. Um zu verdeutlichen, welche Segmente parallel gesprochen sind und um gleichzeitig zu ermöglichen, innerhalb eines Turns mehrere parallele Segmente darzustellen, wird eine Identifikationsnummer n zu jedem parallelen Segment hinzugefügt. Nicht-Wörter: Vollständig artikulierte Wörter, die jedoch keinerlei Bedeutung besitzen, werden hier als Nicht-Wörter bezeichnet. Sie werden durch einen Asterisken gekennzeichnet (*befestugst anstatt von befestigst).
Jede Äußerung ist im Transkript mit drei wichtigen Informationen gekennzeichnet: der Nummer des Dialogs, der Nummer der Äußerung und der Identifizierung des Sprechers. Steht also vor einer Äußerung z.B. 11K005, so handelt es sich um die fünfte Äußerung des Konstrukteurs im elften Dialog. Der Instrukteur ist entsprechend mit einem I gekennzeichnet.
1.3.2 Beispieldiskussion Der folgende Textausschnitt stellt den Anfang des Dialogs 11 aus dem Flugzeugkorpus dar. Sowohl der Konstrukteur als auch der Instrukteur sind in diesem Fall weiblich. Beide können sich nicht sehen, da die Sicht blockiert ist, und der Instrukteurin lag für ihre eigene Montage des Flugzeugs ein schon gebautes Flugzeugmodell vor. 11I001 okay, Alexandra, wir bauen jetzt also ein Flug^ zeug. 11K002 ja. 11I002 und ähm du hast also zwei sehr lange, nee, wir fangen mal mit dem äh Propeller vorne an. 11K003 ja. 11I003 du hast also kleine äh diese kleinen Latten mit drei Löchern. 11K004 ja. 11I004 die legst du aufeinander. 11K005 ja. 11I005 also jeweils mit dem mittleren Loch. 11K006 ja.
Illustrationsbeispiel
21
11I006 und dann hast du ähm eine Schraube mit sechs Ecken, mit sechs so Seiten da steht drauf Lorenz Baufix. <sil: 3> 11K007 eine gelbe? 11I007 eine gelbe, ja. 11K008 ja. 11I008 und die schiebst du also durch diese beiden Löcher. 11K009 durch zwei Löcher, 11I009 und zwar dann in den blauen Würfel, da mußt du aber drauf achten, der Würfel hat verschieden größe Löcher. 11K010 also nun nochmal. ich habe jetzt diese mit den drei Löchern, diese {Schienen}<spk: I, ja> soll ich davon zwei nehmen? 11I010 ja, die legst du aufeinander, <par> jeweils mit dem mittleren Loch 11K011 <par> ja, und dann das Ding da durch ja ist klar und dann 11I011 ja, und so ein Kreuz machst du halt so da draus. 11K012 ja, ja Moment mal, jetzt muß ich erstmal gucken, was da hinten paßt, ne, <sil: 3> ja. 11I012 okay, hast du das? 11K013 habe ich. 11I013 jetzt nimmst du den blauen Würfel. 11K014 na, den habe ich doch schon. 11I014 ach so, okay, dann hast du das da dran {geschraubt}<spk: K, ja> ja? okay, von da aus, jetzt wird es ein bißchen schwieriger ähm drauf legst du jetzt mal <sil: 2> <noise: klappern> ach so, da neben den grünen Würfel, neben den blauen oder so dahinter. 11K015 ja. 11I015 und dann hast du nochmal ein äh so eine Schiene mit so drei Löchern <noise: klappern> 11K016 also soll ich jetzt den grünen Würfel auf den blauen Würfel legen? 11I016 nee, nee, da da so hint/, ja praktisch wenn du den Propeller als unterstes nimmst, 11K017 ja. 11I017 dann den grünen schon da drauf. 11K018 ja. 11I018 okay. 11K019 und dann so ein, nochmal so ein Dingen drauf? 11I019 dann so ein Plättchen da drauf, ja.
22
Einleitung
11K020 und dann? 11I020 und äh dieses Plättchen machst du dann wiederum mit so einer roten Schraube, mit so einer sechseitigen *befestust, befestigst du die. 11K021 an dem grünen? 11I021 an dem blauen erstmal. 11K022 an dem blauen? ne, das klappt bei mir schon nicht so. ich glaube, da müssen wir nochmal von vorne anfangen. also ich habe jetzt den Propeller. 11I022 ja. 11K023 da habe ich die gelbe Schraube in dieser blauen, in diesem blauen Dingen drin. 11I023 ja. 11K024 und da diese <noise: klappern> diese zwei Schienen als {Propeller}<spk: I, ja> {dazwischen}<spk: I, ja> und nun? nun habe ich das ganzen Dingen <par> auf 11I024 <par> und auf der anderen Seite von <par> dem blauen 11K025 <par> auf der gelben Schraube liegen vor mir. 11I025 mhm, <par> ja 11K026 <par> ja und nun? 11I026 und drauf dann den grünen. 11K027 ja, aber das hält doch nicht <noise: klappern> das lege ich doch jetzt <par> einfach 11I027 <par> ja, ja, klar, du mußt äh <sil: 1> du mußt das erst ein bißchen festhalten, ist gar nicht so <par> einfach wie man denkt 11K028 <par> ja, ist gut 11I028 <par> okay, al/ und jetzt 11K029 <par> und drauf wieder eine Schiene? 11I029 mhm, genau und äh die Schiene also mit ihrem ersten Loch an, auf d/, auf den blauen Würfel und äh mit dem mittleren auf den grünen. <sil: 4> 11K030 hä? <sil: 1> alles klar kannst du nicht mal von der anderen Seite erst anfangen? 11I030 okay, dann fangen wir hinten an <noise: klappern> also dann nimm mal den roten Würfel.
Illustrationsbeispiel
23
Der Dialog beginnt zunächst vielversprechend mit einer aufmerksamkeitserzeugenden Benennung der Adressatin (Alexandra)4 sowie mit einer Vorgreifenden Verdeutlichung (wir bauen jetzt also ein Flugzeug und fangen wir mal mit dem äh Propeller vorne an). Vorgreifende Verdeutlichungen tragen dazu bei, dass Kommunikationspartner an sie gerichtete Äußerungen einordnen und damit besser verstehen können. Aus diesen Gründen ist die Vorgreifende Verdeutlichung zu den prospektiven Verständigungsstrategien zu zählen. Allerdings zeigt die Umentscheidung der Instrukteurin (du hast also zwei sehr lange, nee, wir fangen mal mit dem äh Propeller vorne an) am Anfang auch, dass sie ihr Vorgehen zu Beginn ihrer Instruktion noch nicht genauer geplant hat. Für das Ausführen komplexer Aufgaben ist jedoch ein Plan immer von großem Vorteil. Er kann die Aufgabe z.B. in zweckmäßige Teilaufgaben unterteilen und durch sinnvolles Vorgehen größere organisatorische Probleme verhindern. Dies heißt jedoch nicht, dass die Instrukteurin hier völlig planlos vorgeht. Im Gegenteil, die Aufteilung ihrer Instruktionen kann durchaus als sinnvoll bezeichnet werden, da sie ihre Instruktion oftmals in eine Bereitstellungsphase (z.B. du hast also kleine äh diese kleinen Latten mit drei Löchern.) und eine anschließende Durchführungsphase (hier: die legst du aufeinander.) unterteilt. Diese eher kleinschrittige Vorgehensweise ist aus verständigungstheoretischer Sicht positiv zu beurteilen, da sie einer zu großen Informationsdichte der Instruktionen vorbeugt. Auch die Identifizierung der zu verwendenden Bauteile erscheint zunächst als unproblematisch, da die einzelnen benötigten Teile ausreichend spezifisch beschrieben werden (die kleinen Latten mit drei Löchern oder eine Schraube mit sechs Ecken, mit sechs so Seiten da steht drauf Lorenz Baufix) und die Konstrukteurin ihr Verstehen z.T. noch mit einer zusätzlichen Vergewisserungsfrage interaktiv absichert (eine gelbe?). Da alle Schrauben der Konstrukteurin, die sich durch die Aufschrift „Lorenz Baufix“ auszeichnen, gleichzeitig auch gelb sind, zeigt sie mit ihrer spezifischen Frage eine gelbe?, dass sie bereits eine Schlussfolgerung über die Farbe der Schraube gezogen hat. Die von ihr angestrebte Bestätigung ihrer Schlussfolgerung führt dann zu zusätzlicher Sicherheit bezüglich der Schraube, die sie verwenden soll. Mithilfe einer derartigen interaktiven Absicherung können Kommunikationspartner immer erreichen, dass sie sich beide auf die selben Handlungen und/oder Objekte beziehen. Obwohl die Identifizierung der Objekte hier also keine größeren Schwierigkeiten bereitet, ist die Instruktion bezüglich der kleinen Latten mit drei Löchern dennoch problematisch. Es fehlt eine wichtige Information, die mit einer geringfügig erweiterten Formulierung von der Instrukteurin hätte gegeben werden können: Zu dem aktuellen Zeitpunkt der Instruktion liegen der Konstrukteurin vier Leisten mit 4
Im Folgenden werden im Fließtext zitierte Äußerungen der Interaktanten (oder ihre Bedeutungen) kursiv dargestellt.
24
Einleitung
drei Löchern vor. Aus der Instruktion geht jedoch bisher nicht hervor, wieviele sie davon für den ersten Bauschritt braucht. Auch wenn einem Beobachter nicht bekannt wäre, dass die Konstrukteurin nur zwei Leisten nehmen soll, könnte er schon an dieser Stelle vermuten, dass ein Verständigungsproblem auftauchen wird, sofern die Instrukteurin ihre Anweisung nicht noch genauer spezifiziert. Dies geschieht jedoch nicht. Vielmehr geht die Instrukteurin auch weiterhin von ihrem speziellen eigenen Wissen über das Bauziel aus und lässt die Konstrukteurin über die genaue Anzahl der zu verwendenden Leisten im Unklaren. So taucht das erwartete Verständigungsproblem dann zwangsläufig auf: Die Konstrukteurin versteht die Instruktion und die schiebst du also durch diese beiden Löcher nicht und signalisiert dies zunächst mit einer Wiederholung des kritischen Teils der Instruktion durch zwei Löcher, . Obwohl sie auf diese Äußerung kein Ratifikationssignal gibt, behandelt die Instrukteurin diese Wiederholung bereits als Bestätigung ihrer Instruktion, indem sie mit ihrer Instruktion fortfährt. Daraufhin signalisiert die Konstrukteurin noch einmal sehr viel deutlicher, dass sie ein Verständigungsproblem hat: also nun nochmal. ich habe jetzt diese mit den drei Löchern, diese {Schienen}<spk: I, ja> soll ich davon zwei nehmen?. Das konsequente Nachfragen der Konstrukteurin führt dann zu einer das Problem lösenden Antwort der Instrukteurin. Um weitere Verständigungsprobleme bezüglich der fraglichen Instruktion auszuschließen, wiederholt die Instrukteurin nach der erfolgreichen Klärung noch einmal den Rest ihrer ursprünglichen Instruktion (die legst du aufeinander, jeweils mit dem mittleren Loch). Anhand der Reaktionen der Konstrukteurin auf die Wiederholungen und Erläuterungen der Instrukteurin lässt sich jedoch erschließen, dass die Konstrukteurin den Rest der Instruktion verstanden hatte und eigentlich kein weiterer Klärungsbedarf bestand. Dennoch ist dieses Verhalten strategisch sinnvoll, da es weitere, bisher nicht erkannte Probleme aufdecken könnte. Die Problembehandlung endet mit einer expliziten interaktiven Situationssicherung (okay, hast du das? und habe ich), nach der die Instrukteurin ihre ursprüngliche Instruktion wieder aufnimmt. Dies führt zu einer weiteren Situationssicherung, da sich herausstellt, dass die Instrukteurin trotz der ersten Sicherung von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist (na, den habe ich doch schon). Nach einem zweiten Abgleich der Ausgangssituationen beginnt die Instrukteurin ihre weitere Instruktion mit einer aufmerksamkeitserregenden Ankündigung: jetzt wird es ein bisschen schwieriger. Diese Strategie zur Erhöhung der Aufmerksamkeit beim Adressaten hatte die Instrukteurin schon zuvor einmal verwendet (da mußt du aber drauf achten,...). Bei anstehenden komplexen und schwierigen Aufgaben kann eine solche explizite Aktivierung zu besserer Konzentration und Informationsverarbeitung auf Seiten des Zuhörers führen.
Illustrationsbeispiel
25
Trotz dieser vorbeugenden Maßnahme lässt das nächste größere Verständigungsproblem nicht lange auf sich warten. Es stellt sich heraus, dass die Konstrukteurin die Instruktion drauf legst du jetzt mal <sil: 2> <noise: klappern> ach so, da neben den grünen Würfel, neben den blauen oder so dahinter nicht verstanden hat. Dies signalisiert sie wiederum mithilfe einer schlussfolgernden Rückfrage (also soll ich jetzt den grünen Würfel auf den blauen Würfel legen?). Auch dieses Verständigungsproblem kommt für den Beobachter aus mehreren Gründen nicht überraschend. Die Instrukteurin hat ihre Instruktion zum einen aufgrund der vielen Korrekturen und zum anderen aufgrund der oderKonstruktion neben den blauen oder so dahinter recht verwirrend formuliert. Diese Äußerung hätte sie sicherheitshalber unbedingt noch einmal reformulieren müssen. Des Weiteren enthält die Instruktion keinerlei Informationen darüber, wie der blaue Würfel ausgerichtet werden muss, damit die Konstrukteurin den grünen Würfel darauf oder daneben legen kann. Auch in diesem Fall berücksichtigt die Instrukteurin also nicht, dass die Konstrukteurin die genauere Orientierung des fraglichen Bauteils nicht von selbst erschließen kann. Die Instrukteurin hätte also zunächst eine Grundlage für die Benutzung des Lokaladverbs schaffen müssen. Da sie dies versäumt, besteht eine Lösung des entstandenen Problems dann in einer gemeinsamen Klärung der Ausrichtung des blauen Würfels. Nachdem die Ausrichtung geklärt ist, entsteht aus den gleichen Gründen wie zuvor ein weiteres Verständigungsproblem. Die Konstrukteurin kehrt mit ihrer Frage und dann so ein, noch mal so ein Dingen drauf? zum ursprünglich geplanten Bauschritt zurück. Ihre Frage wird von der Instrukteurin sofort mit dann so ein Plättchen da drauf, ja bestätigt. Da die Konstrukteurin keine weiteren Angaben über die Ausrichtung des angesprochenen Plättchens (also einer Leiste mit drei Löchern) erhält, geht sie hier davon aus, dass die zuvor ausgehandelte Perspektive beibehalten werden soll und versteht die Bedeutung des Lokaladverbs drauf hier in dem selben Sinne wie schon zuvor. Dies führt dazu, dass sie die 3er-Leiste auf ihre schon gebaute Konstruktion legt. Es stellt sich im Verlauf der weiteren Instruktion jedoch heraus, dass die Perspektive der Instrukteurin und der Konstrukteurin bezüglich des drauf doch unterschiedlich ist und die Konstrukteurin die falsche Stelle gewählt hat (an dem blauen? ne, das klappt bei mir schon nicht so). Auch in diesem Fall hat die Instrukteurin es versäumt, der Konstrukteurin präzise zu sagen, wo sie die Leiste anbringen soll – nämlich nicht, wie die Konstrukteurin zu Recht vermutet hatte, auf dem grünen Würfel, sondern an der Seite des blauen (und grünen) Würfels. Diese unvermittelte Änderung der Perspektive hätte die Instrukteurin der Konstrukteurin unbedingt mitteilen müssen oder aber sie hätte sich an der ursprünglich ausgehandelten Perspektive orientieren und dementsprechend eine andere Formulierung wählen
26
Einleitung
müssen. So jedoch führt ihr unterschiedlicher Gebrauch des Adverbs drauf zu weiteren Verwirrungen. Sobald klar ist, dass ein Verständigungsproblem vorliegt, ergreift die Konstrukteurin die Initiative (ne, das klappt bei mir schon nicht so. ich glaube, da müssen wir noch mal von vorne anfangen.). Hierzu fasst sie fasst ihre bisherigen Handlungen noch einmal zusammen und kann dabei aus den Bestätigungen der Instrukteurin schließen, dass sie diese korrekt durchgeführt hat. Nachdem sie auf diese Weise eine solide Grundlage für die weitere Klärung hergestellt hat, fordert sie die Instrukteurin auf, mit der Instruktion der im Folgenden durchzuführenden und der Konstrukteurin Schwierigkeiten bereitenden Handlung fortzufahren (und nun?). Die daraufhin folgende Aufforderung der Instrukteurin (und drauf dann den grünen) führt zu einem sofortigen Widerspruch der Konstrukteurin, der die Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der erhaltenen Instruktion nicht einsichtig zu sein scheint (ja, aber das hält doch nicht). Nachdem die Instrukteurin jedoch die Richtigkeit ihrer Instruktion bestätigt hat, akzeptiert die Konstrukteurin diese explizit (ja, ist gut) und zeigt damit an, dass dieser Teil der Instruktion nunmehr unstrittig ist. Hieraufhin versuchen beide Akteure gleichzeitig, mit der Klärung des nächsten Schrittes zu beginnen: Während die Instrukteurin noch nach einem Anknüpfungspunkt sucht (okay, al/ und jetzt), schlägt die Konstrukteurin mit ihrer Frage (und drauf wieder eine Schiene?) schon das nächste Vorgehen vor. Die Instrukteurin greift diesen Vorschlag dann auch auf und beschreibt genauer, wie die angesprochene Schiene angebracht werden muss (mhm, genau und äh die Schiene also mit ihrem ersten Loch an, auf d/, auf den blauen Würfel und äh mit dem mittleren auf den grünen.). Auch hier gibt die Instrukteurin wieder keinerlei Hinweise darauf, dass drauf nicht mit oben gleichzusetzen ist. Vielmehr geht sie weiterhin davon aus, dass die Konstrukteurin weiß, wo die Leiste angebracht werden muss. Da dies nicht der Fall ist, kann die Konstrukteurin, die nach wie vor von der bereits etablierten Perspektive ausgehen muss, auch die genaueren Beschreibungen der Instrukteurin nicht verstehen (hä?). Die ausführliche Behandlung des Verständigungsproblems war damit trotz des vielversprechenden Vorgehens der Konstrukteurin nicht erfolgreich, da der Instrukteurin die Problemursache nicht bewusst war und sie diese dementsprechend nicht beseitigen konnte. In dieser verfahrenen Situation ergreift die Konstrukteurin wieder die Initiative, indem sie eine Vertagung des momentan nur schwer lösbaren Problems und eine Änderung des Vorgehens vorschlägt (kannst du nicht mal von der anderen Seite erst anfangen?). Die Instrukteurin nimmt diesen Vorschlag an (okay, dann fangen wir hinten an) und beginnt die Instruktion eines völlig anderen Bauschritts. Es zeigt sich im weiteren Verlauf des Dialogs, dass die nun von der Instrukteurin instruierten Handlungen von der Konstrukteurin sehr viel besser durchgeführt werden können und
Illustrationsbeispiel
27
die Konstrukteurin letztendlich das Flugzeug erfolgreich zusammensetzen kann. Aus der Sicht des Beobachters ist dies nicht verwunderlich, denn die Instrukteurin hatte ursprünglich einen sehr komplizierten Montageweg gewählt. Hieran zeigt sich, dass eine zweckmäßige Instruktionsplanung auch eine wichtige Voraussetzung erfolgreicher Verständigung bilden kann. Die vorausgegangene Diskussion dürfte deutlich gemacht haben, dass ein unbedachtes Vorgehen ebenso wie ein unangekündigtes Ändern der Beschreibungsperspektive oder eine Nichtberücksichtigung der Situation und des Wissens des Kommunikationspartners möglicherweise zu gravierenden Verständigungsproblemen führt. Insgesamt hat sich gezeigt, dass die beiden Kommunikationspartner trotz deutlicher Bemühungen nicht immer in der Lage waren, Verständigung herzustellen. Die Sensibilisierung für mögliche Probleme und das Bewusstmachen von erfolgreichen Verständigungsstrategien im vorhinein hätte vermutlich zur Vermeidung oder leichteren Bewältigung der betreffenden Probleme beitragen können.
2 Theoretischer Rahmen
2.1 Interaktionstheoretischer Ausgangspunkt Angesichts der Komplexität des gewählten Forschungsgegenstandes ist es zweckmäßig, vorab einen geeigneten theoretischen Rahmen zu formulieren, damit die betrachteten Phänomene genauer lokalisiert und beschrieben werden können. Da es im experimentellen Setting des Flugzeugkorpus um Interaktionen zwischen zwei (Versuchs-)Personen geht, wollen wir als erstes die für unsere Analysen grundlegenden Annahmen und Beschreibungskategorien aus der Interaktionstheorie voranstellen und damit zugehörige Voraussetzungen unserer Untersuchung formulieren. Untersuchungen sprachlicher Interaktion beschäftigen sich mit allen Aspekten von Kommunikation. So tragen Untersuchungen zur Grammatik, Prosodie, Phonetik, Semantik oder Pragmatik immer auch wichtige Informationen zu einer Theorie der Interaktion bei (vgl. Selting/Couper-Kuhlen 2000, 77). Ein ausführlicher Überblick über das heute vorhandene Grundlagenwissen zur sprachlichen Interaktionsanalyse ist z.B. bei Auer (1999) zu finden. Bei der Untersuchung unserer Dialoge wollen wir v.a. die folgenden Aspekte berücksichtigen: Zunächst einmal handelt es sich bei der Montage des BaufixFlugzeugs nicht um eine beliebige Interaktion zwischen zwei Kommunikationspartnern, sondern um eine Interaktion, bei der einerseits ein hohes Maß an Kooperativität erforderlich ist, und bei der andererseits beide Teilnehmer ein und dasselbe komplexe Ziel verfolgen, nämlich die Konstruktion des Flugzeugs. Für die erfolgreiche Kooperation und das Erreichen des gemeinsamen Ziels ist eine funktionierende Verständigung eine wichtige Voraussetzung. Zugleich müssen sich die beiden Partner auf eine geeignete Teilzielzerlegung für aufeinander folgende Konstruktionsschritte einigen. Dies hat sich schon in unserer Beispieldiskussion in 1.3.2 gezeigt. Dort haben wir gesehen, wie sich beide Kommunikationspartner an den Bemühungen um gemeinsame Bedeutungszuordnungen und angemessene Konstruktionswege beteiligen und damit die Voraussetzung für eine erfolgreiche Lösung ihrer Aufgabe schaffen. Die Diskussion hat außerdem gezeigt, dass bei zielgerichtetem (interaktivem) Verhalten ein weiterer Aspekt eine wichtige Rolle spielt: Es können Probleme auftreten, die gelöst oder von
30
Theoretischer Rahmen
vornherein vermieden werden sollten. Dementsprechend verfügen Kommunikationsteilnehmer über prospektive und retrospektive Problemlösungsstrategien.
2.1.1 Zum Strategiebegriff Da die beiden Begriffe Strategie und Problem grundlegend für unsere Untersuchung sind, wollen wir sie an dieser Stelle näher erläutern. Zum Begriff der Strategie ist Folgendes zu sagen: Zunächst einmal ist die Anwendung von Strategien ein grundlegendes Phänomen menschlichen Verhaltens. Dieses Verhalten wiederum ist maßgeblich bestimmt durch Handlungen, die im Allgemeinen als zielorientiert gelten (vgl. Heinemann 2001, 1188) und somit auf die Veränderung von Situationen bzw. Teilzuständen von ihnen ausgerichtet sind. Dabei gehen wir nicht davon aus, dass den Beteiligten immer alle Ziele ihrer Handlungen bewusst sind. Zwar kann ein Handelnder seine Ziele reflektieren. Es ist aber fraglich, ob er sich jeweils aller Ziele bewusst ist. In diesem Zusammenhang muss auf die Tatsache hingewiesen werden, dass viele Handlungen automatisiert ablaufen. Der Mensch entwickelt Routinen, um wiederkehrende Situationen effizient zu bewältigen. Für die meisten Situationen, mit denen eine Person häufig konfrontiert wird, hat sie aufgrund früherer Erfahrungen typische Handlungsverfahren entwickelt oder übernommen. Automatisiertes Handeln und schematisiertes Denken ersetzen in diesen Fällen intensive und komplizierte Denkleistungen in alltäglichen und geläufigen Situationen und tragen zu einer ökonomischen Situationsbewältigung bei. Die Ziele, die in solchen Situationen angestrebt werden, müssen also nicht mehr bewusst reflektiert und realisiert werden. Eine spezifische Art zielgerichteten Handelns stellt das sprachlich-kommunikative Handeln dar. Dieses dient der Realisierung konkreter sozialer Zwecke, aber weitgehend auch der Erreichung persönlicher Ziele und ist somit auf die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse gerichtet. Um sicher zu stellen, dass die erwünschten Situationen herbeigeführt werden, verhalten sich die Kommunikationsteilnehmer entsprechend. Sie bevorzugen im Rahmen jeweiliger Verhaltensspielräume solche Handlungen, die zur erhofften Situation führen. Mit anderen Worten: Sie handeln strategisch. Die linguistische Gesprächsforschung beschäftigt sich seit einiger Zeit intensiver mit strategischem Handeln. Während zunächst fast ausschließlich die Analyse der Gesprächsstruktur und der Gesprächsorganisation im Vordergrund stand (vgl. Kohl 1986), werden nun vermehrt auch die Faktoren untersucht, die die Auswahl und Anordnung sprachlicher und kommunikativer Mittel bewirken, die also die jeweilige Gesprächsstruktur haben entstehen lassen (vgl. Brinker 1986, 335). Allerdings wird der Strategiebegriff in der Gesprächsforschung bis-
Interaktionstheoretischer Ausgangspunkt
31
her nicht einheitlich verwendet. Wir bevorzugen hier eine weite spieltheoretische Explikation (vgl. Kindt 2001b, 1180), die berücksichtigt, dass Strategien nicht nur – wie oft angenommen wird – in Konfliktsituationen und bei Interessengegensätzen Anwendung finden. Vielmehr gehen wir davon aus, dass es generell, also auch in Konsenssituationen Ansatzpunkte für strategisches Handeln gibt. Betrachtet man z.B. kooperative Handlungssituationen wie in unserem Versuchssetting, so erkennt man schnell, dass es stets um optimale Zielrealisation und optimalen Kommunikationserfolg gehen kann (vgl. Brinker 1986, 336).5 Für das Erreichen eines optimalen Kommunikationserfolgs ist die Wahl der sprachlichen Mittel entscheidend. Betrachtet man Kommunikationssituationen, so steht ein Gesprächspartner grundsätzlich immer vor der Wahl adäquater Kommunikationsmittel. Da er so gut wie möglich darauf achten muss, dass seine Äußerungen so verstanden werden, wie er es intendiert hatte, ist im Prinzip alles Kommunizierte als Ergebnis einer strategischen Wahl anzusehen, sofern Formulierungs- bzw. Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Dabei kann eine ausgewählte und angewendete Strategie mehr oder weniger zweckmäßig sein. Wir wollen eine Strategie dann als zweckmäßig bezeichnen, wenn sich mit ihr unerwünschte Situationen vermeiden und wunschgemäße Situationen effizient erreichen lassen (vgl. Kindt 2001b, 1180). Die Auswahl einer angemessenen und erfolgversprechenden Strategie basiert dabei einerseits auf bisherigen Kommunikationserfahrungen und andererseits auf der Analyse einer gegebenen Situation. Zu guter Letzt ist es nun naheliegend, eine Strategie, die ein bestimmtes kommunikatives Ziel realisieren soll, als Kommunikationsstrategie zu bezeichnen. Dabei sollte man nicht nur Kommunikationsstrategien betrachten, die dazu dienen, Ziele zu erreichen, deren Realisierung sich den Interaktanten als Problemlösung darstellt. Kommunikative Ziele können am besten mit Hilfe von Strategien erreicht werden, die von vornherein das Auftreten von Problemen vermeiden. Dementsprechend definieren wir hier den Begriff Kommunikationsstrategie folgendermaßen: Kommunikationsstrategien sind kognitive und/oder interaktive Verfahren, die situativ in der Kommunikation eingesetzt oder neu entwickelt werden, um ein bestimmtes kommunikatives Ziel zu erreichen. Speziell kann dieses Ziel auch der Lösung eines wahrgenommenen oder der Vermeidung eines antizipierten Problems dienen.
5
Auch Goffman (1969), der als Normalfall strategischer Interaktion Konfliktsituationen ansetzt, räumt ein, dass Spiele existieren, wo kein Konflikt vorliegt. So gebe es z.B. Situationen, in denen es zwei Parteien in ihrem individuellen Interesse liegend finden, ihre Handlungsweisen aufeinander abzustimmen (vgl. Goffman 1969, 89).
32
Theoretischer Rahmen
2.1.2 Problembegriff, Problemtypologie und Interaktionserwartungen Des Weiteren muss nun der Begriff Problem expliziert werden. In der Literatur zum Problemlösen herrscht weitgehend Übereinstimmung darüber, was unter einem Problem zu verstehen ist. Man geht im Allgemeinen von einer dreistufigen Grundstruktur von Problemen aus: Zwischen einem Ausgangs- und einem Zielzustand klafft eine nicht ohne weiteres zu überwindende Lücke. Mit dieser Lücke wird das Problem identifiziert (vgl. Arbinger 1997, 5, 9). Zu beachten ist, dass ein Problem nie unabhängig von den jeweiligen Beobachtern bzw. den potentiellen Problemlösern betrachtet werden kann, denn ein Problem an sich gibt es nicht. Ein Zustand wird erst dann zu einem Problem, wenn die Beteiligten ihn vor dem Hintergrund momentaner Zielsetzungen als noch unbefriedigend erachten (vgl. Arbinger 1997, 5). Wichtig ist außerdem, dass die Interaktanten diese Lücke überbrücken wollen, auch wenn sie in dem Moment, in dem ein Sachverhalt als Problem wahrgenommen wird, nicht sofort über die Mittel verfügen, diese zu schließen. In der Problemlösungsforschung hat man immer wieder versucht, Problemtypen zu unterscheiden. Eine verbindliche Klassifikation von Problemen gibt es bisher jedoch nicht, denn je nachdem, welche Kriterien herangezogen werden, kommt man zu unterschiedlichen Einteilungen von Problemen.6 Wie auch immer der Problemlöser das Problem in einer konkreten Situation klassifiziert oder wahrnimmt, aufgrund seines Wissens über die Art des Problems kann er in gewissem Umfang auf die anzuwendende Problembearbeitung schließen (vgl. Meyer-Fujara et al. 1993, 743). Wir wollen hier grob zwischen Routineproblemen und Nicht-Routineproblemen unterscheiden. Solche Probleme, für die zwar keine fertigen Lösungen abgerufen werden können, die aber prinzipiell schon gelöst sind, weil der Problemlöser über zugehörige Problemlösungsstrategien verfügt, wollen wir als Routineprobleme bezeichnen; dieser Fall liegt auch für die meisten der im Flugzeugkorpus vorkommenden Verständigungsprobleme vor. Demgegenüber sollen solche Probleme, für die Lösungen völlig neu erzeugt werden müssen, zu den Nicht-Routineproblemen gezählt werden. Tritt ein NichtRoutineproblem auf, so versucht man häufig, sich die Problemlösung dadurch zu erleichtern, dass man einschränkende Annahmen über Situation und Partnerverhalten macht. Solche Annahmen können einerseits den Status von erfahrungsbasierten Prognosen und andererseits von regelbasierten, normativ begründeten
6
Die im deutschen Sprachraum bekannteste Klassifikation liefert Dörner (1979). Er unterscheidet Probleme nach der Art der Barrieren, die die Transformation des Anfangszustandes in den Endzustand verhindern. Dementsprechend werden Probleme in Interpolationsprobleme, synthetische und dialektische Probleme unterteilt.
Interaktionstheoretischer Ausgangspunkt
33
Verhaltenserwartungen haben (vgl. Kindt 2001b, 1183).7 Auf der Grundlage derartiger Annahmen ist es dann oft möglich, aus verschiedenen Problemlösungsmöglichkeiten eine Erfolg versprechende auszuwählen. Ein für unsere Zwecke geeigneter Ansatz für eine Problemtypologie resultiert aus der Analyse von Reparaturen in der Bielefelder Forschergruppe „Kohärenz“ (vgl. Kindt/Laubenstein 1991) und einer Kritik an der unzureichenden Klassifikation von Levelt (1983). Dass in einer Interaktion ein Problem vorliegt, bedeutet, dass mit der gerade durchgeführten Handlung/Teilinteraktion noch nicht – wie beabsichtigt – das angestrebte Ziel bzw. ein zugehöriges Teilziel erreicht wird. Somit erfüllt der resultierende Zustand noch nicht alle für das betreffende Ziel einschlägigen Erwartungen. Auf der Basis der Analyseergebnisse für Reparaturen schlägt Kindt (2001c) eine Problemtypologie vor, die sich auf die Art der unerfüllten Erwartungen bezieht und zugleich eine überraschende Ähnlichkeit zu den Konversationsmaximen von Grice (1975) aufweist. Diese Maximen müssen allerdings verallgemeinert und systematisiert werden. Einerseits sind sie nicht nur wie bei Grice auf bestimmte Aspekte aus Semantik und Pragmatik zu beziehen, sondern gelten für alle linguistischen Ebenen bzw. für sämtliche Beurteilungsaspekte zielgerichteter Interaktion. Dabei lässt sich eine für alle Ebenen einheitliche Bedingungsexplikation angeben. Andererseits reicht es aus, drei generelle Arten von Interaktionserwartungen zu unterscheiden, nämlich Korrektheit, Vollständigkeit und Effizienz, die in etwa der Reihe nach den Maximen von quality, quantity und manner entsprechen. Dabei zählt eine Handlung/Interaktion als inkorrekt, wenn mit ihr das angestrebte Ziel nicht normgerecht erreicht werden kann (z.B. aufgrund eines Regelverstoßes). Als unvollständig gilt sie, wenn das Ziel noch die Durchführung mindestens einer weiteren Handlung erfordert. Schließlich geht es bei einem Effizienzproblem um ihre mangelnde Wirksamkeit oder einen zu großen Aufwand. Unter diesen Problemtyp kann man auch den Fall einer Verletzung der Relevanzmaxime von Grice subsumieren, denn eine nicht zielführende irrelevante Information zu geben, ist ineffizient. Dasselbe gilt für den Teil der Quantitätsmaxime von Grice, die empfiehlt, nicht zu viele Informationen zu geben, was somit einen unnötigen Formulierungsaufwand darstellt. Umgekehrt kann eine Information nur dann relevant für das Erreichen eines Ziels sein, wenn ohne sie das Ziel überhaupt nicht erreicht oder jedenfalls nicht effizient erreicht wird. Insofern ist es zweckmäßig, das Vollständigkeitskonzept so weit zu definieren, dass auch der zweite Fall unter die Kategorie "Unvollständigkeit" zu
7
In der Konversationsanalyse nennt man diese Annahmen nach Kallmeyer/Schütze (1976) auch praktische Idealisierungen (vgl. Kindt 2001b, 1183).
34
Theoretischer Rahmen
subsumieren ist, m.a.W. das Fehlen einer relevanten Information bzw. Handlung wirkt sich dann stets als Unvollständigkeit aus. Die zentrale Bedeutung der genannten drei Erwartungsdimensionen lässt sich leicht am Flugzeugkorpus veranschaulichen. Auf der einen Seite sind die Beteiligten deutlich bemüht, die betreffenden Erwartungen auf den verschiedenen Ebenen zu erfüllen. Ihre Äußerungen bilden weitgehend syntaktisch korrekte und vollständige Sätze; es wird versucht, alle für den Flugzeugbau erforderlichen Informationen zusammenzutragen und sich darüber möglichst schnell und präzise zu verständigen; die Anweisungen des Instrukteurs werden im Wesentlichen korrekt befolgt etc. Auf der anderen Seite zeigt sich schon an dem in 1.3.2 diskutierten Ausschnitt von Dialog 11, auf welchen Ebenen und in welcher Hinsicht gravierende Probleme auftreten können. So gelingt es der Instrukteurin nicht immer, genügend eindeutig und vollständig zu formulieren. Ineffizient war auch ihre Strategie, die Flugzeugmontage mit dem Propellerbau zu beginnen. An diesem Beispiel sieht man, dass sich eine wichtige Unterart von Effizienzproblemen auf unzweckmäßige Handlungsreihenfolgen bezieht. Schließlich versucht die Instrukteurin, eine eventuell inkorrekte Montage des Propellers zu verhindern, indem sie die Konstrukteurin in 11I009 darauf hinweist, dass der blaue Würfel unterschiedlich große Löcher hat (nur die kleinen Löcher in den Würfeln sind nämlich mit einem Gewinde versehen, in das die Baufixschrauben hineingedreht werden können).
2.1.3 Fazit Die bisher angesprochenen Fragen von Kooperation, Strategieauswahl, Erwartungsbezug, Problemlösung und Problemvermeidung sind nur einige der vielen Aspekte, die in der Interaktion und Verständigung zwischen Kommunikationspartnern eine große Rolle spielen und die bei der Untersuchung von sprachlicher Interaktion berücksichtigt werden müssen. Grundsätzlich lässt sich hierzu zusammenfassend sagen, dass eine Interaktion zwischen zwei oder mehreren Kommunikationspartnern immer sehr viele unterschiedliche, eventuell aufeinander bezogene, regelgeleitete Aktivitäten sowie die Wahrnehmung und kognitive Verarbeitung dieser Aktivitäten und ihrer Resultate beinhaltet.
Semantiktheoretische Grundlagen
35
2.2 Semantiktheoretische Grundlagen 2.2.1 Zum Begriff der Bedeutungskonstitution Der Begriff der Verständigung ist eng mit dem Begriff Bedeutung verknüpft. Deshalb soll zunächst eine Diskussion des Bedeutungsbegriffs und zugehöriger semantiktheoretischer Annahmen erfolgen. Dies bildet die Grundlage für die späteren Überlegungen zu den Konzepten Verständigung, Verständigungsproblem und Verständigungsstrategie. Der Bedeutungsbegriff wird je nach theoretischem Ansatz unterschiedlich definiert und verwendet. Dies liegt u.a. daran, dass Bedeutungen nicht alleiniger Untersuchungsgegenstand der Linguistik sind, sondern auch in anderen Disziplinen wie z.B. der Psychologie, Philosophie oder Soziologie diskutiert werden. Außerdem kann man je nach Forschungsinteresse unterschiedliche Facetten von Bedeutungen fokussieren. Im Folgenden sollen nur die für die vorliegende Arbeit wichtigsten Aspekte von Bedeutungen angesprochen werden. Für die Untersuchung von Verständigungsprozessen ist es erforderlich, von einem konstruktiven und dynamischen Bedeutungskonzept auszugehen, wie es in kommunikationsanalytischen Ansätzen vertreten wird. Zwar findet man dort keine präzise Antwort auf die Frage, was Bedeutungen sind; so versteht Kallmeyer (1981, 89) unter einer Bedeutung einfach die „mit einer Äußerung verbundene Interpretation“. Wichtig ist dabei aber, dass Interpretationen nicht stets als vorgegeben anzusehen sind. Die jeweilige Bedeutung wird „nicht einfach aus einem mentalen Lexikon abgerufen, sondern sie wird in Bezug auf den aktuellen sprachlichen und außersprachlichen Kontext hergestellt“ (Deppermann 2002, 125). Anders als beim bilateralen Zeichenkonzept strukturalistischer Ansätze in der Nachfolge von de Saussure wird also nicht von einer festen Kopplung zwischen Ausdrucks- und Bedeutungsseite ausgegangen. Die Prozesse, mit denen Kommunikationsteilnehmer die Bedeutung ihrer Äußerungen herstellen, werden unter dem Oberbegriff Bedeutungskonstitution zusammengefasst. Die Untersuchung genau dieser Prozesse soll eine Rekonstruktion der Verfahren ermöglichen, die Gesprächsteilnehmer nutzen, um sprachliche Äußerungen in einer bestimmten Situation kontextabhängig verwenden und interpretieren zu können. Somit ist zunächst zu klären, was unter der Situations- und Kontextabhängigkeit von Bedeutungen verstanden werden soll.
36
Theoretischer Rahmen
2.2.2 Relevante Situationsfaktoren Die Situationsabhängigkeit von Bedeutungen macht sich in den Dialogen des Flugzeugkorpus z.B. dadurch bemerkbar, dass die bei der Äußerungsinterpretation zu ermittelnden Referenzobjekte aus der jeweils vorgegebenen Situation stammen müssen. Aber auch die diesen Objekten sprachlich zugeschriebenen Eigenschaften lassen sich oft nur genauer bestimmen, wenn man die situationsunabhängig verfügbaren Bedeutungen der jeweiligen Prädikation mit den in der Situation wahrgenommenen Objekteigenschaften abgleicht und eine dazu passende Bedeutung auswählt oder neu konstruiert. Beispielsweise ist für eine Äußerung wie Die rote Schraube hat eine Kerbe nur situationsabhängig zu entscheiden, auf welches Objekt referiert wird und was mit Kerbe gemeint ist (also der Schlitz im Schraubenkopf oder eine andere Art der Vertiefung). Bei solchen Entscheidungen kann man, wenn es der Verständigung nützt, von konventionalisierten wortwörtlichen Bedeutungen abweichen und die für natürliche Sprachen charakteristischen Interpretationsspielräume nutzen. Von dieser Möglichkeit macht z.B. die Instrukteurin im Dialog 11 des Flugzeugkorpus (vgl. Abschnitt 1.3.2) Gebrauch, wenn sie die Baufixleisten zuerst als Latten und später in Anpassung an den Wortgebrauch der Konstrukteurin als Schienen bezeichnet. Im Extremfall werden sogar inkorrekte Bezeichnungen toleriert, z.B. verwechseln die Versuchspersonen im Flugzeugkorpus manchmal die Begriffe Schraube und Mutter, ohne dass dies zu Verständigungsproblemen führt und moniert wird. Einen speziellen Fall semantischer Flexibilität stellt die Vagheit dar, also z.B. der Umstand, dass nicht situationsunabhängig festgelegt ist, bis zu welcher Farbgrenze ein Gegenstand als rot bezeichnet werden darf. Nicht berücksichtigt wird in der Semantikliteratur bisher eine Bedeutungsunschärfe, die darauf basiert, dass nicht eindeutig festliegt, für welchen Anteil eines Gegenstandes (z.B. eines mehrfarbigen Balls) die Farbkategorisierung mit rot im strikten Sinne zutreffen muss, damit er als Ganzes so bezeichnet werden kann (vgl. Kindt 2002, 51). Ein weiterer wichtiger interpretationssteuernder Situationsfaktor ist der Ziel- und Handlungsbezug von Äußerungen. Welche Handlung mit einer Äußerung vollzogen wird, welche Nachfolgehandlung sie erwartbar macht, welche Art der Durchführung einer Handlung jeweils gemeint ist, all das hängt neben den zugrunde liegenden Objekteigenschaften entscheidend von den konventionell vorgegebenen oder zusätzlich vereinbarten Interaktionszielen ab und damit von zugehörigen Handlungserfordernissen, von situativ möglichen Handlungsalternativen sowie von korrespondierenden Handlungskonsequenzen. So kann der Konstrukteur im folgenden Beispiel die falsche Instruktion des Instrukteurs nur deshalb korrigieren, weil ihm aufgrund seines Situationswissen bekannt ist, dass
Semantiktheoretische Grundlagen
37
zum einen keine roten Muttern zur Verfügung stehen. Da das zu montierende Objekt zum anderen außerdem in etwas hineingesteckt werden soll, kann es sich folglich bei der roten Mutter in Wirklichkeit nur um eine rote Schraube handeln (der Fettdruck dient im Folgenden der Hervorhebung). 08I015 08K015 08I016 08K016
und jetzt ähm auf der Seite steckst du jetzt die die die die die <par> rote Mutter <par> rote Schraube <par> Schraube <par> eine mit dem eckigen Kopf, Schraube, genau. ja.
Als letzter hier zu erwähnender Aspekt der Situationsabhängigkeit von Bedeutungen ist die interaktive Interpretationskoordination zu berücksichtigen. Welche Bedeutung Interaktionsteilnehmer für eine Äußerung als lokal gültig annehmen und gegebenenfalls als solche anzeigen, ist nicht einfach dadurch bestimmt, dass ein Sprecher etwas sagt. „Sie wird erst zur sozialen Bedeutung durch aufeinander bezogene Handlungen, in denen die gemeinsam geltende Bedeutung von Äußerungen näher bestimmt, ausgehandelt und eventuell umkämpft wird“ (vgl. Deppermann 2002, 20). So handeln z.B. die beiden Interaktionspartner in Dialog 12 gemeinsam aus, was sie im folgenden Dialogverlauf als oben und unten ansehen wollen. Mit der Äußerung 12I069: also paß auf, ich definiere jetzt nochmal oben und unten. oben ist jetzt sozusagen, wenn du von oben drauf schaust, und zwar ist oben, wo diese gelben Schrauben sind legt zunächst der Instrukteur die Interpretation von oben auf die flugzeugintrinsische und durch die Position der beiden am Flugzeugrumpf montierten gelben Schrauben fest. Diese Interpretation bestätigt der Konstrukteur anschließend dadurch, dass er mit der Äußerung 12K063: Baufix und Rille zwei, die beiden Schrauben eindeutig charakterisierenden Eigenschaften nennt, was vom Instrukteur wiederum mit der Äußerung 12I07: genau ratifiziert wird. Auf diese gemeinsame Aushandlung der Bedeutung von oben und unten können sich beide im weiteren Verlauf beziehen (12I100: so <sil: 3> wir hatten doch oben definiert, ne?), so dass die Verwendung von oben und unten keinerlei Probleme mehr aufwerfen sollte. Wie hat man sich den Prozess der Konstruktion sozialer Bedeutungen aber im Detail vorzustellen? Der Einfachheit halber wollen wir diese Frage am Beispiel von Wortbedeutungen diskutieren. Vertreter eines interaktionstheoretischen Zugangs zur Wortsemantik gehen oftmals davon aus, dass lexikalisierte Wortbedeutungen nur als Bedeutungspotentiale zu verstehen sind, die grundsätzlich erst in Interaktionssituationen zu kommunikativ relevanten Bedeutungen spezifiziert werden (vgl. Deppermann 2002, 19). Im Unterschied dazu nehmen wir an, dass
38
Theoretischer Rahmen
Wörter eine begrenzte Anzahl relativ stabiler situationsunabhängiger Bedeutungen besitzen, die den Ausgangspunkt für die Konstruktion situierter Bedeutungen bilden. Auch die von Kommunikationsteilnehmern zunächst individuell angewendeten Verfahren der situierten Bedeutungskonstitution sind in starkem Maße konventionalisiert und haben so stabile Interpretationsresultate, dass die Teilnehmer im Regelfall zumindest probeweise von hinreichend ähnlichen Bedeutungszuordnungen ausgehen (Prinzip der probeweisen Ähnlichkeitsunterstellung; vgl. hierzu Cicourel 1973, 175ff.). Liefern nachfolgende Äußerungen und Handlungen keinen Hinweis darauf, dass die Annahme einer ähnlichen Interpretation unberechtigt war, kann die betreffende Bedeutungszuordnung als implizit sozial etabliert gelten. Andernfalls bedarf es einer expliziten interaktiven Interpretationskoordination, auch Bedeutungsaushandlung genannt. „Das Konzept der ‚Aushandlung’ beinhaltet zunächst einmal, dass Folgen von Vorschlägen und Reaktionen ablaufen, an deren Endpunkt eine als gemeinsam angesehene Interpretation bzw. Bedeutung steht.“ (Kallmeyer 1981, 93).
In der Diskursforschung wird vielfach die Ansicht vertreten, dass Bedeutungen grundsätzlich in einem Prozess der interaktiven Aushandlung hergestellt werden. Tatsächlich kann man derartige manifeste Aushandlungsprozesse nur relativ selten beobachten, sie sind vorwiegend nur beim Auftreten von Verständigungsproblemen erforderlich. Und zudem würde die Aushandlung jeder einzelnen Bedeutung einen immensen kommunikativen Aufwand darstellen, also die semantische Effizienzerwartung verletzen. Auch im Flugzeugkorpus kommen nur einige wenige mehr oder weniger explizite Bedeutungsaushandlungen vor. An ihnen ist zweierlei interessant. Einerseits orientieren sie sich weitgehend an der vom Äußerungsproduzenten intendierten Bedeutungszuordnung. Das heißt der Rezipient ist zumeist sehr tolerant in seiner Akzeptanz ungewöhnlicher Bedeutungswahlen. 01I016
01K015
<noise> und jetzt verbindest du diese beiden, {indem} du einmal diese {rautenförmigen} mit den Löchern nimmst zwei {Stück}<spk: K, ja> und dann halt zwei von diesen ja äh {benzolförmigen} kurzen Schrauben. <noise> {äh} welche Farbe?
Die Instrukteurin hat hier Probleme, die eckigen Schrauben angemessen zu beschreiben. Sie wählt schließlich die Bezeichnung benzolförmig, um sie eindeutig
Semantiktheoretische Grundlagen
39
von den runden Schrauben abzugrenzen. Die Instrukteurin, eine Studentin der Chemie, hilft sich in diesem speziellen Wortfindungsprozess mit einer fachspezifischen Komposition und aktiviert damit ein Fachwissen, das sie mit ihrer Gesprächspartnerin gemeinsam hat. Aus diesem Grund hat die Konstrukteurin mit dieser Bezeichnung auch keine erkennbaren Probleme und kann entsprechend in der Kommunikation fortfahren. Andererseits geht es wie in dem folgenden Beispiel häufig primär um die Einführung und Koordination angemessener Objektbezeichnungen. 06I016 06K017 06I017
06K018 06I018
{gut} dann nimmst du dir die eine zweite gelbe Schraube mit ohne ja {gibt}<spk: I, ohne> auch keine mehr mit. {stimmt} und {äh} ein zweites {oranges}<spk: K, ja> <par> Rechteck. <par> das sind immer diese Rauten, ne? diese {genau}<spk: K, genau gut> ja und gehst äh in das zweite Loch von dem Fünfer also {direkt daneben}<noise: klappern>
Der Instrukteur verwendet in seiner Instruktion zur Bezeichnung der Muttern hier die Formulierung oranges Rechteck. Die Konstrukteurin bestätigt diese Instruktion zunächst, bietet dann jedoch eine weitere Bezeichnung (Rauten) für die angesprochenen Muttern an. Dieser Vorschlag wird vom Instrukteur angenommen (genau) und im weiteren Verlauf auch verwendet (siehe 06K061).
2.2.3 Kontextbegriff und Kontextabhängigkeit Neben situationsspezifischen Einflüssen muss man auch generelle Arten einer Kontextabhängigkeit von Äußerungsbedeutungen in Rechnung stellen. Dies ist zwar ein linguistischer Allgemeinplatz, aber in der einschlägigen Literatur findet man oft keine Definition des Kontextbegriffs und es fehlt vielfach an genaueren Angaben über die Wirkmechanismen der kontextuellen Interpretationssteuerung. Unter einem Kontext soll hier eine Klasse ähnlicher Situationen bzw. die Menge zugehöriger, gemeinsam in ihnen geltender Sachverhalte verstanden werden. Zum Kontext der Dialoge des Flugzeugkorpus gehören also u.a. sämtliche Standardinformationen über Flugzeuge und ihre Bestandteile. Diese Informationen können sich auch auf kommunikative Sachverhalte, also z.B. auf kontextspezifische Interpretationsregeln beziehen. So wissen Kommunikationsteilnehmer ins-
40
Theoretischer Rahmen
besondere, welche Teile eines Flugzeuges Flügel genannt werden und was im Sinne der sog. intrinsischen Orientierung mit vorne gemeint ist. Somit liefern Kontexte relevante interpretationseinschränkende Bedingungen und einschlägige Wissensvoraussetzungen für Inferenzprozesse bei der Bedeutungskonstitution. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass jeder für eine Interaktionssituation geltende kontextuelle Sachverhalt für die Interpretation der vorkommenden Äußerungen benötigt wird. Umgekehrt sind möglicherweise nicht alle interpretationsrelevanten Kontextinformationen jedem Kommunikationsteilnehmer sofort präsent. Deshalb gibt es zwei Strategien der sog. Kontextkonstitution, mit denen die Einbeziehung solcher Informationen gesichert wird. Die eine Strategie besteht in der expliziten Verbalisierung von Wissensvoraussetzungen aus dem jeweiligen Kontext, die für das Verstehen nachfolgender Äußerungen erforderlich sind. Bei der anderen Strategie begnügt man sich mit einer eigenständigen expliziten Kontextbenennung und vertraut darauf, dass dies für eine Aktivierung zugehöriger Wissensvoraussetzungen ausreicht. Eine Realisierung der zweiten Strategie ist die von Kallmeyer (1977, 55) identifizierte vorgreifende Aktivitätsfestlegung (im Folgenden auch allgemeiner Vorgreifende Verdeutlichung genannt), die ein Pendant zu Überschriften in schriftlichen Texten darstellt und die wir schon bei der Analyse von Dialog 11 in 1.3.2 kennengelernt haben. Dort kündigt die Instrukteurin als ersten Schritt den Bau des Propellers an. Aufgrund der damit verbundenen Kontextbenennung und der zugehörigen üblichen Kenntnis der Gestalt von Propellern kann in der nachfolgenden Instruktion darauf verzichtet werden zu sagen, in welcher Orientierung die zum Propellerbau verwendeten Leisten aufeinander gelegt werden sollen. Im Standardfall kontextabhängiger Interpretationen ist allerdings nicht einmal eine eigenständige Kontextbenennung erforderlich; vielmehr werten Kommunikationsteilnehmer i.A. die lokale Situationswahrnehmung sowie unmittelbar vorausgehende Äußerungen jeweils implizit für eine Kontextidentifizierung und zugehörige Einflüsse auf Interpretationen aus.
2.2.4 Bedeutungsbegriff und systemtheoretische Konzeptualisierung Für eine Explikation des Bedeutungsbegriffs und für eine Erfassung der Kontextund Situationsabhängigkeit von Interpretationen ist eine systemtheoretische Konzeptualisierung von Kommunikation zweckmäßig. Danach kann Kommunikation verstanden werden als eine Interaktion von mindestens zwei Partnern mit Hilfe der Produktion und Rezeption von Äußerungen, d.h. von Zeichensequenzen. Dabei stellt jeder Interaktionsbeteiligte ein dynamisches Input-Output-System dar, das auf eingehende Input-Informationen mit einer Zustandsänderung reagiert und
Semantiktheoretische Grundlagen
41
dem Input ggf. zugehörige Output-Resultate zuordnet. Neben Äußerungen können auch Reize aus anderen, den Gesprächsteilnehmern zugänglichen Informationsquellen wie z.B. Gestik oder Mimik verarbeitet werden. Im Sinne dieser Konzeptualisierung besteht die Interpretation einer Äußerung a durch einen Rezipienten also darin, dass er zu a einen Output auswählt, der seinen Systemregeln entspricht und als Bedeutung dienen kann. Damit ist noch nicht gesagt, um welche Entitäten es sich bei Bedeutungen handelt. Grundsätzlich kommen hierfür sowohl mentale Teilzustände des Rezipienten als auch Teile der externen Situation aus seiner Systemumgebung bzw. entsprechende Kombinationen infrage. Zu Beginn dieses Abschnitts haben wir bereits gesehen, dass Referenzobjekte aus der jeweiligen Situation und zugehörige Eigenschaften semantisch wichtige Entitäten darstellen und insofern ist es angebracht, ihnen – wie in der Referenzsemantik üblich – den Status möglicher Bedeutungen zuzuerkennen. Daneben ist aber in Rechnung zu stellen, dass oft über Referenzobjekte und Eigenschaften gesprochen wird, die nur über korrespondierende mentale Repräsentationen gegeben sind. Folglich sind auch solche Repräsentationen als Bedeutungen aufzufassen, obwohl sie den Nachteil haben, dass man sie nicht unmittelbar empirisch beobachten kann. In der vorliegenden Untersuchung wird hauptsächlich über die Bedeutung von satzwertigen Äußerungen und deren Konstituenten diskutiert. Bisher hat man sich in der Semantiktheorie vorwiegend mit der Bedeutung von Aussagesätzen beschäftigt (vgl. etwa Löbner 2003). Als Bedeutung solcher Sätze kann man Sachverhalte aus einer Situation bzw. deren mentale Repräsentationen bei Kommunikationsteilnehmern ansetzen. Mit einem Sachverhalt ist im einfachsten Fall der Umstand gemeint, dass ein Referenzobjekt oder eine Menge von Objekten in der zugrunde liegenden Situation bestimmte Eigenschaften besitzt oder dass zwischen solchen Objekten bestimmte Beziehungen bestehen bzw. dass diesen Objekten die betreffenden Eigenschaften oder Beziehungen von Teilnehmern zugesprochen werden. Aus derartigen elementaren Sachverhalten lassen sich mit Hilfe bestimmter Verknüpfungen komplexe Sachverhalte zusammensetzen und zu diesem Prozess korrespondiert die Möglichkeit der Bildung komplexer Aussagesätze. Generell wird in der Semantiktheorie unterstellt, dass die Bedeutung von Äußerungen kompositorisch ist, d.h., dass sich die Bedeutung einer Äußerung in einer bestimmten Weise aus den Bedeutungen der Äußerungsteile zusammensetzt bzw. regelhaft aus ihnen konstruiert werden kann. Die Geltung dieses Kompositionsprinzips ist für einfache Beispielsätze wie Du hast diese Latten mit drei Löchern (vgl. Dialog 11 in 1.3.2) unmittelbar plausibel, denn der in diesem Satz dargestellte Sachverhalt beinhaltet, dass zwischen den mit der Nominalphrase Du und der Nominalphrase diese Latten mit drei Löchern be-
42
Theoretischer Rahmen
zeichneten Referenzobjekten, die mit dem Verb hast beschriebene Beziehung (Besitz) besteht. Die ausschließliche Betrachtung kompositorischer Bedeutungen greift allerdings zu kurz, weil zu den nach dem Kompositionsprinzip zugeordneten Sachverhalten möglicherweise noch bestimmte aus ihnen zu erschließende Inferenzen als Bedeutungen hinzukommen (vgl. Kindt 2001a, 2002; 2007). So kann auch der eben diskutierte Bespielsatz schon bedeuten, dass die Konstrukteurin die betreffenden Leisten in die Hand nehmen soll, er lässt sich dann also als Aufforderung verstehen. Dies ist generell ein interessanter Umstand: Instruktionen werden im Flugzeugkorpus häufig nicht durch Verwendung einer Imperativform formuliert, sondern durch eine assertive Beschreibung der Handlung, die durchgeführt werden soll (vgl. z.B. die Äußerung 11I004: die legst du aufeinander). Dass sich Aufforderungshandlungen aus assertiven Sprechhandlungen, also Aussagesätzen, erschließen lassen, deutet schon darauf hin, dass für die Bedeutungen satzwertiger Äußerungen – entgegen Auffassungen in der Pragmatik – generell Sachverhalte angesetzt werden können. Tatsächlich setzt beispielsweise eine Aufforderung in der zugrunde liegenden Situation den Sachverhalt in Kraft, dass von dem Adressaten der Aufforderung die Durchführung der in der genannten Handlung erwartet wird. In ähnlicher Weise lassen sich für sämtliche im Flugzeugkorpus vorkommenden satzwertigen Sprechhandlungen Sachverhaltsbedeutungen annehmen. Die Situationsabhängigkeit von Bedeutungskonstitution wird im systemtheoretischen Rahmen einerseits dadurch erfasst, dass gleichzeitig mit einer als Input fungierenden Äußerung bestimmte nichtsprachliche Objekte oder Sachverhalte aus der Systemumgebung wahrgenommen und verarbeitet werden. So kann es geschehen, dass ein und derselben Äußerung situationsabhängig unterschiedliche Bedeutungen zugeordnet werden. Andererseits ist die Zuordnung von Bedeutungen zu einer Äußerung stets abhängig vom aktuellen Zustand des Rezipienten und dementsprechend übt möglicherweise schon die der Äußerungsinterpretation vorausgehende Situations- und Kommunikationsrezeption aufgrund der aus ihr resultierenden Zustandsänderung einen entscheidenden Einfluss auf die Bedeutungswahl aus. Analog dazu ist auch die Kontextabhängigkeit von Bedeutungszuordnungen zu erfassen. Die simultane oder vorherige Situationstypisierung durch den Rezipienten versetzt ihn in einen Zustand, in dem einschlägige Wissensbestände für die Äußerungsinterpretation genutzt werden und damit Einfluss auf die Bedeutungsresultate nehmen. Nicht zuletzt muss in Rechnung gestellt werden, dass sich auch bestimmte, ausschließlich intern bedingte, also nicht auf externe Situations- und Kommunikationsgegebenheiten zurückführbare Zustandseigenschaften auf die Bedeutungskonstitution auswirken. Dies könnte z.B. eine momentane
Semantiktheoretische Grundlagen
43
Konzentrationsschwäche des Rezipienten und ein daraus resultierendes Verstehensproblem betreffen. Derartige Zustandsabhängigkeiten werden aber im Folgenden keine wesentliche Rolle spielen.
2.2.5 Kognitive Verfahren der Bedeutungskonstitution Will man relevante Aussagen über Strategien der Verständigungssicherung machen, dann ist es von Vorteil, die verschiedenen kognitiven Verfahren der Bedeutungskonstruktion und die Möglichkeiten ihrer Beeinflussung zu kennen. Leider ist die gegenwärtige Semantiktheorie noch nicht so weit entwickelt, dass man sich von ihr eine umfassende Darstellung der betreffenden Verfahren erhoffen könnte. Immerhin lässt sich in groben Zügen umreißen, welchen kooperativ nutzbaren Spielraum es jeweils für Äußerungsinterpretationen gibt und wie die Entscheidungsprozesse der Bedeutungsauswahl im Prinzip funktionieren (vgl. Kindt 2002). Grundsätzlich muss man bei Äußerungsinterpretationen drei Fälle der Bedeutungskonstitution unterscheiden, die für die Ermittlung kompositorischer Bedeutungen relevant sind, nämlich die Selektion von Standardbedeutungen für bestimmte Äußerungsteile oder für die semantische Verknüpfung zwischen ihnen, alternativ dazu die Konstruktion von Nichtstandardbedeutungen mit Hilfe bestimmter semantischer Operationen und schließlich den schon in 2.2.4 diskutierten Fall der Hinzunahme von bedeutungserweiternden Inferenzen. Entscheidungen darüber, ob eine Standardbedeutung ausgewählt oder eine Nichtstandardbedeutung konstruiert wird und ob ggf. eine Bedeutungserweiterung durch Inferenzen vorgenommen werden soll, trifft man i.A. dadurch, dass man überprüft, welche der resultierenden möglichen Äußerungsbedeutungen situationsund kontextabhängig am ehesten den zugehörigen Interaktionserwartungen (vgl. 2.1.2) entspricht. Genereller gesehen sind mit dem Verfahren der Erwartungskontrolle zwei Effekte verbunden. Zum einen versuchen Kommunikationsteilnehmer zunächst immer, Bedeutungen erwartungsangemessen auszuwählen, zu konstruieren und evtl. zu erweitern. Dies kann man bereits als ein Verfahren der Anwendung prospektiver Verstehensstrategien einstufen, die i.A. nicht kommunikativ manifest wird. Zum anderen gibt das Verfahren Anlass für die Initiierung einer in die Kommunikation integrierten interaktiv manifesten Bedeutungskoordination, falls eine erwartungsgemäße Bedeutungszuordnung individuell nicht ohne weiteres gelingt. Ganz problemlos ist beispielsweise in den Dialogen des Flugzeugkorpus, dass aufgrund der Erwartung der sachlichen Korrektheit die Wahl einer wörtlichen Bedeutung für die Termini Flugzeug, Propeller etc. von vornherein ausscheidet und nur eine übertragene, dem anvisierten Baufixmodell
44
Theoretischer Rahmen
angepasste Bedeutung infrage kommt. Demgegenüber führt eine uneindeutige Referenzherstellung wie zu Beginn von Dialog 11 (11I004) unweigerlich zu Rückfragen. Während es sich bei der Erwartungskontrolle um ein Prüf- und Entscheidungsverfahren handelt, bewirkt die Anwendung bestimmter verallgemeinerter, gestalttheoretischer Prinzipien, dass es jeweils von vornherein Präferenzen für die Selektion und Konstruktion von Bedeutungen gibt. Um die Rolle dieser Prinzipien für den Prozess der Bedeutungskonstitution nachvollziehbar zu machen, soll hier ein Exkurs über die in der Wahrnehmungspsychologie entwickelte Gestalttheorie eingeschoben werden. Exkurs: Gestaltprinzipien Bei den Gestaltprinzipien handelt es sich um allgemeine, aus der psychologischen Untersuchung von Sehvorgängen hervorgegangene Prinzipien der Strukturierung von Wahrnehmungen, die im späteren Verlauf der Forschung partiell auch auf andere Bereiche wie das Lernen oder Denken übertragen wurden. Die hier entwickelten, auf Max Wertheimer (1923) zurückgehenden Gruppierungsgesetze wurden von Metzger (1975) als Gesetze des Sehens ausgearbeitet (vgl. Spillmann 1999). Mit ihnen wollte man erklären, welche Phänomene auf welche Weise und aus welchem Grund als zusammengehörige Gestalt wahrgenommen werden. Hierfür formulierte die Gestaltpsychologie sogenannte Gestaltgesetze, bei denen es sich um Prinzipien der perzeptiven und kognitiven Organisation handelt, durch die Umgebungsreize spontan strukturiert werden (vgl. Weiß 2005). Gestaltbildung wird dabei als ein Konstruktionsprozess aufgefasst, der spezifische Zusammenhänge von Einzelmerkmalen für die Konstitution einer übergeordneten Einheit auswertet. Eine ausführliche Übersicht über neuere gestaltpsychologische Arbeiten und die hier entwickelten Prinzipien liefert z.B. Weiß (2005). In Kindt (2002) wird die Anwendung von Gestaltprinzipien auch als ein grundlegender Mechanismus für Strukturbildungsprozesse der Sprachverarbeitung inklusive der Bedeutungskonstitution identifiziert. Es wird gezeigt, dass sich bekannte Gestaltprinzipien so erweitern lassen, dass sie zur Erklärung relevanter Sprachverarbeitungsphänomene herangezogen werden können. Für die Rekonstruktion von Bedeutungskonstruktion und den zugehörigen Aufbau mentaler Strukturen spielen insbesondere fünf Prinzipien eine wichtige Rolle: Das Prinzip des Aufgehens ohne Rest, das Prinzip der Gestaltschließung, das Prinzip der Nähe, das Prinzip der Ähnlichkeit und das Prinzip der guten Fortsetzung. Auf diese Prinzipien kann hier nicht im Detail eingegangen werden. Um aber einen ersten konkreten Eindruck von ihrer Anwendung zu vermitteln, soll hier exemplarisch das Prinzip der Nähe genauer erläutert werden. Dieses Prinzip
Semantiktheoretische Grundlagen
45
besagt, dass im Fall unterschiedlicher Verknüpfungsmöglichkeiten solche mit geringer Distanz der betreffenden Teilstrukturen bevorzugt werden. Als Beleg für die Geltung des Nähe-Prinzips kann man im Dialog 11 des Flugzeugkorpus z.B. folgenden Umstand werten: Zunächst spricht die Instrukteurin von Latten mit drei Löchern (11I003), danach von einer Schraube mit sechs Ecken (11I006) und äußert anschließend die schiebst du also durch diese beiden Löcher. Dabei kommen für die Wahl eines Referenzobjektes für das Pronomen die im Prinzip entweder die betreffenden Leisten oder die zuletzt erwähnte Schraube infrage (eine Koreferenz mit den sechs Ecken scheidet von vornherein als inkonsistent aus), aber nach dem Prinzip der Nähe ist die zeitnah fokussierte Schraube als Referenzobjekt zu bevorzugen und zu dieser Interpretation passt auch der Äußerungsrest als Fortsetzung besser. Nach Erläuterung der beiden grundlegenden Verfahren von Gestaltkonstruktion und Erwartungskontrolle sollen jetzt die drei oben genannten Fälle von Bedeutungskonstitution detaillierter dargestellt und ihr Zusammenwirken mit Gestaltprinzipien und Erwartungsabgleich verdeutlicht werden. Der Fall einer Selektion von Standardbedeutungen liegt z.B. bei der Äußerung 11I006 vor: und dann hast ähm eine Schraube mit sechs Ecken besitzt nämlich mehrere Standardbedeutungen. Die ohnehin weniger zugänglichen Lesarten von Schraube im Sinne von Schiffsschraube oder Kunstflugfigur scheiden auch aufgrund der zugrunde liegenden Situation als unplausibel aus. Bei der Bedeutungswahl für die Präposition mit muss demgegenüber die sprachliche Umgebung berücksichtigt werden: Nach dem Prinzip der Nähe ist eine Verknüpfung mit Schraube und nach dem Prinzip der guten Fortsetzung die Wahl der komitativen Lesart (zusammen mit) zu präferieren. Die instrumentale Lesart (mit Hilfe von) würde bei dieser Verknüpfung der Erwartung nach syntaktischer und semantischer Korrektheit widersprechen. Im Prinzip könnte die Präposition allerdings auch als nachgestelltes Präfix mit dem entfernter liegenden finiten Verb hast und im Sinne der Standardbedeutung mithaben = bei sich führen verknüpft werden; dies wäre jedoch nicht mit dem Gestaltprinzip des Aufgehens ohne Rest kompatibel, weil es dann keine Verknüpfungsmöglichkeit für die Nominalphrase sechs Ecken gäbe. Wenn die Wahl einer Standardbedeutung für einen Äußerungsteil oder eine Verknüpfung zu keinem erwartungsgemäßen Resultat führt, dann muss man versuchen, eine Standardbedeutung geeignet zu modifizieren. Dafür stehen insbesondere vier Operationen zur Verfügung: Die Aspektualisierung, die Generalisierung, die Spezialisierung und der Referenzwechsel. So ist streng genommen zunächst unklar, was man unter einer Schraube mit sechs Ecken verstehen soll. Eine Standardaspektualisierung bei der für Schraube gewählten Bedeutung betrifft aber den Umstand, dass Schrauben i.A. Köpfe haben, deren von oben gese-
46
Theoretischer Rahmen
hene Teiloberfläche zur Klassifikation genutzt werden kann. Um zu einer Bedeutung für Schraube mit sechs Ecken zu gelangen, fokussiert man also zwischenzeitlich den Bedeutungsaspekt der Form des Schraubenkopfes und führt für die Prädikation mit sechs Ecken nach dem Gestaltprinzip der guten Fortsetzung einen Referenzwechsel von Schraube zu obere Teilfläche des Schraubenkopfes durch. Die Operation des Referenzwechsels kennt man in der Semantiktheorie für die verschiedenen Arten von Synekdochen und Metonymien (z.B. beim Wechsel vom Komponisten zum Werk im Satz Er hört gern Mozart), sie wird aber genereller genutzt. Einen Sonderfall von Referenzwechsel bildet das bekannte Donnellan-Phänomen (Donnellan (1966): Wenn es für eine definite Deskription in der vorliegenden Situation keinen bei wortwörtlicher Bedeutung gewählten Referenten gibt, dann ordnet man als kooperativer Rezipient der Deskription den nächstliegenden Referenten zu, der eine Eigenschaft hat, die der in der Deskription formulierten Eigenschaft möglichst ähnlich ist. Ein Beispiel für dieses Phänomen findet man in Dialog 2 des Flugzeugkorpus; dort spricht die Instrukteurin in 02I018 von der roten Achteckschraube, meint aber eine Schraube mit sechseckigen Schraubenkopf und wird nach kurzer Irritation auch von der Konstrukteurin so verstanden. Auch bei Bedeutungsgeneralisierungen und Bedeutungsspezialisierungen wählt man zunächst bestimmte relevante Bedeutungsaspekte einer Standardbedeutung aus, die anschließend entweder reduziert oder erweitert werden und damit die Grundlage für eine situations- oder kontextabhängige Uminterpretation des betreffenden Äußerungsteils bzw. der zu interpretierenden Verknüpfung liefern. Dass die im Flugzeugkorpus zu montierenden Objekte Flugzeuge genannt werden, lässt sich aufgrund einer Bedeutungsgeneralisierung nach dem Gestaltprinzip der Ähnlichkeit rechtfertigen, die bestimmte Formmerkmale und Teil-Ganze-Sachverhalte von realen Flugzeugen übernimmt. Auch von Bedeutungsspezialisierungen wird im Korpus vermutlich Gebrauch gemacht. So ergibt sich unmittelbar aus der Situationswahrnehmung, dass mit den Referenten von Schraube nur Holzschrauben gemeint sein können, und für die Bedeutung von Würfel ist die spezielle Eigenschaft der zugehörigen Bauteile wichtig, über Löcher mit Gewinden zum Reindrehen der Schrauben zu verfügen. Neben der Bedeutungsgeneralisierung ist für die Interpretation von Flugzeug auch eine Spezialisierung anzusetzen, nämlich etwa im Sinne von Modell aus Baufix-Teilen. Ein Spezialfall der Kombination aus Bedeutungsgeneralisierung und Bedeutungsspezialisierung liegt bei Metaphern vor, deren Bedeutungsmodifikation besonders stark ist und dadurch auffällt, dass eine Prädikation auf einen Referenzbereich übertragen wird, dessen Objekte sich deutlich von denen des Ursprungsbereichs unterscheiden. Wenn man beispielsweise von einer süßen Stimme spricht, dann vollzieht man einen Übergang von schmeckbaren zu hörbaren Entitäten. Auch im Flugzeugkorpus werden einige besonders auffällige me-
Semantiktheoretische Grundlagen
47
taphorische Bedeutungen konstruiert. So verwenden die Teilnehmer im Dialog 7 aufgrund der Formähnlichkeit die Bezeichnung Salmiakpastille für die rautenförmigen Muttern. Von situationsspezifischen Wortbedeutungen wird aber auch in weniger spektakulären Fällen Gebrauch gemacht. So bezeichnen die Versuchspersonen die Leisten aus dem Baufixset auch problemlos als Latten, Schienen, Träger, Stangen oder Platten und das ist möglich weil keine anderen Bauteile eine zu diesen Bezeichnungen kompatible Form besitzen. Zudem entwickeln die Instrukteure im Verlauf der jeweiligen Kommunikation begriffsgeschichtlich verkürzte Bezeichnungsvarianten für die verschiedenen Arten von Leisten, indem der Unterscheidungsaspekt der Anzahl von Löchern dominant gesetzt wird: So wird z.B. aus Stange mit fünf Löchern zunächst Fünferstange und dann Fünfer. Dass der Prozess der Bedeutungskonstitution neben der Generierung kompositorischer Bedeutungen auch die Konstruktion zusätzlicher inferenzieller Bedeutungsanteile beinhalten kann, dafür haben wir schon ein Beispiel angegeben. Ausgelöst werden entsprechende Inferenzprozesse i.A. dadurch, dass eine Vollständigkeitserwartung nicht erfüllt ist. Wenn z.B. die Instrukteurin in Dialog 3 die Konstrukteurin anweist, im nächsten Bauschritt die beiden Leisten mit sieben Löchern als Flugzeugflügel auf der Achse des Flugzeugs zu montieren (03I023: da … legst du jetzt eins von den langen Teilen so quer drüber, ne. das werden die Flügel), dann fehlen in ihrer Äußerung eigentlich Informationen über die lokalen Verhältnisse dieser Montage. Allerdings kann die Konstrukteurin hier selbst erschließen, dass sie die Leisten im rechten Winkel zur Achse und mittig anbringen soll. Zu letzterem Aspekt stellt die Instrukteurin anschließend vorsichtshalber eine inferenzabsichernde Rückfrage (03I024: also das genau mittig dann ist, ne?) und diese Frage wird von der Konstrukteurin entsprechend bejaht. Für das Ziehen von Inferenzen stehen zwei kognitive Verfahren zur Verfügung, das Ablesen am mentalen Modell und die Ableitung mit Hilfe alltagslogischer Schlussmuster (genau genommen bildet das erste Verfahren aber einen Spezialfall der Anwendung eines Analogieschlusses). Von welchem dieser Verfahren Kommunikationsteilnehmer jeweils Gebrauch machen, lässt sich natürlich i.A. nicht an ihren Äußerungen erkennen. So können wir für das eben diskutierte Beispiel nicht ohne weiteres entscheiden, ob die Konstrukteurin die rechtwinklige Montage der als Flügel dienenden Leisten nach dem Prinzip der Gestaltergänzung durch Imitation der Verhältnisse eines inneren mentalen Modells vollzogen hat oder ob sie dies aufgrund einer Schlussfolgerung aus dem möglicherweise propositional repräsentierten Sachverhalt getan hat, dass die Flügel von Propellerflugzeugen i.A. rechtwinklig zur Flugzeugachse angeordnet sind.
48
Theoretischer Rahmen
2.3 Verständigung und Verständigungsprobleme 2.3.1
Explikation des Verständigungsbegriffs
Die Begriffe Verständigung und Verstehen werden im Folgenden ausschließlich im Hinblick auf sprachliche Äußerungen oder Äußerungssequenzen und ihre Bedeutungen verwendet. Damit scheiden Lesarten aus wie in Er versteht sich aufs Kochen (Thematisierung von Fähigkeiten), Sie kann seinen Ärger verstehen (Erklären/Nachvollziehen von Verhaltensweisen), Sie haben sich darauf verständigt, morgen ins Kino zu gehen (Einigung über die Geltung von Sachverhalten) etc. Ausgangspunkt für die Verwendung der Begriffe sind also Interaktionssituationen, in denen eine Person P1 einem Kommunikationspartner P2 (oder mehreren Partnern) einen Sachverhalt x1 mitteilen möchte und zu diesem Zweck eine Äußerung a produziert, die dem Input x1 als geeigneter Formulierungsoutput zugeordnet ist. Dabei zählt x1 für P1 als Bedeutung von a, (sofern P1 nicht bei einer zur Kontrolle durchgeführten Selbstrezeption ein anderes Interpretationsresultat für a ansetzt). Die Äußerung a wird anschließend in einem medialen System übertragen und gelangt im günstigen Fall unverändert oder in nur unwesentlich modifizierter Version a’ zu P2. P2 versucht daraufhin, die jetzt als Input fungierende Äußerung a’ zu verstehen und ihr einen Sachverhalt x2 als Bedeutungsoutput zuzuordnen. Bei einer solchen, in drei Schritten vollzogenen Kommunikation liegt idealiter eine erfolgreiche Verständigung zwischen P1 und P2 vor, wenn x1 und x2 identisch sind bzw. denselben Sachverhalt repräsentieren. Allerdings muss nicht in jedem Fall als Kriterium für eine erfolgreiche Verständigung Bedeutungsidentität verlangt werden. Vielmehr reicht es im Allgemeinen aus, wenn die individuellen Teilnehmerbedeutungen so weit übereinstimmen, dass die jeweiligen Interaktionsziele erreicht werden können (vgl. Kindt/Weingarten 1984, 194). Dies lässt sich schon am Beispiel der Referenzherstellung zeigen: Wenn etwa P1 zu P2 sagt Mein Arzt hat mir ein Antibiotikum verschrieben und sich von P2 eine fachkundige Bewertung dieser Verschreibung erhofft, dann ist es unerheblich, dass P1 die Nominalphrase mein Arzt ggf. spezifischer referenziell interpretiert als P2. Auch in den Dialogen des Flugzeugkorpus haben die Beteiligten – insbesondere bei blockierter Sicht – unterschiedliche Informationsvoraussetzungen für die Referenzherstellung und dementsprechend kann sich jeder von ihnen konkreter auf seine eigenen Bauteile beziehen Dies muss aber nicht zu Interaktionsproblemen führen, wenn gleichwohl eine eindeutige Identifikation der jeweiligen Referenzobjekte erreicht wird. Hinreichend ähnliche Bedeutungen zu konstruieren, kann nur gelingen, wenn die von den Kommunikationsteilnehmern angewendeten Verfahren der Bedeutungskonstitution weitgehend übereinstimmen und wenn der Verfahrens-
Verständigung und Verständigungsprobleme
49
anwendung hinreichend ähnliche Situations- und Kontextkenntnisse zugrunde liegen. In diesem Sinne unterstellen die Teilnehmer üblicherweise, dass die von ihnen für eine Äußerung individuell zugeordnete Bedeutung (oder der interaktionsrelevante Teil von ihr) im Normalfall auch als gemeinsame Bedeutung gelten kann. Sie soll hier kollektive Bedeutung genannt werden. Da man jedoch bei mentalen Bedeutungsrealisierungen keinen Zugang zu den Interpretationen seiner Kommunikationspartner besitzt, kann man folglich im Allgemeinen nicht unmittelbar überprüfen, ob die Unterstellung, eine kollektive Bedeutung zugeordnet zu haben, berechtigt ist. Deshalb bleibt nur die Möglichkeit, bei Nachfolgeäußerungen und -handlungen der Partner darauf zu achten, ob sie mit der als kollektiv angenommenen Interpretation der Ausgangsäußerung a kompatibel sind. Das Vorliegen einer Inkompatibilität könnte nämlich die Ursache haben, dass ein Kommunikationspartner a bzw. die rezipierte Version a’ nicht in dem erwarteten Sinne interpretiert hat und seine Nachfolgehandlungen auf dieser Interpretation basieren. Solange die Teilnehmer aber keine solche Inkompatibilitäten bemerken, werden sie weiterhin und möglicherweise zu Unrecht von einer erfolgreichen Verständigung ausgehen. Der Fall, dass relevante Interpretationsunterschiede in einer Kommunikation unentdeckt bleiben, kommt in den Dialogen des Flugzeugkorpus häufiger vor. Beispielsweise versäumt es der Instrukteur in Dialog 13 bei der Montage der Leiste mit sieben Löchern zu sagen, dass beide mittig am Rumpf befestigt werden sollen. Deshalb verwendet der Konstrukteur eine Leiste als linke und die andere als rechte (dementsprechend längere) Tragfläche. 2.3.2 Verständigungsprobleme und ihre Ursachen Stimmen die einer Äußerung zugeordneten Teilnehmerbedeutungen nicht hinreichend überein, dann liegt ein Verständigungsproblem vor. In Kindt/Weingarten (1984) werden Verständigungsprobleme auch Zuordnungskoordinationsprobleme genannt, weil die Bemühungen um eine Koordination der Bedeutungszuordnungen bei den Beteiligten noch unzureichend sind. Verständigungsprobleme und ihre kommunikative Behandlung müssen allerdings von anderen Zuordnungskoordinationsproblemen abgegrenzt werden. Dies gilt insbesondere für die kontroverse Diskussion strittiger Fragen in Argumentationen, für die charakteristisch ist, dass Kommunikationsteilnehmer die Geltung eines Sachverhalts unterschiedlich beurteilen, ihm also unterschiedliche Wahrheitswerte zuordnen. Die unzureichende begriffliche Klärung in der Literatur über Verständigungsprobleme führt beispielsweise bei Selting (1987) dazu, dass auch Strittigkeitsphänomene als Verständigungsprobleme eingestuft werden. Dies wird z.B. an einem Dialogausschnitt deutlich, in dem zwei Kommunikationspartner unterschiedlicher
50
Theoretischer Rahmen
Meinung darüber sind, ob eine bestimmte Sozialleistung gezahlt wurde oder nicht (Selting 1987:125-126). Im Unterschied dazu ist es für die Lösung von Verständigungsproblemen wesentlich, dass die Beteiligten keinen Dissens hinsichtlich der Geltung des zu kommunizierenden Sachverhalts haben. Nur aus diesem Grund können nämlich bestimmte Arten von Verständigungsproblemen überhaupt erkannt und gelöst werden. Dies gilt u.a. für lexikalische Fremdkorrekturen wie im Beispiel 08I015ff von 2.2.2 oder wie die im folgenden Dialogausschnitt. 12I093 12K087 12I094
dann eine Mutter mit orangener Kuppe, rund und Rille. nee, eine Schraube. also eine Schraube, Entschuldigung, ja eine Schraube, natürlich eine Schraube.
In diesem Ausschnitt ist zwischen Instrukteur und Konstrukteur unstrittig, dass die Eigenschaft mit orangener Kuppe, rund und Rille nicht für die vorhandenen Muttern, sondern nur für eine bestimmte Schraube zutrifft, und deshalb sieht der Instrukteur nach Hinweis des Konstrukteurs sofort ein, dass er eine sachlich inkorrekte Formulierung benutzt hat. Noch interessanter ist die Konstellation beim Verfahren der Widerspruchsklärung (vgl. Kindt 1985, 136-37). Anlass für die Einleitung dieses Verfahrens ist der Umstand, dass ein Teilnehmer P2 zunächst glaubt, die vorangegangene Aussage a seines Partners P1 widerspreche einer früheren Partneräußerung oder dem gemeinsamen Wissen über Welt oder Situation. Den daraufhin von P2 formulierten Einwand kann P1 jedoch in einer Weise widerlegen, dass P2 merkt, dass er a oder die frühere Partneräußerung missverstanden hat, und deshalb seine Interpretation ändert, wodurch sich der ursprünglich angenommene Widerspruch auflöst. Ein Belegbeispiel für eine relativ explizite Anwendung des Verfahrens der Widerspruchsklärung findet sich in Dialog 8 des Flugzeugkorpus. In den Äußerungen 08I002 und 08I003 fordert der Instrukteur den Konstrukteur zunächst auf, die beiden Leisten mit 7 Löchern zu nehmen, und an die Seite zu legen. Anschließend gibt er die etwas missverständlich formulierte Anweisung, eine Leiste mit fünf Löchern und eine Leiste mit drei Löchern miteinander zu verschrauben. Der Konstrukteur verbindet allerdings die Leiste mit drei Löchern mit einer der zuerst erwähnten Leisten mit sieben Löchern. Aufgrund dieses Missverständnisses entsteht im weiteren Verlauf der Montage eine Situation, bei der aus Sicht des Instrukteurs die vorhandenen Leisten mit fünf Löchern bereits verbaut sind, während aus Sicht des Konstrukteurs noch eine Leiste mit fünf Löchern zur Verfügung steht. Zugleich referiert der Instrukteur in der Äußerung 08I042 mit der Nominalphrase die Fünferleiste auf die Montagestelle, bei der der
Verständigung und Verständigungsprobleme
51
Konstrukteur fälschlicherweise eine Leiste mit sieben Löchern verwendet hat. Verständlicherweise wundert sich der Konstrukteur darüber und fragt schon in der Äußerung 08K044 Moment, du sprichst jetzt immer von der Fünferleiste? nach. Da es den beiden Versuchspersonen nachfolgend nicht gelingt, das zugrunde liegende Problem zu identifizieren und aufzulösen, greift der Instrukteur in der Äußerung 08I052 auf das Verfahren einer verbalen Wiederholung der bisherigen Handlungsschritte zurück. Aus dieser Wiederholung geht für den Konstrukteur hervor, welchen Fehler er gemacht hat, und er beschreibt den aufgetretenen Widerspruch in 08K052 mit den Worten ja, aber ich habe die Siebener genommen, also Siebener mit Dreierverlängerung. Damit ist aber noch nicht geklärt, wie es zu dem Widerspruch kam, und erst im weiteren Verlauf des Dialogs stellt sich heraus, dass hierfür ein Verständigungsproblem bei der ursprünglichen Anweisung des Instrukteurs, die Leiste mit sieben Löchern beiseite zu legen, verantwortlich war (vgl. 08K054-08K055). Als wie gravierend ist das Vorkommen von Verständigungsproblemen einzuschätzen? Diesbezüglich schreibt schon Kallmeyer (1977, 52): „Verständigungsschwierigkeiten sind eine alltägliche Erscheinung, und zwar so alltäglich, dass sie uns nur noch in besonders komplizierten Fällen als praktisches Problem bewusst werden, weil wir dann ihrer Bewältigung besonderer Aufmerksamkeit widmen müssen.“
In Weiterführung dieser Einschätzung ist es offensichtlich angebracht, unterschiedliche Schweregrade von Verständigungsproblemenen voneinander abzugrenzen. Neben Problemen, die wie bei den genannten lexikalischen Fremdreparaturen schon mit geringem Aufwand lösbar sind, gibt es auch Probleme, deren Behandlung wie bei obigem Beispiel der Widerspruchsklärung erhebliche kognitive und kommunikative Anstrengungen erfordern, die aber noch im lokalen interaktiven Umfeld gelöst werden können. Als gravierend muss man demgegenüber einerseits Probleme einstufen, die die Beteiligten gar nicht bemerken und deren negative Konsequenzen für die Interaktion sie deshalb nicht erkennen. Nicht selten entstehen aus solchen Problemen sogar eigentlich unnötige Konflikte. Andererseits gehören zu den gravierenden Problemen auch solche, die den Kommunikationspartnern zwar bewusst sind, für die sie aber keine Lösung finden, weil sie deren Ursachen nicht identifizieren können oder weil ihnen die erforderlichen kommunikativen Mittel fehlen. Für das Auftreten von Verständigungsproblemen können sehr unterschiedliche Faktoren verantwortlich sein. Eine größere Zahl von ihnen listet z.B. Schegloff (1987) auf und im Rahmen der systemtheoretischen Konzeptualisierung von 2.2.3 lassen sie sich gut systematisieren. Ein erster Typ von Problemursachen ist dadurch bedingt, dass die Kommunikationsbeteiligten die externe
52
Theoretischer Rahmen
Situation evtl. unterschiedlich wahrnehmen oder unterschiedliche Ausschnitte von ihr fokussieren, was zu differierenden Resultaten der Bedeutungszuordnung etwa bei der Referenzherstellung führen kann. Ein zweiter wichtiger Ursachentyp bezieht sich darauf, dass sich die Zustände der Beteiligten evtl. maßgeblich unterscheiden. Dies betrifft beispielsweise affektive Zustandskomponenten und vor allem relevante Wissensvoraussetzungen. Drittens muss damit gerechnet werden, dass je nach Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen partiell differierende Systemregeln angewendet werden und auch dies hat häufig negative Auswirkungen auf die Verständigung. Viertens gibt es selbst bei identischer Situationswahrnehmung sowie hinreichend ähnlichen Teilnehmerzuständen und Regelnanwendungen oft mehrere Bedeutungen für eine Äußerung, so dass die Beteiligten unterschiedliche Wahlmöglichkeiten haben oder nach unterschiedlichen Strategien der Bedeutungskonstruktion vorgehen. Der fünfte und letzte Ursachentyp bezieht sich auf Übertragungsprobleme im verwendeten Medium: Die von einem Teilnehmer produzierte Äußerung kommt möglicherweise nur modifiziert oder unvollständig beim Partner an, in mündlicher Kommunikation z.B. aufgrund von Störgeräuschen. Grundsätzlich ist es für die Behandlung von Problemen von Vorteil, wenn man deren Ursachen bestimmen und anschließend darauf zugeschnittene Lösungsstrategien einsetzen kann. Diese Möglichkeit ist bei Verständigungsproblemen allerdings nur in beschränktem Maße gegeben. Einerseits haben Kommunikationsteilnehmer nämlich selbst auf die eigenen mentalen Verarbeitungsprozesse nur einen begrenzten Zugriff, andererseits können sie nur anhand des externen Outputverhaltens ihrer Partner auf deren möglicherweise differierende Bedeutungszuordnungen zurückschließen. Hinzu kommt, dass für die Lösung von Verständigungsproblemen im Allgemeinen nur wenig Zeit zur Verfügung steht. Zweckmäßigerweise hält man sich also nicht lange bei einer Ursachenanalyse auf (vgl. Kindt/Weingarten 1984), sondern versucht, durch Einsatz von Routinestrategien möglichst schnell eine Problemlösung herbeizuführen. Schließlich ist in vielen Fällen nicht eine genaue Kenntnis der primären Problemursache entscheidend, sondern die Typisierung resultierender Nachfolgeprobleme. Beispielsweise muss bei den vorgestellten lexikalischen Fremdkorrekturen nicht geklärt werden, ob die fälschliche Verwendung von Mutter statt Schraube auf einer momentanen Unkonzentriertheit des jeweiligen Instrukteurs oder einer generellen Tendenz zur Verwechslung der beiden Begriffe basiert. Und selbst wenn man in einer Äußerung wie 11I106 dann hast die braunen eh die blauen langen Schrauben im Dialog 11 einen Hinweis auf die primäre Problemursache erhält, in diesem Fall auf einen phonetisch bedingten Versprecher, ist für die Problemlösung nur der Umstand kommunikativ relevant, dass mit braunen eine sachlich inkorrekte, zu einer falschen Aussage führenden Farbcharakterisierung
Verständigung und Verständigungsprobleme
53
gegeben wird. Auch aus der Perspektive des wissenschaftlichen Beobachters (Linguisten) lassen sich oft nur die als Nachfolgeprobleme resultierenden Defizite in Äußerungen oder die in Problembehandlungen manifestierten Problemaspekte klassifizieren. Insofern ist es angebracht, eine Problemtypologie einzuführen, die sich ausschließlich auf unmittelbar zu beobachtende Eigenschaften von Äußerungen und Problembehandlungen stützt.
2.3.3 Problemidentifizierung und prozessbezogene Lokalisierung Auf welche Weise gelangen Kommunikationsteilnehmer zu der Annahme, dass im Zusammenhang mit der Produktion, Übertragung oder Rezeption einer Äußerung a ein Verständigungsproblem vorliegt? Wir haben schon mehrfach deutlich gemacht, dass hierfür die Verletzung situations- oder kontextspezifischer Erwartungen an die mit a verbundenen Zuordnungsprozesse oder an Nachfolgehandlungen wesentlich sind. Die Auswertung solcher Erwartungsverletzungen durch die Teilnehmer soll nun genauer dargestellt werden. Zunächst kann man empirisch in vielen Fällen davon ausgehen, dass der Produzent P1 der Äußerung a noch mal überprüft, ob a für sich genommen und in Bezug auf den mitzuteilenden Sachverhalt x1 allen Erwartungen gerecht wird. Ist dies nicht der Fall, liegt aus Sicht von P1 ein von ihm zu verantwortendes und in seinem Produktionsprozess zu lokalisierendes Formulierungsproblem vor. Demgegenüber wird P1 mit der Möglichkeit eines Übertragungsproblems rechnen, wenn er bemerkt, dass das von ihm verwendete mediale System durch irgendwelche Störfaktoren der externen Situation beeinträchtigt ist und deshalb eine Übermittlung von a zu dem intendierten Adressaten P2 erschwert oder unmöglich gemacht wird. Wie P2 die bei ihm ankommende Version a’ von a interpretiert, kann P1 nur insoweit erkennen, als der a’ von P2 zugeordnete Bedeutungsoutput x2 bestimmte für P1 beobachtbare Anteile enthält (z.B. wenn P2 nach der Rezeption von a’ auf ein Referenzobjekt zeigt, über das in a gesprochen wird). Zumeist hat P1 aber nur die Möglichkeit, indirekt aus Nachfolgeäußerungen oder -handlungen von P2 Rückschlüsse auf x2 zu ziehen und Vermutungen darüber anzustellen, ob x2 hinreichend mit x1 übereinstimmt. Kommt P1 dabei zu der Überzeugung, dass eine solche Übereinstimmung trotz erwartungsgerechter Formulierung und problemloser Übertragung von a nicht erreicht ist, dann wird er das aus seiner Sicht vorliegende Verständigungsproblem als ein von P2 zu verantwortendes und in dessen Rezeption zu lokalisierendes Verstehensproblem einstufen. Allerdings verzichten Äußerungsproduzenten häufig auf eine explizite Fremdzuschreibung von Verstehensproblemen. Dies hat verschiedene Gründe.
54
Theoretischer Rahmen
Solche Zuschreibungen können imageschädigend für P2 sein und unnötige Konflikte auslösen. Je weiter die als Beleg für die Existenz eines Verständigungsproblems geltende Nachfolgeäußerung oder -handlung von der Originaläußerung a entfernt ist, desto weniger sicher kann sich P1 sein, dass bei a kein von ihm unentdecktes Formulierungsproblem vorlag. Welcher der beiden Partner einen größeren Anteil an der Verursachung eines Verständigungsproblems hat, lässt sich oft nicht eindeutig klären. Angesichts vorhandener Formulierungs- und Interpretationsspielräume ist bei Verständigungsproblemen oft nicht entscheidbar, ob eine ‚schuldhafte’ Erwartungsverletzung vorliegt. Die Annahme von P1, P2 habe a’ eine nicht hinreichend mit x1 übereinstimmende Bedeutung zugeordnet, basiert – wie McRoy/Hirst (1995) zu Recht konstatieren – auf Abduktionsschlüssen. Solche Schlüsse sind jedoch logisch relativ unzuverlässig und deshalb empfiehlt es sich nicht, weitreichende Folgerungen aus ihnen zu ziehen oder gar Vorwürfe auf ihnen aufzubauen.
Die im letzten Punkt angesprochene Verwendung abduktiver Schlüsse bei der Problemidentifikation soll noch etwas genauer ausgeführt werden. Und zwar wollen wir den Fall diskutieren, dass P2 im Anschluss an a die Äußerung b produziert, ohne ein Verständigungsproblem bezogen auf a zu signalisieren. P1 wird dann überprüfen, ob b die verschiedenen, in der Situation einschlägigen Erwartungen erfüllt. Für die Identifikation eines mit a zusammenhängenden Verständigungsproblems sind allerdings nur die Erwartungen von Belang, die sich aus a bzw. x1 für b als Nachfolgeäußerung ergeben. Diese Erwartungen werden in der Konversationsanalyse konditionelle Relevanzen genannt und damit ist gemeint, dass durch jede Handlung eines Interaktionsteilnehmers Handlungsverpflichtungen für das Nachfolgeverhalten von anderen Teilnehmern entstehen können, wie dies beispielsweise für das Erfordernis gilt, auf eine Frage eine Antwort zu geben. Stellt P1 nun fest, dass b eine durch a aufgebaute konditionelle Relevanz nicht einlöst, dann sind hierfür zwei Erklärungen möglich. Entweder hatte P2 gar nicht die Absicht, der durch a an ihn formulierten Verhaltenserwartungen nachzukommen, oder P2 hat dies nicht getan, weil seine Interpretation von a’ wesentlich von x1 abweicht. Welche der beiden Erklärungsmöglichkeiten die richtige oder zumindest die wahrscheinlichere ist, lässt sich im Allgemeinen nur abduktiv aufgrund des vorliegenden Wissens über Situation und Partnerverhalten einschätzen: Speziell wird P1 die erste Erklärungsmöglichkeit dann in Betracht ziehen, wenn sich P2 generell unkooperativ verhält oder wenn bezogen auf x1 divergierende Interessen zwischen P1 und P2 bestehen (wie z.B. im Fall einer Beantwortung ‚unliebsamer’ Fragen in Interviews mit Politikern). Geht P1 aber
Verständigung und Verständigungsprobleme
55
von der zweiten Erklärungsmöglichkeit aufgrund einer abweichenden Interpretation aus, dann kann P1 eventuell aus b (bzw. aus der ihm zugänglichen Version b’ von b) auch schon Rückschlüsse darauf ziehen, wie P2 a’ interpretiert hat und wie das zugrunde liegende Verständigungsproblem am besten zu lösen ist. Ebenso wie P1 besitzt auch P2 verschiedene Möglichkeiten, Verständigungsprobleme zu identifizieren und lokalisieren bzw. Vermutungen über die Existenz eines Formulierungs-, eines Übertragungs- oder eines Verstehensproblems bei einer vorliegenden Äußerung a anzustellen. Als erstes wird P2 bei seiner Beobachtung der externen Situation evtl. auffallen, dass das in seiner Kommunikation mit P1 verwendete mediale System z.B. durch Nebengeräusche gestört ist und dass er ggf. schon aus diesem Grund kein angemessenes Verstehensresultat für die bei ihm ankommende Äußerungsversion a’ erwarten darf. Dabei liegen dem Urteil, dass bei a’ ein Übertragungsproblem existiert, dieselben Erwartungen zugrunde, die man an die Originaläußerung (z.B. hinsichtlich einer phonetisch korrekten Formulierung) richtet. Insofern basiert die Einstufung als Übertragungsproblem im Allgemeinen auf einem abduktiven Schluss, der sich darauf stützt, dass erfahrungsgemäß bestimmte Arten der bei a’ beobachtbaren Abweichungen ausschließlich oder hauptsächlich durch Störungen des medialen Systems zustande kommen. Falls aber kein Übertragungsproblem vorliegt, a und a’ also im Wesentlichen übereinstimmen, dann kann P2 anhand von a’ die Einhaltung der von P1 zu erfüllenden Formulierungserwartungen überprüfen. Beispielsweise lässt sich aus der Beobachterperspektive eindeutig beurteilen, ob bei a’ ein ausdruckseitiges Problem vorliegt, etwa wenn a’ undeutlich artikuliert oder syntaktisch zu komplex konstruiert ist. Bedeutungsseitig hat P2 allerdings häufig keinen direkten Zugang zu dem Bedeutungsinput x1 von P1, sodass P2 nur seine eigene Interpretation von a’ als Ansatzpunkt für die Identifizierung eines möglichen semantischen Formulierungsproblems nehmen kann. Dementsprechend wird sich P2 in einem solchen Fall – aus ähnlichen Gründen wie oben diskutiert – davor hüten, P1 vorschnell mit einer expliziten Schuldzuweisung für eigene Interpretationsschwierigkeiten bei a’ verantwortlich zu machen. Umgekehrt dürfte P2 aber bei bestimmten solcher Schwierigkeiten aufgrund der Selbstbeobachtung seiner Rezeption klar sein, dass er der Problemverursacher ist, z.B. weil er einen Augenblick unaufmerksam war oder weil er die Bedeutung eines an und für sich geläufigen Worts in a’ nicht kennt o.ä. Auch wenn P2 an der Formulierung und bei der Interpretation von a’ keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Verständigungsproblems findet, wird er analog zu den für P1 bestehenden Möglichkeiten einer Problemidentifizierung bei Nachfolgeäußerungen oder –handlungen von P1 darauf achten, ob sie evtl. mit seiner Interpretation von a’ inkompatibel sind und insofern vielleicht ein Indiz für das Vorliegen eines bisher nicht erkannten Verständigungsproblems
56
Theoretischer Rahmen
liefern. Günstigenfalls kann dann P2 erschließen, welche Bedeutung P1 der Äußerung a zugerordnet hat und ob die Nichtübereinstimmung ihrer Interpretationen als Formulierungs- oder als Verstehensproblem einzustufen ist. Bei der bisherigen Darstellung der Verfahren zur Problemidentifikation haben wir zwei wichtige Punkte unerwähnt gelassen, die das Verhältnis zwischen Verständigungsproblemen und den drei Problemlokalisierungen Formulierung, Übertragung und Verstehen betreffen. Erstens ist festzuhalten, dass nicht aus jedem Formulierungs-, Übertragungs- oder Verstehensproblem zwangsläufig ein Verständigungsproblem resultiert. Bei Formulierungs- und Übertragungsproblemen erklärt sich dieser Umstand dadurch, dass es P2 möglicherweise trotz nicht erwartungsgemäßer Formulierung oder Übertragung der Äußerung a von P1 gelingt, eine zu x1 hinreichend ähnliche Bedeutung zuzuordnen. Beispielsweise verwechseln die Versuchspersonen im Flugzeugkorpus – wie erwähnt – des Öfteren Mutter und Schraube, was aber nicht zu einem Verständigungsproblem führen muss, wenn sich aus der Situation ergibt, welches Bauteil gemeint ist. Allerdings kann man auch nicht ausschließen, dass aus einem Formulierungsoder Übertragungsproblem ein Verständigungsproblem entsteht, und insofern ist es zweckmäßig, solche Probleme vorsichtshalber zu bearbeiten. Weiterhin gilt: Selbst wenn die Bedeutungszuordnung von x2 zu a’ bei P2 nicht erwartungsgemäß ausfällt, muss dies nicht heißen, dass ein Verständigungsproblem vorliegt; die zugrunde liegende Erwartung von P1 oder P2 könnte nämlich überhöht sein und die Übereinstimmung von x1 und x2 wäre möglicherweise schon groß genug, um das angestrebte gemeinsame Interaktionsziel zu erreichen. Hinzu kommt, dass Formulierungs-, Übertragungs- und Verstehensprobleme generell jeweils aus der Perspektive eines Teilnehmers manifestiert werden. Eine entsprechende kommunikative Manifestation bedeutet also nicht, dass das betreffende Problem tatsächlich vorliegt. Dies gilt insbesondere für abduktiv erschlossene Probleme. Umgekehrt resultiert übrigens auch nicht aus jedem Verständigungsproblem ein Formulierungs-, Übertragungs- oder Verstehensproblem, weil die Beteiligten für ihre Problemidentifikationen möglicherweise geringere Erwartungen zugrundelegen, als sie für das Erreichen der Interaktionsziele erforderlich wären. Dies betrifft im Flugzeugkorpus beispielsweise die Erwartung, wie präzise und vollständig der Instrukteur formulieren sollte, damit Ort und Richtung der zu montierenden Bauteile jeweils eindeutig festliegen. Hieraus resultierende Verständigungsprobleme lassen sich allenfalls rückwirkend am fehlenden Interaktionserfolg erkennen. Zweitens haben wir in unserer Darstellung bis jetzt die Möglichkeit unberücksichtigt gelassen, dass P1 und P2 für ihre Problembeurteilung partiell unterschiedliche Erwartungen ansetzen. Die Annahme identischer Erwartungsmaßstäbe ist zwar in sehr vielen Fällen berechtigt; aber gerade in den Dialogen des
Resultatbezogene Problemtypisierung
57
Flugzeugkorpus zeigt sich, dass die Beteiligten punktuell divergierende Vorstellungen davon haben, wie effizient und vollständig Sachverhaltsdarstellungen sein sollten. Derartige Divergenzen können zu Verständigungsproblemen führen, z.B. wenn Rezipienten geringere Erwartungen an ihre Verstehensresultate haben als die Produzenten. Im Flugzeugkorpus fällt aber ein anderer Fall von Erwartungsunterschieden auf: Konstrukteure erwarten nämlich häufig, dass die Objektbenennungen der jeweils benötigten Montageteile von vornherein eine eindeutige Referenzherstellung ermöglichen, während Instrukteure oft zunächst unterspezifizierte Objektbenennungen produzieren. Beispielsweise fehlt im Dialog 1 in Äußerung 01I009 Und dann nimmst du dir einen von diesen Würfeln mit den vielen Löchern drin die Angabe der Würfelfarbe, was von der Konstrukteurin sofort durch die Rückfrage 01K008 Welche Farbe? moniert wird (vgl. Kindt/Strohner/Jang 2002, 362). Erst nach einiger Zeit stellt sich die Instrukteurin auf die Erwartung der Konstrukteurin ein und formuliert von vornherein vollständigere Objektbenennungen. Da das Zugrundelegen ähnlicher Erwartungen an Formulierungs- und Verstehensresultate eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Verständigung bildet, kann man bei vorliegenden Erwartungsdifferenzen auch von Verständigungsproblemen zweiter Ordnung sprechen. Solche Probleme lassen sich nur durch eine Erwartungskoordination (vgl. Kindt/Weingarten 1984) lösen. Aus dem Umstand, dass Formulierungs- und Verstehenserwartungen im Laufe einer Kommunikation modifiziert werden können, resultiert aber auch eine wichtige Möglichkeit zur Lösung von Verständigungsproblemen erster Ordnung. Wenn es den Beteiligten aus irgendeinem Grund nicht ohne weiteres gelingt, für bestimmte Äußerungen hinreichend ähnliche Bedeutungen zuzuordnen, dann lassen sich die zugehörigen Probleme evtl. dadurch zum Verschwinden bringen, dass man die ursprünglich zugrunde gelegten Erwartungen reduziert und sich mit weniger anspruchvollen Verständigungsresultaten zufrieden gibt. Letztlich heißt dies, dass möglicherweise auch Interaktionsziele relativiert werden müssen.
2.4 Resultatbezogene Problemtypisierung 2.4.1 Allgemeines Die Diskussionsergebnisse von 2.3.3 über die Identifikation von Verständigungsproblemen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen. Da die Existenz von Verständigungsproblemen im Allgemeinen nicht unmittelbar zu erkennen ist, versuchen Kommunikationsteilnehmer solche Probleme dadurch zu vermeiden, dass sie die Formulierung, die Übertragung und das Verstehen von Äußer-
58
Theoretischer Rahmen
rungen an bestimmten Erwartungen ausrichten und bei Auftreten von Erwartungsverletzungen geeignete Problemlösungsstrategien anwenden. Im einfachsten Fall werden derartige Erwartungsverletzungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Verarbeitung der jeweiligen Äußerung identifiziert. Schwieriger ist es demgegenüber, wenn man aus der Beobachtung von Inkompatibilitäten bei Nachfolgeäußerungen oder -handlungen auf sie rückschließen muss. Schon aus Zeitgründen lohnt es sich für die Beteiligten vielfach nicht, die genauen Ursachen eines aufgetretenen Problems zu bestimmen bzw. zu thematisieren. Trotzdem ist es für die Lösungsentwicklung und -kontrolle bis zu einem gewissen Grade notwendig, das betreffende Problem typisiert zu haben. Für diese Typisierung ist somit oft nicht die Problemursache, sondern das resultierende Defizit in der Äußerung des Produzenten bzw. in ihrer medial übertragenen Version oder das Defizit im Interpretationsresultat des Rezipienten ausschlaggebend. In diesem Sinne gehen wir davon aus, dass die Beteiligten partiell über Kategorien zur Unterscheidung von Problemen verfügen bzw. dass sie zumindest zugehörige Lösungsstrategien unterscheiden können. Empirisch stützt sich diese Annahme auf zwei Fakten. Zum einen leiten Kommunikationsteilnehmer Problembehandlungen häufig mit sprachlich stereotypen und somit selbst problemlos interpretierbaren Signalen/Formeln der sogenannten Problemmanifestation ein, die das Vorliegen eines Problems und ggf. seinen Typ anzeigen. Dies gilt z.B. für die Problemmanifestation Moment mal in der Äußerung 11K012 vom Dialog 11. Diese Manifestation weist typischerweise ohne genauere Ursachenmarkierung auf ein Problem für die Fortsetzung der Kommunikation beim Formulieren oder Verstehen hin (Vollständigkeitsproblem). In Einzelfällen kann auch die Formulierung einer ursachenanzeigenden Problemmanifestation zweckmäßig sein, weil sich auf diese Weise deutlich machen lässt, welche Hilfeleistung des Kommunikationspartners bei einer Problemlösung von Vorteil wäre. Dies gilt beispielsweise, wenn der Äußerungsproduzent wie im Folgenden nach einer geeigneten Formulierung sucht. 07I088
07I095
07K095 07I096 07K096
steckst du die gelbe Schraube durch die beiden Stangen und drehst die vorne an den <par> blauen Würfel […] <par> aber daß die ähm, daß die blei/ beiden ähm vorne diese Propellerteile da ähm <par> so diagonal sind <par> so(_ei)n Kreuz bilden <noise> genau, so(_ei)n Kreuz ja <sil: 4> ja habe ich.
Resultatbezogene Problemtypisierung
59
Zum anderen wird zumeist an der Form der Problembearbeitung sichtbar, von welchem Problemtyp der jeweilige Bearbeiter ausgeht: Wenn in dem in 2.2.2 zitierten Beispiel 08I015ff der Konstrukteur die Formulierung rote Mutter des Instrukteurs durch rote Schraube ersetzt, dann hält er die Bezeichnung Mutter offensichtlich für semantisch falsch bzw. für resultatbezogen sachlich inkorrekt. In seltenen Fällen kommt es allerdings vor, dass der durch die Problemmanifestation angezeigte und der aus der Bearbeitungsform zu entnehmende Problemtyp einander widersprechen. Dies gilt z.B. für die Äußerung und ehm dazwischen stellst du einen grünlichen also n grünen länglichen Klotz (vgl. Forschergruppe Kohärenz 1987, 22, Z. 9-10); die Verwendung des Folgerungsadverbs also ist nämlich untypisch für die Anzeige von Korrekturen. Eine teilnehmerorientierte Problemtypisierung kann als erstes Unterscheidungsmerkmal die prozessbezogene Problemlokalisierung zugrunde legen. Wenn der Produzent P1 einer Äußerung a selbst an a ein Problem bemerkt und evtl. bearbeitet, dann handelt es sich in jedem Fall um ein Formulierungsproblem, für dessen Entstehung er verantwortlich ist. Entdeckt demgegenüber der Rezipient P2 an a bzw. an der ihm übermittelten Versionen a’ ein Problem, dann kann auch ein Übertragungs- oder Verstehensproblem vorliegen. Wenn in der Alltagskommunikation davon gesprochen wird, dass ein Rezipient eine Äußerung nicht verstanden hat, lässt sich dies auf zwei verschiedene Weisen interpretieren: Entweder ist nur gemeint, dass er der Äußerung keine erwartungsgemäße Bedeutung zuordnen konnte, wofür auch eine unangemessene Formulierung des Produzenten verantwortlich sein kann. Oder der Rezipient wird selbst für sein erfolgloses Verstehen verantwortlich gemacht. Im Folgenden sollen die beiden Interpretationen durch die Verwendung des Adjektivs „rein“ theoretisch voneinander getrennt werden. Demzufolge wird ein Verstehensproblem rein genannt, wenn es nicht durch ein Formulierungs- oder Übertragungsproblem verursacht wurde, und analog dazu soll ein Übertragungsproblem rein heißen, wenn es nicht durch ein vorausgehendes Formulierungsproblem bedingt ist. Eine entsprechende Unterscheidung fehlt beispielsweise bei Selting (1987), weshalb in ihrer Analyse unberücksichtigt bleibt, dass verschiedene von ihr als Verstehensprobleme eingestufte Belegstellen auf Formulierungsprobleme zurückzuführen sind (vgl. etwa 91, 34-3: 234ff oder 94/95,34-5: 33ff). Ein zweites wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Problemtypisierung bezieht sich auf die Verarbeitungsebene, relativ zu der überprüft wird, ob die jeweiligen Verarbeitungsresultate beim Formulieren, Übertragen und Verstehen einer Äußerung erwartungsgemäß ausfallen. Schon in Kindt/Weingarten (1984) wurde global zwischen Sprach- und Sachproblemen unterschieden. Eine erste differenzierte und empirisch begründete Problemtypologie entwickelte Levelt (1983) für den Spezialfall von Selbstreparaturen, also für eine Sonderform der Behandlung
60
Theoretischer Rahmen
von Formulierungsproblemen in mündlicher Kommunikation. Aufgrund einer Analyse des Korpus der Forschergruppe Kohärenz (1987) konnten Kindt/Laubenstein (1991) nachweisen, dass die Taxonomie von Levelt unvollständig und mit verschiedenen Abgrenzungsproblemen verbunden ist. Zugleich wurde die vervollständigte Problemtaxonomie in den verständigungstheoretischen Rahmen von Kindt/Weingarten (1984) eingeordnet und insbesondere wurde diskutiert, welcher Verarbeitungsebene die verschiedenen Problemtypen angehören. Bei dem nachfolgenden Versuch, die bisherige verständigungstheoretische Grundlage weiterzuentwickeln, fiel in Kindt (1998) die Verwandtschaft der Problemtypen bei Selbstreparaturen zu den Konversationsmaximen von Grice (1975) auf und dieser Umstand wurde in Kindt (2001c, 21) genauer diskutiert und theoretisch ausgewertet. Wie teilweise schon in 2.1.1 angesprochen wurde, ergibt sich aus heutiger Sicht folgendes Bild: Die Maximen von Grice sind nicht hinreichend gegeneinander abgegrenzt, sie betreffen in unsystematischer Weise teils die Sach- und teils die Sprachebene, sie sind für eine Anwendung auf alle Verarbeitungsebenen zu generalisieren. Legt man der empirischen Analyse von Selbstreparaturen eine entsprechend formulierte Problemtypologie zugrunde, dann wird einerseits deutlich, dass auch die Erweiterung der Taxonomie von Levelt in Kindt/Laubenstein (1991) noch unvollständig ist. Andererseits kann man empirisch untersuchen, welche der prinzipiell zu unterscheidenden Problemtypen häufig vorkommen und warum einige unter ihnen gar nicht oder nur selten realisiert werden. Ein weiterer, theoriendynamisch notwendiger, aber in den vorliegenden Arbeiten bisher nicht durchgeführter Schritt ist die konkrete Anwendung der Problemtypologie auf Formulierungs-, Übertragungs- und Verstehensprobleme über den Spezialfall der Selbstreparaturen hinaus. Nach der bisher nur allgemein formulierten Charakterisierung einer Problemtypisierung soll nachfolgend konkreter auf die Probleme der verschiedenen Verarbeitungsebenen für den Fall mündlicher Kommunikation eingegangen werden. Grundsätzlich sind im Sinne der drei in 2.1.1 eingeführten Erwartungstypen bei jeder Verarbeitungsebene Korrektheits-, Vollständigkeits- und Effizienzprobleme voneinander zu unterscheiden. Sprachprobleme im engeren Sinne betreffen die phonetische/phonologische, die prosodische, die morphologische und die syntaktische Ebene der Äußerungsverarbeitung und im weiten Sinne kommen semantische Verarbeitungsprobleme hinzu, also Probleme aufgrund nicht erwartungsgemäßer Zuordnungen zwischen Äußerungen und Bedeutungen. Sachprobleme sind auf der pragmatischen Ebene der Äußerungsverarbeitung anzusiedeln und sie beziehen sich auf die sprachunabhängigen Auswirkungen von Äußerungen auf die zu erreichenden Handlungs- und Interaktionsziele. Um das Ziel einer Verständigung zu erreichen, ist es primär relevant, semantische und pragmatische Probleme zu vermeiden oder zu beheben. Aber mittelbar kön-
Resultatbezogene Problemtypisierung
61
nen auch Sprachprobleme im engeren Sinne mehr oder weniger gravierende negative Konsequenzen für die Verständigung haben, weil aus ihnen möglicherweise Probleme auf semantischer und pragmatischer Ebene resultieren: Ein einziges, undeutlich artikuliertes Wort führt eventuell zu einer sachlich inkorrekten Äußerungsinterpretation. So gibt es bei zu leisem Sprechen keine Garantie für eine Vollständigkeit der Informationsübermittlung. Aber auch die Verwendung syntaktisch komplexer Konstruktionen ist semantisch ineffizient. Insofern lohnt es sich, für die Entwicklung einer angemessenen Verständigungstheorie auch eine fundierte und empirisch umfassende Problemtypologie zu erarbeiten.
2.4.2 Formulierungsprobleme Um die gewünschte Verständigung zu erreichen, werden die an einer Kommunikation Beteiligten von vornherein versuchen, möglichst verständlich zu formulieren. Dies ist aber nicht immer erfolgreich, weil sie sich gleichzeitig bemühen müssen, den kommunikativen Aufwand beider Partner für den intendierten Informationsaustausch gering zu halten. Dabei gilt: Wenn Äußerungen eines Produzenten wenig aufwendig formuliert sind, dann wird der Verstehensaufwand des Rezipienten für die Auflösung von Mehrdeutigkeiten oder für die Vervollständigung fehlender Informationen möglicherweise zu hoch. Zugleich bleiben die Teilnehmer oft ihren eigenen Kommunikationsroutinen verhaftet und können sich nur begrenzt auf die Perspektive ihrer Partner einstellen. Schließlich lässt sich bei einer spontanen Äußerungsproduktion das Auftreten von Fehlern nie ganz vermeiden. Nachfolgend sollen einige Eigenschaften von Formulierungsproblemen auf den verschiedenen Verarbeitungsebenen angesprochen werden. Auf der Ebene der Sprachformulierung im engeren Sinne liegt bei einer Äußerung a ein Korrektheitsproblem vor, wenn eine Äußerungseinheit in a (oder a selbst) nicht regelgerecht formuliert ist. Ein Vollständigkeitsproblem bedeutet, dass a z.B. aufgrund eines Wort- oder Konstruktionsabbruchs eine (evtl. nur temporär) unvollständige Äußerungseinheit enthält. Schließlich lassen sich bei einem Effizienzproblem analog zum Hamburger Verständlichkeitskonzept (vgl. Langer et al. 2002) drei Fälle unterscheiden: Die Formulierung einer Äußerungseinheit in a ist unnötig komplex, zu lang oder sie hat eine unzweckmäßige Reihenfolge. Wenn man die in diesem Sinne zu unterscheidenden Problemtypen mit der Reparaturtaxonomie von Levelt (1983) vergleicht, dann fällt auf, dass dort sehr viele theoretisch mögliche Problemtypen fehlen. Dies hängt zumeist damit zusammen, dass sie in dem von Levelt verwendeten Korpus nicht vorkommen. Allerdings hätte bei der anschließenden Formulierung einer Reparaturtheorie eine linguis-
62
Theoretischer Rahmen
tisch systematische Perspektive entwickelt werden können. Reparaturen für Formulierungsprobleme auf den Ebenen von Morphologie und Prosodie sind in der Taxonomie von Levelt überhaupt nicht vorgesehen. Tatsächlich kommen Korrektheitsprobleme auf diesen Ebenen, also beispielsweise falsche Pluralbildungen bei Substantiven oder inkorrekte Wortakzente, außer bei Teilnehmern mit Sprachdefiziten nur relativ selten vor und werden zudem oft nicht repariert. Wenn man Probleme allerdings konsequent resultatbezogen typisieren will, dann ist u.a. zu klären, wie man mit dem Sachverhalt umgehen will, dass auch phonetisch verursachte Versprecher zu Lautfolgen ohne Wortstatus führen (wie z.B. jast anstelle von hast in 01I038). Ebenso dürfen morphologische Vollständigkeitsprobleme bei Wortabbrüchen und prosodische Effizienzprobleme bei zu leisem oder zu schnellem Sprechen nicht unberücksichtigt bleiben. Und wenn die betreffenden prosodischen Probleme zu Schwierigkeiten bei der Worterkennung oder bei der Satzanalyse führen können, sollte man sie dann resultatbezogen auch als morphologische bzw. syntaktische Effizienzprobleme einstufen? Offensichtlich braucht man für eine konsistente Problem- und Bearbeitungstypologie eine geeignete einheitlliche Grundlage, die die Schwierigkeit einer Identifizierung der genauen Problemursache umgeht und sich gleichzeitig dem Zwang entzieht, sämtliche Nachfolgeprobleme bei der Kategorisierung berücksichtigen zu müssen. Hierfür ist insbesondere eine differenziertere Verwendung bzw. Interpretation des in der Reparaturtheorie gebräuchlichen Terminus "Fehler" ("error") notwendig. Von einer fehlerhaften Äußerung kann man im stikten Sinne eigentlich u.a. nur dann sprechen, wenn sie eindeutig grammatisch falsch ist oder wenn genügend viel Situationswissen vorhanden ist, um sie als sachlich inkorrekt einzustufen. Tatsächlich sollen aber auch bestimmte Probleme und Bearbeitungen, bei denen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, als Korrekturfälle gelten. Beispielsweise kann man bei einer Äußerung wie Jetzt kommt/kommen der rote und der grüne Würfel nach unten nicht behaupten, die Verwendung der Verbsform kommt im Äußerungsanfang sei grammatisch falsch, denn die Äußerung ließe sich mit der rote Würfel nach unten korrekt fortsetzen und die Korrektur von kommt zu kommen könnte auf den Umstand einer veränderten Äußerungsplanung zurückführbar sein. Insofern ist für die Einstufung einer Problembearbeitung als Korrektur nur die Art der jeweiligen Äußerungsmodifikation entscheidend. Zugleich ist es für eine die Einbeziehung von Nachfolgeproblemen vermeidende Bearbeitungskategorisierung (auch über den Fall von Korrekturen hinaus) zweckmäßig, jeweils ausschließlich auf die rangniedrigste Verarbeitungsebene abzuheben, die die betreffende Bearbeitungsform erklärt. Für das eben diskutierte Äußerungsbeispiel bedeutet dies, dass der Übergang von kommt zu kommen als morphosyntaktische Korrektur einzuordnen ist, weil das grammatische Morphem /t/ durch das Morphem /en/ ersetzt wird.
Resultatbezogene Problemtypisierung
63
Was die Ebene der Phonetik/Phonologie anbetrifft, gibt es in der Taxonomie von Levelt den Problemtyp des phonetischen Fehlers (error) bzw. die phonetische Reparatur (EF-repair). Undeutliches Sprechen, das man als Effizienzproblem einstufen kann, wird demgegenüber nicht erwähnt. Aufgrund ihres häufigeren Vorkommens spielen syntaktische Formulierungsprobleme eine wichtigere Rolle. Diesbezüglich gibt es bei Levelt erwartungsgemäß den Problemtyp des syntaktischen Fehlers und die syntaktische Reparatur (ES-repair). Daneben behandelt er eine spezielle Art von syntaktischen Vollständigkeitsproblemen, die er allerdings nicht als syntaktisches Phänomen kategorisiert; den zugehörigen Reparaturtyp nennt er covert repair (C-repair), weil die zugrunde liegende Problemursache zumeist verdeckt bleibt, also nicht erkennbar ist. Syntaktisch gesehen handelt es sich bei diesem Reparaturtyp darum, dass eine Konstruktion in einer Äußerung kurzzeitig unterbrochen, anschließend aber syntaktisch konsistent vervollständigt wird. Teilweise verwenden Äußerungsproduzenten dabei aber auch ursacheanzeigende Problemmanifestationen oder die Problemursache lässt sich an einer zwischenzeitlich eingeschobenen Nebensequenz erkennen. Letzter Fall liegt in der Äußerung 01I007 vor (ja, paß auf und dann nimmst du so von diesen {Holzleisten}<spk: K, mhm> mit den Löchern warte mal den mit den eins zwo drei vier fünf Löchern.). Insofern ist dieser Reparaturtyp besser completion repair zu nennen. Ein prototypischer Fall für verdeckte Realisierungen von ihm sind Unterbrechungen mit Hilfe eines Hesitationssignals und einer nachfolgenden Pause, wie sie beispielsweise zweimal in der Äußerung 11I002 (und ähm du hast also zwei sehr lange, nee, wir fangen mal mit dem äh Propeller vorne an) vorkommen. Dasselbe Äußerungsbeispiel zeigt allerdings noch eine andere Art von Vollständigkeitsproblemen, die bei Levelt nicht erwähnt wird, aber relativ häufig auftritt. Der zugehörige Reparaturtyp wird in Kindt/Laubenstein (1991) Blockadereparatur (B-Reparatur) genannt, weil die Fortsetzung einer begonnenen syntaktischen Konstruktion aus irgendeinem, oft nicht erkennbaren Grund blockiert ist, die Konstruktion also unvollständig bleibt. Syntaktisch besonders interessant sind solche Blockadereparaturen bei denen ein Äußerungsteil – ähnlich wie bei Apokoinu-Konstruktionen – sowohl dem abgebrochenen Äußerungsbeginn als auch der Neukonstruktion zugerechnet werden kann. Ein Beispiel hierfür liefert im Dialog 11 die Äußerung 11I020 und äh dieses Plättchen machst du dann wiederum mit so einer roten Schraube, mit so einer sechseitigen *befestust, befestigst du die. Als dritte und letzte Art syntaktischer Vollständigkeitsprobleme sind die Fälle zu betrachten, bei denen keine Reparatur durchgeführt wird. Dies kann den Grund haben, dass der betreffende Äußerungsproduzent ganz auf sein Rederecht verzichtet oder dass den Beteiligten ohnehin klar ist, wie sich die Äußerung vervollständigen lässt.
64
Theoretischer Rahmen
Der Typ des syntaktischen Effizienzproblems kommt in der Taxonomie von Levelt nicht vor. Dies ist nicht überraschend, weil solche Probleme nur selten repariert werden. Semantisch funktionslose Wiederholungen zu reparieren, die der Erwartung nach syntaktisch kurzen Formulierungen widersprechen, wäre zu aufwendig. Abweichungen von Standardwortstellungen, die noch als syntaktisch korrekt gelten können, bleiben durchweg unrepariert, weil sie i.A. nicht zu Verständigungsschwierigkeiten führen. Verständigungserschwerend sind allerdings zu komplexe syntaktische Konstruktionen. Solche Probleme lassen sich – rechtzeitig erkannt – dadurch lösen, dass man die betreffende Konstruktion abbricht und eine Blockadereparatur durchführt. In Kindt/Laubenstein (1991) konnte allerdings auch ein selten vorkommender Reparaturtyp (Gabelungs- bzw. GReparatur) identifiziert werden, der ein Effizienzproblem syntaktischer Konstruktionen durch Wiederholung eines früheren Äußerungsteil behebt: 11I066
11K067
dann kommt da als nächstes auf der Seite von der Schiene, wo die rote {Schraube}<spk: K, mhm> ist mit den sechs Seiten kommt diese Rhombe <sil: 1> ja? na, im Moment bei mir noch nicht, aber
Da der Abstand des Subjekts zum Verb durch die vorausgehenden Satzglieder und insbesondere durch die sehr komplexe Lokalangabe sehr groß geworden ist, macht die Instrukteurin mithilfe der Wiederholung von kommt die Subjektfunktion von diese Rhombe eindeutig verstehbar. Ohne eine solche Wiederholung würde der Konstrukteurin diese Zuordnung sicherlich schwer fallen und damit auch das Verstehen der gesamten Instruktion. Ein anderer interessanter Fall von syntaktischer Ineffizienz liegt vor, wenn es für einen Äußerungsteil mehrere Verknüpfungsmöglichkeiten gibt (syntaktische Ambiguität) und der Äußerungsproduzent die aufwendigere von ihnen, also z.B. die dem Gestaltprinzip der Nähe widersprechende Verknüpfung, ansetzt; ein turnübergreifendes Beispiel für diesen Fall wird in Kindt (1985, 135) an einem Dialogausschnitt diskutiert, in dem eine Teilnehmerin eine Äußerung statt an ihre eigene zuvor gestellte Frage an eine vorherige Äußerung ihrer Partnerin syntaktisch anschließt. In der Taxonomie von Levelt sind verschiedene Arten von Formulierungsproblemen auf der semantischen Ebene berücksichtigt. Zum einen werden die relativ häufig vorkommenden lexikalischen Fehler (wie die Verwechslung von Mutter und Schraube) und die zugehörigen lexikalischen Reparaturen (ELrepair) behandelt, die allerdings nur einen Spezialfall semantischer Inkorrektheit bilden. Insofern muss in einer vollständigen Typologie auch der Fall einer Reparatur semantischer Fehler wortübergreifender Konstituenten (EK) erfasst werden.
Resultatbezogene Problemtypisierung
65
Ein Beispiel für diesen Fall liefert im Dialog 1 die Äußerung 01I077, in der die für eine Montage als Präpositionalphrase formulierte Ortsangabe hinter die, die davor ist zu hinter die Leiste, die du eben gerad angebracht hast korrigiert wird. Zum anderen unterscheidet Levelt drei Arten von Effizienzproblemen, die er zum Problemtyp der geringen Eignung (less appropriate) zusammenfasst; der zugehörige Reparaturtyp heißt bei ihm A-repair. Alle drei Problemarten betreffen relevante Fälle eines erhöhten Interpretationsaufwands, erwähnt seien der Fall der referentiellen Mehrdeutigkeit von Phrasen und der Fall einer Verwendung von unpräzisen Ausdrücken. Die Unterteilung von Levelt ist aber nicht vollständig. Insbesondere fehlen die Problemarten der zu hohen Informationsdichte, der abstrakten/unanschaulichen Formulierung und der erschwerten Wahrnehmbarkeit. Letztere Problemart lässt sich an einem Beispiel aus Dialog 11 illustrieren (vgl. 1.3.2). In 11I006 weist die Instrukteurin die Konstrukteurin auf einen Schraubentyp mit sechseckigem Kopf hin, den sie mit der zusätzlichen Charakterisierung da steht drauf Lorenz Baufix identifizierbar macht. Je nachdem wie weit die beiden im Montageset vorkommenden Schrauben dieses Typs von der Konstrukteurin entfernt sind und in welcher Position sie sich befinden, ist es für sie mehr oder weniger leicht, die beiden Schrauben zu identifizieren. Vergleichsweise effizienter wäre es gewesen, wenn die Instrukteurin die gelbe Farbe des Schraubentyps als Unterscheidungsmerkmal angegeben hätte; tatsächlich stellt die Konstrukteurin in 11K007 sicherheitshalber die Frage eine gelbe?, die die Instrukteurin anschließend bejaht. Zu den Unterarten des Problemtyps der semantischen Ineffizienz gehören auch noch eine zu große Redundanz von Äußerungen und die unzweckmäßige informationsstrukturelle Gliederung oder prosodische Markierung. Probleme beider Arten werden i.A. nicht repariert, aber man kann feststellen, dass es Kommunikationsteilnehmern (zumindest im Flugzeugkorpus) weitgehend gelingt, solche Probleme zu vermeiden. So wird nach der verbalen Einführung eines zu montierenden Bauteils in der nachfolgenden Instruktion die zur Referenz benutzte Nominalphrase typischerweise topikalisiert. Beispielsweise spricht die Instrukteurin vom Dialog 11 in der Äußerung 11I003 von den Latten mit drei Löchern und sagt dann die legst du aufeinander, was von der Wortstellung her offensichtlich informationsstrukturell zweckmäßiger ist als die Alternativformulierung du legst die aufeinander. Ein vom Produzenten zu verantwortendes semantisches Problem in einer Äußerung kann von Rezipienten, die eine für die jeweilige Kommunikation erwartbare‚ normale Sprach- und Wissenskompetenz besitzen und nicht durch Übertragungsprobleme oder spezielle eigene Verstehensschwierigkeiten beeinträchtig sind, evtl. daran erkannt werden, dass der Interpretationsaufwand für die Äußerung nach üblichen Maßstäben zu hoch ausfällt oder dass keine (eindeutige)
66
Theoretischer Rahmen
Interpretation möglich ist. Ansonsten lässt sich ein solches Problem nur mittelbar anhand von Nachfolgeproblemen auf der Sachebene durch einen Vergleich der (als unproblematisch unterstellten) Äußerungsbedeutung mit dem jeweiligen Situationswissen identifizieren. In diesem Sinne kann aus einem lexikalischen Fehler etwa durch die Wahl eines falschen Farbadjektivs ein Sachformulierungsproblem resultieren, z.B. wenn ein Instrukteur im Flugzeugkorpus von einer roten Mutter spricht, obwohl es nur orangene gibt und er eigentlich diese Farbe meint. Spricht er demgegenüber von einer roten Schraube und meint eine orangene, dann kann vorerst nur er selber, nicht aber der Konstrukteur den semantischen Bezeichnungsfehler bemerken, wenn Schrauben beider Farben vorkommen. Analoges gilt für die Frage, ob eine korrekte Objektbenennung evtl. an einer fehlenden thematischen Kohärenz erkannt werden kann: Hatte der Instrukteur zunächst angekündigt, über die Montage des blauen Würfels sprechen zu wollen, und redet anschließend fälschlicherweise von dem grünen Würfel, dann kann sich der Konstrukteur schon denken, dass ein Formulierungsfehler vorliegt. Ohne eine solche Ankündigung sind aber beide Thematisierungen legitim. Ergänzend soll erwähnt werden, dass bei Effizienzerwartungen die empirische Abgrenzung zwischen Problemen und Nichtproblemen vielfach schwierig bzw. nicht eindeutig möglich ist. Beispielsweise präzisiert die Konstrukteurin in Dialog 11 in der Teilaussage ich habe jetzt diese mit den drei Löchern, diese Schienen von Äußerung 11K010 die im Kontext referentiell eindeutige Nominalphrase diese mit den drei Löchern durch die zusätzliche Formulierung diese Schienen. Da eine Problemmanifestation fehlt, bleibt unklar, ob die Konstrukteurin die betreffende Nominalphrase als ineffizient und reparaturbedürftig eingeschätzt hat oder ob sie der Instrukteurin vorsichtshalber eine verstehensabsichernde Reformulierung anbieten wollte oder ob sie einfach eine auf zwei Schritte verteilte Formulierung gewählt hat.. Zu den abschließend zu diskutierenden Sachformulierungsproblemen gehört aus der Taxonomie von Levelt neben den resultatbezogen zu sachlicher Inkorrektheit führenden lexikalischen Fehlern auch ein Spezialfall von Effizienzproblemen, bei dem es darum geht, dass der Produzent eine bereits begonnene Sachverhaltsdarstellung abbricht, weil er es für zweckmäßiger hält, vorher noch eine andere Information (different message) zu geben (der zugehörige Reparaturtyp wird als D-repair bezeichnet). Ein Beispiel für diese Art von Problemen liefert in Dialog 1 die Äußerung 01I093 ja und die steckst du jetzt so darauf, daß ehm also auf die Schraube: Hier wird die mit dem daß–Satz begonnene Spezifikation zugunsten der Präzisierung also auf die Schraube unterbrochen und erst nach einem weiteren dialogischen Einschub in der Äußerung 01I094 mit daß der dicke Teil nach innen zeigt und nicht zu der blauen Schraube fortgesetzt.
Resultatbezogene Problemtypisierung
67
Auch im Bereich der Sachformulierungsprobleme muss die Taxonomie von Levelt also verallgemeinert und vervollständigt werden. Wie bereits erwähnt setzt man bei dem Urteil, dass in einer Äußerung ein Sachformulierungsproblem vorliegt, grundsätzlich immer voraus, dass die Äußerung im betreffenden Kontext eindeutig interpretierbar ist. Eine Äußerung gilt als sachlich inkorrekt, wenn mindestens ein in ihr mitgeteilter Sachverhalt nicht kompatibel mit dem Wissen der Beteiligten ist. Es kann natürlich passieren, dass sich während der Produktion einer Äußerung der ursprünglich darzustellende Sachverhalt ändert und deshalb eine Korrektur notwendig ist. Eine bei der Analyse von Reparaturen im Zusammenhang mit Kindt/Laubenstein (1991) entdeckte Sonderform von temporären Korrektheitsproblemen liegt vor, wenn sich der Produzent während oder nach der Formulierung seiner Äußerung zuerst noch nicht sicher ist, ob der dargestellte Sachverhalt zutrifft (oder ob die gewählte semantische Zuordnung korrekt ist), dies aber nach einer Überprüfung bejaht; der zugehörige Reparaturtyp wird von Kindt und Laubenstein Fraglichkeitsreparatur (F-Reparatur) genannt. Des Weiteren liegt ein Vollständigkeitsproblem vor, falls in der Äußerung die Angabe mindestens einer Information fehlt, die für das Erreichen des mit der Äußerung intendierten Interaktionsziels erforderlich wäre. Ein Beispiel für diesen Problemtyp, der in Kindt/Laubenstein (1991) nocht nicht berücksichtigt wurde und dessen Bearbeitung wegen der incomplete information als I-Reparatur bezeichnet werden soll, findet man in der Äußerungsfolge 11I004 die legst du aufeinander, 11K006 ja und 11I005 also jeweils mit dem mittleren Loch. In 11I004 erwähnt die Instrukteurin nicht, in welcher Weise die beiden Leisten aufeinander gelegt werden sollen, und deshalb fügt sie nach der bestätigenden Äußerung 11K006 der Konstrukteurin in 11I005 eine entsprechende Information an. Vollständigkeitsprobleme sind allerdings nicht immer empirisch eindeutig von dem Fall abgrenzbar, dass der Äußerungsproduzent zur Vermeidung einer zu hohen Informationsdichte die erforderlichen Informationen portionsweise nacheinander formuliert und erst nach der letzten Informationsportion einen Vollständigkeitsanspruch für seine Äußerung erhebt. In Kindt/Laubenstein (1991) wird in diesem Fall von einer Formulierungsergänzung gesprochen. Ein Belegbeispiel hierfür findet man z.B. in der Äußerung 01I026 mit der Ausklammerungskonstruktion und auf den Würfel kommt jetzt noch mal sone Fünferplatte aber quer zu den beiden anderen. Weder eine Pause noch eine Problemmanifestation weist hier darauf hin, dass die Instrukteurin den ersten Teil ihrer Äußerung als nicht erwartungsgemäß einstufen würde, weil sie dort noch nichts über die Ausrichtung der Fünflochleiste gesagt hat. Im Bereich der Effizienzprobleme stellt die von Levelt mit D-Reparaturen behandelte Problemart nur einen Spezialfall des Problems einer unzweckmäßigen Informationsgliederung dar. Es ist nämlich generell in der Kommunikation
68
Theoretischer Rahmen
wichtig, die relevanten Informationen in einer angemessenen Reihenfolge zu präsentieren. Im Flugzeugkorpus betrifft dies u.a. den Umstand, dass stets ausschließlich die für den jeweiligen Bauschritt erforderlichen Informationen und zwar in der Reihenfolge der aufeinander folgenden Handlungen formuliert werden sollten. Überhaupt ist es ineffizient, wenn ein Äußerungsproduzent bestimmte für das momentane Interaktionsziel irrelevante Informationen gibt oder auch durchaus relevante Informationen mehrfach formuliert. Letzterer Fall bringt ihm evtl. den Kommentar Du wiederholst dich ein. Schließlich kann ein zu formulierender Sachverhalt schon für sich genommen so komplex sein, dass es nicht einfach ist, eine verständliche Darstellung für ihn anzugeben. Im Flugzeugkorpus betrifft dies die Montage der beiden Tragflächen, bei der jeweils drei Leisten miteinander verbunden werden müssen. Wie wir bei der Diskussion des Beginns von Dialog 11 gesehen haben, erhöht sich die Komplexität der erforderlichen Sachverhaltsformulierungen, wenn der Flugzeugbau mit einer unzweckmäßigen Reihenfolge von Montageschritten begonnen wird.
2.4.3 Übertragungsprobleme Der Vollständigkeit halber wollen wir auch kurz auf einige relevante Übertragungsprobleme eingehen. Speziell bei der Typisierung von Sprachproblemen im engeren Sinne, also bei Problemen auf der phonetischen/phonologischen, der prosodischen, der morphologischen oder der syntaktischen Ebene, kann man sich weitgehend an der für Formulierungsprobleme gegebenen Darstellung in 2.4.2 orientieren. Durch die Überlagerung von verbaler Kommunikation mit anderen Geräuschen entstehen möglicherweise akustische Sequenzen, die sich nicht als Lautfolgen identifizieren lassen und somit als phonetische Inkorrektheit einzustufen sind. Wenn eine solche Überlagerung nur zu einer akustischen Verzerrung bestimmter Äußerungen führt, liegt demgegenüber ein zu undeutlicher Äußerungsartikulation analoger Fall von Ineffizienz vor. Resultatbezogen haben beide Fälle negative Konsequenzen für die Worterkennung und sind dementsprechend auch den Kategorien der morphologischen Inkorrektheit oder Ineffizienz zuzurechnen. Genauso verhält es sich mit den Problemen auf der prosodischen Ebene: Erwähnenswert ist hier insbesondere der Fall, dass Äußerungen nach ihrer Übertragung zu leise bei Rezipienten ankommen und somit ein Effizienzproblem vorliegt. Selbst wenn bei der Übertragung korrekte Lautfolgen reproduziert werden, kann eine Ausgangsäußerung durch Überlagerungs- oder Verzerrungseffekte so verändert werden, dass eine Zerlegung in korrekte oder vollständige Wörter nicht mehr möglich ist, also morphologische Korrektheits- oder Vollständigkeitsprob-
Resultatbezogene Problemtypisierung
69
leme entstehen. In ähnlicher Weise kommt es eventuell zu syntaktischen Problemen: Die Äußerung wird möglicherweise unvollständig reproduziert und bestimmte Wörter fehlen, oder durch die Überlagerung mit einer anderen Kommunikation entstehen syntaktisch inkorrekte Mischfolgen von Wörtern, oder es ist zumindest sehr aufwendig, die nicht zur Primärkommunikation gehörigen Wörter durch selektive Wahrnehmung auszublenden. Letztlich können alle bisher genannten Probleme auch semantische oder sachverhaltsbezogene Nachfolgeprobleme haben, und ebenso ist denkbar, dass bestimmte Veränderungen der Ausgangsäußerung sich erst auf der Semantikoder Sachebene negativ auswirken. Dieser Fall wäre beispielsweise gegeben, wenn die Äußerung Karla ist ins Kino gegangen minimal modifiziert als Karl ist ins Kino gegangen übertragen wird und der in der modifizierten Äußerung dargestellte Sachverhalt falsch ist bzw. dem gemeinsamen Wissen der Beteiligten widerspricht.
2.4.4 Verstehensprobleme Die Frage, wie Verstehensprobleme zu typisieren sind, soll wieder etwas ausführlicher behandelt werden. Im Prinzip geht es um eine Typisierung reiner oder vom Rezipienten mitzuverantwortender Verstehensprobleme, also um Verstehensschwierigkeiten des Rezipienten, die nicht ausschließlich durch vorausgehende Formulierungs- oder Übertragungsprobleme induziert sind. Faktisch können Rezipienten aber nicht immer eindeutig entscheiden, inwieweit sie selbst für die Entstehung eines Verstehensproblems verantwortlich sind. Umgekehrt haben der Äußerungsproduzent und andere mögliche Beteiligte i.A. keinen unmittelbaren empirischen Zugang zu den bei Rezipienten entstehenden Problemen. Sie sind also, was eine eventuelle Mithilfe bei der Problemlösung betrifft, darauf angewiesen, dass der Rezipient eine Problemmanifestation formuliert, die die Äußerungsstelle benennt, auf die sich das Problem bezieht etc.; oder sie müssen aus einer Nachfolgeäußerung des Rezipienten erschließen, dass er bei der betreffenden Ausgangsäußerung ein Verstehensproblem hatte. Eine wichtige, spezielle Art von Sprachverstehensproblemen im engeren Sinne bilden die Hörverstehensprobleme. Diese Problemkategorie lässt sich folgendermaßen definieren: Bezüglich einer Äußerung a liegt ein Hörverstehensproblem vor, wenn der Rezipient a anders wahrnimmt, als dies der Standardzerlegung von a in Wörter entspricht. Hierbei wird der Einfachheit halber unterstellt, dass es eine eindeutige bzw. eine zu präferierende Wortsegmentierung von a gibt. Zwei Fälle von Hörverstehensproblemen sind zu unterscheiden: Zum einen ist denkbar, dass das Wahrnehmungsresultat von a in mindestens einem
70
Theoretischer Rahmen
Segment von der Standardzerlegung abweicht (Korrektheitsproblem); zum anderen fehlen diesem Resultat möglicherweise bestimmte Wörter (Vollständigkeitsproblem). Die Extension des so eingeführten objektiven Begriffs „Hörverstehensproblem“ ist allerdings nicht identisch mit dem Bereich von Problemen, die dem Rezipienten als Wahrnehmungsprobleme bewusst werden, denn vielleicht merkt der Rezipient gar nicht, dass er einen Teil der Äußerung ‚überhört’ hat. Insofern müssen wir wieder zur Diskussion der Teilnehmerperspektive übergehen, wollen dabei aber jeweils voraussetzen, dass der Rezipient die Ursache eines jeweiligen Problems bei sich selbst sieht. Von der Vermutung, dass er bei der Äußerung a ein Hörverstehensproblem hat, wird der Rezipient zumindest immer dann ausgehen, wenn er bei sich ein Sprachproblem im engeren Sinne vom Typ Inkorrektheit oder Unvollständigkeit bemerkt. Relevante Beispielfälle für diesen Sachverhalt sind liegen beispielsweise vor, wenn das Wahrnehmungsresultat von a beim Rezipienten ein lautlich nicht identifizierbares Segment, ein Segment ohne Wortstatus, ein syntaktisch nicht zu seiner Umgebung passendes Wort enthält oder dieses Resultat insgesamt (vielleicht nur temporär) syntaktisch unvollständig ist. Effizienzprobleme spielen empirisch offensichtlich allenfalls bei der syntaktischen Strukturierung des Wahrnehmungsresultats von a eine Rolle, sind dann aber nicht mehr als Hörverstehensprobleme einzustufen. Ein Beispiel für diesen Problemtyp liefert etwa der Satz Der Junge hat den Mann beobachtet und das Mädchen, wenn ein Rezipient und das Mädchen nicht mit der näher gelegenen Phrase den Mann, sondern mit der Junge verknüpft. Es gibt natürlich auch Hörverstehensprobleme, die sich erst dadurch für den Rezipienten bemerkbar machen, dass sie zu Nachfolgeproblemen auf der Semantik- oder Sachebene führen. Hat der Rezipient anstelle von Karla das Wort Karl gehört, dann entsteht möglicherweise aus der zugehörigen Äußerungsinterpretation resultatbezogen ein sachliches Korrektheitsproblem. Bei der Bearbeitung dieses Problems kann aber durch eine Äußerungswiederholung des Produzenten deutlich werden, dass ursprünglich ein Hörverstehensproblem zugrunde lag. Als Spezialfall von Hörverstehensproblemen spielen schließlich noch Fraglichkeitsprobleme eine empirisch wichtige Rolle, bei denen sich der Rezipient nicht sicher ist, ob sein Wahrnehmungsresultat den Ausgangspunkt für die gesuchte Äußerungsinterpretation bilden soll. Auch Fraglichkeitsprobleme basieren vielfach darauf, dass der Rezipient korrespondierende semantische oder sachbezogene Nachfolgeprobleme vermutet Wenn das Wahrnehmungsresultat für die Äußerung a und die gewählte Strukturierung den Erwartungen des Rezipienten entsprechen, dann gibt es noch die Möglichkeit, dass sich Probleme bei der semantischen Zuordnung oder bei der Beurteilung des Interpretationsresultats bemerkbar machen. Ein empirisch
Alllgemeines über Verständigungsstrategien
71
häufig vorkommender Fall ist, dass der Rezipient einem Äußerungsteil, z.B. einem Wort von a, generell oder temporär keine Bedeutung zuordnen kann (semantisches Vollständigkeitsproblem). Demgegenüber liegt ein semantisches Korrektheitsproblem vor, wenn er einen Äußerungsteil regelwidrig interpretiert. Solche Fehler sind aber häufig erst an Nachfolgeproblemen auf der Sachebene zu erkennen. Analog zum Fall der syntaktischen Ineffizienz kommt es auch vor, dass der Rezipient statt einer naheliegenden, einfachen eine komplexe und damit zu aufwendige Interpretation wählt. Vollständigkeitsprobleme auf Sachverstehensebene entstehen vielfach dadurch, dass der Rezipient z.B. bei indirekten Sprechhandlungen (temporär) bestimmte mitgemeinte Inferenzen nicht zieht. Neben den aus semantischer Inkorrektheit resultierenden Sachproblemen ist der Fall zu berücksichtigen, dass der Rezipient über die Äußerungsbedeutung hinaus performativ bestimmte unzutreffende Sachverhalte erschließt. Außerdem treten manchmal Fraglichkeitsprobleme auf, also Konstellationen, bei denen sich der Rezipient nicht sicher ist, ob sein Interpretationsresultat als sachlich korrekt gelten kann. Ein empirisch relevanter Fall von Ineffizienz liegt schließlich vor, wenn der Rezipient zu viele, für das jeweilige Interaktionsziel nicht erforderliche Inferenzen aus der Äußerung zieht. Für eine systematische Theoriebildung wäre an dieser Stelle die in der Reparaturforschung bisher nicht gestellte Frage zu beantworten, inwieweit die Taxonomie von Levelt (1983) bzw. die oben vorgeschlagene Erweiterung auf den Fall der Behandlung von Verstehensproblemen übertragbar ist. Eine Antwort auf diese Frage werden wir in Abschnitt 3.5.3 geben.
2.5 Allgemeines über Verständigungsstrategien Um sich erfolgreich zu verständigen, müssen die Teilnehmer einer Kommunikation zwei globale Ziele verfolgen. Zum einen werden sie von vornherein versuchen, voraussehbare Verständigungsprobleme zu vermeiden. Allerdings darf der kommunikative Aufwand für die Anwendung von Problemvermeidungsstrategien nicht zu groß werden und die Beteiligten vertrauen auch darauf, dass es im Normalfall auch ohne zusätzliche Bemühungen gelingt, den Äußerungen in der Kommunikation hinreichend ähnliche Bedeutungen zuzuordnen. Zum anderen müssen die Teilnehmer ständig mit dem Auftreten von Verständigungsproblemen rechnen und sie werden daher bei Hinweisen auf das Vorliegen eines Problems versuchen, das Problem umgehend zu lösen. Dabei hat die Problembehandlung Vorrang vor der Fortsetzung der übergeordneten Kommunikation, weil mit einem ungelösten Verständigungsproblem das Risiko verbunden ist, dass auch Nachfolgeäußerungen unterschiedlich interpretiert werden und damit die Kom-
72
Theoretischer Rahmen
munikation möglicherweise insgesamt misslingt. Aus diesem Grund findet die Problembearbeitung oft noch im grammatischen Rahmen der Ausgangsäußerung statt, wie wir bereits bei vielen Beispielen von Selbst- und Fremdreparaturen gesehen haben. Im einzelnen lassen sich eine Reihe von generellen Strategietypen der Problemvermeidung und der Problembearbeitung unterscheiden. Bei den Problemvermeidungsstrategien gibt es einerseits vom Äußerungsproduzenten angewendete prospektive Strategien, die kommunikative Aktivitäten vor der Äußerungsproduktion betreffen oder sich auf die Wahl einer möglichst effizienten Äußerungsformulierung beziehen. Andererseits werden Vermeidungsstrategien der Verstehensabsicherung von Produzent oder Rezipient während oder nach der Produktion einer Äußerung bzw. eines Äußerungsteils eingesetzt: Der Rezipient hat jeweils die Aufgabe, nach bestimmten Äußerungsteilen oder der Gesamtäußerung zu signalisieren, ob er die Äußerung nach seiner vorläufigen Einschätzung erfolgreich rezipiert hat und akzeptiert (vgl. hierzu auch Clark 1997). Der Produzent kann sicherheitshalber nach oder während der Äußerung alternative Formulierungen für den mitzuteilenden Sachverhalt (Reformulierung genannt) anbieten, um die Wahrscheinlichkeit einer ähnlichen Bedeutungszuordnung zu erhöhen. Überdies gibt es für Produzent und Rezipient die Möglichkeit, durch eine Anwendung von Kontrollverfahren die Ähnlichkeit ihrer Interpretationen in einem ausgewählten Bedeutungsaspekt zu überprüfen und auf diese Weise das Risiko eines Verständigungsproblems zu verringern. Ein gängiges Kontrollverfahren ist die schon in Kindt (1985, 136) beschriebene Inferenzüberprüfung, bei der Produzent oder Rezipient eine aus der Ausgangsäußerung gezogene Inferenz formulieren und ihrem Kommunikationspartner zur Bestätigung oder Zurückweisung anbieten. Im Fall einer Bestätigung der Inferenz gehen die Beteiligten nachfolgend von einer (hinreichend) übereinstimmenden Äußerungsinterpretation aus. Schließlich sind Problembearbeitungsstrategien grundsätzlich nur retrospektiv anzuwendende Verfahren, wobei man in Verallgemeinerung der Terminologie von Schegloff (1979) je nach Position des Problems in einer Äußerung postpositioned und prepositioned Fälle unterscheiden kann: Im ersten Fall ist ein Problem in einem bereits produzierten Äußerungsteil zu behandeln, während sich das zu bearbeitende Problem im zweiten Fall auf die Fortsetzung der Äußerung bezieht. Bevor in den nachfolgenden Abschnitten genauer auf die empirischen Ergebnisse über die verschiedenen Strategietypen eingegangen wird, wollen wir hier jedoch noch einige allgemeine Eigenschaften von ihnen ansprechen. Bei den prospektiven Strategien beziehen sich die äußerungsvorbereitenden oft nicht auf eine einzelne Äußerung, sondern auf makrostrukturell größere Kommunikationsabschnitte oder die Kommunikation insgesamt. Zunächst werden die Kommuni-
Alllgemeines über Verständigungsstrategien
73
kationsteilnehmer dafür sorgen, dass möglichst gute Übertragungsbedingungen im verwendeten medialen System bestehen, und sie werden ihre eigene Kommunikationsbereitschaft herstellen. Für letztere Teilaufgabe kommen in den Dialogen des Flugzeugkorpus drei verschiedene, auch miteinander kombinierbare Strategien vor: Einer der Beteiligten signalisiert mit einem Ratifikationssignal wie so oder gut oder ok den Abschluss einer vorausgehenden Aktivität und damit die Möglichkeit des Beginns einer Kommunikation. Oder der Produzent der ersten Äußerung redet seinen Partner mit dessen Eigennamen an oder leitet diese Äußerung mit dem typischen Anfangssignal also für größere Kommunikationsabschnitte ein. Als Beispiel für eine prospektive Strategie der Kontextkonstitution haben wir in 1.3.2 und 2.2.3 schon die Vorgreifende Verdeutlichung besprochen. Besonders wichtig für eine erfolgreiche Verständigung ist es, dass der Produzent prospektiv bei der Äußerungsplanung seinen Spielraum für die Wahl effizienter Formulierungen im Sinne unserer Diskussion in 2.4.2 nutzt. Die Anwendung retrospektiver Strategien vollzieht sich im Rahmen eines Aufgabenschemas, wie es für den Fall einer expliziten Problembehandlung schon in Kindt/Weingarten (1984) beschrieben wurde. Danach müssen neben einer einleitenden Musterinitiierung und einer abschließenden Musterbeendigung verschiedene Schritte der Problemdefinition, der Problemlösung und der Bewertung von Lösungsvorschlägen durchgeführt werden. Die in dem Schema vorgesehenen Teilhandlungen werden allerdings nicht immer durchgeführt, weil die mit ihnen verbundenen Ziele entweder fakultativ sind oder weil sie sich schon im Zusammenhang mit anderen Aufgabenbearbeitungen auf indirekte Weise erreichen lassen. Um über eine für alle Arten retrospektiver Strategien gemeinsame Terminologie zu verfügen, wollen wir im Folgenden von Äußerungsbearbeitung sprechen. Das erste Ziel einer Teilkommunikation zur retrospektiven Bearbeitung einer Äußerung muss darin bestehen, dass den Beteiligten deutlich wird, dass statt einer Fortsetzung der primären Kommunikation eine Äußerungsbearbeitung vorgenommen und welcher Typ von Bearbeitung ggf. gewählt wird. Ein zweites Ziel ist die äußerungsbezogene Lokalisierung, das heißt die Beteiligten müssen wissen, auf welche Äußerung bzw. auf welchen Teil einer Äußerung sich die Bearbeitung bezieht. Drittens muss eine verbal explizite Äußerungsbearbeitung vorgenommen und ggf. bewertet werden. Viertens schließlich ist es notwendig, dass für die Beteiligten erkennbar wird, ob auf die durchgeführte eine weitere Äußerungsbearbeitung bzw. eine Bearbeitung der Äußerungsbearbeitung folgt oder ob die primäre Kommunikation fortgesetzt wird. Die genannten vier Ziele lassen sich jeweils mit bestimmten prototypischen Formulierungsstrategien erreichen, mit denen im Allgemeinen selbst keine Verständigungsprobleme verbunden sind/sein sollten. Der Beginn einer Äußerungsbearbeitung wird beispielsweise besonders manifest, wenn der Produzent die Formulierung eines
74
Theoretischer Rahmen
Wortes oder einer noch unvollständigen Konstruktion abbricht. Ansonsten kann man Äußerungsbearbeitungen an prototypischen Einleitungssignalen oder Formeln der Problemmanifestation bzw. des jeweiligen Bearbeitungstyps erkennen. Die Lokalisierung der zu bearbeitenden Äußerung bzw. Äußerungsstelle wird häufig durch eine (partielle) Äußerungswiederholung oder eine Formulierung einer syntaktisch korrespondierenden Phrase bei der Äußerungsbearbeitung erreicht. Für die Bearbeitung selbst stehen je nach Funktion verschiedene Formulierungsmöglichkeiten zur Verfügung, auf die wir in Kapitel 3 genauer eingehen werden. Die Beendigung einer Äußerungsbearbeitung wird zumeist entweder durch die Signalisierung einer neuen Äußerungsbearbeitung oder durch die nicht gesondert markierte Fortsetzung der Primärkommunikation erkennbar. Als fakultative Handlungen des Aufgabenschemas einer Problembehandlung können schließlich noch eine explizite Übernahme der Verantwortung für das zugrundeliegende Problem durch einen Beteiligten und/oder eine Entschuldigung vorkommen. Will man die verbalen Realisierungen von Äußerungsbearbeitungen klassifizieren, dann lassen sich einerseits syntaktische Formen und andererseits kommunikative Funktionen von ihnen unterscheiden. Zugleich stellt sich die Frage, mit welchen Bearbeitungsformen welche Funktionen verbunden sind. Eine Art der Äußerungsbearbeitung muss in diesem Zusammenhang gesondert angesprochen werden, nämlich das Übergehen von erkannten Problemen. Zum Beispiel werden syntaktische Fehler in Äußerungen oft nicht korrigiert, wenn dies zu Verständigungszwecken nicht erforderlich ist. Es kommt aber auch vor, dass ein Kommunikationsteilnehmer bemerkt, dass sein Partner einer Äußerung eine nicht erwartungsgemäße Bedeutung zuordnet und diese Bedeutung ohne Monitum toleriert bzw. übernimmt. Die vom Übergehen abgesehen einfachste Bearbeitungsform ist das Wiederholen einer Äußerungspassage. Dies kann verschiedenen Funktionen dienen. Eine wichtige Funktion von Wiederholungen besteht darin, Zeit zu gewinnen, und zwar entweder beim Produzenten für die Vorbereitung der Äußerungsfortsetzung oder beim Rezipienten für das Verstehen der gerade wahrgenommenen Äußerung. Neben der schon genannten Lokalisierungsfunktion werden Wiederholungen auch dazu verwendet, um die Verarbeitung diskontinuierlicher syntaktischer Verknüpfungen zu erleichtern. In engerem Sinne echte Bearbeitungsformen sind Ergänzungen oder Modifikationen von Äußerungspassagen. Mit Ergänzungen werden Vollständigkeits- und mit Modifikationen Korrektheits- oder Effizienzprobleme bearbeitet. Dabei ist als eine wichtige Art der Modifikation die Umwandlung von Aussagen in Fragen zu berücksichtigen. Die vierte und letzte Bearbeitungsform ist das Einfügen: Statt eine Äußerung syntaktisch fortzusetzen, wird eine Parenthese eingeschoben, die gewissermaßen einen Kommentar entweder zur bisherigen Äußerung oder zu
Alllgemeines über Verständigungsstrategien
75
einem Problem bei der Äußerungsfortsetzung formuliert. In diesem Sinne dienen Einfügungen z.B. der Rückmeldung, also dem Akzeptieren oder Zurückweisen von Äußerungen. Sie können metakommunikative Problemmanifestationen präsentieren oder relevante Kontextinformationen nachliefern. Eine ausführlichere Darstellung der Zusammenhänge zwischen Bearbeitungsformen und -funktionen bei retrospektiven Verständigungsstrategien werden wir nachfolgend bei der Diskussion der jeweiligen empirischen Ergebnisse unseres Projekts geben.
3 Empirische Ergebnisse
3.1 Eine Typologie der Verständigungsstrategien Bei der empirischen Analyse der Dialoge des Bielefelder Flugzeugkorpus konnte eine große Anzahl an kommunikativ manifesten Verständigungsstrategien identifiziert werden. Dabei wurden alle Verhaltensweisen zu den Verständigungsstrategien gezählt, die der Sicherung oder Herstellung von Verständigung dienen. Viele der in diesem Zusammenhang beobachteten Verhaltensweisen traten mehrfach auf und wurden von verschiedenen Personen angewendet. Hieraus lässt sich schließen, dass es sich bei den gefundenen Phänomenen zumeist nicht um individuell präferierte Handlungsweisen, sondern um allgemein geläufige Strategien handelt. Insofern kann die nachfolgende Darstellung unserer Ergebnisse auch als Anleitung gelesen werden, welche Strategien man für eine erfolgreiche Verständigung einsetzen kann und welche verbalen Realisierungen es für sie gibt. Es war möglich, die identifizierten Verständigungsstrategien in einer Typologie zu ordnen. Diese Typologie bezieht sich zunächst nur auf die von uns untersuchten Dialogdaten. Dennoch ist die Anwendung der von uns gefundenen Verständigungsstrategien nicht auf aufgabenorientierte Dialoge beschränkt, d.h. die im Folgenden aufgeführten Strategien können auch in anderen Kommunikationssituationen von Nutzen sein. Andererseits ist durchaus denkbar, dass in anderen Situationen weitere Verständigungsstrategien verwendet werden, die sich in unseren Daten nicht finden. Die Typologie unterscheidet zunächst zwischen den Oberkategorien „Prospektive Problemvermeidungsstrategien“, „Strategien der Verstehensabsicherung“ und „Strategien der Problembehandlung“. Des Weiteren ist es bei den prospektiven Problemvermeidungsstrategien zweckmäßig globale, auf makrostrukturelle Aufgaben bezogene Strategien und lokale, meso- oder mikrostrukturell ausgerichtete voneinander abzugrenzen. Die Kategorie „Strategien der Verstehensabsicherung“ musste eingeführt werden, um verschiedene Aktivitäten zu erfassen, die retrospektiv oder äußerungsbegleitend der Überprüfung oder Absicherung von Verstehensresultaten dienen. Für die Strategien der Problembehandlung steht demgegenüber aufgrund der in Abschnitt 2.3 und 2.4 entwickelten Unterscheidungen schon eine sehr differenzierte Typologie zur Verfügung. Dem-
78
Empirische Ergebnisse
zufolge können Problembehandlungsstrategien zunächst danach unterteilt werden, ob sie den Formulierungs-, Übertragungs- oder Verstehensprozess betreffen. Innerhalb dieser Kategorien sind Strategien zur Lösung von Vollständigkeits-, Korrektheits- und Effizienzproblemen zu unterscheiden und außerdem auf die Verarbeitungsebene zu beziehen. Schließlich lassen sich Strategien auch nach ihren speziellen Funktionen typisieren. Allerdings haben Verständigungsstrategien oft mehrere Funktionen, d.h. sie sollen gleichzeitig verschiedenen Erwartungen gerecht werden.
3.2 Globale Strategien der prospektiven Problemvermeidung Kommunikative Aufgaben, wie etwa anlässlich einer Montage des BaufixFlugzeugs, sind nicht in einem einzigen Schritt zu lösen. Es ist in diesem Fall daher notwendig und nützlich, das eigene Vorgehen bei der Äußerungsformulierung bzw. bei der Produktion längerer Äußerungssequenzen sinnvoll zu organisieren und strukturieren. Dies kann auf verschiedenen sprachlichen Ebenen geschehen. Betrachten wir zunächst die einschlägigen globalen Strategien. Zur Kategorie der „Globalen Strategien“ zählen Verständigungsstrategien, die die Makrostruktur von Texten, in unserem Fall von Instruktionsdialogen, betreffen. Nach der Konzeption der „Makrostruktur“ besteht ein Text im Allgemeinen aus Teilen, die als Handlungs- oder Interaktionseinheiten eine spezifische Funktion im Textganzen haben. Jeder Teil kann dabei wiederum in hierarchisch untergeordnete Teile zerfallen (vgl. etwa Gülich/Raible 1977, 53). Gemäß der Annahme von Makrostrukturen werden Texte zunächst in Phasen unterteilt. Bezogen auf Gespräche werden in der Literatur als Phasen komplexe Einheiten innerhalb von Gesprächen bezeichnet, „die wesentliche Handlungs- oder Themenkomplexe ausmachen, eine interaktionslogische Reihenfolge implizieren sollen und intern differenziert sind.“ (Spranz-Fogasy/Spiegel 2001, 1241) Grobstrukturierungen unterteilen Gespräche in die drei Teile der Gesprächseröffnung/Einleitung, Gesprächsmitte/Haupteil und Gesprächsbeendigung/Schluss. (vgl. Henne/Rehbock 1995, 20) Die Gesprächsmitte zeichnet sich in der Regel durch eine hohe Komplexität aus und kann zumeist selbst in verschiedene Phasen unterteilt werden. Zur konkreten Phasierung von Gesprächen können einerseits zwei verschiedene inhaltsbezogene Dimensionen betrachtet werden: die Handlungs- und die Themenebene. Gesprächsphasen können also aufgaben- bzw. handlungsbezogen rekonstruiert werden und/oder relativ zur thematischen Entwicklung erfasst werden. (vgl. Spranz-Fogasy/Spiegel 2001, 1243) Eine so herausgearbeitete Phasen-
Globale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
79
gliederung ergibt Aussagen über gesprächstypspezifische Aufgabenstrukturen bzw. Handlungsfolgen. Andererseits werden Gesprächsphasen zumeist formal mit Hilfe von Gliederungssignalen gegeneinander abgegrenzt. Dabei dienen längere oder prägnante Kombinationen solcher Signale im Allgemeinen zur Unterteilung in grobe Gesprächsphasen und spezielle Teile dieser Kombinationen zur feineren Untergliederung der Grobphasen (vgl. Kindt 1993, 158f). Beispielsweise verwendet die Instrukteurin in Gespräch 1 als prototypische Signalkombination für Grobphasen die Sequenz gut und jetzt oder auch gut und dann und unterteilt die Grobphasen weiter mit und jetzt oder und dann. Im Falle einer konvergenten Gesprächsstrukturierung stimmen formale und aufgabenbezogene Untergliederung überein. Diese Zielsetzung wird allerdings nicht immer erreicht. Je nach Komplexität der Teil-Ganze-Hierarchie können Teilphasen noch der Makrostruktur oder schon der Mesostruktur von Texten angehören. In unserem Untersuchungszusammenhang bzw. für die Suche nach globalen, den Aufbau einer Makrostruktur betreffenden Strategien muss ein Text daraufhin überprüft werden, ob der Instrukteur seine Äußerungen nach bestimmten Prinzipien anordnet. Dienen die identifizierten Strategien im weitesten Sinne der Vorbereitung, Herstellung oder Sicherung von Verständigung, so können sie in unsere Liste der Verständigungsstrategien aufgenommen werden. Dies gilt z.B. dann, wenn sie zu einer logischen Abfolge der (kommunikativen) Aufgabe beitragen oder komplexe Aufgaben in weniger komplexe Teilaufgaben unterteilen und es dem Kommunikationspartner so erleichtert wird, dem Kommunikationsverlauf zu folgen. Damit wird der Effizienzerwartung mit den Faktoren „Einfachheit“ und „Gliederung“ Rechnung getragen. In den von uns untersuchten Dialogen konnte in der Einleitungsphase die Anwendung von sieben globalen Strategien beobachtet werden. In den zugehörigen Belegbeispielen sind nachfolgend zugunsten einer übersichtlichen Darstellung die jeweils relevanten Äußerungspassagen durch Fettdruck hervorgehoben.
3.2.1 Strategie der Markierung des Kommunikationsbeginns Der Beginn des Instruktionsdialogs wird durchweg mit einem für die Eröffnung mündlicher Kommunikationen oder dem Anfang größerer Kommunikationsabschnitte typischen Gliederungssignal markiert und zumeist (in 16 Gesprächen) ist dies das auch sonst übliche Anfangssignal also.
80
Empirische Ergebnisse
Beispiel 1: Markierung des Kommunikationsbeginns 01I001
{Katja?} also du mußt jetzt aus {diesen} wunderschönen Bauteilen soll zum Schluß erstmal (ei)n Flugzeug dabei herauskommen so(_ei)n Propellerflugzeug.
Demgegenüber fällt auf, dass sich in den Gesprächen eine explizite initiale Aufmerksamkeitsfokussierung – typischerweise formuliert mit pass auf – fehlt. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass bereits durch die Versuchsbedingungen eine hinreichende Aufmerksamkeit des Dialogpartners unterstellt werden konnte. Allerdings finden sich in den Dialogen lokale Aufmerksamkeitsfokussierungen (s.u.).
3.2.2 Strategie der Adressierung des Kommunikationspartners Wenn sich mehrere Personen in einem Raum aufhalten (in unserem Experiment war noch der Versuchsleiter anwesend), dann lässt sich eine mögliche Mehrdeutigkeit der Kommunikationsadressierung dadurch vermeiden, dass man den gewünschten Gesprächspartner mit Namen anspricht. Eine initiale namentliche Adressierung, wie sie auch das Beispiel 1 zeigt, findet sich in 5 Dialogen. Dabei muss man davon ausgehen, dass sich nur einige Versuchspersonen namentlich kannten und von der Adressierungsstrategie Gebrauch machen konnten. Namentliche Adressierungen kommen in der mündlichen Kommunikation aber nicht nur am Gesprächsanfang, sondern auch zu Beginn von Gesprächsphasen vor (siehe 3.3.1). Offensichtlich unterstützen sie dann die formale Gesprächsgliederung und können überdies eine aufmerksamkeitsfokussierende Funktion haben. Insofern sind entsprechende Nebeneffekte auch für die initiale Adressierung anzunehmen.
3.2.3 Strategie der Vorgreifenden Verdeutlichung Die Vorgreifende Verdeutlichung ist nach Kallmeyer/Schütze (1976) ein wichtiges Prinzip der Bildung von Interaktionszusammenhängen. Die Beteiligten benutzen ihre Äußerungen dazu, für eine oder mehrere Folgeäußerungen Interpretationsvorgaben und Aktivitätserwartungen zu schaffen. Vorgreifende Verdeutlichungen geben zwar oft nur eine Rahmenstruktur zu erkennen, enthalten aber immer z.B. mit der Benennung des Interaktionsziels die Spezifik des anvisierten Handlungskomplexes.
Globale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
81
Die skizzierten Wirkungen der Vorgreifenden Verdeutlichung tragen dazu bei, dass Kommunikationspartner an sie gerichtete Äußerungen einordnen und damit besser verstehen können. Aus diesen Gründen ist die Vorgreifende Verdeutlichung zu den auf Effizienz und Vollständigkeit abzielenden Verständigungsstrategien zu zählen. In den SFB-Dialogen lassen sich Vorgreifende Verdeutlichungen in der Einleitungsphase in 10 Fällen finden. Der Instrukteur nennt hier sofort zu Beginn seiner Instruktionen dem Konstrukteur explizit das Ziel der vor ihm liegenden Aufgabe. Auch in Beispiel 2 ist eine Vorgreifende Verdeutlichung zu finden: Beispiel 2: Initiale Vorgreifende Verdeutlichung 01I001
01K001
{Katja?} also du mußt jetzt aus {diesen} wunderschönen Bauteilen soll zum Schluß erstmal (ei)n Flugzeug dabei herauskommen so(_ei)n Propellerflugzeug. mhm.
Die Formulierung einer Vorgreifenden Verdeutlichung war in unserem Experiment insbesondere in den Fällen mit blockierter Sicht zweckmäßig. Dementsprechend kommt die Verdeutlichung in 6 von 9, also bei 2/3 dieser Fälle vor. Bei der Bedingung „eingeschränkte Sicht“ sind es immerhin noch 3 von 6, also die Hälfte der Fälle. Bei der Bedingung „volle Sicht“ schließlich, bei der der Konstrukteur das Interaktionsziel kennt, bleibt dieses Ziel in 6 von 7 Fällen unbenannt. Die Vorgreifende Verdeutlichung findet sich im Flugzeugkorpus aber auch zu Beginn von Phasen in der Gesprächsmitte und damit wird analog zur initialen Verdeutlichung die Intention verfolgt, Teilziele der Flugzeugmontage zu benennen. Beispiel 3: Vorgreifende Verdeutlichung vor Teilaufgabe 09I004
und denn, ja würde sagen, wir fangen am besten mal mit der Längsachse an.
3.2.4 Portionierung der Gesamtaufgabe in einzelne Teilaufgaben Wie bereits angedeutet, kann der Instrukteur den Bau des Flugzeugs in Teilaufgaben und die zugehörige verbale Instruierung in korrespondierende Teilphasen gliedern. Die Anwendung derartiger Portionierungsstrategien kann man häufig in
82
Empirische Ergebnisse
Situationen mit hohen Verständigungsanforderungen beobachten (Kindt 1985, 138). Daher sind sie auch in den SFB-Dialogen häufig zu finden. Hinzu kommt, dass es beim Zusammenbauen des Baufix-Flugzeugs besonders gut möglich ist, die Kommunikation in einzelne Phasen aufzuteilen, da hier verschiedene Flugzeugbereiche (Propeller, Flügel, Höhenruder) sukzessiv bearbeitet werden können. Die Strategie der Portionierung hat hier den Vorteil, dass die Bewältigung der jeweiligen Aufgabe sowohl für den Konstrukteur als auch für den Instrukteur überschaubar bleibt.8 Auch kann die Portionierung dem Konstrukteur dabei helfen, die Anordnung der Instruktionen nachzuvollziehen. Beispiel 4: Portionierung in Teilaufgaben 09I073 09K072 09I074
[...] das ist j/ es ist jetzt hinten bei dir ziemlich fertig, ne? ja würde ich mal {sagen}<spk: I, okay> ich weiß ja nicht, wie es aussehen soll. kommen wir jetzt zum vorderen Teil. da legst du genau wie hinten ähm legst du (ei)n Dreierholz drunter <sil: 2>
3.2.5 Orientierung der Montage an einer Vorlage (Bauplan oder eigenes Vorgehen) Die Analyse der Dialogdaten hat gezeigt, dass sich die Instrukteure bei der Organisation ihrer Instruktionen oftmals an dem ihnen vorliegenden, mehrschrittigen Bauplan orientieren. Haben sie keine derartige Vorlage zur Verfügung (z.B. wenn ihnen als Vorlage das Flugzeugmodell dient), so orientieren sie sich bei der Instruktion meist an der Abfolge ihrer eigenen zuvor durchgeführten Handlungen. Wie bereits in Abschnitt 2.1.1 dargelegt, ist es effizienter, einen vorgegebenen Plan zu nutzen oder einen bereits erarbeiteten Plan zu reaktivieren, als einen neuen zu entwickeln. Die Orientierung der Instruktionen am Bauplan oder am eigenen Vorgehen kann also die Aufgabe des Instrukteurs vereinfachen und zu einem reibungslosen Ablauf der Kommunikation beitragen.
8
Des Weiteren kann eine erfolgreiche Realisierung von Teilzielen auch die Motivation aller Beteiligten zum weiteren Fortführen der Aufgabe steigern.
Globale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
83
Beispiel 5: Orientierung am Bauplan 05I003
ähm wir haben drei Arbeitsschritte also ich hab(e) <noise> f/ für meinen Plan habe ich drei Abbildungen. der erste Arbeitsschritt ähm da erzähle ich dir erstmal was wir {für} Gegenstände brauchen [...]
Beispiel 6: Orientierung am eigenen Vorgehen 01K025 01I027
<par> und mit was für (ei)ner Schraube <noise> mach(e) ich die fest? <noise> mit (ei)ner kurzen roten hab(e) ich das festgemacht.
In Zweifelsfällen oder bei Auftreten von Problemen kann die Berufung auf Vorgaben oder erfolgreich durchgeführte Handlungen auch das Vorgehen bzw. die Instruktionen des Instrukteurs legitimieren. Beispiel 7: Legitimation der Vorgehensweise 01K085 01I086
01K086 01I087
<noise: klappern> das lilane da da drüber? das lilane da drüber <noise> und dann schraubst du das mit den beiden Schrauben an dem an der gr/ ja an dem unteren <sil: 2> äh sollte das lilane <par> darüber passen? <par> Quadrat fest <sil: 3> <noise: klappern> ja also bei mir paßte das.
Anzumerken ist hier noch zweierlei: Zum einen muss darauf hingewiesen werden, dass die Orientierung am Bauplan oder am eigenen Vorgehen nicht immer so explizit erkennbar ist wie in den Beispielen 4 und 5. Oftmals führt nur ein Vergleich des Instruktionsverhaltens mit dem Plan oder dem vorherigen Vorgehen zu einer eindeutigen Klärung über die angewendete Gliederungsstrategie. Zum anderen sind in den von uns untersuchten Dialogen immer wieder Hinweise darauf zu finden, dass ein Instrukteur sich spontan für die nächste Instruktion entscheidet.
84
Empirische Ergebnisse
Beispiel 8: Spontane Entscheidung 09I087 09K086 09I088
so, jetzt wird es etwas interessanter komme ich jetzt zur Stelle eins. {ja}<noise: rascheln> <noise> oder machen wir die erstmal nicht? {<sil: 2>} nee, wir machen erstmal Stelle minus 1 <sil: 2> ja?
Ein solches spontanes Verhalten fördert weder einen reibungslosen Ablauf noch ermöglicht es dem Konstrukteur, sich an Teilzielen zu orientieren oder einen Überblick über die bevorstehende Aufgabe zu erhalten. Aus diesem Grund kann man die „Spontane Entscheidung über die Vorgehensweise“ nicht als Strategie zur Sicherung oder Herstellung von Verständigung einstufen - obwohl sie zu den globalen Strategien zu zählen ist. Trotz der offensichtlichen Mängel der spontanen Vorgehensweise kann auch sie zum erfolgreichen Montieren des BaufixFlugzeugs durch den Konstrukteur führen.
3.2.6 „Einfaches zuerst“ Eine eng mit der Strategie der „Portionierung in Teilaufgaben“ verknüpfte Vorgehensweise ist die Auswahl von einfach zu realisierenden Teilzielen am Beginn der Montage. Hierbei werden oftmals die offensichtlichen oder wenig komplexen Teilaufgaben abgearbeitet, bevor man zur Lösung von vermeintlich schwierigeren Aufgaben kommt. Beispiel 9: Einfaches zuerst 01I002
01K002 01I003 01I004
01K003 01I005 01K004
und jetzt würd(e) ich sagen als erstes nimmst du mal diese {weißen}<noise: klopfen> Kunststoff/ äh ja Räder könnte man dazu sagen mhm. und da sind so hm ja kreisförmige [...] äh rote ja auch Kreise mit {(ei)nem}<spk: K, mhm> Loch in der Mitte und die steckst du da jetzt erstmal da rein. mhm. das sollen dann mal die Räder werden. <noise> hab(e) ich mir schon fast vorher gedacht.
Globale Strategien der prospektiven Problemvermeidung 01I006
01K005
85
{ach ja?} ich dachte, das ist erstmal das einfachste {so für(_de)n Anfang} gut.
Die Strategie „Einfaches zuerst“ ist eine Möglichkeit, eine komplexe Aufgabe hierarchisch zu strukturieren. Da bei schwierigeren Aufgaben die Anzahl in sich abgeschlossener, einfacher Schritte (wie in Beispiel 8 dargestellt) begrenzt sein dürfte, führt die Methode, alle einfachen Aufgaben zuerst abzuwickeln, wahrscheinlich schnell in eine Sackgasse. Ist es dem Instrukteur jedoch – wie in Beispiel 9 – möglich, das Prinzip „Einfaches zuerst“ in einen Gesamtplan einzubetten, dürfte dies zu einem reibungslosen Kommunikationsablauf beitragen und eine verständigungssichernde Strategie der Textgliederung darstellen. Beispiel 10: Einfaches zuerst innerhalb eines Gesamtplans 12I011 12K006 12I012 12K007 12I013
12K008 12I014
erstmal ganz allgemein gesagt, vorne muß ein Fahrwerk dran, ne. hm. und hinten na ja noch so(_ei)n Tra/, so eine kleine Tragfläche. ja. so daß daß ich also jetzt, sagen wir von, ich gehe von hinten nach vorne, also vom Einfachen zum Komplizierten. ja, so mach(e) es. okay.
3.2.7 Rückgreifende Verdeutlichung Eine eng mit der Strategie der Vorgreifenden Verdeutlichung verknüpfte Vorgehensweise ist das Verfahren, nach Beendigung einer Aufgabe das zu erreichende Ausgangsziel erneut zu benennen und damit zugleich zu überprüfen, ob das erreichte Ergebnis diesem Ziel entspricht. Diese Strategie nennen wir „Rückgreifende Verdeutlichung“ oder auch „Erinnerung an das Ausgangsziel“. Bei dem „Ausgangsziel“ kann es sich dabei sowohl um das Ziel des gesamten Aufgabenkomplexes (Beispiel 10) als auch um die Ziele von einzelnen Teilschritten handeln (Beispiel 11).
86
Empirische Ergebnisse
Beispiel 11: Rückgreifende Verdeutlichung für das Gesamtziel 08I141 08K141
jetzt solltest du (ei)n richtig tolles Flugzeug haben, ne? ja, habe ich auch.
Beispiel 12: Rückgreifende Verdeutlichung für ein Teilziel 02I062
02K061 02I063
und schraubst mit der gelben Schraube ganz vorne vor an den <par> gelben Würfel. <par> ach so mhm das ist dann der Propeller
Mithilfe der Rückgreifenden Verdeutlichung signalisiert der Instrukteur das Ende einer Instruktionsphase und erinnert noch einmal an das angestrebte Ziel. Deshalb stellt die Rückgreifende Verdeutlichung zunächst ein retrospektives Verfahren der Verständigungsabsicherung dar. Der Hörer kann daraufhin kontrollieren, ob er dieses Ziel auch erreicht hat. Im positiven Fall ist die Bearbeitung einer neuen Teilaufgabe bzw. der Beginn einer Nachfolgekommunikation einfacher. Insofern lässt sich diese Strategie auch als prospektives Verfahren der Kontextkonstitution und der Makrostrukturbildung einstufen. Die Rückgreifende Verdeutlichung dient damit insgesamt sowohl der gegenseitigen Kontrolle als auch der Übersichtlichkeit und besseren Orientierung der Gesprächsteilnehmer innerhalb komplexer Interaktionen. Um einen Sonderfall der Rückgreifenden Verdeutlichung handelt es sich, wenn im Vorfeld nicht auf das Ziel der (Teil-)Instruktionen hingewiesen wurde, sondern am Ende einer Instruktion lediglich das Ergebnis in einer Art Zusammenfassung genannt wird.
3.3 Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung Neben den globalen, das gesamte Gespräch oder größere Phasen betreffenden Strategien wird ein Text auch durch Verfahren organisiert, die sich auf kleinere Einheiten beziehen. Dabei kann es sich um Mikro- oder Mesostrukturen des Textes handeln (vgl. Spiegel/Spranz-Fogasy 2001), also um satzinterne oder Satzsequenzen betreffende Strukturen. Die Verfahren, die auf diesen beiden Ebenen zu finden sind, werden hier als „Lokale Strategien“ bezeichnet. Hauptsächlich beziehen sie sich wieder auf die Faktoren „Einfachheit“ und „Gliederung“ der Effizienzerwartung für Äußerungsformulierungen.
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
87
3.3.1 Lokale Aufmerksamkeitsfokussierung Nicht nur auf der globalen Ebene sind initiale namentliche Adressierungen zu finden (siehe 3.2.2) sondern auch auf der lokalen Textebene. Sie unterstützen die formale Gesprächsgliederung und haben überdies eine aufmerksamkeitsfokussierende Funktion. Diese gesprächsgliedernde und aufmerksamkeitsfokussierende Funktion kann außer mithilfe der namentlichen Adressierung auch mithilfe anderer Gliederungssignale wie z.B. pass auf erreicht werden (Beispiel 14). Beispiel 13: Lokale Aufmerksamkeitsfokussierung durch namentliche Adressierung 12I017
12K012 12I018
12K013
12I019
12K014
so und jetzt ähm schraubst du <sil: 1> die Leiste mit den drei Löchern an die Leiste mit den fünf Löchern, und zwar so <sil: 2> daß die <sil: 2> also daß die beiden letzten Löcher der <sil: 1> mhm. die beiden letzten Löcher quasi äh festgeschraubt werden. also daß praktisch ein, ein Loch so übersteht hinten hast du? also ich habe die Leiste mit fünf und dadrauf lege ich die Leiste mit drei <par> in die Mitte <par> darunter, darunter, darunter, {Christine}<spk: K, darunter> darunter, ja, <par> darunter <par> darunter äh.
Beispiel 14: Lokale Aufmerksamkeitsfokussierung durch pass auf 01I005 01K004 01I006
01K005 01I007
das sollen dann mal die Räder werden. <noise> hab(e) ich mir schon fast vorher gedacht. {ach ja?} ich dachte, das ist erstmal das einfachste {so für(_de)n Anfang} gut. ja, paß auf und dann nimmst du so von diesen {Holzleisten}<spk: K, mhm> mit den Löchern warte mal den mit den eins zwo drei vier fünf Löchern.
88
Empirische Ergebnisse
Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch eine zur Aufmerksamkeitsfokussierung inverse Strategie: Wenn ein Rezipient noch mit dem Verstehen/der Verarbeitung einer Äußerung seines Partners oder der Bewältigung einer ausstehenden Interaktionsaufgabe beschäftigt ist, dann kann er sich evtl noch nicht auf eine nachfolgende Partneräußerung konzentrieren. Insofern wäre es unzweckmäßig, wenn eine solche Äußerung schon beginnen würde. Um dies zu verhindern, wird häufig eine Verzögerungsformel wie Moment mal oder warte mal eingesetzt und dies lässt sich auch als eine prospektive Verständigungsstrategie werten. Auf entsprechende Beispiele werden wir in Abschnitt 3.5 genauer eingehen.
3.3.2 Lokale Kontextkonstitution Wie in 2.2.3 bereits erläutert, kann ein Gesprächspartner mithilfe einer expliziten Verbalisierung von Wissensvoraussetzungen und interpretationsrelevanten Kontextinformationen dafür sorgen, dass sein Gegenüber die nachfolgenden Äußerungen versteht. Neben der in 3.2 angesprochenen globalen Kontextkonstitution (Vorgreifende und Rückgreifende Verdeutlichung) ist in den Dialogen des Flugzeugkorpus auch eine lokale Kontextkonstitution zu beobachten. Hierzu zählt die Definition wichtiger Bezugspunkte (Beispiel 15) und die Festlegung von Bezugspunkten (Beispiel 16). Beispiel 15: Definition wichtiger Bezugspunkte 12I069
(...) 12I098 12K092
so genau <sil: 2> und jetzt ähm legst du den au Scheiße, wie soll ich das erklären? also es wird noch, es ist noch einfach, und zwar kommt der rote Würfel, kommt kommt auf also paß auf, ich definiere jetzt nochmal oben und unten. oben ist jetzt sozusagen, wenn du von oben drauf schaust, und zwar ist oben, wo diese gelben Schrauben sind {die}<spk: K, ja> wir jetzt schon oben, ja? und zwar kommen jetzt die die Flügel vorne {dran}<spk: K, oh je> oben drauf, ne. na gut, mhm.
Da sich die Versuchsteilnehmer oftmals bei der Durchführung ihrer Aufgabe nicht oder nur eingeschränkt sehen konnten, ist z.B. nicht selbstverständlich, dass sie ihre Bauergebnisse auch gleich räumlich ausrichten. Um eine einheitli-
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
89
che räumliche Ausrichtung der Bauergebnisse und einzelner Objekte zu erreichen, können sich Gesprächsteilnehmer gemeinsam auf eine bestimmte Ausrichtung einigen. In Beispiel 15 definiert der Instrukteur hier oben und unten explizit. Diese Definition wird von der Konstrukteurin bestätigt (ja) und kann im folgenden Gesprächsverlauf nun von beiden als bekannt vorausgesetzt werden. Dasselbe trifft für Beispiel 16 zu. Hier einigen sich Konstrukteurin und Instrukteur auf eine Nummerierung der auf der Flugzeugachse befindlichen Löcher. Auf diese Nummerierung greifen beide im weiteren Gesprächsverlauf auch zurück. Beispiel 16: Festlegung/Benennung wichtiger Bezugspunkte 09I060
09K059 09I061 09K060 09I062
(...) 09I076 09K075 (...) 09I079
09K078 09I080 (...) 09I087 (...) 09I088
links ähm ganz, also ähm wir können es mal eigentlich durchnumerieren von äh rechts nach links, ja, also ganz re/ ganz rechts ist eins, {und}<spk: K, ja> es überlappt sich an den Stellen vier und fünf. ja. und Stelle sechs steht über. ja, {genau}<spk: I, okay> und vier und fünf sind die Schrauben? vier und fünf sind die Schrauben, {genau}<spk: K, gut> vier ist die Baufixschraube und {fünf}<spk: K, okay> ist die Schlitzschraube, okay. an Stelle sechs bauen wir jetzt hinten ähm so (ei)n oh Gott so eine Art Würfel hast du da ja auch liegen mit Löchern. auch daß er einen übersteht, also denn Überlappung ist an den Stellen eins und zwo dann, ja? mhm und legst den Siebener rechtwinklig drauf, also als Tragfläche, das wird jetzt auch wieder eine Tragfläche. auf welche ähm? auf ähm auf d/ auf die zwei, auf Stelle zwo. <sil: 2> so, jetzt wird es etwas interessanter komme ich jetzt zur Stelle eins. <noise> oder machen wir die erstmal nicht? {<sil: 2>} nee, wir machen erstmal Stelle minus eins <sil: 2> ja?
90 (...) 09I093 (...) 09I109
Empirische Ergebnisse
rote Schraube ja verschraubst du an der Stelle null a/ minus eins. weil das, also das kannst du immer noch machen. so ähm jetzt mußt du an der Stelle {eins}<spk: K, mhm> äh auch den letz/ den anderen Siebener drauflegen wieder
Zu den Beispielen 15 und 16 ist noch Folgendes anzumerken: Bei der Kontextkonstitution spielt immer auch eine Erinnerung an zugehörige Aushandlungen und Definitionen eine wichtige Rolle. Es kann sein, dass der Instrukteur sich im Gespräch in einer Instruktion auf eine solche vorherige Aushandlung bezieht. Ohne eine Erinnerungsleistung an diese Aushandlungen ist das Formulieren und Verstehen dieser Instruktionen für den Gesprächspartner nicht möglich. Dabei muss der Gesprächspartner nicht notwendigerweise explizit zur Erinnerung an diese Aushandlung oder Definition aufgefordert werden. Die Gedächtnisleistung ist in diesem Fall daran festzumachen, dass die Instruktion überhaupt verstanden wird. In Beispiel 16 reicht die einmalige Aushandlung der Benennung von Positionen mit Zahlen. Diese Benennung wird von I vorgeschlagen und K akzeptiert diese Vorgehensweise explizit, so dass diese Verwendung nachfolgend keine Probleme mehr aufwirft. Wir haben drei verschiedene mesostrukturelle Strategien identifiziert, mithilfe derer die Instrukteure ihre einzelnen Instruktionen oder Instruktionssequenzen aufgabenbezogen gliedern. Diese sollen im Folgenden beschrieben werden.
3.3.3 Dreiteilung der Instruktion: Ziel – Objekte – Handlungen Die hier angesprochene Gliederungsstrategie von Instruktionen ist in unseren Dialogen sehr weit verbreitet. In allen Fällen ist die Instruktion dreiteilig. In Teil 1 wird das aktuell verfolgte Teilziel erwähnt. In Teil 2 werden die zur Realisierung dieses Teilziels benötigten Objekte vom Instrukteur genannt und gleichzeitig vom Konstrukteur gesammelt. In Teil 3 expliziert der Instrukteur dann die mit den zuvor gesammelten Objekten durchzuführenden Handlungen. Im Prinzip ähnelt diese Gliederungsstrategie der „Portionierung in Teilaufgaben“. Da es hier jedoch auch um die Organisation von Formulierungen geht
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
91
und zudem um ein lokales Verfahren, soll diese Gliederungsstrategie hier gesondert betrachtet werden.9 Beispiel 17: Dreiteilung der Instruktion 03I032 03K032 03I033 03K033 03I034 03K034
so und dahinten kommt jetzt noch (ei)n Propeller dran. ja so jetzt hast du noch ähm <sil: 1> zwei von den langen Dingern mit drei Löchern. ja. die legst du jetzt so in Kreuzform über(ei)nander. mhm.
Das Ziel wird bei der Dreiteilung nicht immer so genau genannt wie in Beispiel 12. Es ist auch ausreichend, wenn das Ziel nur beschrieben wird, etwa in der Form jetzt verbinden wir zwei Objekte miteinander. Wichtig ist jedoch, dass das Nennen des Ziels als eigenständiger, erster Teil der Instruktionssequenz identifiziert werden kann. Die Unterteilung der Instruktion in mehrere Teile kann mehr oder weniger explizit erkennbar sein. Im Unterschied zu Beispiel 17 sind explizite Hinweise auf die verfolgte Gliederungsstrategie wie etwa du mußt erst mal die Geräte zusammensuchen, die du ähm für den ersten Bauschritt benötigst (04I001) jedoch eher selten.
3.3.4 Zweiteilung der Instruktion: Objekte – Handlungen Auch diese zweite Art, Instruktionssequenzen zu organisieren, wird von den Instrukteuren häufig angewendet. Zugleich gelten ähnliche Anmerkungen wie bei der Dreiteilung. Beispiel 18: Zweiteilung der Instruktion 01I007
01K006 01I008 9
sen.
ja, paß auf und dann nimmst du so von diesen {Holzleisten} mit den Löchern den mit den eins zwo drei vier fünf Löchern. mhm. und dann nimmst du dir noch (ei)n Dreier dazu.
Auf die Vorteile, die ein frühzeitiges Nennen von Zielen haben kann, wurde bereits hingewie-
92 [...] 01K011 01I013
Empirische Ergebnisse
mhm und dann steckst du erstmal ans hintere Ende des Dreiersteckers äh diesen Würfel da drauf und drehst den fest. [...]
Da alle Segmentierungsaktivitäten von Sprechern Ergebnis ihrer Einschätzungen der Interaktionssituation sind (vgl. Spranz-Fogasy/Spiegel 2001), ist aus dem Fehlen einer Zielnennung, wie sie bei der Dreiteilung vorkommt, zu schließen, dass der jeweilige Sprecher diese nicht für notwendig erachtet oder über keine geeignete Zielkategorie verfügt. Da jedoch die zusätzliche Kenntnis über das unmittelbare Ziel einer durchzuführenden Handlung dem Instruierten durchaus als zusätzliche Planungs- und Orientierungshilfe dienen kann, ist bei einer beabsichtigten Unterteilung der Instruktion in mehrere Teile eventuell die Dreiteilung der Zweiteilung vorzuziehen.
3.3.5 Zweiteilung der Instruktion: Ziel – Details Eine weitere Möglichkeit, eine Instruktion systematisch aufzubauen ist ihre Unterteilung in eine „Zielbenennung“ und eine „Darstellung von Details“. Auch hierbei handelt es sich wie im vorherigen Fall um eine Zweiteilung der Instruktion. Unter „Darstellung von Details“ werden hier alle Äußerungen des Instrukteurs angesehen, die dazu dienen, genauer zu auszuführen, wie das im ersten Teil angesprochene Ziel realisiert werden soll. Die Art der Darstellung kann variieren. So kann es sich z.B. um längere Erläuterungen oder auch um Reformulierungen handeln. Typisch ist hierbei die Verwendung von „also“- oder „undzwar“-Konstruktionen. Es gibt aber keine spezifische sprachliche Form, die konstitutiv für die Realisierung der hier diskutierten Instruktionsstrategie wäre. Beispiel 19: Zweiteilung der Instruktion 07I030
07K030
und da drauf legst du so eine ganz lange Stange <sil: 3> also die legst du so daß noch (ei)n Loch frei bleibt auf der lang/, auf der ähm Stange zwischen der gelben Schraube und dem Teil ach so
Neben den drei hier vorgestellten Gliederungsstrategien gibt es noch weitere Möglichkeiten des Aufbaus von Instruktionen. So ist es z.B. möglich, in einer
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
93
Instruktion ohne genauere Ausführungen nur das Ziel und die benötigten Objekte zu benennen. Einen solchen, sogar mikrostrukturell in nur einem Satz realisierten Fall gibt Beispiel 20 wieder. In diesen Fällen muss der Konstrukteur selbständig z.B. aus dem Ziel und der Form der genannten Objekte inferieren, was genau von ihm erwartet wird. Es ist einleuchtend, dass bei dieser Art von Instruktionen aufgrund mangelnder Informationen das Auftreten von Fehlern und Missverständnissen begünstigt wird. Daher ist diese Strategie zwar den lokalen Gliederungsstrategien, nicht jedoch den Verständigungsstrategien zuzurechnen. Beispiel 20: Zweiteilige Instruktion in einem Satz 07I066
jetzt müßtest du die Räder zusammenbauen aus diesen roten, runden Teilen und diesen weißen Gummi__reifen. <sil: 10>
Die aufgabenbezogene Unterteilung von Instruktionen bzw. Instruktionssequenzen wird im Allgemeinen auch durch formale Mittel der Gliederung unterstützt. Zum einen verwenden die Instrukteure häufig ein durch seine Rekurrenz auffälliges Standardvokabular für die verschiedenen Teilhandlungen der betreffenden Instruktionssequenz. Dies wird schon an den obigen Beispielen 13 und 14 deutlich: Die Handlung des Objektesammelns wird dort durch die finiten Verben hast bzw. nimmst ausgedrückt und typische Vertreter für die Bezeichnung von Montagehandlungen sind u.a. legen und stecken. Zum anderen können – wie schon in 3.2 erwähnt – spezielle Teile der Phasengliederung als lokale Gliederungssignale dienen. In Beispiel 18 gilt dies für und dann. Demgegenüber sieht man bei Beispiel 17, dass die Instrukteurin von dem übergeordneten Phasengliederungssignal so (und) jetzt den Teil jetzt zur Untergliederung benutzt. Dabei setzt sie interessanterweise nach der Zielformulierung für die Objektsammlung erneut das Phasengliederungssignal ein. Dies entspricht allerdings ihrer bevorzugten Vorgehensweise bei zweitteiligen Instruktionen (ohne Zielnennung).
3.3.6 Informationsstrukturelle Reihenfolge Bei einer Analyse von Beispielen der Instruktionsgliederung fällt zusätzlich auf, dass die thematische Progression aufeinanderfolgender Äußerungen oft den Effizienzprinzipien köhärenter Thema-Rhema-Strukturen entspricht. Dies gilt etwa für das schon bekannte hier noch einmal wiedergegebene Beispiel 17.
94
Empirische Ergebnisse
Wiederholung Beispiel 17: Lineare Progression mit topikalisiertem Thema 03I032 03K032 03I033 03K033 03I034 03K034
so und dahinten kommt jetzt noch (ei)n Propeller dran. ja so jetzt hast du noch ähm <sil: 1> zwei von den langen Dingern mit drei Löchern. ja. die legst du jetzt so in Kreuzform über(ei)nander. mhm.
Im Rhema der Äußerung 03I033 werden mit der in der Endposition stehenden Nominalphrase zwei von den langen Dingern mit den Löchern zwei von den Dreilochleisten als neue Referenten eingeführt. Diese beiden Referenten werden im nächsten Satz (03I034) mit dem Pronomen die wieder aufgenommen und als neues Teilthema etabliert, über das in 03I034 als Rhema ausgesagt wird, welche Art der Montage vorgenommen werden soll. Dabei ist wichtig, dass das als Akkusativobjekt fungierende Pronomen die zwecks Thematisierung topikalisiert wird, d.h. in der Spitzenposition des Satzes steht und somit von der Standardwortstellung im Deutschen abweicht. Genau diese Kombination von Thema-Rhema-Gliederung und Wortstellung erleichtert im Fall einer thematischen Progression wesentlich die Kohärenzherstellung und kann deshalb als verständigungssichernde Strategie eingestuft werden. Dieselbe Strategie wird auch in Beispiel 21 angewendet, allerdings mit dem Unterschied, dass hier der im Rhema des Satzes auf diesen beiden Platten ist jetzt dieser Würfel genannte Referent im Folgesatz nicht pronominal, sondern mit einer Variation der Nominalphrase dieser Würfel wiederaufgenommen wird. Dies erklärt sich vermutlich dadurch, dass eine Verwendung von Pronomina, die ansonsten die Herstellung von Kohärenz fördert, innerhalb von Präpositionalphrasen nur eingeschränkt akzeptabel ist (und darauf mehrdeutig wäre). Beispiel 21: Lineare Progression mit nicht pronominalisiertem Thema 01I025
01K024 01I026
<noise> ja und du hast also jetzt diese {äh ja} diese benzolförmigen Dinger sind jetzt sag(e) ich mal oben und auch oben auf diesen beiden Platten ist jetzt dieser Würfel. {mhm}<noise: rascheln> gut und auf den Würfel kommt jetzt noch mal so(_ei)ne {Fünferplatte,}<noise: klappern> aber quer zu den beiden <noise> anderen. {al-
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
95
so}<spk: K, mhm> im Neuzigradwinkel <par> <noise> darauf
3.3.7 Höflichkeit der Instruktionsformulierung Neben den Strategien zur Gliederung von Instruktionssequenzen, die ja der semantischen Effizienz dienen, spielt unter pragmatischem Aspekt auch die Art der Aufforderungsformulierung in Instruktionen eine wichtige Rolle. Immerhin bedeutet jede Aufforderung des Instrukteurs eine Einschränkung des Handlungsspielraums des Konstrukteurs. Deshalb kann der Erfolg der Montageinteraktion auch davon abhängen, ob sich der Konstrukteur beziehungskonstitutiv angemessen bzw. höflich behandelt fühlt. Konkret bedeutet dies, dass die vom Instrukteur gewählten Aufforderungsformulierungen als nicht zu direktiv erscheinen sollten, d.h. dass sie den Handlungsspielraum des Konstrukteurs nicht explizit zu stark einschränken sollten. Im Rahmen des Hamburger Verständlichkeitskonzepts ist dieser Aspekt dem Faktor „Zusätzliche Stimulanz“ zuzuordnen. Linguistisch präziser gesagt handelt es sich bei Höflichkeit um eine Erwartung auf der Ebene pragmatischer/sozialer Korrektheit. So gilt es für den Fall einer symmetrischen Beziehung zwischen zwei Kommunikationspartnern als unhöflich, wenn der eine dem anderen fortlaufend und in sprachlich direktiver Formulierung Befehle erteilt. Über die verschiedenen Arten der mikrostrukturellen Formulierung von Aufforderungen und ihrer Höflichkeitseinstufung liegt eine Reihe von linguistischen Arbeiten vor. Wir wollen in einem Exkurs kurz auf die wichtigsten Ergebnisse sowie auf die generelle Rolle von Höflichkeit eingehen. Zuvor sei erwähnt, dass sich generell die Bemühung um eine gute Beziehung zwischen den Kommunikationsbeteiligten prospektiv positiv auf die Verständigung auswirken kann. Diesbezüglich sind im Flugzeugkorpus verschiedene beziehungskonstitutive Aktivitäten zu beobachten: gemeinsames Lachen, die Ermunterung des Konstrukteurs durch den Instrukteur bei schwierigen Montageaufgaben, das Spenden von Trost bei nicht sofortigem Gelingen von durchzuführenden Aufgaben, Entschuldigungen des Instrukteurs bei fehlerhaften Anweisungen, Vermeidung von Vorwürfen bei Missverständnissen. Da für solche Aktivitäten aber i.A. kommunikationsanalytisch nicht nachweisbar ist, dass sie unmittelbare positive Auswirkungen auf die Bedeutungszuordnung konkreter Äußerungen haben, verzichten wir an dieser Stelle auf die Angabe von Korpusbeispielen. Allerdings werden wir bei der Diskussion von Beispielen der retrospektiven Problembehandlung, bei denen entsprechende Aktivitäten als fakultative Strategiekomponenten vorkommen, wieder auf sie hinweisen.
96
Empirische Ergebnisse
Exkurs: Aufforderungsformulierung und Höflichkeit Eine detaillierte Übersicht über die unterschiedlichen Möglichkeiten der Formulierung von Aufforderungen hat neben Hindelang (1978) auch Raible (1987) zusammengestellt. Ihm zufolge gibt es zunächst bestimmte syntaktische Grundmuster, die für Aufforderungen verwendet werden können: Neben der Befehlsform (Kochen Sie mir einen Kaffee!) werden Aussagen (Sie kochen mir einen Kaffee.), Fragen (Kochen Sie mir jetzt einen Kaffee?) und Konditionalgefüge (Ich freue mich, wenn Sie mir einen Kaffee kochen.) verwendet. Schmelz (1994) fügt dieser Aufzählung noch die Wunschsätze (Jetzt hätte ich gern einen Kaffee.) hinzu. Dem Auffordernden steht dabei zudem die Möglichkeit zur Verfügung, „diese syntaktischen Grundmuster in irgendeiner Weise zu modulieren, sei es verstärkend, sei es abschwächend oder sei es dämpfend“ (Raible, 157). Auch Lüger (2001) sieht die Möglichkeit, Aufforderungen mit verschiedenen Mitteln zu modulieren. So können z.B. abschwächende/höflichere Formen einer imperativischen Aufforderung durch Formulierung desselben Anliegens mithilfe einer Frage oder eines Konditionalgefüges gefunden werden (s.o.). Diese syntaktischen Grundmuster können nach Lüger (2001) nun weitere abschwächende Modulierungen erfahren, u.a. durch zweigliedrige Konstruktionen (Sei so nett und koch mir einen Kaffee.) oder durch Änderung des Modus (Könntest du mir einen Kaffee kochen?). Auch durch die Verwendung von Partikeln (Koch mir doch einen Kaffee.) oder Satzadverbien (Vielleicht kochst Du mir einen Kaffee?) kann eine Aufforderung abgeschwächt und höflicher formuliert werden. Alle diese Veränderungen der eigentlichen Aufforderung mildern die Direktheit der Aufforderung ab. Neuere Untersuchungen zur Höflichkeit betonen die Tatsache, dass es in der zwischenmenschlichen Kommunikation nicht allein um effektiven Informationsaustausch, also um Sachverhalts-Mitteilungen im engeren Sinne, geht, sondern dass daneben ebenfalls das Bemühen der Kommunikationspartner, ihre Identitäten zu wahren, zu bilden oder zu stärken, eine große Rolle spielt.10 „Entscheidend für diese Identitätsbildung ist das jeweilige face oder Gesicht der beteiligten Individuen, wobei man unter dem Begriff diejenigen Merkmale oder Eigenschaften verstehen kann, die ein Sprecher gern für sich in Anspruch nehmen möchte“ (Lüger 2001, 5). Der Begriff des face geht auf Goffman (1963) und das hierauf aufbauende, bekannte Modell von Brown/Levinson (1987) zurück. Sie unterscheiden zudem zwischen positivem und negativem face: Das positive face bezieht sich auf den Wunsch des Individuums, grundsätzlich anerkannt, geschätzt und unterstützt zu werden. Das negative face entspricht dem Bedürfnis, 10 Höflichkeit ist damit ein Aspekt partner- oder beziehungsorientierter Kommunikation, und es handelt sich bei ihr gewissermaßen um einen Spezialfall des aus der Ethnomethodologie bekannten recipient design.
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
97
den persönlichen Handlungsspielraum so wenig wie möglich einschränken zu lassen.11 Gefährdungen für das positive face des Sprechers ergeben sich z.B. aus Selbstkritik oder Entschuldigungen, als gesichtsbedrohend für den Hörer sind zunächst Kritik, Zurückweisungen oder Beleidigungen zu nennen. Einschränkungen des Handlungsspielraums, wie sie Verbote oder zu starke Befehle darstellen, bedrohen dagegen das negative face. Um die Wirkung gesichtsbedrohender Handlungen bereits im Vorfeld zu reduzieren, gibt es in jeder Sprache oder Kultur verschiedene Verfahren und Mittel wie die schon angesprochene Abschwächung der Aufforderung, die Lüger als „Höflichkeitsstrategien“ bezeichnet.12 „Wenn ich z.B. äußere dürfte ich dich wohl bitten, mir das Buch zu leihen, dann fordere ich also meinen Adressaten auf, mir das betreffende Buch zur Verfügung zu stellen; zusätzlich gebe ich noch zu verstehen, dass ich ihn respektvoll behandle und Rücksicht nehme, die mit der Aufforderung möglicherweise ausgelöste ausgelöste Territoriumsverletzung also in mehrfacher Weise abschwäche, und zwar:
durch die in eine zweigliedrige Konstruktion eingebettete Frageform das Modalverb dürfen in Verbindung mit dem Konjunktiv-Modus und durch den Gebrauch der Partikel wohl.“ (Lüger 2001, 12)
Zu den eher unhöflichen Aufforderungen zählt Raible die unmodulierte Aussage, den unmodulierten Imperativ und die unmodulierte Frage. Besonders geeignet sind ihm zufolge dagegen Wenn-dann-Gefüge, die im Deutschen jedoch typischerweise nicht in der normalen Abfolge „wenn-dann“ verwendet werden, sondern in umgekehrter Reihenfolge. Hinzu kommt, wie in der Äußerung Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn sie mir einen Kaffee kochen könnten. die charakteristische Formulierung als Irrealis (vgl. Raible 1987, 158). Im Folgenden geben wir eine Übersicht über die verschiedenen im Korpus verwendeten Aufforderungsformen. Dabei orientieren wir uns an der von Schmelz (1994) erarbeiteten Übersicht.13 a) Aufforderungen in Imperativform Auffordern ist nicht mit dem Gebrauch des Imperativs gleichzusetzen, wie die Auflistung der verschiedenen möglichen syntaktischen Grundformen schon an11 Raible (1987, 146) benutzt anstelle des Begriffs „negatives Gesicht“ die durchsichtigere Bezeichnung „persönliche Sphäre“. 12 An dieser Stelle sei erwähnt, dass die (Höflichkeits-)Maßnahmen, die zur Stärkung des face des Gesprächspartners eingesetzt werden, oftmals auch als Strategie zum Abbau von Vorbehalten dienen und dann dabei helfen können, das Interaktionsziel zu erreichen. 13 Bei seiner Übersicht orientiert sich Schmelz stark an Raible (1987), er ordnet die einzelnen Realisierungsformen jedoch bezüglich der Dimension Direktheit an.
98
Empirische Ergebnisse
deutet. Die Verwendung des Imperativs bildet eine der unhöflichsten Formen der Aufforderung. Nach Raible wirken jedoch solche Befehle, die dem anderen nützen (Setzen Sie sich!), etwas höflicher als solche, die nur dem Sprecher selbst nützen (Lassen Sie mich in Ruhe!) (vgl. Raible 1987, 160f). Im vorliegenden Korpus kommt die „Aufforderung in Imperativform“ nur in geringer Zahl vor. Zudem sind keine unmodulierten Imperativaufforderungen (Bring mir Kaffee!) zu finden, sondern nur modulierte Imperativkonstruktionen. Beispiel 22: Modulierte Aufforderung im Imperativ 01I030 gut und jetzt ähm nimmst du dir nochmal nee, warte mal wie machen wir das zuerst? jetzt nimm dir mal den den grünen quadratischen Klotz und den roten quadratischen Klotz.
In bestimmten Situationen ist die Verwendung des Imperativs als Strategie der Verständigungssicherung anzusehen. Dies betrifft v.a. Situationen, in denen eine schnelle und effiziente Kommunikation notwendig ist, so etwa in Gefahrensituationen. Höfliche Ausschmückungen der Aufforderung wären hier fehl am Platze. Auch im SFB-Szenario sind Situationen denkbar, in denen die Effizienz der Kommunikation Vorrang haben kann. So möchte der Instrukteur eventuell verhindern, dass zu lange und redundante Formulierungen die Übermittlung der eigentlichen Information stören. Dies gilt v.a. für die Dialoge, die unter eingeschränkten oder blockierten Sichtverhältnissen entstanden sind. Auch in Situationen, in denen schon Verständigungsprobleme vorliegen, sind direkte und einfache Formulierungen gegebenenfalls den indirekten und komplizierten vorzuziehen. Beispiel 23 zeigt noch eine weitere Anwendungsmöglichkeit für den Imperativ: Nachdem die beiden Versuchspersonen in der Konstruktion der Konstrukteurin einen Fehler entdeckt und geklärt haben, gibt diese abschließend zu verstehen, dass sie ihre Konstruktion nun entsprechend ändern wird. Zur kurzen Bestätigung dieses Vorhabens verwendet die Instrukteurin eine (abgeschwächte) Imperativkonstruktion. Beispiel 23: Bestätigungsaufforderung 07K040 07I041
ja, Moment, ich änder(e) das mal eben. tu(e) das mal
Eine solche direkte Form der Aufforderung im Zusammenhang mit Instruktionen wird im Flugzeugkorpus jedoch nur in Ausnahmefällen angewendet.
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
99
b) Aufforderungen in Aussageform Bei der Formulierung einer Aufforderung in Aussageform handelt es sich um die „sprachliche Vorwegnahme einer Handlung, die mein Gesprächspartner erst ausführen soll“ (Raible 1987, 162). Zunächst könnte man denken, dass diese Art der Aufforderung höflicher ist als die mit dem Imperativ. Die Beispiele, die Raible vorstellt, zeigen jedoch, dass diese Auffassung nur eingeschränkt richtig ist. So ist eine im Futur geäußerte Aussage wie Sie werden auf der Stelle mein Haus verlassen! dem entsprechenden Imperativ Verlassen Sie auf der Stelle mein Haus! an Direktivität und Unhöflichkeit gleichzusetzen. Die ebenfalls als sehr unhöflich zu beurteilende Aufforderung mithilfe einer Aussage in Futur-Form kommt in unseren Dialogen nicht vor. Dies ist nicht erstaunlich, weil in Instruktionsdialogen nicht die Ausübung von Macht im Vordergrund steht, sondern der Konstrukteur in neue Handlungszusammenhänge eingeführt werden soll. Im Folgenden diskutieren wir die verschiedenen Arten der Aufforderung in Aussageform, die im Flugzeugkorpus vorkommen. Aussage im Präsens Diese Grundform der Aufforderung mithilfe einer Aussage kommt in den von uns untersuchten Dialogen sehr häufig vor. Mithilfe der Aussageform im Präsens kann der Instrukteur zwei verschiedene Handlungen durchführen: Er kann zum einen die Handlungen des Konstrukteurs beschreiben (Beispiel 24) oder zum anderen die Gegebenheiten seiner eigenen Konstruktion beschreiben (Beispiel 25). Dabei ist die Handlungsbeschreibung als vergleichsweise direktiver formulierte Aufforderung anzusehen, weil die durchzuführende Handlung genau festgelegt ist. Im Unterschied zur Gegebenheitsbeschreibung, die nur in speziellen Situationen wie z.B. während einer Gegenstandssammelphase auftritt, wird die Handlungsbeschreibung aber als universell verwendbare Form der Aufforderung bevorzugt. Beispiel 24: Handlungsbeschreibung 03I005 also jetzt legst du dies längliche Teil mit den Löchern auf den Klotz und drehst oben in der Mitte die rote Schraube rein.
Beispiel 25: Gegebenheitsbeschreibung 01I031 und dann hab(e) da so (ei)ne ziemlich lange grüne Schraube.
100
Empirische Ergebnisse
Trotz der offensichtlichen Eignung der Aufforderung mithilfe einer Aussage im Präsens sind auch Modulationen dieser Grundform zu beobachten. So kann die Handlungsbeschreibung alternativ auch im Präsens Passiv formuliert werden (Beispiel 26). Diese Form hat dieselben Vorteile wie die Handlungsbeschreibung im Präsens Aktiv, durch das unpersönlichere Passiv ist diese Form der Aufforderung eventuell als unhöflichere Wahl einzuschätzen. Beispiel 26: Handlungsbeschreibung im Präsens Passiv 13I063
und von unten wird das mit der orangenen Raute festgeschraubt
Modalverbkonstruktionen im Indikativ (Modulation) Die Modalverbkonstruktion ist neben der Grundform eine weitere beliebte Möglichkeit, eine Instruktion zu formulieren. Die Modalverbkonstruktionen können dabei sowohl im Indikativ (Beispiel 27) als auch im Konjunktiv (Beispiel 28) stehen. Dabei ist im Sinne von Schmelz (1994, 66) die Konstruktion im Indikativ im Vergleich mit der Konstruktion im Konjunktiv die direktivere und nach Raible damit auch unhöflichere Aufforderung. Diesen Eindruck vermitteln auch die beiden Beispiele. Dennoch ist in unseren Dialogen die Konstruktion im Indikativ die weitaus häufiger angewendete Art der Aufforderung. Diese Wahl der Versuchspersonen lässt sich vermutlich mit den bereits angesprochenen Versuchsbedingungen und der angestrebten Effizienz bei der Informationsübermittlung begründen. Beispiel 27: Modalverbkonstruktion im Indikativ 03I046
jetzt musst du die roten Scheiben erstmal in die Gummireifenstecken.
Beispiel 28: Modalverbkonstruktion im Konjunktiv 07I066
jetzt müßtest du die Räder zusammenbauen aus diesen roten, runden Teilen und diesen weißen Gummireifen.
Aussage im Perfekt In unseren Dialogen lässt sich eine weitere, in der einschlägigen Literatur noch nicht beschriebene Möglichkeit der indirekten und analog zur Gegebenheitsbeschreibung nur schwach direktiven Aufforderung beobachten: die Aussage im Perfekt (Beispiel 29). Diese Möglichkeit ist auf sehr spezielle Szenarien be-
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
101
schränkt, in denen ein Instrukteur die zu instruierenden Handlungen (unmittelbar) vor der Anweisung selbst durchgeführt hat und seine Handlungen und ihr Ergebnis entweder noch detailliert im Gedächtnis gespeichert oder das Endprodukt der Handlungen zum Vergleich vorliegen hat. Nur in derartigen Fällen ist es möglich, eine Erfahrungsbeschreibung wie in Beispiel 29 als Aufforderung zu benutzen. Beispiel 29: Erfahrungsbeschreibung im Perfekt 01K025 01I027
und mit was für (ei)ner Schraube mach(e) ich die fest? mit (ei)ner kurzen roten hab(e) ich das festgemacht.
c) Aufforderung in Frageform Raible klassifiziert die Frage als eine sehr unhöfliche Form der Aufforderung. „Eine Frage richtet sich direkt an den Angeredeten. Sie verpflichtet ihn nach den Spielregeln der Kommunikation [...] zumindest zu einer sprachlichen Reaktion. Von daher ist leicht zu sehen, dass die ungedämpfte Frage per se weniger höflich ist [...].“ (Raible 1987, S. 159) Schmelz geht einen Schritt weiter, indem er postuliert, dass das „Fragestellen“ Ausdruck einer Ausübung von Macht oder Kontrolle über andere sei. Im Flugzeugkorpus kommen Aufforderungen in Frageform nur sehr selten vor. Dies mag an der soeben angesprochenen Unhöflichkeit liegen, kann aber auch situationsbedingt sein. In Situationen, in denen jemand seinem Gegenüber eine Anleitung geben will, sind Fragen hauptsächlich in ihrer Funktion als verständigungssichernde Maßnahmen zu erwarten. Auch höflichere Frage-Formulierungen wie Sind Sie so freundlich und schrauben sie die Leiste an? sind hier – wie alle zweigliedrigen Konstruktionen – wegen ihrer Länge wenig effektiv und daher nicht erwartbar. Im Korpus kommt nur eine Art der Frage-Aufforderung vor, nämlich die Frage im Präsens. Die Frage im Präsens (Beispiel 30) wird von den Versuchspersonen hauptsächlich dann verwendet, wenn der Instrukteur dem Konstrukteur die im nächsten Schritt zu verwendenden Bauobjekte nennt und indirekt zu ihrer Montage auffordert. Gleichzeitig kann der Instrukteur mit der Frage überprüfen, ob beim Konstrukteur auch genau die Situation vorliegt, die er bei ihm annimmt. Unter dieser Voraussetzung ist die Frage-Aufforderung durchaus als Verständigungsstrategie anzusehen. Dass die Frage als Aufforderungsform von den Instrukteuren möglicherweise auch als problematisch empfunden wird, zeigt Beispiel 31. Hier gibt die Konstrukteurin die zunächst gewählte Frageform zugunsten einer Modalverbkonstruktion auf.
102
Empirische Ergebnisse
Beispiel 30: Frageaufforderung im Präsens 07I079
07K079 07I080 07K080
<noise> auf beiden Seiten festgeschraubt, gut. dann drehst du wieder um hast du noch eine eckige, rote Schraube? ja. und (ei)n(en) blauen Würfel. habe <par> ich auch.
Beispiel 31: Abbruch einer Frage zugunsten einer Modalverbkonstruktion 09I078
Moment ähm, es fehlt aber noch, hast du dies Siebenerholz mußt du noch oben drauf legen.
d) Aufforderung in Infinitivform Die meisten bisher angesprochenen Aufforderungsmuster hatten eines gemeinsam: „Der Kommunikationspartner wurde sprachlich thematisiert. Die knappste (und direkteste) Form der Aufforderung verzichtet auch hierauf. Sie macht sich die Präsenz des anderen und den Blickkontakt mit dem anderen zunutze“ (Raible 1987, 162). Charakteristisch ist die Realisierung dieser Aufforderungen mithilfe einer Infinitivkonstruktion. Raible verweist in diesem Zusammenhang v.a. auf Beispiele wie „Aufsitzen!“ oder „Gewehr umhängen!“, die alle aus dem Militär oder ähnlichen Institutionen stammen. Aber auch in Instruktionssituationen sind Infinitivkonstruktionen zu erwarten. Schon Hindelang hat auf diese Art der Aufforderungsformulierung im Zusammenhang mit Instruktionen hingewiesen. Er verweist dabei v.a. auf Beispiele wie „Und in den dritten Gang schalten!“ (Hindelang 1978, 282). Es verwundert also nicht, dass die Versuchpersonen für ihre Instruktionen nur selten diese „brutale Art der Aufforderung“ (Raible, ebd.) wählen. So lassen sich in unserem Korpus nur wenige, meist abgeschwächte Beispiele finden. Lediglich der Instrukteur aus Dialog 3 verwendet diese Form der Aufforderung des Öfteren. In vielen Fällen werden die Aufforderungen nicht wie in Beispiel 32 im „normalen“ Aufforderungsgeschehen verwendet, sondern dienen der Beantwortung einer Rückfrage des Konstrukteurs wie in Beispiel 33 oder sind in eingeschobenen Absicherungssequenzen zu finden, wie in Beispiel 34 in Form einer Frage-Antwort-Sequenz. Das gelegentliche Zurückgreifen der Versuchpersonen auf die in den meisten Situationen eher unangebrachte Infinitivkonstruktion kann situativ erklärt werden, denn sowohl Antworten auf Rückfragen als auch eingeschobene Absicherungssequenzen dürfen nicht von der eigentlichen kommunika-
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
103
tiven Aufgabe ablenken und sollten deshalb eher kurz und knapp ausfallen. Dieses Kriterium erfüllt die Infinitivkonstruktion am besten. Beispiel 32: Aufforderung in Infinitivform 03I024
03K024 03I025
also das genau mittig dann ist, {ne?} da drehst du jetzt (ei)ne orangene Schraube mit Schlitz rein. mhm. und von unten wieder mit so(_ei)nem {rautenförmigen}<spk: K, mhm> festmachen.
Beispiel 33: Aufforderung in Infinitivform bei Antwort auf Rückfrage 10K080 10I081
ja, und dann am grünen oder am blauen? und dann am grünen <sil: 1> befestigen <sil: 3> am grünen Klotz
Beispiel 34. Aufforderung in Infinitivform bei eingeschobener Absicherungssequenz 03I005
03K005 03I006
also jetzt legst du dies längliche Teil mit den Löchern auf den Klotz und drehst oben in der Mitte die rote Schraube rein. <sil: 1> mhm. <sil: 3> richtig festdrehen, ne?
Wie sich gezeigt hat, ist die Auswahl der sprachlichen Form einer Aufforderung stark situationsabhängig. In der oben erwähnten Literatur zu Aufforderungen sind keine genaueren Angaben darüber zu finden, in welcher Situation welche Aufforderungsart besonders angemessen oder erwartbar ist. Es werden lediglich Auflistungen der verschiedenen möglichen Formen und Hinweise zum allgemeinen Höflichkeitsgrad geliefert. So steht diesen Auflistungen auch nicht das Ergebnis der Analyse unserer Dialoge entgegen, die gezeigt hat, dass gerade Aufforderungen in Aussageform besonders für das Instruieren von Handlungen geeignet scheinen, obwohl von dieser Art der Aufforderung teilweise abzuraten ist (s.o.). Aus diesem Grund können wir uns hier nur der Auffassung Lügers (2001, 9) anschließen, der darauf hinweist, dass universelle Geltungsansprüche hier nicht angebracht sind. Vielmehr müssen immer auch raumzeitliche und soziale Variablen bei der Untersuchung von Aufforderungen berücksichtigt werden.
104
Empirische Ergebnisse
3.3.8 Einfachheit und Kürze der syntaktischen Konstruktionen Bekanntermaßen dient es der Verständlichkeit von Äußerungen, wenn sie nur aus möglichst kurzen Konstituenten oder Teilsätzen bestehen und auch keine syntaktisch komplexen Konstruktionen enthalten. Hieraus resultiert eine Präferenz für parataktische Satzverknüpfungen wie in Beispiel 35. Zugleich illustriert das Beispiel, dass Sprecher in aufgabenorientierter mündlicher Kommunikation nicht unbedingt darauf konzentriert sind, zugunsten einer stilistischen Variation Wortwiederholungen zu vermeiden. Beispiel 35: Einfachheit und Kürze der syntaktischen Konstruktionen 01I007
01K006 01I008 01K007 01I009
01K008 01I010
01K009 01I011
01K010
ja, paß auf und dann nimmst du so von diesen {Holzleisten}<spk: K, mhm> mit den Löchern warte mal den mit den eins zwo drei vier fünf Löchern. mhm. <noise> und dann nimmst du dir noch (ei)n Dreier dazu. mhm. <noise> und dann nimmst du dir einen von diesen äh Würfeln mit den vielen Löchern drin. welche Farbe? {das}<noise: klappern> ist eigentlich egal wenn ich das richtig sehe, ja, kunterbunt {durcheinander}<noise: klappern> {okay}<noise: klappern> <noise> sagen wir, den gelben, weil ich auch gelb habe und jetzt äh nimmst du dir noch eine von den kleinen roten Schrauben. eckig oder rund
3.3.9 Wahl einschlägiger Beschreibungskategorien Die Herstellung von Verständigung zwischen Kommunikationspartnern wird generell dadurch erheblich erleichtert, wenn für die Bezeichnung der jeweils zu beschreibenden Objekte und ihrer Eigenschaften die sprachlichen Kategorien und Phraseme gewählt werden, die in der Kommunikationsgemeinschaft am
Lokale Strategien der prospektiven Problemvermeidung
105
geläufigsten sind. Im Flugzeugkorpus betrifft dies insbesondere die Wahl der einschlägigen Beschreibungskategorien für die Flugzeugteile. Beispiel 36: Flugzeugspezifische Benennungen 02I021
[…] 02K046 02I048
02K047 02I049
02K048 02I050
02K049 […] 02I057
[…] 02I063
<noise> ja das wird dann das ist jetzt das Heck von dem {Flugzeug} <sil: 1> das ist {das} äh Höhenruder. <noise> oben oder unten? <noise> auch dadrunter <sil: 1> <sil: 3> das wird jetzt das der Bug. <sil: 2> {}<spk: K, mhm> {so.}<noise: rascheln> <noise> <sil: 1> mhm <noise> so jetzt müssen wir uns mal mit den Reifen beschäftigen. <sil: 2> das wird jetzt am schwierigsten. du hast ja diese weißen Gummireifen, ne? ja. <noise> und dann noch so rote {Scheiben}<spk: K, mhm>, zwei Stück, die mußt du jetzt erstmal, die roten Scheiben in die Gummireifen tun. <noise> <sil: 4> mhm und jetzt schraubst du diesen Reifen von rechts oder von links an den roten Würfel. <noise> {<sil: 2>} unter die Tragflächen dann, ne? das ist dann der Propeller <noise> und dann sind wir fertig.
Die Instrukteurin in Dialog 4 verwendet dagegen oft unspezifische Objektbeschreibungen, die jedoch auch wahrnehmungsmäßig eindeutig genug und damit erfolgreich sind. Anstatt die Form (rund oder eckig) der zu verwendenden Schrauben zu nennen, beschreibt sie diese als Schrauben mit und ohne Kerbe. Beispiel 37: Unspezifische Objektbeschreibungen 04I001
[…] und zwar du brauchst {eine} gelbe Schraube {ohne
106
04K001 04I002 04K002
Empirische Ergebnisse Kerbe}<spk: K, rund?> {gelb}<spk: K, ja> <noise: rascheln> und die mit Kerbe brauchst du auch. <noise> und dann die beiden roten <par> also einmal mit Kerbe <par> sechseckigen und ohne Scher/ ohne Kerbe. <sil: 2> ach so.
3.4 Strategien der Verstehensabsicherung Betrachtet man noch einmal die in Abschnitt 3.2 und 3.3 aufgelisteten Strategien der prospektiven Problemvermeidung, dann fällt auf, dass alle diese Strategien – und dies ist kein Zufall – auf eine effiziente Äußerungsformulierung durch den Produzenten abzielen und dass dort keine Strategien mit Beteiligung des Rezipienten vorkommen, also auch keine prospektiven Verstehensstrategien. Dies erklärt sich einerseits aus der Rollenverteilung zwischen Produzent und Rezipient (i.A. wird ein Rezipient dem Produzenten nicht schon vor dessen Äußerungsproduktion Vorschläge für effiziente Formulierungen machen). Andererseits bleiben die von Rezipienten angewendeten prospektiven Verstehensstrategien i.A. implizit (vgl. Abschnitt 2.2.5) und sind daher mit den Methoden einer Korpusanalyse nicht zu erfassen. Sobald es aber um parallel oder retrospektiv angewendete Absicherungsstrategien geht, können und müssen sich auch Rezipienten an kommunikativ manifesten Aktivitäten der Verständigunssicherung beteiligen. Dies betrifft insbesondere die Sprecher-Hörer-Koordination für den zeitlichen Ablauf von Formulierungs- und Verstehensleistungen sowie für die gewählten Äußerungsbedeutungen.
3.4.1 Rückmeldeverhalten Einen wesentlichen Beitrag zur Sprecher-Hörer-Koordination sowie zur Sicherung des Bauergebnisses liefert das sogenannte Rückmeldeverhalten, das in der Literatur auch unter der Bezeichnung back-channel-behaviour oder aktives Zuhören bekannt ist. Beim aktiven Zuhören zeigt der Rezipienten dem Sprecher durch verbale und nonverbale Aufmerksamkeitsreaktionen, dass er aufmerksam und interessiert ist. Diese (Hörer-)Aktivitäten erfolgen parallel zum Gesprächsbeitrag des Produzenten oder daran anschließend. Neben dem soeben beschriebenen aufmerksamkeitsbezeugenden Rückmeldeverhalten können in Dialogen
Strategien der Verstehensabsicherung
107
außerdem kommentierende Höreraktivitäten beobachtet werden, die ebenfalls zum Rückmeldeverhalten gezählt werden können. „Ein Grossteil des Rückmeldeverhaltens ist stark automatisiert – wir senden diese Signale, ohne dass wir es bewusst bemerken. Die einzelnen Signale erfolgen parallel zum Gesprächsbeitrag des Sprechers oder der Sprecherin; dabei kann es – vor allem bei längeren Kommentarfloskeln – zu kurzen Phasen von Parallelsprechen kommen, die aber normalerweise nicht als Störung der Kommunikation und auch nicht als Unterbrechungsversuch gewertet werden.“ (Linke et al. 1996, 269).
Der Sprecher erhält auf seine Äußerungen also eine kurze, zumeist positive Hörerrückmeldung und kann im weiteren Verlauf der Kommunikation vorläufig davon ausgehen, dass die Äußerungen, auf die der Rezipient mit diesen positiven Signalen reagiert hat, als von ihrer Formulierung und ihrem Verstehen her unproblematisch angesehen werden können. Da in den Flugzeug-Dialogen den Produzenten oftmals der Zugang zu nonverbaler Rückmeldung wie etwa Kopfnicken oder Blickkontakt nicht möglich ist, beschränken wir uns hier auf verbales Rückmeldeverhalten. Dies heißt jedoch nicht, dass in anderen Kommunikationssituationen nonverbales Rückmeldeverhalten keine verständigungssichernde Rolle spielt. Bei dem automatischen Rückmeldeverhalten des jeweiligen Gesprächspartners handelt es sich wie in Beispiel 38 und 39 im Normalfall um unaufgeforderte, kurze Bestätigungssignale des Rezipienten. Zur Bestätigung des Verstehens kann dieser aber auch die an ihn gerichtete Äußerung oder Teile derselben wiederholen (Beispiel 40). Beispiel 38: Bestätigende Rückmeldungssignale (parallel vs. abschließend) 02I005
02K004
der erste Schritt du hast ja so lange Holzstangen so mit den Löchern drin, {ne?}<spk: K, mhm> davon nimmst du dir jetzt eine Fün/ zwei Fünfer und eine Dreier. <noise> <sil: 2> mhm
Bekanntlich können je nach Wahl des Rückmeldesignals (z.B. mh, mhm, ja, okay) und seiner prosodischen Realisierung auch unterschiedliche Akzeptanzgrade ausgedrückt werden. Diesen Aspekt wollen wir hier aber nicht vertiefen. Beispiel 39: Bestätigende Rückmeldungssignale (für Äußerung vs. Bauhandlung) 02I021
<noise> ja das wird dann das ist jetzt das Heck von dem {Flugzeug} <sil: 1> das ist
108
Empirische Ergebnisse
02K020
02I022 02K021
{das} äh Höhenruder. <sil: 1> mhm, na also {ähm} ist das dann quer dazu, oder <par> wie? <par> ja quer dazu. so also, mhm. <sil: 2> <par> ja fertig.
Neben dem unspezifischen Rückmeldesignal mhm wird in diesem Beispiel mit so also auch die vorher problematisierte Montageart abschließend ratifiziert. Die erst typischerweise nach einer Pause auftretende Rückmeldung ja fertig der erfolgreich durchgeführten Bauanleitung kann indirekt auch als abschließende Ratifikation der vorausgehenden Instruktionsformulierung und ihres Verstehens gewertet werden. Beispiel 40: Bestätigende Wiederholung der Instruktion durch den Rezipienten 07I021 07K021
dann <subst> nimmst du eine eckige Schraube auch eine gelbe. (ei)ne eckige gelbe, <noise: rascheln> ja.
Eine solche Wiederholung kann – darauf deuten evtl. langsames und/oder leises Sprechen hin – auch die Funktion von Zeitgewinn für Instruktionsverstehen oder -durchführung haben. Ein Rückmeldungssignal mit einer speziellen Funktion bilden ach so und ah so. Sie werden von Rezipienten häufig verwendet, wenn ein vorheriges Verstehensproblem gelöst oder eine schwieriger zu verstehende Äußerung erfolgreich verarbeitet wurde. Auf entsprechende Beispiele werden wir in Abschnitt 3.5.3 bei der Diskussion über Strategien zur Lösung von Verstehensproblemen näher eingehen. Auch der Rezipient hat also im Gesprächsverlauf ganz spezifische Aufgaben zu erfüllen, die für einen reibungslosen Fortgang der Kommunikation sorgen. Trotz der Beiläufigkeit des Rückmeldeverhaltens kann es aber direkte Auswirkungen auf das Verhalten des Produzenten haben: „Wird zu wenig Aufmerksamkeit signalisiert, führt das zur Verunsicherung des Sprechers und hat entsprechende Folgen (vermehrte rhetorische Bemühungen, Nachfragen in Sinne von hörst Du mir eigentlich noch zu? Oder interessiert dich wohl alles nicht, was?)“ (Linke et al. 1996, 269).
Strategien der Verstehensabsicherung
109
Derartige Situationen sind auch im Flugzeugkorpus belegbar. Hier wirkt sich das Fehlen von Rückmeldung besonders stark aus, da die Gesprächspartner sich nicht direkt über die Situation ihres Gegenübers vergewissern können. Aufgrund des zumeist vorherrschenden blockierten Blickkontakts sind die Kommunikationspartner hier besonders auf verbale Rückmeldungen angewiesen, um weiterhin eine reibungslose Kommunikation zu garantieren und eventuelle Unstimmigkeiten sofort zu identifizieren. So führt die fehlende Rückmeldung des Gesprächspartners (hier zumeist des Konstrukteurs) hier sowohl zu expliziten als auch zu impliziten Aufforderungen zur Rückmeldung. Hierzu stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Einerseits hat der Produzent die Möglichkeit, zu erfragen, ob sein Gesprächspartner seine Äußerungen verstanden hat oder ob er die Durchführung der Anweisungen beendet hat (Beispiel 41 und 42). Andererseits kann er diesen auch direkt dazu auffordern, Rückmeldung zu geben (Beispiel 43). Neben diesen expliziten Strategien bei Ausbleiben von Hörerreaktionen kann der Produzent mit seinem Verhalten auch implizit signalisieren, dass er eine Hörerrückmeldung erwartet. So kann er wie in Beispiel 44 mit dem Formulieren weiterer Äußerungen bzw. Instruktionen warten, bis er eine entsprechende rückmeldende Reaktion erhalten hat. Beispiel 41: Frage des Produzenten, ob Instruktion verstanden wurde 05K047
05I048 05K048 05I049
05K049 05I050
<noise: rascheln> also die mit ähm die f/ <noise> achtkantige und die runde. ja. mhm. ähm wobei die die runde zu dem Teil hinzeigen soll also näher sein soll was ähm was hinten der Schwanz ist was schon gebaut ist also <sil: 1> verstehst du? {mhm.}<noise: rascheln> und die soll jetzt festgeschraubt <par> werden
Beispiel 42: Frage des Produzenten, ob Bauschritt beendet ist 02I040 02K039 02I041 02K040 02I042 02K041
<sil: 1> so den roten Würfel schraubst du jetzt unter den blauen Würfel. oh <noise: rascheln> dann hast du also zwei Würfel untereinander. ja, ja gut <sil: 1> hä
110 02I043 02K042
Empirische Ergebnisse {<sil: 10>}<noise: rascheln> <subst> hast du? <noise> mhm <sil: 3>
Beispiel 43: Explizite Aufforderung zur Rückmeldung 03I016 03K016 03I017
<noise> (ei)ne gelbe Schraube mit Schlitz. <noise> mhm. und von unten drunter <sil: 1> äh damit das {festbleibt}<noise: klappern> <sil: 1> {schraubst du}<spk: K, (ei)ne Mutter> da jetzt eins von diesen {orangefarbenen}<spk: K, ja> Dingern {drin}<spk: K, mhm> <noise> weißt du diese {rautenförmigen}<spk: K, ja mhm> <sil: 2> <sil: 1> <subst> sagst du Bescheid, wenn du das hast, {ne?}<spk: K, ja>
Beispiel 44: Implizite Aufforderung durch Abwarten 04I013
04K013 04I014 04K014 04I015
<noise> und dann nimmst du das {ähm} die andere gelbe Schraube und das andere {orangene}<noise: klopfen> {Teil} und schraubst die noch mal zusammen, also an dem an dem zweiten. an dem zweiten genau. <noise> {<sil: 9>} ja <noise> dann nimmst du den Würfel
3.4.2 Reformulierungen Bei der Untersuchung des Flugzeugkorpus zeigte sich auch, dass sich die Kommunikationsteilnehmer immer wieder dazu veranlasst sehen, bereits Gesagtes im Nachhinein noch einmal aufzugreifen und zu bearbeiten. Derartige Reformulierungen scheinen damit eine wichtige Rolle im Verständigungsprozess zu spielen (vgl. Rittgeroth 2007). Bei Refomulierungen handelt es sich genauer um „Umformulierungen“ bzw. Bearbeitungen vorausgegangener Äußerungen. Dabei wird einer Bezugsäußerung oder einem Teil derselben (hier der evtl. noch nicht ganz zufriedenstellenden Formulierung) eine andere sprachliche Form verliehen.
Strategien der Verstehensabsicherung
111
Wichtig ist hierbei, dass die ursprüngliche Äußerung nicht vollständig ersetzt, sondern nur „verbessert“ wird. Zu den Reformulierungen zählen wir u.a. Begriffsdefinitionen, äußerungsbezogene Paraphrasen und sprachliche Vereindeutigungen.14 Paraphrasiert ein Sprecher eine vorausgegangene Äußerung, so drückt er mit Hilfe unterschiedlicher Wortwahl in einer Situation dasselbe aus (Beispiel 45), im Fall von Sprachformulierungsproblemen sollte die Paraphrase sich dann durch eine einfacher zu interpretierende Formulierung auszeichnen. Vereindeutigungen zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass sie den Referenzbereich ihrer Bezugsäußerung so einschränken, dass die Bedeutungsunterschiede zwischen der Bezugsäußerung und der Reformulierung zu groß werden, als dass beide Äußerungen in der Äußerungssituation noch als identisch angesehen werden. Reformulierungen können in der Kommunikation eingesetzt zu werden, um eine erfolgreiche Verständigung zu gewährleisten. Allerdings lässt sich nicht immer eindeutig entscheiden, ob eine Reformulierung in verstehensabsichernder Funktion oder als A-Reparatur geäußert wird (vgl. Abschnitt 3.5.2). In Gülich/Kotschi (1987) werden die von Schegloff et al. (1977) im Zusammenhang mit Reparaturen und Korrekturen eingeführten Kategorien self und other auch auf Reformulierungen übertragen. Dementsprechend können Selbstreformulierungen (ein Sprecher reformuliert eine eigene Äußerung, Beispiel 45) von Fremdreformulierungen (ein Sprecher reformuliert eine Äußerung eines Gesprächspartners, Beispiel 46) unterschieden werden. Beispiel 45: Paraphrasierende Selbstreformulierung 13I053 13K052 13I054 13K053 13I055
13K054 13I056
der wird jetzt aber, der Dreierträger kommt jetzt aber unterhalb des Fünferträgers. ja. und es werden wieder <noise: klappern> zwei Löcher verschraubt. zwei. und zwar erst einmal folgendermaßen <sil: 1> jetzt leg(e) den Dreierträger da schon mal so drunter <par> unter deine <par> ja, habe ich Konstruktion. es werden also zwei Löcher verschraubt, ein Loch von dem Dreierträger bleibt vorne erstmal frei.
14 Korrekturen wollen wir hier entgegen der Ansicht einiger Autoren wie z.B. Gülich/Kotschi (1987) nicht zu den Reformulierungen zählen. Außer Acht lassen wir hier auch solche Paraphrasen und Präzisierungen, die nicht eine einzelne Bezugsäußerung reformulieren, sondern sich auf satzübergreifende Äußerungen oder Äußerungssequenzen beziehen.
112
Empirische Ergebnisse
In diesem Beispiel reformuliert der Instrukteur seine recht unspezifische Positionsangabe da mit unter deine Konstruktion. Mithilfe dieser Reformulierung bietet der Instrukteur dem Konstrukteur eine mögliche Verstehenshilfe oder absicherung zur vorherigen Äußerung an. Wie sich jedoch zeigt, konnte der Konstrukteur den vorausgehenden Formulierungen des Instrukteurs (der Dreierträger kommt jetzt aber unterhalb des Fünferträgers) schon entnehmen, auf welche Position sich der Instrukteur bezieht. Aus diesem Grund kann er die Durchführung der Instruktion bereits in dem Moment bestätigen (ja, habe ich), in dem der Instrukteur noch seine Positionsangabe reformuliert. Beispiel 46: Paraphrasierende Fremdreformulierung 06I095
06K096 06I096
<noise> also der gelbe {Würfel}<spk: K, mhm> kommt auf die gleiche Seite wie der grüne. ja. also nach unten. ja genau {nach}<spk: K, ja> unten. <noise: klappern> und äh von oben schraubst du diese rote <noise> kurze Schraube rein.
Hier fasst der Instrukteur das Ergebnis einer vorausgehenden längeren Problembehandlung zusammen mit (also der gelbe {Würfel}<spk: K, mhm> kommt auf die gleiche Seite wie der grüne). Diese Zusammenfassung wird von der Konstrukteurin zunächst bestätigt. Dann jedoch reformuliert sie einen Teil davon, nämlich deren Lokalangabe, nach einer kurzen Pause mit also nach unten. Mit dieser Formulierung kann sie sich in der vorliegenden Situation nur auf dieselbe Position beziehen, auf die schon in der Bezugsäußerung (auf die gleiche Seite wie der grüne) referiert wird: Es ist nur ein grüner Würfel vorhanden, der zudem unterhalb der Achse des Flugzeugs angebracht ist. Aus diesem Grund ist die vorliegende Reformulierung als situative Paraphrase zu klassifizieren, und bildet auch keine Rückfrage; die Transkription zeigt nämlich keinerlei Frageintonation. Mit Hilfe der Reformulierung bietet die Konstrukteurin dem Instrukteur vielmehr eine Information dazu an, wie sie die Instruktion verstanden hat. Auf diese Weise kann er noch einmal überprüfen, ob sie die Instruktion richtig verstanden hat und dies anschließend explizit bestätigen. Auf verstehensabsichernde Fremdreformulierungen folgt natürlich i.A. – wie in 06K096 – eine (ggf. wechselseitige) Ratifikation.
Strategien der Verstehensabsicherung
113
3.4.3 Inferenzangebote Eine weitere wichtige und häufig angewendete Strategie zur retrospektiven Verstehensabsicherung besteht darin, dass einer der Gesprächspartner eventuell fehlende Informationen zu erschließen versucht und ein entsprechendes Inferenzangebot macht. Speziell können Inferenzangebote auch zur Sicherung und Überprüfung des Bauergebnisses eingesetzt werden. Ist der Konstrukteur beispielsweise unsicher, ob er eine Instruktion richtig verstanden hat, so kann er ähnlich wie in Beispiel 46 mithilfe eines Inferenzangebots an den Instrukteur überprüfen, ob er die Instruktion korrekt interpretiert hat. Hierzu bietet er dem Instrukteur eine Beschreibung des Resultats der Handlung an, die er seiner Interpretation der Instruktionsbedeutung entsprechend durchführen würde. Diese Strategie nennen wir „Resultatbeschreibende Inferenz“. Anhand dieses Inferenzangebots des Konstrukteurs kann der Instrukteur dann wiederum überprüfen, ob seine Instruktion richtig interpretiert wurde. Ist dies der Fall, so reicht eine kurze Bestätigung. Hat der Konstrukteur dagegen falsche Schlussfolgerungen gezogen und formuliert, so wird dies Anlass für weitere verständigungssichernde Maßnahmen sein. Ein Sprecher kann jedoch auch bezüglich seiner eigenen Formulierung ein Inferenzangebot äußern. Dies gilt auch für resultatbeschreibende Inferenzen. Ist der Instrukteur sich beispielsweise nicht sicher, ob der Konstrukteur eine soeben geäußerte Instruktion verstanden hat, so kann er ihm wie in Beispiel 47 mithilfe einer Inferenz das angestrebte Resultat der Instruktion verdeutlichen und damit sicherstellen, dass das tatsächliche Bauergebnis im Folgenden dem erwarteten entspricht. In diesem Fall muss der Konstrukteur keine Verständigungsprobleme signalisieren. Aber auch eine Rückfrage oder ähnliche Anzeichen können den Sprecher veranlassen, zu seiner Äußerung eine resultatbeschreibende Schlussfolgerung anzubieten. Dies ist in Beispiel 48 der Fall. Beispiel 47: Resultatbeschreibendes Inferenzangebot des Produzenten ohne vorherige Unsicherheitsmarkierung 04I007
[..] jetzt nimmst {du} eins von {den} langen Sch/ eine von den langen {Stäben} {und ähm} ja setzt ähm legst die {den} einen kurzen Stab an, äh den mit den drei Löchern und so zwar so, daß sich ähm, daß sie sich in auf der gleichen {Linie} befinden, und daß sich
114
Empirische Ergebnisse {zwei} Öffnungen ähm überlappen, also daß von dem Dreierstab noch eine {Öffnung} freibleibt.
Beispiel 48: Resultatbeschreibendes Inferenzangebot des Produzenten nach vorheriger Unsicherheitsmarkierung 02I040 02K039 02I041 02K040 02I042
<sil: 1> so den roten Würfel schraubst du jetzt unter den blauen Würfel. oh <noise: rascheln> dann hast du also zwei Würfel untereinander. ja, ja gut
Beispiel 48 zeigt übrigens die vollständige dreiteilige Struktur von verbalen Sequenzen, die zwecks lokaler Verständigungssicherung in eine Kommunikation eingebaut werden können: Sie bestehen aus einer Einleitung, einem Formulierungs- oder Verstehensvorschlag sowie einer abschließenden Vorschlagsannahme oder –zurückweisung. Auf diese Struktur gehen wir genauer im Zusammenhang mit der Behandlung von Reparaturen in Abschnitt 3.5 ein.
3.4.4 Negationen Ein spezielles, verständigungstheoretisch interessantes Thema betrifft die Rolle von Negationen. Aus diesem Grund wurden in unserem Projekt auch die im Flugzeugkorpus vorkommenden Negationen genauer untersucht. Dabei ergab sich, dass die Verwendung von Negationen sowohl für verstehensabsichernde als auch für problembehandelnde Aktivitäten einschlägig ist. Als Negation wird im Allgemeinen die Ablehnung, Verneinung oder Zurückweisung von Aussagen, Inhalten oder Merkmalen verstanden. „Aus linguistischer Sicht ist das, was am Phänomen der Negation besonders untersuchenswert ist, die Art und Weise ihrer natürlichsprachlichen Realisierung. Im Unterschied zu Philosophie und Logik interessiert sich Linguistik damit weniger für die Geltung von Sachverhalten als primär für Aussagen über die Geltung von Sachverhalten“ (Jang 2005, 18).
Alle Sprachen verfügen über Möglichkeiten, Aussagen über das Zutreffen oder Nichtzutreffen von Sachverhalten zu treffen. Die deutsche Sprache kennt eine Vielzahl von Realisierungsmöglichkeiten von Negationen (vgl. Jacobs 1982).
Strategien der Verstehensabsicherung
115
Das Nichtzutreffen eines Sachverhalts, Zurückweisungen, Weigerungen oder Verbote können Jang (2005) zufolge entweder durch lexikalische (z.B. kein, weder…noch, nichts, niemand,…) oder durch morphologische Mittel (un-, ent-, los) explizit sprachlich ausgedrückt werden. Die Untersuchung des Flugzeugkorpus ergab, dass hier hauptsächlich drei Formen einer expliziten Negation in Instruktionen vorkommen. a) Isolierte Negation Hierbei handelt es sich um eine Sequenz, die nur aus einem oder mehreren negierten Teilen besteht. Beispiel 49: Isoliert vorkommende Negation (in Problembehandlung) 01K060 01I062
01K061
01I063 01K062
und wie? auch über dem zweiten mit der Schraube nach unten <sil: 1> der Schraubenkopf <par> zeigt nach unten <par> aber die Schraube ist gar nicht lang genug, als daß ich da jetzt noch durchschrauben könnte. nee, durch die Schraube sollst du ja auch gar nicht <par> schrauben. <par> ach so na gut.
Die negierende Formulierung in 01I061 ließe sich zwar durch aber die Schraube ist zu kurz ersetzen, die Verwendung einer Negation macht aber deutlicher, dass eine auf 01I062 bezogene Problemmanifestation geäußert wird. Analoges gilt für den zweiten Teil von 01I063: Zwar könnte die Instrukteurin statt der gewählten Formulierung die Alternativhandlung nennen, die die Konstrukteurin durchführen soll; aber eine explizite Zurückweisung der von der Konstrukteurin in 01K061 problematisierten Handlung wirkt prägnanter. Schließlich ist die Wahl einer Negation wie nee als Korrekturmarkierung determiniert. Insgesamt zeigt sich also, dass eine Verwendung von Negationen bei Problembehandlungen entweder unumgänglich ist oder zumindest als zweckmäßig erscheint. b) Negation nach Affirmation (in verstehensabsicherndem Inferenzangebot) Bei dieser Form der Negation enthält eine Sequenz zunächst eine nicht negierte (affirmierte) und dann eine negierte Teilsequenz.
116
Empirische Ergebnisse
Beispiel 50: Negation nach Affirmation 01K008 01I010
01K009 01I011
01K010 01I012 01K011
welche Farbe? {das}<noise: klappern> ist eigentlich egal wenn ich das richtig sehe, ja, kunterbunt {durcheinander}<noise: klappern> {okay}<noise: klappern> <noise> sagen wir, den gelben, weil ich auch gelb habe und jetzt äh nimmst du dir noch eine von den kleinen roten Schrauben. eckig oder rund <noise> rund nicht die Rauten mhm
In diesem Beispiel soll (innerhalb einer I-Reparatur; vgl. 2.4.2 und die Diskussion des Beispiels 102 in 3.5.2) die negierte Nominalphrase nicht die Rauten vermutlich als zusätzliches Inferenzangebot und damit eigentlich als verständigungsabsichernde Aktivität dienen; jedenfalls spricht die lange Pause vor dieser Nominalphrase gegen eine Analyse als Formulierungsergänzung (vgl. 2.4.4). Dabei ist die Reihenfolge „Negation nach Affirmation“ dadurch bedingt, dass die Konstrukteurin in 01K010 eine Alternativfrage gestellt hat, die die Instrukteurin unmittelbar beantworten sollte. Es wäre denkbar, dass die betreffende Inferenz nach der eindeutigen Antwort sogar verständigungsinadäquat ist, weil sie eine unnötige Information bringt und überdies durch die gewählte Reihenfolge vom Fokus der betrachteten Schrauben auf den der Muttern ablenkt. c) Negation vor Affirmation Hierbei folgt in einer Sequenz einer negierten Aussage eine nicht negierte. Diese Sequenzen liegen meistens in der Form nicht ... sondern vor. Beispiel 51: Negation vor Affirmation (in Problembehandlung) 21I091
21K091 21I092 21K092
oh nee, jetzt warte mal dann kommt der ja, jetzt nimmst du den g/ grünen Würfel. {na.}<noise: klappern> und mußt es irgendwie festschrauben so. ja? also keine Mutter, sondern den grünen Würfel. habe ja auch keine Mutter mehr.
Strategien der Verstehensabsicherung
117
Auch in diesem Beispiel geht es (innerhalb einer A-Reparatur) um die Verwendung einer negierten Nominalphrase als verständigungssichernde Aktivität, wobei die gewählte Reihenfolge „Negation vor Affirmation“ aber verständigungsökonomisch relativ zweckmäßig zu sein scheint. Einerseits wird nämlich die mögliche bedeutungserweiternde Inferenz aus dem ersten Teilsatz von 21I092, dass zum Festschrauben eine Mutter verwendet werden soll, unmittelbar zurückgewiesen. Andererseits rückt die positive Aussage, dass der grüne Würfel – quasi wie eine Mutter – zum Schrauben benutzt werden soll, in den Fokus. Eine präzise Aussage über die Effizienz dieser Art von Negation lässt sich aber erst aufgrund einer psycholinguistischen Untersuchung machen. Aus Negation und Affirmation bestehende Sequenzen können auch syntaktisch eingebettet vorkommen. Beispiel 52: Negation vor Affirmation als eingebettete Sequenz (in verstehensabsichernder Reformulierung) 12I107 12K101 12I108
dann kommt die Dreierleiste unten dran. ja. und zwar so, daß das letzte Loch, also also das praktisch von den drei Löchern äh nicht das mittleste, sondern jeweils das letzte egal ob vorne oder hinten <sil: 1> festgeschraubt wird von unten mit mit der Mutter mit der orangenen.
Von dem Einbettungsaspekt abgesehen ist die Konstellation in Beispiel 52 ähnlich zu der in Beispiel 51. Insgesamt gesehen stellt sich also die Frage, ob eine Anweisung, die eine Negation enthält, für die Informationsübermittlung zweckmäßig ist, oder eine andere Art der Anweisung eventuell für eine effizientere Verständigung sorgen würde. Diesbezüglich kann angenommen werden, dass eine Anweisung, die eine Negation enthält, i.A. gegenüber einer Anweisung, die keine Negation enthält, eine höhere Fehlerwahrscheinlichkeit und eine längere Verarbeitungszeit besitzt (vgl. Jang 2005). Jedoch gibt es einerseits Fälle, in denen die Vermeidung einer Negation zu umständlichen und komplexen Konstruktionen führen würde, so dass von daher eine Verarbeitung ineffizienter wäre als bei Formulierung mit Negation. In solchen Fällen kann die Negationsverwendung also als prospektive Verständigungsstrategie eingestuft werden. Ähnliches gilt andererseits vermutlich für Fälle, in denen die Negation wie in den Beispielen 49, 51 und 52 im Rahmen einer Problembehandlung oder einer Verstehensabsicherung eine spezifische verständigungsherstellende Funktion erfüllen.
118
Empirische Ergebnisse
3.4.5 Explikation relevanter Informationen Das Explizieren oder auch Erläutern relevanter Informationen hat große Ähnlichkeit mit der Reformulierung oder einem Inferenzangebot, da einem Gesprächspartner auch hier die Bedeutung vorher getätigter Aussagen noch einmal näher dargelegt wird. Erläuterungen zeichnen sich jedoch im Gegensatz zu Reformulierungen und Inferenzangeboten dadurch aus, dass sie inhaltlich mehr Informationen liefern, als in der Bezugsäußerung enthalten ist oder aus ihr bei Berücksichtigung von Situation und Kontext erschlossen werden kann. Während bei einer Reformulierung die zusätzlichen Informationen durch die Bearbeitung eines Bezugs in einer vorausgegangen Äußerung geliefert werden, ist dies bei Erläuterungen nicht der Fall. Es handelt sich vielmehr um neue Informationen, die die vorherige Äußerung ergänzen. Erläuterungen können immer nur von demjenigen formuliert werden, der das zu Erläuternde geäußert hat. Dies kann auch zur retrospektiven Verstehensabsicherung geschehen (Beispiel 53). In diesen Fällen fügt z.B. die Instrukteurin einer vorherigen Instruktion noch weitere, für den Konstrukteur zur Ausführung derselben eventuell wichtige Informationen hinzu, bevor das Fehlen dieser Information zu Verständigungsproblemen führen kann. Beispiel 53: Erläuterung zur retrospektiven Verstehensabsicherung 07I027
07K027 07I028
07K028 07I029 07K029 07I030
07K030
<noise> okay, dann nimmst du wieder so eine Dreierstange mit drei Löchern. mhm. und legst die so unter diese lange Stange, daß auf der anderen Seite wieder zwei Löcher sich überschneiden, also auf <par> der anderen Seite <par> aber am anderen Ende, ja <noise: klappern> am anderen Ende, genau. mhm. und da drauf legst du so eine ganz lange Stange <sil: 3> also die <noise> legst du {so,}<spk: K, au/> daß noch (ei)n Loch frei bleibt auf der lang/, auf der ähm Stange zwischen der gelben Schraube und dem Teil {ach so}<noise: rascheln>
Strategien der Verstehensabsicherung
119
Gegebenenfalls werden Erläuterungen auch zur Problembehandlung eingesetzt. Dabei kann z.B. der Produzent eine Rückfrage des Rezipienten zum Anlass nehmen, den zugrunde liegenden Sachverhalt ausführlicher darzustellen (siehe 3.5.2a).
3.4.6 Gedächtnisorientierte Strategien Im SFB 360 wurde projektübergreifend die Rolle des Gedächtnisses für Kommunikationsprozesse untersucht. Bei der Analyse der Dialoge des Flugzeugkorpus fanden wir diesbezüglich verschiedene Verständigungsstrategien, die auf der impliziten oder expliziten Absicherung von Bedeutungen durch dialogrelevante Gedächtnisleistungen der Versuchspersonen beruhen. Zu diesen zählen u.a. auch die Vorgreifende Verdeutlichung (vgl. 3.2.3), die Rückgreifende Verdeutlichung (vgl. 3.2.7) sowie einige Aspekte der lokalen Kontextkonstitution (vgl. 3.3.2), soweit sie auch retrospektiv zur Verstehensabsicherung herangezogen werden. Im Folgenden sollen weitere gedächtnisorientierte Verständigungsstrategien vorgestellt und mit Beispielen illustriert werden. Auch sie sind insofern im weiten Sinne der Kategorie „Verstehensabsicherung“ zuzuordnen, als die betreffenden Äußerungen neben ihrer primären kommunikativen Funktion gleichzeitig implizit oder explizit als Anweisung aufzufassen sind, die zugehörigen Gedächtnisinhalte als Vergleichsgrundlage für die Absicherung von Verstehensresultaten hinzuzuziehen. a) Ad-hoc-Komposita In Dialogen muss gleichermaßen für die thematische Kohärenz und Progression von Texten gesorgt werden. Hierbei kann es vorkommen, dass der Sprecher nach einer geeigneten Beschreibung für eine Sache oder einen Sachverhalt sucht (vgl. 3.5). Derartige Wortfindungsprozesse können sich im Gespräch durch Pausen oder abgebrochene Wörter manifestieren, sie können sich aber auch über mehrere Turns erstrecken, wobei die jeweiligen Gesprächspartner das Zögern eines Sprechers bei der Suche nach dem richtigen Wort dazu nutzen können, Hilfestellung zu geben bzw. eigene Lösungen vorzuschlagen. Ad-hoc-Komposita oder deren Derivate bieten ggf. Lösungen für den Wortbildungsprozess, wobei sie nur als „Notlösung“ für das zugrunde liegende Formulierungs- und Verstehensproblem akzeptiert werden. Häufig ist dabei die Ungenauigkeit dieser letztlich nicht befriedigenden Lösungen markiert. Wildgen (1982) nennt ein wichtiges Grundprinzip der Organisation primärer Kompositionsprozesse, nach dem die Konstituenten des Kompositums und der intendierte Zusammenhang zwischen ihnen durch den Kontext gestützt werden. Die thema-
120
Empirische Ergebnisse
tische Kohärenz des Textes oder Dialogs ermöglicht die Verwendung der knappen, aber unterbestimmten Komposita. Ad-hoc-Komposita sind also Wörter, die in einer Situation oder in einem Text gemäß den Wortbildungsregeln neu konstruiert werden, deshalb noch nicht lexikalisiert sind und. zumeist auch nicht in den Wortschatz übernommen werden. Die einmal getroffene Wahl beeinflusst jedoch die anschließenden Wahlen, indem sie bei erfolgreicher Anwendung Wiederholungen nahelegt oder neue Komposita auf Basis der Komponenten (von Teilen) des „alten“ Kompositums ermöglicht. Es ist auch möglich, dass eine erfolgreich angewandte Wortfindungsstrategie den Sprecher im weiteren Verlauf des Dialogs oder Textes dazu veranlasst, wieder auf gleiche Weise zu verfahren. Wichtig ist bei der Einführung dieser Komposita die gemeinsame, interaktive Manifestierung im Dialog. Ein neu erfundenes Kompositum kann bei seiner Einführung zum Beispiel durch Lachen als ungewöhnlich markiert werden. Eine Gedächtnisleistung liegt hier v.a. dann vor, wenn die weitere Verwendung des jeweiligen Begriffs unproblematisch ist und wie selbstverständlich erfolgt. Beispiel 54: Ad-hoc-Kompositum15 01I016
01K015 (...) 01K023
01I025
15
<noise> und jetzt verbindest du diese beiden, {indem} du einmal diese {rautenförmigen} mit den Löchern nimmst zwei {Stück}<spk: K, ja> und dann halt zwei von diesen ja äh {benzolförmigen} kurzen Schrauben. <noise> {äh} welche Farbe? <noise> <sil: 1> hm, nee dieses eine Rautenteil war zu klein. das ging nicht drüber. ja und nun? <noise> ja und du hast also jetzt diese {äh ja} diese benzolförmigen Dinger sind jetzt sag(e) ich mal oben und auch oben auf diesen beiden Platten ist jetzt dieser Würfel.
Beide Gesprächspartner sind hier Studentinnen der Chemie. I hilft sich in diesem speziellen Wortfindungsprozess mit einer fachspezifischen Komposition („benzolförmig“) und aktiviert damit ein Fachwissen, das sie mit ihrer Gesprächspartnerin gemeinsam hat. Hiermit werden besondere Gedächtnisbereiche aktiviert, so dass die Voraussetzungen für die Interpretation des Kompositums günstig sind.
Strategien der Verstehensabsicherung 01I040
121
<noise> <sil: 1> und nimmst dir eine kurze Schraube, eine orangefarbene so benzolförmige hab(e) ich da wieder genommen. {<sil: 2>}<noise: klappern> ja?
b) Ad-hoc-Benennung Zur Kategorie „Ad-hoc-Benennung“ zählen wir hier solche Wortfindungsprozesse, bei denen Bezeichnungen ad-hoc aus anderen Wissensbereichen herangezogen werden und für die Dauer der Interaktion aufgrund von ausreichenden Ähnlichkeiten als Ersatz für die eigentlichen, nicht-präsenten Fachbegriffe dienen (dies gilt auch schon für den Kompositumsbestandteil benzol in Beispiel 54). Da diese Bezeichnungen dem Gesprächspartner in der Regel aus dem anderen Wissensgebiet bekannt, d.h. im Lexikon gespeichert sind, ist hier eine interaktive Manifestierung nur notwendig, wenn die Bezeichnung entgegen der Erwartung des Sprechers nicht verstanden wird. Diese Ersatzbegriffe können nach einmaliger Verwendung im weiteren Gesprächsverlauf u.U. auch als Basis für weitere Ad-hoc-Komposita dienen. In einem solchen Fall ist dann die Interpretation des Kompositums durch die Ad-hoc-Benennung vorgegeben. Wird eine Ad-hoc-Benennung von beiden Gesprächspartnern ohne Einspruch oder Kommentar verstanden und verwendet, kann hieran z.B. auch die Gedächtnisleistung der Interaktanden bzw. die Aktivierung von Fachwissen erkannt werden. Eine Gedächtnisleistung kann aber auch daran festgemacht werden, dass die Benennung nach ihrer Einführung (möglichst von beiden) wiederholt benutzt wird. Beispiel 55: Ad-hoc-Bennenung16 12I029
12K023 12I030 (...) 12K032 (...)
und zwar eine Schraube mit gelber Kuppe und und äh so einer orangenen trapezartigen Mutter <sil: 1> zwei Stück davon einmal mit Baufix beschriftet und einmal so mit so einem mit Rille oder ohne Rille? mit einmal mit Rille und einmal eine mit Lorenz Baufix be/ beschriftet mhm und dann kommt die Rille?
16 Hier dient die ad-hoc Benennung „Rille“ zunächst als Ersatz für die nicht gefundene Bezeichnung „Schlitz“. Im weiteren Verlauf des Dialogs wird dann auf dieser Basis das Kompositum „Rilleschraube“ kreiert.
122 12K034
(...) 12K054 (...) 12I063 12K057
Empirische Ergebnisse so, jetzt sieht mein Ding so aus. ich habe {die}<spk: I, ja> *Dreierlis_äh_leiste noch frei, dann Lorenz Baufixschraube und die Rilleschraube und dann habe ich drei Löcher frei von der Fünfer <noise: klappern> mit oder ohne Rille? also nimmst du eine mit Rille und eine ohne Rille. nee, die sind rund, die mit Rille.
c) Rekurs auf Probleme bei eigenen Konstruktionshandlungen Zwei Konstellationen können den Instrukteur I dazu veranlassen, Erinnerungen an eigene Bauprobleme zu äußern: Zum einen kann er aufgrund dieser Erinnerung Bauprobleme beim Konstrukteur K voraussehen und dementsprechend vor Schwierigkeiten warnen oder die Instruktionen anpassen (dies betrifft den Aspekt einer prospektiven lokalen Formulierungsstrategie). Zum anderen kann es vorkommen, daß K Probleme beim Bauen signalisiert und I damit veranlasst, die eigene Konstruktion zu reflektieren. I kann hieraufhin entweder bestätigen, dass bei ihm dieselben Probleme aufgetreten sind – dies signalisiert K, dass das Problem regelmäßig entsteht (Beispiel 56). Andererseits kann I auch die eigene Problemlösung darstellen und K damit eine Hilfestellung geben (Beispiel 57). Diese Erinnerungen an Bauprobleme haben somit eine wichtige Funktion für die Verständigung und die erfolgreiche Ausführung der Konstruktion. Beispiel 56: Durch Hinweis auf eigene Schwierigkeiten das Auftreten eines Sachproblems verstehbar machen 12I176 12K170 12I177
ja, dann, dann mußte du einfach den blauen Würfel nochmal abbauen <par> so eine Käse <par> und so drehen, daß, ja das habe, ist mir auch so gegangen. ist nicht so schlimm.
Beispiel 57: Durch Hinweis auf eigene Vorgehensweise das Instruktionsverstehen absichern 11K057 11I057
es geht nicht. <sil: 2> du mußt die Schraube drehen, {ich}<spk: K, ja> habe auch erst {versucht, die andere}
Strategien der Verstehensabsicherung 11K058
123
ist mir schon klar. <noise> hast recht, es geht doch <sil: 1> also drehe ich erst das Dingen da
d) Erinnerung an gemeinsame Aushandlungen in der Interaktion Es kann sein, dass sich der Instrukteur bei einer Instruktion explizit auf eine vorherige Aushandlung bezieht und der Interaktionspartner Erinnerung signalisiert. Ohne das Erinnern an solche Aushandlungen ist das Formulieren und Verstehen dieser Instruktionen nicht möglich. Im Beispiel 58 geht es dementsprechend um die gemeinsame Aushandlung der flugzeug-intrinsischen Ausrichtung (oben/unten). Auch ohne besondere Aufforderung ist Erinnerung an Aushandlungen möglich. Die Gedächtnisleistung ist daran festzumachen, daß die Instruktion überhaupt verstanden wird. In Beispiel 59 reicht die einmalige Aushandlung der Benennung von Positionen mit Zahlen. Diese Benennung wird vom Instrukteur vorgeschlagen und der Konstrukteur akzeptiert diese Vorgehensweise explizit, so dass diese Verwendung im Folgenden keine Probleme mehr aufwirft. Beispiel 58: Explizite Erinnerung an gemeinsame Aushandlungen 12I069
(...) 12I098 12K092 12I099 12K093 12I100 12K094
so genau <sil: 2> und jetzt ähm legst du den au Scheiße, wie soll ich das erklären? also es wird noch, es ist noch einfach, und zwar kommt der rote Würfel, kommt kommt auf also paß auf, ich definiere jetzt nochmal oben und unten. oben ist jetzt sozusagen, wenn du von oben drauf schaust, und zwar ist oben, wo diese gelben Schrauben sind {die}<spk: K, ja> wir jetzt schon oben, ja? und zwar kommen jetzt die die Flügel vorne {dran}<spk: K, oh je> oben drauf, ne. na gut, mhm. der erste Flü/, also der erste Flügel oder {der}<spk: K, ja> die erste Tragfläche. mhm. so <sil: 3> wir hatten doch oben definiert, ne? mhm.
Beispiel 59: Implizite Erinnerung an gemeinsame Aushandlungen 09I060
links ähm ganz, also ähm wir können es mal eigentlich durchnumerieren von äh rechts nach links, ja, also ganz re/ ganz rechts ist eins, {und}<spk: K, ja> es überlappt sich an den Stellen vier und fünf. ja. und Stelle sechs steht über. ja, {genau}<spk: I, okay> und vier und fünf sind die Schrauben? vier und fünf sind die Schrauben, {genau}<spk: K, gut> vier ist die Baufixschraube und {fünf}<spk: K, okay> ist die Schlitzschraube, okay. an Stelle sechs bauen wir jetzt hinten ähm so (ei)n oh Gott so eine Art Würfel hast du da ja auch liegen mit Löchern. auch daß er einen übersteht, also denn Überlappung ist an den Stellen eins und zwo dann, ja? mhm und legst den Siebener rechtwinklig drauf, also als Tragfläche, das wird jetzt auch wieder eine Tragfläche. auf welche ähm? auf ähm auf d/ auf die zwei, auf Stelle zwo. <sil: 2> so, jetzt wird es etwas interessanter komme ich jetzt zur Stelle eins. <noise> oder machen wir die erstmal nicht? {<sil: 2>} nee, wir machen erstmal Stelle minus eins <sil: 2> ja? rote Schraube ja verschraubst du an der Stelle null a/ minus eins. weil das, also das kannst du immer noch machen. so ähm jetzt mußt du an der Stelle {eins}<spk: K, mhm> äh auch den letz/ den anderen Siebener drauflegen wieder
e) Analogien Nach Melis (1997) ist Analogiebildung eine häufig genutzte Problemlösungsstrategie: Um ein vorliegendes Problem zu lösen, orientiert man sich an der Lösung eines früheren ähnlichen Problems und passt diese Lösung den neuen Gegebenheiten an. Instruktionen, die auf diese Art deutlich machen, dass ein bereits
Strategien der Verstehensabsicherung
125
durchgeführter Bauschritt mit anderen Bauteilen noch einmal erfolgen soll, erfordern das Erinnern an die zurückliegenden Schritte. Ohne dieses Erinnern von K wären die Instruktionen nicht ausführbar. Die geforderte Gedächtnisleistung dient der Vereinfachung der Instruktionen für Instrukteur und Konstrukteur sowie der Gesprächsökonomie. Im SFB-Szenario treten Analogien hauptsächlich bei der Konstruktion der Flugzeugflügel (Beispiel 60) und -räder (Beispiel 61) auf. Die Übereinstimmung, auf die sich die Instrukteure in diesen Fällen beziehen, betreffen die Art und Weise des Anbringens und die Reihenfolge der Bauteile. Beispiel 60: Analogien bei der Konstruktion der Flugzeugflügel 02I029
<sil: 1> so das gleiche machst du jetzt mit der zweiten Siebenerstange und zwar ganz nach vorne <noise> jetzt nimmst du aber nicht (ei)ne Mutter sondern den blauen Würfel und das mit der anderen orangenen Schraube.
Beispiel 61: Analogien bei der Konstruktion der Räder 21I120
21K120 21I121
21K121
dann nimmst du so ein violettes Teil {<sil: 3>}<noise: klappern> und das drehst du in den gelben Würfel. <noise> ja. <sil: 3> das gleiche machst du mit den Teilen, die noch über sind. <noise> machst es, drehst es in die andere Seite rein. <noise> ah.
Es hat sich gezeigt, dass bestimmte, v.a. aus der Interaktion stammende Gedächtnisinhalte für die erfolgreiche Verständigung und Kooperation der Beteiligten in dem SFB-Versuchsszenario von großer Bedeutung sind. In allen Gesprächen mit blockierter oder eingeschränkter Sicht wird mithilfe verschiedenartiger Gedächtnisleistungen Verständigung erzielt. Beliebteste Strategie ist hier die Vorgreifende Verdeutlichung, die in dreizehn von fünfzehn Fällen ohne volle Sicht angewendet wird. Zudem wird in zehn Dialogen ohne volle Sicht mindestens eine Strategie des Erinnerns an Bauschritte genutzt. In den Dialogen mit voller Sicht sind erwartungsgemäß kaum Hinweise auf Gedächtnisleistungen zu finden. Dies liegt daran, dass Probleme vom Instrukteur rechtzeitig gesehen, erkannt und ausgeräumt werden können. Des Weiteren nutzen die Versuchspersonen unter diesen Bedingungen zusätzlich nicht-sprachliche Kommunikationsmittel (v.a. Gesten) zur Verständigungssicherung.
126
Empirische Ergebnisse
3.4.7 Situationsabgleich In Montageszenarien, in denen mehrere Personen unter erschwerten Bedingungen an ein und derselben Aufgabe arbeiten, müssen die Beteiligten verstärkt dafür sorgen, dass ihre Handlungen zu den selben Ergebnissen führen, so dass sie nachfolgend von denselben Voraussetzungen ausgehen können. Um zu klären, ob auf allen Seiten dieselben Zustände herrschen und alle Beteiligten tatsächlich in ihrem weiteren Vorgehen von gleichen Voraussetzungen ausgehen können, wird häufig die durch den jeweils letzten Montageschritt entstandene Situation auf der Konstrukteurseite mit der auf der Instrukteurseite abgeglichen, um dann zum nächsten Montageschritt oder -abschnitt überzugehen zu können. Dabei kann einer der Beteiligten vorwiegend alleine einen Situationsabgleich durchführen (Beispiel 62, 63) oder beide Gesprächsteilnehmer führen diesen gemeinsam durch (Beispiel 64). Beispiel 62: Situationsabgleich, durchgeführt vom Instrukteur 08I008
08K008 08I009 08K009 08I010
08K010 08I011 08K011 08I012
und die Runde ist also am Ende von der mit fünf Löchern und <noise: klappern> die mit dem eckigen Kopf am Ende mit <par> mit allen dreien <par> ist an mehr zur Mitte hin, also zweiten Loch. mhm. <noise: ?> ähm und unten drunter nimmst du <noise> dann die orangenen Muttern, die so rautenförmig sind. {<sil: 10>}<noise: klappern> jau. jau, toll. also hast du jetzt irgendwie so(_ei)n verlängertes Ding, ne? genau. super, jetzt nehmen <subst> wir...
Beispiel 63: Situationsabgleich, durchgeführt vom Konstrukteur 12K032 12I039 12K033 12I040 12K034
mhm und dann kommt die Rille? genau. in die zweite? genau aber da sind, denke ich, das ist nicht so wich/ vielleicht nicht so wichtig. so, jetzt sieht mein Ding so aus. ich habe {die}<spk: I, ja> *Dreierlis_äh_leiste noch frei,
Strategien der Verstehensabsicherung
12I041 12K035 12I042
127
dann Lorenz Baufixschraube und die Rilleschraube und dann habe ich drei Löcher frei von der Fünfer <noise: klappern> genau. ist das <par> korrekt? <par> jetzt jetzt ja, genau, jetzt bleib(e) mal aber nochmal bei der Dreierleiste.
Beispiel 64: Situationsabgleich, durchgeführt von beiden Beteiligten 04I028
04K028 04I029 04K029 04I030 04K030 04I031
genau. und den nimmst du {und} in die Mitte setzt du die ähm Schraube mit der Kerbe. <noise> und schraubst das oben auf den Würfel drauf, {also praktisch} neben den anderen beiden Schrauben. hm, der Stab ist {dann.} der Stab ist dann {ähm} mit zwei rechten Winkeln <noise> senkrecht {dazu}<spk: K, mhm> genau. <noise> <sil: 1> okay. <noise> genau. nächster Bauschritt jetzt nimmst du die lange grüne Schraube
Wie eine genauere Analyse des Flugzeugkorpus ergeben hat, können derartige Situationsabgleiche jederzeit im Montagevorgang durchgeführt werden. So können Situationsabgleiche sowohl nach unproblematischen (Beispiel 63) als auch (während und) nach problematischen, komplizierten (Teil-)Bauschritten eingesetzt werden. Auch als Reaktion auf eine komplizierte Formulierung oder nach einer Fehlerbehebung finden sich Situationsabgleiche. Mithilfe eines Situationsabgleichs kann außerdem überprüft werden, ob bestehende Montageprobleme erfolgreich ausgeräumt wurden. Auf der anderen Seite kann ein Situationsabgleich auch genutzt werden, um die Ursache von Verständigungsproblemen bzw. resultierenden Montageunterschieden zu identifizieren (und gehört dann natürlich zu den Verfahren der Problembehandlung). Letztere wollen wir hier problemidentifizierende Situationsabgleiche nennen (s.u.). Situationsabgleiche finden sich jedoch auch während der Instruktion und Durchführung komplizierter Bauschritte oder während und nach der Durchführung einer Fehlerbehebung.
128
Empirische Ergebnisse
Beispiel 65: Situationsabgleich nach Beendigung eines komplizierten Bauschritts 06I038
06K039 06I039 06K040 06I040
06K041 06I041
06K042 06I042 06K043 06I043
06K044
06I044
06K045 06I045 06K046
06I046 06K047
<noise> auf die andere Seite gegenüber von der roten Schraube die du eben womit du dir die Würfel eben festgeschraubt <par> hast. <par> gegenüber? ja genau <par> auf der anderen Seite. <par> an der Seite dann ist doch kein rechter Winkel da. natürlich nein ähm der Würfel ist jetzt {oben, ja?}<noise: klopfen> <noise> <sil: 2> {sozusagen ja.} {also}<noise: klopfen> {du hast} ähm <sil: 1> links den Würfel? ja. gut. und der zeigt nach oben? ja, ja. genau dann packst du a/ oben auf den Würfel {den} <par> äh F/ <par> ach so du meinst jetzt das Plättchen ist im rechten Winkel zum Würfel, oder zu der anderen Platte, zu dem <noise> anderen Fünferteil? <sil: 2> {ähm} <sil: 2> genau gegenüber von der roten Schraube schraubst du das ja okay. {fest.}<noise: klappern> ja? <par> genau auf <par> und die Fünferreihe zeigt in die Reihe wo die anderen Fünfer auch hinzeigen, oder in die andere Seite, oder in gar keine Seite? äh im rechten Winkel zu den fünf. <noise> <sil: 2> okay.
Strategien der Verstehensabsicherung 06I047
06K048 06I048
06K049 06I049
06K050 06I050
129
<noise> {<sil: 3>} wenn du von oben <par> <noise> draufguckst, ja? <par> praktisch sieht(_e)s jetzt <noise> aus wie drei Uhr, oder nicht? <noise> <sil: 1> {ja} genau wenn du von oben draufguckst ist es (ei)n rechter Winkel, {ne? nur,}<spk: K, ja gut> daß der Würfel dazwischen ist. {mhm.}<noise: rascheln> <noise> so gut gar nicht so einfach das kannst du wohl sagen. dann nimmst du dir noch einen Dreier oder du nimmst dir den Dreier.
Beispiel 66: Situationsabgleich nach komplizierter Formulierung/Instruktion 08I061
08K061 08I062
08K062 08I063
08K063 08I064 08K064 08I065 08K065 08I066
08K066
gut ähm und jetzt kommt halt an dieses <noise: rascheln> Fünferende, {was das}<noise: rascheln> lange T bilden würde, das lange T-Stück. ja. da kommt jetzt in das zweite Loch <noise: ?> von oben <noise: klappern> was noch frei ist <sil: 3> {ja}<noise: mikro> da kommt eine orangene Mutter rein, aber da drunter kommt <noise: klappern> dieses Siebenerlangstück, also das ist jetzt der erste Flügel <noise> <sil: 2> dann ist kein T mehr <par> <noise> sondern <par> drunter <noise> kommt das? <noise> nee, drüber, also auf das <par> auf das <par> auf der Ebene, wo auch die die Muttern, die gelben Muttern drauf sind. mhm also du hast <noise: klappern> an den einen Ende die runde Gelbe die eckige Gelbe, dann kommt (ei)n leeres Loch. mhm <par> dann die runde orange?
130 08I067
08K067 08I068
Empirische Ergebnisse <par> kommt der Siebenerflügel und da geht der ja die runde orange drunter, sie wird mit einer orangenen Schraube festgemacht. drunter? die Schraube stecke ich jetzt von unten <par> nach? <par> nein nein, nein, nein die orange Schraube kommt von oben rein, und unten drunten ist halt die gelbe Mutter ja die orange Mutter.
Beispiel 67: Situationsabgleich nach Fehlerbehebung 08I133
08K133
08I134 08K134
<par> einmal mit eckiger. <noise> und die Eckige wird festgeschraubt in diesem grünen Würfel. und der liegt unter diesem Fünfer__längsstück und unter dem Fünferdrei/, nee unter der Dreierverlängerung, die <par> nach vorne geht. <par> ja, ich glaube <noise> jetzt habe ich (e)s also rot, gelb gelb, leer orange, rund mit ähm Mutter {drunter}<spk: I, mhm> orange eckig mit ähm den ganzen Rad da drunter. ja, und dann hast du noch ein Loch nach vorne <par> frei <par> einen habe ich n/ <par> frei. so jetzt kommt kommt der blaue Würfel
Beispiel 68: Situationsabgleich während der Durchführung einer Fehlerbehebung 06I081
06K082 06I082 06K083 06I083 06K084 06I084
der gelbe Würfel kommt auf die gleiche Seite wie der grüne Würfel. vorne an den Dreier, wo das freie Loch noch ist. <sil: 2> es ist kein freies Loch <par> mehr da. <par> da muß (ei)n freies Loch sein. nein. <par> ich habe doch gerade <par> na <subst> logisch das eine freie Loch den grünen reingemacht. nein, du mußt den Dr/ du da/ durftest den Dreier nicht unter die drei freien Löcher des Fünfers legen. sondern wie du(_e)s auch
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
06K085
06I085 06K086 06I086
06K087 06I087 06K088 06I088 06K089 06I089
06K090 06I090 06K091 06I091 06K092
06I092
131
auf der anderen Seite <par> gemacht hast. <par> ja hab(e) ich doch auch ich hatte ein freies Loch. <noise> und da hab(e) ich gerade den Siebener mit der orangen Schraube und den grünen Würfel reingetan. <noise: klopfen> <noise: rascheln> von dem Fünfer. <sil: 1> wie von dem Fünfer. du hast dieses Plättchen mit den fünf Löchern. ja. gut. da hab(e) ich einen Dreier runtergeschraubt. genau und dieser Dreier schaut {ein}<spk: K, ?> raus. {ja} und ja weiter. so jetzt hast du zwei parallele äh Stäbchen mit {eins} sieben Löchern. genau. und die sind beide auf dem Fünfer. nein ich hab(e) dich doch {gefragt.}<noise: klappern> doch die müssen beide auf dem Fünfer sein. <noise> dann ist der eine im dem ersten Loch von dem Fünfer und der andere im zweiten Loch von dem {Fünf/}<spk: I, ja> {hum: stöhnen> <noise> hab(e) ich doch gesagt Mädchen doch hab(e) ich gesagt da hab(e) ich {extra aufgepaßt}
3.5 Strategien der Problembehandlung und Reparaturen Sowohl im Alltag als auch im Szenario der Flugzeugmontage tritt immer wieder der Fall auf, dass die Beteiligten nicht zu ausreichend ähnlichen Bedeutungszuschreibungen für relevante Äußerungen gelangen. Hier sprechen wir dann – wie in Abschnitt 2.3.2 ausgeführt – von Verständigungsproblemen. Da im Zusammenhang mit Verständigung immer die Erwartungen der Beteiligten an die Formulierung, die Übertragung und das Verstehen von Äußerungen eine große Rolle
132
Empirische Ergebnisse
spielen, ist für die Einschätzung, ob ein Verständigungsproblem vorliegt oder nur die Gefahr eines solchen Problems besteht, immer wichtig, dass mindestens einer der Beteiligten den Eindruck hat, die Verständigung sei nicht erfolgreich verlaufen oder gefährdet. Als strategische Reaktion hierauf wird er seinem Gesprächspartner diese Einschätzung signalisieren und im Normalfall wird dann eine Lösung des betreffenden Problems eingeleitet.17 In den Dialogen des Flugzeugkorpus trat erwartungsgemäß eine große Anzahl an Verständigungsproblemen auf. Bei deren Lösung haben die Beteiligten immer die Wahl zwischen zwei verschiedenen Vorgehensweisen. Sie können die Problemlösung einem der Beteiligten (Produzent oder Rezipient) überlassen oder gemeinsam an der Lösung arbeiten (vgl. Nsangou 2000). Die meisten der im Folgenden vorgestellten Problemlösungsstrategien sind sowohl interaktiv als auch von einem Beteiligten allein durchführbar. Ausnahmen werden entsprechend gekennzeichnet. Verständigungsprobleme lassen sich im einfachsten Fall mit Hilfe von Reparaturen lösen. Aus diesem Grund bilden die verschiedenen Typen von Reparaturen die wichtigsten konventionalisierten Strategien zur Lösung von Verständigungsproblemen. Insofern wollen wir an dieser Stelle präzisieren, in welchem Sinne hier der von Schegloff, Jefferson und Sacks (1977) eingeführte, aber in der Literatur i.A. nicht ausreichend definierte Reparaturbegriff verwendet werden soll. Reparaturen sind danach im Prinzip dreigliedrige verbale Sequenzen, die grammatisch an eine unmittelbar vorausgehende Äußerung bzw. einen Äußerungsanfang anknüpfen; auf die Reparatursequenz folgt dann ggf. noch ein Äußerungsende. Reparaturen werden – und dies dient ihrer Effizienz – oft satzintern durchgeführt und machen in diesem Fall von einschlägigen satzsyntaktischen Konstruktionen Gebrauch, nämlich einerseits von gängigen Appositions- und Parenthesekonstruktionen sowie von Nachfeldkonstruktionen zwecks Ergänzung, Modifikation oder Fortführung von Satzgliedern (Ausklammerung, Nachtrag, Gapping). Andererseits bedient man sich oft einer besonderen reparaturspezifischen Konstruktion, die in Kindt/Laubenstein (1991) Überbrückungskonstruktion genannt wird und die eine prozedurale Kombination aus Linksausklammerungsellipse und Parenthese bildet (vgl. Eikmeyer et al. 1991, 1995). Reparaturen lassen sich unterteilen in Reparatureinleitung, Reparaturversuch oder -vorschlag und Reparaturabschluss; es müssen jedoch nicht alle drei Teilsequenzen realisiert sein (aber zumindest eine). Die hauptsächliche Funktion 17 Der Einfachheit halber wollen wir im Folgenden bei der Verwendung des Begriffs „Verständigungsproblem“ nicht mehr thematisieren, ob im strikten Sinne das Problem einer nicht hinreichend ähnlichen Bedeutungszuordnung vorliegt oder ob im weiten Sinne nur eine Formulierungs-, Übertragungs- oder Verstehenserwartung verletzt ist und dann die Gefahr des Auftretens eines solchen Problems besteht..
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
133
von Reparaturen besteht darin, dass man – ähnlich wie bei Reformulierungen – eine Teilsequenz des Äußerungsanfangs, den sog. Reparaturbezug, durch einen oder auch mehrere grammatisch korrespondierende Reparaturversuche bearbeitet, d.h. (partiell) wiederholt, modifiziert und/oder ergänzt (so z.B. bei AReparaturen) oder dass der Äußerungsanfang (wie bei I-Reparaturen) durch den Reparaturversuch fortgesetzt wird, ohne dabei einen korrespondierenden Reparaturbezug aufzugreifen. Im zweiten Fall ist der Reparaturbezug zwar leer (bildet also die leere Sequenz), aber dann muss es im Äußerungsanfang einen Anknüpfungspunkt geben, also eine Konstituente an die der Reparaturversuch grammatisch anknüpft. Umgekehrt kann auch der Reparaturversuch leer sein, wenn (wie bei B-Reparaturen) der Äußerungsanfang oder ein Teil von ihm annulliert werden soll Den Beginn einer Reparatur kann man in sehr vielen Fällen daran erkennen, dass in der Reparatureinleitung eine Problemmanifestation in Form eines typischen Einleitungssignals (spezielles Wort oder Phrasem) geäußert wird. Häufig wird auch das letzte Wort im Äußerungsbeginn zwecks Diskontinuitätsmarkierung abgebrochen. Der Reparaturabschluss hat demgegenüber die Funktion, den letztgültigen Reparaturversuch zu bestätigen oder zurückzuweisen (in der Konversationsanalyse spricht man im positiven Fall von Ratifikation); manchmal formuliert der für das zugrunde liegende Formulierungs- oder Verstehensproblem verantwortliche Teilnehmer auch eine Entschuldigung und schließlich kündigen die einschlägigen Entschuldigungsformeln und Ratifikationssignale auch das nachfolgende Äußerungsende oder den Beginn einer neuen Äußerung an. Genau besehen besitzen die verschiedenen, in einer eigenständigen verbalen Sequenz realisierten Formen der Verstehensabsicherung, nämlich entsprechende Rückmeldungen, Reformulierungen, Inferenzangebote und Erläuterungen (vgl. Abschnitt 3.4), dieselbe oder eine verkürzte Struktur wie Reparaturen. Aus diesem Grund kann man als gemeinsame Verallgemeinerung auch das Konzept der Verständigungssequenz einführen (vgl. Kindt/Rieser 1999). Dies ist von Vorteil, wenn man schwerpunktmäßig die gemeinsamen strukturellen und grammatischen Eigenschaften solcher Sequenzen untersucht oder das Problem umgehen will, dass über funktionale verständigungstheoretische Eigenschaften oft nicht eindeutig empirisch entschieden werden kann. Beides trifft aber für die vorliegende Untersuchung nicht zu und gerade das Ziel, die unterschiedlichen Funktionen von Reparaturen aufzuzeigen, macht es im Folgenden notwendig, die zugehörigen Spezifika der Realisierung von Verständigungssequenzen zu betrachten. Grundsätzlich sind Formulierungs-, Übertragungs- und Verstehensreparaturen gleichermaßen als Stretegien der Lösung entsprechender Probleme voneinander zu unterscheiden. Empirisch am häufigsten kommen allerdings Formulierungsreparaturen vor und deshalb soll der Einfachheit halber auch von Reparatu-
134
Empirische Ergebnisse
ren gesprochen werden, wenn aus dem Kontext hervorgeht, dass es um die Behandlung von Formulierungsproblemen geht. Außerdem ist – wie schon bei Reformulierungen (vgl. 3.4.2) – eine Klassifikation nach den jeweiligen Beteiligungsverhältnissen an den drei Teilen der Reparatursequenz mit Hilfe der Kategorien „selbst“ und „fremd“ zweckvollmäßig und dabei spielen insbesondere die vier Fälle selbst- vs. fremdeingeleiteter und (mit einem Reparaturversuch) selbstvs. fremddurchgeführter Reparaturen eine besondere Rolle. Nachfolgend sollen die verschiedenen Typen und Realisierungsformen von Reparaturen durch Beispiele illustriert werden. In ihnen sind zugunsten einer übersichtlichen Darstellung jeweils Anknüpfungspunkt oder Reparaturbezug sowie Reparatursequenz durch Fettdruck hervorgehoben. Zunächst zeigen wir an Formulierungsreparaturen verschiedene Möglichkeiten der Diskonituitätsmarkierung und der Reparatureinleitung auf. Dabei geben wir auf der Grundlage der in Abschnitt 2.4.2 dargestellten Taxonomie und im Vorgriff auf Abschnitt 3.5.2 gleich den Reparaturtyp der betreffenden Beispiele an. Beispiel 69: A-Reparatur mit Wortabbruch und Hesitationssignal äh als Reparatureinleitung 02I032
<noise> zwischen {die} also du hast oben die Tragflächen, in der Mitte die Fünferstange dadrunter kommt die die Dreierstange <noise> zwa/ und zwar wird die genauso ange/ äh befestigt wie hinten also daß das eine nach vorne steht dann.
Beispiel 70: EL-Reparatur ohne Wortabbruch und mit Zurückweisung nee als Einleitung 05I005
ja ist egal. und welche <noise> Flügelschraube nee, zwei Flügelschrauben.
An diesem Beispiel sieht man, dass auch durch Pausen eine Diskontinuität bzw. eine Abgrenzung der Reparatur vom Äußerungsbeginn hergestellt werden kann. Beispiel 71: ES-Reparatur mit Wortabbruch und ohne Reparatureinleitung 01I039
gut die n/ das nimmst du jetzt auch noch also das brauchst du jetzt gleich und dann brauchst du
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
135
{noch äh} einen von diesen langen Siebenerlöchern/ äh Plättchen
Beispiel 72: ES-Reparatur ohne Wortabbruch und ohne Einleitung 01I067
gut und dann nimmst du <noise> die zweiten die zweite von diesen Siebenerlöchern Dingern da <sil: 3> und setzt die hinter die, die davor ist <noise> hinter die davor ist, so(_ei)n Quatsch hinter die Leiste, <noise: klopfen> die du eben gerad(e) angebracht hast.
Dass in Beispiel 72 trotz fehlender Diskontinuitätsmarkierung und fehlender Einleitung eine Reparatur vorliegt, kann man daran erkennen, dass sich Reparaturbezug die zweiten und Reparaturversuch die zweite gegenseitig syntaktisch ausschließen. Bei Reparaturen mit Fremdeinleitung ist auch der Fall zu berücksichtigen, dass der Rezipient eine Äußerung des Produzenten unterbricht, um die sofortige Behandlung eines Problems zu erreichen. Beispiel 73: EL-Reparatur mit Unterbrechung durch den Rezipienten sowie mit Warteformel Moment mal und satzwertiger Widerspruchsmarkierung als Fremdeinleitung 02I023
02K022 02I024 02K023
<par> <subst> haben wir jetzt gut <subst> haben wir das jetzt kommt das nächste. jetzt wird(_e)s ganz kompliziert. jetzt nimmst du dir eine Fünferstange {<sil: 2>}<noise: klappern> eine <par> orang/ <par> Moment mal ich hab(e) gar keine Fünferstange mehr. (ei)ne (ei)ne (ei)ne Sieben/ (ei)ne Siebener <par> sorry. <par> ach so mhm
Trotz satzwertiger Widerspruchsmarkierung kann Beispiel 73 als satzinterne Reparatur eingestuft werden, weil der Reparaturversuch in 02I024 mit einer satzsyntaktischen Konstruktion an den zugehörigen Reparaturbezug in 02O023 anschließt und die Fremdeinleitung als Parenthese interpretierbar ist. Auf eine genauere grammatische Analyse von Beispiel 73 gehen wir später noch im Detail
136
Empirische Ergebnisse
ein. Die nächsten Beispiele illustrieren verschiedene Bearbeitungsformen des Reparaturversuchs und seiner Platzierung. Dabei wird von einer kontinuierlichen Platzierung gesprochen, wenn die Reparatursequenz unmittelbar auf den Reparaturbezug folgt, und anderenfalls von einer diskontinuierlichen Platzierung. Beispiel 74: Kontinuierlich platzierte C-Reparatur durch reine Wiederholung 04I034
<noise> genau <sil: 1> so, hm jetzt bißchen {kompliziert} {ähm} <sil: 2> also du nimmst hm du nimmst {einen} von den langen Stäben.
Beispiel 75: Kontinuierlich platzierte A-Reparatur durch Wiederholung und phraseninterner Ergänzung 04I035
{und} äh legst diesen senkrecht auf das ähm auf/ auf die Öffnung neben der Schraube ohne Kerbe, neben der gelben <noise> Schraube ohne Kerbe. <sil: 1> {senkrecht}<spk: K, mhm> also daß es wieder rechte Winkel {ergibt.}<spk: K, mhm> <par> darauf legst du
Beispiel 76: Kontinuierlich platzierte A-Reparatur durch Wiederholung, Modifikation und Ergänzung (Phrasenexpansion) 01I092
hm, okay dann nochmal zurück. du hast also jetzt diese blaue Schraube durch <noise> diese beiden Rädchen {da}<spk: K, ja> äh durchgesteckt , {ne?}<spk: K, mhm> und dann hast du diese zylinderförmigen mit äh ja <sil: 2> ja diese Zylinder, diese Plastikdinger, ne.
01K092
ja ja.
Beispiel 77: Kontinuierlich platzierte A-Reparatur durch reine Modifikation 01I026
gut und auf den Würfel kommt jetzt noch mal so(_ei)ne {Fünferplatte,}<noise: klappern> aber quer zu den beiden <noise> anderen. {also}<spk: K, mhm> im Neuzigradwinkel <par> <noise> darauf
In diesem Beispiel liegt übrigens der seltene Fall eines diskontinuierlichen Reparaturbezugs vor, was sich dadurch erklärt, dass die Reparatur von einer Gapping-Konstruktion Gebrauch macht (s.u.). Beispiel 78: Diskontinuierlich platzierte A-Reparatur nach Pause durch Wiederholung und wortinitiale Ergänzung 01I001
{Katja?} also du mußt jetzt aus {diesen} wunderschönen Bauteilen soll zum Schluß erstmal (ei)n Flugzeug dabei herauskommen so(_ei)n Propellerflugzeug.
Die Beispiele 74-78 belegen: Strukturell kann man nur bedingt von der Bearbeitungsform auf den Reparaturtyp schließen. Zwar zeigt eine reine Wiederholung i.A., dass wie bei Beispiel 74 eine C-Reparatur vorliegt; auf den Ausnahmefall von F-Reparaturen gehen wir später ein. Aber alle anderen Varianten von Bearbeitungsformen kommen schon bei A-Reparaturen vor. Deshalb muss dann die Art bzw. Funktion der Modifikation berücksichtigt werden, wenn man Reparaturen genauer typisieren will. So ist es bei EL-Reparaturen (vgl. Beispiel 70 und 73) der semantische und bei ES-Reparaturen der syntaktische Kontrast von Reparaturbezug und Reparaturversuch, der als Kriterium für die Bestimmung des Reparaturtyps verwendet wird. Eine andere Schwierigkeit für die Typisierung ergibt sich, wenn der Reparaturbezug – wie bei Beispiel 69 – nur aus einem abgebrochenen Wort besteht; in einem solchen Fall versucht man, das betreffende Wortfragment zu vervollständigen und das so erschlossee Wort als Grundlage für den Vergleich von Reparaturbezug und –versuch zu nehmen. In diesem Sinne liegt es nahe, das Wortfragment ange zum Wort angebracht zu extrapolieren und die Modifikation durch befestigt als präzisierende A-Reparatur einzustufen. Fragt man bei den Beispielen 74-78, welchen Zusammenhang es zwischen Reparaturbezug, Platzierung, Bearbeitungsform und verwendeter grammatischer Konstruktion gibt, dann belegt zunächst Beispiel 78, dass diskontinuierlich platzierte satzinterne Reparaturen stets von Nachfeldkonstruktionen Gebrauch machen; genauer handelt es sich bei Beispiel 78 um eine Nachtragskonstruktion. Im Fall kontinuierlich platzierter Reparaturen sollte man zunächst testen, ob es eine vergleichbare diskontinuierlich platzierte Reparaturvariante gibt, um sich die Ermittlung der verwendeten Konstruktion zu erleichtern. So kann man Beispiel 77 durch Wortstellungsänderung umformulieren zu und auf dem Würfel kommt
138
Empirische Ergebnisse
jetzt quer zu den beiden anderen nochmal so eine Fünferplatte also im Neunziggradwinkel darauf und diese diskontinuierliche Realisierung zeigt, dass die zweiteilige Satzgliedsequenz genauso wie bei einer Koordinationsellipse (Gapping-Konstruktion) an den Äußerungsanfang bzw. an die dortigen korrespondierenden Satzglieder anknüpft. In ähnlicher Weise kann man nachweisen, dass sich die Reparatur in Beispiel 75 auf die Anwendung einer Nachtrags- bzw. Appositionskonstruktion zurückführen lässt (vgl. und du sollst diesen senkrecht auf die Öffnung neben der Schraube ohne Kerbe legen neben der gelben Schraube ohne Kerbe). Eine diskontinuierliche Realisierung der Reparatur in Beispiel 76 ist schon deshalb nicht möglich, weil die Formulierung der Nominalphrase diese zylinderförmiger mit abgebrochen wurde; m.a.W. wenn der Reparaturbezug eine syntaktisch unvollständige Konstituente bildet, dann liegt in jedem Fall eine Überbrückungskonstruktion vor: Analog zu einer Linksausklammerungsellipse wird zunächst der erste Teil des Äußerungsbeginns (bei Beispiel 76 und dann hast du) sowohl mit dem Reparaturbezug als auch mit dem Reparaturversuch verknüpft und danach kann der Reparaturbezug zusammen mit der Einleitung als eine (irrelevante) Parenthese reanalysiert werden. In ähnlicher Weise zeigt sich, dass die Reparatur in Beispiel 74 eine Überbrückungskonstruktion darstellt (vgl. die Inakzeptabilität einer diskontinuierlichen Umstellung von und du befestigst in also du nimmst und du befestigst einen von den langen Stäben, die zu also du nimmst einen von den langen Stäben und du befestigst führt). Das an den Beispielen 74-78 exemplifizierte Verfahren der Konstruktionsbestimmung lässt sich mehr oder weniger problemlos auch auf die Beispiele 6973 anwenden. Bei Beispiel 70 ist allerdings nach dem grammatischen Status der Zurückweisung nee für die Verknüpfung von Reparaturbezug und –versuch zu fragen: Da man diese Verknüpfung durch nicht eine Fügelschraube sondern zwei Flügenschrauben paraphrasieren kann, scheint eine Phrasenkoordination vorzuliegen. In gleicher Weise ist – trotz Fehlens eines Zurückweisungssignals – auch die Verknüpfung zwischen Reparaturbezug und –versuch in Beispiel 73 zu analysieren. Als Besonderheit kommt dort aber – wie oben schon erwähnt – hinzu, dass die Reparatureinleitung einen eigenständigen Satz bildet, den man allerdings als eine in die Äußerung der Instrukteurin eingebettete Parenthese analysieren kann und der zugleich als Zurückweisung einer Existenzpräsupposition im Reparaturbezug an den Äußerungsanfang anschließt. Beispiel 73 illustriert noch zwei weitere wichtige Eigenschaften von Reparaturen. Erstens kann ein Reparaturversuch intern selbst wieder aus Reparaturbezug und –versuch bestehen und zweitens sind auch mehrfache Reparaturversuche möglich. So ist in Beispiel 73 der übergeordnete Reparaturversuch (ei)ne (ei)ne (ei)ne Sieben/ (ei)ne Siebener entweder in den Reparaturbezug (ei)ne (ei)ne (ei)ne Sieben/ und den Reparaturversuch (ei)ne Siebener zu unterteilen, was
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
139
aufgrund der Trennung durch eine Pause naheliegt; sodann enthält dieser Reparaturbezug selbst noch zwei Reparaturen jeweils mit dem Reparaturbezug (ei)ne und zwei Reparaturversuchen (ei)ne und (ei)ne Sieben. Oder aber der übergeordnete Reparaturversuch zerfällt – aufgrund einer möglichen Präferenz für syntaktisch flache Strukturen – in eine lineare Sequenz von drei Reparaturbezügen und –versuchen, wobei die ersten beiden Reparaturversuche wieder jeweils als Reparaturbezug des folgenden Reparaturversuchs aufzufassen sind. Reparaturen mit mehrfachen Reparaturversuchen sind aber nur selten so komplex angelegt wie in Beispiel 73 und enthalten oft nur zwei aufeinanderfolgende Versuche wie Beispiel 79. Beispiel 79: A-Reparatur mit zwei Reparaturversuchen und Reparaturabschluss durch Ratifikation des Rezipienten 07I016 07K016 07I017
07K017
<noise> dann nimmst du eine runde, gelbe Schraube. ja. steckst die durch das nächste Loch von den, also dieses überschneidende Loch, das erste da <noise: klappern> hinter dem roten Würfel. hinter dem ja.
Was schließlich das Vorkommen und die Realisierung eines Reparaturabschlusses anbetrifft, so machen die bisherigen Beispiele schon deutlich, dass dieser Teil der Reparatursequenz in selbsteingeleiteten und -durchgeführten Reparaturen nur selten vorkommt (vgl. aber Beispiel 76 und 79) bzw. von den Dialogpartnern nicht für erforderlich gehalten wird. Bei Reparaturen mit Fremdbeteiligung ist die Sachlage natürlich anders. So enthält Beispiel 73 einen eigenen Reparaturabschluss mit der Entschuldigung sorry des Produzenten und der Verstehensbestätigung ach so des Rezipienten. Eine besonders explizite, mehrfache Ratifikation liegt vor in folgendem Beispiel. Beispiel 80: Fremdeingeleitete und -durchgeführte EL-Reparatur mit Entschuldigung des Produzenten und wechselseitiger Reparaturratifikation durch mehrfache Wiederholungen der korrigierten Konstituente 12I093 12K087 12I094
dann eine Mutter mit orangener Kuppe, rund und Rille. nee, eine Schraube. also eine Schraube, Entschuldigung, ja eine Schraube, natürlich eine Schraube.
140 12K088
Empirische Ergebnisse eine Schraube rund mit Rille.
Nach den vorbereitenden Überlegungen zu Struktur und Stellenwert von Reparaturen soll im Folgenden systematischer auf Aufgaben und Strategien der Problembehandlung eingegangen werden.
3.5.1 Strategien der Problemidentifizierung und –manifestation Voraussetzung für die Lösung eines Verständigungsproblems ist neben der Einschätzung, dass ein solches vorliegt, zunächst einmal die genauere Identifizierung des Problems. Nach den Ausführungen in 2.3.3 sind zwei Fälle zu unterscheiden, wie ein Kommunikationsteilnehmer zu einer solchen Einschätzung gelangt: Entweder entspricht eine vorliegende Äußerung oder ihre Interpretation selbst nicht seinen Erwartungen – dieser Fall liegt bei allen Reparaturbeispielen 69-80 vor – oder er schließt deshalb auf die Existenz eines Verständigungsproblems zurück, weil er ein Nachfolgeproblem bemerkt, d.h. dass eine auf die betreffende Äußerung folgende Äußerung oder Handlung nicht seinen Erwartungen entspricht. Beispiel 81: Problemidentifikation und –manifestationen des Rezipienten aufgrund eines Nachfolgeproblems sowie Entscheidungsrückfragen 06I054
06K055 06I055 06K056 06I056 06K057 [...] 06I067
06K068 06I068 06K069
ja {so.}<spk: K, ja> dann nimmst du dir eins von den ganz langen mit sieben Löchern. ja. und legst ihn auf das zweite Loch von rechts der Fünferplatte. {ja.} <sil: 1> nach oben nach unten im rechten Winkel zu dieser. nach oben oder nach unten? <noise> gut dann nimmst du dir den zweiten mit den sieben Löchern. {ja}<noise: rascheln> <noise> legst ihn {parallel} auf das erste Loch davor. auf das Loch wo wo der Fünfer schon aufgehört hat, ne?
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen 06I069 06K070 06I070 06K071 06I071
06K072 06I072
[...] 06K139 06I139
06K140
06I140 06K141
06I141 06K142
06I142
141
genau. mhm. {ja}<noise: rascheln> <noise> auch wieder genau daneben <noise> ja parallel zu {dem anderen}<spk: K, ja genau> Siebener. dann nimmst du dir die orange Schraube mit dem Schlitz. ja. und nimmst {den} grünen Würfel <noise> und schraubst das genauso fest. der grüne Würfel muß auf der Seite sein wo auch die orange Raute ist. <noise> ich glaub(e) ich muß muß mal eben kurz. <noise> <sil: 1> das kann {du mußt}<spk: K, na, ja> aufpassen, daß <par> <noise> der Würfel an der richtigen Stelle. <par> ja ich hab(e) nee, warte ich ich muß da glaube {ich noch} mal kurz was verändern <par> hier dran. <par> mußt du <noise> den roten noch mal abschrauben. <noise> nein. <sil: 2> diese diese Sieberner, ja? die {waren} nicht beide auf einer Seite. die gucken nicht beide auf eine Seite oder doch? die beiden {Siebenerstangen.}<spk: I, ja> gucken nicht auf eine Seite oder doch? <sil: 3> wenn du das Teil mal so vor dich legst, {gekreuzte Teil}<noise: klappern> vorne ist sind dann die Siebenerstangen also sind beide links oder beide rechts? nee, die sind in der Mitte festgeschraubt. ich weiß daß die in der Mitte {festgeschraubt}<noise: klopfen> sind, aber zeigen dann beide Enden in die gleiche Richtung? <sil: 1> oder {zeigen}<spk: I, j/> sie in {unterschiedliche}<noise: klappern> <par> Richtungen? <par> nein, die zeigen in nach links und rechts.
142 06K143
Empirische Ergebnisse <noise> wenn du parallel dazu sagst oh das geht gleich kaputt
Zur Analyse von Beispiel 81 ist Folgendes anzumerken: Bei der Montage der ersten 7er-Leiste hat der Instrukteur nicht gesagt, dass diese mit ihrem mittleren Loch auf der 5er-Leiste angebracht werden soll (vgl. 06I055 und 06I056). Die Konstrukteurin befestigt die 7er-Leiste an ihrem Endloch auf der 5er-Leiste und im rechten Winkel zur Achse. Als sie im späteren Verlauf der Montage die zweite 7er-Leiste parallel zur ersten anbringen soll, befestigt sie auch diese Leiste an ihrem Endloch auf der 5er-Leiste. Etwas später erkennt sie jedoch, dass das Bauergebnis ein Flugzeug werden soll und vermutet, dass die beiden 7er-Leisten die Flügel darstellen sollen und erfragt die Positionierung der 7er-Leisten noch einmal (vgl. 06K139 ff). Aber auch nach Auflösung dieses Verständigungsproblems bleibt ein latentes Verständigungsproblem bestehen, da die Konstrukteurin die Formulierung die sind in der Mitte festgeschraubt offensichtich auf die 5erLeiste bezieht und die 7er-Leisten weiterhin an ihren Endlöchern an der Achse befestigt. Allerdings zeigt nun – im Einklang mit ihrer Interpretation der Äußerung 06I142 des Instrukteurs – eine 7er -Leiste auf die rechte Seite und eine auf die linke Seite der Achse. Die Konstrukteurin sieht deshalb den Grund für das hier aufgetretene und nun scheinbar gelöste Verständigungsproblem in einer vorherigen unangemessenen Verwendung des Begriffs parallel durch den Instrukteur. Je nachdem, welcher der beiden oben genannten Fälle vorliegt, kann die Problemidentifizierung unterschiedlich schwierig sein. Besonders einfach ist die Situation, wenn ein Teilnehmer an der betreffenden Äußerung selbst ein Problem bemerkt und auch weiß, wie er das Problem lösen bzw. die vorliegende Erwartungsverletzung beheben kann. Dann hat er für sich das Problem durch die Kenntnis der unerfüllten Erwartung identifiziert und allenfalls sollte er seinem Kommunikationspartner mit einer Problemmanifestation die Existenz des Problems signalisieren. Mit anderen Worten, das Problem muss dann für den Kommunikationspartner nicht explizit identifizierbar gemacht werden, weil er sich nicht an der Lösung des Problems zu beteiligen braucht und nur wissen muss, dass in die Kommunikation eine Problemlösung eingeschoben wird. Gegebenenfalls kann er aber an der anschließenden Problemlösung erkennen, um welches Problem es sich gehandelt hat. Diese besonders einfache Konstellation ist insbesondere bei Formulierungsproblemen des Produzenten gegeben, die er ohne Hilfe und ohne Problemmanifestation des Rezipienten zu lösen vermag. Entsprechende selbst durchgeführte Reparaturen sollen im Folgenden kurz Selbstreparaturen genannt werden.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
143
Beispiel 82: EL-Selbstreparatur mit Wortabbruch ohne spezifische Problemmanifestation 02I005
der erste Schritt du hast ja so lange Holzstangen so mit den Löchern drin, {ne?}<spk: K, mhm> davon nimmst du dir jetzt eine Fün/ zwei Fünfer und eine Dreier.
Formulierungsprobleme sind besonders gravierend, wenn sie zu sachlich falschen Aussagen führen. In Beispiel 82 bemerkt die Instrukteurin ihre inkorrekte Formulierung schnell und bricht ihre Äußerung schon ab, bevor sie von der Konstrukteurin in unerwünschter Weise interpretiert werden kann. Damit entfällt einerseits für die Instrukteurin die Notwendigleit, eine spezifische Problemmanifestation zu formulieren; andererseits lässt sich auch der Wortabbruch schon als unspezifische Problemmanifestation deuten. Im nächsten Beispiel liegt eine andere Konstellation vor: Die Instrukteurin von Dialog 5 zählt gerade auf, welche Bauteile sich der Konstrukteur für einen ersten Arbeitsschritt zurechtlegen soll und hat in diesem Zusammenhang fälschlicherweise schon die Nominalphrase eine Flügelschraube geäußert. Deshalb ist es zweckmäßig, dass sie diese Phrase mit einer für Sachformulierungsprobleme spezifischen Manifestation zurückweist. Beispiel 83: EL-Selbstreparatur mit korrekturspezifischer Problemmanifestation nee 05I005
ja ist egal. und welche <noise> Flügelschraube nee, zwei Flügelschrauben.
In Einzelfällen gelingt es auch dem Rezipienten, ein Formulierungsproblem soweit zu identifizieren, dass er es ohne Mitwirkung des Produzenten reparieren kann. Entsprechende Reparaturen heißen Fremdreparaturen. Beispiel 84: A-Fremdreparatur ohne Problemmanifestation 10I004
10K004 10I005
<par> als erstes mal <sil: 1> nimmst du äh <sil: 2> da ein, einen Holzklotz, (ei)n Holzstäbchen mit fünf <sil: 1> <noise> Löchern drin <sil: 2> ja ja. und dann so (ei)n vier eckiges äh Bauteil (ei)n rotes Bauteil <noise> <sil: 1> mit mehreren
144
10K005 10I006
Empirische Ergebnisse Löchern halt drinne <par> und eine rote Schraube <par> diese und eine rote Schraube? so, das mittlere Loch dieser fünf__löchrigen äh Stäbchens legst du dann auf dieses vier eckige rote.
Rezipienten sind natürlich insbesondere dann in der Lage, ein Formulierungsproblem zu identifizieren und eigenständig zu reparieren, wenn es sich – wie in Beispiel 84 – um ein Sprachproblem handelt. Allerdings benötigt der Konstrukteur in diesem Beispiel auch Situationswissen, um zunächst den ersten Teil der Nominalphrase in 10I005 eindeutig referentiell interpretieren und auf dieser Grundlage seinen Formulierungsvorschlag diese Würfel machen zu können. Analoges gilt für das nachfolgende Beispiel 85, in dem der Konstrukteur aufgrund seiner Situationswahrnehmung erkennt, dass der Instrukteur fälschlicherweise den Begriff Mutter statt Schraube verwendet hat. Man darf unterstellen, dass dies ursächlich ein Sprach-, nämlich ein Begriffsverwechslungsproblem darstellt. Im Unterschied zu Beispiel 84, in dem der Konstrukteur auf die Formulierung einer Problemtypisierung durch eine eingeleitete Manifestation verzichtet, weist der Konstrukteur in Beispiel 85 die Bezeichnung Mutter und/oder die resultierende Referenzherstellung explizit mit der Problemmanifestation nee zurück; angesichts der Tatsache, dass die Verwechslung von Mutter und Schraube ein gängiger Fehler ist, hätte er aber auch eine 'mildere' Manifestationsform wie du meinst wählen können. Beispiel 85: EL- Fremdreparatur mit zurückweisungsspezifischer Problemmanifestation nee 12I093 12K087 12I094 12K088
dann eine Mutter mit orangener Kuppe, rund und Rille. nee, eine Schraube. also eine Schraube, Entschuldigung, ja eine Schraube, natürlich eine Schraube. eine Schraube rund mit Rille.
Umgekehrt ist es für Produzenten i.A. unmöglich, Verstehensprobleme von Rezipienten unmittelbar zu identifizieren, geschweige denn zu typisieren und eigenständig zu lösen. Dazu sind nur die Rezipienten selbst in der Lage. Allerdings können Produzenten selbst nach einer unspezifischen Problemmanifestation ihres Rezipienten versuchen, dessen Verstehensproblem bzw. das möglicherweise zugrunde liegende Formulierungsproblem dadurch zu lösen, dass sie probe-
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
145
weise ihre letzte Äußerung teilweise oder ganz wiederholen, modifizieren oder ergänzen. Beispiel 86: A-Reparatur nach unspezifischer Problemmanifestation des Nichtverstehens hä 02I036
02K035 02I037
02K036
<noise> also das eine von die letz/ das letzte Loch von der Dreierstange steht dann auch nach {vorne}<spk: K, mhm> <sil: 3> hm ist doch (ei)n Klacks für dich. <sil: 1> hä? ist doch (ei)n Klacks für dich das nochmal kurz loszuschrauben. ich mein(e), dann weißt du doch schon mal dann aussehen soll. <noise> <sil: 1> <sil: 6> ja fertig
Aufgrund der offensichtlich erfolgreichen A-Reparatur in Beispiel 86 stellt sich heraus, dass die Instrukteurin mitverantwortlich für das Verstehensproblem der Konstrukteurin war, weil in dem problematischen Äußerungsteil von 02I036 ein eindeutig interpretierbares Subjekt fehlt. Eine noch komplexere Konstellation als in Beispiel 86 liegt vor, wenn ein Verstehensproblem des Konstrukteurs aus einem früheren Sachverhaltsformulierungsproblem des Instrukteurs resultiert, dieses aber von keinem der Beteiligten als solches erkannt wurde und deshalb auch nicht unmittelbar nach der problematischen Formulierung repariert werden konnte. Die Existenz eines solchen Problems wird dann evtl. erst dadurch deutlich, dass dem Konstrukteur die Montage eines in Rede stehenden Bauteils nicht wie vorgesehen gelingt und er entsprechende Problemmanifestationen formuliert. In einem solchen Fall lohnt sich i.A. keine genaue Ursachenanalyse und Verantwortlichkeitszuschreibung. Vielmehr wiederholt und präzisiert der Instrukteur dann seine zugehörigen Anweisungen und ggf. übernimmt der Konstrukteur insofern die Verantwortlichkeit für das entstandene Problem, als er einräumt, etwas falsch gemacht zu haben. In diesem Sinne hatte die Instrukteurin im folgenden Beispiel eine inkorrekte Anweisung für die Montage der Flugzeugräder gegeben bzw. einen entsprechenden Montagevorschlag der Konstrukteurin (01K084) zu Unrecht ratifiziert.
146
Empirische Ergebnisse
Beispiel 87: Problemmanifestationen durch Rückfragen und Widerspruchsmarkierungen des Rezipienten, Formulierungswiederholung des Produzenten sowie gemeinsame Sachverhaltskorrektur 01I082
01K082 01I083
01K083 01I084 01K084
01I085 01K085 01I086
01K086 01I087 01K087
01I088 01K088 01I089 01K089
01I090
und {zwar} ja du hast ja jetzt diese beiden Rädchen da mit dem Loch in der Mitte zum guten Schluß noch und hast <noise: rascheln> zwei lange blaue Schrauben. die steckst du da erstmal durch. {mhm}<noise: klappern> <noise: klappern> jeweils <sil: 1> <noise> und dann hast du da so äh weiße Plastik/ {äh}<spk: K, ja> komische runde {zylinderförmigen}<spk: K, mhm> Dinger mit Löchern irgendwie und die ja. hinten rüberstecken. einfach hinten rüberstecken dann kommt das lilafarbene runde Teil ebenfalls darüber äh ich stecke die so daß die ähm dieses breitere Ende zum Rad hinzeigt, ne? die sind oben so(_ei)n bißchen verbreitert. ja, ja {genau.}<spk: K, mhm> <noise: klappern> das lilane da da drüber? das lilane da drüber <noise> und dann schraubst du das mit den beiden Schrauben an dem an der gr/ ja an dem unteren <sil: 2> äh sollte das lilane <par> darüber passen? <par> Quadrat fest <sil: 3> <noise: klappern> ja also bei mir paßte das. <sil: 2> hm. ja das paßt jetzt hier so, daß die Schraube {äh} eigentlich nicht mehr schraubbar ist, weil {das ist} wieso ist die Schraube nicht mehr schraubbar? <noise> ja das ist äh so lang, daß das das Gewinde vollkommen verschwindet. <sil: 3> echt? ja. {also}<spk: I, was> diese lilanen Teile passen nicht über diese weißen drüber. sind die bei dir so <par> dadrüber? <par> die passen nicht drüber, nee nee. die sind da einfach dran.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen 01K090
01I091
01K091 01I092
01K092 01I093
01K093 01I094
01K094
147
{<sil: 1> mhm}<noise: rascheln> und wie schraubt man das dann noch? mal so {dumm gefragt?}<noise: rascheln> hier lacht sich einer tot. <sil: 2> paßt es nicht? nein hm, okay dann nochmal zurück. du hast also jetzt diese blaue Schraube durch <noise> diese beiden Rädchen {da}<spk: K, ja> äh durchgesteckt , {ne?}<spk: K, mhm> und dann hast du diese zylinderförmigen mit äh ja <sil: 2> ja diese Zylinder, diese Plastikdinger, ne. ja ja. ja und die steckst du jetzt so darauf, daß {ähm} <par> also auf die Schraube. <par> ah ich hab(e) die eine falsch rum glaube ich <par> raufgesteckt. <par> ja ich nehm(e)(_e)s auch an. <par> daß der dicke Teil nach innen zeigt und nicht hin zu der blauen Schraube. <par> ja hatt(e) ich alles klar ja, ja
Schließlich lassen sich Übertragungsprobleme sowohl von Produzenten als auch von Rezipienten identifizieren, aber nur von Produzenten, z.B. durch Äußerungswiederholung nach Ende eines Störgeräusches, beheben. Wenn der Teilnehmer, der bei einer Äußerung a ein Problem erkannt hat, es nicht selber lösen kann, dann muss er es – wie schon in den Beispielen 81, 86 und 87 ersichtlich – für seinen Partner mit einer Problemmanifestation identifizierbar machen. Eine bloße Manifestation der Problemexistenz reicht allerdings möglicherweise nicht für eine genaue Problemidentifikation aus. Dann kann eine explizite Benennung oder signalisierende Anzeige der bei a verletzten Erwartung zweckmäßig sein. Je nach Problemtyp gibt es hierfür spezifische sprachliche Realisierungen. So wurde im letzten Beispiel die Kategorie des „nicht passen“ verwendet, um das Vorliegen einer sachlichen Inkorrektheit bzw. eines Widerspruchs anzuzeigen. Eine andere, übliche sprachliche Formulierung erkennt man in folgendem Beispiel.
148
Empirische Ergebnisse
Beispiel 88: Problemmanifestation des Rezipienten durch Widerspruchsmarkierung 11I020
11K021 11I021 11K022
11I022
und äh dieses Plättchen machst du dann wiederum mit so einer roten Schraube, mit so einer sechseitigen *befestust, befestigst du die. an dem grünen? an dem blauen erstmal. an dem blauen? ne, das klappt bei mir schon nicht so. ich glaube, da müssen wir nochmal von vorne anfangen. also ich habe jetzt den Propeller. ja.
Analog dazu, dass die vom Konstrukteur beim Verstehensversuch identifizierten Sachprobleme oft nur mit Hilfe des Instrukteurs gelöst werden können und deshalb als solche genauer gekennzeichnet werden müssen, gibt es auch bestimmte Formulierungsproblemen des Instrukteurs, bei denen er auf die Unterstützung des Konstrukteurs angewiesen ist. Die schwächste Form der Mithilfe eines Rezipienten bei Formulierungsproblemen des Produzenten besteht darin, dass er Geduld aufbringt und den Produzenten nicht unterbricht, bis dieser seine Äußerungsproduktion erfolgreich zu Ende gebracht hat. Als entsprechende indirekte Aufforderung an den Rezipienten lässt sich bereits ein reparatureinleitendes Hesitationssignal wie in Beispiel 69 und 76 interpretieren. Dazu passt auch, dass in Einleitungen von Seltstreparaturen manchmal wie in Beispiel 76 das Ratifikationssignal ja zu finden ist. Es signalisiert dann: Für ein latentes Formulierungsproblem wurde eine akzeptable Lösung gefunden, und damit auch eine Lösung für das zugehörige manifeste Vollständigkeitsproblem, nämlich die temporäre Schwierigkeit, eine begonnene Äußerung ohne Verzögerung fortzusetzen. Will man die Aufforderung an den Gesprächspartner, zeitlichen Aufschub zu gewähren, noch deutlicher als durch ein Hesitationssignal formulieren, dann benutzt man eine Warteformel wie halt oder Moment mal. Dies gilt natürlich auch für den Fall, dass ein Rezipient noch mehr Zeit für seinen Verstehensprozess braucht oder wie in Beispiel 73 verhindern will, dass der Produzent weiterspricht, bevor eine noch erforderliche Korrektheitsüberprüfung seiner vorausgehenden Äußerung abgeschlossen ist. Kommt der Produzent allerdings zu der Überzeugung, dass auch die Gewährung eines zeitlichen Aufschubs oder seine eigenen bisherigen Formulierungsbemühungen nicht zu einer erwartungsgemäßen Äußerungsfortsetzung führen, dann wird er von einer Problemmanifestation Gebrauch machen, mit der
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
149
der Rezipient mehr oder weniger direkt dazu aufgefordert wird, Formulierungshilfe zu leisten. Beispiel 89: Erfolglose Behandlung eines Vollständigkeitsproblems bei Wortsuche nach Problemmanifestationen des Produzenten durch Benennungsrückfrage und Mißerfolgsmarkierung 01I034
01K033 01I035
01K034 01I036
{und} nimmst dir noch eine von diesen Dreierstangen mit den <noise> drei Löchern <noise> also diese {ja}<noise: klappern> <noise> scheibenförmigen Viecher und setzt jetzt das vordere Ende, also das Teil was du eben gerade bebaut hast, das vordere Teil wo jetzt noch nichts drauf gebaut ist weil hinten das ist das <noise> sieht man ja schon, ne? sozusagen die Tragflügel, ich mein(e) das hintere Teil wie nennt man denn das ? ja {ja}<spk: I, ach> {okay} <noise> mir fällt das jetzt nicht ein. okay {und} jetzt setzt du also den Dreier mit dem was du zuvor so zusammen und den Dreier unten drunter.
Wie schon bei Beispiel 81 und 87 siehr man an diesem Beispiel, dass die Fragetechnik eine besonders effiziente Strategie der Problemmanifestation bildet. Fragen können nämlich die für den Partner erforderliche Problemidentifikation als Präsupposition enthalten und ihn zugleich dazu auffordern, das Problem zu lösen, also die spezielle Erwartungsverletzung zu beseitigen. Im Unterschied zu Beispiel 89 hat der Instrukteur im folgenden Beispiel bei der Konstrukteurin mit seiner indirekten Frage Erfolg. Beispiel 90: Fremddurchgeführte C-Reparatur für Wortsuche nach selbsteingeleiteter indirekter Frage 14I035
<noise> nee, das Dreierteil, wieder eins. <sil: 2> und da drunter kommt dann wieder so
150
14K034 14I036 14K035 14I037 14K036
Empirische Ergebnisse ein oranges <sil: 1> weiß gar nicht, wie man das nennt. <noise: klappern> {Raute.}<noise: rascheln> {hm?}<noise: rascheln> {Raute.}<noise: rascheln> {die orange}<spk: K, oder so was> Raute {die letzte.} {okay.}
In ganz anderer Weise ist der Produzent bei der Lösung sachbezogener Vollständigkeitsprobleme auf die Mithilfe des Rezipienten angewiesen. Während Korrektheits- und Effizienzprobleme bei der Äußerungsformulierung nämlich relativ oft von Produzenten selbst erkannt werden, fällt es ihnen vergleichsweise schwer, sich bei der Beurteilung der Frage, ob die von ihnen gegebenen Informationen ausreichen, in die Perspektive ihrer Partner hineinzuversetzen. Insofern sind es häufig die Rezipienten, die mit einer entsprechenden Rückfrage initiativ werden. In Beispiel 91 besteht das Problem darin, dass dem Konstrukteur noch wichtige Informationen für die Montage des roten Würfels fehlen. Mit seiner Rückfrage signalisiert er zum einen, dass ein Problem vorliegt. Zum anderen macht er deutlich, welche Informationen ihm die Instrukteurin geben soll. So kann das Problem mit einer entsprechenden, allerdings sehr umständlichen Antwort der Instrukteurin gelöst werden. Beispiel 91: I-Reparatur nach problemidentifizierender Rückfrage 05I094
05K094 05I095
05K095 05I096
05K096
<par> ja aber jetzt kannst du nämlich *däh <noise> den Würfel nehmen und die rote Schraube und jetzt paßt das weil und wo mach(e) ich den hin? <par> den Würfel? <par> äh du nimmst die rote Schraube machst die <noise> jetzt auf den {der} der ist der einzige Loch was übersteht. also das <noise> letzte Loch mhm. auf der einen Schiene nur. ja. <noise> {und zwar}<spk: K, mhm> von oben die rote Schraube von unten den Würfel. <noise> <sil: 2> ja
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
151
Beispiel 91 gibt überdies Anlass, auf die mögliche grammatische Komplexität von Reparaturrealisierungen und damit auf ihre eventuelle Ineffizienz hinzuweisen. Schon die unpräzise Formulierung von 05I094 macht es dem Konstrukteur unmöglich, seine Rückfrage zur Positionierung des Würfels satzintern anzuknüpfen, und deshalb formuliert er sie – textgrammatisch kohärent im Sinne einer Thema-Rhema-Progression angeschlossen – als einen eigenständigen Satz. Die Möglichkeit, eine satzintern auf die Rückfrage anschließende Antwort zu geben (z.B. durch auf das einzelne, nicht überlappende Loch), nutzt die Instrukteurin allerdings nicht, sondern sie schließt zunächst nach einer B-Reparatur in einem neuen Satz mit einer Information über die Montage der roten Schraube an ihre eigene Äußerung an, wobei die Nennung des Montageorts jedoch syntaktisch komplex (möglicherweise als Parenthesekonstruktion gemeint) in diesen Satz eingeschoben wird. Die nachfolgenden Expansion, also die verstehensabsichernde Äußerung 05K095 und die und-zwar-Gapping-Konstruktion 05I096 der Instrukteurin zwecks Information über die lokale Anordnung von Schraube und Würfel, knüpfen dann in üblicher Weise satzintern an 05I095 an. Eine genauere Auswertung der Funktionen von Rückfragen im Flugzeugkorpus wird in Abschnitt 3.6 vorgestellt. Abschließend wollen wir noch ein Beispiel angeben, bei dem die Konstrukteurin die Initiative ergreift, um ein latent gebliebenes Sachproblem zu identifizieren und damit lösbar zu machen. Dieser Initiative liegt die schon in 3.4.7 diskutierte Strategie des Situationsabgleichs zugrunde. In dem betreffenden, schon in 1.3.2 diskutierten Beispiel tritt ein Bauproblem auf. Die Konstrukteurin kann nach eigenen Angaben die Dreilochleiste nicht auf dem blauen Würfel befestigen. Zur Problemidentifizierung beschreibt die Konstrukteurin ihre bisherigen Bauhandlungen, bis die Instrukteurin sie auf ein Verständigungsproblem hinweist (11I027). Nach abschließender Bestätigung der Beseitigung des Verständigungsproblems von beiden Teilnehmern (11K028, 11I028) kann die Instrukteurin dann mit ihrer Instruktion fortfahren. Beispiel 92: Problemidentifizierender Situationsabgleich 11K020 11I020
11K021 11I021 11K022
und dann? und äh dieses Plättchen machst du dann wiederum mit so einer roten Schraube, mit so einer sechseitigen *befestust, befestigst du die. an dem grünen? an dem blauen erstmal. an dem blauen? ne, das klappt bei mir schon nicht so. ich glaube, da müssen wir nochmal
152
11I022 11K023 11I023 11K024
11I024 11K025 11I025 11K026 11I026 11K027 11I027
11K028 11I028
Empirische Ergebnisse von vorne anfangen. also ich habe jetzt den Propeller. ja. da habe ich die gelbe Schraube in dieser blauen, in diesem blauen Dingen drin. ja. und da diese <noise: klappern> diese zwei Schienen als {Propeller}<spk: I, ja> {dazwischen}<spk: I, ja> und nun? nun habe ich das ganzen Dingen <par> auf <par> und auf der anderen Seite von <par> dem blauen <par> auf der gelben Schraube liegen vor mir. mhm, <par> ja <par> ja und nun? und drauf dann den grünen. ja, aber das hält doch nicht <noise: klappern> das lege ich doch jetzt <par> einfach <par> ja, ja, klar, du mußt äh <sil: 1> du mußt das erst ein bißchen festhalten, ist gar nicht so <par> einfach wie man denkt <par> ja, ist gut <par> okay, al/ und jetzt
Mit der gemeinsamen Identifizierung und Lösung des primären Verständigungsproblems wird dann sekundär auch das Nachfolgeproblem behoben. Die Konstrukteurin erhält nämlich die ihr noch fehlenden Informationen.
3.5.2 Strategien zur Lösung von Formulierungsproblemen Nach der Diskussion von Problemidentifikations- und Problemmanifestationsstrategien geht es jetzt um eine systematische Behandlung der Bearbeitungsstrategien, wobei zu berücksichtigen ist, dass bestimmte Manifestationsstrategien wie z.B. spezifische Rückfragen auch schon einen Beitrag zu Problemlösung leisten. Die im prozessualen Ablauf von Kommunikation erste Konstellation, die zu Verständigungsproblemen führen kann, bezieht sich auf die Möglichkeit, dass mit bestimmten Formulierungen des Produzenten Probleme verbunden sind. Wir haben in Kapitel 2 eine komplexe Problemtypologie eingeführt und die Lösung von Verständigungsproblemen würde sehr schwierig sein, wenn es für jeden Problemtyp eigene Lösungsstrategien gäbe. Tatsächlich hängt die Auswahl einer
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
153
geeigneten Strategie maßgeblich davon ab, welchem der drei Erwartungstypen das vorliegende Problem zuzuordnen ist. Dementsprechend lassen sich die verschiedenen Lösungsstrategien nach den drei Erwartungstypen untergliedern und wir werden zunächst die zugehörigen Strategien der Lösung von Formulierungsproblemen behandeln. Dabei sind hauptsächlich Strukturen, Funktionen und sprachliche Realisierungen der verschiedenen Reparaturtypen zu besprechen. a) Die Lösung von Vollständigkeitsproblemen bei der Formulierung Eine erste Art von Vollständigkeitsproblemen besteht darin, dass der Produzent eine Äußerung bzw. eine begonnene Konstituente temporär nicht syntaktisch vervollständigen kann, weil z.B. seine Äußerung von außen gestört wird (etwa durch einen Redebeitrag eines Gesprächspartners), weil ihm das passende Wort nicht einfällt oder weil er nicht imstande ist, die begonnene Konstruktion korrekt fortzusetzen. In einer solchen Situation gibt es – wie in Abschnitt 3.5.1 angesprochen – verschiedene Verhaltensmöglichkeiten. Der Produzent kann die Äußerungsfortsetzung durch Warten auf das Ende der Störung bzw. durch eine längere Pause, durch ein Hesitationssignal wie äh, bei schwierigen Vervollständigungen durch eine Warteformel wie Moment mal und/oder durch eine partielle Wiederholung des bisher Geäußerten verzögern und darauf bauen, dass ihm die Äußerungsfortsetzung anschließend gelingt. Im positiven Fall entsteht auf diese Weise eine C-Reparatur (completion) wie in den folgenden Beispielen 93-95 (vgl. aber auch Beispiel 74). Beispiel 93: C-Reparatur mit Wortvervollständigung nach Wortabbruch und Hesitationssignal sowie Selbstratifikation der Formulierungsplanung 01I002
01K002
und jetzt würd(e) ich sagen als erstes nimmst du mal diese {weißen}<noise: klopfen> Kunststoff/ äh ja Räder könnte man dazu sagen mhm.
Bei Beispiel 93 fällt zunächst auf, dass die Instrukteurin ihren an den Anknüpfungspunkt Kunststoff anschließenden Reparaturversuch als nur eingeschränkt positiv evaluiert. Strukturell kann diese Evaluation einem Reparaturabschluss zugerechnet und funktional als graduelle Ratifikation eingestuft werden, die von der Konstrukteurin auch bestätigt wird. Tatsächlich ist die im Reparaturversuch gewählte Bezeichnung Räder im strikten Sinne inkorrekt, weil es sich bei den betreffenden Bauteilen um Reifen handelt. Bei toleranter Interpretation kann man diese Bezeichnung aber akzeptieren weil die zusätzliche Farbinformation weißen eine eindeutige referentielle Bedeutung für Räder ermöglicht. Insgesamt gesehen zeigt sich also: Formulierungen können auch dadurch akzeptabel gemacht wer-
154
Empirische Ergebnisse
den, dass sie als flexibel zu interpretierend bzw. als eingeschränkt adäquat markiert werden. Diese Strategie wird ebenfalls im folgenden Beispiel 94 angewendet. Semantisch geeignete Formulierungen können fallweise auch dadurch aufgefunden werden sein, dass der Produzent bei Unkenntnis eines Fachbegriffs eine situativ leicht verständliche ad-hoc-Benennung verwendet (vgl. 3.4.6), deren nichtwörtliche Bedeutung analog zu Beispiel 93 durch eine Markierung interpretativer Flexibilität und gemeinsames Lachen der Kommunikationspartner ratifiziert wird. Beispiel 94: C-Reparatur nach Pause mit Konstituentenfortsetzung durch ad-hocMetapher und mit Ratifikation durch Flexibilitätsmarkierung und Lachen 14I015
14K014
<noise> und dann diese gelbe Schraube die runde <sil: 1> unten so(_ei)n oranges <sil: 1> Nappo was weiß ich <noise> <sil: 4> mhm.
Möglicherweise muss der Produzent, bevor er seine Äußerung fortsetzen kann, auch noch eine bestimmte, z.B. kognitive Aktivität durchführen. In einem solchen Fall ist es zweckmäßig, die Durchführung dieser Aktivität zu verbalisieren und sie dadurch dem Gesprächspartner transparent zu machen. Die betreffende Verbalisierung wird der Reparatureinleitung zugerechnet. Beispiel 95: C-Reparatur mit Konstituentenfortsetzung nach Verbalisierung eines Zählvorgangs 01I007
01K006
ja, paß auf und dann nimmst du so von diesen {Holzleisten}<spk: K, mhm> mit den Löchern warte mal den mit den eins zwo drei vier fünf Löchern. mhm.
Zur Struktur und grammatischen Realisierung der C-Reparaturen in Beispiel 9395 ist noch Folgendes zu sagen. Im Unterschied zu Beispiel 74 wird dort nicht von dem Mittel einer Wiederholung Gebrauch gemacht, sondern der Reparaturversuch schließt unmittelbar an den Äußerungsanfang bzw. die zuletzt begonnene Konstituente an. Dies bedeutet, dass der Reparaturbezug in den drei Beispielen jeweils leer ist. Dementsprechend haben wir die betreffenden Konstituentenanfänge als Anknüpfungspunkte durch Fettdruck markiert. Von der grammati-
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
155
schen Konstruktion her liegen also lediglich die Überbrückung der als Parenthese analysierbaren Reparatureinleitung und eine Fortsetzung der begonnenen Konstituente vor. Syntaktisch effizient ist diese Art der Überbrückung insbesondere dann, wenn die Reparatureinleitung verbal leer ist wie in Beispiel 94, oder relativ kurz wie in Beispiel 93. Die Überbrückung einer etwas längeren Reparatureinleitung wird erleichtert, wenn sie durch leises Sprechen als Parenthese erkennbar ist und zugleich die Zusammengehörigkeit von Äußerungsanfang und -fortsetzung deutlich macht. Darüber hinaus spielt die Stärke der grammatischen Bindung zwischen Anknüpfungspunkt und Reparaturversuch eine wichtige Rolle. Genereller gesehen sind alle diese Bedingungen auf die Wirkung der in Abschnitt 2.2.5 erwähnten Gestaltsprinzipien zurückuzuführen (Prinzip der Nähe, der Ähnlichkeit und der guten Fortsetzung), die somit auch für die syntaktische Verarbeitung eine zentrale Bedeutung haben. Im ungünstigen Fall des Auftretens eines syntaktischen Vollständigkeitsproblems gelingt die Äußerungsfortsetzung allerdings auch nach einer Verzögerung nicht oder der Produzent entscheidet sich sofort, einen anderen Lösungsweg zu wählen. Ein solcher Weg kann zum einen darin bestehen, dass der Produzent seine Äußerung abbricht und ganz oder teilweise neu beginnt, also eine BReparatur (Blockade) durchführt. Beispiel 96: Zweifache B-Reparatur durch ersten Neuanfang nach Äußerungsabbruch und Warteformel Moment mal sowie durch zweiten Neuanfang mit partieller Wiederholung nach Äußerungsabbruch und Pause 07K072
07I073 07K073 07I074
<noise> mhm <sil: 5> das egal, ob jetzt kommt sicher die andere Blaue, {ja?} Moment mal. <noise: klappern> von welcher Seite? <noise: klappern> {von der} Moment mal, wenn du <noise: klappern> in <subst> wenne jetzt das das lange Teil zu dir hinlegst, also wo die Flügel dran sind und hinten dieser dieses Heck drauf ist da <noise> dann nimmst du auf der rechten Seite die run/ äh die eckige Schraube
Generell ist bei B-Reparaturen die Frage nach der internen Struktur bzw. nach der Bestimmung des Reparaturversuchs etwas schwieriger zu beantworten. Zweifellos bildet in Beispiel 96 Moment mal die Reparatureinleitung. Plausibel ist es auch, die begonnene Präpositionalphrase von der als Reparaturbezug ein-
156
Empirische Ergebnisse
zustufen. Macht man sich überdies klar, dass B-Reparaturen grundsätzlich als Überbrückungskonstruktion realisiert werden, dann lässt sich der Reparaturbezug auch eindeutig als die Teilsequenz im Äußerungsanfang identifizieren, bei deren Tilgung inklusive der Tilgung der Reparatureinleitung (und abgesehen von weiteren möglichen syntaktischen Störungen der Äußerungsfortsetzung) ein grammatisch korrekter Satz entsteht (vgl. Kindt/Laubenstein, 1991); insofern ist die Einstufung von von der als erstem Reparaturbezug in Beispiel 96 genauer legitimiert. Zugleich kann man in keinem natürlichen Sinne sagen, dass die auf die Reparatureinleitung folgende Äußerungsfortsetzung oder ein Teil von ihr den Reparaturbezug bearbeitet. Deshalb wollen wir hier von einem leeren ersten Reparaturversuch in Beispiel 96 ausgehen. Ein leerer Reparaturversuch hat also die Funktion, den Reparaturbezug durch die leere Sequenz zu ersetzen und ihn damit gewissermaßen zu annullieren. Demgegenüber wird der erste Teil der Äußerungsfortsetzung von Beispiel 96, nämlich wenn du in, als zweiter Reparaturbezug zwar wieder abgebrochen, aber diesmal nur teilweise getilgt. Genauer gesagt werden von ihm die ersten beiden Wörter wiederholt bzw. allomorphisch bearbeitet, so dass wenne als zweiter nichtleerer Reparaturversuch gelten kann. Beispiel 97: B-Reparatur durch Neuanfang nach unmarkiertem Äußerungsabbruch 01I001
01K001
{Katja?} also du mußt jetzt aus {diesen} wunderschönen Bauteilen soll zum Schluß erstmal (ei)n Flugzeug dabei herauskommen so(_ei)n Propellerflugzeug. mhm.
Beispiel 97 ist aus drei Gründen besonders interessant. Erstens führen Produzenten wie in diesem Beispiel relativ oft B-Reparaturen durch, deren Abbruchsstelle unmarkiert ist und die im Unterschied zum zweiten Reparaturversuch von Beispiel 96 auch keine Wiederholung/Wiederaufnahme des Reparaturbezugs aufweisen. Dies erschwert für Rezipienten evtl. die syntaktische Analyse. Hinzu kommt zweitens, dass bei Beispiel 97 – und auch dies ist häufiger der Fall – eine Garden-Path-Konstellation entsteht. Bei der inkrementellen Analyse des Äußerungsanfangs liegt es nämlich nahe, auch die Präpositionalphrase aus diesen wunderschönen Bauteilen an die Konstruktion des Äußerungsbeginns anzuschließen, die entsprechende Verknüpfung muss aber wieder rückgängig gemacht werden oder die Phrase muss in Doppelfunktion als Koinon einer Apokoinukonstruktion aufgefasst werden, weil sie auch als topikalisiertes Satzglied des Äußerungsendes benötigt wird (vgl. hierzu auch das in 2.4.2 diskutierte B-
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
157
Reparaturbeispiel). Drittens schließlich kann man vermuten, dass den Äußerungsabbruch in Beispiel 97 nicht auf ein momentanes Unvermögen der Instrukteurin, die Äußerung fortzusetzen, zurückzuführen ist, sondern auf eine Änderung ihrer Äußerungsplanung. Möglicherweise wollte sie zunächst schon eine konkrete Bauanweisung geben und entschied sich dann sinnvollerweise, den Dialog mit einer Vorgreifenden Verdeutlichung zu beginnen. Weil der Äußerungsbeginn aber nach dieser Verdeutlichung nicht wieder aufgegriffen wird, lliegt auch keine D-Reparatur vor. Unabhängig von der Korrektheit unserer Vermutung bleibt festzuhalten, dass es genauso wie bei C-Reparaturen unterschiedliche Ursachen für die Durchführung einer B-Reparatur geben kann und dass sie bei Selbstreparaturen zumeist nicht manifest gemacht werden (müssen). Zwar ist es theoretisch z.B. denkbar, dass ein Produzent sein Problem, eine begonnene Konstruktion momentan nicht fortsetzen zu können, manifestiert und seinen Partner dadurch indirekt auffordert, einen Fortsetzungsvorschlag zu machen: Nachfolgend könnte der Partner jedoch eine nicht anschließbare Fortsetzungsalternative formulieren, also eine fremddurchgeführte B-Reparatur vornehmen. Im Flugzeugkorpus haben wir allerdings kein Beispiel für diesen Fall gefunden. In Beispiel 97 wird durch die B-Reparatur eine vollkommen neue Äußerung produziert. Nachfolgend illustrieren wir noch einmal den Fall, dass nur ein Teil des Äußerungsanfangs annulliert wird. Beispiel 98: Zweifache B-Reparatur mit jeweils partiellem Neuanfang nach unmarkiertem Äußerungsabbruch 21I022
21K022
m, dann machen wir das mal anders, warte mal <noise: klappern> m, leg(e) das mal so auf den Tisch mit den, daß die sich die bei, wie wir es eben hatten, daß wir sechs Löcher so haben. ja.
Der erste Reparaturbezug in Beispiel 98, die begonnene Präpositionalphrase mit den, wird ersatzlos annulliert und die Äußerungsfortsetzung, der begonnene dass-Satz, schließt dann unmittelbar an den ersten Teil des Äußerungsanfangs an, der dem Reparaturbezug vorausgeht. Diese Fortsetzung wird aber ebenfalls abgebrochen, um zuvor eine Parenthese einzufügen. Hätte der Instrukteur diese Fortsetzung nach der Parenthese wiederholt und dann fortgeführt, würde eine DReparatur vorliegen. Er wechselt aber aus nicht erkennbaren Gründen die Konstruktion und insofern führt er wieder eine B-Reparatur mit dem Reparaturbezug daß sie sich bei und dem Reparaturversuch daß durch; dabei erläutert die Wie-
158
Empirische Ergebnisse
derholung der Konjunktion daß den syntaktischen Wiederanschluss an den ersten Teil des Äußerungsanfangs. Im Unterschied zu den B-Reparaturen findet man im Flugzeugkorpus auch C-Reparaturen mit Fremdbeteiligung, bei denen der Produzent seinen Gesprächspartner auffordert, ihm bei der Äußerungsfortsetzung zu helfen. Dies ist z.B. sinnvoll, wenn dem Produzenten nur ein bestimmtes Wort fehlt. Diese Aufforderung wird – wie in den Beispielen 89 und 90 schon deutlich wurde – oft indirekt formuliert. Der Gesprächspartner macht dann eventuell einen Formulierungsvorschlag, falls er aus der Situation heraus schon inferieren kann, um welches Wort bzw. um welchen Sachverhalt es sich handelt. Im Idealfall stimmt dieser Vorschlag mit der gesuchten Formulierung überein, so dass der Sprecher nach dieser interaktiven Problemlösung mit seiner ursprünglichen Äußerung fortfahren kann. Im Flugzeugkorpus kommt allerdings hauptsächlich der Fall vor, dass der Rezipient ein Wortfindungsproblem des Produzenten an dessen Zögern erkennt oder einem solchen zuvorkommen will und deshalb auch ohne vorherige Aufforderung einen Formulierungsvorschlag macht. Beispiel 99: Interaktiv durchgeführte C-Reparatur für Formulierungssuche nach Zögern des Produzenten 04I028
04K028 04I029 04K029 04I030 04K030
genau. und den nimmst du {und} in die Mitte setzt du die ähm Schraube mit der Kerbe. <noise> und schraubst das oben auf den Würfel drauf, {also praktisch} neben den anderen beiden Schrauben. hm, der Stab ist {dann.} der Stab ist dann {ähm} mit zwei rechten Winkeln <noise> senkrecht {dazu}<spk: K, mhm> genau. <noise> <sil: 1> okay.
Bei diesem Beispiel bevorzugt die Instrukteurin zwar eine an ihre Äußerung bzw. an den Anknüpfungspunkt ist als Reparatur syntaktisch besser anschließende sowie sachlich präzisere Alternativformulierung. Sie ratifiziert aber mit dem Signal genau auch den Vorschlag der Konstrukteurin. In den folgenden beiden Beispielen wird der Fremdvorschlag demgegenüber uneingeschränkt akzeptiert.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
159
Beispiel 100: C-Fremdreparatur mit Vorschlag für Äußerungsfortsetzung in Frageform 08K116 08I117 08K117 08I118
wo kommt denn dann dieses Ganze Gedöns mit dem Rad? ja. ja, das kommt einen davor dann kommt die orange, eckige Mutter […]
Beispiel 101: C-Fremdreparatur mit Vorschlag für Äußerungsfortsetzung in Aussageform 04I013
04K013 04I014
<noise> und dann nimmst du das {ähm} die andere gelbe Schraube und das andere {orangene}<noise: klopfen> {Teil} und schraubst die noch mal zusammen, also an dem an dem zweiten. an dem zweiten genau.
Aus grammatiktheoretischer Perspektive ist an den beiden letzten Beispielen wieder besonders interessant, dass hier gängige Verfahren der kooperativen Satzproduktion sichtbar werden. Die bisher behandelten Strategien betrafen die Lösung von Vollständigkeitsproblemen auf der Sprachebene. Man muss aber auch den Fall von Unvollständigkeit auf der Ebene der Sachformulierung berücksichtigen. In der Reparaturtaxonomie von Levelt (1983) und auch in der erweiterten Taxonomie von Kindt/Laubenstein(1991) war dieser Fall – wie schon in Abschnitt 2.4.2 erwähnt – nicht erfasst. In Fortsetzung einer mnemotechnisch zweckmäßigen Nutzung des lateinischen Alphabets haben wir deshalb die Kategorie „I-Reparatur“ für Bearbeitungen eingeführt, in denen das Problem unvollständiger Informationen (incomplete information) behandelt wird. Grundsätzlich sind die Erwartungen an eine vollständige und explizite Darstellung in Instruktionssituationen wie dem Flugzeugszenario besonders hoch, weil nur auf diese Weise garantiert werden kann, dass dort der/die Instruierte das jeweilige Kommunikationsziel problemlos erreicht. Im Flugzeugkorpus wird das Problem sachlich unvollständiger Informationen – wie schon in 3.5.1 erwähnt und mit Beispiel 91 illustriert – zumeist vom Konstrukteur/Rezipienten bemerkt und eine Problembehandlung deshalb typischerweise mit einer problemspezifizierenden Rückfrage eingeleitet.
160
Empirische Ergebnisse
Beispiel 102: Zwei I-Reparaturen mit Fremdeinleitung durch problemspezifierende Rückfragen wegen unvollständiger Information 01I009
01K008 01I010
01K009 01I011
01K010 01I012 01K011
<noise> und dann nimmst du dir einen von diesen äh Würfeln mit den vielen Löchern drin. welche Farbe? {das}<noise: klappern> ist eigentlich egal wenn ich das richtig sehe, ja, kunterbunt {durcheinander}<noise: klappern> {okay}<noise: klappern> <noise> sagen wir, den gelben, weil ich auch gelb habe und jetzt äh nimmst du dir noch eine von den kleinen roten Schrauben. eckig oder rund <noise> rund nicht die Rauten mhm
Für die Identifizierung der im Flugzeugsetting zu montierenden Bauteile sind insbesondere Farb- und Forminformationen wichtig und in diesem Sinne bilden beide Rückfragen der Konstrukteurin in Beispiel 102 typische Fremdeinleitungen von I-Reparaturen. Grammatisch fällt außerdem auf, dass beide in der unmarkierten Nominativform an den jeweiligen Anknüpfungspunkt angeschlossen sind; Eine analoge Verknüpfung ist von der postnominalen Adjektverwendung in Nominalphrasen her bekannt. Die erste Reparatur besitzt einen Reparaturversuch, in dem selbst noch eine F-Reparatur durchgeführt wird; denn die Aussage das ist eigentlich egal wird von der Instrukteurin noch einmal explizit selbstratifiziert und mit kunterbunt durcheinander paraphrasiert. Nachdem dieser Reparaturversuch schon von der Konstrukteurin ratifiziert worden ist, führt die Konstrukteurin allerdings noch eine EK-Reparatur durch, mit der sie die wählbare Farbe entgegen ihrer ursprünglichen Antwort auf gelb festlegt, was als eine prospektiv verständigungssichernde Maßnahme zur Vermeidung unterschiedlicher Bauresultate zu werten ist. Aus dieser Meinungsänderung der Instrukteurin resultiert der selten vorkommende Falle einer Expansion des bisher zugrunde gelegten Reparaturmusters durch eine Teilsequenz mit der Rechtfertigung des betreffenden Reparaturversuchs. Grammatischtheoretisch interessant ist schließlich, dass die korrigierte Antwort auf die erste Rückfrage der Konstrukteurin trotz der zwischenzeitlich unterschiedlich gewählten Verknüpfungsarten wieder als kasus-
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
161
identische Nachtragskonstruktion (im Akkusativ) an den ursprünglichen Anknüpfungspunkt einen von diesen äh Würfeln mit den vielen Löchern anschließt. Die zweite I-Reparatur in Beispiel 102 hat eine vergleichsweise einfache Struktur. Deshalb ist dort aber auch die übliche Bearbeitungsform von IReparaturen besser erkennbar. Sie besteht nämlich in der syntaktischen Ergänzung des Anknüpfungspunktes, dessen Information nicht wie bei einem Reparaturbezug z.B. in A- oder EL-Reparaturen modifiziert wird, sondern weiterhin Bestand hat. In diesem Sinne bildet die Nominalphrase eine von den kleinen roten Schrauben in der zweiten Reparatur von Beispiel 102 den Anknüpfungspunkt und die ihr zugeordnete referentielle Bedeutung wird durch die ergänzende Information rund weiter spezifiziert, aber nicht außer Kraft gesetzt. Dementsprechend haben I-Reparaturen einen leeren Reparaturbezug. Grundsätzlich ist bei Beispielen mit mutmaßlichen Problemen sachlicher Unvollständigkeit auch immer zu diskutieren, woran man erkennen kann, dass keine auf zwei oder mehrere Äußerungsschritte portionierte Informationsverteilung vorliegt, sondern dass schon beim ersten Schritt einer der Beteiligten eine vollständige Information erwartete. Tatsächlich lassen sich diese beiden theoretisch zu unterscheidenden Möglichkeiten bei konkreten Außerungsbeispielen nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen. Bei dem in 3.5.1 schon ausführlich diskutierten Beispiel 91 wird jedoch mit der Teiläußerung und jetzt passt das in 05I094 unterstellt, dass der Konstrukteur schon den Montageort des Würfels erschließen kann, was aber nicht der Fall ist. Im Unterschied zu Beispiel 91 kann man bei Beispiel 102 nicht so leicht nachweisen, dass 01I009 und 01I011 die Vollständigkeitserwartung verletzen. Möglicherweise haben Konstrukteurin und Instrukteurin diesbezüglich zu Beginn des Dialogs auch unterschiedliche Einschätzungen. Die Konstrukteurin fordert jedenfalls bei den zu montierenden Würfeln und Schrauben mehrfach eine eindeutige Information über Farbe und/oder Form ein, was ja auch für eine schnelle und einwandfreie Verständigung zweckmäßig ist. Immerhin scheint die Instrukteurin bei 01I011 schon einzusehen, dass es günstig ist, wenn die Konstrukteurin jeweils die in Form und Farbe übereinstimmenden Bauteile wie sie selbst verwendet. Jedenfalls gibt sie nachfolgend für die drei noch zu montierenden Würfel ungefragt die in ihrem Modell verwendeten Farben an, was darauf hindeutet, dass sie die betreffende Erwartung der Konstrukteurin akzeptiert und übernommen hat. Der Erwartung der Konstrukteurin nach unaufgeforderter Nennung der Schraubenform kommt sie allerdings nur teilweise nach. Weitere Beispiele im Flugzeugkorpus zeigen, dass sich die Einstufung als Problembehandlung/Reparatur oft auch aufgrund des Vorkommens von Abtönungspartikeln oder Problemmanifestationen als Indikatoren rechtfertigen lässt.
162
Empirische Ergebnisse
Beispiel 103: Mit problemspezifizierender Rückfrage und Indikator denn fremdeingeleitete I-Selbstreparatur, grammatisch angeschlossen durch Adjazenzellipsen 06I099
06K100 06I100 06K101 06I101
06K102
<noise> so gut. äh dann müßtest du noch (ei)n roten Würfel {haben.}<noise: klappern> {ja.}<noise: klopfen> den schraubst du unter den grünen also daß der grüne <noise> wie womit denn? mit <noise: klopfen> dem grünen langen {mit}<spk: K, Teil> <noise> der grünen langen Schraube. {mhm}<noise: klappern> {<sil: 13>}<noise: rascheln> das hält irgendwie nicht so gut, {ne?}<noise: rascheln>
Der Abtönungspartikel denn wird bei Fragen u.a. die Funktion einer Markierung von Ungeduld zugeschrieben und hieraus lässt sich für Beispiel 103 ableiten, dass die Konstrukteurin schon in der Vorgängeräußerung eine Information über die Art der Verschraubung der beiden Würfel erwartete. Analog zu Beispiel 103 sind im Flugzeugkorpus Rückfragen der Form wo denn und wohin denn, also bei fehlenden Lokalangaben in Instruktionen, zu finden und man kann genereller annehmen, dass die Konstrukteure häufig erwarten, dass entsprechende Informationen von vornherein unaufgefordert und explizit gegeben werden. Es kommt natürlich auch vor, dass Produzenten selbst merken, dass sie eine wichtige Information zu formulieren vergessen haben. Satzintern können sie eine solche Information als Nachfeldkonstruktion nachtragen. Beispiel 104: I-Selbstreparatur in Form einer und-zwar-Ausklammerungskonstruktion 13I092 13K091 13I093
... du nimmst jetzt die die runde blaue Schraube. mhm. und stellst sie mit dem Kopfende vor dir auf den Tisch {<sil: 2>}<noise: klappern> dann kommt da erstmal diese Plastikhülse drauf und zwar mit dem äh dickeren Ende nach unten. <noise: klappern>
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
163
In diesem Beispiel werten wir die lange Pause nach der rechten Satzklammer als Reparaturindikator. Beispiel 105: I-Selbstreparatur durch Ausklammerungskonstruktion eingeleitet mit dem Folgerungsadverb also 11I002 11K003 11I003 11K004 11I004 11K005 11I005 11K006
und ähm du hast also zwei sehr lange, nee, wir fangen mal mit dem äh Propeller vorne an. ja. du hast also kleine äh diese kleinen Latten mit drei Löchern. ja. die legst du aufeinander. ja. also jeweils mit dem mittleren Loch. ja.
Das Folgerungsadverb also deutet darauf hin, dass es sich bei 11I005 um eine Inferenz handelt. Tatsächlich kann man aus der Aussage in 11I002, dass ein Propeller gebaut werden soll, die in 11I003 genannte Anordnung der beiden Dreilochleisten erahnen. Insofern könnte es sich bei 11I003 im Prinzip auch um ein verstehensabsicherndes Inferenzangebot handeln. Die Zwangsläufigkeit, mit der diese Anordnung zu erschließen ist, scheint aber – intuitiv beurteilt – nicht sehr groß zu sein, und schon deshalb haben wir Beispiel 103 – unabhängig von den obigen Explizitheitsforderung – als Reparatur eingestuft. Für eine eindeutigere Entscheidung wäre aber die Durchführung empirischer Test o.ä. erforderlich. Einen speziellen Indikator, der immer eindeutig auf das Vorliegen eines Problems hinweist, bilden Entschuldigungen mit Formeln wie Entschuldigung, Tschuldigung und sorry (vgl. die Beispiele 73 und 85), mit denen indirekt die Verantwortung für das jeweilige Problem übernommen wird. Bei einem Korpusbeispiel betrifft dies auch ein Vollständigkeitsproblem einer Instruktion. Beispiel 106: Aufgrund eines Folgefehlers selbsteingeleitete und selbstdurchgeführte Lösung eines sachbezogenen Vollständigkeitsproblems mit expliziter Problembenennung und Entschuldigungsformel. 09I067 09K066 09I068 09K067
ähm jetzt ähm gehst du, suchst du dir einen Fünfer, Fünfloch <noise: klappern> ja. holst (e)s raus. den anderen
164 09I069
09K068 09I070 09K069 09I071
Empirische Ergebnisse schraubst es oben drauf <noise> mit der anderen roten Schraube, aber dieser ist jetzt auch wieder rund und hat einen Schlitz. {mhm <sil: 3> ja}<noise: rascheln> so {<sil: 2>}<noise: rascheln> die weiteren. jetzt steht der rechts einen über, der untere, ne? ist das <par> richtig? <par> bitte? oh, ich habe dir nicht gesagt, wie du es drauf schrauben sollst, Entschuldigung m in der Mitte, ne, <sil: 2> in der Mitte drauf schrauben, und es soll äh recht es soll praktisch eine Tragfläche sein für das Flugzeug, die hintere Tragfläche für das Flugzeug soll das werden.
In 09I069 hat der Instrukteur vergessen zu sagen, wie die Fünflochleiste (auf dem roten Würfel am Flugzeugheck) montiert werden soll. Der Konstrukteur bringt sie parallel zur unter dem Würfel befestigten Leistenkombination an. Bevor der Instrukteur die in 09I070 begonnene nächste Instruktion fortsetzen kann, stellt der Konstrukteur in 09K069 zwecks Verstehensabsicherung eine Rückfrage zur Korrektheit des letzten von ihm erreichten Bauresultats. An dieser Rückfrage erkennt der Instrukteur, dass die vom Konstrukteur gewählte Montage der Fünflochleiste nicht der intendierten entspricht. Diesen Fehler führt der Instrukteur zu Recht auf seine unvollständige Instruktion in 09I069 zurück und leitet deshalb in 09I071 eine Problembehandlung ein, indem er zunächst sein Versäumnis in einer satzwertigen Äußerung benennt und sich dafür entschuldigt. Die Problembehandlung stufen wir nicht als Reparatur ein, weil ihre Einleitung nicht satzintern und auch nicht im nächsten Satz an die Instruktion anschließt. Gleichwohl liegt eine gängige textgrammatische Verknüpfung vor, weil ein Teil des Rhemas (schraubst) in der Einleitung thematisch aufgegriffen wird. Zugleich belegt die Einleitung, dass die fakultative Entschuldigung, die in den bisherigen Reparaturbeispielen im Reparaturabschluss vorkam, nicht auf diese Position festgelegt ist, sondern auch schon in einer Einleitung formuliert werden kann. Der nachfolgend formulierte Lösungsvorschlag, nämlich die nachgeholte Information über die Art der Montage der Fünflochleiste, schließt dann analog zu einer Frage-AntwortEllipse satzgrammatisch an die Einleitung an. Insgesamt gesehen liegt also eine Problembehandlung vor. Eine weitere wichtige und häufig angewendete Strategie zur Lösung von Vollständigkeitsproblemen auf der Sachebene besteht darin, dass der Rezipient die fehlende Information zu erschließen versucht und ein entsprechendes Inferenzangebot macht, das der Produzent anschließend bestätigen oder zurückweisen kann (siehe auch 3.4.4). Allerdings ist – wie schon erwähnt – in solchen
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
165
Fällen oft nicht ohne weiteres eindeutig enscheidbar, ob eine Problembehandlung vorliegt oder ob es erwartbar war, dass der Rezipient die betreffende Inferenz zieht, und insofern eine Verstehensabsicherung anzunehmen wäre. Aufgrund der obigen Explizitheitsforderung wollen wir die beiden folgenden Beispiele aber tendenziell eher als I-Reparatur werten. Beispiel 107: Mögliche fremdeingeleitete und –durchgeführte I-Reparatur mit Inferenz einer nicht gegebenen Information in Frageform 01I036
01K035 01I037
<noise> mir fällt das jetzt nicht ein. okay {und} jetzt setzt du also den Dreier mit dem was du zuvor so zusammen und den Dreier unten drunter. <noise> also da wo ich auch schon den anderen Dreier habe? ja, genau, und zwar so, daß von dem Dreier nur noch ein Loch frei bleibt vorne, {also}<spk: K, mhm> so daß, als wenn du das Ganze um eins verlängern würdest.
Beispiel 107 hat die zusätzliche Schwierigkeit, dass nicht eindeutig klärbar ist, was die Instrukteurin mit der Lokalangebe unten drunter in 01I036 und die Konstrukteurin mit da in 01K035 gemeint hat und ob die Ratifikation der Instrukteurin in 01I037 wirklich berechtigt war. Unabhängig davon ist die Instruktion in 01I036 nicht genügend explizit formuliert, so dass die in 01K035 formulierte Inferenz in jedem Fall einen Versuch darstellt, der Unvollständigkeit der Instruktion abzuhelfen. Beispiel 108: Mögliche fremdeingeleitete und –durchgeführte I-Reparatur mit Inferenz einer nicht gegebenen Information in Aussageform 09I071
09K070 09I072 09K071
<par> bitte? oh, ich habe dir nicht gesagt, wie du es drauf schrauben sollst, Entschuldigung m in der Mitte, ne, <sil: 2> in der Mitte drauf schrauben, und es soll äh recht es soll praktisch eine Tragfläche sein für das Flugzeug, die hintere Tragfläche für das Flugzeug soll das werden. also im rechten Winkel <par> dazu <par> im rechten Winkel zur Längsachse soll das jetzt stehen. {ja} <sil: 3> okay.
166
Empirische Ergebnisse
Beispiel 108 demonstriert den Fall einer naheliegenden Inferenz. Nachdem der Instrukteur – wie bei Beispiel 106 diskutiert – in 09I071 die mittige Montage der Fünflochleiste angegeben hat, charakterisiert er die Ausrichtung der Leiste durch die Funktion hintere Tragfläche. Hieraus ist durch Analogie mit der üblichen Ausrichtung von vorderen Tragflächen eine rechtwinklige Montage zu erschließen. Überdies hatte der Instrukteur die ursprünglich vom Konstrukteur gewählte parallele Ausrichtung der Fünflochleiste zur Längsachse bereits als falsch zurückgewiesen, so dass auch von daher die rechtwinklige naheliegt. Trotzdem besteht der Konstrukteur auf einer expliziten Aussage über die Ausrichtung der Fünflochleiste. Dies deutet darauf hin, dass er die Vollständigkeitserwartung in dem Sinne erfüllt wissen will, dass jeder konstruktionsrelevante Sachverhalt explizit benannt wird. Grund hierfür sind vermutlich die in Dialog 9 schon zahlreich aufgetretenen Verständigungsschwierigkeiten. In der Tat ist es verwunderlich, dass der Instrukteur trotz der ersichtlich negativen Konsequenzen seiner ungenauen Instruktionsformulierungen auch für die in 09I071 anstehende Aussage über die Ausrichtung der Fünflochleiste eine vage Umschreibung wählt, statt gleich eine explizite Information über den Montagewinkel zu geben. Immerhin hatte er mit es soll äh recht offensichtlich schon zu einer entsprechenden Aussage angesetzt, war aber dann mit einer B-Reparatur zu seiner Tragflächenumschreibung übergegangen. Insgesamt gesehen scheint also zumindest aus der Perspektive des Konstrukteurs bei Beispiel 108 eine I-Reparatur vorzuliegen. Als grammatische Besonderheit ist schließlich zu erwähnen, dass die Ratifikation des Instrukteurs in 09I072 nicht mehr satzintern an die beiden Vorgängeräußerungen angeschlossen ist, sondern einen eigenständigen Satz bildet, allerdings mit Wiederholung des deontischen Verbs soll. b) Die Lösung von Korrektheitsproblemen in der Äußerungsformulierung Die Bearbeitung von Korrektheits-, aber auch von Effizienzproblemen hängt wesentlich davon ab, wann der Produzent oder der Rezipient das jeweilige Problem bemerken bzw. ob es sofort, im weiteren Äußerungsverlauf, am Ende der Äußerung oder erst in der Nachfolgeäußerung behandelt werden soll. Grundsätzlich gibt es zumindest bei Selbstreparaturen eine Präferenz für die sofortige Bearbeitung. Dies bedeutet, dass die begonnene Äußerung und eventuell sogar die gerade laufende Wortproduktion zugunsten der durchzuführenden Reparatur unterbrochen wird. Weitere wichtige Unterscheidungsmerkmale sind die verwendeten Einleitungssignale und die Bearbeitungsform. Die betreffenden unterschiedlichen Realisierungsmöglichkeiten illustrieren wir nachfolgend hauptsächlich an EL-Reparaturen.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
167
Beispiel 109 EL-Selbstreparatur unmittelbar nach Abbruch des zu korrigierenden Wortes 07I074
{von der} Moment mal, wenn du <noise: klappern> in <subst> wenne jetzt das das lange Teil zu dir hinlegst, also wo die Flügel dran sind und hinten dieser dieses Heck drauf ist da <noise> dann nimmst du auf der rechten Seite die run/ äh die eckige Schraube
Die Äußerungsunterbrechung wird häufig mit einem unspezifischen Manifestationssignal wie äh kombiniert. Da in Beispiel 109 das zu korrigierende Wort noch nicht vollständig ausgesprochen wurde, brauchte auch keine spezifische Problemmanifestation formuliert werden. Vor oder nach Einleitungssignalen findet man übrigens häufig – wie die beiden nachfolgenden Beispiele belegen – Pausen zur Verstärkung des Diskontinuitäts- bzw. Verzögerungseffekts. Beispiel 110: Kontinuierlich platzierte EL-Selbstreparatur mit Distanz zum korrigierten Wort und mit Einleitung durch äh und oder und Pause 03I015
03K015 03I016 03K016
{<sil: 1>}<noise: klappern> und da legst du jetzt äh oder drehst du jetzt in das erste Loch was mehr am Klotz ist ja. <noise> (ei)ne gelbe Schraube mit Schlitz. <noise> mhm.
Da in Beispiel 110 der Zeitpunkt für eine unmittelbare Reparatur von legst verpasst wurde, blieb grammatisch nur die Möglichkeit einer modifizierten Wiederholung aller drei Satzglieder legst du jetzt in der dann kontinuierlich angeschlossenen Reparatur. Außerdem wird statt des üblichen asyndetischen Anschlusses eine syndetische Verknüpfung mit der Konjunktion oder gewählt, die aber nicht ihre übliche Bedeutung hat. Vielmehr gibt es eine spezielle Reparaturbedeutung von oder im Sinne oder besser gesagt. Im Fall einer Korrektur wie in Beispiel 110 wird mit dieser problemmanifestierenden Verwendung des oder das zugrunde liegende Problem verharmlost.
168
Empirische Ergebnisse
Beispiel 111: Diskontinuierlich platzierte EL-Reparatur mit Einleitung durch Pause und nee und anschließender Nachtragskonstruktion 01K097
also du hast jetzt auch drei Teile über <noise> diese nee, zwei Teile, zwei Schrauben. <sil: 2> nicht
Auch in Beispiel 111 wurde der Zeitpunkt für eine unmittelbare Reparatur verpasst. Im Unterschied zu Beispiel 110 hat die Instrukteurin hier aber die Möglichkeit, ohne Wiederholung des Präfixes über eine Nachtragskonstruktion zu verwenden. Im Sinne des im 3.5.2 Gesagten ist dabei aber die Verwendung des problemspezifizierenden Zurückweisungssignals nee zweckmäßig. Als besonders prägnantes Zurüchweisungssignal wird gelegentlich wie in den beiden folgenden Beispielen das Wort Quatsch verwendet. Beispiel 112: EK-Selbstkorrektur eines Sachproblems mit Einleitung durch Quatsch und Wiederholung der zu korrigierenden Sequenz 22I023
22K023
ja, und das Ganze wird jetzt in den gelben Würfel eingeschraubt. Vorsicht, der hat Löcher genau, der hat an der einen Seite, Quatsch, an einer <sil: 1> ja, der hat nur vier Schrauben drinne und auf äh zwei Seiten ist einfach nur so (ei)n Loch reingebohrt. ja, ja, nur, nur.
Beispiel 112 zeigt zwei Besonderheiten. Zum einen wird in der Reparatureinleitung diejenige Konstituente im Reparaturbezug wiederholt und mit Quatsch zurückgewiesen, die für sich genommen zwar nicht inkorrekt ist, bei deren intendierter Fortsetzung der Instrukteur aber eine sachlich falsche Aussage gemacht hätte, nämlich dass in nur einem Loch des gelben Würfels kein Gewinde sei. Eine so explizite Zurückweisung eines noch nicht ausgesprochenen und vom Rezipienten gar nicht nachvollziehbaren Äußerungsfehlers ist vermutlich primär durch das Erschrecken des Produzenten über sein Problem verursacht und hat für den Rezipienten allenfalls den positiven Effekt, dem anschließend geäußerten Sachverhalt gegenüber besonders aufmerksam zu sein. Zum anderen liegt in Beispiel 112 der seltene Fall vor, dass eigentlich nur ein Wort im Reparaturbezug zu korrigieren ist, was durch eine EL-Reparatur, nämlich z.B. durch den Reparaturversuch der hat an zwei Seiten, und die anschließende Äußerungsfortsetzung einfach nur so ein Loch geschehen könnte. Tatsächlich gibt der Instrukteur aber im Reparaturversuch eine ausführlichere Sachverhaltdarstellung, die
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
169
formal der Durchführung einer B-Reparatur gleicht, weil die Konstruktion des Äußerungsanfangs abgebrochen und ein partieller Neuanfang formuliert wird. Da insbesondere also keine reine Wortersetzung vorgenommen wird, haben wir Beispiel 112 auch nicht als EL-Reparatur eingestuft. Eine andere Art, die Repoaratureinleitung komplexer zu gestalten, besteht in der Kombination von Problemmanifestationen bzw. Zurückweisungssignalen. Beispiel 113: EL-Reparatur mit Einleitung durch nee und Quatsch 22I026
ja, genau. und auf die gegenüberliegende Seite kommt genau das Gleiche, nur daß du diesmal eine lilane, nee, Quatsch, eine blaue Sechskantschraube nehmen mußt. aber ansonsten wird das genauso aufgebaut.
In seltenen Fällen findet man im Unterschied zu Beispiel 112 in der Reparatureinleitung eine besonders explizite Problemmanifestation. Hier wird der gesamte Reparaturbezug wiederholt und mit einem Korrekturmarker als inkorrekt eingestuft. Beispiel 114: EK-Selbstreparatur eines Sachproblems mit Wiederholung des Reparaturbezugs und zugehöriger Inkorrektheitsmarkierung 01I067
gut und dann nimmst du <noise> die zweiten die zweite von diesen Siebenerlöchern Dingern da <sil: 3> und setzt die hinter die, die davor ist <noise> hinter die davor ist, so(_ei)n Quatsch hinter die Leiste, <noise: klopfen> die du eben gerad(e) angebracht hast.
Noch deutlicher als Beispiel 102 und 112 zeigt dieses Beispiel, dass die von Levelt (1983) eingeführte EL-Reparatur zur EK-Reparatur verallgemeinert werden musste, um auch den Fall von Sachkorrekturen zu erfassen, die sich auf komplexere Konstituenten oder sogar Konstitutensequenzen beziehen. Um beim Reparaturversuch eindeutig zu markieren, bis zu welcher Stelle des Äußerungsanfangs die bisherige Formulierung aufrechterhalten bleibt und ab welcher Stelle die Reparatur einsetzt, wird häufig ein Stück des noch korrekten Äußerungsbeginns wiederholt. Dies gilt speziell für den Anfang einer Konstituente, in der ein Fehler aufgetreten ist.
170
Empirische Ergebnisse
Beispiel 115: EL-Selbstreparatur mit Wiederholung des Konstituentenbeginns 07K073 07I074
von welcher Seite? <noise: klappern> {von der} Moment mal, wenn du <noise: klappern> in <subst> wenne jetzt das das lange Teil zu dir hinlegst, also wo die Flügel dran sind und hinten dieser dieses Heck drauf ist da <noise> dann nimmst du auf der rechten Seite die run/ äh die eckige Schraube
Mit der Wiederholungsstrategie wird für Rezipienten eindeutig erkennbar gemacht, welcher Äußerungsteil zu überbrücken ist. Auf eine partielle Wiederholung des Äußerungsanfangs bzw. der begonnenen Kostituente wird aber insbesondere dann oft verzichtet, wenn es um die sofortige und leicht identifizierbare Korrektur nur eines Wortes geht. Dies gilt speziell für die Reparatur phonetischer Fehler (bei Levelt (1983): EF-repair). Beispiel 116: Unmittelbare EF-Selbstreparatur nach Wortabbruch 07I069
07K069 07I070 07K070
{ja,} und ähm steckst auf die blaue eckige Schraube erst das Rad drauf mit dem Plastikteil zur Schraube hin, also zu mit dem da bleibt ja noch so (ei)n Rand über. ja, der <par> Rand <par> und den nimmst du zur br/ blauen Schraube hin. ja und dann rein <par> stecken
Beispiel 117: Unmittelbare EF-Selbstreparatur nach Pause 02I002
darf ich auch erstmal groß grob sagen, was gebaut wird, oder <par> oder einfach
Wird ein Korrektheitsproblem vom Produzenten nicht sofort bemerkt, dann kann es evtl. später – statt durch eine aufwendige Überbrückungskonstruktion mit vielen Wiederholungen – im Nachfeld von Sätzen repariert werden. Von dieser Möglichkeit wird z.B. bei lexikalischen Fehlern mit Hilfe einer Nachtragskonstruktion Gebrauch gemacht, wie dies auch schon im Zusammenhang mit Beispiel 111 diskutiert wurde.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
171
Beispiel 118: EL-Selbstreparatur im Nachfeld 18I020
hinter der gelben, ja meine ich ja. {und}<spk: K, mhm> dann drehst du unten so ein oranges Dingen wieder gegen, nee, so(_ei)n, so(_ei)n <noise> eckiges, so(_ei)n, eins so(_ei)ne Mutter.
Bei Beispiel 118 ist nach dem Grund für den doppelten bzw. mehrfachen Reparaturversuch zu fragen. Der erste Versuch ersetzt das Adjektiv oranges durch eckiges, was allerdings nicht zwangsläufig zu einem semantischen Kontrast und einer Korrekturmöglichkeit führt. Tatsächlich gibt es im Flugzeugsetting sowohl Schrauben als auch Muttern, die man als eckig bezeichnen kann. Also gelingt es der Instrukteurin auf diese Weise nicht, die gewünschte Abgrenzung (eine Mutter und keine Schrauben) zu erreichen. Aber auch die Wahl eines alternativen Farbadjektivs hätte nicht zum Erfolg geführt, weil die Instrukteurin eine orange Mutter meinte. Deshalb repariert sie im zweiten bzw. letzten Schritt Dingen zu Mutter. Genau besehen handelt es sich bei Beispiel 118 trotz Zurückweisungsignal nee gar nicht eindeutig um ein Sachproblem, sondern um das Problem einer Mehrdeutigkeit der Nominalphrase ein oranges Dingen, das üblicherweise mit einer A-Reparatur zu behandeln ist. An dieser Stelle werden zwei generelle Probleme der Reparaturklassifikation deutlich: Inwieweit soll oder muss jeweils einschlägiges Wissen für eine Bestimmung des Reparaturtyps herangezogen werden? Was ist zu tun, wenn eine Teilnehmerkategorisierung dem Ergebnis eines Vergleichs von Reparaturbezug und -versuch widerspricht? Ein Beispiel, bei dem die Teilnehmer erst relativ spät bemerken, dass in einer vorangehenden Äußerung ein Korrektheitsproblem vorgelegen haben muss, und die deshalb eine komplexe Rekonstruktion der bisherigen Kommunikation erfordern, haben wir bereits mit Beispiel 87 diskutiert. In diesem Beispiel übernimmt die Konstrukteurin die Verantwortung für das entstandene Korrektheitsproblem. Demgegenüber formuliert im folgenden Beispiel die Instrukteurin eine Entschuldigung und das Eingeständnis, beim vorigen Arbeitsschritt einen Fehler gemacht zu haben. Die zugehörige Problembehandlung bildet zwar selbst keine Reparatur, aber innerhalb von ihr wird von einer D- und einer B-Reparatur Gebrauch gemacht.
172
Empirische Ergebnisse
Beispiel 119: Selbsteingeleitete und –durchgeführte Behandlung eines zurückliegenden Korrektheitsproblems bei der Sachformulierung inkl. Entschuldigung und Fehlereingeständnis 05I055
05K055
05I056
05K056 05I057
05K057 05I058
<subst> hast du? {ähm} jetzt hast du noch ein Hölzchen mit drei Löchern, ne? <noise: rascheln> ja was passiert denn mit dem zweiten <noise> Teil des Flügels? <noise: rascheln> mit dem zweiten Teil des Flügels? <par> ach so {der} der liegt jetzt einfach nur auf ja das ist auch erstmal <par> ja der ist ja jetzt nicht befestigt der liegt nur da mhm. {so} richtig. {und}<spk: K, gut> zwar nimmst du jetzt dieses oh sorry I made a mistake {ähm} du nimmst ähm den letzen Arbeitsschritt der muß {nochmal} rückgängig gemacht werden. die Schraube f/, die {da so schön} festgezogen hast, <noise> und zwar gehörte da nämlich {ähm} das Teil mit den drei Löchern also {ich} <noise> mach(e) das jetzt wieder ab. {ja.}<noise: rascheln>
Grundsätzlich lassen sich Korrektheitsprobleme bei der Formulierung auch durch Fremdbeteiligung lösen, also dadurch, dass der Rezipient das betreffende Problem manifestiert und/oder einen Lösungsvorschlag formuliert. Im Flugzeugkorpus kommen solche Beteiligungen aber nur für Korrektheitsprobleme der Sachformulierung vor und das scheint außerhalb von Sprachlehrkontexten typisch zu sein. Ein eventueller Korrekturvorschlag des Rezipienten muss anschließend vom Produzenten bestätigt/ratifiziert oder zurückgewiesen werden. In den folgenden Beispielen zeigen wir zunächst verschiedene Möglichkeiten der Fremdeinleitung auf. Eine übliche unspezifische, im Flugzeugkorpus aber nicht vorkommende Art der Fremdeinleitung von Korrekturen bilden unspezifische Rückfragen der Form Wie bitte? oder Was?, die ggf. auch schon durch ihre besondere prosodische Markierung als Zweifel interpretiert werden können und die Funktion einer
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
173
Problemmanifestation haben. Relativ häufig sind im Korpus demgegenüber Widerspruchsmarkierungen zu finden, bei deren Verwendung der Rezipient allerdings oft noch nicht weiß, ob ein vorausgehendes Formulierungs- oder Verstehensproblem vorliegt. Im folgenden Beispiel stellt sich dies bei der anschließenden Reaktion der Produzentin heraus. Beispiel 120: Selbstdurchgeführte EL-Reparatur nach Fremdeinleitung durch Verzögerungsformel und Widerspruchsmarkierung sowie mit Entschuldigung und Ratifikation 02I023
02K022 02I024 02K023
<par> <subst> haben wir jetzt gut <subst> haben wir das jetzt kommt das nächste. jetzt wird(_e)s ganz kompliziert. jetzt nimmst du dir eine Fünferstange {<sil: 2>}<noise: klappern> eine <par> orang/ <par> Moment mal ich hab(e) gar keine Fünferstange mehr. (ei)ne (ei)ne (ei)ne Sieben/ (ei)ne Siebener <par> sorry. <par> ach so mhm
Beispiel 121: Selbstdurchgeführte EL-Reparatur mit zweimaliger Entschuldigung und Ratifikation durch mehrfache Wiederholung des Reparaturversuchs nach Fremdeinleitung durch oder-Rückfrage mit postnominaler Adjektivkonstruktion 06I035 06K036 06I036
06K037 06I037 06K038
nimmst dir noch (ei)ne kurze orange Schraube. {orange} oder rot. {rot} <subst> Entschuldigung rot, rot {rot} und {ähm} legst ihn im rechten Winkel qu/ zu den beiden <noise> schon *zusammengeschraubenen {ja.}<noise: rascheln> <noise> Stäben auf den Würfel {ja}<noise: rascheln>
174
Empirische Ergebnisse
Beispiel 122: EL-Fremdreparatur nach Fremdeinleitung durch explizite Zurückweisung des elliptisch wiederholten Äußerungsanfangs mit anschließender Ratifikation 01K052 01I054 01K053
<par> diese Leiste mit den drei Löchern <par> hab(e) ich da jetzt draufgesetzt <par> die Leiste mit den drei Löchern nicht drauf sondern drunter. ja druntergesetzt.
Die Beispiele 120-122 machen deutlich, dass für EL-Reparaturen mit Fremdbeteiligung die Formulierung einer Ratifikation und ggf. einer Entschuldigung erwartbar sind. Dabei kann natürlich auch wie in Beispiel 121 von dem rhetorischen Mittel einer intensivierenden Wiederholung Gebrauch gemacht werden. Die in den Beispielen zu beobachtenden grammatischen Konstruktionen haben wir schon oben genauer diskutiert. Grundsätzlich kann eine vom Rezipienten fremdeingeleitete oder -durchgeführte Sachkorrektur natürlich auf einer Fehleinschätzung beruhen und dementsprechend vom Produzenten zurückgewiesen werden. Wenn der Fremdzweifel einer Reparatureinleitung zurückgewiesen wird, dann stellt dies eine fremdeingeleitete und selbstdurchgeführte F-Reparatur dar (Beispiel 123). Wenn demgegenüber ein fremddurchgeführter Korrekturversuch zurückgewiesen wird, dann ist dies als Korrektur einer Korrektur aufzufassen (Beispiel 124); diesen Fall gibt es im Prinzip auch bei Selbstreparaturen. Beispiel 123: Selbstdurchgeführte F-Reparatur nach Fremdeinleitung mit EchoRückfrage durch Zurückweisung des Fremdzweifels bzw. durch explizite Formulierungsbestätigung 01K058 01I060
01K059 01I061
also von dieser <par> Dreierplatte jetzt aus gesehen mhm okay <par> ja genau über das zweite über das in der Mitte, genau und dann hast du noch deine beiden anderen äh Würfel, die setzt du unten drunter. <sil: 3> unten drunter? ja, unten drunter.
Beispiel 124: Korrektur einer EL-Fremdreparatur 22I004
und schraube die mit dem letzten Loch auf der Gegenseite von dem Holzwürfel fest mit einer Sechs-
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
22K004 22I005
175
kantschraube mit einer roten. {<sil: 3>}<noise: klappern> klar? also die beiden Schrauben sitzen jetzt gegenüber in dem Würfel. nee, nebeneinander, ne. nee, auf die gegenüberliegende Seite solltest du die Holzschiene {schrauben}<spk: K, f/> und mit dem letzten Loch. <sil: 2>
Wenn das Vorliegen eines Korrektheitsproblems nicht schon an einer entsprechenden Problemmanifestation in der Einleitung der Problembehandlung erkennbar ist, dann wird es jedenfalls i.A. an der Form der Problembearbeitung deutlich werden. Für Reparaturen sind diesbezüglich spezielle Arten der Modifikation im Reparaturversuch charakteristisch. Trotzdem ist es manchmal nicht leicht, anhand des Vergleichs von Reparaturbezug und –versuch eindeutig den jeweiligen Korrekturtyp zu bestimmen. Relativ einfach sind EL-Reparaturen zu identifizieren, wenn in Reparaturbezug und –versuch semantisch inkompatible Wörter vorkommen (so etwa in Beispiel 124); ggf. muss für eine solche Einstufung ein abgebrochenes Wort im Reparaturbezug extrapoliert werden (so das Wortfragment run zu runde in Beispiel 115). Die Kategorisierung von Beispiel 116 und 117 als EF-Reparaturen basiert darauf, dass jeweils nur ein Laut des Reparaturbezugs modifiziert wird (dass bei Beispiel 117 auch ein syntaktisches und lexikalisches Nachfolgeproblem vorliegt, bleibt außer Betracht). Der dritte und letzte bei Levelt (1987) betrachtete Korrekturtyp, die ES-Reparatur, kommt im Flugzeugkorpus hauptsächlich nur in der speziellen Form morphosyntaktischer Korrekturen vor. Für ihre Kategorisierung ist – so haben wir in 2.4.2 argumentiert – ausschließlich maßgeblich, dass ein grammatisches Morphem des Reparaturbezugs im Reparaturversuch durch ein anderes ersetzt wird; die möglicherweise gleichzeitig intendierte Änderung der zugehörigen referentiellen Bedeutung bleibt demgegenüber bei der Klassifikation unberücksichtigt. In diesem Sinne ist das folgende Beispiel als morphosyntaktische Korrektur einzustufen. Beispiel 125: Morphosyntaktische Selbstkorrektur (spezielle ES-Reparatur) 01I038 01K037 01I039
[…]jetzt hast du das Teil was du eben gerad(e) weggelegt *jast, nämlich deine beiden Klötze. mhm gut die n/ das nimmst du jetzt auch noch
Bei der Diskussion über Korrektheitsprobleme ist schließlich die in 2.4.2 erwähnte und schon in Beispiel 123 realisierte Sonderform der Fraglichkeitsreparatur zu berücksichtigen. Wenn der Produzent auf Eigen- oder Fremdinitiative hin
176
Empirische Ergebnisse
noch einmal einen gerade formulierten Äußerungsteil auf eventuell aufgetretene Probleme überprüft, und sich herausstellt, dass seine Formulierung den an sie gestellten Erwartungen entspricht, dann wird er das evtl. explizit bestätigen. Empirisch konnte dieser Fall bisher nur für die Beurteilung auf sachliche bzw. lexikalische Korrektheit beobachtet werden. Fraglichkeitsreparaturen lassen sich daran erkennen, dass der Produzent einerseits im Reparaturversuch ein Bestätigungssignal formuliert und andererseits den betreffenden Äußerungsteil aus dem Reparaturbezug wiederholt. Dabei unterscheidet sich eine selbst durchgeführte Fraglichkeitsreparatur von einer vom Rezipienten mit einer Entscheidungsfrage fremdeingeleiteten sowie vom Produzenten durch Bestätigungssignal und/oder Wiederholung positiv antwortenden Reparatur, nur dadurch, dass die einleitende Frage fehlt. Beispiel 126: F-Selbstreparatur 17I031
17K032 17I032
17K033
<noise> <sil: 9> so, {jetzt} nehmen wir {einen} erstmal eine blaue Schraube. {was} für eine {mehreckig}<spk: I, die sind> oder rund? <noise: rascheln> ach so, {das} ist egal, <noise> das also ja erstmal egal. <noise> {mhm.}
c) Die Lösung von Effizienzproblemen in der Äußerungsformulierung Die nachfolgend durch Beispiele illustrierten Möglichkeiten der Einleitung und Bearbeitung von Effizienzproblemen gleichen formal weitgehend dem Fall von Korrektheitsproblemen. Unterschiede liegen nur in der Art der Problemmanifestation und in der syntaktischen und semantischen Beziehung zwischen problematischem Äußerungsteil und Lösungsvorschlag. Eine typische sprachliche Realisierung der Problemmanifestation speziell bei Selbstreparaturen bildet das Folgerungsadverb also. Den zugeordneten Reparaturtyp bilden die A-Reparaturen. Zugleich beschränkt sich die Bearbeitungsform nicht auf einfache lexikalische Ersetzungen, sondern häufig sind auch komplexere Wort- oder Phrasenmodifikationen erforderlich.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
177
Beispiel 127: Präzisierende A-Selbstreparatur mit einleitender Problemmanifestation also 01I026
gut und auf den Würfel kommt jetzt noch mal so(_ei)ne {Fünferplatte,}<noise: klappern> aber quer zu den beiden <noise> anderen. {also}<spk: K, mhm> im Neuzigradwinkel <par> <noise> darauf
Im Einzelnen geht es bei Lösungsvorschlägen zu Effizienzproblemen hauptsächlich semantisch um die Herstellung eindeutiger, auf die Montagesituation konkretisierter und/oder leichter zu verstehender Formulierungen sowie auf der Sachebene um die Präzisierung, Vereinfachung oder angemessene Reihenfolge von Sachinformationen. Bei der Kategorisierung von Beispielen lässt sich jedoch nicht immer eindeutig entscheiden, ob entsprechende Formulierungsvorschläge als Lösung eines Formulierungs- oder eines Verstehensproblems einzustufen sind oder der Verständigungsabsicherung dienen. Dies gilt insbesondere für fremdeingeleitete Problembehandlungen. Beispiel 128: Durch problemspezifizierende Rückfragen fremdeingeleitete mehrfache bedeutungskonkretisierende Reparatur 12I043
12K037 12I044 12K038 12I045 12K039 12I046 12K040 12I047 12K041
so und dieses Loch hinten, das bauen wir jetzt noch zu, und zwar mit folgenden Teilen. erstmal, ja, wie soll ich das denn anschrauben? na, mit den mit den Muttern, mit den orangenen Muttern erstmal. ach mit, äh das sind Muttern hier? <par> weißt du, ich weiß nicht, <par> diese, diese trap/, trap/ was sind Muttern. das ist das Problem. diese trapezförmigen orangenen Dreiecke? Drei/, also na ja, doppelte Dreiecke, ja. ja, okay, denn habe ich es Moment, dann dann dauert es noch eine Weile.
Bei Beispiel 128 kann man argumentieren, dass es dort auch oder sogar eher um ein Verstehensproblem des Konstrukteurs als um ein Formulierungsproblem des Instrukteurs geht; denn ersterem müsste eigentlich klar sein, welche Teile im Montageset als Muttern zu bezeichnen sind, auch wenn sie eine unübliche Form
178
Empirische Ergebnisse
haben. In jedem Fall erleichtern die durchgeführten Reparaturversuche aber die Interpretation dieses Worts. Eindeutiger ist das Vorliegen eines Formulierungsproblems demgegenüber im folgenden Beispiel, weil das Auffinden einer übertragenen Bedeutung für den Fachbegriff Flügelschraube im Flugzeugszenario nicht ohne weiteres von Rezipienten erwartet werden kann. Beispiel 129: Mit problemspezifizierender Rückfrage fremdeingeleitete zweifache bedeutungskonkretisierende A-Reparatur 05I005
05K005 05I006 05K006
ja ist egal. und welche <noise> Flügelschraube nee, zwei Flügelschrauben. {<sil: 2>} Flügelschrauben, was <par> ist das? <par> ja diese Schrauben zum Festdrehen, ähm Muttern. {mhm}<noise: klappern>
A-Reparaturen werden manchmal auch durch unspezifische Nichtverstehenssignale fremdeingeleitet; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nicht nur ein Wort, sondern eine komplexe Konstituentensequenz repariert wird. Beispiel 130: Unspezifisches Nichtverstehenssignal als Fremdeinleitung einer zweifachen verstehenserleichternden A-Rreparatur 07I096 07K096 07I097
07K097 07I098
07K098
<noise> genau, so(_ei)n Kreuz ja <sil: 4> ja habe ich. aber nicht von oben nach unten, sondern von rechts nach links und das andere von links nach rechts, ne? <par> hä? <par> so diagonal, <noise> nicht so, daß es so gerade ist, sondern <sil: 3> ja.
Noch eindeutiger als Beispiel 128 illustriert Beispiel 130 den Umstand, dass es nicht in jedem Fall möglich und zweckmäßig ist, Formulierungs- und Verstehensreparaturen strikt voneinander abzugrenzen. Einerseits ist die Formulierung der Instrukteurin 07I097 relativ kompliziert. Andererseits wusste die Konstrukteurin bereits, dass es um den Bau des Flugzeugpropellers geht, und deshalb hätte man von ihr evtl. eine erfolgreiche Interpretation von 07I097 erwarten
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
179
können. Insofern soll Beispiel 130 auch als Fall einer Verstehensreparatur gewertet werden (vgl. 3.5.3). Die verschiedenen Arten der Herstellung semantisch effizienter Formulierungen lassen sich teilweise unter die Kategorie der Reformulierung subsumieren (vgl. 3.4.2). Im folgenden Beispiel etwa vereindeutigt (desambiguiert) die Konstrukteurin ihre erste Formulierung die gucken nicht beide auf eine Seite oder doch? referentiell, indem sie die Nominalphrase die durch die beiden Siebenerstangen expandiert. Beispiel 131: Desambiguierende A-Selbstreparatur 06K141
<noise> nein. <sil: 2> diese diese Sieberner, ja? die {waren} nicht beide auf einer Seite. die gucken nicht beide auf eine Seite oder doch? die beiden {Siebenerstangen.}<spk: I, ja> gucken nicht auf eine Seite oder doch? <sil: 3> […]
Ein analoges fremdeingeleitetes Beispiel liefert: Beispiel 132: Mit problemspezifizierender Rückfrage fremdeingeleitete desambiguierende A-Reparatur 05I066
05K066 05I067
05K067
<noise> <sil: 1> ja stimmt. seh(e) ich auch gerade. ja klar mit der Gewindeöffnung sollst du(_e)s halt festschrauben <noise> hast du ihn jetzt auf der orangen Schraube auf der achtkantigen festgedreht, {ne?}<spk: K, ja> und jetzt nimmst du den zweiten Würfel, äh legst den da stellst den da unter und mit der grünen Schraube ziehst du die <par> alle zusammen <par> wo stell(e) ich den runter? unter den <noise> ersten Würfel, den du {jetzt}<spk: K, ja> gerade festgedreht hast. {mhm}<noise: rascheln>
Interpretationsklarstellungen werden im Flugzeugkorpus i.A. retrospektiv formuliert. Grundsätzlich kann man aber z.B. eine Begriffsdefinition auch vor der Äußerung geben, in der der fragliche Begriff vorkommt. Das folgende Beispiel
180
Empirische Ergebnisse
ist besonders interessant, weil sich der Instrukteur hier diesbezüglich umentscheidet und seine begonnene Äußerung abbricht, um im Rahmen einer different-message-Bearbeitung zunächst zum besseren Verständnis eine Definition für oben und unten festzulegen und die intendierte Instruktion erst danach zu formulieren. Der Übersichtlichkeit halber haben wir die betreffende Definition selbst nicht durch Fettdruck hervorgehoben. Beispiel 133: Selbsteingeleitete und interaktiv durchgeführte D-Reparatur zugunsten einer anschließend eindeutig interpretierbaren Lokalangabe 12I069
12K063 12I070 12K064 12I071 12K065 12I072 12K066
so genau <sil: 2> und jetzt ähm legst du den au Scheiße, wie soll ich das erklären? also es wird noch, es ist noch einfach, und zwar kommt der rote Würfel, kommt kommt auf also paß auf, ich definiere jetzt nochmal oben und unten. oben ist jetzt sozusagen, wenn du von oben drauf schaust, und zwar ist oben, wo diese gelben Schrauben sind {die}<spk: K, ja> wir jetzt schon oben, ja? Baufix und Rille genau. da gucke ich jetzt drauf. da guckst du jetzt drauf und dann legst du den roten Würfel auf dieses äh freigebliebene Loch hinten oben drauf? oben drauf. ja.
Grammatisch gesehen handelt es sich übrigens bei Beispiel 133 im Sinne unserer Reparaturdefinition deshalb um eine D-Reparatur, weil die spätere Wiederaufnahme der unterbrochenen Äußerung und zwar kommt der rote Würfel kommt kommt auf trotz der langen Definitionspassage textgrammatisch mit einer Richtungsaussage über den roten Würfel an den vorausgehenden Äußerungsrahmen angeschlossen wird. Besonders schwierig ist eine eindeutige Funktionsbestimmung bzw. abgrenzung bei konkreten Äußerungsbeispielen für paraphrasierende AReparaturen. Dienen sie der Verstehenserleichterung aufgrund der Umformulierung oder des damit verbundenen Zugewinns an Zeit oder haben sie eine verstehensabsichernde Funktion und würden damit keine Reparatur im strikten Sinne darstellen? Für die Kommunikationsbeteiligten selbst wird dies auch nicht immer klar sein und sie werden nicht immer eine einheitliche Auffassung darüber ha-
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
181
ben, welcher Art von verständigungssichernder Aktivität es in einer Situation ggf. bedarf und welche Funktion eine solche Aktivität dann faktisch hat. Insofern ist es auch nicht notwendig, in jedem Einzelfall eine Entscheidung zwischen Verständigungsabsicherung und Problembehandlung zu treffen. Linguistisch allemal relevant ist demgegenüber die Identifizierung der zugehörigen sprachlichen Formen. Beispiel 134: Paraphrasierende A-Selbstreparatur 05I098
05K098 05I099 05K099 05I100
<noise> in die Gummireifen kommen diese {roten} äh Ringe rein. kann man so reinp/ äh stecken. <noise> <sil: 2> hast du? ja. {dann}<noise: rascheln> kannst du ähm diese Plastikteile d/ ähm die {weißen.}<noise: klappern> {mhm.}<noise: klappern> die kannst du da n/ da auch reinstecken also in die Mitte <noise> ins {Loch.}<spk: K, mhm>
Beispiel 135: Paraphrasierende A-Fremdreparatur 06I067
06K068 06I068 06K069 06I069 06K070
<noise> gut dann nimmst du dir den zweiten mit den sieben Löchern. {ja}<noise: rascheln> <noise> legst ihn {parallel} auf das erste Loch davor. auf das Loch wo wo der Fünfer schon aufgehört hat, ne? genau. mhm.
Einen besonders interessanten Fall effizienzerhöhender Paraphrasen bildet die Wahl von Beschreibungskategorien, die für die Wahrnehmung der Beteiligten besser zugänglich sind. In diesem Sinne ist bei der Identifizierung von Schrauben im Flugzeugsetting die Angabe der Form des Schraubenkopfs gegenüber der ebenfalls manchmal verwendeten Kategorisierung mit oder ohne Rille/Schlitz/Kerbe im Prinzip zu bevorzugen.
182
Empirische Ergebnisse
Beispiel 136: A-Selbstreparatur mit verstehenserleichternder Paraphrase durch Verwendung einer Formkategorie 09I042
[…] und beim Hinterteil sollst du jetzt die, den den zwei, den linken von den Überla/ beiden Überlappungsteilen sollst du jetzt mit der gelben Schraube mit dem Schlitz, die rund ist verschrauben.
Allerdings kann bei den Teilnehmern auch eine Konkurrenz hinsichtlich der Kategorienwahl entstehen. Beispielsweise benutzt die Instrukteurin in Dialog 4 von Anbeginn die Kategorie mit/ohne Kerbe, während die Konstrukteurin zunächst die Formkategorie verwendet. Einen theoretisch interessanten, aber empirisch selten vorkommenden Sonderfall bilden G-Reparaturen (mit der Verwendung einer Gabelungskonstruktion). Dieser Reparaturtyp wurde bereits in Abschnitt 2.4.2 angesprochen und mit einem Belegbeispiel illustriert. Das Flugzeugkorpus liefert allerdings keine, gegenüber dem in 2.4.2 Gesagten, neuen Informationen. Empirisch relevanter ist demgegenüber die Herstellung von Effizienz auf der Ebene der Sachformulierung. Sie geht über das Erreichen von semantischer Effizienz hinaus, weil auch Sachverhalte, die durch eindeutig und leicht zu interpretierende Äußerungen dargestellt sind, noch unzweckmäßig für die in der Interaktion durchzuführenden Handlungen sein können. Insbesondere drei Arten von sachbezogener Ineffizienz sind im Flugzeugkorpus zu finden: zu komplexe Sachverhaltsdarstellungen, denen durch eine retrospektive Portionierung entgegengewirkt werden kann; zu ungenaue Darstellungen bei der Instruktion, die einer Präzisierung bedürfen, bevor der Konstrukteur die jeweilige Montageaufgabe durchführt; unzweckmäßige Reihenfolgen, die insbesondere durch D-Reparaturen modifizierbar sind (vgl. 2.4.2). Ein instruktives Beispiel für eine in einer Verstehensreparatur durchgeführte Portionierung werden wir in Abschnitt 3.5.3 ausführlich diskutieren. Einen Beleg für eine präzisierende A-Selbstreparatur liefert schon Beispiel 127. Eine analoge Fremdreparatur bildet Beispiel 137: A-Fremdreparatur zwecks Sachverhaltspräzisierung 09I049
09K048 09I050
ja, und damit, da von die zweite Stelle verschraubst du jetzt mit der gelben, runden Schraube mit dem Schlitz. m was baue ich da dran? gar nichts, es wird nur erstmal zusammengeschraubt, damit es hält, damit es zusammenhält im Prinzip.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen 09K049 09I051
09K050
09I052 09K051 09I053
183
ist doch schon zusammen. ja, aber du kannst es ja zweimal zusammensch/ an zwei Stellen, kannst es ja zweimal zusammenschrauben. also ich mache einfach zwei Schrauben direkt {nebeneinander?}<spk: I, genau> wobei die mit dem Schli/ Schlitz auf der einen und d/ du darfst es mir nicht zeigen. ah ja ähm ja, aber ähm genau, du mußt ähm du verschraubst es zweimal, genau <sil: 2> rein wegen der Sicherheit und der Festigkeit.
Für die Bearbeitung von Reihenfolgeproblemen findet man im Flugzeugkorpus einige Beispiele mit Linearisierungsänderungen (so schon das Beispiel 133) und vor allem zwei Arten von D-Reparaturen. Dabei ist die Realisierung als Selbstreparatur die häufigere Form: Hier entscheidet der Produzent, dass er eine von ihm begonnene Äußerung zugunsten einer an dieser Stelle erforderlichen oder besser passenden Information oder eines vorher notwendigen Klärungsdialogs unterbricht und erst später nach Wiederholung des Äußerungsbeginns fortsetzt. Beispiel 138: D-Selbstreparatur zugunsten einer effizienten Instruktionsreihenfolge 11I109 11K110 11I110
auf jeden Fall dann hast du noch so einen lilanen {so}<spk: K, ja> einen Kringel. ja, ja. den steckst du <sil: 2> ähm, also du hast erst die Schraube, dann steckst du das Plastikdingen dadrauf, dann diesen Reifen und dann dieses lilane <sil: 1> diesen lilanen Holzkreisel.
Beispiel 139: D-Selbstreparatur zugunsten eines vorherigen Klärungsdialogs (und insofern mit Frremdbeteiligung) 05I030
05K030
dann leg(e) den dann leg(e) den Würfel weg <noise: klopfen> vergiß die den Arbeitsschritt und nehm(e) {ähm} du hast diese {zwei} langen Latten noch nicht angebracht, ne? nein.
184 05I031
Empirische Ergebnisse dann nimmst du die beiden jetzt. und jetzt ähm legst du die auf auf das Teil was du schon gebaut hast.
Grundsätzlich kann aber auch der Rezipient während einer Äußerung seines Partners der Auffassung sein, er solle diese Äußerung unterbrechen und eine besonders wichtige Information einschieben, was allerdings gegen das Höflichkeitsgebot, andere ausreden zu lassen, verstößt und deshalb nur selten geschieht bzw. nur in bestimmten Kommunikationsgattungen häufiger vorkommt. In einem solchen Fall wird aber der Äußerungsproduzent i.A. nach dem Einschub seine ursprünglich geplante Äußerung wieder aufgreifen und fortsetzen, m.a.W. die betreffende D-Reparatur wird interaktiv durchgeführt. Beispiel 140: Fremdeingeleitete und interaktiv durchgeführte D-Reparatur zugunsten einer vordringlichen Problemmanifestation 01I093
01K093 01I094
01K094
ja und die steckst du jetzt so darauf, daß {ähm} <par> also auf die Schraube. <par> ah ich hab(e) die eine falsch rum glaube ich <par> raufgesteckt. <par> ja ich nehm(e)(_e)s auch an. <par> daß der dicke Teil nach innen zeigt und nicht hin zu der blauen Schraube. <par> ja hatt(e) ich alles klar ja, ja hat sich soeben *erregelt. <noise> <sil: 6> oh toll <sil: 4> wenn man davon absieht daß sich das hier wieder nicht {reinschrauben läßt} weil ich diesen doofen Klotz falschrum montiert habe. {<sil: 37>} ja hab(e) ich.
In Beispiel 140 beginnt einerseits die Instrukteurin selbst mit einer D-Reparatur, um vor ihrer Äußerungsfortsetzung noch eine desambiguierende A-Reparatur also auf die Schraube zur Vereindeutigung der Lokalangabe darauf durchzuführen. Andererseits gibt sie durch ihr Zögern der Konstrukteurin die Gelegenheit, eine parallel zu der A-Reparatur geäußerte Information über ein Montageproblem von ihr einzuschieben, die wiederum von der Instrukteurin kommentiert wird, bevor sie die ursprünglich begonnene Nebensatzkonstruktion wieder aufgreift und fortsetzt. Allerdings ist die Konstrukteurin noch so sehr mit ihrem Montageproblem beschäftigt, dass sie parallel zur Äußerung der Nebensatzkon-
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
185
struktion der Instrukteurin den Dialog über das Montageproblem fortführt und insoweit die regelgerechte grammatische Konstruktion der D-Reparatur der Instrukteurin unterläuft. Deshalb bildet relativ zu ihrer Kommunikationsrealisierung die Äußerung 01K093 nicht den fremddurchgeführten Beginn einer DReparatur sondern den einer B-Reparatur. Derart komplexe Verhältnisse liegen bei Reparaturen aber nur selten vor.
3.5.3 Spezielle Strategien zur Lösung von Verstehensproblemen Von der in 2.3.3 eingeführten Systematik her müssten vor der Behandlung von Lösungsstrategien für Verstehensprobleme eigentlich Strategien für den Fall von Übertragungsproblemen angesprochen werden. Einerseits kommt dieser Fall aber im Flugzeugkorpus nicht vor und kann deshalb hier nicht durch Beispiele konkretisiert werden. Andererseits unterscheiden sich die zugehörigen Strategien nicht wesentlich von denen zur Lösung von temporär unvollständiger oder phonetisch unzulänglicher Artikulation bzw. zur Lösung von Hörverstehensproblemen und sie bestehen i.A. darin, dass der Produzent entweder unaufgefordert oder aufgrund einer Rückfrage des Rezipienten die jeweils gestörte Äußerungspassage wiederholt. Insofern gehen wir gleich zur Diskussion der Lösungsstrategien für Verstehensprobleme über. Dabei ist allerdings zunächst zu klären, inwieweit die bisher zur Beschreibung von Formulierungsproblemen verwendete Terminologie auf den Fall von Verstehensproblemen übertragen werden kann. Dies betrifft insbesondere den Reparaturbegriff, der in der Literatur bisher hauptsächlich für die Analyse von Formulierungsproblemen und ihrer Bearbeitung verwendet wurde. Deshalb sollen Reparaturen, mit denen Verstehensprobleme behandelt werden, im Folgenden explizit als Verstehensreparaturen bezeichnet werden. Weiterhin wären die Kategorien „selbst“ und „fremd“ eigentlich symmetrisch zum Fall von Formulierungsproblemen anzuwenden. Wenn ein Rezipient bemerkt, dass sein Verstehensakt nicht zum gewünschten Resultat führt, und er deshalb eine kommunikative Behandlung initiiert dann kann sie selbsteingeleitet genannt werden; bietet der Produzent daraufhin eine Reformulierung seiner bisherigen Äußerung oder eine Neuformulierung des mitzuteilenden Sachverhalts an, dann handelt es sich um eine fremddurchgeführte Bearbeitung. Eine so praktizierte Sprechweise hat jedoch zwei Nachteile. Erstens lässt sich die Entscheidung darüber, ob ein reines Verstehensproblem bzw. eine zugehörige Problembehandlung vorliegt, empirisch oft nicht eindeutig oder nur post hoc treffen. Zweitens bezieht sich die Problembearbeitung zwangsläufig auf eine vorherige Äußerung des Produzenten und allenfalls mittelbar auf den Verstehensakt des Rezipienten. Insofern eignen sich die Kategorien „selbst“ und
186
Empirische Ergebnisse
„fremd“ nur bedingt für eine Beschreibung der Behandlung von Verstehensproblemen. Deshalb werden wir im Folgenden zumeist die an der Einleitung oder Durchführung einer Problembehandlung Beteiligten explizit benennen und dabei die Buchstaben „P“ bzw. „R“ als Kürzel für den Produzenten bzw. Rezipienten verwenden. Zugleich soll i.A. statt von „Durchführung“ vorsichtiger von „Unterstützung“ gesprochen werden. Ein relativ eindeutiger Indikator dafür, dass – zumindest aus Rezipientensicht – ein Verstehensproblem vorgelegen hat, stellen die zum Abschluss von erfolgreichen Problembehandlungen und Reparaturen formulierten Verstehenssignale ach so oder ah so dar. Genauer zu klären ist schließlich, ob und ggf. welche Typen von Formulierungsreparaturen bzw. von Formulierungsproblembehandlungen Analoga bei der Lösung von Verstehensproblemen besitzen. a) Die Lösung von Vollständigkeitsproblemen beim Äußerungsverstehen Die bereits angesprochene Strategie der Wiederholung einer problematischen Äußerungspassage wird nicht nur im Fall unvollständigen Hörverstehens, sondern generell bei sprachbezogenen Vollständigkeitsproblemen des Verstehens eingesetzt. Insofern ist für die vom Rezipienten eingeleiteten Problemlösungen vor allem interessant, durch welche Art von Rückfragen der Produzent zur Wiederholung welcher Äußerungsteile veranlasst wird. Eine entsprechende prototypische Frageform zeigt das folgende Beispiel. Beispiel 141: Mit Problem- und Reparaturbezug definierender Rückfrage von R eingeleitete und durch Äußerungswiederholung von P unterstützte C-Verstehensreparatur inkl. anschließendem Verstehenssignal 07I018
07K018 07I019 07K019 07I020
und {drehst das}<spk: K, ich hoffe> mit so (ei)nem orangenen Teil fest, so (ei)nem Vierecke <noise: klappern> mit dem was? mit so (ei)n(en) orangenen <par> Viereck <par> ach s/ so (ei)n, diesen Salmiakpastillen {da} {genau so was.} {<sil: 5>}<noise: rascheln>
In ähnlicher Weise wie in diesem Beispiel kann der Produzent mit Hilfe geeigneter Fragen aufgefordert werden, bestimmte Phrasen oder Teile von ihnen oder eine gesamte Äußerung zu wiederholen. Ob in Beispiel 141 ein Hörverstehensoder ein semantisches Verstehensproblem vorliegt, ist zwar nicht eindeutig entscheidbar, die paraphrasierende und als Verstehensabsicherung fungierende
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
187
Reformulierung in 07K019 deutet aber auf den zweiten Fall hin. Formal gesehen unterscheidet sich die mit 07K018 eingeleitete und mit 07I019 unterstützte Reparatur von einer C-Formulierungsreparatur nur dadurch, dass an die Stelle eines Verzögerungssignal wie äh die Rückfrage trifft und dass außerdem die im Reparaturversuch vorzunehmende Ergänzung zwar vom Produzenten in 07I018 schon formuliert wurde, aber vom Rezipienten noch nicht wahrgenommen oder verstanden wurde. Konkreter gesagt: Die betreffende Verstehensreparatur ist ein Pendant zu einer möglichen C-Formulierungsreparatur der Form mit so einem äh mit so einem orangenen Viereck und deshalb lässt sie sich als C-Verstehensreparatur einstufen, bei der ein Verstehensprozess erst nach einer Verzögerung vervollständigt werden kann. Zu der in Beispiel 141 vorliegenden Form einer CVerstehensreparatur sind zwei Varianten denkbar, falls kein Hörverstehensproblem vorliegt. Zum einem benötigt der Rezipient evtl. keine unterstützende Wiederholung eines Äußerungsteils und wird dann nur eine Verzögerungsformel sowie eine abschließende Bestätigung für ein erfolgreiches Verstehen äußern. Zum anderen kann er auch, um Zeit zu gewinnen, die Äußerung des Produzenten oder einen Teil von ihr in Aussage- oder Frageform wiederholen und die ratifizierende Bestätigung des Produzenten abwarten. Beide Varianten kommen im Flugzeugkorpus fast ausschließlich zu dem Zweck vor, Zeit für die Durchführung einer Bauhandlung zu gewinnen, und damit haben sie nur die Funktion einer prospektiven Verständigungssicherung, indem sie verhindern, dass der Instrukteur die Kommunikation fortsetzt und dann nicht die volle Aufmerksamkeit des Rezipienten besitzt. Teilweise lässt sich allerdings auch nicht eindeutig entscheiden, ob dieser Fall oder eine C-Verstehensreparatur vorliegt. Beispiel 142: Mögliche, mit Verzögerungssignal eingeleitete und mit Bestätigungssignal abgeschlossene C-Verstehensreparatur 22I003 22K003 22I004
ja, genau. <sil: 2> und dann nehme ich so eine Holzschiene mit drei Löchern. Moment <sil: 3> ja. und schraube die mit dem letzten Loch auf der Gegenseite von dem Holzwürfel fest mit einer Sechskantschraube mit einer roten. {<sil: 3>}<noise: klappern> klar? also die beiden Schrauben sitzen jetzt gegenüber in dem Würfel.
188
Empirische Ergebnisse
Beispiel 143: Mögliche, mit Äußerungswiederholung eingeleitete und mit wechselseitiger Ratifikation abgeschlossene C-Verstehensreparaturen 07I006
07K006 07I007 07K007
nee, eine eckige {<sil: 3>}<noise: klappern> also steckst du durch und drehst einen roten Würfel drauf. eine roten Würfel. einen roten Würfel. <sil: 3> ja. <par> Moment
Wenn es einem Rezipienten nicht durch Zuwarten gelingt, ein sprachbezogenes Vollständigkeitsproblem zu lösen, und wenn er auch keine problemspezifizierende Rückfrage zwecks (partieller) Äußerungswiederholung stellen will/kann, dann hat er noch die Möglichkeit, eine unspezifische Nichtverstehensreaktion, z.B. durch hä?, zu formulieren und es dem Produzenten zu überlassen, ob er seine Äußerung wiederholt, ob er eine verstehenserleichternde A-Reparatur durchführt oder ob er mit einem neuen Formulierungsansatz versucht, bei der Lösung der Verstehensproblems zu helfen. Der erste Fall kommt im Flugzeugkorpus (zumindest im strikten Sinne) nicht vor, was darauf hindeutet, dass Nichtverstehenssignale wie hä? als Manifestation eines gravierenden Problems gelten können, auf das möglichst mit einer gezielteren Strategie als einer reinen Wiederholung reagiert werden sollte. Der dritte Fall, also der Lösungsversuch mit einer Neuformulierung bildet das Pendant zu einer B-Formulierungsreparatur. Einen Beleg für diesen Reparaturtyp liefert evtl. das obige und hier noch einmal wiedergegebene Beispiel 130. Beispiel 144: Mögliche B-Verstehensreparatur durch Neuformulierung nach Einleitung von R mit hä 07I095
07K095 07I096 07K096 07I097
07K097 07I098
<par> aber daß die ähm, daß die blei/ beiden ähm vorne diese Propellerteile da ähm <par> so diagonal sind <par> so(_ei)n Kreuz bilden <noise> genau, so(_ei)n Kreuz ja <sil: 4> ja habe ich. aber nicht von oben nach unten, sondern von rechts nach links und das andere von links nach rechts, ne? <par> hä? <par> so diagonal, <noise> nicht so, daß es so gerade ist, sondern <sil: 3>
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen 07K098
189
ja.
Ob hier tatsächlich die Interpretation von 07I097 bei der Konstrukteurin blockiert war, lässt sich natürlich nicht eindeutig entscheiden. Als Beleg für eine BVerstehensreparatur mit problemspezifizierender Einleitung von R ist möglicherweise Beispiel 128 einzustufen. Gut abgrenzen von sprachbezogenen lassen sich i.A. sachbezogene Vollständigkeitsprobleme und ihre Lösung. Relevant ist insbesondere der Fall, dass der Rezipient bestimmte erwartbare Sachverhaltsinferenzen nicht ziehen kann und deshalb den Produzenten auffordert, eine entsprechende Zusatzinformation explizit zu formulieren. Manchmal gelingt es dem Rezipienten aber auch unmittelbar nach Formulierung seiner Rückfrage, die gewünschte Information zu inferieren. Beispiel 145: Mit problemspezifischer Rückfrage von R eingeleitete und durch implizite Selbstbeantwortung durchgeführte I-Verstehensreparatur inkl. Verstehenssignal sowie mit anschließender Verstehensexplikation 11I167 11K168
11I168
11K169 11I169 11K170
11I170
<noise> so, jetzt hast du noch eine Schraube über hoffentlich, eine rote nämlich <noise> im Moment fällt erstmal alles auseinander ja, jetzt habe ich noch eine ganz kleine rote übrig <noise> ja und mit der befestigst du jetzt den blauen Würfel vor dem grünen Würfel <sil: 3> <noise> wie das denn? <par> <noise> ach so <par> also paß auf <par> wenn das jetzt <par> <noise> ja, ich weiß <noise> von oben wieder, ne ja, genau, genau und dann hast du den Propeller da dran.
Über die implizite Verstehensreparatur hinaus ist an Beispiel 145 interessant, dass die Instrukteurin in 11I169 parallel zur positiven Verstehensrückmeldung der Konstrukteurin einen Reparaturversuch zur Beantwortung der Rückfrage startet; wahrscheinlich hat sie diese Rückmeldung nicht wahrgenommen. Es ist verständigungsökonomisch zweckmäßig, dass die Konstrukteurin den Reparaturversuch der Instrukteurin in 11K170 unterbricht und jetzt zum Beweis ihres
190
Empirische Ergebnisse
erfolgreichen Verstehens selbst diese Rückfrage beantwortet. Während die Instrukteurin für ihren Reparaturversuch offensichtlich einen eigenständigen Satz formulieren wollte, schließt die Konstrukteurin grammatisch unmittelbar an ihre Rückfrage bzw. an den Anknüpfungspunkt befestigst in 11I168 an. Mit der Ratifikation der Verstehensexplikation der Konstrukteurin durch die Instrukteurin in 11I170 ist die Verstehensproblembehandlung beendet. Gegebenenfalls nimmt der Produzent eine Rückfrage des Rezipienten auch zum Anlass, über ihre Beantwortung hinaus, den zugrunde liegenden Sachverhalt ausführlicher darzustellen. In diesem Fall sprechen wir von der Strategie der Erläuterung (siehe auch 3.4.5). Beispiel 146: Mit problemspezifizierender Rückfrage von R eingeleitete und von P unterstützte I-Verstehensreparatur mit zusätzlicher Erläuterung 07I055
07K055 07I056 07K056 07I057
07K057 07I058
<noise> okay, dann nimmst du wieder so eine lange Stange <sil: 3> legst die wieder so quer da drüber. eine lange {Stange?}<noise: klappern> also <par> so, daß <par> wo quer drüber? daß sie durch ähm durch diese beiden Bretter da durch geht. wie die, die du gerade festgeschraubt hast nur noch ein Loch weiter (ei)n Loch weiter? ja <noise: klappern> habe ich (ei)n(en) breiten Flügel, ne also. ja, genau, dann nimmst du aber jetzt eine orange, eckige Schraube.
In Beispiel 146 beantwortet die Instrukteurin nicht nur die Rückfrage der Konstrukteurin (wo quer drüber?), sondern liefert auch Informationen darüber, wie die Leiste angebracht werden muss (wie die, die du gerade festgeschraubt hast nur noch ein Loch weiter) im Sinne unserer Ausführungen von Abschnitt 3.4.5 gibt sie also eine zusätzliche Erläuterung. Zwar könnte die Konstrukteurin anhand des bisherigen Konstruktionsergebnisses aufgrund eines durch die zweimalige Verwendung von wieder in der ursprünglichen Instruktion nahegelegten Analogieschlusses inferieren, dass die zu verwendende 7er-Leiste genauso angebracht werden soll, wie die zuvor verwendete. Diese Inferenz ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig aus der ursprünglichen Instruktion. Gerade beim Zugrundelegen von Vollständigkeitserwartungen kann es auch Unterschiede zwischen den Kommunikationsteilnehmern geben. Dies betrifft z.B. die Erwartung, dass mit der Darstellung eines Sachverhalts möglichst auch
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
191
dessen Ursache begreiflich gemacht wird. Wenn ein Rezipient diesbezüglich höhere Erwartungen hat als der Produzent, dann kann man bei einer aus Rezipientensicht in diesem Sinne nicht erwartungsgemäß ausfallenden Äußerung des Produzenten von einem Verstehensproblem sprechen, aber nicht von einem kollektiv geltenden Formulierungsproblem des Produzenten. Eine solche Konstellation liegt vermutlich in folgendem Beispiel vor. Beispiel 147: Mit problemspezifizierender Rückfrage von R eingeleitete und mit funktionaler Erklärung von P unterstützte I-Verstehensreparatur inkl. abschließendem Verstehenssignal 12I204
12K198 12I205
12K199
genau und zwar so, daß und zwar so, daß die äh, daß bei der gelben mußt du aufpassen, bei der gelben Schraube nimm/, nimmst du einfach das Loch, was ohne Gewinde ist. was ohne Gewinde ist? {wieso}<spk: I, genau> das? ja, weil weil man die anderen, also und zwar weil man die bei/ beiden Seiten zur Seite hin brauchen wir, brauchen wir <par> für die Räder, weißt du. <par> ah ja, okay, okay <noise> okay, ja Moment {bitte} <sil: 4>
b) Die Lösung von Korrektheitsproblemen beim Äußerungsverstehen Für eine Identifikation von Korrektheitsproblemen beim Verstehen einer Äußerung gibt es die Schwierigkeit, dass sie dem Rezipienten vielfach nicht bewusst sind und dass sie im Flugzeugkorpus nur dann manifest werden, wenn daraus entweder ein Montageproblem entsteht – und dies geschieht oft nachträglich relativ spät – oder wenn in einer Nachfolgeäußerung direkt oder indirekt irgendein Bedeutungsaspekt der Ausgangsäußerung problematisch wird. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von falschem Verstehen einer Äußerung unterscheiden. Die erste Art liegt vor, wenn der Rezipient einen Fehler bei der kompositorischen sog. wortwörtlichen Bedeutungszuordnung macht, und die zweite wenn er eine falsche Inferenz zieht. Das folgende Beispiel liefert einen Beleg für ein aufgrund eines späteren Montageproblems bemerktes Verstehensproblem der ersten Art. Zu Beginn des Dialogs 8 hatte der Instrukteur den Konstrukteur aufgefordert, die beiden Siebenlochleisten an die Seite zu legen (08I002 und 08I003). Trotzdem waren die beiden Leisten vom Konstrukteur anschließend verbaut worden. Dieser Fehler wird erst im Zusammenhang mit der Äußerung 08I052 des Instrukteurs bemerkt.
192
Empirische Ergebnisse
Beispiel 148: Durch problemspezifizierende Widerspruchsmarkierung von R und Inkorrektsmarkierung von P eingeleitete sowie durch Äußerungswiederholung von P unterstützte nachträgliche Korrektur eines wörtlichen Verstehensproblems 08I052
08K052
08I053 08K053 08I054 08K054 08I055
08K055
<par> du hast vorhin noch eine Fünfer genommen, und da hast du im Endeffekt unten einen Dreier dran gemacht und da mit dem roten Würfel quer dazu eine Fünfer, so daß man, wenn man von oben drauf gucken würde, (ei)n T hat. ja, aber ich habe die äh Siebener {genommen}<spk: I, ja> also Siebener mit Dreierverlängerung. nee, das war schade. <noise: klappern> ich habe am Anfang noch die Siebenerverlängerung. nein, das das du hast die Siebener habe ich noch gar nicht <par> sollte ich noch gar nicht verbaut haben? <par> die Siebener sollten ja weg da habe ich ja gesagt, die zwei Siebener an die Seite legen. ach, an die <noise> Seite legen, das heißt ja, alles klar. nee, ich habe
Wie man sieht, formuliert der Konstrukteur in diesem Beispiel außerdem eine abschließende Ratifikation durch das Verstehenssignal ach und eine partielle Wiederholung der Korrektur. Im nachfolgenden Beispiel geht es um die Zurückweisung einer falschen Inferenz des Konstrukteurs, die wahrscheinlich dadurch zu erklären ist, dass sich der Konstrukteur zu einem früheren Zeitpunkt des Dialogs eine falsche inferenzielle Vorstellung von dem zu montierenden Höhenleitwerk gemacht hat. Beispiel 149: Durch Inferenzrückfrage von R manifest werdendes Sachverstehensproblem und durch EK-Reparatur von P unterstützte Sachverstehensreparatur mit nachträglicher Korrektur der früheren, latent gebliebenen Inferenz von R 13I034
13K033 13I035 13K034
so, und jetzt legst du also diesen Fünferträger auf diesen Dreierträger, von dem ja nur noch zwei Löcher da zu sehen sind jetzt. ja. und äh das wird jetzt zusammengeschraubt, und zwar kommt im rechten Winkel?
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen 13I036 13K035 13I037 13K036 13I038 13K037
193
nein, wieso im rechten Winkel? nicht im rechten Winkel? nein, das wird gerade draufgeschraubt, <par> beide Löcher <par> ist praktisch eine Verlängerung von dem Dreierträger? ja, genau, das {wird}<spk: K, gut> die Verlängerung von dem Dreierträger. ja.
Während die Korrektur von Sachformulierungsproblemen im Flugzeugkorpus empirisch weitgehend mit dem Fall von EL-Reparaturen übereinstimmt, spielt die korrespondierende Reparatur bei Sachverstehensproblemen nur eine untergeordnete Rolle. Dasselbe gilt übrigens für EF- und ES-Verstehensreparaturen. Insofern ist es erforderlich, neben der naheliegenden Übertragung der EKKategorie von Formulierungs- auf Verstehensreparaturen einen weiteren neuen Reparaturtyp für irrtümliche Inferenzen beim Sachverstehen einzuführen und dafür die Buchstabenkombinationen „EI“ zu benutzen. In diesem Sinne stellt Beispiel 149 eine EI-Reparatur dar, auch wenn man nicht genau erkennen kann, wie der Konstrukteur zu der Inferenz einer Montage der Dreier- und der Fünferleiste im rechten Winkel gelangt ist. Im Flugzeugkorpus basieren Inferenzen häufig auf Analogieschlüssen, aber auch die können natürlich zu Unrecht gezogen sein. Beispiel 150: Mit Inferenzaussage von R manifest werdendes Sachverstehensproblem und durch EK-Reparatur von P unterstützte EI-Verstehensreparatur 03I005
03K005 03I006 03K006
03I007 03K007 03I008 03K008
also jetzt legst du dies längliche Teil mit den Löchern auf den Klotz und drehst oben in der Mitte die rote Schraube rein. <noise> <sil: 1> mhm. <noise> <sil: 3> richtig festdrehen, ne? <sil: 1> ja warte so mhm. {das ist der}<spk: I, hast du?> Propeller wahrscheinlich, {ne?}<spk: I, mhm> <sil: 1> <par> mhm. <par> und dann nimmst du eins von den länglichen Teilen mit drei Löchern drin. mhm. <noise> <sil: 1> legst das jetzt unter den Klotz. ja
194 03I009
03K009 03I010
03K010
03I011
Empirische Ergebnisse <sil: 1> ähm also nicht parallel zu dem Propeller, den du {aufgebaut}<noise: klappern> hast, sondern ja so anders, {ne?}<spk: K, mhm> und {drehst}<noise: klappern> jetzt von unten auch wieder so(_ei)ne rote <noise> Schraube rein, aber eine von denen, die keinen Schlitz hat <par> oben. <par> mhm. <noise> und auch in die Mitte, ne? in die l/ in <par> das <par> nee, <noise> ganz am Ende {also}<spk: K, ah ja> in <noise> das letzte Loch.
Die Verwendung der Partikel auch in 03K010 zeigt an, dass die Konstrukteurin für die Befestigung der Dreilochleiste am Würfel/Klotz eine (mittige) Montage analog zu der für die in 03I004 genannte Leiste ansetzt; dieser Analogieschluss wird möglicherweise auch dadurch nahegelegt, dass die Instrukteurin in 03I0010 mit auch wieder selbst das Vorliegen einer Analogie deutlich macht, die sich allerdings nur auf die Farbwahl der Schraube bezieht. Bei näherer Betrachtung von Beispiel 149 und 150 wird noch ein wichtiger Zusammenhang zwischen verstehensabsichernden Aktivitäten und Reparaturen deutlich. Wenn der Rezipient aus einer Produzentenäußerung eine interaktionsrelevante und bedeutungserweiternde Inferenz zieht, dann ist es in jedem Fall verständigungsökonomisch zweckmäßig, sie explizit auszusprechen, damit der Produzent ihre Geltung bestätigen oder verneinen kann. Im negativen Fall erhält die betreffende Inferenzformulierung des Rezipienten den Status einer Bezugsäußerung für die vom Produzenten eingeleitete und durchgeführte Formulierungskorrektur, die aber zugleich eine Verstehenskorrektur im strukturell übergreifenden Rahmen bewirkt. Am Beispiel 150 konkretisiert heißt das: Die inferenzformulierende Äußerung 03K010, die mit ihrer Bestätigungsaufforderung ne?eigentlich als verstehensabsichernde Maßnahme oder als I-Reparatur angelegt war, fungiert einerseits rückwirkend als Ausgangspunkt einer Verstehensreparatur bezogen auf die Instruktion 03I008-03I010. Sodann stellt 03I011 den zugehörigen Reparaturbzw. Unterstützungsversuch der Instrukteurin dar, der von der Konstrukteurin mit ah ja ratifiziert wird. Andererseits ist die Präpositionalphrase in die Mitte in 03K010 aber auch als Reparaturbezug einer von der Instrukteurin mit nee einge-
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
195
leiteten EK-Formulierungsreparatur auffassen, die in die Mitte zu am Ende und dann nochmal zu in das letzte Loch modifiziert. Bisher haben wir nur die Behandlung von Korrektheitsproblemen beim Verstehen des Konstrukteurs diskutiert. Die beiden folgenden Beispiele zeigen aber, dass manchmal auch der Instrukteur die Äußerungen des Konstrukteurs missversteht. Allerdings werden die Verstehensprobleme des Instrukteurs nicht durch Verstehenskorrekturen bearbeitet, sondern auf indirekte Weise durch Sachformulierungsreparaturen. Beispiel 151: Indirekte Behandlung eines Korrektheitsproblems beim Verstehen durch Sachformulierungsreparatur der das Problem anzeigenden Äußerung 08I026 08K026 08I027
08K027 08I028 08K028 08I029 08K029
08I030
08K030 08I031 08K031
super und jetzt *schieckst du den eine Fünferquerleiste <noise: klappern> so eine ja. die kommst jetzt oben auf diesen roten <noise> Würfel raus mit einer roten, runden Schraube <sil: 3> nach rechts oder nach links? einfach richtig nach oben, also wenn es ach so, nur verlängern? nee, nicht verlängern, sondern quer neunzig Grad dazu, {also}<spk: K, ja> es steht nach rechts <noise> oder mittig oder nach links? {also} welches Loch muß ich <par> von diesem Fünfer nehmen? <par> nee, in den roten Würfel einfach so oben drauf, <noise> daß das Ding ähm rechts und lich/ links gleich lang? ja, in der Mitte. mhm. {okay.}<noise: klappern>
Da der Instrukteur in 08I027 von Beispiel 151 nur unvollständige Informationen zur Montage der in 08I026 genannten Leiste gibt, stellt der Konstrukteur entsprechende Rückfragen (08K027, 08K028), deren Beantwortung aber nicht zu der erforderlichen Klärung führt. Deshalb fragt der Konstrukteur in 08K029 erneut nach, welche der drei denkbaren Montagemöglichkeiten er wählen soll. Diese Frage versteht der Instrukteur offensichtlich falsch, wie seine Antwort in 08I030 zeigt, Dies bemerkt auch der Konstrukteur und modifiziert seine Frage in 08K030 so, dass er dem Instrukteur nur noch eine Montagemöglichkeit zur Entscheidung vorlegt. Formal kann man diese Modifikation aber auch als Einleitung
196
Empirische Ergebnisse
einer A- oder I-Formulierungsreparatur von 08I031 einstufen. Diese Strategie des Konstrukteurs ist erfolgreich, denn der Instrukteur bestätigt in 08I031 die erfragte Montageart. Die Problemverursachung durch sein Missverständnis und die vorherige Unvollständigkeit seiner Informationen wird jedoch – im Unterschiede zum nächsten Beispiel – nicht thematisiert. Beispiel 152: Indirekte Behandlung eines Verstehensproblems durch Verstehensabsicherungen und Sachformulierungsreparaturen mit anschließendem Verweis des Produzenten, eine sachlich korrekte Ausgangsäußerung gemacht zu haben 11I110
11K111 11I111 11K112 11I112 11K113 11I113 11K114 11I114
den steckst du <sil: 2> ähm, also du hast erst die Schraube, dann steckst du das Plastikdingen dadrauf, dann diesen Reifen und dann dieses lilane <sil: 1> diesen lilanen Holzkreisel. von von der anderen Seite dagegen oder den <par> lilanen <par> nee, nee, das steckst du alles aufeinander. ach, alles aufeinander? ja, ja. also <noise> erst Schraube dann das lilane und dann das Plastikdingen? nee, erst Schraube, dann das Plastikdingen, dann das Rad und dann das lilane. <sil: 1> ja, sag(e) ich ja {<sil: 2>}<noise: klappern> also doch das lilane dagegen hinter das Rad? ja, dagegen, ja gut.
Die zur Informationsvervollständigung oder Absicherung des Verständnisses von 11I110 in 11K111 formulierte zusätzliche Lokalangabe ist zwar selbst nicht eindeutig interpretierbar (die Konstrukteurin hätte präziser von der anderen Seite des Rades dagegen sagen müssen). Die Instrukteurin missversteht diese Angabe aber als Gegensatz zu ihrer eigenen Aussage über die Reihenfolge. Deshalb weist sie 11K111 zurück und reformuliert 11I110 in einer komprimierten Version, die sie auf Rückfrage der Konstrukteurin auch in 11K112 noch einmal bestätigt. Aufgrund der Tatsache, dass 11I111 als Gegensatz zu 11K111 dargestellt wurde, hat wiederum die Konstrukteurin ein Sachverstehensproblem bei 11I111 und deshalb wendet sie in 11K113 zweckmäßigerweise die bekannte Portionierungsstrategie an, die komprimierte Formulierung von 11I111 wieder in Teilaussagen hinsichtlich der Montagereihenfolge zu zerlegen. Dabei wählt sie allerdings eine falsche, 11I110 widersprechende Reihenfolge, was wiederum Anlass für eine
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
197
Sachformulierungsreparatur durch die Instrukteurin in 11I113 ist. Daran erkennt die Konstrukteurin aber, dass ihre Aussage in 11K111 über die Art der Montage doch korrekt war und dies lässt sie sich mit einer präzisierten Formulierung in 11K114 von der Instrukteurin bestätigen (11I114). Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Instrukteurin akzeptiert bzw. sich dessen bewusst wird, dass sie bei 11K111 ein Verstehensproblem hatte. Besonders interessant an Beispiel 152 ist auch, dass die Verstehensabsicherungen und Reparaturen – mit Ausnahme der eigenständigen satzwertigen Reparatur 11I111 – alle von der grammatischen Konstruktion "Adjazenzellipse" Gebrauch machen und damit auch über die übliche Bearbeitungsform der Modifikation einer einzigen Konstituenten hinausgehen. Die beiden Beispiele 151 und 152 machen auch deutlich, wie aufwendig die Behandlung relativ einfacher Verständigungsprobleme ausfallen kann, wenn die Beteiligten nicht präzise genug formulieren und/oder inflexibel auf Partneräußerungen reagieren. Trotzdem handelt es sich bei diesen Beispielen um Problemfälle, die noch überschaubar bleiben und lokal lösbar sind. Ein Pendant zu den F-Reparaturen bei Verstehensproblemen liegt dann vor, wenn ein Verstehensresultat des Rezipienten.von ihm selbst zwischenzeitlich in Frage gestellt, anschließend aber wieder als korrekt bestätigt wird. Im Flugzeugkorpus haben wir allerdings kein Belegbeispiel gefunden. Dies ist deshalb nicht erstaunlich, weil letztlich der Instrukteur die Instanz darstellt, die über die Korrektheit einer Verstehensexplikation entscheidet. Dementsprechend gibt es Beispiele, bei denen der Konstrukteur den Instrukteur auffordert, den eigenen zwischenzeitlichen Zweifel an der Korrektheit seines Verstehensresultats zu beseitigen. Beispiel 153: Selbsteingeleitete und fremddurchgeführte F-Verstehensreparatur zwecks Überprüfung einer gezogenen Inferenz 02I021
02K020
02I022
<noise> ja das wird dann das ist jetzt das Heck von dem {Flugzeug} <sil: 1> das ist {das} äh Höhenruder. <sil: 1> mhm, na also {ähm} ist das dann quer dazu, oder <par> wie? <par> ja quer dazu.
Bei derartigen Beispielen lässt sich nicht immer eindeutig entscheiden, ob eine F-Verstehensreparatur oder eine Verstehensabsicherung vorliegt.
198
Empirische Ergebnisse
c) Die Lösung von Effizienzproblemen beim Äußerungsverstehen Eine Identifizierung von Effizienzproblemen beim Verstehen ist empirisch besonders schwierig, weil sich nur schwer beurteilen lässt, mit welchem Genauigkeitsgrad eine verbale Reaktion des Rezipienten auf eine Produzentenäußerung sein zugehöriges Verstehensresultat repräsentiert. Ein Pendant zu D- und GFormulierungsreparaturen konnten wir im Flugzeugkorpus nicht nachweisen. Demgegenüber lassen sich Belegbeispiele finden, die als A-Verstehensreparaturen einzustufen sind. Ein zugehöriges Effizienzproblem liegt dann vor, wenn der Rezipient einer Produzentenäußerung eine Bedeutung zugeordnet hat, die zwar weder unvollständig noch inkorrekt, aber bezogen auf das Interaktionsziel unangemessen ist. Eine solche Konstellation ist beispielsweise gegeben, wenn der Rezipient für eine mehrdeutige Äußerung nicht die in der Situation naheliegende Bedeutung wählt oder wenn er seinen konstruktiven Interpretationsspielraum nicht so flexibel nutzt, dass er eine situationsangemessene übertragene Bedeutung zuordnet. Ein interessantes Beispiel für den zweiten Fall findet sich beim Vergleich von Dialog 2 und 5 im Flugzeugkorpus. In beiden Dialogen verwendet nämlich die jeweilige Instrukteurin eine an sich sachlich inkorrekte Formulierung, um auf die Schrauben mit dem sechseckigen Kopf zu referieren. In Dialog 5 wählt die Instrukteurin die Bezeichnung achtkantig, ohne dass dies zu einem Verständnisproblem führt; m.a.W. sofern der Konstrukteur die Inkorrektheit dieser Bezeichnung bemerkt hat, reagiert er darauf tolerant und flexibel und interpretiert achtkantig in sechskantig um. Die Konstrukteurin in Dialog 2 leitet demgegenüber nach der ersten Verwendung der Bezeichnung Achteckschraube durch die Instrukteurin eine EL-Reparatur ein, besinnt sich dann aber eines Besseren. Beispiel 154: Implizite von R durchgeführte A-Verstehensreparatur durch nachträgliche Wahl einer situationsangepassten Bedeutung (Donellan-Phänomen) 02I017
02K016 02I018
02K017 02I019 02K018
<sil: 1> ja erstmal nur den Würfel. den Würfel schraubst du auf dieses letzte Stück von dem <par> <par> mit (ei)ner roten Schraube und die ist <par> dann unten <par> ja mit der roten Achteckschraube. <sil: 1> ja ist eigentlich egal, welche Schraube. Achteck? ach so, ja ist auch egal. <noise: klappern> so. <noise: klappern> <noise> so auf diesem Würfel obendrauf. mhm.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
199
Offensichtlich hat die Konstrukteurin in diesem Beispiel die Inkorrektheit der von der Instrukteurin gewählten Bezeichnung bemerkt, aber nach kurzer Zeit eingesehen, dass es für eine erfolgreiche Kommunikation geichgültig ist, ob die Schrauben mit dem sechseckigen Kopf ihrer Form entsprechend ganz korrekt oder mit der Formulierung Achteckschraube bezeichnet werden. Ein anderer im Flugzeugkorpus belegbarer Typ von A-Verstehensreparatur liegt vor, wenn die vom Rezipienten gewählte Bedeutung sachlich nicht genügend präzise ist bzw. wenn eine entsprechende Annahme aufgrund der Rezipientenreaktion naheliegt. In einem solchen Fall ist es – wie in folgendem Beispiel – zweckmäßig, dass der Produzent die betreffende Rezipientenäußerung durch eine A-Formulierungsreparatur modifiziert. Beispiel 155: Mögliche A-Verstehensreparatur mit Hilfe einer fremddurchgeführten A-Formulierungsreparatur anlässlich einer verstehensabsichernden Rückfrage 12I087 12K081 12I088 12K082
hinten sind <par> wir fertig <par> dann sind das die Tragflächen oder was? ja, genau, das sind die die hinterste Tragfläche, genau, mhm.
Auch dieses Beispiel illustriert wieder die Komplexität einer Rekonstruktion von Verstehensreparaturen: Die verstehensabsichernde Aktivität in 12K081 zeigt ein mögliches Sachverstehensproblem des Konstrukteurs an, dessen Lösung der Instrukteur durch eine A-Formulierungsreparatur unterstützt.
3.5.4 Angemessenes Sozialverhalten bei Problemen Grundsätzlich wird das Erreichen gemeinsamer Ziele in Kooperationen begünstigt, wenn die Interaktionspartner sozial angemessen miteinander umgehen. Im Sinne einer pragmatischen Effizienz kann dies auch für Prozesse der Bedeutungskonstitution gelten. Bei den Strategien der prospektiven Verständigungssicherung haben wir diesbezüglich die positive Funktion höflicher Instruktionsformulierungen als relevanten Verständlichkeitsfaktor der "Zusätzlichen Stimulanz" hervorgehoben. Auch bei der retrospektiven Behandlung von Verständigungsproblemen findet man im Flugzeugkorpus bestimmte Verhaltensweisen des Entgegenkommens und der Rücksichtsnahme, die ggf. einen positiven Einfluss auf die Bearbeitung der betreffenden Probleme und genereller auf die Kooperati-
200
Empirische Ergebnisse
onsbereitschaft bei Problembehandlungen haben können. Nachfolgend wollen wir zwei Beispielarten für entsprechende Verhaltensweisen anführen. Mit Beispiel 106, 119, 120 und 121 haben wir oben bereits illustriert, dass sich der Produzent manchmal für das Auftreten von Formulierungsproblemen entschuldigt und evtl. sogar explizit eingesteht, einen Fehler gemacht zu haben (vgl. Beispiel 119), Ein solches Verhalten kann sich emotional und beziehungskonstitutiv positiv auswirken und ist damit als pragmatisch effizient einzustufen. Ein weiteres, sehr ausgeprägtes Beispiel dieser Art liefert Dialog 4. Beispiel 156: Behandlung eines Sachformulierungsproblems mit Fehlereingeständnis und zweifacher Entschuldigung des Produzenten 04I043 04K043 04I044
04K044 04I045 04K045 04I046
und verbindest damit auch gleich den Dreier <sil: 1> damit. aber dann bleibt beim Dreier kein Loch mehr {frei.} doch da muß noch (ei)n Loch {frei bleiben.} ach nee, da ist eins dazwischen. <subst> Entschuldigung <par> hab(e) ich dir was falsch gesagt. <par> also ein Loch dazwischen <par> mhm <par> ein Loch dazwischen <noise> also du hast den gelben ohne Kerbe {ja}<noise: rascheln> <noise> ein Loch <par> <noise> dazwischen und dann kommt das
Vor dem in Beispiel 156 wiedergegebenen Gesprächsausschnitt hatte die Instrukteurin einen falschen Montageort für die hintere, als Flugzeugflügel dienende Siebenlochleiste angegeben, so dass auch ihre Instruktion in 04I043 nicht in dem geforderten Sinne durchführbar war. Dies wird von der Konstrukteurin zu Recht in 04K043 moniert. Daraufhin bemerkt die Instrukteurin ihren Fehler und korrigiert mit da ist eins dazwischen den betreffenden Montageort. Ebenfalls in Dialog 4 findet man Belege für das pragmatisch effiziente Verhalten, die Relevanz von Verstehensproblemen und daraus resultierenden Nachfolgeproblemen herunterzuspielen. Ausgangspunkt für die Problembehandlung im nächsten Beispiel ist der Umstand, dass die Konstrukteurin eine frühere Äußerung der Instrukteurin mißverstanden und statt einer der beiden zurechtgelegten Fünflochleisten eine Siebenlochleiste verbaut hat. Die Instrukteurin geht
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
201
demgegenüber in der ersten Äußerung 04I019 des Beispiels dann nimmst du den überbleibenden Stab davon aus, dass der Konstrukteurin nur noch eine der beiden Fünflochleisten zur Verfügung steht. Beispiel 157: Dreimalige Relevanzrückstufung des durch ein Verstehensproblem entstandenen Montagefehlers 04I019
04K019 04I020 04K020 04I021 04K021 04I022 04K022
04I023
04K023 04I024
04K024 04I025 04K025
<noise> dann nimmst du den überbleibenden Stab {und} die rote Schraube. ich hab(e) aber noch zwei Stäbe. du hast noch zwei Stäbe? <sil: 1> ich hab(e) jetzt eben den großen Stab genommen. und den kleinen nicht? doch den mit dreien sollt(e) ich den mit fünf nehmen? <par> ja einen mit fünf und einen mit dreien. <par> den mit fünf muß ich das <noise> ich hab(e) den ganz großen nämlich <par> <noise> genommen. <par> okay <noise> okay okay ja kein Problem. <sil: 4> soll ich noch mal sagen? nee weiß ich <par> noch <par> okay. <noise> <sil: 3> also den mit fünf und den mit {dreien}<spk: K, ja> und zwei Löcher überlappen sich. <sil: 1> zeigen aber in die gleiche Richtung sonst geht(_e)s ja nicht. <sil: 3> und dann müßtest du noch den mit fünf übrig haben. <noise> ja genau ja, ich hab(e) eben ja macht ja <par> nichts haben es ja {gemerkt.} <par> einfach den noch rausgegriffen den ich mir nicht zur Seite gelegt hatte.
202 04I026 04K026
Empirische Ergebnisse <noise> ja wir <subst> haben es ja gemerkt. <noise> <sil: 2> so ja jetzt hab(e) ich jetzt hab(e) ich noch die eine rote Schraube mit der Kerbe.
Was den strategischen Stellenwert der in Beispiel 156 und 157 illustrierten Verhaltensweisen anbetrifft, so ist klar, dass sie nicht der Lösung der jeweils zugrunde liegenden Verständigungsprobleme dienen, sondern der Bearbeitung resultierender negativer Folgen auf emotionaler und beziehungskonstitutiver Ebene. Insofern habdelt es sich bei ihnen nicht um retrospektive Strategien der Verständigungssicherung im eingeführten Sinne, wohl aber im weiten Sinne um Problembehandlungsstrategien. Zugleich können sie sich positiv als Maßnahmen der "Zusätzlichen Stimulanz" auf die Vermeidung von Verständigungsproblemen auswirken (was allerdings noch genauer empirisch nachzuweisen wäre); somit lassen sie sich als prospektive Verständigungsstrategien einstufen. Übrigens gehen die Kommunikationsteilnehmer im Flugzeugkorpus bei auftretenden Verständigungsproblemen nicht immer freundlich miteinander um, sondern tragen manchmal punktuelle verbale Konflikte mit wechselseitigen Vorwürfen und Schuldzuweisungen aus, was eher kontraproduktiv für das gemeinsame Vorhaben ist und zumindest zu unnötigen kommunikativen Nebensequenzen führt. Zur Illustration geben wir eine Auseinandersetzung zwischen Instrukteur und Konstrukteurin in Dialog 6 wieder. Beispiel 158: Wechselseitige Schuldvorwürfe hinsichtlich der Verursachung aufgetretener Verständigungsprobleme 06K125
06I125 [...] 06K140
06I140 06K141
{hm.} <noise> ich weiß nicht. okay bei mir sieht(_e)s irgendwie anders aus glaube ich. okay <par> <noise> weiter <par> das kann gar nicht <noise> sein. nach der Supererklärung. <par> ja ich hab(e) nee, warte ich ich muß da glaube {ich noch} mal kurz was verändern <par> hier dran. <par> mußt du <noise> den roten noch mal abschrauben. <noise> nein. <sil: 2> diese diese Sieberner, ja? die {waren} nicht
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
06I141 06K142
06I142 06K143
06I143 06K144
06I144 06K145 06I145
06K146 06I146
06K147 06I147
06K148
203
beide auf einer Seite. die gucken nicht beide auf eine Seite oder doch? die beiden {Siebenerstangen.}<spk: I, ja> gucken nicht auf eine Seite oder doch? <sil: 3> wenn du das Teil mal so vor dich legst, {gekreuzte Teil}<noise: klappern> vorne ist sind dann die Siebenerstangen also sind beide links oder beide rechts? nee, die sind in der Mitte festgeschraubt. ich weiß daß die in der Mitte {festgeschraubt}<noise: klopfen> sind, aber zeigen dann beide Enden in die gleiche Richtung? <sil: 1> oder {zeigen}<spk: I, j/> sie in {unterschiedliche}<noise: klappern> <par> Richtungen? <par> nein, die zeigen in nach links und rechts. <noise> wenn du parallel dazu sagst oh das geht gleich kaputt <noise> was machst du da? <noise> oh nein jetzt geht alles <par> <noise> auseinander. <par> soll ich da mal <noise> rüberkommen und helfen? <noise> nein warte <noise> gut okay. <sil: 6> <sil: 4> die {Siebener} sind <noise> werde wahnsinnig <noise> <sil: 2> du nimmst das mittlere Loch der Siebener, ja? bitte ich {also so w/} das Kreuz zeigt zu dir hin. <noise> ja nein im Moment gar nichts zu mir irgendwie. <noise> sollte es aber also <par> <noise> <par> das *mittlerste <noise> Loch die Siebener?
204 06I148
06K149 06I149
Empirische Ergebnisse <noise> genau so so, daß links und rechts {gleich viel}<spk: K, ja, ja> Löcher <par> <noise> von den Siebenern <par> oh, das hast du aber <noise> eben nicht gesagt glaube ich <noise> äh uns das Band noch mal an.
Die Beispiel 158 zugrunde liegenden Verständigungsprobleme haben wir schon im Zusammenhang mit Beispiel 81 in Abschnitt 3.5.1 genauer diskutiert. Demzufolge ist die Schuldabweisung des Instrukteurs in 06K125 und der resultierende indirekte Schuldvorwurf an die Konstrukteurin ungerechtfertigt. Ausgangspunkt des komplexen Verständigungsproblems war nämlich, dass der Instrukteur eine unvollständige Information zur Montage der ersten Siebenlochleiste gegeben hatte. Insofern ist auch der in seiner Geltung eingeschränkte Schuldvorwurf der Konstrukteurin in 06K149 korrekt. In solchen Fällen räumt der Gesprächspartner allerdings üblicherweise die Möglichkeit ein, selbst einen Formulierungsfehler gemacht zu haben; stattdessen insistiert der Instrukteur in 06I149 – wenn auch nur im Scherz – darauf, die Schuldfrage müsse durch Anhören der Aufnahme geklärt werden. Zu diesem Verhalten passt, dass der Instrukteur der Konstrukteurin in 06I143 und 06I147 bestimmte nicht erwartungsgemäße Bauresultate vorwirft und sie einseitig für die jeweiligen Probleme verantwortlich macht. Interessant ist schließlich die Beantwortung der Frage nach der Berechtigung des indirekten Vorwurfs 06K143 der Konstrukteurin an den Instrukteur, die Formulierung parallel sei unangemessen. Relativ zu dem gegenwärtigen falschen Montageresultat der Konstrukteurin (eine Siebenlochleiste ist nach links, die andere nach rechts ausgerichtet) kann dieser Vorwurf als legitim gelten, aber nicht relativ zu der vorgesehenen Funktion dieser Leisten als nach beiden Seiten ausgerichteten Flugzeugflügel. Insgesamt gesehen wird an Beispiel 158 also deutlich, warum es zweckmäßig ist, dass Kommunikationsteilnehmer i. A. bei Verständigungsproblemen auf Schuldzuweisungen verzichten.
3.5.5 Erwartungsprobleme und Erwartungskoordination Als zentrales Resultat unserer Untersuchung hat sich ergeben: Im Verständigungsprozess spielen die zugrunde liegenden Erwartungen der Gesprächsteilnehmer eine entscheidende Rolle. Soweit wie möglich richten Kommunikationsteilnehmer die Formulierung und das Verstehen von Äußerungen danach aus,
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
205
dass diese Erwartungen erfüllt sind. Sie gehen außerdem davon aus, dass sich auch der jeweilige Gesprächspartner den Erwartungen entsprechend verhält. Nun kann es aber geschehen, dass zwei Kommunikationspartner divergierende Erwartungen mit einer Äußerung verbinden. So kann ein und dieselbe Formulierung etwa den Vollständigkeitserwartungen des Sprechers genügen, während der Hörer die fehlende Vollständigkeit derselben Formulierung bemängelt. Einen solchen Fall haben wir bereits im Zusammenhang mit Beispiel 102 in 3.5.2 diskutiert. Die besondere Relevanz derartiger Erwartungsprobleme wurde schon in Kindt/Weingarten (1984) dargestellt und an einem Dialogbeispiel empirisch konkretisiert. Wie die Analyse des Flugzeugkorpus zeigt, muss zu solchen Problemen auch ein in der Literatur bisher nicht diskutierter Fall gerechnet werden, nämlich die mögliche Instabilität einer von einem Teilnehmer zugrunde gelegten Erwartung während einer Kommunikation. Treten aufgrund merklicher Erwartungsprobleme Verständigungsprobleme auf, so werden die Beteiligten günstigenfalls gemeinsam aushandeln oder implizit koordinieren, von welchen Erwartungen sie im weiteren Verlauf des Gesprächs ausgehen wollen. Ist diese Aushandlung bzw. Koordination erfolgreich, so kommt es – wie in Beispiel 102 – zu einer im Folgenden geltenden Erwartungsanpassung. Mit solchen Erwartungsanpassungen werden nicht nur konkret auftretende Verständigungsprobleme gelöst und prospektiv vermieden, vielmehr stellen die Gesprächsteilnehmer auch sicher, dass sie das Gesprächsziel, in unserem Fall das erfolgreiche Montieren des Baufix-Flugzeugs, für alle Beteiligten zufriedenstellend erreichen. Die Erwartungsanpassung kann also auch als eine wichtige Strategie zur Sicherung des Bauergebnisses angesehen werden. Da das Interaktionsziel in den Dialogen des zugrunde liegenden Korpus mit der Konstruktion des Baufix-Flugzeugs sehr speziell ist und zudem die Kommunikationsbedingungen aufgrund eingeschränkter oder blockierter Sicht oft sehr schwierig sind, haben die Beteiligten hier auch sehr spezifische Erwartungen an die Kommunikation. Diese Erwartungen betreffen insbesondere die Vollständigkeit und Korrektheit der Formulierungen des Instrukteurs. So muss sich der Konstrukteur darauf verlassen können, dass er korrekte Instruktionen erhält. Das Bemühen um sachliche Korrektheit findet sich vor allem in den Situationen wieder, in denen Unstimmigkeiten ausgeräumt werden müssen. Zu Erwartungsanpassungen kommt es hier jedoch nicht, da alle Beteiligten gleichermaßen um sachliche Korrektheit bemüht sind. Demgegenüber führen ungeklärte oder unterschiedliche Vollständigkeitserwartungen teilweise zu Erwartungsproblemen und ggf. anschließenden Erwartungskoordinationen. Dies geschieht z.B. dann, wenn die Beteiligten im Verlauf der Kommunikation differierende Ansichten bezüglich der Zielsetzung einer farblichen Übereinstimmung der Flugzeugteile mit der Vorlage bemerken. In diesem Fall hat die Erwartungskoordination zwei mögli-
206
Empirische Ergebnisse
che Ergebnisse: Zum einen könnten sich die Beteiligten darauf einigen, dass die Farbe der Würfel z.B. für die erfolgreiche Montage des Flugzeugs irrelevant ist. Hier reduziert dann einer der Beteiligten seine zielbezogenen Vollständigkeitserwartungen. Die bis zur Identifizierung des Erwartungsproblems ggf. bereits montierte Konstruktion wird damit nicht weiter in Frage gestellt und es müssen keine Veränderungen daran vorgenommen werden. Zum anderen kann die Klärung ergeben, dass das Bauergebnis des Konstrukteurs farblich mit der Vorlage des Instrukteurs übereinstimmen soll. Ist dies bisher nicht der Fall, so muss die bestehende Konstruktion vom Konstrukteur zunächst korrigiert werden, bevor der Instrukteur mit seinen Anweisungen fortfahren kann. Auch diese zweite Möglichkeit der Erwartungsanpassung führt zu einer Sicherung des Bauergebnisses. Allerdings ist auch noch der Fall zu berücksichtigen, dass von den Beteiligten zwar keine Farb- und Formgleichheit bestimmter Bauteile für das Interaktionsziel verlangt wird, dass es aber trotzdem zweckmäßig ist und von den Beteiligten ggf. so eingeschätzt bzw. routinemäßig praktiziert wird, wenn entsprechende Farb- oder Forminformationen gegeben und erwartet werden, um sich z.B. bei nachfolgenden Objektbenennungen einfacher verständigen zu können. Auch hieraus können also unterschiedliche Vollständigkeitserwartungen, Erwartungsprobleme und nachfolgende Erwartungskoordinationen resultieren. Die eben dargestellte Konstellation für das Flugzeugszenario macht deutlich, dass man bei Interaktionen zwei Arten von Erwartungen genauer unterscheiden muss. Einerseits ergeben sich aus den zugrunde liegenden speziellen Interaktionszielen zugehörige interaktionsspezifische Erwartungen an die Durchführung und Resultate der Interaktion. Andererseits sind interaktionsunabhängige generelle Erwartungen an Kommunikation in Rechnung zu stellen und dazu gehören natürlich auch die üblichen und hier ausführlich behandelten Erwartungen an Verständigungsprozesse und ihre Ergebnisse. Zugleich kann – wie wir gesehen haben – von den interaktionspezifischen Erwartungen abhängen, in welcher Weise bestimmte Verständigungserwartungen zu konkretisieren sind. Neben der bereits diskutierten Erwartung sachlich vollständiger Informationen über die zu montierenden Bauteile betrifft dies im Flugzeugkorpus auch die Erwartung, semantisch komplexe, also in diesem Sinne ineffiziente, oder sogar semantisch inkorrekte Interpretationen zugunsten schnell zugänglich und situativ erfolgreich interpretierbarer Formulierungen zu tolerieren; auf diese Weise wird nämlich in der Gesamtbilanz eine hohe Effizienz erreicht. Entsprechende Äußerungsbeispiele haben wir in 2.2.5 im Zusammenhang mit der Diskussion über die Konstruktion von Nichtstandardbedeutungen und in 3.4.6 bei der Diskussion über Ad-hoc-Termini behandelt. Speziell wurde in 3.5.3 mit Beispiel 154 schon der Fall einer Erwartungsanpassung durch Reduktion für semantische Korrektheit angesprochen.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
207
Eine systematische empirische Analyse des Flugzeugkorpus zum Phänomen der Erwartungskoordination lohnt sich vor allem für die Vollständigkeitserwartung bezogen auf die Farbinformation der Würfel sowie auf Farb- und Forminformation der Schrauben. Speziell im Fall blockierter oder eingeschränkter Sicht kann nämlich der Konstrukteur zu Beginn der Kommunikation nicht wissen, ob eine Angabe dieser Informationen für das Erreichen des Interaktionsziels notwendig oder wünschenswert ist. Trotz dieser Unklarheit gibt es im Korpus keinen Dialog, in dem der jeweilige Konstrukteur vorab eine Nebensequenz zwecks einer entsprechenden Erwartungskoordination initiiert. Vielmehr wartet er stets ab, welche Formulierungsangebote der Instrukteur macht. Wenn der Instrukteur bei der ersten Erwähnung eines Würfels bzw. einer Schraube auch bereits eine zugehörige Farbe bzw. Form nennt, kann der Konstrukteur vorerst davon ausgehen, dass die betreffende Information relevant für das Interaktionsziel ist und deshalb vom Instrukteur der Vollständigkeit halber stets mitgeliefert werden sollte. Dieser Weg einer anfänglicher impliziten Erwartungskoordination wird für die Farbinformation der Schrauben in allen 22 Dialogen beschritten, für die Farbinformation der Würfel in 14 und für die Forminformation der Schrauben in 10 Dialogen. Wenn der Instrukteur demgegenüber bei der ersten Würfel- bzw. Schraubenerwähnung keine entsprechende Information liefert, kann der Konstrukteur entweder zwecks impliziter Erwartungskoordination vorerst annehmen, dass die betreffende Information für eine Darstellung unerheblich ist, oder er entschließt sich, mit Hilfe einer Rückfrage den Stellenwert dieser Information zu klären. Die erste – verständigungsökonomisch riskante – Möglichkeit liegt für die Farbinformation der Würfel bzw. für die Forminformation der Schrauben in vier bzw. fünf Dialogen vor (nämlich in Dialog 3, 18, 19, 20 bzw. in 2, 16, 18, 19, 20). Das Ausbleiben einer Rückfrage erklärt sich vermutlich teilweise dadurch, dass bei einigen der betreffenden Dialogen die Bedingung "volle Sicht" gilt und der Konstrukteur somit die fehlende Information erschließen oder ihre Irrelevanz erkennen kann. Außerdem macht der Instrukteur bei zwei Dialogen mit dieser Bedingung (Dialog 18 und 19) durch eine prototypische Äußerung Egal welche Farbe für die zu montierenden Würfel sofort die Irrelevanz der zugehörigen Farbinformation explizit, was als spezielle prospektive Verständigungsstrategie zu werten ist. Beispiel 159: Explizite Erwartungskoordination durch eine von der Instrukteurin vorgenommene Festlegung der niedrigen Vollständigkeitserwartung bezogen auf die Würfelfarbe 19I001
ja gut, du nimmst als erstes dieses Brettchen mit den fünf Löchern. <sil: 2> <noise: klappern> dann nimmst du so eine rote Schrau-
208
Empirische Ergebnisse be, tust das in die in das mittlere <noise: klappern> Loch rein, <sil: 1> nimmst dadrunter so einen Würfel, egal welche Farbe <sil: 2>
Die zweite Möglichkeit, also die Formulierung einer Rückfrage, ist für die Untersuchung von Erwartungsanpassungen interessanter. Diese Möglichkeit wählt der Konstrukteur hinsichtlich der Würfelfarbe in vier und hinsichtlich der Schraubenform in sechs Dialogen (nämlich in Dialog 1, 4, 5, 6 bzw. 1, 6, 7, 10, 17, 21). Falls er dabei vermutet, dass der Instrukteur keine Farb- bzw. Forminformation gegeben hat, weil sie irrelevant ist, er aber trotzdem seine Vermutung überprüfen will, dann wird er seine Rückfrage gleich entsprechend formulieren, also z.B. mit Farbe ist egal? wie in 05K005 oder Egal welche Farbe? wie in 05K004. Diese Art der Frageformulierung, die als spezielle verstehensabsichernde Strategie zu werten ist, findet man nur in Dialog 4 und 5 und nur bezogen auf das Problem der fehlenden Information über die Würfelfarbe. M.a.W. in allen anderen Fällen und insbesondere bezogen auf die Schrauben geht der Konstrukteur offensichtlich davon aus, dass die fehlende Farb- bzw. Forminformation relevant ist und deshalb nachgeliefert werden sollte. Eine typische Frageformulierung lautet dann Welche Farbe? wie in 01K008 bzw. Eckig oder rund? wie in 01K010 (vgl. auch Beispiel 102 in 3.5.2). In Dialog 4 und 5 wird die Irrelevanzvermutung der Konstrukteurin bzw. des Konstrukteurs durch die Antwort der jeweiligen Instrukteurin bestätigt. Somit ist die Erwartungskoordination erfolgreich abgeschlossen und keine Erwartungsanpassung erforderlich. Beispiel 160: Explizite Erwartungskoordination durch eine von der Konstrukteurin mit einer Entscheidungsrückfrage eingeleiteten und von der Instrukteurin bestätigten Festlegung der niedrigen Vollständigkeitserwartung bezogen auf die Würfelfarbe. 04I005
04K005 04I006
<noise> und {dann} benötigst du einen von diesen Würfeln. mit {den} Öffnungen an/ auf jeder Fläche. hm, Farbe ist egal? <sil: 1> ja Farbe ist egal. und dann zwei von {diesen} von {den} orangenen Gegenstücken.
Im Gegensatz zu Dialog 4 und 5 wird in Dialog 6 die der Rückfrage Welchen (Würfel)? zugrunde liegende Relevanzannahme der Konstrukteurin vom Instrukteur zurückgewiesen und insoweit eine Erwartungsanpassung induziert.
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
209
Beispiel 161: Initiale Anpassung der Vollständigkeitserwartung der Konstrukteurin hinsichtlich der Würfelfarbe an die Erwartung des Instrukteurs durch Reduktion nach einleitender Rückfrage der Konstrukteurin und Zurückweisung durch die Instrukteurin. 06I024
06K025 06I025
<noise> dann nimmst du dir eins von den Würfeln oder {einen Würfel}<spk: K, welchen?> ist egal welche Farbe {egal?}<noise: klopfen> ja. {und nimmst dir}<spk: K, mhm> (ei)ne {kurze}<noise: klopfen> rote Schraube.
Der zu Beispiel 161 parallele Fall einer initialen Anpassung der Vollständigkeitserwartung des Instrukteurs durch Reduktion würde vorliegen, wenn der Instrukteur bei der ersten Erwähnung eines Würfels dessen Farbe nennen und der Konstrukteur ihn (z.B. bei "voller Sicht") darauf hinweisen würde, dass diese Farbnennung für das Ziel der Flugzeugmontage irrelevant ist. Dieser Fall kommt in unserem Korpus aber nicht vor. Initiale Erwartungsanpassungen durch Reduktion gibt es im Korpus auch nicht hinsichtlich der Information über die Schraubenform. Denn wenn der Instrukteur eine entsprechende Information gegeben hat, formuliert der Konstrukteur nie einen Irrelevanzeinwand; und umgekehrt, wenn der Konstrukteur die Nachlieferung einer solchen Information anfordert, dann kommt der Instrukteur dieser Forderung nach und bestätigt damit implizit die Vollständigkeitserwartung des Konstrukteurs. Offensichtlich sind sich die meisten Beteiligten über die Relevanz der Forminformation einig und selbst von den fünf Fällen, bei denen der Instrukteur die Forminformation zunächst unwidersprochen weglässt, führt dies in drei Fällen zu Problemen, wie wir noch zeigen werden. Was die Möglichkeit einer Anpassung der Vollständigkeitserwartung des Instrukteurs durch Erhöhung betrifft, so kann man aus dem Umstand, dass der Instrukteur auf Rückfrage des Konstrukteurs hin eine fehlende Farb- oder Forminformation nachliefert, nicht ohne weiteres darauf zurück schließen, dass er dabei eine diesbezügliche niedrigere Vollständigkeitserwartung stillschweigend erhöht. Genauso gut ist nämlich denkbar, dass er seine Antwort gar nicht als endgültige Bestätigung der Erwartung des Konstrukteurs verstanden wissen will, oder dass er ein Vollständigkeitsproblem seiner Sachformulierung konstatiert und dementsprechend eine I-Reparatur durchführt. Mit Beispiel 102 in 3.5.2 haben wir allerdings schon einen Fall diskutiert, bei dem die Instrukteurin zunächst die Irrelevanz der Farbinformation für die Würfel betont, sich dann aber der höheren Vollständigkeitserwartung der Konstrukteurin anpasst. Dieses Bei-
210
Empirische Ergebnisse
spiel soll hier noch einmal unter der veränderten Kategorisierungsperspektive wiedergegeben werden. Beispiel 162: Initiale und stabile Anpassung der Vollständigkeitserwartung der Instrukteurin hinsichtlich der Würfelfarbe an die höhere Erwartung der Konstrukteurin nach einleitender Rückfrage der Konstrukteurin und zwischenzeitlicher Zurückweisung durch die Instrukteurin. 01I009
01K008 01I010
01K009 01I011
<noise> und dann nimmst du dir einen von diesen äh Würfeln mit den vielen Löchern drin. welche Farbe? {das}<noise: klappern> ist eigentlich egal wenn ich das richtig sehe, ja, kunterbunt {durcheinander}<noise: klappern> {okay}<noise: klappern> <noise> sagen wir, den gelben, weil ich auch gelb habe und jetzt äh nimmst du dir noch eine von den kleinen roten Schrauben.
Dass mit der Äußerung 01I011 eine stabile Erwartungsanpassung hinsichtlich der Würfelfarbe für Dialog 1 erfolgt, lässt sich an dem Gesprächsausschnitt in Beispiel 160 selbst noch nicht eindeutig erkennen. Vielmehr kann man erst aus der Tatsache, dass die Instrukteurin bei der Erwähnung der übrigen Würfel in 01I030 und 01I075 von sich aus gleich die zugehörigen Farben nennt, auf den erfolgreichen Vollzug einer Erwartungsanpassung schließen und dafür schon den Zeitpunkt am Ende von Beispiel 162 annehmen. Der zu Beispiel 162 parallele Fall einer Erhöhung der Vollständigkeitserwartung des Konstrukteurs für die Würfelfarbe kommt im Flugzeugkorpus eindeutig nicht vor und dasselbe gilt auch für die Schraubenform. Schließlich gibt es auch keinen zu Beispiel 162 vergleichbar expliziten Fall einer initialen Erwartungserhöhung beim Instrukteur für die Forminformation. Allerdings kann man analog zu der bei Beispiel 160 praktizierten Vorgehensweise noch untersuchen, ob und inwieweit eine initiale, implizite oder explizite Erwartungskoordination im Verlauf des weiteren Dialogs stabil bleibt. In diesem Sinne ist zunächst zu fragen, wie sich der Instrukteur in den sechs Dialogen verhält, bei denen er nach anfänglicher Rückfrage des Konstrukteurs die ursprünglich fehlende Forminformation für die zu montierenden Schrauben liefert: Gibt er anschließend stets von sich aus diese Information oder geschieht dies nicht durchgängig? Die erste Möglichkeit liegt in vier der sechs Dialoge vor (nämlich in Dialog 7, 10, 17, 21).
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
211
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Instrukteur die Form einer Schraube nicht zu nennen braucht, wenn man sie aus der Tatsache erschließen kann, dass die Schrauben mit anderen Formen bereits verbaut sind und nur sie noch zur Verfügung steht (so in Dialog 17). Außerdem wird manchmal statt der üblichen geometrischen Formbeschreibung des Schraubenkopfs ein anderes Unterscheidungsmerkmal wie z.B. "mit/ohne Einkerbung" verwendet (so in Dialog 10 und 17). Zwar lässt sich für die genannten vier Dialoge immer noch nicht entscheiden, ob eine Erhöhung der betreffenden Vollständigkeitserwartung des Instrukteurs stattfindet oder auch in seinem Sinne eine durch die anfängliche Formrückfrage eingeleitete I-Reparatur vorliegt. Aber diese Rückfrage bewirkt in jedem Fall eine stabile Etablierung der implizit eingeführten höheren Vollständigkeitserwartung. Umgekehrt offenbart die in den Dialogen 1 und 6 vorliegende nicht durchgängige Angabe von Forminformationen durch den/die Instrukteur/in eine gewisse Instabilität der zugehörigen implizit angenommenen Vollständigkeitserwartung. Dies gilt umso mehr, als in beiden Dialogen zwar für die nächste(n) zu montierende(n) Schraube(n) von vornherein die Schraubenform genannt wird (vgl. 01I016 bzw. 06I016), bei der dritten Schraubenerwähnung aber die Forminformation wieder fehlt (vgl. 01I027 bzw. 06I025), was die jeweilige Konstrukteurin zu einer erneuten Rückfrage veranlasst. Ähnliche Inkonsistenzen sind auch im weiteren Verlauf beider Dialoge zu erkennen, allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen ihnen. In Dialog 6 kommen nämlich zwei Äußerungspassagen vor, die die Geltung der hohen Vollständigkeitserwartung bezogen auf die Schraubenform implizieren und bei denen der Instrukteur die Möglichkeit gehabt hätte, die Geltung dieser Erwartung zurückzuweisen. Beispiel 163: Rechtfertigung der Formrückfrage der Konstrukteurin durch explizite Formulierung des Interaktionsziels der Modellgleichheit und hieraus ableitbare Geltung der hohen Vollständigkeitserwartung bezogen auf die Schraubenform 06I025 06K026 06I026 06K027
06I027
ja. {und nimmst dir}<spk: K, mhm> (ei)ne {kurze}<noise: klopfen> rote Schraube. ja <noise> {mit} mit dem Ding dran oder ohne? guck(e) <noise> ich hab(e) mit genommen <noise> mit {okay}<spk: I, mit ja> ja es muß ja gleich aussehen nachher. <noise> ach ja mit
212
Empirische Ergebnisse
Zum Verständnis von Beispiel 163 muss man wissen, dass sich die Konstrukteurin bei der Formulierung mit dem Ding dran auf die Schraubenform des Schraubenkopfes mit Schlitz bezieht (vgl. 06I006). Trotz des in Beispiel 163 schon sehr manifesten Hinweises auf die Geltung der hohen Vollständigkeitserwartung unterlässt es der Instrukteur bei den nächsten Schraubenerwähnungen in 06I035 und 06I057 erneut, die erwartete Forminformation zu geben. Während die Konstrukteurin in 06K036 nur die falsche Farbangabe in 06I035 der Schraube problematisiert, stellt sie in 06K058 wieder eine Formrückfrage. Dabei fügt sie allerdings in 06K059 als Alternativformulierung die Entscheidungsfrage oder ist das egal im Prinzip sowieso? hinzu. Offensichtlich sind ihr angesichts des inkonsequenten Verhaltens ihres Partners Zweifel gekommen, ob er seinen Äußerungen überhaupt die höhere Vollständigkeitserwartung zugrunde legt. Daraufhin gibt der Instrukteur eine konkrete Forminformation und macht dadurch deutlich, dass auch er von der höheren Erwartung ausgeht. Beispiel 164: Explizite nichtinitiale Erwartungskoordination durch eine von der Konstrukteurin mit einer Entscheidungsfrage eingeleitete und vom Instrukteur durch Angabe einer Forminformation zurückgewiesene Festlegung auf die niedrige Vollständigkeitserwartung bezogen auf die Schraubenform 06I057
06K058 06I058 06K059 06I059
06K060
<noise: klopfen> nach {oben}<spk: K, nach oben> ja {gegen}<spk: K, ja> ja. nimmst dir eine <noise> orange {Schraube}<spk: K, uh> {ja}<spk: K, ja> das ist nicht ganz einfach. mit mit Teil <noise> oder ohne? äh. oder ist das egal im Prinzip {sowieso} <sil: 1> {ähm} ohne Schlitz <noise: klappern> also diese mit {den}<spk: K, ja> <noise> zwo, vier, sechs Ecken. {ja}<noise: rascheln>
Nachdem sich der Instrukteur so eindeutig auf die Geltung der hohen Vollständigkeitserwartung festgelegt hat, ist es nicht verwunderlich, dass er sich bei der nächsten Schraubenerwähnung daran hält (vgl. 06I071). Für die Montage der letzten beiden Schrauben (06I073 und 06I134) macht er zwar keine Angabe zur Form; dies ist aber auch nicht mehr erforderlich, weil ihre Wahl schon durch die Farbinformation eindeutig bestimmt ist. Im Unterschied zu Dialog 6 wird erst im Schlussteil von Dialog 1 thematisiert, welche Art der Vervollständigkeitserwartung bezogen auf die Schrauben-
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
213
form für das Interaktionsziel einschlägig ist. Dabei stellt sich plötzlich heraus, dass die Instrukteurin gar nicht von der Notwendigkeit einer Angabe der Forminformation überzeugt ist, worauf hin auch die Konstrukteurin nicht mehr auf der bisher implizit unterstellten Geltung der höheren Vollständigkeitserwartung besteht. Somit erklärt sich das inkonsequente Verhalten der Instrukteurin in diesem Fall offensichtlich dadurch, dass sie die durch die Rückfragen der Konstrukteurin nahegelegte implizite Erwartungskoordination nur halbherzig akzeptierte. Beispiel 165: Nachträgliche nichtinitiale Erwartungskoordination anlässlich einer Formrückfrage der Konstrukteurin durch eine von der Instrukteurin formulierte und von der Konstrukteurin akzeptierte Zurückweisung der Geltung der höheren Vollständigkeitserwartung bezogen auf die Schraubenform. 01I078
01K078 01I079 01K079 01I080
und dann halt vorne reinsteckst <noise: klappern> und auch zuschraubst mit (ei)ner kurzen <noise: klappern> gelben Schraube. rund oder eckig? rund. <noise: klappern> wenn(_e)s unbedingt sein muß. <noise: klappern> ist mir {egal} <noise> ich glaub(e) im Endeffekt geht(_e)s wirklich nur darum, daß auch das Flugzeug dabei rauskommt.
Zur genaueren Einordnung von Beispiel 165 ist einerseits noch zu erwähnen, dass die Konstrukteurin ihre Rückfrage eigentlich nicht hätte stellen müssen, weil zu diesem Zeitpunkt nur noch eine gelbe Schraube zu verbauen war. Möglicherweise wollte sie damit aber überprüfen, ob ihr Bauergebnis mit dem der Instrukteurin übereinstimmt. Andererseits war zu diesem Zeitpunkt zwar der Bau des Flugzeugs noch nicht beendet; aber die Montageschritte, bei denen die Vollständigkeitserwartung einen entscheidenden Einfluss auf das Bauresultat und seine optische Qualität haben konnte, waren bereits abgeschlossen. Die Probleme im Zusammenhang mit Wahl und Umsetzung der Vollständigkeitserwartung in Dialog 1 und 6 haben wir deshalb so ausführlich dargestellt, weil man daraus lernen kann, dass es verständigungsökonomisch zweckmäßig ist, Unklarheiten hinsichtlich der von Kommunikationspartnern zugrunde gelegten Interaktions- und Verständigungserwartungen möglichst früh durch explizite Erwartungskoordinationen zu beseitigen. Diese Empfehlung ist zwar nur ein Spezialfall der generellen Richtlinie, relevante Kontextvoraussetzungen rechtzeitig zu explizieren. Aber gerade die Wahrnehmungsfähigkeit und das Bewusstsein dafür, dass bestimmte Kommunikationsprobleme durch divergierende Erwartun-
214
Empirische Ergebnisse
gen verursacht sind, ist bei Kommunikationsteilnehmern häufig nicht besonders gut ausgeprägt. Die Probleme in Dialog 1 und 6 geben überdies Anlass zu fragen, ob auch bei anderen der oben behandelten Fälle impliziter oder expliziter initialer Erwartungskoordination ähnliche Widersprüche zu beobachten sind. Dass dies zutrifft, wollen wir noch mit drei Beispielen belegen. Dialog 12 ist ein Beispiel für den Fall, das der Instrukteur bei der ersten Schraubenerwähnung eine Formangabe macht (12I029) und zunächst darauf achtet, dass die betreffenden beiden gelben Schrauben an der vorgesehenen Position montiert werden (12I038)-12I039), obwohl der Konstrukteur vorher schon mit der Frage und das Baufix, ist egal, in welches Loch? eine Erwartungskoordination zugunsten einer niedrigen Vollständigkeitserwartung nahe gelegt hatte. Allerdings schränkt der Instrukteur die Relevanz einer formabhängigen Festlegung der Schraubenpositionen in 12I04 durch die Formulierung das ist vielleicht nicht so wichtig schon etwas ein. Bei der Verwendung der roten Schrauben für die Heckmontage stellt er es demgegenüber als vollkommen irrelevant dar, welche Schraubenformen der Konstrukteur an den beiden Montagestellen wählt (12I059-12I065). Schließlich legt er bei der Montage der Flügel wieder Wert daran, für die orangenen Schrauben präzise anzugeben, welche Schraubenform an welche Position gehört. Insgesamt gesehen sind an dieser Kommunikationsentwicklung in Dialog 12 zwei Punkte besonders interessant. Erstens kommt der Instrukteur der Vollständigkeitserwartung für die Schraubenform zwar insofern nach, als er bei Erwähnung jeder Schraube auch ihre Form nennt; dies allein genügt aber noch nicht, um das Interaktionsziel identischer Bauresultate zu erreichen. Vielmehr muss für jede so erwähnte Schraube auch ihr jeweiliger Montageort im Flugzeugmodell angegeben werden. Diese Bedingung ist nicht erfüllt, wenn der Instrukteur nach gemeinsamer Erwähnung zweier Schrauben mit Formnennung bei Formulierung der zugehörigen Instruktionen ohne Formnennung auf die jeweiligen Schrauben referiert (vgl. 12I073-12I074 bzw. 12I080). Zweitens ist an dem inkonsequenten Verhalten des Instrukteurs bei der Montage der orangenen Schrauben besonders erstaunlich, dass dies sogar nach der zweimaligen expliziten Irrelevanzeinstufung für die Schraubenposition der gelben und roten Schrauben geschieht; teilweise lässt sich dies vermutlich damit erklären, dass die Versuchspersonen im Flugzeugexperiment ihre Aufmerksamkeit in starkem Maße auf die jeweils anstehende Kommunikations- und Montageaufgabe konzentrieren und wenig Gelegenheit war, das eigene Verhalten zu reflektieren. Dialog 16 liefert einen Beleg dafür, dass sich auch die Konstrukteure nicht immer konsequent verhalten, was die eingeführte Vollständigkeitserwartung betrifft. In diesem Dialog gibt nämlich der Instrukteur bei der ersten Schraubenerwähnung keine Forminformation für die beiden gelben Schrauben an und die
Strategien der Problembehandlung und Reparaturen
215
Konstrukteurin fragt auch nicht nach, was bedeutet, dass sie diesbezüglich vorerst die niedrige Vollständigkeitserwartung ansetzt und möglicherweise nicht dieselbe Anordnung für die Montage der gelben Schrauben wählt (16K002 ff). Als sie demgegenüber bei der Heckmontage zwei rote Schrauben einsetzen soll und der Instrukteur wieder keine Formangabe macht, fragt sie nach, ob dabei die Schraubenform eine Rolle spielt (16K007). Vermutlich hängt dies damit zusammen, dass bei Dialog 16 die Bedingung "volle Sicht" gilt und dass die Konstrukteurin bei der Montage der zweiten roten Schraube bemerkt, dass der Instrukteur im Unterschied zu ihr dafür eine Schraube mit rundem Kopf gewählt hat. Als letztes Beispiel einer Inkonsequenz bei der Handhabung der Vollständigkeitserwartung wollen wir das Verhalten der Instrukteurin in Dialog 3 betrachten. Bei der ersten Würfelerwähnung im Zusammenhang mit der Heckmontage macht sie keine Farbangabe (03I004). Bei der nachfolgenden Montage der Flugzeugflügel formuliert sie demgegenüber spezifisch drehst du da so einen diesen grünen Klotz rein, revidiert die Farbfestlegung dann aber mit oder ist egal, welche Farbe (vgl. 03I028), weil sie nicht weiß, welchen Würfel ihre Partnerin beim vorausgehenden Montageschritt verbraucht hat. Dieselbe Art einer zweigeteilten Formulierung wählt sie beim für die Propellerbefestigung anzubringenden Würfel und machst die mit dem blauen Klotz oder was du gerade noch hast (vgl. 03I031). Schließlich führt sie den für das Fahrwerk benötigten Würfel mit der Formulierung den letzten Klotz den du hast ein (vgl. 03I042). Hier stellt sich also die Frage, warum die Instrukteurin in 03I028 und 03I031 überhaupt Farbangaben macht, wenn sie die Konstrukteurin damit ggf. eher verwirrt und wenn sie diese Angaben ohnehin zurücknehmen muss. Wahrscheinlich ist diese Inkonsequenz mit dem Umstand zu erklären, dass Äußerungsproduzenten generell zu Objektbenennungen neigen, die hinsichtlich der Farbinformation überspezifiziert sind (vgl. Schade/Eikmeyer 1998). Dies hängt einerseits damit zusammen, dass Farbe als Objektmerkmal relativ schnell und gut erkannt wird; andererseits verhelfen Farbinformationen den Rezipienten zu einer schnellen und eindeutigen Objektidentifizierung und sind somit ein effizientes Mittel der Verständigung. Der mögliche positive Einfluss einer vollständigeren und folglich zunächst mit einem höheren Formulierungsaufwand verbundenen Objektbenennung auf die Effizienz von Formulierungs- und Verstehensprozesse lässt sich am Beispiel von Dialog 3 auch ganz konkret nachweisen. Obwohl die Instrukteurin der Konstrukteurin bei 03I028 und 03I031 die Freiheit gelassen hat, einen anderen als den grünen bzw. blauen Würfel zu verbauen, referiert sie plötzlich in 03I037 bzw. 03I044 mit der definiten Nominalphrase das blaue Teil bzw. den grünen Klotz auf den blauen bzw. grünen Würfel. Dass dies nicht zu Verständigungsproblemen führt, kann nur damit zusammenhängen, dass sich die Konstrukteurin offensichtlich in beiden Fällen der Farbwahl der Instrukteurin ange-
216
Empirische Ergebnisse
schlossen hat, was die Instrukteurin aber wegen der in Dialog 3 geltenden Bedingung "blockierte Sicht" nicht wissen konnte. Deshalb hätte sie konsequenterweise eigentlich auf eine andere farbunabhängige Möglichkeit der Objektbenennung zurückgreifen, also z.B. für den blauen Würfel die Formulierung der Klotz beim Propeller bzw. für den grünen Würfel die Formulierung der Klotz unter dem vorderen Flügel verwenden müssen; die dabei verwendeten Präpositionalphrasen sind aber länger und syntaktisch komplexer als ein einzelnes Farbadjektiv und erfordern einen höheren Formulierungs- und Verstehensaufwand.
3.6 Rückfragen als Strategie zur Verständigungssicherung Ein spezieller Gegenstand unseres Forschungsprojekts war die detaillierte Untersuchung der Strategie „Rückfrage stellen“. Dieses Thema hatten wir gewählt, weil Rückfragen in der Kommunikationssituation des Flugzeugkorpus ein entscheidendes Mittel zur Herstellung von Verständigung und zur Bearbeitung von Verständigungsproblemen bilden (vgl. Kindt/Strohner/Jang 2002; Eikmeyer/Kindt/Rittgeroth/Strohner 2006). Der Konstrukteur stellt z.B. bei nicht erfolgreicher Objektidentifizierung als Einleitung einer I-Reparatur eine Rückfrage. Wie sich aber bei der Projektarbeit zeigte, können auch andere Probleme zu Rückfragen führen. Bei der Untersuchung von Rückfragen muss zunächst geklärt werden, welche Arten von Äußerungen als Fragen, bzw. genauer als Rückfragen eingestuft werden sollen. Reis und Rosengren betonen diesbezüglich: „Fragen werden nicht immer mit Interrogativsätzen ausgedrückt, Interrogativsätze können auch andere Funktionen haben als Fragen zu realisieren“ (Reis/Rosengren 1990: 1). Man darf sich also bei der Untersuchung des Korpus nicht auf solche Äußerungen beschränken, die nach formalen Kriterien Fragen bilden. Formale Markierungen sind z.B. bei Entscheidungsfragesätzen die syntaktische Form (Verb-erstSätze)oder die intonatorische Markierung als Frage („Frageintonation“). Genereller sollen hier Fragen als Äußerungen definiert werden, die eine verbale Reaktion des Interaktionspartners konditionell relevant machen und dem Frager eine angeforderte Information liefern sollen (vgl. Kerbrat-Orecchioni 1991:14). Im Flugzeugszenario handelt es sich hauptsächlich um Informationen, die der Konstrukteur vom Instrukteur einholt, beispielsweise wenn ihm aus der Instruktion nicht klar geworden ist, welches Objekt er genau verwenden soll (A- oder IFormulierungsreparatur wegen unterspezifizierter Objektbenennungen). Es kann aber auch sein, dass im Rahmen einer I-Verstehensreparatur die Wiederholung von (Teilen von) Instruktionen erfragt wird, wenn etwa der Konstrukteur aus Gründen der Komplexität nicht mehr die vollständige Instruktion präsent hat.
Rückfragen als Strategie zur Verständigungssicherung
217
Weiterhin geht es oft darum, dass der Konstrukteur zur Verstehensabsicherung eine Bestätigung seines Verständnisses oder richtigen Erinnerns einer zeitlich vielleicht schon etwas zurückliegenden Instruktion anfordert, indem er die Instruktion paraphrasiert. Auch kann der Konstrukteur eine Schlussfolgerung (Inferenz) anbieten, die als Vorschlag vom Instrukteur entweder angenommen oder abgelehnt werden kann. Z.B. kann der Konstrukteur bei der Montage schlussfolgern, dass es sich bei dem soeben konstruierten Objekt um einen Propeller handelt und eben diese Schlussfolgerung gegenüber dem Instrukteur äußern. Die konditionelle Relevanz der geforderten Antwort ist im Dialog u.a. daran erkennbar, dass der Konstrukteur die vom Instrukteur geforderte Äußerung abwartet. Oft haben Fragen auch die Form von Aussagesätzen (Assertionsfragen, vgl. Reis/Rosengren 1990: 2), wenn z.B. der Konstrukteur eine Bestätigung seines Verständnisses einer Instruktion anfordert (Ich nehme dann also die gelbe eckige Schraube?). In solchen Fällen kann es nach Kerbrat-Orecchioni (1990) bei der Interpretation von Äußerungen als Fragen wesentlich sein, über welches Wissen die Teilnehmer in einer Situation verfügen. Wenn ein Teilnehmer eine Aussage zu einem Sachverhalt macht, der nur seinem Interaktionspartner bekannt ist, so wird diese Aussage als Aufforderung zur Bestätigung interpretiert, und damit im erweiterten Sinne als Frage (vgl. Kerbrat-Orecchioni 1990: 93). Im Versuchsaufbau des Flugzeugkorpus ist in den Fällen mit eingeschränkter und blockierter Sicht der Bauplan bzw. das fertige Modell des Flugzeugs nur dem Instrukteur direkt zugänglich, so dass der Konstrukteur nur aus den Instruktionen und den eigenen Inferenzen Informationen über Bauhandlungen und ihre Resultate erhält. Es besteht also eine grundsätzliche Unsicherheit auf Seiten des Konstrukteurs über die Geltung einchlägiger Sachverhalte. Wenn dieser nun nach erhaltener Instruktion oder durchgeführtem Bauschritt Aussagen z.B. zum Resultat seiner Bauhandlung macht, so versteht der Instrukteur diese im Allgemeinen als Aufforderung zur Bestätigung. Die Aussagen des Konstrukteurs werden dadurch in bestimmten Situationen zu verständnissichernden Fragen, die eine Antwort vom Instrukteur in Form einer Bestätigung oder Nicht-Bestätigung konditionell relevant machen. Als Rückfragen werden hier speziell die Fragen (des Konstrukteurs) verstanden, die sich thematisch konkret auf direkt vorangegangene (Bau-) Anweisungen des Instrukteurs oder zugehörige Bauschritte beziehen. Kriterium ist hier also der Rückbezug auf etwas Vorangegangenes. Dabei lässt sich allerdings nicht immer klar trennen, ob sich eine Rückfrage auf eine vorangegangene Instruktion oder auf eine ausgeführte Handlung bezieht. Prospektive, vorausschauende Fragen, die mit Neufokussierungen bzw. thematischer Weiterentwicklung auf vermutlich noch bevorstehende Instruktionen oder Bauschritte vorgreifen wie z.B.
218
Empirische Ergebnisse
„Bauen wir nachher noch den Flügel an die Achse?“ fallen damit aus der Kategorie „Rückfragen“ heraus. In den von uns untersuchten Dialogen stellen die Kommunikationsteilnehmer hauptsächlich bei einem Typ von Verständigungsproblemen Rückfragen: Abgesehen von relativ selten auftretenden allgemeinen Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsproblemen kommt es aufgrund der Montageaufgabe vorrangig zu Problemen bei der Identifikation von Objekten oder mit der Art bzw. den genauen Bedingungen der Verwendung von Bauteilen bzw. Aggregaten. So kann der folgende schon bekannte Ausschnitt aus Dialog 1 sowohl als typisches Beispiel einer Rückfrage als auch als situationstypisches Beispiel angesehen werden. Beispiel 166: Entscheidungsrückfrage für eine eindeutige Objektidentifikation 01I078 01K078
(...) mit (ei)ner kurzen gelben Schraube. rund oder eckig?
Für die Verständigungsstrategie der Rückfrage wurde im Projekt ein Klassifikationssystem entwickelt, anhand dessen es möglich ist, Struktur und Funktion von Rückfragen genauer zu bestimmen. 3.6.1 Ein Klassifikationssystem für Rückfragen Das entwickelte System besteht aus elf Attributen und ihren zugehörigen Werten. Die Definitionskriterien dieser Attribute und ihre möglichen Werte sollen jetzt nacheinander vorgestellt werden. Hierbei ist zu beachten, dass das Klassifikationssystem speziell für die Untersuchung des Flugzeugkorpus formuliert wurde. Für die Untersuchung anderer Settings müssen eventuell geeignete Modifikationen vorgenommen werden. a) Bezug der Rückfrage Rückfragen beziehen sich gemäß der obigen Definition auf einen Teil einer Vorgängeräußerung oder sie erfragen eine dort noch fehlende Teilinformation. Im Flugzeugsetting beziehen sich die Rückfragen in der Regel auf Teile der Instruktion, die vom Instrukteur formuliert wurde. Die betreffenden Instruktionen geben zumeist an, welche Objekte an welcher Stelle der bisherigen Konstruktion angebracht werden sollen und wie sie relativ zueinander auszurichten sind. Daher beziehen sich die Nachfragen hier im Allgemeinen auf die folgenden fünf Aspekte:
Rückfragen als Strategie zur Verständigungssicherung
219
1. Welches Objekt soll montiert werden? 2. Wo soll das Objekt angebracht werden? 3. Wie sollen die Objekte zueinander ausgerichtet werden? 4. Was genau soll gemacht werden? 5. Was ist das intendierte oder tatsächlich erreichte Resultat eines Bauschritts? Beispiel 167: Welches Objekt soll montiert werden? 08I043
08K043 08I044
da kommt dann jetzt auch quer wie der Heckflügel, allerding direkt da drauf { hm}<noise: klappern> <sil: 3> (ei)n(e) Fünfer oder? nee, ja eine Fünferlangeleiste, […]
Beispiel 168: Wo soll das Objekt angebracht werden? 05I094
05K094 05I095
aber jetzt kannst du nämlich *däh <noise> den Würfel nehmen und die rote Schraube und jetzt paßt das weil und wo mach(e) ich den hin? <par> den Würfel? <par> äh du nimmst die rote Schraube machst die <noise> jetzt auf den (…)
Beispiel 169: Wie sollen die Objekte zueinander ausgerichtet werden? 06I141 06K142
06I142
nee, die sind in der Mitte festgeschraubt. […] zeigen dann beide Enden in die gleiche Richtung? <sil: 1> oder {zeigen}<spk: I, j/> sie in unterschiedliche <par> Richtungen? <par> nein, die zeigen in nach links und rechts.
Beispiel 170: Was genau soll gemacht werden? (Aktion ) 01I018
01K017 01I019
<noise> ja jetzt sind diese beiden Platten miteinander verbunden, ne? nee, bis jetzt noch nicht, wie verbind(e) ich die denn mit(ei)nander? ja, schrauben.
220
Empirische Ergebnisse
Beispiel 171: Was ist das intendierte oder tatsächlich erreichte Resultat eines Bauschritts? 05I019 05K019 05I020
ach so ähm die <noise: klopfen> äh m bilden (ei)nen Neunzigradwinkel also mhm also (ei)nen Flügel. ja. {ähm}
b) Anzahl der Möglichkeiten für das Erfragte Für das Erfragte gibt es in der gegebenen Situation mehrere Antwortmöglichkeiten oder auch nur eine. So kann es z.B. sein, dass dem Konstrukteur nur noch eine Schraube zur Verfügung steht, dass er aber dennoch nachfragt, ob diese gemeint ist (Beispiel 172). In diesem Fall gibt es nur eine Antwortmöglichkeit auf die gestellte Rückfrage. Dasselbe gilt, wenn nur ein bestimmtes Objekt, z.B. eine bestimmte, besonders lange Schraube für den instruierten Bauschritt in Frage kommt. Hat der Konstrukteur jedoch die Wahl zwischen zwei (Beispiel 173) oder mehreren Objekten (Beispiel 174) für die Ausführung der erhaltenen Instruktion, so gibt es auf eine entsprechende Frage auch zwei oder mehrere Antwortmöglichkeiten. Beispiel 172: Ein Objekt kommt in Frage 12I095 12K089 12I096
[…] und eine und eine Mutter. die letzte Mutter, die ich habe? richtig, die letzte Mutter, die du hast.
Beispiel 173: Der Rückfragende hat die Wahl zwischen zwei Objekten18 09I126 09K125 09I127
[…] oder nimm, nee du nimmst eine blaue du nimmst eine blaue Schraube, ja. welche? ähm <sil: 1> so, wenn es so steht, nimmst du jetzt erstmal die runde, blaue Schraube.
18 Der Konstrukteur hat beim Bau des Fahrwerks zunächst die Wahl zwischen einer eckigen und einer runden blauen Schraube.
Rückfragen als Strategie zur Verständigungssicherung
221
Beispiel 174: Der Rückfragende hat die Wahl zwischen mehr als zwei Objekten19 01I009 01K008 01I010
und dann nimmst du dir einen von diesen äh Würfeln mit den vielen Löchern drin. welche Farbe? das ist eigentlich egal wenn ich das richtig sehe, ja, kunterbunt durcheinander
c) Form der Rückfrage Rückfragen lassen sich auf unterschiedliche Weise formulieren. Es können z.B. (einige oder alle) Teile der Vorgängeräußerung fragend wiederholt werden (“Wiederholung”, Beispiel 180, s.u.) oder es wird eine Frage mit einem WFragewort (z.B. welch*, was für, wohin, wo, wie, wie rum, mit welch*) gestellt (so in Beispiel 174). Es können aber auch Alternativen aufgezählt werden, wobei das Wort oder auftritt (“oder (Mitte)”, Beispiel 175). Oder man formuliert einen Vorschlag, bei dem am Ende der Äußerung durch ein fragendes bzw. vagifizierendes oder der Vorschlagsstatus signalisiert wird (“oder (Ende)”, Beispiel 176). Zudem können Fragen durch also eingeleitet werden (“also (Anfang)”) oder an anderer Stelle ein also enthalten (“also (Mitte/Ende)”, Beispiel 177). Schließlich gibt es auch Nachfragen, die ein auch (“auch”), wieder (“wieder”), ein egal (“egal”) oder ein so dass (“so dass”, Beispiel 178) enthalten. Alle anderen möglichen Formen der Rückfrage werden hier unter „keine besondere Form“ zusammengefasst. Beispiel 175: Rückfrageform oder-Mitte 01I011 01K010 01I012
[…]und jetzt äh nimmst du dir noch eine von den kleinen roten Schrauben. eckig oder rund rund nicht die Rauten
Beispiel 176: Rückfrageform oder-Ende 07I022 […] 07K023 07I024
und drehst wieder so (ei)n orangenes Teil drunter. und durch das nächste Loch jetzt oder? ja, durch das nächste Loch.
19 Zum Zeitpunkt der Rückfrage hat der Konstrukteur hier die Wahl zwischen vier verschiedenfarbigen Würfeln.
222
Empirische Ergebnisse
Beispiel 177: Rückfrageform also-Mitte 08K119
… dieses Gest/ dieses Rad kommt also direkt nach der gelben Mutter äh nach der gelben Schraube? da ist kein Loch mehr zwischen
Beispiel 178: Rückfrageform so-dass 05I085 05K085
ähm die soll weiter nach vorne, die soll mit einem Loch überschauen nach unten. so daß dann am Ende zwei Löcher frei sind?
d) Strategie der Rückfrage Rückfragen verfolgen unterschiedliche Strategien. So kann der Fragende einen Vorschlag machen (Beispiel 178) oder auch mehrere Alternativen nennen (Beispiel 175). Bei der Nennung von Alternativen ist es möglich, die Rückfrage mit einer Antwortpräferenz zu formulieren (Beispiel 179) oder aber beide Alternativen gleichwertig nebeneinander zu stellen (Beispiel 169, Beispiel 175). Der Fragende kann aber auch eine Rückfrage stellen, bei der weder ein Vorschlag noch mehrere Alternativen zur Sprache kommen (Beispiel 174). Eine weitere Strategie ist die Problematisierung der Instruktion durch eine Wiederholung (eines Teiles) des Wortlauts mit geänderter Prosodie im Sinne einer Echofrage (Beispiel 180). Beispiel 179: Rückfrage enthält eine Antwortpräferenz 09I111 09K110
und den Würfel drunter. mit der grünen Schraube oder mit welcher?
Beispiel 180: Problematisierung durch eine Wiederholung 13I028
13K027
so, auf diesen Zweierträger oben drauf legst du jetzt in gleicher Richtung den Fünferträger <sil: 3> in gleicher Richtung?
e) Art der Inferenz in der Rückfrage Im Verlauf der Konstruktion kommt es immer wieder vor, dass der Konstrukteur Schlussfolgerungen aus den bisherigen, fertig gestellten Bauschritten oder aus bereits Geäußertem zieht. Im zweiten von diesen Fällen kann er dann z.B. erfragen, ob seine Inferenzen/Schlussfolgerungen korrekt sind. Dabei kann er die Instruktion des Gesprächspartners paraphrasieren, d.h. er formuliert die erhaltene
Rückfragen als Strategie zur Verständigungssicherung
223
Information um. Dieses Paraphrasieren wird hier als “triviale” Inferenz eingestuft (Beispiel 181). Um eine “echte” Inferenz handelt es sich dagegen, wenn die Schlussfolgerung des Konstrukteurs sich auf inhärente Merkmale von Objekten oder Handlungen bezieht. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der Konstrukteur schlussfolgert, dass rote Schrauben immer besonders kurz sind oder eckige Schrauben nie einen Schlitz haben (Beispiel 182). Einen wichtigen Spezialfall echter Inferenzen bilden Analogieschlüsse. Diese zeichnen sich durch die Vermutung eines Ähnlichkeitsverhältnisses zwischen bestehenden Sachverhalten bzw. bereits durchgeführten Bauhandlungen und der durch die Instruktion vorgesehenen Handlung aus (Beispiel 183). Dieser Fall einer Inferenz wurde wegen seiner Relevanz im Korpus gesondert kodiert. Alle anderen möglichen Arten von Schlussfolgerungen wurden im Wert „Konsequenz“ zusammengefasst. Es kann aber auch vorkommen, dass eine Rückfrage keine Schlussfolgerung beinhaltet. Diese Fälle wurden dem Wert “keine Inferenz” zugeordnet (Beispiel 180). Beispiel 181: Rückfrage mit situativer Paraphrase 09K049 09I051
09K050
ist doch schon zusammen. ja, aber du kannst es ja zweimal zusammensch/ an zwei Stellen, kannst es ja zweimal zusammenschrauben. also ich mache einfach zwei Schrauben direkt nebeneinander?
Beispiel 182: Rückfrage mit Konsequenz 05I047 05K047
okay? { äh und jetzt halt mit der mit den orangen Schrauben die steckst du einmal durch. also die mit ähm die f/ achtkantige und die runde.
Beispiel 183: Rückfrage mit Analogie 08K101 08I102 08K102 08I103
wo mußte der Dreier denn hin? der mußte vorne an diesen Fünfer als Verlängerung dran in die andere Richtung. genau wie der Erste? genau wie der Erste.
224
Empirische Ergebnisse
f) Abstand der Rückfrage zu ihrem Bezug Rückfragen können unmittelbar der Äußerung folgen, auf die sie bezogen sind (Beispiel 179), oder sie können verzögert gestellt werden (Beispiel 184). Letzterer Fall kommt z.B. dann vor, wenn vor der Bearbeitung einer Frage noch ein anderer, wichtigerer Sachverhalt geklärt werden muss. In manchen Fällen kann es auch erforderlich sein, eine Frage zu wiederholen, weil eine (ausreichende) Antwort auf den ersten Versuch ausgeblieben ist. „Wiederholtes Rückfragen“ zeichnet sich dabei nicht unbedingt dadurch aus, dass die erste Rückfrage selbst wörtlich wiederholt wird, sondern dadurch, dass die zweite Rückfrage denselben Bezug hat wie die erste (Beispiel 185). Beispiel 184: Verzögerte Rückfrage 01I036
01K035 01I037
01K036
[…] {und} jetzt setzt du also den Dreier mit dem was du zuvor so zusammen und den Dreier unten drunter. also da wo ich auch schon den anderen Dreier habe ja, genau, und zwar so, daß von dem Dreier nur noch ein Loch frei bleibt vorne, {also}<spk: K, mhm> so daß, als wenn du das Ganze um eins verlängern würdest. <sil: 1> und wie mach(e) ich den fest?
Beispiel 185: Wiederholtes Rückfragen 12K017
12I024
12K018
ich habe jetzt, dies Fünferblock lege {ich}<spk: I, ja> auf den Dreier. und jetzt habe ich hüben und drüben ein Loch frei? ist das okay? <sil: 3> äh <sil: 1> erst/, erstmal nur, erstmal nur, wir, wir ja, ist richtig. {also}<spk: K, gut> hinten, hinten ist quasi so ein Loch, <par> was übersteht <par> ja, auf jeder Seite
g) Zeitpunkt der Rückfrage relativ zu dem der Montage Manche Rückfragen werden vom Konstrukteur gestellt, bevor er mit der Ausführung der Instruktion beginnt. Diese Rückfragen bezeichnen wir als „prospektiv“ (Beispiel 175). Rückfragen können sich aber auch während der Montage („gleichzeitig“, Beispiel 186) oder sogar erst in Folge der Montage („retrospektiv“, Beispiel 183) ergeben und dann geäußert werden.
Rückfragen als Strategie zur Verständigungssicherung
225
Beispiel 186: Rückfrage während der Montage 12I018
12K013
12I019
die beiden letzten Löcher quasi äh festgeschraubt werden. also daß praktisch ein, ein Loch so übersteht hinten hast du? also ich habe die Leiste mit fünf und dadrauf lege ich die Leiste mit drei <par> in die Mitte <par> darunter, darunter,
h) Dient die Rückfrage einem Situationsabgleich? Rückfragen haben nicht nur die Funktion, zum Verstehen einer Montageinstruktion beizutragen (Wert “nein”), sondern sie werden auch nach erfolgter Montage dazu eingesetzt, die durch den letzten Montageschritt entstandene Situation auf der Konstrukteurseite mit der Situation auf der Instrukteurseite zu vergleichen (Beispiel 187). Diesen letzten Fall bezeichnen wir als “Situationsabgleich”. Er dient u.a. dazu, einen Montageschritt gemeinsam abzuschließen, um dann zum nächsten übergehen zu können. Beispiel 187: Rückfrage für Situationsabgleich 03I005
03K005 03I006 03K006
also jetzt legst du dies längliche Teil mit den Löchern auf den Klotz und drehst oben in der Mitte die rote Schraube rein. <sil: 1> mhm. <sil: 3> richtig festdrehen, ne? <sil: 1> ja warte so mhm. {das ist der}<spk: I, hast du?> Propeller wahrscheinlich, {ne?}<spk: I, mhm> <sil: 1> <par> mhm.
i) Bezieht sich die Rückfrage auf ein Sach- oder ein Sprachproblem? Die in Kindt/Weingarten (1984) eingeführte Unterscheidung zwischen Sprachund Sachproblem hebt auf die jeweilige Beurteilungsgrundlage von Sprach- vs. Sachproblemen ab und wird hier entsprechend den Überlegungen in 2.4.1 resultatsbezogen angewendet. In diesem Sinne können Rückfragen entweder sachbezogen (Beispiel 188) oder sprachbezogen sein (Beispiel 189).
226
Empirische Ergebnisse
Beispiel 188: Rückfrage bezüglich eines Sachproblems (unvollständige Darstellung) 02I031
02K030 02I032
[…] ich hab(e) nämlich vergessen, daß du jetzt noch (ei)ne Dreierstange hast und die mußt du da noch zwischenbauen. wie zwischenbauen? zwischen die also du hast oben die Tragflächen, in der Mitte die Fünferstange dadrunter kommt die die Dreierstange zwa/ und zwar wird die genauso ange/ äh befestigt wie hinten also daß das eine nach vorne steht dann.
Beispiel 189: Rückfrage bezüglich eines Sprachproblems (situativ nicht erschließbare Interpretation) 05I005 05K005 05I006
[…] und welche Flügelschraube nee, zwei Flügelschrauben. <sil: 2>Flügelschrauben, was <par> ist das? <par> ja diese Schrauben zum Festdrehen, ähm Muttern.
Für Beispiel 189 habe wir absichtlich einen Grenzfall zwischen semantischem Sprachproblem und Sachproblem ausgewählt, um zu illustrieren, dass manchmal die Art der Rückfrage über die Problemkategorisierung entscheidet. Der Konstrukteur behandelt die Verwendung des Terminus "Flügelschraube" durch die Instrukteurin als Sprachproblem, weil er nach der Interpretation dieses Terminus fragt und damit der Instrukteurin konzediert, einen an sich präzise definierten Fachbegriff in situativ angepasster Bedeutung zu gebrauchen. Er hätte die Verwendung dieses Begriffs resultatbezogen auch als Sachproblem einstufen können, indem er die gängige Bedeutung von "Flügelschraube" zugrunde gelegt und die Verletzung einer Existenzpräsupposition moniert hätte. Für diese Einstufung wäre statt der Rückfrage 05K005 der Einwand Es gibt hier doch gar keine Flügelschrauben einschlägig gewesen. j) Bezieht sich die Rückfrage auf ein Formulierungs- oder ein Verstehensproblem Ein weiteres Klassifikationskriterium ergibt sich natürlich aus der für unsere Untersuchung zentralen Unterscheidung von Formulierungs- und (reinen) Verstehensproblemen. Auch hier zeigt die Art der Rückfrage den zugehörigen Problemtyp an.
Rückfragen als Strategie zur Verständigungssicherung
227
Beispiel 190: Rückfrage bezüglich eines Formulierungsproblems 02K016 02I018 02K017
<par> mit (ei)ner roten Schraube und die ist <par> dann unten <par> ja mit der roten Achteckschraube. <sil: 1> ja ist eigentlich egal, welche Schraube. Achteck? ach so, ja ist auch egal. so.
Anmerkung: Im Flugzeugszenario gibt es nur Schrauben mit sechseckigem, aber nicht mit achteckigem Schraubenkopf.. Beispiel 191: Rückfrage bezüglich eines Verstehensproblems 21I008 21K008 21I009
das kleine ist dann untendrunter so hä? also das mit den drei Löchern? ja.
3.6.2 Quantitative empirische Analyse und ihre Resultate Nachfolgend sollen einige Ergebnisse vorgestellt werden, die sich aus der quantitativen Untersuchung der Rückfragen mithilfe einer Korpusannotation nach dem eingeführten Klassifikationssystems ergeben haben. Dabei wollen wir uns auf die Darstellung bestimmter Analyseaspekte von Rückfragen beschränken und zwar v.a. die Abhängigkeit der Strategien und sprachlichen Formen vom situativen Faktor der Anzahl der Möglichkeiten, sowie auf den Zusammenhang von lexikalischen Formen und Strategien. Insgesamt wurden im annotierten Flugzeugkorpus 458 Rückfragen des Konstrukteurs gezählt. Dabei stellte sich heraus, dass Vorschläge die präferierte Strategie bilden. 65% aller Rückfragen werden mithilfe eines Vorschlags formuliert. Rückfragen ohne Vorschlag machen immerhin noch 21% der Fälle aus, während die Nennung von Antwortalternativen nur in 11% der Fälle für zweckmäßig gehalten wird. Die geringe Häufigkeit der Strategie „Alternativennennung“ könnte mit ihrem relativ hohen Formulierungsaufwand zusammenhängen. Die Strategie einer Nennung von Alternativen kommt vor allem im Fall von zwei Antwortmöglichkeiten zum Einsatz (65%). Der Anteil der Rückfragen mit dieser Strategie an sämtlichen Rückfragen bei zwei Möglichkeiten ist zwar relativ niedrig (17%), aber hochsignifikant größer als der Anteil der Strategie Alternativennennung an allen Rückfragen. Des Weiteren stellt sich heraus, dass 80% aller Rückfragen mit einer Antwortmöglichkeit Vorschläge bilden. Dies ist ein signifikant höherer Wert als der Anteil der Vorschläge an allen Rückfragen.
228
Empirische Ergebnisse
Untersucht man den Zusammenhang zwischen den ausgewählten Formausprägungen von Rückfragen und dem situativen Faktor „Anzahl der Möglichkeiten“, so ergeben sich folgende Resultate: Erkennbar ist die Tendenz, welch* und andere W-Fragen eher bei mehr als zwei Möglichkeiten einzusetzen. WelchFragen und sonstige W-Fragen sind unter Rückfragen mit mehr als zwei Möglichkeiten signifikant häufiger vertreten als unter der Gesamtheit der Rückfragen. Welch*-Fragen kommen bei Rückfragen mit einer Möglichkeit erwartungsgemäß nicht vor. Fragen mit oder-Mitte werden hauptsächlich bei Rückfragen mit zwei Möglichkeiten eingesetzt (67% der oder-Mitte-Fragen). Damit liegt der Anteil der Fragen mit oder-Mitte signifikant höher als der Anteil der Fragen mit oder-Mitte relativ zu allen Rückfragen. Der Anteil von oder-Mitte-Fragen an den Rückfragen mit einer Antwortmöglichkeit liegt hochsignifikant niedriger als ihr Anteil an der Gesamtheit der Rückfragen. Untersucht man den Zusammenhang zwischen der Art der Inferenz und der Anzahl der Möglichkeiten, so zeigt sich: Am häufigsten werden Rückfragen ohne Inferenzen gestellt (66% aller Rückfragen). Am größten ist der Anteil von Rückfragen ohne Inferenz bei mehr als zwei Möglichkeiten (76%), und er liegt signifikant über dem Anteil der Rückfragen ohne Inferenz relativ zu allen Rückfragen. Inferenzen trifft man des Öfteren bei nur einer Möglichkeit an. Bei 28% der Rückfragen mit einer Möglichkeit wird eine echte Schlussfolgerung gezogen, bei 19% wird ein Teil der Instruktion paraphrasiert (jeweils signifikant über dem Anteil der Inferenzart relativ zur Gesamtheit der Rückfragen). Die Rückfragen mit nur einer Möglichkeit sind ebenfalls am häufigsten unter den beiden genannten Inferenzarten anzutreffen. Dieser relativ starke Zusammenhang kann damit zusammenhängen, dass explizit verständigungsbearbeitende Fragen, die sich in Inferenzen äußern können, besonders dann erwartbar sind, wenn kein echtes Verstehensproblem vorliegt, sondern nur das Verständnis abgesichert werden soll. Dies wiederum ist am wahrscheinlichsten, wenn es im Konstruktionsszenario nur eine Möglichkeit gibt. Schließlich sind auch Zusammenhänge zwischen der Form und der Rückfragestrategie zu erkennen: Die Form oder-Mitte ist stark mit der Strategie Alternativennennung korreliert und für Rückfragen ohne Vorschlag werden am häufigsten W-Fragen benutzt. Die Form Wiederholung lässt sich besonders bei zwei verschiedenen Strategien beobachten – bei Vorschlägen und Problematisierungen. Bei Problematisierungen wird sogar in fast allen Fällen ein Teil der Instruktion wiederholt.
Rückfragen als Strategie zur Verständigungssicherung
229
3.6.3 Fazit und Vergleich mit den Experimentalergebnissen Insgesamt hat sich gezeigt, dass Vorschläge die am häufigsten verwendete Art der Rückfragestrategie darstellen. Neben diesem Ergebnis stand jedoch die Frage im Vordergrund, wie sich die Situationsbedingungen auf Rückfragen auswirken. Hier stellt sich z.B. heraus, dass sich die Situationsbedingungen auf die Strategieart auswirken. Bezüglich der Situationsbedingungen konnte festgestellt werden, dass Vorschläge signifikant am häufigsten bei einer Referenzmöglichkeit vorkommen. Die Strategie der Alternativennennung, die auch eine spezifische Form der Rückfrage beinhaltet, ist dagegen seltener, kommt aber erwartungsgemäß signifikant häufiger als im Durchschnitt bei zwei Referenzmöglichkeiten vor. Dieses Analyseergebnis passt auch zu den Resultaten der Experimente zur Objektidentifikation, die ebenfalls im Rahmen des Projekts B6 durchgeführt wurden und deren Ergebnisse in Kindt/Strohner/Jang (2002) dargestellt sind. Bei diesen Experimenten ging es konkret um die Abhängigkeit der Rückfrage von der Zahl passender Referenzobjekte bei unterspezifizierten Objektbenennungen. Die Hypothesen betreffen hier insbesondere die Bedingungen der Verwendung von oder- und welch*-Fragen: Es wurde angenommen, dass bei Unklarheiten über Objekte Fragen mit „oder“ gewählt werden, wenn noch genau zwei Alternativen zur Wahl stehen. Wenn aber mehr als zwei Alternativen möglich sind, wird der Fragende die Form einer welch*-Frage wählen – so die zweite Hypothese. Diese zwei Hypothesen wurden insofern bestätigt, als welch*Fragen tatsächlich signifikant häufiger bei mehr als zwei Möglichkeiten verwendet werden und oder-Mitte-Fragen signifikant häufiger bei zwei Möglichkeiten. Auch bei den anderen W-Fragen lässt sich ein signifikant häufigeres Vorkommen bei mehr als zwei Möglichkeiten nachweisen. Diese Ergebnisse lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass ein derartiger Gebrauch der verschiedenen Frageformen unter entsprechenden Voraussetzungen zwingend ist. Vielmehr handelt es sich nur um Tendenzen. Da die Formen „oder-Mitte“ und „welch*“ im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Fragen relativ selten sind, lässt sich anhand unserer Ergebnisse schwer voraussagen, unter welchen Bedingungen sie ggf. mit Sicherheit vorkommen.
4 Zusammenfassende Darstellung der Forschungsergebnisse
Die Herstellung und Sicherung von Verständigung im hier eingeführten Sinne ist eine universelle gattungsübergreifende Aufgabe in Kommunikationen, die eine besondere Aufmerksamkeit in der linguistischen Forschung verdient. Viele der zugehörigen Strategien bleiben dem sprachliches Verhalten analysierenden Beobachter verborgen, weil sie sich im Rahmen rein mentaler Prozesse ohne korrespondierende verbale Manifestationen vollziehen. Ein großer Teil von ihnen wird aber auch mit explizit sprachlichen Mitteln durchgeführt und daher lohnt es sich, diese Strategien systematisch mit kommunikationsanalytischen Methoden zu erforschen. Damit ist die Zielsetzung des zugrunde liegenden Forschungsprojekts noch einmal kurz umrissen und nachfolgend sollen die wichtigsten Ergebnisse von Theoriebildung und empirischer Analyse im Überblick dargestellt werden. Im Rahmen der linguistischen Kommunikations- bzw. Diskursforschung gibt es sehr unterschiedliche theoretische und methodische Ansätze. Ein schwieriger Punkt dieser Ansätze betrifft die Frage, wie man mit den Problemen der Interpretativität kommunikationsanalytischer Methoden umgehen soll. Unserer Vorgehensweise liegt die Auffassung zugrunde, dass sich diese Probleme verringern, wenn man sich um Trennschärfe und Explizitheit bei der Theoriebildung sowie um eine strukturelle Verankerung der empirischen Aussagen bemüht. Deshalb haben wir nach der einleitenden Darstellung forschungsgeschichtlicher und relevanzfokussierender Aspekte viel Wert darauf gelegt, in Kapitel 2 einen angemessenen theoretischen Rahmen zu formulieren. Es macht keinen Sinn, über Verständigungsstrategien zu reden, ohne vorher einen präzise definierten Strategiebegriff eingeführt zu haben. Dasselbe gilt für den in einer Verständigungstheorie unumgänglichen Problembegriff. Die Kombination beider Konzepte ermöglicht anschließend eine Unterteilung in problemvermeidende und problembearbeitende Strategien. Für eine Erforschung beider Arten von Strategien benötigt man eine genügend allgemeine Problemtypologie. Da es in unserem Diskussionszusammenhang konkreter um eine Vermeidung und Bearbeitung von Verständigungsproblemen geht, kann man fragen, welche
232
Zusammenfassende Darstellung der Forschungsergebnisse
Problemtypen in den vorliegenden Verständigungstheorien unterschieden werden, wie sie aufeinander zu beziehen sind und wie sie sich ggf. systematisieren lassen. Als prominente Theorien, die in dieser Weise untersucht werden müssen, können z.B. das Hamburger Verständlichkeitskonzept und die Theorie der Konversationsmaximen von Grice gelten. Die in der Literatur bisher unerledigte Aufgabe einer solchen Theorienüberprüfung haben wir mit dem Ergebnis durchgeführt, dass man auf jeder Ebene von Sprachverarbeitung (bzw. genereller von Problemlösungen) genau drei Arten von Erwartungen unterscheiden muss, nämlich die Vollständigkeits-, die Korrektheits- und die Effizienzerwartung. Damit zeigt sich einerseits, dass die Theorie von Grice zugleich vereinfacht und verallgemeinert werden kann. Andererseits lassen sich die vier Faktoren des Hamburger Verständlichkeitskonzepts alle unter die Effizienzerwartung subsumieren. Das zum Zweck der Unterscheidung relevanter Problemtypen eingeführte Erwartungskonzept ist noch aus zwei anderen Gründen von besonderer Bedeutung für die Verständigungstheorie. Erstens werden auch die sprachlich nicht manifesten Konstruktionsprozesse der Bedeutungskonstitution durch diese drei Erwartungen bzw. durch ihre jeweiligen Konkretisierungen gesteuert. Zweitens bleibt jede Verständigungs- oder Bedeutungstheorie unvollständig, die nicht berücksichtigt, dass die implizite oder kommunikativ explizite Koordination von generellen, gattungsspezifischen sowie zielabhängigen Formulierungs- und Verstehenserwartungen einen wesentlichen Einflussfaktor für Äußerungsinterpretationen und daran anknüpfende Interaktionen bildet. Die Etablierung dieser Erwartungen und ihre genauen Auswirkungen sind aber ein bislang relativ wenig erforschter Gegenstand. Selbstverständlich mussten in der vorliegenden Arbeit der Verständigungsbegriff und der Verständigungsproblembegriff präzise definiert werden. Dabei zeigt sich zunächst, dass man Verständigungsprobleme gegenüber argumentativ zu lösenden Problemen der Strittigkeit von Sachverhalten abgrenzen sollte. Außerdem wird erstmals das genaue Verhältnis zwischen den verschiedenen Konzepten des Verständigungs-, des Formulierungs-, des Übertragungs- und des Verstehensproblems geklärt. Dass es bestimmte prospektiv ausgerichtete Strategien der Verständigungssicherung gibt, ist schon lange bekannt. Auch die Erforschung von Verständigungsproblemen hat sich mittlerweile – zumindest bezogen auf die dominante Problemlösungsformen von Reparaturen – in der Linguistik als relevantes Thema etabliert. Die Untersuchung des Flugzeugkorpus zwingt aber dazu, eine weitere Klasse von Strategien zu betrachten, nämlich die problemvermeidenden Strategien der Verstehensabsicherung (von denen bisher hauptsächlich nur das Rückmeldeverhalten bekannt war).
Zusammenfassende Darstellung der Forschungsergebnisse
233
Schließlich bot unser Forschungsprojekt einen guten Anlass, die bisher entwickelte Reparaturtheorie in verschiedenen Aspekten zu präzisieren und insbesondere zu vervollständigen. Letzteres betrifft zum einen den Umstand, dass bislang hauptsächlich Formulierungsreparaturen untersucht und theoretisch erfasst wurden; folglich musste auch der Fall von Verstehensreparaturen betrachtet und überprüft werden, inwieweit sich die Kategorien und Typen von Formulierungsreparaturen auf diesen Fall übertragen lassen. Zum anderen stellte sich bei der Untersuchung einer Zuordnung der bisher bekannten Reparaturtypen zu den drei Verständigungserwartungen heraus, dass ein empirisch sehr wichtiger, der Vollständigkeitserwartung zuzuordnender Reparaturtyp (hier I-Reparaturen genannt) zu den bisher bekannten Typen hinzugenommen werden muss. Gerade bei den I-Reparaturen wird auch das Phänomen der Erwartungskoordination besonders manifest, weil die Kommunikationsteilnehmer diesbezüglich evtl. unterschiedliche Vorstellungen davon haben, ob die übermittelten Informationen schon hinreichend vollständig sind, und weil dies auch in starkem Maße vom jeweils zugrunde gelegten Interaktionsziel abhängt. Insgesamt gesehen darf man wohl sagen, dass die Theorieformulierung bisherige Ansätze in wichtigen Punkten präzisiert und ergänzt und dabei auch zu interessanten neuen theoretischen Einsichten gelangt. Auf dieser Grundlage konnte die in Kapitel 3 dokumentierte empirische Untersuchung das Ziel verfolgen, die im Flugzeugkorpus von den Beteiligten angewendeten Verständigungsstrategien möglich vollständig zu erfassen, sie mit geeigneten Beispielen zu illustrieren, ihre gesprächsstrukturellen und grammatischen Eigenschaften anzugeben sowie ihre spezielle Relevanz und Funktion zu diskutieren. Dabei liegt die Besonderheit einer linguistischen Erforschung von Verständigungsstrategien darin, dass jeweils auch Aussagen über die relevante sprachliche Realisierung der Strategien gemacht werden und dass auf diese Weise die Abhängigkeit der Analyseresultate von subjektiven Interpretationen weiter verringert wird. Geht man die in Kapitel 3 behandelten Strategien einzeln durch, dann findet man etliche in der einschlägigen Literatur schon beschriebene Strategien wieder. Die von uns angeführten Belegbeispiele haben dann die Funktion einer Illustration der betreffenden Strategie und ihrer sprachlicher Realisierung für das Flugzeugsetting bzw. eventuell genereller für Instruktionssituationen. Teilweise haben wir auch ausgezählt, wie oft eine bestimmte Strategie in den 22 Dialogen angewendet wird; dies kann Hinweise auf die Relevanz der Strategie und/oder ihre Verfügbarkeit bei den Teilnehmern geben. Eine derartige systematische Auswertung des Korpus war aber in unserem Projekt nicht möglich. Der linguistischen Kommunikationsanalyse geht es entsprechend ihrer heuristischen Zielsetzung und ihrer induktiven Vorgehensweise häufig eher um die Identifizierung neuer Phänomene. In diesem Sinne sind hier z.B. bei den Strategien der Prob-
234
Zusammenfassende Darstellung der Forschungsergebnisse
lemvermeidung die Rückgreifende Verdeutlichung (vgl. 3.2.7), die Festlegung wichtiger Bezugspunkte (vgl. 3.3.2), die verschiedenen Arten der Instruktionsunterteilung (vgl. 3.3.3 - 3.3.5), das Inferenzangebot (vgl. 3.4.3), bestimmte Erinnerungsstrategien (vgl. 3.4.6) und der Situationsabgleich (vgl. 3.4.7) hervorzuheben. Bei den Strategien der Problembehandlung müssen neben der schon erwähnten I-Reparatur (vgl. 3.5.2a)) zwei weitere neue Reparaturtypen berücksichtigt werden, nämlich die EK-Reparatur als Verallgemeinerung der von Levelt eingeführten EL-Reparatur (vgl. 3.5.2b)) und die nur bei Verstehensproblemen vorkommende EI-Reparatur (vgl. 3.5.3b)), die den Fall inkorrekt gezogener Inferenzen beim Rezipienten erfasst. Zugleich präsentieren wir in Abschnitt 3.5 drei Reparaturtypen, die in der nicht allgemein zugänglichen Arbeit von Kindt/Laubenstein neu identifiziert wurden, nämlich die B-, F- und G-Reparaturen. Zusammen mit der schon erwähnten Übertragung der Typologie von Formulierungs- auf Verstehensreparaturen hat sich also das Spektrum der empirisch als relevant nachgewiesenen Reparaturtypen durch unsere Untersuchung erheblich erweitert. Reparaturen bilden die im Flugzeugkorpus insgesamt am häufigsten vorkommenden Verständigungsstrategien. Dies machte es einerseits möglich, die Varianz der zugehörigen sprachlichen Realisierungen durch entsprechende Belegbeispiele zu demonstrieren. Andererseits konnten wir aus diesem Grund verschiedene Teilstrategien bei der Reparaturdurchführung und insbesondere die der Problemidentifikation und Problemmanifestation genauer diskutieren (vgl. 3.5.1). Bei der Untersuchung von Verständigungsproblemen ist – wie oben erwähnt – auch der Fall zu berücksichtigen, dass die Beteiligten ihrer Kommunikation differierende Formulierungs- oder Verstehenserwartungen zugrunde legen. Eine prospektive Strategie, solche Probleme zu vermeiden, besteht in einer Koordination der nicht schon generell unterstellten oder kontextuell festgelegten Erwartungen zu Beginn der Kommunikation. Eine solche Erwartungskoordination kann natürlich auch im weiteren Verlauf der Kommunikation stattfinden, wenn einer der Beteiligten bemerkt hat oder zumindest vermutet, dass Erwartungsdifferenzen vorliegen. In Abschnitt 3.5.5 wird erstmals am Beispiel von Dialogen des Flugzeugkorpus im Detail rekonstruiert bzw. analysiert, wie derartige Erwartungskoordinationen vollzogen werden. Dabei zeigt sich, dass noch ein neuer, bisher empirisch nicht identifizierter Typ von Verständigungsproblemen berücksichtigt und untersucht werden muss: Die stillschweigend gemachte Annahme, eine zu Beginn oder im späteren Kommunikationsverlauf etablierte Verständigungserwartung werde anschließend konstant gelten, also stabil bleiben, erweist sich nämlich als falsch. Dies belegen wir durch Beispiele für ver-
Zusammenfassende Darstellung der Forschungsergebnisse
235
schiedene Arten eines inkonsequenten Umgangs mit der Vollständigkeitserwartung in den Flugzeugdialogen. Auch wenn wir in unserem Projekt keine umfassende quantitative Korpusanalyse durchführen konnten, so wollten wir eine solche Art der Auswertung wenigstens exemplarisch praktizieren. Ausgangspunkt dafür war die aus der Lektüre verschiedener Dialogtranskripte resultierende Vermutung, dass die Art der im Rahmen einer I-Reparatur gestellten Rückfrage zu Farbe oder Form davon abhängt, wie viel Antwortmöglichkeiten es gibt: Da die Würfel im Flugzeugsetting vier verschiedene Farben haben und die Schrauben zwei unterschiedliche Formen, scheint es nahezuliegen, wie zu Beginn von Dialog 1 die unspezifische W-Frage Welche Farbe? und demgegenüber die Alternativfrage Eckig oder rund? zu stellen (vgl. Beispiel 102). Ausgehend von dieser Anfangsvermutung wurde im Projekt untersucht, wie die unterschiedlichen Frageformulierungen abhängig von der Zahl der Antwortmöglichkeiten im Flugzeugkorpus verteilt sind. Dabei bestätigte sich u.a., dass es eine signifikante Präferenz im Sinne unserer Anfangsvermutung gibt (vgl. 3.6). Zugleich lässt sich dies als dynamisches Effizienzphänomen erklären: Bei mehr als zwei Antwortmöglichkeiten wird der Formulierungsaufwand des Produzenten für Alternativfragen relativ hoch, während bei zwei Antwortmöglichkeiten die Ineffizienz von unspezifischen W-Fragen für den Verstehensprozess des Rezipienten noch vermeidbar ist. Dieses Resultat gab Anlass, im psycholinguistischen Teil unseres Projekts das betreffende Abhängigkeitsverhältnis auch experimentell zu überprüfen; dabei wurde zusätzlich der pragmatische Faktor „Zeitdruck“ variiert. In dem zugehörigen Experiment bestätigte sich zunächst wieder, dass bei zwei Antwortmöglichkeiten mehr Alternativfragen gestellt werden; dasselbe gilt aber auch bei Erhöhung des Zeitdrucks (vgl. Kindt/Strohner/Jang 2002). Das zugehörige quantitative Experimentalergebnis wurde anschließend zur Entwicklung eines mathematischen Modells für die Dynamik des betreffenden Frageverhaltens genutzt (vgl. Eikmeyer/Kindt/Strohner 2006). Den Weg von der Anfangsvermutung bis zur Modellbildung haben wir deshalb etwas ausführlicher geschildert, weil deutlich gemacht werden soll, welchen Stellenwert die Ergebnisse einer kommunikationsanalytischen Untersuchung wie der unserer im Rahmen einer integrierten Forschungsmethodologie haben können, die idealiter die fünf Schritte qualitative und quantitative Korpusanalyse, experimentelle Überprüfung von Hypothesen, Modellbildung und Simulation umfasst. Dieser Stellenwert besteht in der Möglichkeit, aufgrund der Analysen empirisch relevante Faktoren des jeweils zu erforschenden Kommunikationsphänomens zu identifizieren und bereits erste induktiv gestützte Hypothesen zu formulieren. Diese Aufgabe wird erheblich erleichtert, wenn man auf (ggf. ge-
236
Zusammenfassende Darstellung der Forschungsergebnisse
zielt elizitierte) Korpora wie dem Flugzeugkorpus zurückgreifen kann, die aufgrund ähnlicher Situationsbedingungen Generalisierungen erlauben. Insgesamt gesehen liegt der empirische Ertrag unseres Forschungsprojekts in folgenden Punkten:
Die eingeführten Kategorien ermöglichen eine genaue Strukturbeschreibung und funktionale Charakterisierung der im Flugzeugkorpus vorgefundenen Verständigungsstrategien und können erfolgreich auf andere Korpora oder Einzelkommunikationen angewendet werden. Die Ausgangsfrage des Projekts, wie die Teilnehmer es trotz schwieriger Kommunikationsbedingungen schaffen, sich zu verständigen und die verschiedenen Teilziele ihrer Interaktion zu erreichen, lässt sich konkret dadurch beantworten, dass man bei einer sequenziellen Sprechhandlungsanalyse eines Dialogs überprüft, welche Verständigungsstrategien jeweils eingesetzt werden, um die betreffenden Schwierigkeiten zu überwinden. Dabei zeigt sich, dass die Bemühung der Teilnehmer um den Einsatz dieser Strategien i.A. nur so weit geht, bis ihrer Auffassung nach das jeweils angestrebte Teilziel erreicht ist. Die Teilnehmer geben sich also auch damit zufrieden, dass das Erreichen eines Teilziels mit an sich noch unzulänglichen kommunikativen Mitteln gelingt. Tatsächlich wird auf diese Weise das Gesamtziel der Flugzeugmontage in den meisten Dialogen wie vorgesehen erreicht. Eine entsprechende sequenzielle Handlungsanalyse konnte im Projekt nur an den für die Beispielpräsentationen betrachteten Dialogausschnitten fragmentarisch durchgeführt werden. Aus den betreffenden Teilanalysen lassen sich aber zahlreiche Hypothesen über das Strategieverhalten der Teilnehmer ableiten, die in künftigen Untersuchungen ausformuliert und dann genauer empirisch überprüft werden können.
Mit dem dritten und letzten Ergebnispunkt verbindet sich die Hoffnung, dass die Theorieentwicklung und die empirischen Ergebnisse unseres Projekts andere Forscher/innen zu weiterführenden Untersuchungen motivieren, damit das interessante und gesellschaftlich wichtige Forschungsthema "Verständigungsstrategien" noch umfassender bearbeitet werden kann.
5 Literaturverzeichnis
Arbinger, R. (1997): Psychologie des Problemlösens. Eine anwendungsorientierte Einführung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Auer, Peter (1992): The contextualization of language. Amsterdam u.a.: Benjamins. Auer, Peter (1999): Sprachliche Interaktion. Eine Einführung anhand von 22 Klassikern. Tübingen: Niemeyer. Bazzanella, Carla / Damiano, Rossana (1999): The interactional handling of misunderstanding in everyday conversations. In: Dascal, M. (Hrsg.), Misunderstanding. Journal of Pragmatics, 31, 817-836. Bielefelder Flugzeugkorpus (1994) (überarbeitete Version 1997): „Wir bauen jetzt also ein Flugzeug ...“. Konstruieren im Dialog. Arbeitsmaterialien. Sonderforschungsbereich 360, Universität Bielefeld: http://www.sfb360.uni-bielefeld.de/transkript/b1doc/ Brinker, Klaus (1986): Strategisches Handeln in Gesprächen. In: Wittje, H. / Narr, B. (Hrsg.), Spracherwerb und Mehrsprachigkeit. Festschrift für Els Oksaar zum 60. Geburtstag (pp. 335-342). Tübingen: Narr. Brown, Penelope / Levinson, Stephen C. (1987): Politeness: Some universals in language usage. Cambridge: Cambridge University Press. Clark, Herbert H. (1997): Using language. Cambridge: Cambridge University Press. Cicourel, Aaron (1973): Cognitive sociology: language and meaning in social interaction. Harmondsworth: Penguin Education. Deppermann, Arnulf (2002): Von der Kognition zur verbalen Interaktion: Bedeutungskonstitution im Kontext aus Sicht der Kognitionswissenschaften und der Gesprächsforschung. In: Deppermann, A. / Spranz-Fogasy, T. (Hrsg.), bedeuten. Wie Bedeutung im Gespräch entsteht (pp. 11-34). Tübingen: Stauffenberg. Donellan, Keith S. (1966): Reference and definite descriptions. Philosophical Reviews, 75, 281-304. Dörner, Dietrich (1979): Problemlösen als Informationsverarbeitung. Stuttgart: Kohlhammer. Eikmeyer, Hans-Jürgen / Kindt, Walther / Laubenstein, Uwe / Lisken, Sebastian / Polzin, Thomas / Rieser, Hannes / Schade, Ulrich (1991): Kohärenz-Konstitution im gesprochenen Deutsch. In Rickheit, G. (Hrsg.), Kohärenzprozesse. Modellierung von Sprachverarbeitung in Diskursen, (pp. 59-136). Opladen: Westdeutscher Verlag. Eikmeyer, Hans-Jürgen / Kindt, Walther / Laubenstein, Uwe / Lisken, Sebastian / Rieser, Hannes / Schade, Ulrich (1995): Coherence regained. In: Rickheit, G. / Habel, Ch.
238
Literaturverzeichnis
(Hrsg.), Focus and coherence in discourse processing (pp. 115-142). Berlin, de Gruyter. Eikmeyer, Hans-Jürgen / Kindt, Walther / Strohner, Hans (2006): System theoretical modeling on situated communication. In: Rickheit, G. / Wachsmuth, I. (Hrsg.), Situated Communication (pp. 409-434). Berlin: Monton de Gruyter. Eikmeyer, Hans-Jürgen / Kindt, Walther / Rittgeroth, Yvonne / Strohner, Hans (2006): A systems framework of communicative understanding. In: Rickheit, G. / Wachsmuth, I. (Hrsg.), Situated Communication (pp. 377-407). Berlin: De Gruyter. Fiehler, Reinhard (Hrsg.) (1998): Verständigungsprobleme und gestörte Kommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag. Fiehler, Reinhard / Kindt, Walther / Schnieders, Guido (1999): Kommunikation in Reklamationsgeprächen. In: Brünner, G. / Fiehler, R. / Kindt, W. (Hrsg.), Angewandte Diskursforschung, Bd. 1, (pp. 120-155). Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Forschergruppe Kohärenz (Hrsg.) (1987): „n Gebilde oder was“ – Daten zum Diskurs über Modellwelten. KoLiBri Arbeitsbericht Nr. 2. Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Universität Bielefeld. Goffman, Erving (1969): Strategic interaction. Philadelphia: University of Pennsylvania Press. Goffman, Erving (1963): Behavior in public places. New York: Free Press. Grice, Herbert Paul (1975): Logic and conversation. In: Cole, P. / Morgan, J. L. (Hrsg.), Syntax and semantics, Vol. 3, Speech Acts, (pp. 41-58). New York: Academic Press. Gülich, Elisabeth / Kotschi, Thomas (1996): Textherstellungsverfahren in mündlicher Kommunikation. Ein Beitrag am Beispiel des Französischen. In: Motsch, W. (Hrsg.), Ebenen der Textstruktur. Sprachliche und kommunikative Prinzipien (pp. 37-80). Tübingen: Niemeyer, Gülich, Elisabeth / Raible, Wolfgang (1977): Linguistische Textmodelle. Grundlagen und Möglichkeiten. München: Fink. Gumperz, John J. (1982): Discourse strategies. (=Studies in Interactional Sociolinguistics 1) Cambridge: Cambridge University Press. Gumperz, John J. (1992): Contextualization and understanding. In: Duranti, A. / Goodwin, C. (Hrsg.), Rethinking context (pp. 229-252). New York: Cambridge University Press. Heinemann, Margot (2001): Handlungsintention und Handlungsplanung in Gesprächen. In: Antos, G. / Brinker, K. / Heinemann, W. / Sager, S. F. (Hrsg.), Text- und Gesprächslinguistik, 2. Halbband, (pp. 1187-1196). Berlin: de Gruyter. Henne, Helmut / Rehbock, Helmut (1995). Einführung in die Gesprächsanalyse. 3., durchges. und um einen bibliogr. Anh. erw. Aufl. - Berlin: de Gruyter. Henrici, Gert / Herlemann, Brigitte / Kindt, Walther / Selting, Margret (1985): Verständigungsprobleme in der Bürger-Verwaltungs-Kommunikation: Vor Ort in der Rundfunkgebührenermäßigungsstelle. Der Deutschunterricht 73, (2), 51-72. Hindelang, Götz (1978): Auffordern. Die Untertypen des Aufforderns und ihre sprachlichen Realisierungsformen. Göppingen: Kümmerle. Jacobs, Joachim (1982): Syntax und Semantik der Negation im Deutschen. München: Fink.
Literaturverzeichnis
239
Jang, Kyung-Won (2005): Die Realität des Ungesagten: Rezeption und Repräsentation von Attribut-Negation. Dissertation, Universität Bielefeld. Kallmeyer, Werner (1977): Verständigungsprobleme in Alltagsgesprächen. Zur Identifizierung von Sachverhalten und Handlungszusammenhängen. Der Deutschunterricht 29, (6), 52-69. Kallmeyer, Werner (1981): Aushandlung und Bedeutungskonstitution im Dialog. In: Schröder, P. / Steger, H. (Hrsg.), Dialogforschung. Jahrbuch 1980 des Instituts für deutsche Sprache (pp. 89-128). Düsseldorf: Schwann. Kallmeyer, Werner / Kindt, Walther (1979): Die Untersuchung von Verstehensproblemen. In: Zwischenstation Universität Bielefeld (pp. 92-97). Bielefeld: Pfeffer. Kallmeyer, Werner / Schütze, Fritz (1976): Konversationsanalyse. Studium Linguistik, 1, 1-28. Kerbrat-Orecchioni, C. (1990): Les Interactions Verbales (Tome II & III) (= Verbal Interactions Vols II & III) Paris: Armand Colin. Kindt, Walther (1985): Dynamische Semantik. In: Rieger, B. (Hrsg.), Dynamik in der Bedeutungkonstitution (pp. 95-142). Hamburg: Buske. Kindt, Walther (1993): Struktur, Funktion und Dynamik von Erzählungen. In: Janota, J. (Hrsg.), Vorträge des Augsburger Germanistentags 1991, Bd. 1, (pp. 151-165). Tübingen: Niemeyer. Kindt, Walther (1998): Konzeptuelle Grundlagen einer Theorie der Verständigungsprobleme. In: Fiehler, R. (Hrsg.), Verständigungsprobleme und gestörte Kommunikation (pp. 17-43). Opladen: Westdeutscher Verlag. Kindt, W. (2001a). Neue Wege der Inferenzforschung. In: Sichelschmidt, L. / Strohner, H. (Hrsg.), Sprache, Sinn und Situation (pp. 109-124). Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag. Kindt, Walther (2001b): Konventionen, Regeln und Maximen in Gesprächen. In: Antos, G. / Brinker, K. / Heinemann, W. / Sager, S. F. (Hrsg.), Text- und Gesprächslinguistik (pp. 1178-1187). 2. Halbband. Berlin: de Gruyter. Kindt, W. (2001c): Syntax und Pragmatik: Eine zu entdeckende Verwandtschaft. In Liedtke, F. / Hundsnurscher, F. (Hrsg.), Pragmatische Syntax (pp. 5-29). Tübingen: Niemeyer. Kindt, Walther (2002): Koordinations-, Konstruktions- und Regulierungsprozesse bei der Bedeutungskonstitution: Neue Ergebnisse der Dynamischen Semantik. In: Deppermann, A. / Spranz-Fogazy, T. (Hrsg.), bedeuten. Wie Bedeutung im Gespräch entsteht (pp. 34-58). Tübingen: Stauffenberg. Kindt, Walther (2007): Muster der Alltagsargumentation als Grundlage für Inferenzen. In Kreuzbauer, G. / Gratzl, N. / Hiebl, E. (Hrsg.), Persuasion und Wissenschaft. Aktuelle Fragestellungen von Rhetorik und Argumentationstheorie (pp. 111-128). Wien: LIT Verlag. Kindt, Walther / Weingarten, Rüdiger (1984): Verständigungsprobleme. Deutsche Sprache, 3, 193-218. Kindt, Walther / Laubenstein, Uwe (1991): Reparaturen und Koordinationskonstruktionen. Ein Beitrag zur Strukturanalyse des gesprochenen Deutsch (KoLiBri Arbeitsbericht Nr. 20). Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Universität Bielefeld.
240
Literaturverzeichnis
Kindt, Walther / Rieser, Hannes (1999): Syntax- und Semantikkoordination in Dialog. In: Wachsmuth, I. / Rickheit, G. (Hrsg.), Situierte Künstliche Kommunikatoren. Kognitionswissenschaft, 8, 123-128. Kindt, Walther / Strohner, Hans / Jang, Kyung-Won (2002): Rückfragestrategien bei referentieller Ambiguität: Ein Beispiel von Bedeutungskoordination im Diskurs. In: Pohl, I. (Hrsg.), Prozesse der Bedeutungskonstruktion (pp. 357-374). Frankfurt a. M.: Peter Lang. Kohl, Mathias (1986): Zur Rekonstruktion von Sprecherstrategien im Rahmen einer Dialoggrammatik. In: Burkhardt, A. / Körner, K.-H. (Hrsg.), Pragmantax. Akten des 20. Linguistischen Kolloquiums Braunschweig 1985 (pp. 235-246). Tübingen: Niemeyer. Lalouschek, Johanna (2002): Ärztliche Gesprächsausbildung. Eine diskursanalytische Studie zu Formen des ärztlichen Gesprächs. Radolfzell: Verlag für Gesprächsforschung. Langer, Inghard / Schulz von Thun, Friedemann / Tausch, Reinhard (2002): Sich verständlich ausdrücken. München: Reinhardt. Levelt, Willem J.M. (1983): Monitoring and Self-Repair in Speech. Cognition, 14, 41104. Linke, Angelika / Nussbaumer, Markus / Portmann, Paul R. (1996): Studienbuch Linguistik. (3., unveränd. Aufl. erg. um ein Kap. „Phonetik und Phonologie“). Tübingen: Niemeyer. Löbner, Sebastian (2003): Semantik.Eeine Einführung. Berlin: de Gruyter. Lüger, Heinz-Helmut (2001): "Höflichkeit und Höflichkeitsstile". In: Lüger, H. H. (Hrsg.), Höflichkeitsstile (pp. 3-23). Frankfurt/Main: Lang. McRoy, Susan W. / Hirst, Graeme (1995): The repair of speech act misunderstandings by abductive inference. In Computational Linguistics, 21, (4), 435-478. Melis, Erica (1997): Beweisen durch Analogie. Kognitionswissenschaft, 6, 115-126. Metzger, Wolfgang (1975): Gesetze des Sehens (3. völlig neu bear. Aufl.). Frankfurt/Main: Kramer. Meyer-Fujara, Josef / Puppe, Frank / Wachsmuth, Ipke (1993): Expertensysteme und Wissensmodellierung. In: Görz, G. (Hrsg.), Einführung in die künstliche Intelligenz (pp. 714-765). Bonn: Addison-Wesley. Nsangou, Maryse (2000): Kommunikatives Verhalten von Deutschlernenden in Kontaktsituationen. Eine exemplarische Untersuchung am Beispiel sprachlicher Problemlösungsstrategien kamerunischer Deutschlernender. Frankfurt/Main: Peter Lang. Raible, Wolfgang (1987): Sprachliche Höflichkeit. Realisierungsformen im Deutschen und im Französischen. ZFSL, 47, 145-168. Reis, Marga / Rosengren, Inger (1991): Einleitung. In: Reis, M. / Rosengren, I. (Hrsg.), Fragesätze und Fragen (pp. 1-11). Referate anläßlich der 12. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft. Saarbrücken 1990. (Linguistische Arbeiten 257) Tübingen: Niemeyer. Rittgeroth, Yvonne (2007): Reformulierungen im aufgabenorientierten Dialog. Bielefeld: Universität Bielefeld. URL http://bieson.ub.uni-bielefeld.de/volltexte/2007/1058 /pdf/Reformulierungen_im_aufgabenorientierten_Dialog.pdf.pdf Sassen, Claudia (2002): Communication on crisis talk. Dissertation, Universität Bielefeld.
Literaturverzeichnis
241
Sassen, Claudia (2006): Linguistic dimensions of crisis talk: Formalising structures in a controlled language. Amsterdam: Benjamins. Schade, Ulrich / Eikmeyer, Hans-Jürgen (1998): Modeling the production of object specifications. In Grainger, J. / Jacobs, A. (Hrsg.), Localist connectionist approaches to human cognition (pp. 257-282). Mahwah, NJ: Erlbaum. Schegloff, Emanuel A. (1979): The relevance of repair to syntax-for-conversation. In: Givón, T. (Hrsg.): Syntax and Semantics, Volume 12: Discourse and Syntax (pp. 261-286). New York: Academic Press. Schegloff, Emanuel A. (1987): Some sources of misunderstanding in talk-in-interaction. Linguistics, 25, 201-218. Schegloff, Emanuel A. (2000): When 'others' initiate repair. Applied Linguistics 21, (2), 205-243. Schegloff, Emanuel A. (2007): Sequence organisation in interaction. A primer in conversational analysis I. Cambridge: Cambridge University Press. Schegloff, Emanuel A. / Jefferson, Gail / Sacks, Harvey (1977): The preference for selfcorrection in the organization of repair in conversation. Language, 53, 361- 383. Schmelz, Matthias P. (1994): Psychologie der Höflichkeit: Analyse des höflichen Aufforderns im betrieblichen Kontext am Beispiel von Arbeitsanweisungen. Frankfurt/Main: Lang. Selting, Margret (1987): Verständigungsprobleme. Eine empirische Analyse am Beispiel der Bürger-Verwaltungs-Kommunikation. Tübingen: Niemeyer. Selting, Margret / Couper-Kuhlen, Elizabeth (2000): Argumente für die Entwicklung einer 'interaktionalen Linguistik'. Gesprächsforschung, 1, 76-95. Spillmann, Lothar (1999): Gehirn und Gestalt: I. Metzgers Gesetze des Sehens. Psychologische Beiträge, 41, 458-493. Spranz-Fogasy, Thomas / Spiegel, Carmen (2001): Aufbau und Abfolge von Gesprächsphasen. In: Brinker, K. / Antos, G. / Heinemann, W. / Sager, S. F. (Hrsg.), Text- und Gesprächslinguistik. Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (pp. 1241-1252). Berlin/New York: de Gruyter. Weigand, Edda (1999): Misunderstanding: The standard case. In: Dascal, M. (Hrsg.): Misunderstanding. Journal of Pragmatics, 31,6, 763-785. Weingarten, Rüdiger (1988): Verständigungsprobleme im Grundschulunterricht. Eine Untersuchung zur kommunikativen Sozialisation. Opladen: Westdeutscher Verlag. Weiß, Petra (2005): Raumrelationen und Objekt-Regionen. Psycholinguistische Überlegungen zur Bildung lokalisationsspezifischer Teilräume. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. Wenzel, Angelika (1984): Verstehen und Verständigung in Gesprächen am Sozialamt : eine empirische Untersuchung. Tübingen : Niemeyer. Wertheimer, Max (1923): Untersuchungen zur Lehre der Gestalt II. Psychologische Forschung, 4, 301-360. Wildgen, W. (1982): Makroprozesse bei der Verwendung nominaler Ad-hoc-Komposita im Deutschen. Deutsche Sprache, 10, 237-257.
6 Personenregister
Arbinger, R. 32 Auer, P. 14,29 Bazzanella, C. 14 Brinker, K. 30,31 Brown, P. 96 Cicourel, A. 38 Clark, H. H. 72 Couper-Kuhlen, E. 29 Damiano, R. 14 Deppermann, A. 35,37 Donellan, K. S. 198 Dörner, D. 33 Eikmeyer, H.-J. 132,215,216,235 Fiehler, R. 14,17 Goffman, E. 96 Grice, H. P. 13,33,60,232 Gülich, E. 14,78,111 Gumperz, J. J.14 Heinemann, M. 30 Henne, H. 78 Henrici, G. 15,17 Hindelang, G. 96,102 Hirst, G. 54 Jacobs, J. 114 Jang, K.-W. 57,114,115,117,216,229, 235 Jefferson, G. 14,132 Kallmeyer, W. 14,15,33,35,38,40,51,80 Kerbrat-Orecchioni, C. 216,217 Kindt, W. 14,15,17,31,33,36,42-44,4850,52,57,59,60,63,64,67,72,73,79, 82,132,133,156,159,205,216,225, 229,234,235 Kohl, M. 30 Kotschi, T. 14,111 Lalouschek, J. 18 Langer, I. 12,61
Laubenstein, U. 15,33,59,60,63,64,67, 132,156,159,234 Levelt, W. J. M. 14,33,59,61,71,159, 169,170,175 Levinson, S. C. 96 Linke, A. 107,108 Löbner, S. 41 Lüger, H. H. 96,97,103 McRoy, S. W. 54 Melis, E. 124 Metzger, W. 44 Meyer-Fujara, J. 32 Nsangou, M. 132 Raible, W. 78,96-102 Rehbock, H. 78 Reis, M. 216,217 Rieser, H. 133 Rittgeroth, Y. 110,216 Rosengren, I. 216,217 Sacks, H. 14,132 Sassen, C. 11 Schade, U. 215 Schegloff, E. A. 13,14,15,51,72,111, 132 Schmelz, M. P. 96,97,100.101 Schnieders, G. 17 Schulz von Thun, F.12 Schütze, F. 80 Selting, M. 14,17,29,49,50,59 Spiegel, C. 78,86,92 Spillmann, L. 44 Spranz-Fogasy, T. 78,86,92 Strohner, H. 15,57,216,229,235 Tausch, R. 12 Weigand, E. 14 Weingarten, R. 14,15,48,49,52,57,59, 60,73,105,225
244 Weiß, P. 44 Wenzel, A. 14 Wertheimer, M. 44 Wildgen, W. 119
Personenregister
7 Sachregister
Ad-hoc- Bennenung 121,154 - Komposita 119-121 Adressierung 80,87 Ähnlichkeitsunterstellung 38 Analogie 47,124,125,166,190,193,194, 223 Anknüpfungspunkt 26,133,134,153, 155,158,160,161,190 Apokoinu-Konstruktion 63 Aufmerksamkeitsfokussierung 80,87,88 Ausklammerungskonstruktion 67,163 Äußerungsbearbeitung 73,74
Einfaches zuerst 84,85 Einfachheit 12,13,37,69,79,86,104,133 Einfügung 75 Entschuldigung 50,74,95,97,133,139, 144,163-165,171-174,200 Erinnerung 85,90,122,123,234 Erläuterung 24,45,92,118,119,133,190 Erwartungs- anpassung 205,206,208-210 - kontrolle 43-45 - koordination 57,204-208,210,212-214, 233,234 - verletzung 53,54,58,142,149
Baufix-Flugzeug 15,16,29,78,82,84,205 Bearbeitungsform 59,62,74,137,161, 176,197 Bedeutung - individuelle 48 - kollektive 49 - Nichtstandard 43,206 - Standard 43,45,46 - (wort)wörtliche 36,43,46,191,192 Bedeutungs- aushandlung 38 - begriff 35,40 - generalisierung 46 - konstitution 35,38,40,42,43,44,45, 47,48,199,232 - spezialisierung 46 - zuordnung 11,29,38,42,43,49,52,56, 72,95,191
Formulierungs- ergänzung 67,116 - reparatur 133,134,186-188,195,196, 198,199,233 - strategie 73,122 - verfahren 14 Fremdbeteiligung 139,158,172,174
Diskontinuitätsmarkierung 133,135 Donellan-Phänomen 46,198 Effizienzerwartung 38,66,79,86,232
Gapping-Konstruktion 137,138,151 Gestaltprinzip 44-46,64 Gliederung 65,67,79,80,85,87,93-95 Hesitationssignal 18,19,63,134,148,153 Höflichkeit 95-97,104,184 Implikatur 13 Inferenz - angebot 113-118,133,163,164,234 - prozess 40,47 - überprüfung 15,72 Informationsdichte 23,65,67 Input-Output-System 40 Instruktionsplanung 27
246 Kommunikations- beginn 79,80 - erfolg 31 Kompositionsprinzip 41,42 Kontext- abhängigkeit 35,39,42 - begriff 39 - konstitution 40,73,86,88,90,119 Kontextualisierung 14 kontinuierlich 136,137,167 Konversationsmaxime 13,33,60,232 Korrektheit 33,43,45,60-62,64,66-68, 74,95,150,157,164,176,197,205, 206 Korrektheits- erwartung 232, Korrektur 25,50,52,59,62,67,111,115, 143,146,167,168-172,174,175, 192,194,195 Kürze 12,104 Linksausklammerung 132,138 Markierung - Inkorrektheits- 169 - Mißerfolgs- 149 - Widerspruchs- 135,146,148,173,192 Modifikation 46,62,74,136,137,175, 176,195,197,218 Nachtragskonstruktion 137,161,168,170 Negation 114-117 Orientierung 25,40,82,83,86,92 Paraphrase 111,112,,182 Parenthese 74,132,135,138,151,155,157 Portionierung 81,82,84,90,182 Problem- bearbeitung 32,59,62,72,175,185 - identifikation/identifizierung 53-56, 140,142,151,147,149,152,234 - lokalisierung 59
Sachregister - manifestation 58,59,63,66,67,69,74, 75,115,133,142-149,152,161,167, 169,173,175-177,184,234 - typologie 15,32,33,53,59-61,64,152, 231 - ursache 26,51,52,58,62,63 - vermeidung 34,71,72,77,78,86,106, 234 Problem - Effizienz- 33,34,60-68,70,74,78,150, 166,176,177,198 - Formulierungs- 53-55,59,60-64-68, 111,134,142-145,148,152,153,177 - Hörverstehens- 69,70,185,187 - Korrektheits- 61,62,67,70,71,166,170, 171,172,175,176,191,195 - Nachfolge- 52,53,62,66,69-71,140, 152,175,200 - Sach- 59,60,71,122,148,151,168,169, 171,225,226 - Sprach- 60,61,68,70,144,225,226 - Übertragungs- 52,53,55,56,59,65,68, 69,147,185 - Verstehens- 43,53,55,56,59,60,69-71, 108,119,133,144,145,173,177, 185-188,190-194,196,197,199201,226-228,232,234 - Vollständigkeits- 58,61-63,67,68,70, 71,148-150,153,155,159,163,164, 186,188,189,209 Ratifikation 24,73,108,112,133,139, 148,153,154, 165,166,173,174, 188,190,192 Referenz- objekt 36,41,42,45,48,53,229 - wechsel 45,46 Reformulierung 66,72,92,110-112,117, 118,133,134,179,185,187 Relevanz 11,14,17,200,205,209,214, 223,231,233 - empirische 14 - gesellschaftliche 11
247
Sachregister - konditionelle 54,217 Relevanz- annahme 208 - maxime 33 - rückstufung 201 Reparatur / repair 14,15,33,51,6167,71,111,114,116,117,131-140 - appropriate 66 - Blockade- 63,64,155 - completion 63,153 - covert 63 - different message 66 - Formulierungs- 133,134,186-188,195, 196, 198,199,233 - Fraglichkeits- 67,175,176 - Fremd- 51,72,143,144,159,174,181, 182 - Gabelungs- 64 - incomplete information 67,159 - irrtümliche Inferenz 193 - lexikalische 64 - phonetische 63 - Selbst- 59,60,142,143,157,162,163, 166,167,169-171,174,176,177, 179,181-183 - syntaktische 63, Reparatur- abschluss 132,133,139,153,164 - bezug 133-139,154-157,161,168, 169,171,175,176,186,194 - einleitung 132-134,138,154-156, 168,169,174 - taxonomie 61,159 - versuch/vorschlag 132-139,153-157, 160,168,169,171,173,175,176, 178,187,189,190 Routine 11,30,61,206 Routine- probleme 32 - strategien 52 Rückfrage 25,44,47,57,102,103,112, 113,119,140,146,149-152,159, 160,162,164,172-174,177-179, 185-192,195,196,199,207-213, 216-218,220-229,235
Rückmeldung 75,107-110,133,189 Schuldzuweisung 55,202,204 Situations- abgleich 126-130,151,225,234 - abhängigkeit 36,37,40,42 - faktor 36 - sicherung 24 Sozialverhalten 199 Strategie - globale 78-86 - lokale 86-105 - prospektive 72,73,234 - retrospektive 202 Strategiebegriff 30,231 Strittigkeitsphänomen 49 Überbrückungskonstruktion 132,138, 170 Übergehen 70,74,225 Verantwortlichkeit 145 Verdeutlichung - Rückgreifende 85,86,88,119,234 - Vorgreifende 23,40,73,80,81,119,125 Verständigungs- begriff 48,232 - sequenz 133 Verständlichkeits- faktor 199 - konzept 12,13,61,95,232 Verstehens- absicherung 72,77,106,113,117-119, 133,164,165,186,196,197,217,232 - reparatur 133,178,179,182,185-194, 197-199,216,233,234 - signal 178,186,188-192,193 Vollständigkeits- erwartung 47,161,166,190,205-215, 233,235 Warteformel 135,148,153,155, Wiederholung 24,51,64,70,74,94,104, 108,120,136,137,139,146,153156,158,166-70,173,174,176,183, 186-188,192,216,222,228
248 Wissensvoraussetzung 40,52,88, Wortabbruch 134,135,143,153,170 Zurückweisung 72,97,114,115,134,138, 168,169,171,174,192,209,210,213 Zusätzliche Stimulanz 12,95,199
Sachregister