Rechtsmed izi nische Aspekte der Notfallmedizin Ein praxisbezogener Leitfaden Thomas Ahne Sieglinde Ahne Michael Bohner...
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Rechtsmed izi nische Aspekte der Notfallmedizin Ein praxisbezogener Leitfaden Thomas Ahne Sieglinde Ahne Michael Bohnert
65 Abbildungen 2 Tabellen
Georg Thie llle Verlag
Stuttga rt · New Vork
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deut ehen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: //dnb.d- nb.de abrufbar.
Wichtiger Hinweis: Wi e jede Wisse nschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unser Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erWähnt wird, darf der Leser zwa r darauf vertrau_ en, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, da di se Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspriCht. Für Angaben über Dosierungsdnweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls na ch Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweiCht. Eine olehe Prüfung ist besond ers wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder so lchen, die neu auf den Markt gebracht word en sind. Jede Dosierung oder
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© 2011 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart Deutschland Telefon: +49/(0)711/8931 -0 Unsere Homepage: www.thiem e.de Printed in Germany Zeichnungen: Roland Geyer, Weilersw ist Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Verwendete Fotos von: MEV Verlag Augsburg und www.fotolia.com Satz: stm media + druckhaus köthen, Köthen gesetzt aus Adobe InDesign (55 Druck: Offizin Andersen Nexö Leipzig GmbH, Zwenkau
ISBN 978-3-13-146101-8
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pellieren an jed n Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen ei nes solchen Hinwei es kann also nicht geschlossen werden, dass es ich Ulll einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrecht lieh geschützt. Jede V [wertung außerhalb der engen Grenzen de Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages un zu läss ig und strafbar. Da gi lt insbe ondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeich rUl1g und Verarbeitung in lektl" nis hen ystemen.
, Anschriften
ThomasAhne
Leimiweg 10 79289 Horben
Sieglinde Ahne Leimiweg 10
79289 Horben
Prof. Dr. med. Michael Bohnert
Universitätsklinikum Freiburg Institut fü r Rechtsmedizin Albertstr. 9 79104 Freiburg
Vorwort
Vorwort
Nie hatte es im Rahmen des Medizinstudiums so viele "Aha-Erlebnisse" gehagelt, wie im leider sehr kurz gehaltenen Blockpraktikum Rechtsmedizin. Ständig fielen uns aus unserer früher hauptberuflichen, jetzt nebenamtlichen Tätigkeit im Rettungsdienst Einsatzsituationen ein, in denen wir mit rechtsmedizinischen Grundkenntnissen andere Entscheidungen getroffen bzw. Maßnahmen ergriffen oder eben unterlassen hätten. Aus Unwissenheit bleiben jedoch viele mögliche Synergien für beide Gebiete leider meist ungenutzt. Schnell war Prof. Bohnert davon überzeugt, dass man diesen Missstand gemeinsam angehen muss. Er vertrat im Folgenden die rechtsmedizinische Seite, wir die notfallmedizinische, und so konnten wir in einem konstruktiven Dialog die notfallmedizinisch relevanten Fakten der Rechtsmedizin zusammentragen - ohne die unabdingbare Fachkenntnis von Prof. Bohnert wäre das Buch schlichtweg nicht möglich gewesen. Dafür herzlichsten Dank! Wir freuten uns sehr, dass es uns außerdem prompt gelang, den Thieme Verlag für unsere Idee zu begeistern. Frau Engeli, Frau Esmarch sowie Frau Addicks unterstützten uns unermüdlich bei der Verwirklichung des Projekts. Unser Dank gilt natürlich auch unseren Familien, die uns während der Erstellung des Manuskripts den Rücl<en frei gehalten und uns nach Kräften unterstützt haben. Auch unserer Tochter Alexa sei Dank. die in dieser Zeit geboren wurde, denn sie ertrug geduldig unzählige Stunden neben unseren Schreibtischen und musste sich viele Diskussionen bezüglich der Textentwürfe und unsere Gedankenspiele anhören.
--= VIII
Wir hoffen sehr, dass dieser Praxisleitfaden spürbar in der täglichen Arbeit dazu beitragen kann, nicht zuletzt im eigenen Interesse des Lesers, rechtlich fundiert zu handeln und die Kreuzungspunkte zwischen Notfall- und Rechtsmedizin zu erkennen und zu fördern, damit diese Gemeinsamkeiten künftig effektiver genutzt werden können. Für konstruktive Kritik aus der Leserschaft sind wirjederzeit dankbar, denn sie trägt zur Weiterentwicklung dieses Projekts bei. Horben im Frühjahr 2010 Thomas und Sieglinde Ahne
IX ,0 ;
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Inhalt
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1
Verknüpfungen zwischen Notfall- und Rechtsmedizin . . . . . . . . . . . . . .
1
2
Thanatologie .. . .. ... ... .... ....
3
2.1 2.2
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassische Todeszeichen " .... 0
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Totenflecken (Livores) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Totenstarre (Rigor mortis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autolyse. Fäulnis, VefWesung .... 0
2.3
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3 3 4 7 8
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Weitere leichenerscheinungen ................. . ....... .. ... .... 11
Auskühlung .. . ........... . ........ . . .. ....... . ......... Konservierende Prozesse ......................................... , Supravitale Erscheinungen .. . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Insektenbefall. Tierfroß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
11 12 13 15 Todeszeitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 0
2.4
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3
Die leichenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 21
3.1 3.2
Einleitung . . . . ... . .... , .................................... . ... 21 Rechtliche Hintergründe der leichenschau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23 Leichenschaupflicht . 23 Veranlassung der Leichenschau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24 Zeitpunkt der Leichenschau und Betretungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24 Dokumentation und Meldepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24 Auskunftspflicht versus Schweigepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kosten für die Leichenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25 Falsche Angaben und Klassifikationen bei der Leichenschau . . 26 Meldung des Todesfall beim Stande amt. ......... 26 Wichtige Aspekte der leichenschau durch einen Notarzt. . . . . . . . . .. 26 Allgemeines Dilemma in der Notfallmedizin .. 26 0
3.3
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X
Inhalt
I
Eine Möglichkeit für den Notarzt: die TodesfeststeJlung ohne Angabe der Todesursache ................. " Äußere Umstände bei der Leichenschau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . t'Ion - Ja . 0 der nem. . 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Reamma Sterben und Tod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Scheintod, AEfOU-Regel und unsichere Todeszeichen ...... . ........... " Todesarten . ................ . ..................... .. .......... " Oie unbekannte Leiche ........................... . ......... .. .. " Todesursache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angabe der Todeszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.4 3.5
27 28 28 29 29 30 31 31 33 Todesfälle in besonderen Situationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33 Checkliste ........................ . .......... . .............. " 34
4
Begutachtung und Attestierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
37
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Einleitung .......... .... ........... . ............... . ........ . " Ist ein Notfallmediziner vor Gericht Zeuge oder Sachverständiger? . . .. Ärztliches Gutachten/Attest ........... . ....................... " Körperliche Untersuchung ..................................... " Besondere Fragestellungen ........... . .......... . ............. "
37 38 38 40 40 42
Bescheinigung der Gewahrsamsfähigkeit ............ . ............. . " Eigen- oder Fremdgefährdung? ...... . ............................ "
43
5
Verhalten am Tatort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
5.1 5.2 5.3
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Grundregeln ........ . ... ... . . ............ .. . ................ " 46 Verhalten gegenüber anwesenden Personen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Verhalten gegenüber dem Opfer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 51 Verhalten gegenüber den Angehörigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 52 Verhalten gegenüber dem Tatverdächtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 52 Verhalten gegenüber den Ermittlungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 52
Verhalten gegenüber der Presse/Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 53 Sonderfall: Helfer als Beschuldigter . . . . ........... . .. . ... . ......... " 53 55
6
Stumpfe Gewalt ..... . ............... . ................. . ... . . "
6.1 6.2
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56 Allgemeine Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56
Hautrötungen ........... . .................................... " Hauteinblutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Hautunterblutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Schürfungen .............................. . .. . ... . .... . ...... " Quetschwunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
57 57 58 59 60
Inhalt
6.3
Risswunden . ................ . . .. ......... . .. . ..... . .. . ... . .. . . . 60 Quetschrisswunden ........... . .... . . ... ..... .. .. .. . . ..... . ..... . 61 Spezielle Traumatologie . . .. . ....... . ............. . .... .. ..... . . 61 Schädel . ..... . ..... .. .......... .. . .. ... . ..... . ........ . ...... . 61 Gesicht und Hals . ... . ............... . .. . .. . ............... . .... . 63 Rumpf und Extremitäten . ... . ................... . . . ........... . .. . 64 Kriminalistische Aspekte .. ........................ .. .. . ..... . . .. . . 66
7
Strangulation ....... . ...... . ......... . .. .. . . ......... . .... . .. . 67
7.1 7.2 7.3
Einleitung .. ... . ..... . . .. ........... . ... . . ... . .... .. . ......... Begriffsdefinitionen . . .. . ..... . ............ . . . . . .... .. .. . .... .. Obduktionsbefunde bei Tod durch Ersticken .......... . ........ . .. Erstickungsformen . ... . ....... . ... . ...... . ........ .. . . .. . .....
7.4
. . . .
Verlegen der Atemwege . . . ........ . ...... . ..... . ..... . ........... . Knebeln . . . .. .. . . .............. . .... .. ... . .. ... ......... . ..... . BoJustod .. . .. .............. . . . ...... . ........................ . Aspiration ...... . .... ..... . .. ... . ... . . ... . .. ..... . .. . ... . . . . . . . Positionsbedingter Erstickungstod . . ..... ..... .. . ..... . ............. .
7.5
Formen der Strangulation ..... . ..... . .. . .. . .. ... . . ..... ... ..... .
Erhängen . ....... . ........... . ....................... .. ....... . EfWurgen . ....... .. ..... . . . .. .. .. . . .. ........................ . . Erdrosseln . . ..... . .. . ..... . . .. ........... . .. . ..... . .. . . . ..... . .
7.6
67 68 68 69 69 70 70 70 70 71 71 73 73 76 77
7.7
Suizid oder Tötung? ..... .. .. . ...... . . . ... . . . ..... . .... . ... . .. . . Überlebte Angriffe . . .. .... . . ..... .. . .. ....... . . .. ......... . ... .
8
Scharfe Gewalt . ........... . ..................... .. .... .. . . .. . . 79
8.1 8.2
Einleitung ... .. . . . .. ......... . ...... . . . ........... . ........... . 80 Formen .. .. . . .. . ....... . .. . . .. .. . .. . ....... . .... . ..... . ...... . 81
Stiche . .. .. . . . . . .. . .. . .. . ........ . . . ............ .. ........ .. .. . Schnitte . ... . .. . .. . . .. . . ........... . ......... . . . ... . ..... .. ... . Hiebe . ........ . . . ..... . .... . .. .... . .. . . . .. . .. . ..... . .. . ..... . . Selbst- oder Fremdbeibringung? . .. . . ......... . . ... .... . . . .. .. ..... .
81 82 83 85
9
Schussverletzungen ..... . .. . .. . .... . . . .. . . .......... . ......... . 87
9.1
Einleitung .. ........ .... . . ........ . ................. . .. . .. .. .. . 88
9.2
Waffenarten .... . .. ... ... . . .. . . . .... .. . ... . .. .. ... . ... .. ... .. . . 88 Patronen . .... .. ... . .... .. . . . . .......... . . .. . . . . .. ........ .... . 88 Vorgänge bei Abgabe eines Schusses .... . ....... ... ..... . . . .... .. . . . 89 Wundballistik .. . .. .. . . . . ... . .. . . .. .. .. . ..... . . . .. . . .. . .. .. . . . . 90 Ein· und Aus chusswunde . .......... .... .... . . ... ..... ... .. . .. . . . . 90
XI
XII
Inhalt
Wunden bei Nah-und Fernschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausdehnung des Schusskanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3
Folgen von Schussverletzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tod . ............................ . ............. . . . ............ Handlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschossembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
94 96
96
Bolzenschussgerät. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Explosion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schreckschusswaffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96 96 97 97 97 97 98
10
Thermische Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
10.1
Schäden durch Hitzeeinwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
9.4 9.5
Kriminalistische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderformen von Schussverletzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Verbrennungen und Verbrühungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1 00 Systemische Hitzeschäden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 104 10.2 Schäden durch Kälteeinwirkung .. ... . ... .. .. . . ................. "
11
Hypothermie (allgemeine Unterkühlung) ...... . ..... ..... ... ...... . " Erfrierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
106 106 109
Tötungsdelikte/Suizid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
l'
1
11.1 Einleitung .... ........ ....... . .... ...... .... ..... .... .... ... . . . l' 2 11.2 Tötungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 112
Statistik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Rechtsgrundlogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Mord versus Totschlag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tötung auf Verlangen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sterbehilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
11.2 11 3
l' 5 l' 5 115
11.3 Suizid.. ... . .... .. ......... ... .... . ............. . ............. 1 1 6 Häufigkeit und Methoden der Selbsttötung . . .... . . .................. " 11 6 Suizidprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 18
Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11 9 Versich erungen und Suizid .... ................ ..... ....... .... .. " , 19 12
Verkehrsu nfälle ... . ..... ... . .......................... .. .... "
, 21
12.1 Einleitung . . ....................................... . .. . ........ 122 12.2 Statistik . .......... ..... . ....... . ... ...... . . ........... . . . .... 122 12.3 Klassische Unfallszenarien . ... .. ..................... ..... ... . . " 123
PKW contra Fußgänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124 PKW contra PKW. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 127 PKW contra Zweirad . ...... .................... ... ..... . . . . .... " 130
Inhalt
13
Forensische Alkohologie ...................... . ... .. ....... .. .. . 133
13.1 Einleitung .................. . . . .. ........... ....... ... ..... . .. . 133 13.2 Pharmakologie des Alkohols .................................... . 134
Aufnahme .. .......... . .. '" .. .... ...................... ... ... . Verteilung .......................... .. .............. . .. . ...... . Ausscheidung .... . ... . .. .. .. . ........................... . ..... . Alkoholwirkung ................. . .. ... . .. . ..................... .
134 135 135 135 13.3 Feststellung der Alkoholisierung ................................ . 136 Rlickrechnung ..... . . ................ ... . . ......... . ..... . ..... . 137 Berechnung der Blutalkoholkonzentration aus Trinkmengenangaben ......... . ... .. ...... . .......... ...... .. . 137 Atemalkoholkonzentration ........... .. .... . .. . ... . .............. . 138 13.4 Alkohol und Straßenverkehr .. . ................................. . 139 Alkoholtypische Fohrfehler und Unfälle im Straßenverkehr .. .. .......... . 139 13.5 Alkohol und Schuldfähigkeit .. . .. . ........... . ..... .. ........ . .. . 140 14
Toxikologie .... .. .... . ....... .. . ... . . . .. .. .. .. . .............. . 141
14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8
Einleitung ............ .. ................................ . ..... . Äußere leichenbefunde .. ....... .. .. . . . .. . ..................... . Innere leichenbefunde . . .... . . .. . . .. .. .. . . ..................... . Drogen und Medikamente ...... . ....................... .... ... . Kohlenmonoxid ................. . . .. .. . ........... .. .... . ... .. . Kohlendioxid ................................................. . Zyanide ....... . .. ..... .. .. ...... . . .. .... .. . .... ......... . .... . Ätzmittel " ................................... . ........ . .... . . 14.9 Asservation ..... . ......... . . ...... .. ... ....... . ..... .... . ... . . 15
141 142 144 144 146 147 147 147 148
Der plötzliche Kindstod (5ID5) ..... . .. " ..... . .. .. .. . . . .. . ..... . . 149
15.1 Einleitung ....... .. ....... . ............ . ...................... . 150 15.2 Theoretischer Hintergrund ...................... . .......... .. .. . 150
Definition . ............ . ...... .. ..... . ... ...................... Epidemiologie .. ...... .... . .. . . .... . . . .. . .... . .. .. . . ........... Ätiologie . . ... ....... . ..... . . .... . . .... . . .... ... . . .. . ......... Risikofaktoren ..... . ...... ..... ............ . ...................
. . . .
15.3 Rechtsmedizinische Untersuchungen bei 5IDS ...... .. . .. . ......... .
Warum Obduktion? .... ... ............ .... ... .................. . Häufige Befunde bei der Leichenschau ............... . ....... .. .... . . Häufige Befunde bei der Obduktion . ...... .............. . ........... . Klinische Anomne e .... .. . . ....... . ...... . ... ........ ........... . 15.4 Weitere Informationsmöglichkeiten . . ... ........ . . ....... . ...... .
150 151 151 152 152 152 153 155 155 155
XI~
XIV
Inhalt 16
Kindesmisshandlung ..... . . .. .................... . ... . .. . .... "
16.1 Einleitung. . .. . .... .. .... . .................. .. .. . ........ . .... . 16.2 Formen des Kindesmissbrauchs ........... . . . , . . ............ . .. " Seelischer Missbrauch . ................ . ........ . ............... " Vernachlässigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Körperlicher Missbrauch . ............ . ... . . . .................... " Sexueller Missbrauch . ................................ . ......... " Münchhausen-Steflvertreter-Syndrom . ...... . .. . .. . . . ........ . ..... " Weitere Informationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
1 57 158
1 S9 1 59 1 60 1 61
1 66 168 169
Tod im Wasser . ................. . ... , .................. . .... "
171
Einleitung ... . ........................... . ................... " Mögliche Todesursachen und -arten im Wasser ....... .. ... . .... . . " Tod durch Ertrinken an sich . .................... . .... .. ... . ...... " Unfalltod im Wasser . . .................. . . . ................. . .. " Badetod . ....... . ............... . ........... . ... . . . .......... " Tauch-Zwischenfälle .... . ....................... . .............. " Suizid im Wasser . . . ..... . ...... . ......... . .......... . ......... " Fremdtötung .............................. . .................. " Natürlicher Tod im Wasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17.3 Äußere Leichenerscheinungen . . ..... . ......... . .. . ..... . ... . .. "
171 17 2 172 173
1 74 17 S 176 176 1 76
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Sexualdelikte . ....... . .................................... . . "
179
18.1 Einleitung.......... . .............. . ...... . ............... . .... 18.2 Diagnostik......... .. ......................... . ............... Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Spurensicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Untersuchung des Tatverdächtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 18.3 Vorgetäuschtes Sexualdelikt .... . ................ . ............. "
180 181 1 81 181 1 84 185 186
1 74
19
Literaturempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
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Informationen im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 189
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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 91
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Verknüpfungen zwischen Notfallund Rechtsmedizin
Im Verlauf des Medizinstudiums und während der praktischen Arbeit im Rettungsdienst wird immer wieder deutlich, dass viele Notfallmediziner nichts oder nur wenig über die Arbeit der Rechtsmediziner wissen. Jeder kennt zwar die einschlägigen Fernsehserien und in nicht wenigen Kinofilmen schubst der Rechtsmediziner den Notarzt an der Einsatzstelle quasi zur Seite - mit dem wahren Leben hat dies jedoch nichts zu tun. Tatsächlich gibt es aber erstaunlich viele Berührungspunkte der beiden Fachgebiete, von denen man im Rettungsdienst jedoch nur selten etwas mitbekommt, da in der Praxis die Kollegen aus den verschiedenen Bereichen meist nacheinander tätig werden, ohne sich persönlich zu begegnen. So bleiben viele möglichen Synergien für beide Gebiete oft ungenutzt. Zügig war aus diesem Manko die Idee eines Praxisleitfadens geboren, denn damit lassen sich ergänzend zu Fortbildungsveranstaltungen viele Interessierte ansprechen, außerdem sind für den Leser die Fakten jederzeit wieder abrufbar. Sicherlich werden die wenigsten Kollegen unser Buch in der Kitteltasche mitführen. Dennoch haben wir den Umfang mit Absicht auf das Taschenbuchformat beschränkt, weil wir kein neues rechtsmedizinisches Lehrbuch, sondern ein für notfallmedizinisch Tätige zugeschnittenes Buch mit den für sie relevanten Details schreiben wollten. Zudem sollte der Text kurz und prägnant sein, denn die Fortbildungszeit ist ja bekanntlich gerade im Gesundheitswesen knapp und erstreckt sich nicht selten auf die persönliche und bitter erkämpfte Freizeit. Mit diesem Buch wollen wir alle in der Notfallmedizin Tätigen ansprechen sowohl Ärzte als auch nichtärztliche Mitarbeiter; zur Vereinfachung wurde im Text oft der Begriff Arzt verwendet. Uns ist jedoch bewusst, dass eine Vielzahl der Patienten im deutschen Rettungswesen präklinisch gar nicht von einem Arzt gesehen werden. Daher sind auch für nichtärztliches Rettungsdienstpersonal im Grundsatz die gleichen Maßstäbe anzusetzen wie bei Ärzten. Lediglich die gesetzlichen Vorgaben sind für ärztliches Personal oft strikter, dafür sind die Kompetenzen weiter gefasst (zum Beispiel bei der Leichenschau). 1
1 Verknüpfungen zwischen Notfall- und Rechtsmedizin
Absolute Praxisrelevanz war die Vorbedingung für jedes Kapitel dieses Buches. Es gibt genügend Lehrbücher der Rechtsmedizin, doch beleuchten sie nicht die Schnittstelle mit der Notfallmedizin. Unser Ziel ist es, diese LÜCk e zu schließen. Für das Rettungsdienstpersonal spielt es keine Rolle, wie mOl _ e kulargenetische Nachweismethoden im Einzelnen funktionieren oder welche Fliegenart zu welchem Zeitpunkt in einer best~.ml1lten Region den Leichna I"l"l bevölkert, auch wenn das nicht selten in der Offentlichkeit suggeriert Wil-d . Dagegen ist ~s jedoch ~1ahezu tagtäglich in der Notf~"medizin von Bedeutung, dass man dIe TragweIte von Verletzungen und dIe eventuell davon ausge_ hende Bedrohung für den Patienten möglichst genau einschätzen kann. Es ist einer der letzten Dienste an einem Menschen, eine suffiziente Leichenschau durchzuführen und festzulegen, welche Todesart im Einzelfall vorliegt. Inll1"ler wieder zeigen Untersuchungen, dass auch in Deutschland die Qualität der Leichenschau oftmals sehr zu wünschen lässt. Daher beginnt dieses Buch aUch mit den zunächst "trocken" klingenden Kapiteln zu Thanatologie und Leichen_ schau. Gerade aber diese Inhalte sind für das Verständnis des gesamten Buches von großer Bedeutung, weshalb diese Kapitel eine zentrale Position einneh_ men. ]m Anschluss daran folgen dann ausgewählte Themen mit besonderem Bezug zur Notfallmedizin.
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2 Thanatologie
Kasuistik
Sie erhalten 2 Stunden nach einem Einsatz, bei dem Sie eine ungeklärte Todesart festgestellt und die Polizei informiert hatten, einen Anruf von einem Beamten des Kriminaldauerdienstes. Er fragt Sie nach Ausprägung und Lokalisation der Leichenflecken und -starre während Ihrer Anwesenheit und ob Sie eine Aussage zur Todeszeit machen könnten. Berechtigterweise hatten Sie nur den Auffindezeitpunkt des Leichnams dokumentiert. Auf die Frage, ob die Lage des Leichnams verändert worden sei, weil es Unklarheiten bei der Verteilung der Leichenflecken gäbe, können Sie verunsichert keine Antwort geben, ebenso auf die Frage, wie Sie sich die Hautvertrocknungen am Hals des Toten erklären könnten.
2.1 Einleitung Der Begriff Th anatologie stammt von thanatos, dem griechischen Wort für den Tod. Thanatologie bezeichnet die Wissenschaft von den Ursachen und Umständen des Todes. Dieses Kapitel hat die beiden Teilaspekte Leichenerscheil1ungen und die Todeszeitbestimmung als Schwerpunkte. Die Todeszeichen und Leichenerscheinungen haben direkten Einfluss auf die Aussagen bei jeder Todesfeststellung und Leichenschau und sollten daherjedem in der Notfall medizin Tätigen bekannt sein.
2.2 Klassische Todeszeichen Unter den klassischen Todeszeichen seien hier auch die sogenannten "sicheren Todeszeiche n" aufgeführt LInd erläu te rt. 3
2 Thanatologie
Als erstes definitives Todeszeichen kommt es zur Ausprägung von Tote nflecken, kurz darauf zur Leichenstarre. Im Verlauf deutlich später setzen dan zersetzende Vorgänge wie Autolyse, Fäulnis und Verwesung ein. n
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Liegt eines oder mehrere dieser Zeichen in Verbindung mit Atem- und Herzstill_ stand vor, ist es nicht mehr indiziert, mit einer Reanimation zu beginnen. AUch nichtärztliches Personal kann sich auf diese Zeichen berufen.
Es gibt zwar anekdotische Einzelfallberichte über die Unzuverlässigkeit dieser Zeichen (Lazarus-Phänomen), bei genauerer Betrachtung dieser Befunde stellt man aber meist fest, dass entweder die Zeichen verkannt oder sie niCht in Zusammenhang gesetzt wurden. So gibt es beispielsweise Berichte über vermeintliche Totenflecken bei lebenden Personen mit sehr schlechten Kreis_ laufverhältnissen über längere Zeit hinweg. Dabei wäre aber bei genauerer Prüfung aufgefallen, dass kein kompletter Ausfall der Atem- und Herzfunk_ tion vorlag und somit die Voraussetzungen für eine Todesfeststellung nicht erfüllt waren. Vorbestehende Kontrakturen der Muskulatur und generaliSierte Hämatome wurden falschlicherweise für Totenstarre oder Leichenflecken gehalten .
• Totenflecken (Livores)
Totenflecken sind von besonderem Interesse, weil sie in der Regel als erstes Todeszeichen auftreten. Bedeutsam sind vor allem die Lokalisation, die Aus_ prägung, die Farbe sowie die Wegdrück- und Verlagerbarkeit der Livores.
Entstehung
Nach Eintritt des KreislaufstiHstandes beginnen die festen Blutbestandtei_ le (also vor allem die Erythrozyten) langsam gemäß der Schwerkraft abzu_ sinken. Es kommt zu einer Blutfülle der abhängigen Blutgefäße, äußerlich sichtbar an den durch die Haut hindurch schimmernden Kapillaren der Lederhaut. Die zunächst sichtbaren kleinen fleckförmigen Veränderungen der Haut konfluieren rasch zu größeren geröteten Flächen. Reißen infolge der Blutfülle kleine Kapillaren ein, entstehen kleine fleckförmige Blutungen, die als Vibices bezeichnet werden. 4
2.2 Klassische Todeszeichen
Cave Besteht agonal, also vor Todeseintritt, eine länger anhaltende Kreislaufinsuffizienz, können ebenfalls derartige Hautveränderungen auftreten, die dann einen länger zurückliegenden Todeseintritt vortäuschen können. Diese KirchhofRosen genannten Erscheinungen entstehen ebenfalls durch die Hypostase im Blutgefäßsystem und sind auch an den typischen Körperregionen lokalisiert. Deshalb sollte sich keine Todesfeststellung allein auf das Vorhandensein von Leichenflecken stützen, sondern immer durch andere Zeichen bestätigt werden.
Lokalisation
Entsprechend der Körperhaltung des Verstorbenen in der ersten Zeit nach Todeseintritt kommt es zu einer typischen Lokalisation und Verteilung der Livores. Liegt der Ve rstorbene beispielsweise auf dem Rücken, ist schwerpunktartig zunächst die Körperrückseite betroffen (Abb. 2.1). Ausgespart bleiben alle Aufliegeflächen wie die entsprechenden Hautstellen im Bereich des Schulterblatts und des Beckens sowie des Hinterkopfes und der Ferse. Anfänglich kann durch Umlagerung die Ausprägung der Leichenflecken noch verändert werden und sie lassen sich auch manuell, beispielsweise mit dem Finger, wegdrücken. Beide Phänomene verschwinden mit der Zeit, so dass dadurch Rückschlüsse auf eine kurz nach Todeseintritt erfolgte Umlagerung oder auf die Todeszeit möglich sind.
Abb.2. 1 Für die Rück nl ag typi he V Ite ilun g der Tote nfl ecken. Die Totenst arre ist in Beu gehalt ung d · Ellenbog n
illg tl" t n. 5
6
2 Thanatolog ie
Farbe
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Farbe der Leichenflecken. Zunächst e scheinen sie hellrot und gehen dann durch die Sauerstoffzehrung in ei:dunklere blaue bis lila Ausprägung über. Von diesem normalen Verlauf gibt e e s Abweichungen, die es jedoch zu beachten gilt: Anhaltend hellrote Leichenflecken. Diese Besonderheit ist häufiger zu beOb_
achten, .wenn die Leiche in der Kälte ge.lage~t wird (Ab~. 2.2), und lässt sich durch eIne Sauerstoffaufnahme durch DIffUSIon durch dIe Haut erklären. Begünstigt wird dieser Effekt dadurch, dass bei Kälte die Sauerstoffdissoziations_ kurve nach links verschoben und somit die Sauerstoffaufnahme erleichtert ist. Von größerer Bedeutung ist es jedoch für alle Beteiligten, wenn die hell_ roten Flecken durch Kohlenmonoxid (CO) entstanden sind. Ist die CO-Quelle noch nicht entdeckt (vor allem bei Verbrennungsvorgängen in sauerstOffar_ mer Umgebung), besteht eine anhaltende große Gefahr für alle Anwesenden am Einsatzort. Deshalb sind diese Hautveränderungen bis zum Beweis des Gegenteils als Warnhinweis zu verstehen, von der obligat unnatürlichen to_ desart ganz abgesehen. Man weiß jedoch, dass kirschrote Leichenflecken be i
Abb. 2.2 Zonierte Totenflecken an der seit li ch n Ru mpfparti . Im unt r n Ant illivid gefärbt, im oberen Anteil he llrote Färbung infolge postm rt I r K" lt xpo ition. 6
2.2 Klassische Todeszeichen
bis zu über 40 %der CO-Vergiftungen nicht erkannt werden. Je älter der Verstorbene wurde, desto eher werden die Erscheinungen verkannt und darauf nicht adäquat reagiert. Die Flecken bleiben hellrot, weil das CO mit einer höheren Bindungsaffinität an Hämoglobin bindet als Sauerstoff, aber das Blut in der gleichen Farbe erscheinen lässt (bekanntes Problem bei der Pu!soxymetrie) und eben nicht wie oxigeniertes Hämoglobin entsättigt. Auch bei Aufnahme von Zyaniden (gehemmte Cytochromoxidase erhält oxidiertes Blut) und Fluoracetat, also einer ebenfalls unnatürlichen Todesart, bilden sich zu hell erscheinende Leichenflecken. Sie entstehen bei Vorliegen aller Arten von Methämoglobinbildnern wie Nitraten, Nitriten oder Natriumchlorat. Auch hier kann eine natürliche Todesart nahezu ausgeschlossen werden. Braune leichenflecken.
Sie sind meist Zeichen einer beginnenden Fäulnis. Diese wird in einem separaten Abschnitt dieses Kapitels besprochen (siehe S. 9) .
Grünlich erscheinende Leichenflecken.
• Totenstarre (Rigor mortis)
Ein weiteres klassisches, wenn auch nicht sicheres Todeszeichen, ist die Totenstarre, die sich etwa 3-4 Stunden nach Todeseintritt ausbildet (vgl. Abb. 2.1). Die Ausprägung der Totenstarre ist abhängig von: • Temperatur • metabolischem Zustand der Muskulatur und Ernährungszustand • Lagerung nach Todeseintritt Die Totenstarre entsteht durch die Verarmung der Muskulatur am molekularen Energieträger ATP (Adenosintriphosphat). ATP ist zur Lösung der miteinander verhakten Aktin- und Myosinfilamente notwendig. Nach Todeseintritt erlischt die physiologische Möglichkeit der ATP-Produktion in den Mitochondrien durch die Atmungskette. Geringe AlP-Mengen können aber kurzfristig noch durch die Kreatinkinasereaktion und anaerobe Glykolyse sowie Ausschöpfung des Glykogenvorrats synthetisiert werden. Deshalb kommt es nicht sofort zur musl 150 oe. • Es gibt keinen Grad 4 (Verkohlung). • Die Grenzen zu nicht betroffenen Hautarealen sind scharf markiert, man kann nicht selten den Verlauf der Flüssigkeit erkennen (u. U. Abrinnspuren). • Die Bekleidung kann zunächst die Haut schützen, später verlängert sie aber die Expositionsdauer mit der heißen Flüssigkeit. Bei Verbrühungen von Kindern sollte immer eine mögliche unterlassene Aufsichtspflicht oder gar eine Misshandlung im Hinterkopf behalten werden. Folgende Beobachtungen können Anlass sein, Verdacht zu schöpfen: • Das Verletzungsmuster passt nicht zu den Angaben über den Unfallhergang. • Als Ursache werden andere Gründe als Hitze angegeben. • Die Schuld wird dem verletzten Kind oder einem Geschwisterkind zugeschoben. • Die Verletzung und die Schmerzen werden heruntergespielt.
I
Aber Achtung
Keine voreiligen Verurteilungen treffen, sondern mögliche Verdachtsmomente sorgfältig dokumentieren und der Polizei die Ermittlungen überlassen.
Todesu rsachen
Prinzipiell muss unterschieden werden, ob der Patient am Unfallort verstirbt oder in zeitlichem Abstand im Krankenhaus. Primäre Todesursachen sind: • Rauchgasintoxikation (CO, HCN, (02) • Verbrennung/Verbrühung der Haut • Ersticken 103
104
10 Thermische Einwirkungen
-
Sekundäre Ursachen sind: • Verbrennungskrankheit • Inhalationstrauma mit infektiösen Komplikationen
Kriminalistische Aspekte Für den Rechtsmediziner stellt sich bei einer Brandleiche die Frage, ob der Tote bei Brandausbruch gelebt hat und durch das Feuer zu Tode kam oder ob d' Person bereits vorher tot war. Diese Frage ist aus kriminalistischer und ver ~e cherungstechnischer Sicht sehr wichtig. Um sie zu klären, sollte auf die so:~~ nannten Vitalitätszeichen geachtet werden. Hierzu zählen echte Brandblase das Verschlucken und Einatmen von Ruß, ein erhöhter CO-Hb-Gehalt im BIO' .. I' h Ut eine .~ötung oder ein Odem der Sch elm aut von Larynx, Epiglottis, Trache~ und Osophagus. Unabhängig vom Zustand der Leiche muss außerdem die Identität geklä werden. Hauptsächlich hilft hierbei der Zahnstatus weiter. Wenn vorhande rt können auch Narben von Operationen und Unfällen, krankhafte Organbefu n. ode, oder die Form der Stirnbeinhöhle weiterh~lfen. ~ in s~h~- aufwendiges und kostspieliges Verfahren stellt der DNA-Abglelch mit leIblIchen Verwandten dar.
• Systemische Hitzeschäden Der menschliche Organismus ist auf eine gleich bleibende Körperkerntempe_ ratur von 37 °C angewiesen. Bereits Unterschiede um wenige Grade könne sich tödlich auswirken. Wie empfindlich wir auf kleine Temperaturerhöhun~ gen reagieren, hat jeder schon einmal erlebt, de~ mit Fieber im Bett lag Und womöglich auch schon Fieberträume hatte. In diesem Abschnitt geht es ulU die Auswirkungen einer Erhöhung der Körperkerntemperatur bzw. einer Erhöhung der Temperatur am Gehirn beim Sonnenstich.
Hitzekrämpfe Hier kommt es bei starker körperlicher Belastung unter strahlender HitZe (Sonne, Hochofen, offenes Feuer ete.) zu einer Dehydrierung und einenl Elek_ trolytverlust (NaCI). Die Patienten klagen über Krämpfe in der Muskulatur Und müssen sich vermehrt übergeben (weiterer Flüssigkeitsverlust! ). Im weiteren Verlauf entwickeln sich eine Vasodilatation und eine Tachykardie. Lebensge_ 104
10.1 Schäden durch Hitzeeinwirkung
fährlich werden die Krämpfe, wenn durch die Elektrolytverschiebungen am Herzen Störungen in der Erregungsleitung entstehen.
Hitzeerschöpfung/Hitzekollaps
Wie bei den Hitzekrämpfen ist auch hier die Ursache eine Dehydrierung. Ein primärer Hitzekollaps entsteht durch den indirekten Flüssigkeitsmangel bei einer starken Vasodilatation. Ursache des sekundären Hitzekollapses ist der Verlust von Flüssigkeit durch starkes Schwitzen. Folge ist ein Kreislaufversagen bis hin zu einem hypovolämischen Schock.
Hitzschlag
Ein Hitzschlag droht, wenn sich durch eine starke Wärmezufuhr von außen und eine verhinderte Wärmeabgabe die J(örperkerntemperatur auf über 43 oe erhöht. Im sogenannten roten Stadium ist die Haut gerötet und trocken. Bricht die Kreislaufregulation zusammen, folgt das graue Stadium mit einer myogenen Herzinsuffizienz, Dämmerzuständen bzw. Bewusstlosigkeit und Krampfanfällen.
Sonnenstich
Ursache für einen Sonnenstich ist eine direkte Sonneneinstrahlung auf den Kopf mit einer Temperaturerhöhung im Gehirn. Da dieses sehr empfindlich reagiert. zeigen sich schnell erste Zeichen einer meningealen Reizung bis hin zu intrazerebralen Blutungen. Fazit Für die Beurteilung einer Hitzeschädigung sind folgende Punkte wichtig: • systemischer oder lokaler Hitzeschaden? • Neuner-Regel für die Verbrennungsausdehnung • Gradeinteilung der Verbrennungen • Schädigung durch feuchte oder trockene Hitze?
•
postmortale Veränderungen
•
klinische Zeichen systemischer Hitzeschäden
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1
106
10 Thermische Einwirkungen
10.2 Schäden durch Kälteeinwirkung Kasuistik Sie werden mit dem Einsatzstichwort "psychiatrischer Notfall" in ein Wohngebiet gerufen. Dort finden Sie einen älteren Herrn (ca. 65 Jahre) vor, der im Garten ei nes Reihenhauses steht und sich trotz winterlicher Temperaturen von etwa 5 oe bis auf seine Unterwäsche und Socken ausgezogen hat. Als Sie ihn ansprechen, fällt Ihnen ein deutlicher Alkoholgeruch auf. Auf Ihre Nachfrage hin will der ältere Herr sich aber nicht wieder anziehen - ihm sei warm und alles sei in Ordnung, er habe nUr ein bisschen zu viel über den Durst getrunken. Um Ihnen zu bestätigen, dass alles in Ordnung ist, geht er langsam in Richtung des Hauseingangs davon. Was tun Sie? Lassen Sie ihn gehen und beobachten nur, ob er das Haus aUch wirklich betritt? Oder halten Sie ihn auf und bestehen auf eine Untersuchung irl) RTW, notfalls mit Unterstützung durch die Polizei? Stimmt das EinsatzstichWort mit der vorgefundenen Situation überein?
Von einer Hypothermie spricht man, wenn die Körpertemperatur auf Unter 36 oe gesunken ist. Normalerweise versucht der Körper durch Kältezittern einer Auskühlung vorzubeugen. Diese Form der Wärmeerzeugung ist aber inef_ fektiv, da gleichzeitig mehr Wärme abgegeben wird. Bei Neugeborenen und Säuglingen wird Wärme noch durch Verbrennung des braunen Fettgewebes zitterfrei erzeugt. Daher sollte man sich nicht in Sicherheit wägen, wenn Säug_ linge nicht zittern. Wärme wird physiologisch hauptsächlich dadurch zurück_ gehalten, dass die Hautdurchblutung an den Extremitäten reduziert wird. So wird nur noch der Körperkern auf 37 oe gehalten. Wichtig ist diese Tatsache für die Temperaturmessung, besonders bei stark unterkühlten Personen. Hier sollte nur tief rektal oder in der Klinik ösophageal gemessen werden. Bereits die tympanale Messung im Ohr ist hier nicht mehr genau genug; als Selbstver_ such sei eine Selbstmessung nach einem Winterspaziergang empfohlen .
• Hypothermie (allgemeine Unterkühlung) fn der modernen Notfallmedizin hat die therapeutische Hypothermie inZWi_ schen Einzug gehalten. Hier wird sie zur Verbesserung der Prognose bei Patienten nach Herz-Kreislauf-Stillstand nach erfolgreicher Reanimation ange_ wandt. Wann droht eine schwere al