»Ich glaube, Mr. Parker, daß ich zu tiefst empört bin«, stellte Lady Agatha Simpson mit grollender Stimme fest und bre...
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»Ich glaube, Mr. Parker, daß ich zu tiefst empört bin«, stellte Lady Agatha Simpson mit grollender Stimme fest und bremste jäh ihre majestätische Fülle, »in welcher Zeit leben wir ei gentlich? »Bestehen Myla dy auf einer präzi sen Antwort, was das genaue Datum betrifft?« erkundige te sich Josuah Par ker in gewohnt höf licher Weise. Er war ein etwas über mittelgroßer Mann undefinierba ren Alters, der in Sprache und Aus sehen den Prototyp eines englischen hochherrschaftlichen Butlers dar stellte. Er und die Lady hatten gerade ein Geschäft für feine Porzellanwaren ver
lassen und strebten einem nahen Parkplatz zu. Agatha Simpson ging auf die Frage ihres Butlers nicht ein und musterte einige Mädchen und Jungen, die freige big ihr mit Sicher heit nicht geringes Taschengeld unter das Volk streuten. Es handelte sich um Pfundnoten, deren Wert sie nicht recht einzuschätzen wußten. Die min derjährigen Kinder benutzten die Pfundnoten als Baumaterial für ih re Papierschiff chen, die sie im Rinnstein fahren ließen. »Zu meiner Zeit haben wir von sol chem Taschengeld nur geträumt«, stellte Lady Agatha fest. Sie war eine hochgewachsene, füllige und majestä 3
tisch aussehende Dame, die das sech zigste Lebensjahr mit Sicherheit über schritten hatte. Dennoch machte sie einen sehr dynamischen Eindruck, dem man sich nicht entziehen konnte. Sie blickte konsterniert auf die wert vollen Papierschiffchen, die im ange schwollenen Wasser des Rinnsteins lustig davontrieben. Die Mädchen und Jungen, die im Schnitt vielleicht sechs Jahre alt waren, amüsierten sich und machten eifrig Gebrauch von dem be druckten Papier, das sie bündelweise in ihren Händen hielten. »Was für eine Verschwendung«, seufzte die ältere Dame, die für ihre ausgeprägte Sparsamkeit berüchtigt war. Sie hatte längst mitbekommen, daß einige Passanten sich für die klei nen Papierschiffchen lebhaft interes sierten, sich bückten und sie aus dem schmutzigen Wasser nahmen. Lady Agatha kämpfte einen wilden, ent schlossenen Kampf mit sich und sieg te souverän. Sie hatte plötzlich Ärger mit ihrem rechten Schuhband und bückte sich unvermittelt. Sie nestelte daran herum und wartete darauf, daß die nächsten Papierschiffchen ihr ent gegentrieben. Als das der Fall war, langte die sparsame Dame blitzschnell zu und barg drei Banknotenschiffchen im Wert zwischen fünf und zwanzig Pfund. Worauf Butler Parker sich diskret räusperte. »Legen Mylady Wert darauf, daß meine Wenigkeit sich den Rettungs maßnahmen anschließt?« erkundigte er sich, als seine Herrin sich aufrichte te und die Banknoten glättete. »Selbstverständlich habe ich vor, sie den lieben Kleinen zurückzugeben«, raunzte sie dann, »hatten Sie etwas an deres erwartet?« »Mylady dürften die Aufmerksam keit der kleinen Schiffbauer erregt ha ben«, erwiderte Josuah Parker gemes sen und deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf einen Jungen und ein Mädchen, die auf La dy Simpson zuliefen. 4
»Man sollte diese Strauchdiebe ohr feigen«, erklärte die resolute Dame und meinte keineswegs die Kinder, sondern einige Passanten, die den Rinnstein geplündert hatten und mit ihren gekaperten Schiffen schleunigst davonschritten. Dann aber wurde die Lady nachdrücklich abgelenkt. Der Junge und das Mädchen hatten Aga tha Simpson inzwischen erreicht und wollten sie beschenken. Sie drückten ihr ganze Bündel von Banknoten in die ausgestreckte Hand und freuten sich. Sie forderten Lady Agatha auf, sich Fisch und Kartoffel chips zu kaufen. Sie hatten auch, wie sie deutlich sagten, nichts dagegen, daß Mylady Cola trank. »Ihr lieben Kleinen«, meinte Agatha Simpson entzückt und schnürte ihren Pompadour auf, um die Banknoten darin verschwinden zu lassen, »ihr seid ja richtig lieb zu einer armen Tante.« Parker räusperte sich erneut dis kret. »Sie sollten etwas gegen Ihren Hu sten unternehmen«, grollte die Lady ihren Butler an, »selbstverständlich werde ich das Geld nur in Verwah rung nehmen.« »Meine bescheidene Wenigkeit dachte noch nicht mal andeutungs weise an ein anderes Motiv«, gab Josu ah Parker steif und würdevoll zurück, um sich dann an die beiden Kinder zu wenden. Er fragte nach der Herkunft des Geldes und erhielt prompt eine ge naue Antwort. Die beiden kleinen Ver schwender deuteten auf einen nahen Bauzaun und sprachen von einem rie sigen Sack, der mit diesem komischen Papier vollgestopft wäre. »Mr. Parker, folgen Sie mir!« Lady Agatha setzte sich sofort in Bewegung und wäre nicht mehr aufzuhalten ge wesen. Zielstrebig und äußerst ener gisch marschierte sie zu dem nahen Bretterzaun und riß beherzt einige Holzlatten aus einer schmalen Lücke. Dann zwängte sie sich durch die pas sende Öffnung und betrat den Bau
platz, der einer Müllkippe glich. Die Bewohner der benachbarten Reihen häuser schienen hier ihren Wohl standsmüll großzügig gelagert zu ha ben. Lady Agatha wartete, bis Josuah Parker neben ihr erschien. »Sie wissen hoffentlich, was ich denke, Mr. Parker«, sagte sie. »Mylady dürften sich bereits mit dem Gedanken vertraut gemacht ha ben, einem Raubüberfall auf der Spur zu sein«, lautete Parkers höfliche, aber zurückhaltende Antwort. »Sehr richtig«, entgegnete sie wohl wollend. »Oder sind Sie etwa anderer Meinung?« »Nur andeutungsweise und in ei nem Punkt, Mylady«, erwiderte Josu ah Parker und präsentierte eine Bank note im Wert von zwanzig Pfund, »es dürfte sich eindeutig um Falschgeld handeln, falls meine Augen meine be scheidene Wenigkeit nicht Lügen stra fen.«
»Tatsächlich Falschgeld«, stellte Mi ke Rander fest und hielt eine der Banknoten noch mal gegen das Licht, »sieht nach einer erstklassigen Arbeit aus.« »Die Herren Fälscher haben sich in der Tat alle erdenkliche Mühe gege ben«, antwortete Josuah Parker. »Ich wußte sofort, daß es sich um Blüten handelt«, erklärte Lady Agatha mit Nachdruck. Sie glaubte wieder mal das, was sie sagte. »Haben Sie bereits die Polizei ver ständigt, Mylady?« fragte Kathy Por ter, ihre Sekretärin und Gesellschafte rin. Kathy Porter war etwa dreißig Jahre alt und eine bemerkenswerte jun ge Frau, groß, schlank und attraktiv. Man sah es ihr nicht an, daß sie in den Künsten fernöstlicher Selbstverteidi gung beschlagen war. Mochte sie auf den ersten Blick auch zurückhaltend wirken, konnte sie sich doch in Se kundenschnelle in eine zuschlagende Pantherkatze verwandeln, wenn sie
angegriffen wurde. Das braune Haar mit dem leichten Rotstich umrahmte ein pikant geschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Beherr schend in ihm waren die dunklen, ein drucksvollen Augen. Kathy Porter war mehr als nur eine vertraute Angestellte der älteren Da me. Lady Agatha sah in ihr so etwas wie eine Tochter und war hartnäckig bestrebt, sie möglichst bald zu verhei raten. Ihr Auserwählter für Kathy war Mike Rander, den sie nicht nur als An walt schätzte. Mike Rander erinnerte, was sein Aussehen betraf, an einen bekannten James-Bond-Darsteller und war viel leicht noch lässiger als dieser Schau spieler. Vor Jahren hatte er zusammen mit dem Butler in den USA viele Abenteuer überstanden, sich dann aber zurückgezogen, um nur noch als Anwalt zu arbeiten. Nach seiner Rück kehr aus den Staaten war er von Lady Agatha Simpson wie selbstverständ lich vereinnahmt worden und verwal tete nun das immense Vermögen der älteren Dame. Darüber hinaus hatte er eine Anwaltskanzlei in der nahen Cur zon Street, nicht weit entfernt von Shepherd's Market, wo sich Lady Simpsons Haus befand. In diesem altehrwürdigen Fach werkhaus hatte man sich zusammen gefunden und hielt sich in der großen Wohnhalle auf. Butler Parker hatte Sherry serviert und einen kleinen Im biß zur fälligen Mittagstunde ange kündigt, doch Lady Agatha schien das für sie doch wichtige Stichwort gar nicht gehört zu haben. Sie blickte auf den Ledersack, der das Falschgeld enthielt. Es handelte sich dabei um eine Art Seemannsutensil, aber eben aus Le der. Parker hatte die noch vorhande nen Banknoten gezählt und war auf eine Summe von fast hunderttausend Pfund gekommen. »Mylady hat bisher davon Abstand genommen, die zuständigen Behör den zu informieren«, beantwortete Josu 5
ah Parker Kathy Porters Frage, »Myla dy will sich erst noch eine Meinung bilden.« »Wir werden die Polizei verständi gen müssen«, warf Mike Rander ein, »daran führt kein Weg vorbei.« »Zumal Gefahr im Verzug ist, Sir«, pflichtete Parker dem Anwalt bei, »die Arbeit der Fälscher kann man nur als bemerkenswert bezeichnen. Sie ist durchaus geeignet, die Währung zu ge fährden.» »Ist es wirklich Falschgeld?« Aga tha Simpson suchte nach einem Aus weg, nahm einige Banknoten in die Hand und seufzte erneut. »Wie Mylady es sofort bemerkte«, meinte Parker und deutete ein Kopf nicken an. »All' das schöne Geld«, meinte sie, »vielleicht haben wir uns alle nur ge täuscht.« »Mylady sind niemals zu täuschen«, gab Parker zurück, »Mylady deuteten dies bereits nachdrücklich an.« »Und wie fanden die Kinder den Geldsack?« fragte Kathy Porter, um Lady Agatha abzulenken. »Es dürfte sich um einen Zufall ge handelt haben, Miß Porter«, beant wortete Butler Parker die Frage, »die Kinder suchten nach einem Ball, den sie über den Bauzaun getreten hatten.« »Eine filmreife Szene«, meinte der Anwalt Rander lächelnd, »mit diesem Ball dürften die Fälscher nicht gerech net haben.« »Ich denke, ich werde den Fall lösen müssen«, warf Agatha Simpson ein. Sie hatte sich innerlich endlich von den falschen Banknoten gelöst, »ich werde diesen Subjekten das Hand werk legen. Mr. Parker, ich überlasse Ihnen die Details, die ja im Grunde völlig unwichtig sind.« »Sehr wohl, Mylady.« In Parkers glattem Gesicht rührte sich kein Muskel. »So oder so, ich hätte die Pfundno ten natürlich niemals zurückbehal ten«, erklärte sie mit Nachdruck. 6
»Wer käme schon auf solch einen Gedanken, Mylady?« Mike Rander un terdrückte ein Schmunzeln, Kathy Porter schaute hinauf zur Zimmerdek ke, Butler Parker sicherheitshalber hinunter zum Parkett des Fußbodens. Sie alle wußten nur zu gut, wie gern die, ältere Dame ihre Hand auf die Beute gelegt hätte. Wenn es ums Geld ging, war Agatha Simpson bekannter maßen sehr besitzergreifend.
Josuah Parker war allein unterwegs. Nach dem Imbiß hatte die Lady sich in das sogenannte Studio ihres Hauses begeben, um dort ein wenig zu medi tieren, mit anderen Worten, sie hatte sich niedergelegt und schlief. Mike Rander und Kathy Porter waren in die nahe Curzon Street zur Anwaltskanz lei gegangen, und der Butler hatte jetzt endlich die Möglichkeit, einige Einkäufe zu tätigen. Er saß am Steuer seines hochbeini gen Monstrums, wie sein Privatwagen von Eingeweihten genannt wurde. Bei diesem Monstrum handelte es sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das sich durch besonders hohe und kanti ge Aufbauten auszeichnete. Einem solchen Wagen traute man nichts zu, doch der Eindruck täuschte. Das Taxi war nach Parkers eigenwilligen Vor stellungen technisch völlig neu gestal tet worden und stellte im gegenwärti gen Zustand eine Art Trickkiste auf Rädern dar. Parker dachte über die falschen Banknoten nach. Noch hatte er die Polizei nicht ver ständigt, doch dies änderte nichts an der Tatsache, daß sich hier ein brisan ter Kriminalfall ankündigte. Die Fäl scher mußten früher oder später mer ken, daß die Falsifikate entdeckt und mitgenommen worden waren. Sie würden sich also vehement um die Personen kümmern, die diese fal schen Banknoten an sich gebracht hatten. Spuren gab es ausreichend.
Schließlich waren Lady Simpson und Parker zwei Erscheinungen, die man optisch nicht so schnell vergaß. Möglicherweise wohnten die Fäl scher in der Nähe der Surrey Docks, wo sich das verwahrloste Baugelände befand. Parker konnte sich nicht vor stellen, daß die Drucker der Bankno ten das Ergebnis ihrer Arbeit weit von jener Stelle deponiert hatten, wo sie die Falsifikate hergestellt hatten. Es fragte sich, ob sie nicht bereits den Abtransport des Ledersacks beobach tet hatten. Routinemäßig blickte der Butler in den Rückspiegel seines hochbeinigen Monstrums und registrierte die nach kommenden Fahrzeuge. Parker war ein stets vorsichtiger Mensch, der dem Zufall nicht gern etwas überließ. Mit einer Verfolgung war bereits zu rech nen. Seit dem kurzen Zwischenspiel in der Nähe der Surrey Docks waren inzwischen runde zwei Stunden ver strichen. Innerhalb dieser Spanne konnten die Fälscher bereits die Spur aufgenommen haben. Nach einigen Minuten wußte Josu ah Parker Bescheid. Ja, er wurde be schattet. Es handelte sich um einen unscheinbaren Austin, der ihm hart näckig folgte. Und da in diesem Wa gen nur der Fahrer saß, ging Parker davon aus, daß es da noch ein zweites Fahrzeug gab, das ihm folgte. Es schien ein Toyota zu sein, der hin und wieder hinter dem Austin auftauchte. In ihm saßen zwei Männer mit grauen Overalls und tief ins Gesicht gezoge nen Kappen. Deshalb geriet Josuah Parker aber keineswegs in Panik. Er war nicht der Mann, der leicht aus der Fassung zu bringen war. Eher das Gegenteil war der Fall. Der Butler war angenehm überrascht, daß die Notenfälscher be reits reagierten. Jetzt bot sich die Mög lichkeit, diese Leute zu stellen. Parker hatte längst die Absicht auf gegeben, in der Innenstadt seine Ein käufe zu tätigen. Er war bereits dabei, die beiden Fahrzeuge in eine Gegend
zu locken, die er bestens kannte. Die Übermacht seiner Verfolger kümmer te ihn nicht. Er hatte da seine besonde re Methode, noch mehr als nur drei Gegner auszuschalten. Nach fast geruhsamer Fahrt erreich te er die West India Docks, suchte hier eine bestimmte Straße auf und parkte sein hochbeiniges Monstrum vor ei nem Antiquitätengeschäft. Er betrat das Ladenlokal und wurde von einem großen, massigen Mann begrüßt, der etwa sechzig Jahre zählte und Richard Elsley hieß. Der Inhaber des Ladens rückte seinen kleinen Kneifer zurecht und blinzelte den Butler an. »Man erlaubt sich, einen wunder schönen Tag zu wünschen«, grüßte Josuah Parker und lüftete die schwar ze Melone, »darf man sich bei dieser passenden Gelegenheit nach dem all gemeinen Lauf der Geschäfte erkun digen, Mr. Elsley?« »Mr. Parker!« Richard Elsley lächel te und rückte erneut den kleinen Kneifer zurecht. Dazu lächelte er breit und entspannt. »Daß Sie sich auch mal wieder sehen lassen.« »Meine Wenigkeit kommt als Privat mann, Mr. Elsley.« »Ich habe eine saubere Weste«, er klärte Elsley und kam um die Ver kaufstheke herum, »ich habe sie im mer, aber ich werde leider so oft miß verstanden.« »Das Mißtrauen der Zeit und das der Polizei im besonderen«, meinte der Butler, »möglicherweise mißtraue ich auch drei Personen männlichen Ge schlechts, die meiner Wenigkeit hart näckig folgen.« Elsley trat vor die Auslage seiner Schaufenster-Ausstellung und warf ei nen schnellen Blick auf die Straße. Seine kleinen, wieselflinken Augen musterten die Fahrzeuge auf der Straße. »Ein Toyota, nicht wahr?« fragte er dann und wandte sich wieder dem Butler zu. »Und ein Austin«, ergänzte Parker, »man dürfte die Absicht haben, mei 7
ner Wenigkeit einige Fragen zu stel len. Sie haben sich die Kennzeichen der beiden Wagen bereits gemerkt, Mr. Elsley?« »Aber natürlich.« Richard Elsley lä chelte erneut, »so etwas ist einem in Fleisch und Blut übergegangen. Kann ich Ihnen helfen, Mr. Parker?« Der Antiquitätenhändler, der im Grund nur mit billigem Trödel han delte, war tatsächlich ein illegaler Buchmacher, der sich hin und wieder auch mal als Hehler betätigte. Er schätzte den Butler überaus, denn Parker hatte ihn in der Vergangenheit mal aus einer mehr als peinlichen La ge befreit und ihm quasi das Leben gerettet. »Sie könnten die verfolgenden Her ren vielleicht in eine Richtung schik ken, die meinen Absichten entgegen kommt«, schlug Josuah Parker vor, »mit dem massierten Erscheinen der drei Verfolger dürfte fest zu rechnen sein.« Worin Josuah Parker sich nicht täuschte...
Sie glaubten ihn bereits in der Falle und näherten sich dem Ladenlokal. Zwei Verfolger, junge, stämmige Männer, die einen entschlossenen Eindruck machten, stießen die Tür zum Antiquitätengeschäft auf, und Richard Elsley erwies sich als perfek ter Schauspieler. Er rückte erneut an seinem Zwicker und beugte sich höf lich-abwartend über die Verkaufsthe ke. Dann erkundigte er sich nach den Wünschen der Kunden. »Wo is' der Typ mit der Melone und dem Schirm?« fragte einer der beiden Männer barsch, »los, Mann, machen Sie schon die Zähne auseinander!« »Ein Typ mit Melone und Schirm?« Richard Elsley runzelte die Stirn, erinnerte sich dann und strahlte die beiden Männer vertrauenerweckend an. »Ach, den? Der Kunde befindet sich im Magazin, meine Herren. Er 8
sucht nach einer alten Standuhr. Ich könnte ihn sofort verständigen.« »Du hältst die Schnauze«, fauchte ihn der junge Mann an, »und du siehst und hörst nichts. Is' das klar?« »Ich verstehe nicht recht, was das ...« »Schnauze«, wiederholte der junge Mann und hatte plötzlich eine Auto matik in der Hand, auf deren Lauf ein überlanger Schalldämpfer geschraubt war. »Guter Gott«, keuchte Richard Els ley und schaffte es spielend, sich ein deutig zu verfärben, »ich bin schon überredet.« »Wo is' das Magazin?« fragte der zweite Mann knapp. »Im Souterrain«, gab Elsley Aus kunft und faßte in tragischer Geste nach seinem kerngesunden Herzen, »die Treppe hinunter, dort im Korri dor. Sie sind von der ...Polizei?« »Haargenau«, meinte der zweite Mann, der nun ebenfalls seine Schuß waffe zeigte, »Geheimauftrag, klar?« »Ich werde schweigen bis in alle Ewigkeit«, versicherte Elsley und streckte drei zum Schwur erhobene Finger seiner rechten Hand hoch in die Luft. Die beiden Männer nahmen ihm die gespielte Naivität völlig ab und liefen hinüber in den schmalen, dunklen Korridor hinter dem Ladenlokal. Sie fanden die Treppe und schickten sich an, sie zu benutzen. Dabei konzen trierten sie sich völlig auf die Stufen und das Magazin dahinter. Deshalb übersahen sie den Butler, der sich hinter einem Schrank neben der stei len Treppe aufgebaut hatte. Parker kam umgehend zur Sache. Er benutete den Bambusgriff seines altväterlich gebundenen Regen schirms, um damit bei dem Mann an zuklopfen, der seinem Partner nach ging, der bereits auf den ersten Stu fen war. Da dieser Bambusgriff mit Blei ausgegossen war, fiel dieses An klopfen sehr nachdrücklich aus. Der Mann warf zuerst die Waffe hoch in
die Luft, stieß einen ächzenden Laut aus und legte sich dann auf den nicht gerade klinisch sauberen Boden. Der andere Verfolger wirbelte her um wie eine zustoßende Viper und riß dabei seine Waffe hoch, doch Parker war wesentlich schneller. Mit der Spit ze seines Universal-Regenschirms stach er seitlich in den Oberarmmus kel des Mannes, der daraufhin nicht mehr in der Lage war, den Schuß ab zufeuern. Seine Automatik löste sich aus der geöffneten Hand und fiel auf die Treppe. »Sie sollten sich glücklich schätzen, daß meine Wenigkeit Ihrem geplanten Schuß zuvorkam«, erläuterte der But ler in seiner höflichen Art, »wie leicht hätten Sie einen Tatbestand ausgelöst, der nicht mehr korrekturfähig gewe sen wäre.« Der Mann blickte Parker aus weit geöffneten Augen an und war noch nicht in der Lage, sich zu dieser Fest stellung zu äußern. Er war völlig fas sungslos.
fahren, in wessen Auftrag Sie und Ihre Freunde unterwegs sind?« »Meine Nase . . . meine Nase«, nu schelte der Austinfahrer. »Nach einer Phase des leichten An schwellens wird sie mit Sicherheit wieder zur normalen Größe zurückfin den«, versicherte Parker dem Mann, »Sie können meine Frage also unbe schwert beantworten.« »Mann, dafür wird man Sie rösten«, prophezeite der Austinfahrer, »dafür gibt's 'ne Retourkutsche.« »Ankündigungen dieser und ähnli
»Alles gelaufen?« fragte der Austin fahrer, der das Ladenlokal betrat. Er war völlig ahnungslos und ging von der Vorstellung aus, daß seine beiden Partner ihr Opfer bereits überwältigt hatten. »Die Dinge nahmen einen durchaus positiven Verlauf«, erwiderte Josuah Parker und trat hinter einem rollbaren Kleiderständer vor. Er lüftete höflich die schwarze Melone und benutzte sie anschließend, um die Nase des Man nes ein wenig zu verbiegen. Dies war nötig, da der Austinfahrer eindeutig nach einer Schußwaffe greifen wollte. Der Getroffene sah vor lauter Trä nen nichts mehr. Er spürte nur, daß man nach seiner Schulterhalfter griff und die Schußwaffe hervorholte. »Sie haben eine gewisse Neugier in meiner Wenigkeit erregt«, schickte Jo suah Parker voraus, »dürfte man er 9
eher Art sind meiner Wenigkeit nur zu bekannt«, erwiderte der Butler, »Sie sollten antworten, bevor sich in mir eine gewisse Ungeduld aufbaut.« Der Mann schielte auf die schwarze Melone, dachte an seine Nase und nickte dann. »Stop, machen Sie keinen Unsinn«, sagte er schniefend, »Tony Steffen hat uns losgeschickt.« »Und wer ist dieser besagte Mr. To ny Steffen?« lautete Parkers nächste Frage. »Der macht in Gerüsten«, gab der Austinfahrer Auskunft, »sein Ge schäft liegt bei den Surrey Docks.« »Demnach sind Sie und Ihre Freun de Gerüstebauer?« »Klar doch«, behauptete der Austin fahrer, »wir haben Tony nur 'nen Ge fallen getan.« »Und diverse Schußwaffen rein zu fällig mitgenommen, wie Ihre nächste Erklärung lauten dürfte.« »Mann, Sie wissen doch Bescheid«, beschwerte sich der Angegriffene und fingerte vorsichtig an seiner Nase her um, um sie wieder in die ursprüngli che Lage zu bringen. »Demnach sollten Sie also meine Wenigkeit zu Mr. Tony Steffen brin gen, wie zu vermuten ist?« »Nur das, mehr nicht.« Der Mann gab die Bemühungen um seine Nase auf. Er hatte wohl eingesehen, daß sie im Augenblick kaum zu korrigieren war, was ihre Schieflage betraf. »Sie sollten sich hinunter in das Ma gazin begeben«, schlug Parker vor, »möglicherweise findet sich ein ver schließbarer Raum.« Parker überließ dem Austinfahrer den Transport seiner Freunde. Es fand sich ein kleiner, sicherer Raum, der gut zu verschließen war. Nach knapp fünf Minuten befanden sich die drei Gerüstbauer in diesem Gelaß und konnten vorerst nicht mehr in das Ge schehen eingreifen. Erst jetzt ließ Richard Elsley sich wieder sehen. Aus taktischen Grün 10
den hatte er sich zurückgezogen. Er zwinkerte dem Butler zu. »Ich bin froh, Sie nicht zum Gegner zu haben«, meinte der große Mann, »ich kenne übrigens diesen Tony Steffen.« »Was meine Wenigkeit als sicher un terstellte, Mr. Elsley. Hoffentlich wird man Ihnen nach diesem Intermezzo in Ihrem Geschäft keine Schwierigkei ten bereiten.« »Keine Sorge, Mr. Parker, ich werde mich schon herausreden. Sie wollen zu diesem Tony Steffen fahren?« »Das ist selbstverständlich meine Absicht, Mr. Elsley.« »Tony Steffen ist ein heimtücki scher und harter Gangster. Sie sollten vorsichtig sein.« »Welche Rolle spielt Mr. Steffen in der kriminellen Szene, Mr. Elsley?« »Er verleiht Gerüste und Schläger, Mr. Parker, dafür ist er bekannt.« »Man sollte und wird ihm die Gren zen seiner Möglichkeiten aufzeigen, Mr. Elsley. Übrigens eine Frage, die ein anderes Thema anreißt: Seit wann spricht man in einschlägigen Kreisen von Falschgeld?« »Falschgeld?« Elsley rückte um ständlich seinen Zwicker zurecht und schien Zeit gewinnen zu wollen. Schließlich hob er bedauernd die Schultern. »Ich habe bisher nichts von Falschgeld gehört.« »Sie kennen also einschlägige Ge rüchte.« »Nun ja, ich hab so was aus zweiter und dritter Hand mal beiläufig mitbe kommen«, redete Elsley sich heraus, »aber Sie können mir glauben, Mr. Parker, daß ich so gut wie nichts weiß.« »Wer könnte Ihrer intimen Kenntnis nach, als Fälscher in Betracht kom men?« erkundigte sich Parker in sei ner höflichen Art. »Das muß ein Neuer sein, Mr. Par ker«, versicherte Elsley, »bisher wur de kein Name genannt. Das ist die rei ne Wahrheit.« »Die meine Wenigkeit Ihnen zur Zeit noch abzunehmen bereit ist«, ent
gegnete der Butler würdevoll, »lassen Sie sich eine glaubwürdige Geschich te einfallen, was mein Wirken in Ihrem Ladenlokal betrifft. Ich möchte kei neswegs, daß Sie Schaden nehmen.« »Ich werde schon zurechtkommen, Mr. Parker«, versicherte Elsley erneut, »ich glaube nicht, daß Steffen sich mit mir anlegen wird. Schließlich habe ich hier so meine Freunde. Und sein Ge biet sind die West India Docks be stimmt nicht. Steffen regiert drüben bei den Surrey Docks.« Josuah Parker lüftete höflich die schwarze Melone und verließ das La-, denlokal. Er war mit dem Verlauf der Dinge mehr als zufrieden. Die Bank notenfälscher hatten schließlich be reits Flagge gezeigt.
Tony Steffen war etwa vierzig, kahl köpfig, mittelgroß und hatte harte, graue Augen. Diese starrten im Mo ment völlig fassungslos auf Parker, der im Büro des Mannes erschienen war und seine schwarze Melone lüf tete. »Wie kommen denn Sie hier rein?« fragte er schließlich und schielte hin über zur halb geöffneten Tür. »Ihre Mitarbeiter vorn in der Büro baracke waren so überaus freundlich, meine Wenigkeit einzulassen«, beant wortete der Butler die Frage, »ich möchte übrigens nicht versäumen, Ih nen gewisse Grüße auszurichten.« »Grüße? Von wem denn?« Tony Steffen schob sich mit seinem Sessel zurück und schielte jetzt in Richtung Schublade. Danach korrigierte er wie zufällig die Stellung seines Büroses sels, um später blitzschnell die anvi sierte Schublade aufziehen zu können. Josuah Parker nahm dies natürlich al les wahr, doch er ließ sich nichts an merken. »Es handelt sich bei den erwähnten Grüßen um die einiger Ihrer Mitarbei ter«, redete der Butler in seiner höfli chen Art weiter, »sie waren so freund
lich, meinen Weg durch die Stadt zu verfolgen und zu begleiten.« »Ich hab' keine Ahnung, wovon Sie da eigentlich reden«, behauptete Tony Steffen, »Sie sind hier an der falschen Adresse.« »Die drei Gerüstbauer sehen sich momentan außerstande, ihre Auf merksamkeit meiner Wenigkeit zu widmen«, erwiderte Parker gemessen, »man war so frei, ihnen eine kleine Verschnaufpause zu gönnen.« »Jetzt reicht es mir aber langsam«, regte Tony Steffen sich auf, »was fa seln Sie da zusammen? Wer sind Sie eigentlich?« »Parker mein Name, Josuah Par ker«, stellte der Butler sich vor, »aber das dürften Sie ja inzwischen sehr ge nau wissen.« Tony Steffen schielte erneut, blickte seitlich an Parker vorbei erneut zur Tür hinüber und wartete mit Sicher heit auf seine beiden Bürokräfte aus der Steinbaracke. Doch sie erschienen nicht. Parker hatte sich auf eine sehr spezielle Art kurz mit ihnen unterhal ten und sie dazu überredet, eine Art Teepause einzulegen. Sie waren sei nem Vorschlag gefolgt, nachdem der Butler seinen Universal-Regenschirm argumentativ eingesetzt hatte. »Im Mittelpunkt des gemeinsamen Interesses dürfte ein mit Banknoten gefüllter Ledersack stehen«, fuhr Jo suah Parker würdevoll fort, »nach oberflächlicher Durchzählung könnte es sich um etwa hunderttausend Pfund handeln.« »Mann, Sie reden da vielleicht was zusammen«, entgegnete Tony Steffen, »was habe denn ich damit zu tun?« Er hatte seine Frage noch nicht ganz ausgesprochen, als er sich nach vorn warf und tatsächlich blitzschnell die Schublade aufriß. Seine rechte Hand schoß in die Lade und zerrte einen Ge genstand hervor, der aus brüniertem Stahl bestand. Der Butler langte nicht weniger schnell mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den 11
Schreibtisch und zog die Lade wieder zu. Er erledigte das mit einiger Ener gie und sorgte so dafür, daß Tony Stef fens stöhnte und sich verfärbte. Seine Hand war eingeklemmt worden und schmerzte wohl ein wenig. »Falls meine Wenigkeit Ihre Hand bewegung mißverstanden haben soll te, möchte ich mich in aller Form ent schuldigen«, sagte Josuah Parker, »Sie können die erwähnte Hand jetzt wieder vorziehen, doch möglichst oh ne Waffe.« Tony Steffen jaulte, befreite die Hand und hielt sie anklagend in die Höhe. Er legte sie danach in die linke Hand und litt. »Kühle Umschläge werden aufkom mende Schmerzen und Schwellungen mit Sicherheit lindern«, riet Parker dem Mann, »bevor meine Wenigkeit sich jetzt empfiehlt, sollten Sie viel leicht den Namen jener Person nen nen, für die Sie Ihre Gerüstebauer auf mich ansetzten.« »Sie liegen völlig falsch, Mann«, stöhnte Tony Steffen, »wenn Ihnen da wirklich einer gefolgt ist, dann aber ohne mein Wissen.« »Meine Wenigkeit spielt mit dem Gedanken, Ihre Hand noch ein wenig nachzubehandeln«, entgegnete der Butler höflich, »und dazu würde ich durchaus den Griff meines Schirmes verwenden. Ich kann nur hoffen, mich deutlich genug ausgedrückt zu haben, Mr. Steffen.« »Nein, nein, nur das nicht, Mann.« Tony Steffen stieß sich mit dem lin ken Fuß ab und rollte auf seinem Bü rosessel zurück an die Wand.« Machen Sie keinen Blödsinn, tun Sie das nicht!« »Für wen also ließen Sie meine We nigkeit verfolgen?« Parker schien nichts gehört zu haben. Er stieß die Spitze seines Schirmes gegen den Bo den, ließ den Schirmstock zurückfe dern und in die Luft steigen. Dann griff er mit der rechten Hand zu und hielt den Schirm am unteren Drittel fest. Der Bambusgriff stand deshalb 12
hoch in der Luft und neigte sich be reits in Richtung Tony Steffen. »Bryan Buttons«, flüsterte Steffen jetzt umgehend und brachte seine an gequetschte Hand schleunigst in Si cherheit, »aber ich habe nichts gesagt, Mann, überhaupt nichts. Ich kenne den Namen gar nicht.«
»Sie hätten mich natürlich mitneh men müssen, Mr. Parker«, mäkelte die ältere Dame, als ihr Butler diesen Punkt der Erzählung erreichte, »es hat sich doch wieder mal gezeigt, daß Sie allein den Dingen nicht gewachsen sind.« Sie saß am Tisch im kleinen Salon ihres Hauses und nahm den Tee. Par ker reichte dazu etwas Gebäck, wie seine Herrin gewünscht hatte. Dabei handelte es sich nun wirklich nicht um einige Kekse, sondern um kalo rienreichen Früchtekuchen, der mit Rum getränkt war. Selbstverständlich nahm Mylady nur eine Kleinigkeit. Sie war bereits beim zweiten, nicht gerade kleinen Kuchenstück. »Die Grenzen meiner privaten und bescheidenen Möglichkeiten deuteten sich in der Tat an, Mylady«, meinte Parker höflich, ohne die Miene zu ver ziehen. »Wer ist nun dieses Subjekt, von dem Sie gerade gesprochen haben?« fragte sie, nachdem sie im Anschluß an Parkers Bemerkung zustimmend und wohlwollend genickt hatte. »Mr. Bryan Buttons, Mylady, ist vor erst noch eine Unbekannte in dem sich andeutenden Kriminalfall«, gab Josuah Parker zurück, »man wird noch genaue Ermittlungen anstellen müssen.« »Könnte dieser Gerüstebauer Sie nicht angelogen haben?« wollte sie wissen und beförderte das dritte Ku chenstück auf ihren Teller. »Solch eine Möglichkeit ist niemals auszuschließen, Mylady«, räumte Jo suah Parker ein, »die Unterhaltung
mit Mr. Tony Steffen ließ sich leider mich endlich einschalten kann. Da nicht vertiefen, da einige Mitarbeiter nach dürfte der Fall bereits so gut wie des Firmeninhabers auftauchten. Mei geklärt sein.« ne Wenigkeit hielt es daher für ratsam, »Meine bescheidenen Ermittlungen das sogenannte Weite zu suchen.« laufen bereits, Mylady.« »Eine Lady Simpson hätte niemals »Das höre ich gern«, sagte sie wohl das Feld geräumt«, erklärte die ältere wollend, »sollte es Schwierigkeiten Dame, »aber gut, ich werde Ihnen kei geben, wenden Sie sich an mich. Aber ne Vorwürfe machen, Mr. Parker. Ich ich werde die Hände nicht in den kenne schließlich Ihre Schwächen.« Schoß legen.« »Mylady sind zu gütig, diese Schwä »Das stand zu erwarten, Mylady.« chen zu tolerieren«, meinte Parker, »Ich werde noch mal zu den Surrey den nichts aus der Fassung zu bringen Docks hinüberfahren und mir den vermochte, was seine Herrin betraf. Tatort ansehen«, redete sie weiter, »Ich denke, ich werde einiges unter »ich werde mich der Unterwelt zeigen nehmen«, kündigte Agatha Simpson und sie herausfordern.« an, »aber ich möchte mich noch nicht Parker hütete sich, seiner Herrin festlegen.« beizupflichten, sonst hätte sie sich mit Nach dieser Feststellung wartete die Sicherheit sofort wieder anders ent Lady auf Vorschläge Parkers, doch schieden. Er deutete nur ein knappes, der Butler beschränkte sich darauf, zustimmendes Nicken an. Sie schritt Tee auszugießen. Seine Herrin energisch zur Treppe, die ins Oberge schnaufte ein wenig unwillig, denn sie schoß des Hauses führte. Sie wollte hatte keine Ahnung, was sie unterneh sich umkleiden und in zehn Minuten men sollte. wieder zurück sein. Für den Butler »Ich überlasse Ihnen die Details«, war das Zeit genug, gewisse Vorkeh meinte sie schließlich auffordernd. rungen für die geplante Ausfahrt zu »Meine Wenigkeit bedankt sich für treffen. Nach den bisherigen Erfah dieses Vertrauen, Mylady.« rungen im Umgang mit Lady Simpson »Ich warte«, sagte sie leicht gereizt. deuteten sich wieder mal chaotische »Ein Stichwort, Mylady, das man Zwischenfälle an. aufgreifen sollte«, gab Parker zurück, »inzwischen dürfte der erwähnte Mr. Bryan Buttons bereits von Mr. Tony Josuah Parker saß am Steuer seines Steffen informiert worden sein.« »Hatte der Gerüstebauer nicht hochbeinigen Monstrums und fuhr Angst, diesen Namen zu nennen?« La die Straße hinunter, in dessen Rinn dy Agatha runzelte die Stirn. Sie war stein die kleinen Papierschiffchen aus Banknoten geschwommen hatten. Er ein wenig verwirrt. »Mr. Steffen dürfte mit dieser Be bewegte seinen Wagen nur langsam merkung ein wenig übertrieben ha und beobachtete aufmerksam den ben«, erklärte der Butler, »Wie Mylady Straßenverkehr. Verdächtiges konnte bereits festzustellen geruhten, könnte Parker allerdings nicht feststellen. Er Mr. Steffen durchaus gelogen haben, hielt vor einem Pub in der Nähe des was den Hinweis auf Mr. Buttons be bewußten Bretterzauns und erntete trifft. Dabei könnte es sich durchaus dafür ein zustimmendes Nicken seiner Herrin. um eine falsche Spur handeln.« »Sehr aufmerksam, Mr. Parker«, »Wie auch immer, Mr. Parker.« Sie widerstand der Versuchung, noch ein sagte sie, »ich fürchte, ich werde etwas viertes Stück Früchtekuchen zu es für meinen Kreislauf tun müssen.« »Darüber hinaus können Mylady sen. »Finden Sie heraus, wer dieses geheimnisvolle Subjekt ist, damit ich sich einer interessierten Öffentlichkeit 13
zeigen«, erwiderte Parker. Er stieg aus, öffnete den hinteren Wagenschlag und überwachte das Aussteigen der großen, fülligen und majestätischen Erscheinung Lady Simpsons. Es war natürlich wieder mal Josuah Parker, der in dieser Umgebung Auf sehen erregte. Er schien aus einer an deren Welt gekommen zu sein, um der Gegenwart einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Sein schwarzer Covercoat, die schwarze Melone, der altmodi sche Eckkragen und der schwarze Binder wiesen ihn eindeutig als einen hochherrschaftlichen Butler aus, der in die viktorianische Zeit paßte. Der altväterlich gebundene Regenschirm vervollständigte diesen Eindruck. Lady Agatha hingegen wirkte we sentlich moderner und zupackender. Sie trug eines ihrer beliebten Tweed kostüme, die alle viel zu weit waren. Die Schuhe waren derb, geschnürt und sehr groß. An ihrem rechten Handgelenk baumelte der perlenbe stickte Pomadour, und auf dem Kopf saß eine ihrer beliebten Hutschöpfun gen. Sie erinnerte an eine mißglückte Mischung aus einem Napfkuchen und einem Südwester der Seefahrt. Den noch, die ältere Dame in ihrer Fülle strömte Autorität und Selbstbewußt sein aus. »Man scheint mich sofort wiederer kannt zu haben, Mr. Parker«, sagte sie wohlwollend. Natürlich irrte sie. Die Aufmerksamkeit einiger junger Män ner vor dem Eingang zum Pub galt eindeutig dem Butler. »Wie wär's denn mit ein paar Scheinchen für 'ne kleine Erfri schung? « sagte einer der jungen Män ner. Er trug Jeans, hatte sich den Kopf kahl rasiert und gab sich herausfor dernd. Er versprach sich einen Spaß mit Parker und wollte seinen Freun den beweisen, wie überzeugend er war. »Darf man fragen, wie Ihr Hinweis gemeint ist?« erkundigte sich der But ler. Agatha Simpson baute sich seit lich hinter ihrem Butler auf und 14
brachte ihren Pompadour in leichte Schwingung. »Rück mal ein paar Kohlen raus, Alterchen«, erwiderte der junge Mann und grinste, »is' nur 'ne kleine Anlei he, klar? Wir zahlen alles zurück. Eh renwort!« »Sie werden verstehen, daß man Zweifel an Ihrem Versprechen hegt«, meinte Parker höflich wie stets. »Willst du damit sagen, ich würde lügen?« Der junge Mann wurde ernst. »So kann man es selbstverständlich auch ausdrücken«, entgegnete der Butler gemessen. »Das lasse ich nicht auf mir sitzen, Mann.« »Das ist ein Problem, mit dem Sie sich ganz allein auseinandersetzen müssen. Sie erlauben, daß man Myla dy in das Lokal führt?« »Zuerst werd' ich dir mal was auf die Nase geben«, schickte der junge Mann voraus, »un' dann unterhalten wir uns noch mal über die kleine An leihe, klar?«. Parker hatte den altväterlich gebun denen Regenschirm vom angewinkel ten linken Unterarm gelöst und in die rechte Hand genommen, über die sich ein schwarzer Lederhandschuh spannte. Der Butler stach mit der Spit ze dieses Schirms auf den ausgefran sten Tennisschuh des jungen Mannes und traf zielsicher die Zehenpartie. Der junge Kreditnehmer verfärbte sich, holte ungemein tief Luft, hielt sie ungewöhnlich lange in den Lungen und stieß dann endlich einen spitzen Jaulton aus. »Sie sollten sich wegen einer offen sichtlichen Bagatelle nicht entschuldi gen«, meinte Josuah Parker und lüfte te überaus höflich die Melone, »war um sollte es Ihnen nicht erlaubt sein, sich mal zu irren?« Der junge Mann nahm diesen Hin weis nicht entgegen, hüpfte inzwi schen auf dem noch intakten Fuß her um und produzierte weitere Heultöne. Seine Begleiter, etwa vier oder fünf
junge Gleichaltrige, wußten nicht so recht, wie sie sich verhalten sollten. Lady Agathas Temperament war na türlich geweckt worden. Sie schritt energisch auf diese jungen Männer zu und ließ ihren Pompadour kreisen. Ih re dunklen Augen funkelten. Instinktiv spürten die jungen Män ner, daß Gefahr im Verzug war. Sie wichen respektvoll zurück und rotte ten sich neben dem Hydranten zusam men. Butler Parker hatte inzwischen die Tür zum Pub geöffnet und ließ My lady eintreten. »Ich will doch sehr hoffen, Mr. Par ker, daß ich diese Lümmel gleich noch antreffen werde«, sagte sie. »Mit an Sicherheit grenzender Wahr scheinlichkeit, Mylady«, versicherte Parker der älteren Dame, »man wird diese erlittene Schmach kaum auf sich sitzenlassen.«
Der Butler erhob sich vom Stuhl und ging gemessenen Schrittes hinüber zum Tresen, um einen zweiten Brandy zu kaufen. Er selbst trank nichts. Par ker machte sich nichts aus Alkohol. Der Barkeeper reichte das gefüllte Glas, beugte sich dabei ein wenig vor und flüsterte dem Butler etwas zu, was Parker nur bruchstückhaft verstand. Er entnahm den Worten des Barkee pers, der kaum die Lippen bewegte, daß er in den Waschraum kommen sollte. Parker tat so, als hätte er nichts ver standen. Er trug den Brandy an Myla dys Tisch zurück und entschuldigte sich dann für einen Moment. Der But ler betrat den Korridor, der zu den Waschräumen führte und war auf der Hut. Immerhin konnte es sich um eine Falle handeln, in die man ihn zu locken be absichtigte. Da der Barkeeper noch hinter dem Tresen stand, baute Parker sich in einer dunklen Nische auf, die Mylady trank einen doppelten Bran von einer Wand und einem Spielauto dy und belebte ihren Kreislauf. Sie saß mat gebildet wurde. Nach wenigen Au in einer Nische und musterte die Gäste genblicken waren schnelle Schritte zu im Pup. Hier hatte man wohl bereits vernehmen. mitbekommen, was sich draußen ab Der Barkeeper fuhr zusammen, als gespielt hatte. Viele Gäste musterten Parker plötzlich vor ihm stand. Mylady und Parker unverhohlen, tu »Mann, haben Sie mich erschreckt«, schelten miteinander und prosteten beschwerte er sich fast, »kommen Sie den beiden Neuankömmlingen zu. weiter nach hinten.« »Nichts als nette Leute«, räsonierte »Sie sollten vielleicht vorausgehen«, die passionierte Detektivin, »wo blei schlug Parker vor, um dann dem Mann ben diese Subjekte aus der Unter zu folgen. Der Barkeeper passierte die welt?« beiden Waschräume und öffnete eine »Man wird früher oder später er Tür. Parker blickte in einen Raum, der scheinen, Mylady«, erwiderte Josuah offensichtlich als Lager diente. Auf Re Parker, »der Vorfall vor dem Pub muß galen standen Kartons, Konserven und sich erst noch ein wenig herumspre Flaschen aller Art. chen.« »Selbstverständlich nach Ihnen«, »Man soll sich gefälligst beeilen«, meinte Parker, als der Barkeeper in sagte die ältere Dame ungeduldig, »ich einer höflichen Geste zur Seite trat. habe meine Zeit nicht gestohlen.« Der Mann nickte und schlüpfte in den »Darf man sich nach Myladys Kreis Raum. Parker folgte erst danach. lauf erkundigen?« »Es geht da um diese verdammten »Er normalisiert sich«, lautete Aga Banknoten«, sagte der Barkeeper ohne tha Simpsons Antwort, »aber ich wer jede Einleitung, »hier in den Straßen de noch einen zweiten Brandy brau ist die Hölle los.« chen, Mr. Parker.« »Könnten Sie sich unter Umständen 15
etwas deutlicher ausdrücken?« fragte der Butler. »Nicht nur ich hab' mitbekommen, daß Sie da 'nen Ledersack vom Bau platz mitgenommen haben«, schickte der Barkeeper voraus, »und jetzt sind die Fowlers dran.« »Ein Name, der meiner Wenigkeit nichts sagt, wie ich bekennen muß.« »John und Elsie Fowler«, meinte der Barkeeper eindringlich, »die woh nen da drüben im Block und haben jetzt Ärger mit Sally.« »Der Sinn Ihrer Rede wird immer dunkler«, stellte Parker fest. »Da sind ein paar Kerle hinter Sally her, verstehen Sie?« Der Barkeeper sah den Butler eindringlich beschwö rend an. »Könnte es sich bei der erwähnten Sally um eine junge Dame handeln?« fragte der Butler. »Sally ist gerade zehn Jahre alt«, meinte der Barkeeper und lächelte flüchtig, »sie ist eine richtige Rotzna se, die einem verdammt auf die Ner ven gehen kann. Man will sie umbrin gen, verstehen Sie? Das wenigstens sagt John Fowler.« »Es wäre vielleicht recht nützlich, die Adresse der Familie Fowler ge nannt zu bekommen«, schlug Josuah Parker vor, »Sie sind mit ihr näher be freundet?« »Elsie ist meine Schwester«, hörte Josuah Parker, »und auch Elsie be hauptet, man hätte auf Sally ge schossen.« Parker brauchte einige Geduld, bis er endlich die Adresse der Familie Fowler erfuhr. Danach verabschiedete sich der Barkeeper hastig und eilte in den Schankraum zurück. Da Parker nun schon mal in den hinteren Räu men des Pub war, nutzte er die Gele genheit, sich ausreichend zu informie ren, was die übrigen Räumlichkeiten anging. Für den Fall eines Falles woll te er in der Lage sein, Mylady eine Art Notausgang anbieten zu können.
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Agatha Simpson schien sich in der Zwischenzeit ein Glas Bier gekauft zu haben. Sie stand am Tresen und stellte das noch halb gefüllte Glas gerade ab. Da zu benutzte sie allerdings den Kopf ei nes Mannes, der knapp vor ihr stand und dabei war, in die Knie zu gehen. Die Lady machte einen ungemein ani mierten Eindruck. »Wagen Sie es nicht noch mal, eine hilflose Frau zu beleidigen«, sagte sie nachdrücklich und trat mit dem rech-. ten Fuß gegen das linke Schienbein des Mannes, der daraufhin brüllte und nach hinten wegrutschte. »Mylady wurden belästigt?« erkun digte sich der Butler höflich bei seiner Herrin. »Ich denke schon«, erwiderte Aga tha Simpson, »dieser Lümmel forder te mich auf, mit ihm ins Hinterzimmer zu gehen.« »Eine Einladung, die man keines wegs als standesgemäß bezeichnen kann, Mylady.« »Er forderte mich mit einem Messer dazu auf, Mr. Parker. Eine Unver schämtheit!« »Falls Mylady erlauben, möchte meine Wenigkeit sich dieser Einschät zung vollinhaltlich anschließen«, sag te Josuah Parker und ging dann auf den Mann zu, der auf dem schmutzi gen Boden vor dem Tresen saß und nicht recht wußte, was er massieren sollte, seinen Kopf oder sein Schien bein. »Mylady erwartet eine Entschuldi gung«, schickte Parker voraus, »Myla dy ist durchaus damit einverstanden, daß dies unter sechs Augen ge schieht.« »Was ist denn? Was ist eigentlich los?« fragte der Mann und griff nach dem dolchartigen Messer, das in sei ner Nähe auf dem Boden lag. Er beließ es allerdings bei diesem Versuch, als Parker die Spitze seines Universal-Re genschirms auf den Handrücken des Mannes stellte. »Sie sollten sich tunlichst schnell er
heben und sich eine passende Ent schuldigung einfallen lassen«, schlug Parker vor und deutete dann mit der Schirmspitze auf die halb geöffnete Tür, hinter der sich das erwähnte Hin terzimmer befand. Agatha Simpson schritt bereits voran, griff nach einem gefüllten Bierglas auf dem Tresen und goß den Inhalt über den Kopf des sich duckenden Mannes. »Das wird die Schwellung lindern«, meinte die ältere Dame, »nun erheben Sie sich endlich, sonst werde ich Ih nen Beine machen.« Der Mann tat wie geheißen und wollte sich schleunigst absetzen. Sein Ziel war die Tür des Pub, doch Josuah Parker lenkte seine Energien in eine andere Richtung. Mit dem Bambus griff seines Schirmes hakte er hinter das rechte Bein des davoneilenden Mannes, der prompt das Gleichge wicht verlor und der Länge nach hin schlug. »Sie scheinen es sich in den Kopf gesetzt zu haben, sich zu schaden«, kommentierte Parker das kleine Inter mezzo, »darf ich in Erinnerung rufen, daß Sie sich bei Mylady entschuldigen wollen?« Endlich hatte der Mann begriffen. Während die übrigen Gäste interes siert, neugierig und beeindruckt zu schauten, stand der Mann wieder auf und torkelte ins Hinterzimmer. Er war etwa dreißig Jahre alt, untersetzt und augenscheinlich muskulös. Viel Freunde schien er im Pub nicht zu ha ben. Es gab kaum einen mitfühlenden Blick für ihn. Parker schloß die Tür des Hinter zimmers und wandte sich an den Mann. »Mylady geruht zu warten«, sagte er dann, »und Mylady will vor allen Din gen erfahren, in wessen Auftrag Sie Mylady zu sprechen wünschten.« »Verdammt, so hat mich noch keine Frau ...« Der Mnan brachte seinen Satz nicht zu Ende, wischte sich das klebrige Bier aus dem Gesicht und starrte Agatha Simpson wütend an.
»Sie dürften inzwischen um eine Er fahrung reicher geworden sein«, stell te Josuah Parker fest, »doch jetzt soll ten Sie den Namen jener Person nen nen, die Sie beauftragte, Kontakt mit Lady Simpson aufzunehmen.« »Und zwar etwas plötzlich, junger Mann«, grollte die Detektivin, »ich fühle mich sonst wieder sehr belei digt.« »Mills«, lautete die nun hastige Ant wort, »Dave Mills.« »Eine ausgemachte Lüge«, entgeg nete Lady Agatha und ließ ihren Pom padour dicht am Kopf des Mannes vorbeikreisen. »Ehrenwort, Lady«, stöhnte der Mann beeindruckt, »Dave Mills.« »Was könnte man sich unter Um ständen unter diesem Namen vorstel len?« wollte der Butler wissen. »Mills macht in Briefmarken«, laute te die Antwort, »er hat hier in der Nä he einen Laden. Mehr weiß ich auch nicht.« »Und wie lautete Ihr Auftrag im De tail?« fragte Josuah Parker weiter. »Ich sollte die Lady zu ihm bringen. Und Sie dann auch, Sir.« Der Dreißig jährige war sehr kleinlaut geworden. »Warum sagten Sie das nicht gleich?« Parker deutete ein verständ nisloses Kopfschütteln an, »selbstver ständlich wird Mylady dieser so freundlichen Einladung folgen.« »Und zwar sofort«, fügte die ältere Dame hinzu, »für Briefmarken habe ich mich schon immer interessiert.«
Sie warteten vor dem Eingang zum Pub auf Mylady und den Butler. Die jungen Männer wollten endlich ihre Rache genießen. Sie wurden von je nem jungen Mann angeführt, dessen Zehen noch intensiv schmerzten. »Sie dürften ein Kenner dieses Vier tels sein«, meinte Parker zu seinem Begleiter, »wer sind diese jungen Männer?« »Sie gehören zu einer Straßen 17
Gang«, erklärte der Mann. »Große breitete. Erst als ihre Augen sich mit Tränen füllten und sie von einem kol Klappen und nichts dahinter.« Parker hatte den Hinterausgang ge lektiven Husten erfaßt wurden, merk wählt und ließ den Handlanger des ten die jungen Männer, daß da einiges noch unbekannten Dave Mills nicht nicht stimmte. Sie spritzten auseinan aus den Augen. Lady Agatha musterte der, waren verwirrt, husteten sich die aus der Entfernung die jungen Män Seele aus dem Leib und wischten sich ner und zeigte große Lust, sich mit ih die hinderlichen Tränen aus den Au nen anzulegen. genwinkeln. »Vielleicht sollten und könnten My Es dauerte nicht lange, bis sie sich lady zu einem späteren Zeitpunkt päd auf den Gehweg-Platten niederließen agogische Maßnahmen hinsichtlich und jegliches Interesse an ihrer Um der jungen Männer ergreifen«, schlug welt verloren. Sie husteten im Chor, Josuah Parker vor. weinten und legten eine ungewöhnli »Ich fühle mich belästigt«, antwor che Apathie an den Tag. tete sie aggressiv, »man lauert mir Parker wartete, bis die Schwaden doch auf, oder etwa nicht?« sich verflüchtigt hatten. Dann schritt »Mylady werden sicher vorerst er gemessen hinüber zum hochbeini großzügig darüber hinwegsehen«, ver gen Monstrum, nahm am Steuer Platz mutete der Butler, »Mylady dürften und setzte seinen Wagen bis in Myla im Augenblick nur an Briefmarken in dys Höhe zurück. Der Mann, der die teressiert sein.« Detektivin im Pub mit einem Messer Das hochbeinige Monstrum des hatte bedrohen wollen, ließ sich von Butlers stand in der Nähe der jungen der älteren Dame widerstandslos in Schläger. Näherte man sich dem Wa den Fond des Monstrums drücken. gen, mußten die erwartungsfrohen Parker gewann den Eindruck, daß Mitglieder einer Straßen-Gang auf ih Mylady ihm eine Kostprobe ihres re Opfer aufmerksam gemacht wer Pompadours verabreicht hatte. den. Dem galt es vorzubeugen. In diesem perlenbestickten Hand Josuah Parker erledigte dieses klei beutel befand sich ihr sogenannter ne Problem auf seine Art. Er langte in Glücksbringer, nämlich ein echtes eine seiner vielen Westentaschen, zog Pferdehufeisen, das nur oberflächlich eine perforierte Plastikkapsel hervor von dünnem Schaumstoff umgeben und drückte sie mit Daumen und Zei war. Wer von diesem Glücksbringer gefinger ein. Ein feines Knacken und gekostet hatte, stand für einige Zeit Brechen von Glas war zu vernehmen. nicht mehr sehr sicher auf den Beinen. Die Glasampulle in der Kapsel war »Dieses Subjekt versuchte doch tat auseinandergeborsten und gab eine sächlich, mich zur Seite zu stoßen«, wasserklare Flüssigkeit frei, die sich sagte die Lady entrüstet, als sie sich spontan und aggressiv mit dem Sauer im Wagen befand, »leider gab es schon stoff der Luft verband. nach der ersten Ermahnung auf.« Der Butler beeilte sich nun, die Kap »Ein gewisser Lernprozeß dürfte sel wegzuwerfen. Er holte kurz aus demnach bereits eingesetzt haben, und beförderte die kleine chemische Mylady«, erwiderte Josuah Parker Bombe hinüber zu den Mitgliedern höflich, »die Fahrt hierher zu den Sur der Straßen-Gang. Sie landete ungese rey Docks kann man nur als ausge hen zwischen den Beinen der jungen sprochen glücklich bezeichnen.« Männer, die sich auf die Tür zum Pub »Sie sollten immer auf mich hören, konzentrierten. Mr. Parker«, erwiderte die ältere Da Daher übersahen sie auch den fei me prompt und nickte nachdrücklich, nen, weißlichen Schwaden, der vom »ich weiß genau, wie man einen Kri Boden hochstieg und sich schnell aus minalfall anpacken muß. Nun, im 18
Lauf der Zeit werden auch Sie das noch lernen.«
Das Ladenlokal des Briefmarken händlers befand sich im Souterrain ei nes schäbigen Wohnhauses und er munterte nicht gerade zum Eintreten. Neben der Eingangstür gab es ein klei nes Schaufenster, in dem mit Brief marken vollgestopfte Plastikbeutel hingen. Die Marken waren vergilbt, reine Massenware und wohl seit vielen Monaten nicht bewegt worden. Parker öffnete die Tür und schaute sich im Raum um. Es gab eine winzige Verkaufstheke, einige Regale und zwei kleine Vitrinen. Es roch nach stockigem Papier, nach abgestande nem Rauch und schalem Bier. Rechts von der Theke befand sich eine schmale, halb geöffnete Tür. »Sie sollten sich bemerkbar ma chen«, schlug Parker dem Mann vor, der sich inzwischen ein wenig erholt hatte. »Ich ...?« fragte der Mann gedehnt. »Nun, worauf soll ich warten?« schaltete die Detektivin sich ein. Dar auf hüstelte der Begleiter nervös und rief dann halblaut nach Dave Mills. »Komm schon«, hörte man aus der Tiefe der hinteren Räume eine scharfe Stimme. Schritte näherten sich, dann erschien ein mittelgroßer, korpulenter Mann mit schwarzen, schnellen Wie selaugen. Der Mann trug einen weißen Verkaufskittel, der sich aber eindeutig nach der Waschtrommel sehnte. »Mr. Dave Mills, wie zu vermuten ist?« erkundigte sich Parker und lüfte te höflich die schwarze Melone. »Dave Mills«, bestätigte der Brief markenhändler und blickte auf den Dreißigjährigen. Dann musterte er Agatha Simpson und den Butler. »Sie baten darum, Mylady sprechen zu dürfen«, schickte Josuah Parker voraus, »der Überbringer dieser Ihrer Bitte vergriff sich allerdings im Ton, um es mal so auszudrücken.«
»Dieses Subjekt bedrohte mich mit einem Messer«, schaltete Lady Agatha sich grollend ein, »und so etwas lasse ich mir grundsätzlich nicht bieten. Aber ich bin kaum nachtragend. Sie dürfen mir sagen, was Sie bedrückt, junger Mann.« Der so Angesprochene war gut und gern fünfundvierzig Jahre alt und völ lig irritiert. Daß aus seiner eigenarti gen Einladung genau das Gegenteil geworden war, mußte er erst noch ver dauen. »Nun kommen Sie gefälligst zur Sa che«, raunzte Agatha Simpson und schlug mit ihrem Pompadour auf die Platte der kleinen Verkaufstheke, die sich durchbog. »Das mit dem Messer stimmt über haupt nicht«, verteidigte sich der Mann aus dem Pub, »so hatte ich das mit dem Messer überhaupt nicht ge meint, Dave, bestimmt nicht.« »Sie sollten in der Tat zur Sache kommen, Mr. Mills«, mahnte Josuah Parker höflich. »Dieses Rindvieh sollte überhaupt nichts«, brüllte der Briefmarkenhänd ler gereizt, »hauen Sie ab, bevor ich an die Decke gehe! Ist das klar!« »Sie drohen einer Lady Simpson?« fragte die ältere Dame erfreut. »Ich will nur, daß, Sie verschwinden. Ich kenne Sie überhaupt nicht, und dieser Idiot da lügt sich was in seine Tasche.« Danach sagte Dave Mills nichts mehr. Lady Agatha hatte ihm eine ihrer be rüchtigten Ohrfeigen verabreicht, worauf der Briefmarkenhändler in ei ner der beiden kleinen Vitrinen Platz nahm. Glas klirrte und ging zu Bruch. Die vier Holzbeine der Vitrine zeigten sich der Belastung nicht gewachsen und knickten seitlich weg. »Sie sollten Myladys Zorn nicht un nötig wecken«, meinte der Butler zu Dave Mills, der seitlich aus den Trüm mern der Vitrine rutschte und müh sam aufstand. »Okay, Lady«, rief der Briefmarken 19
händler und streckte beide Hände ab ten die ältere Dame und ihren Butler wehrend vor, »ruinieren Sie nicht zwar wütend-gehässig an, wandten gleich meinen Laden. Ich sollte Sie, sich dann aber um und verließen das äh, ich sollte Sie mit Bruce Walker zu Ladenlokal. »Keine Dummheiten«, warnte Bru sammenbringen.« »Es geht doch, junger Mann«, ant ce Walker noch mal, »mir macht's wortete Lady Agatha leutseilig, »und überhaupt nichts aus, euch umzu nieten.« wer ist dieser Mann?« »Mylady weiß längst, daß Sie kei »Das weiß ich auch nicht so genau, aber... Moment, Lady, ich red' ja neswegs bluffen«, antwortete der But schon. Jetzt fällt es mir wieder ein. ler, »die Organisation, der Sie angehö Walker ist so 'ne Art Kassierer. Wissen ren, verfügt augenscheinlich über ei Sie, ich gehör' nämlich 'ner Händler nen gut funktionierenden Informa tionsapparat.« kette an.« »Und wo, wenn man fragen darf, »Wie kommen Sie denn darauf?« hält erwähnter Mr. Walker sich augen fragte Bruce Walker und tat damit ge blicklich auf?« fragte Josuah Parker nau das, was Parker beabsichtigte. geduldig und höflich wie stets. Walker ließ sich auf ein Gespräch ein. »Myladys Rückkehr hierher zu den »Hier«, sagte in diesem Augenblick eine verbindlich klingende Stimme. Surrey Docks wurde erstaunlich In der Tür, hinter der der Korridor lag, schnell registriert.« erschien ein schlanker, großer Mann »Wir sind eben überall«, lobte sich mit breiten Schultern und katzenhaft Walker und seine Organisation. lässigen Bewegungen. Er besaß ein »Nach Lage der Dinge dürfte es sich gebräuntes Gesicht mit grauen Augen um einen Ledersack handeln, der mit und zeigte zudem noch eine Automa Banknoten gefüllt ist, nicht wahr? « tik mit langem Schalldämpfer. »Sie kapieren schnell«, gab Walker »Mr. Bruce Walker?« forschte Josu zurück und blickte dann kurz auf die ah Parker und langte höflich nach sei ältere Dame, die sichtlich kurz atmete. ner schwarzen Melone. »Sie gehören jener Organisation an, »Lassen Sie Ihren Arm unten, Par die diese Banknoten vermißt?« lautete ker«, warnte der Lässige und lächelte Parkers nächste Frage. dünn, »ich warte eigentlich nur dar »Diese Banknoten werden wir jetzt auf, Ihnen ein Ding verpassen zu gemeinsam holen«, gab Bruce Walker können.« zurück, »und damit dürfte der Fall für »Ihr Wunsch ist meiner Wenigkeit Sie dann gelaufen sein.« selbstverständlich Befehl, zumal, die »Mein bescheidener Wagen steht zur momentanen Umstände keine andere Verfügung«, erbot sich Parker, »Myla Wahl zulassen«, antwortete Josuah dy werden gegen eine Rückgabe des Parker. verwähnten Ledersacks nichts einzu wenden haben.« »Natürlich nicht«, schnaufte die äl tere Dame und faßte ungeniert nach »Ihr macht überhaupt nichts«, fuhr der Herzgegend, »aber ich brauche et Bruce Walker den Briefmarkenhänd was Wasser, ich muß meine Tablette ler und dessen Boten an, »geht raus nehmen.« auf die Straße und bringt meinen Wa »Die können Sie sich zu Hause ver gen. Er steht in der Seitenstraße.« passen, Lady«, meinte der Gangster, Die beiden Männer, die sichtbar der nach Parkers Einschätzung ein Lust verspürt hatten, sich auf Lady eiskalter Killer sein mußte. Simpson und Butler Parker zu stür »Dann schnell«, bat Lady Agatha zen, gehorchten aufs Wort. Sie blick und verdrehte die Augen. 20
»Mylady leidet an Herzschwäche«, warnte der Butler eindringlich. »Und ich an Zeitmangel«, erwiderte Bruce Walker wegwerfend, »los, Lady, nun machen Sie schon! Bis nach She pherd's Market werden Sie hoffentlich noch durchhalten ....« »Schnell, schnell«, keuchte die älte re Dame und rutschte förmlich in sich zusammen. Sie verlor etwas von ihrem Gleichgewicht und lehnte ihre Fülle gegen die Wand. Bruce Walker aber ließ sich keineswegs beeindrucken. Er blieb auf Distanz und nagelte Lady Agatha und Butler Parker mit den Au gen fest. Der Briefmarkenhändler und sein Bote kamen zurück in das kleine La denlokal und machten einen etwas un glücklichen Eindruck. »Ist mein Wagen da?« fragte der Killer. »Das Ding ist verschwunden, Bru ce«, entgegnete Dave Mills nervös, »hast du die Wagentür offen ge lassen?« »Eine recht unsichere Gegend«, stellte Parker fest. »Verdammt.« Bruce Walker über legte und nickte dann. »Kümmert euch um meinen Schlitten. Wir neh men den von Parker. Los, raus auf die Straße! Und macht keinen Arger, sonst lege ich euch um!« »Mylady wird kaum in der Verfas sung sein, den Ereignissen in den sprichwörtlichen Arm fallen zu kön nen«, gab Josuah Parker zurück und setzte sich in Bewegung, »ist es gestat tet, Mylady den hilfreichen Arm zu leihen?« »Ihr bleibt auseinander«, befahl der Killer mißtrauisch, »ihr sollt 'ne Men ge fauler Tricks auf Lager haben.« »Werden Mylady den Weg bis zum Wagen schaffen?« erkundigte sich der Butler besorgt. »Ich . .. Ich werde mich zusammen reißen«, gab sie kurzatmig zurück, »ich muß es einfach schaffen.« »Das möchte ich Ihnen auch geraten haben«, sagte der Killer spöttisch,
»oder wollen Sie mit 'ner Bleiplombe zurückbleiben?« Bis zum hochbeinigen Monstrum war es nicht weit. Agatha Simpson schleppte ihre Fül le zum Wagen, öffnete die hintere Tür und ließ sich auf den Rückpolstern nieder. »Sie setzen sich ans Steuer, Parker«, kommandierte Bruce Walker und be ging damit bereits einen Kardinal fehler. »Wie Sie zu meinen belieben.« Par ker deutete eine knappe Verbeugung an und nahm am Steuer Platz. Bruce Walker überwachte das Einsteigen mit Argusaugen. Ihm war deutlich anzuse hen, daß er eigentlich nur darauf war tete, um einen Schuß anzubringen. Als Parker Platz genommen hatte, folgte Bruce Walker in den Wagen und setzte sich auf den Beifahrersitz. Er rümpfte die Nase und schaute sich kufz im hochbeinigen Gefährt um. »Woher stammt denn diese Schrott kiste?« fragte er spöttisch. »Ein betagter Wagen, der zudem ein wenig laut ist«, erwiderte Josuah Par ker und ließ den mächtigen Rennmo tor anspringen, »aber er tut noch durchaus seine Dienste, Mr. Walker, wie man hoffentlich demonstrieren kann.« Parker ließ den Motor aufheulen, und Walker überhörte völlig die noch gebändigte Kraft des Brausens unter der eckigen Motorhaube. Parker blickte kurz auf die Automatik in der Hand des Killers, gab noch mehr Gas und ließ dann plötzlich die Kupplung kommen.
Bruce Walker verlor jeden Halt. Eine unsichtbare, aber gewaltige Faust schien ihn in die Rücklehne ge schlagen zu haben. Der Killer war überhaupt nicht in der Lage, seine Waffe auf den Butler zu richten. Hilf los hing der Mann im Sitz und schnappte nach Luft. 21
Eine Sekunde später brüllte er nach haltig auf. Aus dem Polstersitz war ei ne spitze Nadel gefahren und hatte sich in seine linke Gesäßhälfte ge bohrt. Der Vorgang war durch Parker ausgelöst worden, der dazu einen kaum auszumachenden Knopf neben dem Kupplungspedal niedergetreten hatte. »Das Anzugsvermögen ist noch durchaus bemerkenswert, Mr. Walker, wie Sie vielleicht inzwischen festge stellt haben«, meinte Parker, der die Waffe längst an sich gebracht hatte, »Sie haben sich «hoffentlich nicht ver letzt.« Bruce Walker hing noch immer schräg auf seinem Sitz und verspürte einen brennenden Schmerz in der lin ken Gesäßhälfte. Gleichzeitig aber breitete sich in seinem Unterleib eine Art Lähmung aus. Er war nicht mehr in der Lage, die Beine zu bewegen. »Was . . . Was war das?« fragte er und spielte eindeutig auf den Stich an, der ihn getroffen hatte. »Sie sitzen nicht bequem?« wollte Parker wissen. »Meine Beine«, keuchte Walker, »meine Beine . . . Und jetzt auch mei ne Arme . . . Was ist das?« »Möglicherweise könnte sich Ihr Ischiasnerv eingeklemmt haben«, bot Josuah Parker als Erklärung an. Ihm war natürlich klar, um was es sich handelte. Die Nadelspitze, die aus dem Polster gefahren war, wirkte wie eine Injektionsspritze. Sie war che misch präpariert und löste eine Art Lähmung aus, die aber nicht weiter gefährlich war. »Sie... haben mich... reingelegt«, stöhnte Walker. Er war bereits nicht mehr in der Lage, flüssig zu spre chen. »Sie sollten sich keine unnötigen Sorgen machen, Mr. Walker«, empfahl Parker dem Killer, »Mylady allerdings wird Ihnen sicher Manieren bei bringen.« Auch sie hing noch in der Ecke des Fonds und rückte ihren eigenwilligen 22
Hut zurecht, der tief in die Stirn ge rutscht war. Sie stemmte sich dann energisch in die Höhe und griff nach dem Mikrofon der Bordsprechanlage, da die Trennscheibe hochgefahren war. »Lassen Sie die Scheibe hinunter«, verlangte sie, »ich werde diesem Sub jekt erst mal einige Ohrfeigen verab reichen.« »Mr. Walker dürfte sie kaum verspü ren, Mylady«, sprach Parker ins Mi krofon, das im Armaturenbrett einge lassen war. »Myladys Fahrgast dürfte sich bereits jenseits von Gut und Böse befinden, um es mal so auszu drücken.« »Hat dieser Kriminelle wirklich ge glaubt, mich überlisten zu können?« fragte sie aufgebracht. »Er beging diesen Fehler, Mylady.« Parker blickte auf Bruce Walker, der entspannt auf dem Beifahrersitz hing und versonnen lächelte. Er hatte die Augen geschlossen und nahm nichts mehr wahr. Das chemische Präparat hatte inzwischen seine volle Wirkung erreicht. »Lassen Sie die Trennscheibe hin unter«, meinte die ältere Dame, »ich glaube, ich werde dieses Subjekt ohr feigen müssen.« »Mr. Bruce Walker dürfte den Sinn solch einer pädagogischen Maßnahme im Augenblick kaum nachvollziehen können, Mylady«, erklärte Josuah Parker, »er befindet sich momentan im sprichwörtlichen Land der Träume.« »Nun denn, ich werde warten«, sag te sie und lehnte sich wieder in die Polster zurück, »aber ich werde dem Lümmel nicht verzeihen, daß er mei nen Herzanfall überhaupt nicht zur Kenntnis nahm.« »Eine unterlassene Hilfeleistung, zu der er moralisch verpflichtet gewesen wäre«, sagte Parker. »Und dabei war ich doch wirklich überzeugend«, redete die ältere Dame ohne jede falsche Bescheidenheit wei
ter,. »oder sehen Sie das etwa anders, Mr. Parker?« »Keineswegs und mitnichten, Myla dy«, entgegnete Josuah Parker, ohne auch nur die Miene zu verziehen, »für einige Sekunden glaubte auch meine Wenigkeit, daß Mylady unter einer plötzlichen Herzattacke litten.« »Als Schauspielerin bin ich eben perfekt«, lobte sie sich wieder sehr nachdrücklich, »an mir kann sich noch mancher Darsteller ein Beispiel nehmen.« »Falls es erlaubt ist, Mylady, möchte meine Wenigkeit dem nichts hinzu fügen.« »Und was unternehme ich jetzt?« wollte sie wissen, »machen Sie mir ein paar hübsche Vorschläge, Mr. Parker. Sie sollen auch mal das Gefühl haben, frei entscheiden zu können.«
Es war inzwischen dunkel ge worden. Lady Agatha, Kathy Porter und Mi ke Rander saßen in der großen Wohn halle des altehrwürdigen Fachwerk hauses und gingen die Ereignisse des Tages noch mal durch. Josuah Parker hatte trockenen Portwein gereicht und stand seitlich hinter Myladys Le dersessel. »Dieser Gerüstbauer Steffen also nannte den Namen Bryan Buttons«, faßte der junge Anwalt zusammen, »haben Sie schon herausgefunden, Parker, wer dieser Buttons ist?« »Man bemüht sich noch darum, Sir«, erwiderte der Butler, »Mr. Hora ce Pickett hat sich dieses Problems angenommen.« »Der gute Pickett«, meinte Agatha Simpson und lächelte versonnen, »er ist wirklich zu einer ganz brauchbaren Hilfe geworden.« »Mr. Picketts Verbindungen zur kri minellen Szene Groß-Londons sind durch nichts zu ersetzen, Mylady«, entgegnete der Butler. »Ich sollte ihn irgendwann mal zum
Tee einladen«, redete die ältere Dame weiter, »erinnern Sie mich daran, Mr. Parker.« Horace Pickett, von dem man sprach, war ehemaliger Taschendieb, der inzwischen auf der Seite des Ge setzes stand. Josuah Parker hatte die sem Meister seines Faches mal in ei ner lebensgefährlichen Situation ge holfen, und so war aus einem Saulus ein Paulus geworden. Pickett wurde von Parker immer wieder für besondere Ermittlungen eingesetzt. Der ehemalige Eigentums verteiler, wie er sich früher genannt hatte, war im Lauf der Zeit zu einer unentbehrlichen Hilfe geworden. Auf seine Loyalität konnte man sich unbe dingt verlassen. Hinzu kam noch, daß er Mylady verehrte. »Dieser Bryan Buttons ist also vor erst noch eine Unbekannte«, schickte Mike Rander voraus, »anders ist das wohl im Hinblick auf Dave Mills und Bruce Walker, wie?« »Keine Namen, wenn ich bitten darf«, ließ die ältere Dame sich streng vernehmen, »sie sind nur Schall und Rauch.« Sie konnte keine Namen behalten und reagierte leicht gereizt, wenn sie sich handelnde Personen merken soll te oder mußte. »Mr. Dave Mills ist Briefmarken händler«, erläuterte Josuah Parker höflich, »man kann wohl davon ausge hen, daß er im Hauptberuf aber illega ler Buchmacher ist.« »Ich weiß«, sagte die Detektivin, »ich kenne schließlich jedes Detail, Mr. Parker. Und wer ist der andere Mann?« »Mr. Bruce Walker, der Myladys Herzattacke ignorierte«, erinnerte der Butler. »Ist dieses Subjekt inzwischen wie der ansprechbar?« wollte Lady Aga tha wissen. »Er dürfte langsam in die harte Rea lität zurückkehren, Mylady.« »Sie haben ihn in einem der Gäste zimmer untergebracht?« erkundigte 23
sich Kathy Porter lächelnd. Sie kannte diese sogenannten Gästezimmer im Souterrain des Fachwerkhauses, die durchaus komfortabel eingerichtet wa ren, jedoch keine Fenster besaßen und Türen hatten, die nicht ohne Parkers Einwilligung zu öffnen waren. »Mr. Bruce Walker, Miß Porter, dürf te nach Lage der Dinge zu der Organisa tion der illegalen Buchmacher gehö ren«, erläuterte Josuah Parker, »mei ner bescheidenen Ansicht nach ist er ein sogenannter Kassierer, der die ein zelnen Filialen dieser Organisation be reist.« »Das sah ich ihm auf den ersten Blick an«, behauptete Parkers Herrin, »mei nen Augen entgeht nichts.« Kathy Porter und Mike Rander schauten hinauf zur Kassettendecke der großen Wohnhalle und hüteten sich vor einem wechselseitigen Blick. Josu ah Parker hatte sein Mienenspiel wie üblich unter Kontrolle. »Diese Banknotenfälscher haben ih re Druckerei in der Nähe der Surrey Docks«, erklärte die ältere Dame forsch, »warum sonst hätten Sie diesen Ledersack dort versteckt? « »Eine wichtige Frage«, schaltete Mi ke Rander sich ein. Er hatte seinen Lachreiz endlich überwunden. »Warum hat man die falschen Bank noten ausgerechnet auf dem Bau grundstück gelagert?« fragte nun auch Kathy Porter. »Und warum will man angeblich die kleine Sally Fowler umbringen? «fügte der Butler hinzu. »Wer ist Sally Fowler?« fragte Lady Agatha und runzelte die Stirn. »Der Barkeeper in jenem Pub, in dem Mylady beleidigt wurde, erwähnte das kleine Mädchen«, erinnerte Josuah Parker, »es soll bereits auf das Kind geschossen worden sein.« »Das ist selbstverständlich nichts als eine Falle, in die man mich locken will«, behauptete Lady Agatha nachdrück lich, »aber auf solch dumme Tricks falle ich nicht herein, Mr. Parker.« »Haben Sie Ihre Fühler bereits nach 24
diesen Fowlers ausgestreckt?« erkun digte sich Kathy Porter. Sie machte einen besorgten Eindruck. »Mr. Pickett und einige seiner Freun de haben dies übernommen«, lautete Parkers Antwort, »Mylady ließ diesen Wunsch erkennen, falls meine Wenig keit sich nicht grundlegend täuschte.« »Habe ich so etwas tatsächlich ge sagt? « wunderte sich Agatha Simpson. Sie blickte irritiert ihren Butler an. »Nur so war Myladys Hinweis zu ver stehen.« Parker deutete eine Verbeu gung an. »Ich bin eben ein vorsichtiger Mensch«, lobte sie sich prompt, »und rechne mit jeder Möglichkeit.« Kathy Porter und Mike Rander inter essierten sich erneut für die Kassetten decke.
»Mylady läßt ausrichten, Mr. Walker, daß Sie sich keine unnötigen Sorgen zu machen brauchen«, schickte der Butler eine halbe Stunde später voraus und setzte ein Tablett auf den Couchtisch. »Ihnen wird nach wie vor volle Gast freundschaft gewährt werden.« Bruce Walker starrte den Butler an und wäre liebend gern aufgestanden, doch seine Muskeln waren noch nicht bereit, sich für ihn einzusetzen. Der Mann, der offensichtlich ein Killer war, brauchte viel Konzentration, um sich wenigstens etwas aufzurichten. Er lag auf der bequemen Bettcouch in einem der Gästezimmer des Hauses und hatte sich, was den Komfort betraf, über nichts zu beklagen. Im Anschluß an den Raum, der wie ein modernes Apart ment eingerichtet war, gab es ein Bade zimmer mit Dusche und Toilette. »Gastfreundschaft?« fragte er wü tend, aber sehr langsam, weil auch sei ne Zunge noch recht schwer war, »ich bin gekidnappt worden.« »Mylady würde das mit Sicherheit anders sehen und auch entsprechend aussagen, Mr. Walker«, erwiderte Josu ah Parker, »Sie litten eindeutig an einer
KAPTAIN STELZBEIN 2009
akuten Konditionsschwäche, wenn ich es so ausdrücken darf. Die Fahrt im Wagen dürfte Ihrem Kreislauf nicht sonderlich bekommen sein. Es war ein Akt selbstverständlicher Hilfs bereitschaft, Sie zu umsorgen.« »Verdammt«, entgegnete Bruce Walker. Er wollte noch mehr sagen, doch die Zunge weigerte sich, be stimmte Worte zu formen. »Fest steht, daß Sie hingegen die fe ste Absicht hatten, Mylady und meine bescheidene Person früher oder spä ter umzubringen«, faßte Josuah Par ker weiter zusammen, »die entspre chende Waffe mit Ihren Fingerab drücken befindet sieh in Myladys Be sitz.« »Ich . . . Ich bring'... Sie um«, droh te Bruce Walker sehr langsam, »ich mach' das!« »Damit entsprechen Sie durchaus jenem Bild, das man sich von Ihrer Person inzwischen gemacht hat«, er widerte der Butler, »es erhebt sich al lerdings die Frage, ob Mr. Bryan But tons in Zukunft noch Ihrer Dienste be darf.« Der Name Bryan Buttons brachte einige Bewegung in Walkers Gesicht. Er zog die Augen zusammen, um sie dann starr werden zu lassen. »Buttons?« fragte er schließlich ge dehnt. »Bryan Buttons«, wiederholte Josu ah Parker, »meine Wenigkeit geht da von aus, daß er der Kopf einer illega len Buchmacher-Organisation ist, für die Sie als Kassierer arbeiten.« Bruce Walker sagte nichts, schloß die Augen und ließ sich wieder auf die Bettcouch zurückfallen. Parker spür te, daß er die richtigen Zusammen hänge gefunden hatte. »Sie sollten vielleicht eine Tasse Tee nehmen«, schlug er deshalb in seiner höflichen Art vor, »Sie werden sich danach wohler fühlen.« »Ich ... hätt' Sie umlegen . . . sol len«, weinte Bruce Walker verpaßter Gelegenheit nach. »Damit hätten Sie mit Sicherheit ge 26
gen den Auftrag des erwähnten Mr. Bryan Buttons verstoßen«, entgegnete der Butler, »Mr. Buttons möchte schließlich wieder in den Besitz eines gewissen Ledersacks gelangen, der mit Banknoten gefüllt ist.« »Der erwischt Sie«, Walker richtete sich wieder mühsam auf, »der jagt Sie!« »Vielleicht ist meine Wenigkeit an einem Gespräch mit Mr. Buttons in teressiert«, meinte der Butler, »aber dazu müßte man in Erfahrung brin gen, wo er zu erreichen ist.« »Ich sage kein Wort.« Bruce Walker mühte sich ab, die Beine auf den Bo den zu bringen. Als er es geschafft hat te, blickte er den Butler haßerfüllt an. »Sie sollten den Boten spielen«, schlug Parker vor, »sobald Sie dazu in der Lage sind, Mr. Walker, können Sie selbstverständlich Myladys Haus ver lassen. Auf Wunsch wird man Ihnen sogar ein Taxi besorgen.« »Wo . . . ist da . . . der Trick?« wollte der Killer wissen. »Sie haben nichts zu befürchten«, versicherte Parker dem Killer, »Sie werden Herr Ihrer Entschlüsse sein.« »Mit 'ner Kugel im Rücken, wie?« Walker winkte müde ab. »Falls sie auf Sie abgefeuert werden sollte, dann nur auf Veranlassung Mr. Bryan Buttons, der Ihnen möglicher weise unterstellt, Mylady informiert zu haben.« Parker verbeugte sich und verließ das Gästezimmer. Er konnte sicher sein daß der Killer sich seine Gedan ken machen würde.
Horace Pickett war etwa sechzig, und man sah ihm seine etwas ange dunkelte Vergangenheit überhaupt nicht an. Er war groß, schlank und erinnerte an einen pensionierten Offi zier. Er strahlte Autorität aus, hatte an genehme Manieren und war gut ge kleidet. Er traf sich in der Nacht mit Josuah
Parker. Nach einem telefonischen Hinweis war der Butler zu den Surrey Docks gefahren und überbrachte erst mal die guten Wünsche seiner Herrin. »Sie konnte nicht mitkommen?« fragte Horace Pickett. »Mylady arbeitet an ihrem Bestsel ler«, erklärte der Butler, »zu diesem Zweck studiert sie im Augenblick ei nen Kriminalfilm im Fernsehen.« Damit wußte auch Pickett Be scheid. Die ältere Dame plante seit gerau mer Zeit, den internationalen Buch markt mit einem Bestseller zu beglük ken. Sie hatte die feste Absicht, wie sie immer wieder betonte, eine gewisse Agatha Christie in den Schatten zu stellen. Darüber hinaus beschäftigte sie sich mit einem noch zu schreiben den Bühnenstück und mit Filmdreh büchern. Agatha Simpson befand sich allerdings noch in der Zeit der Pla nung. Für ein bestimmtes Thema hat te sie sich bisher noch nicht entschei den können. Parker und Pickett saßen im hoch beinigen Monstrum des Butlers und fuhren langsam durch die Straßen. Parker hatte den ehemaligen Eigen tumsumverteiler am Straßenrand auf gepickt und achtete deshalb auf etwai ge Verfolger. Hier in der Nähe der Sur rey Docks schienen die Banknotenfäl scher ihr Revier zu haben. »Ich habe Kontakt mit den Fowlers aufgenommen«, schickte Horace Pik kett voraus, »ich bin dort zuerst mal als Zeitschriftenwerber aufgetreten. Meiner Ansicht nach sind John und Elsie Fowler völlig verängstigt, Mr. Parker.« »Konnten Sie das Vertrauen des Ehepaares Fowler gewinnen?« erkun digte sich der Butler. »Nach und nach«, erwiderte Pickett, »es war sehr schwierig, aber ich habe herausgefunden, daß sie sich verfolgt fühlen. Man scheint tatsächlich auf die kleine Sally geschossen zu haben. Ich konnte mir ein Einschußloch im Wohnzimmer ansehen.«
»Und auch das Geschoß bergen, wie zu vermuten ist.« »Richtig«, bestätigte Pickett und schmunzelte, »das war nicht beson ders schwer. Mein Begleiter lenkte John und Elsie Fowler ab. Während Pickett dies sagte, über reichte er dem Butler eine Zigaretten packung, in der sich das Geschoß be fand. Parker ließ das Beweisstück in der Tasche seines schwarzen Cover coats verschwinden. »Konnten Sie das kleine Mädchen sehen und sprechen, Mr. Pickett?« fragte der Butler. »Sally ist ein aufgewecktes Ding, zehn Jahre alt, frühreif und altklug«, berichtete der ehemalige Taschendieb weiter, »sie nimmt alles auf die leichte Schulter und kommt sich ein wenig wichtig vor.« »Sie weiß nicht, warum man auf sie geschossen hat?« »Sie tut wenigstens so, Mr. Parker. Sie findet das alles sehr aufregend und weiß natürlich von den Banknoten, die in der Gosse schwammen. Sie will aber nicht dabei gewesen sein, als die anderen Kinder den Ledersack fanden;« »Sie hegen gewisse Zweifel an die ser Aussage, Mr. Pickett?« »Natürlich, Mr. Parker. Wie gesagt, Sally ist altklug. Und Angst scheint sie nicht zu kennen.« »Ließe es sich einrichten, diese klei ne Miß Sally zu sprechen, Mr. Pickett? Meine Wenigkeit geht davon aus, daß Sie bereits entsprechende Maßnah men ergriffen haben.« »Die kleine Sally Fowler wird zu sammen mit ihren Eltern noch in die ser Nacht London verlassen.« »Ihre Ermittlungen kann man wirk lich nur als hervorragend bezeich nen«, meinte der Butler, »und wohin werden die Fowlers sich begeben?« »Nach Chigwell, im Nordosten von London. Dort leben Mr. John Fowlers Eltern.« »Demnach befürchtet man weitere 27
Anschläge und möchte ihnen zuvor kommen. « »So sehe ich das auch, Mr. Parker. Zwei meiner Freunde werden die Fahrt nach Chigwell überwachen.« »Die Familie Fowler versäumte es bisher, die Polizei zu verständigen, was die Schüsse betrifft?« »Man will das nicht an die große Glocke hängen«, entgegnete Horace Pickett, »aber ich glaube, Mr. Parker, daß vor allen Dingen Mrs. Fowler mit einem großen Geschäft rechnet.« »Wie konnten Sie das herausfinden, Mr. Pickett?« »Als ich zu den Fowlers kam, stu dierte Mrs. Elsie Fowler zusammen mit ihrer Tochter Sally den Katalog eines bekannten Versandhändlers. Wie ich weiter feststellte, hatte man bereits eine umfangreiche Bestellung angefertigt, und zwar über den Betrag von weit über zweihundert Pfund.« »Ein Betrag, den die Familie Fowler sicher normalerweise nie für solch ei ne Bestellung aufwenden könnte.« »Davon können Sie ausgehen, Mr. Parker«, bestätigte Horace Pickett, »John Fowler ist seit über einem hal ben Jahr arbeitslos.« »Es ist immer wieder ein reines Ver gnügen, mit ihnen zusammenzuarbei ten«, meinte Josuah Parker, »wird die Familie Fowler ungestört reisen können?« »Das wage ich zu bezweifeln, falls man wirklich hinter ihr her ist, Mr. Parker. Deshalb habe ich ja auch an gerufen und Sie hierher gebeten. Wenn Sie es wünschen, können wir die Familie Fowler nach Chigwell be gleiten.« »Was der Fall sein wird.« Parker nickte andeutungsweise, »diese Nacht gehört der Familie Fowler. Sie wird einen Wagen benutzen?« »Einen uralten Ford, der fast ausein ander fällt, Mr. Parker. Schnell ist der Wagen auf keinen Fall.« »Dann sollte man sofort und umge hend die Startposition einnehmen«, schlug Josuah Parker vor, »Sie stehen 28
mit Ihren Freunden in direkter Ver bindung?« »Wir benutzen die kleinen Funk sprechgeräte, die Sie mir zur Verfü gung gestellt haben, Mr. Parker.« »Die Technik kann unter Umstän den durchaus segensreich sein«, stell te Josuah Parker fest, »meiner be scheidenen Einschätzung nach befin det man sich jetzt in der Nähe der Fowler-Wohnung? « »Die Fowlers wohnen in der über nächsten Straße«, lautete Picketts Antwort, »weg können sie noch nicht sein, sonst hätten meine Freunde sich bereits über Funk gemel...« Er kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, denn das kleine Funk sprechgerät in seiner Ziertuchtasche gab einen feinen Piepton von sich. Pickett zog das Gerät hervor und nahm Kontakt mit seinen Freunden auf. Parker wie Pickett erfuhren, daß die Fowlers gerade dabei waren, den Ford mit Koffern zu beladen. »Man sollte sich das aus einer gewis sen Entfernung ansehen«, meinte Jo suah Parker, »möglicherweise benöti gen die Reisenden Hilfe, die man dann fast rein zufällig anbieten könnte.«
Josuah Parker stand in einem Tor weg und beobachtete die Familie Fowler. John, untersetzt und stäm mig, belud den Dachgepäckträger ei nes wirkich uralten Ford und zeigte dabei erstaunliche Körperkräfte. Er wuchtete gerade einen fast übergro ßen Koffer auf den Wagen und ließ dabei die Muskeln spielen. Frau Elsie packte Oberbetten in den Kofferraum und stopfte Handtaschen und Kartons dazu. Elsie Fowler war rundlich und einen Kopf größer als ihr Mann. Beide Elternteile arbeiteten schnell und schweigsam. Ihnen schien sehr daran gelegen zu sein, während der Verladearbeiten nicht gehört und da mit gesehen zu werden.
Sally Fowler war dünn, aufgeschos sen und schlaksig. Sie sah älter aus, als sie war, hockte auf einer niedrigen Mauer vor dem schmalen Reihenhaus und aß etwas Undefinierbares aus ei ner Papiertüte. Wahrscheinlich han delte es sich um Fisch und Chips. »Weit und breit nichts von Gang stern zu sehen«, ließ Horace Pickett sich vernehmen. Er stand seitlich hin ter Parker und beobachtete die Straße. »Ein Umstand, der sich bald ändern wird«, meinte Josuah Parker, »mög licherweise will man die Familie auch erst ein Stück des Weges hinter sich bringen lassen.« »Um sie dann auf einsamer Land straße abzufangen?« »Dies wollte meine Wenigkeit damit ausgedrückt haben«, bestätigte der Butler höflich. Er hatte seine Gabel schleuder aus einer der Innentaschen seines schwarzen Covercoats hervor geholt und prüfte die Spannung der beiden Gummistränge. Er bevorzugte diese seltsame Waffe, wie sie in der Urform noch immer von Jungen ge baut und verwendet wird. Mit dem Katapult war er in der Lage, eigens dafür hergestellte Geschosse über er staunlich weite Distanzen zu beför dern, und zwar fast völlig geräuschlos. »Ein Wagen«, meldete Horace Pik kett überflüssigerweise, denn Josuah Parker hatte das Gefährt längst ausge macht. Es handelte sich um einen VWGolf, der langsam die Straße herunter kam und sich dem Ford der Familie Fowler näherte. Auch die Fowlers wa ren aufmerksam geworden und drück ten sich schutzsuchend gegen ihren Wagen. Sally Fowler hingegen war aufgestanden und überhörte die lei sen, warnenden Zurufe ihrer Eltern. Sie kam neugierig an den Straßenrand und beobachtete den näher kommen den Wagen. Dann aber riß John Fow ler offenbar die Geduld. Er sprang aus der Deckung vor, ergriff den rechten Arm seiner Tochter und zerrte sie an den Ford heran.
Der VW-Golf passierte den Wagen der Fowlers, doch nichts geschah. Der Wagen rollte langsam weiter die Fahr bahn hinunter und verschwand in ei ner Seitenstraße. »Ein Beobachter, Mr. Parker?« frag te Pickett leise und mißtrauisch. »Solch eine Möglichkeit sollte man durchaus in Betracht ziehen«, gab,der Butler ruhig zurück, »bei dieser Gele genheit möchte ich übrigens bemer ken, daß man meiner bescheidenen Ansicht nach nicht beabsichtigt, Sally Fowler zu erschießen.« »Es wurde doch bereits auf sie ge schossen, Mr. Parker.« »Es muß sich um Einschüchte rungsversuche handeln«, redete der Butler gemessen weiter, »Sally Fowler dürfte im Besitz eines gewissen Ge heimnisses sein, das nach ihrem Tod automatisch bekannt werden könnte.« »Und wenn man sie nur als Augen zeugin umbringen will, Mr. Parker? Darin geht Ihre Rechnung aber nicht auf.« »Falls ihr Tod geplant war, Mr. Pik kett, wäre sie bereits tot«, sagte Josu ah Parker, »die Fälscher verfügen über Killer, wie meine Wenigkeit be reits zur Kenntnis nehmen konnte. Solch ein berufsmäßiger Mörder ver fehlt sein Opfer nur in den seltensten Fällen.« »So habe ich das noch gar nicht ge sehen.« Pickett nickte. »Solch eine Deutung bietet sich an, Mr. Pickett«, redete Parker weiter, »es handelt sich allerdings um eine Hypo these, wie ich bemerken möchte.« »Der VW-Golf kommt noch mal zu rück«, meldete Horace Pickett. »Se hen Sie doch, Mr. Parker, das kann kein Zufall sein.« »Mit weiteren ungezielten Schüssen dürfte innerhalb der nächsten Sekun den fest zu rechnen sein«, antwortete der Butler, »man könnte natürlich auch eine Entführung der kleinen Sal ly Fowler planen.« Josuah Parker legte eine hart ge brannte Tonmurmel in die Leder 29
weg lag. Dann bückte er sich nach der Schußwaffe, die vor seinen Füßen lag. »Der Besitz einer Schußwaffe ist verführerisch«, warnte Josuah Parker und ging gemessen auf die beiden Fowlers zu, »man ist zu schnell ver sucht, solch eine Waffe auch zu be nutzen.« Sally Fowler kam langsam zurück Der Beifahrer sprang aus dem VWGolf und lief zu dem uralten Ford. Par und schaute den Butler an. Das Licht ker sah deutlich, daß dieser Mann eine einer nahen Straßenlaterne reichte Schußwaffe in der Hand hielt. Die bei völlig, um Parker gut auszuleuchten. den Fowlers hatten sich dicht an ihren Elsie Fowler, die den zweiten Gang Wagen gedrängt, während Sally ins ster gerade hatte untersuchen wollen, richtete sich auf. Haus zurücklief. »Man erlaubt sich, einen wunder Der Fahrer des VW-Golf drückte sich aus seinem Wagen und rannte schönen Abend zu wünschen«, meinte hinter Sally Fowler her. Auch er trug Josuah Parker und lüftete die schwar eine Schußwaffe und rief Sally etwas ze Melone, »Sie sollten davon ausge nach, was der Butler jedoch nicht ver hen, daß man Ihre Tochter Sally zu stand. entführen gedachte.« »Wer . . . Wer sind Sie?« fragte John Parker hatte die beiden Gummi stränge weit zurückgezogen und vi Fowler. sierte den Verfolger der kleinen Sally »Mein Name ist Parker, Josuah Par kurz an. Dann ließ er die Lederschlau ker«, stellte der Butler sich vor, »Ein fe los und beobachtete die Landung zelheiten zu meiner Wenigkeit viel der hartgebrannten Tonmurmel. leicht zu einem späteren Zeitpunkt, Sie traf genau ihr Ziel und setzte wenn es genehm ist. Ich möchte vor sich auf den Hinterkopf des Verfol schlagen, das sogenannte Feld zu räu gers, der daraufhin einen mißglückten men, bevor weitere Entführer auftau Salto vorwärts machte. Es blieb bei chen.« dem Versuch, der Mann klatschte satt »Waren Sie nicht drüben in der Stra auf die Gehwegplatten vor dem Haus ße am Bretterzaun?« fragte Sally und verlor dabei seine Schußwaffe. Fowler. »In der Tat, Miß Sally«, gab der But Der Beifahrer rannte um den uralten Ford herum und wollte sich mit John ler würdevoll zurück, »um genau zu und Elsie Fowler befassen. Er hatte sein, Lady Simpson und meine Wenig noch nicht mitbekommen, daß sein keit bargen einen Ledersack, der mit Partner indisponiert war. Banknoten gefüllt war.« Josuah Parker schickte das nächste »Ich hab' Sie sofort wiedererkannt«, Geschoß auf die Reise. Nach dem Ein meinte Sally Fowler. schlag der zweiten Tonmurmel legte »Was machen Sie hier?« wollte Elsie der Getroffene sich entspannt auf die Fowler wissen. Kühlerhaube des Ford und verzichte »Meine Wenigkeit lieh Ihnen meine te notgedrungen auf weitere Ak schützende Hand«, erwiderte der But tionen. ler höflich, »das Schicksal fügte es, daß man genau im rechten Moment Die Fowlers waren völlig irritiertVerständlicherweise konnten sie zur Stelle sein konnte. Darf man sich sich nicht erklären, warum die beiden erlauben, Ihnen einen Vorschlag zu Männer plötzlich nicht mehr aktiv wa machen?« ren. Vorsichtig pirschte John Fowler »Wir kennen Sie doch überhaupt an den Mann heran, der auf dem Geh nicht«, reagierte John Fowler überra Schlaufe seiner Gabelschleuder und machte sich somit schußbereit. Er brauchte nicht lange zu warten, bis er das erste Spezialgeschoß durch die Luft schwirren ließ.
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sehend aggressiv, »von der Polizei gegnete Parker, »es geht eben nichts sind Sie bestimmt nicht, oder doch?« über ein kleines Geheimnis, nicht »Keineswegs und mitnichten«, erwi wahr? Sally Fowler senkte den Blick und derte Parker, »meine Wenigkeit ver tritt die Interessen der Lady Simpson, stieg in den Ford. Elsie Fowler folgte die sich der Verfolgten und Unter und rief dann mit schriller Stimme nach ihrem Mann, der sich daraufhin drückten anzunehmen pflegt.« »Wir kommen allein zurecht«, schal hastig und gehorsam ans Steuer setz tete sich da Elsie Fowler ein. Ihre te. Nach wenigen Augenblicken setzte sich der uralte Ford in Bewegung und Stimme war überraschend schrill. »Obwohl man bereits auf Ihre Toch war bald darauf in einer Seitenstraße verschwunden. ter geschossen haben soll?« Josuah Parker kümmerte sich auf »Wer sagt denn das?« fragte John Fowler und näherte sich Josuah seine Art um die beiden Männer, die nach wie vor entspannten. Er durch Parker. »Der Bruder Ihrer Frau, Mr. suchte mit äußerst flinken Fingern die Kleidung der beiden Gangster und Fowler .« »Bill Adams hat mit ihnen gespro barg einige Dinge, die vielleicht von chen?« John Fowler hatte den Butler Wert sein konnten. Dann schritt Par inzwischen erreicht und baute sich ker zu Horace Pickett zurück, der sich breitbeinig vor ihm auf. »Der redet nicht gezeigt hatte. »Meine Freunde bleiben am Ball«, doch nur Unsinn und hört die Flöhe sagte Pickett, »nehmen wir die beiden husten.« »Demnach befinden Sie sich gar Gangster mit, Mr. Parker?« nicht in akuter Gefahr?« fragte der »Sie dürften unwichtig sein«, erwi Butler gemessen und deutete mit der derte Parker, »man sollte sie als Boten Schirmspitze auf die beiden noch im betrachten, die schlechte Nachrichten überbringen.« mer ruhenden Golf-Fahrer. »Ach was«, meinte Fowler wegwer »Sie denken jetzt an diesen Bryan fend und warf sich in die an sich schon Buttons, nicht wahr?« Die beiden breite Brust, um Überlegenheit vorzu Männer gingen auf Parkers Wagen zu, täuschen, »wir fahren ja sowieso weg.« der an der Straßenecke stand. »An den Kopf einer illegalen Buch »Dann erlaubt sich meine Wenig keit, Ihnen eine erholsame Fahrt zu macher-Organisation«, bestätigte der wünschen«, erwiderte Josuah Parker, Butler und deutete zustimmendes »um die beiden Besucher hier wird Nicken an. man sich kümmern.« »Ich bin noch dabei, Buttons aufzu Sally war zum Ford zurückgekom spüren«, meinte der ehemalige Eigen men und musterte den Butler weiter tumsumverteiler, »der Mann hat sich intensiv und abschätzend. Erstaun gut getarnt oder scheint neu in der licherweise sagte sie nichts, und dabei Stadt zu sein.« »Sie sollten nichts überstürzen«, sollte sie doch laut Aussage des Bar keepers ein vorlautes und auch hem mahnte Josuah Parker, »auch ein Mr. Bryan Buttons wird sich aufspüren mungsloses Kind sein. »Angst scheint Ihnen unbekannt zu lassen. Das dürfte nur eine Frage der sein«, tippte Parker an. Er behandelte Zeit sein.« Sie hatten den Wagen erreicht, und die Zehnjährige instinktiv wie eine junge Dame, ohne dabei aber herab Parker setzte sich ans Steuer seines hochbeinigen Monstrums. Er war mit lassend zu wirken. »Ich habe keine Angst«, erwiderte dem Verlauf der Ausfahrt sehr zufrie den. Sein Verdacht hatte sich bestä Sally Fowler, »mir kann keiner was.« »Wie beruhigend zu wissen«, ent tigt. Man wollte die kleine Sally Fow 31
ler gar nicht umbringen, sondern sie nur in Angst und Schrecken verset zen. Daraus ergab sich, daß sie sich tatsächlich im Besitz eines Geheim nisses befand, das für die Banknoten fälscher gefährlich werden konnte. Darüber hinaus schienen John und Elsie Fowler auf ein Geschäft mit den Fälschern zu hoffen. Wahrscheinlich ahnten oder wußten sie sogar, um wel ches Geheimnis es sich handelte. Daß sie aber ein gefährliches Spiel trieben, mochte ihnen noch nicht auf gegangen sein. Gezielte Schüsse wür den früher oder später mit Sicherheit abgefeuert werden.
Aus dem Tascheninhalt der beiden Gangster ging klar hervor, daß sie für einen gewissen Chris Geliert in der Nähe der Surrey Docks arbeiteten. Dieser Mann betrieb eine Firma für Altpapier-Aufbereitung und hatte die Kerle erst am Vortag für eine Woche Arbeit bezahlt. Leichtsinnigerweise hatten die Gangster die Lohntüten mit Gellerts Adresse nicht weggeworfen. Parker nutzte die Chance, ohne sei ne Herrin tätig sein zu können. Er hat te Horace Pickett bereits abgesetzt und näherte sich mit seinem hochbei nigen Monstrum der Altpapier-Firma. Sie war auf dem Hinterhof einer La gerhalle untergebracht und machte ei nen leicht chaotischen Eindruck, wie sich zeigte. Gleich hinter dem weit geöffneten Tor zum ummauerten Grundstück sta pelten sich übergroße Papierballen zu wahren Gebirgen. Auf dem Boden des Lagerplatzes spielte der leichte Nacht wind, der vom Hafen kam, mit Papier resten. Girlanden aus Papierstreifen hingen von den Papierballen herunter und flatterten in der Brise. Parker hatte seinen Wagen verlas sen und ging zu Fuß weiter. Er suchte nach den Büroräumen dieser Firma und fand sie schließlich hinter einem Gebirgszug aus Altpapier-Ballen. Hin 32
ter den Fenstern eines Wohn-Contai ners brannte schwaches Licht. Parker überstürzte nichts. Er baute sich erst mal zwischen einigen Papier ballen auf und beobachtete den recht eckigen Wohn-Container. Er fand schnell heraus, daß sich zwei Perso nen hinter den Fenstern bewegten. Es schien sich um Männer zu handeln. Parker tauchte in eine schmale Schlucht, die von den hochgetürmten Ballen gebildet wurde, beschrieb ei nen weiten Bogen und näherte sich dann dem Wohn-Container. Erneut beobachtete er die beiden Gestalten hinter den Fenstern. Sie waren als schwarze Schattenrisse auszumachen. Noch besaß er einen zeitlichen Vor sprung. Parker hatte den VW-Golf auf seine Felgen gestellt. Mit anderen Worten, er hatte die Luft aus den Reifen gelas sen. Und vor dem Zurückgehen zu sei nem Wagen hatte er die Gangster noch ein wenig behandelt. Er hatte etwas von seinem speziellen Spray in ihre Nasenlöcher geblasen. Nach seiner Er fahrung mochten die so Behandelten wohl gerade erst wieder zu sich kommen. Der Butler pirschte an die Tür heran und lauschte. Er vernahm Stimmen. Zwei Männer unterhielten sich mitein ander, doch einzelne Worte waren nicht zu verstehen. Parker blickte nochmal zurück in Richtung Tor und trat dann ein. Zwei Männer starrten ihn völlig überrascht an. Einer von ihnen trug eine beige Lederjacke, die nicht gera de billig gewesen sein konnte. Der Träger dieser Lederjacke war etwas über mittelgroß, schlank und hatte ein pockennarbiges Gesicht mit dunklen Augen. Der zweite Mann trug einen einfachen blauen Overall, war unter setzt und dicklich. »Mr. Chris Gellert?« erkundigte sich Parker und lüftete seine schwarze Me lone. »Wer sind denn Sie?« fragte der Mann, der die beige Lederjacke trug.
»Mein Name ist Josuah Parker«, ker«, stellte der Butler sich noch mal stellte der Butler sich vor und setzte vor, »ich habe die Ehre und den Vor die schwarze Melone wieder auf. zug, Lady Simpson dienen zu Gleichzeitig aber griff er in die Zier können.« tuchtasche seines schwarzen Zweirei »Das . . . Das sagt mir überhaupt hers und zog blitzschnell den soge nichts«, behauptete der Mann, doch nannten Seestern hervor. seine dunklen. Augen redeten eine völ Die Ähnlichkeit dieser ungewöhnli lig andere Sprache. chen Waffe mit einem Seestern war frappiernd. Fünf lange, schlangenartig dünne Arme strahlten von einem Kör per ab, der aus Weichgummi bestand. »Ist er vergiftet?« fragte Chris Gel Die dünnen Arme waren gespickt mit ert fast neugierig, als der Mann im winzig kleinen Stacheln, die ihrerseits Overall flach auf dem Boden lag. Par wieder mit noch kleineren Widerha ker, der den Seestern mit seinen in ken versehen waren. schwarzen Lederhandschuhen stek Der sogenannte Seestern wirbelte kenden Händen vom Hals des Mannes also wie ein kleines, rotierendes Rad löste, richtete sich auf und schüttelte durch die Luft und schlang sich dann den Kopf. »Ihr Mitarbeiter wird in einer halben haargenau um den kurzen, gedrün genden Hals des völlig überraschten Stunde aufwachen«, versprach Josu ah Parker, »er wird sich allerdings Overall-Trägers. Der Mann hatte das Gefühl, gewürgt noch nach Stunden nicht sonderlich zu werden, als die langen, dünnen Ar wohl fühlen.« me sich gewichtig auf die Haut legten. »Guter Gott, so etwas hab' ich noch Darüber vergaß der Mann die Absicht, nie gesehen«, äußerte Chris Gellert. eine Waffe zu ziehen, die er in einer Der Mann in der beigen Lederjacke umgeschnallten Schulterhalfter trug. hatte inzwischen seinen Namen ge Er riß seine Hände hoch und versuch nannt. te krampfhaft, den Seestern vom Hals »Sie sollten die innige Umarmung zu zerren. Dabei färbte sich sein Ge durch diesen Seestern auch keines sicht dunkelrot vor Panik, Angst und wegs provozieren«, warnte der Butler, Anstrengung. »Sie schickten zwei Ihrer Mitarbeiter »Mann, was ist denn das?« Der Trä zu der Familie Fowler, um sofort zum ger der beigen Lederjacke wich gegen Thema zu kommen?« die Wand zurück und starrte auf das »Familie Fowler?« Chris Gellert tat seltsame Gebilde, an dem der Mann ahnungslos, doch dann hüstelte er so im Overall verzweifelt herumriß. fort nervös. Der sogenannte Seestern »Es dient der Dämpfung zügelloser lag wurfbereit in Parkers rechter Temperamentsäußerungen«, beant Hand. wortete Parker höflich die Frage, »John und Elsie Fowler«, nannte »meine Wenigkeit könnte sich kaum der Butler die bewußten Namen, um vorstellen, daß auch Sie Bekannt die es ging, »das Ehepaar hat eine schaft mit meinem Seestern zu ma zehnjährige Tochter, die Sally heißt chen wünschen.« und für die man sich sehr zu interes »Sind Sie wahnsinnig?« Der Leder sieren scheint.« »Wer behauptet denn eigentlich, jackenträger hob abwehrend die Ar me. »Bleiben Sie mir bloß vom Leib daß ich hinter diesen Fowlers her mit diesem Ding. Was wollen Sie ei bin?« wollte Chris Gellert wissen und gentlich? Ich kenne Sie ja überhaupt schielte nach dem schwarzen Seestern in Parkers Hand. nicht.« »Sie sollten die Geduld meiner be »Parker mein Name, Josuah Par 33
scheidenen Wenigkeit nicht unnötig auf eine harte Probe stellen«, meinte der Butler gemessen. »Okay, Parker«, räumte Chris Gel ert hastig ein, »ich geb' ja schon zu, daß ich die Fowlers kenne. Also natür lich nicht direkt, aber ihr Name ist mir genannt worden.« »Sie handelten also im Auftrag, als Sie Ihre beiden Mitarbeiter zur Fami lie Fowler schickten?« »Haargenau, Parker. Das trifft den Punkt. Sonst habe ich mit diesen Leu ten überhaupt nichts zu tun. Hören Sie, können Sie dieses verdammte Ding nicht endlich wegstecken? Das sieht ja richtig unheimlich aus.« »In wessen Auftrag schickten Sie die beiden Männer zu den Fowlers, und wie lautete der bewußte Auf trag?« »Also gut, ich passe, Parker. Mit mir kann man ja reden, wirklich. Ich bin kein sturer Hund. Ich weiß genau, wann ich verloren habe.« »Nach dieser Vorrede sollten Sie zur eigentlichen Antwort kommen, Mr. Gellert.« »Bryan Buttons«, sagte Chris Gel ert leise und blickte unwillkürlich zur Tür, »ich kenne diesen Buttons aber nicht. Und das ist die reine Wahrheit. Ich kenne ihn nur vom Telefon her.« »Wie lautete der bewußte Auftrag?« erinnerte Josuah Parker höflich. »Ich sollte die kleine Fowler und ih re Eltern hierher schaffen.« »Und was wurde für diesen Fall wei ter geplant? « »Dann sollte ich abhauen und mich verdrücken. Ich sollte Buttons noch nicht mal anrufen. Er sagte am Tele fon nur, ich sollte mit meinen Leuten verschwinden und erst nach 'ner Stunde zurückkommen.« »Und was bot man Ihnen für diesen an sich doch recht unkomplizierten Auftrag, Mr. Gellert?« »Tausend Pfund, Parker. Ein ver dammt schönes Geld für den kleinen Gefallen, oder etwa nicht?« »Wann meldete Mr. Bryan Buttons 34
sich bei Ihnen?« Parker ging auf Gel lerts Frage nicht ein. »Vor ein paar Stunden oder so. Hö ren Sie, mehr kann ich wirklich nicht sagen. Und noch etwas: Ich hätte den Fowlers niemals was getan. Das müs sen Sie mir glauben. Ich bin doch kein Gangster.« »Seit wann sind Sie mit Mr. Tony Steffen befreundet?« Parker fragte fast beiläufig. »Tony Steffen?« Der Mann in der beigen Lederjacke schluckte. »Ein Gerüstbauer«, präzisierte Par ker geduldig, »er war bereits so freundlich, meine Wenigkeit auf Sie aufmerksam zu machen.« »Das Miststück«, fluchte Chris Gel ert und fiel auf einen Trick herein, der erstaunlicherweise immer wieder funktionierte, wie Parker aus Erfah rung wußte. »Auch Mr. Tony Steffen arbeitet für den von Ihnen erwähnten Bryan But tons. Was selbstverständlich auch für den Briefmarkenhändler Dave Mills zutrifft.« »Hat der mich etwa auch in die Pfanne gehauen?« entrüstete sich Chris Gellert wütend. »Andeutungsweise«, meinte Josuah Parker, »aber Sie sollten nicht sonder lich nachtragend sein, Mr. Gellert.« »Mit den beiden Dreckskerlen wer de ich mich noch unterhalten«, drohte der Mann in der beigen Lederjacke ge reizt. »Sollten Sie sich nicht besser mit Mr. Bryan Buttons auseinanderset zen?« fragte Josuah Parker gemessen, »er dürfte nach Lage der Dinge doch der wirkliche Grund für Ihre momen tanen Schwierigkeiten sein.« »Ich kenne Buttons doch überhaupt nicht«, versicherte der Altpapierhänd ler noch mal. »Richtig, Sie haben ja auch nichts mit illegaler Buchmacherei zu tun«, sagte Parker. »Illegale Buchmacherei?« Chris Gellert tat völlig überrascht. »Wovon reden Sie denn jetzt?«
»Von einem Mann, der sogar einen Killer namens Bruce Walker beschäf tigt«, meinte der Butler, »aber ich möchte mich in diese Dinge keines wegs einschalten. Mylady und meiner bescheidenen Person geht es einzig und allein um die Drucker und Vertrei ber falscher Banknoten. Dabei muß man wohl unterstellen, daß der Ver trieb der erwähnten Falsifikate von Mr. Bryan Buttons und seinen Filialisten übernommen werden sollte.« Bevor der Altpapierhändler dazu Stellung nehmen konnte, war draußen vor dem Wohn-Container ein Auto zu hören, das sich in schneller Fahrt nä herte.
»Würden Sie sicherheitshalber einen prüfenden Blick auf meine linke Hand werfen?« fragte Parker und streckte sie aus. Chris Geliert folgte unwillkür lich der höflichen Aufforderung und erblickte eine kleine Sprayflasche, die sich in Parkers Hand fast verlor. Nach dem der Altpapierhändler sich neugie rig vorgebeugt hatte, drückte der But ler auf den Druckknopf der kleinen Aluminiumflasche und ließ das Treib gas ausströmen. Durch die Düse der Sprayflasche zischte ein Präparat, das ein wenig nach Medizin roch. Der Spray legte sich auf das Gesicht von Chris Geliert, der es noch zusätzlich einatmete. Geliert fuhr unwillkürlich wieder zu rück und starrte den Butler an. Dann wischte er sich fahrig durchs Gesicht. »Sie werden umgehend von einer fast ausgelassenen Heiterkeit erfaßt werden«, prophezeite der Butler, »Sie sollten in Ihrem Schreibtischsessel Platz nehmen, und der Dinge harren, die da mit Sicherheit kommen werden.« »Okay«, murmelte Chris Geliert, der bereits ein wenig versonnen lächelte und sich die Lippen leckte, »Schmeckt noch nicht mal schlecht, das verdamm te Zeug.«
»Es schadet keineswegs.« Parker bugsierte den Mann in den Sessel und schritt dann zur Tür. Bei dieser Gele genheit sorgte er dafür, daß der Mann im Overall hinter einem zweiten Schreibtisch verschwand. Wenig spä ter waren bereits schnelle Schritte zu vernehmen, dann wurde die Tür aufge stoßen. »Hören Sie, Chef«, sagte eine gereiz te Männerstimme, »wir sind geleimt worden und . . . Chef, was ist denn?« Es waren die beiden VW-Golf-Fah rer, die sich eingefunden hatten. Sie standen nebeneinander vor Gellerts Schreibtisch und blickten mehr als er staunt. Vielleicht wußten sie gar nicht, daß ein Chris Geliert lächeln konnte, und Geliert lächelte wirklich. Er hatte sich zurückgelehnt und machte einen entspannten Eindruck. »Weitere Fragen wären völlig sinn los«, bemerkte Josuah Parker jetzt. Die beiden Golf-Fahrer wirbelten herum und sahen sich dem Butler gegenüber. Bevor sie reagieren konnten, tippte Parker mit dem bleigefüllten Bambus griff seines Universal-Regenschirms gegen ihre Stirnpartien. Die Männer verdrehten daraufhin die Augen und schraubten sich zu Boden. Chris Geliert fand dies überaus amü sant und lachte schallend. Josuah Parker ging nach vorn zum Schreibtisch und befaßte sich wieder mit dem Spezialisten für Altpapier. »Möglicherweise haben Sie die Güte, mir die momentane Adresse des Mr.. Bryan Buttons zu nennen«, schickte er voraus, »Sie können meiner Diskre tion völlig sicher sein.« »Der alte gute Buttons«, freute sich Gellert und kicherte ausgelassen, »der alte Gauner.« »Meine Wenigkeit möchte keines wegs widersprechen«, redete Parker weiter, »wo könnte man Mr. Buttons zur Zeit erreichen? Er muß doch so etwas wie eine feste Adresse haben.« »Der hat sich hier bei den Surrey Docks eingenistet«, lautete die umge hende Antwort, »aber der ist immer 35
unterwegs. Buttons ist ein mißtraui scher Hund.« »Und wie setzt man sich mit ihm in Verbindung?« »Rufen Sie Norma Blaxton an«, er widerte Geliert heiter und gelöst, »Norma stellt die Weichen. Die hat ei ne Pension in der Ower Road.« »Könnte es sich bei Miß Norma Blaxton um Mr. Buttons Freundin handeln?« forschte der Butler weiter. »Nee, bestimmt nicht.« Da schüttel te der Altpapierhändler sich vor La chen. »Sehen Sie sich Norma mal aus der Nähe an, dann wissen Sie Be scheid.« Nach dieser Auskunft war Chris Geliert nicht mehr ansprechbar. Er schloß die Augen, summte einen im Moment gängigen Schlager und ent schied sich kurz danach für Schnarch laute. Parker verließ den Wohn-Container und begab sich zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum. Er wollte nicht länger stören. Der Butler nutzte die Gunst der Stunde. Er hatte vor, sofort zur Pension der Norma Blaxter zu fahren, um sich dort nach dem bisher unbekannten Bryan Buttons zu erkundigen. Dieser Mann nahm seiner Ansicht nach eine wichti ge Schlüsselposition ein. Er mußte die Fälscher der Banknoten kennen, wenn er nicht sogar der Fälscher selbst war. Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum erreicht, öffnete die Wagen tür und wurde sofort auf ein schwach rotes Licht aufmerksam, das unter dem Armaturenbrett brannte. Mit Sicherheit war demnach am Wa gen manipuliert worden. Beim Schlie ßen der Wagentüren schaltete sich nämlich automatisch eine äußerst sen sible Warnanlage ein, die selbst eine noch so geringe Berührung mit dem Wagen registrierte. 36
Hatte man versucht, den Wagen zu öffnen? Wohl kaum, denn sonst würde die Warnlampe intensiver leuchten. Hatte man seinem Wagen etwas hinzu gefügt? Handelte es sich dabei viel leicht um eine Sprengladung unter dem Wagenboden? Anschläge dieser Art waren Parker schließlich nichts Neues. Man ver suchte immer wieder, ihn per Explo sion ins Jenseits zu befördern. Dies war auch der Grund dafür, daß der Butler sich die spezielle Warnanlage ausgedacht und installiert hatte. Befand sich die möglicherweise vor handene Sprengladung auf dem Aus puffrohr? Wurde die aktiviert, sobald er den Motor anließ? Oder hatte man sich für eine Zeitbombe entschieden? Parker war klar, daß er bereits inten siv beobachtet wurde. Man mußte her ausgefunden haben, daß er Kontakt mit dem Altpapierhändler aufgenom men hatte. Da man aber nicht auf ihn geschossen hatte, als er zum Wagen gegangen war, rechnete Parker mit ei ner Sprengladung, die per Funk ge zündet wurde. Wahrscheinlich sollte er mitsamt dem Wagen nicht gerade in der Nähe des Altpapierlagers in die Luft fliegen. Parker setzte auf seine Beurteilung der Lage und natürlich auf den gepan zerten Wagenboden. Er ließ den Motor anspringen und hielt für einen Mo ment den Atem an. Jetzt mußte sich erweisen, ob er die Lage richtig beur teilt hatte, falls nicht, hatte er mit einer peinlichen Überraschung zu tun. Es tat sich aber nichts . . . Parker gestattete sich andeutungs weise ein erleichtertes Durchatmen und ließ den Wagen sanft anrollen. Da bei blickte er in den Rückspiegel sei nes hochbeinigen Monstrums. Noch war hinter ihm auf der Straße nichts auszumachen. Deshalb steigerte er vorsichtig die Geschwindigkeit und bog dann in die nächste Querstraße. Dann hielt er und wartete. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis ein Mor ris um die Ecke wischte und Fahrt auf
nahm. In diesem Wagen saßen zwei hen, fuhr in normalem Tempo weiter Männer, die er allerdings nicht zu iden und näherte sich der bewußten Brücke. tifizieren vermochte. Der Morris Er betätigte den elektrischen Fenster preschte die Straße hinunter, bremste heber, als er sich auf der Brückenrampe jäh und legte sich fast auf die Seite, als befand und ...warf den Sprengsatz un er die nächste Ecke nahm. Man schien vermittelt nach draußen. Der Doppel den Wagen gerade am Straßenrand aus teller segelte wie ein großer Diskus gemacht zu haben. durch die Dunkelheit und landete auf Parker entstieg seinem Gefährt und der Böschung des Hafenbeckens. Dann ging um den Wagen herum. Er benutzte rollte und kullerte er weiter in Richtung eine Kugelschreiber-Taschenlampe, Wasser und . . . detonierte, wobei eine um unter den Wagen zu leuchten. Auf weißrote Stichflamme zum Himmel Anhieb fand er eine Art Haftmine, die schoß. unter dem vorderen Wagenboden kleb te. Sie erinnerte, was die Form betraf, an zwei Suppenteller, die man gegen einander geklebt hatte. »Und Sie haben diese Subjekte nicht Parker benutzte die Spitze seines gestellt?« wunderte sich die ältere Da Universal-Regenschirms, um die tücki me, als Parker diesen Punkt seines Be sche Haftmine vom Wagenboden zu lö richts erreichte. Sie war nach Parkers sen. Er mußte einige Kraft aufwenden, Rückkehr aufgestanden und hatte sich um gegen die starken Magnete anzu einen weiten, wallenden Hausmantel kommen. Nachdem der Sprengsatz übergeworfen, in dem sie noch majestä vom Wagenboden, gelöst war, zog der tischer als sonst aussah. Butler ihn mit dem Griff seines Univer »Der Morris drehte ab und ver sal-Regenschirm zu sich heran und schwand im Gewirr der Hafenstraßen, überprüfte ihn genauer. Mylady«, sagte Parker höflich, »zudem Seine Ahnung hatte ihn nicht ge wollte meine Wenigkeit Myladys Ge duld nicht länger auf die Probe stellen.« trogen. »Ich hatte mir allerdings wirklich Aus der Haftmine ragte eine kleine Funkantenne. Parker wußte natürlich schon Sorgen gemacht«, meinte Lady nicht, wann das Funksignal erfolgen Agatha, »ich weiß doch, wie hilflos Sie würde. Unter Umständen hatte er nur sind, wenn Sie allein unterwegs sind.« noch wenige Augenblicke Zeit, sich »Mylady haben meiner Wenigkeit in dieser Sprengladung zu entledigen. der Tat ungemein gefehlt«, ließ der But Selbstverständlich wollte Parker sie ler sich vernehmen. Er schaffte es spie nicht einfach auf der Straße zurücklas lend, seinem Gesicht keinen Ausdruck sen und selbst das Weite suchen. Die zu geben. hochgehende Sprengladung konnte »Ich weiß, Mr. Parker«, sagte sie unschuldige Menschen gefährden oder wohlwollend, »aber insgesamt haben gar töten, eine Vorstellung, die Parkers Sie sich eigentlich recht gut geschla Moral nicht entsprach. gen. Dieses Ehepaar ist also unter Es zeugte von seinen starken Nerven, wegs?« daß er die Sprengladung neben sich auf »In der Tat, Mylady, man ist auf dem den Beifahrersitz legte, als er losfuhr. Weg nach Chigwell, Mr.Picketts Freun Sein Ziel war ein Hafenbecken in der de werden die Fahrt diskret überwa Nähe. Während der Fahrt zu Gellert chen.« hatte er eine Brücke passiert, die über »Ich werde mir dieses kleine Ding bei dieses Hafenbecken führte. Gelegenheit ansehen«, redete die De Der Morris erschien wieder hinter tektivin weiter. ihm, als er die Seitenstraße passierte. »Sally Fowler, Mylady.« Parker tat so, als hätte er nichts gese »Wie ich gerade sagte.« Sie nickte 38
nachdrücklich. »Natürlich weiß dieses »Mylady sehen meine Wenigkeit zu Mädchen etwas, was es bisher ver tiefst beschämt...« schwiegen hat.« »Eine Lady Simpson hingegen »Dinge, die in einem engen Zusam täuscht man nicht«, behauptete sie menhang mit den Banknotenfäl weiter, »ich habe diesen Trick natür schern stehen dürften.« lich sofort durchschaut.« »Und was ist mit diesem Papierwa »Wer sonst als Mylady verfügen renhändler, Mr. Parker?« über soviel Weit- und Scharfblick.« »Altpapierhändler, Mylady, falls die »Nicht wahr?« Sie erhob sich und ser Hinweis erlaubt ist.« nickte fast herablassend. »So etwas, »Papperlapapp«, meinte sie weg Mr. Parker, ist angeboren und läßt werfend, »unwichtige Details, Mr. Par sich nicht lernen. Nun ja, ich will nicht ker. »Für mich ist er selbstverständ verkennen, daß Sie sich durchaus Mü lich der Fälscher, nach dem ich he geben, aber das gewisse Etwas muß suche.« einem die Natur eben mitgegeben »Mylady haben sich bereits eine haben.« Theorie gebildet?« »Myladys Einmaligkeit wird meine »Die Tatsachen drängen sich mir Wenigkeit wohl niemals erreichen.« doch förmlich auf, Mr. Parker«, »Wie auch?« Sie lächelte mild. schickte sie voraus, »sehen Sie denn »Nun, ich werde mich zurückziehen, nicht die tiefen Zusammenhänge?« Mr. Parker. Morgen ist auch noch ein »Momentan ist meiner Wenigkeit Tag. Und morgen werde ich die Sache noch die Sicht verwehrt.« abschließen und McWarden einen »Papierwarenhändler, Mr. Parker, neuen gelösten Fall präsentieren.« Papierwarenhändler ...« Sie sah den Sie winkte Parker zu und bewegte Butler fast streng an. »Was braucht ihre Fülle hinüber zur Treppe. Mylady man, um Banknoten zu fälschen? Pa war schon wirklich eine einmalige Er pier, nicht wahr? Und dieses Subjekt scheinung. Sie glaubte stets das, was bei den Surrey Docks handelt mit Pa sie sagte. Und sie sagte sehr viel. pier. Für mich ist alles klar.« »Myladys Schlußfolgerungen sind wieder mal bestechend«, erwiderte Jo suah Parker. Sein Gesicht blieb glatt Chief-Superintendent McWarden und ausdruckslos. war etwa fünfundfünfzig, untersetzt »Keine Schmeicheleien, Mr. Par und recht füllig. Sein entflammbares ker«, wehrte sie ab und lächelte wohl Temperament und die leicht ausgebil wollend, »wie war doch noch der Na deten Basedowaugen verliehen ihm me dieses Unbekannten, nach dem ich den Ausdruck einer stets gereizten suche?« Bulldogge. »Mylady sprechen von dem vielfach McWarden leitete im Yard ein Son genannten Mr. Bryan Buttons?« derdezernat und befaßte sich mit dem »Richtig«, gab sie zurück, »diesen organisierten Verbrechen in Londen. Er war dem Innenministerium direkt Buttons gibt es überhaupt nicht.« »Mylady rufen in meiner Wenigkeit unterstellt, ein erstklassiger Polizeide tektiv und Lady Simpson in einer Art Bestürzung hervor.« »Sie haben sich täuschen lassen«, leichter Haßliebe verbunden. Obwohl setzte sie ihm fast nachsichtig ausein sie ihn bei jeder Gelegenheit neckte ander, »der Hinweis auf diesen Unbe oder sogar frotzelte, kam er doch im kannten ist eine falsche Spur, die der mer wieder in das altehrwürdige Fach Papierwarenhändler gelegt hat. Und werkhaus der passionierten Detekti Sie sind natürlich voll darauf herein vin in Shepherd's Market. Diese Besu che galten allerdings in erster Linie ei gefallen!« 39
nem gewissen Butler Parker, dessen kriminalistische Fähigkeiten er beson ders schätzte. An diesem Morgen erschien er prompt zum Frühstück, um Agatha Simpson zu ärgern. Er kannte ihre oft an Geiz grenzende Sparsamkeit. Manchmal war ihr eine Tasse Tee schon zuviel, wenn sie sie mit McWar den teilen sollte. »Ihr Fehler, daß Sie so früh kom men«, meinte die Hausherrin, die ge rade in der großen Wohnhalle er schien. Sie verlieh ihrer Stimme einen bedauernden Unterton, »ich werde erst in einer Stunde frühstücken.« »Das macht doch überhaupt nichts, Mylady«, erwiderte McWarden, »eine Tasse Tee reicht mir durchaus.« »Der ist auch noch nicht aufgebrüht, nicht wahr, Mr. Parker?« Sie wandte sich an ihren Butler und sah ihn in einer Mischung aus Strenge und Be schwörung an. »Dann werde ich einen Sherry neh men«, sagte Chief-Superintendent McWarden, bevor Josuah Parker ant worten konnte, »der braucht ja wohl kaum aufgebrüht zu werden.« »Alkohol schon so früh am Mor gen?« Agatha Simpson schüttelte ver weisend den Kopf. »Und den, obwohl ich im Dienst bin«, redete McWarden genußvoll wei ter und kam einem weiteren Einwand Myladys entgegen, »ich nehme mir einfach die Freiheit.« »Nun gut, dann ruinieren Sie Ihre Leber«, meinte die ältere Dame ge reizt, »rechnen Sie nicht damit, daß ich Sie im Hospital besuchen werde, mein lieber McWarden.« »An ein Hospital kann ich vorerst überhaupt nicht denken«, sagte McWarden, »ich arbeite an einem rät selhaften Fall.« »Jeder Fall dürfte für Sie rätselhaft sein«, schnappte Lady Agatha genuß voll zu, während der Butler den Sher ry servierte. »Bei den Surrey Docks haben sich erstaunliche Dinge getan«, schickte 40
der Chief-Superintendent voraus, »Kinder haben aus Banknoten Papier schiffchen gebaut und sie in der Gosse schwimmen lassen. Darüber hinaus haben sie Passanten Banknoten in Hülle und Fülle angeboten. Kann man sich so etwas vorstellen?« »Natürlich«, erwiderte die Detekti vin und lehnte sich zurück, »ich habe so etwas schon mal in einem Kriminal film gesehen.« »Kam in diesem Kriminalfilm auch eine Lady vor, die man in der betref fenden Straße gesehen hatte? Und gab es auch einen Butler in diesem Krimi, Mylady?« »An Einzelheiten erinnere ich mich selbstverständlich nicht mehr«, ent gegnete Lady Simpson grollend, »hö ren Sie, McWarden, wollen Sie mich etwa in meinem eigenen Haus exami nieren?« »Ich erzähle Ihnen nur eine Ge schichte, die sich bei den Surrey Docks in der Realität abgespielt hat, Mylady. Der Butler und die Lady sind dabei beobachtet worden, als sie einen Ledersack von einem verlassenen Baugrundstück holten und dann da mit verschwanden. Das alles kann durch Augenzeugen belegt werden.« »Was halte ich von dieser eigenarti gen Geschichte, Mr. Parker?« fragte die ältere Dame ihren Butler. »Das Leben dürfte die unglaublich sten Geschichten schreiben, Mylady, um es mal so auszudrücken.« »Ich will Sie nur darauf hinweisen, daß Sie eine Doppelgängerin haben müssen, Mylady«, redete der ChiefSuperintendent weiter, »und das gilt natürlich auch für Sie, Mr. Parker.« »Und welche Konsequenz soll ich daraus ziehen, McWarden?« Agatha Simpson runzelte die Stirn. »Vielleicht haben Sie auch bisher nur vergessen, die Polizei zu benach richtigen, was die falschen Banknoten betrifft«, meinte McWarden, »ich mei ne, falls Sie und Mr. Parker den Leder sack mitgenommen haben sollten.« »Ich werde mich zu dieser ungeheu
erlichen Anschuldigung nicht weiter äußern, McWarden«, meinte Lady Agatha grimmig, »der Sherry scheint bereits zu wirken. Sie können eben keinen Alkohol vertragen.« »Gibt es Augenzeugen, Sir, die be schwören können, daß sich im er wähnten Ledersack Falsifikate befun den haben?« erkundigte sich der But ler höflich und gemessen. »Was in dem Ledersack war, wissen diese Augenzeugen natürlich nicht«, sagte McWarden gereizt, »aber logi scherweise muß sich darin Falschgeld befun...« »Verzeihung, Sir, daß meine Wenig keit sich die Freiheit nimmt, Sie zu unterbrechen«, meinte Josuah Parker, »Sie gehen von einer Annahme aus, die durch nichts zu belegen ist.« »Warum und wieso waren Sie in die ser bewußten Straße?« wollte der Chief-Superintendent wissen und blickte Lady Agatha und Parker an. »Haben Sie den Ledersack nun mitge nommen oder nicht?« »Mylady stellten ihn in der Tat si cher«, antwortete der Butler, während die Hausherrin nach Luft schnappte und dabei ihren Butler empört an schaute, »ob es sich bei dem Inhalt um Falschgeld handelt, vermochten we der Mylady noch meine Wenigkeit zu beurteilen. Mylady überlassen dies den Experten Ihrer Behörde.« »Sie haben also den Ledersack?« Triumph herrschte in McWardens Stimme. »Keineswegs und mitnichten, Sir«, erklärte Josuah Parker, »Mylady ver anlaßten, daß dieser Ledersack umge hend der Polizei zur Verfügung ge stellt wurde.« »Der Polizei?« Nun schnappte McWarden nach Luft. »In Myladys Auftrag übergab meine Wenigkeit den mehrfach erwähnten Ledersack der Post, die ihn inzwi schen wohl zugestellt hat.« »Tatsächlich?« wunderte sich Lady Agatha. »In der Tat, Mylady«, bestätigte Jo
suah Parker, »das Paket wurde selbst verständlich per Einschreiben aufge geben. Wenn Sie, Sir, vielleicht einen prüfenden Blick auf den Einliefe rungsschein werfen würden?« »Geschenkt, geschenkt«, knurrte der Chief-Superintendent, »und wann haben Sie das Paket aufgegeben?« »Vor wenigen Stunden, Sir. Früher ließ sich das leider nicht einrichten.« »Und was ist nun in diesem ver dammten Ledersack?« fragte McWarden. »Banknoten im Wert von fast hun derttausend Pfund«, erläuterte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »ob es sich allerdings um Falschgeld handelt, vermochten weder Mylady noch mei ne Wenigkeit zu beurteilen.« »Sie haben das Geld wegge schickt?« Lady Agatha schien erst jetzt so richtig zu begreifen, was Par ker da getan hatte. »Wie Mylady es anzuordnen belieb ten«, erklärte der Butler, »Mylady wollten damit jedem Verdacht einer Ungesetzlichkeit vorbeugen.« »Und warum haben Sie mich nicht sofort Verständigt?« begehrte McWar den grimmig zu wissen. »Ein bedauerliches Versehen mei nerseits«, entschuldigte sich der But ler, »meine Wenigkeit hatte in den Nachmittagsstunden des vergangenen Tages ungemein viel zu erledigen. Zu dem steht Ihnen ein alter, müder und relativ verbrauchter Mann gegenüber, dessen Gedächtnis hin und wieder peinliche Lücken erkennen läßt.« Lady Agatha schmunzelte schaden froh, als der Chief-Superintendent rot anlief.
McWarden war gerade gegangen, als das Telefon läutete. Parker hob ab und nannte seinen Namen. Am anderen Ende der Leitung war Horace Pickett, der ehemalige Visitator fremder Ta schen. »Meine Freunde haben mich gerade 41
verständigt«, sagte Pickett, »ich habe die genaue Adresse der Fowlers, Mr. Parker.« »Sie können sie durchgeben, Mr. Pickett, unser Gespräch wird aufge zeichnet«, sagte der Butler. Als Pik kett die Adresse sprach, prägte Par ker sie sich zusätzlich ein. Die Fow lers hatten Quartier bei den Eltern von John Fowler bezogen und zwar in Chigwell. Am ursprünglichen Ziel hatte sich demnach also nichts geän dert. »Wurde die Familie Fowler wäh rend der nächtlichen Fahrt verfolgt?« wollte der Butler dann wissen. »Mit Sicherheit nicht, Mr. Parker«, erwiderte Pickett, »aber Sie wissen ja auch, daß das nichts zu bedeuten hat.« »Die Adresse der Eltern des Mr. John Fowler dürfte den Nachbarn der Familie durchaus bekannt sein.« Parker hatte verstanden. »Meine Freunde bleiben in der Nä he der Fowlers«, versprach Horace Pickett, »in ein paar Stunden lasse ich sie von neuen Gesichtern ablö sen, wenn Sie einverstanden sind, Mr. Parker.« »Mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Mr. Pickett, ist immer wieder ein un geteiltes Vergnügen.« »Für Sie, Mr. Parker, sind wir im mer da«, antwortete Pickett und gab das Kompliment zurück, »hat sich bei Ihnen noch etwas getan, nach dem wir uns getrennt haben?« Parker hatte keine Bedenken, Ho race Pickett ins Bild zu setzen. Dabei fiel auch der Name der Norma Blax ton, den der Altpapierhändler Chris Gellert genannt hatte. »Da also soll dieser Bryan Buttons sich aufhalten?« staunte der ehemali ge Eigentumsneuverteiler. »Ich ken ne Norma Blaxton, Mr. Parker. Sie hat beste Beziehungen zur Unter welt.« »Könnten Sie möglicherweise mit einigen Angaben zur Person dieser Norma Blaxton dienen?« 42
»Sie hat eine Pension in der Ower Road«, kam prompt die Antwort, »Norma Blaxtons Pension allerdings ist nichts anderes als eine billige Ab steige, vermittelt aber auch spezielle Adressen, wenn man untertauchen muß.« »Was könnte meine Wenigkeit sich darunter genau vorstellen?« »Sie vermittelt Deckadressen und Apartments an Leute, die von der Polizei gesucht werden. "Sie kennt viele Leute, die ihre Wohnungen oder Apartments für solche Zwecke ver mieten. Natürlich läßt sie sich für ei ne gute Adresse bestens bezahlen, Mr. Parker.« »Es liegt also durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß diese Norma Blaxton auch Mr. Buttons irgendwo sicher untergebracht hat?« »Natürlich, Mr. Parker. Aber um noch mal auf Buttons zurückzukom men, bisher haben meine Freunde noch nichts von ihm gehört. Der Mann ist völlig unbekannt in der Sze ne. Es handelt sich also entweder um einen neuen Gangster hier in der Stadt, oder aber Buttons ist nur einDeckname, um Spuren zu verwi schen.« »Könnten Sie sich unter Umstän den vorstellen, Mr. Pickett, daß der Altpapierhändler Gellert mit Mr. But tons identisch ist? Mylady deutete solch eine Möglichkeit im Rahmen einer Theorie an.« »Da möchte ich widersprechen, Mr. Parker«, entgegnete Pickett, »Gellert kommt meiner Ansicht nach niemals als Banknotenfälscher in Betracht. Er könnte höchstens das Papier für die falschen Banknoten beschafft haben, aber die Platten für den Druck schafft er nicht.« »Wie könnte er an das geeignete Papier für die falschen Banknoten kommen?« »Vielleicht kauft er Makulatur bei den Papiermühlen, Mr. Parker. Dabei kann er dann schon an gutes Druck papier gekommen sein. Aber die Si
cherheitmaßnahmen bei diesen Pa doch, dies durch viel Make-up verges piermühlen sind sehr gut.« sen zu machen. Sie trug einen ge »Sie sollten sich weiter um Mr. Bry steppten, grellbunten Morgenmantel an Buttons kümmern«, schlug der und musterte den Butler, der gerade Butler vor, »sein Aufenthalt in Lon höflich die schwarze Melone lüftete. don muß Spuren hinterlassen.« Dann aber zuckte sie förmlich zusam »Meine Freunde und ich werden am men, als Lady Agatha in dem kleinen Ball bleiben«, versprach Horace Pik Frühstückszimmer neben dem Büro kett, »wir werden ihn schon aufstö auftauchte. bern, Mr. Parker.« »Was seid denn ihr für 'ne Ulknum Josuah Parker wechselte noch eini mer?« fragte sie mit rauher Stimme. ge Worte mit dem ehemaligen Geld »Sie haben die Ehre, Lady Simpson umverteiler und legte dann auf. Er in einige Fragen beantworten zu dür formierte die ältere Dame, die aus dem fen«, antwortete Parker, »Mylady er Obergeschoß des Hauses kam und ei mittelt in einem Kriminalfall, der mit nen aufgekratzten Eindruck machte. Falschgeld in Verbindung steht.« Der perlenbestickte Pompadour an ih »Seit wann reist ihr denn auf diese rem rechten Handgelenk schwang Tour?« amüsierte sich Norma Blaxton munter hin und her. ungeniert. »Ich bin in der richtigen Stimmung, »Ich suche einen gewissen . . . Mr. Mr. Parker, etwas zu unternehmen«, Parker, wie heißt dieses Subjekt sagte sie freundlich, »ich glaube inzwi noch?« Lady Agatha wandte sich an schen, daß es richtig war, daß ich die ihren Butler. Die ältere Dame fiel wie falschen Banknoten zur Polizei schik der mal mit der Tür ins Haus. ken ließ.« »Mylady fahnden nach einem gewis »Meine Wenigkeit unterstellte, daß sen Mr. Bryan Buttons«, erläuterte der Mylady so und nicht anders entschei Butler gemessen, »Mylady gehen da den würden, was die Falsifikate be von aus, daß Mr. Chris Gellert Sie traf.« wohl inzwischen hinreichend instru »Wie auch immer.« Sie nickte wohl iert haben dürfte.« wollend. »Ich lasse Ihnen freie Hand »Jetzt aber raus«, fauchte Norma für die Ausfahrt. Eigentlich werde ich Blaxton, »haut ab, Leute, oder ich hole ja immer irgendwo gebraucht. Es ist mein Personal!« also völlig gleichgültig, wohin Sie Lady Agatha fühlte sich beleidigt mich fahren.« und reagierte auf ihre spezielle Art. »Könnte man vielleicht Myladys Sie langte nach der großen Tasse, die Gast bei dieser Gelegenheit in der mit Kakao gefüllt war, hob sie hoch Freiheit aussetzen?« erkundigte sich und goß den nicht gerade kalten der Butler. Er dachte an den Killer na Trank über das rotblonde Haar der mens Bruce Walker, der sich noch im Pensionsbetreiberin. Souterrain des Hauses befand. Daraufhin schrie Norma Blaxton »Weg mit diesem Subjekt«, ent erst mal gellend auf, blieb dann wie schied die ältere Dame, »er kostet nur erstarrt sitzen und starrte Lady Aga unnötig Geld. Ich kann mir so etwas tha an. »Wagen Sie es nicht noch mal, eine einfach nicht leisten.« wehrlose Frau zu beleidigen«, meinte die ältere Dame freundlich, »das heißt, von mir aus können Sie es ruhig tun.« Norma Blaxton war klein, dick und Norma Blaxton hatte ihre Starre ordinär. überwunden und sprang auf. Die Frau Die Betreiberin der Pension mochte schrie erneut und machte dann deut etwa fünfzig sein, bemühte sich je lich, daß sie ihre nicht gerade kurzen 43
und rot gelackten Fingernägel durch Myladys Gesicht ziehen wollte. Doch sie kannte ihre Kontrahentin nicht. Lady Agatha verabreichte eine Ohr feige, die die Perücke der Norma Blaxton wegrutschen ließ. Unter die ser Perücke wurde dünnes, graues Haar sichtbar. Daraufhin schrie die Demaskierte ein drittes Mal. »Is' was, Norma?« fragte eine dünne Stimme von der Tür her. Ein schwam miger Riese schob sich in den Früh stücksraum und staunte nur noch. Solch eine Szene hatte der Mann, der um die vierzig alt sein mußte, auf kei nen Fall erwartet. »Schlag' sie zusammen«, kreischte Norma Blaxton und deutete auf Lady Agatha. »Okay«, sagte der Schwammige ge horsam und leckte sich die Lippen. Er setzte sich in Bewegung und übersah Josuah Parker, der neben der Tür stand. »Einen Moment, wenn ich höflich bitten darf«, ließ Josuah Parker sich vernehmen, »Sie schicken sich an, Dinge zu tun, deren Tragweite Sie mit Sicherheit nicht überschauen.« »Wer ist denn der?« fragte der schwammige Riese und runzelte die Stirn. »Schlag den auch zusammen«, ver langte Norma Blaxton, während sie sich den Kakaotrunk aus dem Gesicht wischte, »das sind Schnüffler, Ben. Mach sie fertig.« »Klar doch, Norma«, versprach Ben und holte aus. »Sie sollten sich noch etwas in Ge duld üben«, meinte Josuah Parker ge messen. Ben zögerte, ließ Faust und Arm wieder sinken und grübelte in tensiv. Die Ausdrucksweise des But lers überforderte ihn eindeutig. »Darf ich mir erlauben, Ihre Auf merksamkeit auf den Griff dieses Re genschirmes zu lenken?« fragte Par ker. Ben wurde unsicher, beugte sich vor, um den erwähnten Regenschirm genauer in Augenschein nehmen zu 44
können, und kratzte sich dabei mit der linken Hand am Hinterkopf. Auch Norma Blaxton fühlte sich von Parker angesprochen. Sie konnte wieder etwas klarer sehen, nachdem der Kakaotrunk aus den Augen ge wischt worden war. »Un' was is' mit dem Schirm?« frag te Ben neugierig. »Sie sollten für einen Moment die Augen schließen«, schlug Josuah Par ker vor, »meine Wenigkeit garantiert, daß Sie dann eine Vielzahl ausgespro chen bunter Sterne sehen werden.« Ben, der schwammige Riese, schloß gehorsam die Augen und . . . sah dann die versprochenen Sterne. Sie fielen sogar sehr bunt aus.
Parker hatte den mit Blei ausgegos senen Bambusgriff des Schirmes auf die Stirn des Schwammigen gesetzt und auf diese Art für den Effekt ge sorgt. Ben fiel gegen die Wand, rutsch te dann im Zeitlupentempo an ihr hin unter zu Boden und breitete sich dort aus. Norma Blaxton war tief beein druckt. Sie starrte Parker an und wollte noch mal schreien, doch dann nahm sie davon Abstand. Parker hatte an deutungsweise den Kopf geschüttelt. »Sie sollten Ihre Stimmbänder nicht unnötig strapazieren, Miß oder Mrs. Blaxton«, sagte er dann in seiner höfli chen Art,. »Mylady oder auch meine Wenigkeit sind dadurch mit Sicher heit nicht zu beeindrucken.« »Sie... Sie haben Ben ausge knockt«, stellte Norma Blaxton fas sungslos fest und verzichtete auf ihren Schrei. »Möglicherweise ein glücklicher Zu fall«, antwortete der Butler, »darf man jetzt noch mal auf den erwähnten Bry an Buttons zurückkommen? Sie sol len im Besitz seiner momentanen Adresse sein.« »Ich kenne keinen Bryan Buttons«,
behauptete Norma Blaxton. Sie hatte sich inzwischen wieder unter Kontrol le, aber sie musterte immer wieder ver stohlen Agatha Simpson. »Mr. Bryan Buttons dürfte der Kopf einer Organisation sein, die sich mit illegaler Buchmacherei befaßt«, sagte Butler Parker, »und die Herren Tony Steffen, Dave Mills und Chris Gellert sind nach Lage der bisher bekannten Dinge so etwas wie Filialisten dieser Organisation.« »Ich habe keine Ahnung«, erklärte die Pensionsbetreiberin erneut, »und wenn ich was wüßte, würde ich den Mund halten. Ich bin doch nicht le bensmüde.« »Meine Wenigkeit hat sich mit Si cherheit nicht deutlich genug ausge drückt«, redete der Butler weiter, »My lady ermittelt keineswegs gegen illega le Buchmacherei, Mylady befaßt sich mit Falschgeld.« »Sie wissen mehr als ich.« »Ich glaube, Sie wollen mich är gern«, schaltete sich die Detektivin nun ein, »und so etwas nehme ich im mer übel, meine Liebe.« »Ich nehme auch übel«, erwiderte Norma Blaxton, »und bin nachtra gend.« »Soll das etwa eine Drohung sein? Das wäre zu schön.« Lady Agatha lä chelte animiert. »Ich habe eine Menge Freunde, die mir gern 'nen Gefallen tun.« Norma Blaxton hatte ihren anfänglichen Schock überwunden und wollte sich für die Kakaobehandlung rächen. Sie stand blitzschnell auf und griff nach der Kanne, in der sich noch dieses dunkle Frühstücksgetränk befand. Sie hatte eindeutig die feste Absicht, die Kanne auf den Kopf der älteren Dame zu setzen, doch sie wußte natürlich nicht, wie sportlich Agatha Simpson war. Mylady spielte in ihrer Freizeit Golf und huldigte dem Sport des Bogen schießens. Ihre Oberarmmuskulatur war gut ausgebildet. Und diese Musku latur setzte sie jetzt ein. Aus dem Hand
gelenk heraus ließ sie den perlenbe stickten Pompadour hochschnellen und bremste damit die Kanne. Der im Pompadour befindliche Glücksbringer fetzte die Porzellankan ne auseinander. Der Kakao wurde frei gegeben und regnete auf Norma Blax ton herab. Nun stieß die Pensionsbe treiberin einen unterdrückten Schrei aus und starrte entgeistert auf den Henkel der Kanne, der in ihrer Hand zurückgeblieben war. »Meine Wenigkeit möchte den Din gen keineswegs vorgreifen«, ließ Josu ah Parker sich vernehmen, »aber viel leicht sollte man den Dialog der Da men nicht weiter stören.« »Ich werde Sie rufen, sobald ich hier fertig bin«, meinte die resolute Lady und nickte ihrem Butler wohlwollend zu. Dabei zog sie eine ihrer übergroßen Hutnadeln aus dem seltsamen Gebil de, das auf ihrem Kopf saß. Es handelte sich dabei um eine Mischung aus ei nem Napfkuchen und einem Südwe ster, um etwas allerdings, das Mylady für einen dekorativen Hut hielt. Die Nadel in ihrer Hand erinnerte an einen kleinen Bratspieß und sah äußerst ge fährlich aus. »Was . . . Was soll das?« erkundigte sich Norma Blaxton unruhig und wich unwillkürlich zurück. »Das ist mein Lügendetektor, meine Liebe«, antwortete Lady Agatha ge fährlich freundlich, »immer dann, wenn ich das Gefühl habe, nach Strich und Faden belogen zu werden, sticht die Hutnadel automatisch zu. Ich kann dagegen nichts machen, es ist nun mal so.« Parker verließ diskret den Raum.
»Mylady hatten eine anregende Dis kussion?« fragte der Butler zehn Minu ten später. Seine Herrin kam munter aus dem Frühstückszimmer und steck te die lange Nadel zurück in das pikan te Hutgebilde. »Überhaupt nicht«, sagte die Lady 45
»Wieso Beruf? Was meinen Sie verärgert, »diese Frau hat ja kein damit?« Standvermögen.« »Er ist der Chef einer illegalen »Wie darf man Myladys Feststellung interpretieren?« stellte Parker die Buchmacher-Organisation? « nächste Frage. »Das hab' ich ihr doch schon gesagt. »Sie redete wie ein Wasserfall«, Warum kauen Sie das alles noch mal meinte Agatha Simpson wegwerfend, durch?« »und ich fürchte, sie hat sogar die »Um den Wahrheitsgehalt Ihrer Wahrheit gesagt.« Aussagen zu überprüfen, Mrs. Blax »Sie nannte Mr. Buttons' momenta ton. Und wo, bitte, kann Mylady be nen Aufenthaltsort? « sagten Mr. Bryan Buttons finden?« »Er soll hier ganz in der Nähe woh »In 'nem Apartment über dem Su nen, über einem Supermarkt an der permarkt an der Ecke.« nächsten Straßenecke.« »Könnten Sie diesen Supermarkt »Ist Mrs. Norma Blaxton an näher beschreiben, damit es zu keiner sprechbar, Mylady?« Verwechslung kommt?« »Natürlich, Mr. Parker.« Lady Aga »In dem Laden gibt es nur Spirituo tha lächelte boshaft. »Ich bin schließ sen«, präzisierte Norma Blaxton, »das lich eine besonders rücksichtsvolle hab' ich der Lady allerdings nicht ge Frau.« sagt, aber sie hat mich ja auch nicht Parker öffnete die nur angelehnte danach gefragt.« Tür zum Frühstücksraum. Norma »In welchem Apartment hält Mr. Blaxton, die in einem Lehnstuhl saß, Buttons sich auf? zuckte zusammen, als der Butler er Norma Blaxton verriet, was eben schien. Dann hob sie abwehrend die nur zu verraten war. Sie beschrieb die Hände. genaue Lage des Apartments und be »Wo ist sie?« fragte sie rauh, aber ruhigte sich langsam. Sie blickte auf. leise. den schwammigen Ben, der sich lang »Mylady wartet vorn in der Ein sam zu rühren begann. gangshalle«, antwortete der Butler, »Seit wann ist Ihnen bekannt, daß »möglicherweise wird Mylady aber Mr. Buttons Falschgeld herstellt?« noch mal zurückkehren.« »Falschgeld? Davon weiß ich wirk »Nur das nicht«, stöhnte Norma lich nichts. Mein Ehrenwort! Ich weiß Blaxton auf, »nur das nicht. Das ist ja nichts von Falschgeld ...« direkt eine Furie. So was habe ich »Kommen wir auf diese Frage spä noch nie erlebt.« ter zurück«, schlug der Butler höflich »Sie sollten in der Wahl Ihrer Aus und gemessen vor, »seit wann hält Mr. drücke eine gewisse Zurückhaltung Bryan Buttons sich hier in London üben«, riet Parker der entnervten Pen auf, und woher kennen Sie ihn?« sionsbetreiberin, »Mylady ist das, was »Ich kenn' ihn so gut wie gar nicht«, man gemeinhin eine äußerst empfind gab Norma Blaxton zurück, »Gellert same Person zu nennen pflegt.« kreuzte mit ihm hier auf. Und das »Guter Himmel«, flüsterte Norma war's dann auch schon.« Blaxton, »die und empfindsam! Um »Und woher kommt Mr. Buttons, ein Haar hätte sie mich glatt abgesto wenn ich an diesen Teil der Frage erin chen ...« nern darf?« »Sie müssen gewisse Gesten Myla »Aus Liverpool, glaube ich, er hat dys völlig mißgedeutet haben«, stellte so was mal angedeutet, aber genau der Butler fest, »aber zurück zu dem weiß ich das nicht. Hören Sie, warum öfter erwähnten Mr. Bryan Buttons: fragen Sie nicht Buttons? Ich will mit Mylady möchte in Erfahrung bringen, der ganzen verdammten Sache nichts welchem Beruf er nachgeht.« mehr zu tun haben.« 46
Glaich geht's weiter im Text …
»Wieso konnte Mr. Buttons in einer erstaunlich kurzen Zeit einen illegalen Buchmacher-Ring etablieren?« »Etablieren? Was heißt das?« Sie sah ihn irritiert an. »Solch eine Organisation läßt sich nicht innerhalb weniger Wochen auf ziehen«, übersetzte Parker sehr frei. »Ach so, das meinen Sie.« Norma Blax ton schielte wieder hinüber auf Ben, der sich gerade vorsichtig hochsetzte und angestrengt darüber nachzuden ken schien, was mit ihm passiert war. »Buttons hat doch eine fertige Organi sation übernommen. Die gab's schon.« »Und wo befindet sich der ehemali ge Chef dieser Organisation?« »Burt Steel ist ausgetauscht wor den und sitzt jetzt in Liverpool«, laute te die auch für Parker überraschende Antwort, »warum und wieso, nun, das weiß ich nicht. Hören Sie, ich werde verdammt große Schwierigkeiten ha ben, weil ich das alles ausgesungen habe.« »Myladys Diskretion ist geradezu berüchtigt«, beruhigte der Butler die Pensionsinhaberin, »und auch von meiner bescheidenen Wenigkeit ha ben Sie in dieser Hinsicht nichts zu befürchten.« Nachdem Josuah Parker diese Ver sicherung abgegeben hatte, langte er mit dem schweren Bambusgriff seines Universal-Regenschirms noch mal fast beiläufig zu und klopfte bei dem schwammigen Ben kurz und konzen triert an. Ben stieß daraufhin einen Grunzer aus, gab seine Absicht auf, sich auf die Beine zu erheben, plumpste zurück und bezog dann erneut ein Lager auf dem Fußboden. Parker lüftete die schwarze Melone in Richtung Norma Blaxton und erkun digte sich dann nach einem sicheren Kellerraum. »Wozu wollen Sie das wissen?« fragte die Frau, die sich als begriffs stutzig auswies. Sie kam erst knapp fünf Minuten später dahinter, warum 48
Josuah Parker ihr solch eine Frage ge stellt hatte.
Der Supermarkt war nichts anderes als ein großer Schnapsladen, wie sich bald herausstellte. Es gab hier alles, was an Alkohol zu kaufen war. Die Auswahl war umwer fend. Lady Agatha steuerte nach dem Betreten des Supermarktes zielsicher einen Probierstand an und nickte dem schmalen, nervösen Werbefachmann freundlich zu. »Nun, mein Bester, was haben Sie mir denn anzubieten?« erkundigte sich die ältere Dame leutselig und schien den Zweck ihres Kommens be reits völlig vergessen zu haben. »Meine Firma bringt einen neuarti gen Whisky auf den Markt«, antworte te der junge Mann, »er stammt aus Ja pan und ist besser als alles, was aus Schottland kommt.« »Wie interessant, mein Lieber.« La dy Agatha nickte wohlwollend, »dann lassen Sie mich mal testen.« Der junge Mann füllte ein Probier glas, und Agatha Simpson kippte den Whisky herzhaft hinunter. Anschlie ßend schürzte sie die Lippen und legte den Kopf ein Wenig schief. »Schwer zu beurteilen, junger Mann«, sagte sie dann, »versuchen wir es noch mal.« »Aber gern.« Der Vorführerr des neuen Whisky füllte das Glas erneut, und die Lady kippte auch diese nicht geringe Menge gekonnt hinunter. »Etwas schwach im Geschmack«, stellte sie danach fest, »die Japaner müssen sich dazu noch etwas einfallen lassen, denke ich. Aber ich kann mich natürlich auch geirrt haben. Sicher heitshalber eine Frage, mein Lieber: Diese Kostproben sind natürlich frei und kosten mich keinen Penny, wie?« »Aber selbstverständlich ist alles kostenlos«, antwortete der junge Mann leichtsinnigerweise. »Dann schenken Sie noch mal nach,
mein Bester.« Lady Agatha musterte die Flaschen auf dem kleinen Tresen. »Ich sehe da einen Kognak, oder sollte ich mich täuschen?« »Kognak aus Japan«, lautete die überraschende Antwort, »dagegen kommt der aus Frankreich nicht an.« »Damit werde ich mich später befas sen«, machte die ältere Dame klar, »zuerst geht es jetzt um den Whisky.« »Würden Mylady meine bescheide ne Wenigkeit für wenige Augenblicke entschuldigen? « fragte der Butler. »Aber natürlich, Mr. Parker«, gab sie zurück, »lassen Sie sich nicht auf halten.« Josuah Parker verzichtete auf jede Erklärung und begab sich in die Tiefe des Supermarktes. Norma Blaxton hatte ihm genau beschrieben, wie man in das Apartment gelangen konnte, ohne den offiziellen Eingang zu benut zen. Josuah Parker wollte sich mit Bryan Buttons so schnell wie möglich in Verbindung setzen. Aus Erfahrung wußte er, daß mit Mylady vorerst nicht mehr zu rechnen war. Gewiß, sie machte sich im Grund überhaupt nichts aus Alkohol, doch hier gab es ihn kostenlos. Solch einer Versu chung konnte sie einfach nicht wider stehen. Norma Blaxton und ihr schwammi ger Hausfreund Ben saßen in einem ausbruchsicheren Keller und hatten keine Möglichkeit, diesen Bryan But tons zu warnen. Die Gelegenheit schien also mehr als nur günstig zu sein, Buttons überraschen zu können. Als Parker eine Tür aus Eisenblech erreichte, tauchte plötzlich ein Lager arbeiter auf, der einen grauen Kittel trug. »Durchgang verboten«, sagte der Mann wenig freundlich. »Sind Sie sich Ihrer Sache völlig si cher?« fragte der Butler und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Völlig sicher«, entgegnete der Mann, »Ich kann's Ihnen auch bewei sen, wenn Sie scharf darauf sind.« »Und auf welche Art könnten Sie
meine Wenigkeit überzeugen?« wollte der Butler wissen. »Hiermit.« Der Angestellte lächelte tückisch und wollte Parker mit einem Magenhaken bedenken. Er traf aller dings nur die Wölbung seiner Kopfbe deckung. Und da diese Wölbung mit starkem Stahlblech ausgefüttert war, verstauchte sich der Mann notgedrun gen die Fingerknöchel. Er holte tief Luft und blickte dann konsterniert auf seine Hand, die sich nicht mehr öffnen ließ. Josuah Parker stieß mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf die Zehenspitze des linken Fußes und brachte den Mann dazu, den getroffe nen Fuß anzuziehen. Anschließend besänftigte Parker den Türwächter mit seinem Spezial-Spray und warte te, bis das verbissene Gesicht des so Behandelten sich ein wenig verklärte. »Entspannen Sie sich«, schlug Par ker dem Türsteher freundlich vor, »Mr. Buttons ist in seinem Apart ment?« »Is' er«, bestätigte der Mann und lachte. »Allein, wenn man weiter fragen darf?« »Nee, da sin' noch zwei Boten bei ihm«, lautete die Antwort, »Buttons kassiert mal wieder groß ab.« »Ihre Freundlichkeit ist kaum noch zu überbieten«, lobte Parker den Tür wächter, »aber jetzt sollten Sie sich ausruhen und sich Ihren hoffentlich bunten Träumen hingeben.« Der Mann war mit Parkers Vor schlag sofort einverstanden.
Butler Parker hatte die Feuertreppe aus Beton hinter sich gebracht und stand vor einer schmalen Tür, die mit einem Yale-Schloß gesichert war. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis dieses an sich nicht gerade einfache Schloß jeden Widerstand aufgab. Mit einem Spezial-Besteck hatte der But 49
ler nur wenige Sekunden gebraucht, um das Schloß aufzusperren. Parker betrat eine Küche, hörte Stim men, schritt weiter und erreichte eine Pendeltür. Durch die Holzlamellen die ser Tür blickte er in einen großen Wohn raum, in dem sich drei Männer aufhiel ten. Sie saßen in einer Sitzecke und befaßten sich mit Banknotenbündeln, die in reicher Menge auf einem Couch tisch lagen. Natürlich wäre es zu schön gewesen, wenn die drei Männer sich gerade jetzt über Interna der Buchmacher-Organi sation unterhalten hätten, doch so et was kannte Parker nur aus einschlägi gen Kriminalfilmen. Die drei Männer unterhielten sich über Geldbeträge, Wettquoten und über ein neues Pro gramm in einer Nachtbar in Soho. Inzwischen hatte Josuah Parker her ausgefunden, wer Bryan Buttons war. Die beiden anderen Männer legten die sem Mann gegenüber einen gewissen Respekt an den Tag. Bryan Buttons war klein, schmal und schien ein Energie bündel zu sein. Sein Pferdegebiß zeigte hingegen beachtliche Größe. Parker war zu einem günstigen Zeit punkt gekommen. Die beiden Besucher von Bryan But tons hatten ihr Geld abgeliefert und verabschiedeten sich plötzlich. But tons brachte sie zur regulären Tür sei nes Apartments, und Parker nahm sich die Freiheit, den Wohnraum bereits oh ne Einladung zu betreten. Als Buttons zurückkam, blieb er wie angewurzelt stehen. »Man erlaubt sich, Ihnen einen freundlichen Tag zu wünschen«, grüß te Josuah Parker, »erfolgreich, was das Geld betrifft, scheint er für Sie bereits zu werden.« »Wer sind Sie?« fragte Buttons, der sich sofort unter Kontrolle hatte. »Eine genaue Beschreibung meiner bescheidenen Wenigkeit dürfte man Ihnen mit Sicherheit bereits geliefert haben«, antwortete der Butler, »doch sicherheitshalber noch mal: Parker mein Name, Josuah Parker.« 50
»Wie haben Sie mich aufgespürt?« fragte Buttons und kam näher. »Auch verschlungene Pfade führen zum Ziel«, erwiderte Josuah Parker, »Sie also sind der Mann, der einen ge wissen Burt Steel in der Führung der Organisation abgelöst hat?« »Sie sind verdammt gut informiert.« » Wissen bedeutet manchmal Macht«, erklärte Parker in seiner höflichen Art, »an dieser Stelle sollte betont werden, daß Ihre Aktivitäten hinsichtlich der illegalen Buchmacherei für meine Per son kaum von Interesse sind.« »Trotzdem sind Sie hinter mir her, wie ich weiß«, erwiderte Bryan But tons, »Ich habe schließlich auch so mei ne Informationen.« »Natürlich denken Sie jetzt an die Herren Steffens, Mills und Gellert«, gab Josuah Parker zurück, »hoffentlich hat man nicht zu hart über Mylady und meine bescheidene Wenigkeit geur teilt, Mr. Buttons. Der Bewohner des übrigens recht komfortabel eingerichteten Apart ments gab sich gelassen, fast freund lich. Er schien tatsächlich genau zu wis sen, wer ihm da gegenüberstand. »Ich weiß, daß Sie ein verdammt cle verer Mann sind«, meinte Bryan But tons und zeigte sein Pferdegebiß, als er fast anerkennend lächelte, »darum werde ich jetzt und hier auch keine Hand rühren. Ich will gerade von Ihnen nicht mißverstanden werden.« »Dann sollten Sie auch in einer Art antworten, die keine Zweifel offen läßt«, schlug Josuah Parker vor, »Ihnen dürfte längst bekannt sein, daß Mylady sich im Besitz eines Ledersacks befin det, der mit falschen Banknoten gefüllt ist.« »Ob Sie es nun glauben oder nicht, Parker, ich habe keine Ahnung, woher das Falschgeld stammt. Aber es hat mit meiner Arbeit hier nichts zu tun.« »Sie erlauben, daß man sich einem gewissen Zweifel hingibt?« schickte Josuah Parker voraus. »Alle eben er wähnten Herren, die zu Ihrer Buchma cher-Organisation gehören, alle jene
Herren nannten immer wieder Ihren Namen. Und nach Lage der Dinge bie tet es sich förmlich an, daß Sie das Falschgeld über Ihre Buchmacher-Fi lialen in die Öffentlichkeit einschleu sen, um es mal so auszudrücken. »Klingt noch nicht mal schlecht«, meinte Bryan Buttons, »klingt sogar sehr logisch. Ich kassiere über meine Filialen gutes Geld und zahle falsches aus. Spuren würde so etwas kaum hin terlassen, wie?« »So erlaubt meine Wenigkeit sich die Dinge zu sehen«, erwiderte der Butler gemessen. »Dazu müßte ich aber erst mal Falschgeld haben, Parker.« »Ein Mann Ihrer Provenienz dürfte Mittel und Wege kennen, um Falsch geld drucken zu lassen.« »Da überschätzen Sie mich aber gründlich, Parker. Um Falschgeld drucken zu lassen, braucht man Fach leute, Spezialisten, braucht man Ma schinen, ein Fotolabor und vor allen Dingen gutes Papier.« »Die Grundvoraussetzungen für den Druck von Falschgeld sind meiner Wenigkeit wohlvertraut.« »So was stampft man nicht aus dem Boden. Nee, bei mir sind Sie an der falschen Adresse.« »Sie, könnten das Falschgeld aus Li verpool mitgebracht haben.« »Sie wissen tatsächlich eine Menge über mich«, staunte Bryan Buttons. Er gab sich entspannt und schien keine Befürchtungen zu hegen, »aber Sie wissen eben nicht genug, Parker.« »Meine Wenigkeit weiß noch zusätz lich von der Existenz eines zehnjähri gen Mädchens, das Sally Fowler heißt«, schickte Parker höflich voraus, »die kleine Miß Sally dürfte von Din gen wissen, die für Sie äußerst unan genehm sind.« »Keine Ahnung, wer die Kleine ist, Parker.« Bryan Buttons zuckte die Schultern. »Sie dürfte der Schlüssel zu der an stehenden Falschgeldaffäre sein«, prä zisierte der Butler, «und sie allein war
es, die Mylady veranlaßte, sich in das Geschehen einzuschalten.« »Sie ist der Schlüssel zur Falschgeldaffäre?« fragte Buttons. »Wie soll ich denn das verstehen? Ein zehnjähriges Mädchen? Hören Sie auf, Parker, Sie wollen mich auf den Arm nehmen.« »Oder Ihre Mitarbeiter nehmen Sie auf den Arm, um bei ihrer Ausdrucks weise zu bleiben«, schlug Parker plötzlich aus einem Impuls heraus vor, »es könnte durchaus sein, daß Sie von dem Falschgeld bisher noch gar nichts wußten.« »Angenommen, Parker, Sie liegen richtig.« Buttons zeigte nichts mehr von seinem Pferdegebiß. »Angenom men, ich würde das intern regeln, was würden Sie dann tun,« »Es geht um eine gewisse Sally Fowler.« »Ich werde mich da einschalten«, meinte Bryan Buttons, »aber dazu brauche ich Zeit.« »Mylady wird Ihnen gewiß einige Stunden einräumen«, erwiderte der Butler, »und Mylady wird gespannt je ner Dinge harren, die da kommen werden.« »Sie wollen tatsächlich so einfach gehen?« Buttons wunderte sich sicht lich. »Sie haben mich doch in der Hand, Parker.« »Ich erlaube mir, Ihnen erfolgreiche Stunden zu wünschen«, sagte Josuah Parker, lüftete die schwarze Melone und nahm dann den Weg, den er ge kommen war. Er ließ einen völlig verblüfften But tons zurück.
»Diese Jugend von heute«, sagte die ältere Dame, als sie endlich in Parkers hochbeinigem Monstrum saß. »sie verträgt aber auch überhaupt nichts.« »Der junge Mann machte einen stark angetrunkenen Eindruck, My lady.« »Ich habe darauf bestanden, daß er 51
ein paar Gläschen mittrank«, erwider te Lady Agatha und lächelte, »und das alles kostenlos, Mr. Parker.« Lady Agatha konnte viel vertragen, was alkoholische Getränke betraf. Doch nun schien auch sie sich über schätzt zu haben. Sie räkelte sich in einer Wagenecke, schloß die Augen und war bald darauf fest eingeschla fen. Eindringliche Schnarchtöne machten deutlich, daß sie vorerst nicht ansprechbar war. In Shepherd's Market angekom men, kümmerten sich Kathy Porter und Mike Rander um die ältere Dame. Sie wurde in ihr Studio gebracht, um dort ihre Meditationen fortsetzen zu können. Josuah Parker telefonierte in zwischen von der Wohnhalle aus mit dem Chief-Superintendent McWar den. Parker bat um Ermittlungen in Liverpool. Dort sollten McWardens Kollegen sich nach einem gewissen Bryan Buttons und seinem bisherigen Umfeld erkundigen. »Lady Simpson hat jetzt Zeit, ihren Fall ausgiebig zu überdenken«, mein te der Anwalt ironisch, als er mit Ka thy Porter wieder in der Wohnhalle er schien. »Was ist denn eigentich passiert?« fragte die junge Dame. »Mylady probierte Whisky und Ko gnak aus Japan«, schickte der Butler voraus, »Mylady dürfte diese Probe sehr ernst genommen und intensiv ge führt haben.« »Das roch man deutlich«, schaltete Rander sich ein, »eine Schnapsbren nerei ist nichts dagegen. Hat die Aus fahrt sich wenigstens gelohnt?« Parker berichtete von seiner Unter haltung mit Bryan Buttons. Kathy Porter und Mike Rander wechselten verblüffte Blicke, als Parker von der Möglichkeit sprach, Buttons könnte möglicherweise von seinen Filialisten in Sachen Falschgeld hintergangen worden sein. »Das ist ja ein völlig neuer Aspekt«, sagte der Anwalt schließlich, »aber möglich wäre das durchaus. Buttons 52
wurde gegen diesen Burt Steel ausge tauscht, wie wir wissen. Steel könnte den Druck der falschen Banknoten in London angeleiert haben. Und als Buttons dann auftauchte, machten Steels bisherige Mitarbeiter einfach weiter, ohne den neuen Chef einzu weihen.« »Das klingt alles sehr logisch«, fand auch Kathy Porter, »und die kleine Sally könnte etwas gefunden haben, was Steels Freunde belasten würde.« »Wie heißen diese Kerle noch?« fragte Rander. »Da wäre mal der Gerüstebauer To ny Steffen, Sir, dann der Briefmarken händler Dave Mills und schließlich der Altpapierverwerter Chris Gellert.« »Und unser Killer namens Bruce Walker«, warf Kathy Porter ein, »Mr. Rander und ich haben ihn beschattet, wie wir es verabredet hatten. Nach dem er das Haus verließ, fuhr er direkt zu Tony Steffen.« »Bruce Walker ist eine Art Kassie rer, der die Filialen der illegalen Buch händler abfährt und die Einnahmen sammelt«, schickte Josuah Parker voraus, »er könnte also durchaus mit den uns bekannten Filialisten unter ei ner Decke stecken.« »Steffen, Mills und auch Gellert ha ben sich bisher verzweifelt abgestram pelt, an den Ledersack mit den fal schen Banknoten heranzukommen«, erinnerte der Anwalt. »Und um die kleine Sally Fowler zu verschrecken«, fügte Kathy Porter hinzu, »vielleicht plante man auch ih re Ermordung, Mr. Parker.« »Sobald man im Besitz eines gewis sen Geheimnisses ist, dürfte man ge zielt auf das kleine Mädchen und auf ihre Eltern schießen«, prophezeite der Butler. »Und auf Buttons«, warf Mike Ran der ein, »Sie sagten doch eben, Parker, daß dieser neue Chef nachhaken will, was das Falschgeld betrifft. Das könn te für ihn durchaus ins Auge gehen.« »Dessen dürfte sich ein Profi wie Mr. Buttons durchaus bewußt sein,
Sir. Er wird sicher die erforderliche Vorsicht walten lassen.« »Und was unternehmen wir, wäh rend die Gangster sich gegenseitig an die Kehle gehen?« »Man könnte vielleicht einen kurzen Ausflug nach Chigwell unternehmen, Sir«, schlug Parker vor, »nachdem Bruce Walker wieder auf freiem Fuß ist, wird er sich vielleicht zu den Fow lers begeben, um dort Spuren zu ver wischen.« »Haben Pickett und seine Freunde sich inzwischen gemeldet?« »Man wird sich in Chigwell mit Si cherheit bemerkbar machen«, wußte der Butler im vorhinein, »und einmal dort, sollte man der Familie Fowler ins Gewissen reden und auf Gefahren ver weisen, die ständig wachsen.«
»John Fowlers Eltern wohnen am südlichen Ortseingang in einer klei nen Farm«, sagte Horace Pickett, nachdem er Parker und Mike Rander begrüßt hatte. Die drei Männer hatten sich nach Ankunft des hochbeinigen Monstrums in Chigwell auf einfache Art verständigt und dann getroffen. In Chigwell angekommen, hatte Parker über ein kleines Funkgerät Kontakt mit dem ehemaligen Eigentumsneu verteiler aufgenommen und ein Tref fen in einem Restaurant an der Durch gangsstraße noch vor dem Ortsein gang verabredet. Man saß in einem kleinen Gästezimmer und tauschte In formationen aus. »Haben Ihre Freunde bereits Perso nen wahrgenommen, die man als ver dächtig bezeichnen könnte?« erkun digte sich der Butler. »Und ob, Mr. Parker«, bestätigte Pickett, »zwei Männer sind plötzlich mit einem Wohnmobil aufgetaucht und befinden sich auf einem nahen Campingplatz. Das Wohnmobil stammt aus London.« »Dann wissen die Geldfälscher
wohl, wo die Fowlers stecken«, be fürchtete Mike Rander. »Man wird sich in der Nachbar schaft der Familie Fowler in London erkundigt haben«, vermutete Parker, »meine Wenigkeit war bereits so frei, dies zu einem früheren Zeitpunkt an zunehmen.« »Solche Adressen sind in einem Mietshaus immer bekannt«, fügte Ho race Pickett hinzu, »besonders schlau oder vorsichtig sind die Fowlers gera de nicht gewesen.« »Man wartet sicher auf diesen Killer, wie?« Rander blickte den Butler ab wartend an. »Davon muß man sicher ausgehen, Sir«, gab Josuah Parker zurück, um sich dann wieder Pickett zuzuwenden, »Ihre Freunde schirmen die Farm un auffällig ab, wie zu vermuten ist?« »Wie vereinbart«, bestätigte Pickett, »einer von ihnen angelt an einem na hen Bach und spielt den Touristen. Der andere Freund hat sich auf dem Campingplatz ein Wohnzelt gemietet.« »Dann sollte man sich vielleicht mit der Farm beschäftigen, die die Familie Fowler beherbergt, Sir.« Parker schaute den Anwalt abwartend an. »Die Farm liegt an dem Fischbach«, erläuterte Pickett, »um sie herum gibt es nur Weiden und Felder und ein paar Drahtzäune. Das Gelände ist gut zu übersehen.« »Konnten bisher Aktivitäten der Fa milie Fowler festgestellt werden, Mr. Pickett?« wollte der Butler wissen. »Es hat sich bisher kaum etwas ge tan«, sagte Pickett, »die Fowlers sind kaum zu sehen, sie halten sich im Farmhaus auf. Den Ford haben sie in der Scheune abgestellt. Glauben Sie, daß Walker noch heute erscheinen wird?« »So schnell wie möglich«, meinte der Butler, »die Falschgelddrucker werden keine Zeit verlieren wollen, um endlich für klare Verhältnisse zu sorgen.« »Kann man das Farmhaus vom 53
Campingplatz aus beobachten?« er kundigte sich der Anwalt. »Mit einem Fernglas ist das leicht zu schaffen«, antwortete Pickett, »das Wohnmobil steht ganz außen am Zaun des Campingplatzes.« »Demnach sollte man die beiden Be obachter in einen Zustand versetzen, der es ihnen unmöglich macht, in das kommende Geschehen einzugreifen«, sagte Josuah Parker und blickte Mike Rander an, »Ihr Einverständnis vor aussetzend, Sir, wird meine Wenigkeit sich mit diesem kleinen Randproblem auseinandersetzen.« »Ich setze voll auf Sie, Parker.« Der Anwalt lächelte. Er wußte nur zu gut, wie geschickt der Butler agierte.
Das linke Seitenfenster des Wohn mobils war weit geöffnet. Josuah Parker, der sich in Mike Randers Begleitung befand, schätzte die Entfernung ab und holte dann sei ne Patentwaffe hervor, nämlich seine Gabelschleuder. Die beiden Männer standen noch jenseits des Zaunes, der den Campingplatz umgab. Sie hatten sich ihm vorsichtig genähert und da bei das Gelände geschickt ausgenutzt. Es gab hier reichlich Strauchwerk, Bodenfalten und sogar einen ausge trockneten Bachlauf. »Wird's reichen, Parker?« fragte Mi ke Rander, als der Butler bereits nach der passenden Munition in einer sei ner Westentaschen suchte. »Eine Distanz, Sir, die sich leicht überbrücken läßt«, antwortete Josuah Parker. Er hatte sich für eine Plastik kapsel entschieden, in der sich eine Glasampulle befand. »Werden die beiden Knaben nicht abhauen, sobald sie etwas merken?« Rander drückte sich ein wenig hoch, um das Wohnmobil hinter dem Zaun besser beobachten zu können. »Mr. Picketts Freunde werden die Tür zum Wohnmobil sperren«, entgeg nete der Butler, »meine Wenigkeit 54
wartet nur noch auf das entsprechen de Signal.« »Mal ehrlich, Parker, Ihnen machen die Gangsterjagden Spaß, wie?« Ran der hatte sich wieder zurücksinken lassen. »Meine Wenigkeit möchte keines wegs verhehlen, daß diese Herausfor derungen ausgesprochen kreativ sind«, räumte Josuah Parker ein, »darf man an die gemeinsam verbrachten Jahre in den USA erinnern?« »Wir hatten damals eine schöne Zeit«, verfiel der Anwalt ins Schwär men, »aber jetzt ist sie weitaus interes santer geworden, Parker. Jetzt gibt es eine Lady Simpson.« »Eine Dame, die man nur als ausge sprochen bemerkenswert bezeichnen kann«, stellte der Butler fest, »darf man übrigens in diesem Zusammen hang auch auf Miß Porter verweisen?« »Sie winken mit dem Zaunpfahl, Parker, wie?« Rander lächelte. »Mit Ihrer Erlaubnis, Sir.« Parker deutete ein knappes Kopfnicken an. »Sie wissen doch längst, Parker, was sich zwischen Miß Porter und mir ab spielt, oder?« »Dies konnte meiner Aufmerksam keit kaum entgehen, Sir.« »Irgendwann werden mal die Hoch zeitsglocken läuten«, redete der junge Anwalt weiter, »wir werden Sie dann zu unserem Trauzeugen machen, falls Sie einverstanden sind.« »Sie würden meine Wenigkeit zu tiefst beglücken und ehren«, entgeg nete der Butler, der während der Un terhaltung immer wieder zum Wohn mobil blickte, »darf man darauf ver weisen, Sir, daß das Zeichen gerade erfolgte?« »Okay, Parker, das ist Ihr Spiel.« Rander schob sich wieder ein wenig hoch und bemerkte neben dem Wohn mobil einen Campingfreund der gera de einen Liegestuhl umständlich zu sammensetzte. Das also war einer von Horace Picketts Freunden, der sich an das Wohnmobil herangearbeitet hatte. Josuah Parker legte die Plastikkap
sel in die Lederschlaufe seiner Patent waffe, visierte das Wohnmobil kurz an und gab das Geschoß dann frei für sei ne Luftreise. Es schoß davon, passier te das Fenster und landete im Wohn mobil. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die beiden Insassen dieses Wohnmobils sich belästigt fühlten. Der Butler legte bereits eine hart ge brannte Tonmurmel in die Leder schlaufe der Gabelschleuder und war tete darauf, etwaige Ausbruchversu che im Keim zu ersticken. Der Campingfreund hatte übrigens längst die Arbeit an seinem Liegestuhl aufgegeben und war hinter dem Wohnmobil verschwunden. Er blok kierte die Seitentür und hinderte die beiden Insassen daran, die Flucht zu ergreifen. Ihr bellendes Husten war bereits laut und deutlich zu vernehmen. Die wasserklare Flüssigkeit in der Glas ampulle hatte sich mit dem Sauerstoff in der Luft getroffen und war eine aus gesprochen heftige Verbindung einge gangen. Dann erschien bereits der erste Wohnmobil-Insasse am geöffneten Seitenfenster. Hustend und nach Luft schnappend drängte er durch das Fen ster und wollte an die frische Luft. Parker verschoß umgehend eine Ton murmel und veranlaßte den Mann auf diese Art, von seinem Versuch Ab stand zu nehmen. Der Getroffene rutschte haltlos in das Wohnmobil zu rück. Der zweite Insasse versuchte sein Glück vorn an der Wagentür. Er drückte sie auf und schob sich nach draußen. Doch eine zweite Tonmur mel stoppte auch diesen Versuch. Der Mann sackte in sich zusammen und fiel zurück auf den Beifahrersitz des Fahrerhauses. »Einer Durchsuchung des Wohnmo bils dürfte ab sofort nichts mehr im Weg stehen«, sagte Parker nach den beiden Schüssen, »man sollte davon ausgehen, daß man Schußwaffen fin den wird.«
»Schön, steigen wir über den Draht zaun«, meinte Rander. »Solch eine gymnastische Übung, Sir, wird sich mit Sicherheit vermei den lassen«, prophezeite Josuah Par ker, »die beiden Herren aus dem Wohnmobil dürften den Drahtzaun bereits entsprechend angeschnitten haben, um den Campingplatz ganz nach Belieben betreten und verlassen zu können.« Parker hatte sich nicht geirrt. Als er und Mike Rander den soliden Zaun aus Maschendraht erreichten, entdeckte der Anwalt, daß neben ei nem Pfosten der Maschendraht be reits aufgeschnitten worden war. Er wurde nur von einigen Drahtschlau fen in Spannung gehalten. Josuah Parker brauchte nur wenige Augen blicke, um den Durchschlupf zu öff nen, trat dann höflich zur Seite, lüftete die schwarze Melone und ließ Mike Rander vorgehen. Parkers Höflichkeit war einfach nicht zu übertreffen.
»Was machen Sie denn hier?« fragte Elsie Fowler aggressiv und blickte Jo suah Parker an, der gerade auf der Farm erschienen war. »Es handelt sich um einen gezielten Besuch, Mrs. Fowler«, erwiderte der Butler, »erfreulicherweise befinden Sie sich noch in einem körperlichen Zustand, den man als gut bezeichnen kann.« »Wieso soll's mir denn nicht gut ge hen?« fragte Sallys Mutter. »Haben Sie uns nachspioniert?« »Ihre Fahrt hierher nach Chigwell wurde in der Tat diskret überwacht«, antwortete der Butler, »darf man dar an erinnern, daß es da einige Gangster gibt, die sich vor allen Dingen für Ihre Tochter Sally interessieren?« »Ach was, das bilden Sie sich doch nur ein«, fuhr Elsie Fowler den Butler an, »wir können schon allein auf uns aufpassen. Verschwinden Sie! Wir 55
wollen nichts mit Ihnen zu tun haben.« »Sie rechnen mit einem privaten Ge schäft, Mrs. Fowler?« »Wie kommen Sie denn darauf?« Sie sah ihn unsicher an und war ausge sprochen erleichtert, als ihr Mann John aus der Scheune trat, stutzte und dann eilig auf sie zukam. »Verdammt, was suchen Sie hier?« fauchte John Fowler den Butler an. »Können Sie uns nicht in Ruhe lassen?« »Das ließe sich selbstverständlich einrichten«, meinte Parker, »wenn da nicht Ihre Tochter Sally wäre, deren Leben sich in akuter Gefahr befindet.« »Was reden Sie da für einen Blöd sinn?« brauste John Fowler auf und ballte die Fäuste. »Scheren Sie sich doch zum Teufel, Mann!« »Obwohl verschiedentlich auf Ihre Tochter Sally geschossen wurde?« »Das stimmt doch überhaupt nicht.« John Fowler schien unsicher. »In Ihrer Wohnung in London fand sich ein noch frisch abgefeuertes Ge schoß«, erinnerte der Butler, »Sie ge hen davon aus, sich mit den Falsch gelddruckern arrangieren zu können? Hat man Ihnen möglicherweise ein er kleckliches Schweigegeld ange boten?« »Schmeiß ihn doch endlich raus«, forderte Elsie Fowler von ihrem Mann. »Meine Wenigkeit scheint den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf getroffen zu haben«, stellte Josuah Parker höflich fest. »Jetzt platzt mir aber endgültig der Kragen.« John Fowler wandte sich um und griff nach einer Heugabel. Er fiel damit in Richtung Parker aus und schien die feste Absicht zu haben, sei nen Gegner niederzustechen. Der Butler sah sich gezwungen, den Angriff abzuwehren, benutzte dazu seinen Universal-Regenschirm, den er geschickt in die Luft warf, und ihn da zu brachte, sich waagrecht wieder zu senken. Dann langte Parker mit sei 56
nen schwarz behandschuhten Händen zu und erfaßte den Schirmstock am oberen und unteren Ende. Aus dem Regendach wurde so ein Kendostock, den Parker ungemein kraftvoll und geschickt zu handhaben verstand. Er blockte den Ausfall von John Fowler ab, prellte ihm die Heugabel aus den Händen und trieb den Mann dann zurück gegen die Wand der Scheune. John Fowler wußte nicht, wie ihm geschah. Er sah sich einem verwirrenden Wir bel von Stockschlägen ausgesetzt, ließ die Fäuste sinken und war nach weni gen Augenblicken bereits am Ende. Er hob aufgabebereit die Hände und blickte Parker aus schreckgeweiteten Augen an. »Falls meine Wenigkeit ein wenig zu temperamentvoll gewesen sein sollte, bitte ich das entschuldigen zu wol len«, sagte Josuah Parker und legte den Bambusgriff seines Schirmes wie der über den angewinkelten linken Unterarm, »aber Sie sollten begreifen, daß Sie mit dem Feuer spielen, was ein wohl geplantes Geschäft mit den Falschgelddruckern betrifft.« Elsie Fowler blickte den Butler an, als habe sie ihn gerade erst zum ersten Mal gesehen. Sie schien tief beein druckt zu sein. »Warum mischen Sie sich ein?« fragte sie schließlich. »Wegen Ihrer Tochter Sally, Mrs. Fowler«, wiederholte der Butler noch mal, »und in diesem Zusammenhang möchte meine Wenigkeit darauf ver weisen, daß nach Lage der Dinge be reits ein sogenannter Killer auf dem Weg nach Chigwell ist, um aus der Sicht der Banknotenfälscher für klare Verhältnisse zu sorgen.« »Ein.... Killer?« fragte John Fowler. »Der gängige Ausdruck für einen Berufsmörder«, entgegnete Josuah Parker, »Sie sollten sich also nicht der vagen Illusion hingeben, mit den Falschgelddruckern ein Geschäft ma chen zu können. Es würde mehr als
nur einseitig sein und Ihren gemeinsa men Tod bedeuten.« Während Parker diese Warnung aus sprach, sah er für einen Augenblick Sally Fowler. Die Zehnjährige, die we sentlich älter wirkte, verschwand so fort wieder hinter dem angelehnten Scheunentor.
John und Elsie Fowler riefen nach ihr, doch sie antwortete nicht. Parker betrat die Scheune und orientierte sich. Links und rechts von der Tenne gab es Abteilungen für Pferde und Kü he, doch sie waren leer und mit Gerüm pel aller Art vollgestopft. Zwei an die Wand genagelte Holzleitern führten auf zwei Zwischenböden, wo altes Stroh und Heu lagerte. In der Scheune herrschte Halbdunkelheit. »Miß Sally«, rief Parker höflich, »es wäre vielleicht recht nützlich, wenn man sich mal gründlich unterhalten würde.« Sie antwortete nicht. Danach rief El sie Fowler nach ihrer Tochter, doch Sally blieb stumm. »Verdammt, meld dich gefälligst«, schaltete sich John Fowler wütend ein, »komm sofort, oder es setzt was...« »Sie sollten auf Drohungen jeglicher Art tunlichst verzichten«, schlug Josu ah Parker Sallys Vater vor, »Sie sollten Sally jedoch klarmachen, daß man sie umbringen will.« »Sally, nun komm doch endlich...« Elsie Fowler versuchte es wieder, doch Sally rührte sich nicht. Parker bat daraufhin die Eltern Fowler, die Scheune zu verlassen. Widerstrebend verließen sie den dunklen Holzbau. »Wir haben nicht mehr viel Zeit, Miß Sally«, sagte Parker mit normaler Lautstärke in die halb dunkle Atmo sphäre hinein, »möglicherweise befin det sich der Mörder bereits in Chigwell und ist auf dem Weg hierher. Ich fürch te, er wird keine Fragen mehr stellen.« Sally Fowler rührte sich immer noch nicht.
»Er wird wissen wollen, wo sich die Dinge befinden, die aus dem Leder sack stammen«, redete Josuah Parker geduldig weiter, »und wenn er nicht sofort eine Antwort bekommt, wird er Gewalt anwenden.« Sally Fowler schien das alles nichts auszumachen. Sie gab keine Antwort. Unter einem Killer oder unter Gewalt schien die Zehnjährige sich wohl doch nichts vorstellen zu, können. Mög licherweise hielt sie das alles für ein spannendes Spiel. »Er wird Ihnen die Haare abschnei den«, warnte Parker, der plötzlich an das lange Haar der Sally dachte und davon ausging, daß sie sich davon wohl kaum trennen wollte, »er wird jedes einzelne Haar abrasieren. Und die Freundinnen werden mit Fingern auf Sie zeigen, Miß Sally.« Zuerst blieb alles still wie bisher, doch dann rieselten Strohhalme nach unten in die Tenne. Sally schien beein druckt zu sein. »Es wird fast ein Jahr dauern, bis das Haar wieder in etwa nachwächst«, sag te Parker, »ein Jahr, Miß Sally. Wäh rend dieser Zeit werden die Freundin nen mit Fingern auf Sie zeigen und Sie auslachen. So grausam können Killer sein.« Damit war das Eis gebrochen, wie sich umgehend zeigte. »Is' das wahr?« fragte sie halblaut zurück. »Das Nachwachsen kann unter Um ständen noch länger dauern.« »Ich will aber keine Glatze haben. »Dagegen könnte man etwas tun, Miß Sally«, schlug Josuah Parker vor, »man sollte den Leuten das zurückge ben, was sie haben wollen.« »Ich hab' aber nichts«, erklärte Sally Fowler. »Was will man dann von Ihnen, Miß Sally?« »Weiß ich nicht«, lautete die trotzige Antwort. »Man sollte sich vielleicht in aller Ruhe unterhalten«, schlug der Butler vor. Sally blieb einen Moment ruhig, 57
zeigte sich dann auf einem der Zwi zurück, »un' dann soll ich auch noch schenböden und kam flink die Leiter einen Walkman bekommen un' Kas herunter. Parker war erneut erstaunt setten. Ich kann mir aussuchen, was darüber, wie hoch aufgeschossen und ich will.« »Und wer hat Ihnen das alles ver schlaksig Sally war. Sie blieb ein paar Meter vor dem sprochen?« fragte Parker. »Der Mann, der die Briefmarken Butler stehen und schaute ihn abwar verloren hat. Ja, so war das.« tend an. »Du hast ihn angerufen, Sally?« Par »Mann, siehst du aber komisch aus«, ker gab die etwas steife Anrede auf. stellte sie dann fest. »Hab' ich«, sagte sie, »das hat mein »Jeder Beruf hat seine spezielle Kleidung«, erwiderte der Butler, »wol Daddy so gesagt un...« »Stop, Sally«, war in diesem Mo len wir uns jetzt über den Ledersack ment die Stimme John Fowlers zu hö unterhalten? « »Ich hab' bestimmt nichts rausge ren. Parker wandte sich halb um und blickte in die beiden Öffnungen eines nommen«, erklärte sie fast trotzig. »Dann lag etwas neben diesem Le Schrotgewehres. John Fowler hielt dersack«, gab Josuah Parker zurück, die Schußwaffe in Händen und mach »einer der Männer wird etwas verloren te einen finster-entschlossenen Ein druck. haben.« »Okay, Parker, jetzt wissen Sie, was »Kann schon sein.« Sie nickte zö läuft«, sagte John Fowler, »und wir gernd. »Und was ist es, Sally?« forschte lassen uns unsere Chance nicht neh Parker geduldig weiter.. »War es viel men, ist das klar?« »Schieß ihn doch nieder«, blaffte leicht eine Brieftasche? War es ein Schlüsselbund? Waren es vielleicht Elsie Fowler dazwischen. Sie erschien seitlich hinter ihrem Mann, »er ver zwei Platten aus Metall?« »Woher wissen Sie das alles? fragte masselt uns das ganze Geschäft.« »Halt die Klappe, Elsie«, fauchte Sally interessiert. »Es muß sich um einen gefährlichen John Fowler gereizt, »ich schieß' nur, Gegenstand handeln, sonst würde wenn's sich nicht anders machen läßt. man Ihnen nicht das Haar abschnei Hören Sie, Parker, keine falsche Be wegung, sonst leg' ich Sie um!« den wollen, Miß Sally.« »Ich fürchte, Sie überschätzen sich, »Das ganze Haar?« Sie griff unwill kürlich mit der linken Hand in die was den Killer der Falschdrucker be trifft«, warnte Josuah Parker. Haarfülle. »Bis auf den letzten Rest«, sagte Jo »Ich kann schließlich auch schie suah Parker. ßen«, meinte John Fowler, »Sie wer »Zwei Platten waren das nicht«, er den jetzt runter in den Kartoffelkeller widerte sie, »und auch keine Briefta steigen. Is' das klar?« sche. Un' auch kein Schlüssel.« »Ihre momentanen Argumente sind »Aber Sie wissen es, Miß Sally, nicht durchaus überzeugend«, stellte der wahr?« Butler fest. »Ja, ich weiß das«, gab sie zurück, »Sie kommen wieder raus, sobald »das waren Briefmarken.« wir unseren Schnitt gemacht haben«, »Könnte man sie sehen?« Parker redete John Fowler weiter, »wenn Sie fragte behutsam, um die Zehnjährige keinen Ärger machen, wird Ihnen nicht zu verprellen. »Falls sie von Wert überhaupt nichts passieren.« sind, wird man Ihnen dafür etwas zah »Wo, bitte, befindet sich der erwähn len, Miß Sally.« te Kartoffelkeller?« erkundigte sich »Ich soll dafür Jeans bekommen Parker. Er sah die wilde Entschlossen und ein paar T-Shirts«, gab sie eifrig heit in John Fowlers Gesicht und hü 58
tete sich, eine falsche Bewegung zu machen. Vorerst wollte er nicht provo zieren. »Am Ende der Tenne«, rief Elsie Fowler, »ziehen Sie die Falltür auf. Und dann runter mit Ihnen.« »Ihr Wunsch kann mir im Augen blick nur Befehl sein«, kommentierte der Butler den Hinweis und setzte sich gemessen in Bewegung.
Parker hörte nach wenigen Schrit ten hinter sich einen unterdrückten Aufschrei, danach hysterisches Krei schen. Langsam wandte Parker sich um und lüftete dazu seine schwarze Melone. »Seien Sie meines herzlichen Dan kes versichert, Sir«, sagte der Butler dann zu Mike Rander, der neben dem bereits auf dem harten Lehmboden der Tenne liegenden John Fowlers stand. »Macht ja nichts«, gab der Anwalt zurück und wich dann Elsie Fowlers Fingernägeln aus. Sie schrie nach wie vor und schien von Sinnen zu sein. Parker hob das Schrotgewehr auf und entlud es sicherheitshalber. Dann blickte er auf Sally Fowler, die die Szene erstaunlich gelassen beobach tete. »Wir unterhielten uns über die Briefmarken, Sally«, sagte Parker, »ich möchte sie sehen. Und noch et was, selbstverständlich wirst du auch von Mr. Rander dort Jeans, T-Shirts und auch einen Walkman be kommen.« »Un' Kassetten«, fügte Sally hinzu. »Natürlich auch viele Kassetten«, versicherte der Butler. »Du sagst gar nichts, Sally«, fauchte Elsie Fowler ihre Tochter an. »Tu' ich aber doch«, gab Sally patzig zurück, »von euch krieg' ich ja doch wieder nix.« »Du hältst augenblicklich den Schnabel, Sally«, brüllte Elsie Fowler aufgebracht.
»Tu' ich nich«, erwiderte Sally mun ter und wandte sich an den Butler, »ich krieg' die Jeans un' das alles?« »Mein Ehrenwort, Sally«, versprach Josuah Parker. »Und zusätzlich wirst du noch einen großen Radio-Rekorder bekommen«, schaltete Mike Rander sich ein. »Un' auch 'nen Fernsehapparat?« Sallys Augen glühten. »Auch den wirst du bekommen, mein Wort darauf, Sally.« »Die Briefmarken sin' drüben bei den Mitchums«, sagte sie, »Daddy hat sie da versteckt.« »Ich bring' dich um, du kleines Biest«, kreischte Elsie Fowler. »Sie sollten sich tunlichst einer an deren Tonart befleißigen«, schlug Par ker Sallys Mutter vor, »Ihr aufgeweck tes Kind könnte sonst womöglich noch seelischen Schaden nehmen.« »Und wo finden wir die Mitchums?« Mike Rander beugte sich zu Sally hin unter. »Da arbeiten meine Großeltern«, er widerte Sally plötzlich in einem Ton, den man sonst an ihr nicht kannte. Sie schaute den jungen Anwalt bewun dernd an. »Und wo ist das, Sally?« Rander lä chelte und nutzte seinen Vorteil. Ihm war nicht entgangen, daß sie ihn an schwärmte. »Drüben am Wald«, erklärte Sally, »aber die Mitchums sind verreist. Die kommen erst am Sonntag zurück.« »Das macht doch nichts«, entgegne te Mike Rander, »und wo im Haus bei den Mitchums sind die Briefmarken?« »Ich hab' genau gehört, als mein Daddy das gesagt hat«, schickte sie voraus und kicherte unvermittelt, »die Briefmarken sind im Putzraum, weil Mrs. Mitchum da noch nie einen Blick reingetan hat.« »Ich werde zusammen mit dir ein kaufen«, versprach Mike Rander, »und dann hast du noch einen Wunsch frei. Das ist versprochen.« »Ich hätte gern noch einen Video 59
mehr als ein Blasrohr. Durch den hoh len Schirmstock konnte Parker bunt gefiederte Pfeile verschießen, die etwa so groß und so lang waren, wie ge wöhnliche Stricknadeln. Um die Ge schwindigkeit dieser Blasrohrpfeile zu erhöhen, um größere Entfernungen zu überbrücken, benutzte Parker als Antriebsmittel komprimierte Kohlen säure, die sich in einem drucksicheren Stahlzylinder oben im Schaft des Re genschirmes befand. Bruce Walker, der Killer der Falsch gelddrucker, war inzwischen näher herangekommen, sicherte gerade wie der und verschwand für einen Mo ment im unübersichtlichen Gelände. Parker schätzte die Entfernung ab und wartete noch. Sein erster Pfeil sollte bereits das Ziel treffen. War dies geschehen, brauchte er sich um den Getroffenen kaum noch weiter zu kümmern. Die Spitze seiner bunt ge fiederten Pfeile war mit einem chemi schen Präparat versehen, das für eine allgemeine Erschlaffung der Muskeln sorgte, ohne jedoch nachhaltige ge sundheitliche Schäden zu verursa chen. Bruce Walker tauchte wieder auf und beobachtete intensiv die Rücksei te der Scheune. War er mißtrauisch ge worden? War ihm etwas Verdächtiges aufgefallen? Er erinnerte jetzt an eine große Raubkatze. In angespannter Katzenhaft-lässig pirschte Bruce Aufmerksamkeit verhielt er und Walker sich an die Scheune heran. Er schien fast so etwas wie Witterung auf nahm sich viel Zeit, sicherte immer zunehmen. wieder wie eine wachsame Raubkatze, In diesem Augenblick schickte Jo tauchte dann im Gesträuch unter und suah Parker seinen Pfeil auf die Reise. näherte sich konsequent seinem Ziel. Unhörbar jagte dieses seltsame Ge Er fühlte sich unbeobachtet und setzte schoß durch die Luft und landete ziel auf seine große Erfahrung. sicher im linken Oberschenkel des Josuah Parker hatte die Scheune Killers. verlassen und sich neben einer Regen-. Bruce Walker zuckte wie unter ei tonne aufgebaut, die hinter einer aus nem elektrischen Schlag zusammen, gedienten Dreschmaschine stand. Der blickte dann auf den Pfeil in seinem Butler hatte seinen Universal-Regen Oberschenkel und nahm den Kopf wie schirm schußbereit gemacht und war angeekelt zurück. Ein Killer wie er, tete auf den rechten Moment. Noch der bedenkenlos schoß und tötete, war Bruce Walker zu weit entfernt. hatte solch ein Geschoß mit Sicher Der Schirm war nun nichts anderes heit noch nie gesehen. Nur zögernd Rekorder«, lautete Sallys spontane Antwort. »Er gehört bereits dir, Sally.« Elsie Fowler, die ein wenig Ruhe ge geben hatte, wurde wieder laut. Sie drohte erneut, Sally umzubringen, nannte sie einen Balg und verfluchte den Tag ihrer Geburt. Parker wollte garade zu diesen wort reichen Ausfällen Stellung nahmen, als Horace Pickett erschien. Er war zu sammen mit Mike Rander zu den Fow lers gefahren, zeigte sich aber erst jetzt. Er hatte die Aufgabe gehabt, den Zufahrtsweg zur Farm zu überwa chen. »Ich glaube, es ist soweit«, sagte er, »da kommt ein Mann am Bach ent lang. Ich denke, es ist Walker. Mein Freund hat ihn eben ausgemacht und mir ein Signal gegeben.« »Würden Sie meine Wenigkeit für einige Minuten entschuldigen?« fragte Parker den Anwalt, »man sollte den Killer tunlichst umgehend wirkungs unfähig machen.« »Brauchen Sie mich, Parker?« frag te der Anwalt. »Keineswegs und mitnichten, Sir«, lautete des Butlers Antwort, »es dürfte sich nach Lage der Dinge um eine Ba gatelle handeln.«
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faßte er schließlich nach dem Pfeil und riß ihn aus dem Oberschenkel. Erst nach dieser Reaktion ging er wieder in Deckung, doch er hatte ein fach nicht die Nerven, liegen zu blei ben. Es trieb ihn wieder hoch. Bruce Walker blickte wie gehetzt nach allen Seiten, riß dann seine schallgedämpf te Waffe aus der Schulterhalfter und schoß sinnlos herum. Als die Waffe leer war, warf er sie einfach weg und rannte zurück in Richtung Bachlauf. Weit kam er jedoch nicht. Mitten im Lauf stolperte er plötz lich, fiel nieder, raffte sich wieder auf, rannte weiter und schlug erneut hin. Er hatte den Bach noch nicht ganz er reicht, als er endgültig liegen blieb. Josuah Parker löste sich aus seinem Versteck, schritt gemessen zum nahen Wasser hinunter und näherte sich dem Killer. Bruce Walker lag auf dem Rük ken, hatte die Augen weit geöffnet und atmete flach und hastig. Als er den Butler sah, ging ein Zucken durch seinen Körper. »Sie sollten sich nicht unnötig echauffieren«, meinte der Butler in seiner höflichen Art, »Sie beschleuni gen damit nur das Gift in Ihrem Kreis lauf, Mr. Walker.« »Gift?« fragte der Killer mit heiserer Stimme. »So sollte man durchaus sagen, Mr. Walker. Sie haben Ihre Chance offen sichtlich nicht genutzt, als Sie die Freiheit wieder erlangten.« »Gift?« fragte Walker gedehnt. »Für jeden schlägt mal die Stunde, wie der Volksmund so trefflich zu sa gen pflegt«, antwortete Josuah Parker. »Holen Sie . .. Holen Sie einen Arzt. Schnell!« »Waren Sie nicht gekommen, um unter anderem auch meine Wenigkeit in das sprichwörtliche Jenseits zu schicken?« »Holen Sie einen Arzt«, keuchte Walker, »ich spür' das Gift bereits.« »Eine Freundlichkeit ist der ande ren wert«, meinte der Butler, »wo, bit
te, befinden sich die Herren Steffen, Mills und Gellert? Meine Wenigkeit geht davon aus, daß auch sie hierher nach Chigwell gekommen sind.« »Die wollen Buttons fertigmachen«, flüsterte Walker und nickte schwach, »schnell, ich brauch' einen Arzt.« »Und wo soll dieses mörderische Stelldichein stattfinden?« lautete Par kers gemessene Frage. »Hinter dem Campingplatz, auf 'nem Landsitz«, flüsterte Bruce Wal ker mit versagender Stimme, »ver dammt, ich brauch' 'nen Arzt, ich schramm' ab.« »Sie sollten nichts übereilen, Mr. Walker«, erwiderte Parker höflich, »es warten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch einige Jahre Gefängnis auf Sie. Solch ein Erlebnis sollten Sie sich auf keinen Fall entge hen lassen.«
Es war wieder mal frappierend, mit welcher Leichtigkeit Parker sich über die Dächer bewegte. Er hatte zuerst eine Remise hinter sich gebracht, war auf einen Anbau des Landsitzes übergestiegen und be fand sich nun auf dem Dach des Haupthauses, das mit Schornsteinen, Giebeln und kleinen Ziererkern ge spickt war. Parker nahm diesen unge wöhnlichen Weg, um unnötiges Blut vergießen zu vermeiden. Im Haupthaus befanden sich laut Bruce Walker der Gerüstbauer Stef fen, der Briefmarkenhändler Mills und schließlich auch Gellert, der in Sachen Altpapier tätig war. Auf einer Terrasse hinter dem Haus standen zwei Männer mit Gewehren, die den weitläufigen Garten überwachten. Auf der Vorderseite des kleinen Landsit zes hielten ebenfalls zwei Männer Wa che. Sie alle waren von den drei Filiali sten der illegalen Buchmacher-Orga nisation mitgebracht worden. Man wollte unter sich sein. Ob Bryan Buttons sich bereits im 61
Haus aufhielt, wußte der Butler nicht, doch dies war für ihn im Augenblick auch nicht so wichtig. Es galt, die drei Gangster auszuschalten. Josuah Parker hatte sich vorsichtig an den Landsitz herangepirscht und dabei die Qualitäten eines erfahrenen Rangers gezeigt. Keiner der Männer vor und hinter dem Haus hatte etwas gemerkt. Sie waren ahnungslos, als der Butler oben auf dem Dach er schien und nach einem Nylonnetz langte, das er sich umgehängt hatte. In diesem kleinen Netz befand sich ein völlig normal aussehender Ball, wie ihn Kinder zum Spielen benutzen. Dieser Ball war bunt bedruckt und sah völlig harmlos aus, doch er hatte es in sich. Er stammte aus dem Besitz von Sal ly Fowler und war von Josuah Parker entsprechend präpariert worden. Der Butler hatte den Ball ausgiebig perfo riert und aufgebohrt. Im Inneren be fanden sich einige Plastikkapseln, die ihrerseits wieder die bereits bekann ten Glasampullen enthielten. Parker nutzte die Konstruktion der englischen Kaminessen, die Geräu sche im Haus sammelten, verstärkten und dann hinauftrugen. Dies war auch hier der Fall. Gemessen und ohne jede Eile suchte Parker nach der passen den Esse, bis er endlich Stimmen ver nahm, die aus der Tiefe des kleinen Landsitzes kamen. Einzelne Worte konnte er natürlich nicht verstehen, doch er bekam durchaus mit, daß eini ge Männer sich angeregt unterhielten. Als dann sogar noch unterdrückte Schreie zu vernehmen waren, war dem Butler völlig klar, daß man sich mit einem gewissen Bryan Buttons befaßte. Für den Butler war das das Zeichen, den Spielball ins Rollen zu bringen. Er knetete den Ball ausgiebig durch, bis sämtliche Glasampullen zerbrochen waren. Dann schob er den Ball durch eine Öffnung des Windabweisers und ließ ihn nach unten fallen. Dabei zeigte sich, daß dieser Spiel 62
ball so etwas wie eine Lunte aufwies, die von Parker sicherheitshalber ge zündet worden war. Sie hatte selbst verständlich überhaupt nichts zu be deuten, doch sie sollte, wenn der Ball unten im Kamin auftraf, für eine ge wisse Panik sorgen. Parker konnte sich kaum vorstellen, daß einer der Gangster die Nerven aufbrachte, nach dem Ball zu langen und ihn aus dem Raum zu werfen. Der Ball landete unten in der Esse und kollerte in den Raum, wie deut lich zu vernehmen war. Danach gab es Rufe, Schreie, war ein erstes allgemei nes Husten zu vernehmen und das ha stige Laufen und Rennen einiger Per sonen. Josuah Parker war bereit, die hin ausstürmenden Männer auf seine sehr persönliche Art zu empfangen. Er hat te die Gabelschleuder schußbereit ge macht und wartete darauf, einige Ton murmeln zu verschießen. Seine Rech nung ging glatt auf. Die Herren Steffen, Mills und Gel ert erschienen auf der Terrasse und machten einen völlig konsternierten Eindruck. Bevor sie sich aber gedank lich austauschen konnten, sandte Par ker die erste Tonmurmel hinunter auf die Terrasse. Alles Weitere war dann fast nur noch Routine. In schneller Folge sorgte Josuah Parker dafür, daß die Gangster sich auf der Terrasse niederlegten und erst mal abschalteten. Angelockt durch seltsame Geräusche erschienen die beiden Männer, die vor dem Haus Wa che gehalten hatten. Sie blickten leicht verstört auf die auf den Stein platten liegenden Männer und beeil ten sich anschließend, neben ihnen auch noch Platz zu nehmen. Parker konnte mit seiner Strecke mehr als zu frieden sein.
»Was war also mit diesen Briefmar ken?« fragte Agatha Simpson leicht
gereizt. Sie ärgerte sich darüber, daß dieser Fall ohne ihr Zutun abgeschlos sen worden war. »Die Briefmarken waren sogenannte Massenware«, beantwortete Parker die Frage. Er und Mike Rander befanden sich im Haus der älteren Dame in She pherd's Market und hatten den ChiefSuperintendent mitgebracht. »Völlig wertlose Marken, wie?« warf McWarden ein. »An sich durchaus, Sir«, redete Par ker weiter, »aber in diesem Päckchen befand sich der Schlüssel zu einem Schließfach am Paddington-Bahnhof. Wie man inzwischen weiß, befindet sich in ihm ein zweiter Ledersack mit falschen Banknoten.« »Und das erfahre ich erst jetzt?« fuhr McWarden auf. »Wir haben ja den Schlüssel«, beru higte Mike Rander ihn lächelnd, »Sie können das Zeug gleich abholen. Die Fowlers versuchten, ein Privatgeschäft daraus zu machen, doch das sollten Sie schleunigst wieder vergessen, McWar den, man muß auch mal etwas überhö ren können.« »Und diese kleine Fowler fand das Briefmarkenpäckchen?« erkundigte sich Kathy Porter. »Es lag laut Sally neben dem Leder sack auf dem Baugrundstück«, bestä tigte Mike Rander, »sie steckte es ein. Als ihr Vater es näher untersuchte und dann den Schlüssel fand, wurde er hell hörig. Er hatte natürlich ebenfalls mit bekommen, daß die Kinder Falschgeld gefunden hatten. Er rief Mills anonym an und wollte das Geschäft seines Le bens machen. Beinahe hätte es seiner Familie das Leben gekostet.« »Und wer ist nun der Fälscher? « frag te Agatha Simpson, die nach wie vor gereizt war. Sie sah den Butler vernich tend an. »Der Briefmarkenhändler Mills«, entgegnete Josuah Parker, »Und Mr. Gellert besorgte das entsprechende Pa pier, wie Mylady es voraussagten.« »Für mich war dieser Fall bereits erle digt«, sagte sie und entspannte sich.
»Meine Wenigkeit erledigte nur noch unwichtige Details«, meinte Josuah Parker. »Das kann man wohl sagen.« Sie ent spannte sich noch intensiver und lä chelte bereits andeutungsweise. »Und was ist mit diesem Lümmel aus Liver pool, oder woher auch immer er stam men mag?« »Mr. Bryan Buttons«, sagte der But ler, »er wurde, was die illegale Buchma cher-Organisation betrifft, gegen einen gewissen Burt Steel ausgetauscht und hatte wirklich keine Ahnung, daß Falschgeld im Spiel war. Steffen, Mills und Gellert wollten es tatsächlich über ihre Filialen in die Öffentlichkeit ein schleusen. Er sollte, um auch dieses Kapitel abzuschließen, Mylady, von seinen drei Filialisten in Chigwell um gebracht werden.« »Und warum?« Sie nickte, als wüßte sie bereits Bescheid. »Buttons hätte sich an den Kopf der Organisation wenden können«, erläu terte der Butler, »Mylady wissen selbst verständlich, daß die illegale Buchma cherei sich selbstverständlich in Hän den der hiesigen Mafia befindet.« »Selbstverständlich.« Sie hatte sich endgültig wieder beruhigt und verzieh: »Ich sollte mich mit dieser Organisation mal befassen, Mr. Parker. Erinnern Sie mich daran.« »Sehr wohl, Mylady«, gab Josuah Parker zurück, »Mr. Buttons wird den Behörden gegenüber wahrscheinlich einige wichtige Angaben machen kön nen. Er s t e h t noch unter einem Schock.« »Demnach kann ich also die Akten schließen«, stellte die ältere Dame fest. »Mylady haben den Fall wieder mal meisterlich gelöst, wenn meine Wenig keit sich diese Bemerkung erlauben darf.« »Sie dürfen«, sagte sie, »und was ist nun mit diesem kleinen Mädchen?« »Sally Fowler erwartet einige Ge schenke, Mylady.« »Und welche? « Sie runzelte die Stirn. »Nur Kleinigkeiten«, schaltete Mike 63
Rander sich ein, »ein paar Jeans, eini ge T-Shirts, einen Walkman, Kasset ten, einen Fernsehapparat und einen Video-Rekorder.« »Guter Gott.« Lady Agatha brach förmlich in sich zusammen. »Und das alles, weil sie die Briefmarken mit die sem Schlüssel herausgerückt hat?« »Meine Wenigkeit sagte dies zu, My lady.« »Ach ja?« Sie lächelte plötzlich bos haft. Ihre Augen funkelten. »Dann sollten Sie auch alles bezahlen, Mr. Parker! Eine kleine Schachtel Bon bons oder Pralinen hätte es auch ge tan, oder?« Lady Agatha erhob sich, blickte ih ren Butler triumphiernd an und
brachte ihre majestätische Fülle hin über zur Treppe, um in ihr Studio zu gehen. »Ich will kein Unmensch sein«, sag te sie, als sie die Hälfte der Treppe hin ter sich hatte, »ich werde mich an den Kosten angemessen beteiligen, Mr. Parker.« »Mylady sind zu g ü t i g « , erwiderte Parker. »Ich werde ihr eine Märchenkasset te kaufen«, entschied die vom Geiz überwältigte Hausherrin, »sie muß ja nicht gerade teuer sein.« »Myladys Großzügigkeit sprengen wieder mal alle bekannten Grenzen«, wußte Butler Parker darauf nur noch zu sagen.
ENDE
ex libris KAPTAIN STELZBEIN
Januar 1986
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